Band 4
Der Flug durch die Erde Die Orathonen sind in den für die
mit seinen Getreuen zum Terra-
Erde schicksalhaften...
26 downloads
639 Views
727KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Band 4
Der Flug durch die Erde Die Orathonen sind in den für die
mit seinen Getreuen zum Terra-
Erde schicksalhaften Tagen des
Jet vorkämpft, treffen sich die
Juni 1992 einfach überall. Jetzt
Verantwortlichen der wichtigsten
haben sie den Terra-Jet entdeckt.
Staaten unserer Erde zu einer
Sofort erkennen sie die Gefahr,
Geheimkonferenz. Gelingt es jetzt
die ihnen droht. Mit aller Gewalt,
endlich, die Nationen zu einigen?
unter Einsatz der raffiniertesten
Erwächst
Kampfmittel und ohne Rücksicht
erstmals ein gefährlicher Geg-
auf Verluste versuchen sie, Rex
ner? Siegt angesichts des dro-
Corda zu töten. Spezialkomman-
henden Feindes bei der Mensch-
dos werden gebildet. Sie haben
heit die Vernunft?
nur einen Zweck: den Mann, der
Die Situation ist kritisch, ange-
die Erde retten will, zu vernichten.
spannt und gefährlich. Und genau
Rex Cordas Gegner sind zu allem
zu
entschlossen, denn es geht auch
eines der kühnsten und verwe-
um ihr Leben. Sigam Agelon, der
gensten
Oberbefehlshaber der Orathonen,
Corda in seinem todesmutigen
läßt jeden töten, der im Kampf
Kampf zu bestehen hat, „Der Flug
gegen Rex Corda versagt. Zur
durch die Erde".
gleichen Zeit, als sich Rex Corda
den
diesem
Orathonen
Zeitpunkt
Abenteuer,
hier
beginnt
die
Rex
Die wichtigsten Personen: Rex Corda . . . . . . . . . . . . . . . . . die Orathonen beschließen seinen Tod Will Rimson . . . . . . . . . . . . Cordas Freund, entwickelt eine neue Waffe Nukleon . . . . . . . . . ein telepathisch begabter Hund mit Sonderauftrag Bekoval . . . . . . . . . . . . . . . ein Laktone, der den Terra-Jet steuern kann Ga-Venga . . . . . . . . . . . . . . . . .. sein Dolmetscher, ein Wesen mit Humor
Schmerzhaft hart schrammten seine Fingernägel über den schroffen Fels. Er preßte sich in das spärliche Gras, wagte kaum, den Blick zu heben. Doch seine Flucht kam zu spät. Die Grille hatte ihn bereits ausgemacht. Sie tastete sich über die Felsen heran. Der zierlich wirkende Chitinleib schaukelte auf den langen grünen Beinen. Dudley Toynbee rang keuchend nach Atem. Wie gelähmt starrte er auf das fremdartige Insekt, das sich ihm unerbittlich näherte. Er fühlte sich leer und ausgepumpt. Er glaubte, keine drei Schritte mehr gehen zu können. Gehetzt sah er sich um. Es gab keinen Ausweg. Er hatte sich in eine Sackgasse verrannt. Hinter ihm schlössen sich die Felsen zu einem unüberwindlichen Wall. Toynbee mußte zurück! Er mußte die Grille überwinden. Oder er mußte sich verloren geben. Er tastete nach seinem Gürtel, obwohl er wußte, daß er seine Beretta dort nicht mehr finden würde. Er hatte sie weggeworfen, als die letzten Kugeln verschossen waren. Toynbee griff nach einem armdicken Knüppel, der neben seinem rechten Fuß im trocknen Gras lag. Das Holz fühlte sich naß und schwer an. Der Diplomat richtete sich auf. Er stellte sich dem Monster zum Kampf. Die Grille blieb stehen. Sie warf die grazilen Vorderläufe hoch. Jetzt erreichte sie fast eine Höhe von zwei Metern. Leise knackend bewegte sich der
dreieckige Kopf mit den glitzernden Facettenaugen. Toynbee erschauerte. Das „Gesicht" dieses insektenähnlichen Wesens von einer anderen Welt strahlte eine entsetzliche Kälte aus. Er hätte sich der Kontrolle stellen sollen. Der Versuch, ihr zu entkommen, war unsinnig gewesen. Jetzt wußte er es. Es würde ihm nicht gelingen, den Häschern zu entkommen. Selbst wenn er die Grille überwinden konnte. Er wog den Knüppel in seiner Hand, während er der monströsen Kreatur entgegensah, die kam, um ihn dafür zu töten, daß er vier andere Whims erschossen hatte. Toynbee duckte sich unwillkürlich. Er entblößte die großen Zähne. Dann sprang er der mannshohen Grille mit einem Schrei entgegen. Der Knüppel wirbelte durch die Luft. Gleichzeitig schossen ihm die dünnen Insektenbeine entgegen. Die scharfen Klauen rissen ihm den Hemdsärmel vom Arm. Da brach sich der Knüppel eine krachende Bahn durch den Chitinpanzer. Die langen Arme zersplitterten. Die Grille stieß eine Serie schriller Schreie aus, die Toynbees Trommelfell zu zerreißen schienen. Der eckige Kopf rückte vor, und die scharfen Beißzangen schnappten nach seinem Kopf. Der blasse Walliser stieß seine primitive Waffe von unten hoch. Das Holz bohrte sich in die Brust des tobenden Insektes. Toynbee hielt es nicht mehr aus. Während die Grille nach vorn schnellte,
wirbelte er herum und flüchtete tiefer in die Felsecke hinein. Er hörte die knackenden Schritte des Verfolgers noch einige Sekunden, dann wurde es still. Der Bote erreichte die Felswand. Der Weg war zu Ende. Keuchend drehte er sich um. Die Grille war nur fünf Meter hinter ihm. Sie rutschte über einen breiten Felsen herab. Vergeblich suchten die harten Klauen die Strahlwaffe zu erreichen. Der gräßliche Körper zuckte konvulsivisch. Das Leben wich aus ihm. Toynbee drückte sich vorsichtig an dem Häscher vorbei. Er wagte es nicht, nach der Waffe der Grille zu greifen, weil er fürchtete, im letzten Augenblick noch von den scharfen Klauen erreicht zu werden. Hastig kletterte er über die Halde hoch, dorthin zurück, wo er mit der Grille gekämpft hatte. Er erwartete, jeden Augenblick neue Verfolger zu sehen. Aber er hatte Glück. Sein Kampf schien unbemerkt geblieben zu sein. Die Orathonen schienen fest davon überzeugt zu sein, daß die Grille ihn erwischte. Sie selbst mußte ebenfalls fest daran geglaubt haben, sonst hätte sie kaum einen Angriff dieser Art gewagt. Sonst hätte sie ihn aus sicherer Entfernung erschossen! In ohnmächtigem Zorn schüttelte Dudley Toynbee seine klobigen Fäuste gegen das hantelförmige Raumschiff, das auf der Prärie stand, vom blauen Dunst der Berge umspült. Wilder Haß brach in ihm durch. Frische Kraft durchdrang ihn. Seine hagere Gestalt reckte sich. Energisch warf er das gelbe Haar in den Nacken zurück. Dann verfiel er in einen leichten Trab. Minuten später war er zwischen den Felsen verschwunden. Die vier Whims kamen zu spät. Sie fanden ihn nicht mehr.
Eine gelbe Wolke stieg von den Whims auf. Sie schwirrte kurz um die grünen Köpfe der gnadenlosen Jäger, bevor sie dem flüchtenden Boten folgte. Dudley Toynbee sah den Cheyenne vor sich aufwachsen. Er stolperte die steilen Hügel hinunter. Weit in der Ferne erkannte er das Südportal NORADS. Ein weiter Weg lag hinter ihm. Vier Tage lang hatte er sich durch das von den Featherheads besetzte Land gekämpft, immer neue Kontrollen überwunden - bis die Whims entdeckt hatten, daß er eine Botschaft zu überbringen hatte. Toynbee lachte verzerrt. Er wischte sich den Schweiß aus der Stirn und sah in den verhangenen Himmel hinauf, der die träge Junihitze über den Bergen staute. Die Grillen hatten die Botschaft nicht bekommen. Es hatte eine Schießerei gegeben, bei der er Sieger geblieben war. Mehr denn je glaubte Dudley Toynbee jetzt daran, daß ein Untergrundkampf gegen die Orathonen möglich war. In den ersten Invasionstagen schien jeder Widerstand sinnlos. Sie schienen jeden Trick zu kennen. Die zahlreichen Hilfsvölker der Orathonen erstickten jeden Kampf, bevor er zum Ausbruch kommen konnte. Doch jetzt hatte Toynbee selbst erlebt, daß es immer eine Chance gab! Die Vertreter der asiatischen Gruppe in der UNO hatten recht behalten. Der Untergrundkampf war nicht von vornherein aussichtslos. Selbst in dem engen Netz, das die Gefiederten über die Erde gelegt hatten, gab es noch Maschen, durch die man schlüpfen konnte. Dudley Toynbee blieb stehen. Er drückte sich an den trockenen Stamm eines Ahornbaumes. Aus verengten Augen sah er zu dem blitzenden Diskus hinauf, der dicht unter den Wolken durch das Tal flog.
Galt die Suche ihm? Einige Augenblicke lang sah es so aus, als würde das kleine Raumschiff in seiner Nähe landen. Doch dann glitt es über ihn hinweg. Die Besatzung schien den Mann unter dem Baum nicht bemerkt zu haben. Toynbee wartete, bis der Raumer im Süden verschwunden war, dann ging er weiter. Die kurze Pause hatte ihm gut getan. Er hatte sich etwas erholt, stieß die Fäuste in die Hosentaschen und lachte leise, voller Zuversicht und Freude. Es war geschafft! Gleichgültig sah er sich um, als er das Sirren nervöser Mücken über seinem Nacken hörte. Ein entsetzter Schrei sprang über seine Lippen. Ein dichter Schwarm kreiste über ihm. Aber es waren keine Mücken. Dudley Toynbee erkannte winzige geflügelte Schlangen, deren schwarze Augen kalt auf ihn herabstarrten. Byts! Das mußten die Byts sein, von denen er gehört hatte. Ein ehemaliger CIAAgent hatte sie so genannt und sie so beschrieben! Dudley Toynbee raste mit weiten Sätzen über die Straße. Keuchend sprang ihm der Atem über die plötzlich trockenen Lippen. Immer wieder sah er sich um. Er schlug nach den Byts, als sie sich auf ihn herabstürzten. Doch sie wichen seinen Händen aus. Sie krallten sich in seinen Nacken, und er fühlte ihre scharfen Zähne. Das Tal drehte sich vor seinen Augen. Rote Lawinen stürzten über die Hänge des Cheyenne und bohrten sich in sein schmerzendes Hirn. Der staubige Boden der Straße schwankte unter ihm, er wölbte sich wie sturmgepeitschtes Wasser. Dudley Toynbee sah einen Baum auf sich herabkommen, doch er fühlte den harten Schlag nicht mehr, als seine Stirn gegen das Holz prallte.
Toynbee, Bote der UNO, brach auf der Stelle zusammen. Der gelbe Schwarm kreiste einige Male über ihm, bevor er sich zurückzog und über den Hügeln verschwand. Toynbee hatte sich getäuscht. Für ihn gab es keine Maschen in dem engen Netz der Orathonen. * Will Rimson kratzte sich die Glatze, als er durch das Portal ins Freie trat. Im Tal war es ruhig. Der Diskus, der nach Süden flog, war nichts Ungewöhnliches. Überraschend wäre es gewesen, wenn die Invasoren keine Kontrollflüge gemacht hätten. Nukleon bellte leise. Er stieß den Kopf hoch und stellte die Ohren auf. Der alte Gelehrte folgte dem Blick des Hundes, doch er konnte nichts entdecken. Da knurrte Nukleon rauh. Im gleichen Augenblick schnellte er über die Straße. Rinson schickte einen telepathischen Ruf hinterher, doch der Hund reagierte nicht. Verwundert schüttelte der Alte den Kopf. Er konnte sich das Verhalten des Hundes nicht erklären Sollte das Unternehmen Rex Cordas gescheitert sein? Kehrte der neue Präsident der Vereinigten Staaten von Los Angeles zurück? Plötzlich überfiel es Rimson kalt. Erregt folgte er dem Hund. Er lief so schnell er konnte - und das war nicht besonders schnell. Rimson mußte mehrere Pausen einlegen, bis er endlich den Hund erreichte und den Mann sah, der im Staub der Straße lag. Der Bewußtlose sah merkwürdig, ja unheimlich aus. Blaugrüne Farbstreifen zogen sich von seinem Nacken her an den Ohren vorbei über die bleichen Wangen. Die blicklosen Augen quollen unnatürlich weit aus den Höhlen, und die geöffneten Lippen enthielten zuviel Blut.
Nukleon winselte. Seine telepathischen Sinne erfaßten, was in dem Hirn des Bewußtlosen vorging. Der Hund kratzte mit der rechten Pfote am Gürtel des Mannes. Dabei sah er Will Rimson an. Der Alte wußte Bescheid. Er kannte seinen Hund. Er bückte sich und untersuchte den Gürtel. Er fand den Verschluß sehr schnell. Im Gürtel steckten ein halbes Dutzend engbeschriebener Papierbogen. Will Rimson nahm sie an sich. Der Schäferhund legte seinen Kopf auf den starren Arm Toynbees. Er schloß die Augen. Rimson tastete nach dem Puls des Boten. Er fühlte ihn nicht mehr. Er sah den Hund an. Nukleon erhob sich langsam. Traurig ließ er den Kopf hängen, drehte ab und trottete zum Südeingang des Höhlensystems zurück, in dem jetzt die provisorische Regierung des nordamerikanischen Kontinents untergekommen war. Will Rimson sah dem Hund nach. Dann drückte er Toynbee die Augen zu. Als er hochsah, bemerkte er die vier Whims, die den Berg herabkamen. Sie näherten sich rasch. Will Rimson wartete ab, bis sie für einige Sekunden hinter einer Hügelkuppe verschwanden, eilte zu einem Baum am Rande der Straße, zerrte die Papierbogen aus der Tasche und versteckte sie in einem Spalt. Dann lief er wieder zu dem Toten zurück und wartete. Es hätte keinen Sinn gehabt, jetzt zu flüchten. Die Grillen hätten ihn auf jeden Fall eingeholt. Zwei Minuten später waren sie bei ihm. Sie trugen glitzernde Gegenstände in den grünen Klauen. Waffen, mit denen sie lautlos töten konnten, wie der Wissenschaftler mittlerweile wußte. Er hatte in den letzten Tagen sehr viel gelernt. Sehr genau hatte er die Orathonen und deren Sklavenvölker beobachtet.
