E X T R A 8 Frank Borsch
Das StardustAttentat
804 Millionen Menschen wollen eine neue Welt aufbau...
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E X T R A 8 Frank Borsch
Das StardustAttentat
804 Millionen Menschen wollen eine neue Welt aufbauen doch ein blutiges Attentat erschüttert ihre neue Heimat
Seit drei Jahren kämpfen die Terraner bereits gegen ihren bisher mächtigsten Feind — die Terminale Kolonne TRAITOR, die von den Mächten des Chaos aufgestellt wurde. So groß ist die von TRAlTOR ausgehende Gefahr, dass die SuperinteIIigenz ES den Bewohnern des Solsystems ein ganz besonde
res Angebot macht: die Evakuierung der Menschheit in die »Fernen Stätten«, einen ihnen bislang unbekannten Teil der Mächtigkeitsballung von ES. Über achthundert Millionen Menschen folgen dem Rat der Superintelligenz und fliehen vor TRAITOR ins StardustSystem, wo ihnen mehrere Planeten eine neue Heimstatt bieten sollen; die genaue Lage kennen sie nicht, lediglich den Namen des das System umgebenden Sternhaufens; Far Away. Und sie wissen, dass es ihnen unmöglich sein wird, Kontakt mit Terra zu halten. Das StardustSystem bietet viele Geheimnisse: Weltraumwesen, die Hyperkristalle liefern, die fisch menschlichen Indochimi, in der Gegenwart gestrandete Zeitreisende aus dem Volk der Rokinger, wandernde Städte, verbotene Zonen und ein neues »Galaktisches Rätsel«, das demjenigen, der es Iöst, zwei Unsterblichkeit verheißende Zellaktivatoren in Aussicht stellt. Doch ehe die Stardust Menschheit sich richtig einleben und die neuen Wunder genießen kann, geschieht DAS STARDUST ATTENTAT … .
PERRY RHODAN-Extra 8
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13. November 1346 NGZ Die Teletrans-Weiche ist erloschen. Es gibt kein Zurück mehr. Weder für mich noch für die anderen Millionen. Ich gehe nach draußen und sehe hin auf in den Himmel von Zyx. Die Nacht ist warm, wie es sich für das Paradies gehört. Durch die Zweige sehe ich die Sterne von Far Away. Sie sind fremd. Sie sind jetzt meine Heimat. Ich rauche eine letzte Zigarette. Dann gehe ich nach drinnen und ho le den Strahler Ich richte ihn auf die Zigarettenschachtel, anschließend auf das Trivideogerät, das Kommunika tonsmodul des Gleiters, die Contai nerpositroniken. Nacheinander gehen sie in Flammen auf. Ich sehe in die Feuer; atme den bei ßenden Rauch und bin glücklich. Das hier ist das Paradies. Mein Paradies PS: Gemüsebeet angelegt. 1. 10. Mai 1347 NGZ »Da ist sie!« Sharud erblickte die Stadt als Ers ter. Der junge Rokinger mit den scharfen Augen war an der Bordwand der NEW GOOD HOPE hinaufgeklettert, klammerte sich an Leitungsbündel, die entlang der stählernen Wandung verliefen, und streckte den Kopf den warmen Winden Avedas entgegen. Die Prallfeldkuppel des SKARABÄUS war abgeschaltet, seine Dachfläche glich einem offenen Boot. Ein Auf schrei der Besatzung antwortete dem Ausruf des Rokingers, und wie ein
Mann stürmten die acht Männer und Frauen zu Sharud. Wäre nicht die Po sitronik gewesen, die NEW GOOD HOPE hätte sich unter der plötzlichen Gewichtsverlagerung zur Seitegelegt. Doch Timber F. Whistler jr., Eigner des SKARABÄUS-Raumschiffs und vormals einer der reichsten Männer des Solsystems, nun, seit einigen Mo naten reichster Mann von Stardust, nahm seiner Mannschaft die Diszi plinlosigkeit nicht übel -im Gegenteil: Er nahm an ihr teil. Whistler folgte den Männern und rauen, die längst seine Kameraden geworden waren, und drängte sich wischen sie. Seine tastenden Hände fanden ein starkes Kabelbündel, und r zog sich hoch. Vergeblich. Seine Soh len fanden keinen Halt, er rutschte ab … ... und plötzlich griff eine kräftige, übermenschlich große Hand nach ihm. Zwei Finger drangen unter seine linke Achsel, zwei weitere schlossen sich um seine Schulter. Ein Ruck, und Whistler fand sich in Augenhöhe mit Sharud ,wieder. Das lange Gesicht des Rokingers war, gerötet vor Aufregung und Hitze und zeigte ein zutiefst ver wegenes Lächeln, das sich der Junge in den letzten Wochen bei der Crew der NEW GOOD HOPE abgeschaut hatte. »Komm, das musst du sehen!«, rief Sharud und warf den Kopf herum, um Whistler die Richtung zu zeigen. Und dann sah Whistler die Stadt. Sie schalte sich langsam aus dem morgendlichen Dunst des Ashawar Deltas, während die Positronik den SKARABÄUS in einem weiten Bogen. An der Stadt entlangführte, als fühle der seelenlose Computer, nach wel
Das Stardust-Attentat
chem Anblick die Seelen der Men schen dürstete. Stardust City Whistler erkannte die Stadt kaum wieder Vier Wochen lang war er mit seinen Kameraden auf Kristalljagd gewesen, hatten sie zwischen den Bahnen der beiden innersten Planeten des Stardust-Systems gekreuzt. Als lebende Köder hatten sie Howanetze angelockt, Energiewesen, die ein Boot wie die NEW GOOD HOPE innerhalb von Augenblicken zu vernichten mochten. Zu vernichten - oder seine mutige Besatzung reich zu · machen. Die Energiewesen schieden Hyperkristalle aus, die Grundlage jeder fortgeschrit tenen Technik der Stardust - Mensch heit, die Grundlage ihres Überlebens insgesamt, auf sich allein gestellt im Sternhaufen Far Away. Whistler und seine Kameraden hat ten sich als flinker und klüger als die Howanetze erwiesen. Sie kehrten mit einer Ladung von Hyperkristallen zurück, die jeden freien Fleck inner halb der NEW GOOD HOPE ausfüllte, und mit wertvollen Erfahrungen, die der Stardust-Menschheit den Verlust vieler Leben ersparen und zahllose Möglichkeiten eröffnen sollten. Die Hyrperkristalle und nicht der Fels, der unter der Humusschicht verbor gen war, stellten das eigentliche Fun dament der wundersamen Stadt dar, die sich zu ihren Füßen erstreckte. Stardust City war gewachsen in den vergangenen Wochen. Nein, das war nicht der passende Ausdruck: Sie war förmlich explodiert. Wo sich vor kur zer Zeit noch Grasland und Wälder befunden hatten, fanden sich jetzt lange Reihen von Wohncontainern wieder Sie waren entlang der Straßen aufgereiht, die kilometerweit aus der
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Stadt reichten und sich verästelten, als wollten sie das Delta des Ashawar nachahmen oder sogar übertreffen. Sie waren die Linien, an denen ent lang die. Stadt wachsen würde, Zu fallsprodukte für das menschliche Auge, aber tatsächlich sorgfältig ge plant und den Gegebenheiten des Ge ländes angepasst. Whistler mutete es an, als wäre er jahrelang auf Fahrt gewesen. Nicht zu Unrecht: Hier, im Stardust-System, begann . die Geschichte der Mensch heit von Neuem - in einem stürmi schen Tempo, in dem einige Wochen einem ganzen Zeitalter entsprachen. in Die NEW GOOD HOPE schwenkte herum, nahm in diesem Augenblick Kurs auf das Stadtzentrum. Sharud keuchte. »Sieh nur die Tür me!«, brüllte er. Seine Worte waren so laut, dass sie Whistler in den Ohren schmerzten. »Sind sie nicht ...«· Dem jungen Rokinger fehlten die Worte. ... unglaublich!, führte Whistler den Satz in Gedanken zu Ende. Stardust City war in die Höhe ge wachsen. Unterhalb des Plateaus, auf dem Whistler eigenhändig vor Mona ten den Mast mit der Flagge der Liga Freier Terraner in den Boden ge rammt und diese gehisst hatte, zu Fü ßen der Stardust-Felsnadel, war ein Meer von Türmen entstanden. Sie äh nelten der Felsnadel, von der die Stadt ihren Namen hatte. Die Häuser glichen Raketen. Ihre Dächer münde ten in schlanke, nadelgleiche Spitzen. Aus den Seiten ihrer Rümpfe ragten Deltaflügel, ihre Fundamente waren breit und rund. Whistler wurde an eine Flotte von Schiffen erinnert, bereit dazu, im nächsten Augenblick die Fesseln des Planeten abzuschütteln und in das
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Unbekannte aufzubrechen, in das Abenteuer. Sein Herz schlug schneller, als die NEW GOOD HOPE in den Landean flug ging. Inmitten der Raketenhäuser wart ein freier Fleck geblieben. Auf den ersten Blick erschien er als eine Brache, ein vergessener Ort, an dem sich die Baumeister dieser Stadt all dessen entledigt hatten, was sie für ihre himmelstürmenden Pläne nicht hatten gebrauchen können. Ein Sam melsurium von schmutzigen und in der Sonne längst ausgebleichten Con tainern breitete sich über das Gelände aus. Diese Container bildeten das Haupt quartier der Whistler-Stardust .& Co., der mächtigsten und einflussreichsten Firma der Stardust-Menschheit, und ihre jämmerliche Erscheinung betrüb te ihren Eigner nicht im Geringsten. Sie hatte auf seine ausdrückliche An ordnung Bestand. Whistler sah sich selbst als Pionier - und Pioniere ver schwendeten ihre Zeit und Energie nicht auf Äußerlichkeiten, ganz gleich, wie sehr ihm der Anblick der aufblühenden Stadt imponieren mochte. »Was ist da los?«, riss ihn Sharud aus den Gedanken. Der junge Rokin ger war noch höher geklettert. Er hat te den langen Oberkörper über die Bordwand gestreckt, die er und Blaine Fishbaugh stets »Reling« nannten, und sah senkrecht nach unten. Ein Mensch hätte an seiner Stelle längst das Gleichgewicht verloren, aber der starke Rokinger hielt sein Gewicht mühelos. »Was soll da los sein?«, entgegnete Whistler. Der Tonfall des Rokingers riss ihn aus seiner freudigen Erwar tung. Whistler zog sich hoch, folgte dem Beispiel. seines Freundes, wenn
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auch vorsichtiger: Er war nur ein Mensch. Whistler sah nach unten. Man er wartete sie. Tausende erwarteten sie. Die Landefläche unter ihnen war mit Menschen übersät. Dicht an dicht standen sie, sahen der landenden NEW GOOD- HOPE entgegen und ... Vom Rand der Menschenmenge löste sich fauchend ein Strahl aus grellem Licht und Rauch. Er kam direkt auf das Kleinraumschiff zu und verfehlte es. Knisternd entstand der HÜ-Schirm des Raumers, stabilisierte sich inner halb eines Sekundenbruchteils und bildete eine nahezu undurchdringliche Barriere aus Energie um die NEW GOOD HOPE. Mit einem Ruck drehte der SKARABÄUS ab, von der Po sitronik aus dem Gefahrenbereichge bracht. Mit ganzer Kraft an die Bordwand geklammert, verfolgte Whistler, wie dem ersten Strahl, der in den Himmel schoss, ein Dutzend weitere folgten. Es waren Raketen, ungefähr so groß wie ein Mensch. Sie ritten auf Feuer strahlen an dem Kleinraumschiff vor bei und explodierten über den Köpfen der Crew am Himmel. In gleißender Helligkeit, die spielend diejenige der Sonne ausstach, explodierten sie und schrieben riesige Buchstaben in den Morgenhimmel. »Ein herzliches Willkommen unse rem zukünftigen Administrator!«. Verblüfft las die Crew der NEW GOOD HOPE die Botschaft, Verarbei tete sie - und brach ebenfalls in Jubel aus. Whistler, hin- und hergerissen zwi schen Fassungslosigkeit und Empö rung über diesen Unfug, schüttelte den Kopf und flüsterte der Positronik zu: »Landen! So schnell wie möglich!«
Das Stardust-Attentat
* Sharud ließ es sich nicht nehmen, die NEW GOOD HOPE eigenhändig hinunterzubringen. Mit einem wilden Aufschrei, so freudig, als hätte Whistler ihm befohlen, in dieser Nacht in der Kältekammer des Rau mers zu übernachten, machte er sich von der Reling los. Mit ein paar gro ßen Sprüngen war er im Kommando modul der NEW GOOD HOPE und nahm der Positronik die Steuerung ab. Whistler ließ ihn machen. Es hatte wenig Zweck, mit seinem jungen Freund zu diskutieren, hatte er sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt. Und Technik hatte es dem Rokinger angetan. Aufgewachsen in einer künstlich in diesem Zustand gehalte nen - Primitivgesellschaft, war Sha rud eine unerschöpfliche Freude an allem Technischem zu eigen. Gab es einen Knopf zu drücken, drückte ihn Sharud. Gab es ein Gerät, das man auseinandernehmen konnte, nahm es Sharud auseinander und ver suchte es wieder zusammenzubauen. Und gab es- die Gelegenheit, ein Raum schiff zu steuern, nahm es der Rokinger in die Hand. Zuerst geschah nichts. Die NEW GOOD HOPE schwebte über der Men schenmenge, während über ihnen die glühenden Buchstaben der Willkom mens-Botschaft ausbrannten. Dann, am Himmel stand nur noch ein einsa mes »Administrator!«, ging es los. Das Kleinraumschiff sackte durch. Geistesgegenwärtig klammerte sich Whistler an die Bordwand. Neben ihm fluchte Yulanda Tatis, die Komman dantin der NEW GOOD HOPE, als sie gegen den Stahl knallte und sich eine blutende Nase einhandelte.
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Rasend schnell fielen sie dem Boden entgegen. Whistler blickte in Tausen de weit aufgerissene Augen, in Tau sende offene Münder, und er glaubte über das Brausen des Fahrtwinds hinweg tausendfache Rufe der Über raschung und des Entsetzens zu hö ren. Als er schon das Weiße in den Augen der Menschen sah, kam plötzlich Be wegung in die Menge. Wie die Glieder eines einzigen Körpers stoben die Menschen nach allen Seiten davon. Eine freie Fläche entstand … … und Sharud setzte die NEW GOOD HOPE zentimetergenau in ih rer Mitte auf. Ein einziger, glühend heißer Schubstoß der Antigravtrieb werke genügte, um die Fahrt aufzu zehren. Das Kleinraumschiff setzte mit einem kaum merklichen Ruck auf. Stille lag über dem Platz, untermalt nur von einem fernen Grollen, dem Echo der tosenden Impulstriebwerke, zurückgeworfen und verfremdet vom Labyrinth der Raketenhäuser. Die Menschen verharrten in der Bewe gung, die Rücken der NEW GOOD HOPE zugewandt, zusammengekauert oder nach vorne gebeugt, die Arme um die Köpfe geschlungen, um sich vor dem heißen Sturm zu schützen, den die Impulstriebwerke entfacht hatten. Ein Teil von Timber F. Whistler hät te in diesem Augenblick alles dafür gegeben, dem Planeten und seinen Menschen, der Zivilisation von Star dust den Rücken zu kehren, sich wie der in das Abenteuer zu stürzen. Doch ein anderer Teil hielt ihn zu rück. Auch wenn ihm die Aufmerk samkeit, ja die Verehrung der Men schen unangenehm war, musste er sich eingestehen, dass sie nicht aus der Luft gegriffen war Er hatte die Stardust-Menschheit quasi erschaffen.
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Er war mutig vorangegangen. Und der würde es auch jetzt tun. Er ließ sich an der Bordwand hinabgleiten. »Aussteigen!«, rief er seinen Kame raden zu, die sich auf dem Deck des Raumschiffs versammelt hatten. Yulanda machte den Anfang. Sie zog sich an einem Kabelbündel hoch, ließ sich über die Reling kippen und fiel. Die übrigen Männer und Frauen folg ten. Den Abschluss machte Blaine Fishbaugh, der Orter und Funker Er winkte dem Rokinger, der aus dem Kommandomodul zurückgekehrt war lässig zu, dann war er über die Reling verschwunden. Blaine und Sharud verband einen Freundschaft, die über die Kamerade rie der übrigen Crew hinausging. Blaine war ein geborener Geschich tenerzähler - und Sharud, der sein kurzes Leben in einer engen primiti ven Stammesgemeinschaft auf dem kalten Planeten Katarakt verbracht hatte, der perfekte Zuhörer Die Be reitschaft des Rokingers, dem Funker zu lauschen, schien unerschöpflich, ebenso wie der Vorrat an Geschichten, die Blaine zu erzählen wusste. Sharud spann sie weiter - wie etwa die Geschichten von den Wikingern. Die Vorstellung von starken Männern, die in der Kälte hausten und nur auf ihren Mut und ihre schnellen Boote gestützt hinaus in die Welt fuhren, entzückte den Rokinger Er versuchte ihnen nachzueifern, und es war seine Idee gewesen, die NEW GOOD HOPE mit ausgeschaltetem Prallschirm in den Landeanflug auf Stardust City zu bringen. Keine üble Idee, wie sich herausgestellt hatte, sogar eine her vorragende, wie Whistler fand, der immer noch den warmen Fahrtwind in den Haaren zu spüren glaubte.
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Doch gelegentlich musste man den jungen Rokinger bremsen. Whistler legte Sharud eine Hand auf den Arm, bevor er sich über die Reling wuchten konnte. »Sharud«, sagte er »Beherrsch dich, ja? « »Natürlich«, kam die Antwort. »Was denkst du von mir?« Dann machte sich Sharud los. Whistler folgte ihm. Er zog sich an der Bordwand hoch, brachte den O berkörper über die Reling und ließ sich nach vorne kippen. Die Positro nik fing ihn mit einem Traktorstrahl auf und setzte ihn beinahe zwanzig Meter tiefer sicher auf dem Boden ab. Die Crew! der NEW GOOD HOPE bildete einen schützenden Kreis um Whistler: »Los!«, befahl er »Noch sind die Leute benommen.« Sie setzten sich in Bewegung, dem Container entgegen, der Whistlers Büro beherbergte. Es war eine Strecke von knapp hundert Metern – ihnen versperrt von mehreren tausend Lei bern. Anfangs kamen sie mühelos voran. Sharud machte die Spitze. Sanft, aber nachdrücklich schob der riesenhafte Rokinger die Menschen zur Seite. Sie ließen es mit sich geschehen, der ver meintliche Absturz der NEW GOOD HOPE hatte sie zu sehr geschockt. Aber dann, Whistler und seine Crew hatten vielleicht die Hälfte der Stre cke zurückgelegt, verblasste der Schock. »Whistler!«, rief ein Mann aus der Menge. »Wann gibst du deine Kandi datur offiziell bekannt?« Whistler reagierte nicht. »Whistler!«, brüllte eine Frau. »Wie so beteiligst du dich nicht am Wahl kampf?«
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»Whistler!«, brüllte eine weitere St imme. »Sprich zu uns!« Yulanda, die sich ein Tuch vor die blutige Nase hielt, warf ihm einen fragenden Blick zu. Er schüttelte den Kopf. Sie arbeiteten sich weiter durch die Menge. Die einzelnen Fragen gin gen in ein vielstimmiges Gebrüll über Whistler konnte nur noch Fetzen her aushören. Egal. Sollten sie sich einen anderen suchen, um ihn zu verehren. Es kümmerte ihn nicht. Im Gegensatz zu Sharud. Der junge Rokinger liebte Geschich ten, doch Gerede und Menschenmen gen konnte er nicht ausstehen. Whistler verfolgte, wie die Bewegun gen Sharuds mit jedem Schritt fahri ger wurden, wie der Rokinger sich zu beherrschen versuchte. Es gelang ihm - bis jemand den Feh ler machte, sich ihm in den Weg zu stellen. Ein einzelner Mann, das Logo auf seiner Brust wies ihn als Reporter ei ner Trividstation aus, wollte nicht weichen. »Timber!«, rief der Mann. »Die Star dust-Öffentlichkeit hat ein Recht dar auf zu erfahren, welche Pläne du ...« Weiter kam er nicht. Sharud blieb vor dem Mann stehen. Er war der größte und schwerste Angehörige der Crew der NEW GOOD HOPE - und der furchterregendste. Whistler war manchmal an einen irdi schen Gorilla erinnert. Nur dass der junge Rokinger perfekt gerade stand, kein einziges Haar am Körper hatte, mit seinen über zwei Metern Größe jeden Gorilla überragte, noch weiter wachsen würde und er lauter brüllte. Viel lauter. Sharud stieß einen Schrei aus. Es war, als hätte er den Mann vor ihm mit seinen Schaufelhänden geschla
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gen. Der Mann kippte nach hinten weg, blieb einen Augenblick wie ge lähmt liegen, dann sah er zu, dass er dem Ungeheuer entkam, und kroch davon. Eine Schneise in der Menge öffnete sich vor Whistler und seinen Kameraden. »Weiter!«, befahl Whistler, der ihre Chance erkannt hatte, unbehelligt bis zum Büro zu gelangen. Sie rannten los. Niemand wagte es mehr, sich ihnen entgegenzustellen, bis auf einen Roboter, der sich unmit telbar vor der Tür zu Whistlers Büro aufgebaut hatte. »Whistler!«, rief er »Bist du für eine starke Stardust-Menschheit?« Sharud stieß erneut einen Laut aus, der irgendwo zwischen Kampf- und Freudenschrei angesiedelt war, und rammte die Maschine mit voller Wucht. Der Roboter wurde gegen die Wand geschleudert und sank an ihr herunter, als die stählernen Beine un ter ihm nachgaben. Rauchfäden stie gen aus der Verkleidung des Brustteils auf. Die Wucht des Aufpralls hatte sie eingedrückt. Sharud klatschte eine Schaufelhand auf den Öffnungssensor der Tür. Yu landa und die übrige Crew bildeten einen Halbkreis. und schirmten Whistler für den Fall ab, dass irgend jemand den Mut oder die Verrücktheit besitzen sollte, ihm nachzusetzen. Die Tür glitt zur Seite, und Whistler und der Rokinger stürzten in den Con tainer Sharud, an Kälte gewöhnt und unfähig zu schwitzen, hechelte hastig. Im Gesicht stand ihm dieses verwege ne Grinsen, das er vorzugsweise dann zeigte, wenn die NEW GOOD HOPE wieder einmal um Haaresbreite einem Howanetz entwischt war, das sie hat te verschlingen wollen.
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»Verdammt!«, fuhr Whistler ihn an. »Ich habe gesagt, du sollst dich be herrschen!« »Das habe ich!« »Ja, das habe ich gesehen!« »Ich habe mir Mühe gegeben!« Der Rokinger wirkte plötzlich einge schnappt. »Blaine sagt immer, das wäre das Einzige, was zählt ...« Er schwieg einen Augenblick, dann kehr te das Grinsen in sein grobes Gesicht zurück. »Aber weißt du was?«, sagte er. »Es hat Spaß gemacht. Machen wir das bald wieder?« »Nicht, wenn es nach mir geht« antwortete Whistler: »Diese ldioten kö…« Eine Stimme unterbrach ihn. Sie kam vom anderen Ende des Raumes, dort, wo Whistler seinen Schreibtisch hatte. ‘ »Administrator Whistler«, sagte die Stimme. »Es freut mich, dass du eini ge Minuten deiner wertvollen Zeit gefunden hast, unser Anliegen anzu hören! « 1. Januar 1347 NGZ Ein neues Jahr ist angebrochen. Ich feiere es mit einer Flasche Wein, die ich mir aufgespart habe. Sie ist von der Erde, aus Australien. Jeder Schluck erinnert mich daran, was gewesen ist. Die Leute haben mich mit Knüppeln weggejagt. Ich war ihnen unheimlich. Ich bin allen Menschen unheimlich. Niemand weiß, wer ich bin, niemand kennt mich, niemand interessiert sich, geschweige denn empfindet etwas für mich. Es sei denn Angst oder Ekel. Die Menschen spüren, dass ich an ders bin. Dass ich getötet habe, viele Male.
Was sie vergessen: Ich habe es für sie getan. An ihrer Stelle. Ich habe die Schuld auf mich geladen, damit sie ihr Leben unbefleckt leben können. Ich zerschmettere die leere Flasche an einem Stein. Es ist meine letzte, aber das stört mich nicht. Ich brauche keinen Wein mehr. Ich brauche keinen Menschen mehr. Niemanden. Nie mehr. PS: Gieße jeden Tag das Beet.
2. 10. Mai 1347 NGZ New Tahiti war ein Traum. Ein Traum von einer Stadt, der sich vom Strand die grünen, dicht bewal deten Hänge hinaufzog sowie zu bei den Seiten entlang der tief in das Land eingeschnittenen Tholion Bucht. Gelegen auf Zyx, dem dritten Plane ten des Stardust-Systems, einer Welt, die in ihrer Gänze einer irdischen Südsee-Träumerei entsprungen schien. Sigurd Echnatom, dem NochAdministrator der StardustMenschheit, mutete dieser Traum in diesem Moment, als er im Hafen von New Tahiti stand und darauf wartete, dass seine Mission begann, fast zu gut an, um wahr zu sein. Echnatom kam nur ungern nach Zyx. Vielleicht, wie er sich selbst in stillen Stunden eingestand, weil die Paradieswelt seinen, eigenen Lebens entwurf infrage stellte. Im Paradies gab es weder Notwendigkeit für Ge setze und Paragrafen noch für Men schen, die über ihre Umsetzung wach ten. Mit anderen Worten: keinen Platz für ihn, Sigurd Echnatom.
