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SCHICKSALE DEUTSCHER SCHIFFE Nr. 90 Leichter Kreuzer »Emden« (III)
Der erste Kreuzer der Reichsmarine von Otto ...
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SCHICKSALE DEUTSCHER SCHIFFE Nr. 90 Leichter Kreuzer »Emden« (III)
Der erste Kreuzer der Reichsmarine von Otto Mielke nach Aufzeichnungen von Vizeadmiral a.D. Walter Lohmann
Herausgeber Kurt C. Hoffmann, Vizeadmiral a.D.
ARTHUR MOEWIG VERLAG MÜNCHEN
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Umschlagbild: „Emden“ läuft auf einer ihrer Weltreisen, von der einheimischen Bevölkerung lebhaft begrüßt, einen indischen Hafen an und feuert den Salut für die Landesflagge. Copyright 1956 by Arthur Moewig Verlag München Gesamtherstellung: Buchdruckerei A. Reiff & Cie., Offenburg (Baden) Printed in Germany — Unter Mitwirkung von E. Gröner Titelbild und graphische Gestaltung Walter Zeeden Dieses Heft darf nicht in Leihbüchereien und Lesezirkeln geführt und nicht zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden.
Im SOS-Heft Nr. 61, „Bravo, kleiner Kreuzer!“ brachten wir die ruhmreiche Geschichte des ersten Kreuzers „Emden“ und einen kurzen Aufriß über den Daseinsverlauf des am 1. Februar 1916 vom Stapel gelaufenen Nachfolgers gleichen Namens. Mit dem vorliegenden Heft lassen wir die Geschichte der dritten „Emden“, des ersten neuen Kreuzers der deutschen Reichsmarine, folgen. Zum dritten Male „Emden“ Das Erbe, das der im Jahre 1920 entstandenen deutschen Reichsmarine an Schiffsbestand aus der zu Ende gegangenen Kaiserlichen Marine zugefallen war, war mehr als bescheiden. Es waren 6 Linienschiffe, 6 Kreuzer und 24 Torpedoboote. Sämtliche Schiffe waren überaltert und standen zum Teil an der Grenze ihrer Dienstfähigkeit. Der starke Reparaturenanfall war einer der Gründe, warum diese Schiffe längst nicht alle zusammen erneut in Dienst gestellt werden konnten. Nach den Bestimmungen des Versailler Friedensvertrages durfte Deutschland seine Kriegsschiffe, wenn sie 20 Jahre alt geworden waren, durch Neubauten ersetzen. Von den vorhandenen Kreuzern hatte ein Teil dieses Alter bereits überschritten. Unter Berücksichtigung der notwendigen Bauzeiten für diese 36 Einheiten wäre zu dieser Zeit die Kiellegung für einen großen Teil der Ersatzbauten längst notwendig gewesen. Im Jahre 1920 war aber wegen der wirtschaftlichen Lage Deutschlands überhaupt noch nicht daran zu denken gewesen, größere Mittel für den Wiederaufbau der Reichsmarine zur Verfügung Zwar wurde zu stellen. von der Marineleitung unter dem verdienstvollen Admiral Paul Behnke die dringende Notwendigkeit erkannt, einen modernen und leistungsfähigen Schiffsbestand im Rahmen der uns gelassenen Möglichkeiten zu schaffen und demzufolge im Reichshaushaltsplan für das Jahr 1920 eine erste Rate für einen beabsichtigten Kreuzerneubau beantragt, die gesetzgebende Körperschaft genehmigte diesen Betrag jedoch erst im März 1921. Von diesem Zeitpunkt an konnte der Chef der Konstruktionsabteilung der Marineleitung die Entwurfsarbeiten für den Kreuzer ,A’
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beginnen und die notwendigen Bauunterlagen für die Reichsmarinewerft in Wilhelmshaven schaffen, der man am 7. April 1921 den Auftrag erteilte.
Bis zur baufertigen Durchkonstruktion der Entwürfe vergingen jedoch noch etliche Monate, so daß mit der Kiellegung zum Kreuzer ,A’ erst am 8. Dezember 1921 begonnen werden konnte. Durch die Wirren der damaligen Zeit bedingt, stellten sich diesem Neubau erhebliche Schwierigkeiten entgegen. So mußte zum Beispiel der Linienriß des letzten Kleinen Kreuzers der „Leipzig“-Klasse nahezu unverändert für den neuen Kreuzer übernommen werden, weil man aus Sparsamkeitsgründen die Versuchsanstalt der Marine geschlossen hatte. Daher konnten auch keine methodischen Schlepp-
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versuche zur Entwicklung neuer, der besonderen Aufgabe angepaßter Schiffsformen angestellt werden. Im Reichstag gab es jedesmal einen Kampf, wenn weitere Mittel für diesen Kreuzerneubau genehmigt werden sollten. Der Zähigkeit der Marineleitung war es jedoch zu danken, daß der Kreuzer schließlich — nach einer ungewöhnlich langen Bauzeit von mehr als drei Jahren — doch noch, und zwar als der 100. Bau der Wilhelmshavener Werft, am 7. Januar 1925 vom Stapel laufen konnte. In seiner Taufrede charakterisierte der neue Chef der Marineleitung, Admiral Zenker, die Nöte und die ungünstige Lage während der Bauzeit, indem er sagte: „Noch nie haben sich der Erbauung eines deutschen Kriegsschiffes so große Schwierigkeiten entgegengetürmt wie diesem Schiff. Die ganze deutsche Not dieser Jahre spiegelt sich in dem Bau wider: die Erregungen, Irrungen und Wirrungen nach dem Umsturz, der Ruhreinbruch, die Katastrophe der Geldentwertung. Dennoch ist das Werk gelungen!“ Admiral Zenker gedachte dann der stolzen Taten der ersten „Emden“ und ihres Kommandanten Karl v. Müller als eines Mannes „kühl im Wägen, kühn im Wagen, unerschöpflich im Planen, unermüdlich im Handeln, unverzagt auf verlorenem Posten, ein wahrer Führer seiner ihm bis zum letzten ergebenen und folgenden Besatzung, den Feinden ein untadeliger, ritterlicher Gegner.“ Mit dem Wunsch, daß der alte „Emden“-Geist sich bewähren und wirken möge für Deutschlands Ansehen und Wohl, übergab er das Schiff seinem Element. Den eigentlichen Taufakt vollzog die Witwe des im März 1923 verstorbenen berühmten Kommandanten der ersten „Emden“. Das neue Schiff Infolge der einschränkenden Bedingungen durch den Versailler Friedensvertrag entsprach der neue Kreuzer den Abmessungen der letzten Kreuzerneubauten während des Krieges. Andererseits wies er gegenüber diesen wesentliche Verbesserungen auf. Er erhielt für bei-
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de Schrauben Turbinenantrieb mit Rädergetriebe. Dazu baute man 4 Kohle- und 6 Einender-Ölkessel ein. Reine Ölfeuerung hielt man mit Rücksicht auf die beabsichtigte Auslandsverwendung des Schiffes noch nicht für angebracht. Immerhin war die Dampfstrecke gegenüber den Kreuzern der „Leipzig“ Klasse etwa um die Hälfte vergrößert worden. Bei der Probefahrt ergab die Maschinenanlage eine Höchstgeschwindigkeit von 29,4 kn und ließ eine, längere Zeit durchzuhaltende, Geschwindigkeit von 27,5 kn erwarten. Mit der Armierung des Kreuzers hatte man Schwierigkeiten. Vorgesehen waren acht 15 cm Schnelladekanonen in Schild-Doppellafetten, die — zwei vorn und zwei achtern — mittschiffs aufgestellt werden sollten. In absehbarer Zeit waren diese Geschütze — gleichfalls als Folge des Versailler Friedensvertrages — jedoch nicht lieferbar. Man mußte daher auf die vorhandenen Reservebestände zurückgreifen und stellte acht Einzelkanonen vom Kaliber 15 cm auf, und zwar vier auf den endgültigen Mittschiffsständen, zwei am Ende der Back und die restlichen beiden seitlich der Hütte auf den zweiten Torpedoständen. Die Torpedoarmierung sollte aus vier Doppelrohren bestehen, die paarweise auf dem Oberdeck in elektrischen Schwenkwerken angeordnet wurden. Vorerst kamen jedoch nur zwei Doppelrohre an Bord. Erst, wenn die vorläufigen Geschützlafetten durch Doppellafetten ersetzt worden waren, wurde der für die zwei weiteren Paare Torpedorohre vorgesehene Platz frei. Der Flugzeugabwehr dienten drei auf dem Aufbaudeck mittschiffs angeordnete 8,8 cm-Gcschütze, zu denen später noch einige Fla.MWaffen neuester Konstruktion kamen. Bei der provisorischen Armierung, wie oben beschrieben, ist es trotz aller Pläne bis zum Ende des Kreuzers geblieben, weil ein so kostspieliger Umbau bei einem konstruktiv unmodernen Schiff später nicht mehr lohnte, zumal die Kampfkraft auch mit den Doppellafetten C/28 nur unwesentlich gesteigert worden wäre. Mit nur zwei Schornsteinen und einem bisher ungewohnt starken Mast wich die äußere Form der neuen „Emden“ von allen früheren
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deutschen Kreuzertypen nicht unerheblich ab. Seine praktische Inneneinrichtung machte das Schiff für viele Zwecke verwendbar. Ähnlich wie sein erster Namensvorgänger trug der Kreuzer an beiden Seiten des Bugs oben vor den Ankerklüsen das Emdener Stadtwappen. Das Eiserne Kreuz, das als einziger Ehrenschmuck von der zweiten „Emden“ an dieser Stelle gefahren wurde, erhielt seinen Platz an der Rundung des Vorstevens gleich unter dem Göschflaggenstock und den Bugklüsen. An der Stirnseite der Kommandobrücke prangten Bronzetafeln mit den Namen der wichtigsten Einsatzorte der beiden ersten Kreuzer mit Namen „Emden“: „Indischer Ozean“, „Penang“, „Cocos-Inseln“ und „Oesel“. Am 15. Oktober 1925 stellte Kapitän zur See Richard Foerster in Wilhelmshaven den neuen Kreuzer, den ersten Neubau der Reichsmarine, in Dienst. Neben den alten Linienschiffen und Kreuzern, von denen inzwischen auch das jüngste Schiff die Altersgrenze von 20 Jahren überschritten hatte, wirkte „Emden“ wie ein Jüngling unter Greisen. Die Männer auf diesem Schiff, die alle freiwillig zur Reichsmarine gekommen waren und sich für eine 12jährige Dienstzeit verpflichtet hatten, waren nicht wenig stolz darauf, die ersten zu sein, die auf ihm fuhren. In erster Linie war „Emden“ für den Auslandsdienst und die Ausbildung des Offiziers-Nachwuchses bestimmt. „Welchen Sinn hatte solch ein Auslandsdienst?“ fragte sich mancher tief binnen im deutschen Vaterland. Kolonien besaßen wir doch seit Kriegsschluß nicht mehr. Man kann den Grund dazu in wenigen Worten zusammenfassen: Zeigen der deutschen Flagge im Ausland als Zeichen des deutschen Willens, die überseeischen Handelsund Kulturbeziehungen wieder aufzunehmen. — Bekämpfen der durch die Kriegshaßpropaganda im Ausland entstandenen Vorurteile über Deutschland und seine Menschen durch Zeigen einer guten, disziplinierten Besatzung und technisch hochwertiger Schiffe — Pflege freundschaftlicher Beziehungen zu fremden Staaten. — Sicherung der Belange der eigenen Staatsangehörigen in fremden Ländern und Stärkung ihres Zusammenhaltens mit dem Vaterland.
