Wilson Cardozo Der ewige Kalte Krieg
Globale Gesellschaft und internationale Beziehungen Herausgegeben von Thomas Jäg...
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Wilson Cardozo Der ewige Kalte Krieg
Globale Gesellschaft und internationale Beziehungen Herausgegeben von Thomas Jäger
Wilson Cardozo
Der ewige Kalte Krieg Kubanische Interessengruppen und die US-Außenpolitik
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Dorothee Koch / Verena Metzger Der VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Satz: Anke Vogel Druck und buchbinderische Verarbeitung: STRAUSS GMBH, Mörlenbach Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-17544-7
Inhaltsverzeichnis
Einleitung..............................................................................................................................9 I
Methodologie und Operationalisierung...........................................................11
I.1
Die historischen Rahmenbedingungen ................................................................11
I.2 I.2.1
Der transnationale Charakter der Akteure bei den bilateralen Beziehungen .......12 Annäherung an den neoliberalen Ansatz in den Internationalen Beziehungen ...13
I.3 I.3.1 I.3.1.1 I.3.1.2 I.3.1.3
Die Operationalisierung der Studie .....................................................................16 Problemstellung und begriffliche Definitionen ...................................................18 Ziele der vorliegenden Untersuchung .................................................................18 Spezifizierung und Bestimmung von Interessen .................................................19 Klärung und definitorische Eingrenzung des Begriffs der politischen Interessengruppen................................................................................................20 Die theoretische Abgrenzung zum Elitenkonzept ...............................................25 Klärungen zum Begriff der kubanischen Opposition ..........................................28 Die Eingrenzungsdimensionen der bilateralen Beziehung ..................................30 Das Aktions- und Reaktionsmuster im partikulären Fall ....................................30 Der Inkompatibilitätsfaktor in den bilateralen Beziehungen...............................31 Die kubanische Auswanderung ...........................................................................32 Die geographische und geopolitische Lokalisierung der Gruppen und deren historische Einflussfaktoren ................................................................................34 Determinanten und Indikatoren der Umfrage......................................................37 Zur methodologischen Operationalisierung ........................................................37 Zur Befragung und zum Fragebogen...................................................................39 Kongruenz und Korrelation der Indikatoren .......................................................40 Zur Operationalisierung der internationalen politischen Dimension...................40 Agierende Gruppierungen innerhalb Kubas (Gc)................................................41 Intern agierende cubano-amerikanische Gruppierungen in den USA, konzentriert in Miami (Gm)................................................................................41 Der internationale Charakter der angewandten US-Gesetze gegen Kuba (G1, G2, G3).......................................................................................................42 Der Kongress (K) ................................................................................................43 Der Präsident (P).................................................................................................43 Außenpolitischer Einfluss (Eap).........................................................................43
I.3.1.4 I.3.1.5 I.3.2 I.3.2.1 I.3.2.2 I.3.2.3 I.3.2.4 I.3.3 I.3.3.1 I.3.3.2 I.3.3.3 I.3.3.4 I.3.3.4.1 I.3.3.4.2 I.3.3.4.3 I.3.3.4.4 I.3.3.4.5 I.3.3.4.6
6
Inhaltsverzeichnis
II
Historische Kontextualisierung der Interessengruppen und deren geopolitische und soziale Rahmenbedingungen..............................................45
II.1 II.1.1
Die vorrevolutionäre Phase von 1865 bis 1959...................................................46 Unabhängigkeitsbestrebungen und der Krieg gegen Spanien von 1865 bis 1898 ...............................................................................................47 Entstehung der Republik: US-Besatzung, Dominanz und das Platt Amendment 1899 bis 1902..................................................................................57 Pseudorepublik, Diktatur und Revolution 1902 bis 1959....................................59 Wechselseitiger gesellschaftlicher Austausch zwischen den USA und Kuba sowie Migration und Mafia im Rahmen der kubanischen Emanzipation............68
II.1.2 II.1.3 II.1.4 II.2 II.2.1 II.2.2 II.2.3
Revolution und Konterrevolution im Kontext des Ost-West-Konflikts 1959 bis 1990.......................................................................................................72 Die 1960er Jahre: Von Dwight D. Eisenhower über John F. Kennedy bis Lyndon B. Johnson ........................................................................................74 Die 1970er Jahre: Von Richard M. Nixon über Gerald R. Ford bis James E. Carter....................................................................................................82 Die 1980er Jahre: Die Dekade Ronald W. Reagans und des Aufschwungs der kubanischen Organisationen..........................................................................85
II.3 II.3.1 II.3.2 II.3.3
Die Kubapolitik der USA nach dem Ende des Ost-West-Konflikts bis 2007 .....89 Die Regierung von George H. Bush 1989 bis 1993 ............................................91 Die Regierung von William Jefferson Clinton 1993 bis 2001.............................94 Die Regierung George W. Bushs von 2001 bis heute .........................................98
III
Zentrale Akteure und der Präferenzbildungsprozess ..................................103
III.1 III.1.1 III.1.1.1 III.1.1.2 III.1.1.3
Die kubanischen Interessengruppen in den Vereinigten Staaten von Amerika .103 Kategorisierung der kubanischen Interessengruppen ........................................106 Die konservativen bürgerlichen Gruppen..........................................................108 Die reaktionären militanten Gruppen ................................................................114 Die moderaten dialogbereiten Gruppen.............................................................118
III.2
Instrumente der kubanischen Interessengruppen im politischen Präferenzbildungsprozess..................................................................................121 III.2.1 Die Wahlmobilisierung der cubano-amerikanischen Interessengruppen ..........123 III.2.1.1 Die Beteiligung der Cubano-Americanos an den politischen Kampagnen .......126 III.2.1.2 Die Political Action Commitees (PACs) und ihre unterstützende Funktion......129 III.2.1.3 Die Rolle der Medien innerhalb des Präferenzbildungsprozesses.....................134 III.2.1.4 Die Parteienaffinität der Cubano-Americanos ..................................................136 III.2.2 Der Einfluss der cubano-amerikanischen Interessengruppen auf die Regierung ....................................................................................................141 III.2.2.1 Der Kongress und der legislative Prozess .........................................................141 III.2.2.2 Die Interaktion von Interessengruppen und Exekutive .....................................146 III.2.2.3 Aktionsfelder der Interessengruppen in der Judikative .....................................148 III.2.2.4 Lobbyarbeit im Auftrag der Interessengruppen.................................................151 III.2.2.5 Der außenpolitische Einfluss der Interessengruppen.........................................153
Inhaltsverzeichnis
7
III.3 III.3.1 III.3.2 III.3.3 III.3.4 III.3.5 III.3.6
Oppositionelle Gruppierungen in Kuba.............................................................157 Menschenrechtsgruppierungen..........................................................................159 Politisch orientierte Gruppen.............................................................................160 Staatlich unabhängige Arbeiterverbände...........................................................161 Religiöse Gruppierungen...................................................................................162 Das Proyecto Varela..........................................................................................163 Das Programa Todos Cubanos ..........................................................................164
III.4 III.4.1 III.4.2 III.4.3
Mediale Arbeitsinstrumente der oppositionellen Gruppierungen in Kuba ........165 Der Einsatz von Radio und Fernsehen Martí.....................................................166 Die Internationalisierung der kubanischen Opposition .....................................167 Interne und externe Oppositionsverbindung und ihre finanzielle Unterstützung ....................................................................................................169
III.5
Der bürokratische Apparat und seine Interaktion zur Ausführung der US-Kubapolitik .................................................................................................171
IV
Außenpolitische Mess- und Prüfinstrumente.....................................................177
IV.1 IV.1.1 IV.1.2
Der Cuban Democracy Act (CDA) von 1992 ...................................................177 Track I: Die Aufrechterhaltung der Sanktionen ................................................178 Track II: Interne Veränderungen .......................................................................178
IV.2 IV.2.1
Der Cuban Liberty and Democratic Solidarity Act (CLDSA) von 1996...........179 Die Beibehaltung der Ziele................................................................................181
IV.3 IV.3.1
Die Commission for Assistance to a Free Cuba (CAFC) ..................................182 Stärkung und Förderung der Zivilgesellschaft bei der Restrukturierung des Landes.........................................................................................................183 Auflösung der Informationsblockade der kubanischen Regierung....................184 Hinderung des Zugangs zu finanziellen Ressourcen .........................................184 Internationalisierung der kubanischen Situation ...............................................186 Diplomatische Zusammenarbeit zur Unterstützung der Zivilgesellschaft und Herausforderung der Regierung .................................................................187 Verhinderung einer Regierungsübergabe durch Fidel Castro............................188
IV.3.2 IV.3.3 IV.3.4 IV.3.5 IV.3.6 IV.4 IV.4.1 IV.4.1.1 IV.4.1.2 IV.4.1.3 IV.4.2 IV.4.2.1 IV.4.2.2 IV.4.2.3 IV.4.3 IV.4.3.1 IV.4.3.2
Kongruenz der Position der aktiven Organisationen mit den US-politischen Maßnahmen zu Kuba ........................................................................................188 Allgemeine Daten der Probanden......................................................................189 Staatsangehörigkeit und Selbstdefinition der Aktivisten...................................189 Durchschnittsalter..............................................................................................190 Beteiligung von Frauen und Männern in den Organisationen...........................190 Demographische Daten .....................................................................................191 Zeitpunkt der Auswanderung ............................................................................191 Jährliches Einkommen ......................................................................................192 Bildungsniveau..................................................................................................192 Einstellung zu den Massenmedien und deren Auswirkungen ...........................193 Bevorzugte Sprache bei der Informationsgewinnung........................................193 Auswirkungen von Radio und Fernsehen Martí................................................193
8
Inhaltsverzeichnis
IV.4.3.3 IV.4.4 IV.4.4.1 IV.4.4.2 IV.4.4.3 IV.4.4.4 IV.4.4.5 IV.4.4.6 IV.4.4.7 IV.4.4.8 IV.4.4.9 IV.4.4.10 IV.4.5 IV.4.5.1 IV.4.5.2 IV.4.5.3 IV.4.5.4 IV.4.5.5 IV.4.5.6 IV.4.5.7 IV.4.6 IV.4.6.1 IV.4.6.2 IV.4.6.3 IV.4.6.4 IV.4.7 IV.4.7.1 IV.4.7.2 IV.4.7.3 V
Relevanz und Auswirkung von CNN auf Kuba ................................................194 Einstellung zum Embargo und dessen Auswirkungen ......................................195 Einstellung zu den Gründen für die wirtschaftliche Situation Kubas................195 Verbot der Geschäftsbeziehungen zwischen US-Unternehmen und Kuba........195 Rückgabe beschlagnahmten Eigentums durch Kuba.........................................196 Eingrenzung des kulturellen Austausches zwischen beiden Ländern................197 Eingrenzung des Reiseverkehrs zwischen beiden Ländern ...............................197 Eingrenzung der Geldtransaktionen nach Kuba ................................................198 Auswirkungen der Anwendung des Helms-Burton-Gesetzes auf Kuba ............198 Auswirkungen des Embargos auf Änderungen innerhalb Kubas ......................199 Position zum Weiterbestehen der Sanktionen ...................................................199 Position zur Beendigung des Embargos durch den Präsidenten oder den Kongress.....................................................................................................200 Position zur internationalen Beteiligung der USA und anderer Länder an den Veränderungen auf Kuba .......................................................................200 Einstellung zu einer militärischen Intervention der USA..................................201 Position zu einer militärischen Intervention von Exil-Gruppen ........................202 US-Unterstützung von Nicht-Regierungs-Organisationen und Menschenrechtsgruppen auf Kuba ....................................................................202 US-Beteiligung an den politischen Veränderungen auf Kuba...........................203 Ernennung eines US-Beauftragten zur Stärkung und Koordinierung der Transition auf Kuba...........................................................................................203 Beteiligung von anderen Ländern wie denen der Europäischen Union an den politischen Veränderungen auf Kuba.....................................................204 Regierungsübernahme auf Kuba durch einen Exilkubaner nach einem politischen Wechsel...........................................................................................205 Wahleinflüsse und Parteizugehörigkeit.............................................................205 Definition der Position zu Kuba ........................................................................206 Position zu den Prioritäten im kubanischen Transformationsprozess ...............207 Parteizugehörigkeit und Registrierung ..............................................................207 Auswirkungen der US-Position zu Kuba auf das Wahlverhalten der Aktivisten ....................................................................................................208 Perspektiven nach einem Wechsel auf Kuba.....................................................208 Rückkehrbereitschaft im Falle einer politischen Demokratisierung..................209 Rückkehrbereitschaft im Falle einer grundlegenden wirtschaftlichen Öffnung 209 Zeitliche Prognose zu den politischen Veränderungen auf Kuba......................210
Kongruenzkriterien und Ergebnisse...................................................................211
Schlussfolgerung und Diskussion ......................................................................................213 Perspektive und Diskussion ...............................................................................................217 Bibliographie ....................................................................................................................219 Tabellenverzeichnis..........................................................................................................245
Einleitung
Innerhalb der außenpolitischen Interaktion zwischen den USA und den Ländern Lateinamerikas gibt es keinen vergleichbaren Fall, der die Differenzen, die ideologische Konfrontation, aber auch die kulturelle Annäherung und gegenseitige Einflussnahme so facettenreich widerspiegelt wie die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Kuba. Die gegenwärtige Gestaltung neuer Ansätze zur Lösung des bilateralen Konflikts, der schon über ein halbes Jahrhundert besteht, wird durch verschiedene historische Ereignisse konditioniert. Die kulturelle Verbundenheit beider Länder, die nicht nur durch die geographische Nähe entstanden ist, sondern auch durch den US-amerikanischen Einfluss zu Zeiten der kubanischen Nationsbildung und der damit verknüpften Auseinandersetzung um die Unabhängigkeit der Insel, die gleichzeitig von einer nachhaltigen Migrationsbewegung begleitet war, führte im Laufe der Jahrzehnte zur Etablierung kubanischstämmiger Gruppierungen in den USA. Diese bilden zum einen auf Grund ihrer erfolgreichen Integration in die soziopolitischen und ökonomischen Strukturen der Vereinigten Staaten, die durch die USamerikanischen Regierungen begünstigt wurde, und zum anderen wegen ihrer demographischen Konzentration in der Region Floridas einen Referenzpunkt für eine erfolgreiche Beteiligung einer ethnischen Minderheit an der Gestaltung, Einflussnahme und Ausführung außenpolitischer US-amerikanischer Maßnahmen. In der vorliegenden Studie werde ich zeigen, dass die Gruppen für die Interpretation der bilateralen Beziehungen zwischen den USA und Kuba einen entscheidenden innenpolitischen Faktor repräsentieren. Dieser wird zwar in der wissenschaftlichen Literatur zu diesem spezifischen Thema erwähnt, bisher wurde er jedoch nicht in einen theoretischen Rahmen eingebettet und empirisch untersucht. In dieser Studie sollen die transnationalen Einflussdeterminanten dieser politischen Akteure auf die außenpolitischen Entwürfe der US-amerikanischen Kubapolitik herausgestellt werden und soll deren konkrete Wirkkraft analysiert werden. Hierzu werden die Positionen der verschiedenen US-amerikanischen Regierungen, die sich in den spezifischen Maßnahmen wie beispielsweise dem Instrument der Sanktionen konkretisiert haben, und die Haltung politischer Akteure in den organisierten Gruppen zur Anwendung dieser politischen Instrumente auf deren Korrelation und Kongruenz überprüft. Eine Untersuchung dieser Gruppen würde allerdings ohne die Berücksichtigung des historischen und ideologischen Hintergrunds keine Basis für das heutige Verständnis über deren Entstehungsprozess, Interaktion und Einflusskraft auf die bilateralen Beziehungen geben. Der analytische Zeitrahmen dieser Studie wurde trotz der notwendigen Berücksichtigung des geschichtlichen Aspekts auf den qualitativen Wechsel in der außenpolitischen Konstellation nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion festgelegt. Die transformierten weltpolitischen Konditionen ermöglichten ab diesem Zeitpunkt grundlegende Veränderungen in der Wechselwirkung zwischen den Interessen der US-amerikanischen Regierung und den ethnischen Gruppierungen in den USA. Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit ist es deshalb, nicht nur die Aspekte der Entstehung dieser Gruppen zu beleuchten, sondern vor allem auch ihren Einfluss auf die Konzipierung der US-amerikanischen Kubapolitik ab den 1990er Jahren und ihre Mitwirkung an den außenpolitischen Entscheidungen herauszustellen.
10
Einleitung
In Kapitel I wird die methodologische Vorgehensweise der Analyse, in der die Interessengruppen als zentrale Akteure bei der Bildung von Präferenzen positioniert werden, begründet und dargestellt. Die Struktur des Forschungsdesigns besteht nach der Grundlegung der methodologischen Operationalisierung in Kapitel I.3 aus vier Arbeitssäulen: Die erste Säule umfasst den historischen Kontext, die zweite die zentralen Akteure, gefolgt von dem Präferenzbildungsprozess als dritter Säule und dem vierten Element, das die Prüfinstrumente der Studie beinhaltet. In Kapitel II-1 und II-2 werden zwei entscheidende Epochen, in denen sich die gesellschaftliche Komposition der kubanischen Interessengruppen in den USA gebildet hat, dargestellt. Sowohl das vorrevolutionäre als auch das postrevolutionäre Kuba bilden die ersten beiden Zeitspannen, in denen die dynamischen Konsequenzen für die Entstehung der kubanischen Interessengruppen in den Vereinigten Staaten determiniert werden. In Kapitel III, das die zentralen Akteure behandelt, wird auf die Zusammensetzung der Gruppen, auf deren Strukturierung, politische Affinität zu den Großparteien, außerdem auf ihre ideologische Konzeption sowie ihren Aktionsradius und auf die politischen Instrumente ihres Agierens eingegangen. Wie ich im Zuge der Arbeit zeigen werde, erlaubt die transnationale Reichweite ihrer Handlungen eine enge Verbindung zu den entstehenden Oppositionsgruppen innerhalb Kubas. Die Rahmenbedingungen für den Handlungsspielraum der Gruppierungen werden durch die gegebenen politischen Strukturen und Möglichkeiten des USamerikanischen Systems konditioniert. Es werden deshalb die angewandten Instrumente der kubanischen Interessengruppen im politischen Präferenzbildungsprozess wie die Wählermobilisierung, die politischen Kampagnen, der Medieneinsatz, die Parteiaktivität und Lobbyarbeit herausgestellt und die wichtigsten Interaktionsmomente der Gruppen innerhalb des USamerikanischen Regierungssystems mit relevanten Akteuren im Kongress, der Exekutive und der Judikative analysiert. Auf dieser Basis werden die Grundzüge der gegenwärtigen USamerikanischen Politik herauskristallisiert und deren Koordinaten im Hinblick auf die künftige Gestaltung der außenpolitischen Beziehungen und der zu erreichenden Ziele determiniert. Kapitel IV schließt die Studie ab, indem die konzipierten und angewandten politischen Maßnahmen, die sich in konkreten Gesetzen und in der Durchführung von Aktionen seitens der US-amerikanischen Regierung äußern, dargestellt werden. Dabei wird die Korrelation dieser politischen Instrumente mit den Positionen der aktiven Gruppen zu den Maßnahmen überprüft und die Kongruenzintensität analysiert. Hierzu werden die Resultate der durchgeführten empirischen Umfrage unter den Aktivisten aufgezeigt und ausgewertet.
I
Methodologie und Operationalisierung
I.1 Die historischen Rahmenbedingungen Die Beziehungen zwischen Kuba und den USA wurden im Laufe der letzten Jahrzehnte lange und gut dokumentiert und haben aus heutiger Sicht eine partikuläre Form angenommen. Historisch betrachtet ist die Politik der USA gegenüber Kuba ein Einzelfall. Dieses Beziehungsgeflecht kann meiner Ansicht nach anhand von vier verschiedenen Etappen skizziert werden. Die erste bezieht sich auf den Unabhängigkeitskrieg gegen Spanien, gefolgt von einem Zeitraum der US-amerikanischen Dominanz als zweiter Phase, die mit dem Sieg der Revolution und der Zuspitzung der bipolaren Konfrontation während der Kubakrise durch eine dritte abgelöst wurde. Diese Etappe hielt während des Kalten Kriegs an und endete mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Die vierte Phase begann mit der Wende in Europa, nach der heute meines Erachtens die Beziehungen in ein monolitisches Muster eingeordnet werden können. Innerhalb der bilateralen Interaktion treffen zwei entscheidende Kräfte aufeinander, die die politischen Denkparameter in der bilateralen Interaktion mitbestimmen: a. b.
Der erhöhte Druck durch die Maßnahmen der USA Die konstante Resistenz auf diese Maßnahmen seitens der kubanischen Regierung
Unabhängig von diesen vier Phasen fließen parallel weitere Elemente in die Beziehungen mit hinein. Zwei von ihnen sind die enge kulturelle Interaktion zwischen beiden Ländern und die geographische Nähe durch Florida. In diesem Bundesstaat ließen sich schon vor den Unabhängigkeitskriegen kubanische Gruppen nieder, die kontinuierlich Einfluss auf die politische Entwicklung der Insel ausgeübt haben. Sowohl bei dem Krieg gegen Spanien als auch bei dem revolutionären Kampf gegen die Diktatur und die US-amerikanische Dominanz entsprang dort eine wichtige organisatorische Quelle für die Konstruktion der kubanischen Nation. Der Süden Floridas war sowohl in der Vergangenheit und ist auch heute noch ein Ort kultureller Verbundenheit mit der Insel und Ursprung politischer Interessen. Die kubanischen Immigranten sind in diesem Sinne eine unausweichliche historische Erscheinung, die die kubanischen Unabhängigkeitsbestrebungen in der Geschichte der Nationsbildung reflektiert. Abgesehen von den kubanischen Gruppen, die besonders während der vier Jahrzehnte seit der kubanischen Revolution innerhalb der US-politischen Strukturen Einfluss gewonnen haben, begannen auf Kuba Dissidenten1 nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Gruppen zu formieren, deren politische Aktivität sich in den letzten Jahren intensiviert hat. Anhand der von mir durchgeführten Bestandsaufnahme dieser Organisationen, die sich selbst als die innere politische Opposition im Land verstehen, kann die wichtige Rolle aufgezeigt werden, die diese Gruppen immer mehr einnehmen, obwohl die kubanische Regierung sie politisch nicht anerkennt. In dieser Untersuchung werden ihre tatsächliche Reichweite und die Auswirkungen ihrer Tätigkeiten beleuchtet. Die kubanischen Organisationen haben vor allem bei der 1
An dieser Stelle wird nicht auf die genaue Definition dieses Begriffs eingegangen; siehe dazu Unterpunkt 3.1.5.
12
I Methodologie und Operationalisierung
internationalen Gemeinschaft ein hohes Ansehen gewonnen. Sie sehen sich dadurch in ihrer Aufgabe, politische, soziale und wirtschaftliche Reformen auf Kuba voranzutreiben, legitimiert. In meiner Dissertation werden sowohl diese Gruppen im Ausland als auch die neu auf Kuba entstandenen untersucht, ebenso deren Verbindungen untereinander. Dabei soll der zentralen Fragestellung nachgegangen werden, ob diese Akteure eine reale Auswirkung auf die bilateralen Beziehungen haben oder nicht.
I.2 Der transnationale Charakter der Akteure bei den bilateralen Beziehungen Bei der politischen Analyse der Beziehungen zwischen den USA und Kuba muss eine nähere Differenzierung vorgenommen werden, in welchen Bereich der politischen Disziplin der Internationalen Beziehungen diese Untersuchung einzuordnen ist und welches theoretischen Modells sich die Studie bedient. Für die interpretative politische Dimension dieser Arbeit ist nicht a priori der intergovernementale, sondern der transnationale Charakter der Beziehungen von Bedeutung. Dies ist vor allem auf die historische, geographische und kulturelle Verbundenheit der Akteure auf beiden Seiten zurückzuführen. Schon bei der Festlegung und Einordnung des Untersuchungsbereichs treten definitorische Feinheiten auf. So diskutiert Czempiel die Begriffe Internationale Politik oder Internationale Beziehungen und begründet welcher der beiden zutreffender ist. Von Bedeutung ist hier seine Aussage, dass internationale Politik nicht nur von Staaten betrieben wird, sondern offensichtlich auch nichtstaatliche relevante Akteure betroffen sind. Durch die Anwendung des Begriffs der Internationalen Beziehungen wird somit das Forschungsinteresse auch auf die Aktionen und Interaktionen nichtstaatlicher Akteure gerichtet. Da auf dieser Ebene unabhängig davon, welche Einheiten beteiligt sind, die Interaktionsmomente stattfinden, bleibt der Begriff der Internationalen Beziehungen eher zutreffend. Das terminologische Problem hinsichtlich der Unterscheidung zwischen iternationalen Beziehungen, internationaler Politik und transnationaler Politik ist aber letztendlich für die Einordnung dieser Fallstudie nicht von Bedeutung.2 Diese Konzepte sind das Resultat von Interaktionen im internationalen System und formieren sich, analog zu Niklas Luhmann, in der soziologischen Konzeptualisierung von Interaktionssystemen nicht außerhalb der Gesellschaft, um dann als fertige Gebilde in dieselbe einzugehen, sondern entstehen in der Gesellschaft und sind in dieser verwurzelt.3 Die Sicht Luhmanns ist einleuchtend und stellt gleichzeitig die Komplexität beim Versuch, dieses Konzept auf die internationale Interaktion zu übertragen, dar. Diese These bildet eine fundierte Grundlage für das Verständnis der Entstehung von Präferenzen in einer Gesellschaft, die aber nicht zwangsläufig an der Grenze des Staates enden, sondern – so wird es diese Untersuchung zeigen – diese formell oder informell überschreiten können. Problematisch hierzu bleibt die Rolle des Staates. Der Nationalstaat als Hauptakteur der internationalen Beziehungen ist durch die veränderte politische Welt und die offenen Wirtschaftsbeziehungen zurückgestuft worden.4 Der Erklärung des internationalen Verhaltens des Staates liegen multiple Ursachen zu Grunde, bei denen nicht nur die Staaten allein, sondern auch die Handlungen anderer Akteure impliziert werden. Diese Handlungsmecha2 3 4
CZEMPIEL 1981: S. 13 u. 20. Siehe dazu LUHMANN 1997: S. 814. MEYERS 1998: S. 75-124.
I.2 Der transnationale Charakter der Akteure bei den bilateralen Beziehungen
13
nismen können nicht allein durch die dominante Fokussierung auf Staaten verstanden werden, sondern verlangen nach einer multifunktionalen Erklärung der Beziehungen in der Weltpolitik.5 Deshalb dürfen wichtige gesellschaftliche Akteure innerhalb der Staaten nicht ausgeklammert werden. Ein analytisches Modell der Politik sollte deshalb nicht monokausal, sondern eher pluralistisch ausgerichtet sein, um den Verlauf der Interaktionen im internationalen Umfeld zu explizieren.6 Darüber hinaus kommt es bei der strengen Differenzierung zwischen Innen- und Außenpolitik zu einem Bruch. Eine klare Trennung zwischen den nationalen Interessen und den internationalen Beziehungen gestaltet sich demnach problematisch. Sie wird von einigen Forschern sogar als willkürlich und falsch bezeichnet, da durch die Interessenkonzeptualisierung von Gruppierungen und Organisationen sowie durch deren Aktivitäten die Grenzen des Staates längst übertreten worden sind und somit eine klare Trennung aus theoretischer und praktischer Sicht erschwert wird.7 Die Welt ist nicht mehr staatszentriert und so ist im internationalen System eine Verzweigung zu erkennen: auf der einen Seite die Welt der nationalen Staaten und auf der anderen die komplexe und vielfältige Welt der agierenden und relativ unabhängigen Akteure – darunter NGOs, multinationale Konzerne, ethnische Gruppen etc. –, die sich in den Strukturen eines globalisierten Prozesses befinden, wobei man sogar von einer Proliferation der beteiligten Akteure sprechen kann.8 Czempiel führt diesen Ansatz weiter und sieht darin durch die wirtschaftlichen Akteure das Monopol des politischen Systems in der Außenpolitik nicht nur aufgebrochen, sondern beseitigt.9 Eine Auseinandersetzung mit den komplexen Ausprägungen der Theorieströmungen der Internationalen Beziehungen würde die methodologischen und theoretischen Konturen der vorliegenden Studie überschreiten; dennoch sehe ich die Notwendigkeit, im nächsten Punkt die theoretische Nähe zur liberalen Theorie der Internationalen Beziehungen innerhalb des strukturellen Aufbaus dieser Untersuchung zu skizzieren. Dabei soll der Zusammenhang zwischen der Entstehungsdynamik von Präferenzen und der Fähigkeit der agierenden oder vielmehr interagierenden Akteure – in diesem Fall der kubanischstämmigen Interessengruppen, die zwischenstaatliche Beziehungen beeinflussen können – herausgestellt werden.
I.2.1
Annäherung an den neoliberalen Ansatz in den Internationalen Beziehungen
Die neoliberale Schule charakterisiert sich durch eine neue angewandte Terminologie wie den kommerziellen, republikanischen oder soziologischen Liberalismus. Ich werde mich im folgenden Abschnitt auf zwei der führenden Vertreter dieser theoretischen Richtung beziehen. Zum einen auf Ernst-Otto Czempiel, der in der Tradition des Liberalismus die Friedensforschung gefördert und richtungsweisende Impulse in der Theorie der Internationalen Beziehungen formuliert hat, zum anderen werde ich auf den Ansatz von Andrew Moravcsik eingehen, der durch seine Präferenztheorie die Konsolidierung und Integrierung einer nicht ideologisierten liberalen Theorie in den Internationalen Beziehungen vorangetrieben hat. 5 6 7
8 9
Siehe dazu den Beitrag von JOHANSEN 1995: S. 254-257. Siehe dazu CZEMPIEL 1987a: S. 7f.; CZEMPIEL 1987b: S. 104, 114 u. 116f.; CZEMPIEL 1981: S. 66ff. CZEMPIEL 1981: S. 19. Czempiel sieht diese Trennung zwischen Außenpolitik als Aufgabe der Regierungen und nicht der Gesellschaften am Ende des 20. Jahrhunderts als nicht mehr haltbar an; vgl. CZEMPIEL 1999: S. 35. ROSENAU 1998: S. 146f., 159 u. 161; PETERSON 1998: S. 297. CZEMPIEL 1987b: S. 114.
14
I Methodologie und Operationalisierung
Die beiden Autoren stimmen in ihrem konzeptuellen Ausgangspunkt überein, dass sich die Handlungen des Staates und dessen Präferenzen aus den gesellschaftlichen Strukturen formieren. Das politische System ist somit für die Konzipierung der Außenpolitik sogar auf die gesellschaftlichen Anforderungen angewiesen.10 Der Kern der zentralen Thesen von Moravcsik ist die Kontraposition zum Realismus und Institutionalismus, bei der der Fokus nicht auf den Staat oder die internationalen Institutionen, sondern auf die innerstaatlich organisierte Gesellschaft gerichtet ist.11 Das Handeln innerhalb der Gesellschaft ist immer auf das Individuum zurückzuführen, auch wenn es sich in Gruppen organisiert und seine Interessen, seien sie materiell oder ideell, unabhängig der politischen Konstitution, Ziel seines Agierens sind. Die grundlegenden Annahmen der liberalen Theorie werden von Moravcsik in drei Schritten beschrieben: erstens das spezifische Handeln der gesellschaftlichen Akteure, zweitens die Art und Weise, wie die staatlichen Präferenzen aufgenommen und repräsentiert werden und zuletzt die Interdependenz und das internationale System. 1. Das Handeln der gesellschaftlichen Akteure: Was der Staat repräsentiert, sind die Ergebnisse gesellschaftlicher Verhältnisse. Da angenommen wird, dass die Akteure Individuen oder Gruppen sind, die primär Risikofaktoren vermeiden, bilden sie in Situationen, in denen ein gemeinsamer Konsens in ihren Zielen vorliegt, Koalitionen zur Verwirklichung ihrer Interessen. Der innergesellschaftliche Wettbewerb ist ein selbstverständlicher Vorgang, allerdings mit verschiedener Einflussintensität der Gruppen, je nach Verteilung der Machtverhältnisse. Es ist offensichtlich, dass es keinen Automatismus in der Konsensfindung gibt. Dies setzt ein kompetitives Verhalten voraus, das aber durch gesellschaftliche sowie institutionelle Anreize und Impulse, die von den Individuen und Gruppen gemeinsam ausgenutzt werden, begünstigt wird. Je größer die Anreize sind, desto intensiver ist die Handlungsbereitschaft der Akteure, wobei präventiv auch Kosten, Risiken und Vorteile einkalkuliert werden. Die Durchsetzung der Interessen ist nicht nur auf staatliche Ebene beschränkt, sondern wird von den Gruppen auch im transnationalen Interaktionskomplex verfolgt.12 2. Aufnahme und Repräsentation staatlicher Präferenzen: Der Staat agiert nicht als unabhängige Variable, sondern interpretiert die Interessen unterschiedlicher Akteure; dies geschieht nicht in derselben Weise, wie sie ihm transferiert werden, denn die staatlichen Strukturen haben in diesem Aufnahmeprozess eine relevante Funktion. Demzufolge sind einige Gruppen und Individuen besser repräsentiert als andere. Im weiteren Verlauf der Untersuchung werde ich zeigen, dass sich die hier behandelten kubanischen Interessengruppen im Hinblick auf die Gestaltung der Kubapolitik der Vereinigten Staaten in einer privilegierten Position befinden, um entsprechende einflussreiche Impulse zu geben. Diese Impulse bzw. gesellschaftlichen Interessen sind neben der Beschaffenheit der staatlichen Institutionen eine relevante Determinante für das Verhalten der Staaten auf internationaler Ebene. Die Präferenzen des Staates sollen aber nicht mit seinen Strategien, Taktiken und Politiken verwechselt werden. Die liberale Theorie fokussiert mögliche Änderungen in den Präferenzbildungen und nicht in den Strategien.13 3. Der republikanische Liberalismus beschäftigt sich mit der Übertragung gesellschaftlicher Präferenzen auf die politische Ebene und mit deren Repräsentation. Die Hauptvariable 10 11 12 13
Ebd.: S. 97, 99 u. 102. Ebd.: S. 513. Ebd., S. 517; siehe dazu auch JOHANSEN 1995: S. 272ff.; CZEMPIEL 1987b: S. 107. MORAVSCIK 1997: S. 518f.
I.2 Der transnationale Charakter der Akteure bei den bilateralen Beziehungen
15
des republikanischen Liberalismus ist somit der Modus innenpolitischer Repräsentation. Die Regierungspolitik eines Staates hängt von den innenpolitischen Gruppierungen, die sie repräsentieren, ab. Daraus resultiert, dass die Politik im Sinne der in der Regierung vertretenen Koalition oder der innergesellschaftlichen Einflussgruppen agiert. Im Laufe dieser Arbeit wird gezeigt, dass die agierenden Gruppen bei der außenpolitischen Formulierung von Maßnahmen gegenüber Kuba besonders aktiv sind und somit in der Positionierung eigener Interessen begünstigt werden, da hier ein Interessenvakuum in der Kubafrage seitens anderer relevanter Akteure besteht. Dies bedeutet, dass es in dieser Frage keine breite Repräsentativität der Interessen gibt, was in Anlehnung an Moravcsiks Thesen Risiken mit sich bringen kann. Je breiter die repräsentativen sozialen Segmente verteilt sind, desto enger ist ihre Risikobereitschaft. Das Gegenteil ist in autoritären Systemen zu finden, da dort die privilegierten Gruppen die Kosten und Risiken internationaler Konflikte und Kriege auf andere innerhalb der Gesellschaft übertragen können.14 Moravcsiks Thesen erlauben eine andere theoretische Annäherung an das Verständnis der Entstehungsdynamik von außenpolitischen Entscheidungen, da sie die wachsende Relevanz gesellschaftlicher Akteure implizieren. Die agierenden Kräfte einer Gesellschaft werden als eine Koalition und ein Konglomerat von Interessen verstanden, die von Gruppen oder Individuen repräsentiert werden. Das heißt, der Staat behält nicht nur einen Spielraum, um seine Interessen zu sortieren und seine Position im internationalen System zu bestimmen, sondern er wird auch von einer Serie von Interessen, Idealen und Aktivitäten seiner Mitglieder beeinflusst.15 Demzufolge führt diese theoretische Betrachtung zu einer Aufhebung der strengen Differenzierung zwischen Innenpolitik und internationalen Beziehungen. Der Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen Strukturen und Verhaltensmustern im internationalen System stellt den Kern des theoretischen Ansatzes dar. Das heißt, die Transformation innergesellschaftlicher Interessen mit den Instrumenten des politischen Systems, um außenpolitische Handlungen in Gang zu bringen, bildet die theoretische Säule des vorliegenden Konzepts. Helen Milner setzt genau an diesem Punkt an und stellt die Präferenzen der gesellschaftlichen Akteure in ihrer Entscheidungsfunktion dar; das bedeutet, dass die Akteure, ob mit oder ohne Kooperation auf der Systemebene, durchaus Einfluss nehmen können.16 Milner untersucht hierbei, wie die Interessengruppen innerhalb des Staates die Formierung und Entfaltung der Präferenzen des Staates und dessen Verhalten nach außen beeinflussen können. Auf der Basis von Moravcsiks Ausführungen lassen sich die Relation zwischen dem Staat und der innerstaatlichen Verfassung und die Linien für die Konstituierung der Präferenzen des Staates herausstellen, wobei für das Verständnis der Theorie die drei zentralen Ebenen der gesellschaftlichen Akteure, der Repräsentation sowie der staatlichen Präferenzen entscheidend sind, die wiederum in einem interdependenten internationalen System verflochten sind. Das heißt, die Präferenzen innerhalb des Staates werden nicht direkt in außenpolitische Entscheidungen übertragen, aber die Verteilung der entstehenden Interessen wird vom Staat reguliert und interpretiert. Innerhalb dieser Analyse werden der Verteilungsvorgang und die Umwandlungsprozesse nicht als eine Reduzierung auf die Innenpolitik, die hier explizit ausgelassen wird, aufgefasst, sondern als Präferenzbildungsprozesse der Außenpolitik angesehen. Sie sind, wie Krell formuliert, die „Innenseite der Außenpoli14 15 16
MORAVCSIK 1997: S. 530f.; vgl. DOYLE 1995: S. 85. Vgl. DOYLE/IKENBERRY 1997: S. 11; siehe auch das Kapitel After the Cold War, in: IKENBERRY 2001: S. 215-255. Siehe dazu MILNER 1997.
16
I Methodologie und Operationalisierung
tik“17. Die Innenseite, also die innergesellschaftlichen Präferenzbildungsprozesse, deren politische Ziele sich im gegebenen Fall in externen politischen Maßnahmen konkretisieren können, bildet hier den Kern der Interaktionsanalyse, wobei der Staat als Interpretationsund Umsetzungskanal der Politik bestehen bleibt.18 Dies bedeutet, dass sich die Gestaltung der Ziele eines Staates in den internationalen Beziehungen zuallererst in der Aufnahme und Umwandlung innergesellschaftlicher Interessen realisiert, die von den Akteuren, seien sie Individuen oder Gruppen, gezielt verfolgt werden. Es zeigen sich jedoch auch die Grenzen des Einflusses der innergesellschaftlichen Gruppenziele auf die direkte Umsetzung von Interessen im außenpolitischen Umfeld, da das System einen Spielraum behält, um einen Konsens unter den Beteiligten zu schaffen.19 Diese Verschiebung der Perspektive auf die Gesellschaft ist eine entscheidende Grundlage für die theoretische Modellierung dieser Studie. Das heißt, dass die fundamentalen Akteure in der internationalen Politik Individuen und Gruppen sind, die Interessen entwickeln, entfalten und zu verwirklichen suchen. An dieser Stelle muss verdeutlicht werden, dass sich die innergesellschaftlich entstehenden und hier angesprochenen Interessen auf die außenpolitischen Bildungsprozesse der Interessengruppen beziehen und nicht auf die Ziele innenpolitischer Angelegenheiten. In diesem Kontext ist es für diese Untersuchung der Beziehungen zwischen den USA und Kuba zentral, den gesellschaftlichen Interaktionsprozess und die aus ihm wahrgenommenen Interessen und auch deren Umsetzung explizit zu verfolgen und zu erklären. Die angesprochenen strukturellen Instrumente bzw. Prinzipien der zu untersuchenden Akteure umfassen eine funktionale grenzübergreifende Vernetzung. Diese konstituiert das prägende Instrument der Handlung und oszilliert zwischen dem internen politischen und dem internationalen gesellschaftlichen Milieu.
I.3 Die Operationalisierung der Studie Die Operationalisierung der Untersuchung gliedert sich in drei Bereiche. Der erste beschäftigt sich mit der definitorischen und begrifflichen Konzeptualisierung. Dabei werden die Ziele definiert, aber auch angewandte Terminologien wie „Gruppe“, „Interesse“, „Einfluss“, „Kubaner“ oder „kubanisch“ punktualisiert. Im zweiten Bereich werden die partikulären Eingrenzungsdimensionen der US-amerikanischen Kubapolitik dargestellt, zu denen das Aktions- und Reaktionsmuster in der bilateralen Beziehung, die kubanische Auswanderung und die geographische Lokalisierung der untersuchten Gruppierungen zählen. In der letzten Stufe werden die Hauptmerkmalsträger und Determinanten der Untersuchung operationalisiert.
17 18
19
KRELL 2004: S. 148. In den Vereinigten Staaten können relevante innergesellschaftliche Interessengruppen unilaterale Aktionen auslösen. Außenpolitische Strategien implizieren oftmals innenpolitische Elemente, die die langfristige Fokussierung und Systematisierung der Interessen bestimmen können; siehe dazu KEOHANE/NYE 2001: S. 205ff.; siehe auch zur Diskussion über den Multilateralismus STEWART 2002: S. 1-47. Siehe CZEMPIEL 1981: S. 21f.
I.3 Die Operationalisierung der Studie
Abbildung I-1:
17
Theoretische Darstellung: Interessengruppen bei der Konzipierung der US-Kuba-Außenpolitik
Die Untersuchung der Beziehungen zwischen den USA und Kuba basiert auf vier Säulen (s. Abb. I-1). Sie sind aufeinander bezogen und ergänzen bzw. konditionieren sich gegenseitig.
18 a. b. c. d.
I Methodologie und Operationalisierung
Die erste Säule des Modells kontextualisiert die historischen Rahmenbedingungen der Beziehungen, die durch das Ende des Ost-West-Konflikts festgelegt werden. Die zweite Säule bilden die kubanischen Interessengruppen, die als zentrale Akteure in der Bildung außenpolitischer Präferenzen agieren. Die dritte Säule korrespondiert mit den Präferenzbildungsprozessen innerhalb der USamerikanischen Gesellschaft, die letztendlich in der Konzipierung der Interessen und Präferenzen als zentrale Kategorien Ausdruck finden. Die vierte Säule bezieht sich auf die Messinstrumente der Analyse, die als zentrale Indikatoren Auskunft liefern sollen, ob es durch die erlassenen Gesetze und deren Anwendung einen Einfluss der Interessengruppen gegeben hat oder nicht.
I.3.1
Problemstellung und begriffliche Definitionen
Verfolgt man die kubanische Geschichte, so wird deutlich, dass die Insel bei der Druckausübung und der daraus entstehenden Dynamik durch externe Mächte im Laufe der Jahrhunderte als Experimentierfeld gedient hat. Dies war bereits während der spanischen Kolonialherrschaft der Fall gewesen, gefolgt von der Emanzipierungs- und Befreiungsphase, die mit dem anhaltenden Druck durch die Vereinigten Staaten zur Unterordnung der Insel einen weiteren Höhepunkt ohne Präzedenzfall auf dem amerikanischen Kontinent erreicht hat. Es wäre minimalisierend, wenn die komplexen Zusammenhänge dieser Auseinandersetzung lediglich auf externe Faktoren reduziert werden würden. Hierzu soll deshalb die entscheidende Rolle der privilegierten Gruppierungen und gesellschaftlichen Segmente kubanischen Charakters in den Vereinigten Staaten in den Vordergrund gerückt werden. Auf die Klärung der Untersuchungsziele folgt eine Spezifizierung bzw. Definierung der hier angewandten Begriffe „Interesse“, „Gruppe“ und „Opposition“. I.3.1.1
Ziele der vorliegenden Untersuchung
Die vorliegende Arbeit verfolgt vier grundsätzliche Ziele: a.
b.
c.
d.
Die empirische Analyse der ursprünglichen Aspekte der US-amerikanischen Kubapolitik ab den 1990er Jahren im Kontext einer historischen Konditionierung der bilateralen Beziehungen. Eine Präzisierung bezüglich der transnationalen Mitwirkung und Organisation kubanischer Interessengruppen innerhalb des amerikanischen Systems sowie die Prüfung ihrer Einflussintensität auf die Konzipierung der US-amerikanischen Kubapolitik. Die Klassifizierung und Kategorisierung agierender Dissidenten- bzw. Oppositionsgruppen innerhalb der kubanischen Gesellschaft und deren Verbindung zu den externen, in den USA tätigen Interessengruppen als strukturelles Prinzip einer funktionalen transnationalen Vernetzung. Eine Beleuchtung der Auswirkungen dieser Verbindung und Gruppeninteraktion hinsichtlich der zukünftigen Gestaltung der Beziehungen zwischen beiden Ländern auf der Basis einer durch die gewonnenen Erkenntnisse erklärenden theoretischen Funktion.
I.3 Die Operationalisierung der Studie
I.3.1.2
19
Spezifizierung und Bestimmung von Interessen
Die vier genannten Ziele setzen eine nähere Betrachtung und Definition der in dieser Studie angewandten Schlüsselbegriffe voraus. Bei der Definition des Interessenbegriffs stößt man auf eine lange Geschichte und seine Interpretation wurde von vielfältigen situativen Aspekten abhängig gemacht. Man findet drei ursprüngliche Grundbedeutungen des Wortes „Interesse“. Die Bedeutung geht von „sich dazwischen befinden“ über die ebenfalls räumlich aufgefasste Grundbedeutung „entfernt sein“ bis hin zu „verschieden sein“. Eine andere Erklärung dieses Begriffs fasst Interesse als „dabei sein“ auf, ebenfalls im lokalen Sinn als „teilnehmen“ oder auch „die Hand im Spiele haben“.20 Aus „dazwischen sein“ ergibt sich eine Konstellation zwischen zwei Subjekten oder zwischen einem Subjekt und einem Objekt. Dies bringt eine Beziehung zwischen den beiden Elementen zum Ausdruck. Der Begriff wird in verschiedenen Disziplinen und paradoxerweise je nach Interesse verwendet.21 Deshalb ist es hier notwendig, die Schlüsselbegriffe und ihre Eingrenzung zu präzisieren. Die Bedeutung des Interessenbegriffs liegt für mich darin, dass zwischen zwei getrennte Elemente ein drittes tritt und eine Verbindung herstellt.22 Aus sozialwissenschaftlicher Sicht ist der Interessenbegriff eine Vermittlungskategorie zwischen Individuum und Gesellschaft. In der Soziologie stellt er deshalb eine Schlüsselkategorie dar.23 Es handelt sich hierbei nicht nur um Beziehungen zwischen Menschen, sondern auch um die Relation zwischen gesellschaftlichen Dispositionen und politischen Handlungen. Das Interesse kann als etwas Zweckmäßiges oder aber Notwendiges mit kollektivem Charakter im materiellen oder moralischen Sinn verstanden werden. Objektiv betrachtet steht im Mittelpunkt, welchen Nutzen oder Vorteil eine Person einer Gruppe bringen kann, subjektiv betrachtet, was ein Individuum, sei es mental oder körperlich, dazu bewegt, aktiv zu werden.24 Das Aktivwerden für eine Sache oder wegen einer Sache ist demzufolge die offensichtliche Konsequenz des Interesses; so ergibt sich die Frage nach dem Träger und Adressaten der Interessen oder des Interesses. Hierfür gibt es unterschiedliche Antworten. Es können ein Herrscher, ein ganzer Staat oder ein Volk betroffen sein, außerdem Einzelne oder Gruppen.25 Ich definiere hier politisches Interesse als ein Merkmal sozialen Handelns, das durch einen innergesellschaftlichen Interaktionsprozess von politisch motivierten Gruppen und Individuen gebildet wird, die ihre Ziele in der politischen Realität zu positionieren und in dieselbe umzusetzen versuchen. Die hier erfassten Interessen sind in erster Linie auf die Handlungen der Individuen und/oder Gruppen im Sinne der politischen Positionierung von Interessen in der Regierungsagenda zurückzuführen und werden nicht direkt so, wie sie formuliert werden, auf die Interessen des Staates übertragen, auch wenn letztendlich im Verständnis der staatlichen Präferenzen die Interessen der Individuen und/oder Gruppen mitberücksichtigt bzw. impliziert 20 21
22 23
24 25
Siehe ORTH 1982: S. 307. Zur Bildung eines „minimalen Systems“ sind nach Coleman zwei grundsätzliche Elemente notwendig, die miteinander in Beziehung stehen. Das eine ist der Akteur und das andere die Sache selbst, über die die Akteure die Kontrolle haben oder woran sie ihr Interesse manifestieren. Die Relation zwischen beiden Elementen impliziert also Kontrolle und Interesse. Die Beziehung zwischen Akteur und Interesse trägt zum Verständnis der Funktionalität der Interessengruppen bei; siehe COLEMAN 1990: S. 28f. Vgl. MASSING 1995: S. 217-225. Die Interessen sind nicht abstrakt zu verstehen, sondern bilden sich angesichts konkreter gesellschaftlicher Probleme und artikulieren sich in der Formierung von Organisationen, Gruppen usw. mit entsprechenden Handlungsstrategien; vgl. dazu HIMMELMANN 1983: S. 13f. Siehe UTEHE 1951: S. 359; ergänzend dazu die Definition bei FUCHS-HEINRITZ/LUTMANN 1995: S. 311 Vgl. DEUTSCH 1968: S. 75-79.
20
I Methodologie und Operationalisierung
sind. Das Verständnis unproblematischer Interessenkonstellationen, bei denen die Verwirklichung der Interessen der einen Seite die der anderen ausschließt, ist zumindest für diesen konkreten Fall auf staatlicher Ebene nicht kompatibel. Auch wenn sich bei den internationalen Beziehungen derartige unproblematische Interessenkonstellationen bilden, bei denen eine Kooperation in der Regel nicht nötig ist, trifft dies für den partikulären Fall der angestrebten Analyse nicht zu, da ein Inkompatibilitätsprinzip der beteiligten Staaten besteht. Die Harmonisierung dieser zwischenstaatlichen Inkompatibilität wäre durch Kooperation erreichbar. Internationale Zusammenarbeit scheint deshalb nur dann nötig und möglich, wenn sich die betroffenen Staaten in einer problematischen Interessenkonstellation befinden.26 Dieser Fall ist hier gegeben. Gegenstand ist also nicht einfach das Interesse selbst als starre Begrifflichkeit, sondern vor allem seine politische Artikulation. Natürlich können Interessen innerhalb einer Gesellschaft immanent vorhanden sein, ohne dass diese organisiert oder repräsentiert werden. So geht es folglich um die organisierte Interessenäußerung der Gruppen im Prozess der politischen Willensbildung.27 Der Interessenbegriff soll hier als analytisches Konzept aufgefasst werden. Er wird innerhalb der internationalen Politik eingeordnet, indem die Struktur und das Verhalten funktionaler Glieder bestimmt werden, die im Präferenzbildungsprozess entscheidend mitwirken können.28 Für diese Definition müssen drei Elemente impliziert werden: erstens, welche Partialinteressen entstehen, zweitens, wer sie definiert, und drittens, welche Instrumente angewandt werden, um sie durchzuführen. Dies wird im Verlauf von Kapitel III behandelt, wobei die Akteure und der Prozess der Präferenzbildung in den USA in Bezug auf die hier untersuchten Gruppierungen den Fokus der Studie bilden. Zunächst soll geklärt werden, welche Gruppen und Interessen bzw. Interessengruppen Gegenstand der Untersuchung sind.
I.3.1.3
Klärung und definitorische Eingrenzung des Begriffs der politischen Interessengruppen
Politik wird von Menschen praktiziert. Sie lässt sich nicht als ein unabhängiges Konstrukt verstehen, das eine eigene Dynamik verfolgt, bei der der Mensch an zweiter Stelle steht. Der Mensch gestaltet sie und, da seine Gedanken der Ausgangspunkt sind, „denkt“ er sie. Der ursprüngliche Beweggrund politisch denkender Menschen sind, wie es in dieser Studie interpretiert wird, die Interessen. Personen, die sich für ein Ziel einsetzen und über den Weg der Politikgestaltung dieses Ziel verwirklichen wollen, handeln politisch. Folglich gehen politische Handlungen auf den Willen des Individuums zurück; dies bedeutet, dass eine politische Handlung die Aktion eines Menschen oder einer Gruppe mit Interessen ist. Meines Erachtens kann es keine Gruppen ohne Interessen geben, denn es gibt keine Gruppierung, die sich bildet, um ausschließlich eine „Gruppe“ zu sein. Menschen schließen sich bewusst zusammen, um gemeinsame Ziele zu verfolgen, Positionen zu verteidigen oder zu vertreten – letztendlich auch, um gesellschaftliche Umstände zu verändern oder beizubehal26
27 28
Siehe ZANGL 1999: S. 77-106. Von einigen Autoren wird aber das unipolare Machtwachstum der USA als ein Aspekt angesehen, der die Kooperationsbedingungen noch zu Beginn der 1990er Jahre verändert hat; siehe GRIECO/IKENBERRY 2003: S. 336. Eine ausführliche Analyse über die politische Willensbildung ist zu finden bei: LIPSET/ROKKAN 1967 Der Beitrag von Seidelmann prüft beispielsweise die möglichen theoretischen Konzepte für die Interaktion zwischen zwei Staaten und beruft sich auf das Interessenkonzept. Der Autor wendet sie nach einer begrifflichen Klärung auf das Beispiel USA – Südafrikanische Republik an; siehe SEIDELMANN 1974: S. 310-389.
I.3 Die Operationalisierung der Studie
21
ten. In dem Moment, in dem Interessen festgestellt und organisiert werden, entstehen organisierte Interessen,29 auf die Gruppengründungen folgen, die diese Interessen umzusetzen versuchen. Man kann nur dann von politischen Interessengruppen reden, wenn sie organisiert sind und eine bestimmte politische Agenda fokussieren. Wie im vorherigen Abschnitt dargestellt wurde, gehen die Interessen in einer Gesellschaft der Formierung einer Gruppierung voraus. Die Zusammensetzung der Gruppen entsteht also aus der Notwendigkeit heraus, den gemeinsamen Interessen politischen Ausdruck zu verleihen. Interessen werden somit durch die Gruppenbildung formalisiert bzw. sind formalisierbar.30 Es muss in erster Linie eine persönliche Motivation bestehen, bei der sehr schnell Gemeinsamkeiten mit den Interessen anderer partikulärer Motivationen gefunden werden können. Die Intensität und Konstellation der Interessen sind so unterschiedlich wie die Menschen selbst. Meine Aufmerksamkeit und mein Erkenntnisinteresse wenden sich an die politischen Interessen, die nicht nach innen, sondern im Sinne der Außenpolitik nach außen gerichtet und motiviert sind. Sie gehören nicht zur Regierung, versuchen jedoch sie zu beeinflussen.31 Das Zusammenfinden von Motivationen und Fähigkeiten ist der Ursprung für ein gemeinsames Agieren innerhalb eines bestehenden politischen Systems, um vorhandene Strukturen im Sinne der Gruppierungen zu verteidigen bzw. zu verändern oder im gegebenen Fall neue zu schaffen. Der Interessenbegriff ist in dieser Hinsicht sehr genau, denn er impliziert eine Motivation bzw. einen Leitfaden für die Gestaltung von Handlungen, die sich auf die Umsetzung der formulierten Interessen richten. Einer bestimmten oder mehreren Absichten, die mit dem Begriff der Interessen oft negativ aufgefasst werden, geht das Indiz der Selbstorganisation voraus. In der Tat ist die Bezeichnung „Interesse“ oft mit einer negativen Konnotation gefärbt. Man könnte von einer schädlichen Kraft mit begrenzt partikulären Zielen ausgehen, die den rationalen, freien und formalen Institutionen mit politischer Wirkung gegenüberstehen. Auf die Politikwissenschaft bezogen lässt sich jedoch argumentieren, dass es nicht eine Politik der Gruppen ohne Interessen geben kann, da solche Gruppierungen mit der Politik inkompatibel wären. Die Politik der Gruppen ist somit in engerem Sinn die der Interessengruppen. Die Interessen können in ihrer Zielsetzung und Intensität verschieden sein, so wie auch die Mitglieder einer Gruppe nicht homogen sind. Die Bezeichnung politische Gruppierung könnte durchaus in deskriptiver Form eine Variante für diese Untersuchung sein, man riskiert jedoch eine falsche Wahrnehmung, bei der diese Gruppen im Sinne einer politischen Partei verstanden werden könnten. In der Politikwissenschaft erscheinen je nach Analyse abweichende Begriffe für die Interpretation der Gruppierungen mit politischen Interessen.32 Der Begriff Pressure-Group aus dem Englischen, mit dem Gruppierungen gemeint sind, die zur Umsetzung ihrer Ziele Druck ausüben, lässt sich nicht zufriedenstellend in die deutsche Sprache übertragen. Bei dieser Definition wird meines Erachtens die Intensität der politischen Gruppenaktivität übertrieben. Bei der Definitionseingrenzung des Gruppenbegriffs sieht man sich mit dem Lobbyismus als einer Kategorie 29
30
31 32
Die Gruppen organisieren sich nicht spontan, sondern folgen einer latenten gesellschaftlichen Notwendigkeit. Sie bilden sich dort, wo ein geeigneter sozialer Kontext für ihre Entstehung besteht; vgl. LOOMIS/CIGLER 2002a: S. 7f. Aus sozialphilosophischer Sicht ist die Art und Weise von Erfahrungen unterschiedlich. Reale Prozesse (wie beispielsweise die politischen), aber auch andere Bereiche der Gesellschaft werden je nach Interesse formalisiert bzw. sind formalisierbar; siehe dazu HABERMAS 1967: S. 176. Die politischen Gruppierungen haben in den Zentren der politischen Macht auch ihre Repräsentanten; siehe BERRY/WILCOX 2007: S. 5; vgl. dazu auch KOLLMAN 1998: S. 3; WILSON 1990: S. 8. Bei der Studie der Interessengruppen ist die Definition derselben ein viel diskutiertes Thema; siehe WILSON 1990: S. 6f.
22
I Methodologie und Operationalisierung
konfrontiert, die explizit nicht der der Interessengruppen zuzuordnen ist. Ein Lobbyist kann für die Ziele einer Interessengruppe eintreten, ohne dieser Gruppe anzugehören, da er auch von einer Gruppe beauftragt werden kann. Das Vorhandensein von Interessen bzw. von Interessengruppen ist in dieser Hinsicht Bedingung für das Lobbying.33 Dennoch muss zwischen den Akteuren differenziert werden, die im Auftrag einer Gruppe agieren, ohne sich mit deren Zielen zu identifizieren, und jenen Akteuren, die ohne zur Gruppe zu gehören agieren, aber sich gleichzeitig mit den Zielen der Organisation identifizieren. Die Interessengruppen allein als Verbände verstehen zu wollen, die durch Mitgliedschaft organisiert sind und gemeinsame Ziele verfolgen, wäre meiner Ansicht nach für diese Studie zu kurz gefasst. Ein breiteres Spektrum erreicht die Interpretation der Gruppen als Nicht-Regierungs-Organisationen, das heißt als unabhängige Organisationen, die aus einer gesellschaftlichen Position heraus die öffentliche Politik zu beeinflussen versuchen.34 Die Interessengruppen sind somit eine private politische Zusammenfindung, deren Macht, Funktion und Form nicht nur in die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Bedingungen einer Gesellschaft involviert, sondern auch davon abhängig sind. Alle politischen und sozialen Ordnungen sind in diesem Zusammenhang auf der Basis von organisierten Interessen begründet.35 Da die Gruppierungen privat organisiert sind, stehen sie in Kontraposition zu den staatlichen Institutionen. Sie schließen sich in der Regel zu Organisationen zusammen, deren Charakter nicht offiziell ist und die auch keine politischen Befugnisse haben. Das heißt, die Organisationen sind nicht vom Gesetzgeber gegründet worden, die Gesetze einer offenen Gesellschaft schaffen aber die Grundlage für deren Existenz. Legitimität und Autorität lassen sich nicht allein dem Staat zuordnen, sie können auch unter Individuen verschiedener Positionen vorhanden sein. Daraus folgt, dass die Interessengruppen bis zu einem gewissen Grad durchaus Autorität und Legitimität erreichen können, so dass sie durch ihre gesellschaftliche Positionierung in direkter Konkurrenz zum Staat stehen, auch wenn dies in dieser Form eher selten auftritt und meistens für religiöse Organisationen gilt.36 Die Interessengruppen haben eine individuelle und eine zwischenmenschliche Komponente; die interne soziale Interaktion filtert die grundsätzlichen Ziele und diese werden auf die Handlungen der führenden Individuen der Gruppe übertragen. Die Personen auf Führungsebene behalten in der Regel eine allgemeine Gruppenperspektive im Blick, während die Gruppenmitglieder situationsbedingt und in variierter Form agieren. Eine Interessengruppe lässt sich als einen organisierten Komplex bzw. eine organisierte Einheit von privaten Personen definieren, die versuchen, die öffentliche Politik zu beeinflussen. Die Interessengruppen verfolgen nicht immer und nicht ausschließlich allgemeine, sondern auch partikuläre Ziele und handeln in diesem Sinne. Der wichtigste Faktor bei der Manifestation der Interessengruppen ist deren Ideologie, denn diese liefert die Legitimität und die Macht und bestimmt auch die politischen Aktionen. Es können durchaus Gruppen mit politischem Einfluss existieren, die jedoch über keine allgemeine Legitimität verfügen. Als Strategie und Arbeitslinie berücksichtigt man dabei den Nominierungs- und Bestimmungsprozess eines Kandidaten zu den nationalen politischen Parteikonventionen bis hin zu dessen Interventionen in der Konzipierung und Durchsetzung von Gesetzen. Hier ist 33 34 35 36
Vgl. LEIF/SPETH 2006: S. 13. Vgl. KOLLMAN 1998: S. 14. Vgl. BAUMGARTNER/LEECH 1998: S. xxii. Die Gruppierungen können untereinander auch um Macht und Einfluss konkurrieren. Dadurch kontrollieren sie sich und schränken sich gegenseitig ein; vgl. LEHNER 1983: S. 102.
I.3 Die Operationalisierung der Studie
23
zwischen den Interessengruppen und den individuellen Interessen einer Person zu differenzieren. Im politischen System können durchaus auch Individuen mit der Option, später selbst als Entscheidungsträger agieren zu können, in einer bestimmten Tätigkeitsphase für die Interessen einer Gruppe eintreten.37 Die Interessengruppen verfolgen in der Regel politische Ziele und sind daher für diese Studie von Relevanz; ignoriert werden darf hierbei nicht das Gewicht jener Personen, die individuelle Interessen – seien sie wirtschaftlich, privat oder sogar mit sozialem Charakter – vertreten und verfolgen, da sich deren Aktivitäten auch innerhalb des Systems entfalten. Es ergibt sich aus diesen Gründen oft ein Interaktionskomplex innerhalb der Gruppen. Eine allumfassende Theorie über die Gruppen als solche, die deren Strategie begründen und verteidigen würde, existiert nicht. Der Höhepunkt einer optimistischen Interpretation der Interessengruppen ist jedoch der Pluralismus. Die Gruppen werden bei diesem Ansatz als notwendiger Bestandteil einer modernen Demokratie verstanden.38 Darüber hinaus zeigen die Studien in der Fachliteratur eine deskriptive Auflistung der Formen, wie diese Gruppen auftreten, und es können hunderte von Subgruppen und Kategorien klassifiziert werden.39 Sie werden vor allem je nach Handlungs- und Aktionsbereich zugeordnet. Gerade dieser Handlungsbereich liefert den analytischen Fokus, anhand dessen die Handlungen und der Radius der Aktionen gefiltert werden können, um dann auf der Basis ihrer historischen Entwicklung die politischen Erfolge im Sinne der Gruppeninteressen zu messen. Bei der Gruppenanalyse ist es auf Grund der Handlungen mit definierten und festgelegten Zielen notwendig, diese innerhalb der Konzepte von Gesellschaft, System und gesellschaftlicher Schicht zu verstehen. Hinsichtlich der Definition von Interessengruppen in einer Gesellschaft stellte Alexis Tocqueville im 19. Jahrhundert die Relevanz der Gruppenbildung in jedem Gesellschaftsbereich fest: „In the United States associations are established to promote public order, commerce industry, morality and religion; for there is no end which the human will, seconded by the collective exertions of individuals, despairs of attaining.“ Tocqueville führte diesen Gedanken weiter und sah eine Verbindung zwischen den Entscheidungsträgern und den Interessen der Menschen in der Gestaltung der Außenpolitik: „In foreign politics it is rare for the interest of the aristocracy to be in any way distinct from that of the people.“40 Um eine zutreffende Differenzierung und Interpretation des hier zu behandelnden Themas zu erreichen, muss erwähnt werden, dass in der Literatur die verschiedenen Gruppen u.a. als Interessengruppen, Lobbys, spezielle Interessen oder Pressure-Groups erscheinen.41 Obwohl es verschiedene Terminologien gibt, korrelieren ihre Absichten, Ziele und Arbeitsmethoden. Zwar kann durchaus in der Struktur differenziert werden, in der Handlung finden sich aber viele Gemeinsamkeiten.42 Auch wenn beispielsweise die Vereinigun37 38
39 40 41
42
Vgl. dazu das Beispiel von Jeannette Rankin und Dorothy Detzer in: MASLAND 1942: S. 115ff. Die Interessengruppen werden in den theoretischen Kontext des Pluralismus eingeordnet und diskutiert; siehe WILSON 1990: S. 4f. Die Pluralismusforschung wurde u.a. durch folgende Autoren geprägt: BENTLEY 1995; DAHL 1961 und TRUMAN 1951; siehe auch DAHL 1971: S. 26. Siehe die Kontextualisierung der Gruppen im Bereich des Multikulturalismus und deren Einfluss auf die Außenpolitik in dem ausführlichen Sammelband von WILSON 2004. Vgl. TOCQUEVILLE 2003: S. 148 u. 185. Es hat sich in der englischsprachigen Literatur der Begriff Pressure Groups und in der spanischsprachigen Literatur der der Grupos de Presion durchgesetzt. Eine Übertragung ins Deutsche, beispielsweise in druckausübende Gruppen, ist nicht zufriedenstellend. Deshalb wird hier der englische Ausdruck, nach dem Duden um einen Bindestrich erweitert, beibehalten; vgl. dazu RICHARDSON 1993: S. 1. Die Elemente, die die Gruppe zusammenhalten, liegen in den gemeinsamen Zielen und der bewussten Entscheidung, diese zu verwirklichen; vgl. dazu IPPOLITO/WALKER 1980: S. 270.
24
I Methodologie und Operationalisierung
gen von Investoren oder Aktionären verschiedene Bezeichnungen haben, können sie doch innerhalb der Handlungskategorie gemeinsame, sehr ähnliche oder sogar identische Interessen verfolgen. Die Interessengruppen, die ihre eigenen Handlungsstrategien der zu erreichenden Ziele skizzieren, stellen eine Kategorie dar, die Pressure-Groups eine andere.43 Staatstheoretisch kann man von der Prämisse ausgehen, dass die Ausübung von Macht durch eine Regierung im qualitativen Sinn nicht das Gleiche ist wie die Kontrolle derselben. Wenn man davon ausgeht, dass die Macht ein Ausdruck der Politik ist und in direkter Verbindung mit der Autorität steht, situiert man die Kontrolle als eine ständige dynamische Suche, um die Mechanismen und Strategien zur Eingrenzung, Machtausübung und des Einflusses zu beherrschen.44 In Staaten mit totalitärem Charakter befinden sich die Macht und ihre Ausübung in den Händen des Staates, in Ländern mit demokratischem Charakter kommt dies zumindest in dieser Form nicht vor. Dort situiert sich die Macht in der Regel in der Regierung und die Kontrolle über diese Macht wird verteilt und durch die Existenz der hier genannten aktiven Machtgruppen beeinträchtigt.45 Die Intensität der Druckausübung auf die Machtkontrolle durch die Gruppen ist diversifiziert und kann je nach Wichtigkeit ihres Arbeitsbereichs eingestuft werden.46 In der Regel sind Unternehmergruppen stark vertreten, die eine geringere wirtschaftliche Relevanz haben, dafür aber in bestimmten Momenten eine größere politische Einflusskraft ausüben können und dabei eine entscheidende Rolle übernehmen. Festzustellen ist, dass die Aufgabe dieser Gruppen in erster Linie nicht die Erlangung von Macht ist, sie können diese aber beeinflussen, um über sie eine Kontrolle zu erreichen.47 Die gesellschaftliche Kraft ist somit in den politisch organisierten und einflusssuchenden Gruppierungen zu finden.48 Es ließen sich in diesem Zusammenhang beispielsweise auch die Gewerkschaften auflisten. Sie sind private Gruppierungen, die die gesellschaftliche Diskussion über ihre eigenen Angelegenheiten und Interessen verfolgen und in der Regel nur dann aktiv werden, wenn diese Interessen und Angelegenheiten, wie beispielsweise das Gehalt oder die Arbeitsstunden, negativ beeinflusst werden. Dies bedeutet, dass sie in diesem Bereich die Gesetzentwürfe und die Entscheidungsprozesse intensiv verfolgen, und falls sie sich direkt oder indirekt betroffen sehen, handeln sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten, um sich für ihre eigenen Interessen einzusetzen.49 Das bedeutet, dass Wirtschaftsgruppen durchaus zu einem Instrument der Regierung werden können, um die politische Agenda zu erfüllen; die Regierung wird hingegen zum Instrument der Gruppen, 43
44 45 46
47 48
49
In einem der Klassiker zur theoretischen Studie von Interessengruppen und ihrer Formierung wird eine Pressure-Group als ein Gruppenphänomen angesehen, das alle Formen von Einfluss ungeachtet der Bezeichnung (Betonung von mir) beinhalten kann, bedingt durch die Existenz eines „state of society“; vgl. BENTLEY 1995: S. 258f. Vgl. dazu MEYER/HINCHMAN/BREYER 2005: S. 203 u. 233; siehe auch WEBER 1980: S. 28 In den Demokratien ist die Dispersion der Macht eine funktionierende Voraussetzung des Systems; vgl. die Ausführungen von HAMILTON 2001: S. 68ff.; siehe auch FLATHMAN 2005: S. 18-75. Es muss beachtet werden, dass bei der Konzeptualisierung der Gruppen auch andere gesellschaftliche Bereiche im Sinne des Pluralismus verstanden werden, wie der soziale und der kulturelle Pluralismus. Bei dieser Aufteilung ist hier der politische Pluralismus von Relevanz, bei der die Macht diversifiziert ist; siehe SARTORI 2005: S. 13f. Dieser Gruppenkategorie können die sog. Foundations in Zusammenarbeit mit Forschungsinstitutionen (Thing-Tanks) zugeordnet werden; siehe dazu ROELOFS 2003: S. 197-201. In diesem Kontext sieht Domhoff die Organisationen als treibende soziale Kraft, die Strategien entwickeln, um partikuläre Ziele umzusetzen. Sie stehen in einem interagierenden Netzwerk und können dadurch konkurrieren oder sich gegenseitig ergänzen; vgl. DOMHOFF 1996: S. 7 u. 19. Bezüglich der Gesetze oder Reformen im Agrarsektor zählt beispielsweise das Farm Bureau zu den einflussreichsten Organisationen in den USA.
I.3 Die Operationalisierung der Studie
25
um eigene Interessen zu festigen oder im gegebenen Fall zu modifizieren. Die politische Balance hängt unter anderem davon ab, mit welcher Intensität und Effizienz die Interessengruppen ihren Druck ausüben und wie groß die Anzahl der politisch aktiven Individuen ist. Es entsteht somit eine Konkurrenz um die politische Einflussgewinnung.50 Das bedeutet nicht, dass die Ziele der wirtschaftlichen Gruppen homogen sind. Sie können verschieden sein und variieren, auch können sie sich an verschiedenen Parteien orientieren. Man bewegt sich in diesem Kontext auf unsicherem Terrain und sieht sich mit den so genannten Eliten konfrontiert. Bei der Definierung des Konzepts, mit dem in dieser empirischen Fallstudie gearbeitet wird, muss aus diesem Grund im nächsten Abschnitt eine Abgrenzung zum Elitenkonzept vorgenommen werden.
I.3.1.4
Die theoretische Abgrenzung zum Elitenkonzept
Bei der definitorischen Eingrenzung des Konzepts der Interessengruppen stößt man auf unterschiedliche Denkmodelle und Begrifflichkeiten, die nicht nur im etymologischen oder soziologischen Sinne, sondern auch in Bezug auf die konkreten Auswirkungs- und Aktionsmöglichkeiten der betreffenden Akteure einer genauen Bestimmung bedürfen. In der Literatur wird häufig der Zusammenhang zwischen Interessengruppen und Eliten herausgestellt.51 Unter Eliten wird aber in der aktuellen Debatte aus einer verallgemeinerten soziologischen Sicht die Positionierung von Personen oder Gruppen an der Spitze der wichtigsten sozialen Strukturen einer Gesellschaft verstanden.52 Dazu zählen beispielsweise wirtschaftliche, militärische, religiöse, politische oder kollektive Organisationen. Die Differenzierung zwischen den beiden Konzepten der Interessengruppen und Eliten besteht vor allem darin, dass die Eliten nicht nur außerhalb, sondern auch innerhalb der Regierung arbeiten. Somit wird die Politik zur Konsolidierungssphäre von Eliten, wobei ein Konsens bzw. eine Konkurrenz zu deren Gestaltung vorausgeht.53 Gesellschaften können somit unabhängig von ihrer sozialen Struktur oder ihres Systems durch Eliten und Nicht-Eliten charakterisiert sowie von einer Elitenminderheit regiert werden.54 Die Eliten sind für die Funktionalität des politischen Systems notwendig.55 Welche Bedeutung hat es für diese Analyse, wenn man die Lokalisierung der hier zu behandelnden Gruppen und deren Ursprung mitberücksichtigt? Um diese Frage beantworten zu können, muss eine räumliche Kontextualisierung der Gruppen vorgenommen wer50
51 52 53 54
55
Vgl. dazu den Artikel von BECKER 1983: S. 371-400; siehe auch die politische Sicht Max Webers, der das Streben nach Macht oder nach Beeinflussung von Machtverteilung (nicht nur zwischen Staaten, sondern auch zwischen Menschengruppen, die von ihnen umschlossen werden) als Politik erfasst; in: WEBER 1980: S. 822. Vgl. PREWITT 1973: S. 31; siehe auch HIGGOTT 1982: S. 89. Siehe RAMMSTEDT 1995: S. 163; vgl. auch PARRY 2005: S. 14. Siehe v. BEYME 2000: S. 316f.; siehe auch PARRY 2005: S. 2. In der klassischen Elitenforschung wurden die Eliten differenziert. Für Pareto stellt der größte gesellschaftliche Unterschied die Teilung in eine Minderheit, die in der Regierung agiert, und in eine Mehrheit, die regiert wird, dar. Diese minority kann im gegebenen Fall durch eine neue Elite verdrängt werden; siehe PARETO 1966: S. 14ff.; 1976: S. 134. Gaetano Mosca, ein Zeitgenosse Paretos, interpretierte die Herrschaftsverhältnisse ähnlich, indem er die Gesellschaft in eine kleine, organisierte Gruppe und in eine große, nicht organisierte Mehrheit aufteilte; siehe MOSCA 1950: S. 53f. In der klassischen Literatur über die Eliten fungiert das Konzept im Kontext der Funktionalität einer Demokratie, in der die Entstehung von Eliten in allen gesellschaftlichen Ebenen als notwendig angesehen wird; siehe dazu SCHUMPETER 1950: S. 429f.
26
I Methodologie und Operationalisierung
den. Für diesen spezifischen Fall bedeutet dies, dass sich der Hintergrund und Ursprung der hier als Interessengruppen bezeichneten Akteure in Lateinamerika befinden, genauer bestimmt in der Karibik und konkret auf Kuba. Diese geographische Demarkierung der hier zu behandelnden Gruppen in Bezug auf ihren Ursprung auf dem amerikanischen Kontinent und ihre weiter vorgenommene Lokalisierung innerhalb des US-amerikanischen Territoriums sind für diesen spezifischen Fall entscheidend. Zwar ist an dieser Stelle der ursprüngliche Elitenhintergrund der cubano-amerikanischen Interessengruppen zu nennen, innerhalb der in dieser Studie aufgestellten These zu den Interessengruppen in den Vereinigten Staaten ist deren Elitenstatus jedoch hinfällig.56 Der Grund für ihren Statusverlust liegt darin, dass selbst wenn sich eine eingewanderte Elite aus einem anderen Land in den USA niederlässt, sie im neuen System sowohl ihre politische Position im Staat als auch ihre Wirkungsund Einflusskraft verliert, die sie in ihrem Ursprungsland innehatte.57 Die Gruppe muss sich nicht nur im neuen Umfeld an die Gegebenheiten des Gastlandes und des neuen Systems anpassen, sondern sich auch politisch neu ordnen. Ich betrachte sie daher aus dem Blickwinkel der Interessengruppen und vergleiche sie nicht mit dem Konzept der Eliten- bzw. Machtstrukturforschung.58 Darüber hinaus hat die eingewanderte Gruppierung in der Regel keinen direkten Zugang zu den traditionellen Eliten des Gastlandes und falls sie es hat, gehört sie ihnen in der Regel dennoch nicht an. Der Zusammenhalt der traditionellen Eliten kommt in den USA vor allem durch deren gesellschaftliche und psychologische Gemeinsamkeiten zustande sowie durch die Gleichartigkeit ihrer Mitglieder – unabhängig davon, ob unter ihnen Spannungen existieren oder nicht.59 Es soll jedoch nicht ausgeblendet werden, dass die Dominanz der hier erwähnten politischen, wirtschaftlichen, religiösen und militärischen Sektoren innerhalb der sozialen Strukturen der jeweiligen Länder und deren Effekte auf die Entfaltung der Nationen im amerikanischen Kontinent eine Rolle gespielt haben. Dies wurde in unterschiedlichen historischen Perioden der lateinamerikanischen Gesellschaften deutlich. In Kuba entwickelten sich die kreolischen Eliten schon in den 70er Jahren des 16. Jahrhunderts, da bis zu diesem Zeitpunkt schon die größten Landflächen verteilt worden waren. Dadurch konnten sie sich fortwährend bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts etablieren.60 Auch heute noch setzen sich elitäre Segmente in der lateinamerikanischen Gesellschaft durch, in denen sich Großgrundbesitzer, Rechtsanwälte, Regierungsbeamte, Besitzer großer Familienunternehmen und Befehlshaber des Militärs in hohen Positionen an der Spitze der politischen Macht befinden. Die Entstehung einer Elite wird zum großen Teil aber auch von den Bildungsinstituti56
57
58 59 60
Der Elitenbegriff wird eher dem politischen Bereich zugeordnet als der Begriff der politischen Klasse. Zur Elite gehören nicht alle Politiker, die die politischen Klassen bilden. Die Eliten bilden aber den Kern der politischen Klasse. In diesem Zusammenhang liegt der Status der Gruppierungen in den USA außerhalb dieses Kerns; vgl. RÖHRIG 2004: S. 146. Gemäß der klassischen theoretischen Einordnung des Elitenkonzepts wären die hier behandelten Gruppen nicht auf der gleichen Ebene der Machtelite im amerikanischen System zu lokalisieren, da die Identität der Interessen und deren Herkunft unterschiedlich sind. Darüber hinaus sind die persönlichen Beziehungen dieser Gruppen zur Führungsebene, zumindest in den ersten Entwicklungsjahren, nicht vorhanden; siehe die Ausführungen von MILLS 1962: S. 323. Vgl. u.a. DORNHOFF 2002, 1996; MILLS 1956. Der Zusammenhang der Eliten in den USA wird u.a. auch durch deren Umgang untereinander geprägt und stützt sich auf die Herkunft und Laufbahn der einzelnen Personen; vgl. MILLS 1962: S. 308ff. Für eine Annäherung an die Entwicklung der kubanischen Interessengruppen und Eliten vor der Entstehung der Republik liefert die Arbeit von Carmen Barcia-Zequeira einen umfassenden historischen Überblick; siehe BARCIA-ZEQUEIRA 1998, S. 4f.; siehe auch den historischen Teil (Kapitel II) dieser Studie.
I.3 Die Operationalisierung der Studie
27
onen und dem Zugang zu denselben abhängig gemacht.61 Für das vorrevolutionäre Kuba war es charakteristisch, dass die Klassen mit einem hohen sozialen Niveau, die ihren Status durch den Besitz von großen Landflächen und viel Kapital erlangt hatten, eher dazu tendierten, das Potential an Qualifizierungs- und Ausbildungsmöglichkeiten in der Bevölkerung einzuschränken, obwohl die Assimilierungsmöglichkeit des Landes größer war. Der Grund hierfür war die Befürchtung, dass sich der Überschuss an ausgebildeten Individuen durchaus als eine Gefahr für den eigenen Status quo herausstellen könnte.62 An der Abgrenzung zum Elitenkonzept ist festzuhalten, da zum einen nicht jeder Rechtsanwalt, Militär oder Großgrundbesitzer hoch positioniert ist, zum anderen befindet sich die hier zu untersuchende Gruppierung nicht mehr im eigenen Land. Aus meiner Sicht sind die Verflechtung dieser Gruppen untereinander sowie ihre Verbindung zu den politischen Entscheidungsträgern von Bedeutung. Diese Tatsache muss für das Kuba vor 1959 berücksichtigt werden. Um die Konstituierung der heutigen kubanischen Gruppierungen in den USA nachvollziehen zu können, ist eine historische Übersicht der gesellschaftlichen Entwicklung Kubas als Leitfaden unabdingbar. Nur unter diesem Aspekt gewinnt die Etappe vor der Revolution für diese Studie an Stellenwert. Die lateinamerikanische Gesellschaft entwickelte sich nur langsam und konnte nicht das Niveau anderer auf dem Kontinent erreichen, da sie über Jahrhunderte von Eliten dominiert und regiert worden war. Sie hatten eine Struktur geschaffen, in denen die sozialen Werte des Feudalismus vorzufinden waren. Seymour Lipset vermerkt, dass die Quelle der lateinamerikanischen Werte im Allgemeinen in den Institutionen und Normen der iberischen Nationen zu finden ist. Diese Normen wurden beibehalten und von einer Elite iberischen Ursprungs praktiziert. Die Gruppen gewannen während der Kolonialzeit an Macht und die, die von Spaniern oder Portugiesen abstammten, belegten in der Gesellschaft bessere bzw. die besten Positionen in der Herrscherskala.63 Kuba bildet in diesem Kontext keine Ausnahme, sondern geradezu ein Paradebeispiel, denn das Land war nicht nur eines der Zentren, die zuerst kolonisiert wurden, sondern blieb auch die letzte Kolonie Spaniens auf dem Kontinent. Diese beiden Tatsachen verdeutlichen auch die wichtige Rolle der Insel im Unabhängigkeitskampf der Region. Von Anfang der Kolonialisierung an war Kuba die Zwischenstation für die Schiffe aus Spanien auf dem Weg auf den südamerikanischen Kontinent und ebenso nach Europa. Bei der Suche nach der Entstehung der dominierenden Gruppen innerhalb der Insel und ihrer darauf folgenden Entwicklung in den Vereinigten Staaten ist dieser historische Vorgang für die vorliegende Untersuchung richtungsweisend. Im weiteren Verlauf der Studie sollen die Gruppen den gegenwärtig agierenden cubano-amerikanischen Organisationen in Miami zugeordnet werden. Diesbezüglich ist die Anmerkung opportun, dass sich die lateinamerikanischen Mittelklassen im Allgemeinen nicht immer an die Regeln des Rechtsstaates gehalten haben, sondern auch in Revolutionen und Putsche verwickelt gewesen waren. Anhand der kubanischen Geschichte kann konstatiert werden, dass das Agieren organisierter Gruppierungen von fremdem Territorium 61
62 63
In einer vergleichenden Analyse über die Eliten und ihre Entstehung betont Lipset sogar den Aspekt der Bildung und den Zugang zu derselben als durchaus wichtigen Parameter; vgl. dazu LIPSET 1965: S. 5-21. In der neueren Soziologie positioniert Bourdieu Gesellschaftsgruppen wie die Intellektuellen beispielsweise in den Einflussbereich der Macht und parodiert sie als „beherrschenden Bestandteil der Herrschenden“; siehe BOURDIEU 1989: S. 31f. LIPSET 1965: S. 69. Bei dieser Analyse aus der Mitte der 1960er Jahre geht Lipset davon aus, dass die Ursprünge der Eliten auf dem Kontinent in direkter Verbindung mit dem iberischen Kolonialismus stehen; vgl. LIPSET/SOLARI 1967: S. 17-21.
28
I Methodologie und Operationalisierung
aus eine Auswirkung auf den inneren Verlauf gesellschaftlicher Umwälzungen haben kann. Sie fokussierten ihr Handeln auf die politischen Umstände ihrer Heimat und verfolgten die Unabhängigkeit und Konsolidierung der Nation. Die Rolle früherer Gruppierungen spiegelt die Position der gegenwärtig existierenden Organisationen in den USA wider. Die Oppositionsrolle der Gruppen, die eine Kontraposition zum herrschenden System auf Kuba einnehmen, soll im nächsten Abschnitt spezifiziert werden.
I.3.1.5
Klärungen zum Begriff der kubanischen Opposition
Ein problematischer Aspekt ergibt sich besonders, wenn die Opposition nicht genau definiert wird. Hinsichtlich der aktuellen kubanischen Realität muss erklärt werden, welche Opposition in dieser Studie gemeint ist. Als eine Opposition bezeichne ich einen gegen die kubanische Autorität gerichteten organisierten Widerstand – das bedeutet überspitzt formuliert die Gegenseite des etablierten Systems. Argumentativ wird hier nicht von einer Opposition im Sinne einer politischen parlamentarischen Praxis innerhalb eines gesellschaftlichen Konsenses ausgegangen, da in Kuba das Einparteiensystem besteht. Die Regierung begründet dies offiziell damit, dass die kubanische Revolution in einer direkten Konfrontation gegenüber imperialistischen Kräften steht und sie sich deshalb ihrer Sichtweise nach innerhalb des eigenen Systems keine Kritik, Kontrolle oder Alternativen erlauben kann.64 Kuba sieht somit seine Revolution und sein Bestehen als Weg ohne Alternativen, den es zu verteidigen gilt. Diese Haltung führt zwangsläufig zu einer Opposition gegenüber dem System, also zu einer Konterrevolution, die aus diesem Verständnis heraus von der Revolution selbst generiert worden ist.65 Die wichtigsten Oppositionskräfte in Hinblick auf deren Einflussintensität und Organisations- sowie Finanzstärke befinden sich in diesem Zusammenhang außerhalb des Systems und streben die Abschaffung desselben an. Sicherlich reicht zur Ersetzung der Amtsinhaber in einem System nicht eine einfache Kritik oder sporadisches Opponieren aus, sondern es bedarf der Organisation eines Gegenprogramms.66 Anhand dieses spezifischen Falles soll gezeigt werden, dass bei der Analyse der Opposition – sei sie außerhalb oder innerhalb Kubas – die Notwendigkeit besteht, die historische Rolle der Gruppen festzustellen, die fähig sind, sich unabhängig von ihrer ideologischen Ausrichtung außerhalb des Systems zu etablieren und zu organisieren, um gegen die zu ersetzende Regierung zu arbeiten. Die Gruppen, die in erster Linie außerhalb des kubanischen Systems lokalisiert werden können, arbeiten systematisch, auch wenn sie nicht in dasselbe integriert sind. Das heißt, dass sich nicht nur außerhalb, sondern auch innerhalb eines sozialistischen Staates Gruppen bilden können, durch die eine Art von Gegendruck oder Opposition ausgeübt werden kann.67 Dies bedeutet, dass die Dimension der Unterdrückung innerhalb der Revolution dazu führen kann, dass die oppositionellen Kräfte keinen politisch offenen und ideologischen Raum vorfinden, wenn sie nicht gleichzeitig von den Herrschen-
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65 66 67
Für Kuba ist die Revolution unwiderruflich. Die Verfassungsänderungen im Jahr 2002 sollten den sozialistischen Charakter des Staates verankern. Sie waren die Reaktion auf die von George W. Bush eingeführten Maßnahmen gegen die Insel; siehe CASTRO RUZ 2002: S. 4f. Eine nähere Ausführung über die Entstehung einer Konterrevolution liefert Horowitz in seinem Text zur Morphology of Counterrevolution, in: HOROWITZ 1997: S. 282-326. Bezüglich dieses Programms werden in dieser Arbeit die Pläne der US-amerikanischen Regierung miteinbezogen und analysiert; siehe POWELL 2004. Vgl. ROSSANDA 1980: S. 20.
I.3 Die Operationalisierung der Studie
29
den selbst unterdrückt werden, folglich wird also nur durch Repression ein Raum für Opposition geschaffen. Es bietet sich in diesem Kontext und in Anbetracht der international veränderten politischen Konstellation nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion die Frage an, wo sich die Kräfte dieses Widerstands bzw. dieser außerparlamentarischen oder außerhalb des Systems existierenden Opposition befinden und wie diese innerhalb bzw. außerhalb des Systems agieren. Zudem soll der Frage nachgegangen werden, welcher Mittel sie sich bedienen, welche Strategien sie verfolgen, wie sie strukturiert und organisiert sind und wie sie ihre politischen Konzepte umsetzen. Um die Definition von Dissidenten, von Opposition oder, wie es hier verstanden wird, von politischen Handlungen gegen eine bestehende Regierung genauer einzugrenzen, soll der soziale Inhalt der propagierten Ziele auf Kuba bestimmt werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass die kubanische Bevölkerung nicht bereit ist, eine massive Umstellung des Systems anzunehmen, ist meiner Ansicht nach an ihrem Misstrauen gegenüber den dargestellten Modifikationen der Opposition bzw. der Dissidenten festzustellen.68 Die entscheidende Frage ist, ob die Ansprüche der Opposition tatsächlich durch radikale Handlungen verwirklicht werden müssen oder ob auf Kuba eine breite Konformität besteht, die darauf abzielt, innerhalb des bestehenden Systems Reformen und Verbesserungen vorzunehmen, ohne dieses zu gefährden. Dieser Streitpunkt hat dazu geführt, dass sich die Gruppierungen unterschiedlich positioniert haben. Die dargestellte Harmonie der konservativen rechten Gruppierungen in Miami bezüglich ihrer Haltung gegenüber Havanna ist aus heutiger Sicht nicht mehr überzeugend. Die oppositionellen Kräfte, seien sie im Inoder Ausland, haben keine homogenen Ziele konzipiert; man kann deshalb davon ausgehen, dass sie derzeit keine ernste Gefahr für die kubanische Regierung darstellen, da eine gemeinsame Positionierung und Einigung fehlen.69 Meines Erachtens haben sie aber unabhängig von der Frage nach ihrer Homogenität eine potentielle Macht und stellen sicherlich eine latente Bedrohung für die Führung in Havanna dar. Eine Gefahr für den kubanischen Staat bildet sich dann, wenn diese Kräfte innerhalb des amerikanischen Systems Einfluss auf die politischen Entscheidungsträger ausüben und dadurch entsprechende Interessen in der US-amerikanischen Kubapolitik widergespiegelt werden. Ausgehend von dieser zentralen These wird meines Erachtens durch die Differenzen zwischen den beiden Staaten von US-amerikanischer Seite aus eine politische Strategie verfolgt, durch die die kubanischen antirevolutionären Gruppierungen gefördert werden sollen. Die Gruppierungen, die meiner Ansicht nach einen starken Widerstand gegenüber der Regierung in Havanna bilden, sind Kern des Forschungsgegenstands, da sie sich von früheren Fraktionen innerhalb Kubas differenzieren; sie mussten und müssen sich außerhalb der Insel konstituieren und sich unabhängig von den politischen Machthabern mit dem Gastland arrangieren, um die eigene Existenz zu sichern. Dieser Anpassungszwang an die gesellschaftlichen und politischen Umstände beeinflusst die politische und ideologische Orientierung der kubanischen Immigranten in den USA. Es spiegeln sich, so meine Annahme, sowohl die Veränderungen als auch die Kontinuität der Gruppierungen im politischen Verhalten in der Gestaltung der 68
69
Die Mobilisierung der Bevölkerung im Jahr 2002 durch die Regierung als symbolische Handlung gegenüber dem Vorschlag des sog. Proyecto Varela (siehe dazu Kapitel III, 3.5), bei dem 11 000 Unterschriften für die Einführung von Reformen gesammelt worden waren, könnte hier als Skepsis innerhalb Kubas gegenüber radikalen Änderungen in der Gesellschaft interpretiert werden; siehe RIERA 2002: S. 1 u. 4. Darüber hinaus werden in der Wahrnehmung des kubanischen Staates die internen Gruppierungen nicht als Opposition eingeordnet. Dies ist auf die Eigendefinition des politischen Systems zurückzuführen; siehe zur politischen Oppositionstheorie LUHMANN 1990: S. 167-186.
30
I Methodologie und Operationalisierung
kubanischen US-Politik wider. Diese These soll in der vorliegenden Studie dargestellt, analysiert und geprüft werden. Die agierende Opposition auf Kuba wird in diesem Kontext nur im Sinne der politischen Interaktion beider Staaten in Betracht gezogen. Sie wird in dieser Untersuchung nicht als getrennte gesellschaftliche Kraft analysiert, die strukturelle Veränderungen im Transitionsprozess innerhalb Kubas verfolgt.
I.3.2
Die Eingrenzungsdimensionen der bilateralen Beziehung
Für die Operationalisierung der Arbeit werden deskriptive Definitionsformen angewandt. Dabei werden die theoretischen Aussagen mit den beobachtbaren und messbaren Daten in Beziehung gesetzt und auf ihre Kongruenz geprüft. Die Außenpolitik der USA muss, um sie im Rahmen dieser Forschung beleuchten zu können, innerhalb eines Konzeptparameters eingegrenzt werden, der aus unterschiedlichen Beziehungskonditionierungen gebildet wird, da nur so ein Arbeitsrahmen für die Entfaltung der Analyse geschaffen werden kann. Die Konditionierungselemente sind wie folgt zu erfassen: a. Die Miteinbeziehung der historisch-kulturellen Einfluss- und Interventionsstrategie der USA im amerikanischen Kontinent sowie der singulären Kontinuität der US-amerikanischen Beziehung zu Kuba im Rahmen eines Aktions- und Reaktionsmusters. b. Die Interpretation der Beziehungskonditionierung im Kontext der in dieser Arbeit als Inkompatibilitätsprinzip definierten Konzeption. Das heißt, dass die Gegensätze und Widersprüche beider Staaten in der bilateralen Beziehung in die Studie miteinbezogen werden sollen. c. Die Definition der gesellschaftlichen Strukturen der Interessengruppen bei der Konzipierung von außenpolitischen Entscheidungen und die Spezifizierung ihrer Oppositionsrolle im Hinblick auf deren Einwanderungsphasen in die Vereinigten Staaten. d. Die Einflussfaktoren der regionalen und geopolitischen staatlichen Konstellation auf die Entfaltung der bilateralen Beziehungen durch die Lokalisierung der Interessengruppen.
I.3.2.1
Das Aktions- und Reaktionsmuster im partikulären Fall
Auch wenn Politik eine terminologische Konstruktion ist, lässt sich dennoch die Summe der Aktionen und grenzüberschreitenden Handlungszusammenhänge zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren als eine umfassende Definition der Internationalen Beziehungen interpretieren.70 Hinsichtlich der Ziele der vorliegenden Untersuchung muss herausgestellt werden, dass die internationalen Beziehungen nicht im Sinne einer Verallgemeinerung aufgefasst werden, in der die Aktionen bzw. Reaktionen mehrerer Staaten untersucht und dargestellt werden. In diesem Kontext handelt es sich spezifisch um die Außenpolitik eines Staates und die darauf folgende Reaktion eines anderen. Somit ergibt sich bei dieser Analyse konkret ein Aktions- und Reaktionsmuster, das in diesem typischen Fall den Charakter der bilateralen Beziehungen für mehrere Dekaden geprägt hat und noch 70
CZEMPIEL 1991: S. 5. Ulrich von Alemann vertritt einen ähnlichen Ansatz. Er bezeichnet die Bestimmung von dem, was Politik ist, als eines der schwierigsten Unterfangen in der wissenschaftlichen Diskussion; siehe v. ALEMANN 1983: S. 116.
I.3 Die Operationalisierung der Studie
31
heute prägt. Hierbei kann man gemäß Czempiel entweder die Interaktion, also die internationale Politik, direkt analysieren oder aber die diese Interaktion zu Stande bringenden Außenpolitiken der einzelnen Länder.71 Letzteres ist hier möglich. Die offensichtlichen Inkompatibilitätsfaktoren in der bilateralen Beziehung sollen eine weitere Eingrenzung der Studie markieren, da sich innerhalb dieser die staatlichen Präferenzen entfalten. Nun muss die genannte Einschränkung hinsichtlich der Fragestellung und der einzusetzenden Methoden vorgenommen werden. Die Eingrenzung soll als Resultat der Entscheidungs- und Präferenzbildungsprozesse verstanden und ins Zentrum der Analyse gerückt werden.
I.3.2.2
Der Inkompatibilitätsfaktor in den bilateralen Beziehungen
Der Prozess der gegenseitigen Beeinflussung und der Interdependenz von Entscheidungsträgern und Interessengruppen, auf den die Umsetzung der formierten außenpolitischen Entscheidungen in politische Handlungen folgt, soll hier am Beispiel der langen und schwierigen Beziehungen zwischen zwei Staaten, die sich in einem Inkompatibilitätsdilemma befinden, beleuchtet werden. Es ergibt sich eine dreigliedrige Kombination aus Interessen, innergesellschaftlicher Interaktion und außenpolitischen Entscheidungen, die die Basis für die Operationalisierung der Beziehungen darstellt. Unabhängig von diesem dreigliedrigen Komplex erscheinen die US-amerikanischen Interessen in der Region in Disparität zum partikulären Fall Kubas. Deshalb entstehen, wie im nächsten Abschnitt erklärt wird, bei der Betrachtung der interamerikanischen Beziehungen und auf Grund der US-amerikanischen Interessen in der Region Divergenzen, wobei gerade Kuba im regionalen Kontext einen Inkompatibilitätsfaktor darstellt. Bei dem Vergleich zwischen den USA und Kuba entsteht ein differenziertes Bild. Rudolph J. Rummel geht davon aus, dass die Prämisse für eine Konfrontation zwischen zwei Staaten von dem politischen Charakter der Systeme konditioniert wird, wobei eines von beiden totalitär oder autoritär sein muss.72 Der Charakter des Systems ist ein Element, gefolgt von immanenten Eigenschaften wie der Größe des Landes, der wirtschaftlichen und militärischen Macht und der entsprechenden politischen Einflusskapazität auf internationaler Ebene. Auf dem amerikanischen Kontinent ist Kuba der einzige Staat, der ein sozialistisches System innehat.73 Diese Inkompatibilität, wie ich die historischen Differenzen und Gegensätze zwischen den beiden Systemen nenne, wird auch von einer Disparität in der Durchsetzung außenpolitischer Interessen begleitet.74 Gemäß dem in Punkt 3.2.1 genannten Aktions- und Reaktionsmuster führt diese Beziehung zu Spannungs- bzw. Entspannungsmomenten, ebenso wie zu Reaktionen der innergesellschaftlichen Geschlossenheit (siehe Abb. 2). Das heißt, je höher der Politische Druck (PD) seitens der USA, desto geringer sind die Möglichkeiten zur Öffnung und Entspannung (ÖE); dies hindert die mögliche Entfaltung reformerischer Impulse innerhalb Kubas und dies wiederum steigert die Geschlossenheit 71 72 73
74
CZEMPIEL 1991: S. 4. RUMMEL 1979: S. 278. In der politikwissenschaftlichen Diskussion über die Neuorientierung der US-amerikanischen Außenpolitik nach 1990 wurde der Sieger zur politischen Kraft ohne Herausforderer erhoben. Kuba stellt auf dem amerikanischen Kontinent keine Bedrohung für die USA dar – für Kuba ist es jedoch eine Herausforderung, der US-amerikanischen Politik entgegenzuwirken; siehe zur US-Politik nach 1990 die Beiträge von HALLIDAY 1991: S. 57-72 und LOTH 1991: S. 3-10; siehe auch den Beitrag von HOFFMANN 1999: S. 35-40. Siehe dazu CARDOZO 2001: S. 105-109.