Das Stardust-Attentat
Mehr noch aber, weil Zyx trügerisch war Echnatom war für das Wohlerge hen von über 80,0 Millionen Menschen zuständig. Auf Zyx, dessen Landflä che verschwindend gering war, siedel te nur ein Bruchteil von ihnen. New Tahiti, das sich selbst stolz »Stadt« nannte, brachte es gerade einmal auf sechstausend Einwohner zu gegeben, sie lebten vorbildlich. Streitigkeiten und Konflikte, wie sie auf den übrigen Planeten des Star dust-Systems an der Tagesordnung waren und die einen guten Teil der Zeit des Administrators aufzehrten, waren auf Zyx unbekannt. Man lebte und ließ leben im Para dies. Und das galt nicht nur für die Menschen, sondern auch für die Ur einwohner des Planeten. Das klare blaue Wasser neben der Pier wühlte sich auf. Gleich darauf schob sich ein gedrungener, stählerner Turm aus der Gischt, gefolgt von ei nem über zwanzig Meter langen Rumpf. Ein U-Boot. Das Boot, auf das Echnatom wartete und das ihn zu, den vielleicht wichtigsten Verhandlungen bringen würde, die er je geführt hatte. Im Turm des Boots, einem Geschenk der Stardust-Menschheit an die Ur einwohner von Zyx, öffnete sich eine Aussparung. Echnatom zwängte sich durch. Er war ein schlanker Mann, aber der Tauchanzug blähte seinen Leib auf. Im Innern des Bootes erwar tete ihn ein einzelner Indochimi. Das Wesen sagte etwas. Es war ein sanfter Klang, ein leises Zischen, das nicht zu den großen, kalten Augen passen wollte. »Sigurd Echnatom?«, übersetzte der Translator, der im Nackenwulst seines Taucheranzugs untergebracht war. »Ja«, antwortete er. »InterimsAdministrator des Stardust-Systems,
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ausgestattet mit unbeschränkter Ver handlungsvollmacht in den Grenzen der Verfassung der Liga Freier Terra ner« »Gut. « Das Wesen wandte sich ab und ging zum Cockpit des Bootes. Echnatom überlegte einen Moment und folgte ihm. Der Indochimi ging aufrecht. Sein Gang wirkte unbeholfen und watschelnd. Für gewöhnlich zogen es die amphibischen Wesen vor an Land zu kriechen. Ihre Glieder waren seit lich angewinkelt, was es für sie schwierig machte, aufrecht zu stehen, geschweige denn zu gehen. Dass der Indochimi es trotzdem tat, mochte eine Geste der Ehrerbietung oder ein fach der terranischen Konstruktion des Bootes geschuldet sein. Sie legten ab. Der Indochimi kon zentrierte sich auf die Steuerung und schwieg. Echnatom nahm auf dem Sitz des Kopiloten Platz und nutzte die Gelegenheit, seinen Begleiter un auffällig zu mustern. Der Umriss des Wesens war verblüffend menschen ähnlich, aber dieser Eindruck hatte nur für einen Augenblick Bestand. Seine Haut war blau und am Bauch von einer Vielzahl Pickeln übersät, von denen Echnatom wusste, dass es sich um Drüsen handelte. Am übrigen Körper war die Haut zerfurcht und glänzte feucht. Das U-Boot sank tiefer und nahm Kurs entlang der Küste. Echnatom kannte nicht das genaue Ziel, er wuss te nur, dass die Fahrt zu einer Ansied lung der Amphibien ging, die sie Aau gen nannten. Und er hoffte, dass ihn dort jemand erwartete, dessen Stel lung der seinen gleichkam. Er hatte in den vergangenen Wochen einen erheb lichen Teil der knappen Ressourcen der Stardust-Menschheit darauf ver
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wendet, dass es zu einer solchen Be gegnung kam. Der Indochimi steuerte das U-Boot ohne merkliche Anstrengung. Die In dochimi nahmen die terranische Technologie, ohne zu zögern, an. Das Wunder eines U-Boots, das mit hun dert Stundenkilometern die Ozeane ihrer Welt queren konnte, ließ sie un beeindruckt. Ebenso wie die Zugänge zu den Kommunikationsnetzen des Stardust-Systems, die Echnatom in allen den Terranern bekannten Indo chimi-Siedlungen hatte einrichten lassen. Es war seine umstrittenste Ent scheidung in einer Zeit zahlloser um strittener Entscheidungen gewesen. Wochenlang hatte man Echnatom auf Schritt und Tritt vorgeworfen, er zer störe eine unberührte Kultur, er ver schenke Glasperlen an unbedarfte Eingeborene, um sie den Terranern gefügig zu machen. Echnatom, hatte sich nicht beirren lassen. Der Kontakt mit den Indochi mi war zu jenem Zeitpunkt längst hergestellt gewesen. Es hatte gegolten, sich den Konsequenzen zu stellen, statt aus Angst, etwas falsch zu ma chen, den Kopf in den Sand zu ste cken. Nicht zu handeln war auch eine Handlung. Sich dieser Erkenntnis nicht zu stellen bedeutete Feigheit. Und Feigheit war ein Vorwurf, den Echnatom nicht auf sich sitzen lassen wollte. Der Indochimi zischte etwas. »Wir sind da«, übersetzte der Translator. »Komm!« . Das Amphibienwesen überließ es der Positronik, das Boot an Ort und Stelle zu halten, und ging nach hinten. Es öffnete eine Schleusenkammer und bedeutete Echnatom einzutreten.
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Der Administrator, der weder eine Vorliebe für Wasser noch für enge Räume hatte, schluckte, verschloss den Taucheranzug und trat in die Kammer. Das Schott fuhr hinter ihm wieder zusammen, und Meerwasser flutete die Kammer, trug Echnatom hinaus in die See. Es war dunkel in der Tiefe. Er konn te nichts sehen. Überall war Grau, nur über ihm war das Grau heller. Wo war er? Wo waren die Indochimi? Echna tom schlug um sich – und holte sich einen Verweis. »Sachte, mein Lieber!«, drang eine weibliche Stimme aus den Akustikfel dern seines Helms. »Oder willst du, dass dich unsere amphibischen Freun de zum Mittagessen verspeisen?« Sie gehörte Indra, seiner Assistentin. Indra würde ihn auf seiner Mission begleiten, durch die Instrumente des Anzugs sehen, was er sah, hören, was erhörte. Die Indochimi hatten darauf bestanden, dass er alleine kam. Und Sigurd Echnatom befolgte ihre Forde rung peinlich genau – ohne sich unnö tigerweise der Vorteile terranischer Technik berauben zu lassen. »Was Willst du damit sagen?«, fragte er. »Ich dachte, unsere XenoEthnologen haben das Angebot gründlich geprüft! « »Natürlich. Aber das heißt nicht, dass die Indochimi ihre Meinung nicht ändern könnten. Vergiss nicht, sie sind Amphibien und Fleischfresser. Um Kräfte zu sparen, lauern sie ihrer Beute auf.« »Ich bin keine Beute, ich bin offi zieller Vertreter der StardustMenschheit! « »Nicht mehr lange, wenn du weiter so rumzappelst. Heftige Bewegungen könnten die Indochimi dazu verleiten, zuzuschnappen.«
Das Stardust-Attentat
»Ist das dein Ernst?« »Natürlich. Was sonst?« Was sonst? Echnatom wusste nie zu entscheiden, wann Indra Ernst machte und wann nicht. Seit er sie vor drei Monaten zu seiner Assistentin ernannt hatte, war er in dieser Sache keinen Deut schlauer geworden. Manchmal meinte Indra es todernst, manchmal machte sie sich einen Spaß daraus, ihn in die Irre zu führen. Es war ein Wun der, dass sie miteinander auskamen. Echnatom wurde nachgesagt, dass er noch nie von dem Wort »Humor« ge hört hatte, Vielleicht war das der Grund, dass er seine Assistentin nicht längst entlassen hatte. Er bewies sich selbst und der übrigen StardustMenschheit damit, dass er nicht der staubtrockene Bürokrat war, für den man ihn hielt. Echnatom hörte auf, mit Armen und Beinen zu schlagen, schwebte reglos im Wasser »Zufrieden?«, fragte er »Ja. Paddel vorsichtig herum. Wet ten, dass sich gleich etwas tut?« »Ich wette nicht!«, versetzt Echna tom, aber tat wie ihm aufgetragen. Wenige Augenblicke später schälten sich zwei Indochimi aus dem Grau. Echnatom ignorierte Indras »Na, was hab ich dir gesagt?« und folgte ih nen. * Nach einigen Minuten, in denen Echnatom zwischen den Gedanken schwankte, die beiden Indochimi auf keinen Fall aus den Augen zu verlie ren und sich keineswegs hastig zu be wegen, erreichten sie Aaugen, die Stadt der Indochimi. Viel war nicht zu sehen. Einige ver streute Lichter, die ihre Ausdehnung
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kennzeichneten, einige Dutzend Höh leneingänge, ansonsten schien der Fels unberührt. Aber mehr hatte Echnatom auch nicht erwartet. Die Amphibien wesen benutzten nur wenige Werk zeuge, und der Drang, ihre Umwelt nach den eigenen Vorstellungen um zukrempeln, wie er Terranern zu eigen war, schien ihnen fremd. Die beiden Indochimi hielten auf ei nes der Lichter in der unterseeischen Felswand zu. Der vordere beschleu nigte mit einem Schlagen seines gan zen Körpers, das an die Schwimmbe wegung eines irdischen Otters erin nerte, in eine der Öffnungen im Fels. Der zweite lndochimi wartete neben der Öffnung und bedeutete dem Ter raner, ihm zu folgen. Echnatom zögerte einen Augenblick. Er warf einen letzten Blick nach oben zur Wasseroberfläche, von der ihn vielleicht hundert Meter trennen mochten. Sie war hell. Und in der Helligkeit schwebten Hunderte von Rümpfen von Schiffen und schwimm fähigen Gleitern. Sie hatten auf Ech natoms Anordnung von überall her auf Zyx diejenigen Indochimi einge sammelt, die er für die Anführer ihrer Gemeinschaften hielt. »Was ist los? Etwa Angst?«, fragte Indra, als der Augenblick sich in die Länge zog. »Nein.« Er schüttelte den Kopf, ohne daran zu denken, dass seine Assisten tin seine Geste nicht mitbekommen würde. »Dem Augenblick angemesse ne Ehrfurcht.« Ein helles Auflachen antwortete ihm. Aber es war nicht spöttisch, son dern anerkennend. »Du wirst auf dei ne alten Tage richtiggehend schlagfer tig, Administrator!« Echnatom ging nicht auf die Bemer kung ein. Er schwamm in die Öffnung.
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Es war dunkel, aber das machte ihm wenig aus. Der Tunnel verengte sich rasch und ließ ihm ohnehin keine Wahl, als sich an den Vorsprüngen des Felsens nach vorne zu ziehen. Einige Minuten lang arbeitete sich der Ter raner durch die Dunkelheit. Schließlich kam das Licht. Zuerst war es nur ein Punkt, das sprichwörtliche Licht am Ende des Tunnels. Aber als er das Ende des Tunnels hinter sich ließ, war es plötz lich überall. Es ging vom Grund des Beckens aus, in das der Tunnel mündete. Es glitzer te rot, grün, gelb, orange oder auch einfach weiß. Echnatom nahm am Rande wahr, wie er den Atem anhielt, hörte, wie Indra, die sah, was er sah, es ihm gleichtat. Mit sachten Schwimmbewegungen stieg er an die Oberfläche. Echnatom klappte den Helm ein und beäugte das Wunder. Das Becken erwies sich als See. Ein unterirdischer See, über den sich der wundersamste Himmel spannte, den Echnatom erblickt hatte. Eine Fels kuppel bildete ihn, und sie mochte in Luftlinie keine zwanzig Kilometer von New Tahiti entfernt sein. Doch sie gehörte einer anderen Welt, an. Sterne standen am Himmel dieser Welt, bil deten Bilder und Haufen und warfen ihr vielfarbiges Licht auf den See. Und sie bewegten sich, als lebten sie. Echnatom kniff die Augen zusam men und erkannte an Krebse erin nernde Tiere als ihre Quelle, die Spin nen gleich an der Decke hingen und der Schwerkraft trotzten. »Biolumineszenz«, flüsterte Indra. »Unsere Wissenschaftler haben sie bereits bei mehreren Arten auf Zyx beobachtet. Die hohe Konzentration
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von Tieren mag ein Zufall sein oder von den Indochimi bewusst herbeige führt.« »Was eine einleuchtende Erklärung für ihren zögerlichen Einsatz von Werkzeugen wäre. Sie haben das um ständliche Zeug nicht nötig.« »Ja«, stimmte Indra zu. »Aber zer brich dir darüber nicht den Kopf. Du . wirst erwartet.« »Wo? « »Am Ostende. der Höhlenkuppel ist eine Art Strand. Dort warten die In dochimi auf dich.« Echnatom fragte nicht, woher seine Assistentin das wusste. Sie hatte vol len Zugriff auf die Instrumente seines Anzugs, sie sah, was er sah - und dank ihres Abstands nahm sie Dinge wahr, die ihm entgingen. Der Terraner schwamm an den Strand und betrat festes Land. Nach der langen Zeit im Wasser fühlten sich seine Glieder schwer an. Tausende Indochimi lagen am Strand, reglos, die Augen geschlossen. Die Meister der Amphibienwesen, die zu dem zu sammengekommen waren, was die Translatoren als »Konvent« übersetz ten. Um ihn anzuhören, hoffte Echna tom. Aber waren sie das tatsächlich? Echnatom zögerte. Seine beiden Füh rer hatten sich längst davongemacht. Niemand sonst schien an ihm interes siert. »Na los!«, drängte Indra. »Sag dei nen Spruch!« »Und dann?« »Werden wir sehen. Mach schon!« Echnatom räusperte sich. »Mein Name ist Sigurd Echnatom. Ich bin Administrator der StardustMenschheit. Das heißt, ich bin für eine gewisse Zeit Anführer der Menschen.«
Das Stardust-Attentat
Seine Stimme, die der Translator in die sanften Zischlaute der Amphi bienwesen umwandelte, hallte durch die Höhle. Die Indochimi schienen sie nicht zu hören. Sie regten sich nicht. »Ich habe euch zusammengerufen, um eine Abmachung mit eurem Volk zu treffen«, fuhr er fort. »Ich will, dass Menschen und Indochimi auf alle Zei ten in Frieden leben. Ich will, dass ihr Indochimi dieselben Rechte und Pflichten besitzt, wie sie für die Men schen gelten. Doch um diese Abma chung zu treffen, brauche ich ein Ge genüben Ich bitte euch, einen aus eu rem Kreis zu bestimmen.« Keine Reaktion. Echnatom zwang sich, abzuwarten, den Indochimi Zeit zu geben, seine Worte zu verarbeiten, nicht dem Ge fühl des Versagens nachzugeben, das ihn plötzlich überfiel. Nicht Indra um Hilfe zu bitten. Und dann, genau in dem Moment, in dem seine Zweifel die Überhand zu gewinnen drohten, glitt ein Indochimi ins Wasser Es war eine übergangslose, pfeilschnelle Bewegung. Echnatom war an einen irdischen Pinguin erin nert, der sich ins Meer stürzte. Und wie bei Pinguinen löste die Handlung des ersten Indochimi eine Kettereak tion aus: Wenige Augenblicke später fand sich Echnatom allein am Ufer wieder, als die Amphibienwesen in einer einzigen, schnellen Bewegung wie eine Welle aus Leibern in den See platschten. Echnatom blieb allein zurück. »Habe ... habe ich etwas Falsches gesagt?«, fragte er »Nein«, antwortete Indra. »Du hast gesagt, was zu sagen war. Die Indo chimi beraten sich jetzt.« »Sicher? «
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»Sicher. Zumindest glauben das sie ben der neun Xeno-Ethnologen, die mit mir im Raum sind. Viel mehr Si cherheit ist in diesem Universum nicht zu haben.« »Können die Indochimi unter Was ser sprechen?« »Jaein. Das wissen wir nicht genau. Die Indochimi produzieren Töne, das ist sicher: Und sie können der Kom munikation dienen, wie unsere Trans latoren beweisen. Aber ...« »Aber?« »Das ist wahrscheinlich nur ein Teil. Figuren, die sie im Wasser schwim men, spielen mit hinein. Und die Drü sen, die über ihre Bauche verteilt sind, Indochimi können eine schlicht un glaubliche Bandbreite non Pheromo nen absondern.« Echnatom blickte über den unterir dischen See. Die Figuren, welche die Indochimi schwammen, wühlten das Wasser auf, beinahe, als peitsche ein Sturm darüber Wenn es eine Diskus sion war; schien es eine heftige. »Und was jetzt?«, fragte er »Abwar ten? Oder kann ich etwas tun?« »Hm einen Augenblick.« Echnatom hörte Stimmen wie von ferne, als Indra sich mit den Xeno-Ethnologen beriet. Schließlich sagte sie; »Sigurd, hier ist unser Rat: Zieh einen Hand schuh aus und tauche die Hand in das Wasser. « »Wozu das?« »Geruchsprobe. Mit etwas Glück öffnest du den entscheidenden Kom munikationskanal.« «Mit etwas Glück?« »Ja.« Indra lachte glucksend. »Einer der Ethnologen meint, dass die Indo chimi nur auf die Gelegenheit lauern, deine leckere Hand abzubeißen« »Sehr witzig!«
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Echnatom zog einen Handschuh von den Fingern, ging in die Hocke und tauchte die Hand ins Wasser. Es war viel wärmer, als er erwartet hatte, und fühlte sich ölig an. Nichts geschah. Kein Indochimi kam auf ihn zu, weder um ihm die Hand abzubeißen, noch um mit ihm zu spre chen. Nach einer Minute wurde es Echna tom zu dumm. Er war auf einen Scherz Indras reingefallen. Er stand auf und drehte sich um. Vor ihm kauerte ein Indochimi. Er war an Land gekrochen, ohne dass Echnatom ihn bemerkt hätte. Das Amphibienwesen öffnete das Maul und zischte: »Ich bin Meister Lailavi. Derjenige, den du suchst.« 4. Januar 1347 NGZ Das Bruchholz ist zu Ende. Ich fälle den ersten Baum. Ich ma che es ungern, aber meine Seele braucht ein Feuer; um sich zu wär men, auch wenn es auf Zyx nie kalt ist. Ich fälle ihn mit eigenen Händen, mit einer einfachen Axt. Meine Hände zittern. Vor Anstrengung, glaube ich zuerst. Dann, als der Stamm knir schend fällt, sticht es in meinem Her zen. Ich höre einen Schrei. Mir wird schwarz vor Augen. I Als ich wieder zu mir komme, liege ich quer über dem Stamm. Seine Rin de ist weich. Sie fühlt sich wie die Haut eines Tieres an. Ich streichle sie, und es ist, als er schütterten Explosionen meinen Verstand, legten frei, was tief ver schüttet war. Nein. Dieser Baum ist zu schade, um ihn zu verbrennen.
Ich sage den Stamm in mannslange Stücke und zerre sie mit ganzer Kraft in das Herz meines Reiches. Dann hole ich die übrigen Werkzeu ge und beginne mit der Arbeit, PS: Im Beet sprießen erste grüne Halme.
3. 10. Mai 1347 NGZ Whistler wirbelte herum. Im Besucherstuhl vor seinem Schreibtisch saß ein Mann. Er war dick, hatte einen Glatzkopf, und das Flehen in seinem Blick war so inten siv, dass Whistler um ein Haar die wieder geöffnet und nach draußen geflohen wäre. Er hatte Bittsteller noch nie ausstehen können. »Wer bist du?«, fragte er Lauter als gewöhnlich, aber ohne zu brüllen. »Wie bist du hier hereingekommen? Und was willst du von mir?« »Das sind eine Menge Fragen auf einmal«, antwortete der Mann mit einer Gelassenheit, die sein flehender Blick nicht hätte vermuten lassen. »Ich werde versuchen, sie eine nach der anderen zu beantworten.« Er zeigte auf sich selbst. »Mein Na me ist Telmach Istban. Ich bin einer von 804 Millionen Menschen, die dei nem Ruf gefolgt, alles hinter sich zu rückgelassen und nach Stardust ge kommen sind.« Er machte eine Pause. »In dein Büro gekommen bin ich, in dem ich gefragt habe. Unter deinen Angestellten befinden sich viele, die ähnlich denken wie wir. Sie haben mich hereingelassen. Und wieso ich hier bin? Ganz einfach: Ich will versu chen, dich für das Wohl der StardustMenschheit zu gewinnen. «
Das Stardust-Attentat
»Für dieses Wohl arbeite ich be reits.« Whistler gab Sharud ein Zeichen, sich zurückzuhalten. Der junge Ro kinger hätte den ungebetenen Besu cher ohne Anstrengung in hohem Bo gen hinauswerfen können. Aber W histler war kein Mann, der Gewalt schätzte. Er würde diesen Istban los werden, ja. Aber er würde ihn mit sei nen eigenen. Waffen schlagen: mit Worten. »Ich bin soeben von einer fünfwö chigen Expedition zurückgekehrt«, sagte er. »Und das mit der größten Beute von Hyperkristallen, die je ein gebracht wurde. Meine Firma, Whistler-Stardust & Co., dient keinem an deren Zweck, als Hyperkristalle aufzuspüren und zu sichern.« Istban ließ sich nicht beirren.,»Das sind erhebliche Verdienste«, sagte er. »Ich will sie in keiner Weise kleinre den. Aber seien wir ehrlich: Es gibt genug andere Menschen, die auf Kris talljagd gehen können. Und würde nicht deine Firma die Vorkommen ausbeuten, täte es eine andere.« Whistler zuckte die Achseln. »Mag sein, Aber das ist kein Argument. Wieso sollte ich es lassen, nur weil andere es ebenfalls könnten?« »Weil du für Höheres gebraucht wirst. Die Stardust-Menschheit benö tigt einen Anführer.« »Wir haben bereits einen«, entgeg nete Whistler »Er heißt Sigurd Echna tom, ist unser Administrator und sitzt wahrscheinlich in diesem Augenblick in seinem Büro in der provisorischen Administration und heckt irgendwel che neuen Vorschriften aus, mit denen er Leuten, die tatsächlich etwas voll bringen wollen, Knüppel zwischen die Beine wirft.«
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»Ich wünschte, ich könnte dir wider sprechen. Doch Echnatom hat nicht das nötige Format. Er ist nur ein Ver walter. Das genügt nicht. Nicht in unserer Lage. « »Meine Meinung zu Sigurd Echna tom ist bekannt. Aber ich begreife nicht, was die Aufregung soll. In ein paar Wochen, am l8. Juni, werden die ersten Wahlen im System sein. Dann ist Echnatom Geschichte.« »Ja. Aber die Frage ist: Wer kommt nach Echnatom?« »Ist das so wichtig?« »Es ist lebenswichtig. Und deshalb ollen wir, dass du für uns anrittst!« Eines musste Whistler diesem Istan lassen. Er war hartnäckig. Er ließ ich nicht einfach von seinen Zielen ab bringen. Whistler musste sich einge stehen, dass es einen gewissen Ein druck auf ihn machte. Genug jeden falls, um das Spiel weiterzuspielen. »Wer sind >wir«, fragte er. Istban lächelte, als hätte er Zugang zu den Gedanken Whistlers und spür te, dass er den Fuß in der Tür hatte. »Wir nennen uns Arbeitsgemeinschaft Lokaler Friede«, sagte er. »Wir sind keine Partei, dazu ist es noch zu früh. Niemand will sich binden. Eine Grup pe Gleichgesinnter ist wohl die beste Beschreibung. Wir sind Menschen wie du. Wir sind aus dem Solsystem geflo hen. Aber wir haben es nicht aus Angst getan, sondern aus Abenteuer lust. Die einmalige Chance, noch ein mal ganz neu anzufangen, als Einzel ner wie als Gesellschaft. Und jetzt, da die Teletrans-Weiche für immer erlo schen ist, können wir unser Schicksal selbst in die Hand nehmen!« Er war müde ob der abgedroschenen Pionier-Rhetorik. Whistler hatte sie tausendmal gehört, wohl an die hun dertmal selbst verbreitet. »Hast du
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nichts anderes als Selbstverständlich keiten zu bieten?« »Selbstverständlichkeiten, glaubst du? « Istban griff in ·die Tasche und holte einen Datenwürfel hervor. Er warf ihn auf den Schreibtisch Whistlers. Der Würfel kam zum Liegen und leuchtete auf. Ein Holo entstand über der Tisch fläche. Whistler blickte einer Frau in die Augen. Sie war schlank und wirk te streng, vielleicht sogar verbittert. Sie war sichtlich über hundert, ein Mensch, den das Leben mehr als ein mal gebeutelt hatte. Und mit jedem Mal war die Frau härter geworden. »Das ist Rabea Furtok«, antwortete lstban auf die Frage, die Whistler auf der Zunge lag. »Sie ist bereits Kandi datin für das Administratorenamt. Sie wird von einer Gruppe unterstützt, die sich Interstellare Achtung nennt. Sie ist eine fähige, ehrgeizige Frau, das müssen wir ihr zugestehen. In den vergangenen Wochen ist sie unermüd lich durch das Stardust-System ge reist, um ihre Botschaft zu verkünden. Du solltest dir anhören, was sie zusa gen hat.« Das Standbild kam in Bewegung. Die Kamera zoomte zurück, erfasste die gesamte Szene. Furtok stand auf der Plattform eines SKARABÄUS und blickte auf eine Menschenmenge hin ab. Es mussten ein paar tausend Leute sein, die zusammengekommen waren. Hinter den Menschen waren nagel neue Gebäude und Baustellen zu er kennen. »Der Mitschnitt ist von gestern. Eine Rede in Thora City, nicht weit von hier«, kommentierte Istban, dann trat er zur Seite, um nicht Whistlers Sicht zu behindern.