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Für diese Aufgabe sollte gleicherweise das Schiff selbst als beredtes Zeichen von der Leistungsfähigkeit der deutschen Industrie, mit Kommandant, Offizieren und Besatzung durch Besuche und Teilnahme an gesellschaftlichen Veranstaltungen und durch tadelloses Auftreten wirken. Wer also auf Kreuzer „Emden“ kommandiert wurde, sah sowohl einer erstklassigen Ausbildung als auch der Erweiterung seines Gesichtskreises durch den Besuch fremder Länder entgegen. Im Laufe der dreizehn Jahre, die „Emden“ als Schul- und Auslandskreuzer bis zum Beginn des 2. Weltkrieges Dienst getan hat, haben etliche Tausend Angehörige der deutschen Reichs- und späteren Kriegsmarine auf den Planken dieses Schiffes die Weltmeere durchfahren, haben fremde Länder, fremde Sitten kennengelernt und erinnern sich, soweit sie heute noch leben, gern dieser Zeit. Die erste Reise um die Welt Als im Herbst 1926 an Bord des neuen Kreuzers bekannt wurde, daß die erste Auslandsreise der „Emden“ gleich um den ganzen Erdball führen sollte, gerieten viele der Männer vor Freude rein aus dem Häuschen. Von einigen älteren Offizieren und Deckoffizieren abgesehen, war ja von den Unteroffizieren kaum einer älter als 30 Jahre, und von der Mannschaft hatten nicht allzuviele die 21 Lenze überschritten. Frisch, jung, lebensfreudig und dazu eine Weltreise! Es gab wohl keinen auf „Emden“, der sich nicht darüber freute. Man konnte kaum noch die Zeit erwarten, bis die Leinen zum letzten Male losgeworfen wurden und die große Fahrt begann. Siebzehn Monate — fast 1 1/2 Jahre — sollte diese Weltumsegelung dauern. Wem lachte da nicht das Herz! Der 14. November 1926 war kein freundlicher Tag. Der Sturm heulte um die Masten und Antennen des Kreuzers, als er die Wilhelmshavener 3. Einfahrt verließ und seine erste Weltreise antrat. An Bord befand sich eine Besatzung von rund 500 Köpfen. Dazu zählten 25 Offiziere und 102 Kadetten (Offiziersanwärter).
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Neben den schon beschriebenen Aufgaben sollte „Emden“ durch den Besuch von ostindischen Häfen, die in der Geschichte der ersten Emden eine Rolle gespielt hatten, eine Traditionspflicht erfüllen, und zugleich auch eine Dankespflicht gegenüber den Kameraden, die bei den Cocos-Inseln zum letzten Male gekämpft hatten. In der Biskaya erlebten jene jungen Matrosen und Kadetten, die bislang noch kein Schiff unter den Füßen gehabt hatten, ihren ersten Sturm und ihre erste Seekrankheit. In diesem Unwetter, das wirklich nichts zu wünschen übrig ließ, erwies sieh der Kreuzer als vorzügliches Schiff, das in der Lage war, auch den dicksten Kuhsturm abzureiten. Natürlich war die junge Besatzung alles andere als wetterfest. Viele stöhnten unter den Drangsalen des revoltierenden Magens, dem das wilde Auf und Ab nicht behagte. Manch einer der jungen Männer verwünschte die Idee, zur Kriegsmarine gegangen zu sein. An Land war es entschieden gemütlicher und weniger anstrengend.
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Aber alles war schnell vergessen und ohne Schaden überstanden, als „Emden“ nach einem Besuch in der Wärme Nordspaniens die Kanarischen Inseln erreichte und dann die Insel St. Helena im Südatlantik ansteuerte, wo die Besatzung an Land stieg und das Grab Napoleons I. besuchte. Das war ein etwas merkwürdiges Weihnachtsfest für die Männer, die im weißen Tropenanzug gingen, statt Schnee nur Sonne, statt Eis nur warme Winde erlebten und den Tannenbaum unter Deck davor bewahren mußten, in der Wärme seine Nadeln allzurasch zu verlieren. Die Jahreswende erlebte man in Kapstadt. Hier spürte die Besatzung, daß in der Bevölkerung der Name „Emden“ noch nicht vergessen war. Man brachte den Männern der neuen „Emden“ besondere Aufmerksamkeit entgegen und sparte in der Öffentlichkeit, besonders in der Presse, nicht mit Anerkennungen über ihr tadelloses korrektes Auftreten. Dieser erste Besuch eines deutschen Kreuzers nach dem Weltkrieg ließ manchen Einwohner Kapstadts und auch der anderen Häfen, die „Emden“ bisher besucht hatte, seine durch die Greuelpropaganda vorgefaßte Meinung über die deutschen Seeleute revidieren. Es schien doch vieles, vieles anders zu sein, als es im Krieg oft in den Zeitungen gestanden hatte. Männern, die so diszipliniert auftraten und sich an Land auch nicht das geringste zuschulden kommen ließen, traute man derartige Dinge nicht zu, wie man sie ihnen angedichtet hatte. Nach Umrunden des Kaps der Guten Hoffnung Mitte Januar 1927 ging es in den Indischen Ozean hinein, der 13 Jahre vorher Operationsgebiet der ersten „Emden“ gewesen war. Die Erinnerung an den erfolgreichen Kaperkreuzer von 1914 war vielerorts rühmlich wach geblieben. Sowohl in Sansibar als auch in Mombassa traf die Besatzung der neuen „Emden“ auf Menschen, die jene Zeit miterlebt und die zum Teil sogar in der deutschen Schutztruppe unter General v. LettowVorbeck gekämpft hatten. Besonders herrliche Tage verbrachte die Besatzung des Kreuzers
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im Tropenparadies der Seychellen-Inseln. Der letzte deutsche Gast war hier 1914 der alte Kleine Kreuzer „Geier“ gewesen, der dann als nicht mehr einsatzfähiges Schiff langsam und mühselig durch die Südsee geschippert war und in losem Kontakt mit „Emden“ und dem Kreuzergeschwader des Grafen Spee gestanden hatte, um sich schließlich in Hawaii internieren zu lassen. So trafen die Männer der neuen „Emden“ überall, wohin sie kamen, auf Spuren der Vergangenheit, die der erste Kreuzer gleichen Namens hinterlassen hatte. Mehrfach wurden auf der Weiterreise jene Kurse gekreuzt, die einst S.M.S. „Emden“ auf ihren Kaperfahrten gesteuert hatte. Das wohl stärkste und nachhaltigste Erlebnis für die jungen Männer der neuen Reichsmarine aber war zweifelsohne jener Augenblick, als unter dem sich hoch wölbenden Tropenhimmel über den azurblauen Fluten des Indischen Ozeans die Korallenriffe von North Keeling in Sicht kamen. Dann, beim Näherkommen, tauchten in der weißen Brandung die rostroten Trümmer des zerschmetterten Wracks der stolzen „Emden“ auf. Vor mehr als 12 Jahren war sie im harten aber aussichtslosen Kampf mit dem australischen Kreuzer „Sydney“ von ihrer Besatzung hier aufgesetzt worden. An der letzten Ruhestätte dieses ruhmreichen deutschen Kriegsschiffes der Kaiserlichen Marine stoppte Kreuzer „Emden“ die Fahrt. Hoch in die Toppen stieg die alte Kriegsflagge empor. Die gesamte Besatzung war auf dem Achterdeck angetreten. Der Schiffspfarrer hielt die Gedenkrede. Dann übergab der Kommandant, Kapitän zur See Foerster, an dieser Stätte ein Eisernes Kreuz, eingeflochten in einen Lorbeerkranz aus der Heimat, den brandenden Wogen. Die Namen der mit S.M.S. „Emden“ Gefallenen wurden verlesen. Die Flaggen am Mast sanken feierlich herab. Während der Kranz langsam in den unendlichen Fluten des Indischen Ozeans versank, hallten drei Ehrensalven über das Meer. Angesichts des zerschlagenen Wracks des ruhmreichen Kreuzers erfüllte jeden Mann des neuen Kreuzers die feierliche Verpflichtung, der Besatzung der ersten „Emden“ nachzueifern.
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Weiter ging die Reise. Java war das nächste Ziel. Hier fand das deutsche Schiff herzliche und gastliche Aufnahme. Die Krönung dieser Fahrt durch die Südsee bildete für viele der Besuch der Märcheninsel Bali. Dort lernten die Männer ein Stück unverfälschter Natur kennen. Die Anmut des Landes und seiner Menschen, ihre hohe Kultur, von der viele alte Baudenkmäler Zeugnis ablegten, und ihre Gastfreundlichkeit beeindruckte die jungen Deutschen sehr stark. Gar mancher von ihnen nahm wehmütig von diesem Paradies und seinen Bewohnern Abschied, als der Kreuzer weiterzog und über Makassar nordwärts nach Japan steuerte. Auf dieser Strecke errang er einen wissenschaftlichen Erfolg ersten Ranges. An der Ostseite der Philippinen befand sich die bis dahin — und zwar im Jahre 1912 — von einem deutschen Vermessungsschiff entdeckte größte Meerestiefe, das nach ihm genannte ,Planet’-Tief. Der Kreuzer überprüfte mit dem Behm-Echolot diese Angaben und stellte dabei in nächster Nähe eine Wassertiefe fest, die alle bisherigen Messungen übertraf. 10 793 Meter zeigte das Echolot als tiefste Stelle des Meeres an, die je gemessen worden war und auch heute noch unter dem Namen ,Emden-Tief’ als größte bisher entdeckte Meerestiefe gilt. Durch diese ozeanographische Entdeckung wurde nun auch der dritte Kreuzer „Emden“ weltbekannt. — Fünf Wochen dauerte der Aufenthalt in Japan. Den Höhepunkt dabei bildete zweifelsohne der Besuch von Yokohama mit anschließender Fahrt nach Tokio und dem japanischen Kriegshafen Yokusuka. Obwohl Japan im 1. Weltkrieg zu den Gegnern Deutschlands gezählt hatte, war die Begeisterung der Bevölkerung groß. Die Zeitungen brachten lange Artikel über die Taten der alten „Emden“, und zwischen den deutschen und japanischen Seeleuten entwickelte sich rasch eine gute Kameradschaft, soweit die sprachlichen Schwierigkeiten dies zuließen. Von hohem Interesse für die „Emden“-Männer war natürlich die
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Besichtigung moderner japanischer Schlacht- und anderer Kriegsschiffe, wie sie solche überhaupt noch nie aus nächster Nähe zu sehen bekommen hatten, ganz zu schweigen von den für Deutschland damals noch verbotenen U-Booten und Flugzeugen. Die Japaner zeigten sich den Gästen gegenüber von einer geradezu liebenswürdigen Art und taten alles, was den Deutschen den Aufenthalt in ihrem Lande angenehm und abwechslungsreich gestalten konnte, so daß sich die „Emden“-Männer mit herzlichem Dank für diese herrliche und erlebnisreiche Zeit verabschiedeten. — Es folgte eine etwa zwei Wochen dauernde Fahrt quer über den Pazifischen Ozean. Zeitweilige Stürme, wie sie an der ozeanischen Seite der japanischen Inseln oft und heftig toben — eine Begleiterscheinung der kalten Kuro-Shiwo-Strömung, die dort fließt —, stellten an die See-Eigenschaften des Kreuzers hohe Ansprüche. Doch er hielt sich ausgezeichnet. Auch die Besatzung war inzwischen seefest geworden, und kaum jemand ließ sich noch von denDie Beinenherbe bringen. Größe der nordischen Schneeund Gletscherlandschaften der Aleuten und Alaskas, die die Besatzung nun zu Gesicht bekam, zeigte ihr den harten Gegensatz zu den tropischen Bildern der Südsee. Rauhes Klima, trostlose Einsamkeit, imposante Größe der Gebirge und die kalte Farbenpracht der Schneefelder und Gletschermassen beeindruckten die Männer, die ähnliches noch nie geschaut hatten, in gleichem Maße. Seit 22 Jahren war in dieser Weltgegend kein deutsches Kriegsschiff mehr gewesen. In den nördlichsten Häfen der USA, Dutch Harbor, Juneau und Sitka, welche die „Emden“ anlief, fand die Besatzung, und zwar nicht nur bei der deutschstämmigen, sondern auch bei der übrigen Bevölkerung, überaus herzliche Aufnahme. Eine Fülle von Veranstaltungen stellte erhebliche Ansprüche an Offiziere und Mannschaften. Seattle, US-Marinehafen und Handelsstadt nahe der kanadischen Grenze, bedeutete eine wichtige Station der Weltreise. Eindocken, neuer Bodenanstrich und andere Reparaturarbeiten ließen sich nicht mehr aufschieben. Das gab für die Bevölkerung Gelegenheiten zur Besichtigung des Schiffes und zu ungezählten Einladungen an die