32
I Methodologie und Operationalisierung
innergesellschaftlicher Kräfte. Je niedriger der PD ausfällt, desto größer werden die Chancen einer ÖE. Der innergesellschaftliche Druck, der sich auf Kuba in Zeiten politischer Konfrontation aufbaut, findet in der Minderung externer Druckmaßnahmen eine interne politische Entspannung. Dieses Spannungsfeld wird hier als eine prägende und anhaltende Eigenschaft der bilateralen Beziehungen verstanden, innerhalb dessen die transnationalen Akteure ihre Interessen durchzusetzen versuchen. Abbildung I-2:
Aktions- und Reaktionsmuster
Quelle: Eigene Darstellung I.3.2.3
Die kubanische Auswanderung
Bei der Untersuchung der kubanischen Opposition bzw. der cubano-amerikanischen Interessengruppen in den Vereinigten Staaten muss das Phänomen der kubanischen Auswanderung inkludiert werden. Um die Organisationsformen, Strukturen und Ziele dieser Gruppen erforschen zu können, ist es notwendig, den Fokus der Untersuchung in erster Linie auf die Immigration kubanischer Bürger in die USA zu richten. Hinsichtlich der politisch einflussreichen Gruppierungen kubanischer Immigranten muss betont werden, dass ihre Entstehung für diese Studie nicht entscheidend wäre, wenn ihre Verbindung zu den Vereinigten Staaten vor dem Zeitpunkt ihrer Auswanderung nicht berücksichtigt werden würde. Auf intellektueller Ebene waren die USA nicht nur für die kubanischen, sondern auch für die gebildeten Segmente der lateinamerikanischen Gesellschaften immer ein Referenzpunkt für die Auswanderung gewesen; die Immigranten konnten in Amerika ein neues Leben beginnen, viele sahen dort bessere ökonomische Chancen und ein breiteres Spektrum an Entfaltungs- bzw. Ausbildungsmöglichkeiten. Außerdem haben die USA immer eine politische Stabilität geboten, die die Einwanderer oftmals in ihrer Heimat nicht vorfinden konnten. Miami entwickelte sich besonders für die Exilkubaner von 1959 bis in die 1990er Jahre zur Hauptstadt der kubanischen Konterrevolution. Die Stadt ist das Epizentrum einer Gemeinde, die vor allem aus Exilkubanern besteht. Die Einwanderer bilden aber nicht eine einheitliche Gesellschaftsschicht, denn die Gruppen emigrierten nicht zum selben Zeitpunkt
I.3 Die Operationalisierung der Studie
33
und haben auch nicht die gleichen ideologischen Ansichten. Die Gruppierungen müssen deshalb unter diesem Aspekt differenziert betrachtet werden. Unter Berücksichtigung der beiden Indikatoren des historischen Zeitpunkts der Auswanderung und des ideologischen Hintergrunds ergeben sich meines Erachtens in den USA drei cubano-amerikanische Hauptgruppen: die militanten paramilitärischen, die konservativen und die moderaten Interessengruppen. Bei dieser Differenzierung greife ich auf die Ergebnisse zuverlässiger statistischer Quellen zurück. Diese Möglichkeit ergibt sich durch die erste US-amerikanische Volkszählung aus dem Jahr 1990. Sie ist von Bedeutung, da diese statistische Informationsquelle die Auswanderungswellen des Mariel75 in den 1980er Jahren mitberücksichtigt und die verschiedenen Immigrationsgruppen zehn Jahre nach dem Verlassen der Insel beschreibt und charakterisiert. Der Zeitpunkt dieser Datenermittlung fällt mit dem Beginn einer neuen Phase für Kuba und für seine Beziehungen zu den USA nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion zusammen. Abbildung I-3 gibt einen Überblick über die Verteilung und die Verbindungen der zu untersuchenden kubanischen Gruppierungen. Im darauf folgenden Abschnitt werden die Organisationen hinsichtlich ihrer Struktur sowie ihrer Handlungsinstrumente und ihres ideologischen Hintergrunds untersucht. Der Vergleich der erhobenen Daten aus dem Jahr 1990 mit denen der Volkszählung durch das U.S. Census Bureau im Jahr 2000 ermöglicht einen Überblick über die politischen cubano-amerikanischen Organisationen und den Ursprung ihrer Aktivisten. Drei methodologische Vorgehensweisen sind hier zu unterscheiden: a.
b.
c.
75
76
In einer ersten Phase sollen sowohl die Tendenz der Dimensionen des kubanischen Migrationsprozesses ab 1959 als auch die strukturellen Züge der Bevölkerungsmobilität und die geographische Verteilung der Migranten erfasst werden. Die statistischen Datenangaben des Statistical Abstract of the United States von 2007 werden in den Vergleich miteinbezogen. Als zweite Forschungseinheit wird das Verhalten ausgewählter Indikatoren wie beispielsweise das Einkommens- und Bildungsniveau analysiert und mit dem Jahr der Einwanderung in die USA verglichen. In einer dritten und entscheidenden Phase werden die Positionierung der Gruppen zu spezifischen politischen Fragen gegenüber der Insel und ihre Beziehungen zu den USA bestimmt. Diese Daten sind von Relevanz, um die kubanischen Immigrationsgruppen, die eine Opposition gegen die Castro-Regierung darstellen, zu charakterisieren und den Grad ihrer Integration in die US-amerikanischen Strukturen zu messen. Meiner Ansicht nach kann diese Analyse nur im Kontext des Migrationsprozesses und der angewandten Politik beider Länder zur Regulierung des Phänomens angegangen werden. Um die Haltung der Cubano-Americanos76 zu den Beziehungen zwischen beiden Ländern und ihre Vorstellungen über einen politischen Übergang auf Kuba verstehen zu können, werden in meiner Untersuchung die erhobenen Daten des Institute Der Mariel ist ein Hafen im Nordosten Kubas, über den tausende von Kubanern Ende April 1980 die Insel verließen. Diese Auswanderungswelle dauerte sechs Monate an. Die emigrierten Kubaner werden als Marielitos bezeichnet. In der politischen Debatte über die Beziehungen zwischen den USA und Kuba erscheint in der englischen Literatur die Bezeichnung Cuban-American. Damit sind aus Kuba stammende und in die USA integrierte US-amerikanische Bürger gemeint. In der spanischen Literatur wird diese Gruppe Cubano-Americanos genannt. Es erweist sich als schwierig, diese Bezeichnung ins Deutsche zu übertragen. Aus diesem Grund werde ich diese Gruppe Cubano-Americanos nennen.
34
I Methodologie und Operationalisierung
for Public Opinion Research der Universität Florida miteinbezogen. Bei dieser Umfrage wurden die Meinungen zur innenpolitischen Lage der Insel, zur Unterstützung des Dialogs, zum wirtschaftlichen Embargo, zu den Menschenrechten, zu den möglichen militärischen Aktionen gegenüber Kuba oder zu einer Rückkehr auf die Insel methodologisch und statistisch erfasst. Dadurch lassen sich die inhaltlichen Positionen der cubano-amerikanischen Gemeinde operationalisieren. Die von mir durchgeführte Umfrage aus dem Jahr 2007 unter 517 Aktivisten cubano-amerikanischer politischer Organisationen ermöglicht eine Aktualisierung der Daten (siehe dazu Unterpunkt 3.3). Die Ergebnisse sollen die aktuelle Haltung der Kubaner zu den bilateralen Beziehungen aufzeigen und ermöglichen eine Überprüfung der Kongruenzintensität zu den hier gewählten unabhängigen Indikatoren.77 Abbildung I-3:
Die kubanischen Oppositionsgruppen
Quelle: Eigene Darstellung
I.3.2.4
Die geographische und geopolitische Lokalisierung der Gruppen und deren historische Einflussfaktoren
Auf Grund der ethnischen Pluralität, die die US-amerikanische Gesellschaft auszeichnet, wird die außenpolitische Agenda, die eine bestimmte Gruppe betrifft – je nach Ausmaß der Problematik und Größe der Gruppierung – zum innenpolitischen Thema. Die Gruppen lassen sich somit politisch mobilisieren.78 Dies bedeutet, dass außenpolitische Entscheidungsprozesse auch durch die Interessengruppen mit der Sanktionskraft der Wahlen und dem
77 78
Die Indikatoren CDA, CLDSA und CAFC werden in Kapitel IV behandelt. Siehe dazu die neuesten Untersuchungen zur politischen Mobilisierung von Minderheiten in den USA: BARRETO/RAMÍREZ 2004: S. 11-14; siehe auch zu diesem Thema: KAUFMANN 2003: S. 107-125.
I.3 Die Operationalisierung der Studie
35
hohen publizistischen Mobilisierungspotential beeinflusst werden können.79 In diesem Abschnitt sollen die historischen und ideologischen Hintergründe der Gruppierungen und der Zeitpunkt ihrer Auswanderung ermittelt werden. Auch soll die Region, in der sie sich niedergelassen haben, lokalisiert werden. Dies bedeutet konkret, dass die Gruppen untersucht werden, die insbesondere in Miami agieren. Die Gründe, die zur Bildung dieses Ballungsgebietes geführt haben, sind vielfältig. Florida ist aus klimatischen, geographischen, aber auch aus gesellschaftlichen Gründen schon immer ein beliebter Zufluchtsort für kubanische Einwanderer gewesen. Dieser Landesteil wird oft nicht nur als „Herz“, sondern auch als „Seele“ der kubanischen Gemeinde in den Vereinigten Staaten angesehen.80 Bereits während der spanischen Kolonialzeit diente die Region als strategischer Ausgangspunkt für den Widerstand und die Befreiung der Insel. Die Beziehungen zwischen beiden Ländern haben meines Erachtens ein historisch konstantes Zentrum, das sich durch die geographische Konditionierung entwickelt hat. Auch wenn es Programm ist, dass die Beziehungen durch eine ständige gegenseitige Negierung der Systeme und öffentliche Denunzierung der Missstände auf beiden Seiten belastet werden, können die beiden Nationen nicht auf Distanz gehen oder sich gar entfremden, da dies allein auf Grund der geographischen Nähe nicht möglich ist. Ungeachtet der jahrzehntelangen Beziehungskälte führt dieser Ausgangspunkt aus meiner Sicht dazu, dass sich die bilaterale Interaktion normalisieren wird. Hier stellt sich die Frage, unter welchen Bedingungen und Umständen sich diese Normalisierung etabliert und ob diese Konditionen eine Basis für eine konstante Regulierung der bilateralen Interaktion schaffen können. Der geographische Gesichtspunkt kann durchaus zur Beantwortung dieser Fragestellung beitragen. Die Vereinigten Staaten von Amerika betrachteten Kuba immer als eine natürliche Ausdehnung der eigenen Grenzen. Im Kampf um die Unabhängigkeit Kubas von Spanien bestand für die USA erstens durch die geographische Position und zweitens durch die politischen Kräfte, die einer Annektierung offen gegenüberstanden, die Möglichkeit, die Insel an sich zu binden. Es bot sich ein Raum an Opportunismus, da sich die spezifischen Beziehungen zu Spanien transformierten, indem das administrative und wirtschaftliche Kolonialsystem verschwand. Der USA eröffneten sich Möglichkeiten, aktiver zu werden, denn auf Grund der politischen und wirtschaftlichen Bedingungen Kubas war zu diesem Zeitpunkt eine finanzielle Hilfe nötig, für deren Gewährleistung die USA in der Lage waren. Anfang des 20. Jahrhunderts stellten die Vereinigten Staaten den wichtigsten Markt für die kubanischen Erzeugnisse dar, gleichzeitig war Kuba aber auch das Handelsziel für viele USamerikanische Produkte. Diese Beziehungskonvergenz durch den wirtschaftlichen Handel schuf für mehr als ein halbes Jahrhundert den Kontext für die Entfaltung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Doch auch aus politischer Sicht war Kuba für die Vereinigten Staaten ein wesentlicher Ausgangspunkt. Die USA richteten ihre Aufmerksamkeit politisch und militärisch auf den Süden und die Kubaner wiederum sahen im Norden die Quelle einer lebendigen sozioökonomischen Kraft. Im Laufe des 20. Jahrhunderts intensivierte sich die Abhängigkeit Kubas vom US-amerikanischen Markt, da die Vereinigten Staaten die Insel mit allen Konsumprodukten, Nahrungsmitteln und Kapitalkrediten versorgten. Diese geopolitischen und wirtschaftlichen Bedingungen schufen die Voraussetzung für die 79
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Vgl. BRENNAN/LOMASKY 1997: S. 1-31. Dieser Sanktionsmechanismus, in der Demokratietheorie Dahls als minimale Definition von Demokratie bezeichnet, wird als ein Kontrollprozess der einfachen Bürger über ihre Führer verstanden; siehe DAHL 1976: S. 2. Siehe dazu ENGFER 2005: S. 42.
36
I Methodologie und Operationalisierung
US-amerikanischen Annektierungsbemühungen.81 Diese waren jedoch nicht einseitig, denn es gab auch auf Kuba politische Kräfte, die dies anstrebten. Viele Großgrundbesitzer sahen auf diesem Weg eine Möglichkeit, nach der Unabhängigkeit von Spanien die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Insel zu lösen. Vor allem die kreolische Elite sah in der Vereinigung beider Länder eine Option, um den wachsenden sozialen, wirtschaftlichen und politischen Spannungen innerhalb Kubas entgegenzuwirken. Dadurch wären auch die politischen Rivalitäten innerhalb der kubanischen Gesellschaft bedeutungslos geworden. Dies hätte zur Folge gehabt, dass die Eliten die vorhandene Macht nicht teilen hätten müssen. Den Annektierungsbestrebungen stand jedoch die stärkere Idee einer unabhängigen Nation, eines Cuba libre, gegenüber, die immanent von der mehrheitlichen Bevölkerung getragen wurde. Die Konsolidierung der Nation ist ein zentraler Aspekt für das Verständnis der Beziehungen zwischen den USA und Kuba. Die Einführung des Platt Amendment (siehe Kapitel lI-1.2) im Jahr 1901, begleitet von wiederholten militärischen und politischen Interventionen von Seiten der USA und der wirtschaftlichen Ausdehnung des amerikanischen Kapitals auf der Insel sowie beides verstärkt durch die kulturelle Präsenz der Amerikaner, führten zu einer Verzerrung der natürlichen Entfaltung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Das Platt Amendment war die Institutionalisierung der US-amerikanischen Präsenz auf Kuba. Sowohl der Staatscharakter Kubas als auch die Wirtschaft und das soziale sowie kulturelle Umfeld wurden durch die kontinuierliche Anwesenheit der USA beeinträchtigt. Die Entwicklung der kubanischen Gesellschaft war über ein halbes Jahrhundert das Resultat der amerikanischen Hegemonie. Der Aspekt der geographischen Nähe kann isoliert betrachtet nicht die Komplexität der Beziehungen zufrieden stellend erklären, da in der Geschichte auch imperialistische Elemente bei der Konzipierung der US-Außenpolitik in der Region impliziert waren.82 Dennoch nimmt hier die geographische Angrenzung eine entscheidende Position ein, die bei der Analyse der historischen Auseinandersetzung nicht auszublenden ist. Die kulturellen Auswirkungen der gegenseitigen Beeinflussung sind sowohl auf Kuba als auch im Süden Floridas zu beobachten. Bei den Beziehungen zwischen den Kubanern und den Cubano-Americanos können ambivalente Elemente wie gegenseitiges Vertrauen und Misstrauen, Achtung und Missachtung oder der Wunsch, dem Anderen nachzueifern, bzw. die Notwendigkeit zur Ablehnung beobachtet werden.83 Die Konfrontation hält schon mehr als ein Jahrhundert an und bestimmt so die Beziehungen zwischen beiden Ländern mit: Auf der einen Seite befinden sich die USA mit ihrer kontinuierlichen Beharrlichkeit, Kuba zu kontrollieren, und auf der anderen Seite Kuba mit seiner Determination, sich dieser Konstante zu widersetzen, gestärkt durch die prägende Positionierung seines nationalen Charakters.
81
82
83
Die Ansprüche der USA an Kuba hatten aus historischer Sicht eine geographische Konditionierung, bei der Annektierungsbestrebungen vorhanden gewesen waren. Die grundsätzliche Haltung der USA zu Lateinamerika war immer durch Besitzansprüche geprägt gewesen, die nicht erst nach dem 11. September 2001 entstanden sind. Nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center sehen sich die USA berechtigt, politische Agenden unter Androhung von Sanktionen auszuführen. Diese Beobachtung des Politologen Guillermo O’Donnell basiert u.a. auf den Bedingungen der geographischen Konstellation; siehe O’DONNELL/ ALCÁNTARA/ESCOBAR 2003: S. 12; mit dieser Haltung koinzidiert die Einschätzung des Historikers PEREZ Jr. 1998: S. 161. Die US-amerikanische Dominanz wird historisch u.a. von einer Haltung zur Region geprägt, in der väterliche Elemente miteinfließen, die den Entscheidungsträgern die natürliche Vermutung der Superiorität vermitteln; siehe MARTZ 1992: S. 51. Vgl. PEREZ-Jr. 1997.
I.3 Die Operationalisierung der Studie
I.3.3
37
Determinanten und Indikatoren der Umfrage
Für diese Untersuchung habe ich eine Umfrage durchgeführt, die sich an die kubanischen Organisationen in Miami richtete. Dafür wurde ein Fragebogen konzipiert, der an die Organisationsmitglieder sowie an politisch aktive Kubaner verteilt wurde. Bei der Festlegung der Fragen habe ich mich an Formulierungen angelehnt, die mit den Konzepten korrelieren, die in den herausgegebenen Gesetzentwürfen der US-Regierung festgelegt und gegen Kuba vorgesehen und angewandt werden. Aus der theoretischen Darstellung dieser Studie (vgl. Abb. I-1) geht hervor, dass diese Maßnahmen die wichtigsten Prüfinstrumente für die Untersuchung sind. Die Umfrage gibt Aufschluss darüber, inwieweit die angewandten Gesetze mit den Einstellungen der cubano-amerikanischen Aktivisten zur Kubapolitik übereinstimmen.
I.3.3.1
Zur methodologischen Operationalisierung
Die als dritte Säule erfasste Zielgruppe (siehe Abb. I-1), die für die Untersuchung als zentraler Merkmalsträger agiert, sind die kubanischen Interessengruppen. Sie bilden die Grundgesamtheit der Studie. Auch wenn in Miami die größte Konzentration von Kubanern in den USA vorzufinden ist und somit eine Vollerhebung in Frage käme,84 ist dies meiner Ansicht nach für diese Untersuchung nicht notwendig, da die Selektion auf der Basis der politischen Tätigkeit der Probanden beruht und dadurch eingegrenzt wird (siehe Abb. I-4). Das Verständnis von politischer Aktivität wurde in Punkt 3.1 dieses Kapitels definiert. Mit Hilfe einer Cluster-Stichprobe werden in dieser Studie Rückschlüsse auf die zu untersuchende Grundgesamtheit gezogen. Durch diese Stichprobe können nach einer detaillierten Einzelbetrachtung verallgemeinernde Erkenntnisse gewonnen werden. Die Methode kann in diesem spezifischen Fall angewandt werden, da die Grundgesamtheit schon in mehrere Gruppen (Cluster) unterteilt wurde. Als Stichprobe werden die Gruppen (Cluster C) ausgewählt und die Ergebnisse der Erhebung dann auf die anderen Gruppen übertragen. Um die Fehlervarianz einzuschränken, werden drei Kriterien mitberücksichtigt: a. b. c.
Die örtliche Eingrenzung durch die geographische Lokalisierung Die sachliche Eingrenzung durch ausschließlich politisch aktive Gruppierungen Die zeitliche Eingrenzung
84
Die Zahl beläuft sich im Jahr 2004 auf 4% der hispanischen Population in den Vereinigten Staaten (ca. 40,5 Mio.). Das ergibt eine Gesamtsumme von fast 1,5 Mio. Kubanern; siehe dazu PHC 2005: S. 3f.
38
I Methodologie und Operationalisierung
Abbildung I- 4: Cluster-Stichprobe
Die Bildverkleinerung der hier zu untersuchenden Grundgesamtheit liefert meiner Ansicht nach für die Analyse ausreichende Angaben und ist für die Zielsetzung der Fallstudie repräsentativ. Die Daten für die Zusammenstellung der Stichprobe beziehen sich auf eine bewusste Auswahl und Eingrenzung der Gruppierungen. Nach der Stichprobenbestimmung wurde die Befragung anhand einer zufallsgesteuerten Auswahl innerhalb der politisch aktiven Elemente der Grundgesamtheit durchgeführt. Es wurde somit die Möglichkeit gegeben, dass alle Elemente der Grundgesamtheit in die Stichprobe gelangen konnten. Ziel war es, durch die zufallsgesteuerte Stichprobe und die daraus gewonnenen Ergebnisse innerhalb der bewussten Auswahl zu fundierten wahrscheinlichkeitstheoretischen Aussagen zu gelangen. Es fand also sowohl eine willkürliche als auch eine bewusste Auswahl statt. Die Kombination dieser beiden Methoden führt zu einer Quotenauswahl. Für die wissenschaftlichen Zwecke der Analyse würden allgemeine Befragungen durch eine ausschließlich zufallsgesteuerte Stichprobe unbrauchbare Daten liefern, da nicht jeder kubanische Passant politisch aktiv ist oder dies sein will. Für die Bewertung der Daten wurden Ordinalskalen angewandt. Zur Bestimmung der Stichprobe sind folgende Elemente notwendig: Aus der Grundgesamtheit N (ca. 11.000 aktive Mitglieder kubanischer Organisationen in Miami) mit einer Fehlertoleranz von 98% (entspricht k = 2,3), einer Varianz = 1,5 und einem Mittelwert e = +0,15 ergibt sich eine repräsentative Stichprobe mit einem Umfang von 517 Befragungen. Selbst wenn eine geringere Anzahl an Probanden teilgenommen hätte, wäre mit mindestens 372 Testpersonen eine Fehlertoleranz von 95% (entspricht k = 1,96) vorhanden gewesen und das Ergebnis trotzdem wertvoll und brauchbar gewesen. Auch wenn bei solchen Regressionsanalysen mathematische Hilfen für die Beurteilung miteinbezogen werden, muss beachtet werden, dass die Problematik der internationalen Beziehungen, die im Fokus der Analyse steht, nicht mit rein rechnerischen Mitteln aufgedeckt werden kann, da sie auch in einen breiten theoretischen Rahmen integriert werden muss.
I.3 Die Operationalisierung der Studie
I.3.3.2
39
Zur Befragung und zum Fragebogen85
Die Befragung konnte nur mit Unterstützung der cubano-amerikanischen Organisationen in Miami durchgeführt werden. Sie ermöglichten einen Zugriff auf die Datenbanken der einzelnen Organisationen, um dadurch die Mitglieder zu erreichen. Der Dispositionsspielraum wurde bei den meisten Fragen auf höchstens vier Items eingegrenzt, da anhand der Skala nicht persönliche Befindlichkeiten gemessen werden, die eine größere Bandbreite an möglichen Antworten erfordern würden, sondern die Einstellung zu einem bestimmten Sachverhalt. Diese Eingrenzung sollte als Stimulus dienen, um Probanden, die eventuell eine Stellungnahme verweigern würden, zu einer Antwort zu bewegen. 86 Die Befragung wurde innerhalb einer Zeitspanne von neunzig Tagen durchgeführt. Sie war zwar einmalig, nahm aber Bezug auf wiederholte Umfragen unter der cubanoamerikanischen Gemeinde innerhalb von vier Perioden durch die Universität von Florida. Der von mir erstellte Fragebogen fokussiert Mitglieder cubano-amerikanischer Organisationen in Miami mit politischen Zielen. Hier findet eine Kombination von Reaktionskategorien in den Skalen bei geschlossenen Fragen Verwendung. Die Reduzierung von Faktoren oder die Faktorisierung des Fragebogens ist meines Erachtens hinreichend für die Untersuchung der Aussagen. Es wurden für diese Studie keine observablen Variablen verwendet, da es sich um politische Einstellungen handelt.87 In diesem Zusammenhang lässt sich nur interpretieren, dass die Probanden einer Organisation angehören, die bestimmte Interessen verfolgt. Die Untersuchung orientiert sich demzufolge zuerst an dem Verfahren der bewussten Auswahl, gefolgt von der zufallsgesteuerten Auswahl. Die Gründe hierfür sind zusammengefasst: 1.
2.
3.
85 86
87
Eine volle Datenerhebung über die zwei Millionen Kubaner in den USA ist zum einen nicht notwendig und zum anderen den Ressourcen gemäß nicht möglich. Zur Unterstützung dieser Studie liegen aber die Daten der Universität in Florida aus den Jahren 1991 bis 2007 vor, ferner die Daten vom U.S. Census Bureau. Nicht alle Kubaner sind Mitglied einer politischen Organisation. Anhand der hier aufgestellten Hypothese findet deshalb eine geschichtete Sortierung der Interessengruppen statt, die sich politisch organisieren und aktiv sind. Eine rein willkürliche Befragung der cubano-amerikanischen Passanten in Miami mit dem Ziel, ihre Einstellung zur US-Kubapolitik zu ermitteln, hätte keine Relevanz, weil dadurch keine verwendbaren Daten für die Studie gewonnen werden könnten.
Siehe Fragebogenmuster im Anhang 2. Meine Erfahrungen bei einem Testversuch im April 2007 zeugen davon, wie Cubano-Americanos mit der „Kubafrage“ umgehen. Die Befragten in Miami äußerten sich mehrheitlich extrem reserviert, wobei sich einige sogar weigerten, überhaupt eine Aussage zu machen – mit dem Argument, nicht in Probleme involviert werden zu wollen. Dennoch sind dabei von mir hundert Befragungen bei politischen Veranstaltungen und Seminaren über Kuba durchgeführt worden. Bei der Datenerhebung anhand meiner Online-Befragung war eine größere Bereitschaft der Versuchspersonen festzustellen, da hier die Anonymität gewährleistet wurde. Eine direkte Messung der Präferenzen des Staates ist genauso kompliziert zu bestimmen wie wichtige Bereiche der Außenpolitik, die nicht direkt beobachtbar sind; vgl. GOWA 1999: S. 69f.
40
I Methodologie und Operationalisierung
I.3.3.3
Kongruenz und Korrelation der Indikatoren
Die Indikatoren der Studie, die als Messinstrument fungieren, sind die US-amerikanischen Gesetze, die bei den bilateralen Beziehungen seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion gegen Kuba angewandt werden. Indem die Inhalte der Gesetze mit den ausgewerteten Daten der Befragung verglichen werden, kann sowohl eine Korrelation als auch eine Kongruenz zu den konzipierten Maßnahmen der US-amerikanischen Kubapolitik festgestellt oder ausgeschlossen werden. Eine direkte Messung des Gruppeneinflusses wäre in diesem Kontext nicht möglich, da theoretische Begriffe und Konstrukte nicht direkt beobachtbar sind. Durch die Indikatoren allein kann keine absolute Messung der theoretischen Dimensionen erfolgen. Da diese in der vorliegenden Studie aber in einen breiteren theoretischen Kontext eingegliedert werden, gibt es meiner Ansicht nach keine grundsätzliche Veranlassung, diese Korrelation als unplausibel einzustufen. Sie bilden eine interne theoretische Konsistenz in Korrelation zu den Ergebnissen der ausgewerteten Variablen in der Befragung. Die zu untersuchende Kernthese der Auswirkungen cubano-amerikanischer Interessengruppen auf die US-Außenpolitik gegenüber Kuba (siehe 3.1.1) lehnt sich an den kausal-analytischen Ansatz an, in dem die Indikatoren als beobachtbare Folgen der latenten Variablen aufgefasst werden. Die Aussagen der hier dargestellten These werden als Wirkungen der latenten Variablen interpretiert. Das heißt, dass das Phänomen, das durch die Indikatoren erklärt wird, durch die latenten Variablen verursacht worden ist. Die Untersuchung basiert auf der Konzipierung und Zusammenstellung von dreiunddreißig Variablen mit plausiblen Datentransformations- und Analysewerten, die folgende Frageblöcke zu den persönlichen Daten und der Einstellung zur US-amerikanischen Kubapolitik bilden: a. b. c. d. e. f. g.
Allgemeine Daten Demographische Daten Einstellung zu den Massenmedien Auswirkungen des Embargos Internationale Beteiligung der USA und Drittländer Wahlverhalten und Parteizugehörigkeit Persönliche Pläne nach einem möglichen Wechsel auf Kuba
I.3.3.4
Zur Operationalisierung der internationalen politischen Dimension
Für die Analyse der Beziehungen zwischen den USA und Kuba werden verschiedene Elemente berücksichtigt. Die Hauptvariablen, die die Interaktion bestimmen, sind meines Erachtens auf drei Ebenen zu erfassen: a. b. c.
Agierende Gruppierungen innerhalb Kubas (Gc) Intern agierende Gruppierungen in den USA, konzentriert in Miami (Gm) Internationaler Charakter der angewandten US-Gesetze gegen Kuba (G1, G2, G3)
Diese Variablen bilden aus internationaler Sicht den politischen Ausdruck der bilateralen Auseinandersetzung. Selbstverständlich würde man bei detaillierter Betrachtung der Variablen, eingegliedert in verschiedene politische Szenarien, eine komplexere Aufsplittung
I.3 Die Operationalisierung der Studie
41
von Variablen erreichen. Das bedeutet, dass jedes Szenarium der hier erwähnten Ebenen aufgegliedert werden könnte, so dass eine Vielfalt von Merkmalen möglich wäre; isoliert würden sie aber ihre instrumentale Wirkung für die Analyse verlieren, mit der das zu untersuchende Phänomen effektiv erfasst werden soll, da letztendlich die eventuell aufgeschlüsselten Variablen nur Ausdruck eines von drei Szenarien wären. Ich rekurriere an dieser Stelle auf den Fokus der Studie, der auf die Bestimmung abzielt, ob es einen politischen Einfluss (E) seitens Ga und Gc auf die Gestaltung der US-amerikanischen Kubapolitik gibt oder nicht. Zu spezifizieren ist, dass die angewandten Gesetze G1, G2, G3 nicht direkt von den kubanischen Gruppen eingeführt werden, da sie ausschließlich vom Kongress (K) verabschiedet werden, wobei G3 den Spielraum des Präsidenten (P) ausdrückt. Es treten somit zwei Variablen auf, die G1, 2, 3 bestimmen. Demnach müssen folgende Determinanten berücksichtigt werden: Gc = Gm = G1 = G2 = G3 = K= P= Eap =
Agierende Gruppierungen innerhalb Kubas Intern agierende cubano-amerikanische Gruppierungen in den USA, konzentriert in Miami CDA (Cuba Democracy Act) CLDS (Cuban Liberty and Democratic Solidarity (Libertad) Act) CAFC (Commission for Assistance to a Free Cuba) Kongress Präsident Außenpolitischer Einfluss
I.3.3.4.1 Agierende Gruppierungen innerhalb Kubas (Gc) Die Variable bezieht sich auf die dynamische Funktion, die durch die entstehenden Dissidentengruppen innerhalb des kubanischen Systems erfüllt wird. Trotz der vorgenommenen terminologischen und politischen Differenzierung können diese Gruppen als oppositionelle Kräfte erfasst werden, da sie die handelnde Kontraposition im kubanischen System repräsentieren.88 Auf Grund der kontinuierlichen internationalen Anerkennung, die die Gruppen immer mehr gewinnen, bilden sie eine wichtige Variable für diese Untersuchung. Auch wenn sie eine interne Herausforderung für das kubanische System sind und als innenpolitische Angelegenheit der Regierung betrachtet werden können, soll in diesem Kontext der internationale politische Charakter der Gruppierungen von besonderem Interesse sein.
I.3.3.4.2 Intern agierende cubano-amerikanische Gruppierungen in den USA, konzentriert in Miami (Gm) Der Bezugspunkt sind hier die internen cubano-amerikanischen Interessengruppen in den Vereinigten Staaten, deren Mitglieder in den verschiedenen Organisationen mit Schwerpunkt in Miami (Florida) verteilt sind. Die lokale Festlegung geht auf die Konzentration der
88
Die definitorische Eingrenzung von „Opposition“ und „Dissident“ habe ich in Kapitel I, 3.1.3 und 3.1.5 thematisiert und begründet.
42
I Methodologie und Operationalisierung
Kubaner in der Region zurück.89 Die Stärke der Gruppe bezieht sich nicht nur auf die Fähigkeit, bei der Konzipierung der Kubapolitik mitzuwirken, sondern auch auf ihr Mobilisierungspotential der cubano-amerikanischen Bevölkerung, wenn in der politischen Regierungsagenda der USA die Beziehungen zu Kuba tangiert werden.
I.3.3.4.3 Der internationale Charakter der angewandten US-Gesetze gegen Kuba (G1, G2, G3) Diese Variablen markieren die verfolgte Linie der US-amerikanischen Kubapolitik nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Meines Erachtens koinzidieren die wichtigsten Elemente dieser drei Variablen mit den Hauptinteressen der Gruppierungen. Die politischen Instrumente werden angewandt, wenn sie durch situationsbedingte Ereignisse innerhalb der bilateralen Beziehung begünstigt werden und sich der Druck der Gruppierungen intensiviert.
Cuba Democracy Act (G1) G1 repräsentiert den Ursprung bzw. den Beginn einer neuen Richtung der US-amerikanischen Kubapolitik nach der politischen Neuorientierung in Osteuropa. Damit verfolgten die USA 1992 – also Jahrzehnte, nachdem John F. Kennedy das Embargo gegen Kuba verhängt hatte – eine Beendigung des kubanischen Systems, indem sie durch die Verschärfung der Sanktionen eine Beschleunigung erwarteten. Charakteristisch für dieses Gesetz sind die zwei strategischen Handlungsschienen: Auf der einen Seite eine Intensivierung der wirtschaftlichen Sanktionen, bestimmt durch die Internationalisierung des Embargos (Schiene I), indem Verbote für wirtschaftliche Beziehungen mit Kuba für US-amerikanische Filialen bzw. Tochtergesellschaften in Drittländern festgelegt wurden. Auf der anderen Seite sind die politischen Instrumente der Schiene II zu nennen. Sie werden durch den kulturellen, akademischen und humanitären Austausch mit Kuba bestimmt, wobei dieser jedoch nur im Sinne der US-Politik stattfinden darf.
Cuban Liberty and Democratic Solidarity (Libertad) Act (G2) Diese Variable repräsentiert eine weitere Konstante in der Gestaltung der US-amerikanischen Kubapolitik. Das Gesetz, auch als Helms-Burton Act bekannt geworden, wurde 1996, vier Jahre nach dem Inkrafttreten des Torricelli Act, vom Senat verabschiedet und vom Präsidenten Bill Clinton unterschrieben. Es bedeutet eine progressive und ausweitende Verschärfung des vorangegangenen Embargos (1962) und des Torricelli Act (1992). Da der erwartete Kollaps des kubanischen Systems nicht eingetreten war, wird durch das Gesetz G2 eine Beschleunigung dieses Zusammenbruchs durch einen Stillstand der kubanischen Ökonomie verfolgt. Zusammengefasst soll durch dieses Gesetz nationale US-amerikanische 89
Die Größe der kubanischen Population in den Vereinigten Staaten zeigt, dass fast 70% der CubanoAmericanos in Südflorida leben; siehe dazu die Daten von PHC 2006: S. 3; siehe zudem die Daten vom U.S. Census Bureau über etwa 800 000 Kubaner: US-CB 2005.
I.3 Die Operationalisierung der Studie
43
Politik transnationalisiert werden, indem bei seiner Anwendung nationales Recht internationalisiert wird.90
Commission for Assistance to a Free Cuba (G3) Die sukzessiven politischen US-Aktionen mit dem Ziel, ein Ende des sozialistischen Kubas zu forcieren, finden mit der Gründung der Kommission CAFC durch den Präsidenten G. W. Bush im Jahr 2003 einen Höhepunkt. Nachdem über Jahre hinweg das angestrebte Ergebnis durch die Anwendung des Embargos (1962), den Torricelli Act (1992) und den HelmsBurton Act (1996) nicht erzielt worden war, sucht die derzeitige US-Regierung nach zusätzlichen Wegen, um einen Übergang in Kuba einzuleiten. Die Kommission CAFC setzt sich aus verschiedenen US-amerikanischen Regierungsbehörden zusammen, die gemeinsam für das gleiche Ziel arbeiten. Darunter befinden sich das Außen-, Kultur-, Finanz-, Wirtschaftsund Innenministerium sowie die Geheimdienste. Die Kommission wird von einem Designierten des Präsidenten geleitet, der diesem regelmäßig Berichte vorlegt. Die Variable zeigt eine politische Konstellation, in der der Präsident eigene Maßnahmen trifft, die parallel zu den in Kraft getretenen Gesetzen angewandt werden sollen.
I.3.3.4.4 Der Kongress (K) Die Verabschiedung von Gesetzen ist grundsätzlich für den US-amerikanischen Kongress konzipiert. Diese Variable ist insofern entscheidend, da G1 und G2 dort gestaltet worden sind. Der Kongress hat auch die Möglichkeit, die Außenpolitik der Regierung durch verschiedene Instrumente zur Einschränkung der Macht des Präsidenten mitzubestimmen. Es werden somit auch außenpolitische Regelungen auf Initiative des Kongresses durchgesetzt.
I.3.3.4.5 Der Präsident (P) Bei den außenpolitischen Handlungen ist der Präsident letztendlich der ausführende Hauptakteur. Ihm stehen die verschiedenen Ministerien und die dazugehörenden Bundesbehörden zur Verfügung. Für die Variable (P) in dieser Untersuchung ist G3 ein Beispiel für die Handlungsfreiheit und die außenpolitischen Gestaltungsspielräume der Exekutive.
I.3.3.4.6 Außenpolitischer Einfluss (Eap) Bei der Bestimmung des politischen Einflusses sind die genannten Variablen in der von mir dargestellten politischen Konstellation und dem zu untersuchenden partikulären Fall die relevanten Determinanten. Fundament dieser Variablen sind die agierenden Akteure Gm und Gc. Ihre Einflussintensität, falls sie gegeben ist, wird in G1, G2, G3 widergespiegelt werden. Die Intensität wird dann analog zur Kubapolitik der USA gemessen (Eap). Es wird vorausgesetzt, dass die Akteure die organisatorische und strategische Fähigkeit besitzen, 90
Die Ursprünge, Funktion und Auswirkungen des Gesetzes werden in Kapitel IV, 2 ausführlich untersucht.
44
I Methodologie und Operationalisierung
mit Hilfe der Anwendung gesellschaftlicher und politischer Instrumente außenpolitische Interessen im Entscheidungsmachtzentrum zu positionieren. Die mathematische Integration aller Variablen ergibt folgende Formel: Eap = f (Gm+Gc+ G1+ G2+G3) Die abhängige Variable wird von einer Reihe unabhängiger Variablen determiniert, deren Interaktion in den verschiedenen politischen Szenarien auch eine Perspektive für die zukünftige Entfaltung der US-amerikanischen Kubapolitik bieten kann. Die Option, diese Darstellung zu erweitern, ergibt sich auch, wenn man die Variablen von einem neuen Indikator abhängig macht. Das heißt, wenn die US-amerikanische Kubapolitik durch die Variablen Gm, Gc, G1, G2, G3 bestimmt wird, würde diese Korrelation auch von den Veränderungen innerhalb der kubanischen Gesellschaft abhängig sein. Dieser Indikator wird hier „Interne Transformation“ (IT genannt. IT wird durch die Variablen „Demokratisierungsniveau“ (D), „Wirtschaftliche Liberalisierung“ (WL) und „Menschenrechtseinhaltung“ (M) definiert. IT = f (D, WL, M) Die mathematische Darstellung sieht nun wie folgt aus: Eap = f (Gm+Gc+G1+G2+G3) IT= f (D+WL+M) Diese Formel impliziert die Interrelation der Variablen IT (D, WL, M), die für eine Überprüfung bzw. Untersuchung der Entwicklung von politischen, wirtschaftlichen und sozialen Transformationen innerhalb Kubas notwendig sind. Auch wenn diese Variablen in einer verallgemeinerten Form hier für die Betrachtung der bilateralen Beziehungen miteinbezogen werden mussten, sind sie für die Ziele der vorliegenden Studie zweitrangig, da nicht das Gesellschaftssystem Kubas im Fokus steht. Sie können aber auf Grund der Interessenformulierung der Gruppierungen in den USA in den Kontext der Einflussstrategien zur Konzipierung der Kubapolitik miteinbezogen werden und sollen deshalb allein aus dieser Perspektive heraus betrachtet werden.
II Historische Kontextualisierung der Interessengruppen und deren geopolitische und soziale Rahmenbedingungen II
Historische Kontextualisierung der Interessengruppen
Die Realisierung einer Studie über die Beziehungen zwischen den USA und Kuba ohne die Einbeziehung des geschichtlichen Hintergrunds würde bedeuten, dass man den spezifischen historischen Inhalt ausblenden würde, durch den die Konfrontation und die daraus resultierenden Konfliktlösungen erst verständlich werden. Aus diesem Grund ist die Berücksichtigung der bedeutendsten Ereignisse in den bilateralen Beziehungen für die Erklärung des außenpolitischen Verhaltens der USA gegenüber Kuba und die Reaktionen des Inselstaates auf die externen Handlungen der Vereinigten Staaten unabdingbar. Die politischen Beziehungen orientieren sich vor allem an sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Elementen, die im Laufe der gemeinsamen Geschichte die Aktivitäten, Werte und Ideale beider Seiten beeinflusst haben. Sie werden in den Kontext der kubanischen Migrationsdynamik in den Vereinigten Staaten integriert. Einen zentralen Schwerpunkt dieser Studie bilden daher die Berührungspunkte zwischen Amerikanern und Kubanern. Hierbei soll herausgestellt werden, unter welchen Rahmenbedingungen diese Kontaktmomente stattfinden und welche die Konsequenzen hieraus sind. Durch das Aufzeigen historischer Zusammenhänge soll in dieser Studie nicht die Geschichte Kubas chronologisch neu analysiert werden. Die umfangreiche Literatur belegt die diesbezügliche Auseinandersetzung in der Geschichtswissenschaft mit dem Thema Kuba. Wie Michael Zeuske zu Recht bemerkt, existieren heute zwei Metaerzählungen über die Insel: Eine, die außerhalb, und eine, die innerhalb entstanden ist.91 Bei dieser Analyse finden v.a. die Momente Beachtung, die für die Entstehung der zu untersuchenden Gruppierungen entscheidend waren, denn sie geben meines Erachtens Auskunft über deren Strukturen und ideologischen Hintergrund. Dies bedeutet, dass die Analyse über die kubanischen Interessengruppen hier auf der Basis des historischen Migrationsprozesses in den Vereinigten Staaten strukturiert wird. Die Immigration ist die Vorbedingung für die ethnischen Interessengruppen, um innerhalb des amerikanischen Systems politisch aktiv zu werden. Die soziodemographischen und ökonomischen Hintergründe des vorrevolutionären Kubas sind für die Betrachtung der Migrationsdynamik in den Vereinigten Staaten zentrale und unausweichliche Eckpunkte. Sie bilden den Ursprung einer neuen ethnischen gesellschaftlichen Komposition im Exil, durch die im Kontext der unvollendeten Versöhnung der kubanischen Nation Strategien entwickelt werden, um im Netz der US-Bürokratie und innerhalb der Institutionen nicht nur die Politik zu beeinflussen, sondern auch die Fähigkeit zur Politikgestaltung zu entfalten. Dies ist v.a. deshalb möglich geworden, da sich die eingewanderten Kubaner in einem dreidimensionalen Interaktionskomplex zwischen der amerikanischen Einflusspolitik, der kubanischen Resistenz auf diesen Einfluss und der Konsolidierung einer Nation aller Kubaner, ob sie außerhalb oder innerhalb ihres Landes leben, befinden. Wenn man dieses dreidimensionale komplexe Bild der Exilkubaner beibehält und 91
Siehe dazu ZEUSKE 2000: S. 8; vgl. auch die Ausführungen von PÉREZ 1995: S. 154ff.
46
II Historische Kontextualisierung der Interessengruppen
das Jahr 1865 als Ausgangspunkt einer politischen Emigration im Sinne der Unabhängigkeit von Spanien nimmt, entsteht innerhalb der Suche nach der Nationsbildung die erste Phase politischen Agierens außerhalb der Insel. Die zweite Phase beginnt 1902 nach der Gründung der Republik unter dem massiven Einfluss der USA in allen gesellschaftlichen Bereichen, begleitet von dem langjährigen Kampf um die wirtschaftliche und politische Selbstständigkeit. Eine dritte Phase setzt ab 1959 ein. In ihr intensivieren die Emigranten ihre Auseinandersetzung mit der Restaurierung der Republik, während die Bewohner auf der Insel durch die politischen Ereignisse im Rahmen des bipolaren weltpolitischen Machteinflusses und durch das Experiment der Schaffung einer neuen Gesellschaft verändert werden. Die vierte Phase beginnt 1990 und ist noch nicht abgeschlossen, denn der konfliktreiche, fast 150-jährige Nationsbildungsprozess dauert noch bis heute an. In diesem Zusammenhang muss in dieser Untersuchung zuallererst geklärt werden, von welchen Ideologien, Interessen und Besonderheiten die Beziehungen beider Länder schon in historischer Hinsicht beeinflusst wurden. Die Ausgangsbedingungen und Faktoren für die Gestaltung der Beziehungen zwischen den USA und Kuba sind deshalb nicht nur, aber vorwiegend in der Entstehung beider Nationen und deren partikulärer Beziehung zu suchen.92 Die Umwälzungen auf der Insel können immer in partikulärer Verbindung zu den Vereinigten Staaten gesehen werden, sei es als Ursache oder Auswirkung von politischen Entscheidungen oder als Mittel zur Transformation.93 Signifikant ist somit eine kurze Darstellung der Determinanten US-amerikanischer und kubanischer politischer Entscheidungen, die die verschiedenen Entwicklungsschritte der Beziehungen prägen. Dennoch wird der Schwerpunkt der Analyse durch den qualitativen Wechsel in der außenpolitischen Konstellation an den Beginn der 1990er Jahre gesetzt. Im Fokus der historischen Betrachtung befindet sich die Entstehung der zu untersuchenden Gruppierungen in den USA, die sich in drei zeitlichen Etappen formiert haben: a.
b.
c.
Die vorrevolutionäre Phase soll unter dem Aspekt des prägenden ideologischen und geopolitischen Charakters der US-amerikanischen Haltung in der Region untersucht werden. Diese Zeitspanne erfasst die Jahre 1865 bis 1959, wobei zum Hintergrundverständnis soziodemographische Inhalte des kolonialen Kubas hinzugezogen werden. Die revolutionäre Etappe und der konsequent darauf folgende Beziehungsbruch der USA zu Kuba sollen erfasst werden, ebenso werden die neuen Elemente der USamerikanischen Kubapolitik dargestellt. In diesem Abschnitt werden die Jahre 1959 bis 1990 berücksichtigt. In einer dritten zeitlichen Etappe von 1990 bis heute werden die Beziehungen zwischen Kuba und den USA im Rahmen einer Rekonzipierung der US-Politik im veränderten internationalen System nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion analysiert.
II.1 Die vorrevolutionäre Phase von 1865 bis 1959 Der historische Aspekt ist in der vorliegenden Analyse genauso relevant wie der geopolitische. Die geographische Nähe zur Supermacht kontrastiert mit dem Wunsch Kubas, die eigene nationale Identität zu schützen und zu bewahren, und manifestiert gleichzeitig die 92 93
Siehe dazu Kapitel I, 3.2.1 und 3.2.2. Vgl. PÉREZ 1999: S. 7.
II.1 Die vorrevolutionäre Phase von 1865 bis 1959
47
Verschiedenheit dieser beiden Nationen in der Größe der Landfläche, der Bevölkerungszahl, der Ressourcen, der Macht und des Einflusses. Die Betrachtung der vorrevolutionären Phase soll die Ambivalenz der Beziehungen Kubas zu den Vereinigten Staaten von Amerika in ihrer ursprünglichsten Form zeigen, die durch eine progressive Einflussintensität die bilaterale Interaktion bestimmt hat. Der chronologisch aufgeführte Zeitraum reicht in dieser Etappe von 1865 bis 1959. Er wird in drei Phasen unterteilt: a. b. c.
1865 bis 1898: Unabhängigkeitsbestrebungen Kubas gegenüber der spanischen Herrschaft. 1899 bis 1902: Erste US-amerikanische Besatzung auf Kuba und Entstehung der Republik. 1902 bis 1959: US-Dominanz auf Kuba durch das Platt Amendment und die Diktaturperioden.
II.1.1 Unabhängigkeitsbestrebungen und der Krieg gegen Spanien von 1865 bis 1898 Der Überblick über die soziostrukturellen Verhältnisse Kubas seit den Anfängen der Kolonisierung zeigt die sozialen Komponenten auf, die später für die Entfaltung der Idee einer Nation und die Durchführung der Unabhängigkeitsbestrebungen entscheidend waren. Sie bilden den Ursprung für das Verständnis der Entstehung der kubanischen Nation. Die Entwicklung der gesellschaftlichen Bevölkerungskomponenten Kubas beginnt mit der Kolonisierungsgeschichte durch die Spanier. Die spanische Herrschaft auf dem amerikanischen Kontinent begann in Kuba und endete dort auch mit der Unabhängigkeit der Insel im Jahr 1898. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts war die Kolonisierung der Landflächen zum größten Teil abgeschlossen. Dies bedeutete, dass es in den fruchtbaren Regionen kein Land mehr zu besetzen gab. Die Aneignung des kubanischen Territoriums war damit praktisch abgeschlossen.94 Auch wenn in der ersten Etappe der Eroberung Kubas, die bis in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts andauerte, die indianische Bevölkerung nahezu ausgerottet95 und auch das Goldvorkommen ausgebeutet war,96 blieb Havanna auf Grund seiner privilegierten Position für die Eroberer eine unumgängliche Station für den Schiffsverkehr zwischen Spanien und dem südamerikanischen Kontinent. Dadurch entwickelte sich die Stadt zu einer der fortschrittlichsten in der neuen Welt. Die Großgrundbesitzer waren vor allem Weiße, die schon 94
95
96
Durch die frühe Landverteilung auf Kuba kam es auch zu einer schnellen Etablierung von Familien, die sich durch ihren Besitz von Ländereien eine wichtige gesellschaftliche Position sichern konnten; vgl. RIVEREND 1981: S. 6. Man geht davon aus, dass die Inselbewohner nicht großen Widerstand geleistet haben. Bartolomé de las Casas berichtet, dass die Bewohner einfache und friedliche Menschen waren, die auch unter sich keine Kriege führten. Sie waren gegenüber Fremden freundlich und sogar ängstlich; siehe die Beschreibung von Bartolomé de las Casas „Los primitivos pobladores de Cuba“, in: PICHARDO 1965: S. 56. Bartolomé de las Casas führt außerdem aus, wie die Spanier in der Region von Remedios gegenüber der Bevölkerung vorgegangen sind; siehe dazu „Memorial sobre Remedios de las Idias“, in: ebd., S. 60-63. Es wird hier die Materialsammlung von Hortensia Pichardo zitiert, da sie eine der wenigen ist, in der die originale Schreibweise der historischen Dokumente beibehalten wurde. Die Spanier organisierten von Anfang an den Transport der gefundenen Schätze. Die Krone gab den Kapitänen hierzu schon 1503 genaue Anweisungen; siehe die Ausführungen von CHACÓN Y CALVO 1929: S. 54-64.
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II Historische Kontextualisierung der Interessengruppen
die Rechte über die Landfläche besaßen. Dies hatte einen natürlichen Effekt auf deren gesellschaftliche Positionierung und auf die Entwicklung einer Hierarchieskala im kolonialen Kuba. Die Besitzer von großen Ländereien nahmen einen wichtigen Stellenwert in der Gesellschaft ein. Allerdings waren nicht alle neuen Siedler aus Spanien privilegiert. Besonders im Tabakanbau waren Bauern aus Spanien und den Kanarischen Inseln sowie Kreolen tätig,97 die sich im Inneren des Landes niedergelassen hatten und sich dadurch nicht an der oberen Hierarchieskala positionieren konnten. Dies führte zu ersten sozialen Konflikten, da die Großgrundbesitzer in dem Anbau von Zuckerrohr große Gewinnchancen erkannten.98 Bei dem Versuch, den kleinen Tabakbauern ihre Landflächen abzukaufen und sie zu vertreiben, stießen die Grundherren vermehrt auf Widerstand.99 Auch wenn die großflächigen Zuckerrohrplantagen, die Ingenios, die ökologische Kraft der Insel dominierten, waren sie nicht der einzige Produktionszweig, da in verschiedenen Teilen des Landes sowohl Viehzucht als auch Kaffee- und Tabakanbau betrieben wurden.100 Eine Schwierigkeit stellte der Mangel an Arbeitskräften dar. Der großflächige Anbau verlangte den Einsatz von Arbeitern, die jedoch nicht vorhanden waren; somit war die Einfuhr von schwarzafrikanischen Sklaven die letzte Option, die Produktion zu sichern.101 Dies hatte Auswirkungen auf die gesellschaftliche Populationsentwicklung, denn das Land war nicht dicht besiedelt.102 Die demographische Ausdehnung erfolgte nun nicht nur durch weiße Immigranten, sondern auch durch die immer größer werdende Zahl schwarzer Sklaven.103 Allerdings stieg das Bevölkerungswachstum erst im 18. Jahrhundert signifikant an. Dies führte zu einer Ausdehnung der Städte und vermehrte auch die Besiedlung ländlicher Gebiete. Die Versorgung der Bevölkerung, die gewährleistet werden musste, wurde vorwiegend von Schwarzen übernommen, da viele Weiße diese wichtige Aufgabe nicht übernehmen wollten. Dies führte
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Diese Bezeichnung wurde schon im 16. Jahrhundert verwendet. Unter Kreolen werden hier nicht nur die Nachfahren von Spaniern verstanden, die in Kuba zur Welt kamen, sondern auch in Kuba geborene schwarze Sklaven. Der Zuckerrohranbau war zwar durch die Kolonialherren eingeführt worden, die spanische Krone zeigte aber erst gegen 1540 Interesse an einer Intensivierung des Anbaus. Gegen 1600 genehmigte die Metropole einen Kredit, um den Anbau in großen Dimensionen zu entwickeln; vgl. TORRES-CUEVAS/LOYOLAVEGA 2002: S. 82. Die Bauern, die Tabakanbau betrieben, wurden Vegueros genannt. Sie ließen sich zwischen 1600 und 1620 im Zentrum und Westen der Insel nieder; vgl. dazu RIVEREND 1992: S. 17-18. Unter Ingenios werden große Landflächen von Zuckerrohranbau verstanden, auf denen auch die Verarbeitung der Ernte stattfand. Die ersten Indizien für die Entwicklung dieser Plantagen auf Kuba sind in dem Bericht des Gouverneurs Juan Maldonado Barnuevo aus dem Jahr 1598 dokumentiert; siehe dazu „Nacimiento de la Industria azucarera. Informe del gobernador Juan Maldonado Barnuevo“, in: PICHARDO 1965: S. 130-133. Folgender Vergleich verdeutlicht die signifikante Entwicklung der Plantagen: Im Jahr 1827 wurde eine Ausfuhr von 5 878 921 Pfund Zucker aus 1000 Ingenios registriert. 1775 waren es lediglich 1 300 000 Pfund von nur 453 Ingenios gewesen; siehe ZARAGOZA 1829: S. 28. Für die Großgrundbesitzer war die Einfuhr von Sklaven eine Notwendigkeit, da keine andere „Rasse“, so ihre Vorstellung, die Feldarbeit übernehmen konnte. Francisco de Frías versuchte zu beweisen, dass diese Vorstellung nicht stimmte. Auch die Ausführungen von José Antonio Saco sollten das Gegenteil belegen; siehe dazu FRÍAS Y JACOTT 1860: S. II-IV. Statistiken aus dem Jahr 1775 zeigen eine Bevölkerungszusammensetzung aus Weißen, Sklaven und den sog. „Libres de color“ (freie Farbige) auf. Die Zahl der ersten Gruppe erreichte 96 440, die der zweiten 44 336 und die der dritten 30 847. Dies bedeutet, dass es zu diesem Zeitpunkt immer noch weniger Schwarze als Weiße gab. Insgesamt belief sich die Zahl auf 171 620; siehe dazu die zitierten Daten bei SACO 2001c: S. 116. Der Vergleich zwischen der Anzahl von 44 336 Sklaven im Jahr 1775 mit der Anzahl von 286 942 im Jahr 1827 zeigt dieses Wachstum in 52 Jahren. 1827 umfasste die Gesamtbevölkerung 704 487 Personen; siehe dazu die Zahlen bei ZARAGOZA 1829: S. 26.
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dazu, dass sich beispielsweise das Handwerk nur langsam entwickelte.104 Die zwei wichtigsten Formen für die Ausbeutung der großen Landflächen etablierten sich zum einen durch die Verteilung von Boden an Bauern gegen die Abgabe eines bestimmten Prozentsatzes des Produktionsgewinns und zum anderen durch den großflächigen Zuckerrohranbau unter Einsatz einer großen Zahl von Sklaven. Dieses Ausbeutungssystem korrespondierte mit der Eingliederung Kubas in die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen Europas und hatte darüber hinaus zur Folge, dass sich eine Hierarchisierung der kubanischen Gesellschaft konsolidierte, wobei in der Skala die Spanier an oberster Stelle standen.105 Die neuen Siedler und Bewohner europäischer Abstammung waren in der Regel Handelsleute, die mit den wirtschaftlichen Sektoren ihres Ursprungslandes in Verbindung standen. Durch die wachsende Mischung von Schwarzen, Weißen und Mulatten wurden neue ethnische Merkmale geschaffen, die die Bewohner der Insel charakterisierten. Auf Grund der weiten Entfernung zu Spanien und der Mischung der Kreolen untereinander entstand eine wachsende Distanz zur Kolonialmacht, die zu einer Vertiefung der kulturellen Differenzen führte. Die entstandenen Unterschiede waren folgenschwer, denn es kam zu Zwischenfällen und Auseinandersetzungen, bei denen nicht nur wirtschaftliche Interessen, sondern auch Machtverhältnisse im Vordergrund standen. So sahen sich die höchsten Autoritäten mit der kreolischen Oligarchie konfrontiert.106 Durch das Verständnis der Kreolen über die eigene gesellschaftliche Lage und die Auseinandersetzung mit der spanischen Krone entstand die verbindende Überzeugung, eine Gemeinschaft zu sein, die zwar unter der Herrschaft Spaniens stand, trotzdem aber eigene Interessen vertrat und verteidigte. Kuba stellte für die spanische Krone nicht mehr wegen der Bodenschätze wie Gold, das bereits ausgebeutet war, eine bedeutende Landfläche dar, sondern vor allem aus strategischen Gründen. Ein Kontrollverlust über die Insel hätte eine Gefahr für die Herrschaft über die weiteren Kolonien auf dem südamerikanischen Kontinent bedeutet. Militärisch war deshalb auch die geographische Lage des Hafens von Havanna relevant.107 Diese Sichtweise war nicht immer vorhanden gewesen. Dies zeigte die Vernachlässigung der Insel, als 1762 der Hafen von Havanna von den Engländern eingenommen und für ein Jahr lang besetzt wurde. Die kreolische Bevölkerung stellte sich eindeutig gegen die englischen Invasoren und zeigte, dass sie nicht bereit war, neue Herrscher zu akzeptieren – die Haltung brachte aber auch zum Ausdruck, dass die kolonialen Ansprüche Spaniens nicht endgültig abgelehnt wurden.
104 In den Städten wuchs das Problem mit Weißen, die keine Arbeit übernehmen wollten. Der damalige Gouverneur Luis de las Casas startete eine Aktion, um die sog. vagos (faule Landstreicher) zu vertreiben; siehe RODRIGUEZ 1999: S. 29. 105 Die Inselbewohner wurden schon während der Eroberungsphase unter den Spaniern verteilt, da aus ihnen möglichst großer Nutzen gezogen werden sollte. Die Königin von Castilla gab Diego Velazquez 1513 Instruktionen zur Aufteilung; diese sollte sich nach der Hierarchie des jeweiligen Eroberers richten. Die Verteilung sollte zuerst unter den Offizieren der ersten Eroberer und Entdecker stattfinden, gefolgt von denjenigen, die eine sog. cédula (Ausweis) besaßen und zuletzt unter denen, die zur Christianisierung der Indianer beitragen konnten; siehe dazu Diego Velazquez, „Repartidor de indios de Cuba“, in: PICHARDO 1965: S. 69. In der Periode zwischen 1882 und 1930 wurden spanische Immigranten als eine juristisch begünstigte Einwanderungsgruppe innerhalb der kubanischen Gesellschaft eingestuft. Eine nähere Differenzierung dieser Wellen ist zu finden bei BARCIA-ZEQUEIRA 2001: S. 36-59. 106 Vgl. RIVEREND 1992: S. 19. 107 1789 beschrieb Francisco de Arango y Parreño, damals Gouverneur von Havanna, die Probleme der kubanischen Ökonomie. Dabei beklagte er sich, dass Kuba von der spanischen Krone vor allem deshalb ignoriert würde, da kein Gold mehr gefördert werden könnte. Gleichzeitig betonte er aber die militärische Wichtigkeit Havannas als den relevanteren Verteidigungspunkt der Insel; siehe dazu ARANGO Y PARREÑO 1888: S. 56.
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Während der englischen Besatzung wurden wie zu keiner anderen Zeit zahlreiche afrikanische Sklaven in Kuba eingeführt. Der Handel mit Schwarzafrikanern ist eine historische Komponente, die die Bevölkerungsmerkmale in Kuba stark geprägt hat.108 Die eingeführten ethnischen Gruppierungen mit ihren verschiedenen kulturellen Ausprägungen wurden auf Grund der einheitlichen Hautfarbe zu einer Gruppe zusammengefasst. Sie brachten eine Vielfalt an religiösen und kulturellen Traditionen mit sich, die durch die Kolonialverhältnisse jedoch unterdrückt wurden.109 Der Sklavenhandel wurde durch die spanische Krone erst 1880 endgültig untersagt, obwohl in England beispielsweise schon 1807 die Sklaverei offiziell per Dekret verboten worden war. Das Ende des Sklavenhandels hatte in Kuba ökonomische Auswirkungen. Viele der Großgrundbesitzer waren davon überzeugt, dass durch das gesetzliche Verbot des Sklavenhandels die weitere Existenz der Ingenios bedroht wäre, da keine andere Bevölkerungsgruppe außer den Schwarzen dazu fähig wäre, diese Arbeit auf den Zuckerrohrplantagen zu leisten.110 Dies führte zu den Überlegungen der kreolischen Großgrundbesitzer, die Beziehungen zu den USA zu intensivieren. Die südlichen Staaten der jungen US-amerikanischen Nation befanden sich in einer ähnlichen wirtschaftlichen Situation und einer heftigen Auseinandersetzung mit den Nordstaaten bezüglich der Sklavenfrage. Während sich im Norden der Abolitionismus durchsetzte, beharrten die Staaten des Südens auf dem Recht, Sklaven zu besitzen, da man bei der Rohstoffgewinnung und Agrarwirtschaft auf den billigen Einsatz von Arbeitskräften angewiesen war.111 Die Eskalation dieser Auseinandersetzung führte zur Spaltung der Föderation und von 1861 bis 1865 zum Bürgerkrieg. Für die kubanischen Großgrundbesitzer, die das Sklavensystem verteidigten, hatte sich die Überlegung einer Annektierung zur amerikanischen Nation schon früh entwickelt; sie sahen darin nicht nur enorme wirtschaftliche Vorteile, um die eigenen Produkte abzusetzen, sondern auch eine Befreiung von den Handelsbeschränkungen, die die spanische Metropole verhängt hatte. Die Annexionsbestrebungen waren nur eine der politischen Strömungen, die sich zur damaligen Zeit in Kuba entwickelt hatten. Der liberale Gedanke in Europa, der durch die bürgerlichen Revolutionen mit fundamentalen Prinzipien von gesellschaftlichem Vertrag, individuellem Recht, staatlicher Verfassung und Souveränität der Nation an Kraft gewonnen hatte, repräsentierte die Kontraposition zum Absolutismus und zu den Privilegien des Königs als alleinigem Herrscher. Durch das liberale Konzept wurde in den Kolonien ein Nationalismus generiert, der sich in der Konfrontation zwischen der Kolonie und der Metropole äußerte, wobei drei grundsätzliche Probleme gelöst werden mussten: erstens die ökonomischen Beziehungen, zweitens die Alternativen zum Sklavensystem und drittens der politische Status Kubas. Neben dem Annexionismus entstand eine zweite politische Strö108 Der Ethnologe und Historiker Fernando Ortiz drückt dies folgendermaßen aus: „Kuba wäre ohne die Schwarzen nicht Kuba geworden“ (diese, wie weitere freie Übersetzungen aus dem Spanischen, wurden von mir vorgenommen); siehe ORTIZ 2001: S. 221-226. 109 Die Auswirkungen schwarzafrikanischer Sklaven auf die kulturelle Entfaltung der Insel und deren Rolle bei den Unabhängigkeitsbestrebungen der Nation dürfen nicht unterschätzt werden. 1775 gab es 75 180 Schwarze. In den darauf folgenden 66 Jahren stieg die Zahl bis 1841 auf 589 333. Dies bedeutet, dass 58% der Bevölkerung Schwarze waren. Es gab somit mehr Schwarze als Weiße auf der Insel; vgl. dazu SACO 2001b: S. 116f. 110 Diese Einstellung war unter den Besitzern der Ingenios verbreitet, weil sie überzeugt waren, dass (1) harte Feldarbeit nur von Sklaven zu leisten sei, (2) nur Schwarze das Klima ertragen könnten und (3) die hohen Kosten für die Bezahlung der geleisteten Arbeitsstunden nicht zu tragen wären. Gegen diese Vorstellungen wandte sich José Antonio Saco, siehe SACO 2001d: S. 81f. 111 Anfang des 19. Jahrhunderts gab es im Süden der USA auf Grund der massiven Einfuhr von Sklaven mehr Schwarze als Weiße in der Bevölkerung; vgl. LABAULAYE 1870: S. 245f.
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mung, die zwar liberale Prinzipien vertrat, diese aber mit kolonialen Inhalten vermischte.112 Eine weitere Strömung spiegelte die Tendenz der lateinamerikanischen Unabhängigkeitsbestrebungen wider, die in den mittleren gesellschaftlichen Segmenten der Städte, bei den Bauern auf dem Land und der Jugend zu finden war. Diese Strömungen zeigten keine einheitlich klare Definition der kubanischen Nation, sie äußerten aber alle ihre Distanz zu den Interessen der Metropole und verdeutlichten damit, was sie nicht sein wollten. Darin hatte die Entstehung nationaler Verbundenheit ihren Ursprung und entwickelte sich im Laufe der Unabhängigkeitsbestrebungen weiter. Die Überlegungen einer Annektierung zur amerikanischen Nation waren nicht einseitig. Durch die Unabhängigkeit der USA und ihren Zugewinn Floridas sowie ihre weiteren Expansionsbestrebungen koinzidierten die Interessen an einer Annektierung auf beiden Seiten. Die nationalen Gefühle standen jedoch nicht immer im Vordergrund. In den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts bildete eine Annektierung Kubas seitens der USA für die Sklavenhalter auf der Insel die einzige Möglichkeit, die eigenen Interessen zu wahren und den Sklavenhandel sowie ihren Besitz beizubehalten. Diese Gedanken wurden durch die Invasion der USA in Mexiko im Jahr 1846 beflügelt. Der politische Hintergrund der Annexionisten beschränkte sich darauf, alle Wege zu suchen, die eine Annektierung ermöglichen könnten.113 Gegen diese Strömung stellten sich Intellektuelle wie José Antonio Saco, der in der Annektierung den Verlust der Nationalität sah und eher für eine Unabhängigkeit der Insel eintrat. Er warnte vor einer Täuschung in der politischen Wahrnehmung, dass eine Annektierung Kubas seitens der USA gegenüber der Situation unter der Herrschaft Spaniens Vorteile bringen würde. Er sah die Annexion als eine vollkommene Übernahme Kubas durch die Vereinigten Staaten.114 Vor dem endgültigen Unabhängigkeitsaufstand gegen Spanien entwickelte sich auf der Insel nach den Annektierungsbestrebungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine reformistische Strömung, in der das kubanische Bürgertum den Versuch startete, Veränderungen im Land zu erreichen. Es ging hierbei v.a. um die politische Gleichberechtigung gegenüber den spanischen Bürgern in der Metropole sowie um die Durchsetzung sozialer und wirtschaftlicher Maßnahmen, durch die die Beendigung der Handelsbeziehungen mit den USA und des Absatzmarktes für kubanische Produkte verhindert werden sollte. Dies war nicht die einzige Reformbewegung, denn schon der Gouverneur Francisco de Arango y Parreño dokumentierte gegen Ende des 18. Jahrhunderts gegenüber der spanischen Krone die Notwendigkeit zu grundlegenden Veränderungen.115 Danach plädierten auch in einer zweiten Welle zwischen den 1830er und 1850er Jahren die Hacendados (Großgrundbesitzer) für eine politische Gleichberechtigung. Die Bemühungen Felix Varelas als Vertreter Kubas vor dem spanischen Hof, grundlegende Reformen zu etablieren, brachten nicht nur die Einführung neuer juristischer Maßnahmen mit sich. In seinem Denken spiegelten sich auch die damaligen Probleme und Konflikte der Insel, aber auch das Bedürfnis nach der Entfaltung eines eigenständigen kubanischen Be112 Organisationen wie die Comuneros und Anilleros in Spanien oder die Carboneros in Italien verfolgten liberale Prinzipien. 113 Es bildeten sich verschiedene Gruppierungen wie beispielsweise der „Club de La Habana“, der die Sklaverei verteidigte, oder eine Gruppe von Viehzuchtbetreibern, geführt von Gaspar Betancourt Cisneros (genannt „El Lugareño“), die zwar kein Interesse an der Sklaverei hatte, aber in einer Annektierung wirtschaftliche Vorteile sah. Eine dritte Gruppe wurde durch Intellektuelle formiert, die sich durch das demokratische republikanische System Amerikas motivieren ließ; siehe dazu TORRES-CUEVAS 2001: S. 58-60 114 Siehe dazu die Ausführungen von José Antonio Saco aus dem Exil bezüglich der Annektierungsströmungen auf der Insel: SACO 2001a: S. 271-274. 115 ARANGO Y PARREÑO 1988.
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wusstseins wider.116 Die Fundamente dieses Bedürfnisses lagen nicht in der Tatsache, dass die kubanische Nation nicht vorhanden war, sondern in dem Streben, sie zu errichten. Felix Varela musste die Insel verlassen, nachdem ihn Spanien für seine Ansichten zum Tode verurteilt hatte. Ihm gelang jedoch die Flucht in die USA, wo er 1824 die erste spanische Zeitung El Habanero herausgab und dadurch der Idee der Nation eine Stimme im Exil verlieh. Um ihn sammelte sich die Cuban émigré Community, welche die Unabhängigkeit Kubas unterstützte.117 Felix Varela wird von einigen Autoren zutreffend als der erste Separatist in den USA bezeichnet, der eine kubanische und nicht eine spanische Identität repräsentierte.118 Danach, um 1850, übernahm José Antonio Saco durch seine wöchentliche Publikation im El Mensajero die intellektuelle Führung im Exil. Aber erst in der dritten reformistischen Welle der kreolischen Klasse, unterstützt durch die Mobilisierung einer breiten Arbeiterschicht, die ihren Lebensunterhalt durch die Existenz der Großgrundbesitzer sichern konnte, entwickelte sich in Kuba eine reformistische Partei, die auch als solche verstanden werden konnte.119 In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zeichnete sich eine Zunahme der ablehnenden Haltung gegenüber der Sklaverei ab. Spanien hatte schon 1844 einen ersten Versuch gestartet, um den Sklavenhandel zu verbieten.120 Die entscheidende Wende trat ein, als Abraham Lincoln im Januar 1863 nach dem Sieg über die Südstaaten die Abschaffung der Sklaverei erreicht hatte. Dies beeinflusste die Gruppen innerhalb Kubas, die für die Sklavenhaltung waren, in der Weise, dass sie die Abschaffung der Sklaverei als Option für neue Wege der Produktion und des Kapitalverkehrs ansehen konnten. Die spanische Oligarchie musste künftig nach neuen Möglichkeiten suchen, um die fehlenden Arbeitskräfte zu kompensieren, ohne aber auf die schon vorhandenen Sklaven verzichten zu müssen. Von 1848 bis 1874 wurden 124 815 Chinesen registriert, die mit Arbeitsverträgen eingesetzt wurden, die vorwiegend für den Bereich des Zuckerrohranbaus abgeschlossen wurden. Um 1865 repräsentierten sie 15% der Bevölkerung und beeinflussten die Sitten und Gebräuche der kubanischen Gesellschaft.121 Die revolutionäre Bewegung, die sich schon in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts langsam formiert hatte, bestand vor allem aus breiten gesellschaftlichen Segmenten, die in der Idee der Selbstbestimmung Gemeinsamkeiten fanden. Dies waren Gruppen wie die Sklaven, die Bauern oder das Kleinbürgertum in den Städten, die von den Machteliten ausgebeutet wurden, aber auch die Großgrundbesitzer122 im Osten des Landes, die keinen direkten Bezug zur Produktion durch die Sklavenarbeit hatten. Die Arbeit dieser Gruppen konzentrierte sich oft auf die Gründung geheimer Organisationen (Logen), die über die 116 Bei der Interpretation seiner Texte wurde Felix Varela oft als Reformist angesehen. Dabei wurde aber die verbreitete Ablehnung der damaligen kolonialen Umstände ausgeblendet. Varela gilt als einer der intellektuellen Initiatoren der kubanischen Unabhängigkeit. Zu dieser Auseinandersetzung unter den Historikern siehe die Einführung von TORRES-CUEVAS/IBARRA-CUESTA/RODRIGUEZ-GARCÍA 2001: S. X-XLIV. 117 Vgl. dazu OLSON/OLSON 1995: S. 16. 118 Siehe dazu GRENIER/PÉREZ/CHANG/GLADWIN 2007: S. 93. 119 Die Bezeichnung „Partei“ ist vor allem auf die große Zahl von 24 000 gesammelten Unterschriften zurückzuführen, die 1865 das Manifest der reformistischen Partei unterstützt haben; siehe dazu „Manifiesto del partido reformista, La Habana 12 de Mayo de 1865“, in: PICHARDO 1965: S. 369-375. 120 Siehe dazu Ley de represion del tráfico de negros, in: ebd., S. 341-344. 121 Siehe SACO 1881: S. 181-187; siehe auch PÉREZ DE LA RIVA 1975: S. 474. 122 Zu den bekannten Namen dieser Gruppierungen zählen Francisco Vicente Aguilera, Pedro Figueredo Carlos Manuel de Céspedes und Ignacio Agramonte y Loynaz sowie Antonio Maceo Grajales. Sie beabsichtigten, den kolonialen Verhältnissen auf Kuba ein Ende zu setzen.
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ganze Insel verteilt waren.123 Die Faktoren, die die revolutionäre Bewegung in Gang brachten, hatten einen internen Charakter. Dies bedeutet, dass die koloniale Ausbeutung durch Spanien für viele vor allem wegen der exzessiven Steuererhebungen nicht mehr akzeptiert wurde. Dies wurde von der wachsenden Überzeugung begleitet, die Sklaverei endgültig abzuschaffen, außerdem von dem tiefer werdenden Nationalgefühl, durch das die Distanzierung von der Metropole offensichtlich wurde. Das entwickelte patriotische Gefühl und der nationale Drang zur Selbstbestimmung verstärkten sich bei immer mehr Großgrundbesitzern im Osten des Landes, die die Notwendigkeit zur Unabhängigkeit als einzigen Weg für die Zukunft sahen. Ein externer Faktor waren die Unabhängigkeitsbemühungen Puerto Ricos durch den Aufstand gegen Spanien im Jahr 1868.124 Carlos Manuel de Céspedes, der Anführer des ersten Unabhängigkeitsaufstands auf Kuba, befreite die eigenen Sklaven von seinem Ingenio und gab am 10. Oktober 1868 das „Manifest des revolutionären Rates“ bekannt. In dieser Erklärung begründeten die Aufständischen ihre Motive für eine Trennung von Spanien. Sie plädierten unter anderem für die Notwendigkeit einer graduellen Abschaffung der Sklaverei, in der die Besitzer entschädigt werden sollten.125 Der Grund für diese vorsichtigen Überlegungen war, dass anfangs die Stärke der Unterstützung der Unabhängigkeitsziele durch andere gesellschaftliche Gruppen nicht abgeschätzt werden konnte. Die Truppen dieser Befreiungsbewegung setzten sich aus Weißen, Mestizen und Schwarzen zusammen. Alle Sklaven, die befreit wurden, schlossen sich dem Krieg an, der von Weißen auf Grund der gesellschaftlichen Position geführt wurde.126 Diese Revolution hatte die Unterstützung der lateinamerikanischen Nationen, sie beinhaltete jedoch nicht materielle Ressourcen. Im Laufe der zehn Kriegsjahre von 1868 bis 1878 erfuhren die Revolutionäre keine Anerkennung durch die verschiedenen US-Administrationen, weder von Andrew Johnson noch von Ulises Grant, auch wenn es in der US-Bevölkerung Stimmen gab, die für eine Anerkennung der Revolution in Kuba eintraten.127 Die Zurückhaltung einer Intervention der USA bei dem Krieg gegen Spanien war zu diesem Zeitpunkt durch die inneren gesellschaftlichen Umstände bestimmt, da sich die Regierung vor allem mit den Auswirkungen eines internen Bürgerkriegs befassen musste. Außerdem bestand in diesem Moment eine breite ablehnende Haltung der Bevölkerung zu weiteren Expansionen. Darüber hinaus hatte die Regierung die Überzeugung, dass man zu einem Kompromiss mit Spanien kommen könnte, bei dem die Übergabe Kubas an die USA geregelt werden könnte, ohne Krieg führen zu müssen. In der zweiten Hälfte der 1870er Jahre bauten die revolutionären Truppen an Stärke ab. Tomás Estrada Palma, der die „Republik in Waffen“ seit 1876 präsidierte, übernahm persönlich die Führung der Streitkräfte. Er wurde 1877 von der spanischen Armee gefangen genommen, worauf eine Krise in der politisch-militärischen Führung der Revolution verstärkt wurde. Dies wurde auch durch die Intensivierung der spanischen Trup123 Man rechnet mit etwa 22 Logen, die sich unabhängig bzw. parallel zur reformistischen Bewegung formiert hatten. Sie können somit nicht als Folge auf das Scheitern der Reformisten verstanden werden; vgl. die Ausführungen von TORRES-CUEVAS 2002: S. 209-215 124 Auch wenn der Aufstand in Puerto Rico von den Spaniern unterdrückt worden war und die Kubaner von diesem Ereignis erst später erfuhren, bedeutete er für die revolutionäre Gruppierung eine weitere Motivation, Kuba zu befreien. 125 Siehe dazu „Manifiesto de la Junta Revolucionaria de la Isla de Cuba, dirigido a sus compatriotas de todas las naciones, Manzanillo 10 de Octubre de 1868“, in: MORALES Y MORALES 1931: S. 501-506 126 Siehe die Ausführungen von GUERRA Y SANCHEZ 1972: S. 28. 127 Nach der Abschaffung der Sklaverei setzten sich vor allem die Afroamerikaner für die Anerkennung des Unabhängigkeitskriegs auf Kuba ein. Es gab US-amerikanische Kämpfer wie Tomás Jordan und Henry Reeve in den Reihen der kubanischen Rebellen, die in diesem Krieg als Symbolfiguren der populären amerikanischen Solidarität angesehen wurden; siehe dazu die Ausführung von LOYOLA-VEGA 2002: S. 259.
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pen seitens der Metropole erreicht und durch ihre Übernahme des erfahrenen Militärführers Arsenio Martínez Campos, der die besondere Befugnis hatte, die Herrschaft Spaniens auf Kuba zu garantieren. Die militärische und ideologische Uneinigkeit unter den Aufständischen beschleunigte das Ende des Kriegs, das im Februar 1878 in dem sog. Pacto del Zanjón vereinbart wurde.128 Mit diesem Abkommen wurde das Ende eines Kriegs determiniert, der jedoch sein Hauptziel – die Unabhängigkeit Kubas von Spanien – nicht erreicht hatte. Dennoch sind für die Kubaner Rechte erzielt worden, die den kubanischen Intellektuellen in den nächsten Jahren mehr Raum gaben, über die Unfähigkeit Spaniens bezüglich einer Verbesserung der Situation Kubas zu schreiben. Auf diese Weise konnte die öffentliche Meinung beeinflusst werden und konnten große, bis dahin uninteressierte Gruppen mobilisiert werden. Darüber hinaus nahm das nationale Bewusstsein konkrete Konturen an, die sich schon seit Jahren abgezeichnet hatten. Durch die Gründung der Liberalen Partei 1878 verfolgten die Kubaner, die Vereinbarungen von Zanjón gelten zu lassen. 1881 wurde der Name der Partei in Partido Liberal Autonomista umgeändert, da nach einer inhaltlichen Erweiterung ihres Programms für die Autonomie der Kolonie plädiert wurde.129 Eine andere Gruppe, die der Regierung in Spanien näherstand, organisierte sich unter dem Namen Partido Union Constitucional.130 Während die Autonomisten für eine Abschaffung der bestehenden Verhältnisse eintraten, setzten sich die Integristas131 für eine Anerkennung Kubas als einer weiteren Provinz Spaniens ein, die die gleichen Rechte haben sollte. Dies wäre, ohne die kolonialen Verhältnisse abzuschaffen, einer Assimilierung gleichgekommen.132 Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatten sich die USA im ökonomischen und militärischen Sinne zu einer mächtigen Nation entwickelt und Europa war nicht mehr in der Lage, die US-amerikanischen Bestrebungen einer territorialen Ausdehnung einzuschränken. Unmittelbar nach dem Ende des zehnjährigen Kriegs intensivierten sich die Investitionen und Kredite der USA in Kuba. Die Zollbestimmungen gegenüber den US-amerikanischen Produkten wurden hingegen vereinfacht, so dass sich durch den wachsenden Einsatz von USamerikanischem Kapital die strukturelle wirtschaftliche Abhängigkeit verstärkt konsolidieren konnte.133 In den Vereinigten Staaten lebten Exilkubaner, die geschlossen für die totale Unabhängigkeit Kubas eintraten. Die kubanische Präsenz in den USA von etwa tausend Immigranten im Jahr 1820 steigerte sich bis 1870 auf zwölftausend.134 Die Anzahl der Emigranten nahm vor allem nach 1860 auf Grund der Verschlechterung der politischen Ver128 Der zehnjährige Krieg endete 1878 mit der Kapitulation der revolutionären Truppen; siehe den Text bei ESTÉVEZ Y ROMERO 1899: S. 1-3. 129 Übers.: Autonomistische Liberale Partei. Inhalt des Programms waren soziale, politische und ökonomische Ziele; siehe dazu „Programa del Partido Autonomista“, in: PICHARDO 1965: S. 419-422. 130 Übers.: Partei der Vereinten Verfassung. In dieser Partei waren wichtige Segmente der industriellen Elite und das Bürgertum mit großem Kapital vertreten. Sie hatten enge Verbindungen zu der Regierung in Madrid und wurden vom kolonialen Regime dementsprechend geschützt. 131 Die Integralisten hatten sehr gute Beziehungen zur Metropole und wurden von ihr unterstützt. 132 Siehe auch die Ausführungen zu der Debatte über Assimilierung und Autonomie, in: SANGUILY 1941: S. 247-268. 133 Dadurch wuchs die wirtschaftliche Abhängigkeit. Die kubanische Handelskammer war an einem Handelsvertrag mit den USA interessiert, um auf dieser Ebene bessere Konditionen zu erreichen; siehe dazu o.V. 1890: S. 89-93. 134 Die kubanischen Immigranten mit finanziellen Ressourcen situierten sich zu dieser Zeit in New York, eine weitere Gruppe siedelte sich im Süden Floridas an (in Cayo Hueso, Tampa und Miami). Gegen 1870 war die Tabakmanufaktur die wichtigste Einkommensquelle in dieser Region. Der Bürgermeister von Cayo Hueso war damals schon ein Kubaner. Eine Ausführung über die gegenseitigen kulturellen Einflüsse ist zu finden bei COYULA 2001: S. 95.
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hältnisse zur Metropole und mit dem Beginn des zehnjährigen Kriegs 1865 zu. Diese Zahl blieb bis 1895 relativ konstant, da viele nach Kuba zurückkehrten, um sich den Unabhängigkeitstruppen anzuschließen.135 Die wichtigste ideologische Leitfigur unter den Intellektuellen im Exil war José Julian Martí Pérez,136 der sehr früh auf Grund seiner Position gegen Spanien in Gefangenschaft gekommen war und nach vierzehn Monaten nach Spanien verbannt wurde. Nachdem er in Spanien Jura studiert hatte und durch verschiedene Länder Europas gereist war, hielt er sich in Mexiko auf. 1878 kehrte er nach Kuba zurück und wurde ein Jahr später wegen seiner politischen Aktivitäten erneut ins Exil verbannt. 1881 etablierte er sich in New York und von dort aus erreichte er durch seine zahlreichen Publikationen, später auch durch seine Zeitung Patria, die Exilkubaner, die sich in verschiedenen sog. Clubes Revolucionarios (Revolutionäre Vereinigungen) in Tampa (Florida) zusammenfanden, um „la guerra necesaria“ (den notwendigen Krieg) gegen Spanien zu organisieren. Diese emigrierten Gruppierungen, deren Ursprung schon auf die Zeit vor und während des zehnjährigen Kriegs zurückging, konnten in den Vereinigten Staaten Fuß fassen. Mit deren Unterstützung konnte im Januar 1892 der Partido Revolucionario Cubano (PRC – Revolutionäre Partei Kubas) gegründet werden.137 In Tampa wurden die Basis der Partei und auch ihr Programm mit dem Hauptziel, die Unabhängigkeit Kubas zu erreichen, festgelegt. Im April des gleichen Jahres konnte offiziell die Gründung der Partei verkündet werden. Sie versuchte die Expansionsbestrebungen der USA zu verhindern, deshalb wurde in ihren Statuten auch die Unterstützung der Unabhängigkeit Puerto Ricos mitberücksichtigt. Máximo Gómez, der in Santo Domingo lebte und Erfahrung mit Unabhängigkeitskämpfen hatte, stimmte nach einem Besuch von José Martí einer Zusammenarbeit zu und übernahm die militärische Truppenführung der PRC. Dadurch definierte die Partei nicht nur ihre ideologischen Fundamente, sondern auch die militärische Struktur zur Kriegsführung. Die Arbeit Martís intensivierte sich in dieser Vorbereitungsphase, denn es musste eine solide Einigung zwischen den Gruppen innerhalb und außerhalb Kubas erzielt werden. In seinen Texten prangerte er zwischen 1892 und 1894 jede Ideologie und Bewegung an, die nicht die totale Unabhängigkeit der Insel repräsentierten. Nach einer langen Vorbereitungszeit begann am 24. Februar 1895 der Krieg mit dem Grito de Baire.138 Die geplanten Aufstände fanden nicht gleichzeitig statt und auch nicht in allen Regionen, wie es ursprünglich vorgesehen war. Der Krieg wurde vor allem in den östlichen Regionen des Landes geführt. Die Ziele und Motive des Kriegs wurden im März 1895 durch das Manifiesto de Montecristi, in dem das grundlegende Programm der PRC dargestellt wurde, unterstrichen und bekannt gemacht.139 Darin wurden die Unabhängigkeit der Insel und die Notwendigkeit eines kurzen Kriegs sowie die grundlegende sozioökonomische Veränderung der bestehenden Verhältnisse verlangt. Abgelehnt wurde hingegen jegliches geopolitische Interesse auf Kuba durch fremde Nationen. Kurz nach Beginn des Kriegs starb Martí am 19. Mai 1895 bei einer kämpferischen Auseinandersetzung mit einer spanischen Truppe. Obwohl José Martí bei dem Prozess der Nationsbil135 Vgl. dazu OLSON/OLSON 1995: S. 17; ergänzend dazu AJA-DÍAZ 2000. 136 Im weiteren Textverlauf als José Martí bezeichnet. 137 Das Ziel der Partei war nach Art. 8 § I, alle Kubaner im Ausland zu organisieren, um den Unabhängigkeitskrieg zu führen; siehe den Text zur Parteigründung bei MARTÍ 1925a: S. 107-113. 138 Die Bezeichnung „Schrei von Baire“ geht auf eine Rede von Saturnino Lora in Baire zurück, bei der er 1895 inmitten der Bevölkerung ankündigte, dass der Krieg erneut aufgenommen würde. 139 Das Manifest wurde von José Martí verfasst und von Máximo Gomez unterschrieben; siehe MARTÍ 1925c: S. 191-202.
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dung die intellektuelle Leitfigur gewesen war, wurde durch seinen Tod die Stärke des Militärs nicht geschwächt. Die Revolution sollte strukturiert und aus den Erfahrungen der Vergangenheit sollten im weiteren Kampf Fehler vermieden werden. Somit wurde im September 1895 die Verfassung von Jimaguayu in der Provinz von Camagüey bekannt gegeben und die „Republik in Waffen“ ausgerufen.140 Dabei wurde die zivile und militärische Führung getrennt. Der Regierungsrat hatte gleichzeitig legislative und exekutive Funktionen, durfte aber nicht bei den militärischen Operationen mitbestimmen. Die Exilgemeinde, die sich in den USA seit 1868 gebildet hatte und sich bis 1880 auf ca. 7 000 Kubaner vergrößert hatte, spielte nicht nur bei der Unterstützung José Martís eine Rolle, sondern auch im Laufe des Unabhängigkeitskriegs durch ihre Propagandakampagnen zu Gunsten Kubas und ihre Suche nach finanziellen Mitteln für den weiteren Kampf. Nach den Worten des Historikers Luis A. Pérez Jr. hatte José Martí die Cuban Émigrés in eine vereinte Gruppierung, die für ein Cuba libre eintrat, verwandelt.141 Nachdem der Krieg 1895 erneut ausgebrochen war und die US-Administrationen mit ihrer Haltung das Vorgehen Spaniens duldeten, wuchs in der amerikanischen Bevölkerung eher eine Sympathie für die kubanische Unabhängigkeitsanstrengung. Es ging nicht allein um nationalistische Vorstellungen, sondern auch um konkrete ökonomische Interessen außerhalb und innerhalb der Insel. Selbst USamerikanische Bürger, die auf Kuba im Besitz von Ingenios waren, leisteten den Revolutionstruppen von Anfang an finanzielle Unterstützung.142 General Máximo Gomez äußerte sich deutlich zur Frage nach einer möglichen US-amerikanischen Intervention: „Ich möchte, dass die US-Amerikaner Folgendes wissen: Wir möchten die Vereinigten Staaten nicht in einen Krieg gegen Spanien involvieren. In keiner Form möchten wir diese Nation (USA) bei unserem Unabhängigkeitskampf zu irgendeiner Art von materieller Hilfe verpflichten. Es ist nicht unsere Schuld, wenn sich die amerikanische Öffentlichkeit wegen der Beleidigungen Spaniens gegen die Toleranz ihrer Administration erhebt […] Wir möchten eine wahre Neutralität. Wir möchten allein gegen Spanien kämpfen, aber gegen ein Spanien, das nicht durch die Ressourcen der Vereinigten Staaten unterstützt wird.“143
1898, drei Jahre, nachdem der Krieg angefangen hatte, befand sich Kuba in einer historischen Herausforderung und stand vor dem Scheideweg einer Befreiung aus der Kolonialherrschaft oder der Option einer Autonomie, gebunden an die spanische Metropole. Es bestand noch eine dritte Möglichkeit durch das immer größer werdende Interesse der USA an Kuba, das aber die kubanische Nationsbildung hemmte. Die außenpolitische Ausrichtung der USA bekam durch die Präsidentschaftsperiode William McKinleys (1897 – 1901) einen imperialistischen Schub. Die Zurückhaltung einer Intervention der USA während des Kriegs bis 1898 hing nicht damit zusammen, dass es kein Interesse an Kuba gab, sondern eher mit dem Kalkül der US-Administrationen, andere Wege zu finden, um auf friedliche Art und Weise die Insel zu annektieren. Als McKinley von den durch den Krieg verursachten Verlustbeträgen der in Kuba ansässigen US-amerikanischen Bürger erfuhr, setzte er Spanien unter Druck. Die Option der militärischen Beteiligung war jedoch immer präsent. Seit 1895 gab es von der US-Marine schon Entwürfe für einen Krieg gegen Spanien. Die Kolonialmacht versuchte, ihre Präsenz in Kuba und Puerto Rico beizubehalten, indem den Kolonien am 1. Januar 1898 verspätet der Autonomiestatus zugesprochen wurde. 23 Tage 140 141 142 143
Siehe zur Verfassung: „Constitucion del Gobierno provisional de Cuba“, in: PICHARDO 1965: S. 449-453. Vgl. dazu PÉREZ Jr. 1991: S. 240. Siehe dazu o.V. 1896: S. 3. Ausschnitt aus dem Interview der Sun (New York) mit Máximo Gomez aus dem Jahr 1897: o.V. 1897: S. 3.
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später befahl Präsident McKinley die Entsendung des Schlachtschiffes Maine nach Kuba als Anerkennung der Erfolge Spaniens auf der Insel.144 Aus immer noch ungeklärten Gründen explodierte das Schiff am 15. Februar. Die Regierung wurde zur gleichen Zeit wie die Presse über dieses Ereignis benachrichtigt. Die Rechtfertigung für die USA, in den Krieg zu ziehen, war nun sowohl innen- wie auch außenpolitisch gegeben. Am 18. April 1898 wurde die militärische Intervention der USA durch die sog. Joint Resolution vom Kongress genehmigt und zwei Tage später vom Präsidenten ratifiziert.145 Im ersten Artikel der Resolution wird das Hauptziel bekräftigt, dass Kuba das Recht hat, frei und unabhängig zu sein; im vierten Artikel wird darauf hingewiesen, dass die USA keine Absichten haben, der Souveränität und Rechtsstaatlichkeit Kubas entgegenzuwirken oder Herrschaft auszuüben. Im weiteren Verlauf des Kriegs änderten sich diese festgelegten Absichten und es trat eine Phase der US-amerikanischen Besatzung und Dominanz ein.
II.1.2 Entstehung der Republik: US-Besatzung, Dominanz und das Platt Amendment 1899 bis 1902 Die USA nahmen während der militärischen Operationen gegen Spanien die Koordinierung und Hilfe der kubanischen Truppen, geführt von Calixto García, in Anspruch. Mit dieser Unterstützung konnte die US-Armee nach Santiago de Cuba gelangen, um von dort aus Richtung Westen vorzudringen. Dennoch wurde weder der Partido Revolucionario Cubano noch seine Delegation in New York von den USA anerkannt. General William Rufus Shafter, Oberbefehlshaber der amerikanischen Truppen in Kuba, schrieb an Calixto García als Reaktion auf die Beschwerde, dass die kubanischen Generäle ausgegrenzt würden: „Wenn man an die zuständigen Generäle auf der Insel denkt, sind die Kubaner eine Minderheit, die nicht in der Lage ist, die Insel zu regieren […] Wenn wir einen Krieg erklären, um den Kannibalismus auf der Insel abzuschaffen, können wir den Kannibalen keine Stimme gewähren, um die Konstitution der Nation zu formieren und über die Wahl der neuen Regierenden zu entscheiden.“146
Der Verlauf des Kriegs und die Haltung der USA bestätigten die Einstellung Shafters. Nach kurzer Zeit verloren die Spanier die Kontrolle über den Osten des Landes und die USamerikanischen Truppen marschierten am 17. Juli in Santiago de Cuba ein. Nach diesem entscheidenden Sieg begannen wenige Tage später diplomatische Friedensverhandlungen zwischen den USA und Spanien. Fast einen Monat später, am 12. August, endete offiziell die kriegerische Konfrontation. Am 10. Dezember 1898 unterschrieben beide Staaten in Paris einen Friedensvertrag, in dem Spanien die Bedingungen der USA akzeptierte. Die kubanischen Vertreter wurden bei den Verhandlungen ausgeschlossen. Spanien verzichtete auf die Souveränität über Kuba und übertrug die Verantwortung an die Vereinigten Staaten von Amerika. Im Artikel IX des Friedenvertrages wird den USA die Aufgabe zuteil, die 144 Auch wenn McKinley sich so äußerte, wurde die Entsendung der Maine nach Kuba nicht als Geste der Freundschaft, sondern als Vorbereitung auf den Krieg interpretiert; vgl. dazu PLACER CERVERA 2005: S. 36f. 145 Siehe US WAR DEPARTMENT 1904: S. 5. 146 Diese Reaktion Shafters erschien in folgender Zeitung: o.V. 1898a, S. 1; auch wenn der amerikanische Befehlshaber bei den amerikanischen Generälen als „the Ignorant“ bekannt war und den Ruf hatte, taktlos zu sein, bestätigt sich seine Aussage in der weiteren US-politischen Konzipierung und Haltung gegenüber Kuba; vgl. dazu PLACER-CERVERA 2005: S. 189.
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politischen Bedingungen für das Territorium zu bestimmen.147 Durch dieses Abkommen konsolidierte McKinley das Interesse an der Insel, das schon durch die vorherigen USAdministrationen offensichtlich geworden war. Thomas Jefferson hatte bereits 1786 in seiner Vision für die Zukunft Amerikas die Annektierung Kubas als interessante Option postuliert. Diese Haltung gegenüber Kuba wurde auch von James Monroe, dem sechsten Präsidenten der USA, beibehalten. In einer Erklärung, die später als die Monroe-Doktrin in die Geschichte einging, betonte er 1823, dass der amerikanische Kontinent eine wichtige Region für Frieden und Sicherheit darstelle.148 Die US-amerikanische Okkupation wurde durch die fehlende Koordinierung der kubanischen Führer erleichtert. Der kubanische Delegierte in New York, Tomás Estrada Palma, hatte mit der US-Regierung im Alleingang Vereinbarungen getroffen, ohne die kubanischen Vertreter auf der Insel zu konsultieren. Im Januar 1899 übergaben die Spanier dem zuständigen amerikanischen General John R. Brooke als militärischem Gouverneur Kubas die Macht. Diese Position hielt er nur bis Dezember des gleichen Jahres inne, dann wurde er im März 1902 durch Leonard Wood ersetzt. Der Wechsel ist politisch zu interpretieren, da Brooke eher für die Unabhängigkeit Kubas eintrat – im Gegensatz zu der annexionistischen Haltung Woods, die der US-amerikanischen Politik entsprach. Das Ziel der militärischen Okkupation war, Kuba für eine eventuelle Annexion vorzubereiten und durch die Einrichtung kompatibler Institutionen die Insel so weit wie möglich zu amerikanisieren.149 Nach dem Krieg zeigte Kuba im Oktober 1899 eine demographische Struktur von 1 572 797 Bewohnern auf, wobei 63,9% davon nicht lesen und schreiben konnten.150 Die Analyse der hohen Analphabetismusrate ist deshalb wichtig, da nach der Okkupation der Amerikaner viele Reformen durch Zeitungsberichte veröffentlicht wurden und diese somit nur von einem Teil der Bevölkerung gelesen werden konnten. Bei einer Volkszählung zwei Jahre zuvor wurde eine Bevölkerungsanzahl von 1 631 687 festgestellt, womit sich, verglichen mit der oben genannten Zahl, eine Dezimierung der Inselbewohner zeigt. Dies hing nicht nur mit den Verlusten, sondern auch mit der Auswanderung im Laufe des Unabhängigkeitskriegs zusammen. Um eine neue Regierung durch die Besatzer einzurichten, wurden entsprechende Sitzungen der Generalversammlung einberufen. Leonard Wood präsidierte die erste Zusammenkunft und forderte die gewählten kubanischen Vertreter auf, bei dem Verfassungsentwurf ihre eigenen Vorstellungen über die künftigen Beziehungen zwischen den USA und Kuba zu formulieren. In der Eröffnungsrede betonte Wood jedoch, dass die Mitglieder nicht Teil der Regierung seien und deren Autorität begrenzt sei.151 Zu dieser Zeit wurden auch die kubanischen Revolutionstruppen aufgelöst. Am 21. Februar 1901, nach dem Abschluss der Sitzungen, wurde der Verfassung zur Gründung der Republik zugestimmt. In dieser Phase mussten die Beziehungen zwischen den beiden Staaten durch eine einberufene Kommission bestimmt werden. In dem darauf folgenden Bericht dieses Komitees wurden Grundlagen festgelegt, in denen den USA jedoch kein Interventionsrecht und auch keine Zugeständnisse zur Errichtung 147 In Artikel II des Friedensvertrages verzichtete Spanien auch auf Puerto Rico und die Philippinen; siehe „Tratado de paz entre España y los Estados Unidos de América, firmado en Paris el 10 de Diciembre de 1898“, in: PICHARDO 1965: S. 460-467. 148 Siehe „Doctrina Monroe, 2 de diciembre, Washington 1823“, in: PÉREZ-TARRAU 1992: S. 114f. 149 Vgl. dazu die Ausführungen von PÉREZ 1995: S. 37f. 150 Die Volkszählung wurde unmittelbar nach dem Krieg durchgeführt; siehe US WAR DEPARTMENT 1900: S. 157. 151 Siehe dazu „Leonard Wood, Alocución del Gobernador Militar de Cuba a la Asamblea“, in: PICHARDO 1973: S. 72-73.