Kalte Facettenaugen musterten ihn. Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte Rimson, daß der Schäferhund am Straßenrand entlang trottete. Ab und zu blieb Nukleon stehen, um den mannshohen Grillen einen neugierigen Blick zuzuwerfen. Sie beachteten den Hund nicht. Nukleon trabte zu dem Baum und beschnüffelte ihn. Jetzt wendete eine der Grillen den Kopf und spähte zu dem Schäferhund hinüber. Nukleon reckte sich und gähnte ausgiebig, dann schüttelte er sich, scheuerte an dem Baum vorbei und verschwand zwischen den Büschen. Noch immer starrten die insektenförmigen Kreaturen aus dem All den Wissenschaftler an. Will Rimson sah, wie sich die Beißzangen flirrend bewegten, aber er hörte nicht, was die Grillen sagten. Sie verständigten sich offensichtlich in Schallbereichen, die über seinem Wahrnehmungsvermögen lagen. Einer der Whims beugte sich tief zu dem Toten herab. Der Blick seiner kalten Facettenaugen glitt über das Gesicht Toynbees hinweg, tastend schoben sich die Greifklauen eines Armes über den Gürtel und die Brust des Toten. Rimson erkannte ein winziges Gerät, das die Grille dabei hielt. Ab und zu hielt sie inne, drehte den Kopf zu den anderen Whims, und dann sah es so aus, als ob sie etwas sagten. Will Rimson wagte es nicht, sich zu bewegen. Mit hart klopfendem Herzen beobachtete er die grünen Häscher. Würden sie ihn ungeschoren lassen? Jetzt hatte die Grille entdeckt, daß der Gürtel ein Geheimfach besaß. Der Kopf ruckte klirrend hoch. Die Grille machte einen kurzen Satz über die Leiche hinweg und richtete sich vor dem Wissenschaftler auf. Nur noch Zentimeter trennten das Gesicht von den Chitinpanzern der Beißklauen und der
Greifzangen. Will Rimson sah sein Gesicht, wie es sich hundertfach in den Facetten des monsterhaften Wesens spiegelte. Die anderen Whims taumelten heran. Es sah so aus, als müßten sie jeden Augenblick über ihren grazilen Beinen zusammenbrechen. Kalte grüne Zangen griffen nach dem Alten. Sie fuhren Rimson schmerzhaft über den Leib. Ohne Gefühl packten sie zu. Rimson biß die Zähne zusammen. Seine Muskeln verkrampften sich, während heiße Wellen des Schmerzes über seinen Leib jagten. Mit jeder Berührung verletzten die Whims ihn. Schon nach Sekunden löste sich sein Hemd in Fetzen auf. Er fühlte, wie ihm das warme Blut über die zerschundenen Rippen lief. Heißer Zorn überfiel ihn. Er kämpfte mit der jähen Versuchung, blindlings auf die Whims einzuschlagen, aber er wußte, daß er diesen Kampf nicht überleben würde. Er taumelte zurück, sank gegen einen Baum, als sie ihn endlich freiließen, weil sie nichts entdeckt hatten, was sie interessieren konnte. Sie kehrten wieder zu dem Toten zurück, dessen Gesicht jetzt völlig von blauen Streifen überzogen war. Will Rimson sah, wie eine der Grillen ein Gerät aus einem Spalt an der Unterseite des Insektenleibes hervorbrachte. Er erkannte es als mechanischen Dolmetscher wieder. „Warum ist dieser Mann tot?" fragte eine kalte, ausdruckslose Stimme. Will Rimson raffte sich auf. Er löste sich von dem Baum und trat entschlossen an die Whims heran. „Ich weiß es nicht!" „Er dürfte nicht tot sein! Byts töten nicht!" „Was ist - ein Byt?" Eine zweite Grille streckte die Klaue und öffnete sie dicht vor den Augen Rimsons. Der Wissenschaftler erkannte
winzige geflügelte Schlangen, die ruhig unter einer transparenten Plastikhülle lagen. Mit diesen winzigen Schlangen hatten sie auch ihn gejagt! Das war kurz nach der Invasion gewesen, als er mit Rex Corda vor einem der bronzenen Roboter zu flüchten versuchte. Doch da hatte Nukleon sie getötet. Die Byts hatten nicht beißen können! Will Rimson bückte sich. Seine Fingerspitzen glitten über das Gesicht Toynbees. Die Haut fühlte sich rauh an. „Byts töten nicht?" „Sie betäuben nur!" erklärte die kalte Stimme. „Als ich ihn fand, war er bereits tot!" antwortete Rimson. Er erhob sich wieder und trat etwas zurück. Je größer der Abstand zwischen ihm und den mannshohen Grillen war, desto lieber war es ihm. Die Grillen drehten Toynbee auf den Bauch herum. Rimson bemerkte zahlreiche kleine Bißwunden. Von diesen aus zogen sich die blauen Streifen um den Nacken und Hals herum. Es konnte keinen Zweifel geben - die giftigen Bisse waren tödlich gewesen. Die Grillen hoben Toynbee auf. Zwei packten ihn an den Armen. Sie kümmerten sich jetzt nicht mehr um den alten Wissenschaftler. Sie schwankten auf ihren hohen Beinen davon und schleppten den Toten mit sich. Nukleon schoß zwischen den Büschen hervor. Er schmiegte sich an die Beine Rimsons und drückte ihm seine Schnauze in die Hand. Rimson lächelte verzerrt. Er beugte sich über den Hund und nahm ihm die Papierbogen aus dem Maul, die Nukleon aus dem Baum geholt hatte. Er stakte zu den Büschen hinüber und ließ sich auf einer kleinen Lichtung ins Gras fallen. Mit bebenden Händen entfaltete er die Blätter und las.
* Dicht neben dem Eingang schwebte ein Ätzer. Will Rimson erschrak, als er das Tier sah, das ihn aus großen Augen prüfend anglotzte, doch da Nukleon keine Beunruhigung zeigte, schüttelte der Gelehrte das Unbehagen ab. Er rieb sich seinen rechten Arm. Er schmerzte etwas. Der Bruch setzte ihm noch immer zu, obwohl Dr. McCluskey, der Arzt im NORAD, ihn fachgerecht versorgt hatte. Will Rimson hoffte, daß die Orathonen ihn nie in diesen elektronischen Geräten untersuchen würden. Sie würden darauf stoßen, daß Nukleon eine telepathische Begabung besaß. Vielleicht hätten sie dann die entscheidende Spur gefunden! Rimson zog die Schultern unbehaglich an den Kopf. Wieder sah er zu dem Ätzer zurück. Jetzt schwebte der Wächter dicht unter der grauen Betondecke des vierzehn Meter breiten Tunnels. Er behielt den Wissenschaftler noch immer im Auge. Rimson hustete unterdrückt. Er steckte sich eine Zigarette an und ging dann mit hastigen Schritten zum Zentrum der gigantischen Anlage. Die schweren Panzerschotts standen offen. Die automatische Sperre war ausgeschaltet, so daß beide Tore gleichzeitig geöffnet werden konnten. Ein Sergeant stand neben dem Tor. Er hatte keine Waffen. Er würde ohnehin nicht schießen dürfen; er wachte hier nur, um die Ankunft gefährlicher Besucher rechtzeitig melden zu können. Auch auf den Hängen des Cheyenne standen einige Wachen. Kräftige Funkgeräte verbanden sie mit der Zentrale, in der General Abel Th. Emerson als Kommandant tätig war. Am Ende der Halle trat ihm ein untersetzter Mann in blauer Monteurklei-
dung entgegen. „Hallo, Sam", sagte Rimson. „Was machen unsere Schützlinge?" „Alles klar, Sir!" nickte der Dicke. Seine braunen Augen musterten den Alten aufmerksam. Die buschigen Augenbrauen wanderten fragend auf die Stirn hinauf. Doch Will Rimson winkte ab. Der untersetzte Agent schnippte mit den Fingern und stellte keine weiteren Fragen. Er trat zu einem Schaltpult neben einem der laufenden Generatoren, stellte ihn ab, wartete, bis er zur Ruhe gekommen war, und drückte dann zwei unscheinbare Knöpfe. Knirschend hob sich der schwere Maschinenblock und drehte sich zur Seite weg. Darunter öffnete sich eine Betontreppe, die zu einer Eisentür hinabführte. Will Rimson stieg die Treppe hinab. Nukleon folgte ihm. Als der Wissenschaftler die Eisentür aufstieß, schob sich der Generator wieder über die Treppe und verbarg sie. Zwei Männer erhoben sich in dem Raum unter dem Generator. Es waren massige, kräftige Gestalten, die rötliche Zahne entblößten, als sie den Wissenschaftler angrinsten. Ein herber Geruch füllte den kleinen Raum, in dem zwei schwere Betten, ein Arbeitstisch, ein Schrank und ein großes Funkgerät standen. In einer Ecke lag ein Berg abgegriffener Bücher und Akten, in denen die beiden Laktonen gelesen hatten. „Sie sehen aus, als wären Sie einer Grille in die Hände gefallen", grinste der größere der beiden Laktonen. Er sprach ein holpriges Englisch mit einem außerordentlich fremden Akzent. Beim Sprechen rieb er sich ständig sein breites Kinn mit der linken Hand. „Das bin ich auch!" nickte Rimson. Er setzte sich auf ein Bett und zog die Blätter hervor, die er dem toten Boten abgenommen hatte. „Wir werden noch von anderer Seite Hilfe bekommen! Rex Corda ist nicht mehr allein!"
„Erzählen Sie!" forderte Nurgentamar. Er ließ sich auf das andere Bett sinken. Paro sprach kein Wort. Will Rimson sah Nukleon an, der zu seinen Füßen auf dem Boden lag. Der Hund legte seinen Kopf schläfrig auf die Vorderpfoten. „Als die Invasion einsetzte, tagte in New York eine Konferenz, die die Einrichtung einer Weltregierung vorbereiten sollte. An dieser Konferenz nahmen vornehmlich Verteidigungsexperten teil. Die meisten Delegierten sind noch jetzt in New York, weil die Invasoren ihnen nicht erlaubt haben, in ihre Heimatländer zurückzukehren." „Das ist nichts Neues", versetzte Paro ungeduldig. Seine großen Augen leuchteten dunkel. Will Rimson fühlte wieder das unsagbar Fremde, das von diesem Mann ausging. Die eisige Kälte des unendlichen Universums lag in den Augen des Laktonen. „Die Delegierten haben jetzt die Einigung erreicht, die sie vorher anstrebten. Die Vertreter Asiens haben alle Nationen für die Teilnahme an dem Untergrundkampf gewonnen. Alle Nationen werden alle Kampfmittel zur Verfügung stellen, die wir benötigen!" „Das wurde Zeit!" sagte Nurgentamar, ein breites, zufriedenes Grinsen auf den schmalen Lippen. „Wenn Bekoval scheitern sollte, können wir vielleicht noch etwas erreichen!" Er stand auf und ging mit schweren Schritten in der kleinen Kammer auf und ab. „Welche Mittel kann die Erde aufbieten?" „Das wird sich zeigen", sagte Rlmson. Er hob die Papierbögen und wedelte damit durch die Luft. „Hier wird angedeutet, daß weitaus schlagkräftigere Waffen angeboten werden können, als wir bisher angenommen hatten. Unter anderem wird angedeutet, daß ein völlig neues laktonisches
Waffensystem zur Bekämpfung der Supertransmitter von den Chinesen erbeutet werden konnte!" Nurgentamar stemmte die Fäuste in die Hüften und wippte kurz auf seinen Fußballen. Ein vorsichtiges Lauern lag in seinen Augen. „Es ist gut", sagte er. „Wie geht es weiter?" „Wir werden uns mit den Delegierten in Alaska treffen und dort mit ihnen verhandeln", erklärte der Wissenschaftler. „Dort wird sich dann zeigen, wie sich ein Untergrundkampf gegen die Orathonen organisieren läßt. Ich erwarte, daß Sie sich beteiligen!" Paro grinste spöttisch. „Sie erwarten! Sie erwarten einfach, eh?" Rimson richtete sich ruckartig auf. Seine Augen verengten sich. „Sie überschätzen sich", sagte er scharf. Nurgentamar winkte besänftigend ab. „Warum treffen wir uns nicht in New York?" Rimson atmete tief. Er biß sich auf die Lippen und sah Nurgentamar an. „New York wird von den Gefiederten zu scharf überwacht. Dort wäre kein Treffen möglich. Die Delegierten versuchen, sich jetzt aus New York zurückzuziehen. Wahrscheinlich wird das gelingen. Die Orathonen hindern niemanden, ins Landesinnere zu gehen, dulden jedoch nicht, daß irgend jemand den Atlantik überquert." „Wer wird außer uns noch dabei sein?" „Ich werde General Dingel von der Protectopolisstation M 31 bitten, uns zu begleiten. Er hatte bessere Verbindungen zur CIA als General Emerson. Außerdem ist Emerson hier kaum abkömmlich." Paro räusperte sich tief in der Kehle. „Ich warne Sie davor, Dingel über Videophonverbindung anzusprechen.