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Besatzung. Im Kriegshafen lag die 5. amerikanische Linienschiffsdivision mit vier großen Schlachtschiffen und einem Kreuzer. Als sie fünf Tage vor „Emden“ den Hafen verließ, standen auf allen Schiffen die Musterungsdivisionen an Deck. Die Bordkapellen spielten die Nationalhymnen. Und dann, am 5. August, beim Verlassen des herrlichen PugetSundes, da, wo er mit dem Admiralty Inlet bei Wilsons Point in die Juan de Fuca-Straße einmündet, passierte „Emden“ unter dem großen Zeremoniell des Saluts für den Kommandierenden Vizeadmiral abermals die auf Gegenkurs liegende, lange, imposante Linie der amerikanischen Kriegsschiffe mit ihren paradierenden Besatzungen. Dies wundervolle Bild und die großzügige Kameradschaft im Hafen blieben allen Deutschen auf der „Emden“ unvergeßlich. Als der Kreuzer dann entlang der westamerikanischen Küste südwärts steuerte und dabei die Häfen von Mexiko, Panama, Ecuador und Peru anlief, wechselten in schneller, bezaubernder Folge die Landschafts- und Städtebilder. Überall fand das neue Schiff das gleiche Interesse, die gleiche Herzlichkeit der Bevölkerung und das gleiche Entgegenkommen der Behörden und offiziellen Stellen. Einen Höhepunkt bildete der Besuch des Hafens Valparaiso in Chile, wo „Emden“ am 30. September eintraf. Sowohl beim Besuch des Staatspräsidenten in Santiago durch den Kommandanten als auch bei vielen anderen Gelegenheiten zeigte es sich, daß die traditionelle Freundschaft der Chilenen keine leere Phrase war. Sie entsprang vielmehr aufrichtigen Gefühlen der Dankbarkeit für alles, was deutsche Kräfte für die Entwicklung des Landes geleistet hatten. Nirgendwo war noch etwas von einstiger Gegnerschaft zu verspüren, obwohl längst nicht alle Menschen, die im Weltkrieg im Lager des Feindes standen, auch innerlich Frieden mit Deutschland geschlossen hatten. Sie erkannten aber an, daß die Abordnung, die Deutschland in Gestalt des Kreuzers und seiner Besatzung zu ihnen geschickt hatte, sich mustergültig zeigte und viel dazu beitrug, alten Haß einschlummern und alte Wunden verharschen zu lassen. — Rund um Südamerika ging die Reise. Die engen Kanäle der Ma-
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gellanstraße des Feuerlandes mit ihren wildromantischen, aber auch recht schwierigen Durchfahrten — nachts wurde deshalb geankert — brachten neue und nicht minder nachhaltige Eindrücke. Und dann kam das, was viele der jungen Matrosen und Kadetten früher mit Begeisterung in Büchern nachgelesen hatten: die Fahrt ums berüchtigte Kap Horn, die eigentlich erst den wahren Seemann ausmachte. Nur wer dieses Kap der Stürme umschifft hatte, galt seit eh und je als echter Sailor. Sie würden künftig als vollwertig zählen, denn sie umfuhren diese windigste Ecke der Welt. Es war aber mehr eine Spazierfahrt, denn es herrschte an diesem Tag ausnahmsweise einmal ganz ungewöhnlich friedfertiges Wetter. Keine Stürme, kein tage- oder gar wochenlanges Gegenankreuzen, wie es die alten Seebären auf den Windjammern hatten durchstehen müssen, sondern ruhige See, leichter Wind, gute Sicht und — gute Fahrt. Bald darauf erreichte „Emden“ wieder eine historische Stätte aus der Zeit des Weltkrieges. Es war das Seegebiet vor den FalklandInseln, in dem das Kreuzergeschwader des Grafen Spee am 8. Dezember 1914 das Grab in den Wellen gefunden hatte.*) Auch hier gedachte in einem feierlichen Appell an Deck des Kreuzers die Besatzung der gefallenen Kameraden. Dann ging es nordwärts entlang der Ostküste Südamerikas wieder dem Äquator entgegen, der nun schon zum vierten Male auf dieser Reise passiert wurde. In vier argentinischen und vier brasilianischen Häfen begrüßten die Einheimischen und die dort ansässigen Deutschen den Kreuzer und seine Männer mit echt südländischem Temperament lebhaft und herzlich. Zum zweiten Male feierte die Besatzung das Weihnachtsfest in der Fremde. Diesmal in Rio de Janeiro, inmitten der deutschen Kolonie. Fragte man die „Emden“-Leute, welches der schönste Ort ihrer bisherigen Reise war, so wußten sie darauf kaum eine klare Antwort zu geben, obwohl doch gerade Rio den Ruf genoß, die schönste Stadt der Welt zu sein, die sie wirklich besonders begeisterte. Der Ein*) Siehe SOS-Heft Nr. 30 „Das letzte Schiff des Kreuzergeschwaders“. 17
drücke, die während der letzten 14 Monate auf die Männer eingewirkt hatten, waren zu viele, und nur wenig war darunter, das ihnen nicht gefallen hatte. Ein Glück, daß es überall Ansichtspostkarten und Filme für Fotoapparate gab, um die Fülle des Gesehenen mit nach Hause nehmen zu können. Es gab kaum einen Mann an Bord, der sich nicht ein Album von dieser Reise anlegte und es mit vielen Aufnahmen aus allen Teilen der Welt füllte. Der eigens für diese Zwecke mitgenommene Bordfotograf hatte während der ganzen Fahrt alle Hände voll zu tun und war so ziemlich der begehrteste Mann auf dem Weiter Schiff.ging’s. — Haiti war die nächste Station. Zehn Tage dauerte die Fahrt von Pernambuco aus dorthin. Über St. Thomas und die Azoren ging „Emden“ schließlich auf Heimatkurs. Der letzte Hafen, den der Kreuzer ansteuerte, war Villagarcia in Spanien. Als „Emden“ ihn wieder verließ, setzte sie nach alter Kriegsschiffsitte am achteren Mast den weißen Heimatwimpel. Er wehte 100 Meter lang, als der Kreuzer am 14. März 1928 nach 17monatiger Abwesenheit wieder in Wilhelmshaven einlief und von der Bevölkerung und den Kameraden der dort stationierten Schiffe und Landmarineteile begeistert begrüßt wurde. „Emden“ war wieder daheim. Schiff und Besatzung hatten sich während der ganzen Zeit hervorragend gehalten und damit dem Vaterland einen großen Dienst geleistet. Weitere Auslandsreisen Neun Monate später wurde „Emden“ auf ihre 2. Schulreise geschickt. Derzeitiger Kommandant war Fregattenkapitän v. Arnauld de la Perière, im Krieg einer der erfolgreichsten U-Boot-Kommandanten. Wieder ging es in den Indischen Ozean, diesmal jedoch durch das Mittelmeer, den Suez-Kanal und das Rote Meer. Den Höhepunkt dieser Reise bildete der Besuch Neuseelands, das
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auf Kursen nördlich um Australien herum erreicht wurde. In Neuseeland herrschte noch immer eine ziemlich feindliche Stimmung gegen Deutschland. Sie trat offen zutage, daß sogar der Besuch des Kreuzers in Auckland in Frage gestellt wurde. Dank der diplomatischen Geschicklichkeit des Kommandanten kehrte sich aber die Voreingenommenheit der Bevölkerung rasch ins Gegenteil. Die ganz ausgezeichnete Haltung der Besatzung, die durch den in der Heimat stattgefundenen turnusmäßigen Herbststellenwechsel zum großen Teil neu an Bord gekommen war, tat ein übriges. Anstelle von ,kalten Schultern’ zeigten die Bewohner binnen kurzem auffallende Liebenswürdigkeit und Gastlichkeit. Wahre Besuchermassen überfluteten den Kreuzer, um ihn zu besichtigen, und die Herzlichkeit zwischen ihnen und der Besatzung entwickelte sich fast ungewöhnlich. Besonderen Eindruck machte die Tatsache, daß der Kommandant der „Emden“ mit den Maoris, den Ureinwohnern der Insel, gute Beziehungen anknüpfte und mit ihnen, die sich noch zu den Feinden Deutschlands zählten, in einer eindrucksvollen Zeremonie offiziell Frieden schloß. — Die Fidschi-Inseln, Honolulu, kalifornische und mexikanische Häfen und die Fahrt durch den Panama-Kanal bildeten weitere hochinteressante Stationen dieser zweiten Reise, die nach einjähriger Dauer im Dezember 1929 schließlich in Wilhelmshaven endete. * Die dritte Ausbildungsreise des Kreuzers, die am 1. Dezember 1930 begann, stand unter einem besonderen Zeichen. Zwei Monate vorher war Fregattenkapitän Witthoeft Kommandant des Schiffes geworden. Er war einer der Überlebenden der ersten „Emden“, auf der er als Torpedooffizier gefahren war. Er hatte bei dem tollkühnen Überfall auf den Hafen Penang, zu dem er seinerzeit dem Kommandanten geraten hatte, den dort liegenden russischen Kleinen Kreuzer „Schemtschug“ durch wohlgezielte Torpedotreffer versenkt und verkörperte daher auf dieser Reise lebendigste Tradition. 19
Der Reiseplan sah den Besuch von Indien, Ostasien und Afrika vor. Zwischen Aden und der Malakkastraße fuhr Fregattenkapitän Witthoeft durch eine ihm von damals her noch gut bekannte Gegend. Ein Abstecher nach Norden zeigte der Besatzung die Schönheiten der siamesischen Hauptstadt Bangkok. Nach einem Besuch Manilas auf den Philippinen ging es nach Schanghai und Nanking sowie nach mehreren japanischen Häfen. Auf dem Rückweg von Batavia durch den Indischen Ozean nach Südafrika steuerte der Kreuzer abermals die Cocos-Inseln an. Dort lag noch immer das Wrack jener „Emden“, auf der Fregattenkapitän Witthoeft als Oberleutnant bis zum letzten Augenblick ausgeharrt hatte. Wieder wurde eine Gedenkfeier an Bord der dritten „Emden“ angesichts der ruhmreichen Vorgängerin abgehalten, die ihren besonderen Wert durch die Anwesenheit eines Mitkämpfers erhielt, der seines alten Schiffes und der toten Kameraden gedachte. — Nach Rückkehr in die Heimat am 8. Dezember 1931 stellte der Kreuzer in Wilhelmshaven außer Dienst. Er kam in die Werft zur planmäßigen gründlichen Überholung. Dabei wurde unter anderem die Kesselanlage auf reine Ölfeuerung umgestellt und ebenso wurden die Unterbringungsmöglichkeiten für die Besatzung erweitert. * Im September 1932 begann für den Kreuzer ein neuer Dienstabschnitt. Unter dem Kommando von Fregattenkapitän Dönitz, dem späteren Großadmiral und letzten Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, wurde „Emden“ als Ausbildungsschiff für den Offiziersnachwuchs zum zweiten Male in Dienst gestellt. Infolge des geänderten Gesamtausbildungsplanes mußten die Auslandsreisen des Kreuzers wesentlich kürzer gehalten werden. Anfangs betrugen sie noch sieben, später sechs und noch weniger Monate. Nach der vierten Reise des Kreuzers unter Fregattenkapitän Dönitz, die um Afrika nach Ceylon und Vorderindien und zurück durch 20
den Suezkanal ins Mittelmeer führte, folgten noch weitere vier Fahrten, davon zwei halbjährige, in die verschiedensten Gegenden der Welt. Eine ging unter dem Kommando des Kapitäns zur See Walter Lohmann *) noch einmal nach dem Fernen Osten. Da über diese Reise genaue Aufzeichnungen des Kommandanten vorliegen, soll sie eingehend geschildert werden. Zum letzten Male nach Ostasien Es ist Anfang Oktober 1936, als „Emden“ mit einer Besatzung von 650 Köpfen, darunter 29 Offiziere, 4 Fähnriche und 160 Kadetten, nach feierlichem Abschied Wilhelmshaven zu ihrer neunten Auslandsreise verläßt. Wie stets, spielt die Musik „Wem Gott will rechte Gunst erweisen“, Tücherflattern, Hände — große und kleine — winken, und als Antwort fliegen an Bord die Mützen im Takt in die Höhe. Den jungen Seeleuten, die zum ersten Male ihre Angehörigen für lange Zeit an Land zurückbleiben sehen, legt sich nun doch ein etwas merkwürdiges Gefühl um Brust und Magen. Dennoch ist es ein leichter Abschiedsschmerz, gemischt mit freudiger Erregung und der Erwartung großen Erlebens in der lockenden Ferne. Ein Versorgungsschiff, der Tanker „Adria“ (6358 BRT) der Hamburger Reederei John T. Essberger, hat für den Kreuzer Brennstoff sowie Lebens-, Genuß- und Verbrauchsmittel an Bord und ist vorausgeschickt worden. Die Biskaya zeigt sich trotz ihres bösen Rufes auch diesmal still und friedlich. Die Fahrt geht daher gut vonstatten. Immer wieder werden mit der gesamten Besatzung die für die Sicherheit von Schiff und Mannschaft wichtigen Rollen geübt: „Feuer im Schiff!“ — „Schotten dicht!“ — „Mann über Bord!“ *) Kapitän zur See und später Vizeadmiral a. D. Walter Lohmann war bis zu seinem Tode im Frühjahr 1955 Herausgeber des Kriegsmarineteils der SOS-Hefte. Wir geben daher in der Hauptsache die persönlichen Aufzeichnungen des ehemaligen „Emden“-Kommandanten wieder.