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einer militärischen Basis eingeräumt wurden. Da aus Sicht der Volksvertreter keine Disparität zwischen den legitimen Interessen und nationalen Bestrebungen beider Länder bestand, wurde für die Beibehaltung freundschaftlicher Beziehungen plädiert. Die Kommission reagierte auf einen Bericht des Kriegssekretärs Elihu Root aus Washington vom 9. Februar 1901.152 Er richtete sich an Wood und beinhaltete fünf entscheidende Punkte, die später auch für das bekannt gewordene Platt Amendment übernommen wurden.153 Erstens wurde keiner konstituierenden Regierung in Kuba erlaubt, ohne die Zustimmung der Vereinigten Staaten Abkommen mit anderen Nationen zu schließen, die die Unabhängigkeit Kubas oder eine Intervention mit sich bringen würden. Zweitens war es der kubanischen Regierung untersagt, öffentliche Schulden zu machen oder Verpflichtungen einzugehen, die die Möglichkeiten der Insel überschreiten würden. Der dritte Punkt bezog sich auf das Interventionsrecht, das sich die USA einräumten, um die Unabhängigkeit und Stabilität der Regierung zu erhalten. Viertens sollten alle durch die vorläufige militärische Regierung erworbenen Rechte nicht nur Gültigkeit haben, sondern auch geschützt werden. Im letzten Punkt behielten sich die USA das Recht vor, Landflächen zu erwerben und zu besitzen, um Militärstationen in verschiedenen Orten einzurichten. Die zuständige Kommission, die die Aspekte in der Formulierung der Klauseln zu den bilateralen Beziehungen berücksichtigen sollte, bezeichnete diese als inakzeptabel, da dadurch die Unabhängigkeit und Souveränität der Insel angreifbar wären. Kuba, so die Vertreter, sollte nicht nur von anderen Nationen unabhängig sein, sondern auch von den Vereinigten Staaten von Amerika.154 Diese Punkte zu akzeptieren würde bedeuten, dass die Insel zwar vor den Interessen anderen Nationen geschützt wäre, nicht aber von den Beziehungen zu den USA unabhängig wäre. Trotz des Protests mehrerer Vertreter und unter starkem Druck der USA fügte Kuba seiner Verfassung die Einschränkungen hinzu.155 Somit wurde durch die eingefügten Klauseln die außenpolitische Linie der USA gegenüber Kuba für die nächsten drei Dekaden definiert. II.1.3 Pseudorepublik,156 Diktatur und Revolution 1902 bis 1959 In den ersten beiden Dekaden des 20. Jahrhunderts nahm der Einfluss der USA in Kuba so sehr zu, dass sich die US-Interessen unter den damaligen Bedingungen in den politischen, wirtschaftlichen und strategischen Bereichen der Insel verstärkten. Am 20. Mai 1902 endete 152 Siehe dazu „Informe de Elihu Root, Secretario de la Guerra a Leonard Wood, Gobernador militar de Cuba, Antecedente de la Enmienda Platt“, in: ebd., S. 104-108. 153 Der Senator Orville H. Platt schlug eine Regulierung der finanziellen Ressourcen der amerikanischen Armee für das laufende Jahr vor. Dabei wurde eine Klausel hinzugefügt, die die Beziehungen zwischen den USA und der neuen Regierung in Havanna regeln sollte. Der Gesetzentwurf wurde am 28. Februar 1901 vom Senat bestätigt. 154 Die Kommission wurde von Diego Tamayo, Juan Gualberto Gómez, Gonzalo de Quesada, Enrique Villuendas und dem Sekretär Manuel R. Silva präsidiert; siehe dazu „Informe a la convención constituyente cubana acerca de las relaciones que deben existir entre Cuba y los Estados Unidos presentado por la comision respectiva“, in: ebd., S. 110-117. 155 Siehe „Tratado permanente determinando las relaciones entre la república de Cuba y los Estados Unidos de América del 22 de mayo de 1903“, in: LAZCANO Y MAZÓN 1952: S. 1046-1050. 156 Zur Bezeichnung dieses Abschnitts in der kubanischen Geschichte werden in der Literatur unterschiedliche Begriffe verwendet, darunter: Unabhängige Republik, Neokoloniale Republik, Platt-Republik, Entführte Republik usw. – bis hin zum Begriff der Inexistenten Republik. Ich optiere für den Terminus Pseudorepublik, da damit meines Erachtens ein Mittelpunkt zwischen den extremen Richtungen gefunden werden kann, die durch Definitionen wie Unabhängige Republik oder Inexistente Republik markiert werden; siehe zur Diskussion TOLEDO-SANDE 2002: S. 31-39.
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offiziell die erste US-Okkupation. Die weiteren Beziehungen zwischen den USA und Kuba wurden bis zur kubanischen Revolution 1959 von einer Politik der Kollaboration mit den US-Interessen und Strategien in der Region, in der Interventionismus und imperialistische Politik vorherrschten, geprägt.157 Der erste Präsident Kubas war ein Exilkubaner. Tomas Estrada Palma, der nach dem Tod José Martís der Vertreter der kubanischen Unabhängigkeitsbewegung in den USA geworden war, wurde, durch die USA favorisiert, am 31. Dezember 1901 der erste Präsident Kubas. Er trat seine Präsidentschaft jedoch nicht sofort in Kuba an, sondern blieb bis April 1902 in den USA.158 Estrada Palma war in Kuba geboren worden, hatte über zwanzig Jahre im Exil in den USA gelebt und war schließlich amerikanischer Staatsbürger geworden. Er setzte sich anfangs für die Unabhängigkeit Kubas von Spanien ein, später aber für die Annektion Kubas seitens der Vereinigten Staaten, indem er mit dem Platt Amendment sympathisierte. Er wurde zum Vertreter der damaligen Exilkubaner und koinzidierte mit der Vorstellung der USA, dass die Kubaner ohne die Unterstützung und enge Beziehung zu den Vereinigten Staaten keine sichere Zukunft hätten.159 Wie in seinem Regierungsprogramm angekündigt, bemühte er sich um ein Handelsabkommen mit den USA. Dieses wurde im März 1903 in dem sog. Tratado de Reciprocidad Comercial (Reziprozitäts-Handelsabkommen) vom Senat Kubas und dem der USA unterschrieben.160 Dabei wurden die Zollbestimmungen so reguliert, dass die kubanischen Produkte bei der Einfuhr 20% Zollnachlass erhielten, ebenso wie die US-amerikanischen Exporte nach Kuba. Einige US-amerikanische Produkte wurden sogar mit einem höheren Nachlass bis zu 40% eingestuft. Kuba war durch diesen Vertrag wirtschaftlich an die USA gebunden und durfte mit keiner anderen Nation einen ähnlichen Vertrag abschließen. Auf diese Art und Weise entfalteten sich die wirtschaftliche Dominanz und der Einfluss des großen Nachbarn in den ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts. Die Zuckerproduktion war der wichtigste Bereich, der sich in der ersten Phase der US-Dominanz entwickeln konnte und in den große US-Investitionen gemacht wurden.161 Nach seinem ersten vierjährigen Regierungsmandat trat Estrada Palma 1906 erneut als Kandidat an. Um einen drohenden Aufstand der Liberalen gegen seine Postulierung zu vereiteln, bat Palma die USA zu intervenieren. Dies bestärkte die Vereinigten Staaten in ihrer Überzeugung, dass die Kubaner nicht in der Lage waren, das Land sicher und autonom zu regieren. Dabei verfolgten die USA auch eigene politische Interessen162 – zum ei157 Vgl. dazu MORLEY 1989: S. 31f. 158 Estrada Palma verabschiedete sich von den USA nach mehr als zwanzig Jahren mit folgenden Worten: „Dieses Land war zwanzig Jahre lang meine Heimat gewesen. Es tut mir leid, es zu verlassen, aber mein Volk ruft […]“, zitiert in: MARTÍNEZ-ORTIZ 1929: S. 387. 159 Vgl. dazu die Äußerung Estrada Palmas: „Ich sehe die materielle und moralische Zukunft Kubas, ob als unabhängige Nation oder als Teil der USA, als nicht gesichert an – es sei denn, durch die engen Beziehungen zu den Vereinigten Staaten“, zitiert in: IBARRA 1992: S. 225. 160 Siehe „Tratado de reciprocidad commercial entre Cuba y los Estados Unidos“, in: PICHARDO 1973: S. 212-217. 161 Um eine Vorstellung über die Entwicklung dieses Bereichs zu haben, sollen hier einige Referenzzahlen angeführt werden: 1899, kurz nach Ende des Kriegs, wurden 355 668 Tonnen Zucker produziert. 1924, nur 25 Jahre später, war die Produktion auf 4 112 699 Tonnen gesteigert worden. Das bedeutet eine Zunahme von 1056%; siehe GUERRA Y SANCHEZ 1935: S. 264. 162 Von der Anfangsperiode der Republik bis in die 1920er Jahre befanden sich etwa 13 000 US-amerikanische Siedler (Colonos) auf Kuba, die Landgebiete im damaligen Wert von etwa 50 Mio. US-Dollar besaßen. Die Analyse des Ethnologen Jesús Guanche über die Verbindung zwischen bewaffnetem Konflikt und Immigration zeigt die politische und wirtschaftliche Bedeutung der Migrationstendenzen auf der Insel und deren Auswirkungen auf die soziale Dynamik der kubanischen Gesellschaft; siehe GUANCHE PÉREZ 1999: S. 37.
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nen sollte im Sinne Monroes den Interessen anderer Nationen an der Insel entgegengewirkt werden, zum anderen aber auch denen der Kubaner, die die Lenkung des Staates selbstständig übernehmen wollten. Es ergab sich daher eine marginale Rechtsform, um über die Insel zu bestimmen und zu operieren. Nach dem Rücktritt Estrada Palmas sahen sich die USA zur Anwendung des Platt Amendment gezwungen. Mit 5 600 Soldaten intervenierten die USA zum zweiten Mal in Kuba und übernahmen durch Charles Edward Magoon als Gouverneur von Kuba im Oktober 1906 die Kontrolle über das Land. Dieser regierte bis Januar 1909, dann wurde er von José Miguel Gómez abgelöst. Während der Regierung Magoons hatten die Kubaner zahlreiche Verträge mit amerikanischen Unternehmen abgeschlossen. Die finanzielle Dominanz wurde in Bereichen wie dem Bankwesen, der Infrastruktur und in den großen Landflächen des Agrarsektors, die für Monokultur genutzt wurden, deutlich. Die verstärkte wirtschaftliche und politische Präsenz der USA bewirkte eine Steigerung des Nationalgefühls der Kubaner mit dem Wunsch, eine unabhängige Nation zu konsolidieren. Diese nationalistischen Ideale begleiteten jede Bewegung bis in die 1950er Jahre, die sich gegen eine Fremddominanz auf der Insel wandte. Während der Regierungsperiode von José Miguel Gómez bildete sich 1912 ein Aufstand des Movimiento de Independientes de Color (Bewegung der unabhängigen Farbigen). In dieser Gruppe versammelten sich kubanische Schwarze und Mulatten, die sich gegen Rassismus und Diskriminierung einsetzten. Sie stellten ein Programm vor, das Misstrauen unter den vorherrschenden Parteien hervorrief. Bedenkt man, dass damals 30% der kubanischen Bevölkerung aus Schwarzen und Mulatten bestanden, war das Mobilisierungspotential der Bewegung durchaus groß. Die Regierung ging entschieden gegen die Gruppe vor und ließ die führenden Köpfe hinrichten.163 Die kubanische Regierung wollte damit demonstrieren, dass sie unmittelbar nach der US-Okkupation in der Lage war, für Ordnung zu sorgen. Mario García Menocal, Nachfolger von José Miguel Gómez, regierte in den nächsten acht Jahren von 1913 bis 1921 als Vertreter der konservativen Partei. Innerhalb dieser Periode stiegen die Investitionen auf Kuba während des Ersten Weltkriegs an. Das Defizit in Europa musste ausgeglichen werden und die Vereinigten Staaten sahen dadurch neue Möglichkeiten, auf Kuba weitere Produktionszentralen zu errichten. Allein zwischen 1916 und 1926 entstanden 42 Anlagen für die Zuckerproduktion. Die Investitionen blieben konstant, bis die progressiven Restriktionen im Exportbereich und der Verfall des Zuckerpreises mit der Depression von 1929 bis 1932 dem Aufschwung ein Ende bereiteten.164 Die USamerikanische Kontrolle über die kubanische Wirtschaft hatte sich nicht nur auf die Zuckerproduktion beschränkt, sondern auch auf den Anbau von Tabak und dessen Verarbeitung sowie auf den Transport- und Bergbausektor. Die USA kontrollierten beinahe 90% des Zigarrenexports.165 In den 1920er Jahren wurde ein Fährensystem aufgebaut, das Havanna für den Transport von Passagieren und Waren mit Key West und New Orleans verband.
163 Nach den Ereignissen von 1912 wurden in verschiedenen Orten Kubas, besonders aber im Osten des Landes, Massaker unter der schwarzen Bevölkerung verübt; siehe CUBAS-HERNÁNDEZ 2005: S. 19-38. 164 Siehe dazu RIVEREND 1985: S. 577f. 165 Allein zwischen 1926 und 1932 exportierten die USA Waren im Wert von 425 Millionen US-Dollar nach Kuba. Diese Dominanz bestätigt sich, vergleicht man den Exportumsatz in der gleichen Periode von 318 Millionen US-Dollar aller mittelamerikanischen Länder; vgl. dazu die Daten von US-SA 1933: S. 418f. Die US-amerikanischen Firmen kontrollierten des Weiteren in den ersten Jahren der Republik nicht weniger als 80% des Mineralexports. Die Daten werden zitiert in RIVEREND 2001: S. 70-73.
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Gegen Ende der Regierung Menocals befand sich der Staatshaushalt in einem prekären Zustand. Die durch das wieder eingeführte Lotteriespiel eingenommenen Gelder, die in soziale Projekte investiert werden sollten, verschwanden in korrupten Kanälen der Regierung. Der Wohlstand der ersten Nachkriegsjahre ging gegen Ende der 1920er Jahre mit dem Verfall des Zuckerpreises zurück. Die sozialen und ökonomischen Kräfte entfalteten sich auf Kuba so, dass die kubanische Gesellschaft komplexer wurde und sich auch soziale Klassenstrukturen herauskristallisierten. Dies manifestierte sich immer wieder in sozialen Konflikten, da trotz des relativen Wohlstands des Staates der Lebensstandard der Arbeiter nicht stieg. Auf Grund der ökonomischen Verhältnisse in den 1920er und 1930er Jahren stieg die Zahl der kubanischen Einwanderer in die USA. Es handelte sich hierbei v.a. um Arbeiter, die sich nach der Vereinfachung der Migrationsbestimmungen in den Vereinigten Staaten niedergelassen hatten. In den 1920er Jahren wurden allein 40 149 kubanische Migranten gezählt und gegen Ende der 1930er Jahre eine Zahl von 43 400.166 Mitten in der erwähnten Wirtschaftskrise gelang es Alfredo Zayas Alfonso, der sich von der Liberalen Partei getrennt hatte und den Partido Popular de Cuba (PPC – Volkspartei Kubas)167 gründete, 1921 die Präsidentschaft Kubas zu übernehmen. Er hatte schon fünf Jahre zuvor die Wahl knapp gewonnen, sein Antritt war jedoch zu diesem Zeitpunkt durch eine USIntervention verhindert worden. Die USA entsandten 1921 General Enoch Crowder, der als Sondergesandter des US-amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson die innen- und außenpolitischen Angelegenheiten Kubas mitbestimmte.168 Die Regierung Zayas war durch die Interventionspolitik der USA und die Unfähigkeit der dominierenden Eliten, die Probleme des Landes auf demokratischem Wege zu lösen, geprägt. Diese Insuffizienz war eng an die wirtschaftliche und politische Abhängigkeit zu den USA gebunden. Zayas übergab die Präsidentschaft im Mai 1925 an Gerardo Machado y Morales, der zwei Amtsperioden bis 1933 durchlief. In Konkurrenz zur vorherrschenden politischen Linie bildeten sich neue Gruppierungen, die Änderungen suchten und Reformvorschläge vorbrachten, die jedoch auf Grund der US-Hegemonie und ihrer speziellen sektoralen Interessen erfolglos blieben. Durch die Entstehung neuer sozialer Kräfte wurde ein starkes Spannungsfeld geschaffen, da die militanten Arbeiter eine Opposition zu dem zu reformierenden Bürgertum darstellten und dies wiederum unfähig war, eine Strategie zur Bildung einer politischen Koalition mit den Arbeitern zu entwickeln. Die USA waren aber nicht die Einzigen, die um die lokale Macht konkurrierten. Als Kontraposition zu den jeweiligen Machthabern kamen neue Kräfte mit einer antiamerikanischen Plattform hervor. Washington sah sich in diesem Kontext gezwungen, eine offene Intervention zu unterdrücken, um nicht die eigenen politischen Verbündeten innerhalb des Systems zu schwächen. Die Grundlage für die größte treibende Kraft des kubanischen Nationalismus, die die Souveränität Kubas anstrebte, bildete die wachsende Unzufriedenheit der mobilisierten Arbeitersektoren über die Ausdehnung des Platt Amendment, das sie vehement ablehnten. Während dieser pseudorepublikanischen Epoche war man sich trotz Meinungsverschiedenheiten weitgehend einig, dass diese Klausel abgeschafft werden musste, und das nationale Gefühl als Bindeglied zwischen den verschiedenen Gruppierungen 166 Siehe dazu US-SA 1931: S. 98-101. 167 Die Volkspartei koalierte mit der Konservativen Partei zur sog. Nationalen Liga, die Zayas als Kandidat für die Präsidentschaft stellte. 168 Crowder legte dem Präsidenten Zayas 15 Memoranden vor, in denen explizite und detaillierte Empfehlungen für die Regierungsführung konzipiert worden waren; siehe „Nota del general Crowder a su gobierno“, in: PICHARDO 1973: S. 19; siehe auch in DERS., Memorandum S. 33-110.
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wurde gestärkt. Machado hatte das Potential dieses Gefühls erkannt. Da ihm bewusst war, dass die Kräfte des Partido Comunista de Cuba (PCC – Kommunistische Partei Kubas) einen starken Sektor repräsentierten, setzte er sich gezielt für ihre Schwächung ein. Als Machado 1925 sein Amt als Präsident der Republik antrat, waren sowohl der PCC als auch die Confederación Nacional Obrera de Cuba (CNOC – Nationales Arbeiterbündnis Kubas) schon gegründet gewesen. Während seiner Regierungszeit wurde der PCC als illegal und außerhalb des Gesetzes eingestuft. Seine Aktivitäten wurden aus diesen Gründen untersagt und dessen Mitglieder verfolgt. Machado beschränkte das Verbot nicht nur auf die Partei, sondern weitete es auch auf die militante Arbeiterschaft aus und ließ 1926 vor allem viele Aktivisten des Arbeiterverbands in Havanna festnehmen. Die Publikationen des Verbands wurden verboten und viele Köpfe der Arbeiterorganisationen entführt, gefoltert und ermordet.169 Als Folge darauf gründete und organisierte Carlos Mendieta 1927 Gruppen in der Partei der Nationalen Union, die gegen Machado opponierten. Durch Korruption und Bestechung erreichte es Machado dennoch, als Hauptkandidat der liberalen und konservativen Partei für eine zweite Amtsperiode nominiert zu werden. Dadurch vermehrten sich in den 1930er Jahren die Aktivitäten der Opposition. Es bildete sich der revolutionäre ABC-Verband, der sich aus Intellektuellen, Berufstätigen und organisierten Studenten zusammensetzte, die allesamt eher einen rechtsgerichteten nationalistischen Hintergrund hatten und im Untergrund agierten. Auf Grund der kontinuierlichen Gewaltanwendung durch die Regierung konzentrierten sich die Oppositionsgruppen darauf, eine Revolution gegen die vorherrschenden Strukturen voranzutreiben. Die Organización Celular Radical Revolucionaria (OCRR – Organisation Radikaler Revolutionärer Einheiten) führte bewaffnete Sabotageakte gegen die Regierung aus. Auch organisierte Gruppen von Frauen, Professoren und Schülern waren Teil des breiten Oppositionsnetzes gegen Machado. In allen wirtschaftlichen Sektoren der kubanischen Gesellschaft manifestierten sich Streiks, die durch die Regierung gewaltsam unterdrückt wurden. Da die USA sich in dieser Zeit mit einer Intervention zurückhielten, interpretierten viele Kubaner dies als stillschweigende Zustimmung der Politik Machados. Dieses reservierte Verhalten hing mit der Politik der USA Anfang der 1930er Jahre zusammen, in der die kubanische Souveränität als eines der höchsten Prinzipien der Republik propagiert wurde. Trotzdem dehnten sich die oppositionellen Kräfte immer mehr aus und nahmen revolutionären Charakter an. Unter den Bedingungen gesellschaftlicher und politischer Unruhen auf Kuba und der Berücksichtigung der Klauseln des Platt Amendment waren die USA dazu verpflichtet, die Situation zu kontrollieren und die Stabilität der Regierung auf der Insel zu garantieren. Auch auf Kuba wurden die Stimmen immer lauter, die an die Anwendung dieser Klauseln appellierten, da sie Kuba nicht mehr in den Händen eines Diktators sehen wollten. Somit standen die Kubaner bezüglich ihrer Ziele im Widerspruch. Auf der einen Seite waren politische Kräfte vorhanden, die zu einer totalen Unabhängigkeit und Souveränität drängten, und auf der anderen Seite solche, die für eine Durchsetzung der zu diesem Zeitpunkt geltenden Gesetze plädierten, die im gegebenen Fall eine Intervention der USA implizierten. Die Krise in den 1930er Jahren war die letzte vor der Revolution von 1959, in der sich die großen Bemühungen zur Selbstbestimmung Kubas manifestierten. Dieser politische Tiefstand liefert für die Fallstudie wichtige historische Momente, in denen es eine Konjunk169 1927 wurden ca. 150 Führer ermordet. Die Verfolgungswelle war durch Machado gestartet worden und ging über die Grenzen Kubas hinaus. 1929 wurde in Mexiko Julio Antonio Mella, einer der Gründer der PCC, im Auftrag von Machado umgebracht; siehe RIVEREND 1992: S. 86.
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tur in der Bildung von kubanischen Gruppierungen gab, die trotz ihrer verschiedenen Richtungen die vereinende Idee der Konsolidierung einer Nation verband. Die Kubaner befanden sich in den 1930er Jahren genauso wie schon 1865 und 1895 am Rande einer Revolution. Auf Grund dieser Bedingungen sahen sich die USA zu Vermittlungsversuchen gezwungen. Dem Botschafter Benjamin Sumner Welles gelang es, den Prozess der entstehenden Revolution zu neutralisieren. Er war im Rahmen der Politik des „guten Nachbarn“ von Franklin D. Roosevelt (1933 – 1945), in der vor dem Zweiten Weltkrieg nach außen hin Neutralität angestrebt wurde, entsendet worden.170 Machado floh 1933 in die USA und Carlos Manuel de Céspedes y Ortiz übernahm eine Übergangsregierung, die nach zwei Monaten von der sog. Pentarquia171 gestürzt wurde. Nachdem die Militäroffiziere der Regierung von Machado entlassen worden waren, wurde der Offizier Fulgencio Batista y Zaldívar beauftragt, das Militär wieder aufzubauen. Unterstützt von den USA und dem Militär, das immer mehr an Macht gewann, wurde 1934 Carlos Mendieta Montefúr, der die provisorischen Regierungen von Carlos Hevia und Manuel Márquez Sterling ablöste, als neuer Präsident Kubas eingesetzt. Um die Krisensituation zu entschärfen, entschieden sich die USA zur Aufhebung des Platt Amendment; somit wurde das Interventionsrecht zumindest auf formeller Ebene abgeschafft. Beibehalten wurde aber Artikel VII, in dem das Fortbestehen der Basis von Guantánamo akzeptiert wurde.172 Nach der Aufhebung des Platt Amendment stabilisierten sich allmählich die Beziehungen zwischen beiden Ländern. In den 1930er Jahren gewann die Zuckerproduktion wieder an Bedeutung und nahm einen wichtigen Platz im amerikanischen Markt ein. Gerade in diesen Jahren übernahmen die USA wieder die Kontrolle über die kubanische Ökonomie, nachdem die Importe zwischen 1923 und 1933 stark zurückgegangen waren. Durch die florierende kubanische Wirtschaft während des Zweiten Weltkriegs wurden neue Möglichkeiten eröffnet. Darüber hinaus fanden in der Verfassungsreform vom Juli 1940 die Errungenschaften der durch die organisierten revolutionären Gruppen geführten Kämpfe Eingang. So wurden darin wichtige Grundsätze wie das Frauenwahlrecht oder die Rassengleichheit festgelegt. Die Reform sah zudem die Anerkennung wirtschaftlicher und sozialer Rechte für alle Kubaner vor. Die Missachtung dieser Grundlagen durch die Regierung bildete einen kausalen Zusammenhang zu den Ereignissen der nächsten beiden Dekaden. Fulgencio Batista wurde nach den Wahlen von 1940 für eine Periode von vier Jahren Präsident. Nach dieser Amtszeit übernahm der Partido Revolucionario Cubano Auténtico (PRC(A) – Revolutionäre Authentische Partei Kubas) die Macht. Die Partei wurde von Ramón Grau San Martin gegründet, der Kuba von 1944 bis 1948 regierte, gefolgt von Carlos Prio Socarrés (1948 – 1952). Daraus spaltete sich eine Bewegung mit dem Namen Ortodoxo173 ab, die später der Partido del 170 Siehe „Extractos de informes del embajador norteamericano Sumner Welles a su gobierno“, in: PICHARDO 1973: S. 559-566. 171 Die sog. „Regierung der Fünf“, bei der kein Präsident an der Spitze stand, wurde von fünf Führungspersonen gebildet, die jeweils ein spezifisches Gebiet übernahmen. Die Gruppe, die nach fünf Tagen aufgelöst wurde, bestand aus Guillermo Portela, Porfirio Franca, Ramón Grau San Martín, Sergio Carbó und José Miguel Irizarri. 172 Der besetzte Bereich der Bucht umfasst etwa 117,6 km². Die USA vereinbarten, für die Nutzung dieses Gebiets jährlich 5 000 US-Dollar an Kuba zu bezahlen, um der Weiterführung dieser Basis einen legalen Charakter zu verleihen. Nach 1959 lehnte Kuba die Zahlungen ab. Eine ausführliche Studie über die Bucht von Guantánamo findet sich bei SUÁREZ/QUESADA 1996: S. 12 u. 31. 173 Diese Bewegung wurde von Eduardo Chibás geführt und löste sich 1951 nach dessen Tod auf. Chibás war ein eloquenter Redner, der Korruption und Offizialismus anprangerte; er starb an den Folgen eines Selbstmordversuches.
II.1 Die vorrevolutionäre Phase von 1865 bis 1959
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Pueblo Cubano (PPC – Kubanische Volkspartei) wurde. Der PPC hatte gute Aussichten, sich bei den nächsten angekündigten Wahlen von 1952 gegen den PRC(A) und die Liberale Partei, die erneut durch Batista repräsentiert wurde, durchzusetzen. Zu den Ortodoxos gehörte schon damals Fidel Castro Ruz, der für den Senat kandidierte. Drei Monate vor den Wahlen vom 10. März putschte Batista jedoch Prio Socarrés, der dann nach Florida floh. Als Grund für den Staatsstreich wurden korrupte Verhältnisse in der bestehenden Regierung und deren Mangel an Autorität angeführt. Zudem wurde Prio Socarrés nachgesagt, dass er selbst einen Putsch geplant gehabt hätte, um den Sieg der Ortodoxos zu verhindern. Simplifiziert formuliert war der Sturz für Batista der einzige Weg, erneut die Präsidentschaft zu sichern. Der Putsch verursachte in der Bevölkerung eine vorübergehende Paralysierung.174 Batista löste den Kongress auf und führte dafür einen sog. Consejo Consultivo (Beratungsrat) ein. Wenig später wurde die Einrichtung der Diktatur von der US-Regierung anerkannt und dies bestärkte die Stagnation des demokratischen Reformprozesses. Die kubanische Nation hatte mit diesen Ereignissen einen „Tiefpunkt“ erreicht.175 Es begann erneut die Zeit der studentischen Proteste, die schon in früheren Jahren stattgefunden hatten. Auch wenn diese mit Polizeigewalt unterdrückt wurden, wuchs die revolutionäre Bewegung und mit ihr die Entschiedenheit, einer Kontinuität der bestehenden politischen und gesellschaftlichen Strukturen entgegenzuwirken. Havanna war inzwischen die amerikanische Hauptstadt der Spielcasinos und Prostitution geworden, die von amerikanischen Mafiabossen kontrolliert wurde. Die Auflehnung gegen die Diktatur zeigte sich am 26. Juli 1953 in dem Versuch einer Gruppe, die sich vor allem aus Mitgliedern der Ortodoxos zusammensetzte und von Fidel Castro angeführt wurde, die damals zweitwichtigste Militärkaserne (Moncada) des Landes zu überfallen. Der Angriff scheiterte zwar militärisch, er setzte jedoch ein Zeichen und wurde zum Symbol der Bewegung gegen die Diktatur. Batista ging repressiv gegen die Gruppe, die sich von nun an Movimiento 26 de Julio (Bewegung des 26. Juli) nannte, und gegen deren Sympathisanten vor. Fidel Castro verteidigte sich während des Gerichtsverfahrens selbst und übernahm die volle Verantwortung für die Angriffe. Seine Rede ist durch den Schlusssatz La historia me absolverá (Die Geschichte wird mich freisprechen) berühmt geworden.176 Nachdem Batista durch Manipulierung der Wählerstimmen 1954 erneut die Präsidentschaft übernommen hatte, konnten die Anhänger der Bewegung 1955 eine Generalamnestie erreichen. Die freigelassenen Revolutionäre gingen nach Mexiko ins Exil und organisierten sich neu unter dem offiziellen Namen M-26-7.177 1956 kamen 82 Revolutionäre, darunter Ernesto (Che) Guevara de la Serna, mit der kleinen Yacht „Granma“ in der gleichnamigen Provinz auf Kuba an. Nach Konfrontationen mit den militärischen Kräften Batistas überlebten nur 12 Kämpfer, die in die Berge der Sierra Maestra flüchteten und mit Hilfe der Bauern langsam das revolutionäre Heer aufbauten.178 Neben den Kämpfen in der Sierra Maestra kam 174 So bezeichnete Jorge Mañac 1951 die Reaktion der Bevölkerung in der Zeitschrift Bohemia; siehe MAÑAC 2005: S. 92f. 175 Roberto Fernández Retamar verwendet den Begriff „fondo“ (Tiefpunkt), um die politische und soziale Stimmung in der Bevölkerung im Jahr 1952 zu beschreiben. Dieser Tiefpunkt bedeutete gleichzeitig den Beginn einer endgültigen Emanzipierung Kubas; siehe FERNÁNDEZ RETAMAR 2004: S. 33 176 Fidel Castro und weitere Mitbeteiligte wurden nach dem Prozess inhaftiert. Zum Gerichtsverfahren und zur Verteidigungsrede siehe CASTRO RUZ 1981. 177 In der Literatur hat sich die Abkürzung M-26-7 als Bezeichnung für die revolutionäre Bewegung durchgesetzt. Sie wird für den weiteren Verlauf dieser Arbeit übernommen. 178 Ernesto Guevara de la Serna berichtete, dass in den wenigen Monaten von Februar bis Juli 1957 allein in der Sierra Maestra die Zahl von 12 auf 200 bewaffnete Kämpfer stieg; siehe CASTRO RUZ 1998: S. 61.
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es 1957 zu bewaffneten Protestaktionen im Osten des Landes und zu Streiks in den Großstädten, an denen auch der Directorio Revolucionario 13 de Marzo (Revolutionäres Direktorium 13. März) und der Partido Socialista Popular (PSP – Sozialistische Volkspartei) beteiligt waren. Die Propaganda Batistas, dass Fidel Castro tot sei, wurde im Februar 1957 durch das mit dem Guerillaführer geführten Interview der New York Times entkräftet. In dem danach publizierten Gespräch bezeichnete Castro die M-26-7 sehr zutreffend als das Symbol der Opposition zum bestehenden Regime.179 Die Rebellen reflektierten auf der einen Seite die momentane Lage der Nation nach außen und auf der anderen Seite waren sie eine Inspiration für die Jugendlichen im eigenen Land. Der Revolutionsführer selbst war sich dessen bewusst und fasste dies mit den Worten „die Jugend ist mit uns“ zusammen.180 Die Entschiedenheit der Bewegung, dem Interventionszyklus der USA und dem Wechselspiel verschiedener korrupter Politiker während der letzten 57 Jahre ein Ende zu setzen, war unaufhaltsam. Auch Initiativen aus dem Ausland wie die Sociedad de Amigos de la República (Freundschaftsgesellschaft der Republik) und die Junta Revolucionaria de Miami (Revolutionärer Rat von Miami) erhoben im Namen der Bewegung ihre Stimme. Im Dezember 1957 erfuhr Fidel Castro von der Falschmeldung, dass die genannten Gruppen in Miami in dem sog. Pacto de Miami181 (Miami-Pakt) eine Vereinbarung mit der M-26-7 getroffen hätten, in der Felipe Pazos als Übergangspräsident vorgesehen worden wäre. Die Distanzierung der Bewegung zu diesem Pakt war eindeutig. Während die Organisationsführer im Ausland eine „imaginäre Revolution“ vorbereiteten, führte die M-26-7 in Kuba eine „reale Revolution“ durch, so die Worte Fidel Castros in einem Schreiben, das sich an die Beteiligten in Miami richtete.182 Damit erklärte sich die Bewegung unabhängig, sie war aber bereit, mit jeder Organisation, die sich gegen die Diktatur wandte, zu kooperieren. Die USA verhängten im März 1958 offiziell ein Waffenembargo gegen Kuba. Dies bedeutete jedoch nicht, dass sich die USA von der Regierung Batistas distanzierten, denn sie berieten weiterhin das Militär und mit diplomatischem Geschick wurden über Drittländer wie die Dominikanische Republik und Nicaragua Waffen an Batista verkauft, was die angebliche „Neutralität“ der US-Regierung offenlegte.183 Durch den Streikaufruf im April desselben Jahres begann eine neue Etappe im Kampf gegen die Diktatur. Die Stärke und strategischen Handlungsspielräume der M-26-7 erweiterten sich, zum einen durch das Scheitern der Militärs bei den verschiedenen Offensiven in der Sierra Maestra und zum anderen aber auch durch die Einrichtung neuer Guerilla-Fronten wie Frank Pais, geführt von Raul Castro Ruz in den östlichen Provinzen oder den durch Camilo Cienfuegos und Ernesto Guevara angeleiteten Kommandos. Die Gewinnung der strategischen Kontrolle über wichtige Gebiete seitens der Bewegung im Osten des Landes demoralisierte im Jahr 179 Siehe „Herbert Mattews entrevista a Fidel“, in: ebd., S. 29. 180 Siehe ebd., S. 30-31. Erwähnt werden soll hier auch die Mitbeteiligung von gefangenen Militärs wie beispielsweise Evelio Laferté, der sich nach kurzer Gefangenschaft dazu entschieden hatte, bei den Guerilleros zu bleiben. Er wurde von Fidel Castro beauftragt, eine Ausbildungsstätte für das Militär in Minas del Frío zu gründen; vgl. ebd., S. 105. 181 Die beteiligten Organisationen in dem sog. Pacto de Miami waren: Partido Revolucionario, Partido del Pueblo Cubano, Organización Auténtica, Federación Estudiantil Universitaria, Directorio Revolucionario und Directorio Obrero Revolucionario. Fidel Castro richtete an diese Organisationen eine Klarstellung über die Position der Bewegung zu dem Pacto de Miami. 182 Siehe den Artikel Fidel Castros vom 14. Dezember 1957 aus der Sierra Maestra, in: ebd., S. 85. 183 Fidel Castro verdeutlichte diese Zusammenhänge in seiner ersten Radioansprache an die Kubaner (gesendet durch Radio Rebelde) am 14. April 1958 und beschuldigte Somoza und Trujillo des Weiterverkaufs von Waffen an Batista; siehe ebd., S. 127.
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1958 immer mehr Militärs und brachte den Kämpfern weiteren Zulauf. Das Desertieren von Offizieren und deren Soldaten sowie das Überlaufen zu den rebellischen Truppen spiegelten die Stimmungslage Kubas am Ende dieser Dekade wider. Als Ausweg aus dem Konflikt schlug das Regime vorgezogene Wahlen für den 3. November desselben Jahres vor. Dieser Plan wurde von den Revolutionären entschieden abgelehnt. Nach der Intensivierung der Kämpfe im November sah sich Batista zur Kapitulation gezwungen. Die M-26-7 musste sich nicht bis Havanna durchkämpfen, obwohl im August 1958 Camilo Cienfuegos für eine Mission in Pinar del Rio, der westlichsten Provinz Kubas nahe der Hauptstadt, eingesetzt worden war. Entscheidend war die letzte militärische Aktion der Kommandos in der Region Las Villas. Die Provinz Camagüey blieb isoliert, Santa Clara und Santiago de Cuba ebenso wie andere Gebiete im Osten waren befreit (siehe Landkarte in Anhang 1). Diese drei großen Provinzen wurden im Dezember 1959 durch die M-26-7 kontrolliert. Ein militärischer Angriff der Diktaturtruppen wurde zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gewagt. Vor diesem Hintergrund begann am 1. Dezember 1959 eine neue Auswanderungswelle in der Geschichte Kubas. Batista und mehr als vierzig Militärführer mit Gefolge waren die Ersten, die das Land verließen. Damit gingen die zwei Jahre anhaltenden Kämpfe zu Ende. Die USA hatten versucht, sich der M-26-7 anzunähern. Zum einen sollten dadurch Wege gefunden werden, um die kritische Situation zu entspannen, zum anderen sollte aber auch die Einstellung der Bewegung sondiert werden. Im August 1958 trafen sich in Caracas Lyman Kirkpatric, der damalige Generalinspektor der CIA, und Luis María Buch Rodriguez, offizieller Führungsvertreter der Bewegung im Ausland. Das Treffen wurde von William E. Peterson, dem politischen Berater der US-Botschaft in Venezuela, koordiniert.184 Der hohe US-Vertreter prüfte die Möglichkeit einer Lösung durch eine Militärjunta und wollte in Erfahrung bringen, welche Haltung die Bewegung nach einem Sturz Batistas einnehmen würde und welche Implikationen dies in Bezug auf die Stabilität des Landes hätte. Darüber hinaus boten die USA in weiteren Gesprächen Waffen und Munition an. Daraufhin wies Buch Rodriguez auf die bekannte Position der Bewegung hin, die zuvor schon mehrmals durch Fidel Castro bekräftigt worden war, dass die M-26-7 keine Einmischung der USA dulden würde und für deren klare Neutralität plädiere. Im Dezember 1958 versuchten die USA, durch die Bildung einer provisorischen militärischen Junta einen anderen Ausweg zu finden. Sie sollte aus Offizieren zusammengesetzt werden, welche auf Grund ihrer oppositionellen Haltung zu Batista im Gefängnis saßen. Daraufhin wurde vom General Francisco Tabernilla, damals Kommandeur der Batistatruppen, die Miteinbeziehung des Generalmajors Eulogio Cantillo im geplanten Rat angeordnet. Cantillo wurde beauftragt, die Machtübergabe mit den Rebellen zu verhandeln. Er traf noch im selben Monat in Palma Soriano mit Fidel Castro zusammen und es wurden folgende Punkte besprochen: die Machtübergabe der Regierung, die Kapitulation im Osten, außerdem die Verpflichtung, keinen Militärputsch in Havanna zu erlauben, zudem die Festnahme von Batista und seinem Gefolge sowie die Verhinderung einer Einmischung der USA in diesen Prozess. General Cantillo hielt sich jedoch an keine der Vereinbarungen. In seinen Erinnerungen zu diesem Gespräch äußert sich Fidel Castro mit den Sätzen: „Genau die drei Punkte, die er (Cantillo) versprochen hatte, nicht zu tun, tat er. Er setzte sich mit der US-Botschaft in Verbindung, führte 184 Die dokumentierten Gespräche wurden im Büro „für historische Angelegenheiten des kubanischen Staatsrats“ (Consejo de Estado) archiviert und sind nicht für jeden zugänglich. Sie werden zitiert bei ARBOLEYA 2000: S. 38f. Auf Grund späterer Äußerungen Fidel Castros als Reaktion auf die Vorschläge sind die Texte glaubwürdig.
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einen Putsch in der Hauptstadt durch und verabschiedete Fulgencio Batista am Flughafen.“185 Die USA kalkulierten bis zuletzt weitere Optionen. Mit Hilfe des Geheimdienstes suchten sie die Möglichkeit, gespaltene konterrevolutionäre Gruppen zu unterstützen, welche die wachsende Stärke der M-26-7 kompensieren sollten. Dafür wurde die II. Frente Nacional del Escambray (II. Nationale Front des Escambray) vorgesehen. Diese Gruppe, die während der Befreiungskämpfe keine große Relevanz gehabt hatte und an sich keine Gefahr für die Bewegung darstellte, sollte die Provinzen im Zentrum des Landes mit Unterstützung einer Waffenlieferung und Militärs von Camagüey kontrollieren. Der Plan gelang nicht, da Camilo Cienfuegos und Che Guevara mit ihren Einheiten die Region militärisch übernahmen. Die Bemühungen der USA, den revolutionären Kräften entgegenzuwirken, endeten nicht mit dem erhofften Erfolg. Die nationalistische und ideologische Radikalität der verschiedenen Organisationen, die in diesem Abschnitt aufgeführt wurden, bildeten die Basis für die spätere Entstehung der konterrevolutionären Gruppen in den USA.
II.1.4 Wechselseitiger gesellschaftlicher Austausch zwischen den USA und Kuba sowie Migration und Mafia im Rahmen der kubanischen Emanzipation Der gegenseitige Einfluss und die kulturelle, wirtschaftliche und politische Kontrolle der USA in jenen Jahren, deren Penetration in alle sozialen Segmente unbestritten ist, bilden den Schlüssel, um die bis heute währenden Auseinandersetzungen zwischen den USA und Kuba zu verstehen. Eine Annäherung an das Verständnis der bilateralen Beziehungen zwischen beiden Ländern, unabhängig der ideologischen Akzentuierung, sei es im Exil oder innerhalb Kubas, kann nicht realisiert werden, ohne sowohl die Komplikationen, die die amerikanische Präsenz mit sich bringt, als auch deren Einflüsse auf der Insel zu erforschen. Zwischen 1940 und 1955 gab es in der kubanischen Wirtschaft einen leichten Aufschwung, dessen Gründe v.a. mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs zusammenhingen. Es wurden zu dieser Zeit etwa 1 Mrd. Pesos in den Bau neuer Gebäude investiert. Es handelte sich hierbei vor allem um Einkaufszentren, Büros und Wohnungen in der Hauptstadt, deren Kauf jedoch nur zahlungsfähigen Familien offenstand. Die Mehrheit der Bevölkerung konnte von dieser Konjunktur nicht profitieren.186 Von Interesse ist hier die Steigerung der Kontakte zwischen US-Amerikanern und Kubanern in der Nachkriegszeit. Die technischen Fortschritte im Bereich der Telekommunikation und des Transports verbanden die beiden Länder zunehmend. Innerhalb weniger Monate nach Kriegsende erhöhte die Fluggesellschaft Panamerican World Airways die Anzahl der Flüge zwischen Miami und Havanna, in Planung waren sogar bis zu 28 Flüge täglich.187 Diese Frequenz wurde zwar auf Grund der Intensivierung der internen politischen Auseinandersetzungen in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre nicht erreicht, es gab aber im Jahr 1958 zwischen 60 und 80 wöchentliche Flüge zwischen Miami und Havanna. Dies bedeutete auch, dass sich der Tourismus auf Kuba ausweitete. 1958 wurden bis zu 350 000 Besucher gezählt, darüber hinaus lebten auf der Insel ca. 6 500 US-Bürger. Im Vergleich zu der Zahl von 113 000 zwischen 1914 und 185 Siehe CASTRO RUZ 1998: S. 300. 186 Trotz der Investitionen hatten 1953 75% der kubanischen Familien keinen Kühlschrank und 55% der Haushalte keine Toilette oder Dusche. Auf dem Land war die Situation noch prekärer; siehe PINO-SANTOS 2001: S. 98-101. 187 Vgl. dazu PÉREZ-Jr. 1997: S. 207.
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1916 hatten sich die Besuche mehr als verdreifacht.188 Auf Grund der erleichterten Kommunikation zwischen beiden Ländern war die Immigrationsrate von Kubanern in die Vereinigten Staaten dementsprechend hoch. Nach Schätzungen lebten schon damals mehr als 10 000 Kubaner in Tampa (Florida), mindestens die gleiche Anzahl befand sich in New York. Eine große kubanische Auswanderung in die USA fand vor allem während der wirtschaftlichen Krise der 1920er und 1930er Jahre statt und setzte sich nach dem Zweiten Weltkrieg bis hin zu den 1950er Jahren kontinuierlich fort. Dieser Zeitabschnitt bildet den Ausgangspunkt für eine neue Generation von Kubanern in den Vereinigten Staaten. Einige Jahre später wurde von ca. 50 000 Cubano-Americanos in den USA ausgegangen. Vor allem junge Kubaner und Kubanerinnen wanderten in der Hoffnung aus, bessere wirtschaftliche Möglichkeiten zu finden. Allein zwischen 1946 und 1954 emigrierten ca. 35 645 Frauen und Männer aus Kuba in die USA.189 Der Kontakt zwischen beiden Staaten beschränkte sich aber nicht nur auf die Emigration, sondern wurde auch durch den Aufbau eines touristischen Netzes gefördert, da viele Kubaner ihre Familienangehörigen in den USA besuchten und außerdem zahlreiche Inselbewohner ihre Kinder in die Vereinigten Staaten schickten, um ihnen eine bessere Ausbildung zu ermöglichen. Die USA waren also schon damals für die Kubaner in vielerlei Hinsicht der wichtigste wirtschaftliche und kulturelle Referenzpunkt. Vor allem der Süden Floridas war vielen aus der Hauptstadt stammenden Kubanern durch die dortigen Einkaufszentren und die starke Nachfrage nach amerikanischen Produkten vertraut. Zwischen Mai und August 1948 wurden etwa 40 000 Passagiere von Kuba nach Miami geschätzt, Anfang der 1950er Jahre wuchs diese Zahl auf 50 000. Während dieser Besuchsreisen gaben die Kubaner mehr als 70 Mio. US-Dollar aus.190 Die Massenmedien hatten in Kuba schon in der vorrevolutionären Phase eine große Auswirkung gehabt. Das Radio, aber auch die Filmindustrie und später das Fernsehen spielten vor allem in Havanna eine wichtige Rolle. Durch unterschwellige und direkte Werbung wurden amerikanische Produkte angepriesen und die amerikanische Kultur durch Musik, Kino, Kleidung, Comics etc. verbreitet.191 Die enge Verbindung inspirierte amerikanische Architekten, auf Kuba Gebäude, Banken und Büros im amerikanischen Stil zu entwerfen. Der kulturelle Einfluss war jedoch nicht einseitig. Die kubanische Präsenz im Süden Floridas und in New York charakterisierte sich unter anderem durch die Sprache, den Sport und zweifellos auch durch die Musik, die in der amerikanischen Kultur einen hohen Stellenwert fand.192 Doch nicht alle Kubaner, die auswanderten, konnten den weit verbreiteten American Dream verwirklichen. Das Leben vieler Auswanderer war von der Konfrontation mit den Schwierigkeiten des alltäglichen Lebens in der Ferne geprägt und entsprach nicht immer ihren ursprünglichen Vorstellungen. Das amerikanische Territorium war dennoch sowohl für die emigrierenden Arbeiter, die eine bessere Lebensqualität suchten, als auch für die kubanische Bourgeoisie und die soziale Mittelklasse, für die oft die Ausbildung ihrer 188 Siehe dazu PRIETO 2004: S. 45ff. Ergänzend dazu die Daten von „Transportation – Shipping, Railway Traffic, Civil Aviation and Motor Vehicles“, in: US-BC 1961: S. 938ff. 189 Die Zahlen über die erteilten Einwanderungsvisa werden zitiert bei PINO-SANTOS 2001: S. 123. 190 Siehe dazu PÉREZ-Jr. 1997. Die Daten wurden aus folgenden Quellen gewonnen: NEWSWEEK 1949: S. 36 oder auch GB-BT 1954: S. 44. 191 Bis 1957 existierten in Kuba 160 Radiostationen und bis 1956 waren 796 Zeitungen und Zeitschriften im Umlauf; siehe dazu US-BC 1958: S. 940. 192 Die kubanische Musik erlebte darüber hinaus in den letzten Jahren außerhalb der USA eine starke Popularität auf internationaler Ebene. Einen ausführlichen Überblick über ihre Vermarktung und Industrialisierung findet sich in der Arbeit von SCHLICKE 2007; siehe auch ACOSTA 2000: S. 295-328.
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Kinder im Vordergrund stand, das beliebteste Auswanderungsziel. Allein zwischen 1951 und 1960 emigrierten 78 900 Personen, so dass um 1959 die Zahl der Kubaner in den USA auf 125 000 angewachsen war.193 Andererseits gab es Exilkubaner, die schon wenige Monate nach dem Sieg der Revolution wieder nach Kuba zurückkamen, da sich ihre Erwartungen nicht erfüllt hatten und sie durch negative Erfahrungen in den Vereinigten Staaten enttäuscht waren. Bei den Rückkehrern entwickelte sich oftmals eine antiamerikanische Haltung.194 Tampa blieb aber trotzdem ein beliebter Ort für neue kubanische Immigranten. Die Ausgewanderten verfolgten die revolutionäre Entwicklung der Insel mit großem Interesse. Fidel Castro reiste persönlich im Jahr 1955 nach Tampa und legte somit denselben Weg zurück, den José Martí schon sechzig Jahre zuvor gegangen war. Die größte Unterstützung der Revolution und der Organisation M-26-7 gegen Batista hatte in Tampa ihren Ursprung. Im Laufe der Revolutionskämpfe hatten sich um 1958 weitere Gruppen in Miami gebildet, die unterschiedliche Namen trugen wie: Movimiento Revolucionario Fidel Castro, (Revolutionäre Bewegung Fidel Castro), Accion Fidelista (Fidelistische Aktion) oder Comité Ortodoxo Adherido al 26 de Julio (An den 26. Juli angeschlossenes Orthodoxes Komitee). Da der Aktionismus der Gruppen, um Gelder für die Revolution zu sammeln, nicht zentral kontrolliert wurde und deshalb unter den Exilkubanern zu Missverständnissen führte, musste Castro die Gruppen in einem Brief zu mehr Disziplin ermahnen. Daraufhin erkannte die M-26-7 nur das sog. Comité del Exilio (Exilkomitee) offiziell an.195 Nach dem Sieg der Revolution und trotz der starken oppositionellen kubanischen Auswanderung im Jahr 1959 unterstützten viele Kubaner in Tampa den Sieg Fidel Castros. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die immigrierten Kubaner wie nie zuvor in die Strukturen der amerikanischen Gesellschaft integriert. Grundlegend hierfür war, dass beide Länder schon vorher wirtschaftlich eng verflochten waren. Für Kuba bedeutete dies eine größere Abhängigkeit von den USA, da die US-amerikanischen Unternehmen mehr und mehr in die kubanische Wirtschaft drängten. Dies wirkte sich sowohl auf das Kaufverhalten der Kubaner als auch der Amerikaner aus. Die USA waren die Hauptabnehmer der kubanischen Produkte und 85% der US-amerikanischen Warenproduktion in Kuba wurden lokal verkauft.196 Zwar führte die enge wirtschaftliche und kulturelle Verbindung zwischen beiden Nationen nicht zu einer echten gegenseitigen Annäherung, sie hatte aber eine entscheidende Signifikanz für ihre sozialen Beziehungen. Die gegenseitige Wahrnehmung, bedingt durch den langjährigen kulturellen Austausch, führte sogar zu einer Identifikation vieler Kubaner mit den Interessen der Vereinigten Staaten, weil auch viele von ihnen für USamerikanische Unternehmen tätig waren. In den späten 1950er Jahren schätzte man etwa 150 000 kubanische Arbeitnehmer. Ihre Gehälter bei diesen Firmen überschritten deutlich den nationalen Durchschnitt. Der soziale Lebensstandard war deshalb im Jahr 1957 der 193 Siehe dazu die Zahlen bei US-BC 1981: S. 87; siehe auch PÉREZ 1986: S. 126-137. 194 Viele Kubaner gingen ins Exil, andere kehrten wiederum unmittelbar nach dem Sieg der Revolution nach Kuba zurück. Der Text „Primer año de Cuba libre revolucionaria“ von Rodolfo Riesgo aus dem Jahr 1959 erscheint kommentiert bei DÍAZ-CASTAÑÓN 2005: S. 195. Allein zwischen 1945 und 1949 wurden 1 707 Rückkehrer registriert. Dieser Trend war also nicht nur in den Revolutionsjahren zu beobachten; siehe USBC 1950: S. 102. Zwischen 1910 und 1929 wurde eine größere Zahl von 19 244 Rückkehrern registriert; siehe US-CB 1934: S. 96. 195 Fidel Castro bedankte sich bei den Organisationen und honorierte ihre große Hilfe aus dem Exil; siehe dazu den Brief Fidel Castros an die Komitees der M-26-7 im Exil: CASTRO RUZ 1998: 234f. 196 Siehe PEREZ-Jr. 1997: S. 226.
II.1 Die vorrevolutionäre Phase von 1865 bis 1959
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zweithöchste Lateinamerikas. Dies hing v.a. auch mit dem eingesetzten Kapital der USA für das Jahr 1956 in Höhe von 774 Millionen US-Dollar zusammen, nach Brasilien und Venezuela die drittgrößte Investition in Lateinamerika.197 Die Insel hatte somit auf makroökonomischer Ebene ein hohes Bruttosozialprodukt, das sich jedoch hauptsächlich auf die Hauptstadt konzentrierte und gleichzeitig eine tiefe soziale Kluft zwischen Arm und Reich entstehen ließ. Die Nähe zu den USA bedeutete intern sowohl eine wirtschaftliche als auch eine politische Schwächung für die selbstständige Entwicklung der Insel, da Kuba auf Grund der Eingliederung in die US-amerikanische Ökonomie Teil dieses gesamten Systems war und dennoch nicht von den sozialen Diensten oder dem Arbeitslosenprogramm der Vereinigten Staaten profitieren konnte. Die Überlegungen des bekannten kubanischen Intellektuellen Roberto Fernández Retamar, der vor 1959 in den USA gelebt und studiert hatte, bringen den amerikanischen Einfluss der damaligen Zeit zum Ausdruck: „Das Land, in dem ich geboren wurde, war ein Protektorat oder eine neue Kolonie der Vereinigten Staaten. Dies machte uns, also alle Kubaner, selbstverständlich im dritten oder auch zehnten Grad, zu Bürgern dieser Nation.“198 Neben dem wirtschaftlichen Sektor soll noch ein weiterer Bereich, der im Hinblick auf die Intensivierung der wechselseitigen Kontakte zwischen den beiden Ländern in den letzten zwei Dekaden vor dem Sieg Fidel Castros bedeutend ist, berücksichtigt werden. Die organisierte Kriminalität unter Kontrolle der amerikanischen Mafia wurde historisch nicht in den Kontext der Analyse von US-amerikanischer Dominanz und der beidseitigen Beziehungen eingebunden, sondern eher am Rande des historischen Prozesses und als periphere Problematik betrachtet. Doch die Mafia konnte sich über mehr als zwei Jahrzehnte in der finanziellen und politischen Sphäre des Landes etablieren, ohne dass eine offene Ablehnung durch die kubanischen Regierungen ersichtlich wurde. Dies deutet auf eine enge Verflechtung dieser Gruppen mit den Interessen und Machenschaften der herrschenden Elite des Landes hin, die erst heute nach der Freigabe von Geheimdokumenten eine politische Dimension einnimmt und bis zu einer Verknüpfung mit der Ermordung des Präsidenten John F. Kennedy reicht. In diesem Zusammenhang wurde bei späteren Untersuchungen die Mafia in enge Verbindung mit den konterrevolutionären kubanischen Organisationen in Miami gebracht.199 Der Einfluss der Mafia in Kuba Anfang der 1930er Jahre entfaltete sich parallel zu den wachsenden Investitionen der US-Unternehmen auf der Insel.200 In diesem Kontext kann man die amerikanische Mafia nicht als ein marginales Phänomen im gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Szenarium Kubas betrachten. Sie ist nach den Worten des Historikers Enrique Cirules die „Krönung“ der US-amerikanischen Dominanz.201 Zu dem Kreis der Mafia zählten Familien wie die von Amleto Battisti, Amadeo Barletta, Santo Trafficante (Vater und Sohn) und Meyer Lansky, die die Kontrolle über die Geschäfte auf Kuba in der Hand hatten. Sie operierten über die sog. Cabezas visibles202 (sichtbaren Köpfe); dies waren Personen des öffentlichen und politischen Lebens, die zwar bestimmte Geschäfte – sei es im Hotel-, Casino- oder Bankenbereich – betrieben, sie selbst waren jedoch nicht die Eigentümer. Somit wurden diese sozialen Sektoren in das komplexe 197 198 199 200
Siehe die Zahlen bei US-BC 1958: S. 868. FERNÁNDEZ-RETAMAR 2004: S. 221. Vgl. SOOTT 1996: S. 87 und S. 256-262 Allein zwischen 1950 und 1955 wurden in Kuba mehr als 774 Mio. US-Dollar Direktinvestitionen registriert; siehe US-BC 1958: S. 868. 201 Siehe CIRULES 1999: S. 40. 202 Ebd., S. 55.
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II Historische Kontextualisierung der Interessengruppen
Beziehungsgeflecht der Mafia miteinbezogen. Havanna positionierte sich in den 1950er Jahren als wichtigster Sitz der Mafia außerhalb der USA. Dies zeigte das große Treffen der amerikanischen Mafia im Dezember 1946 im Hotel National in Havanna, das von Charles „Lucky“ Luciano geleitet wurde.203 Es nahmen daran bis zu 500 Personen teil, darunter Berater, eingeladene Sondergäste, Rechtsanwälte, Bodyguards sowie alle, die mit den Geschäften der organisierten Kriminalität in Verbindung standen. Da der amerikanische Kongress Untersuchungen in Gang gesetzt hatte, um die Verbindungen zwischen Mafia, Wirtschaft und Politik zu durchleuchten, bot sich Havanna für diese Organisationen als ideale Alternative an, um große Geschäfte ungestraft und ohne juristische Konsequenzen abwickeln zu können. Nach dem Sieg der Revolution kam es zu radikalen Verlusten der Mafia und aller, die von deren Geschäften profitiert hatten. Die Gruppen reorganisierten sich in den USA und setzten alle Mechanismen in Gang, um eine möglichst schnelle Rückgabe des verlorenen Eigentums zu erreichen. Die neuen politischen Bedingungen auf Kuba mit dem Ziel, eine neue Gesellschaft aufzubauen, lieferten die Grundlage für den gleichzeitigen Aufbau von Gruppierungen mit einer konterrevolutionären Haltung im Ausland. Die Gruppen suchten innerhalb und außerhalb des Systems nach Möglichkeiten, um den revolutionären Prozess zu stoppen bzw. rückgängig zu machen. Diese Intentionen wurden auch in der US-Politik und ihrer antikommunistischen Position der darauf folgenden Jahre ersichtlich. Die USA unternahmen mit Hilfe der CIA, die wiederum in Verbindung zur amerikanischen Mafia stand, erfolglose Versuche, Fidel Castro umzubringen.204 In Kuba begann eine Zeit der Rekonzipierung und ideologischen Neuausrichtung der Republik, in der die Konfrontation mit den USA im Hinblick auf die radikale Linie der Regierung in Havanna unvermeidbar wurde.
II.2 Revolution und Konterrevolution im Kontext des Ost-West-Konflikts 1959 bis 1990 Der Ausgang der kubanischen Revolution stellte eine autonome und bedingungslose politische Lösung dar, mit der die USA nicht gerechnet hatten. Der Sieg der Revolution über eine von den USA unterstützte Diktatur repräsentierte für die Vereinigten Staaten im übertragenen Sinn, was der Verlust des Kriegs 1898 für Spanien bedeutet hatte. Für die Kubaner war es jedoch eine Befreiung von der anhaltenden Dominanz fremder Mächte. Dies führte in Bezug auf die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu einer radikalen Emanzipierung gegenüber den USA, meiner Ansicht nach war dadurch aber die Konsolidierung bzw. endgültige Versöhnung aller Kubaner als Nation nicht gegeben. Es war eher der Anfang einer langjährigen, bis heute anhaltenden Auseinandersetzung innerhalb eines tief gespaltenen Landes zwischen den Verlierern der Privilegien und den Visionären sowie Bestreitern einer neuen Zukunft, in der die lang vergessene soziale Komponente in den Mittelpunkt rücken sollte. 203 Charlie Luciano beauftragte Meyer Lansky, der in Kuba hervorragende Verbindungen zu Batista hatte, alle Mafiamitglieder der „Nationalen Kommission“ (eine Art oberstes Organ der Mafia in den USA) nach Havanna zu holen; vgl. dazu PINO-SANTOS 1992: S. 175ff. 204 Siehe dazu die freigegebenen Dokumente der CIA, die auf Verbindungen zu Johnny Roselli schließen lassen, der ein bekannter Mafiaboss mit engen Kontakten zu den Exilkubanern in den USA war. Die CIA, die Mafia und die Exilkubaner bildeten somit ein Netzwerk zur Planung und Durchführung des Mordanschlags auf Fidel Castro. Dieser Bericht wurde bekannt unter dem Namen „Family Jewels“; siehe das Originaldokument: CIA 1973.
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Nach dem Triumph der Revolution gab es eine allgemeine Stigmatisierung aller Beteiligten der Batista-Regierung sowie aller Politiker und Militärs der beiden vorhergehenden Dekaden. Das alte Heer wurde aufgelöst und von der neuen Regierung ersetzt. Gegen Ende der Kämpfe wurde in breiten gesellschaftlichen Schichten eine allgemeine Ablehnung der Diktatur offensichtlich und gleichzeitig die Notwendigkeit erkannt, die demokratischen Strukturen in Kuba neu zu entwickeln und aufzubauen. Die Ereignisse offenbarten den neuen eingeschlagenen Weg der Machthaber in Havanna. Eine Enttäuschung über den Machtwechsel zeigte sich bei denen, die durch die gesellschaftliche Umwälzung keine Perspektiven mehr für eine Zukunft auf Kuba sahen, aber auch bei jenen, die sich vor Vergeltung fürchteten. Dies manifestierte sich in der Entscheidung zur Emigration. Die Welle der kubanischen Immigration in die USA beschränkt sich nicht allein auf die Zeit nach 1959, es gab sie auch schon während und nach dem Krieg mit Spanien, so dass viele Einwanderer bereits zu diesem Zeitpunkt in die amerikanischen Gesellschaftsstrukturen integriert waren. Da die USA die Kubafrage in den Kontext des Kalten Kriegs einordneten, galt jeder kubanische Immigrant ohne Differenzierung als politisch verfolgt. Die Migrationswellen sind somit eine wichtige Säule zur Interpretation der formierten Opposition zu den neu entstandenen Strukturen auf Kuba und implizieren die Fundamente für die Entstehung einer ethnischen Gemeinde im Süden Floridas, die gelernt hat, innerhalb des amerikanischen Systems ihre eigenen Interessen in der außenpolitischen Agenda der US-Regierung zu positionieren. Ideologisch betrachtet muss der Revolutionsprozess im Rahmen der prinzipiellen antikommunistischen Haltung auf dem amerikanischen Kontinent analysiert werden. Der Kommunismusbegriff allein weckte in den verschiedenen gesellschaftlichen Segmenten einen Aktionismus und schuf nicht nur eine argumentative Basis für eine klare Distanzierung, sondern auch für die Gründung von oppositionellen Gruppierungen. Der Antikommunismus diente darüber hinaus als ideologischer Pfad, der sich in der intellektuellen Grundhaltung der lateinamerikanischen Eliten über mehrere Jahre etablierte und in den 1970er und 1980er Jahren die Legitimierung von Militärregimes begründete. Durch die Proklamierung einer sozialistisch orientierten Gesellschaft auf dem amerikanischen Kontinent wurde die traditionelle ideologisch-politische Komposition der lateinamerikanischen Ober- und Mittelschicht vor eine neue Realität und politische Konstellation gestellt, die als partikuläre Erscheinung auf dem Kontinent angesehen werden kann. Die Vision des Kommunismus wurde mit der „Verabscheuung Gottes, der Verfolgung von Gläubigen und der Ablehnung zivilisatorischer christlicher Werte“ in Beziehung gebracht. Die sozialistische Option zu akzeptieren, implizierte außerdem eine „sichere Konfrontation“ mit den Vereinigten Staaten. Diese Alternative ordneten viele, so Arboleya, als „selbstmörderisch“ ein.205 Darüber hinaus zeigte sich die aus amerikanischer Sicht offensichtlich gewordene Notwendigkeit, eine Front gegen die kommunistische Gefahr zu bilden, um die Auswirkungen eines möglichen Dominoeffekts zu verhindern. Diese antikommunistische Haltung fand breite Unterstützung durch die US-Administrationen, die bis heute vor der Herausforderung stehen, das sozialistische Experiment vor den eigenen Toren scheitern zu lassen. Die kubanische Revolution verbreitete die sozialistische Ideologie unter der breiten Masse und gab der lateinamerikanischen Linken einen größeren politischen Spielraum. Dies änderte aber nichts an der dominanten antikommunistischen Einstellung in der Gesellschaft, die im Fokus des Denkens dieser Zeit stand. Sowohl anhand der Analyse der kubanischen Migration in die Vereinigten Staaten als auch des Kampfes gegen den Kommunismus werden im 205 Siehe dazu ARBOLEYA 2000: S. 55.
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nächsten Abschnitt der ideologische Hintergrund und die verschiedenen Phasen der Emigration im Kontext der US-administrativen Politikgestaltung bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion beleuchtet.
II.2.1 Die 1960er Jahre: Von Dwight D. Eisenhower über John F. Kennedy bis Lyndon B. Johnson Unmittelbar nach dem Sieg der Revolution versuchten verschiedene politische Gruppen durch die Einrichtung einer provisorischen Regierung die Macht in Havanna zu ergreifen. Dem Versuch stand die schnelle Regierungsbildung der M-26-7 in Santiago de Cuba gegenüber. Der ausgerufene Generalstreik aller Organisationen im ganzen Land verhinderte den Versuch, Kuba in die Vergangenheit von Militärputschen und korrupter Politik zurückzuwerfen. Die Revolutionäre initiierten eine Phase von Reformen, aber auch von politischer und ideologischer „Säuberung“ im Land und in den eigenen Reihen. Zwar hatte es während des Revolutionsprozesses und der Kämpfe gegen die Diktatur in breiten gesellschaftlichen Schichten den vorübergehenden Konsens gegeben, die bestehende politische Struktur zu beseitigen – als die neuen Machthaber jedoch das Land reformierten, kamen innerhalb der gleichen konservativen Gruppierungen unterschiedliche Haltungen zu der neuen Politik zu Tage. Selbst innerhalb der M-26-7 existierte schon damals keine einheitliche Grundhaltung. Der Movimiento de Resistencia Cívica (MRC – Zivile Resistenzbewegung), dessen Mitglieder der Mittelklasse und intellektuellen Sektoren entstammten und sich im Laufe der Revolution der M-26-7 angeschlossen hatten, verfolgte nationalistische Grundlagen, die aber mit dem Programm der Regierung im Dissens standen. Die Anhänger dieser Gruppierung optierten nach dem revolutionären Sieg für die Emigration. Dies charakterisiert in dieser Phase einen Prozess von Integration und gleichzeitigem Bruch mit der Revolution.206 Der deutliche Unterschied zwischen den beteiligten gesellschaftlichen Segmenten in der Auseinandersetzung mit der Diktatur wurde erst nach der Revolution ersichtlich. Die Gruppen, die sich zur neuen Regierung distanzierten und emigrierten, organisierten sich in den USA und fanden sich im Exil in dem neu beginnenden Oppositionszyklus gegenüber Havanna wieder. Die tief greifenden Veränderungen, die die Revolution mit sich brachte, traf besonders die damalige Führungselite, aber auch alle privilegierten gesellschaftlichen Segmente, die im Diktaturapparat integriert gewesen waren und sich mit ihm identifiziert hatten.207 Diese Gruppen, die zuerst in die USA immigrierten, bildeten schon damals den Oppositionskern zum etablierten System auf der Insel. Miami bekam in den 1960er Jahren den Ruf, in den USA die Hauptstadt des Kalten Kriegs zu sein.208 Dies wurde durch die Verbindungen der folgenden US-Administrationen zu den radikalsten kubanischen Gruppen in Südflorida bestätigt. Wenn man die offensichtliche Präsenz US-amerikanischer Unternehmen in der ökonomischen Landschaft Kubas berücksichtigt, lässt sich der gesellschaftliche Sektor, der durch die revolutionären Reformen direkt betroffen wurde, einfacher einordnen. Es handelte sich hierbei um Gruppierungen, die ein höheres Einkommen als die durchschnittlichen Arbeiter auf dem Land hatten und die dadurch den damaligen Verhältnissen nach zur Mit206 Jesús Arboleya beschreibt in seiner Abhandlung über die kubanische Konterrevolution diese Ambivalenz des Verhaltens von Integration und Bruch; siehe ebd., S. 37. 207 Vgl. LEVINSON 1998: S. 343f. 208 Vgl. GARCÍA 1996: S. 121.
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telklasse gehörten. Zu dieser Schicht zählten auch andere gesellschaftliche Gruppen wie die aus dem Verwaltungsbereich oder die Beamten und Militärs. Im Gegensatz hierzu waren die kleinen Bauern Kubas eher in ein System großflächiger Zuckermonokultur involviert. Sie besaßen keinen Grund und Boden, sondern waren durch Zahlung von Pacht an die Großgrundbesitzer gebunden. Die kubanischen Organisationen, die sich nun gegen die bestehende Macht in Havanna auflehnten, übernahmen ihre Oppositionsrolle mit der gleichen Intensität, wie auch die USA ihre ablehnende Position gegenüber Kuba definierten. Den Gruppen wurde somit eine Funktion zugewiesen, die sie im neuen politischen Umfeld annahmen. Die Einwanderungsrichtlinien wurden der US-amerikanischen Politik angepasst, indem die Vereinigten Staaten die kubanischen Immigranten präferiert behandelten und ihnen eine vereinfachte Integration in das System ermöglichten. Diese Konditionen waren in den USA vor der Machtergreifung nicht vorhanden gewesen. Kubanische Staatsbürger, die in die USA reisen oder emigrieren wollten, mussten zu dieser Zeit dieselben Bedingungen wie Bürger aus anderen lateinamerikanischen Ländern erfüllen. Bei der Emigration von jungen Kubanern beteiligte sich nach 1959 auch die katholische Kirche an der Koordination. In Zusammenarbeit mit der US-Regierung und Gruppierungen im Exil wurde durch die Operation Peter Pan mehr als 14 000 Kindern und Jugendlichen die Immigration in die USA vereinfacht.209 In der ersten Phase nach dem 1. Januar 1959 hatten die USA die Absicht, den Flüchtlingen Asyl zu gewähren. Die erste Migrationswelle setzte sich v.a. aus Personen zusammen, die vom vorherigen System begünstigt worden waren. Die Regelungen erleichterten auch die Flucht von qualifiziertem Personal. Durch die Streichung der regulären Flugverbindungen mussten viele Kubaner illegale Wege suchen, um US-amerikanischen Boden zu erreichen. Auf diese Art und Weise bekam jeder Kubaner, der die USA betrat, den Flüchtlingsstatus. Die Regierung Dwight D. Eisenhowers (1953 – 1961) gründete 1960 speziell dafür das Cuban Refugee Center (Zentrum für kubanische Flüchtlinge) in Miami. Mit seiner Politik der „Offenen Tür“ vereinfachte er den Zugang von Kubanern in die Vereinigten Staaten. Allein zwischen 1950 und 1959 wanderten 72 226 Kubaner in die USA ein, von denen in der gleichen Zeitspanne 12 053 Immigranten eingebürgert wurden.210 Die erste Migrationswelle hatte Auswirkungen auf die Zusammensetzung der entstehenden konterrevolutionären Gruppierungen.211 Zwischen 1959 und 1960 bildeten sich zahlreiche Organisationen, die zwar nicht in ihren politischen Grundsätzen, aber in ihrer ablehnenden Haltung gegenüber der neuen kubanischen Regierung homogen waren. Die Bildung und Organisierung der cubano-amerikanischen oppositionellen Gruppen begannen nicht erst, nachdem Kuba die diplomatischen Beziehungen zu der UdSSR aufgenommen hatte oder als die USA die Beziehungen zur Insel abgebrochen hatten, sondern sie hatten schon vor diesen Ereignissen angefangen. Die US-Regierung fasste deshalb die Immigranten im ideologischen Kontext als Gegner der kubanischen Regierung auf. Nach dem Verständnis von Walter H. Judd, einem damaligen republikanischen Kongressabgeordneten für Minnesota, stellte jeder kubanische Flüchtling eine Stimme für die US-amerikanische Gesellschaft und somit gleichzeitig eine gegen Kuba dar.212 Die Immigranten gründeten tatsächlich die ersten oppositionel209 Eine ausführliche und aktuelle Analyse über die Operation Peter Pan findet sich bei TORREIRA/ BUAJASÁN 2000; vgl. auch GAY 2000. 210 Siehe MASUD-PILOTO 1996: S. 33. 211 Allein im Jahr 1960 wurden in den USA mehr als 8 000 kubanische Immigranten registriert; siehe US-BC 1971: S. 93. 212 Zitiert bei MASUD-PILOTO 1996: S. 33.
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len Organisationen, darunter den Movimiento de Recuperación Revolucionaria (MRR – Bewegung für einen revolutionären Wiederbeginn), einen Zweig der Agrupación Católica Universitaria (ACU – Katholische Universitätsgruppierung). Eine weitere Sparte der ACU war der Movimiento Demócrata Cristiano (MDC – Demokratisch-christliche Bewegung). Alle diese Organisationen, darunter auch der Directorio Revolucionario Estudiantil (DRE – Revolutionäres Studentendirektorium), kamen aus dem konservativen sozialen Sektor und den starken ökonomischen Sphären des Katholizismus hervor.213 Die Mobilisierung dieses Sektors unmittelbar nach der Machtergreifung der M-26-7 hing mit der Verstaatlichung aller privaten Schulen und Universitäten (ausgenommen Havanna, Las Villas und Oriente) zusammen. Neben diesen Maßnahmen sah das Revolutionsgesetz Nr. 11 vom Januar 1959 auch die Annullierung aller akademischen Titel vor.214 Denn nach Artikel I des Gesetzes wurden alle Titel, die nach November 1956 durch private Universitäten ausgehändigt worden waren, für ungültig erklärt. Somit war für die betroffenen Personen jegliche Lehrtätigkeit ausgeschlossen. Die Professuren, aber auch die Stellen des Verwaltungspersonals wurden gemäß Artikel II annulliert, ohne dass für die Entlassenen Entschädigungs- oder Rentenansprüche bestanden. Von diesen Maßnahmen war besonders die Kirche betroffen, da sie neben Institutionen, Häusern und Landbesitz 360 Privatschulen besaß. Unmittelbar nach der Flucht Batistas und seiner Regierungsbeteiligten in die Dominikanische Republik organisierten sich mit dessen finanzieller Hilfe die ersten bewaffneten Gruppierungen wie La Rosa Blanca (Die Weiße Rose) oder die Liga Anticomunista del Caribe (Antikommunistische Liga der Karibik), um den ersten Angriff auf die neuen Machthaber in Havanna mit Unterstützung von Gruppierungen in den Gebirgen des Escambray in Mittelkuba zu starten.215 Diese Gruppen bestanden nicht lange und die geplanten Angriffe reduzierten sich auf Sabotage- und Terrorakte; viele Kubaner sind diesen terroristischen Angriffen zum Opfer gefallen, eine ernsthafte Bedrohung für die neue Regierung stellten sie jedoch nicht dar. Durch diese Aktionen wurde vielmehr psychologischer Druck ausgeübt.216 Organisationen wie der Movimiento Insurreccional de Recuperacion Revolucionaria (MIRR – Aufstandsbewegung für einen revolutionären Wiederbeginn), geführt von Orlando Bosch Avila, waren ebenfalls an den Sabotageakten gegenüber Kuba beteiligt.217 Auch die Auténticos beteiligten sich sehr früh an der Oppositionsbewegung. 213 Diese Gruppe wurde besonders durch die Fonds der Familie Bacardi in Miami finanziert; siehe dazu FONZI/PALMER 1979f: S. 82. 214 Siehe dazu GONZÁLEZ-MOSQUERA 2005: S. 133f. 215 Der Mitbegründer und Ideologe der La Rosa Blanca war Rafael Diaz-Balart, ein ehemaliger Minister unter der Batistadiktatur, der 1959 mit der Gruppe um Batista geflohen war. Er war der Vater von Lincoln DíazBalart, der seit 1992 republikanischer Kongressabgeordneter ist, außerdem der von Mario Díaz-Balart, der seit 2003 ebenfalls die Republikaner im Repräsentantenhaus vertritt. Die Gruppierungen um Batista, besser bekannt als die Batistianos, unterteilten sich in drei Einheiten, die von Rolando Masferrer Rojas geführt wurden: in eine zivile Gruppe, eine militärische und eine für bewaffnete Aktionen zuständige Einheit. Masferra hielt sich in Miami auf und koordinierte die finanziellen Angelegenheiten; siehe dazu das Dokument in CIA 1965a: S. 3f. Siehe zur Rolle Masferrer Rojas auch CIA 1965b. 216 Bei den Sabotageakten vom Oktober 1960 bis April 1961 wurden nach Angaben der CIA 300 Tonnen Zucker zerstört, 42 Tabakgeschäfte, Raffinerien und andere Geschäfte verbrannt, außerdem Bomben in verschiedenen Stadtteilen von Havanna gezündet; siehe dazu CIA 1961: S. 8f. Kuba beklagt den Tod von 3 478 Personen und mehr als 2 000 Verletzten durch terroristische, anticastristische Organisationen im Laufe der Oppositionsgeschichte gegen die revolutionäre Regierung; siehe MINREX 2004. 217 Orlando Bosch wird auf Grund seiner graduellen gewalttätigen Radikalisierung nicht nur von der kubanischen Presse, sondern auch in dem ersten Bericht der Untersuchungskommission zur Ermordung Kennedys als Terrorist eingestuft; siehe FONZI/PALMER 1979d: S. 89ff.
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Aus dieser Organisation gingen zwei neue hervor, der Rescate Revolucionario Democrático (RRD – Revolutionäre Demokratische Rettung) und die Unión Revolucionaria (UR – Revolutionäre Union), die in Zusammenarbeit mit der CIA in besonderer Weise an den Mordversuchen an Fidel Castro beteiligt gewesen waren.218 Ein weiterer Grund für die Oppositionswelle ist in der Agrarreform zu suchen. Sie stieß bei jenen einheimischen und ausländischen Großgrundbesitzern auf Widerstand, die durch die Maßnahmen Land verloren hatten. Durch die Reform bekamen mehr als hunderttausend Bauern legale Dokumente, die ihnen das Eigentum von Grund und Boden sicherten. Die Reformgegner veranlassten aus Protest Mitte der 1960er Jahre Sabotageakte und Störungen des Produktionsverlaufs im Land. Die Gruppen hatten schon zu diesem Zeitpunkt eine Invasion angedroht. Jede oppositionelle Handlung von außen führte jedoch zu einer radikalen Gegenreaktion von innen. Die endgültige Verstaatlichung der noch offenen Sektoren wie Großindustrie, Handel und Bankwesen wurde von Juli bis Oktober 1960 abgeschlossen. Daraufhin beendeten die USA im Januar 1961 ihre diplomatischen Verbindungen zu Kuba. Die bilateralen Beziehungen gerieten in einen unumkehrbaren Kreislauf von Maßnahmen und Gegenmaßnahmen.219 Die offizielle Beendigung dieser Beziehungen bedeutete jedoch nicht, dass zwischen den beiden Ländern kein Austausch mehr stattfand – er nahm lediglich neue Formen an. Das heißt, dass in der folgenden Zeit eine bilaterale Interaktion entstand, die durch die Maßnahmen negativ belastet wurde. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird dargestellt, dass dadurch beide Staaten zu bilateralen Verhandlungen gezwungen wurden. Die Vergeltungswelle gegen frühere Regimebeteiligte äußerte sich in Erschießungen und Gefängnisstrafen.220 Dies veranlasste nicht nur internationalen Protest, sondern auch eine starke Emigration. Die Reformen und Maßnahmen wurden aber unbeirrt fortgeführt. Die USA wollten die Pläne und die politische Haltung der neuen Machthaber in Havanna sondieren. Mit dieser Absicht und im Auftrag von Präsident Dwight D. Eisenhower traf sich Vizepräsident Richard Nixon im April 1959 mit Fidel Castro. Die Zusammenkunft war von Eisenhower im Rahmen seiner Doktrin des Roll-Back (Politik des Zurückdrängens) konzipiert worden, die eine Verschärfung des Kalten Kriegs bedeutete und die ContainmentPolitik (Eindämmungspolitik) Harry S. Trumans (1945 – 1953) erweiterte. Die Dynamik, mit der sich die Beziehungen zwischen Kuba und den USA verschlechterten, war nach dem Revolutionssieg enorm. Die politische Grundhaltung Kubas gegenüber den Vereinigten Staaten konnte nicht als eine Herausforderung für die globale US-amerikanische Hegemonie betrachtet werden, wohl aber für ihre Dominanz in Lateinamerika.221 Die Konfrontation mit 218 Dies belegen Dokumente der CIA, aber auch der Bericht zur Ermordung Kennedys, in dem die konterrevolutionären Organisationen aufgelistet wurden. Dieser Bericht wird in der vorliegenden Untersuchung nicht zur Thematisierung des Falls Kennedy verwendet, sondern ist auf Grund der Auflistung von AnticastroOrganisationen von inhaltlichem Wert. Bei der Auswahl der Organisationen waren die lokalen Polizeiabteilungen, das FBI, die CIA, das Bureau of Narcotics and Dangerous Drugs, der Customs Service, der Immigration and Naturalization Service und das Department of Defense beteiligt. Im Allgemeinen wird in der Literatur ohne Quellenangaben über die anticastristischen Gruppen berichtet. Die von mir erwähnten Namen basieren auf HSCA 1979: S. 15. 219 Im Gespräch mit dem brasilianischen Befreiungstheologen Frei Betto beschrieb Fidel Castro die Dynamik der politischen Maßnahmen und Gegenmaßnahmen, die den Prozess der Nationalisierung nach 1961 beschleunigt haben; siehe FREI 1986: S. 187. 220 Innerhalb von nur fünf Monaten soll es etwa 600 Opfer gegeben haben, die durch die eingerichteten Sondertribunale zur „Säuberung“ unter den Batista-Anhängern verurteilt worden waren; siehe dazu FONTAINE 2000: S. 712. 221 Im Kontext der bipolaren Konfrontation mit der Sowjetunion und der Beziehung Kubas zu den Ostblockländern änderte sich die US-Wahrnehmung gegenüber Kuba. Es entwickelte sich eine neue Front bei der ideo-
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den USA hemmte die Radikalisierung der Revolution nicht, sondern beschleunigte sie vielmehr, obwohl die klare politische Ausrichtung der neuen Machthaber noch nicht eindeutig definiert war. Ihre genaue Positionierung erfolgte nicht unmittelbar nach der Machtergreifung, sondern erst einige Monate später. Im September 1960 wurden durch die Primera Declaración de La Habana (Erste Erklärung von Havanna) die Grundzüge einer Revolution mit sozialistischem Charakter festgelegt. Daraufhin erfolgte eine Reihe von außenpolitischen Handlungen und Entscheidungen beider Seiten, die in ein dynamisches und konfliktreiches Aktions- und Reaktionsmuster eingeordnet werden können (siehe Abb. I-2). Die USA reduzierten drastisch den Zuckerimport aus Kuba und versuchten damit, die Überlebensbemühungen der neuen Regierung zu beeinträchtigen. Sie schwächten dadurch hauptsächlich die Interessen der ökonomischen Sektoren innerhalb und außerhalb Kubas, die zuvor Agenten und Begünstigte der amerikanischen Hegemonie gewesen waren. Die Reaktion der USA war auch eine Antwort auf die Agrarreform der kubanischen Regierung. Daraufhin traf Kuba mit der UdSSR ein Abkommen, in dem der Insel Öllieferungen zu günstigen Preisen zugesichert wurden, die dann in den eigenen Raffinerien weiterverarbeitet werden sollten. Dieser Vertrag mit der UdSSR führte zu einer weiteren Verschlechterung der Beziehungen zu den Vereinigten Staaten. Da sich die Ölkonzerne Texaco und Shell weigerten, russisches Öl zu verarbeiten, reagierte Kuba drei Wochen später mit der Verstaatlichung aller Raffinerien. Am 6. Juli 1960 stellte Eisenhower die Zuckerimporte aus Kuba endgültig ein, worauf Kuba wiederum einen Monat später mit der Enteignung allen amerikanischen Eigentums auf der Insel reagierte. Dies betraf 166 Unternehmen, darunter Hotels, Spielcasinos, Import- und Exportfirmen, Textil- und Tabakfabriken, Chemieunternehmen sowie Firmen für die Nahrungsmittelproduktion. Die Interaktion kulminierte in der Errichtung einer Wirtschaftsblockade gegenüber Kuba im Oktober 1960. Dieser Schritt ging mit einer Wende in der USamerikanischen Politik einher, denn Eisenhower beauftragte die CIA, exilkubanische Gruppierungen zu organisieren und zu trainieren, um eine bewaffnete Invasion auf Kuba vorzubereiten.222 Nachdem John F. Kennedy (1961 – 1963) die US-Präsidentschaft übernommen hatte, gab er seine Zustimmung zur Invasion. Die USA hatten sich durch diese Aktion erhofft, unter den politischen Führern Kubas und der dortigen Bevölkerung eine Unsicherheit zu schaffen, und statuierten damit ein Exempel zu den bevorstehenden Aggressionen, die nicht mehr durch direkte staatliche Handlungen geschehen sollten, sondern durch die offene Unterstützung von konterrevolutionären Gruppen. Je stärker der US-amerikanische Druck in dieser Phase war, desto stärker wurde auch die ökonomische, ideologische und militärische Annäherung Kubas an die UdSSR und die Ostblockländer. Innerhalb der politischen Linie Eisenhowers und Kennedys wurde unter solchen Bedingungen eine reibungslose Koexistenz mit der Insel als untragbar angesehen. Die Einrichtung einer kommunistischen Front 90 Meilen von den USA entfernt war nach Kennedys logischen Auseinandersetzung auf dem amerikanischen Kontinent. Nach der Revolution konnte die Regierung ihre Politik gegenüber den USA schneller und einheitlicher formulieren als in anderen Ländern des Kontinents; siehe dazu HERNÁNDEZ 1987: S. 7 u. 32. 222 Unter diesen Gruppen befanden sich der Movimiento Revolucionario 30 Noviembre, Movimiento de Recuperacón Revolucionaria (MRR), Directorio Revolucionario Estudiantil (DRE) und der Movimiento Revolucionario del Pueblo (MRP). Dies belegen freigegebene Dokumente der CIA, siehe CIA 1963: S. 1. Siehe auch CIA 1961: S. 1. Das Training der Gruppen in geheimen Camps fand sowohl in Florida als auch in Panama und Guatemala statt; siehe FONZI/PALMER 1979e: S. 66; siehe zu den organisatorischen Vorbereitungen zum Training der paramilitärischen Gruppierungen und der Durchführung der Angriffe in Koordination mit dem Geheimdienst CIA 1962: S. 3.
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Worten inakzeptabel und unverhandelbar: „Communist domination in this hemisphere can never be negotiated.“223 Die USA waren entschlossen, den revolutionären Prozess zu stoppen, und manövrierten sich dadurch in eine unerwartete Konfrontation mit der Sowjetunion hinein. Am 17. April 1961, einen Tag, nachdem Fidel Castro angekündigt hatte, den ersten sozialistischen Staat auf dem amerikanischen Kontinent zu gründen, landeten bewaffnete konterrevolutionäre Gruppen in der Bahía de Cochinos (Schweinebucht), darunter die Brigade 2506 und die Gruppe Alpha 66, um die Revolutionsführung zu entmachten. Die Kämpfe dauerten nur drei Tage, dann ergaben sich die Angreifer.224 Kennedy übernahm persönlich die Verantwortung für die Invasion. Dies konditionierte auch das weitere Vorgehen der US-Administration in dieser Phase. Im Kontext der Alianza para el progreso (Allianz für den Fortschritt) bemühten sich die USA, Kuba auf dem amerikanischen Kontinent zu isolieren, und verweigerten jenen Ländern, die Kuba unterstützten, jegliche finanzielle Hilfe.225 Kuba reagierte mit der Segunda Declaración de la Habana (Zweite Erklärung von Havanna) im Jahr 1962, in der eine Radikalisierung der Bewegung offenbar wurde. Daraufhin folgte die Ausschließung Kubas von der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS). Da sich die kubanische Regierung einer offenen Gefahr ausgesetzt sah, akzeptierte sie letztendlich den Vorschlag der UdSSR, Atomraketen auf der Insel zu positionieren. Die Entdeckung der installierten Waffen durch die USA löste 1962 die Oktoberkrise, auch Kubakrise genannt, aus. Danach kam es zu einer Wende der geheimen US-amerikanischen Operationen, denn um eine weitere Eskalation zu vermeiden, sahen sich die USA gezwungen, die Aktionen der konterrevolutionären Gruppen vorerst zu stoppen.226 Der Concilio Revolucionario Cubano (CRC – Revolutionäres Kubanisches Konzil) stellte die stärkste kubanische Organisation im Exil dar, die direkte Kontakte zum Präsidenten und auch zu verschiedenen Komitees in Lateinamerika hatte.227 Die finanzielle Unterstützung wurde 1963 durch die USA gestrichen und dies führte 1964 zu deren Desintegration. Die Enttäuschung der Exilorganisationen über das Versprechen des Präsidenten zur Lösung des Konflikts in der Oktoberkrise, nämlich von einer Intervention auf Kuba abzusehen, äußerte sich in weiteren Aktionen der Gruppierungen. Das Scheitern in der Schweinebucht hatte somit nicht zur Folge gehabt, dass die von der CIA bewaffneten und trainierten Anti-Castro-Organisationen ihre Aktivitäten beendeten. Von Oktober 1962 bis zur Ermordung Kennedys 1963 verübten Organisationen wie Alpha 66 oder die Cuban Freedom Fighters Terror- und Sabotageakte gegen Kuba.228 Die Gruppen hatten 223 Zitiert in dem Bericht von FONZI 1979: S. 8. 224 Der militärische Invasionsversuch der Exilkubaner mit Unterstützung der USA war, wie einige Autoren es nennen, eines der spektakulärsten Desaster, zu denen es bei Geheimoperationen nach dem Zweiten Weltkrieg kam; siehe PRADOS 1996: S. 172. Eine detaillierte Darstellung der Invasionsvorgänge ist für dieses spezifische Thema der Interessengruppen nicht relevant. 225 Das Programm Alliance for Progress sah zwischen 1961 und 1970 eine geplante wirtschaftliche Hilfe der Vereinigten Staaten für lateinamerikanische Länder vor. Dieses Programm verfolgte auch die Eindämmung des kommunistischen Einflusses; siehe dazu HOROWITZ 1964: S. 127-145. 226 Nach der Oktoberkrise bemühte sich die US-Regierung, Angriffe der Exilkubaner gegen russische Installationen auf Kuba zu unterbinden. Die Staatsanwaltschaft entsandte 600 FBI-Agenten nach Miami, um weitere Angriffe gegen Castro abzuwenden; siehe dazu FONZI/PALMER 1979b: S. 58 227 Zu dieser Organisation, die sich 1964 aufgelöst hat, gehörten die Bewegungen Montecristi, Rescate, Movimiento Recuperacion Revolucionaria (MRR), Movimiento Demócrata Cristiano (MDC), Movimiento Revolucionario del Pueblo (MRP), Acción Revolucionaria (AR) und eine Fraktion des Movimiento 30 Noviembre; siehe ebd., S. 57-59. 228 Zu diesen Aktionen zählten die Ermordung von Personen, die Versenkung von Bootspatrouillen und die Bombardierung von Ölraffinerien; siehe HSCA 1979: S. 14. Siehe auch die Pläne von Alpha 66 zur Rekrutierung junger Kubaner in Puerto Rico, Miami und Venezuela für die Durchführung der Aktionen; vgl. CIA 1962a: S. 4. Es ist heute bekannt, dass sieben Tage vor der Ermordung Kennedys Initiativen gestartet wor-
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sich durch eine Eskalation erhofft, die USA zu einer Intervention gegen Castro bewegen zu können. Auch die Operationen Mangoose oder Zapata wurden von den Vereinigten Staaten geplant, koordiniert und durchgeführt.229 Die Bindung an die UdSSR stellte für Kuba nicht nur ein sicherheitspolitisches Element, sondern auch eine internationalistische ideologische Herausforderung dar. Außenpolitisch wurde Kuba in einen militärischen Aktionismus involviert, der im Kontext des Kalten Kriegs die Insel auf dem amerikanischen Kontinent politisch isolierte. Die militärischen Einsätze Kubas im Kongo, in Syrien, Angola und Namibia brachten die Haltung der Revolutionsregierung in der Dekade der 1960er Jahre zum Ausdruck. Kuba verwandelte sich im Hinterhof der USA in eine Front der ideologischen und politischen Auseinandersetzung zwischen den beiden Großmächten. Der Nationalismus, der die kubanische Revolution historisch vorangetrieben und zur unvermeidbaren Konfrontation mit den USA geführt hatte, wurde von den US-Administrationen nicht als solcher verstanden. Er wurde unmittelbar nach dem Sieg der Revolution in den Kontext der ideologischen Auseinandersetzung mit der kommunistischen Weltmacht eingeordnet. Dies hatte zur Folge, dass die USA die Kubafrage auf die Ebene der nationalen Sicherheit erhoben.230 Kuba fand sich durch seine neu geschaffenen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Strukturen und die entstandene Konfrontation in einem Dilemma der Inkompatibilität auf dem amerikanischen Kontinent wieder, denn die Emanzipationsbestrebungen der Insel standen im Widerspruch zu den Bemühungen der USA, ihre Dominanz auf dem amerikanischen Kontinent zu konsolidieren. Es ist anzumerken, dass die konterrevolutionäre Aktion in der Schweinebucht einen Höhepunkt darstellte, nachdem schon Ende 1960 Banden wie die in den Gebirgen des Escambray versucht hatten, mit Störaktionen und Ermordungen Stärke zu gewinnen. Charakteristisch für aktive Gruppen innerhalb der Insel, die sich nach dem Scheitern in der Schweinebucht formiert hatten, war ihre kurze Existenz, denn ihre führenden Köpfe wurden auf Grund der Sicherheitsmaßnahmen der Revolution rasch festgenommen. Großgrundbesitzer, die weniger als 400 Hektar Land besessen hatten und somit nicht von der ersten Agrarreform betroffen gewesen waren, standen trotzdem nicht hinter den Maßnahmen der Regierung und hatten diese Gruppierungen unterstützt. Daraufhin wurden sie bei der zweiten Agrarreform von 1963 enteignet und dafür finanziell entschädigt. Diese Personen waren Teil der zweiten Emigrationswelle nach 1959. Auf Grund der Festnahmen und der Emigration von Konterrevolutionären kam es zu einer Desintegration der Organisationen und operierenden Gruppen. Präsident John F. Kennedy unterschrieb im Juni 1962 das Gesetz 87510, das die Migration kubanischer Bürger vereinfachen sollte. Durch dieses Gesetz gewann die kubanische Migration im Kontext des Kalten Kriegs eine neue Dimension. Die Immigranten wurden als politische Flüchtlinge eingestuft und somit waren die juristischen den waren, um Gespräche mit Havanna zu führen, da nach einem Weg zur Entspannung der Beziehungen gesucht wurde; siehe dazu NSA 2003. 229 Die Operation Mongoose, initiiert im November 1961, sollte etwa 2 000 Dissidenten auf der Insel organisieren und den Sturz Fidel Castros unterstützen; siehe dazu HSCA 1979: S. 10; siehe auch das Programm zu weiteren Aktivitäten gegen die Regierung Castros, in: CIA 1961a: S. 4. Zur Operation Zapata siehe CIA 1961b: S. 25-40. 230 Selbst die CIA ging davon aus, dass die ursprüngliche Intention der Revolution der Sturz Batistas war und nicht die Errichtung eines kommunistischen Systems. Die M-26-7 war in erster Linie antiamerikanisch gewesen und nicht kommunistisch. Dies geht aus einem Bericht der CIA von 1961 hervor. Außerdem wurde in diesem Dokument der US-Regierung die Schuld an dem mangelnden Vertrauen der Revolutionäre bei der Konzipierung einer neuen Regierung in Havanna gegeben, da die US-Interventionen und die Unterstützung früherer Regierungen die Situation auf Kuba nicht verbessert hatten; siehe CIA 1961c: S. 2-7.