Sie müssen damit rechnen, daß die Orathonen jedes Wort mithören!" Nukleon erhob sich. Er streckte sich und gähnte. „Wir haben einen Boten, der General Dingel völlig gefahrlos benachrichtigen kann!" „Den Hund?" fragte Nurgentamar überrascht. Ist das Risiko nicht sehr groß?" Will Rimson antwortete nicht. Sein Vertrauen in den Hund und dessen Fähigkeiten war unbegrenzt. Es war jedoch nicht nötig, den Laktonen alles zu erklären. Sie mußten nicht alles wissen. * Nukleon strich durch die langgestreckte Bahnhofshalle. Er strebte auf die Schalter zu, schnüffelte - wie suchend - am Hosenbein eines älteren Mannes. Er erntete einen ärgerlichen Tritt, schnappte knurrend nach dem Mann, zog sich dann aber plötzlich sehr schnell zurück. An einem verlassenen Zeitungsstand blieb er abermals stehen. Er legte sich auf den Boden und sah sich um. Niemandem fiel etwas am Verhalten des Hundes auf, obwohl es nicht so ganz gewöhnlich war. Die wenigen Männer, die in der Bahnhofshalle standen, sahen zu den beiden Orathonen hinüber, die die Halle betreten hatten. In ihrer Begleitung ging ein rotgesichtiger, fetter Amerikaner, der mit heftigen Gesten auf sie einredete. Ein schlanker Bronzeroboter übersetzte die Worte des Fetten. Seine metallenen Lippen bewegten sich kaum, und sie behielten ständig ihr arrogantes Aussehen. Ein zweiter Roboter überwachte die kleine Gruppe. Seinen Linsen schien nichts zu entgehen, was in der Halle geschah. Der fette Terraner erklärte den Ora-
thonen die Station, während sie zu den großen Wannen hinübergingen, in denen der Aerotrain halten würde. Der Fette ahnte nicht, daß jedes seiner Worte vernommen wurde. Ihn interessierte es auch nicht. Ihn störte auch die Verachtung nicht, die in den Blicken der Gefiederten lag. Er erhoffte sich ein Geschäft, das war für ihn entscheidend, nichts sonst. Nukleon stand auf und lief vor der Gruppe zu der glänzenden Schiene hin. Er hörte die unangenehme Stimme des Fetten und die harten Schritte der Orathonen. Er wandte den Kopf und sah zu ihnen hinüber. Die grünen Gesichter glänzten, die Augen waren so kalt wie Stein. Nukleon wich zur Seite aus, als die Orathonen bis an die Schiene herankamen. Sekunden später glitt der Zug wie ein silberner Pfeil in die Station. Die schallabsorbierenden Felder schalteten sich erst ab. als der Aerotrain auf die Schiene absackte, nachdem er den tragenden Luftstrom abgebaut hatte. Leise zischend flogen die Schiebetüren auf. Ein verschmutztes Mädchen verließ zögernd den Zug. Es sah sich mit großen Augen um. Als es die Orathonen und die Roboter bemerkte, sprang es angstvoll in den Zug zurück. Einer der beiden Orathonen machte Anstalten, zu der Tür zu gehen, in der das Mädchen verschwunden war, doch er schien es sich wieder zu überlegen. Er wandte sich dem dicken Mann zu. der eifrig erklärte, wie das Luftkissen des Aerotrains aufgebaut und gehalten wurde. Dabei wanderte die kleine Gruppe zur Spitze des Zuges. Der Fette wies auf die Schiene und erläuterte, welche Sicherheitsmaßnahmen getroffen worden waren, damit der Zug nicht entgleisen konnte. Nukleon nutzte die Gelegenheit. Er sprang in den Zug, sah sich sondierend um und ließ sich zu Füßen des Mäd-
chens nieder, das verängstigt in einer Ecke kauerte und seinen Körper unter einem verschmutzten Mantel verbarg. Der Hund hob den Kopf, als eine kleine Hand zögernd nach ihm griff und sich an seinen Hals klammerte. Die Hand erstarrte, als die Orathonen mit den beiden Robotern und dem Fetten den Zug betraten. Nukleon sah zu ihnen hinüber. Er begegnete dem kalten, abschätzenden Blick des rotgesichtigen Mannes, und die Gedanken des Mannes bissen sich schmerzhaft in seine Sinne. Der Fette war mißtrauisch geworden. Er witterte einen Feind in Nukleon! Leise schmatzend preßten sich die Dichtungsgummis der Türen gegeneinander. Der aufbrausende Luftstrom hob den Zug an. Jaulend saugten die Düsenaggregate den Luftstrom in sich hinein. Der Zug beschleunigte scharf. Sekunden später schon fingen die schallschluckenden Felder die Geräusche ab. Die Fahrgäste hörten nur noch ein leises Summen, das so lange anhielt, wie der Aerotrain beschleunigte. Als er die Spitzengeschwindigkeit von fast 600 Kilometern in der Stunde erreicht hatte, versank auch das Summen, und ein kaum vernehmbares Murmeln blieb. Um so unangenehmer machte sich die laute Stimme des Fetten bemerkbar. Immer wieder sah er zu dem Hund hinüber. Nukleon bemühte sich, sich so zu verhalten, wie es von einem Hund zu erwarten war. Dennoch wichen die abschätzenden Augen nicht von ihm. * Dudley Toynbee war tot. Er erfaßte nicht mehr, was man mit dem spärlichen Rest Leben machte, das noch in seinem Hirn war. In den Armen der Grillen wurde er in eines der Hantelschiffe getragen. Es war
einer der kleineren Raumer, dessen Kugein nur einen Durchmesser von 400 Metern hatten. Diese Raumschiffklasse war auf Fälle wie Toynbee eingerichtet. Zehn Minuten nach Eintritt des klinischen Todes, als das Gift der kleinen fliegenden Schlangen sein Hirn bereits zu zersetzen begann, glitt der Körper des Boten in die Zentralschleuse des Raumschiffes. Aus den Händen der Grillen ging er an die Bordautomatik über. Die fremdartigen Wesen legten den Toten in eine Wanne, die gerade groß genug war, ihn aufzunehmen. Dieses silbrig schimmernde Gerät stießen sie in eine Wandöffnung in der Schleuse zurück. Klickende Greifer packten die Wanne und brachten sie in den Wirkungsbereich eines Gravitationsfeldes, das sie einhüllte und davontrug. In rasender Eile flog die Wanne mit dem absterbenden Hirn zum Zentrum einer der beiden Kugeln, und hier verschwand Dudley Toynbee in einem großen blitzenden Block. Fast gleichzeitig mit ihm kamen einige Orathonen hier an. Sie ließen sich auf schwebenden Schalensesseln vor den Kontrollpunkten nieder und beugten sich über die Instrumente. Auffällig war, daß die Orathonen farblose Überwürfe aus dünner Folie trugen, die sie bis unters Kinn völlig einhüllten. Auf der linken Seite, dicht unter der Schulter, zierten rote Symbole ihre Kleidung. Darunter glänzte ein achtstrahliger Stern, der über einer flachen Schale schwebte. Mit ruhigen, gelassenen Stimmen kommentierten sie, was die empfindlichen Instrumente anzeigten, die das zerfallende Hirn des Boten abtasteten. Lautlos zeichneten die elektronischen Geräte hinter ihnen das versiegende Wissen des toten Mannes auf. Es war nicht mehr viel, was sie fanden, weil ein erheblicher Teil des
Hirnes bereits zerstört war, aber es war doch noch etwas da. * „Der Hund benimmt sich seltsam!" schnarrte der fette Amerikaner. Der größere der beiden Orathonen, ein korpulent wirkender Mann mit roten Federn, ließ sich ächzend auf einem Sitz nieder. Er warf dem Terraner einen prüfenden Blick zu. Die mutierten Sinne des Hundes erfaßten die Gedanken des Orathonen. Der Fremde fragte sich, ob der Fette nur etwas suchte, um zu unterhalten, oder ob es einen echten Grund gab, auf den Hund zu achten. Nukleon gähnte nachhaltig. Der Fette verbeugte sich mit einem unruhigen Lachen vor den Gefiederten und ging dann langsam zu Nukleon hinüber. Jetzt setzte sich auch der zweite Orathone, der schlanker wirkte und blaugrüne Federn hatte. Er achtete nicht auf den Fetten. Dessen Verhalten schien ihn kaum zu interessieren. Doch die beiden Roboter waren wachsam. Als der Mann vor Nukleon stand, hob der Hund den Kopf und sah zu ihm auf. „Ich glaube, daß du nicht so harmlos bist, wie du tust!" dachte der Fette. Er rieb sich seine rote fleischige Nase mit zwei Fingern. Dann überlegte er sich, ob er dem Hund einen kräftigen Tritt geben sollte. Er fragte sich, wie sich die Fremden verhalten würden. Würde er einen Vorteil herausschlagen können, wenn er ihnen den Hinweis gab, daß dieser Hund möglicherweise ein Mutant war? Wußten die Gefiederten schon, welche Mutantenarten nach dem Atomkrieg entstanden waren? Er wandte sich langsam um und ging zu den Orathonen zurück. Er wollte sich setzen, doch einer der beiden Roboter packte blitzschnell zu und riß ihn wieder hoch.
Der Rotgesichtige wollte sich wehren, begriff jedoch noch rechtzeitig. Er grinste flach, wischte sich mit der dicken Hand über den Mund und sah wieder zu Nukleon hinüber. „Ich glaube, daß ich euch etwas Interessantes mitteilen könnte!" schnarrte er. * Nukleon legte den Kopf auf die Vorderpfoten und schloß die Augen wie in übergroßer Müdigkeit. Der Fette überlegte blitzschnell. Soviel hatte er jetzt schon verstanden. Wenn es zu dem erwarteten Kampf mit der anderen Macht kam, mit jener, die vor dem Druck der Orathonen von der Erde weichen mußte, dann würde die Erde dabei zerstört werden. Blieben dann überhaupt noch Lebensmöglichkeiten auf diesem Planeten? „Erzähle!" forderte der Orathone mit den roten Kopffedern. Nukleon fing den Strom von Verachtung auf, der dem Verräter galt. „Jener Hund dort kommt mir gefährlich vor!" In fieberhafter Eile überlegte der Verräter. Er kam zu dem Schluß, daß es nur eines gab, was er den Orathonen abverlangen konnte. Seine Dienste durften nur dadurch bezahlt werden, daß sie ihn und einige seiner Freunde und Freundinnen auf einen anderen, sicheren Planeten mitnahmen, wo er leben konnte! Der Orathone beugte sich interessiert vor. Er sah den Roboter an, der bisher übersetzt hatte. Der Roboter lächelte. Nukleon sah es aus fast geschlossenen Augen. Der Hund war intelligent, aber doch nicht so intelligent, daß er in vollem Umfang begriff, was hier geschah. Er konzentrierte sich nur auf die Gefahr, die ihm von dem Fetten drohte. Alles andere interessierte ihn nicht.
Der Roboter hob beide Hände. Seine Antwort verstand nur Nukleon, nicht der Fette. Nukleon erfaßte sie aus den Gedanken des Orathonen. „Diese Wesen haben nur eine äußerst geringe Intelligenz. Es ist kein Fall bekannt, in dem ein Tier dieser Art für Sie gefährlich wurde!" „Der Terraner lügt?" Der Roboter behauptete, das könne jetzt niemand sagen. „Was empfiehlst du?" fragte der Orathone den Verräter. Wieder rieb der Mann sich mit der Hand den Mund. „Töte ihn! Es ist kein Risiko für dich!" Der Roboter fragte: „Warum ist der Hund eine Gefahr?" „Er kann die Gedanken deiner Herren lesen!" Die Orathonen richteten sich ruckartig auf. Ihre Blicke fuhren zu Nukleon hin. Der Hund regte sich nicht. Niemand sah, wie seine Zungenspitze über die kleine Kapsel in seinem Mund fuhr. Nukleon überlegte fieberhaft, was er tun konnte, um sich aus dieser Situation zu befreien. Die Kapsel mußte zu General Dingel. „Woher weißt du das?" fragte der Orathone mit den roten Federn. „Ich schließe es aus seinem Verhalten!" Der Fette grinste anbiedernd. „Ich könnte es beweisen!" „Wie?" Die nächsten Gedanken des Dicken zeigten Nukleon, daß der Verräter von teuflischer Schläue war. „Ich will es versuchen!" sagte er. Er ließ sich auf einen Platz in der Nähe Nukleons nieder und sah zum Fenster hinaus. Er beachtete den Hund scheinbar überhaupt nicht. Aber er dachte! Und Nukleon erfaßte jeden seiner Gedanken!
„Wenn du Telepath bist, dann weißt du jetzt, was ich denke", formulierte der fette Verräter mit sorgfältiger Konzentration. „Wenn du es nicht bist, dann interessiert es mich nicht, aber der Weg wird der gleiche sein. Ich will etwas von diesen Grünhäutigen, und ich werde es bekommen, mit oder ohne deine Hilfe!" Jetzt drehte er bedächtig den Kopf und starrte Nukleon an. Doch der Hund öffnete noch nicht einmal die Augen. Das Mädchen aber preßte die Hände an die eingefallenen Wangen und riß die Augen ängstlich auf. „Du bist mir vom ersten Augenblick an aufgefallen!" fuhr der Fette fort. „Du benimmst dich anders als ein gewöhnlicher Hund. Du gibst dir nur Mühe, dich normal zu benehmen! Und das gelingt dir nicht! Das ist der Grund für meine Aufmerksamkeit!" Nukleon atmete flach und gleichmäßig, obwohl ihm das Ausmaß der heraufziehenden Gefahr immer bewußter wurde. Der fette Verräter hatte einmal einen mutierten Hund gehabt. Er hatte ihn getötet, weil er es haßte, daß jemand seine Gedanken erfassen konnte, und weil er ihn fürchtete. „Du hast dich verraten! Ich werde dich töten! Die gefiederten Grünhäute werden dich auf der Stelle umbringen, wenn ich es will! Es gibt nur eine Chance für dich! Steh auf und gib mir die Botschaft!" Nukleon erschrak so heftig, daß er unwillkürlich auffuhr! Sein Kopf ruckte hoch, und die dunklen Augen starrten erregt auf den Dicken. Nukleon sah die häßlichen gelben Zähne in dem Gesicht des Verräters. Nichts hatte angedeutet, welche Vermutung der Fette hegte! Mit keinem Gedanken hatte er sich verraten. Jetzt aber brach der Gedankenschirm. Er selbst hatte seinen Hund für Botengänge benutzt, bis die Furcht ihn übermannte.
Gerade deshalb hatte er richtig geraten! Der Bronzeroboter, der die beiden Federköpfe bewacht hatte, hob seinen rechten Arm. Nukleon erkannte eine kleine blitzende Waffe. Der Hund sprang zur Tür, aber sie war verschlossen. Draußen huschte die Landschaft mit unfaßbarer mörderischer Geschwindigkeit vorbei. Die Waffe blieb auf Nukleon gerichtet. Das metallene Gesicht des Roboters verzog sich zu einem diabolischen Lächeln. Der Fette kicherte zufrieden in sich hinein. Er spannte seine kurzen Arme um den Bauch und blinzelte den amüsierten Orathonen zu. Da sprang das kleine schmutzige Mädchen aus der Ecke. Es schleuderte den Mantel zur Seite und warf sich über Nukleon. „Wir können doch nichts dafür, daß wir so sind!" schluchzte es. Das Lachen verstummte. Entsetzt starrte der Fette auf das zusätzliche knochenlose Armpaar, das dem mutierten Kind schlaff den Rücken herabbaumelte. Ein weißer Glutstrahl schoß aus dem Projektionsfeld der Roboterwaffe. Das verzweifelte Mädchengesicht löste sich auf. Nukleon schnellte sich wild bellend vor. Dicht vor dem Roboter landete er auf dem Boden. Dann verharrte er. Ein drohendes Grollen ließ seine Kehle erzittern. „War das wirklich notwendig?" erkundigte sich der rotgefiederte Orathone. Weder in seinen Gedanken noch in seiner Stimme war Erregung zu erkennen. „Es war unsinnig!" Nukleon zog sich zurück, während die anderen wie gebannt auf den schlanken Mann blickten, der durch die Verbindungstür aus dem Nebenwagen hereingekommen war. Der Mann trug die rote Uniform der Mutantenpolizei.