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Die Kamera zoomte wieder Furtok heran. »... danke euch für euer zahlreiches Kommen«, sagte sie. »Es zeigt mir, wie sehr euch unsere Zukunft am Herzen liegt.« Sie machte eine Pause, ließ offenbar die Menge auf sich wirken. »Ich sage euch: Wir leben in aufregenden Zei ten. Den besten überhaupt vielleicht. Ihr, wir alle haben den Mut besessen, unsere Heimat für immer hinter uns zu lassen, mutig in das Unbekannte vorzustoßen. Einen Neuanfang zu ma chen.« Jubel antwortete ihr. »So weit, so gut. Wir sind Pioniere. Wir sind mutig. Aber ich frage euch: Genügt das? Genügt es, die Vergan genheit abzuschütteln, um die Zu kunft zu bestehen?« Sie wartete einige Augenblicke lang, bevor sie die Antwort gab; »Nein! Denn wer bestehen will, braucht mehr als Mut. Er braucht auch Klugheit, und wer klug ist, der weiß, dass wir gut daran getan haben, die Milchstra ße hinter uns zu lassen - und wir zugleich Dummköpfe wären, damit das jenige zu vergessen, was wir dort gelernt haben.« Sie legte eine Pause ein, ließ den Blick langsam über die Menge streifen und sagte: »Wir haben gelernt, dass das Universum grausam und kalt ist. Dass der Traum vom Frieden, vom harmonischen Miteinander aller Intel ligenzen nicht mehr als das ist ein Traum. Und ein gefährlicher dazu. Die Realität sieht anders aus. Seit Perry Rhodan vor dreitausend Jahren mit der STARDUST auf dem irdi schen Mond landete und dort die Ar koniden traf, ist die Geschichte der Menschheit eine Abfolge von Kriegen und Konflikten. Immer neue Gegner
Das Stardust-Attentat
brandeten gegen das Solsystem an, die Bestien, die Takerer, der Schwarm, das Konzil der Sieben, das Reich Tra dom und zahllose andere. Zuletzt schließlich die Terminale Kolonne. Gegner, mit denen keine Verhandlun gen möglich waren. Oder hat irgend einer unter euch jemals davon gehört, mit TRAITOR ließe sich über Gesprä che bei einer Tasse Tee zu einem Aus gleich kommen?« Pfiffe antworteten ihr. Die meisten Zuhörer aber schwiegen. Die Erinne rung an das belagerte Solsystem, das sie zurückgelassen hatten, bedrückte sie. »Ich frage euch: Sollen wir diese Lehre vergessen? Sollen wir vergessen, dass das Leben ein Kampf ist? Dass in diesem Kampf nur der Umsichtige besteht, derjenige, der den Frieden anstrebt, aber für den Kampf rüstet? Sollen die Lehren, die unzählige Men schen in dreitausend Jahren galakti scher Geschichte mit ihrem Blut be zahlt haben, soll das alles nicht mehr gelten, nur weil wir uns nun in einem anderen Teil des Universums befin den? Sollen wir in der Erleichterung, noch einmal davongekommen zu sein, dasitzen, Däumchen drehen und dar auf warten, dass der erste Gegner in das Stardust-System ein fliegt und unser hübsches kleines Utopia in glü hende Plasmawolken verwandelt? Oder uns versklavt?« Whistler hörte, wie der Rokinger hinter seinem Rücken schwer ein- und ausatmete. Sharud gefiel nicht, was er hörte - oder vielleicht brach nur seine, Ungeduld durch. Der Rokinger hielt nicht viel von langen Reden. Ihm täte der Kopf weh bei all dem Gerede, klagte er immer. »Wir müssen bereit sein, wachsam Bedeutet dies das Ende all unserer
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Träume?«, fuhr Rabea Furtok fort. »Nein. Es bedeutet lediglich, dass un sere Träume ein solides Fundament brauchen: militärische Stärke. Wir benötigen eine Flotte, die uns schützt!« Istban trat an den Tisch und wischte mit der Hand durch das Holo, quer durch das Gesicht Rabea Furtoks. Es erstarrte. »Ich denke, das genügt«, sagte er. Er wandte sich an Whistler. »Was sagst du jetzt?« Whistler sagte nichts, er war zu sehr in Gedanken gefangen. Militärische Stärke. Eine Kriegsflotte. Whistler war kein Soldat, er war es nie gewe sen. Er war ein Leben lang seiner Neugierde, seinen Leidenschaften ge folgt. Sich einem anderen bedingungs los unterzuordnen wäre ihm niemals in den Sinn gekommen. Er wusste nicht viel über Militärs, über das Ge schäft des Krieges. Aber er war ein Geschäftsmann, Und als solcher war ihm klar, was die Konsequenz eines militärischen Auf baus sein würde: der Niedergang des zivilen. Die Howanetze brachten nur eine bestimmte Menge von Hyperkristallen hervor. Natürlich, diese Menge würde sich im Lauf der Zeit steigern lassen, im selben Maß, wie die Erfahrung der Kristalljäger wuchs. Aber ihre Zahl war begrenzt - und damit die Mög lichkeiten der Stardust-Menschheit. Hyperkristalle waren der Flaschen hals ihrer. Technologie. Ein Kristall, der in einem Schlachtkreuzer verbaut wurde, fehlte in einem Medorobot. Ein Kristall in einer Geschützsteuerung fehlte in einem zivilen Gleiter. Ein Kristall in einer Kriegswerft fehlte im robotisierten Landbau.
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Landbau. Das war die entscheiden de Schwäche der StardustMenschheit. Eine Schwäche, die nur den wenigsten bewusst war Die Men schen aßen mit derselben Selbstver ständlichkeit, wie sie es in ihrem frü heren Leben getan hatten. Lebensmit tel gab es im Überfluss. Doch der Sch ein trog. Die Stardust-Menschheit lebte gewissermaßen aus der Dose, zehrte von den Vorräten, die sie aus dem Solsystem mitgebracht hatte. Diese Vorräte würden in nicht allzu langer Zeit aufgebraucht sein – und dann würde der Hunger beginnen, sollte es bis dahin nicht gelungen sein, eine landwirtschaftliche Produktion hochzuziehen, die in der Lage war, über 800 Millionen Menschen zu er nähren. »Keine erbaulichen Aussichten, was?«, sagte Istban in die Stille. »Nein«, gab Whistler zu. »Leider sind es realistische. Rabea Furtok versteht es, die Ängste vieler Menschen aufzugreifen, ihnen einen Weg aus der Angst aufzuzeigen. Inter stellare Achtung liegt in allen Umfra gen vorne. Wenn kein Wunder ge schieht, wird Rabea Furtok unsere neue Administratorin sein !« Die Vorstellung missfiel Whistler ebenso wie der Druck, unter den er sich gesetzt sah. »Wenn dir die Dinge so klar vor Au gen stehen, wieso trittst du dann nicht selbst an?«, fragte er lstban. »Wieso ersuchst du dann nicht selbst, Admi nistrator zu werden?« »Das werde ich tun, sollte es nötig ein. Aber meine Aussichten wären gering. Ich bin ein Niemand. Ich war in Leben lang ein einfacher Angestell ter. Bevor ich hierhergekommen bin, habe ich noch niemals Terra verlas sen. Du dagegen«, er machte einen
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Schritt auf Whistler zu, »du dagegen bist ein lebendes Symbol. Whistler! Allein der Klang deines Namens löst in den Menschen etwas aus. Alles, was hier ist, ist dein Werk. Ohne deine Initiative, ohne deine Entschlossen heit, ohne dein Vermögen gäbe es kei ne Stardust-Menschheit. Niemand hätte den Sprung ins Ungewisse ge wagt, wärst du nicht entschlossen vo rangegangen!« »Und? Das heißt nicht, dass ich die Menschen auf alle Ewigkeiten bemut tern muss!« Whistler sagte es heftiger, als er beabsichtigt hatte. »Nicht auf alle Ewigkeiten. Der Administrator wird auf fünf Jahre gewählt. « Whistler gab keine Antwort. Sein Blick fiel auf das eingefrorene Bild von Rabea Furtok. Die Zukunft, die sie proklamierte, würde nicht mehr seine Welt sein. Andererseits … er dachte an die vergangenen Wochen zurück, die Freiheit, das Abenteuer, die Kameradschaft der Kristalljagd. »Timber!« Es war Sharud, Der Ro kinger war neben ihn getreten. Er beugte sich vor und flüsterte ihm ins Ohr: »Timber, tu es nicht! Lass dich nicht von seinen Worten zwingen. Es wäre dein Unglück!« Es wären ungewöhnlich ernste Wor te für Sharud. »Wieso?«, fragte Whistler. »Hast du schon vergessen? Ich bin der Sohn des Rok. Mein Vater ist der Anführer unseres Volkes. Ich habe gesehen, was es aus ihm gemacht hat. Die Verantwortung lastet schwer auf dem, der an der Spitze steht. Und er ist allein. So allein, wie ein Wesen nur sein kam. Mein Vater weiß nicht, was Glück ist. Er hat es längst vergessen. Und du ...«
Das Stardust-Attentat
Das Kom-Armband Whistlers summte. Es war die Vorrangschal tung. Die Positronik des Armbands hatte den Anruf als wichtig genug eingestuft, um ihn durchzustellen. Whistler nickte Sharud zu, wandte sich ab und nahm das Gespräch an. Es war eine einfache Audioverbindung. Whistler hielt das Armband an das Ohr, lauschte der Botschaft und er starrte. Nach einigen Augenblicken unter brach er die Verbindung und wandte sich wieder dem Rokinger und lstban zu. Ernst stand in seinen Zügen, Ent schlossenheit. »Du hast mich überzeugt«, sagte er zu Istban. »Ich werde als Kandidat für das Amt des Administrators antreten. « »D... das ist großartig!« Der dicke Mann stotterte, die Überraschung über die plötzliche Wendung war zu groß. »Ich … ich werde deinen Ent schluss gleich verkünden!« »Tu das«, beschied ihm Whistler. Istban stürmte an ihm vorbei nach draußen, zur Menschenmenge, die auf dem Platz ausgeharrt hatte. Und als der Jubel der Menschen den Container erbeben ließ, fragte Sharud: »Wieso? Wieso hast du das getan?« Whistler hob wortlos den Arm, stell te das Kom-Armband auf laut und spielte, die Botschaft ab, die er eben erhalten hatte. »Whistler«, sagte eine Männerstim me, »halt dich aus Dingen raus, die über deinen Horizont gehen wenn dir dein Leben lieb ist!« 10. Januar 1347 NGZ Mein erstes Werk war Kelam da Ariga, der Arkonide.
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Ich erdrosselte ihn, als er meine wahre Identität zu erkennen drohte. Kelam und ich hatten uns angefreun det. Ich hatte mich als Abenteurer und Geschäftemacher ausgegeben, ein Ter raner, der sich nicht scheute, unter den Erzfeinden der Menschheit zu leben, um vielleicht einen vorteilhaf ten Handel für sich herauszuschlagen. Kelam hatte in mir eine Möglichkeit gesehen, aus dem Gefängnis auszubre chen, das sein altehrwürdiges Ge schlecht darstellte. Wir waren von Urwelt zu Urwelt gereist und hatten in guter arkonidischer Tradition alles über den Haufen geschossen, was sich bewegte. Aber irgendwann hatte er begonnen, mir Fragen über meine Vergangenheit zu stellen. Ich werde die Verwunderung nie mals vergessen, die Kelam im Gesicht stand, als er starb. Ich glaube, ich habe sie gut einge fangen. Das Holz wirkt wie lebendig. PS: Beet gedeiht. Kann bald ern ten.
4. 10. Mai 1347 NGZ »Ich bin Sigurd Echnatom, Admi nistrator der Menschen im StardustSystem«, sagte er Echnatom war klar, dass er sich wiederholte, aber ihm fiel nichts Bes seres ein. Er war ein einfacher Ver walter, kein Xeno-Ethnologe. Er ge hörte hinter einen Schreibtisch oder in einen Sitzungsraum. Im Höhlensaal der Indochimi, bis auf den Funkkon takt zu Indra auf sich allein gestellt, fühlte er sich fehl am Platz.
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Außerdem fror er. Es war kalt hier in der Unterwelt des angeblich immer warmen Planeten Zyx. »Administrator«, übersetzte der Translator die sanft gezischte Entgeg nung des Indochimi. »Bedeutet das, dass du ein Meister bist?« Echnatom versuchte, in den Zügen des Amphibienwesens zu lesen. Es war vergeblich. Indochimi besaßen keine Mimik, und die Augen seines Gegenübers waren hinter der dicken, trüben Hornhaut kaum zu erkennen. Meister Lailavi war reglos wie ein Stein, nur sein Maul öffnete und schloss sich, wenn er sprach. Als hätte man an einer Puppe eine Klappe an gebracht. Echnatom wartete, dass ihm Indra eine Antwort vorgab. Aber seine As sistentin schwieg sich aus. »Ich glaube, ja«, sagte Echnatom vorsichtig. »Was macht einen Meister aus?« »Er lebt. Er lebt und lebt und lebt. Er ist weise. Er hat viel gesehen, gero chen und gespürt. Der Meister spürt das Richtige und verbreitet es unter den Seinen. Er spürt es, und die ande ren spüren, dass er es spürt. Trifft das auf dich zu?« Echnatom hatte nicht die geringste Ahnung, von was der Indochimi sprach. »Das das ist eine gewichtige Frage«, sagte er. »Darf ich einen Au genblick darüber nachdenken?« Meister Lailavi antwortete nicht. Sigurd Echnatom entschied sich, in die Hocke zu gehen, um nicht länger auf das Amphibienwesen hinunterbli cken. Außerdem wollte er nicht mehr stehen. Er war Sitzen gewohnt. Er war ein Sesselfurzer, wie ihn Indra immer nannte, wenn ihr freches Tem perament mit ihr durchging.
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»Wir haben eine erste Hypothese«, schaltete sich Indra ein, als hätte sie Echnatoms Gedanken gehört. »Ein Indochimi analysiert über Hautrezep toren konstant die chemische Zusam mensetzung des Wassers. Sie wird durch andere Indochimi fortlaufend verändert. Der Unterschied zwischen einem gewöhnlichem Indochimi und einem Meister besteht darin, dass der Meister die Analyse bewusst durch führt und gezielt Botenstoffe aus die ser Suppe herausfiltert und wieder abgibt. Damit erzeugt er den gesell schaftlichen Gleichklang, den eine Indochimi-Gemeinschaft ausmacht.« »Bin ich ein Meister ...?« Echnatom wiederholte die Frage laut, um noch etwas mehr Zeit zu gewinnen. Dann hatte er seine Antwort parat: »Ja, ich bin ein Meister unter Menschen. Ich beobachte die Menschen, versuche, ihre Bedürfnisse zu erkennen. Ich hö re, was die anderen Menschen zu sa gen haben. Ich denke darüber nach und sage, was ich zu sagen habe. Die anderen Menschen hören mir zu und tun, was ich ihnen sage.« Zumindest ein der Theorie, fügte Echnatom in Gedanken hinzu. Man che, wie der alte Dickschädel Whistler, brauchten immer eine Ext raaufforderung oder zwei. Und manchmal auch eine Drohung mit Paragrafen. »Das ist alles?«, entgegnete der In dochimi. Täuschte er sich, oder klang aus der Translatorstimme Enttäuschung? »Ja«, antwortete Echnatom. »Ihr Menschen könnt nicht >riech sprechen« Es war eine Wortschöp fung des Translators. »Nein, nicht in dem Sinne wie ihr Indochimi.«
Das Stardust-Attentat
»Das ist traurig. Ihr fristet euer Le ben in Einsamkeit und Dunkelheit. Wie gelingt es euch, miteinander aus zukommen?« »So gut es eben geht.« Echnatom zuckte die Achseln. »Die meisten Menschen besitzen guten Willen. Wir sprechen miteinander, bringen unsere Argumente vor« »Traurig, traurig.« Meister Lailavi blinzelte. Es wirkte wie in Zeitlupe. Der Lidschlag dauerte mehrere Se kunden. »Und du bist der Administra tor der Menschen Bist du aufmerk samer und klüger als die übrigen Menschen? « Indra lachte hell auf. Echnatom ig norierte es. ' »Ich kann es nur hoffen«, sagte er. »Ich habe stets mein Bestes gegeben.« »Du sprichst in der Vergangenheit.«· »Meine Zeit neigt sich dem Ende zu. « »Du stirbst? « »Nein. Meine Amtszeit neigt sich ih rem Ende zu. In wenigen Wochen wird es eine Wahl geben.« Meister Lailavi verlagerte sein Ge wicht. Es war die erste Bewegung, die er machte. Sie kam übergangslos, und einen Augenblick später kauerte er wieder in perfekter Reglosigkeit, als hätte er sich niemals geregt. »Eine >Wahl«, fragte er. »Was ist das? « »Es ist unsere Art, einen Meister zu bestimmen. Wer glaubt, er habe das Zeug zum Administrator, teilt dies an deren Menschen mit. Gelingt es ihm, andere davon zu überzeugen, unter stützen sie ihn. Findet er genügend Unterstützen gewinnt er die Wahl. Bei der Wahl hat jeder erwachsene Men sch eine Stimme.« »Eine Stimme?« »Ja. Nur so ist es gerecht.«
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Meister Lailavi blinzelte mehrmals. »Wie primitiv«, sagte er schließlich. »Das Leben ist vielfältig. Nur eine Antwort darauf zu geben heißt doch beinahe zwangsläufig, die falsche zu zugeben. « Der Indochimi schwieg einige Au genblicke lang. Dann fuhr er fort: »Die Maschinen, die ihr besitzt, sind Wunder: Es scheint mir unmöglich, dass ein Volk solche Wunder vollbrin gen kann und gleichzeitig so primitiv ist. « »Menschen sind voller Widersprü che«, sagte Echnatom. Der Indochimi schien mit seiner Antwort zufrieden. »Weshalb erzählst du mir von diesen >Wahlen« »Ich, der Administrator der Men schen, möchte, dass ihr Indochimi an den Wahlen teilnehmt.« »Wieso das? « »Wie ich dir sagte, Wahlen bestim men die Meister der Menschen. Es ist unsere Art, Gemeinschaft zu regeln. Wer bei den Menschen dabei etwas zu sagen haben will, muss an den Wahlen teilnehmen.« Das war es, weshalb Sigurd Echna tom nach Zyx gekommen war. Echna tom wollte die Indochimi in die Ge meinschaft aufnehmen, die im Star dust-System entstand. »Dazu besteht. kein Anlass«, ent gegnete der Indochimi. »Menschen sind Menschen, Indochimi sind Indo chimi.« Sein Kopf ruckte herum, zeigte auf den unterirdischen See. »Ich fordere dich nicht auf, in das Wasser zu gehen und am Konvent der Meister teilzu nehmen. Es wäre sinnlos. Du kannst nicht riechsprechen.« Der Kopf ruckte zurück. »Und du solltest uns deiner seits nicht auffordern, an euren Wah len teilzunehmen. lhr Menschen lebt,
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wie es euch angemessen ist, wir Indo chimi, wie es uns angemessen ist.« Eine glatte Abfuhr. Echnatom spür te Enttäuschung. Und Trotz. Er war Administrator der StardustMenschheit. Er hatte sich dieses Amt nicht ausgesucht. Und mehr als ein mal hatte er sich gewünscht, seine Last nicht tragen zu müssen. Aber er hatte nicht aufgegeben. Er würde auch jetzt nicht aufgeben. Sigurd Echnatom, war nur ein gewöhnlicher Mensch. Er konnte nur eines tun: ver suchen, das Beste zu erkennen - und sein Bestes zu geben. »Ich fürchte, das wird nicht genü gen«, sagte er »Wieso das?« »Darf ich dir eine Geschichte erzäh len?« Er wartete keine Antwort ab, sondern setzte sich im Schneidersitz hin. Der Boden war überraschend hart. Er rutschte auf den Steinen her um, bis er eine halbwegs bequeme Position gefunden hatte. »Es geschah vor langer Zeit auf der Erde, unserer Heimatwelt. Damals besaßen dieMenschen keine technischen Wunder, ihre Leben waren kurz, ihr Dasein hart. Vieles ist seitdem geschehen. Die Menschen stießen zu den Sternen vor, siedelten auf unzähligen Welten, aber ich glaube, dass die Natur des Men schen. dennoch unverändert geblieben ist.« Meister Lailavi schwieg. Echnatom nahm es als Einverständnis und fuhr fort: »Wir Menschen können nicht riechsprechen. Oft gibt es Streit unter uns. Die Ansichten darüber, was ein gutes und richtiges Leben ist, gehen oft weit auseinander. Und manchmal bleibt es nicht bei Worten. Wir Men schen sind nicht so klug wie die Indo chimi. «
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»Jetzt übertreib nicht«, schaltete sich Indra ein. »Das sind hier keine edlen Wilden, sondern ein Volk wie jedes andere.« Echnatom ließ sich von der Bemer kung seiner Assistentin nicht ablen ken. »Unter den Menschen gab es eine Gruppe, die man später die Pilgervä ter nannte«, sagte er »Sie wurden für ihren Glauben verfolgt. So schlimm war die Verfolgung, dass sie eines Ta ges beschlossen, ihre Heimat hinter sich zu lassen und an einem anderen Ort neu anzufangen. Sie verließen den Kontinent Europa und wagten die Überfahrt zum Kontinent Amerika, den ihresgleichen damals als >neu entdeckt< bezeichnete. Hundert Men schen erreichten schließlich Amerika. Im ersten Winter starb die Hälfte von ihnen. Und die Übrigen wären wohl auch gestorben, hätten ihnen die Men schen, die in Amerika wohnten, nicht geholfen.« Echnatom blickte über die Höhle. Die biolumineszenten Tiere, die ihre Decke besiedelten, waren unaufhör lich in Bewegung, malten unbeein druckt von seiner Erzählung ihre leuchtenden Muster. Der See war ru hig. Echnatom sah die Umrisse vieler In dochimi, die reglos im Wasser trieben. Wäre nicht die blaue Hautfarbe gewe sen, Echnatom hätte sie mit treiben den Baumstämmen verwechselt. »Die Pilgerväter nannten diese Be wohner >Indianer<. Die Indianer ih rerseits nannten sie >Weiße<. Die Technik der Indianer war noch primi tiver als die der Weißen, aber dafür kannten sie das Land und wussten, wie man in Amerika überlebt. Und weil sie Mitleid empfanden, halfen sie den Weißen. Die Weißen überlebten, und für einige Jahre lebten sie und die
Das Stardust-Attentat
Indianer nebeneinander her, ähnlich wie Indochimi und Menschen es heute auf Zyx tun. Amerika War unermess lich groß; es gab dort Platz für Weiße wie Indianer. Wieso sollte man es sich nicht in Frieden teilen?« Echnatom schwieg, um Lailavi Ge legenheit zu Fragen zu geben. Der Indochimi regte sich nicht. »Es gelang nicht«, sagte Echnatom. »Das Land war groß, doch nicht groß genug. Weiße und Indianer fanden sich immer wieder im Konflikt um dieselben Orte, dieselben Rechte, die selben Jagdreviere. Es kam zu Streit. Menschen starben. Anfangs auf bei den Seiten, aber bald wurden die Weißen übermächtig. Nicht bloß ihre Technik war. überlegen, sondern als bald auch ihre Zahl. Immer neue Wei ße strömten nach Amerika. Welle um Welle brandete an - und die Gemein schaften der Indianer ertranken dar in.« Echnatom beugte sich vor, so weit, bis ihn nur eine Handbreit von Lailavi trennte und ihm der Fischgeruch des Amphibienwesens in die Nase stieg. »Deshalb bin ich zu euch gekom men, Meister Lailavi«, sagte er »Ich will nicht, dass ihr Indochimi ertrinkt. Werdet Teil unserer Gemeinschaft. Nur dann könnt ihr eure eigene Ge meinschaft erhalten!« . Echnatom hatte den letzten Satz laut gerufen. Seine Worte waren noch nicht verhallt, als der Indochimi be reits antwortete. »Das ist eine Entscheidung, die, zu bedeutend ist, als dass ich allein sie treffen könnte«, sagte er und schlüpfte in den See. Innerhalb weniger Augenblicke wühlten Hunderte von Figuren schla genden Indochimi das Wasser auf.
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Der Konvent der Amphibienwesen tagte. Echnatom blieb sitzen und sah zu. Er hörte das Glucksen und Platschen des Wassers, vernahm den schnellen Atem Indras und lauschte in sich hin ein, um überrascht eine Zufriedenheit zu finden, die ihm unbekannt gewesen war. Egal, was geschehen Würde. Er hat te sein Bestes gegeben. Er hatte getan was er konnte. Nach einiger Zeit beruhigte sich das Wasser. Pfeilschnell schoss ein einzel ner Indochimi durch den See, zielte direkt auf Echnatom und sprang ans Ufer. Wasser lief an Meister Lailavi herab und in das Maul des Indochimi, als er sprach. »Mensch! Du hast gut gesprochen für ein Wesen, das nicht riechsprechen kann. Wir treten der Gemeinschaft der Menschen bei.« 24. Februar 1347 NGZ Kelam ist nicht mehr allein. Ein Dutzend andere leisten ihm Ge sellschaft. Ein bloßer Anfang, ich weiß. Doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis ich sie. alle eingefangen habe. Ich spüre, wie ich täglich stärker werde. Mit jedem Leben, das ich ein fange, scheint eine Last von meiner Seele genommen zu sein. Manchmal gehe ich zwischen ihnen hindurch und schaue ihnen in die Ge sichter Ich lese dort Angst und Ver zweiflung, öfter aber noch Verwunde rung. Merkwürdig, als wäre der Tod für sie eine Überraschung gewesen. Und töricht. Im Leben steht nur ei nes fest: der Tod.
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Manchmal sitze ich in ihrer Mitte und spreche mit ihnen. Ich rechne ih nen aus, wie lange es noch dauern wird, bis sie vollzählig sind. Zwei Mo nate, vielleicht drei. Es wird hier eng werden. Aber ich werde die Enge, die Gesellschaft genießen. PS: Vom Beet geerntet und geges sen. Köstlich wie Zuckererbsen.
5. 19. April 1347 NGZ Marty Zeimand ließ die Insel, seine Seelenbilder und sein Beet zurück und flog nach New Tahiti. Es war ein langer Weg. Er führte ihn um den halben Planeten, von der na hezu ungebrochenen Weite des Süd meers zu den Kontinenten des Nor dens, die aus der Höhe wie grüne Seen wirkten, die in der Unendlichkeit des Blaus trieben. Es war kein einfacher Flug. Die Schönheit von Zyx schmerzte ihn. Er hatte das Paradies gefunden. Doch as Paradies hatte einen Makel, von dem es gereinigt werden musste. Er durfte das nie vergessen. Nach vierzehn Stunden landete er n New Tahiti, dem Ort, der sich Haupt stadt« von Zyx nannte. Es war in bes seres Dorf, ein paar tausend Menschen nur. Immerhin, die Einwohner von New Tahiti waren Kommen und Ge hen gewohnt. Ein Fremder, der mit seinem Gleiter landete, erregte kein Aufsehen. Zyx war erst seit einigen Monaten besiedelt. Zu kurz, als dass sich die Menschen hätten niederlassen und in festen Gewohnheiten und Ge meinschaften hatten einrichten kön nen.
Erging in die »Stadt«. Überall waren Menschen auf den Straßen. Sie saßen im Schatten der hiesigen Baume mit den weiten, an Fallschirme erinnern den Kronen und unterhielten sich und tranken. Er hörte viel Lachen, viele Rufe von Kindern. Die Menschen in New Tahiti warenarglos. Sie führten sich auf, als befanden sie sich in ei nem Urlaub, der niemals ein Ende haben würde. Als wäre alles Unange nehme, alles Böse, jegliche Gefahr, hinter ihnen geblieben, als sie nach Zyx gekommen waren. Es war ein Irrtum, er wusste es. Der Schein trog. Er fand Unterkunft bei einer Frau, die in der Nähe des Hafens eine einfa che Hütte bewohnte, Sie hieß Diril und hieß ihn mit jener Unkompli ziertheit willkommen, die den Pionie ren eigen war. Hotels existierten nicht , noch nicht - auf Zyx. Wer reiste, schlief im Gleiter, irgendwo am Strand oder fand Aufnahme bei einem Mitmenschen Bezahlung wurde nicht erwartet. Weshalb auch? Geld besaß auf Zyx keinen Wert. Geschichten schon. Geduldig hörte er Dirils Geschichte an, wie sie zum Entschluss gekommen war, nach Stardust aufzubrechen. Eine unglück liche Beziehung, die zermürbende Langeweile eines Lebens, in dem alles geregelt war und es nichts gab, um das man sich hätte Sorgen machen müssen, solange man nur funktionier te, solange sich das kleine Rädchen, das man selbst darstellte, brav wei terdrehte, damit das große Räderwerk der Zivilisation niemals zum Still stand kam. Die Terminale Kolonne war für Diril ein Glücksfall gewesen. Sie hatte ihr das Tor nach Stardust eröffnet, in die Freiheit.