II.2 Revolution und Konterrevolution im Kontext des Ost-West-Konflikts 1959 bis 1990
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Bedingungen zur finanziellen Unterstützung der kubanischen Einwanderer gegeben. Die Migrationspolitik der Vereinigten Staaten wurde ab 1959 ein Instrument zur Gestaltung der Beziehungen zu Havanna. In nur drei Jahren, von 1959 bis 1962, emigrierten 274 000 Kubaner in die USA, von denen 70 000 Einwanderer keine Formalitäten erfüllen mussten.231 Durch die Unterbrechung der Flugverbindungen und die Blockade waren jedoch die Bedingungen für die Emigration erschwert worden. Zwischen 1962 und 1965 immigrierten deshalb auf illegalem Weg schätzungsweise mehr als 30 000 Kubaner.232 Dadurch bekamen auch die Organisationen weiteren Zulauf. 1963 bildete sich die sog. Junta de Gobierno de Cuba en el Exilio (Regierungsrat Kubas im Exil), geführt von dem früheren kubanischen Präsidenten Carlos Prío Socarrás. In ihr versammelten sich die wichtigsten konterrevolutionären Gruppierungen in den USA. Sie gaben vor, bei ihren Aktionen autonom zu handeln und dabei nicht in Verbindung mit der US-Regierung zu stehen, allerdings negierten sie nicht ihre Kontakte zu hochrangigen Offizieren der Regierung.233 Allein gegen Ende 1963 existierten in den USA mehr als hundert anticastristische Organisationen.234 Viele beteiligten sich nicht nur an der Propaganda gegen Castro, sondern waren auch in militärische Operationen, bewaffnete Aktionen und Sabotageakte gegen die Insel involviert. Die Kubapolitik der USA in der ersten Hälfte der 1960er Jahre lässt sich nach den Worten des Politologen Jorge I. Dominguez zum einen auf Grund der Versuche, Fidel Castro zu ermorden, und zum anderen wegen des gescheiterten Invasionsversuchs in der Schweinebucht zutreffend mit dem Begriff des Staatsterrorismus charakterisieren.235 Während der Amtszeit von Lyndon B. Johnson (1963 – 1969) konzentrierte sich das Interesse der US-amerikanischen außenpolitischen Agenda auf den Vietnamkrieg. Dies führte zu einem Rückgang der Aktionen und Operationen gegen Kuba, sie wurden aber nicht endgültig eingestellt. In dieser Zeitspanne planten Organisationen wie der Movimiento Demócrata Cristiano (MDC) in Zusammenarbeit mit den Comandos L Infiltrationen in Kuba, wobei sie sogar durch Carlos Prio Socarrás finanziell unterstützt wurden.236 Weitere Organisationen wie die Junta Revolucionaria Cubana (JURE) versuchten, kleine zersplitterte Organisationen zu integrieren und autonom zu handeln. Sie wurden zwar durch die CIA unterstützt, alle Operationen sollten aber außerhalb des US-amerikanischen Territoriums starten und falls Verbindungen zum US-amerikanischen Geheimdienst hergestellt würden, sollten diese dementiert werden. Die Gruppe galt bis 1968 als eine der aktivsten Organisationen im Untergrund.237 Wenn für den revolutionären Prozess in Kuba von außen und innen Gefahren drohten, reagierte die Führung mit Maßnahmen und bezog dazu auch die Zivilbevölkerung mit ein, um den Regierungsprojekten damit eine gesellschaftliche Basis zu geben. Es bildeten sich Organisationen wie die Milicias Nacionales Revolucionarias (MNR – Nationale Revolutionäre Milizen), Federación de Mujeres Cubanas (FMC – 231 Siehe dazu OLSON/OLSON 1995: S. 55. Ergänzend dazu die Zahlen vom Ministerio de Relaciones Exteriores de Cuba: MINREX 2005; vergleichend dazu MASUD-PILOTO 1996: S. 59. 232 Vgl. dazu AJA-DÍAZ 2000: S. 2. 233 Der Regierungsrat wurde finanziell von privaten Firmen unterstützt, die durch die Reformen auf Kuba Verluste zu verzeichnen hatten. Es wird auch vermutet, dass der Rat Gelder von der organisierten Kriminalität erhalten habe; siehe FONZI/ORR 1979: S. 95-101 234 Siehe dazu die sog. Action Groups in dem Bericht HSCA 1979: S. 3. 235 Vgl. DOMÍNGUEZ 2007: S. 1. 236 Prio Socarrás schloss mit dem MDC einen Pakt und sponserte ca. 50 000 US-Dollar für Aktionen gegen Castro; siehe dazu FONZI/PALMER 1979c: S. 72. 237 Die Gruppe wurde unter anderem von dem Ejercito Libertador de Cuba (ELC) und Cuba Libre unterstützt; siehe dazu FONZI/PALMER 1979a: S. 77ff.
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Kubanischer Frauenverband), Comites de Defensa de la Revolución (CDR – Komitees für die Verteidigung der Revolution), Union de Pioneros de Cuba (UPC – Vereinigung kubanischer Pioniere), Asociación Nacional de Agricultores Pequeños (ANAP – Nationalverband kleiner Landwirte) sowie die Unión de Jóvenes Comunistas (UJC – Vereinigung der kommunistischen Jugend).238 Die bipolare politische Agenda wurde durch die Immigrationsproblematik in den USA dominiert. Nach den ersten Auswanderungswellen gab es zahlreiche Kubaner, die keinen legalen Status hatten und somit ein Problem für die kommenden US-Administrationen darstellten. Die US-Regierung gab nur denjenigen einen Flüchtlingsstatus, die direkt aus Kuba kamen. Für Immigranten, die über Drittländer einreisten, galten die üblichen Migrationsbestimmungen. Auf Anordnung Fidel Castros wurde 1965 der Hafen von Camarioca fast zwei Monate lang für die Emigration geöffnet. Im Oktober 1965 gründete US-Präsident Johnson eine Kommission für die Analyse der Immigration in der westlichen Hemisphäre und es wurde über den Status der kubanischen Flüchtlinge neu beraten. Als Folge darauf wurde eine Flugbrücke ab Varadero eröffnet, über die die Auswanderung koordiniert werden sollte. Im November 1966 verabschiedete Präsident Johnson ein Gesetz zur Regelung der kubanischen Migrationsflut. Es differenzierte sich von den herkömmlichen Bestimmungen für Einwanderer aus anderen Ländern, denn jedem Kubaner, der unabhängig von seinen Einreisebedingungen nach dem 1. Januar 1959 in den USA ankam und sich dort mindestens ein Jahr aufhielt, konnte nach entsprechendem Antrag einen ständigen Aufenthalt genehmigt bekommen. Die Sonderbehandlung von Immigranten mit kubanischem Hintergrund ging so weit, dass diese nach fünf Jahren die US-Staatsbürgerschaft beantragen konnten. Die US-Migrationsbehörde registrierte von 1961 bis 1970 zusätzlich zu den Kubanern, die als Flüchtlinge eingestuft wurden, mehr als 256 800 kubanische Immigranten.239 Die Emigrationswelle der ersten zehn Jahre nach dem Sieg der Revolution bedeutete nicht das Ende der kubanischen Auswanderung, denn auch die Dekade der 1970er Jahre blieb von den Migrationverhandlungen zwischen den beiden Ländern geprägt.
II.2.2 Die 1970er Jahre: Von Richard M. Nixon über Gerald R. Ford bis James E. Carter Die konterrevolutionären Gruppen reagierten positiv und optimistisch auf den Antritt der Regierung Richard M. Nixons (1969 – 1974), denn sie hatten ihn in Südflorida bei den Wahlen stark unterstützt. Anstatt einer konfrontativen Politik zu folgen, optierte der Präsident jedoch für eine Entspannung in den Beziehungen zu der UdSSR und ordnete die Kubafrage der gegebenen außenpolitischen Konstellation unter. Die politische Ausrichtung wurde durch den Außenminister Henry Kissinger beeinflusst, der für eine Kombinationspolitik der Eindämmung und der gleichzeitigen Kooperation eintrat. Im Zuge dieser Annäherung an den Ostblock wurde die Blockadepolitik gegen Kuba gelockert, indem die Einschränkung zur Abwicklung von Handelsbeziehungen zu Drittländern wegfiel. Nixon wurde auch mit der Frage der kubanischen Migration konfrontiert. Er löste im April 1973 die Flugbrücke für das Programm zur Aufnahme kubanischer Flüchtlinge auf, da sich der Kongress gegen eine weitere Finanzierung aussprach. Das Programm hatte die USA von 1961 bis 1973 mehr als 727
238 Einen Überblick über die Gründung der Massenorganisationen bietet DOMINGUEZ 1978: S. 260-305. 239 Siehe US-BC 1981: S. 88.
II.2 Revolution und Konterrevolution im Kontext des Ost-West-Konflikts 1959 bis 1990
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Mio. US-Dollar gekostet.240 Mit dieser Entscheidung Nixons wurde die Frage der kubanischen Immigranten auf den Stand von 1965 zurückgestuft. Bis zu diesem Zeitpunkt waren schon mehr als 600 000 Kubaner in die USA eingewandert, die sich bereits in das amerikanische System integriert hatten, da sie von den Vorteilen profitieren konnten, die ihnen im Gegensatz zu den Immigranten aus anderen Regionen Lateinamerikas zuteilwurden.241 Von 1961 bis 1971 wurden im Cuban Refugee Center in Miami 448 712 Flüchtlinge registriert; allein im Jahr 1971 fanden 34 507 neue kubanische Einwanderer finanzielle Unterstützung.242 Auch wenn Nixon mit großer Mehrheit wiedergewählt worden war, musste er bald danach 1974 auf Grund der Watergate-Affäre, in die auch Cubano-Americanos involviert gewesen waren, zurücktreten.243 Die Präsidentschaft wurde von Gerald R. Ford (1974 – 1977) übernommen, der für eine Revision der Kubapolitik eintrat. Mitte der 1970er Jahre empfing Kuba mehrere Delegationen von US-amerikanischen Geschäftsleuten, die für ein Ende des Embargos eintraten.244 Diese politische Linie der 1970er Jahre wirkte sich auch auf die konterrevolutionären Organisationen aus, denn da sie durch die Regierung weniger Unterstützung fanden, kam es zu Spaltungen und Gruppenauflösungen.245 Gegen Ende der Administration Gerald R. Fords und zu Beginn der Amtszeit James E. Carters Ende der 1970er Jahre machte sich bei den Beziehungen zwischen den beiden Ländern eine relative Entspannung bemerkbar und es wurden die Bedingungen für eine Annäherung zwischen der Regierung in Havanna und kubanischen Vertretern im Exil geschaffen. Aus dem Dialog resultierte Ende 1978 die Vereinbarung, dass die Exilkubaner ihre Heimat besuchen durften. Dies führte auch zu vereinfachten Familienzusammenführungen, da Kuba die Freilassung von Gefangenen und ehemaligen Konterrevolutionären anordnete. Die Annäherung zwischen der kubanischen Führung und den Exilorganisationen zeigt vor allem einen neuen Aspekt bei der Fokussierung der Exilgruppen in den USA seit dem Sieg der Revolution auf. Somit wurde das Bild einer homogenen Exilgemeinde, das immer wieder von den dominierenden Gruppen in Florida postuliert worden war, getrübt. Es entstand eine moderate Gruppe, die Interesse daran hatte, ihre Verbindung zu den Familienangehörigen in Havanna beizubehalten und die Konditionen hierfür zu vereinfachen, und außerdem bereit war, Gespräche mit der Regierung in Havanna zu führen. Im Kontext des Kalten Kriegs bildeten sich in den 1970er Jahren aber auch antikommunistische Organisationen in den USA, die unter der Oberorganisation Coordinación de Organizaciones Revolucionarias Unidas (CORU – Koordination Vereinter Revolutionä-
240 241 242 243
Siehe dazu OLSON/OLSON 1995: S. 70; ergänzend dazu MINREX 2005a: S. 2. Die Zahlen werden zitiert bei AJA-DÍAZ 2000: S. 1-11. Siehe dazu „Cuban Refugee Program: 1961-1971“, in: US-BC 1971: S. 94. Cubano-Americanos waren auch 1972 zusammen mit der Gruppe von George Gordon Liddy und Howard Hunt bei den Abhöraktionen des DNC (Democratic National Committee) im Watergate Suit beteiligt. Hunt hatte als CIA-Agent Exilkubaner als Vorbereitung für die Invasion in der Schweinebucht Anfang der 1960er Jahre trainiert. Seine Verbindungen zu den Cubano-Americanos waren bekannt; siehe RUDALEVIGE 2005: S. 74 u. 93f.; siehe auch GRANT/ASHBEE 2002: S. 119. 244 Beispiel dafür ist der Besuch einer Delegation aus Minnesota, bei dem 52 Geschäftsleute das Embargo als eine unberechtigte moralische Maßnahme der Macht verstanden. Sie sahen das Ende der Handelsbeschränkungen als Lösung des bilateralen Beziehungskonflikts; siehe MASUD-PILOTO 1996: S. 72. 245 Einige Organisationen wurden Mitte der 1970er Jahre als Reaktion auf diese Entspannungspolitik gegründet. Interessengruppen wie beispielsweise das Joint Committee on Cuban Claims, die für die Rückgabe des enteigneten Eigentums durch die kubanische Regierung eintreten, setzen sich für die Beibehaltung der politischen Linie der USA ein, die eine Entschädigung bzw. Rückgabe beinhaltet; siehe dazu JCCCC 2004.
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rer Organisationen)246 operierten. Ihr Hauptziel war es, durch Gewaltanwendung und terroristische Aktionen die Regierung Fidel Castros zu stürzen. Auch wurden jene Personen oder Firmen in den USA angegriffen, die mit Kuba Geschäfte abwickelten oder in irgendeiner Form mit der Insel sympathisierten.247 Während der Regierungszeit Fords kam es zu ersten Bombenangriffen gegen Firmen in Miami, die Paketsendungen nach Kuba verschifften. Weitere Terrorakte wie die Explosion einer Linienmaschine der Cubana Airlines auf der Route nach Barbados, bei der 73 Personen starben, wurden Ende 1976 von der Organisation Acción Cubana (AC – Kubanische Aktion) unter der Leitung von Orlando Bosch verübt.248 Die USA mussten Maßnahmen ergreifen, denn die terroristischen Akte waren nicht außerhalb, sondern innerhalb des US-amerikanischen Territoriums initiiert worden. Nach der Festnahme von einigen Gruppenmitgliedern in Miami kam es zur Desintegration vieler Organisationen. Zwischen 1975 und 1983 wurden in Florida 57 Bombenanschläge durch kubanische Exilgruppen verübt, die nach Einschätzung der CIA als terroristisch eingestuft wurden und der US-Regierung Probleme verursachten.249 Durch die Gründung der Representación Cubana en el Exilio (RECE – Kubanische Vertretung im Exil) Anfang der 1960er Jahre verschafften sich Vertreter der kubanischen Mittelklasse im Exil ein öffentliches Instrument für Propaganda und Terrorakte gegen die kubanische Regierung. Unter den Mitgliedern dieser Organisation agierte Jorge Mas Canosa, der in den 1980er Jahren eine zentrale Rolle in der Exilgemeinde übernahm.250 Durch die Politik Gerald R. Fords und James E. Carters (1977 – 1981) gerieten die konterrevolutionären Organisationen in den 1970er Jahren in finanzielle Schwierigkeiten. Die Gruppierungen bemühten sich nicht nur, den Anpassungsprozess und die Überlebensstrategien im amerikanischen System voranzutreiben, sondern auch andere kubanische Gruppen im Exil zu dominieren. Die Reorientierung der Handlungsformen in den 1970er Jahren richtete sich in dieser Hinsicht auf die Suche nach einem größeren politischen Einfluss innerhalb des amerikanischen Systems, nachdem die aggressivsten Operationen mit dem Ziel, den Revolutionsprozess rückgängig zu machen, in den 1960er Jahren gescheitert waren. Dies bedeutet nicht, dass es parallel dazu keine terroristischen Aktionen mehr gab; die Gruppen konzentrierten sich jedoch nicht nur darauf, sondern suchten auch die direkte Verbindung zur US-Politik und die Mechanismen, diese zu beeinflussen. In diesem Sinne wurde Ende 1975 die Organisation Americans for a Free Cuba (AFC) gegründet, in der sich auch Senatoren befanden – darunter Jesse Helms, der einige Jahre später bei der Konzeption der Maßnahmen gegen Kuba mitwirkte bzw. diese initiierte. Auch die Präsidenten Gerald Ford und vor allem James E. Carter orientierten sich an einer Politik der Entspannung in den bilateralen Beziehungen. Es kann angenommen werden, dass dies eine Auswirkung auf die Konzipierung neuer Gruppierungen hatte. Die linke Bewegung kubanischer Gruppierungen in den Vereinigten Staaten bildete sich vor allem 246 Die Organisation setzte sich zusammen aus: Movimiento Insurreccional Martiano, geführt von Ramón Sanchez und Luis Crespo, die Organisation Abdala mit Gustavo Marin-Duarte an der Spitze, das Movimiento Nacionalista Cubano, geführt von Guillermo Novo-Sampol, die Frente de Liberación Nacional Cubano, geleitet von Frank Castro, und Omega 7 unter der Führung von Eduardo Arocena sowie die Accion Cubana. 247 Vgl. MORLEY/McGILLION 2002: S. 11. 248 Siehe dazu im Bericht zur Ermordung Kennedys die Beteiligung Boschs bei terroristische Aktionen, darunter bei dem Attentat auf Henry Kissinger und der Ermordung des chilenischen Diplomaten Orlando Letelier in Washington D.C.; siehe FONZI/PALMER 1979d: S. 91; siehe auch die Berichte von KORNBLUH 2007: S. 1-7. 249 Siehe dazu den Bericht der CIA über den Terrorismus: CIA 1977: S. 3. 250 Siehe dazu die Zusammenarbeit von Jorge Más Canosa und Luis Posada Carriles bei Sabotageakten gegen Cuba, in: NSA 1965; siehe zum RECE auch NSA 2007.
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Anfang der 1970er Jahre im Kontext der Proteste gegen den Vietnamkrieg und der Kämpfe für die zivilen Rechte innerhalb der USA. Neu gebildete Organisationen, die aber keine Mehrheit repräsentierten, machten deutlich, dass Südflorida nicht allein durch die radikale Haltung gegenüber Kuba beherrscht wurde. Dies war beispielsweise bei der Gruppe Juventud Cubana Socialista (JCS – Sozialistische Kubanische Jugend) und bei der Cuban Reunification Operation (CRO) der Fall, die zwar gegen die Regierung Fidel Castros waren, sich aber von den radikalen Positionen distanzierten. Somit zeigt sich in der Exilgemeinde ein Bruch mit der traditionellen konterrevolutionären Haltung der 1960er Jahre, und durch die neuen Organisationen eröffnete sich die Möglichkeit, die Position gegenüber Kuba zu redefinieren. Dies war vor allem für jene Kubaner von Interesse, die sich für eine Kontaktaufnahme mit ihren Familien auf Kuba einsetzten. Durch die Verhandlungen zwischen der kubanischen Regierung und den moderaten Segmenten des Exils wurde ermöglicht, dass 12 000 Kubaner Ende der 1970er Jahre in die USA immigrieren konnten. Insgesamt wurden in den Vereinigten Staaten von 1971 bis 1979 mehr als 261 000 Kubaner im Rahmen des Flüchtlingsprogramms als Immigranten registriert. Die Kosten für das Programm beliefen sich in dieser Periode auf 838 Mio. US-Dollar.251 Der Migrationsfluss von Kubanern spaltete in dieser Zeit auch die Exilgemeinde. Da die radikalen antikubanischen Gruppierungen diese Spaltung nicht akzeptieren wollten, entstanden Organisationen wie beispielsweise Omega 7, die Aktionen gegen jene Gruppierungen durchführten, die Verbindungen zu Kuba anstrebten. Innerhalb der beiden Dekaden von 1960 bis 1980 änderten viele immigrierte Kubaner ihre Einstellung bezüglich einer Rückkehr in ihre Heimat. Mitte der 1960er Jahre waren in den USA mehr als 83% der Einwanderer bereit, nach einem Sturz Fidel Castros nach Kuba zurückzukehren, zehn Jahre später waren es nur noch 25%. Dies verdeutlicht den Integrationsgrad in die amerikanische Gesellschaft und die Bereitschaft, endgültig in den USA leben zu wollen.252 Kuba ist in dieser Hinsicht für die Kubaner in Miami ihr „Heimatland“ geblieben, ihr „Heim“ ist aber Miami geworden.253 Zum entscheidenden Schub für die Integrierung der Cubano-Americanos in die US-amerikanischen politischen Strukturen sollte es jedoch erst in den 1980er Jahren kommen.
II.2.3 Die 1980er Jahre: Die Dekade Ronald W. Reagans und des Aufschwungs der kubanischen Organisationen Der Aufschwung der Cubano-Americanos durch die Politik der Vereinigten Staaten gewann in den 1980er Jahren durch den Aufstieg der republikanischen Partei und den Amtsantritt Ronald W. Reagans (1981 – 1989) an Stärke. Dies koinzidierte mit der Konzentration der ethnischen Gruppe von Kubanern in Florida, wo zu diesem Zeitpunkt ein Wirtschaftswachstum registriert werden konnte. In den 1980er Jahren wurde die Strategie verfolgt, in den Medien die Verbreitung der Fragen über Menschenrechte und politische Freiheiten auf Kuba zu intensivieren, um den Druck gegen die Insel zu erhöhen. Dabei 251 Einige Autoren gehen von einer höheren Summe aus. Demnach soll das Programm bis 1974 bis zu 957 Mio. US-Dollar gekostet haben; vgl. dazu GARCÍA 1996: S. 44f. 252 Viele Immigranten, die im Laufe der beiden Dekaden Familien gegründet hatten und deren Kinder in den USA zur Welt gekommen waren, hatten nicht mehr den Wunsch, unter den gegebenen Umständen nach Kuba zurückzukehren; siehe die Daten bei OLSON/OLSON 1995: S. 74. 253 Siehe dazu die treffende Formulierung „Cuba is the homeland, but Miami is home“ bei GARCÍA 1996: S. 120.
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sollten die Cubano-Americanos mitwirken. Es entstand die Notwendigkeit, politische Instrumente zu kreieren, die den Gruppen einen legalen Handlungsspielraum innerhalb der institutionellen Strukturen geben konnten. Die USA mit ihrer antikommunistischen Position im Kontext des Kalten Kriegs und besonders unter der Reagan-Doktrin boten die besten Bedingungen für die konterrevolutionären Gruppierungen, sich neu zu organisieren.254 Auch wenn diese verschiedene ideologische Hintergründe und unterschiedliche gesellschaftliche Positionen hatten, stimmten sie doch alle in der ablehnenden Haltung gegenüber dem revolutionären Kuba überein. Diese Missbilligung wurde aber auf unterschiedliche Art und Weise ausgedrückt und reichte von radikalen militärischen bis hin zu moderaten dialogbereiten Positionen. Die konterrevolutionären Gruppierungen sahen in den 1980er Jahren eine Chance, sich in die konservativen Sektoren der US-amerikanischen politischen Strukturen zu integrieren, um die eigenen Interessen zu artikulieren. Die harte Linie im Exil versuchte, durch intensive Kampagnen die Flucht von Kubanern zu stimulieren. Anfang dieser Dekade wurden verschiedene Botschaften in Havanna von mehr als 10 000 ausreisewilligen Kubanern besetzt. Kuba reagierte mit der Öffnung der Seebrücke Mariel – Cayo Hueso und genehmigte die Ausreise von mehr als 125 000 Personen, deren Status von Anfang an jedoch nicht geklärt war. Von April bis Oktober 1980 hatte die US-amerikanische Migrationsbehörde 124 786 kubanische Einwanderer registriert, von denen allein in Florida 86 625 Personen gemeldet wurden. Mehr als 64% dieser Immigranten, die durch diesen Massenexodus als die Marielitos bekannt wurden, waren jünger als 34 Jahre.255 Auf Grundlage des während der Regierung Carters verabschiedeten Gesetzes zur Regulierung der Flut von Flüchtlingen verweigerten die USA jedoch, ihnen diesen Status anzuerkennen. Sie mussten somit den gesetzmäßigen Aufnahmeprozess durchlaufen. Diese Situation zwang beide Staaten zur Aufnahme von Gesprächen. Die USA äußerten die Befürchtung eines Massenexodus und Kuba verlangte die künftige Rückführung der Landsleute, die mit Hilfe von entführten Booten oder Flugzeugen in die USA einwandern wollten.256 Die Gespräche blieben jedoch ohne Ergebnis. Dies lag vor allem daran, dass zu diesem Zeitpunkt in den USA Präsidentschaftswahlen stattfanden, aus denen Ronald Reagan als Sieger hervorging. Der neue Präsident war von Anfang an stark daran interessiert, die Frage der Marielitos zu lösen: „We have appealed a number of times to Cuba to take them back“, so die Worte Reagans.257 Kuba hatte aber eine abwartende Haltung eingenommen, so dass die erneuten Verhandlungen erst drei Jahre später im Juli 1984 aufgenommen werden konnten. Im Zentrum der Gespräche stand für die USA die Rückführung von ca. 5 000 Kubanern, die als Excluibles (Ausgeschlossene) galten. Darunter befanden sich Personen mit einer kriminellen Vergangenheit, geistig Verwirrte und Freiwillige, die nach Kuba zurückkehren wollten. Im Dezember 1984 einigten sich beide Seiten zu einer Regelung, in der sich Kuba verpflichtete, von den 5 000 nach USGesetz eingestuften Excluibles 2 746 Personen zurückzunehmen.258 Die USA verpflichteten 254 Ronald Reagan verstand unter der antikommunistischen Position der USA die Pflicht, allen demokratischen Kräften beizustehen, die sich gegen die Sowjetunion stellten. Als demokratische Kräfte wurden solche begriffen, die ein politisches System anstrebten, das mit dem amerikanischen Modell identisch war; siehe zu den Doktrinen der Vereinigten Staaten MEIER 1998: S. 13 u. 63. 255 Siehe dazu das „Cuban Entrants Summary 1980“, in: US-BC 1981: S. 90. 256 Eine detaillierte Analyse über die Position des Präsidenten Carter und die Dynamik des Mariel-Exodus findet sich bei ENGSTROM 1997. 257 Siehe dazu REAGAN 1983. 258 Vgl. SKOUG 1996: S. 83.
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sich hingegen, die legale Einwanderung von jährlich 20 000 Kubanern zu erlauben. Priorität hatten gefangene Kubaner aus den Oppositionsreihen und deren Familien sowie Personen, die Familienangehörige in den USA vorweisen konnten. Das Mariel-Ereignis von 1980 bedeutete aber für die aufgenommenen Verbindungen Kubas mit dem moderaten Sektor des Exils einen Rückschlag. Es ist an dieser Stelle notwendig, eine Spezifizierung der Konditionen für die Emigration darzustellen. Die aufgeführten Zahlen von kubanischen Immigranten setzen sich nicht nur aus politisch verfolgten Kubanern und solchen, die vom Staat abgeschoben wurden, zusammen, denn die Auswanderung geschah auch im Kontext der schwierigen ökonomischen Periode. Die Migrationsbewegung ist jedoch nicht nur ein Phänomen Kubas, denn historische, politische und geographische Elemente haben bis heute die Immigration von Lateinamerikanern in die USA beeinflusst.259 Allein von 1981 bis 1988 wanderten aus dem karibischen Raum, ohne Kuba zu berücksichtigen, 549 800 Personen in die USA aus. In der genannten Zeitspanne verließen 569 000 Mexikaner und 311 200 Südamerikaner ihr Land. Insgesamt wurden von den US-Behörden fast 1,5 Millionen Immigranten in nur acht Jahren registriert.260 Es wurde schon an anderer Stelle betont, dass die USA die Auswanderungswellen anderer lateinamerikanischer Länder und des karibischen Raums im Vergleich zu der Migrationsbewegung Kubas differenziert behandeln, denn nur die kubanischen Einwanderer werden im Kontext der US-politischen Wahrnehmung nicht als Immigranten eingestuft, die aus wirtschaftlichen Gründen ihr Land verlassen haben, sondern als politische Flüchtlinge.261 Ende der 1970er Jahre wurde in Nicaragua Präsident Somoza gestürzt und die Macht von den Sandinisten übernommen sowie in Grenada Maurice Bishop durch den linksgerichteten Bernard Coard abgesetzt. Daraufhin sah die US-Regierung die Notwendigkeit zur Intervention. Sie beteiligte sich bei dem militärischen Aufbau der konterrevolutionären Gruppen (Contras) in Nicaragua und versuchte, die Bevölkerung durch terroristische Aktionen zu verunsichern. Die Aktivisten operierten vorwiegend von Honduras aus. Im Oktober 1983 wurde die Operation Urgent Fury gestartet. Die USA marschierten in Grenada ein und setzten die Regierung des New Jewel Movement (NJM) ab.262 Die Strategie Reagans war, eine Projizierung des kubanischen Modells auf die Region zu unterbinden, um den Gefahren eines möglichen Dominoeffekts entgegenzuwirken. „If we’re successful in resisting Soviet and Cuban expansionism, which we have been, we can show the world that communism can be resisted“, argumentierte Reagan.263 Der Präsident übte durch den Auf259 In den letzten beiden Dekaden kamen mehr als 40% der insgesamt 19,4 Mio. Immigranten aus Lateinamerika (ohne Berücksichtigung der illegalen Einwanderer). Sie siedelten sich vor allem in Miami, San Antonio und Los Angeles an; siehe dazu den Beitrag von PUENTE/KASINDORF 2004: S. 57. Darüber hinaus kann aus heutiger Sicht das Phänomen der Migration nur innerhalb des Globalisierungskontextes betrachtet werden. Einen Beitrag über den Zusammenhang von Migrationsbewegungen und der Globalisierung findet sich bei MURRAY 2006. 260 Es ist anzumerken, dass in dieser Periode die Zahl der immigrierten Kubaner nicht die der eingewanderten Mexikaner überschreitet; siehe dazu US-BC 1981: S. 88-90; siehe auch „Immigrants by Country of Birth, 1961-1989“, in: US-BC 1991: S. 10. 261 Die Exklusion von Privilegien gilt in der US-amerikanischen Migrationspolitik nicht nur für Einwanderer aus lateinamerikanischen Ländern, sondern auch für die Chinesen – im Gegensatz zu den kubanischen Immigranten, die Vorteile genießen (wenn ein Flugzeug mit Kubanern in den USA landet und diese Asyl beantragen, werden sie privilegiert behandelt); siehe dazu ONG-HING 1997: S. 29f. 262 Es sollten durch diese Aktion etwa 800 US-amerikanische Studenten und weitere 200 US-Bürger in Sicherheit gebracht werden. Diese Operation war, so Reagans Worte, die Reaktion auf ein Bittgesuch der Organization of Eastern Caribbean States, den Frieden auf der Insel zu sichern; siehe REAGAN 1986. 263 Siehe REAGAN 1986a.
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bau einer Opposition von außen politischen Druck auf Kuba aus, gleichzeitig führte er aber Gespräche mit Havanna, um den Ablauf der kubanischen Einwanderung zu reglementieren. Diese doppelte Strategie blieb aber nicht ohne Gegenreaktion Kubas. Die schon erwähnte Migrationsvereinbarung galt nur fünf Monate, dann unterbrach Kuba im Mai 1985 seine Anwendung als Reaktion auf die Einrichtung des oppositionellen Radiosenders Radio Martí in Miami. Es galt die Ausnahme, dass die Cubano-Americanos, die sich nicht an konterrevolutionären Aktivitäten beteiligten, weiterhin ihre Familien in Kuba besuchen durften. Allerdings sollte diese Zahl jährlich 2 500 Personen nicht überschreiten. Die Gründung der Cuban American National Foundation (CANF) 1981 stand in enger Verbindung zu der Regierung Reagans.264 Dadurch wurde ein Segment der CubanoAmericanos in den politischen Strukturen der Vereinigten Staaten verankert und somit privilegiert behandelt, da andere Gruppierungen vom Weißen Haus nicht dieselbe Berücksichtigung fanden. Mit der Einrichtung des Senders Radio Martí, geleitet von Jorge Más Canosa, der von Präsident Reagan als Direktor des Board for Cuba Broadcasting ernannt worden war, verstärkten die USA ihre Strategie, eine Destabilisierung der Insel zu beschleunigen. Kuba erlebte in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre eine Dekomposition des Systems, die sich nicht nur auf staatlicher, sondern auch auf internationaler Ebene ereignete.265 In diesem Zusammenhang hatte die Einrichtung des Senders eine wichtige Bedeutung, um nicht nur den Machthabern in Havanna entgegenzuwirken, sondern auch eine interne Destabilisierung herbeizuführen. Reagan argumentierte, dass die Stütze der Revolution die Medien gewesen wären und die Regierung in Havanna größtenteils über die Kontrolle dieses Mediums fortbestehen konnte. Ziel der Administration sei es deshalb, das Informationsmonopol auf Kuba zu brechen.266 Für die kubanischen Interessengruppen bedeutete die Einrichtung des Senders einen Erfolg, denn dadurch konnten sie die mediale Bühne betreten. Ricardo Bofill, Präsident der Organisation Comité Cubano Pro Derechos Humanos (CCPDH – Kubanisches Komitee für Menschenrechte) in Miami, äußerte sich folgendermaßen: „vor der Einrichtung von Radio Marti waren wir schon da, aber niemand kannte uns“.267 Dadurch gewannen die Cubano-Americanos eine Stimme, um die Gruppierungen in Miami auch auf der Insel bekannt zu machen. Obwohl sie sich seit den 1960er Jahren um einen Einfluss auf die Politikgestaltung gegenüber Kuba bemüht hatten, waren sie bis Anfang der 1980er Jahre eher eine marginale Erscheinung gewesen. Dies hing auch damit zusammen, dass den Cubano-Americanos nach zwei Dekaden bewusst geworden war, dass sie zu einer weiteren ethnischen Minderheit im System geworden waren und aus dieser Position heraus neue Mechanismen der politischen Handlung gefunden werden mussten.268 Durch die Positionierung der kubanischen Interessengruppen in den politischen Strukturen der Reagan-Administration gewann das Thema Kuba in den wissenschaftlichen Publikationen amerikanischer Forschungsinstitute und im Kontext des Kalten Kriegs größere Bedeu-
264 Die Organisation wird in Kapitel III, 1.1.1.1 behandelt. 265 Die Dekomposition entfaltete sich im Bereich der kubanischen Führungsstrukturen, die zum Teil neu besetzt wurden. Zum einen sank die finanzielle Unterstützung der UdSSR, zum anderen kam es zu Korruption auf verschiedenen Ebenen; außerdem begann auch der Innenminister an Einfluss zu verlieren. Die Revolutionsmoral der 1960er Jahre hatte nicht mehr die gleiche Stärke. Zur Vertiefung dieser fünf Punkte siehe DOMINGUEZ 1992: S. 95-118. 266 Siehe REAGAN 1981. 267 Siehe CORZO 1997: S. 1a und 2. 268 Vgl. dazu die Ausführungen von GARCÍA 1998: S. 10.
II.3 Die Kubapolitik der USA nach dem Ende des Ost-West-Konflikts bis 2007
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tung.269 Die Differenzen mit Kuba führten zu einer Politik der Vereinigten Staaten, die dem Handlungsmuster der 1960er Jahre sehr ähnelte. Die Politik der Entspannung Gerald Fords und James E. Carters erfuhr durch die Reagan-Administration einen Rückschlag. Dies koinzidierte und stimmt bis heute mit der Haltung der CANF überein, keine Art von Beziehungsflexibilisierung in der Kubapolitik zu dulden. Trotz der Konfrontation waren beide Staaten situationsbedingt bereit, über bilaterale Angelegenheiten zu verhandeln. Es vergingen jedoch zwei Jahre, bis zur Frage der Migration neue Gespräche zustande kamen. Erst im Dezember 1987 traten die Vereinbarungen von 1984 nach erneuten bilateralen Verhandlungen wieder in Kraft. Durch eine interne Vereinbarung zwischen der Reagan-Administration und der CANF genehmigten die USA 1988 die Einreise von etwa 1 500 Kubanern, die sich in Drittländern befanden und Kuba vor Januar 1989 verlassen hatten.270 Es galt hierbei die Bedingung, dass ihnen keinerlei finanzielle Unterstützung durch die US-Regierung zustand. Da der Sturz der Castro-Regierung in ihrer Aufbauphase der 1960er Jahre nicht gelungen war und durch die Annäherung der Insel an die UdSSR eine Überlebenssicherung bis Ende der 1980er Jahre konsolidiert worden war, verfolgten die USA im Kontext des Kalten Kriegs eine Eindämmungspolitik. Die Absicht, das kubanische System zu verändern, ist in den fünf Dekaden bis zum jetzigen Zeitpunkt konstant geblieben, es wurden lediglich unterschiedliche politische Instrumente angewandt. Die argumentative Grundlage der US-amerikanischen Politikgestaltung gegenüber dem Inselstaat änderte sich mit dem Ende des Kalten Kriegs, denn die Sicherheitsargumente für den Aktivismus Kubas auf dem amerikanischen Kontinent durch seine Bindung an die UdSSR standen nicht mehr im Vordergrund. Deshalb wäre in der Dynamik der politischen USamerikanischen Entwürfe eine Verschiebung auf die Ebene eines Dialogs zu erwarten gewesen. Die kubanischen Interessengruppen mit ihren statischen Positionen übernahmen aber nach der politischen Wende im Weltsystem durch ihre konsolidierte Machtstellung als Akteure des Präferenzbildungsprozesses eine entscheidende aktive Rolle, um die Konzipierung der Kubapolitik zu beeinflussen, nachdem sie in den 1980er Jahren vorwiegend ein Instrument der Reagan-Administration für deren Kubapolitik gewesen waren.
II.3 Die Kubapolitik der USA nach dem Ende des Ost-West-Konflikts bis 2007 Nachdem in den internationalen Beziehungen die Orientierungskoordinaten auf Grund der Strukturveränderungen im Staatensystem durch das Ende des Ost-West-Konflikts verloren gegangen waren, sahen sich die Länder des Südens bei dem Anpassungsversuch, einen Anschluss an die entstandene Dynamik in der internationalen Politik zu finden, mit neuen globalen Herausforderungen konfrontiert. Kuba blieb nach 1990 in der westlichen Hemisphäre als einziges Land mit einem anderen ökonomischen und politischen System isoliert und musste sich auf diese Realität neu einstellen, um als sozialistischer Staat weiterzubestehen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Insel jahrelang unter doppeltem Einfluss befunden: Auf der einen Seite wurde dieser durch die wachsende ideologische Prägung der 269 Dazu zählen Forschungsinstitute wie die Hoover Institution, die Rand Corporation oder das American Enterprise, die in ihren Publikationen im Washington Quarterly, in der Policy Review oder dem Foreign Affairs die bilateralen Beziehungen aus dem Blickwinkel der US-amerikanischen politischen Wahrnehmung betrachten; vgl. die Analyse von HERNÁNDEZ 1987: S. 42-48. 270 Siehe dazu REAGAN 1984; siehe auch CARDOSO 1992: S. 108.
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Sowjetunion bedingt, auf der anderen Seite durch die Macht der Vereinigten Staaten, konditioniert durch deren geographische Lage. Auf internationaler Ebene war Kuba nicht vollkommen von der UdSSR unabhängig, aber ihr auch nicht in jeder Hinsicht unterworfen.271 Für die kubanische Staatsführung bedeutete die neue weltpolitische Ordnung, dass sie ihre Orientierung im internationalen System neu definieren musste und sich gezwungen sah, neue Eingliederungsformen in die globalisierte Wirtschaft zu finden, ohne aber die konstituierende Essenz ihrer revolutionären Ideale – wie die der nationalen Unabhängigkeit oder der sozialen Gerechtigkeit – aufzugeben. Die Beziehungen zu den USA blieben jedoch bei all dem eine kontinuierlich zu überwindende Schwierigkeit.272 Die USA stehen in einer singulären Beziehung zu Kuba. Diese wird von einer mit Spannungs- und Entspannungsphasen anhaltenden Kontinuität begleitet und kontrastiert mit einem in der Literatur widersprüchlich gelieferten Bild der US-amerikanischen Außenpolitik in anderen Teilen der Welt.273 Das bedeutet: Trotz der weltpolitischen Veränderung zeigt die US-amerikanische Kubapolitik seit dem Ende des Kalten Kriegs einen hohen Grad an Beständigkeit ihrer verfolgten Ziele.274 Sie wird eindeutig durch die beiden Pole Isolationismus und idealistischer Interventionismus, die die Ausgestaltung der amerikanischen Weltmachtrolle prägten, bestimmt. Sowohl der Isolationismus als auch der idealistische Interventionismus verfolgen das Ziel, die nationale Selbstbestimmung der amerikanischen Gesellschaft zu schützen. Strikte Isolation sowie klassische imperialistische Politik haben das Element des Unilateralismus gemeinsam.275 Zwar sind diese grundlegenden Elemente in der Ausrichtung der US-Außenpolitik zu anderen Teilen der Welt zu finden, bezüglich Kubas sind sie jedoch aus meiner Sicht eingeschränkt zu bewerten. Dies bedeutet, dass nach dem Ende der bipolaren Konfrontation durch andere Faktoren innerhalb des politischen Systems der USA ein Raum für das Agieren von gesellschaftlichen Akteuren geschaffen wurde, um die heutige Kubapolitik zu konzipieren. Obwohl Kuba sich gezwungenermaßen von dem Einfluss der Sowjetunion lösen musste und auch schon in den 1980er und Anfang der 1990er Jahre Korrekturen durchgeführt hatte, die aber keine flexiblere Haltung der USA, sondern eine weitere Bemühung der Isolation Kubas zur Folge gehabt hatten, stellte sich die US-amerikanische Konfrontation mit Kuba als eine zweite Periode des Kalten Kriegs in der Karibik heraus.276 Die Chance, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion eine neue Kubapolitik zu konzipieren, wurde von Washington nicht wahrgenommen. Vielmehr wurde die alte, sich auf Gewaltmittel stützende Politik von Macht und Einfluss restauriert.277 In der Rhetorik des Präsidenten Georg W. Bush äußert sich die selbst aufer271 Kuba wurde als privilegierter Verbündeter der UdSSR angesehen. Die Regierung in Havanna agierte aus diesen Gründen autonom, sie entwarf ihre Außenpolitik von Fall zu Fall und passte sie an die gegebenen Umstände an; vgl. VALENTA 1990: S. 29. 272 Vgl. ATKINS 1992: S. 11; MARTZ 1992: S. 51. 273 Bei der Suche nach einem friedlichen Ausgang des Konflikts sehen Beobachter in der US-amerikanischen Kubapolitik eher ein Problem als eine Lösung für die Auseinandersetzung, da sie vom Confrontationalism geprägt ist; siehe ERISMAN 1997: S. 51. 274 Einige Autoren sehen diese Kontinuität als eine phantasielose Verlängerung der Embargopolitik durch konservative Kräfte in den Vereinigten Staaten; siehe BURGHARDT/HUHN 1998: S. 47. Andere Autoren halten die fortdauernde Kubapolitik für widersprüchlich und irrational, zumal Kuba keine Bedrohung für die Sicherheit der USA darstellt; siehe FERNANDEZ-TABIO/CASTRO 1995: S. 124. 275 MEDICK-KRAKAU 1991: S. 55-59. Bei der Interpretation der US-Politik sehen die Republikaner eine unilaterale Politik nicht als isolationistisch; siehe dazu den Beitrag von SCHNEIDER 1997: S. 26. 276 Vgl. SCHWAB 1999: S. 19; siehe auch MAINGOT/LOZANO 2005; vgl. auch die kritischen Ausführungen des Politologen Jorge I. Dominguez, in: DOMINGUEZ 1997: S. 49-75. 277 CZEMPIEL 1986, 1991a: S. 72-85.
II.3 Die Kubapolitik der USA nach dem Ende des Ost-West-Konflikts bis 2007
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legte, geradezu missionarische Aufgabe der USA, „Freiheit“ in andere Länder „wie Sand in den Wind“ zu streuen; dies soll von den USA selbst gesichert werden.278 Diese als universalistische Linie verstandene Politik, die auch für die Interpretation US-strategischer Modelle und Vorgehensweisen in anderen Kontinenten gilt, gehört aus US-politischer Sicht zur „natürlichen“ Aufgabe ihrer Politik in der Karibik.279 Es wird in dieser Untersuchung jedoch die Singularität der Beziehung zu Kuba angenommen, dass nämlich innerhalb des amerikanischen politischen Systems Entscheidungen oder Veränderungen im außenpolitischen Raum die innergesellschaftlichen Kräfte und Bewegungen in einer durch das Ende des Kalten Kriegs veränderten Welt widerspiegeln. Inwieweit dieses Bild realitätsgetreu ist, soll am Beispiel der agierenden kubanischen Interessengruppen in den USA und deren gewonnener Machtstellung in den 1980er Jahren in Bezug auf den Entwurf der Kubapolitik während der US-Präsidentschaftsperioden von George H. Bush (1989 – 1993) über William J. Clinton (1993 – 2001) bis hin zu George W. Bush (ab 2001) gezeigt und geprüft werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Zusammenhang zwischen der kubanischen Immigration und dem ethnischen Kontext der Gruppierungen den gesellschaftlichen Rahmen für die bilaterale Politik der US-Regierungen liefert. Die zentralen Akteure, die auch innerhalb dieses Kapitels erwähnt werden und eine entscheidende Rolle im gesellschaftlichen Präferenzbildungsprozess in den Vereinigten Staaten spielen, werden in Kapitel III behandelt.
II.3.1 Die Regierung von George H. Bush 1989 bis 1993 Das Ende des bipolaren Systems in den internationalen Beziehungen bedeutete, dass Kuba nach dieser langjährigen Konfrontation neu betrachtet werden musste. Nach den veränderten Bedingungen konnten die USA nicht mehr mit der These der gefährdeten nationalen Sicherheit argumentieren. Da Kuba in der westlichen Hemisphäre nicht mehr die ideologische Front der UdSSR darstellte und bei der Redefinierung der weltpolitischen Machtverhältnisse eine untergeordnete Rolle spielte, hätten die USA ihre Kubapolitik neu ausrichten können. Die Regierung Georg H. Bushs verblieb jedoch in einer abwartenden Position. Trotzdem wurden politische Elemente wie die Menschenrechte, Demokratie und Propagierung des freien Handels auf die US-außenpolitische Agenda gesetzt. Der Präsident forderte Fidel Castro zu konkreten Schritten auf und konditionierte somit die US-amerikanische Kubapolitik: „Our demand is plain and simple: democracy and respect for human rights […] not sometime, not someday, but now […] I challenge him, to take concrete and specific steps leading to free and fair elections and full democracy […] Unless Fidel Castro is willing to change his policies and behavior, we will maintain our present policy toward Cuba.“280 Kuba selbst befand sich nach der internationalen politischen Umwälzung in einer kritischen Phase, die eine wirtschaftliche Umstrukturierung verlangte und als eine der größten Herausforderungen nach dem Sieg der Revolution 1959 angesehen werden konnte. Aus Sicht der cubano-amerikanischen Interessengruppen waren dies die besten Bedingungen, 278 BUSH 2001. 279 Diese politische Wahrnehmung ist an das amerikanische Werteverständnis geknüpft: Die Werte werden als öffentliche Güter interpretiert, die auch in anderen Nationen erreicht und maximiert werden sollen; siehe zum Verständnis den Beitrag von SCOTT/CROTHERS 1998: S. 4. Das natürliche Verständnis der USamerikanischen Interventionspolitik in der Karibik wird im historischen Kontext der geographischen Konditionierung nicht nur als natürlich, sondern auch als angemessen betrachtet; siehe TASELL 1997: S. 231 u. 235. 280 Siehe die Ansprache Bushs zur 87. Unabhängigkeitsfeier Kubas in Miami: BUSH 1989.
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um der Regierung in Havanna ein Ende zu setzen. Sie befanden sich zu diesem Zeitpunkt durch die Vertretung von Repräsentanten in der Regierung in einer privilegierten Position, denn durch den Zugang zu den politischen Entscheidungsträgern auf Kongressebene konnten die konservativen Sektoren der Cubano-Americanos den politischen Druck gegenüber Kuba intensivieren. Die Debatte über eine angemessene Kubapolitik sollte den Blick der Exekutive auf die bilaterale Beziehung richten. Dadurch stellte die CANF eine Verbindung zwischen der Innenpolitik im Hinblick auf die Wählerstimmen und Wählermobilisierung in Florida und der Konzipierung einer außenpolitischen Agenda zu Kuba her. Die abwartende Haltung der USA auf einen Zerfall Kubas, ohne weitere Maßnahmen einzuleiten, führte bei der langfristigen Gestaltung einer konstruktiven Außenpolitik gegenüber Kuba zu einem Vakuum, das die Interessengruppen in dieser entscheidenden Phase füllten. Somit wurde im Kongress die Kubadebatte von den Cubano-Americanos mit der Zielsetzung, bald einen politischen Wechsel auf der Insel herbeizuführen, beherrscht. George H. Bush war der Überzeugung, dass Kuba innerhalb seiner Legislaturperiode unter den gegebenen Bedingungen nicht lange weiterbestehen könne. Er ermutigte die Cubano-Americanos bei einer Ansprache mit folgenden Worten: „It is my firm belief, I really believe this, that during my second term as President, you will be reunited with your loved ones […] I know, I am certain in my heart that I will be the first American President to set foot on the soil of a free and independent Cuba.“281 Diese Voraussage, bei der die kubanische Gesellschaft fälschlicherweise mit der des europäischen Ostblocks gleichgesetzt wurde, traf nicht ein. Im Gegensatz zu den Ländern in Osteuropa, die sich der militärischen Macht der Sowjetunion hatten beugen müssen, war die Entwicklungsdynamik des revolutionären Kubas mit seinem nationalistischen und auf Unabhängigkeit ausgerichteten Charakter eigenständig aus dem Inneren der Gesellschaft entstanden. Mit der Proklamation der sog. Periodo Especial (Sonderperiode) traf Kuba 1990 Maßnahmen, die das wirtschaftliche Überleben des Systems unter dem starken politischen Druck der USA sichern sollten. Die US-amerikanische Invasion in Panama ohne internationale Unterstützung im Dezember 1989 wurde von Havanna als Warnung zu Vorsicht und Wachsamkeit wahrgenommen. Nach der Invasion des Irak in Kuwait im August 1990 und dem Beginn des zweiten Golfkriegs unter der Führung der Vereinigten Staaten im Januar 1991 richteten die USA ihre außenpolitische Aufmerksamkeit auf den Nahen Osten. Für Kuba galt es, neben der ökonomischen Herausforderung des Periodo Especial auch die innere politische Geschlossenheit zu konsolidieren. Hierfür wurde 1992 eine Verfassungsreform durchgeführt.282 Es begann ein Öffnungsprozess, bei dem neue Investoren aus dem Ausland gesucht wurden und eine vorsichtige Liberalisierung der Wirtschaft im Inland gestartet wurde, um einen Raum der Überlebensmöglichkeiten zu schaffen, der gleichzeitig dem inneren gesellschaftlichen Druck entgegenwirken sollte. Dies verhinderte jedoch nicht die Destabilisierung der kubanischen Wirtschaft in den vier darauf folgenden Jahren. Durch die Versorgungskrise auf der Insel wurden die USA in ihrer Erwartung eines nahen Endes der kubanischen Regierung bestärkt. Die US-Administration machte ihre politische Position zu Kuba davon abhängig, inwieweit der Inselstaat sich politisch liberalisierte.283 Kurz vor Ablauf der Legislaturperiode Bushs sollte der letzte Schritt gegangen werden, um das Ende der Regierung Castros zu beschleunigen. 1992, nur drei Monate vor dem Präsidentenwechsel, verstärkten die USA das 281 Siehe die Ansprache des US-Präsidenten vor der kubanischen Gemeinde in Miami: BUSH 1992. 282 Siehe die Verfassung von 1992, in: GU 2002. 283 Siehe BUSH 1990.
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Embargo gegen Kuba durch die Unterzeichnung des Cuban Democracy Act (CDA), der von dem Demokraten Robert G. Torricelli für den Bundesstaat New Jersey eingebracht worden war.284 Die Cubano-Americanos hatten den Kongressabgeordneten auf Grund seiner anticastristischen Haltung stark unterstützt.285 Bei der Ansprache zur Einführung des CDA im Oktober 1992 in Miami stellte Bush die Schlüsselrolle dieser ethnischen Gruppierung bei der Konzipierung der verschärften wirtschaftlichen Richtlinien gegen die Insel heraus. Neben den Kongressabgeordneten kubanischer Abstammung wie Ileana Ros-Lehtinen und Lincoln DiazBalart lobte er den Präsidenten der Cuban American National Foundation Jorge Más Canosa mit den Worten: „He is one of the key forces, of course, as so many in this room, but he was one of the very key forces behind this Cuban Democracy Act.“286 In derselben Rede stellte Bush in Anbetracht der kritischen Phase Kubas und als Folge der Anwendung des CDA seine Überzeugung heraus: „Fidel Castro must fall.“287 Trotz der wirtschaftlichen Krise Kubas waren bis Ende der Amtszeit Bushs die Immigrationszahlen von Kubanern, die sich in den USA niederließen, relativ stabil geblieben. Für das Jahr 1990 ergab sich eine Registrierung von 10 645 Immigranten, die sich in die cubanoamerikanische Population von mehr als einer Million Personen integrierten. 70% dieser Einwanderer ließen sich im Süden der USA nieder.288 Weitere 22 100 Kubaner wurden gegen Ende der Bush-Legislatur von 1991 bis 1992 gemeldet.289 Die Migrationspolitik der USA gegenüber Kuba blieb auch während der Bush-Administration bestehen. An dieser Stelle soll erwähnt werden, dass nach der politischen Wende in Europa in den USA der Antrag auf Asyl eines Flüchtlings aus einem sozialistischen Staat eher genehmigt wurde als der von Personen aus anderen Ländern. Selbstverständlich muss bei der Analyse von Migrationsströmungen der komplexe sozioökonomische und politische Kontext der jeweiligen Region mitberücksichtigt werden. Auswanderungswellen entstehen aus verschiedenen Gründen und lassen sich nicht monokausal auf eine politische Ursache reduzieren. Die Migrationsbewegungen aus den lateinamerikanischen Ländern in die Vereinigten Staaten haben primär ökonomische Hintergründe. Die Politik der USA gegenüber Kuba koinzidiert mit der internationalen Negierung der als sozialistisch definierten Gesellschaft, die Freiheit ihrer inneren Strukturen nach eigenen Konzepten zu organisieren.290 Mit dieser Position rechtfertigen die USA die Anwendung unilateraler Sanktionen und die Ergreifung anderer Maßnahmen zur Destabilisierung bzw. Abschaffung des kubanischen Systems. In den heutigen lateinamerikanischen Gesellschaften sind fast zwanzig Jahre nach der internationalen politischen Systemumstrukturierung noch Strömungen der unteren sozialen Segmente vorhanden, die die Einrichtung von linksgerichteten Regierungen favorisieren. Dieses politische Phänomen belegt, dass immer noch eine nicht überwundene Realität von sozioökonomischen Schwächen zum Nachteil der untersten
284 Das Gesetz wurde als Torricelli Act bekannt. Auf eine detaillierte Darstellung und Analyse sowie auf die Verschärfung des Gesetzes wird in Kapitel IV, 1.1 eingegangen. 285 Der Kongressabgeordnete Torricelli empfing seit 1987 über viele Jahre hinweg Gelder von den CubanoAmericanos. Es wird eine Geldsumme in Höhe von ca. 120 650 US-Dollar angenommen; siehe BIRNBAUM 1998: S. 74. 286 Siehe BUSH 1992. 287 Ebd., S. 1. 288 Siehe US-BC 1992: S. 17 u. 21. 289 Es ist anzumerken, dass diese Zahl bedeutend niedriger ist als die der Einwanderer aus der Dominikanischen Republik (83 400), aus Haiti (58 500) oder Jamaika (42 700) aus dem gleichen Zeitraum; siehe US-BC 1994: S. 11. 290 Vgl. ROSSANDA 1980: S. 26.
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Schichten im amerikanischen Kontinent existiert, die ihre Unzufriedenheit durch die Unterstützung dieser Regierungen zum Ausdruck bringen.291 Da die politische Voraussage über einen Zusammenbruch der kubanischen Strukturen in der Amtsperiode Bushs nicht eintraf, wurde die politische Linie unter der Regierung William Clintons verschärft und die Migrationsproblematik unter der Einwirkung der cubano-amerikanischen Organisationen erneut in den Mittelpunkt der bilateralen Verhandlungen gestellt.
II.3.2 Die Regierung von William Jefferson Clinton 1993 bis 2001 Der Amtsantritt William Clintons im Januar 1993 bedeutete für die Demokraten nach zwölf konsekutiven Jahren republikanischer Regierungen, erneut einen Präsidenten im Weißen Haus zu haben. Auf Grund der Transformation in der Weltpolitik der internationalen Beziehungen hatte der neue Präsident die Möglichkeit, die US-Kubapolitik zu überprüfen. Kuba hatte während der Regierung Bushs jeden politischen Schritt der USA als Bedrohung wahrgenommen. Mit dem Wechsel im Weißen Haus entspannte sich die Situation anfangs, auch wenn die Clinton-Regierung eine politische, wirtschaftliche und diplomatische Isolierung der Insel beibehielt. Im Vergleich zur vorhergehenden Regierung wurde in der politischen Rhetorik zwar ein weicherer Ton angewandt, in der grundsätzlichen praktischen Haltung gegenüber Kuba kam jedoch dieselbe politische Strategie zum Ausdruck. Dies hing auch mit dem durch Bush eingeführten Cuban Democracy Act (CDA) kurz vor Beginn der neuen Legislaturperiode zusammen, denn mit der Signierung des CDA wurde die Richtung der Kubapolitik schon vorgegeben. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Cubano-Americanos drei wichtige Erfolge ihres politischen Einflusses zu verzeichnen: erstens die Einrichtung des Radiosenders Martí während der Amtszeit Reagans und die des gleichnamigen Fernsehsenders während der Regierung Bushs, zweitens die Bestärkung ihrer Positionierung in den politischen Strukturen der USA, indem Cubano-Americanos durch den Präsidenten in administrativen Schlüsselpositionen gehoben wurden, und drittens die Durchsetzung des CDA gegen Kuba.292 Die Position der neuen Administration gegenüber Kuba war an die wirtschaftlichen und politischen Veränderungen auf der Insel geknüpft. Clinton postulierte drei grundlegende Bedingungen für eine Normalisierung der Beziehungen zur kubanischen Regierung, nämlich die Demokratisierung der Gesellschaft, die Achtung der Menschenrechte und freie Wahlen. Der Präsident konzentrierte sich in der ersten Phase seiner Legislatur aber mehr auf innenpolitische Fragen, denn dies sicherte ihm die Präsidentschaft. Dies begünstigte die Monopolisierung der Kubapolitik als Arbeitsfeld der kubanischen Interessengruppen, allen voran der CANF aus Florida mit ihrer Außenstelle in Washington.293
291 Die Regierungen von Bolivien unter Evo Morales und von Venezuela unter Hugo Chavez sind nur zwei Beispiele für Administrationen innerhalb einer linken Welle in Lateinamerika während der letzten Dekade (darunter auch Brasilien, Chile, Uruguay und Argentinien); vgl. MIGNOLO 2005: S. 158. 292 Von den Cubano-Americanos mit einer Schlüsselrolle in den Administrationen Ronald Reagans und George H. Bushs ist Otto Reich zu erwähnen. Er agierte unter anderem als US-Botschafter in Venezuela und war zudem Sonderbeauftragter für die westliche Hemisphäre des US-Außenministeriums. 293 Vgl. dazu die Kontroverse über den Einfluss der cubano-amerikanischen Interessengruppen während der ersten Clinton-Administration im Zusammenhang mit der Interaktion zwischen der Exekutive und dem Kongress; siehe DERBUSH/HANEY 1999: S. 387-408.
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Die Regierung Clintons ging anfangs davon aus, dass die Verschärfung der Sanktionen, die schon seit über drei Dekaden verhängt worden waren und bis zu diesem Zeitpunkt keine Änderung erreicht hatten, auf Grund der internen Wirtschaftskrise Kubas und der angestrebten politischen Isolierung als logische Folge einen Kollaps des Systems hervorrufen würde. Dieser Prozess sollte durch den CDA beschleunigt werden. Die USAdministration musste zuerst beobachten, welche Auswirkungen die Anwendung des CDA mit sich brachte. Parallel dazu sollte durch diplomatische Verhandlungen eine Internationalisierung der kubanischen Demokratiesituation und Menschenrechtslage erreicht werden, um weitere Organisationen wie die Vereinten Nationen (UNO), die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) oder die Europäische Union (EU) als internationale Akteure mit einzubeziehen. Der CDA diente bis zur Anwendung des Helms-Burton-Gesetzes 1996 als Leitfaden der US-Kubapolitik. Hauptziel der einflussreichsten kubanischen Organisation CANF blieb der bedingungslose politische Wechsel auf Kuba, unterstützt durch die Abgeordneten kubanischer Abstammung Ileana Ros-Lehtinen, Robert Menéndez und Lincoln Díaz-Balart, die die Debatte im Kongress anführten. Da immer deutlicher wurde, dass die verschärften Sanktionen nicht die erwarteten Ergebnisse bewirkt hatten, wurde die Kubaproblematik bis Ende 1994 auf Regierungsebene reaktiviert. Die Entwicklung einer neuen politischen Konzeption wurde v.a. durch die Befürchtung angetrieben, dass der extreme wirtschaftliche Druck gegen Kuba eine neue Immigrationswelle in die Vereinigten Staaten verursachen könnte, wie es schon im Sommer 1994 der Fall gewesen war. Zwischen 1994 und 1995 wurden 32 600 kubanische Immigranten registriert. In den zwei Jahren zwischen 1991 und 1993 wurde eine ähnliche Zahl festgehalten. 1995 lebten in den USA 1 156 000 Personen kubanischer Abstammung, von denen 69% in Florida gemeldet waren.294 Dies zwang Clinton, eine Vereinbarung mit Kuba zu treffen. Die USA verpflichteten sich, jährlich eine bestimmte Zahl an Personen einwandern zu lassen, um eine weitere unkontrollierte Auswanderungsflut zu verhindern. Darüber hinaus wurde vereinbart, dass die USA alle illegalen Boote auf hoher See abfangen und nach Kuba zurückschicken würden. Dieses Abkommen gibt der Problembetrachtung eine neue Perspektive, denn es wurden künftig nicht alle Kubaner, die die Insel verließen, per se als Flüchtlinge eingestuft. Die Vereinbarung zwischen Kuba und den USA wurde in geheimen Gesprächen getroffen und kurz danach, im Mai 1995, bekannt gegeben. In den 1990er Jahren wurde erneut die Verflechtung der cubano-amerikanischen Interessen mit der Innenpolitik und den außenpolitischen Entscheidungen deutlich. Durch die Migrationsvereinbarungen zwischen beiden Ländern wich 1994 vorerst die Gefahr einer weiteren Flüchtlingswelle. Eine neue Regelung vom Februar 1995 klärte die Situation der Kubaner in der Militärbasis von Guantánamo und die ungelöste Migrationsfrage. Kubaner, die fortan illegal emigrieren wollten und auf hoher See von den US-Behörden festgenommen wurden oder die Basis von Guantánamo erreichten, mussten laut Vereinbarung nach Kuba zurückgeschickt werden. Dies sind dieselben Regelungen, die die USA schon zuvor für andere Länder weltweit geltend gemacht hatten. Nur die kubanischen Migranten hatten seit der Revolution von 1959 eine Sonderbehandlung erfahren. Auf Grund der Verhandlungsergebnisse konnte die Clinton-Administration künftig eine konsequente Flüchtlingspolitik verfolgen, denn bisher hatten die USA Immigranten aus Haiti zurückgeführt und Flüchtlinge aus Kuba nicht. Des Weiteren verpflichteten sich die USA, jährlich 20 000 Visa 294 Damit zeigt sich bei den kubanischen Migrationszahlen Anfang der 1990er Jahre eine Konstante; siehe USBC 1997: S. 11 u. 54ff.
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zu erteilen. Die Vereinbarungen und deren gemeinsame Durchführung zeigen, dass sowohl die USA als auch Kuba trotz der grundlegenden Differenzen in dieser Frage zu einer Zusammenarbeit fähig waren. Dies rief eine verstärkte Unzufriedenheit unter den Gruppierungen in Florida hervor. Die CANF reagierte gemeinsam mit der Organisation Cuba Independiente y Democrática (CID), geführt von Huber Matos, außerdem mit der Brigada 2506 unter der Führung von Felix Rodriguez und der Unidad Cubana mit Armando Pérez Ruora an der Spitze enttäuscht und ablehnend auf die bilateralen Vereinbarungen. Die Vereinigten Staaten führten in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre Gespräche mit China, um die wirtschaftlichen Beziehungen zur Volksrepublik weiter auszubauen. Die bilaterale wirtschaftliche Zusammenarbeit mit China, über 11 000 Kilometern von den USA entfernt, kontrastierte mit der Haltung zu Kuba, das nur 144 Kilometern von den Vereinigten Staaten getrennt ist. Die USA kooperierten auf der Basis der bilateralen Partnerschaft mit China, ohne dies an entscheidende Bedingungen zu knüpfen, obwohl die Volksrepublik und Kuba dasselbe politische System haben: „We’re going to work together and establish cooperation, not conflict, as the model for U.S.-China relations in the 21st century“295, so Clinton über die Zusammenarbeit mit China. Der Präsident sah die Anwendung des CDA auch als Möglichkeit und Instrument für eine graduelle Annäherung in den bilateralen Beziehungen. Durch den Abschuss zweier Privatflugzeuge der Organisation Brothers to the Rescue von kubanischer Seite aus wurde diese Entwicklung jedoch gebremst.296 Die genannte Gruppe hatte sich 1991 gegründet, um Kubaner auf hoher See zu retten, und verfügt über kleine Flugzeuge, mit denen nach eigenen Angaben bis heute mehr als 2 400 Suchmissionen gestartet worden sind.297 Die Organisation warf bei mehreren Flügen über Kuba Propagandablätter mit dem Namen der Gruppe und der Beschreibung ihrer Aufgabe aus der Luft ab. Damit provozierte die Gruppe nicht nur die kubanische Regierung, sondern ermutigte auch die Kubaner, das Wagnis einer Flucht auf dem Seeweg einzugehen.298 Wegen der ablehnenden Haltung zu den Migrationsvereinbarungen versuchte diese Organisation, durch ihre Aktionen die Öffentlichkeit zu gewinnen, um auf dieses Thema Einfluss zu nehmen. Sowohl Radio als auch Fernsehen Marti dienten als Instrumente, um über die Tätigkeiten der Gruppe zu berichten, die letztendlich die illegale Immigration in die USA förderten.299 Die Regierung in Havanna hatte sich innerhalb eines Jahres bis zum Abschuss mehrmals über die Verletzung ihrer Hoheitsrechte beschwert. Nachdem die Aktionen aber nicht gestoppt worden waren, schoss Kuba am 24. Februar 1996 zwei Flugzeuge der Organisation ab. Dies war für die einflussreichen Cubano-Americanos ein geeigneter Anlass, die USRegierung unter Druck zu setzen, um die Verabschiedung eines Gesetzes zur Verstärkung der Sanktionen gegen die Insel zu erreichen, das als Entwurf von dem republikanischen Abgeordneten Jesse Helms eingeführt worden war. Der bereits bestehende CDA erfüllte zu diesem Zeitpunkt in Bezug auf die Position zu Kuba zwei Funktionen: erstens eine Ver295 Siehe dazu CLINTON 1997. Die Kooperationsanstrengungen der USA zu China werden als Resultat interner Faktoren wie der Aktion von Interessengruppen, der öffentlichen Meinung oder der Bürokratie und nicht allein als Ergebnis der Anpassung von Interessen auf staatlicher Ebene angesehen; siehe ROSS 1998: S. vii. 296 Clinton formulierte die Disposition zu einer Annäherung wie folgt: „I was working on that until they shot those two planes down […] We’re at an impasse now“; siehe CLINTON 1997: S. 1520. 297 Siehe dazu die eigenen Angaben der Organisation: HR 2006. 298 In einem internen Bericht der CIA wurde diese Situation als ein „Balanceakt mit der Sicherheit“ bezeichnet; außerdem wurde die Verteilung von Propagandablättern über dem Hafen von Havanna, von der auch Bilder existieren, bestätigt; siehe dazu CIA 2003. 299 Siehe CIA 2000: S. 4.
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schärfung der Sanktionen gegen die Insel und zweitens die Positionierung der Kubafrage auf hohem politischem Niveau in den Vereinigten Staaten. Anfang 1996 konnten die Cubano-Americanos die Unterzeichung des Cuban Liberty and Democratic Solidarity (Libertad) Act, eher bekannt als das Helms-Burton-Gesetz, durchsetzen.300 Clinton hatte vor dem Abschuss der beiden Flugzeuge nicht die Notwendigkeit einer Verschärfung der Gesetze gegen Kuba gesehen und war der Überzeugung gewesen, dass allein der CDA befriedigende Ergebnisse erzielen würde. „I don’t know why we need any more legal authority than we already have“, antwortete Clinton noch im April 1995 auf die Frage, ob er die verschärfenden Maßnahmen gegen die Insel für nötig halte.301 Zwei Tage nach dem Abschuss der Flugzeuge reagierte Clinton jedoch mit der Ankündigung einer Verschärfung der Sanktionen durch die Unterstützung des Helms-Burton-Gesetzes.302 Fünf Tage später proklamierte er den National Emergency bezüglich Kubas. Dabei sollte allen ungenehmigten Booten das Betreten des kubanischen Seegebiets untersagt werden. Clinton erkannte durch die Reaktion auf die Provokationen der Organisationen aus Miami die Bereitschaft Kubas, seine Souveränität zu verteidigen, und stufte die Aktionen der Cubano-Americanos als eine Gefahr für die Bürger der USA und vor allem als eine Störung der internationalen Beziehungen ein.303 Trotzdem unterzeichnete Clinton am 12. März 1996 eine leicht modifizierte Version des Gesetzes und sicherte sich somit die Stimmen der Cubano-Americanos in Florida für die Präsidentschaftswahlen im November desselben Jahres.304 Die Politik der USA wurde jedoch in der zweiten Periode der Clinton-Administration nicht kontinuierlich durch die Regelungen des neuen Gesetzes bestimmt. Acht Wochen nach dem Besuch von Papst Johannes Paul II. in Kuba flexibilisierte Clinton im März 1998 die angewandten Sonderregelungen gegenüber Kuba als Reaktion auf die Papstvisite und lockerte die Reisegenehmigungen und die Einfuhrerlaubnis für humanitäre Güter. Im Januar 1999 wurden direkte Charterflüge eingerichtet und die Lizenzvergabe für Geldsendungen von CubanoAmericanos an Familienangehörige in Höhe von 1 200 US-Dollar im Jahr ermöglicht. Auch der Verkauf von Arzneimitteln und medizinischen Geräten wurde erleichtert, ebenso der Kontakt zwischen Wissenschaftlern sowie Kultur- und Sporteinrichtungen beider Länder. Für Clinton hatten hierbei vier Aspekte Priorität: Erstens sollte der Druck auf einen demokratischen Wechsel erhöht, zweitens humanitäre Hilfe vereinfacht werden, um die Zivilgesellschaft zu stärken, und drittens wurde eine Internationalisierung der Situation in Kuba verfolgt, um gemeinsame Anstrengungen für Veränderungen zu starten. Der vierte Aspekt bezog sich auf die Sicherung der bilateralen Stabilität zwischen beiden Ländern, damit die Immigration von Kubanern in legale Bahnen gelenkt werden konnte.305 Neben der Gesetzeslockerung mit seinen positiven Auswirkungen kam es gegen Ende der Clinton-Administration noch zu einem Streitfall zwischen den Cubano-Americanos und der kubanischen Regierung, bei dem das Schicksal von Elian Gonzales politisiert wurde. Der 300 Das Gesetz wurde von dem Senator Jesse Helms und dem Kongressabgeordneten Dan Burton eingebracht. Die wichtigsten Aspekte des Gesetzes und die Analyse desselben im Kontext der aktuellen Position der Cubano-Americanos zu den Beziehungen zu Kuba werden in Kapitel IV, 2.1 dieser Arbeit behandelt. 301 Clinton setzte sich zu diesem Zeitpunkt für eine vorsichtige Annäherung der Kubaner auf beiden Seiten ein. Er verteidigte deshalb die Maßnahmen zur Verbesserung der Telefonverbindungen und sah dies als eine positive Entwicklung; siehe CLINTON 1995: S. 533. 302 Siehe dazu CLINTON 1996: S. 339. 303 Siehe CLINTON 1996a: S. 350. 304 Siehe dazu CLINTON 1996b: S. 433f. 305 Siehe CLINTON 1998: 412f.; CLINTON 1999: S. 7f.
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II Historische Kontextualisierung der Interessengruppen
fünfjährige Junge hatte seine Mutter verloren, die mit zehn weiteren Personen bei dem Versuch, über den Seeweg in die USA zu immigrieren, ertrunken war, während das Kind mit zwei weiteren Personen von der US-amerikanischen Küstenwache gerettet worden war. Der Vater bestand als Sorgeberechtigter auf die Rückführung seines Sohnes nach Kuba. Da die Familienangehörigen in Miami das Kind behalten wollten, obwohl die US-Migrationbehörde (INS – Immigration and Naturalization Service) und die US-amerikanischen Gerichtsbeschlüsse eine Rückführung angeordnet hatten, musste ein Polizeieinsatz die Freigabe des Jungen erzwingen. Die Cubano-Americanos hatten die Ablehnung dieses Einsatzes während der Präsidentschaftswahlen im Jahr 2000 geäußert und dies soll den Demokraten die Wiederwahl gekostet haben.306 Die mediale Resonanz des Falles in der ersten Hälfte des Jahres 2000 war in beiden Ländern sehr groß und ließ das Thema zum Politikum werden. Clinton hatte in erster Linie beabsichtigt, sich an die bilateralen Migrationsvereinbarungen mit Kuba zu halten, und sah vor, den Fall nur über diesen Weg zu lösen.307 Zwischen 1997 und 1998 wurden insgesamt 51 000 kubanische Immigranten registriert. Von den 17 375 eingereisten Kubanern im Jahr 1998 siedelten sich allein in Florida 14 265 Personen (81%) an. Die kubanische Bevölkerung in den USA wuchs somit auf über 1,3 Mio. Personen an, von denen 74% im Süden lebten.308 Durch die kontinuierliche Zunahme und Konzentration kubanischer Immigranten in dieser Region ist in dieser ethnischen Gruppe ein Potential vorhanden, das entscheidende Auswirkungen auf die Präsidentschaftswahlen hat. Die Stimmen der Cubano-Americanos sollen deshalb gewonnen werden. Diese Realität ist den beiden US-amerikanischen Großparteien bewusst. Die Wichtigkeit Floridas bei den Präsidentschaftswahlen im November 2000 bestätigte sich, als die Republikaner durch den Sieg von George W. Bush erneut das Weiße Haus eroberten.
II.3.3 Die Regierung George W. Bushs von 2001 bis heute Mit der Administration Georg W. Bushs erhielten die Cubano-Americanos einen Präsidenten, mit dem sie nicht nur eine politische Affinität verband, sondern der auch mit der Überzeugung und Entschiedenheit dafür eintrat, während seiner Legislatur einen Wechsel auf Kuba herbeizuführen. Kurz nach seinem Regierungsantritt empfing der Präsident im Mai 2001 zusammen mit den aus Kuba stammenden Kongressabgeordneten Lincoln Diaz-Balart und Ileana Ros-Lehtinen sowie dem Sekretär für Housing and Urban Development Mel R. Martinez Vertreter der Cubano-Americanos aus der Kultur- und Musikbranche im Weißen Haus, die ihn in seiner Wahlkampagne unterstützt hatten. Zu den Gästen behörten Gloria Estefan, Angel Cuadra und Lizebet Martinez. Condoleezza Rice, die zu diesem Zeitpunkt noch als Sicherheitsberaterin fungierte, war bei dem Treffen auch anwesend. Die Zusammenkunft zeigt die Verbundenheit und freundschaftliche Beziehung der Familie Bush zu den einflussreichsten 306 Vgl. JUSSAWALLA 2003: S. 136f. 307 Es gibt keinen anderen Fall, der die emotionale Trennung und Uneinigkeit zwischen den Kubanern in Miami und auf der Insel so deutlich gezeigt hat wie der von Elian Gonzales. Die Radikalität der Gruppen in Miami führte dazu, dass das Kind durch einen Polizeieinsatz befreit werden musste. Auf diese Weise setzte Clinton potentiellen Auswanderern, die auf illegalem Weg in die USA gelangen wollten, ein Signal. An diesem Präzedenzfall orientierte sich die Einwanderungspolitik der Vereinigten Staaten in den kommenden Jahren. Aus diesem Grund war Clinton auch bereit gewesen, einen Polizeieinsatz zu genehmigen; vgl. CLINTON 2000: S. 760f. 308 Siehe US-BC 2001: S. 11f. u. 24.
II.3 Die Kubapolitik der USA nach dem Ende des Ost-West-Konflikts bis 2007
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Sektoren der Cubanos-Americanos in Florida. Nach den Worten des Präsidenten sollte gemeinsam nach Wegen gesucht werden, um den Wechsel auf Kuba zu beschleunigen: „[…] of how together we can hasten that future’s arrival.“ Bush brachte diese Zusammenarbeit mit folgendem Satz auf den Punkt: „Mi Casa Blanca es su Casa Blanca“ (Mein Weißes Haus ist euer Weißes Haus).309 Der Präsident verteidigte die Sanktionen nicht als politisches Instrument der USA, sondern als eine moralische Haltung. Er versprach, jedem Versuch zur Lockerung des Embargos entgegenzutreten, außerdem kündigte er an, neue technologische Möglichkeiten zu nutzen, um im Informationsbereich das Monopol der kubanischen Regierung zu brechen. Bush wusste um die Wichtigkeit Floridas für seine Wahlkampagne. In Miami, wo sein Bruder Jeb Bush bis Januar 2007 Gouverneur gewesen war, sieht Bush die internationale Hauptstadt Mittel- und Südamerikas.310 Nach dem Ereignis vom 11. September 2001 wurde Kuba innerhalb der außenpolitischen Wahrnehmung der Bush-Administration als „state-sponsor of terrorism“311 eingeordnet und beschuldigt, die bilateralen Beziehungen destabilisieren zu wollen.312 Somit haben die Beziehungen in der damaligen Amtszeit von Bush einen Tiefpunkt erreicht. Im April 2006 wurde Kuba im Kontext des von den USA geführten internationalen Kampfes gegen den Terrorismus als großer Investor der Biotechnologie eingestuft. Die Vereinigten Staaten stellten damit die Vermutung an, dass die Insel im Besitz eines „offensive biological weapons program“ sei.313 Diese Annahme wurde auf internationaler Ebene entkräftet und fand keine bedeutende Resonanz. Auch der ehemalige US-Präsident James E. Carter kritisierte bei seinem Kubabesuch im Mai 2002 diese Behauptung und plädierte darüber hinaus für eine Verbesserung der bilateralen Beziehungen.314 Dennoch nutzten die USA diese Annahme als Diskreditierungskampagne und Argument für eine weitere Anwendung und Aufrechterhaltung der Sanktionen. Kuba reagierte auf die US-amerikanische Behauptung, indem es eine bilaterale Kooperation in den Bereichen Drogenbekämpfung, Migration und eine Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus anbot. Weder William Clinton noch George W. Bush konnten letztendlich mit Sicherheit bestätigen, ob Kuba eine Station für den Kokain- und Heroinschmuggel in die USA war, und somit wurde die Insel nicht auf die Liste der Routenländer des illegalen Handels gesetzt. Den USA sind die 29 bilateralen 309 Georg W. Bush lud zu Beginn seiner Präsidentschaft und zwei Tage vor dem kubanischen Unabhängigkeitsfeiertag eine Gruppe von Cubano-Americanos ein und kündigte an, wie traditionell auch die anderen Präsidenten zuvor, das Embargo beizubehalten. Der spanische Spruch „Mi casa es tu casa“ möchte dem Gast verdeutlichen, dass er sich wie ein Familienangehöriger zu Hause fühlen soll. Bush sagte dies auf Spanisch, fügte aber „Blanca“ hinzu; er meinte somit das Weiße Haus. Siehe BUSH 2001a: S. 548f. 310 Die Verbindung der Familie Bush zu den cubano-amerikanischen Führungspersonen in Florida hat sich im Lauf der Bush-Administration immer wieder bestätigt; siehe BUSH 2001b: S. 610. 311 Siehe dazu BUSH 2005: S. 283. 312 Um Sabotageakte organisierter Gruppierungen aus Miami zu verhindern, unterwanderte der kubanische Geheimdienst fünf cubano-amerikanische Organisationen, um Informationen über terroristische Pläne gegen die Insel zu gewinnen. Das FBI nahm Ende 1998 zehn Agenten fest, von denen fünf in einem Gerichtsprozess in Miami zu zweimal lebenslänglich verurteilt wurden; siehe dazu CARDOZO 2002: S. 2; siehe auch ICAP 2002: S. 11-21. Der Präsident des kubanischen Parlaments, Ricardo Alarcón de Quezada, äußerte in einem Gespräch, dass das Urteil gegen die fünf Kubaner in Florida ungerecht sei. Die kubanische Regierung betrachtet deshalb die fünf Inhaftierten als politische Gefangene. Nach Alarcón hat Kuba die Aufgabe, die amerikanische Öffentlichkeit über den Fall zu informieren. Das Gespräch wurde von mir am 27. Juni 2002 in Havanna geführt. 313 Siehe US-DS 2006. 314 Siehe die Stellungnahme Carters während seines Besuchs in Havanna zu den Vorwürfen gegen Kuba, in: CASTAÑEDA 2002: S. 8f.
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II Historische Kontextualisierung der Interessengruppen
Abkommen Kubas im Kampf gegen den Rauschgifthandel bekannt, Großbritannien und Frankreich haben sich sogar bei der Ausbildung von kubanischem Personal zur Drogenbekämpfung beteiligt.315 „Cuba must change […]“, kündigte Bush im Oktober 2003 an, nachdem die Regierung in Havanna im April 75 Dissidenten festnehmen ließ. Der Präsident sah eine Implementierung von Maßnahmen gegen Kuba vor, darunter Restriktionen für Reisen und Geldsendungen. Außerdem verstärkten die USA die Kontrolle amerikanischer Staatsbürger, die über Drittländer nach Kuba einreisten. „I’ve instructed the Department of Homeland Security [Anm.: zu diesem Zeitpunkt von Mel Martinez geführt] to increase inspections of travelers and shipments to and from Cuba“, erklärte der Präsident.316 Die Migration von Kubanern in die Vereinigten Staaten ist auch unter dieser Administration eine wichtige Frage der bilateralen politischen Agenda geblieben. Diese Auseinandersetzung wird von Havanna als Destabilisierungsmechanismus eingeordnet. Bush macht die Migration zum politischen Instrumentarium, um Kubaner durch Informationskampagnen im Süden Floridas und auf der Insel dazu zu animieren, das Land zu verlassen. „We will increase the number of new Cuban immigrants we welcome every year“, versprach Bush 2003.317 Im Mai 2004 richtete der Präsident die Commission for the Assistance to a Free Cuba (CAFC) ein.318 Die Kommission gibt Empfehlungen für sofort einzusetzende Maßnahmen, um den Systemwechsel in Havanna zu beschleunigen. Da durch die wirtschaftlichen Sanktionen gegen Kuba das postulierte Ziel eines Systemwechsels nicht erreicht wurde, obwohl die Maßnahmen kontinuierlich verschärft worden waren, optierte die Exekutive für die Anwendung neuer Sanktionen, die über die schon angewandten Gesetze (CDA und HelmsBurton Act) hinausgehen sollten, um den politischen Übergang auf der Insel nach dem Tod Fidel Castros zu koordinieren. Diese Position offenbart die Überzeugung auf USamerikanischer Regierungsebene, dass ein Wechsel auf der Insel zu Lebzeiten Fidel Castros oder auch nach dem gegenwärtigen Verzicht seines politischen Postens nicht ohne weiteres zu erwarten ist. Die CAFC wird direkt vom Außenministerium, bis 2005 unter der Führung Colin Powells, der dann durch Condoleezza Rice abgelöst wurde, geleitet. Bis März 2004 beteiligte sich daran auch das U.S. Department of Housing and Urban Development unter der Führung des Cubano-Americano Mel Martinez. Bush integrierte 2005 den Handelsminister Carlos Gutierrez, ebenfalls Cubano-Americano, in die CAFC. Er und die Außenministerin ersetzten somit die Ämter von Powell und Martinez. Gutierrez und Rice waren für die Koordination der Maßnahmen gegen Kuba und die Berichterstattung an den Präsidenten über deren Verlauf zuständig.319 Die Strategie einer Internationalisierung der Lage auf Kuba, die auch von Präsident Clinton verfolgt worden war, wurde als eine der wichtigsten Aufgaben der Bushadministration angesehen, um eine internationale Koalition zur Isolierung Kubas zu bilden. Um die Sendefrequenz von TV-Martí zu erhöhen, wurde ein USSatellitenservice eingerichtet und der Einsatz einer Flugmaschine (Commando Solo) mit 315 Im Kampf gegen den Drogenhandel starteten die USA in Südamerika Programme, darunter den sog. Plan Colombia, um auch dem eigenen Drogenkonsum in den Vereinigten Staaten entgegenzuwirken; siehe dazu CARDOZO 2002a: S. 8f. 316 Bush kündigte den Cubano-Americanos, darunter auch Ileana Ros-Lehtinen, die Einführung verschiedener Maßnahmen gegen Kuba an; siehe BUSH 2003: S. 1293. 317 Ebd., S. 1294. 318 Die Maßnahmen der Kommission werden in Kapitel IV, 3 separat behandelt, da sie im Kontext der zentralen Kategorien der Analyse als Prüfinstrumente verstanden werden. 319 Zu dem aktuellsten Bericht siehe RICE/GUTIERREZ 2006.
II.3 Die Kubapolitik der USA nach dem Ende des Ost-West-Konflikts bis 2007
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einem Transmissionssystem für Sendungen aus Miami genehmigt. Auch wurden Propagandamaterial und Radios für den Empfang von Radio Martí auf Kuba verteilt. Durch diese Maßnahmen wollte sich Bush 2004 die Stimmen in Florida für die Verlängerung seiner Administration sichern. Bush rechnete auch bei seiner Kampagne für die zweite Legislaturperiode mit den Geldspenden aus Florida und war zuversichtlich, dass er die Stimmen der Cubano-Americanos für sich gewinnen würde. „We have raised a lot of money, and I want to thank you for that“, sagte Bush bei einer Zusammenkunft mit Cubano-Americanos in Miami.320 Unterstützung bei seinem Wahlkampf bekam er nicht nur von seinem Bruder, sondern auch von den drei Kongressabgeordneten kubanischer Abstammung Ileana RosLehtinen, Mario Diaz-Balart und dessen Bruder Lincoln Diaz-Balart, die ihre politische Karriere während der Reagan-Administration gestartet hatten. Der wiedergewählte Präsident brachte mit der Ernennung des republikanischen Senators Mel Martinez als Secretary of Housing and Urban Development in seinem Regierungskabinett seine Anerkennung für die Unterstützung der Cubano-Americanos während des Wahlkampfes zum Ausdruck. Martinez tritt bis heute für eine Rückgabe des beschlagnahmten Besitzes der Cubano-Americanos durch die Regierung in Havanna ein. Diese Zielsetzung befindet sich im Helms-Burton Act, an dem Bush festhält. Er verteidigt die darin verankerte Grundhaltung, die seit fast einem halben Jahrhundert besteht, als „[…] the right policy for the United States“, im Gegensatz zur UN, die das Embargo verurteilt.321 Im Oktober 2007 stimmten in der UN-Generalversammlung von insgesamt 192 Ländern 184 für die Aufhebung des Embargos. Dieses eindeutige Ergebnis bestätigt die Position der UN. Die Stimmen haben sich im Lauf der Jahre kontinuierlich erhöht, denn 1992 waren nur 59 Länder für eine Aufhebung gewesen.322 Zusätzlich zu den Sanktionen unterstützen die USA den Aufbau und die Finanzierung der Opposition in Kuba, um aus Bushs Sicht „accelerating the democratic transition of Cuba.“323 Dies hat während seiner Administration innerhalb und außerhalb Kubas zu einer Proliferation von Organisationen geführt, da ihnen direkte finanzielle Mittel zukommen, um die Opposition aufzubauen.324 Im Jahr 2006 empfahl die CAFC den Einsatz von 80 Millionen US-Dollar für den Zeitraum von zwei Jahren, um die Zivilgesellschaft auf Kuba aufzubauen, Programme für die Kinder der Dissidenten zu entwickeln und darüber hinaus die Arbeit im Internet zu intensivieren. Die Erkrankung Fidel Castros und die Übergabe der Regierungsgeschäfte an seinen Bruder Raul Castro im August 2006 weckten bei der Bush-Administration einen Aktionismus zur Koordinierung der Kubapolitik. Dafür richtete Bush eine interagierende Gruppenarbeit zwischen dem Außenministerium, das für diplomatische Angelegenheiten zuständig ist, um internationale Unterstützung für die Kubapolitik zu gewinnen, und dem Handelministerium ein. Letzteres bereitet unter der Leitung von Carlos Gutierrez ein humanitäres Hilfsprogramm im Falle eines demokratischen Übergangs vor. Bei der Zusammenarbeit beteiligen sich auch das U.S. Department of Homeland Security, das für Migrationsfragen 320 Siehe BUSH 2003a: S. 718. 321 Trotz der Schwierigkeiten, die das Gesetz ausländischen Handelspartnern der USA mit sich bringt, sieht Bush keinen Handlungsbedarf. Bei seinem Besuch in Spanien 2001 bestätigte er seine Position; siehe BUSH 2001c: S. 642. 322 Die letzte Abstimmung wurde am 30. Oktober 2007 in der UN-Generalversammlung gemacht. Gegen die Aufhebung waren nur die USA, Israel, Palau und die Marshall-Inseln; siehe dazu UN 2007. 323 Bush wollte auch gegen einen „excessive travel“ von Personen nach Kuba vorgehen sowie die Geldsendungen von Cubano-Americanos an ihre Familienangehörigen regulieren; siehe BUSH 2001d: S. 848f. 324 Die Organisationen werden in Kapitel III dieser Studie behandelt.
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II Historische Kontextualisierung der Interessengruppen
zuständig ist, und der Nachrichtendienst (National Intelligence Agency), der unter der Leitung von John Negroponte den Informationszufluss und die Analyse der Entwicklung von Kuba und Venezuela koordiniert. Die Zusammenarbeit der verschiedenen Ministerien hängt vor allem mit der Befürchtung einer ähnlichen Migrationswelle wie in den 1980er oder Mitte der 1990er Jahren zusammen. Diese Prognose spiegelt sich in den Zahlen der von der US-Küstenwache festgenommenen Kubaner wider. Im Jahr 2002 waren 931 Personen aufgegriffen worden, bis September 2007 waren es schon 2 868 Personen. Bemerkenswert hierzu sind die Zahlen der illegalen Immigrationsversuche zwischen Oktober 2006 und März 2007: 977 Personen aus Haiti, 922 aus der Dominikanischen Republik und 894 aus Kuba. Seit 2003 ist die Zahl der Dominikaner (14 854) sogar viel höher als die der Kubaner (11 170). Auch wanderten seit 1982 fast doppelt so viele Haitianer als Kubaner aus (111 352 Haitianer im Vergleich zu 63 890 Kubanern).325 Die illegale Immigration bestätigt sich als ein allgemeines Problem in der Region, wobei die Kubaner in der Wahrnehmung der US-Administration aber nicht aus wirtschaftlichen, sondern aus politischen Gründen fliehen und durch den Cuban Adjustment Act von 1966 bevorzugt werden, da sie im Gegensatz zu anderen ethnischen Minderheiten innerhalb eines Jahres, nachdem sie US-amerikanischen Boden betreten haben, den Resident Status erhalten können. Der Menschenzufluss hat zu einer neuen Problematik geführt, da Aktivitäten von Menschenschmugglern in der Region Florida zugenommen haben.326 Bush kündigte im Oktober 2007 weitere Maßnahmen gegen Kuba an, um die Insel auf einen Übergang vorzubereiten, und bemühte sich um eine Internationalisierung der Kubafrage. Diese Position vertraten auch die US-Präsidenten seit Reagan. Die Einrichtung eines internationalen Fonds ist eine neue US-Strategie, um die Ökonomie der Insel nach einem Wechsel aufzubauen.327 Die kubanische Regierung schätzt den US-amerikanischen Aktivismus Bushs unter Berücksichtigung seiner nur noch kurz anhaltenden Regierungszeit als „gefährlich“ ein und konstatiert eine Eskalation in der Kubapolitik. Nach den Worten des kubanischen Außenministers führt dies dazu, „[…] dass wir kontinuierlich unsere Verteidigung verstärken und das Volk vorbereiten müssen, um gegen die gefährlichen Pläne dieses Regimes [Anm.: der US-Regierung] gewappnet zu sein.“328 Die aktive Gestaltung der US-amerikanischen Kubapolitik muss im Rahmen der geleisteten Arbeit cubano-amerikanischer Interessengruppen interpretiert werden. Die hier ausgeführte historische Darstellung der bilateralen Beziehungen im Kontext der kubanischen Migration und die geographische Positionierung sowie Integration der Gruppen in die gesellschaftlichen und politischen Strukturen der USA liefern die Grundlage, um im nächsten Kapitel die Komplexität des Präferenzbildungsprozesses bei der Konzipierung der USamerikanischen Kubapolitik erfassen und analysieren zu können. Dafür ist es notwendig, die Funktionalität, den Aktionsmodus, die Parteiaffinität, politische Mobilität und Medienstärke der zentralen Akteure sowie den tatsächlichen Zugang zu den Entscheidungsträgern in der Außenpolitik zu beleuchten, um den Einfluss der Gruppen bestimmen zu können.
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Siehe dazu US-CG 2007. Siehe VALERINO 2006. Siehe die Ankündigung von Bush, in: BUSH 2007. Siehe die Stellungnahme des kubanischen Außenministers Felipe Pérez Roque zu den angekündigten Maßnahmen der US-Regierung: PÉREZ-ROQUE 2007.
III Zentrale Akteure und der Präferenzbildungsprozess
Ausgehend von den Funktionsmechanismen im Prozess der politischen Willensbildung in den Vereinigten Staaten werden in diesem Kapitel die kubanischen Interessengruppen innerhalb dieser gesellschaftlichen und politischen Strukturen ausführlicher betrachtet. Bei der Behandlung des Themas steht nicht eine deskriptive Darstellung der Gruppen im Mittelpunkt. Vielmehr werden unter Berücksichtigung des historischen Hintergrunds der Entstehungs- und Interaktionsprozess kubanischer Interessengruppen innerhalb der USamerikanischen Gesellschaft und die Auswirkung ihres Agierens auf die außenpolitische Entscheidungsbildung der Vereinigten Staaten geprüft. Dadurch findet meines Erachtens die Interpretation der bilateralen Beziehungen nach der Wende im internationalen System ein plausibles Erklärungskonzept, das den historischen Kern des Konflikts und die Dynamik der Eskalation bzw. Deeskalation in der Relation beider Länder für das politische Verständnis zugänglicher macht. Berücksichtigt wird dabei die Verbindung bzw. Vernetzung der zu untersuchenden Gruppen mit denen, die innerhalb des kubanischen Systems agieren, und deren Einbettung in den internen amerikanischen Prozess des politischen Entwurfs gegenüber Kuba. Für die vorliegende Analyse werden die zentralen Akteure auf zwei Ebenen, der internen und externen, bestimmt:
a) Interne Ebene Die zentralen Akteure auf interner Ebene sind die kubanischen Interessengruppen innerhalb der USA. Sie werden in konservative, militante und moderate Gruppen eingeteilt. b) Externe Ebene Auf externer Ebene werden die auf Kuba agierenden Dissidenten bzw. Oppositionsgruppen kategorisiert. Dazu zählen das sog. Proyecto Varela (Varela-Projekt) und die Gruppe Todos Unidos (Alle Vereint). Für das Verständnis der Interaktion zwischen den kubanischen Gruppierungen und ihres funktionellen Charakters sowie ihrer Anpassungsfähigkeit und ihres erfolgreichen Agierens ist die Betrachtung dieser Organisationen innerhalb des amerikanischen politischen Systems auf der Grundlage seiner konstitutionellen Strukturen im Hinblick auf den politischen Präferenzbildungsprozess unabdingbar. Zuvor werden die Gruppen in den folgenden Unterpunkten vorgestellt.
III.1 Die kubanischen Interessengruppen in den Vereinigten Staaten von Amerika Der Einfluss von politischen Interessengruppen auf die Gestaltung der US-amerikanischen Regierungsagenda ist eine der ältesten Thesen für das Verständnis der innenpolitischen
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III Zentrale Akteure und der Präferenzbildungsprozess
bzw. außenpolitischen Entwürfe seit der Gründung der US-amerikanischen Nation. Es gibt keinen anderen Staat, in dem Interessengruppen so stark in die Regierungsangelegenheiten involviert sind. Dies wird durch die in der Verfassung verankerte und garantierte Meinungs- und Redefreiheit sowie die Freiheit des freien Zusammenschlusses von Interessen gesichert und fördert dadurch auch die Gründung von Gruppierungen. James Madison verteidigte in The Federalist (Nr. 10) das Verfolgen eigener Interessen als einen natürlichen menschlichen Vorgang: „The latent causes of factions are in the nature of man […] By a faction, I understand a number of citizens, whether amounting to a majority or minority of the whole, who are united and actuated by some common impulse of passion, or of interest, adverse to the rights of other citizens, or to the permanent and aggregate interests of the community.“329 Die Factions (Madisons Begriff für politische Interessengruppen) haben das Potential, Macht und Kontrolle über die Regierung zu gewinnen und dadurch die Politik zu Gunsten ihrer eigenen Interessen zu beeinflussen. Für die funktionale Klärung der Strategien von Interessengruppen ist an dieser Stelle anzumerken, dass die Frage, ob eine gerechte Balance zwischen dem gewonnenen Einfluss von starken Gruppen mit guter Organisation und dem Einfluss weniger gut organisierter und schwacher Gruppierungen vorhandeln ist, in den folgenden Abschnitten nicht gestellt wird.330 Die Interessengruppen werden hier als erste Adresse für die Bürger auf der Suche nach der Verwirklichung spezifischer Ziele verstanden. Sie haben deshalb oftmals eine verbindende Funktion zwischen den Bürgern und der Regierung. Das System der USA begünstigt den Einfluss auf die Politikgestaltung in der Weise, dass es je nach Interessenkonstellation die Entfaltung dieser Organisationen begünstigt.331 Der Zugang der Interessengruppen zu den Entscheidungsträgern in den USA unterscheidet sich zu dem in parlamentarischen Regierungssystemen, da dort der Einfluss besser strukturiert und zentralisiert ist – dies bedeutet jedoch nicht, dass die Gruppierungen deshalb weniger Einfluss ausüben können.332 Das Agieren von Interessengemeinschaften ist ein immanentes Element und eine Erscheinungsform des US-amerikanischen Präferenzbildungsprozesses. Seit der Staatsgründung nahmen sie immer wieder am politischen Leben teil. In der Geschichte der USA gab es bei der Entstehung politischer Interessengruppen mehrere Entwicklungswellen. Während des ersten Bürgerkriegs von 1830 bis 1860 gab es Gruppen gegen die Immigrationspolitik, gegen die Antikatholiken und die Abolitionisten. Die zweite Welle entwickelte sich während der Industrialisierung zwischen 1880 und 1920. Es formierten sich Gruppierungen, die für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen eintraten – darunter die American Federation of Labor oder die Knights of Labor. Darüber hinaus expandierten gegen Ende dieser Periode Handelsorganisationen wie die U.S. Chamber of Commerce, die National Association of Manufacturers oder die American Farm Bureau Federation. Sie konnten sich alle durch die Fortschritte in Technologie und Kommunikation vernetzen und ihre Interessen organisie329 Siehe MADISON 1857: S. 43. 330 In der Forschungsliteratur über die Interessengruppen in den Vereinigten Staaten wird oft der Frage nach dem Gleichgewicht des Einflusses dieser Zusammenschlüsse auf die Politik nachgegangen, da sie sich oft auf Kosten der Interessen der Allgemeinheit politisch durchsetzen können. Die Auseinandersetzung mit den organisierten Interessen ist von diesem Zusammenhang geprägt, der als „Madison-Dilemma“ verstanden wird; siehe Kap. I, in: BERRY/WILCOX 2007: S. 1-14. 331 Durch die Interessen der Vereinigten Staaten im amerikanischen Kontinent und deren postuliertes Ziel der Demokratisierung Kubas eröffnen sich für die Organisationen der Cubano-Americanos innerhalb des politischen Systems Handlungsspielräume. Dies kann innerhalb der Demokratietheorie als „gate opening to democratic efforts“, wie einige Autoren es nennen, eingeordnet werden; siehe dazu LINZ/STEPAN 1996: S. 73. 332 Vgl. WEAVER/ROCKMAN 1993: S. 28.