Die gelbblauen Litzen am Kragen wiesen ihn als Leutnant aus. Er ging zu dem erschossenen Kind hinüber und kniete nieder. Trauer und Entsetzen standen in seinen südländischen Augen. „Sie war eine Telepathin!" kreischte der Fette. Der Leutnant beachtete ihn nicht. Er schaltete an seinem orathonischen Übersetzungsgerät, das er an einer dünnen Schnur am Hals trug. „Es ist gleich, was dieses Kind war", sagte er zu dem Rotgefiederten. „Es war auf jeden Fall nicht gefährlich. Ich folge ihm schon seit gestern. Durch eine kleine Operation wären alle Mutationsschäden beseitigt worden. Es war Mord!" Er bettete das Kind in den Mantel. Der Aerotrain bremste. Er lief in St. Louis ein. „Wo ist der Hund?" stammelte der Fette. Angstvoll wandte er sich an die Orathonen. „Er ist mutiert! Er ist gefährlich!" Die Grünhäutigen lachten. „Selbst wenn du recht haben solltest", sagte der Rote, „selbst dann interessiert uns das nur wenig. Uns kann niemand gefährlich werden!" Er erhob sich und verließ den Wagen. Der fette Verräter schlich grübelnd hinterher. Wenig später schon schien ihm etwas anderes eingefallen zu sein, mit dem er die Gefiederten unterhalten konnte. Seine Miene hellte sich sichtlich auf. Eifrig näherte er sich den Invasoren. Nukleon löste sich aus seinen Gedanken. Es lohnte nicht, den Verräter noch länger zu beobachten. Der Hund kauerte unter dem elektronischen Leitstand des Aerotrains, der den Zug selbsttätig lenkte. Es war purer Zufall gewesen, daß er die Tür zu diesem Raum unverschlossen gefunden hatte. Nukleon gähnte, schloß die Augen
und schlief ein. * Esta 11 383 gab seinen Bericht durch. Die Berichterstattung dauerte nicht länger als drei Sekunden, da Esta 11 383 seine Beobachtungen in Rafferimpulsen abstrahlte. Esta l, der Bordcomputer, dem der Bronzeroboter zugeteilt war, verarbeitete die Daten innerhalb einer NanoSekunde und forderte anschließend durch Funkbefehl die im Roboter inkorporierte Kontrollelektronik zur Berichterstattung auf. Das deutete darauf hin, daß Esta l Schäden innerhalb der elektronischen Einrichtungen von Esta 11 383 vermutete. Doch der Bericht war negativ. Der Bronzeroboter wies keinerlei Schäden auf. Das bedeutete, daß seine Berichterstattung korrekt sein mußte. Das aber schien ausgeschlossen zu sein. Esta l gab Korrekturzeichen. Eine faustgroße rote Lampe flammte zuckend an seiner Stirnfront auf, und die zentrale Kontrolle gab akustischen Alarm. Die orathonischen Wissenschaftler eilten zu dem Gerät und überprüften die Angaben. Währenddessen riß die Verbindung zwischen dem Zentralgehirn und dem Roboter Esta 11 383 nicht ab. Der Bronzeroboter blieb auf der Spur. Am Ende der Kontrolle warf der Computer des Forschungsschiffes einen kleinen Streifen aus. „P-r-alpha als eindeutig nichtintelligent nach Rom-R. klassifiziert. Schwankungen unter l r. Ausnahmen ausgeschlossen. Sogenannte Dressurakte sind möglich!" Die Orathonen forderten den Roboter Esta 11383 zur Überprüfung des Berichtes auf. Eine Sekunde später kam eine Wiederholung des Berichtes. Es
war keine Korrektur dabei. Ratlos sahen sich die Featherheads an. Da meldete sich der zentrale Computer des Forschungsschiffes abermals. Er warf einen zweiten Streifen aus. Grüne Hände griffen danach. Der Streifen enthielt nur eine knappe Empfehlung: „Zentrale Abwehr verständigen!" Unbehaglich sahen sich die Wissenschaftler an. Sollten sie wirklich eine so gewichtige Institution wie die Zentrale Abwehr verständigen? Die Zentrale Abwehr befaßte sich mit der Unterwerfung besetzter Welten. Jede Rebellion endete bisher vor den tödlichen Waffen dieser Institution. Die Wissenschaftler entschlossen sich, den Sicherheitsbeauftragten des Forschungsraumers zu informieren. Amir Vernian, verantwortlich für die Sicherheit des Schiffes und des angrenzenden Gebietes, zögerte nur unmerklich. Er stellte die Verbindung zur Zentralen Abwehr her. Es dauerte nur wenige Minuten, bis das harte, kraftvolle Gesicht eines der höchsten Sicherheitsbeamten im Holographen erschien. Amir Vernian schluckte kurz, als ihn die Blicke aus den kalten Augen trafen. Die Wissenschaftler, die sich auf der Brücke Vernians versammelt hatten, blieben hinter Amir Vernian stehen, während er seinen Bericht gab. Am Ende der Nachricht lehnte sich der Beamte der Zentralen Abwehr weit in seinem Sessel zurück. Die Federn auf seinem massigen Kopf hoben sich etwas. Die mattrote Musterung seiner Augenlider schien zu seiner Nase zu fließen. „Beobachten Sie dieses Objekt, Vernian. Es ist durchaus möglich, daß es über mehr Intelligenz verfügt als der Durchschnitt dieser Rasse. Wir haben bereits mehrere Erscheinungen solcher
Art auf dieser Welt beobachtet. Sehr viel Gewicht ist ihnen nicht beizumessen. Die Zahl der Mutationen ist durch die starke radioaktive Strahlung einiger Regionen besonders hoch. Beobachten Sie weiter. Wenn sich Schwierigkeiten ergeben, ist das Objekt zu beseitigen!" Die Zentrale Abwehr dachte nicht daran, sich noch länger mit so einer Lappalie zu befassen. Der Beamte schaltete ab. Niemand beachtete den Hund, der mit hängendem Kopf durch die Tunnel der Protectopolis-Station M 31 trottete. Keiner der Soldaten, die die Station jetzt unbewaffnet - bewachten, kümmerte sich um ihn. Auch die beiden Whims schienen ihn nicht zu bemerken. Nukleon stieß erst auf Schwierigkeiten, als er unmittelbar vor der Tür zu General Jake Dingels Arbeitsräumen ankam. Hier wachten Soldaten, die nicht gewillt waren, auch nur eine Maus durchzulassen. Sie trugen kurze Holzknüppel in ihren Fäusten und kontrollierten sorfältig jeden Mann, der durch die Tür gehen wollte. Nukleon schob sich zwischen zwei Männern hindurch. Sie hockten zwischen den kärglichen Resten, die sie retten konnten, auf dem Betonboden. Ihr Besitz war in der flammenden Glut der landenden Raumschiffe untergegangen. Sie standen noch immer unter tiefem Schock, den die Flotte der Invasoren bei ihnen bewirkt hatte. Lethargisch warteten sie darauf, daß etwas geschah, das ihr Schicksal änderte. Jetzt war nur noch freier Raum zwischen Nukleon und der Wache. Niemand durfte diesen Raum unaufgefordert überschreiten. Die Wachen lehnten an der Wand neben der Tür und schienen kaum auf ihre Umgebung zu achten. Doch Nukleon kannte ihre Gedanken. Er wußte, wie wach die beiden Männer waren. Er wußte auch, daß
ein gewaltsamer Durchbruch völlig sinnlos war. Er konnte nicht einfach zu General Dingel vordringen, wenn jemand die Tür öffnete. In dem angrenzenden Raum saß ein Offizier. Er besaß eine jener wenigen Waffen, die man vor den Orathonen hatte verbergen können. Er würde jeden erschießen, der einen solchen Durchbruchsversuch unternahm. Nukleon konnte nur darauf warten, daß der General aus dem Tunnel herauskam. General Dingel kannte den Hund. Würde er ihn aber auch erkennen? Nukleon wartete drei Stunden. Dann geschah etwas, womit niemand gerechnet hatte. Nukleon spürte es zuerst. Es war etwas unglaublich Fremdes, etwas Abstoßendes. Es kroch in ihn hinein, ohne daß er wußte, woher es kam. Plötzlich waren diese Gedanken da, die nicht konzentriert kamen. Sie blieben konfus, wirr; sie enthielten eigentlich nur ein Gemisch erregter Gefühle und unzusammenhängender Gedanken. Nukleon sprang auf die Beine. Er sah sich erregt um. Die Wachen wurden auf ihn aufmerksam, da er den verbotenen Kreis erreichte. Die Ohren des Hundes zuckten nervös. Das Nackenfell sträubte sich. Unwillkürlich duckte Nukleon sich, schmiegte sich wie zum Sprung dicht an den Boden, und ein heiseres Knurren kam tief aus seiner Kehle. Das Fremde kam näher. Eine Folge schnell wechselnder Bilder entstand in den telepathischen Partien des Hundehirns. Nukleon hatte die Empfindung, plötzlich alles grün zu sehen. Er sah das kühle Gesicht General Jake Dingels, überzogen von einem häßlichen Grün; im nächsten Augenblick entstand das Bild des Tunnels in seinem Hirn ebenfalls grün. Er sah sich selbst, in der gleichen erschreckenden Farbe. Der General zündete sich mit einer
grünen Flamme eine Zigarette an. Das Bild verschwand, und Nukleon sah die Hinterköpfe der beiden Wachen. Schlagartig begriff er das unheimliche Geschehen. Zornig bellend schnellte er sich in den gesperrten Raum hinein, auf die Wachen zu. Die Stöcke wirbelten hoch. Nukleon wich aus, knurrte, sprang an der grauen Betonwand hoch. Ein Stockhieb traf ihn. Er schmetterte ihn fast zu Boden. Da brach ES aus dem Beton! Ein grünes Etwas zerbröckelte das Grau, eine armdicke Keule schoß über dem Kopf einer der beiden Wachen aus der Wand, verformte sich blitzschnell zu einem kellenartigen Gebilde, das sich schmatzend über den Kopf der Wache stülpte. Die grüne Masse umspannte den Kopf völlig. Im ersten Augenblick schien sie dünnflüssig zu sein, doch dann sah sie steinhart aus. Sekunden später spritzten filigrandünne Fäden aus dem Beton, die das tobende Opfer blitzschnell in ein grünes Netz einwoben. Der Soldat schrie nicht. Er konnte es nicht, weil das unheimliche Wesen seinen Kopf umspannte. Er bäumte sich auf, schlug um sich, versuchte, sich auf die Knie fallen zu lassen, von der Wand zu fliehen - alles vergeblich. Das Heimtückische hielt ihn gefangen. Nukleon jaulte. Er vernahm die entsetzlichen Gedanken und spürte die Empfindungen des Wesens. Der andere Soldat stand wie gelähmt neben seinem verzweifelt kämpfenden Kameraden. Die Flüchtlinge, die in dem Tunnel lagerten, waren aufgesprungen, aber nur ein dumpfes Aufstöhnen des Entsetzens quoll über ihre Lippen. Da schnellte sich der Hund hoch. Er sprang zur Wand, schnappte nach dem grünen Tod. Doch die Fäden, die er packte, glitten ihm geschmeidig durch die Zähne. Gleichzeitig griffen sie nach
ihm, aber sie erfaßten ihn nicht, weil er zu schnell war. Nukleon versuchte es abermals, wieder umsonst - da sprang er mit einem gewaltigen Satz über die Männer hinweg, die dem Gefesselten zu Hilfe kommen wollten. Er jagte den Tunnel entlang, ließ die aufklingenden Entsetzensschreie hinter sich, übersprang jedes Hindernis, das sich ihm in den Weg stellte, und stoppte erst, als die beiden Whims vor ihm auftauchten. Sie standen an einem Gleiter, der gerade eben den Eingang der Station passiert hatte, und kontrollierten die beiden Männer im Innern des Fahrzeugs. Nukleon achtete nicht darauf, ob sie Waffen in den Händen hatten oder nicht. Er griff laut bellend an! Seine Fangzähne schnappten nach den dünnen Armen einer der mannshohen Grillen. Zurückfahrend riß er das insektenhafte Wesen fast von den Beinen. Jetzt sprang er zur Seite, um den auf ihn herabsausenden Armen auszuweichen. Er erkannte das gefährliche Blitzen von Waffen in den gepanzerten Klauen der Grillen, sprang zurück, wirbelte herum und floh hinter die nächste Gangecke. Die Whims schossen nur einmal. Nukleon sah es dicht neben sich auf dem Betonboden aufblitzen. Ein Hauch von Hitze streifte ihn, doch er entging dem Tod. Dann folgte ihm das unheimliche Hämmern der Chitinfüße auf dem Beton. Nukleon verharrte für einen winzigen Augenblick auf der Stelle. Er sah die beiden Grillen heranschießen. Sie waren viel schneller, als er berechnet hatte. Sie würden ihn zu früh erreichen! Eine Welle des Hasses überschwemmte ihn. Es waren Gedanken und Gefühle, die dem insektenartigen Hirn der Whims entströmten. Sie waren so intensiv, daß sie seine Entschlußkraft
beeinträchtigten. Sie erfüllten ihn mit purer Angst! Nukleon nahm kaum noch etwas wahr, außer diesem Haß. Er jagte durch die grauen Tunnel, setzte über hohe Kisten und abgestellte Fahrzeuge und hetzte durch Menschengruppen, die den Gang versperrten. Er hörte die Schreie der Männer und Frauen nicht, die die wilde Jagd beobachteten. Dann plötzlich erkannte er das Grüne, das jetzt fast ganz aus der Wand hervorgetreten war, so weit jedenfalls, daß es fast den ganzen Körper des Soldaten umspannt hatte. Nukleon besann sich. Er fuhr so schnell herum, daß er noch zwei Meter weit über den Beton schlidderte, aber dann kauerte er dicht neben dem grünen Wesen und starrte den Grillen entgegen. Die Krallen, die sich nach ihm ausstreckten, verharrten plötzlich. Die Haßwellen versiegten. Die Aufmerksamkeit der Grillen richtete sich auf das Grüne, das aus der Wand gekommen war. Plötzlich schienen sie die Absicht des Hundes begriffen zu haben. Sie beachteten ihn nicht mehr. Eine der beiden Grillen aktivierte ein kleines Übersetzungsgerät, das das Kommando monoton und gleichmütig übersetzte. „Macht ein Feuer! Vielleicht könnt ihr das Yps damit noch vertreiben!" Nukleon achtete nicht mehr auf die Rettungsaktion, die in fieberhafter Eile ablief. Er suchte General Dingel, von dem er erwartete, daß ihn der Alarm herausgerufen hatte. Er fand den General in einer der jetzt offenen Türen stehen. Zwei stämmige Soldaten schirmten ihn ab, sie sorgten vor allem dafür, daß er den Wänden nicht zu nahe kam. Der General erteilte sehr knappe und präzise Befehle. Mehrere Soldaten unterstellten sich jetzt dem Kommando der beiden Grillen. Nukleon schob sich durch die Men-
