Judith Kerschbaumer Das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung und die Deutsche Einheit
Judith Kerschbaumer
Das R...
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Judith Kerschbaumer Das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung und die Deutsche Einheit
Judith Kerschbaumer
Das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung und die Deutsche Einheit
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Der Druck erfolgte mit freundlicher Unterstützung der Hans-Böckler-Stiftung.
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Frank Schindler | Verena Metzger VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-18178-3
Vorwort
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Vorwort
Mehr als zwanzig Jahre nach Mauerfall und Wiedervereinigung ist die deutsche Einheit in der gesetzlichen Rentenversicherung noch immer nicht vollendet, denn nach wie vor sind bei einer Beschäftigung in den neuen Bundesländern sowohl beitragsrechtliche als auch rentenrechtliche Sonderregelungen zu beachten. Dies ist Grund genug, die bisherigen Schritte zur Vereinheitlichung des Rentenrechts kritisch zu analysieren und insbesondere der Frage nachzugehen, ob und gegebenenfalls welche gesetzgeberischen Nachbesserungen zur Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse im gesamten Bundesgebiet erforderlich sind. Denn im Prozess der deutschen Wiedervereinigung war und ist die Vereinheitlichung der gesetzlichen Rentenversicherung eine der zentralen Aufgaben der Sozialpolitik. Dabei zeichnete sich bereits in den ersten Monaten des Jahres 1990 in den Verhandlungen der beiden deutschen Staaten zur Schaffung einer Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion ab, dass eine Vereinheitlichung auf der Grundlage des bundesdeutschen Rechts erfolgen sollte, weil das westdeutsche Rentensystem mit Lohndynamik und dem Ziel der Lebensstandardsicherung besser als das weitgehend statische Altersversorgungssystem der DDR geeignet schien, eine freie Marktwirtschaft sozial zu flankieren. Angesichts der unterschiedlichen Rentenniveaus und der Lohnunterschiede in Ost und West war in den seinerzeitigen Gesprächen auch schnell geklärt, dass eine Vereinheitlichung des Rentenrechts nicht in einem Zug, sondern nur in mehreren Schritten und erst nach Ablauf einer längeren Übergangsphase erreicht werden kann. Die schrittweise Vereinheitlichung begann mit Änderungen im Recht der DDR, das zunächst bis zum 31.12.1991 fortgalt. Durch eine noch von der Volkskammer der DDR beschlossene „Rentenangleichung“ wurden die ostdeutschen Renten zum 1.7.1990 1:1 von Mark der DDR auf DM umgestellt und zugleich im Durchschnitt um ca. 30 % angehoben. Zum 1.1.1991 und zum 1.7.1991 erfolgten dann zwei weitere Rentenerhöhungen um jeweils 15 %, was insgesamt dazu geführt hat, dass den Rentnerinnen und Rentnern in den neuen Bundesländern – trotz der zeitgleich gestiegenen Preise – im ersten Jahr nach der Wiedervereinigung ein deutlicher Kaufkraftgewinn ihrer Renten zugute kam. Ein weiterer und besonders bedeutsamer Schritt zur Vereinheitlichung des Rentenrechts erfolgte durch die Rentenüberleitung zum 1.1.1992: Mit dem Sozialgesetzbuch VI wurde in den neuen Bundesländern das gesamte westdeutsche Leistungsspektrum eingeführt und die Grundsätze zur Berechnung und Anpassung der Renten vereinheitlicht; allerdings wurden angesichts des deutlich unter-
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Vorwort
schiedlichen Lohnniveaus in Ost und West für die Übergangszeit bis zur Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse mehrere Sonderregelungen für die Versicherten und Rentnerinnen und Rentnern in den neuen Bundesländern und unterschiedliche Rechengrößen festgelegt, die bis heute einer vollständigen Vereinheitlichung des Rentenrechts entgegenstehen. So werden z. B. Arbeitsverdienste der ostdeutschen Versicherten im Jahr 2011 mit dem Faktor 1,1429 hochgewertet und damit um mehr als 14 % für die Berechnung der Renten angehoben, um sicherzustellen, dass die Ermittlung von Entgeltpunkten-Ost unter Zugrundelegung des ostdeutschen – und nicht des westdeutschen – Durchschnittsentgelts erfolgt. Ein weiteres Beispiel für die bis heute unterschiedlichen Rechengrößen ist der aktuelle Rentenwert-Ost, der im ersten Halbjahr 2011 24,13 € beträgt und damit lediglich 88,7 % des aktuellen Rentenwerts-West erreicht, was dazu führt, dass die monatlich verfügbare Standard-Eckrente in den neuen Bundesländern derzeit ca. 975 € beträgt und damit um ca. 125 € geringer ausfällt als die verfügbare Standard-Eckrente-West. Die Festlegung besonderer Rechengrößen zur Berechnung und Anpassung der Renten in den neuen Bundesländern war rentensystematisch sachgerecht und erschien seinerzeit auch angesichts des Ziels einer baldigen Rentenangleichung für eine Übergangszeit vertretbar, da Politik und Wirtschaftswissenschaft bei der Verabschiedung des Rentenüberleitungsgesetzes übereinstimmend davon ausgingen, dass die Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse in Ost und West nach ca. 5 Jahren und damit spätestens in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre erreicht sein wird. Mehr als 20 Jahre nach der Wiedervereinigung zeigt sich, dass diese Erwartung zu optimistisch war. Zwar ist die Angleichung der aktuellen Rentenwerte in Ost und West in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung – aus heutiger Sicht – gut vorangekommen, seit Mitte der 1990er Jahre ist sie aber wegen der unzureichenden Lohnentwicklung in den neuen Bundesländern weitgehend ins Stocken geraten. Auch wenn nach den Modellrechnungen der Bundesregierung im Rentenversicherungsbericht 2010 in den kommenden Jahren eine weitere Angleichung der aktuellen Rentenwerte zu erwarten ist, bleibt völlig offen, wann die Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse in Ost und West als erreicht angesehen werden kann. Es ist daher zu begrüßen, dass in der Politik verstärkt über die künftige Entwicklung der Rentenangleichung diskutiert wird. In der aktuellen Diskussion über weitere Schritte zur Vereinheitlichung des Rentenrechts geht es zum einen um die grundsätzliche Frage, ob das mit der Rentenüberleitung angestrebte Ziel der Rentenangleichung angesichts der unzureichenden Lohnentwicklung in den neuen Bundesländern überhaupt noch zeitgemäß ist. Zum anderen wird um Einzelfragen zur sog. Hochwertung von Arbeitsverdiensten der ostdeutschen Versicherten und um leistungsrechtliche Ver-
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besserungen für die Rentnerinnen und Rentner in den neuen Bundesländern gestritten. Die Politik ist gefordert, mit ihren Antworten nicht allzu lange zu warten, sondern alsbald Lösungen zu finden, die der auch im Einheitsvertrag verankerten Zielsetzung der Rentenüberleitung gerecht werden: Die Verwirklichung der Rentenangleichung in Ost und West. Um das Angleichungsgebot des Einigungsvertrages wieder mit Leben zu erfüllen, ist es erforderlich, die Rentenangleichung nicht allein den jeweiligen lohnorientierten Rentenanpassungen zu überlassen, sondern durch gesetzgeberische Maßnahmen zu unterstützen. Von dieser Zielsetzung ist das ver.di-Modell geprägt, das von einem Bündnis von Gewerkschaften und Sozialverbänden in die politische Diskussion eingebracht worden ist. Nach dem ver.di-Modell ist die stufenweise Einführung von sog. Angleichungszuschlägen vorgesehen, die als zusätzliche Leistungen die Renten in den neuen Bundesländern spürbar verbessern und sicherstellen, dass die Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse für die Rentnerinnen und Rentner in Ost und West nach Ablauf einer zehnjährigen Übergangsphase als weitgehend erreicht angesehen werden kann. Durch die Zahlung von Angleichungszuschlägen kann das Ziel der Rentenangleichung unabhängig von dem tatsächlichen Aufholprozess bei den ostdeutschen Löhnen erreicht und damit beschleunigt verwirklicht werden. Dies ist trotz rentensystematischer Bedenken unter dem Aspekt gerechtfertigt, dass es – nach wie vor – Aufgabe der Politik ist, die deutsche Einheit auch in der gesetzlichen Rentenversicherung in einem überschaubaren Zeitraum zu vollenden. Dementsprechend sind die mit der Zahlung von Angleichungszuschlägen verbundenen Aufwendungen als Kosten der deutschen Einheit vom Steuerzahler und nicht von den Beitragszahlerinnen und -zahlern der gesetzlichen Rentenversicherung zu tragen. Damit führt das ver.di-Modell zu Leistungsverbesserungen für die Rentnerinnen und Rentner in den neuen Bundesländern, ohne zugleich die Beitragszahlerinnen und -zahler in Ost und West oder die Rentnerinnen und Rentner in den alten Bundesländern zu belasten. Judith Kerschbaumer, Leiterin des Bereichs Sozialpolitik bei der Bundesverwaltung der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft – ver.di, stellt im ersten Teil des vorliegenden Buches zunächst die vor der Wiedervereinigung bestehenden Rentensysteme in Ost und West vor und untersucht sodann die einzelnen gesetzgeberischen Schritte der Rentenüberleitung mit rechtswissenschaftlicher Präzision und sozialpolitischem Augenmaß. Im zweiten Teil des Buches werden „Nachbesserungen“ durch Änderungsgesetze zum Rentenüberleitungsgesetz vorgestellt und wesentliche Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundessozialgerichts analysiert. Besondere Aufmerksamkeit widmet die Autorin der Problematik der Überführung von Ansprüchen aus den Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der DDR, die von Anfang an sozialpolitisch um-
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Vorwort
stritten war und erst nach mehreren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und entsprechenden Korrekturgesetzen als weitgehend geklärt angesehen werden kann. Desweiteren untersucht die Autorin im zweiten Teil des Buches unter dem Aspekt der sozialen Gerechtigkeit zwei sozialpolitisch – nach wie vor – umstrittene Brennpunkte der Rentenüberleitung: Die Alterssicherung für Beschäftigte im Gesundheitswesen der DDR und die Altersversorgung von in der DDR geschiedenen Frauen. Besonders anerkennenswert ist, dass sich die Autorin im dritten Teil des vorliegenden Buches den Problemen in Zusammenhang mit der noch ausstehenden Vereinheitlichung der Rechengrößen zuwendet und die derzeit politisch diskutierten Lösungsvorschläge unter dem Aspekt ihrer jeweiligen Auswirkungen auf die Beitragszahlerinnen, Beitragszahler und Rentnerinnen und Rentner würdigt. In einem abschließenden Fazit kommt Judith Kerschbaumer zu ihrer Bewertung der bisherigen Schritte zur Vereinheitlichung in der gesetzlichen Rentenversicherung: Nicht perfekt, aber insgesamt gelungen. Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen, denn die Rentenüberleitung hat insbesondere in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung zu einer deutlichen Verbesserung der sozialen Situation der Rentnerinnen und Rentner in den neuen Bundesländern geführt. Nachdem der Angleichungsprozess sich im letzten Jahrzehnt aber deutlich verlangsamt hat, sind weitere gesetzgeberischen Schritte zur Verwirklichung der Rentenangleichung dringend erforderlich. Im Koalitionsvertrag vom 26.10. 2009 haben die Regierungsparteien vereinbart, in dieser Legislaturperiode, d. h. bis spätestens 2013, ein einheitliches Rentensystem in Ost und West einzuführen. Es bleibt zu hoffen, dass die Regierungskoalition dabei das Ziel der Rentenangleichung nicht aus den Augen verliert und Regelungen zur Vereinheitlichung der gesetzlichen Rentenversicherung findet, die in einem überschaubaren Zeitraum zu weitgehend einheitlichen Lebensverhältnissen für die Rentnerinnen und Rentner in Ost und West führen. Klaus Michaelis Direktor a.D. und ehemaliges Mitglied der Geschäftsführung der BfA Vorsitzender des Sozialpolitischen Ausschusses des Sozialverbands Deutschland (SoVD)
Danke
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Danke
Viele Menschen haben dieses Promotionsvorhaben begleitet. Sie haben mich unterstützt und motiviert. Ihnen möchte ich von Herzen danken. Ein ganz besonderer Dank gebührt meiner Doktormutter, Frau Prof. Dr. Ursula Rust, die mich angespornt und angeleitet hat, diese Dissertation neben meiner zeitintensiven Berufstätigkeit abzuschließen. Herzlichen Dank auch an Herrn Prof. Josef Falke, meinen Zweitgutachter. Klaus Michaelis war mir während der gesamten Zeit ein wohlwollender, immer hilfsbereiter, kritischer und kluger Berater, der nie müde wurde, mir Fragen zu beantworten, Zusammenhänge zu erklären und mir sein gesamtes Wissen als Rentenexperte und Zeitzeuge zur Verfügung zu stellen. Ihm gilt mein aufrichtiger Dank. Marion Heins hat diese Arbeit in ihrer Freizeit mehrfach gelesen, korrigiert, Anregungen gegeben und mir geholfen, sie in die richtige Form zu bringen. Für ihre Geduld und ihre Zeit ein ganz herzliches Dankeschön. Dieses spannende Thema wurde von sehr engagierten Kolleginnen und Kollegen an mich herangetragen. Ihr unermüdlicher Einsatz um einheitliche Einkommens- und Lebensbedingungen in den neuen Bundesländern verdient Anerkennung und Hochachtung. Durch sie habe ich die berechtigten Interessen vieler Rentnerinnen und Rentner in den neuen Bundesländern verstanden und in jeglicher Beziehung viel dazu gelernt. Stellvertretend ganz herzlichen Dank an Dr. Fritz Schirach für seine Unterstützung. In diesem Zusammenhang möchte ich an meinen leider viel zu früh verstorbenen Kollegen Erwin Scharf von der Gewerkschaft TRANSNET erinnern. Für ihn war das Thema Ostrenten eine Herzensangelegenheit. Er hat für seine Kolleginnen und Kollegen den Rentenüberleitungsprozess maßgeblich mitgestaltet. Eine große Unterstützung war es, wenn sach- und fachkompetente Kolleginnen und Freundinnen die Texte gelesen und mir hilfreiche Anregungen gegeben haben. Herzlicher Dank an Dr. Karin Schulze Buschoff, Dr. Ruth Palik und Uta Pech. Meine Eltern haben mir dies erst ermöglicht. Ihnen in Liebe meinen ganz besonderen Dank. Judith Kerschbaumer Berlin, im Oktober 2010
Inhalt
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Inhalt
Vorwort von Klaus Michaelis ............................................................................... 5 Danke .................................................................................................................... 9 Einleitung............................................................................................................ 19
Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme und Analyse des Überleitungsprozesses bis zum Rentenüberleitungsgesetz ........... 27 A
Die rentenrechtliche und rechtspolitische Entwicklung bis zur Deutschen Einheit ..................................................................................... 27 I Die rentenrechtliche Entwicklung von der Einführung der gesetzlichen Rentenversicherung bis zur Teilung Deutschlands (1889-1949) ................................................................................................ 27 II Die rechtspolitische Entwicklung in den beiden deutschen Staaten (1949-1990) ................................................................................................ 32 1 Die doppelte Staatsgründung 1949 ..................................................... 32 2 Der Deutschlandvertrag vom 23.10.1954 ........................................... 36 3 Der Grundlagenvertrag vom 21.12.1972............................................. 36 III Die rentenrechtliche Entwicklung in den beiden deutschen Staaten (1949-1990) ................................................................................................ 38 1 Die rentenrechtliche Entwicklung in der Bundesrepublik (19491990) ................................................................................................... 38 2 Die rentenrechtliche Entwicklung in der Deutschen Demokratischen Republik (1949–1990) ............................................. 41 IV Die Vereinigung Deutschlands ................................................................... 43 B I II
Konzeptionelle Unterschiede der Alterssicherungssysteme der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik ........................................................................ 45 Frauen und ihre Alterssicherung ................................................................. 45 Die Alterssicherung in der Bundesrepublik Deutschland ........................... 45 1 Die drei Säulen der Alterssicherung ................................................... 46 2 Die gesetzliche Rentenversicherung ................................................... 48
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Inhalt
III Die Alterssicherung in der Deutschen Demokratischen Republik .............. 58 1 Grundprinzipien, Organisation und versicherter Personenkreis .......... 58 2 Die gesetzliche Rentenversicherung in der Sozialversicherung der DDR .............................................................................................. 63 3 Zusatz- und Sonderversorgungseinrichtungen außerhalb der Sozialversicherung der DDR .............................................................. 71 IV Das Fremdrentenrecht – Die rentenrechtliche Lösung bei Übersiedlung aus der DDR in die Bundesrepublik ..................................... 76 V Die wesentlichen Strukturunterschiede ....................................................... 78 VI Überblick über die Rentenreformen ab 1992 .............................................. 80 C I
Von der Zweistaatlichkeit zur staatlichen Einheit ................................. 82 Auf dem Weg zur Sozialunion .................................................................... 82 1 Wege zur Angleichung – aus Sicht der Rentenversicherung .............. 86 2 Wege zur Angleichung – aus Sicht des BMA ..................................... 89 3 Wege zur Angleichung – aus Sicht der DDR ...................................... 90 4 Wege zur Angleichung – aus Sicht der Bundesregierung ................... 91 5 Wege zur Angleichung – aus Sicht der Bundes-SPD.......................... 91 6 Wege zur Angleichung – die Frage der Finanzierung ......................... 92 7 Wege zur Angleichung – das Problem der Überführung der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme ............................................. 93 II Der Staatsvertrag vom 18.5.1990 ................................................................ 94 III Die Rentenangleichung – Die rentenrechtliche Umsetzung des Staatsvertrages zum 1.7.1990 durch SVG-DDR und RAnglG-DDR .......... 96 1 Grundsätze .......................................................................................... 96 2 Gegliederte Sozialversicherung und Territorialitätsprinzip ................ 97 3 Umstellung, Angleichung und Dynamisierung der Renten................. 98 4 Sozialzuschlag und Sozialhilfe ......................................................... 100 5 Beiträge zur Rentenversicherung ...................................................... 102 6 Krankenversicherung der Rentnerinnen und Rentner ....................... 103 7 Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatzund Sonderversorgungssystemen in die Rentenversicherung ........... 104 8 Finanzierung ........................................................................................ 106 IV Der Einigungsvertrag vom 31.8.1990 ....................................................... 107 V Die ersten Rentenanpassungen.................................................................. 109 D I II
Der Weg zur Rentenüberleitung ............................................................ 110 Die Vorbereitungen zur Rentenüberleitung – Die Vorgaben des Einigungsvertrages.................................................................................... 110 Die Finanzierung....................................................................................... 110
Inhalt
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III Das Gesetzgebungsverfahren zum Renten-Überleitungsgesetz (RÜG) .... 111 IV Das Renten-Überleitungsgesetz ................................................................ 116 1 Ausdehnung von Rentenansprüchen ................................................. 117 2 Die Rentenumwertung und -anpassung der Bestandsrenten zum 1.1.1992 ............................................................................................ 118 3 Die Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen durch das AAÜG ............ 122 E I II
Zusammenfassung und Fazit ................................................................. 123 Überblick über die Schritte der Rentenüberleitung ab 1.7.1990 ............... 123 Fazit .......................................................................................................... 125
Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung – Sind die gefundenen Lösungen gerecht? ............. 127 A
Die weitere Entwicklung im Prozess des Zusammenwachsens der Rentenversicherung in den alten und neuen Bundesländern .............. 128 I Grundsätzliche rechtliche Erwägungen zur Rentenüberleitung ................ 128 II Die Vereinheitlichung der Rentenberechnung und -anpassung durch Angleichung der Rechenwerte .................................................................. 131 III Rechtliche Kernaussagen des Bundesverfassungsgerichts........................ 133 B I II C
Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus der Sozialpflichtversicherung und der FZR ................................................ 135 Umwertung der Bestandsrenten aus der Sozialpflichtversicherung und der FZR (§ 307 a SGB VI) ................................................................. 135 Entscheidungen zur Nichtdynamisierung und Abschmelzung der Auffüllbeträge (§ 315 a SGB VI) .............................................................. 138
Änderungen und Modifizierungen bei der Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen durch Gesetzgeber und Rechtsprechung ....................................................................................... 140 I Die Regelungen im Staatsvertrag .............................................................. 143 II Die Regelungen im Rentenangleichungs- und im Aufhebungsgesetz ...... 143 III Die Regelungen im Einigungsvertrag ....................................................... 146 IV Die Rentenanpassungen zum 1.1.1991 und zum 1.7.1991........................ 146
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Inhalt
V
Die Regelungen im AAÜG, im Rü-ErgG und im AAÜG-ÄndG.............. 147 1 Neufeststellung der Bestandsrenten Sonder- und Zusatzversorgter (§ 307 b SGB VI) ................................................. 148 2 Zahlbetragsbegrenzungen (§ 10 AAÜG) .......................................... 150 3 Entgeltbegrenzungen bei der Ermittlung von Entgeltpunkten (§§ 6, 7 AAÜG) ................................................................................ 154 VI Zäsur durch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 28.4.1999 .................................................................................................. 161 1 Das Leiturteil .................................................................................... 162 2 Entgeltbegrenzungen bei staats- und systemnahen Versorgungssystemen und systemnahen Funktionen (§§ 6 Abs. 2 und 6 Abs. 3 Nr. 7 AAÜG)........................................... 164 3 Die Entscheidungen zur Neuberechnung von Bestandsrenten mit Zusatz- und Sonderversorgung ................................................... 164 4 Das „Stasi-Urteil“ ............................................................................. 165 VII Das 2. AAÜG-ÄndG vom 27.7.2001 ........................................................ 167 VIIIDie Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23.6.2004 und das Erste AAÜG-ÄndG vom 21.6.2005 ............................................ 169 1 Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23.6.2004 .......................................................................................... 169 2 Das Erste AAÜG-ÄndG vom 21.6.2005........................................... 170 IX Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Entgeltbegrenzung bei Ministern, Staatssekretären u.a. vom 6.7.2010 (§ 6 Abs. 2 Nr. 4 AAÜG).......................................................................... 172 X Übersicht über die Änderungen und Modifizierungen bei der Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen durch Gesetzgeber und Rechtsprechung ..... 176 D
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Gerechtigkeitsdiskussionen bei der Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften von Beschäftigtengruppen mit einem „besonderen Steigerungssatz“ und hinsichtlich der Alterssicherung von in der DDR Geschiedenen ................................... 179 Gerechtigkeitskonzepte in der Alterssicherung ........................................ 179 1 Gerechtigkeit als normatives Element .............................................. 179 2 Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit im Recht der Alterssicherung ................................................................................. 181 3 Prüfungsgegenstände ........................................................................ 183 Die Überführung der Renten von Beschäftigtengruppen mit einem „besonderen Steigerungssatz“ ................................................................... 184 1 Die Ausgangssituation ...................................................................... 184
Inhalt
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Die Rechtslage beim mittleren medizinischen Personal ................... 186 Die Rechtslage bei Beschäftigten der Deutschen Reichsbahn und der Deutschen Post ..................................................................... 187 4 Die rechtliche Einordnung unter Gerechtigkeitsaspekten ................. 189 5 Zwischenfazit .................................................................................... 192 III Die Alterssicherung von in der DDR Geschiedenen ................................. 192 1 Die Ausgangssituation ...................................................................... 192 2 Die Rechtslage .................................................................................. 196 3 Rechtsprechung................................................................................. 200 4 Lösungsansätze und Initiativen ......................................................... 204 5 Zwischenfazit .................................................................................... 207 E I
Zusammenfassung und Fazit ................................................................. 207 Die Zielvorstellungen der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD zur Rentenüberleitung ............................................................................... 208 II Die Zielvorstellungen des Einigungsvertrages zur Rentenüberleitung ..... 209 III Die Leitlinien des Bundessozial- und des Bundesverfassungsgerichts ..... 210 IV Fazit .......................................................................................................... 212
Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung durch Vereinheitlichung der Rechenwerte bei Rentenberechnung und -anpassung............................................................................................. 213 A
Rentenrechtliche Maßnahmen zur Herstellung der Einheit in der Rentenversicherung ................................................................................ 214
B
Die wirtschaftliche Entwicklung und die Alterseinkommen in den neuen Bundesländern ...................................................................... 215 Der wirtschaftliche Konvergenzprozess seit 1989 und die Einkommensentwicklung .......................................................................... 216 1 Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in den neuen Bundesländern................................................................................... 217 2 Die Lohn- und Einkommensentwicklung in den neuen Bundesländern................................................................................... 221 3 Die Zielvorstellung einer Angleichung in den Jahresberichten zum Stand der Deutschen Einheit 2009 und 2010 ............................ 229 4 Zwischenfazit .................................................................................... 231
I
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Inhalt
II
Die Höhe der Alterseinkommen in den alten und neuen Bundesländern .......................................................................................... 233 1 Gesetzliche Renten............................................................................ 234 2 Erfasster Personenkreis ..................................................................... 237 3 Schichtung der Renten nach Erwerbsbiographien............................. 238 4 Alterseinkommen im 3-Säulen-System............................................. 240 5 Nettoalterseinkommen als Abgrenzungskriterium ............................ 242 6 Zwischenfazit .................................................................................... 243
C
Die rechtlichen Aspekte der Vereinheitlichung der Rechenwerte bei Rentenberechnung und -anpassung ................................................ 244 Die rechtliche Ausgangssituation bei Rentenberechnung und anpassung .................................................................................................. 245 1 Die Ermittlung von Entgeltpunkten für die Beitragszahlerinnen und -zahler (Beitragsphase) .............................................................. 245 2 Die aktuellen Rentenwerte zur Bewertung der Entgeltpunkte, Renten-Faktoren und Renten-Garantien (Rentenphase) – Die Anpassungen der Renten ................................................................... 252 3 Weitere rentenrechtliche Sonderregelungen für die neuen Bundesländer..................................................................................... 266 4 Zwischenfazit .................................................................................... 267 Erforderliche Rechtsänderungen aufgrund einer Vereinheitlichung der Rentenberechnung und -anpassung durch Angleichung der Rechenwerte und deren Auswirkungen .................................................... 267 1 Beitragsphase .................................................................................... 269 2 Rentenphase ...................................................................................... 271 3 Auswirkungen außerhalb der Rentenversicherung............................ 273 4 Zwischenfazit .................................................................................... 274
I
II
D I II
Lösungsansätze........................................................................................ 274 Die Ausgangssituation .............................................................................. 274 Die aktuellen Lösungsvorschläge ............................................................. 285 1 Der Vorschlag des Sachverständigenrats im Jahresgutachten 2008/2009: Die „besitzstandswahrende Umbasierung“: Die kostenneutrale Vereinheitlichung des Rentenrechts.......................... 286 2 Der Vorschlag der FDP „Für ein einheitliches Rentenrecht in Ost und West“: Vereinheitlichung des Rentenrechts mit Abfindungszahlung als Ausgleich für den abgeschnittenen Aufholprozess ................................................................................... 289
Inhalt
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Der Vorschlag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Rentenwert in Ost und West angleichen“: Vereinheitlichung des Rentenrechts mit Hochwertung für Geringverdiener/innen .............. 291 4 Der Vorschlag der Partei DIE LINKE: Anhebung des aktuellen Rentenwerts (Ost) auf den Westwert in fünf Jahresstufen ................ 293 5 Das ver.di-Modell im „Bündnis für die Angleichung der Renten in den neuen Bundesländern“: Angleichungszuschlag in zehn Jahresstufen ohne Eingriff in den Aufholprozess ............................. 293 III Zwischenfazit ............................................................................................ 296 E
Rechtsanspruch auf Vereinheitlichung bei der Rentenberechnung aus dem Einigungsvertrag..................................... 297 I Rechtsanspruch auf Angleichung aufgrund des Einigungsvertrages ........ 297 II Rechtsanspruch aufgrund eines Gesetzgebungsauftrags ........................... 301 III Zwischenfazit ............................................................................................ 302 Zusammenfassung und Gesamtfazit ................................................................. 302 Anhang............................................................................................................. 307
Einleitung
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„Dann begann die Geschichte zu sprechen, als die Massen mit einer Geschwindigkeit, auf die keiner von uns vorbereitet war, eine neue Realität schufen.“ 1
Einleitung2 Mit dem Fall der Mauer am 9.11.1989 und der Wiedervereinigung Deutschlands am 3.10.1990 endete eine über 40-jährige Zweistaatlichkeit. Die Beziehungen der beiden deutschen Staaten hatten sich seit dem Grundlagenvertrag vom 21.6.1973 bereits entspannt. Die „deutsche Frage“ konnte jedoch erst mit der friedlichen Revolution in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), die zum Fall der Mauer führte, entscheidend vorangebracht werden. Bereits kurz nach dem Mauerfall in der DDR wurde nicht mehr nach einer Reform des Systems, sondern nach der Einheit gerufen. Damit wurden Lösungen zu einer Angleichung der Sozialsysteme drängend. Es ging nicht mehr um die isolierte Neuregelung einiger Bereiche des Sozialrechts speziell für Übersiedlerinnen und Übersiedler aus der DDR und um eine isolierte Neugestaltung des Sozialleistungssystems der DDR. Vielmehr war eine längerfristige übergreifende Konzeption einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion erforderlich geworden. Der Weg von der Zweistaatlichkeit zur staatlichen Einheit wurde durch Staatsvertrag und Einigungsvertrag eröffnet. Damit war es auch notwendig geworden, nach Lösungen zu suchen, wie die Einheit der sich unterschiedlich entwickelten Alterssicherungssysteme gestaltet werden konnte. Diese Arbeit untersucht als einen Aspekt der Deutschen Einheit den Überleitungs- und Anpassungsprozess der Alterssicherungssysteme in der DDR vom Zeitpunkt des Falls der Mauer bis etwa Mitte 2010 und damit einen rund 20-jährigen Zeitraum. 1
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Michail Gorbatschow, Auszug aus dem Gespräch der 1989 im Amt befindlichen Regierungschefs der vier Siegermächte des Zweiten Weltkriegs, das im Februar 1995 im Broadmoor Hotel, Colorado Springs, Colorado, USA, zwischen dem KPdSU-Generalsekretär, Michail Gorbatschow, der Premierministerin Großbritanniens, Margret Thatcher, dem französischen Präsident, Francois Mitterrand und dem US-Präsidenten George H.W. Bush, stattfand; erschienen in: DIE WELT, 28.10.2009, S. 3. Für die nachfolgende Arbeit sind zwei Klarstellungen vorzunehmen: Im Folgenden werden die Begriffe Beitrittsgebiet, neue Bundesländer, Ostdeutschland und dort, wo auf die Zeit vor der Deutschen Einheit Bezug genommen wird, DDR synonym verwendet. Dies gilt gleichermaßen für die Begriffe alte Bundesländer, Westdeutschland und Bundesrepublik Deutschland. Weiterhin ist anzumerken: Die Autorin legt Wert auf die Verwendung von weiblichen und männlichen Sprachformen. Dort, wo dies aus Platz- oder Verständlichkeitsgründen nicht durchgängig möglich ist, hat sie sich für die Pluralform des Dudens entschieden.
J. Kerschbaumer, Das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung und die Deutsche Einheit, DOI 10.1007/978-3-531-92882-1 _1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Einleitung
Der erste Teil der Arbeit leitet mit einer grundsätzlichen Darstellung der rentenrechtlichen und rechtspolitischen Entwicklung bis zur Deutschen Einheit sowie der beiden gesetzlichen Alterssicherungssysteme vor der Wiedervereinigung ein. Die wesentlichen Strukturunterschiede werden herausgearbeitet; der Überleitungsprozess wird untersucht. Dabei konzentriert sich die Arbeit auf die Alterssicherung im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung. Weiterhin werden die Ungleichheiten, die sich aus den unterschiedlichen Entlohnungssystematiken ergeben, nicht vertieft. Ein Schwerpunkt liegt auf der Frage nach der Motivation der handelnden Akteurinnen und Akteure und den Auswirkungen auf den Rechtsetzungsprozess; Aspekte, die in ihren juristischen und sozialpolitischen Wechselwirkungen bisher noch wenig erforscht sind. Die Arbeit schließt hier eine Lücke und arbeitet damit den Prozess der Deutschen Einheit im Hinblick auf das Rentenrecht umfassend auf. Die Alterssicherungssysteme in beiden deutschen Staaten entwickelten sich seit den Staatengründungen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1949 sehr unterschiedlich: Die paritätisch finanzierte und selbstverwaltete gesetzliche Rentenversicherung der Bundesrepublik ist in einem umlagefinanzierten, mit solidarischen Ausgleichselementen ausgestatteten, beitragsorientierten System organisiert. Die Anpassungen der Rentenleistungen orientieren sich grundsätzlich an der Entwicklung der Löhne und Gehälter. Seit Gründung der Bundesrepublik wurden zahlreiche Rentenreformen durchgeführt. So wurde das Leistungsrecht der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik im Jahr 1957 grundlegend reformiert. Mit dem Übergang zur dynamischen Rentenberechnung wurden sowohl die Rentenanwartschaften als auch die laufenden Renten an die Einkommensentwicklung der Erwerbstätigen angepasst. Dadurch wurde gewährleistet, dass die Rentnerinnen und Rentner an den Einkommensfortschritten der Beschäftigten und damit an der wirtschaftlichen Wohlstandsentwicklung teilnehmen konnten. Die Sozialversicherung der DDR war als Einheitsversicherung ausgestaltet. Sie bestand im Hinblick auf die Alterssicherung aus der Sozialpflichtversicherung, in der ab März 1971 Löhne bis 600 M verbeitragt wurden, und der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR), in der Löhne über 600 M verbeitragt werden konnten. In ihren Auswirkungen beschränkte sich die überwiegend statische Rente der DDR im Wesentlichen auf eine Mindestsicherung. Neben der gesetzlichen Rentenversicherung der DDR (Sozialversicherung und FZR) erfolgte die Absicherung einer großen Zahl von privilegierten Berufs- und Beschäftigtengruppen in Zusatz- und Sonderversorgungseinrichtungen. Das Leistungsniveau in diesen Systemen ging regelmäßig über das in der Rentenversicherung hinaus. Ziel war es, den Zusatz- und Sonderversorgten, den „DDR-Eliten“, höhe-
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re Versorgungsansprüche und -anwartschaften zu verschaffen und damit eine engere Bindung an das politische System der DDR zu erreichen. Als mit Beginn des Jahres 1990 immer deutlicher wurde, dass das Ziel eine Deutsche Einheit und nicht die Aufrechterhaltung der bestehenden Zweistaatlichkeit war, wurde sehr schnell klar, dass die „Rentenfrage“ gelöst werden musste. Im Februar 1990 hatten die Sozialpolitikerinnen und Sozialpolitiker von Parteien und Institutionen und die westdeutsche Rentenversicherung selbst bereits Lösungswege für die Angleichung der beiden unterschiedlichen Rentenversicherungssysteme skizziert, die das westdeutsche System als Vorbild vorsahen. Grundlage ihrer Überlegungen war das am 9.11.1989 im Deutschen Bundestag verabschiedete Rentenreformgesetz (RRG) 1992. Betont wurde, dass „für eine wohl geraume Übergangszeit“ die Alterssicherungssysteme in West- und Ostdeutschland unabhängig nebeneinander bestehen bleiben sollten und unterschiedliche Rechenwerte zugrunde zu legen seien, solange sich die Reallöhne nicht angeglichen hätten, wobei zunächst offen blieb, welcher Zeitraum für die Übergangsphase anzusetzen sei. Neben den grundsätzlichen rentenpolitischen Weichenstellungen war die Überführung der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme ein zentraler Punkt. Es wurden drei Denkmodelle diskutiert: Zum einen der ersatzlose Wegfall der Ansprüche und Anwartschaften aus den Zusatz- und Sonderversorgungssystemen. Als weiteres Denkmodell wurde das sog. Eingliederungsprinzip angedacht, nach dem die Betroffenen so behandelt worden wären, als ob sie ihr bisheriges Erwerbsleben in der Bundesrepublik verbracht hätten. Die Folge wäre gewesen, dass je nach ausgeübter Tätigkeit, z. B. als Beamtin oder Beamter ein Anspruch gegen den jeweiligen Dienstherrn auf eine Beamtenversorgung bestanden hätte. Entsprechendes hätte für Angehörige von verkammerten Berufen und Mitglieder der jeweiligen Berufsständischen Versorgungswerke sowie für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes für deren Zusatzversorgung (z. B. VBL und ZVK) gegolten. Der dritte und dann auch eingeschlagene Weg, die Altersversorgung der DDR in die gesetzliche Rentenversicherung der Bundesrepublik zu überführen, setzte die Überlegung voraus, den Staat in die leistungsrechtlichen Beziehungen eintreten zu lassen und eröffnete für den Gesetzgeber die meiste Flexibilität, die Überleitung nach seinen Vorstellungen zu gestalten. Mit dem „Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik“ (Staatsvertrag) vom 18.5.19903, wurde das Ziel, die Einheit Deutschlands im Rentenrecht nach westdeutschem Vorbild herbeizufüh3
In Auszügen abgedruckt im Anhang, 6. Gesetze und Rechtsquellen, III.1.
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ren und damit entgegenstehende Vorschriften und Grundsätze im Recht der DDR aufzugeben, die so genannte Systementscheidung, manifestiert. In Art. 20 des Staatsvertrages wurden die Rechtsgrundlagen zur Einführung des westdeutschen Systems der Sozialversicherung gelegt: „(1) Die Deutsche Demokratische Republik leitet alle erforderlichen Maßnahmen ein, um ihr Rentenrecht an das auf dem Grundsatz der Lohn- und Beitragsbezogenheit beruhende Rentenversicherungsrecht der Bundesrepublik Deutschland anzugleichen. Dabei wird in einer Übergangszeit von fünf Jahren für die rentennahen Jahrgänge dem Grundsatz des Vertrauensschutzes Rechnung getragen. (2) … Die bestehenden Zusatz- und Sonderversorgungssysteme werden grundsätzlich zum 1.7.1990 geschlossen. Bisher erworbene Ansprüche und Anwartschaften werden in die Rentenversicherung überführt, wobei Leistungen aufgrund von Sonderregelungen mit dem Ziel überprüft werden, ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffen und überhöhte Leistungen abzubauen.“
Weiterhin bestimmt das Angleichungsgebot des Art. 30 Abs. 5 Satz 3 des Einigungsvertrages vom 31.8.19904: „Im Übrigen soll die Überleitung von der Zielsetzung bestimmt sein, mit der Angleichung der Löhne und Gehälter in dem in Art. 3 genannten Gebiet (neue Bundesländer und Berlin Ost) an diejenigen in den übrigen Ländern auch eine Angleichung der Renten zu verwirklichen“.
Die Arbeit greift die Frage nach der Rechtsnatur und der Anspruchstiefe der vorgenannten Normen des Staatsvertrages und des Einigungsvertrages auf. Die Rentenüberleitung zum 1.1.1992 durch das Renten-Überleitungsgesetz (RÜG) sowie eines der brisantesten und am heftigsten diskutierten Themen, die Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen in die Rentenversicherung, werden juristisch analysiert und bewertet. Der zweite Teil der Arbeit befasst sich mit der Analyse der höchstrichterlichen Rechtsprechung als Ausfluss der im Staatsvertrag vom 18.5.1990 als auch im Einigungsvertrag vom 31.8.1991 grundlegend getroffenen Systementscheidung. Schwerpunkt ist hierbei, inwieweit die Rechtsprechung, aber auch der Gesetzgeber „Reparaturmaßnahmen“ zur Rentenüberleitung vornehmen musste, in welchem Verhältnis Rechtsprechung und Gesetzgebung in diesem Prozess zueinander standen und ob dieser als beendet und gelungen anzusehen ist. Bei der Analyse der Rechtsprechung wird sich die Arbeit wegen der Komplexität und der Vielzahl der ergangenen Entscheidungen auf die grundlegenden Urteile und Beschlüsse beschränken. 4
Ebenda, III.2.
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Das Leiturteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28.4.19995 befasste sich mit der Verfassungsmäßigkeit der Systementscheidung, der Zahlbetragsgarantie und der vorläufigen Zahlbetragsbegrenzung. Dabei betraf die Vorlage des Bundessozialgerichts die Frage, ob es verfassungsrechtlich zulässig sei, bei Angehörigen bestimmter Zusatzversorgungssysteme den Gesamtzahlbetrag aus Renten der Rentenversicherung der DDR und der Leistung aus einem Zusatzversorgungssystem für Rentenbezugszeiten zu begrenzen. Das Bundesverfassungsgericht hielt die Systementscheidung, die Schließung der in der DDR bestehenden Zusatz- und Sonderversorgungssysteme und Überführung der darin erworbenen Ansprüche und Anwartschaften in die gesetzlichen Rentenversicherung verfassungsrechtlich für unbedenklich, auch wenn sich dies nachteilig für die Zusatz- und Sonderversorgten auswirkte und deren Sicherungsniveau von etwa 90 % auf etwa 70 % absenkte. Das Bundesverfassungsgericht hat u. a. die systemschützende Bedeutung der Beitragsbemessungsgrenze bekräftigt und betont, dass deren Anwendung mit der Überführung in die gesetzliche Rentenversicherung vorgeprägt sei und nicht entfallen könne, ohne dass das Rentensystem gesprengt würde. Die Überführung als Ganzes diene einem wichtigen Gemeinwohlbelang, indem mit der Rechtsangleichung im Rentenrecht zugleich auch die Finanzierbarkeit der Sozialversicherung insgesamt erhalten bliebe. Das Bundesverfassungsgericht hat aber auch klargestellt, dass die in der DDR erworbenen und im Einigungsvertrag anerkannten Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen den Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG genießen. Das Leiturteil des Bundesverfassungsgerichts wirft eine Vielzahl von Fragen auf, die das Gericht in weiteren grundlegenden Urteilen, wie z. B. zur Neuberechnung von Bestandsrenten mit Zusatz- und Sonderversorgung, zu den staats- und systemnahen Versorgungssystemen und systemnahen Funktionen entschieden hat. Die Arbeit analysiert die getroffenen Entscheidungen und untersucht die sich daraus ergebenden Fragen insbesondere daraufhin, welche verfassungsrechtlichen Bewertungsmaßstäbe angelegt wurden und welche künftig anzulegen sind. Untersuchungsgegenstand ist hierbei beispielhaft die Überleitung der Ansprüche und Anwartschaften von Beschäftigtengruppen mit einem „besonderen Steigerungssatz“ am Beispiel des mittleren medizinischen Personals im Gesundheitswesen der DDR und die Rechtslage hinsichtlich der Alterssicherung von in der DDR Geschiedenen. Ein besonderes Augenmerk legt die Arbeit auf Gerechtigkeitsaspekte, die Bedeutung der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG und auf die Garantien des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG. 5
Az.: 1 BvL 32/95 und 1 BvR 2105/95, BVerfGE 100, 1.
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Die Vereinheitlichung der Rentenberechnung und -anpassung durch Angleichung der Rechenwerte als eine Möglichkeit der Rechtsangleichung ist Grundlage des dritten Teils der Arbeit. Hier wird die aktuelle politische Diskussion aufgegriffen. Die forschungsleitende Frage dieses Teils der Arbeit basiert auf dem Angleichungsgebot des Art. 30 Abs. 5 Satz 3 des Einigungsvertrages vom 31.8.1990, nachdem die Rentenüberleitung von der Zielsetzung bestimmt sein soll, mit der Angleichung der Löhne und Gehälter in den neuen Bundesländern an diejenigen in den übrigen Ländern auch eine Angleichung der Renten zu verwirklichen. Es wird der Frage nachgegangen, ob und in welchem Maße die Angleichung der Renten 20 Jahre nach der Deutschen Einheit vollzogen ist, ob und wo Defizite bestehen und wie sie beseitigt werden können. Denn für die Höhe der Renten in den neuen Bundesländern gilt sowohl nach dem Staats- wie auch nach dem Einigungsvertrag der Grundsatz der Lohn- und Beitragsbezogenheit. Wegen der erheblich niedrigeren Löhne und Gehälter in den neuen Bundesländern gelten seit dem Inkrafttreten des SGB VI am 1.1.1992 bis zur Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse in den alten und den neuen Bundesländern unterschiedliche Rechengrößen in der Rentenversicherung (wie z. B. Beitragsbemessungsgrenzen, Bezugsgrößen und aktuelle Rentenwerte). Die politisch Verantwortlichen des Vereinigungsprozesses gingen davon aus, dass „blühende Landschaften“ schnell entstehen und die Angleichung der Löhne und Gehälter in rund 5 bis 10 Jahren erreicht werden könnten. Der Angleichungsprozess hat sich jedoch seit Mitte der 1990er Jahre sehr verlangsamt. Das durchschnittliche Entgelt in den neuen Bundesländern liegt noch immer bei rund 84 % der durchschnittlichen Entgelte in den alten Bundesländern. Einer der wesentlichen – politisch mitunter umstrittenen – Mechanismen ist die Hochwertung der Entgeltpunkte, die in den neuen Bundesländern erworben werden. Da zur Ermittlung der Entgeltpunkte in der Beitragsphase die individuellen beitragspflichtigen Entgelte jeweils mit dem Durchschnittsentgelt aller Versicherten in den alten Bundesländern ins Verhältnis gesetzt werden, werden die Entgelte (Ost) um den Wert hochgewertet, der der Differenz der Durchschnittsentgelte Ost zu West entspricht. Dadurch werden spätere Nachteile der Beschäftigten in den neuen Bundesländern bei ihren Renten verhindert. Hätte man das Verfahren zur Bestimmung der Höhe der individuellen Rente von Beginn an unverändert auch auf die Versicherten in den neuen Bundesländern angewandt, hätte dies dramatische Auswirkungen gehabt: Da das Durchschnittseinkommen in den neuen Ländern in der zweiten Jahreshälfte 1990 – also zum Zeitpunkt der Vereinigung Deutschlands – nicht einmal halb so hoch war wie in den alten Ländern, hätte ein/e Versicherte/r mit ostdeutschem Durchschnittsverdienst bei undifferenzierter Anwendung des Verfahrens zur Ermittlung der Entgeltpunkte für ein Jahr Beitragszahlung nur etwa 0,5 Entgeltpunkte erworben.
Einleitung
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Multipliziert mit dem aktuellen Rentenwert hätte sich daraus ein Rentenbetrag ergeben, der ebenfalls nur 50 % dessen betragen hätte, was ein/e Versicherte/r mit westdeutschem Durchschnittsverdienst erhalten hatte. Und da ohne Differenzierung des aktuellen Rentenwerts nach Ost und West der aktuelle Rentenwert auch entsprechend der gesamtdeutschen Lohnentwicklung angepasst worden wäre, hätte diese drastische Kluft in der Rentenhöhe zwischen den alten und neuen Bundesländern auch dann noch Bestand gehabt, wenn sich die Löhne und Gehälter im Beitrittsgebiet an die Einkommensverhältnisse in den alten Bundesländern angepasst hätten. Die ostdeutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wären von dem erwarteten wirtschaftlichen Aufholprozess in den neuen Ländern abgekoppelt worden.6 Die Arbeit geht der Frage nach, ob die Hochwertung weiterhin erforderlich ist. Der aktuelle Rentenwert (Ost) ist der monatliche Rentenbetrag für einen Entgeltpunkt. Er liegt derzeit mit 24,13 € um 3,07 € niedriger als der Westwert und damit bei 88 % des Westniveaus. Im Hinblick auf die aktuellen Rentenwerte ist die Differenz zwischen Ost und West auf Grund rentenrechtlicher Sondervorschriften, wie der Schutzklausel (Ost), geringer als bei den durchschnittlichen Einkommen. Effekte dieser Art sind der Anlass von Diskussionen über den Sinn zweier unterschiedlicher Berechnungssystematiken. Dabei ist es derzeit nicht absehbar, wann die Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse für Rentnerinnen und Rentner in Ost und West erreicht sein wird. Die Arbeit beschreibt diese Systematik und analysiert die Folge- und Verteilungswirkungen. Die derzeit diskutierten Lösungsansätze, das Modell der „besitzstandswahrenden Umbasierung“ des Sachverständigenrats zur Begutachtung der wirtschaftlichen Entwicklung in seinem Jahresgutachten 2008/2009, das der FDP einer Vereinheitlichung des Rentenrechts mit Abfindungszahlung, von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für eine Vereinheitlichung des Rentenrechts mit Hochwertung für Geringverdiener/innen und das der LINKEN einer Anhebung des aktuellen Rentenwerts (Ost) auf den Westwert in fünf Jahresstufen sowie das ver.diModell eines Angleichungszuschlags in zehn Jahresstufen ohne Eingriff in den Aufholprozess werden kurz skizziert. Die Arbeit endet Mitte des Jahres 2010 und damit rund 20 Jahre nach Begründung der Deutschen Einheit und schließt mit einer Zusammenfassung und einem Fazit ab.
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Rische, Die Diskussion über die Angleichung der Rentenwerte in Ost und West, S. 29.
A Die rentenrechtliche und rechtspolitische Entwicklung bis zur Deutschen Einheit
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Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme und Analyse des Überleitungsprozesses bis zum Rentenüberleitungsgesetz Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
Der erste Teil der Arbeit leitet mit einer Übersicht über die rentenrechtliche und rechtspolitische Entwicklung bis zur Deutschen Einheit im Jahr 1990 ein (A.). Die gesetzlichen Alterssicherungssysteme in beiden deutschen Staaten werden dargestellt sowie die wesentlichen Strukturunterschiede herausgearbeitet (B.). Der Überleitungsprozess von der Zweistaatlichkeit bis zur staatlichen Einheit wird unter rechtlichen und sozialpolitischen Aspekten untersucht (C.) und die Rentenüberleitung ab 1991 skizziert (D.). Ein Schwerpunkt liegt auf der Frage nach den Motiven und Beweggründen der handelnden Akteur/innen und den Auswirkungen auf die Rechtsetzung. Der Prozess der Rentenüberleitung wird analysiert, um die Rechtsgrundlagen und Weichenstellungen für den zweiten und dritten Teil der Arbeit zu dokumentieren. Zusammenfassung und Fazit (E.) schließen den ersten Teil der Arbeit ab.
A Die rentenrechtliche und rechtspolitische Entwicklung bis zur Deutschen Einheit A Die rentenrechtliche und rechtspolitische Entwicklung bis zur Deutschen Einheit
I
Die rentenrechtliche Entwicklung von der Einführung der gesetzlichen Rentenversicherung bis zur Teilung Deutschlands (1889-1949)
Die sog. Knappschaftskassen im Bergbau können als die frühesten Anfänge der deutschen Sozialversicherung angesehen werden.7 Die Knappschaft geht auf die Gründung einer Bruderschaft von Bergleuten am Rammelsberg/Goslar zurück, die durch den Hildesheimer Bischof im Jahre 1260 beurkundet ist. Diese Bruderschaft ist aus den besonderen Gefahren um die Gesundheit und des Lebens im Bergbau und der daraus erwachsenen Notwendigkeit einer sozialen Absicherung entstanden.8 7 8
Rückert, in: HDR, 1 Rz. 79. Internetseiten der Knappschaft zum 750-jährigen Jubiläum, abgerufen am 23.9.2010 unter: http:// www.750jahre.info/nn_171158/750/DE/Navi/Willkommen/artikel.html?__nnn=true: „Invielen Bereichen des Sozialwesens war die Knappschaft in den darauf folgenden Jahrhunderten vorbild-
J. Kerschbaumer, Das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung und die Deutsche Einheit, DOI 10.1007/978-3-531-92882-1 _2, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
Das „Gesetz betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung“ vom 22.6.18899 bildete über 600 Jahre später den Abschluss der mit der „Ersten kaiserlichen Botschaft zur sozialen Frage“ vom 17.11.188110 politisch auf den Weg gebrachten Bismarck’schen Sozialgesetzgebung des Deutschen Reiches.11 Bismarck hoffte, mit Hilfe einer staatlichen Sozialpolitik die Arbeiterinnen und Arbeiter an den Staat zu binden und damit insbesondere den „gemeingefährlichen Bestrebungen“ der erstarkenden Sozialdemokratie12 entgegen zu treten. Die Grundstruktur der am 1.1.1891 in Kraft getretenen Rentenversicherung (Invaliditäts- und Altersversicherung – IAVG) war geschaffen. Einbezogen wurden alle Lohnempfängerinnen und -empfänger und nicht nur Arbeiterinnen und Arbeiter bis zur Grenze von 2.000 RM. Gegenstand der Versicherung war ein subjektiver „Anspruch auf Gewährung einer Invaliden- beziehungsweise Altersrente“ (§ 9 Abs. 1 IAVG), wobei von einer vorübergehenden, aber einjährig andauernden Erwerbsunfähigkeit13 ausgegangen wurde, das heute noch geltende Prinzip „Reha vor Rente“ eingeführt und eine Altersrente erst ab Vollendung des 70. Lebensjahres gewährt wurde, wobei Alter als spezieller Invaliditätstatbestand galt.14 Im Jahr 1916 wurde das Renteneintrittsalter auf das vollendete 65. Lebensjahr abgesenkt.15 Eine Hinterbliebenenabsicherung gab es im Jahr 1889 noch nicht. Rentenleistungen und Beiträge orientierten sich an vier Lohnklassen und waren damit einkommensabhängig, die Mittel wurden von Arbeitnehmerinnen
9 10 11
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haft. Hier haben soziale Sicherung und Krankheitsfürsorge ihren Ursprung. In der Geschichte der Knappschaft liegt die Geburtsstunde der Renten- und Krankenversicherung, der Hinterbliebenenversorgung, der ersten Rentenformel, der Sozialversicherungspflicht, der gemeinsamen Beitragszahlung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie der Begründung der sozialen Selbstverwaltung. Das alles sind Meilensteine auf dem Weg der Entwicklung unseres heutigen modernen Sozialstaates. Die Knappschaft als älteste Sozialversicherung der Welt hat in ihrer Geschichte bis heute einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung des Sozialsystems in Deutschland und darüber hinaus geleistet.“ RGBl. 1889 I S. 97. Verhandlungen des Reichstages, 5. Legislaturperiode, I. Session, 1881, 1882, Bd. 1, S. 1 ff. Im Jahr 1883 wurde bereits eine Krankenversicherung für Arbeiter (Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter vom 21.6.1883, RGBl. 1883 I S.73) und im Jahr 1884 eine Unfallversicherung (Unfallversicherungsgesetz vom 6.7.1884, RGBl. 1884 I S. 69) eingeführt. Das zumeist als Sozialistengesetz bezeichnete „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ wurde am 19. Oktober 1878 mit der Stimmenmehrheit der konservativen und der meisten nationalliberalen Abgeordneten im Reichstag des Deutschen Kaiserreichs verabschiedet. Drei Tage später, am 22. Oktober, trat es nach Unterzeichnung durch Kaiser Wilhelm I. in Kraft und galt durch Verlängerungen bis zum 30. September 1890. Das Gesetz verbot sozialistische und sozialdemokratische Organisationen und deren Aktivitäten im Deutschen Reich. Es kam damit einem Parteiverbot gleich (abgerufen im Internet am 23.9.2010 unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Sozialistengesetz). Rückert, in: HDR, 1 Rz. 31. Köhler, in: HDR, 2 Rz. 10 ff. Gesetz betreffend die Renten in der Invalidenversicherung vom 17.6.1916.
A Die rentenrechtliche und rechtspolitische Entwicklung bis zur Deutschen Einheit
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und Arbeitnehmern, Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern sowie dem Staat aufgebracht. Dabei galt das Anwartschaftsdeckungsverfahren, sowie die wertmäßige Gleichbehandlung von den die Beitragspflicht begründenden Löhnen und Gehältern und der damit korrelierenden Leistungshöhe.16 Eine Lebensstandardsicherung war nicht vorgesehen; vielmehr war Ziel bei der Bemessung der Rentenhöhe nach dem IAVG, dass die Rente „einerseits nicht nur eine theilweise Erleichterung der öffentlichen Armenpflege oder ein Taschengeld darstellt, andererseits aber auch nur die Möglichkeit einer bescheidenen Lebenshaltung, wie sie insbesondere der Aufenthalt an billigem Orte bietet, ermöglicht“17. Bismarck betonte bereits im Jahr 1881, dass die große Anstrengung der Einführung einer Rentenversicherung sich lohne, denn der – wenn auch sichere – Almosenschutz genüge vor dem Verhungern nicht. Es gehe gerade darum, darüber hinaus im Arbeiter „das Gefühl menschlicher Würde … wach zu halten, dass er nicht rechtlos als ein Almosenempfänger dasteht, sondern dass er ein peculium18 an sich trägt, über das Niemand außer ihm verfügen kann“19.
Das Prinzip der Selbstverwaltung20 galt von Beginn an. Mit der Reichsversicherungsordnung (RVO) vom 19.7.191121, die das Invalidenversicherungsgesetz (IVG) vom 13.7.189922 ablöste, wurde ein Rechtsgebiet, das zwei Jahrzehnte zuvor noch vollkommen unbekannt war, auf eine Art und Weise geregelt, dass diese Kodifikation trotz wiederholter fundamentaler Wandlungen von Staat und Gesellschaft den „äußeren Rahmen des Sozialversicherungsrechts zu stabilisieren vermochte“23. Ab dem 1.1.1912 wurde eine Hinterbliebenenabsicherung, die sich aus dem Versichertenverhältnis des Verstorbenen ableitete, eingeführt. Da die Reichsversicherung im Wesentlichen eine Arbeiterversicherung blieb, wurde 16 17 18
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Köhler, in: HDR, 2 Rz. 79. Rust, Familienlastenausgleich, S. 103. Als Peculium wird das verfügbare selbstständige Vermögen des römischen Sklaven bezeichnet, mit dem er in die Welt der cives, der römischen Bürger, hineinragen konnte und das ihm ein Stück rechtlicher Subjektivität in seinem rechtlichen Objektstatus gab. Das Peculium diente zumeist zum Freikauf als freier Bürger (Rückert, in: HDR, 1 Rz.54). Rückert, in: HDR, 1 Rz.55. Das Prinzip der Selbstverwaltung begründete Bismarck mit der Kaiserlichen Botschaft vom 17.11.1881: „Der engere Anschluss an die realen Kräfte dieses Volkslebens und das Zusammenfassen der letzteren in der Form kooperativer Genossenschaften unter staatlichem Schutz und staatlicher Förderung werde, wie wir hoffen, die Lösung auch von Aufgaben möglich machen, denen die Staatsgewalt allein in gleichem Umfang nicht gewachsen sein würde.“, Becker, in: SRH, 13, S. 646, Fn. 5. RGBl. 1911 I S. 509. RGBl. 1899 I S. 463; Das IVG wiederum löste das IAVG ab. Köhler, in: HDR, 2 Rz. 46.
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Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
mit dem Versicherungsgesetz für Angestellte (AVG) vom 20.12.191124 der Tatsache Rechnung getragen, dass sich die Angestellten zwischen der Arbeiterschaft und dem Beamtentum als soziale Gruppe etabliert hatte. Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs verdreifachten sich die Kriegerwitwen und -waisen und damit die Leistungsberechtigten. Die Umgestaltung der Rentenversicherung zu einer allgemeinen steuerfinanzierten Staatsbürgerversorgung wurde diskutiert. Gegen Ende der Inflationszeit, Anfang der 1920er Jahre, kam es aufgrund der fehlenden Kapitalbasis zu Einschnitten in der gesetzlichen Rentenversicherung.25 In der Zeit bis zur Weltwirtschaftskrise kam es dann wieder zu einigen Leistungserhöhungen, zuletzt durch Gesetz vom 12.7.192926. Die höchste erreichbare jährliche Rente, die jedoch kaum den Lebensunterhalt decken konnte, betrug im Jahr 1930 nur 767 RM, das Durchschnittseinkommen aller Versicherten hingegen 2.074 RM. Mit Gesetz vom 13.4.192227 wurde erstmals Frauen der Zugang zu den Ämtern in der Selbstverwaltung gestattet. Quantitatives Ziel nationalsozialistischer Bevölkerungspolitik war insbesondere die Vergrößerung der Kinderzahl und deshalb die Einführung ökonomischer Vergünstigungen für Personen mit Kindern bzw. Sanktionen bei Maßnahmen, die diesem Ziel zuwider liefen. Als Bestandteil der sog. „Doppelverdienerkampagne“ bat die Regierung Länderregierungen und Spitzenverbände von Arbeit und Wirtschaft, „dafür einzutreten, dass Doppelverdiener nicht eingestellt, und, soweit angängig, entlassen würden.“28 Während des sog. Dritten Reichs kam es insbesondere zu folgenden Neuerungen:29 lineare Erhöhungen der laufenden Renten, Einführung der Krankenversicherung der Rentner, Erhöhung des Kinderzuschusses, Verbesserungen der Witwenrenten durch Berücksichtigung von Kindererziehung und Kindergebären sowie eine Witwenrente für geschiedene Ehefrauen, „sofern der Versicherte zur Zeit des Todes Unterhalt zu leisten hatte“, aber auch – aus machtpolitischen Gründen – die Abschaffung der Selbstverwaltung und Unterwerfung der Sozialversicherung unter das „Führerprinzip“. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war die Lage katastrophal: Der Zusammenbruch der Wirtschaft ließ die Beitragseinnahmen drastisch sinken, der Reichszuschuss zur Rentenversicherung fiel aus und der Flüchtlingsstrom erhöhte die Ausgaben immens. 24 25 26 27 28 29
RGBl. 1911 I S. 989 (Rust, Familienlastenausgleich, S. 97). Rust, Familienlastenausgleich, S. 139. RGBl. 1929 I S. 135. RGBl. 1922 I S. 455. Rust, Familienlastenausgleich, S. 224. Erstes Gesetz über die Verbesserung der Leistungen in der Rentenversicherung vom 24.7.1941, RGBl. 1941 I S. 443 und Zweites Gesetz über die Verbesserung der Leistungen in der Rentenversicherung vom 19.6.1942, RGBl. 1942 I S. 407.
A Die rentenrechtliche und rechtspolitische Entwicklung bis zur Deutschen Einheit
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Am 9.6.1945 übernahmen die vier Siegermächte des Zweiten Weltkriegs (USA, Großbritannien, Frankreich und die Sowjetunion) die oberste Regierungsgewalt in Deutschland. In der Erklärung der Vier Mächte vom 5.6.1945 haben sie u. a. ihr Recht geltend gemacht, „die Grenzen Deutschlands oder irgendeines Teiles Deutschlands und die rechtliche Stellung Deutschlands oder irgendeines Gebietes, das gegenwärtig einen Teil deutschen Gebietes bildet“, festzulegen.30 Der Alliierte Kontrollrat, der sich am Rande der Potsdamer Konferenz31 am 30.7.1945 aus den Militärgouverneuren der vier Besatzungszonen konstituierte, übernahm die Regierung für ganz Deutschland. Da der Alliierte Kontrollrat keine zentrale Administration bildete, blieb die Durchführung der Sozialversicherungsgesetze den weiterhin existierenden lokalen Leistungsträgern und den Militärregierungen der vier Besatzungszonen überlassen.32 Die drei westlichen Besatzungsmächte behielten die wesentlichen Grundsätze der traditionellen deutschen Sozialversicherung, insbesondere ihren Aufbau und ihre Gliederung, bei. Berlin, das in vier Sektoren aufgeteilt war, ging einen Sonderweg: Im Juli 1945 wurde mit der „Versicherungsanstalt Berlin“ ein einziger Träger für alle Zweige der Sozialversicherung geschaffen. In dieser Versicherung waren alle Arbeiter/innen und Angestellten Berliner Betriebe sowie Gewerbetreibende, die weniger als fünf Personen beschäftigten, gegen Krankheit, Unfall, Invalidität und Alter abgesichert. Die Beiträge wurden einheitlich für Arbeitnehmer/innen und Arbeitgeber/innen auf 20 % des Bruttoverdienstes bis zur Grenze von 120 RM/Monat festgesetzt.33 Der Weg zur Einheitsversicherung in der DDR begann bereits in den Jahren 1945/1946, als im Alliierten Kontrollrat die sowjetische Besatzungsmacht forderte, ein einheitliches Sozialversicherungsrecht mit einheitlichen Leistungen, Beiträgen und Versicherungsbedingungen für ganz Deutschland zu schaffen, die bisherigen Unterschiede in der Rentenversorgung zwischen Arbeiterinnen und Arbeitern und Angestellten abzuschaffen, den Umfang der Sozialversicherungspflicht durch Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenzen auszudehnen, die Bei30
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Die Westmächte hoben das Besatzungsstatut für das Gebiet der Bundesrepublik am 5.5.1955 auf (Art. 1 Abs. 2 Deutschlandvertrag) und übertrugen der Bundesrepublik die „volle Macht eines souveränen Staates über die inneren und äußeren Angelegenheiten“. Bereits am 25.3.1954 gab die Sowjetunion eine Erklärung über die Gewährung der Souveränität an die DDR ab. Während der Potsdamer Konferenz vom 17.7. bis 2.8.1945 wurden mit dem „Abkommen von Potsdam“ die Grundsätze einer Friedensordnung in Europa durch die Regierungschefs Josef Stalin für die Sowjetunion, Winston Churchill und ab 26.7.1945 wegen der verlorenen Unterhauswahlen der neue Labour Premier Clement Attlee für Großbritannien und Harry S. Truman für den verstorbenen Franklin D. Roosevelt für die Vereinigten Staaten vereinbart. Frankreich war nicht eingeladen worden, stimmte jedoch dem Potsdamer Abkommen formell zu (Benz, Auftrag Demokratie, S. 37ff.). Köhler, in: HDR, 2 Rz. 106. Ebenda, Rz. 108.
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Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
träge auf 20 % des Lohnes oder Gehaltes für die Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung festzulegen, wobei je die Hälfte von Arbeitnehmer/innen und Arbeitgeber/innen entrichtet werden sollten und die Mitwirkung von Vertreter/innen der Arbeitnehmer/innen und Arbeitgeber/innen zu garantieren.34 In der Sowjetzone wurde die bisherige gegliederte Sozialversicherung durch „Befehl“ aufgelöst und die Einheitsversicherung nach dem Vorbild der „Versicherungsanstalt Berlin“ zum 1.2.1947 eingeführt.35 II
Die rechtspolitische Entwicklung in den beiden deutschen Staaten (1949-1990)
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Die doppelte Staatsgründung 1949
Das Jahr 1949 brachte den Spaltungsprozess seit 1945 zu einem ersten Ende. Die Teilung Deutschlands als Voraussetzung der Gründung zweier Staaten war nicht das Produkt des Zweiten Weltkriegs, sondern des nach seinem Ende entstehenden Kalten Krieges. Keine Besatzungsmacht wollte im Jahr 1945 konsequent die Teilung, wie sie sich später herausbildete, keine hat sie jedoch auch nachdrücklich zu verhindern versucht.36 Welche Ereignisse ursächlich für die doppelte Staatsgründung waren, lässt sich nicht exakt feststellen. Viele einschneidende Veränderungen, wie die im Jahr 1945 begonnene Bodenreform und die entschädigungslose Enteignung des Großgrundbesitzes, die Verstaatlichung der Großindustrie und die erzwungene Vereinigung der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) und der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) in der Sowjetischen Besatzungszone leiteten bereits damals die Übertragung des sowjetischen Modells und die Einbindung in das osteuropäische Staatensystem ein. Die vier Besatzungszonen wiesen bald, spätestens mit Verkündung des Marshallplans37 im Jahr 1947, deutlich unterschiedliche ökonomische Strukturen auf. Mit Einleitung der Währungsreform in den Westzonen am 21.6.1948 erfolgte das Ende der Umbruch- und Ausnahmezeiten nach dem 34
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Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt, Die Rentenversicherung im Osten Deutschlands, S. 17. Befehl Nr. 28 der sowjetischen Militärverwaltung vom 28.1.1947 und Gesetz über die Anpassung von Leistungen der Sozialversicherung an das veränderte Lohn- und Preisgefüge und über ihre finanzielle Sicherung“, WiGBl. S. 99. Kleßmann, in: Handbuch zur deutschen Einheit, S. 300. Der Marshallplan, offiziell European Recovery Program (kurz: ERP) genannt, war ein großes Wirtschafts-Wiederaufbauprogramm der USA, das nach dem Zweiten Weltkrieg dem kriegsgeschädigten Westeuropa zugutekam (Quelle und ausführlicher siehe Anhang, Glossar, 8.).
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Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Berlin-Blockade, die am 24.6.1948 von der Sowjetunion verhängt wurde und bis zum 12.5.1949 andauerte, verschärfte die sich abzeichnende Spaltung Deutschlands und sorgte für eine weitere Annäherung des westlichen Deutschlands an die Westmächte. Die Vorbereitungen für die Schaffung einer Verfassung wurden beschleunigt. 1.1 Die Gründung der Bundesrepublik Deutschland am 23.5.1949 Die USA und Großbritannien schlossen ihre Besatzungszonen am 1.1.1948 zur Bizone zusammen. Frankreich schloss sich ab April 1948 der gemeinsamen Politik für Westdeutschland nur zögerlich an und begründete die sog. Trizone. Die am 20./21.6.1948 in den westlichen Besatzungszonen und kurz darauf auch in den Westsektoren Berlins durchgeführte Währungsreform vertiefte die Spannungen zwischen den Westalliierten und der Sowjetunion. Wenige Tage später, am 26.6.1948, blockierte die Sowjetunion alle Zufahrtswege nach West-Berlin. Die Westalliierten errichteten daraufhin eine Luftbrücke zur Versorgung ihrer Sektoren, die bis 12.5.1949 andauerte. Am 1.7.1948 hatten die Westalliierten den elf Ministerpräsidenten der westdeutschen Besatzungszonen den Auftrag erteilt, bis zum 1.9.1948 eine verfassungsgebende Versammlung einzuberufen, mit der Maßgabe, „eine demokratische Verfassung aus(zu)arbeiten, die für die beteiligten Länder eine Regierungsform des föderalistischen Typs schafft, die am besten geeignet ist, die gegenwärtige zerrissene deutsche Einheit schließlich wieder herzustellen, und die Rechte der beteiligten Länder schützt, eine angemessene Zentralinstanz schafft und die Garantien der individuellen Rechte und Freiheiten enthält“38.
Die Ministerpräsidenten lehnten dies ab. Sie wollten einer gesamtdeutschen Nationalversammlung nicht vorgreifen und setzten einen Parlamentarischen Rat durch, der von den Landtagen gewählt wurde. Die 65 Mitglieder des Parlamentarischen Rates (61 Männer und 4 Frauen39), die von den Landtagen gewählt wur38
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Deutscher Bundestag, Vor 60 Jahren: Konstituierende Sitzung des Parlamentarischen Rates 1948 in Bonn, Referat für Öffentlichkeit, 2008, S. 14, im Internet abgerufen am 23.9.2010 unter: https://www.btg-bestellservice.de/pdf/20099700.pdf. Die vier Frauen waren: Elisabeth Selbert und Friederike Nadig (beide SPD), Helene Weber (CDU) und Helene Wessel (Zentrum). Insbesondere Elisabeth Selbert ist es zu verdanken, dass mit Art. 3 Abs. 2 GG die „garantierte Gleichberechtigung“ und damit eine Garantie der Geschlechtergleichbehandlung Eingang in das Grundgesetz gefunden und sich bewährt hat. Sie wurde – anders als die drei weiteren „Mütter des Grundgesetzes“ – nicht als Kandidatin für die Wahl zum ersten Deutschen Bundestag aufgestellt (Rust, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, S. 26).
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Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
den, traten am 1.9.1948 in Bonn zusammen.40 Sie berieten einen Verfassungsentwurf, der zuvor von Experten der Länder bei einem Treffen auf der Insel Herrenchiemsee erarbeitet worden war. Nach Verabschiedung des Grundgesetzes durch den Parlamentarischen Rat und Zustimmung durch die Westmächte sprachen sich zehn Landesparlamente für das Grundgesetz aus, der Bayerische Landtag stellte eine Übernahme in Aussicht. Am 8.5.1949 verabschiedete der Parlamentarische Rat das Grundgesetz, das am 23.5.1949 verkündet wurde und in Kraft trat: Damit war die Bundesrepublik gegründet. Mit der Errichtung der Bundesrepublik war nicht ein neuer westdeutscher Staat gegründet, sondern ein Teil Deutschlands neu organisiert worden. Das Grundgesetz ging davon aus, dass das Deutsche Reich den Zusammenbruch im Jahr 1945 überdauert hatte und weder mit der Kapitulation, noch durch Ausübung fremder Staatsgewalt in Deutschland durch die alliierten Okkupationsmächte, noch später untergegangen war. Dies ergab sich aus der Präambel, aus den Art. 16, 23, 116 und 146 GG. Das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung betont, dass das Deutsche Reich fort existierte und Rechtsfähigkeit besitze, allerdings als Gesamtstaat mangels Organisation, insbesondere mangels institutionalisierter Organe, selbst nicht handlungsfähig sei. Im Grundgesetz war auch die Auffassung vom gesamtdeutschen Staatsvolk und von der gesamtdeutschen Staatsgewalt verankert.41 Am 15.9.1949 war der erste Deutsche Bundestag zusammengetreten und hatte Konrad Adenauer zum Bundeskanzler gewählt. In seiner Regierungserklärung machte Adenauer deutlich, dass sich die Bundesrepublik als Kernstaat eines künftig wiedervereinigten Deutschlands verstehe und insofern ein Provisorium war. „Mit der Konstituierung der Bundesregierung, die am heutigen Tag erfolgt ist, ist auch das Besatzungsstatut in Kraft getreten. Wenn auch die Zuständigkeit des Bundestages und der Bundesregierung durch das Besatzungsstatut beschränkt ist, so darf uns doch diese Entwicklung, dieses Werden des deutschen Kernstaates mit Freude erfüllen.“42
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41 42
Die 65 Mitglieder des Parlamentarischen Rates verteilten sich auf die Parteien wie folgt: CDU/CSU: 27, SPD: 27, FDP: 5, Deutsche Partei: 2, Zentrum: 2, KPD: 2 und 5 stimmberechtigte Abgeordnete aus Berlin (SPD: 3, CDU: 1, FDP: 1). Das Durchschnittsalter war 55; jede/r Dritte war 60 Jahre und älter (Deutscher Bundestag, Blickpunkt Bundestag Spezial, Der Parlamentarische Rat und das Grundgesetz, Berlin, 2008, S. 7, im Internet abgerufen am 23.9.2010 unter: https://www.btg-bestellservice.de/pdf/40111000.pdf. BVerfG, 2 BvF 1/73 vom 31.7.1973, Absatz-Nr. 54, BVerfGE 36,1. Kleßmann, in: Handbuch zur deutschen Einheit, S. 299.
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Die Bundesrepublik Deutschland verstand sich zwar ebenso wie die Deutsche Demokratische Republik als Provisorium, aber auch als Kernstaat für ein künftiges vereinigtes Deutschland. Dies wird durch das in der Präambel des Grundgesetzes enthaltene Wiedervereinigungsgebot deutlich: „…Es (Anm.: das Deutsche Volk) hat auch für jene Deutschen gehandelt, denen mitzuwirken versagt war. Das gesamte Deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.“
1.2 Die Gründung der Deutschen Demokratischen Republik am 7.10.1949 Bereits im November 1947 wurde in der Ostzone von der SED auf die erkennbare Tendenz der Westmächte, eine westliche Teillösung des Deutschlandproblems zu suchen, der „Deutsche Volkskongress für Einheit und gerechten Frieden“ als Sammlungsbewegung initiiert, um sich selbst als treibende Kraft zugunsten der deutschen Einheit zu profilieren.43 Der Zweite Deutsche Volkskongress, der am 17. und 18. März 1948 tagte, protestierte gegen die Diskussion einer Staatsgründung in den Westzonen und beschloss, im Mai/Juni 1948 ein Volksbegehren für eine deutsche Einheit durchzuführen, was in den Westzonen nicht zugelassen wurde. Ein Ausschuss des Volkskongresses arbeitete unter der Leitung von Otto Grotewohl einen Verfassungsentwurf aus. Im März 1949 rief der Deutsche Volksrat wegen der bevorstehenden Verabschiedung des Grundgesetzes den „nationalen Notstand“ aus. Ein dritter Volkskongress wurde einberufen, um die Verfassung zu bestätigen. Der dabei neu gewählte Zweite Deutsche Volksrat konstituierte sich am 7.10.1949 als Provisorische Volkskammer, die die Verfassung in Kraft setzte.44 Die 330 Abgeordneten der Provisorischen Volkskammer beschlossen ein „Gesetz über die Provisorische Regierung der DDR“ und bildeten eine Länderkammer (34 Abgeordnete der 5 Landtage). Otto Grotewohl, einer der beiden Vorsitzenden der SED, wurde als Ministerpräsident mit der Bildung einer Regierung beauftragt. Dieser hatte anlässlich der Gründung der DDR „die Wiedervereinigung Deutschlands zu einer einheitlichen demokratischen Republik“ gefordert.45 Am 11.10. 1949 wählten Volks- und Länderkammer gemeinsam und einstimmig Wilhelm Pieck, den anderen Vorsitzenden der SED, zum Präsidenten der DDR.
43 44 45
Bundeszentrale für politische Bildung, Deutschland 1945–1949, S. 60. Zimmermann, in: Handbuch zur deutschen Einheit, S. 152. Kuppe, in: Handbuch zur deutschen Einheit, S. 253.
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Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
Der Deutschlandvertrag vom 23.10.195446
Der am 26.5.1952 in Bonn und am 23.10.1954 in einer revidierten Fassung in Paris unterzeichnete Deutschlandvertrag war noch bis 1989 ein rechtsgültiges Teilstück deutscher Verfassungsarchitektur und hat u. a. die Bundesrepublik fest im westlichen Bündnissystem verankert. Art. 7 Abs. 2 des Deutschlandvertrages enthielt die politische Zielvorstellung der Vertragsparteien, „ein wiedervereinigtes Deutschland, das eine freiheitlich-demokratische Verfassung ähnlich wie die Bundesrepublik besitzt und in die europäische Gemeinschaft integriert ist“, anzustreben. Obwohl damit eine klare Aussage für eine demokratische Ordnung westlicher Prägung getroffen wurde, sollte damit weder eine mögliche künftige Verfassung noch eine Regierungsform und keine gesellschaftliche Ordnung präjudiziert werden.47 3
Der Grundlagenvertrag vom 21.12.197248
Der am 21.12.1972 unterzeichnete „Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik“ (Grundlagenvertrag) war einer der wichtigsten Schritte auf dem Weg zur Deutschen Einheit. Er war mit Antritt der SPD/FDP-geführten Regierung unter Bundeskanzler Willy Brandt ab Oktober 1969 möglich geworden. Damit ging die Bereitschaft einher, von der Teilung Deutschlands auszugehen, den Alleinvertretungsanspruch aufzugeben und der DDR Staatsqualität zuzuerkennen. Auch wenn die DDR von bundesdeutscher Seite aus völkerrechtlich nach wie vor nicht anerkannt wurde, wurden gleichberechtigte Beziehungen angestrebt. Vor diesem Hintergrund wurde der Grundlagenvertrag vom 21.12.1972 ausgehandelt. Er sollte die besondere Lage Deutschlands berücksichtigen, vom Fortbestehen der Einheit der deutschen Nation, des Vier-Mächte-Rechts und der Vier-Mächte-Verantwortung für Deutschland als Ganzes ausgehen und die Wie46 47 48
BGBl. 1955 II S. 306. Grewe, in: Handbuch zur deutschen Einheit, S. 296. Vertrag über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik, der am 21.12.1972 durch die Bevollmächtigten der Vertragsparteien in Berlin unterzeichnet wurde. Nach Beratung und Behandlung in den gesetzgebenden Körperschaften erging das Gesetz vom 6.6.1973 zu dem Vertrag vom 21.12.1972 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik (BGBl. 1973 II S. 421). Der Vertrag ist nach der Bekanntmachung über sein Inkrafttreten vom 22.6.1973 (BGBl. II S. 559) am 21.6.1973 in Kraft getreten.
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derherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands nicht verhindern. Der Grundlagenvertrag hatte – entgegen der Position der DDR – die Teilung Deutschlands nicht legalisiert. Die deutsche Frage war weiterhin rechtlich und politisch offen geblieben. Durch die übereinstimmende Erklärung in Art. 9 des Grundlagenvertrages, dass durch ihn früher abgeschlossene oder ihn betreffende zweiseitige und mehrseitige internationale Verträge und Vereinbarungen nicht berührt werden, galt das Wiedervereinigungsgebot nach westlichem Vorbild in Art. 7 Abs. 2 des Deutschlandvertrages fort. Die bayerische Staatsregierung hatte am 28.5.1973 im Rahmen eines Antrags nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG iVm. § 13 Nr. 6 und § 76 Nr. 1 BVerfGG mit der Begründung, dass der Vertrag gegen das „Gebot der Wahrung der staatlichen Einheit Deutschlands“ verstoße und auch das „grundgesetzliche Wiedervereinigungsgebot verletze“49, beantragt festzustellen, dass der Grundlagenvertrag mit dem Grundgesetz unvereinbar sei. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Orientierungssatz zur Entscheidung zum Grundlagenvertrag vom 31.7.1973 ausgeführt: „Es wird daran festgehalten, dass das Deutsche Reich den Zusammenbruch 1945 überdauert hat und weder mit der Kapitulation noch durch die Ausübung fremder Staatsgewalt in Deutschland durch die Alliierten noch später untergegangen ist; es besitzt nach wie vor Rechtsfähigkeit, ist allerdings als Gesamtstaat mangels Organisation nicht handlungsfähig. Die BRD ist nicht „Rechtsnachfolger“ des deutschen Reiches, sondern als Staat identisch mit dem Staat „Deutsches Reich“, – in Bezug auf seine räumliche Ausdehnung allerdings „teilidentisch“„.
Das Bundesverfassungsgericht wies den Antrag ab und betonte die Verfassungsmäßigkeit der Vereinbarungen. Insbesondere stellte es klar, dass die DDR im Sinne des Völkerrechts ein Staat und als solcher Völkerrechtssubjekt sei. Das Bundesverfassungsgericht stellte weiterhin fest, dass der Grundlagenvertrag Doppelcharakter besitzt, der seiner Art nach ein völkerrechtlicher Vertrag und seinem spezifischen Inhalt nach ein Vertrag sei, der vor allem inter-seBeziehungen regelt.50 Die Anerkennung beider deutscher Staaten auf der Grundlage der Gleichberechtigung (Art. 1 Grundlagenvertrag) war eine Voraussetzung für die sich weiterhin bessernden Beziehungen und letztendlich für die Wiedervereinigung Deutschlands.
49 50
BVerfG, 2 BvF 1/73 vom 31.7.1973, Absatz-Nr. 32 und 33, BVerfGE 36,1. BVerfG, 2 BvF 1/73 vom 31.7.1973, Absatz-Nr. 65, BVerfGE 36,1.
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Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
III Die rentenrechtliche Entwicklung in den beiden deutschen Staaten (1949-1990) 1
Die rentenrechtliche Entwicklung in der Bundesrepublik (1949-1990)
Weil die Durchschnittslöhne in der ersten Legislaturperiode (1949–1953) um rd. 80 % gestiegen waren, war eine Anpassung der ohnehin geringen Renten erforderlich geworden. Deshalb verabschiedete der erste Deutsche Bundestag am 10.8.1951 ein Rentenzulagengesetz und ein Teuerungszulagengesetz.51 Insbesondere bedürftige Invalidenrentner/innen erhielten so eine – wenn auch geringe – Zulage. Eine einheitliche Erhöhung aller Renten erfolgte durch das Grundbetragserhöhungsgesetz vom 17.4.195352, das die Grundbeträge monatlich um 5 DM erhöhte. Weiterhin wurden mit dem Selbstverwaltungsgesetz vom 22.2. 195153 Vertreterinnen und Vertreter von Versicherten und Arbeitgeber/innen wieder paritätisch an der Selbstverwaltung der Organe der Versicherungsträger (Vertreterversammlung und Vorstand) beteiligt. Die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft erreichte bei der ersten Sozialwahl im Jahre 195354 mit 83 % der Stimmen, dass der Bundestag einstimmig beschloss, wieder eine eigenständige Versicherungsanstalt für Angestellte zu errichten (Gesetz über die Errichtung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 7.8.195355). In der zweiten Legislaturperiode war die Rentenanpassung wieder ein Thema auf der politischen Agenda, dem mit dem Renten-Mehrbetrags-Gesetz vom 23.11.1954, zwei Sonderzulagengesetzen vom 2.12.1955 und vom 16.11.195656 und dem Rentenvorschusszahlungsgesetz vom 23.12. 195657 versucht wurde, zu begegnen. Die zahlreichen Anpassungen machten die Notwendigkeit einer am System ansetzenden Rentenreform deutlich.58 Die Rentenreform von 1957 hatte eine Zäsurwirkung für den gesamten Sozialstaat, denn sie befreite die Sozialversicherung davon, lediglich Notbehelf für arme Leute zu sein, und bedeutete eine „radikale qualitative Aufwertung von Sozialstaat“. Mit der Rentenreform erhielt die Rente „Lohnersatzfunktion“, wurde dynamisiert und an die Einkommensentwicklung angepasst und rückte die sozialpolitische Absicherung des erworbenen Lebensstandards, des relativen 51 52 53 54
55 56 57 58
BGBl. 1951 I S. 505 und 507. BGBl. 1953 I S. 125. BGBl. 1951 I S. 124. Im Internet am 24.9.2010 abgerufen unter: forschungsbericht.html. BGBl. 1953 I S. 857. BGBl. 1955 I S. 733 und BGBl. 1956 I S. 854. BGBl. 1956 I S. 1072. Köhler, in: HDR, 2 Rz. 125ff.
http://www.bmas.de/portal/26184/f377__
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sozialen Status in den Bereich des Möglichen.59 Zwei sich widerstreitende Konzeptionen wurden in den Jahren 1955/1956 diskutiert: Zum einen der sog. Schreiber60-Plan, der bei einem festen Beitragssatz ein offenes Rentenniveau in einem reinen Umlageverfahren ohne Sicherheitsreserve (Solidar-Vertrag zwischen jeweils zwei Generationen) bei einer Kopplung der Rentenhöhe an die Entwicklung der Arbeitseinkommen ohne staatlichen Zuschuss vorsah. Die Vorstellung Gerhard Mackenroths, dass „aller Sozialaufwand immer aus dem Volkseinkommen der laufenden Periode gedeckt werden müsse und es insofern volkswirtschaftlich immer nur ein Umlageverfahren gebe“, artikulierte eine damals weithin geteilte Einsicht.61 Zum anderen forderte das beim Bundesarbeitsministerium im Rahmen des eingerichteten „Beirats für die Neuordnung der sozialen Leistungen“ ressortintern gebildete „Generalssekretariat für die Sozialreform“ in zwei wesentlichen Punkten eine tiefgreifende Änderung: Die Höhe der Rente sollte sich nicht nach einem festen Beitragssatz bemessen, sondern vielmehr sollte die Rente-LohnRelation Vorrang vor der Beitragssatzstabilität haben. Zudem sollte als weitere Ordnungsidee die Rente so bemessen sein, dass sie den individuell erworbenen Lebensstandard im Alter aufrechterhält. Mit den Rentenreformgesetzen 195762 wurde dann insbesondere geregelt:63
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63
Einführung der dynamischen Rentenformel statt Berechnung der Rente nach Grundbetrag und Steigerungsbeträgen. Die neuen Bestandteile der Rentenformel sind: Anrechnungsfähige Versicherungsjahre, Steigerungssatz je Versichertenjahr und Werteinheiten (Vorläufer der heutigen Entgeltpunkte), die dadurch errechnet werden, dass der individuelle Verdienst ins Verhältnis zu dem Durchschnittsentgelt aller Versicherten gesetzt wird; Rentenanpassung nach der Entwicklung der Bruttolöhne; Erhöhung des Beitragssatzes von 11 % auf 14 %; behutsame Einführung des Umlageverfahrens: Übergang vom Anwartschaftsdeckungsverfahren zum Abschnittsdeckungsverfahren mit der Maßgabe, dass eine Jahresausgabe vorhanden sein musste;
Hockerts, in: HDR, 3 Rz. 1. Wilfried Schreiber war Kölner Privatdozent für Wirtschaftstheorie und Geschäftsführer des Bundes katholischer Unternehmer und ein Vertrauter von Bundeskanzler Adenauer. Hockerts, in: HDR, 3 Rz. 9. ArVNG vom 23.2.1957 (BGBl. 1957 I S.45); AnVNG vom 23.2. 1957 (BGBl. 1957 I S. 88); Übertragung der Reform auf den dritten Zweig der RV: KnVNG vom 21.5.1957 (BGBl. 1957 I S. 533). Deutsche Rentenversicherung Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen 2009, S. 273f.
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Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
Einführung der Altersrente für Frauen ab dem 60. Lebensjahr, wenn sie in den letzen 20 Jahren überwiegend sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren; Neuregelung der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit (früher Invalidität).
Durch die Rentenreform 1957 erhöhten sich die Renten um rd. 60 %. Dies trug wesentlich zum Wahlerfolg der Regierungspartei bei der Bundestagwahl 1957 bei und sorgte dafür, dass Spannungen zwischen den Generationen abgebaut, aber auch dass die Bundesrepublik für die Bevölkerung der DDR attraktiv gehalten wurde.64 Das Rentenreformgesetz 1972 vom 16.10.197265 war sozialpolitisch von großer Bedeutung. Seit dem Jahr 1957 hatten sich die Rahmenbedingungen wesentlich geändert: Ende der 1960er Jahre war die Bundesrepublik wirtschaftlich stabil und die Aufbruchstimmung – auch durch Antritt der sozial-liberalen Regierungskoalition im Jahr 1969 – prägte die Rentenversicherungspolitik dieser Zeit. Insbesondere konnte so Folgendes geregelt werden:
Flexibilisierung der Altersgrenzen und Einführung der Altersrente für langjährig Versicherte mit der Möglichkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente ab dem vollendeten 63. Lebensjahr und der Altersrente für Schwerbehinderte ab dem vollendeten 62. Lebensjahr, jeweils mit einer Wartezeit von 35 Jahren; fester Anpassungstermin jeweils zum 1.7. eines Jahres und damit Vorverlegung um ein halbes Jahr; Einführung der Rente nach Mindesteinkommen66, die den Ausgleich für Lohndiskriminierung langjährig erwerbstätiger Frauen durchaus beabsichtigte. Im Jahr 1973 wurden dadurch mehr als 12 % der Renten angehoben. In vier von fünf Fällen kam die Regelung Frauen zugute.67
Mit dem Ersten Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts (1. EheRG) vom 14.6.197668 wurde die völlig unzureichende rentenrechtliche Absicherung über die sog. Geschiedenenwitwenrente neu geordnet. Ansprüche auf Geschiedenenwitwenrenten konnten nicht mehr entstehen und wurden grundsätzlich durch die Möglichkeit der Begründung eigener Rentenanwartschaften abgelöst.69 Der Ver64 65 66 67 68 69
Hockerts, in: HDR, 3 Rz. 30f. BGBl. I S. 1965. Ausführlich siehe B.,II.,2.4. Hermann, in: HDR, 4 Rz. 42. BGBl. I S. 1421. Rust, Familienlastenausgleich, S. 305.
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sorgungsausleich, ein Rechtsinstitut eigener Art, substituierte die Unterhaltsersatzkonzeption des alten Hinterbliebenenrentenrechts durch die Schaffung eigener Rentenanwartschaften für Alter und Invalidität.70, 71 Während die Rentenreform von 1957 am Leitbild der Hausfrauenehe festhielt, war seit dem 1. EheRG die familiäre Rollenteilung ohne gesetzliche Vorgaben.72 Die nächste große Rentenreform wurde am Tag des Mauerfalls am 9.11. 1989 im Deutschen Bundestag beschlossen. Da mit dieser Reform auch zugleich die Rentenüberleitung geregelt wurde, wird sie in den Teilen C.–D. behandelt. 2
Die rentenrechtliche Entwicklung in der Deutschen Demokratischen Republik (1949–1990)
Die Entwicklung in der DDR unterschied sich von der in der Bundesrepublik tiefgreifend. Die Trennung der verschiedenen Sozialversicherungszweige (Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung) wurde organisatorisch und auch finanzierungsmäßig durch Schaffung einer Einheitsversicherung aufgehoben. Die föderative Struktur wurde durch eine zentralistische Struktur ersetzt.73 Mit der Verordnung über die Sozialversicherung vom 26.4.1951 wurde eine einheitlich zentralgelenkte Sozialversicherung, die Anstalt des öffentlichen Rechts war, gebildet. Ab dem 1.1.1951 wurde der Haushalt der Sozialversicherung Teil des Staatshaushalts.74 Ab 1978 gab es in der DDR keine Arbeitslosenversicherung mehr. Jede Bürgerin und jeder Bürger der DDR hatte ein Recht auf Arbeit, aber auch eine Arbeitspflicht. Art. 24 I und II der DDR-Verfassung vom 6.4.1968 idF. vom 7.10.1974 bestimmte: „(1) Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen Republik hat das Recht auf Arbeit. Er hat das Recht auf einen Arbeitsplatz und dessen freie Wahl entsprechend den gesellschaftlichen Erfordernissen und der persönlichen Qualifikation. Er hat das Recht auf Lohn nach Qualität und Quantität der Arbeit. Mann und Frau, Erwachsene und Jugendliche haben das Recht auf gleichen Lohn bei gleicher Arbeitsleistung.
70 71 72 73
74
Hermann, in: HDR, 4 Rz. 51. Ausführlich dazu siehe Teil 2, D.III.2. Rust, Familienlastenausgleich, S. 304. Schmähl, Das System der Alterssicherung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 428. (siehe dazu auch o. B.II.). Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt, Die Rentenversicherung im Osten Deutschlands, S. 26.
42
Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme (2) Gesellschaftlich nützliche Tätigkeit ist eine ehrenvolle Pflicht für jeden arbeitsfähigen Bürger. Das Recht auf Arbeit und die Pflicht zur Arbeit bilden eine Einheit.“75
Umgesetzt wurde das Recht auf Arbeit durch eine Beschäftigungssicherung für den allergrößten Teil der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter in Form einer Garantie eines Arbeitsplatzes und eines Arbeitseinkommens, das von Mindestlohnvorschriften (und ggf. von sonstigen Sozialeinkommen) gegen den Sturz in die Armut abgeschirmt wurde.76 Bei betriebsbedingter Arbeitslosigkeit mussten die Betriebe die Beschäftigten gegen Arbeitslosigkeit absichern. Bei Arbeitslosigkeit aus persönlichen Gründen trat die Sozialfürsorge ein. Selbstverwaltung, wie sie das bundesdeutsche Sozialversicherungsrecht kannte, war den Trägern der Sozialversicherung fremd, zumal sich die DDR selbst als „Selbstverwaltung der Arbeiter und Bauern“77 begriff. Eine weitere Interessenvertretung war nach ihrem eigenen Selbstverständnis nicht erforderlich. Das Rentenrecht der DDR orientierte sich weder an der Lohnbezogenheit noch gab es eine dem bundesdeutschen Recht vergleichbare Lohndynamik. Die individuellen Beitragsleistungen der Versicherten spielten bei der Berechnung der Rente eine untergeordnete Rolle. Eine regelmäßige Anpassung war nicht vorgesehen. Das Rentenrecht der DDR kannte eine Vielzahl unterschiedlicher Sicherungssysteme.78 Von Beginn an bestand eine einheitliche Sozialpflichtversicherung mit Versicherungsschutz vor den biometrischen Risiken Alter, Invalidität und Tod. Die Renten wurden nicht regelmäßig erhöht. Trotz der geringen Inflation konnten sie mit der Entwicklung der Löhne und Gehälter kaum Schritt halten. Um einen teilweisen Ausgleich dafür zu schaffen und die Sozialversicherung zu stützen, wurde im Jahr 1971 die Freiwillige Zusatzrentenversicherung (FZR) eingeführt. Der Beitritt zu ihr ermöglichte die Versicherung von Arbeitseinkommen, das die in der Sozialpflichtversicherung maßgebliche Beitragsbemessungsgrenze, die bis zum 30.6.1990 konstant bei 600 M lag, überstieg. Die Bevölkerung der DDR, insbesondere ältere Menschen standen dem Rentensystem nicht unkritisch gegenüber. Die weitaus meisten nicht mehr Erwerbstätigen, erhielten 1959 eine durchschnittliche Rente von 151,88 M und 75 76 77
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Abgedruckt in: Zeitschrift für Sozialreform ZSR 1990, S. 42. Schmidt, Sozialpolitik der DDR, S. 32. Art. 45 Abs. 3 der Verfassung der DDR vom 6.4.1968 idF. v. 7.10.1974 bestimmte: „…Die Gewerkschaften leiten die Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten auf der Grundlage der Selbstverwaltung der Versicherten. Sie nehmen an der umfassenden materiellen und finanziellen Versorgung und Betreuung der Bürger bei Krankheit, Arbeitsunfall, Invalidität und im Alter teil.“ Damit hatte der FDGB auch für die sozialpolitische Interessenwahrung seiner Mitglieder zu sorgen. BVerfG, 1 BvL 32/95 vom 28.4.1999, Absatz-Nr. 3, BVerfGE 100,1.
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damit nicht einmal ein Drittel des Durchschnittsnettoverdienstes eines Industriearbeiters. Die nur einem Teil der Ruheständler/innen gewährte Rentenerhöhung vom 1.5.1959 hatte zu 4.000 schriftlichen Beschwerden und rd. 20.000 mündlichen Einsprüchen geführt.79 Neben der allgemeinen Sozialpflichtversicherung und der FZR gab es eine Vielzahl von Sonder- und Zusatzversorgungssystemen, die im Beitrags- und Leistungsrecht zum Teil erheblich von der Sozialpflichtversicherung abwichen. Die Mitgliedschaft in der Zusatzversorgung war mit der betrieblichen Altersversorgung und der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes im Westen vergleichbar. Die vier existierenden Sonderversorgungssysteme waren eine Versorgung sui generis außerhalb der Sozialpflichtversicherung und mit der Beamtenversorgung in der Bundesrepublik vergleichbar. Sonder- und Zusatzversorgung garantierten eine Rente in Höhe eines Prozentsatzes des letzten Bruttoeinkommens, max. von bis zu 90 % des letzten Nettoeinkommens. Da das Rentenversicherungssystem weitgehend statisch war, wird auf die Darstellung unter B. III. verwiesen.80 IV Die Vereinigung Deutschlands Der Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des bundesdeutschen Grundgesetzes nach Art. 23 GG81 war ein möglicher Weg zur staatlichen Einheit Deutschlands. Eine zweite Möglichkeit wurde durch Artikel 146 GG82 eröffnet: die Ausarbeitung einer neuen, gemeinsamen Verfassung. Die Entscheidung für den Beitritt und gegen die staatliche Neukonstituierung fiel im Prinzip schon mit den ersten freien Wahlen in der DDR. Nach dem Mauerfall demonstrierten die Menschen in den Städten der DDR weiter für demokratische Veränderungen. Aus dem Ruf „Wir sind das Volk!“ 79 80
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Helwig, Ins Abseits geraten, S. 237. Eine sehr ausführliche Darstellung des Rentenrechts der DDR siehe bei: Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt, Die Rentenversicherung im Osten Deutschlands. Art. 23 GG lautete seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes bis zu seiner Aufhebung durch das Einigungsvertragsgesetz vom 23.9.1990 (BGBl. II S.885) wie folgt: „Dieses Grundgesetz gilt zunächst im Gebiet der Länder Baden, Bayern, Bremen, Groß-Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern. In anderen Teilen Deutschlands ist es nach deren Beitritt in Kraft zu setzen.“ Art. 146 GG lautete seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes bis zu seiner Aufhebung durch das Einigungsvertragsgesetz vom 23.9.1990 (BGBl. II S. 885) wie folgt: „Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“
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wurde immer lauter „Wir sind ein Volk!“. Die Umfragen unter der DDR-Bevölkerung widersprachen sich. Während die Befragungen der Westmedien ergaben, dass die übergroße Mehrheit der Ostdeutschen die Wiedervereinigung wolle, war das Ergebnis bei den DDR-Demoskopen genau entgegengesetzt. Nach ihren Umfragen wollte die Mehrzahl der ostdeutschen Bevölkerung vor allem eine bessere DDR.83 Die 363 anwesenden Abgeordneten der am 18.3.1990 ersten freigewählten Volkskammer der DDR beschlossen am 23.8.1990 mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit von 294 gegen 62 Stimmen bei 7 Enthaltungen den „Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zum Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 23 des Grundgesetzes mit Wirkung vom 3. Oktober 1990“.84 Der Einigungsvertrag konnte so am 31.8.1990 unterzeichnet werden. Mit Beginn des 3.10.1990 trat das Grundgesetz in den neuen Bundesländern und im Ostteil Berlins (Art. 3 Einigungsvertrag) in Kraft. Im gleichen Zeitpunkt war die DDR als Staat und Völkerrechtssubjekt untergegangen. Seit der Entscheidung, der Bundesrepublik beizutreten, verstummten die Diskussionen um eine hinreichende Legitimation des Grundgesetzes als Verfassung Deutschlands nicht. Dies wurde damit begründet, dass dem Grundgesetz angeblich ein „Geburtsfehler“ anhaften würde, da das Staatsvolk niemals in einer förmlichen Abstimmung über seine Geltung hatte befinden können. Würde man dieser Ansicht folgen, würde Demokratie auf einen einmaligen Abstimmungsakt reduziert, auf die Formalität einer einmaligen Grundsatzentscheidung verengt und dadurch insbesondere zur Disposition eines Augenblickentscheids gestellt werden.85 Vielmehr ist das Grundgesetz eine gültige Verfassung, weil es als verbindliche Grundsatzordnung historisch gewachsen und gegenwärtig praktiziert wird, nicht weil ihr in einem punktuellen Akt das Staatsvolk zugestimmt hatte. Eine Verfassung entsteht nicht in einem „juristischen“ Urknall durch Spontanentscheidung des Staatsvolks oder ad-hoc-Vertrag gesellschaftlicher Gruppen, sondern beruht auf Wertungen und Erfahrungen, die in einer Kulturtradition gewachsen sind. In Kulturstaaten ist der Akt der Verfassung eher ein Akt der Verfassungsweitergebung.86 Die vier Siegermächte haben die Rechtslage bis zum Vollzug der Wiedervereinigung mitbestimmt, ihre Mitwirkung allerdings auf die äußeren Aspekte beschränkt. Ergebnis der Verhandlungen der zwei deutschen Staaten und der Vier Mächte war der „Zwei-plus-Vier-Vertrag“ vom 12.9.1990, in dem die Vier 83 84 85 86
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 20 Jahre Deutsche Einheit, S. 20. Ebenda, S. 28. Kirchhof, Die Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts, S. 1499. Ebenda, S. 1499 mit weiteren Nachweisen.
B Konzeptionelle Unterschiede der Alterssicherungssysteme
45
Mächte ihre Rechte und Verantwortlichkeiten in Bezug auf Deutschland und Berlin beendeten. Der Vertrag trat nach Ratifizierung durch alle Vertragsparteien am 15.3.1991 in Kraft.87
B Konzeptionelle Unterschiede der Alterssicherungssysteme der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik B Konzeptionelle Unterschiede der Alterssicherungssysteme
I
Frauen und ihre Alterssicherung
Diese Arbeit lenkt den Blick immer wieder auf die Alterssicherung von Frauen, sowohl im Hinblick auf allgemeine rentenrechtliche Regelungen wie auch auf die Aus- und Folgewirkungen der Rentenüberleitung. Denn im Ost-West-Kontext spielen die unterschiedlichen Mechanismen der Alterssicherung von Frauen eine wichtige Rolle. Während die Erwerbsbiographien von Männern im Hinblick auf Versicherungsjahre und Rentenhöhen relativ gleich sind, unterscheiden sich die Erwerbs- und Rentenbiographien von Frauen in Ost und West wesentlich. Auch das Ehe- und Familienrecht entwickelte sich in Ost und West unterschiedlich (siehe Teil 2, D. III. 2.). Im Folgenden werden die Strukturen und Wesensmerkmale der Alterssicherungssysteme der beiden deutschen Staaten dargestellt. II
Die Alterssicherung in der Bundesrepublik Deutschland
Vom deutschen Kaiserreich über die Weimarer Republik, das Dritte Reich bis hin zur Bundesrepublik Deutschland hat sich die Grundvorstellung herausgebildet, dass die Regel-Alterssicherung eine vorleistungsabhängige und damit weitgehend beitragsfinanzierte, einkommensbezogene Alterssicherung sein soll, mit der am früheren Einkommen angeknüpft wird und – modifiziert um die Länge der Zugehörigkeit zur Versichertengemeinschaft – ein Aufrechterhalten des in der Erwerbsphase erreichten Lebensstandards auch im Alter – oder nach dem Tod des Ernährers – erreicht werden soll.88
87 88
BGBl. II 1991, S. 587. Schmähl, Das System der Alterssicherung in der Bundesrepublik Deutschland, S. 428.
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1
Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
Die drei Säulen der Alterssicherung
Die Einkommen älterer Menschen in der Bundesrepublik Deutschland stammen im Wesentlichen aus den Systemen der Alterssicherung und umfassen Leistungen der Pflichtversicherung, der betrieblichen Altersversorgung und der privaten Vorsorge. Diese drei Bereiche werden als die drei Säulen der Alterssicherung bezeichnet. Dazu kommen bedarfsspezifische Transfersysteme wie z. B. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.89 Die erste Säule der Alterssicherung setzt sich aus der gesetzlichen Rentenversicherung, der Alterssicherung der Landwirte, der Beamtenversorgung und der Berufsständischen Versorgung zusammen. Die gesetzliche Rentenversicherung ist das im Umlagesystem finanzierte Pflichtversicherungssystem für abhängig Beschäftigte. Die Absicherung der drei biometrischen Risiken Langlebigkeit, das Todesfallrisiko und die Invalidität erfolgt obligatorisch und für beide Geschlechter zu gleichen Bedingungen. Frauen und Männer erhalten, auch wenn sie eine unterschiedliche Lebenserwartung haben, die ihren Beiträgen entsprechenden gleichen Leistungen für eine unterschiedlich lange Zeit. Diese Tarife werden als Unisex-Tarife bezeichnet. Die Absicherung der Hinterbliebenen ist automatisch durch die gesetzliche Rentenversicherung gewährleistet. Daneben beinhaltet die gesetzliche Rentenversicherung insbesondere durch die rentensteigernde Berücksichtigung von Kindererziehungs- und Pflegezeiten einen solidarischen Ausgleich zwischen den Geschlechtern und durch rentenrechtliche Instrumente wie „Mindestentgeltpunkte bei geringem Arbeitsentgelt“ (§ 262 SGB VI) einen sozialen Ausgleich zugunsten von Menschen, die langjährig sozialversicherungspflichtig bei geringen Entgelten beschäftigt waren. Zu den Aspekten der Alterssicherung von Frauen siehe unten 2.4. Die betriebliche Altersversorgung der Privatwirtschaft und die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes bestimmen die zweite Säule der Alterssicherung. Anders als die erste Säule ist die betriebliche Altersvorsorge kein gesetzliches Pflichtversicherungssystem, sondern ein freiwilliges System, das weitgehend tarifvertraglich organisiert ist. Ausgleichselemente sind deshalb in der 89
Die frühere, die Rente ergänzende, Sozialhilfe wurde nach langen sozialpolitischen Diskussionen im Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung (Grundsicherungsgesetz – GSiG, Art. 12 des Altersvermögensgesetzes vom 26.6.2001, BGBl. I S. 1310) verankert. Über 65-Jährige und aus medizinischen Gründen voll Erwerbsgeminderte ab Vollendung des 18. Lebensjahres können Leistungen der Grundsicherung erhalten. Die Grundsicherung wird als eigenständige soziale Fürsorgeleistung neben den bisherigen dauerhaften Leistungen der Sozialversicherung gezahlt und soll den grundlegenden Bedarf für den Lebensunterhalt sicherstellen; sie entspricht in etwa der Höhe der Hilfe zum Lebensunterhalt der Sozialhilfe. Mit dem Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 (BGBl. I S. 3022) wurden die Normen ins SGB XII (dort §§ 41 f.) eingefügt.
B Konzeptionelle Unterschiede der Alterssicherungssysteme
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zweiten Säule nicht obligatorisch, sondern müssen ausgehandelt und vereinbart werden. Die betriebliche Altersversorgung ist bis auf Ausnahmen weitgehend kapitalgedeckt. Daneben gibt es eine Vielzahl von Sonderregelungen für bestimmte Personengruppen, wie z. B. für Handwerker/innen, Bergleute, Künstler/innen in der gesetzlichen Rentenversicherung oder die Zusatzversorgung in der Land- und Forstwirtschaft.90 Unter Alterseinkommen aus privater Versorgung, der dritten Säule, sind grundsätzlich alle Einkommenszuflüsse aus Formen der privaten Vermögensbildung zu zählen, die dauerhaft und lebenslang gezahlt werden. Die private Altersvorsorge unterliegt grundsätzlich dem Versicherungsprinzip, d. h. Tarife für Frauen und Männer werden entsprechend der unterschiedlichen Lebenserwartung kalkuliert und die Absicherung der drei biometrischen Risiken erfolgt optional. Die dritte Säule der Alterssicherung unterliegt der Kapitaldeckung. Soziale bzw. solidarische Ausgleichselemente sind ihr fremd. Das Verhältnis der Säulen im Gesamtgefüge der Alterssicherung hat sich über die Jahre stark verändert, die Bedeutung der ersten Säule nahm ab, die der zweiten und dritten Säule nahm zu. Nach der aktuellen Studie Alterssicherung in Deutschland (ASID)91 stellen sich die Bezieherquoten, wie in Tabelle 1 dargestellt, dar. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Alterseinkommen der 65-jährigen und älteren Versicherten in den neuen Bundesländern so gut wie ausschließlich aus der gesetzlichen Rentenversicherung stammen. In den alten Bundesländern sind die Anwartschaften aus einer betrieblichen Altersversorgung begrenzt und unterliegen starken geschlechtsspezifischen Unterschieden.
90 91
Bieber u. a., Alterssicherung in Deutschland 2007, S. 208. Die ASID wurde in den Jahren 1986, 1992, 1995, 1999, 2003 und 2007 im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales von Infratest Sozialforschung durchgeführt. Die Ergebnisse der Untersuchung 2007 (Rechtsstand 31.12.2007) sind in den Alterssicherungsbericht 2008 eingeflossen. Die ASID untersucht die Lebenssituation Art, Höhe, Verteilung und Determinanten der Einkommen älterer Menschen auf der Ebene von Personen und Ehepaaren. BT-Drucksache 16/11061.
48
Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
Tabelle 1: Bezieherquoten der einzelnen Säulen der Alterssicherung der Personen im Alter ab 65 Jahren mit eigener Alterssicherung Alterssicherungssystem AlteBundesländer GRV BV BSV AdL BAV ZÖD NeueBundesländer GRV
Gesamt
Männer
Frauen
86% 6% 1% 3% 17% 10%
89% 11% 1% 5% 31% 11%
84% 2% 0% 2% 7% 9%
99%
99%
99%
GRV GesetzlicheRentenversicherung BV Beamtenversorgung BSV BerufsständischeVersorgung AdL AlterssicherungderLandwirte BAV BetrieblicheAltersversorgung ZÖD ZusatzversorgungimöffentlichenDienst Quelle:ASID2008,AuszügeausTabelleB.2.1.,S.46.
2
Die gesetzliche Rentenversicherung
Die paritätisch finanzierte und selbstverwaltete gesetzliche Rentenversicherung der Bundesrepublik ist in einem umlagefinanzierten, mit solidarischen Ausgleichselementen ausgestatteten, beitragsorientierten System organisiert. Sicherungsziel war bis zur Rentenreform 1999, der sog. Riester-Reform92, die Lebensstandardsicherung. Dieses zu verwirklichen dienten die beiden tragenden Grundsätze der Rentenberechnung: die Lohn- und Beitragsbezogenheit der Renten und die Anbindung der Renten an die allgemeine Entwicklung der Löhne und Gehälter. Seit Gründung der Bundesrepublik wurden zahlreiche Rentenreformen durchgeführt. Seit der Rentenreform 195793 ist die gesetzliche Rentenversicherung in der Bundesrepublik Deutschland von dem Ziel der Lebensstandardsicherung geprägt. Nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben soll die Rente ein am bisherigen Lebensstandard orientiertes Einkommen sicherstellen und zugleich ein Spiegelbild der individuellen Lebensarbeitsleistung der Versicherten sein.94 Mit dem Übergang zur dynamischen Rentenberechnung wurden sowohl 92 93
94
Rentenreformgesetz 1999 vom 16.12.1997, BGBl. I S. 2998. Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Arbeiter (Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz – ArVGN) vom 23.2.1957, BGBl. I S. 45 und Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Angestellten (Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz – AnVGN) vom 23.2.1957, BGBl. I S. 88. Michaelis, Die gesetzliche Rentenversicherung in den neuen Bundesländern, S. 165.
B Konzeptionelle Unterschiede der Alterssicherungssysteme
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die Rentenanwartschaften als auch die laufenden Renten an die Einkommensentwicklung der Erwerbstätigen angepasst. Dadurch wurde gewährleistet, dass die Rentnerinnen und Rentner an den Einkommensfortschritten der Aktiven und damit an der wirtschaftlichen Entwicklung teilnahmen. Dabei stand eine „halbautomatische“, d. h. jeweils durch Gesetz zu beschließende Rentenanpassung, unter erheblichen Vorbehalten, u. a. deshalb, weil aus damaliger wirtschaftspolitischer Sicht eine jährliche Anpassung auf Dauer nicht finanzierbar erschien.95 Zentrale Rechtsgrundlage des gesetzlichen Rentenrechts ist das Sechste Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Das Rentenreformgesetz 1992 vom 18.12. 198996 ist zum 1.1.1992 in Kraft getreten und löste das 4. Buch der Reichsversicherungsordnung (RVO), das für das Recht der Arbeiterinnen und Arbeiter galt, das Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) und das Reichsknappschaftsgesetz (RKG) ab. Zahlreiche Reformen haben das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung weiterentwickelt und an sich ändernde soziale, wirtschaftliche und demographische Rahmenbedingungen angepasst. Das Sicherungsziel „Lebensstandardsicherung“ aus der ersten Säule, der gesetzlichen Rentenversicherung, als einer der tragenden Grundsätze wurde dabei aufgegeben. Insbesondere mit dem „Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens“ (AVmEG) vom 21.3.200197, dem „Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung“ (RV-Nachhaltigkeitsgesetz) vom 21.7.200498 und dem „Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung“ (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) vom 20.4.200799 erfolgte die Verlagerung des Sicherungsziels „Lebensstandardsicherung“ auf alle drei Säulen der Alterssicherung. Das Niveau der gesetzlichen Rente wurde durch Einfügen von sog. Dämpfungsfaktoren langfristig drastisch abgesenkt. Die Grundsätze der Beitragsbezogenheit und der Umlagefinanzierung blieben weitgehend unverändert. Zu den Rentenreformen ab dem Jahr 1992 siehe unten VI. Die innere Verwaltungsorganisation der Rentenversicherung folgt den Prinzipien der Selbstverwaltung, also der selbstständigen Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben durch die Versicherten. Selbstverwaltung erfordert eine organisatori95 96
97 98 99
Van Almsick, Rentenanpassung zum 1. Juli 1992, S. 229. Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992 – RRG 1992), BGBl. I S. 2261 und 1990 I S. 1337. BGBl. I S. 403. BGBl. I S. 1791. BGBl. I S. 554.
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Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
sche Verselbstständigung der jeweiligen Träger (§ 29 SGB IV). Die Rentenversicherung ist deshalb eine eigenständige juristische Person des öffentlichen Rechts und verfügt über eigenständige Rechtspersönlichkeit im Sinne von eigener Rechtsfähigkeit und damit über die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Das SGB VI ist in sechs Kapitel unterteilt: Versicherter Personenkreis; Leistungen; Organisation, Datenschutz und Datensicherheit; Finanzierung; Sonderregelungen und Bußgeldvorschriften. 2.1 Versicherter Personenkreis Das SGB VI unterscheidet zwischen Versicherungspflicht und Versicherungsfreiheit. Versicherungspflicht ist die gesetzlich angeordnete Versicherung des/der Einzelnen; sie kann auf verschiedenen Gründen beruhen und kann weder mündlich noch schriftlich ausgeschlossen werden.100 Pflichtversichert sind hauptsächlich Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung (§ 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) sowie behinderte Menschen, die z. B. in anerkannten Werkstätten beschäftigt sind (§ 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI). Selbstständige sind in Ausnahmefällen entweder kraft Gesetzes oder auf Antrag versicherungspflichtig (§§ 2, 4 Abs. 2 SGB VI). Von dieser Versicherungspflicht ausgenommen und damit versicherungsfrei sind Personen, die des Schutzes der gesetzlichen Rentenversicherung nicht bedürfen oder in anderen Einrichtungen hinreichend abgesichert sind, wie z. B. Beamtinnen und Beamte sowie Richterinnen und Richter (§ 5 SGB VI). Ebenfalls versicherungsfrei sind Personen, die geringfügig beschäftigt sind (§ 5 Abs. 2 SGB VI, §§ 8, 8 a SGB IV), Studierende, die während des Studiums ein vorgeschriebenes Praktikum ableisten (§ 5 Abs. 3 SGB VI) oder Personen, die eine Altersrente als Vollrente (§ 5 Abs. 4 SGB VI) beziehen. Die Befreiung von der Versicherungspflicht ist ebenso für die in § 6 SGB VI genannten Personen, wie z. B. Angehörige verkammerter Berufe, möglich. Unabhängig davon besteht die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung (§ 7 SGB VI). Grundsätzlich sind alle Personen ohne Rücksicht auf deren Staatsangehörigkeit zur freiwilligen Versicherung berechtigt, wenn sie das 16. Lebensjahr vollendet haben, sich in der Bundesrepublik Deutschland gewöhnlich aufhalten und nicht versicherungspflichtig sind.101 Seit dem Jahr 2007 wird eine öffentliche Diskussion um die Fortentwicklung der gesetzlichen Rentenversicherung zu einer Erwerbstätigenversicherung 100 101
Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung im SGB, Band 1, Überblick, S. 7. Deutsche Rentenversicherung, Sechstes Buch, Rentenversicherung, Texte und Erläuterungen, S. 120.
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geführt, in die alle Erwerbstätige, also insbesondere alle Formen von Selbstständigen, aber auch Beamtinnen und Beamte, sog. freie Berufe und Politikerinnen und Politiker einbezogen werden sollen. Dieser Forderung haben sich verschiedene Parteien, Verbände und die Gewerkschaften angeschlossen.102 2.2 Finanzierung und Beiträge Die gesetzliche Rentenversicherung wird im Umlageverfahren finanziert, d. h. die Deckung der Aufwendungen erfolgt durch die Einnahmen des gleichen Zeitabschnitts. Das bedeutet, dass die Ausgaben eines Kalenderjahres durch die in diesem Jahr erzielten Einnahmen (Beiträge und Bundeszuschüsse) und soweit erforderlich durch Entnahme aus der Nachhaltigkeitsrücklage gedeckt werden (§ 153 Abs. 1 und 2 SGB VI). Beiträge werden nach dem Beitragssatz von der Beitragsbemessungsgrundlage bis zur Beitragsbemessungsgrenze erhoben103 (§ 157 SGB VI). Die Beiträge werden im Arbeitsverhältnis von den Versicherten und ihren Arbeitgeber/innen zu gleichen Teilen getragen (§ 168 SGB VI). Für Zeiten in der knappschaftlichen Rentenversicherung gelten rechtliche Besonderheiten104 (§§ 79 ff. SGB VI). Beitragsbemessungsgrundlagen für Versicherungspflichtige sind die beitragspflichtigen Einnahmen (§ 162 SGB VI). Dies sind bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern das Arbeitsentgelt aus der versicherungspflichtigen Beschäftigung (§ 162 Nr. 1 SGB VI). Weitere Personengruppen, deren beitragspflichtige Einnahmen sich u. a. auf die Bezugsgröße105 beziehen, sind in § 162 ff. genannt, 102 103
104
105
SoVD u.a., Erwerbstätigenversicherung: Rente mit Zukunft, S. 13 ff. Der Beitragssatz in der allgemeinen Rentenversicherung beträgt im Jahr 2010 und 2011 19,9 % und wird von den Versicherten und ihren Arbeitgeber/innen zu gleichen Teilen aufgebracht (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2010 und 2011, siehe im Anhang, 6. Gesetze und Rechtsquellen, II.). Die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung beträgt für das Jahr 2010 (2011) in den alten Bundesländern jährlich 66.000 € (66.000 €), monatlich 5.500 € (5.500 €), in den neuen Bundesländern jährlich 55.800 € (57.600 €) und monatlich 4.650 € (4.800 €) (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2010 und 2011, siehe im Anhang, 6. Gesetze und Rechtsquellen, II.). Der Beitragssatz in der knappschaftlichen Rentenversicherung beträgt 2010 (2011) 26,4 %, wobei die knappschaftlich Versicherten wie in der allgemeinen Rentenversicherung 9,95 % zahlen. In der knappschaftlichen Rentenversicherung beträgt die Beitragsbemessungsgrenze für das Jahr 2010 in den alten Bundesländern jährlich 81.600 € (81.000 €), monatlich 6.800 € (6.750 €), in den neuen Bundesländern jährlich 68.400 € (70.800 €) und monatlich 5.700 € (5.900 €) (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2010 und 2011, siehe im Anhang, 6. Gesetze und Rechtsquellen, II.). Die Bezugsgröße beträgt für das Jahr 2010 (2011) jährlich 30.660 € (30.660 €), monatlich 2.555 € (2.555 €), für die neuen Bundesländer jährlich 26.040 € (26.880 €), monatlich 2.170 €
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Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
wie z. B. behinderte Menschen. Deren beitragspflichtige Einnahmen orientieren sich grundsätzlich an dem aus der Beschäftigung erzielten Arbeitsentgelt. Jedoch wird mindestens ein Betrag von 80 % der Bezugsgröße (iSv. § 18 SGB IV) als Mindestbemessungsgrundlage zugrunde gelegt. 2.3 Leistungsrecht: Rentenarten, Berechnung und Anpassung der Renten Das SGB VI kennt vier Arten von Leistungen: Leistungen zur Teilhabe, Zusatzund Serviceleistungen und Renten (§§ 9-124 SGB VI). Leistungen zur Teilhabe Die Rentenversicherung erbringt Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie ergänzende Leistungen, die eine frühzeitige Rentenleistung verhindern sollen (§ 9 Abs. 1 SGB VI). Es gilt der Grundsatz „Reha vor Rente“ (§ 9 Abs. 2 SGB VI). Damit soll erreicht werden, dass durch erfolgreiche Leistungen zur Teilhabe Rentenleistungen nicht oder voraussichtlich erst zu einem späteren Zeitpunkt zu erbringen sind. Zusatz- und Serviceleistungen Das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung kennt Zusatzleistungen, die nicht Bestandteil der Rente sind. Dies können Zuschüsse zur Krankenversicherung bei freiwilliger Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung oder bei privat krankenversicherten Rentenbezieherinnen und -beziehern (§ 106 SGB VI) oder Rentenabfindungen (§ 107 SGB VI) sein. Unter Serviceleistungen sind Renteninformation und Rentenauskunft (§ 109 SGB VI) sowie Beratungsleistungen in Angelegenheiten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (§ 109 a SGB VI) zu verstehen.