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Dabei kommt jedesmal Bewegung in die Besatzung. Es kann gar nicht fix genug gehen. Und was nicht klappt, wird solange wiederholt, bis es funktioniert. Daneben beginnt der Waffendienst. Die Gefechtsbereitschaft des Kreuzers muß — auch im tiefsten Frieden — so rasch wie möglich hergestellt sein. Die Besatzung ist ja durchweg völlig neu an Bord. Es fließt mancher Tropfen Schweiß. Die Eile hat noch einen andern Grund. An der spanischen Küste gerät der Kreuzer in den internationalen Sicherungsbereich. Er wird zum Schutz der ausländischen Interessen von Kriegsschiffen mehrerer Nationen kontrolliert. In Spanien herrscht nämlich Bürgerkrieg. Deutschland ist im Mittelmeer derzeit durch die Panzerschiffe „Deutschland“*) und „Admiral Scheer“, den Kreuzer „Köln“ und einige Torpedoboote vertreten. Die Führung dieser Streitkräfte liegt in den Händen des B.d.P. (Befehlshabers der Panzerschiffe). Ihm wird auch „Emden“ für die Durchfahrt durch das Sicherungsgebiet unterstellt. Er kann den Kreuzer also, wenn es nötig ist, sofort zu militärischen Aktionen einsetzen. Mit hell angestrahlten Toppflaggen und abwehrbereiter Flak geht es durch die Straße von Gibraltar. Ohne jedoch vom B.d.P. beansprucht zu werden, kann „Emden“ ihren ersten Hafen, Cagliari auf Sardinien, ansteuern. Dieser Aufenthalt ist gewissermaßen die Generalprobe für die nächsten Häfen. Es klappt schon alles ganz gut: das Salutschießen und das ganze Zeremoniell, das nach internationalen Regeln von allen Kriegsschiffen beachtet und durchgeführt werden muß. Militär und Zivilbehörden zeigen sich sehr entgegenkommend, wie es Verbündeten geziemt. Sie stellen sachverständige Führungen zusammen, so daß die drei Tage Aufenthalt auf Sardinien einen wirklich interessanten, wenn auch kurzen Einblick in die uralte Kulturgeschichte und die karge Landschaft dieses wenig bebauten Eilandes geben, das früher einmal die Kornkammer Roms und Karthagos war. —
*) Siehe SOS-Heft Nr. 63 „Bomben vor Spanien“. 22
Weiter geht es ostwärts durch das Inselgewirr der Ägäis zu den Dardanellen. Es ist eine sogar im Dienst reizvolle Fahrt, die — reich an geschichtlichen Erinnerungen — durch die türkischen Meerengen führt. Erst vor wenigen Monaten hat die Türkei auf der Konferenz von Montreux die Souveränität über die Meerengen zurückerhalten. „Emden“ ist das erste Kriegsschiff, das unter den neuen Bestimmungen den Weg ins Schwarze Meer nimmt. Ihr Landessalut wird von einer türkischen Feldbatterie erwidert. Nach dem Durchqueren des Marmara-Meeres taucht voraus im rötlichen Schein der tiefstehenden Sonne das alte Byzanz, das spätere Konstantinopel und heutige Istanbul auf. Die auf sieben Hügeln erbaute Stadt mit den Türmen und Kuppeln ihrer fast tausend Moscheen und Kirchen und mit den vielen Minaretts, die wie Lanzen oder spitze Bleistifte in den Himmel ragen, bietet für die Nordeuropäer stets von neuem einen zauberisch-überwältigenden Anblick. Der Kreuzer läuft nicht ins Goldene Horn ein, sondern fährt daran vorbei. In wenigen Tagen wird die Besatzung mehr von der alten türkischen Hauptstadt zu sehen bekommen. Zunächst ist Warna, Bulgariens Hafen am Schwarzen Meer, das Marschziel. Der Aufenthalt in Warna erhält seine Bedeutung durch das Interesse des Zaren der Bulgaren, König Boris III., an dem Besuch. Er ist eigens deswegen von Sofia in sein malerisch am Eingang der Bucht gelegenes Schloß Euxinograd übergesiedelt. Er empfängt den Kreuzer-Kommandanten zu einer langen, geradezu kameradschaftlichen Aussprache und kommt am folgenden Vormittag zu einer Besichtigung an Bord. Seitdem im 1. Weltkrieg deutsche U-Boote in dem kleinen Hafen von Euxinograd gelegen haben, ist noch kein deutsches Kriegsschiff wieder in Bulgarien gewesen. Vom Heck über die Toppen bis zum Göschstock flattern die Wimpel des ,großen Flaggenschmucks’, als König Boris III. an Bord kommt. Die Besatzung steht im weißen Paradeanzug angetreten. Während die bulgarische Königsstandarte am Mast emporsteigt, rollt der Königssalut mit 21 Schuß über die Stadt. Die Musik spielt die
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bulgarische Nationalhymne. Der König schreitet die Fronten ab. Er stellt viele verständnisvolle Fragen und läßt sich dann eingehend durch das ganze Schiff führen. Mehr als zwei Stunden bleibt er an Bord. Wiederholt spricht er dabei seine Bewunderung über das Gesehene aus, besonders über die technischen Einrichtungen des Schiffes und die Haltung der Besatzung. Anschließend bittet er den Kommandanten und drei Offiziere zur Frühstückstafel ins Schloß. Nach dem Essen führt er zusammen mit der Königin seine Gäste durch den herrlichen, herbstbunten Park und zeigt ihnen neben alten römischen Ausgrabungen auch den ehemaligen Liegeplatz deutscher U-Boote und sein eigenes in Hamburg-Finkenwärder gebautes Motorboot. Für die Kreuzer-Besatzung schickt er zwei Fässer Wein und einige Kisten Trauben aus seinen Weingärten an Bord. Sie munden den Männern herrlich. Vielfältig sind auch die Beweise der Freundschaft und Verehrung bei der Bevölkerung. Die Tage sind erfüllt von offiziellen Festen und privaten Einladungen für große Teile der Besatzung. Als dann am letzten Tag „Emden“ selbst zu einem Bordempfang einlädt, bevölkern nahezu 700 Gäste die Messen und Wohndecks des Kreuzers. Dann geht — es zurück nach Istanbul. Zehn volle Tage liegt das Schiff vor der alten Märchenstadt am Bosporus. Sie geben der Besatzung reiche Gelegenheit zur Besichtigung zahlreicher Sehenswürdigkeiten aus der unendlichen Fülle der Kunst- und Kulturschätze und lassen sie auch einen Eindruck gewinnen von der Buntheit orientalischen Lebens. Ortskundige Führer aus der rund 800 Köpfe starken deutschen Kolonie stellen sich liebenswürdig zur Verfügung. Die eindrucksvollste Begebenheit dieser Tage ist die seit langem geplante und vorbereitete Umbettung der Gebeine von 52 gefallenen deutschen Soldaten von den Dardanellen-Schlachtfeldern auf den Ehrenfriedhof im Park der Deutschen Botschaft in Therapia. Hoch auf den Uferhügeln am Bosporus unter leise zitternden Palmen, dunklen Zypressen und knorrigen Buchsbäumen entsteht hier eine der schönsten Ruhestätten deutscher Krieger fern der Heimat. In Therapia ruht auch der von den Türken hochverehrte deutsche
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Marschall Graf v. d. Goltz-Pascha, der ihr militärischer Lehrer war. Flankiert von Soldaten einer türkischen Ehrenkompanie und gefolgt von einem kaum übersehbaren Zug deutscher und türkischer Teilnehmer tragen Seeleute der „Emden“ in feierlichem Zuge die mit der deutschen Flagge geschmückten Särge zu der gemeinsamen Gruft. Nach der kirchlichen Feier sprechen der deutsche Botschafter und der türkische Armeekommandant bemerkenswerte Worte, die das Andenken an die deutsch-türkische Waffenkameradschaft des Weltkrieges lebendig halten sollen. — Im Roten Meer empfängt den Kreuzer nach der herbstlichen Kühle des östlichen Mittelmeeres eine Temperatur, die dieses Gebiet zu den heißesten der Erde zählen läßt. Rasch wird die Dienstbekleidung auf das äußerste reduziert. Der Tropenhelm wird für lange Zeit zum unentbehrlichen Bestandteil des Ausgehanzuges. Port Sudan bringt die erste Gelegenheit dazu. Aber außer der freundlichen Gastlichkeit der wenigen dort lebenden Engländer und den Begegnungen mit den tiefschwarzen Eingeborenen, vor allem mit den wuschelköpfigen ,Fuzi-Wuzi’ und ihren Kamelen und primi-
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tiven Heimstätten, bietet der Hafen nichts Sehenswertes. Lediglich die Korallengärten, in denen man von einem Boot mit Glasboden aus die in allen Farben schillernden Fische, Krebse und Quallen zwischen dem bizarren Korallengewirr durch das glasklare Wasser beobachten kann, finden bei der Besatzung besonderes Interesse. So etwas hat bisher noch niemand gesehen. Ein gänzlich anderes Bild zeigt nach zehntägiger Fahrt durch das herrlich blaue Arabische Meer der erste richtige Tropenhafen. Im Süden der Insel Ceylon, unweit des Kaps von Mathura, liegt auf einer kleinen Halbinsel ein altes Fort mit dicken Mauern und Türmen. Vor mehreren hundert Jahren haben es die Holländer erbaut. Es überragt eine liebliche, palmenumstandene Bucht mit dem heute fast ganz verfallenen Hafen Point de Galle. Vor dem Ausbau von Colombo war er einst Haupthafen zwischen Aden und dem Fernen Osten. Nun ist seit Menschengedenken kein größeres Schiff mehr hier eingelaufen. Um so größer ist das Staunen der eingeborenen Singhalesen, als „Emden“ hineinmanövriert. Der erste Fremde, der nach dem Ankern an Bord kommt ist der berühmte Tierfänger und -forscher John Hagenbeck, der — nunmehr 70 Jahre alt — seit 47 Jahren auf Ceylon lebt. Dieser Mann ist, solange der Kreuzer im Hafen liegt, ständiger Gast an Bord. Seine Erzählungen von Erlebnissen mit Tieren und Löwen sind unerschöpflich. Mit jugendlicher Frische hilft er dem Kreuzer als „Schiffsmakler“, wo er kann. Paradiesisch schön ist die Umgebung. Dichte Dschungelwälder, Pflanzungen von Kokospalmen, terrassenförmig angelegte Reisfelder und weiter oben ausgedehnte Teepflanzungen bieten ein abwechslungsreiches Bild; dazu der herrliche Strand bei Weligama, der eifrig zum Baden benutzt wird. Ab und an trifft man einen Arbeitselefanten. Auf seinem Nacken sitzt ein Kornak und steuert ihn geruhsam. Die Eingeborenen, meist Singhalesen, zierliche, schlanke, hellbraune Gestalten, sind von ausgesprochener Freundlichkeit zu den deutschen Männern. Mancher von ihnen wird sogar in die Hütte eingeladen und gastlich bewirtet.