schenmenge, die sich um den Schauplatz des Schreckens drängte. General Jake Dingel zuckte heftig zusammen, als sich ihm die kalte Schnauze des Hundes in die Hand schob. Doch dann lächelte er. Er erkannte den Hund sofort. Er schaltete blitzschnell. Hastig gab er den Wachen einen Wink und zog sich in das Arbeitszimmer zurück. Die Tür stand offen. „Nukleon!" Der Hund fühlte die Welle der Freude. Er schüttelte den Kopf und würgte, doch er erbrach sich nicht. Durch die heftige Bewegung löste sich eine kleine Kapsel aus dem Gebiß und fiel auf den Boden. Sie rollte vor die Füße des Generals. Jake Dingel bückte sich und hob sie auf. Er ließ sie in eine Tasche fallen, als einer der Posten hereinkam. „Das grüne Ding ist verschwunden, Sir", meldete er. „Es hat sich wieder in die Wand zurückgezogen. Die Grillen sagen, sie werden es ganz vertreiben. Sie glauben, daß das Biest irgendwo ausgebrochen ist. Es könnte aber auch sein, daß es aus einem der abgestürzten Raumschiffe stammt." „Lebt der Mann noch?" fragte der General. Die Wache nickte. „Ja, aber er, sieht nicht sehr schön aus. Der Doc kümmert sich um ihn. Er meint, er hat viel Blut verloren. Das Biest ist so eine Art Vampir!" Die Blicke des Generals glitten über den Fußboden. „Was machen die Grillen jetzt?" „Sie haben sich mit den Federköpfen in Verbindung gesetzt. Sie mögen das grüne Ding ebensowenig wie wir!" General Dingel brach die Kapsel auf, als die Wache gegangen war, und las die Botschaft in aller Eile. Er zuckte erschreckt zusammen, als plötzlich ein kleiner Mann vor ihm auftauchte, der völlig lautlos in den Raum gekommen
war. „Aha, hier ist also der Hund!" „Griffith!" Der General steckte die Botschaft in die Tasche. „Sie könnten etwas weniger leise zu mir kommen!" „Sie werden doch nicht schreckhaft?" spottete der Schmächtige. Er streckte dem General die Hand entgegen. „Darfich sehen - oder ist es ein Geheimnis?" Er konnte es sich erlauben. Ein fast freundschaftliches Verhältnis verband ihn mit dem General. Für ihn als ehemaligen Geheimdienstler gab es ohnehin kein Geheimnis. Ralf Griffith wurde über alles informiert, was in Protectopolis M 31 geschah. Der General gab ihm die kleinen Zettel, auf denen Will Rimson mitteilen ließ, welchen Beschluß die UN-Delegierten der in New York vertretenen Nationen getroffen hatten. Und jetzt zeigte sich schon, wie wichtig die Maßnahme Rimsons gewesen war, da General Dingel tatsächlich über beste Verbindungen zu den Resten des nordamerikanischen Geheimdienstes verfügte. Die Anwesenheit des Majors war der beste Beweis dafür. Major Griffith las die Botschaft, dann nickte er zufrieden. „Es wurde Zeit, daß wir zur Vernunft kommen! Nur so können wir etwas ausrichten!" Er gab dem General die Zettel zurück. „Wir werden hinfahren?" Dingel nickte. „Die Gelegenheit ist günstig", sagte Major Griffith. „Die Grillen haben im Augenblick genügend mit der Jagd auf das grüne Monster zu tun. Sie werden jetzt kaum auf uns achten. Wir können unauffällig verschwinden!" Er suchte in seiner Jacke nach Zigaretten, bot dem General eine an und zündete sich selbst eine an, nachdem Dingel ablehnte. Dabei fiel sein Blick auf den Hund. „Wieso wußte der Hund eigentlich, wo das grüne Ding war? Die Wachen
sagten mir, er habe schon gewarnt, als das Biest noch in der Wand war!" Nukleon verfolgte die Gedanken des Generals. Er zeigte keinerlei Reaktionen, an denen der General erkennen konnte, ob er das Geheimnis für sich behalten wollte. Doch da fühlte er plötzlich wieder das Fremde, wie es näher kam. Es war, als ob etwas Kaltes aus dem Boden heraufstieg. Er sprang auf und durchquerte das Zimmer mit wütendem Knurren, doch er fand die bedrohende Ausstrahlung überall. Da zögerte er nicht länger und jagte durch die Tür in den Vorraum hinüber. General Dingel packte den Major am Arm und zerrte ihn hinterher. „Fragen Sie nicht! Der Hund hat einen Grund für sein Verhalten!" rief er. In der Tür drehten sie sich um. Sie sahen, daß etwas Grünes wie eine Speerspitze neben dem Schreibtisch aus dem Boden schnellte, um sofort wieder zu verschwinden. „Das ist das Teuflischste, das mir je begegnete!" Der Geheimdienstler wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er warf einen nachdenklichen Blick auf den Hund und folgte dem General jetzt widerspruchslos. Als sie auf den Gang hinauskamen, näherten sich die beiden Grillen. Sie trugen einen langen Stab vor sich. Die Spitze führten sie suchend über den Boden. Griffith sah, daß sie rot leuchtete. Zielsicher schritten die so zerbrechlich aussehenden Geschöpfe an dem Major vorbei und verschwanden im Arbeitszimmer des Generals. Jake Dingel winkte verstohlen. „Wir verschwinden sofort!" flüsterte er, als der Major neben ihm dem Ausgang der Station zustrebte. Sie folgten Nukleon, der genau zu wissen schien, wohin die beiden Männer wollten. „Vorbereitungen haben wir nicht zu treffen. Und dies ist der günstigste Au-
genblick, um zu verschwinden!" * „Sie scheinen es als ganz selbstverständlich anzusehen, daß Sie mitkommen!" lächelte der General, als er dem Geheimdienstler in den Sonnengleiter folgte. Ein unternehmungslustiges Grinsen kräuselte die Lippen des kleinen Majors. Er nickte, während er die Hände selbstbewußt auf die Armaturen legte. „Sie brauchen mich doch, Sir! Was sollen wir also noch lange darüber reden!" Der grauhaarige General schmunzelte. Er warf dem Hund, der auf dem Rücksitz lag, einen kurzen Blick zu. Nukleon nickte schläfrig. Major Griffith startete. „Natürlich können wir mit diesem Gleiter nicht bis Alaska reisen", sagte er. „Ich schlage vor, daß wir in Scranton in den Aerotrain nach Chicago steigen. Damit kommen wir schneller voran und vermeiden die vielen Kontrollen." Der Gleiter schoß über den gewaltigen Trichter hinweg, den eine Wasserstoffbombe während des kurzen Krieges hinterlassen hatte. Große Teile New Yorks waren in diesem großen Trichter versunken, und nur wenig deutete darauf hin, daß hier einmal eine riesige Stadt gestanden hatte. Tief unter ihnen, an der tiefsten Stelle des Trichters, wucherte das mutierte pflanzliche Leben unkontrolliert und unheimlich. Nachts klangen oftmals fremde und erschreckende Laute von dort her die Hänge des Trichters hinauf. Der Major zog den Gleiter etwas höher. Es hatte keinen Zweck, die Kontrollen zu umgehen. Sie würden sich immer irgendwo in dem engen Überwachungsnetz der Invasoren fangen. General Jake Dingel zündete sich eine Zigarette an. Er sprach kein Wort mit
dem Major. Seine Gedanken weilten bei Rex Corda. Er fragte sich, ob es dem ehemaligen Senator der Vereinigten Staaten von Nordamerika gelungen war, den Aluminauten aus dem Museum der Marine in Los Angeles zu entwenden. Konnten Rex Corda und seine Begleiter mit dem Forschungsboot im Ozean verschwinden? Unwillkürlich ballte der General die Hände. Es mußte gelungen sein. Nur so konnte Rex Corda an das Raumschiff der Laktonen herankommen, das auf dem Grunde des Ozeans lag. Wie es dann aber weitergehen sollte, darüber war sich der General nicht klar. Die Informationen, die Will Rimson ihm durch Nukleon übermittelt hatte, gingen über diesen Punkt nicht hinaus. Immerhin wußte General Dingel jetzt, daß Rex Corda von sich aus etwas unternommen hatte, um den für die Erde tödlichen Plan der Gefiederten zu zerstören. Er sah kurz auf, um seine Zigarette in den Ascheverzehrer zu werfen. Scranton lag dicht vor ihnen. Hier waren besonders viele Raumschiffe gelandet. Dingel machte auf den ersten Blick sieben hanteiförmige Raumschiffe aus, die in der Größe allerdings erhebliche Unterschiede aufwiesen. Major Griffith drückte den Sonnengleiter hinunter. Unter ihnen lag der Bahnhof der Stadt. Von Osten her näherte sich ein weißer Aerotrain. „Das ist unser Zug, Sir", sagte Griffith. „Alle weißen Linien fahren nach Chicago!" Sie hatten Glück. An der Station gab es keine Kontrollen. Sie konnten den Gleiter absetzen und sofort in den Zug steigen. General Jake Dingel fand auf der Fahrt nach Chicago im Aerotrain keinen Schlaf. Er starrte durch die Scheiben in das Dunkel hinaus, während Major Griffith ihm gegenüber gelassen in die Polster schnarchte. Griffith wachte nur
einmal auf, als ein Bronzeroboter der Orathonen in das Abteil kam. Der Major schien einen Instinkt für das Fremde zu haben, der ihn weckte. Mürrisch sah er dem Roboter entgegen. Er beachtete den Jumper kaum. Das kleine Tier, das trotz der buschigen weißen Pelzkappe wie ein kleines Känguruh aussah, hüpfte bis vor die Füße des Majors und beschnupperte ihn. Dabei behielten die dunklen Knopfaugen den Roboter ständig im Blickfeld. Ralf Griffith lächelte verächtlich. Der Jumper, wie diese Tiergattung allgemein genannt wurde, weil die Jumper wie Känguruhs hüpften, würde ihn nicht als Laktonen identifizieren können. Der Roboter stand mit stoischem Gesichtsausdruck im Abteil und wartete die Reaktion des orathonischen Spürhundes ab. Als der Jumper auch beim General Dingel keine Veränderung in seinem Verhalten zeigte, zog das ungleiche Paar sich zurück. Major Griffith gähnte ausgiebig. Er strich sich mit seiner kleinen Hand über die hohe Stirn und lehnte sich wieder in die Polster zurück. Aber seine Augen öffneten sich sofort wieder. „Ist Ihnen etwas aufgefallen, Sir?" Dingel schüttelte mürrisch den Kopf. Griffith verzog die Lippen. Er erhob sich langsam, wobei er seine rechte Hand fest in die Hüfte preßte. General Dingel gab nichts auf das Gehabe des Geheimdienstlers. Nukleon hob den Kopf. Er beobachtete den Major genau. Griffith strich mit den Fingerspitzen langsam über eine Leiste über den Sitzen. Mehrmals stockte er in seiner Bewegung, kehrte einige Zentimeter auf dem Holz zurück und zuckte dann die Achseln. Jetzt wurde der General aufmerksamer. „Was suchen Sie?"
Der Major verkniff die Augen. „Mir kam es so vor, als hätte der Roboter hier etwas versteckt!" „Ich habe nichts gesehen!" Wieder zuckte der Major mit der Achsel. Plötzlich schoß seine Hand vor. Die Fingerspitzen legten sich auf eine kleine Chromleiste in der Ecke einer Glasscheibe - langsam streckte er dem General die Hand hin. Eine kleine braune Kugel lag darin. „Was kann das sein?" Der General beugte sich gespannt vor. „Ich weiß es nicht. Ich vermute jedoch, daß dies ein Mikrophon mit einem Minisender ist. Man will hören, was wir hier sprechen!" „Dann schweigen Sie doch!" Griffith lachte dunkel. „Jeder kann wissen, was wir zu besprechen haben. Wir haben keine Geheimnisse!" Aber er sah doch nicht so sorglos aus, wie er sich gab. In seinen Augen spiegelte sich die Erregung wider. Er zog ein zusammengeklapptes Messer aus der Tasche, legte die kleine Kugel auf ein ausziehbares Bord und zerstörte sie sorgfältig. Er nahm die Trümmer auf, verließ das Abteil und warf sie in einen weiter entfernten Abfallverbrenner. „Mir fiel auf, daß der Roboter sich abstützte. Das kam mir einfach komisch vor, Sir", berichtete er, als er zurückkam. „Was soll das bedeuten? Weshalb beobachtet man uns?" „Ich weiß nicht, Sir! Niemand außer uns ist informiert!" Nukleon knurrte vernehmlich. Griffith biß sich auf die Lippen. Nachdenklich sah er den Hund an. * Der Bronzeroboter Esta 11383 gab seinen Bericht an den Bord-Computer des Forschungsschiffes durch. Der Be-
richt enthielt weitere Einzelheiten über das beobachtete „Objekt". Anschließend meldete sich Esta l durch Leuchtsignal. Die überwachenden Orathonen schalteten auf Aussage. Eine kleine Karte fiel aus dem Computer. Wenig später schon erhielt Amir Vernian, der Sicherheitsbeauftragte des Forschungsschiffes, die notwendigen Informationen von dem Leiter der Gruppe. Amir Vernian konnte ein leutseliger Mann sein, der die ihm Unterstellten zu behandeln wußte. Jetzt bot er dem Forscher einen Sessel an, und sein Roboter erkundigte sich nach den besonderen Wünschen des Gruppenleiters. Aber der Orathone hatte nur den Wunsch, sein Wissen so schnell wie möglich weiterzuleiten. „Es haben sich jetzt einige Zusammenhänge gezeigt, die wir anfänglich nicht erkennen konnten. Wir stellten fest, daß dieser Hund über eine bedeutend höhere Intelligenz verfügt, als nach Klassifizierung dieser Rasse zu erwarten war. Der Hund wurde als Bote benutzt. Er erschien in einer dieser Tunnelstationen an der Küste. Während eines Yps-Überfalles zeigte der Hund unerwartete Reaktionen. Er scheint über gewisse Spüreigenschaften zu verfügen. Kurz nach dem Überfall verließ der Hund die Station in Begleitung von zwei Offizieren. Sie bewegen sich jetzt in einem schienengebundenen Luftkissenfahrzeug nach Norden. Wir müssen annehmen, daß sie zu der Verschwörergruppe gehören, die wir ausgemacht haben. Der Fall sollte an die Zentrale Abwehr weitergeleitet werden. Ein Roboter ist für diese Aufgabe zu wenig." Der Sicherheitsbeauftragte verzog den Mund. Er richtete sich ruckartig auf. „Das überlassen Sie bitte meiner Verantwortung!" sagte er scharf. „Die
Zentrale Abwehr hat mir den Fall übertragen, weil er zu unwichtig im Gesamtgeschehen ist. Die große Schlacht kann noch heute beginnen. Bis jetzt ist unsere Position schwach. Die Zentrale Abwehr wird keine Kräfte rriehr freimachen, die sich mit derart geringfügigen Aktionen beschäftigen!" „Was sollen wir tun?" „Ich beobachte die Gruppe weiter. Das genügt. Es passiert wirklich nichts Ungewöhnliches. Man versucht eine Rebellion - aber sie wird zu spät kommen. Sollten wider Erwarten Schwierigkeiten auftreten, dann kann die Zentrale Abwehr in wenigen Minuten eingreifen!" Er lachte selbstgefällig. „Muß ich wirklich daran erinnern, daß noch nicht ein einziger Aufstand gegen uns gelungen ist?" Der Gruppenleiter lächelte dünn. „Wie ich hörte, konnte eine andere Verschwörergruppe, an der auch Laktonen beteiligt waren, ein Fahrzeug entwenden, das für submarine Forschung eingerichtet ist!" Amir Vernian lachte verächtlich. „Na und? Damit werden die Rebellen auch nichts ausrichten können. Bevor sie soweit sind, daß sie den Kampf wirksam eröffnen können, beginnt die Schlacht. Es lohnt sich einfach nicht mehr, sich um solche Dinge zu kümmern! In zwei bis drei Tagen ist alles vorbei - wenn es lange dauert. Wahrscheinlich aber wird es nur Stunden dauern, bis die Sonne dieses Systems zusammenbricht. Jeder Aufstand ist dann hinfällig geworden. Dieser Planet hat nur noch wenige Tage zu leben. Bis zu seinem Ende kann nichts mehr geschehen, was uns gefährlich werden könnte." Der Gruppenleiter glitt aus dem Sessel. Er bewegte sich so geschickt, daß der Sessel nur unmerklich auf dem tragenden Gravitationsfeld schwankte.