(2.240 €) (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2010 und 2011, siehe im Anhang, 6. Gesetze und Rechtsquellen, II.).
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Renten
Rentenarten
Das SGB VI sichert die biometrischen Risiken Langlebigkeit, Erwerbsminderung (Invalidität) und das Todesfallrisiko (des Haupternährers bzw. der Haupternährerin) durch drei Rentenarten ab:
Renten wegen Alters (§ 35 ff. SGB VI): Regelaltersrente (§ 35 SGB VI) nach Erreichen der Regelaltersgrenze und Erfüllung der allgemeinen Wartezeit; Altersrente für langjährig Versicherte (§ 36 SGB VI) mit der Möglichkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme; Altersrente für schwerbehinderte Menschen (§ 37 SGB VI) mit der Möglichkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme; Altersrente für besonders langjährig Versicherte (§ 38 SGB VI n.F.), Inkrafttreten ab dem 1.1.2012; Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit (§ 38 SGB VI a.F.), durch Art. 1 Nr. 16 des RRG 1999 mit Wirkung zum 1.1.2000 aufgehoben. Diese Rentenart kann nur noch bei Vorliegen der rentenrechtlichen Voraussetzungen von bis 1951 Geborenen in Anspruch genommen werden; Altersrente für Frauen (§ 39 a.F.), durch Art. 1 Nr. 16 des RRG 1999 mit Wirkung zum 1.1.2000 aufgehoben. Diese Rentenart kann nur noch bei Vorliegen der rentenrechtlichen Voraussetzungen von bis 1951 weiblichen Geborenen in Anspruch genommen werden; Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§§ 43 ff. SGB VI): volle Erwerbsminderungsrenten und teilweise Erwerbsminderungsrenten und Renten wegen Todes (§§ 46 ff. SGB VI): große und kleine Witwen-/Witwerrenten, Waisen- und Erziehungsrenten.
Anspruch auf eine Rente besteht dann, wenn die für die jeweilige Rente erforderliche Mindestversicherungszeit (Wartezeit) erfüllt ist und die jeweiligen besonderen versicherungsrechtlichen und persönlichen Voraussetzungen vorliegen (§ 34 Abs. 1 SGB VI). Anspruch auf eine Altersrente vor Erreichen der Regelaltersgrenze besteht nur, wenn die jeweils maßgebliche Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten ist (§ 34 SGB VI). Der Zeitpunkt der Inanspruchnahme einer Altersrente wurde durch zahlreiche Reformen immer wieder geändert.
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Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
Berechnung der Renten
Der Wert des Rechts auf Rente (sog. „Monatsbetrag der Rente“) bei Rentenbeginn bestimmt sich nach der Rentenformel der §§ 63 Abs. 6, 64 SGB VI aus der Vervielfältigung der Summe der Entgeltpunkte mit dem Zugangsfaktor, dem Rentenartfaktor und dem aktuellen Rentenwert. Die Summe der Entgeltpunkte gibt die bis zum Eintritt des Versicherungsfalls konkret erbrachte Vorleistung und damit die individuell erworbene Teilhabeberechtigung wider. Der Wert dieser Vorleistung wird grundsätzlich dadurch ermittelt, dass für jedes einzelne Kalenderjahr das versicherte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen durch das Durchschnittsentgelt des Kalenderjahres (Anlage 1 zum SGB VI) geteilt wird. Die Versicherung eines Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens in Höhe des Durchschnittsentgelts eines Kalenderjahres106 ergibt gemäß § 63 Abs. 2 SGB VI einen vollen Entgeltpunkt (EP). Dadurch wird derjenige Teil des Systemversprechens der gesetzlichen Rentenversicherung konkretisiert, nach dem der Rentnerin bzw. dem Rentner der aus Anlass des Versicherungsfalls (Alter, Invalidität oder Tod) entstandene Bedarf nach Erwerbsersatzeinkommen nur nach dem (relativen) Wert der Vorleistung ausgeglichen werden soll, die sie bzw. er während des aktiven Versicherungslebens für die damaligen Rentnerinnen und Rentner durch den zum Rohertrag der Unternehmen beitragende Arbeit, in ihrem Wert gemessen am versicherten Arbeitsentgelt, individuell erbracht hatte.107 Die Monatsrente wird nach folgender Formel berechnet (§ 64 SGB VI): Monatsrente = (ZF x Summe aller EP) x RArtF x aRw EP ZF
Entgeltpunkte Zugangsfaktor
RArtF aRw
Rentenartfaktor aktueller Rentenwert
Die Entgeltpunkte (§ 66 SGB VI) spiegeln die Dauer und Höhe der Beitragsleistung wider und sind damit ein Ausdruck der Lohn- und Beitragsbezogenheit der Rente. Für die Beitragsleistung aus dem Durchschnittsentgelt aller Versicherten108 ergibt sich ein Entgeltpunkt. Durch den Zugangsfaktor (§ 77 SGB VI) werden Vor- bzw. Nachteile einer unterschiedlichen Rentenbezugsdauer ausgeglichen. Die vorzeitige Inanspruchnahme einer Rente bedingt einen Rentenabschlag. Der Zugangsfaktor, der bei Alters-, Erwerbsminderungs-, Erziehungs- und Hinterblie106
107 108
Das vorläufige Durchschnittsentgelt aller Versicherten für das Jahr 2010 beträgt jährlich 32.003 € (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2010, siehe im Anhang, 6. Gesetze und Rechtsquellen, II.). BSG, Urteil vom 14.3.2006, B 4 RA 41/04 R, Rd. 17. Für das Jahr 2010 gilt: 19,9 % aus rd. 32.000 € = 6.360 € jährlich. Dies ergibt einen monatlichen Beitrag von rd. 530 €, der paritätisch aufgebracht wird.
B Konzeptionelle Unterschiede der Alterssicherungssysteme
55
benenrenten grundsätzlich angewendet wird, errechnet sich aus dem Alter der Versicherten bei Rentenbeginn oder beim Tod. Er ist für jeden Kalendermonat der vorzeitigen Inanspruchnahme der jeweiligen Rente 0,003 kleiner als 1,0. Wird eine Altersrente über den Zeitpunkt der Regelaltersgrenze hinaus später in Anspruch genommen, ist der Zugangsfaktor für jeden Monat der Nichtinanspruchnahme 0,005 höher als 1,0 (§ 77 Abs. 2 Nr. 4 SGB VI). Durch Anwendung des Zugangsfaktors werden die persönlichen Entgeltpunkte ermittelt. Der Rentenartfaktor (§ 67 SGB VI) hängt von der Rentenart ab und beträgt bei Altersrenten, Renten wegen voller Erwerbsminderung, kleinen Witwen-/ Witwerrenten im Sterbevierteljahr, großen Witwen-/Witwerrenten im Sterbevierteljahr 1, bei großen Witwen-/Witwerrenten nach Ablauf des Sterbevierteljahrs 0,55, bei Renten wegen teilweiser Erwerbsminderung 0,5, bei kleinen Witwen/Witwerrenten nach Ablauf des Sterbevierteljahrs 0,25, bei Vollwaisenrenten 0,2 und bei Halbwaisenrenten 0,1. Der aktuelle Rentenwert (§ 68 SGB VI) ist ein jährlich regelmäßig zum 1.7. festzulegender Gegenwert für 1 EP. Er beträgt für die Zeit vom 1.7.2009 bis zum 30.6.2011 für die alten Bundesländer 27,20 €.109 Da sich die Höhe einer Rente vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen (§ 63 Abs. 1 SGB VI) richtet, gibt es im Recht des SGB VI grundsätzlich keine Mindest- oder Höchstrenten. Eine Minimalrente kann sich durch eine extrem kurze Beitragszeit ergeben, die aber die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Regelaltersrente erfüllen muss. Ebenso kann eine langjährige, durchgängige Beitragsleistung an der Beitragsbemessungsgrenze zu einer weit überdurchschnittlichen Rente führen. Der sog. Standardrentner, die „technische Muster-Rentenbiographie“, weist 45 Versicherungsjahre bei immer durchschnittlichem Entgelt aller Versicherten auf. In der Zeit vom 1.7.2009 bis zum 30.6.2011 beträgt die Brutto-Standardrente in den alten Bundesländern 1.224,00 €.110 Die tatsächlichen Zahlbeträge (netto) des Rentenzugangs 2008 betragen in den alten Bundesländern 822 € (Männer) und 468 € (Frauen). Dies entspricht einem Bruttobetrag von rund 912 € bei Männern und 519 € bei Frauen.111 Dies zeigt, dass dem Standardrentner keine realistische Erwerbsbiographie unterstellt ist. Dies gilt in besonderem Maße für erwerbstätige Frauen, Teilzeitbeschäftigte und Menschen im Niedriglohnbereich.
109 110 111
Ausführlich zur Berechnungssystematik alte und neue Bundesländer siehe Teil 3 der Arbeit. Aktueller Rentenwert von z. Zt. 27,20 € multipliziert mit 45 Entgeltpunkten. Bei einem angenommenen Anteil zur KVdR von 7,9 % und zur PflVdR von 1,95 %.
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Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
Anpassung der Renten
Mit der Rentenreform 1957 wurde der Grundsatz der Teilhabegerechtigkeit und damit das Recht auf Beteiligung am selbstständigen Leben auch im Alter in der Rentenversicherung durch Normierung der dynamischen Rentenanpassungsformel umgesetzt. Rentnerinnen und Rentner sollten durch regelmäßige Anpassung ihrer Renten an der Wohlstandsentwicklung der Erwerbstätigen teilhaben und während des Rentenbezugs den zu Beginn der Rente erreichten Lebensstandard fortführen können. Die Anpassungssystematik der Renten ist seit Begründung der Dynamisierung vielfältigen Reformen unterworfen. Ausführlich zur Anpassung der Renten siehe in Teil 3 der Arbeit C.I.2.
Zusammentreffen von Renten und Einkommen
Renten aus einer eigenen Versicherung der gesetzlichen Rentenversicherung (Altersrenten und Renten wegen Erwerbsminderung) können mit anderen Renten aus eigener Versicherung, sog. Versichertenrenten, aber auch mit Hinterbliebenenrenten, sog. abgeleiteten Renten oder Unfallrenten zusammentreffen. Die Vorschriften der §§ 89 – 98 SGB VI regeln, in welchen Fällen eine Rente trotz eines bestehenden Anspruchs nicht oder nur teilweise zu leisten ist.
Beginn und Ende einer Rente
Für den Beginn von Versicherten- und Hinterbliebenenrenten gelten unterschiedliche Zeitpunkte (§§ 99 – 102 SGB VI). Eine Versichertenrente beginnt am ersten des Monats, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente vorliegen (Folgemonat nach Eintritt des Leistungsfalls), wenn sie rechtzeitig beantragt wurde (§ 99 Abs. 1 SGB VI). Für eine Hinterbliebenenrente ist maßgeblich, ob der/die Verstorbene im Sterbemonat eine Versichertenrente bezogen hat (§ 99 Abs. 2 SGB VI). Auch hierbei ist die Antragsstellung entscheidend. Eine Rente endet dann, wenn die Anspruchsvoraussetzungen nicht mehr vorliegen. Sie wird angepasst, wenn sich aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die Voraussetzungen für die Höhe ändern (§ 100 SGB VI). Sind Renten befristet, enden sie mit Ablauf der Frist (§ 102 SGB VI). Renten werden bis zum Ende des Kalendermonats geleistet, in dem die Berechtigten gestorben sind (§ 102 Abs. 5 SGB VI).
B Konzeptionelle Unterschiede der Alterssicherungssysteme
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2.4 Frauen und ihre Alterssicherung im Westsystem Nicht erst seit den Diskussionen um die Rentenüberleitung und deren Auswirkungen auf die Alterssicherung von Frauen hat dieses Thema einen festen Platz auf der politischen Agenda. Zwar gibt es seit längerem keine rentenrechtlichen Regelungen mehr, die zwischen Männern und Frauen unterscheiden. Gleichwohl kommen „care“-Elemente des Rentenrechts wie Kindererziehungs- und Pflegezeiten überwiegend Frauen zugute. Und es gibt Strukturelemente, die sich nachteilig auf unterdurchschnittlich Verdienende und Teilzeitbeschäftigte – in der Mehrzahl Frauen – auswirken.112 Im Rahmen der Rentenüberleitung hat insbesondere bei den Lesungen des Rentenüberleitungs-Gesetzes im Deutschen Bundestag die Frage nach einem Gesamtkonzept zur Alterssicherung von Frauen eine wichtige Rolle gespielt (siehe D.III.). Zu den Auswirkungen rentenrechtlicher Regelungen auf die Alterssicherung von Frauen liegt umfangreiche Literatur vor.113 Im Rahmen dieser Arbeit soll nur kurz auf die Strukturelemente des Westrechts eingegangen werden, die sich auf die Alterssicherung von Frauen vorteilhaft auswirken (können):
112
113
114
Frauen, die vor dem 1.1.1952 geboren sind, haben bei Vorliegen der rentenrechtlichen Voraussetzungen noch die Möglichkeit, eine geminderte Altersrente ab dem 60. Lebensjahr in Anspruch zu nehmen (siehe 2.3.); Rentenrechtliche Bewertung von Kindererziehung (§§ 56,70, 249, 294ff.): Je nach Geburt des Kindes (vor oder nach dem Jahr 1992 geboren) werden bis zu 3 Entgeltpunkte dem Rentenkonto gutgeschrieben; Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung und Pflege (§§ 57, 249b SGB VI); Mindestentgeltpunkte bei geringem Arbeitsentgelt (§ 262 SGB VI): Die Höherbewertung geringer Einkommen, die sog. Rente nach Mindesteinkommen, wurde mit dem Rentenreformgesetz 1972 eingeführt und mit dem Rentenreformgesetz 1992 für Beitragszeiten bis zum 31.12.1991 verlängert. § 262 SGB VI (Mindestentgeltpunkte bei geringem Arbeitsentgelt) ist eine Sonderregelung zu § 70 SGB VI, der Ermittlung von Entgeltpunkten (EP) für Beitragszeiten, und sieht eine Vergabe von zusätzlichen Entgeltpunkten für Beitragszeiten vor 1992 für langjährig Versicherte vor.114 Die MindestRust, Alterssicherung der Frau, S. 650 mit Verweis auf Renate Jaeger, BVerfG, NZA 1990, 1 (4– 7). Siehe dazu insbesondere Gather u.a., Frauen-Alterssicherung; Veil u.a., Am modernen Frauenleben vorbei und zahlreiche Veröffentlichungen von Rust. BT-Drucksache 11/4124, S. 201.
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Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
bewertung soll einen sozialen Ausgleich für Versicherte schaffen, die während eines langen Erwerbslebens nur Arbeitsverdienste erzielten, deren Durchschnitt weniger als 75 % des Durchschnittsverdienstes aller Versicherten entspricht. Zielgruppe der Sonderbewertung sind insbesondere weibliche Versicherte, die infolge der Belastung durch Haushaltsführung, Kindererziehung oder Pflegetätigkeit lediglich eine Teilzeitbeschäftigung ausüben konnten oder von Lohndiskriminierung gegenüber männlichen Arbeitnehmern betroffen waren;115 Rentensplitting als Wahloption (§ 120a ff. SGB VI): Ehegatten haben die Möglichkeit, zwischen dem Rentensplitting und der damit verbundenen Teilung der in der Ehe erworbenen Rentenanwartschaften, oder der Zahlung einer Witwen- oder Witwerrente zu wählen; Versorgungsausgleich.116
III Die Alterssicherung in der Deutschen Demokratischen Republik117 1
Grundprinzipien, Organisation und versicherter Personenkreis
Die Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung118 wurden in der DDR in einer Einheitssozialversicherung organisiert (siehe A.III.2.). Die Sozialversicherung der DDR bestand aus der Pflichtversicherung, in der Löhne bis zu monatlich 600 M verbeitragt wurden, und der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR), in der Löhne über 600 M verbeitragt werden konnten. Die Sozialversicherung wurde von zwei Trägern durchgeführt: von der Sozialversicherung der Arbeiter/innen und Angestellten, die seit 1951 beim Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB)119 angesiedelt war, in der 1988 rd. 90 % der DDR-Bevölkerung (Versicherte und Familienmitglieder) versichert waren, und von der Staatlichen Versicherung der DDR für Genossenschaftsmitglieder 115
116 117
118 119
Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung im SGB, zu § 262 Ziff. 1 mit weiteren Hinweisen auf BT-Drucksache 6/2584 zu Art. 2 § 55 a ArVNG. Siehe ausführlich Teil 2, D.III.2. Ausführlich und detailliert beschreiben die Rentenversicherung im Beitrittsgebiet: Backhaus u. a., Das Versicherungs- und Rentenrecht im beigetretenen Teil Deutschlands, Bonz, Die Deutsche Demokratische Republik im Aufbruch; Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt (Hrsg.), Die Rentenversicherung im Osten Deutschlands. Ab dem Jahr 1978 gab es in der DDR keine Arbeitslosenversicherung mehr. Die Sozialversicherung beim FDGB war in die Zentrale des FDGB (Bundesvorstand) sowie in die Bezirks-, Kreis- und Stadtvorstände gegliedert (§ 276 des Arbeitsgesetzbuches). Zu den Aufgaben gehörte grundsätzlich die Gewährung von Geldleistungen, sofern sie nicht im Betrieb ausgezahlt wurden. Dies war dann möglich, wenn der FDGB im Betrieb vertreten war, was überwiegend der Fall war. Der FDGB war auch zuständig für die Berechnung der Renten.
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und Selbstständige120, der rd. 10 % der Bevölkerung (Versicherte und Familienmitglieder) angehörten. Für Renten wurden (im Jahr 1988) knapp 50 % der Ausgaben verwendet (siehe Tabelle 2). Daneben gab es für bestimmte Personengruppen außerhalb der Sozialversicherung Sonder- und Zusatzversorgungseinrichtungen (siehe unten 3.). Ausnahmeregelungen galten für die rd. 40.000 Beschäftigten der für den Betrieb des Uranerzabbaus zuständigen sowjetisch-deutschen Aktiengesellschaft WISMUT.121 Grafik1 verdeutlicht die Systematik der Alterssicherung in der DDR: Grafik 1:
Alterssicherung in der DDR Sozialversicherung
Pflichtversicherung Sozialversicherungin Sozialversicherung derStaatlichenVersiͲ beimFDGB cherungderDDR FreiwilligeZusatzversicherungFZR
SonderͲ und Zusatzversorgungssysteme 4Sonderversorgungssysteme: NationaleVolksarmee(NVA) Volkspolizei/Feuerwehr/Strafvollzug MdI Zollverwaltung Ministerium für Staatssicherheit / Amt fürnationaleSicherheit(MfS/AfNS) ersetzendieSozialversicherung In27Zusatzversorgungssystemen warenüber60EinzelversorgungsͲ systemezusammengefasst ergänzendieSozialversicherung
EigeneDarstellung
120
121
Bei der Staatlichen Versicherung der DDR waren zuletzt Genossenschaftsmitglieder und Selbstständige (Mitglieder von Kollegien der Rechtsanwälte, Inhaber/innen von Handwerksbetrieben sowie deren ständig mitarbeitenden Ehegatten und Inhaber/innen von Gewerbebetreiben, freiberuflich Tätige sowie deren ständig mitarbeitende Ehegatten) versichert. Der Sozialversicherung bei der Staatlichen Versicherung der DDR gehörten 1988 rd. 10 % der Einwohner/innen (Versicherte und Familienmitglieder) an. Schmidt, Sozialpolitik der DDR, S. 35.
60
Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
Die Sozialversicherung beim Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) Arbeiter/innen und Angestellte waren als Werktätige während der Dauer ihres Arbeitsverhältnisses in der Sozialversicherung beim FDGB pflichtversichert.122 Ihre Familienangehörigen waren in den Versicherungsschutz einbezogen.123 Die in „eigener Praxis tätigen Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte sowie freiberuflich tätige Kultur- und Kunstschaffende“ wurden durch Verordnung vom 9.12.1977 in die Sozialversicherung beim FDGB eingegliedert. Geringfügige Verdienste von teilbeschäftigten Werktätigen (monatlich weniger als 75 M, jährlich weniger als 900 M brutto) unterlagen grundsätzlich nicht der Versicherungspflicht. Mehrere Teilbeschäftigungen wurden zusammengerechnet und begründeten für jede Teilbeschäftigung eine Versicherungspflicht, wenn der Bruttoverdienst aus allen Arbeitsrechtsverhältnissen insgesamt mindestens 75 M monatlich betrug.124 Der FDGB führte die Sozialversicherung als eine juristische Person125 durch. Die Sozialversicherung beim FDGB war wie folgt untergliedert:
Zentrale des FDGB (Bundesvorstand) und Bezirks-, Kreis- und Stadtvorstände.126
Zu den Aufgaben gehörte grundsätzlich die Gewährung von Geldleistungen, soweit diese nicht im Betrieb ausgezahlt wurden. Dabei handelte es sich regelmäßig um kurzfristige Leistungen, wie z. B. Krankengeld. Andere als kurzfristige Leistungen wurden durch die Verwaltung der Sozialversicherung beim FDGB gewährt. Dazu gehörten Antragsaufnahme127 und Erteilung des Rentenfeststellungsbescheides sowie die Berechnung und Gewährung der Renten.128 Für die Einhaltung des Versicherungs- und Beitragsrechts waren die Betriebe zuständig, die von den Betriebsgewerkschaftsleitungen kontrolliert wurden.129
122
123 124 125 126 127 128 129
§ 276 Arbeitsgesetzbuch von 1977, § 103 I der 1. Verordnung zur Sozialversicherungspflicht der Arbeiter und Angestellten (1. SVO) vom 17.11.1977 (GBl. I S. 373); § 2 I Satz 1 der 1. SVO. § 2 I Satz 2 der 1. SVO. § 1 IV der 1. Durchführungsbestimmung zu § 2 der 1. SVO vom 17.11.1977. § 103 IV der 1. SVO vom 17.11.1977. § 276 Arbeitsgesetzbuch. § 76 II b) der 1. SVO vom 17.11.1977. § 276 Arbeitsgesetzbuch. §§ 275 II, 277 Arbeitsgesetzbuch, § 18 der 1. SVO vom 17.11.1977.
B Konzeptionelle Unterschiede der Alterssicherungssysteme
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Die Sozialversicherung bei der Staatlichen Versicherung der DDR Nach Übernahme der Sozialversicherung durch den FDGB im Jahr 1951 wurden die ihm nicht unterstehenden Versichertengruppen durch Verordnung vom 2.3.1956 ausgegliedert. Ihre Versicherung ging auf die Deutsche Versicherungs-Anstalt (DVA), die die Trägerin der Sach-, Haftpflicht- und privaten Personenversicherung war, über. Die DVA wurde zum 1.1.1969 in Staatliche Versicherung der DDR umbenannt. Die DVA war zuständig für Genossenschaftsmitglieder und Selbstständige (Mitglieder von Kollegien der Rechtsanwält/innen, Inhaber/innen von Handwerksbetrieben und deren ständig mitarbeitende Ehegatten/innen und Inhaber/innen von Gewerbebetrieben, freiberuflich Tätige sowie deren ständig mitarbeitende Ehegatten/innen). Die Sozialversicherung in der Staatlichen Versicherung war in eine Generaldirektion und in Bezirks-, Kreisdirektionen und Kreisstellen untergliedert. Diese Dienststellen waren für die Leistungsgewährung zuständig, soweit nicht die sozialistischen Produktionsgenossenschaften bzw. kooperativen Einrichtungen der Landwirtschaft dazu verpflichtet waren. Dies war dann der Fall, wenn sie mindestens 30 Mitglieder hatten.130 Die Berechnung und Auszahlung von Rentenleistungen erfolgte wie bei der Sozialversicherung beim FDGB über die Dienststellen der Sozialversicherung.131 Die Freiwillige Zusatzrentenversicherung Bei beiden Trägern der Sozialversicherung, der Sozialversicherung beim FDGB und der Sozialversicherung bei der Staatlichen Versicherung der DDR, bestand zusätzlich zur Pflichtversicherung die Möglichkeit einer freiwilligen Zusatzrentenversicherung. Einer der Gründe für die Einführung der FZR war das Auseinanderklaffen der aktiven Erwerbseinkommen und der Rentenleistungen der Sozialversicherung. Dies lag daran, dass seit 1947 an der Beitragsbemessungsgrenze von 600 M festgehalten wurde, das durchschnittliche monatliche Einkommen (Bruttoverdienst aller Arbeiter/innen und Angestellten) aber auf 1.269 M (1988) angestiegen war. Zudem wurden die Renten nicht regelmäßig angepasst. Um die künftigen Rentenansprüche zu verbessern, wurde 1968 die Möglichkeit der frei-
130 131
§ 109 I der 1. VO – Staatl. SV vom 9.12.1977. § 5 Satz 2 der 1. VO – Staatl. SV vom 9.12.1977.
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Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
willigen Versicherung auf Zusatzrente geschaffen, die in Gestalt der FZR 1971 eingeführt wurde.132 Der FZR konnten Werktätige und Selbstständige beitreten, deren Einkommen monatlich 600 M (kalenderjährlich 7.200 M) überstieg und die eine schriftliche Beitrittserklärung abgegeben hatten. Seit Mitte der 1980er Jahre hatten sich mehr als 80 % der Beitrittsberechtigten in der FZR versichert. Zuständig für die Durchführung der FZR war für die pflichtversicherten Werktätigen der FDGB sowie die Staatliche Versicherung der DDR für die bei ihr pflichtversicherten Werktätigen. Kontroll- und Beschwerdemöglichkeiten Zur Regelung von Streitfällen über Sozialversicherungsleistungen in der Pflichtversicherung waren „Beschwerdekommissionen für Sozialversicherung“ sowohl beim FDGB als auch bei der Staatlichen Versicherung der DDR zuständig. Auch für die FZR galten diese Beschwerdekommissionen (§ 33 FZR-Verordnung von 1977). Die Beschwerdekommissionen beim FDGB existierten auf Kreis- und Bezirksebene und als Zentrale Beschwerdekommission auf nationaler Ebene. Die Mitglieder der Kommissionen wurden von den Einzelgewerkschaften aus dem Kreis der Versicherten vorgeschlagen und von den jeweiligen Kreis-, Bezirksund Bundesvorständen gewählt. Die Kommissionen hatten nicht nur die Anwendung von Recht und Gesetz zu überprüfen, sondern auch das „verantwortungsbewusste Verhalten zur Sozialversicherung“ zu fördern und damit „die Erkenntnisse der Einheit von Rechten und Pflichten“ zu vertiefen sowie auf die Beseitigung von zu Streitfällen führenden Ursachen hinzuwirken und die Werktätigen über andere mögliche Ansprüche aufzuklären. So erfolgten Eingriffe in die Erziehung und Selbsterziehung der Werktätigen. Gegen die Entscheidung der grundsätzlich in erster Instanz tätig werdenden Beschwerdekommissionen konnten Versicherte, der Staatsanwalt bzw. die Staatsanwältin und die Dienststelle der Sozialversicherung Einspruch einlegen.133 Auf diese Weise konnte sich der FDGB als Träger der Sozialversicherung der relativen Bindungswirkung seiner eigenen Entscheidungen entziehen. Die Entscheidung der Bezirksbeschwerdekommission war endgültig und gerichtlich nicht überprüfbar. Ordentliche Gerichte waren nicht zuständig. Eine Verwaltungs- und/oder Sozialgerichtsbarkeit gab es in der DDR nicht. 132
133
Mit Wirkung zum 1.3.1971 trat die Verordnung über die Verbesserung der freiwilligen Zusatzrentenversicherung und der Leistungen der Sozialversicherung bei Arbeitsunfähigkeit vom 10.2.1971 (FZR-VO GBl II Nr. 17 S. 121) in Kraft. § 78 II der 1. RentenVO.
B Konzeptionelle Unterschiede der Alterssicherungssysteme
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Für Versicherte bestand nur die Möglichkeit, eine Eingabe an die Zentrale Beschwerdekommission zu richten. Eine Wiederaufnahme oder Kassation konnte nicht erzwungen werden. Auf Antrag des Vorsitzenden des Bundesvorstandes des FDGB, des Generalstaatsanwaltes oder ihres eigenen Vorsitzenden konnte die zentrale Beschwerdekommission „rechtskräftige“ Entscheidungen der Kreisund Bezirksbeschwerdekommission innerhalb eines Jahres nach Eintritt der Rechtskraft aufheben. Auch damit konnte sich der FDGB als Träger der Sozialversicherung der relativen Bindungswirkung seiner eigenen Entscheidungen entziehen. Da keine Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung von Entscheidungen über die Gewährung von Renten sowie der Anerkennung von Arbeitsunfällen und Krankheiten als Berufskrankheiten bestand, kann von einer unabhängigen Kontrollmöglichkeit der Sozialversicherung beim FDGB nicht die Rede sein. Die Trennung von Verwaltung und Rechtsprechung, die Art. 138 der ersten Verfassung der DDR aus dem Jahr 1949 vorsah, funktionierte in der Praxis nicht. Die Beschwerdekommissionen bei der Staatlichen Versicherung der DDR sind in Aufbau und Aufgaben denen beim FDGB vergleichbar. Eine unabhängige Kontrolle war auch hier nicht gegeben. Betriebsrenten und sonstige Leistungen Betriebsrenten spielten in der DDR nur eine untergeordnete Rolle. Seit 1954 gab es für langjährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Schwerpunktbetrieben und in Genossenschaften eine geringe betriebliche Zusatzversorgung. Sie wurde im Einigungsvertrag ersatzlos abgeschafft. Weiterhin gab es gewerkschaftliche Unterstützungsleistungen im Alter. Diese betrugen für langjährige Mitglieder von Gewerkschaften pro Quartal 30 bis 50 M. Mitte der 1970er Jahre erhielten noch fast 350.000 Personen diese Unterstützungen, 1984 waren es nur noch 185.000 Personen. 2
Die gesetzliche Rentenversicherung in der Sozialversicherung der DDR
2.1 Finanzierung und Beiträge Die Finanzierung der Sozialversicherung erfolgte in einem beitragsfinanzierten Umlageverfahren. Entsprechend der Systematik der Einheitsversicherung in der DDR wurde auch ein Einheitssozialversicherungsbeitrag erhoben. Eine Zuordnung der Einnahmen zur Renten-, Kranken- und Unfallversicherung war damit nicht möglich. Der Gesamtbeitragssatz für Versicherte betrug
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Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
10 % in der Pflichtversicherung (für Löhne bis 600 M) sowie 10 % in der FZR (Löhne über 600 M). Die Betriebe trugen in der Pflichtversicherung 12,5 %, in der FZR 10 % (Arbeitgeberbeitrag). Freiberuflich tätige „Kultur- und Kunstschaffende“, Ärzt/innen, Zahn- und Tierärzt/innen mit eigener Praxis sowie mithelfende Ehegatt/innen zahlten 20 % des beitragspflichtigen Einkommens bis 7.200 M jährlich zur Pflichtversicherung. Sie konnten bei einem Beitragssatz von 20 % für Einkommen über 7.200 M bis maximal 14.400 M der FZR beitreten. Dies galt auch für Inhaber/innen von Handwerks- und Gewerbebetrieben. Der Staatszuschuss zur Sozialversicherung der DDR betrug ca. 50 % (Tabelle 2). Tabelle 2: Einnahmen und Ausgaben der Sozialversicherung der DDR im Jahr 1988 Einnahmeninsgesamt davon x Beitragseinnahmen x ZuschussausdemStaatshaushalt Ausgabeninsgesamt davon x Renten x Kostenlosemed.BetreuungderBürger/innen x Krankengeld x Arzneien x SonstigeAusgaben(insbes.SchwangerschaftsunterstütͲ zungusw.)
36,3Mrd.M 18,8Mrd.M= 17,5Mrd.M= 36,3Mrd.M
51,8% 48,2%
17,2Mrd.M= 7,5Mrd.M= 4,6Mrd.M= 3,3Mrd.M= 3,7Mrd.M=
47,4% 20,7% 12,7% 9,1% 10,2%
Quelle:StatistischesJahrbuchderDDR1989undBerechnungenderBfA
2.2 Leistungsrecht: Rentenarten, Berechnung und Anpassung der Renten Das System der sozialen Sicherung in der DDR sah Geld-, Sach- und Dienstleistungen vor. Eine regelmäßige Dynamisierung der Rentenleistungen gab es nicht. Damit entsprach das Verfahren der Rentenberechnung der DDR im Wesentlichen dem bundesdeutschen Recht vor 1957. Das Leistungsrecht beruhte in der Sozialpflichtversicherung auf mehrfach geändertem Verordnungsrecht.134 134
Verordnung über die Gewährung und Berechnung von Renten der Sozialversicherung vom 15.3.1968, GBl. II S. 135; Verordnung über die Gewährung und Berechnung von Renten der Sozialpflichtversicherung -Rentenverordnung- (RentenVO 1979) vom 23.11.1979, GBl. I S. 401; Zweite Verordnung über die Gewährung und Berechnung von Renten der Sozialpflichtversicherung – Zweite Rentenverordnung – (2. RentenVO) vom 26.7.1984, GBl. I S. 281; Dritte Verordnung über die Gewährung und Berechnung von Renten der Sozialpflichtversicherung – 3. Rentenverordnung – (3. RentenVO) vom 9.10.1985, GBl. I S. 313; Vierte Verordnung über die Ge-
B Konzeptionelle Unterschiede der Alterssicherungssysteme
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Rentenarten Aus der Pflichtversicherung der DDR bestand Anspruch auf Altersrente, Invalidenrente, Unfallrente, Kriegsbeschädigtenrente und Hinterbliebenenrente. Aus der FZR wurden Zusatzaltersrenten, Zusatzinvalidenrenten und Zusatzhinterbliebenenrenten gezahlt. Renten wurden monatlich ausgezahlt. Berechnung der Altersrenten Altersrenten aus der Pflichtversicherung und aus der FZR wurden wie folgt berechnet:
Berechnung der Altersrenten aus der Pflichtversicherung
Voraussetzung für die Gewährung einer Altersrente war das Erreichen der Altersgrenze (Frauen 60 Jahre und Männer 65 Jahre)135 und einer Mindestversicherungszeit (Wartezeit) von 15 Jahren versicherungspflichtiger Tätigkeit. Der Gesamtbetrag der Rente in der Sozialpflichtversicherung errechnete sich aus dem in den letzten 20 Jahren vor Beendigung der letzten versicherungspflichtigen Tätigkeit erzielten beitragspflichtigen monatlichen Durchschnittsverdienst zusammen mit der Anzahl der Arbeitsjahre einschließlich eventuell vorhandender Zurechnungszeiten und Beiträge zur FZR.136 In der Pflichtversicherung der DDR basierte die Rente wie in der Bundesrepublik vor 1957 auf
135
136
währung und Berechnung von Renten der Sozialpflichtversicherung – 4. Rentenverordnung(4. RentenVO) vom 8.6.1989, GBl. I 9 S. 229. § 5 Satz 2 des Arbeitsgesetzbuches der DDR sah vor, dass Altersrentnerinnen und Altersrentnern die weitere berufliche Tätigkeit nach „ihren Fähigkeiten und Wünschen“ zu sichern ist. Angesichts der geringen Rentenhöhe waren viele Rentnerinnen und Rentner drauf angewiesen, über die Altersgrenze hinaus weiterzuarbeiten. Wiechmann, Bundesverfassungsgericht bestätigt Ausgestaltung, S. 324.
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Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
einem Festbetrag, einem Steigerungsbetrag und einer eventuellen Anhebung auf eine Mindestrentenhöhe (§ 5 der 1. RentenVO).
Der Festbetrag bemaß sich an der Zahl der Arbeitsjahre und betrug ab dem 1.12.1979 zwischen 170 M und 210 M137. Bei unter 25 Arbeitsjahren betrug der Festbetrag 170 M, bei 25 bis weniger als 30 Arbeitsjahren 180 M, bei 30 bis weniger als 35 Arbeitsjahren 190 M, bei 35 bis weniger als 40 Arbeitsjahren 200 M und bei 40 und mehr Arbeitsjahren wurden 210 M gewährt. Ein wichtiger Unterschied gegenüber der Rentenberechnung nach dem SGB VI bestand darin, dass nur der in den letzten 20 Kalenderjahren vor Beendigung der letzten sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit erzielte beitragspflichtige monatliche Durchschnittsverdienst Grundlage für die Rentenberechnung war.138 Der Steigerungsbetrag ergab sich, indem die Zahl der Arbeitsjahre mit einem Steigerungssatz von 1 % und dem Durchschnitt der beitragspflichtigen Löhne bis zur Beitragsbemessungsgrenze von 600 M während der letzten 20 Jahre multipliziert wurde. Bei 50 Arbeitsjahren und einem Lohn stets an der Beitragsbemessungsgrenze erreichte der Steigerungsbetrag 300 M. Mit dem Festbetrag von 210 M ergab sich so eine Rente von 510 M (Höchstrente). In bestimmten Beschäftigungsbereichen (z. B. Beschäftigung in Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens, bei der Deutschen Post und bei der Deutschen Reichsbahn) betrug bei Beschäftigung von 10 und mehr Jahren der besondere Steigerungssatz 1,5 %, bei Bergleuten 2 %. Die Regelung139 bewirkte, dass Versicherte mit 45 Beschäftigungsjahren und einem monatlichen Durchschnittsverdienst von 600 M im maßgeblichen Zeitraum eine um 135 M höhere Rente, rd. 28 % mehr als ohne Steigerungsbetrag aus der Sozialversicherung erreichen konnten (siehe ausführlich Teil 2, D.,II.)140. Für freiwillige Beiträge war der Steigerungssatz geringer und betrug 0,85 %.
137 138 139 140
Vor dem 1.12.1979 galt ein einheitlicher Festbetrag von 140 M. § 5 Abs. 1 Buchst. a RentenVO 1979. §§ 46, 47 der Rentenverordnung der DDR vom 23.11.1979 (GBl. I S. 401). BVerfG, 1 BvR 616/99 vom 30.8.2005, Absatz-Nr. 8, Soz-R 4-2600 § 256a Nr 1.
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Beispiel: Die Altersrente einer Frau, die 2 Kinder geboren hatte, 33 Jahre in die Pflichtversicherung einzahlte und die einen beitragspflichtigen Gesamtverdienst 115.000 M in 211 Monaten (= 546 M mtl. Durchschnittsverdienst) erzielte, betrug.141 Festbetrag nach 38 Arbeitsund Zurechnungsjahren: Steigerungsbetrag 33 Jahre x 1 % 2 Geburten 33 Jahre langjährige Tätigkeit Mtl. Durchschnittsverdienst 546 M x 38 % Errechnete Rente am 30.6.1990: Mindestbetrag bei 38 Arbeitsund Zurechnungsjahren
200 M
= 33 % = 2 Jahre = 3 Jahre = 5 Jahre
=5% = 38 % 207,50 M 407,50 M 410,00 M
Die sich aus der Rentenformel ergebende Rente wurde mit nach Arbeitsjahren gestaffelten Mindestbeträgen verglichen und ggf. auf diese angehoben. Diese Mindestbeträge reichten von 330 M bis 470 M. Versicherte mit weniger als 31 (Frauen) bzw. 34 (Männer) Beitragsjahren erhielten stets den nach Arbeitsjahren gestaffelten Mindestbetrag. Ein Großteil der Renten aus der Pflichtversicherung wurde durch die Mindestbeträge bestimmt. Nur wer im Durchschnitt der letzten 20 Jahre ein Entgelt erzielte, das über 520 M lag, konnte nach 50 Arbeitsjahren den Mindestbetrag von 470 M um bis zu 40 M übersteigen. Eine Mindestrente wurde nur bei weniger als 15 Arbeitsjahren gezahlt, wenn ein Anspruch auf Altersrente bestand. Sie betrug 330 M ab dem 1.12.1989.142 Im Jahr 1989 betrug die Durchschnittsrente in der DDR aus der allgemeinen Sozialversicherung bei der Staatlichen Versicherung 426,88 M, zusammen mit der FZR-Rente, die als separater Anspruch ohne Anrechnung neben der gesetzlichen Rente gezahlt wurde, waren es 520,13 M.143 Im Vergleich dazu betrugen die Nettolöhne und -gehälter 974,70 M.144 In ihren Auswirkungen beschränkte sich die überwiegend statische Rente der DDR im Wesentlichen auf eine Mindestsicherung. Zwar kannte die Renten141
142 143 144
Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt, Die Rentenversicherung im Osten Deutschlands, S. 191. § 1 der 4. RentenVO. Wiechmann, Bundesverfassungsgericht bestätigt Ausgestaltung, S. 324. Helwig, Ins Abseits geraten, S. 239.
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Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
formel auch die oben dargestellten Elemente, die an das frühere Erwerbseinkommen anknüpften und so für eine gewisse Differenzierung sorgten. Bei einem erfüllten Erwerbsleben lag die ganze Bandbreite der erreichbaren Rentenbeträge unabhängig von dem im Erwerbsleben erzielten Entgelt zwischen einem Mindestbetrag von 470 M und einem Höchstbetrag von 510 M. Damit konnte auch unter Berücksichtigung der ebenfalls statischen FZR von einer Lebensstandardsicherung im Alter nicht die Rede sein, sondern eher von einer verbesserten Form der Altenfürsorge. Das Netto-Rentenniveau lag entsprechend in der DDR bei knapp 50 % im Unterschied zu 70 % in der Bundesrepublik.145 Dies erklärt auch den relativ hohen Anteil der Rentnerinnen und Rentner, die noch erwerbstätig waren: 1972 rd. 23 %, 1975 rd. 18 % und 1989 rd. 11 %.146 Invalidenrenten setzten voraus, dass das Leistungsvermögen und der Verdienst um mindestens zwei Drittel gemindert war.147 Eine Verdienstminderung um zwei Drittel lag stets dann vor, wenn monatlich der Mindestlohn von 400 M nicht mehr erzielt wurde. Die Höhe der Invalidenrente entsprach der der Altersrente. Anspruch auf Kriegsbeschädigtenrente bestand bei einem Körperschaden von 66,66 % und mehr, wenn der Schaden auf eine während der Zugehörigkeit zur ehemaligen deutschen Wehrmacht oder gleichgestellten Organisation bzw. eine während einer Kriegsgefangenschaft eingetretene Verletzung zurückzuführen war. Die Kriegsbeschädigtenrente betrug in voller Höhe 470 M. Bei gleichzeitig erzieltem Einkommen war eine Anrechnung möglich. Zu Alters-, Invaliden- und Kriegsbeschädigtenrenten wurden Ehegattenund Kinderzuschläge gezahlt. Hinterbliebenenrenten betrugen 60 % der Versichertenrente der/des Verstorbenen. Sie wurden jedoch bei eigener Altersrente nur zu einem Viertel ab dem Zeitpunkt der Altersgrenze der Versichertenrente (Frauen ab 60 und Männer ab 65) gezahlt. Arbeitsfähige Witwen konnten nur für eine Übergangszeit von zwei Jahren eine Hinterbliebenenrente erhalten.
Berechnung der Zusatzaltersrenten aus der FZR
In der FZR war bis Ende 1976 ein Entgelt von 600 M bis max. 1.200 M, ab 1977 bis zum vollen Entgelt versicherbar. Die Höhe des zu versichernden Entgelts konnte frei gewählt werden. Die Rentenberechnung der FZR orientierte sich an einem Steigerungssatz von 2,5 % pro Versicherungsjahr. Nach 40 Jahren wäre hier eine Rente in voller Höhe des versicherten Entgelts erreichbar gewesen. Die 145 146 147
Stephan, Das Zusammenwachsen, S. 546. Helwig, Ins Abseits geraten, S. 239. §§ 8, 9 der 1. RentenVO.
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Beitragszahlung war auf 25 Jahre begrenzt. Danach wäre nur der Betrieb beitragspflichtig gewesen. Da die FZR 1971 eingeführt wurde, wäre diese Situation erst 1996 erreichbar gewesen. Dazu kam es wegen der Wiedervereinigung nicht mehr. Hinterbliebenenrenten (60 %) wurden in der FZR ungekürzt gezahlt. Hatte ein/e Versicherte/r beispielsweise für 15 Jahre Beiträge zur FZR aufgrund eines monatlichen Durchschnittseinkommens von 1.000 M und damit für einen für die FZR relevanten Betrag von 400 M (über 600 M wurde verbeitragt) Beiträge entrichtet, so betrug die Zusatzaltersrente wie auch die Zusatzinvalidenrente 150 M.148 Für die FZR wurde ein separater Rentenbetrag errechnet, der ohne Anrechnung auf die gesetzliche Rente gezahlt wurde. Mit der FZR wurde eine einkommensbezogene Komponente in das Rentenrecht eingeführt. In der Pflichtversicherung spielte die Einkommensabhängigkeit kaum eine Rolle. Hier war die Anzahl der Arbeitsjahre ausschlaggebend. Dies führte zu folgenden Verteilungswirkungen: Ende 1989 wurden von 1,8 Mio. Altersrenten 1,1 Mio. auf Mindestbeträge angehoben; davon waren fast 80 % der Frauenrenten betroffen. Tabelle 3 zeigt die durchschnittliche Höhe und die Anzahl der laufenden Renten in der DDR sowie die durchschnittliche Höhe und den Verbreitungsgrad der FZR-Renten mit Stand Dezember 1988:
148
Berechnung: 15 x 0,025 x 400 = 150 M.
70
Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
Tabelle 3: Durchschnittliche Höhe und Anzahl der laufenden Renten in der DDR sowie durchschnittliche Höhe und Verbreitungsgrad der FZRRenten (Stand Dezember 1988)
Altersrenten darunterAltersrentenmitFZR Invalidenrenten(bis65.Lj.) darunterInvalidenrentenmitFZR Invalidenrenten(ab65.Lj.) darunterInvalidenrentenmitFZR Versichertenrenteninsgesamt darunterVersichertenrentenmit FZR Witwen/WitwerͲRenten darunterWitwen/WitwerͲRenten mitFZR Waisenrenten darunterWaisenrentenmitFZR Hinterbliebenenrenteninsgesamt darunterHinterbliebenenrentenmit FZR Renteninsgesamt darunterRentenmitFZR
DurchͲ Anzahlder DurchͲ VerbreiͲ schnittl. laufenden schnittl. tungsͲgrad Höheder Renten Höheder derFZRͲ laufenden FZRͲRenten Renten Renten 378M 2161000 787000 100M 36,4% 478M 404M 305000 142M 48,9% 546M 149000 365M 415000 98000 125M 23,6% 490M
379M 489M 342M
404M 136M 173M 232M 231M 371M 473M
2881000 1034000
110M
35,9%
79000 17000 91000 51000 170000 68000 3051000 1102000
62M 37M
21,5%
56%
Ͳ1M*
40%
102M
36,1%
*derGrundistinderStatistiknichtausgewiesen. Quelle:StatistischesJahrbuchderDDR1989,Berechnungender(ehemaligen)BfAsowieeigeneBerechnungen
Anpassung der Renten
Anpassungen der Renten erfolgten von Zeit zu Zeit durch spezielle Beschlüsse der politischen Führung, zuletzt durch die 4. Rentenverordnung vom 8.6.1989.149 die am 1.12.1989 in Kraft trat.
149
Vierte Verordnung über die Gewährung und Berechnung von Renten der Sozialpflichtversicherung -4. Rentenverordnung- (4. RentenVO) vom 8.6.1989, GBl. I S. 229.
B Konzeptionelle Unterschiede der Alterssicherungssysteme
71
2.3 Frauen und ihre Alterssicherung im Ostsystem Die Sozialpflichtversicherung der DDR enthielt zahlreiche Elemente des sozialen Ausgleichs, wie z. B. Mindestrente ab fünf Kindern, Zurechnungszeiten bei Invalidität auch noch nach dem 55. Lebensjahr, Ehegattenzuschlag, Zurechnungszeiten für Frauen zwischen dem 60. und 65. Lebensjahr und freiwillige Mindestbeiträge zur Rentenversicherung in Höhe von 3 M monatlich. Hinzu kam eine relativ durchgängige Erwerbstätigkeit der Frauen in der DDR. Dies bewirkte, dass die Unterschiede bei den Rentenhöhen nicht so gravierend waren wie nach dem Recht der Bundesrepublik, das im Wesentlichen auf die Höhe der entrichteten Beiträge abstellt (siehe 2.2.). Die rentenrechtliche Voraussetzung einer mindestens 15-jährigen versicherungspflichtigen Tätigkeit wurde durch großzügige Anerkennung von Zeiten auch z. B. der Ausbildung und Kindererziehung in der Regel erfüllt. Der Unterschied bei der Berücksichtigung des Festbetrages bei einer Anzahl von weniger als 25 Arbeitsjahren und bei 40 und mehr Arbeitsjahren betrug lediglich 40 M. Zum Ausgleich dafür, dass Frauen bereits ab dem 60. Lebensjahr eine Altersrente in Anspruch nehmen konnten und damit eine um 5 Jahre geringere Berufstätigkeit als Männer aufwiesen, erhielten Frauen für die Zeiten der Kindererziehung weitere nach der Dauer der versicherungspflichtigen Tätigkeit gestaffelte Zurechnungszeiten angerechnet. Weitere Sonderregelungen galten für Frauen, die 3 oder mehr Kinder erzogen hatten. Die Anhebung auf Mindestrentenhöhe bzw. Mindestrentenbetrag von 340 M bei Vorliegen von 15 bis unter 20 Arbeitsjahren bis 470 M bei Vorliegen von 45 und mehr Arbeitsjahren trug dazu bei, dass die Unterschiede bei den Rentenhöhen verhältnismäßig gering waren. Frauen profitierten von dieser Art der Rentenberechnung. Zur Entwicklung des Ehe-und Versorgungsrechts siehe Teil 2, D. III. 2. 3
Zusatz- und Sonderversorgungseinrichtungen außerhalb der Sozialversicherung der DDR
Neben der gesetzlichen Rentenversicherung der DDR (Sozialversicherung und FZR) erfolgte die Absicherung einer großen Zahl von privilegierten Berufs- und Beschäftigtengruppen in Zusatz- und Sonderversorgungseinrichtungen. Das Leistungsniveau in diesen Systemen ging regelmäßig über das der gesetzlichen Rentenversicherung hinaus. Ziel war es, den Zusatz- und Sonderversorgten, den „DDR-Eliten“, höhere Versorgungsansprüche und Versorgungsanwartschaften zu verschaffen und eine engere Bindung an das politische System der DDR zu erreichen. Ein Ausgleich für die wirtschaftlich besseren Startbedingungen der
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Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
jungen Bundesrepublik, die einen Anreiz durch höhere Löhne und Gehälter schaffte, sollte in der DDR in einer privilegierten Altersversorgung liegen. Die frühzeitige Erkenntnis der Machthaber/innen in der DDR, dass bei allem Idealismus wirtschaftliche Anreize für das Verbleiben gerade von jungen und gut ausgebildeten Menschen in der noch jungen DDR von Nöten waren, sorgte u. a. für die Einführung der Zusatzversorgung für die Intelligenz150 bereits im Jahr 1951. Während in den 1950er Jahren die Zusatzversorgungssysteme korrekt im Gesetzblatt der DDR veröffentlicht wurden, verzichtete man in den nächsten Jahrzehnten darauf. Manche Zusatzversorgungen beruhten auf Ministerratsbeschlüssen, andere offenbar auf Einzelabsprachen, so dass nach 1989 ein Überblick, aber auch die Frage, ob und in welcher Höhe ein Eigenbeitrag gezahlt wurde, sehr viel Zeit in Anspruch nahm. Insgesamt wurden über 60 einzelne Zusatzversorgungseinrichtungen in 27 Zusatzversorgungssystemen zusammengefasst.151 Die Einführung der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme vollzog sich im Wesentlichen in drei Etappen:152 1950-1954: Altersversorgung der Intelligenz und Sonderversorgungssysteme der Deutschen Volkspolizei (mit den Organen der Feuerwehr und des Strafvollzugs); 1970-1976: Staatsapparat, Parteien, gesellschaftliche Organisationen (z. B. Nationale Front, Volkssolidarität), Gesellschaft für Sport und Technik, FDGB; 1986-1988: ca. 10 neue Systeme, z. B. für Generaldirektor/innen, LPG-Vorsitzende, Künstler/innen und Schriftsteller/innen. 3.1 Sonderversorgungssysteme Die Angehörigen der Sonderversorgungssysteme153, die hinsichtlich ihrer Versorgung mit dem westdeutschen Beamtensystem vergleichbar gewesen wären, hatten regelmäßig Beiträge in Höhe von 10 % ihrer gesamten „Dienstbezüge“ an den zuständigen Sonderversorgungsträger zu entrichten. Damit wurde ein Leistungsniveau garantiert, das grundsätzlich 90 % der jeweiligen monatlichen Net150 151 152 153
VO vom 12.7.1951, GBl. Nr. 85 vom 17.7.1951, S. 671. Mutz, Aufstieg und Fall eines Konzepts, S. 510. Mohn, Die Rechtsentwicklung der Überführung der Ansprüche, S. 438. Die BfA hatte die Zahl aller am 1.1.1992 übernommenen Renten aus Sonderversorgungssystemen mit 61.256 angeben. Das BMAS schätzte die Zahl der Personen mit Anwartschaften aus Sonderversorgungssystemen auf etwa 1,5 Mio. (Urteil des BVerfG vom 28.4.99, Rd. 8, Az.: 1 BvL 22/95 und 1 BvL 34/95, BVerfGE 100, 59).
B Konzeptionelle Unterschiede der Alterssicherungssysteme
73
tobesoldung vor dem Ausscheiden entsprach. Die Alterssicherung dieser „Sonderversorgten“ hatte einen die Rente ersetzenden Charakter. Zu unterscheiden waren vier Sonderversorgungssysteme (Tabelle 4)154, die die Alterssicherung von Personen, die in einem besonderen „Dienst- oder Treueverhältnis“ zum Staat standen und rund 15 % der Erwerbstätigen ausmachten, organisierten. Tabelle 4: Sonderversorgungssysteme UmfassterPersonenkreis SonderversorgungderNationalenVolksarmee(NVA) (Versorgungsträger/Funktionsnachfolger:Bundesministeriumder Verteidigung) SonderversorgungderDeutschenVolkspolizei/derFeuerwehr/ desStrafvollzugs(MdI) (Versorgungsträger/Funktionsnachfolger:Landesinnenminister/ PolizeipräsidentinBerlin/BundesministeriumdesInnern) SonderversorgungderZollverwaltungderDDR (Versorgungsträger/Funktionsnachfolger:OberfinanzdirektionBerlin) SonderversorgungdesehemaligenMinisteriumsfürStaatssicherheit(MfS) /AmtesfürNationaleSicherheit(AfNS) (Versorgungsträger/Funktionsnachfolger:Bundesverwaltungsamt– AußenstelleBerlin)
Eingeführtmit Wirkungzum 1.7.1957
1.7.1954
1.11.1970 1.3.1953
Quelle:Anlage2zumAAÜG
3.2 Zusatzversorgungssysteme Im Gegensatz zu den Sonderversorgungssystemen waren die Angehörigen der Zusatzversorgungssysteme auch Mitglieder der gesetzlichen Sozialversicherung. Die Leistungen aus den Zusatzversorgungssystemen ergänzten die gesetzliche Rente. Beitragspflichten gab es überhaupt erst ab 1971, dann aber auch nicht für alle Zusatzversorgungssysteme.155 Die Beitragspflicht war in den einzelnen Systemen unterschiedlich geregelt. Zum Teil waren für die Zusatzversorgung Beiträge vom Einkommen abzuführen, zum Teil war sie aber auch beitragsfrei. Es gab Zusatzversorgungssysteme, in denen die Mitgliedschaft obligatorisch und beitragsfrei war, wie z.B. bei Hochschullehrer/innen und Pädagog/ innen sowie bei bestimmten Gruppen von Mediziner/innen. Die obligatorische
154 155
Auflistung siehe auch Anlage 2 zum AAÜG (Art. 3 des RÜG) vom 25.7.1991. Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (Hrsg.), Papier, Rechtsgutachten, S. 2.
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Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
Einbeziehung war im Regelfall mit der Freistellung von der Beitragszahlung verbunden.156 Es gab aber auch Systeme, in denen die Mitgliedschaft freiwillig war, hingegen Beitragspflicht bestand (z. B. freiwillige zusätzliche Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter/innen des Staatsapparates). In die insgesamt 27 Zusatzversorgungssysteme157 waren einbezogen: Tabelle 5: Zusatzversorgungssysteme UmfassterPersonenkreis 1 ZusätzlicheAltersversorgungdertechnischenIntelligenz 2 ZusätzlicheAltersversorgungderGeneraldirektorenzentral geleiteterKombinateundihnengleichgestellteLeiterzentral geleiteterWirtschaftsorganisationen 3 ZusätzlicheAltersversorgungfürverdienstvolleVorsitzendevon ProduktionsgenossenschaftenundLeiterkooperativer EinrichtungenderLandwirtschaft 4 AltersversorgungderIntelligenzanwissenschaftlichen, künstlerischen,pädagogischenundmedizinischenEinrichtungen 5 AltersversorgungderwissenschaftlichenMitarbeiterderAkademie derWissenschaftenzuBerlinundderDeutschenAkademieder LandwirtschaftswissenschaftenzuBerlin 6 AltersversorgungderÄrzte,Zahnärzte,Apothekerundanderer HochschulkaderinkonfessionellenEinrichtungendesGesundheitsͲ undSozialwesens 7 FreiwilligezusätzlicheVersorgungfürÄrzte,Zahnärzte,Apotheker undandererHochschulkaderinkonfessionellenEinrichtungendes GesundheitsͲundSozialwesens 8 FreiwilligezusätzlicheVersorgungfürÄrzte,Zahnärzte,Apotheker undandererHochschulkaderinstaatlichenEinrichtungendes GesundheitsͲundSozialwesenseinschließlichderApothekerin privatenApotheken 9 AltersversorgungderÄrzteundZahnärzte,Apothekerineigener Praxis 10 AltersversorgungfürÄrzteundZahnärzte,Apothekerinprivaten EinrichtungendesGesundheitswesens 11 FreiwilligezusätzlicheVersorgungfürTierärzteundanderer HochschulkaderinEinrichtungendesstaatlichenVeterinärwesens 12 AltersversorgungderTierärzteineigenerPraxis 13 ZusätzlicheVersorgungderkünstlerischBeschäftigtendesRundͲ funks,Fernsehens,FilmwesenssowiedesStaatszirkussesderDDR unddesVEBDeutscheSchallplatte
156 157
Reimann, Überführung der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme, S. 282. Auflistung siehe auch Anlage 1 zum AAÜG (Art. 3 des RÜG) vom 25.7.1991.
Eingef.zum 17.8.1950 1.1.1986
1.1.1988
12.7.1951 1.8.1951bzw. 1.1.1952 1.1.1979
1.7.1988
1.7.1988
1.1.1959 1.1.1959 1.7.1988 1.1.1959 1.1.1986
B Konzeptionelle Unterschiede der Alterssicherungssysteme 14
ZusätzlicheVersorgungderkünstlerischBeschäftigteninTheatern, OrchesternundstaatlichenEnsembles 15 ZusätzlicheVersorgungfürfreiberuflichtätigeMitgliederdes SchriftstellerverbandesderDDR 16 ZusätzlicheVersorgungfürfreischaffendebildendeKünstler 17 ZusätzlicheVersorgungderBallettmitgliederinstaatlichen Einrichtungen 18 ZusätzlicheVersorgungderPädagogeninEinrichtungender VolksͲundBerufsbildung 19 FreiwilligezusätzlicheAltersversorgungfürhauptamtliche MitarbeiterdesStaatsapparates 20 FreiwilligezusätzlicheAltersversorgungfürhauptamtliche MitarbeiterderGesellschaftfürSportundTechnik 21 FreiwilligezusätzlicheAltersversorgungfürhauptamtliche MitarbeitergesellschaftlicherOrganisationen; fürhauptamtlicheMitarbeiterderNationalenFront 22 FreiwilligezusätzlicheFunktionärsunterstützungfürhauptamtliche MitarbeiterderGewerkschaftFDGB 23 FreiwilligezusätzlicheAltersversorgungfürhauptamtliche MitarbeiterderLDPD 24 FreiwilligezusätzlicheAltersversorgungfürhauptamtliche MitarbeiterderCDU 25 FreiwilligezusätzlicheAltersversorgungfürhauptamtliche MitarbeiterderDBD 26 FreiwilligezusätzlicheAltersversorgungfürhauptamtliche MitarbeiterderNDPD 27 FreiwilligezusätzlicheAltersversorgungfürhauptamtliche MitarbeiterderSED/PDS NichtstaatsnaherBereich Sog.staatsnaherBereich
75 1.1.1986 1.1.1988 1.1.1988 1.9.1976 1.9.1976 1.3.1971 1.8.1973 1.1.1976 1.1.1972 1.4.1971 1.10.1971 1.10.1971 1.10.1971 1.10.1971 1.8.1968
In den Zusatzversorgungssystemen herrschte in den meisten Fällen ein Gesamtversorgungscharakter vor. Im Zeitpunkt der Schließung der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme zum 1.7.1990 durch das noch vom DDR-Gesetzgeber veranlasste Rentenangleichungsgesetz vom 28.6.1990158(§ 22 RAnglG-DDR) bezogen rund 250.000 Personen eine Altersversorgung der Intelligenz (AVI) bzw. eine zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Staatsapparates im weitesten Sinne (einschl. der Parteien und gesellschaftlichen Organisationen mit Ausnahme der bewaffneten Organe). Eine Versorgungszusage hatten rund 900.000 Personen erhalten.159 Die Leistungen der Sonder- und/oder Zusatzversorgungseinrichtungen sind unterschiedlich. Die Höhe der Gesamtversorgung bei den Versicherungsfällen 158 159
GBl. I S.495. Michaelis, Die gesetzliche Rentenversicherung im Staatsvertrag, S. 299.
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Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
Alter und Invalidität lag bei 50 %–80 % bzw. 90 % des letzten Nettoeinkommens und damit wesentlich über dem Niveau der Sozialversicherung.160 Betriebsrenten spielten in diesen Systemen eine gewisse Rolle. Sie lagen nach einer 20-jährigen Betriebszugehörigkeit in einem Schwerpunktbetrieb bei etwa 5 % des durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommens der letzten 5 Jahre vor Entstehen des Anspruchs, bei etwa 30–50 M pro Monat.161 IV Das Fremdrentenrecht – Die rentenrechtliche Lösung bei Übersiedlung aus der DDR in die Bundesrepublik Die rentenrechtliche Behandlung von Flüchtlingen und Vertriebenen aus den früheren deutschen Ostgebieten und dem übrigen Osteuropa sowie Übersiedler/innen aus der DDR war ein politisch nicht unumstrittenes Thema. Mit dem Fremdrentengesetz (FRG) vom 25.2.1960162 wurde das Eingliederungsprinzip eingeführt, das die Gleichstellung u.a. der Übersiedler aus der DDR mit vergleichbaren Versicherten in der Bundesrepublik bewirkte. Die Übersiedler wurden nach dem FRG so gestellt, als ob sie ihr Versicherungsleben in der Bundesrepublik zurückgelegt hatten.163 Nach dem FRG wurden rentenrechtliche Zeiten nach Maßgabe der jeweiligen Leistungsgruppeneinstufung unter Heranziehung der in den Tabellen 1–16, später Tabelle 17 zum FRG, festgelegten Werten bewertet. Dazu wurden Versicherte im Rahmen einer Tabelle in eine von 30 Leistungsgruppen und entsprechend 41 Eingliederungsmöglichkeiten eingeordnet, denen Entgeltpunkte entsprachen. Ab 1992 wurde diese grobe Eingliederung durch ein differenzierteres „Branchenmodell“ ersetzt, das nunmehr aus 8 Leistungsgruppen und 24 verschiedenen Wirtschaftsbereichen und entsprechend aus 384 individuellen Eingliederungsmöglichkeiten bestand.164 Dabei spielte es keine Rolle, ob der/die FRG-Berechtigte noch in der DDR der ab März 1971 eingeführten FZR beigetreten war und hierfür Beiträge entrichtet hatte. Bereits durch Art. 23 des Gesetzes zum Staatsvertrag165 wurde die Anwendung des FRG für rentenrechtliche Zeiten ausgeschlossen, die nach dem 18.5.1990 bei einem Rentenversicherungsträger der DDR zurückgelegt wurden. 160 161 162
163 164
165
Reimann, Überführung der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme, S. 282. Stand 1987, Materialien zum Bericht zur Lage der Nation im geteilten Deutschland 1987. Als Art. 1 des FANG, BGBl. 1960 I S. 93, In Kraft getreten zum 1.1.1959. Ein erstes Fremdrentengesetz, das vom Grundgedanken der Entschädigung ausging, wurde in der ersten Legislaturperiode des Deutschen Bundestags verabschiedet (FAG vom 7.8.1953, BGBl 1953 I S. 848). Moser, in: HDR, 25 Rz. 7. Ausführlich zur Systematik und Berechnung der Renten nach dem Fremdrentenrecht siehe Moser, in: HDR, S. 737 ff. BGBl. II S. 518.
B Konzeptionelle Unterschiede der Alterssicherungssysteme
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Mit dem RÜG wurde das FRG und dadurch die Stellung der Übersiedler/innen aus der DDR dann geändert. Die Neufassung von § 15 Abs. 1 FRG durch Art. 14 Nr. 14 Buchst. a RÜG vom 25.7.1991 schloss die Anwendbarkeit des FRG auf im Beitrittsgebiet zurückgelegte rentenrechtliche Zeiten grundsätzlich aus. Als Ausnahmen sah § 259 a SGB VI aus Vertrauensschutzgründen weiterhin die Bewertung der Beitragszeiten vor der Übersiedlung nach dem FRG vor, wenn die Rente vor dem 1.1.1996 begann und sie vor dem 19.5.1990 (der 18.5.1990 war der Tag der Unterzeichnung des Staatsvertrages) in die Bundesrepublik übergesiedelt waren. Mit dem RÜG-ErgG vom 24.6.1993 wurde § 259 a Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz SGB VI rückwirkend ab 1.1.1992 geändert und ergänzt. Die Anwendbarkeit des FRG war nunmehr nur noch möglich, wenn der/die Versicherte auch vor dem 1.1.1937 geboren war. Durch die Neuregelungen im Rahmen des RÜG und des RÜG-ErgG erfüllten insbesondere jüngere, ab dem 1.1.1937 geborene Übersiedler/innen die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des FRG nicht mehr. Damit wurden aber auch rückwirkend Übersiedler erfasst, die seit den 1970er Jahren in der Bundesrepublik lebten. Diejenigen Übersiedlerinnen und Übersiedler, die einen Ausreiseantrag aus der DDR gestellt hatten oder die DDR anderweitig verlassen wollten, hatten regelmäßig keine Beiträge zur FZR entrichtet. Sie vertrauten auf die Geltung der rentenrechtlichen Bewertung nach dem FRG. Für Übersiedler, die während ihrer Zeit in der DDR keine freiwilligen Beiträge zur FZR eingezahlt hatten, konnte dies eine Minderung ihrer Rentenanwartschaften bedeuten166, oftmals die Verkürzung ihrer Rentenanwartschaften „um etliche hundert DM“167. Die gegen die Regelung erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen. Grund war zum einen die Unzulässigkeit der Beschwerde (§ 93 a Abs. 2 BVerfGG) und zum anderen deshalb, weil sie nicht substantiiert begründet worden war (§ 92 BVerfGG). Inhaltlich argumentierte das Bundesverfassungsgericht: „Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist es aber grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber aus Anlass des Ereignisses der Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands bei der Berechnung der Renten darauf abstellt, dass die Versicherten in der Deutschen Demokratischen Republik die dort rechtlich eröffneten und zur angemessenen Alterssicherung auch gebotenen Möglichkeiten ausschöpften und nur bei Ausschöpfung dieser Sicherungsmöglichkeiten den Versicherten in der früheren Bundesrepublik Deutschland gleichzustellen sind, die maximal bis zur Beitragsbemessungsgrenze Beiträge gezahlt haben. … 166 167
BT-Drucksache 16/5571, S. 1 und 3. BVerfG, 1 BvR 2007/95 vom 17.12.1998 (nicht veröffentlicht).
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Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme Die… aufgeworfene Frage, ob der im Grundgesetz … enthaltene Grundsatz des Vertrauensschutzes eine andere Regelung als die des § 259 a SGB VI 1993 gebietet, wäre im vorliegenden Verfahren der Verfassungsbeschwerde nur entbehrlich, wenn die Beschwerdeführer dargelegt hätten, dass ihnen auch bei einer von ihren finanziellen Möglichkeiten bestimmten Beitragszahlung zur FZR eine nicht unerhebliche Sicherungslücke in ihren Rentenanwartschaften entstanden wäre.“168
Die Neuregelung führt zu einer sog. unechten Rückwirkung, weil sie nicht auf laufende, sondern nur auf künftige, neu zugehende Renten anzuwenden ist. Eine unechte Rückwirkung ist aus Gründen des Vertrauensschutzes dann verfassungsrechtlich zulässig, wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingehalten wird. Dies hat das Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet.169 V
Die wesentlichen Strukturunterschiede
Die wesentlichen Unterschiede des Rentenrechts der DDR lassen sich im Vergleich zum Rentenrecht der Bundesrepublik wie folgt zusammenfassen:
168 169 170
Die Leistungen der Rentenversicherung der DDR knüpften regelmäßig an das Arbeitseinkommen der letzten 20 Berufsjahre an; die des bundesdeutschen Rentenrechts dagegen an die Beitrags- und Arbeitsleistung des gesamten Erwerbslebens. Das Rentenrecht der DDR sah eine starre Beitragsbemessungsgrenze von 600 M vor. Die Beitragsbemessungsgrenze des westdeutschen Rentenrechts ist seit 1957 dynamisch und orientiert sich an der Lohn- und Gehaltsentwicklung. Sie beträgt z. Zt. etwa das Doppelte des Durchschnittsverdienstes aller Versicherten. Die Rentenansprüche waren ebenfalls unterschiedlich ausgestaltet: Das westdeutsche Rentenrecht sieht im Gegensatz zum DDR-Recht die Möglichkeit von vorgezogenen Altersrenten vor, die regelmäßig mit Abschlägen behaftet sind. Nach dem DDR-Recht konnten Männer erst mit Vollendung des 65. Lebensjahres eine Altersrente in Anspruch nehmen, während Frauen vor 1992 ihre Altersrente bei Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen generell mit Vollendung des 60. Lebensjahres erhielten.170 Erwerbsminderungsrenten konnten in der DDR erst dann beansprucht werden, wenn eine Minderung des Leistungsvermögens und des Verdienstes Ebenda. Sachs, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 20 Rd. 136. Barkmin, Altersrenten für Frauen in den neuen Bundesländern, S. 430.
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um zwei Drittel vorlag. Nach bundesdeutschem Recht wird hingegen eine Berufsunfähigkeits- oder Erwerbsunfähigkeitsrente in Abhängigkeit vom Grad der Erwerbsminderung gewährt. Das DDR-Recht sah nur in geringem Umfang Übergangshinterbliebenenrenten vor. Die meisten Witwen erfüllten die besonderen rentenrechtlichen Voraussetzungen im DDR-Recht, wie z. B. die Vollendung des 60. Lebensjahres und die Tragung des überwiegenden Unterhalts durch den verstorbenen Ehemann nicht und hatten so keinen Anspruch auf eine Witwenrente. Aus diesem Grund waren dem DDR-Recht Witwerrenten relativ fremd. Sicherungsziel des westdeutschen Rentensystems war eine Lebensstandardsicherung. Die Rente sollte Spiegelbild der individuellen Lebensarbeitsleistung sein. Ein solch klar definiertes Sicherungsniveau sah das DDRRentenrecht nicht vor. Die Rente aus der Sozialpflichtversicherung der DDR war von Mindestsicherungselementen geprägt. Die Bandbreite nach einem erfüllten Erwerbsleben lag bei einem Mindestbetrag von 470 M und einem Höchstbetrag von 510 M. Mit der statischen FZR konnte so ein Netto-Rentenniveau von knapp 50 % erreicht werden. In der Bundesrepublik lag es (bis zur Rentenreform 1991, der so genannten Riester-Reform) bei rund 70 %. Versicherte in der DDR legten mehr Versicherungsjahre zurück: Im Rentenzugang des Jahres 1990 lagen den Renten für Männer in der DDR 47,1 Versicherungsjahre, in der Bundesrepublik 37,3 Versicherungsjahre, den Renten für Frauen in der DDR 36,2 Versicherungsjahre, in der Bundesrepublik 23,2 Versicherungsjahre zugrunde.171 Neben der höheren Erwerbsquote der Frauen in der DDR sah das DDRRentenrecht eine umfangreichere Bewertung von Zeiten als Zeiten einer versicherungspflichtigen Beschäftigung vor. Dies galt insbesondere für Zeiten der Ausbildung und der Pflege.172 Die Pflege von Angehörigen wurde in der DDR im Gegensatz zum (damals geltenden) bundesdeutschen Recht rentensteigernd berücksichtigt. Die Renten in der DDR wurden selten und wenn, dann nicht systematisch angepasst. Die Anpassung der Renten im westdeutschen System orientierte sich seit der Rentenreform 1957 im Wesentlichen an der Lohn- und Gehaltsentwicklung. Das Rentenrecht der DDR war von Mindestsicherungselementen geprägt und hatte – von der FZR sowie den Sonder- und ZusatzVersicherungsjahre der Versichertenrenten gesamt (Altersrenten und Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit insgesamt), Deutsche Rentenversicherung Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen 2009, S. 112f. Ruland, Die Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Rentenversicherung, S. 522.
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Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
versorgungssystemen abgesehen – Versorgungscharakter auf niedrigem Niveau. Benachteiligt waren die älteren Rentnerinnen und Rentner die wegen der unzureichenden Rentenanpassung von der Wirtschaftsentwicklung und dem Produktivitätsfortschritt weitgehend abgekoppelt waren.173 Das Rentenrecht der DDR sah eine Mindestrente vor, dafür aber keine dem westdeutschen Sozialhilfesystem vergleichbare „Grundabsicherung“. In der DDR bestanden zahlreiche Zusatz- und Sonderversorgungssysteme, die nach politischen Erfordernissen eingerichtet wurden. Am Ehesten sind sie mit der westdeutschen Beamtenversorgung und den berufsständischen Versorgungseinrichtungen vergleichbar. Den Sonderversorgten war ein Rentenniveau garantiert, das regelmäßig grundsätzlich 90 % der monatlichen Nettobesoldung vor dem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis entsprach.
VI Überblick über die Rentenreformen ab 1992 Das Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI)174 als zentrale Rechtsgrundlage für die deutsche Rentenversicherung ist zum 1.1.1992 in Kraft getreten (Art. 85 RRG 1992).175 Es hat zu diesem Zeitpunkt das 4. Buch der Reichsversicherungsordnung (RVO), die für die Rentenversicherung der Arbeiter/innen galt, das Angestelltenversicherungsgesetz (AVG), das die Rentenversicherung der Angestellten regelte, und das Reichsknappschaftsgesetz (RKG), das die rentenrechtlichen Regelungen der knappschaftlich Versicherten enthielt, abgelöst. Die Unterscheidung in Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten wurde zum 1.1.2005 aufgegeben. Das SGB VI gilt auch in den neuen Bundesländern. Seit Inkrafttreten des SGB VI im Jahr 1992 wurden zahlreiche Änderungen vorgenommen (Grafik 2).
173 174
175
Michaelis, Die gesetzliche Rentenversicherung in den neuen Bundesländern, S. 166. idF vom 19.2.2002 (BGBl. I, 754, 1404, 3384), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26.6.2008 (BGBl. I S. 1076). RRG 1992 vom 18.12.1989, BGBl. I S. 2261.
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Grafik 2:
Überblick über die Rentenreformen ab 1992
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C Von der Zweistaatlichkeit zur staatlichen Einheit: Von der Maueröffnung am 9.11.1989 bis zum Einigungsvertrag am 31.8.1990176 C Von der Zweistaatlichkeit zur staatlichen Einheit
I
Auf dem Weg zur Sozialunion
Bereits vor dem Fall der Mauer war durch den anschwellenden Strom von Übersiedler/innen177 aus der DDR und der steigenden Anzahl von (volksdeutschen) Aussiedler/innen178 aus Mittel- und Osteuropa der Anpassungsdruck insbesondere bei rentenrechtlichen Regelungen gewachsen.179 Wenn Aus- und Übersiedler/innen Wohnsitz in der Bundesrepublik nahmen, wurden sie aufgrund des seit 1959 praktizierten Eingliederungs- oder Integrationsprinzips des Fremdrentengesetzes180 (FRG) so behandelt, als wenn die Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübt worden wäre.181 Das Fremdrentengesetz war der „Schlüssel zum Einlass in die Sozialversicherung der Bundesrepublik“.182 Noch zu Beginn des Jahres 1990 wurden kurzfristige Eingriffe in das Fremdrentenrecht diskutiert.183 Einen Tag vor Mauerfall sprach der damalige Bundeskanzler, Helmut Kohl, am 8.11.1989 in der 173. Sitzung des Deutschen Bundestages in seiner Erklärung zur Lage der Nation im geteilten Deutschland von über 200.000 Übersiedler/innen, die die DDR im Jahr 1989 bereits verlassen hätten184. Nach weniger als 176
177
178
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Im Weiteren wird auf die Sammlungen aller maßgeblichen Gesetzes-, Verordnungs- und Vertragstexte in: Bundesversicherungsanstalt für Angestellte BfA (Hrsg.), Einigungsvertrag und gesetzliche Rentenversicherung, Bezug genommen. Als Übersiedler werden Personen bezeichnet, die aus der DDR in die Bundesrepublik Deutschland übergesiedelt waren. Als Aussiedler werden deutsche Staatsangehörige oder Volkszugehörige bezeichnet, die aus den früheren deutschen Ostgebieten oder den sog. Herkunftsgebieten (insbesondere Polen, Sowjetunion, Rumänien) in die Bundesrepublik zuziehen bzw. zuzogen. Zwischen den Jahren 1970 und 1988 belief sich die Zahl der Übersiedler auf durchschnittlich 18.500 pro Jahr (Tenbusch, Sondererhebung der BfA, S. 313). Art. 1 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz (FANG) vom 25.2.1960, BGBl. I S. 93. Das Eingliederungs- oder Integrationsprinzip führte dazu, dass für die Erwerbstätigkeit im Herkunftsland eine Rente nach den viel höheren Leistungsstandards des bundesdeutschen Rentenrechts gezahlt wurde. Dazu wurden dem/der Versicherten in Abhängigkeit von Qualifikation, beruflicher Erfahrung und Tätigkeit pauschal Entgeltpunkte zugewiesen, die sich aus den bundesdeutschen Einkommensrelationen ableiteten (siehe auch unten IV.). Schmähl in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Band 11, III. Kapitel, Nr. 5, S. 546. Kerwat, Auf dem Weg zur deutschen Einheit, S. 216. Stenographischer Bericht Bundestag, StenBerBT 11/173, siehe Anhang, Verwendete Materialien, IV., S. 13013.
C Von der Zweistaatlichkeit zur staatlichen Einheit
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100.000 Aus- und Übersiedler/innen im Jahr 1987 stieg die Zahl im Jahr 1988 auf rd. 240.000 Personen an, von denen rd. 40.000 Übersiedler/innen aus der DDR kamen. Im Jahr 1989 hatte sich die Zahl auf rd. 344.000 vervielfacht. Rund die Hälfte davon kam im November und Dezember, davon alleine im November rd. 133.000. Beachtlich war, dass von den im Jahr 1989 in die Bundessrepublik übergesiedelten Menschen nur rd. 3 % im Rentenalter waren.185 Im Mittelpunkt der ersten Gespräche zwischen den beiden Regierungen nach der Maueröffnung am 9.11.1989, die im Dezember 1989 und Januar 1990 stattfanden, standen wirtschaftspolitische Fragen. Wurde zu Beginn noch von der Zweistaatlichkeit ausgegangen, änderte sich die Situation schnell. Bereits am 15.11.1989 hatte Generalsekretär Gorbatschow bei einer Rede vor Studenten in Moskau beiläufig von der Wiedervereinigung Deutschlands gesprochen. Die Beratungen darüber mündeten in das sog. Zehn-Punkte Programm186, das Kohl am 28.11.1989 im Rahmen der Haushaltsdebatte im Bundestag vortrug. In Stufen wurde konkret ein Plan zur Annäherung der beiden deutschen Staaten entworfen, mit einer „umfassenden Politik auf einen Zustand des Friedens in Europa hinzuwirken, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangen kann.“187 Bundeskanzler Helmut Kohl betonte dann anlässlich der Kundgebung vor der Frauenkirche in Dresden am 19.12.1989188 das Ziel der Einheit. Für die DDR-Regierung war die Wiedervereinigung (noch) nicht aktuell. Ministerpräsident Hans Modrow189 forderte einen finanziellen „Lastenausgleich“. Dieser war aber für die Bundesregierung nur bei erfolgten unumkehrbaren ordnungspolitischen Reformen vorstellbar. Hans Modrow wollte die wirtschaftliche Lage mit Hilfe der Bundesrepublik stabilisieren, stieß aber mit seinen Finanzforderungen bei Helmut Kohl auf taube Ohren. Einen „Lastenausgleich“ von rund 15 Milliarden DM lehnte die Bundesregierung strikt ab – auch beim Treffen im Februar 1990 in Bonn, als Modrow mit Vertreterinnen und Vertretern aller 13 Parteien und Gruppierungen an den Rhein kam. Für Helmut Kohl hatte
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189
Kerwat, Auf dem Weg zur deutschen Einheit, S. 216. Zum Inhalt des 10-Punkte-Plans siehe im Anhang 8. Glossar. Bundeszentrale für politische Bildung, Der Weg zur Einheit, S. 36. (siehe auch Anhang, 8. Glossar). Schmähl in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Band 11, III. Kapitel, Nr. 5, S. 555 und Fn. 48 m.w.N. In der DDR trat am 7. November 1989 Willi Stoph als Ministerpräsident zurück. Nachfolger wurde der Dresdner SED-Chef Hans Modrow, den zu dieser Zeit auch im Westen einige als Hoffnungsträger ansahen. Auch er lehnte eine Wiedervereinigung strikt ab. Stattdessen wollte er mit Reformen die DDR als sozialistischen Staat erneuern (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 20 Jahre Deutsche Einheit, S.18).
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Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
es keinen Sinn, mit einem zweistelligen Milliardenbetrag die Lebenszeit der bankrotten DDR weiter zu verlängern.190 Das Machtmonopol der SED zerbrach jedoch in der zweiten Novemberhälfte. Am 24.11.1989 kündigte Egon Krenz als Staatsoberhaupt der DDR an, dass die SED auf ihren in der Verfassung verbrieften Machtanspruch verzichten wolle. Die Volkskammer bestätigte dies am 1.12.1989; Krenz trat am 6.12.1989 als Staatsratsvorsitzender zurück und wurde von Gregor Gysi an der Spitze der SED abgelöst. Am 7.12.1989 wurde der Runde Tisch gegründet, wo sich die neuen politischen Kräfte in der DDR, wie z.B. das „Neue Forum“ mit Vertreter/innen wie Bärbel Bohley oder die Ost-SPD mit den Kräften des alten Regimes zu Gesprächen trafen und eine Art Nebenregierung zum Kabinett Modrow und zugleich ein Ersatzparlament bildeten.191 In den Wochen um den Jahreswechsel 1989/1990 wurde wegen des unerwünschten materiellen Sogs des Integrationsprinzips auf die Rentnerinnen und Rentner die Ersetzung durch das Leistungsexportprinzip diskutiert. Die Einführung des Leistungsexportprinzips – die Berechnung der Renten nach den Kriterien des Herkunftsgebiets – hätte zur Folge gehabt, dass die DDR entsprechende Leistungen bei Übersiedlung ihrer Rentnerinnen und Rentner in die Bundesrepublik hätte bezahlen müssen. Oskar Lafontaine, damaliger Ministerpräsident des Saarlandes, forderte ein drastisches Zurückführen der Leistungen für Übersiedlerinnen und Übersiedler wie auch der Renten für Aussiedlerinnen und Aussiedler: „Die Bevölkerung empfindet es in wachsendem Maße als sozial ungerecht, dass DDRBürger ohne hier je eine Mark Sozialversicherungsbeiträge oder Steuern gezahlt zu haben, in den vollen Genuss aller Leistungen kommen können“.192 In der DDR wurde in der Bevölkerung in dieser Zeit die Parole „Kommt die DMark, bleiben wir. Kommt sie nicht, geh’n wir zu ihr“ geprägt.193 Der Zustrom von Übersiedler/innen in die Bundesrepublik hielt auch noch zu Beginn des Jahres 1990 an. Vom 1.1.1990 bis Mitte März 1990 wurden 150.000 Übersiedlerinnen und Übersiedler registriert. Nach den ersten freien Wahlen zur Volkskammer am 18.3.1990 hatte sich die Zahl der Übersiedlerinnen und Übersiedler spürbar verringert.194 Der damalige Vorsitzende des Sozialbeirats, Prof. Winfried Schmähl, betonte in der Sitzung des Sozialbeirats am
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Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 20 Jahre Deutsche Einheit, S. 22. Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), Der Weg zur Einheit, S. 35. Schmähl in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Band 11, III. Kapitel, Nr. 5, S. 548 mit Verweis auf Schmid, Klaus-Peter: Falscher Neid; in: DIE ZEIT vom 26.1.1990. Siehe auch Lafontaine: Renten und Eingliederungsgeld kürzen, in: Handelsblatt vom 6.12.1989. Interview 3 (siehe Anhang 1). Tenbusch, Sondererhebung der BfA, S. 313.
C Von der Zweistaatlichkeit zur staatlichen Einheit
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5.12.1989, dass er eine „Diskussion über die politischen Veränderungen in der DDR und in Osteuropa für dringlich halte“.195 Der damalige Chef des Bundeskanzleramtes, Wolfgang Schäuble, unterbreitete Bundeskanzler Helmut Kohl bereits Mitte Dezember 1989 den Vorschlag, der DDR eine Währungs- und Wirtschaftsunion anzubieten. In der Sitzung des Bundeskabinetts am 7.2.1990 wurde der DDR das Angebot einer „Währungsunion mit Wirtschaftsreform“ gemacht. Gegen den starken Widerstand westdeutscher Wirtschaftskreise und der Bundesbank sollte die Wirtschafts- und Währungsunion um eine Sozialunion als dritte Säule ergänzt werden. Ziel war es, in Anbetracht der zu erwartenden einschneidenden Änderungen der Lebensweise, den Ostdeutschen eine neue Form sozialen Halts zu verschaffen.196 Auch läutete der Besuch Helmut Kohls am 10.2.1990 in Moskau eine neue Phase der Demokratisierung ein, denn der Kreml gab grünes Licht für die Einheit Deutschlands.197 Um den eingeschlagenen Demokratisierungsprozess in der DDR zum Erfolg zu führen, schlug Kohl in seiner Regierungserklärung am 15.2.1990 vor, den Bürgerinnen und Bürgern der DDR „Hilfen zum Bleiben“ statt zum „Gehen“ anzubieten.198 Im Bundesministeriums für Arbeit (BMA) wurde eine Arbeitsgruppe unter Vorsitz von PStS Horst Seehofer (BMA) zur „Angleichung der Arbeits- und Sozialordnung“ eingesetzt. Auf Fachebene waren die Spitzenorganisationen der Sozialpartner, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) und die Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA), vertreten. Zwischen dem Bundesfinanzministerium (BMF), das die Vorbereitungen und Verhandlungen leitete, und dem BMA mit Norbert Blüm an der Spitze, kam es in der Folgezeit über die sozialpolitische Flankierung der Währungsunion immer wieder zu Auseinandersetzungen. Schnell wurde erkannt, dass die Rentenfrage die Akteurinnen und Akteure vor eine herausragende Anforderung stellte. Selbst der FDGB als Träger der Sozialversicherung der DDR hatte bereits im November 1989 gefordert: „ein wirklich gerechtes Rentensystem … dass jedem entsprechend seinem Einkommen und den eingezahlten Beiträgen seine Rente berechnet wird, dass damit auch
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196 197 198
Schmähl, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Band 11, III. Kapitel, Nr. 5, S. 547. Ebenda, S. 11. Richter, Doppelte Demokratisierung und deutsche Einheit, S. 22. Frohn, Fortan wurde alles anders, S. 10.
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Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme Sonderregelungen überflüssig werden und dass die Renten immer mit der LohnPreis-Entwicklung schritthalten.“199
Diese Ziele waren im Rentensystem der Bundesrepublik verwirklicht. Deshalb lag es nahe, das bundesdeutsche System auch in der DDR einzuführen. Hinzu kam, dass die lohnbezogene dynamische Rente in der Bevölkerung ein hohes Ansehen genoss. Der Weg von der Zweistaatlichkeit zur staatlichen Einheit durch Staatsvertrag und Einigungsvertrag war eröffnet. 1
Wege zur Angleichung – aus Sicht der Rentenversicherung
Anfang Februar 1990 hatte die Rentenversicherung, der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger (VDR) und die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), selbst Lösungswege für die Angleichung der beiden unterschiedlichen Rentenversicherungssysteme skizziert, die das westdeutsche System als Muster vorsahen. Dabei gingen die Überlegungen davon aus, dass es in relativer kurzer Zeit zur Schaffung einer Wirtschaftsunion und zur grundlegenden Umgestaltung der DDR-Wirtschaft in Richtung auf das Leitbild der sozialen Marktwirtschaft kommen sollte.200 Es wurde der Versuch unternommen, Lösungswege zur Angleichung des Leistungsrechts der gesetzlichen Rentenversicherung aufzuzeigen. Grundlage der Überlegungen war das am 9.11.1989 verabschiedete Rentenreformgesetz – RRG 1992. Der enge Kontakt der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der verantwortlichen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (auf der Westseite) mit denjenigen des FDGBs, Abteilung 4, Sozialversicherung (auf der Ostseite) war auch ursächlich für die rasche Abwicklung. Die dortigen Beschäftigten waren fest der Meinung, dass es keine Alternative zum westdeutschen Recht gibt und waren froh über die Zuständigkeit der BfA.201 Wesentlicher Unterschied zwischen dem Rentenrecht der DDR und der Bundesrepublik war die nicht vorhandene Dynamik der Renten im ostdeutschen Rentensystem (siehe auch B.V.). Es war absehbar, dass bei Einführung marktwirtschaftlicher Elemente in der DDR dieses Verfahren zu einem ständigen Verteilungskampf zwischen den Erwerbstätigen und den Rentnerinnen und Rentnern führen würde. Deshalb musste das System der Rentenanpassung durch ein lohndynamisches System ersetzt werden. Damit sollte ein Zusammenwachsen in dem 199
200 201
Stephan, Das Zusammenwachsen, S. 546, 547 mit Hinweis auf Rösel, Tribüne – Organ des Bundesvorstandes des FDGB – vom 24.11.1989, S. 1. Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Rentenrecht der DDR, S. 12. Interview 1 (siehe Anhang 1).
C Von der Zweistaatlichkeit zur staatlichen Einheit
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Maße erfolgen, wie sich auch die Angleichung der Lebensbedingungen in beiden Teilen Deutschlands entwickelte. Als Folge einer Währungsunion wurde davon ausgegangen, dass sich die Preise für Waren und Dienstleistungen in der DDR relativ schnell an das Niveau der Bundesrepublik annähern würden. Auch wurde unterstellt, dass sich die Löhne und Gehälter auf das bundesdeutsche Niveau zubewegen, jedoch langsamer als die Preise. Ein Grund wurde dafür in der Orientierung der Reallöhne an der Produktivität gesehen. Eine Steigerung der Produktivität auf bundesrepublikanisches Niveau wurde in der DDR nicht kurzfristig erwartet, da dafür umfangreiche Investitionen in Sach- und Humankapital erforderlich waren. Betont wurde deshalb, dass „für eine wohl geraume Übergangszeit“ die Alterssicherungssysteme in West- und Ostdeutschland unabhängig nebeneinander bestehen bleiben und unterschiedliche „aktuelle Rentenwerte“ zugrunde zu legen seien, solange sich die Reallöhne nicht angeglichen hätten, wobei zunächst offen bleiben müsse, welcher Zeitraum für die Übergangsphase anzusetzen sei.202 Übereinstimmend gingen die Expertinnen und Experten jedoch von einem Zeitraum von etwa 5–7 Jahren aus. Diese Annahmen sollten sich als wesentlich zu optimistisch herausstellen (siehe Teil 3, B.). In der damaligen Zeitspanne gingen alle verantwortlichen Akteurinnen und Akteure im Ministerium und in der Wirtschafts- und Finanzpolitik davon aus, dass eine Angleichung der Löhne und Gehälter in fünf Jahren erreicht sein würde. Der sozialpolitische Sprecher der FDP, Julius Cronenberg, ging sogar von einem Drei-Jahres-Zeitraum aus. Oskar Lafontaine hatte dies damals in Abrede gestellt.203 Auch die Bevölkerung und die Rentnerinnen und Rentner hatten den Versprechungen Glauben geschenkt, dass auch die Renten innerhalb dieses Zeitraums das Westniveau erreichen würden.204 Eine weitere Überlegung bestand darin, die Rentenhöhe vom Ort der Beschäftigung und Beitragserbringung abhängig zu machen, um zu verhindern, durch Umzug im Rentenalter in die Bundesrepublik eine höhere Rente zu erlangen. Die Berechnung der Rente und damit die Rentenformel sah nach dem Rentenreformgesetz 1992 zwei maßgebliche Faktoren vor: die Summe der Entgeltpunkte und den aktuellen Rentenwert. Die Jahresbeitragsleistung von Arbeitgeber/innen und Versicherten wird bei Durchschnittsverdienst mit einem Entgeltpunkt bewertet. Der aktuelle Rentenwert ist der Wert für einen Entgeltpunkt (genauer dazu Teil 3). Es galt, diese beiden Komponenten auf die Rentenversicherung der DDR zu übertragen, wobei nach einem Verfahren zur Ermittlung der 202
203 204
Schmähl, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Band 11, III. Kapitel, Nr. 5, S. 558 und Fn. 75 m.w.N. Interview 1 (siehe Anhang 1). Interview 3 (siehe Anhang 1).
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Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
Entgeltpunkte von Verdiensten in der DDR und zur Festsetzung des aktuellen Rentenwertes und dessen Dynamisierung gesucht wurde. Die Ermittlung der Entgeltpunkte zur Festlegung der relativen Einkommenspositionen der Versicherten geschieht nach bundesdeutschem Rentenrecht nach der Höhe der erzielten versicherungspflichtigen Arbeitsentgelte. Die individuellen Entgelte werden dazu ins Verhältnis zum Durchschnittsverdienst aller Versicherten gesetzt. Für die DDR war nach damaliger Sicht zwischen drei Zeiträumen zu differenzieren:
Versicherungszeiten, die in der DDR vor einer entsprechenden Neuregelung erbracht wurden; Versicherungszeiten während eines Übergangs, in dem die Löhne und Gehälter noch nicht das bundesrepublikanische Niveau erreicht haben, und Versicherungszeiten, die nach Ablauf der ökonomischen Übergangsphase, wenn Löhne und Gehälter angeglichen sind, bewertet werden.
Für Versicherungszeiten, die in der DDR vor einer entsprechenden Neuregelung erbracht wurden, hätten zur Berechnung der Entgeltpunkte die mit der jeweiligen Tätigkeit vergleichbaren bundesrepublikanischen Entgelte herangezogen werden können, wie dies für die Übersiedler/innen bis 1990 der Fall war. Einen grundsätzlich anderen Weg sah man darin, bei Festlegung der individuellen Entgeltpositionen von den tatsächlichen Entgelten der DDR-Versicherten auszugehen. Um zu verhindern, dass die wesentlich niedrigeren DDR-Entgelte zu entsprechend geringeren Entgeltpunkten führten, waren für die Rentenversicherung drei Wege denkbar, die alle zum gleichen Ergebnis geführt hätten:
Entweder waren die in der DDR erzielten individuellen Entgelte den Durchschnittseinkommen in der DDR gegenüber zu stellen. Eine zweite Variante war, die DDR-Entgelte dem bundesdeutschen Durchschnittsverdienst gegenüber zu setzen und dabei die niedrigeren DDREntgelte über einen Faktor hochzuwerten. Eine dritte Möglichkeit bestand darin, die tatsächlichen DDR-Entgelte zu einem pauschal abgesenkten bundesdeutschen Durchschnittsentgelt in Beziehung zu setzen.
Ziel war es, ein Zusammenwachsen zu fördern. Eine Lösung hatte deshalb auch die Übergangszeit zu berücksichtigen. Da mit der Entscheidung auch die Frage verbunden war, ob die bisherigen einkommensmäßigen Verhältnisse in der DDR (und damit auch eine gewisse politische Motivation von Einkommenshöhen)
C Von der Zweistaatlichkeit zur staatlichen Einheit
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zum Maßstab künftiger Rentenberechnungen gemacht werden sollten, musste diese Frage von den politisch Verantwortlichen beantwortet werden. Keine Probleme wurde für Versicherungszeiten, die nach Ablauf der ökonomischen Übergangsphase, wenn Löhne und Gehälter angeglichen sind, gesehen. Denn dann könnte ein einheitliches Durchschnittsentgelt für alle Versicherten – unabhängig davon, wo die Erwerbstätigkeit ausgeübt wird – festgelegt werden. Für die Bestimmung des aktuellen Rentenwertes wurde davon ausgegangen, dass es für eine gewisse Übergangszeit, und solange noch Reallohnunterschiede vorhanden sind, zwei aktuelle Rentenwerte geben würde. In dem Maße, wie die Produktionsunterschiede abgebaut werden, könnten dann die Reallöhne im Gebiet der DDR stärker steigen als im Bundesgebiet. Die daraus resultierende Angleichung im Reallohnniveau sollte dann schließlich automatisch zu einer Angleichung der zunächst noch unterschiedlichen aktuellen Rentenwerte führen.205 2
Wege zur Angleichung – aus Sicht des BMA
Anfang März 1990 hatte der damalige Bundesarbeitsminister, Norbert Blüm, seine Vorstellungen einer „sozialen Flankierung“ veröffentlicht.206 Nach seinen Vorstellungen sollte neben den „tragenden Prinzipien“ der Lohn- und Beitragsbezogenheit, der LohnDynamisierung und „Lebensstandardsicherung“ als „Basis für einen Konsens“ die Umstellung der Renten im selben Verhältnis wie die Löhne gestaltet werden, sowie die Anhebung und Dynamisierung der Renten gemäß der Niveauvorstellung des RRG 1992 und eine mittelfristige Angleichung der Systeme auf der Basis von Entgeltpunkten erfolgen. Eine gegebenenfalls notwendige Anschubfinanzierung durch den Bund sollte von vornherein zeitlich befristet und degressiv sein. Eine der wichtigsten Fragen war damit der Umrechnungskurs und das wachsende Haushaltsdefizit der DDR. Auf Seiten der DDR legte die Arbeitsgruppe des „Runden Tisches“207 am 5.3.1990 umfangreiche sozialpolitische Forderungen einer „Sozialcharta“, in der die Vorteile der beiden Systeme in West und Ost verbunden werden sollten, vor, die am 7.3.1990 von der Volkskammer beschlossen wurde. Die Sozialcharta strebte eine Sozialunion im Sinne eines „wechselseitigen Reformprozesses bei205 206 207
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Rentenrecht der DDR, S. 18. in: Schritt für Schritt – die Netze müssen langsam verknüpft werden. In: DIE WELT, 2.3.1990. Die Mitglieder des „Runden Tisches“ führten untereinander „Neiddebatten“, die wohl aus dem relativ beschränkten Wissen gerade um die rechtlichen Besonderheiten der einzelnen Zusatz- und Sonderversorgungssystemen resultierten (Interview 2, siehe Anhang 1).
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Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
der deutscher Sicherungssysteme“ als Kombination von bundesdeutschen Sozialleistungen mit der sozialen Sicherheit nach altem DDR-Muster an. Allerdings war die Frage der Finanzierung nicht geklärt, was zu Kritik insbesondere im Bundesgebiet Anlass gab.208 3
Wege zur Angleichung – aus Sicht der DDR
In der Bevölkerung waren die rechtlichen Strukturen der DDR-Rentenversicherung kaum bekannt. Dies galt ganz besonders für Zusatz- und Sonderversorgungssysteme. Hingegen war das Vertrauen in das westdeutsche Rentenversicherungssystem stark ausgeprägt. Es galt bei den Rentnerinnen und Rentnern in der DDR als zuverlässig und leistungsstark.209 Für die aktiv im Erwerbsleben stehenden Menschen bestimmten die massiven Änderungen der gesellschaftlichen Strukturen und insbesondere ihrer Arbeitssituation das tägliche Leben. Diese Umwälzungen waren so groß, dass kaum Zeit blieb, sich über die Änderungen in den sozialen Sicherungssystemen zu informieren.210 Die Frage der Angleichung konnte vor der Volkskammerwahl in der DDR am 18.3.1990, aus der die von der CDU geführte „Allianz für Deutschland“ als Wahlsieger hervorging, nicht geklärt werden. Von Seiten der DDR bestand jedoch die große Sorge, dass die Rentnerinnen und Rentner als Verlierer/innen der Entwicklung hervorgehen könnten. Deshalb wurden zwischen den Fraktionen der neugewählten Volkskammer in der Koalitionsvereinbarung vom 12.4.1990 eine Anschubfinanzierung und ein innerdeutscher Finanzausgleich gefordert. Bei Einführung der DM und der Preisfreigabe seien Arbeitseinkommen und Renten um eine „Pro-Kopf-Zulage“ zu erhöhen. Dann erst könne die Umstellung 1:1 erfolgen. Hinsichtlich der Alterssicherung wurden die schrittweise Anhebung der Renten auf ein Nettoniveau von 70 % nach 45 Versicherungsjahren, die zukünftige lohn- und beitragsbezogene Dynamisierung entsprechend der allgemeinen Einkommensentwicklung, die Beibehaltung einer Mindestrente, die Überprüfung von Sonderrentenregelungen und Abschaffung ungerechtfertigter Sonderleistungen, die Beibehaltung bzw. Einführung einer allgemeinen Rentenversicherungspflicht, die organisatorische Trennung der verschiedenen Zweige der Sozialversicherung und die volle Beitragsfinanzierung durch Arbeitgeber/innen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für eine Übergangsphase auch aus öffentlichen Mitteln, gefordert.
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Frohn, Fortan wurde alles anders, S. 11. Interview 3 (siehe Anhang 1). Interview 2 (siehe Anhang 1).
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Wege zur Angleichung – aus Sicht der Bundesregierung
Kernstück der Währungsunion war das Ersetzen der Mark der DDR als legales Zahlungsmittel durch die DM. Innerhalb der Bundesregierung bestand ein tiefgreifender Dissens über den Umtauschkurs bei laufenden Zahlungen (insbesondere von Löhnen und Renten). Während BMWi, BMF und Bundesbank einen Umtauschkurs von 2:1 forderten, stritt das BMA für einen Umtausch 1:1 unter Hinweis darauf, dass ein darunter liegender Umtauschkurs Millionen Menschen unter die Sozialhilfeschwelle sinken lassen würde. Insbesondere Sozialpolitikerinnen und -politiker warnten davor, dass bei einem Umtauschkurs der Nettolöhne von 2:1 die Ostlöhne zunächst großteils weit weniger als 1/5 der Westlöhne gelegen hätten. Das wiederum hätte zu tiefgreifenden sozialen Verwerfungen und destabilisierenden politischen Folgewirkungen führen können.211 Renten hätten zur Existenzsicherung deutlich nicht mehr ausgereicht. Allein diese Auseinandersetzung führte dazu, dass hunderttausende Bürgerinnen und Bürger in der DDR in Protestkundgebungen einen Kurs von 1:1 vor allem für Löhne, Renten und Sparguthaben forderten. Von großer und vor allem für die Rentenneuberechnungen von praktischer Bedeutung war die Festlegung der durchschnittlichen Nettoarbeitsentgelte in der DDR. Diese Auseinandersetzungen waren Anlass für die Bundesregierung, ein Angebot zu unterbreiten, das sozialpolitischen Bedenken in gewissem Umfang Rechnung trug. Das Angebot der Bundesregierung, das am 24.4.1990 der DDR-Regierung überreicht wurde und das zugleich ein Angebot für den Staatsvertrag war, sah keine schrittweise Anhebung des Rentenniveaus, sondern eine sofortige Anhebung auf das westdeutsche Niveau, verbunden mit einer Bestandsgarantie für solche Rentenzahlungen vor, deren Betrag nach der Umstellung unter den bisher in Mark gezahlten Betrag lagen. 5
Wege zur Angleichung – aus Sicht der Bundes-SPD
Am 26.4.1990, zwei Tage nachdem die Bundesregierung der DDR das vorgenannte Angebot überbracht hatte, übersandte der sozialpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rudolf Dreßler, der DDR-Sozialministerin, Regine Hildebrandt, Änderungsvorschläge aus Sicht der Bundes-SPD, die u. a. die Beibehaltung einer umfassenden Versicherungspflicht aller Erwerbstätigen, die Ablehnung der Einführung von Berufsständischen Versorgungswerken und den Erhalt von Mindestrenten vorsahen.
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Frohn, Fortan wurde alles anders, S. 11.
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Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
Wege zur Angleichung – die Frage der Finanzierung
Das BMF schlug vor, für die Finanzierung des Angebots der Bundesregierung die Finanzreserven der GRV zu nutzen. Blüm lehnte es erneut strikt ab, die deutsche Einheit aus der „Rentenkasse“ zu finanzieren und befand sich damit in Übereinstimmung mit Rudolf Dreßler und Graf Lambsdorff.212 Noch vor Unterzeichnung des Staatsvertrages am 18.5.1990 legten die Finanzminister die Anschubfinanzierung für die Rentenversicherung zu Lasten des Bundeshaushalts in Höhe von 750 Mio. DM für das zweite Halbjahr 1990 fest.213 Zu diesem Zeitpunkt betrug die Schwankungsreserve in der Rentenversicherung zwei Monatsausgaben und damit das Doppelte der vorgeschriebenen Mindestreserve.214 Aufgrund der günstigen Konjunktur wurde mit einem weiteren Anwachsen der Schwankungsreserve gerechnet. Um den „Manipulationsabsichten des Bundesfinanzministers“, zur Anschubfinanzierung „in die Rentenkasse zu greifen“ und die Schwankungsreserve zur Finanzierung zu nutzen, einen Riegel vorzuschieben, kündigte die Bundes-SPD am 17.5.1990 eine Gesetzesinitiative an, den Beitragssatz zum 1.9.1990 von 18,7 % auf 18,0 % zu senken. Blüm widersprach diesem Vorschlag und betonte, „die Anschubfinanzierung sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und werde aus Steuermitteln finanziert“.215 Noch ging man davon aus, dass die Anschubfinanzierung nur für das zweite Halbjahr 1990 notwendig sei und die Einnahmen in Ostdeutschland die dortigen Ausgaben decken würden. Die damalige DDR-Sozialministerin, Regine Hildebrandt, thematisierte die Gefahr von Altersarmut für viele Rentnerinnen und Rentner und forderte u. a. einen Sozialzuschlag, der die sich durch die vorgesehene Umstellung der Renten ergebende Differenz bei rund 700.000 Rentnerinnen und Rentnern ausgleichen sollte. Noch vor Ratifizierung des Staatsvertrages kam es darüber zu erfolgreichen Nachverhandlungen.
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Schmähl, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Band 11, III. Kapitel, Nr. 5, S. 569. Für die Arbeitslosenversicherung wurden für das zweite Halbjahr 1990 2 Mrd. DM und 3 Mrd. DM für 1991 festgelegt (siehe Schmähl in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Band 11, III. Kapitel, Nr. 5, S. 572 und Fn. 162). Kannengießer, Die Sozialpolitik vor den deutsch-deutschen Problemen, S. 113. Schmähl, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Band 11, III. Kapitel, Nr. 5, S. 573 und Fn. 171 m.w.N.
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Wege zur Angleichung – das Problem der Überführung der Zusatzund Sonderversorgungssysteme
Neben den grundsätzlichen rentenpolitischen Weichenstellungen war ein zentraler Punkt die Überführung der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme. Seit den freien Wahlen zur Volkskammer am 18.3.1990 befand sich die DDR faktisch in Auflösung.216 Die Überführung der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme spielte deshalb bereits bei den Staatsvertrag vorbereitenden Diskussionen eine wichtige Rolle, zumal fast alle der auf DDR-Seite Verhandelnden davon auch persönlich betroffen waren. Es wurden drei Denkmodelle diskutiert: Zum einen der ersatzlose Wegfall der Ansprüche und Anwartschaften aus den Zusatz- und Sonderversorgungssystemen. Diese Vorstellung wurde, sicher auch deshalb, weil dies die „DDR-Eliten“ betroffen hätte, nicht ernsthaft erwogen und hätte dazu geführt, dass es zu einer großen Zahl von Sozialhilfeempfängerinnen und -empfängern gekommen wäre, zumal zu einer Zeit, in der es noch kein funktionierendes Sozialhilfesystem in der DDR gab. Als weiteres Denkmodell wurde das sog. Eingliederungsprinzip diskutiert, nach dem die Betroffenen so behandelt worden wären, als ob sie ihr bisheriges Erwerbsleben in der Bundesrepublik verbracht hätten. Die Folge wäre gewesen, dass sie je nach Tätigkeit wie Beamtinnen und Beamte einen Anspruch gegen den jeweiligen Dienstherrn gehabt hätten bzw. als Angehörige verkammerter Berufe als Mitglieder der jeweiligen Berufsständischen Versorgungswerke und bei Beschäftigten des öffentlichen Dienstes als in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes (z. B. VBL, ZVK) versorgt gegolten hätten. Diese Überlegungen hätte die Übertragung von zweifellos gesamtgesellschaftlichen Aufgaben auf zum Teil privatrechtlich organisierte und relativ kleine Rechtsträger bedeutet, was auf deren erbitterten Widerstand gestoßen wäre und im Übrigen auch verfassungsrechtlich bedenklich war. Der dann eingeschlagene Weg, das westdeutsche Rentensystem in den Osten zu übertragen, setzte die Überlegung voraus, den Staat in die leistungsrechtlichen Beziehungen eintreten zu lassen, und eröffnete für den Gesetzgeber auch die meiste Flexibilität, die Überleitung nach seinen Vorstellungen zu gestalten.
216
Michaelis, Zusatz- und Sonderversorgungssysteme der DDR, S. 518.
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II
Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
Der Staatsvertrag217 vom 18.5.1990
Mit dem „Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik“ (Staatsvertrag) vom 18.5.1990, in Kraft getreten zum 1.7.1990218, wurde das Ziel, die Einheit Deutschlands nach westdeutschem Vorbild herbeizuführen und damit entgegenstehende Vorschriften und Grundsätze in der Verfassung der DDR aufzugeben, manifestiert.219 In der Präambel des Staatsvertrages wurde dazu Folgendes festgelegt: „... in Richtung auf die Herstellung der staatlichen Einheit nach Artikel 23 des Grundgesetzes220 der Bundesrepublik Deutschland ...“.
Dies war als Bekundung eines Beitritts der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes und damit zur Bundesrepublik anzusehen.221 Der in Art. 146 des Grundgesetzes mögliche Weg einer gemeinsamen neuen Verfassung222 wurde damit ausgeschlossen. (siehe dazu oben A. IV. mit Fußnoten). Der Staatsvertrag zielte insbesondere darauf ab, die Prinzipien der Wirtschafts- und Sozialordnung der DDR grundlegend neu zu gestalten und an den bundesdeutschen Grundsätzen auszurichten.223 Eine umfassende Rechtsangleichung wurde angesichts des knappen Zeitrahmens vorerst zurückgestellt. Vertraglich wurde festgehalten, dass eine „Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion“ zu errichten sei (Art. l Abs. 1). Abs. 4 bestimmt dazu:
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220 221 222
223
Der Staatsvertrag vom 18.5.1990 wird in der Fachliteratur oftmals als 1. Staatsvertrag, der Einigungsvertrag vom 31.8.1990 als 2. Staatsvertrag bezeichnet. Die Arbeit benutzt wegen der besseren Verständlichkeit die Bezeichnungen Staatsvertrag und Einigungsvertrag. BT-Drucksache 11/7171, S. 53 ff; BGBl. II S. 537 ff. Der Staatsvertrag wurde am 21.5.1990 in der Volkskammer mit 302 gegen 82, im Bundestag mit 444 gegen 60 Stimmen und am 22.6.1990 im Bundesrat gegen die Stimmen des Saarlandes und Niedersachsens angenommen (Frohn, Fortan wurde alles anders, S. 11). Text Art. 23 a.F. siehe auch oben Fn. zu A. IV. Denkschrift zum Staatsvertrag, BT-Drucksache 11/7171, Allgemeiner Teil, S. 98. Nach Art. 146 GG sollte das Grundgesetz an dem Tag seine Gültigkeit verlieren, „an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die vom deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist“. Gesamter Text siehe auch oben zu A. IV. Der Umtauschkurs wurde differenziert ausgestaltet: DDR-Bürger/innen durften bis zu 4.000 M, ab 60 Jahre bis zu 6.000 M und Kinder bis zu 14 Jahren bis zu 2.000 M zum Kurs 1:1 umtauschen. Darüber liegende Sparguthaben wurden zum Kurs 2:1 gewechselt. Schulden wurden ebenfalls halbiert; Löhne, Gehälter, Stipendien, Renten und Mieten wurden 1:1 umgestellt. Guthaben von Personen und Firmen, die ihren Sitz nicht in der DDR hatten, wurden 3:1 umgetauscht. (Frohn, Fortan wurde alles anders, S. 10/11).
C Von der Zweistaatlichkeit zur staatlichen Einheit
95
„Die Sozialunion bildet mit der Währungs- und Wirtschaftsunion eine Einheit. Sie wird insbesondere bestimmt durch eine der Sozialen Marktwirtschaft entsprechende Arbeitsrechtsordnung und ein auf den Prinzipien der Leistungsgerechtigkeit und des sozialen Ausgleichs beruhendes umfassendes System der sozialen Sicherung“.
Mit den Grundsätzen der Sozialversicherung wurden in Art. 20 die Rechtsgrundlagen zur Einführung des westdeutschen Systems der Sozialversicherung gelegt: „(1) Die Deutsche Demokratische Republik leitet alle erforderlichen Maßnahmen ein, um ihr Rentenrecht an das auf dem Grundsatz der Lohn- und Beitragsbezogenheit beruhende Rentenversicherungsrecht der Bundesrepublik Deutschland anzugleichen. Dabei wird in einer Übergangszeit von fünf Jahren für die rentennahen Jahrgänge dem Grundsatz des Vertrauensschutzes Rechnung getragen. (2) … Die bestehenden Zusatz- und Sonderversorgungssysteme werden grundsätzlich zum 1.7.1990 geschlossen. Bisher erworbene Ansprüche und Anwartschaften werden in die Rentenversicherung überführt, wobei Leistungen aufgrund von Sonderregelungen mit dem Ziel überprüft werden, ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffen und überhöhte Leistungen abzubauen. …“224
Neben der bereits im Staatsvertrag getroffenen grundsätzlichen Systementscheidung bestand Einvernehmen, dass das Rentenrecht der Bundesrepublik erst mit Inkrafttreten der am Tag des Mauerfalls im Deutschen Bundestag verabschiedeten großen Rentenreform zum 1.1.1992 durch ein gesondertes Gesetz auf die neuen Bundesländer übergeleitet werden sollte. Weiterhin wurde geregelt, dass die Rente von Rentnerinnen und Rentnern, die vor dem 30.6.1995 begann, mindestens in der Höhe gezahlt werden musste, die sich am 30.6.1990 nach dem Rentenrecht der DDR ergeben hätte.225 Da der Staatsvertrag ein völkerrechtliches Abkommen ist, hatte er nicht bereits mit Vertragsunterzeichnung Rechtskraft erlangt, sondern musste durch die Gesetzgebungsorgane der vertragsschließenden Seiten ratifiziert werden.226
224 225 226
Vollständiger Text siehe im Anhang, 6. Gesetze und Rechtsquellen, III.1. Ritter, Der Preis der deutschen Einheit, S. 251, 252. Dies erfolgte für die Bundesrepublik durch das „Gesetz vom 25.6.1990 zu dem Vertrag vom 18. Mai 1990 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik“ (Gesetz zum Staatsvertrag), BGBl. II S. 518 ff., das am 21.6.1990 in zweiter und dritter Lesung vom Deutschen Bundestag mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU und FDP verabschiedet und am 25.6.1990 im Bundesgesetzblatt verkündet wurde; für die DDR durch das „Gesetz zum Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland vom 18. Mai 1990“ (Verfassungsgesetz) vom 21. Juni 1990, GBl. I, Nr.34, S. 331 ff., das am 21.6.1990 von der Volkskammer in zweiter Lesung mit den Stimmen der Regierungskoalition verabschiedet wurde.
96
Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
Daneben wurden noch von der Volkskammer der DDR zur Umsetzung des Staatsvertrages das „Gesetz über die Sozialversicherung“ (SVG-DDR) vom 28.6.1990227 und das „Gesetz zur Angleichung der Bestandsrenten an das Nettorentenniveau der Bundesrepublik Deutschland und zu weiteren rentenrechtlichen Regelungen – Rentenangleichungsgesetz“ (RAnglG-DDR) vom 28.6.1990228 verabschiedet. SVG-DDR und RAnglG-DDR traten zum 1.7.1990 in Kraft. III Die Rentenangleichung – Die rentenrechtliche Umsetzung des Staatsvertrages zum 1.7.1990 durch SVG-DDR und RAnglG-DDR 1
Grundsätze
Durch das RAnglG-DDR wurde der in Art. 20 Abs. 1 Staatsvertrag verankerte Grundsatz, das Rentenrecht der DDR an das auf dem Grundsatz der Lohn- und Beitragsbezogenheit beruhende Recht der Bundesrepublik anzugleichen, umgesetzt. Zum 1.7.1990 erhöhten sich durch die Rentenangleichung rund 30 % der Renten in der DDR229, rund 2.880.927 Versichertenrenten, 104.451 Witwenrenten und 83.467 Waisenrenten wurden geprüft. Im Ergebnis wurden nur 457.000 Vollrenten der Sozialpflichtversicherung nicht angepasst, weil der frühere Zahlbetrag höher war als der sich durch die Angleichung ergebende; weitere rd. 226.000 Vollrenten fielen mit einer anderen Versorgung zusammen und wurden deshalb nicht angeglichen.230 Diese enorme Leistung der Rentenversicherung verdient umso mehr Anerkennung als das SVG-DDR und das RAnglG-DDR nur wenige Tage vor der Sozialunion und damit vor der Umstellung auf DM und Rentenangleichung beschlossen wurden. Am 22.6.1990 war noch nicht klar, welche Summen benötigt werden würden. An diesem Tag hatte sich der Leiter der DDR-Sozialversicherung, Herbert Mrotzeck, an den Ministerpräsidenten der DDR, Lothar de Maizière, gewandt, „da bis heute nicht geklärt ist, wie die Sozialversicherung, insb. in den Monaten Juli und August finanziert wird.“231
227 228 229 230 231
GBl. I, Nr. 38, S. 486. GBl. I, Nr. 38, S. 495. Heller, Rentenanpassung in den neuen Bundesländern, S. 40. Rentenanpassungsbericht 1990, BT-Drucksache 11/8504 vom 28.11.1990, S. 43. Schmähl, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Band 11, III. Kapitel, Nr. 5, S. 575, Fn. 183-187 m.w.N.