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Eine besondere Anziehungskraft für die „Emden“-Männer bilden die Edelsteinschleifer mit ihren primitiven Werkzeugen. Sie werden oft umlagert. Interessiert schauen die deutschen Matrosen zu, wie aus unförmigen, unansehnlichen Steinen unter den geschickten Händen der Schleifer jene kleinen, glitzernden Kostbarkeiten entstehen, die einmal den Hals einer schönen Frau schmücken oder zu kostbaren Ringen und Broschen verarbeitet werden sollen. Ein Besuch des Kommandanten im 115 km entfernten Colombo zeigt, wie sehr sich dort das Andenken an die erste „Emden“ noch erhalten hat. In der großen Hafenstadt gibt es eine Autobuslinie, die den Namen ,Emden’ führt. Ebenso prangt über einem großen Schuhgeschäft ein Schild mit diesem Namen. Besonders stark tritt die Erinnerung an den ruhmreichen Kreuzer in Erscheinung, als am letzten Tag das Schiff zur allgemeinen Besichtigung freigegeben wird. In Scharen kommen die Singhalesen und Inder an Bord. Dabei fragen tatsächlich einige nach der Taucheinrichtung. Der Kreuzer müsse doch auch unter Wasser fahren können, wie hätte er sonst damals so gänzlich unbemerkt in dieser Gegend operieren und Madras beschießen können. Die Besucher sind also der Meinung, noch die gleiche „Emden“ von einst vor sich zu haben. — Singapore, Tor zum Osten, ist das nächste Fahrtziel. Seit 1914 ist kein deutsches Kriegsschiff mehr in diesem Hafen gewesen. Die deutsche Kolonie hat schon lange um einen Besuch gebeten. Nun ist „Emden“ da. Sie steht gleich mitten in einem weltbewegenden Ereignis: In England hat König Edward VIII. zu Gunsten seines Bruders abgedankt, der als König Georg VI. soeben proklamiert werden soll. Auf Einladung des englischen Gouverneurs nimmt der Kommandant an der großen Feier teil. Er erhält mit seinem Adjutanten einen Platz an bevorzugter Stelle vor dem Municipal Building, und zwar zusammen mit den malayischen Fürsten der Straits Settlements in ihren malerischen Gewändern neben den roten Roben der hohen Richter, die unter ihren weißen Perücken schrecklich schwitzen, und neben den Galauniformen der hohen britischen Offiziere. 27
Vor dem Gebäude stehen die Truppen in Parade. Aufmarschiert sind englische und malayische Regimenter, darunter die schwarzbärtigen, beturbanten Sikhs der indischen Polizeitruppe. In der Ferne sieht man die „Emden“ auf der Reede im bunten Flaggenschmuck liegen. Sie ist das einzige Kriegsschiff im Hafen. Der Gouverneur verliest die Proklamation, die gleich in die drei örtlichen Hauptsprachen, nämlich malayisch, tamilisch und chinesisch, übersetzt wird. Der Lordbischof im lila-roten Talar, den Krummstab in der Hand, spricht das Gebet. Während dann der Kommandierende General die Hurras auf den neuen König ausruft und die Musik die Nationalhymne spielt, rollt der Salut einer Feldbatterie — wieder 21 Schuß — und anschließend der des deutschen Kreuzers über den Hafen. Der holländische Klub hat der deutschen Kolonie sein Haus für ein Fest zur Verfügung gestellt. Die diplomatischen Vertreter fast aller Länder Europas und der Vereinigten Staaten nehmen daran teil. Die Männer der „Emden“ werden immer wieder aufgefordert, deutsche Seemanns- und Volkslieder, zum Schluß auch noch Weihnachtslieder zu singen, denn es ist Adventszeit. Die Ausländer bringen wiederholt die Sprache auf den Ruhm des Namens „Emden“ und sprechen ihre Bewunderung für den allgemein hoch geschätzten Kommandanten der ersten „Emden“ aus. — Tagelang bilden die weißen Uniformen der Kreuzer-Männer Mittelpunkt im Straßenverkehr der internationalen Großstadt. Singapores Bevölkerung besteht zu vier Fünfteln aus Chinesen. Zu vielen persönlichen Einladungen aus allen Kreisen kommen sportliche Wettkämpfe zu Wasser und zu Lande mit englischen Soldaten, sogar auch mit malayischen Sportklubs. Die Bordkapelle kommt nicht zur Ruhe. Immerfort muß sie auf Plätzen, in Klubs, in Cafes, im Schwimmbad und auf den Sportplätzen spielen. Der Sultan von Johore zeigt besonderes Interesse am Kreuzerbesuch. Er folgt mit der Sultanah einer Einladung zur Schiffsbesichtigung. Mit großem Gefolge kommt er an Bord. Es ist ein seltsames Bild, die bunten Gestalten Indiens auf einem modernen Kreuzer zu sehen.
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Immer wieder tritt in freundlichster Weise von seiten der früheren Gegner die Erinnerung an die alte „Emden“ in Erscheinung. Ein Engländer schickt mit einem überaus liebenswürdigen Schreiben dem Schiff einen Postbriefkasten, der durch Männer des australischen Kreuzers „Sydney“ vom Wrack der alten „Emden“ abgeborgen worden und auf Umwegen in seinen Besitz gelangt war. Ein alter englischer Anwalt schenkt dem Kommandanten eine aus der Kriegszeit stammende Zeichnung des Schoners „Ayesha“. Und am Tag des Auslaufens erscheint in der ,Straits Times’, der größten örtlichen Zeitung, ein sehr anerkennender Leitartikel über den Eindruck des „Emden“-Besuches mit der deutschen Überschrift: „Auf Wiedersehen!“ Das Weihnachtsfest wird vor Siams Hafen Pak Nam gefeiert. Leider sind weder die dem Schiff nachgesandten heimatlichen Weihnachtsbäume noch die gesamte Weihnachtspost rechtzeitig eingetroffen. So muß sich die Besatzung selbst helfen. Unter geschickten Seemannshänden entstehen aus Besenstielen und Kistenbrettchen wahre Kunstwerke, die nach Bemalen mit grüner Ölfarbe, mit aufgedrehten Kabelgarnen und Watte behängt und mit Kerzen besteckt, fast die Illusion echter Weihnachtsbäume hervorzaubern. Für den Gottesdienst am Heiligen Abend hat das Begleitschiff „Adria“ dem Kreuzer aber doch mit zwei echten Bäumen ausgeholfen. Weihnachten in den Tropen! Es ist nicht leicht, bei tropischer Hitze in Weihnachtsstimmung zu kommen, wenn schon nach kurzer Zeit die Kerzen sich durch die Wärme krümmen. „Wie glücklich ist doch der Seemann, der die Welt sehen und die Heimat im Herzen tragen kann!“ Diese Worte des Kommandanten helfen jenen, die ein leichtes Heimweh gepackt hat. — Der Kreuzer liegt weit draußen vor der Menam-Mündung. Der Weg zur Hauptstadt Bangkok dauert Stunden. Aber dank der Bemühungen der deutschen Landsleute und der siamesischen Marine wird es fast allen Besatzungsangehörigen ermöglicht, die märchenhafte
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Stadt der Kanäle und Pagoden zu besuchen. Die Gastlichkeit ist überall groß. Auch der Kriegs- und Marineminister, Oberst Luang Pibul Sornggarm, damals der politisch stärkste Mann und heute Siams Ministerpräsident, zeigt seine Freude an dem Besuch durch Einladung, Geschenke und Teilnahme an einem Frühstück an Bord. Einen unauslöschlichen Eindruck hinterläßt die von Hunderten von Kanälen durchzogene bunte Stadt in ihrer einzigartigen, fremden Schönheit. Aus dem Geglitzer der Porzellanplatten und Goldplättchen auf den geschwungenen Dächern der Tempel und vielfachen Pagoden, den kostbaren Mosaiken und reichgeschnitzten Edelholzsäulen, von den riesigen steinernen Dämonenfiguren vor den Buddha-Tempeln und auch von den königlichen ,weißen’ Elefanten nehmen die deutschen Seeleute einen Hauch mit von einer uralten, hohen Kultur. — Durch ein Sturmtief bei den Philippinen geht es nordwärts. Der Kreuzer wird gehörig durchgeschüttelt. Es wird schnell kälter. Das Tropenzeug weicht wieder der blauen Bekleidung. Und als das Schiff in Yokohama einläuft, liegt — Schnee. Die Japaner sind in Tücher eingemummt und tragen Nasenschützer, als sie in dichten Scharen die „Emden“ an der Kanagawa-Pier erwarten. Die japanische Regierung hat aus Anlaß des vor wenigen Wochen besiegelten deutsch-japanischen Freundschaftsabkommens den Kreuzer „Emden“ zu einem offiziellen Besuch eingeladen. Eine Fülle von Veranstaltungen wartet daher auf die Besatzung. Überall herrscht Freude über das Erscheinen der Deutschen. Großer Jubel empfängt die Männer beim Marsch durch Tokio zum Yasukuni-Schrein, der Gedenkstätte der gefallenen Helden Japans. Aus dichtbesetzten Fenstern der Hochhäuser an der Ginza rieselt ein Blumen- und Papierschlangenregen auf die Truppe hernieder, dichte Menschenmauern und Autokolonnen umsäumen den Zug. Zwischen den von der Kapelle gespielten Militärmärschen singen japanische Schuljungen das Deutschlandlied. — Jeder Landgang ist für die „Emden“-Männer ein neues Fest. Immer wieder verspürt man wirkliche Herzlichkeit.