Das Stardust-Attentat
Er lauschte Dirils Geschichten und gab zurück, was sie erwartete. Seine eigene Geschichte. Er berichtete von einer erfüllten Ehe, Kindern, dem Glück auf Erden. Dann ein furchtba rer Unfall, der in einem Augenblick das Leben seiner Familie nahm, ver nichtete, was er für unverrückbar gehalten hatte. « Es war eine Lüge. Aber es war eine Lüge, die sein Gegenüber hören woll te. Diril nahm ihn in den Arm, um ihn zu trösten. Bald küsste sie ihn und schlief mit ihm im Hof der Hütte, ab geschirmt von Blicken durch einen Blätterzaun, unter dem klaren Ster nenhimmel. Er genoss den Akt, und er sollte sich in den darauffolgenden Nächten wie derholen. Doch er vergaß keinen Au genblick, weshalb er gekommen war Der fleischliche Genuss war eine Täu schung, und ihm lag eine Täuschung zugrunde. Diril schlief mit ihm, weil sie seine Geschichte glaubte. Hätte sie den wahren Marty Zeimand gekannt, sie hätte ihn niemals berührt. Die Tage verbrachte er am Hafen. Er mochte ihn. Es war der einzige Ort in, New Tahiti, der ihm nicht das Gefühl gab, auf einer Welt des Urlaubs, des quälenden, sinnlosen Nichtstuns ge strandet zu sein. Am Hafen wurde gearbeitet. Roboter und Arbeiter ver längerten die Mole, schufen neue An legeplätze. Schiffe liefen ein und aus. Sie beförderten Passagiere an die vie len tausend Orte, an denen Menschen sich anschickten zu siedeln, um ihr eigenes Stück New Tahiti zu begrün den. Um den Traum vom Paradies zu verwirklichen, ohne zu ahnen, dass dieses Paradies bedroht war Frachter folgten den Passagierschiffen, brach ten Baumaterialien, Roboter, Fertig nahrung für die Siedler.
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Und es gab Schiffe, die die dummen Tiere beförderten. Er sah sie nur von Weitem. Sie liefen nicht in den Hafen von New Tahiti ein. Ihr Ziel war Aaugen, die »Stadt der Indochimi«, wie die Leute sie nannten. Die Leute lebten im Irrglau ben, bei den Amphibienwesen handele es sich um intelligente Wesen, die auf einer Stufe mit den Menschen stan den. Es gab sogar Leute, die sie »Fischmenschen« nannten. Es war ein Irrtum, der von höchster Stelle gefördert wurde, von Sigurd Echnatom, Interims-Administrator des Stardust-Systems. Er hatte sogar Schiffe bereitgestellt, um einen Kon vent der Alpha-Tiere in Aaugen zu organisieren, auf dem er mit ihnen sprechen wollte. Es war ein Irrsinn, der ihm den Atem raubte, wenn er nur daran dach te. War Zyx das Paradies, dann waren die Amphibienwesen die Schlange im Paradies. Die Menschen mussten sie ausrotten, wollten sie das Paradies nicht verlieren. Gelegentlich kamen auch Tauchboo te in den Hafen. Es waren nur wenige. Die meisten dieser Boote waren im Einsatz überall auf Zyx, um die »Meister« einzusammeln und nach Aaugen zu bringen. Und die Mehrzahl war für seine Zwecke ungeeignet. Es waren Spaßboote, aus durchsichtigem Panzerplast gefertigt. Ausgelegt dar auf, eine Ladung plappernder, naiver Dummköpfe in die unterseeische Welt zu bringen, ihnen einen Einblick zu geben, der sie staunen ließ, und sie anschließend wieder zurück an Land zu bringen, um die nächste Ladung plappernder, naiver Dummköpfe auf zunehmen. Nein, die Tauchboote waren wertlos für ihn.
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Mit einer Ausnahme: der TRUK. Es war ein militärisches Boot. Kein durchsichtiger Panzerplast, keine Sichtluken - dafür ein orangefarbener Anstrich, der die arglosen Menschen darüber hinwegtäuschte, was sie vor sich hatten. Marty Zeimand war nicht arglos. Als ehemaliger Missionsspezialist der Liga-Flotte wusste er, was er vor sich hatte: ein Spürfahrzeug. Der deutliche Fingerzeig, dass wenigstens irgendwer in der Administration nicht mit einer rosa Brille auf der Nase durch die Welt stolperte. ln der fünften Nacht hatte er genug. Er entwand sich den Armen der schla fenden Diril, schlich in die Hütte und legte den Kampfanzug, an, den er in seinem Rucksack mitgebracht hatte. Dann machte er sich auf den Weg zum Hafen. Die TRUK besaß eine Wa che, eine ältere Frau, die sich vom Paradies hatte einlullen lassen. Sie lag mit dem Rücken auf dem Steg, sah hinauf in. den Sternenhimmel und träumte, ihre Waffe achtlos neben ihr. Er schaltete die Frau mit einem sorgfältig gezielten Schlag aus. Sie würde erst am Morgen wieder zu sich kommen. Er hätte sie getötet, wenn er es für nötig gehalten hatte, doch Mar ty Zeimand wollte minimales Aufse hen. Eine tote Wache hätte einen Alarm ausgelöst, der über Wochen stand gehabt hätte. Mit einer betäub ten konnte er davon ausgehen, dass der strahlende Sonnenschein des Pa radieses den Verantwortlichen die Lust auf eine Verfolgung bald aus trieb. Zyx war zu schön, um sich mit Verbrechern aufzuhalten. Er brach auf. Die Steuerung der TRUK war simpel, entsprach dem, was er in seiner Ausbildung gelernt hatte. Er nahm Kurs auf die offene
PERRY RHODAN-Extra 8
See, behielt ihn einige Stunden bei, dann hielt er nach Süden, bis er wie der auf die Küste stieß. Eine Indochimi-Siedlung war sein vorläufiges Ziel. Eine beliebige tat es. Er musste die Tiere studieren, ihre Eigenarten erlernen, um sein eigentli ches Ziel zu erreichen. Die Siedlung war schnell gefunden. Höhleneingänge unterhalb der Was serlinie markierten die Zugänge. In dochimi schlüpften in die Gänge hin aus oder hinein. Tausende von Tieren trieben im Wasser der Vorküstenzone und stellten sich tot. Marty Zeimand stellte sich tot. Er aktivierte den Deflektor der TRUK und näherte sich mit dem Boot einer kleineren Gruppe von reglosen Amphibienwesen. Als er bis auf hun dert Meter an sie heran war, erwach ten die Tiere aus ihrer Starre und schossen mit einer Beschleunigung davon, die selbst den Antrieb der TRUK überfordert hätte. Sie hatten das Boot wahrgenommen, trotz des Deflektorfelds. Sicht war offenbar nicht entscheidend. Was dann? Mithilfe des Bordgeschützes tötete er ein abseits treibendes Tier und holte es per Traktorstrahl an Bord. Es war eine Sache von einer Minute. Der Strahl traf das Tier wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Er untersuchte den Kadaver Er stank nach Fisch und verbranntem Fleisch. Die Ohren waren kaum aus gebildet. Schall kam also nicht infrage Sein Blick fiel auf den Bauch des Tie res. Er war mit Drüsen übersät, aus denen verschiedenfarbige Flüssigkei ten tropften. Ihm kam eine Idee. Er nahm Proben der Flüssigkeiten und analysierte sie. Es waren Pheromone, Botenstoffe. Das konnte nur eines be deuten: Die Amphibienwesen nahmen
Das Stardust-Attentat
Sinneseindrücke über den Geruchs sinn auf - und gaben sie weiter. Diese Art der Wahrnehmung zu ver hindern war simpel: ein einfacher Schutzschirm genügte. Er schickte eine Sonde los. Ein De flektorfeld und ein einfacher Schutz schirm hüllten sie ein. Die Tiere sto ben davon. Er wiederholte sein Expe riment, einmal, zweimal, viele Male. Das Ergebnis blieb dasselbe: Die Tiere bemerkten die Annäherung. Zwei Tage lang steckte er fest. Was machte er falsch? Er fand keine Ant wort. Doch es musste eine Antwort geben. Er hatte etwas übersehen, das war alles. Er beobachtete die Amphibien. Er verfolgte das Kommen und Gehen in der unterseeischen Stadt. Und er sah zu, wie sie fraßen. Die Tiere waren unglaublich schnell. Schwamm Beute an ihnen vorbei, überwanden sie ihre Reglosigkeit beinahe schneller, als das Auge folgen konnte, und schnappten sie. Aber: nicht jeder Fisch wurde zu ihrer Beute. Wieso? Er machte eine Aufstellung der Arten. Vielleicht hatten die Am phibienwesen Vorlieben? Vielleicht waren nur einige wenige Arten für sie essbar? Die Ergebnisse waren ernüchternd. Die dummen Tiere fraßen alles. Alles, wie ihm nach drei Tagen der Beobach tung plötzlich klar wurde, was sich bewegte. Stellte sich ein Fisch tot, schien er für die Amphibien nicht zu existieren. Vorausgesetzt, die Meeres strömung war günstig und trug seinen Duft weg von dem Tier. Das war die Lösung. Er musste sich tot stellen. Aber wie konnte er dann in die Stadt der dummen Tiere vordrin gen?
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Ein weiterer Tag des Nachdenkens brachte ihm die Lösung. Er brauchte lediglich Geduld und die passenden Strömungen. Zyx besaß keinen Mond, Gezeiten wie auf der Erde waren un bekannt. Trotzdem war das Meer un ruhig. Stürme wühlten es auf. Der globale Kalt- und Warmwasseraus gleich sorgte für Strömungen, die sich über Tausende von Kilometern hinzo gen. Marty Zeimand suchte im System netz von Stardust nach Forschungser gebnissen und stieß schließlich auf eine Studie, die ihm den Schlüssel in die Hand gab, seine Aufgabe zu erfül len: »Maritime Druck- und Unter drucksysteme auf Stardust III als Auslöser von Pseudogezeiten«. Die Amphibienwesen lebten in Küs tenabschnitten, die von porösem Ge stein gekennzeichnet waren. Die Viel zahl von Höhlen und unterirdischen Sälen gab ihnen einen geschützten Lebensraum und sorgte dafür, dass ihnen beide Bereiche zur Verfügung standen, die ihre Art zum Überleben brauchte: Wasser und Land. In diesen komplexen Höhlensystemen kam es zu ständigen Druck Verschiebungen, die in einem Steigen und Fallen des Was serspiegels resultierten, in Strömun gen. Das war die Lösung. Alles, was er zu tun hatte, war, zu warten und sich treiben zu lassen. Er ließ die namenlose IndochimiSiedlung hinter sich und brach nach Aaugen auf. Um eine Entdeckung musste er sich keine Sorgen machen. Hunderte von Booten, Schiffen und Gleitern waren in dem Abschnitt des Meeres unterwegs. Die TRUK verfügte über einen hochwertigen Ortungs schutz und würde in der Masse der Impulse spurlos untergehen.
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Einen Kilometer von Aaugen ent fernt zog er den Kampfanzug an, überprüfte ihn und stieß sich aus der Schleuse ab. Ein Deflektorfeld schütz te ihn vor optischer Sichtung, ein auf Grundlast heruntergefahrener. Prall schirm machte ihn geruchlos. Er ließ sich treiben. Am dritten Tag zog ihn eine Strömung in einen Höhlenein gang. Am achten Tag hatte ihn die Strömung in unmittelbare Nähe des Saals getragen, in dem der »Konvent« der Tiere stattfand. Marty Zeimand wartete, reglos wie ein lndochimi. Er dachte an die vielen Menschen, die er getötet hatte, an die Seelenbil der, die er hatte zurücklassen müssen, und an die dummen Tiere, die nicht davon lassen konnten, seine Seelen bilder zu stehlen. Von Zeit zu Zeit überprüfte er seine Waffe. Ein gut gezielter Schuss Würde ge nügen. Ein einziger. Und die dummen Tiere würden ster ben. 7. März 1347 NGZ Kelam ist weg! Mir ist, als hatte man einen Teil von mir selbst gestohlen. Ich stolpere zwi schen den Seelenbildern umher, ma che eine Runde, eine zweite, eine drit te. Vielleicht ist es nur ein Irrtum, und ich habe Kelam verstellt. Oder Kelam hat sich einen neuen Platz gesucht. Vielleicht bei Talama. Die beiden hät ten ein gutes Paar abgegeben. Im Le ben hat es nicht geklappt. Vielleicht im Tod …? Meine Hoffnung ist vergebens.
Ich weine. Ich weine. Ich weine. Dann, als die Sonne untergeht, be merke ich die Schleifspur Ich folge ihr nach draußen, weg von meinen Seelen. Sie fuhrt durch den Wald zum Strand. Neben der Spur sind Abdrucke. Im mer vier Sie sind riesig. Ein Tier! Ein Tier hat mir Kelam gestohlen! Weiß das Biest nicht; was es mir an tut? PS: Habe vom Beet geerntet und ge kocht. Nichts, hinuntergebracht. Ich kann nicht essen, bis …
6. Mai/Juni 1347 NGZ Zu seiner eigenen Überraschung ge noss es Timber F. Whistler jr. Politi ker zu sein. Keine sechs Wochen blieben ihm bis zur Wahl des Administrators. Eine knapp bemessene Zeit angesichts des sen, dass Rabea Furtok und die Inter stellare Achtung sich seit Monaten auf die Wahl vorbereitet hatten. Die Arbeitsgemeinschaft Lokaler Friede bot Whistler ihre Unterstüt zung im Wahlkampf an, aber Whistler lehnte ab. Er war ein Einzelgänger, der sich schwer damit tat, sich in Ge meinschaften einzufügen - es sei denn, er lenkte diese Gemeinschaft wie seine Firma. Am 17. Mai, eine Woche nachdem er ich zur Kandidatur bereit erklärt hat te, brach er mit der NEW GOOD OPE auf. Einen konkreten Plan hatte er nicht. Er folgte seiner Nase, und -wie sich bald erweisen sollte die meiste Zeit zeichnete ihm ohnehin Rabea
Das Stardust-Attentat
Furtok den Weg vor Gab sie irgendwo im Stardust-System eine Kundge bung, folgte ihr Whistler innerhalb eines Tages. Sharud begleitete ihn als Leibwäch ter. Die riesige Gestalt des Rokingers er maß zwei Meter und dreizehn Zen timeter und wuchs mit jedem Tag genügte meist, um allzu zudringliche Menschen auf Abstand zu halten. Und in den wenigen Fällen, in denen es nicht ausreichte, erledigte die buch stäblich steinerne Miene des Rokin gers die Arbeit. Whistler hatte niemals ein Wesen gesehen, das so zornig bli cken konnte wie Sharud. Und Whistler war ein Mann, der im Laufe seines Lebens immer wieder angeeckt war und viel Wut gesehen. Hatte. Yulanda Tatis sorgte derweil dafür, dass die NEW GOODHOPE ihn zuver lässig von Ort zu Ort brachte. Die Kommandantin des SKARABÄUS tat es mit einer Menge Geschrei und grenzenloser Hingabe - das Erstere aufgesetzt und einem spielerischen Unterton, den die Mannschaft liebte, das Letztere aus tiefster Überzeugung. Whistler ertappte sich mehr als ein mal auf den Flügen, die seine Pausen darstellten, wie er sich in seinem Ses sel im Kommandomodul des Boots zurücklehnte und Yulanda zusah, wie sie die Mannschaft herum scheuchte. Ihm gefiel ihre Art. Und noch mehr gefiel ihm, dass Yulanda sich nicht scheute auch ihn herumzuscheuchen, wenn sie es für notwendig hielt. Und schließlich war da noch Blaine Fishbaugh, der Orter und Funker der NEW GOOD HOPE. Blaine, der sich noch niemals damit zufriedengegeben hatte, nur das zu tun, für was man ihn angestellt hatte, wuchs über sich hin aus. Innerhalb von Tagen hatte er sich zum Kommunikator Whistlers entwi
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ckelt. Blaine zeichnete jeden öffentli chen Auftritt Whistlers mit, schnitt und bearbeitete das Material und ver breitete es über die Kommunikations netze des Stardust-Systems. Keine zwei Wochen, waren vergangen, und Blaine hatte den Trivid-Stationen den Rang abgelaufen. Sein Material wirk te authentischer und frischer; und es er wies sich, dass der Funker ein traumhaft sicheres Händchen dafür besaß, die Dinge auf den Punkt zu bringen. Blaine suchte und fand stets den denkwürdigen Satz, die bedeu tende Geste eines Auftritts. Es gab keinen Ort des Systems, den die NEW GOOD HOPE ausließ. Rabea Furtok sprach auf einer Schürfstation auf einem der vielen Monde des Riesenplaneten Zeus. Sie dankte den Bergleuten für ihren ver teidigungswichtigen Einsatz und ver sprach ihnen, dass sie keine Angst um ihre Arbeit haben müssten. Das Rüs tungsprogramm der ISA würde dafür sorgen. Whistler war zwei Stunden später zur Stelle. Anstatt eine Rede zu hal ten, fuhr er mit einem Zug Bergleuten in den Schacht ein und arbeitete eine komplette Schicht an ihrer Seite. Blaine Fishbaugh machte das Bild es schmutzigen und verschwitzten Kandidaten in Bergmannskluft zum Leitbild ihrer Kampagne. Rabea Furtok sprach auf Trondgar den vor einem Publikum von Tausen den Pionieren. Sie pries den Mut der Männer und Frauen und legte dar, dass es derselbe Mut sei, von dem sie sich wünschte, dass er die zu erschaf fende Stardust-Flotte beseelte. Whistler, der auf Trondgarden ein traf, kaum dass seine Konkurrentin den Planeten verlassen hatte, verzich tete auf eine Rede. Er und seine
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Mannschaft besorgten sich Pionier ausrüstung und zogen für eine Woche hinaus in den tiefen Winter der örtli chen Südhalbkugel. Sie errichteten ein Blockhaus, jagten Tiere und über lebten nur knapp eine Lawine. Das Video der ausgedehnten Schneeball schlacht, die sich Timber F. Whistler jr. und der Rokinger Sharud eines Morgens lieferten, setzte sich kurz darauf souverän an die Spitze der Se quenzen, die Blaine Fishbaugh in die Datennetze fütterte. Die Menschen, so schien es, konnten nicht genug von dem Moment der Ausgelassenheit be kommen, der Mensch und Rokinger verband. Rabea sprach auf Katarakt, vor Jä gern nach der Unsterblichkeit. Auf dem Kontinent Aumark, in der Nähe des Ankerpunkts der immateriellen Stadt Prymtuon hatten sich Millionen versammelt in der Hoffnung, dort ei nen der beiden Zellaktivatorchips zu finden, die ES ausgestreut hatte. Ra bea sagte den Jägern der Unsterblich keit, sie seien der Inbegriff terrani schen Wagemuts. Es läge in der Natur des Menschen, sich niemals mit dem zufriedenzugeben, was er besaß. Der Griff nach den Sternen, nach der Un sterblichkeit, läge in seiner Natur. Whistler brachte kein Lob für die Jäger der Unsterblichkeit mit. Er teil te ihnen lediglich mit, dass nicht die Unsterblichkeit eines Wesens, ent scheidend sei, sondern ob es ihm ge linge, das eigene Potenzial Augenblick für Augenblick auszuschöpfen – ganz gleich, wie lang oder kurz das Leben eines Einzelnen sei. Anschließend brach die NEW GOOD HOPE nach Thuinn-Sternbergen auf, dem Heimatdorf der Sharuds. Es soll te die einzige Enttäuschung auf ihrem Weg sein. Sharud kehrte nach weni
PERRY RHODAN-Extra 8
gen Stunden von den Seinen zurück, Trauer und Wut standen in seiner ver steinerten Miene. Der junge Rokinger wollte nicht erzählen, was geschehen war. Nur, dass das Wieder sehen nicht so verlaufen war, wie er es sich erhofft hatte und die Rokinger es nicht für nötig erachteten, sich an dem Men schen-Spektakel der Wahl zu beteili gen. Tränen liefen dem Rokinger über die Wangen, als die NEW GOOD HOPE Katarakt hinter sich ließ. Es waren Bilder, die Blaine Fishbaugh sofort nach der Aufnahme löschte. Es Waren vielleicht die eindringlichsten, die ihm gelungen waren, aber Blaine war es wichtiger, die Würde des jungen Ro kingers zu achten. Der Wahlkampf ging weiter. Rabea Furtok tauchte überraschend auf ei nem der Handvoll Wachkreuzer auf, die an der Peripherie des Systems pat rouillierten. Sie dankte den Raumfah rern für ihren heldenhaften Dienst und malte ihnen aus, welche Helden taten noch vor ihnen lagen, sollte das Flottenbauprogramm der ISA in die Tat umgesetzt werden. Whistler war zwei Stunden später zur Stelle und teilte den Raumfahrern mit, dass er zwar Heldentum schätze, er aber immer noch den Soldaten für einen wahren Helden hielte, der erst nachdachte, bevor er schoss – und denjenigen für den größten Helden, der stets nachdachte und damit gar nicht erst in den Zwang geriet, zu schießen. Vier atemlose Wochen vergingen auf diese Weise. Und dann beschloss Whistler, sich seine Gegnerin miteige nen Augen anzusehen. *
Das Stardust-Attentat
»Das gefällt mir nicht«, sagte Sha rud. »Überhaupt nicht.« Der junge Rokinger sah sich misstrauisch um. »Ich weiß nicht, was du hast«, ent gegnete Whistler. »Mir gefällt es.« Sie waren auf Stardust IV jenem Planeten, der den Eigennamen Aveda erhalten hatte, in einem der vielen Außenposten, die dazu dienten, den Planeten für Menschen urbar zu ma chen. Um sie herum erhoben sich die Berge, bedeckt von dunklen Wäldern, die immer wieder hinter Wolken von Dunst verschwanden. Die Luft war warm und würzig, und der Duft von Harz und frisch geschlagenem Holz roch nach Abenteuer und Aufbruch. Der Außenposten trug bislang nur den Namen Rangoh-79, nach dem Kontinent, auf dem er errichtet wor den war Viel zu sehen gab es in Ran goh-79 nicht, Die Siedlung bestand aus mehreren Dutzend Wohncontai nern, die so willkürlich über die Lich tung verteilt waren, als hätte man sie aus einem Raumschiff abgeworfen. Was der Wahrheit entsprach, aber dabei handelte es sich um den einzi gen Zufall bei der Gründung. Der Standort von Rangoh-79 war wie der aller übrigen Außenposten auf Aveda von der Administration genau geplant worden. Die Administration wollte Vergeudung von knappen Ressourcen und Raubbau verhindern. Whistler, dem jedwede Gängelung eigentlich zuwider war musste sich eingestehen, dass zumindest dies eine kluge Ent scheidung Sigurd Echnatoms darstell te. Einem unkontrollierten Ansturm von 800 Millionen mit Hightech aus gestatteten Menschen hätten die Pla neten des Stardust-Systems nicht lan ge standgehalten. »Lass uns verschwinden, Timber!«, flüsterte der Rokinger ihm ins Ohr.