C Von der Zweistaatlichkeit zur staatlichen Einheit
2
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Gegliederte Sozialversicherung und Territorialitätsprinzip
Im Sozialversicherungsrecht der Bundesrepublik galt und gilt das Territorialitätsprinzip, wonach der Versicherungszwang grundsätzlich an den Grenzen des Staatsgebietes endet. Damit waren versicherungsrechtliche Probleme für die Fälle vor programmiert, wenn Versicherte aus dem einen deutschen Staat in dem anderen deutschen Staat arbeiteten. Zwar waren mit Inkrafttreten der Sozialunion zum 1.7.1990 zahlreiche Strukturelemente des bundesdeutschen Rechts im innerstaatlichen Recht der DDR bereits verankert. Aufgrund der zunächst fortbestehenden Zweistaatlichkeit fehlte es noch an einer Verknüpfung der beiderseitigen Regelungen. Deshalb wurde mit § 9 SVG-DDR eine § 3 SGB IV entsprechende Vorschrift normiert. Ziel war es, in den Fällen der zeitlich begrenzten Beschäftigung im jeweils anderen deutschen Staat die bestehende Versicherung im Ausgangsstaat aufrecht zu erhalten, ohne dass hierdurch Doppelversicherungen in beiden deutschen Staaten entstünden. Zugleich sollte diese Regelung sicherstellen, dass die Betroffenen nicht ohne sozialen Schutz in einem der beiden Staaten waren.232 Weiterhin wurde im SVG-DDR die ab 1.7.1990 geltende monatliche Bezugsgröße auf 1.400 DM festgesetzt. Mit dem SVG-DDR wurden weitere organisatorische Regelungen getroffen. Art. 18 Staatsvertrag bestimmte, dass die DDR an Stelle der Einheitssozialversicherung ein gegliedertes System der Sozialversicherung einführt. Deshalb sah § 31 Abs. 1 SVG-DDR vor, dass der Träger der Sozialversicherung (Versicherungsträger) eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung sein sollte, die Selbstverwaltung durch die Versicherten und Arbeitgeber/innen auszuüben sei und die Voraussetzungen für den Aufbau eigenständiger Versicherungszweige zu schaffen seien (§ 32 Abs. 1 Satz 2 SVG-DDR). Da dies einige Zeit in Anspruch nehmen würde, wurde mit Art. 18 Abs. 2 Staatvertrag eine Übergangsregelung normiert, dass zunächst die Aufgaben der Renten-, Kranken- und Unfallversicherung von einem gemeinsamen Träger durchgeführt und dann bis 1.1.1991 eigenständige Träger gebildet werden sollten. Ziel dabei war eine Organisationsstruktur der Sozialversicherung, die der in der Bundesrepublik Deutschland entsprach (Art. 18 Abs. 2 Satz 3 Staatsvertrag, §§ 31 bis 33 SVG-DDR).
232
Stephan, Staatsvertrag bringt Änderungen, S. 304.
98
3
Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
Umstellung, Angleichung und Dynamisierung der Renten
Die Umstellung, Angleichung und künftige Anpassung der Bestandsrenten war einer der sozialpolitischen Schwerpunkte der Diskussionen vor Unterzeichnung des Staatsvertrages. Dabei galt es, Antworten auf drei zentrale Fragen zu finden:
die Umstellung von Mark auf DM, die Angleichung hinsichtlich des Sicherungsziels und die künftige Anpassung der Renten (Dynamisierung).
Die Umstellung der Renten Art. 10 Abs. 5 Staatsvertrag sah vor, dass „Löhne, Gehälter, Stipendien, Renten, Mieten, Pachten sowie weitere wiederkehrende Zahlungen“ im Verhältnis 1:1 umgestellt werden. Damit sollten Einkommensverschlechterungen der Rentnerinnen und Rentner gegenüber den Erwerbstätigen verhindert werden. (Zur politischen Diskussion um den Umtauschkurs siehe oben C. I. 4.) Die Angleichung der Renten Art. 20 Abs. 3 Staatsvertrag bestimmte weiterhin, dass die Bestandsrenten der Rentenversicherung bei der Umstellung von Mark auf Deutsche Mark auf ein Nettorentenniveau festzusetzen sind, das bei einer Rentnerin bzw. einem Rentner mit 45 Versicherungsjahren/Arbeitsjahren, dessen bzw. deren Verdienst jeweils dem volkswirtschaftlichen Durchschnittsverdienst entsprochen hat, 70 % des durchschnittlichen Nettoarbeitsverdienstes in der DDR beträgt. Als Basis für die Berechnung des Anhebungssatzes der individuell bezogenen Renten ist die nach Zugangsjahren gestaffelte Rente eines/einer Durchschnittsverdieners / -verdienerin in der DDR, der/die von seinem/ihrem Einkommen neben den Pflichtbeiträgen zur Sozialversicherung volle Beiträge zur FZR gezahlt hat. Soweit danach eine Anhebung nicht erfolgte, sollte eine Rente in DM gezahlt werden, die der Höhe der früheren Rente in Mark der DDR entsprochen hat. Das Verfahren zur Umstellung wurde in den §§ 1 ff. RAnglG-DDR geregelt. Damit wurde eine Verbesserung der Einkommenspositionen der Rentnerinnen und Rentner in der DDR angestrebt, die einer Anhebung des Rentenniveaus entsprach. Die Angleichung orientierte sich nicht am bundesdeutschen System, sondern am DDR-Recht, das Pflichtversicherung und FZR, die jedoch erst 1971 eingeführt wurde, als eine Einheit betrachtete. Diejenigen Personen, die der FZR beigetreten waren, erhielten nach der Umstellung höhere Renten als solche, die dies nicht getan hatten (Tabelle 6). Erhalten blieb auch der Vorteil für Versicher-
C Von der Zweistaatlichkeit zur staatlichen Einheit
99
te mit höheren Steigerungssätzen in der Pflichtversicherung (z.B. Angehörige der Reichsbahn). Während die DDR-Standard-Eckrente am 30.6.1990 je nach Zugangsjahr noch zwischen 470 M und 600 M233 schwankte, wurde sie zum 1.7.1990 einheitlich bestimmt. Als Grundlage für die Berechnung wurde ein durchschnittlicher Nettoverdienst von 960 DM monatlich festgesetzt (§ 1 Abs. 2 RAnglG-DDR). Damit ergab sich eine Eckrente nach 45 Versicherungsjahren von (0,7 x 960 DM) 672 DM. Erfolgte keine Anhebung, weil der Zahlbetrag höher war, sollte die Rente in DM in der bisherigen Höhe weitergezahlt werden. Die Zahlung des Sozialzuschlags (siehe unten 4.) blieb davon unberührt. Die Renten im Osten wurden zum 1.7.1990 für Männer durchschnittlich um 31 %, für Frauen um 22 % angehoben. Insgesamt wurde das Rentenvolumen der DDR um mehr als 25 % angehoben. Erhöht wurden in der Sozialpflichtversicherung: 2.880.927 Versichertenrenten (davon Frauen 1.995.923 und Männer 885.004), 104.451 Witwen/Witwerrenten (davon Frauen 103.225 und Männer 1.226) und 83.467 Waisenrenten (Tabelle 6). Die gefühlte Zustimmung und Akzeptanz der Rentnerinnen und Rentner war nach der Rentenangleichung zum 1.7.1990 sehr gut.234 Tabelle 6: Rentenangleichung zum 1.7.1990
vondurchschnittl. monatlich
umdurchschnittl. monatlich
aufdurchschnittl. monatlich
446M
109M
555M
336M 167M 80M
79M 38M 17M
414M 205M 97M
52M
10M
62M
38M
9M
47M
Versichertenrentender Sozialpflichtversicherung Witwen/Witwerrenten Waisenrenten VersichertenrenteninderFZR Witwen/Witwerrentenin derFZR WaisenrenteninderFZR
Quelle:ÜbersichtE1aus:Rentenanpassungsbericht1990vom28.11.1990,BTͲDrucksache11/8504
Die Dynamisierung der Renten Art. 20 Abs. 4 Staatsvertrag und § 19 RAnglG-DDR sahen vor, dass die Renten der Rentenversicherung entsprechend der Entwicklung der Nettolöhne und gehälter in der DDR angepasst werden sollten. Damit wurde die Nettoanpas-
233 234
Dederer, 10 Jahre deutsche Einheit, S. 471. Übereinstimmend Interview 1, 2 und 3 (Anhang 1).
100
Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
sung235 durch das Rentenreformgesetz 1992236 für die Zukunft übernommen. Die Dynamisierung, die damit festgeschrieben wurde, orientierte sich aber nicht an der bundesdeutschen Lohn- und Gehaltsentwicklung, sondern an der Lohnentwicklung der DDR. Da man davon ausging, dass die Löhne und Gehälter in der DDR schneller als in Westdeutschland steigen würden, wurde unterstellt, dass dadurch die DDR-Renten ihren Rückstand in der absoluten Höhe gegenüber den bundesrepublikanischen Renten aufholen würden. 4
Sozialzuschlag und Sozialhilfe
Bereits vor Ratifizierung des Staatsvertrages erfolgten Nachverhandlungen durch Rudolf Dreßler und Regine Hildebrandt, deren wichtigster rentenpolitischer Erfolg die Erhaltung der Mindestrenten für fünf Jahre bei gleichzeitiger Einführung eines Sozialzuschlags zusätzlich zur Rente war. Der Sozialzuschlag wurde an Rentnerinnen und Rentner237 gezahlt, ohne dass ein Antrag erforderlich war, wenn die Rente238 unter einem am Sozialhilfeniveau orientierten Betrag von 495 DM lag. Der Sozialzuschlag glich diese Differenz aus (§ 18 Abs. 3 RAnglG-DDR). Der Grenzbetrag von 495 DM lag um 165 DM über der Mindestrente in der DDR in Höhe von 330 M. Bei der Gewährung des Sozialzuschlags wurde zuerst kein weiteres Einkommen oder auch Partnereinkommen angerechnet.239 Der Sozialzuschlag wurde im Jahr 1991 nicht dynamisiert.
235
236 237
238
239
Bis zur Rentenreform 1992 wurden die Renten in der Bundesrepublik nach dem Bruttoprinzip angepasst. Bereits Ende der 1970er Jahre führte dies zu Schwierigkeiten, als durch den Anstieg von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen bei den Erwerbstätigen die Renten schneller stiegen als die verfügbaren Arbeitsentgelte. Der Gesetzgeber griff Ende der 1970er Jahre in das Anpassungsverfahren ein und koppelte die Rentenanpassung völlig von der Lohnentwicklung ab; kehrte aber schließlich wieder zu der regelgebundenen Bruttoanpassung zurück. Ziel des ab 1992 maßgebenden nettolohnorientierten Anpassungsverfahrens war es sicherzustellen, dass die Anhebung der Renten der Steigerung der verfügbaren Arbeitnehmereinkommen folgte (Michaelis in: HDR, 24, Rz. 162 f.). §§ 65, 68 SGB VI. Berechtigt waren: Alters- und Invalidenrentner/innen, Unfallrentner/innen mit einem Körperschaden von 66 2/3 Prozent sowie Empfänger/innen einer in voller Höhe gezahlten Witwen(Witwer-)Rente mit Ausnahme der Empfänger einer Unfallwitwenrente in Höhe von 20 % des beitragspflichtigen monatlichen Durchschnittsverdienstes des/der Verstorbenen, deren Renten weniger als 495 DM betragen (§ 18 Abs. 1 RAnglG-DDR). Als Rente galt die Summe aller aus der Sozialpflichtversicherung gezahlten Renten ohne Zuschläge sowie aller Zusatzrenten aus der FZR (§ 18 Abs. 2 RAnglG-DDR). Eine Anrechnung des Einkommens des Ehepartners/der Ehepartnerin erfolgte ab dem 2. Halbjahr 1992.
C Von der Zweistaatlichkeit zur staatlichen Einheit
101
Das Gesetz zur Zahlung eines Sozialzuschlags zu Renten im Beitrittsgebiet (Art. 40 RÜG vom 25.7.1991)240 legte fest, dass Anspruch auf Zahlung eines Sozialzuschlags bis längstens 31.12.1996 diejenigen Personen haben, deren Altersrenten, Renten wegen verminderter Erwerbsminderung, Witwen-, Witwer und Erziehungsrenten, Verletztenrenten der Unfallversicherung und/oder Witwen- und Witwerrenten der Unfallversicherung einen Betrag von 600 DM bei Alleinstehenden und 960 DM Gesamteinkommen bei Verheirateten unterschreiten. Der Grenzbetrag wurde in dem Umfang erhöht,241 um den die Eck-Regelsätze der Sozialhilfe durchschnittlich stiegen. Durch den Sozialzuschlag konnte bei vielen DDR-Rentnerinnen und –Rentnern ein Abgleiten in die Sozialhilfe verhindert werden. Der Sozialzuschlag war keine originäre Leistung der Rentenversicherung, sondern wurde im Zuge der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion eingeführt, weil es zu diesem Zeitpunkt im Gebiet der ehemaligen DDR noch kein funktionierendes Sozialhilfesystem gab, wegen der erwarteten Preissteigerungen jedoch die Notwendigkeit sozialhilfeähnlicher Mindestleistungen gesehen wurde.242 Klar war auch, dass ein solches auch in Kürze nicht aufgebaut werden konnte. Der Staatsvertrag bestimmt dazu in Art. 24: „Die Deutsche Demokratische Republik führt ein System der Sozialhilfe ein, das dem Sozialhilfegesetz der Bundesrepublik Deutschland entspricht.“
Kontrovers wurde die Ausgestaltung des Sozialzuschlags diskutiert. Während viele Betroffene die dauerhafte Beibehaltung und Dynamisierung des Sozialzuschlags entsprechend der Rentenanpassung forderten, lehnte das BMA die Dynamisierung strikt ab und forderte seinerseits eine Befristung. Als Kompromiss wurde der Sozialzuschlag zu Leistungen der Renten-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung auf Neuzugänge bis 31.12.1991 begrenzt und bis längstens zum 30.6.1995 befristet. Eine Dynamisierung war nicht vorgesehen. Die Rentenversicherung hingegen machte von Beginn an deutlich, dass für sie der Sozialzuschlag als stark pauschalierte Sozialhilfeleistung einzustufen und nur für einen Übergangszeitraum – bis ein funktionsfähiges Sozialhilfesystem in der DDR installiert ist – zu gewähren sei. 240 241
242
BGBl. I S. 1707. Die Grenzwerte betrugen zum 1.7.1990: 495 DM pro Person; zum 1.1.1991: 545 DM pro Person; zum 1.7.1991: 602 DM pro Person; zum 1.1.1992: 600 DM (Alleinstehende) und 960 DM (Verheiratete); zum 1.7.1992: 658 DM (Alleinstehende) und 1.054 DM (Verheiratete); zum 1.7.1993: 674 DM (Alleinstehende) und 1.080 DM (Verheiratete); zum 1.7.1994: 674 DM (Alleinstehende) und 1.081 DM (Verheiratete); zum 1.7.1995: 681 DM (Alleinstehende) und 1.093 DM (Verheiratete); zum 1.7.1996: 688 DM (Alleinstehende) und 1.104 DM (Verheiratete). Rische, Bedeutung des Renten-Überleitungsgesetzes, S. 231.
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Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
Den Sozialzuschlag von durchschnittlich 87 DM243 erhielten rund 674.000 Personen und damit 23 % der 2,9 Mio. Rentnerinnen und Rentner in der DDR. 95 % der Bezieher waren Frauen; ein Indikator dafür, dass unzureichende Alterseinkünfte auch in der DDR überwiegend Frauen betrafen.244 Der Sozialzuschlag sollte nicht die einzige zusätzliche Leistung zu den Renten nach der Rentenangleichung zum 1.7.1990 bleiben (Tabelle 7). 5
Beiträge zur Rentenversicherung
Da die Sozialversicherung der DDR als Einheitsversicherung mit einem (relativ niedrigen) Einheitssozialversicherungsbeitrag ausgestaltet war, reichten die Beiträge nur etwa zur Hälfte aus, die Ausgaben zu decken.245 Auch war eine Zuordnung der Einnahmen zur Renten-, Kranken- und Unfallversicherung nicht möglich. Art. 18 Abs. 1 Ziff. 2 Satz 1 Staatsvertrag246 sah deshalb ausdrücklich vor, dass u. a. die Rentenversicherung vor allem durch Beiträge zu finanzieren sei. Deshalb erschien es notwendig, die Versicherungspflicht- und Beitragsbemessungsgrenzen nach den Grundsätzen des Sozialversicherungsrechts der Bundesrepublik festzulegen (Art. 18 Abs. 5 Staatsvertrag). Diese Entscheidung hatte zur Folge, dass zum 1.7.1990 in der DDR allein zur Rentenversicherung ein Beitragssatz von 18,7 % paritätisch von Arbeitgeber/innen und Beschäftigten zu entrichten war (§ 40 Abs. 1 Satz 1 SVG-DDR). Die monatliche Beitragsbemessungsgrenze wurde ab 1.7.1990 in der DDR auf 2.700 DM festgelegt (§ 42 Abs. 1 SVG-DDR), während sie zu diesem Zeitpunkt in der Bundesrepublik monatlich 6.300 DM betrug. Die Bezugsgröße wurde auf 1.400 DM, die Geringfügigkeitsgrenze (ein Siebtel der Bezugsgröße) auf 200 DM festgelegt (§§ 5, 6, 34, 39 bis 42 SVG-DDR). Durch die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze von 600 M auf 2.700 DM entfiel die Notwendigkeit der Fortführung der FZR. Art. 20 Abs. 5 Staatsvertrag sah die Schließung der FZR vor. Ab 1.7.1990 konnten deswegen keine Versicherungszeiten mehr in der FZR zurückgelegt werden. § 10 Abs. 2 RAnglG-DDR sah unter Bezugnahme auf die FZR-Verordnung247 vor, 243
244
245
246
247
85,46 DM bei Frauen, 107,60 DM bei Männern; Rentenanpassungsbericht 1990, BT-Drucksache 11/8504 vom 28.11.1990, S. 53. Schmähl, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Band 11, III. Kapitel, Nr. 5, S. 578. Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Staatsvertrag mit der DDR, Ziff. 19. Der relativ niedrige (Gesamt-)Beitragssatz betrug in der Pflichtversicherung für Einkommen bis zur BBG (600 M monatlich) 22,5 %, in der FZR 20 %. „2. Die Renten-, Kranken-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung einschließlich der Arbeitsförderung werden vor allem durch Beiträge finanziert.“ GBl. I Nr. 35, S. 395.
C Von der Zweistaatlichkeit zur staatlichen Einheit
103
dass bis zum 30.6.1990 erworbene Anwartschaften entsprechend zu berücksichtigen seien. Durch die Anhebung der Bemessungsgrenzen und die höheren Beitragssätze hatte sich die Beitragsbelastung für die Erwerbstätigen in der DDR nahezu verdoppelt. Bezieherinnen und Bezieher niedrigerer Einkommen profitierten von den relativ geringeren Steuersätzen der bundesdeutschen Besteuerung hingegen nicht. Um die Nettolohneinbußen dieser Personen abzufedern, sahen Art. 18 Abs. 4 Staatsvertrag und § 82 SVG-DDR bis 31.12.1990 monatliche Zuschusszahlungen zum Rentenversicherungsbeitrag (Tabelle 7) in Höhe von 30 DM bei einem Monatslohn bis 600 DM, von 20 DM bei einem Monatslohn über 600 DM bis 700 DM und von 10 DM bei einem Monatslohn über 700 DM bis 800 DM vor. Tabelle 7: Zusätzliche Leistungen zu den Renten nach der Rentenangleichung zum 1.7.1990 aufgrund des Staatsvertrags, dem SVG-DDR und dem RAnglG-DDR SozialͲ zuschlag
Zuschuss zumRVͲ Beitrag
DerSozialzuschlagwurdegezahlt, wenndieRente(SummederRenͲ te(n)ausderSozialpflichtversicheͲ rungohneZuschlägesowieallerFZRͲ Renten)untereinemamSozialhilfeͲ niveauorientiertenBetragvon495 DMlag.DerSozialzuschlagglichdie Differenzaus (§18Abs.3RAnglGͲDDR). AlsteilweiseMilderungderBelastung aufgrundhöhererSozialabgaben wurdedenBeziehernniedrigerLöhne einZuschusszumRVͲBeitraggeͲ währt:30DMbeieinemMonatslohn bis600DM,20DMbeiüber600DM bis700DMund10DMbeiüber700 DMbis800DM.
Rechtl.Qualität StarkpauschaͲ lierteSozialhilfeͲ leistung
ZeitlicheBefristung BegrenztaufNeuzuͲ gängebis 31.12.1991undbis 30.6.1995befristet.
1.7.1990– 31.12.1990
EigeneDarstellung
6
Krankenversicherung der Rentnerinnen und Rentner
Zwar sah Art. 21 Abs. 4 Staatsvertrag die Einbeziehung der Rentnerinnen und Rentner in die Krankenversicherung der Rentner (KVdR) und die pauschale Abführung der Beiträge hierzu von der Renten- an die Krankenversicherung vor. Bis Ende 1991 war aber von einer Eigenbeteiligung der Rentnerinnen und Rentner noch abgesehen worden. Die Beiträge wurden von den Rentenversicherungs-
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Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
trägern alleine getragen. Sie führten pauschal Beiträge in Höhe von 12,8 % des Gesamtbetrages der Renten für die versicherungspflichtigen Rentnerinnen und Rentner ab.248 Seit dem 1.7.1990 unterlag jede Rentenbezieherin und jeder Rentenbezieher im Gebiet der ehemaligen DDR der Krankenversicherungspflicht gemäß § 14 Buchst. d SVG-DDR. 7
Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen in die Rentenversicherung
Eines der brisantesten und am heftigsten diskutierten Themen über viele Jahre war die Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen in die Rentenversicherung. In Art. 20 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 Staatsvertrag wurde festgelegt, dass die bestehenden Zusatz- und Sonderversorgungssysteme grundsätzlich zum 1.7.1990 geschlossen werden und bis dahin erworbene Ansprüche und Anwartschaften in die gesetzliche Rentenversicherung zu überführen sind, wobei Leistungen aufgrund von Sonderregelungen mit dem Ziel überprüft werden sollten, ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffen und überhöhte Leistungen abzubauen. Die durch Wahl am 18.3.1990 frei gewählte Volkskammer der DDR konnte die im Staatsvertrag normierten Vorgaben wegen des immer schneller voranschreitenden Prozesses der Deutschen Einheit und dem schon kurze Zeit später erfolgten Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland nicht mehr vollständig umsetzen. Umgesetzt wurde (nur) die durch § 22 Abs. 1 RAnglG-DDR vom 28.6.1990 angeordnete grundsätzliche Schließung der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme mit Wirkung zum 30.6.1990. Dies hatte zur Folge, dass weitere Ansprüche und Anwartschaften nicht entstehen konnten. Von der Schließung waren die Sonderversorgungssysteme der Nationalen Volksarmee, der Volkspolizei und der Zollverwaltung der DDR ausgenommen. Diese Versorgungssysteme wurden erst zum 31.12.1991 geschlossen. Die Versorgungsordnungen der Sonderversorgungssysteme für Beschäftigte des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) und des Amtes für Nationale Sicherheit (AfNS) wurden aufgehoben.249 § 23 RAnglG-DDR bestimmte für Zusatzversorgte, dass deren Renten an der ersten Rentenanpassung zum 1.7.1990 nicht teilnehmen würden. Stattdessen sollten die Renten in unveränderter Höhe weitergezahlt werden. Die Zusatzver248 249
Michaelis, Die gesetzliche Rentenversicherung im Einigungsvertrag, S. 423. Gesetz über die Aufhebung der Versorgungsordnungen des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit / Amtes für Nationale Sicherheit vom 29.6.1990 (Aufhebungsgesetz – AufhebG), GBl. I Nr. 38, S. 501.
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sorgung im sog. staatsnahen Bereich250 erfuhren eine Zahlbetragsbegrenzung, die der DDR-Gesetzgeber noch angeordnet hatte. Die Zusatzrente wurde auf eine max. Höhe von 1.500 DM begrenzt. Mit der max. möglichen Sozialversicherungsrente von 510 DM konnte durch die Begrenzung eine max. Gesamtrente von 2.010 DM erreicht werden. Für die Sonderversorgungen der Nationalen Volksarmee (NVA), der Deutschen Volkspolizei, der Feuerwehr und des Strafvollzugs (MdI) und der Zollverwaltung galt ebenfalls eine Zahlbetragsbegrenzung von max. 2.010 DM. Für die Sonderversorgten von MfS/AfNS wurde eine Zahlbetragsbegrenzung von monatlich max. 990 DM eingeführt. Diese Entscheidungen wurden (noch) vom DDR-Gesetzgeber getroffen. Die eigentlich für das 2. Halbjahr 1990 geplante Überführung der Zusatzund Sonderversorgungssysteme in die GRV wurde im Einigungsvertrag vom 31.8.1990 auf den 31.12.1991 verschoben. Inhaltlich bestätigte der Einigungsvertrag die im Staatsvertrag getroffene Systementscheidung, legte jedoch einen Zahlbetragsbesitzschutz251 für diejenigen Versicherten fest, die am 3.10.1991 leistungsberechtigt waren und es bis 30.6.1995 werden sollten. Sie sollten den Betrag weiter erhalten, der am 1.7.1990 nach den Vorschriften des RAnglGDDR zu erbringen war. Diese „Zahlbetragsgarantie“ sollte noch zentraler Gegenstand weiterer Auseinandersetzungen werden. Die Renten, die neben einer Zusatzrente gezahlt wurden, wurden zum 1.1.1991 wie alle anderen Renten um 15 % angehoben. Die zum 1.7.1990 erfolgte Rentenanpassung wurde nachgeholt. Die sich dabei ergebenden Erhöhungsbeträge wurden aber in vollem Umfang auf die Zusatzversorgung angerechnet,252 was in rund 30.000 Fällen zu einem Wegfall der Zusatzrente führte.253 Die 15 %ige Anpassung zum 1.7.1991 wurde nur insoweit auf die Zusatzrente angerechnet, als durch die Erhöhung bestimmte Grenzwerte254 von Rente und Zusatzrente überschritten wurden: bei Versicherten 1.500 DM, für Witwen und Witwer 900 DM, für Vollwaisen 600 DM und für Halbwaisen 450 DM.
250
251 252 253 254
Zum staatsnahen Bereich zählten insbesondere die Zusatzversorgungssysteme, die in der Anlage 1 zum AAÜG unter den Ziff. 2, 3, 19, 20, 21, 23–27 aufgeführt sind: Generaldirektoren der zentral geleiteten Kombinate und ihnen gleichgestellte Leiter zentral geleiteter Wirtschaftsorgane, Mitarbeiter des Staatsapparats, gesellschaftlicher Organisationen, der Gesellschaft für Sport und Technik und die hauptamtlichen Mitarbeiter der Parteien. Siehe auch Tabelle 5 oben B. II. 2. 2. Einigungsvertrag, Anlage II, Kapitel VIII, Sachgebiet H, Abschnitt III Nr. 9b. § 6 der 1. Rentenanpassungsverordnung (1. RAV) vom 14.12.1990, BGBl. I S. 2867. Michaelis, Zusatz- und Sonderversorgungssysteme der DDR, S. 521. § 8 der 2. Rentenanpassungsverordnung (2. RAV) vom 19.6.1991, BGBl. I S. 1300.
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8
Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
Finanzierung
Da die Umsetzung des Staatsvertrages durch die DDR nicht unmittelbar nach Unterzeichnung erfolgte und am 24.6.1990 von der Volkskammer immer noch nicht verabschiedet war, drängte die Zeit, da noch nicht geklärt war, wie hoch das Defizit für das zweite Halbjahr 1990 sein würde und wie die konkrete Finanzierung der Renten für Juli und August 1990 erfolgen sollte. Denn die Rentenversicherung musste bereits zum 1.7.1990 die Renten in DM auszahlen, die entsprechenden Beitragseinnahmen gingen aber erst im Laufe des Juli und im August bei ihr ein. Der in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 iVm. Art. 25 Staatsvertrag festgelegte Betrag für die Anschubfinanzierung in Höhe von 750 Mio. DM für das zweite Halbjahr 1990 wies bereits im Juni 1990 ein erstes Defizit von 300 Mio. DM auf. Der Staatsvertrag sah keine weiteren gesonderten Mittel für die Rentenversicherung vor. Sollten trotz Anschubfinanzierung Lücken auftreten, so wären diese aus dem Staatshaushalt der DDR zu decken, der aber wiederum durch Finanzzuweisungen der Bundesrepublik255 gestützt wurde. Die Differenzen, die sich bereits im Vorfeld des Staatsvertrags zeigten, traten nach Unterzeichnung offen zutage. Dem BMF ging es nach wie vor um die Reduzierung der sozialpolitisch bedingten Lasten der deutschen Einheit für den Bundeshaushalt, während das BMA vor allem eine finanzielle Überforderung der Rentenversicherungsträger verhindern wollte. So forderte Bundesfinanzminister Waigel einen Finanzverbund zwischen der ost- und westdeutschen Rentenversicherung, um zu verhindern, dass der Bund die wahrscheinlichen Defizite der ostdeutschen Rentenversicherung zu tragen hätte. Das bedeutete, wie das BMA zu Recht feststellte, „dass die westdeutschen Beitragszahler über das für Zwecke der Sanierung von Strukturmängeln ungeeignete Beitragsverfahren der Sozialversicherung zur Finanzierung herangezogen werden.“256
Die Rentenversicherung der Bundesrepublik müsste, so das BMA, dann auch für die Rückzahlung der zur Deckung der Defizite der Rentenversicherung der DDR bis 1991 aufgenommenen Betriebsmitteldarlehen einstehen. Nach einem „internen“ Papier des BMA, Abt. I vom 5.9.1990 waren bis dahin 5,7 Mrd. DM aus öffentlichen Mitteln, davon 2,3 Mrd. DM Betriebsmitteldarlehen des Bundes zur Finanzierung der Rentenversicherung der DDR aufgebracht worden. Mindestens weitere 1,7 Mrd. DM würden nach damaliger Ansicht im zweiten Halbjahr 1990 255
256
Dazu sah Art. 28 Abs. 1 Satz 1 Staatsvertrag zweckgebundene Finanzzuweisungen der Bundesrepublik an die DDR zum Haushaltsausgleich für das 2. Halbjahr 1990 in Höhe von 22 Mrd. DM, für das Jahr 1991 in Höhe von 35 Mrd. DM vor. Ritter, Eine Vereinigungskrise, S. 253.
C Von der Zweistaatlichkeit zur staatlichen Einheit
107
notwendig werden.257 Nach Ansicht des BMA hätte ein Finanzverbund erst dann hergestellt werden dürfen, „wenn sich Löhne und Renten in beiden Teilen Deutschlands einander angeglichen“ hätten. Das BMF konnte seine Ansicht nicht bereits mit dem Staatsvertrag, jedoch nach der Wahl vom 2.12.1990 in der Koalitionsvereinbarung vom 16.1.1991 für die Zeit ab 1.1.1992 durchsetzen und der Solidargemeinschaft der Rentenversicherung einen erheblichen Teil der finanziellen Lasten der deutschen Einheit aufbürden. „Der wohl bedeutendste Fehler war die bereits erwähnte Finanzierung von wesentlichen Teilen der Kosten der Vereinigung über die Solidargemeinschaften der Versicherten der Arbeitslosen- und Rentenversicherung.“258
IV Der Einigungsvertrag259 vom 31.8.1990 Im Vorfeld der Unterzeichnung des Einigungsvertrages setzten sich die Diskussionen um die Finanzierung der geplanten Rentenüberleitung fort. Die Diskussionslinien bei den Verhandlungen zum Staatsvertrag bewegten sich auf bundesdeutscher Seite zwischen BMF und BMA einerseits und der DDR anderseits. Im Koalitionsgespräch am 21.8.1990 konnte der von Bundesfinanzminister Waigel geforderte Finanzverbund der Rentenversicherung Ost und West erst noch verhindert werden. Letztendlich wurde er dann nach den Wahlen vom 2.12.1990 im Koalitionsvertrag zum 1.1.1992 festgeschrieben. Der Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands, kurz Einigungsvertrag, konnte unterzeichnet werden.260 Er ist zum 29.9.1990 in Kraft getreten. 257 258 259
260
Ebenda, S. 253 und Fußnote 54 zu II.9., S. 465. Ritter, Wir sind das Volk, S. 95. Der Staatsvertrag vom 18.5.1990 wird in der Fachliteratur oftmals als 1. Staatsvertrag, der Einigungsvertrag vom 31.8.1990 als 2. Staatsvertrag bezeichnet. Die Arbeit benutzt wegen der besseren Verständlichkeit die Bezeichnungen Staatsvertrag und Einigungsvertrag. Die Kompromisslinien stellten sich bei Unterzeichnung des Einigungsvertrages am 31.8.1990 wie folgt dar: (1) Neuzugänge beim Sozialzuschlag sind bis Ende 1991 möglich; der bis dahin gewährte Sozialzuschlag wird bis längstens 30.6.1995 gezahlt; eine Dynamisierung findet nicht statt. (2) Das vom Bund seit Februar 1990 finanzierte und von den Bürgerinnen und Bürgern der DDR als „Übergangsrente“ angesehene Vorruhestandsgeld wurde vom „Altersübergangsgeld“ abgelöst, das Arbeitslose nach Vollendung des 57. Lebensjahres, die zwischen dem 3.10.1990 und 31.12.1992 aus dem Beschäftigungsverhältnis ausschieden, für längstens 3 Jahre erhielten (Art. 30 Abs. 2 Einigungsvertrag). (3) Das DDR-Rentenrecht sollte bis Ende 1991 gelten. Die Überleitung sollte sich dann prinzipiell an dem (1989 beschlossenen) Rentenreformgesetz 1992 orientieren. Der Einigungsvertrag enthielt dazu in Art. 30 Abs. 5 Vorgaben: Vertrauensschutz sollte für Ansprüche und Anwartschaften bestehen, die sich aus der Pflichtversicherung und FZR (nicht Zusatz- und Sonderversorgungssystemen) nach dem am 30.6.1990 geltenden Rentenrecht ergaben. (4) DDR-
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Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
Bereits im Staatsvertrag wurde festgeschrieben, dass es künftig ein einheitliches Rentenrecht auf der Basis der bundesdeutschen Bestimmungen geben müsse. Eine kurzfristige Rechtsangleichung war aufgrund der unterschiedlichen Ausgangslagen nicht möglich. Der Einigungsvertrag ging deshalb davon aus, dass das im Zeitpunkt des Beitritts geltende Rentenversicherungsrecht der DDR – mit Ausnahmen – eine begrenzte Zeit bis zum 31.12.1991 fortgelten sollte. Mit der zumindest vorübergehenden Beibehaltung zweier Rechtssysteme in der Rentenversicherung hielt der Einigungsvertrag am innerdeutschen Territorialitätsprinzip fest.261 Da erst zum 1.1.1992 die Einheitssozialversicherung von einer gegliederten Sozialversicherung abgelöst wurde, konnte die Überleitung erst zum Jahresbeginn 1991 beginnen. Das bundesdeutsche Rehabilitationsrecht der Rentenversicherung trat bereits zum 1.1.1991 in Kraft.262 Das übrige Leistungsrecht der Rentenversicherung sollte mit Inkrafttreten des Rentenreformgesetzes 1992 zum 1.1.1992 im Gebiet der ehemaligen DDR Geltung erlangen. Die wesentlichen Vorschriften zur Rentenüberleitung sind in Art. 30 Abs. 5 Einigungsvertrag263 festgelegt und bestimmten, dass die Einzelheiten der Rentenüberleitung in einem Bundesgesetz geregelt werden sollten. Dabei würden diejenigen Personen Vertrauensschutz genießen, deren Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in der Zeit vom 1.1.1991 bis zum 30.6.1995 begann. Die Rente ist dann grundsätzlich mindestens in der Höhe des Betrages zu leisten, der sich am 30.6.1990 nach dem bis dahin geltenden Rentenrecht im Beitrittsgebiet ohne Berücksichtigung von Leistungen aus Sonder- und Zusatzversorgungsystemen ergeben hätte. Im Übrigen sollte die Überleitung von der Zielsetzung bestimmt sein, mit der Angleichung der Löhne und Gehälter im Beitrittsgebiet an diejenigen in den übrigen Ländern auch eine Angleichung der Renten zu verwirklichen. Die Regelungen zur Überleitung der Sonder- und Zusatzversorgungssysteme sind in Anlage II zum Einigungsvertrag264 niedergelegt.
261 262
263 264
Rentnerinnen und -Rentner sollten erstmals ab 1992 Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner tragen. (5) Zusatz- und Sonderversorgungssysteme sollten bis spätestens Ende 1991 geschlossen und Ansprüche und Anwartschaften daraus in die GRV überführt werden. (6) Mit dem Ansteigen der Löhne und Gehälter sollten auch die Renten ansteigen (Art. 30 Abs. 5 Einigungsvertrag). Zum damaligen Zeitpunkt war aber noch nicht klar wann und in welcher Höhe. Költzsch, Versicherungspflicht und Versicherungsberechtigung, S. 161. Anlage I, Kap. VIII, Sachgeb. H, Abschn. III, Nr. 1 Buchst. d) des Einigungsvertrages, im Anhang, 6. Gesetze und Rechtsquellen, III.2. Siehe Wortlaut im Anhang, 6. Gesetze und Rechtsquellen, III.2. Anlage II, Kap. VIII, Sachgeb. H, Abschn. III, Nr. 9 Buchst. b) des Einigungsvertrages.
C Von der Zweistaatlichkeit zur staatlichen Einheit
V
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Die ersten Rentenanpassungen
§ 19 RAnglG-DDR bestimmte zwar, dass die Renten entsprechend der Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter in der DDR angepasst werden sollten. Zeitpunkt und Ausmaß der Anpassung wurden jedoch nicht festgelegt. Im Jahr 1990 war es in der DDR im Vergleich zur Bundesrepublik zu einem stärkeren Anstieg der Brutto- wie auch der Nettoarbeitsentgelte gekommen. Große Schwierigkeiten bereitete die Erfassung verlässlicher empirischer Informationen über das Ausmaß der durchschnittlichen Entgeltsteigerungen in der DDR. Der Sozialbeirat empfahl in „kürzerem als jährlichem Abstand Anpassungen vorzunehmen, um ein beträchtliches zwischenzeitliches Absinken des Rentenniveaus zu verhindern. Deshalb erscheint es sozialpolitisch durchaus angezeigt, auf dem Gebiet der ehemaligen DDR noch vor Juli 1991 eine erste Rentenanpassung vorzunehmen – auch bei noch bestehender Unklarheit über das tatsächliche Ausmaß des seit Juli 1990 eingetretenen Lohnanstiegs.“265
Am 11.10.1990, drei Tage vor den Landtagswahlen in den neuen Bundesländern, erklärten Bundesarbeitsminister Blüm und Bundesfinanzminister Waigel, dass bereits zum 1.1.1991 und nicht erst zum 1.7.1991 eine erste Rentenanpassung von 15 % in den neuen Bundesländern stattfinden solle. Zum 1.7.1991 solle dann turnusgemäß angepasst werden. Damit kam man – wohl auch wegen der bevorstehenden ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl am 2.12.1990 – den Kleinrentnerinnen und -rentnern und auch der Forderung in der DDR und der BundesSPD, den Sozialzuschlag zu dynamisieren, entgegen.266 Auch die berühmten Worte Helmut Kohls zur Einführung der Währungsunion, im Osten entstünden „blühende Landschaften“, mag für die bevorstehende erste gesamtdeutsche Bundestagwahl viele Wählerinnen und Wähler mobilisiert haben.267 Noch bis einschließlich 1.1.1996 wurden – zusätzlich zu den Rentenanpassungen in Ost und West jeweils zum 1.7. eines jeden Jahres – in den neuen Bundesländern jeweils zum 1.1. die Renten angepasst.268 (Siehe ausführlich dazu im Anhang, 6. Gesetze und Rechtsquellen, II.). 265
266
267 268
Gutachten des Sozialbeirats zur Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung, BT-Drucksache 11/8504 vom 28.11.1990, S. 126. Schmähl, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Band 11, III. Kapitel, Nr. 5, S. 585. Paqué, Die Bilanz, S. 38. Zu einer ausführlichen Übersicht über die Rentenanpassungen ab 1991 siehe Tabelle 31 im dritten Teil, A., III., 2.
110
Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
D Der Weg zur Rentenüberleitung D Der Weg zur Rentenüberleitung
I
Die Vorbereitungen zur Rentenüberleitung – Die Vorgaben des Einigungsvertrages
Die Entscheidungen im Staats- und im Einigungsvertrag waren die Richtschnur für die Überleitung des westdeutschen Rentenrechts auf die neuen Bundesländer. Dabei sollte das Recht Anwendung finden, wie es das 1989 verabschiedete Rentenreformgesetz 1992 (RRG 92) auch für die alten Bundesländer vorsah. II
Die Finanzierung
Über die zu entscheidenden Fragen der Verteilungseffekte und der Finanztransfers zwischen Ost und West herrschten zwischen BMA und BMF weiterhin Meinungsverschiedenheiten: Infolge der deutschen Einheit war ein Betrag von 35 Mrd. DM aufzubringen, den die Bundesregierung angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl am 2.12.1990 nicht durch Steueranhebungen finanzieren wollte. Insbesondere das BMF zog die relativ geräuschlose und damals politisch leichter durchsetzbare Erhöhung von Sozialversicherungsbeiträgen den mit scharfen politischen Spannungen gerade auch in der „schwarz-gelben“ Regierungskoalition verbundenen Steuererhöhungen vor.269 Außerdem wollte die Bundesregierung eine Entlastung des Bundes erreichen, ohne dass es zu einem Anstieg der Lohnnebenkosten kommen sollte. Zur Finanzierung wurde dazu die Reduzierung der durch die relativ gute wirtschaftliche Lage angewachsenen Schwankungsreserve in den alten Bundesländern ins Auge gefasst. Um diese Entlastung des Bundes konkret zu erreichen, sollten der Beitragssatz zur Bundesanstalt für Arbeit (zeitlich befristet) angehoben, und – damit es nicht zu einem Anstieg der Lohnnebenkosten vor der Wahl kommen würde – die Beiträge zur Rentenversicherung gesenkt werden. Einigungsbedingte Mehrausgaben im Bereich des Arbeitsmarktes sollten so über die Reduzierung der Schwankungsreserve270 und damit über Rentenversicherungsbeiträge und nicht über Steuern finanziert werden. Das BMF wollte dabei zur weiteren Entlastung des Bundes die knappschaftliche Rentenversicherung, für die eine Defizithaftung des Bundes bestand, derge269 270
Ritter, Wir sind das Volk, S. 92. Die Schwankungsreserve betrug am 31.12.1989 25,4 Mrd. DM und deckte 2 Monatsausgaben. Das „Reservesoll“ lag bei 12,6 Mrd. DM. Aus den mittelfristigen Berechnungen ging hervor, dass die Schwankungsreserve bis 1993 noch auf 27 Mrd. DM und einem Deckungsgrad von dann noch 1,7 Monatsausgaben steigen würde. (Kannengießer, Die Sozialpolitik vor den deutsch-deutschen Problemen, S. 113).
D Der Weg zur Rentenüberleitung
111
stalt verändern, dass sie in den Finanzverbund von Arbeiter- und Angestelltenrentenversicherung einbezogen werden sollte. Dies hätte für den Bund im Jahr 1991 zu einer Entlastung von 5,3 Mrd. DM geführt. Außerdem wurde erneut die Ausdehnung auf einen gesamtdeutschen Finanzverbund gefordert, was zu einer deutlichen Entlastung des Bundes führen sollte, da die Mehraufwendungen für die zu erfolgende Rentenüberleitung noch nicht konkret ersichtlich waren, aber als beträchtlich veranschlagt wurden. Durch einen gesamtdeutschen Finanzverbund wäre der Bund von diesen Kosten entbunden worden. Die erste gesamtdeutsche Bundestagswahl am 2.12.1990 bestätigte die Koalition aus CDU/CSU und FDP. Die Minister Blüm und Waigel gehörten erneut dem Kabinett an. In den Koalitionsverhandlungen wurde dann festgelegt, dass
der Beitragssatz zur GRV ab 1.4.1991 um einen Prozentpunkt reduziert271 wurde, die neuen Bundesländer in den Finanzverbund von Arbeiter- und Angestelltenversicherung einbezogen werden272 und die Einbeziehung der knappschaftlichen Rentenversicherung nicht erfolgen sollte.
III Das Gesetzgebungsverfahren zum Renten-Überleitungsgesetz (RÜG)273 Der ursprünglich als „Renten-Einheitsgesetz“ (REG) bezeichnete Referentenentwurf zum RÜG wurde vom BMA am 27.2.1991 den Ländern übersandt. Er271
272
273
Der Beitragssatz zur (damals) Bundesanstalt für Arbeit wurde nicht wie noch vor der Wahl angekündigt um 1 %, sondern um 2,5 % angehoben; ab 1.1.1992 aber wieder um 0,5 % gesenkt. Aus den Berechnungen des BMA zum RÜG-Entwurf ergaben sich Reduzierungen der Schwankungsrücklage in 1992 und 1993 um 3,5 Mrd. DM (1994 erreichte die Rücklagenminderung 5,8 Mrd. DM), Schmähl in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Band 11, III. Kapitel, Nr. 4.1, S. 594. Der Entwurf des Renten-Überleitungsgesetzes – RÜG – wurde am 9.4.1991 vom Kabinett verabschiedet und inhaltsgleich von den Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP und der Regierung in den Bundestag eingebracht (BT-Drucks. 12/405 vom 23.4.1991 und BT-Drucks. 12/630 vom 29.5.1991). Der Gesetzentwurf enthielt als Art. 3 Regelungen für die Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen in die GRV (AAÜG) und als Artikel 4 Regelungen zur Kürzung von Versorgungen (Artikel 1: Änderungen des SGB VI; Artikel 2: Übergangsrecht für Renten nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets). Öffentliche Anhörungen im Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung (AuS-Ausschuss) fanden am 16. und 17. Mai 1991 statt. Nach Übernahme zahlreicher von der SPD geforderten Änderungen (Beschlussempfehlung des AuS-Ausschusses vom 19.6.1991, BT-Drucks. 12/786) wurde der Gesetzentwurf am 21.6.1991 im Bundestag mit den Stimmen der Regierungskoalitionen und der SPD verabschiedet. Der Bundesrat stimmte am 5.7.1991 zu. Das RÜG wurde am 25.7.1991 im Bundesgesetzblatt (BGBl. I S. 1606ff.) verkündet.
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Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
hebliche Ausgabensteigungen wären die Folge der dort vorgesehenen rentenrechtlichen Verbesserungen gewesen, die die Einführung einer flexiblen Altersgrenze für Männer274, günstigere Regelungen bei Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenrenten sowie Vertrauensschutzregelungen vorsahen und über die Vorstellungen, die noch Art. 30 Abs. 5 Einigungsvertrag enthielt, hinausgingen. Regelungen zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatzund Sonderversorgungssystemen waren noch nicht Inhalt des Referentenentwurfs. Während Art. 30 Abs. 5 des Einigungsvertrages bei Bestandsrenten einen Vertrauensschutz auf den Zahlbetrag, auf den am 30.6.1990 ein Anspruch bestand, normierte, sah der Referentenentwurf vor, dass der Zahlbetrag geschützt sein sollte, der sich im Dezember 1991 ergab und damit zwei wesentliche Rentenanpassungen (zum 1.1.1991 und zum 1.7.1991 um jeweils 15 %) beinhaltete. Hingegen sollte der Vertrauensschutz beim Rentenzugang in der Zeit vom 1.1.1992 bis 30.6.1995 auf den Stand des DDR-Rechts am 30.6.1990 begrenzt werden. Wenn der Zahlbetrag nach DDR-Recht höher als nach dem SGB VI wäre, sollte die höhere Rente gezahlt werden. Forderungen in der öffentlichen Diskussion, positive Aspekte des DDRRentenrechts, wie z.B. die bessere Alterssicherung von Frauen im unteren Einkommensbereich, auch in das bundesdeutsche Recht zu übernehmen, wurden vom BMA mit der Begründung zurückgewiesen, dass ein Abrücken von den Entscheidungen des RRG 92 nicht erforderlich und weitere Verbesserungen nicht finanzierbar seien. Eine neuerliche große Rentendebatte sollte nicht geführt werden. Vielmehr sei es das „Gebot der Stunde“, den älteren Menschen im Osten so schnell als möglich zu helfen.275 Der Regierungsentwurf wurde am 9.4.1991 vom Kabinett verabschiedet und in den Bundesstag eingebracht. Der Gesetzentwurf enthielt nun auch als Art. 3 Regelungen zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatzund Sonderversorgungssystemen (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz – AAÜG). Zum Vertrauensschutz für Bestandsrenten sah der Gesetzentwurf vor, dass die sich aus der Vergleichsberechnung von Zahlbeträgen nach DDR-Recht und dem Recht des SGB VI ergebenden Auffüllbeträge bis 1995 als Zusatzleistung gezahlt und ab 1996 in fünf Schritten abgeschmolzen werden sollten.
274
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Das DDR-Recht sah eine starre Altersgrenze für den Renteneintritt von Männern mit vollendetem 65. Lebensjahr vor. Schmähl in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Band 11, III. Kapitel, Nr. 5, S. 592 und Fn. 289 (so BMA Blüm in einem Grußwort zur Mitgliederversammlung des VDR am 15.5.1991).
D Der Weg zur Rentenüberleitung
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Das Prinzip der Überleitung, die Systementscheidung, wurde im Gesetzgebungsverfahren von den Beteiligten aber nicht grundsätzlich in Frage gestellt, wohl aber einzelne Aspekte, wie die Ausgestaltung des Vertrauensschutzes, die Auffüllbeträge, Dauer und Höhe des Sozialzuschlages, die Begrenzung der Ansprüche aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen sowie die Finanzierung der mit der Überleitung verbundenen Mehrausgaben. Insbesondere die auch öffentlich diskutierten Fragen zur eigenständigen Alterssicherung von Frauen und die Anrechnung von Kindererziehungs- und Pflegezeiten wurden von den Oppositionsparteien und Gewerkschaften problematisiert. Die SPD forderte deshalb eine grundlegende Überarbeitung des RÜG und ein Inkrafttreten erst zum 1.1.1993. In der ersten Lesung im Deutschen Bundestag am 26.4.1991 äußerte Rudolf Dreßler, dass der vorgelegte Gesetzentwurf stark verbesserungsfähig sei und nur im Konsens verabschiedet werden könne, zumal sich durch die Landtagswahlen in Hessen und Rheinland-Pfalz die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat zu Gunsten der SPD verschoben hatten.276 Dreßler betonte, der Gesetzentwurf sei „geprägt von technokratischer Phantasielosigkeit, von ideologischen Scheuklappen und von westdeutscher Überheblichkeit“277, das Verfahren offenbare „eine rüde Ausschlussmentalität ... von Dialog keine Spur“. Das Gesetz „dient dem Zweck, in den neuen Ländern so schnell wie möglich alles auszulöschen und niederzumachen, was in irgendeiner Weise ein Ansatz oder ein Anlass für eine produktive Weiterentwicklung des bundesdeutschen Rentenrechts sein könnte.“278 Ein wesentlicher Kritikpunkt war die Bekämpfung der Altersarmut und die eigenständigen Rentenansprüche von Frauen. Die Oppositionsparteien, insbesondere Rudolf Dreßler für die SPD, betonten, dass das Rentenrecht der neuen Bundesländer in beiden Hinsichten wesentlich günstigere Regelungen als das bisherige Rentenrecht im Westen enthalte und fragt: „Warum sind die Bundesregierung und die Koalition so scharf darauf, diese besseren und fortschrittlicheren Elemente so schnell wie nur irgend möglich zu beseitigen? Selbstverständlich deshalb, weil sie verhindern wollen, dass Berufungsfälle für Reformen im Westen daraus entstehen könnten. Das soll auf alle Fälle unterbunden werden, obwohl bei uns im Westen 8 % der Rentnerhaushalte im Armutsbereich leben und die Versichertenrenten der Frauen nicht einmal 45 % der Männerrenten erreichen. …
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Bei den Landtagswahlen am 20.1.1991 in Hessen und am 21.4.1991 in Rheinland-Pfalz unterlag die CDU, und die Mehrheitsverhältnisse hatten sich zu Gunsten der SPD verschoben. Deutscher Bundestag: Stenographische Berichte der Sitzungen, 12. Legislaturperiode, 24. Sitzung, 26.4.1991, S. 1614. Ebenda, S. 1615.
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Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme Dieses ideologische Ziel, nicht etwa praktisch-sozialpolitisch motiviere Prinzip des schnellstmöglichen Systemwechsels hat massive Verschlechterungen für Frauen zur Folge, und zwar aus folgenden Gründen. Die bundesdeutsche Rentenformel stellt gegenüber der bislang in der Ex-DDR praktizierten Berechnungsweise Versicherte mit niedrigem Arbeitseinkommen und kürzerer Versicherungsdauer schlechter. Die Vorschriften über Mindestrenten fallen weg. Die Zurechnungszeiten des alten DDR-Rechts für Kindererziehung werden abgeschafft. Bisher wurde ein Jahr pro Kind, bei drei und mehr Kindern drei Jahre pro Kind jeweils additiv angerechnet. Das heißt, die die Kindervergünstigung war auch beim Zusammentreffen der Kindererziehungszeit mit Berufstätigkeit voll wirksam. Künftig gibt es nur noch ein Jahr. Berufstätige Mütter erhalten keine oder nur geringe Rentensteigerungen.279 Auch eine Zurechnungszeit für Frauen, die mit 60 Jahren in Rente gehen, wird beseitigt. Schließlich werden auch Zeiten der Pflege von Angehörigen nicht mehr als Beschäftigungszeiten angerechnet.“280
Dreßler äußerte sich auch zum Finanzverbund: „Schließlich lehnen wir auch die Einbeziehung der Rentenversicherung (Ost) in den Finanzverbund der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten ab, weil die Beitrags- anstelle der Steuerzahler dadurch mit Kosten der deutschen Einheit erneut ungerecht belastet werden.“281
Der Sozialbeirat äußerte sich insbesondere zu den Verteilungswirkungen sehr kritisch. Durch den geplanten gesamtdeutschen Finanzverbund würden Kosten der Deutschen Einheit „zum nicht unbeträchtlichen Teil aus Sozialversicherungsbeiträgen finanziert werden“. Angemessen wäre „eine erhöhte Finanzierungsbeteilung des Bundes“. Auch forderte der Sozialbeirat, dass die politisch aus Vertrauensschutzerwägungen gewollten Auffüllbeträge, die nach Berechnungen des Sozialbeirats für 1992 7,2 Mrd. DM betragen würden, aus Haushaltsmitteln bezahlt werden sollten282. 279
280
281 282
Etwa ein Jahr nach den Lesungen des RÜG im Deutschen Bundestag sorgte das Bundesverfassungsgericht mit seinem wegweisenden Urteil vom 7.7.1992 (sog. Trümmerfrauen-Urteil, BVerfGE 87,1) und später mit seiner Entscheidung vom 12.3.1996 (sog. KindererziehungszeitenBeschluss vom 12.3.1996, BVerfGE 94, 241) für eine verbesserte rentenrechtliche Berücksichtigung für Kinder, die ab 1992 geboren wurden und eine additive Anerkennung von Kindererziehung und sozialversicherungspflichtiger Erwerbsarbeit (ausführlich dazu: Rust, Alterssicherung der Frau, S. 652). Deutscher Bundestag: Stenographische Berichte der Sitzungen, 12. Legislaturperiode, 24. Sitzung, 26.4.1991, S. 1615. Ebenda, S. 1618. Stellungnahme des Sozialbeirats zum Entwurf des RÜG vom 28.5.1991, BT-Drucks. 12/1841, S. 122 ff.
D Der Weg zur Rentenüberleitung
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Dr. Erich Standfest, Leiter der Abteilung Sozialpolitik beim DGB und Mitglied des Sozialbeirats, befürwortete zwar den Finanzverbund, forderte jedoch eine stärkere Beteiligung des Bundes. Der Bund solle sich an den Mehrausgaben zur Hälfte beteiligen. „Den Rest trägt die Solidargemeinschaft der Versicherten (...) ein sehr großzügiges Angebot gegenüber dem Steuerzahler und dem Bund.“283
Auch die Konstruktion des Sozialzuschlags wurde heftig je nach Partei bzw. Organisation kritisiert. Während die Mehrheit des Sozialbeirats auch die geforderte Verlängerung des Sozialzuschlags ablehnte, befürwortete die SPD die Verlängerung eines modifizierten Sozialzuschlags, der als bedarfsorientierte Mindestsicherung für Gesamtdeutschland ausgebaut werden könnte. Begründet wurde dies u. a. mit den sich durch die Änderungen ergebenden Nachteilen für Frauen, da verschiedene günstige Regelungen für Frauen durch das RÜG abgeschafft werden würden. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestags (AuSAusschuss) schloss am 19.6.1991 seine Beratungen ab und befürwortete mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen den leicht modifizierten Gesetzentwurf. Erst nach weiteren Gesprächen mit der SPD und einem Entschließungsantrag von CDU/CSU, FDP und SPD284 konnte in der zweiten und dritten Lesung im Deutschen Bundestag am 21.6.1991 ein breiter Konsens erzielt werden. Thema der Auseinandersetzungen waren weiterhin die erwarteten Verschlechterungen insbesondere bei der Alterssicherung von Frauen. Nach Diskussionen haben die Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP mit dem Entschließungsantrag vom 21.6.1991285 deutlich gemacht, dass die Herstellung sozialer Einheit und insbesondere die Verbesserung der Alterssicherung von Frauen große Priorität genießt. Übereinstimmend haben die Fraktionen gefordert, bis zum Auslaufen der Vertrauensschutzregelungen des RÜG Ende 1996 ein Gesamtkonzept einer Reform der Alterssicherung der Frauen zu verwirklichen, das die Anerkennung von Zeiten der Kindererziehung und der Pflege verbessert, Familien- und Erwerbsarbeit additiv berücksichtigt, die eigenständigen Rentenanwartschaften von Frauen ausbaut und einen Beitrag zur Lösung des Problems der Altersarmut leistet. Die Annahme des Entschließungsantrags war insbesondere für die Parlamentarierin-
283 284
285
Protokoll 15. Sitzung des AuS-Ausschusses, PA BT XII/19, Bd. A 3, lft. Nr. 55, S.15/16. Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP zum Entwurf des RÜG, BTDrucks. 12/837 vom 21.6.1991. BT-Drucksache 12/837.
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Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
nen die Grundlage, dem RÜG nicht aus frauenpolitscher Sicht widersprechen zu müssen.286 Der Bundesrat stimmte am 5.7.1991 dem RÜG zu, das am 25.7.1991 im Bundesgesetzblatt287 verkündet wurde. IV Das Renten-Überleitungsgesetz Mit Verabschiedung des Renten-Überleitungsgesetzes durch den Deutschen Bundestag am 21.6.1991 und der Zustimmung des Bundesrats am 5.7.1991 wurden die Vorgaben insbesondere des Einigungsvertrages umgesetzt.288 Dabei ist besonders hervorzuheben, dass das RÜG – ähnlich wie früheren Reformen – von CDU/CSU, SPD und FDP gemeinsam getragen wurde.289 Die Rentenüberleitung konnte fristgerecht zum 1.1.1992 erfolgen. Kern des RÜG war die Überleitung der rentenrechtlichen Regelungen des SGB VI. Zum 1.1.1992 galten damit die bundesdeutschen Rechtsvorschriften des Versicherungs-, Beitrags- und Leistungsrechts auch im Beitrittsgebiet. Für eine Übergangszeit waren eine Vielzahl von zeitlich befristeten Vorschriften normiert worden. Innerhalb weniger Wochen wurden rund 4 Mio. neu berechnete Rentenbescheide verschickt, die zu zahlreichen Widersprüchen bei den Rentenversicherungsträgern führten. Die komplexe und komplizierte Systematik der Rentenüberleitung konnte der Bevölkerung und insbesondere den Rentnerinnen und Rentnern innerhalb der kurzen Frist nicht ausreichend verständlich gemacht werden. Dies und die als nicht gerecht empfundene Rentenüberleitung sorgten dafür, dass in den ersten Wochen rund 170.000 Widersprüche bei den Rentenversicherungsträgern eingelegt wurden. Neben der Umwertung und Anpassung der Bestandsrenten traten ebenfalls zum 1.1.1992 zahlreiche weitere Einzelmaßnahmen in Kraft.
286 287 288
289
Rust, Alterssicherung der Frauen, S. 650. BGBl. I S. 1606 ff. Die deutsche Rentenversicherung hatte im Jahr 1992 insgesamt ca. 32,5 Mio. aktiv versicherte Mitglieder; davon rd. 7,2 Mio. im ehemaligen Beitrittsgebiet (Strauch, Die deutsche Rentenversicherung nach der Einheit, S. 388). Rische, Bedeutung des Renten-Überleitungsgesetzes, S. 229.
D Der Weg zur Rentenüberleitung
1
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Ausdehnung von Rentenansprüchen
Einer der wichtigsten Aspekte der Aufgabe des alten DDR-Rentenrechts und Übernahme des SGB VI zum 1.1.1992 war das Hineinwachsen in neue Rentenansprüche. Dies führte bei vielen Versicherten zu spürbaren Verbesserungen ihrer Rechtspositionen. Während Männer in der DDR erst mit Vollendung des 65. Lebensjahres eine Altersrente in Anspruch nehmen konnten, sah das SGB VI zum damaligen Zeitpunkt die vorzeitige Inanspruchnahme z. B. der Altersrente für langjährig Versicherte ab dem vollendeten 63. Lebensjahr vor. Für schwerbehinderte Menschen und bei Vorliegen von Arbeitslosigkeit bestand bereits ab dem 60. Lebensjahr die Möglichkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme der entsprechenden Altersrente. Es ist davon auszugehen, dass diese arbeitsmarktentlastende Möglichkeit dazu führte, dass 200.000 männliche Versicherte sofort rentenberechtigt waren, was zu jährlichen Mehrausgaben von etwa 2 bis 2,5 Mrd. DM führte.290 Durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer unbedingten Hinterbliebenenrente nach dem SGB VI entstanden rd. 150.000 zusätzliche Witwenrentenansprüche.291 Für rd. 900.000 Witwenrenten kam es zu Verbesserungen.292 Davon profitierten insbesondere Frauen, die die besonderen rentenrechtlichen Voraussetzungen einer Hinterbliebenenrente nach DDR-Recht nicht erfüllten, weil sie das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet und der verstorbene Ehemann nicht den überwiegenden Unterhalt bestritten hatte (siehe dazu Teil 2, D.III.). Im Falle von Erwerbsminderung gewährte das DDR-Recht dann eine Invaliditätsrente, wenn eine Minderung des Leistungsvermögen und des Verdienstes um mindestens zwei Drittel vorlag. Das SGB VI hingegen sah nach damaligem Recht einen Anspruch auf eine Berufsunfähigkeits- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente nach dem Grad der Erwerbsminderung vor. Es ist davon auszugehen, dass neben den Invalidenrentnerinnen und -rentnern aufgrund des erweiterten Leistungsangebots und der zu beachtenden konkreten Betrachtungsweise bei der Verweisung auf zumutbare Teilzeitarbeitsplätze rd. 150.000 weitere Versicherte sofort einen entsprechenden Rentenanspruch erlangten.293
290 291 292
293
Michaelis, Überleitung des Rentenrechts, S. 149/150. Ebenda, S. 150. Stenographische Berichte der Sitzungen des Bundestages, 12. Legislaturperiode 1990 – 1994, 35. Sitzung am 21.6.1991, S. 2930. Ebenda, S. 2930.
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2
Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
Die Rentenumwertung und -anpassung der Bestandsrenten zum 1.1.1992294
2.1 Die Systematik der Rentenumwertung und Vertrauensschutz Die am 31.12.1991 in den neuen Bundesländern gezahlten Renten ohne Leistungen aus Zusatzversorgungssystemen wurden zum 1.1.1992 maschinell umgewertet und angepasst (§§ 307a, 314a, 315a SGB VI). Die (ehemalige) Bundesversicherungsanstalt für Angestellte hatte die Zahl aller im Rentenrecht der DDR begründeten und am 1.1.1992 in das SGB VI überführten Renten mit 4.053.878 angegeben. Davon beruhten mindestens 240.400 Renten auf Ansprüchen aus Zusatzversorgungssystemen. Die Zahl der Anwartschaftsberechtigten in der Zusatzversorgung hat das BMA auf über 2 Mio. geschätzt.295 Es erfolgte keine Rentenneufeststellung, sondern eine Umwertung nach §§ 307 ff. SGB VI. Auch in den alten Bundesländern wurde im Hinblick auf die Neuregelungen des durch die Rentenreform zum 1.1.1992 in Kraft getretenen Rechts Renten umgewertet. Dies erfolgte problemlos und dergestalt, dass der im Januar 1992 gezahlte Monatsbetrag der Rente durch den aktuellen Rentenwert des 1. Halbjahres 1992 geteilt und so in Entgeltpunkte umgerechnet wurde. Die so ermittelten Entgeltpunkte waren Grundlage künftiger Rentenanpassungen. In den neuen Bundesländern gestaltete sich die Umwertung wesentlich schwieriger und war auch Gegenstand langjähriger Gerichtsauseinandersetzungen.296 Trotz der Rentenangleichung zum 1.7.1990 waren die laufenden Renten (Bestandsrenten) in den neuen Bundesländern von der Rentensystematik, wie z. B. der Mindestrentenregelungen der DDR, die das bundesdeutsche System so nicht kannte, geprägt. Deshalb sah § 307a SGB VI vor, aus den individuellen Bestandsdaten der Versicherten eine anpassungsfähige Rente nach den Grundsätzen des SGB VI zu ermitteln. Ziel der Rentenumwertung im Beitrittsgebiet war die Ermittlung von persönlichen Entgeltpunkten (Ost), die durch Multiplikation mit dem aktuellen Rentenwert (Ost) den anpassungsfähigen Rentenbetrag ergaben.297 Zur Berechnung siehe Teil 2, B., I. Nur dieser anpassungsfähige Betrag unterlag den Rentenanpassungen. War der anpassungsfähige Betrag geringer als die im Dezember 1991 gezahlte Rente, galt Vertrauensschutz298 nach § 315 a SGB VI, und die Differenz wurde als Auf294 295 296 297 298
Bezieht sich nicht auf Renten aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen. BVerfG, 1 BvL 32/95 und 1 BvR 2105/95 vom 28.4.1999, Absatz-Nr. 10, BVerfGE 100,1. siehe Teil 2 der Arbeit. Michaelis, Die gesetzliche Rentenversicherung in den neuen Bundesländern, S. 175. Mit Art. 2 des RÜG, dem Übergangsrecht für Renten nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets, BGBl. I S. 1663, wurde die Garantie des Art. 30 Abs. 5 des Einigungsvertrages eingelöst, Ren-
D Der Weg zur Rentenüberleitung
119
füllbetrag zusätzlich zur Rente geleistet. Da erst ab 1.1.1992 in den neuen Bundesländern die hälftigen Beiträge zur KVdR durch die Rentnerinnen und Rentner zu tragen waren, wurden die am 31.12.1991 zustehenden Renten um 6,84 % erhöht. Die erhöhten Beträge bildeten die Grundlage für die Zahlung der Auffüllbeträge. Der Auffüllbetrag unterlag nicht der Rentenanpassung und wurde bis Ende 1995 unverändert neben der dynamisierten Rente nach dem SGB VI weitergezahlt. Die Nichtdynamisierung des Auffüllbetrages und seine ab 1.1.1996 erfolgte Abschmelzung waren Gegenstand von Verfassungsbeschwerden.299 Gleichzeitig mit der Rentenumwertung zum 1.1.1992 erfolgte die 3. Rentenanpassung in Höhe von 11,65 %,300 die sich an den nach der Umwertung festgestellten anpassungsfähigen Beträgen orientierte. Auffüllbeträge, Besitzschutzbeträge bei Zusatzversorgungen und Sozialzuschläge unterlagen nicht der Anpassung. Für Rentenzugänge in den Jahren 1992 bis 1996 galten ebenfalls Vertrauensschutzregelungen, die sicherstellten, dass mindestens der Rentenanspruch garantiert blieb, auf den nach früherem DDR-Rentenrecht (unter Berücksichtigung der Rentenanpassungen bis zum 31.12.1991) ein Anspruch bestanden hätte. Dabei erhielten die Rentenzugänge in den Jahren 1992 und 1993 ggf. einen sogenannten Rentenzuschlag, der dem Auffüllbetrag bei den umgewerteten Bestandsrenten entsprach. War bei Rentenbeginn in den Jahren 1994 bis 1996 die Rente nach früherem DDR-Rentenrecht (unter Berücksichtigung der Rentenanpassung bis zum 31.12.1991) höher als die neuberechnete SGB VI-Rente, wurde in Höhe der Differenz ein sog. Übergangszuschlag gezahlt. Dieser Übergangszuschlag wurde jedoch – im Gegensatz zu den Auffüllbeträgen/Rentenzuschlägen – sofort mit den Rentenanpassungen verrechnet. Am 1.1.1996 wurde mit dem schrittweisen Abschmelzen der bis dahin in unveränderter Höhe gezahlten Auffüllbeträge und Rentenzuschläge begonnen. Grundsätzlich sollte dabei mit jeder Rentenanpassung ein Fünftel des individuellen Auffüllbetrages bzw. Rentenzuschlages, mindestens jedoch 20 DM, abgeschmolzen werden, wobei durch die jeweilige Abschmelzung der bisherige Zahlbetrag nicht unterschritten werden durfte. Dieser Abschmelzungsmodus sicherte zwar die Weiterzahlung des bisherigen Rentenbetrages, führte aber in Fällen mit niedriger SGB VI-Rente bei gleichzeitig hohen Auffüllbeträgen dazu, dass es
299
300
tenansprüche dem Grunde und der Höhe nach bei einem Renteneintritt vom 1.1.1992 bis zum 30.6.1995 nach dem Recht zu garantieren, das am 30.6.1990 in der DDR galt (Heller, Rentenberechnung mit Beitragszeiten im Beitrittsgebiet, S. 428). Beschluss des BVerfG vom 11.5.2005, BVerfGE 112, 368. Die vier Verfassungsbeschwerden Az: 1 BvR 368/97, 1 BvR 1304/98, 1 BvR 2300/98 und 1 BvR 2144/00 wurden zurückgewiesen. 3. RAV vom 19.12.1991, BGBl. I S. 2344 ff.
120
Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
Rentenbezieherinnen und -bezieher gab, die für viele Jahre von einer effektiven Erhöhung ihres Zahlbetrages ausgeschlossen blieben. 2.2 Die Ergebnisse der Rentenumwertung Von den rd. 4 Mio. Renten (davon 200.000 mit Zusatzversorgung), die am 31.12. 1991 in den neuen Bundesländern gezahlt wurden, sind rd. 3,8 Mio. (davon 190.000 mit Zusatzversorgung) umgewertet worden. Rd. 200.000 Renten konnten nicht umgewertet werden, z.B. wegen fehlender Daten. Die Rentenüberleitung hat zusammen mit der Rentenanpassung zum 1.1.1992 für rund 80 % der Rentenbezieherinnen und -bezieher zu einer Erhöhung der Gesamtleistung um durchschnittlich 19 % bzw. 170 DM geführt. In 11 % der Fälle ist eine Minderung um 13 % bzw. 90 DM eingetreten. Etwa die Hälfte der Zahlbetragsminderungen resultierte aus der Neugestaltung des Sozialzuschlags.301 Art. 40 RÜG sah nun vor, dass bei der Gewährung des (nicht auf Beiträgen basierenden, sondern aus Steuermitteln aufgebrachten und als Sozialhilfeersatz fungierenden) Sozialzuschlags bis längstens 31.12.1996 bei Verheirateten das monatliche Gesamteinkommen (Renten und sonstiges Einkommen) beider Ehepartner monatlich 960 DM nicht übersteigen durfte. Vor Inkrafttreten des RÜG war der Sozialzuschlag nur auf die Rente der jeweiligen Person bezogen. Die Einkommensgrenze bei Alleinstehenden betrug 600 DM monatlich. Das RÜG enthielt für Alleinstehende eine Vertrauensschutzregelung: Der Gesamtbetrag aus Rente und Sozialzuschlag zum 31.12.1991 unterlag einem Zahlbetragsschutz. Die Änderungen durch das RÜG führten dazu, dass bei einem Gesamteinkommen der Ehepartner über 960 DM der Sozialzuschlag gekürzt wurde bzw. entfiel. In rund 70.000 Fällen kam es dadurch zu Kürzungen. Von 1991 auf 1992 sanken die Sozialzuschläge um ca. 460.000, was den Bund um 38 Mio. DM/ Monat entlastete. Es verblieben noch 173.000 Sozialzuschläge,302 die in die Sozialhilfe überführt wurden. Basis für die Berechnung der Auffüllbeträge/Rentenzuschläge war nicht die Rentenhöhe nach dem ursprünglichen DDR-Rentenrecht, sondern die Rentenleistung (einschließlich eines fiktiven KVdR-Zuschusses in Höhe von 6,84 %), die im Dezember 1991 gezahlt wurde. Dies bedeutete, dass bei dem geschützten Zahlbetrag im Dezember 1991 die Rentenerhöhung nach dem RAnglG-DDR zum 1.7.1990 und die zwei Rentenanpassungen zum 1.1.1991 und zum 1.7.1991 in Höhe von je 15 % berücksichtigt wurden. Zum Vergleich: Im Zeitraum vom 301 302
Ohsmann u. a., Ergebnisse von Rentenumwertung, S. 181. Schmähl, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Band 11, III. Kapitel, Nr. 5, S. 603 mit Verweis auf den Geschäftsbericht des VDR 1992, S. 50.
D Der Weg zur Rentenüberleitung
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30.6.1990 bis Ende 1991 erhöhte sich die durchschnittlich verfügbare Versichertenrente in den neuen Bundesländern von 475 M auf 802 DM; dies entsprach einer Steigerung von 68,8 % in nur 18 Monaten. Im Ergebnis war der geschützte Zahlbetrag vor dem Zeitpunkt der Rentenumwertung am 1.1.1992 vielfach weit höher als es dem Grundsatz der Lohn- und Beitragsbezogenheit entsprochen hätte. Dies betraf vor allem Renten, die nach dem alten DDR-Recht als Mindestrenten gezahlt oder auf bestimmte Mindestbeträge aufgestockt wurden. Gemäß §§ 315 a und 319 a SGB VI wurden die Auffüllbeträge/Rentenzuschläge seit Januar 1996 mit den Rentenanpassungen abgeschmolzen. Vor Beginn des Abschmelzens der Auffüllbeträge/Rentenzuschläge gab es am 31.12. 1995 noch rund 1,93 Mio. Versichertenrenten mit Auffüllbetrag bzw. Rentenzuschlag.303 Das waren rund 60 % der Versichertenrenten der neuen Bundesländer. Bei den Frauen lag der Anteil der Versichertenrenten mit Auffüllbetrag/ Rentenzuschlag zum damaligen Zeitpunkt bei rund 75 %, bei Männern bei rund 25 %. Zusätzlich wurden noch rd. 64.000 Witwen-/Witwerrenten mit Auffüllbetrag/Rentenzuschlag gezahlt. Im Juli 2002 gab es noch rd. 860.000 Versicherten- und Witwen- und Witwerrenten mit Auffüllbetrag/Rentenzuschlag. Davon wurden rund 745.000 Versichertenrenten an Frauen gezahlt, wobei der durchschnittliche Zahlbetrag 986,12 DM und der darin durchschnittlich enthaltene Auffüllbetrag/Rentenzuschlag 149,68 DM betrug. Bei den Männern lagen die entsprechenden Beträge bei 1.304,63 DM (Rentenzahlbetrag) bzw. 151,73 DM (Auffüllbetrag/Rentenzuschlag). Zusätzlich wurden im Juli 2002 noch rund 13.300 Witwenrenten mit einem durchschnittlichen Auffüllbetrag von 74,71 DM bei einem durchschnittlichen Rentenbetrag von 768,32 DM und an rd. 800 Witwer eine Witwerrente von 94 DM mit einem Auffüllbetrag von rd. 49 DM gezahlt.304 In 2001 wurden 1,1 Mrd. DM für Auffüllbeträge aufgewendet. Im Juli 2008 gab es nur noch rd. 270.000 Versichertenrenten mit Auffüllbeträgen. Davon wurden rund rd. 245.000 Versichertenrenten an Frauen gezahlt, wobei der durchschnittliche Auffüllbetrag bei 90,09 € lag. Bei (rd. 25.000) Männern betrug der durchschnittliche Auffüllbetrag zu diesem Stichtag 136,15 €. Zusätzlich wurden im Juli 2008 noch rd. 2.500 Witwenrenten mit einem durchschnittlichen Auffüllbetrag von rd. 48,81 €, rd. 350 Witwerrenten mit einem durchschnittlichen Auffüllbetrag von 26,33 € gezahlt. Das Gesamtvolumen der Auffüllbeträge im Juli 2008 betrug rd. 25,6 Mio. €.305
303 304 305
Zahlen der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) vom Februar 2002. Rentenversicherungsbericht 2002, BT-Drucksache 15/110 vom 27.11.2002, S. 81,82. Rentenversicherungsbericht 2009, BT-Drucksache 17/52 vom 20.11.2009, S. 66,67.
122
3
Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
Die Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen durch das AAÜG
Die gesetzlichen Regelungen zur Überführung der Sonder- und Zusatzversorgungssysteme in die gesetzliche Rentenversicherung sind durch das Gesetz zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (AAÜG) vom 25.7.1991 (Art. 3 des RentenÜberleitungsgesetzes – RÜG) getroffen worden, das bereits zum 1.8.1991 in Kraft getreten war. § 2 Abs. 1 AAÜG ordnete nun auch die Schließung der bisher noch ausgenommenen Sonderversorgungssysteme der Nationalen Volksarmee, der Volkspolizei und der Zollverwaltung zum 31.12.1991 an. Ausgenommen blieben immer noch die Zusatzversorgungssysteme der in der DDR vertretenen Parteien. Diese Ansprüche und Anwartschaften wurden erst mit dem RentenüberleitungsErgänzungsgesetz (RÜ-ErgG)306 vom 24.6.1993 in die GRV überführt. Die Ansprüche und Anwartschaften auf Leistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, Alters und Todes wurden zum 31.12.1991 in die GRV überführt (§ 2 Abs. 2 AAÜG). Die Zeiten in einem Versorgungssystem der DDR galten nun als Pflichtbeitragszeiten in der GRV. Das AAÜG sah neben der Systementscheidung auch eine Reihe von Einschränkungen vor: § 10 AAÜG führte eine vorläufige Zahlbetragsbeschränkung ein, nach der die Pflichtversicherungsrente und die Zusatzrente zusammen entgegen der im Einigungsvertrag zugesicherten Zahlbetragsgarantie ab 1.8.1991 bei Versicherten auf max. 2.010 DM, bei Witwen- und Witwer auf max. 1.206 DM, bei Vollwaisen auf max. 804 DM und bei Halbwaisen auf max. 603 DM beschränkt wurde. Damit erfolgte eine „Gleichschlechtbehandlung“ mit den Versicherten aus staatsnahen Bereichen, die durch das RAnglG-DDR noch durch den DDR-Gesetzgeber ebenfalls eine Zahlbetragsbegrenzung erfahren hatten. Für die Sonderversorgten von MfS/AfNS wurde die vom DDR-Gesetzgeber noch am 29.6.1990 verordnete Zahlbetragsbegrenzung von monatlich max. 990 DM durch § 10 Abs. 2 AAÜG ein weiteres Mal herabgesetzt: Für Versicherte auf max. 802 DM, für Witwen und Witwer auf max. 481 DM, für Vollwaisen auf max. 321 DM und für Halbwaisen auf max. 241 DM, obwohl sich die Zahlbetragsgarantie des Einigungsvertrages auch auf diese Personen bezog. Den Zahlbetragsbegrenzungen des AAÜG lag die Annahme und wahrscheinlich auch die Überzeugung zugrunde, dass in staats- und systemnahen Versorgungssystemen und systemnahen Funktionen die geleistete Arbeit nicht dem gezahlten Entgelt entsprach, dass also je höher ein Mitglied bestimmter 306
BGBl. I S. 1038.
E Zusammenfassung und Fazit
123
Versorgungssysteme alimentiert wurde, desto geringer der Wert der geleisteten Arbeit einzuschätzen war. Das AAÜG ging mit einer Art juristischer „Rasenmäher“307 über die erzielten Entgelte hinweg. Auf jeden Fall aber widersprach das AAÜG der Zahlbetragsgarantie des Einigungsvertrages. Während für rd. 3,5 Mio. Bestandsrentnerinnen und -rentner mit FZRZeiten die Rentenumwertung pauschal dadurch ermittelt wurde, dass das erzielte Entgelt in einem Zwanzigjahreszeitraum mit dem Durchschnittsentgelt verglichen und der dadurch gewonnene Durchschnitt auf den Rest der Versichertenbiographie übertragen wurde, ging man bei den rd. 330.000 Zusatz- und Sonderversorgten den Weg der individuellen Neuberechnung (siehe Teil 2).
E Zusammenfassung und Fazit E Zusammenfassung und Fazit
I
Überblick über die Schritte der Rentenüberleitung ab 1.7.1990
Von Beginn an war allen Akteurinnen und Akteuren bewusst, dass die gesamte Rentenüberleitung nicht in einem Schritt umgesetzt werden konnte. Die Rentenüberleitung sollte Jahre in Anspruch nehmen. Die einzelnen Schritte werden in Tabelle 8 skizziert:308
307 308
Mutz, Aufstieg und Fall eines Konzepts, S. 512. Stephan, Das Zusammenwachsen, S. 547ff.
124
Teil 1: Darstellung der Alterssicherungssysteme
Tabelle 8: Überblick über die Schritte der Rentenüberleitung ab 1.7.1990 Ab1.7.1990
Ab 1.10.1990 bzw. 1.1.1991
Ab1.1.1992
Ab1.1.1994
Ab1.1.1996 Ab1.1.1997
Staatsvertragvom18.5.1990,inKraftgetretenzum 1.7.1990: UmstellungderDDRͲRentenimVerhältnis1:1vonMarkderDDRaufDM;EinfühͲ rung des Sozialzuschlags für Renten unter 495 DM als Differenzbetrag; NiͲ veauangleichungderDDRͲRentenvondurchschnittlichrund30Ͳ37%desWestniͲ veaus auf 40%. Unter Einbeziehung des Sozialzuschlags stiegen die OstͲRenten um durchschnittlich 30%; durch das RentenͲAngleichungsgesetz (RAnglGͲDDR) vom 28.6.1990 wurde die Dynamisierung der Renten an die Entwicklung der NettolöhneundͲgehälterderDDReingeführt;durchdasGesetzüberdieSozialͲ versicherung(SVGͲDDR)vom28.6.1990wurdeanstattdesDDRͲGesamtsozialverͲ sicherungsbeitrages von 22,5% die Beitragsstruktur der Bundesrepublik eingeͲ führt. Ab 1.7.1990 betrug der Beitragssatz in der Rentenversicherung 18,7%; zeitgleich wurde die Beitragsbemessungsgrenze von 600 DM auf 2700 DM moͲ natlicherhöht,sodassdieFZRgeschlossenwerdenkonnte. MitUnterzeichnungdesEinigungsvertragesvom31.8.1990sollteeine ÜberfühͲ rung des SGB VI wie auch in der Bundesrepublik zum 1.1.1992 erfolgen; am 3.10.1990 wurde der versicherte Personenkreis angeglichen; Vertrauensschutz rentennaher Jahrgänge wurde gewährleistet (jede/r; die/der bereits Rentnerin oderRentnerwaroderbis30.6.1995inRenteging,solltemindestensdaserhalͲ ten,waser/sievorderRentenangleichungam1.7.1990nachDDRͲRechterhalten hatte); Erstreckung des Rehabilitationsrechts auf beide Teile Deutschlands; UmsetzungderRentendynamik–dieRentenimOstenwurdenzum1.1.1991und zum 1.7.1991 um jeweils 15% angehoben, um die Teilhabe an den anfangs rasantenEinkommenszuwächsenderAktivenzugewährleisten. Das Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) vom 25.7.1991 wird beschlossen; UmwerͲ tung der Bestandsrenten auf die neue dynamische Rentenformel; Gewährung eines Auffüllbetrages (für am 31.12.1991 laufende Renten, Abschmelzung ab 1.1.1996) sowie eines Rentenzuschlages (bei Rentenzugang in 1992 und 1993; Struktur wie Auffüllbetrag), wenn der umgewertete Zahlbetrag nicht die Höhe der im Dezember 1991 gezahlten Rente erreichte; Übernahme des westdeutͲ schen Leistungsspektrums des SGB VI; Ausdehnung des Vertrauensschutzes für rentennaheJahrgängeaufRentenansprüche,diebiszum31.12.1996begannen– Maßstabwarder Stand31.12.1991 unddamiteinschließlichdieAngleichungen vom1.7.1990sowiedieje15%ͲigeAnpassungzum1.1.1991undzum1.7.1991. GewährungvonÜbergangszuschlägenfürdieRentenzugangsjahrgänge1994bis 1996, wenn die Rente nach der Überleitung niedriger als der Zahlbetrag nach früherem DDRͲRecht unter Berücksichtigung der Rentenanpassungen bis 31.12.1991war. Unterschied zu Auffüllbetrag und Rentenzuschlag war, dass die Abschmelzung sofortmitAnpassungerfolgte AbschmelzenderAuffüllbeträgeundRentenzuschläge. Abschaffung des Sozialzuschlags; Übergang an den in den aBL üblichen AnpasͲ sungsmodus.
Stephan(s.Fn.308)undeigeneDarstellung
E Zusammenfassung und Fazit
II
125
Fazit
Die mit dem RÜG – im Konsens aller Parteien – beschlossene Rentenüberleitung war der Abschluss und die Umsetzung, der bereits mit Staats- und Einigungsvertrag grundlegend getroffenen Systementscheidung: Nicht das DDR-Recht und auch kein neu zu schaffendes, gemeinsames Rentenrecht sollte ab 1.1.1992 gelten, sondern es erfolgte die Übertragung, oft auch als „Überstülpung“ bezeichnet, des West-Rechts auf die neuen Bundesländer. Die historische Chance, mit der Überleitung auch die positiven Elemente des Rentenrechts der DDR, die z.B. für die Alterssicherung von Frauen vorteilhaft waren, in ein gemeinsames und reformiertes Recht einmünden zu lassen, wurde von der damaligen Regierungskoalition trotz Bemühens der Opposition, insbesondere der SPD, nicht ergriffen. Da das DDR-Recht erst mit dem SGB VI kompatibel gemacht werden musste und dabei juristisches Neuland unter großem zeitlichen Druck betreten wurde, wurden Regelungen getroffen, die in der Folgezeit vom Bundesverfassungsgericht wieder aufgehoben und vom Gesetzgeber korrigiert werden mussten. Nichtsdestotrotz wird die Rentenüberleitung – insgesamt betrachtet – als Erfolg angesehen.309
309
Interview 1, 2 und 3 (siehe Anhang 1).
E Zusammenfassung und Fazit
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Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung – Sind die gefundenen Lösungen gerecht? Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
Mit Inkrafttreten des Rentenüberleitungsgesetzes (RÜG) endete zum 1.1.1992 die erste Phase der Übertragung des westdeutschen Rentensystems in die neuen Bundesländer. Diesen Prozess haben die Akteurinnen und Akteure des Bundesgesetzgebers, der Bundesregierung, der Rentenversicherungsträger sowie Sozialpolitikerinnen und Sozialpolitiker in Ost und West maßgeblich mitbestimmt. Mit Inkrafttreten des RÜG begann die zweite Phase, die sich im Wesentlichen mit rechtlichen „Nachbesserungen“ befasste. Hierbei waren die maßgeblichen Akteure Organe der Rechtspflege und Rechtsprechung, im Wesentlichen das Bundessozial- und das Bundesverfassungsgericht und der Bundesgesetzgeber, der die Änderungen und Korrekturen umzusetzen hatte, die sowohl aufgrund politischen und gesellschaftlichen Drucks, als auch aufgrund der ergangenen Rechtsprechung geboten waren. Dabei hat kaum ein Themenkomplex die deutsch-deutsche Rentenpolitik so geprägt wie die noch immer anhaltende Diskussion um die weitere Behandlung der aus Sonder- und Zusatzversorgungssystemen stammenden Ansprüche und Anwartschaften.310 Vor diesem Hintergrund lautet die grundlegende forschungsleitende Frage dieses Teils der Arbeit, ob mit den gesetzgeberischen Nachbesserungen der Rentenüberleitungsprozess als abgeschlossen gelten kann. Weiterhin werden die gefundenen Lösungen vor dem Hintergrund gerechtigkeitstheoretischer Überlegungen beleuchtet. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf den Wechselwirkungen zwischen den politisch motivierten bzw. höchstrichterlich initiierten Nachbesserungen bei der Überführung der Sonder- und Zusatzversorgungssysteme und den im Staatsvertrag vom 18.5.1990 als auch im Einigungsvertrag vom 31.8.1990 getroffenen grundlegenden Entscheidungen zur Rentenüberleitung. Im ersten Kapitel dieses Teils der Arbeit wird zuerst die weitere Entwicklung im Prozess des Zusammenwachsens der Rentenversicherung in den alten und neuen Bundesländern analysiert, wobei der Vereinheitlichung der Rentenberechnung und -anpassung durch Angleichung der Rechenwerte eine besondere Bedeutung zukommt (A.). Im zweiten Kapitel wird untersucht, inwieweit die 310
Michaelis, Zusatz- und Sonderversorgungssysteme der DDR, S. 516.
J. Kerschbaumer, Das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung und die Deutsche Einheit, DOI 10.1007/978-3-531-92882-1 _3, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
Rechtsprechung die in Kraft getretenen Regelungen zur Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus der Sozialpflichtversicherung und der FZR (B.) und – im dritten Kapitel – der Sonder- und Zusatzversorgungssysteme (C.) für verfassungsgemäß erachtete, aber auch welche Reparaturmaßnahmen der Gesetzgeber aufgrund der Anordnungen durch das Bundesverfassungsgericht zur Rentenüberleitung vornehmen musste, in welchem Verhältnis Rechtsprechung und die Gesetzgebung in diesem Prozess zueinander standen und ob dieser als beendet betrachtet werden kann. Bei der Analyse der Rechtsprechung wird sich die Arbeit wegen der Komplexität und der Vielzahl der ergangenen Entscheidungen auf grundlegende Leiturteile und Beschlüsse zu den Zusatz- und Sonderversorgungssystemen konzentrieren.311 Die Arbeit untersucht die maßgebenden Entscheidungen insbesondere darauf hin, welche verfassungsrechtlichen Bewertungsmaßstäbe angelegt wurden. Gerechtigkeitsaspekte bilden den Schwerpunkt des vierten Kapitels dieses Teils der Arbeit. Untersuchungsgegenstand ist hierbei die Überleitung der Ansprüche und Anwartschaften von Beschäftigtengruppen mit einem „besonderen Steigerungssatz“, analysiert am Beispiel des sog. mittleren medizinischen Personals, und die Rechtslage hinsichtlich der Alterssicherung von in der DDR Geschiedenen. Ein besonderes Augenmerk legt die Arbeit darauf, welche Bedeutung der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG und dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG beigemessen wurde (D.). Zusammenfassung und Fazit schließen diesen Teil der Arbeit ab und geben eine Antwort auf die Frage, ob mit den gesetzgeberischen Nachbesserungen der Rentenüberleitungsprozess als abgeschlossen gelten kann und in welchem Lichte sich die gefundenen Lösungen vor dem Hintergrund gerechtigkeitstheoretischer Überlegungen darstellen (E.).
A Die weitere Entwicklung im Prozess des Zusammenwachsens der Rentenversicherung in den alten und neuen Bundesländern A Die weitere Entwicklung im Prozess des Zusammenwachsens
I
Grundsätzliche rechtliche Erwägungen zur Rentenüberleitung
Bereits im Staatsvertrag vom 18.5.1990 verpflichtete sich die DDR, alle „erforderlichen Maßnahmen“ einzuleiten, „um ihr Rentenrecht an das auf dem Grundsatz der Lohn- und Beitragsbezogenheit beruhende Rentenversicherungsrecht der Bundesrepublik Deutschland anzugleichen“ (Art. 20 Abs. 1 S. 1 Staatsvertrag). 311
Siehe auch die maßgeblichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts im Anhang 7.
A Die weitere Entwicklung im Prozess des Zusammenwachsens
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Die Vereinigung Deutschlands machte auch ein einheitliches Rentenrecht erforderlich: „Die Absicherung im Alter muss sich in West und Ostdeutschland an einheitlichen ordnungspolitischen und sozialpolitischen Grundentscheidungen orientieren.“312
Dabei war den handelnden Akteurinnen und Akteuren bewusst, dass ein einheitliches Rentenrecht nicht durch einfache Übertragung des im alten Bundesgebiet geltenden Rechts geschaffen werden konnte, da sich mit der Rentenreform 1957 und durch Einführung der Dynamisierung der Renten die Rechtssysteme grundlegend auseinander entwickelt hatten. „Eine übergangslose Verbindung der Systeme ist nicht möglich. Sehr schnell wurde jedermann deutlich, dass die Rechtsangleichung nur schrittweise durchgeführt werden kann und zudem durch zahlreiche Übergangsvorschriften abgefedert sein muss.“313
Deshalb wurden Vertrauensschutzregelungen für den Rentenbeginn in der Zeit vom 1.1.1992 bis 30.6.1995 normiert und für die Übergangsphase Vorschriften im Versicherungs-, Beitrags- und Leistungsrecht für erforderlich gehalten, um „Brüche zu vermeiden und eine allmähliche Anpassung der Systeme zu ermöglichen“314. Diese Vorschriften sollten zum einen das Interesse der Versicherten an einer höchstmöglichen Einzelfallgerechtigkeit berücksichtigen und zum anderen den Interessen der Verwaltung nach möglichst praxisnaher Gestaltung und Umsetzbarkeit entgegenkommen. Zeitgleich mit der Maueröffnung am 9.11.1989 wurde im Deutschen Bundestag das Gesetz zur Rentenreform 1992 (RRG 1992)315 diskutiert. Bereits vor Maueröffnung war klar, dass mit dieser Reform im alten Bundesgebiet weitreichende Rechtsänderungen im Rentenrecht beschlossen werden sollten. Die Chance neuer rentenrechtlicher Regelungen wurde genutzt, um das Rentenrecht auch in den neuen Bundesländern wirksam werden zu lassen. Die Überleitung der Anspruchsvoraussetzungen für Altersrenten, Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und Hinterbliebenenrenten316 sowie die Altersgrenzen für die Inanspruchnahme einer Rente waren die ersten Sachverhalte, die es zu lösen galt. Mit Änderung der Altersgrenzen des SGB VI durch das Rentenreformgesetz 1992 galten die in den alten Bundesländern geänderten Altersgrenzen auch 312 313 314 315 316
Begründung zum Entwurf des RÜG, BT-Drucks. 12/405 vom 23.4.1991, AT, I.,1., S. 108. Ebenda, S. 108. Ebenda, S. 108. Rentenreformgesetz 1992 vom 18.12.1989; BGBl. I S. 2261 und 1990 I S. 1337. In den neuen Bundesländern gab es für 2 Jahre Übergangshinterbliebenenrenten.
130
Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
in den neuen Bundesländern. Männliche Versicherte in den neuen Bundesländern konnten nun vor der Vollendung des 65. Lebensjahres auch eine vorgezogene Altersrente in Anspruch nehmen. Für weibliche Versicherte in den neuen Bundesländern war der Eintritt in eine Altersrente allein wegen Vollendung des 60. Lebensjahres, wie es das DDR-Recht vorsah, nur noch für eine Übergangszeit und unter den Vertrauensschutztatbeständen des Art. 2 RÜG möglich. Kern des RÜG ist die Überleitung der rentenrechtlichen Regelungen des SGB VI auf das Beitrittsgebiet. Zum 1.1.1992 sind damit die bundesdeutschen Vorschriften des Versicherungs-, Beitrags- und Leistungsrechts grundsätzlich auch in den neuen Bundesländern maßgeblich. Mit der Überleitung der rentenrechtlichen Regelungen des SGB VI wurden die Renten in den neuen Bundesländern – wie im alten Bundesgebiet – an den Grundsatz der Lohn- und Beitragsbezogenheit angepasst. Das bedeutet, dass sich die Höhe der Rente nach den individuellen Lebensarbeitsentgelten der Versicherten und damit in erster Linie nach der Höhe der gezahlten Beiträge richtet. Da dieser Grundsatz nicht passgenau auf das Rentensystem der DDR übertragbar war, waren Ausnahmen erforderlich: Bei der Umwertung der Bestandsrenten aus der Sozialpflichtversicherung konnte sich die Neuberechnung nicht auf die gesamte Versicherungsbiographie, wie sie Maßstab im Recht des SGB VI ist, beziehen, sondern orientierte sich an dem durchschnittlichen Arbeitseinkommen der letzten 20 Jahre vor Eintritt in die Rente. Grund dafür war zum einen, dass es eine entsprechende Regelung auch im DDR-Recht gab; zum anderen waren die erforderlichen Lohn- und Gehaltsunterlagen zur Berechnung vollständig erst ab 1971 vorhanden. Bei den Ansprüchen und Anwartschaften aus Sonder- und Zusatzversorgungssystemen konnte bei der Rentenberechnung auf gezahlte Beiträge nicht abgestellt werden. Sonder- und Zusatzversorgungssysteme zeichneten sich gerade dadurch aus, dass die so Versorgten in vielen Fällen keine der späteren Altersversorgung entsprechenden Beiträge leisteten. Die Höhe der gezahlten Beiträge war von Versorgungseinrichtung zu Versorgungseinrichtung höchst unterschiedlich und konnte somit kein Maßstab für die Berechnung der Rente sein. Es wurden die tatsächlichen Arbeitsverdienste herangezogen. Die gesamte Überleitung der Ansprüche und Anwartschaften aus Sonder- und Zusatzversorgungssystemen stand allerdings unter der Prämisse des Einigungsvertrages, dass „ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffen und überhöhte Leistungen abzubauen sind sowie eine Besserstellung gegenüber vergleichbaren Ansprüchen und Anwartschaften aus anderen öffentlichen Versorgungssystemen nicht erfolgen darf.“317 317
Anlage II, Kap. VIII, Sachgebiet H, Abschnitt III, Ziff. 9 b Nr. 1 Einigungsvertrag, siehe im Anhang, 6. Gesetze und Rechtsquellen, III. 2.
A Die weitere Entwicklung im Prozess des Zusammenwachsens
131
Dies war die Rechtfertigung für zahlreiche Begrenzungen der Zahlbeträge von Renten (Zahlbetragsbegrenzungen) als auch der Begrenzungen bei der Ermittlung von Entgeltpunkten (Entgeltbegrenzungen). Aus diesen Gründen ist eine Trennung in die Ansprüche und Anwartschaften aus der Sozialpflichtversicherung und der FZR und denjenigen aus Zusatzund Sonderversorgungssystemen vorzunehmen; innerhalb der Gruppen wiederum nach Bestands- und Zugangsrenten, wie die nachfolgende Übersicht in Tabelle 9 zeigt: Tabelle 9: Trennung nach Versorgungssystemen bei Rentenüberleitung RegelungenfürAnsprücheundAnwartschaften ausderSozialpflichtversicherungundderFZR
RegelungenfürAnsprücheundAnwartͲ schaftenausSonderͲundZusatzversorͲ gungssystemen Stichtag1.1.1992(InkrafttretendesRÜG) Bestandsrenten Zugangsrenten Bestandsrenten Zugangsrenten §307aSGB VI §254 b SGB VI § 307 b SGB VIals § 259 b SGBVI; Ermittlungderpers.EP Ermittlungderpers. Sonderregelungzu Überführungnach (Ost) EP(Ost)nach §307aSGBVI; demAAÜG §315aSGBVI §§254cff.SGBVI Überführungnach Auffüllbetrag demAAÜG EntscheidungdesBVerfGvom11.5.2005 EntscheidungendesBVerfGvom28.4.1999 (sieheB.) (sieheC.) DasLeiturteildesBVerfGvom28.4.1999,1BvL32/96(BVerfGE100,1ff.)hatAuswirkungenaufdengesamten Rentenüberleitungsprozess,dennesenthältgrundlegendeErwägungenzudenverfassungsrechtlichenSpielͲ räumen,diedemgesamtdeutschenGesetzgeber,insbesondereimHinblickaufArt.3Abs.1GGundArt.14 Abs.1GG,zukommen. EigeneDarstellung
II
Die Vereinheitlichung der Rentenberechnung und -anpassung durch Angleichung der Rechenwerte
Nach dem Einigungsvertrag war Ziel der Rentenüberleitung, mit der Angleichung der Löhne auch eine Angleichung der Renten zu verwirklichen. Das Ziel einer Angleichung der Renten ist dann (vollständig) erreicht, wenn für eine vergleichbare Lebensarbeitsleistung in den alten und in den neuen Bundesländern eine vergleichbare Rente gezahlt wird. Die Rentenberechnung und -anpassung im Recht des SGB VI wird vom Grundsatz der Lohn- und Beitragsbezogenheit bestimmt. Wegen der im Zeitpunkt der Deutschen Einheit erheblich niedrigeren Löhne und Gehälter in den neuen Bundesländern318 sollten ab dem Inkrafttreten des 318
Siehe dazu ausführlich im 3. Teil der Arbeit.
132
Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
SGB VI zum 1.1.1992 bis zur Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse in den alten und den neuen Bundesländern unterschiedliche Rechengrößen in der Rentenversicherung (wie z. B. Beitragsbemessungsgrenzen, Bezugsgrößen und aktuelle Rentenwerte) gelten. Um bei der Ermittlung von Entgeltpunkten eine Vergleichbarkeit der Entgeltpositionen West und Ost zu gewährleisten, wurden die individuellen Entgelte Ost mit dem jährlich an das Verhältnis der Durchschnittsentgelte Ost zu West angepassten Umrechnungsfaktor hochgewertet und dann zu dem Durchschnittsentgelt (West) ins Verhältnis gesetzt. Gesetzestechnisch wurden neben den Grundvorschriften der ersten vier Kapitel319 Sondervorschriften320 im fünften Kapitel des SGB VI normiert, die deutlich machen, dass diese Vorschriften Übergangsvorschriften sind, die die Grundvorschriften zeitlich begrenzt ergänzen. In den Sondervorschriften des 5. Kapitels wird die Übergangsphase als eine Zeit „bis zur Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse“ definiert.321 Damit sollte deutlich gemacht werden, dass spätestens mit Erreichen einheitlicher Einkommensverhältnisse die Übergangsphase abgeschlossen sein würde. Da vom Gesetzgeber zu keinem Zeitpunkt vermutet wurde, dass sich einheitliche Einkommensverhältnisse in absehbarer Zeit möglicherweise nicht herstellen lassen, traf er auch keine Alternativregelung für den Fall des Nichterreichens dieses Ziels. Der Gesetzgeber hätte aber auch die Möglichkeit gehabt, nicht die Löhne und Entgelte in den alten Bundesländern als Maßstab für die Rentenberechnung heranzuziehen, sondern für die Berechnung eine eigene Entgelttabelle Ost zu normieren. Durch den Bezug auf das Einkommensgefüge in den alten Bundesländern hatte er zum Ausdruck gebracht, dass er eine baldige Anpassung für realistisch und erforderlich hielt. Zudem war die Feststellung des Durchschnittsverdientes (Ost) praktisch nicht möglich. Der Einigungsvertrag und das darauf aufbauende Renten-Überleitungsgesetz gingen von der Annahme aus, dass die Angleichung der Löhne und Gehälter in rd. 5 Jahren erreicht werden könnte.322 In den ersten Jahren nach der Deutschen Einheit wurden die sehr positiven Annahmen jedoch bereits vorsichtig korrigiert und von einem Anpassungsabschlusszeitpunkt in 2006 ausgegangen. Aber auch diese Annahmen, die im Jahre 1995 modellhaft eine jährliche Rentenanpassung von 2,5 % in den alten Bundesländern und 5 % in
319
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321 322
Aufbau und Systematik des SGB VI: Kapitel 1: Versicherter Personenkreis; Kapitel 2: Leistungen; Kapitel 3: Organisation, Datenschutz und Datensicherheit; Kapitel 4: Finanzierung; Kapitel 5: Sonderregelungen; Kapitel 6: Bußgeldvorschriften. Durch Art. 1 des Renten-Überleitungsgesetzes (RÜG) vom 27.7.1991 (BGBl. I S. 1606) wurde das SGB VI um das 5. Kapitel (§ 228 ff.) ergänzt. z. B. in §§ 228 b S. 1, 254b Abs.1, 255 a Abs. 3 und 4 SGB VI. MdB Julius Louven, CDU/CSU, Deutscher Bundestag, Stenographische Berichte der Sitzungen, 24. Sitzung, 26.4.1991, S. 1610.
A Die weitere Entwicklung im Prozess des Zusammenwachsens
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den neuen Bundesländern unterstellten und damit nach 11 Jahren einen einheitlichen aktuellen Rentenwert annahmen,323 waren zu positiv. Im Jahr 2010 betragen die vorläufigen durchschnittlichen Löhne und Gehälter in den alten Bundesländern 32.003 €, in den neuen Bundesländern 26.918 €.324 Das Niveau der neuen Bundesländer beträgt damit 84,1 % des Niveaus der alten Bundesländer. Für das Jahr 2011 wurde als vorläufiger Durchschnittsverdienst 30.268 € und als vorläufiger Umrechnungswert nach der Anlage 10 zum SGB VI ein Wert von 1,1429 festgelegt.325 Der daraus errechnete vorläufige Durchschnittsverdienst für die neuen Bundesländer beträgt 26.483 € und damit 87,5 % des Westwerts. Der aktuelle Rentenwert in den alten Bundesländern beträgt seit dem 1.7.2010 bis 31.7.2011 27,20 €, in den neuen Bundesländern 24,13 € und damit 88,7 % des Westwerts. Die Angleichung ist zwar vorangeschritten, ist aber längst noch nicht abgeschlossen. III Rechtliche Kernaussagen des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Vielzahl von Entscheidungen326 grundsätzliche Leitlinien zur Überleitung des Rechts der Alterssicherung in der ehemaligen DDR auf das der Bundesrepublik vorgegeben. Im Folgenden werden die wichtigsten Kernaussagen zusammengefasst:
323 324
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Der gesamtdeutsche Gesetzgeber verfolgte nach der Herstellung der Deutschen Einheit ein Ziel des Gemeinwohls, als er das System der gesetzlichen Rentenversicherung in einem einheitlichen Rechtsrahmen zusammenführte. Er war verfassungsrechtlich nicht gehalten, strukturelle Besonderheiten des Sozialversicherungssystems der DDR im gesamtdeutschen Rentenrecht zu berücksichtigen. Der ihm von Verfassungs wegen zustehende weite Gestaltungsspielraum, den aus seiner Sicht geeigneten Weg zur Rechtseinheit im Zuge der Vereinigung der beiden deutschen Staaten zu bestimmen, schließt die Befugnis ein, rentenrechtliche Positionen umzugestalten, wenn und soweit es der Rechtseinheit dient. Auch das Rentensystem der BundessrepubMeurer, Rentnerinnen in Ostdeutschland, S. 124. Rechenweg: Der Durchschnittswert für die aBL wird durch den vorläufigen Hochwertungsfaktor nach der Anlage 10 zum SGB VI (2010: 1,1889) geteilt. Werte nach der SozialversicherungsRechengrößenverordnung 2010 vom 7.10.2009. § 1 Abs. 2 und § 5 der Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2011 (siehe im Anhang 6. Gesetze und Rechtsquellen, II.). Statt vieler: BVerfG, 1 BvL 32/95 vom 28.4.1999, 1 BvR 368/97 vom 11.5.2005, BVerfGE 112, 368. Siehe auch Verwendete Entscheidungen des BVerfG, im Anhang 7.
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Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
lik Deutschland genießt als System keinen verfassungsrechtlichen Bestandsschutz, sondern könnte vom Gesetzgeber auf andere Grundlagen gestellt werden. Aus Art. 14 Abs. 1 GG ergibt sich keine Verpflichtung des Gesetzgebers, das Altersversorgungssystems der DDR beizubehalten. Der gesamtdeutsche Gesetzgeber war nicht verpflichtet, die Berechtigten aus Versorgungssystemen der DDR so zu behandeln, als hätten sie ihre Erwerbsbiographie in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt. Art. 14 Abs. 1 GG lässt es jedoch nicht zu, dass die Umstellung mit Einbußen einhergeht, die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit widersprechen und Eigentumspositionen in unzumutbarer Weise schmälern. Der gesamtdeutsche Gesetzgeber war unter keinem verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt gehalten, den Bestandsrentnerinnen und Bestandsrentnern in den neuen Bundesländern die strukturellen Vorteile der Sozialversicherung der DDR zu erhalten und zugleich die Vorteile des gesamtdeutschen Rentenversicherungsrechts zu gute kommen zu lassen. Der gesamtdeutsche Gesetzgeber konnte die in der DDR erworbenen Ansprüche und Anwartschaften durch eine einheitliche, ausschließlich aus der gesetzlichen Rentenversicherung stammende Versorgungsleistung unter Verzicht auf Zusatzleistungen, die der betrieblichen Altersversorgung oder der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes in Westdeutschland gleichen, ersetzen. Gleiches gilt für in der DDR Sonderversorgte. Auch deren Ansprüche und Anwartschaften konnte der gesamtdeutsche Gesetzgeber ausschließlich in die gesetzliche Rentenversicherung überführen. Die sogenannte Systementscheidung ist verfassungsgemäß. Die in der DDR erworbenen und im Einigungsvertrag nach dessen Maßgaben als Rechtspositionen der gesamtdeutschen Rechtsordnung anerkannten Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen genießen den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG. Der gesamtdeutsche Gesetzgeber durfte bei der Ermittlung der Entgeltpunkte die Berücksichtigung der versicherten Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze begrenzen. Der Bezug zur persönlichen Arbeitsleistung bleibt dadurch erhalten. Von zwei Charakteristika der gesetzlichen Rentenversicherung dürfen Versicherte nicht ausgeschlossen sein: Zum einen muss gewährleistet sein, dass die durch Lebensleistung erreichte relative Position innerhalb der jeweiligen Rentnergeneration nach Eintritt des Versicherungsfalls erhalten bleibt. Zum anderen muss eine Dynamisierung der Renten gewährleistet sein.
B Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften
135
Die Einheit der Rentenversicherung sollte zeitlich nicht weit hinausgeschoben werden.327
B Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus der Sozialpflichtversicherung und der FZR B Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften
I
Umwertung der Bestandsrenten aus der Sozialpflichtversicherung und der FZR (§ 307 a SGB VI)
Mit dem Inkrafttreten des RÜG mussten für die Ermittlung des monatlichen Rentenbetrags die überführten Leistungen, auf die am 31.12.1991 ein Anspruch bestand, in einen nach dem SGB VI anpassungsfähigen Monatsbetrag der Rente umgewertet werden. Dazu war die Ermittlung von Entgeltpunkten notwendig. Ein wichtiger Unterschied zwischen der Rentenberechnung nach dem SGB VI und dem Recht der DDR lag darin, dass nach dem Recht der DDR nur der in den letzten 20 Kalenderjahren vor Beendigung der letzten versicherungspflichtigen Tätigkeit erzielte beitragspflichtige monatliche Durchschnittsverdienst Grundlage für die Rentenberechnung war (vgl. § 5 Abs. 1 Buchst. A RentenVO 1979). Im Regelfall führt diese Anknüpfung zu einer höheren Altersrente als bei Zugrundelegung des während des gesamten Arbeitslebens erzielten Einkommens.328 Damit traf der gesamtdeutsche Gesetzgeber eine Ausnahme vom Grundsatz der Rentenberechnung des SGB VI nach den versicherten Arbeitsentgelten des gesamten Erwerbslebens.329 Ziel der Rentenumwertung im Beitrittsgebiet war die Ermittlung von persönlichen Entgeltpunkten (Ost), die durch Multiplikation mit dem aktuellen Rentenwert (Ost) den anpassungsfähigen Rentenbetrag ergaben. Nach § 307 a SGB VI i.d.F. des RÜG wurden persönliche Entgeltpunkte (Ost) ermittelt, indem die Anzahl aller berücksichtigungsfähigen Arbeitsjahre mit den in den letzten 20 Jahren durchschnittlich erreichten Entgeltpunkten je Arbeitsjahr (§ 307 a Abs. 2 SGB VI) multipliziert wird (max. jedoch 1,8 EP330). Als relevante Arbeitsjahre zählen anders als nach dem Rentenrecht der DDR nur noch Jahre einer versicherungspflichtigen Tätigkeit und Zurechnungsjahre wegen Invalidität vom Rentenbeginn bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres des Versicherten (§ 307 a Abs. 3 SGB VI). 327 328 329 330
BVerfG, 1 BvR 799/98 vom 15.9.2006, Absatz-Nr. 145, SozR 4-2600 § 307b Nr 7. BVerfG, 1 BvR 368/97 vom 11.5.2005, Absatz-Nr. 5, BVerfGE 112, 368. Hebeler, Die Verfassungsmäßigkeit der Überleitung, S. 639. 1,8 EP entsprach der geltenden Beitragsbemessungsgrenze.
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Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
Grundlage waren die vorhandenen Daten zum individuellen Durchschnittseinkommen der letzten 20 Jahre vor Rentenbeginn und aus der FZR. Der Gesetzgeber hatte in § 307 a Abs. 2 Satz 1 SGB VI für die etwa 4 Mio. Bestandsrenten der DDR, für die am 31.12.1991 ein Anspruch auf eine nach den Vorschriften der DDR berechnete Rente aus Pflichtversicherung und FZR bestand, entschieden, dass die Berechnung ihrer Renten wie bisher auf der Grundlage des durchschnittlichen Arbeitseinkommens der letzten 20 Jahre vor Eintritt in die Rente und nicht auf Grundlage einer Vergleichsberechnung der gesamten Versicherungsbiographie zu erfolgen hatte. Die Arbeitsjahre wurden voll angerechnet.331 Im Regelfall ist eine derartige Betrachtung vorteilhaft, da die meisten Beschäftigten mit zunehmender Beschäftigungsdauer höhere Einkommen erzielen und auch die allgemeinen Durchschnittseinkommen stetig angestiegen sind.332 Nur für diejenigen Rentnerinnen und Rentner war die in § 307 a Abs. 2 Satz 1 SGB VI festgelegte Zwanzigjahres-Berechnung nachteilig, die wegen Besonderheiten ihrer Versicherungsbiographie eine höhere Rente zu erwarten gehabt hätten. Die Gesetzesbegründung zum RÜG führt als Grund für die Berücksichtigung von nur 20 Jahren für die Bemessung des individuellen Durchschnittseinkommens an, dass aussagekräftige Daten für die Zeit bis 1960 und dann wieder ab dem Jahr 1971 in den Sozialversicherungsausweisen vorhanden waren.333 Grund war aber auch, dass im Recht der DDR der Zwanzgjahreszeitraum rechtserheblich war. Die ermittelten Entgeltpunkte gaben die relative Einkommensposition der Versicherten im Einkommensgefüge der DDR wider. Sie wurden aufgrund eines Vergleichs des individuellen beitragspflichtigen Durchschnittseinkommens in der Sozialpflichtversicherung und des individuellen Durchschnittseinkommens über 600 M, für das Beiträge zur FZR entrichtet worden waren, mit dem Gesamtdurchschnittseinkommen aller Versicherten im Beitrittsgebiet für denselben Zeitraum bestimmt (Anlage 12 zum SGB VI). Das Bundesverfassungsgericht, das in seinem Beschluss vom 11.5.2005334 die dagegen eingelegten vier Verfassungsbeschwerden zurückwies, hatte die Rechtmäßigkeit der Anwendung des Zwanzigjahreszeitraums damit begründet, dass „die Berechnung der Renten auf der Grundlage des Zwanzigjahreszeitraums nur in atypisch gelagerten Fällen zu Nachteilen für die Betroffenen“ führte, und erklärt die durch diese Berechnungsmethode gewährleistete Zeitnähe und Zahlungskontinuität für gewichtige sachliche Erwägungen, so dass „die Folgen für den Einzelnen, sie sich aus unterschiedlichen versicherungsbiographischen Le331 332 333 334
Heller, Umwertung der Bestandsrenten, S. 467. Beck, Überleitung von Rentenansprüchen, S. 278. BT-Drucksache 12/405, S. 110. BVerfG, 1 BvR 368/97, 1 BvR 1304/98, 1 BvR 2300/98 und 1 BvR 2144/00 vom 11.5.2005, BVerfGE 112, 368, BVerfGE 112,368.
B Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften
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bensläufen ergeben, nicht rechtfertigungsbedürftig“ 335 sind. Außerdem hatte das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass die Arbeitsverdienste vor dem maßgeblichen Zwanzigjahreszeitraum regelmäßig nicht dokumentiert waren.336 Das Verfahren wurde maschinell 337durchgeführt (§ 307 a Abs. 8 S. 1 SGB VI). Die Alternative zur maschinellen Umwertung wäre eine Neuaufbereitung der gesamten Versicherungsverläufe der DDR-Bürgerinnen und -Bürger gewesen, die Jahrzehnte in Anspruch genommen hätte.338 Die so gefundene Lösung war – tatsächlich – alternativlos.339 Lag der nach § 307 a SGB VI ermittelte anpassungsfähige Rentenbetrag bei einem Vergleich unter den für Dezember 1991 erbrachten Leistungen, sollte aus Vertrauensschutzgründen keine Kürzung erfolgen. Der Differenzbetrag wurde nach § 315 a SGB VI als Auffüllbetrag weitergeleistet340 (siehe auch Teil 1, D., IV.,2.1. und 2.2.). Damit war zwar eine Minderung des Zahlbetrages der Rente zum 1.1.1992 grundsätzlich ausgeschlossen. Der Auffüllbetrag unterlag jedoch nicht den regelmäßigen Rentenanpassungen. Hinzu kommt, dass der Auffüllbetrag – beginnend ab 1.1.1996 – bei jeder Rentenanpassung um ein Fünftel, mindestens jedoch 20 DM, mit den jeweiligen Rentenerhöhungen verrechnet wurde.341 In seiner Entscheidung vom 11.5.2005 über vier Verfassungsbeschwerden legte das Bundesverfassungsgericht dar, dass der Gesetzgeber bei der Herstellung der Rechtseinheit im Rentenversicherungsrecht die in Streit stehende Regelung treffen konnte. Die dadurch bewirkte Ungleichbehandlung mit denjenigen, deren Rente nach dem SGB VI berechnet wird, ist hinreichend gerechtfertigt, zumal kein zuverlässiges Datenmaterial für die Feststellung rentenrechtlicher Zeiten vor 1971 vorhanden war. Hätte sich der Gesetzgeber entschieden, alle Versicherungsjahre in die Rentenberechnung einzubeziehen, hätten die zuständigen Stellen vor großen und teilweise sogar unüberwindlichen Schwierigkeiten gestanden. Seine Entscheidung, die Rentenformel der DDR fortzuführen, hat dazu beigetragen, die Umwertung der rund 4 Mio. Bestandsrenten zeitnah zu bewältigen und Zahlungskontinuität zu gewährleisten.342 335 336 337
338 339 340 341 342
BVerfG, 1 BvR 368/97 vom 11.5.2005, Absatz-Nr. 110, BVerfGE 112, 368. BVerfG, 1 BvR 368/97 vom 11.5.2005, Absatz-Nr. 17, BVerfGE 112, 368. Nicht für alle Renten des Beitrittsgebiets konnten in dem pauschalierten Verfahren nach § 307 a SGB VI persönliche EP ermittelt werden. Renten, für die Zeiten nach dem Recht der alten Bundesrepublik berücksichtigt wurden, waren von der Umwertung ausgenommen (§ 307 a Abs. 7 bis 11 SGB VI). Interview 1 (siehe Anhang 1). Interview 2 (siehe Anhang 1). BVerfG, 1 BvR 1926/96 vom 28.4.1999, Absatz Nr. 17, BVerfGE 100, 104. Zu Auffüllbeträgen siehe Teil 1, D., IV., 2.2. BVerfG, 1 BvR 368/97 vom 11.5.2005, Absatz-Nr. 110, BVerfGE 112,368.