III.1 Die kubanischen Interessengruppen in den Vereinigten Staaten von Amerika
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ren. Die nächste große Welle politischer Interessengruppen bildete sich in den 1960er und 1970er Jahren im Rahmen der Proteste gegen den Vietnamkrieg. Durch die Gründung ziviler Organisationen in den verschiedenen sozialen Bereichen diversifizierten sich die politischen Aktionsziele dementsprechend. Es entstanden u.a. Organisationen wie der Congress of Racial Equality, La Raza, die National Gay Rights Organization und die National Organization for Women.333 Anfang der 1960er Jahre traten durch den Sieg der kubanischen Revolution und im Kontext des Kalten Kriegs die ersten kubanischen Organisationen auf, die von einem militärischen Aktionismus geprägt waren und vom amerikanischen Geheimdienst CIA unterstützt wurden. Darunter waren die Brigade 2506, Alpha 66, der Movimiento de Recuperación Revolucionaria (MRR), der Movimiento Demócrata Cristiano (MDC), der Directorio Revolucionario Estudiantil (DRE) sowie die Unión Revolucionaria (UR). Abgesehen von den antikommunistischen Organisationen wie der Coordinación de Organizaciones Revolucionarias Unidas (CORU) entstanden in den 1970er Jahren auch Organisationen zur Förderung der Forschung und Kultur, die sich bis heute mit dem Thema Kuba auseinandersetzen und für den kulturellen Austausch zwischen den beiden Ländern eintreten. Darunter befinden sich das Center for International Policy (CIP), das Center for Cuban Studies (CCS) oder das Cuban Friendship Committee (CFC). In den 1980er Jahren wurde mit großer Unterstützung der Reagan-Administration die Cuban American National Foundation (CANF) gegründet, die sich zu der stärksten und einflussreichsten kubanischen Organisation in den Vereinigten Staaten entwickelte. Im selben Zeitraum entstanden auch Organisationen wie die Cuban American Certified Public Accountants Association (CACPAA), die bis heute die Integration und Ausbildung der Cubano-Americanos im Verwaltungsbereich fördert und dabei u.a. von dem Unternehmen Bacardi unterstützt wird. Der Zusammenbruch der Sowjetunion und die daraus entstandene Demokratisierungswelle in den Ländern des Ostblocks wirkten sich auf die ideologische Ausrichtung neu entstandener kubanischer Gruppierungen in den USA aus; darunter befanden sich auch solche, die für eine friedliche Demokratisierung und Öffnung der Insel eintraten. Es fand eine Proliferation gemeinnütziger Organisationen in den Bereichen Menschenrechte und Demokratie, begünstigt durch finanzielle Mittel der US-Regierung, statt.334 Zu diesen Organisationen zählen u.a. der Directorio Democrático Cubano (DDC), die Cuba Study Group (CSG), der Dialogo Nacional (DN), Todos Cubanos (TC), die Hermanos al Rescate (HR), die Cuban Democratic Plattform (CDP), der Cambio Cubano (CC) und der Cuban Liberty Council (CLC), der sich aus einer Abspaltung früherer CANF-Mitglieder zusammensetzt. Durch ihre gewonnene Erfahrung in der politischen Formulierung zur Durchsetzung der eigenen Interessen können sich Gruppierungen wie beispielsweise der Cuban American National Council (CNC) auch für die Interessen anderer ethnischer Gruppierungen in Florida, die sich am Rande der Macht- und Entscheidungszentren befinden, einsetzen. Der CNC 333 Siehe dazu die Untergliederung der US-amerikanischen Organisationen in die Bereiche ziviles und individuelles Recht, Ideologie oder Religion; in: WAYNE/MACKENZIE 1995: S. 249f.; siehe auch die Ausführungen von Shapiro zu der Diskriminierung von Schwarzen in den politischen Strukturen der USA: SHAPIRO 2004: S. 91f. 334 Die erste Clinton-Administration fokussierte in ihrer außenpolitischen Agenda die Stärkung der Demokratie und den Schutz der Menschenrechte. Dafür ernannte der Präsident im Außenministerium zwei Sekretäre für die Bereiche Demokratie und Menschenrechte; siehe dazu WILSON III 1998: S. 245. Zur Diskussion über die sog. gemeinnützigen Organisationen als funktionale Interessengruppen siehe BERRY/ARONS 2003: S. 2446. Die US-Regierung teilte den kubanischen gemeinnützigen Organisationen, die im Bereich der Integrationsprogramme kubanischer Immigranten arbeiteten, im Fiskaljahr 2006 mehr als 10 Mio. US-Dollar zu. Diese Gelder werden von den Organisationen in manchen Fällen zweckentfremdet; siehe dazu GAO 2007.
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III Zentrale Akteure und der Präferenzbildungsprozess
beteiligte sich seit 1972 an der Koordinierung und den Support Services für mehr als 30 000 kubanische und haitianische Flüchtlinge in der Militärbasis von Guantánamo.335 Die einflussreichsten und mächtigsten Gruppierungen thematisieren strategisch die gesellschaftlichen Probleme anderer in der Öffentlichkeit, um dann in der konkreten Handlung ihre eigenen Interessen und Ziele in den Vordergrund zu stellen.
III.1.1 Kategorisierung der kubanischen Interessengruppen Die Ursprünge der kubanischen Gruppierungen, die sich innerhalb der USA gebildet haben, können nicht auf jene historischen Argumente der Organisationen reduziert werden, bei denen eine Annexion der Insel an den Nachbarn im Norden im vorrepublikanischen Kuba angestrebt worden war. Der amerikanische Boden war auch Ausgangspunkt unzähliger Aktionen sowohl kubanischer Individuen als auch Gruppen gewesen, die eine totale Unabhängigkeit der Nation von jeder fremden Macht verfolgten. Dazu zählt auch, dass die Kubaner die von den USA eingesetzten politischen Verbündeten nicht akzeptieren. Viele Gruppen bildeten sich außerdem, um die Korruption zu bekämpfen oder die Verzerrung der Idee einer unabhängigen Nation zu verhindern. Nach der Unabhängigkeit von Spanien lassen sich die Gruppen in zwei Hauptkategorien einordnen: Organisationen, die sich für die völlige Autonomie einsetzten, und solche, die sich an einer Annexion Kubas durch die USA orientierten. Für beide Richtungen waren die Vereinigten Staaten von Amerika der Ausgangspunkt ihrer Aktivitäten. Der Ursprung der heute existierenden Organisationen, wenn auch mit verschiedenen politischen Zielen und ideologischen Fundamenten, wurde jedoch durch die historische Tatsache der Revolution und durch die politischen Umwälzungen im internationalen System konditioniert. Auch wenn das Bild der Cubano-Americanos in der internationalen Wahrnehmung allmählich differenzierter wird, besteht in der Auseinandersetzung mit den kubanischen Einwanderungsgruppen seit mehr als 48 Jahren hauptsächlich die durch die konservative Exilliteratur beeinflusste Vorstellung einer kompakten und homogenen Gemeinschaft.336 Durch diese einseitige Betrachtung der Gruppen geraten relevante Indikatoren wie Bildungsniveau, Einkommen und andere soziodemographische Elemente wie Nationalität und Zeitpunkt der Einwanderung, die den Migrationsstatus, die Integrationschancen und die politische Partizipation prägen, in den Hintergrund.337 Meines Erachtens sind aber die politischen Tendenzen, die innerhalb dieser Gruppierungen entstehen, durch soziale, wirtschaftliche und ideologische Faktoren konditioniert. Die cubano-amerikanische Gemeinschaft spielt eine wichtige Rolle als aktives und politisch richtungweisendes Element in den bilateralen Beziehungen. Sie und ihr Einfluss sind auch durch die verschiedenen Phasen der 335 Siehe dazu CANC 2006. 336 Die aktiven politischen Gruppen in Miami werden ab den 1990er Jahren differenziert betrachtet, dabei werden unter den Menschenrechtsaktivisten und anderen kleinen Gruppierungen eher eine kompetitive Haltung und eine Fragmentierung in ihren Positionen zur Insel beobachtet; vgl. dazu DOMÍNGUEZ 1998: S. 199. 337 Die Miteinbeziehung soziodemographischer Daten verhilft zu einer zentralen Orientierung über die Fähigkeit der Gruppen, aktiv am politischen Leben in den Vereinigten Staaten teilzunehmen. In einigen Studien werden zudem das Bildungsniveau, der Berufsstatus und das Einkommen als wichtige Ressourcen der Individuen angesehen, mit denen sie konsequenterweise auch ganz unterschiedlich auf das US-politische System Einfluss nehmen können. Diese Faktoren auszublenden, würde ein verzerrtes Bild der politischen Aktivität der Gruppen liefern; siehe dazu WRIGHT 2003: S. 181.
III.1 Die kubanischen Interessengruppen in den Vereinigten Staaten von Amerika
107
Einwanderung, durch ihren Integrationsprozess und ihre politische und wirtschaftliche Kraft zu differenzieren. Gerade diesen Phasen wird hier eine zentrale Bedeutung beigemessen; sie werden als Indikatoren berücksichtigt, um die Gruppen einzuordnen und operationalisieren zu können. Eine Unterstützung hierfür erfolgt auf der Basis der durchgeführten Volkszählungen in den USA (Statistical Abstract of the United States) und der für diese Fallstudie durchgeführten Umfrage in politisch aktiven Organisationen in Florida.338 Es werden hier drei grundlegende Zeiträume unterschieden: Der erste umfasst die Zeitspanne von 1959 bis 1969, der zweite die zwischen 1970 und 1990 und der dritte, der für diese Analyse von besonderer Bedeutung ist, betrifft die Zeit von 1991 bis heute und wurde vor allem durch die Ereignisse in Osteuropa bestimmt. Es gilt zu klären, ob die Organisationen, die nach diesen Einwanderungswellen entstanden sind, die politischen Instrumente und Mechanismen des US-amerikanischen Systems zur Durchsetzung ihrer eigenen Interessen angewandt haben, um Einfluss auf die außenpolitischen Entscheidungen der Regierung im Weißen Haus zu gewinnen, oder ob die vorbestimmte amerikanische Kubapolitik die Interessen dieser Organisationen dominiert und sie instrumentalisiert, um die Konzipierung der Politik in der Region zu definieren. Als Referenzpunkt und Unterstützung der Untersuchung wurde die von der Universität in Florida zuletzt durchgeführte Befragung zur politischen Einstellung unter kubanischen Einwanderern verwendet. Sie ergänzt die von mir durchgeführte Befragung der aktiven politischen Organisationen zur ideologischen und politischen Position gegenüber der Regierung in Havanna. In den kubanischen politisch aktiven Gruppierungen befinden sich hauptsächlich Cubano-Americanos aus zwei Migrationswellen, durch die eine Proliferation der Organisationsgründungen hervorging. Der historische Kontext des Zeitpunkts der Einwanderung spiegelt sich in der politischen Haltung und der Repräsentation der Gruppen wider. 32% der Cubano-Americanos, die sich heute an politischen Aktivitäten beteiligen, waren in der hier als erste Welle bezeichneten Zeitspanne (vor 1959 bis 1969) in die USA eingewandert. Ein weiterer hoher Prozentsatz an Aktivisten (36%) ist in der dritten Welle von 1991 bis zum Abschluss der Umfrage Ende 2007 zu beobachten (siehe Grafik III-1). Die niedrigere Zahl von 17% in den zwei Dekaden ab den 1970er Jahren stimmt mit der Beendigung der Unterstützung terroristischer Angriffe auf Kuba seitens der US-Regierung im Jahr 1972 überein. Als Folge dessen lösten sich einige Gruppen auf, andere mussten sich neu organisieren. Viele Gruppen übten in dieser Dekade zwar Terrorakte aus, wurden jedoch nicht finanziell gefördert. Meines Erachtens findet in der politischen Aktivität kubanischer Gruppierungen in Florida nicht nur eine Diversifizierung, die die monolithische Haltung der ersten Welle sprengt, sondern darüber hinaus ein Generationswechsel der Aktivisten statt, da sie für neue Optionen und Lösungen im Sinne einer friedlichen Konsolidierung der Nation auf Dialogbasis eintreten. Auf Grund der Intensivierung der Teilnahme der CubanoAmericanos am politischen Leben nach der ersten und dritten Einwanderungswelle bedarf es einer Kategorisierung ihrer ideologischen Ziele und ihrer Handlungsstrategien, mit denen sie sich am Präferenzbildungsprozess im amerikanischen System beteiligen.
338 Es gibt in der Forschungsliteratur auch eine andere Differenzierung der verschiedenen Phasen, die in erster Linie aus der Perspektive der US-amerikanischen Migrationspolitik kontextualisiert wird. Der Historiker und Politologe Jorge I. Domíguez unterscheidet sogar neun politische Etappen, die sich allein auf die Migration oder die Veränderungen der Einwanderungszahlen beziehen. Die für diese Studie gewählten drei Phasen unterliegen einer anderen Aufteilung, da sie im Rahmen einer historischen Auseinandersetzung eingebettet wurden; vgl. dazu DOMÍGUEZ 2004: S. 31f.
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III Zentrale Akteure und der Präferenzbildungsprozess
Grafik III-1: Emigrationsphasen der Aktivisten in den Organisationen
15%
32%
36%
17%
Vor 1959-1969
1970-1990
1991-2007
In den USA geboren
Quelle: Für diese Untersuchung durchgeführte Befragung (2007) Eine konsequente ideologische Trennungslinie lässt sich bei der dreiteiligen Gliederung in militant, moderat und konservativ situationsbedingt nicht immer ziehen, da viele Gruppierungen einen Positionswandel durchgemacht haben, indem bei spezifischen Fragen durch die Zusammenarbeit untereinander oft die konservative ideologische Haltung der einen und die militante Radikalität der anderen nicht im Vordergrund stehen. Dies liegt daran, dass die Organisationen allgemein darin übereinstimmen, dass es einen Wechsel auf Kuba geben muss – sie differieren jedoch in der Strategie zur Umsetzung dieses Ziels. Darüber hinaus existieren einige Organisationen nur kurze Zeit. Deshalb erfordert die Untersuchung dieser Gruppen, die sich nur schwer einer Kategorie zuordnen lassen, eine ständige Aktualisierung ihres Status. Trotzdem werden für die Abgrenzung der Organisationen die politischen Konturen ihrer Positionen in die drei erwähnten ideologischen Modelle eingeordnet. Wegen der Proliferation der Organisationen werden nur solche berücksichtigt, die sich auf Grund ihrer Organisationsstärke in der aktuellen politischen Debatte einen Platz gesichert haben.
III.1.1.1 Die konservativen bürgerlichen Gruppen Die politische Umwälzung in Kuba im Jahr 1959 war u.a. das Resultat von Starrheit und Gleichgültigkeit der traditionellen einflussreichen Eliten gegenüber grundlegenden sozialen Problemen, auf die sie nicht rechtzeitig reagieren wollten oder konnten. Die radikalsten intel-
III.1 Die kubanischen Interessengruppen in den Vereinigten Staaten von Amerika
109
lektuellen Gruppen, die sich gegen die Diktaturen auf Kuba wandten, verlangten nach einer tiefen Transformation des Systems und sahen die Revolution als die organisierte Gewalt der unterdrückten Bevölkerungsmehrheit an, die die vorherrschenden sozialen Beziehungen, geprägt von politischen Idealen und juristischen Konstruktionen, radikal zu verändern versuchte.339 Die Reaktion auf die Veränderungen der neuen Machthaber äußerte sich in einer Auswanderungswelle der politischen, wirtschaftlichen, militärischen und intellektuellen Elite, die in klarer Kontraposition zu der neuen politischen Konstitution auf der Insel stand. Es lässt sich schwer postulieren, ob diese politischen Kerngruppen allein in der Lage gewesen wären, die Probleme Kubas unter den gegebenen Einflussbedingungen der USA zu lösen. Meines Erachtens waren diese Eliten nicht nur unfähig, die soziale Situation des Landes zu verbessern, sie zeigten zudem auch nicht die entschiedene Bereitschaft, sich im eigenen Land zu Gunsten der Nation zu verändern. Sie waren gescheitert, weil sie das bestehende System unverändert beibehalten wollten. Sie emigrierten und nahmen eine bis heute andauernde abwartende, aber nicht passive Haltung ein – in der Überzeugung, dass das neue System früher oder später zusammenbrechen würde. Von diesem Fokus aus betrachtet gab es bei dem Systemwechsel auf Kuba keine durchsetzungsfähige interne Opposition, da die Eliten das Land verlassen hatten. Diese erste Welle an Immigranten war gemäß Domínguez der erste „Export der Opposition“.340 Die außerhalb des kubanischen Systems entstandene Opposition blieb aber nicht passiv, sondern wurde sogar militärisch aktiv, gewann an wirtschaftlicher Kraft und erreichte eine soziale Integration im gesellschaftlichen und politischen System der Vereinigten Staaten. Es bildeten sich Interessengruppen, die sich politisierten und über diesen Weg einen hohen Grad an Dominanz in der Region Florida erreichten.341 Im Laufe des Migrationsprozesses entwickelte sich Miami zum politischen Zentrum dieser Gruppen, da sie sich vor allem dort niederließen und somit einen, wie es oft formuliert wird, Mikrokosmos der kubanischen Nation bildeten.342 Die adäquate Bezeichnung der in diesem Unterpunkt dargestellten Gruppen resultiert aus dem Rückgriff auf den Zeitpunkt der Einwanderung. In der Einwanderungsphase nach 1959 wurden sie zuerst unter dem Oberbegriff „Exilkubaner“ zusammengefasst. Die ersten Flüchtlinge aus den Revolutionsjahren bis zu denen der Immigrationswellen in den 1980er Jahren haben mittlerweile einen Integrationsprozess durchlebt, der dazu führt, dass man diese Immigranten heute nicht mehr ausschließlich unter dem Begriff „Exilkubaner“ einordnen kann.343 In diesem Zusammenhang werden die hier charakterisierten Organisationen wegen ihres hohen Assimilierungsgrades als konservative bürgerliche Cubano-Americanos verstanden. Eine Umfrage unter der lateinamerikanischen Bevölkerung in den USA des Pew Hispanic Center (PHC) hat 2006 ergeben, dass mehr als 52% der Cubano-Americanos im Gegensatz zu den Mexikanern (36%) und Südamerikanern (35%) die Vereinigten Staaten als ihre reale Heimat ansehen. Sie nehmen die Regierung positiv wahr und tendieren 339 340 341 342
Vgl. LECHUGA 2004: S. 34ff. Siehe DOMÍNGUEZ 1978: S. 194. Vgl. SCOTT 1967: S. 125. Vgl. ROY 2000: S. 185. Miami wird oft auch als die „mythische Hauptstadt der Exilkubaner“ verstanden; siehe GONZALEZ-PANDO 1998: S. xiii. 343 Es ist anzumerken, dass sich sowohl Kubaner als auch Kubanerinnen in die wirtschaftlichen und politischen Strukturen der US-amerikanischen Gesellschaft integrierten. Allein Ende der 1980er Jahre belegten die Kubanerinnen mit 45,5% die höchste Prozentzahl in Verwaltungs- und Marketingpositionen sowie in denen des technischen Bereichs innerhalb der ethnischen Minderheiten in den USA; siehe dazu JONES/JONES 1997: S. 28.
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III Zentrale Akteure und der Präferenzbildungsprozess
eher als andere lateinamerikanische Gruppen dazu, sich mit den USA als ihrem Heimatland zu identifizieren. 64% von ihnen vertrauen im Vergleich zu den Mexikanern (43%) und den Puerto Ricanern (38%) darauf, dass die Regierung in Washington fast immer oder meistens das Richtige tut.344 Die Bezeichnung konservativ koinzidiert mit der allgemeinen Einstellung der immigrierten Kubaner in den USA zu verschiedenen gesellschaftlichen Fragen: 63% der Cubano-Americanos lehnen die Ehen von gleichgeschlechtlichen Paaren ab und 55%, dies ist der höchste Prozentsatz unter den Lateinamerikanern, sind gegen eine Legalisierung der Abtreibung.345 Bei der politischen Ausrichtung der konservativen bürgerlichen Organisationen zeigt sich auf der einen Seite in der vordergründigen arbeitspolitischen Bestrebung der eingewanderten Kubaner die Integration voranzutreiben und auf der anderen Seite in der Intensivierung der Opposition gegenüber der Regierung in Havanna eine Ambivalenz. Dieses Dilemma zwischen den zwei Komponenten Integration und Konterrevolution der kubanischen Gruppen tritt im Verlauf der gesellschaftlichen Assimilierung an die US-politischen und wirtschaftlichen Strukturen zutage. Der Unterschied beider Komponenten wurzelt in diesem wichtigen historischen Kontext meiner Ansicht nach sowohl in ihrer Entstehungsform als auch in ihrer politischen Zusammensetzung mit dem Stützpunkt außerhalb und nicht innerhalb des kubanischen Territoriums. So mussten die Gruppierungen in den USA eine soziale Grundlage für ihre Existenz finden, da in der kubanischen Gesellschaft der politische Rahmen nicht gegeben war. Dadurch war ein Integrationsschub möglich, weil das Thema Kuba im US-amerikanischen Kongress nicht dasselbe Gewicht hat wie beispielsweise die Europapolitik oder die des Nahen Ostens. Die US-amerikanischen Positionen zu diesen Regionen der Welt können sich auf die Innenpolitik des Landes auswirken – im Gegensatz dazu lässt die Kubapolitik ein Vakuum zurück, das von den konservativen bürgerlichen Cubano-Americanos gefüllt wird. Desinteresse und Desinformation in der USamerikanischen Öffentlichkeit bezüglich der Kubaproblematik führen dazu, dass sie von Interessengruppen dominiert wird, wie es in Florida der Fall ist.346 Dieser Aspekt veränderte auch die traditionelle politische und ideologische Orientierung der Einwanderungsgruppen aus Kuba. Der ersten Einwanderungswelle, die ich in den Zeitraum von 1959 bis 1969 eingeteilt habe, wurde eine konterrevolutionäre Funktion zugewiesen, indem diese Gruppen eine besondere Behandlung von Washington erfuhren. Vergleichbar ist hier die Privilegierung der Chinesen, Vietnamesen und Koreaner, denen auch eine schnelle Integration durch die Flüchtlingspolitik der USA gelang. Die Cubano-Americanos hatten den Vorteil der geographischen Nähe, durch die ihre Oppositionsaktivitäten begünstigt wurden und durch die sie in dem Blickwinkel der US-amerikanischen geopolitischen Interessen betrachtet wurden. Dabei muss allerdings beachtet werden, dass die heutige politische Strukturierung dieser Gruppierungen eine andere als die von 1959 ist.
344 Siehe dazu PHC 2006: S. 3ff. 345 Eine ausführliche Beschreibung der ideologischen Einstellung der Lateinamerikaner in den USA findet sich bei PFRP/PHC 2007. 346 Vgl. ULSANER 2004: S. 126-142.
111
III.1 Die kubanischen Interessengruppen in den Vereinigten Staaten von Amerika
Grafik III-2: Einkommen und Einwanderungsjahr
100%
In den USA geboren 90%
1991-2007
80%
1970-1990
Anteil in %
70%
Vor 1959-1969
60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%
Weniger als 20 000
Zwischen 20 und 50 000
Mehr als 50 000
In US-Dollar
Quelle: Für diese Untersuchung durchgeführte Befragung (2007) Die politisch aktiven Cubano-Americanos, die aus dem ersten Immigrationsschub (1959 bis 1969) hervorgingen, sind im Vergleich zu den aktiven Gruppierungen der anderen beiden Wellen eine der ökonomisch stärksten und gesellschaftlich am besten positionierten bzw. integrierten Gruppen (siehe Grafik III-2). 49% der in den Organisationen beteiligten Aktivisten der ersten Welle haben ein jährliches Einkommen von über 50 000 US-Dollar, 60% der Anhänger der dritten Welle verdienen hingegen weniger als 20 000 US-Dollar im Jahr. Dieser Indikator lässt auf den Integrationsgrad in die amerikanischen Strukturen schließen. Organisationen, die von Aktivisten der zweiten und dritten Welle gebildet werden, konkurrieren mit den Positionen konservativer Gruppen der ersten Einwanderungswelle wie der CANF. Sie verfügen nicht nur über eine längere Erfahrung in der politischen Arbeit in den USA, sondern haben im Lauf der Dekaden im politischen Präferenzbildungsprozess der USA vor allem Macht und Einfluss für sich beansprucht und erfolgreich durchgesetzt.
Die Cuban American National Foundation Die wichtigste kubanische Organisation, die eine direkte und traditionell enge Verbindung und politische Affinität zu der traditionell konservativen Partei der Republikaner in den USA hat, ist die Cuban-American National Foundation (CANF). Sie entstand 1981 im Rahmen einer US-amerikanischen Initiative und als Teil der von der Reagan-Administration geplanten Außenpolitik, um den politischen, wirtschaftlichen und moralischen Druck gegen die CastroRegierung aufrechtzuerhalten. Zweck dieser Initiative war es vor allem, sich auf die Suche nach Instrumenten und neuen diplomatischen Interventionsmechanismen zu machen, indem
112
III Zentrale Akteure und der Präferenzbildungsprozess
die Exilkubaner, die die gleichen Interessen wie die Reagan-Regierung verfolgten, politisch unterstützt wurden. Die Organisation bekam wie auch alle anderen, die zu diesem Zeitpunkt mit der ideologischen Ausrichtung der Regierung korrespondierten, entsprechende finanzielle Hilfe durch die US-Administration.347 Vor der Gründung der CANF waren die Gruppierungen der Cubano-Americanos nicht wirkungsstark organisiert gewesen. Durch die Konsolidierung der CANF wurde ihnen eine Stimme verliehen, die ihnen auch zu einer Integration in die politischen Strukturen verhalf.348 Somit bekamen die Interessen einer ethnischen Minderheit in Florida „ein Gesicht“ und seit diesem Zeitpunkt erweitern sich die Handlungsspielräume der Organisationen in den politischen Sphären Washingtons. Anhand des Integrationsgrades der Organisationen lassen sich auch ihre Oppositionskraft und Rolle bei der Gestaltung der US-amerikanischen Politik gegenüber Kuba interpretieren. Gut organisierte Gruppen wie die CANF können sich von anderen durch Privilegien wie soziale Vorteile infolge der politischen Verbindungen oder durch wirtschaftliche Stärke, die sie im Laufe der langjährigen politischen Aktivitäten gewonnen haben, abgrenzen. Vor allem aber ist die Bildung einer ethnischen Interessengruppe wie im Fall der CubanoAmericanos auf Grund der partikulären Interessen, die sie verfolgen, von großer Bedeutung, da in der Regel innenpolitisch keine bedeutende Konkurrenz um den politischen Einfluss auf den Entwurf der Kubapolitik vorhanden ist.349 Dies verleiht den Führungskräften der Gruppierungen einen stabilen Ausgangspunkt für ihre Aktivitäten. Auch wenn die CANF erst in den 1980er Jahren gegründet worden war, sind ihre leitenden Aktivisten Immigranten der ersten Welle. Prägende Persönlichkeiten innerhalb der Gruppe bestimmten die politische Linie der Organisation. Dazu zählt v.a. ihr Gründer und langjähriger Präsident Jorge Mas Canosa (1939 – 1997), mit dem die Organisation bis zu seinem Tod identifiziert wurde. Mas Canosa stammte ursprünglich aus Santiago de Cuba, wo er seine Kindheit verbrachte. Sein Abitur schloss er aber in den USA in dem Presbyterian Junior College in North Carolina ab. Nach dem Sieg der kubanischen Revolution emigrierte er in die USA und schloss sich dort der Brigada 2506 an. Seine steile Karriere als Präsident des Unternehmens MasTec in Florida, vormals Church & Tower, machte ihn zu einem erfolgreichen Geschäftsmann.350 Als Präsident der CANF wurde er von der Reagan-Administration designiert, den US-Board for Cuba Broadcasting, eine staatlich finanzierte Agentur für USamerikanische Radiosendungen nach Kuba, zu führen. Die Position behielt er bis zu seinem Tod, danach übernahm sein Sohn Jorge Mas Santos sowohl die Führung des Unternehmens als auch der CANF. Es ist auch nach der Wahl Obamas zum neuen Präsidenten der USA zu erwarten, dass Mas Santos seine Haltung nicht ändern wird. Er kündigte an, dass er ab 2009 für eine „aggressivere“ Kubapolitik eintreten werde.351 Diese Personifizierung des Einflusses beschreibt die Intensität, mit der die leitenden Personen Zugang zu den Machtzentren 347 Sowohl Unterstützungsstrategien für Gleichgesinnte als auch eine klare Ablehnung der Interessengruppen, die eine andere ideologische Ausrichtung hatten, waren für die Reagan-Administration charakteristisch. Je größer die ideologische Annäherung, desto größer war die Kooperation der Regierungsinstanzen mit den Interessengruppen. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie von PETERSON/WALKER 1991 348 Vgl. dazu FERNÁNDEZ 1987. 349 Die CANF hat in Bezug auf die ihnen zur Verfügung stehenden politischen und finanziellen Ressourcen weniger Konkurrenz. Mehr als die Hälfte der Cubano-Americanos divergieren in ihren Positionen zu der CANF, dennoch hat diese im Vergleich zu anderen Organisationen einen besseren Ausgangspunkt für ihre Handlungen; vgl. LEWIS 2001: S. 38. 350 Der multinationale Konzern MasTec erzielt in der Kommunikationsbranche jährlich Umsätze von mehr als 1 Mrd. US-Dollar und hat weltweit mehr als 3 000 Beschäftigte; siehe MAC-TEC 2007. 351 BOFFELLI 2008.
III.1 Die kubanischen Interessengruppen in den Vereinigten Staaten von Amerika
113
haben, sowie ihre politische Positionierung innerhalb der Strukturen, in denen Entscheidungen getroffen werden. Auf diese Weise gewinnen sie Anerkennung und festigen ihre Machtposition; ferner machen sie sich unabdingbar für das gute Funktionieren der Organisation. Diese Führungspersönlichkeiten lassen sich nicht so leicht absetzen, wenn sie sich in einem politischen Amt positioniert haben. Jorge Mas Canosa definierte die politische Linie der Organisation und stellte sich entscheidend gegen einen Dialog mit der Regierung Castros oder gegen die Lockerung der verhängten Sanktionen. Seine Vorstellungen über einen Dialog mit Kuba koinzidierten mit der konservativen Sicht der republikanischen Präsidenten seit den 1980er Jahren, die von einer dualistischen Wahrnehmung der Beziehung zu Kuba von Gut und Böse geprägt war. „The dialogue has helped define a lot of people who posed as anti-Castro leaders. The longer this dialogue lasts the more it will separate the good guys from the bad guys“352, beschrieb Mas Canosa die Dialogbereitschaft anderer Gruppen von Cubano-Americanos Ende der 1970er Jahre. Die Organisation hat zwar Delegationen in verschiedenen Städten wie Chicago, Jacksonville, Los Angeles, New Jersey und Tampa, aber auch in Puerto Rico – die geographische Positionierung der Gruppe bleibt jedoch in Miami, wo auch ihr größter Wirkungskreis ist. Da die CANF an einer Zunahme ihrer Mitgliederzahl interessiert ist, um den politischen Einfluss und ihre Dominanz zu steigern, wirbt sie zum einen mit ihrer Erfahrung und Fähigkeit, auf politischer Ebene Interessen der Gemeinschaft durchsetzen zu können, zum anderen auch mit ihrer Einflusskraft auf die Politikgestaltung der USA gegenüber Kuba.353 In ihren Publikationen, aber auch bei ihren Versammlungen und den Kontakten zwischen den Mitgliedern soll Erziehungs- und Überzeugungsarbeit geleistet werden, da sich die Beteiligten geschlossen hinter die politischen Intentionen der Organisation stellen sollen, um im gegebenen Fall auch öffentlich politisch aktiv zu werden. Darunter verstehen sich die Anmeldung zu den Wahlen, die Koordination der Teilnahme an den Kampagnen sowie die Verwaltung der Spenden und Beiträge. Mit politischer Aktivität sind außerdem persönliche Gespräche, Briefverkehr und Telefonate mit offiziellen Funktionären oder anderen agierenden Personen in den Kommunikationsmedien gemeint. Obwohl die CANF nach außen hin ihre Einflusskraft innerhalb der US-amerikanischen politischen Strukturen ausübt, wurde sie immer wieder, nicht nur von der kubanischen Regierung, sondern auch, wie 1997, vom FBI mit den militanten Organisationen in Miami in Verbindung gebracht. Ihr früherer Direktor Francisco Hernández, der die zweitwichtigste Position nach dem Präsidenten der Organisation besetzt, sowie andere Mitglieder der Direktion wie José Antonio Llama waren 1994 durch den Kauf von Waffen in das Mordkomplott gegen Fidel Castro involviert.354 Dies reflektiert eine doppelte Strategie in ihrer anticastristischen Haltung. Sie oszilliert zwischen den politischen Bemühungen auf Regierungsebene, die Position der USA gegenüber Kuba zu beeinflussen, und den Verbindungen zu militanten Organisationen, die den gewaltsamen Sturz der Regierung in Havanna anstreben.
352 Jorge Mas Canosa, zitiert bei ROBBINS 2004: S. 179. 353 Um für Mitglieder zu werben, formuliert die CANF folgenden Grundsatz auf ihrer Website: „Als Mitglied der CANF ist mir bewusst, dass ich auf die US-amerikanische Kubapolitik Einfluss nehme“; siehe CANF 2007. 354 Siehe dazu REYES 1997: S. 1a.
114
III Zentrale Akteure und der Präferenzbildungsprozess
III.1.1.2 Die reaktionären militanten Gruppen Die seit fast einem halben Jahrhundert angewandte Politik gegenüber Kuba von Seiten der USA als Supermacht hat bis heute verschiedene Facetten gezeigt, historisch gesehen ist jedoch eine eindeutige Kontinuität des Drucks aus der Position eines stärkeren Staates gegenüber einem schwächeren zu erkennen. Die angewandten unilateralen Maßnahmen werden von Handlungen mit terroristischem Charakter gegen die Insel von amerikanischem Territorium aus begleitet. Die „Kubafrage“ ist eines der ältesten Themen der US-amerikanischen außenpolitischen Agenda und hat, wie in Kapitel II dargestellt wurde, historische Wurzeln.355 Als Folge auf die militärischen Maßnahmen gegen die Insel, die in der gescheiterten Invasion und der darauf folgenden Kubakrise kulminierten, entstanden in den USA als Nebenerscheinung militärische Organisationen, die den Sturz der Castro-Regierung verfolgen. Auf Grund ihrer Bereitschaft auch Gewalt anzuwenden, werden sie von mir als militant bezeichnet.356 Um diese Gruppen einordnen zu können, muss zuallererst ihr Auswanderungszeitpunkt betrachtet werden. Nach dem Sieg der Revolution, dessen ideologische Prinzipien sich sowohl an nationalistischen als auch an antiimperialistischen Kriterien orientierten, wurden strukturelle Reformen in der kubanischen Gesellschaft eingeführt, die vor allem die privilegierten Sektoren der damaligen Regierungen betrafen. Diese sozialen Gruppen waren die ersten, die aus wirtschaftlichen und ideologischen Gründen emigrierten. Sie bildeten somit die erste Oppositionsfront gegenüber Kuba im amerikanischen Territorium, die den revolutionären Prozess schon von Beginn an zu verhindern suchte. Die Mehrheit der heute in den USA lebenden Kubaner (60,6%) ist vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion eingewandert. Von den 1 520 276 Mio. Kubanern in den Vereinigten Staaten sind 61% im Ausland geboren.357 Zu den wichtigsten politischen Zielen der Organisationen aus der ersten Immigrationswelle zählt die Restaurierung der vorrevolutionären wirtschaftlichen und politischen Strukturen Kubas auf der Basis der Verfassung von 1940. Die Mitglieder dieser Vereinigungen wurden deshalb in der Vergangenheit gezielt für paramilitärische Operationen ausgebildet und ausgerüstet.358 Bei der Verwirklichung ihrer Ziele spielten v.a. in den 1960er Jahren auch die Kontakte zur CIA eine Rolle. Ihre Unterstützung reichte von der Planung geheimer politischer Aktionen über finanzielle Zuwendungen bis hin zur Unterstützung im Kampf gegen die kubanische Regierung durch subversive Aktivitäten. Seit der Gründung der kubanischen Republik zählten die Militärs zur einflussreichen Elite. Sie konzentrierten sich eher auf die interne Kontrolle des Landes als auf internationa355 Vgl. dazu CHOMSKY 2000: S. 82-92. 356 Die politischen und sozialen Ziele von militanten Gruppen, die in der Literatur oft als „right-wing terrorists“ eingeordnet werden, ähneln denen der ethnischen Nationalisten. Die Mitglieder militanter Gruppen streben innerhalb der Organisationsstrukturen eine homogene ethnische Gemeinschaft an; vgl. MICHAEL 2003: S. 14 u. 124. Die Bezeichnung dieser Gruppen mit dem Begriff „militant“ ist nicht unproblematisch, denn einige der Gruppierungen, die hier erwähnt werden, waren sogar an terroristischen Aktionen gegen Kuba beteiligt. Trotzdem haben sich ihre Mitglieder aber in die amerikanische Gesellschaft integriert. Sie versuchen auf den politischen Prozess Einfluss zu nehmen, weichen jedoch nicht von der extremen Position ab, durch militärische Gewaltanwendung einen Sturz der Regierung herbeizuführen. 357 Siehe US-BC 2006: S. 3. 358 In der Wahrnehmung der amerikanischen Öffentlichkeit geht der Ursprung der Cubano-Americanos auf diese Epoche zurück (und dies wurde auch durch die Presse verfestigt). Bei der Charakterisierung dieser Gruppen werden häufig folgende Eigenschaften genannt: anticastristisch, militant, terroristisch, politisch konservativ und mit dominanter Affinität zur republikanischen Partei; siehe GRENIER/CHUN/GLADWIN 2005: S. 140; BENDER 2003: S. 40.
III.1 Die kubanischen Interessengruppen in den Vereinigten Staaten von Amerika
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le Aktionen der Verteidigung. Die generelle Haltung des Militärs hatte eher nationalistischen Charakter, doch um sich intern behaupten zu können, waren sie immer auf internationale Unterstützung angewiesen. Dadurch konnten sie ihre Position und Kontrolle innerhalb der internen Machtstrukturen beibehalten.359 Zu bemerken ist an dieser Stelle, dass in jedem lateinamerikanischen Land, in dem die Regierung geputscht wurde, als Konsequenz ein bewaffneter Widerstand entstand. Auch auf Kuba war eine Konterrevolution gegen die kommunistische Regierung gestartet worden. Die Regierung hatte nämlich die sozialen Veränderungen grundlegend und radikal durchgeführt und die vorhandenen Strukturen abgeschafft. Die USA unterstützten die Militärs in den Ländern des amerikanischen Kontinents im Namen der internationalen Sicherheit unabhängig der internen Repressionen in den jeweiligen Staaten, dadurch konnten die militanten Gruppierungen ihre Entscheidungen und politischen Handlungen in der Region absichern. Die militanten Organisationen der Cubano-Americanos können auf der Basis der von der US-Regierung zugewiesenen Funktion und Unterstützung in drei historische Abschnitte eingeordnet werden. Bei diesen drei Aktivitätswellen ist eine Deklination zu erkennen, die von intensiven militanten Handlungen in der ersten Etappe ausgeht und im Verlauf mit einer schwächeren Gruppenpräsenz in den relevanten politischen Sphären endet. Die erste Phase wird geprägt durch die übernommene Rolle bei dem Invasionsversuch Kubas Anfang der 1960er Jahre und durch die Entschiedenheit, Gewalt anzuwenden, um die politischen Verhältnisse auf der Insel wiederherzustellen. Das Scheitern in der Schweinebucht und die daraus eingenommene Haltung der USA im Kontext der Kubakrise radikalisierte die Position der Organisationen. In der zweiten Phase wurde der Aktionismus der Gruppen durch die Entspannungspolitik, die die Präsidenten Carter und Ford in den 1970er Jahren eingeleitet hatten, ausgelöst. Die Organisationen verübten in dieser Phase als Zeichen der Ablehnung nicht nur außerhalb, sondern auch innerhalb der USA terroristische Akte.360 In der dritten Phase, die sich bis zur Gegenwart erstreckt, genießen einige Mitglieder der verbliebenen Organisationen aus den vorherigen Perioden als Folge ihres langjährigen militanten Aktivismus einen Heldenstatus in Miami. Ihre Aufgaben konzentrieren sich hauptsächlich darauf, die Erinnerung an entscheidende Momente der kubanischen Geschichte wachzuhalten, bei denen die zum Teil schon betagten Mitglieder selbst involviert gewesen waren. Außerdem unterstützen sie Aktionen und Kampagnen gegen die kubanische Regierung.361 Die Organisation Alpha 66, die schon mehr als 45 Jahre aktiv gegen Kuba vorgeht, oder auch die Brigade 2506 plädieren für einen Wechsel durch Gewaltanwendung. Sie wenden sich entschieden gegen jede Form des Dialogs mit der Regierung in Havanna, sowohl von Seiten der USA als auch von anderen kubanischen Gruppen in Miami. Das Engagement der USA gegen die kubanische Regierung sehen diese Gruppen als eine Verpflichtung gegenüber den Beteiligten an der Invasion in der
359 Diese Haltung war für die militärischen Eliten in ganz Lateinamerika charakteristisch. In der kurzen Zeitspanne von 1962 bis 1964 stürzten beispielsweise die Militärs in Guatemala acht verfassungsmäßige Regierungen. Dies war kein Einzelfall, denn auch in Ecuador, der Dominikanischen Republik, Honduras, Argentinien, Peru, Bolivien und Brasilien kam es zu Militärputschen; vgl. HOROWITZ 1967. 360 Die Einstufung dieser Gruppen als „terroristisch“ ist seit den 1970er Jahren in den Enzyklopädien zu finden; siehe THERNSTROM/ORLOV/HANDLIN 1980: S. 260. Die Hintergründe für die Entwicklung der terroristischen Gruppen wurden bereits in Kapitel II im historischen Abschnitt über die 1970er Jahre behandelt. 361 Die Organisation Alpha 66 verehrt beispielsweise bekannte Terroristen kubanischer Abstammung wie Luis Posada Carriles. Bei einer Veranstaltung der Organisation im Januar 2008 wurden Bilder des international gesuchten Terroristen ausgestellt; siehe dazu ALPHA 2008.
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III Zentrale Akteure und der Präferenzbildungsprozess
Schweinebucht im Jahr 1961.362 Die Gewaltbereitschaft dieser Gruppen wurde deutlich, als 2007 im Haus des 63-jährigen Cubano-Americano Robert Ferro, eines Mitglieds von Alpha 66, ein Arsenal von mehr als 1 571 Waffen, darunter Granaten und Gewehre, entdeckt wurde – in der Geschichte der USA die größte Beschlagnahmung von Waffen aus privatem Besitz.363 Zu den militanten Organisationen zählt auch das sog. Comandos F-4, das im Untergrund gegen die kubanische Regierung und auch gegen Cubano-Americanos mit moderater Haltung Sabotage- oder Terrorakte verübt.364 Diese Organisation vereinbarte 2006 mit weiteren militanten Gruppen in den USA wie dem Movimiento de Recuperación Revolucionaria (MRR), dem Congreso Nacional Cubano (CNC), dem Comando Nazario Sargén (CNS), der Fundación Caribe (FC), der Junta Militar (JM), dem Municipio Bayamo (MB) und den Cubanos Combatientes No Afiliados (CCNA) den Start direkter Gewaltaktionen, um die kubanische Regierung „durch Bomben zu stürzen“, so der Direktor von Comandos F-4, Rodolfo Frómeta.365 Weitere Organisationen wie beispielsweise der 1996 entstandene Consejo Militar Cubanoamericano (CMCA) oder die Cuban American Veteran Association verfolgen ähnliche Ziele. Letztere ist eine gut organisierte kubanische Organisation und hat mit mehr als 30 000 Mitgliedern ein starkes Mobilisierungspotential. Die Befürworter der Gewaltanwendung unter den aktiven Organisationen in Miami sind nicht zu unterschätzen. Unter den politischen Aktivisten der Gruppen in Miami sprachen sich 33% für eine Teilnahme ihrer Organisation an einem militärischen Einsatz gegen Kuba aus und 26% für eine Intervention der USA (siehe Grafik III-3). Bemerkenswert ist, dass über 68% der Aktivisten, die sich für eine Gewaltanwendung einsetzen, vor 1990 in die USA immigriert sind. Mehr als die Hälfte (über 60%), die sich explizit gegen militärische Aktionen wendet, sind entweder in den USA geboren oder nach 1990 eingewandert. Die Strategie dieser Gruppen ist, die kubanische Regierung so weit wie möglich zu provozieren, damit durch überstürzte Gegenreaktionen ein Konfliktszenarium geschaffen wird, das die US-Regierung zu einer militärischen Intervention herausfordert. Die Terrorakte der Organisationen aus Miami gaben 1997 Anlass für interne Gespräche und einen Informationsaustausch zwischen der kubanischen Regierung und der US-amerikanischen Vertretung in Havanna. Eine Reihe von insgesamt dreizehn terroristischen Aktionen von 1992 bis 1997, insbesondere gegen touristische Einrichtungen auf der Insel, bewegte Kuba dazu, die USA über den Ursprung der Attentate, ausgehend von amerikanischem Boden, in Kenntnis zu setzen. Die Terrorakte hatten sich nach dem angekündigten Besuch von Papst Johannes Paul II. im Januar 1998 intensiviert. Allein von April bis September 1997 waren in Havanna fünf Bombenanschläge im Auftrag militanter Organisationen in Miami verübt worden.366 Neben Gesprächen der kubanischen Regierung mit dem zuständigen US362 Diese Gruppen verstehen sich selbst als „intransigentes“ (intolerant) gegenüber der Regierung in Havanna. Sie unterstützen jede Art von Opposition, die sich innerhalb Kubas bildet, was gleichzeitig auf Grund der langjährigen terroristischen Aktionen gegen Kuba eine Diskreditierung der entstehenden Organisationen bedeutet; siehe dazu AVBC 2005. 363 Auch wenn gegen Ferrero nicht zum ersten Mal wegen illegalen Waffenbesitzes prozessiert wird, erhebt die Staatsanwaltschaft trotz der bekannten terroristischen Einstellung der Gruppierung keine Anklage wegen des Verstoßes gegen die Antiterrorgesetze; siehe dazu CANCIO-ISLA 2007: S. 11a. 364 Zu den Sabotage- und Terrorakten gehören das Inbrandsetzen von Bussen und Taxis sowie die Störung normaler Abläufe im Tourismusbereich; siehe dazu COMANDOS 2007. 365 Die Zusammenkunft der verschiedenen Gruppenmitglieder, darunter auch viele der CANF, fand in dem Sitz der Organisation Municipios de Cuba en el Exilio (MCE) statt; siehe dazu CANCIO-ISLA 2006: S. 8a. 366 Fidel Castro leitete über den Literaturnobelpreisträger Gabriel García Márquez gewonnene Informationen über die Attentate vertraulich an Präsident Clinton weiter. Dies führte zu einem Gespräch von Márquez mit
117
III.1 Die kubanischen Interessengruppen in den Vereinigten Staaten von Amerika
Vertreter Michael Kozak im Jahr 1997 fand vom 16. bis 17. Juni 1998 ein Treffen mit einer FBI-Delegation und kubanischen Sicherheitsexperten in Havanna statt, bei dem Kuba ausführliches Informationsmaterial über die an den Terrorakten beteiligten Personen und Organisationen mit Sitz in Miami übergab.367 Trotz des Erhalts der Informationen sind bis heute keine Maßnahmen gegen die Drahtzieher der Aktionen getroffen worden. Stattdessen nahm das FBI Anfang September desselben Jahres fünf Kubaner fest, die in Miami verdeckt Informationen zu den Terroranschlägen gegen Kuba gesammelt und nach Havanna weitergeleitet hatten. Sie sind bis heute inhaftiert. Die USA weigern sich, auf die wiederholten Angebote der kubanischen Regierung zu einem bilateralen Abkommen im Kampf gegen den Terrorismus einzugehen, und haben Kuba im Gegensatz dazu auf die Liste der Länder gesetzt, die den Terrorismus sponsern. Grafik III-3: Positionen der Aktivisten zur militärischen Intervention des Exils
100% In den USA geboren 1991-2007
80%
1970-1990 Vor 1959-1969
60%
40%
20%
0% Sehr dagegen
Teilweise dagegen
Teilweise dafür
Sehr dafür
Quelle: Für diese Untersuchung durchgeführte Befragung (2007)
hochrangigen Beamten im Weißen Haus, darunter mit dem Ersten Nationalen Koordinator für Sicherheit, Infrastrukturschutz und Antiterrorpolitik, Richard A. Clarke, dem Márquez die persönliche Botschaft für den US-Präsidenten übergab; siehe CASTRO RUZ 2005. Siehe den Bericht Clarkes über den amerikanischen Kampf gegen den Terror nach den Anschlägen des 11. Septembers, in: CLARKE/JURASCHITZ 2004. 367 Unter den übergebenen Dokumenten befanden sich 60 Akten mit Erkennungsbogen mehrerer Terroristen kubanischer Herkunft mit Wohnsitz in Miami, zudem Sprengstoffproben, Videos und Audiokassetten mit Zeugenaussagen über die Verbindung der Attentäter zu Luis Posada Carriles; siehe CASTRO RUZ 2005.
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III Zentrale Akteure und der Präferenzbildungsprozess
III.1.1.3 Die moderaten dialogbereiten Gruppen Auch wenn die kubanischen Konservativen in den USA die Politikgestaltung stark beeinflussen und dominieren, entwickelte sich seit dem Sieg der Demokraten 1992 eine neue politische Strömung innerhalb der kubanischen Gemeinschaft in Miami, deren Verfechter hier als die dialogbereiten Moderaten bezeichnet werden. Diese Gruppen können nicht über das Interesse und die Vorstellungen, die sie über ein Kuba der Zukunft haben, definiert werden, sondern umgekehrt: Sie zeichnen sich durch das aus, was sie nicht für die Insel wollen. Das „soziale Chaos“, das die moderaten Gruppen durch eine militärische Intervention befürchten, führt zu einer ablehnenden Haltung gegenüber der Wirtschaftsblockade und der Intensivierung des US-amerikanischen Drucks auf Kuba, denn ihrer Meinung nach ist die Haltung der Hardliner weder für Kuba noch für Miami von Vorteil. Auf Grund ihrer Zielsetzung organisieren sie sich außerhalb der traditionellen kubanischen Opposition im Exil und bilden somit eine neue Richtung in der politischen Debatte über die Position der USA zu Kuba. Die Entstehung dieser gemäßigten Denkrichtung hat die Möglichkeit eröffnet, einen Dialog zwischen wichtigen Sektoren der kubanischen Regierung und dieser Modalität der politisch-kubanischen Opposition im Exil zu führen. Wie bereits erläutert wurde, machten die ersten Einwanderer einen Integrationsprozess durch, den die Moderaten nicht durchliefen, da diese nach der Immigration nicht immer die erwartete persönliche Entfaltung in Miami gefunden hatten und unter anderen Bedingungen aufgenommen wurden. Dies liegt daran, dass sie nicht wie in den Dekaden zuvor von speziell eingerichteten US-Integrationsprogrammen profitieren konnten. Die Einwanderer seit Anfang der 1990er Jahre sind im Durchschnitt junge Kubaner zwischen 35 und 44 Jahren, die mehrheitlich eine bessere berufliche Ausbildung als die Immigranten der ersten Generation besitzen. 74% der Cubano-Americanos über 25 Jahre haben einen Hochschulabschluss.368 Die Kubaner der dritten Einwanderungswelle tendieren eher zu einer moderaten Haltung. Sie haben keine radikale konterrevolutionäre Position und kritisieren die Intoleranz der ultrakonservativen Organisationen in Miami. Die junge Generation von Immigranten verändert das Bild der kubanischen Gemeinde in den USA, da sie ihre Verbindungen zu der Verwandtschaft in Kuba aufrechterhält. Dadurch verschieben sich auch ihre Interessen und politischen Einstellungen gegenüber der US-amerikanischen Kubapolitik. Die moderaten Gruppen finden zum einen noch keine relevante und solide Unterstützung innerhalb der kubanischen Gesellschaft und zum anderen nicht genügend Zustimmung bei den kubanischen Vertretern auf politischer Ebene. Sie sind zwar organisiert, verfügen aber nicht über die finanzielle Stärke, die bei den Konservativen vorhanden ist. Darüber hinaus divergieren sie bei ihrer Strategie zur Entwicklung eines Dialogs; hierüber gehen die Meinungen auseinander, ob ein Gespräch zwischen den Organisationen und der Regierung in Havanna stattfinden soll oder ob eine Annäherung beider Seiten auf staatlicher Ebene zwischen den USA und Kuba befürwortet werden sollte. Die Diskrepanzen in ihrer moderaten Position zu Havanna verhindern eine wirkungsvolle politische Konkurrenz zu den etablierten konservativen Gruppen, obwohl mehr als die Hälfte der Cubano-Americanos in Florida für eine moderate Haltung gegenüber Havanna plädiert. Nach den Umfragen der Universität Florida im Jahr 2007 favorisieren 65% der Cubano-Americanos in Florida einen
368 Siehe US-BC 2006: S. 1f.
III.1 Die kubanischen Interessengruppen in den Vereinigten Staaten von Amerika
119
nationalen Dialog. Verglichen mit dem Prozentsatz (40%) von 1991 bedeutet dies einen Zuwachs in der Haltung der Bevölkerung von 25%.369 Die verbreitete Einstellung zu einer Annäherung zwischen Cubano-Americanos und der Regierung in Havanna durch einen Dialog und die Disposition dazu stehen in Kontraposition zu der Vorstellung der aktiven Organisationen über die Herbeiführung eines Systemwechsels. Grafik III-4:
Organisationen und ihre Einstellung
4%
35% 49%
12% Sturz der Regierung in Havanna
Wirtschaftliche und politische Öffnung im Dialog mit Kuba
Wirtschaftliche und politische Öffnung ohne Dialog mit Kuba
Beibehaltung des aktuellen Systems
Quelle: Für diese Untersuchung durchgeführte Umfrage (2007) Von den Aktivisten in den Organisationen sind 49% für einen Sturz der Regierung in Havanna. 35% sind zwar durch wirtschaftliche Liberalisierung und politische Öffnung für eine politische Transition auf der Insel, allerdings ohne einen Dialog mit der kubanischen Regierung. Nur 12% der moderaten Aktivisten in den Organisationen treten für eine Öffnung ein, in der die Regierung in Havanna miteinbezogen werden soll (siehe Grafik III-4). In Anbetracht der allgemeinen Meinung unter der cubano-amerikanischen Gemeinde, dass ein nationaler Dialog unter Miteinbeziehung der kubanischen Regierung geführt werden soll, kann man die Moderaten als eine alternative Gegenposition zu den Konservativen und Militanten betrachten. Hinsichtlich der gegenwärtigen US-amerikanischen Kubapolitik zeigt sich, dass die moderaten Organisationen noch keinen bedeutenden Einfluss auf die Politikgestaltung haben – es steht jedoch zur Disposition, dass sie infolge der ineffektiven US-Politik zur Herbeiführung von Veränderungen auf Kuba und durch die breite potentielle Unterstützung der Cubano-Americanos in Florida den konservativen Gruppen bei der politischen Domi369 Siehe FIU 2007: S. 1.
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III Zentrale Akteure und der Präferenzbildungsprozess
nanz innerhalb der kubanischen Gemeinschaft Konkurrenz machen. Die 12% dialogbereiten politischen Aktivisten der moderaten Organisationen können unter die Einwanderer der dritten Welle nach 1991 eingeordnet werden. Auch wenn unter den politisch aktiven Immigranten der dritten Welle eine Sympathie für einen Sturz durch Gewaltanwendung vorhanden ist, zeigen diese eine geringere Gewaltbereitschaft als die Einwanderer der ersten und zweiten Welle zwischen 1959 bis 1990 (siehe Grafik III-5). Grafik III-5:
Die Dialogbereitschaft der politisch aktiven Cubano-Americanos aus den verschiedenen Einwanderungswellen
100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%
Vor 1959-1969
1970-1990
Sturz der Regierung in Havanna Wirtschaftliche und politische Öffnung ohne Dialog mit Kuba
1991-2007
In den USA geboren
Wirtschaftliche und politische Öffnung im Dialog mit Kuba Beibehaltung des aktuellen Systems
Quelle: Für diese Untersuchung durchgeführte Befragung (2007) Dies schließt jedoch nicht aus, dass politische Aktivisten der ersten Welle grundsätzlich nicht an einem Dialog interessiert sind. Ein Beispiel dafür ist die moderate Organisation Cambio Cubano, die von Eloy Gutiérrez Menoyo im Exil gegründet worden war. Die Gruppe plädiert für einen Dialog als einzigen Weg zur Lösung des Konflikts und sieht in der Miteinbeziehung der kubanischen Regierung eine positive Strategie zur Schaffung eines friedlichen Übergangs. Da Eloy Gutiérrez Menoyo seit 2003 wieder in Kuba lebt und sich von dort aus für die Demokratisierung und weitere Öffnung des Landes auf der Basis von Verhandlungen einsetzt, kommt Cambio Cubano die verbindende Funktion von agierenden moderaten Organisationen außerhalb und oppositioneller Gruppen innerhalb Kubas zu. Ihre grundlegende Arbeit konzentriert sich auf den Aufbau einer Opposition, die aber das Land nicht destabilisieren, sondern durch Einführung gradueller Reformen einen Raum für divergierende politische Positionen schaffen soll. Die Organisation ist auch nationalistisch ge-
III.2 Instrumente der kubanischen Interessengruppen im politischen Präferenzbildungsprozess
121
prägt und lehnt den Entwurf der Commission for Assistance to a Free Cuba (CAFC) als eine Einmischung in die Souveränität Kubas ab.370 Die hier als moderat bezeichneten Gruppen sehen die Priorität vor allem in der wirtschaftlichen Unterstützung der zurückgebliebenen Familien und nicht in der politischen AntiCastro-Gesinnung. Bei der Umfrage zu dieser Studie äußerten sich 59% der Aktivisten gegen eine Einschränkung der Geldsendungen an die Verwandtschaft in Kuba (siehe Tabelle III-1). Diese Zahl koinzidiert mit den 57% der Cubano-Americanos in Miami, die 2007 bei der Umfrage der Universität in Florida angegeben haben, Geld an ihre Familien zu senden.371 Tabelle III-1:
Frage 24 – What is your position on the prohibition and limitation of money wires to Cuba?
240 Strongly opposed 45% 77 Somewhat opposed 14% 89 Somewhat in favour 17% 126 Strongly in favour 24% N = 532 Quelle: Für diese Untersuchung durchgeführte Befragung (2007) Die Moderaten haben sich durch Institutionen, die für eine Kommunikation mit Havanna im Sinne einer Modifizierung des Embargos und für die Suche nach politischen Auswegen zur Demokratisierung der Insel optieren, innerhalb der Politik der USA Gehör verschaffen können. Darunter befinden sich der Inter-American Dialogue, das Strategic Studies Institute und das US Army War College. Darüber hinaus wuchs das Interesse der USamerikanischen Geschäftswelt an Investitionsmöglichkeiten auf Kuba. Der 1994 gegründete U.S.-Cuba Trade and Economic Council war in den Vereinigten Staaten die erste Business Organization, die Kontakte mit den kubanischen Institutionen herstellte. Sie teilt die Position der US-Regierung gegenüber Kuba nicht und tritt für ein Ende des Embargos ein. Genauso sind auch andere Organisationen wie der Cuban American Alliance Education Fund (CAAEF) für eine Neukonzipierung der US-Politik gegenüber Kuba. Weitere Gruppierungen, die sich gegen die radikalen Positionen der konservativen und militanten Gruppierungen in Florida wenden, sind beispielsweise die Alianza Martiana (AM – Martianische Allianz) und die Alianza de Trabajadores de la Comunidad Cubana (ATCC – Allianz von Arbeitern der Kubanischen Gemeinde).
III.2 Instrumente der kubanischen Interessengruppen im politischen Präferenzbildungsprozess Wenn der pluralistische Charakter als Fundament einer Gesellschaft postuliert wird, bedeutet dies nicht, dass alle Gruppen eine homogene Einflusskraft ausüben können. Der Begriff „pluralistisch“ impliziert hier die Existenz vielfältiger Organisationen, die untereinander um die politischen Stellungen konkurrieren.372 Die kubanischen Interessengruppen unter370 Siehe dazu GUTIÉRREZ-MENOYO 2006. 371 Siehe FIU-CRI 2007. 372 Vgl. BARD 1994: S. 79ff.
122
III Zentrale Akteure und der Präferenzbildungsprozess
scheiden sich in ihrer Durchsetzungsfähigkeit, um die spezifische politische Auseinandersetzung zu Kuba zu dominieren. Einige Autoren tendieren bei der Betrachtung der Interessengruppen dazu, den Schwerpunkt auf ihre Beschreibung, Entstehung und Strukturierung zu setzen. Sie ignorieren jedoch die Einflusskraft der Gruppen auf das politische System. Dadurch verfestigt sich die Meinung, dass die Interessengruppen keinen oder nur einen unbedeutenden Einfluss auf die Formulierung der Außenpolitik ausüben, und dies wiederum führt zu einer Relativierung der Arbeit dieser Gruppen.373 Die Fokussierung dieser Fallstudie wird in die entgegengesetzte Richtung gelenkt, da dem Einfluss der Interessengruppen im Präferenzbildungsprozess unter den definierten soziopolitischen und historischen Bedingungen entscheidende Bedeutung beigemessen wird. Die Kohäsion, die Größe und die soziale Betonung der Gruppen, aber auch das Land, das sie repräsentieren oder auf das ihre Interessen gerichtet sind, wirken sich auf die Intensität und Stärke dieser Organisationen innerhalb des politischen Systems aus. Um zu Macht und Einfluss zu gelangen, nutzen sie ihre eigenen Ressourcen.374 Dazu zählen strategische Komponenten im Wahlverhalten und die Dominanz der öffentlichen Meinung. Die Gruppen nutzen die Möglichkeit, im pluralistischen System zu koalieren, und schaffen dadurch eine politische Grundlage, um konsequent Programme zu unterstützen bzw. umzusetzen. Zwar kann der Pluralismus allein nicht die konkurrierende Entscheidungsfindung in der Außenpolitik erklären, die vollkommene Ausschließung des Interessengruppenkonzepts aus der Analyse der Außenpolitik der USA würde jedoch zu einer interpretativen Verzerrung führen.375 Sowohl die Entstehung, Strukturierung, politische Affinität und Verbindung zu den US-amerikanischen Großparteien als auch die ideologische Konzeption, der Aktionsradius und das Instrumentarium des Agierens dieser Gruppierungen, ferner die unterschiedliche wirtschaftliche Kraft und das intensive Maß an Integration innerhalb der Gesellschaft bilden die Grundlage und die zentralen Kategorien, in denen sich die Präferenzen der USamerikanischen Kubapolitik entfalten.376 Um zu politischen Resultaten zu gelangen, finden zwischen den Organismen der verschiedenen Verwaltungssegmente, dem Legislativbereich und den Repräsentanten der Interessengruppen Verhandlungen statt. Innerhalb dieses Entscheidungsprozesses spielen die Interessengruppen situationsbedingt eine Rolle, indem sie während der Problemdebatte in Bezug auf einen bestimmten Sachverhalt Druck auf die Entscheidungsträger ausüben. Die kubanischen Interessengruppen haben gelernt, in diesen Momenten ihren Einfluss zu intensivieren, da dieser in der Regel während der öffentlichen Diskussion stärker ist als in der tatsächlichen Entscheidungsfindung auf Kongressebene. Somit ist festzuhalten, dass eine Interessengruppe mit hohem Einfluss und in einem spezifischen Kontext durch ihre Macht und die Fähigkeit, diese zu nutzen, in der Lage ist, während des Präferenzbildungsprozesses eine bestimmte Position zu begünstigen bzw. zu verhindern. Auf dieser Basis kann die Handlungsfähigkeit einer Regierung unflexibel sein bzw. in bestimmten politischen Bereichen konditioniert werden.377 373 374 375 376
Ebd., S. 92. Vgl. WILSON 1990: S. 40. Siehe zur Pluralismusdiskussion JORDAN 1993. Die gesellschaftlichen Indikatoren, die ich für die Erklärung dieser Kategorien miteinbeziehe, werden in Punkt 3.2 erläutert. 377 Einige Autoren sehen die Aktionen der Interessengruppen als Investition in die bevorzugten Parteien und Kandidaten. Die Gruppenmitglieder hoffen, dass dort eine Mehrheit erreicht wird, wo ihre Interessen begünstigt werden. Im Kontext solcher Kampagnen könnte jede Stimme bei einer Wahl wichtige Konsequenzen haben, die bis zur Regierungsunfähigkeit oder Ineffektivität führen können; siehe LOOMIS 2002: S. 198.
III.2 Instrumente der kubanischen Interessengruppen im politischen Präferenzbildungsprozess
123
Die Art und Weise, wie die Interessengruppen gegenwärtig in den USA agieren, wird durch die föderale Regierungsform, die Gewaltentrennung, das Wahlsystem, die politischen Parteien, die technologische Entwicklung und die wirtschaftliche, soziale, religiöse sowie ethnische Zusammensetzung des Staates begünstigt. Die Interessengruppen haben in der Regel eine pragmatische Ausrichtung und sind von einem hohen Maß an Opportunismus geprägt, ferner nutzen sie jede Methode, die ihren verfolgten Zielen dienen könnte. Die Mehrheit der Gruppen sucht eine Strategie, um mit dem geringsten Aufwand an Zeit und Ressourcen die größtmögliche Wirkung zu erzielen. Die Reichweite ihres Einflusses ist davon abhängig, wie groß ihre Mitgliederzahl ist, wie sehr sie in ihren Meinungen übereinstimmen, welche finanziellen Möglichkeiten sie haben, welche Positionen sie vertreten, welches Prestige sie haben, wie professionell ihre Anführer und Mitarbeiter sind und inwiefern sie Beziehungen zu den dominanten Parteien und anderen Organisationen pflegen.378 Entscheidend ist aber, wo die Interessengruppen ihren Einfluss ausüben. Darum gilt für sie zu bestimmen, wo ihre Interessen liegen, denn diese können sich, um die Einflusskraft zu steigern, auch auf andere Organisationen mit ähnlichen Zielen richten. Zusammenschlüsse von Gruppen können sich auf den Wahlprozess in ihrer Region, auf den legislativen Prozess oder auch auf die öffentliche Meinung auswirken. Allgemein manifestieren sich die Gruppen innerhalb der Gestaltung der US-amerikanischen Innenpolitik und sie werden oft an ihrer Einflussintensität auf die nationale Agenda der Regierung gemessen. Meines Erachtens endet ihr Einfluss nicht bei den politischen Konturen der Innenpolitik. Vielmehr eröffnen sich für diese speziellen Interessen zu spezifischen außenpolitischen Fragen Entscheidungsspielräume, die von den cubano-amerikanischen Organisationen für ihre Interessen genutzt werden. Dies geschieht vor allem dann, wenn die Regierungsagenda kein konkretes Konzept entworfen hat, denn dadurch werden ihre spezifischen Interessen bezüglich des Entwurfes und der Gestaltung der Kubapolitik entscheidend begünstigt. Es soll deshalb hier überprüft werden, welcher Mechanismen sich die Interessengruppen bedienen, um ihre eigenen Aktionen zu entwerfen, zu konzipieren und durchzuführen, außerdem wie ihre Einflussinstrumente in der amerikanischen Politik eingesetzt werden, um direkt oder indirekt auf den Entscheidungsprozess Druck auszuüben.
III.2.1 Die Wahlmobilisierung der cubano-amerikanischen Interessengruppen Es bedarf für die Analyse des Mobilisierungspotentials der kubanischen Interessengruppen einer Differenzierung zwischen den politisch organisierten Gruppen und den CubanoAmericanos, die keiner Organisation angehören. Das Individuum handelt als politisches und soziales Wesen innerhalb eines komplexen Beziehungsgeflechts zwischen der Partei, den Interessengruppen, der Nachbarschaft, dem Freundeskreis oder der Familie. Individuen können sich organisierten politischen Interessengemeinschaften anschließen oder aber sich mit ihnen identifizieren, ohne dass sie zu einer Mitgliedschaft gezwungen werden.379 Unter den cubano-amerikanischen Organisationen existieren Gefühle, Handlungen, Werte, ge378 Vgl. dazu DeGREGORIO 1998: S. 140ff. 379 Gruppen von Personen, die mit den Zielen einer Organisation sympathisieren bzw. sich mit deren politischer Einstellung identifizieren, ohne aktive Mitglieder zu sein, werden als Referenzgruppen verstanden; vgl. OLIVER 1963: S. 5. Einflussreiche gut organisierte Gruppen, die im Namen anderer agieren und ihre Interessen gut durchsetzen können, werden auch als „intermediary associations of interest representation“ verstanden; vgl. DETH 1997: S. 1-23.
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III Zentrale Akteure und der Präferenzbildungsprozess
meinsame Interessen und eine kulturelle und historische Verbundenheit, die die Grundlage liefern, um eine organisierte politische Aktivität bzw. eine echte politische Kraft zu konstituieren. Die Anwendung des Konzepts der Interessengruppen als analytisches Instrument der Politikwissenschaft sollte nicht ausschließlich als monokausale Erklärung fungieren.380 Deshalb soll hier auch nicht die These aufgestellt werden, dass den Cubano-Americanos nur durch die Interessengruppen ein Raum zu politischen Aktivitäten im amerikanischen System eröffnet wird. Denn jeder Bürger verleiht schon allein durch die freien Wahlen im demokratischen System seinen politischen Präferenzen Ausdruck.381 Ungeachtet dieser Tatsache sind die gemeinsamen Aktivitäten der Organisationen mit gleichgesinnten Interessen auf politischer Ebene wirksamer – dies bedeutet jedoch nicht, dass bei der Definition von gemeinsamen Zielen nicht auch individuelle Interessen, die oftmals auch in Konkurrenz zu anderen stehen, verfolgt werden können.382 Der Gewinn dieser Stimmen ist letztendlich im politischen Wahlprozess eines der wichtigsten Ziele der Interessengruppen, damit favorisierte Kandidaten für verschiedene Ämter gewählt werden.383 Untersuchungen zur Wahlbeteiligung bei den letzten drei Präsidentschaftsabstimmungen belegen, dass aus der verstärkten Wählermobilisierung eine konstante Steigerung der Partizipation am Wahlprozess resultierte. Wie wichtig die Wählermobilisierung ist, zeigt die heutige Tendenz der Beteiligung an der Politikgestaltung durch Partizipation am Wahlprozess in den USA bei den letzten drei Präsidentschaftswahlen, die eine konstante Steigerung registriert. 1996 gingen nur 58,4% der Wahlberechtigten zur Urne, im Jahr 2000 waren es 59,5% und 2004 sogar 63,8%. Dies bedeutet, dass sich in der genannten Zeitspanne die Wahlbeteiligung um 12,5 Millionen registrierte US-Bürger erhöhte.384 Auch immer mehr ethnische Gruppierungen nehmen an dem Wahlprozess in den Vereinigten Staaten teil. Sie werden somit bei dem Entwurf der politischen Agenden der Parteien mitberücksichtigt. Durch die konstante Immigration von Lateinamerikanern wuchs die „Latinopopulation“385 in den USA von 35,3 Mio. im Jahr 2000 auf 41,3 Mio. im Jahr 2004. Gleichzeitig hat sich das Interesse dieser ethnischen Gruppierungen an der innenpolitischen Agenda in den Bereichen niedergeschlagen, die für sie von Relevanz sind. Durch die Einbürgerung bekommen die immigrierten Bürger nicht nur die Möglichkeit zur Wahlbeteiligung, sondern können sich auch selbst zur Wahl aufstellen lassen. Bei den letzten zwei Präsidentschaftswahlen beteiligten sich 668.000 mehr Latinos, die im Ausland geboren worden waren.386 Bei den Präsidentschaftswahlen im November 2008 waren 9% der Wähler Latinos, dies bedeutet einen Anstieg von 1% im Vergleich zu 2004.387 Weitere Interaktionskomplexe der Mobilisierung 380 Individuen können gleichzeitig verschiedenen Gruppen angehören und auch innerhalb einer Gruppe unterschiedliche Interessen vertreten. Die Grenzen der Politikbeeinflussung werden deutlich, bedenkt man, dass sich somit niemals alle Interessen hundertprozentig mobilisieren lassen; vgl. SCHATTSCHNEIDER 2004: S. 33. 381 Vgl. dazu LUTTBEG 1999: S. 15. 382 Siehe zur Diskussion über objektive und subjektive Interessen innerhalb einer Gruppe OLSON 1993: S. 24f. u. 27. 383 Vgl. IPPOLITO/WALKER 1980: S. 339. 384 Siehe HOLDER 2006: S. 2. 385 Die Bezeichnung „Latinos“ impliziert alle Einwanderer aus Lateinamerika (Karibik inbegriffen). Diese Gruppen werden in den USA oft auch unter dem Begriff Hispanics eingeordnet. Dies führt zu einem Stereotyp, das die europäischen Wurzeln überbetont und die historischen Erfahrungen im amerikanischen Kontinent relativiert. Es wird deshalb in diesem Zusammenhang der Begriff Latino verwendet. Zur Diskussion siehe HERO 1992: S. 1-10. 386 Siehe SURO/FRY/PASSEL 2005. 387 Siehe LOPEZ 2008: S. i.
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III.2 Instrumente der kubanischen Interessengruppen im politischen Präferenzbildungsprozess
entstehen bei ethnischen Minderheiten wie den Latinos, da sie einen ähnlichen kulturellen und regionalen Hintergrund sowie eine gemeinsame Sprache haben. Sie identifizieren sich bzw. sympathisieren mit anderen Gruppierungen oder mit Organisationen, die eine unterschiedliche politische Orientierung haben, ohne unbedingt Mitglied zu sein.388 Dies begünstigt das Potential, durch eine breite Wählermobilisierung eigenen Interessenvertretern zu Schlüsselpositionen zu verhelfen. Die Teilnahme von Cubano-Americanos im USamerikanischen Entscheidungsprozess stieg Anfang der 1990er Jahre an, wobei dem aber in den 1980er Jahren ein starker Anpassungs- und Integrationsprozess von kubanischen Interessengruppen im politischen System voranging. Diese Entwicklung in der Konstituierung, Zusammensetzung und dem Aktivismus der Cubano-Americanos in der US-Politik koinzidiert mit dem allgemein registrierten Zuwachs und der Partizipation von Organisationen in den 1990er Jahren, wie es in den USA nie zuvor der Fall gewesen war.389 Grafik III-6:
Cubano-Americanos im US-Kongress
7
Anzahl der Repräsentanten
6
5
4
3
2
1
2007-2008
2005-2006
2003-2004
2001-2002
1999-2000
1997-1998
1995-1996
1993-1994
1991-1992
1989-1990
0
Wahlperiode
Quelle: Daten wurden zusammengestellt aus der Library of the Congress (LOC) Während der beiden Wahlperioden von 1989 bis 1992 war nur ein Cubano-Americano im Repräsentantenhaus vertreten, heute sind bereits sechs Abgeordnete im US-Kongress, verteilt auf vier Personen im Repräsentantenhaus und zwei im Senat (siehe Grafik III-6). Die Wahlen sind somit für die Positionierung von Leitfiguren der Gruppierungen, die die eige388 Innerhalb einer Gesellschaft können Gruppen allein auf Grund ihres gemeinsamen ethnischen Hintergrunds zusammenarbeiten, ohne ein bestimmtes Programm zu verfolgen oder einer Organisation anzugehören; vgl. ELDRIDGE/CROMBIE 1974: S. 22f. 389 Das Verständnis für die Komposition und Einflussintensität der Gruppen hat sich als komplex erwiesen. Dies liegt auch daran, dass auf empirischer Ebene noch keine plausible Analyse zu den operierenden Interessengruppen im amerikanischen politischen System gemacht worden ist; siehe dazu WALKER 1991: S. 34.
126
III Zentrale Akteure und der Präferenzbildungsprozess
nen Interessen auf politischer Ebene vertreten, eine der wichtigsten Handlungsmomente.390 Die Gruppen verfolgen grundsätzlich zwei Wege, um ihre Interessen durchzusetzen: Sie können Kandidaten mit gleichen Zielen unterstützen, damit diese relevante Posten innerhalb der Strukturen des politischen Apparates erlangen, dadurch ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Entscheidungen im eigenen Sinn gefällt werden. Alternativ dazu können sie sich nach einer Wahl auch bemühen, ihre Repräsentanten und deren Politikgestaltung innerhalb des Entscheidungsprozesses zu beeinflussen. Die Konzentration der kubanischen Interessengruppen in einer bestimmten Region verhilft den Organisationen zu einer lokalen Stärke; sie können deshalb bei wichtigen Wahlen auf Grund ihres Mobilisierungspotentials und ihrer ideologischen Orientierung eine entscheidende Rolle spielen. Einige Autoren sehen deshalb die kubanischen Gruppen als wahrscheinlich die „letzten antikommunistischen“ Wähler in den Vereinigten Staaten.391 Gut organisierte kubanische Gruppierungen wie die konservativen suchen strategisch sowohl nach Gleichgesinnten als auch nach möglichen Verbindungen zu ähnlichen Organisationen oder zu kleineren, weniger einflussreichen Gruppen. Diese Strategie ist nicht allein auf eine Zusammenarbeit ausgerichtet, sie hat auch eine verbindende bzw. neutralisierende Funktion zwischen den eigenen divergierenden cubano-amerikanischen Gruppen wie den moderaten. Unter den kubanischen Organisationen in den USA entstehen auch Kooperationen durch informelle Abmachungen, es können aber auch formelle Vereinbarungen getroffen werden, bei denen sich die Organisationen zu einer Zusammenarbeit bei ihren politischen Bemühungen verpflichten. Die Kooperation unter den Gruppen muss nicht unbedingt funktional sein. Der Beweggrund kann auch die ideologische Übereinstimmung sein. Besonders in politisch günstigen Momenten, die durch bilaterale Spannungen entstehen, können sich Repräsentanten verschiedener Gruppierungen für kurze Zeit zusammenschließen, um für ein gemeinsames Ziel einzutreten. Meistens gehen sie nach der Sondersituation wieder auseinander. Die Gruppen beabsichtigen durch solche Aktionen eine Bekräftigung ihrer gemeinsamen Haltung, um dadurch effektiver auf die Politik einwirken zu können.
III.2.1.1 Die Beteiligung der Cubano-Americanos an den politischen Kampagnen Da die Interessengruppen in das amerikanische Wahlsystem historisch involviert sind, beginnt ihre Aktivität oftmals bei den politischen Kampagnen. Die Cubano-Americanos richten diese primär auf Grund der regionalen Konzentration in Florida auf die eigene ethnische Bevölkerung aus. Für Gruppen mit demselben kulturellen Hintergrund wie dem kubanischen ist es offensichtlich, dass die getroffenen Strategien mit hoher Wahrscheinlichkeit unter diesen Gruppierungen mehr Erfolg haben können, da das verfolgte Ziel ausschließlich diesem Teil der Bevölkerung zugutekommt. Die Gruppen versuchen zusätzlich, die Aufmerksamkeit der breiten Bevölkerung zu wecken, denn indem sie aufzeigen, welches Wählerpotential hinter ihren Interessen steckt, können sie auch politische Repräsentanten ohne kubanischen Hintergrund für ihre Themen gewinnen. In der Regel werden die politischen 390 Seit den 1960er Jahren kann in den USA die Entwicklung beobachtet werden, dass die Schwächung der politischen Parteien ein Vakuum bei der Kandidatenwahl begünstigt hat. Die Interessengruppen haben sich mobilisiert, um dieses Vakuum zu füllen. Cigler und Loomis sehen dies als eine „aggressive“ Mobilisierung der Gruppen, um direkt den eigenen Kandidaten den Zugang zu Schlüsselpositionen zu erleichtern; siehe LOOMIS/CIGLER 2002b: S. 21. 391 Siehe dazu LUBLIN 1999: S. 61.
III.2 Instrumente der kubanischen Interessengruppen im politischen Präferenzbildungsprozess
127
Kampagnen der kubanischen Interessengruppen im Vergleich zu denjenigen anderer Gruppen, die in großem Maß im ganzen Land stattfinden, nicht auf nationaler Ebene geführt. Für die Cubano-Americanos ist der Bundesstaat Florida das Zentrum, da es dort nicht nur eine hohe Konzentration ihrer Gruppen gibt, sondern weil von dort aus auch die einflussreichsten Organisationen ihre Arbeit starten. Da die Cubano-Americanos in Florida am besten organisiert und strukturiert sind, können sie in diesem Bundesstaat bei den politischen Kampagnen am effektivsten partizipieren.392 Die Werbekampagnen richten sich deshalb auch auf die staatlichen Einrichtungen, die sich mit Themen, die sie betreffen, auseinandersetzen. Die Intensität und Wirkungskraft der Kampagnen werden auch durch die finanziellen Mittel der Gruppierungen bestimmt. Je größer diese Möglichkeiten sind, desto breiter können auch die Medien eingesetzt werden. Die Gruppen verwenden ihre Zeit und Arbeit, um die öffentliche Meinung im eigenen Sinne so weit wie möglich zu modellieren. Die strategische Informationsverbreitung durch Bücher, Zeitschriften, Radio, Fernsehen und Internet stimmt mit den Grundlagen des demokratischen Systems der USA überein, so dass eine gut informierte Bevölkerung im gegebenen Fall die richtige Entscheidung zu einem spezifischen Thema trifft. Den Gruppen geht es darum, den Informationsfluss im Sinne der eigenen Interessen zu lenken. Der Bevölkerung selbst müssen die Gruppierungen jedoch nicht bekannt sein, sie soll lediglich die durch die Interessengruppen verbreiteten Informationen aufnehmen.393 Deshalb erfüllen die politischen Kampagnen im Wahlprozess eine wichtige Funktion für die Interessengruppen, denn dadurch können sie die Kandidaten der eigenen Präferenzen direkt an wichtigen Regierungsstellen positionieren. Somit können erfolgreiche Gruppen auf lokaler Ebene eine Regierung bilden, die für die eigenen Anliegen eintritt. Über die Spendenkampagnen hinaus besteht die Aktivität der Gruppen in erster Linie darin, die Kandidaten im eigenen Distrikt zu unterstützen. Den kubanischen Interessengruppen ist bewusst, dass nicht nur den Parteien die Aufgabe der politischen Kampagnen zufällt; sie führen deshalb in Florida große Veranstaltungen zur Unterstützung ihrer Kandidaten durch. Durch diese Aktivitäten konnte seit 1999 ein linearer Zuwachs der politischen Partizipation von Cubano-Americanos im Repräsentantenhaus in Florida beobachtet werden. In der Wahlperiode 1999 bis 2000 befanden sich nur zwei Vertreter im Repräsentantenhaus Floridas, danach stieg die Anzahl nach den jeweiligen Wahlen kontinuierlich an. Die Cubano-Americanos werden heute in dieser Region durch acht Abgeordnete kubanischer Abstammung vertreten. (siehe Grafik III-7).
392 Die Cubano-Americanos bilden auf Grund der Konzentration in Miami im Vergleich zu anderen ethnischen Gruppen lateinamerikanischer Abstammung, die eine schwächere organisatorische Struktur haben, in den USA eine Ausnahme. Andere Gruppen müssen deshalb eher zu Kompromissen und Koalitionen bereit sein als die Cubano-Americanos; vgl. LEIGHLEY 2001: S. 11. 393 Vgl. LOC 2007.
128
III Zentrale Akteure und der Präferenzbildungsprozess
Grafik III-7:
Partizipationszuwachs von Cubano-Americanos im Repräsentantenhaus in Florida
9
Zuwachs der Repräsentanten
8
7
6
5
4
3
2
1
2006
2004
2002
2000
0
Wahlperiode
Quelle: Bundesstaat Florida – Florida House of Representatives (2008) Die starke Präsenz der Cubano-Americanos in Florida ist vor allem seit dem Regierungsantritt George W. Bushs zu beobachten und konzentriert sich hauptsächlich auf den Distrikt Miami-Dade. Der Sprecher des Repräsentantenhauses in Florida für 2007 bis 2008 ist der republikanische Cubano-Americano Marco Rubio. Quelle: Bundesstaat Florida (2008) Tabelle III-2:
Cubano-Americanos im Repräsentantenhaus des Bundesstaates Florida seit 2000
Name Rene García Marco Rubio Julio Robaina Juan Carlos Planas Mario Llorente Anitere Flores Eduardo Gonzalez Luis R. García
Partei Republikaner Republikaner Republikaner Republikaner Republikaner Republikaner Republikaner Demokrat
Gewählt seit 2000 2000 2002 2002 2002 2004 2006 2006
Distrikt 110 Miami-Dade 111 Miami-Dade 117 Miami-Dade 115 Miami-Dade 116 Miami-Dade 114 Miami-Dade 102 Miami-Dade 107 Miami-Dade
Mit Ausnahme von Luis R. Garcia treten alle für die republikanische Partei an (siehe Tabelle III-2). Auf Grund ihrer Positionierung in Florida haben die Gruppen die Perspektive, durch eine erfolgreiche Politik den Weg für weitere Kandidaturen auf Kongressebene zu
III.2 Instrumente der kubanischen Interessengruppen im politischen Präferenzbildungsprozess
129
ebnen. Für diesen Schritt reicht im amerikanischen System jedoch nicht allein die Sympathie der Wähler aus. Der Aspirant muss einen hohen politischen Posten in Washington besetzen und durch die stärksten Interessengruppen u.a. finanziell unterstützt werden. Eines der wichtigsten politischen Instrumente der Organisationen im Laufe der politischen Kampagnen sind deshalb die Spendengelder.
III.2.1.2 Die Political Action Commitees (PACs) und ihre unterstützende Funktion Seitdem der Federal Election Campaign Act (FECA) im Jahr 1971 unabhängige politische Interessengruppen zur Teilnahme an der Mobilisierung von finanziellen Mitteln, um die jeweiligen Parteien und Kandidaten zu unterstützen, ermutigt hat, bilden die Political Action Commitees (PACs) ein signifikantes politisches Instrument, das nicht nur Individuen, sondern auch Interessengruppen zur Verfügung steht, um die Kampagnen der Kandidaten zu beeinflussen.394 Die PACs dürfen aber nicht mit den Interessengruppen verwechselt werden, da sie einer Kontrollinstanz unterliegen. Zur Durchsetzung und Kontrolle des FECA bildete der Kongress 1975 die Federal Election Commission (FEC). Als unabhängige Regulierungsbehörde regelt sie die Offenlegung der Finanzierung von politischen Wahlkampagnen. Durch die Transparenz und Begrenzung finanzieller Zuwendungen sollen die Fundamente des demokratischen Prozesses geschützt werden und soll das Vertrauen der Wähler in die demokratischen Strukturen gestärkt werden.395 Die getroffenen Maßnahmen hingen nicht nur mit der rasanten Gründung von Interessengruppen zusammen, sondern auch mit den gespendeten Geldbeträgen bei den politischen Kongress-Kampagnen: 1974 beteiligten sich 1 146 Interessengruppen mit mehr als 12,5 Mio. US-Dollar, sechs Jahre später 2 551 Organisationen mit einer Summe von 55,3 Mio. US-Dollar und nur zwei Jahre danach, im Jahr 1982, spendeten 3 479 Gruppierungen insgesamt 80 Mio. US-Dollar.396 Die PACs bestehen in der Regel aus unabhängigen Personen, Mitgliedern von Unternehmen oder anderen Organisationen mit unterschiedlichen ideologischen Hintergründen, die u.a. auch mit Wirtschaftsverbänden oder verschiedenen Gewerkschaften in Verbindung stehen. Sie teilen die Interessen der Verbände, gehören ihnen jedoch nicht an. Sowohl Kandidaten als auch Parteien suchen diese finanzielle Unterstützung bei den Interessengruppen, die mit den eigenen politischen Positionen koinzidieren. Allein im Wahlzyklus für das Jahr 2004 spendeten 527 Komitees 434 Millionen US-Dollar. Das sind 60 Millionen mehr als die Summe aus den beiden vorherigen Perioden 2000 und 2002.397 Bis zum 31. Dezember 2007 waren bei der FEC mehr als 2 263 Komitees gemeldet, die allein während des genannten Kalenderjahres Kontributionen in Höhe von über 180 Mio. US-Dollar geleistet haben.398 Die PACs spielen in der Politik des Kongresses eine größere Rolle als in der des Präsidenten, da die Interessengruppen durch die direkte Verbindung zu den Repräsentanten 394 Durch die Aktivitäten der PACs werden die Präsidentschaftswahlen nicht „gekauft“. Auf der Basis von gesammelten finanziellen Ressourcen nehmen jedoch die Kandidaten Positionen und Ideen der aktiven PACs wahr, die für die Gewinnung von Wählerstimmen wichtig sein können; siehe WAYNE 1998: S. 79. 395 Durch die Gründung der FEC verfolgt der Staat das Ziel, dass Kandidaten bei föderalen Wahlen nicht als bezahlte Vertreter spezieller Interessen erscheinen; siehe THOMAS/TONER 2005: S. 1. 396 Siehe MILLER 1985: S. 2. 397 Die Zahlen belegen die wachsende Aktivität der unabhängigen Organisationen bei der Finanzierung von Komitees nationaler Parteien; siehe den Report von CPI 2004. 398 Siehe FEC 2008.
130
III Zentrale Akteure und der Präferenzbildungsprozess
im Kongress einen besseren Zugang zu ihren Vertretern haben und dadurch auch Einfluss auf den Gesetzgebungsprozess nehmen können. Gegenwärtig setzt sich die Überzeugung durch, dass ohne Kontributionen bei den entsprechenden Kampagnen die Anliegen der Gruppen nicht stark genug oder nicht richtig repräsentiert werden.399 Eine der wichtigsten PACs der Cubano-Americanos ist das U.S.-Cuba Democracy PAC (USCD-PAC). Auf Grund der immer größer werdenden Beteiligung einflussreicher moderater Interessengruppen wie beispielsweise des National Foreign Trade Council (NFTC), die auf der Suche nach einer neuen Politik gegenüber Kuba sind und ein Ende der unilateralen Sanktionen im amerikanischen Entscheidungsprozess anstreben, wurde das USCD-PAC gegründet, um dem Einfluss moderater Positionen im Kongress entgegenzuwirken. Es setzt seine finanziellen Ressourcen nicht auf lokaler, sondern auf Bundesebene im Senat und dem Repräsentantenhaus ein, um gegen jeden Versuch, der die Regierung in Havanna begünstigen würde, zu opponieren.400 Die Kontributionen gehen nicht ausschließlich an Cubano-Americanos, sondern sind an verschiedene Kongressabgeordnete beider Parteien in beiden Kammern gerichtet. In den letzten zwei Wahlperioden hat sich aber von allen Cuba-PACs das USCD-PAC als der Hauptakteur bei der Sammlung von Spenden und der Weiterleitung an die Repräsentanten entwickelt. Seitdem das USCD-PAC 2004 seine Aktivitäten aufnahm, leistete es bis 2007 entweder direkt oder über andere PACs mehr als 1 400 Kontributionen an verschiedene Kandidaten.401 Andere wichtige PACs, die speziell die Kubapolitik im Fokus haben, sind das Free Cuba Pac Inc., das Cuba Libre PAC und das United States Cuba PAC. Von 1999 bis 2007 sind allein von diesen PACs mehr als 1,4 Mio. US-Dollar Spendengelder gesammelt worden (siehe Tabelle III-3). Tabelle III-3:
Kontributionen der Cuba-PACs von 1999 bis 2008
Name Free Cuba Pac Inc Cuba Libre PAC United States Cuba-PAC US-Cuba Democracy PAC
19992000 169 509
20012002 35 200 5 435
20032004
8 468
20052006
2 148 828 204
2007-2008*
1 010 289
Quelle: Federal Election Commission (2008) Die Cubano-Americanos haben in den letzten fünf Wahlperioden seit 1999 insgesamt mehr als 50 Mio. US-Dollar von den PACs bekommen. Von 1999 bis 2008 lässt sich eine beachtliche Steigerung der finanziellen Zuwendungen der PACs für die Cubano-Americanos beobachten. In der Wahlperiode 1999 bis 2000 erhielten drei Kandidaten mehr als 3 Mio. USDollar und im Wahlzyklus 2005 bis 2006 waren es mehr als 18,5 Mio. US-Dollar (siehe Tabelle III-4). Durch die verstärkte Beteiligung dieser ethnischen Gruppe am politischen Prozess wird die Chance für den Durchbruch neuer Alternativen zum Entwurf der zukünftigen USKubapolitik erschwert. 399 Zu diesem Ergebnis kommen die Autoren BERRY/WILCOX 2007: S. 93; siehe auch die Untersuchung zu den Kontributionen von mehr als 400 Interessengruppen, bei der ein starker Zusammenhang zwischen Politik und Geld festgestellt wurde: MILLER/GOFF 1998. 400 Siehe die Agenda der PAC: UCD-PAC 2007. 401 Die Daten wurden gewonnen und zusammengestellt aus der Federal Election Commission. Der Wahlzyklus wird sich gegen Ende 2008 schließen und es wird eine Steigerung der Spenden erwartet; siehe FEC 2008a.
III.2 Instrumente der kubanischen Interessengruppen im politischen Präferenzbildungsprozess
Tabelle III-4:
131
Gesamtbeiträge der PACs für Cubano-Americanos im Kongress von 1999 bis 2008
Kandidaten
1999-2000
2001-2002
2003-2004
2005-2006
2007-2008
Gesamt PACs Beiträge 5.037.458
ILEANA ROS-LEHTINEN
425.695
709.896
876.886
1.190.331
1.834.650
LINCOLN DIAZ-BALART
483.016
501.879
524.622
839.873
2.284.221
4.633.611
1.073.879
544.177
696.022
1.982.909
4.296.987
1.901.805
993.228
2.895.033
12.841.916
1.949.913
1.710.284
16.502.113
2.518.460
3.624.587
11.950.586
2.290.628
22.572.803
4.804.114
18.412.188
18.528.530
11.095.920
MARIO DIAZ-BALART ALBIO SIRES MEL MARTINEZ ROBERT MENENDEZ Subtotal für Wahlperiode
2.188.542 3.097.253
55.938.005
Quelle: Federal Election Commission (2008) Für die cubano-amerikanischen Kongressabgeordneten und Senatoren erfüllen die PACs eine wichtige Unterstützungsfunktion. In den Wahlperioden von 1999 bis 2008 zeigt sich ein kontinuierlicher Spendenanstieg. Im Senat sind die Cubano-Americanos von Melquíades (Mel) Martinez für Florida und Robert (Bob) Menendez für New Jersey vertreten. Letzterer bekam beispielsweise in der Wahlperiode 1999 bis 2000 Gelder von mehr als insgesamt 2,1 Mio. US-Dollar, in der Periode zwischen 2005 und 2006 stiegen die Spenden auf 11,9 Mio. US-Dollar an. Dies ist die fünffache Summe der Kontributionen, die zuvor registriert worden waren. Einen ähnlichen Gesamtbetrag in Höhe von 12,8 Mio. US-Dollar bekam Martinez für seine Wahl zum Senator in dem Zyklus 2003 bis 2004. Die höheren Summen für die Senatoren im Vergleich zu denen für die Abgeordneten im Repräsentantenhaus hängen damit zusammen, dass die Kandidaten für den Senat durch ihre Nominierung ein breiteres Publikum auf nationaler Ebene erreichen und deshalb von der eigenen Partei entsprechend stärker unterstützt werden. Die Gesamtbeträge für die Senatoren seit 1999 erreichten eine Summe von mehr als 39 Mio. US-Dollar (siehe Grafik III-8). Die niedrigen Säulen in der Grafik bei der Periode 2007 bis 2008 sind damit zu erklären, dass alle sechs Jahre die Senatoren neu kandidieren können. Es ist somit im gegenwärtigen Zyklus ein steigender Trend zu erwarten. Zu den drei Abgeordneten des Repräsentantenhauses kubanischer Abstammung, die bei den Wahlperioden bis 2004 kontinuierlich große Kontributionen der PACs empfangen haben, kam ab dem Wahlzyklus 2005 bis 2006 Albio Sires, ein weiterer Cubano-Americano aus New Jersey, dazu. Somit setzen sich insgesamt zwei Senatoren und vier Abgeordnete im Kongress geschlossen für eine gemeinsame Linie in der Kubafrage ein und werden hierfür von den unterschiedlichen PACs unterstützt. Für die aus Florida kommenden Kongressabgeordneten Lincoln und Mario Diaz-Balart sowie Ileana Ros-Lehtinen ist seit 1999 ein stabiler Spendenanstieg, wenn auch nicht in gleichem Maße wie bei den Senatoren, zu beobachten. Insgesamt erhielten die Kongressabgeordneten seit 1999 knap 17 Mio. US-Dollar Spendengelder (siehe Grafik III-9).
132
III Zentrale Akteure und der Präferenzbildungsprozess
Grafik III-8:
Gesamtbeiträge der PACs für cubano-amerikanische Senatoren von 1999 bis 2008
42 40 38 36
MEL MARTINEZ
34 32
ROBERT MENENDEZ
Mio. US-
30 28
Subtotal für Wahlperiode
26 24 22 20 18 16 14 12 10 8 6 4 2 0 1999-2000
2001-2002
2003-2004
2005-2006
2007-2008
Gesamt PACs Beiträge
Wahlperiode
Quelle: Federal Election Commission (2008); eigene Berechnung Die Kritik an der Funktion der PACs basiert im Allgemeinen darauf, dass die Geldgeber ihre Erwartungen je nach geleisteten Kontributionszahlungen entsprechend hoch stecken. Die Spenden können von den Interessengruppen somit als eine Art von Investition in die von ihnen favorisierte Politik gesehen werden.402 Je mehr Geld ein Kandidat von privaten PACs erhält, desto schwieriger wird es für ihn sein, in seinem zukünftigen Amt unabhängige Entscheidungen zu treffen. PACs haben letztendlich die Aufgabe, den Zugang zum Repräsentantenhaus zu erleichtern, um dieses gezielt im eigenen Interesse zu beeinflussen. Organisationen, die in den PACs stark repräsentiert sind, nehmen somit eine bessere Position als andere ein, um Einfluss auf die politische Agenda auszuüben.403
402 Vgl. SLOFF 1998: S. 14. 403 Die Untersuchung von Hall und Wayman kommt zu dem Ergebnis, dass die Aktivität der Repräsentanten in den Komitees des Kongresses von den Zahlungen der PACs abhängt; siehe HALL/WAYMAN 1990; WRIGHT 1985.
133
III.2 Instrumente der kubanischen Interessengruppen im politischen Präferenzbildungsprozess
Grafik III-9:
Spenden der PACs für Cubano-Americanos im Repräsentantenhaus des US-Kongresses von 1999 bis 2008
18 17 16 15 14
ILEANA ROSLEHTINEN
Mio. US-Dollar
13 12 11
LINCOLN DIAZBALART
10
MARIO DIAZ-BALART
9 ALBIO SIRES
8 7
Subtotal für Wahlperiode
6 5 4 3 2 1 0 1999-2000
2001-2002
2003-2004
2005-2006
2007-2008
Gesamt PACs Beiträge
Wahlperiode
Quelle: Federal Election Commission (2008)404 Der Staat bemüht sich, über die Reglementierungen der FEC der Entwicklung dieses Phänomens der politischen Einflussnahme durch den Einsatz von Kontributionen entgegenzuwirken. Somit sind Geldleistungen für Wahlen, seien sie auf nationaler oder regionaler Ebene, für Gewerkschaften, nationale Banken und Korporationen, die Verträge oder Verbindungen mit der Regierung oder mit einem föderalen Bundesstaat haben, verboten.405 Dies bedeutet, dass Firmen zwar keine Direktzahlungen leisten dürfen, sie können aber über die PACs und durch separate Fonds zur finanziellen Unterstützung der Wahlen beitragen.406 In diesem Kontext wurde Mel Martinez in Verbindung mit den Spenden der finanzstarken Firma Bacardi gebracht. Sie hatte eigene Fonds benutzt, um Martínez Senatorkampagne zu finanzieren. Hintergrund ist auch das Interesse des Unternehmens, seine Ansprüche auf die bekannte Handelsmarke durch die Unterstützung Martinez gesetzlich geltend zu machen.407 Die Interessengruppen haben Wege gefunden, um bei den politischen Kampagnen trotz der von der FEC reglementierten Obergrenzen uneingeschränkte Summen 404 Die Daten wurden aus den Veröffentlichungen zu jedem Kandidaten der Federal Election Commission (FEC) gewonnen und zusammengestellt. In den Beträgen sind die Spenden bis zum 31.12.2008 inbegriffen; siehe FEC. 405 Trotz der Regelungen für die Kontributionen sind diese Gesetze zur Eingrenzung der Rolle von Interessengruppen in den Kampagnen nicht immer effizient gewesen; siehe CONWAY/GREEN/CURRINDER 2002: S. 117. 406 Siehe die Contributions Brochure von FEC 2007: S. 3. 407 Die Firma Bacardi bemüht sich im Kongress, sich die Rechte für die Handelsmarke Havana Club zu sichern. Havana Club wird im Auftrag der kubanischen Regierung weltweit von der Firma Pernod Ricard vermarktet. Die Gesetzesverabschiedung würde bedeuten, dass die alleinigen Interessen eines Privatunternehmens gesetzlich geschützt werden würden. Martinez und Menendez agieren gemeinsam als CoSponsoren dieses Gesetzentwurfes; siehe zu dem Gesetz LOC 2007a: S. 749; siehe dazu auch die Ausführungen von CREW 2006. Die Reaktion der FEC nach der Überprüfung des Vorfalls ist in der Pressemitteilung dokumentiert; siehe FEC 2007a.