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Sharud musste sich nach vorne beu gen, um auf die passende Höhe zu kommen. »Nenn mir einen Grund! Das hier sind nur harmlose Pioniere, die ge nauso neugierig auf Rabea Furtok sind wie wir« Er nickte in Richtung der mehreren hundert Männer und Frauen, die den Außenposten bewohn ten und sich beinahe vollzählig ver sammelt hatten, um die unverhoffte Unterbrechung ihres harten Alltags zu genießen. »Ich habe es dir doch schon gesagt: Es gefällt mir nicht!« »Kannst du dich vielleicht genauer ausdrücken?«, fragte Whistler und bereute die Worte, noch während er sie sprach. Der junge Rokinger war seit dem Besuch auf Katarakt nicht mehr derselbe. Ein Zug von Ernsthaf tigkeit hatte sich in dem Rokinger festgesetzt, trübte die unbekümmerte Lebensfreude, die ihn bislang ausge zeichnet hatte. »Nein.« Der Rokinger stampfte frustriert auf den Lehmboden. »Noch nicht.« »Dann bleib dran und melde dich, wenn du es kannst. In Ordnung?« »In Ordnung.« ‘ ' Der Terraner und der Rokinger blie ben an ihrem Platz am hinteren Ende der Menge, die sich um das Podium drängte, von dem aus Rabea Furtok ihre Rede halten sollte. Niemand sprach sie an oder wunderte sich über ihr Aussehen. Männer und Frauen kamen und gingen in den Außenpos ten, und Whistler hatte sich die Haare gefärbt. Die Tarnung genügte für ihn. Sharud war ein schwierigerer Fall gewesen. Am Ende hatten sie be schlossen, sein Gesicht mit Sprüh plasma abzudecken, um ihm die stei nerne Farbe zu nehmen. Vielleicht,
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kam Whistler der Gedanke, genügte das schon, um die Missstimmung des Rokingers zu erklären. Es musste sich merkwürdig anfühlen, mit einem ver fremdeten Gesicht unterwegs zu sein. Schließlich, einige Minuten nach dem angegebenen Termin, als die Er wartung der Menge ihren Höhepunkt erreicht hatte, traf Rabea Furtok ein. Übergangslos fiel ein Schatten auf den Außenposten. Hunderte Köpfe ruckten hoch und sahen die gewaltige Kugel eines 500-Meter-Kreuzers, die sich vor die Sonne gestellt hatte. Es war ein Beleg für die guten Beziehun gen, die Rabea Furtok zu der kleinen Flotte des Stardust-Systems unter hielt. Lautlos hing das Schiff über den Menschen, gehalten von seinen An tigravgeneratoren. Eine Schleuse öff nete sich am unteren Punkt der Kugel, und in einem Strahl aus Licht schwebte Rabea Furtok zu Boden. Ein eindrucksvoller Auftritt, musste Whistler ihr zugestehen. Aber würde sie die Erwartungen, die sie weckte, auch einha... Sharud zupfte ihn am Ärmel. »Ich weiß es jetzt«, flüsterte er »Der Mann da drüben. Etwas stimmt mit ihm nicht.« Whistler sah in die Richtung, die ihm der Rokinger angab, und erkann te sofort, welchen Mann Sharud mein te. Es war ein großer, dürrer Mann, mit einer Haut, die zu blass für einen Pionier war. Er trat nervös von einem Bein auf das andere. Und: Er kam Whistler bekannt vor. »Wir sehen ihn uns an!«, flüsterte er dem Rokinger zu. Als Rabea Furtok die wagemutigen Pioniere begrüßte, drifteten die beiden näher an den dürren Mann heran. Als sie ihn beinahe erreicht hatten, drehte
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der Mann den Kopf. in ihre Richtung. Seine Augen weiteten sich, er öffnete den Mund zu einem Ruf. »Er hat uns erkannt!« flüsterte Whistler. »Schnapp ihn dir!« Mit einem Sprung war der Rokinger heran, schlang einen Arm um die Hüf te des Mannes, legte die Hand auf sei nen Mund und trug ihn mit einer Leichtigkeit davon, als handele es sich bei ihm um eine Spielzeugpuppe. Niemand bemerkte den Vorfall. Die Zuschauer sahen zu Rabea Furtok und ahnten nicht, was in ihrem Rücken vorging. Etwas abseits, hinter einem Contai ner, setzte der Rokinger den Mann . wieder ab. »He, was soll das?«, rief er und bäumte sich auf. Es war vergeblich. Sharud drückte ihn mit Leichtigkeit mit dem Rücken gegen den Container. Diese Stimme! Whistler kannte sie. Er streckte den Arm aus, bekam ein Büschel Haare zufassen und zog fest daran. Einen Moment später hielt er eine Perücke in den Händen – und wusste, wen er vor sich hatte. »Echnatom«, sagte er. »Administra tor Sigurd Echnatom! Was, zum Teu fel, treibst du hier? Willst du etwa Rabea Furtok unter die Arme greifen? « Seine Überraschung war echt. Sich zu verkleiden und unter das Volk zu mischen war das Letzte, was Whistler von dem Erzbürokraten erwartet hat te. »Nein.« Echnatom schüttelte den Kopf. »Eine Administratorin Furtok wäre eine Katastrophe für die Star dust-Menschheit. Das weißt du so gut wie ich. « »Weshalb bist du dann hier?« »Sag deinem Riesenfreund, er soll mich loslassen. So rede ich nicht.«
Das Stardust-Attentat
Echnatom verlangte es ohne Furcht, stellte Whistler verblüfft fest. Was war in den Mann gefahren? »Lass ihn los!«, wies er Sharud an. »Und jetzt«, wandte er sich an Ech natom, »sag mir, was du hier suchst!« »Dich«, antwortete Echnatom. »Unsinn! Niemand weiß, dass ich hier bin.« Echnatom gestattete sich ein Lä cheln. »Vergiss nicht, noch bin ich Administrator Ich habe meine Mög lichkeiten. « Was bedeutete, dass jemand aus der Crew der NEW GOOD HOPE Whistler drängte den Gedanken bei seite. Er würde sich später darum kümmern. »Also, du wolltest mich treffen. Wieso?« »Um mit dir zu sprechen?« »Hör auf, mir Unsinn zu erzählen. Du hättest mich einfach anrufen kön nen. « »Natürlich. Und du hättest mich abwimmeln lassen. Ich weiß, was du von mir hältst.« »Ich...« Whistler brach ab. Echna tom hatte recht. Er seufzte. »Na gut, dann sag, was du zu sagen hast.« »Dein Wahlkampf ist gut, vielleicht sogar brillant.« Echnatom holte tief Luft, und sein Blick ging plötzlich in die Ferne, als lausche er einer inneren Stimme, die ihm die Worte diktierte. »Die Umfragen sind nicht sehr zu verlässig, dazu ist die StardustMenschheit noch zu jung und unruhig, aber ich schätze, du lieferst dir ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Rabea Furtok. Die Menschen lieben dich. Du bist eine lebende Legende. Du machst ihnen Mut. Aber bei vielen sitzen. die Ängste tief. Vielleicht zu tief. « »Und du weißt, wie ich sie ihnen nehmen kann?«
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»Nein«, entgegnete Echnatom. »Nur wo du die Wahl entscheiden kannst. Bei den Nicht-Menschen.« 12. März 1347 NGZ Ich habe das Biest erwischt! Es hat gebüßt! Fünf Nächte lang habe ich auf der Lauer gelegen, den Strahler schussbe reit. Ich konnte ohnehin nicht schla fen. Die ersten Nächte hat sich nichts ge rührt. Ich war, allein mit meinem Schmerz und den Seelenbildern. Dann habe ich nachgedacht. Tiere sind nur Tiere, aber sie sind oft schlauer als Menschen. Sie haben scharfe Instinkte, nicht wie wir Men schen, die wir vergessen haben, was wir eigentlich sind. Tiere riechen dich, spüren dich. Also habe ich den Kampfanzug angelegt.. Das Tier kam. Es kroch auf allen vieren in meinen Seelengarten. Ein Reptil, ein Amphibium, egal. Es schnupperte an meinen eingefangenen Seelen als handele es sich dabei um Futter. Ich habe es erledigt, mit einem Schuss. Dann bin ich zu ihm getreten und habe auf Dauerfeuer geschaltet. Nicht einmal ein Haufen Asche blieb von PS: Vom Beet geerntet und mit gu tem Appetit gegessen. 7. 10. Juni 1347 NGZ »Hast du ein Geschenk mitge bracht?« Meister Lailavi kauerte auf dem Ge röll, das den Boden der Nebenhöhle
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Aaugens ausmachte. Es war ein klei ner Saal, vielleicht zwanzig auf drei ßig Meter durchmessend. Der Indo chimi blickte Timber F. Whistler jr. aus seinen trüben Amphibienaugen an. »Äh … nein.« Whistler hatte nicht daran gedacht. Alles war zu schnell gegangen. Sie mussten zu den Indochimi, bevor Ra bea Furtok auf denselben Gedanken kam. Und Echnatom, der die Begegnung mit Meister Lailavi arrangiert hatte, war wortkarg gewesen. »Du wirst es schon hinbekommen, Whistler. Sei einfach du selbst.« Und bei diesen Worten hatte er gegrinst, als hätte er einen besonders gelungenen Scherz eingefädelt - auf seine, Whistlers, Kosten. »Wieso nicht?«, fragte das Amphi bienwesen. »Wieso sollte ich?« Es war eine trotzige Entgegnung und alles andere als diplomatisch, aber Whistler scherte sich nicht dar um. Er war kein Diplomat und würde es nie werden, dazu schätzte er das offene Wort zu sehr. Und außerdem war er einigermaßen wütend auf sich selbst. Im warmen Licht der Sonne auf Aveda hatte die Idee schlicht be stechend geklungen: Wieso nicht die Indochimi auf die eigene Seite ziehen? Echnatom hatte ein Abkommen mit ihnen geschlossen, sie waren vollwer tige Bürger des Stardust-Systems, und mit einer geschätzten Bevölkerung von beinahe 40 Millionen mochten sie sich als das Zünglein an der Waage herausstellen. Zu seinen Gunsten oder zu denen Rabea Furtoks. In der kalten und feuchten Höhle in der Unterwelt von Zyx, im Angesicht eines Wesens, das ungefähr so viel
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Mimik besaß wie ein Stück Treibholz, schien die Idee weniger überzeugend. Und es ging nicht nur ihm so; Sha rud, Yulanda: und Blaine, die ihn be gleiteten, war deutlich anzusehen, was sie von der Sache hielten: nichts. Ins besondere Sharud, dem die feuchte Kälte der Höhle eigentlich hätte gefal len müssen, blickte so finster drein, dass Whistler froh war, dass Lailavi die Miene eines Rokingers ebenso rät selhaft bleiben musste wie einem Ter raner die eines Indochimi. Der Mund Lailavi öffnete sich. Er zischte sanft: »Die Frau, die auch Meisterin der Menschenwerden will, hat mir ein Geschenk gegeben.« »Was? Rabea Furtok war hier?« Es war unmöglich. Sie waren auf gebrochen, noch während Furtok den Pionieren auf Aveda von Härte und militärischer Stärke vorgeschwärmt hatte. Und in den Monaten davor hat te sie sich nicht um die Indochimi, gekümmert. Blaine, dem nichts ent ging, was sich im Stardust-System rührte, hätte davon erfahren. »Nein. Aber sie hat mir ein Ge schenk geschickt«, sagte Lailavi »Willst du es sehen?« Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte sich das Amphibienwesen ab und verschwand in einem der vielen engen Zugänge zu dem Höhlensaal. Whistler blieb gerade genug Zeit, seinen Kameraden mit einem Achsel zucken die eigene Ratlosigkeit zu sig nalisieren, als der Indochimi bereits wieder zurück war. Lailavi hatte das Geschenk mit dem Maul gepackt, um unbehindert auf allen vieren kriechen zu können. Das Geschenk streifte über den Boden, schob eine größer werdende Bugwelle von Geröll vor sich her.
Das Stardust-Attentat
Es war ein terranischer Kampfan zug. Er musste aus den Beständen der Stardust-Flotte stammen. An den Schultern fand sich das Emblem der Liga Freier Terraner wieder. Whistler schluckte. »Das ist ein ...« »... ein Kampfanzug. Ich Weiß.« Lailavi hielt Whistler den Anzug entgegen. »Sieh nur, sie hat ihn über arbeiten lassen, damit er einem Indo chimi passt.« Es stimmte. Die Ärmel- und Beinstücke standen im rechten Winkel ab, um die Gliedmaßen eines Amphi bien Wesens aufzunehmen. Um den Bauch herum war der Anzug verengt Worden. Dafür hatte man den Brust teil erweitert, um Platz für die wuch tige Brust eines Indochimi zu schaf fen. »Wie kommt Rabea Furtok dazu, dir einen Kampfanzug zu schenken?«, fragte Whistler. »Sie hat mir eine Nachricht mitge schickt. Willst du, dass ich sie dir vor spiele?« . Whistler nickte. »Ja.« Lailavi berührte ein Sensorfeld am Gürtel des Anzugs. Er tat es mit einer Beiläufigkeit, die Whistler verriet, dass er es nicht zum ersten Mal be diente. Die Stimme einer Frau drang aus dem geöffneten Helm des Anzugs. Ra bea Furtok. »Meister Lailavi«, sagte sie. »Ich erlaube mir heute, dir eine kleine Aufmerksamkeit zu übersen den, von Anführer zu Anführer.« Ein Zischen begleitete die Stimme. Es war der Translator, der das Gesag te simultan in die Indochimi-Sprache übersetzte. »In jedem Volk, Meister Lailavi«, fuhr Furtok fort, »gibt es Wesen, we nige nur, die über das Gewöhnliche hinausragen. Diese Herausragenden
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sind klüger, stärker, besonnener und nicht zuletzt entschlossener als die anderen. Sie erkennen die Welt, wie sie Wirklich ist, und handeln entspre chend, ganz gleich, auf welche Wider stände sie treffen. Dieser Kampfan zug, Meister Lailavi, wird deine Be sonderheit herausstreichen und dich aus deinem Volk herausheben wie es einem Wesen deiner Statur gebührt. « Whistler war sprachlos. Er hatte sich nie der Illusion hingegeben, seine Gegnerin wäre dumm oder einfallslos. Aber das hier. »Ich habe ihn ausprobiert«, sagte Lailavi. »Er sitzt perfekt. Er ist be quem. Seine Innenhaut ist weich wie das Wasser, und sie ist feucht. Rabea Furtok weiß, was ein Indochimi mag.« Er streichelte den Anzug mit den von Schwimmhäuten verbundenen Fingern. »Und es stimmt, Was sie sagt. Der Anzug macht mich zu mehr als einem Meister, zu mehr als jeden an deren Indochimi. Ich kann tagelang unter Wasser bleiben, ohne zum Luft holen auftauchen oder eine Höhle auf suchen zu müssen. Der Anzug gibt mir zu essen, er gibt meiner Haut zu trin ken. Er macht mich schneller als die schnellsten Räuber. Er besitzt einen Schutzschirm, eine unsichtbare Wand, die sich um mich legt und mich vor jeder denkbaren Bedrohung be schützt. Er macht mich unriechbar« Lailavi drehte den Anzug herum, sodass die Hüfte nach oben zeigte. Im Holster des Gürtels steckte ein schwe rer Kombistrahler. Der Indochimi zog ihn heraus. Der Griff war verdickt worden, um den langen Fingern des Amphibienwesens guten Halt zu bie ten. »Diese Waffe macht mich zum mächtigsten Indochimi, den es je ge geben hat«, sagte Lailavi. »Alle, die
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mir nicht gefallen, die falsch riechen, kann ich damit verbrennen.« Lailavi erstarrte für einige Augen blicke lang, die Waffe in der Hand, als erträume er sich die Möglichkeiten, die sie ihm bot. Dann steckte er den Strahler wieder weg und fragte: »Hast du ein ebensolches Geschenk wie Ra bea Furtok für mich?« Whistler räusperte sich. »Ich ...« Er brach ab. Er dachte an das, was Echnatom ihm gesagt hatte. Beinahe 40 Millionen Indochimi. Wahlberechtigt. Und die Xeno-Ethnologen waren sich einig, dass er ihre gesamten Stimmen bekommen würde, gelänge es ihm nur, Meister Lailavi für sich zu gewinnen. Der lndochimi würde über die Drüsen an seinem Bauch seinen Entschluss, seine Gefühle diffundie ren. Die anderen Meister würden sie aufnehmen und zurück in ihre Ge meinschaften tragen. Die Amphibienwesen würden ihn unterstützen, ihn zum Administrator machen. Wenn es ihm gelang, Lailavi zu überzeugen. Aber wie? Mit einem zweiten Kampfanzug? Mit Kampfan zügen für alle Meister? Einer bewaff neten Space-Jet? Vielleicht. Aber was würde das aus den Indochimi machen? Timber F. Whistler jr. fasste einen Entschluss. »Nein«, sagte er »Ich ma che dir keine Geschenke.« »Wieso nicht?« »Weil sie dich in die Irre führen würden. Ein Meister oder auch ein Administrator ist nicht Meister, weil er die besseren Waffen besitzt, nicht, weil er sich über die Seinen erhebt. Er ist Meister, weil er unter den Seinen lebt, weil er sie besser versteht als andere, weil er nur ihr Wohl kennt und nicht das eigene.«
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Das Amphibienwesen sagte nichts. Es kauerte in seiner üblichen Erstar rung und dachte über Whistlers Worte nach. Die Sekunden wurden zu Minu ten. Whistler hörte, wie Sharud mit seinen breiten Füßen ungeduldig über die Kiesel scharrte. Er hörte den lei sen, regelmäßigen Atem Yulandas, der ihr immer dann zueigen war, wenn eine Situation besonders ernst war. Er hörte den hastigen Atem Blaines, der die Szene mit derselben Atemlosigkeit verfolgte, wie er das ganze Leben ver folgte. Und dann sagte Lailavi: »Du bist klug, Whistler Und mutig. Dieses Ge schenk ist nicht gut. Nur Schlechtes kann aus ihm erwachsen.« Er nahm die Waffe und zerstrahlte den Anzug, danach überreichte er den Strahler Whistler. »Dies soll nicht länger hierbleiben. Und nun: Folge mir« Mit einem Sprung verschwand der Indochimi im Teich. * Sie glitten durch enge Tunnel und durchquerten auf diese Weise die Indochimi-Stadt. Lailavi führte, schoss wie ein Pfeil durch das Wasser Die Menschen und der Rokinger folgten ihm ohne Mühe. Die Triebwerke ihrer Taucheranzüge erzeugten einen Schub, dem kein Indochimi etwas entgegenzusetzen hatte, und die An zugpositroniken übernahmen die Steuerung. Es waren im Grunde genommen Kampfanzüge, die sie trugen – ähnlich in der Ausführung jenem, den Lailavi soeben vernichtet. hatte. Whistler machte es nichts aus. Er hatte ehrlich gesprochen, und in seinem Verhalten sah er keine Doppelmoral Kampfan
Das Stardust-Attentat
züge gehörten seit Jahrtausenden zum technischen Repertoire der Mensch heit. Er und seine Begleiter bedienten sich einer längst eingeführten Alltags technologie. Anders bei den Indochimi Die Verbreitung von Kampfanzügen, ja selbst eines einzigen Exemplars, hätte zu extremen Verzerrungen in ihrer Gesellschaft geführt. Schließlich mündeten die Tunnel in einen unterirdischen See. Sein Wasser war hell erleuchtet, erhellt von dem Glanz unzähliger lumineszenter Tiere, die über Boden und Decke der riesi gen Höhle glitten. In dem bunten Wasser trieben Tausende von längli chen Körpern. Es waren Indochimi in dem von ihnen bevorzugten Wartemo dus, der ein Minimum an Energie er forderte. Es war ein beeindruckender An blick, aber kein überraschender Ech natom hatte ihm von dem Höhlensaal erzählt. Es war der Ort, an dem der Konvent der Indochimi-Meister zu sammengekommen war Die Amphi bienwesen harrten seit Wochen aus, ob einfach aus ihrer Natur heraus, die keine Eile im menschlichen Sinne kannte, oder weil sie damit gerechnet hatten, dass Weitere wichtige Men schen sie aufsuchen würden, blieb offen. Doch etwas anderes überraschte Whistler, als er an die Oberfläche stieg und den Kopf aus dem Wasser streckte: Die Höhle war voll mit Men schen. Wie ein Ring aus Leibern säumten sie die Uferstreifen. »Verdammt, was machen diese gan zen Leute hier?«, rief Whistler. Die ganze Angelegenheit war schon heikel genug ohne Zeugen. Er wusste nicht, was der Indochimi mit ihm vorhatte. Blaine Fishbaugh stieß einen kleinen Freudenjauchzer aus und entließ ei
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nen Schwarm flugfähiger Mikrokame ras, der sich mit hell summenden Flü geln über die Höhle verteilte. Echnatom. Ja, Echnatom musste die Leute hierher geholt haben. Er hatte als Einziger von seinem Treffen mit Meister Lailavi gewusst. Und Blaine hatte davon gewusst. Mehr noch. Er und Echnatom mussten die Köpfe zu sammengesteckt und das hier geplant haben. Whistler wollte zu Blaine schwim men, um ihm zu sagen, was er davon hielt, wenn seine Leute sich mit dem Erzbürokraten Echnatom einließen, als Sharud neben ihm auftauchte und ihn festhielt. »Mir gefällt das nicht«, flüsterte er hm ins Ohr »Überhaupt nicht. « »Schon wieder?« »Ja, schon wieder« Es war ungefähr das Letzte, was Whistler in diesem Augenblick hören wollte, aber der Rokinger war zu kräf tig, als dass er sich einfach aus seinem Griff hätte losmachen können. »Kannst du dein Gefühl genauer be schreiben?« »Nein ...« Der Rokinger machte ein trauriges Gesicht. »Nur diese Men schen …« »Sag mal, kann es vielleicht sein, dass du ein Problem mit Menschen mengen hast?« Lailavi brach neben ihnen aus dem Wasser, drehte sich in der Luft, zisch te ein »Kommt!«, tauchte wieder ein und hielt auf das Ufer zu. Die Bewegung war für einen Indo chimi ungewöhnlich spielerisch und erinnerte an einen Delfin. Sie verfehl te ihre Wirkung nicht, Beifall kam auf, hallte durch die Höhle, als die Menschen am Ufer auf Whistler und seine Begleiter aufmerksam wurden.
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»Nein!« Sharud schüttelte heftig den Kopf. Wasser spritzte nach allen Sei ten. »Ich will nur ...« Whistler legte —ihm eine Hand auf den Mund. »Später, in Ordnung?«, sagte er. »Die Leute sehen uns zu.« Es war eine glatte Untertreibung. Dank Blaine Fishbaughs Minikameras verfolgte im Augenblick wahrschein lich eine zweistellige Millionenzahl von Menschen jede ihrer Gesten, jedes ihrer Worte in Echtzeit. Der Rokinger ließ ihn los. Whistler und seine Beglei ter folgten dem Amphibienwesen zu einer Stelle am Ufer, die die Men schenmenge ausgespart hatte. Als Whistler aus dem Wasser stieg, spürte er Millionen Blicke auf seinem Rücken brennen und wünschte sich, er wäre nicht auf Echnatoms Vorschlag eingegangen. Dass er weniger nervös wäre. Oder wenigstens, dass der Ro kinger an seiner Seite, der ihm eigent lich ein Gefühl der Sicherheit vermit teln sollte, weniger nervös wäre. Was hatte Meister Lailavi vor? Hatte seine Antwort den Indochimi so tief beeindruckt, dass er ihm die Unterstützung seines Volkes verschaf fen würde? Lailavi richtete sich auf. Er schien nicht im Geringsten nervös. Aber was sagte das schon? Wahrscheinlich kannten die Indochimi nicht einmal das Konzept von Nervosität. Die Re zeptoren an ihren Bäuchen ließen sie niemals im Unklaren über die Gefühle ihrer Artgenossen. »Sprich zu den Menschen!«, zischte Meister Lailavi. »Ich werde anschlie ßend zu den Meinen riechsprechen.« Der Indochimi sank wieder auf alle viere, Stille senkte sich über die Höh le, als die Menschen darauf warteten, was Timber F. Whistler jr., der Mann, der die Stardust-Menschheit ins Le
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ben gerufen hatte, ihnen mitzuteilen hatte. Whistler räusperte sich. »Dies ist ein guter Tag für die StardustMenschheit«, sagte er. »Ein Tag, der in die Geschichte eingehen wird. Meister Lailavi und ich sind übereingekom men, dass die Indoch…« ” Whistler brach ab, als er zwei Bewe gungen wahrnahm. Eine in der Men schenmenge gegenüber. Ein Mann mit dunklen Haaren und Bart. Er trug einen Kampfanzug. Der Mann stieß zwei Frauen zur Seite, die ihm im Weg standen, sein rechter Arm kam hoch. In der Hand hielt er einen Strahler. Die zweite Bewegung registrierte er aus dem Augenwinkel. Sharud stieß sich ab, schnellte ihm entgegen. Die Bewegung des Rokingers setzte nur den Bruchteil einer Sekunde später ein. Zu spät. Ein grelles Aufleuchten blendete Whistler. Ein Energiestrahl. Der schwere Körper des Rokingers ramm te ihm in den Rücken, stieß ihn zur Seite. Er war hart wie ein Fels. Whistler schrie auf. Er roch ver branntes Fleisch, kippte weg und… … kam weich auf dem auf, was bis vor einem Augenblick noch Meister Lailavi gewesen war. Und dann, noch während bunte Schlieren über seine Netzhaut tanz ten, brüllte Sharud: »Ihm nach! Schnappt den Mörder!« 28. März 1347NGZ Diese Tiere sind dumm, dumm, dumm. Sie kommen immer wieder und ich mache immer wieder Aschehäufchen aus ihnen.
Das Stardust-Attentat
Wieso lassen sie mich nicht in Ruhe? Hier ist das Paradies. Mein Paradies. Sie haben hier nichts zu suchen. Es ist meine Insel. Es gibt unzählige weitere auf Zyx. Sollen sie auf den anderen treiben, was sie wollen. Aber es kommen immer wieder neue Tiere. Sie schnüffeln, reiben mit ihren Bäuchen über den Boden, als suchten sie eine Spur ihrer dummen Vorgän ger. Ich töte sie, töte sie, töte sie. Von mir aus kann es so noch bis ans Ende aller Tage weitergehen. Töten macht mir nichts aus. Das hat es noch nie getan. Aber da ist der Schlaf. Seit drei Wo chen habe ich nicht mehr geschlafen. Nachts liege ich auf der Lauer, und wenn ich am Tag versuche, eine Seele einzufangen und ein, Bild zu formen, rinnt sie mir wie Wasser zwischen den Fingern hindurch. PS: Neue Gemüsesorte im Beet aus gebracht. Bin gespannt auf den Ge schmack!
8. 10. Juli 1347 NGZ »Nein!« Der Schrei Whistlers hallte durch die Höhle, ließ die stille Oberfläche des Sees in Linien vibrieren. Einen Augenblick lang schien die Welt eingefroren zu sein. Sharud blieb stehen, als wäre er gegen eine un sichtbare Wand gelaufen, ein Bein in der Luft. Yulanda und Blaine hatten die Oberkörper verdreht, blickten in die Richtung, aus der der Blaster schuss gekommen war. Tausende Menschen standen da, wie in der Be wegung eingefroren. Tausende Indo
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chimi-Meister trieben wie leblose Stämme im Wasser. Nur ein Geräusch durchbrach die Stille: die schweren, stampfenden Schritte, mit denen der Attentäter zu einem Nebenzugang der Höhle rannte und darin verschwand. Und dann, kaum war es verstummt, das Plätzen der Blasen, die aus dem mitthermi scher Energie vollgepumpten Haufen organischer Substanz aufstiegen, der bis vor wenigen Momenten noch Meis ter Lailavi gewesen war. Ein Rinnsal aus Blut und anderen Flüssigkeiten trat aus dem Haufen hervor, suchte sich windend einen Weg über den Felsen, folgte der Nei gung des Bodens zum See. Das Rinnsal erreichte das Wasser … … und der See bäumte sich auf. Indochimi-Meister wanden sich, als ihre empfindlichen Rezeptoren die Substanz wahrnahmen, die sich im Wasser verteilte Meister Lailavi … tot … ermordet von einem Menschen … tot … tot … tot … Eine Welle entstand, nahm ihren Anfang am Ufer und rollte über den See. Indochimi wurden mit ihr hoch gerissen. Die Amphibienwesen zap pelten, schlugen mit aller Kraft ihrer Gliedmaßen. Sie verstärkten die Wel len, wühlten Gischt auf. Es war eine Raserei, ein verzweifel tes Um-sich-Schlagen, ein Nicht Wahrhaben-Wollen. Es war die einzig angemessene Re aktion, entschied Whistler. Meister Lailavi war tot. Gestorben von der Hand eines Attentäters. Eines Menschen. Der erste politische Mord Stardusts war geschehen. Sie hatten die Erde für immer hinter sich gelassen, mithilfe der Teletrans
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Weiche Millionen, vielleicht Milliar den Lichtjahre zurückgelegt. Aber was bedeutete das schon? Sie hatten es nicht vermocht, ihre eigene Natur abzustreifen. Der Rokinger wirbelte herum, stampfte wie ein wütender Riese auf Whistler zu und rief: »Was ist los? Ich schnappe mir den Kerl und zerreiße ihn in der Luft!« Whistler wich nicht zurück. Der Ro kinger war um ein Vielfaches stärker als er - körperlich. Aber ihm fehlte die Besonnenheit, die mit den Lebensjah ren kam. »Du wirst ihn schnappen, Sharud.« Er sagte es leise, damit die Menschen in der Halle ihn nicht hören konnten. »Das hoffe ich wenigstens. Aber ich garantiere dir eins: Wenn du ihn in der Luft zerreißt, werde ich höchst persönlich dich hinterher in Stücke reißen. Dieser Mann gehört vor ein Gericht! Klar? « Klar. Sharud sagte nichts, zog nur ein wü tendes Gesicht. Whistler sah sich um, fand in eini gen Schritten Entfernung einen Felsen und sprang hinauf. »Menschen!«, rief er von seinem Podest. »Indochimi! Ich bitte euch, bewahrt die Ruhe! Bleibt, wo ihr seid! Der Mörder ist bewaffnet, eine Verfolgung wäre nicht nur sinn los, sondern auch gefährlich. Die nöti gen Schritte werden in diesen Augen blicken eingeleitet!« Whistler wartete keine Reaktion ab. Er sprang vom Felsen und wandte ich an den Funker der NEW GOOD HO PE. »Blaine, benutz deinen direkten Draht zu Echnatom. Er soll das Ge biet um die Indochimi-Stadt Aaugen und die Thelion-Bucht großräumig absperren lassen.« Blaine Fishbaugh schluckte schwer.