138
II
Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
Entscheidungen zur Nichtdynamisierung und Abschmelzung der Auffüllbeträge (§ 315 a SGB VI)343
Bei der Beurteilung der Recht- bzw. Verfassungsmäßigkeit der Rentenüberleitung spielten insbesondere die Nichtdynamisierung der Auffüllbeträge sowie deren Abschmelzung ab dem 1.1.1996 gemäß § 315 a SGB VI344 eine wichtige Rolle. Die dagegen gerichteten Verfassungsbeschwerden blieben allerdings letztlich ohne Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht führte in seiner Entscheidung vom 11.5.2005 aus, dass rentenrechtliche Ansprüche und Anwartschaften, die in der DDR begründet wurden, von Art. 14 GG nur insoweit geschützt werden, als sie Schutz auf Grund der Regelungen des Einigungsvertrages erhalten hätten. Der Einigungsvertrag sieht in Art. 30 Abs. 5 aber nur eine allgemeine Rentenangleichungspflicht und keine Zahlung von Auffüllbeträgen, die zusätzlich zu Renten gezahlt wurden, vor. Das Bundesverfassungsgericht sah daher in der Regelung der §§ 307 a, 315 a SGB VI keine Rechtsverletzung und damit keine Pflicht zur Dynamisierung der Auffüllbeträge. Die Normen lägen vielmehr innerhalb des Regelungsspielraums, den Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dem Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums insbesondere bei der 343
344
Zum Begriff siehe Glossar im Anhang 8. Neben Auffüllbeträgen nach § 315 a SGB VI sah § 319 b SGB VI einen Übergangszuschlag für den Fall vor, wenn die Gesamtleistung nach dem Übergangsrecht für Renten nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets (Art. 2 RÜG) höher als die Gesamtleistung nach dem SGB VI war. In diesem Fall wurden die Leistungen nach dem SGB VI erbracht und daneben ein Übergangszuschlag in Höhe der Differenz geleistet. § 315 a SGB VI i.d.F. des RÜG: „Auffüllbetrag Ist der für den Berechtigten nach Anwendung des § 307 a ermittelte Monatsbetrag der Rente für Dezember 1991 niedriger als der für denselben Monat ausgezahlte und nach dem am 31. Dezember 1991 geltenden Recht weiterhin zustehende Rentenbetrag einschließlich des Ehegattenzuschlags, wird ein Auffüllbetrag in Höhe der Differenz geleistet. Bei dem Vergleich werden die für Dezember 1991 nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets geleisteten Rentenbeträge zuvor um 6,84 vom Hundert erhöht; Zusatzrenten nach § 307 a Abs. 9 Nr. 1, Zusatzrenten nach der Verordnung über die freiwillige und zusätzliche Versicherung in der Sozialversicherung vom 28. Januar 1947 und Zusatzrenten nach der Verordnung über die freiwillige Versicherung auf Zusatzrente bei der Sozialversicherung vom 15. März 1968 bleiben außer Betracht. Der Auffüllbetrag wird vom 1. Januar 1996 an bei jeder Rentenanpassung um ein Fünftel des Auffüllbetrags, mindestens aber um 20 Deutsche Mark vermindert; durch die Verminderung darf der bisherige Zahlbetrag der Rente nicht unterschritten werden. Ein danach noch verbleibender Auffüllbetrag wird bei den folgenden Rentenanpassungen im Umfang dieser Rentenanpassungen abgeschmolzen.“ (Anmerkung: Durch die Einfügung eines Satzes 3 in § 315 a SGB VI aufgrund des Ersten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (Erstes SGB IIIÄnderungsgesetz – 1. SGB III-ÄndG) vom 16. Dezember 1997 (BGBl I S. 2970) wurden mit Wirkung vom 1. Januar 1998 (vgl. Art. 32 Abs. 1 des 1. SGB III-ÄndG) aus den Sätzen 3 und 4 die Sätze 4 und 5, ohne dass damit eine Änderung des Wortlauts verbunden war).
B Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften
139
Ausgestaltung eigentumsrechtlich geschützter sozialrechtlicher Rechtspositionen eröffnete. Einen Vergleich mit Zusatz- und Sonderversorgten, deren Renten in vollem Umfang einer Dynamisierung unterliegen, schloss das Bundesverfassungsgericht u. a. mit der Begründung aus, dass diese Personengruppe von der mehrfachen Anhebung seit 1.7.1990 mit einem Steigerungsvolumen von 66 % ausgeschlossen gewesen seien.345 Die Abschmelzung der Auffüllbeträge ab dem 1.1.1996 entspricht, so das Bundesverfassungsgericht, den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, denn sie dient einem Gemeinwohlzweck und genügt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Gesetzgeber hatte die Befugnis, rentenrechtliche Positionen umzugestalten, wenn und soweit dies dem Ziel der Rechtseinheit diente. Der Gesetzgeber durfte mit der Regelung einer schrittweisen Abschmelzung solcher Rentenleistungen, die auf strukturellen Eigenarten der Sozialversicherung der DDR beruhten, auch das Ziel verfolgen, die Beitragszahlerinnen und -zahler in den alten und in den neuen Bundesländern auf längere Sicht von der Finanzierung solcher Vorteile des Rentenversicherungssystems der DDR zu entlasten, die ihnen im System des SGB VI nicht mehr zugutekommen konnten. Das Bundesverfassungsgericht sah die Abschmelzung in fünf mit der Rentenanpassung gekoppelten Stufen sogar als behutsame Maßnahme an, die Bestandsrenten im Rahmen des Systemwechsels an das neue Recht heranzuführen.346 Mit diesen Entscheidungen war die Rentenüberleitung für die rund 4 Mio. Bestandsrentnerinnen und -rentner weitgehend abgeschlossen. Als besonderer Brennpunkt stellte sich die Überleitung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen heraus. Hauptgrund hierfür dürfte sein, dass diese Alterssicherungsform in der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik unbekannt war und mit deren Überleitung das im Einigungsvertrag normierte Ziel, ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffen und überhöhte Leistungen abzubauen,347 umgesetzt werden sollte.
345 346 347
BVerfG, 1 BvR 368/97 vom 11.5.2005, Absatz-Nr. 97, BVerfGE 112,368. Ebenda, Absatz-Nr. 94. Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 Buchst. b Nr. 1 des Einigungsvertrages, siehe im Anhang, 6. Gesetze und Rechtsquellen, III. 2.
140
Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
C Änderungen und Modifizierungen bei der Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen durch Gesetzgeber und Rechtsprechung348 C Änderungen und Modifizierungen
Im Vergleich zu der Überleitung der Renten aus der Sozialpflichtversicherung und der FZR kamen bei der Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Sonder- und Zusatzversorgungssystemen zwei Besonderheiten hinzu: Zum einen handelte es sich bei der Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften um „versicherungsfremde Leistungen“, die nicht mit den Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar waren und erst kompatibel gemacht werden mussten.349 Zum anderen betraf die Überführung die Alterssicherungsansprüche und -anwartschaften der früheren Führungsebene und anderer privilegierter Personen in der DDR. Damit war von Beginn an klar, dass die Überführung zugleich auch Gerechtigkeitsfragen aufwerfen würde, da dieser Personenkreis naturgemäß andere Vorstellungen von der rentenrechtlichen Bewertung ihrer Lebensarbeitsleistung hatten als beispielsweise diejenigen, die unter der DDR-Diktatur gelitten hatten. Die geschaffenen Normen zur Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen gaben zu einer Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten Anlass. Während zunächst die Entgeltbegrenzungen im Vordergrund standen, änderte sich dies durch die Modifikation der Begrenzungsregelungen durch die Entscheidungen des BVerfG vom 28.4.1999, die zu einem weitgehenden Wegfall der Entgeltbegrenzungen führten. Während das AAÜG anfangs als „Rentenstrafrecht“ verunglimpft wurde, bemühten sich weit über 150.000 Versicherte um eine „rückwirkende Aufnahme“, auch oft als „fiktive Einbeziehung“ bezeichnet, um an den Vorteilen dieses Gesetzes teilzuhaben zu können.350 Denn die Anwendung des AAÜG brachte Vorteile gegenüber denjenigen Versicherten, die in der Sozialpflichtversicherung und der FZR versichert waren. Bei diesen Personen wurde nur das in der Sozialpflichtversicherung und der FZR versicherte Entgelt berücksichtigt, während für den weitaus größeren Teil der Sonder- und Zusatzversorgten Arbeitsentgelte bis zur Beitragsbemessungsgrenze (West) maßgeblich waren und damit Beträge von mehr als 600 M – auch ohne Zahlungen zur FZR.
348 349 350
Siehe dazu die Übersicht in Tabelle 12. Michaelis, Zusatz- und Sonderversorgungssysteme der DDR, S. 516. Ulmer, Die fiktive Einbeziehung, S. 643.
C Änderungen und Modifizierungen
141
Ein Beispiel351 verdeutlicht dies: Ein im Jahr 1985 erzieltes Arbeitsentgelt in Höhe von 16.800 M (12 x 1.400 M) würde nach § 256 a SGB VI und damit nach der Berechnung von Renten aus der Sozialpflichtversicherung grundsätzlich nur in Höhe von 7.200 M (12 x 600 M) berücksichtigt, wenn der/die Betroffene keine Beiträge zur FZR geleistet hätte. Unterfällt dasselbe Entgelt dem AAÜG, so ist eine unterbliebene Zahlung zur FZR unschädlich. Vielmehr wird das gesamte Entgelt in die Rentenwertermittlung einfließen, denn die maßgebliche Beitragsbemessungsgrenze von 19.559,90 M wurde nicht überschritten. Eine Vielzahl von Verfassungsbeschwerden betraf die Stichtagsregelung zum Verbot der Neueinbeziehung nach § 22 RAnglG-DDR, das noch der DDRGesetzgeber erlassen hatte und das am 1.7.1990 in Kraft trat.352 Die große Zahl von gegen den Versorgungsträger geführten Prozesse um die „Einbeziehung“ in den Geltungsbereich des AAÜG ist verständlich.353 Dennoch hat das BVerfG mit seinem Urteil vom 26.10.2005354 die Rechtsprechung des BSG355 bestätigt, wonach über den eng verstandenen Wortlaut von § 1 Abs. 1 AAÜG hinaus nur solche Personen unter dessen Anwendungsbereich fallen, die zu keinem Zeitpunkt in ein Zusatzversorgungssystem förmlich einbezogen waren, nach der zum 31.7. 1991 maßgeblichen Rechtslage aber aufgrund der am 30.6.1990 bestehenden Sachlage einen Anspruch auf eine solche Einbeziehung356 gehabt hätten.357 Die vom Bundessozialgericht entwickelten Grundsätze waren allerdings nur anwendbar, wenn diese im Einzelfall am 30.6.1990 gegeben waren. Diesen vom Gesetzgeber festgelegten Stichtag hatte das Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet, auch wenn er unvermeidliche Härten mit sich brachte, z. B. wenn der volkseigene Betrieb vor dem 30.6.1990 in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt wurde. 351 352
353 354 355 356
357
Mey, § 307 a SGB VI: Rentenberechnung mit Ewigkeitsgarantie, S. 275. Statt vieler, BVerfG, 1 BvR 1921/04 vom 26.10.2005, Absatz-Nr. 34, wo das BVerfG sich deutlich äußert: „Die umfangreichen Ausführungen der Beschwerdeführer nehmen die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht nicht zur Kenntnis, die das Konzept der Rentenüberleitung aus Anlass der Deutschen Einheit in seinen wesentlichen Zügen verfassungsrechtlich gebilligt hat.“ Stoew, Verfassungskonforme Auslegung, S. 312. 1 BvR 1921/04, 1 BvR 203/05, 1 BvR 445/05 und 1 BvR 1144/05, SozR 4-8560 § 22 Nr 1. BSG, Urteil vom 9.4.2002, B 4 RA 31/01 R, B 4 RA 41/01 R. Nach der Rechtsprechung des BSG hängt der bundesrechtliche Anspruch auf Erteilung einer fiktiven Versorgungszusage von folgenden Voraussetzungen ab: Die Person muss berechtigt sein, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung), die entsprechende Tätigkeit muss tatsächlich ausgeübt worden sein (sachliche Voraussetzung) und zwar in einem volkseigenen Betrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem durch § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).(Ulmer, Die fiktive Einbeziehung, S. 644). BVerfG, 1 BvR 1921/04 vom 26.10.2005, Absatz-Nr. 41.
142
Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
Die Aufgabe des Gesetzebers war es, eine Lösung zu finden, die von allen beteiligten Gruppen in Ost und West mitgetragen werden konnte, mit der Verfassung vereinbar und verwaltungsmäßig administrierbar war. Diese Ziele hoffte der Gesetzgeber mit dem Renten-Überleitungsgesetz (RÜG)358 vom 25.7.1991 zu erreichen. Schon bald musste der Gesetzgeber die gefundenen Lösungen durch das
Gesetz zur Änderung des Renten-Überleitungsgesetzes (RÜG-ÄndG) vom 18.12.1991359, Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz (Rü-ErgG) vom 24.6.1993360, Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG-ÄndG) vom 11.11.1996361, Zweite Gesetz zur Änderung und Ergänzung des AAÜG (2. AAÜG-ÄndG) vom 27.7.2001362 und durch das Erste Gesetz zur Änderung des AAÜG (1. AAÜG-ÄndG) vom 21.6.2005363 nachbessern.
Das Bundesverfassungsgericht hatte mit seinen grundlegenden Entscheidungen vom 28.4.1999 u.a.364 weitgehende, aber noch keine gänzlich abschließende Klarheit geschaffen. Ausgangspunkt der folgenden Darstellung ist im Wesentlichen das Inkrafttreten des RÜG365 zum 1.1.1992. Neben der grundlegenden Systementscheidung, die Anrechte aus den Sonder- und Zusatzversorgungssystemen in die gesetzliche Rentenversicherung und nicht in die Beamtenversorgung, die Berufsständische Versorgung und die betriebliche Altersversorgung zu überführen, waren und sind folgende Überführungstatbestände Hauptgegenstände der Diskussion und der rechtlichen Auseinandersetzungen:
358
359 360 361 362 363 364 365
Gesetz zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung (Renten-Überleitungsgesetz – RÜG) vom 25.7.1991, BGBl. I S. 1606 ff. Art. 1 des RÜG sind die Änderungen im SGB VI; Art. 3 des RÜG ist das Gesetz zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (Anspruchsund Anwartschaftsüberführungsgesetz – AAÜG); Art. 4 des RÜG: Gesetz über das Ruhen von Ansprüchen aus Sonder- und Zusatzversorgungssystemen (Versorgungsruhensgesetz). BGBl. I S. 2207 ff. BGBl. I S. 1038 ff. BGBl. I S. 1674 ff. BGBl. I S. 1939 ff. BGBl. I S. 1672 ff. Siehe Übersicht über Verwendete Entscheidungen des BVerfG im Anhang 7. Siehe Teil 1, D. 3.
C Änderungen und Modifizierungen
143
Zahlbetragsbegrenzungen, Neufeststellung der Bestandsrenten und Entgeltbegrenzungen bei der Ermittlung von Entgeltpunkten.
Die Rechtsentwicklungen zu diesen drei zentralen Themen werden im Folgenden historisch dargestellt und analysiert. I
Die Regelungen im Staatsvertrag
Der Staatsvertrag vom 18.5.1990 sieht vor, bestehende Zusatz- und Sonderversorgungssysteme zu schließen, die erworbenen Ansprüche und Anwartschaften in die gesetzliche Rentenversicherung zu überführen, ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffen und überhöhte Leistungen abzubauen.366 Eine dahingehende Überprüfung wurde insbesondere von Vertreterinnen und Vertretern der DDR gefordert.367 Diese Forderung wurde bereits von den Vertreterinnen und Vertretern des sog. Rundes Tisches erhoben. Diese Überlegungen haben dann Niederschlag im Rentenangleichungsgesetz gefunden.368 II
Die Regelungen im Rentenangleichungs- und im Aufhebungsgesetz
Mit dem Rentenangleichungsgesetz (RAnglG-DDR) vom 28.6.1990369 hatte noch der DDR-Gesetzgeber, die Volkskammer, Eingriffe in die Ansprüche und Anwartschaften bei den Zusatzversorgungssystemen normiert. Mit dem RAnglG-DDR setzte die Volkskammer die Festlegungen des Staatsvertrages um, indem sie die Schließung der bestehenden Zusatzversorgungssysteme zum 30.6.1990 festlegte mit der Folge, dass keine Neueinbeziehungen mehr erfolgen konnten (§ 22 Abs. 1 RAnglG-DDR). In jüngster Zeit wird bestritten, dass die
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368 369
Staatsvertrag vom 18.5.1990: Art. 20 Abs. 2 S. 2: „Die bestehenden Zusatz- und Sonderversorgungssysteme werden grundsätzlich zum 1. Juli 1990 geschlossen.“ S. 3: „Bisher erworbene Ansprüche und Anwartschaften werden in die Rentenversicherung überführt, wobei Leistungen aufgrund von Sonderregelungen mit dem Ziel überprüft werden, ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffen und überhöhte Leistungen abzubauen“. Schmähl, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Band 11, III. Kapitel, Nr. 5, S. 607. Interview 2 (siehe im Anhang 1). Gesetz zur Angleichung der Bestandsrenten an das Nettorentenniveau der Bundesrepublik Deutschland und zu weiteren rentenrechtlichen Regelungen – Rentenangleichungsgesetz (RAnglG-DDR), GBl. I S. 495.
144
Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
Volkskammer die Versorgungssysteme geschlossen hat, um damit Ansprüche zu liquidieren: „…Es ist folglich aus dem Umstand, dass die Versorgungssysteme in Wendezeiten „geschlossen“ wurden, nicht abzuleiten, dass damit die bereits erworbenen Ansprüche liquidiert werden sollten. Im Gegenteil: in einem zweiten Gesetz wollte die Volkskammer die Wahrung der Ansprüche fixieren. Angesichts der Dynamik des Prozesses der Einheit kam es nicht mehr zur Verabschiedung dieses Gesetzes.“370
Durch § 22 Abs. 3 RAnglG-DDR wurde angeordnet, die bis zum 30.6.1990 erworbenen Ansprüche und Anwartschaften in die Rentenversicherung zu überführen. § 23 RAnglG-DDR sah eine Zahlbetragsgarantie für den Betrag, der bis zum 30.6.1990 gezahlten Renten und Zusatzversorgungen ab dem 1.7. 1990 (§ 23 Abs. 1 S. 1 RAnglG-DDR) ebenso vor, wie die Nichtangleichung dieser Renten an das westdeutsche Rentenniveau zum 1.7.1990. Weiterhin wurde eine Zahlbetragsbegrenzung für die Renten Zusatzversorgter in staatsnahen Bereichen normiert. Dabei definierte § 23 Abs. 2 RAnglG-DDR371 die staatsnahen Zusatzversorgten, für die eine Begrenzung des Zahlbetrags der Rente festgelegt wurde. Zusammen mit der höchstmöglichen Rente aus der Sozialpflichtversicherung (510 DM, ohne Berücksichtigung der Rentenangleichung) ergab sich eine Obergrenze von monatlich 2.010 DM. Das bedeutete, dass der Zahlbetrag der Zusatzversorgung auf 1.500 DM begrenzt wurde. Die Renten der Zusatzversorgten im staatsferneren Bereich (nach Anlage 1 Nr. 1,4 – 18 zum AAÜG) wurden mit dem RAnglG-DDR noch nicht begrenzt. Das RAnglG-DDR sah keine gesonderten Vorschriften zur Behandlung der Sonderversorgungssysteme vor. Dafür hatte die Volkskammer mit dem Gesetz über die Aufhebung der Versorgungsordnung des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit/Amtes für Nationale Sicherheit (MfS/AfNS372) – Aufhebungsge370
371
372
BT-Drucksache 17/1631 vom 6.5.2010 (Antrag der Fraktion DIE LINKE). Diese in der BTDrucksache erhobene Behauptung wird jedoch relativiert. Die Teilnehmer/innen des Runden Tisches hatten sich darauf verständigt, dass es Zahlbetragsbegrenzungen und damit Einschränkungen in der Alterssicherung geben sollte (Interview 2, siehe Anhang 1). „Zusätzliche Versorgungen aus Versorgungssystemen für hauptamtliche Mitarbeiter von Parteien, gesellschaftlichen Organisationen und der Gesellschaft für Sport und Technik, für Mitarbeiter des Staatsapparats, Generaldirektoren der zentral geleiteten Kombinate und ihnen gleichgestellte Leiter zentral geleiteter Wirtschaftsorgane… , die den Betrag von 1.500 DM übersteigen, werden ab 1. Juli 1990 maximal in Höhe von 1.500 DM gezahlt.“ Dies entspricht den Zusatzversorgungssystemen in Anlage 1 zum AAÜG, Nr. 2, 3, 19 – 27. Siehe auch Tabelle 5 in Teil 1, B., III., 2.2. Die Nachfolgeorganisation des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) war das Amt für Nationale Sicherheit (AfNS). Dieses Versorgungssystem beruhte zunächst auf dem Sonderversorgungssystem für Soldaten auf Zeit und Berufssoldaten des MfS, das im Jahre 1953 eingeführt
C Änderungen und Modifizierungen
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setz (AufhebG) vom 29.6.1990 die Aufhebung der Versorgungsordnung und Schließung zum 30.6.1990 (§ 1 S. 1 AufhebG) sowie die Kürzung der Versorgungen auf max. 990 DM373 monatlich (§ 2 AufhebG) 374 beschlossen. § 3 Abs. 3 AufhebG bestimmt weiter, dass die nach § 2 AufhebG vorgenommene Kürzung auch nach Überführung in die gesetzliche Rentenversicherung bei einer Neufeststellung beibehalten werden sollte. Die neu festgesetzten Renten sollten künftigen Rentenanpassungen unterliegen (§ 3 Abs. 4 AufhebG). Entsprechend § 27 RAnglG-DDR enthielt § 5 Abs. 1 AufhebG eine individuelle Kürzungs- bzw. Aberkennungsermächtigung nach Einzelfallprüfung.375 Die Volkskammer bezweckte mit dem AufhebG das Ziel, „den Rentenempfängern nach der Versorgungsordnung des MfS keine ungerechtfertigt wesentlich günstigeren Startbedingungen für die Zeit nach der Währungsunion einzuräumen als im zivilen Bereich“.376
Die drei weiteren Sonderversorgungssysteme (NVA, MdI und Zoll) konnten aus Zeitgründen vom letzten DDR-Gesetzgeber nicht mehr geschlossen werden.
373
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worden war. Während der Dauer des Dienstverhältnisses bestand Versicherungspflicht. Den dort Sonderversorgten war ein Beitrag von 10 % der Vergütung zu zahlen. Das MfS/AfNS entrichtete einen Versorgungsanteil in gleicher Höhe. Bei Erreichen der Altersgrenze und bei Invalidität betrug die Rente 75 % der monatlichen beitragspflichtigen Durchschnittsvergütung, mindestens jedoch 600 M. Im Zeitpunkt der Überführung in die gesetzliche Rentenversicherung wurden aus diesem Sonderversorgungssystem über 11.000 Renten gezahlt. (BVerfG, 1 BvL 11/94 vom 28.4.1999, Absatz-Nr. 3-5). Der Betrag von 990 DM entsprach dem Doppelten der am 1.7.1990 in der DDR bestehenden Mindestsicherung von 495 DM (330 DM Mindestrente und 165 DM Sozialzuschlag). GBl. I Nr. 38 S. 501 : § 2: Kürzung der Versorgungen: „Ab 1. Juli 1990 werden mit dem Ziel der Anpassung an das Niveau im zivilen Bereich die nach der Versorgungsordnung festgesetzten Renten vorläufig in folgender Höhe gezahlt. a) Die Alters- und Invalidenrenten werden um 50 % des 495 DM übersteigenden Betrages gekürzt, dürfen jedoch die Höhe von 990 DM nicht überschreiten...“. § 5 Abs. 1 AufhebG: „Ansprüche aus den Versorgungsordnungen können gekürzt oder aberkannt werden, wenn der Berechtigte in schwerwiegendem Maße seine Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer missbraucht hat. Durch die Kürzung darf die gesetzlich festgelegte Mindestrente nicht unterschritten werden.“ Diese Kürzungs- und Aberkennungsermächtigung wurde im Einigungsvertrag ausgeweitet: „2. darüber hinaus zu kürzen oder abzuerkennen, wenn der Berechtigte gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtstaatlichkeit verstoßen hat oder in schwerwiegendem Maße seine Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer missbraucht hat.“ (Einigungsvertrag, Anlage II, Kapitel VIII, Sachgebiet H, Abschnitt III Nr. 9 b). BVerfG, 1 BvL 11/94 vom 28.4.1999, Absatz-Nr. 18.
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Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
III Die Regelungen im Einigungsvertrag Mit dem Einigungsvertrag vom 31.8.1990 wurde zum einen festgelegt, dass die Ansprüche und Anwartschaften aus den Systemen der Sonder- und Zusatzversorgung nach Art, Grund und Umfang den Ansprüchen und Anwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung im Beitrittsgebiet unter Berücksichtigung der jeweiligen Beitragszahlung anzupassen sind.377 Damit war die sog. Systementscheidung im Grundsatz gefallen. Weiterhin wurde die Frist für die Überführung der Ansprüche und Anwartschaften bis zum 31.12.1991 verlängert. Die im RAnglG-DDR normierte Zahlbetragsgarantie wurde auf die Personen ausgedehnt, die vom 4.10.1990 bis zum 30.6.1995 leistungsberechtigt wurden.378 IV Die Rentenanpassungen zum 1.1.1991 und zum 1.7.1991 Seit dem 1.7.1990 waren die Nettoarbeitsverdienste in den neuen Bundesländern wesentlich stärker als in den alten Bundesländern angestiegen (siehe Teil 3 A., I.). Dies machte eine außerplanmäßige Rentenanpassung zum 1.1.1991 erforderlich. Um bei Bezieherinnen und Beziehern niedriger Zusatzversorgungen eine Verbesserung der Einkommenssituation zu erreichen, wurden Renten aus der Sozialpflichtversicherung und der FZR, die neben der Zusatzversorgung gezahlt wurden, in den neuen Bundesländern durch die 1. Rentenanpassungsverordnung (1. RAV)379 vom 14.12.1990 um 15 % erhöht. Rückwirkend zum 1.7.1990 wurde für diese Renten die Angleichung an das westdeutsche Niveau nachgeholt (§ 6 Abs. 1 1. RAV). Die sich ergebenden Erhöhungsbeträge wurden vollumfänglich auf die Zusatzversorgung angerechnet (§ 6 Abs. 2 1. RAV), was in über 30.000 Fällen zum Wegfall der Zusatzversorgung führte. Die Anrechnung hatte auch Auswirkungen auf die Zahlbeträge der Zusatzversorgungssysteme: Der monatliche Durchschnittsbetrag über alle Zusatzsysteme sank von 431 DM im Dezember 1990 auf 237 DM im Januar 1991.380
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Anlage II, Kap. VIII, Sachgeb. H, Abschn. III, Nr. 9 zum Einigungsvertrag, Text siehe im Anhang unter 6. Gesetze und Rechtsquellen, III., 2. Anlage II, Kap. VIII, Sachgeb. H, Abschn. III, Nr. 9 b S. 4 und 5 Einigungsvertrag; Text siehe im Anhang unter 6. Gesetze und Rechtsquellen, III., 2. Erste Verordnung zur Anpassung der Renten in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (1. Rentenanpassungsverordnung – 1. RAV) vom 14.12.1990, BGBl. I S. 2867. Schmähl in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Band 11, III. Kapitel, Nr. 5, S. 609.
C Änderungen und Modifizierungen
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Mit der 2. Rentenanpassungsverordnung (2. RAV)381 zum 1.7.1991 erfolgte eine weitere Erhöhung der Renten aus der Sozialpflichtversicherung und der FZR um 15 %. Der Erhöhungsbetrag wurde nur insoweit auf die verbleibende Zusatzversorgung angerechnet, als nach der Anpassung die Summe aus Rente und Zusatzversorgung bestimmte Grenzwerte (für Versicherte 1.500 DM, für Witwen und Witwer 900 DM, für Vollwaisen 600 DM und Halbwaisen 450 DM) überschritten wurden (§ 8 der 2. RAV). Damit war der Grundsatz des schonenden Abschmelzens in § 24 Abs. 5 RAnglG-DDR endgültig aufgehoben worden.382 Für Sonderversorgungssysteme erfolgten keine Rentenanpassungen im Jahr 1991. Der im Einigungsvertrag garantierte Betrag wurde in unveränderter Höhe weitergezahlt. V
Die Regelungen im AAÜG, im Rü-ErgG und im AAÜG-ÄndG
Die Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen wurde im Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG)383, das als Art. 3 des RÜG verkündet wurde und am 1.8.1991 in Kraft trat, umgesetzt. Die Schließung der noch von den Funktionsnachfolgern384 betriebenen Sonderversorgungssysteme der NVA, des MdI und der Zollverwaltung wurde in Anlage II zum Einigungsvertrag angeordnet.385 Die in den verschiedenen Systemen erworbenen Ansprüche und Anwartschaften auf Leistungen wegen Alters, verminderter Erwerbsfähigkeit und Tod wurden zum 31.12.1991 in die gesetzliche Rentenversicherung überführt (§ 2 Abs. 2 AAÜG). Damit galten Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem als Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung (§§ 259 b, 55 SGB VI). Die Bewertung der Zeiten knüpfte – unabhängig von einer Beitragszahlung – an die Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen an. Dadurch wurden die Berechtigten so behandelt, als hätten sie diese Verdienste in der gesetzlichen Rentenversicherung abgesichert. Sie wurden faktisch nachversichert.386 381
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384 385 386
Zweite Verordnung zur Anpassung der Renten und zu den maßgeblichen Rechengrößen in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet (2. Rentenanpassungsverordnung – 2. RAV) vom 19.6.1991, BGBl. I S. 1300. Mutz, Renten der Zusatzversorgung der Intelligenz, S. 427. Gesetz zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz – AAÜG), vom 25.7.1991, BGBl. I S. 1606, 1677. Siehe Tabelle 4 in Teil 1, B. II, 2.1. Deter, Sonderrechte für in der DDR ausgeübte Berufstätigkeit?, S. 12. BVerfG, 1 BvL 32/95 vom 28.4.1999, Absatz-Nr. 19, BVerfGE 100,1.
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Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
Die Systementscheidung stieß wegen der konsequenten Begrenzung der Leistungen durch die Beitragsbemessungsgrenze (§ 6 Abs. 1 AAÜG iVm. Anlage 3) und der damit für viele Betroffene reduzierten Leistungsansprüche auf große Widerstände. Die Vorgabe des Einigungsvertrages, überhöhte Leistungen abzubauen, wurde durch § 6 Abs. 2 und 3 AAÜG (in Verbindung mit den Anlagen 4, 5 und 8) und § 7 AAÜG (in Verbindung mit Anlage 6) für bestimmte Versorgungssysteme und Funktionsebenen in der Weise umgesetzt, dass auch Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen unterhalb der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze nicht in vollem Umfang berücksichtigt wurden.387 1
Neufeststellung der Bestandsrenten Sonder- und Zusatzversorgter (§ 307 b SGB VI)
Um das im Staats- und Einigungsvertrag festgelegte Ziel, ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffen und überhöhte Leistungen abzubauen, zu erreichen und vor allem einen anpassungsfähigen Monatsbetrag der Rente nach dem SGB VI zu bestimmen, sahen das RÜG und das Rü-ErgG vor, sämtliche der rd. 330.000388 am 31.12.1991 laufenden Zusatz- und Sonderversorgungen389 neu zu berechnen. Der Anspruch auf individuelle Neuberechnung der zunächst pauschal umgewerteten Renten bestand ab 1.1.1994. § 307 b SGB VI (idF. des RÜG) sah eine vollständige Neuberechnung390 der Renten aus Zusatzversorgungen rückwirkend zum 1.7.1990 bzw. ab Beginn der Rente, wenn diese danach begann, vor. Weil diese Neuberechnungen in der relativ kurzen zur Verfügung stehenden Zeit verwaltungsmäßig nicht umsetzbar waren, wurden diese Renten zunächst vorläufig und pauschal umgewertet und auf Grundlage der vorhandenen Daten ein anpassungsfähiger Rentenbetrag ermittelt (§ 307 b Abs. 5 und 6 SGB VI). Das pauschale Verfahren ging dabei von 387 388
389
390
Ebenda, Absatz-Nr. 55. Im ersten Halbjahr 1990 bezogen etwa 120.000 Personen Leistungen aus Sonderversorgungssystemen; etwa 230.000 Personen Leistungen aus Zusatzversorgungssystemen (Ohsmann, Renten mit Leistungen aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen der DDR, S. 105 f.). § 307 b Abs. 6 SGB VI bestimmte, dass die Sonderversorgten des MfS/AfNS von der pauschalen Umwertung ausgenommen waren und bis zur Neuberechnung der Rente nach den Vorschriften des SGB VI iVm. AAÜG unverändert weitergezahlt wurde. Dies betraf 11.600 überführte Sonderversorgungen des MfS/AfNS mit einem monatlichen Volumen von 7,7 Mio. DM. Von den umgewerteten Sonderversorgten entfielen 8.972 Zahlfälle (17,3 %) mit einem Volumen von monatlich 10,6 Mio. DM auf die Sonderversorgten der NVA, 41.614 Zahlfälle (80,4 %) mit einem Volumen von monatlich 35,2 Mio. DM auf die Sonderversorgten des MdI und 1.293 Zahlfälle (2,5 %) mit einem Volumen von monatlich 1,1 Mio. DM auf die Sonderversorgten der Zollverwaltung (Mutz, Aktuelle Probleme des AAÜG, S. 283). Petersen, Durchführung der Neuberechnung von Bestandsrenten, S. 93.
C Änderungen und Modifizierungen
149
dem beitragspflichtigen Durchschnittseinkommen der letzten 20 Jahre aus, das für die Rentenberechnung nach DDR-Recht maßgeblich und deshalb auch in den Datensätzen der DDR-Rentenversicherung verfügbar war. Das pauschale Verfahren begünstigte die Bezieherinnen und Bezieher niedriger Entgelte und geringer Zusatzversorgungsleistungen, denn die höchsten Anhebungsfaktoren waren auf den Durchschnittsverdienst ausgerichtet.391 Für Bestandsrenten Sonder- und Zusatzversorgter erfolgte dann die endgültige Ermittlung des monatlichen Rentenbetrages nach § 307 b Abs. 1 SGB VI, einer Sonderregelung zu § 307 a SGB VI. Anders als die vorläufige Feststellung nach § 307 b Abs. 5 SGB VI, die nur eine Übergangsregelung darstellte, erfolgte die endgültige Ermittlung des Rentenbetrags nach § 307 b Abs. 1 SGB VI auf der Grundlage des gesamten Versicherungslebens (§§ 63 ff., 254 b ff. SGB VI) und damit nach den Prinzipien der gesetzlichen Rentenversicherung in den alten Bundesländern. Sie erfasste sowohl die überführte Sonder- oder Zusatzversorgungsleistung wie auch eine gleichzeitig gezahlte Sozialpflichtversicherung und eine solche aus der FZR rückwirkend für die Zeiten des Bezugs der überführten Leistung, frühestens für Rentenbezugszeiten ab 1.7.1990. Tabelle 10 zeigt die Rentenhöhen vor und nach der Neuberechnung, Stand 1.7.1994. Insgesamt ist festzustellen, dass insbesondere Männer von der Neuberechnung betragsmäßig profitierten, zusatzversorgte Frauen in großer Zahl nach der Neuberechnung eine niedrigere Rente erhielten. Tabelle 10: Rentenhöhen vor und nach der Neuberechnung (Stand: 1.7.1994)
Anzahl Durchschnittlich Durchschnittlich Durchschnittlicher gesamt1 alteRentenhöhe neueRentenhöhe Differenzbetrag RentensindnachNeuberechnunghöher ZVMänner 64.000 1.630DM 2.130DM +500DM ZVFrauen 71.800 1.200DM 1.370DM +170DM SVMänner 19.100 1.280DM 1.570DM +290DM SVFrauen 4.400 980DM 1.150 DM +170DM RentensindnachNeuberechnungniedriger ZVMänner 5.000 1.900DM 1.720DM Ͳ 180DM ZVFrauen 18.400 1.120DM 1.000DM Ͳ 120DM SVMänner 2.900 1.650DM 1.430DM Ͳ 220DM SVFrauen 900 1.100DM 950DM Ͳ 150DM 1
AnteilbeͲ troff.Fälle 92,1% 74,3% 85% 80,2% 2
ͲͲͲ 2 ͲͲͲ 2 ͲͲͲ 2 ͲͲͲ
AnzahlderausgewertetenRentenbescheide;vondeninsgesamtrd.230.000Datensätzen,diederRentenbeͲ rechnungvonMitteMai1994biseinschl.Januar1996wurdenrd.217.000ausgewertet. hierzuliegenkeineZahlenvor. ZV–Zusatzversorgungssysteme;SV–Sonderversorgungssysteme Quelle:Ohsmann,RentenmitLeistungenausZusatzͲundSonderversorgungssystemenderDDR,aaO.,S.107. 2
391
Ohsmann, Zusatzversorgungssysteme, S. 162.
150
Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
Auch in der Zusatz- und Sonderversorgung bezogen Frauen – trotz der propagierten Chancengleichheit in der DDR – weitaus geringere Renten als Männer. 2
Zahlbetragsbegrenzungen (§ 10 AAÜG)
Im Folgenden ist bei den Zahlbetragsbegrenzungen zwischen den Renten der Zusatzversorgten und den Renten der Sonderversorgten zu unterscheiden: Zahlbetragsbegrenzungen für Zusatzversorgte § 10 Abs. 1 AAÜG normierte eine „vorläufige“ Zahlbetragsbegrenzung zum 1.8.1991 für alle Zusatzversorgten, nach der die Gesamtzahlbeträge aus Rente und Zusatzversorgung entgegen der Zahlbetragsgarantie im Einigungsvertrag auf höchstens 2.010 DM für Versicherte, auf 1.206 DM für Witwen- und Witwerrenten, auf 804 DM für Vollwaisenrenten und auf 603 DM für Halbwaisenrenten begrenzt wurden. Damit erfolgte eine Gleichschaltung mit den Zusatzversorgten im staatsnahen Bereich, für die die Zahlbetragsbegrenzung bereits durch das RAnglG-DDR zum 1.7.1990 angeordnet wurde. Als vorläufig wurde die Zahlbetragsbegrenzung deshalb bezeichnet, weil der Höchstbetrag für die betroffenen Personen so lange gezahlt werden sollte, bis der sich aus der Überführung ergebende dynamische – neu berechnete – Rentenanspruch den weiterzuzahlenden Betrag übersteigt.392 Das Bundessozialgericht bezeichnet in seinem Urteil vom 27.1.1993 den Begriff „vorläufig“ in der Überschrift des § 10 AAÜG als irreführend. Der 4. Senat sah darin für die Betroffenen vielmehr eine endgültige (Teil-) Entziehung des Anspruchs, da eine spätere Nachzahlung einbehaltener Beträge weder vorgesehen noch zugelassen sei.393 § 10 AAÜG sollte die im Einigungsvertrag geregelte Zahlbetragsgarantie durch eine Höchstbetragsregelung mit der Folge einer Kappung der darüber liegenden Renten ersetzen.394 Begründet wurde die Abkehr von der Zahlbetragsgarantie damit, dass die Beibehaltung der Besitzschutzregelung des Einigungsvertrages mit der Folge der Weiterzahlung und Neubewilligung von Leistungen bis zum Mehrfachen der Höchstrente aus der Rentenversicherung vor allem auch bei Personen, die unter den politischen Rahmenbedingungen der ehemaligen DDR in hohe und höchste Funktionen aufsteigen konnten und deren Versorgungsansprüche sich teilweise ausschließlich auf Ministerratsbeschlüsse – ohne Rechtsgrundlage in der jeweilige Versorgungsordnung – stützten, völlig unver392 393 394
BT-Drucksache 12/405, S. 148, Begründung zu § 10 AAÜG. BSG, 4 RA 40/92 vom 27.1.1993, Absatz-Nr. 50. BVerfG, 1 BvL 32/95 vom 28.4.1999, Absatz-Nr. 57.
C Änderungen und Modifizierungen
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tretbar gewesen wäre.395 Die Mitglieder der Fraktion der SPD des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung des Deutschen Bundestags warnten „vor einer Vermischung von Strafrecht und Sozialrecht“ und verwiesen darauf, dass es in der Geschichte der deutschen Sozialpolitik – von der NS-Zeit abgesehen – noch niemals den Versuch gegeben habe, die „Kürzung von Altersversorgungsleistungen zu strafrechtlichen Zwecken zu instrumentalisieren“. Sie unterstrichen nachdrücklich, dass sie keinen „Bestandsschutz für Empfänger hoher und höchster Leistungen, die im allgemeinen in besonderer Staats- und Systemnähe gearbeitet hätten“ unterstützen würden. Vielmehr hätten sie die zahlreichen Empfängerinnen und Empfänger von „Leistungen einer normalen Größenordnung, z. B. aus den Versorgungsordnungen für Pädagogen oder für technische und wissenschaftliche Intelligenz“ 396 im Blick. Aufgrund großer Proteste wurden die Zahlbetragsbegrenzungen in den „weniger staatsnahen“ Bereichen, wie bei der Zusatzversorgung der technischen, wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Intelligenz, durch Art. 3 Nr. 6 des Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetzes (Rü-ErgG) vom 24.6.1993397 rückwirkend zum 1.8.1991 auf 2.700 DM für Versichertenrenten und 1.620 DM für Witwen- und Witwerrenten angehoben (§ 10 Abs. 1 S. 2 AAÜG idF. des Rü-ErgG398). In den übrigen Bereichen mit größerer Staatsnähe blieb es bei den Begrenzungen durch das AAÜG (§ 10 Abs. 1 S. 1 AAÜG idF. des Rü-ErgG399). 395
396 397
398
399
Begründung der Gesetzentwürfe der Fraktionen der CDU/CSU und FDP vom 23.4.1991 (BTDrucksache 12/405, S. 108, 113, 148 und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 20.6.1991 (BT-Drucksache 12/826 zu BT-Drucksache 12/786, S. 11). BT-Drucksache 12/826, S. 11. Gesetz zur Ergänzung der Rentenüberleitung (Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz – Rü-ErgG) vom 24.6.1993, BGBl. I S. 1038. § 10 Abs. 1 S. 2 AAÜG idF. des Rü-ErgG: „Satz 1 gilt für die Summe der Zahlbeträge aus gleichartigen Renten der Rentenversicherung und Leistungen der Zusatzversorgungssysteme nach Anlage 1 Nr. 1 oder 4 bis 18 (Anm.: Bereiche mit weniger Staatsnähe bzw. staatsfernere Bereiche) mit der Maßgabe, dass vom 1. August 1991 an die Höchstbeträge für Versichertenrenten 2.700 DM und für Witwen- und Witwerrenten 1.620 DM betragen. Die Begrenzung nach Satz 2 ist auch vorzunehmen, wenn bei der Neuberechnung der Rente den Pflichtbeitragszeiten das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nach § 6 Abs. 1 zugrunde zu legen ist.“ § 10 Abs. 1 S. 1 AAÜG idF. des Rü-ErgG: „Die Summe der Zahlbeträge aus gleichartigen Renten der Rentenversicherung und Zusatzversorgungssysteme nach Anlage 1 Nr. 2, 3 oder 17 bis 27 (Anm: staatsnaher Bereich) sowie die Zahlbeträge der Leistungen der Sonderversorgungssysteme nach Anlage 2 Nr. 1 bis 3 (Anm.: NVA, MdI und Zollverwaltung) oder die Summe der Zahlbeträge der Leistungen nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 und 2 werden einschließlich des Ehegattenzuschlags vom Ersten des auf die Verkündung dieses Gesetzes folgenden Kalendermonats (Anm.: 1.8.1991) an auf folgende Höchstbeträge begrenzt: 1. für Versichertenrenten auf 2.010 DM, 2. für Witwen- und Witwerrenten auf 1.206 DM, 3. für Vollwaisenrenten auf 804 DM und 4. für Halbwaisenrenten auf 603 DM.“
152
Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
Die Neufassung des § 10 Abs. 1 S. 2 AAÜG durch § 3 Nr. 6 Rü-ErgG ging auch auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zurück. Der 4. Senat hatte gegen die mangelnde Differenzierung zwischen den Versorgungssystemen bei der Bestimmung der Höhe des Zahlbetrages verfassungsrechtliche Bedenken erhoben. Bereits am 27.1.1993, also noch vor Verabschiedung des RÜ-ErgG am 24.6.1993, hatte sich der 4. Senat des Bundessozialgerichts400 zum ersten Mal mit der Materie der Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen zu befassen. Das BSG überraschte mit seiner Entscheidung, das in Streit stehende Gesetz anzuwenden, es jedoch richtig auszulegen: Ausgehend von der Wertneutralität des Rentenrechts erschloss das Bundessozialgericht aus der Gesamtkonzeption des § 10 AAÜG verknüpfend mit den Vorgaben des Einigungsvertrages, des RAnglG-DDR und des AufhebG den Grundsatz, dass die Begrenzung nach § 10 AAÜG nur Versorgungsansprüche treffen soll, die auf politscher Begünstigung beruhen, also politische Privilegien sind.401 Gemeint sind Versorgungszusagen, bei denen das AAÜG in typisierender Bewertung vermutet, dass sie nicht oder nicht in vollem Umfang Äquivalent einer eigenen, für die Volkswirtschaft, der Quelle aller Sozialleistungen, nützlichen Arbeit oder Leistung des Berechtigten gewesen sind. Hauptziel des AAÜG ist dabei, alle Anspruchselemente auszusondern, die nicht auf volkswirtschaftlich sinnvoller Arbeit, sondern sachfremd auf politischer Begünstigung durch das Regime beruhen. Deshalb bedurfte es der gesetzlichen Klärung, welche der überführten Versorgungsansprüche auf Versorgungszusagen beruhten, die es ihrer Art nach nicht rechtfertigten, die Funktionsnachfolger der früheren Arbeitgeber weiterhin mit den Kosten zu belasten. Das BSG erkennt eine im AAÜG immanente dreistufige Typik zwischen Versorgungsansprüchen, die
auf qualitativ herausgehobener Arbeit und Leistung beruhen, zum Teil Gegenwert für Arbeit und Leistung sind und allein wegen der besonders regimenützlichen Tätigkeit gewährt wurden.402
Das AAÜG, so das Bundessozialgericht, unterscheidet beim ersten und wichtigsten Überführungsschritt bereits zwischen erarbeiteten, nur zum Teil verdienten und im Wesentlichen auf regimebedingter Gewährung beruhenden Rechten, indem § 5 AAÜG die Grundregel aufstellt, bei der Rentenberechnung im Rahmen der Pflichtbeitragszeiten das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze und damit bis zum 1,8-fachen des 400 401 402
BSG, 4 RA 40/92 vom 27.1.1993. Ebenda, Absatz-Nr. 57. BSG, 4 RA 40/92 vom 27.1.1993, Absatz-Nr. 63.
C Änderungen und Modifizierungen
153
Durchschnittsverdienstes zu bewerten. Die erste Einschränkung erfolgte bei den Zusatzversorgten (nach der Anlage 1 Nr. 2, 3, 19 – 27) und den Sonderversorgten (nach der Anlage 2 Nr. 1 – 3 und den in § 6 Abs. 3 AAÜG genannten Voraussetzungen) durch Begrenzung des Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens höchstens auf den Durchschnittsverdienst. Das BSG führt aus, dass bei typisierender Bewertung unter Berücksichtigung der allgemeinen Bedingungen in der DDR die Vermutung begründet sei, dass diese Versorgungsansprüche und die ihnen zugrundeliegenden Arbeitsentgelte jedenfalls teilweise sachwidrige Besserstellungen enthalten, also politische Vergünstigungen sind. Darin, dass die Entgelte von Personen, die zwar im regimenahen Bereich, aber unterhalb einer leistenden Funktion, beschäftigt waren, nicht auf die Durchschnittsentgelte begrenzt wurden, sieht das Gericht das Bemühen des Gesetzes, nur durch Arbeit und Leistung erworbene Rechtsposition zu überführen und politische Privilegien auszuschalten. Als spezielle Ausnahmeregelung unterwarf § 6 Abs. 5 iVm. § 7 AAÜG die Versorgungsansprüche der Beschäftigten des MfS/AfNS einer besonders einschneidenden Begrenzung auf 70 % des Durchschnittsentgelts. Die Begrenzung auf 2.010 DM hielt das Bundessozialgericht auch deshalb für angemessen, da der erstmals demokratisch legitimierte Gesetzgeber der DDR durch das RAnglG-DDR vom 28.6.1990 und das AufhebG vom 29.6.1990 die Grundentscheidungen des AAÜG insbesondere durch Abbau sachwidriger Besserstellungen vorbereitete. Das Bundessozialgericht verstand seine Rechtsprechung auch als Empfehlung an den Gesetzgeber, der diese jedoch nicht beachtete und mit dem Rü-ErgG vom 24.6.1993 erneut eine weitere Grenze durch die Anhebung der Zahlbetragsbegrenzung auf 2.700 DM für Zusatzversorgte staatsfernerer Bereiche in das Gesetz einzog und so die Drei-Stufen-Typik des Bundessozialgerichts ignorierte. In der Begründung führte der Gesetzgeber dazu aus, dass er damit „dem Anliegen“ des 4. Senats entsprochen hätte, durch die deutliche Erhöhung der Zahlbetragsbegrenzung um rd. ein Drittel bereits bei den besitzgeschützten zu zahlenden Beträgen ein deutliches Gefälle gegenüber den Personengruppen herzustellen, deren Einkommen nicht in vollem Umfang in die Rentenversicherung übernommen wurde.403 Nach Angaben der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte kam es in 955 Fällen (1,1 % aller Versichertenrenten aus Zusatzversorgungssystemen mit weniger Staatsnähe nach § 10 Abs. 1 S. 2 AAÜG idF. des Rü-ErgG) zu einer Begrenzung des Zahlbetrages auf 2.700 DM. Durchschnittlich betrug die Differenz zu dem noch im Juli 1991 erbrachten Gesamtzahlbetrag aus Renten der
403
BT-Drucks. 12/4810, Begründung A II Nr. 2, S. 21.
154
Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
Rentenversicherung und einer Leistung 610,95 DM (18,46 %).404
aus
Zusatzversorgungssystemen
Zahlbetragsbegrenzungen für Sonderversorgte Nachdem der letzte DDR-Gesetzgeber im AufhebG noch eine Kürzung der Versorgungen auf max. 990 DM angeordnet hatte, wurden die Renten für ehemalig Sonderversorgte im Bereich des MfS/AfNS mit Wirkung ab dem 1.8.1991 aufgrund § 10 Abs. 2 S. 1 AAÜG zum zweiten Mal auf feste Höchstbeträge herabgesetzt; auf 802 DM405 für Versichertenrenten, auf 481 DM für Witwen- und Witwerrenten, auf 321 DM für Vollwaisenrenten und auf 241 DM für Halbwaisenrenten (§ 10 Abs. 2 S. 1 AAÜG idF. des Rü-ErgG ). Die Zahlbetragsgarantie wurde durch einen Höchstbetrag ersetzt. Für Sonderversorgte von NVA, MdI und der Zollverwaltung erfolgte durch § 10 Abs. 1 AAÜG ab dem 1.8.1991 – ebenso wie für Zusatzversorgte – die gleiche Zahlbetragsbegrenzung auf max. 2.010 DM. 3
Entgeltbegrenzungen bei der Ermittlung von Entgeltpunkten (§§ 6, 7 AAÜG)
Die Bewertung von Zeiten im Rahmen der Rentenberechnung richtet sich grundsätzlich nach dem erzielten Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen. Das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen wird jedoch nicht in jedem Fall in voller Höhe anerkannt. Eine Entgeltbegrenzung bildet die Beitragsbemessungsgrenze. Der Gesetzgeber hat die Entgelte Zusatz- und Sonderversorgter in unterschiedlichster Art und Weise und zu verschiedenen Zeitpunkten begrenzt. Um die Komplexität der Entgeltbegrenzungen zu verdeutlichen, wird zwischen den Renten der Betroffenen wie folgt differenziert:
404 405
BVerfG, 1 BvL 32/95 vom 28.4.1999, Absatz-Nr. 73, BVerfGE 100,1. Der Zahlbetrag von 802 DM entsprach am 1.7.1991 dem Betrag einer durchschnittlich verfügbaren (noch nicht neu berechneten) Versichertenrente im Beitrittsgebiet. 8.548 Versichertenrenten aus dem Sonderversorgungssystem des MfS/AfNS wurden übernommen; bei 6.045 (entspricht 70,72 %) kam es zu einer Begrenzung auf 802 DM. Dabei wirkte sich die Zahlbetragsbegrenzung des § 10 Abs. 2 AAÜG nur bei solchen Versorgungsempfänger/innen aus, die am 30.6.1990 eine Versorgung über 1.1.00 DM bezogen hatten, denn nur sie hatten nach der Kürzung durch das AufhebG auf max. 990 DM) noch eine höhere Versorgung als 802 DM. Bei Versorgungsleistungen unter 1.100 DM hatte das AufhebG bereits zu deutlich stärkeren Kürzungen geführt als § 10 Abs. 2 AAÜG. (BVerfG, 1 BvL 11/94 vom 28.4.1999, Absatz-Nr. 48, 49).
C Änderungen und Modifizierungen
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Renten für Zusatzversorgte staatsferner Bereiche (§ 6 Abs. 1 AAÜG), Renten für Zusatz- und Sonderversorgte staatsnaher Bereiche (§ 6 Abs. 2 AAÜG), Renten für Zusatzversorgte nach § 6 Abs. 3 AAÜG, Renten für Zusatz- und Sonderversorgte staatsnaher Bereiche, die in Anlage 7 zum AAÜG genannt sind (§ 6 Abs. 4 AAÜG) und Renten für Sonderversorgte des MfS/AfNS (§ 7 Abs. 1 AAÜG).
Renten für Zusatzversorgte staatsferner Bereiche (§ 6 Abs. 1 AAÜG) Die für Renten aus der Sozialpflichtversicherung und der FZR geltende Begrenzung bis zur Beitragsbemessungsgrenze gilt auch für Zusatzversorgte nach der Anlage 1 Nr. 1 und 4–18 zu § 1 Abs. 2 AAÜG (staatsferne Bereiche). Für sie gilt § 6 Abs. 1 S. 1 AAÜG iVm. Anlage 3. Die Höchstbeträge in Anlage 3 gewährleisten, dass höchstens so viele Entgeltpunkte erwachsen können, wie bei einem Verdienst an der westdeutschen Beitragsbemessungsgrenze, etwa das 1,8-fache des Durchschnittsentgelts. Renten für Zusatz- und Sonderversorgte staatsnaher Bereiche (§ 6 Abs. 2 AAÜG) Um dem Ziel des Staats- und Einigungsvertrages, überhöhte Leistungen abzubauen, näher zu kommen, wurden durch § 6 Abs. 2 AAÜG die erzielten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen von Versicherten aus systemnahen Bereichen (Zusatzversorgte nach der Anlage 1 Nr. 2, 3 oder 19 – 27 und Sonderversorgte nach der Anlage 2 Nr. 1 – 3) auf Werte bis max. der Beitragsbemessungsgrenze begrenzt. Das RÜG sah noch vor, Entgelte im „staatsnahen“ Bereich, die über dem 1,4-fachen des Durchschnittsentgelts lagen, generell auf das Durchschnittsentgelt zu begrenzen.406 Noch vor Beginn der Neufeststellung der betroffenen Renten versuchte man im Rü-ErgG vom 24.6.1993 „Entschärfungen“ vorzunehmen, die aber nur Verfeinerungen des Kürzungsmechanismusses waren: Bei bis zum 1,4fachen des Durchschnittsentgelts wurde unterstellt, dass der Wert der geleisteten Arbeit dem bezahlen Entgelt entsprach, es erfolgte keine spezielle Begrenzung (es blieb bei der Begrenzung durch die Anlage 3 – BBG Ost). Bei einem Entgelt bis zum 1,6-fachen des Durchschnittsverdienstes wurde der anrechenbare Teil auf 1,4 beschränkt (Anlage 4 zu § 6 Abs. 2 AAÜG). Bei dem Teil, der das 1,6fache überstieg, wurde der überschießende Teil verdoppelt und von 1,4 abgezo-
406
Michaelis, Zusatz- und Sonderversorgungssysteme der DDR, S. 526.
156
Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
gen (Anlage 8 zu § 6 Abs. 2 AAÜG).407 Damit kam die Überzeugung zum Ausdruck, dass je höher das Entgelt eines Mitglieds eines Versorgungssystems war, desto stärker sein Entgelt politisch motiviert und desto größer die Berechtigung zur Kürzung war. Dabei hat der Gesetzgeber für bestimmte Gruppen von Personen aber auch Arbeitsverdienste für die Ermittlung von Entgeltpunkten unberücksichtigt gelassen, die unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze lagen. Diese Gruppen werden pauschal durch Zugehörigkeit zu einem bestimmten Versorgungssystem und zusätzlich pauschal durch die Höhe der Arbeitsentgelte bestimmt. Damit hat der Gesetzgeber typisierend unterstellt, dass die Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen dieser Personen durchweg überhöht waren. Im Gegensatz zur Einzelfallprüfung des § 27 RAnglG-DDR, wonach Ansprüche und Anwartschaften aus zusätzlichen Versorgungssystemen gekürzt werden konnten, wenn der Berechtigte in schwerwiegendem Maße seine Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer missbraucht hatte, ging also ein juristischer Rasenmäher pauschal über die erzielten Entgelte ab einer gewissen Höhe hinweg.408 Das Bundesverfassungsgericht hat dazu in seinen Entscheidungen vom 28.4.1999 Stellung genommen (siehe unten VI.2.). Für die kleine Gruppe der Minister, stellvertretenden Minister, stimmberechtigte Mitglieder von Staatsoder Ministerrat und ihre jeweiligen Stellvertreter (§ 6 Abs. 2 Nr. 4 AAÜG) hat das Bundesverfassungsgericht die Entgeltkürzungen auf den Durchschnittsverdienst (Anlage 5 zum AAÜG) in seiner Entscheidung vom 6.7.2010409 für verfassungsgemäß erkannt (siehe unten IX.). Renten für Zusatzversorgte nach § 6 Abs. 3 AAÜG Nach den Regelungen von § 6 Abs. 3 AAÜG idF. des Rü-ErgG vom 24.6.1993 galten die genannten differenzierten Begrenzungsregelungen. Bis zum 1,4fachen Durchschnittsverdienst (Anlage 4) gilt die BBG (Anlage 3). Bei einem Verdienst zwischen dem 1,4-fachen und dem 1,6-fachen (Anlage 8) erfolgte eine Begrenzung auf den 1,4-fachen Durchschnittsverdienst (Anlage 4); Bei Verdiensten über dem 1,6-fachen Durchschnittsverdienst (Anlage 8) erfolgte eine degressive Begrenzung auf den Durchschnittsverdienst (Anlage 5) – auch für 407
408 409
Zur Verdeutlichung ein Beispiel: ein Abteilungsleiter in einem Ministerium erzielte das 1,8-fache des Durchschnittsverdienstes. Er lag also um 0,2 über der Grenze von 1,6. Diese Differenz wurde verdoppelt und von 1,4 abgezogen. Er wurde also so behandelt, als ob er den Durchschnittsverdienst erzielt hätte. Dieses Verfahren wurde spöttisch als „Echternacher Sprungprozession“ (ein Sprung vor, zwei Sprünge zurück) bezeichnet (Mutz, Aufstieg und Fall eines Konzepts, S. 511). Mutz, Aufstieg und Fall eines Konzepts, S. 512. BVerfG, 1 BvL9/06 vom 6.7.2010.
C Änderungen und Modifizierungen
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Pflichtbeitragszeiten, in denen eine in § 6 Abs. 3 AAÜG genannte Beschäftigung410ausgeübt wurde. Renten für Zusatz- und Sonderversorgte staatsnaher Bereiche, die in Anlage 7 zum AAÜG genannt sind (§ 6 Abs. 4 AAÜG) Die Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen von Versicherten, die zwar einem Zusatzversorgungssystem nach der Anlage 1 Nr. 2, 3, 19 – 27 zu § 1 Abs. 2 AAÜG (staatsnaher Bereich) oder einem Sonderversorgungssystem nach der Anlage 2 Nr. 1 – 3 zu § 1 Abs. 2 AAÜG (NVA, MdI und Zollverwaltung) angehören, jedoch in Anlage 7411 zu § 6 Abs. 4 AAÜG genannt sind, werden ebenfalls von der Beitragsbemessungsgrenze begrenzt, weil der Gesetzgeber ihre Funktionen als weniger „staats- und systemnah“ angesehen hat (§ 6 Abs. 4 AAÜG).
410
411
§ 6 Abs. 3 AAÜG idF. des Rü-ErgG vom 24.6.1993: „Dies gilt auch für Pflichtbeitragszeiten, in denen eine Beschäftigung als 1. Betriebsdirektor, soweit diese Funktion nicht in einem Betrieb ausgeübt wurde, der vor 1972 in dessen Eigentum stand, 2. Fachdirektor eines Kombinats auf Leitungsebene oder einer staatlich geleiteten Wirtschaftsorganisation, 3. Direktor oder Leiter auf dem Gebiet der Kaderarbeit, 4. Sicherheitsbeauftragter oder Inhaber einer entsprechenden Funktion, sofern sich die Tätigkeit nicht auf die technische Überwachung oder die Einhaltung von Vorschriften des Arbeitsschutzes in Betrieben und Einrichtungen des Beitrittsgebiets bezog, 5. hauptamtlicher Parteisekretär, 6. Professor oder Dozent in einer Bildungseinrichtung einer Partei oder der Gewerkschaft FDGB, 7. Richter oder Staatsanwalt, 8. Inhaber einer hauptamtlichen Wahlfunktion auf der Ebene der Kreise, Städte, Stadtbezirke oder Gemeinden im Staatsapparat oder in einer Partei sowie Inhaber einer oberhalb dieser Ebene im Staatsapparat oder in einer Partei ausgeübten hauptamtlichen oder ehrenamtlichen Berufs- oder Wahlfunktion ausgeübt wurde.“ Unterschied zu § 3 Abs. 3 Satz 3 AAÜG idF. des RüG-ÄndG vom 18.12.1991: Ziff. 1 – 5 wortgleich; ehemalige Ziff. 6 („.Direktor oder Leiter einer pädagogischen Einrichtung im Bereich der Volks- und Berufsbildung, mit Ausnahme von Einrichtungen für Behinderte“) entfällt; ehemalige Ziff. 7 wird Ziff. 6; neu hinzu kam Ziff. 7 und 8. Die in § 6 Abs. 4 AAÜG in Bezug genommene Anlage 7 hatte folgenden Wortlaut: „Personen im Sinne des § 6 Abs. 4: Hauptamtliche Mitarbeiter 1. von Banken, Sparkassen, Versicherungen, der Sozialversicherung, des Feriendienstes, bei Kreisen, Städten, Stadtbezirken oder Gemeinden sowie bei Einrichtungen auf der Ebene der Kreise, Städte, Stadtbezirke oder Gemeinden für Zeiten ihrer Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 19 oder Nr. 22, 2. des Blinden- und Sehschwachenverbandes, 3. des Bundes der Architekten, 4. des Deutschen Roten Kreuzes, 5. des Gehörlosen- und Schwerhörigenverbandes, 6. der Kammer der Technik, 7. des Kulturbundes, 8. der Volkssolidarität, 9. der wissenschaftlichen Gesellschaft für Veterinärmedizin, 10. der agrarwissenschaftlichen Gesellschaft, 11. in Druckereien und Verlagen für Zeiten der Zugehörigkeit zu den Zusatzversorgungssystemen nach Anlage 1 Nr. 19 und 22 bis 27, mit Ausnahme der Leiter und Redakteure der Zeitungen, Zeitschriften, Druckereien und Verlage. Angehörige der Berufsfeuerwehr für Zeiten ihrer Zugehörigkeit zu dem Sonderversorgungssystem nach Anlage 2 Nr. 2.“
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Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
Renten für Sonderversorgte des MfS/AfNS (§ 7 Abs. 1 AAÜG) § 7 Abs. 1 S. 1 AAÜG sieht für Tätigkeiten im Bereich des MfS/AfNS eine Begrenzung des berücksichtigungsfähigen Entgelts bei der Ermittlung von Entgeltpunkten auf die Werte der Anlage 6 und damit höchstens auf 70 % des jeweiligen Durchschnittsentgelts im Beitrittsgebiet vor. Eine Höherbewertung nach den Regelungen zur Rente nach Mindesteinkommen (§ 262 SGB VI) wurde ausgeschlossen (§ 7 Abs. 1 S. 3 AAÜG). Grund für die Sonderregelung für Sonderversorgte des MfS/AfNS waren Gesichtspunkte des sozialen Rechtsempfindens und der sozialen Gerechtigkeit. Es wurde ausgeführt, es bestehe „aus dem Gefühl und dem Bewusstsein der sozialen Gerechtigkeit heraus“ das Bedürfnis, „Stasi-Renten“ zu kürzen; „gäbe es keine Kürzungen, würden die „Gequälten“ möglicherweise niedrigere Renten erhalten als die „Quäler“.412 Auch wenn es erklärtes Ziel des Gesetzgebers des RÜ-ErgG war, dass nur noch Spitzenfunktionäre Entgeltbegrenzungen hinnehmen sollten, so zeigte die Praxis, dass im Wesentlichen die mittlere und untere Führungsebene betroffen war.413 Im Ergebnis hatte sich nicht geändert, dass weniger die persönliche Verantwortung für die Stärkung oder Aufrechterhaltung des politischen Systems der DDR, als vielmehr die bloße Zugehörigkeit zu bestimmten Versorgungssystemen ausschlaggebend für die Entgeltbegrenzung war. Entgeltbegrenzungen durch das AAÜG-ÄndG vom 11.11.1996 Nur kurze Zeit nach Inkrafttreten des Rü-ErgG vom 24.6.1993, das die Überführung der Zusatzversorgungssysteme abschließen sollte,414 wurde deutlich, dass mit diesen Änderungen die politisch stark aufgeheizte Stimmung nicht zu befrieden war. Durch Zahlbetrags- und Entgeltbegrenzungen kam es bei den Betroffenen zu weitreichenden Einschränkungen, die unter Schlagworten wie „Rentenstrafrecht“ und „Siegerjustiz“ diskutiert wurden. Der sich formierende Widerstand verfehlte seine Wirkung nicht.415 Die Politik blieb nicht untätig. Am 10.11.
412
413
414 415
Norbert Blüm in der 24. Sitzung des Deutschen Bundestages anlässlich der 1. Lesung des RÜG, Stenographische Berichte der Sitzungen der 12. Legislaturperiode 1990 – 1994, 26.4.1991, S. 1629. Nach Anwendung der Entgeltbegrenzung des § 7 AAÜG erhielten rd. 7 % der MfS/AfNSsonderversorgten Männer und rd. 52 % der Frauen eine Rene unter 1.000 DM monatlich; bei den Versorgungen unter 1.400 DM betrug der Anteil der Männer rd. 78 %, bei den Frauen rd. 98 % (BVerfG, 1 BvL 11/94 vom 28.4.1999, Absatz-Nr. 64). Michaelis, Ergänzende Regelungen zur Überleitung, S. 261. Stephan, AAÜG-Änderungsgesetz in Kraft, S. 8.
C Änderungen und Modifizierungen
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1994 brachte die SPD-Bundestagsfraktion einen Antrag416 zur Novellierung des RÜG in den Bundestag ein und forderte u.a. die Abschaffung der Entgeltbegrenzungen, die Ausdehnung des Bestandsschutzes für Zusatz- und Sonderversorgte auf Rentenzugänge bis zum 31.12.1996 sowie die Beseitigung der Benachteiligung „systemnaher“ Zusatz- und Sonderversorgter bei der vorläufigen Zahlbetragsbegrenzung nach § 10 AAÜG. Etwa zwei Monate später brachten die Abgeordneten der PDS den Entwurf eines Gesetzes zur grundlegenden Korrektur des RÜG417 ein, der u. a. auf die „Behebung von Überführungslücken und -ungerechtigkeiten“ abzielte. Keine zwei Wochen später brachten Andrea Fischer und die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, die nun auch erkannten, dass Rentnerinnen und Rentner und insbesondere die rentennahen Jahrgänge in den neuen Bundesländern potentielle Wählerinnen und Wähler sind, einen Antrag418 ein, der ebenfalls die Abschaffung der Entgelt- und Zahlbetragsbegrenzungen – aber für die Zukunft – vorsah. Sie waren u. a. der Ansicht, dass für Beschäftigungszeiten im MfS/AfNS-Bereich Entgeltbegrenzungen auf das „ortsübliche Einkommen“ bzw. auf das Durchschnittseinkommen erfolgen sollten. Die vorläufigen Zahlbetragsbegrenzungen überführter Versorgungen ehemaliger MfS/AfNS-Angehöriger sollten von 802 DM auf 1.500 DM angehoben werden. Schließlich brachte die SPD am 31.5.1995 den Entwurf eines Gesetzes zur Korrektur des RÜG419 in das Gesetzgebungsverfahren ein und betonte darin u. a., dass das RÜG Vorschriften enthalte, die von den Betroffenen nicht zu Unrecht als Diskriminierung und politisches „Rentenstrafrecht“ empfunden würden. Es liege im Interesse der inneren Einheit Deutschlands, diese Diskriminierungen zu beseitigen.420 Damit war der Boden bei den Fraktionen der Regierungskoalition, die sich als Väter der Einheit sahen, für Nachbesserungen auf dem Gebiet der Zusatzund Sonderversorgungen bereitet. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung421 wurde am 22.3.1996 als Entwurf eines AAÜG-ÄndG eingebracht, am 27.9.1996 vom Deutschen Bundestag, am 18.10.1996 vom Bundesrat verabschiedet und am 14.11.1996 im Bundesgesetzblatt verkündet. Das AAÜG-ÄndG422 trat zum 1.1.1997 in Kraft. Wesentlicher Bestandteil des AAÜG-ÄndG war die Abschaffung der bis dahin geltenden Begrenzungen des für die Rentenberechnung nach dem SGB VI 416 417 418 419 420 421 422
BT-Drucks. 13/20 vom 10.11.1994. BT-Drucks. 13/216 vom 13.1.1995. BT-Drucks. 13/286 vom 25.1.1995. BT-Drucks. 13/1542 vom 31.5.1995. Stephan, AAÜG-Änderungsgesetz in Kraft, S. 9. BT-Drucks. 13/4587 vom 9.5.1996. AAÜG-ÄndG vom 11.11.1996, BGBl. I S. 1674.
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Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
berücksichtigungsfähigen Einkommens für den größten Teil der ehemaligen Angehörigen von Zusatz- und Sonderversorgungssystemen:
Das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen von staatsnah Zusatzversorgten, das das 1,4-fache des Durchschnittsverdienstes (Anlage 4) und mehr betrug, wurde auf den Durchschnittsverdienst (Anlage 5) begrenzt; Anlage 8 (1,6fache Durchschnittsentgelt) wurde gestrichen (s. o. 3.2.); ehrenamtlich in einer Berufungs- oder Wahlfunktion im Staatsapparat oder in der Partei oberhalb der Kreis- und Städteebene Tätige (§ 6 Abs. 3 Nr. 8 AAÜG) wurden von der Begrenzungsregelung des § 6 Abs. 3 AAÜG ausgenommen (s. o. 3.3) und § 6 Abs. 4 AAÜG und damit auch Anlage 7423 wurde gestrichen (s. o. 3.4.).
Künftig sollten sich die Begrenzungen auf drei Personengruppen beschränken:
Angehörige „staats- oder systemnaher“ Zusatz- und Sonderversorgungssysteme in einkommensmäßig privilegierter Stellung, Personen in „staats- oder systemnahen“ Funktionen in einkommensmäßig privilegierter Stellung und hauptberufliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des MfS/AfNS.
Nach dem AAÜG-ÄndG sollte eine Entgeltbegrenzung nur dann stattfinden, wenn das Gehalt der Gehaltstufe E 3 (ab 1985 Gehaltstufe 12) einschließlich Aufwandsentschädigung erreicht oder überschritten wurde. Dies entsprach dem Entgelt eines Hauptabteilungsleiters/einer Hauptabteilungsleiterin im zentralen Staatsapparat. Auf Ministerialebene war der/die Hauptabteilungsleiter/in direkt unter dem/der Staatssekretär/in angesiedelt und war demzufolge mit einem hohen Maß an Verantwortung und Entscheidungskompetenz ausgestattet. Die aus der Gehaltstufe E 3 abgeleiteten Grenzwerte sind in der (neuen) Anlage 4 zum AAÜG-ÄndG festgeschrieben.424 Wurden diese Grenzwerte erreicht oder überschritten, wurde als Arbeitsentgelt das durchschnittliche Jahresarbeitsentgelt der Beschäftigten in der DDR zugrunde gelegt. 423 424
Durch Art. 1 Nr. 3 c und Nr. 13 AAÜG-ÄndG vom 11.11.1996. Die Grenzwerte betrugen: für die Zeiten vom 1.1.1950 bis zum 31.12.1961: 31.560 DM jährlich; für die Zeiten vom 1.1.1962 bis zum 31.12.1971: 29.760 DM jährlich; für die Zeiten vom 1.1.1972 bis zum 31.12.1984: 31.560 DM jährlich und für die Zeiten vom 1.1.1985 bis zum 17.3.1990: 31.560 DM jährlich. Ab dem 18.3.1990, dem Tag der ersten freien und demokratischen Wahlen in der DDR erfolgte keine Begrenzung nach § 6 Abs. 2 AAÜG mehr. Im Jahr 1950 betrug das Einkommen der Gehaltsgruppe E 3 ungefähr das 9-fache, im Jahr 1989 noch rd. das 2,5-fache des Durchschnittsverdienstes (Schnell, Das Ende für die Entgeltbegrenzung, S. 558).
C Änderungen und Modifizierungen
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VI Zäsur durch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 28.4.1999 Am 28.4.1999 hat der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mehrere wegweisende Urteile zur Verfassungsmäßigkeit der Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme verkündet425. Die nachfolgende Tabelle 11 gibt eine Übersicht über die Entscheidungen, die anschließend zusammengefasst werden. Tabelle 11: Übersicht über die Entscheidungen des BVerfG vom 28.4.1999 zur Verfassungsmäßigkeit der Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme VorläufigeZahlbeͲ tragsͲ begrenzungen (SystemͲ entscheidung)
ZusammenfassungderLeitsätze DieÜberführungderA&AͲZVͲSVindieGRVistverfassungsgemäß (Systementscheidung). A&AͲZVͲSVgenießenEigentumsschutznachArt.14Abs.1GG. DieErhöhungdervorläufigenZBGbeistaatsfernerenZVab1.8.1991 auf2.700DMistnichtig(§10Abs.1AÜGidF.RüͲErgG).Ab1.1.1992ist derbestandsgeschützteZahlbetragzudynamisieren. EntgeltbeͲ 1BvL22/95 §§6Abs.2und6Abs.3Nr.7AAÜGwarenseitdem1.7.1993mitArt.3 grenzungen 1BvL34/95 Abs.1GGundArt.14Abs.1GGunvereinbar. DerGesetzgeberwurdeverpflichtet,biszum30.6.2001eineverfasͲ (BVerfGE100,59 sungsgemäßeRegelungzutreffen. ff.) Neuberechnung 1BvR1926/96 EsistmitArt.3Abs.1GGunvereinbar,dassbeiderNeuberechnungder derBestandsrenͲ 1BvR485/97 BestandsrentenSVͲZVAEdergesamtenVersicherungszeitherangezoͲ ten genwurden,währendfürdiesonstigenBestandsrentner/innenim (BVerfGE100, BeitrittsgebieteinZwanzigjahresjahreszeitraummaßgeblichist.§307b 104ff.) SGBVIistverfassungswidrig. DerGesetzgeberwurdeverpflichtet,biszum30.6.2001eineverfasͲ sungsgemäßeRegelungzutreffen. §6Abs.1S.1iVm.Anlage3AAÜGistverfassungsgemäß(BerücksichtiͲ gungderVerdienstebiszurBBG). VorläufigeZahlbeͲ 1BvL11/94 Entgeltbegrenzungenauf70%desjeweiligenDEimBeitrittsgebietsind tragsͲ 1BvL33/95 nichtig,soweitdaszugrundeliegendeAEunterdasjeweiligeDEabgeͲ begrenzungen 1BvR1560/97 senktwird(§7Abs.1AAÜGiVm.Anl.6). undEntgeltbeͲ ZBGauf802DMistnichtig(§10Abs.2S.1Nr.1AAÜG). ZBGauf990DM(durchdasAufhebG)warmitdemGGvereinbar grenzungen (BVerfGE100, 138ff.) Abkürzungen:ZV:Zusatzversorgung/Ͳversorgte;SV:Sonderversorgung/Ͳversorgte; A&AͲZVͲSV:AnsprücheundAnwartschaftenausZusatzͲundSonderversorgungssystemen; DE:Durchschnittsentgelt;AE:ArbeitsentgeltoderArbeitseinkommen;ZBG:Zahlbetragsbegrenzung; Quelle:eigeneDarstellung
425
Aktenzeichen 1BvL32/95 1BvR2105/95 (BVerfGE100, 1ff.)
Es handelt sich um Entscheidungen zu neun Einzelfällen (fünf Vorlagen des BSG bzw. des SG Gotha und vier Verfassungsbeschwerden). Die mündliche Verhandlung fand am 21.7.1998 statt. Mit den Entscheidungen wurde über Rechtsfragen entschieden, die für rund 100 weitere beim BVerfG und für ca. 20.000 bei Sozialgerichten anhängige Verfahren von Bedeutung waren.
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1
Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
Das Leiturteil
Die als Leiturteil426 bezeichnete Entscheidung ist das inhaltlich am umfassendsten begründete Urteil, auf das die folgenden Entscheidungen immer wieder Bezug nehmen. Es trifft Aussagen über die Verfassungsmäßigkeit der Systementscheidung, die Zahlbetragsgarantie und die vorläufigen Zahlbetragsbegrenzungen. Es beantwortet auch die Frage des vorlegenden Bundessozialgerichts, ob es verfassungsrechtlich zulässig sei, bei Angehörigen bestimmter Zusatzversorgungssysteme den Gesamtzahlbetrag aus Renten der Rentenversicherung der DDR und der Leistung aus einem Zusatzversorgungssystem für Rentenbezugszeiten ab 1.8.1991 vorläufig auf 2.700 DM monatlich zu begrenzen. Das Bundesverfassungsgericht hielt die Systementscheidung427, nämlich die Schließung der in der DDR bestehenden Zusatz- und Sonderversorgungssysteme und Überführung der darin erworbenen Ansprüche und Anwartschaften in die GRV, verfassungsrechtlich für unbedenklich, auch wenn sich dies für viele Zusatz- und Sonderversorgte nachteilig auswirkte und deren Sicherungsniveau von etwa 90 % auf etwa 70 % des im Lebensdurchschnitt erreichten Verdienstes absenkte. Das Bundesverfassungsgericht hat u. a. die systemschützende Bedeutung der Beitragsbemessungsgrenzen bekräftigt und betont, dass deren Anwendung mit der Überführung in die GRV vorgeprägt sei und nicht entfallen könne, ohne dass das Rentensystem gesprengt würde. Die Überführung als Ganzes dient einem wichtigen Gemeinwohlbelang, indem mit der Rechtsangleichung im Rentenrecht zugleich auch die Finanzierbarkeit der Sozialversicherung insgesamt erhalten bliebe. Das Bundesverfassungsgericht hat aber auch klargestellt, dass die in der DDR erworbenen und im Einigungsvertrag anerkannten Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen den Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG genießen.428 Sowohl die Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen in die gesetzliche Rentenversicherung wie auch die Entgeltbegrenzung auf die Beitragsbemessungsgrenze und die damit verbundene Niveauabsenkung wahren den Bezug zur persönlichen Arbeitsleistung und erhalten den Renten grundsätzlich ihre existenzsichernde Funktion. Für höher verdienende Zusatz- und Sonderversorgte sei die im Einigungsvertrag festgelegte und an der Beitragsbemessungsgrenze orientierte Zahlbetragsgarantie (Stichtag 1.7.1990) längstens bis Ende 1991 anzuwenden. Danach 426
427 428
Dem sogenannten Leiturteil lagen die Entscheidungen 1 BvL 32/95 (Vorlage des BSG) und 1 BvR 2105/95 (Verfassungsbeschwerde) zugrunde (BVerfGE 100, 1 ff.). Zur Systementscheidung siehe auch Teil 1, C. I. 7. und II. BVerfG, 1 BvL 32/95 vom 28.4.1999, Absatz-Nr. 144, BVerfGE 100,1.
C Änderungen und Modifizierungen
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sei durch entsprechende verfassungskonforme Auslegung der Einigungsvertrag so auszulegen, dass der garantierte Zahlbetrag für Bestandsrentnerinnen und rentner ab 1.1.1992 an die Lohn- und Einkommensentwicklung anzupassen sei. Diese – überraschende – Entscheidung wurde vom Bundesverfassungsgericht damit begründet, dass andernfalls die Betroffenen auf Dauer von der Dynamisierung, die seit 1957 zu den Wesensmerkmalen der GRV gehörte und ein grundlegendes Charakteristikum der Rentenversicherung sei, ausgeschlossen seien. Es führte aus, dass sich der Gesetzgeber nach dem Ende der bis zum 31.12.1991 dauernden Übergangsphase, ohne den Personenkreis der betroffenen Zusatzversorgten unverhältnismäßig zu belasten, nicht mehr auf die weite Gestaltungsfreiheit berufen konnte. Der Verzicht auf die Dynamisierung der Leistungen würde sonst einen für die Betroffenen nicht mehr zumutbaren Eingriff in ihre eigentumsgeschützten Ansprüche bewirken. Unterbliebe die Dynamisierung für die Bestandsrentnerinnen und -rentner aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen, käme dies der Beseitigung ihrer relativen versorgungsrechtlichen Position gleich. Der Wert ihrer Ansprüche würde sich stetig auf einen Bruchteil seines ursprünglichen Wertes verringern. Das Bundesverfassungsgericht sieht in der Dynamisierung einen Ausgleich dafür, dass sich die eigentumsrechtlichen Rechtspositionen der Betroffenen durch die Absenkung auf das in der GRV bestehende (niedrigere) Sicherungsniveau und die Anwendung der Beitragsbemessungsgrenze verschlechtert hätten.429 Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch (noch) offengelassen, wie die Dynamisierung zu erfolgen habe. Das Bundesverfassungsgericht erklärte die für Zusatzversorgte aus staatsferneren Bereichen zum 1.8.1991 durchgeführte rückwirkende Zahlbetragsbegrenzung (§ 10 Abs. 1 S. 2 AAÜG in der Fassung des Rü-ErgG vom 24.6.1993) bei der technischen, wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Intelligenz auf 2.700 DM für nichtig, da sie gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG verstoße. Der Gesetzgeber habe durch die Begrenzung einen „Teil des Gesamtzahlbetrages auf Dauer vorenthalten“ und damit in die durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützte Rechtsposition in unzulässiger Weise eingegriffen. Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen, die in der DDR erworben wurden, genießen jedoch den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG.
429
Ebenda, Absatz-Nr. 149.
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Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
Entgeltbegrenzungen bei staats- und systemnahen Versorgungssystemen und systemnahen Funktionen (§§ 6 Abs. 2 und 6 Abs. 3 Nr. 7 AAÜG)
In einem weiteren Urteil430 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Vorschriften über die Absenkung des rentenwirksamen Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens im Falle der Zugehörigkeit zu „staats- und systemnahen“ Versorgungssystemen und der Ausübung „systemnaher“ Funktionen (§ 6 Abs. 2 und 3 Nr. 7 AAÜG) in der Fassung des Rü-ErgG vom 24.6.1993 nur bis zum 30.6.1993 als verfassungsgemäß anzusehen, und damit mit dem Grundgesetz unvereinbar und deshalb nichtig sind. Das Bundesverfassungsgericht hat zugleich den Gesetzgeber verpflichtet, bis zum 30.6.2001 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen.431 Diese Verpflichtung erstreckte sich auf den gesamten von der Unvereinbarkeitserklärung betroffenen Zeitraum zwischen dem 1.7.1993 und dem 31.12.1996. Auf der Grundlage des Einigungsvertrages verfolgte § 6 Abs. 2 AAÜG das Ziel, überhöhte Leistungen für Personen, die mit ihren Tätigkeiten einen erheblichen Beitrag zur Stärkung oder Aufrechterhaltung des politischen Systems der DDR geleistet hatten, nicht in vollem Umfang in die Rentenversicherung zu übernehmen. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass hohe in der DDR erzielte Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen nicht notwendig auch „überhöhte“ Entgelte sind, deren rentenrechtliche Anerkennung der Gesetzgeber ohne weitere Nachprüfung versagen durfte. Allein aus der „Staats- und Systemnähe“ der Berufstätigkeit kann dies jedenfalls nicht geschlossen werden.432 3
Die Entscheidungen zur Neuberechnung von Bestandsrenten mit Zusatz- und Sonderversorgung433
Nach § 307 b SGB VI wurden für die Neuberechnung von Bestandsrenten bei Zusatz- und Sonderversorgten für die Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte 430
431
432 433
Dieser Entscheidung lagen die Vorlagen des BSG (1 BvL 34/95) und des SG Gotha (1 BvL 22/95) zugrunde (BVerfGE 100, 59). Dieser Verpflichtung kam der Gesetzgeber mit dem 2. AAÜG-ÄndG vom 27.7.2001 nach (s. u. VII.), das wiederum vom BVerfG mit Entscheidung vom 23.6.2004 für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt wurde. Das daraufhin erlassene 1. AAÜG-ÄndG vom 21.6.2005 (s. u. VIII.) steht erneut auf dem Prüfstand des BVerfG. BVerfG, 1 BvL 22/95 vom 28.4.1999, Absatz-Nr. 104, BVerfGE 100,59. Dem Verfahren lagen die Verfassungsbeschwerden 1 BvR 1926/96 und 1 BvR 485/97 zugrunde (BVerfGE 100, 104 ff.).
C Änderungen und Modifizierungen
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(Ost) die während der gesamten Versicherungszeit bezogenen tatsächlichen Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen zugrunde gelegt. Für die Bestandsrentnerinnen und -rentner aus der Sozialpflichtversicherung und der FZR wurde der monatliche Rentenbetrag nach § 307 a SGB VI hingegen in einem pauschalierten Verfahren auf Grundlage eines Zwanzigjahreszeitraumes (die letzten 20 Jahre vor Renteneintritt) ermittelt (siehe B. I.). Dieses Verfahren bewirkt typischerweise eine Besserstellung. Denn auch in der DDR hatten Versicherte regelmäßig gegen Ende ihres Erwerbslebens die höchsten Einkommen bezogen.434 Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass es mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar ist, dass Bestandsrenten mit Zusatz- und Sonderversorgung nach den während der gesamten Versicherungszeit erzielten Verdiensten berechnet werden, während die Umwertung von Bestandsrenten ohne Zusatz- und Sonderversorgung auf der Grundlage der – regelmäßig verdienstgünstigeren – letzten 20 Jahre des Arbeitslebens erfolgt. Diese Ungleichbehandlung hielt der 1. Senat für mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, da die Berechtigten aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen an der Vergünstigung für Bestandsrentnerinnen und rentner aus dem Beitrittsgebiet durch Berücksichtigung des Zwanzigjahreszeitraums nicht teilnehmen konnten. Das Bundesverfassungsgericht forderte den Gesetzgeber auf, bis zum 30.6.2001 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen.435 4
Das „Stasi-Urteil“
Nach Verkündung der Entscheidung, die sich mit der Kürzung der Versorgungsleistungen für Angehörige des MfS/AfNS) auseinandersetzte,436 dem „Stasi-Urteil“, erreichte die politische Diskussion um das Rentenstrafrecht einen Höhepunkt. Gegenstand der Verfahren war die Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus dem für Angehörige des MfS/AfNS 1953 geschaffenen Sonderversorgungssystem in die gesetzliche Rentenversicherung. Im Zeitpunkt der Überführung wurden rd. 11.000 Renten aus dem Sonderversorgungssystem MfS/AfNS gezahlt.437 Mit dem Aufhebungsgesetz vom 29.6.1990 setzte der DDR-Gesetzgeber die Vorgaben des Staatsvertrages vom 18.5.1990 um, indem er mit Wirkung zum 434 435 436
437
BVerfG, 1 BvR 1926/96 vom 28.4.1999, Absatz-Nr. 79, BVerfGE 100,104. Ebenda, Absatz-Nr. 102. Dem Verfahren lagen zwei Vorlagen des BSG (1 BvL 33/95 und 1 BvL 11/94) sowie eine Verfassungsbeschwerde (1 BvR 1560/97) zugrunde (BVerfGE 100, 138 ff.). BVerfG, 1 BvL 11/94 vom 28.4.1999, Absatz-Nr. 5, BVerfGE 100,138.
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Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
30.6.1990 das Sonderversorgungssystem schloss und ab 1.7.1990 „mit dem Ziel der Anpassung der Versorgungen an den zivilen Bereich“ (§ 2 AufhebG) die festgesetzten Renten um 50 % des 495 DM438 übersteigenden Betrages gekürzt hatte und einen max. Betrag von 990 DM439 anordnete. Dies sollte bis zum 31.12.1990 gelten. Der Einigungsvertrag vom 31.8.1990 änderte diese Vorgaben, indem der Zeitpunkt bis zum 31.12.1991 verlängert und eine Zahlbetragsgarantie440 festgelegt wurde. Mit Inkrafttreten des AAÜG zum 1.8.1991 begrenzte der Gesetzgeber die Zahlbeträge der Leistungen des Sonderversorgungssystems des MfS/AfNS für Rentenbezugszeiten ab 1.8.1991 auf feste Höchstbeträge (sog. vorläufige Zahlbetragsbegrenzung) für Versichertenrenten auf monatlich 802 DM441 (§ 10 Abs. 2 Satz 1 AAÜG). Mit dieser Bestimmung wurde die bereits im Aufhebungsgesetz gekürzte Versorgung für bestimmte Berechtigte weiter gekürzt. Der garantierte Zahlbetrag wurde durch einen Höchstbetrag ersetzt. § 7 Abs. 1 AAÜG442 bestimmte darüber hinaus, dass das üblicherweise bei der Neuberechnung nach dem AAÜG zugrunde zu legende Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen bis zur Beitragsbemessungsgrenze für Angehörige des MfS/ AfNS weiter begrenzt werde. Für sie sollten die Werte der Anlage 6 zum AAÜG gelten, die Verdienste höchstens bis zu 70 % des jeweiligen Durchschnittsverdienstes in den neuen Bundesländern rentenwirksam berücksichtigten. Eine Höherbewertung nach den Regelungen der Rente nach Mindesteinkommen (§ 262 SGB VI) war ausgeschlossen.443 Der Senat betonte in seiner Entscheidung, dass der Gesetzgeber zwar Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen – wie schon der DDR-Gesetzgeber in § 2 ff. AufhebG – nach § 7 AAÜG in typisierender Weise begrenzen durfte; als nicht gerechtfertigt aber sah er es an, sie unter das Niveau der jeweiligen Durchschnittsverdienste in den neuen Bundesländern abzusenken. Die Berücksichtigung der Arbeitsentgelte bis zur Höhe der jeweiligen Durchschnittsentgelte hielt das Bundesverfassungsgericht jedoch für zulässig. Im Gegensatz zu den Vorschriften des DDR-Gesetzgebers stellte die erneute Begrenzung auf bis zu 70 % 438
439
440 441
442 443
495 DM entsprach der am 1.7.1990 in der DDR bestehenden Mindestsicherung für Rentnerinnen und Rentner (Mindestrente aus der Sozialversicherung von 330 DM und einem Sozialzuschlag von 165 DM. Nach Angaben des BMA führte die Absenkung auf 990 DM bei Altersrenten monatlich zu Kürzungsbeträgen zwischen 0,5 % und 77,77 %, im Durchschnitt von 19,46 %; bei Invalidenrenten durchschnittlich von 33,78 %. Einigungsvertrag, Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 Buchst. b. 802 DM entsprachen zum 1.7.1991 dem Betrag einer durchschnittlich verfügbaren (noch nicht neu berechneten) Versichertenrente in den neuen Bundesländern. In der Fassung des AAÜG-ÄndG vom 18.12.1991. Die Nichtanwendbarkeit des § 262 SGB VI wurde erst mit dem 2. AAÜG-ÄndG vom 27.7.2001 aufgehoben.
C Änderungen und Modifizierungen
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„eine erhebliche Verschärfung“444 dar. Das Bundesverfassungsgericht hielt eine Absenkung höchstens auf das Durchschnittsentgelt für zulässig, um das legitime Ziel des Gesetzgebers, überhöhte Arbeitsverdienste abzubauen, zu verwirklichen445 und gestand dem Gesetzgeber zu, dass er davon ausgehen durfte, dass in diesem Bereich deutlich überhöhte Entgelte gezahlt wurden. Das Bundesverfassungsgericht begründet seine Entscheidung, dass die Begrenzung auf 70 % des jeweiligen Durchschnittsverdienstes das Eigentum unzulässig einschränke und damit das Eigentumsrecht aus Art. 14 GG verletze, u. a. damit, dass „nach der Überführung von Versorgungsansprüchen und -anwartschaften in die gesetzliche Rentenversicherung jedenfalls ein Leistungsrest erhalten bleiben muss, der den Zweck einer bedürftigkeitsunabhängigen Sicherung nach einem vollen Versicherungsleben erfüllt“446.
Eine solche bedürftigkeitsunabhängige Altersversorgung war nicht mehr gewährleistet. Die Verfassungswidrigkeit des § 7 Abs. 1 Satz 1 AAÜG (in Verbindung mit Anlage 6) führte zur Nichtigkeit, soweit für die Rentenberechnung das zugrunde zu legende Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen unter das jeweilige Durchschnittsentgelt im Beitrittsgebiet abgesenkt wird. Die Verfassungswidrigkeit des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AAÜG und damit die Begrenzung der Zahlbeträge der Leistungen des Sonderversorgungssystems MfS/AfNS auf 802 DM monatlich bei Versichertenrenten hat ebenfalls die Nichtigkeit zur Folge. VII Das 2. AAÜG-ÄndG vom 27.7.2001 Der Gesetzgeber reagierte auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum AAÜG mit Verabschiedung des 2. AAÜG-ÄndG vom 27.7.2001.447 Die wesentlichen Inhalte der Neuregelungen sind:
444 445 446 447
Der Vertrauensschutz für rentennahe Jahrgänge, der bislang für den Fall galt, dass eine Rente vom 1.1.1992 bis zum 31.12.1993 beginnt, wurde auf einen Beginn bis 30.6.1995 ausgedehnt (§ 4 Abs. 4 AÜG).
BVerfG, 1 BvL 11/94 vom 28.4.1999, Absatz-Nr. 159, BVerfGE 100,138. Ebenda, Absatz-Nr. 144, 164. Ebenda, Absatz-Nr. 166. BGBl. I S. 1939 ff.
168
448
449 450
Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
Der besitzgeschützte Zahlbetrag wird mit den Anpassungswerten der alten Bundesländer nach §§ 63 Abs. 7 und 68 SGB VI dynamisiert (§ 307 b Abs. 5 SGB VI). Die vorläufige Zahlbetragsbegrenzung (§ 10 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AAÜG idF. des Rü-ErgG vom 24.6.1993) für Leistungen aus den staatsfernen Zusatzversorgungssystemen (Anlage 1 Nr. 1 und 4 – 18 zum AAÜG) auf 2.700 DM bei Versichertenrenten und 1.620 DM für Witwen- und Witwerrenten wird in Umsetzung des Leiturteils448 aufgehoben. Es gelten wieder die im AAÜG idF. des RüG-ÄndG vom 18.12.1991 festgelegten Zahlbetragsbegrenzungen von 2.010 DM für Versichertenrenten, 1.206 DM für Witwen- und Witwerrenten, 804 DM für Vollwaisenrenten und 603 DM für Halbwaisenrenten. Da das Bundesverfassungsgericht die vom letzten DDR-Gesetzgeber im AufhebG vom 29.6.1990 festgesetzten Zahlbetragsbegrenzungen für das Sonderversorgungssystem des MfS/AfNS für verfassungsgemäß gehalten hat, wurde in § 10 Abs. 2 Satz 1 AAÜG die Fortgeltung von § 2 AufhebG angeordnet. Die Entgeltbegrenzung des § 7 AAÜG zur Rentenberechnung von Sonderversorgten des MfS/AfNS wird durch Anhebung der Werte der Anlage 6 (Art. 1 Nr. 12 des 2. AAÜG-ÄndG) von 70 % des Durchschnittsverdienstes auf 100 % des Durchschnittsverdienstes abgeändert. Dies führte dazu, dass die Arbeitsverdienste mindestens in Höhe des Durchschnittsverdienstes im Beitrittsgebiet (ein Entgeltpunkt) berücksichtigt wurden.449 Dabei hatte das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidungsformel eine „Teilnichtigkeitserklärung“ ausgesprochen, soweit es die Absenkung des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgeltes „unter das jeweilige Durchschnittsentgelt“ betraf, einen Neuregelungsauftrag damit jedoch nicht verbunden. Gleichwohl waren mit dem 2. AAÜG die Werte der Anlage 6 zum AAÜG von 70 % auf 100 % des Durchschnittsverdienstes angehoben worden.450 Da das Bundesverfassungsgericht die Entgeltbegrenzungen der staatsnahen Zusatz- und Sonderversorgten (§ 6 Abs. 2 iVm. Anlagen 4, 5 und 8 und § 6 Abs. 3 Nr. 7 AAÜG idF. des Rü-ErgG) für die Zeit seit dem 1.7.1993 für verfassungsgemäß gehalten hat, beließ es der Gesetzgeber des 2. AAÜG-ÄndG beim Wortlaut des § 6 Abs. 2 und 3 AAÜG, setzte jedoch rückwirkend zum 1.7.1993 den maßgeblichen Jahreshöchstverdienst in HöMit der Entscheidungsformel des Urteils des BVerfG (Az: 1 BvL 32/95 und 1 BvR 2105/95) vom 28.4.1999 wurde § 10 Abs. 1 Satz 2 AAÜG idF. des Rü-ErgG vom 24.6.1993 für nichtig erklärt. Heller, Entwurf und praktische Umsetzung eines 2. AAÜG-Änderungsgesetz, S. 67. Mey, Im Jahr 15 nach dem Mauerfall, S. 119.
C Änderungen und Modifizierungen
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he des im jeweiligen Jahr im Beitrittsgebiet erzielten Durchschnittsentgeltes (wie bereits mit dem AAÜG-ÄndG 1996) fest. Das bedeutete, dass die tatsächlichen Arbeitsentgelte für Zeiten, in denen eine dem Hauptabteilungsleiter im Staatsapparat der ehemaligen DDR vergleichbare Tätigkeit ausgeübt wurde, auf Werte unterhalb der allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze begrenzt wurden.451 VIII 1
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23.6.2004 und das Erste AAÜG-ÄndG vom 21.6.2005 Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23.6.2004
Das Bundesverfassungsgericht entschied am 23.6.2004 in drei Normenkontrollverfahren erneut die Verfassungswidrigkeit von Begrenzungen der berücksichtigungsfähigen Entgelte aus den Sonder- und Zusatzversorgungssystemen. Die durch das AAÜG-ÄndG und durch das 2. AAÜG-ÄndG erfolgten Modifizierungen der §§ 6 Abs. 2 (iVm. den Anlagen 4 und 5) und § Abs. 3 Nr. 8 des AAÜG sind mit Art. 3 GG insoweit unvereinbar, als sie Rentenbezugszeiten nach dem 30.6.1993 betreffen. Der Gesetzgeber wurde verpflichtet, bis zum 30.6.2005 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen.452 Das Bundesverfassungsgericht begründete seinen Beschluss damit, dass der Gesetzgeber zum Ordnen von Massenerscheinungen zwar typisieren durfte, ohne allein wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. An die Zulässigkeit einer Typisierung stellte es jedoch Anforderungen, die das Gericht selbst in seiner Entscheidung vom 28.4.1999 für den Bereich des AAÜG näher bestimmte. An diesen Grundsätzen hielt der Erste Senat fest und führte aus, dass die nunmehr zu prüfenden Entgeltbegrenzungsvorschriften diesen Maßstäben (wiederholt) nicht gerecht werden würden. Sie benachteiligten Personengruppen, zu denen die Kläger des Ausgangsverfahrens gehörten. Zwar milderte die Neuregelung die Höhe des Arbeitsentgelts als Begrenzungskriterium in der Wirkung ab, jedoch wurde die Abgrenzung der Berechtigten nach ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten Versorgungssystemen unverändert gelassen. Auch die Neuregelung beruhte insoweit auf der unzulässigen Gleichstellung von „hohem Einkommen“ und „überhöhtem Einkommen“. Allein die Höhe des Arbeitseinkommens ist – als zusätzliches Kriterium zur Zugehörigkeit zu einem bestimmten Versorgungssystem – nicht von vorneherein ungeeig451 452
Heller, Entwurf und praktische Umsetzung eines 2. AAÜG-Änderungsgesetz, S. 66. Dieser Aufforderung kam der Gesetzgeber mit Erlass des 1. AAÜG-ÄndG vom 21.6.2005 nach.
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Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
net, den Tatbestand eines überhöhten Entgelts zu erfassen. Die Umsetzung einer solchen Regel muss aber auf Tatsachen beruhen, die die Annahme rechtfertigen, dass überhöhte Arbeitsentgelte gerade an die vom Gesetz erfassten Gruppen gezahlt worden sind oder dass Entgelte ab den vom Gesetz festgelegten Grenzen als überhöht angesehen werden müssen.453 Das Bundesverfassungsgericht forderte, dass der Bestimmung von Überhöhungstatbeständen Kriterien zugrunde gelegt werden müssen, die in den tatsächlichen Verhältnissen eine Entsprechung fänden. Dem würden die angegriffenen Vorschriften des AAÜG nicht gerecht, weil bei gleich bleibendem Mechanismus ohne weitere tatsächliche Erkenntnisse lediglich die benachteiligten Gruppen verkleinert und der Kürzungsmechanismus beibehalten, aber vergröbert worden sei.454 Das Bundesverfassungsgericht forderte den Gesetzgeber auf, einen sachgerechten Kürzungsmechanismus zu wählen und wies darauf hin, dass in der DDR erzielte hohe Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen nicht notwendig „überhöhte“ Entgelte gewesen seien, deren rentenrechtliche Anerkennung der Gesetzgeber nicht ohne weitere Nachprüfung versagen dürfe. 2
Das Erste AAÜG-ÄndG vom 21.6.2005
Mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes455 vom 21.6.2005456 hat der Gesetzgeber die Vorgaben wenige Tage vor Ablauf der vom Bundesverfassungsgericht aufgegebenen Frist umgesetzt.457 § 6 Abs. 3 AAÜG wurde aufgehoben und § 6 Abs. 2 AAÜG wurde geändert und nennt nun pauschalierend konkrete Personengruppen und Funktions-
453 454 455
456 457
BVerfG, 1 BvL 3/98 vom 23.6.2004, Absatz-Nr. 65, BVerfGE 111,115. BVerfG, 1 BvL 9/06 vom 6.7.2010, Absatz-Nr. 18, NdS MBl 2010, 814. Das 1. AAÜG-ÄndG vom 21.6.2005 folgte dem 2. AAÜG-ÄndG vom 27.7.2001, welches dem AAÜG-ÄndG vom 11.11.1996 folgte, das wiederum dem Rü-ErgG vom 24.6.1993 folgte. Zugrunde lag das RÜG vom 25.7.1991. Vor Ausfertigung des für die „Reinheit der Gesetze“ zuständigen Bundesjustizministeriums war diesem aufgefallen, dass es noch kein 1. AAÜG-ÄndG, sondern nur ein AAÜG-ÄndG und daran anschließend bereits ein 2. AAÜG-ÄndG gab. Der zuständige Mitarbeiter des Ministeriums bestand drauf, dass es auf jeden Fall – der guten Ordnung halber – noch ein 1. AAÜG-ÄndG geben müsse und das an das 2. AAÜG-ÄndG anschließende Gesetz keinesfalls ein 3. AAÜG-ÄndG sein könne. So ist erklärlich, dass das 1. AAÜG-ÄndG nach dem 2. AAÜG-ÄndG folgt. BGBl. I S. 1672. Der Deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf in seiner 172. Sitzung am 21.4.2005 in erster Lesung behandelt und zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung überwiesen, der ihn in der 103. Sitzung am 11.5.2005 beraten und mit Beschlussempfehlung BT-Drucksache 15/5488 abgeschlossen hat.
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gruppen,458 die ein führendes Partei- oder Staatsamt bekleidet hatten und bei denen von einer weisungsgleichen Einflussmöglichkeit auf das MfS sowie das AfNS auszugehen wart.459 Die Änderung wurde durch Art. 2 Abs. 3 des 1. AAÜG-ÄndG rückwirkend zum 1.6.1993 in Kraft gesetzt.460 Eine schnelle Einigung war erforderlich geworden. Denn ohne eine Neuregelung wäre es zu einem Widerspruch gekommen, dass diejenigen, die in herausgehobenen Funktionen im Partei- und Staatsapparat dem MfS und AfNS gegenüber weisungsbefugt waren, erheblich höhere Renten erhalten hätten als jene, deren für die Rentenberechnung relevanten Entgelte wegen der Mitarbeit im MfS und AfNS auf das Durchschnittsentgelt begrenzt werden. Ergänzend sei an das in bestimmten Staatsbereichen der DDR herrschende „Gesamtkonzept der Selbstprivilegierung“ anzuknüpfen. So habe es jedenfalls in den höchsten Ebenen des sog. Kadernomenklatursystems der DDR bei der Besetzung von Schlüsselpositionen eine systemimmanente Selbstbegünstigung gegeben, die generell politischer Zuverlässigkeit den Vorrang vor fachlicher Eignung eingeräumt habe.461 Den nun genannten Personen unterstellt der Gesetzgeber Weisungsbefugnis gegenüber dem MfS/AfNS und verweist zur Begründung auf § 6 Abs. 5 des Stasi-Unterlagen-Gesetzes vom 20.12.1991462 hin. Dort wird die Weisungsbefugnis gegenüber dem MfS/AfNS als Tatbestand aufgeführt.463
458
459 460 461 462
463
§ 6 Abs. 2 AAÜG wird wie folgt gefasst: „Für Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem nach Anlage 1 oder Anlage 2 Nr. 1 bis 3 bis zum 17. März 1990, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt wurde als 1. Mitglied, Kandidat oder Staatssekretär im Politbüro der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, 2. Generalsekretär, Sekretär oder Abteilungsleiter des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) sowie als Mitarbeiter der Abteilung Sicherheit bis zur Ebene der Sektorenleiter oder als die jeweiligen Stellvertreter, 3. Erster oder Zweiter Sekretär der SED-Bezirks- oder Kreisleitung sowie Abteilungs- oder Referatsleiter für Sicherheit oder Abteilungsleiter für Staat und Recht, 4. Minister, stellvertretender Minister oder stimmberechtigtes Mitglied von Staats- oder Ministerrat oder als ihre jeweiligen Stellvertreter, 5. Vorsitzender des nationalen Verteidigungsrates, Vorsitzender des Staatsrats oder Vorsitzender des Ministerrats sowie als in diesen Ämtern ernannter Stellvertreter, 6. Staatsanwalt in den vom Ministerium für Staatsicherheit sowie dem Amt für nationale Sicherheit durchzuführenden Ermittlungsverfahren zuständigen Abteilung I der Bezirksstaatsanwaltschaften, 7. Staatsanwalt der Generalstaatsanwaltschaft der DDR, 8. Mitglied der Bezirks- oder Kreis-Einsatzleitung, 9. Staatsanwalt oder Richter der I-A-Senate, ist den Pflichtbeitragszeiten als Verdienst höchstens der jeweilige Betrag der Anlage 5 zugrunde zu legen.“ BT-Drucksache 15/5314 vom 19.4.2005, Begründung A. 2., S. 4. BVerfG, 1 BvL 9/06 vom 6.7.2010, Absatz-Nr. 31. BT-Drucksache 15/5488 vom 11.5.2005, Bericht der Abgeordneten Maria Michalk, IV., A. Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (Stasi-Unterlagen-Gesetz – STUG) vom 20.12.1001, BGBl. I S. 2272; Entwurf des STUG, BT-Drucksache 12/1093 vom 29.8.1991, S. 21. Schnell, Das erste Gesetz zur Änderung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes, S. 419.
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Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
IX Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Entgeltbegrenzung bei Ministern, Staatssekretären u.a. vom 6.7.2010 (§ 6 Abs. 2 Nr. 4 AAÜG) Gegen die Regelungen des 1. AAÜG-ÄndG vom 21.6.2005 wurden Verfassungsbeschwerde und Antrag auf Normenkontrollverfahren beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Die Fraktion DIE LINKE hat mit BT-Drucksache 16/7035 vom 7.11.2007 den Entwurf eines (zweiten) „Zweiten Gesetzes zur Änderung des Anspruchsund Anwartschaftsüberführungsgesetzes (2. AAÜG-ÄndG)“ in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht, das vorsieht § 6 Abs. 2 AAÜG idF. des 1. AAÜGÄndG vom 21.6.2005 rückwirkend zum 1.7.1993 ersatzlos zu streichen und damit die Entgelte der staatsnahen Versorgungsberechtigten bis zur Beitragsbemessungsgrenze in die Rentenberechnung einzubeziehen. Im Gesetzentwurf wird von 1.000 bis 2.000 zumeist hoch betagten Betroffenen ausgegangen. Begründet wird der Entwurf damit, dass mit dem 1. AAÜG-ÄndG erneut eine an den ausgeübten Tätigkeiten und Funktionen orientierte Typisierung getroffen wurde, die den Vorgaben des BVerfG nicht entspricht. Das Bundesverfassungsgericht hat am 6.7.2010 beschlossen, dass § 6 Abs. 2 Nr. 4 AAÜG idF. des 1. AAÜG-ÄndG insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, als der Verdienst während einer Tätigkeit als Minister, stellvertretender Minister oder stimmberechtigtes Mitglied von Staats- oder Ministerrat oder als deren jeweilige Stellvertreter bei der Berechnung einer Rente nach dem SGB VI nur bis zum Durchschnittsverdienst in der DDR (Anlage 5 zum AAÜG) berücksichtigt werden darf. Die Entgeltbegrenzungen des durch das 1. AAÜG-ÄndG erfassten Personenkreises führen zu einer Kürzung der maßgeblichen Entgelte auf den Durchschnittsverdienst der Beschäftigten der DDR. Die Deutsche Rentenversicherung Bund geht von ca. 1.000 bis 1.200 Betroffenen aus. Von diesen erfasst die Vorschrift des § 6 Abs. 2 Nr. 4 AAÜG eine kleine Personengruppe aus zwei der höchsten Staatsorgane der DDR.464 Das Bundesverfassungsgericht betont erneut, dass dem Gesetzgeber bei der einigungsbedingten Überleitung der DDR-Renten ein besonders großer Gestaltungsspielraum zustand. Der Gesetzgeber sei berechtigt, Rentenansprüche und Rentenanwartschaften zu beschränken, Leistungen zu kürzen und Ansprüche und Anwartschaften umzugestalten, sofern dies dem Gemeinwohlzweck diene und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genüge. Dabei könne auch berücksichtigt werden, dass die Empfängerinnen und Empfänger von Zusatz- und Sonderversorgungen grundsätzlich weniger schutzbedürftig als die sonstigen Rentnerin464
BVerfG, 1 BvL 9/06 vom 6.7.2010, Absatz-Nr. 32, NdS MBl 2010, 814.
C Änderungen und Modifizierungen
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nen und Rentner seien. Der Gesetzgeber brauche beim Abbau überhöhter Leistungen nicht an der Beitragsbemessungsgrenze haltzumachen, da ungerechtfertigte Privilegien auch im normalen Streubereich der Gehälter unterhalb dieser Grenze vorkommen können.465 Eine Weisungsbefugnis gegenüber dem Ministerium für Staatssicherheit allein reichte dem Bundesverfassungsgericht als Rechtfertigung für eine Entgeltbegrenzung nicht aus; jedoch hält das Anliegen, ein rentenrechtliches Fortwirken des Systems der Selbstprivilegierung zu verhindern, einer verfassungsrechtlichen Überprüfung stand. Insbesondere ist die durch § 6 Abs. 2 Nr. 4 AAÜG vorgenommene Anknüpfung an bestimmte und durchweg sehr eng begrenzte Funktionen in Führungspositionen des Staatsapparates der DDR ein geeignetes Kriterium, um der Vorgabe des Einigungsvertrages zu entsprechen, überhöhte Anwartschaften abzubauen.466 § 6 Abs. 2 Nr.4 AAÜG erfasst Funktionen auf höchster Staatsebene, bei denen in typisierender Betrachtungsweise der Schluss gerechtfertigt ist, dass die Positionen entscheidend durch Parteilichkeit und Systemtreue erlangt wurden und die gewährte Besoldung und Versorgung eben dies honorierte.467 Das Bundesverfassungsgericht führt aus: „Die von § 6 Abs. 2 Nr. 4 AAÜG erfassten Personen, welche an der Spitze der staatlichen Verwaltung standen, haben diese Position aufgrund einer Berufung durch das Politbüro der SED erhalten, bei der die Auswahl in erster Linie nach politischideologischen Kriterien erfolgte (zur zentralen Rolle des Politbüros der SED bei der Besetzung von Staatsfunktionen vgl. auch BGHSt 45, 270, 281 f.). Gleichzeitig ist mit der Berufung in diese Position die Teilhabe an einem System vielfältiger Vergünstigungen verbunden gewesen, von dem der Durchschnittsbürger ausgeschlossen war. Die Funktion eines Ministers oder stellvertretenden Ministers war mit einer Selbstbegünstigung verbunden, die sich nicht allein in der Entgelthöhe spiegelt. Das lässt sich etwa den Äußerungen des Klägers vor dem Sozialgericht Berlin bei seiner persönlichen Anhörung vor diesem Gericht entnehmen. Danach hatte er Anspruch auf Wohnungsversorgung aus dem Kontingent des Ministerrates, die Möglichkeit der Pacht eines Gartengrundstücks, Zugang zu Instandhaltungs- und Dekorationsarbeiten seitens der Wirtschaftsbetriebe des Ministerrats, Ferienaufenthalte in Ferienheimen der Regierung und Gesundheitsversorgung in den Krankenhäusern der Regierung. Dieser Befund trägt im Rahmen des hier besonders weiten Einschätzungsermessens die Annahme des Gesetzgebers, dass unabhängig von der persönlichen und fachlichen Eignung im Einzelfall, die an solche Führungskräfte der DDR gezahlten Entgelte zu einem gewissen Teil nicht als durch Leistung erworben, sondern als Belohnung für politische Anpassung und unbedingte Erfüllung des Herrschaftsan465 466 467
Ebenda, Absatz-Nr. 64. Ebenda, Absatz-Nr. 70. Ebenda, Absatz-Nr. 75.
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Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung spruchs der SED anzusehen sind. Er darf deshalb in Umsetzung des Einigungsvertrages, dass ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffen und überhöhte Leistungen abzubauen sind, solche politisch motivierten Einkommensteile bei der Überführung der Renten und Anwartschaften in das Rentensystem der Bundesrepublik ohne Verstoß gegen Art. 14 GG von der Berücksichtigung ausschließen. Die durch die Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Mitarbeiter des Staatsapparates nachgewiesene Systemnähe und darüber hinaus noch die im Staatsapparat erreichte Höhe im System sind zusammengenommen hinreichende Anknüpfungspunkte für die typisierende Rentenbegrenzung des Gesetzgebers wegen überhöhter Honorierung. Die durch § 6 Abs. 2 Nr. 4 AAÜG bewirkte Rentenkürzung, die nur die Zeiten einer Tätigkeit in weit herausgehobener Stellung als Minister bzw. stellvertretender Minister erfasst, ist nicht unverhältnismäßig, da auch die nach der Kürzung verbleibenden Renten der Kläger immer noch erheblich über der Durchschnittsrente eines früheren Bürgers der DDR liegen.“468
Das Bundesverfassungsgericht setzte sich erneut mit dem Vorwurf auseinander, bei den Entgeltbegrenzungen handle es sich um ein vom bundesdeutschen Gesetzgeber verfügtes „Rentenstrafrecht“. Es wies darauf hin, dass noch vor dem Inkrafttreten des Einigungsvertrages der demokratisch gewählte Gesetzgeber der DDR durch den Staatsvertrag vom 18.5.1990 und die Begrenzungsregelungen im RAnglG-DDR vom 28.6.1990 verdeutlicht hat, dass er bestimmte, unter den Bedingungen der Diktatur begründete staatliche Bevorzugungen im Bereich der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme gerade nicht aufrechterhalten wollte, und deshalb die Versorgungsansprüche von Bestandsrentnern mit Ansprüchen aus systemnahen Zusatz- und Sonderversorgungssystemen, in denen es nach seinen Erkenntnissen strukturelle Entgeltüberhöhungen gegeben hatte, auf bestimmte Höchstbeträge beschränkt. Das hat gerade die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Staatsapparates betroffen. An die Differenzierungen des mit den Verhältnissen vertrauten Gesetzgebers der DDR hat der bundesdeutsche Gesetzgeber bei der Gestaltung des Übergangsrechts anknüpfen dürfen.469 Das Bundesverfassungsgericht hat damit in seiner aktuellsten Entscheidung zwar nur die Entgeltbegrenzungen des Gesetzgebers für einen kleinen Teil des von der Regelung des § 6 Abs. 2 AAÜG idF. des 1. AAÜG-ÄndG erfassten Personenkreises für verfassungsgemäß erachtet. Das Bundesverfassungsgericht hat jedoch in allgemein gehaltenen Aussagen zur Entgeltbegrenzung des gesamten von § 6 Abs. 2 AAÜG erfassten Personenkreis ausgeführt, dass dadurch nicht früheres Verhalten der Betroffenen durch Kürzung von Renten sanktioniert, sondern vielmehr die Fortschreibung von Vorteilen aus dem System der DDR im Rentenrecht der Bundesrepublik versagt 468 469
BVerfG, 1 BvL 9/06 vom 6.7.2010, Absatz-Nr. 77-79. BVerfG, 1 BvL 9/06 vom 6.7.2010, Absatz-Nr. 74.
C Änderungen und Modifizierungen
175
werde. Durch die Anknüpfung an die besondere Verantwortung eines spezifischen und eng beschränkten Personenkreises von Leistungsverantwortlichen für das Regime der DDR sei die Entgeltbegrenzung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.470 Auch hielt das Bundesverfassungsgericht die Benachteiligung der in § 6 Abs. 2 AAÜG genannten Personengruppen durch hinreichende sachliche Gründe für gerechtfertigt. Das mit der Begrenzungsregel verfolgte Ziel sei einsichtig und legitim, die angegriffene Regelung typisiere nicht in unzulässiger Weise.471 Aus den genannten Feststellungen und dem zugestandenen besonders großen Gestaltungsspielraum ist davon auszugehen, dass auch die Entgeltbegrenzungen der nicht in diesem Rechtsstreit in Streit stehenden Gruppen als verfassungsgemäß zu bewerten sind und so langfristig Rechtsfrieden472 geschaffen worden ist. Es bleibt abzuwarten, ob damit die Rechtsstreitigkeiten um die Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Sonder- und Zusatzversorgungssystemen auch tatsächlich einen Abschluss gefunden haben.
470 471 472
Ebenda. Ebenda, Absatz-Nr. 83. Interview 1 (siehe Anhang 1).