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Bei einem Konzert der Bordkapelle zusammen mit dem japanischen Marineorchester in der großen Stadthalle Tokios, die 4000 Menschen faßt, muß diese wegen Überfüllung geschlossen werden. Ausflüge nach der berühmten Tempelstadt Nikko, die sich im tiefen Schnee besonders reizvoll darbietet, und nach Kamakura mit dem 15 m hohen Daibutsu, einem sitzenden Buddha aus Bronze, sowie Einladungen in Teehäuser, in denen Geishas in buntseidenen Kimonos mit ihrem Singen, Musizieren, Tanzen, Kichern und Wispern den Abend beherrschen und die fremden Gäste in Begeisterung versetzen, zeigen den jungen Deutschen eine höchst seltsame, neue Welt. Im Kriegshafen Yokasuka sehen sie neben vielem anderen auf einem großen Schlachtschiff japanischen Seeleuten in schneidender Kälte beim Schwert- und Bajonettfechten, im Sumo und Judo zu. Eindrucksvoll ist die Besichtigung des als Traditionsmuseum eingemauerten Linienschiffes „Mikasa“, des Flaggschiffs des Admirals Togo in der Schlacht bei Tsuschima. Die größte Ehrung, die dem Kreuzer zuteil wird, ist der Empfang des Kommandanten und des Ersten Offiziers beim Tenno, dem Gottkaiser, zusammen mit dem Botschafter und dem Marineattaché in dem alten, von einem breiten Wassergraben und einer hohen Mauer umgebenen Shogun-Palast mit feierlichem Zeremoniell. Es ist eine Ehrung, die bis dahin zu Lebzeiten Kaiser Hirohitos noch keinem fremden Kriegsschiff zuteil geworden ist. Als der Kreuzer Abschied von diesem überströmend gastlichen Lande nimmt, grüßt der heilige Berg Fujiyama mit seinem hohen, weißen Haupt herüber. — Kreuzer „Emden“ geht wieder in See. Durch Kälte und Nebel der japanischen Inlandsee und über die Koreastraße steuert „Emden“ in die Mündung des gewaltigen Yangtse Kiang, Chinas Lebensader. Düstere Winterstimmung hüllt alles in graue Schleier. Plumpe Dschunken, mit bunten Drachenköpfen verziert, gleiten schemenhaft vorüber. Ihre hohen, durch Latten gespreizten Vierkantsegel ragen in den grauen Himmel. Vor Chinas neuer Hauptstadt, Nanking, fällt der Anker in den
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Grund des Yangtse. Auch hier gibt es einen freundlichen Empfang, an dem sich alle Minister der Nationalregierung beteiligen. Nur Marschall Tschiang kai-schek, Herr des neuen China, ist nicht anwesend. Er schickt ein freundlich gehaltenes Telegramm. Überall wird in der von einer 50 km langen dicken Mauer umgebenen Stadt gebaut, deren Tore streng bewacht und nachts geschlossen werden. Moderne Gebäude schießen aus dem Boden, Omnibusse jagen auf schnurgeraden Straßen dahin. Am Hang des Purpurberges leuchtet ein riesiges, weißes Monument in großartiger Architektur. Es ist das Grabmal Sun Yatsens, des großen Staatsmannes und Patrioten, der die letzte chinesische Kaiserdynastie der Mandschus stürzte. Die Kuo-mintang hütet nun sein Erbe. 360 Stufen führen hinauf zum Mausoleum, in dem der Kommandant mit feierlicher Begleitung einen Kranz des Kreuzers am marmornen Sarkophag niederlegt. — Mehrere große Veranstaltungen bringen die „Emden“-Offiziere mit den zahlreichen Deutschen unter Führung des Botschafters und mit den chinesischen Spitzen zusammen. Ein mitgebrachter Film über Deutschland und die Musik der Bordkapelle erregen Begeisterung bei den Chinesen. Andererseits staunen die KreuzerMänner über die Darbietungen der Soldaten der chinesischen Lehrbrigade in Gymnastik, Schwertertänzen, Säbel-, Lanzen- und Dreschflegelfechten. Den amüsanten Teil bildet eine erstklassige Gauklertruppe mit Zauberern, Feuerfressern und Schwertschluckern. Jeder kommt auf seine Kosten. — Höchst interessant, jedoch in anderer Art, ist die 4-MillionenStadt Schanghai. In ihr leben 1600 Deutsche. Ihnen gilt im wesentlichen der zehntägige Besuch des rückreisenden Kreuzers. Diese Menschen sind wirklich glücklich, Abgesandte der Heimat empfangen zu können. Jeder Mann der Besatzung ist mindestens einmal Gast in einer deutschen Familie. Dazu kommen Ausflüge, Theaterbesuche, Führungen und Veranstaltungen mancherlei Art. Höhepunkt bildet ein von den Deutschen glänzend organisierter Begrüßungsabend. 1800 Menschen haben sich versammelt. Es wird
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zu einem wahren Fest der Deutschen im Fernen Osten. Tags darauf findet eine feierliche Kranzniederlegung am Erinnerungsmal für das im Jahre 1896 in einem Taifun am SchantungVorgebirge gestrandete deutsche Kanonenboot „Iltis“ auf dem Hof der Kaiser Wilhelm-Schule statt.*) Der nach dem anschließenden Feldgottesdienst folgende Marsch der „Emden“-Besatzung mit klingendem Spiel durch die Hauptstraßen der internationalen Stadt ist etwas seit Jahren nicht mehr Dagewesenes und für die Landsleute mit das packendste Erlebnis dieser Tage. Selbst hier in Schanghai zeigt es sich, daß die Taten der ersten „Emden“ Weltruhm behalten haben. Ein Holländer überreicht dem Kommandanten eine Bootsflagge des Kreuzers, die er vor vielen Jahren aus englischer Hand bekommen hat, und ein Engländer bringt ein Stück vom Wrack des auf den Cocos-Inseln liegenden Kreuzers als Erinnerung an das stolze Schiff. — Nichts ist schwerer zu ertragen, als eine Reihe von guten Tagen. Ganz paßt dieses Sprichwort zwar nicht auf die Männer der „Emden“, denn der Dienst kommt dabei zu kurz. Was man an den vielen Tagen des Feierns versäumt hat, muß nun auf der Weiterfahrt gen Süden nachgeholt werden. Diese Reise südwärts bringt nach der winterlichen Kälte in China wieder tropische Wärme. Die Besatzung kann wieder ,auftauen’ und zeigen, was sie vom bisher Erlernten noch behalten hat. Bei einer Divisionsbesichtigung auf See durch den Kommandanten wird alles genau unter die Lupe genommen: Sauberkeit des Anzugs, der Wohnräume und Spinde, der Unterricht in Seemannschaft mit Splissen und Knoten, der Signaldienst, die Arbeit in der Navigation, der Umgang mit Seekarte, Sextant und Log, der Maschinendienst, die Artillerie, das Rollenexerzieren und nicht zuletzt die Leistungen in Leibesübungen und Sport. Dieser Zauber, den jeder Rekrut einmal erlebt hat, dauert volle drei Tage. Wie immer und überall, klappt alles nach Wunsch, aber kritisiert muß hinterher doch werden. Es kann eben nie gut genug sein. —
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Als der Äquator passiert wird, findet an Bord das große Einseifen statt. 270 Mann, einschließlich 4 Offizieren, müssen ,vom Schmutz der nördlichen Halbkugel befreit’ werden und unter dem Gaudium der schon auf der vorjährigen Reise Getauften die ziemlich anstrengende Prozedur, bei der es nicht gerade sanft und zimperlich zugeht, über sich ergehen lassen. — Als der Kreuzer die Westküste Sumatras erreicht, hat er einen langen Seetörn hinter sich. Beim Passieren der Sunda-Straße grüßt der berüchtigte Vulkan Krakatau herüber, der schon so viel Unheil angerichtet hat. In Padang ist es maßlos heiß. Der Marsch von 300 weißgekleideten Matrosen mit Musik durch die Stadt, der die Bevölkerung begeistert, kostet viel Schweiß. Um so mehr freut man sich auf den Ausflug in das kühlere Hochland von Fort de Kock, an dem fast die gesamte Besatzung teilnimmt und der durch die Gastlichkeit der Holländer ermöglicht worden ist. Das Auge vermag kaum alles zu fassen, was die Fahrt an Schönheiten bietet: dichter Urwald, wilde Schluchten mit reißend zu Tal schäumenden Gebirgsbächen, hin und wieder eine Pflanzung, Häuser und Speicher in dem eigenartig geschwungenen und bunten Baustil der Minangkabau-Landschaft, riesige Wasserräder aus Bambusrohr zur Bewässerung der Reisfelder, träge Büffel vor hölzernem Pflug. Oben empfängt ein vorbildliches Schwimmbad mit kristallklarem Wasser die Besucher und lädt zu köstlicher Erfrischung Während ein. —des anschließenden Reisetörns durch den Golf von Bengalen müssen die Kadetten in die Maschinen- und Kesselräume, um auch deren Einrichtungen und Bedienung, das Lenz- und Flutsystem und alles andere, was zum Arbeitsbereich des technischen Personals gehört, im praktischen Dienst kennen zu lernen. In Bombay, der Millionenstadt an der Westküste Vorderindiens, ist wie vor zehn Jahren beim ersten Besuch der „Emden“ die Begeisterung groß, besonders unter den Indern, bei denen der Name zu einer Legende geworden ist. Viele glauben naiv, es sei noch immer dasselbe Schiff, das einstmals Madras beschoß. Eine indische Abordnung kommt an Bord. Sie will den berühmten
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Kommandanten, Fregattenkapitän v. Müller, begrüßen. Als sie vor die im Achterschiff aufgestellte Bronzebüste-, das Bild von seinem Grab und die Ehrentafel für die bei den Cocos-Inseln Gefallenen geführt wird, erweisen die Inder diesen Erinnerungsstücken eine ergreifende Totenehrung. Durch einen Zwischenfall im Hafen steigt das Ansehen der Kreuzer-Besatzung bei der indischen Bevölkerung gewaltig an. Das Schiff ist zur Besichtigung freigegeben worden. Eine große Zahl von Booten kommt zu dem auf Reede liegenden Schiff gefahren, alle randvoll gefüllt mit Männern, Frauen und Kindern, die den berühmten Kreuzer aus nächster Nähe sehen wollen. Kurz vor dem Fallreep gibt es unter den Booten ein beängstigendes Gedränge. Eines davon kentert. 25 Frauen und Kinder treiben schreiend und hilflos im Wasser. Blitzschnell wird von der Kreuzer-Besatzung ein ,Mann-überBord-Manöver’ durchgeführt. Außerdem machen mehr als ein Dutzend Matrosen und Kadetten stehenden Fußes einen Kopfsprung ins Wasser und erweisen sich als tatkräftige Rettungsschwimmer. Alle 25 Frauen und Kinder werden innerhalb weniger Minuten an Bord des Kreuzers gebracht, wo man sich ihrer liebevoll annimmt. Diese Rettungstat bringt die halbe Stadt auf die Beine. Jeder will jetzt den Kreuzer und seine Männer kennenlernen. Eine unfaßbare Fülle von Blumen wird an Bord gebracht, und eine hochoffizielle Abordnung der Stadt überreicht dem Kreuzer feierlich die indische Rettungsmedaille. Eine zweitägige Autofahrt bringt einen Teil der Besatzung nach der 350 km entfernt liegenden alten Mahratta-Festung Ahmednagar, wo während des Krieges 1800 Deutsche interniert waren. An den Gräbern der damals im Lager Verstorbenen wird eine Gedenkfeier abgehalten. Die britische Garnison beteiligt sich in großem Umfange daran. Ein buntes Gartenfest beim Gouverneur, das über 2000 Gäste aller Schattierungen vereinigt, ist ebenso ein Ereignis wie der Marsch der Kreuzerbesatzung durch die Stadt. Der Besuch zweier Maharadschas an Bord, Sportwettkämpfe mit englischen Truppen, zahlreiche Ein-
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laladungen von deutscher und englischer Seite sowie Ausflüge in die schöne Umgebung füllen die Tage in Bombay restlos aus. Für den Ausbildungsdienst bleibt wieder nicht viel Zeit. Dafür muß der nächste Seetörn, der diesmal 12 Tage dauert und den längsten der ganzen Reise darstellt, weidlich ausgenutzt werden. Nach dem Verlassen des malerischen Ostens geht es zurück durch den Arabischen Golf, das Rote Meer und den Suezkanal nach Alexandrien. Es ist Ostern 1937, als der Kreuzer dort einläuft. Die Kadetten erleben drei Tage Ägyptens Hauptstadt Kairo aus der Warte eines Weltreisenden. Sie wohnen im weltbekannten Shepheard’s Hotel, reiten auf Kamelen, erklettern die 150 Meter hohe Cheops-Pyramide und sehen auch sonst viel von Kairos Wunderdingen. Wegen Abwesenheit des jungen Königs Faruk wird der Kommandant vom Regentschaftsrat im Abdine Palais empfangen. Der Ministerpräsident Nahas Pascha lädt ihn und einige seiner Offiziere zur feierlichen Zeremonie der Rück36
kehr des Mahmal, des heiligen Teppichs von der Kaaba in Mekka, mit anschließender Truppenparade ein. Eine Fahrt durch die Wüste zur Oase Fayum und eine sachverständige Führung durch die neuesten Ausgrabungen unter den Pyramiden in Gizeh gehören für einen kleinen Kreis zu den interessantesten Erlebnissen, die noch durch Besichtigungen vieler Kultur- und Kunstschätze in Alexandrien und Kairo ergänzt werden. — Mit Verlassen des Hafens Alexandrien ist der angenehmere Teil der großen Reise für den Kreuzer zu Ende. Er untersteht von diesem Zeitpunkt an wieder dem Befehlshaber der deutschen SpanienStreitkräfte im Mittelmeer, denn in Spanien herrscht noch immer der Bürgerkrieg. „Emden“ erhält Befehl, von Palma de Mallorca aus entlang der spanischen Ostküste zwischen Kap Oropesa und Almeria zu patrouillieren, um etwaigen völkerrechtswidrigen Übergriffen kommunistischer Kriegsschiffe oder rotspanischer Flieger entgegenzutreten. Auf dieser Kontrollfahrt wird bei beschränkter Gefechtsbereitschaft des Kreuzers emsig Dienst gemacht und für die bevorstehende Abschlußbesichtigung exerziert. Ruhetage im Hafen von Palma, die der Ölergänzung dienen, lassen trotzdem Zeit zu manchem Gang durch die malerische Stadt mit ihren schönen Bauten und zum Genießen der landschaftlich bezaubernden Insel. Endlich kommt der erwartete Befehl: „In die Heimat entlassen!“ Als endgültig letzter Hafen wird Algeciras angelaufen. Er liegt auf der Westseite der großen Bucht, die nach Osten von dem markanten Felsen von Gibraltar begrenzt wird. Angesichts seiner gigantischen Silhouette erledigen hier die Kadetten ihre schriftliche Fähnrichsprüfung. Dann empfangen Atlantik und Biskaya das Schiff mit viel Wind und Dünung. Der Kreuzer gerät zum Schluß noch einmal derart ins Schlingern, das alles, was nicht festgezurrt oder einwandfrei verstaut ist, sich im Schiff selbständig macht und durcheinander segelt. Jaulend bläst der Sturm über Back und Brücke, wirft kalte Duschen über
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das Schiff und sorgt dafür, daß die Männer in der Freude auf das Wiedersehen mit der Heimat nicht übermütig werden. Der lange Heimatwimpel am achteren Mast und das graue Wasser der Jade künden unwiderruflich den Schluß der Reise an. Es ist Ende April 1937, als „Emden“ in der Wilhelmshavener Schleuse festmacht, begrüßt von brausenden Hurras der Kameraden. Eine Ehrenkompanie ist angetreten. Der Oberbefehlshaber, Admiral Raeder, kommt an Bord. Er besichtigt die angetretene Besatzung und begrüßt sie mit herzlichen Worten. „Emden“ ist wieder daheim. * Im November 1937 fuhr „Emden“ noch einmal nach dem Indischen Ozean bis Java. Die letzte Reise trat sie im November 1938 an. Sie führte nach Istanbul. Dort vertrat sie bei den Beisetzungsfeierlichkeiten für den verstorbenen türkischen Staatspräsidenten Kemal Atatürk die deutsche Wehrmacht. Damit war die Auslandstätigkeit des Kreuzers beendet. Auf ihren insgesamt neun großen Reisen war „Emden“ in allem mehr als sechs Jahre außerhalb der heimischen Gewässer, hat dabei alle sieben Weltmeere*) durchfahren und fast alle Küsten der Erde berührt. Der 2. Weltkrieg Als Ende August 1939 die Hochspannung der politischen Lage zur Entladung kam, mußte Kreuzer „Emden“ zunächst mit in die Kampffront der Nordsee eingereiht werden. Nun sollte es sich zeigen, ob die junge Besatzung auf dem Schiff mit dem stolzen Namen seiner Tradition wert war. „Emden“ war inzwischen mit ihren 14 Lebensjahren der älteste und unmodernste Kreuzer der schnell gewachsenen deutschen Kriegs-
*) The Seven Seas: Baltic, German Sea, Atlantic, Caribic, Mediterranean, Indic und Pacific (Ostsee, Nordsee, Atlantik, Caribic, Mittelmeer, Indischer Ozean und Pazifischer Ozean). 38
marine geworden. Er hatte sich aber bisher allen Dienstanforderungen gewachsen gezeigt. Schon in der Spannungszeit, als der Einmarsch deutscher Truppen nach Polen begann und der Krieg gegen England vor der Tür stand, wurde das Schiff zusammen mit Aviso „Grille“ und einigen Torpedobooten zum Legen einer großen Minensperre in der Nordsee eingestellt. Am 3. September lief „Emden“ wieder in der Jade ein. Tags darauf wollte das Schiff nach Wilhelmshaven verholen, als zum ersten Male die Sirenen heulten. Britische Luftstreitkräfte griffen die deutsche Nordseeküste an und erschienen auch über dem Kriegshafen. Die Flak des Kreuzers trat zusammen mit der Abwehr der anderen Schiffe und der Landbatterien in Tätigkeit. Dabei gelang es „Emden“, ein Flugzeug abzuschießen. Die Maschine stürzte jedoch so unglücklich ab, daß sie seitlich in das Vorschiff des Kreuzers schlug. Sie richtete im Backsdeck und besonders im Schiffslazarett erhebliche Verwüstungen an und forderte dabei neun Tote, darunter zwei Offiziere, und zwanzig Verletzte. Das waren die ersten Verluste der Kriegsmarine im 2. Weltkrieg. In der darauffolgenden Zeit wurde „Emden“ wieder ihrer eigentlichen Aufgabe der Nachwuchsheranbildung zugeführt. Der Kreuzer ging deswegen nach Kiel. Von dort aus konnte er in der Ostsee ungestört seine Übungsfahrten durchführen. Marsch in den Oslo-Fjord Den Winter 1939/40 hindurch geschah nichts von Bedeutung. Kommandant war inzwischen Kapitän zur See Werner Lange geworden, der während der fünften Auslandsreise des Kreuzers unter Fregattenkapitän Dönitz sein Erster Offizier gewesen war. Er hatte also sein altes Schiff wieder unter den Füßen, auf dem die mit ihm an Bord gekommenen neuen Kadetten fleißiger denn je ausgebildet wurden. Es war Krieg, und die Kriegsmarine brauchte dringend Offiziere.