PERRY RHODAN-Extra 8
»Timber, ich weiß nicht, wovon du ...« »Du weißt ganz genau, wovon ich rede, Ich bin weder taub noch blind. Ich habe längst erraten, dass du mit Echnatom unter einer Decke steckst einer meiner besten Männer und der alte Sesselfurzer.« Whistler schüttelte tadelnd den Kopf. »Ich verzeihe dir. Aber nur, wenn du ihn auf der Stelle anrufst.« Blaine Fishbaugh zögerte einen Au genblick, dann gab er sich einen Ruck. Mit einem gemurmelten »Okay« wandte er sich ab und flüsterte in das Akustikfeld seines, Anzugs. »Sharud, Yulanda - ihr kommt zu mir! « Der Rokinger ging vor Whistler in die Knie, um mit dem Menschen auf Augenhöhe zu sein. Die Wut war aus seinen Zügen verschwunden. Der Zorn des Rokingers brannte heiß, aber er verzehrte sich schnell. Und in Yu landas Blick lag ein Glitzern, in dem sich Entschlossenheit und Abenteuer lust vermischten. »Ihr beide helft mir beim Nachden ken«, sagte Whistler. »Uns darf kein Fehler passieren, verstanden?« Die beiden Kameraden nickten. »Wir müssen den Mörder schnappen. Um jeden Preis.« Er zeigte auf den unterirdischen See, in dem immer noch der Sturm der aufgebrachten Indochimi tobte. »Ihr wisst, wie die Indochimi ticken. Die Riechsprech botschaft, die von dem ausgeht, was eben geschehen ist, dürfte das Ende der freundschaftlichen Beziehungen zwischen Menschen und Indochimi einläuten. « »Leider«, sagte Yulanda. »Das hier sind die Meister der Indochimi, die Erfahrensten und Abgeklärtesten ih rer Art. Wie werden erst gewöhnliche
Das Stardust-Attentat
Indochimi auf die Nachricht reagie ren?« »Genau das ist der Punkt.« Whistler blickte kurz auf und versicherte sich, dass die Menschen in der Höhle seiner Aufforderung folgten und sich ruhig verhielten. Sie taten es. Wegen seiner Worte oder aus nackter Angst, konnte Whistler nicht erkennen. Es machte auch nichts aus für den Augenblick. Hauptsache, die Leute kamen ihnen und den Indochimi nicht in die Quere. Whistler wollte sich nicht ausmalen, was dann geschehen mochte. »Hier geht es um viel mehr als die Wahl«, fuhr er fort. »Dieser Mord kann die friedliche Koexistenz von Menschen und Indochimi zunichte machen. Das wird viele Leben kosten und entweder damit enden, dass wir Menschen Zyx für immer verlassen müssen und uns der Zugang zu einem Teil des Stardust-Systems verwehrt bleibt, oder damit, dass wir Menschen die Indochimi unterdrücken oder so gar ausrotten. Die technische und zahlenmäßige Überlegenheit zu einer Gewaltherrschaft besitzen wir.« »Und Rabea Furtok als Administra torin«, entgegnete Yulanda, »wird keine Sekunde zögern, sie einzusetzen. « Wut stand in ihrem Blick. »So ist es«, stimmte ihr Whistler zu. sich für meinen Teilhabe den Exodus nach Stardust nicht angeschoben, um Unterdrücker zu werden - aber ich werde auch nicht zulassen, dass wir Menschen an unserer eigenen Unver nunft scheitern.« »Alles klar Echnatom riegelt das Gebiet ab.« Blaine Fishbaugh gesellte sich in den Kreis. »Gut. Zurück zu dem Mörder. Es gibt zwei Möglichkeiten. Entweder ist
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er Teil einer größeren Organisation, oder er ist einfach ein Verrückter. « Keiner widersprach. »Ist er Teil einer Organisation, ha ben wir schlechte Karten. Man wird seine Flucht vorbereitet und natürlich damit gerechnet haben, dass man Aaugen und Umgebung abriegelt. Aber vielleicht finden wir Spuren, die uns weiterhelfen, die Hintermänner zu ermitteln. Wir müssen es zumindest versuchen.« Whistler zwang sich zu einem zuver sichtlichen Lächeln. »Aber ich glaube nicht, dass wir es mit mehr als einem gewöhnlichen Verrückten zu tun ha ben und den kriegen wir, klar? « »Klar!«, antwortete Yulanda Tatis. »Klar!«, antwortete Blaine Fish baugh . Der Rokinger schwieg und machte ein unglückliches Gesicht. »Was ist los, Sharud?«, fragte Whistler »Wieder mal kein gutes Ge fühl bei der Sache?« Der Rokinger überlegte und sagte schließlich: »Ja. Aber das macht nichts. Du würdest doch nicht auf mich hören.« »Damit liegst du richtig.« Whistler blickte in die Runde. »Sonst noch Be merkungen?« »Ja. Wieso sollen wir zu viert versu chen, den Attentäter zu schnappen?« fragte Blaine Fishbaugh. »Echnatom gibt uns jeden Mann und jede Frau, die er entbehren kann. Wir müssen ihn nur darum bitten.« »Das kommt nicht infrage.« »Wieso?« »Wegen der hier«, sagte Whistler und nickte in Richtung des Sees. »Was, glaubst du, löst es wohl bei den Indochimi aus, wenn nach dem Mord an Meister Lailavi plötzlich ein paar tausend bis an die Zähne bewaffnete
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Menschen durch ihre Stadt ziehen und jeden Quadratzentimeter dreimal durchwühlen?« »Ich würde vor Wut rotsehen ...«. Blaine schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Vergiss es. Das war zu kurz gedacht.« »Aber es gibt noch einen zweiten Grund. Versetzt euch in die Lage des Attentäters. Was würdet ihr in seiner Situation .tun?« »Mein erster Impuls wäre, mich so schnell wie möglich aus dem Staub zu machen«, sagte Yulanda. »Aber dann, wenn ich zum Nachdenken käme … Ich würde mich verstecken. Aaugen ist ein riesiges, unüberschaubares Gewirr von Höhlen. Es kann Monate dauern, jemanden dort zu finden.« »So ist es. Und der Attentäter kann wahrscheinlich monatelang aushal ten«, sagte Whistler. »Woher willst du das wissen?«, warf Sharud ein. »Ganz einfach: weil er schon wo chenlang auf der Lauer gelegen haben muss. Vielleicht, seit der Konvent der Indochimi-Meister begonnen hat. Vielleicht länger.« »Auf der Lauer worauf?«, fragte Sharud. »Er hätte Meister Lailavi schon längst umbringen können.« »Ja. Aber was hätte das gebracht? Niemand außer den Indochimi hätte davon Notiz genommen. Aber jetzt ist ein guter Teil der StardustMenschheit Zeuge seiner Tat gewor den. Dank Blaines Kameraschwärmen ...« Blaine Fishbaugh blinzelte. »Natür lich! Hätte ich geahnt, dass ...« »Mach dir keine Gedanken«, schnitt ihm Whistler das Wort ab »Niemand hat das Attentat ahnen können. Es ist geschehen. Jetzt zählt nur, dass wird den Attentäter finden.«
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»Klar.« Yulanda zog das rechte Bein an und versetzte einem Stein einen Tritt, der ihn gegen die Wand der Höhle schleuderte. »Und wie, bitte schön, sollen wir vier das hinkriegen?« »Schon vergessen?« Whistler grinste. »Wir sind erfahrene Jäger, Kristalljä ger. Und wie fängt man ein Howa netz?« »Mit einem Köder!«, kam es von den Kameraden gleichzeitig. »So ist es. Also, worauf wartet ihr noch?« 9. April 1347 NGZ Dumme, dumme Tiere, das habt ihr davon! Ich habe eine Falle gebaut. Licht schranken überbrücken die Lücken zwischen den Wohncontainern. Wird der Kontakt unterbrochen, schwenkt der Strahler herum und feuert. Ich habe ihn an der Werkbank ange bracht. Der ehemalige Schwenkarm eines Roboters hält ihn in den Stahl fingern. Heute Nacht kaum geschlafen. Wach gelegen und auf das Zischen des Strahlers gewartet. Es kam kurz nach Mitternacht. Gerade noch rechtzeitig aus dem Container gekommen, um zu sehen, wie das Tier in Flammen auf ging. Es war nur das erste. Fünf dumme, dumme, dumme Tiere folgten ihm. Und jetzt sind sie Asche. Morgen, morgen werde ich eine neue Seele einfangen und in einer Skulptur einsperren. Es wird Hiroko sein. Freudenfeuer! Ich könnte tanzen. PS: Neue Gemüsesorte ist köstlich. Süßsauer, mit einer Textur wie von Rindfleisch.
Das Stardust-Attentat
9. 14. Juni 1347 NGZ »Status?« Die Stimme Blaine Fishbaughs war leise, als spräche er aus weiter Entfer nung zu Timber F. Whistler jr. Was er auch tat. Der Funker der NEW GOOD HOPE hatte sein Quartier in dem Höhlensaal der Indochimi-Meister aufgeschlagen. Whistler räusperte sich. Er hatte seit Stunden kein Wort mehr gesagt. »Systeme einwandfrei«, meldete er »Sichtung? « »Hätte ‘ ich dir längst verraten, Blaine.« Whistler lachte auf. »Nur Gänge, Höhlensäle und Indochimi, die totes Holzstück spielen.« Es war dieselbe Meldung, die Whistler schon seit vier Tagen machte. Vier Tage waren seit dem Mord an Meister Lailavi verstrichen, und seit vier Tagen durchstreiften sie die Indochimi-Stadt Aaugen, ohne auch nur den Hauch einer Spur des Attentäters zu finden. Ruhe herrschte in Aaugen. Bedru ckende Friedhofsruhe, wie Whistler fand. Die Indochimi waren nach dem an fänglichen Aufruhr wieder in die für sie übliche Starre verfallen. Und viel leicht, nein, wahrscheinlich war es die Ruhe vor dem Sturm. Echnatom hatte Aaugen und Umge bung hermetisch abriegeln lassen. Kein Indochimi - und kein Attentäter, hoffte Whistler -konnte die Absper rung durchdringen. Doch etwas anderes konnten die Menschen trotz ihrer überlegenen Technologie nicht aufhalten: das Was ser. Meeresströmungen trugen die
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Riechsprech-otschaften der Indochi mi-Meister weiter, würden die Nach richt von dem unerhörten Mord lang sam, aber unweigerlich über den gan zen Planeten verbreiten. Sie würde an keinem Indochimi vor beigehen. Was dann geschah, war unmöglich abzusehen. Aber schloss Whistler die Augen, während sein Anzug ihn lang sam durch die Gänge und Höhlen der Amphibien-Stadt trug, sah er das Bild eines Indochimi vor sich, der reglos im Sand lag - und im nächsten Augen blick zuschnappte, in einer Bewegung ansatzlos, schnell wie der Blitz, und einen Menschen tötete. Es war ein Albtraum. Whistler hatte keinen Zweifel, dass die Menschen in einer Auseinandersetzung mit den Indochimi die Oberhand behalten würden. Aber sie würden dafür mit vielen tausend Leben bezahlen. Mit Menschenleben und Indochimi-Blut an ihren Händen. Einem Makel, den sie niemals wieder würden abstreifen können. Whistler hatte den IndochimiMeistern versprochen, dass sie den Mörder finden würden. Dass es sich um einen Einzelgänger gehandelt hat te, der gegen den Willen der Gemein schaft gehandelt hatte. Dass er nicht für die Menschheit stand. Er hatte keine Antwort bekommen. »Nichts«, hörte er Sharud seine Meldung an Blaine geben. »Rein gar nichts.« Dann sagte Yulanda: »Schließe mich an. Fische, lumineszente Tiere, die überall herumkrabbeln und hübsche Muster machen, aber kein Attentäter. « Die beiden Kameraden streiften wie er durch Aaugen, geschützt von ihren Kampfanzügen. Die Spürinstrumente
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der Anzüge arbeiteten ununterbro chen, versuchten in dem Labyrinth etwas zu finden, was auf den Mörder hinwies: thermische Ungleichgewich te, Streustrahlung, ungewöhnliche Laute, Strömungsverwirbelungen. Es war eine monotone, ermüdende Aufgabe. Es gab wenig mehr für die Suchenden zu tun, als den schussbe reiten Strahler zu umklammern und ab und zu nach Laune zwischen dem einen oder anderen Gang zu entschei den. Den Rest erledigten die Positro niken. Whistler, der nicht unbedingt viel von Gesprächen hielt, die keinem fest umrissenen Zweck dienten, fand sich zu seiner Überraschung in langen Un terhaltungen mit Yulanda wieder. Sie erzählte ihm von dem Leben, das sie in der Milchstraße hinter sich gelassen hatte. Nein, eigentlich von den Leben. Yulanda Tatis hatte die Erde vier mal verlassen und war viermal wieder zurückgekehrt. Das erste Mal hatte sie sich mit sechzehn davongemacht. Zwei Jahre später war sie wieder zu rückgekommen, gerade achtzehn, körperlich, aber an Erfahrung um vie le Jahre gealtert. Es war ihr nicht ge lungen, Fuß zu fassen, und so war sie wieder aufgebrochen und wieder ge scheitert. Ein halbes Dutzend stürmische Ver einigungen und ebenso aufwühlende Trennungen hatte sie in sechzig Jah ren zusammengebracht - und vier Kinder, die sich dafür entschieden hatten, in der Milchstraße zu bleiben. »Spar dir dein Mitleid«, hatte sie ge sagt, als Whistler ihr sein Bedauern zum Ausdruck brachte; »Ich habe nichts zu bedauern. Im Leben muss man loslassen können. Das habe ich gelernt. Früher habe ich das nicht ver standen. Ich habe mich immer an Din
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ge geklammert, die nicht mehr waren oder die ich mir einfach so sehr wünschte, dass ich sie nicht loslassen konnte. « Sie hatte eine Pause gemacht, und Whistler war nicht entgangen, dass ihr Atem schwerer geworden war. »Hier in Stardust ist das einfacher Es gibt kein Zurück, keine Vergan genheit. Es gibt nur das Hier und Jetzt und die Zukunft. Wir müssen leben. Einfach nur überleben.« Einfach nur überleben ja, das pass te. Das war Whistlers wahre Aufgabe im Labyrinth. Er musste einfach nur überleben, bis ihr Plan in Kraft trat. Bis dahin und dann noch ein paar Minuten. Es geschah nach Vier Tagen, 13 Stunden, 48 Minuten und 17 Sekun den. Die Katastrophe setzte ein, ausge löst durch eine Zufallsschaltung. Sie musste Whistler, der zwar von ihrem, Kommen wusste, überraschend tref fen. Sie musste zu hören, in seiner Stimme zu spüren sein, denn der At tentäter hörte mit, dank eines »Feh lers«, den Blaine in die Verschlüsse lung der Funksignale von Whistlers Anzug eingebaut hatte. Ein Prallschirm außerhalb Whistlers HÜ-Schirm, der ihn seit Tagen in sein gleichmäßiges grünes Licht hüllte, flackerte. »Blain?« »Ja?« »Ich … Ich habe Probleme.« »Was ist?« »Mein Schirm«, sagte Whistler »Er ist instabil.« »Augenblick, ich klinke mich ein.« Blaine blieb gelassen, wie es seine Rolle in ihrem Drehbuch vorsah. Nach einigen Sekunden sagte er: »Es geht nicht. Ich bekomme keinen Zugang zu
Das Stardust-Attentat
deiner Positronik. Kannst du die Wer te manuell ablesen‘?« »Ich versuche es.« Whistler rief die Statusanzeigen des Anzugs auf das Helmdisplay Eine von ihnen pulsierte im Rhythmus des Prallschirms. »Die Energiezufuhr zum Schirm schwankt. Von ... von 5 Pro zent Standardauslastung bis zu 238 Prozent.« »Softwareproblem.« »Das heißt?« »Die Regelung hat ausgesetzt. Du wirst wahrscheinlich feststellen, dass dir warm wird.« Blaine sagte es mit einer Ungerührtheit, als schlüge sich Whistler mit einer defekten Kaffee maschine herum. »Nicht warm. Heiß. Verdammt heiß!« Schweiß perlte von Whistlers Stirn, als er es sagte, und rann ihm in die Augen. Es brannte in seinem Rü cken. »Das ist nur zu erwarten. Der Schirmgenerator kann die überschüs sige Energie nicht aufnehmen und gibt sie in thermischer Form frei. « »Das spüre ich. Was soll ich tun?« »Schalt die Schirme ab und komm schnell wie möglich zu Papa Fish baugh zurück. « »Aber ... aber das bedeutet, dass ich ungeschützt bin!« »Ja. Aber nur für ein paar Minuten. Das wird schon gut gehen.« »Blaine, das ist ...« Whistler schluck te die Beleidigungen hinunter, die ihm auf der Zunge lagen. »In Ordnung«, sagte er. »Ich fahre die Systeme her unter und komme.« Der Schutz erlosch. Whistler spürte, wie sein Puls einen Satz machte. Alles verlief nach Plan endlich nach Plan! -, aber gleichzeitig fühlte er sich entblößt, schutzlos. In
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diesem Zustand war er einem überra schenden Angriff ausgeliefert. Er war der perfekte Köder, unwi derstehlich. Ein Mann, auf sich alleingestellt im Höhlenlabyrinth Aaugens. Mit einem Anzug, der zwar in Teilen defekt war, aber in seiner zentralen Eigenschaft intakt: Er besaß eine positive Ken nung. Der Mann, der Whistlers Anzug be saß, würde die Abriegelung Echna toms ohne Schwierigkeiten passieren können. Whistler aktivierte das Triebwerk des Anzugs und machte sich auf den Rückweg, die rechte Hand fest um den Griff des schweren Strahlers geklam mert. Er bewegte sich jetzt schneller, doch ohne die Leistung des Triebwerks auszureizen. Wie ein Mann, der es ei lig hatte, sich aus dem Staub zu ma chen, den aber gleichzeitig die Furcht plagte, durch seine Hast auf sich auf merksam zu machen. Knappe fünf Kilometer trennten Whistler vom Saal der IndochimiMeister. In Luftlinie. Praktisch gese hen hatte er ein Mehrfaches der Stre cke zurückzulegen. Er hielt sich an die größeren der Gänge, folgte den drei dimensionalen Karten Aaugens, die er und seine Kameraden in den Tagen des Umherstreifens zunehmend ver vollständigt hatten. Zwischen den Gängen lagen jeweils Höhlenkuppeln, manche nicht größer als eine Raumschiffskabine, andere annähernd so groß wie der Saal der Meister, wenn auch niemals von seiner Pracht. Die Amphibien fraßen die bio lumineszenten Tiere, die dem Saal der Meister seine Pracht verliehen, im übrigen Höhlensystem, sobald sie ih rer gewahr wurden.
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Whistler passierte einen ersten Saal, einen zweiten, schließlich einen drit ten. Nichts geschah. Er wartete vergeb lich auf die plötzliche Bewegung, die einen Angriff signalisieren würde. Nur einmal schreckte er hoch, als ein Schatten auf ihn zuraste. Aber er stellte sich als lndochimi heraus, der sich in der schnellen Strömung eines unterirdischen Flusses treiben ließ. Whistler passierte einen vierten , Saal, einen fünften. Anderthalb Kilo meter trennten ihn noch von seinem Kameraden. Und dann geschah es. Es war keine Bewegung, kein Schatten, der ihn an sprang. Es war ein Körper, der ihn von hin ten rammte, ihn vor Schmerz auf schreien ließ. Arme und Beine umfass ten ihn, klammerten sich an ihn. Mit einem hallenden Schlag stieß ein Helm an den seinen. Dann sagte eine Stimme: »Tu genau, was ich dir sage und du wirst leben!« Die Stimme klang hohl und verzerrt. Sie wurde nicht per Funk übertragen, sondern über Schwingungen von Helm zu Helm. Sie gehörte dem Attentäter. »Ja«, sagte Whistler. »Ja. Ich bin nicht lebensmüde.« Er zitterte. Der Moment der Entscheidung war ge kommen. lhr Plan baute darauf auf, dass der Attentäter einen kompletten Anzug benötigte. Ein defekter Schirmgenera tor war zu verschmerzen, ein in den Helm oder den Anzug selbst gebrann tes Loch war es nicht. Also musste ihn der Attentäter in einen Höhlensaal bringen, hinaus aus dem Wasser, und dazu, den Anzug auszuziehen. Danach würde er ihn töten, daran hegte
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Whistler keinen Zweifel, aber keinen Moment früher. Und das kostete Zeit, wertvolle Mi nuten. »Lass den Strahler fallen!«, befahl der Attentäter . Whistler tat es. »Timber«, sagte Blaine Fishbaugh über Funk, als die Waffe von der Strömung davongetragen wurde. »Alles in Ordnung bei dir?« Der Griff des Attentäters wurde härter. »Ja«, sagte Whistler. »lch habe mich nur geärgert, dass ich einen Umweg eingeschlagen habe. Ich drehe um und folge einer besseren Route. Bin gleich bei dir, klar?« »Klar. « Der Attentäter aktivierte sein Triebwerk. Die beiden Männer dreh ten sich um 180 Grad, dann gab der Attentäter zusätzlichen Schub. Sie kehrten in den Höhlensaal zurück, den Whistler vor wenigen Minuten durchquert hatte. Der Attentäter hielt Kurs auf den Geröllstreifen am gege nüberliegenden Ufer. Nach kurzer Zeit, spürte Whistler Boden unter den Füßen. Der Attentä ter löste seine Umklammerung. Eine stumpfe Spitze stach Whistler schmerzhaft in die Hüfte. Es musste der Lauf des Strahlers sein, mit dem der Attentäter Lailavi ermordet hatte. »Los! Geh an Land!«, befahl der Mann. Langsam stapfte Whistler los. Er zwang sich, nicht den Kopf zu verdre hen, um die Bewegung zu erhaschen, die jeden Augenblick kommen musste, sollte er eine Chance haben, die Be gegnung mit dem Attentäter zu über leben. Aber er durfte sieh nichts anmerken lassen.
Das Stardust-Attentat
»Öffne den Helm.« Der Attentäter war ein bärtiger Mann. Tiefe Linien zogen sich über sein Gesicht. Whistler las Schmerz darin, aber suchte vergeblich nach Wahnsinn. Er fand nur Entschlossen heit »Ja.« Whistler führte den Daumen beina he in Zeitlupe zur Sensortaste. Er ahnte, was kommen würde: Kaum klappte er das Visier hoch, würde ihn der Attentäter mit einem Schuss in die Stirn töten; Ein sauberer, schneller Tod, der seinen Anzug schonen würde. Der Attentäter hob den Strahler und zielte. »Los! Mach schon!« »J ... ja.« Da kam die Bewegung, auf die Whistler gewartet hatte. Sharud sprang aus dem Wasser, in einer Plötzlichkeit, als handele es sich bei ihm um einen Indochimi, der an setzte, ein Beutetier zu verschlingen. Der Rokinger war wie ein dunkler Blitz, unmöglich schnell und … und nicht schnell genug. Der Attentäter ließ sich zur Seite fallen. Der riesenhafte Rokinger sprang ins Leere, kam in einer Wolke aus nach allen Seiten spritzendem Sand und Geröll auf. Sein Wutschrei war so laut, dass er in Whistlers Oh ren schmerzte. Der Attentäter floh. Grünes Leuchten hüllte ihn ein, als er seinen Schutzschirm aktivierte. Gleichzeitig schnellte er hoch, rannte dem Wasser entgegen. Sharud heulte auf. Er war zu schwer, als dass er sein Gewicht hätte rechtzeitig herumwer fen können, um den Mann zu errei chen. Aber nicht Whistler. Er rannte los, auf den Punkt am Ufer zu, an dem der Attentäter das Wasser erreichen wür
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de. Sein Prallschirm, befreit von der bewusst gelegten Fehlfunktion, flammte auf. Im nächsten Moment prallte er mit dem Schirm des Attentäters zusam men. Grelle Überschlagsblitze blende ten ihn. Whistler spürte einen Schlag, wankte, vermochte aber auf den Bei nen zu bleiben. Als sein Schirm sich wieder norma lisierte, sah er, wie der Rokinger den Attentäter brüllend vor sich hertrieb. Der Fluchtweg zum See war ihm ab geschnitten. Dem Attentäter blieb nur die Hoffnung, dass in dem Dunkel, in dem der Höhlensaal endete, ein weite rer Zugang verborgen war. Er hoffte vergeblich. Whistler aktivierte das Triebwerk, trieb den Attentäter zusammen mit Sharud immer weiter in das Dunkel. Schließlich fand der Mann sich vor einer Wand wieder, die das Ende der Höhle markierte, gefangen in den Lichtkegeln zweier Scheinwerfer. Der Attentäter hob die Waffe und drückte ab. Ein Energiestrahl schlug in den Schirm Whistlers, konnte ihn aber nicht durchdringen. »Gib auf!«, brüllte Whistler. »Du hast keine Chance!« Wie um seine Worte zu unterstrei chen feuerte Sharud seine Waffe ab. . Der Strahl bohrte sich tief in das Ge stein, ließ es in einer Explosion von Lava explodieren. Die Botschaft war eindeutig: Der riesenhafte Rokinger trug eine Waffe, die einem kleinen Geschütz entsprach. Ihr Strahl würde mühelos den Schirm des Attentäters durchschlagen. »Gib auf!«, brüllte Whistler wieder. »Wir garantieren dir gute Behand lung, einen fairen Prozess ! «
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Langsam senkte der Attentäter die Waffe. Triumphstieg in Whistler auf. Ihre Geduld wurde belohnt! Sie hatten ihn! Im Augenwinkel sah er, wie das Ge sicht Sharuds versteinerte. Wieso? Ihr Plan war gelungen. Sie »Das ist großzügig«, sagte in diesem Moment der Attentäter »Aber ich ver zichte.« . Er richtete den Lauf seines Strahler auf das eigene Gesicht und drückte ab. Der Attentäter verging in einem Feuerball. »Habe ich es dir nicht gleich ge sagt?«, sagte Sharud in die plötzliche Stille. »Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache ...« 14. April 1347 NGZ Hiroko ist weg, Die Tiere haben sie mir gestohlen. Mein bestes Seelenbild bislang die Arbeit einer Woche! Die Schleifspuren sind eindeutig, es waren die Tiere. Doch sie sind nicht durch die Lü cken gekommen, in denen die Licht schranken warten, sondern über die Dächer der Container. Im Blätterdach ist ein Loch, das es beweist. Und am Container sind Kratzspuren. Ich folge der Spur, renne zum Strand. Nichts. Hiroko ist weg. Ich ziehe den Strahler und drücke ab. Eine Dampffontäne schießt aus den Wellen. Viele Fontänen folgen ihr. Als der selbst gemachte, heiße Nebel um mich herum steigt, wird mir klar, dass ich so nicht weiterkomme. Ich kehre zu meinen Seelenbildern zurück und hole den Kampfanzug
hervor Ich aktiviere das Kommunika tionsmodul. PS: Die dummen Tiere sind durch mein Beet gekrochen. Viele Pflanzen abgeknickt. Das werden sie büßen!