176
X
Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
Übersicht über die Änderungen und Modifizierungen bei der Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen durch Gesetzgeber und Rechtsprechung
Tabelle 12: Vereinfachte Darstellung der rechtlichen Entwicklung bei Sonderund Zusatzversorgungssystemen Gesetz/ Rechtsnorm
Sonderversorgungsysteme(SV) Zusatzversorgungssysteme(ZV) MfS/AfNS NVA,MdI,ZollverͲ StaatsnaherBereich Staatsfernerer (Anlage2*Nr.4zum waltung (Anlage1*Nr.2,3, Bereich AAÜG) (Anlage2*Nr.1,2 19–27zumAAÜG) (Anlage1*Nr.1,4– und3zumAAÜG) 18zumAAÜG) Staatsvertragvom DiebestehendenZusatzͲundSonderversorgungssystemesolltengrundsätzlichzum 18.5.1990 1.7.1990geschlossenwerden. RentenangleiͲ EineBegrenzungfürSonderversorgtedes SchließungallerZVzum1.7.1990;keine chungsgesetz MfS/AfNSerfolgtedurchdasAufhebG;SV Angleichungzum1.7.1990andaswestdeutͲ (RAnglGͲDDR) desMinisteriumsfürNationaleVerteidigung scheNiveau. vom28.6.1990 bzw.MinisteriumsfürAbrüstungund BegrenzungderZV Zahlbetragsgarantie VerteidigungundMdIZahlbetragsbegrenͲ aufmax.1.500DM fürbiszum30.6.1990 zungenaufmax.1.500DM(§23Abs.2 (zusammenmitmax. gezahlteRentenund RAnglGͲDDR);SonderversorgtederNVA, SVͲRentevon510 ZVab1.7.1990 MdIundZollverwaltungdurch§10Abs.1S. DMauf2.010DM)ab 1AAÜG.(Kürzungsermächtigung–KEs.u.) 1.7.1990BVerfG¹:rm Gesetzüberdie Schließungzum30. Aufhebungder 6.1990undÜberͲ VersorgungsordͲ führungindieGRV ͲͲͲͲ ͲͲͲͲ nungdesehemaliͲ zum1.1.1991;KürͲ genMinisteriums zungderVersorgung fürStaatssicherͲ ab1.7.1990um50 heit/Amtesfür %des495DMüberͲ NationaleSicherͲ steigendenBetrags; heit(MfS/AfNS)– max.990DMfür Aufhebungsgesetz Versichertenrenten (AufhebG)vom und594DMfürWitͲ wenͲundWitwerͲ 29.6.1990 renten.(KEs.u.) Einigungsvertrag ÜberführungindiegesetzlicheRentenversicherungwirdauf31.12.1991verschoben. vom31.8.1990 ZahlbetragsgarantiefürPersonen,dieam3.10.1990bereitsleistungsberechtigtwaren (Bestandsrentner/innen)undbiszum30.6.1995leistungsberechtigtwurden(besonders rentennaheJahrgänge)fürdenBetrag,deram1.7.1990nachdemRAnglGͲDDRzuerbrinͲ genwar(EV,Anlage2,KapitelVIII,SachgebietH,AbschnittIII,Nr.9bS.4und5).(ÜberprüͲ fungsͲundKürzungsermächtigung–ÜKEs.u.) Rentenanpassung AnpassungderRentennebenderZVum15 zum1.1.1991 ͲͲͲͲ %undNachholungderAnpassungvom 1.RAVvom 1.7.1990,jedochAnrechnungaufZV 14.12.1991 Rentenanpassung AnpassungderRentennebenderZVum15 zum1.7.1991 ͲͲͲͲ %;AnrechnungaufZVsoweitGrenzwerteaus 2.RAVvom RenteundZVüberschrittenwerden:VersiͲ 19.6.1991 cherte:1.500DM,WitwenͲundWaisen:900 DM,Vollwaisen:600DM,Halbwaisen: 450DM.
C Änderungen und Modifizierungen Gesetz/ Rechtsnorm
AAÜG Art.3desRÜG vom25.7.1991 idF.RüGͲÄndG vom18.12.1991 ZahlbetragsbeͲ grenzung §10Abs.1und2 AAÜG
Entgeltbegrenzung beiderErmittlung vonEP §§6,7AAÜG
RüͲErgGvom 24.6.1993 ZahlbetragsbeͲ grenzung §10Abs.1S.2 AAÜG Neufeststellung derBestandsrenͲ ten§307bSGBVI idF.desRüͲErgG Entgeltbegrenzung beiderErmittlung vonEP §§6,7AAÜG
177
Sonderversorgungsysteme(SV) Zusatzversorgungssysteme(ZV) MfS/AfNS NVA,MdI,ZollverͲ StaatsnaherBereich Staatsfernerer (Anlage2*Nr.4zum waltung (Anlage1*Nr.2, Bereich AAÜG) (Anlage2*Nr.1,2 3,19–27zumAAÜG) (Anlage1*Nr.1,4–8 und3zumAAÜG) zumAAÜG) ÜberführungderAnsprücheaufLeistungenwegenverminderterErwerbsfähigkeit,Alter undTodesallerSVundZVindieGRVzum31.12.1991(Ausnahme:dieAnrechteausderZV derinderDDRvertretenenParteien(Anl.1Nr.23–27)wurdenerstdurchArt.3,§2Abs. 2aAAÜGidF.RüͲErgGüberführt.Nach§5AAÜGgeltenZeitenderZugehörigkeitzuZusatzͲ undSonderversorgungssystemenalsPflichtbeitragszeitenindergesetzlichenRentenversiͲ cherung. ZahlbetragsbegrenͲ ZahlbetragsbegrenzungvonRenteundSV(NVA,MdIundZoll)und zungauf802DMfür nachRenteundZVaufmax.2.1010DMfürVersicherte(d.h.max. Versicherte,481DM SVbzw.ZVauf1.500DM)und1.206DMfürWitwenͲundWitwerab 1.8.1991(entgegenZahlbetragsgarantiedesEVab1.8.1991) fürWitwen/erab 1.8.1991(§10Abs. (§10Abs.1AAÜG) 2AAÜG);BVerfG²: nichtig;Begrenzung auf990DM(durch AufhebG)warrm; Entgeltbegrenzung aufmax.70%des DurchschnittsͲ entgelts(Anlage6*) (§7Abs.1AAÜG). BVerfG²:nichtig, soweitAbsenkung unterDurchͲ schnittsentgelt
Entgeltbegrenzungenfür„leitendeFunktionen“aufDurchschnittsͲ verdienst(Anl.5zumAAÜG)wenntatsächlichesEntgeltmehrals 1,4ͲfachedesDurchschnittsverdienstes(Anl.4zumAAÜG)(§6Abs. 2AAÜGidF.RÜG)
ZahlbetragsbegrenͲ zungerhöhtauf 2.700DMfürVersiͲ cherteund1.602DM fürWitwen/erͲ Rentenab1.8.1991 BVerfG¹:nichtig Neuberechnungderam31.12.1991laufenden330.000BestandsrentenausZusatzͲund SonderversorgungennachdenArbeitsentgeltendesgesamtenVersicherungslebensund nichtwiebeidenBestandsrentnernindennBLnachdenEntgeltenderletzten20Jahren, BVerfG³:verfw Entgelteüber1,4ͲfachemdesDurchͲ Begrenzungaufdie keineÄnderung schnittsentgelts(Anlage4idF.RüͲErgG) BBG(Ost)(Anl.3zum werdennach§6Abs.2AAÜGbegrenzt AAÜG) (Regel:1,4–1,6Ͳfachebegrenztauf1,4Ͳ (§6Abs.1S.1AAÜG) fach;über1,6Ͳfachbegrenztprogressivvon 1,4Ͳfachbis1Ͳfach).BegrenzungaufdieBBG (Anlage3idF.AAÜG)(§6Abs.1S.1AAÜG) fürPersonennachAnlage7.BereichsspezifiͲ scheBegrenzungbeiZugehörigkeitzueinem staatsͲundsystemnahenVS;unabhängig vomVS,wennstaatsͲundsystemnahe Funktion.BVerfG4:verfwab1.7.1993 keineÄnderung
178 Gesetz/ Rechtsnorm
Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
Sonderversorgungsysteme(SV) Zusatzversorgungssysteme(ZV) MfS/AfNS NVA,MdI,ZollverͲ StaatsnaherBereich Staatsfernerer (Anlage2*Nr.4zum waltung (Anlage1*Nr.2, Bereich AAÜG) (Anlage2*Nr.1,2 3,19–27zumAAÜG) (Anlage1*Nr.1,4–8 und3zumAAÜG) zumAAÜG) AAÜGͲÄndGvom Entgeltbegrenzungbeieinkommensmäßig 11.11.1996 privilegierterStellungaufEntgelteines EntgeltbegrenzunͲ ͲͲͲͲ HauptabteilungsleitersE3.IstdiesesEntgelt ͲͲͲͲ genbeider (neueAnlage4*idF.AAÜGͲÄndG)erreicht ErmittlungvonEP oderüberschritten,sowirdalsEntgeltdas DurchschnittsentgeltinderDDR(Anlage5* idF.AAÜG)zugrundegelegt.Ab1.1.1997 UrteiledesBundesverfassungsgerichtsvom28.4.19991234 2.AAÜGͲÄndG §2AufhebGund DiedurchdasAAÜGͲÄndGvom11.11.1996 VorläufigeZahlbeͲ tragsͲbegrenzungin§ vom27.7.2001 damitZahlbetragsͲ getroffeneRegelungzum1.1.1997wird begrenzung(KürͲ rückwirkendzum1.7.1993inKraftgesetzt. 10Abs.1Sätze2und 3auf2.700DMwird zungum50%des BVerfG:verfw5,rmRegelungbis30.6.2005. aufgehoben.Esbleibt 495DMübersteiͲ beiderZahlbetragsͲ gendenBetrags, begrenzungdurch max.990DM)gilt dasAAÜGvon2.010 weiter(§10Abs.2) DMfürVersicherte undBegrenzungauf und1.206DMfür 100%DurchͲ WitwenͲundWitwerͲ schnittsentgelt renten. ͲͲͲͲ UrteildesBundesverfassungsgerichtsvom23.6.20045 1.AAÜGͲÄndG BegrenzungderderErmittlungvonEPzugrundeliegendenEntgelte vom aufmax.Durchschnittsverdienst(Anlage5*),wenneineBeschäftiͲ 21.6.2005 gungausgeübtwurde,mitdereineWeisungsbefugnisgegenüber demMfS/AfNSverbundenwar(BestimmteausgeübteBeschäftigunͲ genundFunktionen). BVerfG:EntgeltbegrenzungenfürMinisteru.a.(§6Abs.2Nr.4 6 AAÜGidF.des1.AAÜGͲÄndG)verfassungsgemäß . UrteildesBundesverfassungsgerichtsvom6.7.20106 EntscheidungendesBVerfGvom28.4.1999: ¹ 1BvL32/95und1BvR2105/95(BVerfGE100,1ff.);²1BvL11/94,33/95und1BvR1560/97(BVerfGE100, 138ff.);³1BvR1926/96und485/97(BVerfGE100,104ff.); 4 1BvL22/95,34/95(BVerfGE100,59ff.);5BVerfGvom23.6.2004:Az:1BvL3/98,9/02,2/03(BVerfGE 111,115);6BVerfGvom6.7.2010:Az:1BvL9/06(NdSMBI2010,814). Kürzungsermächtigung:Kürzungdann,wennder/dieBerechtigteinschwerwiegendemMaßeseine/ihreStellung zumeigenenVorteiloderzumNachteilanderermissbrauchthat(§27Abs.1RAnglGͲDDRund§5Abs.1AufͲ hebG). ÜberprüfungsͲundKürzungsermächtigung:KürzungumungerechtfertigteLeistungenabzuschaffenundüberͲ höhteLeistungenabzubauen,wenngegendieGrundsätzederMenschlichkeitverstoßenoderwennBerechtigͲ te/rinschwerwiegendemMaßeseine/ihreStellungzumeigenenVorteiloderzumNachteilanderermissbraucht hat(Einigungsvertrag,Anlage2,KapitelVIII,SachgebietH,AbschnittIII,Nr.9bS.3). *AnlagenzumAAÜG:Anlage1:Zusatzversorgungssysteme;Anlage2:Sonderversorgungssysteme;Anlage4: 1,4ͲfacheDurchschnittsentgelt;Anlage5:DurchschnittsentgeltderDDR;Anlage6:70%desDurchschnittsentͲ geltsderDDR(sieheauchimAnhang6.GesetzeundRechtsquellen,IV.). Quelle:EigeneDarstellung
D Gerechtigkeitsdiskussionen bei der Überführung
179
D Gerechtigkeitsdiskussionen bei der Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften von Beschäftigtengruppen mit einem „besonderen Steigerungssatz“ und hinsichtlich der Alterssicherung von in der DDR Geschiedenen D Gerechtigkeitsdiskussionen bei der Überführung
Die den folgenden Ausführungen zugrunde liegende These lautet: Nur wenn die Rentenüberleitung unter Einbeziehung der getroffenen höchstrichterlichen Entscheidungen und die im Wechselspiel zwischen Rechtsprechung und Gesetzgebung sich fortentwickelten Rechtsnormen als gerecht angesehen werden können, kann der Überleitungsprozess als abgeschlossen gelten bzw. können abschließende Regelungen den Prozess beenden. Dazu ist in einem ersten Schritt zu klären, welche Gerechtigkeitskonzepte für die Alterssicherungspolitik prägend sind. I
Gerechtigkeitskonzepte in der Alterssicherung
1
Gerechtigkeit als normatives Element
Der Begriff Gerechtigkeit wird in der Regel dann eingesetzt, wenn es die Angemessenheit von Gesetzen, Urteilen, anderer hoheitlicher Akte oder um Verträge und die Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen geht.473 Die moderne Gerechtigkeitsforschung gründet sich auf die klassische Tradition des Gerechtigkeitsdenkens von Aristoteles, der neben die gesetzliche Gerechtigkeit die Teilgerechtigkeit (iustitia particularis) als Gerechtigkeitsregime für die Gefährdung der Menschen, mehr Güter haben zu wollen, als dem Einzelnen gut tut, setzte. Die Teilgerechtigkeit unterteilte Aristoteles in die austeilende Gerechtigkeit (iustitia distributiva), die Zuteilung von Gütern wie Ehre und Geld in der politischen Gemeinschaft, und in die ausgleichende, wiederherstellende, korrektive Gerechtigkeit (iustitia regulativa sive correctiva), die vertraglichen Regelungen der Einzelnen untereinander. Für die iustitia regulativa sive correctiva stellt Aristoteles den Grundsatz auf, dass Gleiche Gleiches und Ungleiche Ungleiches erhalten sollen. Im Falle der korrigierenden, richterlichen Gerechtigkeit übertrug Aristoteles das Modell des gerechten Tausches auf die verhältnismäßige Vergeltung für einen erlittenen Schaden durch den Spruch des Richters. Die Gerechtigkeitskonzeption von Aristoteles hat die Gerechtigkeitsdiskussion 473
Rüthers, Das Ungerechte an der Gerechtigkeit, S. 970.
180
Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
des Abendlandes bis zur Schwelle der Neuzeit geprägt. Erst mit der erdrückenden Not und der wirtschaftlichen Abhängigkeit durch Industrialisierung und durch den aufkommenden Kapitalismus stellt sich die Frage nach sozialer Gerechtigkeit und nach einem Gesellschaftsaufbau, der allen Schichten und Klassen den ihnen zukommenden Anteil am gesellschaftlichen Leben sichert.474 Den deutschen Sozialstaat, in dem Sozialversicherungen eine herausragende Rolle spielen, prägt zudem die Idee, dass in einer durch kapitalistische Unternehmen und abhängige Arbeit geprägten modernen Gesellschaft neue fundamentale Lebensrisiken entstehen, die nur durch eine staatlich organisierte Pflichtsolidarität zu bewältigen sind. Alter, Invalidität, Krankheit, Arbeitslosigkeit und in jüngster Zeit Pflegebedürftigkeit lassen sich nicht mehr als Privatprobleme organisieren. Sie fordern die Solidarität aller als öffentliche Angelegenheit heraus. Der durch Aristoteles geprägte Gerechtigkeitsbegriff wird um den Gedanken der sozialen Gerechtigkeit erweitert.475 Mit Schaffung des Grundgesetzes und Implementierung des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 GG) ist die Verpflichtung auf die Gerechtigkeit als nicht (umfassend) im Grundgesetz geregelter rechtsstaatlicher Einzelgehalt durch die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts anerkannt.476 Als gerecht gilt in allen sog. Rechtsstaaten, was das oberste Gericht, in Deutschland das Bundesverfassungsgericht, als letzte Instanz für verfassungsgerecht erklärt. Grundlage der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts sind einerseits das geltende Recht, andererseits die Gerechtigkeitsvorstellungen der Mehrheit im jeweiligen Spruchkörper.477 Dass das Recht und die Gerechtigkeit dennoch in der Vorstellungswelt der Menschen eine Einheit bilden, zeigt, dass die häufigste Darstellung der „Gerechtigkeit“ im westlichen Kulturkreis die urteilende Justitia mit Waage (abwägend), Schwert (strafend/urteilend) und einer Binde vor den Augen (ohne Ansehen der Person) ist. Bereits im 19. Jahrhundert hatte die christliche Soziallehre den Weg vorgezeichnet, dass Gerechtigkeitsvorstellungen im Rechtsstaatsprinzip verborgen seien. Ein konsensfähiges materielles Rechtsstaatsverständnis brachte Otto Bachof mit seiner Feststellung, der Rechtsstaat sei „der auf Verwirklichung und Sicherung der Gerechtigkeit zielende Staat“ auf den Punkt.478 Anerkannt ist es, Gerechtigkeit mit der Werteordnung des Grundgesetzes gleichzusetzen.479 Daher sind Konflikte zwischen den nur bei Verfassungsmäßigkeit gültigen Gesetzen 474 475 476 477 478 479
Gabriel, Gerechtigkeitskonzepte, S. 8. Ebenda, 1. S. 7. Sachs, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 20 Rd. 78. Rüthers, Das Ungerechte an der Gerechtigkeit, S. 974 f. Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 20 Rdnr. 231. Ebenda, Art. 20 Rdnr. 236.
D Gerechtigkeitsdiskussionen bei der Überführung
181
und allein der Gerechtigkeit entsprechendem überpositivem Recht im Rahmen der Verfassungsordnung des Grundgesetzes zwar nicht unmöglich, aber doch nur schwer vorstellbar.480 Da die Grundrechte nach dieser Ansicht als eine abschließende Gestaltung des verfassungsrechtlichen Gerechtigkeitsbildes angesehen werden können, werden sie im Folgenden als Wertungsmaßstab für die nachfolgende Prüfung herangezogen. Vorab ist jedoch ein Blick auf die vorherrschenden Gerechtigkeitskonzepte im Recht der Alterssicherung erforderlich. 2
Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit im Recht der Alterssicherung
Gerechtigkeitsnormen legitimieren die herrschende Wirtschafts- und Gesellschaftsform in der Bevölkerung. Sie bestimmen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Ausmaß Ungleichheiten in der Gesellschaft akzeptiert werden müssen.481 Im Recht der Alterssicherung liegt der Schwerpunkt gerechtigkeitstheoretischer Überlegungen auf der sozialen Gerechtigkeit, die auf die Verteilung von Einkommen, Vermögen, Gütern, Rechten, Freiheitsspielräumen und Verwirklichungschancen innerhalb einer Gesellschaft gerichtet ist.482 In der Alterssicherungspolitik sind traditionell bis vor einigen Jahren vier Teilziele sozialer Gerechtigkeit prägend:
Leistungsgerechtigkeit, Bedarfsgerechtigkeit, Teilhabegerechtigkeit und Generationengerechtigkeit.483
In den letzten Jahren spielten Aspekte der Geschlechtergerechtigkeit eine immer wichtigere Rolle. Die monetären Transfers in der gesetzlichen Rentenversicherung sind nach dem versicherungsmathematischen Äquivalenzprinzip, das eine Gleichheit von Beiträgen und Versicherungsleistungen unter Berücksichtigung des versicherungstechnischen Risikoausgleichs erfordert, gestaltet484. Das Äquivalenzprinzip stellt sich als Prototyp des Vorrangs der Leistungsgerechtigkeit dar, wobei Leis480 481 482 483 484
Sachs, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 20 Rd. 104. Schulze Buschoff, Neue Selbstständigkeit, S. 42. Becker u. a., Soziale Gerechtigkeit, S. 13. Gabriel, Gerechtigkeitskonzepte, S. 11 Becker u.a., Soziale Gerechtigkeit, S. 34.
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Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
tung im Wesentlichen mit sozialversicherungspflichtiger Erwerbsarbeit gleichgesetzt wird. Eine Weiterentwicklung und Aufweichung der strengen Ausrichtung an der Erwerbsarbeit ist insbesondere in der Stärkung der rentensteigernden Anerkennung z. B. von Zeiten der Kindererziehung (§ 56 SGB VI) zu sehen. Unter Bedarfsgerechtigkeit wird die Orientierung von Ansprüchen auf Ressourcen an unterschiedlich definierten, sozial zugeschriebenen und vor allem staatlich festgelegten Bedarfen verstanden. Die Spannbreite der Bedarfsorientierung reicht dabei von der bedürftigkeitsgeprüften Sozialhilfeleistung mit dem Ziel der Armutsvermeidung bis hin zu Instrumenten wie der Rente nach Mindesteinkommen ohne Bedürftigkeitsprüfung (§ 262 SGB VI). Die Bedarfsgerechtigkeit ist gegenüber der Leistungsgerechtigkeit im deutschen Alterssicherungsrecht nachrangig. Mit der Rentenreform 1957 wurde das Prinzip des Rechts auf Beteiligung am selbstständigen Leben auch im Alter durch Schaffung einer an der Lohn- und Gehaltsentwicklung der Erwerbstätigen orientierten dynamischen Rentenformel umgesetzt und damit Teilhabegerechtigkeit implementiert. Dabei kommt dem aktuellen Rentenwert eine besondere Rolle zu. Er „bezweckt die Steuerung und Dämpfung der Rentenzahlungen nach allgemeinen wirtschaftlichen Faktoren, eine Erhaltung der Liquidität der Träger der Rentenversicherung sowie die Rücksichtnahme auf das Verhalten von aktiven Arbeitnehmern zu den Beziehern von Altersrenten und dient dazu, Teilhabegerechtigkeit in einem Umlagesystem zu gewährleisten.“485
Die Einbeziehung der Teilhabegerechtigkeit war ein Paradigmenwechsel in der Gerechtigkeitsforschung. Mit der sog. Riester-Reform, wie die Rentenreform 1999 genannt wurde, wurde der sensible Mix aus Leistungs-, Teilhabe- und Bedarfsgerechtigkeit um ein weiteres Gerechtigkeitskonzept ergänzt: die Generationengerechtigkeit. Mit der öffentlichen Diskussion demographischer Fragen, wie der niedrigen Geburtenrate, der steigenden Lebenserwartung, dem Bevölkerungsrückgang und der grundlegenden Altersverschiebung, stehen seit Mitte der 1990er Jahre neue Zusammensetzungen mit dem Begriff Gerechtigkeit auf der Agenda. Der Begriff Generationengerechtigkeit ist ein junger Terminus und wurde im Jahr 1997 von der FDP als Kritik auf den Gesetzentwurf des Rentenreformgesetzes 1999 des damaligen Bundesarbeitsministers, Norbert Blüm, mit der Begründung eingebracht, er verletze das Prinzip der Generationengerechtigkeit. Diese könne nur durch eine auf Kapitaldeckung statt auf dem Umlageverfahren gründende Alterssicherung verwirklicht werden. Die Generationengerechtigkeit manifestiert sich 485
BVerfG, 1 BvL 1/09 vom 9.2.2010, Absatz-Nr. 184.
D Gerechtigkeitsdiskussionen bei der Überführung
183
z. B. in der Festlegung von Beitragssatz- und Sicherungsniveauzielen, in dem mit dem Rentenreformgesetz 1999 eingeführten und kurze Zeit spät wieder abgeschafften Demographiefaktor und durch den im Jahr 2004 diesen ersetzenden Nachhaltigkeitsfaktor.486 Ein weiterer Gerechtigkeitsaspekt der in der jüngeren Zeit eine Rolle spielt, ist die Geschlechtergerechtigkeit, die insbesondere Regelungen und Maßnahmen dahingehend bewertet, welche Wirkungen sie auf das Verhältnis der Geschlechter haben. Beispiel hierfür ist die mit der Rentenreform 2007, dem RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz487, eingeführte „Altersrente für besonders langjährig Versicherte“, die einen ungeminderten Renteneintritt mit Vollendung des 65. Lebensjahres für diejenigen Versicherten vorsieht, die 45 Jahre rentenrechtliche Zeiten vorweisen können. Da der Leistungsbezug für besonders langjährig Versicherte an Voraussetzungen anknüpft, die Frauen mit und ohne Kinder regelmäßig nicht erfüllen, wird diskutiert, ob diese Norm gegen das Verbot der mittelbaren Diskriminierung nach § 3 Abs. 2 GG verstößt, wobei auch die mittelbaren Ungleichbehandlung mit umfasst wird. Eine verfassungsrechtlich haltbare Rechtfertigung dieser Umverteilung zugunsten männlicher Versicherter liegt dabei nicht vor.488 3
Prüfungsgegenstände
Umfangreiche Gerechtigkeitsdiskussionen wurden hinsichtlich der Personengruppen geführt, die in der DDR in einem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem altersgesichert waren.489 Dabei waren die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts von wegweisender Bedeutung (s. o. C.). Die Frage, ob und inwieweit der gesamtdeutsche Gesetzgeber insbesondere Zahlbetrags- und Entgeltbegrenzungen normieren durfte, ohne gegen rechtsstaatliche Prinzipien und den Grundsatz der Wertneutralität des Sozialversicherungsrechts zu verstoßen, ist weitgehend abgeschlossen. Im Hinblick auf die diesen Teil der Arbeit bestimmende Frage, ob der Überleitungsprozess als abgeschlossen gelten kann und ob die gefundenen Lösungen als gerecht anzusehen sind, werden im Folgenden Gerechtigkeitsaspekte bei der Überführung der Ansprüche und Anwartschaften von zwei Personengruppen untersucht: Zum einen die Beschäftigtengruppe mit 486 487 488
489
Nullmeier u. a. in Kerschbaumer u. a.(Hrsg.), Sozialstaat und demographischer Wandel, S. 21. RV-AltersgrenzenanpassungsG v. 20.4.2007, BGBl. I S. 554. Rust/Westermann, 45 Jahre: ein Stellvertretermerkmal für den Ausschluss versicherter Frauen?, S. 274f. Beispielhaft siehe dazu: Papier, Rechtsgutachten; Merten, Verfassungsprobleme der Versorgungsüberleitung, Heine, Kai-Alexander, Die Bedeutung der Eigentumsgarantie.
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Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
einem „besonderen Steigerungssatz“ am Beispiel des mittleren medizinischen Personals im Gesundheitswesen der DDR (II.) und die Alterssicherung von in der DDR Geschiedenen III.). Sie stehen beispielhaft für diejenigen Personenund Beschäftigtengruppen, die die Überleitung ihrer Ansprüche und Anwartschaften als noch nicht abgeschlossen ansehen und die Gegenstand der öffentlichen Anhörung von Sachverständigen am 4.5.2009 im Deutschen Bundestag waren.490 II
Die Überführung der Renten von Beschäftigtengruppen mit einem „besonderen Steigerungssatz“
1
Die Ausgangssituation
Anlässlich der Eingliederung der betrieblichen Alterssicherungssysteme der Beschäftigten der Deutschen Reichsbahn491 und der Deutschen Post492 in die Sozialpflichtversicherung der DDR wurden 1976 Sonderregelungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgewählter Bereiche, für die kein Zusatz- und Sonderver490
491
492
Öffentliche Anhörung von Sachverständigen am 4.5.2009, siehe im Anhang unter: Verwendete Materialien, BT-Ausschussdrucksachen 16(11)1351 ff. Mit Anordnung vom 7.1.1956 wurde die sogenannte Eisenbahnerversorgung eingeführt (veröffentlicht in: Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Verkehrswesen, 1956, Nr. 11, S. 41). Danach hatte Anspruch auf Altersversorgung der Deutschen Reichsbahn (DR), wer am 1.1.1956 oder danach bei der DR beschäftigt war, die Altersgrenze erreicht hatte und eine Wartezeit von 15 Jahren sowie eine ununterbrochene Beschäftigungszeit bei der DR von 10 Jahren vorweisen konnte. Anfangs handelte es sich um eine eigenständige Versorgung der DR-Mitarbeiter/innen, die – vergleichbar den Sonderversorgungssystemen – unabhängig von der allgemeinen Sozialversicherung und den dort maßgeblichen Vorschriften war (BVerfG, 1 BvR 616/99 vom 30.8.2005, Absatz-Nr. 3, SozR 4-2600 § 256a Nr 1). Nach der Versorgung gemäß § 21 der Verordnung vom 13.10.1960 über Pflichten und Rechte der Mitarbeiter der Deutschen Post (DP) der DDR (GBl II Nr 35 S 395, später ersetzt durch § 17 der Verordnung über die Pflichten und Rechte der Mitarbeiter der Deutschen Post – PostDienst-Verordnung (PDVO) (GBl II 1970 Nr 94 S 651) iVm. §§ 1, 3 der Anordnung Nr. 1 über die Alters-, Invaliden-, Unfall- und Hinterbliebenenversorgung für die Mitarbeiter der DP vom 8.11.1960 idF. der Anordnung Nr. 2 vom 23.11.1961, später ersetzt durch §§ 1, 3 VSO von 1972 in: Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen 1972 Nr 225 S 169 ff.) hatten Beschäftigte der DP, wenn dies günstiger als die gleichartige Sozialversicherungsrente war, nach einer zehnjährigen ununterbrochenen Dienstzeit eine Berechtigung auf Alters-, Invaliden- und Unfallversorgung nach der PDVO; deren Wert war abhängig von der Dauer der Dienstzeit und von der Höhe des durchschnittlichen Monatsgrundlohns der letzten fünf Jahre vor Eintritt des Versorgungsfalls; sie konnte höchstens 65 % des maßgeblichen Monatsgrundlohns betragen und durfte einschließlich von Zuschlägen 800 M nicht übersteigen, aber auch nicht weniger als 135 M oder als die gestaffelten Mindestrenten der Sozialversicherung einschließlich des Rentenzuschlags betragen (BSG, B 4 RA 32/98 R vom 10.11.1998).
D Gerechtigkeitsdiskussionen bei der Überführung
185
sorgungssystem geschaffen worden war, die gleichwohl aber als für die Funktionsfähigkeit des Gemeinwesens der DDR als besonders wichtig erachtet wurden, normiert.493 Für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheits- und Sozialwesen der DDR, auch als „mittleres medizinisches Personal“ bezeichnet, sah § 47 der Rentenverordnung vom 23.11.1979494 ab einer ununterbrochenen, mindestens zehnjährigen Tätigkeit bei der Rentenberechnung anstelle des Steigerungsbetrages von 1,0 %495 einen besonderen Steigerungssatz für jedes Jahr der Tätigkeit in einer entsprechenden Einrichtung von 1,5 % des Durchschnittsverdienstes der letzten 20 Jahre vor Beendigung der Tätigkeit vor. Damit machte der DDRGesetzgeber bereits Ende der 1970er Jahre deutlich, dass er für diesen Personenkreis kein privilegiertes Zusatzversorgungssystem schaffen, sondern vielmehr aufgrund einer Sonderregelung, des besonderen Steigerungssatzes, innerhalb der Sozialpflichtversicherung die Arbeit dieser Personengruppe honorieren wollte. Diese Personengruppe, in der großen Mehrzahl Frauen, erhielt ein so geringes, unter dem Schwellenwert von 600 M für die FZR monatlich liegendes Entgelt, dass ihnen der Zugang zu der seit 1.3.1971 bestehenden FZR verwehrt war. Die Zusicherung des besonderen Steigerungssatzes war ein Versprechen auf eine bessere Altersversorgung, ein Wechsel auf die Zukunft, um das im Erwerbsleben schlecht bezahlte mittlere medizinische Personal von einer Abwanderung in besser bezahlte Beschäftigungen abzuhalten.496 Unter Gerechtigkeitserwägungen wurde hier dem Instrument des besonderen Steigerungssatzes als Ausdruck der Bedarfsgerechtigkeit, der Orientierung von Ansprüchen an sozialen Bedarfen, Vorrang vor der am erzielten und verbeitragten Lohn orientierten Leistungsgerechtigkeit gegeben. Denn für Zeiten mit einem besonderen Steigerungssatz wurden keine zusätzlichen Rentenversicherungsbeiträge entrichtet. Das Institut des besonderen Steigerungssatzes wurde nicht in das SGB VI übernommen, da es mit den Grundsätzen des lohn- und beitragsbezogenen Rentenrechts und damit mit dem Vorrang der Leistungsgerechtigkeit im westdeutschen Rentenrecht nicht vereinbar erschien. Im Recht der Sozialversicherung der DDR hatte das Prinzip der Äquivalenz von Beitrag und Leistung nur noch in der 493 494
495 496
Deter, Sonderrechte für in der DDR ausgeübte Berufstätigkeit?, S. 14. Verordnung über die Gewährung und Berechnung von Renten der Sozialpflichtversicherung – Rentenverordnung – vom 23.11.1979 (GBl. I S. 401). Wortlaut von § 47: „In Würdigung der physischen und psychischen persönlichen Belastungen im Beruf und des selbstlosen Einsatzes bei der Behandlung und Pflege kranker Menschen beträgt für Mitarbeiter des Gesundheits- und Sozialwesens, die mindestens 10 Jahre ununterbrochen in Einrichtungen des Gesundheits- oder Sozialwesens eine versicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt haben, bei der Berechnung der Alters- oder Invalidenrente der Steigerungsbetrag für jedes Jahr der Tätigkeit in einer solchen Einrichtung 1,5 % des Durchschnittsverdienstes gemäß § 5 Abs. 1 Buchst. a.“ Siehe Teil 1, B., III., 2.2. Interview 2 (siehe Anhang 1).
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Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
FZR Bedeutung. Hingegen ist im bundesdeutschen Rentenversicherungsrecht das Versicherungsprinzip – als Konkretisierung des Ausdrucks der Leistungsgerechtigkeit – weitaus stärker ausgeprägt.497 Dem besonderen Steigerungssatz im DDR-Recht standen keine zusätzlich gezahlten Beiträge der Versicherten gegenüber. Da die Anwartschaften aus dem besonderen Steigerungssatz im Einigungsvertrag nicht als Rechtsposition der gesamtdeutschen Rechtsordnung anerkannt wurden, bestand auf ihre Überführung in das SGB VI kein Rechtsanspruch. Eine Vergleichbarkeit mit der Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen, für die in Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 des Einigungsvertrages ein differenziert ausgestaltetes Überführungsregime mit bestimmten Garantien vorgesehen ist, schloss das Bundesverfassungsgericht aus.498 2
Die Rechtslage beim mittleren medizinischen Personal
Die Rechtslage unterschied sich je nach Zeitpunkt des Renteneintritts: Renteneintritt bis 31.12.1991: Der in § 47 RentenVO der DDR vom 23.11.1979 vorgesehene besondere Steigerungssatz wurde bei einem Renteneintritt bis 31.12.1997 angewendet. Gemäß § 307 a SGB VI wurden die nach DDR-Recht und damit unter Einbeziehung des besonderen Steigerungssatzes berechneten Renten mit der Rente nach dem SGB VI verglichen. War die Rente nach DDR-Recht höher, wurde der sich zur SGB VI-Rente ergebende Differenzbetrag als Auffüllbetrag weitergezahlt und ab 1.1.1996 bei den jährlichen Rentensteigerungen abgeschmolzen.499 Renteneintritt nach dem 31.12.1991: Art. 2 § 35 RÜG, das Übergangsrecht für Renten nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets, sah für DDR-Versicherte bei einem Renteneintritt vom 1.1.1992 bis zum 31.12.1996 eine Sonderbestimmung für Renten mit einem besonderen Steigerungssatz vor. Beschäftigte des Gesundheits- und Sozialwesens, die in den Jahren 1992 und 1993 in die Rente eintraten, erhielten, wenn nach einer Vergleichsberechnung die Rente nach DDR-Recht unter Einbeziehung des besonderen Steigerungssatzes höher war als die entsprechende SGB VI-Rente, den Differenzbetrag als Rentenzuschlag nach § 319 a SGB VI gezahlt. Der Rentenzuschlag wurde ab 1.1.1996 bei jeder Rentenanpassung um ein Fünftel des Renten497 498 499
Ruland, Die Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Rentenversicherung, S. 522. BVerfG, 1 BvR 616/99 vom 30.8.2005, Absatz-Nr. 30, SozR 4-2600 § 256a Nr 1. Siehe zu den Auffüllbeträgen Teil 1, D., 2.1.
D Gerechtigkeitsdiskussionen bei der Überführung
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zuschlags, mindestens jedoch um 20 DM abgeschmolzen, wobei der jeweilige bisherige Zahlbetrag nicht unterschritten werden durfte. Bei einem Renteneintritt in der Zeit von 1.1.1994 bis 31.12.1996 wurde ein sog. Übergangszuschlags nach § 319 b SGB VI gezahlt, wenn die nach DDR-Recht berechnete Vergleichsrente die SGB VI-Rente überstieg. Der Übergangszuschlag wurde bei jeder Veränderung der Leistung – z.B. durch Anpassung der SGB VI-Rente, Wegfall, Hinzutritt oder Veränderung eines anzurechnenden maßgebenden Einkommens – der Höhe nach neu bestimmt. Einer Abschmelzungsregelung wie für den Rentenzuschlag nach § 319 a SGB VI bedurfte es deshalb nicht.500 Renteneintritt ab dem 1.1.1997: Für Versicherte, die ab dem 1.1.1997 in die Rente eintreten, gelten die Regeln des SGB VI, d. h. ihre Renten werden ohne eine Vergleichsberechnung und daher ohne den besonderen Steigerungssatz berechnet. Sie erhalten auch keine weitere zusätzliche Rentenleistung. Der Wegfall des Steigerungsbetrages führte bei Versicherten, die zeitnah nach dem 1.1.1997 in die Rente eintraten und einen Großteil ihres Erwerbslebens in der DDR verbracht hatten, zu einer erheblichen Minderung ihrer Rente.501 3
Die Rechtslage bei Beschäftigten der Deutschen Reichsbahn und der Deutschen Post
Die Beschäftigten der Deutschen Reichsbahn der DDR und der Deutschen Post der DDR waren mit ihren politischen Bemühungen, eine dem besonderen Steigerungssatz entsprechende, rentensteigernde neue gesetzliche Regelung zu erreichen, erfolgreicher. Der Gesetzentwurf des 2. AAÜG-ÄndG502 der damaligen Bundesregierung vom 23.3.2001 sah bereits eine entsprechende Änderung des materiellen Rentenrechts in § 256 a SGB VI vor, die zu prognostizierten jährlichen Mehraufwendungen von 110 Mio. DM und zu Nachzahlungen von 325 Mio. DM503 führte. Für das mittlere medizinische Personal forderte die Fraktion der FDP in einem Entschließungsantrag zu dem Gesetzentwurf des 2. AAÜG-
500
501 502
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Deutsche Rentenversicherung, Sechstes Buch, Rentenversicherung, Text und Erläuterungen, S. 1592. BT-Drucksache 14/6104, S. 2. Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (2. AAÜG-Änderungsgesetz – 2. AAÜG-ÄndG) vom 23.3.2001, BT-Drucksache 14/5640. BT-Drucksache 14/5640, S. 2.
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Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
ÄndG vom 16.5.2001 die Bundesregierung erfolglos auf, eine den Wirkungen des besonderen Steigerungssatzes entsprechende Regelung zu schaffen. In § 256 a Abs. 2 SGB VI wurden dann durch das 2. AAÜG-ÄndG die Sätze 2 und 3 eingefügt, die Ausnahmen vom Grundsatz der Berücksichtigung der tatsächlich erzielten Arbeitsverdienste und der dafür gezahlten Pflichtbeiträge bei der Rentenberechnung, vorsehen: Nach Satz 2 gelten für Zeiten der Beschäftigung bei der Deutschen Reichsbahn und bei der Deutschen Post vor dem 1.1.1974 für oberhalb der in der DDR maßgeblichen Beitragsbemessungsgrenzen (von 600 M) Beiträge zur FZR aus den nachgewiesenen Arbeitsverdienste als gezahlt, ohne dass dafür Beiträge entrichtet worden waren. Für Zeiten der Beschäftigung vom 1.1.1974 bis 30.6.1990 gelten nach Satz 3 für den oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze nachgewiesenen Arbeitsverdienst, höchstens bis zu 650 DM monatlich, Beiträge zur FZR als gezahlt, wenn das Beschäftigungsverhältnis am 1.1.1974 bereits 10 Jahre ununterbrochen bestanden hatte. Grund hierfür war, dass die Versorgungsordnungen von 1973 einen Vertrauensschutz auf die 1956 eingeführte „Alte Versorgung“ nur für langjährig bei der Deutschen Reichsbahn oder der Deutschen Post Beschäftigte vorsah. Die Höchstversorgung war auf 800 DM monatlich begrenzt. Bei einer Rückrechnung entsprach das einem monatlichen Tariflohn von rd. 1.250 DM. Für die Rentenberechnung nach dem SGB VI war die Anrechnung eines zusätzlichen Arbeitsverdienstes deshalb auf die Differenz zwischen dem der Sozialpflichtversicherung unterliegenden Arbeitsverdienst von höchstens 600 DM und 1.250 DM monatlich begrenzt. Diese Regelungen waren eine klare Durchbrechung des Gedankens der Leistungsgerechtigkeit zugunsten bedarfsgerechter Elemente. Eine entsprechende Regelung für das ehemalige mittlere medizinische Personal wurde bis heute nicht geschaffen. Auf politischer Ebene beantragten die Fraktionen der PDS, der Partei DIE LINKE und der FDP im Deutschen Bundestag bisher erfolglos, die Bundesregierung aufzufordern, im Rentenrecht eine Regelung einzufügen, um den in § 47 RentenVO der DDR vorgesehenen besonderen Steigerungssatz bei einem Renteneintritt ab 1.1.1997 zu berücksichtigen.504
504
BT-Drucksachen 13/7536 vom 23.4.1997, 14/6104 vom 16.5.2001, 15/842 vom 9.4.2003, 16/7020 vom 7.11.2007 und zuletzt mit Antrag vom 6.5.2010, BT-Drucksache 17/1631.
D Gerechtigkeitsdiskussionen bei der Überführung
4
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Die rechtliche Einordnung unter Gerechtigkeitsaspekten
Der besondere Steigerungssatz von 1,5, der dem Zugangsfaktor im SGB VI entspricht, ist bei Rentenüberleitung nicht in das bundesdeutsche Recht übernommen worden. Das Recht des SGB VI kennt das Rechtsinstitut des besonderen Steigerungssatzes bei Altersrenten nicht, sondern differenziert gemäß § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI lediglich danach, ob eine Rente wegen Alters vorzeitig oder nach Erreichen der Regelaltersgrenze in Anspruch genommen wird; entsprechend ist der Zugangsfaktor bei vorzeitiger Inanspruchnahme für jeden Kalendermonat 0,003 weniger als 1,0 (Abschlag) und bei Inanspruchnahme nach Erreichen der Regelaltersgrenze trotz erfüllter Wartezeit pro Kalendermonat um 0,005 höher als 1,0 (Zuschlag). Fraglich ist deshalb, ob ein Rechtsanspruch darauf bestand, das Institut des besonderen Steigerungssatzes bei Rentenüberleitung in das SGB VI zu übernehmen bzw. ob der in der DDR erworbene Anspruch auf Berücksichtigung des besonderen Steigerungssatzes vom Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG umfasst ist. Die in der Sozialpflichtversicherung der DDR erworbenen Ansprüche und Anwartschaften fielen als solche bis zum Beitritt der DDR zur Bundesrepublik nicht unter den Schutzbereich des Grundgesetzes, da das Grundgesetz im Gebiet der DDR nicht galt. Die subjektiv in der DDR erworbenen Rechte im Rahmen des besonderen Steigerungssatzes sind weder im Staatsvertrag vom 18.5.1990 noch im Einigungsvertrag vom 31.8.1990 anerkannt worden. Sie sind vielmehr mit dem Untergang der DDR erloschen. Der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz kommt den Rentenansprüchen und -anwartschaften aber nur in der Form zu, die sie aufgrund der Regelungen des Einigungsvertrages erhalten haben.505 Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts war der Gesetzgeber unter keinem verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt gehalten, den Bestandsrentnerinnen und -rentnern der neuen Bundesländer die strukturellen Vorteile der Sozialversicherung der DDR zu erhalten und zugleich die Vorteile des gesamtdeutschen Rentenversicherungsrechts zugutekommen zu lassen.506 Dem Gesetzgeber stand bei der Überführung ein weiter Gestaltungsspielraum zu, den er dahingehend genutzt hat, dass er den besonderen Steigerungsbetrag nicht in das bundesdeutsche Recht überführt hat und damit dem Prinzip der Leistungsgerechtigkeit Vorrang eingeräumt hat. Das Bundesverfassungsgericht hat weiterhin entschieden, dass es sich bei dem besonderen Steigerungssatz um eine einer bestimmten Berufsgruppe ge505 506
BVerfG, 1 BvL 32/95 vom 28.4.1999, Absatz-Nr. 132, BVerfGE 100,1. BVerfG, 1 BvR 368/97 vom 11.5.2005, Absatz-Nr. 95, BVerfGE 112, 368.
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Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
währte Sonderleistung handelte, deren rentensteigernde Wirkung mit einer eigenen Beitragsleistung nicht korrespondierte.507 An anderer Stelle, bei den Entscheidungen zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Sonderund Zusatzversorgungssystemen, hatte das BVerfG jedoch entschieden, dass im Hinblick auf die besonderen Bedingungen des Alterssicherungs- und Entlohnungssystems der DDR der Eigentumsschutz auch dann zum Tragen kommt, wenn die Rentenansprüche und -anwartschaften nicht in erster Linie durch Beitragszahlung, sondern maßgeblich durch Arbeitsleistung erworben wurden.508 Der hier maßgebliche Personenkreis des mittleren medizinischen Personals hat den Anspruch auf Berücksichtigung des besonderen Steigerungssatzes durch Arbeitsleistung erworben.509 Denn der DDR-Gesetzgeber hatte in § 47 der Rentenverordnung vom 23.11.1979 den besonderen Steigerungssatz gerade als Würdigung der physischen und psychischen persönlichen Belastungen im Beruf und des selbstlosen Einsatzes bei der Behandlung und Pflege kranker Menschen normiert. Fraglich ist deshalb, ob die Betroffenen, die nach DDR-Recht einen Anspruch auf eine Rente unter Berücksichtigung des besonderen Steigerungssatzes gehabt hätten, einen Anspruch auf Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG mit den Sonder- und Zusatzversorgten bzw. einen Anspruch auf eine entsprechende Regelung wie bei den Beschäftigten der Deutschen Reichsbahn und der Deutschen Post haben. Zumal das Bundesverfassungsgericht betont: „Die Leistungen der gesamtdeutschen gesetzlichen Rentenversicherung bestimmen sich dagegen nach der Beitrags- und Arbeitsleistung des gesamten Erwerbslebens.“510 Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dem Gesetzgeber ist damit zwar nicht jede Differenzierung verwehrt. Er würde aber das Grundrecht verletzen, wenn er eine Gruppe im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können.511 Für eine unterschiedliche und gerechtfertigte Behandlung spricht, dass der DDR-Gesetzgeber selbst die Ungleichbehandlung beabsichtigt hatte. Er hätte für die Beschäftigten, denen er einen besonderen Steigerungssatz zugesagt hatte, ohne weiteres ein Zusatzversorgungssystem schaffen können. Damit hätte er zum Ausdruck gebracht, dass er der Arbeitsleistung des mittleren medizinischen Per507 508 509
510 511
BVerfG, 1 BvR 787/03 vom 18.10.2005, Absatz-Nr. 18, NJ 2006, 171. BVerfG, 1 BvL 32/95 vom 28.4.1999, Absatz-Nr. 129, BVerfGE 100,1. Die DDR hatte mit dem besonderen Steigerungssatz einen „Wechsel auf die Zukunft“ vereinbart, der sich als nicht systemkompatibel im Rahmen der Grundentscheidung, die in der DDR erworbenen Ansprüche und Anwartschaften ausnahmslos in die gesetzliche Rentenversicherung nach bundesdeutschem Vorbild zu überführen, erwiesen hat (Interview 2, siehe Anhang 1). BVerfG, 1 BvR 799/98 vom 15.9.2006, Absatz-Nr. 151, SozR 4-2600 § 307b Nr 7. St. Rspr. vgl. BVerfG, 1 BvR 368/97 vom 11.5.2005, Absatz-Nr. 99, BVerfGE 112, 368.
D Gerechtigkeitsdiskussionen bei der Überführung
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sonals den gleichen gesellschaftlichen Wert zumisst wie der der Zusatzversorgten. Da der DDR-Gesetzgeber gerade dies nicht getan hat, könnte von einer berechtigten Ungleichbehandlung ausgegangen werden. Das Bundesverfassungsgericht hatte zudem betont, dass sich Vertrauen in den Fortbestand von Rechtsvorschriften der DDR nicht allgemein bilden konnte, sondern nur dort, wo besonderer Anlass für die Erwartung bestand, das Recht der DDR werde ausnahmsweise in Kraft bleiben.512 Eine solche besondere Situation sah das Bundesverfassungsgericht nicht als gegeben an. Andererseits spricht das Prinzip der Leistungsgerechtigkeit, dass die Rente ein Äquivalent für die Beitrags- und Arbeitsleistung des gesamten Erwerbslebens sein soll, dafür, die Ungleichbehandlung für ungerechtfertigt zu erachten und damit einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz zu bejahen. Würde man der letztgenannten Ansicht folgen und einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG annehmen, hätte dies möglicherweise weitreichende – insbesondere finanzielle – Folgen für weitere Beschäftigtengruppen, denen der DDR-Gesetzgeber – ähnlich wie dem mittleren medizinischen Personal – eine spezielle Alterssicherung zugesagt hatte, jedoch keine institutionellen Garantien wie ein Zusatzversorgungssystem geschaffen hatte. Sie hätten dann auch aus Art. 3 Abs. 1 GG die Berücksichtigung von Ansprüchen und Anwartschaften, die sie aufgrund es DDR-Rechts erworben hatten, möglicherweise erfolgreich geltend machen können. Dies hätte zu finanziell nur schwer absehbaren Belastungen geführt. Dem ist entgegen zu halten, dass der Gesetzgeber auch das Ziel verfolgen durfte, die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler in den alten und neuen Bundesländern auf längere Sicht von der Finanzierung solcher Vorteile des Rentenversicherungssystems der DDR zu entlasten, die ihnen im System des SGB VI nicht mehr zu Gute kommen konnten.513 Eine Gleichbehandlung mit den Beschäftigten der Deutschen Reichsbahn und der Deutschen Post, eine § 256 a SGB VI (s. o. 3.) entsprechende Regelung zu erreichen, scheidet aus. Durch die geschaffene Regelung hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass er das ehemalige mittlere medizinische Personal und die Beschäftigten der Deutschen Reichsbahn und der Deutschen Post unterschiedlich und damit ungleich behandeln will. Zum einen rechtfertigt er dies mit dem Bestehen der bereits 1956 eingeführten „alten Versorgung“ und zum anderen damit, dass die Versorgungsordnungen von 1973 einen Vertrauensschutz auf diese „Alte Versorgung“ für langjährig bei der Deutschen Reichsbahn oder der Deutschen Post Beschäftigte vorsahen.
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BVerfG, 1 BvR 2544/95 vom 2.7.2002, Absatz-Nr. 18, SozR 3-8120 Kap H III Nr 6 Nr 3. BVerfG, 1 BvR 368/97 vom 11.5.2005, Absatz-Nr. 92, BVerfGE 112, 368.
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5
Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
Zwischenfazit
Die Nichtüberführung und Nichtberücksichtigung des besonderen Steigerungssatzes für das ehemalige mittlere medizinische Personal ist unter rechtlichen Gesichtspunkten nicht angreifbar. Andere – politische – Lösungen wären gerade aus Gerechtigkeitserwägungen denkbar, erforderlich und sozialpolitisch angezeigt gewesen und sind es bis heute, solange noch Renten mit Zeiten, für die in der DDR der besondere Steigerungssatz angewendet worden wäre, gezahlt werden. Sie sind wohl aber politisch nicht und wenn nur schwer durchsetzbar. III Die Alterssicherung von in der DDR Geschiedenen 1
Die Ausgangssituation
Wenn über die Alterssicherung der in der DDR Geschiedenen gesprochen wird, geht es dabei in erster Linie um die Alterssicherung der in der DDR geschiedenen Frauen. Sie sind diejenigen, die sich als Verliererinnen der Deutschen Einheit verstehen. Während in der DDR das Leitbild der berufstätigen Mutter vorherrschend war, gilt im traditionellen Ernährermodell, das im Westen noch hohe Prägekraft hat, Kindheit als privat. Im Unterschied dazu ist in Ostdeutschland Kindheit vorwiegend öffentlich konstruiert, wie es dem „Doppel-Versorger-Modell mit staatlicher Kinderbetreuung“ entspricht.514 Diese unterschiedlichen Familienmodelle haben Auswirkungen auf die gesetzliche Rente. Eine durchgängigere Erwerbsbiographie mit vergleichbaren Entgelten (Frauen im Osten wie im Westen haben rd. 20 % weniger Arbeitsentgelt erhalten als Männer) muss im beitragsbezogenen System des SGB VI zu höheren Rentenanwartschaften führen. Aktuelle Untersuchungen des Jahres 2009 zeigen, dass das männliche Ernährermodell, das bereits im Zeitpunkt der deutschen Wiedervereinigung eine nachlassende Bindekraft zeigte, weiter auf dem Rückzug ist. Nimmt man alleinlebende sowie alleinerziehende Frauen hinzu, dann ist die übergroße Mehrheit der ostdeutschen Frauen wirtschaftlich für sich selbst verantwortlich.515 Diese Studien zeigen, dass Frauen in den neuen Bundesländern eine eigenständige Existenzsicherung anstreben und die Absicherung über die Ehe, wie sie für einen beträchtlichen Teil der westdeutschen Frauen besteht, im Osten kaum akzeptiert wird. 514 515
Klenner, Wer ernährt die Familie, S. 620. Ebenda, S. 624.
D Gerechtigkeitsdiskussionen bei der Überführung
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Dass das ostdeutsche Geschlechtermodell durch eine hohe Vollzeitorientierung von Frauen gekennzeichnet ist, zeigt die geringere Rolle von Teilzeitarbeit516 verglichen mit der der alten Bundesländer. Während über 40 % der Männer auf insgesamt 40 und mehr Erwerbsjahre in Vollzeitbeschäftigung kommen, sind es im Westen nur rd. 7 % der Frauen und im Osten immerhin knapp 20 % der Frauen. Die durchschnittliche Dauer der Vollzeitbeschäftigung von Frauen liegt im Westen bei rd. 19 Jahren, im Osten bei rd. 30 Jahren.517 1989 betrug die Teilzeitquote bei Frauen in der DDR 27 %. Sie stieg bis 2007 auf 35 %.518 In den alten Bundesländern betrug sie nach dem Mikrozensus des Statistischen Bundessamtes im Jahr 2006 52,7 %. Während die 1942–1946 geborenen Frauen mit Rentenansprüchen in der gesetzlichen Rentenversicherung in den alten Bundesländern noch eine Teilzeitquote von 37,9 % aufwiesen, stieg sie bei jüngeren Frauen, die im Zeitraum 1957–1961 geboren wurden, auf 61,2 % an. Die Dauer blieb mit 12,6–12,7 % relativ unverändert. Frauen in den neuen Bundesländern der Geburtskohorten 1942–1946 arbeiteten im Vergleich zu ihren westdeutschen Kolleginnen mit einer Teilzeitquote von 18,3 % nur etwa zur Hälfte in Teilzeit; die der Kohorten 1957–1961 bereits zu 30,0 %, geringfügig weniger als die Hälfte der vergleichbaren West-Frauen. Die Dauer schwankt von 8,1 Jahre bei der ältesten Kohorte bis 8,4 Jahre bei der jüngsten Kohorte.519 Das bedeutet aber nicht, dass jede und jeder Erwerbstätige in der DDR eine eigenständige Alterssicherung in dem Umfang hatte, so dass Scheidungen in der DDR nicht zu Versorgungsproblemen im Alter führten. Im Gegenteil: Die Versorgungsprobleme der in der DDR Geschiedenen sind eines der größeren und noch nicht gelösten Probleme der Deutschen Einheit. Bei der Rentenüberleitung ging die Bundesregierung von folgenden Annahmen aus: Zum einen hatte der private Unterhalt in der DDR einen anderen, geringeren Stellenwert. Denn das Familienrecht der DDR sah im Falle einer Scheidung vor, dass die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Ehepartnern prinzipiell beendet waren und Unterhalt grundsätzlich nicht geleistet wurde. Unterhaltsleistungen blieben auf seltene und begründete Ausnahmefälle beschränkt (§ 29 Abs. 1 Familiengesetzbuch der DDR von 1965). 516
517
518 519
Unter Teilzeit wird eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung von 15 bis 30 Stunden wöchentlich ohne geringfügige Beschäftigungsverhältnisse § 8 SGB IV (sog. Minijobs) verstanden. Zahlen der AVID 2005, Berechnungen Frommert (für den Gleichstellungsbericht, den die Bundesregierung Ende 2010 angekündigt hat). Zahlen aus: ver.di, Dokumentation der 6. Frauenalterssicherungskonferenz am 23.7.2010, Vortrag Renate Augstein. Klenner, Wer ernährt die Familie, S. 620. Zahlen der AVID 2005, Berechnungen Frommert (für den Gleichstellungsbericht, den die Bundesregierung Ende 2010 angekündigt hat). Zahlen aus: ver.di, Dokumentation der 6. Frauenalterssicherungskonferenz am 23.7.2010, Vortrag Renate Augstein, Folie 1.
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Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
Zum anderen wurde davon ausgegangen, dass Frauen in der DDR ihre Erwerbsarbeit nur selten zu Gunsten der Betreuung von Kindern unterbrochen bzw. eingeschränkt hatten. Diese Annahme traf für ältere Geburtskohorten nicht zu. In den 1950er und 1960er Jahren wurden mit Mitteln ökonomischen Drucks Frauen rekrutiert, so dass es relativ schnell zu einer Annäherung der Erwerbsbeteiligung der Frauen an die der Männer kam. Dabei standen zu diesem Zeitpunkt Kinderbetreuungseinrichtungen in noch nicht ausreichendem Maße zur Verfügung, so dass 43 % der Frauen der Geburtsjahrgänge um 1930 ihre Kinder selbst betreuten. Während Frauen, die um die Jahre 1930 bis 1940 geboren wurden, noch von dem Grundsatz „Beruf oder Familie“ ausgingen, änderte sich dies für Frauen, die um die Jahre 1970 bis 1980 geboren wurden, hin zu „Familie und Beruf“.520 Die familienbedingten Erwerbsunterbrechungen gingen über die Jahre zurück (Tabelle 13): Tabelle 13: Familienbedingte Erwerbsunterbrechungen der Erwerbstätigkeit von Frauen in der DDR nach Geburtsjahrgängen in Jahren 1929–1931
1939–1941
1951–1953
1959–1961
7,6Jahre
3,7Jahre
1,8Jahre
1,7Jahre
Quelle:Trappe,BTͲAusschussdrucksache16(11)1351vom28.4.2009,aaO.,S.62,sieheimAnhangunter:5. VerwendeteMaterialien.
Auch in der DDR erzielten Frauen ein geringeres Arbeitsentgelt als Männer. Dies ließ sich nicht auf ein unterschiedliches Qualifikationsniveau oder auf eine unterschiedliche Erwerbsbeteiligung zurückführen. In erster Linie war Ursache, dass Frauen und Männer in unterschiedlichen beruflichen Tätigkeiten konzentriert waren und dass die Tätigkeiten, die üblicherweise Frauen ausübten, geringer entlohnt wurden.521 Werden nur die absoluten Rentenbeträge gegenübergestellt, so ist festzustellen, dass die der Frauen in den neuen Bundesländern durchgängig höher sind als die der Frauen in den alten Bundesländern. Im Rentenbestand des Jahres 2008 werden die Nettoaltersrenten der Frauen in den alten Bundesländern mit 473 € beziffert, in den neuen Bundesländern hingegen mit 676 €.522 Ein anderes Bild ergibt sich bei einem Blick auf die Altersgesamteinkommen der geschiedenen Frauen in den neuen Bundesländern. Deren Einkommenssituation stellt sich wie folgt dar: mit einem Nettoeinkommen in Höhe von 932 € erhalten sie im Schnitt rund 12 % weniger als alle Alleinstehenden. Verglichen 520 521 522
Trappe, BT-Ausschussdrucksache 16(11)1351 vom 28.4.2009, S. 62. Ebenda, S. 63. Deutsche Rentenversicherung Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen, S. 180.
D Gerechtigkeitsdiskussionen bei der Überführung
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mit dem Nettoeinkommen von geschiedenen Männern erreichen geschiedene Frauen in den neuen Bundesländern 87 %.523 Wurde in der DDR eine Erwerbstätigkeit nicht ausgeübt, konnten freiwillige Rentenversicherungsbeiträge gezahlt werden, wenn die freiwillige Versicherung vor dem 1.7.1968 im Anschluss an eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen wurde.524 Voraussetzung für den Bezug einer Altersrente war eine versicherungspflichtige Tätigkeit von mindestens 15 Jahren und das Erreichen der Altersgrenze (bei Männern das 65. Lebensjahr und bei Frauen das 60. Lebensjahr). Für Frauen, die drei oder mehr Kinder geboren hatten, verringerten sich die geforderten 15 Jahre für jedes Kind um ein Jahr. Unabhängig von der Dauer der Erwerbstätigkeit hatten Frauen mit fünf und mehr Kindern ab Vollendung des 60. Lebensjahres einen Anspruch auf eine Altersrente. Als Arbeitsjahre galten neben Zeiten der versicherungspflichtigen Tätigkeit auch die Zurechnungszeiten: Für jedes Kind wurde ein Jahr und bei mehr als drei Kindern pro Kind drei Jahre gewährt. In der DDR erhielten Rentenbezieherinnen und bezieher in Abhängigkeit von der Anzahl der Arbeitsjahre eine Mindestrente in Höhe von 340 M bis 470 M gezahlt. Wer weniger als 30 Arbeitsjahre aufwies, erhielt unabhängig von den individuellen Faktoren faktisch immer den Mindestbetrag.525 Die Folge war eine starke Nivellierung der Rentenhöhen. Rund 80 % der Frauen, aber nur gut 15 % der Männer erhielten eine Rente nach Mindestbetrag.526 Dies zeigt, dass die als kinder- und frauenfreundlich erachteten Regelungen von Zurechnungszeiten sich nur begrenzt und zum Teil gar nicht auf die Rentenhöhe von Frauen auswirkten. Das oft benutzte Argument, die rentenrechtlichen Regelungen der DDR im Hinblick die Bewertung von Kindererziehung seien mehr als ausreichend, so dass Frauen auch ohne einen Versorgungsausgleich eine auskömmliche Rente erhielten, geht ins Leere. Dies ist im Folgenden Anlass, einen Überblick über die Rechtslage zu geben und die Alterssicherung von in der DDR Geschiedenen unter Gerechtigkeitsaspekten rechtlich einzuordnen.
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Alterssicherungsbericht 2008, BT-Drucksache 16/11061, S. 58, siehe im Anhang unter: 5. Verwendete Materialien. Beispiel: 10 Jahre Beitragszahlung von monatlich 3 M führten zu einem monatlichen Rentenanspruch von 3,06 M. Beispiel: Wenn eine Frau 27 Arbeitsjahre zurückgelegt und zusätzlich zwei Jahre Zurechnungszeit für zwei Kinder erhalten hatte, so hatte dies keine Auswirkungen auf die Rente. Mit oder ohne Zurechnungszeit wurde eine Mindestbetrags-Rente von 370 M (für 25 bis unter 30 Arbeitsjahre) gezahlt. Waren 29 Arbeitsjahre vorhanden, so erhöhte sich die rentenrechtliche Zeit durch die zwei Jahre Zurechnungszeit von 29 Jahre auf 31 Jahre und der Mindestbetrag der Rente stieg um 20 M von 370 M auf 390 M (Meurer, Rentnerinnen in Ostdeutschland, S. 122). Meurer, Rentnerinnen in Ostdeutschland, S. 121 f.
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Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
Die Rechtslage
Die Entwicklung des Ehe- und Sozialrechts vollzog sich nach dem Mauerbau in der Bundesrepublik und in der DDR unterschiedlich: Die Rechtslage in den alten Bundesländern vor der Deutschen Einheit Die Versorgungssituation geschiedener Frauen in den alten Bundesländern bis zum Inkrafttreten des 1. EheG am 1.7.1977 orientierte sich vorwiegend am Scheidungsverschulden: Der an der Scheidung allein oder überwiegend schuldige Ehemann hatte zur Kompensation der Ehefrau lebenslang Unterhalt zu leisten (§ 58 Abs. 1 EheG), wenn ihre eigenen Einkünfte zum eheangemessenen Unterhalt nicht ausreichten. Wenn der geschiedene Ehmann verstarb und die frühere Ehefrau ihren Unterhaltsanspruch verlor, trat an seine Stelle – wie generell bei den Hinterbliebenenrenten – die gesetzliche Rentenversicherung.527 Die Inanspruchnahmequote war allerdings unzureichend gering und betrug rd. 4 % aller geschiedenen Frauen.528 Vor dem 1.7.1977 geschiedene Ehegatten hatten dann einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente aus der Versicherung des geschiedenen Ehegatten, die sog. Geschiedenen-Hinterbliebenenrente, wenn deren Ehe vor dem 1.7.1977 geschieden wurde, der/die Hinterbliebene weder wieder geheiratet noch eine Lebenspartnerschaft begründet hatte, im letzten Jahr vor dem Tod des geschiedenen Ehegatten Unterhalt von diesem erhalten bzw. einen Anspruch darauf gehabt hatte (kleine Witwen-/Witwerrente) bzw. die zusätzlichen besonderen Anspruchsvoraussetzungen529 für die große Witwen-/Witwerrente vorlagen (§ 243 SGB VI). Bereits die Vorgängerregelungen (§§ 1265 RVO, 42 AVG, 65 RKG) knüpften an das Vorliegen eines nachehelichen Unterhaltsanspruchs an. Fehlte dieser, kam ein Geschiedenen-Hinterbliebenenrentenanspruch als Unterhaltsersatzanspruch nicht in Betracht. Bei Scheidung ab dem 1.7.1977 trat an die Stelle des abgeleiteten Geschiedenen-Hinterbliebenenrentenanspruchs die auf dem Rechtsinstitut des Versorgungsausgleichs (§ 1587 BGB) basierende eigenständige soziale Sicherung des geschiedenen Ehegatten. Zum 1.7.1977 wurde durch das Erste Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts (1. EheRG) vom 14.6.1976530 mit der Einfüh527
528 529
530
Deutscher Juristinnenbund, Stellungnahme zum Verfahren vor dem BVerfG 1 BvR 789/96, III.1.a. Ebenda, III.1.b. Erziehung eines eigenen Kindes oder eines Kindes des Versicherten, Vollendung des 45. Lebensjahres, Erwerbsminderung, geboren vor dem 2.1.1961 und berufsunfähig (§ 240 SGB VI) oder am 31.12.2000 bereits berufsunfähig oder erwerbsunfähig waren und sind (§ 243 Abs. 2 Nr. 4 SGB VI). BGBl I S. 1421.
D Gerechtigkeitsdiskussionen bei der Überführung
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rung der verschuldensunabhängigen Ehescheidung das nacheheliche Unterhaltsrecht sowie das Hinterbliebenenrecht neu geregelt. Dadurch wurde Geschiedenen eine gleichberechtigte Teilhabe an den während der Ehe durch die gemeinsame Leistung der Eheleute erworbenen Versorgungsanrechten verschafft, die unabhängig vom wirtschaftlichen Schicksal des anderen Ehegatten nach der Scheidung war. Der Versorgungsausgleich beruht auf dem Gedanken, dass die in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte das Ergebnis einer partnerschaftlichen Lebensleistung sind. Bei der Scheidung der Ehe sollen beide Partner zu gleichen Teilen daran teilhaben. Deshalb hat der Partner, der in der Ehe nicht oder nicht voll erwerbstätig war und deshalb nur geringere Anwartschaften und Anrechte erworben hat, gegenüber dem anderen Ehepartner einen Ausgleichsanspruch. Der Versorgungsausgleich bewirkt eine Verteilung des Altersvorsorgevermögens der Ehepartner. Dabei steht der Versorgungserhöhung des einen Ehepartners immer eine Versorgungsminderung des anderen Ehepartners gegenüber. Die Rechtslage in der DDR Im Gegensatz zur Versorgungssituation Geschiedener in den alten Bundesländern rückte das Eherecht der DDR vom Verschuldensprinzip ab und ging spätestens mit der Verordnung über Eheschließung und Ehescheidung vom 24.11.1955 ab dem 29.11.1955 (in Ostberlin ab dem 6.12.1955) zum Zerrüttungsprinzip ohne Schuldausspruch über. Das Scheidungsfolgenrecht ging davon aus, dass mit der Scheidung die aus der Ehe resultierenden Verpflichtungen beendet waren und eine nachwirkende Solidarität zwischen den Partnern nicht geschuldet war. Mit der Ehescheidung sollte die Ehe grundsätzlich jede Wirkung verlieren. Versorgungsanrechte wurden folglich weder geteilt noch übertragen. Es existierte eine rudimentäre Hinterbliebenenversorgung. Unterhaltsansprüche nach der Ehe, die mehr die Funktion eines „Überbrückungsgeldes“ hatten und grundsätzlich für nicht länger als 2 Jahre nach Rechtskraft der Scheidung531 zuerkannt wurden, waren nur unter eingeschränkten Voraussetzungen gegeben und wurden nur in 2
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Nur in Härtefällen war nach § 14 EheVO und später nach § 29 Abs. 2, 31 FGB ein gerichtlicher Ausspruch der Fortdauer der Unterhaltszahlung möglich (BVerfG, 1 BvR 789/96 vom 2.6.2003, Absatz-Nr. 10).
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Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
– 5 % der Scheidungsfälle, die als Ausnahmenfälle532 angesehen werden konnten, zugesprochen.533 Das Rentenversicherungsrecht der DDR sah vor, dass Rentenansprüche grundsätzlich nur durch versicherungspflichtige Erwerbsarbeit erzielt werden konnten. Starb ein/e Unterhaltsverpflichtete/r, so hatte der/die geschiedene, unterhaltsberechtigte Ehepartner/-partnerin einen Anspruch auf Unterhaltsrente gemäß § 49 RentenVO der DDR.534 Die Rechtslage nach der Deutschen Einheit Mit der Rentenüberleitung fand für das gesamte Bundesgebiet für Scheidungen ab dem 1.1.1992 das Versorgungsausgleichsrecht, wie es vor der Deutschen Einheit in den alten Bundesländern galt, Anwendung. In Anlage 1 zum Einigungsvertrag wurde das westdeutsche Recht vor Wirksamwerden des Beitritts explizit ausgeschlossen (Art. 234 §§ 5, 6 EGBGB, Anlage 1 des Einigungsvertrages, BGBl 1990 II S. 948).535 Mit § 243 a Satz 1 SGB VI536 wurde zudem klargestellt, dass die Regelung des Anspruchs auf Geschiedenen-Hinterbliebenenrenten des § 243 SGB VI nicht eingreift, wenn der von § 243 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI geforderte Unterhaltsanspruch sich nach dem Recht des Beitrittsgebietes537 richtet. Grund dafür war, dass Geschiedenen-Hinter532
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536
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Voraussetzung für einen nachehelichen Unterhaltsanspruch war die Bedürftigkeit des Anspruchstellers/der Anspruchsstellerin und die Leistungsfähigkeit des/der in Anspruch Genommenen (§§ 13, 14 und 18 der Verordnung über Eheschließung und Auflösung (EheVO) vom 24.11.1955, GBl I S. 849. Vergleichbare Regelungen sahen dann §§ 29 bis 33 des Familiengesetzbuchs der DDR (FGB) vom 20.12.1965, GBl I 1966 S.1 vor. Deutscher Juristinnenbund, Stellungnahme zum Verfahren vor dem BVerfG 1 BvR 789/96, III.2.a. RentenVO der DDR vom 23.11.1979 (GBl. I S. 401). § 5 „Unterhalt des geschiedenen Ehegatten: Für den Unterhaltsanspruch eines Ehegatten, dessen Ehe vor dem Wirksamwerden des Beitritts geschieden worden ist, bleibt das bisherige Recht maßgebend. Unterhaltsvereinbarungen bleiben unberührt.“ § 6 „Versorgungsausgleich: Für Ehegatten, die vor dem grundsätzlichen Inkrafttreten der versicherungs- und rentenrechtlichen Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet geschieden worden sind oder geschieden werden, gilt das Recht des Versorgungsausgleichs nicht. Wird die Ehe nach diesem Zeitpunkt geschieden, findet der Versorgungsausgleich insoweit nicht statt, als das auszugleichende Anrecht Gegenstand oder Grundlage einer vor dem Wirksamwerden des Beitritts geschlossenen wirksamen Vereinbarung oder gerichtlichen Entscheidung über die Vermögensverteilung war.“ § 243 a Satz 1 SGB VI: „Bestimmt sich der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten nach dem Recht, das im Beitrittsgebiet gegolten hat, ist § 243 nicht anzuwenden“. Als Recht des Beitrittsgebietes ist zu verstehen: Verordnung über die Eheschließung und Eheauflösung (EheVO) vom 24.11.1955 für die Zeit vom 29.11.1955 (Berlin Ost 8.12.1955) bis zum 31.3.1966; vom 1.4.1966 an galt im Beitrittsgebiet das Familiengesetzbuch (FGB). War dieses Unterhaltsrecht maßgebend, gilt § 243 a Satz 1 SGB VI auch dann, wenn der geschiedene Ehe-
D Gerechtigkeitsdiskussionen bei der Überführung
199
bliebenenrenten wie alle Hinterbliebenenrenten Unterhaltsersatzfunktion haben. Voraussetzung für die Gewährung einer solchen Rente ist deshalb das Bestehen eines grundsätzlichen Unterhaltsanspruchs der geschiedenen Frau oder des geschiedenen Mannes vor dem Tod des/der zu Unterhalt Verpflichteten. Das Familienrecht der DDR sah jedoch Unterhaltsansprüche der Geschiedenen regelmäßig nicht vor. Die Bundesregierung begründete deshalb den Ausschluss von Geschiedenen-Hinterbliebenenrenten damit, dass wenn vor dem Tod des/der Geschiedenen kein Unterhaltsanspruch bestand oder auch tatsächlich kein Unterhalt geleistet worden ist, nach dem Tod auch keine Unterhaltsersatzleistung gewährt werden könne. Die Einführung einer Geschiedenen-Hinterbliebenenversorgung „musste daher in den neuen Bundesländern ausscheiden“.538 Ob diese Begründung rechtlich tragfähig ist, wird im nächsten Unterkapitel (4.) untersucht. Durch Art. 234 § 6 EGBGB wurde auf einen rückwirkenden Versorgungsausgleich für Scheidungen vor 1992 verzichtet.539 Die Bundesregierung begründete den Ausschluss einer rückwirkenden Einführung des Versorgungsausgleichs für Scheidungen vor 1992 mit dem aus dem Rechtsstaatsgebot des Grundgesetzes resultierenden Rückwirkungsverbot.540 Das Rückwirkungsverbot gebietet, dass staatliches Handeln vorhersehbar und berechenbar sein muss. Die Anordnung eines tatsächlich in die Versorgungsrechte des ausgleichspflichtigen ehemaligen Ehepartners eingreifenden rückwirkenden Versorgungsausgleichs würde nachträglich belastend in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreifen und wäre eine echte Rückwirkung und damit unzulässig. Dass ein rückwirkender Versorgungsausgleich im Rahmen der Rentenüberleitung nicht automatisch mit einer Versorgungsminderung des ausgleichspflichtigen ehemaligen Ehepartners verbunden sein muss, zeigen die Lösungsansätze der Parteien (4.).
538
539
540
gatte im letzten Jahr vor dem Tod des/der Versicherten von diesem/dieser Unterhalt erhalten hatte. Vor dem Inkrafttreten der EheVO am 29.11.1955 galt in der DDR (ebenso wie im übrigen Bundessgebiet) das EheG von 1946. Richtet sich bei einem Versterben des/der Versicherten vor dem 29.11.1955 (Berlin Ost 8.12.1955) ein Unterhaltsanspruch nach dem EheG von 1946, kann ein Anspruch auf Geschiedenen-Hinterbliebenenrente nach § 243 SGB VI auch bei einer Scheidung im Beitrittsgebiet bestehen. Vorbemerkung zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drucksache 16/3092 vom 25.10.2006. Das Problem wurde im Vorfeld der Rentenüberleitung unter Fachleuten diskutiert. Eine „vernünftige, dem Gleichheitssatz gerecht werdende Lösung dieser Problematik wurde nicht gefunden (Interview 1, siehe Anhang 1). Ebenda.
200
Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
Tabelle 14: Überblick über die versorgungsrechtlichen Vorschriften für Geschiedene vor und nach der Deutschen Einheit
AlteBundesländer
Ehewurdevordem 1.7.1977geschieden
Ehewurdenachdem 1.7.1977undvordem 31.12.1991geschieden Ehewurdenachdem 1.1.1992geschieden Ehewurdenachdem 1.9.2009geschieden
DDRbzw.neueBundesländer
AnspruchaufGeschiedeͲ KeinAnspruch,auchnichtaufGeschiedeͲ nenͲHinterbliebenenrente nenͲHinterbliebenenrente,auchwenn (§243SGBVI) AnspruchaufUnterhaltbestand.Indiesen FällenbestehtAnspruchaufErziehungsrenͲ te.(§§243a,47SGBVI) AnspruchaufVersorͲ KeinAnspruchaufVersorgungsausgleich gungsausgleich (§1587BGBmitVerweis aufdasVersAusglG) AnspruchaufVersorgungsausgleich (§1587BGBmitVerweisaufdas VersAusglG)) MitInkrafttretendesGesetzeszurStrukturreformdesVersorgungsausͲ gleichs(VAStrRefG)vom3.4.2009zum1.9.2009541giltFolgendes:Jedes AnrechtderEhegattenaufeineVersorgungwirdgrundsätzlichim SystemdesjeweilsausgleichspflichtigenEhegattengeteilt(interne Teilung).DieBegründungeinesAnrechtsbeieinemanderenVersorͲ gungsträger(externeTeilung)findetnurnochinAusnahmenfällen 542 statt.
Quelle:eigeneDarstellung
Für die nach dem Recht des Beitrittsgebiets geschiedenen Ehegatten war weder ein Anspruch auf Geschiedenen-Hinterbliebenenrente noch ein Anspruch auf Versorgungsausgleich vorgesehen. Die unterschiedlichen versorgungrechtlichen Vorschriften zeigt Tabelle 14. 3
Rechtsprechung
Mit seinem Nichtannahmebeschluss hat der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts am 2.6.2003543 entschieden, dass der Ausschluss der Gewährung von 541 542
543
BGBl. I S. 700. Das Versorgungsausgleichsrecht wurde mit dem Ziel reformiert, einen gerechteren Ausgleich nicht volldynamischer Anrechte (betriebliche Altersversorgung, private Rentenversicherungen und öffentlich-rechtliche Zusatzversorgungen) herbeizuführen und sie nicht mehr wie vor der Reform mit Hilfe ihres Deckungskapitals oder unter Anwendung der Barwert-Verordnung in vergleichbares Anrecht der GRV umzurechnen, um sie in der Gesamtbilanz aller ehezeitlichen Anrechte beider Ehegatten einstellen zu können (Schott, Die Grundzüge der Strukturreform des Versorgungsausgleichs, S. 179). Az.: 1 BvR 789/96, SozR 4-2600 § 243a Nr 1.
D Gerechtigkeitsdiskussionen bei der Überführung
201
Geschiedenenwitwenrenten der in der DDR Geschiedenen gem. § 243 a SGB VI mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Das Bundesverfassungsgericht begründet seine Entscheidung damit, dass die dem Rechtsstreit zugrunde liegende Verfassungsbeschwerde grundsätzliche verfassungsrechtliche Fragen nicht aufwirft, der Umfang des Schutzes von Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG im Rahmen der Rentenüberleitung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts geklärt sei und dass Ansprüche auf Hinterbliebenenrente als abgeleitete Ansprüche in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht dem Eigentumsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG unterlägen. Das Bundesverfassungsgericht weist darauf hin, dass der Unterhaltsanspruch in der DDR grundsätzlich befristet war und damit die Lebenssituation der in der DDR Geschiedenen mit in der Bundesrepublik lebenden Bezieherinnen und Beziehern von Geschiedenen-Hinterbliebenenrenten nicht vergleichbar sei. Für materiell-rechtlich ganz entscheidend hält das Bundesverfassungsgericht, dass es mit seiner Entscheidung an die Fortgeltung des bereits in der DDR geregelten nachehelichen Unterhalts anknüpft. Denn andernfalls, so der erste Senat in seinem ersten Orientierungssatz, entstünden neue Ungerechtigkeiten. Ein nach dem Recht der Bundessrepublik Deutschland vor der Wiedervereinigung bestehender Unterhaltsanspruch könne deshalb für die in der DDR Geschiedenen nicht fingiert werden. Das Bundesverfassungsgericht führt abschließend aus, dass offen gelassen werden kann, ob die angeführten Gesichtspunkte zur Rechtfertigung von § 243 a SGB VI ausreichend sind. Grund war, dass jedenfalls Geschiedene, die eine eigene Alterssicherung vorweisen können, innerhalb der benachteiligten Gruppe sozial weniger schutzbedürftig seien.544 Der Anspruch scheiterte insoweit an den Voraussetzungen des Rechts der DDR, da die Beschwerdeführerin über einen Altersrentenanspruch verfügte und weder nach § 49 RentenVO 1979 noch nach Art. 2 §§ 1, 14 RÜG eine Unterhaltsrente hätte erhalten können. Sie scheiterte nicht an den Voraussetzungen des SGB VI.545 Ob das Bundesverfassungsgericht bei sozial größerer Schutzbedürftigkeit anders entschieden hätte, lässt der Beschluss offen.
544
545
Die Beschwerdeführerin erhielt am 1.7.1990 eine monatliche Rente in Höhe von 684 DM. Die durchschnittliche Altersrente betrug 1989 446,62 M, wenn keine Beiträge zur FZR gezahlt wurden, von 555,42 M, wenn Beiträge zur FZR geleistet wurden. Die der Gesetzesbegründung entnommene Berechnung muss differenziert betrachtet werden, denn die angegebenen Durchschnittsaltersrentenbeträge sind Werte in Mark der DDR, für die monatliche Rente der Beschwerdeführerin wurde der zum 1.7.1990 bereits angepasste und umgerechnete Betrag in DM ausgewiesen. Denn: Die Ostrenten wurden zum 1.7.1990 durchschnittlich für Männer um 31 %, für Frauen um 22 % angehoben. Siehe dazu Teil 1 der Arbeit, C.III. BVerfG, 1 BvR 789/96 vom 2.6.2003, Absatz-Nr. 30.
202
Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
Der Deutsche Juristinnenbund (djb) erklärte in seiner Stellungnahme,546 dass zwei Gleichheitsverstöße näher zu betrachten seien: „Die in der ehemaligen DDR vor 1977 geschiedenen Frauen mit nachehelichem Unterhaltsanspruch, der auch im letzten Jahr vor dem Tode des früheren Mannes bestand bzw. erfüllt wurde, werden gegenüber den bis zu diesem Zeitpunkt Geschiedenen in den alten Bundesländern ungleich behandelt. Dafür sind die vom Gesetzgeber genannten Rechtfertigungsgründe nicht ausreichend, da für beide Gruppen vergleichbare Sicherungsbedürfnisse bestehen. Sofern bei dieser Gruppe von vor 1977 geschiedenen Frauen Unterhalt tatsächlich im wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod des Manns geleistet wurde und eine Wiederverheiratung erfolgt, also neben der geschiedenen eine Witwe existiert, liegt ein weiterer Gleichheitsverstoß in der Schlechterstellung gegenüber den Witwen. Auch insoweit sind sachliche Rechtfertigungsgründe für eine gesetzliche Ausschlussklausel nur zu Lasten einer Gruppe nicht erkennbar.“
Ob ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG im Ergebnis zu bejahen ist, hängt nach Ansicht des djb entscheidend davon ab, ob es überhaupt in nennenswerter Zahl von der gesetzlichen Regelung Betroffene in dem skizzierten Sinne gibt. Lauterbach weist in seinem Beitrag547 darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht seine eigene Argumentation selbst in Zweifel zieht, wenn es ausführt, es sei „zweifelhaft, ob das Argument, Unterhaltsansprüche im Sinne des § 243 SGB VI seien in der DDR nur in wenigen Fällen begründet worden, den Ausschluss jeglicher Ansprüche zu tragen vermag.“ Lauterbach stellt weiter fest, dass „somit der alleine tragende Grund für die Verneinung einer möglichen Verfassungsverletzung im konkreten Fall die Feststellung der fehlenden Schutzbedürftigkeit der Beschwerdeführerin“ gewesen sei und kommt zu der Empfehlung, dass sich Frauen in den neuen Bundesländern, die vor dem Tod ihres geschiedenen Gatten einen Unterhaltsanspruch hatten, von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht entmutigen lassen sollten. Dieser Empfehlung kann gefolgt werden, denn in seinem Beschluss vom 15.1.2004548 führt das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung vom 2.6.2003 im Orientierungssatz 6 aus: „Auch ist der in § 243 a SGB VI geregelte Anspruchsausschluss jedenfalls dann verfassungsgemäß, wenn eine adäquate eigene Alterssicherung besteht.“
546
547 548
Deutscher Juristinnenbund, Stellungnahme zum Verfahren vor dem BVerfG 1 BvR 789/96, Ergebnis. Lauterbach, Die rentenrechtliche Situation, S. 133. Az.: 1 BvR 936/97.
D Gerechtigkeitsdiskussionen bei der Überführung
203
Das Bundesverfassungsgericht betont im Orientierungssatz 2: „Dem Gesetzgeber war bei der Neuordnung sozialrechtlicher Rechtsverhältnisse im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung ein besonders großer Gestaltungsspielraum zuzubilligen.“
Daraus kann geschlossen werden, dass zumindest dann, wenn keine adäquate eigene Alterssicherung besteht, der Anspruchsausschluss möglicherweise mit der Verfassung nicht vereinbar sein könnte. Der Gesetzgeber hätte diesen Sachverhalt im Rahmen seines weiten Gestaltungsspielraums549 regeln können. Zur Unterstützung dieser Ansicht kann der Beschluss des BVerfG vom 11.5.2005 zur Verfassungsmäßigkeit von Auffüllbeträgen und deren Abschmelzung550 herangezogen werden. Dem legitimen Ziel des Gesetzgebers, ab dem 1.1.1992 die gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland auf die einheitliche Rechtsgrundlage des SGB VI zu stellen, diente seine Entscheidung, bei der Neuberechnung der Renten auf der Grundlage des SGB VI die Berechnungselemente nicht zu berücksichtigen, die dem gesamtdeutschen Rentenrecht fremd sind. Wenn der Gesetzgeber Elemente, die dem SGB VI fremd sind, nicht zu berücksichtigen brauchte, muss bzw. kann er dann nicht im Umkehrschluss Berechnungs- und Systemelemente, wie den Versorgungsausgleich, ab 1.7.1977 berücksichtigen, die dem gesamtdeutschen Recht immanent sind. Der Übernahme von Elementen des Versorgungsausgleichs kann nicht entgegen gehalten werden, dass der Gesetzgeber bei Rentenüberleitung auch das Ziel verfolgen durfte, die Beitragszahlerinnen und -zahler in den alten und neuen Bundesländern auf längere Sicht von der Finanzierung von Vorteilen des Rentenversicherungssystems der DDR zu entlasten.551 Vielmehr geht es darum, den in der DDR Geschiedenen Vorteile des westdeutschen Systems, die ab 1.7.1977 eingeführt wurden, zugutekommen zu lassen. Die Nichtüberführung des Versorgungsausgleichs auf die neuen Bundesländer könnte einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG darstellen, denn der Gleichheitssatz gebietet, wesentlich Gleiches auch gleich zu behandeln. Diese Forderung war Inhalt der Resolution, die der 33. Feministische Juristinnentag am 17.6.2007 in Bielefeld verabschiedet hatte:552
549
550 551 552
BVerfG, 1 BvR 789/96 vom 2.6.2003, Absatz-Nr. 25, SozR 4-2600 § 243a Nr 1, mit Verweis auf BVerfGE 100, 59, 94 f. Az.: 1 BvR 368/97, BVerfGE 112, 368. BVerfG, 1 BvR 368/97 vom 11.5.2005, Absatz-Nr. 92. Kaltwasser, Die Gerechtigkeit ist eine Frau, S. 182 f.
204
Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung „Der 33. Feministische Juristinnentag stellt fest: 1.) Über eine halbe Million Frauen aus dem Gebiet der ehemaligen DDR, die zwischen dem 1. Juli 1977 und dem 31. Dezember 1991 geschieden wurden, leben aufgrund gesetzgeberischen Willens unverschuldet in Altersarmut. Diese Frauen können nicht von einem Versorgungsausgleich profitieren, der den ab dem 1. Juli 1977 in der BRD geschiedenen Personen zusteht. Bei der Überleitung des Rentensystems der DDR wurden weder die speziellen Regelungen der Rentenverordnung-Ost noch der Versorgungsausgleich nach BRD-Recht als Lösung für die Betroffenen für anwendbar erklärt. 2.) Die Betroffenen sind Opfer einer Diskriminierung im Alter und einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung. Es handelt sich – da fast ausschließlich Frauen betroffen sind – um ein geschlechtsspezifisches Problem. Die Nichtanwendbarkeit der Regelungen zum Versorgungsausgleich (VA) verstößt gegen Art. 3 I GG. Denn die geschiedenen Frauen haben nach BRD-Recht einen Anspruch auf Versorgungsausgleich, während Frauen, die nach DDR-Recht heirateten, nunmehr durch geschlechtsspezifische Lücken in der Erwerbsbiographie, die sich erheblich in der Rentenhöhe auswirken, durch den Ausschluss des VA finanziell benachteiligt sind, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund bestünde. Der 33. Feministische Juristinnentag fordert die Gesetzgebung auf, unverzüglich eine Gleichbehandlung der betroffenen Frauen herzustellen und damit der Verpflichtung aus dem Grundgesetz gerecht zu werden.“
Dieser Ansicht folgend, ist es Aufgabe des Gesetzgebers, eine verfassungskonforme Lösung zu schaffen. Im Folgenden werden Lösungsansätze dargestellt und analysiert. 4
Lösungsansätze und Initiativen
Die betroffenen in der DDR geschiedenen Frauen haben sich in einem Verein553 organisiert, der es sich zur Aufgabe macht, sich dafür einzusetzen, dass die rechtmäßig während der DDR-Zeit erworbenen Ansprüche der geschiedenen Frauen auf eine angemessene Rente durchgesetzt werden und damit eine Angleichung bzw. Gleichstellung mit den Rechten aller geschiedenen Frauen in der Bundesrepublik Deutschland erreicht wird. Dass das Problem auf dem politischen Weg einer Lösung zuzuführen ist, haben die Fraktionen der Parteien DIE LINKE, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erkannt und entsprechende Anträge an den Deutschen Bundestag gestellt: 553
Verein der in der DDR geschiedener Frauen e.V., im Internet unter: http://www.verein-ddrgeschiedener-frauen.de (abgerufen am 1.10.2010).
D Gerechtigkeitsdiskussionen bei der Überführung
205
Mit ihrem Antrag „Gerechte Lösung für die rentenrechtliche Situation von in der DDR Geschiedenen“ vom 7.11.2007554 schlägt die Fraktion der Partei DIE LINKE zwei Lösungsansätze vor: Der erste Lösungsansatz sieht vor, für die Ehezeit einen fiktiven Versorgungsausgleich ohne Rückgriff (Malus) bei den Männern vorzunehmen. Der zweite Lösungsansatz will die nach DDR-Recht erworbenen Ruhestandsanwartschaften der Geschiedenen – zeitlich unbegrenzt – dynamisieren. Mit ihrem Antrag „Faires Nachversicherungsangebot zur Vereinheitlichung des Rentenrechts in Ost und West“ vom 3.12.2008 (Ziff. 11)555 fordert die Fraktion der FDP die Bundesregierung auf, eine Regelung zu normieren, die den in der DDR Geschiedenen eine einmalige und außerhalb der Gesetzessystematik stehende Möglichkeit verschafft, durch die nachträgliche Entrichtung von freiwilligen Beiträgen über ihre Beiträge zu DDR-Zeiten hinaus, ihren heutigen Rentenanspruch zu erhöhen. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordert mit ihrem Antrag „Versorgung für Geschiedene aus den neuen Bundesländern verbessern“ vom 21.1. 2009556, eine steuerfinanzierte Regelung zu Gunsten von Frauen, die vor 1992 in den neuen Bundesländern geschieden wurden und die wegen Kindererziehung ihre Erwerbsarbeit unterbrochen oder eingeschränkt haben, einzuführen, die einen fiktiven Versorgungsausgleich (ohne Malus) vorsieht. Qualitativ unterscheiden sich die Anträge wesentlich: Während die Fraktionen DIE LINKE und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN materiell-rechtliche Verbesserungen bei den Frauen vornehmen wollen, ohne dass es bei den Unterhaltsberechtigten zu finanziellen Verschlechterungen kommt, will die FDP lediglich eine Möglichkeit eröffnen, dass sich die Frauen nachversichern können. Dies wird aber an den regelmäßig prekären Einkommensverhältnissen der Frauen, die in der DDR geschieden wurden, scheitern. Die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und Berlin557 haben für die 873. Sitzung des Bundesrates am 9.7.2010 einen Entschließungsantrag558 zur Verbesserung der Versorgung der im Beitrittsgebiet vor dem 1.1.1992 Geschiedenen eingebracht: „Der Bundesrat fordert die Bundesregierung abermals mit Nachdruck auf, eine außerhalb des Familienrechts liegende Lösung für einen Ausgleich für die in der ehe-
554 555 556 557 558
BT-Drucksache 16/7021. BT-Drucksache 16/11236. BT-Drucksache 16/11684. In beiden Bundesländern finden im Sommer/Frühherbst 2011 Landtagswahlen statt. BR-Drucksache 392/10 vom 29.6.2010.
206
Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung maligen DDR ohne Versorgungsausgleich geschiedenen Ehegatten zu finden und eine entsprechende Gesetzesinitiative zu ergreifen.“
Was genau unter einer „außerhalb des Familienrechts“ liegenden Lösung zu verstehen ist, wird nicht näher erläutert. Im Zusammenhang mit der Begründung des Antrags, kann nur von einem fiktiven Versorgungsausgleich ohne Malus ausgegangen werden. Die antragstellenden Länder führen in ihrer Begründung zu dem Entschließungsantrag aus, „dass Ehegatten, die nach dem Recht der ehemaligen DDR bis zum 31. Dezember 1991 geschieden worden sind, weder eine Geschiedenenhinterbliebenenrente erhielten noch Anspruch auf Leistungen aus einem Versorgungsausgleich hätten. Dies führe im Vergleich zu den alten Ländern zu einer Schlechterstellung dieser Personengruppe und zu einer Benachteiligung gegenüber den Personen, die nach dem ab dem 1. Januar 1992 geltenden Recht in den neuen Ländern mit einem Anspruch auf Versorgungsausgleich geschieden worden sind. Hieraus könnten sich erhebliche soziale Härten insbesondere für ältere geschiedene Frauen ergeben, die ihr Leben in der DDR – wie viele Frauen in den alten Ländern auch – der Familie und der Erziehung der Kinder gewidmet und ihre Berufstätigkeit unterbrochen und eingeschränkt hätten. Ein Verweis dieser Personengruppe auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII sei keine hinnehmbare Lösung.“
Der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering, betonte, dass es eine Frage der Gerechtigkeit sei, für die jetzt im Alter oft am Existenzminimum lebenden Frauen eine faire Lösung zu finden. „Es kann nicht sein, dass eine Frau, die in Wismar geschieden wurde, seit vielen Jahren schlechter gestellt wird als eine Frau in vergleichbarer Situation in Wiesbaden.“559
Der federführende Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik des Bundesrates hatte dem Bundesrat mit den Stimmen der neuen Bundesländer und der alten Länder Berlin, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen empfohlen, die Entschließung560 in der Fassung „Der Bundesrat bittet die Bundesregierung nachdrücklich, eine befriedigende Lösung für die im Beitrittsgebiet vor dem 1. Januar 1992 geschiedenen Ehegatten herbeizuführen.“ 559
560
Abgerufen am 16.7.2010 unter: http://www.ihre-vorsorge.de/index.php?id=55&tx_ttnews%5btt_ news%5d=152&cHash=a8984e6548. Drucksache des Bundesrats 392/1/10 vom 13.9.2010.
E Zusammenfassung und Fazit
207
anzunehmen. Weiterhin wurde empfohlen, eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einzusetzen. 5
Zwischenfazit
Unabhängig davon, ob ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG bejaht wird, kann festgestellt werden, dass die Überleitung westdeutschen Rentenrechts im Falle der Frauen aus der DDR, die zwischen dem 1.7.1977 und dem 31.12.1991 geschieden wurden, unbefriedigend erfolgte. Sie verließen sich auf eine Altersabsicherung nach DDR-Recht und wurden auf ein bedarfsgeprüftes Fürsorgesystem verwiesen. Ein Versorgungsausgleich im juristischen Sinne kann nicht nachträglich durchgeführt werden, da erworbene Ansprüche und Anwartschaften nicht rückwirkend reduziert werden können, ohne dass es zu neuen Ungerechtigkeiten kommen würde. Für die betroffenen Frauen kann jedoch ein fiktiver Versorgungsausgleich – steuerfinanziert als Folge der Deutschen Einheit – durchgeführt werden. Zu einer vergleichbaren Vorgehensweise hatte sich der gesamtdeutsche Gesetzgeber mit dem 2. AAÜG-ÄndG entschlossen, als er für die Beschäftigten der ehemaligen Deutschen Reichsbahn und der Deutschen Post Rentenversicherungsbeiträge für Arbeitsentgelte über 600 M zur FZR als gezahlt fingierte. Die erforderliche Summe der prognostizierten jährlichen Mehraufwendungen von 110 Mio. DM und die Nachzahlungen von 325 Mio. DM wurden als Kosten der Deutschen Einheit aus Steuermitteln aufgebracht. Andererseits gibt es auch für die betroffenen Frauen innerhalb des Rentenversicherungssystems ein „Auffangnetz“, die Rente nach Mindesteinkommen (§ 262 SGB VI), deren Regelungen für Pflichtbeitragszeiten vor 1992 eine Mindestbewertung vorsehen. Diese Regelungen sind jedoch kein Ersatz für einen unterbliebenen Versorgungsausgleich, sondern können allenfalls als Abmilderung der Folgen der geringen Renten der Betroffenen verstanden werden.
E Zusammenfassung und Fazit E Zusammenfassung und Fazit
Die grundlegenden Fragen in diesem zweiten Teil der Arbeit lauten, ob mit den gesetzgeberischen Nachbesserungen der Rentenüberleitungsprozess als abgeschlossen gelten kann und in welchem Licht sich die gefundenen Lösungen vor dem Hintergrund gerechtigkeitstheoretischer Überlegungen darstellen. Seit rund 20 Jahren ist der gesamtdeutsche Gesetzgeber damit befasst, Regelungen zur Überleitung der Ansprüche und Anwartschaften der Alterssicherungssysteme der DDR zu normieren, zu modifizieren und – seit rund 10 Jahren
208
Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
– an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und des Bundesverfassungsgerichts anzupassen. Zwei Gruppen von Akteuren haben den Rentenüberleitungsprozess juristisch gestaltet: die Politik im weitesten Sinne und die angerufenen Gerichte. Um die Frage, ob mit den gesetzgeberischen Nachbesserungen der Rentenüberleistungsprozess als abgeschlossen gelten kann, beantworten zu können, muss ein Blick darauf gerichtet werden, welche Zielvorstellungen der Politik zugrunde lagen. Dabei wird zwischen den Zielvorstellungen der beiden im Jahr 1991 größten im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen, der Fraktion der CDU/CSU und der Fraktion der SPD sowie den Vorgaben des Einigungsvertrages differenziert. In einem zweiten Schritt ist zu resümieren, ob die Rentenüberleitung im Hinblick auf die Rechtsprechung der angerufenen Gerichte und insbesondere des Bundesverfassungsgerichts als beendet angesehen werden kann. I
Die Zielvorstellungen der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD zur Rentenüberleitung
Eine große Gruppe von Abgeordneten des Deutschen Bundestags, vornehmlich der Opposition, verstanden die Vereinheitlichung der Alterssicherung in Ostund Westdeutschland nicht nur als einen gesetzestechnischen und bürokratischen Vorgang und damit mehr als einen Akt der bloßen Rechtsbereinigung. Sie sahen in der Schaffung einer einheitlichen Alterssicherung in ganz Deutschland die Stunde einer großen sozialpolitischen Reform, die dazu hätte genutzt werden können, die Alterssicherung in Deutschland fortzuentwickeln, insbesondere Altersarmut zu bekämpfen und eigenständige Rentenansprüche von Frauen zu fördern. Dazu wäre die Übernahme von Strukturelementen des DDR-Rentenrechts, wie z. B. der Mindestrente und eine Einbindung in das bundesdeutsche System erforderlich gewesen.561 Diesen Anspruch konnte der Rentenüberleitungsprozess deshalb nicht erfüllen, da er nicht von der Mehrheit der Abgeordneten des Deutschen Bundestags getragen wurde. Ein Vertreter der größten Fraktion des Bundestages, der CDU/CSU-Fraktion, der die Funktion des Berichterstatters in der zweiten Lesung des RÜG übernahm, sprach sich vielmehr gegen eine Kombination der Rentenüberleitung mit der immerwährenden Aufgabe der Rentensystemverbesserung aus. Eine solche Verquickung zweier ganz unterschiedlicher Aufgabenstellungen brächte – seiner Meinung nach – nur Unsicherheit in die Bevölkerung und Unordnung in das Rentensystem und in die Kassen der 561
MdB Rudolf Dreßler, SPD, Deutscher Bundestag, Stenographische Berichte der Sitzungen, 24. Sitzung, 26.4.1991, S. 1613.
E Zusammenfassung und Fazit
209
Versicherungsträger.562 Vielmehr sahen die Abgeordneten der Fraktionen, die die Bundesregierung stellten, die zügige Übertragung des bundesdeutschen Rentenrechts auf die jungen Bundesländer als Ziel an. Dieses Ziel wurde erreicht. Die Chance, weitergehende Ziele und Korrekturen insbesondere durch Übernahme positiver Strukturelemente des DDR-Rechts zu erreichen, wurde nicht genutzt. II
Die Zielvorstellungen des Einigungsvertrages zur Rentenüberleitung
Der Einigungsvertrag vom 31.8.1990 beschreibt als Ziele des Vereinigungsprozesses den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland (Art. 1 EV), das Inkrafttreten des Grundgesetzes (Art. 3 EV), die Überleitung von Bundesrecht (§ 8 EV) und damit die Überleitung des SGB VI (Art. 30 Abs. 5 EV). Die sog. Systementscheidung, die Ansprüche und Anwartschaften aus Sonder- und Zusatzversorgungssystemen der DDR in die gesetzliche Rentenversicherung zu überführen, war eine Entscheidung, die der Einigungsvertrag und vorher bereits der Staatsvertrag getroffen hatten. Die Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Sonder- und Zusatzversorgungssystemen stand zudem unter der Prämisse, ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffen und überhöhte Leistungen abzubauen.563 Die Überleitung des SGB VI wurde von einer Zahlbetragsgarantie für Bestandsrentnerinnen und -rentner sowie für rentennahe Jahrgänge begleitet und von der wesentlichen Zielsetzung bestimmt, mit der Angleichung der Löhne und Gehälter auch eine Angleichung der Renten in den neuen Bundesländern zu verwirklichen. Dieses Ziel wurde bis heute nicht erreicht (s. a. Teil 3 der Arbeit). Zahlreiche Problemstellungen sind bis heute Gegenstand politischer Auseinandersetzungen. Beispielhaft sind hier die Überführung der Renten von Beschäftigtengruppen mit einem besonderen Steigerungssatz (s. o. D. II.) und die Alterssicherung von in der DDR Geschiedenen (s. o. D. III.) zu nennen. Der Überleitungsprozess kann nur dahingehend als abgeschlossen gelten, als die getroffenen Lösungen mit geltendem Recht vereinbar sind und der Rechtsweg erschöpft ist. Ein die Betroffenen zufriedenstellender und deshalb als abgeschlossen anzusehender Zustand wurde noch nicht erreicht. Aufgrund der Zielvorstellungen des Einigungsvertrages, eine Angleichung der Renten zu bewirken, kann der Überleitungsprozess nicht als abgeschlossen angesehen werden. 562
563
MdB Heinz Rother, CDU/CSU, Deutscher Bundestag, Stenographische Berichte der Sitzungen, 35. Sitzung, 21.6.1991, S. 2932. Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 b Einigungsvertrag, siehe im Anhang, 6. Gesetzes und Rechtsquellen, III.2.
210
Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
III Die Leitlinien des Bundessozial- und des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht bestimmte in zahlreichen Entscheidungen juristische Leitlinien des materiellen Rentenüberleitungsprozesses. Hervorzuheben sind die Grundsatzentscheidungen vom 28.4.1999 (s. o. C. IV.) und zuletzt die Entscheidung vom 6.7.2010 (s.o. C. IX). Diese lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Der gesamtdeutsche Gesetzgeber verfolgte nach der Herstellung der Deutschen Einheit ein Ziel des Gemeinwohls, als er das System der gesetzlichen Rentenversicherung in einem einheitlichen Rechtsrahmen zusammenführte.564 Der gesamtdeutsche Gesetzgeber hat einen weiten Ermessensspielraum.565 Die Systementscheidung ist verfassungskonform (Absatz-Nr. 138). Der Gesetzgeber war nicht verpflichtet, das Altersversorgungssystem der DDR beizubehalten (Absatz-Nr. 141). Der Gesetzgeber war nicht verpflichtet, die Berechtigten aus den Versorgungssystemen der DDR so zu behandeln, als hätten sie ihre Erwerbsbiographie in der Bundesrepublik zurückgelegt (Absatz-Nr. 142). Der in der DDR erreichte Rentenstandard wurde durch die Überleitung nicht nachhaltig verschlechtert (Absatz-Nr. 147). Das Bundesverfassungsgericht hat damit in seiner aktuellsten Entscheidung vom 6.7.2010 zwar nur die Entgeltbegrenzungen des Gesetzgebers für einen kleinen Teil des von der Regelung des § 6 Abs. 2 AAÜG idF. des 1. AAÜG-ÄndG erfassten Personenkreises für verfassungsgemäß erachtet. Die dort entwickelten Grundsätze zur Entgeltbegrenzung können aber auf die durch das 1. AAÜG-ÄndG betroffenen Personengruppen angewendet werden.
Ein weiterer Aspekt ist von Bedeutung: Das Bundesverfassungsgericht hat sich zu keiner Zeit zu der Frage geäußert, bis wann der Überleitungsprozess abgeschlossen werden sollte. Dies betrifft insbesondere die Vereinheitlichung der Rentenberechnung und -anpassung durch Angleichung der Rechenwerte (s. o. A. II.). Das Bundessozialgericht sah in seiner Entscheidung vom 14.3.2006 in der ungleichen Ausgestaltung der subjektiven Rechte der Versicherten und Rentnerinnen sowie Rentner eine Beeinträchtigung des Rechts auf (System-)Gleich564 565
BVerfG, 1 BvR 368/97 vom 11.5.2005, Absatz-Nr. 92, BVerfGE 112, 368. BVerfG, 1 BvL 32/95 vom 28.4.1999, Absatz-Nr. 135, BVerfGE 100,1. Soweit nichts anderes genannt ist, beziehen sich im Weiteren die in Klammer aufgeführten Absatz-Nr. auf diese Entscheidung.
E Zusammenfassung und Fazit
211
heit. Es führte jedoch aus, dass der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz als Gebot der sachgerechten Differenzierung die im Grunde systemwidrige Ungleichbehandlung zwischen der Bewertung der im Beitrittsgebiet und der im alten Bundesgebiet erbrachten wirtschaftlichen Vorleistung und des Maßstabs des Rentnerlohns, jedenfalls bis zur Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse im Bundesgebiet rechtfertige. Im entscheidungsmaßgeblichen Zeitpunkt, dem 20.7.2000, hielt das Bundessozialgericht diese ungleiche Ausgestaltung jedenfalls noch für gerechtfertigt. Dabei hat das Bundessozialgericht auf die noch nicht erreichten einheitlichen Lebensverhältnisse in Ost und West abgestellt. Zwischenzeitlich, rund 10 Jahre später, hat sich der wirtschaftliche Aufholprozess stark verlangsamt. Zum Erliegen ist er jedoch noch nicht gekommen (s. Teil 3, A. I und II.). Damit wäre die ungleiche Behandlung weiterhin gerechtfertigt, der Überleitungsprozess noch nicht abgeschlossen. Die Frage der zeitlichen Dimension darf bei den weiteren Überlegungen nicht aus dem Blickfeld geraten. Einen weiteren wichtigen Aspekt sprach der 2010 ausgeschiedene Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, bereits im Jahr 1996, also lange vor Verkündung der maßgeblichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, an und beantwortete damit die Frage, wessen Aufgabe es ist, den Überleitungsprozess maßgeblich zu gestalten und zu bestimmen. Er gibt darauf folgende Antwort: „Die Bewältigung der unrechtsstaatlichen oder doch zumindest vorrechtsstaatlichen Strukturen, die Integration der Rechts- und Sozialordnung der ehemaligen DDR in das bundesdeutsche System war eine historische einmalige Aufgabe. Sie musste gewissermaßen „über Nacht“ eingeleitet und in ihren Grundstrukturen fixiert werden. Vieles hätte dabei anders, manches sicherlich auch besser, vor allem in technischhandwerklicher Hinsicht, und gerechter bewältigt werden können. Aber vor einem ist mit Nachdruck zu warnen. Die in einer solchen Umbruchsituation benötigten und auch von Verfassungs wegen bereitgestellten breiten Gestaltungsspielräume des demokratisch legitimierten Gesetzgebers dürfen nicht leichtfertig durch die als Ersatzgesetzgeber agierende dritte Gewalt rückwirkend usurpiert und konterkariert werden. Auf dem Weg zum Richterstaat sind wir ohnehin schon sehr weit vorangeschritten, weitere kräftige Schritte, wie sie gerade in den vorliegenden Zusammenhängen gefordert und durchzudrücken versucht werden, wären für das auf Gewaltenteilung angelegt demokratische System des Grundgesetzes zu viel.“566
Papier sieht also in erster Linie den gesamtdeutschen Gesetzgeber in der Verantwortung. In die gleiche Richtung blickend, jedoch mit einer deutlich größeren Verantwortung für die Rechtsprechung begründete Paul Kirchhof, Richter am Bun566
Papier, Rentenrecht oder Rentenunrecht, S. 409 f.
212
Teil 2: Reparaturmaßnahmen durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung
desverfassungsgericht, ebenfalls im Jahr 1996 anlässlich der Worte Bärbel Bohleys „Wir wollten Gerechtigkeit und bekamen den Rechtsstaat“ seine Ansicht, dass Gerechtigkeit der Auftrag ständigen Suchens und Bemühens und immer unerfüllt bleibe, stets aber die rechtsprechenden Organe verpflichte. „Wie der Arzt unbeirrt seinen Auftrag erfüllt, der Gesundheit zu dienen, mag er auch viele Krankheiten nicht heilen können, müssen die Rechtsverantwortlichen immer wieder die Gerechtigkeit suchen, die ihnen als Teil unserer Kultur überliefert ist. In dieser Bindung hat das BVerfG die Entscheidungspflicht, in Anwendung des positiven, hergebrachten Rechts dem Gerechten möglichst nahe zu kommen.“567
Der Rentenüberleitungsprozess kann aus Sicht der Rechtsprechung als abgeschlossen angesehen werden. IV Fazit Abschließend kann festgestellt werden, dass sich die Rechtsprechung der Aufgabe gestellt hat, die rechtlichen Leitlinien des Überleitungsprozesses festzulegen und den Gesetzgeber immer wieder gezwungen hat, diese und auch die im Rahmen der Deutschen Einheit von den Vertragsparteien des Staats- und Einigungsvertrages normierten Rahmenlinien einzuhalten. Dieser Prozess ist im Wesentlichen abgeschlossen und bewegte sich zwischen dem Bemühen, dem Gerechten möglichst nahe zu kommen und der Feststellung, dass im Überleitungsprozess manches besser und gerechter hätte bewältigt werden können. Es ist jedoch Aufgabe des Gesetzgebers, die erforderlichen politischen Entscheidungen zu treffen, um den Überleitungsprozess abzuschließen. Die Mehrheit der Abgeordneten des Deutschen Bundestages hatten als Messlatte der Rentenüberleitung die zügige Übertragung des bundesdeutschen Rentenrechts auf die jungen Bundesländer als Ziel definiert. Dieses Ziel wurde erreicht. Die berechtigten Interessen z.B. des ehemaligen mittleren medizinischen Personals und der in der DDR Geschiedenen wurden nach gerechtigkeitstheoretischen Erwägungen jedoch nur ungenügend berücksichtigt. Die Chance, das Rentensystem ein Stück weniger dem Diktat der Leistungsgerechtigkeit und ein wenig mehr der Bedarfs- und Teilhabegerechtigkeit anzupassen, wurde vertan. Aufgrund der politisch motivierten Zielvorstellungen des Einigungsvertrages, eine Angleichung der Renten zu bewirken, kann der Überleitungsprozess nicht als abgeschlossen angesehen werden.
567
Kirchhof, Die Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts, S. 1501.
E Zusammenfassung und Fazit
213
Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung durch Vereinheitlichung der Rechenwerte bei Rentenberechnung und -anpassung Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung
Die rentenrechtliche und rechtspolitische Entwicklung sowie die Darstellung der unterschiedlichen Rentensysteme der DDR und der Bundesrepublik Deutschland sowie deren maßgebliche Unterschiede waren Gegenstand des ersten Teils der Arbeit. Die unterschiedlichen Ausgangslagen vor der Wiedervereinigung und der Weg zur Rentenüberleitung wurden beschrieben und analysiert. Die Diskussionen um die Änderungen und Anpassungen durch die Rechtsprechung und den Gesetzgeber bildeten den Schwerpunkt des zweiten Teils. Ergebnis war, dass der Prozess der Vereinheitlichung des Rentenrechts – politisch – noch nicht als abgeschlossen gelten kann. Im dritten Teil der Arbeit wird nun die Frage aufgeworfen, ob und wie rund 20 Jahre nach der Wiedervereinigung die Deutsche Einheit in der Alterssicherung vollendet werden kann. Zu Beginn der 17. Legislaturperiode des Deutschen Bundesstages im Jahr 2009 hatte sich die neu gewählte Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP in ihrem Koalitionsvertrag verpflichtet, die Deutsche Einheit weiter voranzubringen, die Lebensverhältnisse in Deutschland bis zum Jahr 2019 bundesweit weitgehend anzugleichen und in dieser Legislaturperiode ein einheitliches Rentensystem in Ost und West einzuführen.568 Ausgehend von dieser politischen Absichtserklärung lauten die forschungsleitenden Fragen in diesem Teil der Arbeit: Durch welche Maßnahmen kann die Deutsche Einheit im Rentenversicherungsrecht hergestellt werden? Können dies Regelungen für einzelne Personengruppen sein und/oder ist ein übergreifender Lösungsansatz wie die Vereinheitlichung der Rechenwerte bei Rentenberechnung und -anpassung erforderlich? (A.) Ist der wirtschaftliche Aufholprozess und damit auch die Rentenüberleitung rechtlich und faktisch beendet und liegen vergleichbare Bedingungen für die Versicherten in Deutschland vor oder dauert dieser Aufholprozess noch an? (B.) Welche rechtlichen Aspekte sind bei der Vereinheitlichung der Rechenwerte bei Rentenberechnung und -anpassung maßgeblich? (C.) Sollte der Aufholprozess noch nicht abgeschlossen sein, besteht ein rechtliches und/oder politisches Erfordernis für einen Eingriff bzw. eine Beschleunigung des Prozesses und damit 568
CDU/CSU und FDP, Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP, S. 56 und 84.
J. Kerschbaumer, Das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung und die Deutsche Einheit, DOI 10.1007/978-3-531-92882-1 _4, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
214
Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung
einer (schnelleren) Rechtsangleichung? Welche Vorstellungen und Konzeptionen werden hierzu diskutiert und welche Rechts- und Verteilungswirkungen entfalten sie? (D.) Gibt es einen Rechtsanspruch auf Vereinheitlichung? (E.) Abschließend werden die Ergebnisse zusammengefasst und ein Fazit gezogen (F.).
A Rentenrechtliche Maßnahmen zur Herstellung der Einheit in der Rentenversicherung A Rentenrechtliche Maßnahmen zur Herstellung der Einheit in der RV
Um das Ziel, die Deutsche Einheit, in der gesetzlichen Rentenversicherung zu erreichen, sind zwei Maßnahmenpakete denkbar: Zum einen könnten vielfältige Einzelregelungen bestimmten Personengruppen zu Gute kommen, zum anderen kann eine umfassende Vereinheitlichung der Rechenwerte bei Rentenberechnung und -anpassung erfolgen, die alle Versicherten, und zwar Beschäftigte, Rentnerinnen und Rentner, gleichermaßen betrifft. Dabei spielen die Grundprinzipien des Rentenrechts, das Äquivalenzprinzip und die Beitragsbezogenheit der Rentenleistungen, eine wichtige Rolle. Mit der Begründung, dass in der früheren DDR erworbene Ansprüche und Anwartschaften bei der Vereinigung Deutschlands entgegen den berechtigten Erwartungen der Betroffenen nicht ausreichend bzw. nicht dauerhaft in das bundesdeutsche Recht übernommen wurden, begehren zahlreiche Personengruppen, durch entsprechende Rechtsänderungen über das geltende Recht hinaus ihre spezifischen Lebenssachverhalte rentenrechtlich zu berücksichtigen. Erforderlich wären eine Vielzahl von Einzelregelungen, die zu Verbesserungen führen sollen, die zum größten Teil bereits auf dem Rechtsweg – zumeist erfolglos – geltend gemacht wurden. In der Regel hatte dabei das Bundesverfassungsgericht und in der Vorinstanz das Bundessozialgericht eine Verletzung von Grundrechtspositionen verneint, unter anderem auch mit der Begründung, dass die Mehrzahl der in den Anträgen problematisierten gesetzlichen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Überleitung des Rentenrechts der DDR in bundesdeutsches Recht durch Übergangsregelungen abgefedert wurden, die die Rechte der betroffenen Personengruppen hinreichend gewahrt haben.569 Mit zahlreichen Anträgen an den Deutschen Bundestag wurde versucht, solche Einzelmaßnahmen gesetzlich umzusetzen, bisher – ebenso wie die Beschreitung des Rechtswegs – erfolglos. Im Rahmen einer öffentlichen Anhörung von Sachverständigen vor dem Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestags wurde am 4.5.2009 mittels 18 Anträgen versucht, rentenrechtliche Verbesserungen für Personengruppen, wie z. B. ehemalige Beschäftigte im Ge569
BT-Ausschussdrucksache 16(11)1351, S. 15, siehe unter: Verwendete Materialien.
B Die wirtschaftliche Entwicklung und die Alterseinkommen
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sundheits- und Sozialwesen, in der DDR Geschiedene, ins Ausland mitreisende Ehepartnerinnen und Ehepartner, Bergleute der Braunkohleveredelung, Angehörige der Deutschen Reichsbahn, Beschäftigte universitärer und außeruniversitärer Einrichtungen und Ballettmitglieder der DDR zu erreichen.570 Alle Anträge wurden vom Deutschen Bundestag abgewiesen.571 Zuletzt erneuerten die Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern und Berlin am 29.6.2010 für die Sitzung des Bundesrates am 9.7.2010 ihren Antrag an die Bundesregierung, eine außerhalb des Familienrechts liegende Lösung für einen Ausgleich für die in der ehemaligen DDR ohne Versorgungsausgleich geschiedenen Ehegatten zu finden und eine entsprechende Gesetzesinitiative zu ergreifen.572 Einzelmaßnahmen sind im Folgenden nicht Gegenstand der Analyse, so berechtigt sie im Einzelfall auch sein mögen. Zum einen finden sie im Deutschen Bundestag seit der Wiedervereinigung keine Mehrheit. Zum anderen ist es erklärter Wille, nicht nur der Regierungskoalition, sondern aller im Bundestag vertretenen Fraktionen, ein einheitliches Rentenrecht in Ost und West zu schaffen. Deshalb soll die Vereinheitlichung der Rechenwerte bei Rentenberechnung und -anpassung im Mittelpunkt der folgenden Untersuchungen stehen.