Sein Blick fiel auf den Bildschirm, der ein farbgetreues Bild der Raumschiffsumgebung übermittelte. Der Mond überschüttete das Land mit silbernem Licht. * „Sie hätten das Ding nicht zerstören sollen!" sagte General Jake Dingel. Der kleine Offizier, der ihm gegenübersaß, winkte ab. Er hielt ihre Lage nicht für gefährdet. Da zeigte Nukleon wachsende Unruhe. Er hob den Kopf und spitzte die Ohren. Ein drohendes Grollen kam aus seiner Kehle. Dingel wurde nervös. Er wußte, daß der Hund warnen wollte. Immer wieder bedauerte er, daß Nukleon keine bessere Möglichkeit der Verständigung gefunden hatte. Er legte dem Hund die Hand auf den Nacken. Das Nackenfell sträubte sich zornig. Da flog die Abteiltür auf, und ein fettes schwitzendes Gesicht beugte sich herein. Als der untersetzte Mann sah, daß noch Plätze frei waren, grinste er und betrat das Abteil. Ächzend ließ er sich in die weichen Polster fallen, ohne auf das immer wütendere Knurren des Hundes zu achten. „Sind das deine Freunde?" fragte der Fette gedanklich. Nur diese Frage drang in die telepathischen Partien des mutierten Hundehirns. Die Frage schmiegte sich in eine Flut hämischer Freude. Der korpulente Verräter wußte also, daß Nukleon sich nicht verständlich machen konnte. Nukleon wurde still. Er legte den Kopf auf die Pfoten und beobachtete den Fetten, der ihn jedoch nicht ansah. Er fühlte die Gefahr für sich und seine Begleiter wie eine unüberwindliche Wand vor sich aufsteigen. Sein Körper spannte sich. Die schar-
fen Zähne blitzten hell auf. Der Fette fuhr herum. Er schrie. Er riß die Arme hoch, um den springenden Hund abzuwehren. Nukleon warf ihn durch die Gewalt des Aufpralls vom Sitz. Im nächsten Augenblick wälzten sich ihre tobenden Körper zwischen den Sitzen auf dem Boden. Jake Dingel griff nach dem Hund. Er versuchte, ihn zurückzureißen, aber alles war vergeblich. Krachend flog die Abteiltür auf. General Dingel sah plötzlich in kalte Linsen. Der Bronzeroboter zeigte keine Regung. Er überblickte die Lage sofort. Seine Hand zuckte zur Hüfte. Eine Waffe blitzte in der Hand auf. Dingel hörte sich schreien. Er hörte auch die donnernde Explosion neben sich, als Major Griffith seine Luger auf den Roboter abfeuerte. Aber all das nahm er nicht bewußt auf. Es wurde ihm erst später klar. Er bemerkte nur das Aufblitzen an der Schläfe des Roboters. Ein heller Fleck entstand dort. Gleichzeitig krachte der Roboter zu Boden. Er fiel ins Abteil und drohte Nukleon zu zerschmettern. Doch der Hund sprang noch rechtzeitig zurück. So fing der fette Verräter den schweren Roboter auf. Major Griffith feuerte noch einmal. Ein kaltes zufriedenes Lächeln lag auf seinen Lippen. Dingel packte sein Handgelenk. „Lassen Sie doch diesen unnötigen Lärm!" keuchte er. Griffith lachte schrill. „Unnötiger Lärm!" schnarrte er. „Wenn ich nicht geschossen hätte, wäre Nukleon nicht mehr!" „Machen Sie sich nicht lächerlich. Sie haben diesem Monstrum noch nicht einmal einen Kratzer zugefügt!" Er stieg auf den Sitz, um zur Tür zu gelangen. Sie stand noch immer offen. Und jetzt erschien ein hagerer Mann in der Tür. Er trug einen grauen Hut in der
Hand und kratzte sich mit den Fingern der anderen Hand die Glatze. „War es denn wirklich notwendig, daß Sie schossen?" fragte er und sah Griffith mißbilligend an. Nukleon bellte einmal, sprang dann auf die Polster und ließ sich dort nieder. „Rimson!" rief General Dingel. Der Wissenschaftler grüßte, indem er dem General kurz zunickte. Doch seine Miene hellte sich nicht auf. Hinter ihm erschienen jetzt zwei massige kräftige Gestalten mit fleischigen harten Gesichtern. Beide trugen graue Hüte. General Dingel kannte die beiden Männer nicht. Da Will Rimson in seiner Botschaft aber angekündigt hatte, daß er in der Gesellschaft zweier besonders wichtiger Männer kommen werde, nahm er an, daß sie Laktonen waren. Ein feiner herber Geruch ging von ihnen aus, der ihre Fremdartigkeit mehr als alles andere betonte. Jetzt schob der größere der beiden Will Rimson zur Seite. Er tat es offensichtlich sanft, doch lag so viel Kraft hinter seiner Bewegung, daß Rimson schneller auswich, als er es bei einem normal kräftigen Menschen getan hätte. Der Fremde entblößte seine rosigen Zähne und grüßte die beiden Offiziere mit einem ernsten Lächeln. Dann beugte er sich über den reglosen Roboter und drehte ihn zur Seite. Der fette Verräter bewegte sich nicht. „Er ist tot", sagte der Laktone. „Der Roboter hat ihn erschlagen!" „Und - der Roboter?" Der Laktone sah Griffith an, der gefragt hatte. Er zeigte ihm ein kleines bleistiftdünnes Gerät, das er noch immer in der Hand trug. „Ich habe ihn mit diesem Smash erledigt!" antwortete er. „Mit Ihren Schüssen haben Sie leider nichts ausgerichtet!" Der kleinere der beiden Laktonen zog
sich etwas zurück. Er sprach mit einigen Männern, die aus den Nachbarabteilen kamen. Besorgt beobachtete General Dingel den immer stärker werdenden Lärm vor dem Abteil. Auch Will Rimson wurde unruhig. „Wir werden das Abteil wechseln", sagte Nurgentamar, der größere der beiden Laktonen. „Wir können hier nicht bleiben." Will Rimson sah zur Uhr. „Wir müssen ohnehin gleich umsteigen!" Dingel trat jetzt auf den Gang hinaus. Eine große Anzahl Männer und Frauen füllte den Gang zu beiden Seiten. Sie versuchten, einen Blick in das Abteil zu werfen. Paro, der andere Laktone, hatte alle Mühe, sie zurückzuhalten. General Dingel entschloß sich zur Offenheit. Er wollte auf jeden Fall Ruhe herstellen, um in Des Moines, wo sie umsteigen mußten, keine Aufmerksamkeit zu erregen. „Ich habe einen Roboter der Invasoren erledigt!" sagte er mit lauter kalter Stimme. „Wir werden ihn in diesem Abteil lassen! Wollen Sie, daß die Fremden uns deshalb erschießen? Ziehen Sie sich in Ihre Abteile zurück, damit niemand aufmerksam wird!" „Sind Sie verrückt? Wollen Sie uns alle umbringen?" keifte ein kleiner graugesichtiger Mann, der direkt neben Paro stand. „Mußten Sie das denn unbedingt hier machen?" „Das nächste Mal werden wir uns töten lassen, damit Sie Ihre Ruhe haben, Mister!" versetzte General Dingel mit kalter Ironie. Die Neugierigen starrten ihn aus erschreckten Augen an. Sie wichen seinem ernsten, beherrschten Blick aus. Langsam zogen sie sich zurück, doch das erregte Gemurmel ihrer Gespräche drang durch die Türen. Major Griffith beugte sich über den
Bronzeroboter und nahm ihm die Waffe aus der erstarrten Hand. Dann verließ auch er das Abteil. Nur noch der Roboter und der erschlagene Verräter blieben zurück, als Nurgentamar die Tür zuschlug. Er griff mit den Fingerspitzen in die Türverriegelung, die nur mit einem Dreikantschlüssel geschlossen werden konnte, und drehte den Bolzen um. Griffith beobachtete es. Ein kalter Schauer lief ihm den Rücken hinunter. Er bekam plötzlich einen Begriff von der ungeheuren Kraft der Laktonen. Kein Terraner hätte die Tür nur mit den Fingern verriegeln können. „Es wird Zeit!" mahnte Dingel. Der General zog den Geheimdienstler mit sich fort über den Gang. Drei Minuten später fuhr der Aerotrain in Des Moines ein. Die schallabsorbierenden Felder fielen, und das heiße Zischen der durch die Düsen tobenden Luft drang in das Innere des Zuges. Aber die Lärmbelästigung dauerte nur wenige Sekunden, dann setzte der Zug in der Wanne der Bahnhofshalle auf. Nukleon sprang als erster aus dem Aerotrain. Er entdeckte den Roboter mit dem Jumper am anderen Ende des Bahnsteiges und gab Will Rimson ein Zeichen. Hastig verließen die Männer den Zug und eilten hinter dem telepathisch begabten Hund her zu einem benachbarten Bahnsteig. Dort wartete der rote Zug in seiner Wanne. Er würde sie nach Alaska bringen. Rimson konnte keinen Laktonen ausmachen. Sie stiegen in den Zug, der zwei Minuten später schon auf der Einzelschiene nach Norden raste. Sie hatten Glück. In diesem Zug gab es keine Kontrolle. Nukleon konnte kein extraterrestrisches Wesen ausmachen. Bei Anbruch des Tages passierten sie Whitehorse in Kanada. Major Griffith, der das Abteil für einige Augenblicke
verlassen hatte, kehrte mit allen Anzeichen großer Erregung zurück. „Das müssen Sie sich ansehen, Sir!" keuchte er. „Eine phantastische Anlage!" General Dingel fragte nicht, obwohl er nicht ganz verstand, was der Major meinte. Er ging sofort auf den Gang hinaus. Auch die anderen folgten. Der Aerotrain raste am Rande einer wirklich überwältigenden Anlage dahin, die die Gefiederten in diesem Gebiet in den Tälern und an den Hängen der Berge errichtet hatten. Der Anblick verschlug den Männern die Sprache. General Dingel wurde bleich. Seine Augen verkniffen sich. Die beiden Laktonen aber sahen mit stoischer Ruhe nach draußen. Für sie schien der Anblick durchaus nicht ungewöhnlich zu sein. Überall lagen Hantelraumschiffe mittlerer Klasse, mit Kugeldurchmessern von 400 Metern und roter Schrift auf den silbern glänzenden Hüllen. Aus den Kugeln brachen grell gleißende Lichtbögen, die sich in den felsigen Boden bohrten. Die leuchtenden Bögen hatten Durchmesser von ungefähr vier Metern. Dort, wo sie sich in die Erde gruben, glühte der Fels. Die gebogenen Energiebalken schossen aus flimmernden Projektoren. Wenige Meter über diesen Projektoren klafften mächtige Schotts, aus denen schwach leuchtende Lichtfelder herausschossen, die ein unübersehbares Netz von Licht über das gesamte Gebiet zogen, an dem der Aerotrain entlangraste. Überall dort, wo diese Lichtfelder auf den Boden trafen, bildeten sich mehrfarbige Lichtdome, in denen Maschinen aus dem Nichts heraus entstanden. Will Rimson beobachtete fasziniert, wie diese Dome plötzlich grell aufleuchteten, dann aber mehr und mehr an Lichtintensität verloren. Je schwächer das Licht wurde, desto deutlicher wurde
die Maschine sichtbar, die sich darin bildete. „Was ist das?" stammelte General Dingel. „Sind das die Transmitter, von denen Sie sprachen?" Nurgentamar, der Laktone, lächelte unmerklich. Er schüttelte seine rechte Hand, und der herbe Geruch, der ihn umgab, verdichtete sich. „Das ist ganz einfach", behauptete er. „Die Orathonen stoßen mit energetischen Feldern direkt zu den Erzen in der Schale des Planeten vor oder oft auch nur zu besonders reichen Lagern in der Kruste. Die Erze werden in einem Arbeitsgang in einen gasförmigen Aggregatzustand versetzt und gereinigt." Der Laktone mußte jetzt einen elektronischen Dolmetscher zu Hilfe nehmen, weil der geringe Sprachschatz, der ihm zur Verfügung stand, nicht mehr ausreichte. „Das Gas wird abgesaugt, gefiltert und in einem Positronenhirn im Innern der Raumer kontrolliert und aufgeschlüsselt. Genau abgestimmte Mengen werden zu bestimmten Maschinenteilen geformt und zusammengesetzt. Das ist alles!" Will Rimson rieb sich seinen verletzten Arm, der wieder schmerzte. Er sah den Laktonen verwirrt an. „Wollen Sie damit sagen, daß die Gefiederten in diesen Lichtdomen zunächst einmal Maschinen herstellen, die aus gasförmigen Metallen bestehen? Daß diese Gasgebilde dann durch Veränderung des Aggregatzustandes in Maschinen umgewandelt werden?" Der Laktone grinste. Seine dunklen Augen blitzten. „Sie begreifen überraschend schnell!" sagte er. General Dingel faßte sich an den Kopf. „Aber das kann es doch nicht geben!" stöhnte er. „Das ist doch Irrsinn! Man
kann doch nicht aus gasförmigen Metallen Maschinen bauen! Das geht doch nicht!" Nurgentamar lachte spöttisch. Er wies auf die gigantische Anlage, in der in unfaßbar schneller Folge Maschinen über Maschinen entstanden. „Wie Sie sehen, geht es doch!" „Phantastisch!" murmelte Will Rimson. Der alte Wissenschaftler sah mit glänzenden Augen nach draußen. „Und wo bleiben die fertigen Produkte?" Nurgentamar, der laktonische Agent, wies auf die Lichtdome, die jedesmal, wenn eine Maschine fertig zu sein schien, die Farbe wechselten und meist rötlich-weiß wurden. „Eine einfache Umschaltung verwandelt diese Anlagen in Transmitter", erklärte er. „Die Maschinen werden in einer überdimensionalen Form an einen Supertransmitter abgestrahlt. Dieser erfaßt den gesamten Strom aller ankommenden Produkte und leitet sie an die Flotte im Raum weiter." „Eine einfache Umschaltung nennen Sie das?" fluchte Major Griffith. Anschließend lachte er schrill. Er fuhr sich mit seinen kleinen Händen durch das schüttere Haar. „Einfach! Es ist einfach lächerlich, wie Sie es uns beschreiben!" Nurgentamar sah ihn scharf an. Die Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. „Ich glaube kaum, daß Sie in der Lage wären, mehr als diese einfachen Worte zu begreifen!" sagte er scharf. Paro, der andere Laktone, legte Nurgentamar die Hand mahnend auf die Schulter. Will Rimson sah, wie die Fingerspitzen dieser Hand weiß wurden, Nurgentamar stöhnte leise, aber er ließ die Terraner nicht merken, welcher Schmerz durch seine Schulter raste. Langsam versank die riesige Anlage in den Schluchten und Tälern, während der Zug nach Norden raste. Will Rim-
son wandte sich vom Fenster ab. Er schüttelte den Kopf. „Ich verstehe es trotzdem nicht", murmelte er. „Mit welchen Mitteln reinigen die Gefiederten die Erze? Wie trennen sie sie? Wie stimmen sie die einzelnen Mengen ab? Ich habe tausend Fragen. Ich komme mir vor wie im Traum! Ich begreife einfach nicht, was hier alles geschieht! Wie ist es möglich, einen so ungeheuren komplizierten Produktionsweg so unglaublich zu vereinfachen! Schließlich formten sich in den Kraftfeldern nicht einfach Metallbrocken, sondern fertige komplizierte Maschinen, die zum Teil verkleidet und angestrichen waren. Wie ..." Er brach ab und griff sich gequält an den Kopf. Nurgentamar sah, daß die Fingerspitzen des Wissenschaftlers bebten. Der Laktone lächelte. Will Rimson preßte die Lippen zusammen. Er fühlte die Herablassung zu deutlich. Niemand, der eine Entwicklungsstufe dieser Art erreicht hatte, konnte erwarten, daß ein Mensch auf Anhieb begriff. „Ihr Hochmut ist nicht angebracht!" sagte Rimson scharf. Nurgentamar richtete sich überrascht auf. Diese Schärfe hatte er dem alten, gutmütig wirkenden Wissenschaftler nicht zugetraut. „Entschuldigen Sie", lächelte er begütigend. „Ich hatte nicht vor, Sie zu verletzen. Ich verglich nur eben unsere Anlagen mit denen der Orathonen!" General Dingel schnaubte ärgerlich. „Und dabei stellten Sie fest, wie ungeheuer primitiv die Grünhäutigen arbeiten, äh?" knurrte er. Der Laktone nickte ernsthaft. „Das tat ich allerdings", antwortete er. „Sie verschwenden ungeheuer viel Energie. Unsere Anlagen arbeiten wesentlich rationeller!" „Wie?" forschte Griffith. Zornesröte überzog seine Stirn. Er fühlte sich auf den Arm genommen.
„Wir verzichten darauf, erst mit Energiestrahlen die Erdkruste aufzubrechen. Wir benötigen keine Schächte wie die Grünen. Wir lassen die verschiedenen Arbeitsfelder direkt in den Erzanlagen entstehen, errichten eine gasförmige, verdichtete Struktur und senden diese per Transmitterstrahl dorthin, wo wir sie benötigen. Im Empfangstransmitter materialisiert die Maschine als fertiges Endprodukt, ohne Zwischenstufe!" „Das ist ein Witz!" Major Griffith schlug die geballte Faust auf sein Knie herab. „Hören Sie gefälligst mit diesem Unsinn auf! Es gefällt mir nicht, von Ihnen in dieser Weise verhöhnt zu werden!" Nurgentamar lächelte kalt. Seine Augen blitzten dunkel. Er hob abwehrend die Hände und spreizte die Finger. Dabei bemerkte Griffith, daß die Handflächen von einem feinen rötlichen Gespinst wie von einer Tätowierung überzogen waren. „Sie haben mich gefragt, ich habe geantwortet. Wenn Sie nicht in der Lage sind, geistig zu verarbeiten, was ich Ihnen sage, dann kann ich Ihnen nicht helfen!" „Das ist..." Rimson legte dem Offizier die Hand auf den Arm. „Ich würde an Ihrer Stelle schweigen. Major! Unser Vorstellungsvermögen ist dieser Technik nicht gewachsen!" „Sie glauben an das, was dieser Laktone sagt?" „Warum nicht, Major? Warum soll ich es ablehnen? Nur, weil es mir zu phantastisch vorkommt? Erklären Sie einem Trichter-Mutanten einen Sonnengleiter. Er wird Sie verständnislos anglotzen und alles für Zauber halten." Griffith biß sich auf die Lippen. „Nur kein Selbstbewußtsein zeigen!" höhnte er. Er sprang auf und ging auf den Gang hinaus, wo er sich mit flie-
genden Händen eine Zigarette anzündete. General Dingel räusperte sich, bevor er vorsichtig fragte: „Wohin führt das? Wie endet dieser Produktionsprozeß? Beuten die Gefiederten die Erde nicht auf diese Weise restlos aus?" „Haben Sie immer noch nicht begriffen?" knurrte Nurgentamar, der Laktone, erregt. „Die Orathonen werden ihre Produktionsanlage so lange laufen lassen, bis sie alles aus der Erde herausgeholt haben, was sie benötigen. Die Vorbereitungen für die Schlacht laufen auf vollen Touren. Jetzt reißen die Orathonen alles an sich, was sie bekommen können. Wie es enden wird ...?" Seine Hand umklammerte die gepolsterte Lehne seines Sessels. General Dingel fühlte, wie sich ihm die Nakkenhaare sträubten, als er sah, wie der Laktone mühelos das Plastikmaterial verbog. Unter dem erregten Griff zerbrach Material, das mit kräftigen Hammerschlägen nicht anzukratzen gewesen wäre. „Sie kennen den Begriff der verbrannten Erde!" versetzte der Laktone erregt. „Dann können Sie sich auch vorstellen, was von Ihrem Planeten bleiben wird! Nichts, absolut nichts! Die Orathonen werden die Erde ausbeuten, bis nichts zurückbleibt, das noch Wert hat. Die Menschheit wird nicht mehr existieren können!" Seine Augen verengten sich. Zornig stülpte er die Lippe vor. „Aber auch das genügt noch nicht! Wenn es zur Schlacht kommt, dann werden die Orathonen ihren Energiebedarf aus der Sonne befriedigen!" Will Rimson wurde blaß bis in die Lippen. „Und das bedeutet?" „Die Sonne wird am Ende der Schlacht nicht mehr existieren. Die Energie wird restlos verbraucht werden!"