10. 15. Juli 1347 NGZ »Dort unten!« Unter der NEW GOOD HOPE er streckte sich das endlose Südmeer von Zyx. Es war ein Blau, das von Hori zont zu Horizont reichte, unterbro chen nur von hellen Gischtkronen und hin und wieder winzigen grünen Flecken, die Stecknadelköpfen in der sonnendurchtränkten Unendlichkeit glichen. Auf einen dieser Stecknadelköpfe hielt der SKARABÄUS in diesem Moment zu. Yulanda nahm Schub heraus und drückte die NEW GOOD HOPE in eine lange Kehre, während sie Höhe abbaute. Der Stecknadelkopf wurde größer, verwandelte sich in eine nahezu perfekt runde, von Wald bestandene Insel. Sie war flach, und Whistler mutete sie wie das Blatt ei ner riesigen Seerose an, die auf dem Wasser schwamm. Blaine und Sharud traten neben ihn. Der Funker trug kurze Hosen und ein T-Shirt und genoss es sichtlich, die Höhlenwelt Aaugens hinter sich gelas sen zu haben. Der junge Rokinger blickte finster drein. Er vermisste die Höhlen der Indochimi-Stadt, die En ge, die Finsternis und die halbwegs kühlen Temperaturen. Sie erinnerten ihn an seine Heimat, Katarakt, die weit jenseits von- Zyx ihre Bahn um die Sonne zog und von Kälte gezeich
Das Stardust-Attentat
net war. Zu viel Wärme machte ihm schlechte Laune. Hinzu kam die Erfahrung, die der junge Rokinger vor wenigen Stunden erst gemacht hatte: Das Vergnügen, recht zu behalten, war zuweilen bit ter. »Z-S-48.901-1«,‘ sagte Blaine, als die NEW GOOD HOPE bis auf wenige hundert Meter hinuntergegangen war. »Sein Bau. Ich bin gespannt.« Die Insel hatte keinen Namen, nur eine numerische Bezeichnung, die sie als Landmasse Nummer 48.901 im Südozean des Planeten Zyx mit einer Fläche von unter einem Quadratkilo meter charakterisierte. Insgesamt gab es über 150.000 solcher Inseln, und Whistler hatte sich sagen lassen, dass täglich noch neue hinzukamen, die bei der ursprünglichen- Erkundung des Planeten übersehen worden waren. Doch Z-S-48.901-1 unterschied sich von allen übrigen lnseln in einer Hin sicht: Sie war die Heimat des Attentä ters gewesen. Eine Gewebeprobe hatte ihnen die Identifizierung des Toten erlaubt. Marty Zeimand, 53, vormaliger Missi onsspezialist der Liga-Flotte, Wohn ort Insel Z-S-48.901-1. Eine erste Erklärung hatten sie da durch gewonnen: Als Missionsspezia list war Zeimand dazu ausgebildet gewesen, unentdeckt lange Einsätze in feindlichem Territorium zu erledigen. Einem Mann mit seiner Erfahrung war es ohne Weiteres zuzutrauen, sich wochenlang in einer Indochimi-Stadt unbemerkt auf die Lauer zu legen, ein Attentat durchzuführen und sich an schließend wieder zu verstecken. Der Ablauf war damit geklärt. Offen blieben die Motive Zeimands. Whistler hoffte, dass sie eine Erklä rung auf der Insel finden würden.
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Es gab nur eine einzelne Behausung auf der Insel. Sie war in der Mitte der Landmasse errichtet, umgeben von Wald. Whistler erkannte drei zu einem gleichschenkligen Dreieck angeordne te Container Behelfsbauten, wie sie überall im Stardust-System die Norm waren, aber auf der Südseewelt Zyx haftete selbst so etwas Profanem wie Wohncontainern ein Hauch von Ro mantik an. Ein Trampelpfad führte vom Haus zu einer Anlegestelle am Rand der Insel. Der Steg war aus Baustellenab fall errichtet und so krumm, dass Whistler darauf tippte, dass Zeimand ihn mit eigener Hand erbaut hatte und er war verlassen. »Lande an der Anlegestelle«, wies er Yulanda an, die den SKARABÄUS aus dem Kommandosegment heraus steuerte. »Ich will mir das Ganze an sehen.« »Wie du willst.« Yulanda klang nicht begeistert, aber die NEW GOOD HOPE machte einen Satz und ging neben dem Steg nieder. Whistler spür te, wie das Wasser den Rumpf des SKARABÄUS sanft auffing. Er packte ein Kabelbündel und zog sich an der Reling hoch. Sharud tat es ihm gleich. Whistler schüttelte den Kopf. »Nein. Ich gehe alleine.« »Wieso?«, fragte der Rokinger »Du weißt nicht, was dich erwartet. Der Verrückte könnte dir eine Falle ge stellt haben. « »Das glaube ich nicht. Er konnte nicht mit uns rechnen. Außerdem Egal, ich will allein gehen, verstan den?« »Wie du will. «, wiederholte der Ro kinger Yulandas Worte und ließ sich beleidigt zurück auf das Deck gleiten.
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Whistler ließ sich von einem Trak torstrahl auf dem Steg absetzen. Eine Befangenheit hatte ihn erfasst, hatte ihn den Freund zurückweisen lassen. Es erschien ihm nichtrichtig, diesen Ort in Begleitung aufzusuchen. Diese Insel war das Vermächtnis eines To ten. Und das änderte sich auch nicht dadurch, dass der Tote ein Mörder gewesen war. Whistler ging den Trampelpfad ent lang zum Haus. Nach kurzer Zeit hat te er die NEW GOOD HOPE aus der Sicht verloren. Der Wald war zu dicht, versperrte ihm den Blick auf das Meer. Er erreichte die Lichtung. Baum stümpfe zeigten an, dass sie künstlich errichtet worden war. Ein gepflegter Gemüsegarten deutete darauf hin, dass Zeimand zumindest versucht hatte, sich selbst zu versorgen. Ein mithilfe eines Energiestrahlers ge schaffener und versiegelter Teich sammelte das Regenwasser, das über Rinnen von den Dächern der Contai ner lief. Eine Gießkanne stand am Teich. Sie wirkte als hätte ihr Besitzer sie soeben abgestellt und würde jeden Augenblick zurückkehren und sich wieder der Gartenarbeit widmen. Whistler blieb einen Augenblick stehen und schloss die Augen. Er at mete tief ein, schmeckte die Luft, in der sich der Duft von Harz und Salz miteinander Vermischte. Er lauschte. dem aufgeregten Zwitschern der Vö gel, die ihren Artgenossen ihre Ver blüffung über den Neuankömmling mitteilten, dem fernen Rauschen der anbrandenden Wellen. Er spürte die Sonne, die ihn wärmte. Dieser Ort war ein Paradies. Whistler öffnete die, Augen wieder. Sein Blick strich über das Dreieck der
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Wohncontainer Kletterpflanzen ver breiteten sich über den Containern. Ein Paradies. Ein Paradies, in dem ein Mörder gewohnt hatte. Vielleicht ein Wahn sinniger. Ein uralter Scherz fiel Whistler ein: Ein Mann, der sein Leben lang nur dem Vergnügen nachgejagt war und in seiner Jagd keine Rücksichten ge kannt hatte, stirbt. Er findet sich an einem Ort wieder, an dem auf bloßen Wunsch hin jedes Vergnügen zu haben ist. Ein alter Mann mit einem Bart zeigt es ihm. »Unglaublich!«, sagt der Verstorbe ne irgendwann zu dem alten Mann. »Das Paradies! Ich hätte geschwo ren, ich komme in die Hölle.« Und der alte Mann lächelt nur und antwortet: »Das ist die Hölle. « Whistler gab sich einen Ruck und ging zur Tür des vordersten Contai ners. Als er vor ihr stehen blieb, glitt sie zur Seite. Sicherungen und Schlös ser waren auf Zyx unbekannt. Nie mand benötigte sie. Er trat in den Container. Zu seiner Rechten im Schatten der Behausung machte sich ein Mann an einem Schrank zu schauen, der in die Con tainerwand eingelassen war. Whistler erstarrte; Wieso hatte er nicht auf Sharud gehört? Er hätte … Der Mann drehte sich um und sagte: »Whistler da bist du ja endlich!« »Sigurd Echnatom? Wie kommst du hierher?« · »Auf demselben Weg wie du: mithil fe eines SKARABÄUS.« Der NochAdministrator der StardustMenschheit machte mit der flachen Hand einen Flugkörper nach, der in den Landeanflug ging. Es war eine kindische, verspielte Geste und damit ungefähr das Letzte, was Whistler von
Das Stardust-Attentat
dem Bürokraten erwartet hätte. »Nur, dass ich meine Besatzung wegge schickt habe. Die Lage auf Zyx ist zu explosiv, als dass ich es verantworten könnte, unnötig Transportkapazitäten zu binden.« »Wozu das? Was willst du hier?« »Antworten, was sonst?« Echnatom zuckte die Achseln. »Der Attentäter hat hier gehaust. Und, als Administra tor ist es meine Pflicht, mehr über ihn herauszufinden. Er könnte Teil einer Verschwörung gewesen sein.« »Du …« Whistler schluckte die Fra ge hinunter, woher, zum Teufel, Ech natom von der Insel wusste. Er ahnte es - und sobald er zur NEW GOOD 'HOPE zurückkehrte, würde er ein ernstes Wort mit Blaine Fishbaugh reden müssen. »Du glaubst, Zeimand war kein Einzeltäter?« »Ich bin mir nicht sicher Ich bin L erst kurz vor dir angekommen. Aber eigentlich ist diese Frage nach einer Verschwörung im Augenblick eher sekundär Meine Leute sind in Alarm bereitschaft.« Echnatom blickte plötzlich ernst, die spielerische Leichtigkeit war von ihm abgefallen. »Ich hoffe darauf, nein, ich bete, dass wir hier irgend etwas finden, was die Indochimi be sänftig.« »Was ist mit ihnen?«, fragte Whistler, »Als wir Aaugen verließen, waren die Indochimi-Meister so starr wie eh i und je.« »Die Meister, ja. Aber inzwischen hat sich die Riechsprechnachricht Vom Tod Meister Lailavis über Aau gen hinaus verbreitet. Und es sieht so aus, als verfügten gewöhnliche Indo chimi nicht über die Geduld von Meis tern. Innerhalb der letzten Stunde gab es ein halbes Dutzend Angriffe von Indochimi auf Menschen.«
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»Gab es Tote?« »Ja, vier. Bislang konnte ich die Nachrichten unterdrücken oder als Badeunfälle kaschieren, aber das wird nicht mehr lange gut gehen. Die Riechsprechbotschaft verbreitet sich über die Meeresströmungen immer weiter. s wird Wochen, vielleicht Mo nate dauern, aber sie wird unweiger lich alle Indochimi erreichen., Oder innerhalb von wenigen Tagen, sollten die Meister beschließen aufzubre chen.« Echnatom sprach Whistlers Be fürchtungen aus. Aber vielleicht gab es Hoffnung. Bedeutet der Selbst mord, des Attentäters den Indochimi nichts, dass Menschen ihn zur Strecke brachten?« »Dem Anschein nach nicht. Die Meister dümpeln wie Treibholz im unterirdischen See. Mag sein, dass der Tod Lailavis sie in Schockstarre ver setzt hat. Mag sein, dass sie darauf warten, was wir Menschen ihnen noch zu sagen haben. Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass das hier«, er hob beide Arme und umfasste mit einer Geste das Containerhaus Zeimands, »unsere einzige Hoffnung ist, eine Antwort zu finden, die die Indochimi-Meister zu friedenstellen könnte. Willst du mir helfen?« . Es widerstrebte Whistler, mit dem Erzbürokraten zusammenzuarbeiten. Mit seiner sturen Kleinlichkeit hatte Echnatom alles getan, den Exodus nach Stardust seiner Größe zu berau ben. Aber der Echnatom, der vor Whistler stand, schien nur noch wenig mit dem Mann gemein zu haben, den er zu verachten gelernt hatte. »In Ordnung«, sagte er und reichte Echnatom die Hand. »Suchen wir zusammen.«
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Echnatom nahm seine Hand und drückte sie kräftig. * Ihre Suche erwies sich als ebenso kurz wie erfolglos. Die Container waren standardisiert. Zeimand schien ein Mann gewesen zu sein, der sich nichts daraus machte, seinem Heim eine persönliche Note zu verleihen. Ein Container bildete das Wohn zimmer, ein zweiter das Schlafzim mer, ein dritter das Bad. Im Wohnzimmer gab es drei Sessel, eine Couch und eine große freie Flä che für Trivid-Bilder Im Schlafzim mer stand ein Bett, ungemacht. Im Bad fanden sie die klassische Dusch zelle, eine Badewanne und eine Toilet te, die stank. Die Hygieneeinheit musste ausgefallen sein, und Zeimand hatte es nicht für nötig befunden, sie zu reparieren oder auszutauschen. Die Containerpositroniken waren zerstört. Schwarze Löcher klafften an den Stellen der Wände, an denen die manuellen Bedienflächen angebracht gewesen waren. Whistler untersuchte sie, während Echnatom unter das Bett Zeimands kroch. Es gelang ihm, Zu gang zu einem unbeschädigten Spei cher zu erlangen, und er stellte fest, dass er unberührt war. Das übliche Set von Anwendungen war installiert, mehr nicht. Die letzte Benutzung lag laut Logdatei über vier Monate zu rück. Das war alles. Keine persönli chen Gegenstände, keine Erinne rungsstücke, nichts. Als Whistler den Schlafzimmercon tainer durch die rückwärtige Tür ver ließ, verstand er, warum. Die Container hatten Zeimand le diglich als Bausteine für das gedient,
um was es ihm eigentlich gegangen war: den Innenhof. Er war dreieckig, von den Contai nern begrenzt. Blühende Kletterpflan zen hatten ein Dach über ihm gebil det, das zugleich die stechende Sonne aussperrte und ein sanftes Licht hin durchließ. Und im Innenhof fand sich Zeimands Werkstatt. Oder war Atelier der richtige Begriff? Skulpturen bevölkerten den Hof. Sie waren aus dem örtlichen Holz gehau en und dunkelrot. Es war die Farbe des Safts, der aus den Stämmen her vortrat, beraubte man sie ihrer Rinde. Whistler hörte, wie Echnatom ihm durch die offene Tür folgte und ver harrte. »Was ist das?«, fragte er schließlich. »Ich weiß es nicht«, antwortete Whistler. »Die Geister, die ihn ver folgten. Oder seine Kameraden?« Die Skulpturen formten Menschen in Lebensgröße. Doch es waren keine gewöhnlichen Menschen. Sie waren deformiert, als hätte man an einer Stelle einen Haken in ihre Körper ge trieben, daran gezogen und ihn ver dreht, bis sich das Fleisch der Men schen mit ihm verdrehte. Die Augen- und Münder der Men schen waren weit aufgerissen und flehten. »Ich ...«, setzte Echnatom an. »Vor Jahren bin ich Zeuge eines Transmit terunfalls geworden. Ein Fehler in der Rekombination, hat man später fest gestellt. Die Frau hat noch drei Tage gelebt. Und sie hat ausgesehen wie eine dieser Skulpturen.« Gemeinsam gingen sie durch die Reihen der Gequälten. Whistler zählte über dreißig von ihnen. In der Mitte des Hofs standen eine Liege und eine Tischlerbank. Ein unvollendetes Stück war eingespannt. Whistler trat
Das Stardust-Attentat
zu ihm hin und erkannte in den vor Schmerz verzogenen Zügen den Mann wieder, der vor wenigen Stunden erst im Begriff gewesen war, ihm ein Loch in den Schädel zu brennen: Marty Zeimand. Werkzeuge waren neben der Skulp tur verstreut. Sie waren, soweit Whistler es beurteilen konnte, ohne technische Verfeinerungen einfache Metallklingen mit Holzgriffen. Die Skulptur selbst war rot wie alle übri gen. Es war die natürliche Farbe des Holzes, schälte man die Rinde und setzte es der Luft aus. An manchen Stellen waren Flecken von Farbe auf getragen. Neugierig beugte sich W histler vor und erkannte sie als ge trocknetes Blut. Er hob den Arm und strich mit den Fingern über die Skulptur. Sie erwachte zum Leben. Mit einem Aufschrei sprang Whistler zurück und rammte um ein Haar in Echnatom, der hinter ihn ge treten war. Und das Holo Marty Zeimands, das sich über die Skulptur gelegt hatte, sagte: »Was willst du deinem Tage buch heute anvertrauen, Marty?« 15. April 1347 NGZ Verrückt. Übergeschnappt. Wahnsinnig. Die Leute haben komplett den Verstand verloren. Ich kann, ich will nicht glauben, was ich über die Kommunikationskanäle erfahre. Sigurd Echnatom erkennt die Tiere nicht als Tiere. Er nennt sie »In dochimi« und hält sie für intelligent. Gut, eine gewisse Schlaue gestehe ich ihnen zu. Aber sie sind Diebe. Sie beschmutzen das Paradies.
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Echnatom ist blind dafür. Er lädt die Meister der Indochimi zu einem »Konvent« ein. Mithilfe der Administration sollen sich diese wi derlichen Biester in der Unterwasser stadt Aaugen versammeln. Echnatom will dort zu ihnen spre chen. Als handele es sich bei ihnen nicht um Ungeziefer, das ausgerottet gehört, sondern um Wesen, die mit Menschen auf einer Stufe stehen. Verrückt. Übergeschnappt. WahnSinnig. Bin ich der einzige Mensch, der noch bei Verstand ist? PS: Nichts im Garten getan. Bin zu wütend.
11. 15. Juni 1347 NGZ »Meister der Indochimi, ich bin zu euch zurückgekehrt, um von den Men schen zu berichten.« Timber F. Whistler jr. ließ seine Er öffnungsworte durch den Höhlensaal hallen. Er stand an der Stelle, an der vor einigen Tagen Meister Lailavi er mordet worden war. Allein. Die Ufer der Höhle Waren verlassen, nur die Besatzung der NEW GOOD HOPE hatte es sich nicht nehmen lassen, ihm beizustehen. Sie hatte sich in einiger Entfernung von Whistler versammelt. Und natürlich Waren da die Meister der lndochimi, die reglos in dem un terirdischen See trieben. »Und ich bin gekommen, um euch jemanden vorzustellen!«, rief er. Der Translator seines Kampfanzugs über setzte seine Worte in die sanften Zischlaute der Amphibienwesen. Er streckte eine Hand aus und be rührte die Skulptur Marty Zeimands,
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die er neben sich aufgestellt hatte. Sie erwachte zum Leben. Das Holo des bärtigen Mannes entstand. Einige Sekunden vergingen, dann hatten die Indochimi erkannt, wem sie sich gegenüber sahen. Eine Welle der Aufregung ging durch das Wasser, als die Amphibienwesen um sich. schlu gen. Sie lösten eine Brandung aus, die so hoch reichte, dass sie der Besatzung der NEW GOOD HOPE bis über die Knöchel stieg. »Es besteht kein Grund zur Aufre gung!«, rief Whistler während sich langsam die Wellen der Erregung leg ten. »Diese Projektion zeigt einen Menschen. Sein Name ist Marty Zei mand. Er ist der Mörder Meister Lai lavis. Er ist tot. Er nahm sich das Le ben in eurer Stadt. Ihr habt es zwei fellos geschmeckt.« Whistler nahm ein leises Summen wahr. Es stammte von den Dutzenden von Minikamers, die Blaine Fishbaugh ausgesandt hatte. Whistlers Rede galt vorgeblich den Indochimi, aber tat sächlich sprach er ebenso zu den Men schen des Stardust-Systems. »Marty Zeimand wurde auf der Erde geboren, vor dreiundfünfzig Jahren unserer Zeit. Als Kind erlebte er die Besetzung der Erde. Die Arkoniden brachten seine Heimat in ihre Gewalt. Es war eine Zeit der Angst, Die Besat zer waren grausam. Widerstand wur de exemplarisch bestraft. Ihre Vorlie be war die Willkür Jeder Schritt, den ein Mensch tat, jede Handlung konnte die letzte sein.« Whistler sah zu Blaine Fishbaugh. Der Orter der NEW GOOD HOPE hielt den Daumen nach oben. Die Ü bertragung lief. »Marty Zeimand hatte Glück. Er und seine Familie überlebten die Zeit der arkonidischen Besatzung. Doch
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sie hatte ihn verändert: Marty war zu einem stillen, nachdenklichen Kind geworden. Er hatte erfahren, was Angst ist. Er hatte gelernt, von ande ren das Schlimmste zu erwarten, in ihnen eine Bedrohung zu sehen. Er las viel, träumte von fernen Welten, zog sich von anderen zurück. Als er acht zehn Jahre alt wurde, meldete er sich freiwillig zur Flotte der Liga. Er durchlief ein hartes Training und wurde zum Missionsspezialisten. Mar ty schien für diese Aufgabe ideal ge eignet. Er machte sich nichts aus Menschen, zog Einsamkeit der Gesell schaft vor. Missionsspezialisten müs sen auf sich allein gestellt handeln, müssen lange Zeit in fremder Umge bung überleben können. Und sie müs sen töten können. Marty bewährte sich. Er tauchte auf fremden Welten unter, darunter auch Arkon, und spi onierte - oder tötete, wenn es notwen dig war.« Sharud, der beider Crew der NEW GOOD HOPE, stand, setzte sich auf den steinübersäten Boden, senkte den Kopf und stützte ihn auf die Knie. Es hatte nichts zu bedeuten. Der Rokin ger mochte keine Reden. Auch nicht die, deren Zweck er - wenn auch wi derwillig - einsah. Whistler fuhr fort: »Was die Psycho logen in der Flotte aber übersahen, war der Kern, der Marty Zeimand ausmachte: die Angst. Marty kämpfte und tötete, um die Angst in sich zu besiegen. Es gelang ihm nicht. Die Angst wollte ihn nicht verlassen. So viel er auch tötete, die Zahl der Fein de wurde nicht kleiner. Stattdessen wurde er immer einsamer Es gab nie manden, mit dem er seine Erfahrun gen hätte teilen können, niemanden, der ihn verstanden hätte. Doch Marty funktionierte, führte seine Missionen
Das Stardust-Attentat
aus. Dabei nahm er sich immer mehr Freiheiten, setzte Gewalt weit jenseits dessen ein, was seine Befehle ihm dik tierten oder die Lage erforderte. Schließlich hatte die Flotte genug und entließ ihn. « Die Indochimi regten sich nicht. Es war nicht, was sich Whistler erhofft hatte - andererseits waren die Amphi bienwesen auch nicht aus dem See gestiegen, um ihn anzufallen. Das war immerhin mehr, als ihm Sharud zuge billigt hatte. »Die Welt brach für Marty zusam men. Die einzige Welt jedenfalls, in der er glaubte existieren zu können. Dass es noch andere. Welten geben könnte, andere Lebensweisen, mochte er ahnen, aber seine Angst, über den eigenen Schatten zuspringen, seinen Ängsten ins Auge zu blicken, war zu groß. Marty schlug sich auf der Erde durch, zog weiter, sobald die Men schen an einem Ort genug von dem schweigsamen Mann hatten. Das dau erte nie lange. Sie verstanden ihn nicht. Sie fühlten sich von ihm be droht. Sie spürten, dass ein dunkles Geheimnis auf ihm lastete.«. Eine von Blaines Minikameras flog bis auf Armeslänge an Whistler heran. Er musste sich beherrschen, sie nicht wie eine lästige Fliege zu verscheu chen. »Marty würde wohl heute noch auf der Erde von Ort zu Ort ziehen, wenn nicht die Terminale Kolonne auf den Plan getreten wäre. Sie belagerte das Solsystem. Plötzlich wusste Marty, Was er zu tun hatte: Er würde wieder kämpfen. Er meldete sich zur Flotte und wurde abgelehnt. Es war eine Zurückweisung, die Marty um ein Haar nicht überlebt hätte. Beinahe hätte er sich aus Verzweiflung das eigene Leben genommen, Doch eine
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glückliche Fügung kam ihm zu Hilfe. Die Teletrans-Weiche öffnete das Tor in das Stardust-System, in ein neues Leben. Marty nahm seinen ganzen Mut zusammen und ließ alles zurück.« Whistler zog die Skulptur näher an sich heran. Es mutete an, als umarme er den Attentäter . »Doch Marty Zeimand scheiterte. Stardust war eine neue Welt, aber Marty konnte nicht abschütteln, was er war. Er suchte die Einsamkeit im Glauben, sie könne ihn heilen. Er nahm seine Ängste, seine Schuld und brachte sie in Formen aus Holz. Die ses Holz, das nur auf einigen Inseln in der Südhemisphäre vorkommt, scheint parapsychisch aktiv. In wel cher Weise, diesem Rätsel sind unsere Wissenschaftler derzeit auf der Spur: Doch für Marty Zeimand genügte es nicht. Seine Schuld, seine Angst wa ren zu groß, als dass er sich aus ihnen hätte befreien können. Und als es zu einem unglücklichen Zusammentref fen mit Indochimi kam, war Marty Zeimands Leidensfähigkeit erschöpft. Er zerbrach. Und beschloss, sich zu rächen.« Er packte die Skulptur mit beiden Händen, hob sie an und ging auf den See zu. »Der Durst nach Rache ist eine menschliche Emotion. Er brennt heiß und ist unstillbar. Man muss ihn ver spürt haben, um ihn zu verstehen«, rief Whistler. »Deshalb spürt seine Wut! Marty Zeimand kann sich euch besser vermitteln, als ich es je mit Worten vermochte.« Er hob die Arme, holte Schwung und warf die Skulptur in hohem Bo gen in den See. »Schmeckt seine Angst! Schmeckt ein vergeudetes Leben!«
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Die Skulptur klatschte auf das Was ser und versank. Sie hatte kaum das Wasser berührt, als der See sich unter dem Schlagen Tausender von lndo chimi-Gliedern aufbäumte. Der Schweiß Zeimands, sein Blut, seine Angst klebten an der Skulptur - und die Indochimi erspürten sie über die empfindlichen Rezeptoren an ihren Bäuchen. Schweigend verfolgte Whistler das Brodeln. Sein erstes Ziel hatte er er reicht. Er hatte die Reglosigkeit der lndochimi-Meister durchbrochen. Sie hörten ihm zu. Vielleicht gelang es ihm, zu ihnen durchzudringen. Nachlangen Minuten legte sich der Aufruhr. »Ihr kennt jetzt Marty Zeimand, den Mörder Meister Lailavis«, fuhr Whistler fort. »Er ist ein Mensch. Und nun möchte ich euch von einem ande ren Menschen berichten. Er ist der Mann, dem wir Menschen es zu ver danken haben, dass wir zu den Ster nen reisen, der Mann, der es möglich machte, dass wir Menschen nach Stardust, nach Zyx kamen.« Whistler legte eine kurze Pause ein. »Sein Name ist Perry Rhodan.« Whistler hob den linken Arm, mach te den rechten Handschuh seines Kampfanzugs los. »Perry Rhodan stammt aus einer Welt der Angst, der Erde. Vor dreitau send Jahren war sie ein elender Ort. Menschen lebten in Angst, aus ihrer Gemeinschaft verstoßen zu werden, wenn ihr Glaube, ihre sexuellen Nei gungen oder vielleicht auch nur ihre harmlosen Vorlieben von denen der Mehrheit abwichen. Viele hatten Angst davor, am nächsten Tag zu hungern. Davor, dass niemand ihnen helfen würde, ereilte sie eine Krank heit. Ja, Menschen hatten so viel
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Angst, dass sie einander umbrachten. Sie teilten sich in Stämme, die sie Na tionen oder Völker nannten. Wer die Sprache eines Stammes nicht sprach, wer anders aussah, wer andere Sitten pflegte, stellte er eine Bedrohung dar.« Whistler zog den linken Handschuh aus. Er sah, wie Sharud den Kopf hob und zu ihm sah. »Die Angst dieser Stämme war so groß, dass sie einander misstrauisch beäugten, Krieg gegeneinander führ ten und schließlich Waffen schufen, so mächtig, dass ihr Einsatz die Erde in eine sterile, strahlende Wüste ver wandelt hätte.« Whistler strich über den Magnet saum, der vom Hals bis zum Schritt reichte. Die Augen des Rokingers wei teten sich, als er es sah. Sharud ahnte, was Whistler vorhat te. »Rhodan brach von dieser Erde. auf«, sagte Whistler. »Als erster Mensch erreichte er den Mond, einen kleinen, toten Planeten, der um die Erde kreist. Dort traf er auf die Arko niden. Ja, ihr habt euch nicht verhört, die Vorfahren der Arkoniden, die spä ter, zur Zeit Marty Zeirnands, die Er de besetzen sollten. Zu Rhodans Zeit waren die Arkoniden den Menschen unendlich überlegen. Ihr Schiff hätte die Erde in einem einzigen Feuer schlag vernichten können. Die Men schen hatten allen Grund, sich vor ihnen zu fürchten. Doch Rhodan … Rhodan gab seiner Angst nicht nach.« Der Magnetsaum öffnete sich. Whistler befreite den rechten Arm aus dem Ärmel des Anzugs. Er sah, dass Sharud aufstand und ihm aufgeregt zuwinkte. Was zum Teufel, treibst du da?