B Die wirtschaftliche Entwicklung und die Alterseinkommen in den neuen Bundesländern B Die wirtschaftliche Entwicklung und die Alterseinkommen
Der Angleichungsprozess war nach Art. 30 Abs. 5 des Einigungsvertrages573 so angelegt, dass der Systematik des SGB VI entsprechend mit der Angleichung der Löhne und Gehälter auch eine Angleichung der Renten bewirkt werden sollte. Parallel zum Überleitungsprozess und unabhängig von den juristischen und gesetzgeberischen Reparaturmaßnahmen wurde damit ein Prozess implementiert und in Gang gesetzt, der eine Vereinheitlichung der Rentenberechnung und anpassung durch Angleichung der Rechenwerte zum Ziel hatte. Die Einheit im Rentenrecht sollte durch den wirtschaftlichen Angleichungsprozess bei Löhnen und Gehältern dazu führen, dass einheitliche Einkommensverhältnisse das Übergangsrecht letztendlich entbehrlich machen. Denn durch die im Jahr 1957 getroffene Entscheidung, die Renten an die Lohn- und Gehaltsentwicklung zu kop570
571 572 573
BT-Drucksachen 16/7035, 16/7019, 16/7020, 16/7021, 16/7022, 16/7023, 16/7024, 16/7025, 16/7026, 16/7027, 16/7028, 16/7029, 16/7030, 16/7031, 16/7032, 16/7033, 16/7034, 16/11684, 16/11236, siehe im Anhang unter: 5. Verwendete Materialien. BT-Drucksache 16/13055, siehe im Anhang unter: 5. Verwendete Materialien. BR-Drucksache 392/10 vom 29.6.2010, siehe auch oben Teil 2, D., III., 4. Text siehe im Anhang unter: 6. Gesetze und Rechtsquellen, III.2.
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Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung
peln, um so die Rentnerinnen und Rentner an der Wohlstandsentwicklung der Erwerbstätigen teilhaben zu lassen, war eine Verknüpfung und damit auch eine Abhängigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung von der wirtschaftlichen Entwicklung insbesondere der Löhne und Gehälter geschaffen worden. I
Der wirtschaftliche Konvergenzprozess seit 1989 und die Einkommensentwicklung
Eine der zentralsten Überlegungen bei einer Vereinheitlichung der Rentenberechnung und -anpassung durch Angleichung der Rechenwerte ist die Frage nach dem Stand des wirtschaftlichen Aufholprozesses und die Prognose darüber, wie sich Löhne und Gehälter künftig entwickeln werden. Denn Grund für die Schaffung unterschiedlicher Rechenwerte war die große Diskrepanz im Hinblick auf den wirtschaftlichen Konvergenzprozess und die Lohn- und Gehaltsentwicklung, die Maßstab für die Rentenberechnung und -anpassung ist. Deshalb wird im Folgenden die gesamtwirtschaftliche Entwicklung sowie die Lohn- und Einkommensentwicklung in den neuen Bundesländern analysiert und zueinander in Beziehung gesetzt, um damit zuerst die Frage zu beantworten, ob der Aufholprozess zum Erliegen und damit zu einem Ende gekommen ist. Sollte dies der Fall sein, würde die in Art. 30 Abs. 5 Satz 1 des Einigungsvertrages gewählte Systematik, „mit der Angleichung der Löhne und Gehälter … auch eine Angleichung der Renten zu verwirklichen“, ins Leere laufen. Denn eine weitere Angleichung sowohl der Löhne und Gehälter als auch der Renten würde dann nicht mehr stattfinden. Sollte der Aufholprozess noch nicht zum Stillstand gekommen sein, sondern sich nur verlangsamt haben, muss die Frage beantwortet werden, ob der Zeitraum bis zu einer „natürlichen“ Angleichung politisch vertretbar ist oder ob in den Aufholprozess an der einen oder anderen Stelle eingegriffen werden muss, mit dem Ziel, ihn zu beschleunigen. Die maßgeblichen Datenquellen sind im Folgenden die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder (VGR d L) 574, die Jahresberichte der Bundesregierung zum Stand der
574
Die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen stellen das umfassendste statistische Instrumentarium der Wirtschaftsbeobachtung dar. Um ein solches System auch für die Länder zu erstellen, wurde 1954 der Arbeitskreis »Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder« gegründet. Diesem Arbeitskreis gehören die Statistischen Ämter der 16 Bundesländer sowie das Statistische Bundesamt und das Bürgeramt, Statistik und Wahlen der Stadt Frankfurt am Main als Vertreter des Deutschen Städtetages an. Vorsitz und Federführung des Arbeitskreises obliegen dem Statistischen Landesamt Baden-Württemberg. (http://www.vgrdl.de/Arbeitskreis_VGR/info.asp).
B Die wirtschaftliche Entwicklung und die Alterseinkommen
217
Deutschen Einheit 2009575 und 2010576 und die Expertise zur Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter in Ost- und Westdeutschland577, die Zahlenmaterial bis einschließlich 2007 berücksichtigt. 1
Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in den neuen Bundesländern
Die Integration der DDR in die westliche Wirtschaftsordnung, die mit der Vereinigung verbunden war, führte zu einem Zusammenbruch der ostdeutschen Wirtschaft. Dies galt insbesondere für die Industrieproduktion, die bereits im Juli 1990 auf 60 % des Durchschnittsniveaus des ersten Halbjahres 1990 gefallen war, zum Jahresende 1990 nur noch 49 % und im Laufe des Jahres 1991 nur noch ein Drittel des ehemaligen Niveaus betrug.578 Sie hielt dem plötzlichen Druck der unmittelbaren und ungeschützten Konfrontation mit den westdeutschen und internationalen Konkurrenten nicht stand.579 Ein Indikator für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in den neuen Bundesländern ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Das Bruttoinlandsprodukt umfasst den Wert aller innerhalb eines Wirtschaftsgebietes während einer bestimmten Periode produzierten Waren und Dienstleistungen. Es entspricht der Bruttowertschöpfung aller Wirtschaftsbereiche zuzüglich der Gütersteuern und abzüglich der Gütersubventionen.580 Das Bruttoinlandsprodukt setzt sich aus Arbeitnehmerentgelten, Unternehmens- und Vermögenseinkommen zusammen. Dabei entspricht die Lohnquote dem prozentualen Anteil der Löhne und Gehälter am BIP.581 Die ersten Jahre nach der Wiedervereinigung waren durch ein starkes Aufholwachstum in den neuen Bundesländern gekennzeichnet. Die Entwicklung des
575
576
577
578 579 580 581
Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2009, veröffentlicht am 10.6.2009; siehe im Anhang unter: 5. Verwendete Materialien, VI. Bundesministerium des Innern, Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2010, veröffentlicht am 22.9.2010, siehe im Anhang unter: 5. Verwendete Materialien, VI. Die Expertise wurde von Prof. Dr. Gerhard Bäcker (Inhaber des Lehrstuhls „Soziologie des Sozialstaates“ Universität Duisburg-Essen) und Andreas Jansen (Dipl. Soz.-Wiss. am Institut für Arbeit und Qualifikation (IAQ) sowie am Institut für Soziologie des Fachbereichs Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen) im Auftrag des Forschungsnetzwerks Alterssicherung (FNA) erstellt und veröffentlicht unter: Deutsche Rentenversicherung Bund, Analyse zur Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter in Ost- und Westdeutschland. Sinn, Kaltstart, S. 34. Hans-Böckler-Stiftung, WSI Tarifhandbuch 2010, S. 63. http://www.vgrdl.de/Arbeitskreis_VGR/definitionen.asp; abgerufen am 1.5.2010. Deutscher Gewerkschaftsbund, Verteilungsbericht 2008 des DGB, S. 16.
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Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung
je Einwohner bzw. Einwohnerin der neuen Bundesländer erwirtschafteten BIP lässt sich in drei Phasen unterteilen (Grafik 3): Phase 1: 1991–1996: Der ökonomische Aufholprozess startete von einem sehr niedrigen Ausgangsniveau. Durch große Finanztransfers wurde die marode Infrastruktur erneuert und ausgebaut. Der Boom im Baubereich und damit eng verbunden im Industrie- und Dienstleistungsbereich trugen ebenfalls zur Steigerung des BIP in den neuen Bundesländern von etwa 43 % auf 68 % des Niveaus der alten Bundesländer bei. Die realen Wachstumsraten lagen vor allem in den ersten fünf Jahren erheblich über denen der alten Bundesländer. Während Westdeutschland von der Rezession 1992/1993 voll getroffen wurde, verzeichnete Ostdeutschland ein reales Wachstum von 8 – 9 %. Der Aufholprozess war mit einem rasanten Anstieg der Arbeitsproduktivität verknüpft.582 Phase 2: 1997–1999: Durch das Auslaufen des Baubooms war vorübergehend ein leichter Rückgang des BIP von etwa 68 % auf 67 % zu verzeichnen. Phase 3: 2000–2009: Der wirtschaftliche Aufholprozess ist wieder in Gang gekommen, jedoch deutlich langsamer. Das BIP je Einwohner ist in diesem Zeitraum von 67 % auf 73 % des westdeutschen Durchschnitts gestiegen.583 Die Ursachen für das Abflachen des wirtschaftlichen Aufholprozesses liegen u. a. in den strukturellen Unterschieden zwischen den alten und neuen Bundesländern. Kapitalkräftige Großunternehmen sind in den neuen Bundesländern nur in geringerem Umfang vorhanden. Die Wirtschaft der neuen Länder ist von kleineren und mittleren Unternehmen geprägt. Strukturell hat sich der Unterschied zwischen den alten und neuen Bundesländern weiter verkleinert. Zwischen den Jahren 2000 und 2009 haben sich wichtige Leistungsgrößen weiter an die westdeutschen Bezugsgrößen (100 %) angenähert (Tabelle 15).
582 583
Hans-Böckler-Stiftung, WSI Tarifhandbuch 2010, S. 78. Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit 2010, siehe im Anhang unter: 5. Verwendete Materialien, VI, S. 15.
B Die wirtschaftliche Entwicklung und die Alterseinkommen
Grafik 3:
219
Entwicklung des BIP je Einwohner/in den neuen Bundesländern (alte Bundesländer = 100)
Tabelle 15: Strukturelle Konvergenz BIP/Einwohner Produktivität Exportquote Selbstständigenquote(Zahlenfür2008) Kapitalstock/Beschäftigten(Zahlenfür2007)
2000 67% 75% 56% 84% 78%
2008 73% 81% 73% 106% 85%
Quelle:JahresberichtderBundesregierungzumStandderdeutschenEinheit2010,S.77.
Auch wenn der Abstand der Wirtschaftsleistung zwischen Ost und West immer noch beträchtlich ist, verringert er sich. Das reale BIP je Erwerbstätigen (Produktivität) steigt in den neuen Bundesländern regelmäßig stärker an als in den alten Bundesländern (Ausnahme 1998 und 2007) (Grafik 4). Im Krisenjahr 2009 sank das BIP in Deutschland insgesamt um -4,9 %, in den alten Bundesländern (ohne Berlin) durchschnittlich um -5,4 % und damit stärker als in den neuen Bundesländern (durchschnittlich um -2,9 %).584 Der Osten erweist sich wirtschaftlich als stabiler als der Westen. Das reale BIP ist in den alten Bundesländern im Zeitraum 1996–2008 (ohne Krisenjahr 2009) jährlich um durchschnittlich 0,8 %, in den neuen Bundeslän584
Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit 2010; siehe im Anhang unter: 5. Verwendete Materialien, VI, S. 78.
220
Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung
dern um 2 % und damit im Durchschnitt um weit mehr als das Doppelte angestiegen. Der Zeitraum ab 1996 wurde gewählt, um ein realistischeres Bild zu bekommen. Die großen Veränderungsraten der ersten Jahre nach der Deutschen Einheit (Phase 1 in Grafik 3) können nicht repräsentativ für den gesamten Aufholprozess sein. Deshalb werden im Folgenden nur die Werte der Phasen 2 und 3 in die Darstellung in Grafik 4 einbezogen. Grafik 4:
Anstieg des realen BIP je Erwerbstätigen (Produktivität) 1996 2009 gegenüber dem Vorjahr in Prozent (Basis: ESVG 2005, preisbereinigt, verkettet, nBl und aBL jeweils ohne Berlin; Berechnungsstand: August 2009/Februar 2010)
Als Vergleichsmaßstab wird zumeist das Durchschnittsniveau der alten Bundesländer herangezogen, obwohl innerhalb der einzelnen alten Bundesländer die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit variiert. Nur einzelne alte Länder haben eine wirtschaftliche Leistungskraft, die dem westdeutschen Durchschnitt entspricht. So streut das BIP je Einwohner/in im Jahr 2008 bezogen auf den westdeutschen Durchschnitt in den Flächenländern zwischen Schleswig-Holstein mit 85,5 % bis Bayern mit 117,1 %; in den neuen Bundesländern (ohne Berlin) liegt es dicht um den mittleren Wert von 72,9 %. Der Abstand der neuen Bundesländer zu den strukturschwächeren alten Bundesländern hat sich verringert; diese „Konver-
B Die wirtschaftliche Entwicklung und die Alterseinkommen
221
genzlücke“ ist jedoch erheblich geringer als der Abstand zum gesamtdeutschen Durchschnittsniveau.585 In der politischen Diskussion wurde und wird immer noch zumeist von dem Ziel ausgegangen, durch den wirtschaftlichen Aufholprozess könnten bzw. müssen die neuen Bundesländer den bundesdeutschen Durchschnitt erreichen. Die Bandbreite zwischen dem Status quo und dem bundesdeutschen Durchschnitt ist jedoch so groß, dass von einer Angleichung in diesem Umfang kurz- und mittelfristig nicht ausgegangen werden kann. Zwischenzeitlich wird ebenfalls diskutiert, ob der bundesdeutsche Durchschnitt ein realistisches Ziel sein kann, berücksichtigt man, dass die wirtschaftliche Leistungskraft auch zwischen den alten Bundesländern erheblich variiert. Festzustellen ist, dass sich trotz eines sich verlangsamenden Aufholprozesses die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in den neuen Bundesländern an die der alten Bundesländer annähert. Eine Beendigung des Aufholprozesses kann derzeit (noch) nicht festgestellt werden. 2
Die Lohn- und Einkommensentwicklung in den neuen Bundesländern
Der Einigungsvertrag ging davon aus, dass es in einem absehbaren Zeitraum über den wirtschaftlichen Aufholprozess zu einer Angleichung der Löhne und Gehälter kommen und damit die Angleichung der Renten verwirklicht werden könne (Art. 30 Abs. 5 Satz 3 EV).586 Nach den Ergebnissen der aktuellen – alle vier Jahre nach europaweit einheitlichen Standards durchgeführten Arbeitskostenerhebung587 – liegen die Arbeitskosten in Ostdeutschland immer noch 27,9 % unter dem Westniveau. Im Jahr 2008 betrugen in Deutschland nach Mitteilung des Statistischen Bundesam585
586
587
Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit 2009; siehe im Anhang unter: 5. Verwendete Materialien, VI, S. 6. Die Lohn- und Einkommensentwicklung ist ein hoch emotional besetztes Thema, geht es doch um die Vergleichbarkeit von Lebensleistungen in Ost und West. Nur in Ausnahmefällen herrscht in den neuen Bundesländern Zufriedenheit über die immer noch bestehenden Unterschiede: „Ich bin mit ca. 90 Prozent völlig zufrieden, vergleiche gerne mit meinem DDR-Gehalt …“ (Schröder, Die wichtigsten Irrtümer über die deutsche Einheit, S. 207). Die Lebenszufriedenheit in Ostdeutschland, die nach wie vor deutlich niedriger ist als in Westdeutschland, hat ihre Ursachen nicht nur in der Arbeitslosigkeit und den niedrigeren Einkommen, „sondern ist offenkundig auch das Ergebnis der gesellschaftlichen Entwertung der Lebensleistung der heute älteren Menschen in Ostdeutschland. Seit 20 Jahren bekommen sie vorgeführt, dass ihre enorme Aufbauleistung nach dem Zweiten Weltkrieg am Ende nicht viel wert war.“ (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung DIW, Wochenbericht, Nr. 47/2009, Kommentar). Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes Nr.262 vom 28.07.2010, abgerufen am 19.8.2010 unter: http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/ pm/2010/07/PD10__262__624,templateId=renderPrint.psml.
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Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung
tes (Destatis) die Arbeitskosten je geleistete Stunde durchschnittlich 28,09 Euro. In Ostdeutschland lagen 2008 die Arbeitskosten mit 21,09 Euro um 27,9 % unter dem Niveau Westdeutschlands (29,25 Euro je geleistete Stunde). Der geringste Abstand zum Westniveau bestand dabei in den vom öffentlichen Dienst geprägten Branchen: Im Bereich „Öffentliche Verwaltung, Verteidigung; Sozialversicherung“ betrug er im Jahr 2008 nur noch 7,7 %. Hier zeigt sich die zunehmend erreichte Angleichung der tariflichen Bezahlung an das Westniveau. Der größte Abstand zum Westniveau bestand hingegen mit 40,0 % im verarbeitenden Gewerbe, das in besonderem Maße dem Standort- und Produktwettbewerb ausgesetzt ist. 1992, kurz nach der Wiedervereinigung, war der Abstand in dieser Branche mit 53,4 % noch deutlicher. Bis 1996 schrumpfte die Lücke auf 42,7 %. Seitdem fand nur noch eine schwache Annäherung statt (2000: 42,3 %, 2004: 41,3 %). Ausgehend von zwei kompakten, weitgehend in sich geschlossenen Blöcken hat sich die Lohn- und Gehaltsentwicklung in den alten und neuen Bundesländern sowohl im Rahmen eines Aufhol- als auch eines Angleichungsprozesses vollzogen. Setzt man die Bruttolohn- und -gehaltssumme gleich 100, dann erreichten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den alten Bundesländern im Jahr 1991 einen Wert von 109,8, in den neuen Bundesländern hingegen einen Wert von 56,4. Bis zum Jahr 2009 haben sich die Werte wie folgt verändert: Westdeutschland liegt mit 103,0 über dem gesamtdeutschen Durchschnitt, während Ostdeutschland jetzt einen Wert von 82 erreicht.588 Die nachstehende Grafik 5 und Tabelle 15 zeigen die Unterschiede bei den Bruttolöhnen und -gehältern589 in Ost und West deutlich, wobei der gesamtdeutsche Durchschnitt 100 beträgt. Während sich die Löhne und Gehälter in den neuen Bundesländern auf etwa gleich niedrigem Niveau bewegen (Spanne: 79,2 % in Mecklenburg-Vorpommern bis 84,4 % in Brandenburg), weisen die alten Bundesländer eine breitere Spanne auf. Dort bewegen sich die durchschnittlichen Löhne und Gehälter zwischen 91,5 % (Schleswig-Holstein) und 118,9 % (Hamburg) des gesamtdeutschen Niveaus. Dem „einkommensreichsten“ neuen Bundesland mit 84,4 % (Brandenburg) steht das „einkommensärmste“ alte Bundesland mit 91,5 % (Schleswig-Holstein) gegenüber. Die Differenz beträgt rd. 7 Prozentpunkte, 588
589
Antwort der Bundesregierung zu Frage Nr. 3 auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 13.7.2010, BT-Drucksache 17/2572. Die Bruttolöhne und -gehälter (Verdienste) enthalten die von den im Inland ansässigen Wirtschaftseinheiten (Betrieben) geleisteten Löhne und Gehälter der beschäftigten Arbeitnehmer vor Abzug der Lohnsteuer und der Sozialbeiträge der Arbeitnehmer sowie Sachleistungen, die den Arbeitnehmern unentgeltlich oder verbilligt zur Verfügung gestellt werden (http://www.vgrdl. de/Arbeitskreis_VGR/definitionen.asp).
B Die wirtschaftliche Entwicklung und die Alterseinkommen
223
während die Differenz zwischen dem „einkommensärmsten“ neuen Bundesland mit 79,2 % (Mecklenburg-Vorpommern) und dem „einkommensreichsten“ alten Bundesland 118,9 % (Hamburg) rd. 40 Prozentpunkte beträgt. Weiterhin ist auffällig, dass die Bruttolöhne und -gehälter in den neuen Bundesländern trotz der Krise gestiegen sind, während sie in den alten Bundesländern mehrheitlich gesunken sind (Vergleich der Jahre 2008 mit 2009). Grafik 5:
Bruttolöhne und -gehälter (Inland) je Arbeitnehmer/in in Deutschland 1991 bis 2009 nach Bundesländern in Euro (D = 100)
Quelle: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder VGR d L, Berechnungsstand: August 2009 / Februar 2010, http://www.vgrdl.de/Arbeitskreis_VGR/tbls/tab11.asp.
224
Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung
Aus den Werten von 2009 lassen sich folgende Durchschnittswerte ermitteln: Tabelle 16: Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer/in in Deutschland 2009 in Prozent des gesamtdeutschen Durchschnitts (Werte 2008 in Klammern) BaWü Bayern
aBL 106,4 (108,7) Hessen 104,6 (105,3) Niedersachsen
Berlin 99,3 (98,0) NRW Bremen 103,5 (103,7) RheinlandͲPfalz Hamburg 118,9 (117,3) Saarland SchleswigͲHolstein
112,3 95,4 101,5 97,1 96,0 91,5
nBL (110,8) Brandenburg 84,4 (95,5) MecklenburgͲ 79,2 Vorpommern (101,3) Sachsen 82,5 (97,1) SachsenͲAnhalt 81,9 (98,2) Thüringen 80,6 (90,3) Deutschland(D)=100
(82,3) (77,9) (81,3) (80,2) (79,9)
Quelle:VolkswirtschaftlicheGesamtrechnungderLänderVGRdL,2009,eigeneBerechnungen
Ein leicht differenziertes, von der Tendenz her jedoch ähnliches Bild ergibt sich, wenn neben den vorstehend genannten Zahlen, die der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung entstammen, die für die gesetzliche Rentenversicherung durchschnittlichen beitragspflichtigen Entgelte590 verglichen werden. Dabei werden die Beitragsbemessungsgrenzen Ost und West angewendet. Bei diesen Entgelten handelt es sich nicht immer um das erworbene Arbeitsentgelt oder die Höhe des Leistungsbezuges, sondern um das der Beitragsbemessung zur Rentenversicherung zugrunde liegende Entgelt, das anhand von drei Indikatoren dargestellt 590
Die Beträge der Bruttolohn- und -gehaltssumme (BLG) nach der VGR dL und nach den beitragspflichtigen Entgelten in der GRV werden unterschiedlich abgegrenzt: Die Bruttolohn- und gehaltssumme eines jeden Jahres wird vom Statistischen Bundesamt im Rahmen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ermittelt. Sie enthält alle gezahlten Entgelt aus einer abhängigen Beschäftigung (auch aus nicht sozialversicherungspflichtiger abhängiger Beschäftigung, wie z.B. die Einkommen der Beamtinnen und Beamten) ohne Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenzen in der Sozialversicherung. Die BLG je Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer wird ermittelt, indem die BLG durch die Summe der abhängig Beschäftigten des jeweiligen Jahres dividiert wird. Bei der für die Rentenanpassung verwendeten BLG werden lediglich die Einkommen aus Ein-Euro-Jobs heraus gerechnet.Das beitragspflichtige Versichertenentgelt wird für jedes Jahr im Rahmen der Statistik der GRV ermittelt. Im Gegensatz zur BLG werden nur die Einkommen aus versicherungspflichtiger abhängiger Beschäftigung bis zur Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt. Dazu gehören neben Arbeitsentgelten aus „normaler“ Beschäftigung: Arbeitsentgelte während der Berufsausbildung, aus abhängiger Beschäftigung neben dem Rentenbezug, in der Gleitzone, in der Altersteilzeit, bei geringfügiger Beschäftigung und das Arbeitsentgelt von abhängig beschäftigten Kurzarbeiterinnen und Kurzarbeitern. Darüber hinaus werden im Gegensatz zur BLG ebenfalls sonstige beitragspflichtige Leistungen einbezogen. Dazu gehören: Vorruhestandsgeld, Kurzarbeitergeld, Aufstockungsbeiträge zur Altersteilzeit und Arbeitslosengeld I (Leistungsempfang nach dem SGB III). Das Versichertenentgelt wird errechnet, indem die Summe der versicherungspflichtigen Einkommen durch die Anzahl der versicherungspflichtigen Personen, die diese Einkommen erhalten haben, dividiert wird.
B Die wirtschaftliche Entwicklung und die Alterseinkommen
225
wird: das erzielte Jahresentgelt591, das hochgerechnete Jahresentgelt592 und das durchschnittliche versicherte Entgelt pro Versicherungsjahr593. Bei Männern und Frauen betragen danach die rentenversicherungspflichtigen Entgelte in den neuen Bundesländern im Jahr 1992 63,4 %, im Jahr 1997 76,5 % und im Jahr 2008 76,8 % des jeweiligen West-Wertes594. Im Vergleich dazu betragen die Verhältnisse der Bruttolöhne und -gehälter nach der VGR der Länder im Jahr 1992 62 %, im Jahr 1997 75,6 % und im Jahr 2008 78,6 %. Tabelle 17: Vergleich des Anstiegs der Bruttolöhne und -gehälter und der rentenversicherungspflichtigen Entgelte in Prozent BruttolöhneundͲgehälternachderVGRderLänder RentenversicherungspflichtigeEntgelte
1992 62,0 63,4
1997 75,6 76,5
2008 78,6 76,8
Quelle:Kaldybbajewa,VersichertederDeutschenRentenversicherung:UnterschiedeundGemeinsamkeitenin OstundWest,aaO.,S.98undVGRderLänder,sieheunter:VerwendeteMaterialien,VII.
Die Tendenz sowohl bei Anwendung der Bruttolohn- und -gehaltssummen nach der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung der Länder wie auch nach den rentenversicherungspflichtigen Entgelten ist deutlich: Nach einem raschen Anstieg in den ersten fünf Jahren ist seitdem der Anstieg ins Stocken geraten (Tabelle 17). Dennoch übersteigen die Zuwachsraten der Bruttolöhne- und -gehälter je Arbeitnehmer/in in der Zeit von 1996 bis 2009 in den neuen Bundesländern die in den alten Bundesländern mit Ausnahme im Jahr 2006 (Grafik 6).
591
592
593
594
Als erzieltes Jahresentgelt wird das tatsächliche im Datensatz der Rentenversicherung gespeicherte und ggf. auf die BBG begrenzte Entgelt innerhalb des Jahres ausgewiesen. Unter hochgerechnetem Jahresentgelt wird das Entgelt ausgewiesen, das sich ergeben hätte, wenn der/die einzelne Beschäftigte ganzjährig beschäftigt gewesen wäre. Zuerst wird die Summe aller Versichertenzeiten in Tagen für alle Versicherten einer Fallgruppe (z.B. Beschäftigte ohne Beitragsbesonderheiten, Beschäftigung neben Rentenbezug, Beschäftigte in der Gleitzone, geringfügig Beschäftigte, Altersteilzeitbeschäftigte und Arbeitslosengeldbezieher/innen nach dem SGB III) gebildet. Durch Division durch 365 bzw. 366 wird der Wert in Versicherungsjahren ausgedrückt. Das Verhältnis der Summe aller Entgelte (jeweils bis zur BBG) zur Höhe der ermittelten Versicherungsjahre ergibt die Höhe des Durchschnittlichen versicherten Entgelts pro Versicherungsjahr. Die Höhe des so gebildeten durchschnittlichen Entgelts wird in der Rentenanpassungsformel nach § 68 SGB VI zur Korrektur des Bruttoentgelts nach der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung der Länder verwendet. Kaldybbajewa, Versicherte der Deutschen Rentenversicherung: Unterschiede und Gemeinsamkeiten in Ost und West, S. 98.
226
Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung
Grafik 6:
Zuwachsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer/in 1996 bis 2009 im Vergleich zum Vorjahr in Prozent
Quelle: DRV Bund, Analyse zur Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter (Abbildung 3.2.) unter Bezugnahme auf die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder, VGR d L und aktuelle Zahlen der VGL d L, http://www.vgrdl.de/Arbeitskreis_VGR/tbls/tab11.asp.
Die Veränderungen der Zuwachsraten der Bruttolöhne und -gehälter in den neuen Bundesländern im Verhältnis zu den alten Bundesländern berechnen sich wie folgt und zeigen, um wie viel schneller die Bruttolöhne- und -gehälter in den neuen Bundesländern gestiegen sind (Tabelle 18): Tabelle 18: Veränderung der Zuwachsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer/in 1996–2009 in den nBL im Verhältnis zu den aBL in Prozent nach der VGR (Differenz aus Grafik 6) 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 0,4
0,3
1,1
0,7
0,1
0,1
0,2
0,2
0,3
Ͳ0,3
0,1
0,6
2,4
Quelle:VolkswirtschaftlicheGesamtrechnungderLänder(VGRdL),2009,sieheunter:VerwendeteMaterialien VII;eigeneBerechnungen
Betrachtet man die Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter wird Folgendes deutlich:
B Die wirtschaftliche Entwicklung und die Alterseinkommen
227
Im Jahr 1991 lag das durchschnittliche Bruttolohn- und -gehaltsniveau in den neuen Bundesländern bei 51,3 % des Westwertes. Im Jahr 2007 erreichte es 77,4 % des entsprechenden Westwertes und ist damit um mehr als 25 % gestiegen. Seit dem Jahr 1991 hat sich das durchschnittliche Bruttolohn- und -gehaltsniveau in den neuen Bundesländern nahezu verdoppelt (95,4 %), während in den alten Bundesländern nur ein Anstieg von knapp 30 % zu verzeichnen war.
Die absoluten Lohnsteigerungsraten müssten in Ostdeutschland rechnerisch 4 Prozentpunkte höher liegen als im Westen, um bis zum Jahr 2015 das gleiche Lohnniveau zu erzielen. Für eine Lohnangleichung im Jahr 2020 wäre rechnerisch eine um gut 2 Prozentpunkte, bis zum Jahr 2030 eine um gut 1 Prozentpunkt höhere jährliche Lohnsteigerung erforderlich.595 Betrachtet man alleine die absoluten Zuwachsraten in den neuen Bundesländern, dann ist das Ergebnis, dass „sich seit geraumer Zeit eine Stagnation des Angleichungsprozesses beobachten“596 lässt, nachvollziehbar. Dabei wird jedoch die Gesamtentwicklung des realen Absinkens von Entgelten in den letzten Jahren und die steigende Zahl derjenigen, die aus der Tarifbindung gerade in den neuen Bundesländern herausfallen, nicht berücksichtigt. Bruttolöhne und -gehälter setzen sich aus Löhnen und Gehältern, die aufgrund eines Tarifvertrages oder durch Bezugnahme auf einen Tarifvertrag gezahlt werden, und solchen, die außerhalb einer Tarifbindung gezahlt werden, zusammen. Die Tarifbindung der Beschäftigten in den neuen Bundesländern ist geringer als die der Beschäftigten in den alten Bundesländern. Im Niveau der Tarifbindung sieht auch die Bundesregierung – neben der geringeren Bruttowertschöpfung der ostdeutschen Beschäftigten und strukturellen Ursachen wie Unterschiede in den Tätigkeitstrukturen und Betriebsgrößen – einen Grund für die fortbestehenden Unterschiede zwischen den gezahlten Bruttolöhnen und -gehältern in Ost und West.597 Während im Jahr 1996 noch 70 % der Westdeutschen und 56 % der Ostdeutschen an einen Branchentarifvertrag gebunden waren, sank diese Zahl bis im Jahr 2009 auf 56 % in den alten Bundesländern und auf 38 % in den neuen Bundesländern. Im Jahr 2009 waren daneben 9 % der Beschäftigten 595
596
597
Antwort der Bundesregierung zu Frage Nr. 13 auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 13.7.2010, BT-Drucksache 17/2572. Deutsche Rentenversicherung Bund, Analyse zur Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter in Ost- und Westdeutschland, S. 81. Antwort der Bundesregierung zu Frage Nr. 15 und 16 auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 13.7.2010, BT-Drucksache 17/2572.
228
Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung
im Westen und 13 % im Osten an einen Firmentarifvertrag gebunden. Für 36 % der Beschäftigten in den alten und 49 % in den neuen Bundesländern fand kein Tarifvertrag Anwendung.598 Während im Zeitraum der Jahre 1991 bis 2008 das Tarifniveau Ost/West von 60 % auf 96,8 % angestiegen war und die Tarifentgelte in den neuen Bundesländern schneller anstiegen als in den alten Bundesländern, nimmt die Tarifbindung weiter ab. Tabelle 19: Tarifniveau Ost/West in Prozent 2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
91,9
92,3
92,8
93,4
94,0
94,6
95,1
95,2
96,8
96,1
Quelle:WSIͲTarifarchiv,Stand31.12.2009
Seit dem Jahr 2000 ist das Tarifniveau Ost/West von knapp 92 % auf 96 % angestiegen (Tabelle 19). Die Tarifsteigerungen können aufgrund der immer geringeren Tarifbindung die nur geringen Zuwächse des tariflosen Bereichs nicht kompensieren. Im Gegenteil: Der tariflose Bereich bremst den Aufholprozess bei der Lohn- und Gehaltsentwicklung. Im Umkehrschluss lässt sich feststellen, dass die Einkommensangleichung Ost/West weit fortgeschrittener wäre, wenn der tariflose Bereich nicht weiter zunehmen würde. Tabelle 20 verdeutlicht, um wie viel schneller die Tarifangleichung, berechnet aus der Differenz der Tarifsteigerungen der alten zu den neuen Bundesländern, im Gegensatz zu den Veränderungsraten aus der VGR d L vorangeschritten ist. Ein Eingriff in die Lohn- und Gehaltsentwicklung wäre mit einem Eingriff in die Autonomie der Tarifpartner verbunden. Mit dem von den Gewerkschaften und einigen Parteien geforderten gesetzlichen Mindestlohn wäre für Beschäftigte im unteren Einkommensbereich eine deutliche Verbesserung der Löhne und Gehälter zu erreichen. Ein gesetzlicher Mindestlohn würde den Angleichungsprozess der neuen Bundesländer beschleunigen.
598
Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), abgerufen am 15.5.2010 unter: http://doku.iab.de/aktuell/2010/Tarifbindung%20der%20Beschaeftigten%202009.pdf.
B Die wirtschaftliche Entwicklung und die Alterseinkommen
229
Tabelle 20: Verhältnis der Veränderungsraten nach der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung der Länder und den Tarifsteigerungen WertenachderVGRdL (sieheTabelle17) DifferenzausdenTarifͲ steigerungenaBL/nBL (s.u.) TarifsteigerungenaBL TarifsteigerungennBL
2001 0,1
2002 0,1
2003 0,2
2004 0,2
2005 0,3
2006 Ͳ 0,3
2007 0,1
2008 0,6
2009 2,4
0,2
0,3
0,6
0,6
0
Ͳ 0,1
0
1,3
0,4
2,1 2,3
2,6 2,9
2,4 3,0
1,9 2,5
1,6 1,6
1,5 1,4
2,2 2,2
2,7 4,0
2,6 3,0
Quelle:VolkswirtschaftlicheGesamtrechnungderLänder(VGRdL),2009;WSIͲTarifarchivderHansͲBöcklerͲ Stiftung,2010;eigeneBerechnungen
Obwohl die Tariflöhne 2007 mit 95,2 % nahezu das Niveau der alten Bundesländer erreicht haben, sieht es bei der Angleichung der ostdeutschen Effektivverdienste599 wesentlich unausgeglichener aus.600 Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes stiegen in den neuen Bundesländern im produzierenden Gewerbe und im Dienstleistungsbereich im Jahr 2008 die Verdienste mit 3,0 % auf 30.151 € geringfügig stärker als im früheren Bundesgebiet (2,8 % auf 43.310 €). Damit erreichten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Ostdeutschland 70 % des Verdienstniveaus in Westdeutschland.601 3
Die Zielvorstellung einer Angleichung in den Jahresberichten zum Stand der Deutschen Einheit 2009 und 2010
Bis zur Veröffentlichung des Jahresberichts der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2009 war allgemein anerkanntes Ziel des Aufholprozesses, dass die neuen Bundesländer 100 % des gesamtdeutschen Niveaus erreichen sollten. Erstmals wird mit dem Jahresbericht 2009 ein vermittelndes und abgeschwächtes Ziel als politische und realistische Kompromisslinie eingeführt: die Angleichung der neuen Bundesländer an die strukturschwächeren alten Bundesländer:
599
600 601
Effektivverdienste sind die Bruttoverdienste, die vom Arbeitgeber gezahlt werden. Sie umfassen die Tarifverdienste einschließlich aller tariflichen und außertariflichen Zulagen und Zuschläge und die frei vereinbarten Löhne und Gehälter. DGB, Verteilungsbericht 2008, S. 26. Statistisches Bundesamt, Verdienste und Arbeitskosten, abgerufen am 27.7.2009 unter: http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Content/Statistiken/Verdie nsteArbeitskosten/Aktuell,templateId=renderPrint.psml
230
Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung „Wenn es gelingt, bis zum Jahr 2019 die ostdeutschen Länder auch wirtschaftlich an die strukturschwächeren westdeutschen Länder heranzuführen, wäre dies bereits ein großer Erfolg. Durch die gemeinsamen Anstrengungen der Bürger in Ost und West ist dieses Ziel erreichbar.“602
Die Bundessregierung ging in dem Jahresbericht 2009 davon aus, dass eine Heranführung der neuen Bundesländer an die strukturschwächeren alten Bundesländer bis 2019, dem Ende des Solidarpaktes II, in wirtschaftlicher Hinsicht erreichbar ist. Dieser Zeithorizont würde zu einer vorläufigen Beendigung des Aufholprozesses zwar erst rund 30 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung führen. Es wäre jedoch ein Ziel, das im Hinblick auf die wirtschaftlichen Realitäten immer noch ambitioniert, jedoch als weitgehend realistisch einzustufen und damit als echte Alternative zu werten ist. Grafik 7:
Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehme/inr in Deutschland 1991 bis 2009 nach Bundesländern - das jeweils „einkommensreichste“ nBL und das „einkommensärmste“ aBL in Euro
Quelle: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder VGR d L, 2009, ausgewählte Daten, eigene Darstellung
602
Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit 2009; siehe im Anhang unter: 5. Verwendete Materialien, VI, S. 7.
B Die wirtschaftliche Entwicklung und die Alterseinkommen
231
Danach ergibt sich folgendes Bild: Der Durchschnitt der Löhne und Gehälter in den neuen Bundesländern beträgt im Jahr 2009 81,7 %, der in den drei einkommensschwächsten alten Bundesländern (Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz) 94,7 % des gesamtdeutschen Niveaus. Die Löhne und Gehälter bzw. die zur Rentenberechnung und -anpassung herangezogenen Werte müssten um 13 Prozentpunkte (im Vorjahr betrug der Wert noch 14 Prozentpunkte) bzw. um 13,7 % (Vorjahr noch 17,5 %) angehoben werden, um die neuen Bundesländer an die drei einkommensschwächsten alten Bundesländer heranzuführen. Die nach obigem Schema ermittelte Anhebung der Löhne und Gehälter müsste in einem 10-Jahres-Zeitraum jährlich 1,3 Prozentpunkte bzw. die Zuwachsrate jährlich 1,4% betragen. Die Zuwachsraten der Jahre 1997 – 2009 betrugen in den neuen Bundesländern durchschnittlich 1,3 % (siehe Grafik 6). Die „natürliche“ Gehalts- und Lohnentwicklung reicht deshalb – unterstellt, der Aufholprozess würde sich wie in den letzten 10 Jahren entwickeln – nicht aus, das angestrebte Zeitziel im Jahr 2019 zu erreichen. Im Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2010 wird nun betont, dass sie Bundessregierung sich vorgenommen hat, ein einheitliches Rentensystem in Ost und West einzuführen. Es wird ausgeführt: „Die Aufgabe ist komplex. So müssen beispielsweise die Auswirkungen auf die heute noch geltende rentenrechtliche Hochwertung der Löhne in den ostdeutschen Ländern sowie weitere Rechengrößen, wie die unterschiedlichen Beitragsbemessungsgrenzen beachtet werden. Insgesamt sind die Belange nicht nur der Rentnerinnen und Rentner, sondern – je nach Ausgestaltung – auch der Versicherten und Steuerzahler in Ost und West zu beachten.“603
Weder werden ein exakter Zeitpunkt noch Eckpunkte für die Ausgestaltung genannt. 4
Zwischenfazit
Nachdem in den Jahren nach der Wiedervereinigung der Aufholprozess überverhältnismäßig schnell vorangeschritten war,604 verlangsamte er sich ab Mitte der 1990er Jahre.
603
604
Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit 2010; siehe im Anhang unter: 5. Verwendete Materialien, VI, S. 107. In den aBL betrugen die Zuwachsraten der Bruttolöhne und -gehälter im Jahr 1992 7,0 %, in den nBL 29,2 %; 1993: 2,9 % aBL, 14,8 % nBL; 1994: 1,5 % aBL, 6,1 % nBL; 1995: 2,8 % aBL, 6,1 % nBL; 1996: 1,3 % aBL, 2,0 % nBL.
232
Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung
Im Zeitraum 1996 – 2007 waren die Zuwachsraten in den neuen Bundesländern bis auf eine Ausnahme im Jahr 2006 immer höher als in den alten Bundesländern. Der Aufholprozess schritt, wenn auch gebremst, voran. Dies zeigt Grafik 8 deutlich: Da das Tempo des Aufholprozesses sich zwar verlangsamt hat, aber nicht zum Erliegen gekommen ist, kann eine endgültige Stagnation und damit eine Beendigung des Aufholprozesses (noch) nicht festgestellt werden. Auch die Bundesregierung geht nach einem sehr dynamisch verlaufenden Angleichungsprozess bis zum Jahr 1995 davon aus, dass „seitdem die Annäherung jedoch nur in kleinen Schritten vorangegangen ist. … Es wäre jedoch verfehlt, aus der Entwicklung der jüngeren Vergangenheit auf eine längerfristige zukünftige Entwicklung zu schließen. In welchem zeitlichen Rahmen sich der Angleichungsprozess zukünftig vollziehen wird, kann nicht verlässlich bestimmt werden und hängt im Wesentlichen von der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung in Ost und West ab.“605 Dennoch ist in absehbarer Zeit mit einer „natürlichen“ Beendigung des Aufholprozesses nicht zu rechnen. Um das Ziel des Einigungsvertrages, mit einer Angleichung der Löhne und Gehälter auch zu einer Angleichung der Renten zu kommen, mit der Tatsache, dass sich der dazu erforderliche Aufholprozess nur sehr langsam vollzieht, in Einklang zu bringen, ist ein Eingriff in den Aufholprozess erforderlich, um diesen zu beschleunigen. Ziel der Beschleunigung könnte entweder die Angleichung an das gesamtdeutsche Niveau sein oder, wie dies der Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit 2009 vorsieht, das Heranführen an das Niveau der einkommensschwächsten alten Bundesländer. Soll das endgültige Ziel, die Angleichung der Löhne und Gehälter und damit der Renten, nicht außer Acht gelassen werden, ist es notwendig, die Systematik des Aufholprozesses beizubehalten. Da die künftige Entwicklung des Aufholprozesses ungewiss ist, müssen die Folgewirkungen beider Konstellationen jeweils mitgedacht werden. Ein – wenn auch nicht rechtliches – Argument kann eine psychologische Rolle spielen: Wer den Aufholprozess für beendet erklärt, gibt damit auch zu verstehen, dass akzeptiert wird, die Einkommensverhältnisse in den neuen Bundesländern auf dem derzeit niedrigen Stand zu belassen. Die Manifestierung der Rolle der neuen Bundesländer als „Armenhaus Deutschlands“ könnte so Kräfte mobilisieren, die in den neuen Bundesländern in den letzten Jahren an Kraft gewonnen haben. Auch unter diesem Gesichtspunkt sollte die Politik ein Interesse daran haben, den Aufholprozess in den neuen Bundesländern zu fördern. 605
Antwort der Bundesregierung zu Frage Nr. 3 auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE, BT-Drucksache vom 13.7.2010, BT-Drucksache 17/2572.
B Die wirtschaftliche Entwicklung und die Alterseinkommen
Grafik 8:
233
Angleichung der Durchschnittslöhne und -gehälter in den alten und neuen Bundesländern
35000 30000
Durchschnittsengelt Durchschnittsentgelt (Ost)
25000 20000 15000 10000 5000 0
Quelle: Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2008, S. 368.
Eine der Fragen, die im Weiteren beantwortet werden soll, ist, wie in den Aufholprozess eingegriffen werden kann, um ihn zu beschleunigen. Um diese Frage beantworten zu können, ist es erforderlich, zuerst eine Antwort darauf zu geben, ob die Höhe der Alterseinkommen in den neuen Bundesländern ein Eingreifen überhaupt rechtfertigt. Deshalb wird vor diesem Hintergrund im folgenden Kapitel (II.) die Höhe der Alterseinkommen in den alten und neuen Bundesländern gegenübergestellt, die rechtliche Ausgangssituation bei Rentenberechnung und anpassung untersucht (C.I.) und die erforderlichen Rechtsänderungen aufgrund einer möglichen Vereinheitlichung der Rentenberechnung und -anpassung durch Angleichung der Rechenwerte und deren Auswirkungen analysiert (C.II.). II
Die Höhe der Alterseinkommen in den alten und neuen Bundesländern
Ziel des Einigungsvertrages ist die Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse. Eine Vereinheitlichung von Rentenberechnung und -anpassung ist nur
234
Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung
dann erforderlich, wenn die Einkommensverhältnisse noch nicht einheitlich und damit die Alterseinkommen der Rentnerinnen und Rentner in den neuen Bundesländen mit denen in den alten Bundesländern noch nicht vergleichbar sind. Um dies beurteilen zu können, werden im Folgenden die Alterseinkommen in den neuen und alten Bundesländern untersucht. Kriterien hierfür sind: Die Höhe der gesetzlichen Renten (1.), der einbezogene Personenkreis in die jeweiligen Alterssicherungssysteme (2.), die Schichtung nach Erwerbsbiographien (3.), die Alterseinkommen im 3-Säulen-System (4.) und die Nettoalterseinkommen (5.). 1
Gesetzliche Renten
Auf den ersten Blick erhalten die versicherten Männer und Frauen des Rentenbestandes am 31.12.2008 in den neuen Bundesländern eine deutlich höhere gesetzliche (Netto)Rente (Rentenzahlbetrag) als die Versicherten in den alten Bundesländern (Tabelle 21). Ein Vergleich der verfügbaren Versichertenrenten (Alters- und Erwerbsminderungsrenten) des Rentenzugangs in den neuen und alten Bundesländern (Tabelle 22) zeigt, dass sich die Versichertenrenten aus der GRV seit der Wiedervereinigung mehr als angeglichen haben: Tabelle 21: Vergleich des durchschnittlichen Rentenzahlbetrags der Versichertenrenten (Alters- und Erwerbsminderungsrenten) des Rentenbestands am 31.12.2008 und des Rentenzugangs im Jahr 2008 nach Abzug des KVdR-/PVdR-Beitrags (Auszug) AlteBundesländer Rentenbestandam 31.12.2008 RentenzugangimJahr 2008
NeueBundesländer
Männer
Frauen
Männer
Frauen
950€
485€
999€
676€
822€
468€
818€
652€
Quelle:RentenversicherunginZahlen2009,StatistikderDeutschenRentenversicherung,S.34Ͳ37
Der Verhältniswert der verfügbaren Versichertenrenten der neuen zu den alten Bundesländern stieg bei Männern vom Jahr 1993 von 90,9 % auf 99,5 % im Jahr 2008 an, bei Frauen stieg das Verhältnis von 121,9 % im Jahr 1993 auf 139,3 % im Jahr 2008 an. Frauen in den neuen Bundesländern verfügen über höhere Versichertenrenten als Frauen in den alten Bundesländern. Die durchschnittlichen Versichertenrenten der Männer in den neuen Bundesländern haben
B Die wirtschaftliche Entwicklung und die Alterseinkommen
235
bis zum Jahr 2000 diejenigen der Männer in den alten Bundesländern eingeholt und bewegen sich seitdem auf etwa gleichem Niveau. Alleine aus dieser Tatsache könnte geschlussfolgert werden, dass die Rentnerinnen und Rentner in den neuen Bundesländern gegenüber den Rentnerinnen und Rentnern in den alten Bundesländern durch die Deutsche Einheit zum einen eine rentenrechtliche Besserstellung erlangt haben und zum anderen kein weiteres Handlungserfordernis hinsichtlich einer Vereinheitlichung bei der Rentenberechnung und -anpassung besteht. Ein anderes Bild ergibt sich bei einem Vergleich der Rentenzahlbeträge des Rentenzugangs des Jahres 2008 (Tabelle 21): Die durchschnittlichen Rentenzahlbeträge der Versichertenrenten der Männer, die im Jahr 2008 Rentnerin bzw. Rentner wurden, sind signifikant gefallen. Die Differenz bei den Versichertenrenten der Frauen zeigt ebenfalls einen Rückgang, hier wirkt jedoch die in der DDR zumeist durchgängige Erwerbsbiographie der Frauen noch nach. Vergleicht man Rentenzugang und Rentenbestand 2008 bei Männern sowohl in den neuen wie in den alten Bundesländern, ist festzustellen, dass die durchschnittlichen absoluten Rentenhöhen für die Rentenneuzugänge in den neuen Bundesländern gegenüber den alten Bundesländern wesentlich zurückgegangen sind. Neben dem Rückgang bei Männern im Westen ist festzustellen, dass ihre Rentenzahlbeträge – wenn auch geringfügig – im Jahr 2008 erstmals höher sind, als die der Zugangsrentner im Osten. Von einer Besserstellung bei der Höhe der gesetzlichen Renten kann deshalb bei Männern nicht mehr gesprochen werden. Einer der Gründe, warum die Renten der Frauen in den neuen Bundesländern im Durchschnitt höher sind, als die der Frauen in den alten Bundesländern, liegt sicher an den aus Versichertenzeiten der DDR resultierenden durchgängigeren und im Wesentlichen in Vollzeit erbrachten Beschäftigungszeiten. Von einer Besserstellung kann aber – angesichts der auf Grundsicherungsniveau liegenden Höhen der Alterseinkommen der Frauen, die einen Großteil ihrer Erwerbsbiographie in der DDR verbrachte hatten – nicht gesprochen werden.
236
Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung
Tabelle 22: Vergleich der durchschnittlichen Zahlbeträge der Versichertenrenten (Alters- und Erwerbsminderungsrenten) in den neuen und alten Bundesländern im Rentenzugang nach Abzug des KVdR-/PVdRBeitrags Männer Frauen MännerundFrauen VerhältͲ Verfügbare Verfügbare VerhältͲ Verfügbare VerhältnisͲ niswert VersichertenͲ VersichertenͲ nis VersichertenͲ wertder der renten renten wertder renten verfügbaren verfügb. verfügb. VersichertenͲ aBL nBL aBL nBL aBL nBL VersiͲ VersiͲ renten (€) (€) (€) (€) (€) (€) cherͲ cherͲ nBLzuaBL tenrenten tenrenten nBLzu nBLzu aBL aBL 1990 793 343 571 1991 823 360 604 1992 780 364 579 1993 831 756 90,9% 384 468 121,9% 626 611 97,6% 1994 839 805 96,0% 415 520 125,2% 641 699 109,0% 1995 850 839 98,7% 438 565 129,0% 653 739 113,2% 1996 868 843 97,1% 454 600 132,2% 668 728 109,0% 1997 870 869 99,8% 447 608 136,0% 667 743 111,50% 1998 870 860 98,9% 461 635 137,6% 671 743 110,7% 1999 877 868 99,0% 466 668 143,4% 671 761 113,6% 2000 883 883 100,0% 461 679 147,3% 673 778 115,5% 2001 875 869 99,3% 456 672 147,2% 667 766 114,9% 2002 869 877 100,9% 446 666 149,5% 659 770 117,0% 2003 845 878 103,9% 441 670 151,8% 642 775 120,7% 2004 810 852 105,1% 433 657 151,8% 617 757 122,6% 2005 793 840 105,9% 423 655 154,6% 608 754 124,1% 2006 790 836 105,9% 434 660 151,8% 610 754 123,6% 2007 823 824 100,1% 455 645 141,7% 644 738 114,6% 2008 822 818 99,5% 468 652 139,3% 645 736 114,1% Quelle:DeutscheRentenversicherungBund,RentenversicherunginZeitreihen2008(erscheintjeweilsim Oktober/NovemberdesFolgejahres);Fürdievordem1.1.2002ermitteltemDMͲBeträgewerdenzumamtlich festgelegtenUmrechnungskurs1Euro=1,95583DMinEuroohnekaufmänn.Rundungumgerechnet. Jahr
Neben der Höhe des durchschnittlichen Rentenzahlbetrages werden im Folgenden der in der gesetzlichen Rentenversicherung in den alten und neuen Bundesländern erfasste Personenkreis, die Verfügbarkeit von Alterseinkünften auch aus der zweiten und dritten Säule des Alterssicherungssystems, die betriebliche und private Altersversorgung, die der Verbeitragung in Ost und West zugrundeliegenden Einkommensverhältnisse und die Entwicklung der aktuellen Rentenwerte sowie der weiteren unterschiedlichen Rechenwerte untersucht.
B Die wirtschaftliche Entwicklung und die Alterseinkommen
2
237
Erfasster Personenkreis
In den alten Bundesländern beinhaltet die 1. Säule der Alterssicherung606 neben der gesetzlichen Rentenversicherung auch die berufsständischen Versorgungswerke und die Beamtenversorgung, die in der Regel Menschen mit höherem Einkommen versichern, ein höheres Versorgungsniveau und damit eine höhere Rente garantieren. Dabei darf nicht übersehen werden, dass die berufsständischen Versorgungssysteme und die Beamtenversorgung aber auch die Funktionen der betrieblichen Altersversorgung mit erfüllen. Im Rahmen der Systementscheidung wurden bei der Rentenüberleitung die Anwartschaften derjenigen Versicherten der DDR, die in den alten Bundesländern üblicherweise in der Beamten- und berufsständischen Versorgung versichert gewesen wären, in die gesetzlichen Rentenversicherung überführt und durch die Beitragsbemessungsgrenze begrenzt. Vergleiche, die dies außer Acht lassen, liefern ein verzerrtes Bild der Einkommenslage der Rentnerinnen und Rentner in Ost und West. Vielmehr müssten bei einem sachgemäßen Vergleich die Beamtenpensionen und die Renten der berufsständischen Versorgten in den Vergleich rechnerisch ebenso einbezogen werden, wie die Alterssicherung der nicht rentenversicherungspflichtigen Selbstständigen gemäß § 6 SGB VI (wie z. B. Lehrer/innen und Erzieher/innen an nichtöffentlichen Schulen, Gewerbetreibende in Handwerksbetrieben, nachdem 18 Jahre Pflichtbeiträge entrichtet wurden). Auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE, welche Versorgungssysteme berücksichtigt werden müssten, „um einen sachgemäßen Vergleich zu ermöglichen“, antwortete die Bundesregierung am 9.11.2006, dass ein sachgemäßer Vergleich nicht möglich sei, „weil die Alterssicherungssysteme der ehemaligen DDR sich signifikant von denen der Bundesrepublik Deutschland unterschieden haben.“607 „Berechnungen hinsichtlich der Auswirkungen einer hypothetischen retrospektiven Einbeziehung von Beiträgen und Ansprüchen der Versicherten der aufgeführten Altersversorgungssysteme in die gesetzliche Rentenversicherung, sind in Ermangelung geeigneter Daten und Berechnungsprogramme nicht möglich.“608
606
607
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Die 1. Säule der Alterssicherung umfasst die gesetzliche Rentenversicherung, die Beamtenversorgung, die berufsständische Versorgung und die Alterssicherung der Landwirte; die 2. Säule ist die betriebliche Altersversorgung; die 3. Säule die private Vorsorge. BT-Drucksache 16/3378, Antwort zu Frage 2, S. 2, siehe im Anhang unter: 5. Verwendete Materialien. BT-Drucksache 16/3378, Antwort zu Frage 3 bis 7, S. 3, siehe im Anhang unter: 5. Verwendete Materialien.
238
Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung
Dennoch darf dieser Aspekt, auch wenn er sich nicht exakt quantifizieren lässt, im Folgenden nicht außer Acht gelassen werden. 3
Schichtung der Renten nach Erwerbsbiographien
In der DDR und in der Bundesrepublik herrschten unterschiedliche Gesellschaftsund Erwerbsmodelle vor. Während in der DDR Erwerbstätige und insbesondere Frauen in der Regel in Vollzeit erwerbstätig und Unterbrechungen der Erwerbsarbeit für eine Familienphase nur kurz waren, zeigte (und zeigt sich immer noch) in den alten Bundesländern ein anderes Bild (siehe Teil 2, D., III., 1.). In den Rentenbiographien der alten Bundesländer sind Lücken enthalten, die darauf beruhen, dass keine Beiträge entrichtet wurden und deshalb niedrige Rentenanwartschaften vorhanden sind, so genannte Klein- und Kleinstrenten. So erhielten am 31.12.2008609 36,0 % der Rentnerinnen in den alten Bundesländern eine Rente bis 300 €, während dies in den neuen Ländern nur rd. 5 % waren. Rund die Hälfte der Rentnerinnen in den alten Bundesländern bezogen eine Rente bis 450 €, in den neuen Bundesländern betrug der Anteil der Frauen, die eine Rente bis zu dieser Höhe erhielten, rd. 13 %. Hingegen betrug der Anteil derjenigen, die eine Rente zwischen 600 € bis 900 € bezogen in den neuen Bundesländern rd. 50 %, in den alten Ländern waren dies nur rd. ein Viertel. Bei den Rentnern sind die Unterschiede zwischen den alten Bundesländern und den neuen Bundesländern nicht so drastisch. Während etwa die Hälfte der Rentner in den alten Bundesländern eine Rente zwischen 750 € und 1.350 € erhielten und bei rd. einem Fünftel die Rente über 1.200 € lag, bezogen rd. 70 % der Rentner in den neuen Bundesländern eine Rente zwischen 750 € und 1.350 €. In der Spitze, also über 1.200 € lag die Rente nur bei 17 % der Rentner in den neuen Bundesländern. Tabelle 23 verdeutlicht die Rentenschichtung nach Zahlbeträgen. Die den Klein- und Kleinstrenten zugrundeliegenden Erwerbsbiographien waren nicht zur Einkommenssicherung im Alter aus der gesetzlichen Rentenversicherung angelegt. Wer im Erwerbsleben nur Hinzuverdienerin oder -verdiener war, kann nicht erwarten, aus der gesetzlichen Rente ein auskömmliches Alterseinkommen zu beziehen.
609
Deutsche Rentenversicherung, Rentenversicherung in Zahlen 2009, Statistik der Deutschen Rentenversicherung, Rentenbestand, S. 38–39.
B Die wirtschaftliche Entwicklung und die Alterseinkommen
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Tabelle 23: Rentenschichtung nach monatlichen Zahlbeträgen in den alten und neuen Bundesländern am 31.12.2008 Rentenzahlbetrag von…bisunter…€/ Monat unter150 150–300 300–450 450–600 600–750 750–900 900–1.050 1.050–1.200 1.200–1.350 1.350–1.500 1.500undhöher
VersichertenrentenanMännerin%
aBL 6,7 5,8 5,6 6,3 7,7 9,4 11,8 14,0 12,6 9,0 11,2
nBL 0,3 0,7 1,5 4,1 12,0 20,1 22,1 16,1 10,5 7,0 5,6
VersichertenrentenanFrauenin%
aBL 14,3 21,7 14,8 14,8 14,4 10,0 4,9 2,7 1,4 0,7 0,4
nBL 0,7 4,5 7,9 21,1 35,3 16,9 7,5 3,6 1,6 0,6 0,2
Quelle:DeutscheRentenversicherung,RentenversicherunginZahlen2009,StatistikderDeutschenRentenversiͲ cherung,Rentenbestand,aaO.,S.38–39.
Dies zeigt auch ein Vergleich der durchschnittlichen Versicherungsjahre bei den Versichertenrenten. Während Frauen des Rentenzugangs 1993, die ihr gesamtes Erwerbsleben in der DDR verbracht hatten, durchschnittlich 38,0 Versicherungsjahre aufweisen konnten, waren dies bei den Frauen in den alten Bundesländern im Zugangsjahr 1990 23,2 Jahre und im Jahr 1995 26,2 Versicherungsjahre.610 Beim Rentenzugang 2008 stieg zwar die Anzahl der Versicherungsjahre bei Frauen in den neuen Bundesländern auf 42 Versicherungsjahre und in den alten Ländern auf 28,4 Versicherungsjahre, das Verhältnis blieb jedoch in etwa erhalten. Sehr geringe eigene Renten gehen oftmals mit einem deutlich höheren Rentenanspruch des (Ehe)partners einher. In den alten Bundesländern wird der Rückgang bei den Renten der Männer durch einen Anstieg bei den Renten der Frauen in etwa kompensiert. In den neuen Bundesländern zeigt sich eine abweichende Entwicklung: Bis zur Kohorte der 1947 bis 1951 Geborenen erreichen diese Haushalte ungefähr das durchschnittliche Pro-Kopf-Renten-niveau westdeutscher Haushalte. Die Renten der Frauen konnten die sinkenden Renten der Männer noch ausgleichen. Beginnend bei den Kohorten der 1952 bis 1956 Geborenen kommt es zu einem starken Rückgang der durchschnittlichen Pro-Kopf610
Rentenversicherung in Zeitreihen, Oktober 2009, S. 113; Angaben zu den durchschnittlichen Versicherungsjahren für Frauen in den aBL sind nur für 1990 und 1995 aufgeführt, hingegen für Frauen in den nBL erstmalig ab 1993, dafür jährlich.
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Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung
Rente der ostdeutschen Paarhaushalte. Da in den jüngsten Kohorten die individuellen Renten in Ostdeutschland auch bei den Frauen einbrechen, fällt die durchschnittliche Pro-Kopf-Rente ostdeutscher Paare auf das Niveau der Grundsicherung im Alter.611 4
Alterseinkommen im 3-Säulen-System
Betrachtet man die Alterssicherungsleistungen im Kontext des 3-SäulenSystems, offenbart sich ein deutlicher Unterschied zwischen den alten und neuen Bundesländern. Während in den neuen Bundesländern fast die gesamten Alterssicherungsleistungen (98 %) aus der gesetzlichen Rentenversicherung stammen, sind es in den alten Bundesländern weniger als drei Viertel (72 %), da häufiger Leistungen aus verschiedenen Systemen bezogen werden. Die Leistungsansprüche der Männer beruhen fast vollständig auf eigenen Ansprüchen.612 Demgegenüber weisen Frauen geringere eigene Ansprüche auf. Fast die Hälfte der Frauen (42 %) mit eigenen Ansprüchen erhalten zusätzlich eine Hinterbliebenenleistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung, während es bei den Männern nur jeder zwanzigste ist.613 Im Folgenden erfolgt eine differenzierte Betrachtung der Einkommen aus Alterssicherungssystemen (GRV, bAV und ZÖD)614 und Einkommenskomponenten neben den Alterssicherungsleistungen.615 Datengrundlage ist der ergän-
611 612
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Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung DIW, Wochenbericht, Nr. 11/2010, S. 9. Alterssicherungsleistungen unterscheiden sich grundsätzlich nach der Art des Rechtsanspruchs, auf dem sie beruhen; zu unterscheiden sind „eigene“ Leistungen, denen selbst erworbene Ansprüche der Versicherten zugrunde liegen. Sie werden auch als Versichertenrenten bezeichnet. „Abgeleitete“ Leistungen erhalten Witwen, Witwer nach dem Tod des Partners aus deren Ansprüchen. Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 2008 und zum Alterssicherungsbericht 2008, BT-Drucks. 16/11061 vom 21.11.2008, IX, Ziff. 58, S. 176, siehe im Anhang unter: 5. Verwendete Materialien, III. Zu den Alterssicherungssystemen gehören auch die Beamtenversorgung, die Alterssicherung der Landwirte und die Berufsständische Versorgung, auf die hier nicht eingegangen wird, da in den nBL keine Einkommen (bzw. in der Beamtenversorgung nur 1 % der Männer in den nBL) aus diesen beiden Systemen bezogen werden. Alterssicherungsbericht 2008, BT-Drucksache 16/11061 vom 21.11.2008, Tabelle B.1.1., S. 45, siehe im Anhang unter: 5. Verwendete Materialien, III. Dazu zählen Zinseinkünfte, Einkommen aus Vermietung und Verpachtung, Rente aus privaten Lebens- oder Rentenversicherungen, Erwerbseinkommen und bedarfsabhängige Leistungen (Grundsicherung im Alter, Sozialhilfe oder Wohngeld).
B Die wirtschaftliche Entwicklung und die Alterseinkommen
241
zende Bericht der Bundesregierung zum Rentenversicherungsbericht 2008 (Alterssicherungsbericht 2008).616 Zu Beginn des Jahres 2008 lebten in Deutschland rund 16 Mio. Personen im Alter von 65 Jahren und älter. Davon bezogen rund 98 % bzw. rund 15,6 Mio. Personen Leistungen aus Alterssicherungssystemen mit einem Gesamtvolumen von rund 226 Mrd. €.617 In den neuen Bundesländern dominiert die gesetzliche Rentenversicherung mit einem Leistungsvolumen von rd. 98 %, in den alten Bundesländern beträgt dies 72 %. Die gesetzliche Rentenversicherung ist für Frauen von größerer Bedeutung. Deutschlandweit bezogen 83 % der Frauen und nur 72 % der Männer Alterssicherungsleistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Die betriebliche Altersversorgung und die Zusatzversorgung des Öffentlichen Dienstes ist für Frauen und Männer in den neuen Bundesländern nahezu bedeutungslos. Rentnerinnen und Rentner in den neuen Bundesländern konnten ab dem Jahr 1990 entweder keine oder nur ganz geringfügige Ansprüche und Anwartschaften auf eine Betriebsrente aufbauen und in der Nacherwerbsphase realisieren. Die gesetzliche Rentenversicherung bleibt für diese Versicherten die absolut wichtigste und in den meisten Fällen einzige Einkommensquelle im Alter. Dies zeigt die nachfolgende Tabelle 24. Tabelle 24: Anteil der Alterssicherungssysteme am Leistungsvolumen (brutto) System GRV bAV ZÖD
Deutschland Alle Männer Frauen 77% 72% 83% 6% 8% 3% 3% 3% 3%
aBL Alle Männer 72% 67% 7% 10% 3% 3%
Frauen 79% 3% 4%
Alle 98% 0% 1%
nBL Männer 98% 0% 1%
Frauen 99% 0% 0%
Quelle:Alterssicherungsbericht2008,TabelleB.1.1.,eigeneDarstellung
Der Alterssicherungsbericht 2008 unterscheidet bei den Einkommenskomponenten neben den Alterssicherungsleistungen zwischen Ehepaaren und Alleinstehenden. Zusätzliche Einkommen erhalten in Deutschland 57 % der Ehepaare und 44 % der Alleinstehenden, wobei diese in den alten und neuen Bundesländern 616
617
Ergänzender Bericht der Bundesregierung zum Rentenversicherungsbericht 2008 (Alterssicherungsbericht 2008) vom 21.11.2008, BT-Drucks. 16/11061. Der Alterssicherungsbericht muss einmal in jeder Legislaturperiode als Ergänzung zum jährlichen Rentenversicherungsbericht erstellt werden (§ 154 Abs. 2 SGB VI). Nach 1997, 2001 und 2005 ist der Alterssicherungsbericht 2008 der vierte Bericht. Einheitliche Altersgrenze für die Berichterstattung zum Alterssicherungsbericht ist die Vollendung des 65. Lebensjahres. Dem Alterssicherungsbericht 2008 liegen die Daten der Studie „Alterssicherung in Deutschland“ (ASID) 2007 mit dem Rechtsstand 31.12.2007 zugrunde. Alterssicherungsbericht 2008, BT-Drucksache 16/11061 vom 21.11.2008, Tabelle B.1.1., S. 45, siehe im Anhang unter: 5. Verwendete Materialien, III.
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Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung
annähernd gleich häufig bezogen werden. Gravierende Unterschiede ergeben sich in der Höhe der zusätzlichen Einkommen. Ehepaare im Westen verfügen über einen mehr als doppelt so hohen Betrag wie Ehepaare im Osten. Die zusätzlichen Einkommen der Alleinstehenden in den neuen Bundesländern betragen nur rund ein Drittel im Vergleich zu denen der Alleinstehenden in den alten Bundesländern. Dies verdeutlicht die nachfolgende Übersicht in Tabelle 25. Tabelle 25: Verbreitung und Höhe von zusätzlichen Einkommenskomponenten neben Alterssicherungsleistungen
Verbreitung Höhe
Deutschland EheͲ Alleinstehende EheͲ paare paare 57% 44% 58% 1.037€ 432€ 1.142€
aBL Alleinstehende EheͲ paare 46% 50% 478€ 524€
nBL Alleinstehende 35% 168€
Quelle:Alterssicherungsbericht2008,TabelleB.1.1.,eigeneDarstellung
5
Nettoalterseinkommen als Abgrenzungskriterium
Ein sachgemäßer Vergleich müsste deshalb von den Nettoalterseinkommen ausgehen. Die nachfolgende Tabelle 26 zeigt deren unterschiedliche Verteilung: Tabelle 26: Verteilung der monatlichen Alterseinkommen der 65-Jährigen und Älteren (Stand: 31.12.2007) AlteBundesländer (aBL) NeueBundeslänͲ der(nBL) Verhältnisder Nettoeinkommen nBLzuaBL
MonatlicheHaushaltseinkommen ausAlterssicherungssystemen
Ehepaare 2.103€
Alleinstehende 1.282€
überZusatzeinkommenverfügen Zusatzeinkommen Nettoeinkommen nachAbzug vonSteuernundSozialabgaben ausAlterssicherungssystemen
58% 1.142€ 2.350€
46% 478€ 1.292€
1.917€
1.234€
überZusatzeinkommenverfügen Zusatzeinkommen Nettoeinkommen nachAbzug vonSteuernundSozialabgaben
50% 524€ 1.937€
35% 168€ 1.160€
82%
89%
Quelle:Alterssicherungsbericht2008,Kurzfassung,2.S.11,sieheunter:VerwendeteMaterialien,III.
B Die wirtschaftliche Entwicklung und die Alterseinkommen
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Die Nettoalterseinkommen der Männer differieren stark zwischen den alten und den neuen Bundesländern. Männer in den neuen Bundesländern haben über die Alterskohorten hinweg rund zwei Drittel der Alterseinkommen der Männer in den alten Bundesländern. Dass die Differenz bei Ehepaaren im Verhältnis der neuen zu den alten Bundesländern nur rund 82 % beträgt, liegt an den höheren Nettoeinkommen der Frauen in den neuen Bundesländern gegenüber den Frauen in den alten Bundesländern. Ursache hierfür ist die stärkere Erwerbsbeteiligung der Frauen in Ostdeutschland. 6
Zwischenfazit
Allein die Höhe der gesetzlichen Renten in den alten und neuen Bundesländern kann kein Argument dafür sein, die Notwendigkeit einer Vereinheitlichung bei der Rentenberechnung und -anpassung zu verneinen. Die Rentenhöhen zumindest der Männer haben sich in den neuen Bundesländern weitgehend denen in den alten Bundesländern angeglichen und unterschreiten sie erstmals beim Rentenzugang 2008. Die Durchschnittsbeträge können grundsätzlich nicht miteinander verglichen werden, denn durch die Rentenüberleitung wurden auch Personengruppen, wie Beamtinnen und Beamte und berufsständisch Versorgte in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen, die in den alten Ländern in gesonderten Alterssicherungssystemen abgesichert sind. Zudem hatten die Erwerbstätigen in den neuen Ländern auch nicht in dem Maße wie die Erwerbstätigen in den alten Ländern die Möglichkeit, zusätzlich privat und betrieblich für das Alter vorzusorgen. Eine differenzierte Betrachtung dieser strukturellen Unterschiede ist erforderlich, um die unterschiedlichen Zahlbeträge in West- und Ostdeutschland richtig einordnen zu können.618 Eine Vereinheitlichung bei der Rentenberechnung und -anpassung ist weiterhin erforderlich, denn die Einkommensverhältnisse können noch nicht als einheitlich betrachtet werden. Das Ziel des Einigungsvertrages, eine vergleichbare Lebenssituation zu schaffen, ist zwar bei den Lebenshaltungskosten erfolgt, jedoch nicht bei den Alterseinkommen der Rentnerinnen und Rentner in den neuen Bundesländern. Die nachfolgende Tabelle 27 fasst diese Argumente zusammen.
618
Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit 2010; siehe im Anhang unter: 5. Verwendete Materialien, VI, S. 107.
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Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung
Tabelle 27: Gründe für die (Nicht-)Vergleichbarkeit der Rentenzahlbeträge in den alten und neuen Bundesländern im Überblick ErfassterPersonenkreis
Versicherungsdauer
DreiͲSäulenͲSystem
aBL ErfasstwerdenArbeitnehmer/innen (nichtBeamte/innen,berufsständisch Versorgte,Landwirte/innenundnicht rentenversicherungspflichtigeSelbstͲ ständige). AuchPersonen,dienachkurzerMitͲ gliedschaftinderGRVinandereSysteͲ mewechseln(Kleinstrenten)odernur geringeZeitsozialversicherungspflichtig erwerbstätigwaren,werdenerfasst. Altersvorsorgefindetauchinder 2.Säule(bAV)undder3.Säule(pAV) statt.
nBL AlleBerufsgruppenwurden indieGRVüberführt;dies führtzuVerzerrungen, wennnurdieRentenzahlͲ beträgeverglichenwerden. InderRegelsind/waren langjährigeunddurchgänͲ gigeErwerbsbiographien versichert. DieGRVistzumeistdie einzigeEinkommensquelle imAlter.
Quelle:eigeneDarstellung
C Die rechtlichen Aspekte der Vereinheitlichung der Rechenwerte bei Rentenberechnung und -anpassung C Die rechtlichen Aspekte der Vereinheitlichung der Rechenwerte
Zuerst stellt sich die Frage, warum eine unterschiedliche rentenrechtliche Behandlung – wenn auch nur für eine Übergangszeit – geschaffen wurde. „Hätte man das Verfahren zur Bestimmung der Höhe der individuellen Rente allerdings von Beginn an unverändert auch auf die Versicherten in den neuen Bundesländern angewandt, hätte dies dramatische Auswirkungen gehabt: Da das Durchschnittseinkommen in den neuen Ländern in der zweiten Jahreshälfte 1990 – also zum Zeitpunkt der Vereinigung Deutschlands – nicht einmal halb so hoch war wie in den alten Ländern, hätte ein Versicherter mit ostdeutschem Durchschnittsverdienst bei undifferenzierter Anwendung des Verfahrens zur Ermittlung der Entgeltpunkte für ein Jahr Beitragszahlung nur etwas 0,5 Entgeltpunkte erworben. Multipliziert mit dem aktuellen Rentenwert hätte sich daraus ein Rentenbetrag ergeben, der ebenfalls nur 50 % dessen ausgemacht hätte, was ein Versicherter mit westdeutschem Durchschnittsverdienst erhalten würde. Und da ohne Differenzierung des aktuellen Rentenwertes nach Ost und West auch entsprechend der gesamtdeutschen Lohnentwicklung angepasst worden wäre, hätte diese drastische Kluft in der Rentenhöhe zwischen Ost und West auch dann noch Bestand gehabt, wenn sich die Löhne und Gehälter in den neuen Ländern an die Einkommensverhältnisse in den alten Ländern angepasst hätten. Im Ergebnis wären damit die ostdeutschen Arbeitnehmerinnen und
C Die rechtlichen Aspekte der Vereinheitlichung der Rechenwerte
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Arbeitnehmer von dem erwarteten wirtschaftlichen Aufholprozess in den neuen Ländern abgekoppelt worden.“619
Um dies zu vermeiden, wurde eine unterschiedliche Ermittlung und Bewertung von Entgeltpunkten für die alten und neuen Bundesländer geschaffen, die im Folgenden (I.) näher erläutert wird. I
Die rechtliche Ausgangssituation bei Rentenberechnung und anpassung
Um mögliche Lösungsvorschläge im Folgenden bewerten zu können, ist es erforderlich, die rechtliche Ausgangssituation bei Rentenberechnung und anpassung zu analysieren. Grundsätzlich gilt: Altersrenten sind ein berechnungstechnisches Produkt aus den während des Erwerbslebens erworbenen Entgeltpunkten und den in den jeweiligen Jahren des Rentenbezugs maßgebenden aktuellen Rentenwerten. Für die Rentenberechnung und -anpassung ist deshalb zwischen der Ermittlung von Entgeltpunkten in der Beitragsphase (1.) und der Bewertung der Entgeltpunkte in der Rentenphase (2.) zu differenzieren. 1
Die Ermittlung von Entgeltpunkten für die Beitragszahlerinnen und zahler (Beitragsphase)
Für die Ermittlung von Entgeltpunkten ist die Lebensarbeitsleistung der einzelnen Versicherten in Form des sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverdienstes während des gesamten Versicherungslebens maßgebend. Die Ermittlung von Entgeltpunkten in den alten Bundesländern Im Rentenrecht des SGB VI werden Entgeltpunkte für die in den alten Bundesländern zurückgelegten Beitragszeiten620, die der Ermittlung der individuellen Monatsrente zugrunde liegen, dadurch ermittelt, dass das individuell versicherte Entgelt zum Durchschnittsentgelt aller Versicherten in den alten Bundesländern ins Verhältnis gesetzt wird (§ 70 Abs. 1 SGB VI). Verdient ein/e Versicherte/r in
619 620
Deutsche Rentenversicherung Bund, Aktuelles Presseseminar, DRV-Schriften Band 82, S. 29. Maßgebend ist der Ort der Beschäftigung, an dem die Einnahmen erzielt werden, § 228 a SGB VI.
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Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung
einem Jahr genau den Betrag des Durchschnittsverdienstes (West) 621, dann erhält er/sie für dieses Jahr exakt 1 Entgeltpunkt; verdient er nur die Hälfte, bekommt er/sie 0,5 Entgeltpunkte und bei einem Verdienst in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze622 werden rd. 2 Entgeltpunkte erworben. Zur Berechnung der monatlichen Rente werden die während des gesamten Arbeitslebens erworbenen Entgeltpunkte addiert und als Summe mit dem bei Rentenbeginn maßgebenden aktuellen Rentenwert vervielfältigt (Rentenformel § 64 SGB VI). Die Werte der Durchschnittsentgelte der alten Bundesländer sind in Anlage 1 zum SGB VI festgeschrieben und werden durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats zum Ende eines jeden Jahres entsprechend der Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer/in in den alten Bundesländern ermittelt und fortgeschrieben (§ 69 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI). Die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer/in werden ohne Personen in Arbeitsgelegenheiten mit Entschädigungen für Mehraufwendungen (sog. EinEuro-Jobs) durch das Statistische Bundesamt jeweils nach der Systematik der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ermittelt (§ 68 Abs. 2 Satz 1 SGB VI).623 Dadurch werden die relativen Einkommenspositionen der Versicherten abgebildet und dem Grundsatz der Teilhabeäquivalenz entsprochen. Danach entspricht die gesetzliche Rente den Einkommenspositionen der versicherungspflichtigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Gleich hohe und im gleichen Jahr bezogene Einkommen führen zu identischen Rentenanwartschaften. Nach dem Einigungsvertrag soll die Rentenüberleitung von der Zielsetzung bestimmt sein, mit der Angleichung der Löhne auch eine Angleichung der Renten zu verwirklichen (Art. 30 Abs. 5 Satz 3 EV)624. Das Ziel einer Angleichung der Renten in Ost und West ist als erreicht anzusehen, wenn für eine vergleichbare Lebensarbeitsleistung in Ost und West eine vergleichbare Rente gezahlt wird. Eine vergleichbare Rente setzt zum einen voraus, dass aufgrund einer vergleichbaren Beschäftigung in Ost und West eine vergleichbare Zahl an Entgeltpunkten erreicht worden ist; zum anderen ist erforderlich, dass während der gesamten Dauer des Rentenbezugs ein einheitlicher aktueller Rentenwert für die Bewertung der Entgeltpunkte in Ost und West maßgebend ist. Beides ist für eine Vergleichbarkeit unerlässlich, denn die Altersrente ist berechnungstechnisch das 621
622
623 624
Durchschnittliche Entgelte aller Versicherten (West) 2010 vorläufig: 32.003,00 € und 2011 vorläufig: 30.268 € (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2010 und 2011, siehe im Anhang, 6. Gesetze und Rechtsquellen, II.). Beitragsbemessungsgrenzen 2010: West: 66.000 € jährlich, 5.500 € monatlich; Ost: 55.800 € jährlich, 4.650,00 € monatlich und 2011: West: 66.000,00 € jährlich, 5.500 € monatlich; Ost: 57.600 € jährlich, 4.800 € monatlich (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2010 und 2011, siehe im Anhang, 6. Gesetze und Rechtsquellen, II.). siehe Ausführungen und Fußnoten oben zu B. I. 2. Text im Anhang siehe unter: 6. Gesetze und Rechtsquellen, III.2.
C Die rechtlichen Aspekte der Vereinheitlichung der Rechenwerte
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Produkt aus den während des Erwerbslebens erworbenen Entgeltpunkten und den in den jeweiligen Jahren des Rentenbezugs maßgebenden aktuellen Rentenwerten. Im Rentenüberleitungsgesetz ist unter Berücksichtigung des Ziels des Einigungsvertrages festgelegt worden, dass bis zur Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse in Ost und West rentenrechtliche Sonderregelungen sowohl für die Ermittlung von Entgeltpunkten als auch für die Bestimmung des aktuellen Rentenwerts gelten, wenn Zeiten mit Beiträgen für eine Beschäftigung im Beitrittsgebiet zurückgelegt sind (§§ 254 b, 254 d und 255 a SGB VI). Für die Zeit nach der Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse sind Sonderregelungen für Entgeltpunkte (Ost) und den aktuellen Rentenwert (Ost) entbehrlich, weil es dann – zumindest prinzipiell – für eine vergleichbare Beschäftigung in Ost und West vergleichbare Löhne und damit vergleichbare Entgeltpunkte gibt und ein einheitlicher aktueller Rentenwert sicherstellt, dass alle Entgeltpunkte in Ost und West denselben monatlichen Rentenertrag bringen. Die Ermittlung von Entgeltpunkten in den neuen Bundesländern Auf der Grundlage des Rentenüberleitungsgesetzes wurden die Ansprüche und Anwartschaften der Versicherten in den neuen Bundesländern zum 1.1.1992 in das beitrags- und lohndynamische System der gesetzlichen Rentenversicherung der alten Bundesländer überführt. Es sollte sichergestellt werden, dass die nach dem Rentenrecht der DDR erworbenen Anwartschaften und Ansprüche in „angemessener Weise“ erhalten blieben und den unterschiedlichen Einkommensverhältnissen Rechnung trugen. Zugleich war aber auch Ziel der Rentenüberleitung, langfristig eine einheitliche Anwendung des Rentenrechts nach dem SGB VI zu erreichen. Denn im wiedervereinigten Deutschland sollte es längerfristig nicht zu einer unterschiedlichen Behandlung der in den neuen und alten Bundesländern zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten kommen. Deshalb wurde eine Vielzahl von Übergangsregelungen normiert. Damit entsprach der Gesetzgeber auch den Vorgaben von Art. 30 Abs. 5 des Einigungsvertrages, nach dem die Überleitung des lohn- und beitragsbezogenen Rentenrechts der alten auf das Gebiet der neuen Bundesländer von der Zielstellung bestimmt sein sollte, eine Angleichung der Renten über die Angleichung der Löhne und Gehälter in den neuen Ländern an das Lohn- und Gehaltsniveau in den alten Bundesländern zu erreichen.625 Um der unterschiedlichen Ausgangslage und den niedrigeren Entgelten in den neuen Bundesländern Rechnung zu tragen und um eine Vergleichbarkeit der Durchschnittsentgelte West und Ost zu gewährleisten – jedoch die Systematik 625
Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2008/2009, Ziff. 625, S.366.
248
Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung
des SGB VI unangetastet lassend –, wurde eine abweichende Berechnungsmethode zur Ermittlung von Entgeltpunkten in § 256 a Abs. 1 SGB VI626 normiert. Diese sieht eine Vervielfältigung mit Umrechnungsfaktoren vor, die in der Anlage 10 zum SGB VI (siehe Tabelle 28) festgeschrieben wurden, und wird als Hochwertung bezeichnet. Diese Faktoren beschreiben die Verhältniswerte der Tabelle 28: Werte zur Umrechnung der Beitragsbemessungsgrundlagen des Beitrittsgebiets 1945
1,0000
1968
1,6405
1946 1947 1948 1949 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967
1,0000 1,0000 1,0000 1,0000 0,9931 1,0502 1,0617 1,0458 1,0185 1,0656 1,1029 1,1081 1,0992 1,0838 1,1451 1,2374 1,3156 1,3667 1,4568 1,5462 1,6018 1,5927
1969 1970 1971 1972 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1.Halbjahr 1990
1,7321 1,8875 2,0490 2,1705 2,3637 2,5451 2,6272 2,7344 2,8343 2,8923 2,9734 3,1208 3,1634 3,2147 3,2627 3,2885 3,3129 3,2968 3,2548 3,2381 3,2330 3,0707
2.Halbjahr 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011
2,3473 1,7235 1,4393 1,3197 1,2687 1,2317 1,2209 1,2089 1,2113 1,2054 1,2030 1,2003 1,1972 1,1943 1,1932 1,1827 1,1827 1,1841 1,1857 1,1712 1,1889vor.* 1,1429vor.*
Quelle:Anlage10zumSGBVI;*dervorläufigeWertfür2010wirdmitderVerordnungüberdiemaßgebenden RechengrößenderSozialversicherung2012,derfür2010mitderjeweiligenVerordnung2013endgültigfestgeͲ setzt.
Durchschnittsentgelte West zu Ost. Denn für Beitragszeiten in der DDR wie auch in den neuen Bundesländern werden Entgeltpunkte dadurch ermittelt, dass 626
§ 256 a Abs.1 Satz 1 SGB VI: „Für Beitragszeiten im Beitrittsgebiet nach dem 8. Mai 1945 werden Entgeltpunkte ermittelt, indem der mit den Werten der Anlage 10 vervielfältigte Verdienst (Beitragsbemessungsgrundlage) durch das Durchschnittsentgelt für dasselbe Kalenderjahr geteilt wird.“
C Die rechtlichen Aspekte der Vereinheitlichung der Rechenwerte
249
das individuelle versicherte Entgelt – wie in den alten Bundesländern – zu dem Durchschnittsentgelt aller Versicherten in den alten Bundesländern ins Verhältnis gesetzt wird. Das niedrigere Lohnniveau in den neuen Bundesländern wird gegenüber dem in den alten Bundesländern durch eine Hochwertung der in der DDR und – nach der Deutschen Einheit – der in den neuen Bundesländern bezogenen Verdienste berücksichtigt. Mit der Hochwertung werden die DDR-Entgelte auf das Niveau der West-Entgelte angehoben und sichergestellt, dass ein Versicherter trotz geringerer Verdienste und geringerer Beitragszahlung nach Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse im gesamten Bundesgebiet keine Nachteile in seiner/ihrer Alterssicherung hinnehmen muss. Durch die Hochwertung werden die Verdienste in den neuen Bundesländern denen in den alten Bundesländern vergleichbar; denn die Werte der Anlage 10 zum SGB VI geben das Verhältnis wieder, in dem die Durchschnittsverdienste aus der Anlage 1 zum SGB VI zu den Durchschnittsverdiensten in den neuen Bundesländern stehen.627 „Damit ist gewährleistet, dass z. B. der Durchschnittsverdiener im Beitrittsgebiet für ein Jahr ebenso einen Entgeltpunkt erhält, wie ein vergleichbarer Arbeitnehmer mit Durchschnittsverdienst im alten Bundesgebiet.“628
Da die Werte der Anlage 10 zum SGB VI so bestimmt sind, dass sie den Durchschnittsverdienst (Ost) für die jeweiligen Jahre auf den Durchschnittsverdienst (West) anheben, wird mit der Hochwertung sichergestellt, dass die Ermittlung von Entgeltpunkten (Ost) auf der Basis des ostdeutschen Lohniveaus erfolgt. Angesichts der nach Ost und West getrennten Rentenberechnung ist dies aus rentensystematischer Sicht sachgerecht. Ohne die Sonderregelungen zur Hochwertung müssten die individuellen Verdienste ohne Anhebung dem Durchschnittsentgelt (West) gegenübergestellt werden, was dazu führen würde, dass ein Versicherter bzw. eine Versicherte mit Durchschnittsentgelt (Ost)629 nicht 1 Entgeltpunkt, sondern nur 0,84 Entgeltpunkte erhalten würde und daher bei einer späteren Angleichung der Rentenwerte in Ost und West dauerhafte Nachteile bei seiner bzw. ihrer Altersversorgung hinnehmen müsste. Von den rd. 25 Mio. Renten des Rentenbestandes profitierten zum Jahresende 2009 5.184.152 Renten von der Hochwertung durch die Anlage 10 zum SGB VI. Davon waren 1.649.727 Versichertenrenten an Männer und 2.350.419 Versichertenrenten an Frauen betroffen. Hinzu kommen weitere 1.184.006 Renten wegen Todes mit Berücksichtigung von Entgeltpunkten (Ost). Von den ins627 628 629
Eicher/Haase/Rauschenbach, § 256 a SGB VI, Rd.1,2. Begründung zu § 256 a RÜG, BT-Drucksache 12/405, S. 127. Im Jahr 2010 vorläufig 26.918 €, im Jahr 2011 vorläufig 26.483 €.
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Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung
gesamt 1,25 Mio. Zugangsrenten des Jahres 2009 erfuhren 233.549 Renten eine Hochwertung, davon 74.924 Versichertenrenten an Männer, 80.852 Versichertenrenten an Frauen sowie 77.773 Renten wegen Todes.630 Es kann geschlussfolgert werden, dass es bis zur Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse der Hochwertung von Arbeitsverdiensten in den neuen Bundesländern bedarf, wenn das im Einigungsvertrag verankerte Ziel einer Rentenangleichung erreicht werden soll. Nur bei fortbestehender Hochwertung kann ein/e Versicherte/r – bei generalisierender Betrachtung – trotz des Lohngefälles eine vergleichbare Zahl an Entgeltpunkten für eine vergleichbare Lebensarbeitsleistung erreichen wie ein/e Versicherte/r in den alten Bundesländern. Dies gilt unabhängig von der Entwicklung der aktuellen Rentenwerte. Selbst wenn in dem Jahr, in dem die „hochzuwertende Beschäftigung“ ausgeübt wird, der aktuelle Rentenwert (Ost) z.B. durch einen politisch motivierten Eingriff – ohne dass die Lohn- und Gehaltsentwicklung angepasst wäre – bereits die Höhe des aktuellen Rentenwerts erreicht hätte, wäre eine Hochwertung von Arbeitsverdiensten bis zur Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse erforderlich, um vergleichbare Entgeltpunkte zu erwerben. Im Umkehrschluss bedeutete dies, dass wenn weiterhin erhebliche Unterschiede im Einkommensniveau zwischen Ostund Westdeutschland bestehen, die Hochwertung nach Anlage 10 zwingend notwendig ist, um bestehende Ungleichheiten auf dem gesamtdeutschen Arbeitsmarkt nicht bis ins hohe Alter fortzuschreiben.631 Die Argumentation, dass die Hochwertung „zwangsläufig“ abgeschafft werden müsste, wenn der aktuelle Rentenwert (Ost) durch einen gesetzgeberischen Eingriff unabhängig von der Lohnentwicklung angehoben würde, ist rentensystematisch nicht zutreffend, denn eine Rentenangleichung in Ost und West erfordert eine Vergleichbarkeit der Renten sowohl bei den Entgeltpositionen als auch beim aktuellen Rentenwert. Die Hochwertung durch die Anlage 10 zum SGB VI ist nicht unumstritten. Je weiter der Angleichungsprozess insbesondere bei einheitlichen Tarifentgelten in den alten und den neuen Bundesländern voranschreitet, desto häufiger erwachsen daraus Akzeptanzprobleme. Denn bei einem Entgelt in derselben Höhe werden durch die Hochwertung mehr Entgeltpunkte erworben. Dies zeigt nachfolgendes Beispiel (Tabelle 29):
630
631
Antworten der Bundesregierung zu Fragen Nr. 29 und 30 auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 13.7.2010, BT-Drucksache 17/2572. Deutsche Rentenversicherung Bund, Analyse zur Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter in Ost- und Westdeutschland, S. 16.
C Die rechtlichen Aspekte der Vereinheitlichung der Rechenwerte
251
Tabelle 29: Rentenertrag bei gleich hohem Gehalt in den alten und neuen Bundesländern (Werte für das Jahr 2010) Versichertein Jahresverdienst2010 RVͲBeitrag(19,9%) Durchschnittsentgelt2010 Hochwertungsfaktor ErmittlungderEntgeltpunkte(EP)
Hannover 25.000€ 4.975€ 32.003€ Entfällt (25.000€/32.003€)= 0,7811EP
Magdeburg 25.000€ 4.975€ 26.918€ 1,1889 ((25.000€x1,1889)/32.003€)= 0,9287EP
Quelle:eigeneBerechnungen
Der Bundesrechnungshof kritisiert in seinem aktuellen Bericht632 über die rentenrechtlichen Auswirkungen der Höherbewertung versicherter Arbeitsentgelte in den neuen Ländern (Kapitel 1113 Titelgruppe 02) vom 19.4.2010 die Hochwertung der Entgeltpunkte, die in den neuen Bundesländern erworben werden und verweist auf die Besserstellung der Versicherten in den neuen Bundesländern. Er fordert das BMAS wegen der „vermuteten Vielzahl von Begünstigten auf, Kriterien zu entwickeln, wann Einkommensverhältnisse erreicht sind, die eine Hochwertung der Entgelte nicht mehr zulassen.“633 Das BMAS ist diesen Überlegungen stets entgegengetreten. Auch wenn in einigen Branchen bereits eine Angleichung der Tariflöhne erfolgt sei, lägen die Löhne im Durchschnitt in den neuen Bundesländern noch deutlich unter dem Westniveau. Deshalb sei es weiterhin sachgerecht, auf Durchschnittsbetrachtungen abzustellen. Isolierte Eingriffe in den Hochwertungsmechanismus lehne das BMAS daher ab.634 Den Aufholprozess durch Annäherung der Lohn- und Einkommensentwicklung in den neuen Bundesländern anzuhalten und durch eine einheitliche Berechnung der Entgeltpunkte zu ersetzen, würde eine Fortschreibung der Einkommensunterschiede für die Renten bedeuten.
632 633
634
BT-Drucksache, Ausschussdrucksache, 17(11)113. ver.di, Dokumentation des 3. workshop „20 Jahre Rente im vereinten Deutschland“ am 1.7.2010, S. 33. Ebenda, S. 33.
252
2
Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung
Die aktuellen Rentenwerte zur Bewertung der Entgeltpunkte, RentenFaktoren und Renten-Garantien (Rentenphase) – Die Anpassungen der Renten
Zum 1. Juli eines jeden Jahres wird der aktuelle Rentenwert durch Rechtsverordnung der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats bestimmt.635 Der aktuelle Rentenwert ist ein vom Gesetzgeber festgelegter Betrag einer Monatsrente für 1 Entgeltpunkt und soll das politisch angestrebte Rentenniveau, d. h. das Verhältnis von Standardrente zum Durchschnittsverdienst der Beschäftigten, sicherstellen (§ 68 SGB VI). Seit Einführung der bruttolohnbezogenen dynamischen Rente durch die Rentenreform 1957 sollen die Renten den Entwicklungen der Löhne und Gehälter folgen, damit die Rentnerinnen und Rentner an der Wohlstandsentwicklung der Beschäftigten teilhaben. Nach der Rentenformel von 1957 betrug das Verhältnis der Bruttojahresstandardrente zum durchschnittlichen Bruttojahresarbeitsentgelt 57,3 % und das Verhältnis der Nettojahresstandardrente zum durchschnittlichen Nettojahresarbeitsentgelt 66,7 %. Bis zum Rentenreformgesetz 1992 erfolgten zahlreiche politische Eingriffe in die Rentenformel, die zu einer Abkopplung der Renten von der Entwicklung der Bruttolöhne führten. Im Wesentlichen geschah dies durch Abweichen vom ursprünglichen Berechnungsmodus der allgemeinen Berechnungsgrundlage und durch willkürliche Festsetzung der Anpassungssätze, aber auch durch Beteiligung der Rentnerinnen und Rentner ab Juli 1983 in Höhe des individuellen Krankenversicherungsbeitrages (KVdR-Beitrag) an den Kosten ihrer Krankenversicherung.636 In den Jahren 1992 bis 1999 wurde zur nettolohnbezogenen Anpassung übergegangen. Basis war die Entgeltentwicklung in den alten Bundesländern. Im Jahr 1992 sollte die Anpassung ein Nettorentenniveau
635
636
Zu den jeweiligen Verordnungen ab 1991 siehe Anhang 6. Gesetze und Rechtsquellen, II. Verordnung zur Bestimmung der Rentenwerte in der gesetzlichen Rentenversicherung und in der Alterssicherung der Landwirte zum 1. Juli 2010 (Rentenwertbestimmungsverordnung 2010 – RWBestV 2010), BR-Drucksache 236/10 vom 23.4.2010. Rentenwertbestimmungsverordnung 2009 – RWBestV 2009, BR-Drucksache 380/09 vom 22.4.2009. Im Jahr 2008 wurde die Rentenwertbestimmung nicht durch Verordnung, sondern durch Gesetz geregelt: Gesetz zur Rentenanpassung 2008, BT-Drucksache 16/874. RWBestV 2007, BR-Drucksache 280/07 vom 27.4. 2007. Im Jahr 2006 wäre, wie im Jahr 2005, eine Nullanpassung wegen der Anwendung der Schutzklausel (§§ 68 a, 255 e SGB VI, s.u. II.2.b.dd.) erforderlich gewesen. Um in jedem Einzelfall eine Bescheiderteilung zu vermeiden, wurde das Gesetz über die Weitergeltung der aktuellen Rentenwerte verabschiedet, BGBl. I S. 1304. Die Rentenanpassung 2005 wurde zwar nicht ausgesetzt, wegen der Anwendung der Schutzklausel (§§ 68 a, 255 e SGB VI, s. u. II.2.b.dd.) gab es im Ergebnis eine Nullrunde. Steffen, Die Anpassung der Renten, S. 5.
C Die rechtlichen Aspekte der Vereinheitlichung der Rechenwerte
253
von rd. 68 % gewährleisten.637 Im Jahr 2000 erfolgte eine Inflationsanpassung der Renten nach dem Haushaltssanierungsgesetz (HSanG) vom 22.12.1999.638 Mit dem Altersvermögensergänzungsgesetz wurden die Renten von der Nettolohnentwicklung abgekoppelt und orientieren sich seither an der Veränderungsrate der Bruttolohn- und Gehaltssumme sowie nach in die Rentenformel eingefügten Faktoren. Die Festlegung der Anpassung soll bis zum 31. März des jeweiligen Jahres erfolgen (§ 69 Abs. 1 SGB VI). Dies gilt ebenso für den aktuellen Rentenwert (Ost). Die Verordnungsermächtigung der Bundesregierung zur Wertebestimmung mit Zustimmung des Bunderats erstreckt sich durch § 255 b Abs. 2 SGB VI ebenso auf die Werte der Anlage 10 zum SGB VI als das Vielfache des Durchschnittsentgelt der Anlage 1 zum SGB VI für das vergangene und das folgende Kalenderjahr. Bis zur Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gilt, wie bei der Ermittlung von Entgeltpunkten in der Beitragsphase, eine Übergangsregelung für die Rentenformel bei der Bestimmung des Monatsbetrags der Rente639 und damit für die jährliche Rentenanpassung (§§ 64, 254 b SGB VI). Anstelle persönlicher Entgeltpunkte (§ 66 SGB VI) werden persönliche Entgeltpunkte (Ost) (§ 254 d SGB VI) erworben, anstelle des aktuellen Rentenwerts (§ 68 SGB VI) wird der aktuelle Rentenwert (Ost) (§ 255 a SGB VI) angewendet. Durch den Staatsvertrag vom 18.5.1990 wurden die Renten nach der Umstellung 1:1 auf DM zugleich in der Form angeglichen, dass die Rente eines Rentners bzw. einer Rentnerin bei beständigem volkswirtschaftlichem Durchschnittsverdienst nach 45 Arbeitsjahren 70 % des durchschnittlichen Nettoarbeitsverdienstes in der DDR betragen sollte (Standardrente). Nach der mit dem RÜG eingeführten Regelung des § 255 a SGB VI richtete sich die Festsetzung des Anpassungssatzes für die Rentenanpassung in den neuen Bundesländern nach der dortigen voraussichtlichen Lohnentwicklung im Jahr der Rentenanpassung und, um in den neuen Bundesländern ein Nettorentenniveau zu sichern, welches dem in den alten Bundesländern entspricht, nach der voraussichtlichen Lohnentwicklung in den alten Bundesländern im Jahr der Rentenanpassung (sog. »Ex-ante-Betrachtung«). Im Unterschied dazu ergab sich nach § 68 SGB VI der Anpassungssatz in den alten Bundesländern aus der Veränderung des durchschnittlichen Nettoarbeitsentgelts pro Kopf im Vorjahr gegenüber dem vorvergangenen Jahr und aus der Belastungsveränderung bei den Renten im Vorjahr gegenüber dem vorvergangenen Jahr (sog. »Ex-post637 638 639
BR-Drucksache 277/92, S. 7. Vom 28.12.1999, BGBl. I S. 2534. Siehe zur Berechnung des Monatsbetrags der Rente ausführlich Teil 1, B., II., 2.3.
254
Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung
Betrachtung«). Das besondere Anpassungsverfahren in den neuen Bundesländern war für eine Übergangszeit erforderlich geworden, um der in den neuen Bundesländern erwarteten starken Dynamik der Löhne und Gehälter Rechnung zu tragen und diese Dynamik schnellstmöglich an die Rentnerinnen und Rentner weitergeben zu können. Ab 1.7.1996 wurde die Rentenanpassung Ost auf das in den alten Bundesländern geltende Verfahren umgestellt.640 Für die Ermittlung sowohl des aktuellen Rentenwertes (§ 68 SGB VI) wie auch des aktuellen Rentenwertes (Ost) (§ 255 a SGB VI) gilt:
Die aktuellen Rentenwerte entsprechen dem Monatsbetrag einer Altersrente, wenn für ein Kalenderjahr Rentenversicherungsbeiträge aufgrund eines Durchschnittsverdienstes gezahlt worden sind. Eine unterschiedliche Berechnung gilt bis zur Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse. Werden rentenrechtliche Zeiten in den aBL zurückgelegt, wird der aktuelle Rentenwert angewendet; für Zeiten, die in den nBL zurückgelegt werden, gilt der aktuelle Rentenwert (Ost). Die Anpassung erfolgt jeweils zum 1.7. eines jeden Jahres.
Ab dem 1.7.2009 bis zum 30.6.2011 beträgt der aktuelle Rentenwert (West) 27,20 €, (Ost) 24,13 € damit 88,7 % des Westwerts. Der Wertunterschied beträgt 3,07 €. Für die Anpassung des aktuellen Rentenwerts (Ost) ist die Lohndynamik in den neuen Bundesländern maßgeblich. Die Schutzklausel (Ost) (siehe unten) stellt sicher, dass die Anpassung (Ost) stets mindestens in Höhe der Anpassung (West) erfolgt. Die Anpassungen (Ost) sind in der Vergangenheit höher ausgefallen als die Steigerungen bei den Durchschnittsentgelten (Ost); so beläuft sich der aktuelle Rentenwert (Ost) ab dem 1.7.2009 auf 88,7 % des Westwerts, während der Durchschnittsverdienst (Ost) lediglich bei 84,1 %641 des Westwerts liegt. Mit den vorläufigen Durchschnittsentgelten der Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2011 verändert sich diese Verhältnis: Das Durchschnittsentgelt (Ost) beträgt danach 30.258 € und damit 87,5 % des Westwerts, der aktuellen Rentenwert (Ost) bleibt bei 88,7 % des Westwerts (Tabelle 30).
640 641
BT-Drucksache 13/4133, S. 2. Ausgehend von einem Durchschnittsverdienst aBL von 32.003 € und einem Durchschnittsverdienst nBL von 26.918 € (Werte 2010).
C Die rechtlichen Aspekte der Vereinheitlichung der Rechenwerte
255
Tabelle 30: Verhältnis von Durchschnittsentgelten West und Ost zu den aktuellen Rentenwerten West und Ost Vorl.Durchschnittsentgelt2010 Vorl.Umrechnungswert2010 Vorl.Durchschnittsentgelt2011 Vorl.Umrechnungswert2011 aktuelleRentenwerte1.7.2009– 30.6.2011
West 32.003€ 30.268€ 27,20€
Ost 26.918€
VerhältnisOstin%zuWest 84,1% 1,1889 26.483€ 87,5% 1,1429 24,13€ 88,7%
Quelle:eigeneBerechnungen
Dies führt dazu, dass die Arbeitsverdienste in den neuen Bundesländern im Rahmen der Hochwertung zur Rentenberechnung stärker angehoben werden, als es den aktuellen Verdiensten Ost und West entspricht. Zurückzuführen ist dies auf die unterschiedlichen Fortschreibungsverfahren beim Durchschnittsentgelt (Ost) (Bruttosteigerung) und dem aktuellen Rentenwert (Nettoanpassung in den 1990er Jahren und Schutzklausel Ost). Die unterschiedlich starke Annäherung vom Durchschnittsverdienst (Ost) einerseits und aktuellem Rentenwert (Ost) andererseits an die jeweiligen Westwerte hat zur Folge, dass die Versicherten in den neuen Bundesländern mit einem gleichen Arbeitsentgelt derzeit etwas höhere Anwartschaften erwerben als die Versicherten in den alten Bundesländern. Zu höheren Leistungen und Ausgaben führt dies allerdings nur in den Fällen, in denen eine Rente mit „übermäßig hochgewerteten Arbeitsverdiensten“ bereits begonnen hat. Tabelle 31 zeigt die Rentenanpassungen 1991-2010 und die Grundsätze der jeweiligen Rentenanpassung. Für die Ermittlung des aktuellen Rentenwerts (§ 68 SGB VI) in den alten Bundesländern und des aktuellen Rentenwerts (Ost) in den neuen Bundesländern (§ 255 a SGB VI) sind folgende Werte und Faktoren maßgebend:
642
die Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer; sie sind für die alten und die neuen Bundesländer getrennt zu ermitteln; die die Rentenanpassungsformel bestimmenden Faktoren bei positiver Lohn- und Einkommensentwicklung: der Nachhaltigkeitsfaktor (Veränderung in der Relation zwischen Rentenbeziehern und Beitragszahlern durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz)642, der Beitragssatzfaktor (Veränderung des Beitragssatzes zur allgemeinen Rentenversicherung), der Riesterfaktor (Altersvorsorgeanteil), RV-Nachhaltigkeitsgesetz vom 21.7.2004, BGBl. I S. 1791.
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Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung
die Schutzklausel (Ost), die bestimmt, dass der aktuelle Rentenwert (Ost) mindestens um den Prozentsatz anzupassen ist, um den der aktuelle Rentenwert angepasst wird und die Schutzklauseln 1 und 2, die verhindern, dass es trotz positiver Lohnund Einkommensentwicklung durch Anwendung von Nachhaltigkeits-, Beitragssatz- und Riesterfaktor zu Minusanpassungen kommt. die Rentengarantie-Klausel bei negativer Lohn- und Einkommensentwicklung und der Ausgleichsfaktor.
Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer/in643 Für die alten Bundesländer gilt: Die Ermittlung des Faktors für die Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer/in erfolgt, indem der Wert für das vergangene Jahr durch den Wert für das vorvergangene Jahr geteilt wird (§ 68 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 7 Sätze 1 bis 3 SGB VI). Die Zahlen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung werden zugrunde gelegt. Die von der VGR grundsätzlich erfassten Entschädigungen für Ein-Euro-Jobs bleiben ab der Rentenanpassung 2007 ausdrücklich unberücksichtigt, da die Entwicklung der Ein-Euro-Jobs in keinem Zusammenhang zur GRV steht.644 Da die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung Entgeltbestandteile enthält, die mit der gesetzlichen Rentenversicherung in keinem Zusammenhang stehen (wie z. B. die Bezüge der Beamtinnen und Beamten), werden die Werte der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung so korrigiert: Die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer des vorvergangenen Kalenderjahres gemäß der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung werden an die Entwicklung der Einnahmen der 643
644
Aufgrund des Gesetzes zur Änderung des Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze vom 2.12.2006, in Kraft getreten am 12.12.2006 (BGBl. I S. 2742), bleiben die von den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) erfassten Beträge (wie Beamtenbezüge, Entgelte oberhalb der Beitragsbemessungsgrenzen und Entgeltbestandteile im Rahmen der sozialversicherungsfreien Entgeltumwandlung), die mit der GRV in keinem systematischen Zusammenhang stehen, bei der Berechnung von Werten der GRV unberücksichtigt (BT-Drucksache 16/3007, S. 18, siehe im Anhang unter: 5. Verwendete Materialien). Damit wird insbesondere sichergestellt, dass die statistische Erfassung der Ein-Euro-Jobs nach § 16 Abs. 3 SGB II bei der Lohnentwicklung nach der VGR außer Betracht bleibt. Zudem wird der Begriff „Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer“ als Basis für die Bestimmung des Anpassungssatzes für die Renten aus der GRV eingeführt. Eicher/Haase/Rauschenbach, § 68, Ziff. 3.
C Die rechtlichen Aspekte der Vereinheitlichung der Rechenwerte
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gesetzlichen Rentenversicherung angepasst, indem sie mit dem sog. Korrekturfaktor vervielfältigt werden. Der Korrekturfaktor gibt das Verhältnis der Veränderung der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer/in im vorvergangenen Jahr gegenüber dem dritten zurückliegenden Kalenderjahr wieder und berücksichtigt die Veränderungen der aus der Versichertenstatistik der Deutschen Rentenversicherung Bund ermittelten Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer/in ohne Beamtinnen und Beamte einschließlich der Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld im vorvergangenen Kalenderjahr im Verhältnis zum dritten zurückliegenden Kalenderjahr (§ 68 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Durch Anwendung des Korrekturfaktors werden nicht beitragspflichtige, aber in den Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung enthaltene Löhne und Lohnbestandteile, wie z. B. Beamtenbezüge, Entgelte oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze und Entgeltbestandteile im Rahmen der Entgeltumwandlung, bei der Fortschreibung der aktuellen Rentenwerte wieder ausgeklammert. Arbeitslosengeld nach dem SGB III wird umfasst. Dadurch wird die Entwicklung der Arbeitsmarktlage auf die beitragspflichtigen Einnahmen der GRV einbezogen.645 Für die neuen Bundesländer gilt: § 68 Abs. 2 SGB VI ist in den neuen Bundesländern mit der Maßgabe anzuwenden, dass die für das Beitrittsgebiet ermittelten beitragspflichtigen Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer/in ohne Beamt/innen und Beamte einschließlich der Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld zugrunde zu legen sind (§ 255 a Abs. 1 Satz 4 SGB VI). Damit sind auf die vom Statistischen Bundesamt ermittelten Daten in den neuen Bundesländern sowohl für die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer/in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung als auch für die Berechnung des Korrekturfaktors die in der Versichertenstatistik der Deutschen Rentenversicherung Bund ermittelten Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer/in ohne Beamt/innen und einschließlich der ArbeitslosengeldBezieherinnen und -bezieher abzustellen. Bei der Rentenanpassung 2009 griff für die Berechnung der Löhne und Gehälter in den neuen Bundesländern ein Sondereffekt: Die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung berücksichtigt grundsätzlich alle zum Berechnungszeitpunkt zur Verfügung stehenden Informationen. Da nicht immer alle Informationen frühzeitig zur Verfügung stehen, werden die Ergebnisse der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung regelmäßig überarbeitet bzw. nachjustiert. Für die Rentenanpassung werden die aktuellen Jahresergebnisse mit dem Rechenstand verglichen, der im letzten Jahr in die Rentenanpassung eingeflossen war. Die Ver645
Ebenda.
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Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung
änderungsrate der anpassungsrelevanten Entgelte enthält somit neben der „normalen Zeitreiheninformation“ auch statistische Überarbeitungseffekte. Für die Rentenanpassungen 2009 wurden Informationen, die bis zum Jahr 2004 zurückreichten, in die Berechnungen aufgenommen. Diese Informationen berührten vor allem die Ost-West-Aufteilung der Löhne und Gehälter und wirkten sich in den neuen Bundesländern stärker aus als in den alten Bundesländern. In den neuen Bundesländern wurden die durchschnittlichen Jahresentgelte um rund 30 € (2004), 50 € (2005), 130 € (2006) und 3 € (2007) nachträglich angehoben. Diese Steigerungen wurden in der Rentenanpassung 2009 berücksichtigt und führten dazu, dass sich die anpassungsrelevanten Entgeltsteigerungen in den neuen Bundesländern auf gut 3 % beliefen, obwohl in der Zeitreihenbetrachtung nur ein Zuwachs von 2,1 % zu verzeichnen war. Die Entwicklung in West und Ost ab dem Jahr 1991 bis zum Jahr 2010 fasst Tabelle 31 zusammen. Faktoren, die die Rentenanpassungsformel bei positiver Lohn- und Einkommensentwicklung bestimmen Der Nachhaltigkeitsfaktor Der bundeseinheitlich geltende Nachhaltigkeitsfaktor bildet die Veränderung des Verhältniswerts der Rentenbezieherinnen und -bezieher zu den Beitragszahlerinnen und -zahlern und damit insbesondere die demographische Entwicklung und die Arbeitsmarktsituation in der Rentenanpassungsformel ab. Der Nachhaltigkeitsfaktor wirkt anpassungsdämpfend wenn die Zahl der Rentenbezieherinnen und -bezieher im Verhältnis zu den Beitragszahlerinnen und -zahlern steigt oder wenn die Zahl der Beitragszahlerinnen und -zahler aufgrund einer schlechten Arbeitsmarktsituation sinkt. Steigt die Zahl der Beschäftigten, wirkt der Nachhaltigkeitsfaktor anpassungssteigernd. Der Nachhaltigkeitsfaktor wird ermittelt, indem der um die Veränderung des Rentnerquotienten im vergangenen Kalenderjahr gegenüber dem vorvergangenen Jahr verminderte Wert eins mit dem Parameter alpha vervielfältigt und um den Wert eins erhöht wird (§ 68 Abs. 4 Satz 1 SGB VI). Dabei ist der Rentnerquotient der Verhältniswert der Zahl der Äquivalenzrentnerinnen und -rentner zur Zahl der Äquivalenzbeitragszahlerinnen und -zahler. Äquivalenzrentnerinnen und -rentner werden ermittelt, indem das Gesamtvolumen der Renten in einem Kalenderjahr abzüglich der durch den Bund erstatteten Renten und Rententeile durch eine Regelaltersrente (Standardrente mit 45 Versicherungsjahren) geteilt und auf 1.000 gerundet wird (§ 68 Abs. 4 Satz 3 iVm. Satz 5 SGB VI).
C Die rechtlichen Aspekte der Vereinheitlichung der Rechenwerte
259
Äquivalenzbeitragszahlerinnen und -zahler werden ermittelt, indem das Gesamtvolumen der Beiträge aller versicherungspflichtig Beschäftigten (§ 1 SGB VI), der geringfügig Beschäftigten (§ 8 SGB IV) und der Bezieherinnen und bezieher von Arbeitslosengeld (§ 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI) eines Kalenderjahres durch den auf das Durchschnittsentgelts nach Anlage 1 entfallenden Beitrag der allgemeinen Rentenversicherung desselben Kalenderjahres, den eine Versicherte bzw. ein Versicherter mit einem Durchschnittsentgelt zu zahlen hätte, dividiert wird (§ 68 Abs. 4 Satz 4 iVm. Satz 5 SGB VI). Tabelle 31: Rentenanpassungen ab 1991 Ost/ GrundsätzederjeweiligenAnpassung (Netto)Standardrente RentenanͲ Aktuelle bei45Arbeitsjahren passungin Rentenwerte WestͲ in% inDM/ab % in€ 2002in€
Monat/ Anstieg Jahr der Löhne und Gehälter in% W O
W
O
W
O
W
O
1.7.1990 ͲͲͲͲ 1.1.1991 ͲͲͲͲ 1.7.1991 * 1.1.1992 ͲͲͲͲ 1.7.1992 6,1 1.1.1993 ͲͲͲͲ 1.7.1993 5,5 1.1.1994 ͲͲͲͲ 1.7.1994 2,9 1.1.1995 ͲͲͲͲ 1.7.1995 2,2 1.1.1996 ͲͲͲͲ
ͲͲͲͲ * * * * * * * * * *
852 ͲͲͲͲ 895 ͲͲͲͲ 920 ͲͲͲͲ 955 ͲͲͲͲ 987 ͲͲͲͲ 988 ͲͲͲͲ
344 455 573 694 742 778
ͲͲͲͲ ͲͲͲͲͲ 4,70 ͲͲͲͲͲ 2,87 ͲͲͲͲͲ 4,36 ͲͲͲͲͲ 3,39 ͲͲͲͲͲ 0,50 ͲͲͲͲͲ
ͲͲͲͲ 15,00 15,00 11,65 12,73 6,10 14,12 3,64 3,45 2,78 2,48 4,38
ͲͲͲͲ 39,58 41,44 41,44 42,63 42,63 44,49 44,49 46,00 46,00 46,23 46,23
ͲͲͲͲ ͲͲͲͲ ͲͲͲͲ 23,57 26,57 28,19 32,17 33,34 34,49 35,45 36,33 37,92
40,3 ͲͲͲͲ 50,8 ͲͲͲͲ 62,3 ͲͲͲͲ 72,7 ͲͲͲͲ 75,1 ͲͲͲͲ 78,8 ͲͲͲͲ
1.7.1996 3,4 1.7.1997 1,7 1.7.1998 1,2 1.7.1999 1,6
6,4 3,8 1,8 1,6
993 1.009 1.012 1.027
817 859 866 890
0,95 1,65 0,44 1,34
1,21 5,55 0,89 2,79
46,67 47,44 47,65 48,29
38,38 40,51 40,87 42,01
82,3 85,2 85,5 86,7
MitderRentenreform1957wurdedie bruttolohnbezogenedynamischeRente eingeführt. MitderRentenreform1992vollzogsich derÜbergangvondernettolohnbezogeͲ nenRente(Anpassungderverfügbaren RentenandenverfügbarenArbeitsentgelͲ ten). AufgrunddesStaatsvertragesvom 18.5.1990sindzum1.7.1990dieRenten imBeitrittsgebietimVerhältnis1:1auf DMumgestelltundzugleichinderForm angeglichenworden,dassdieRenteeines Rentnersnach45Arbeitsjahrenund Durchschnittsverdienst70%desdurchͲ schnittlichenNettoarbeitsverdienstesin derDDRbeträgt.DurchdieRentenangleiͲ chungzum1.7.1990erhöhtensichdie RenteninderDDRumfast30%. aRw(Ost):AufrechterhaltungdesNettoͲ rentenniveaus(Ost)entsprechend Westniveau;keinfesterAnpassungsterͲ min,umdenerwartetenstärkeren LohnzuwächsenindennBLflexibel begegnenzukönnen(§255aAbs.2SGB VIidF.biszum7.5.1996). aRw:jeweilszum1.7.(Nettoanpassung) (§65SGBVI). aRw(Ost):jeweilsab1.7.;Anpassungwie schonzuvoraRw:diesichindennBL ergebendenFaktorenfürVeränderung derBLGu.belast.Arbeitsentgelte(NettoͲ anpassung)undaRw:(§§68,255aAbs.2 SGBVIidF.ab8.5.1996)
260
Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung
1.7.2000 1.7.2001 1.7.2002 1.7.2003
ͲͲͲͲ 1,4 1,92 1,67
ͲͲͲͲ 1,6 2,63 1,82
1.033 1.052 1.072 1.082
896 0,60 0,60 916 1,91 2,11 941 2,16 2,89 951 1,04 1,19
48,58 49,51 25,68 26,13
42,26 43,15 22,70 22,97
86,8 87,1 87,8 87,9
InflationsanpassungfürOstundWestum0,6%. Ab2001:NichtmehrNettoanpassung,sondernVerändeͲ rungderBruttolohnͲundGehaltssummejeArbeitnehmer multipliziertmitdemFaktorfürdieVeränderungdes BeitragssatzesunddesAltersvorsorgeanteils(modifizierte Bruttoanpassung)(§§68,255aAbs.2SGBVIidF.des AVmEG) 1.7.2004 ͲͲͲͲ ͲͲͲͲ 1.072 944 0 0 26,13 22,97 88,1 Nullrunde 1.7.2005 0,12 0,21 1.066 939 0 0 26,13 22,97 88,1 RechnerischeAnpassungaBL:Ͳ1,11%;nBL:Ͳ1,0%;wg. AnwendungderSchutzklausel„Faktoren“Ergebnis Nullrunde;Ausgleichsbedarf:aBL:Ͳ1,11;nBL:Ͳ1,0 1.7.2006 0,48 0,81 1.066 939 0 0 26,13 22,97 88,1 MitAnwendungderSchutzklausel„Faktoren“wäre Nullrundebegründetgewesen,umBescheiderteilungin jedemEinzelfallzuvermeiden,Nullrundedurch„Gesetz überdieWeitergeltungderaRwab1.7.2006“(vom 6.4.2006,BTͲDrucks.16/1119;BGBlI,S.1304);AusgleichsͲ bedarfgesamt:aBL:Ͳ1,75;nBL:Ͳ1,30 1.7.2007 0,98 0,49 1.069 942 0,54 0,54 26,27 23,09 88,1 RechnerischeAnpassungaBL:0,54%;nBl:0,04%;wg. Schutzklausel„OstAnpassung“;aBLundnBL:0,54; Ausgleichsbedarfgesamtwie2006(RWBestV2007,BRͲDr. 280/07v.27.4.07) 1.7.2008 1,40 0,54 1.078 950 1,10 1,10 26,56 23,34 88,1 aRw(OstundaRw:AussetzendesRiesterfaktorsfür2008 1.7.2009 2,3 3,1* 1.101 977 2,41 3,38 27,20 24,13 88,7 und2009(Rentenanpassungsgesetz2008,BTͲDr.16/874); Ausgleichsbedarfgesamtwie2007,*sieheSondereffekt 2009 1.7.2010 0,96 0,61 1.101 977 0 0 27,20 24,13 88,7 Nullrunde;RechnerischeAnpassungaBL:Ͳ2,1%;nBl:Ͳ 0,54%;wg.Schutzklausel„Nullrunde“;Ausgleichsbedarf gesamt:aBL:0,9619,nBL:0,9817(RWBestV2010,BRͲDr. 236/10v.23.4.10) *EineexakteAufzeichnungderVeränderungsratenderLöhneundGehältererfolgtenochnicht.IndenAnpassungsverordͲ nungenfürdieneuenBundesländerfindensichFormulierungenwiez.B.:„Mitder(elften)AnpassungderRenten…werden dieRenteindenneuenLändernzum1.1.1996entsprechendderhierim1.Halbjahr1996erwartetenEntwicklungvon LöhnenundGehältererhöht.UmdieserEntwicklungRechnungzutragenundumgleichzeitig…einNettorentenniveauzu sichern,dasdemindenaltenLändernentspricht,istunterZugrundelegungderAnnahmenderBundesregierungeine AnpassungdesaktuellenRentenwertes(Ost)von4,38v.H.erforderlich.“(BRͲDrucksache739/95vom2.11.1995). W=West;O=Ost Quelle:RentenversicherunginZeitreihen,DRVͲBund,Oktober2009undjeweiligeBundesratsͲDrucksachen,sieheAnhang 6.GesetzeundRechtsquellen,II;eigeneDarstellung.