134
III Zentrale Akteure und der Präferenzbildungsprozess
als sog. Soft Money oder Outside Money, das sie nicht in dem Report an die FEC auflisten, zu spenden.408 Trotz der negativen Implikationen, die die Verbindung von Spendengeldern mit der Politikgestaltung in den USA und mit den an die Öffentlichkeit gekommenen Korruptionsfällen mit sich gebracht haben, sind die PACs im amerikanischen politischen System längst etabliert. Befürworter der PACs sehen in den Komitees eine Möglichkeit für die Bürger, sich am demokratischen Prozess zu beteiligen, da durch diese Einrichtung eine direkte Verbindung zu ihren Vertretern hergestellt wird.409
III.2.1.3 Die Rolle der Medien innerhalb des Präferenzbildungsprozesses Die modernen Kommunikationsmedien werden für den Präferenzbildungsprozess und die Gestaltung der Außenpolitik in stärkerem Maße involviert, als es noch vor einigen Jahrzehnten der Fall gewesen war.410 Oft beschränkt sich die Berichterstattung nicht allein auf eine Zusammenstellung von Informationen über die Außenpolitik, da nicht selten die Berichterstatter selbst aktive Teilnehmer derselben sind.411 Für die kubanischen Interessengruppen sind die Medien ein signifikantes Instrument, das nicht nur innerhalb der USA, sondern auch auf Kuba seine Funktion erfüllt. Auch wenn die Medien auf der Insel nicht der breiten Masse zugänglich sind, dienen sie den Oppositionsgruppen trotzdem als wichtiges Hilfswerkzeug zur öffentlichen Meinungsbildung und ihrer internationalen Anerkennung. Sie sind also ein Instrument für die Positionierung der Interessen in der öffentlichen Meinung, sei es politisch nach außen oder nach innen gerichtet. Die Medien werden somit zur externen politischen Legitimierung und in anderen Fällen zur moralischen Anerkennung der Ziele und Interessen, die die Gruppen verfolgen, eingesetzt. Die mediale Unterstützung liefert den Organisationen eine Handlungsgrundlage, um auf entscheidende politische Akteure Einfluss zu nehmen. Die CANF ist beispielsweise eine politische Gruppierung, die durch die Wirkungskraft der Kommunikationsmedien aktiviert werden kann. Diese Organisation kann zum Beispiel durch den Einsatz von Medien ihre Interessen in Kontraposition zu einer Äußerung eines Politikers setzen oder ihre Ziele und Interessen auf Grund ihrer langjährigen Erfahrung auf nationaler Ebene durch Radio, Fernsehen oder die Printmedien ausdrücken. Um auf die öffentliche Meinung Einfluss zu nehmen, bemühen sich die Interessengruppen deshalb anhaltend darum, die Kommunikationsmedien als wichtigstes Arbeitsinstrument ihrer Aktivitäten für die Unterstützung ihrer Organisationen und politischen Programme einzusetzen. Durch die Medien können die Gruppen auf verschiedenen Wegen in ständiger Verbindung mit einer breiten Bevölkerungsschicht sein. Durch das Fernsehen, Radio, Internet und die Zeitungen werden Millionen US-Amerikaner erreicht. Für jede starke Organisation oder Institution ist der Einsatz von Beratern für Öffentlichkeitsarbeit Standard geworden. Auch die CubanoAmericanos nutzen diese Möglichkeit, sie tendieren aber in der Regel dazu, professionelles 408 Damit sind Kontributionen gemeint, die über die reglementierten Grenzen hinausgehen; siehe dazu MAGLEBY 2000. Somit können sich die Interessengruppen bei Wahlkampagnen aktiv mit Geldern, die außerhalb des Gesetzes liegen, beteiligen; vgl. DWYRE 2002 409 Vgl. GAIS 1996: S. 31f. 410 Im US-amerikanischen politischen System werden die Massenmedien oft als „vierte Macht“ bezeichnet. Präsidenten oder die Präsidentschaftskandidaten können die Unterstützung ihrer Politik oft nur über diesen Weg erfolgreich aufbauen; vgl. McKAY 2005: S. 135f. 411 Siehe WIARDA/SKELLEY 2006: S. 20.
III.2 Instrumente der kubanischen Interessengruppen im politischen Präferenzbildungsprozess
135
Kommunikationsfachpersonal aus dem eigenen Kulturkreis einzusetzen. Alex Castellanos ist der bekannteste cubano-amerikanische Medienberater, der sich schon bei verschiedenen Präsidentschaftskampagnen, aber auch bei der Medienberatung von Senatoren und politischen Komitees beteiligt hat. Er ist aktives Mitglied der Republikaner und beriet zuletzt die Medienkampagne zur US-Präsidentschaftskandidatur des Anfang 2008 ausgeschiedenen Mitt Rommey. Die Medien werden nicht allein als Kanal für den Informationstransfer eingesetzt, sondern auch als Instrument der Propaganda.412 Auch wenn diese Terminologie schon lange besteht, ist die Art, wie Propaganda betrieben wird, neu. Die Gruppen benutzen diese Methode, um bestimmte kurzfristige Ziele zu erreichen und langfristig einen technischen Bestand der politischen Kampagnen herauszustellen. Eine taktisch gut organisierte und professionelle Propagandakampagne kann sich in zwei Richtungen entwickeln: Auf der einen Seite kann die politische Entscheidungsfindung beeinflusst werden, indem der Eindruck erweckt wird, dass ein bestimmter Vorschlag eine breite Unterstützung der betroffenen ethnischen Gruppe hat, so dass die politischen Ziele mit hoher Wahrscheinlichkeit erreicht werden. Auf der anderen Seite kann die Kampagne viele Menschen dazu mobilisieren, den Funktionären selbst durch Briefe, E-Mails oder Telefonate eine Petition zur Berücksichtigung ihrer Anliegen zukommen zu lassen. Beide Optionen suggerieren, dass das vorgeschlagene Programm der allgemeine Wille dieser ethnischen Gruppe in der Region ist. Das Charakteristische an den Kampagnen der Cubano-Americanos ist die ideologisch stark geprägte anticastristische Gesinnung, durch die die ständige Präsenz der Kubaproblematik in der Öffentlichkeit positioniert wird. Trotz der rasanten Entwicklung von Radio und Fernsehen bleiben die Printmedien die meisteingesetzte Methode der Gruppierungen, um durch gut konzipierte Berichte und Meldungen auf die öffentliche Meinung einzuwirken. Zusätzlich zu der Freischaltung von Propaganda oder Berichten werden auch Artikel von Journalisten bedeutender Zeitungen oder Zeitschriften aus der Region, in der die Gruppe aktiv ist, publiziert. Hierfür bezahlen die Cubano-Americanos Beträge an die Berichterstatter. In manchen Fällen werden dabei auch staatliche Gelder verwendet.413 Abgesehen davon ist die Nutzung institutioneller Medien ein zentraler Bereich, den die Organisationen durch ihren Einfluss zu besetzen versuchen. Als „institutionell“ werden jene Medien verstanden, die staatlich finanziert werden und deren Sendezeiten grundsätzlich von den Interessengruppen beherrscht werden. Die Gruppen im Fokus dieser Studie dominieren und dirigieren beispielsweise je eine Radio- und eine Fernsehstation, die vom Staat zu 100% finanziert wird. Diese beiden Stationen verfolgen vorkonzipierte Ziele, die mit den konservativen Gruppierungen in Miami nicht nur übereinstimmen, sondern von ihnen auch geleitet werden und somit für andere Organisationen der moderaten Cubano-Americanos schwer zugänglich sind. Neben der Beeinflussung der Medien setzen die Cubano-Americanos ihre finanziellen Mittel ein, um Stiftungen oder Fakultäten von Universitäten bei der Herausgabe von Studien 412 Die Nutzung der modernen Technik in Kombination mit gut überlegten psychologischen Botschaften erzielt bessere Ergebnisse als allein die Public Relations, die in der Vergangenheit eingesetzt wurde. Gemäß Ippolito und Walker stellt dies eine der fundamentalen Veränderungen in der Politikgestaltung von Interessengruppen dar; siehe IPPOLITO/WALKER 1980: S. 323. 413 Die Honorare für Journalisten beschränken sich nicht allein auf die Kontributionen von Interessengruppen. Wenn die Berichterstattung mit der Politik der Regierung koinzidiert, werden auch Zahlungen durch die Regierung getätigt. Für anticastristische Texte sind bereits regelmäßige US-Kontributionen an Journalisten geleistet worden; siehe o.V. 2006: S. 1a. Diese Journalisten wurden zwar entlassen, einen Monat später waren sie aber wieder bei derselben Zeitung angestellt; siehe o.V. 2006a: S. 1a.
136
III Zentrale Akteure und der Präferenzbildungsprozess
zu unterstützen, in denen die Arbeit der Interessengruppen fundiert begründet wird. Dadurch wird zu Gunsten der konservativen und militanten Interessengruppen ein politisches Klima der Alternativlosigkeit für neue Ansätze in der Kubapolitik geschaffen. Die Gruppen wollen demnach durch ihre Öffentlichkeitsarbeit die Bildung politischer Alternativen und Initiativen verhindern, um in der Bevölkerung eine Ablehnung gegenüber jenen Programmen zu erreichen, die nicht mit den Zielen der Interessengruppen koinzidieren. Auch wenn die Öffentlichkeitsarbeit für die Meinungsbildung eine wichtige Aktivität ist, sind aus finanziellen Gründen nicht alle Gruppen in der Lage, diese erfolgreich durchzuführen. Diese Möglichkeit bietet sich v.a. für Organisationen mit finanziellen Ressourcen an, denn dadurch können sie nicht nur bessere Berater bezahlen, sondern auch die wichtigsten Plätze in den Printmedien und die besten Sendezeiten von Radio und Fernsehen belegen.414 Die finanziellen und organisatorischen Konditionen einer Gruppierung können somit für ein aktives und erfolgreiches Auftreten in den besten Kreisen der Machtzentren maßgeblich sein. Eines der meistverbreiteten Medien und der stärksten Verbindungskanäle zwischen den cubano-amerikanischen Interessengruppen in den USA und der in Kuba organisierten Opposition ist das Internet. Durch diese Kommunikationsmöglichkeit können ohne den Einsatz von großen finanziellen Mitteln über die Grenzen der USA hinaus genau die Menschen erreicht werden, zu denen die Gruppen Kontakt suchen. Eine Studie des Pew Research Center aus dem Jahr 2006 zeigt auf, dass das Internet innenpolitisch eine immer größere Bedeutung eingenommen hat. Mehr als 73% der US-Amerikaner haben zu Hause einen Internetzugang. 22 Millionen Bürger haben sich gemäß der Studie zu den Wahlen über das Internet informiert und 97 Millionen benutzten dieses Medium, um mehr über die Regierungsagenturen zu erfahren. 38 Millionen Amerikaner wählten diesen Weg, um in Kontakt mit der Regierung zu treten.415 Die US-Regierung begrüßt die Entwicklung dieser Kommunikationsmethode. Nach einer Studie der Congressional Management Foundation sind allein in Capitol-Hill 615 Websites online, von denen 100 für den Senat, 438 für das Repräsentantenhaus, 64 für die Komitees und 13 für das Regierungskabinett entworfen worden sind.416 Die Mehrheit (79%) der Mitarbeiter im Kongress ist überzeugt, dass das Internet die Verbindung zwischen den Bürgern und der Politik nicht nur wesentlich erleichtert und verständlicher gemacht hat, sondern die Bevölkerung dadurch auch in die politische Entscheidungsdynamik involviert werden kann. Die aktiven politischen Gruppierungen nutzen besonders dieses Medium, um die gewählten Vertreter zu kontaktieren. Mitglieder des Senats erhielten allein im Jahr 2004 mehr als 83 Millionen Meldungen via Internet und Mitglieder des Repräsentantenhauses mehr als 99 Millionen.417
III.2.1.4 Die Parteienaffinität der Cubano-Americanos Die kohärente Gemeinsamkeit zwischen Parteien und Interessengruppen besteht darin, dass beide die Bürger repräsentieren und ihre Partizipation im politischen Prozess garantieren. 414 Gruppen mit kommerzieller Ausrichtung wählen in der Regel diese Methode. Der US-amerikanische Industriellenverband beispielsweise versteht die Öffentlichkeitsarbeit als ein „Konto“, auf das Geld eingezahlt werden muss, um zum gegebenen Zeitpunkt entsprechende „Checks“ für die eigenen Belange zu erhalten; siehe MAcKEAN 1949: S. 492. 415 Siehe RAINE/HORRIGAN 2006. 416 Siehe BURDEN/FOLK/HYSOM 2007. 417 Siehe den Bericht vom CMF 2005.
III.2 Instrumente der kubanischen Interessengruppen im politischen Präferenzbildungsprozess
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Die Interessengruppen selbst sind zwar keine Partei, können jedoch eine repräsentieren. Parteien und Interessengruppen stehen durch diese Funktion in Verbindung. Für beide besteht die Möglichkeit zur Koexistenz oder aber, je nach politischen Interessen, zur Koalition.418 Oft überschneidet sich ihre Arbeit und sie profitieren deshalb am ehesten von einer Zusammenarbeit, um ihre Ziele umzusetzen. Parteien und Interessengruppen konkurrieren um die gleichen wirtschaftlichen Ressourcen wie Geld oder um die politischen wie Einfluss und die Mobilisierung von Wählerkreisen. Die cubano-amerikanischen Interessengruppen und Führer politischer Parteien haben aber entdeckt, dass unter günstigen Bedingungen eine ideologische Affinität die Basis für eine langfristige Zusammenarbeit und Durchsetzung von politischen Agenden sein kann.419 Im Gegensatz zu den Interessengruppen als privaten Organisationen, deren wichtigstes Ziel der Einfluss auf die jeweilige Politik der Regierung ist, sind die Parteien insbesondere auf die Maximierung der Wählerstimmen angewiesen. Die Konkurrenz zwischen Parteien und Organisationen kann als eine Schwächung und Fragmentierung des politischen Systems betrachtet werden, die sich aber auf die Interessengruppen begünstigend auswirkt. Die Steigerung an Einfluss, den eine bestimmte Gruppe in einem Bereich gewinnen kann, wirkt sich negativ auf die Einflussintensität der Parteien im selben Sektor aus.420 Die Organisationen selbst stellen nicht die Kandidaten, um die öffentlichen Posten zu besetzen, und konzipieren auch nicht die Parteiprogramme im politischen Wettbewerb. Dennoch präsentieren sie vor den verschiedenen Parteikommissionen ihre eigenen Anliegen, damit sie in den Programmen der Parteien integriert und berücksichtigt werden.421 Umgekehrt bemühen sich die Parteien in den Vereinigten Staaten auch um die Sympathie starker ethnischer Gruppen. Sie richten beispielsweise gezielt Arbeitskomitees ein, die explizite Programme für die Probleme der Latino-Population entwickeln.422 Die Arbeit der kubanischen Interessengruppen beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Unterstützung einer Partei. Die Cubano-Americanos können auch bestimmte Kandidaten aus dem eigenen ethnischen Kulturkreis finanziell oder durch ihre Stimmen unterstützen und ihnen dadurch zu wichtigen Positionen verhelfen. Indem sie sich bemühen, die Unterstützung der beiden großen Parteien zu sichern, verhindern sie, dass die eigenen Programme und Interessen bei politischen Kontroversen der großen Parteien instrumentalisiert werden. Die Interessengruppen übernehmen Aufgaben wie die Rekrutierung von Mitgliedern, die Suche nach Kandidaten oder die Planung von Kampagnen, die sogar in die Bereiche der Parteien gehen.423 Damit beabsichtigen sie, ihre Interessen im politischen Machtzentrum kontinuierlich zu positionieren. Die Parteien suchen aber auch eine Verstärkung durch die Wählerbasis, um ihre eigenen Projekte und die Durchführung der politischen Agenda zu erreichen. Um keine Wähler zu verlieren, definieren sie deshalb ihre Ansichten oft nicht konkret oder vertreten nicht immer offen die Interessen einer spezifischen Gruppe.424 418 419 420 421
Siehe dazu WILSON 1990: S. 33. Siehe WALKER 1991: S. 35. Ebd., S. 21f. Allein aus Florida werden im November 2008 für die nationale Konvention der Republikaner 57 Delegierte teilnehmen; siehe RNC 2007 422 Sowohl die Demokraten als auch die Republikaner bieten auf ihren offiziellen Internetseiten die Parteiprogramme, Kampagnen und ihre politische Agenda nicht nur auf Englisch, sondern auch in spanischer Sprache an. Letztere Option wird speziell für die Zielgruppe der Latinos integriert. Beide Parteien geben keine Informationen in anderen Sprachen für andere ethnischen Gruppen; siehe für die Demokraten: www.democrats.org und für die Republikaner: www.gop.com. 423 Siehe ROZELL/WILCOX 1999: S. 35. 424 Vgl. MILLS 1955: S. 458.
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III Zentrale Akteure und der Präferenzbildungsprozess
Die Mehrheit der kubanischen agierenden politischen Gruppierungen interveniert in sehr aktiver Form bei den Wahlkampagnen und unterstützt die Kandidaten, die in einem hohen Maß an Affinität mit den eigenen politischen Zielen übereinstimmen. Die Anlehnung an beide Parteien zur Sicherung der eigenen Interessen kann oftmals mit Schwierigkeiten verbunden sein und gelingt nicht allen Organisationen. Die Cubano-Americanos orientieren sich an den Kandidaten, die durch ihre Unterstützung schon Schlüsselpositionen im Kongress erreicht haben. Je nach Ausrichtung der Organisation kann eine bestimmte Partei zugänglicher und geeigneter für die Durchsetzung der eigenen Interessen als andere sein. Meines Erachtens hat für die Organisationen die Position der Partei zu ihren Zielen eine größere Relevanz als die Ideologie der Partei selbst. Die Unterstützung einer Partei durch eine Gruppe hängt von den Interessen derselben ab. Bei den Entscheidungen der Parteien ergeben sich auf Grund der unterschiedlichen Mitglieder oft Positionen, die nicht zentralisiert sind. Dadurch eröffnet sich für die Organisationen die Möglichkeit, politische Vertreter in den jeweiligen Regionen und in einem spezifischen Moment, unabhängig von deren Parteizugehörigkeit, zu unterstützen. Das heißt, die Ideologie ist nicht der entscheidende Grund für die Unterstützung, sondern die Affinität zu den Interessen der jeweiligen Organisation sowie die Kompatibilität mit den Zielen der Partei. Dies koinzidiert mit der partikulären Haltung der kubanischen Interessengruppen, die sich bezüglich Kuba in spezifischen Fragen manifestieren und dabei ihren ethnischen Hintergrund und ihre Bevölkerungskonzentration in der Region Florida nutzen, um politischen Druck auszuüben. Die politische Arbeit der Interessengruppen ist deshalb nicht allein auf die Herstellung von Verbindungen zu einer bestimmten Partei fokussiert, sondern darüber hinaus auf die Positionierung der eigenen Vertreter im Zentrum des politischen Entscheidungsprozesses oder in strategischen Posten im Rahmen der Entscheidungsfindung. In den Städten Südfloridas sind die Mehrheit der Bürgermeister Cubano-Americanos. Dies beschränkt sich nicht nur auf die Zonen von Miami und Hialeah, sie sind auch in den kleineren Stadtgemeinden im Distrikt 17 und 18 genauso stark repräsentiert. Seit 1985 stellen die CubanoAmericanos die Bürgermeister in Miami. Der gegenwärtige ist seit 2001 Manuel A. Diaz. Auch in Miami-Dade sind seit 1996 ausschließlich cubano-amerikanische Bürgermeister vertreten. Im November 2004 wurde dort Alex Penelas von Carlos Alvarez abgelöst, der zuvor schon sechs Jahre lang das Miami-Dade Police Department geleitet hatte.425 Auch wenn die Cubano-Americanos je nach Interesse und Situation und unter der Voraussetzung, dass die politische Position zu Kuba harmoniert, sowohl die Demokraten als auch die Republikaner unterstützen, tendieren sie mehrheitlich zur republikanischen Partei.426 Der erste Cubano-Americano im US-amerikanischen Repräsentantenhaus war von 1951 bis 1959 der Republikaner für den Bundesstaat Maryland James Patrick Devereux. Erste bedeutende politische Aktivitäten der Cubano-Americanos im Kongress kann man jedoch erst ab Ende der 1980er Jahre registrieren. Von den gegenwärtigen cubano-amerikanischen Abgeordneten im Repräsentantenhaus des Kongresses sind drei Republikaner aus Florida (Ileana RosLehtinen, Lincoln und Mario Diaz-Balart) und nur ein Demokrat aus New Jersey (Albio Sires). Im Senat sind jeweils ein Demokrat aus New Jersey (Robert Menendez) und ein Repub-
425 Siehe MDC 2008. 426 Einige Autoren sehen die Gründe für die treue Haltung der Cubano-Americanos zu den Republikanern in dem Beziehungsbruch zum Demokraten Kennedy, der mit dem Scheitern der Invasion Kubas in der Schweinebucht verbunden ist; und das Scheitern der Invasion Kubas in der Schweinebucht; siehe PORTES 1990: S. 176.
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III.2 Instrumente der kubanischen Interessengruppen im politischen Präferenzbildungsprozess
likaner aus Florida (Melquíadez Martinez). Letzterer übernahm 1993 als erster CubanoAmericano in den USA ein Senatorenamt (siehe Tabelle III-5). Tabelle III-5:
Parteiaffinität der Cubano-Americanos im US-Kongress
Wahlperiode und Regierung
Cubano-Americanos im Repräsentantenhaus
1989-1990
Ros-Lehtinen
1991-1992
Ros-Lehtinen
1993-1994
Ros-Lehtinen
1995-1996
Ros-Lehtinen
1997-1998
Ros-Lehtinen
1999-2000
Ros-Lehtinen
2001-2002
Ros-Lehtinen
2003-2004
Ros-Lehtinen
2005-2006
Ros-Lehtinen
2007-2008
Ros-Lehtinen
Robert Menendez Robert Menendez Robert Menendez Robert Menendez Robert Menendez Robert Menendez
Lincon Diaz-Balart Lincon Diaz-Balart Lincon Diaz-Balart Lincon Diaz-Balart Lincon Diaz-Balart Lincon Diaz-Balart Lincon Diaz-Balart Lincon Diaz-Balart
Mario Diaz-Balart Mario Diaz-Balart Mario Diaz-Balart
Cubano-Americanos im Senat
Albio Sires Albio Sires
Mel Martinez Mel Martinez
Robert Menendez Robert Menendez
Demokraten Republikaner
Quelle: Eigene Zusammenstellung Die ideologische Affinität der Cubano-Americanos in Florida zu der republikanischen Partei ist die Reaktion auf die gewonnene Stärke, die sie in den Legislaturperioden der Präsidenten Reagan und Bush (sowohl Vater als auch Sohn) gewonnen haben.427 Die politische Orientierung der Cubano-Americanos kontrastiert mit den Parteipräferenzen der verbleibenden lateinamerikanischen Population in den Vereinigten Staaten, die eher zu den Demokraten tendiert. Die Untersuchungsergebnisse des Pew Hispanic Center ergaben, dass im Oktober 2007 57% der Latinos bei den Demokraten registriert waren oder sich mit ihnen identifizierten, zu einer Affinität zu den Republikanern bekannten sich jedoch nur 23%. 2006 hatten 49% die Demokraten angegeben und 28% die Republikaner.428 Die Ergebnisse der Umfragen von der Universität in Florida unter der kubanischen Bevölkerung in den USA bestätigen den Kontrast zu der allgemeinen Position der Latinos, denn 68,5% der Cubano-Americanos favorisierten die republikanische Partei und 17,6% die demokratische.429 Bei der für diese Studie durchgeführten Umfrage unter den politisch engagierten 427 Im Jahr 2003 wurde in Miami der sog. Partido Republicano de Cuba (Republikanische Partei Kubas) gegründet. Die Partei hat es sich zur Aufgabe gemacht, oppositionelle Gruppen auf Kuba zu unterstützen. Sie lehnt sich ideologisch an die Republikaner an und unterstützt diese in ihren politischen Kampagnen; siehe dazu PRC 2003. 428 Siehe TYLOR/FRY 2007: S. 8. 429 Die Umfrage wurde vom Institute for Public Opinion Research und dem Cuban Research Institute of Florida International University durchgeführt. 1 201 Cubano-Americanos, wohnhaft in Miami-Dade County, und 606 Cubano-Americanos aus Broward beantworteten die Fragen am Telefon. Die aktuellen Daten sind einzusehen in FIU-IPOR 2008.
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III Zentrale Akteure und der Präferenzbildungsprozess
und für die Wahlen registrierten Cubano-Americanos gaben 51% an, dass sie bei den Republikanern registriert sind, währenddessen nur 18% bei den Demokraten gemeldet sind. 16% bezeichnen sich hingegen als unabhängige Aktivisten und 15% sind bei keiner Partei registriert. Die Ergebnisse decken sich beinahe mit denen der Universität Floridas (siehe Grafik III-10). Grafik III-10:
Parteiaffinität der politisch aktiven Cubano-Americanos
15%
Republikaner
16% 51%
Demokraten Unabhängig Nicht registriert
18%
Quelle: Datenerhebung dieser Untersuchung (2007) Da die Wahlen eines der wichtigsten politischen Instrumente für die Gruppierungen und die Unterstützung ihrer Kandidaten sind, werden signifikante Verbindungen zu Parteien geknüpft, um führende Gruppenvertreter an entscheidenden Stellen innerhalb der Parteistrukturen zu positionieren.430 Dies stellt einen wichtigen Vorgang auf der Suche nach Einflussnahme im Entscheidungsprozess dar. Mel Martinez agierte beispielsweise von November 2006 bis Oktober 2007 als Vorsitzender der republikanischen Partei, nachdem er das Bauministerium von 2001 bis 2003 unter der ersten Legislatur George Bushs geleitet hatte. Die Interessengruppen stehen somit nicht am Rande des US-amerikanischen politischen Geschehens, sondern sind durch die enge Verbindung zu ihren Vertretern relevante Teilnehmer des politischen Entscheidungsprozesses.431 Politisch gut positionierte Cubano-Americanos haben gelernt, dass sie daran gemessen werden, wie sehr ihre Programme die Interessen der Mehrheit vertreten; sie versuchen deshalb, sich innenpolitisch entsprechend zu engagieren, damit ihre Ziele nicht auf die einer 430 Die Interessengruppen spielen bei den Parteikonventionen eine aktive Rolle, da viele Delegierte auch Mitglieder von Interessengruppen sind. In Florida waren 1995 mehr als 60% der republikanischen Delegierten Mitglieder von sog. Business Groups; siehe ROZELL/WILCOX 1999: S. 65. 431 Vgl. SINGH 2003: S. 202f..
III.2 Instrumente der kubanischen Interessengruppen im politischen Präferenzbildungsprozess
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ethnischen Minderheit reduziert werden. In der praktischen Ausführung ihrer Politik repräsentieren sie jedoch, bezogen auf ihre Position zu Kuba, die Interessen einer Minderheit. Die Cubano-Americanos im Kongress können in der innenpolitischen Agenda in verschiedenen Bereichen, bedingt durch ihre Parteizugehörigkeit und die Anliegen der jeweiligen Wahldistrikte, in ihren Meinungen differieren – in ihrer außenpolitischen Position gegenüber Kuba stimmen sie jedoch harmonisch überein. Als jüngstes Beispiel sind die gemeinsamen Aktionen im Kongress zur Beeinflussung der Kubapolitik zu nennen, bei denen der republikanische Senator Mel Martinez, der demokratische Senator Robert Menendez, der Republikaner John Ensign aus Nevada und der Demokrat Bill Nelson aus Florida eine Gesetzesänderung durchsetzten, um die Programme der Organisation Cuba Democracy Assistance mit 45,7 Mio. US-Dollar zu finanzieren. Dieser Beschluss wurde auf Grund der engen Zusammenarbeit in der Kubafrage vom Senat für das Kalenderjahr 2008 bestätigt, ohne dass sich eine bedeutende Opposition manifestierte.432
III.2.2 Der Einfluss der cubano-amerikanischen Interessengruppen auf die Regierung Die Umsetzung der nationalen politischen Agenda hat für jede Regierung einen hohen Stellenwert und für die politischen Parteien, die diese Agenda entworfen, vorgeschlagen und die zudem das Regierungsmandat für deren Verwirklichung bekommen haben, eine existentielle Bedeutung. Der Erfolg der Agenda ist oft von der wirtschaftlichen Unterstützung finanzstarker Eliten abhängig. Somit gewinnen gerade diese Machtgruppen an Wichtigkeit und ihre qualitative Rolle zur Umsetzung der Programme differenziert sich von anderen Gruppen mit geringeren Einflussmöglichkeiten.433 Das heißt aber nicht, dass allein diese Gruppen fähig sind, auf die Politikgestaltung einer Regierung einzuwirken. Die Aktivität der organisierten Interessen hängt, ungeachtet der Gruppenbezeichnung, von dem Bereich, in dem sie ihre Interessen betroffen sehen, ab.434 Die Fähigkeit einer Gruppe, nicht nur Informationen zu einem Problembereich aufzunehmen, sondern selbst die Definition desselben vorzunehmen und in der öffentlichen Meinung zu positionieren, wirkt sich auf die Machtintensität und das Einflusspotential der politischen Agenda einer Regierung aus. Die Gruppen entwickeln hierfür innerhalb der verfassungsgemäß konzipierten Strukturen im System wie der Legislative, Exekutive und der Judikative Aktionsstrategien, die darauf abzielen, den politischen Entscheidungsprozess in ihrem Sinn zu beeinflussen.
III.2.2.1 Der Kongress und der legislative Prozess Der US-amerikanische Kongress ist das wichtigste politische Entscheidungszentrum des Landes. Er stellt eine funktionale Verbindung zwischen der Bevölkerung und der Regierung dar – nicht nur im Sinne der Repräsentativität, sondern auch weil der Kongress zugänglicher für die Gruppierungen ist als die Regierung selbst. Es geht in diesem Zusammenhang nicht darum, ob die organisierten Interessen einen Einfluss ausüben oder nicht, sondern wie und bis zu welchem Punkt die Interessen durch die Beeinflussung des Kon432 Siehe LOC 2007b. 433 Vgl. dazu KRASNER 1978: S. 35-42. 434 Vgl. RICHARDSON 1993: S. 10.
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III Zentrale Akteure und der Präferenzbildungsprozess
gresses durchgesetzt werden können. Der Kongress wird somit durch Verhandlungsprozesse zum Ziel spezieller Interessen, die auf Kosten der nationalen Interessen einen wirkungsvollen Einfluss ausüben.435 Der Höhepunkt dieser Verhandlungen ist der Diskussions- und Entscheidungsvorgang über die Gesetzentwürfe. Hierzu spielen besonders die Gruppen mit politischer Erfahrung und mit dem meisten Einfluss eine Rolle. Organisationen, die fähig sind, die repräsentierten Positionen der Kongressabgeordneten einzuordnen, können bei verschiedenen Debatten schon im Voraus kalkulieren, bei welchen Personen ihre Interessen am besten vertreten sind. Die Gesetzgeber können nicht nur durch Eloquenz, mit der aktive politische Gruppen ihre Interessen und Positionen formulieren, fundamental beeinflusst werden, sondern vor allem auch durch die Übereinstimmung ihrer politischen Ziele mit denen des Distrikts, von dem sie gewählt worden sind, und durch die Kommunikation bzw. Nähe zu den Wählern.436 Die Anliegen des Distrikts bilden die politische Basis der führenden Repräsentanten, die bemüht sind, diese zufrieden stellend umzusetzen. Der Kongress als Entscheidungszentrum kann als der Anfang und das Ende der Prozesse, die nicht nur die Geschäftswelt, sondern auch die Entscheidungen in der Außenpolitik beeinflussen können, angesehen werden. Bei der Debatte zur Durchsetzung eines Gesetzes versuchen deshalb die Gruppen ihren Einfluss geltend zu machen. Dies beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Kongressdebatte, sondern beginnt schon bei dem Gesetzentwurf.437 Wenn es um ein Thema geht, bei dem eine oder mehrere Gruppierungen Interesse äußern, wird der gemeinsame Druck auf die Kongressabgeordneten intensiviert, damit diese eine mit den eigenen Zielen übereinstimmende oder gegebenenfalls eine für sie günstige Position einnehmen. Besonders die Komitees und Subkomitees im Kongress, die sich aus weniger Gesetzgebern zusammensetzen, sind für den Druck und den Einfluss der Gruppierungen rezeptiver. Da der Fokus ethnischer Interessengruppen oft eher auf die Außen- als auf die Innenpolitik gerichtet ist, haben ihre Anliegen im Vergleich zu denen, die die innenpolitische Agenda betreffen und deshalb für die breite Bevölkerung der USA im Mittelpunkt stehen, eine eher geringe Relevanz für die Öffentlichkeit.438 Die Cubano-Americanos sind sich dieser Tatsache bewusst und haben erfahren, dass sie durch Repräsentanten aus dem eigenen Kulturkreis mit größeren Erfolgschancen am politischen Entscheidungsprozess partizipieren können. Die beste Ausgangsposition nehmen sie dann ein, wenn sie eigene Vertreter im Kongress haben, die gezielt in den entsprechenden Komitees oder Subkomitees Einfluss ausüben. Diese starke Repräsentation innerhalb von Schlüsselinstitutionen kann deshalb hier als ein Symbol von Macht interpretiert werden.439 In den Vereinigten Staaten sind die CubanoAmericanos im Kongress in Relation zu der Größe der ethnischen Gruppen, die sie reprä-
435 So argumentiert ein erfahrener Kongressabgeordneter in Bezug auf den Einfluss der Interessengruppen, der schon mehr als 34 Jahre im Kongress mitgewirkt hat; siehe HAMILTON 2002: S. 339. 436 Die Cubano-Americanos formulieren ihre politischen Ziele im Rahmen der nationalen Interessen und Werte des Landes und können somit, wenn die Bedingungen gegeben sind, den Präsidenten zu Kompromissen im eigenen Sinne forcieren; siehe SHAIN 1999: S. 52 u. 75. 437 Der Einfluss der Interessengruppen innerhalb des Gesetzgebungsprozesses im Kongress ist auf die Initiativen der Gruppen bzw. der Repräsentanten, die ihre Linie vertreten, zurückzuführen. Wenn also eine Gesetzesinitiative eingebracht wurde, wird ein Prozess in Gang gesetzt, bei dem sich die Interessengruppen an weiteren Einflussaktivitäten beteiligen können; vgl. zu den Initiativen im Präferenzbildungsprozess ALEXANDER 2002: S. 13-38. 438 Siehe dazu das Beispiel der ethnischen Interessengruppen bezüglich der Politik der USA im Mittleren Osten in BARD 1991. 439 Vgl. DOMHOFF 1990: S. 19.
III.2 Instrumente der kubanischen Interessengruppen im politischen Präferenzbildungsprozess
143
sentieren, stark vertreten.440 Von den siebzehn Mitgliedern des Kongresses, die nicht in den USA geboren wurden, sind allein vier aus Kuba, gefolgt von drei aus Puerto Rico und zwei aus Japan. Obwohl Puerto Rico flächenmäßig kleiner als Kuba ist, sind seine Vertreter relativ stark vertreten. Dies resultiert aus dem Protektoratsverhältnis zu den USA (siehe Grafik III-11). Grafik III-11:
Verteilung der im Ausland geborenen Repräsentanten im US-Kongress
KUBA
1
PUERTO RICO
1
4
JAPAN
1 SAMOA KANADA
1
NIEDERLANDE
1
UNGARN
3
1
PANAMA MEXIKO
1
PAKISTAN
1
2
TAIWAN
Quelle: Cameron 2002 Die Arbeit des Kongresses ist in Komitees und Subkomitees aufgeteilt und reglementiert.441 Ein Gesetzerlass muss somit einen langwierigen Prozess durch die Komitees, Subkomitees und die Konferenzkomitees bis zur Zustimmung des Präsidenten bestehen. Die Komitees haben eine selektive Funktion, denn bei der Vorbereitung der legislativen Agenda werden die zu diskutierenden Bereiche je nach Prioritätsgrad bzw. die aus eigener Sicht unwichtigen Aspekte aussortiert. Letztendlich bleiben sehr wenige Gesetzentwürfe bestehen, die nach der Überprüfung des Komitees dem Senat zur Diskussion bzw. Abstimmung übergeben werden. Die Anzahl der Subkomitees, die die Komitees bilden können, ist unbegrenzt und hängt von dem Sachgebiet und der Prioritätsstufe ab. Wenn ein bestimmtes Ziel erreicht worden ist, können sie wieder aufgelöst werden. Die Komitees und Subkomitees erfüllen eine Art Verwaltungsfunktion, indem sie die Übersicht über die eingegangenen 440 Die Cubano-Americanos sind mit ca. zwei Millionen im Vergleich zu anderen erfolgreichen ethnischen Gruppen in den USA wie beispielsweise den Israelis mit mehr als zehn Millionen eine kleine Gruppe. Die Stärke der Cubano-Americanos ist v.a. auf ihre Konzentration in Florida zurückzuführen, außerdem auf die Nähe zu Kuba. Der viertgrößte Bundesstaat der USA spielt mit 25 Wahlmännerstimmen beim Prozess der Präsidentschaftswahlen eine große Rolle; siehe CAMERON 2002: S. 88. 441 Eine detaillierte Ausführung zu der Organisation der Komitees findet sich bei GPO 2006.
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III Zentrale Akteure und der Präferenzbildungsprozess
Budgetanträge behalten. Auf Grund dessen sind sie die wichtigste Verbindung zwischen der Exekutive und Legislative und somit der Ausgangspunkt für die Gesetzentwürfe im Kongress. In den Komitees sind in der Regel die jeweiligen Experten der verschiedenen Sachgebiete des Kongresses als Mitglieder integriert. Bei der Beteiligung des Kongresses an außenpolitischen Entscheidungen spielen die Mitglieder in beiden Kammern innerhalb der jeweiligen Foreign Relations Committees eine zentrale Rolle (siehe Abbildung III-1). Abbildung III-1: Cubano-Americanos im legislativen Prozess
Legislative
Albio Sires Lincoln Diaz-Balart Mario Diaz-Balart
Repräsentantenhaus
Senat
Committee on Foreign Relations
Committee on Foreign Affairs
Ileana Ros-Lehtinen (Ranking Member)
Mel Martinez
Robert Mendendez (Subcommittee: International Operations and Organizations)
Organisationen von Cubano-Americanos
Quelle: Eigene Zusammenstellung Die Cubano-Americanos im Kongress haben Interesse an einer erfolgreichen Komiteearbeit, denn dadurch schaffen sie eine günstige Ausgangsposition zur Mitgestaltung der außenpolitischen Gesetze gegenüber Kuba. In dem Committee on Foreign Affairs des Repräsentantenhauses arbeitet Ileana Ros-Lehtinen vom Bundesstaat Florida als Ranking Member des Komitees. Sie ist somit nach dem Vorsitzenden die Person mit den größten Befugnissen. Sie gilt als eine entschiedene Gegnerin der Regierung in Havanna. Ihre Schlüsselrolle und Einflussmöglichkeit in diesem Komitee des Repräsentantenhauses werden durch die Position des Senators Robert Menendez für New Jersey in dem Committee on Foreign Relations des Senats ergänzt. Menendez agiert zusammen mit dem Senator Bill Nelson vom Bundesstaat Florida in dem Subkomitee für International Operations and Organizations, Democracy and Human Rights. Der demokratische Senator Menendez berücksichtigt in seiner innenpolitischen Agenda auch die Belange der Latino-Gemeinde.
III.2 Instrumente der kubanischen Interessengruppen im politischen Präferenzbildungsprozess
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Er präsidiert deshalb gemeinsam mit dem Senator Ken Salazar die Arbeitsgruppe der Demokraten Hispanic Task Force, um die Interessen dieser ethnischen Gruppen im Kongress zu vertreten.442 Sowohl der demokratische Senator Menendez als auch der Demokrat im Repräsentantenhaus, Albio Sires, verfolgen dieselbe politische Linie im Kongress wie die republikanischen Cubano-Americanos Mario und Lincoln Diaz-Balart sowie Ileana Ros-Lehtinen und der Senator Mel Martinez.443 Menendez unterstützte zuletzt ein Gesetz zur finanziellen Absicherung der in Kuba agierenden Oppositionsgruppen in Höhe von 47,5 Mio. US-Dollar, das von Martinez eingebracht worden war und dann von beiden Kammern genehmigt wurde.444 Die cubano-amerikanischen Kongressabgeordneten in beiden Kammern bilden eine geschlossene Koalition, um ihre gemeinsamen Vorstellungen zur Kubapolitik durchzusetzen, und versuchen, weitere Abgeordnete für ihr politisches Konzept zu gewinnen. Im April 2005 wurde in beiden Kammern des Kongresses auf Initiative des Senators John Ensign (Republikaner für den Bundesstaat Nevada) der Cuba Democracy Caucus konstituiert, um strategische Konzepte für den politischen Übergang auf Kuba innerhalb des legislativen Apparats zu implementieren. Dieser Arbeitskreis wurde v.a. als Reaktion auf die Initiativen von demokratischen Kongressmitgliedern gegründet, die für eine Erleichterung der Sanktionen gegen Kuba eintreten.445 Nachdem Fidel Castro im Februar 2008 offiziell nach fast einem halben Jahrhundert an der Spitze Kubas auf sein Amt verzichtet hatte, richteten beispielsweise mehr als 100 Kongressabgeordnete beider Parteien einen Brief an die Außenministerin Condoleezza Rice, in dem sie für eine Neuausrichtung der US-Kubapolitik plädieren.446 Bei den öffentlichen Audienzen des Kongresses wird den cubano-amerikanischen Organisationen die Möglichkeit gegeben, ihre Anliegen direkt in beiden Komitees für Außenbeziehungen vorzubringen, die idealerweise von ihren Interessenvertretern kubanischer Abstammung besetzt sind. Bei den Audienzen werden oft große Delegationen gebildet und wenn gerade ein Gesetzentwurf im Kongress diskutiert wird, setzen die Gruppen ihre Mitglieder in Bewegung, damit sie durch Briefe, E-Mails, Faxe oder per Telefon Verbindung mit dem Gesetzgeber aufnehmen. Die Organisationen informieren ihre Mitglieder über die Termine der Audienzen und diskutieren bei ihren Versammlungen vorgeschlagene Texte über die eigene Position zu den in den Komitees zu debattierenden Gesetzentwürfen, damit sie schon vorher über eine eventuelle Unterstützung, Ablehnung oder Modifizierung abstimmen können. Die verschiedenen Audienzen der Komitees schaffen somit durch die 442 Ziel der Arbeitsgruppe ist es, die Kommunikation zwischen führenden Persönlichkeiten der LatinoGemeinde bzw. lateinamerikanischen Interessengruppen in den USA und den Senatoren sowie Repräsentanten im Kongress zu intensivieren, um die politischen und wirtschaftlichen Interessen dieser Gruppen zu stärken; siehe DIS 2007. 443 Menendez bekräftigt seine Position zur Unterstützung von Dissidenten auf der Insel, gleichzeitig räumt er aber ein, dass diese partikuläre Haltung gegenüber Kuba im Kongress nicht homogen ist: „Right now we face a potential tipping point for the Cuban opposition leaders and dissidents […] internal democratic movements need external support. I believe that no matter where we as members of the senate stand on the issue of U.S. policy towards Cuba – and I recognize that there are diverging views“; siehe MENENDEZ 2007. 444 Zu den eingeführten Gesetzesänderungen (H.R.2764) durch Martinez siehe LOC 2007c. 445 Gegenwärtig bilden den Cuba Democracy Caucus die Kongressabgeordneten Lincoln Diaz-Balart (Rep. Florida 21th.), Debbie Wasserman-Schultz (Dem. Florida 20th.), Ileana Ros-Lehtinen (Rep. Florida 18th.) und Albio Sires (Dem. New Jersey 13th.); siehe dazu CHA 2008. 446 Unter den Kongressabgeordneten, die kontinuierlich für eine Aufhebung des Embargos eingetreten und den Brief an die Außenministerin gerichtet haben, befanden sich die Demokraten Jim McGovern und Bill Delahunt (Massachusetts) sowie der Republikaner Jeff Flake (Arizona). Sie sehen die US-Kubapolitik als gescheitert an, da diese im Lauf der Jahre keine Veränderungen bewirkt hat; siehe FLAKE 2008; o.V. 2008.
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III Zentrale Akteure und der Präferenzbildungsprozess
Möglichkeit zur eigenen Argumentation und die Vorlage von Berichten den Gruppierungen einen direkten Zugang zum Gesetzgeber. Darüber hinaus nutzen die Organisationen ihre Verbundenheit mit den Repräsentanten im Kongress, um in spezifischen Situationen Druck auszuüben. Während der Krise der kubanischen Flüchtlinge im Jahr 1994 richteten beispielsweise die Cuban American Veterans, eine cubano-amerikanische Organisation mit mehr als 30 000 Mitgliedern, eine kostenlose Telefonverbindung ein, damit ihre Mitglieder an beide Kammern im Kongress Faxe schicken konnten, in denen eine Militärblockade gegen Kuba verlangt wurde.447 Der legislative Prozess ist in der Regel langwierig und nicht alle Gesetzentwürfe werden von beiden Kammern bestätigt. Die starke Präsenz von Cubano-Americanos in Schlüsselpositionen führt jedoch dazu, dass das Thema Kuba nicht an Relevanz verliert. Diese Vertreter im Kongress setzen sich dafür ein, dass mögliche Veränderungen in der Position zu Kuba vermieden werden. Entscheidende Gesetzentwürfe, die eine Lockerung der Sanktionen gegen Kuba vorsehen, wie zuletzt der sog. Export Freedom to Cuba Act of 2007, der im Januar 2007 im Repräsentantenhaus durch acht Sponsoren und 119 Co-Sponsoren beider Parteien vorgebracht wurde, werden an das House Committee on Foreign Affairs, in dem Ileana Ros-Lehtinen Ranking Member ist, weitergeleitet, ohne dass die Entwürfe im legislativen Prozess fortschreiten können.448 Selbst wenn solch ein Entwurf das Repräsentantenhaus passieren würde, müsste er vom Senat bestätigt werden – doch spätestens auf dieser Stufe würde er scheitern, da dort Robert Menendez sein Amt im Committee on Foreign Relations innehat. Allein im Jahr 2007 wurden zum Thema Kuba 68 Gesetze entworfen und im Kongress eingebracht. In den Legislaturperioden des Kongresses von 1989 bis Januar 2008 wurden in beiden Kammern insgesamt 1 199 Entwürfe, Vorschläge, Änderungen oder Ergänzungen zu Gesetzen über Kuba eingebracht.449 Die größte Zahl der Gesetzesinitiativen – darunter viele, die eine Lockerung der Sanktionen und eine Normalisierung der Beziehungen zur Insel beinhalteten – bestanden deshalb nicht den langwierigen und komplizierten legislativen Prozess. Es setzten sich vielmehr solche Initiativen durch, die schärfere Maßnahmen gegen die Regierung in Havanna postulierten.
III.2.2.2 Die Interaktion von Interessengruppen und Exekutive Die Aktivitäten der Interessengruppen richten sich nicht nur auf die Legislative, sondern auch auf die Exekutive. Der Präsident der Vereinigten Staaten, aber auch die Gouverneure der Bundesstaaten und ihre Verwaltungsinstitutionen stehen deshalb im Fokus der Interessengruppen und der Lobbyisten.450 Wenn die Organisationen offensichtliche und klar formulierte Ziele verfolgen, suchen sie einen direkten Zugang zu dem zuständigen obersten Vertreter und dessen Administration. In der Regel stehen Gruppierungen, die bei der Präsidentschaftswahl eine entscheidende Rolle gespielt haben, in direkter Kommunikation mit dem Staatsoberhaupt, der diese meist auch selbst initiiert.451 Für den Präsidenten stehen nach seiner Amtsübernahme die Realisierung der im Wahlkampf vorgeschlagenen Regie447 448 449 450 451
Siehe dazu HREBENAR 1997: S. 161. Siehe zu dem Entwurf LOC 2007d. Die Daten wurden gewonnen aus dem Congressional Record, siehe LOC 2008. Auf die Arbeit der Lobbyisten im Auftrag der Interessengruppen wird in Unterpunkt 2.2.4 eingegangen. Siehe IPPOLITO/WALKER 1980: S. 388.
III.2 Instrumente der kubanischen Interessengruppen im politischen Präferenzbildungsprozess
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rungsagenden an erster Stelle. Entscheidend hierfür ist v.a. die Bildung von Koalitionen auf nationaler Ebene, da gerade dort die politischen Parteien schwach sind. Die Interessengruppen können somit auch nach der Wahl andere dazu mobilisieren, die Programme des Präsidenten zu unterstützen. Ihm steht eine große Anzahl an Personal zur Verfügung, das ihm entsprechende Berichte und Informationen aus den unterschiedlichsten Bereichen zusammenstellt, die für spezifische politische Entscheidungen notwendig sind. So wird das Weiße Haus auf Grund der Größe des exekutiven Bereichs und der komplexen bürokratischen Struktur in den politischen Entscheidungsprozess involviert. Für die Interessengruppen und Lobbyisten sind die Verbindungen zu dem Personal im Weißen Haus und auf Regierungssowie administrativer Ebene entscheidend. Dies liegt auch im Interesse der Exekutive und wird dementsprechend gefördert. Auf Grund dessen wurde im Weißen Haus das Public Liaison Office (PLO) eröffnet, das die direkte Interaktion zwischen den Interessengruppen sowie Wahlkreisen und dem Präsidenten koordiniert. Ein ähnliches Büro wurde im Außenministerium eingerichtet. Die Nongovernmental Organizations Liaison Unit (NOLU) ist dafür zuständig, den Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs) den Zugang zum Ministerium für einen Meinungsaustausch mit regierenden Vertretern zu erleichtern. Organisationen aus anderen Ländern wird beispielsweise ermöglicht, sich direkt über eine Videokonferenz mit dem Außenministerium in Verbindung zu setzen. Die PLO und NOLU fungieren als Verbindungskanal zwischen dem Präsidenten und den Interessengruppen und koordinieren die Teilnahme des Staatsoberhauptes oder der Vertreter seiner Administration an Tagungen oder Großveranstaltungen relevanter Wahlkreise oder Organisationen, die in politischem Einklang stehen. Die Cubano-Americanos zelebrieren beispielsweise jährlich am 20. Januar die Unabhängigkeit Kubas von Spanien. Es ist Tradition geworden, dass jeder Präsident nach seinem Amtsantritt an dieser Veranstaltung teilnimmt und bei dieser Gelegenheit meistens auch die politischen Konturen der Administration zu bilateralen Beziehungen angekündigt werden. Die direkte Relation zwischen Präsident und Interessengruppen bzw. Lobbyisten ist nicht immer gegeben, da diese in der Regel verschiedene Agenden verfolgen und somit von unterschiedlichen Strategien bedingt werden.452 Wenn aber eine Kompatibilität mit der politischen Konzipierung des Präsidenten und den Interessen einer Gruppe besteht, wie es bei den Cubano-Americanos der Fall ist, begünstigt dies deren Handlungsmöglichkeiten und vereinfacht die Kommunikationskanäle. Es ist jedoch nicht allen Gruppen möglich, bis zum Präsidenten vorzudringen, da der organisatorische Verwaltungsapparat verschiedene Gruppen selektiert und somit nicht immer alle gleichberechtigt berücksichtigt werden. Auf diese Weise werden die Gruppen, die mit den Regierungsagenden koinzidieren, eher institutionell begünstigt als die, die eine differierende Politik als die der vorhandenen Regierung fordern.453 Zu einer Erleichterung der kommunikativen Interaktion kommt es, wenn der Präsident selbst Personen aus den eigenen Reihen der Interessengruppen in das Weiße Haus beruft. Eine der dortigen Schlüsselpositionen, wenn nicht die wichtigste, ist die des Chief of 452 Aus politischer Sicht haben die Interessengruppen und Lobbyisten einen besseren Zugang zu den Entscheidungsträgern im exekutiven Bereich als zu dem Präsidenten selbst. Während dieser eher an einer öffentlichen Unterstützung seiner Politik interessiert ist, entwickeln Gruppen oft Strategien zur Durchsetzung ihrer Ziele, deren Details sie der Öffentlichkeit nicht preisgeben. Der Präsident kann aber, wenn bestimmte Interessen einer Gruppe in Affinität zu seiner Politik stehen, selbst als Lobbyist in ihrem Sinne agieren; vgl. ULSANER 2004: S. 206f. 453 Vgl. BAUMGARTNER/JONES 2004: S. 15f.; siehe auch HEINEMAN/PETERSON/RASMUSSEN 1995: S. 332.
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III Zentrale Akteure und der Präferenzbildungsprozess
Staff des Exekutive Office. Dieser Generalstabschef ist in der Regel einer der engsten Berater des Präsidenten, der u.a. auch dessen Terminkalender führt. Dieser Posten wurde während der Regierung George H. Bushs zum ersten Mal in der Geschichte von einem CubanoAmericano, John H. Sununu, von 1989 bis 1991 besetzt. Der Präsident belohnt die politische Partizipation der Cubano-Americanos bei den Wahlkampagnen in der Regel auch durch direkte Ernennungen in Regierungspositionen. Durch die Posten können sie ihren Einfluss auf Regierungsebene erweitern, aber auch bei der eigenen ethnischen Gruppierung durch die Vertretung ihrer Interessen Sympathien und Stimmen für die weitere Karriere gewinnen. Bis Juli 2006 wurde beispielsweise die U.S. Equal Employment Opportunity Commission (EEOC) sechs Jahre lang von der CubanoAmerikanerin Cari M. Dominguez geleitet, die schon während der Administration Georg H. Bushs im U.S. Department of Labor Erfahrungen gesammelt hatte.454 Für die CubanoAmericanos sind auch Regierungsämter, die sich in den Bereich der Immigrationspolitik einordnen lassen, von Interesse, da die Einwanderung ein konstantes Thema zwischen den USA und Kuba ist. Für die Koordinierung und Kontrolle der korrekten Durchführung von Migrationsprogrammen ist in den USA innerhalb des U.S. Department of Homeland Security die Abteilung U.S. Citizenship and Immigration Services (USCIS) zuständig. Auch die USCIS mit mehr als 15 000 Beschäftigten wurde von 2005 bis April 2008 von einem Cubano-Americano geleitet. Emilio T. Gonzalez gilt in den USA als einer der einflussreichsten Persönlichkeiten der Latino-Gemeinde. Durch seine frühere Position als Direktor der Western Hemisphere Affairs des National Security Council verfügt er über enge Verbindungen zur Regierung und berät auch den Präsidenten Georg W. Bush und seine Außenministerin Condoleezza Rice in außenpolitischen Fragen.455
III.2.2.3 Aktionsfelder der Interessengruppen in der Judikative Auch wenn die Interessen- und Lobbygruppen weniger Zeit und Aufwand auf der judikativen Ebene der Regierung verwenden, lässt sich dennoch ihr Einfluss auf die Gerichte nicht ausblenden. Auch diese werden zum Ziel der politischen Agenden der Organisationen, doch im Vergleich zu den Möglichkeiten in der Exekutive und Legislative ändern sich in diesem Bereich ihre Taktiken zur Durchsetzung ihrer Interessen.456 Der Einfluss kann über drei verschiedene Wege ausgeübt werden: erstens durch Aktivitäten, die den Prozess zur Wahl der Richter beeinflussen. Zweitens nehmen die Gruppen als Mitglieder der Organisation Amici Curiae - Friends of the Court (FOC) bei Verhandlungen teil und konfrontieren die Richter bei Fällen, die die eigenen Interessen betreffen, mit formalen und legalen Argumenten. Drittens durch die professionelle juristische Unterstützung von Fällen oder Prozessen, in denen Mitglieder oder Interessen der Gruppe betroffen sind.457 In der Regel intensivieren die Gruppen ihre Aktivitäten auf dieser Ebene, wenn sie auf legislativer und exekutiver Ebene wenig oder sogar überhaupt keinen Erfolg hatten. Wenn Gesetze angewandt werden, die ihren grundlegenden Interessen widersprechen, appellieren sie vor den zuständigen
454 455 456 457
Siehe EEOC 2005. Siehe US-CIS 2008. Siehe O’CONNOR 1998: S. 268. Vgl. IPPOLITO/WALKER 1980: S. 399ff.
III.2 Instrumente der kubanischen Interessengruppen im politischen Präferenzbildungsprozess
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Gerichtshöfen, um den Auswirkungen der Maßnahmen entgegenzuwirken.458 Die Gruppen organisieren sich in dem FOC, denn in ihm können verschiedene Organisationen gemeinsam aktiv werden.459 Eine der ersten Aktionen der organisierten Interessengruppen, um auf den judikativen Prozess Einfluss zu nehmen, ist deshalb die Teilnahme an der Benennung und Wahl der Richter.460 Die einflussreichste cubano-amerikanische Organisation im judikativen Bereich ist die Cuban American Bar Association (CABA), die in Florida im Jahr 1974 entstanden ist. Sie zählt mehr als 1 300 Mitglieder und besteht aus Richtern, Juristen und Jurastudenten kubanischer Abstammung, die sich mit allen rechtlichen Aspekten, die die kubanische Gemeinschaft betreffen, auseinandersetzen und die Interessen der CubanoAmericanos vor den US-Gerichten repräsentieren. Ihre Arbeit beschränkt sich nicht allein auf innenpolitische Angelegenheiten, sondern erstreckt sich auch auf politische Bereiche der bilateralen Beziehungen. In ihrer Organisation haben sie dafür das Komitee CABA on Cuba eingerichtet, in dem sie ihre Position im Fall eines politischen Wechsels auf der Insel festgelegt haben. Als Cubano-Americanos sehen sie ihr Engagement nicht nur als Verpflichtung, sondern gleichzeitig auch als Berechtigung, von den USA am Übergangsprozess auf der Insel beteiligt zu werden. Die Assoziation organisiert jährlich fachspezifische Veranstaltungen, bei denen das Thema Kuba in der Öffentlichkeit positioniert wird. Diese werden u.a. auch von der Firma Bacardi gesponsert. Außerdem hat es sich die CABA zur Aufgabe gemacht, die Ernennung cubano-amerikanischer Richter in wichtige Positionen zu beeinflussen. Die Organisation erreichte beispielsweise durch ihren Einfluss, dass erstmalig in der Geschichte der USA die Mitglieder des Court of Appeals im III. Distrikt Floridas alle Cubano-Americanos sind.461 Die CABA steht in Verbindung mit der American Bar Association (ABA), der einflussreichsten Organisation in den Vereinigten Staaten, die sich am Wahlprozess der Richter beteiligt.462 Die ABA vertritt sehr aktiv ihren Berufsstand und ist stark in den judikativen Nominierungs- und Ratifizierungsprozess der Richter involviert.463 Mitte der 1980er Jahre plädierte sie für die Intensivierung der US-Maßnahmen, die eine Teilnahme Brasiliens, Argentiniens, Chiles und Kubas an dem Vertrag von Tlatelolco erleichtern sollte. Dieser Vertrag verfolgt die Einrichtung einer nuklearfreien Zone in Lateinamerika.464 Dar458 Zahlreiche Beispiele für den Aktivismus der organisierten Interessen im Bereich der Judikative zeugen von den Handlungsmöglichkeiten der Gruppen und bestätigen, dass letztendlich viele Entscheidungen in ihrem Sinn durchgesetzt werden. Ihre Interessen können sich auf alle gesellschaftlichen Bereiche, von privaten über finanzielle bis hin zu religiösen, beziehen. 1999 sicherte beispielsweise der Gouverneur Floridas Jeb Bush die Vergabe von Gutscheinen an private religiöse Institutionen gesetzlich ab. Zivile Gruppen reagierten gegen die Anwendung des Gesetzes und sahen darin nicht nur eine Diskriminierung, sondern auch eine Verletzung der bundesstaatlichen Verfassung, die eine finanzielle Unterstützung solcher Institutionen nicht vorsieht. Durch Appellationen konnte solch ein Druck auf die Gerichte ausgeübt werden, dass ein Urteil gegen diese Maßnahmen im Sinne der Kläger ausgesprochen wurde; siehe UNDERWOOD 2005: S. 7f. 459 Eine nähere Betrachtung zum Einfluss der Interessengruppen auf den Obersten Gerichtshof über die Arbeit der Friends of the Court findet sich bei COLLINS 2004; siehe auch COLLINS/SOLOWIEJ 2007. 460 Die Analyse von Paul M. Collins bezieht sich auf den erfolgreichen Einfluss bei den Entscheidungen der Gerichte in der Periode von 1945 bis 1995; COLLINS 2007. 461 Der Gouverneur Jeb Bush ernannte 2000 die cubano-amerikanischen Richter Juan Ramirez und Rick Suarez und 2005 Angel Cortiñas. Der Präsident George W. Bush berief 2004 die cubano-amerikanische Richterin Virginia Maria Hernandez Covington zum Federal Bench; siehe GUEDES 2006: S. 7 462 Die Kooperation von Organisationen ist in den Vereinigten Staaten üblich. Dies ist nicht nur bei den Richterwahlen zu beobachten, sondern auch bei der Durchführung von Appellationen, bei denen spezifische Fälle, die beide Organisationen betreffen, gemeinsam vor Gericht vorgetragen werden; vgl. WASBY 1999: S. 148. 463 Die ABA, 1878 in New York gegründet, zählt mehr als 400 000 Mitglieder; siehe ABA 2007 464 Siehe dazu OAS 1997: 127f.
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III Zentrale Akteure und der Präferenzbildungsprozess
über hinaus setzte sich die CABA im Februar 1995 für die Rechte der kubanischen und haitianischen Flüchtlinge in den von den USA eingerichteten Lagern ein, um ihnen einen Zugang zu eigenen Konsultationen mit Rechtsanwälten zu ermöglichen.465 2006 organisierte sie einen internationalen Kongress in Miami, bei dem die entscheidenden rechtlichen Implikationen einer eventuellen Migrationswelle von Kubanern im Falle des Todes von Fidel Castro diskutiert wurden. Berücksichtigt wurden v.a. die internationalen ethischen Kriterien für die Anerkennung des legalen Immigrantenstatus durch die US-Regierung.466 Die cubano-amerikanischen Interessengruppen unterstützen ihre Appellationen, indem sie Briefe an die Gerichte senden, öffentlich demonstrieren oder mediale Kampagnen über renommierte Zeitungen und Zeitschriften starten. Sie publizieren auch spezielle Artikel in Fachzeitschriften, um dadurch öffentliche Debatten zu einem Sonderthema zu initiieren. Die Gruppen können in begrenztem Maß ihren Einfluss auf die schon konzipierten Gesetze ausüben. Sie verfolgen strategisch eine Revision der für sie relevanten Gesetze, um in letzter Instanz ihre Einflussmöglichkeiten auszuschöpfen.467 Dadurch können sie Gesetzesentscheide verlangsamen oder den Prozess derselben für eine bestimmte Zeit stoppen, so dass das Gesetz, wenn es debattiert oder verabschiedet wird, eventuell keine Relevanz mehr hat oder sich die Motive zu ihrer Entstehung geändert haben. Zu dieser Taktik sehen sich die Gruppen gezwungen, wenn sie in anderen Bereichen keine großen Einflusschancen auf den politischen Entscheidungsprozess finden können. Der Aktivismus im judikativen Apparat hat deshalb bei den Interessengruppen eine entsprechend unterschiedlich starke Ausprägung.468 Die Interessengruppen werden durch die Positionen der cubano-amerikanischen Richter bei entscheidenden Handlungen begünstigt. Seit 2003 ist beispielsweise Cecilia Marie Altonaga als erste Frau kubanischer Abstammung vom Präsidenten Georg W. Bush zur Federal-Richterin ernannt worden. Sie ist zusammen mit dem seit 1999 berufenen cubanoamerikanischen Federal-Richter Alberto Jordan für den Southern District of Florida zuständig, wo sich die Interessengruppen der Cubano-Americanos konzentrieren. Schon im Jahr 2002 wurde im Bundesstaat Florida der aus Kuba stammende Raoul G. Cantero y Batista vom Gouverneur John Elis (Jeb) Bush zum Richter des Florida Supreme Court ernannt. Cantero y Batista ist der Enkel des früheren kubanischen Diktators Fulgencio Batista. Ein weiterer Cubano-Americano mit einer bedeutenden Position im Justizapparat ist Mauricio J. Tamargo, der die Foreign Claims Settlement Commission (FCSC) präsidiert. Diese Kommission agiert vorwiegend unabhängig innerhalb des Justizministeriums und ist für Forderungen, die US-Bürger an ausländische Regierungen haben, mitsamt der Schadensabwicklung zuständig. US-Bürger können somit über die FCSC vor US-Gerichten gegen ausländische Unternehmen klagen, die auf Kuba von beschlagnahmtem Eigentum der Kläger profitieren. Dies garantiert ihnen zwar keine Zahlungen, liefert aber eine Grundlage für künftige Verhandlungen mit der kubanischen Regierung über eine eventuelle Schadensregulierung.469 Für die cubano-amerikanischen Organisationen ist diese Verbindung von besonderem Interesse, da nur über diese Kommission eine offizielle Anerkennung der 465 Siehe ABA 2007: S. 112 u. 127. 466 Dazu ABA 2007b. 467 Durch die funktionale Gewaltenteilung sind die Gerichte bei der Interpretation und Regulierung von Statuten politisch unabhängig. Bei der Politikgestaltung bleiben die gewählten Politiker in einer wichtigen Position, sie können aber gegenüber den Interessengruppen eine kompetitive Haltung um den Einfluss auf die Judikative einnehmen; vgl. hierzu KAGAN 2004: S. 13f. 468 Siehe dazu SCHEPPELE/WALKER 1991: S. 160. 469 Siehe US-DJ 2007.
III.2 Instrumente der kubanischen Interessengruppen im politischen Präferenzbildungsprozess
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Klage erfolgen kann. Durch die Positionen der Federal-Richter Altonaga und Jordan, aber auch durch die des Richters Cantero y Batista und des Präsidenten der FCSC Tamargo wird die Fähigkeit der Cubano-Americanos deutlich, strategische Schlüsselpositionen innerhalb der Justizstrukturen zu besetzen.
III.2.2.4 Lobbyarbeit im Auftrag der Interessengruppen Die Interessengruppen haben sich durch verschiedene Aspekte wie die Fragmentierung und Schwächung der politischen Parteien, die Regulierung von Gesetzen sowie die Öffnung des legislativen Prozesses durch dessen öffentliche Überprüfung Handlungsspielräume geschaffen, die ihnen die Beeinflussung des politischen Systems in den USA ermöglichen. Die Hauptstadt der Vereinigten Staaten hat sich somit, so formulieren es einige Autoren, zu einem „Ort von Interessengruppenvertretern und Lobbyisten“ entwickelt.470 Die Proliferation von Interessengruppen in den USA führte zu einer „Explosion“ des Lobbyismus, der sich zwar auf Washington konzentriert, aber auch in anderen Bundesstaaten, in denen ein ähnlicher Zuwachs der Gruppen zu verzeichnen ist, verbreitet hat.471 Dies zeigt sich auch in der Komposition der Gruppen und deren Arbeitsmethoden, da viele Organisationen oft eine niedrige Mitgliederzahl haben, dies jedoch mit der Beauftragung von Lobbyisten kompensieren. 40% der Interessengruppen in den USA haben weniger als tausend Mitglieder, 30% können überhaupt keine vorweisen, da sie nur über Aufträge an Lobbyfirmen arbeiten. Dies spiegelt sich in dem Wachstum der Lobbyindustrie von 1975 bis 1985 wider. Während dieser Periode verdreifachte sich in Washington die Zahl der als Lobbyisten arbeitenden Rechtsanwälte auf 37 000. Bis 1990 waren mehr als 23 000 Lobbyorganisationen registriert.472 Gegenwärtig sind schätzungsweise 80 000 Lobbyisten in Washington aktiv.473 Die Lobbyisten haben sich so stark etabliert, dass sie eigene Interessengruppen wie die American League of Lobbyists (ALL) und die National Association of Business Political Action Commitees gebildet haben. In dem Bundesstaat Florida ist die Florida Association of Professional Lobbyists die wichtigste Lobbyorganisation, die gleichzeitig auch Mitglied der ALL ist.474 Die Lobbyisten sehen ihre Arbeit als aktive Unterstützung einer Sichtweise oder einer Idee, sei sie von einer Gruppe oder einem Individuum, und darüber hinaus nicht nur als legitimen, sondern auch als notwendigen Teil des US-demokratischen Prozesses.475 Die Aktionen und Handlungen der Lobbyisten oder Interessengruppen haben einen öffentlichen Charakter und sind durch die amerikanische Verfassung geschützt und in das System der USA integriert. Die Lobbyarbeit der Interessengruppen im amerikanischen System kann somit nicht als eine undurchsichtig agierende Macht, die das System angreift,
470 Siehe WAYNE/MACKENZIE 1995: S. 251. Andere Autoren sehen die Schwächung der Parteien in direktem Zusammenhang mit der Zunahme der Aktivitäten von Lobbyisten und Interessengruppen, die politisch aktiv sind; siehe BERRY/WILCOX 2007: S. 60. 471 Siehe LOOMIS 2003: S. 237. 472 Siehe dazu CIGLER/LOOMIS 2002: S. 273; siehe auch SKOCPOL 2003. 473 Siehe BIRNBAUM 2002: S. 281. 474 Diese Organisation berücksichtigt bei ihrer Arbeit die lokalen ethnischen Begebenheiten der Region und wirbt mit Spezialisten, die sich der Anliegen der Latino-Gemeinde in Südflorida annehmen. Zu ihren Partnern gehört auch u.a. die United States Sugar Corporation; siehe FAPL 2007: S. 15. 475 Siehe dazu die Position zur Lobbyarbeit der ALL 2006.
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III Zentrale Akteure und der Präferenzbildungsprozess
interpretiert werden.476 Das föderale Gesetz über Lobbyarbeit in den USA hat keinen strengen normativen Charakter, denn es schreibt prinzipiell nur vor, dass die Gruppen ihre Ausgaben und Investitionen angeben müssen.477 Die Arbeit der Lobbyisten ist sehr komplex und heterogen, da sie in allen möglichen Segmenten des politischen Prozesses involviert ist.478 Die Lobbyisten stehen in ständiger Verbindung zum Gesetzgeber, gemäß dem Lobbying Disclosure Act (LDA) beginnt die Lobbyaktivität aber nicht damit, sondern schon bei den Anstrengungen, Plänen und Vorbereitungen zur Kontaktaufnahme.479 Im September 2007 stimmte der US-Senat dem Honest Leadership and Open Government Act von 2007 zu, um die Kontrolle über die Verbindungen der Lobbyisten zum Kongress gesetzlich zu verankern und zudem die Transparenz der Lobbykontributionen zu reglementieren.480 Zu den wichtigsten Funktionen der Lobbyisten zählt, die öffentlich gewählten Vertreter über ein spezifisches Thema umfassend zu informieren, um schon im Vorfeld Einfluss auf deren Position zu einem konkreten Sachverhalt zu nehmen. Gut organisierte Lobbygruppen benutzen verschiedene Taktiken, damit ihre Anliegen den Gesetzgeber erreichen.481 Ihre Überzeugungsarbeit reicht von schriftlichen Petitionen über argumentative Gespräche bis hin zu Berichten, die sie den Gesetzgebern zukommen lassen. Auch wenn die Gesetzgeber durch diese Aktionen unter Druck gesetzt werden, beinhalten die Argumentationen und Berichte, die oft von Experten verfasst werden, durchaus wertvolle Informationen, von denen die Gesetzgeber profitieren können. Durch fundierte Recherchen mit statistischen Daten schaffen die Lobbyisten eine günstige Atmosphäre der Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit im Kongress.482 Es werden auch auf institutioneller Ebene, wie im Fall des United States Government Accountability Office (GAO), spezielle Berichte für die verschiedenen Komitees im Senat und dem Repräsentantenhaus verfasst, in denen Empfehlungen und Informationen über unterschiedliche politische Fragen und Sachbereiche aus den jeweiligen Bundesstaaten weitergegeben werden. In ihnen dominieren oft, je nach Region, die Anliegen ethnischer Minderheiten, die sich in den 51 bundesweiten State Advisory Committees (SAC) des GAO engagieren und beratende Funktionen einnehmen.483 476 Gemäß den Bestimmungen müssen die Lobbyisten in den USA registriert sein. Damit eine Person als Lobbyist anerkannt wird, muss sie im Auftrag eines Kunden agieren und von ihm Kontributionen, sei es finanziell oder durch andere Kompensationen, erhalten. Der Lobbyist muss mindestens 20% seiner Arbeitsstunden für den Kunden über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten aufwenden. Eine detaillierte Zusammensetzung über die Lobbyarbeit in den Vereinigten Staaten findet sich in der Arbeit von LUNEBURG/SUSMAN 2005: S. 37. 477 Vgl. SCHLOZMAN/TIERNEY 1983. 478 Vgl. NOWNES 2006: S. 3. 479 Siehe US-SENAT 2008. Diese Reglementierung wurde eingeführt, da wichtige Informationen zu Gesetzentwürfen über Büros von Abgeordneten an private Anwalts- und Lobbybüros weitergeben worden waren; siehe dazu KIRKPATRICK 2006. 480 Siehe LOC 2007e. 481 Diese Taktiken sind nicht immer gleich, sondern meistens vom politischen Ziel abhängig. Ken Kollman differenziert die taktischen Handlungen in Inside Lobbying, Outside Lobbying und Organizational Maintenance; siehe KOLLMAN 1998: S. 34f. 482 Dies ist eine der „Insider Lobbying Tactics“; vgl. dazu die ausführliche und gut konzipierte Studie über Interessengruppen und Außenpolitik in CLIVE 2004: S. 6. 483 Beispiel für den Lobbyismus innerhalb von Institutionen ist die Arbeit der Beratungskomitees, die im politischen System eine parteiübergreifende Funktion haben. Dies ist beispielsweise die Aufgabe der U.S. Commission on Civil Rights (USCCR), die Berichte über die zivilrechtliche Situation in den USA verfasst. Die Interessengruppen und Lobbyisten engagieren sich in den jeweiligen State Advisory Committees und leiten ihre erstellten Berichte über zivilrechtliche Angelegenheiten auf lokaler Ebene an die USCCR weiter. Die Komitees sind darüber hinaus in ständiger Verbindung zu den verschiedenen Gruppen. Die GAO stellte in
III.2 Instrumente der kubanischen Interessengruppen im politischen Präferenzbildungsprozess
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Die Lobbyisten konzentrieren sich auch auf die Überwachung von Rechtsvorschriften und Gesetzempfehlungen. Darüber hinaus nehmen sie auch an den regulatorischen Anhörungen und Audienzen des Kongresses teil. Wenn ein bestimmtes Projekt die zwei Kammern des Senats und Repräsentantenhauses passiert hat, wird auf die Leiter der Projekte durch verschiedene Arten von Lobbyarbeit wie Briefe, E-Mails oder Anrufe eingewirkt, damit sie sich im Sinne der Interessengruppen für oder gegen das vorgesehene Projekt einsetzen können. Der Einfluss kann somit direkt durch die Interessengruppen oder indirekt durch die beauftragten Lobbyisten ausgeübt werden.484 Die offiziellen Organismen, die Regelungen bestimmen können, erhalten Besuch von Repräsentanten der Interessengruppen – sei es, um für oder gegen bestimmte Dispositionen oder Reglementierungen einzutreten.485 Auf nationaler Ebene sieht das administrative Verfahrensgesetz vor, dass bei öffentlichen Audienzen die geplanten Bestimmungen behandelt werden sollen, so dass sich Personen oder Gruppen für eine Modifizierung, Annullierung oder Genehmigung einsetzen können. Insbesondere Interessengruppen machen von diesem Recht Gebrauch und üben auf das administrative Personal in der gleichen Weise Einfluss aus, wie es auch im Kongress oder bei föderalen Gesetzgebern geschieht. Durch diese Methode können sie erreichen, dass im gegebenen Fall staatliche Organismen untersucht werden und somit auch Funktionäre sanktioniert werden können, die nicht im Sinne der Gruppen gehandelt haben. Meist besteht jedoch eine harmonische Zusammenarbeit und Kooperation zwischen den Institutionen und den Interessengruppen. Die Lobbyarbeit der Cubano-Americanos konzentriert sich hauptsächlich auf die Region Florida, da sie dort Verbesserungen innerhalb der cubano-amerikanischen Gemeinde anstreben. Der bekannteste cubano-amerikanische Lobbyist ist Alberto R. Cardenas, der sich sehr aktiv innerhalb der republikanischen Partei in Florida einsetzt. Er unterstützte 2004 die Wahlkampagne George W. Bushs in Florida und beteiligte sich auch bei der Kampagne von Mitt Rommey für die Präsidentschaftskandidatur 2008.486
III.2.2.5 Der außenpolitische Einfluss der Interessengruppen Die politischen Veränderungen nach dem Ende des Ost-West-Konflikts haben den Interessengruppen eine zunehmende Rolle in der Gestaltung der US-Außenpolitik verliehen. Sie nehmen vor allem dort an Einflussintensität zu, wo eine Konvergenz von Innen- und Außenpolitik besteht.487 Dafür sprechen einige kontextuelle Modifikationen im internationalen Weltensystem. Eine davon ist das Ende einer extrem polarisierten Welt, in der die außenpolitische
484
485
486 487
ihrem Bericht für das Jahr 2006 selbst fest, dass Mitglieder der Komitees auf lokaler Ebene oft ersetzt werden müssten, wenn eine ethnische Gruppe in verstärktem Maß vertreten ist, damit die Berichte entsprechend objektiv und mit neuen Ideen verfasst werden können; siehe GAO 2006. In dem Bundesstaat Florida sind 4 von 19 Mitgliedern der State Advisory Committees lateinamerikanischer Abstammung und gleichzeitig Direktoren von Interessengruppen, die als Nicht-Regierungs-Organisationen gelten; siehe GAO 2006a: S. 14. Unabhängig der individuellen Repräsentation von Interessen einzelner Bürger gibt es in Washington zwei grundlegende Formen der politischen Interessenvertretung. Die eine bezieht sich auf direkt organisierte Gruppierungen und die andere auf beauftragte Lobbyfirmen. Zehn von tausend organisierten Interessen sind in Washington in einer dieser beiden Formen vertreten; siehe SHAIKO/WILCOX 1998: S. 6. Die Lobbyisten und spezielle Interessengruppen verwenden Listen von Kongressabgeordneten und verfolgen ihre Aktionen im legislativen Prozess. Somit werden im gegebenen Moment, wenn über ein Gesetz debattiert oder entschieden wird, persönliche Besuche organisiert; vgl. ROBERTS 1983: S. 79f. Siehe CARDENAS 2007. Siehe Wilson III 1998: S. 238.
154
III Zentrale Akteure und der Präferenzbildungsprozess
Konzipierung von einer Rivalität bestimmt war, die eine eigene Dynamik innehatte. Eine andere Veränderung wurde durch die Informationsrevolution hervorgerufen, denn auf Grund des vielfältigen Informationsflusses konnte die bipolare Sicht, die zu Zeiten des Kalten Kriegs oft stark ideologisch besetzt war, entzerrt und eine Demokratisierung der außenpolitischen Entscheidungen begünstigt werden.488 Die fortschrittliche Entwicklung der Medientechnologien wie des Internets als eine der „größten Revolutionen der Geschichte“ erlaubt neue Möglichkeiten zur Vernetzung von Menschen und somit auch von Interessen.489 Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion endete der politisch geschlossene Automatismus und wichtige Entscheidungen wurden nicht mehr nur von einer kleinen Offiziersgruppe in der Regierung getroffen. In der Gesellschaft fand somit bezüglich der Außenpolitik eine strukturelle Öffnung statt, durch die die Interessengruppen unter den politischen Veränderungen neue Zugangsmöglichkeiten im außenpolitischen Entscheidungsprozess nutzen konnten. Als Folge darauf entfaltete sich eine starke Interaktion zwischen den US-amerikanischen Interessen und denen der ethnischen Gruppierungen in den Vereinigten Staaten.490 In diesem Kontext übernahmen die cubano-amerikanischen Interessengruppen auf Grund ihrer gesellschaftlichen Etablierung und gewonnenen Macht die Führungsrolle beim Entwurf der US-Kubapolitik. Sie werden deshalb von einigen Autoren als die einzige ethnische Minderheit gesehen, die die Gestaltung der außenpolitischen Entscheidungen genauso erfolgreich beeinflusst wie die AmericanJews.491 Ihre Einflussintensität wird deshalb in direkter Verbindung zu der unflexiblen USHaltung bei der Überprüfung der Politik zum Inselstaat bewertet.492 Dies hat Auswirkungen auf die Interpretation der Außenpolitik, denn dieser Einfluss kann sich somit oft auf Grund des Handlungsspielraums der Interessengruppen auf Kosten nationaler Interessen durchsetzen. Das normative Ideal einer Außenpolitik als Ergebnis von Entscheidungen gemeinschaftlicher Interessen, unterstützt durch breite nationale Prinzipien, bei denen in erster Linie nationale Interessen im Sinne aller Amerikaner in den Vordergrund gestellt werden, „erodiert“ und kontrastiert zu dem wachsenden Einfluss ethnischer Minderheiten bei außenpolitischen Entscheidungen.493 Die ethnische Diversifizierung und demographische Inkrementierung von verschiedenen Bevölkerungsgruppen wie den Latinos als größter Minderheit „verändern das Gesicht der USA“ und lassen nur schwer eine einheitliche und harmonische Außenpolitik erkennen.494 Das Einflusspotential ist nicht nur allein auf zahlenmäßig starke Bevölkerungsgruppen zurückzuführen. Die Funktionskraft einer gut organisierten kleinen Gruppe kann 488 489 490 491
Vgl. CLOUGH 1994: 2-7. Siehe KISSINGER 2000; BOSSO/COLLINS 2002. Vgl. AMBROSIO 2002: S. 7. Vgl. ALTERMAN 2002: S. 145. Die Cubano-Americanos werden auf Grund ihrer Position zu verschiedenen Themen, die die ethnischen Minderheiten betreffen, innenpolitisch differenziert betrachtet. Das heißt, dass beispielsweise Afrikaner und Lateinamerikaner im gegebenen Fall Koalitionen bilden und sich gegenseitig unterstützen – die Cubano-Americanos grenzen sich jedoch aus und beteiligen sich in der Regel nicht daran; vgl. HAMES/RAE 1996: S. 34. 492 Vgl. HOROWITZ 1993: S. 1; siehe auch DUMBRELL 2003: S. 280. 493 Vgl. HUNTINGTON 1997. 494 Die umfangreiche ethnische Vielfalt zeigt sich in verschiedenen Interessenkonstellationen, die die USA nicht nur kulturell verändern, sondern auch politisch fragmentieren. Zu den einflussreichsten ethnischen Gruppen in den Vereinigten Staaten zählen die American-Jews, die Cubano-Americanos, die MexicanAmericans, die Puerto Ricans (die letzten drei werden auch als Latinos bezeichnet), die Arab-Americans und die Chinese- Americans. Diese Diversifizierung hat dazu geführt, dass der frühere sog. „melting pot“ durch eine „ethnic pride in diversity and identity“ ersetzt wurde. Die „Krise“ in der Außenpolitik der USA wird von einigen Politikwissenschaftlern auf die gesellschaftliche Spaltung zurückgeführt; siehe dazu WIARDA/SKELLEY 2006: S. 14ff.
III.2 Instrumente der kubanischen Interessengruppen im politischen Präferenzbildungsprozess
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unter Umständen mehr Auswirkungen und Einfluss haben als eine große gespaltene und in sich in Kontroversen befindende Gruppierung495 (siehe Grafik III-12). Grafik III-12:
Aktionsintensität – Cubano-Americanos im Kongress Aktionintensität - Kubaner im Kongress
45
40
35
Aktionen
30
25 Kubaner im Kongress 20 Sponsor und CoSponsor zu Kuba
15
10
5
0 19891990
19911992
19931994
19951996
19971998
19992000
20012002
20032004
20062006
20072008
Wahlperiode
Quelle: LOC (2008); eigene Berechnung Latinos wie die Mexikaner, Puerto Ricaner aber auch Kubaner konzentrieren sich in den USA oft auf die innenpolitische Agenda, sie sind deshalb aber nicht Isolationisten, da sie auch das Engagement der USA in Lateinamerika anvisieren und bei der Lateinamerikapolitik berücksichtigt werden wollen.496 Das State Department hat zwar im Vergleich zu anderen föderalen Ministerien wie dem Agrar-, Arbeits- oder Wirtschaftsministerium weniger Kontakt zu den organisierten Gruppierungen der Gesellschaft, trotzdem halten seine Büros für Außenangelegenheiten starken Kontakt zu den ethnischen Gruppierungen. Nicht selten suchen die Aktivisten der Organisationen persönlichen Kontakt zu den Funktionären des State Departments, um Informationen oder Berichte weiterzugeben; in besonderen Fällen wird auch der Präsident persönlich konsultiert.
495 Siehe zum Beispiel die Kritik an den Sanktionen, die auf die Vision einer kleinen, aber gut organisierten Minderheit zurückgeführt werden, bei HAASS 1998: S. 3; KAUFMAN-PURCELL 1998: S. 37. 496 Siehe dazu das Ergebnis der Studie von GARZA/PACHON/PANTOJA 2000: S. 29 u. 40f.
156
III Zentrale Akteure und der Präferenzbildungsprozess
Abbildung III-2: Die Interaktionsdynamik innerhalb des Entscheidungsprozesses Präsident
Senat Committee on Foreign Relations
Repräsentantenhaus Foreign Policy Committee
Cubano-amerikanische Interessengruppen
US-Vertretung in Havanna
Oppositionelle Gruppen innerhalb Kubas
Quelle: Eigene Darstellung Die Auswirkung der Aktionen der Cubano-Americanos und deren Einflussnahme gewinnen an Bedeutung, wenn eine Verbindung zwischen den Einflussmechanismen im Inneren der Regierung mit denen, die die Konzipierung von Maßnahmen mit außenpolitischem Charakter betreffen, hergestellt werden kann. Durch die komplexe Vernetzung von Exekutive, Komitees und Subkomitees des Kongresses sowie Interessengruppen bilden sich Iron Triangels, die in dynamischer Interaktion stehen497 (siehe Abbildung III-2). Es wird somit ein starkes interagierendes politisches Dreieck durch die komplexe Vernetzung der Exekutive, der Komitees und Subkomitees des Kongresses und der partikulären Interessengruppen gebildet. Diese reziproke Verbindung des transnationalen Aktivismus ist besonders für die ethnischen Gruppierungen von Relevanz, da sie zur Durchsetzung ihrer Interessen von der Interaktion zwischen ihrer eigenen Gemeinschaft mit den Gruppen im Ursprungsland und 497 Das Bild der sog. Iron Triangles wird oft verwendet, um ein geschlossenes System eines Politikentwurfs von drei politischen Akteuren zu beschreiben. Es wird hierbei von einer relativ stabilen und autonomen Beziehung zwischen einer begrenzten Zahl von Teilnehmern (elite actors) ausgegangen, die die Kontrolle von politischen Entscheidungen dominieren; siehe CAMPBELL/DAVIDSON 1998: S. 117; GORMLEY/BALLA 2004: S. 87f.
III.3 Oppositionelle Gruppierungen in Kuba
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den politischen Strukturen des Gastlandes profitieren.498 Wenn eine plausible Kongruenz spezifischer Interessen und außenpolitischer Entscheidungen des Staates zu beobachten ist, kann der Einfluss agierender Gruppen gefolgert werden – ebenso wie er bei Unstimmigkeiten ausgeschlossen werden kann. Wenn die politische Aktivität der ethnischen Gruppierungen innerhalb des Kongresses erfolgreich ausgeübt wird, kann sie zu einer Disharmonie in der Gestaltung der US-Außenpolitik führen.499 Der innenpolitische Einfluss von cubano-amerikanischen wirtschaftlichen Interessengruppen kann sich beispielsweise auf die Zollbestimmungen oder die Immigrationspolitik auswirken.500 Dies sind zwar Bereiche der Innenpolitik, im Hinblick auf die Länder, auf die sich diese Politik bezieht, können aber instrumentalisiert werden und die außenpolitischen Entwürfe maßgeblich beeinträchtigen.501 Das bedeutet, dass die Gruppen primär nicht die Haltung der Regierung gegenüber ihrem Ursprungsland zu beeinflussen versuchen, sondern zuerst die Bestimmungen, die sie intern betreffen. Sie sind deshalb als unabhängige Akteure fähig, Wirtschafts- und Menschenrechtsinteressen sowie die der Entwicklungspolitik auf internationaler Ebene zu positionieren.502 Die US-Politik gegenüber Kuba muss nicht unbedingt zu der Haltung, die die aktiven ethnischen Gruppierungen einnehmen, differieren. Wenn sich die Gruppen erfolgreich im Präferenzbildungsprozess durchgesetzt haben, werden ihre Interessen als Bestandteil der nationalen Interessen konstituiert. Trotzdem können die politischen Interessen der verschiedenen Gruppierungen nie direkt auf dieselbe Ebene wie die einer Regierung übertragen werden. Die Cubano-Americanos, die eine direkte Rolle in der politischen Entscheidungsfindung spielen, können dadurch zum konsultativen Instrument der Regierung werden.503 Die politische Maximierung von Interessen zur Beeinflussung der außenpolitischen Entscheidungen wird oft als manipulative Strategie aufgefasst. Die Überzeugungskraft, die Gruppen bei den Entscheidungsträgern anwenden, wird jedoch nicht mit einer politischen Manipulation gleichgesetzt. Letztere entsteht situationsbedingt und ist nicht strukturell verankert, sondern kann allenfalls durch strukturelle Bedingungen begünstigt werden.504
III.3 Oppositionelle Gruppierungen in Kuba Das Aktionsfeld der cubano-amerikanischen Gruppen in den Vereinigten Staaten wird in diesem Unterpunkt um die Vernetzungen außerhalb ihres Systems, in dem sie sich etabliert haben, erweitert.505 Die kubanischen oppositionellen Gruppierungen eröffnen ein For498 Vgl. HEINDL 2005: S. 162. 499 Vgl. GRANT 2004: S. 81. 500 Die hohe Immigrantenzahl wird oft als „gefährliches Signal“ gedeutet, da häufig eine Disparität zwischen Einwanderungspolitik und öffentlicher Meinung vorliegt; siehe LEE/MASSES/LAWS 1998: S. 4. 501 Durch den Zusammenhang zwischen der Migrationspolitik und dem Präferenzstatus der Cubano-Americanos wird einem innenpolitischen Aspekt außenpolitischer Charakter verliehen. Mit diesem Instrument der Migrationspolitik versuchen die USA v.a. die Regierung in Havanna zu diskreditieren; vgl. HUNT 2002: S. 87. 502 Dazu WILLETTS 2000: S. 34. 503 Die Gruppen mit Durchsetzungskraft sind i.d.R. bei den politischen Entwürfen ein Referenzfaktor der Regierung; vgl. NEWTON/DETH 2005: S. 159f. 504 Vgl. MAOZ 1990. 505 Durch die ethnische Identität der kubanischen Gruppen entsteht eine Verbindung, die zum größten Teil von den im Ausland lebenden Kubanern auf der Suche nach ihren Wurzeln ausgeht. Sie bilden somit einen wichtigen Kern der kubanischen Diaspora; vgl. AMBROSIO 2002: S. 2.
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III Zentrale Akteure und der Präferenzbildungsprozess
schungsgebiet, das nach der politischen Wende in Europa Anfang der 1990er Jahre an Interesse gewonnen hat und bis jetzt nur ansatzweise untersucht worden ist. Eine methodologische und empirische Studie über diese Gruppierungen kann unter den gegenwärtigen politischen Bedingungen auf Kuba nicht vorgenommen werden, auch wenn die Organisationen der internen Opposition immer mehr an Bedeutung gewinnen und langsam aus dem Untergrund hervortreten. Die Relevanz dieses Phänomens innerhalb der kubanischen Gesellschaft zeigt sich auch in der wachsamen Kontrolle der Regierung gegenüber den Oppositionellen, die als Handlanger konterrevolutionärer Gruppierungen in Miami angesehen werden. Viele Organisationen in Miami, nicht nur mit moderatem, sondern auch mit konservativem Profil, stellten vor allem in den 1990er Jahren Kontakte zu Menschenrechtsaktivisten her, die sich in kleinen Gruppen innerhalb Kubas organisiert hatten, und starteten Unterstützungskampagnen, um ein Netz aufzubauen. Der Aufschwung der kubanischen Gruppen entstand vor allem durch die politischen Veränderungen nach der Wende in Osteuropa und die damit verknüpfte Hoffnung auf strukturelle Reformen im eigenen Land. Die Organisationen werden in dieser Studie als der Versuch einer Pluralisierung der kubanischen Zivilgesellschaft verstanden, die nicht in die Strukturen des sozialistischen Apparates integriert ist und sich somit von der sozialistischen Zivilgesellschaft unterscheidet, da die Massenorganisationen und die staatlich anerkannten Nicht-Regierungs-Organisationen eine komplementäre ideologische Funktion innerhalb des Systems übernommen haben.506 Die kubanische Verfassung spezifiziert in Artikel 62, dass keine der anerkannten Bürgerfreiheiten gegen die Existenz oder Ziele des sozialistischen Staates gerichtet werden dürfen.507 Das kubanische Strafgesetz von 1987 sieht in Artikel 98.1 und 99 für Rebellion gegen den Staat Strafen von zehn bis zwanzig Jahren Haft vor, bei schweren Delikten auch die Todesstrafe. Es wird darin jede Aktion unter Strafe gestellt, die sowohl auf friedliche als auch gewaltsame Art und Weise das wirtschaftliche, politische oder soziale System des kubanischen Staates sowie seine Verfassung und Regierungsform angreift.508 Die wirtschaftliche Neuausrichtung Anfang der 1990er Jahre, in der die kubanische Regierung den einzigen Ausweg aus ihrer ökonomischen Krise sah, führte zu einer Implementierung des Tourismus als stärksten Motor zur Sicherung der Staatsfinanzen. Diese Öffnung war von einer Intensivierung des akademischen und kulturellen Austausches zwischen der kubanischen Gesellschaft und Organisationen im Ausland, darunter auch denjenigen der Cubano-Americanos, begleitet. Die Gruppenverbindungen gewinnen durch die Verbreitung der neuen digitalen Medien, die steigenden Besucherzahlen im Tourismussektor und die damit verbundenen Kontaktmöglichkeiten mit der Zivilgesellschaft einen transnationalen Charakter, da die Interaktion und der Aufbau eines Netzwerkes für die Koordination der Aktionen im In- und Ausland erleichtert werden. Der Fokus liegt bei dieser Untersuchung auf der direkten Vernetzung der oppositionellen kubanischen Gruppierungen mit den in den Präferenzbildungsprozess involvierten Interessengruppen in den USA. Die Gruppierungen, bei denen sich keine plausible Verbindung zu den Organisationen in den
506 Die kubanische Regierung zählt zum Bestandteil der Zivilgesellschaft mehr als 2 200 Organisationen; siehe UNHR 2004: S. 93. 507 Siehe MINREX 2007. Für weitere Kommentare, bei denen auf die kubanische Verfassung Bezug genommen wird, gilt die hier angegebene Quelle des kubanischen Außenministeriums. 508 Siehe dazu CUBAPOLIDATA 1987. Für weitere Kommentare, bei denen auf das kubanische Strafrecht Bezug genommen wird, gilt die hier angegebene Quelle.
III.3 Oppositionelle Gruppierungen in Kuba
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USA herstellen lässt, haben in diesem spezifischen Fall keinen theoretischen Wert.509 Manche oppositionellen Gruppen auf Kuba befinden sich in dem Zwiespalt, eine konsequente organisatorische und unabhängige Arbeit zu leisten, ohne sich durch die US-Administration und die durch sie finanzierten cubano-amerikanischen Organisationen beeinflussen oder instrumentalisieren zu lassen. Dieses Dilemma versuchen beispielsweise die Aktivisten des Proyecto Varela durch eine gezielte moderate Arbeit ohne Gewaltanwendungen aufzuheben – ihre Unabhängigkeit können sie allerdings nicht immer erfolgreich bewahren, da sie auf die Finanzierung durch die Gruppierungen in den USA angewiesen sind.510 Während meines einjährigen Forschungs- und Arbeitsaufenthaltes auf Kuba im Jahr 2002, dem mehrere Reisen vorausgingen, konnte ich Verbindung zu verschiedenen Gruppierungen aufnehmen und die Dynamik ihrer Entstehung und Entfaltung beobachten. Eine alleinige Auflistung der oppositionellen Gruppierungen auf Kuba kann zu Fehlinterpretationen führen, da hinter Organisationsbezeichnungen wie „Gewerkschaft“, „Partei“, „Institut“ oder „Komitee“ oft nur zwei bis fünf Personen stehen und außerdem viele Oppositionelle gleichzeitig zwei verschiedene Gruppen führen. Zudem sind die Organisationen häufig nur von kurzer Dauer, da ihre Initiatoren nicht selten in die USA emigrieren. Sie suchen dann in der Regel Anschluss an die schon bestehenden Gruppen der CubanoAmericanos. Die informellen Gespräche zeigten aber auch die Entschiedenheit führender Dissidenten, in Kuba zu bleiben und sich dort weiterhin für Reformen im Inneren und für die Lösung des Konflikts mit den radikalen Exilkubanern in Miami einzusetzen. Die Oppositionsgruppen in Kuba lassen sich je nach Orientierung und Ausrichtung in vier Arbeitsbereiche einteilen: Menschenrechtsaktivisten, politische Aktivisten (in Parteien organisiert), Aktivisten von unabhängigen Arbeiterverbänden und religiöse Organisationen.
III.3.1 Menschenrechtsgruppierungen Die Gruppierungen, die sich für die Menschenrechte einsetzen, stellen gegenwärtig die bedeutendste Oppositionsbewegung gegen die kubanische Regierung dar. Das Programm dieser Organisationen basiert auf den dreißig Artikeln der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Diese gemeinsame Basis ermöglicht den Gruppen, unabhängig voneinander in kleinen Gruppen zu arbeiten. Das Comité Cubano pro Derechos Humanos (CCPDH – Kubanisches Komitee für Menschenrechte) wurde 1976 als erste Organisation dieses Bereichs von Ricardo Bofill Pagés gegründet. Die initiierten Reformen Perestroika und Glasnost durch Michail Gorbatschow in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre bestärkten die Arbeit des Komitees und fungierten als Orientierung für die Gruppierungen innerhalb Kubas, außerdem wurden sie durch die Erfolge der osteuropäischen Organisationen wie die von Lech Walesa in Polen oder von Václav Havel in der damaligen Tschechoslowakei motiviert. Die internationale Aufmerksamkeit für die kubanischen Menschenrechtsgruppen wuchs jedoch erst Anfang der 1990er Jahre, begünstigt durch die internationalen Bedingungen und die allgemeine Erwartung eines baldigen Zerfalls des kubanischen Systems. Im Jahr 1994 wur509 Bei den transnationalen Verbindungen sind i.d.R. nur einige aktive Organisationen involviert, die die Interessenvertretung übernehmen. Die verstärkte Interaktion zwischen den kubanischen und den cubanoamerikanischen Gruppen führte zu einer internationalen Entstehung eines Netzwerkes zu Menschenrechtsfragen, das sich in ganz Lateinamerika ausgebreitet hat; vgl. KECK/SIKKINK 1998: S. 18 u. 79f. 510 Zum Proyecto Varela siehe Unterpunkt 3.5.