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Der Winter 1939/40 war bekanntlich außerordentlich streng, die Ostsee daher monatelang mit einer dicken Eisdecke überzogen. Das Eis trug auch die Schuld daran, daß die Übungsfahrten nicht planmäßig durchgeführt werden konnten. Demzufolge war die Ausbildung der angehenden Fähnriche und der zum Teil neu eingeschifften Besatzung erheblich ins Hintertreffen geraten. Trotzdem erhielt der Kreuzer am 6. April Befehl, in Swinemünde mehrere hundert Mann Heerestruppen mit ihren Gerätschaften an Bord zu nehmen und sich am Abend des 7. April in der Kieler Bucht der Gruppe 5 unter Führung von Konteradmiral Kummetz anzuschließen. Diese Gruppe bestand neben „Emden“ aus dem Schweren Kreuzer „Blücher“, dem Panzerschiff „Lützow“ ex „Deutschland“, den Torpedobooten „Möwe“, „Albatros“ und „Kondor“ sowie der aus 8 Booten bestehenden I. Minenräumflottille und den beiden bewaffneten Walfangbooten „Rau 7“ und „Rau 8“. Aufgabe dieses Verbandes war, im Rahmen der Großaktion „Weserübung“ 1) in den Oslo-Fjord einzufahren und neben dem norwegischen Kriegshafen Horten die Hauptstadt Norwegens zu besetzen. Für Kreuzer „Emden“ mit seiner blutjungen, kaum seebefahrenen Kadettenbesatzung stellte diese Aufgabe besonders hohe Anforderungen dar, die durch die Tatsache, daß man mehrere hundert Landser an Bord hatte, die alle Gänge in den Decks verstopften, nicht gerade leichter gemacht wurden. Um 3 Uhr morgens am 8. April setzte sich der Verband in Kiellinie in Bewegung. Er hatte insgesamt rund 2000 Feldgraue an Bord. 2) 22 Stunden später erreichte er den Eingang zum Oslo-Fjord. In diesem Augenblick wurden die norwegischen Feuer gelöscht. Der erste Widersacher, der sich dem Verband entgegenstellte, war ein norwegisches Wachboot. Es wollte mit allen Mitteln den Weitermarsch der Kriegsschiffe verhindern und wurde daraufhin nach 1) Deckname für die Besetzung Dänemarks und Norwegens. 2) Siehe SOS-Heft Nr. 2 „Sein erstes und letztes Gefecht“.
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kurzem Feuergefecht von „Albatros“ versenkt. Vierzehn Mann des Norwegers wurden gerettet. Als zweites Hindernis trat eine Lichtsperre in Aktion, welche die Durchfahrt zwischen den beiden im Oslo-Fjord liegenden Inseln Raunöy und Bolaerne hell erleuchtete.
Von Land aus wurden einige Warnschüsse gefeuert, die jedoch ohne Wirkung blieben. Nach glücklichem Passieren der Durchfahrt war es Aufgabe eines Teils der auf „Emden“ eingeschifften Truppen, sowohl diese beiden wichtigen Bastionen als auch den an Backbordseite dahinter liegenden norwegischen Kriegshafen Horten schnell in die Hand zu bekommen. Dazu mußte der Kreuzer in dunkler Nacht und ohne den geringsten Lichtschein die Sonderkommandos an die R- und T-Boote abgeben, die längsseit kamen. 41
Die abgeteilten Soldaten versammelten sich an Deck. Halblaute Maschinenkommandos brachten die Fahrt aus dem Schiff. Nur als Schatten erkennbar, legten die Räum- und Torpedoboote zu beiden Seiten des Kreuzers an. Rasch kletterten die Landser, die bisher noch nie ein Schiff unter den Füßen gehabt hatten, auf die kleineren Fahrzeuge über. Ihnen folgte ein Sonderkommando der „Emden“, bestehend aus einem Offizier, zwei Feldwebeln und zehn Mann. Sie sollten mit nach Horten gehen und nach Klärung der Lage auf der gegenüberliegenden Fjordseite militärische Anlagen besetzen. Während diese Trupps ihren Aufgaben entgegenfuhren, folgte „Emden“ den beiden vorausgefahrenen Kreuzern. In der ersten Morgendämmerung standen die drei Einheiten vor der engsten Stelle des Fjords bei Dröbak, in dessen Mitte die Felseninsel Oscarsholm mit der Festung Oscarsborg und den Außenbatterien Kaholm und Kopaas lagen. Konteradmiral Kummetz war auf Grund der erhaltenen Instruktionen der Ansicht, daß die Norweger keinen ernsthaften Widerstand leisten würden. Die schweren Geschütze der Schiffe blieben daher in Zurrstellung, d. h. sie wurden nicht vorsorglich auf die Batteriestellungen eingerichtet, um gegebenenfalls bei eintretendem Widerstand unverzüglich antworten zu können. Die Norweger aber, auf verschiedenen Wegen gewarnt und vorbereitet, dachten nicht daran, den deutschen Verband ungehindert passieren zu lassen. Es kam zur Feuereröffnung der 28 cm-Geschütze des Forts Oscarsborg zusammen mit den Batterien Kaholm und Kopaas auf den in nur 500 Meter Entfernung langsam durch die Enge steuernden Schweren Kreuzer „Blücher“, in deren Verlauf der Kreuzer schwer getroffen und anschließend durch zwei Torpedos einer gut aufgestellten Torpedobatterie zum Sinken gebracht wurde. Zu gleicher Zeit schlugen die Granaten der Norweger auch in nächster Nähe der „Emden“ ins hochaufspritzende Wasser des Fjordes, ohne glücklicherweise zu treffen. Durch den Verlust von „Blücher“ war die Führung des Verbandes auf Kapitän zur See Thiele, Kommandant der „Lützow“, übergegan-
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gen. Er erkannte, daß die Dröbak-Enge auf diese Weise nicht zu erzwingen war, und gab Befehl an die Schiffe, sich über den Achtersteven aus dem Schußbereich des Gegners zu ziehen und die Heerestruppen in Sonsbukten zu landen. „Emden“ ließ daraufhin beide Maschinen mit voller Kraft rückwärts laufen. Es glückte ihr, im toten Winkel der Fjord-Batterien in dem schwierigen Fahrwasser in die kleine Bucht von Sonsbukten hineinzumanövrieren und ihre Heerestruppen von Bord zu geben. Auch hier setzte der Kreuzer ein eigenes Sonderkommando unter Führung eines Oberfähnrichs ab, das einen norwegischen Torpedoschießstand unbrauchbar machte. Später wurde dieses Kommando, auf 40 Mann verstärkt, in Dröbak noch einmal an Land gesetzt, um das Fort zu erobern. Mit dem Ruf „Hände hoch!“ und unter Androhung der Beschießung durch die Schiffsgeschütze erstürmten die Männer die Batterie, in der sich 17 Offiziere und 250 Mann kampflos ergaben. Drei 15 cm-Geschütze, 4 MG’s, 2 Fla-Geschütze und 260 Gewehre waren die Kriegsbeute. Nach dieser Entwaffnung erzwang der Oberfähnrich mit zwei Matrosen und einem norwegischen Leutnant die Übergabe der MGStellungen in Skiphelle und brachte Gefangene und Waffen nach Horten. Nachdem die Widerstand leistenden Außenforts durch Sturzkampfverbände der Luftwaffe niedergekämpft und zur Übergabe gezwungen worden waren, liefen „Lützow“, „Emden“, „Möwe“ und die I. Räumbootflottille in Oslo ein. Damit war der erste Teil der dem Kreuzer „Emden“ gestellten Aufgabe erfüllt. Nun galt es, den rund 90 km langen Oslo-Fjord zu sichern. Hiervon hing die Fortsetzung der Operationen in Südnorwegen ab. Große Transporte von Heerestruppen und Material sollten in den nächsten Tagen die Wasserstrecke passieren und möglichst ungefährdet in Oslo eintreffen. Die Aufstellung und Leitung dieses Vorposten- und Sicherungsdienstes wurde dem „Emden“-Kommandanten übertragen, da „Lützow“ bereits wieder ausgelaufen war. Sie erhielt kurz darauf einen
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verhängnisvollen Torpedotreffer.*) Zunächst mußten alle erreichbaren und für Sicherungszwecke geeigneten Wasserfahrzeuge beschlagnahmt und mit deutschen Besatzungen unter deutscher Flagge in Dienst gestellt werden. Mehr als zwanzig Sonderkommandos der „Emden“ wurden losgeschickt. Sie suchten alle Buchten und Nebenfjorde ab und brachten herbei, was sie fanden. Auf diese Weise entstand eine Flottille der verschiedensten Fahrzeuge, die im Kriegshafen Horten gesammelt und für ihre neue Tätigkeit rasch hergerichtet wurden. Zum größten Teil bemannte man die Fahrzeuge mit den geretteten Männern des untergegangenen Schweren Kreuzers „Blücher“. Dank der vorzüglichen Ausbildung gelang es dem technischen Personal, auch mit den fremden und zum Teil sogar unbrauchbar gemachten Maschinenanlagen fertig zu werden und die Schiffe und Boote in kürzester Zeit fahrbereit zu machen. Schon nach wenigen Tagen konnte der so geschaffene Sicherungsverband eingesetzt und auf die wichtigsten Punkte innerhalb des Oslo-Fjordes verteilt werden. Andere Sonderkommandos erhielten Bewachungsaufgaben an Land. Sie besetzten vor allen Dingen die erbeuteten Geschütz- und Torpedobatterien. Der Kreuzer selbst wurde Stützpunkt-Schiff für alle deutschen Seestreitkräfte, die Oslo anliefen. Er versorgte sie mit Betriebsmitteln, Seekarten, Bekleidung, Verpflegung und Zahlungsmitteln, half bei dringenden Instandsetzungen und betreute Kranke und Verwundete. Gleichzeitig hatte die Funkstation der „Emden“ eine Aufgabe von operativ entscheidender Bedeutung. Sie bildete die Nachrichtenzentrale der drei Wehrmachtsteile. Das bedeutete für die kleine, veraltete Anlage und das zahlenmäßig sehr schwache FT-Personal des Schiffes eine außerordentliche Belastung, der sie sich aber durchaus gewachsen zeigte. Auch der Flakschutz der großen Stadt stützte sich in der Hauptsa-
•) Siehe SOS-Heft Nr. 63 „Bomben vor Spanien“ 44