„Das ist unvorstellbar!" keuchte General Dingel. „Unvorstellbar?" Nurgentamar lachte grimmig. „Für Sie mag das wirklich unvorstellbar sein. Aber es wird so kommen!" „Dann darf Ihre Flotte nicht angreifen!" Nurgentamar senkte den Kopf. „Es geht um die Existenz meines Volkes", sagte er leise, aber mit einem harten, entschlossenen Unterton. „Die Flotte wird angreifen. Aber sie gibt uns eine Chance. Wir haben das immer getan. Wir haben jedem Planeten, der in Mitleidenschaft gezogen wurde, eine Frist gegeben. Gelang es innerhalb dieser Frist nicht, die Versorgungsbasis der Orathonen zu zerschlagen, dann griff die Flotte an!" General Dingel beugte sich vor. Seine Augenbrauen zuckten. „Und wie oft gelang es?" zischte er heiser. Nurgentamar richtete sich auf. Seihe Augen schienen in den Höhlen zu versinken. Das Gesicht verhärtete sich. Jetzt sah es aus wie aus Stein geschlagen. „Es gelang noch nie!" sagte er hart. „Ich bewundere Ihren Mut", murmelte Will Rimson nach einer langen Pause, in der betroffenes Schweigen herrschte. „Es gehört nur Mut dazu, uns das zu sagen!" Nurgentamar schürzte die Lippen, und in seinen Augen blitzte es auf. Nukleon knurrte drohend. „Vielleicht sind die Chancen diesmal höher", bemerkte Paro besänftigend. „Wir haben zwei Trümpfe in diesem Spiel, die beide sehr gute Aussichten haben!" Nurgentamar zerrte nervös an seinen Fingern. „Warten wir doch ab", sagte er hart. „Es dauert nicht mehr lange, dann wissen wir, ob wir tatsächlich zwei Trümp-
fe haben." Will Rimson beruhigte sich allmählich. Der Aufruhr, der nach der Eröffnung des Laktonen in ihm herrschte, ließ nach. Der Laktone hatte recht. Bis jetzt war noch nichts entschieden. Niemand wußte jetzt schon, wie die Chancen standen. Zuviele Fragen waren noch offen. Nur dann, wenn sie alle Chancen nutzen konnten, hatten sie Aussichten, die Invasoren zu schlagen. Erste Bedingung war, daß Rex Corda sein Ziel erreichte. Zweite Bedingung, daß Nurgentamar und Paro etwas mit der Beute anfangen konnten, die der Bote der UNO in seiner Botschaft erwähnt hatte. Der Aerotrain verlangsamte seine Geschwindigkeit. Will Rimson sah auf. Lautlos glitt der Zug in den Bahnhof von Tananacross. Rimsons Blick fiel auf den Tanana-River, dessen weiß schäumende Fluten sich durch das felsige Bett wühlten. Ralf Griffith gab ihnen einen knappen Wink. Sie verließen den Zug, schickten Nukleon durch den Bahnhof, der menschenleer vor ihnen lag, und durften aufatmen, als der Hund zurückkam. Nukleon ließ sich vor Rimson nieder und drehte den Kopf zum südlichen Flügel der Bahnhofshalle. Dort erschien gerade in diesem Augenblick ein kleiner schlanker Japaner, der einen blauen Leinenanzug trug. Er stand neben einem geschlossenen Kiosk und beobachtete sie. Ein unmerkliches Lächeln schwebte auf seinen Lippen. Er trat rasch vor und kam mit geschmeidigen, katzenhaften Schritten zu ihnen. Vor Will Rimson blieb er stehen. Der Wissenschaftler blieb ganz ruhig, da Nukleon keine Reaktion zeigte. Der Japaner lächelte deutlicher. „Sie sind Professor Rimson", sagte er. Sein Akzent wies ihn als Süd Japa-
ner aus. „Wir haben Sie erwartet!" „Woher kennen Sie mich?" Der Japaner zog ein kleines Foto unter seiner Jacke hervor und zeigte es Rimson. Der Wissenschaftler nickte. Er beobachtete seinen Hund. Nukleon wedelte freundschaftlich mit dem Schwanz. Er sah den alten Wissenschaftler an, und ein zufriedenes Leuchten streifte seine Augen. „Okay, bringen Sie uns zu Ihren Freunden!" Der Japaner zeigte auf die beiden Laktonen. Rimson erklärte knapp, wer seine Begleiter waren und welche Aufgaben sie hatten. Dann ging der Japaner voran durch die Bahnhofshalle, die auch jetzt noch so tot und verlassen war wie zuvor. Als sie ins Freie traten, glitt träge ein Ätzer vorbei. Das riesenhafte Wesen beachtete sie nicht. * Amir Vernian, Sicherheitsbeauftragter eines Forschungsraumschiffes der Orathonen, verlor sein leutseliges Gebaren. Mit einem Ruck schleuderte er den Gravosessel herum. Die kurzen Federn, die seinen Kopf helmartig überzogen, hoben sich abrupt. Das olivgrüne Gesicht wurde hart. „Was sagen Sie? Der Roboter wurde zerstört? So schnell vernichtet, daß er keine Funknachricht geben konnte?" Er starrte den Berichterstatter kalt an. „Dann sind also doch Laktonen irn Spiel!" „Es war eine laktonische Waffe!" Wieder warf Vernian den Sessel herum. Er streckte die stämmigen Beine aus und stemmte seine Faust gegen das massige Kinn. „Wir können diese Gruppe nicht unbeaufsichtigt lassen!" sagte er. *
Shato, der kleine Japaner in dem blauen Leinenanzug, setzte den Sonnengleiter, mit dem er sie gefahren hatte, vor dem bungalowartigen Farmhaus ab. Major Griffith, der sich mit geübten Blicken umsah, entdeckte scharfe Augen hinter den Fenstern. In einem umgekippten, verrosteten Gleiter hockte ein Japaner, der ein angeschlagenes Gewehr in den Fäusten trug. Griffith war sicher, daß es noch mehr wachsame Männer in der Nähe gab, die das Gebäude abschirmten. Weit im Süden ragte ein Hantelraumer aus dem Gebirge hervor. Es war das einzige Schiff, das Griffith entdecken konnte. Der Treffpunkt schien günstig gewählt worden zu sein. Der Major folgte Will Rimson und den beiden Laktonen, die den Gleiter schon verlassen hatten. Hinter ihnen ging er zur Farm hinüber. Der Japaner führte sie durch eine kleine Vorhalle in einen großen Wohnraum. Ein schmaler langer Tisch zerschnitt den Raum in zwei Hälften. Griffith schätzte, daß sich rund 100 Männer in diesem Raum aufhielten. Auf den ersten Blick waren sie als Vertreter der verschiedenen Völker und Nationen der Erde zu erkennen. An der Stirnseite des Tisches, direkt neben dem großen Fenster, saß ein Chinese. Er fiel Griffith sofort auf, weil zwei hochgewachsene Chinesen hinter ihm standen und ihn mit angeschlagenen Pistolen absicherten. Griffith kannte diesen behäbig wirkenden Mann mit dem rosigen selbstzufriedenen Gesicht, das ihm das Aussehen eines stillvergnügten Bäckers gab. Der Major wußte, wie sehr dieser erste Eindruck täuschte. General Chang-Yueh Shaofeng war lange genug sein erbitterter Gegner gewesen.
Nurgentamar stieß einen Laut der Überraschung aus. Mit harten, dröhnenden Schritten ging er zum Tisch hinüber und streckte die Hand nach dem Gerät aus, das vor dem General auf dem Tisch stand. Als die Finger das kalte Metall berührten, peitschte ein Schuß. Die Kugel aus der Pistole des Chinesen riß den Handrücken des Laktonen auf und bohrte sich dann in den Tisch. Nurgentamar fuhr zurück. Er duckte sich wie zum Sprung, und seine Hand flog unter die Jacke zur Hüfte. Doch da schnellte Paro sich vor. Er packte den Arm des Laktonen und hielt ihn fest. „Narren!" sagte er laut. Er sah sich nach den anderen Delegierten um. Nur noch General Shaofeng saß, alle anderen standen erregt vor ihren Stühlen. „Dies ist laktonisches Eigentum!" behauptete Nurgentamar. Mit unwilliger Geste schüttelte er Paro ab. „Niemand außer uns hat das Recht, dieses Gerät für sich zu beanspruchen." Shaofeng schnaubte leise und verächtlich. „Wer ist das, Major Griffith?" fragte er mit leiser, singender Stimme, die ohne jedes Gefühl war. Er sah Griffith nicht an. „Nurgentamar und Paro", erklärte der Major. „Zwei laktonische Offiziere, die zusammen mit uns gegen die Invasoren kämpfen wollen. Zwei Männer also, die den Feind sehr genau kennen. Ihr Wissen ist für uns von unschätzbarem Wert." Er machte eine kurze Pause und sah Shaofeng scharf an. „Ich würde an Ihrer Stelle nicht noch einmal auf einen Laktonen schießen lassen!" General Shaofeng lächelte amüsiert. Die Lippen entblößten kräftige breite Zähne. Doch die braunen Augen nahmen an dem Vergnügen nicht teil, sie blieben kalt und abweisend.
Nurgentamar wischte Major Griffith mit einer Bewegung zur Seite. „Wenn noch einmal auf mich geschossen wird, dann werde ich zurückschießen", fauchte er. Er benutzte jetzt wieder den elektronischen Dolmetscher, weil er nicht das Risiko eingehen wollte, falsch verstanden zu werden. Außerdem war das müheloser für ihn, als in der für ihn fremden Sprache zu reden. „Es ist mir gleich, mit welchen Vorstellungen Sie hierhergekommen sind. Von diesem Augenblick an bestimme ich den Fortgang dieser Konferenz. Nur dann haben Sie eine Chance gegen die Invasoren!" Chang-Yueh Shaofeng stand auf. Das Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden. Er sah etwas blasser als sonst aus. Er beugte sich vor und legte seine kleine fette Hand auf die Maschine, die auf dem Tisch stand. Sie sah aus wie ein ungewöhnlich kompliziertes Tonbandgerät mit vier Bandspulen, die quadratisch um eine faustgroße Öffnung im Zentrum angeordnet waren. „Mit diesem Gerät kann man einen Supertransmitter zerstören", begann er. Er faßte jeden Teilnehmer scharf ins Auge. Blitzschnell glitt sein Blick von einem zum anderen. Er verstand es, die Aufmerksamkeit der Delegierten auf sich zu ziehen. „Wir haben das Gerät von einem laktonischen Agenten, der es uns gab, bevor er von den Gefiederten erschossen wurde. Er konnte uns nur noch folgendes erklären: Mit diesem Gerät kann man den Impulsstrahl der Supertransmitter stören. Man muß irgend etwas in die Öffnung werfen. Es gerät dann in den Impulsstrahl und verhindert die Rematerialisation der ausgesandten Impulse. Das ist alles, was wir wissen. Es ist viel zu wenig!" Er wandte sich an Nurgentamar. „Deshalb werden Sie uns das Gerät erklären!" „Ich kenne es selbst nicht ausreichend", behauptete der Laktone. „Das
Gerät ist bis jetzt noch nicht erprobt worden. Ich weiß nur, daß unsere Wissenschaftler an einem Gerät wie diesem arbeiten." „Und woher wußten Sie dann, daß dies ein laktonisches Gerät ist?" fragte der chinesische General beißend. „Die Bauweise und die Art der Verschalung verraten es sofort", gab Nurgentamar kühl zurück. Der General gab einem seiner beiden Wächter einen Wink. Der Leibwächter zündete eine Zigarette an und gab sie seinem General. „Erklären Sie das Gerät, soweit Sie es können!" Nurgentamar kniff die Augen zusammen. Er wischte sich die blutende Hand an der Hose ab. Dann nahm er auf einem der Stühle Platz, die der Japaner, der sie geführt hatte, der Gruppe hinstellte. Will Rimson saß direkt neben dem Laktonen. Er massierte sich seinen verletzten Arm und folgte dem Gespräch mit größter Aufmerksamkeit. „Sind wir hier sicher?" fragte Paro. „Das Gelände ist sicher. Die Invasoren können uns nicht gefährlich werden." Paro lächelte überlegen. Spöttisch sah er sich um. „Wirklich nicht?" „Wir haben dieses Treffen sorgfältig vorbereitet. Das nächste Schiff wurde scharf überwacht. Wir sind hier tatsächlich sicher", mischte sich ein blondhaariger stämmiger Delegierter ein, der durch seinen Akzent als Russe zu erkennen war. „Falls die Orathonen doch aufmerksam werden sollten, werden wir rechtzeitig gewarnt." Paro blinzelte ironisch. „Sie unterschätzen die Gefiederten! Wenn es gefährlich wird, dann ist es für uns zu spät! Weshalb mußte diese Konferenz einen solchen Umfang haben? Ich zähle etwa hundert Teilnehmer! Das ist zuviel! Das ist gefährlich!"
„Es würde mich interessieren, Major Griffith, wie dieser Feigling uns helfen soll!" warf Shaofeng ein. Nurgentamar und Paro reagierten nur mit einem distanzierenden Lächeln. General Dingel räusperte sich. Er legte Nurgentamar die Hand auf die Schulter, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. „Wir brauchen die Vertreter aller Nationen, um eine Einigung zu erzielen. Die Erde ist kein einheitliches politisches Gebilde!" „Das ist mir klar", sagte der Laktone. „Ich glaubte nur, angesichts der Gefahr, die der Erde droht, könnte es keine Schwierigkeiten mehr geben!" „Es gibt keine!" warf der Russe ein. „Wir stellen alles verwendbare Material zur Verfügung, das gegen die Gefiederten eingesetzt werden könnte! Die Delegierten der europäischen Staaten haben zwei Kuriere über Asien nach Europa geschickt, um von dort aus den Widerstand zu organisieren. Die südamerikanischen Länder sind bereits informiert. Von dort erhalten wir jede Unterstützung. Die asiatischen Staaten nehmen mit allen Mitteln am Untergrundkampf teil. Nur die Afrikaner konnten noch keine verbindlichen Zusagen machen, weil es ihnen nicht erlaubt wurde, den atlantischen Ozean zu überqueren. Sie konnten noch keine Verbindung mit ihren politischen Institutionen aufnehmen. Sie finden hier also tatsächlich nicht einhundert verschiedene Mächte, sondern nur eine Macht - die Erde!" Der Russe setzte sich. Er erhielt Beifall von allen anderen Nationen. Lediglich Shaofeng applaudierte nicht. Er lächelte so sanft wie ein Tiger vor dem tödlichen Angriff. „Ich vertrete den mächtigsten Block der Erde. Die Asiatische Union ist als einzige in der Lage, schlagkräftige Waffen anzubieten!"