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III Zentrale Akteure und der Präferenzbildungsprozess
de die Zahl der Menschenrechtsorganisationen auf über 100 geschätzt.511 Der Tätigkeitsbereich der Gruppen konzentriert sich auf die Berichterstattung über Menschenrechtsverletzungen in Kuba. Um ihre Arbeit zu internationalisieren, geben sie ihre Informationen an diplomatische Vertretungen auf Kuba, an internationale Journalisten und an Organisationen der Cubano-Americanos weiter. Die kubanische Verfassung garantiert zwar in Artikel 53 die Rede- und Pressefreiheit – jedoch nur innerhalb der Ziele des Sozialismus, da die Medien wie Presse, Radio, Fernsehen, Kino und andere Kommunikationsmedien staatliches Eigentum sind und somit nicht für private Zwecke, sondern ausschließlich im allgemeinen Interesse der sozialistischen Gesellschaft verwendet werden dürfen.512 Diese Konditionierung, so die Argumente der Menschenrechtsaktivisten, kollidiert mit Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, in dem die Redefreiheit aller Individuen zugesichert und das Recht auf Meinungsfreiheit ohne Eingrenzung und über jedes Medium garantiert wird. Darüber hinaus berufen sie sich auf die in Artikel 20.1 postulierte Versammlungsfreiheit.
III.3.2 Politisch orientierte Gruppen Die Entwicklung einer politischen ideologischen Alternative gestaltet sich auf Grund des Monopols der kommunistischen Partei in ihrer Interpretation der Geschichte, der Gegenwart und des zukünftigen Weges der Insel schwierig. Einer der bekanntesten Fälle der internen politischen Opposition, der international Reaktionen gegen das Vorgehen der Regierung in Havanna hervorgerufen hat, war die Festnahme und Verurteilung von 75 Aktivisten im April 2003. Der Gerichtsprozess verlief unter Ausschluss der internationalen Presse und ohne Beteiligung ausländischer Vertreter, da ausschließlich Kubaner angeklagt waren. Nach eigenen Angaben der Regierung wurden Gefängnisstrafen von 6 bis 28 Jahren verhängt.513 Die zentrale Zielsetzung der Gruppierungen mit politischem Profil betrifft die institutionelle, wirtschaftliche und politische Erneuerung des Systems auf der Basis der kubanischen Verfassung von 1940, in der die politische Freiheit in Artikel 1 gesetzlich verankert ist. Nach der Festnahme der 75 Oppositionellen bildeten Frauen und Mütter, die sich für die Freilassung ihrer Familienangehörigen einsetzen wollten, die Organisation Damas de Blanco (DB – Damen in Weiß). Die Cubano-Americanos unterstützen Initiativen wie diese, indem sie in den USA Vereinigungen mit ähnlichen Namen bilden und dadurch den Gruppierungen im Inneren Kubas eine internationale öffentliche Plattform bieten. In diesem Sinne riefen sie als Reaktion auf die Gründung von Damas de Blanco die Organisation Madres y Mujeres Anti Represion (MAR – Mütter und Frauen gegen Unterdrückung) ins Leben. Da die MAR berechtigt ist, Gelder der U.S. Agency for International Development (USAID) und der National Endowment for Democracy (NED) zu empfangen, kann sie die Gruppe in Kuba finanziell unterstützen. Dieselbe Verfahrensweise wenden auch andere Organisationen wie die unabhängigen Arbeiterverbände, Bibliotheken oder Menschenrechtsgruppen an. Auf Grund dieser Zusammenhänge spricht die kubanische Regierung den auf der Insel gebildeten Gruppen eine selbstständige Entwicklung ab, die aus einer gesell511 Vgl. FERNÁNDEZ 2005: S. 127. 512 Siehe MINREX 2007. 513 Zu diesem Fall nahm die kubanische Regierung in einem Bericht an die UN-Kommission für Menschenrechte Stellung; siehe dazu UNHR 2004a.
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schaftspolitischen Notwendigkeit heraus entstanden wäre. Die Gruppen werden vielmehr als konstruierte Organisationen verstanden, die von den Cubano-Americanos koordiniert, ausgebildet und finanziert werden, um die Diskreditierung und Destabilisierung Kubas zu erreichen.514 Die Proliferation von cubano-amerikanischen Organisationen in Florida mit Namen verschiedener Parteien wie Partido Nacionalista Democrático de Cuba (PNDC – Nationalistische Demokratische Partei Kubas), Partido Social Demócrata de Cuba (PSDC – Sozialdemokratische Partei Kubas), Partido Demócrata Cristiano de Cuba (PDCC – Christdemokratische Partei Kubas) oder Coordinadora Social Demócrata (CSD – Sozialdemokratische Koordination) führt oft zu einer Konfusion über den Ursprung der Gruppierungen. Sie bezeichnen sich als Parteien, da sie ein Programm zur Mitgestaltung der Transition auf Kuba entwickelt haben, das sie für die Zeit nach dem angestrebten Sturz der kubanischen Regierung bereithalten.
III.3.3 Staatlich unabhängige Arbeiterverbände Die Aktivisten dieser Gruppierungen verfolgen die Gründung von unabhängigen Gewerkschaftsverbänden, in denen die Rechte und Interessen der kubanischen Arbeiter vertreten werden sollen. Ziel ist es, die Arbeiter sowohl auf nationaler Ebene untereinander als auch auf internationaler Ebene mit den Arbeiterorganisationen zu vernetzen. Die Gruppen lehnen jede Art von politischer Intervention oder auch politischem Aktivismus von außen ab.515 Zu diesen Organisationen gehören der Consejo Unitario de Trabajadores Cubanos (CUTC – Vereinter Rat Kubanischer Arbeiter), das Instituto Sindical de Estudios Independientes (ICEI – Gewerkschaftsinstitut für unabhängige Studien) oder das Buró de Asesoramiento Jurídico Independiente Laboral (BAJIL – Unabhängiges juristisches Beratungsbüro für Beschäftigte). Ähnliche Organisationen wie die Confederación Campesina de Cuba (CCC – Kubanischer Bauernverband) und die Solidaridad de Trabajadores Cubanos (STC – Solidarität kubanischer Arbeiter) stehen mit den oben genannten in Verbindung. Die Gruppen dehnen sich auch in die Bereiche des kubanischen Gesundheitssystems aus, indem unabhängige Ärzte durch die Verteilung von kostenloser Medizin unterstützt werden. Da Kuba mit seinem Sozialversicherungssystem neben Costa Rica und Kanada eine Ausnahme auf dem amerikanischen Kontinent darstellt und somit auch den Standards der Agenda der International Labour Organisation (ILO) für die Periode 2006 bis 2015 entspricht, trifft die Kritik der oppositionellen Arbeiterverbände nur bedingt zu.516 Die Gruppierungen sehen das Recht auf ihre Existenz gesetzlich untermauert, da Kuba die Vereinbarungen über die Gewerkschaftsfreiheit der ILO ratifiziert hat.517 1991 hatten Aktivisten die Gründung einer unabhängigen Gewerkschaft mit dem Namen Unión General de Trabajadores de Cuba (UGTC – Generalvereinigung kubanischer Arbeiter) geplant, die Regierung genehmigte das Vorhaben jedoch nicht. Zugelassen ist auf Kuba lediglich die offizielle Gewerkschaft Central de Trabajadores de Cuba (CTC – Zentrale kubanischer Arbeiter), da die Regierung in 514 Eine ausführliche Erläuterung der Interaktion zwischen den Organisationen der Cubano-Americanos und den Gruppierungen auf Kuba befindet sich in Unterpunkt 5. 515 Siehe dazu CUTC 2006. 516 Siehe dazu ILO 2006. 517 Siehe dazu ILO 1948.
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III Zentrale Akteure und der Präferenzbildungsprozess
der Gründung neuer Gewerkschaften eine politische Destabilisierung im Arbeitersektor sieht und Sabotageakte oppositioneller Gruppierungen befürchtet. Darüber hinaus argumentiert die kubanische Regierung, dass die UGTC nicht zugelassen wird, da sie unter den kubanischen Arbeitern und den zuständigen Entscheidungsträgern im System bezüglich der Reglementierung der Arbeitsverhältnisse unbekannt sei.518 Kuba sieht auch durch ähnliche Initiativen in den Bereichen der Bildung und des Gesundheitssystems durch die Gründung der Bibliotecas Independientes de Cuba (BIC – Unabhängige Bibliotheken Kubas) oder der Asociación de Médicos Independientes (AMI – Unabhängiger Ärzteverband) in Anbetracht der Blockadepolitik der Vereinigten Staaten, die internationales Recht verletzt, die Gefahr einer gezielten Destabilisierung seiner sozialen Strukturen. Aus Sicht der kubanischen Regierung stehen diese Initiativen in Kontraposition zu den Bemühungen, die wirtschaftliche Stabilisierung zu konsolidieren, deshalb sieht sich die kubanische Regierung im Recht, entschieden dagegen vorzugehen.519
III.3.4 Religiöse Gruppierungen Der Papstbesuch von Johannes Paul II. in Kuba im Jahr 1998 konnte die harte Linie der konservativen Gruppen in Miami zeitweise entkräften und ermutigte die Moderaten, ihre Kontakte zu den kubanischen Organisationen aufzubauen bzw. zu festigen. Innerhalb Kubas entstanden in den 1990er Jahren Organisationen, die trotz der Haltung der kubanischen Regierung aktiv neben ihren religiösen Fundamenten für einen demokratischen Übergang auf Kuba eintreten, ohne aber die Regierung auszuschließen.520 Eine der bekanntesten religiösen Gemeinschaften ist der katholische Zusammenschluss Consejo Diocesano de Laicos de Pinar del Río (CDLPR – Laienrat der Diözese von Pinar del Río), der unmittelbar nach dem Papstbesuch initiiert worden war. Er gibt die Zeitschrift Vitral heraus, deren Publikationen ein breites Diskussionsforum mit hohem Bekanntheitsgrad erreicht haben.521 Der CDLPR versteht sich als Reflexionsforum des Dialogs und sieht sich verpflichtet, einen gesellschaftlichen Beitrag für eine Verbesserung der kritischen Situation Kubas zu leisten. Sein Anliegen gilt der Schaffung neuer gesellschaftlicher Räume, die einer breiten Schicht von Personen mit Initiativen zu neuen soziopolitischen und wirtschaftlichen Alternativen eine Teilnahme ermöglichen. Die Organisation tritt zwar für die Achtung der Menschenrechte und die Versammlungs- sowie Redefreiheit auf der Basis des nationalen Dialogs ein, jedoch ohne politische Ziele zu verfolgen. Durch die Verfassungsreform von 1992 wurde die Gründung religiöser Gemeinschaften erleichtert. Artikel 8 und 55 gewährleisten die Religionsfreiheit im Rahmen des Gesetzes und regulieren die Verbindung zwischen Staat und religiösen Institutionen.522 Voraussetzung ist jedoch, dass die religiösen Vereinigungen gesetzlich anerkannt und gemeldet werden. Gruppierungen, die nicht nur religiöse Ziele verfolgen, werden von der Regierung als illegale Sekten eingestuft und erfüllen somit nicht die Voraussetzung für die Anerkennung als Religionsgemeinschaft.523
518 519 520 521 522 523
Siehe dazu den Bericht der UN-Kommission für Menschenrechte: GROTH 1993. Siehe dazu WFTU 2004. Siehe DPR 2007. Siehe VITRAL 2007. Siehe MIREX 2007: Art. 8 u. 55. Dies ist beispielsweise bei den Zeugen Jehovas der Fall; siehe dazu GROTH 1993.
III.3 Oppositionelle Gruppierungen in Kuba
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III.3.5 Das Proyecto Varela Das Proyecto Varela (PV – Varela-Projekt) geht auf eine Koalition von 199 kubanischen Dissidentengruppen zurück, die sich 1999 im Rahmen des iberoamerikanischen Gipfeltreffens in Havanna zu einem Dachverband namens Todos Unidos (TU – Alle Vereint) zusammengeschlossen hatten. Die Organisation vernetzt ihre Arbeit in allen Provinzen der Insel und spricht sich für eine Versöhnung aller Kubaner auf juristischer Basis aus, um die Bedingungen für strukturelle politische und soziale Veränderungen zu schaffen. Gleichzeitig setzt sie sich aber auch für die Souveränität Kubas und gegen die Beibehaltung des USamerikanischen Embargos ein. Ihre Argumentation stützt sich auf die langjährige historische Erfahrung der kubanischen Bevölkerung mit äußeren Mächten und Interessen. Todos Unidos verlangt eine Öffnung, die von beiden Richtungen ausgehen soll: eine Demokratisierung von kubanischer Seite aus und die Beendigung des fast ein halbes Jahrhundert andauernden Embargos von US-amerikanischer Seite aus. Innerhalb des Dachverbandes wurde auf Initiative von Oswaldo Payá Sardiñas, dem Direktor des Movimiento Cristiano de Liberación (Christliche Befreiungsbewegung), ein Projekt entwickelt, das unter dem Namen Proyecto Varela international bekannt geworden ist und sich zu einer der wichtigsten kubanischen Oppositionsbewegungen entwickelt hat. Es hat vor allem durch seine breite internationale Anerkennung und den wachsenden Bekanntheitsgrad in Kuba an Bedeutung gewonnen. Seine juristische Grundlage beruht auf Artikel 88(g) der Verfassung, in dem die Bedingungen für Gesetzesinitiativen festgelegt sind. Den Bürgern wird darin die Möglichkeit eingeräumt, eigene Gesetzentwürfe zur Diskussion und Abstimmung im Parlament (Asamblea Nacional de Poder Popular), unterstützt von mindestens 10 000 Unterschriften, einzubringen.524 Payá Sardiñas sammelte mehr als 11 000 Unterschriften und legte diese im Mai 2002 dem Parlament vor. In dem Projekt werden eine Verfassungsreform und ein Referendum über die politische Zukunft des Landes gefordert. Der Bekanntheitsgrad des PV in der kubanischen Öffentlichkeit ist aber erst durch den Besuch James Carters, ebenfalls im Mai 2002, gewachsen. Dieser hatte in einer vom Fernsehen übertragenen Rede an der Universität in Havanna den anwesenden Fidel Castro gebeten, das Proyecto Varela zuzulassen. Die Regierung reagierte im Juni 2002 mit einer Gegeninitiative, bei der durch eine Massenmobilisierung mehr als 8 Millionen Unterschriften gesammelt wurden, die für eine gesetzliche Verankerung des sozialistischen Charakters auf Kuba votierten. Aus juristischer Sicht ist das PV eine rechtmäßige Initiative, die Debatte darüber wurde jedoch im Parlament bis heute vertagt. Das PV beabsichtigt eine friedliche demokratische Erneuerung mit Änderungen, die stufenweise im System stattfinden sollen, und orientiert sich an anderen Bewegungen wie zum Beispiel an den gewerkschaftlichen in Polen. Zu den zentralen Zielen gehören eine Verfassungsreform und ein Referendum über die politische Zukunft des Landes. Bei der Änderung der Verfassung sollen vier Aspekte berücksichtigt werden: (1) die Rede- und Versammlungsfreiheit in allen gesellschaftlichen Sektoren wie Politik, Wirtschaft und Kultur sowie in den Bereichen Bildung, Presse und Religion; (2) die Amnestie aller politischen Gefangenen; (3) das Recht zur Unternehmensgründung für alle Kubaner, ob Individuen oder Kooperationen; (4) eine Revision des Wahlsystems, so dass in jedem Distrikt Kandidaten nominiert werden können und sich zu allgemeinen, freien und demokratischen Wahlen aufstellen lassen können.525 Diese Forderungen spiegeln die grundle524 Siehe MINREX 2007: Art. 88(g). 525 Siehe dazu PAYÁ-SARDIÑAS 2005.
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III Zentrale Akteure und der Präferenzbildungsprozess
gende Position der allgemeinen internen kubanischen Opposition wider. Im Gegensatz zu den Gruppierungen in Miami lehnt das Proyecto Varela eine Rückgabe der verstaatlichten Firmen und Ländereien im Falle eines politischen Wechsels ab und unterstützt außerdem einen Dialog mit der kubanischen Regierung. Diese Position kontrastiert mit denen der konservativen cubano-amerikanischen Organisationen in Florida. Paradoxerweise artikulieren die kubanischen Gruppen gerade über diese Organisationen in den USA ihre Forderungen und bringen sie an die internationale Öffentlichkeit, da die kubanische Regierung innerhalb der Insel hierzu keine Möglichkeiten bietet. Für die Organisationen in den USA wiederum stellen die Kontakte mit den in Kuba agierenden moderaten Gruppierungen trotz der konzeptuellen Differenzen bezüglich der Vorgehensweise und der postulierten Forderungen ein politisches Instrument dar, um sowohl auf internationaler als auch auf USpolitischer Ebene gegen die Regierung in Havanna vorzugehen. In Europa wird das Proyecto Varela vor allem durch den in Spanien lebenden Carlos Payá, Bruder des Gründers Oswaldo Payá Sardiñas, bekannt gemacht.
III.3.6 Das Programa Todos Cubanos Als Ergebnis des seit 2003 geführten nationalen Dialogs und des Proyecto Varela entstand 2006 die Initiative Programa Todos Cubanos (PTC – Programm Alle Kubaner).526 Das PTC versucht über den Weg des Dialogs einen Konsens zwischen den Kubanern im In- und Ausland zu schaffen, um über diese Vereinigung eine friedliche Alternative für die Zukunft Kubas zu konstituieren. Das Programm umfasst über 130 Seiten, die sich in vier Bereiche aufteilen lassen: Der erste betrifft eine Verfassungsreform, der zweite einen Änderungsvorschlag, genannt Plan Cuba Primero, der dritte Bereich bezieht sich auf ein neues Wahlgesetz und der vierte auf ein neues Vereinsgesetz. Das PTC soll als politisches Instrument für die Einführung einer Verfassungsänderung fungieren – vorausgesetzt, es findet durch ein Referendum Zustimmung. Das Programm ist nicht an ein bestimmtes wirtschaftliches System gebunden, es setzt aber die freie politische Partizipation aller Bürger in einem demokratischen Prozess voraus. Ein grundlegendes Prinzip ist, dass die Institutionalisierung aller Rechte schrittweise erfolgen soll, damit es zu keiner Unterbrechung in der Funktionalität des Staates kommt. Bei einer Verfassungsänderung würden somit die politischen, sozialen sowie die Menschen- und Wirtschaftsrechte innerhalb eines souveränen und unabhängigen Staates garantiert werden. Die Zusage, dass die Errungenschaften Kubas wie der kostenlose Bildungs- und Gesundheitsbereich sowie alle öffentlichen Dienstleistungen beibehalten würden, soll den Kubanern die Angst vor Veränderungen nehmen. Das Programm beinhaltet die gleichen Forderungen wie das Proyecto Varela, sie sind jedoch konkreter formuliert und umfassen mehr Bereiche. Für die Verfassungsänderungen und den damit verbundenen politischen und wirtschaftlichen Transformationsprozess sieht das PTC zwei Phasen vor: die der Vorbereitung und die der Konstitution. Die erste Phase soll 270 Tage dauern und mit einem Referendum beginnen; auch sollen freie Wahlen für ein neues Parlament und einen neuen Präsidenten stattfinden, die das Land während einer zweiten konstitutionellen Phase führen werden. In dieser zweiten Phase soll der Plan Cuba Primero (Plan Cuba zuerst) durchgeführt werden, 526 Zu den hier diskutierten Aspekten des Programa Todos Cubanos siehe KAS 2006. Der komplette Programmtext ist zu finden bei KAS 2007.
III.4 Mediale Arbeitsinstrumente der oppositionellen Gruppierungen in Kuba
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in dem die Bürger nach der Institutionalisierung aller Rechte am politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben teilnehmen können. Die zweite Phase, die bis zu 900 Tage dauern soll, beginnt mit den Wahlen zur kubanischen Nationalversammlung und des Präsidenten, in der die demokratisch gewählte Regierung die definierten Veränderungen des PTC konsolidiert. Die Cubano-Americanos werden in dem Programm berücksichtigt, indem bei ihnen und ihren Kindern der kubanische Status anerkannt wird und sie frei in ihr Land einreisen bzw. zurückkehren dürfen. Das Programm hat in Kuba im Vergleich zu seiner Verbreitung im Ausland auf Grund des staatlichen Monopols über die Medien einen niedrigen Bekanntheitsgrad.
III.4 Mediale Arbeitsinstrumente der oppositionellen Gruppierungen in Kuba Die Entwicklung des Internets hat bei der Verflechtung von intern organisierten Oppositionsgruppen mit agierenden Interessengruppen in Miami eine wichtige Rolle übernommen und wird für die Konzipierung der US-amerikanischen Außenpolitik gegenüber Kuba instrumentalisiert. Die Erwartung gegenüber dem Einfluss und den Auswirkungen dieses Mediums auf eine politische und wirtschaftliche Transformation Kubas ist von Seiten der USA gewachsen. Die Regierung in Havanna unterstützt die Entwicklung dieser Technologie zwar, sie hält sie jedoch unter staatlicher Kontrolle. Dabei wird sie im eigenen Interesse in Bereichen zugelassen, die nicht mit einer möglichen Destabilisierung des Systems in Verbindung stehen. Die Regierung tendiert nicht dazu, das Internet zentral zu überwachen, sondern eher den aus ihrer Sicht potentiellen subversiven Gruppierungen den Zugang zu verwehren. Kuba setzt dieses Medium in spezifischen Bereichen zu Gunsten sozialer, politischer und wirtschaftlicher Interessen ein. Dafür wurde im Januar 2000 das Ministerio de la Informática y Las Comunicaciones de Cuba (MICC – Informatik und Kommunikationsministerium) eingerichtet, um vor allem die wirtschaftliche Produktivität durch die Anwendung moderner Kommunikationsstrukturen wie beispielsweise des institutionellen Informationsaustausches via E-Mail oder die Entwicklung des Intranets zu implementieren. Dabei sollten Projekte, deren Informationsdienste die Erfolge der kubanischen Revolution verbreiten, besonders gefördert werden.527 Die Regierung entwarf dafür acht Programme, die vom MICC koordiniert und kontrolliert werden, in denen die Eingliederung aller Sektoren in die Informationstechnologie, vor allem im Wirtschafts- und Gesundheitsbereich sowie auf Regierungsebene, konzipiert worden ist.528 Sie konstituieren durch die lenkende Funktion des Staates somit eine vertikale Verbreitung des Informationsnetzes und die Anwendung moderner Kommunikationssysteme. Bei der Analyse der Internetnutzer auf Kuba muss zwischen drei verschiedenen Diensten differenziert werden. Zum einen wird das kubanische Intranet verwendet, durch das eine landesweite E-Mail-Nutzung ermöglicht wird, zum anderen gibt es hierbei auch die Möglichkeit, weltweit E-Mails zu versenden. Drittens kann das uneingeschränkte World Wide Web genutzt werden. In der Regel ist pro E-Mail-Adresse von bis zu zehn Nutzern 527 Die Ziele des Ministeriums basieren auf einer Wirtschaftsresolution des V. Kongresses der Kommunistischen Partei Kubas im Jahr 1997; siehe MICC 1997. 528 Unter anderen Sektoren stehen in den Programmen die Infrastruktur des Landes, die öffentlichen Dienste, der Verwaltungsapparat, der Kultur- und Forschungsbereich sowie die Ausweitung des Joven Club (Club für Jugendliche) mit 300 landesweit ausgerüsteten Einrichtungen für die Ausbildung in der neuen Technologie zur Verfügung; siehe dazu MICC 2007.
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III Zentrale Akteure und der Präferenzbildungsprozess
auszugehen, so dass die realen Teilnehmer nicht mit den offiziellen Statistiken korrespondieren. Personen mit einem Computer zu Hause können auf dem Schwarzmarkt einen Zugang über verschiedene Zugangskonten wählen, die tagsüber legal von Institutionen verwendet werden.529 Durch den Aufbau von Intranetverbindungen auf nationaler Ebene können sich die intern organisierten Gruppierungen vernetzen und von den Vorteilen des weltweiten Informationsflusses durch das Internet profitieren, sofern ihnen die technischen Möglichkeiten zur Verfügung stehen. In Havanna wurden beispielsweise in der US-Interessenvertretung Computer mit Internetzugang eingerichtet, die vor allem von den Mitgliedern der oppositionellen Gruppierungen genutzt werden können. Die agierenden Gruppen veröffentlichen trotz Einschränkungen Daten und Berichte mit Hilfe von modernen Massenmedien wie des Internets, die über cubano-amerikanische Organisationen mit Sitz in Florida auf dafür eingerichteten Websites publiziert werden. Beispiel dafür ist die Arbeit von Net for Cuba International. Die Organisation konzentriert sich auf die Verbreitung der Berichte von Aktivisten innerhalb Kubas und koordiniert die Gestaltung und Freischaltung von Internetseiten neuer oppositioneller Gruppen.530 Viele Organisationen konnten durch diese Möglichkeiten, die erst in den 1990er Jahren aufkamen, aus dem Untergrund herauskommen. Die Verbindungsnetze innerhalb der Insel intensivierten und verdichteten sich in dieser Dekade trotz der staatlichen Kontrolle. Durch die Bildungsprogramme der kubanischen Regierung kam es zu einer Zunahme der Internetnutzung, die auch der breiten Masse innerhalb der staatlichen Strukturen zugänglich gemacht wurde. Durch die gewonnene Aufmerksamkeit auf internationaler Ebene werden in der jüngsten Zeit Vertreter der internen oppositionellen Gruppen offiziell von ausländischen Regierungsrepräsentanten zu verschiedenen Veranstaltungen eingeladen.
III.4.1 Der Einsatz von Radio und Fernsehen Martí Da die USA von einer wachsenden unabhängigen Oppositionsbewegung der kubanischen Zivilgesellschaft ausgehen, versorgen sie die Gruppen mit Arbeitsinstrumenten. Seitens der USA wird die Existenz der Gruppen durch die Verstärkung von finanziellen Mitteln gesichert. Die Regierung sah in dem Assistenzprogramm für die Transition auf Kuba zusätzlich 29 Mio. US-Dollar vor, die für die Intensivierung der Ausbildungsmaßnahmen zur Schaffung, Stärkung und Ausdehnung der Opposition verwendet werden sollten. Es wurden somit Subventionen für die Aktivitäten der Organisationen innerhalb Kubas gesichert, damit der Fluss an Informationsmaterial über die Pläne der USA für den politischen Übergang Kubas auf der Basis von Demokratie, Menschenrechten und freier Marktwirtschaft garantiert wird. Für diesen Informationsfluss werden die Medien Radio und Fernsehen Martí genutzt, die von dem Office of Cuba Broadcasting (OCB) koordiniert werden. Seit der Gründung des OCB im Jahr 1984 haben die Vereinigten Staaten mehr als 407 Millionen US-Dollar investiert, davon seit 1984 249 Millionen für Radio Martí und seit 1989 158 Millionen für den gleichnamigen Fernsehsender.531 529 Die kubanische Telefongesellschaft ETECSA verkauft Ausländern Karten für den Internetzugang für eine Dauer von bis zu fünf Stunden, die in der Regel zwischen 15 und 20 US-Dollar bzw. Pesos Convertibles kosten. Kubaner, die sich das leisten können, kaufen diese Karten auf dem Schwarzmarkt und benutzen sie unter vorübergehenden Kontennamen; siehe dazu KALATHIL/BOAS 2003: S. 58. 530 Siehe NCI 2008. 531 Siehe SULLIVAN/TAFT-MORALES 2003: S. 35; US-IBB 2007.
III.4 Mediale Arbeitsinstrumente der oppositionellen Gruppierungen in Kuba
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Die Medienpolitik beider Länder ist ein integraler Bestandteil der Konfrontation, um die internationale Berichterstattung über die Insel zu beeinflussen.532 Die USA sehen in der kubanischen Medienkontrolle über die Bereiche Fernsehen, Radio und Printmedien ein Unterdrückungsinstrument, da die Regierung in Havanna den Kubanern den Zugang zu Informationsquellen über Menschenrechtsverletzungen oder die wirtschaftliche Situation des Landes erschwert. Die USA werfen der kubanischen Regierung vor, einen technischen und administrativen Apparat mit Sicherheitsstrukturen aufbauen zu wollen, um die Aktivierung von oppositionellen Gruppen auf Kuba zu verhindern. Dies gilt nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb der Insel, um die Kommunikation zwischen den Kubanern zu inhibieren.533 Auf Grund dieser Einschränkung sehen die Vereinigten Staaten die Aktivierung des Programms Comando Solo als berechtigt an. Es handelt sich hierbei um eine Luftplattform, die Radio- und Fernsehsendungen nach Kuba überträgt. Auf diesem Weg wird die Möglichkeit zur Beteiligung von Drittländern bestärkt, damit auch private Radiosender Übertragungen machen können. Die Nutzung von Sendesatelliten und Flugzeugen, die als Basis für die Ausstrahlung von Fernsehprogrammen dienen und deren Nutzung seit 2003 intensiviert wird, sind ein wichtiger Teil der Strategie, um das Monopol der kubanischen Regierung zu brechen. Dafür werden Flugzeuge des Typs C-130 der amerikanischen Air Force eingesetzt, um über Kanäle und Systeme, die von Kuba bei der International Telecommunication Union gemeldet sind, Sendungen aus Miami verbreiten zu können. Seit 2003 verwenden die USA vier neue Frequenzen, über die wöchentlich Radio- und Fernsehsendungen mehr als 220 Stunden ausgestrahlt werden. Die USA ignorieren somit im Bereich der Kommunikation internationales Recht. Kuba versteht dies als Provokation – vor allem, wenn falsche Informationen verbreitet werden, die aus eigener Sicht eine Subversion oder die illegale Emigration fördern und eine künstliche Krise innerhalb der Gesellschaft propagieren, um eine mögliche militärische Aktion der USA rechtfertigen zu können. Ziel ist nicht nur die Verbreitung von Radio- und Fernsehsendungen, sondern auch von DVDs und Videos innerhalb der Insel, deren Finanzierung von der US-Regierung getragen wird. Allein zwischen 1996 und 2006 wurden auf Kuba mehr als 23.000 Radios für den Empfang verteilt. Auch wurden Videorekorder, Satellitenempfänger, Decoder, CDs und DVDs zur Verfügung gestellt, die über die Organisationen in Miami und die US-Vertretung in Havanna an die oppositionellen Gruppen ausgegeben wurden.534
III.4.2 Die Internationalisierung der kubanischen Opposition Eine der wichtigsten Aufgaben der cubano-amerikanischen Organisationen im Rahmen des von den USA festgelegten Programms für die Transition auf der Insel ist die Internationalisierung der Opposition gegen die Regierung in Havanna. Dies wird durch die dafür eingerichtete Commission for Assistance to a Free Cuba (CAFC) koordiniert. Die U.S. Agency for International Development (USAID) setzt das Programm der Kommission um und zielt auf die Unterstützung der Opposition im Inneren und deren Einigung ab. Die USAID koordiniert und fördert auch die Beteiligung von Organisationen aus anderen Ländern am Aufbau einer Zivilgesellschaft auf Kuba. Die Arbeit der CAFC wird vor allem deshalb als wichtig erachtet, da 532 Vgl. HOFFMANN 2002: S. 30f. 533 Siehe POWELL 2004: S. 8. 534 Siehe GAO 2006b.
168
III Zentrale Akteure und der Präferenzbildungsprozess
sich die kubanische Zivilgesellschaft über Jahrzehnte hinweg nicht entfalten konnte und die entstandenen Gruppierungen der jüngsten Zeit fragmentiert sind. Durch den Aufbau eines solidarischen Netzwerkes zwischen kubanischen Aktivisten und unabhängigen Journalisten soll der Bekanntheitsgrad der Gruppen in der internationalen Öffentlichkeit erweitert werden. Zur Verwirklichung dieser Ziele bildeten US-amerikanische Experten von 1996 bis 2006 in Kuba mehr als 200 Journalisten aus. In diesen zehn Jahren wurden als Folge davon 23 000 Berichte publiziert und mit Hilfe von verschiedenen Medien verbreitet. Auch wurden Kubanern Kurse zur Gründung und Strukturierung oppositioneller Organisationen erteilt. Die Interessenvertretung in Havanna fungiert für die oppositionellen Kubaner als Anlaufstelle für die Koordinierung und Organisation der Aktionen.535 Die finanziellen Zuwendungen spiegeln sich in der Zunahme von oppositionellen Organisationen innerhalb der Insel wider. Ein wichtiger Zusammenschluss dieser Gruppen stellt die Asamblea para Promover la Sociedad Civil en Cuba (APSC – Versammlung für die Förderung der Zivilgesellschaft auf Kuba) dar. Sie wird von Martha Beatriz Roque präsidiert und besteht nach eigenen Angaben aus mehr als 365 unabhängigen Organisationen. 2005 fand eine Zusammenkunft der APSC statt, an der internationale diplomatische Vertreter aus Deutschland, Japan, den Niederlanden, Polen, aber auch der US-Interessenvertretung in Havanna teilnahmen.536 Durch die Internationalisierung der Opposition soll in erster Linie die Europäische Union aufmerksam gemacht werden, um Kuba in Zusammenarbeit mit den USA durch eine gemeinsame Politik zu isolieren. Auf Grund der kulturellen und historischen Wurzeln wird Spanien eine wichtige Aufgabe bei der Unterstützung der Gruppierungen übertragen. Die Regierung George W. Bushs ernannte deshalb aus strategischen Gründen den Cubano-Americano Eduardo Aguirre als US-Botschafter für Spanien. Über die diplomatische Vertretung in Madrid wird die Arbeit von oppositionellen kubanischen Organisationen koordiniert und unterstützt. Das International Committee for Democracy in Cuba (ICDC), gegründet von prominenten konservativen Politikern aus Europa und Lateinamerika, bringt beispielsweise das Thema der kubanischen Opposition an die Öffentlichkeit. Das Komitee steht mit den konservativen kubanischen Organisationen Miamis in enger Verbindung und lehnt eine Lockerung der Sanktionen gegen Kuba ab. Die letzte Zusammenkunft cubano-amerikanischer Oppositionsgruppen wurde von der ICDC Anfang 2007 in Zusammenarbeit mit der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin veranstaltet. Die Bedeutung dieser Konferenz zeigt sich an der Teilnahme wichtiger Vertreter von Organisationen wie dem National Endowment for Democracy, dem Center for a Free Cuba, der Madres y Mujeres Anti Represión und dem Directorio Democrático Cubano (DDC), außerdem waren der Koordinator für Kuba vom US-Außenministerium, Caleb McCarry, und Vertreter der US-amerikanischen Botschaft in Deutschland anwesend, zudem Vertreter von Radio und Fernsehen Martí aus Miami und einige Gründer des ICDC.537 535 Siehe GAO 2006b: S. 24. 536 Diese Versammlung wurde von allen cubano-amerikanischen Kongressabgeordneten unterstützt; siehe dazu APSCC 2007. 537 Die ICDC wird mit finanziellen Mittel der USAID finanziert. Ihr gehören unter anderem die früheren Ministerpräsidenten von Spanien José María Aznar an, von Bulgarien Philip Dimitrov, von Estland Mart Laar, der ehemalige Präsident der Tschechischen Republik Václav Havel, von Ungarn Arpád Göncz, von Chile Patricio Azócar Aylwin und Eduardo Frei, von Uruguay Luis Alberto Lacalle, von El Salvador Armando Calderon Sól, von Costa Rica Luis Alberto Monge Alvarez, von Guatemala Vinicio Cerezo, von Nicaragua Violeta Barrios de Chamorro, außerdem die frühere US-Außenministerin Madeleine Albright sowie Parlamentsabgeordnete ver-
III.4 Mediale Arbeitsinstrumente der oppositionellen Gruppierungen in Kuba
169
Die USA gehen davon aus, dass ein internationaler Konsens über die Notwendigkeit eines Regimewechsels auf der Insel vorhanden ist. Sie erhalten Zustimmung, die durch Aktionen der kubanischen Regierung wie beispielsweise die Festnahme der 75 Oppositionellen im April 2003 begünstigt wird, und sehen sich in ihrer Position bestärkt. Deshalb unterstützen sie jede Organisation, die für einen demokratischen Wandel in Kuba eintritt. Die USA verfolgen das Ziel, die Führung in der interamerikanischen Menschenrechtskommission zu übernehmen, und streben gemeinsam mit anderen Staaten neue internationale Initiativen an, um die kubanische Opposition zu stärken.538 Die US-Instrumente für die Internationalisierung der Situation auf Kuba sind in den konzipierten Maßnahmen gegen die Insel festgelegt. Die Gesetze geben dem Präsidenten alle Möglichkeiten zur Unterstützung von Individuen oder Organisationen, die Publikationen, Informationsmaterial, Bücher oder Kassetten über Menschenrechte, Demokratie und freie Marktwirtschaft verbreiten wollen.539 Dadurch wird der Informationsfluss in beide Richtungen konstant gehalten – auf der einen Seite, indem die aktiven Gruppen auf Kuba international bekannt gemacht werden, und auf der anderen durch Unterstützung der internen Oppositionsarbeit durch finanzielle Mittel, Informationsmaterial und Training der Aktivisten.
III.4.3 Interne und externe Oppositionsverbindung und ihre finanzielle Unterstützung Die Auswirkungen der politischen Wende in Osteuropa auf die kubanische Gesellschaft haben auch in den USA bei der konzeptionellen politischen Vorgehensweise cubanoamerikanischer Oppositionsgruppen Veränderungen mit sich gebracht. Um die angestrebten Reformen innerhalb des politischen und wirtschaftlichen Systems Kubas verwirklichen zu können, wurden neue mediale Möglichkeiten und Strategien eingesetzt, die die CubanoAmericanos vor der Wende noch nicht in vollem Maß anwenden konnten. Die Möglichkeiten des Internets, das sich erst in den 1990er Jahren stark ausdehnte, schufen eine Basis für den Aufbau eines Netzwerkes der Organisationen, das sich im Laufe dieses Jahrzehnts verdichtete und eine nicht immer fließende, aber dennoch existierende Verbindung zwischen den Gruppierungen in den USA und denen in Havanna erleichterte. Anfang der 1990er Jahre entstanden beispielsweise cubano-amerikanische Organisationen wie das Directorio Democrático Cubano (DDC – Demokratisches Kubanisches Direktorium), Cuba Corps oder die Grupo de Apoyo a la Democracia (GAD – Gruppe zur Unterstützung der Demokratie), die sich mit Hilfe von US-amerikanischen Geldern der zentralen Aufgabe widmen, die Opposition auf Kuba gezielt zu organisieren und zu unterstützen. Diese Gruppen stellen zentrale Akteure im Rahmen des Programms der Commission for a Free Cuba dar und entstanden aus den konservativen Sektoren der Cubano-Americanos in Miami, die in enger Verbindung zu ihren Vertretern im Kongress stehen. 52 oppositionelle Organisationen aus den USA und Kuba legten 1998 die Ziele ihrer Arbeit schriftlich fest. Darin sprachen sie sich vordergründig für politische Freiheiten und eine wirtschaftliche Öffnung des Landes aus. Für die Organisationen steht die Internationalisierung der kubanischen Opposition durch Konferenzen, Publikationen, Radio- und Fernsehsendungen und Internetforen im schiedener europäischer Staaten, unter ihnen für Deutschland Markus Meckel (SPD) und Arnold Vaatz (CDU); siehe ICDC 2007. 538 Siehe POWELL 2004: S. 10. 539 Siehe LOC 1996: S. 16.
170
III Zentrale Akteure und der Präferenzbildungsprozess
Mittelpunkt. Der GAD hat sich darauf spezialisiert, die Bildung von kubanischen Oppositionsgruppen mit politischem, gewerkschaftlichem und humanitärem Charakter zu fördern, und sieht die Mehrheit der entstehenden Gruppierungen auf der Insel als Ergebnis seiner Arbeit an.540 Bei der Verbreitung von Informationen gegen das kubanische System beteiligen sich cubano-amerikanische Organisationen wie der Movimiento Cubano Unidad Democrática (MCUD – Kubanische Bewegung Demokratische Einheit), Puente Informativo Cuba-Miami (PICM – Informationsbrücke Kuba – Miami), Cuba Free Press und Cuba Net (CN – Kuba-Netz). Durch die Vergabe von US-amerikanischen Lizenzen können sich die cubano-amerikanischen Organisationen finanziell absichern. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, die Opposition im Inneren Kubas aufzubauen und die interne sowie externe Arbeit direkt zu koordinieren. Dazu gehören beispielsweise die Acción Democrática Cubana (ADC – Kubanische Demokratische Aktion), die Agenda Cuba (AC – Kuba-Agenda), das Comité de Ayuda a los Activistas de Derechos Humanos (CAADH – Hilfskomitee für die Menschenrechtsaktivisten). Die Organisationen sind für die finanzielle Unterstützung der kubanischen Gruppen zuständig, aber auch für deren Ausrüstung mit Computern, Telefonen, Druck- und Faxgeräten. Sie pflegen zudem Kontakte zu kubanischen Oppositionsgruppen in anderen Ländern, um die verschiedenen internationalen Aktionen aufeinander abzustimmen. Für ihre Arbeit haben die Gruppen von 1995 bis 2005 74 Mio. US-Dollar verwendet. Die Finanzierung wird vom US-Außenministerium, das mit der US Agency for International Development (USAID) interagiert, koordiniert. Eine Überprüfung des US Government Accountability Office (GAO) über die Verwendung der Gelder und die Methode der USAID bei der Auswahl der Organisationen brachte ans Licht, dass 95% der Gelder (62 Mio. US-Dollar) an Organisationen und für Projekte vergeben worden waren, die von sich aus keine finanzielle Unterstützung beantragt hatten.541 Der Bericht bemängelt ausdrücklich die fehlende strategische Zusammenarbeit zwischen dem Außenministerium und der USAID bei der Auswahl der Organisationen, die die Ziele einer Demokratisierung auf Kuba verfolgen. Das GAO stellte bei einer Überprüfung von zehn finanziell unterstützten Organisationen fest, dass die finanziellen Mittel nicht gemäß den gesetzlichen Vorschriften verwendet worden waren. Darüber hinaus wurden, so der Bericht, „fragwürdige“ Vorgänge festgestellt, die die USAID hätte kontrollieren müssen.542 Da keine korrekte Buchhaltung geführt und keine Berichte an die USAID erstellt worden waren, konnte das GAO nicht eindeutig herausfinden, wofür die vorgesehenen Hilfsprogramme letztendlich eingesetzt wurden. Es konnte aber bewiesen werden, dass die US-amerikanische Vertretung in Havanna eine Schlüsselrolle bei der Verteilung der finanziellen Mittel einnimmt.543 Die überwiegende Mehrheit der Organisationen, die von der USAID finanziert werden, befindet sich in Miami; nur vier Gruppen haben in Washington ihren Sitz. Neben den genannten finanziellen Unterstützungen erhalten viele Organisationen zusätzlich von der National Endowment for Democracy (NED) Geldmittel. Ein Beispiel für die Zusammenarbeit der internen und externen Organisationen ist die Fundación Lawton de Derechos Humanos (FLDH – Lawton-Stiftung für Menschenrechte). Die Stiftung wurde zwar 1997 in Kuba gegründet, ihre Arbeit wird aber von Aktivisten in 540 Die Organisation nannte sich anfangs Grupo de Apoyo a la Disidencia. Heute ist sie unter dem Namen Grupo de Apoyo a la Democracia aktiv; siehe GAD 2008. 541 Siehe GAO 2006b: S. 2 . 542 Ebd., S. 4. 543 Ebd., S. 2.
III.5 Der bürokratische Apparat und seine Interaktion zur Ausführung der US-Kubapolitik
171
Miami koordiniert und international bekannt gemacht.544 2007 bekam ihr Gründer, Oscar Elias Biscet, der in Kuba inhaftiert ist, die Presidential Medal of Freedom, die höchste zivile Auszeichnung in den Vereinigten Staaten. Unter dem Aspekt der funktionellen Interaktion zwischen den internen und externen Gruppen können die Organisationen seit der politischen Wende in Europa nicht mehr isoliert betrachtet werden. Die kubanischen Oppositionsgruppen sind auf die Unterstützung der cubano-amerikanischen Organisationen angewiesen und pflegen deshalb eine enge Verbindung zu ihnen. Ihr Dilemma besteht darin, dass ihre Arbeit aus diesen Gründen innerhalb der Insel diskreditiert und die Authentizität ihrer Initiativen als zivile gesellschaftliche Notwendigkeit in Frage gestellt wird. Die US-amerikanischen Bemühungen können somit für die freie Entfaltung von Alternativen innerhalb der kubanischen Zivilgesellschaft oftmals als kontraproduktiv eingestuft werden und führen durch die intensive Druckausübung zu einer verstärkten Polarisierung unter den Kubanern. Die Verbindungen bedeuten somit nicht nur Vorteile für die kubanischen Oppositionsgruppen, da ihre Unabhängigkeit darunter leidet. Für die Cubano-Americanos in den USA vermittelt ihre Unterstützungsfunktion gleichzeitig das Verständnis, Teil einer Zivilgesellschaft in Abwesenheit zu sein.545
III.5 Der bürokratische Apparat und seine Interaktion zur Ausführung der US-Kubapolitik III.5 Der bürokratische Apparat und seine Interaktion zur Ausführung der US-Kubapolitik Die US-Kubapolitik basiert auf zwei rechtlichen Grundlagen, die in dem CDA von 1992 und dem CLDA von 1996 festgelegt worden sind. Darüber hinaus ist 2003 zur Vorbereitung und Unterstützung einer Transition auf Kuba die CAFC eingerichtet worden. Die Gesetze und die Kommission bilden die politischen Instrumente, die einer Stabilisierung des kubanischen Systems entgegenwirken sollen. In den vorhergehenden Kapiteln wurde dargestellt, dass die Cubano-Americanos bei der Konzipierung der Gesetze und Berichte der CAFC an den Präsidenten beteiligt sind. Ihre Aktivitäten enden aber nicht mit der Partizipation an diesem Entscheidungsprozess, denn die Cubano-Americanos sind auch bei der Ausführung der von den USA vorgesehenen Maßnahmen gegenüber Kuba stark involviert. Sie können somit als Bindeglied zwischen den kubanischen Oppositionsgruppierungen und den bürokratischen Strukturen innerhalb der Vereinigten Staaten angesehen werden (siehe Abbildung III-3).
544 Siehe FLDH 2008. 545 Vgl. FALCOFF 2003: S. 182.
172
III Zentrale Akteure und der Präferenzbildungsprozess
Abbildung III-3: Der bürokratische Apparat und seine Interaktion zur Ausführung der USKubapolitik (Quelle: Eigene Darstellung)
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III.5 Der bürokratische Apparat und seine Interaktion zur Ausführung der US-Kubapolitik
Die komplexe Interaktion zwischen den Behörden wird grundsätzlich von der CAFC koordiniert. Sie gibt Empfehlungen an das State Department und den USAID, die sowohl den US-amerikanischen Organisationen als auch den kubanischen die finanziellen Hilfeleistungen zukommen lassen. Die Foreign Policy Control Division (FPCD) ist dem Bureau of Industry and Security (BIS) des Department of Commerce untergeordnet und ist in Zusammenarbeit mit dem Office of Foreign Assets Control (OFAC) des Department of Treasury für Lizenzvergaben an die cubano-amerikanischen Organisationen zuständig, die diese zur finanziellen Unterstützung der US-Regierung berechtigt. Die FPCD und das OFAC koordinieren ihre Arbeitsstrategien mit der U.S. Agency for International Development (USAID) und dem State Departement. In einem Interaktionsprozess zwischen dem Office of Cuban Affairs (OCA) des State Department und dem Cuba Program Office (CPO) wird die Assistenz der aktiven Gruppen innerhalb der Insel geführt und implementiert. Diese Aufgabe wird vom Director of U.S. Foreign Assistance übernommen. Das CPO überprüft die Aktivitäten der anerkannten cubano-amerikanischen Organisationen, verfasst Berichte über seine Hilfeleistungen und kann Organisationen auswählen, die finanziell unterstützt werden sollen, kann aber auch selbst welche gründen. Da das CPO selbst keine Mitarbeiter und kein eigenes Büro in Havanna hat, muss es über cubano-amerikanische Organisationen agieren und hat somit nur einen begrenzten Handlungsspielraum. Grafik III-13:
USAID – Finanzierung von Organisationen mit Projekten auf Kuba 1996 bis 2006
16.000.000
14.000.000
In Millionen US-Dollar
12.000.000
10.000.000
8.000.000
6.000.000
4.000.000
2.000.000
2007
2006
2005
2004
2003
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
0
Quelle: USAID (2008); eigene Berechnung Von 1996 bis 2006 unterstützte die USAID mit über 57 Mio. US-Dollar mehr als 28 Organisationen, die sich für die entstehenden Gruppierungen auf Kuba einsetzten. Seit dem Antritt von George W. Bush im Jahr 2000 ist ein kontinuierlicher Anstieg der Geldtransaktio-
174
III Zentrale Akteure und der Präferenzbildungsprozess
nen zu verzeichnen. Der angegebene Gesamtbetrag für das Jahr 1999 in Höhe von 6,5 Mio. US-Dollar beinhaltet die Transaktionen an die Organisationen seit 1996. Im Jahr 2007 unterstützte die USAID die Organisationen mit 13,3 Mio. US-Dollar. Für 2008 und 2009 empfiehlt die CAFC zur Unterstützung der Organisationen die jährliche Summe von 20 Mio. US-Dollar (siehe Grafik III-13). Cubano-amerikanische Organisationen, die in das Kubaprogramm aufgenommen worden sind und die finanziellen Transaktionen der US-Regierung empfangen, können die Aktionen der kubanischen Oppositionsgruppen direkt unterstützen. Sie arbeiten dabei auch mit der Interessenvertretung in Havanna als Zentrum für die Verteilung von Material und finanzieller Hilfe an die oppositionellen Gruppen auf der Insel und als Ausbildungsplatz der kubanischen Aktivisten zusammen. Die cubano-amerikanischen Organisationen fungieren nicht nur als beeinflussender Faktor beim Entwurf der gesetzlichen Grundlagen, sondern auch als transnationale Agenten der US-Kubapolitik. NED – Finanzierung von Organisationen mit Projekten auf Kuba
2006
2005
2004
2003
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
1992
1991
2.500.000 2.400.000 2.300.000 2.200.000 2.100.000 2.000.000 1.900.000 1.800.000 1.700.000 1.600.000 1.500.000 1.400.000 1.300.000 1.200.000 1.100.000 1.000.000 900.000 800.000 700.000 600.000 500.000 400.000 300.000 200.000 100.000 0 1990
US-Dollar in Tausend
Grafik III-14:
Quelle: NED (2007); eigene Berechnung Neben den finanziellen Zuwendungen durch die USAID erhalten die cubano-amerikanischen Organisationen auch von dem National Endowment for Democracy (NED) Hilfeleistungen. Das NED ist eine 1983 von der Reagan-Regierung gegründete gemeinnützige Organisation zur Förderung der weltweiten Demokratie. Sie finanziert jährlich über 300 Organisationen mit einem Budget von mehr als 50 Mio. US-Dollar, die von dem Foreign Affairs Committee des Kongresses genehmigt und über das State Department transferiert werden. Die Gelder werden
III.5 Der bürokratische Apparat und seine Interaktion zur Ausführung der US-Kubapolitik
175
für Gruppierungen eingesetzt, die sich für den Aufbau einer unabhängigen Zivilgesellschaft einsetzen.546 Von 1990 bis 2006 hat das NED 37 Organisationen mit Projekten zum Aufbau der kubanischen Zivilgesellschaft mit mehr als 13,5 Mio. US-Dollar finanziell unterstützt. Eine Steigerung der finanziellen Hilfeleistungen ist ab 2004 zu verzeichnen (siehe Grafik III-14).
546 Siehe NED 2007.
IV Außenpolitische Mess- und Prüfinstrumente
In diesem Kapitel soll überprüft werden, inwieweit das angewandte Konzept der USamerikanischen Kubapolitik mit den Zielen und Interessen der Cubano-Americanos in Florida übereinstimmt. Dafür werden die Hauptziele der seit 1992 verabschiedeten Gesetze herausgearbeitet und anhand einer Kongruenztabelle mit den Positionen der befragten Cubano-Americanos in den Organisationen verglichen und ausgewertet. Es handelt sich hierbei um den Cuba Democracy Act (CDA), den Cuban Liberty and Democratic Solidarity Act (CLDSA) aus dem Jahr 1996 und den Report der Commission for Assistance to a Free Cuba (CAFC). Aufzuzeigen wird sein, ob nur die Grundideen zur Kubafrage der einflussreichsten Interessengruppen in den entworfenen US-Gesetzen und Programmen widergespiegelt werden, oder ob darin verstärkte Lobbyarbeit und innenpolitische Einflussnahme zum Vorschein kommen.
IV.1 Der Cuban Democracy Act (CDA) von 1992 Die großen Erwartungen auf politische Veränderungen innerhalb der kubanischen Regierung Anfang der 1990er Jahre und die Hoffnung auf einen raschen Zusammenbruch der Strukturen auf der Insel führte bei den Cubano-Americanos zu einer Aktivitätssteigerung, die bei der USRegierung unter Clinton bei ihrer Suche nach einer politischen und wirtschaftlichen Restrukturierung Unterstützung fand. Die politische Arbeit dieses Präsidenten zielte in zwei Richtungen. Zum einen sollte eine Einwanderungswelle von Kubanern verhindert werden und zum anderen wollte er die Cubano-Americanos in die Kubapolitik miteinbeziehen. Clinton versprach der kubanischen Gemeinde, dass er den Gesetzentwurf des Repräsentanten Robert Torricelli zur Intensivierung des Embargos persönlich unterstützen würde.547 Die BushAdministration vor Clinton hatte dem CDA anfangs entgegengesetzt, dass seine Anwendung negative Auswirkungen auf die Wirtschaftsbeziehungen zu den US-Handelspartnern hätte und zudem nur wenig Einfluss auf die kubanische Wirtschaft haben würde. Aus taktischen Gründen änderte der scheidende Präsident Bush seine Position und unterzeichnete im November 1992 das Gesetz mit großer Zustimmung des Kongresses. Nachdem im Dezember der CDA unterzeichnet worden war, sagte der Kongressabgeordnete Robert Torricelli einen Sturz der Castro-Regierung innerhalb von wenigen Wochen voraus.548 Mit der Anwendung des CDA im Jahr 1992 begann in der Geschichte der Beziehungen zwischen den beiden Ländern eine neue Epoche, da von diesem Zeitpunkt an bis zum heutigen Tag das Embargo verstärkt als politisches Druckinstrument eingesetzt worden ist. Hierbei standen zwei Ziele im Vordergrund: Einerseits sollte Kuba durch die Intensivierung der Sanktionen (Track I) dazu bewegt werden, politische und wirtschaftliche Reformen einzuführen; 547 Siehe LOC 1992. 548 Vgl. PASTOR 1997: S. 257f.; PASTOR 2002: S. 140ff.
178
IV Außenpolitische Mess- und Prüfinstrumente
andererseits wurde davon ausgegangen, dass eine Implementierung der Kommunikation zwischen beiden Ländern (Track II) die Zivilgesellschaft aufbauen und fördern würde.
IV.1.1 Track I: Die Aufrechterhaltung der Sanktionen Clinton nahm eine Position ein, die in der Tradition der anticastristischen USAdministrationen seit den verhängten Sanktionen durch Kennedy stand. Auch wenn er weiterhin für die Aufrechterhaltung der Sanktionen optierte, muss die Konzeption der USPolitik ab den 1990er Jahren differenziert angesehen werden, da der Sicherheitsaspekt nach dem Ende des Kalten Kriegs nicht mehr vorhanden war. Track I des CDA sah strengere Restriktionen für den Handel und Tourismus vor. Es sollte verhindert werden, dass sich die kubanische Wirtschaft durch ihre Öffnung möglicherweise erholen könnte.549 Clinton sah in der Anwendung des CDA den Grund für die vorsichtig eingeleitete Öffnung Kubas: „The pressure of our embargo and the withdrawal of Soviet support have forced Cuba to adopt some economic measures of reform in the last 2 years. We haven’t seen that before.“550 Im CDA wurde vorgesehen, dass alle ausländischen Schiffe und Firmen, die Subventionen von den USA erhalten, sanktioniert werden, wenn sie mit Kuba Handel betreiben. Clinton führte diese Maßnahmen wieder neu ein, nachdem sie schon 1975 unter der Ford-Administration beigelegt worden waren. Track I des Gesetzes übt somit auch Druck auf Partnerstaaten aus, indem ihnen der Handel mit Kuba untersagt und auch ihre Suche nach Initiativen, die den Zugang Kubas zu Dollarkrediten erleichtern sollten, verhindert wird. Ergänzend dazu sollte das Reiseverbot nach Kuba für US-amerikanische Bürger verschärft werden. Während dieser Periode Anfang der 1990er Jahre wurde die kubanische Wirtschaft schwer von diesem Gesetz getroffen, denn es verhinderte in der Tat eine reibungslose wirtschaftliche Anbindung Kubas an den internationalen Handel. Kuba sollte durch dieses Gesetz nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch isoliert werden. Wie seine Vorgänger verhinderte auch Clinton die Reintegration Kubas in die interamerikanische Gemeinschaft und dessen Mitgliedschaft bei der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS). Mit der Anwendung des CDA behielt die US-Administration somit ihre Embargopolitik und die eines „Bedrängens“ gegenüber Kuba bei.551
IV.1.2 Track II: Interne Veränderungen Die Strategie der US-Politik, die im Track I des Gesetzes verfolgt wurde, sollte durch einen weiteren Gesetzesteil, Track II, ausgedehnt werden, indem Kuba auch zu Veränderungen von innen gezwungen werden sollte. Der kulturelle, akademische und wissenschaftliche Austausch zwischen den Kubanern und US-Amerikanern sollte gefördert werden, um eine gesellschaftliche Erneuerung voranzutreiben, die sich letztendlich in der Bildung einer Übergangsregierung konsolidieren sollte. Zur Durchsetzung dieser Politik fehlten jedoch die politischen Akteure, die fähig gewesen wären, innerhalb der Strukturen der kubanischen Gesellschaft eine starke und anerkannte oppositionelle Bewegung zu gründen, um die ange549 Vgl. MIRANDO-BRAVO 1996: S. 78f. 550 Siehe CLINTON 1996c: S. 953. 551 Vgl. MOREAL/RÚA 1996: S. 209.
IV.2 Der Cuban Liberty and Democratic Solidarity Act (CLDSA) von 1996
179
strebten Projekte im politischen und sozialen Bereich umzusetzen. Aus diesem Grund drängen immer mehr Vertreter der US-amerikanischen Öffentlichkeit dazu, die strenge Position gegenüber Kuba zu lockern, um dadurch mehr Einfluss auf den gesellschaftlichen Übergangsprozess gewinnen zu können. Sie sehen somit die Notwendigkeit zu einer Öffnung der Beziehungen, um die Chancen zu einer Veränderung von innen zu begünstigen.552 Die Verschiebung der US-politischen Linie in diese Richtung steht demnach in Widerspruch zu den Positionen vieler cubano-amerikanischer konservativer und militanter Organisationen. Die Koexistenz politischer Denkansätze innerhalb der amerikanischen Kubapolitik von starken Sanktionen bis zur Annäherung an die kubanische Gesellschaft birgt widersprüchliche Positionen, die sich durch die Einflussnahme auf politischer Ebene seitens dieser Organisationen nur schwer harmonisieren lassen. Die Clinton-Administration kam deshalb zu der Erkenntnis, dass sich ihre Strategie nicht mehr auf einen reinen Druck von außen beschränken sollte, da auch der von innen intensiviert werden müsste. Die US-amerikanische Unterstützung der oppositionellen Kräfte innerhalb Kubas durch die Verbindung mit den cubano-amerikanischen Organisationen in Miami wurde somit zu einer der wichtigsten Säulen der US-Kubapolitik. Durch diese politische Interventionsmodalität internationalisierte Washington die kubanische Situation, indem es ein Netz an internen und externen Oppositionsgruppen, unterstützt durch internationale Menschenrechtsgruppen, politische Parteien, Gewerkschaften oder Massenmedien, aufgebaut hat. Die im Jahr 1995 beschlossenen Maßnahmen wie die Zulassung von US-amerikanischen Nachrichtensendern auf Kuba, die Wiederaufnahme der Geldsendungen und die Genehmigung für die Einreise von Akademikern und kirchlichen Vertretern bildeten an sich keine bedeutenden Transformationen in der US-amerikanischen Kubapolitik, da sie durch die Bestimmungen des CDA (Track I) stark konditioniert waren.553
IV.2 Der Cuban Liberty and Democratic Solidarity Act (CLDSA) von 1996 Nachdem der eingeführte CDA nicht die erwarteten Auswirkungen gehabt hatte und dessen Klauseln durch die Handelseinschränkungen negative Implikationen im internationalen Kontext mit sich brachten, entstanden in den USA Mitte der 1990er Jahre Interessengruppen aus dem Bereich der Wirtschaft, die eine Kontraposition zu den stark und gut organisierten cubano-amerikanischen Organisationen in Florida bildeten. Sie sahen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion die Möglichkeit zur Erschließung neuer Märkte, die während des Kalten Kriegs nicht zugänglich gewesen waren. Ihre größten Interessen waren auf China gerichtet, doch auch in Kuba und Vietnam wurde ein Marktpotential erkannt. Während Konkurrenten aus anderen Ländern einen Handel mit Kuba aufbauten und konsolidierten, wurde diese Möglichkeit US-amerikanischen Firmen verwehrt. Die Interessengruppen forderten demokratische 552 Siehe dazu den Bericht einer unabhängigen Expertengruppe, der viele Vertreter der US-amerikanischen Öffentlichkeit angehören. Eine mildere Politik gegenüber Kuba dient gemäß dem Bericht als Vorbereitungsinstrument für die Zeit nach Castro. An der Spitze der Gruppe befinden sich Bernhard Aronson und William Rogers, die als Staatssekretäre für interamerikanische Angelegenheiten in der Bush- und Ford-Administration agierten; siehe ARONSON/ROGERS 2000. Ergänzend dazu siehe auch eine politische Analyse von Experten aus verschiedenen Ländern des amerikanischen Kontinents, in der die US-amerikanischen Beziehungen in den 1990er Jahren zu den Ländern der westlichen Hemisphäre (Nord-, Süd-, Zentralamerika und Karibik) debattiert werden: BELL/HURTADO/HILS 2000. 553 Vgl. RICH-KAPLOWITZ 1998: S. 151f.
180
IV Außenpolitische Mess- und Prüfinstrumente
Reformen auf Kuba und setzten sich für eine Implementierung der Wirtschaftsbeziehungen durch eine US-amerikanische ökonomische Öffnung ein.554 Die cubano-amerikanischen Organisationen mobilisierten ihre Verbindungen zum Kongress, um diesen Bemühungen entgegenzuwirken. Durch den Wahlsieg der Republikaner bei den Kongresswahlen von 1994 bekamen Jesse A. Helms, Senator für den Bundesstaat North Carolina, den Vorsitz des Foreign Relations Committee im Senat und Dan Burton für den Bundesstaat Indiana den Vorsitz des Subkomitees der Western Hemisphere Affairs innerhalb des Komitees für Foreign Affairs im Repräsentantenhaus. Diesem Subkomitee gehörten auch die drei cubano-amerikanischen Kongressabgeordneten Ros-Lehtinen, Diaz-Balart und Menendez an. Sie agierten gemeinsam mit Jesse Helms und dem Kongressabgeordneten Dan Burton, um den Gesetzentwurf im Kongress einzubringen, der den wirtschaftlichen Druck gegen Kuba erhöhen sollte. Clinton stimmte dem Gesetz im Jahr 1996 zu und sicherte sich dadurch die Stimmen in Südflorida. Es wäre durchaus möglich gewesen, dass das Gesetz auf Grund der internationalen Implikationen den Kongress nicht hätte passieren können – zwei Aspekte bewegten den Präsidenten jedoch zu einer Unterschrift und führten dazu, dass die Blockadepolitik gegen Kuba nicht gelockert wurde: erstens der Abschuss der beiden Flugzeuge der Organisation Hermanos al Rescate durch die kubanische Luftwaffe und zweitens sein Interesse an möglichst vielen Stimmen in Florida für die Präsidentschaftswahlen. Clinton sah sich also auf Grund der politischen Konsequenzen im Falle einer Verharmlosung der kubanischen Reaktion und der damit verbundenen Stimmenverluste bei den Präsidentschaftswahlen gezwungen, das Gesetz zu unterschreiben. Dies hatte für die Clinton-Administration auf nationaler und internationaler Ebene Konsequenzen. Innenpolitisch wurde das Signal gesendet, dass die US-Regierung zum einen nicht bereit war, Gewaltakte zu dulden, und zum anderen beabsichtigte sie durch die Sanktionen, den Zusammenbruch des Systems zu beschleunigen. Auf außenpolitischer diplomatischer Ebene bedeutete das Embargo eine Eskalation mit den wichtigsten Handelspartnern in Europa und innerhalb der OAS.555 Die OAS reagierte besorgt auf die Ankündigung der extraterritorialen Verschärfung der Sanktionen gegen Kuba, da diese die Souveränität anderer Staaten und die legitimen Interessen von Firmen und Individuen in den jeweiligen Ländern beeinträchtigt.556 Die Mitglieder der OAS erklärten in der Resolution ihrer Generalversammlung von 1998, dass das Gesetz nicht mit dem internationalen Recht kompatibel sei.557 Die breite Ablehnung dieses Gesetzes von Seiten der internationalen Gemeinschaft darf nicht als Parteiergreifung für die Interessen Kubas interpretiert werden, sondern als eine Bemühung, eigene Interessen durch internationales Recht zu schützen. Die internationale Gemeinschaft kritisiert die unilateralen US-amerikanischen Entscheidungen und deren extraterritoriale juristische Reichweite, da sie international vorhandene Handelsabkommen nicht berücksichtigen.558 In Europa zeigt sich eine andere Haltung gegenüber Kuba, die ebenso wie die der USA Ziele wie eine größere politische Partizipation und Achtung der Menschenrechte 554 Das Unternehmen Archer Daniels Midland (ADM), einer der größten Nahrungsmittelhersteller der Welt mit einem jährlichen Gewinn von ca. 13 Milliarden US-Dollar, gehört zu den Interessengruppen, die für eine Lockerung der Sanktionen eintreten. Der Vorsitzende Dwayne O. Andreas war 1998 der Gründer der Gruppe Americans for Humanitarian Trade with Cuba und wird als einer der einflussreichsten Unternehmer, die sich entschieden gegen das Embargo richten, angesehen; siehe dazu FABRICIO 1999. 555 Siehe zu den Auswirkungen des Gesetzes auf die Konzipierung der EU-Politik gegenüber Kuba und zu deren Differenzen zu den Vereinigten Staaten die Ausführungen von ROY 1999. 556 Siehe OAS 1996. 557 Siehe OAS 1998. 558 Siehe COHEN 1998: S. 193ff.
IV.2 Der Cuban Liberty and Democratic Solidarity Act (CLDSA) von 1996
181
verfolgt. Dies soll jedoch nicht durch Sanktionen, sondern durch einen Dialog erreicht werden, der den Veränderungsprozess begleiten soll.559
IV.2.1 Die Beibehaltung der Ziele Die vorgesehenen Maßnahmen des Gesetzes wurden ohne Spielraum für Interpretationen festgelegt. Einer der Kernpunkte bezieht sich auf die Sanktionierung ausländischer Firmen und globaler Institutionen, die mit Kuba wirtschaftliche Beziehungen pflegen. Diese extraterritorialen Maßnahmen US-amerikanischen Rechts geben ehemaligen Eigentümern USamerikanischer Firmen auf Kuba, die nach der Revolution von Castro verstaatlicht wurden, das Recht, ausländische Unternehmen, die mit solchen Gesellschaften zusammenarbeiten, vor US-amerikanischen Gerichten zu verklagen. Der CLDSA gibt somit den Cubano-Americanos die Möglichkeit, sich juristisch für ihre Interessen einzusetzen.560 Zudem sollen Geschäftsführer oder Besitzer von Unternehmen, die Gewinn aus den Geschäften mit Kuba erzielen, kein Visum für die Vereinigten Staaten bekommen. Außerdem werden Länder, die Zucker aus Kuba kaufen oder mit demselben Handel treiben, künftig vom US-amerikanischen Markt ausgeschlossen. Ein weiterer Punkt besagt, dass die USA ihre Beitragszahlungen an die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds (IWF) reduzieren werden, wenn diese der Insel Gelder zur Verfügung stellen. Die Höhe der Reduzierung soll mit dem Betrag identisch sein, den der IWF oder die Weltbank Kuba bereitstellt. Der CLDSA sieht somit eine internationale Isolierung der Insel vor, indem er sich gegen eine Mitgliedschaft Kubas in den internationalen Finanzinstitutionen sowie gegen eine Reintegration in der OAS wendet.561 Der CLDSA beinhaltet auch Maßnahmen zur Förderung der Oppositionsbewegung in Kuba. Das Gesetz wurde mit dem Hinweis ergänzt, dass der Zugang zu Mobiltelefonen, Faxgeräten, Computern und zum Internet für die internen oppositionellen Gruppierungen vereinfacht und unterstützt werden sollte. Diese Initiative wurde von Jorge Más Santos, Präsident der CANF, Anfang 2001 gestartet und Mitte des gleichen Jahres in dem CLDSA auf Initiative der Senatoren Helms (Republikaner) und Lieberman (Demokrat) im Kongress eingeführt.562 Das Gesetz spiegelt – wie wahrscheinlich kein anderes Dokument – die Essenz der konservativ-kubanischen Positionen für die Zukunft Kubas wider.563 Es betrifft die Mehrheit der Cubano-Americanos in Florida, da darin auch eine strenge Restriktion von Geldsendungen und Familienbesuchen vorgenommen wurde.564 Die Anwendung des Gesetzes stellt einen Hindernisfaktor für die Entwicklung neuer Konzepte im Umgang mit der Regierung in Havanna dar, die an die neue internationale Realität angepasst werden müssten. Eine der komplexen Auswirkungen des CLDSA betrifft nicht nur Kuba oder die USHandelspartner, sondern den Handlungsspielraum des Präsidenten selbst, denn bevor das Gesetz erlassen worden war, waren die meisten Sanktionen gegen die Insel von der Exekutive der Vereinigten Staaten verhängt worden. Die Bestimmungen waren das Resultat von Exekutivverordnungen, die vom Präsidenten erlassen, modifiziert, bestätigt oder annulliert 559 560 561 562
Siehe dazu o.V. 2001; KOHL 2000. Siehe dazu LOC 1996: Title I, Sec. 104. Ebd. Siehe KALATHIL/BOAS 2003: S. 48. Von besonderem Interesse ist in diesem Kontext Kapitel III mit dem Titel Channeling a “Limited” Ressource in Cuba, S. 43-69. 563 Vgl. dazu ROY 1997: S. 79f. 564 Siehe LOC 1996: Title I, Sec. 112.
182
IV Außenpolitische Mess- und Prüfinstrumente
werden konnten. Dies gab ihm die uneingeschränkte Vollmacht, die Beziehungen zu Kuba zu gestalten und zu führen. Er hatte die volle Autorität, Abschnitte des Gesetzes aufzuheben und auf konstruktive Schritte der kubanischen Regierung zu reagieren, ohne eine Kongressbilligung suchen zu müssen. Diese Möglichkeiten sind seit der Einführung dieses Gesetzes nicht mehr gegeben. Nur der Kongress kann die Exekutivverordnungen modifizieren oder durch ein Gesetz entfernen, zudem kann er die Bedingungen festlegen, unter denen mögliche Veränderungen vorgenommen werden können.565 Die implizierten Bestimmungen sind somit auf undefinierbare Zeit nicht modifizierbar, solange der Kongress sie nicht verändert oder aufhebt.
IV.3 Die Commission for Assistance to a Free Cuba (CAFC) Nachdem der CLDSA die Rahmenbedingungen der Kubapolitik vorgegeben hatte, optierte die Regierung George W. Bushs für neue Instrumente zur Implementierung der Maßnahmen gegen Kuba. Deshalb gründete Bush 2003 die CAFC. Diese Kommission stellt der Exekutive Empfehlungen zur Entwicklung eines umfassenden Programms zur Verfügung, um politische, wirtschaftliche und strukturelle Veränderungen innerhalb Kubas zu fördern und zu begleiten. Die Kommission wird von allen Kabinettsmitgliedern auf Regierungsebene, einschließlich dem National Security Council, gebildet. Ihr Kern besteht aus dem State Department (Außenministerium), das die Programme in Zusammenarbeit mit dem Department of Commerce (Handelsministerium) leitet. Zur Kommission gehören auch das Department of the Treasury, Department of Housing and Urban Development und Department of Homeland Security (Finanz-, Bau- und Heimatschutzministerium) sowie der Direktor der United States Agency for International Development (USAID – Amt für internationale Entwicklung). Die CAFC hat bis heute zwei Berichte (2004 und 2006) für den Präsidenten verfasst, in denen Probleme, aber auch Lösungsvorschläge für die Herbeiführung eines Wandels auf der Insel skizziert werden.566 Für die Beaufsichtigung und Koordinierung der Zusammenarbeit der US-Ministerien wurde das Amt eines Koordinators für die Transition eingerichtet, das zurzeit Caleb McCarry innehat. Die Kommission war geschaffen worden, um die amerikanischen Regierungsagenturen auf einen möglichen Wechsel innerhalb Kubas vorzubereiten. Zu ihren Aufgaben zählt vor allem die Entwicklung von Programmen, die die Transformation auf Kuba fördern sollen. Die rechtliche Grundlage für die Assistenzaufforderungen im Transformationsprozess Kubas war schon in dem CLDSA konzipiert worden. Der Präsident folgt damit auch der internationalen Linie, eine strenge Isolierung der Insel voranzutreiben. Innerhalb der Kubapolitik sind sechs Punkte relevant, die sich aufeinander beziehen und ergänzen, um den Wechsel auf Kuba herbeizuführen: a. b.
Stärkung und Förderung der Zivilgesellschaft bei der Restrukturierung des Landes Auflösung der Informationsblockade der kubanischen Regierung
565 Ebd., Title II. 566 Die weiteren Ausführungen in diesem Abschnitt basieren auf den beiden Berichten der CAFC aus den Jahren 2004 und 2006. Der erste wurde unter der Leitung des damaligen Außenminister Colin L. Powell erstellt; siehe POWELL 2004; Zum zweiten Bericht, geleitet von der Außenministerin Condoleezza Rice und dem cubano-amerikanischen Handelsminister Carlos Gutierrez, siehe RICE/GUTIERREZ 2006.
IV.3 Die Commission for Assistance to a Free Cuba (CAFC)
c. d. e. f.
183
Hinderung des Zugangs zu finanziellen Ressourcen Internationalisierung der kubanischen Situation Diplomatische Zusammenarbeit zur Unterstützung der Zivilgesellschaft und Herausforderung der Regierung Verhinderung einer Regierungsübergabe durch Fidel Castro
IV.3.1 Stärkung und Förderung der Zivilgesellschaft bei der Restrukturierung des Landes Die Vereinigten Staaten betrachten die schwache und gespaltene Zivilgesellschaft Kubas als Resultat des seit fast fünfzig Jahren bestehenden Systems. Da entscheidende oppositionelle Akteure über keinen freien politischen und gesellschaftlichen Raum verfügen, konnte sich im Laufe der Jahrzehnte keine freie Zivilgesellschaft entwickeln. Diese ist jedoch Voraussetzung für die Entstehung demokratischer Strukturen. Die US-Regierung sucht Kooperationsmöglichkeiten mit Drittländern, um einen internationalen Fonds für die finanzielle Sicherung einer Zivilgesellschaft auf Kuba einzurichten. Die Gelder sollen für die Gründung unabhängiger Bibliotheken, Arztpraxen, Gewerkschaften, Menschenrechtsgruppen und Presseagenturen eingesetzt werden, die als wichtiger Bestandteil des Supportprogramms für die Transition zur Demokratie gelten. Die gegründeten Organisationen innerhalb und außerhalb Kubas haben die Aufgabe, den Kubanern auf der Insel den Zugang zur amerikanischen Menschenrechtskommission zu erleichtern. Außerdem sollen die Kubaner darin ausgebildet werden, Berichte zu verfassen, die sie dann über die Kommission publizieren können. Den Cubano-Americanos wird für die Ausführung dieser Aufgaben eine Schlüsselfunktion zugewiesen. Sie sollen an einer Übergangsregierung, bei der Fidel und Raul Castro keine Rolle mehr spielen, beteiligt sein. Ihre Erfahrungen, so der Bericht, liegen in den Bereichen der Technologie, aber auch in ihren unternehmerischen Tätigkeiten auf dem nationalen und internationalen Markt. Eine demokratische Transition in der kubanischen Gesellschaft impliziert aus amerikanischer Sicht die Liberalisierung des Handels. Diese gilt als Voraussetzung, um den Übergangsprozess als solchen zu akzeptieren. Beim Neuaufbau Kubas soll der Zugang von Privatunternehmen, aber auch gemeinnützigen Organisationen, Stiftungen oder einzelnen Geschäftsleuten erleichtert und begünstigt werden, um das Schulsystem, das Gesundheitswesen und den Dienstleistungssektor zu modernisieren und den Bedürfnissen der Kubaner anzupassen. Durch diese Klausel sollen die Preise, unter anderem auch für den Strom, neu bestimmt werden. Alle Unternehmen sowie die gesamte Industrie sollen nach der CAFC privatisiert werden. Dies würde den Beginn einer Privatisierung von sozialen Erfolgen der kubanischen Regierung bedeuten. In diesem Zusammenhang ist die Bildung eines US-Cuba Joint Committees für Investitionen und Handel geplant, das in dem künftigen Kuba eine Schlüsselrolle bei der Kontrolle von Investitionen einnehmen würde, bei denen USUnternehmen zentrale Aufgaben der Restrukturierung übernehmen würden. Es ist geplant, das Transportministerium mit dem Bau und der Instandhaltung wichtiger Straßen und Brücken sowie mit der Erneuerung des Schienennetzes zu beauftragen. Der Flug- und Schiffsverkehr zwischen beiden Ländern würde unmittelbar nach der Einrichtung einer Übergangsregierung wieder freigegeben. Nach dem Bericht der CAFC soll die künftige kubanische Polizei von den USA selbst ausgebildet werden. Zu den Segmenten, die die USA abdecken wollen, zählt auch eine optimierte Umweltpolitik.
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IV Außenpolitische Mess- und Prüfinstrumente
Der Bericht der CAFC empfiehlt, sich auf einen politischen Wechsel in Kuba gut vorzubereiten, da auch von einer Phase gesellschaftlicher Unruhen ausgegangen wird. Der geplanten Übergangsregierung muss ein zeitlicher Rahmen zur Konsolidierung der Demokratiestrukturen, an denen die Zivilgesellschaft entscheidend partizipiert, gegeben werden. Die USA betrachten es als eine historische Verpflichtung, die Restrukturierung der Insel mitzugestalten. Auch ist die Einführung von Übergangsprogrammen geplant, um die künftigen politischen Vertreter Kubas und Verwaltungsangestellten über Demokratie und Transparenz in der Regierung zu schulen. Die oppositionellen Gruppen werden heute schon bei der Gründung von politischen Parteien unterstützt. Dadurch soll der Übergang zu einer demokratischen Regierung, zu Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit und zur Partizipation einer aktiven Zivilgesellschaft garantiert werden.
IV.3.2 Auflösung der Informationsblockade der kubanischen Regierung Die USA sehen ihre zentrale Aufgabe darin, das Medienmonopol Kubas über den Zufluss an Informationen durch Zeitung, Radio, Fernsehen und Internet zu brechen, da nur so die Demokratisierung des Landes und der Aufbau einer Zivilgesellschaft gestärkt werden können. Die Kontrolle verhindert das effektive Agieren der entstehenden Gruppierungen innerhalb der Insel, ihre freie Kommunikation und die Verbreitung ihrer Positionen zu Fragen über Wirtschaft, Menschenrechte und Politik unter der Bevölkerung. Die Flüge vom TYP C-130 „Comando Solo“ als Plattform für die Sicherung der Sendungen aus Miami von Radio und Fernsehen Martí sind deshalb eine wichtige Ergänzung zu dem schon seit langem eingesetzten Luftballon, der ebenfalls Sendungen ausstrahlt, um die Informationsblockade der kubanischen Regierung zu brechen. Durch den Einsatz der Flüge kann die Anzahl der regulären Übertragungen gesteigert werden. Der Luftballon und die Flugplattform operieren simultan über zwei separate Frequenzen. Sowohl Radio als auch Fernsehen Martí (über den Satellit Hispasat) senden ihre Programme pausenlos nach Kuba, zusätzlich an sechs Tagen pro Woche überträgt Fernsehen Martí über die eingerichtete Plattform Aero Martí fünf Stunden täglich TV-Sendungen.567
IV.3.3 Hinderung des Zugangs zu finanziellen Ressourcen Die USA verteidigen ihre Sanktionen und sehen sie nach einem halben Jahrhundert ihres Bestehens nicht als Ursache der wirtschaftlichen Schwäche und Verarmung der Kubaner, sondern als Resultat der Politik Havannas. Sie versuchen alle möglichen Quellen, die zu einer Erholung der kubanischen Wirtschaft beitragen könnten, versiegen zu lassen. Die Geldüberweisungen der in den USA lebenden Cubano-Americanos haben besonders für die nach 1990 in die USA Emigrierten auf Grund ihrer familiären Verbindungen eine wichtige Bedeutung. Die Geldtransfers werden jährlich von der US-Regierung auf eine Billion USDollar geschätzt. Die frühere Regelung, dass Kubaner über 18 Jahre bis zu 300 US-Dollar nach Kuba schicken durften, so dass jährlich 400 bis 800 Mio. US-Dollar in die kubanische Wirtschaft einfließen konnten, wurde geändert. Die USA sehen in der Intensivierung der Geldsendungen an die Familien auf der Insel eine finanzielle Unterstützung von außen, die 567 Siehe US-IBB 2007a.
IV.3 Die Commission for Assistance to a Free Cuba (CAFC)
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das System stabilisiert. Deshalb wurde die Höhe der monatlichen Geldüberweisungen sowie des mitzuführenden Betrags für einen zweiwöchigen Kubabesuch bei Familienangehörigen von 164 auf 50 US-Dollar reduziert. Die Kontrolle dieser Maßnahmen soll durch die US-amerikanischen Behörden übernommen und die Bildung von Geldtransfernetzen außerhalb dieser Kriterien verhindert werden, indem Informanten für ihre Benachrichtigungen belohnt werden. Somit wird auch die Gründung kubanischer Unternehmen im Ausland, die neue Wege der Geldtransaktionen von und nach Kuba anbieten, neutralisiert. Den Banken, die diese Transaktionen durchführten, wurden dafür die Lizenzen entzogen. Die USA gehen davon aus, dass die wichtigsten finanziellen Quellen Kubas die Geldsendungen aus dem Ausland, der Zugang zu dem subventionierten Öl aus Venezuela, der Tourismus und Spendenleistungen sind. Erlaubt sind deshalb nur noch Arzneisendungen, medizinische Zusatzgeräte, Radios und Batterien. Pakete dürfen pro Familie nur noch in monatlichen Abständen geschickt werden und einen Wert von 200 US-Dollar nicht überschreiten. Darüber hinaus wird auch die Ausfuhr von Geräten wie beispielsweise von Computern nach Kuba kontrolliert. Ausnahmen bestehen im Rahmen der US-amerikanischen Strategien zur Unterstützung der entstehenden oppositionellen Gruppierungen innerhalb Kubas. Durch die Ausfuhrregulierungen soll der kubanischen Regierung auch der Zugang zu modernen Kommunikationstechnologien verwehrt bleiben. Die USA sehen durch die Ausdehnung des kubanischen Tourismussektors eine wirtschaftliche Struktur, anhand derer alle externen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um zusätzliche Ressourcen – auch aus den Vereinigten Staaten – zu gewinnen. Dies wird vor allem durch die Gründung von Reiseagenturen begünstigt, die der kubanischen Regierung jährliche Gewinne ermöglichen. Die USA sind der Überzeugung, dass der Tourismus auf Kuba eine nicht existierende Normalität vorspielt und eine falsche Vorstellung über die Insel verbreitet, die in eine internationale Akzeptanz der politischen Verhältnisse münden könnte. Nach dem Regierungsantritt George W. Bushs waren es allein im Jahr 2001 78 789 US-Amerikaner, die Kuba trotz Verbots besuchten. Nach der Einführung der oben genannten Maßnahmen halbierte sich die Zahl nach fünf Jahren 2006 auf 36 808 USamerikanische Touristen.568 Die USA verfolgen eine weitere Reduzierung dieser Zahlen und erhoffen sich sogar einen völligen Besuchsstopp. Auch soll vermieden werden, dass in Kuba hergestellte Produkte von den Touristen in die USA eingeführt werden. Die ursprüngliche Erlaubnis, Zigarren oder Rum im Wert von 100 US-Dollar in die USA zu importieren, wurde aufgehoben, da Kuba nach US-Angaben auf diesem Weg jährliche Einnahmen von über 20 Mio. US-Dollar verbuchen konnte. Bei kulturellen und universitären Austauschprogrammen kritisieren die USA, dass ein Missbrauch betrieben werde, indem US-Bürger eine Reise nach Kuba eher für touristische Zwecke nutzen würden. Deshalb wird nur dann eine Teilnahmelizenz vergeben, wenn die Veranstaltung mit den Zielen der US-Politik zu vereinbaren ist. Ein generelles Verbot gilt der Teilnahme von Ärzten an Fachkonferenzen oder von Sportlern an Wettbewerben in Kuba. Die USA möchten verhindern, dass die kubanische Regierung durch die Einfuhr von Devisen und subventionierten Artikeln profitieren könnte. Auch können die CubanoAmericanos ihre Familienangehörigen nur alle drei Jahre besuchen, es sei denn, es liegt eine Sonderlizenz vor. Der Familienbegriff ist hierbei auf die Großeltern, Eltern, Enkelkinder, Ehepartner und eigene Kindern limitiert. 568 Die Angaben zur Entwicklung der Touristenzahlen finden sich bei der offiziellen kubanischen Stelle unter ONE 2007.
186
IV Außenpolitische Mess- und Prüfinstrumente
Das Embargo betrifft auch Investoren auf Kuba. Die CAFC verfasst für den Präsidenten Berichte über die Aktionen anderer Länder auf Kuba, um gegen diese eventuelle Sanktionen in Betracht zu ziehen, falls sich die USA zur Verteidigung ihrer Interessen gezwungen sehen. Die USA verlangen heute noch die Rückgabe von früherem verstaatlichtem Eigentum und wollen gegen jeden vorgehen, der daraus auf Kuba Profit zieht. Ziel ist es, so Abschnitt III und IV des CLDSA, die Auslandsinvestitionen auf Kuba zu stoppen. Die USA lehnen auch Visumanträge von Investoren ab, die mit Kuba Geschäfte abgeschlossen haben.
IV.3.4 Internationalisierung der kubanischen Situation Die Kommission sieht den Grund für das Überleben der kubanischen Regierung in der Projizierung eines positiven Bildes Kubas auf internationaler Ebene. Kuba präsentiert sich selbst als ein wichtiges touristisches Ziel, als fortschrittlich im Bereich der biotechnologischen Innovation sowie als erfolgreichen Staat, der dem kubanischen Volk einen neuen Lebensstandard ermöglicht hat. Dazu gehören das kostenlose Bildungs- und Gesundheitssystem sowie der Einsatz guter internationaler Beziehungen zwischen den Ländern. Zur US-amerikanischen Strategie gehört, eine andere Realität als die, die Kuba propagiert, aufzuzeigen. Die Vereinigten Staaten sehen sich zur Demontage dieses Bildes verpflichtet und haben deshalb eine internationale Kampagne gegen Kuba gestartet, um, so der Bericht, die „kriminelle Natur“ der Insel zu offenbaren. Die kubanische Regierung wird hierbei als ein Regime dargestellt, das nicht für, sondern gegen das eigene Volk vorgeht und eine Gefahr für die Stabilität der Region bedeutet. Das Regime hindert aus US-amerikanischer Sicht die Konsolidierung der Demokratie sowie die Entfaltung der Marktwirtschaft auf dem amerikanischen Kontinent und gilt für die USA als Sponsor des Terrorismus. Außerdem wird Havanna vorgeworfen, einen Massenexodus von Kubanern nach Florida zu fördern, um die US-Regierung damit unter Druck zu setzen. Die USA benötigen für die Propagierung dieses Bildes internationales Auftreten. Deshalb stehen alle US-Vertretungen im Ausland, besonders aber in Lateinamerika und Europa, zu verschiedenen Oppositionsgruppen in Havanna in enger Verbindung, um in Koordination mit anderen diplomatischen Vertretungen die allgemeine Situation innerhalb Kubas durch Medienberichte und die Einrichtung von internationalen Konferenzen in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. Ihre zentrale Aufgabe ist es, die Verbreitung von Informationen und Berichten über die Lebensbedingungen der Kubaner und ihre Menschenrechtssituation zu intensivieren. Sie sollen deshalb auch in enger Zusammenarbeit mit den cubanoamerikanischen Organisationen und interessierten Gruppierungen aus anderen Ländern stehen, die die aktive Partizipation von Exilkubanern an internationalen Foren und Konferenzen unterstützen. Dafür sollen als finanzielle Zuwendungen der USA, so der zweite Bericht der CAFC, mindestens 80 Mio. US-Dollar, verteilt auf zwei Jahre, eingesetzt werden. Ziel ist es, durch die Aufdeckung von Menschenrechtsverletzungen den Tourismus aus anderen Ländern nach Kuba negativ zu beeinflussen. Darüber hinaus wird die USVertretung in Havanna finanziell gestärkt, um diplomatische Initiativen zu unterstützen, die Informationen der US-Außenpolitik und ihre Ziele im Bereich der Menschenrechte und Demokratiebemühungen verbreiten.
IV.3 Die Commission for Assistance to a Free Cuba (CAFC)
187
IV.3.5 Diplomatische Zusammenarbeit zur Unterstützung der Zivilgesellschaft und Herausforderung der Regierung Die USA setzen ihren Schwerpunkt auf die Zusammenarbeit mit Drittländern, um die kubanische Situation zu internationalisieren. So soll ein Fonds eingerichtet werden, um die Förderung der Zivilgesellschaft langfristig zu finanzieren. Die Gelder sollen dafür eingesetzt werden, um Oppositionelle aus verschiedenen Ländern durch Reisen nach Kuba zu unterstützen. Ihnen wird logistische und technische Assistenz zuteil, um unabhängige Bibliotheken und Gewerkschaften zu gründen sowie die Ausbildung von Journalisten und die Unterstützung von unabhängigen Ärzten, die außerhalb des Systems arbeiten, zu sichern. Die finanziellen Mittel kommen in Zusammenarbeit mit der OAS den Familien der oppositionellen politischen Gruppen zugute, damit eine Universität und Bildungsprogramme eingerichtet werden können, die den Kindern der Aktivisten die Möglichkeit geben, an lateinamerikanischen Universitäten zu studieren. In das Hilfsprogramm werden auch junge Gruppen aus Zentral- und Osteuropa, vor allem aus Polen, der Tschechischen Republik, Albanien und Serbien, miteinbezogen. Diese sollen oppositionelle Kubaner ausbilden, Informationsmaterial entwickeln sowie politische Aktivitäten realisieren, um die Demokratie auf Kuba zu fördern. Die Gruppierungen sollen nach US-Empfehlung im Untergrund arbeiten und Techniken anwenden, mit denen schon in anderen Ländern Erfolge erzielt werden konnten.569 Die USA bemühen sich, weitere Länder in ihre Strategie zu integrieren, um gemeinsame Aktionen für eine Verurteilung und Isolierung Kubas zu starten. Da die Europäische Union keine einheitliche Position zu Kuba einnimmt, begrüßen die Vereinigten Staaten die Initiativen einzelner Länder, die sich an der Unterstützung der internen und externen Opposition beteiligen. Die gemeinsame Solidarität auf staatlicher Ebene und unter den aktiven Organisationen soll die kubanische Regierung international herausfordern und den Druck verstärken, um die interne Transition herbeizuführen. Die Festnahme und Verurteilung der 75 kubanischen Oppositionellen im April 2003 bewirkte auf internationaler Ebene eine breite mediale Resonanz, aus der ein Solidaritätsnetz für die Freilassung der Gefangenen entstand. Die USA sahen darin eine Reaktion, die zwar nicht direkt als Unterstützung der Opposition auf Kuba interpretiert werden kann, da sie sich auf diesen konkreten Fall bezog, sie begrüßten jedoch die Position der Europäischen Union, die diese Festnahme verurteilte. Dadurch haben die Aktivisten auf der Insel an internationaler Anerkennung gewonnen. Die USA nutzten diese Gelegenheit, um neue Wege der Zusammenarbeit mit anderen Ländern zu suchen. Das State Department ernannte eine zuständige Person zur Koordination dieser Aufgabe, bei der auf internationaler Ebene ein diplomatisches Netzwerk aufgebaut werden soll. Die Vereinigten Staaten verstärkten darüber hinaus in der OAS und der UN samt deren zugehörigen Agenturen, außerdem noch in anderen unabhängigen internationalen Organisationen, ihren Einfluss, um die Ziele zur Förderung der Zivilgesellschaft auf Kuba zu erreichen. Die Internationalisierung der Situation auf Kuba soll durch die Bildung von Arbeitsgruppen, bestehend aus Kabinettsmitgliedern, Präsidenten und Ministern anderer Länder, die die Kubapolitik der Vereinigten Staaten unterstützen, gefördert werden.
569 Weitere Informationen über die Arbeitsmethoden und Techniken in Untergrund wurden im zweiten Bericht der CAFC nach eigenen Angaben aus Sicherheitsgründen nicht veröffentlicht; siehe RICE/GUTIERREZ 2006: S. 10.
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IV Außenpolitische Mess- und Prüfinstrumente
IV.3.6 Verhinderung einer Regierungsübergabe durch Fidel Castro In dem ersten Bericht der CAFC war der geschwächte Gesundheitszustand Fidel Castros bei der Konzipierung der Maßnahmen gegen Kuba mitberücksichtigt worden. Die USA waren schon 2004 davon überzeugt, dass innerhalb der kubanischen Regierung nach einem Nachfolger gesucht würde. Durch den Regierungsrückzug Fidel Castros und die offizielle Machtübernahme seines Bruders im Februar 2008 bestätigten sich sowohl die Stabilität als auch die Kontinuität der Regierungselite an der Spitze der politischen Strukturen des Landes. In dem Bericht der CAFC wird deren Beteiligung an der Restrukturierung des kubanischen Staates nach der prognostizierten Wende jedoch ausgeschlossen. Die empfohlenen Maßnahmen orientieren sich an dem in dem CLDSA festgelegten Verbot, eine Übergangsregierung innerhalb Kubas mit der Beteiligung von Raul Castro oder anderen Regierungsmitgliedern zu akzeptieren. Die USA haben eine Datenbank mit allen Namen der Regierungsbeteiligten eingerichtet, damit auch die Ablehnung von Visumanträgen besser verwaltet werden kann. Darüber hinaus wurden Listen mit Namen von kubanischen Regierungsbeamten erstellt, die aus Sicht der Vereinigten Staaten kriminellen Flüchtlingen der US-amerikanischen Justiz Schutz gewährt haben. Die Listen sollen besonders in Lateinamerika und Europa zur Verfügung gestellt werden, damit diese Beamten der kubanischen Regierung gegebenenfalls keine Zuflucht finden können.
IV.4 Kongruenz der Position der aktiven Organisationen mit den US-politischen Maßnahmen zu Kuba Durch die erlassenen Gesetze (CDA und CLDSA) und die Maßnahmen des Präsidenten, die durch die CAFC konzipiert wurden, entstand ein politisches Instrument, dessen Anwendung die US-amerikanische Kubapolitik nach den Veränderungen in Osteuropa nachhaltig bestimmt hat. Die Aktivität der cubano-amerikanischen Organisationen ist nicht nur bei der Konzipierung dieser Maßnahmen, sondern auch bei deren Anwendung festzustellen. Die Intensität der Einflussnahme dieser Gruppen auf die entworfenen Gesetze wird somit nicht nur durch deren Beteiligung an der Durchsetzung und Durchführung der Kubapolitik bestimmt, sondern auch durch die Kongruenz ihrer Positionen zu den angewandten Instrumenten der US-Regierung gegen Kuba. Im Folgenden sollen die Grundzüge und wichtigsten Regelungen der US-amerikanischen Kubapolitik mit den Positionen der aktiven kubanischen Organisationen verglichen und deren Übereinstimmungen herausgestellt werden. Dadurch kann überprüft werden, inwieweit die herausgegebenen Gesetzentwürfe mit der Einstellung der Cubano-Americanos korrelieren. Ausgehend von den sechs zentralen Zielen der USA, die in der CAFC angeführt sind, und unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Instrumente des CDA und CLDSA werde ich nun die Umfrageergebnisse zu den Positionen der aktiven cubano-amerikanischen Organisationen gegenüber der amerikanischen Kubapolitik darstellen. Die für diese Studie durchgeführte Befragung wurde in sieben Blöcke gegliedert, bestehend aus 33 Variablen. Die kleinste Teilnehmerzahl pro Frage wurde auf 517 Probanden festgelegt, um den Repräsentativitätsgrad der Studie zu erreichen (siehe zur Operationalisierung Kap. I, 3.3.1). Die Befragten wurden durch eine direkte E-Mail an die Organisation erreicht. Die Fragen konnten online auf Spanisch oder Englisch beantwortet werden. Die digitale Datenerfassung wurde von einem von mir beauftragten Online-Befragungsunter-
IV.4 Kongruenz der Position der aktiven Organisationen mit den US-politischen Maßnahmen zu Kuba
189
nehmen in der Schweiz ausgeführt. Eine Auflistung der beteiligten Organisationen ist im Anhang zu finden. Die Themenbereiche a) bis g) und die Ergebnisse der Umfrage werden in den folgenden Unterpunkten näher erläutert. a. b. c. d. e. f. g.
Allgemeine Daten der Probanden Demographische Daten Einstellung zu den Massenmedien und deren Auswirkungen Einstellung zum Embargo und dessen Auswirkungen Position zur internationalen Beteiligung der USA und anderer Länder an den Veränderungen auf Kuba Wahleinflüsse und Parteizugehörigkeit Perspektiven nach einem Wechsel auf Kuba
IV.4.1 Allgemeine Daten der Probanden Um die Positionen der aktiven cubano-amerikanischen Gruppierungen und ihre Haltung zu den verschiedenen politischen Maßnahmen gegenüber Kuba einordnen zu können, wurden bei dieser Befragung die allgemeinen Personenangaben durch sechs Variablen vorgegeben. Zum einen werden die Staatsangehörigkeit, das Alter und das Geschlecht, zum anderen demographische Daten wie Zeitpunkt der Auswanderung, Einkommensniveau und Bildungsniveau erfragt. Sie dienen auch als Referenzpunkt für die Erstellung von Kreuztabellen zu den unterschiedlichen politischen Positionen.
IV.4.1.1 Staatsangehörigkeit und Selbstdefinition der Aktivisten Als Cubano-Americanos werden in dieser Studie die Personen eingeordnet, die sich selbst, unabhängig ihrer Staatsangehörigkeit, bei der Frage nach ihrem Ursprung als solche bezeichnen.570 Dies inkludiert verschiedene Gruppen: a. b. c. d.
Personen, die in Kuba geboren wurden, aber permanent in den USA mit einem kubanischen Pass leben Personen, die in den USA geboren wurden und die US-amerikanische Staatsbürgerschaft besitzen, sich selbst aber den Cubano-Americanos zugehörig fühlen Personen, die in Kuba geboren wurden und die US-amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen haben Personen, die in den USA leben und eine andere Nationalität als die kubanische oder amerikanische haben, sich selbst aber als Kubaner definieren.