Das Stardust-Attentat
»Rhodan rannte nicht davon. Er bot den Arkoniden die Stirn. Es war eine Tat von außergewöhnlichem Mut. Und doch sollte die eigentliche Probe noch auf ihn warten: die Rückkehr zur Er de. « Whistler befreite den linken Arm aus dem Ärmel, ignorierte das wilde Gestikulieren des Rokingers. »Es gelang ihm, sich die Wunder technik der Arkoniden zu sichern. Als er mit der STARDUST, so hieß sein Schiff, zur Erde zurückkehrte, brach te er Macht mit, wie die Menschen sie nicht gekannt hatten. Die Meister der Amerikaner, so hieß der Stamm, dem Rhodan angehörte, erwarteten von ihm, dass er ihnen diese Macht über gab. Es war nur natürlich. Die Meister kannten keine andere Welt als die der Angst, und der Ängstliche kennt kein anderes Bestreben, als möglichst viel Macht in seine Hände zu bringen, im verzweifelten Bestreben, seine Ängste zu besänftigen.« Whistler befreite das rechte Bein aus dem Anzug. Sharud wollte zu ihm rennen, aber Blaine und Yulanda ver sperrten dem Rokinger den Weg und redeten beschwörend auf ihn ein. »Doch keine Macht ist stark genug, die Angst zu besänftigen. Die Technik der Arkoniden hätte die Amerikaner zu den Herren der Erde gemacht, Nur: Es wäre eine Welt der Angst gewesen, eine Welt, die nicht Bestand hätte ha ben können. Die Angst hätte die übri gen Stämme dazu angetrieben, die Amerikaner anzugreifen, um sie aus zumerzen, und früher oder später hät ten die Menschen einander zer fleischt.« Whistler schlüpfte mit dem zweiten Bein aus dem Anzug. Die kalte Feuch te des Ufers drang durch seine So cken.
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»Rhodan gab der Angst nicht nach. Er gewährte allen Menschen der Erde Zugang zur Technik der Arkoniden. Rhodan tat es im Wissen, dass die Welt der Menschen nie wieder so sein würde wie zuvor, dass die Zukunft der Menschen im Ungewissen lag. Rhodan war klar, dass es kein Zurück gab. Wollte die Menschheit überleben, musste sie sich mutig in das Ungewis se stürzen.« Whistler ließ den Anzug achtlos fal len. Vom Uferabschnitt zu seiner Rechten drangen aufgeregte Rufe. Er ignorierte sie. »Es gelang. Perry Rhodan stieß das Tor zu den Sternen für uns Menschen auf. Sie überwanden ihre Ängste, aus den Stämmen wurde eine geeinte Menschheit, Terra, und die Terraner machten sich daran, das Universum zu erforschen. Im Lauf der Jahrtau sende haben Menschen unzählige Wel ten besucht, viele Tausende besiedelt und Wunder ohne Zahl t erblickt. « Sharud ließ sich von Yulandas und Blaines Beteuerungen nicht umstim men. Er versuchte sie abzuschütteln, aber die übrige Crew der NEW GOOD HOPE kam den beiden zu Hilfe. Ge meinsam hielten sie den riesenhaften Rokinger zurück. »Haben wir Menschen die Angst für immer hinter uns gelassen?«, fuhr Whistler fort. »Nein. Zwischen den Sternen warteten neue Ängste auf uns, neue Bedrohungen. Eine dieser Bedrohungen, die Terminale Kolonne, hat uns dazu gebracht zu fliehen, hierher, in das Stardust-System. Die Angst hat uns hierher geführt. Die Angst und die Hoffnung. Daher auch der Name: Stardust, der an das Schiff Perry Rhodans erinnert. Er steht für die Hoffnung auf ein besseres Leben, ein Leben ohne Angst, in Frieden.«
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Whistler ging auf den See zu. Im Licht der lumineszenten Tiere, die über den Grund des Sees krabbelten, machte er ein Dutzend reglose Indo chimi-Meister aus. »Frieden ... und dann der Mord an Meister Lailavi. Das soll Frieden sein?, fragt ihr Indochimi euch. Ich muss euch eine schmerzliche Nach richt überbringen. Es war der erste Mord eines Menschen an einem Indo chimi, doch es wird nicht der letzte sein. Es wird auch der Tag kommen, an dem ein Indochimi das Leben eines Menschen nimmt. Jeder Mensch ist ein Individuum, eine Welt für sich. Eine Welt, die scheitern kann, aus Angst oder anderen Gründen. Ich Wäge zu behaupten, dass dies auch auf die In dochimi zutrifft, trotz aller Unter schiede zwischen unseren Völkern.« Er ging in die Knie, betrachtete die nun wieder still vor ihm liegende Wasseroberfläche. »Diese Taten werden wenige sein, vereinzelte, seltene, aber unvermeidli che Tragödien«, sagte Whistler »Wenn ihr Mut habt, wenn nicht Wut und Angst euren Verstand trüben. Wir Menschen sind eine Tatsache, wir le ben im Stardust-System, auf Zyx. Menschen und Indochimi können ein ander bekämpfen, einander morden, einander unendliches Leid zufügen. Wir können einander aus dem Weg gehen, einander misstrauen, zulassen, dass unsere Angst vor dem Fremden die Übermacht erlangt. Oder wir kön nen mutig aufeinander zugehen, ein ander mit Respekt und Neugierde be gegnen, erkennen, dass das Fremde keine Bedrohung darstellt, sondern eine Chance, eine Bereicherung.« Whistler richtete sich auf. »Ihr habt die Wahl. In drei Tagen wählen wir einen neuen Administra
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tor, einen neuen Meister. Nehmt an der Wahl teil! Nehmt teil an der neuen Welt, die in diesen Augenblicken ent steht, macht sie zu eurer!« Er warf einen letzten Blick zu seinen Kameraden, die in einem Knäuel um den sich windenden Rokinger ver strickt waren, und holte tief Atem. »Habt keine Angst!« rief er. Dann ging er ins Wasser. 19. April 13:47 NGZ Vier Tage und Nächte nicht geschla fen, doch mein Geist ist klarer als je zuvor. Der Wahnsinn muss ein Ende haben. Ich muss ihn beenden. Ich gehe ein letztes Mal durch meine Seelenbilder, verabschiedete mich von ihnen. Ich werde nicht zurückkom men, ich spüre es. Und ich werde zu ihnen kommen, endlich. Auch das spüre ich. An der Werkbank bleibe ich stehen. Eingespannt ist mein eigenes Seelen bild. Es ist unvollendet. Es muss un vollendet bleiben. Im Fuß des Bildes lasse ich mein Ta gebuch zurück. Es wird besser davon berichten, wer ich gewesen bin, als ich es selbst je könnte. Ein letztes Mal nehme ich die Werk zeuge, bringe letzte Korrekturen an. Ich rutsche ab, verletze meinen Finger Blut tropft auf das Bild. Ich lasse es eine Zeit lang fließen, dann reiße ich mich los. Eine Aufgabe erwartet mich. Eine furchtbare Aufgabe. Eine Aufgabe, für die kein anderer Mensch sich wagt. Ich werde sie erfüllen. PS: Schade um den Garten. Ich mochte es, Gärtner zu sein.
Das Stardust-Attentat
12. 18. Juni 1347 NGZ Es heißt, es sei einsam an der Spitze. Es war eine uralte Wahrheit, die Si gurd Echnatom aus schmerzhafter Erfahrung bestätigen konnte. Nie hat te er sich so einsam und verlassen ge fühlt wie als Interims-Administrator des Stardust-Systems. Nie hatte er so viel Macht besessen, noch nie so viel Verantwortung - und noch nie so we nige Freunde. Und nun, da seine verbliebene Amtszeit sich nur noch in Stunden maß, lernte er noch etwas hinzu: Die Einsamkeit erreicht einen neuen Grad des Schmerzes, ist man erst einmal an der Spitze gewesen. Echnatom verfolgte die Wahl aus ei nem Büro in der Administration. Es war ein einfacher Container, in einer Ansammlung von Containern am Rand von Stardust City. Er wirkte wie eben vom Fabrikationsband gelaufen. Echnatom war ein besonnener Mann, der schon immer mit Dingen achtsam umgegangen war Er hatte diese Ei genart über den großen Sprung durch die Teletrans-Weiche mitgenommen, während der Großteil seines Besitzes, ein Haus, der Gleiter, üppige Pensi onsansprüche und der bedeutende und unbedeutende Kram, der sich im Lauf der Jahrzehnte ansammelte, auf Terra zurückgeblieben war. Was Echnatom in das neue Leben mitgebracht hatte, hatte bequem in eine Tasche gepasst und tat es nach Monaten immer noch. Er hatte weder Zeit noch Anlass gefunden, Besitz an zuhäufen, noch seinem Büro eine per sönliche Note zu verleihen. Er war allein.
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Seine Mitarbeiter, mehrere Hun dertschaften, hatten sich für den gro ßen Tag freigenommen, halfen überall über das Stardust-System verstreut bei der Ausrichtung der Wahl mit oder hatten sich kurzerhand Urlaub gegönnt. Es gab viel zu entdecken dort drau ßen. 22 Planeten kreisten um die Sonne Stardust, dazu kamen weit über hun dert Monde und ungezählte kleinere und kleinste Himmelskörper. Riesen hafte Rokinger hausten dort draußen, die starren, rätselhaften Indochimi, die energetischen Howanetze und zweifellos noch weitere, bislang un entdeckte Lebensformen. Dort drau ßen wartete das Abenteuer, eine Welt, in der sich ein Mensch beweisen konn te, indem er an seine Grenzen ging. Und auf zwei Menschen wartete dort die Unsterblichkeit in Form von ver borgenen Zellaktivatorchips. Es brauchte übermenschliche Dis ziplin, dem Abenteuer zu widerstehen und sich stattdessen mit Akten, Ge setzen und solch nüchternen Aufga ben wie der Planung und Einrichtung von ausreichend dimensionierten Beund Entwässerungssystemen zu be schäftigen. Es brauchte einen Voll blutbürohengst wie ihn, Sigurd Ech natom, wie Indra ihn bei jeder pas senden und unpassenden Gelegenheit wissen ließ. Echnatom wies seine Assistentin stets zurecht. Aber insgeheim fragte er sich, ob ihr Urteil zutraf. Vielleicht steckte in ihm ein ganz anderer Mensch, als dieses Amt aus ihm gemacht hatte. Wie auch immer, Echnatom musste sich eingestehen, dass er das Problem von Mitarbeitern, die ihrer Abenteu erlust folgten, niemals in den Griff
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bekommen hatte. Oder hatte er es ein fach nicht mit aller Macht versucht? Hatte er den Aderlass, den seine Ad ministration erlitt, ihre Ineffizienz stillschweigend geduldet, weil diese Menschen verwirklichten, wovon er träumte, ohne dass er es gewagt hätte, es sich einzugestehen? Hatte ihn selbst nicht immer wieder einmal der Drang überkommen, alles stehen und liegen zulassen und sich ins Ungewisse zu stürzen? Nun, sein Traum stand vor der Er füllung. Es blieben keine zehn Stunden, mehr, und Sigurd Echnatom würde keine Verantwortung mehr tragen müssen außer der einen, sein Amt an seinen Nachfolger zu übergeben. Oder exakter: seine Nachfolgerin. Rabea Furtok belegte alle Nachrich tenkanäle. Sie gab sich siegessicher Die Bilder zeigten sie in der Zentrale des 500-Meter-Kreuzers, der sie seit Wochen durch das Stardust-System beförderte. Furtok war nur ein Gast auf dem Schiff, ja, ihre Anwesenheit war fragwürdig, aber rechtlich nicht auszuhebeln, wie die Juristen Echna tom versichert hatten. Furtok saß auf dem Platz des Schiffskommandanten, eine Botschaft, die an Eindeutigkeit nichts zu wünschen übrig ließ. Eine Pose. sagte sich Echnatom. Nur eine verfluchte Pose! Aber es nutzte nichts. Allein und verlassen in seinem Noch-Büro, fehlte ihm die Kraft für Optimismus. Furtok würde die Wahl gewinnen, geschah kein Wunder. Whistler, der sie vielleicht hätte auf halten können, war verschwunden. Beinahe 70 Stunden waren vergangen, seit der Kandidat in den unterirdi schen See der Indochimi gegangen war - vor laufenden Kameras und
PERRY RHODAN-Extra 8
entgegen den Absprachen, die er mit Echnatom getroffen hatte. Seitdem war Whistler verschwun den. Weder ein Menschenauge noch das eines Roboters hatte einen Blick auf ihn erhascht. Whistler stand unverändert auf dem Wahlzettel. Schließlich hatte man bis lang seine Leiche nicht gefunden, und die Gesetze der Liga, die man im Stardust-System übernommen hatte, sahen den Fall, dass ein Kandidat ab tauchte, nicht vor. Es gab keinen rechtlichen Grund, Whistler von der Wahl auszuschließen, wie Echnatoms Juristen Rabea Furtok beschieden hatten, die innerhalb eines Tages die entsprechende Forderung gestellt hat te. Nur … was würden die Menschen des Stardust-Systems davon halten? Würden sie Whistler trotz seines Ab tauchens wählen? Oder gerade des halb? Trübsinnig zappte Sigurd Echnatom durch die Kommunikationskanale. Er schnappte unzählige Spekulationen auf, aber wenig von Substanz. Die Meinungsforscher waren ratlos. Whistlers Aktion hatte ihre in Jahr tausenden erarbeiteten und verfeiner ten Methoden über den Haufen ge worfen. Schließlich kamen die ersten Aus zählungen herein. Wie erwartet räumte Rabea Furtok mit der Interstellaren Achtung unter den Angehörigen der Flotte ab. Mili tärische Stärke war eine Botschaft, die die Soldaten verstanden, und eine größere Flotte bedeutete für sie höhe ren Status und Aufstiegsmöglichkei ten. Echnatom tröstete sich mit dem Ge danken, dass Whistler auf diesem Feld ohnehin keine Chancegehabt hatte.
Das Stardust-Attentat
Andere Verluste schmerzten dage gen. Furtok holte sich die Mehrheit unter den Jägern nach der Unsterb lichkeit – ein unnötiger Verlust. Hätte Whistler sich auf Katarakt nur ein wenig zurückgehalten … Immerhin, es gab Lichtblicke. Whistler errang die Mehrheit, in den großen Städten Avedas, in StardustCity, in Ferrol Town, in Crest und Thora City. Die Menschen dort profi tierten am offensichtlichsten von den Hyperkristallen, die Whistlers Kris talljäger einbrachten. In und um die Städte entstanden die großen Indust rien, die den Menschen Arbeit gaben und auf lange Sicht das Überleben der Stardust-Menschheit sichern würden. Würde es genügen? »Na, suhlen wir uns mal wieder in Sorgen?« Indra, seine Assistentin, war hereingekommen, ohne dass er es be merkt hätte. Sie trug einen schlamm verkrusteten Overall und einen breit krempigen Hut und sah aus, als kehre sie gerade von einer Expedition in den abgelegensten Winkel Avedas zurück. »Nein, ich sehe nur den Tatsachen ins Auge.« Er holte die aktuellen Zah len auf das Holo. »Furtok liegt vorn. « Ihm lag noch eine weitere Bemer kung auf der Zunge, aber er schluckte sie hinunter. Ein Teil von ihm war wütend auf Indra, weil sie ihn wie alle Übrigen allein gelassen hatte. Und ein anderer war unendlich froh, dass sie gekommen war. »Und wenn schon!« Indra zuckte die Achseln in ihrer Wo-ist-das-ProblemGeste, die ihr angeboren schien. »Nicht einmal die Hälfte der Stimmen ist bislang ausgezahlt. Es kann noch viel passieren!« »Natürlich.« Sie trat neben ihn. »Darf ich?«
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Er nickte, und sie ließ sich auf dem Stuhl neben ihm nieder. Eine Schlammspur zeichnete ihren Weg im Büro nach, Schlamm verdreckte den Sitzbezug. Eine Frechheit eigentlich und keine Art, Administrationseigen tum zu behandeln. Aber, stieg in Ech natom der ungewohnt verwegene Ge danke auf, das sollte nicht mehr sein Problem sein. Sollte Furtok einen Putzroboter durch die Räume jagen. Wie er Furtok einschätzte, würde sie sowieso als Erstes ein planetarisches Fort bauen und sich in seiner Feuer leitzentrale einnisten. Mit dem Finger am Drücker fühlte sie sich am wohls ten. »Und denk an die Rokinger und die Indochimi«, sagte Indra. »Sie können mit stimmen. Sie können die Ent scheidung bringen.« »Ich glaube nicht, dass es etwas nützt. Die Rokinger sind auf ihre Art beinahe noch störrischer als die Indo chimi. Sie kümmern sich nicht um unsere Angelegenheiten.« Er machte eine wegwerfende Bewegung, »Und was unsere amphibischen >Freunde< angeht - wir könnten wohl auf sie zählen, wenn dieser verrückte Hund von Whistler nicht beschlossen hätte, sich ihnen in den Rachen zu werfen. Wahrscheinlich haben die Indochimi ihn längst in Stücke gerissen, verdaut und sind es damit zufrieden.« »Unwahrscheinlich«, hielt seine As sistentin dagegen. »Die Indochimi ha ben ihre Übergriffe auf Menschen ein gestellt. Whistler muss etwas erreicht haben. Und das kann nicht nur bedeu ten, dass die Amphibienwesen zufrie den sind, einen Menschen zu verspei sen, um ihre berechtigte Wut zu be sänftigen. Und außerdem ...«, Indra schüttelte tadelnd den Kopf, »… höre ich da etwa Neid? Da hat der staub
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trockene Aktenträger Sigurd Echna tom seinen ganzen Mut zusammenge kratzt, hat einmal sein Büro hinter sich gelassen, mutig den Kontakt zu Fremden gesucht und schließlich seine Hand in das Haifisch-, Pardon, Am phibienbecken gesteckt. Und dann, dann kommt dieser verdammte Whistler, der nicht einmal weiß, wie man eine Akte richtig herum hält, denkt, die Welt könnte im Hauruck verfahren geregelt wären, und toppt dich mit links!« Echnatom rückte etwas weg von Indra. »Unsinn. Ich bin nur nüchtern. Was hat Whistler schon von der gan zen Aktion? Weg ist er. Und wir ho cken hier in der Sch…, äh, in einer schwierigen Situation. Selbst wenn er heute gewinnt, was haben wir von einem Administrator, der verschwun den ist?« »Warten wir es ab, in Ordnung‘?« Indra lächelte geheimnisvoll. Wusste sie etwas? Es war ihr zuzu trauen. Aber Echnatom war klar, dass er sich gedulden musste. Indra liebte es, ihn am ausgestreckten Arm ver hungern zu lassen. »In Ordnung« sagte er deshalb nur. Zusammen verfolgten sie den Fort gang der Wahl. Nach und nach liefen die Ergebnisse von überall im Star dust-System ein. Der Kontinent Estanimo auf der Rieseneiswelt Trondgarden ging an Rabea Furtok. Die Kontinente Endyl und Andaluur folgten. »Kein Wunder«, kommentierte Indra. »Sie hat den Leuten dort das Blaue vom Himmel versprochen. Ter raforming, Trondgarden in zehn Jah ren als ein zweites Aveda. Wer so blöd ist, das zu glauben, hat nichts Besse res als Furtok verdient!«
PERRY RHODAN-Extra 8
Auch Katarakt ging an Furtok, Als hätte Whistler mit seinen Bemerkun gen einen Stein ins Wasser geworfen. , der eine kreisförmige Schockwelle auslöste, stimmten die meisten Men schen in der Nähe der immateriellen Stadt für seine Gegenkandidatin. Ihr Anteil nahm mit der Entfernung von Prymtour ab. Whistler verlor für einige Stunden die Führung. Aber er holte auf. Zyx ging beinahe geschlossen an Whistler: Einen knappen Vorsprung holte er unter den Millionen Wählern heraus, die noch immer im Weltraumbahnhof SOLAR SYSTEM darauf warteten, eine neue Heimat auf einem der Star dust-Planeten zugewiesen zu bekom men. Und dann kamen die Stimmen der Fremden. Die Rokinger hatten wie erwartet die Wahl ignoriert. Die Indo chimi dagegen waren geschlossen aus ihren unterseeischen Städten gekom men, waren die Strände empor gekro chen und hatten ihre Stimmen abge geben. Oder präziser: ihre Stimme, Die 40 Millionen Indochimi hatten geschlossen für Whistler gestimmt. Das machte seinen Vorsprung unein holbar. Timber F. Whistler jr. war der neue Administrator des Stardust-Systems. Falls er noch lebte. Wie gelähmt saß Echnatom auf dem Sofa. Alles war gut. Whistler hatte gewonnen. Furtok war verhindert. Nichts war gut. Whistler war ver schwunden, vielleicht längst tot und … Das Kom-Armband Indras summte. Sie nahm den Anruf an. »Ah, Blaine, wie steht’s?« Sie grinste verschmitzt. »Bestens, bestens. Echnatom? Sitzt neben mir Klar, ich gebe ihn euch!«
Das Stardust-Attentat
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Sie drehte sich zu Echnatom und streckte ihm den Arm mit dem KornBand entgegen. »Für dich.« Sie tippte eine Sensorfläche an, und ein Holo entstand über ihrem Arm. Es zeigte Timber F. Whistler. Er stand im leuchtenden Höhlensaal der Indochimi-Meister. Whistler war nackt und sein Bauch blutver schmiert. »Timber!«, rief Echnatom. »Was, zum Teufel, ist mit dir passiert? « »Du meinst das Blut?« Whistler strich sich über den Bauch. »Nichts weiter. Ein Ritual. Die lndochimi ha ben mich zu einem Meister erhoben. Und um meiner Riechsprechfähigkeit ein wenig auf die Sprünge zu helfen, haben sie mir ein paar Drüsen und Sensoren eingepflanzt. Keine Ahnung, ob es klappt. Hat auf jeden Fall ganz schön wehgetan. « Er grinste, als erzählte er von einer besonders gelungenen Party. Es war zu viel für Echnatom. Er hatte genug. Gab es niemanden in Stardust, der nur einen Funken Ver antwortungsgefühl in sich trug? »Was fällt dir ein, einfach so mir nichts, dir nichts abzutauchen, wenn du gerade so dringend gebraucht wirst wie nie zuvor? Hättest du nicht ein Lebenszei chen von dir geben können? Ein einzi ges? Weißt du überhaupt, was hier …?« »Ja«, unterbrach ihn Whistler: Er wirkte jetzt ernst. »Die Wahl ist vor über. Ich bin der neue Administrator des Stardust-Systems. Und als sol cher«, er räusperte sich, als müsse er sich zu dem zwingen, was als Nächs
tes kam, »als solcher will ich dir im Namen aller Bürger für deine Ver dienste danken.« »Danke. Sonst noch etwas‘?« Echna tom war nicht bereit, sich mit einem billigen Lob besänftigen zu lassen. »Ja, eine Kleinigkeit.« »Und die Wäre?« »Ich brauche deine Hilfe.« »Du brauchst meine Hilfe?« »Ich weiß, wir hatten unsere Diffe renzen«, sagte Whistler »Aber ich bin bereit, die Vergangenheit Vergangen heit sein zu lassen. Ich brauche dich in meinem Kabinett.« »Wozu brauchst du mich?« »Für das, was ich nicht kann. Akten lesen, dranbleiben, den Finger auf Angelegenheiten, die Zahlen im Auge behalten.« Whistler lächelte entschul digend. »Ich brauche dich. Die Star dust-Menschheit braucht dich. Als Finanzminister« Echnatom sah durch das Fenster nach draußen, zum Urwald. Nebel schwaden hingen in den Baumwip feln. Dort draußen wartete das Abenteu er, das Ungewisse. »Echnatom, hast du mich gehört?«, fragte Whistler ungeduldig. »Ja …« »Wie lautet deine Antwort?« Und das Abenteuer, das Ungewisse brauchte eine Grundlage. Es konnte nur existieren auf dem Fundament einer vernünftigen Verwaltung. Es brauchte ihn. Dort, wo er am meisten ausrichten konnte. »Ja«, antwortete Sigurd Echnatom. »Du kannst auf mich zählen.«
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