Nach § 255 a Abs. 3 SGB VI sind bei der Ermittlung des bundeseinheitlich geltenden Nachhaltigkeitsfaktors bis zur Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse die Anzahl der Äquivalenzrentnerinnen und -rentner sowie der Äquivalenzbeitragszahlerinnen und -zahler für die alten und die neuen Bundesländer getrennt zu berechnen und jeweils zu addieren. Zum 1.7.2007 betrug der Nachhaltigkeitsfaktor 1,0019646, zum 1.7.2008 1,0022647, zum 1.7.2009 1,0031648 und wirkte somit in allen drei Jahren anpas-
646 647
RWBestV 2007, BR-Drucksache 280/07 vom 27.4.2007, S. 5. Gesetz zur Rentenanpassung 2008, BT-Drucksache 16/8744, S. 10. Im Jahr 2008 wurde die Rentenwertbestimmung nicht durch Verordnung, sondern durch Gesetz geregelt. Die im Gesetz „vorgesehenen“ Formeln wurden zwar angewendet. Der Anstieg der „Riestertreppe“
C Die rechtlichen Aspekte der Vereinheitlichung der Rechenwerte
261
sungssteigernd. Erstmals zum 1.7.2010 betrug der Nachhaltigkeitsfaktor 0,9949649 und damit weniger als 1 und wirkte damit anpassungsdämpfend. Der Beitragssatzfaktor Bei der Ermittlung des aktuellen Rentenwerts wird eine Veränderung des Beitragssatzes (§ 158 SGB VI) zur allgemeinen Rentenversicherung berücksichtigt (§§ 68 Abs. 3, 255 a SGB VI). Steigt der Beitragssatz, sinkt der Anpassungssatz; sinkt der Beitragssatz, steigt der Anpassungssatz. Grund für diese Regelung ist, die Rentnerinnen und Rentner wirkungsgleich daran teilhaben zu lassen, wenn aufgrund einer Beitragssatzanhebung das zur Verfügung stehende Nettoeinkommen der Beschäftigten sinkt bzw. bei der Beitragssatzabsenkung das zur Verfügung stehende Netto der Beschäftigten steigt. Der Beitragssatzfaktor wirkt in den neuen und alten Bundesländern gleich, da auch der Beitragssatz bundeseinheitlich festgelegt wird (§ 158 SGB VI). Der Riester-Faktor (Altersvorsorgeanteil) Für die Zeit vom 1.7.2005 bis zum 1.7.2013 werden die §§ 68, 255 a SGB VI durch § 255 e SGB VI und damit durch die Einführung des bundeseinheitlich geltenden Altersvorsorgeanteils, des sog. Riester-Faktors, auch als Riestertreppe bezeichnet, ergänzt. Bei der Fortschreibung des aktuellen Rentenwertes sollen auch die Veränderungen bei den Aufwendungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für die steuerlich geförderte Altersvorsorge (sog. Altersvorsorgeanteil) berücksichtigt werden, da diese Aufwendungen maßgeblich die Höhe der verfügbaren Nettolöhne und das Versorgungsniveau im Alter mitbestimmen.650 Dieser Begründung wäre dann zuzustimmen, wenn alle Beschäftigten in der maximal geförderten und durch § 255 a SGB VI in die Anpassung der Renten eingeflossenen Höhe eine Riester-Rente abgeschlossen hätten. Dies ist jedoch nicht der Fall. Zum Ende des ersten Quartals 2010 erklärte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, dass bis 31.3.2010 13,6 Mio. Riester-Verträge bestehen würden.651
648 649 650
651
(§ 255e Abs. 3 SGB VI) wurde für die Jahre 2008 und 2009 ausgesetzt und „nach hinten geschoben“ und für die Jahre 2011 und 2012 verlängert. RWBestV 2009, BR-Drucksache 380/09 vom 22.4.2009, S. 3. RWBestV 2010, BR-Drucksache 236/10 vom 23.4.2010, S. 3. Amtliche Begründung zu § 68 Abs. 3 in BT-Drucksache 14/4595, S. 47, siehe unter: Verwendete Materialien. Pressemitteilung des BMAS, abgerufen am 17.7.2010 unter: http://www.bmas.de/portal/46132/ 2010__06__10__riester.html
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Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung
Die schrittweise Erhöhung des Altersvorsorgeanteils vom Jahr 2002 mit 0,5 % bis zum Jahr 2012 auf 4 % wirkt dämpfend auf die Anpassung der Renten und der Rentenanwartschaften. Durch das Rentenanpassungsgesetz 2008 vom 26.6.2008652 wurde die Berücksichtigung der Veränderung des Altersvorsorgeanteils bei den Rentenanpassungen in den Jahren 2008 und 2009 ausgesetzt, um nach der amtlichen Begründung die Rentnerinnen und Rentner angemessen am Wirtschaftsaufschwung zu beteiligen.653 Eine Erklärung könnte aber auch der politische Wille im Vorwahljahr 2008 und im Wahljahr 2009 der Bundestagswahl sein, den Rentnerinnen und Rentnern eine mehr als geringfügige Rentenanpassung nach Jahren der Nullrunden (2004–2006) und einer Minianpassung im Jahr 2007 von 0,54 % zuteil werden zu lassen. Dafür spricht, dass die Aussetzung des Riester-Faktors für das Jahr 2008 mit einer Erhöhung der Anpassung um 0,64 % und im Jahr 2009 um 0,63 % nicht aufgehoben, sondern auf die Jahre 2012 und 2013 verschoben wurde. Im Jahr 2010 entfaltet der Altersvorsorgeanteil wieder seine anpassungsdämpfende Wirkung von 0,5 % und endet mit der Rentenanpassung 2013. Die Schutzklausel (Ost) Durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz vom 21.7.2004654 wurde mit § 255 a Abs. 2 SGB VI ab dem 1.8.2004 eine Schutzklausel (Ost)655 normiert, nach der der aktuelle Rentenwert (Ost) um mindestens den Wert anzupassen ist, um den der aktuelle Rentenwert (West) angepasst wird. Durch diese Regelung soll sichergestellt werden, dass, auch wenn die Einnahmeentwicklung in den neuen Bundesländern schlechter ausfällt als in den alten Bundesländern, die Rentenanpassung in den alten und den neuen Bundesländern gleich ist.656 Die Schutzklausel (Ost) wurde nach den Jahren der „Nullrunden“ 2004–2006 erstmals zum 1.7.2007 angewendet. Nach Anwendung der Anpassungsformel wäre der aktuelle Rentenwert (Ost) um nur 0,04 %, der aktuelle Rentenwert (West) hingegen um 0,54 % angehoben worden. Durch die Schutzklausel (Ost) ergab sich eine Anhebung beider aktueller Rentenwerte um 0,54 %. Auch bei der Rentenanpassung 2008 wirkte die Schutzklausel (Ost) und führte zu einer Anpassung um 1,1 %.
652 653 654 655
656
BGBl. I S. 1076. BT-Drucksache 16/8744, S. 7. BGBl. I S. 1791. BR-Drucksache 2/07, S. 107. Im Gegensatz zur Schutzklausel des § 68 a SGB VI, der eine negative Rentenanpassung verhindert. BT-Drucksache 15/2149, S. 28.
C Die rechtlichen Aspekte der Vereinheitlichung der Rechenwerte
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Rechnerisch hätte der aktuelle Rentenwert (Ost) nur um 0,26 %657 ansteigen dürfen. Durch die Schutzklausel (Ost) hat sich der aktuelle Rentenwert (Ost) stärker an den Westwert angenähert als das Durchschnittsentgelt (Ost): In den neuen Bundesländern liegt das Durchschnittsentgelt (im Jahr 2010) bei 84,1 % des Westwerts; der aktuelle Rentenwert (Ost) (in der Zeit vom 1.7.2009–30.6.2011) bei 88,7 % des Wertes West (siehe Tabelle 30). Neben der Schutzklausel (Ost) gibt es zwei weitere Schutzklauseln: Die Schutzklausel 1 § 68 a Abs.1 SGB VI verhindert abweichend von § 68 SGB VI, dass es bei einer positiven Bruttolohn- und Gehaltsentwicklung aufgrund der Anwendung der Faktoren für die Veränderung des Beitragssatzes in der allgemeinen Rentenversicherung sowie des Nachhaltigkeitsfaktors zu einer Minusanpassung, sondern allenfalls zu einer Nullanpassung kommen kann (Schutzklausel 1). Die Schutzklausel 2 § 255 e Abs. 5 SGB VI ergänzt die beiden Faktoren der Schutzklausel 1 des § 68 a Abs. 1 SGB VI um die Einbeziehung des Riester-Faktors und begründet damit eine doppelte Haltelinie zum Schutz vor Minusanpassungen (Schutzklausel 2). Die Rentengarantie-Klausel bei negativer Lohn- und Einkommensentwicklung Kaum war im Frühjahr des Jahres der Bundestagswahl 2009 bekannt geworden, dass die Rentenanpassung zum 1.7.2009 so hoch wie schon seit Jahren nicht mehr ausfallen würde, wurden Befürchtungen laut, die Rentenanpassung würde aufgrund der Wirtschaftskrise in den Folgejahren negativ sein und damit zu sinkenden Renten führen, und die Einführung einer weiteren Rentenschutzklausel wurde diskutiert. Mit Änderungsantrag zum Entwurf eines 3. SGB IV-Änderungsgesetzes wurde am 19.6.2009 in dritter Lesung im Deutschen Bundestag und am 10.7.2009 im Bundesrat die Rentengarantie-Klausel verabschiedet.658 Nach der Rentengarantie-Klausel wird künftig der aktuelle Rentenwert auch dann nicht gemindert, wenn die anpassungsrelevante Lohnentwicklung negativ ist. Damit 657 658
BT-Drucksache 16/8744, S. 11. BT-Drucksache 16/12596, BGBl. I, S. 1939.
264
Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung
erfolgt eine Ausweitung der Schutzklausel 1 (§ 68 a Abs. 1 Satz 1 und 3 SGB VI) und der Schutzklausel 2 (§ 255 e Abs. 5 SGB VI) bei der Rentenanpassung zur Verhinderung von Rentenkürzungen bei negativer Lohnentwicklung. Begründet wurde die Regelung damit, dass es auch bei einer negativen Lohnentwicklung nicht zu einer Verringerung der geltenden aktuellen Rentenwerte kommen dürfe. Entsprechend der bestehenden Schutzklauselsystematik würden auch die aus einer etwaigen negativen Lohnentwicklung herrührenden unterbliebenen Minderungen der aktuellen Rentenwerte den Ausgleichsbedarf erhöhen, der – wie bereits nach geltendem Recht vorgesehen – ab dem Jahr 2011 mit zukünftigen positiven Rentenanpassungen verrechnet wird. Insgesamt wird auf diese Weise sichergestellt, dass kurzfristige negative Entwicklungen der Löhne der Beschäftigten nicht zu Rentenminderungen führen. Gleichzeitig wird durch das Nachholen der unterbliebenen Minderungswirkungen erreicht, dass die Rente auch künftig grundsätzlich der Einkommensentwicklung folgt, wodurch das Prinzip der lohnbezogenen Rente im Grundsatz gewahrt bleibt.659 Der Ausgleichsfaktor Bereits mit dem RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz 2007 hatte der Gesetzgeber den Ausgleichsfaktor als „modifizierten Nachholfaktor“ eingeführt, der seine Wirkung erst ab dem Jahr 2011 entfalten soll. Erfolgt aufgrund der Schutzklauseln 1 und 2 und der Rentengarantie-Klausel keine Rentenminderung, obwohl – rein rechnerisch – eine Minusanpassung geboten wäre, wird die unterbliebene Rentenminderungswirkung als Ausgleichsbedarf definiert, jährlich festgesetzt und mit nachfolgenden Erhöhungen des aktuellen Rentenwerts ab dem Jahr 2011 verrechnet, wobei die Verrechnung nicht zu einer Minderung des bisherigen aktuellen Rentenwerts führen darf (§§ 68 a Abs. 1 Sätze 2 und 3, 255 g Abs. 2 SGB VI). Die Verrechnung bzw. Abschmelzung erfolgt, in dem ab dem Jahr 2011 bei einer positiven Rentenanpassungsentwicklung der bisherige aktuelle Rentenwert mit dem halbierten Anpassungsfaktor vervielfältigt wird (§ 68 a Abs. 3 SGB VI). Positive Rentenanpassungen ab dem Jahr 2011 werden solange halbiert, bis der Ausgleichsbedarf abgebaut ist und der Wert 1,0 beträgt. Der Ausgleichsbedarf beträgt ab dem 1.7.2010 0,9619 (-3,81) in den aBL und 0,9817 (-1,83) in den nBL (§ 255 d SGB VI). Der Ausgleichsbedarf wird jährlich mit der Rentenwertbestimmungsverordnung660 festgelegt. Tabelle 32 gibt einen Überblick.
659
660
Begründung aus dem Änderungsantrag zum Gesetzentwurf eines 3. SGB IV-ÄndG, BT-Drucks. 16/12596). § 3 RWBestV 2010, BR-Drucksache 236/10 vom 23.4.2010.
C Die rechtlichen Aspekte der Vereinheitlichung der Rechenwerte
265
Tabelle 32: Übersicht über die unterschiedliche Ermittlung der aktuellen Rentenwerte in den alten und neuen Bundesländern Bruttolöhneund ͲgehälterjeArbeitnehmer
AktuellerRentenwert
Nachhaltigkeitsfaktor
Beitragssatzfaktor
RiesterͲFaktor (Altersvorsorgeanteil) SchutzklauselOst
Schutzklausel1
Schutzklausel2
RentengarantieͲKlausel
AusgleichsfaktorͲAusͲ gleichsbedarf Quelle:eigeneDarstellung
AlteBundesländer VeränderungderBruttolöhneundͲ gehälterjeArbeitnehmer/innach derVGRmitKorrekturfaktorder DeutschenRentenversicherung Bund(ohneBeamte/innenund einschließlichAlgͲBezieher/innen) indenletzten3Jahren (§68SGBVI) aRw (§68SGBVI)
NeueBundesländer FürdieErmittlungderBruttolöhne undͲgehälterjeArbeitnehmer/in nachderVGRundbeiErmittlungdes Korrekturfaktorssindjeweilsdie DatendernBLzuverwenden (§255aAbs.1SGBVI).
FürdienBLtrittandieStelledesaRw deraRw(Ost) (§255aAbs.4SGBVI). InderZeitvom1.7.2005biszum1.7.2013bestimmtsichderaRwnach §255eSGBVI. InderZeitvom1.7.2007biszum1.7.2010bestimmtsichderaRwnach §255gSGBVI. DerbundeseinheitlicheNachhaltigkeitsfaktorergibtsichausderVerändeͲ rungdesRentnerquotientendesvergangenzumvorvergangenenJahrund bildetdamitu.a.diedemographischeEntwicklungunddieArbeitsmarktsiͲ tuationab.IndenaBLgilt§68Abs.4SGBVI.IndennBLwirdderNFzwar getrenntberechnet,dannaberwerdenbeideWertewiederzusammengeͲ rechnet(§255aAbs.4SGBVI). DerbundeseinheitlicheBeitragsfaktorergibtsichausderVeränderungdes BeitragssatzeszurallgemeinenRentenversicherung, §68Abs.3SGBVI.FürdieZeitvom1.7.2005biszum1.7.2013wirdder BeitragssatzfaktorsumdenRiesterͲFaktorergänzt,§255eAbs.1SGBVI. ZurBerechnungsiehe§255eAbs.2und3SGBVIersetzt. DerbundeseinheitlicheRiesterfaktorwirdin§255 e Abs.3bestimmt. FürdieZeitvom1.7.2005biszum1.7.2013werdendie§§68 Abs.3S.2a,255aSGBVIdurch§255eSGBVI ͲͲͲͲͲͲͲͲͲͲ DeraRw(Ost)istmindestensumden ProzentsatzdesaRwanzupassen (§255aAbs.2SGBVI) §§68aAbs.1S.1,255aAbs. 4SGBVI Sondervorschriftzu§68Abs.3SGBVI; VeränderungdurchBeitragssatzfaktorundNachhaltigkeitsfaktordürfen nichtzueinerMinusanpassungführen. ErgänztSchutzklausel1umRiesterͲFaktor;VeränderungendurchBeitragsͲ satzfaktor,NachhaltigkeitsfaktorundRiesterͲFaktordürfennichtzueiner Minusanpassungführen,§255eAbs.5SGBVI. DieaktuellenRentenwertewerdenauchdannnichtgemindert,wenndie anpassungsrelvanteLohnentwicklungnegativist, §§68aAbs.1Satz1und3,255eAbs.5SGBVI. ErmittlungdesAusgleichsbedarfs GetrennteErmittlungdesAusͲ ab2011, gleichsbedarfsab2011, §68aAbs.1Satz2SGBVI §255aAbs.4SGBVI
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Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung
Weitere rentenrechtliche Sonderregelungen für die neuen Bundesländer
Das Rentenversicherungsrecht kennt neben der Hochwertung von Entgeltpunkten (Ost), den aktuellen Rentenwerten und der Rentenanpassung (Ost) weitere rentenrechtliche Sonderregelungen für die neuen Bundesländer. Dies sind die Beitragsbemessungsgrenze (Ost) und die Bezugsgröße (Ost). Gemäß §§ 160 Nr. 2 iVm. 159 SGB VI werden die Beitragsbemessungsgrenzen in der allgemeinen Rentenversicherung und in der knappschaftlichen Rentenversicherung in den alten Bundesländern661 in dem Verhältnis festgesetzt, in dem die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer/in im vergangenen zum vorvergangenen Kalenderjahr stehen und auf das nächste Vielfache von 600 gerundet; die Beitragsbemessungsgrenzen werden in der Anlage 2 zum SGB VI festgeschrieben. Für die Beitragsbemessungsgrenzen in der allgemeinen Rentenversicherung und in der knappschaftlichen Rentenversicherung in den neuen Bundesländern662 werden die Werte der Anlage 2 und damit die Werte der alten Bundesländer durch den für dieses Jahr bestimmten vorläufigen Wert der Anlage 10 geteilt und ebenfalls auf das nächsthöhere Vielfache von 600 gerundet (§ 275 a SGB VI). Die Beitragsbemessungsgrenzen in den neuen Bundesländern werden in Anlage 2 a zum SGB VI festgesetzt. Neben den Beitragsbemessungsgrenzen spielen im Beitragsrecht die Bezugsgrößen in der Sozialversicherung eine bedeutende Rolle. Bei der Prüfung der Versicherungspflicht, der Bemessung der Leistungen und teilweise auch bei den Bemessungsgrundlagen für die Beiträge sind bestimmte Höchst- oder Mindestbeiträge zu berücksichtigen, die sich an der Bezugsgröße orientieren. Der Begriff der Bezugsgröße ist in § 18 SGB IV legal definiert. Als Bezugsgröße663 gilt, soweit im Einzelfall nichts anderes bestimmt ist, das Durchschnittsentgelt der gesetzlichen Rentenversicherung im vorletzten Jahr, aufgerundet auf den nächsten, durch 420 teilbaren Betrag. Die Bezugsgröße (Ost)664 ergibt sich, wenn 661
662
663
664
Beitragsbemessungsgrenze 2010 aBL: allgemeine RV: 66.000 €; KnRV: 81.600 €; 2011 aBL: allgemeine RV: 66.000 €, KnRV: 81.000 € (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2010 und 2011, siehe im Anhang, 6. Gesetze und Rechtsquellen, II.). Beitragsbemessungsgrenze 2010 nBL: RV: 55.800 €; KnRV: 68.400 €; 2011 nBL: allgemeine RV: 57.600 €, KnRV: 70.800 € (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2010 und 2011, siehe im Anhang, 6. Gesetze und Rechtsquellen, II.). Die Bezugsgröße beträgt im Jahr 2010 jährlich 30.660 €, monatlich 2.555 €; im Jahr 2011 jährlich 30.660 €, monatlich 2.555 € (Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2010 und 2011, (siehe im Anhang, 6. Gesetze und Rechtsquellen, II.). Die Bezugsgröße (Ost) beträgt im Jahr 2010 jährlich 26.040 €, monatlich 2.170 Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2010 und 2011, (siehe im Anhang, 6. Gesetze und Rechtsquellen, II.).
C Die rechtlichen Aspekte der Vereinheitlichung der Rechenwerte
267
der jeweils geltende Wert der Anlage 1 zum SGB VI des vorletzten Jahres durch den für das laufende Jahr bestimmten vorläufigen Wert der Anlage 10 zum SGB VI geteilt wird, aufgerundet auf den nächsthöheren durch 420 teilbaren Betrag. Die Bezugsgröße (Ost) verändert sich grundsätzlich im gleichen relativen Umfang wie die Beitragsbemessungsgrenze (Ost). 4
Zwischenfazit
Die Analyse der rechtlichen Ausgangssituation macht deutlich, dass mit einer Vereinheitlichung bei Rentenberechnung und -anpassung ein weitreichender und sozialversicherungsrechtlich umfassender Eingriff verbunden ist. Denn die der Rentenberechnung und -anpassung zugrunde liegenden Rechengrößen haben Auswirkungen auf weitere Personen- und Versichertengruppen. Deshalb kann eine Darstellung und Bewertung der in der Diskussion befindlichen (Denk-)Modelle nicht erfolgen, ohne dass die Aus- und Folgewirkungen einer Vereinheitlichung der Rentenberechnung und -anpassung durch Angleichung der Rechenwerte analysiert werden. Dies führt auch die Bundesregierung als Argument für die Komplexität einer Einführung eines einheitlichen Rentensystems in Ost und West an und stellt fest, dass insgesamt „die Belange nicht nur der Rentnerinnen und Rentner, sondern – je nach Ausgestaltung – auch der Versicherten und Steuerzahler in Ost und West zu beachten“ seien.665 Aus diesem Grund wird im nächsten Kapitel zunächst dargestellt, welche Rechtsänderungen erforderlich und welche Auswirkungen zu erwarten sind. II
Erforderliche Rechtsänderungen aufgrund einer Vereinheitlichung der Rentenberechnung und -anpassung durch Angleichung der Rechenwerte und deren Auswirkungen
Eine Vereinheitlichung der Rentenberechnung und -anpassung durch Angleichung der Rechenwerte macht Rechtsänderungen erforderlich. Die grundsätzliche Frage, die beantwortet werden muss, ist, welche Rechenwerte künftig angewendet werden könnten. Dazu stehen zwei Alternativen zur Wahl: Die Vereinheitlichung erfolgt durch Anhebung der Rechenwerte (Ost) auf die Rechenwerte (West) (Alternative 1) oder es werden gesamtdeutsche Re665
Bericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2010, (siehe im Anhang, 5., Verwendete Materialien, VI.).
268
Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung
chenwerte festgelegt, die das Verhältnis der den Rechenwerten (Ost) und (West) zugrunde liegenden Werte abbilden (Alternative 2). Derzeit kann von einem Verhältnis von 1:5, betrachtet man die Rentnerinnen und Rentner Ost zu West666 bzw. von 1:6 betrachtet man die Versicherten Ost zu West667, ausgegangen werden. Das bedeutet, dass die Rechenwerte (West) um 1/5 bzw. 1/6 der Wertdifferenz abgesenkt und die Rechenwerte (Ost) um 4/5 bzw. 5/6 der Wertdifferenz angehoben werden müssten. Da mit dieser zweiten Alternative materielle Verschlechterungen für diejenigen verbunden sind, die Einkommen zwischen der gesamtdeutschen (abgesenkten) Beitragsbemessungsgrenze und der Beitragsbemessungsgrenze (West) erzielt haben, wird diese Alternative ausgeschlossen und von einer Vereinheitlichung auf dem Niveau der heutigen West-Werte, also der Alternative 1, ausgegangen. Zudem würde der gesamtdeutsche Ansatz der Alternative 2 – so der Sachverständigenrat in seinem Jahresgutachten 2008/2009668 – aus verfassungsrechtlichen Gründen mit finanziellen Mehrbelastungen einhergehen, da Bestandschutzregelungen für die westdeutschen Renten erforderlich wären. Auch die Systematik des SGB VI spricht für die Übernahme der Westwerte. Denn die Schaffung von speziellen Ost-Werten war nur für eine Übergangsphase gedacht. Dann, wenn sich die Einkommensverhältnisse vereinheitlicht haben, sollten die Übergangsvorschriften entbehrlich sein und die Westwerte Anwendung finden. Auch das Durchschnittsentgelt entspricht heute schon dem Westwert. Und im Übrigen herrscht bereits beim Beitragssatz Einheitlichkeit. Weiterhin muss hinsichtlich der Auswirkungen einer Vereinheitlichung danach differenziert werden, ob sich die wirtschaftliche Situation in den neuen Bundesländern in den nächsten Jahren maßgeblich ändert oder ob der Aufholprozess als beendet angesehen wird. Die erforderlichen Rechtsänderungen sind im Hinblick auf die Beitragsund Rentenbezugsphase zu unterscheiden. Dies zeigt Tabelle 33:
666
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668
Rentenbestand nach Rentnergruppen, Rentner und Rentnerinnen am 1.7.2007, Deutsche Rentenversicherung Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen 2008, S. 169. Versicherte, Versichertenstruktur am 31.12.2006, Männer und Frauen, Deutsche Rentenversicherung Bund, Rentenversicherung in Zeitreihen 2008, S. 15. Jahresgutachten 2008/2009 des Sachverständigenrates, Ziff. 638.
C Die rechtlichen Aspekte der Vereinheitlichung der Rechenwerte
269
Tabelle 33: Übersicht über die erforderlichen Rechtsänderungen Beitragsphase
Rentenbezugsphase
WegfallderHochwertungvonEntgeltpunkten WegfallderBBG(Ost) WegfallderBezugsgröße(Ost) FortschreibungdesDurchschnittsentgeltsnachdergesamtdeutschen Lohnentwicklung WegfalldesaktuellenRentenwerts(Ost)fürkünftigeZeiten;FortͲ schreibungdesaktuellenRentenwerts(West)nachdergesamtdeutͲ schenLohnentwicklung WegfallderbesonderenFreibeträge(Ost) WegfallderbesonderenHinzuverdienstgrenzen(Ost) WegfallderSchutzklausel(Ost)
Quelle:eigeneDarstellung
1
Beitragsphase
Folgende Änderungen wären erforderlich: Wegfall der Hochwertung von Entgeltpunkten Sollte ein Stichtag für die Vereinheitlichung festgesetzt werden, würde die Hochwertung von Entgeltpunkten für die Entgeltpunkte erhalten bleiben, die in der DDR und bis zum Stichtag erworben worden sind. Der Wegfall der Hochwertung für die Zukunft (genauer: für künftig erworbene Entgeltpunkte) hätte, ohne dass sich das Lohngefüge in den neuen dem der alten Bundesländer anpasst, weitreichende negative Folgen für die Berechnung der Entgeltpunkte der Beschäftigten in den neuen Bundesländern. Ohne weitere Maßnahmen würden die immer noch wesentlich geringeren Entgelte (Ost) ins Verhältnis zu den Entgelten (West) gesetzt, was zu weit geringeren Entgeltpunkten für die Betroffenen führen würde. Dies hätte auch negative Auswirkungen auf die Rentenanwartschaften, wenn sich der Aufholprozess in den neuen Bundesländern fortsetzt. Tendenziell wären im Vergleich zur Beibehaltung der aktuellen Rechtslage Versicherte in den neuen Ländern schlechter gestellt, da sie für Zeiten nach dem Umstellungsstichtag keine Hochwertung ihrer Entgelte mehr erfahren würden. Dies beträfe insbesondere die jüngeren Versicherten, die bei Beibehaltung des Rechtszustandes über einen relativ langen Zeitraum von der Hochwertung profitiert hätten. Tabelle 34 fasst dies zusammen:
270
Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung
Tabelle 34: Wegfall der Hochwertung von Entgeltpunkten für die Zukunft und Auswirkungen
Beitragszahler/innenOst Beitragszahler/innenWest Rentenversicherungssystem
UnterderAnnahme,derAufholͲ UnterderAnnahme,der prozessistnochnicht Aufholprozessist abgeschlossen abgeschlossen künftigwenigerEntgeltpunkte keineAuswirkungen keineAuswirkungen langfristiggeringereKosten langfristiggeringereKosten
Quelle:eigeneDarstellung
Wegfall der Beitragsbemessungsgrenze (Ost) Auch die Beitragsbemessungsgrenzen würden bei Wegfall des Ost-Wertes bundeseinheitlich sein. Dies hätte Auswirkungen auf die in den neuen Bundesländern Beschäftigten, die Entgelte zwischen der aktuellen Beitragsbemessungsgrenze (Ost) und der dann geltenden Beitragsbemessungsgrenze (West) erzielen. Die Beitragslast wäre dann entsprechend höher. Tabelle 35: Wegfall der Beitragsbemessungsgrenze (Ost) und Auswirkungen Beitragszahler/innen Ost
Beitragszahler/innen West RentenversicherungsͲ system
VerdienstebiszurBBG(Ost)(2010:55.800€):keineAuswirkungen. VerdiensteüberderBBG(Ost),d.h.über55.800€:höhereBeitragsͲ belastungenderArbNundderArbG.DurchdiehöherenBeiträge ergebensichmehrEP.ObdasMehranEPauchzuhöherenRenten führt,hängtvomAufholprozessab.StagniertderAufholprozess,dann lohnensichdieBeiträge.LäuftderAufholprozessweiter,werden BeiträgefürEinkünftegezahlt,diesonstdurchdieHochwertung(und damitohnezusätzlicheBeitragsleistung)erfolgtwären. KeineAuswirkungen KurzfristigBeitragsmehreinnahmen;langfristigstehendenMehreinͲ nahmenhöhereLeistungengegenüber.
Quelle:eigeneDarstellung
Dies würde für diesen Personenkreis zu höheren Beiträgen und zu entsprechend höheren Einnahmen in der gesetzlichen Rentenversicherung führen, die rund 200 Mio. €669 betragen würden.
669
Bei der BBG sind dies je max. rd. 85 € für Arbeitnehmer/innen und Arbeitgeber/innen.
C Die rechtlichen Aspekte der Vereinheitlichung der Rechenwerte
271
Wegfall der Bezugsgröße (Ost) Bei Wegfall der Hochwertung würde die Bezugsgröße für künftige Zeiten einheitlich sein und fortan nach gesamtdeutschen Werten fortgeschrieben werden. Sie würde beispielsweise im Jahr 2010 einheitlich 32.003 € und nicht mehr 26.918 € für die neuen Bundesländer betragen. Die Bezugsgrößen sind weiterhin maßgeblich, wenn es um die Bestimmung der beitragspflichtigen Einnahmen von bestimmten Personengruppen geht: Bei der Bestimmung der beitragspflichtigen Einnahmen wird regelmäßig das Arbeitsentgelt herangezogen. Als beitragspflichtige Einnahmen werden bei bestimmten Personengruppen Mindestbeträge angenommen, die sich an der Bezugsgröße orientieren. Die Bezugsgröße hat in der gesetzlichen Rentenversicherung z. B. Bedeutung bei Regelungen über Mindestarbeitsentgelte für Personen in Berufsausbildung (§ 162 Nr. 1 SGB VI), für Menschen mit Behinderungen (§ 162 Nr. 2 SGB VI), für Mitglieder geistlicher Genossenschaften, Diakonissen und Angehörige ähnlicher Gemeinschaften (§ 162 Nr. 4 SGB VI), für Selbstständige (§ 165 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI), für Künstler und Publizist/innen (§ 165 Abs. 1 Nr. 3 SGB VI), für Wehr- und Zivildienstleistende (§ 166 Nr. 1 SGB VI) sowie für Handwerker/innen und selbstständige Hebammen (§ 279 SGB VI). Weitere Auswirkungen hat eine auf den West-Wert angehobene Bezugsgröße auf die rentenrechtliche Bewertung von Pflegezeiten nach § 166 Abs. 2 SGB VI. Für die vorgenannten Personengruppen sehen verschiedene Vorschriften des SGB VI (§§ 168 ff. SGB VI) zwar auch eine unterschiedliche Verteilung der Beitragstragung vor; durch ein Anheben der Bezugsgröße auf (West-)Niveau würden damit aber die Arbeitgeber bzw. die Träger von Einrichtungen zu einem größeren Teil an der Tragung der Beiträge beteiligt werden. Insgesamt werden die Beitragszahler/innen (Ost) durch eine angehobene Bezugsgröße höher belastet. Wegen der weggefallenen Hochwertung bekommen sie zwar die gleiche Anzahl an Entgeltpunkten, dafür müssen aber Beiträge entrichtet werden. 2
Rentenphase
Wegfall des aktuellen Rentenwerts (Ost) für künftige Zeiten Der aktuelle Rentenwert beträgt für die Zeit vom 1.7.2009–30.6.2011 in den neuen Bundesländern 24,13 € und in den alten Bundesländern 27,20 € und damit 88,7 % des Westwertes. Der aRw (Ost) müsste um 12,7 % angehoben werden, um den Westwert zu erreichen.
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Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung
Bei einer Vereinheitlichung auf der Basis des aktuellen Rentenwerts (West) von derzeit 27,20 € muss entschieden werden, ob dies ab einem Stichtag nur für die Bewertung von künftigen Entgeltpunkten geschieht oder auch für in der Vergangenheit erworbene Entgeltpunkte. Der Wegfall des aktuellen Rentenwerts (Ost) würde auch eine Veränderung bei der Bewertung von z.B. Kindererziehungs-, Pflege- sowie Wehr- und Zivildienstzeiten bedeuten (§ 254 d SGB VI). Nach geltendem Recht erwächst, wenn die Zeiten im Beitrittsgebiet zurück gelegt wurden, daraus eine geringere monatliche Rente. Eine Hochwertung nach § 256a SGB VI findet nicht statt. Dies betrifft bei Kindererziehung und Pflege vor allem die Höhe der Alterssicherung von Frauen. Tabelle 36: Wegfall des aRw (Ost) und Anwendung des aRw (West) und Auswirkungen Rentner/innenOst Rentner/innenWest Rentenversicherungssystem
absoforthöhereRentendurchAnwendungdesaRw (West) keineAuswirkungen absoforthöhereKostendurchAnwendungdesaRw(West)
Quelle:eigeneDarstellung
Wegfall der besonderen Freibeträge (Ost) Mit der Angleichung der aktuellen Rentenwerte ändern sich auch die Freibeträge für Hinterbliebenenrenten (§ 97 SGB VI). Dabei kommt es auf den Wohnsitz der/des Hinterbliebenen an. Nach geltendem Recht beträgt z. B. der Freibetrag bei Witwenrenten, Witwerrenten und Erziehungsrenten das 26,4-fache des aktuellen Rentenwerts Ost bzw. West und damit: in den neuen Bundesländern: 637,03 € und in den alten Bundesländern: 718,08 €. Bei einer Angleichung würde ein höherer Betrag in den neuen Bundesländern frei von Anrechnung sein. Wegfall der besonderen Hinzuverdienstgrenzen (Ost) Eine Erwerbsminderungsrente wird nur dann gezahlt, wenn die Hinzuverdienstgrenzen nicht überschritten werden (§ 96 a SGB VI). Die Hinzuverdienstgrenzen betragen
bei einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (§ 96 a Abs. 2 Nr. 1 SG VI) in voller Höhe das 0,23-fache und in Höhe der Hälfte das 0,28-fache der monatlichen Bezugsgröße, vervielfältigt mit der Summe der Entgelt-
C Die rechtlichen Aspekte der Vereinheitlichung der Rechenwerte
273
punkte der letzten drei Kalenderjahre vor Eintritt der teilweisen Erwerbsminderung, mindestens jedoch mit 1,5 Entgeltpunkten, bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung in voller Höhe 400 € (§ 96 a Abs. 2 Nr. 2 SGB VI), bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung (§ 96 a Abs. 2 Nr. 3 SGB VI) in Höhe von drei Vierteln das 0,17-fache und in Höhe der Hälfte das 0,23-fache und in Höhe eines Viertels das 0,28-fache der monatlichen Bezugsgröße, vervielfältigt mit der Summe der Entgeltpunkte der letzten drei Kalenderjahre vor Eintritt der teilweisen Erwerbsminderung, mindestens jedoch mit 1,5 Entgeltpunkten.
Sonderregelungen für Bergleute sind vorgesehen. Maßgebend ist der Beschäftigungsort (§ 228 a SGB VI). Wenn in den alten und den neuen Bundesländern dieselben (höheren) Hinzuverdienstgrenzen gelten, erhöhen sich damit auch die Hinzuverdienstmöglichkeiten für die Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner in den neuen Bundesländern. Wegfall der Schutzklausel (Ost) Die Schutzklausel (Ost) wäre bei einer Vereinheitlichung entbehrlich. 3
Auswirkungen außerhalb der Rentenversicherung
Zu bedenken ist, dass eine Angleichung der rentenrechtlichen Rechengrößen auch in anderen Bereichen des deutschen Sozialversicherungssystems Auswirkungen hätte, sofern dort – etwa bei der Festsetzung von Beiträgen oder Leistungen – auf rentenrechtliche Rechengrößen Bezug genommen wird. Dies ist z. B. bei der Festlegung der Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung, bei der Anpassungsdynamik im Bereich der Fürsorgeleistungen nach SGB II und SGB XII (Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) und im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung der Fall. Außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung ist die Bezugsgröße für den Ortslohn in der gesetzlichen Krankenversicherung, beim Mindestjahresverdienst in der gesetzlichen Unfallversicherung und beim durchschnittlichen Jahresarbeitsverdienst in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung maßgeblich.
274
4
Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung
Zwischenfazit
Die Vereinheitlichung der Rechenwerte hätte vielfältige Auswirkungen auf alle sozialen Sicherungssysteme. Die Verteilungswirkungen lassen sich nicht abschätzen, da nicht absehbar ist, wie sich der weitere Aufholprozess in den neuen Bundesländern entwickelt. Sollte der Aufholprozess wieder an Fahrt gewinnen, käme es zu nicht beabsichtigten Verwerfungen sowohl zwischen Beschäftigten als auch Rentnerinnen und Rentnern in den alten und neuen Bundesländern.
D Lösungsansätze D Lösungsansätze
Die vorgenannten Ausführungen zeigen, dass der Aufholprozess, obwohl ins Stocken geraten, noch nicht endgültig als zum Erliegen gekommen anzusehen ist. Das im Einigungsvertrag normierte Ziel, die Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse, ist noch nicht erreicht. Im Folgenden werden der Diskussionsstand und die Entwicklung von Vorschlägen und Modellen nachvollzogen (I.) und die derzeit diskutierten Vorstellungen analysiert. Hinsichtlich der Folge- und Verteilungswirkungen werden die in der Wissenschaft und in der Politik diskutierten Lösungsansätze (II.), das Modell der „besitzstandswahrenden Umbasierung“ des Sachverständigenrats zur Begutachtung der wirtschaftlichen Entwicklung in seinem Jahresgutachten 2008/2009 (1.), die Modelle der FDP einer Vereinheitlichung des Rentenrechts mit Abfindungszahlung (2.), von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einer Vereinheitlichung des Rentenrechts mit Hochwertung für Geringverdiener/innen (3.) und der Fraktion DIE LINKE einer Anhebung des aktuellen Rentenwerts (Ost) auf den Westwert in fünf Jahresstufen (4.) sowie das ver.di-Modell eines Angleichungszuschlags in zehn Jahresstufen ohne Eingriff in den Aufholprozess (5.) kurz skizziert. I
Die Ausgangssituation
In den letzten Jahren und insbesondere im Hinblick auf die 20 Jahres-Feierlichkeiten zum Fall der Mauer am 9.11.1989 und zur Deutschen Einheit im Herbst 2010 wird die Frage wieder verstärkt öffentlich diskutiert, ob es nicht an der Zeit sei, die unterschiedlichen Regelungen zur Rentenberechnung und anpassung zu vereinheitlichen. Bereits am 18.6.2002 beantragte die Fraktion der PDS im brandenburgischen Landtag zu beschließen, dass die Landesregierung aufgefordert wird, sich auf Bundesebene für eine zügige Angleichung des aktuellen Rentenwertes Ost an
D Lösungsansätze
275
West einzusetzen.670 Zum damaligen Zeitpunkt wurde in den politischen Diskussionen davon ausgegangen, dass die Angleichung der Einkommensverhältnisse in den neuen Bundesländern erst ab dem Jahr 2017 erreicht sein würde. Die Fraktion der PDS begründete ihren Antrag damit, dass sich die Angleichung der Lebensverhältnisse in den neuen Bundesländern an die der alten Bundesländer wesentlich langsamer vollzog, als dies beim Abschluss des Einigungsvertrages angenommen worden war. Für Rentenbezieherinnen und -bezieher hätte eine zügige Angleichung einen besonders hohen Stellenwert. Ihre Lebensperspektiven seien begrenzt. Es sei für sie nicht zumutbar, wenn es nicht mittelfristig zu einer Angleichung des aktuellen Rentenwertes Ost an den Rentenwert West kommt. Die Rentenentwicklung Ost müsse deshalb von der Lohn- und Gehaltsentwicklung in den neuen Ländern abgekoppelt werden. Ergebnis der Bemühungen gegenüber dem Bund könnte ein Stufenplan sein, der in einem überschaubaren Zeitraum die Angleichung an das Rentenniveau West vorsähe. Die Gewerkschaften reagierten spät und zögerlich, obwohl sich ihre Mitglieder jahrelang um eine Positionsbestimmung bemüht hatten. Ein erster Durchbruch vollzog sich mit dem von den Delegierten des 1. Ordentlichen Bundeskongresses der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di vom 19.–25.10. 2003 beschlossenen Antrag B 302 „Alterssicherung sozial gestalten“671: „ver.di unterstützt unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten die Forderung nach Anhebung des aktuellen Rentenwertes Ost auf Westniveau in einem Stufenplan und damit eine Verbesserung der Einkommenssituation der Rentnerinnen und Rentner in den neuen Bundesländern. Allerdings muss sichergestellt werden, dass die Finanzierung nicht zu Lasten einer Erhöhung des Beitragssatzes und damit zu Lasten der Beschäftigten Ost und West, erfolgt. Vielmehr muss die Anhebung steuerfinanziert werden. Auch darf die Finanzierung nicht einseitig durch die Rentnerinnen und Rentner in den alten Bundesländern durch eine Absenkung des aktuellen Rentenwertes West auf einen gesamtdeutschen aktuellen Rentenwert erfolgen. Schließlich muss die Abschaffung der Höherbewertung und die damit verbundenen künftig geringeren Renten der heutigen Ost-Beschäftigten vermieden werden.“
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) zog nach. Die Delegierten des 18. Ordentlichen DGB-Bundeskongresses vom 22.–26.5.2006 verabschiedeten mit dem Antrag H 001 „Soziale Sicherungssysteme“672:
670
671 672
Antrag der Fraktion der PDS vom 18.6.2002, Angleichung des aktuellen Rentenwertes Ost an West, Drucksache des brandenburgischen Landtags 3/4500, siehe im Anhang unter: 5. Verwendete Materialien, V. ver.di, Beschlüsse des 2. Bundeskongresses 2003. Beschlüsse des 18. Ordentlichen DGB-Bundeskongress.
276
Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung „Der Fortbestand zweier unterschiedlicher Rechtsgebiete in der GRV in Ost- und Westdeutschland muss überwunden werden. Eine abschließende Regelung ist in der laufenden Legislaturperiode anzustreben.“
Auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 25.10.2006673 übermittelte die Bundesregierung mit Schreiben vom 9.11.2006 ihre Antwort674 zur Vergleichbarkeit der Renten in Ost- und Westdeutschland. Weitere Anfragen der Fraktion DIE LINKE zur Entwicklung der aktuellen Rentenwerte folgten im 1. Halbjahr 2007.675 Am 17.7.2006 veranstalteten die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) einen ersten Workshop und forderte, die Angleichung der aktuellen Rentenwerte durch gezielte Maßnahmen unabhängig von der Entwicklung der Löhne und Gehälter herbeizuführen, zumal sich die Lebenshaltungskosten weitgehend angeglichen hätten. Dazu hatte ver.di den Vorschlag eines Angleichungszuschlags im Stufenmodell (siehe unten II.5.) entwickelt, der von der GEW mitgetragen wurde.676 Damit wurde erstmals ein konkretes Umsetzungsmodell diskutiert. Mit Antrag vom 18.10.2007677 forderte die Fraktion DIE LINKE ein Umsetzungsmodell in einem Stufenplan ein, das im Wesentlichen dem ver.di-Modell entspricht (siehe unten II.4.). Der Entschließungsantrag wurde auf Empfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales678 vom Bundestag am 4.12.2008 abgelehnt. Die Delegierten des 21. Ordentlichen Gewerkschaftstages der IG Metall vom 4.–10.11.2007 in Leipzig haben in der Entschließung 4 (E 4) Sozialpolitik (Leitantrag zur Sozialpolitik) unter 4.5. beschlossen „… die IG Metall strebt die Überwindung der unterschiedlichen Berechnung der Rentenansprüche in den alten und neuen Bundesländern an …“.
Dazu wird der Antrag 4.036 „Rentenangleichung Ost bis 2017“, der inhaltlich im Wesentlichen dem ver.di-Vorschlag eines „Angleichungszuschlags im Stufen-
673 674 675
676
677
678
BT-Drucksache 16/3184. BT-Drucksache 16/3378. Anfrage der Fraktion Die Linke vom 27.4.2007 (BT-Drucks. 16/5190) und Antwort der Bundesregierung vom 15.5.2007 (BT-Drucks. 16/5359). ver.di, Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, Dokumentation des workshop Rentenangleichung Ost am 17.7.2006. Antrag der Fraktion DIE LINKE „Angleichung des aktuellen Rentenwerts (Ost) an den aktuellen Rentenwert“ vom 18.10.2007, BT-Drucksache 16/6734. BT-Drucksache 16/8443.
D Lösungsansätze
277
modell“ entspricht, nach Diskussion mit Mehrheit als „Material zu E4“ angenommen.679 Auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP vom 13.2.2008680 zu Stand und Bewertung der Rentenüberleitung 18 Jahre nach der Wiedervereinigung antwortete die Bundesregierung unter dem 19.3.2008681 auf die Frage, wann es bei Beibehaltung des heutigen Systems zu einer Angleichung kommen werde: „In welchem zeitlichen Rahmen sich der Angleichungsprozess zukünftig vollziehen wird, kann nicht valide bestimmt werden und hängt im Wesentlichen von der wirtschaftlichen Entwicklung in Ost und West ab.“
Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft GEW, die Gewerkschaft TRANSNET und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sowie der Sozialverband Deutschland (SoVD), die Volkssolidarität und der Bund der Ruhestandsbeamten, Rentner und Hinterbliebenen (BRH) haben sich im Herbst 2008 in einem „Bündnis für die Angleichung der Renten in den neuen Bundesländern“ zusammengeschlossen und unterstützen gemeinsam den viel diskutierten ver.di-Vorschlag zur Rentenangleichung Ost, einen Angleichungszuschlag im Stufenmodell. Die Bündnispartnerinnen und partner haben dies erneut auf einem zweiten Workshop am 12.12.2008682 in Berlin mit einer breiten interessierten Öffentlichkeit diskutiert. Die Positionen innerhalb der Gewerkschaften sind nicht einheitlich. So sieht es die Gewerkschaft IG Metall als vorteilhafter an, das geltende Recht unverändert beizubehalten, da sie fürchtet, dass mit einer Änderung Verschlechterungen und keine Verbesserungen verbunden sein könnten: „Es ist mehr als fraglich, ob sich ein Weg für die Angleichung der Rentenwerte in Ost und West finden lässt, der keine Verlierer kennt, keine neuen Ungerechtigkeiten produziert und von Beitragszahlern und Rentnern in Ost und wie West akzeptiert wird … Gewarnt sei vor Konzepten, die unter der Flagge der formalen Angleichung für die ostdeutschen Rentnerinnen und Rentner keine realen Verbesserungen bringen und gleichzeitig rasch zu Verschlechterungen bei den heutigen Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern in Ostdeutschland führen. … Denn für die ostdeutschen Beschäftigten ist „die möglichst lange Beibehaltung geltenden Rechts, die nach heuti-
679 680 681 682
Beschlüsse der IGM, Kongress 2007 (unveröffentlicht). BT-Drucksache 16/8105. BT-Drucksache 16/8633. ver.di, Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, Dokumentation des 2. workshop Rentenangleichung Ost am 12.12.2008.
278
Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung gen Werten günstigere Variante“683, die zudem auch Chancen hat, politisch realisiert zu werden.“684
Nach der Fraktion DIE LINKE (bzw. der PDS) hatten Jens Bullerjahn685 und Erwin Sellering686 in einem Papier der SPD-Gruppe Forum Ost vom 20.3.2008 unter der Fragestellung „Auskömmliche Alterseinkünfte in Ostdeutschland?“ das Thema Alterseinkünfte in den nBL aufgegriffen. Bullerjahn und Sellering sahen zum damaligen Zeitpunkt keine Gerechtigkeitslücken zu Lasten des Ostens und damit keinen Handlungsbedarf für eine Angleichung. Für sie war es wegen des schwächeren Arbeitsmarktes, den durchschnittlich niedrigeren Einkommensverhältnissen im Osten und der überproportionalen Betroffenheit mit weitreichenden Folgen für die regionale Entwicklung entscheidend, das Thema Altersarmut in Ostdeutschland aufzugreifen.687 Erwin Sellering hatte in seiner Funktion als SPD-Landesvorsitzender Mecklenburg-Vorpommern seine „Vorschläge zur Verbesserung der Alterssicherung in Ostdeutschland“ vorgestellt.688 Seine Forderungen sehen vor, „die Rentenwerte Ost und West ab dem Jahr 2009 in einem Zeitfenster von 10 Jahren einander“ anzupassen. „Während dieser zehn Jahre der Angleichung muss der Höherbewertungsfaktor der Entgelte-Ost schrittweise abgesenkt werden. Im Gegenzug muss der Rentenwert Ost schrittweise an den Rentenwert West angepasst werden.“ Diese Maßnahmen sollen von der „Einführung eines einheitlichen flächendeckenden Mindestlohns“ flankiert werden, „so dass das Lohnniveau im Osten Deutschlands schneller als bislang wächst.“ Damit „wäre das Ziel eines Gesamtdeutschen Rentenwerts ohne nennenswerte nominale Einbußen in der Alterssicherung erreichbar.“ Die Landesregierungen der neuen Bundesländer und Berlin haben unter dem 6.11.2008 eine „Entschließung des Bundesrates zur Vereinheitlichung des aktuellen Rentenwertes“689 eingebracht. Danach bittet der Bundesrat die Bundesregierung, Modellrechnungen690 vorzulegen, wie die Formel zur Berechnung und Veränderung des aktuellen Rentenwerts nach § 68 Sechstes Buch Sozialgesetz683 684 685
686
687 688 689 690
Steffen, Angleichung der Ost-Renten, S. 18. Ehlscheid, Vereinheitlichung des RentenrechtsS. 56. Jens Bullerjahn ist seit 2006 stellvertretender Ministerpräsident und Finanzminister des Landes Sachsen-Anhalt und seit Dezember 2005 Vorsitzender des Forums Ostdeutschland der SPD. Erwin Sellering war von 2006 bis 2008 Minister für Soziales und Gesundheit im Land Mecklenburg-Vorpommern und ist SPD-Landesvorsitzender; seit 6.10.2008 ist er Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Bullerjahn/Sellering, S. 11. Sellering, Pressemitteilung des SPD-Landesverbandes vom 20.8.2008. BR-Drucksache 845/08 vom 6.11.2008, siehe im Anhang unter: 5. Verwendete Materialien. Diese Modellrechnungen lagen bis Abschluss der Arbeit Mitte 2010 noch nicht vor.
D Lösungsansätze
279
buch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) so gestaltet werden kann, dass die hierzu im Zuge der Wiedervereinigung für eine Übergangszeit getroffenen Sonderregelungen für die Rentenberechnung in den neuen Ländern künftig entbehrlich werden. Hierzu sollen mehrere Varianten vorgelegt werden, die in einem angemessenen Zeitrahmen umgesetzt werden können. Aus den Berechnungen sollen die Auswirkungen der Vereinheitlichung des aktuellen Rentenwerts, insbesondere bei Wegfall des Hochwertungsfaktors der Anlage 10 zum SGB VI, für heutige und künftige Rentnerinnen und Rentner erkennbar sein. Die sich aus den Änderungen der Formel zur Berechnung und Veränderung des aktuellen Rentenwerts und der Überarbeitung des Berechnungssystems (Anlage 10 zum SGB VI) ggf. ergebenden Auswirkungen müssen für nachfolgende konkrete Schritte so abgewogen werden, dass sie auch für die heutigen Beitragszahler/innen und zukünftigen Rentenbezieher/innen tragbar sind. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der wirtschaftlichen Entwicklung hat in seinem Jahresgutachten 2008/2009691 „Die Finanzkrise meistern – Wachstumskräfte stärken“ eine „besitzstandswahrende Umbasierung“ der aktuellen Rentenwerte vorgeschlagen,692 die keinerlei finanzielle Verbesserungen für die heutigen Rentnerinnen und Rentner in den neuen Bundesländern vorsieht. Der Sachverständigenrat will unter Wegfall der Hochwertung eine rein technische Umrechnung der Renten Ost und West vornehmen. Die weitere Anpassung würde dann einheitlich erfolgen. Zu einem weiteren Abbau der Unterschiede würde es dann nicht mehr kommen (siehe dazu unten II.1.). Die Diskussion über die Angleichung der Rentenwerte in Ost und West war auch Thema des aktuellen Presseseminars der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 27.–28.11.2008: „Damit wird die Bewertung der vorliegenden Vorschläge und die Entscheidung über das weitere Vorgehen wesentlich davon abhängen, wie man die weitere Entwicklung der Durchschnittslöhne in den alten und neuen Bundesländern einschätzt. Dies ist si691
692
Die Aufgaben des SV-Rates: Zur periodischen Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland und zur Erleichterung der Urteilsbildung bei allen wirtschaftspolitisch verantwortlichen Instanzen sowie in der Öffentlichkeit wird ein Rat von unabhängigen Sachverständigen gebildet. (§ 1 Abs. 1). Der Sachverständigenrat soll in seinen (jährlichen) Gutachten die jeweilige gesamtwirtschaftliche Lage und deren absehbare Entwicklung darstellen. Dabei soll er untersuchen, wie im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig Stabilität des Preisniveaus, hoher Beschäftigungsstand und außenwirtschaftliches Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wachstum gewährleistet werden (§ 2). Rechtsgrundlage: Gesetz über die Bildung eines Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung vom 14. August 1963, BGBl. Teil III, Gliederungsnummer 700-2, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 128 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407). Sachverständigenrat, Jahresgutachten 2008/2009, Rz. 639 ff.
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Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung cherlich keine Frage, die in erster Linie an die Rentenversicherung zu stellen ist. Eher sollte man die Hoffnung haben, aus der Wissenschaft oder von der ökonomischen Politikberatung Hinweise darauf zu bekommen, wie die wahrscheinliche Entwicklung der Entgelte in Ost und West in den kommenden Jahren aussehen könnte. Leider ist in den Ausführungen des Sachverständigenrates auf diese Frage auch keine eindeutige Antwort zu finden. Letztlich wird von der Politik die Entscheidung zu treffen sein, ob und unter welchen Bedingungen die Angleichung der aktuellen Rentenwerte vollzogen werden soll. Dabei wäre es allerdings wenig erfolgversprechend, die Ost-West-Differenzierung bei einzelnen Vorschriften weiterhin beizubehalten und die Angleichung somit auf bestimmte Regelungen zu beschränken.“693
Am 19.1.2009 fand vor dem Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundesstages die Sachverständigenanhörung694 zum Antrag der Fraktion der FDP „Für ein einheitliches Rentenrecht in Ost und West“695 und zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Rentenwert in Ost und West angleichen“696 statt. Der FDP-Vorschlag „Für ein einheitliches Rentenrecht in Ost und West“ sieht die Vereinheitlichung der Rechengrößen für die Rentenversicherung in Ost und West zum Stichtag 1. Juli 2010 vor. Die Zahlbeträge der Renten in Ost und West werden wertneutral – rein technisch – unter Beibehaltung der bis zum Stichtag erfolgten Hochwertung gemäß Anlage 10 zum SGB VI in einheitliche Entgeltpunkte umgerechnet. Für die noch anstehende Angleichung des aktuellen Rentenwerts Ost an den Wert West wird eine Kompensation in Form einer Einmalzahlung als Abfindung vorgeschlagen. Die Gesamtsumme der vorgezogenen Einmalzahlung orientiert sich an einer jährlichen Aufholung des aktuellen Rentenwerts Ost von 0,1 %, den erworbenen Anwartschaften, der weiteren Lebenserwartung sowie einer Abzinsung von 5 % jährlich. Der FDP-Antrag sieht ein Wahlrecht zwischen der Abfindung und der Weitergeltung der heutigen Rentenberechnung mit unterschiedlichen Rentenwerten vor (siehe dazu unten II.2.). Der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Rentenwert in Ost und West angleichen“ sieht eine Vereinheitlichung der Rentenwerte in Ost und West vor. Für Bestandsrentnerinnen und -rentner in den neuen Bundesländern soll der Rentenzahlbetrag erhalten bleiben.
693 694
695 696
Rische, Die Diskussion über die Angleichung der Rentenwerte in Ost und West, S. 34. Die schriftlichen Stellungnahmen sind als BT-Ausschussdrucksache 16(11)1258-16(11)1266 vom 16.1.2009 veröffentlicht, siehe im Anhang unter: 5. Verwendete Materialien. BT-Drucksache 16/9482 vom 4.6.2008. BT-Drucksache 16/10375 vom 24.9.2008.
D Lösungsansätze
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Die Hochwertung gemäß Anlage 10 zum SGB VI soll zugunsten einer steuerfinanzierten Hochwertung der Entgelte nur noch für Geringverdienende abgeschafft werden (siehe dazu unten II.3.). Die Union hatte sich lange Zeit nur sehr vage zu einer Angleichung geäußert. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hatte unter dem 9.2.2009 eine „Stufenweise Angleichung der Ost- an die Westrentenwerte“ gefordert.697 In diesem Papier wird ausgeführt: „Gerade die „Rentnerinnen und Rentner in den neuen Bundesländern waren und sind die großen Gewinner der deutschen Einheit. Sie erhielten nach 1990 eine Rente in harter D-Mark, für die sie etwas kaufen konnten. … Dabei sind die Ostrenten nur zu etwa 40 Prozent durch Beitragseinnahmen gedeckt (Westen ca. 80 Prozent). … In dem Maße, wie sich die Einkommen angleichen, gleichen sich auch die Rentenwerte an. … Gegen eine vorzeitige Angleichung der Ost- an die Westrente spricht, dass dann im Gegenzug auch die Hochwertung der im Osten erzielten Arbeitsverdienste auf das Westniveau aufgegeben werden müsste. … Die gegenwärtige Rentnergeneration würde auf Kosten der künftigen Rentnergeneration besser gestellt und damit die Generationengerechtigkeit beeinträchtigt. … Eine sofortige oder stufenweise Angleichung der Ost- an die Westrentenwerte, abgekoppelt von der Lohnentwicklung, scheidet auch aus finanziellen Gründen aus. … Wir Deutschen müssen uns ein Stück weit abgewöhnen, die Lage unseres Landes und die eigene wirtschaftliche Lage schlechter zu reden als diese tatsächlich sind. Das gilt auch für die Lage der Rentnerinnen und Rentner, die im Durchschnitt gut ist. … Wir müssen gemeinsam darauf hinwirken, dass dies auch in Zukunft so bleibt und dass auch unsere Kinder und Enkel einmal eine gute Rente haben. Die Union steht für dieses Ziel. Dazu gehört aber auch, Maß zu halten und von überzogenen Vorstellungen über mögliche Rentensteigerungen abzusehen.“
Was die CDU/CSU-Bundestagsfraktion zum Thema Angleichung fordert, wird nicht deutlich. Insbesondere wenn den Aussagen im Papier, die ein „weiter so und nichts ändern“ die Forderung hin zu einem einheitlichen Rentenrecht im Wahlprogramm gegenübersteht. Am 8.6.2009 hatte sich die Bundeskanzlerin, Dr. Angela Merkel, anlässlich ihrer Festrede zur Eröffnung des 9. Deutschen Seniorentages in Leipzig geäußert:
697
Internetseite der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Themen A bis Z, 9.2.2009, Rente, eingesehen am 9.2.2009 unter www.cducsu.de/Titel_Stufenweise_Angleichung_der_Ost_an_die_West rentenwerte.
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Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung „Ich stehe dazu, dass wir eine solche Angleichung von Ost und West brauchen. Ich würde, wenn sie mich nach dem Zeitrahmen fragen, sagen, dass das Thema in den ersten beiden Jahren der nächsten Legislaturperiode erledigt sein wird.“698
Die Vorstellungen in den Wahlprogrammen der Parteien zur Bundestagwahl 2009 am 27.9.2009 waren unterschiedlich und insgesamt nicht hinreichend konkret. Die CDU/CSU will ein einheitliches Rentensystem in Ost und West.699 Die SPD strebt die Umsetzung eines einheitlichen Rentensystems in der nächsten Legislaturperiode an.700 BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betonen, dass „die im Osten gültige Hochwertung ihre Berechtigung“ habe, und möchte eine Hochwertung bei Geringverdienenden realisieren.701 Die Partei DIE LINKE will die Rentenungerechtigkeit zwischen Ost und West beseitigen und die Rentenwerte Ost an West anpassen und die Hochwertung der Verdienste ostdeutscher Beschäftigter beibehalten bis eine Angleichung bei Löhnen und Gehältern erfolgt ist.702 Die FDP fordert: „Das Rentenrecht in Ost und West muss vereinheitlicht werden. Nach der gegenwärtigen Rechtslage würden noch auf unabsehbare Zeit in Ost und West unterschiedliche Rentensysteme bestehen. Das war aber nie das Ziel und kann es auch heute nicht sein. Denn diese Trennung ist mittlerweile willkürlich, da es sowohl in neuen wie alten Bundesländern heute Hoch- und Niedriglohngebiete gibt. Für einzelne Versichertengruppen, die bei der Rentenüberleitung Rentenansprüche verloren haben, muss eine faire Nachversicherungslösung gefunden werden.“703
Im Koalitionsvertrag „Wachstum. Bildung. Zusammenhalt.“ vom 26.10.2009704 wurde vereinbart:
698
699
700 701 702 703 704
Auszug aus den anschließenden Fragen zu der Rede der Bundeskanzlerin Merkel zur Eröffnung des 9. Deutschen Seniorentages am 9.6.2009 in Leipzig; BAGSO, Dokumentation 9. Deutscher Seniorentag, S. 41. CDU/CSU und FDP, Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP und Regierungsprogramm 2009–2013; S. 42. SPD, Regierungsprogramm der SPD 2009–2013, S. 35 und 48. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Bundestagswahlprogramm 2009, S. 177. DIE LINKE, Bundestagswahlprogramm 2009, S.20. FDP, Deutschlandprogramm der Freien Demokratischen Partei, S. 17. CDU/CSU und FDP, Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP und Regierungsprogramm 2009–2013.
D Lösungsansätze
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„Die Koalition wird die Deutsche Einheit weiter voranbringen. Wir halten an der Zielsetzung fest, die Lebensverhältnisse in Deutschland bis 2019 bundesweit weitgehend anzugleichen.“ (S. 56) und „Das gesetzliche Rentensystem hat sich auch in den neuen Bundesländern bewährt. Wir führen in dieser Legislaturperiode ein einheitliches Rentensystem in Ost und West ein.“ (S. 84)
Der Sozialbeirat705 hat in seinem Gutachten zum Rentenversicherungsbericht 2009 die Absicht der Koalition, das Rentenrecht in West und Ost in dieser Legislaturperiode zu vereinheitlichen, begrüßt, denn 20 Jahre nach der Wiedervereinigung sei der Zeitpunkt für eine Entscheidung über eine solche Angleichung überfällig.706 Auch dürfe die Angleichung nicht zu einer Verminderung der bereits erworbenen Rentenanrechte führen. Der Sozialbeitrat führt weiter aus, dass „ein weiteres Warten auf den Zeitpunkt, zu dem sich in West und Ost die Einkommensverhältnisse angleichen, noch viele Jahre, möglicherweise mehrere Jahrzehnte dauern kann, zumal der Aufholprozess nahezu zum Erliegen gekommen ist. Davon geht bis 2013 auch der Rentenversicherungsbericht aus. Allerdings soll nach den Annahmen des Rentenversicherungsberichts das Lohnniveau in den neuen Bundesländern bis 2030 das der alten Bundesländer erreicht haben. Diese Annahme beurteilt der Sozialbeirat mit Skepsis. Von den gleichen Annahmen ging die Bundesregierung auch schon in dem Rentenversicherungsbericht für das Jahr 1999707 aus, obwohl damals noch nicht absehbar war, dass der Aufholprozess derzeit stagniert und sogar in einigen Jahren die Entwicklung der Löhne in den neuen Bundesländern hinter der in den alten Bundesländern zurück geblieben ist. 1995 erwartete die Bundesregierung in ihrem damaligen Rentenversicherungsbericht, dass die Lohnangleichung schon 2010 erreicht ist.708 Das zeigt, dass die Annahmen der Bundesregierung zum Zeitpunkt gleicher Einkommensverhältnisse in Ost und West bestenfalls Rechengrößen sind, die sich nicht als belastbar erwiesen haben.
705
706 707 708
Die Aufgabe des Sozialbeirats ist es, insbesondere in einem Gutachten zum jährlichen Rentenversicherungsbericht der Bundesregierung (§ 154 Abs. 1 SGB VI) Stellung zu nehmen (§ 155 Abs. 1 SGB VI). Der Rentenversicherungsbericht enthält u. a. „4. bis zur Angleichung der Lohnund Gehaltssituation im Beitrittsgebiet an die Lohn- und Gehaltssituation im Bundesgebiet ohne das Beitrittsgebiet eine gesonderte Darstellung über die Entwicklung der Renten im Beitrittsgebiet“. Zur Zusammensetzung des Sozialbeirats siehe § 156 SGB VI. BT-Drucksache 17/52 vom 20.11.2009, Gutachten des Sozialbeirats S. 77, Ziff. 46. BT-Drucksache 14/2116 vom 2.12.1999, Gutachten des Sozialbeirats, S. 27. BT-Drucksache 13/2017 vom 18.7.1995, Gutachten des Sozialbeirats , S. 69.
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Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung Es muss daher als offen angesehen werden, ob eine Angleichung der Entgelte in Ost und West je erreicht werden wird. Wenn nicht, bliebe auch die Unterschiedlichkeit der rentenrechtlichen Regelungen auf Dauer bestehen.“
Die Delegierten des 19. Ordentlichen DGB-Bundeskongresses vom 15.– 20.5.2010 in Berlin beschlossen mit dem Antrag G 001 „Ohne Solidarität keine Freiheit. Für Arbeit und soziale Sicherheit“: „Einheitliches Rentenrecht in ganz Deutschland Nach zwanzig Jahren Deutscher Einheit haben wir immer noch Unterschiede in der Rentenberechnung. Dies sorgt für Unzufriedenheit bei den betroffenen Rentnerinnen und Rentnern, aber auch für Ungereimtheiten im Rentenrecht. Deshalb fordern DGB und Mitgliedsgewerkschaften, dass in der laufenden Legislaturperiode des Deutschen Bundestags ein einheitliches Rentenrecht geschaffen wird, durch das eine Gleichbehandlung der ost- und westdeutschen Versicherten gewährleistet wird. Die Neuregelung darf weder zu Lasten der Beitragszahler/innen noch der Rentner/innen gehen, eventuell anfallende Mehrkosten sind als Vereinigungsfolge aus Steuermitteln zu tragen.“709
Das „Bündnis für die Angleichung der Renten in den neuen Bundesländern“ diskutierte bei ihrer Veranstaltung „20 Jahre Rente im vereinten Deutschland“ am 1.7.2010 in Berlin mit verantwortlichen Politikern aller Fraktionen darüber, wie eine Angleichung umgesetzt werden könnte. Der Vertreter des Ministeriums für Arbeit und Soziales erklärte: Die Vorstellungen des Rentenüberleitungsgesetzgebers haben sich somit in zweierlei Hinsicht nicht erfüllt: Zum einen hat die vor 20 Jahren im Gebiet der neuen Länder eingeführte lohndynamische Rentenanpassung noch nicht zu dem Ergebnis geführt, dass sich aktueller Rentenwert (Ost) und aktueller Rentenwert im Betrag angeglichen haben. Zum anderen hat sich der aktuelle Rentenwert (Ost) nicht im Gleichklang mit den Löhnen entwickelt und die aktuellen Rentenwerte haben sich seit 1992 in deutlich größerem Maße angeglichen als die Durchschnittsverdienste. (S. 39 der Doku)… Isolierte Eingriffe in den Hochwertungsmechanismus lehnt das BMAS daher ab. (S. 39 der Doku)… Die Aussage im Koalitionsvertrag zur Rentenangleichung deutet darauf hin, dass die Regierungskoalition keine Teillösung anstrebt, sondern eine Lösung, die die Unterschiede bei der Berechnung der Renten zwischen Ost und West grundsätzlich beseitigt. (S. 41 der Doku)...
709
Beschlüsse des 19.Ordentlichen DGB Bundeskongresses, S. 9.
D Lösungsansätze
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Die Einführung eines gesamtdeutschen aktuellen Rentenwerts sollte nach im BMAS vertretener Auffassung auch nicht isoliert, sondern unter Wahrung der Überleitungssystematik im Kontext mit allen übrigen einigungsbedingten Sonderregelungen erfolgen, also im Kontext mit den folgenden Regelungselementen: - Hochwertung der Entgelte Ost, - Beitragsbemessungsgrenze Ost, - Bezugsgröße Ost, - Bundeszuschuss Ost. An diesem Zusammenhang wird deutlich, dass die Vereinheitlichung der Rentenberechnung ein sorgfältiges Abwägen aller fachlichen wie politischen Aspekte erfordert. Denn – je nach Ausgestaltung eines einheitlichen Rentenrechts – sind hiervon nicht nur die Rentnerinnen und Rentner in Ost und West, sondern auch die Versicherten und Steuerzahler in Ost und West betroffen. Das BMAS strebt eine Lösung an, die die Interessen aller Beteiligten angemessen austariert, was – wie die Diskussion in der vergangenen Legislaturperiode gezeigt hat – ganz erheblicher Kraftanstrengungen bedarf. (S. 42 der Doku)“710
Im Hinblick auf die Ausgangssituation ist zusammenfassend festzustellen, dass Vorschläge zur Verbesserung einzelner Berufs- und Personengruppen nicht flächendeckend diskutiert werden und die zentrale Frage, ob und inwieweit sich der Aufholprozess in den neuen Bundesländern entwickeln wird, politisch nicht beantwortet wird. II
Die aktuellen Lösungsvorschläge
Nicht jede Idee, die im Zusammenhang mit der Diskussion um die Vereinheitlichung der Rentenberechnung und -anpassung geäußert wird, ist zugleich auch ein tragfähiges Konzept. Ein Vorschlag kann nur dann ernsthaft erwogen werden, wenn er sich in das rentenrechtliche Gesamtgefüge einordnen lässt und Aussagen zu folgenden Kriterien bzw. Untersuchungspunkten trifft: Beitragsphase: Hochwertung, Beitragsbemessungsgrenzen, Bezugsgrößen; Rentenbezugsphase: aktuelle Rentenwerte; Auswirkungen auf die Beitragszahlerinnen, Beitragszahler, Rentnerinnen und Rentner, insbesondere im Hinblick auf den Aufholprozess, Finanzierung des Vorschlags.
710
ver.di, Dokumentation des 3. workshop „20 Jahre Rente im vereinten Deutschland“ am 1.7.2010, S. 39-42.
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Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung
Im Folgenden werden die Vorschläge und Modelle an Hand dieser Kriterien untersucht. Eine zusammenfassende Betrachtung erfolgt in einem Zwischenfazit (III.). Die im Folgenden untersuchten Vorschläge und Modelle sind: der Vorschlag des Sachverständigenrats im Jahresgutachten 2008/2009: Die „besitzstandswahrende Umbasierung“: Die kostenneutrale Vereinheitlichung des Rentenrechts (1.); der Vorschlag der FDP „Für ein einheitliches Rentenrecht in Ost und West“: Vereinheitlichung des Rentenrechts mit Abfindungszahlung als Ausgleich für den abgeschnittenen Aufholprozess (2.); der Vorschlag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Rentenwert in Ost und West angleichen“: Vereinheitlichung des Rentenrechts mit Hochwertung für Geringverdiener/innen (3.); der Vorschlag der Partei DIE LINKE: Anhebung des aktuellen Rentenwerts (Ost) auf den Westwert in fünf Jahresstufen (4.); das ver.di-Modell im „Bündnis für die Angleichung der Renten in den neuen Bundesländern“: Angleichungszuschlag in zehn Jahresstufen ohne Eingriff in den Aufholprozess (5.). 1
Der Vorschlag des Sachverständigenrats im Jahresgutachten 2008/2009: Die „besitzstandswahrende Umbasierung“: Die kostenneutrale Vereinheitlichung des Rentenrechts
Der Vorschlag des Sachverständigenrats711 sieht eine rein technische Angleichung der Rechenwerte Ost und West auf eine bundesweit einheitliche Größe bis zu einem bestimmten Stichtag, spätestens zum Auslaufen des Solidarpakts II im Jahr 2019, vor. Ziel dieser kostenneutralen „besitzstandswahrenden Umbasierung“ ist die Ermittlung der Entgeltpunkte nach einem einheitlichen Verfahren ohne Hochwertung sowie die Geltung eines einheitlichen gesamtdeutschen aktuellen Rentenwerts für Bestands- und Zugangsrentnerinnen und -rentner ab dem Umstellungsstichtag. Das bedeutet für die Beitragsphase: Die als rentenrechtlich „unsystematisch“ bezeichnete Hochwertung nach der Anlage 10 zum SGB VI von in den neuen Bundesländern erworbenen Entgelt711
Sachverständigenrat Jahresgutachten 2008/2009, Rd. 639ff.
D Lösungsansätze
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punkten soll nach diesem Vorschlag entfallen.712 Es wird ein gesamtdeutsches Durchschnittsarbeitsentgelt gebildet, das geringfügig unter dem West-Wert und deutlich über dem Ost-Wert liegt. Ob dabei die Werte der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zugrundegelegt werden, wird nicht erläutert. Die bis zum Umstellungsstichtag erworbenen Entgeltpunkte der versicherungspflichtig Beschäftigten sowie die Entgeltpunkte der Bestandsrentnerinnen und -rentner würden einmal angepasst – umbasiert – werden. Der bisherige Wert würde dabei erhalten bleiben. Die ab dem Umstellungsstichtag erworbenen Entgeltpunkte werden – unabhängig vom Beschäftigungsort – ermittelt, indem das jährliche individuelle Arbeitsentgelt zum gesamtdeutschen Durchschnittsverdienst aller Versicherten des jeweiligen Jahres ins Verhältnis gesetzt wird. Die Versicherten würden gesamtdeutsche Entgeltpunkte erhalten. Die Hochwertung würde für Zeiten der Beschäftigung in den neuen Bundesländern entfallen. Bei den Zugangsrentnerinnen und -rentnern sowie den versicherungspflichtig Beschäftigten würde sich die Summe der persönlichen Entgeltpunkte aus den bis zum Umstellungsstichtag erworbenen und einmalig korrigierten Entgeltpunkten und den nach dem Umstellungsstichtag nach den gesamtdeutschen Regeln erworbenen Entgeltpunkten zusammensetzen. Bei den Bestandsrentnerinnen und -rentnern würden die einmalig korrigierten Entgeltpunkte zugrunde liegen. Die Beitragszahlerinnen und -zahler in den neuen Bundesländern würden dann zwar weniger Entgeltpunkte erwerben, weil das gesamtdeutsche Durchschnittsentgelt über dem ostdeutschen Durchschnittsentgelt liegt. Dafür würde jeder Entgeltpunkt mit einem höheren aktuellen Rentenwert als bisher bewertet werden. Eine Aussage zu den weiteren Rechengrößen, wie Beitragsbemessungsgrenzen und Bezugsgrößen, wird ansatzweise in der Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. Ruland anlässlich der Anhörung im Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages am 19.1.2009713 getroffen. Dort wird von einer gesamtdeutschen Beitragsbemessungsgrenze ausgegangen. Das bedeutet für die Rentenbezugsphase: Grundlage des Vorschlags des Sachverständigenrats ist die Bestimmung eines einheitlichen gesamtdeutschen aktuellen Rentenwerts, der geringfügig unter dem aktuellen Rentenwert (West) und über dem aktuellen Rentenwert (Ost) liegen würde. Ziel des Modells des Sachverständigenrates ist es, die Zahlbeträge der Renten sowohl in den alten als auch in den neuen Bundesländern nicht zu verändern. Um dieses Ziel zu erreichen, müsste eine einmalige Korrektur des aktuellen 712 713
Ebenda, Rd. 644. Ausschussdrucksache 16(11)1258, S. 38, siehe im Anhang unter: 5. Verwendete Materialien.
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Rentenwerts (Ost) nach oben und entsprechend der jeweiligen Anzahl der zugrundeliegenden persönlichen Entgeltpunkte (Ost) nach unten erfolgen. In den alten Bundesländern müsste (spiegelverkehrt) eine einmalige Korrektur des aktuellen Rentenwerts (West) nach unten und der jeweiligen persönlichen Entgeltpunkte nach oben erfolgen. Auswirkungen auf die Beitragszahlerinnen und -zahler, Rentnerinnen und Rentner, insbesondere im Hinblick auf den Aufholprozess: Die weitere Entwicklung dieses Modells hängt ganz wesentlich von der Entwicklung des wirtschaftlichen Aufholprozesses und damit von der künftigen Lohndynamik in den neuen Bundesländern ab. Der Sachverständigenrat vertritt die Ansicht, dass der Prozess der Lohnangleichung „seit dem Jahr 2005 zum Stillstand gekommen zu sein scheint“714 und bleibt damit vage. Unterstellt, die Durchschnittsentgelte in den neuen und in den alten Bundesländern gleichen sich nicht weiter an und der Aufholprozess kommt endgültig zum Erliegen, wäre die Umstellung für die Bestandsrentnerinnen und -rentner verteilungspolitisch neutral. Für die versicherungspflichtig Beschäftigten und damit für die zukünftigen Zugangsrentnerinnen und -rentner würde die Hochwertung der Entgeltpunkte entfallen. Damit käme es zu verteilungspolitisch negativen Folgen für die Beschäftigten in den neuen Bundesländern. Da im Modell keine Aussage dazu getroffen wird, ob und wie die Beitragsbemessungsgrenze (Ost) evtl. angehoben wird, lässt sich zu den Verteilungswirkungen keine Aussage treffen. Würde der Aufholprozess wieder an Fahrt gewinnen, käme es für die Bestandsrentnerinnen und -rentner in den neuen Bundesländern zu geringeren Rentenanpassungen, da in dem neuen gesamtdeutschen aktuellen Rentenwert nicht nur das „Mehr“ des wirtschaftlichen Aufholprozesses der neuen Bundesländer, sondern zum Teil auch die Entwicklung in den alten Bundesländern abgebildet wird. Die Bestandsrentnerinnen und -rentner in den alten Bundesländern würden hingegen von dieser Entwicklung profitieren, da sie durch Anwendung des gesamtdeutschen aktuellen Rentenwerts an dem durch den Aufholprozess höheren aktuellen Rentenwert teilhaben würden. Nach Auffassung der zuständigen Fachabteilung des BMAS715 ist das Modell des Sachverständigenrates mit zahlreichen Nachteilen verbunden. Die wichtigsten Nachteile sind:
714 715
Sachverständigenrat Jahresgutachten 2008/2009, Rd. 624. ver.di, Dokumentation des 3. workshop „20 Jahre Rente im vereinten Deutschland“ am 1.7.2010, S. 40/41.
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die mit dem Einigungsvertrag angestrebten Westgrößen werden nicht erreicht; das Modell lässt die Frage des Maßstabs, nach der der neue gesamtdeutsche aktuelle Rentenwert zu bestimmen ist, völlig offen; es entsteht ein extrem hoher Verwaltungsaufwand, da auch sämtliche Westrenten und Westanwartschaften neu zu berechnen wären.
Finanzierung: Der Vorschlag des Sachverständigenrats ist finanziell neutral. 2
Der Vorschlag der FDP „Für ein einheitliches Rentenrecht in Ost und West“: Vereinheitlichung des Rentenrechts mit Abfindungszahlung als Ausgleich für den abgeschnittenen Aufholprozess
Der Vorschlag der FDP beinhaltet eine Vereinheitlichung der unterschiedlichen Rentenwerte zu einem bestimmten Stichtag. Die bis dahin erworbenen Rentenanwartschaften und -ansprüche sollen ihrem Wert nach erhalten bleiben. Die Hochwertung für bis zum Umstellungsstichtag bereits erworbene Entgeltpunkte bleibt erhalten. Für künftige Entgeltpunkte entfällt die Hochwertung. Neben der formalrechtlichen Vereinheitlichung der Rentenwerte soll als Kompensation der noch ausstehenden Angleichung des aktuellen Rentenwerts (Ost) an (West) eine einmalige Abfindung gezahlt werden. Das bedeutet für die Beitragsphase: Die Rechengrößen in der Rentenversicherung (Entgeltpunkte, aktuelle Rentenwerte und Beitragsbemessungsgrenzen in den alten und neuen Bundesländern) sollten zum Stichtag 1.7.2010 in einheitliche Werte überführt werden. Alle zum Stichtag bestehenden Rentenansprüche und Rentenanwartschaften bleiben wertmäßig erhalten. Ab dem Stichtag sollen alle Rentenansprüche und Rentenanwartschaften in derselben Weise ermittelt werden. Die Hochwertung der in den neuen Bundesländern verbeitragten Entgelte nach der Anlage 10 zum SGB VI bleibt für bereits erworbene Entgeltpunkte erhalten, entfällt jedoch für künftige Anwartschaften.
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Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung
Auswirkungen auf die Beitragszahlerinnen und -zahler, Rentnerinnen und Rentner, insbesondere im Hinblick auf den Aufholprozess: Die FDP erwartet keine zeitnahe Angleichung der Rechenwerte aus der bestehenden Systematik heraus, sondern mutmaßt, dass „die Angleichung der Rechnungswerte in der Rentenversicherung … im gegenwärtigen System noch unabsehbare Zeit andauern“ (wird).716 Sofern es in der Zukunft zu keinen nennenswerten Lohnangleichungen in den neuen Bundesländern und damit zu einheitlich steigenden Entgelten kommt, hat der Vorschlag der Vereinheitlichung keine weiteren sozialpolitischen Auswirkungen. Sollte es jedoch nach dem Stichtag zu einer stärkeren Steigung der Einkommen in den alten im Verhältnis zu den neuen Bundesländern kommen, fällt nach dem Vorschlag die gesamtdeutsche Anpassung geringer als nach heute geltendem Recht aus. Für die Renten in den neuen Bundesländern deshalb, weil sie über die Anpassungsschutzklausel (§ 255 a Abs. 2 SGB VI) von der höheren Anpassung des aktuellen Rentenwerts profitiert hätten. Die Renten in den neuen Bundesländern sinken im Vergleich zum geltenden Recht geringfügig, denn die stärkere Steigung der Entgelte in den neuen Bundesländern wäre nach geltendem Recht allein den dortigen Rentnerinnen und Rentnern zugute gekommen. Die Rentnerinnen und Rentner in den alten Bundesländern würden geringfügig profitieren, da ihre Rentenanpassungen durch die schnellere Angleichung in den neuen Bundesländern stärker ansteigen als sie es nach geltendem Recht getan hätten. Die Position der Versicherten in den neuen Bundesländern würde sich im Vergleich zum geltenden Recht verschlechtern, da ihre erworbenen Entgeltpunkte nicht mehr hochgewertet werden würden. Dies würde insbesondere die jüngeren Versicherten treffen. Wirkungen der Einmalzahlung: Der ausstehende künftige Prozess einer Angleichung des aktuellen Rentenwerts (Ost) an den Westwert soll auf den Stichtag bzw. den Zeitpunkt des Rentenbeginns vorgezogen werden und abgefunden werden können. Der Abfindung liegt die Annahme zugrunde, dass der aktuelle Rentenwert (Ost) jährlich um 0,1 % gegenüber dem aktuellen Rentenwert (West) aufholt, der wiederum jährlich um 1 % ansteigt. Die künftigen Rentensteigerungen sollen dabei versicherungsmathematisch mit 5 % jährlich abgezinst werden. Dies soll grundsätzlich für Be716
Antrag der FDP, BT-Drucksache 16/9482.
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standsrenten als auch für bis zum Stichtag erworbene Anwartschaften der Versicherten gelten. Den Betroffenen soll ein Wahlrecht eingeräumt werden, statt der Abfindung eine Rentenberechnung nach derzeit geltendem Recht zu verlangen. Bestandsrenter/innen und Versicherte, die am Stichtag das 60. Lebensjahr vollendet haben, üben das Wahlrecht zum Stichtag aus. Versicherte, die am Stichtag jünger sind, üben das Wahlrecht mit Vollendung des 60. Lebensjahres aus. Die Gesamtsumme der Abfindung wird berechnet, indem eine Aufholung des Rentenwerts (Ost) von 0,1 % jährlich angenommen wird. Bei einer Differenz ab 1.7.2009 von 88,7 % und damit fehlenden 11,3 %-Punkten würde die unterstellte Angleichung etwa im Jahr 2120 und damit rund 130 Jahre nach der Wiedervereinigung stattfinden. Der Vorschlag der FDP beinhaltet ein Wahlrecht, den Leistungsanspruch entweder als lebenslange Rente oder als Kapitalbetrag ausgezahlt zu bekommen. Dies bedeutet eine Durchbrechung des Grundsatzes, dass eine Rentenversicherung die Leistung als regelmäßige lebenslange Zahlung erbringt. Dies hätte Wirkungen auf die künftige Rentendynamik. Würde der Angleichungsprozess später wieder an Fahrt gewinnen, müssten für die Renten in den neuen Bundesländern künftig zwei Anpassungssätze gelten: Zum einen ein geringerer Anpassungssatz für die Rentnerinnen und Rentner, die durch Inanspruchnahme der Abfindung die danach eingetretene Dynamik sich haben abfinden lassen. Einen höheren Anpassungssatz dürften die Rentnerinnen und Rentner in Anspruch nehmen, die sich dafür entschieden haben, ihre Rente nach dem derzeit geltenden Recht ermitteln zu lassen. Auch wird mit der Möglichkeit einer Abfindung das Ziel des Einigungsvertrages gemäß Art. 30 Abs. 5, eine Angleichung der Lebensverhältnisse für die Rentnerinnen und Rentner zu erreichen, aufgegeben. Finanzierung: Zur Finanzierung erfolgt keine Aussage. 3
Der Vorschlag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Rentenwert in Ost und West angleichen“ 717: Vereinheitlichung des Rentenrechts mit Hochwertung für Geringverdiener/innen
Nach den Vorstellungen des Vorschlags von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sollen alle Rechengrößen der Rentenversicherung ab einem Stichtag (genannt wur717
BT-Drucks. 16/10375 vom 24.9.2008.
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Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung
de der 1.1.2009) vereinheitlicht werden. Von diesem Zeitpunkt an sollten zudem die Rentenanwartschaften in Ost und West in derselben Weise ermittelt werden. Der Vorschlag sieht weiter vor, dass bei der Ermittlung der Rentenanwartschaften in den neuen Bundesländern die Hochwertung der Anlage 10 zum SGB VI durch eine Hochwertung der Entgelte für Geringverdienende ersetzt wird. Die hierfür anfallenden Kosten sollen aus Steuermitteln erbracht werden. Das bedeutet für die Beitragsphase: Der Antrag lässt offen, ob die die Hochwertung nach der Anlage 10 zum SGB VI ersetzende Hochwertung der Entgelte für Geringverdienende auf die neuen Bundesländer beschränkt oder gesamtdeutsch gelten soll. Eine Definition von Geringverdienenden wird nicht getroffen. Das bedeutet für die Rentenbezugsphase: Ob sich die Forderung nach einer Vereinheitlichung aller „maßgeblichen Bezugsgrößen zur Entstehung und Berechnung der Rente in Ost und West“ auf einen gesamtdeutschen Wert oder auf den Westwert, der dann im gesamten Bundesgebiet angewendet werden soll, bezieht, wird nicht erläutert. Gefordert wird, dass der Auszahlungsbetrag für Rentnerinnen und Rentner in den neuen Bundesländern erhalten bleiben soll. Auswirkungen auf die Beitragszahlerinnen und -zahler, Rentnerinnen und Rentner, insbesondere im Hinblick auf den Aufholprozess: Dies hängt davon ab, ob die Hochwertung der Entgelte nur für Geringverdienende in den neuen oder auch in den alten Bundesländern gelten soll. Finanzierung: Die Finanzierung soll aus Steuermitteln erfolgen.
D Lösungsansätze
4
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Der Vorschlag der Partei DIE LINKE: Anhebung des aktuellen Rentenwerts (Ost) auf den Westwert in fünf Jahresstufen
Der Vorschlag der Fraktion DIE LINKE vom 18.10.2007 „Angleichung des aktuellen Rentenwerts (Ost) an den aktuellen Rentenwert“718 sieht vor, „bis Ende 2007 einen Stufenplan vorzulegen, nach dem schnellstmöglich in mehreren Schritten bis spätestens 2012 der aktuelle Rentenwert (Ost) auf den aktuellen Rentenwert angehoben wird. Diese Angleichung ist aus Steuermitteln zu finanzieren. Die erste Stufe tritt zum 1. Juli 2008 in Kraft. Die Höherbewertung der Einkünfte in Ostdeutschland bleibt unverändert.“
Der Vorschlag unterscheidet sich nicht wesentlich vom ver.di-Modell eines Angleichungszuschlags in zehn Jahresstufen ohne Eingriff in den Aufholprozess. Die Hochwertung nach der Anlage 10 zum SGB VI soll in beiden Modellen erhalten bleiben. Die beiden Unterschiede bestehen zum einen in der Zeitspanne der vorgeschlagenen Stufenregelung, zum anderen in der Systematik des Ausgleichs. Das Modell der LINKEN hebt den aktuellen Rentenwert (Ost) direkt an, das ver.di-Modell gewährt die Differenz zwischen dem aktuellen Rentenwert und dem aktuellen Rentenwert (Ost) als zu den Renten zu zahlenden Zuschlag. Der Gedanke, der hinter beiden Modellen steht, ist derselbe und geht davon aus, dass der Aufholprozess noch nicht abgeschlossen ist, jedoch beschleunigt werden muss. Als Beschleunigungsinstrument dient die Anhebung des aktuellen Rentenwerts (Ost) bzw. der die Differenz ausgleichende Zuschlag. Mitunter wird das Modell der LINKEN als Synonym für das „ver.di-Modell“ verwendet wird.719 5
Das ver.di-Modell im „Bündnis für die Angleichung der Renten in den neuen Bundesländern“: Angleichungszuschlag in zehn Jahresstufen ohne Eingriff in den Aufholprozess
Der Vorschlag der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di)720 behält die bestehende Systematik einer Angleichung der Rentenwerte über eine Angleichung der Löhne und Gehälter bei. Er beschleunigt die seit Mitte der 1990er
718
719
720
Antrag der Fraktion DIE LINKE „Angleichung des aktuellen Rentenwerts (Ost) an den aktuellen Rentenwert“ vom 18.10.2007, BT-Drucksache 16/6734. Anlässlich des aktuellen Presseseminars der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 27.28.11.2008 in Würzburg, DRV-Schriften Band 82, S. 32 und 39. Kerschbaumer, Angleichungszuschlag im Stufenmodell, S. 280-283 und Kerschbaumer, Warum eine politische Lösung zur Rentenangleichung Ost dringend erforderlich ist, S. 47-52.
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Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung
Jahre ins Stocken geratene Angleichung bei den Renten und geht davon aus, dass der Aufholprozess bei den Löhnen und Gehältern noch nicht abgeschlossen ist. Das bedeutet für die Beitragsphase: Das ver.di-Modell sieht die Beibehaltung der Hochwertung von Beitragszeiten im Beitrittsgebiet721 und der sonstigen Rechengrößen, wie der Beitragsbemessungsgrenze (Ost) und der Bezugsgrößen vor. Für die Beitragsphase ergeben sich im Vergleich zum heutigen Recht keine Modifikationen. Das bedeutet für die Rentenbezugsphase: Der Vorschlag greift auch nicht in die bestehende Anpassungssystematik ein, sondern beschleunigt sie durch Gewährung eines Angleichungszuschlags. Der Angleichungszuschlag wird als zusätzliche Leistung zu den Renten gezahlt, denen Entgeltpunkte (Ost) zugrunde liegen. Er besteht aus der Summe der Erhöhungsbeträge, die für jeden bis zu einem bestimmten Stichtag erworbenen Entgeltpunkt (Ost) zu zahlen sind. Mit dem Erhöhungsbetrag soll die Wertdifferenz zwischen einem Entgeltpunkt (Ost) und einem Entgeltpunkt (West), die ab 1.7.2009 3,07 € beträgt, ausgeglichen werden. Dieser Ausgleich wird in zehn Jahresschritten vorgenommen. Dabei sind von den jährlichen Erhöhungsbeträgen für den Angleichungszuschlag die Beträge abzuziehen, um die sich der Wertunterschied zwischen den aktuellen Rentenwerten (Ost) und (West) durch die jährlichen „natürlichen“ Anpassungen vermindert. Liegt in einem Jahr die Anpassung (Ost) um ca. 1,3 Anpassungspunkte722 höher als die West-Anpassung, dann fallen in diesem Jahr keine zusätzlichen Erhöhungsbeträge an. Auswirkungen auf die Beitragszahlerinnen und -zahler, Rentnerinnen und Rentner, insbesondere im Hinblick auf den Aufholprozess: Dieser Vorschlag geht davon aus, dass der Aufholprozess nicht zum Stillstand gekommen ist, sondern der Beschleunigung bedarf. Deshalb greift er auch nicht in die bestehende Anpassungssystematik ein, sondern führt den Angleichungszuschlag als zusätzliche parallele Leistung ein. Mit dem Angleichungszuschlag wird ein Versprechen der Deutschen Einheit gegenüber den Rentnerinnen und Rentnern in den neuen Bundesländern 721 722
§ 256 a SGB VI iVm. Anlage 10 zum SGB VI. Der aktuelle Rentenwert beträgt ab 1.7.2009 27,20 €, der aktuelle Rentenwert (Ost) 24,13 € und damit bei 88,7 %. Er müsste um 12 %-Punkte (1,27 Anpassungspunkte pro Jahr) angehoben werden, um den West-Wert zu erreichen.
D Lösungsansätze
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erfüllt und der Angleichungsprozess in den neuen Bundesländern deutlich beschleunigt. Sie erhalten einen Angleichungszuschlag zusätzlich zu ihren Renten. Da der Angleichungszuschlag für Zeiten gilt, die bis zum Stichtag (und damit bis zum Inkrafttreten des Modells) zurückgelegt werden, profitieren auch die heutigen Beitragszahlerinnen und -zahler in den neuen Bundesländern, denn der Angleichungszuschlag verbessert auch die bereits erworbenen Rentenanwartschaften und damit die künftigen Renten. Im Übrigen bleiben nach der Idee des Modells die Hochwertung gemäß der Anlage 10 zum SGB VI sowie die Beitragsbemessungsgrenze (Ost) erhalten. Dies ist nach wie vor erforderlich, um für die Versicherten in den neuen Bundesländern dauerhafte Nachteile in der Alterssicherung aufgrund des unterschiedlichen Lohnniveaus in Ost und West zu vermeiden. Für das Rentenversicherungssystem gibt es keine Nachteile. Die Zahlung von Angleichungszuschlägen ist als Folge der Deutschen Einheit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nicht von den Beitragszahlerinnen und -zahlern zu finanzieren ist. Das Modell hat darüber hinaus den Vorteil, dass das System der Rentenangleichung nicht verändert werden muss. Es stellt eine Übergangslösung dar, die darauf angelegt ist, mit dem schrittweisen Aufholprozess auszulaufen. Finanzierung: Die Gesamtkosten, die als Kosten der Deutschen Einheit nach diesem Vorschlag steuerfinanziert werden müssen, betragen nach Ablauf der 10-jährigen Aufbauphase jährlich rund 6 Mrd. €; in einem 10-Jahres-Stufenplan rd. 600 Mio. im ersten Jahr. Finanziell günstiger wird das Modell dann, wenn der Aufholprozess bei den Löhnen und Gehältern wieder an Fahrt gewinnt und die „natürliche“ Anpassung (Ost) höher ist als die Anpassung (West). Würde in einem Jahr die Anpassung (Ost) um rd. 1,3 %-Punkte (ab 1.7.2009) höher als die entsprechende Anpassung in den alten Bundesländern sein, würde sich der Anpassungszuschlag in diesem Jahr nicht weiter erhöhen und keine zusätzlichen Kosten anfallen. Der Angleichungszuschlag würde beim Eckrentner nach Ablauf der 10-jährigen Aufbauphase max. rd. 140 € betragen; im ersten Jahr wären dies rd. 14 €. Die zuständige Fachabteilung des BMAS steht dem Modell kritisch gegenüber,723 denn eine von der Lohnentwicklung in den neuen Bundesländern losgelöste Angleichung des aktuellen Rentenwertes (Ost) bei vollständiger Beibehaltung der Hochwertung der Verdienste auf Westniveau widerspricht der systematischen Grundentscheidung der Rentenüberleitung. Sie führt im Ergebnis zu 723
ver.di, Dokumentation des 3. workshop „20 Jahre Rente im vereinten Deutschland“ am 1.7.2010, S. 40.
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Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung
einer deutlichen weiteren Besserstellung beim Verhältnis von gezahltem Beitrag und daraus resultierendem Rentenertrag. Auch sind mit dem Vorschlag erhebliche, langfristig auftretende Mehrkosten verbunden. III Zwischenfazit Die Vorschläge von FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, wie auch der Vorschlag des Sachverständigenrates basieren auf einer rein technischen Umwertung der bestehenden Rentenzahlbeträge und sehen damit keine materiellen Verbesserungen für die Bestandsrentnerinnen und -rentner vor. Eine solche Verbesserung ist aber erforderlich, um das Versprechen aus dem Einigungsvertrag zu erfüllen. Eine Miniabfindung, wie sie die FDP vorschlägt, erfüllt dieses Versprechen ebenfalls nicht. Das Angleichungsgebot des Einigungsvertrages vom 31.8.1990 gebietet die Angleichung der Renten in den alten und neuen Bundesländern. Eine bloße formal-rechtliche technische Umrechnung trägt den Interessen der Versicherten und Rentnerinnen und Rentner in den neuen Bundesländern nicht Rechnung. Sie hätte vielmehr zur Folge, dass der derzeitige Rückstand beim aktuellen Rentenwert (Ost) endgültig festgeschrieben und damit die im Einigungsvertrag versprochene Angleichung aufgegeben werden würde. Ebenfalls sehen die Vorschläge die Abschaffung der Hochwertung vor. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordern stattdessen die Einführung einer steuerfinanzierten Hochwertung der Entgelte nur noch für Geringverdienende. Während die Hochwertung gemäß Anlage 10 zum SGB VI sicherstellt, dass bis zum Erreichen einheitlicher Einkommensverhältnisse die in den neuen Bundesländern erworbenen Rentenansprüche den Ansprüchen westdeutscher Versicherter mit der gleichen relativen Einkommensposition entsprechen, und zugleich verhindert, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den neuen Bundesländern aufgrund der heutigen niedrigen Verdienste dauerhafte Nachteile bei ihren künftigen Renten erleiden, dient die von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beantragte Hochwertung der Armutsvermeidung im Allgemeinen. Letztendlich werden die Auswirkungen aller Modelle der Angleichung der rentenrechtlichen Größen im Vergleich zum status quo davon abhängen, wie sich die Bruttolöhne und -gehälter in den alten und neuen Bundesländern künftig entwickeln werden. Diese Frage kann weder von den Tarifvertragsparteien noch von der Deutschen Rentenversicherung abschließend beantwortet werden. „Eher sollte man die Hoffnung haben, aus der Wissenschaft oder von der ökonomischen Politikberatung Hinweise darauf zu bekommen, wie die wahrscheinliche Entwicklung der Entgelte in Ost und West in den kommenden Jahren aussehen könnte.
E Rechtsanspruch auf Vereinheitlichung
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Leider ist in den Ausführungen des Sachverständigenrates auf diese Frage auch keine eindeutige Antwort zu finden. Letztlich wird von der Politik die Entscheidung zu treffen sein, ob und unter welchen Bedingungen die Angleichung der aktuellen Rentenwerte vollzogen werden soll. Dabei wäre es allerdings wenig erfolgversprechend, die Ost-West-Differenzierung bei einzelnen Vorschriften weiterhin beizubehalten und die Angleichung somit auf bestimmte Regelungen zu beschränken.“724
Die Regierungskoalition hat in ihrem Koalitionsvertrag 2009–2013 das Versprechen, ein einheitliches Rentensystem in Ost und West noch in dieser Legislaturperiode einzuführen, gegeben.725 Das Ergebnis bleibt abzuwarten.
E Rechtsanspruch auf Vereinheitlichung bei der Rentenberechnung aus dem Einigungsvertrag E Rechtsanspruch auf Vereinheitlichung
Da die Vertragsparteien des Staats- und Einigungsvertrages eine ungleiche Anerkennung von Lebensleistungen bei der Alterssicherung auf Dauer nicht beabsichtigt hatten und die ursprüngliche Erwartung, die Angleichung der rentenrechtlichen Bemessungsgrößen würden entsprechend der Lohnangleichung in einem überschaubaren Zeitraum erfolgen, bislang nicht realisiert wurde, wird im Folgenden geprüft, ob es einen Rechtsanspruch auf Angleichung gibt. I
Rechtsanspruch auf Angleichung aufgrund des Einigungsvertrages
Als Grundlage kommt das Angleichungsgebot des Art. 30 Abs. 5 Satz 3726 des Einigungsvertrages vom 31.8.1990 in Betracht, das die Angleichung der Renten in den alten und neuen Bundesländern und damit die Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse für die Rentnerinnen und Rentner gebietet. Aus dem Angleichungsgebot kann geschlussfolgert werden, dass mit der Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse auch eine einheitliche Anerkennung vergleichbarer Lebensleistungen beabsichtigt war. Dies war Ziel des gesamten Wiedervereinigungs- und Überleitungsprozesses.
724 725
726
Deutsche Rentenversicherung Bund, Aktuelles Presseseminar, DRV-Schriften Band 82, S. 34. CDU/CSU und FDP, Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP und Regierungsprogramm 2009-2013; S. 42. „Im übrigen soll die Überleitung von der Zielsetzung bestimmt sein, mit der Angleichung der Löhne und Gehälter in dem in Art. 3 genannten Gebiet (nBL und Berlin Ost) an diejenigen in den übrigen Ländern auch eine Angleichung der Renten zu verwirklichen.“
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Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung
Art. 30 Abs. 5 Satz 3 Einigungsvertrag kann nur dann mögliche Anspruchsgrundlage einer Angleichung sein, wenn dadurch ein Rechtsanspruch normiert wird. Dazu sind drei Fragen zu beantworten: Welche Rechtsnatur hat der Einigungsvertrag? Ergibt sich aus dem Einigungsvertrag ein Rechtsanspruch? Worauf ist ein möglicher Rechtsanspruch gerichtet? Rechtsnatur des Einigungsvertrages In der Literatur ist die Rechtsnatur des Einigungsvertrages höchst umstritten. Handelt es sich dabei um einen rein völkerrechtlichen Vertrag727 oder hat der Einigungsvertrag rein staatsrechtlichen Charakter728? Die h.M. geht von der Theorie des Doppelcharakters des Einigungsvertrages aus.729 Der Einigungsvertrag enthält sowohl völkerrechtliche wie auch staatsrechtliche Elemente. Diese Doppelfunktion hatte praktisch jedoch kaum Bedeutung, da sie nur für 2 Wochen, zwischen der Ratifizierung des Einigungsvertrages in Bundestag und Volkskammer am 20.9.1990 und dem Beitritt am 3.10.1990, bestand. Alle staatsrechtlichen Regelungen des Einigungsvertrages (mit Ausnahme der Grundgesetzänderungen) erlangten erst mit Wirksamwerden des Beitritts rechtliche Bedeutung. Fortgeltung des Einigungsvertrages nach dem Beitritt Die DDR ging mit der Wiedervereinigung als Völkerrechtssubjekt unter.730 Nach den allgemeinen Vorschriften des Völkerrechts würden damit auch die Verträge der Vertragspartner untergehen. Für den Einigungsvertrag musste jedoch etwas anderes gelten, denn die DDR-Regierung hatte den Einigungsvertrag mit dem Ziel verhandelt, auch nach dem Untergang der DDR Sonderrechte fortgelten zu lassen. Dies konnte nur mit einem Vertrag realisiert werden, der über den 3.10.1990 hinaus Gültigkeit hatte. Deshalb wurde in Art. 45 Abs. 2 Einigungsvertrag731 die Fortgeltung des Einigungsvertrages nach Wirksamwerden des Beitritts ausdrücklich angeordnet. Aus diesem Grund wird der Einigungsvertrag auch als Eingliederungsvertrag be727
728 729 730 731
so Kimminich, der der Ansicht ist, dass der EV ein rein völkerrechtlicher Vertrag sei, Diskussionsbeitrag in K. Stern, Deutsche Wiedervereinigung, S. 16f. Graf von Schlieffen in: Sobotka (Hrsg.): Burgen, Schlösser, S. 156. Höch, Der Einigungsvertrag, S. 37. Allgemeine Meinung, Denkschrift zum Einigungsvertrag, BT-Drucksache 11/7760, S. 356. Art. 45 Abs. 2 EV „Der Vertrag bleibt nach Wirksamwerden des Beitritts als Bundesrecht geltendes Recht“
E Rechtsanspruch auf Vereinheitlichung
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zeichnet.732 Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Eingliederungsvertrag regelmäßig für die Zeit „danach“ geschlossen wird: Eine Vielzahl von Rechtsfolgen, die der Einigungsvertrag anordnet, entstehen erst „mit Wirksamwerden des Beitritts“ (z. B. Art. 10 Abs. 1, 30 Abs. 2 Einigungsvertrag). Da nicht davon auszugehen ist, dass die Vertragspartner den Einigungsvertrag ohne rechtliche Relevanz ausstatten wollten, ist Art. 45 Abs. 2 Einigungsvertrag so auszulegen, dass er eine logische Sekunde vor dem Untergang aller Verträge der DDR Wirksamkeit erlangt hat.733 Art. 45 Abs. 2 Einigungsvertrag sieht hinsichtlich der Fortgeltung des Einigungsvertrages keinerlei Einschränkungen vor. Deshalb ist der Einigungsvertrag mit allen Anlagen, Protokollerklärungen und Vereinbarungen zur Durchführung und Auslegung des Einigungsvertrages vom 18.9.1990 als gültige Rechtsquelle in Deutschland anzusehen. Damit ist eine Bindungswirkung von Exekutive und Judikative an die Normen des Einigungsvertrages zu bejahen. Ausgesprochen umstritten ist jedoch die Bindungswirkung des gesamtdeutschen Gesetzgebers an die Normen des Einigungsvertrages. Eine Bindung des gesamtdeutschen Gesetzgebers infolge des ursprünglichen – auch – völkerrechtlichen Charakters des Einigungsvertrages scheidet aus, da er mit dem Beitritt diesen Charakter verloren hat und Teil der innerstaatlichen Rechtsordnung, in der Normenhierarchie unterhalb Verfassungsrangs, geworden ist.734 Zahlreiche Normen des Einigungsvertrages sind als Übergangsnormen ausgestaltet, deren Ziel es ist, einen möglichst reibungslosen Anpassungsprozess der tatsächlichen Verhältnisse im Beitrittsgebiet an die bundesdeutsche Rechtsordnung zu gewährleisten. Dies gilt insbesondere für den Bereich der Überleitung der Rentenversicherung. Zielvorstellung war, dass das SGB VI nach einer Übergangszeit auch in den neuen Bundesländern gelten sollte. Dabei war allen Akteurinnen und Akteuren bewusst, dass eine übergangslose Verbindung der Systeme nicht möglich war, sondern dass die Rechtsangleichung nur schrittweise eingeführt und durch zahlreiche Übergangsvorschriften abgefedert würde sein müssen.735 „Der Beitritt der DDR macht eine Reihe von Sondervorschriften auch für die Zeit nach Inkrafttreten des Gesetzes (scil. des RÜG) erforderlich. Da diese Vorschriften nur für eine Übergangszeit Bedeutung haben, sollen sie im Fünften Kapitel (scil. des
732 733 734 735
Höch, Der Einigungsvertrag, S. 40. Ebenda, S. 40. Ebenda, S. 42 und S. 45. Begründung zum Gesetzentwurf des RÜG, BT-Drucksache 12/405, S. 108.
300
Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung SGB VI) eingeordnet werden, so dass der Grundsatz entsprechend zu erweitern ist“736.
Das Ziel der Herstellung der vollen Rechtseinheit war vorgegeben und sollte im Rentenrecht dann erreicht sein, wenn die „Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse“ zwischen Ost und West erreicht sein würde. Fraglich ist, ob erst dann, wenn eine Angleichung der Löhne erfolgt sein würde, der Angleichungsprozess der Renten abgeschlossen sein würde oder ob beide Ziele, die Angleichung der Löhne und die Angleichung der Renten, gleichberechtigt und unabhängig nebeneinander stehen sollten. Das würde bedeuten, dass die Angleichung der Renten ein eigenes Ziel des Einigungsvertrags ist und auch ohne eine Angleichung der Löhne verwirklicht werden sollte. War aus Sicht der Vertragspartner im damaligen Zeitpunkt die Angleichung der Löhne als der denkbar sinnvollste und zielführendste Weg zur Angleichung der Renten angesehen worden? Der Wortlaut spricht gegen die Annahme zweier gleichberechtigt nebeneinander stehender Ziele. Aus dem Wort „mit“ muss auf eine gewollte Verbindung beider Ziele geschlossen werden. Fraglich ist, ob diese Verbindung geschaffen wurde, weil sie der geltenden rentenrechtlichen Systematik entsprach und zum damaligen Zeitpunkt als geeignet erschien. Da sich die Löhne und Gehälter bereits nach dem Mauerfall am 9.11.1989 rasant nach oben entwickelten, bestand im damaligen Zeitpunkt kein Zweifel, dass dieser Weg systematisch richtig war und auch realistisch zu einer Angleichung der Renten führen würde. Außerdem waren sich die Akteur/innen bewusst, dass sie angesichts des sehr knappen Zeitrahmens nicht auf jede Frage eine Antwort finden würden, und sie eine Anpassung der Übergangsnormen aufgrund sich ändernder tatsächlicher Verhältnisse nicht definitiv ausschließen wollten. Für die Beantwortung der Frage, ob und inwieweit Bestandskraft des Einigungsvertrags besteht, ist festzustellen, dass ein Ausgleich der divergierenden Interessen im Lichte des Einigungsvertrages stattzufinden hat. Dies bedeutet, dass Änderungen der entsprechenden Vorschriften dann möglich sind, wenn sie aufgrund der sich ändernden äußeren Umstände notwendig werden. Da eine Angleichung der Löhne und Gehälter in den neuen Bundesländern in absehbarer Zeit nicht stattfinden wird, würde ohne eine Änderung des im Einigungsvertrag vorgegebenen Wegs, die Angleichung der Renten über die Angleichung der Löhne herbeizuführen, dieses Ziel für diejenigen aufgegeben werden müssen, die die Deutsche Einheit als Erwerbstätige und Ältere erlebt hatten. Eine Angleichung der Renten zu ihren Lebzeiten wäre dann nicht mehr möglich. Da dies nicht Intention der Vertragspartner des Einigungsvertrages war, ist eine 736
Begründung zu Nummer 42 (§ 228), Gesetzentwurf des RÜG, BT-Drucksache 12/405, S. 121.
E Rechtsanspruch auf Vereinheitlichung
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Abänderung der Angleichungssystematik bei den Renten geboten. Dies ist eine Frage des materiellen Umfangs des Angleichungsgebotes. Der Gesetzgeber hat im Zuge der Wiedervereinigung bei sozialrechtlichen Regelungen, die direkt oder indirekt auf das Einkommen (Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen) und die Lebenshaltungskosten der Leistungsberechtigten bezogen sind, wegen der wirtschaftlichen Unterschiede in West und Ost allgemein niedrigere Werte für das Beitrittsgebiet festgelegt und bis heute den Zeitpunkt, bis zu dem die Übergangsphase abgeschlossen sein soll, nicht festgelegt. Deshalb ist ein Rechtsanspruch aus Art. 30 Abs. 5 EV weder hinsichtlich der Angleichung von Löhnen und Gehältern noch der Angleichung der Renten zu entnehmen. II
Rechtsanspruch aufgrund eines Gesetzgebungsauftrags
In Betracht käme jedoch ein Rechtanspruch auf eine gesetzliche Regelung zur Angleichung der Renten. Art. 30 Abs. 5 EV normiert nach ganz h.M. einen Gesetzgebungsauftrag an den gesamtdeutschen Gesetzgeber, Einzelheiten der Überleitung der Renten- und Unfallversicherung zu regeln. Dieser Gesetzgebungsprozess war ein Kompromiss zwischen der Bundesregierung und der DDR, um weitergehende Forderungen der DDR zu verhindern. Durch Erlass des RÜG und zahlreicher anderer Gesetze zur Rentenüberleitung hat der gesamtdeutsche Gesetzgeber diesen einfachgesetzlichen Auftrag umgesetzt und damit eine einfachgesetzliche Bindungswirkung auch anerkannt. Es stellt sich jedoch die Frage, ob der gesamtdeutsche Gesetzgeber mit Umsetzung des RÜG und anderer Überleitungsgesetze den in Art. 30 Abs. 5 Satz 3 EV normierten Anspruch auf Angleichung der Renten mit erfasst und „abgearbeitet“ hat oder ob infolge der immer noch nicht erfolgten Angleichung der Renten ein Rechtsanspruch auf Erfüllung besteht. Hinsichtlich der zeitlichen Überleitung der Renten deutet alles darauf hin, dass innerhalb einer angemessenen Frist die Überleitung abgeschlossen werden sollte. In zahlreichen Vorschriften wird von einem Zeitraum ausgegangen, der spätestens mit Ende der 1990er Jahre, also rund 10 Jahre nach der Deutschen Einheit, abgeschlossen sein sollte. Da das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber immer wieder einen breiten Gestaltungsspielraum zuerkannt hat und eine Umsetzung und ein Ende des zeitlichen Gestaltungsspielraums zwar zuletzt mit Entscheidung vom 15.9.2006 mit den Worten
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Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung „Die Einheit der Rentenversicherung sollte zeitlich nicht weit hinausgeschoben werden.“737
anmahnte, jedoch (noch) keine rechtsverbindlichen Folgen aus dem Nichttätigwerden des Gesetzgebers zog, ist ein Anspruch auf Tätigwerden und damit eine Bindungswirkung des Gesetzgebungsauftrags zu verneinen. III Zwischenfazit Derzeit ist ein Rechtsanspruch auf Vereinheitlichung bei der Rentenberechnung und -anpassung (noch) nicht gegeben. Zusammenfassung und Gesamtfazit Das Rentenrecht hatte sich in beiden deutschen Staaten während des Bestehens der Zweistaatlichkeit unterschiedlich entwickelt. Beide Staaten reagierten auf andere Art und Weise auf den in den 1950er Jahren einsetzenden Wirtschaftsaufschwung. Die DDR behielt die Grundsystematik, insbesondere die fehlende Dynamisierung ihrer Renten, weitgehend bei und schaffte mit privilegierten Sonder- und Zusatzversorgungssystemen die Möglichkeit, staatsrelevante Berufs- und Personengruppen für das Alter besser abzusichern. Für die breite Massen der Werktätigen, die in der Sozialpflichtversicherung abgesichert waren, wurde Anfang der 1970er Jahre die FZR eingeführt, in der Einkommen über 600 M zusätzlich abgesichert werden konnten. In der Bundesrepublik wurden – insbesondere durch die Einführung einer dynamischen Rente mit der Rentenreform 1957 – die Renten an die Lohn- und Gehaltsentwicklung gekoppelt und damit gewährleistet, dass die Rentnerinnen und Rentner seitdem an der Wohlstandsentwicklung der Beschäftigten teilnehmen konnten. Nach dem Fall der Mauer am 9.11.1989 wurde innerhalb kürzester Zeit deutlich, dass es politischer Wille war, die Zweistaatlichkeit zugunsten eines deutschen Staates aufzugeben. Mit der Unterzeichnung des Einigungsvertrages am 31.8.1990 wurde festgelegt, dass auch die Rentensysteme kompatibel gemacht werden mussten, wobei das – gerade in der DDR hoch angesehene – bundesrepublikanische System Vorbild sein sollte. Die Überleitung der Ansprüche und Anwartschaften aus den Alterssicherungssystemen der DDR, kurz Renten737
BVerfG, 1 BvR 799/98 vom 15.9.2006, Absatz-Nr. 145 mit Verweis auf die Entscheidung des BVerfG, 1 BvR 368/97 vom 11.5.2005.