Von den befragten Personen haben 34,7% die US-amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen. 42,3% sind Kubaner, die in den USA mit einem kubanischen Pass leben. Diese Personengruppe beteiligt sich somit am stärksten an den Aktivitäten der Organisationen. Die Beteiligung der aus Kuba stammenden Aktivisten mit anderer Nationalität, der Einge570 Diese Definition orientiert sich an den Ergebnissen der letzten US-Volkszählung von 2000, in der die Personen bei der Frage nach dem „Origin“ die Antwort Kubaner angegeben haben; siehe dazu GUZMÁN 2001
190
IV Außenpolitische Mess- und Prüfinstrumente
bürgerten und der in den USA Geborenen ist jedoch zusammenaddiert mit 57,8% viel höher. Die Anzahl von 42,3% kubanischen Bürgern in den USA darf, mit Rücksicht auf die allgemeine Disposition, dass 89,1% von ihnen US-Staatsbürger werden wollen, nicht überbewertet werden.571 Deshalb werden hierzu die Probanden in dieser Studie unter den Fokus der Cubano-Americanos eingeordnet. Etwa 60% der Kubaner in den Vereinigten Staaten sind US-Bürger, während nur 26% aus anderen Ländern Lateinamerikas kommen.572 Dabei sind 61% der Cubano-Americanos nicht in den USA geboren.573 Tabelle IV-1:
zu Frage 1 – Citizenship Status
Allgemeine Daten
Cuban
Born in the USA
Citizen by naturalization
Other nationality
Probanden
Citizenship Status
42,3%
11,6%
34,7%
11,5%
N: 681
IV.4.1.2 Durchschnittsalter Die Umfrage ergibt, dass bei den Aktivisten das durchschnittliche Alter bei 49 Jahren liegt. 53% der Personen sind zwischen 18 und 50 Jahre alt, 47% zwischen 51 und 83 Jahre. Es zeigt sich somit, dass die Aktivisten durchschnittlich etwa 7 Jahre älter sind als der Mittelwert der Cubano-Americanos in Florida. Der Durchschnitt der in Florida lebenden Kubaner liegt, so das Pew Hispanic Center (PHC), bei 42 Jahren.574 Nach dem American Community Survey vom U.S. Census Bureau für das Jahr 2006 beträgt das Durchschnittsalter der Cubano-Americanos 41 Jahre.575 Tabelle IV-2:
zu Frage 2 – Age
Zusammenfassung
N
Min.
Max.
Mittelwert
Modalwert
Median
Age
664
18
83
48,88
60
49
IV.4.1.3 Beteiligung von Frauen und Männern in den Organisationen In den aktiven Organisationen ist eine stärkere Präsenz der Männer (67%) als die der Frauen (33%) zu verzeichnen. Da der Bevölkerungsanteil der Frauen kubanischer Abstammung gemäß den demographischen Daten des U.S. Census Bureau vom Jahr 2000 50,8% beträgt, ist ihre Beteiligung ausgesprochen niedrig.576 In der Region Florida ist der Anteil der cuba-
571 Zu diesem Ergebnis kommt die Cuba Study Group der Florida International University, siehe FIU-CSG 2007: S. 21. 572 Siehe PHC 2006. 573 Siehe US-BC 2006. 574 Siehe PHC 2006. 575 Siehe US-BC 2006. 576 Siehe US-BC 2000.
IV.4 Kongruenz der Position der aktiven Organisationen mit den US-politischen Maßnahmen zu Kuba
191
no-amerikanischen Frauen mit 50,6% sogar höher als der der cubano-amerikanischen Männer mit 49,4%.577 Tabelle IV-3:
zu Frage 3 – Gender
Allgemeine Daten Gender
Male 67%
Female 33%
Probanden N: 651
IV.4.2 Demographische Daten Für die Angaben zu den demographischen Daten wurden drei Variablen bestimmt, die nicht nur Auskunft über den Verdienst, das Bildungsniveau und den Zeitpunkt der Einwanderung in die Vereinigten Staaten geben, sondern auch einen Referenzfaktor für die Zuordnung der Positionen der Aktivisten zu den zentralen Grundzügen der Kubapolitik der USA bilden. Die Resultate der Umfrage werden mit den Daten über die Kubaner in den USA des Pew Hispanic Center von 2006 verglichen, die auf der Basis der Volkszählung des U.S. Census aus dem Jahr 2000 und des Institute for Public Opinion Research der Florida International University zusammengestellt wurden. Es wird dabei von einer Population von 1,5 Mio. Kubanern in den USA ausgegangen.578 Die Daten dienen als Referenzpunkt, um die Einstellungen der Aktivisten in den Organisationen mit den Positionen der CubanoAmericanos insgesamt zu vergleichen.
IV.4.2.1 Zeitpunkt der Auswanderung Ausgehend von den in dieser Studie bereits erläuterten Einwanderungswellen ist bei den cubano-amerikanischen Organisationen eine deutliche Beteiligung von Aktivisten aus zwei dieser Zeiträume zu verzeichnen. 32% der Befragten gaben an, zwischen 1959 bis 1969 eingewandert zu sein. Den höchsten Prozentsatz von 36% machen die Cubano-Americanos aus, die zwischen 1991 und 2007 immigriert sind. 17% der Aktivisten kamen zwischen 1970 und 1990 in die USA und 15% sind gebürtige US-Amerikaner. Die überwiegende Mehrheit von 85% ist jedoch außerhalb der Vereinigten Staaten geboren. Allgemein ist auch die Mehrheit aller in den USA lebenden Cubano-Americanos außerhalb geboren. Nach dem American Community Survey des U.S. Census Bureau vom Jahr 2006 immigrierten 60,6% der Cubano-Americanos vor 1990.579 Tabelle IV-4:
zu Frage 4 – When did you leave Cuba?
Demographische Daten
Before 19591969
1970-1990
1991-2007
Born in the US / Other Country
Probanden
When did you leave Cuba?
32%
17%
36%
15%
N: 633
577 Siehe dazu FIU-CSG 2007. 578 Siehe SURO/ESCOBAR 2006. 579 Siehe US-BC 2006.
192
IV Außenpolitische Mess- und Prüfinstrumente
IV.4.2.2 Jährliches Einkommen Die Umfrageergebnisse zeigen, dass 45% der Aktivisten jährlich über 50 000 US-Dollar verdienen. 35% der Befragten haben ein Einkommen zwischen 20 000 und 50 000 Dollar im Jahr. Nur 20% gaben an, weniger als 20 000 Dollar pro Jahr zu verdienen. Bemerkenswert ist, dass von den Aktivisten, die über 50 000 Dollar im Jahr verdienen, 64% vor 1990 in die USA immigriert sind. Nur 22% der Personen mit diesem Verdienstniveau sind nach 1990 in die USA eingewandert, 13% sind in den USA geboren. 60% der Aktivisten, die nach 1990 eingewandert sind, verdienen weniger als 20 000 Dollar im Jahr. Im Gegensatz dazu haben nur 18% der Probanden, die vor 1990 immigriert sind, dieses Einkommensniveau. Nach dem PHC liegt das Haushaltsdurchschnittseinkommen der Cubano-Americanos mit 38 000 US-Dollar höher als das der anderen Latino-Gruppen. Vergleicht man den Einkommensdurchschnitt der Kubaner, die vor 1980 in die USA eingewandert sind, mit dem von denen, die nach 1990 immigriert sind, so haben die Erstgenannten mit 38 000 USDollar ein bedeutend höheres Einkommen als die Zweitgenannten mit 33 000 US-Dollar. Der Durchschnittsverdienst von 36 000 US-Dollar der in Florida lebenden CubanoAmericanos ist niedriger als der von denen, die in anderen amerikanischen Bundesstaaten leben. Er beträgt dort 44 000 US-Dollar. Es zeigt sich somit, dass die Mehrheit der Aktivisten in den Organisationen über dem Durchschnittsverdienst der Cubano-Americanos insgesamt liegt. Tabelle IV-5:
zu Frage 5 – What is your annual gross income?
Demographische Daten
Less than $20
Between $20 and $50
More than $50
Probanden
What is your annual gross Income? *
20%
35%
45%
N: 616
* in Tausend US-Dollar
IV.4.2.3 Bildungsniveau 69% der Befragten haben einen Universitäts-, 23% einen High-School- und 8% einen mittleren Abschluss oder weniger vorzuweisen. Je höher also der Bildungsweg, desto stärker ist auch die politische Beteiligung. Von den Cubano-Americanos mit einem Universitätsabschluss sind 51,5% vor 1990 eingewandert, 33,6% immigrierten danach. Diese Prozentzahlen kontrastieren zu den Zahlen der in den USA geborenen Aktivisten, von denen nur 14% diesen Abschluss vorweisen können. Nach den Daten des U.S. Census Bureau aus dem Jahr 2006 haben 74,9% der CubanoAmericanos einen High-School-Abschluss oder einen Universitätsabschluss. Die Quote ist somit höher als die der Mexikaner mit 53,1%, die der Puerto Ricaner mit 72,3% oder die der Zentralamerikaner mit 50,5%.580
580 Ebd., S. 2.
IV.4 Kongruenz der Position der aktiven Organisationen mit den US-politischen Maßnahmen zu Kuba
Tabelle IV-6: Demographische Daten What is your highest level of education?
193
zu Frage 6 – What is your highest level of education? Elementary School
Middle School
High School
University degree
Probanden
2%
6%
23%
69%
N: 616
IV.4.3 Einstellung zu den Massenmedien und deren Auswirkungen Die Sendungen von Radio und Fernsehen Martí sind ein fester Bestandteil der USamerikanischen Kubapolitik. Die Auswirkungen und Ergebnisse dieser jahrelangen Bemühungen, durch die die Kubaner auf der Insel mobilisiert werden sollen, sind allgemein umstritten. Die Programme in spanischer Sprache werden nicht nur in Kuba, sondern auch unter den Cubano-Americanos ausgestrahlt. Diese informieren sich außerdem in Zeitungen auf Spanisch, wie zum Beispiel in Florida im Miami Herald, der das Thema Kuba konstant als Schwerpunkt hat. Die Einrichtung von CNN auf Kuba soll den Nachrichtenfluss nach außen unterstützen und leistet somit einen Beitrag zur Internationalisierung der Ereignisse auf der Insel. Zum Thema der Massenmedien und deren Auswirkungen wurden die aktiven CubanoAmericanos bezüglich ihrer bevorzugten Sprache bei der Informationsgewinnung befragt, zudem nach ihrer Meinung über die Auswirkungen von Radio und TV Martí auf die kubanische Gesellschaft und außerdem über die Relevanz der Präsenz von CNN auf Kuba.
IV.4.3.1 Bevorzugte Sprache bei der Informationsgewinnung 51% der befragten Aktivisten bevorzugen Spanisch bei ihrer Informationsgewinnung. Die Publikationen in dieser Sprache sind deshalb sehr wichtig. 44% ziehen Englisch bei ihrem Medienkonsum vor und 5% andere als die beiden erwähnten Sprachen. Beachtlich ist, dass von den Probanden, die Englisch präferieren, 65,9% vor 1991 in die USA eingewandert sind. Unter der cubano-amerikanischen Bevölkerung in Florida informieren sich 58% bevorzugt auf Spanisch. Nur 18% ziehen in dieser Region die englische Sprache vor. 22% der Befragten geben an, dass sie weder spanisch noch englisch präferieren, da sie beide Sprachen beherrschen. Tabelle IV-7:
zu Frage 7 – Do you prefer english or spanish news media?
Massenmedien und ihre Auswirkungen Do you prefer english or spanish news media?
Spanish
English
Another language
Probanden
51%
44%
5%
N: 595
IV.4.3.2 Auswirkungen von Radio und Fernsehen Martí Sowohl Radio als auch Fernsehen Martí spielen für die Mehrheit der Aktivisten eine zentrale Rolle. 35% der Probanden bewerten die Bedeutung der Sender als sehr hoch und sehen
194
IV Außenpolitische Mess- und Prüfinstrumente
durch die Programme starke Auswirkungen auf Kuba. Nur 26% meinen, dass Radio und Fernsehen Martí keine wichtige Aufgabe haben und sich die Sendungen nicht auf die Situation Kubas auswirken. Insgesamt sind für 51% der Aktivisten die Radio- und Fernsehsendungen von entscheidender Bedeutung und sie sehen in ihnen ein Instrument zur Beeinflussung der kubanischen Gesellschaft. 45% tendieren eher zu einer ineffektiven Präsenz und einer geringen Auswirkung. 57,2% der Befragten, die die Sendungen für sehr wichtig und effektiv halten, sind vor 1991 in die USA immigriert. 60,9%, die vom Gegenteil überzeugt sind, wanderten hingegen nach 1990 ein oder wurden in den USA geboren. Tabelle IV-8:
zu Frage 8 – How would you rate the effect and importance of TV and Radio Martí?
Massenmedien und ihre Auswirkungen
(1) Not at all important / No effect
(2)
How would you rate the effect and importance of TV and Radio Martí?
26%
19%
(3)
(4) Very important / Strong effect
Probanden
21%
35%
N: 597
IV.4.3.3 Relevanz und Auswirkung von CNN auf Kuba Verglichen mit der mehrheitlich positiven Einstellung gegenüber der Effektivität von Radio und Fernsehen Martí betrachten 32% der Cubano-Americanos die Präsenz von CNN auf Kuba als unwichtig und sehen durch diesen Sender auch keine Auswirkungen. 19% tendieren ebenfalls zu dieser Meinung, jedoch weniger stark. Insgesamt sehen 51% der Befragten die Aufgabe von CNN als unwichtig und ineffektiv an, 49% hingegen als wichtig und wirkungsvoll. 57,9% der Probanden, die die Präsenz von CNN als sehr unwichtig bezeichnen, sind vor 1991 eingewandert. Dagegen finden 56,3% der nach dieser Zeit Eingewanderten oder in den USA Geborenen die Aufgabe des Senders sehr wichtig und wirkungsvoll. Die Cubano-Americanos in Florida bewerteten die Wichtigkeit der Präsenz von CNN auf Kuba im Jahr 1997 höher. 52% empfanden zu diesem Zeitpunkt die Einrichtung des Senders als positiv.581 Tabelle IV-9:
zu Frage 9 – How would you rate the effect and importance of CNN in Cuba?
Massenmedien und ihre Auswirkungen
(1) Not at all important / No effect
(2)
(3)
(4) Very important / Strong effect
Probanden
How would you rate the effect and importance of CNN in Cuba?
32%
19%
19%
30%
N: 584
581 Bei der jährlichen Befragung der Universität Floridas wurde diese Frage nur bis 1997 gestellt; siehe FIUCSG 2007.
IV.4 Kongruenz der Position der aktiven Organisationen mit den US-politischen Maßnahmen zu Kuba
195
IV.4.4 Einstellung zum Embargo und dessen Auswirkungen Einer der entscheidenden Schwerpunkte in der Konzipierung der US-amerikanischen Kubapolitik ist die Anwendung des Embargos. Um die Positionen der aktiven CubanoAmericanos in den Organisationen zu diesem Sachverhalt herauszufinden, wurden für diesen Frageblock zehn Variablen ausgewählt, die verschiedene Aspekte dieses politischen Instruments abdecken: a. b. c. d. e. f. g. h. i. j.
Einstellung zu den Gründen für die wirtschaftliche Situation auf Kuba Verbot der Geschäftsbeziehungen zwischen US-amerikanischen Unternehmen und Kuba Rückgabe beschlagnahmten Eigentums durch Kuba Eingrenzung des kulturellen Austausches zwischen beiden Ländern Eingrenzung des Reiseverkehrs zwischen beiden Ländern Eingrenzung der Geldtransaktionen nach Kuba Auswirkungen der Anwendung des Helms-Burton-Gesetzes auf Kuba Auswirkungen des Embargos auf Änderungen innerhalb Kubas Position zum Weiterbestehen der Sanktionen Position zur Beendigung des Embargos durch den Präsidenten oder den Kongress
IV.4.4.1 Einstellung zu den Gründen für die wirtschaftliche Situation Kubas Die überwiegende Mehrheit (86%) der befragten Cubano-Americanos sieht die Gründe für die ökonomischen Probleme Kubas nicht in der Anwendung des Embargos, sondern in dem aktuellen politischen System. Lediglich 13% sehen die wirtschaftliche Situation Kubas im Zusammenhang mit dem Embargo. Andere Gründe, wie die Auswirkungen der Globalisierung, haben für die Aktivisten mit 1% keine Relevanz. Die Mehrheit (53,3%) der Probanden, die das politische System als Ursache für die Situation auf der Insel bewerten, ist vor 1991 eingewandert. Tabelle IV-10:
zu Frage 10 – In your opinion, what is the primary reason for the present economic situation of Cuba?
Auswirkungen des Embargos In your opinion, what is the primary reason for the present economic situation of Cuba?
Effects of the US embargo
The political system in Cuba
Effects of globalization
Probanden
13%
86%
1%
N: 582
IV.4.4.2 Verbot der Geschäftsbeziehungen zwischen US-Unternehmen und Kuba Das Meinungsspektrum bezüglich des Verbots für US-amerikanische Unternehmen, mit Kuba in Geschäftsbeziehung zu treten, ist unter den Cubano-Americanos in den Organisationen relativ gleichmäßig verteilt. 37% der Befragten haben eine entschieden ablehnende Haltung gegen diese Maßnahmen, 36% favorisieren diese sehr stark. Insgesamt sprechen
196
IV Außenpolitische Mess- und Prüfinstrumente
sich 49% eher für diese Regelung aus, während 51% dagegen sind. 64,4% der Befragten, die dieser Maßnahme stark zustimmen, sind vor 1991 in die USA immigriert. Die Mehrheit (62,8%) der Probanden, die das Verbot entschieden ablehnen, ist danach eingewandert oder in den USA geboren. Die USA haben im Agrarsektor an einige einheimische Unternehmen Lizenzen erteilt, um Kuba limitierte Produkte zu verkaufen. 60,4% der Cubano-Americanos stimmen dieser Lockerung zu und tendieren sogar zu einer Expansion derselben. 39,6% sprechen sich hingegen für einen Stopp der Lizenzen aus.582 Tabelle IV-11:
zu Frage 11 – What is your position on the US government’s policy preventing US companies from doing business in Cuba?
Auswirkungen des Embargos What is your position on the US government’s policy preventing US companies from doing business in Cuba?
Strongly opposed
Somewhat opposed
Somewhat in favor
Strongly in favor
Probanden
37%
14%
13%
36%
N: 576
IV.4.4.3 Rückgabe beschlagnahmten Eigentums durch Kuba 31% der Aktivisten in den Organisationen setzen sich stark für eine Rückgabe des durch die kubanische Regierung beschlagnahmten Eigentums nach 1959 ein, während 25% für das Gegenteil eintreten. 16% tendieren auch eher dazu, eine Rückgabe abzulehnen, 28% würden diese jedoch eher gutheißen. Insgesamt herrscht mit einem Prozentsatz von 59% die Meinung vor, dass eine Rückgabe stattfinden sollte, verglichen mit 41%, die dies ablehnen. Die Mehrheit (66,4%) der Aktivisten, die eine Rückgabe stark favorisieren, sind Einwanderer aus der Zeit vor 1991. Im Gegensatz dazu sind die 65,2%, die sich entschieden dagegen aussprechen, danach immigriert oder in den USA geboren. Tabelle IV-12:
zu Frage 12 – What do you think about the possibility of the Cuban government returning property confiscated after 1959?
Auswirkungen des Embargos What do you think about the possibility of the Cuban government returning property confiscated after 1959?
Strongly opposed
Somewhat opposed
Somewhat in favor
Strongly in favor
Probanden
25%
16%
28%
31%
N: 561
582 Siehe Cuba Study Group der Florida International University, Institute for Public Opinion Research, FIU/Cuba Poll 2007, in: www.fiu.edu/orgs/ipor/cuba8/pollresults.html, S. 9, zuletzt geöffnet am 07.05.2007.
IV.4 Kongruenz der Position der aktiven Organisationen mit den US-politischen Maßnahmen zu Kuba
197
IV.4.4.4 Eingrenzung des kulturellen Austausches zwischen beiden Ländern Einer der Bereiche, die durch die angewandten Maßnahmen der US-Regierung betroffen sind, ist die Limitierung der kulturellen Beziehungen zwischen beiden Ländern. Dies erstreckt sich nicht nur auf den wissenschaftlichen Bereich, sondern auch auf den des Sports. Unter den Aktivisten zeichnet sich eine deutliche Ablehnung dieser Maßnahmen ab. 50% der Aktivisten sind strikt gegen diese Maßnahmen, während 23% diese stark favorisieren. 12% tendieren eher zu einer Zustimmung des Verbots, 16% lehnen es eher ab. Insgesamt ist mit 66% eine deutliche Ablehnung dieser Anwendung zu erkennen, im Vergleich zu einer Befürwortung von 33%. Beachtlich ist, dass 64,1% der Aktivisten, die diese Maßnahmen stark favorisieren, vor 1991 eingewandert sind – gegenüber 62,4%, die dies strikt ablehnen und danach in die USA immigriert sind oder dort geboren wurden. Tabelle IV-13:
zu Frage 13 – What is your position on the prohibition and limitation of cultural relations between Cuba and the US?
Auswirkungen des Embargos What is your position on the prohibition and limitation of cultural relations between Cuba and the US?
Strongly opposed
Somewhat opposed
Somewhat in favor
Strongly in favor
Probanden
50%
16%
12%
23%
N: 533
IV.4.4.5 Eingrenzung des Reiseverkehrs zwischen beiden Ländern Seit der Verschärfung der Maßnahmen gegen Kuba während der Regierung Georg W. Bushs ist der Besuch von Verwandten auf der Insel für die Cubano-Americanos unter strengen Auflagen limitiert. Kubareisen sind für US-Staatsbürger im Allgemeinen verboten. Ähnlich wie zum Verbot des kulturellen Austausches sprechen sich 50% der Aktivisten entschieden gegen dieses Verbot aus. Im Gegensatz dazu finden diese Maßnahmen mit 24% eine starke Unterstützung. 13% tendieren auch eher dazu, die Regelung gutzuheißen, 12% lehnen sie hingegen eher ab. Allgemein dominiert die Ablehnung dieser Regelung mit 62%, ihre Zustimmung liegt bei 37%. Die überwiegende Mehrheit (70,5%) der Befürworter ist vor 1991 eingewandert, im Vergleich zu den opponierenden 64,9%, die danach immigriert sind. 48,4% der Cubano-Americanos gaben bei der Umfrage der Universität von Florida an, von diesen Maßnahmen teilweise oder stark betroffen zu sein. Mehr als die Hälfte (51,6%) äußerten, dass sie diese Regelung nicht betrifft.583
583 Siehe ebd., S. 20.
198 Tabelle IV-14: Auswirkungen des Embargos What is your position on limiting travel between Cuba and the US?
IV Außenpolitische Mess- und Prüfinstrumente
zu Frage 14 – What is your position on limiting travel between Cuba and the US? Strongly opposed
Somewhat opposed
Somewhat in favor
Strongly in favor
Probanden
50%
12%
13%
24%
N: 531
IV.4.4.6 Eingrenzung der Geldtransaktionen nach Kuba Die limitierten Geldüberweisungen von Cubano-Americanos an deren Verwandte auf Kuba sind für viele Familien beider Seiten ein zentrales Thema. Die Aktivisten in den Organisationen sprechen sich überwiegend gegen diese Maßnahmen aus. 45% lehnen sie stark ab, im Gegensatz dazu werden sie nur von 24% favorisiert. 17% tendieren auch eher zu einer Bejahung der Regelung, während 14% eher dagegen sind. Das Gesamtbild zeigt, dass von den befragten Aktivisten 59% das Verbot ablehnen und 41% diese Maßnahme als positiv bewerten. Über 69% der Probanden, die die Regelung stark favorisieren, sind Einwanderer aus der Zeit vor 1991. 66,2%, die diese strikt ablehnen, sind danach immigriert oder in den USA geboren. Die Umfrageergebnisse der Universität von Florida aus dem Jahr 2007 zeigen, dass 58,3% der Cubano-Americanos Geld an die Verwandten in Kuba überweisen. 40,6% tätigen keine Geldtransaktionen.584 Tabelle IV-15: Auswirkungen des Embargos What is your position on the prohibition and limitation of money wires to Cuba?
zu Frage 15 – What is your position on the prohibition and limitation of money wires to Cuba? Strongly opposed
Somewhat opposed
Somewhat in favor
Strongly in favor
Probanden
45%
14%
17%
24%
N: 532
IV.4.4.7 Auswirkungen der Anwendung des Helms-Burton-Gesetzes auf Kuba Das Helms-Burton-Gesetz ist das zentrale juristische Instrument der USA, um Druck auf die Regierung in Havanna auszuüben. Es regelt die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Entfaltung von politischen und wirtschaftlichen Maßnahmen, die grundlegende Änderungen auf Kuba herbeiführen sollen. Diese Sanktionen sind international umstritten. 13% der Aktivisten in den Organisationen sehen eine starke Auswirkung des Gesetzes auf die 584 Ebd., S. 22.
IV.4 Kongruenz der Position der aktiven Organisationen mit den US-politischen Maßnahmen zu Kuba
199
Veränderungen innerhalb der Insel, im Gegensatz zu 33%, die das Gesetz sogar als kontraproduktiv einstufen. 19% betrachten das Gesetz als wirkungslos, 35% sehen hingegen einige Effekte durch dessen Anwendung. Zu differenzieren ist, dass 19% zwar keinen Effekt auf die inneren Transformationen auf Kuba wahrnehmen, 67% bewerten das Gesetz jedoch nicht als kontraproduktiv. Allgemein sind 48% der Meinung, dass das Gesetz Auswirkungen auf die Veränderungen auf Kuba hat. Von Interesse ist die Einstellung der Probanden, die nach 1991 eingewandert oder in den USA geboren sind. Die Mehrheit (66,6%) hält die Auswirkungen des Gesetzes für kontraproduktiv. Tabelle IV-16:
zu Frage 16 - What are the effects of the Helms-Burton law on change in Cuba?
Auswirkungen des Embargos What are the effects of the HelmsBurton law on change in Cuba?
Strong effect
Some effect
No effect
Counterproductive
Probanden
13%
35%
19%
33%
N: 562
IV.4.4.8 Auswirkungen des Embargos auf Änderungen innerhalb Kubas Zu den allgemeinen Auswirkungen des Embargos unterscheiden sich die Meinungen der Aktivisten in den Organisationen in drei Gruppen: die, die einen Effekt sehen, jene, die es als wirkungslos betrachten, und solche, die es für kontraproduktiv halten. Nur 27% sehen in der Anwendung des Embargos nachteilige Auswirkungen. Von den restlichen 63% betrachten nur 12% das Embargo als wirkungsvoll, 28% sehen zumindest einen Effekt und 33% keinen. Allgemein halten es 40% der cubano-amerikanischen Aktivisten für effektiv. Die Mehrheit (62,5%) der Probanden, die das Embargo als sehr wirkungsvoll einschätzen, ist vor 1991 immigriert. Im Vergleich dazu bewerten 61,2% der Kubaner, die danach eingewandert sind oder in den USA geboren sind, diese Maßnahmen als kontraproduktiv. Tabelle IV-17:
zu Frage 17 – Overall, what effect do you think the US embargo has had on change in Cuba?
Auswirkungen des Embargos Overall, what effect do you think the US embargo has had on change in Cuba?
Strong effect
Some effect
No effect
Counterproductive
Probanden
12%
28%
33%
27%
N: 578
IV.4.4.9 Position zum Weiterbestehen der Sanktionen 36% der Befragten sprachen sich entschieden gegen die Fortführung des Embargos aus, während 30% stark dafür stimmten. 16% tendierten auch eher dazu, die Sanktionen beizu-
200
IV Außenpolitische Mess- und Prüfinstrumente
behalten, 18% lehnten dies eher ab. Das Gesamtbild zeigt eine Tendenz gegen die Sanktionen von 54% auf, im Gegensatz zu immerhin 46%, die dafür eintreten. Entscheidend hierzu ist, welcher Einwanderergeneration die 46% angehören. 68,6% der Aktivisten, die sich für ein Weiterbestehen der Sanktionen ausgesprochen haben, sind vor 1991 immigriert. Im Gegensatz dazu sind 68,1% der Cubano-Americanos, die streng gegen das Embargo sind, nach 1990 in die USA eingewandert oder dort geboren. Tabelle IV-18:
zu Frage 18 – Are you in favor of or opposed to continuing the US embargo on Cuba?
Auswirkungen des Embargos Are you in favor of or opposed to continuing the US embargo on Cuba?
Strongly opposed
Somewhat opposed
Somewhat in favor
Strongly in favor
Probanden
36%
18%
16%
30%
N: 578
IV.4.4.10 Position zur Beendigung des Embargos durch den Präsidenten oder den Kongress Die Position der Aktivisten in den Organisationen zu der Frage nach der Autorität bei der Entscheidung, das Embargo zu beenden, tendiert deutlich zum Kongress, da dort in beiden Kammern die Cubano-Americanos stark vertreten sind. 64% meinen, dass diese Entscheidung eher der Kongress treffen sollte, im Gegensatz zu 36%, nach denen die Initiative vom Präsidenten ausgehen sollte. Von Interesse ist hierbei die Verteilung der Positionen. 52% der Befürworter des Kongresses sind nach 1990 immigriert oder in den USA geboren. Die Mehrheit der Befragten von 55,6%, die den Präsidenten favorisieren, ist vor 1991 eingewandert. Diese Position kontrastiert mit der allgemeinen Haltung der Cubano-Americanos in Florida. Nach den Daten der internationalen Universität von Florida aus dem Jahr 1997 meinten 21,6%, dass der Präsident die Autorität haben sollte, das Embargo zu beenden. 65,7% sprachen diese Aufgabe dem Kongress zu.585 Tabelle IV-19:
zu Frage 19 – Who do you think should end the economic embargo?
Auswirkungen des Embargos Who do you think should end the economic embargo?
The President
US Congress
Probanden
36%
64%
N: 540
IV.4.5 Position zur internationalen Beteiligung der USA und anderer Länder an den Veränderungen auf Kuba Abgesehen von den angewandten Maßnahmen gegen Kuba ist das Engagement der USA auf internationaler Ebene, mit dem andere Länder für ihre Kubapolitik gewonnen werden 585 Diese Frage wurde nur bis 1997 gestellt; siehe FIU-CRI 2007.
IV.4 Kongruenz der Position der aktiven Organisationen mit den US-politischen Maßnahmen zu Kuba
201
sollen, während der beiden letzten Regierungsperioden intensiviert worden. Für die Befragung wurden sieben Variablen ausgewählt, anhand derer die verschiedenen Positionen der cubano-amerikanischen Aktivisten in den Organisationen zu zentralen Fragen der internationalen Beteiligung herausgefunden werden können: a. b. c. d. e. f. g.
Einstellung zu einer militärischen Intervention der USA Position zu einer militärischen Intervention von Exil-Gruppen US-Unterstützung von Nicht-Regierungs-Organisationen und Menschenrechtsgruppen auf Kuba US-Beteiligung an den politischen Veränderungen auf Kuba Ernennung eines US-Beauftragten zur Stärkung und Koordinierung der Transition auf Kuba Beteiligung von anderen Ländern wie denen der Europäischen Union an den politischen Veränderungen auf Kuba Regierungsübernahme auf Kuba durch einen Exilkubaner nach einem politischen Wechsel
IV.4.5.1 Einstellung zu einer militärischen Intervention der USA In den aktiven cubano-amerikanischen Organisationen agieren 13%, die offen für eine direkte militärische Intervention der Vereinigten Staaten eintreten. Die Mehrheit von 63% lehnt diese Position jedoch ab. Tendenziell stimmen weitere 13% einer Intervention zu, während 11% diese eher ablehnen. Das Gesamtbild wird von 74% geprägt, die deutlich gegen militärische Aktionen sind, im Gegensatz zu 26%, die diese unterstützen. Es ist hierbei von Interesse, diejenigen, die sich explizit für eine Intervention aussprechen, nach dem Zeitpunkt ihrer Einwanderung einzuordnen. Die Mehrheit (62,3%) ist vor 1991 eingewandert. Im Gegensatz zu dieser Haltung ist die Mehrheit (58,9%) von denen, die strikt gegen eine militärische Intervention sind, nach 1990 in die USA eingewandert oder dort geboren. Bei den Cubano-Americanos in Florida fällt das Ergebnis auf der Basis der Daten, die durch die Universität von Florida für das Jahr 2007 gewonnen wurden, nicht so deutlich aus wie bei den Aktivisten in den Organisationen. 51% gaben an, eine direkte militärische Intervention zu favorisieren, 49% lehnen dies hingegen ab. Von denen, die eine gewaltsame Aktion entschieden bevorzugen, waren 61% in der Periode von 1959 bis 1964 in die Vereinigten Staaten eingewandert.586 Tabelle IV-20: Internationale Beteiligung What is your position on a US military intervention in Cuba?
zu Frage 20 – What is your position on a US military intervention in Cuba? Strongly opposed
Somewhat opposed
Somewhat in favor
Strongly in favor
Probanden
63%
11%
13%
13%
N: 548
586 Siehe ebd., S. 4.
202
IV Außenpolitische Mess- und Prüfinstrumente
IV.4.5.2 Position zu einer militärischen Intervention von Exil-Gruppen Der Anteil der Cubano-Americanos, die gegen eine Beteiligung von Exilkubanern an einer militärischen Intervention sind, fällt niedriger aus als der, die dafür sind. 55% lehnen dies strikt ab, 18% würden die Beteiligung explizit gutheißen. 15% tendieren eher zu einer Favorisierung, 12% eher zu einer Ablehnung. Insgesamt sind 67% der Aktivisten dagegen, während 33% dafür stimmen. Beachtet werden muss hierbei die Disposition zu Aktionen des Exils im Zusammenhang mit dem Zeitpunkt der Einwanderung. Von den Aktivisten, die sich strikt dafür aussprechen, sind 68% vor 1991 in die USA immigriert. 60% der Personen, die sich explizit dagegen wenden, sind hingegen nach 1990 eingewandert. Im Gegensatz zu den Aktivisten in den Organisationen zeichnet sich unter den Cubano-Americanos in Florida eine deutliche Disposition zu militärischen Aktionen des Exils ab. In dieser Region bejahen 70% diese Frage, während sie 30% ablehnen.587 Tabelle IV-21:
zu Frage 21 – What do you think about a military intervention by Cuban exiles?
Internationale Beteiligung What do you think about a military intervention by Cuban exiles?
Strongly opposed
Somewhat opposed
Somewhat in favor
Strongly in favor
Probanden
55%
12%
15%
18%
N: 546
IV.4.5.3 US-Unterstützung von Nicht-Regierungs-Organisationen und Menschenrechtsgruppen auf Kuba Bei der Umsetzung der US-amerikanischen Maßnahmen spielen die cubano-amerikanischen Organisationen eine zentrale Rolle. Viele von ihnen unterstützen die entstehenden Gruppierungen auf Kuba vor allem im Bereich der Menschenrechte. Nur 14% der befragten Aktivisten lehnen eine Unterstützung entschieden ab, während sich 62% explizit dafür aussprechen. 18% bejahen dies tendenziell, 12% haben eher eine ablehnende Haltung. Es zeichnet sich somit ein Gesamtbild ab, in dem 69% der Aktivisten die Förderung dieser Gruppen auf Kuba favorisieren, im Gegensatz zu 21%, die dagegen opponieren. Bezogen auf den Zeitpunkt der Einwanderung ist die Mehrheit (53,3%) derer, die diese Unterstützung stark favorisieren, vor 1991 in die USA immigriert; im Vergleich dazu werden die fördernden Maßnahmen von 52%, die danach eingewandert oder in den USA geboren sind, abgelehnt. Die CubanoAmericanos in Florida stimmen der Unterstützung dieser Gruppen noch stärker zu. 96,2% sprechen sich dafür aus und nur 3,8% dagegen.588
587 Siehe ebd., S. 7. 588 Ebd., S. 7.
IV.4 Kongruenz der Position der aktiven Organisationen mit den US-politischen Maßnahmen zu Kuba
Tabelle IV-22:
203
zu Frage 22 – What is your opinion on the US supporting nongovernmental organizations and human rights groups in Cuba?
Internationale Beteiligung What is your opinion on the US supporting nongovernmental organizations and human rights groups in Cuba?
Strongly opposed
Somewhat opposed
Somewhat in favor
Strongly in favor
Probanden
14%
7%
18%
61%
N: 538
IV.4.5.4 US-Beteiligung an den politischen Veränderungen auf Kuba Das US-amerikanische Engagement bei den politischen Veränderungen auf der Insel findet unter den Organisationen zu fast gleichen Teilen Zustimmung und Ablehnung. 30% der Aktivisten geben an, strikt dagegen zu sein, während bei 29% eine starke Favorisierung zu beobachten ist. 30% tendieren eher dazu, dem zuzustimmen, 11% lehnen dies tendenziell ab. Die allgemeine Position zeigt, dass 59% der Befragten die Beteiligung der USA an der politischen Transformation Kubas positiv einschätzen, 41% lehnen dies jedoch ab. 61,6% der cubano-amerikanischen Aktivisten, die stark gegen eine US-amerikanische Beteiligung stimmen, sind nach 1990 in die USA immigriert. 57,3% der Probanden, die das Engagement ihrer Regierung stark favorisieren, sind vor 1991 eingewandert. Tabelle IV-23:
zu Frage 23 – Should the US be involved in political changes in Cuba?
Internationale Beteiligung Should the US be involved in political changes in Cuba?
Strongly opposed
Somewhat opposed
Somewhat in favor
Strongly in favor
Probanden
30%
11%
30%
29%
N: 536
IV.4.5.5 Ernennung eines US-Beauftragten zur Stärkung und Koordinierung der Transition auf Kuba Die Ernennung eines US-Beauftragten zur Koordination der Unterstützungsaktionen zur Beschleunigung einer internen soziopolitischen und wirtschaftlichen Transformation auf der Insel wird von den Aktivisten allgemein positiv bewertet. 31% von ihnen bejahen dies entschieden, außerdem tendieren auch 26% zu einer positiven Bewertung. 34% der Aktivisten sprechen sich strikt dagegen aus, 9% lehnen diese Ernennung nur tendenziell ab. Das Gesamtbild zeigt, dass nur 43% eine ablehnende Haltung einnehmen, im Gegensatz zu 57%, die zustimmen. Von den Probanden, die diese Ernennung stark befürworten, ist die knappe Mehrheit (51%) vor 1991 in die USA eingewandert. Im Vergleich dazu sind 57% der Befragten, die dies strikt ablehnen, nach 1990 immigriert oder wurden in den USA geboren.
204 Tabelle IV-24:
IV Außenpolitische Mess- und Prüfinstrumente
zu Frage 24 – What is your opinion on the nomination of a USCoordinator for speeding up a transition in Cuba?
Internationale Beteiligung What is your opinion on the nomination of a US-Coordinator for speeding up a transition in Cuba?
Strongly opposed
Somewhat opposed
Somewhat in favor
Strongly in favor
Probanden
34%
9%
26%
31%
N: 534
IV.4.5.6 Beteiligung von anderen Ländern wie denen der Europäischen Union an den politischen Veränderungen auf Kuba Die USA intensivieren konstant ihre diplomatischen Bemühungen, andere Länder in die Aktionen gegen Kuba einzubeziehen. Sie beschränken diese jedoch nicht allein auf Staaten auf dem amerikanischen Kontinent, sondern dehnen sie auch auf Länder der Europäischen Union aus. Gegenwärtig kann jedoch keine einheitliche Position der EU gegenüber Kuba festgestellt werden. Die cubano-amerikanischen Organisationen, die sehr stark die Konzeption der US-amerikanischen Kubapolitik prägen, favorisieren die Teilnahme anderer Staaten bei der Förderung von politischen Veränderungen auf der Insel. 32% sprechen sich sehr für diese Beteiligung aus, 27% nehmen eine gegenteilige Haltung ein. Nur 11% tendieren zu einer Ablehnung, im Vergleich zu 30%, die eine Partizipation eher bejahen. Insgesamt ist unter den Aktivisten mit 62% eine zustimmende Haltung zur Eingliederung von Ländern wie denen der Europäischen Union zu beobachten, im Gegensatz zu 38%, die sich dagegen aussprechen. Über 52% der Probanden, die nach 1990 immigriert sind oder in den USA geboren wurden, favorisieren beim kubanischen Transformationsprozess entschieden die Beteiligung anderer Länder. Von den Befragten, die sich stark dagegen aussprechen, waren knapp 51% vor 1991 in die USA eingewandert. Tabelle IV-25: Internationale Beteiligung Should third parties such as the European Union be involved in political changes in Cuba?
zu Frage 25 - Should third parties such as the European Union be involved in political changes in Cuba? Strongly opposed
Somewhat opposed
Somewhat in favor
Strongly in favor
Probanden
27%
11%
30%
32%
N: 537
IV.4 Kongruenz der Position der aktiven Organisationen mit den US-politischen Maßnahmen zu Kuba
205
IV.4.5.7 Regierungsübernahme auf Kuba durch einen Exilkubaner nach einem politischen Wechsel Unter den auf Kuba lebenden Oppositionellen besteht die latente Befürchtung, dass im Falle einer strukturellen Öffnung durch die Teilnahme von Cubano-Americanos am politischen Wettbewerb die zukünftige Präsidentschaft der Regierung von einem im Ausland lebenden Kubaner übernommen werden könnte. Die Aktivisten sind überwiegend der Meinung, dass zum gegebenen Zeitpunkt eine Person von der Insel und nicht aus dem Exil die Führung des Landes übernehmen sollte. Nur 13% sprechen sich für jemanden aus dem Exil aus, gegenüber 87%, die eine Person aus Kuba bevorzugen würden. Beachtlich ist, dass 55% der Aktivisten, die jemanden aus dem Exil bevorzugen würden, vor 1991 immigriert sind, während 45% nach 1991 eingewandert oder in den USA geboren sind. Tabelle IV-26:
zu Frage 26 – Who should assume presidency if political changes and democratic elections were to occur in Cuba?
Internationale Beteiligung
Someone from the exile
Someone from Cuba
Probanden
Who should assume presidency if political changes and democratic elections were to occur in Cuba?
13%
87%
N: 528
IV.4.6 Wahleinflüsse und Parteizugehörigkeit Der Integrationsgrad der Cubano-Americanos zeigt sich unter anderem auch an der positiven Meinung, die sie von der US-Regierung haben. Die eingewanderten Kubaner tendieren dazu, sich eher mit den Vereinigten Staaten als mit ihrem Ursprungsland zu identifizieren. 2002 hießen 64% der Cubano-Americanos die politischen Handlungen der Regierung in Washington gut. Dieser Prozentsatz ist entschieden höher als der der Mexikaner (43%) oder Puerto Ricaner (38%).589 Diese Einstellung äußert sich in dem politischen Engagement der Cubano-Americanos. Um die Aktivisten in den Organisationen nach ihren unterschiedlichen Positionen klassifizieren zu können, wurden vier Variablen festgelegt, anhand derer ihre Einstellung zur Kubapolitik ermittelt werden kann: a. b. c. d.
Definition der Position zu Kuba Position zu den Prioritäten im kubanischen Transformationsprozess Parteizugehörigkeit und Registrierung Auswirkungen der US-amerikanischen Position zu Kuba auf das Wahlverhalten der Aktivisten
589 Siehe dazu PHC/KFF 2002.
206
IV Außenpolitische Mess- und Prüfinstrumente
IV.4.6.1 Definition der Position zu Kuba Die cubano-amerikanischen Organisationen stimmen in dem Hauptziel überein, politische und ökonomische Veränderungen auf Kuba zu unterstützen, sie differieren jedoch in der Art und Weise, wie diese Veränderungen veranlasst werden sollen. Während 49% der Aktivisten einen Sturz der kubanischen Regierung, gegebenenfalls auch durch Gewaltanwendung, bevorzugen, sprechen sich 35% von ihnen für eine wirtschaftliche und politische Öffnung durch einen Dialog mit der kubanischen Regierung aus. 12% heißen auch strukturelle Veränderungen für gut, sie setzen jedoch nicht auf einen Dialog mit der Regierung in Havanna. 4% der befragten Aktivisten favorisieren sogar das Weiterbestehen des gegenwärtigen Systems. Von den cubano-amerikanischen Aktivisten, die für einen Sturz der Regierung eintreten, sind 60,7% vor 1991 in die USA immigriert. 58,3% der Befragten, die sich für einen gemeinsamen Dialog aussprechen, sind 1991 oder später eingewandert. Allerdings ergab die Umfrage auch, dass von denjenigen, die die politische und wirtschaftliche Transformation der Insel ohne einen Dialog mit Havanna favorisieren, 58,3% auch nach 1991 in die USA immigriert oder dort geboren sind. Dies beeinflusst jedoch nicht die allgemeine Haltung unter den nach 1990 eingewanderten Aktivisten, die eher zu einem Dialog tendieren. Die Cubano-Americanos in Florida favorisieren einen gemeinsamen Dialog zwischen dem Exil, den kubanischen Oppositionsgruppierungen auf der Insel und der Regierung in Havanna. Nach der Umfrage der Universität Floridas vertreten 65% diese Meinung. 79% von denen, die einen Dialog befürworten, sind zwischen 1995 und 2007 in die USA eingewandert. 55% der Befragten, die einen Dialog ablehnen, sind vor 1959 immigriert, 56,8% zwischen 1959 und 1964, 51,3% zwischen 1965 und 1973 sowie 49,6% zwischen 1974 und 1984.590 Dies verdeutlicht den Einfluss des Migrationszeitpunktes auf die politischen und ideologischen Dispositionen der Gruppen. Somit korrespondieren die konservativsten Dialog ablehnenden Sektoren in Florida mit den Einwanderern vor 1991. Tabelle IV-27:
zu Frage 27 – If you were to define your or your organization’s position on Cuba, which option would you choose?
Wahleinflüsse und Parteizugehörigkeit
Overthrow the Cuban government
Economical, political opening with internal transition / without dialog with Cuba
If you were to define your or your organization’s position on Cuba, which option would you choose?
49%
12%
590 Siehe FIU-CSG 2007: S. 7.
Economical, political opening with internal transition / open dialog with Cuba
Continuation of the current system
Probanden
35%
4%
N: 520
IV.4 Kongruenz der Position der aktiven Organisationen mit den US-politischen Maßnahmen zu Kuba
207
IV.4.6.2 Position zu den Prioritäten im kubanischen Transformationsprozess Die Aktivisten setzen im Hinblick auf die Reformen, die auf der Insel voranzutreiben sind, unterschiedliche Prioritäten. 50% bewerten das Ende des Embargos als vorrangig, 29% die freien demokratischen Wahlen. 11% bewerten die Liberalisierung der Wirtschaft als zentral, 10% die der Medien. Deutlich wird, dass der Schwerpunkt mit 60% im Bereich der Wirtschaft liegt. 69,9% der Probanden, die das Ende des Embargos als höchste Priorität sehen, sind nach 1990 immigriert oder in den USA geboren und nur 29,6% vor 1991. Im Bereich der Politik verschiebt sich das Bild, denn 73,8% der vor 1991 Immigrierten setzen die demokratischen Wahlen an die erste Stelle; für 26,1% der Aktivisten, die nach 1990 eingewandert sind, haben die Wahlen jedoch keine zentrale Bedeutung. Von den Befragten, die sich für eine wirtschaftliche Öffnung und Liberalisierung des Marktes aussprechen, sind 67,3% vor 1991 immigriert, im Gegensatz zu 32,6%, die nach 1990 in die USA eingewandert sind. Tabelle IV-28:
zu Frage 28 – What do you think is most important for Cuba?
Wahleinflüsse und Parteizugehörigkeit
Democratic elections
Open markets and liberalization
Liberalization and deregulation of the media
End of the embargo
Probanden
What do you think is most important for Cuba?
29%
11%
10%
50%
N: 527
IV.4.6.3 Parteizugehörigkeit und Registrierung Die cubano-amerikanischen Aktivisten bestätigen die allgemeine Affinität zur USrepublikanischen Partei. 51% geben an, bei den Republikanern registriert zu sein, während nur 18% in der Partei der Demokraten aktiv sind. 31% der Befragten meldeten sich parteiunabhängig oder gaben an, in keiner Partei registriert zu sein. In Hinblick auf die Einwanderungsperiode ist die Verteilung relativ gleichmäßig. 51,5% der registrierten republikanischen Aktivisten sind vor 1991 und 48,4% nach 1990 in die USA immigriert. Dennoch ist bei den vor 1991 eingewanderten Gruppen eine größere Affinität zu dieser Partei zu beobachten. Im Gegensatz dazu sind 60,4% der für die demokratische Partei registrierten Probanden nach 1990 in die USA immigriert, 39,5% sind hingegen vor 1991 eingewandert. Die Verbundenheit der Aktivisten zur republikanischen Partei korrespondiert mit der allgemeinen Tendenz der Cubano-Americanos in Florida, diese Partei zu wählen. 66,1% von ihnen gaben an, für die Republikaner registriert zu sein, 18,3% für die Demokraten. 15,2% meldeten sich als unabhängig und 4% als nicht registriert.591
591 Siehe ebd., S. 28.
208
IV Außenpolitische Mess- und Prüfinstrumente
Tabelle IV-29:
zu Frage 29 – Are you registered to vote, and if so, with which party below are you affiliated?
Wahleinflüsse und Parteizugehörigkeit Are you registered to vote, and if so, with which party below are you affiliated?
Republican
Democrat
Independent
Not registered
Probanden
51%
18%
16%
15%
N: 522
IV.4.6.4 Auswirkungen der US-Position zu Kuba auf das Wahlverhalten der Aktivisten Für 41% der cubano-amerikanischen Aktivisten in den Organisationen wirkt sich der Entwurf der US-amerikanischen Kubapolitik entscheidend auf das Wahlverhalten aus. 33% sehen darin jedoch keinen Einfluss. 13% tendieren dazu, die US-Haltung als wichtig zu bezeichnen, und ebenso viele als unwichtig. Insgesamt sind 54% der Meinung, dass ihr Wahlverhalten von der US-amerikanischen Kubapolitik beeinflusst wird, 46% halten dies wiederum für unwichtig. Von den Aktivisten, die die US-Haltung als sehr wichtig bewerten, sind 55,8% vor 1991 in die USA eingewandert, 44,1% sind hingegen nach 1990 immigriert. Von den Probanden, die die US-Position überhaupt nicht relevant finden, sind 57,3% nach 1990 immigriert und 42% vor 1991. Tabelle IV-30:
zu Frage 30 – How important is the influence of the US position on Cuba to your vote in an election?
Wahleinflüsse und Parteizugehörigkeit
(1) Not at all important
(2)
(3)
(4) Very important
Probanden
How important is the influence of the US position on Cuba to your vote in an election?
33%
13%
13%
41%
N: 525
IV.4.7 Perspektiven nach einem Wechsel auf Kuba Tiefgreifende soziopolitische und ökonomische Veränderungen auf Kuba würden vielen Cubano-Americanos die Perspektive eröffnen, auf die Insel zurückzukehren. In Anbetracht der gesellschaftlichen Integration vieler Cubano-Americanos muss bestimmt werden, welche Gruppe unter welchen Bedingungen zu einer Rückkehr bereit wäre. Es wurden dafür drei Variablen ausgewählt, die in direktem Zusammenhang mit den angestrebten Zielen der US-amerikanischen Kubapolitik und dem Aufgabenbereich der Organisationen stehen. a. b. c.
Rückkehrbereitschaft im Falle einer politischen Demokratisierung Rückkehrbereitschaft im Falle einer grundlegenden wirtschaftlichen Öffnung Zeitliche Prognose zu den politischen Veränderungen auf Kuba
IV.4 Kongruenz der Position der aktiven Organisationen mit den US-politischen Maßnahmen zu Kuba
209
IV.4.7.1 Rückkehrbereitschaft im Falle einer politischen Demokratisierung Die Disposition zu einer Rückkehr nach Kuba ist unter den Aktivisten eher zurückhaltend, auch wenn bei der Umfrage von einem Szenarium politischer Veränderungen durch eine demokratische Teilnahme mehrerer Parteien und die Einsetzung einer gewählten Regierung ausgegangen wurde. 23% verneinen diese Möglichkeit entschieden, verglichen mit 15%, die von ihrer Rückkehr überzeugt sind. 30% tendieren selbst nach einer politischen Umstrukturierung zu keiner Rückkehr, 32% können sich dies vorstellen. Das Gesamtbild zeigt, dass es 53% für unwahrscheinlich halten oder definitiv ablehnen, nach Kuba zurückzukehren. 47% der Aktivisten können diese Option hingegen nicht ausschließen. 55% der Aktivisten, die definitiv eine Rückkehr ablehnen, sind vor 1991 immigriert. 55,2% der Probanden, die sich dies vorstellen können, wanderten nach 1990 ein. Die Cubano-Americanos in Florida schließen tendenziell eine Rückkehr zur Insel aus. Über 54% betrachten dies in dieser Region als unwahrscheinlich und nur 15,6% als wahrscheinlich. Tabelle IV-31:
zu Frage 31 – Would you return to Cuba permanently if free elections brought about a change in government?
Perspektiven nach einem politischen und wirtschaftlichen Wechsel Would you return to Cuba permanently if free elections brought about a change in government?
Definitely not
Probably not
Probably yes
Definitely yes
Probanden
23%
30%
32%
15%
N: 524
IV.4.7.2 Rückkehrbereitschaft im Falle einer grundlegenden wirtschaftlichen Öffnung Die Rückkehrbereitschaft der Aktivisten in den Organisationen nach einer wirtschaftlichen Öffnung Kubas zeichnet ein ähnliches Bild ab wie das ihrer Disposition zu politischen Veränderungen. 22% von ihnen verneinen bei dieser Frage definitiv ihre Rückkehr, 15% halten diese für sehr wahrscheinlich. 28% schließen diese Option eher aus, in Kontraposition zu 36%, die möglicherweise zurückkehren würden. Die allgemeine Bereitschaft zu einer Rückkehr oder deren Ablehnung ist mit 50% gleichmäßig verteilt. Von Interesse sind hierbei die verschiedenen Positionen je nach Immigrationszeitpunkt. Von den Befragten, die auf alle Fälle in den USA bleiben wollen, sind 55,7% vor 1991 in die USA eingewandert. 55,6% der Cubano-Americanos, die zu einer Rückkehr tendieren, sind nach 1990 eingewandert oder wurden in den USA geboren. Es zeigt sich, dass über 55% der Aktivisten, die im Falle grundlegender wirtschaftlicher Veränderungen definitiv nach Kuba zurückkehren würden, die kubanische Staatsbürgerschaft besitzen.
210 Tabelle IV-32:
IV Außenpolitische Mess- und Prüfinstrumente
zu Frage 32 – If Cuba experienced a fundamental economic recovery, how likely are you to return to Cuba permanently?
Perspektiven nach einem politischen und wirtschaftlichen Wechsel If Cuba experienced a fundamental economic recovery, how likely are you to return to Cuba permanently?
Definitely not
22%
Probably not
28%
Probably yes
35%
Definitely yes
15%
Probanden
N: 521
IV.4.7.3 Zeitliche Prognose zu den politischen Veränderungen auf Kuba Die Einschätzung unter den Befragten bezüglich einer baldigen politischen Transformation auf der Insel ist gespalten. Nur 9% glauben, dass eine grundlegende politische Veränderung innerhalb von zwölf Monaten zu erwarten ist. Die Mehrheit ist der Überzeugung, dass dies innerhalb einer Zeitspanne von einem bis fünf Jahren geschehen wird und 25% vermuten in fünf bis zehn Jahren Veränderungen. 15% sind der Meinung, dass sich auf Kuba nie etwas ändern wird. 56% der Probanden, die keine Änderungen erwarten, sind nach 1990 in die USA eingewandert oder dort geboren. 51% der Aktivisten, die eher innerhalb eines Jahres einen politischen Wandel erwarten, sind vor 1991 in die USA eingewandert. Tabelle IV-33:
zu Frage 33 – When do you think major political changes are likely to occur in Cuba?
Perspektiven nach einem politischen und wirtschaftlichen Wechsel When do you think major political changes are likely to occur in Cuba?
In 1 to 12 months
In 1 to 5 years
In 5 to 10 years
Never
Probanden
9%
51%
25%
15%
N: 524
V Kongruenzkriterien und Ergebnisse
Die Aktivisten der Organisationen werden den drei Einwanderungsperioden vor 1959 bis 1969 (Gruppe A), 1979 bis 1990 (Gruppe B) und 1991 bis 2007 (Gruppe C) zugeordnet. Gruppe D bilden die Organisationsmitglieder, die in den USA geboren worden sind. Die Ergebnisse zeigen, dass es keine homogene Gemeinschaft von Cubano-Americanos gibt, da sich die Aktivisten in ihrer Position zu Kuba differenzieren (siehe Tabelle IV-34). 1.
2.
3.
4.
5.
6.
7. 8.
9.
Die unterschiedlichen Haltungen der Aktivisten können in Korrelation zu den drei Einwanderungsperioden gesehen werden. Hauptsächlich unterscheiden sich die Gruppen A und B von C und D. Die Informationsgewinnung in spanischer Sprache ist für die Aktivisten der Gruppen C und D bedeutender als für A und B. Die vor 1991 eingewanderten Gruppen bevorzugen somit eher die englischen als die spanischen Medien. Die Einflussnahme von Radio und Fernsehen Martí auf die kubanische Gesellschaft wird von den Aktivisten der verschiedenen Einwanderungsperioden hoch bewertet. Diese Position steht in Kongruenz mit der Richtlinie der US-Regierung. Im Gegensatz dazu wird mehrheitlich die Meinung vertreten, dass der Nachrichtensender CNN keine Relevanz für Kuba hat. In allen Gruppen herrscht die Überzeugung vor, dass die Hauptursache für die Probleme Kubas nicht das Embargo, sondern das politische und wirtschaftliche System des Inselstaates ist. Sie stimmen darin mit der Position der USA überein. Zu dem US-amerikanischen Handelsverbot mit kubanischen Firmen nehmen die Aktivisten unterschiedliche Haltungen ein. Die Gruppen A und B stimmen mit der Regierungshaltung überein, die Gruppen C und D widersprechen ihr. Die Meinung der in den USA geborenen Aktivisten korreliert häufig mit den Positionen der nach 1990 eingewanderten Gruppen. Der US-amerikanischen Position zur Rückgabe von beschlagnahmtem Eigentum stimmt die Mehrheit der Aktivsten außer der Gruppe, die nach 1990 in die USA immigriert ist, zu. Gegen die Einschränkung des kulturellen Austausches sind alle Gruppen. Sie stehen damit in Kontraposition zu dieser US-amerikanischen Maßnahme. Die Gruppen A und B stimmen mit der US-amerikanischen Maßnahme überein, dass der Reiseverkehr zwischen den USA und Kuba unterbunden werden soll, ebenso die Geldtransaktionen nach Kuba. Darüber hinaus sind diese beiden Gruppen der Überzeugung, dass der CLDSA Auswirkungen auf Kuba hat; deshalb soll das Embargo fortbestehen. Die nach 1990 immigrierten Aktivisten und die in den USA geborenen teilen jedoch diese Ansicht nicht. Für die cubano-amerikanischen Aktivisten aller Einwanderungsperioden ist der Kongress und nicht der Präsident Hauptakteur bei der Beendigung des Embargos.
212
V Kongruenzkriterien und Ergebnisse
Tabelle IV-34:
Kongruenztabelle
Grundzüge der US-Kubapolitik und Themenbereiche der Befragung 3: ja (Kongruenz vorhanden) ²: nein (keine Kongruenz vorhanden) Massenmedien - Informationsgewinnung auf Spanisch - Unterstützung von Radio und Fernsehen Martí - Auswirkungen von CNN Embargopolitik - Kubas politisches System als Ursache der gegenwärtigen Situation - Handelsverbot mit Kuba - Rückgabe von beschlagnahmtem Eigentum - Verbot von kulturellem Austausch - Verbot des Reiseverkehrs - Verbot von Geldtransaktionen nach Kuba - Auswirkungen des CLDSA auf Veränderungen in Kuba - Allgemeine Auswirkungen des Embargos auf Veränderungen in Kuba - Weiterbestehen des Embargos - Der Kongress als Hauptakteur zur Beendigung des Embargos Internationale Beteiligung - Befürwortung einer militärischen Intervention der USA - Befürwortung einer militärischen Intervention des Exils - Unterstützung der NGOs - Befürwortung einer Beteiligung der USA an politischen Aktionen - Befürwortung einer Beteiligung der Europäischen Union - Bildung einer neuen Regierung auf Kuba durch das Exil - Dialog mit Kuba etablieren - Ende des Embargos als Priorität Wahleinfluss und Partei - Affinität zu den Republikanern - Einfluss der US-Kubapolitik auf die Wahlentscheidung Perspektiven nach Veränderungen - Rückkehr nach Demokratisierung - Rückkehr nach wirtschaftlicher Öffnung - Prognose über Transformation Kubas in 1 bis 5 Jahren
Kongruenz bzw. Inkongruenz in der Haltung der Aktivisten nach Einwanderungsperiode Gruppe B Gruppe C Gruppe D Gruppe A (1970-1990) (1991-2007) (in den USA (vor 1959geboren) 1969) ² 3
²
² 3
3
3
3 3
3 3
²
3 3 3 3 3 3
3 3
²
3 3
3 ²
3
3 3 3 3 3 3
3
²
3 ² ² ²
²
3
² ² ² ² ²
3
3
² ² ² ² ² ² ²
²
²
²
²
²
²
²
²
3
3 3
3
3
3
²
3 3
²
²
3
²
²
3
3
3
²
²
3
3
3
3
3
3
3
3
² ²
3
²
²
²
² ²
3 3 3
²
²
3 3 3
V Kongruenzkriterien und Ergebnisse
213
10. Eine militärische Intervention auf Kuba durch die USA oder organisierte Exilgruppen wird von der Mehrheit der Aktivisten aller Gruppen abgelehnt, ebenso die Übernahme einer künftigen Regierung durch einen Exilkubaner. 11. Mit den US-amerikanischen Bemühungen im kubanischen Transformationsprozess, eine internationale Beteiligung durch andere Staaten zu erreichen, koinzidieren die meisten Aktivisten aller Gruppen. Darüber hinaus wird auch die Unterstützung der Nicht-Regierungs-Organisationen einheitlich befürwortet. Ein Unterschied ist jedoch in ihrer Position zur Beteiligung der USA an politischen Aktionen innerhalb eines kubanischen Übergangs zu konstatieren. Hinsichtlich dieser Frage ist nur bei den Gruppen A und B eine Kongruenz festzustellen. Die Aktivisten der Gruppen C und D stimmen mit dieser Position nicht überein. 12. Bei der Frage nach der politischen Affinität zu einer Partei stimmt die Mehrheit der Aktivisten eindeutig darin überein, der republikanischen Partei nahezustehen. Die Haltung der Befragten unterscheidet sich jedoch bei der Bewertung des Einflusses der USamerikanischen Kubapolitik auf das eigene Wahlverhalten. Für die Mehrheit der Aktivisten der Gruppen A und B wirkt sich die US-amerikanische Position auf die Wahlentscheidung aus, für die Gruppen C und D hingegen spielt diese keine entscheidende Rolle. Es besteht auch keine Kongruenz zwischen der US-amerikanischen Haltung, das Embargo als wichtigstes Druckinstrument zu behalten, und der Haltung der Aktivisten der Gruppen C und D, die der Beendigung der Handelsbeschränkung und der Etablierung eines nationalen Dialogs Priorität geben. Im Gegensatz dazu stehen die Aktivisten der Gruppen A und B in den Fragen des Embargos und der Ablehnung eines Dialogs mit der US-Regierung auf einer Ebene. 13. Hinsichtlich einer Rückkehr nach Kuba sind die cubano-amerikanischen Aktivisten geteilter Meinung. Die Wahrscheinlichkeit, nach einer wirtschaftlichen und politischen Veränderung nach Kuba zurückzukehren, ist unter den Aktivisten der vor 1991 eingewanderten Gruppen (A, B) gering, innerhalb der Gruppen C und D ist jedoch eine starke Tendenz zu dieser Option zu beobachten. Die Aktivisten aller Gruppen sind der Überzeugung, dass es zu diesen Veränderungen erst in ein bis fünf Jahren kommen wird. Schlussfolgerung und Diskussion Bei der historischen Betrachtung der bilateralen Beziehungen zwischen den USA und Kuba wird in dieser Studie eine anhaltende Spannung aufgezeigt, die von politischen Höhen und Tiefen geprägt ist. Durch das schon über Jahrzehnte hinweg geäußerte Interesse der Vereinigten Staaten an Kuba wird auch gegenwärtig in der politischen Konzeption ein natürlicher Einflussanspruch auf die Entwicklung des Inselstaates, begünstigt durch die geographische Lage, abgeleitet. Die Ausübung dieses Einflusses wird in dem Aktions-Reaktions-Muster reflektiert, in dem die US-amerikanischen Druckmaßnahmen gegen Kuba und die Resistenz gegen diese Aktionen von Seiten der Regierung in Havanna zum Ausdruck kommen. In dieses Modell war Kuba während des Ost-West-Konflikts involviert, nach dem qualitativen weltpolitischen Wechsel veränderte sich dieses jedoch grundlegend. Die unmittelbare Sicherheitsfrage in der US-politischen Wahrnehmung, die mit der kubanisch-sowjetischen Verflechtung begründet wurde, war nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion nicht mehr zu legitimieren. Infolge der veränderten internationalen Konstellation musste die USamerikanische Außenpolitik neu formuliert und strukturiert werden. Die Grundzüge dieser
214
V Kongruenzkriterien und Ergebnisse
Politik richteten sich Anfang der 1990er Jahre hauptsächlich auf die Ausbreitung der Demokratie, der Menschenrechte und der wirtschaftlichen Liberalisierung. Nach dem Anschlag vom 11. September 2001 wurden die außenpolitischen Leitlinien erweitert, indem dem internationalen Kampf gegen den Terrorismus eine größere Bedeutung beigemessen wurde. Innerhalb dieser Leitparameter begründen die USA ihr internationales Agieren. Um dieses Handeln zuordnen und interpretieren zu können, wurde in Kapitel I dieser Studie ein Überblick über die konditionierten Rahmenbedingungen in Hinblick auf die internationalen Beziehungen gegeben. Dabei wurde der analytische Schwerpunkt auf die handelnden, nichtstaatlichen Akteure in der internationalen Politik gelegt. Die empirische Komponente der Untersuchung reflektiert die Einstellungskongruenzen zwischen den US-politischen Entwürfen und der Haltung von politisch relevanten Akteuren. Dafür wurden die Interessengruppen und ihre Ressourcen im Entscheidungsprozess auf der Basis historischer Vorgänge systematisch identifiziert und untersucht. Der erweiterte Einflussbereich dieser Gruppen steht in Konkordanz zu der Aufmerksamkeit der US-amerikanischen Forschung auf den Beziehungskomplex ihrer Interessenkonstellation, ihrer Organisationsformen, ihrer Kooperationspartner und deren Aktionsmodus innerhalb des politischen Systems, insbesondere der legislativen und exekutiven Organismen.592 Nach der Prüfung der interagierenden politischen Akteure auf verschiedenen Ebenen im Präferenzbildungsprozess lässt sich für diese Untersuchung die Kernthese aufstellen, dass die Disposition zur politischen Partizipation nicht notgedrungen zu einem Einfluss führt, sondern dass dieser im US-amerikanischen System an einige Merkmale wie die außenpolitischen Verhältnisse, die ethnische Komposition der agierenden Akteure sowie ihr Integrationsniveau in die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen geknüpft ist. Diese Einflussmerkmale werden durch die relative Gleichgültigkeit der breiten Bevölkerungsschicht bezüglich der Lateinamerikapolitik der Vereinigten Staaten begünstigt. Die Partizipation der nichtstaatlichen Akteure im Präferenzbildungsprozess wurde in dieser Studie unter Berücksichtigung der regulären Organismen der Regierung wie des Präsidenten, des Kongresses und der Bürokratie bei der außenpolitischen Entscheidungsfindung geprüft und analysiert. Es hat sich gezeigt, dass die Eingrenzung und der komplexe strukturelle Ausgleich der Machtverhältnisse zwischen den staatlichen Organismen zu einer Verlangsamung des politischen Entwurfsprozesses führen. Diese Bedingungen stärkten die Möglichkeiten der Interessengruppen zur Mitgestaltung der außenpolitischen Konzeption und schwächten gleichzeitig die Macht der in den Regierungsprozess traditionell involvierten Eliten. Das bedeutet beispielsweise, dass dort, wo in der Partei zur politischen Disziplinlosigkeit geneigt wird, sich der Weg für eine Politik der Interessengruppen öffnet.593 Die Auswirkungsintensität und Durchsetzungskraft dieser Gruppen bei außenpolitischen Angelegenheiten sollte meines Erachtens trotz ihrer Relevanz nicht überbewertet werden. Der Einflussbereich, die Komposition und politische Gesinnung der Gruppe spielen eine zentrale Rolle. Die Studie bringt zum Ausdruck, dass die Interessengruppen im amerikanischen System, verglichen mit dem Entwurf der internen Politik, nicht immer ein entscheidendes Element für die Konzipierung der Außenpolitik gewesen waren. In der gegenwärtigen Forschung wird diesem Bereich jedoch mehr Gewicht beigemessen, indem die Rolle der ethnisch organisierten Gruppierungen hinsichtlich der Politikgestaltung gegenüber ihren Ursprungsländern in den Analysen impliziert wird. Diese innenpolitische
592 Vgl. Elliott 1952: S. 242. 593 Siehe dazu AMBROSIO 2002: S. 9.
V Kongruenzkriterien und Ergebnisse
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Fokussierung des außenpolitischen Entwurfes wurde in der amerikanischen Politologie nicht immer entsprechend wahrgenommen.594 Der gewonnene Einfluss der Gruppen wurde hier im Rahmen der Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Kuba berücksichtigt. Die Unterschiede dieser beiden involvierten Gesellschaften lassen sich hierbei als antagonistisch charakterisieren. Auf der einen Seite handelt es sich um eine Gesellschaft, in der die Interessengruppen als Folge des Pluralismus innerhalb des Systems und als bestehende Grundlage für das Funktionieren des Staates betrachtet werden können. Dieses System kontrastiert auf der anderen Seite mit dem sozialistischen Programm, das die Zentralisierung der Ideologie für sich beansprucht und diese durch die Instrumente der Regierung lenkt, ohne die gesellschaftliche und politische Vielfalt zuzulassen. Im Gegensatz dazu verfügt das gesellschaftliche Bild der großen Demokratien über eine größere Anzahl an Interessengruppen als politische Parteien. Es ist anzunehmen, dass sich in den USA in Relation zu der Bevölkerungszahl die meisten Interessengruppen gebildet haben, obwohl das Land nur von zwei großen politischen Parteien gelenkt wird. Die Quantität an Interessengruppen in einer Gesellschaft hängt von der Vielfalt der Neigungen der Bevölkerung und deren Interesse an der Mitgestaltung der Regierungsangelegenheiten ab. Diese Faktoren werden wiederum durch die Intensität und Qualität der Versammlungsfreiheit in dem jeweiligen gesellschaftlichen System bedingt. Gruppen, deren Aktionsradius die Außenpolitik ist, variieren in den USA von Fall zu Fall.595 Wie die tatsächliche Effektivität der politischen Interessengruppen in Bezug auf die Beeinflussung bei der Entscheidungsfindung ist, hängt von den Zielen, die die Gruppe verfolgt, ab. Je weniger Konkurrenz bei der Dominanz eines bestimmten oder situationsbedingten Interesses vorhanden ist, desto größer sind die Chancen der Gruppe, vorteilhafte Ergebnisse und Entscheidungen zu erreichen – vorausgesetzt, sie besitzt die nötigen Ressourcen.596 In dieser Arbeit wurde aufgezeigt, dass Gruppierungen wie die cubano-amerikanischen, die geographisch in einem bestimmten Gebiet lokalisiert sind und bei der Gestaltung innenpolitischer Programme entsprechend mehr Einfluss auf regionaler als auf nationaler Ebene haben, in der außenpolitischen Konzipierung eine Schlüsselrolle gewinnen können. Sie konzentrieren sich auf lokaler Ebene, sind organisiert, verfügen über die nötigen Ressourcen, sind in das politische System integriert und teilen eine gemeinsame, wenn auch nicht homogene Haltung bezüglich der Absetzung der Regierung in Havanna. Die Cubano-Americanos dominieren die außenpolitische Konzeptualisierung der US-amerikanischen Kubapolitik und stoßen derzeitig auf keine bedeutenden konkurrierenden Gruppierungen, die ihnen diese Führungsrolle ernsthaft streitig machen würden. Auf lokaler Ebene befassen sich die kubanischen Interessengruppen zwar mit innenpolitischen Aspekten, vernachlässigen es jedoch nicht, die außenpolitische Position und Konzeption der US-Kubapolitik zu verfolgen.597 Die Positionen und die politischen Zielsetzungen der Cubano-Americanos korrelieren mit denen der amerikanischen Außenpolitik und sind im Laufe des letzten halben Jahrhun594 Der Einfluss der ethnischen Gruppierungen auf die außenpolitische Gestaltung wurde in der Forschung lange unterschätzt. Dies spiegelt das „poor general understanding“ der internen Aspekte der US-amerikanischen Außenpolitik von Seiten der amerikanischen Gesellschaft wider; vgl. dazu SMITH 2000: S. 1 595 Vgl. LAGON (2006). 596 Bei der Bezeichnung von „speziellen, situationsbedingten Interessengruppen“ lehne ich mich an die Definition von Walker und Ippolito an. Sie ordnen diese Gruppen als Teil einer partikulären Ethnie, Rasse oder Nationalität ein; siehe dazu IPPOLITO/WALKER 1980: S. 297f. 597 Andere einflussreiche ethnische Gruppierungen in den Vereinigten Staaten verfahren in ähnlicher Weise wie die Cubano-Americanos; vgl. dazu LINDSAY 2004.
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derts durch mehrere US-Administrationen unterstützt worden – ungeachtet der Tatsache, dass die Interessengruppen auch ein negatives Element für die Gestaltung der Außenpolitik sein können.598 Es wurde herausgestellt, dass der Einfluss der Interessengruppen auf die Konzipierung der Kubapolitik für den US-amerikanischen Staat nicht immer Vorteile mit sich bringt, auch wenn für die Regierung und bestimmte Gruppierungen wie beispielsweise aus dem ökonomischen Sektor, aber auch für die Mehrheit der Kubaner in den USA eine Politik des Dialogs mehr Nutzen bringen würde. Die Cubano-Americanos haben gelernt, sich nach den Regeln der US-amerikanischen Politik zu richten. Es ist ihnen bewusst, dass sie die Kubapolitik effektiver beeinflussen können, wenn sie gegen entscheidende innenpolitische Fragen nicht opponieren.599 Dies hat zur Folge, dass die partikulären oder von einer Minderheit vertretenen Interessen gegenüber denen der Allgemeinheit an Gewicht gewinnen und sich durchsetzen. Im politischen Entwurf gegenüber Kuba lässt sich die US-Regierung in der Regel wie bei den Agenden zu anderen Ländern von Experten beraten. Dies ist zwar auch bei der Innenpolitik der Fall, bei der Außenpolitik rekurriert die Regierung aber auf die Berichte, Prognosen und Analysen der ethnischen Gruppen, die aus dem betreffenden Land kommen. Dabei spielen gerade jene Gruppen eine bedeutende Rolle, die diese Thematik besonders stark dominieren und eine ausgeprägte öffentliche Präsenz zeigen. Die breite Masse der US-Bürger beteiligt sich nicht an den Prozessen zur Beeinflussung spezifischer Themen der Außenpolitik, wenn ihnen über die politischen Hintergründe keine Informationen vorliegen. Sie opponieren somit nicht gegen etwas, das sie nicht kennen.600 Wie diese Untersuchung zeigt, stehen seit der politischen Wende in Europa auf Grund der zunehmenden Zusammenarbeit die Aktivitäten oppositioneller cubano-amerikanischer Interessengruppen mit denen der intern auf Kuba agierenden Oppositionsgruppen in einer direkten und engen Verbindungslinie. Dadurch wird den Interessen einer ethnischen Gruppe in den USA ein transnationaler Charakter verliehen. Die Medien und die internationale Öffentlichkeit werden von beiden Seiten, extern wie intern, als politisches Instrument eingesetzt, um eine innere Transformation auf der Insel zu beschleunigen und der Auseinandersetzung eine internationale Dimension zu geben. Diese Verbindung führt nicht notgedrungen zu einer Stärkung der oppositionellen Aktivitäten innerhalb der Insel. Die Auswirkungen dieser Zusammenarbeit lassen eher auf eine Schwächung als auf eine Stärkung der Unabhängigkeit in der Aktivität der Gruppierungen schließen. Durch die Unterstützungsfunktion der CubanoAmericanos und deren Engagement für die Zukunft der Insel lassen sich diese Akteure hier als Teil einer Zivilgesellschaft in Abwesenheit erfassen. Trotzdem lässt sich bezüglich der endgültigen Versöhnung zwischen den Exilkubanern und den Inselbewohnern im Laufe der historischen kubanischen Nationsbildung nicht formulieren, dass solch ein geschichtlicher Vorgang nur mit einem Systemwechsel auf der Insel erreicht werden könnte. Meines Erachtens hängt dies damit zusammen, dass ein bedeutender Teil der schon seit den 1960er Jahren emigrierten Kubaner und die daraus hervorkommende Generation heute meist USamerikanische Bürger sind und nach der hier ausgewerteten statistischen Umfrage auch nach einem Machtwechsel auf der Insel kein Interesse daran hätten, nach Kuba zurückzukehren. Darüber hinaus ist die zweite Generation kubanischer Abstammung in den USA noch nie auf 598 Henry Kissinger, ein Kenner der praktischen US-amerikanischen Außenpolitik, konstatiert, dass die nationale Politik der Vereinigten Staaten von Amerika in den Händen von verschiedenen Interessengruppen liegt, die fähig sind, Gesetzesbeschlüsse gemäß ihren eigenen Interessen zu beeinflussen. Diese politischen Entwürfe sind laut dem ehemaligen US-Außenminister nicht immer adäquat; siehe dazu KISSINGER 2000: S. 3f. 599 Vgl. SINGH 2003: S. 281. 600 Vgl. LINDSAY 2003: S. 49f.
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Kuba gewesen. Dies gilt jedoch nicht für die nach 1990 emigrierten Kubaner, die innerhalb der Revolution aufgewachsen sind und eine andere Beziehung zu ihren Familien auf der Insel haben als die ersten Immigranten. Sie wären nach einer Veränderung der Verhältnisse eher zu einer Rückkehr nach Kuba bereit. Dies bedeutet aber auch, dass der Wunsch und das Interesse dieser Gruppen, sich künftig in der eigenen Gesellschaft zu engagieren, sie dazu bewegt, andere Handlungsmechanismen als die Gewaltanwendung zu suchen, um friedliche Veränderungen innerhalb Kubas in Gang zu setzen. Perspektive und Diskussion Nach den Ausführungen in dieser Studie kann die Frage aufgeworfen werden, weshalb in der kubanischen Gesellschaft ein halbes Jahrhundert nach den revolutionären Umwälzungen und beinahe zwei Jahrzehnte nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Systems in Osteuropa noch kein Aufstand ausgebrochen ist, obwohl die kritischen Stimmen innerhalb der kubanischen Gesellschaft gegen das vorherrschende Regierungssystem gewachsen sind. Auf der einen Seite wird argumentiert, dass die Repressionsinstrumente der kubanischen Regierung die Beibehaltung der jetzigen Verhältnisse bestärken, auf der anderen Seite geht man davon aus, dass die kollektive Bewusstwerdung der kubanischen Bevölkerung, sich auf einem Kontinent zu befinden, in dem keine plausiblen und überzeugenden Antworten mit sozial gerechten politischen Inhalten auf die Herausforderungen der lateinamerikanischen Gesellschaften postuliert werden, zu der Überzeugung führt, dass die eigenen erreichten Standards im Bildungs- und Gesundheitswesen durch die Verteidigung der Autonomie und Souveränität gesichert werden müssen. Eine Auflehnung politisch ausgeschlossener Sektoren der kubanischen Gesellschaft würde bedeuten, dass man diese als eine politische Stimme, die die gegebenen Bedingungen der Mehrheit zu optimieren sucht, interpretieren müsste. Dieser analytische Fokus, der durchaus in der vorrevolutionären Etappe eingenommen worden war, ließe sich auf die gegenwärtige Realität Kubas transferieren und dadurch könnte angenommen werden, dass die Gesellschaft keinen kritischen Zustand erreicht hat, der dazu geführt hat, eine radikale Transformation durch das Volk zu erzwingen. Auch externe Faktoren wie der anhaltende politische und wirtschaftliche Druck der USA konnten den Wechsel nicht herbeiführen, obwohl die sozialstrukturellen Bedingungen auf der Insel oft einen Aufstand begünstigt hätten. Die interne gesellschaftliche Spannung wuchs Anfang der 1990er Jahre und ist auch heute noch durch die wirtschaftlichen Engpässe Kubas begrenzt existent. Dies begründet die Haltung der führenden cubano-amerikanischen Gruppen in Miami, die sich bis heute auf eine baldige Änderung innerhalb Kubas vorbereiten. In der Arbeit wurden einige dieser Argumente aufgegriffen und diskutiert. Die Untersuchung zeigt unterschiedliche Perspektiven für die künftige Entwicklung der bilateralen Beziehung auf und stellt vor allem die CubanoAmericanos als relevante politische Akteure für die Interpretation und das Verständnis der aktuellen kubanischen Gesellschaft und die potentielle Auswirkung auf die Gestaltung ihrer Zukunft dar. In der Studie wurde erläutert, dass bei der Strategie der US-amerikanischen Kubapolitik der Schwerpunkt nicht auf den Prozess der strukturellen Bildung staatlicher Interessen gelegt wird, sondern auf die organisatorische und systematische Einflusskraft nichtstaatlicher Akteure innerhalb des Präferenzbildungsprozesses im politischen System. Ausgehend vom historischen Kontext und der kubanischen Perspektive wird deshalb die Beteiligung der CubanoAmericanos an dem Aufbau eines Kubas der Zukunft schwer zu verhindern sein.
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Tabellenverzeichnis
Tabelle III-1: Tabelle III-2: Tabelle III-3: Tabelle III-4: Tabelle III-5: Tabelle IV-1: Tabelle IV-2: Tabelle IV-3: Tabelle IV-4: Tabelle IV-5: Tabelle IV-6: Tabelle IV-7: Tabelle IV-8: Tabelle IV-9: Tabelle IV-10: Tabelle IV-11: Tabelle IV-12: Tabelle IV-13: Tabelle IV-14: Tabelle IV-15: Tabelle IV-16: Tabelle IV-17: Tabelle IV-18: Tabelle IV-19:
Frage 24 – What is your position on the prohibition and limitation of money wires to Cuba? .......................................................................121 Cubano-Americanos im Repräsentantenhaus des Bundesstaates Florida seit 2000 ....................................................................................128 Kontributionen der Cuba-PACs von 1999 bis 2008...............................130 Gesamtbeiträge der PACs für Cubano-Americanos im Kongress von 1999 bis 2008 ..................................................................................131 Parteiaffinität der Cubano-Americanos im US-Kongress ......................139 zu Frage 1 – Citizenship Status..............................................................190 zu Frage 2 – Age ....................................................................................190 zu Frage 3 – Gender ...............................................................................191 zu Frage 4 – When did you leave Cuba?................................................191 zu Frage 5 – What is your annual gross income?...................................192 zu Frage 6 – What is your highest level of education?...........................193 zu Frage 7 – Do you prefer english or spanish news media? .................193 zu Frage 8 – How would you rate the effect and importance of TV and Radio Martí? .............................................................................194 zu Frage 9 – How would you rate the effect and importance of CNN in Cuba?........................................................................................194 zu Frage 10 – In your opinion, what is the primary reason for the present economic situation of Cuba?................................................195 zu Frage 11 – What is your position on the US government’s policy preventing US companies from doing business in Cuba? ......................196 zu Frage 12 – What do you think about the possibility of the Cuban government returning property confiscated after 1959? ........................196 zu Frage 13 – What is your position on the prohibition and limitation of cultural relations between Cuba and the US? ....................197 zu Frage 14 – What is your position on limiting travel between Cuba and the US?...................................................................................198 zu Frage 15 – What is your position on the prohibition and limitation of money wires to Cuba? .......................................................................198 zu Frage 16 - What are the effects of the Helms-Burton law on change in Cuba? .....................................................................................199 zu Frage 17 – Overall, what effect do you think the US embargo has had on change in Cuba? ...................................................................199 zu Frage 18 – Are you in favor of or opposed to continuing the US embargo on Cuba? .................................................................................200 zu Frage 19 – Who do you think should end the economic embargo?...200
246 Tabelle IV-20: Tabelle IV-21: Tabelle IV-22: Tabelle IV-23: Tabelle IV-24: Tabelle IV-25: Tabelle IV-26: Tabelle IV-27: Tabelle IV-28: Tabelle IV-29: Tabelle IV-30: Tabelle IV-31: Tabelle IV-32: Tabelle IV-33: Tabelle IV-34:
Tabellenverzeichnis
zu Frage 20 – What is your position on a US military intervention in Cuba? .....................................................................................................201 zu Frage 21 – What do you think about a military intervention by Cuban exiles? .........................................................................................202 zu Frage 22 – What is your opinion on the US supporting nongovernmental organizations and human rights groups in Cuba?............203 zu Frage 23 – Should the US be involved in political changes in Cuba? .................................................................................................203 zu Frage 24 – What is your opinion on the nomination of a USCoordinator for speeding up a transition in Cuba?.................................204 zu Frage 25 - Should third parties such as the European Union be involved in political changes in Cuba? ..................................................204 zu Frage 26 – Who should assume presidency if political changes and democratic elections were to occur in Cuba? ..................................205 zu Frage 27 – If you were to define your or your organization’s position on Cuba, which option would you choose?..............................206 zu Frage 28 – What do you think is most important for Cuba? .............207 zu Frage 29 – Are you registered to vote, and if so, with which party below are you affiliated?........................................................................208 zu Frage 30 – How important is the influence of the US position on Cuba to your vote in an election?...........................................................208 zu Frage 31 – Would you return to Cuba permanently if free elections brought about a change in government? .................................209 zu Frage 32 – If Cuba experienced a fundamental economic recovery, how likely are you to return to Cuba permanently? ...............210 zu Frage 33 – When do you think major political changes are likely to occur in Cuba? ...................................................................................210 Kongruenztabelle ...................................................................................212
Grafik- und Abbildungsverzeichnis
Grafik III-1: Grafik III-2: Grafik III-3: Grafik III-4: Grafik III-5: Grafik III-6: Grafik III-7: Grafik III-8: Grafik III-9: Grafik III-10: Grafik III-11: Grafik III-12: Grafik III-13: Grafik III-14:
Abbildung I-1: Abbildung I-2: Abbildung I-3: Abbildung I- 4: Abbildung III-1: Abbildung III-2: Abbildung III-3:
Emigrationsphasen der Aktivisten in den Organisationen .....................108 Einkommen und Einwanderungsjahr .....................................................111 Positionen der Aktivisten zur militärischen Intervention des Exils .......117 Organisationen und ihre Einstellung ......................................................119 Die Dialogbereitschaft der politisch aktiven Cubano-Americanos aus den verschiedenen Einwanderungswellen .......................................120 Cubano-Americanos im US-Kongress ...................................................125 Partizipationszuwachs von Cubano-Americanos im Repräsentantenhaus in Florida ...............................................................128 Gesamtbeiträge der PACs für cubano-amerikanische Senatoren von 1999 bis 2008 ..................................................................................132 Spenden der PACs für Cubano-Americanos im Repräsentantenhaus des US-Kongresses von 1999 bis 2008 ..................................................133 Parteiaffinität der politisch aktiven Cubano-Americanos ......................140 Verteilung der im Ausland geborenen Repräsentanten im US-Kongress ..........................................................................................143 Aktionsintensität – Cubano-Americanos im Kongress ..........................155 USAID – Finanzierung von Organisationen mit Projekten auf Kuba 1996 bis 2006 ...............................................................................173 NED – Finanzierung von Organisationen mit Projekten auf Kuba ........174
Theoretische Darstellung: Interessengruppen bei der Konzipierung der US-Kuba-Außenpolitik ......................................................................17 Aktions- und Reaktionsmuster.................................................................32 Die kubanischen Oppositionsgruppen......................................................34 Cluster-Stichprobe ...................................................................................38 Cubano-Americanos im legislativen Prozess .........................................144 Die Interaktionsdynamik innerhalb des Entscheidungsprozesses ..........156 Der bürokratische Apparat und seine Interaktion zur Ausführung der US-Kubapolitik (Quelle: Eigene Darstellung) .................................172
Anhang
Anhang 1: Landkarte Kubas
Anhang 2 Fragebogen Allgemeine Daten 1.
Citizenship Status Cuban
2.
Age?
3.
Gender
Born in the USA
Male
Citizen by naturalization
Other nationality
Female
Demographische Daten 4.
When did you leave Cuba? Before 1959-1969
5.
1970-1990
1991-2007
Born in the US / Other Country
What is your annual gross income? Less than $20
Between $20 and $50
More than $50
250 6.
Anhang
What is your highest level of education? Elementary School
Middle School
High School
University degree
Massenmedien und deren Auswirkungen 7.
Do you prefer english or spanish news media? Spanish
8.
English
How would you rate the effect and importance of TV and Radio Martí? (1) Not at all important / No effect
9.
Another language
(2)
(3)
(4) Very important / Strong effect
How would you rate the effect and importance of CNN in Cuba? (1) Not at all important / No effect
(2)
(3)
(4) Very important / Strong effect
Embargo und dessen Auswirkungen 10. In your opinion, what is the primary reason for the present economic situation of Cuba? Effects of the US embargo
The political system in Cuba
Effects of globalization
11. What is your position on the US government´s policy preventing US companies from doing business in Cuba? Strongly opposed
Somewhat opposed
Somewhat in favor
Strongly in favor
12. What do you think about the possibility of the Cuban government returning property confiscated after 1959? Strongly opposed
Somewhat opposed
Somewhat in favor
Strongly in favor
13. What is your position on the prohibition and limitation of cultural relations between Cuba and the US? Strongly opposed
Somewhat opposed
Somewhat in favor
Strongly in favor
14. What is your position on limiting travel between Cuba and the US? Strongly opposed
Somewhat opposed
Somewhat in favor
Strongly in favor
15. What is your position on the prohibition and limitation of money wires to Cuba? Strongly opposed
Somewhat opposed
Somewhat in favor
Strongly in favor
251
Anhang
16. What are the effects of the Helms-Burton law on change in Cuba? Strong effect
Some effect
No effect
Counterproductive
17. Overall, what effect do you think the US embargo has had on change in Cuba? Strong effect
Some effect
No effect
Counterproductive
18. Are you in favor of or opposed to continuing the US embargo on Cuba? Strongly opposed
Somewhat opposed
Somewhat in favor
Strongly in favor
19. Who do you think should end the economic embargo? The President
US Congress
Internationale Beteiligung 20. What is your position on a US military intervention in Cuba? Strongly opposed
Somewhat opposed
Somewhat in favor
Strongly in favor
21. What do you think about a military intervention by Cuban exiles? Strongly opposed
Somewhat opposed
Somewhat in favor
Strongly in favor
22. What is your opinion on the US supporting non-governmental organizations and human rights groups in Cuba? Strongly opposed
Somewhat opposed
Somewhat in favor
Strongly in favor
23. Should the US be involved in political changes in Cuba? Strongly opposed
Somewhat opposed
Somewhat in favor
Strongly in favor
24. What is your opinion on the nomination of a US-Coordinator for speeding up a transition in Cuba? Strongly opposed
Somewhat opposed
Somewhat in favor
Strongly in favor
25. Should third parties such as the European Union be involved in political changes in Cuba? Strongly opposed
Somewhat opposed
Somewhat in favor
Strongly in favor
26. Who should assume presidency if political changes and democratic elections were to occur in Cuba? Someone from the exile
Someone from Cuba
252
Anhang
Wahleinflüsse und Parteizugehörigkeit 27. If you were to define your or your organization’s position on Cuba, which option would you choose?
Overthrow the Cuban government
Economical, political opening with internal transition / without dialog with Cuba
Economical, political opening with internal transition / open dialog with Cuba
Continuation of the current system
28. What do you think is most important for Cuba? Democratic elections
Open markets and liberalization
Liberalization and deregulation of the media
End of the embargo
29. Are you registered to vote, and if so, with which party below are you affiliated? Republican
Democrat
Independent
Not registered
30. How important is the influence of the US position on Cuba to your vote in an election? (1) Not at all important
(2)
(3)
(4) Very important
Perspektiven nach einem politischen und wirtschaftlichen Wechsel auf Kuba 31. Would you return to Cuba permanently if free elections brought about a change in government? Definitely not
Probably not
Probably yes
Definitely yes
32. If Cuba experienced a fundamental economic recovery, how likely are you to return to Cuba permanently? Definitely not
Probably not
Probably yes
Definitely yes
33. When do you think major political changes are likely to occur in Cuba? In 1 to 12 months
In 1 to 5 years
In 5 to 10 years
Never
Anhang 3: Medien und Organisationen Accion Democratica Cubana Agencia de Noticias Firmas Press Agencia de Prensa Civica Cubana Agencia de Prensa de la Isla de Pinos Agencia de Prensa el Mayor de Cama-
www.adcuba.org www.cubanet.org Über: www.cubanet.org / www.rsf.org Über: www.cubanet.org / www.nuevaprensa.com www.cubanet.org / www.camagueyanos.com /
253
Anhang
guey Agencia de Prensa Felix Varela Agencia de Prensa Santiago Press Agencia de Prensa Sindical Independiente Agencia de Prensa Voz de Oriente Agencia Lux Agencia Prensa Libre Avilenia Agenda Cuba Alpha 66 Americans for a Democratic Cuba Asamblea para promover la sociedad civil en Cuba Asociacion de Presos Politicos de Cuba Biblioteca Independiente Felix Varela Bibliotecarios Presos en Cuba Bibliotecas Independientes de Cuba Brigada 2506 Buro de Prensa Independiente Cubana Buro de Prensa Independiente de Cuba Canal 23 de Miami Carta de Cuba Casa Cuba Center for a Free Cuba Center for Cuban Studies Centro Cubano Centro Norte Press Centro para Una Cuba Libre Coalition of Cuban-American Women Colegio de Periodistas Independientes de Camaguey Comandos F-4 Comision Nacional Cubana Comité Cubano Pro Derechos Humanos Concilio Cubano Confederación Campesina de Cuba Consejo Cubano Consejo Militar Cubano Americano Consejo por la Libertad de Cuba Consejo Unitario de Trabajadores de cuba Cooperativa Avilenia de Periodistas Independientes Cooperativa de Periodistas Independientes Coordinadora Socialdemocrata de Cuba Cuba Democracia y Vida Cuba en el Destierro Cuba Encuentro Cuba Independiente y Democrática
www.canf.org / www.municipio-de-camaguey.com www.camagueyanos.com Über www.cubanet.org / www.rsf.org Über www.cubanet.org / www.rsf.org www.cubanet.org / www.rsf.org www.gadcuba.org / www.cubafreepress.com www.cubanet.org www.cubanet.org / www.rsf.org www.canf.org http://agendacuba.org/ www.alpha66.org www.americansforademocraticcuba.org www.asambleasociedcivilcuba.info www.cubanet.org www.bibliocuba.org www.bibliotecariospresosencuba.blogspot.com/ www.bibliocuba.org www.brigada2506.com; www.autentico.org/index13php www.bpicuba.org Über www.cubanet.org / www.rsf.org www.univision.com www.cartadecuba.org www.casacuba.org/ www.cubacenter.org/ www.cubaupdate.org www.cubacenter.org Über www.cubanet.org / www.rsf.org / www.camagueyanos.com www.cubacenter.org www.coalitionofcubanamericanwomen.blogspot.com/ Über: www.cubanet.org / www.rsf.org www.comandosf4.org www.democracia.org www.sigloxxi.org www.cnc.org http://www.cccuba.org/ www.consensocubano.org/ www.camcocuba.org www.cubanet.org www.webcutc.org Über www.cubanet.org / www.rsf.org Über www.cubanet.org / www.rsf.org www.cosodecu.org www.cubademocraciayvida.org www.cubdest.org www.cubaencuentro.com/ www.cubacid.org
254 Cuba Info Links Cuba Libre Cuba Nuestra Cuba Press Cuba Responde Cuba Sindical Cuba Study Group Cuba Verdad Cuban American Alliance Education Fund Cuban American Bar Association Cuban American Certified Public Accountants Association Cuban American Commission for Family Rights Cuban American Defense League Cuban American Military Council Cuban American National Council Cuban American Veterans Association Cuban Committee for Democracy Cuban Liberty Council Cubanalisis Cubanet De Cuba Revista De Militar a Militar Desde Cuba Diálogo Nacional Directorio Democrático Cubano Disidente El Camajan El Veraz Exilio Cubano Federación de Masones Cubanos Exiliados Federación Sindical de Plantas Eléctricas, Gas Y Agua de Cuba en el Exilio Firmas Press Foro Abierto para la Oposición Free Cuba Foundation Freedom for Dr. Biscet Freedom House en USA Fundación Americana para la Democracia Fundación Cubana de Derechos Humanos Fundación de Periodistas Independientes Fundación Hispano-Cubana Fundación Lawton Fundación Nacional Cubano Americana Fundacion Willy Chirino Grupo de Apoyo a la Disidencia Grupo de Trabajo de la Disidencia Inter-
Anhang
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na Hermanos al Rescate Hermanos al Rescate Hermanos al Rescate Iglesia Católica en Cuba Instituto Cubano de Economistas Independientes Instituto de Economistas Independientes de Cuba Instituto de Economistas Independientes Manuel Sánchez Herrero Instituto de Estudios Cubanos Instituto de la memoria Histórica contra el terrorismo Instituto Republicano Internacional Junta Patriotica Cubana La Coordinadora Obrera de Cuba La Cubanisima La Nueva Cuba La voz de Cuba Libre La voz del CID Liceo Cubano Miami Lux Info Press Mambises Mujeres ante la Represión (Mar Cuba) Marti Noticias Memorial Cubano Movimiento 24 de febrero Movimiento Cristiano de Liberación Movimiento Cubano de Jovenes por la Democracia Movimiento cubano Demócrata Cristiano Movimiento Cubano Unidad Democrática Movimiento Democracia Movimiento Democracia Noticuba Nueva Prensa Cubana Nueva Prensa Cubana Nueva Prensa Libre Nueva Republica de Cuba Independiente y Democrática Operation Pedro Pan Palestra Civica info Buro Partido Cubano Democrata Cristiano Partido de Renovacion Ortodoxa Partido Demócrata Cristiano de Cuba Partido Democratico 30 de Noviembre Partido Liberal Democratico de Cuba Partido Nacionalista democratico de Cuba Partido Popular Joven Cuba Partido por la Democracia Pedro Luis
www.hermanos.org www.bibliotecariospresosencuba.blogspot.com/ www.hermanos.org www.nacub.org www.gadcuba.org www.marthabeatrizinfo.blogspot.com www.gadcuba.org www.iecubanos.org www.cubamemorial.org www.iri.org www.habanacuba.com / www.juntapatriotica.org Über: www.cubanet.org www.univision.com www.lanuevacuba.com www.lavozdecubalibre.com www.cubapolidata.com/ach/ach_activestations.html www.piessus.com Über: www.cubanet.org / www.rsf.org www.mambises.com www.marporcuba.org www.martinoticias.com/ www.memorialcubano.org www.cubanet.org www.cubanet.org www.autonomiauniversitaria.org/ www.mclpaya.org www.cubamcud.org www.democracia.org http://democracia.ipower.com/ www.sigloxxi.org www.nuevaprensa.org www.nuevaprensa.org/ www.nuevaprensalibre.com www.cubacid.com www.pedropan.org www.infoburo.org www.pdc-cuba.org www.pcro.org www.pdc-cuba.org/ www.30november.org www.liberalescubanos.org www.pndcuba.org Über: www.cubanet.org Über: www.cubanet.org
256 Boitel Partido Pro Derechos Humanos de Cuba Partido Protagonista del Pueblo Partido Social Democrata de Cuba Partido Socialdemocrata de Cuba Partido Solidaridad Democratica Pasos a la Libertad Payo Libre Pena Cubana Plantados hasta la libertad y la Democracia Plataforma Democrática Cubana Prisioneros Políticos Cuba Proyecto Demócrata cubano Proyecto Varela Puente Informático de Cuba Puente Informativo Cuba-Miami Radio Mambi Radio Marti Radio Miami Internacional República de Cuba Revista Cuba Nuestra Revista Encuentro de la Cultura Cubana Revista Exilio Nueva Generación Revista Luz Cubana Revista Vitral Sociedad de Periodistas Manuel Marquez Sterling Solidaridad de Trabajadores Cubanos Todos Unidos Unidad cubana Union Liberal Cubana US-Cuba Democracy PAC U.S.-Cuba Trade and Economic Council Voz de América
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