che auf die Kanonen des Kreuzers. Die Bedeutung Oslos für die weitere Kriegführung gegen Norwegen war natürlich dem Engländer völlig klar. Hafenanlagen und Flugplätze waren daher immer wieder das Ziel seiner Bombenangriffe. Nacht für Nacht rasselten die Alarmglocken der „Emden“, riefen die Bedienungen an die Geschütze und den Rest der Besatzung in die Schutzräume. Erst allmählich, nach Verstärkung der Luftabwehr durch neu hinzugekommene Flak Batterien der Marine und Luftwaffe, hörten die Angriffe auf. Der Einsatz der „Emden“ bei der Norwegenaktion unterschied sich von dem der übrigen Kreuzer durch die Vielseitigkeit der Aufgabenstellung. Diese ermöglichte es, zahlreichen Gruppen der Besatzung Sonderaufgaben zuzuteilen, bei denen auch der einzelne sich persönlich große Verdienste erwerben konnte. Als der Sommer nahte, befand sich ganz Süd- und Mittelnorwegen in deutscher Hand. Kreuzer „Emden“ hatte einen nicht unerheblichen Beitrag am Gelingen dieses Gesamtunternehmens geleistet. Bevor er den Oslo-Fjord verließ, um wieder nach der Heimat zurückzukehren, erhielt er den Besuch des Oberbefehlshabers der Kriegsmarine, Großadmiral Raeder, der der Besatzung seine Anerkennung für ihre vorzüglichen Leistungen und die erzielten Erfolge aussprach. Die Männer der dritten „Emden“ durften mit Recht stolz sein, daß sie sich des ruhmreichen Namens ihres Schiffes würdig gezeigt hatten. Das Schicksal erfüllt sich Während der darauffolgenden Kriegsjahre gehörte „Emden“ fast ausschließlich zum Ausbildungsverband der Flotte. Von Gotenhafen aus machte der Kreuzer mit Offiziersanwärtern an Bord seine Übungsfahrten in die Ostsee und zwar bis in das Jahr 1944 hinein. Erst in den letzten Monaten dieses Jahres wurde er noch einmal zu Minenunternehmungen im Skagerrak und an der südnorwegischen Küste eingesetzt. Dort war „Emden“ das einzige größere Schiff bei
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dieser Aufgabe. Durch geschicktes Manövrieren konnte es den wiederholten Angriffen feindlicher Flugzeuge unbeschädigt entgehen. Dann bedurften die alten Maschinenanlagen nach den jahrelangen hohen Beanspruchungen dringend einer Grundüberholung. „Emden“ ging daher nach Königsberg in die Schichau-Werft. Anfangs waren die Arbeiter fleißig auf dem Schiff tätig. Man war ehrlich darum bemüht, den Kreuzer rasch wieder fahrbereit zu machen. Die Ereignisse im Osten waren jedoch schneller. Die Front rückte immer näher. Mitte Januar 1945 stand die Rote Armee bereits vor den Toren der Stadt. Auf der Werft ruhte seit Tagen die Arbeit. Die Niethämmer schwiegen. Lähmende Stille lastete auf dem weiten, sonst vom Arbeitslärm erfüllten Werftgelände. Dafür drang aus der Ferne das dumpfe Grollen feuernder Geschütze herüber. Die Sowjets griffen an. Am 19. Januar hatte sich die Lage vor und in Königsberg so zugespitzt, daß Hals über Kopf sämtliche Arbeiter zum Volkssturm eingezogen wurden. Die ,Festung’ Königsberg sollte bis zum letzten Mann verteidigt werden. Auf dem Kreuzer stand und lag alles so herum, wie die Arbeiter es bei ihrem letzten Aufbruch verlassen hatten. Das Oberdeck war übersät mit Maschinenteilen, Werkzeugen und Geräten. Die Besatzung stand diesem Wirrwarr ziemlich ratlos gegenüber. Was sollte nun werden? Immer deutlicher werdender Geschützdonner zeigte ihr, daß die Front von Tag zu Tag näherrückte. „Emden“ aber lag, völlig fahrunfähig, in der Werft. Da traf am 23. Januar ein Befehl aus Berlin ein: „Sofort klarmachen zum Auslaufen!“ „Emden“ sollte mit Schlepperhilfe nach Pillau gebracht und dann weiter nach Kiel überführt werden, wo man die Maschinenüberholung beenden wollte. Es wurden die turbulentesten Tage, die der Kreuzer wohl je erlebt hatte.
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Hunderte von Seemannshänden versuchten Ordnung in das Durcheinander auf und unter Deck zu bringen. Auf dem von allen Ingenieuren, Technikern und Werftarbeitern entblößten Werftgelände mußte die Besatzung die ausgebauten Maschinenteile des Kreuzers aus den verschiedensten Hallen und Werkstätten zusammensuchen und an Bord bringen. Daß dabei manches Stück nicht gefunden oder falsch mitgenommen wurde, wird dem, der solch einen Werftbetrieb kennt und sich das heillose Durcheinander vor Augen zu führen vermag, nicht weiter verwundern. Die Männer versuchten jedenfalls ihr bestes und schleppten herbei, was ihnen richtig erschien. Lieber drei Teile zu viel als einen zu wenig. Als in der Stadt bekannt wurde, daß „Emden“ auslaufen sollte, versammelten sich Tausende von Bewohnern mit rasch zusammengerafftem Hab und Gut vor dem Schiff, um mitgenommen zu werden. Die Angst vor den immer näher rückenden Sowjets stand ihnen in den Gesichtern geschrieben. Da kam ein neuer Befehl aus Berlin. Er besagte, daß „Emden“ die Leinen erst loswerfen durfte, nachdem eine wertvolle Fracht an Bord gebracht worden war : die Sarkophage des Feldmarschalls und Reichspräsidenten Paul von Hindenburg und seiner Gattin. Wenige Stunden vor dem Eintreffen der russischen Panzerspitzen hatten deutsche Pioniere aus dem Tannenberg-Nationaldenkmal bei Hohenstein in Ostpreußen die beiden schweren Bronze-Sarkophage sowie die dort aufbewahrten Fahnen und Feldzeichen der alten Armee herausgeholt und befanden sich damit auf dem Weg nach Königsberg. Der Kreuzer wartete nun auf ihr Eintreffen. Eisbrecher und Schlepper waren zur Stelle, um „Emden“ durch den Seekanal zu bringen. Stunde um Stunde verging. Niemand wußte, wann der Transport eintreffen würde, und ob er überhaupt durchkam. Die Dunkelheit brach herein. Schnee fiel in dicken Flocken. In den zur Zeit nicht heizbaren Räumen des Kreuzers war es bitter kalt.
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Der Kreuzer übernimmt im Hafen von Königsberg die Sarkophage Hindenburgs und seiner Gattin.
Draußen warteten die Menschen zu Tausenden und hofften, an Bord gelassen zu werden. Da das Schiff aber zunächst nach Pillau geschleppt werden sollte, um dort notdürftig fahrbereit gemacht zu werden, wäre es zwecklos gewesen, aus Königsberg flüchtende Menschen mitzunehmen. Die Hoffnung der vor dem Schiff Wartenden mußte daher zum größten Bedauern des Kommandos und der Besatzung enttäuscht werden. Gegen 10 Uhr abends kam ein General an Bord. Es war Oskar von Hindenburg, der Sohn des Feldmarschalls. Er wollte hier noch einmal Abschied von seinen toten Eltern nehmen. Auch er wartete nun darauf, daß man die Särge brachte. Die Stunden verrannen. Mitternacht war längst vorüber. Unter der weißen Schneedecke und den rieselnden Flocken war die Nacht still und friedlich, als gäbe es keine Russen vor den Toren der alten deutschen Stadt. Da, gegen 3 Uhr, rollten endlich mehrere Lastwagen auf den Kai. Sie brachten die Sarkophage. 48
Eine Ehrenwache von 20 Seeleuten trat am Fallreep an. Der Schnee bildete kleine weiße Pelze auf ihren Mützen und Schultern. Halblaute Kommandos erschollen, das „Seite“-Pfeifen der Bootsleute drang gedämpft durch die Nacht. Sonst herrschte lautlose Stille. Im matten Licht von Bogenlampen schwebten die schweren Sarkophage im Takel eines Werftkrans langsam auf das Schiff und senkten sich in einem provisorisch hergerichteten Ehrenhof auf dem Oberdeck, umgeben von den alten stolzen Feldzeichen. Ein Doppelposten hielt die Ehrenwache. „Leinen los!“ „Emden“ verließ mit ihrer kostbaren Fracht den Hafen von Königsberg und wurde nach Pillau geschleppt. Dort wurden die Sarkophage von einem Fahrgastschiff übernommen, das sie nach Swinemünde brachte. Anschließend transportierte man sie nach Potsdam, später in ein Thüringer Bergwerk, bis sie schließlich in der Marburger Elisabeth-Kirche ihre neue Ruhestätte fanden. In Pillau wurde „Emden“ beschleunigt mit einer Maschine fahrbereit gemacht. Von hier aus nahm sie etwa tausend Flüchtlinge, meist Frauen und Kinder, mit, die bei schneidender Kälte von mehr als 20 Grad an Bord gekommen waren. Am 6. Februar 1945 traf der Kreuzer nach sechstägiger langsamer Fahrt in Kiel ein. — Bei den Deutschen Werken setzte man die Überholungsarbeiten am Schiff fort. Sie schritten freilich nur langsam voran. Als im April wieder einer der schweren, rollenden Luftangriffe auf den Kriegshafen und seine Werften stattfand, wurde „Emden“ durch Bombentreffer so schwer beschädigt, daß sie nicht mehr schwimmfähig blieb. Mit Hilfe von Schleppern und Pumpendampfern setzte man den Kreuzer in der Heikendorfer Bucht auf Strand und kommandierte den größten Teil der Besatzung zu anderen Kampfaufgaben ab. Am 26. April 1945 fand durch Niederholen von Flagge und Wimpel die Außerdienststellung des dritten Kreuzers „Emden“ statt. Am 3. Mai 1945, wenige Tage vor der Kapitulation, wurde der Kreuzer zusammen mit anderen im Kieler Hafen liegenden Schiffen
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durch fünf große Sprengladungen vollkommen zerstört. Nach Kriegsende wurde das Wrack abgebrochen und verschrottet. Damit gehört auch der dritte Träger des Namens „Emden“ der Vergangenheit an. Der Mythos dieses Namens aber lebt noch heute an den Küsten des Indischen Ozeans. ENDE
Als nächste Bände erscheinen in den Seefahrt-Serien: ANKER-HEFT Nr. 42 Italienischer Kolonialkreuzer „Eritrea“ Flucht nach Ostasien SOS-HEFT Nr. 91 S. M. Kleiner Kreuzer „Niobe“ / Segelschulschiff „Niobe“ Ein tragisches Ende
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