E Rechtsanspruch auf Vereinheitlichung
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überleitung, hatte damit das Ziel, die – mit Übergangsregelungen für eine Übergangszeit versehene – Überführung in das bundesrepublikanische System zu gewährleisten. Die sog. Systementscheidung sah vor, die Ansprüche und Anwartschaften nicht in das gegliederte bundesdeutsche System einer 1. Säule (gesetzliche Rentenversicherung, Beamtenversorgung und berufsständische Versorgung) und einer 2. Säule (betriebliche Altersversorgung), sondern ausschließlich in die gesetzliche Rentenversicherung zu überführen. Die Prognose über die wirtschaftlichen Entwicklungen in den neuen Bundesländern Seit der Einführung der dynamischen Rente ist die Entwicklung der Löhne und Gehälter mit der Anpassung der Renten verknüpft. Folgerichtig war es deshalb, dass die Überleitung der Renten von der Zielsetzung bestimmt sein sollte, mit der Angleichung der Löhne und Gehälter an die der Bundesrepublik auch eine Angleichung der Renten zu verwirklichen (Art. 30 Abs. 5 Einigungsvertrag). Die Lohn- und Gehaltsentwicklung wurde von so gut wie allen verantwortlichen Akteurinnen und Akteuren zu positiv eingeschätzt mit der Folge, dass die Angleichung der Löhne und Gehälter ebenso wie die der Renten in den neuen Bundesländern immer noch nicht das Westniveau erreicht hat. Der wirtschaftliche Aufholprozess und damit auch die Rentenüberleitung ist deshalb rechtlich und faktisch noch nicht beendet. Vergleichbare Bedingungen für die Versicherten in Deutschland liegen noch nicht vor, der Aufholprozess dauert noch an. Übergangsregelungen des 5. Kapitels des SGB VI, die abweichend bis zur Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse gelten sollten, erhalten so bis heute Dauercharakter, wobei nicht absehbar ist, wie lange die Übergangszeit und damit der Aufholprozess noch andauert. Diese – aus damaliger Sicht falsche – Einschätzung wurde bis heute nicht korrigiert werden. Die Folge ist, dass der politische Druck insbesondere durch die betroffenen Rentnerinnen und Rentner in den neuen Bundesländern groß ist. Die im Jahr 2009 ins Amt gewählte Bundesregierung versprach deshalb, „in dieser Legislaturperiode ein einheitliches Rentensystem in Ost und West einzuführen“738. Damit beantwortete die Regierung selbst die Frage nach der Erforderlichkeit und Beschleunigung eines Eingriffs in die normierte Anpassungssystematik. Zahlreiche sozialpolitische Akteurinnen und Akteure haben hierzu Lösungsmodelle vorgestellt. Allerdings wird auch diskutiert, ob neben einer generellen und übergreifenden Vereinheitlichung der Rechenwerte bei Rentenberechnung und -anpassung zusätzlich Regelungen 738
CDU/CSU und FDP, Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP und Regierungsprogramm 2009–2013; S. 84.
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für einzelne Personengruppen (wie z. B. für in der DDR Geschiedene) getroffen werden müssen. Das zuständige BMAS hat eine abschließende generelle gesetzliche Regelung für das Jahr 2011 in Aussicht gestellt. Die Finanzierung der Rentenüberleitung Kurz nach dem Fall der Mauer wurde deutlich, dass allein eine Wirtschafts- und Währungsunion nicht ausreichte, den Menschen in der DDR bei den– absehbar – einschneidenden Änderungen ihrer Lebensverhältnisse sozialen Halt zu geben. Gegen den starken Widerstand westdeutscher Wirtschaftsbereiche wurde die Wirtschafts- und Währungsunion um eine Sozialunion als dritte Säule ergänzt. Die Sozialunion sollte insbesondere „ein auf den Prinzipien der Leistungsgerechtigkeit beruhendes umfassendes System der sozialen Sicherung“ gewährleisten (Art. 1 Abs. 4 Staatsvertrag). Damit war aber auch eine schnelle Angleichung der Renten und deren Finanzierung auf die Agenda gerückt. Nach Unterzeichnung des Staatsvertrages am 18.5.1990 und der Umstellung von Mark der DDR in DM mussten die Renten zum 1.7.1990 in DM ausgezahlt werden. Die Differenzen um eine sachgerechte Finanzierung traten offen zutage. Nach den Wahlen vom 2.12.1990 wurde im Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass weite Teile der Kosten der Deutschen Einheit über die Solidargemeinschaft der Versicherten der Arbeitslosen- und Rentenversicherung zu tragen waren. Dies hat sich als Konstruktionsfehler herausgestellt, der die innere Einheit noch immer belastet. Rechtsprechung und Gesetzgebung zur Rentenüberleitung Die Überleitung der rd. 4 Mio. Bestandsrenten aus der Sozialpflichtversicherung und der FZR wurde zeitnah bewältigt und Zahlungskontinuität gewährleistet. Dazu trugen die Rentenanpassungssätze der ersten Jahre von je 15 % zum 1.1. und 1.7.1991 und von rd. 12 % zum 1.1.1992, rd. 13 % zum 1.7.1992 und rd. 14 % zum 1.7.1993 bei. Die maschinelle Umwertung unter Berücksichtigung des Zwanzigjahreszeitraums für die Bemessung des individuellen Durchschnittseinkommens sowie die Nichtdynamisierung und Abschmelzung der Auffüllbeträge wurden vom Bundesverfassungsgericht als rechtmäßig betrachtet. Die Überführung der „artfremden“ Leistungen der Sonder- und Zusatzversorgungssysteme zum 1.1.1992 machten Neuberechnungen von rd. 350.000 Renten739 erforderlich, die Anlass für zahlreiche Rechtsauseinandersetzungen 739
Bei Schließung der Zusatzversorgungssysteme am 30.6.1990 bezogen insgesamt 230.000 Berechtigte Leistungen aus diesen Systemen; weitere 120.000 Personen erhielten zum gleichen Zeitpunkt Leistungen aus Sonderversorgungssystemen. Nach Schätzungen der damaligen Bun-
E Rechtsanspruch auf Vereinheitlichung
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waren. Bis in die Gegenwart waren die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu den Regelungen des AAÜG Grundlage für Rechtsänderungen durch den Gesetzgeber. Mit seinem Beschluss vom 6.7.2010 hatte das Bundesverfassungsgericht für die relativ kleine Gruppe der DDR-Spitzen-Elite (ehemalige Minister/innen, stellvertretende Minister/innen und Staatssekretäre/innen) die Zahlbetragsbegrenzungen bei der Rentenberechnung für verfassungsmäßig erklärt. Das Bundesverfassungsgericht stellte umfassend fest, dass die Versagung der Fortschreibung von Vorteilen aus dem System der DDR im Rentenrecht der Bundessrepublik mit dem Grundgesetz vereinbar sei, und betonte, dass dem Gesetzgeber ein großer Ermessensspielraum bei der Gestaltung zustünde. Mit dieser – vorerst letzten – Entscheidung sind die Reparaturmaßnahmen durch die Rechtsprechung voraussichtlich abgeschlossen. Einführung eines einheitlichen Rentensystems in Ost und West Das von der Regierungskoalition noch für diese Legislaturperiode in Aussicht gestellte „einheitliche Rentenrecht“ umzusetzen, ist nun Aufgabe der Gesetzgebung. Mit der Abschaffung zweier unterschiedlicher aktuellen Rentenwerte bzw. eines niedrigeren aRw (Ost) würden auch geschlechterdiskriminierende Ungleichbehandlungen beendet werden können. Während derzeit die Monatsrente für die Erziehung eines Kindes im Beitrittsgebiet, das ab 1992 geboren wurde, in der Regel 72,21 € beträgt, erhält ein/e Erziehende/r für dieselbe Leistung in den alten Bundesländern 81,60 €. Ebenso wirkt sich der unterschiedliche aRw auf Pflegeleistungen aus. Da sowohl Kindererziehung wie auch nicht erwerbsmäßige Pflege überwiegend (immer noch) von Frauen erbracht werden, wäre die Vereinheitlichung der Rechenwerte auch ein Beitrag zu mehr Geschlechtergerechtigkeit in der Alterssicherung. Die Fehleinschätzung, in den neuen Bundesländern in Kürze „blühende Landschaften“ zu schaffen und den Aufholprozess in wenigen Jahren abschließen zu können, führte dazu, dass die vom Gesetzgeber dem Übergangsrecht zugrunde gelegte Zeit bis zur „Herstellung einheitlicher Einkommensverhältnisse“ immer noch andauert. Ein Ende des Aufholprozesses auf „natürlichem“ Wege ist derzeit noch nicht absehbar. Die Finanzierung der Rentenüberleitung wurde nicht in vollem Umfang als gesamtgesellschaftliche Aufgabe und damit als Aufgabe der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler eingestuft, sondern zum Teil von den Beitragszahlerinnen und desregierung war insgesamt von rd. 4 Mio. Anwartschaftsinhaberinnen und -inhabern mit Systemzeiten auszugehen.
306
Teil 3: Die Deutsche Einheit in der Alterssicherung
Beitragszahlern mit Mitteln der Sozialversicherung aufgebracht. Diese politische Fehlentscheidung hat auch nach 20 Jahren noch Auswirkungen. Auch wenn die historische Chance, mit der Überleitung auch die positiven Elemente des Rentenrechts der DDR, die z. B. für die Alterssicherung von Frauen vorteilhaft waren, in ein gemeinsames und reformiertes Recht einmünden zu lassen, von der damaligen Regierungskoalition trotz Bemühens der Opposition nicht ergriffen wurde, kann die Übertragung der gesetzlichen Rentenversicherung in die neuen Bundesländer rund 20 Jahre nach Begründung der Deutschen Einheit – nicht als perfekt – jedoch als gelungen bewertet werden.
Anhang
307
Anhang
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Interviewpartner und -partnerin ........................................................... 308 Tabellen und Grafiken ......................................................................... 309 Abkürzungsverzeichnis........................................................................ 312 Literatur ............................................................................................... 317 Verwendete Materialien....................................................................... 326 Gesetze und Rechtsquellen .................................................................. 336 Die maßgeblichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgericht ..... 348 Glossar ................................................................................................. 353 Personenverzeichnis ............................................................................ 357 Stichwortverzeichnis ........................................................................... 358
J. Kerschbaumer, Das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung und die Deutsche Einheit, DOI 10.1007/978-3-531-92882-1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
308
1
Anhang
Interviewpartner und -partnerin
(Mit Angabe der Funktion in dem Zeitraum, auf den sich die Fragen beziehen) Interview 1: Klaus Michaelis Volljurist; Januar 1990 bis Juni 1996 Leiter der Grundsatzabteilung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA; heute Deutsche Rentenversicherung Bund); ab Juli 1996 Direktor der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte; ausgeschieden ab Juni 2005; derzeit Rentner. Interview 2: Evelin Bocho Dipl. Volkswirtin; vor der Deutschen Einheit verschiedene Tätigkeiten im Bereich der Sozialversicherung der DDR und im Bereich der Zusatzversorgungssysteme der DDR; ab Juni 1990 im Arbeits- und Sozialministerium der Übergangsregierung unter der Leitung von Regine Hildebrandt; seit 3.10.1990 Mitarbeiterin im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) insbesondere zu Fragen der Rentenüberleitung, jetziges Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Interview 3: Dr. Fritz Schirach Diplom-Landwirt, ab September 1958 bis Januar 1992 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungszentrum für Bodenfruchtbarkeit Müncheberg, Brandenburg; zusatzversichert in der Altersversorgung der wissenschaftlichen Mitarbeiter der Akademie der Wissenschaften zu Berlin und der Deutschen Akademie der Landwirtschaftswissenschaften zu Berlin (Ziff. 5 der Anlage 1 zum AAÜG (Art. 3 des RÜG) vom 25.7.1991); derzeit Rentner.
Anhang
2
309
Tabellen und Grafiken
Tabellen Tabelle 1: Bezieherquoten der einzelnen Säulen der Alterssicherung der Personen im Alter ab 65 Jahren mit eigener Alterssicherung Tabelle 2: Einnahmen und Ausgaben der Sozialversicherung der DDR im Jahr 1988 Tabelle 3: Durchschnittliche Höhe und Anzahl der laufenden Renten in der DDR sowie durchschnittliche Höhe und Verbreitungsgrad der FZRRenten (Stand Dezember 1988) Tabelle 4: Sonderversorgungssysteme Tabelle 5: Zusatzversorgungssysteme Tabelle 6: Rentenangleichung zum 1.7.1990 Tabelle 7: Zusätzliche Leistungen zu den Renten nach der Rentenangleichung zum 1.7.1990 aufgrund des Staatsvertrags, dem SVG-DDR und dem RAnglG-DDR Tabelle 8: Überblick über die Schritte der Rentenüberleitung ab 1.7.1990 Tabelle 9: Trennung nach Versorgungssystemen bei Rentenüberleitung Tabelle 10: Rentenhöhen vor und nach der Neuberechnung Stand 1.7.1994 Tabelle 11: Übersicht über die Entscheidungen des BVerfG vom 28.4.1999 zur Verfassungsmäßigkeit der Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme Tabelle 12: Vereinfachte Darstellung der rechtlichen Entwicklung bei Sonderund Zusatzversorgungssystemen Tabelle 13: Familienbedingte Erwerbsunterbrechungen der Erwerbstätigkeit von Frauen in der DDR nach Geburtsjahrgängen in Jahren Tabelle 14: Überblick über die versorgungsrechtlichen Vorschriften für Geschiedene vor und nach der Deutschen Einheit Tabelle 15: Strukturelle Konvergenz Tabelle 16: Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer/in in Deutschland 2009 in Prozent des gesamtdeutschen Durchschnitts (Werte 2008 in Klammern) Tabelle 17: Vergleich des Anstiegs der Bruttolöhne und -gehälter und der rentenversicherungspflichtigen Entgelte in Prozent Tabelle 18: Veränderung der Zuwachsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer/in 1996–2009 in den nBL im Verhältnis zu den aBL in Prozent nach der VGR (Differenz aus Grafik 6) Tabelle 19: Tarifniveau Ost/West in Prozent Tabelle 20: Verhältnis der Veränderungsraten nach der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung der Länder und den Tarifsteigerungen Tabelle 21: Vergleich des durchschnittlichen Rentenzahlbetrags der Versichertenrenten (Alters- und Erwerbsminderungsrenten) des
48 64 70 73 74 99 103 124 131 149 161 176 194 200 219 224 225 226 228 229
310
Anhang
Rentenbestands am 31.12.2008 und des Rentenzugangs im Jahr 2008 nach Abzug des KVdR-/PVdR-Beitrags (Auszug) Tabelle 22: Vergleich der durchschnittlichen Zahlbeträge der Versichertenrenten (Alters- und Erwerbsminderungsrenten) in den neuen und alten Bundesländern im Rentenzugang nach Abzug des KVdR-/PVdRBeitrags Tabelle 23: Rentenschichtung nach monatlichen Zahlbeträgen in den alten und neuen Bundesländern am 31.12.2008 Tabelle 24: Anteil der Alterssicherungssysteme am Leistungsvolumen (brutto) Tabelle 25: Verbreitung und Höhe von zusätzlichen Einkommenskomponenten neben Alterssicherungsleistungen Tabelle 26: Verteilung der monatlichen Alterseinkommen der 65-Jährigen und Älteren (Stand: 31.12.2007) Tabelle 27: Gründe für die (Nicht-)Vergleichbarkeit der Rentenzahlbeträge in den alten und neuen Bundesländern im Überblick Tabelle 28: Werte zur Umrechnung der Beitragsbemessungsgrundlagen des Beitrittsgebiets Tabelle 29: Rentenertrag bei gleich hohem Gehalt in den alten und neuen Bundesländern (Werte für das Jahr 2010) Tabelle 30: Verhältnis von Durchschnittsentgelten West und Ost zu den aktuellen Rentenwerten West und Ost Tabelle 31: Rentenanpassungen ab 1991 Tabelle 32: Übersicht über die unterschiedliche Ermittlung der aktuellen Rentenwerte in den alten und neuen Bundesländern Tabelle 33: Übersicht über die erforderlichen Rechtsänderungen Tabelle 34: Wegfall der Hochwertung von Entgeltpunkten für die Zukunft und Auswirkungen Tabelle 35: Wegfall der Beitragsbemessungsgrenze (Ost) und Auswirkungen Tabelle 36: Wegfall des aRw (Ost) und Anwendung des aRw (West) und Auswirkungen
234
236 239 241 242 242 244 248 251 255 259 265 269 270 270 272
Grafiken Grafik 1: Grafik 2: Grafik 3: Grafik 4:
Grafik 5:
Alterssicherung in der DDR Überblick über die Rentenreformen ab 1992 Entwicklung des BIP je Einwohner/in den neuen Bundesländern (alte Bundesländer = 100) Anstieg des realen BIP je Erwerbstätigen (Produktivität) 1996 - 2009 gegenüber dem Vorjahr in Prozent (Basis: ESVG 2005, preisbereinigt, verkettet, nBl und aBL jeweils ohne Berlin; Berechnungsstand: August 2009/Februar 2010) Bruttolöhne und -gehälter (Inland) je Arbeitnehmer/in in Deutschland 1991 bis 2009 nach Bundesländern in Euro (D = 100)
59 81 219
220 223
Anhang Grafik 6: Grafik 7: Grafik 8:
311 Zuwachsraten der Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer/in 1996 bis 2009 im Vergleich zum Vorjahr in Prozent Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehme/inr in Deutschland 1991 bis 2009 nach Bundesländern - das jeweils „einkommensreichste“ nBL und das „einkommensärmste“ aBL in Euro Angleichung der Durchschnittslöhne und -gehälter in den alten und neuen Bundesländern
226 230 233
312
3
Anhang
Abkürzungsverzeichnis
AA a.A. aaO. AAÜG abgedr. aBL Abs. AdL a.F. ÄndG AfNS a.M. Anh. Anm. AR ArbN ArbG ArblV aRw AT ATG Aufl. AVG AVmG
Arbeitsamt/Arbeitsagentur anderer Ansicht am angegebenen Ort Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz abgedruckt alte Bundesländer Absatz Alterssicherung der Landwirte alte Fassung Änderungsgesetz Amt für nationale Sicherheit (der DDR) anderer Meinung Anhang Anmerkung Altersrente Arbeitnehmer/in Arbeitgeber/in Arbeitslosenversicherung aktueller Rentenwert Allgemeiner Teil Altersteilzeitgesetz Auflage Angestelltenversicherungsgesetz Altersvermögens-Ergänzungsgesetz
BA BAG BArbBl. bAV betr. BfA BU BetrVG BGB BGBl. BGHSt BLG BMA
Bundesanstalt für Arbeit Bundesarbeitsgericht Bundesarbeitsblatt Betriebliche Altersversorgung betrifft (ehem.) Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, jetzt DRV-Bund Berufsunfähigkeit Betriebsverfassungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Bruttolohn- und -gehaltssumme (ehem.) Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, jetzt BMAS Bundesministerium für Arbeit und Soziales Bundesministerium der Finanzen Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Betriebsrat/Betriebsrätin
BMAS BMF BMWi BR
Anhang
313
BSG BSV BT BT-Drucks. BV BVerfG BVerfGG DB DAG DDR ders. DGB d.h. djb DM DRiZ DRV durchschnittl. DVA
Bundessozialgericht Berufsständische Versorgung Bundestag Bundestagsdrucksache Beamtenversorgung Bundesverfassungsgericht Bundesverfassungsgerichtsgesetz Der Betrieb (Jahrgang, Seite) Deutsche Angestellten-Gewerkschaft Deutsche Demokratische Republik derselbe Deutscher Gewerkschaftsbund das heißt Deutscher Juristinnenbund Deutsche Mark Deutsche Richterzeitung Deutsche Rentenversicherung durchschnittlich Deutsche Versicherungs-Anstalt (der DDR)
EGBGB eingef. EP Erg. EM EU EuGH
Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch eingeführt Entgeltpunkt Ergänzung Erwerbsminderung Erwerbsunfähigkeit Europäischer Gerichtshof
f. FDGB FDP ff. Fn. FZR
folgend Freier Deutscher Gewerkschaftsbund (der DDR) Freie Demokratische Partei fortfolgend ußnote Freiwillige Zusatzrentenversicherung (der DDR)
G GBl. geänd. gem. GG ggf. GKV GPflV GRV GUV
Gesetz Gesetzblatt (der DDR) geändert gemäß Grundgesetz gegebenenfalls Gesetzliche Krankenversicherung Gesetzliche Pflegeversicherung Gesetzliche Rentenversicherung Gesetzliche Unfallversicherung
314 HDR
Anhang
h.M. Hrsg.
Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung (siehe Anhang, Literatur 4.) herrschende Meinung Herausgeber/in
IAVG idF. idR. ieS. iSv. iVm.
Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetz in der Fassung in der Regel im engeren Sinne im Sinne von in Verbindung mit
KPD KVdR
Kommunistische Partei Deutschlands Krankenversicherung der Rentner
LAG LG Lj.
Landesarbeitsgericht Landgericht langjährig
M MdI MdB MfAS MfS Mio. Mrd. m.w.N.
Mark (der DDR) Ministerium des Inneren (der DDR) Mitglied des Deutschen Bundestages Ministerium für Arbeit und Soziales der (DDR) Ministerium für Staatssicherheit (der DDR) Millionen Milliarden mit weiteren Nachweisen
nBL NdS Neureg. NF Nr. NVA
neue Bundesländer Niedersächsisches Ministerialblatt, Ausgabe A Neuregelung Nachhaltigkeitsfaktor Nummer Nationale Volksarmee (der DDR)
PDS PflVdR PStS PSV
Partei des Demokratischen Sozialismus Pflegeversicherung der Rentner Parlamentarische/r Staatssekretär/in Pensions-Sicherungs-Verein
R RAnglG-DDR RArtF Rdnr. RGBl.
Rente/n Rentenangleichungsgesetz DDR Rentenartfaktor Randnummer Reichsgesetzblatt
Anhang
315
RKG RM rm rr. RRG Rspr. RÜG RV RVO RWBestV Rz.
Reichsknappschaftsgesetz Reichsmark rechtmäßig rentenrechtlich/e Rentenreformgesetz Rechtsprechung Rentenüberleitungsgesetz Rentenversicherung Reichsversicherungsordnung Rentenwert-Bestimmungsverordnung Randziffer
s. S. SED SG SGB SGB III SGB IV SGB V SGB VI sog. SozR SPD StenBerBT st. Rspr. str. s.u. SVG-DDR
siehe Seite Sozialistische Einheitspartei Deutschlands Sozialgericht Sozialgesetzbuch 3. Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung 4. Buch Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften 5. Buch Sozialgesetzbuch – GKV 6. Buch Sozialgesetzbuch – GRV so genannte/r Sozialrecht Sozialdemokratische Partei Deutschlands Stenographischer Bericht Bundestag ständige Rechtsprechung strittig siehe unten Gesetz über die Sozialversicherung (der DDR)
TV
Tarifvertrag
u. u.a. usw.
und unter anderem und so weiter
VBL VDR verfm. verfw. VersAusglG vgl. v.H. VGR dL vor.
Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder Verband Deutscher Rentenversicherungsträger verfassungsgemäß verfassungswidrig Versorgungsausgleichsgesetz vergleiche vom Hundert Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder vorläufig
316
Anhang
VPfl. VS Vte.
Versicherungspflicht Versorgungssystem Versicherte/r
z. B. ZF Ziff. ZÖD z. T. ZVK z. Z.
zum Beispiel Zugangsfaktor Ziffer Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst zum Teil Zusatzversorgungskasse der Gemeinden zur Zeit
Anhang
4
317
Literatur
Hinweis: Materialien des Deutschen Bundestages (Anträge, Anfragen, Gesetzentwürfe und Ausschussdrucksachen), Rentenanpassungsberichte, Rentenversicherungsberichte und Gutachten des Sozialbeirats zu den Rentenversicherungsberichten, die Jahresberichte der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sowie Materialien der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder siehe unter Verwendete Materialien 5. Almsick van, Josef, Rentenanpassung zum 1. Juli 1992 in den alten und neuen Bundesländern, in: Die Angestelltenversicherung 2/1991, S. 40-42. Alterssicherungsbericht 2008, siehe verwendete Materialien III. AVID, Studie Altersvorsorge in Deutschland 2005, siehe unten Deutsche Rentenversicherung Bund. BAGSO, Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen e.V. (Hrsg.), Alter leben – Verantwortung übernehmen, Dokumentation 9. Deutscher Seniorentag, Publikation Nr. 25, Bonn 2010. Backhaus, Rolf/Grintsch, Ulrich/Neidert, Alfred/Polster, Andreas, Das Versicherungsund Rentenrecht im beigetretenen Teil Deutschlands, in: Deutsche Rentenversicherung 1/91, S. 15-89. Barkmin, Wilfried, Altersrenten für Frauen in den neuen Bundesländern, in: Die Angestelltenversicherung 12/1992, S. 430-433. Beck, Jürgen, Überleitung von Rentenansprüchen aus der DDR – und einschlägige Verfassungsgerichtsurteile, in: Soziale Sicherheit 8-9/2006, S. 275-80. Becker, Irene/Hauser, Richard, Soziale Gerechtigkeit – ein magisches Viereck, Forschung aus der Hans-Böckler-Stiftung, Band 104, Berlin 2009. Becker, Ulrich, in: SRH (s.v. Maydell). Benz, Wolfgang, Auftrag Demokratie, Die Gründungsgeschichte der Bundesrepublik und die Entstehung der DDR 1945-1949, Bonn 2010. Bieber, Ulrich/Münch, Wolfgang/Weinhardt, Michael, Alterssicherung in Deutschland 2007, Deutsche Rentenversicherung 3/2009, S. 201-222. Bonz, Hans-Jörg, Die Deutsche Demokratische Republik im Aufbruch, Die Sozialversicherung in der DDR und die „Politik der Wende“, in: Zeitschrift für Sozialreform ZSR 1990, S. 11-35. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Bündnis 90/Die Grünen: „Aus der Krise hilft nur Grün“; Bundestagswahlprogramm 2009; Beschluss auf der 30. ord. Bundesdelegiertenkonferenz am 8. bis 10. Mai 2009 in Berlin, abgerufen am 8.5.2010 unter: http://www. gruene-partei.de/cms/files/dokbin/295/295495.wahlprogramm_komplett_2009.pdf. Bullerjahn, Jens/Sellering, Erwin, Auskömmliche Alterseinkünfte in Ostdeutschland?, Papier vom 31.3.2008, abgerufen am 25.7.2010 unter: http://www.forumost.de/ forumost/pdf/papier_risiko_der_altersarmut_in_ostdeutschland.pdf. Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (Hrsg.), Hans-Jürgen Papier, Rechtsgutachten zur Verfassungsmäßigkeit der Versorgungsüberleitung, For-
318
Anhang
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Anhang
319
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320
Anhang
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Anhang
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Verwendete Materialien
I. II.
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Deutscher Bundestag: Anträge, Anfragen, Gesetzentwürfe und Ausschussdrucksachen
11. Legislaturperiode 1987–1990 Deutscher Bundestag, Sozialzuschlag, Mindestsicherung und Zusatzversorgung in der ehemaligen DDR, Antwort der Bundesregierung vom 26.11.1990 auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN (BT-Drucksache 11/8413 vom 6.11.1990), BT-Drucksache 11/8485. Deutscher Bundestag, Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschlands und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands – Einigungsvertrag, BT-Drucksache 11/7760. 12. Legislaturperiode 1990–1994 Deutscher Bundestag, Entwurf eines Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung (Renten-Überleitungsgesetz – RÜG) vom 23.4.1991, Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP, BT-Drucksache 12/405.
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Deutscher Bundestag, Entwurf eines Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung (Renten-Überleitungsgesetz – RÜG) vom 29.5.1991, Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucksache 12/630. Deutscher Bundestag, Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuss) zu den Gesetzentwürfen eines Renten-Überleitungsgesetzes (RÜG) u.a. der Fraktionen der CDU/CSU und FDP (BT-Drucksache 12/405) und der Bundesregierung (BT-Drucksache 12/630) vom 19.6.1991, BT-Drucksache 12/786. Deutscher Bundestag, Bericht des Haushaltsauschusses (8. Ausschuss) zu den Gesetzentwürfen eines Renten-Überleitungsgesetzes (RÜG) der Fraktionen der CDU/CSU und FDP (BT-Drucksache 12/405) und der Bundesregierung (BT-Drucksache 12/630) vom 19.6.1991, BT-Drucks. 12/812. Deutscher Bundestag, Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (11. Ausschuss) zu den Gesetzentwürfen eines Renten-Überleitungsgesetzes (RÜG) u.a. der Fraktionen der CDU/CSU und FDP (BT-Drucksache 12/405) und der Bundesregierung (BTDrucksache 12/630) vom 19.6.1991, Bericht der Abgeordneten Heinz Rother, Ulrike Mascher und Dr. Gisela Babel, BT-Drucksache 12/826. Deutscher Bundestag, Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP zu den Gesetzentwürfen eines Renten-Überleitungsgesetzes (RÜG) (BT-Drucksachen 12/405, 12/630, 12/786, 12/812, 12/826) vom 21.6.1991, BT-Drucksache 12/837. 13. Legislaturperiode 1994–1998 Deutscher Bundestag, Antrag der Fraktion der SPD, Novellierung des Renten-Überleitungsgesetzes vom 11.11.1994, BT-Drucksache 13/20. Deutscher Bundestag, Gesetzentwurf der Abgeordneten der PDS, Entwurf eines Gesetzes zur grundlegenden Korrektur des Renten-Überleitungsgesetzes (Renten-ÜberleitungsKorrekturgesetz – Rü-KG) vom 13.1.1995, BT-Drucksache 13/216. Deutscher Bundestag, Antrag der Fraktion der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Rentenkürzungen in den neuen Bundesländern vom 25.1.1995, BT-Drucksache 13/286. Deutscher Bundestag, Gesetzentwurf der Fraktion der SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Korrektur des Renten-Überleitungsgesetzes vom 31.5.1995, BT-Drucksache 13/1542. Deutscher Bundestag, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Petra Bläss, Dr. Heidi Knake-Werner und der Gruppe der PDS (BT-Drucksache 13/3882), Rentenanpassung Ost vom 15.3.1996, BT-Drucksache 13/4133.
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Deutscher Bundestag, Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG-Änderungsgesetz – AAÜG-ÄndG) vom 9.5.1996, BT-Drucksache 13/4587. 14. Legislaturperiode 1998–2002 Deutscher Bundestag, Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Entwurf eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensgesetz – AVmG) vom 14.11.2000, BT-Drucksache 14/4595. Deutscher Bundestag, Entschließungsantrag der Fraktion der FDP zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksachen 14/5640, 14/6063 – zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (2. AAÜG-Änderungsgesetz – 2. AAÜG-ÄndG) vom 16.5.2001, BT-Drucksache 14/6104. 15. Legislaturperiode 2002–2005 Deutscher Bundestag, Für eine gerechte Versorgungsregelung für das ehemalige mittlere medizinische Personal in den neuen Ländern, Antrag der Fraktion der FDP vom 9.4.2003, BT-Drucksache 15/842. Deutscher Bundestag, Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Nachhaltigkeitsgesetz) vom 9.12.2003, BTDrucksache 15/2149. Deutscher Bundestag, Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes vom 19.4.2005, Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drucksache 15/5314; Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung (13. Ausschuss) vom 11.5.2005, BT-Drucksache 15/5488. 16. Legislaturperiode 2005–2009 Deutscher Bundestag, Rente von geschiedenen Frauen in den neuen Ländern, Antwort der Bundesregierung vom 25.10.2006 auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN (BT-Drucksache 16/2884 vom 9.10.2006), BT-Drucksache 16/3092. Deutscher Bundestag, Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss), a) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucksache 16/1936, Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Betriebsrentengesetzes, b) zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE, BT-Drucksache 16/2746, Aufbewahrungsfrist der
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Lohnunterlagen von DDR-Betrieben bis 31. Dezember 2012 verlängern vom 18.10.2006, BT-Drucksache 16/3007. Deutscher Bundestag, Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 25.10.2006, Vergleichbarkeit der Renten in Ost- und Westdeutschland, BT-Drucksache 16/3184. Deutscher Bundestag, Vergleichbarkeit der Renten in Ost- und Westdeutschland, Antwort der Bundesregierung vom 9.11.2006 auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE (BT-Drucksache 16/3184 vom 25.10.2006), BT-Drucksache 16/3378. Deutscher Bundestag, Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 27.4.2007, Entwicklungen des aktuellen Rentenwerts und des aktuellen Rentenwerts (Ost) nach dem RVAltersgrenzenanpassungsgesetz (Rente ab 67) vom 27.4.2007, BT-Drucksache 16/5190. Deutscher Bundestag, Entwicklung des aktuellen Rentenwerts und des aktuellen Rentenwerts (Ost) nach dem RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz (Rente ab 67) vom 15.5.2007 auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE (BT-Drucksache 16/5190 vom 27.4.2007), BT-Drucksache 16/5359. Deutscher Bundestag, Rentenberechnung für Übersiedler, Antwort der Bundesregierung vom 11.6.07 auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP (BT-Drucksache 16/5466 vom 23.5.2007), BT-Drucksache 11/5571. Deutscher Bundestag, Angleichung des aktuellen Rentenwerts (Ost) an den aktuellen Rentenwert, Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 18.10.2007, BT-Drucksache 16/6743. Deutscher Bundestag, Keine Diskriminierungen und Ungerechtigkeiten gegenüber Älteren in den neuen Bundesländern bei der Überleitung von DDR-Alterssicherungen in das bundesdeutsche Recht, Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 7.11.2007, BT-Drucksache 16/7019. Deutscher Bundestag, Gerechte Alterseinkünfte für Beschäftigte im Gesundheits- und Sozialwesen der DDR, Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 7.11.2007, BT-Drucksache 16/7020. Deutscher Bundestag, Gerechte Lösung für die rentenrechtliche Situation von in der DDR Geschiedenen, Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 7.11.2007, BT-Drucksache 16/7021. Deutscher Bundestag, Schaffung einer gerechten Versorgungslösung für die vormalig berufsbezogene Zuwendung für Ballettmitglieder in der DDR, Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 7.11.2007, BT-Drucksache 16/7022. Deutscher Bundestag, Regelung der Ansprüche der Bergleute der Braunkohleveredlung, Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 7.11.2007, BT-Drucksache 16/7023.
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Deutscher Bundestag, Beseitigung von Rentennachteilen für Zeiten der Pflege von Angehörigen in der DDR, Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 7.11.2007, BT-Drucksache 16/7024. Deutscher Bundestag, Rentenrechtliche Anerkennung für fehlende Zeiten von Land- und Forstwirten, Handwerkern und anderen Selbständigen sowie deren mithelfenden Familienangehörigen aus der DDR, Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 7.11.2007, BTDrucksache 16/7025. Deutscher Bundestag, Rentenrechtliche Anerkennung von zweiten Bildungswegen und Aspiranturen in der DDR, Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 7.11.2007, BT-Drucksache 16/7026. Deutscher Bundestag, Rentenrechtliche Anerkennung von DDR-Sozialversicherungsregelungen für ins Ausland mitreisende Ehepartnerinnen und Ehepartner sowie von im Ausland erworbenen rentenrechtlichen Zeiten, Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 7.11. 2007, BT-Drucksache 16/7027. Deutscher Bundestag, Rentenrechtliche Anerkennung aller freiwilligen Beiträge aus DDR-Zeiten, Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 7.11.2007, BT-Drucksache 16/7028. Deutscher Bundestag, Kein Versorgungsunrecht bei den Zusatz- und Sonderversorgungen der DDR, Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 7.11.2007, BT-Drucksache 16/70291. Deutscher Bundestag, Regelungen der Ansprüche und Anwartschaften auf Alterssicherung für Angehörige der Deutschen Reichsbahn, Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 7.11.2007, BT-Drucksache 16/7030. Deutscher Bundestag, Angemessene Altersversorgung für Professorinnen und Professoren neuen Rechts, Ärztinnen und Ärzte im öffentlichen Dienst, Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer, Beschäftigte universitärer und anderer wissenschaftlicher außeruniversitärer Einrichtungen in den neuen Bundesländern, Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 7.11.2007, BT-Drucksache 16/7031. Deutscher Bundestag, Schaffung einer angemessenen Altersversorgung für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes, die nach 1990 ihre Tätigkeit fortgesetzt haben, Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 7.11.2007, BT-Drucksache 16/7032. Deutscher Bundestag, Schaffung einer angemessenen Altersversorgung für Angehörige von Bundeswehr, Zoll und Polizei, die nach 1990 ihre Tätigkeit fortgesetzt haben, Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 7.11.2007, BT-Drucksache 16/7033. Deutscher Bundestag, Einheitliche Regelung der Altersversorgung für Angehörige der technischen Intelligenz, Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 7.11.2007, BT-Drucksache 16/7034.
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Deutscher Bundestag, Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes, Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE vom 7.11. 2007, BT-Drucksache 16/7035. Deutscher Bundestag, Kleine Anfrage der Fraktion der FDP vom 13.2.2008, Stand und Bewertung der Rentenüberleitung 18 Jahre nach der Wiedervereinigung, BT-Drucksache 16/8105. Deutscher Bundestag, Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE, BT-Drucksache 16/6734, Angleichung des aktuellen Rentenwerts (Ost) an den aktuellen Rentenwert vom 6.3.2008, BT-Drucksache 16/8443. Deutscher Bundestag, Stand und Bewertung der Rentenüberleitung 18 Jahre nach der Wiedervereinigung, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP vom 19.3.2008 (Drucks. 16/8105 vom 13.2.2008), BT-Drucksache 16/8633. Deutscher Bundestag, Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Gesetzes zur Rentenanpassung 2008 vom 8.4.2008, BT-Drucksache 16/8744. Deutscher Bundestag, Entwicklung der Alterseinkünfte und das Armutsrisiko in den neuen Bundesländern, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP vom 14.5.2008 (Drucks. 16/8940 vom 23.4.2008), BT-Drucksache 16/9185. Deutscher Bundestag, Für ein einheitliches Rentenrecht in Ost und West, Antrag der Fraktion der FDP vom 4.6.2008, BT-Drucksache 16/9482. Deutscher Bundestag, Rentenwert in Ost und West angleichen, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 24.09.2008, BT-Drucksache 16/10375. Deutscher Bundestag, Zu Forderungen nach einer Angleichung des aktuellen Rentenwerts (Ost) an den aktuellen Rentenwert sowie nach einem einheitlichen Rentenrecht, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage (Drucksache 16/10547 vom 10.10.2008) der Fraktion DIE LINKE vom 11.11.2008, BT-Drucksache 16/10825. Deutscher Bundestag, Altersversorgung der wissenschaftlich-technischen Intelligenz generell sowie speziell im vormaligen VEB Carl Zeiss Jena, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage (Drucksache 16/10927 vom 11.11.2008) der Fraktion DIE LINKE vom 28.11.2008, BT-Drucksache 16/11127. Deutscher Bundestag, Faires Nachversicherungsangebot zur Vereinheitlichung des Rentenrechts in Ost und West, Antrag der Fraktion der FDP vom 3.12.2008, BT-Drucksache 16/11236.
332
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Deutscher Bundestag, Versorgung für Geschiedene aus den neuen Bundesländern verbessern, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 21.01.2009, BT-Drucksache 16/11684. Deutscher Bundestag, Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 8.4. 2009, BT-Drucksache 16/12596. Deutscher Bundestag, Materialien zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen am 19.1.2009 in Berlin zum Antrag der Fraktion der FDP, Für ein einheitliches Rentenrecht in Ost und West (Drucksache 16/9482 vom 4.6.2008) und zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Rentenrecht in Ost und West angleichen (Drucksache 16/10375 vom 24.9.2008), Ausschussdrucksache 16(11)1258, Stellungnahme der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e.V. BDA (Ausschussdrucksache 16(11)1263 vom 14.1.2009), Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes DGB (Ausschussdrucksache 16(11)1261 vom 14.1.2009), Stellungnahme der Deutschen Rentenversicherung Bund (Ausschussdrucksache 16(11)1255 vom 14.1.2009), Stellungnahme des Sozialverband Deutschland e.V. SoVD (Ausschussdrucksache 16(11)1254 vom 14.1. 2009), Stellungnahme der Bundesvereinigung des Sozialverbandes VdK Deutschland e.V. VdK (Ausschussdrucksache 16(11)1259 vom 14.1.2009), Stellungnahme der Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di (Ausschussdrucksache 16(11)1262 vom 14.1.2009), Stellungnahme der Volkssolidarität Bundesverband e.V. (Ausschussdrucksache 16(11) 1256 vom 14.1.2009), Stellungnahme Dr. Michael Tröger, Wiesbaden (Ausschussdrucksache 16(11)1265 vom 14.1.2009), Stellungnahme Prof. Dr. Franz Ruland, München (Ausschussdrucksache 16(11)1257 vom 14.1.2009), Stellungnahme Dr. Johann Ekehoff, Köln (Ausschussdrucksache 16(11)1260 vom 14.1.2009); Stellungnahmen nicht eingeladener Sachverständiger: Stellungnahme der Rechtsanwälte Dr. Karl-Heinz und Dr. Ingeborg Christoph (Ausschussdrucksache 16(11)1266 vom 19.1.2009). Deutscher Bundestag, Materialien zur öffentlichen Anhörung von Sachverständigen am 4.5.2009 in Berlin zum Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke, Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes, (Drucksache 16/7035 vom 7.11.20007), Anträge der Fraktion Die Linke (Drucksachen 16/7019, 16/7020, 16/7021, 16/7022, 16/7022, 16/7023, 16/7024, 16/7025, 16/7026, 16/7027, 16/7028, 16/7029, 16/7030, 16/7031, 16/7032, 16/7034), der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Drucksache 16/11684), der Fraktion der FDP (Drucksache 16/11236) (alle Drucksachen siehe oben); Ausschussdrucksache 16(11)1351 vom 29.4.2009, Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes DGB (Ausschussdrucksache 16(11)1355 vom 29.4.2009), Stellungnahme der Deutschen Rentenversicherung Bund (Ausschussdrucksache 16(11)1348 vom 28.4.2009), Stellungnahme des Sozialverbandes Deutschland e.V. SoVD (Ausschussdrucksache 16(11)1352 vom 29.4.2009), Stellungnahme der Bundesvereinigung des Sozialverband VdK Deutschland e.V. VdK (Ausschussdrucksache 16(11)1347 vom 28.4.2009), Stellungnahme der Volkssolidarität Bundesverband e.V. (Ausschussdrucksache 16(11)1343 vom 28.4.2009), Stellungnahme des Deutschen Führungskräfteverbandes (ULA) (Ausschussdrucksache 16(11)1354 vom 29.4.2009), Stel-
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333
lungnahme Prof. Dr. Franz Ruland, München (Ausschussdrucksache 16(11)1342 vom 28.4.2009), Stellungnahme Prof. Dr. Heike Trappe, Rostock (Ausschussdrucksache 16(11)1341 vom 28.4.2009), Stellungnahme Dr. Hans Peter Klotzsche, Dippoldiswalde (Ausschussdrucksache 16(11)1349 vom 29.4.2009), Stellungnahme Peter Sack, Leipzig (Ausschussdrucksache 16(11)1353 vom 29.4.2009); Stellungnahmen nicht eingeladener Verbände: Stellungnahme des Vereins Altersversorgung für angestellte Professoren und Hochschullehrer neuen Rechts und Angestellte im höheren Dienst der Behörden in den neuen Bundesländern (VAV) (Ausschussdrucksache 16(11)1326 vom 9.4.2009), Stellungnahme des Verbandes angestellter Akademiker (VAA) (Ausschussdrucksache 16(11) 1329 vom 20.4.2009), Stellungnahme des zentralen Arbeitskreises der Initiativgruppen AVI tech (Ausschussdrucksache 16(11)1333 vom 20.4.2009), Stellungnahme des Deutschen Hochschulverbandes (VAA) (Ausschussdrucksache 16(11)1358 vom 30.4.2009), Stellungnahme des Deutschen Beamtenbundes DBB (Ausschussdrucksache 16(11)1359 vom 30.4.2009); Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss) vom 14.5.2009, Drucksache 16/13055. 17. Legislaturperiode ab 2009 Deutscher Bundestag, Ausschuss für Arbeit und Soziales, Bericht des Bundesrechnungshofes an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages nach § 88 Abs. 2 BHO über die rentenrechtlichen Auswirkungen der Höherbewertung versicherter Arbeitsentgelte in den neuen Ländern (Kapitel 1113 Titelgruppe 02) vom 19.4.2010, Ausschussdrucksache 17(11)113. Deutscher Bundestag, Korrektur der Überleitung von DDR-Alterssicherungen in bundesdeutsches Recht, Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 6.5.2010, BT-Drucksache 17/1631. Deutscher Bundestag, Antwort auf die Kleine Anfrage der FRAKTION DIE LINKE, Löhne und Gehälter in Ost- und Westdeutschland und die Debatte um die Vereinheitlichung des Rentenrechts vom 3.6.2010 (BT-Drucksache 17/1913) vom 13.7.2010, BTDrucksache 17/2572. III. Deutscher Bundestag: Rentenanpassungsberichte, Rentenversicherungsbericht und Gutachten des Sozialbeirats zu den Rentenversicherungsberichten Rentenanpassungsbericht 1990 vom 28.11.1990, BT-Drucksache 11/8504. Rentenversicherungsbericht 1995 und Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 1995 vom 18.7.1995, BT-Drucksache 13/2017. Rentenversicherungsbericht 1999 und Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 1999 vom 2.12.1999, BT-Drucksache 14/2116.
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Rentenversicherungsbericht 2008 und Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 2008 vom 20.11.2009, BT-Drucksache 16/11060. Alterssicherungsbericht 2008, Ergänzender Bericht der Bundesregierung zum Rentenversicherungsbericht 2008 vom 21.11.2008 und Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 2008 und zum Alterssicherungsbericht 2008, BT-Drucksache 16/11061. Rentenversicherungsbericht 2009 und Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 2009 vom 20.11.2009, BT-Drucksache 17/52. IV. Deutscher Bundestag: Stenographische Berichte der Sitzungen 11. Legislaturperiode 1987–1990 173. Sitzung, Bonn, 8.11.1989, S. 13009–13098. 12. Legislaturperiode 1990–1994 24. Sitzung, Bonn, 26.4.1991, S. 1607–1641. 35. Sitzung, Bonn, 21.6.1991, S. 2929–2962. V.
Länderparlamente und Bundesrat
Antrag der Fraktion der PDS im Landtag Brandenburg vom 18.6.2002, Angleichung des aktuellen Rentenwertes Ost an West Drucksache 3/4500, abgerufen am 9.5.2010 unter: http://www.parldok.brandenburg.de/parladoku//w3/drs/ab%5F4500/4500.pdf. Entschließung des Bundesrates zur Vereinheitlichung des aktuellen Rentenwertes, BRDrucksache 845/08 vom 6.11.2008. Entschließung des Bundesrates zur Verbesserung der Versorgung der im Beitrittsgebiet vor dem 1.1.1992 Geschiedenen, Antrag der Länder Mecklenburg-Vorpommern und Berlin, BR-Drucksache 392/10 vom 29.6.2010. VI. Jahresberichte der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2009, veröffentlicht am 10.6.2009; abgerufen am 8.5.2010 unter: http://www.bmvbs.de/Anlage/original_1080493/Jahresbericht-zumStand-der-Deutschen-Einheit-2009.pdf.
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335
Bundesministerium des Innern, Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2010, veröffentlicht am 22.9.2010; abgerufen am 30.9.2010 unter: http:// www.bmi.bund.de/cln_174/sid_243D433D3E2CD30B6204A0943182A5EC/SharedDocs/ Downloads/BODL/Jahresberichte/2010.html?nn=1341518. VII. Materialien der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder Statistische Ämter des Bundes und der Länder; Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder VGR d L, Bruttolöhne und -gehälter (Inland) 1991-2008, http://www.vgrdl.de/ Arbeitskreis_VGR/tbls/tab11.asp (abgerufen am 18.7.2009). Statistische Ämter des Bundes und der Länder; Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Länder VGR d L, Bruttolöhne und -gehälter (Inland) 1991–2009, Berechnungsstand: August 2009/Februar 2010 | Nächste Aktualisierung: Januar 2011, http://www.statistikportal.de/Arbeitskreis_VGR/tbls/tab11.asp (abgerufen am 1.5.2010). VIII. Rentenanpassungsverordnungen (siehe Gesetze und Rechtsquellen, 6. II.)
336
6
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Gesetze und Rechtsquellen
I. 1.
Gesetze Staatsvertrag vom 18.5.1990, Gesetz über die Sozialversicherung (SVG-DDR) vom 28.6.1990, Rentenangleichungsgesetz (RAnglG-DDR) vom 28.6.1990, Aufhebungsgesetz vom 29.6.1990. 2. Einigungsvertrag vom 31.8.1990. 3. Renten-Überleitungsgesetz (RÜG) vom 25.7.1991, Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) als Art. 3 des RÜG, Versorgungsruhensgesetz als Art. 4 des RÜG; Rentenüberleitungs-Änderungsgesetz (RÜG-ÄndG) vom 18.12.1991, Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz (RÜG-ErgG) vom 24.6.1993, Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG-Änderungsgesetzes – AAÜG-ÄndG) vom 11.11.1996, 2. AAÜG-ÄndG vom 27.7.2001, 1. AAÜG-ÄndG vom 21.6.2005. II. Rentenanpassungsverordnungen und SozialversicherungsRechengrößenverordnungen 2010 und 2011 III. Rechtsquellen 1. Auszüge aus dem Staatsvertrag vom 18.5.1990 2. Auszüge aus dem Einigungsvertrag vom 31.8.1990 IV. Anlagen zum AAÜG
I.
Gesetze
1. Staatsvertrag Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18.5. 1990 (Staatsvertrag), BGBl. II S.537. Umsetzung des Staatvertrages für die Bundesrepublik durch „Gesetz vom 25.6.1990 zu dem Vertrag vom 18. Mai 1990 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik“ (Gesetz zum Staatsvertrag), BGBl. II S. 518ff.; für die DDR durch „Gesetz zum Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland vom 18. Mai 1990“ (Verfassungsgesetz) vom 21. Juni 1990, GBl. I, Nr.34, S. 331 ff.; daneben wurden von der Volkskammer zur Umsetzung das „Gesetz über die Sozialversicherung“ (SVG-DDR) vom 28.6.1990, GBl. I, Nr. 38, S. 486 ff. und das „Gesetz zur Angleichung der Bestandsrenten an das Nettorentenniveau der Bundesrepublik Deutschland und zu weiteren rentenrechtlichen Regelungen – Rentenangleichungsgesetz“ (RAnglG-DDR) vom 28.6.1990, GBl. I, Nr. 38, S. 495 verabschiedet. Die Vorgaben des Staatsvertrages, Zusatz- und Sonderversorgungssysteme zum 1.7.1990 zu schließen und Leistungen aufgrund von Sonderregelungen zu überprüfen mit
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337
dem Ziel, ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffen und überhöhte Leistungen abzubauen, wurde noch vom DDR-Gesetzgeber für Angehörige von MfS/AfNS mit dem Gesetz über die Aufhebung der Versorgungsordnung des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit (MfS)/des Amtes für Nationale Sicherheit (AfNS) – (Aufhebungsgesetz) vom 29.6.1990, GBl. I S. 501 umgesetzt. 2. Einigungsvertrag Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag) vom 31.8.1990; BGBl. II S. 889 ff. Der Einigungsvertrag ist zum 29.9.1990 in Kraft getreten. Umsetzung des Einigungsvertrages: Für die Bundesrepublik: Anders als beim Staatsvertrag war auf bundesdeutscher Seite wegen der Änderungen des Grundgesetzes eine ZweiDrittel-Mehrheit erforderlich: Gesetz zu dem Vertrag vom 31.8.1990 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands – Einigungsvertragsgesetz vom 23.9.1990 und Vereinbarung vom 18.9.1990, BGBl. II S. 885ff. Für die DDR: Gesetz zum Vertrag zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland über die Herstellung der Einheit Deutschlands – Einigungsvertrag vom 31.8.1990 (Verfassungsgesetz) vom 20.9.1990, GBl. I Nr. 64 S. 1627ff. 3. Rentenüberleitungsgesetz Gesetz zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung (Renten-Überleitungsgesetz – RÜG) vom 25.7.1991, BGBl. I S. 1606 ff. Als Art. 3 des RÜG: Gesetz zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz – AAÜG) und als Art. 4 des RÜG: Gesetz über das Ruhen von Ansprüchen aus Sonder- und Zusatzversorgungssystemen (Versorgungsruhensgesetz); Zur weiteren Umsetzung wurde das AAÜG wie folgt geändert: Rentenüberleitungs-Änderungsgesetz (RÜG-ÄndG) vom 18.12.1991, BGBl I S. 2207 ff. Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz (RÜG-ErgG) vom 24.6.1993, BGBl I S. 1038ff. Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG-Änderungsgesetz – AAÜG-ÄndG) vom 11.11.1996, BGBl I 1674ff. Zweites Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (2. AAÜG-Änderungsgesetz – 2. AAÜG-ÄndG) vom 27.7. 2001, BGBl. I S. 1939ff. Erstes Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (1. AAÜG-Änderungsgesetzes – 1. AAÜG-ÄndG) vom 21.6. 2005; BGBl. I S. 1672.
338 II.
Anhang Rentenanpassungsverordnungen (siehe auch Tabelle 31, Teil 3, C., I., 2.; Anmerkung: Die älteren Bundesrats-Drucksachen können unter: www.parlamentsspiegel. de eingesehen werden.) und Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnungen 2010 und 2011: Erste Rentenanpassungsverordnung (1. RAV) zum 1.1.1991, BR-Drucksache 816/90 vom 14.11.1990; BGBl. I S. 2867 vom 14.12.1990: „Seit dem 1. Juli 1990 sind die durchschnittlichen Nettoarbeitsverdienste in den beigetretenen Ländern erheblich stärker als im bisherigen Bundesgebiet angestiegen. Es ist davon auszugehen, daß sich diese Tendenz in Richtung einer Annäherung des Lohn- und Gehaltsniveaus auch im Jahre 1991 fortsetzen wird, um entsprechend der Zielsetzung des Staatsvertrages im Beitrittsgebiet ein Nettorentenniveau von 70 vom Hundert aufrechtzuerhalten, ist zum 1. Januar 1991 eine Anhebung der Renten sowie der Kriegsbeschädigtenrenten im Umfang von 15 vom Hundert erforderlich, wodurch die Standardrente in den beigetretenen Ländern 46 vom Hundert der Standardrente im übrigen Bundesgebiet erreicht.“ (BR-Drucksache 816/90, S. 6). Zweite Rentenanpassungsverordnung (2. RAV) zum 1.7.1991, BR-Drucksache 255/91 vom 25.4.1991; BGBl. I S. 1300 vom 19.6.1991: „Die Renten aus der Rentenversicherung werden dadurch angepaßt, daß der sich für den Monat Juli 1991 ergebende anpassungsfähige Betrag um 15 vom Hundert erhöht wird“ (§ 4 der 2. RAV). Dritte Rentenanpassungsverordnung (3. RAV) zum 1.1.1992, BR-Drucksache 702/91 vom 14.11.1991, BGBl. I S. 2344 vom 19.12.1991. (Vierte) Rentenanpassungsverordnung 1992 – RAV 1992 zum 1.7.1992, BRDrucksache 277/92 vom 24.4.1992; BGBl. I S. 1017 vom 5.6.1992. Fünfte Rentenanpassungsverordnung (5. RAV) zum 1.1.1993, Bundesrats-Drucksache 687/92 vom 22.10.1992, BGBl. I S. 1998 vom 8.12.1992. (Sechste) Rentenanpassungsverordnung 1993 – RAV 1993 zum 1.7.1993, Bundesrats-Drucksache 280/93 vom 22.4.1993; BGBl. I S. 917 vom 9.6.1993. Verordnung zur Bestimmung der Beitragsätze für 1994 und 7. Anpassung der Renten im Beitrittsgebiet – Beitragssatzverordnung 1994 – BSV 1994 zum 1.1.1994, BR-Drucksache 768/93 vom 27.10.1993; 1.12.1993; BGBl. I S. 1987 vom 1.12.1993. Rentenanpassungsverordnung 1994 – RAV 1994 und 8. Anpassung der Renten im Beitrittsgebiet zum 1.7.1994, BR-Drucksache 312/94 vom 18.4.1994; BGBl. I S. 1224 vom 10.6.1994. Neunte Rentenanpassungsverordnung – 9. RAV zum 1.1.1995, BR-Drucksache 914/94 vom 6.10.1994; BGBl. I S. 3805 vom 12.12.1994. Rentenanpassungsverordnung 1995 – RAV 1995 und 10. Anpassung der Renten im Beitrittsgebiet zum 1.7.1995, BR-Drucksache 186/95 vom 4.4.1995, BGBl. I S. 772 vom 1.6.1995. Elfte Rentenanpassungsverordnung – 11. RAV zum 1.1.1996, BR-Drucksache 739/95 vom 2.11.1995, BGBl. I S. 1582 vom 4.12.1995. Rentenanpassungsverordnung 1996 – RAV 1996 zum 1.7.1996, BR-Drucksache 286/96 vom 17.4.1996; BGBl. I S. 813 vom 19.6.1996 .
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339
Rentenanpassungsverordnung 1997 – RAV 1997 zum 1.7.1997, BR-Drucksache 270/97 vom 17.4.1997; BGBl. I S. 1352 vom 10.6.1997 . Rentenanpassungsverordnung 1998 – RAV 1998 zum 1.7.1998, BR-Drucksache 291/98 vom 27.3.1998; BGBl. I S. 1166 vom 20.5.1998. Rentenanpassungsverordnung 1999 – RAV 1999 zum 1.7.1999, BR-Drucksache 225/99 vom 7.4.1999, BGBl. I S. 1078 vom 27.5.1999. Rentenanpassungsverordnung 2000 – RAV 2000 zum 1.7.2000, BR-Drucksache 189/00 vom 6.4.2000, BGBl. I S. 788 vom 31.5.2000. Rentenanpassungsverordnung 2001 – RAV 2001 zum 1.7.2001, BR-Drucksache 312/01 vom 19.4.2001, BGBl. I S. 1040 vom 14.6.2001. Rentenanpassungsverordnung 2002 – RAV 2002 zum 1.7.2002, BR-Drucksache 335/02 vom 17.4.2002, BGBl. I S. 1799 vom 7.6.2002. Rentenanpassungsverordnung 2003 – RAV 2003 zum 1.7.2003, BR-Drucksache 257/03 vom 1.4.2003; BGBl. I S. 784 vom 4.6.2003. Gesetz über die Aussetzung der Anpassung der Renten zum 1.7.2004; BTDrucksache 15/1830 vom 23.10.2003; verabschiedet als Art. 2 zum 2. Gesetz zur Änderung des SGB VI und anderer Gesetze, BGBl. I S. 3013 vom 27.12.2003. Rentenwertbestimmungsverordnung 2005 – RWBestV 2005 zum 1.7.2005, BRDrucksache 242/05 vom 14.4.2005, BGBl. I S. 1578 vom 6.6.2005. Gesetz über die Weitergeltung der aktuellen Rentenwerte vom 15.6.2006, BTDrucksache 16/1119 vom 4.4.2006; BGBl. I S. 1304 vom 15.6.2006. Rentenwertbestimmungsverordnung 2007 – RWBestV 2007 zum 1.7.2007, BRDrucksache 280/07vom 27.4.2007; BGBl. I S. 1113 vom 14.6.2007. Gesetz zur Rentenanpassung 2008, BT-Drucksache 16/874 vom 26.6.2008; BGBl. I S. 1076 vom 26.6.2008. Rentenwertbestimmungsverordnung 2009 – RWBestV 2009 vom 22.4.2009, BRDrucksache 380/09 vom 22.4. BGBl. I S. 1335 vom 17.6.2009. Rentenwertbestimmungsverordnung 2010 – RWBestV 2010 vom 23.4.2010, BRDrucksache 236/10, BGBl. I S. 816 vom 22.6.2010. Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2010 vom 7.10.2009, BundesratsDrucksache 752/09. Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2011, Referentenentwurf vom 24.9.2010, im Internet abgerufen am 10.10.2010 unter: http://www.der-betrieb.de/ content/dft,0,364282,
III. Rechtsquellen/Verträge 1. Auszüge aus dem Staatsvertrag vom 18.5.1990740 (Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik)
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Quelle: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Nr. 63 vom 18.5.1990.
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Die hohen Vertragsschließenden Seiten – Dank der Tatsache, daß in der Deutschen Demokratischen Republik im Herbst 1989 eine friedliche und demokratische Revolution stattgefunden hat, entschlossen, in Freiheit die Einheit Deutschlands in einer europäischen Friedensordnung alsbald zu vollenden, in dem gemeinsam Willen, die Soziale Marktwirtschaft als Grundlage für die weitere wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung mit sozialem Ausgleich und sozialer Absicherung und Verantwortung gegenüber der Umwelt auch in der Deutschen Demokratischen Republik einzuführen und hierdurch die Lebensund Beschäftigungsbedingungen ihrer Bevölkerung stetig zu verbessern, ausgehend von dem beiderseitigem Wunsch, durch die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion einen ersten bedeutsamen Schritt in Richtung auf die Herstellung der staatlichen Einheit nach Artikel 23 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland als Beitrag zur europäischen Einigung unter Berücksichtigung der Tatsache zu unternehmen, daß die äußeren Aspekte der Herstellung der Einheit Gegenstand der Gespräche mit den Regierungen der Französischen Republik, der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland und der Vereinigten Staaten von Amerika sind, in der Erkenntnis, daß mit der Herstellung der staatlichen Einheit die Entwicklung föderativer Strukturen in der Deutschen Demokratischen Republik einhergeht. In dem Bewusstsein, daß die Regierungen dieses Vertrages die Anwendung des Rechts der Europäischen Gemeinschaften nach Herstellung der staatlichen Einheit gewährleisten sollen … sind übereingekommen, einen Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion mit den nachfolgenden Bestimmungen zuschließen: Artikel 1 – Gegenstand des Vertrages (1) Die Vertragsparteien errichten eine Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion. (2) – (3) (4) Die Sozialunion bildet mit der Währungs- und Wirtschaftsunion eine Einheit. Sie wird insbesondere bestimmt durch eine der Sozialen Marktwirtschaft entsprechende Arbeitsrechtsordnung und ein auf den Prinzipien der Leistungsgerechtigkeit und des sozialen Ausgleichs beruhenden umfassenden Systems der sozialen Sicherung. Artikel 2 – Grundsätze (1) Die Vertragsparteien bekennen sich zur freiheitlichen, demokratischen, föderativen, rechtsstaatlichen und sozialen Grundordnung. Zur Gewährleistung der in diesem Vertrag oder in Ausführung dieses Vertrags begründeten Rechte garantieren sie insbesondere die Vertragsfreiheit, Gewerbe-, Niederlassungs- und Berufsfreiheit, die Freizügigkeit von Deutschen in dem gesamten Währungsgebiet, die Freiheit, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbindungen Vereinigungen zu bilden, sowie nach Maßgabe der Anlage IX das Eigentum privater Investoren an Grund und Boden sowie an Produktionsmitteln. (2) Entgegenstehende Vorschriften der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik über die Grundlagen ihrer bisherigen sozialistischen Gesellschafts- und Staatsordnung werden nicht mehr angewendet.
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Artikel 10 – Voraussetzungen und Grundsätze (1) – (4) (5) Um die in den Absätzen 1 bis 4 bezeichneten Ziele zu erreichen, vereinbaren die Vertragsparteien nach näherer Maßgabe der in der Anlage I niedergelegten Bestimmungen folgende Grundsätze für die Währungsunion: Mit Wirkung vom 1. Juli 1990 wird die Deutsche Mark als Währung in der Deutschen Demokratischen Republik eingeführt. Die von der Deutschen Bundesbank ausgegebenen, auf Deutsche Mark lautenden Banknoten und die von der Bundesrepublik Deutschland ausgegebenen, auf Deutsche Mark oder Pfennig lautenden Bundesmünzen sind vom 1. Juli 1990 an alleiniges gesetzliches Zahlungsmittel. Löhne, Gehälter, Stipendien, Renten, Mieten und Pachten sowie weitere wiederkehrende Zahlungen werden im Verhältnis 1 zu 1 umgestellt. Artikel 18 – Grundsätze der Sozialversicherung (1) Die Deutsche Demokratische Republik führt ein gegliedertes System der Sozialversicherung ein, für das folgende Grundsätze gelten: 1. Renten-, Kranken-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung werden jeweils durch Selbstverwaltungskörperschaften des öffentlichen Rechts unter der Rechtsaufsicht des Staates durchgeführt. 2. Die Renten-, Kranken-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung einschließlich der Arbeitsförderung werden vor allem durch Beiträge finanziert. Die Beiträge zur Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung werden grundsätzlich je zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern entsprechend den Beitragssätzen in der Bundesrepublik Deutschland und zur Unfallversicherung von Arbeitgebern getragen. 3. Lohnersatzleistungen orientieren sich an der Höhe der versicherten Entgelte (2) Zunächst werden die Aufgaben der Renten-, Kranken- und Unfallversicherung von einem gemeinsamen Träger durchgeführt; die Einnahmen und Ausgaben werden getrennt nach den Versicherungsarten erfaßt und abgerechnet. Möglichst bis zum 1. Januar 1991 werden für die Renten-, Kranken- und Unfallversicherung eigenständige Träger gebildet. Ziel dabei ist eine Organisationsstruktur der Sozialversicherung, die der in der Bundesrepublik Deutschland entspricht. (3) In der Deutschen Demokratischen Republik kann für eine Übergangszeit die bestehende und umfassende Sozialversicherungspflicht beibehalten werden. Für Selbständige und freiberuflich Tätige soll der Nachweis einer ausreichenden anderweitigen Sicherung eine Befreiung von Sozialversicherungspflicht vorgesehen werden. In diesem Zusammenhang wird die Errichtung von berufsständischen Versorgungswerken außerhalb der Rentenversicherung ermöglicht. (4) Lohnempfänger, deren Lohneinkünfte im letzten Lohnabrechnungszeitraum vor dem 1. Juli 1990 einem besonderen Steuersatz gemäß Paragraph 10 der Verordnung vom 22. Dezember 1952 über die Besteuerung des Arbeitseinkommens (GBl. Nr. 182, S.1413) unterlagen, erhalten bis zum 31. Dezember 1990 zu ihrem Rentenversicherungsbeitrag einen Zuschuß bei einem Monatslohn - bis 600 Deutsche Mark in Höhe von 30 Deutsche Mark, - über 600 bis 700 Deutsche Mark in Höhe von 20 Deutsche Mark, - über 700 bis 800 Deutsche Mark in Höhe von 10 Deutsche Mark,
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Lohneinkünfte aus mehreren Arbeitsverhältnissen werden zusammengerechnet. Der Zuschuß wird dem Lohnempfänger vom Arbeitgeber ausgezahlt. Der Arbeitgeber erhält diese Aufwendungen auf Antrag aus dem Staatshaushalt erstattet. (5) Die Versicherungspflicht- und Beitragsbemessungsgrenzen werden nach den Grundsätzen des Sozialversicherungsrechts der Bundesrepublik Deutschland festgelegt. Artikel 20 – Rentenversicherung (1) Die Deutsche Demokratische Republik leitet alle erforderlichen Maßnahmen ein, um ihr Rentenrecht an das auf dem Grundsatz der Lohn- und Beitragsbezogenheit beruhende Rentenversicherungsrecht der Bundesrepublik Deutschland anzugleichen. Dabei wird in einer Übergangszeit von fünf Jahren für die rentennahen Jahrgänge dem Grundsatz des Vertrauensschutzes Rechnung getragen. (2) Die Rentenversicherung verwendet die ihr zur Verfügung stehenden Mittel ausschließlich zur Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben bei Rehabilitation, Invalidität, Alter und Tod. Die bestehenden Zusatz- und Sonderversorgungssysteme werden grundsätzlich zum 1. Juli 1990 geschlossen. Bisher erworbene Ansprüche und Anwartschaften werden in die Rentenversicherung überführt, wobei Leistungen aufgrund von Sonderregelungen mit dem Ziel überprüft werden, ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffen und überhöhte Leistungen abzubauen. Die der Rentenversicherung durch die Überführung entstehenden Mehraufwendungen werden ihr aus dem Staatshaushalt erstattet. (3) Die Bestandsrenten der Rentenversicherung werden bei Umstellung auf Deutsche Mark auf ein Nettorentenniveau festgesetzt, das bei einem Rentner mit 45 Versicherungsjahren/Arbeitsjahren, dessen Verdienst jeweils dem volkswirtschaftlichen Durchschnittsverdienst entsprochen hat, 70 vom Hundert des durchschnittlichen Nettoarbeitsverdienstes in der Deutschen Demokratischen Republik beträgt. Bei einer größeren oder geringeren Zahl von Versicherungsjahren/Arbeitsjahren ist der Prozentsatz entsprechend höher oder niedriger. Basis für die Berechnung des Anhebungssatzes der individuell bezogenen Renten ist die nach Zugangsjahren gestaffelte Rente eines Durchschnittsverdieners in der Deutschen Demokratischen Republik, der von seinem Einkommen neben den Pflichtbeiträgen zur Sozialversicherung volle Beiträge zur freiwilligen Zusatzversicherung der Deutschen Demokratischen Republik gezahlt hat. Soweit hiernach eine Anhebung nicht erfolgt, wird eine Rente in Deutsche Mark gezahlt, die der Höhe der früheren Rente in Mark der Deutschen Demokratischen Republik entspricht. Die Hinterbliebenenrenten werden von der Rente abgeleitet, die der Verstorbene nach der Umstellung erhalten hätte. (4) Die Renten der Rentenversicherung werden entsprechend der Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter in der Deutschen Demokratischen Republik angepaßt. (5) Die freiwillige Zusatzrentenversicherung in der Deutschen Demokratischen Republik wird geschlossen. (6) Die Deutsche Demokratische Republik beteiligt sich an den Ausgaben ihrer Rentenversicherung mit einem Staatszuschuß. (7) Personen, die nach dem 18. Mai 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt aus dem Gebiet der einen Vertragspartei in das Gebiet der anderen Vertragspartei verlegt haben, erhalten von dem bisher zuständigen Rentenversicherungsträger ihre nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften berechnete Rente für die dort zurückgelegten Zeiten.
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Artikel 24 – Sozialhilfe Die Deutsche Demokratische Republik führt ein System der Sozialhilfe ein, das dem Sozialhilfegesetz der Bundesrepublik Deutschland entspricht. Artikel 25 – Anschubfinanzierung Soweit in einer Übergangszeit in der Arbeitslosenversicherung der Deutschen Demokratischen Republik die Beiträge und in der Rentenversicherung der Deutschen Demokratischen Republik die Beiträge und der Staatszuschuß die Ausgaben für die Leistungen nicht voll abdecken, leistet die Bundesrepublik Deutschland an die Deutsche Demokratische Republik eine vorübergehende Anschubfinanzierung im Rahmen der nach Artikel 28 zugesagten Haushaltshilfe. Artikel 28 – Finanzzuweisungen der Bundesrepublik Deutschland (1) Die Bundesrepublik Deutschland gewährt der Deutschen Demokratischen Republik zweckgebundene Finanzzuweisungen zum Haushaltsausgleich für das 2. Halbjahr 1990 von 22 Milliarden Deutsche Mark und für 1991 von 35 Milliarden Deutsche Mark. Außerdem werden gemäß Artikel 25 zu Lasten des Bundeshaushalts als Anschubfinanzierung für die Rentenversicherung 750 Millionen Deutsche Mark für das 2. Halbjahr 1990 sowie für die Arbeitslosenversicherung 2 Milliarden Deutsche Mark für das 2. Halbjahr 1990 und 3 Milliarden Deutsche Mark für 1991 gezahlt. Die Zahlungen erfolgen bedarfsgerecht. (2) Die Vertragsparteien stimmen darin überein, daß die gemäß Artikel 18 des Abkommens vom 17. Dezember 1971 über den Transitverkehr von zivilen Personen und Gütern zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) zu zahlende Transitpauschale mit Inkrafttreten dieses Vertrages entfällt. Die Deutsche Demokratische Republik hebt die Vorschriften über die in diesem Abkommen sowie in dem Abkommen vom 31. Oktober 1979 über die Befreiung von Straßenfahrzeugen von Steuern und Gebühren geregelten Gebühren mit Wirkung für die beiden Vertragsparteien auf. In Abänderung der Vereinbarung vom 5. Dezember 1989 vereinbaren die Vertragsparteien, daß ab dem 1. Juli 1990 keine Einzahlungen in den Reise-Devisenfonds mehr geleistet werden. Über die Verwendung eines bei Einführung der Währungsunion noch vorhandenen Betrags der Gegenwertmittel aus dem Reise-Devisenfonds wird zwischen den Finanzministern der Vertragsparteien eine ergänzende Vereinbarung getroffen. Artikel 38 – Inkrafttreten Dieser Vertrag einschließlich des Gemeinsamen Protokolls sowie der Anlagen I-IX tritt an dem Tag in Kraft, an dem die Regierungen der Vertragsparteien einander mitgeteilt haben, daß die erforderlichen verfassungsrechtlichen und sonstigen innerstaatlichen Voraussetzungen für das Inkrafttreten erfüllt sind. (Anmerkung: Unterzeichner: Für die Bundesrepublik Deutschland: Dr. Theo Waigel Für die Deutsche Demokratische Republik: Dr. Walter Romberg)
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2. Auszüge aus dem Einigungsvertrag vom 31.8.1990 (Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands) Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik – entschlossen, die Einheit Deutschlands in Frieden und Freiheit als gleichberechtigtes Glied der Völkergemeinschaft in freier Selbstbestimmung zu vollenden, ausgehend von dem Wunsch der Menschen in beiden Teilen Deutschlands, gemeinsam in Frieden und Freiheit in einem rechtsstaatlich geordneten, demokratischen und sozialen Bundesstaat zu leben, in dankbarem Respekt vor denen, die auf friedliche Weise der Freiheit zum Durchbruch verholfen haben, die an der Aufgabe der Herstellung der Einheit Deutschlands unbeirrt festgehalten haben und sie vollenden, im Bewußtsein der Kontinuität deutscher Geschichte und eingedenk der sich aus unserer Vergangenheit ergebenden besonderen Verantwortung für eine demokratische Entwicklung in Deutschland, die der Achtung der Menschenrechte und dem Frieden verpflichtet bleibt, in dem Bestreben, durch die deutsche Einheit einen Beitrag zur Einigung Europas und zum Aufbau einer europäischen Friedensordnung zu leisten, in der Grenzen nicht mehr trennen und die allen europäischen Völkern ein vertrauensvolles Zusammenleben gewährleistet, in dem Bewußtsein, daß die Unverletzlichkeit der Grenzen und der territorialen Integrität und Souveränität aller Staaten in Europa in ihren Grenzen eine grundlegende Bedingung für den Frieden ist – sind übereingekommen, einen Vertrag über die Herstellung der Einheit Deutschlands mit den nachfolgenden Bestimmungen zu schließen: Artikel 3 – Inkrafttreten des Grundgesetzes Mit dem Wirksamwerden des Beitritts tritt das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Dezember 1983 (BGBl. I S. 1481), in den Ländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, SachsenAnhalt und Thüringen sowie in dem Teil des Landes Berlin, in dem es bisher nicht galt, mit den sich aus Artikel 4 ergebenden Änderungen in Kraft, soweit in diesem Vertrag nichts anderes bestimmt ist. Artikel 30 – Arbeit und Soziales (1) Es ist Aufgabe des gesamtdeutschen Gesetzgebers, 1. das Arbeitsvertragsrecht sowie das öffentlich-rechtliche Arbeitszeitrecht einschließlich der Zulässigkeit von Sonn- und Feiertagsarbeit und den besonderen Frauenarbeitsschutz möglichst bald einheitlich neu zu kodifizieren, 2. den öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutz in Übereinstimmung mit dem Recht der Europäischen Gemeinschaften und dem damit konformen Teil des Arbeitsschutzrechts der Deutschen Demokratischen Republik zeitgemäß neu zu regeln. (2) Arbeitnehmer können in dem in Artikel 3 genannten Gebiet ein Altersübergangsgeld nach Vollendung des 57. Lebensjahres für die Dauer von drei Jahren, längstens bis zum frühestmöglichen Bezug einer Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten. Die Höhe des Altersübergangsgeldes beträgt 65 vom Hundert des letzten durchschnittlichen Nettoarbeitsentgelts; für Arbeitnehmer, deren Anspruch bis zum 1. April 1991 entsteht, wird das Altersübergangsgeld für die ersten 312 Tage um einen Zuschlag
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von 5 Prozentpunkten erhöht. Das Altersübergangsgeld gewährt die Bundesanstalt für Arbeit in Anlehnung an die Regelungen des Arbeitslosengeldes, insbesondere der Regelung des § 105c des Arbeitsförderungsgesetzes. Die Bundesanstalt für Arbeit kann einen Antrag ablehnen, wenn feststeht, daß in der Region für die bisherige berufliche Tätigkeit des Antragstellers ein deutlicher Mangel an Arbeitskräften besteht. Das Altersübergangsgeld wird vom Bund erstattet, soweit es die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld übersteigt. Die Altersübergangsgeldregelung findet für neu entstehende Ansprüche bis zum 31. Dezember 1991 Anwendung. Der Geltungszeitraum kann um ein Jahr verlängert werden. In der Zeit vom Wirksamwerden des Vertrags bis zum 31. Dezember 1990 können Frauen Altersübergangsgeld nach Vollendung des 55. Lebensjahres für längstens fünf Jahre erhalten. (3) Der in dem in Artikel 3 genannten Gebiet in Verbindung mit dem Vertrag vom 18. Mai 1990 eingeführte Sozialzuschlag zu Leistungen der Renten-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung wird auf Neuzugänge bis 31. Dezember 1991 begrenzt. Die Leistung wird längstens bis zum 30. Juni 1995 gezahlt. (4) Die Übertragung von Aufgaben der Sozialversicherung auf die einzelnen Träger hat so zu erfolgen, daß die Erbringung der Leistungen und deren Finanzierung sowie die personelle Wahrnehmung der Aufgaben gewährleistet wird. Die Vermögensaufteilung (Aktiva und Passiva) auf die einzelnen Träger der Sozialversicherung wird endgültig durch Gesetz festgelegt. (5) Die Einzelheiten der Überleitung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (Rentenversicherung) und der Vorschriften des Dritten Buches der Reichsversicherungsordnung (Unfallversicherung) werden in einem Bundesgesetz geregelt. Für Personen, deren Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in der Zeit vom 1. Januar 1992 bis 30. Juni 1995 beginnt, wird 1. eine Rente grundsätzlich mindestens in der Höhe des Betrags geleistet, der sich am 30. Juni 1990 nach dem bis dahin geltenden Rentenrecht in dem in Artikel 3 genannten Gebiet ohne Berücksichtigung von Leistungen aus Zusatz- oder Sonderversorgungssystemen ergeben hätte, 2. eine Rente auch dann bewilligt, wenn am 30. Juni 1990 nach dem bis dahin geltenden Rentenrecht in dem in Artikel 3 genannten Gebiet ein Rentenanspruch bestanden hätte. Im übrigen soll die Überleitung von der Zielsetzung bestimmt sein, mit der Angleichung der Löhne und Gehälter in dem in Artikel 3 genannten Gebiet an diejenigen in den übrigen Ländern auch eine Angleichung der Renten zu verwirklichen. (6) Bei der Fortentwicklung der Berufskrankheitenverordnung ist zu prüfen, inwieweit die bisher in dem in Artikel 3 des Vertrags genannten Gebiet geltenden Regelungen berücksichtigt werden können. Artikel 45 – Inkrafttreten des Vertrags (1) Dieser Vertrag einschließlich des anliegenden Protokolls und der Anlagen I bis III tritt an dem Tag in Kraft, an dem die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik einander mitgeteilt haben, dass die erforderlichen innerstaatlichen Voraussetzungen für das Inkrafttreten erfüllt sind. (2) Der Vertrag bleibt nach Wirksamwerden des Beitritts als Bundesrecht geltendes Recht.
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GESCHEHEN zu Berlin am 31. August 1990 in zwei Unterschriften in deutscher Sprache. Für die Bundesrepublik Deutschland Dr. Wolfgang Schäuble Für die Deutsche Demokratische Republik Dr. Guenther Krause
Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 Buchst. a und b zum Einigungsvertrag: a) Die noch nicht geschlossenen Versorgungssysteme sind bis zum 31.12.1991 zu schließen; Neueinbeziehungen sind vom 3.Oktober 1990 an nicht mehr zulässig. (Anm.: bis zum 31.12.1991 wurde das Leistungsrecht weiter angewendet.) b) (Satz 1): Die erworbenen Ansprüche und Anwartschaften auf Leistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, Alter und Tod sind, soweit dies noch nicht geschehen ist, bis zum 31.Dezember 1991 in die Rentenversicherung zu überführen. (Satz 2): Bis zur Überführung sind die leistungsrechtlichen Regelungen der jeweiligen Versorgungssysteme weiter anzuwenden, soweit sich aus dem Vertrag, insbesondere den nachfolgenden Regelungen, nichts anderes ergibt. (Satz 3): Ansprüche und Anwartschaften sind, auch soweit sie bereits überführt sind oder das jeweilige Versorgungssystem bereits geschlossen ist, 1. nach Art, Grund und Umfang den Ansprüchen und Anwartschaften nach den allgemeinen Regelungen der Sozialversicherung in dem in Artikel 3 des Vertrages genannten Gebiet unter Berücksichtigung der jeweiligen Beitragszahlungen anzupassen, wobei ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffen und überhöhte Leistungen abzubauen sind sowie eine Besserstellung gegenüber vergleichbaren Ansprüchen und Anwartschaften aus anderen öffentlichen Versorgungssystemen nicht erfolgen darf, 2. darüber hinaus zu kürzen oder abzuerkennen, wenn der Berechtigte gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat oder in schwerwiegendem Maße seine Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer mißbraucht hat. (Satz 4): Bei Personen, die am 3. Oktober 1990 leistungsberechtigt sind, darf bei der Anpassung nach Satz 3 Nr. 1 der Zahlbetrag nicht unterschritten werden, der für Juli 1990 aus der Sozialversicherung und dem Versorgungssystem zu erbringen war. (Satz 5): Bei Personen, die in der Zeit vom 4. Oktober bis 30. Juni 1995 leistungsberechtigt werden, darf bei der Anpassung nach Satz 3 Nr. 1 der Zahlbetrag nicht unterschritten werden, der für Juli 1990 aus der Sozialversicherung und dem Versorgungssystem zu erbringen gewesen wäre, wenn der Versorgungsfall am 1. Juli 1990 eingetreten wäre. (Anm.: Zahlbetragsgarantie)
IV. Anlagen zum AAÜG Anlage 1: Zusatzversorgungssysteme; Anlage 2: Sonderversorgungssysteme;
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Anlage 3: Beitragsbemessungsgrenze (Ost) fiktiv: BBG (West) geteilt durch Anlage 10 zum SGB VI; max. 1,8 EP (§ 6 Abs. 1 AAÜG); Anlage 4: 1,4-fache des Durchschnittsentgelts (Ost) (§ 6 Abs. 3 AAÜG), wurde durch das AAÜG-ÄndG vom 11.11.1996 durch die neue Anlage 4 (= Gehalt E 3) ersetzt; Anlage 5: Durchschnittsentgelt (Ost); Anlage 6: 70 % des Durchschnittsentgelts (Ost) (§ 7 AAÜG); wurde durch das 2. AAÜGÄndG vom 27.7.2001 auf das Durchschnittsentgelt (Ost) begrenzt.
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Die maßgeblichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgericht (in historischer Reihenfolge)
Aktenzeichen/ Datum Fundstelle 1BvL32/95 28.4.1999 1BvR2105/95 BVerfGE100, 1Ͳ59
1BvL22/95 1BvL34/95 BVerfGE100, 59Ͳ104
28.4.1999
Leitsätze/Entscheidungsgrundsätze x DieinderDeutschenDemokratischenRepublikerworbenen undimEinigungsvertragnachdessenMaßgabenalsRechtspoͲ sitionendergesamtdeutschenRechtsordnunganerkannten AnsprücheundAnwartschaftenausZusatzͲundSonderverͲ sorgungssystemengenießendenSchutzdes Art.14Abs.1Satz1GG. x Esistverfassungsrechtlichnichtzubeanstanden,daßdieinder DeutschenDemokratischenRepublikbestehendenZusatzͲund SonderversorgungssystemegeschlossenunddiedarinerworͲ benenAnsprücheundAnwartschaftenindiegesetzlicheRenͲ tenversicherungüberführtwurden.DieVorschriftdesEiniͲ gungsvertragesüberdieZahlbetragsgarantieistjedochverfasͲ sungskonformdahinauszulegen,daßderhiergarantierteZahlͲ betragfürBestandsrentnerab1.1.1992andieLohnͲundEinͲ kommensentwicklunganzupassenist. x DieRegelungdes§10Abs.1Satz2AAÜGüberdievorläufige ZahlbetragsbegrenzungverstößtgegenArt.14Abs.1GGund istnichtig. x DiebiszurÜberführungderAnsprücheundAnwartschaftenaus ZusatzͲundSonderversorgungssystemenderDeutschenDemoͲ kratischenRepublikindiegesetzlicheRentenversicherung–als NormdesBundesrechtsweitergeltende–Vorschriftdes§23 Abs.1RAnglGunddieÜbergangsbestimmungendes§61.RAV unddes§82.RAVsindmitdemGrundgesetzvereinbar. x ZurVerfassungsmäßigkeitderRegelungendes§6Abs.2und des§6Abs.3Nr.7AAÜGinderFassungdesRentenüberleiͲ tungsͲErgänzungsgesetzesüberdieBerücksichtigungvonArͲ beitsentgeltenoderArbeitseinkommenzusatzͲundsonderͲ versorgterPersonenindergesetzlichenRentenversicherung. x DemGesetzgeberistesvonVerfassungswegennichtverͲ wehrt,beiderBerechnungderRentenachdemSGBVIdiein derDeutschenDemokratischenRepublikerzieltenArbeitsentͲ gelteoderArbeitseinkommenvonAngehörigenbestimmter VersorgungssystemeundvonInhabernbestimmterFunktioͲ nenauchunterhalbderBeitragsbemessungsgrenzeunbeͲ rücksichtigtzulassen,soweitsienichtaufArbeitundLeistung beruhtenunddeshalbüberhöhtwaren.DieBestimmungder ErhöhungstatbeständeunddiedarangeknüpftenFolgenfür dieBerücksichtigungderArbeitsverdienstemüssenaberin dentatsächlichenVerhältnisseneineEntsprechungfinden,um demGleichheitsgebotdesArt.3Abs.1GGzugenügen.
Anhang 1BvR1926/96 1BvR485/97 BVerfGE100, 104Ͳ137 1BvL11/94 1BvL33/95 1BvR1560/97 BVerfGE100, 138Ͳ195
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28.4.1999
1BvR2544/951 2.7.2002 BvR1944/971 BvR2270/00 SozR3Ͳ8120 KapHIII Nr6Nr3
EsistmitArt.3Abs.1GGunvereinbar,daßbeiderNeuberechͲ nungvonBestandsrentenausZeitenderZugehörigkeitzu einemZusatzͲoderSonderversorgungssystemderDeutschen DemokratischenRepublikfürdieErmittlungderpersönlichen Entgeltpunkte(Ost)diewährenddergesamtenVersicherungszeit bezogenentatsächlichenArbeitsentgelteoderArbeitseinkomͲ menzugrundegelegtwerden,währendfürdiesonstigenBeͲ standsrentnerimBeitrittsgebietnach§307aAbs.2Satz1SGB VIeinZwanzigjahreszeitraummaßgeblichist. x Diedurch§7Abs.1Satz1AAÜG(inVerbindungmitAnlage6) fürAngehörigedesSonderversorgungssystemsdesMinisteͲ riumsfürStaatssicherheit/AmtesfürNationaleSicherheit vorgenommeneBegrenzungderberücksichtigungsfähigen ArbeitsentgelteoderArbeitseinkommenauf70vomHundert desjeweiligenDurchschnittsentgeltsimBeitrittsgebietistmit Art.3Abs.1undArt.14GGnichtvereinbarundnichtig,soͲ weitfürdieRentenberechnungdaszugrundezulegendeArͲ beitsentgeltoderArbeitseinkommenunterdasjeweilige DurchschnittsentgeltimBeitrittsgebietabgesenktwird. x DieVorschriftdes§10Abs.2Satz1Nr.1AAÜGüberdie BegrenzungvonZahlbeträgenderLeistungendesSonderverͲ sorgungssystemsdesMinisteriumsfürStaatssicherheit/Amtes fürNationaleSicherheitauf802DMmonatlichbeiVersiͲ chertenrentenverstößtgegenArt.14GGundistnichtig. x DiepauschaleKürzungvonVersorgungsleistungenausdem genanntenVersorgungssystemnachdemalsBundesrecht fortgeltendenGesetzderDeutschenDemokratischenRepublik überdieAufhebungderVersorgungsordnungdesehemaligen MinisteriumsfürStaatssicherheit/AmtesfürNationaleSicherͲ heitistmitdemGrundgesetzvereinbar. GegenstandderzurgemeinsamenEntscheidungverbundenen VerfassungsbeschwerdenistdieFrage,obesverfassungsrechtͲ lichzulässigwar,LeistungenaufderGrundlageder„Anordnung überdieGewährungeinerberufsbezogenenZuwendungan BallettmitgliederinstaatlichenEinrichtungenderDDR“vom Juni1983zum31.Dezember1991einzustellen. DieVerfassungsbeschwerdenwurdennichtzurEntscheidung angenommen.
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1BvR789/96 SozR4Ͳ2600 §243aNr1
2.6.2003
1BvL3/98 1BvL9/02 1BvL2/03 BVerfGE111, 115Ͳ146
23.6.2004
DieVerfassungsbeschwerdebetrifftdenAusschlussderGewähͲ rungvonWitwenͲoderWitwerrenteangeschiedeneEhegatͲ ten,derennachehelicherUnterhaltsanspruchsichnachdem Rechtbestimmt,welchesimBeitrittsgebietgegoltenhat(§243a SGBVI). x BeiderFrageeinesAnspruchsaufGeschiedenenwitwenrente derinderDDRGeschiedenenistandieFortgeltungdesbereits inderDDRgeregeltennachehelichenUnterhaltsanzuknüpfen. AndernfallsentstündenneueUngleichheiten,wennaufweiͲ tergewährtenUnterhaltnachBGBEGArt234§5dasRechtder DDR,beimAblebendesVersichertenaberdasUnterhaltsrecht derBundesrepublikanwendbarseinsoll. ZurGleichheitsprüfungnachGGArt3Abs.1undzumbesonͲ dersgroßenGestaltungsspielraumdesGesetzgebersbeider NeuordnungsozialrechtlicherRechtsverhältnisseimZugeder Wiedervereinigungvgl.BVerfG,1999Ͳ04Ͳ28,1BvL22/95, BVerfGE100,59<90,94f>. x DievomAusschlussdesSGB6§243aerfassteGruppeerhält imUnterschiedzudenvordem1.Juli1977indenaltenBunͲ desländernGeschiedenenkeineLeistungenzumAusgleichdes UnterhaltsausfallsnachSGB6§243,wennihrfrühererEheͲ partnerstirbt. DieseBenachteiligungistjedochdanngerechtfertigt,wenn GeschiedeneinnerhalbderbenachteiligtenGruppeaufgrund einereigenenAlterssicherungwenigerschutzbedürftigsind. DieVerfassungsbeschwerdewurdenichtzurEntscheidungangeͲ nommen. Sieheauch:BVerfG,1BvR936/97vom15.1.2004, SozR4Ͳ2600§243aNr2. x §6Absatz2(inVerbindungmitdenAnlagen4und5)und§6 Absatz3Nummer8desGesetzeszurÜberführungderAnͲ sprücheundAnwartschaftenausZusatzͲundSonderversorͲ gungssystemendesBeitrittsgebiets(AnspruchsͲundAnwartͲ schaftsüberführungsgesetz–AAÜG)vom25.Juli1991(BunͲ desgesetzblattISeite1606,1677)inderFassungdesGesetzes zurÄnderungundErgänzungdesAnspruchsͲundAnwartͲ schaftsüberführungsgesetzes(AAÜGͲÄnderungsgesetz– AAÜGͲÄndG)vom11.November1996(BundesgesetzblattI Seite1674)unddesZweitenGesetzeszurÄnderungundErͲ gänzungdesAnspruchsͲundAnwartschaftsüberführungsgeͲ setzes(2.AAÜGͲÄnderungsgesetz–2.AAÜGͲÄndG)vom27. Juli2001(BundesgesetzblattISeite1939)sindmitArtikel3 Absatz1desGrundgesetzesunvereinbar. x DerGesetzgeberistverpflichtet,biszum30.Juni2005eine verfassungsgemäßeRegelungzutreffen.
Anhang
351
1BvR368/97 1BvR1304/98 1BvR2300/98 1BvR2144/00 BVerfGE112, 368Ͳ407
11.5.2005
1BvR616/99 1BvR1028/03 SozR4Ͳ2600 §256aNr1
30.8.2005
1BvR787/03 1BvR933/3 NJ2006,171
18.10.2005
DiezurgemeinsamenEntscheidungverbundenenVerfassungsͲ beschwerdenbetreffendieÜberleitungderam31.12.1991nach demRechtderDeutschenDemokratischenRepublikgewährten Sozialversicherungsrenten(sog.Bestandsrenten)indiegesetzliͲ cheRentenversicherungnachdemSGBVI.StelltesichimZuge derUmwertungderRentenheraus,dassderfürDezember1991 ausgezahlteMonatsbetragderRentehöherwaralsdienach §307aSGBVIberechneteRente,wareinAuffüllbetragnach §315aSGBVIzugewähren.DieNichtdynamisierungdieses Betragsundseineabdem1.1.1996vorzunehmendeAbschmelͲ zungsindGegenstandderVerfassungsbeschwerden1BvR 2300/98und1BvR2144/00.AlleVerfassungsbeschwerden wendensichweiterdagegen,dassdieRentegemäߧ307a Abs.2Satz1SGBVInachdemDurchschnittseinkommender letzten20JahrevorBeendigungderletztenversicherungspflichͲ tigenBeschäftigungberechnetwirdundkeineVergleichsberechͲ nungaufderGrundlagedergesamtenVersicherungsbiographie imEinzelfallbeanspruchtwerdenkann. DieVerfassungsbeschwerdenwurdenzurückgewiesen. DieVerfassungsbeschwerdenbetreffendieHöhederRentevon MitarbeiternderDeutschenReichsbahninderDeutschenDemoͲ kratischenRepubliknachderÜberleitungderRentenindie gesamtdeutscheRentenversicherung. EhemaligeAngehörigederDeutschenReichsbahnderDDR habenkeinenAnspruchaufzusätzlicheRentenleistungen.Die 3.KammerdesErstenSenatsdesBundesverfassungsgerichts nahmdieVerfassungsbeschwerdenvonzweiehemaligenMitarͲ beiternderDeutschenReichsbahn,diesichgegendieBeschränͲ kungdesrentenrechtlichzuberücksichtigendenArbeitseinkomͲ mensbeider„altenVersorgung“unddenWegfalldesbesondeͲ renSteigerungsbetragsrichteten,inFortführungderSenatsͲ rechtsprechung(Beschlussvom11.5.2005,1BvR368/97u.a.) nichtzurEntscheidungan. DieVerfassungsbeschwerdenbetreffendieBerücksichtigung einesbesonderenSteigerungsbetragsfürBeschäftigteimGeͲ sundheitswesenderDDR.DieverbundenenVerfassungsbeͲ schwerdenwurdennichtzurEntscheidungangenommen.Das BVerfGverweistaufdenBeschlussvom30.8.2005(1BvR616/99, 1BvR1028/03).DanachistdieNichtberücksichtigungeines besonderenSteigerungsbetragsimRahmenderAltersversorgung vonAngehörigenderDeutschenReichsbahnverfassungsgemäß.
352
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1BvR1921/04 1BvR203/05 1BvR445/05 1BvR1144/05 SozR4Ͳ8560 §22Nr1
26.10.2005
1BvR799/98 SozR4Ͳ2600 §307bNr7
15.9.2006
1BvL9/06 1BvL2/08 NdSMBI2010, 814
6.7.2010
DiemiteinanderverbundenenVerfassungsbeschwerdenbetrefͲ fendieÜberleitungvonAnsprüchenundAnwartschaftenauf RentenleistungenimRahmenderHerstellungderDeutschen Einheit.KonkretgehtesumdieBerücksichtigungvonBeschäftiͲ gungszeitenalsZeitenderZugehörigkeitzueinemZusatzversorͲ gungssystemderDeutschenDemokratischenRepublikinFällen, indeneneineEinbeziehungnichterfolgtist. DieverbundenenVerfassungsbeschwerdenwurdennichtzur Entscheidungangenommen. DieVerfassungsbeschwerdebetrifftdieÜberleitungderim staatlichenAlterssicherungssystemderDeutschenDemokratiͲ schenRepublikerworbenenAnsprücheundAnwartschaften. KonkretgehtesumdieDynamisierungdessogenanntenbesitzͲ geschütztenZahlbetrages. DieVerfassungsbeschwerdewarnichterfolgreich.Die3.Kammer desErstenSenatsdesBundesverfassungsgerichtsstelltefest, dassesmitdemGrundgesetzvereinbarist,denEinigungsvertrag dahingehendauszulegen,dassderbesitzgeschützteZahlbetrag ab1.1.1992nachdemaktuellenRentenwertundnichtnachdem aktuellenRentenwertOstanzupassenist.Insbesondereverletzt diesdieBeschwerdeführernichtinihremEigentumsgrundrecht. § 6Absatz2Nr.4ÄÄÜGidF.des1.AAÜGͲÄndGvom21.6.2005 (BundesgesetzblattISeite1672)istmitdemGrundgesetzinsoͲ weitvereinbar,alsderVerdienstwährendeinerTätigkeitals Minister,StaatssekretäroderStellvertreterdesMinistersder DDRbeiderBerechnungeinerRentenachdemSGBVInurbis zumjeweiligenBetragderAnlage5zumAAÜG(DurchschnittsͲ entgeltDDR)berücksichtigtwerdendarf.
Anhang
8
353
Glossar
AAÜG Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz, als Artikel 3 des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung (RentenÜberleitungsgesetz – RÜG) vom 25.7.1991, BGBl. I S. 1606 ff. Das AAÜG gilt für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (der DDR) erworben wurden. Das AAÜG ist zum 1.8.1991 (Art. 42 Abs. 8 RÜG) in Kraft getreten und wurde zuletzt durch das 1. AAÜG-ÄndG vom 21.6.2005 geändert. (siehe auch Anhang 6., Gesetze und Rechtsquellen 3. und Text Teil 2, C.). Alterssicherungsbericht 2008 Ergänzender Bericht der Bundesregierung zum Rentenversicherungsbericht 2008 vom 21.11.2008 (BT-Drucksache 16/11061). Der Alterssicherungsbericht muss einmal in jeder Legislaturperiode als Ergänzung zum jährlichen Rentenversicherungsbericht erstellt werden (§ 154 Abs. 2 SGB VI). Nach 1997, 2001 und 2005 ist der Alterssicherungsbericht 2008 der vierte Bericht. Einheitliche Altersgrenze für die Berichterstattung zum Alterssicherungsbericht ist die Vollendung des 65. Lebensjahres. Dem Alterssicherungsbericht 2008 liegen die Daten der Studie „Alterssicherung in Deutschland“ (ASID) 2007 mit dem Rechtsstand 31.12.2007 zugrunde. Auffüllbetrag Garantie aus Art. 30 Abs. 5 Einigungsvertrag, eine Rente nach Umwertung mindestens in der Höhe des Betrages zu leisten, auf den am 30.6.1990 nach dem bis dahin geltenden Rentenrecht in der DDR ohne Leistungen aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen ein Anspruch bestand. Stellte sich im Zuge der Umwertung der Renten heraus, dass der für Dezember 1991 ausgezahlte Monatsbetrag der Rente höher war als die nach § 307 a SGB VI berechnete Rente, war ein Auffüllbetrag nach § 315 a SGB VI zu gewähren, erhöht um 6,84 % (für die Krankenversicherung der Rentner – KVdR). Der Auffüllbetrag ist ein statischer Rentenbetrag, der bis zum 31.12.1995 gezahlt und ab 1.1.1996 bei jeder Rentenanpassung abgeschmolzen wurde, wobei der bis dahin gezahlte Betrag nicht unterschritten werden durfte. Die Nichtdynamisierung dieses Betrags und die ab dem 1.1.1996 vorzunehmende Abschmelzung waren Gegenstand der Verfassungsbeschwerden 1 BvR 2300/98 und 1 BvR 2144/00 (siehe auch Anhang 7; Die maßgeblichen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, Entscheidung vom 11.5.2005). Einigungsvertrag Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31.8.1990 in Kraft getreten zum 29.9.1990, BGBl. II S. 889 ff. (siehe auch Anhang 6. Gesetze und Rechtsquellen, I. 2. und III. 2. und Text Teil 1, C. IV.).
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Entgeltpunkte Im Rentenrecht des SGB VI spiegeln Entgeltpunkte das Arbeitsleben des/der Versicherten wider und werden für die in den alten Bundesländern zurückgelegten Beitragszeiten (maßgebend ist immer der Ort der Beschäftigung, an dem die Einnahmen erzielt werden, § 228 a SGB VI), die der Ermittlung der individuellen Monatsrente zugrunde liegen, dadurch ermittelt, dass das individuell versicherte Entgelt zum Durchschnittsentgelt aller Versicherten in den alten Bundesländern ins Verhältnis gesetzt wird (§ 70 Abs. 1 SGB VI). Für die Ermittlung der Entgeltpunkte, die aufgrund von Beitragszeiten in den neuen Bundesländern erzielt werden, wird ebenfalls das individuell versicherte Entgelt (das in den neuen Bundesländern erzielt wurde) zum Durchschnittsentgelt aller Versicherten in den alten Bundesländern ins Verhältnis gesetzt, jedoch multipliziert um den sog. Hochwertungsfaktor der Anlage 10 zum SGB VI (§ 256 a SGB VI). Zur Berechnung der monatlichen Rente werden die während des gesamten Arbeitslebens erworbenen Entgeltpunkte addiert und als Summe mit dem bei Rentenbeginn maßgebenden aktuellen Rentenwert vervielfältigt (Rentenformel § 64 SGB VI). Krankenversicherung der Rentner Wer eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (Rente wegen Alter oder Rente wegen Erwerbsminderung oder Rente wegen Todes) beantragt, einen Rechtsanspruch hat und die Vorversicherungszeit erfüllt hat, wird in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) pflichtversichert. Die Vorversicherungszeit ist erfüllt, wenn seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Rentenantragsstellung mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte dieses Zeitraums eine Pflicht- oder freiwillige Mitgliedschaft oder eine Familienversicherung bestanden hat § 5 SGB V. Bei krankenversicherungspflichtigen Rentnerinnen und Rentner trägt der Träger der Rentenversicherung die Hälfte der nach der Rente zu bemessenden Beiträge nach dem um 0,9 Beitragssatzpunkte verminderten allgemeinen Beitragssatz; im Übrigen tragen die Rentnerinnen und Rentner die Beiträge (§ 249 a SGB V). Rentnerinnen und Rentner, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung oder privat bei einem Krankenversicherungsunternehmen versichert sind und nicht der Krankenversicherungspflicht unterliegen, erhalten auf Antrag zu ihrer Rente einen Beitragszuschuss zur Krankenversicherung (§ 257 SGB V). Marshallplan Der Marshallplan, offiziell European Recovery Program (kurz: ERP) genannt, war ein großes Wirtschafts-Wiederaufbauprogramm der USA, das nach dem Zweiten Weltkrieg dem kriegsgeschädigten Westeuropa zugute kam. Es bestand aus Krediten, Rohstoffen, Lebensmitteln und Waren. Das 12,4-Milliarden-Dollar-Programm wurde am 3. April 1948 vom Kongress der Vereinigten Staaten verabschiedet und am selben Tag von US-Präsident Truman in Kraft gesetzt und sollte vier Jahre dauern. Im gesamten Zeitraum (1948–1952) leisteten die USA den bedürftigen Staaten der Organisation for European Economic Co-operation (OEEC) Hilfen im Wert von insgesamt 13,1 Milliarden US-Dollar — (entsprach im Jahr 2007 rund 75 Milliarden Euro).
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355
Das Programm wurde benannt nach dem US-Außenminister und Friedensnobelpreisträger des Jahres 1953 George C. Marshall (Amtszeit 1947–1949), auf dessen Initiative es zurückgeht. Ausgearbeitet wurde es vor allem von William L. Clayton und George F. Kennan im Außenministerium. Für das Programm gab es drei Gründe: Hilfe für die notleidende und teilweise verhungernde Bevölkerung des durch den Krieg zerstörten Europas, Eindämmung (siehe: Containment-Politik) der kommunistischen Sowjetunion und Schaffung eines Absatzmarktes für die amerikanische Überproduktion. Der Plan wurde ab Mai 1947 entwickelt, um die Konferenzteilnehmer im April 1948 einzuberufen und eine „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa“ (OEEC) zu gründen. Die Sowjetunion und die osteuropäischen Staaten wurden ebenfalls zu den Beratungen über die Hilfe der USA eingeladen. Sie zogen sich jedoch bald daraus zurück und verboten auch den osteuropäischen Staaten, die unter ihrem Einfluss standen, jede Teilnahme741. Rentenangleichung Festlegung im Staatsvertrag vom 31.5.1990, dass die Rente eines Rentners, der 45 Arbeitsjahre zurückgelegt hat und dessen für die Rentenberechnung maßgebender Durchschnittsverdienst jeweils dem volkswirtschaftlichen Durchschnittsverdienst entsprach, 70 % des Durchschnittsnettoarbeitsverdienstes in der ehemaligen DDR betragen sollte (Standardrente). Die Rentenangleichung wurde durch das Rentenangleichungsgesetz (RAnglGDDR) vom 28.6.1990 umgesetzt. Rentenanpassung Anpassungen der Renten an die Lohn- und Gehaltsentwicklung, die im Recht des SGB VI jeweils zum 1. Juli durchgeführt wird. Durch die Rentenformel § 64 SGB VI wird der Wert eines Entgeltpunktes bestimmt. Für das Beitrittsgebiet wurden in der Zeit vom 1.1.1991 bis zum 1.1.1996 sechs zusätzliche Rentenanpassungen jeweils zum 1. Januar durchgeführt. Renten-Überleitungsgesetz – RÜG Gesetz zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung vom 25.7.1991, BGBl. I S. 1606 ff. Sozialzuschlag Ab 1.7.1990 eingeführte zusätzliche Geldleistung zur Aufstockung der Rente auf 495 DM. Der Sozialzuschlag ist keine originäre Leistung der GRV, sondern eine pauschalierte Sozialhilfeleistung ohne Bedürftigkeitsprüfung, die nicht dynamisiert wurde. Der Sozialzuschlag wurde gezahlt, wenn die Rente (Summe der Rente(n) aus der Sozialpflichtversicherung ohne Zuschläge sowie aller FZR-Renten) unter einem am Sozi-
741
(Quelle: Wikipedia, abgerufen am 18.9.2010 unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Marshallplan).
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alhilfeniveau orientierten Betrag von 495 DM lag. Der Sozialzuschlag glich die Differenz aus (§ 18 Abs. 3 RAnglG-DDR). Begrenzt auf Neuzugänge bis 31.12.1991 und bis 30.6. 1995 befristet. Staatsvertrag Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18.5. 1990, in Kraft getreten zum 1.7.1990, BT-Drucksache 11/7171, S. 53 ff; BGBl. II S. 537 ff. (siehe auch Anhang 6. Gesetze und Rechtsquellen I. 1. und III. 1. und Text Teil 1, C., II.). Systementscheidung Entscheidung, die Anrechte aus den Sonder- und Zusatzversorgungssystemen der DDR in die gesetzliche Rentenversicherung und nicht in die Beamtenversorgung, die Berufsständische Versorgung und die betriebliche Altersversorgung zu überführen. Versichertenrenten Darunter werden Alters- und Erwerbsminderungsrenten verstanden. Zahlbetragsgarantie Der Einigungsvertrag vom 31.8.1990 bestimmte, dass für Bestandsrentnerinnen und Bestandsrentner besonders rentennaher Jahrgänge bei einem Renteneintritt bis zum 30.6. 1995 die Rente mindestens in der Höhe des Betrages geleistet wird, auf den am 30.6.1990, also vor Inkrafttreten der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion, nach dem Recht der DDR ein Anspruch bestand. Zehn-Punkte-Programm In seiner Regierungserklärung vor dem Deutschen Bundestag am 28. November 1989 legte er ein „Zehn-Punkte-Programm zur Deutschlandpolitik“ vor. Darin bezeichnete er die „Wiedergewinnung der staatlichen Einheit Deutschlands“ als grundlegendes Ziel seiner Regierungspolitik. Das Programm sah Sofortmaßnahmen zugunsten der DDR im humanitären Bereich vor, stellte umfangreiche Wirtschaftshilfe in Aussicht, verlangte aber zugleich von der DDR einen grundlegenden Systemwandel. Von einer Vertragsgemeinschaft mit der DDR sollte über eine Konföderation und Föderation schließlich die Einheit Deutschlands erreicht werden. Die zeitliche Perspektive blieb dabei bewusst offen. Wortlaut des 10-Punkte Programms siehe unter http://www.helmut-kohl.de/index. php?msg=627 (eingesehen im Internet am 27.9.2010). Zuschuss zum RV-Beitrag Als teilweise Milderung der Belastung aufgrund höherer Sozialabgaben wurde den Bezieherinnen und Beziehern niedriger Löhne ein Zuschuss zum RV-Beitrag gewährt: 30 DM bei einem Monatslohn bis 600 DM, 20 DM bei über 600 DM bis 700 DM und 10 DM bei über 700 DM bis 800 DM. Befristet vom 1.7.1990–31.12.1990.
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9
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Personenverzeichnis
Adenauer, Konrad 39 Aristoteles 179 Attlee, Clement 31 Bacho, Otto 180 von Bismarck, Otto 28 Blüm, Norbert 85, 89, 92, 109f., 158, 182 Bohley, Bärbel 84, 212 Brandt, Willy 36 Bullerjahn, Jens 278 Bush, George W. 19 Churchill, Winston 31 Cronenberg, Julius 87 De Maizìere, Lothar 96 Dreßler, Rudolf 91, 100, 113, 209 Fischer, Andrea 159 Gorbatschow, Michail 19, 83 Grotewohl, Otto 35 Gysi, Gregor 84 Hildebrandt, Regine 91, 100 Kaiser Wilhelm I 28 Kirchhof, Paul 211 Kohl, Helmut 82, 85, 109 Krause, Guenther 346 Krenz, Egon 84 Lafontaine, Oskar 84, 87 Lambsdorff, Otto, Graf 92 Louven, Julius 132
Mackenroth, Gerhard 39 Merkel, Angela 281 Mitterrand, Francois 19 Modrow, Hans 83 Mrotzeck, Herbert 96 Nadig, Friedericke 33 Papier, Hans-Jürgen 211 Pieck, Wilhelm 35 Riester, Walter 1834 Romberg, Walter 343 Rother, Heinz 210 Roosevelt, Franklin D. 31 Schäuble, Wolfgang 85, 346 Schmähl, Winfried 84 Schreiber, Wilfried 39 Seehofer, Horst 85 Sellering, Erwin 206, 278 Selbert, Elisabeth 33 Stalin, Josef 31 Standfest, Erich 115 Stoph, Willi 83 Thatcher, Margret 19 Truman, Harry S. 31 Waigel, Theo 107, 109, 111, 343 Weber, Helene 33 Wessel, Helene 33
358
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10 Stichwortverzeichnis
AAÜG, siehe Überführung der Zusatzund Sonderversorgungssysteme Abschnittsdeckungsverfahren 39 Äquivalenzprinzip 181 Aktueller Rentenwert 54 Allianz für Deutschland 90 Alliierter Kontrollrat 31 Altersgrenzenanpassungsgesetz 49 Altersrente für - Frauen 40 - Landwirte 46 - langjährig Versicherte 40, 117 - Schwerbehinderte 40, 117 Alterssicherung Bundesrepublik Deutschland 45 Alterssicherung DDR 58 Alterssicherung von Frauen 45, 57, 71, 115 Altersvermögensergänzungsgesetz 49 Angestelltenversicherungsgesetz 49 Angleichung 87, 131 Angleichungsgebot 22, 297 Anpassung der Renten s.a. Rentenanpassung Anpassungsfähiger Betrag 135f. Anschubfinanzierung 106 Anwartschaftsdeckungsverfahren 29, 39 ASID 47 Auffüllbeträge 119, 186 Aufhebungsgesetz 144 Ausgleichsfaktor 264f. Aussiedler 82 Beamtenversorgung 46, 50, 93 Bedarfsgerechtigkeit 181f. Beitragssatzfaktor 261f. Beitragsbemessungsgrenze 51, 78, 102, 155 Beitragsbemessungsgrundlage 51
Beitragssatz 51 Beitritt 44, 94 Berlin-Blockade 33 Berufsständische Versorgung 46, 93 Besatzungszonen 31 Beschwerdekommissionen 62f. Betriebliche Altersversorgung 46, 63 Bezugsgröße 97, 267 BfA, siehe Bundesversicherungsanstalt für Angestellte BRH 277 Bündnis für eine Angleichung der Renten 277 Bündnis 90/Die Grünen-Modell 291f. Bundesrepublik - Gründung 33 - Verfassung 43 - Alterssicherung 45 Bundesrechnungshof 251 Bundesverfassungsgericht - Kernaussagen der Urteile 133f., 161 - Zusammenfassung der Leitsätze 348f. Bundesversicherungsanstalt für Angestellte 38, 86 Dämpfungsfaktoren 49 DDR - Alterssicherung 58f. - Gründung 35 - Verfassung 41 - rentenrechtliche Entwicklung 41 Deutsche Angestellten-Gewerkschaft 38 Deutschlandvertrag 36 Deutsches Reich 28 DGB 115, 275, 284 Doppelverdienerkampagne 30 Drei Säulen 46 Drittes Reich 30 Durchschnittsrente DDR 67
Anhang Dynamische Rente, Dynamisierung siehe Rentenanpassung Ehe- und Familienrecht 40 Eingliederungsprinzip 76, 93 Einigungsvertrag 107f. Einheitsversicherung 31, 41, 58, 97 Entgelte, siehe Gehälter Entgeltbegrenzungen 131, 154f. Entgeltpunkte 54f., 87, 245 Erster Weltkrieg 30 Erwerbsminderung 38, 117 - srenten 53 Erwerbstätigenversicherung 50 Festbetrag 66 FDGB 58, 60f. FDP-Modell 280, 289f. Finanzierung 63 Frauen, siehe Alterssicherung von Frauen Freier Deutscher Gewerkschaftsbund, siehe FDGB Freiwillige Zusatzrentenversicherung 42, 61f. Fremdrentenrecht 76f., 82f. Gehälter 221f. Generationengerechtigkeit 182 Gerechtigkeit 179f. Geschiedene 192f. Geschiedenenwitwenrente 40 Geschlechtergerechtigkeit 183 Gesetz betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung 28 Gesetzliche Rentenversicherung 48f. Gesundheitsbereich 184f. GEW 276 Gewerkschaft der Polizei 277 Gewerkschaften 275 Grundgesetz - Geltungsbereich 43 - Inkrafttreten 34 Grundlagenvertrag 36 Grundbetragserhöhungsgesetz 38
359 Hinterbliebenenabsicherung 39, 46, 48 Hochwertung 247f., 269 Höchstrente, DDR 66 Höchstrente, SGB VI 55 IG Metall 276 Invalidität 28 Kaiserliche Botschaft 28 Kalter Krieg 32 Kindererziehung 57 Knappschaft 27 Koalitionsvertrag 282 KPD 32 Krankenversicherung der Rentner 103f. Lebensstandardsicherung 29, 48, 89 Leistungen der Rentenversicherung (SGB VI) 52f. Leistungen der Rentenversicherung (DDR) 64f. Leistungsgerechtigkeit 181f. Leiturteil 162f. Löhne, siehe Gehälter Lohnersatzfunktion 38 Luftbrücke 33 Marshallplan 32 Mauerfall 5, 19 Mindestbemessungsgrundlage 52 Mindestentgeltpunkte 46, 57 Mindestrente SGB VI 55 Mindestrente DDR-Recht 67 Mittleres medizinisches Personal, siehe Gesundheitsbereich Nachhaltigkeitsfaktor 258f. Nationale Volksarmee 105 Neufeststellung der Bestandsrenten 148f. Parlamentarischer Rat 33 Post, Deutsche 66, 184f. Potsdamer Konferenz 31 Private Altersversorgung 46
360 Rechtsanspruch auf Vereinheitlichung 283 Reha vor Rente 28, 52 Reichsbahn, Deutsche 66, 184f. Reichsknappschaftgesetz 49 Reichsversicherungsordnung 29 Renten - angleichung 98, 143f. - angleichungsgesetz-DDR 98, 143f. - anpassung 39, 56, 70, 98, 109f., 118f., 146f. - arten DDR 65 - arten SGB VI 53 - artfaktor 54 - beginn 56 - berechnung SGB VI 54 - berechnung DDR 65 - ende 56 - garantie-Klausel 265f. - Mehrbetrags-Gesetz 38 - nach Mindesteinkommen 40 - reformen ab 1992 80 - reform 1957 38, 48 - reform 1972 40 - reform 1992 49 - splitting 58 - strafrecht 140, 158, 174 - überleitung 110 - Überleitungsgesetz 111f., 116f. - Überleitungs-Ergänzungsgesetz 122 - umstellung 98 - umwertung 118 - wegen Todes, siehe Hinterbliebenenabsicherung - zahlbeträge 234 - zulagengesetz 38 - zuschläge 120 Riester-Faktor 261f. Riester-Reform 79 Runder Tisch 89 Rückwirkung, unechte….78 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz 49 RV-Nachhaltigkeitsgesetz 49
Anhang Sachverständigenrat 279, 286f. Schreiber-Plan 39 Schutz-Klauseln 262f., 273 Schwankungsreserve 110 SED 32, 84 Selbstverwaltung 29, 42, 49, 97 Selbstverwaltungsgesetz 38 SGB VI 48f. Siegermächte 31 Sonderversorgungssysteme DDR 72f. Sonderzulagengesetz 38 Sozialbeirat 109, 114, 283 Sozialcharta 89 Sozialhilfe 100f. Sozialverband Deutschland SoVD 277 Sozialzuschlag 99, 100f., 120 SPD 32, 91, 115, 278 Staatliche Versicherung der DDR 58, 61f. Staatsgründung 32f. Staatsvertrag 94f. Staatsvolk 44 Standardrente 55 Stasi-Urteil 165f. Steigerungsbetrag 66 Steigerungssatz 128, 184f. SVG-DDR 96 Systementscheidung 95, 113 Tarifbindung 228 Teilhabergerechtigkeit 56, 181f. Teilung Deutschlands 32 Territorialitätsprinzip 97 Teuerungszulagengesetz 38 TRANSNET 277 Umlageverfahren 39 Umrechnungskurs, Umtauschkurs 91 Unisex-Tarife 46 Überführung der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme 104f., 112 Überführung der Renten aus der Sozialpflichtversicherung und FZR 135f. Übergangszuschlag 119, 187 Übersiedler 82
Anhang
361
VDR 86 Wirtschaftliche Entwicklung 215 Vereinigung s. Wiedervereinigung Wirtschaftsunion 67 Verdi 276, 293f. WISMUT 59 Witwen-/Witwerrenten, siehe HinterblieVerfassung s. DDR und Bundesrepublik Versicherungsanstalt Berlin 32 benenabsicherung Versicherungsfreiheit 50 Zahlbetragsbegrenzungen 105f., 122, 131, Versicherungspflicht 50 Versorgungsausgleich 58 150f. Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Zahlbetragsgarantie 105f. Wirtschafts- und Sozialunion, siehe Staatsver-Zahlbetragsschutz 120 trag Zehn-Punkte-Programm 83 Zusatzversorgungssysteme DDR 71, 73f. Vertrauensschutz 112, 129 Zusatzversorgung öffentlicher Dienst 46, Vier-Mächte 36 Volkskammer 44, 96, 145 93 Volkssolidarität 277 Zugangsfaktor 54 Zurechnungszeit 65 Zwanzigjahreszeitraum 130, 136 Währungsreform 32 Währungsunion 85f. Zwei-plus-Vier-Vertrag 44 Wartezeit 53 Zweistaatlichkeit 83 Zweiter Weltkrieg 30 Wiedervereinigung 43 Wiedervereinigungsgebot 37