„Wir haben Atombomben!" warf ein Neger, der am Ende des Tisches saß, scharf ein. Shaofeng lächelte. Er beachtete den Afrikaner nicht. Er deutete auf den laktonischen Apparat. „Wir haben dies", sagte er. „Und dies ist wirksamer als alles andere. Von unserem Einsatzwillen hängt das Schicksal der Erde ab!" „Es ist einfach lächerlich!" fauchte General Dingel. Er sprang auf und trat bis an den Tisch heran. „Ihre Macht ist gleich null. Sie können niemanden zwingen, auf Ihre Bedingungen einzugehen!" „Was sind denn überhaupt seine Bedingungen?" fragte Paro, der Laktone. „Endlich werden Sie realistisch!" grinste Shaofeng. Er griff nach einer umfangreichen Akte. „Hier habe ich genau fixiert, unter welchen Bedingungen wir bereit sind, Ihnen im Kampf gegen Ihren Feind zu helfen!" Nurgentamar knurrte zornig. Krachend landete seine Faust auf dem Tisch. „Sie sind ein Narr!" rief er wütend. „Ich denke nicht daran, nach der Pfeife eines Mannes wie Sie zu tanzen! Es ist mir völlig gleich, wie Sie sich verhalten und was Sie verlangen. Wenn Sie sich nicht freiwillig und mit vollem Einsatz an dem Kampf beteiligen, dann berührt mich das nicht im geringsten. Mir ist es völlig egal, ob Sie in der nächsten Woche auf diesem Planeten noch leben können oder nicht! Dies ist nicht meine Welt! Dies ist nur eine von hundert Welten, auf denen ich immer den gleichen Problemen begegnet bin. Immer wieder habe ich versucht, einen Untergrundkampf gegen die Gefiederten zu organisieren und ihm zum Erfolg zu verhelfen!" „Es ist Ihnen nicht gelungen?" fragte ein Araber. Nurgentamar preßte die Lippen zu-
sammen. Er schüttelte den Kopf. „Bisher gelang es nie! Wir konnten keinen der Supertransmitter zerstören!" „Was geschah?" schrie ein kleiner hagerer Südamerikaner erregt. Nurgentamar setzte sich wieder. Er streckte die Beine lang aus und kreuzte die Arme vor der Brust. „Das, was immer geschah, mit Tausenden von Planeten zuvor in diesem Krieg - die kämpfenden Flotten versorgten sich während der Schlacht aus den Energievorräten, die das betreffende Sonnensystem bot!" „Das heißt, wenn wir nicht wirksam zuschlagen, dann werden wir in der nächsten Woche keine Sonne mehr haben", mischte sich Will Rimson ein. Eine Zornesader lohte auf seiner Stirn. „Die Sonne wird in sich zusammenstürzen. In der Folge bricht das gravitatorische Strukturfeld unseres Sonnensystems zusammen. Mit größter Wahrscheinlichkeit werden die inneren Planeten in die Reste der Sonne stürzen." In dem jetzt ausbrechenden Geschrei der Delegierten erstarb die Stimme des alten Wissenschaftlers. Nukleon preßte ihm die kalte Schnauze in die Hand. Will Rimson beugte sich über Nurgentamar. Er zeigte auf das laktonische Gerät auf dem Tisch. „Könnte es damit wirklich gelingen?" schrie er, um den Lärm zu übertönen. Nurgentamar entblößte seine rötlichen Zähne. „Ich weiß nicht!" brüllte er zurück. „Ich glaube es kaum. Es wäre zu überraschend. Es wäre zu leicht. Nein, ich glaube es nicht!" „Aber sicher sind Sie sich nicht?" „Nein! Ich weiß, daß unsere Wissenschaftler an einem solchen Gerät arbeiten. Vielleicht funktioniert es doch!" Es wäre ein sehr großes Glück, wenn das Gerät schon beim ersten Versuch so arbeiten würde, wie es sollte, dachte
Rimson. In diesem Augenblick fielen zwei Schüsse. Sie zersprengten das Geschrei der Diplomaten. Entsetzt sah Will Rimson auf den Neger, der quer über den Tisch fiel, die Hände noch im Tode nach dem laktonischen Gerät ausgestreckt. General Chang-Yueh Shaofeng stand breit und behäbig am Ende der Tischreihe, die plumpen Fäuste schwer auf den Tisch gestützt. Mit scharfen beweglichen Augen beobachtete er die Delegierten. Will Rimson merkte jetzt, daß an der Tür und an den Fenstern Chinesen standen. Sie trugen Maschinenpistolen in den Händen, die sie auf die Versammlung richteten. Wenn Shaofeng wollte, konnte er alle innerhalb einer Minuten töten lassen. Ein Befehl genügte. Shaofeng ließ sich abermals eine Zigarette reichen. „Ich wollte nur unterstreichen, wer hier das Wort hat", sagte Shaofeng mit der Miene eines Biedermannes. „Das war Mord!" schrie ein Afrikaner am Ende der Tischreihe. Er klammerte sich an den Tisch und starrte den Chinesen mit haßerfüllten Augen an. „Es ist mir gleich, wie Sie die Maßnahme nennen, die ich ergreifen muß, um mein Eigentum zu schützen!" antwortete der General kalt. Der kleine elegante Spanier Saldoz erhob sich. Seine braune Haut spannte sich eigentümlich glänzend über die hohen Wangenknochen. Er bewegte die Lippen kaum, als er mit kalter Verachtung sprach. „Wenn ich Sie recht verstehe, dann fühlen Sie sich als Repräsentant und Sprecher der Erde!'' Ein freundliches Lächeln glitt über das rosige Gesicht Chang-Yueh Shaofengs. Er nickte bedächtig.
„Sie haben mich richtig verstanden!" Nurgentamar stieß ein bellendes Lachen aus. Er erhob sich abermals und sah sich überlegen im Räume um. Er schien die Chinesen nicht zu sehen. „Ich sehe niemanden, der als einzelner für die Erde sprechen könnte!" Sein Kopf ruckte herum. Seine Blicke bohrten sich in die gelassenen Augen des Generals. „Sie interessieren mich nicht! Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diese Konferenz verlassen würden!" Einmütiger Beifall bewies ihm, daß er sich nicht getäuscht hatte. Chang-Yueh Shaofeng gab einem seiner Leibwächter einen Wink. Der Mann kam zu ihm. Der General flüsterte ihm einige Worte zu, die ein breites Grinsen auf die Züge des Leibwächters brachten. Die Wache ging zur Ausgangstür. „Welchen Auftrag haben Sie ihm gegeben?" fragte General Dingel scharf. Der Leibwächter blieb stehen. Shaofeng runzelte die Stirn. „Er wird die Orathonen davon verständigen, daß sich zwei laktonische Agenten hier befinden!" sagte er betont gleichmütig. Nurgentamar preßte die Lippen zusammen. An seinen Schläfen zeichneten sich scharfgezackte Zornesadern ab. „Wir werden die Konferenz für einige Zeit unterbrechen! Ich wünsche, mit Ihnen allein zu sprechen!" sagte er mit einer Stimme so hart und schneidend wie Stahl. Tödliches Schweigen senkte sich über die Versammlung, während Shaofeng selbstzufrieden lächelte. „Ich sehe, Sie nehmen Vernunft an!" * „Ich protestiere!" Wie eine Bombe knallten die Worte General Dingels in den Raum. Mit wuchtigen Schritten ging der Ge-
neral zur Stirnseite der Tafel hinüber, dorthin, wo der General Shaofeng stand. Die auf ihn gerichteten Waffen beeindruckten Dingel nicht. Der harte, disziplinierte Mann bot ein Bild absoluter Entschlossenheit. Obwohl nicht sonderlich groß, machte er eine imposante Figur, als er neben General Chang-Yueh Shaofeng stand. Er ignorierte den Leibwächter, der ihm die Mündung seiner Maschinenpistole in den Rücken drückte. „Ich protestiere entschieden dagegen, daß General Shaofeng die Situation nutzt, um mit hinterhältigen Erpressungsversuchen zum Regenten der Erde aufzusteigen!" Der Leibwächter sah seinen General an. Shaofeng lächelte begütigend. Der flammende Protest des Amerikaners berührte ihn nicht. Er hielt General Dingel nicht einmal für so wichtig, daß er sich durch ihn bedroht fühlte. Auf einen Wink zog sich der Leibwächter von General Dingel zurück, behielt die Waffe jedoch im Anschlag. „Wenn es um Entscheidungen wie diese geht, dann sollte ein Mann nicht unberücksichtigt bleiben, der sich in der ersten Minute der Invasion bereits gegen die Invasoren erhob. Rex Corda hat schon jetzt mehr Entschlossenheit und Kraft bewiesen, als General Shaofeng in seinem ganzen Leben zuvor. Rex Corda beabsichtigt nicht, die politische Macht über die Erde zu ergreifen. Ihn interessiert in diesem Augenblick nur, wie die Erde selbst jetzt noch zu retten ist. Und er hat sofort zugeschlagen, als sich ihm eine Möglichkeit bot." „Ich verstehe nicht, was Sie damit sagen wollen", unterbrach Shaofeng kühl. „Mr. Corda ist nicht anwesend. Ich weiß nicht, was sein Name überhaupt in unserer Diskussion zu suchen hat?" „Rex Corda wird versuchen, die orathonischen Supertransmitter mit Atombomben afrikanischer Herkunft zu ver-
nichten. Er steht im entscheidenden Einsatz. Wahrscheinlich wird sich schon in den nächsten Tagen zeigen, welchen Erfolg er hat. Wenn Sie jetzt versuchen, durch Intrigen die sich anbahnende politische Einigung der Erde zu zerstören, dann wird Rex Corda nach dem gelungenen Anschlag gegen die Supertransmitter einen politischen Trümmerhaufen vorfinden, der den Invasoren nicht den geringsten Widerstand leisten kann. Mit anderen Worten, Sie treiben Verrat an der Erde!" General Chang-Yueh Shaofeng preßte die blassen Lippen zusammen. „Sie verkennen meine Absicht vollkommen! Ich habe nicht vor, Mr. Corda in den Rücken zu fallen. Ich versuche nur, den Ausverkauf der Erde an die Laktonen zu verhindern! Ich erwarte von den Laktonen ganz erhebliche Leistungen dafür, daß wir sie in ihrem Krieg gegen die Gefiederten unterstützen!" „Sie können froh sein, wenn Sie mit dem Leben davonkommen!" knurrte Paro verächtlich. Der Laktone starrte den Chinesen feindselig an. In diesem Augenblick begann Nukleon wütend zu bellen. Will Rimson krallte seine Hand in das Nackenfell des Schäferhundes. „Orathonen?" fragte er laut. Der Hund bellte laut und nickte mit dem Kopf, aber nur Will Rimson, der die besonderen Eigenschaften des Hundes kannte, begriff die Warnung wirklich. „Orathonen!" rief er. Er wollte zum Fenster eilen, doch die chinesischen Wachen stellten sich ihm in den Weg. „So nehmen Sie doch Vernunft an!" schrie der alte Wissenschaftler. „Wir sind entdeckt!" „Woher sollte der Hund das wissen?" fragte Shaofeng spöttisch. „Der Hund ist Telepath!" Shaofeng lachte schallend.
„Kehren Sie an Ihren Platz zurück und geben Sie Ruhe", forderte er. Einer der Wächter stieß Rimson die Maschinenpistole in den Rücken. „Nurgentamar - Sie wissen, welche Fähigkeiten der Hund hat! Die Orathonen kommen! Glauben Sie mir!" Nukleon bellte und knurrte bestätigend. General Dingel und Major Griffith standen plötzlich neben dem Wissenschaftler. Auch Paro kam zu ihm. Nukleon bleckte die Zähne. Knurrend drehte er sich um sich selbst, um anzudeuten, daß die Orathonen aus allen Richtungen kamen. „Ich will hier heraus!" schrie General Dingel. „Ich habe kein Interesse daran, mich abknallen zu lassen!" Nukleon schnellte sich über den Tisch. Er sprang an einer Tür hoch und stieß sie auf. Will Rimson, General Dingel und Major Griffith folgten ihm sofort. Die Laktonen zögerten noch. Unter den anderen Delegierten herrschte offene Verwirrung. Niemand wußte genau, woran er war. Da fielen vor dem Haus die ersten Schüsse ... Major Griffith warf einen letzten Blick zurück, bevor er den Konferenzraum verließ. Er sah gerade noch, wie die ganze Wand in einem blendend weißen Blitz verging, während draußen das Maschinengewehrfeuer schlagartig verstummte. Durch die so entstandene Öffnung bemerkte der Geheimdienstler den Diskus, der bewegungslos über den Bäumen vor der Farm in der Luft schwebte. Nurgentamar sprang zum Tisch, riß das geheimnisvolle Gerät an sich, das die Chinesen erbeutet hatten, und hetzte hinter Griffith her. Paro folgte ihm. Er hielt eine laktonische Waffe in der Hand, mit der er die Flucht Nurgentamars deckte. Paro schoß zweimal, dann befand auch er sich in dem engen Trep-
penhaus und floh hinter den anderen her. Nurgentamar überholte Will Rimson, Jake Dingel und den Geheimdienstler und lief direkt hinter Nukleon, der ihm den Weg zur Hintertür zeigte. Nukleon zögerte etwas an dieser Tür. Der Laktone beugte sich über ihn und drückte dann vorsichtig die Tür auf. Seine Finger umklammerten eine bleistiftdünne Waffe, die die Laktonen als Magnet-Smash bezeichnet hatten. Diese Waffe verschoß winzige Stahlnadeln, die orathonische Roboter durch starke Elektroschocks vernichteten, sobald sie auf seine Metallhaut schlugen. Durch den Schock wurde das positronische Gehirn des Roboters zerstört, Major Griffith wußte inzwischen, daß die Waffe auch gegen Menschen eingesetzt werden konnte. Für Menschen war ein Treffer meist tödlich. Jetzt fuhr der Arm des Laktonen hoch. Er riß den kleinen Abzugshebel dreimal hoch. Jedesmal ertönte ein leises Zischen. Dann drückte er die Türganz auf und gab den anderen einen Wink. Sie flüchteten auf den Hof hinaus und ließen den Kampflärm hinter sich. Keiner hatte Bedenken, sein Heil in der Flucht zu suchen. Es wäre absolut sinnlos gewesen, mit den anderen gegen die Orathonen zu kämpfen. Auf dem von hohen Ahornbäumen beschatteten Hof lagen zwei Bronzeroboter. Sie bewegten sich nicht mehr. Durch die Bäume erkannte Will Rimson einen Diskus, der in wenigen Metern Höhe aus das Haus zutrieb. Am Ende der Baumreihe öffnete sich eine schmale Felsenkluft, Die Männer stürzten sich in das Versteck, das sich ihnen bot, Ohne Bedenken folgten sie dem intelligenten Hund, der genau wußte, daß sich in dieser Kluft kein denkendes Wesen aufhielt.
Bevor Paro die schützenden Felsen jedoch erreichte, zuckte ein gleißender Blitz durch die Bäume, die sofort in heller Glut aufbrandeten. Die Flüchtenden hörten den Schrei Paros, der mitten in der Glut des Energieblitzes stand. Herumfahrend entdeckten sie ihn schemengleich in der tosenden Hitze. Sekundenbruchteile später löste sich der Körper Paros auf. „Weiter!" brüllte Nurgentamar, lodernden Zorn in den Augen. Er riß die drei Männer mit sich, schleuderte sie tiefer in die Schlucht hinein. Die Hitzewelle rollte über sie hinweg. General Dingel fluchte unbändig, bis ihn Major Griffith mit scharfen Worten zur Ruhe mahnte. Der General preßte die Lippen zusammen und half Will Rimson, der die größten Schwierigkeiten hatte, das Tempo zu halten, über einen Felsbrocken hinweg. Plötzlich kauerte Nukleon sich knurrend nieder, den Blick scharf auf die nächste Felskante gerichtet. Als die Whims erschienen, peitschten die ersten Schüsse aus dem Revolver in General Dingels Faust. Major Griffith sprang nach vorn, zog sich am Felsea hoch, um über die Kante hinwegsehen zu können. Er schoß noch dreimal. Die Grillen stürzten unter schrillen Pfeiflauten, die den Flüchtenden wie Messer in die Nerven schnitten. „Nehmen Sie das Gerät!" keuchte Nurgentamar. „Unsinn!" rief General Dingel. „Sie sind viel stärker als ich! Für Sie ist das kein Gewicht!" Nurgentamar drückte dem General das Gerät in die Arme. Dingel mußte es nehmen, ob er wollte oder nicht. Im nächsten Augenblick raste der Laktone los. Er lief tiefer in die Schlucht hinein, deren Felswände immer mehr in die Höhe wuchsen, um sich weit über den Männern immer näher zu kommen.
Nukleon knurrte laut und protestierend. Er lief hinter Nurgentamar her, um ihn abzusichern. Die anderen Männer konnten das Tempo nur wenige Minuten mithalten. Die überragende Kraft verlieh dem Laktonen eine zu große Schnelligkeit. Als Nurgentamar zwischen den Felsen verschwand, wurde es auch weit hinter ihnen, bei der Farm, still. Die Aktion schien beendet zu sein. Um so lauter hallte der Schuß durch die Schlucht. Wie erstarrt blieben Will Rimson, Major Griffith und General Jake Dingel stehen. Der Schuß war dort gefallen, wo Nurgentamar verschwunden war! „Ich gehe allein!" rief Griffith mit unterdrückter Stimme. Im nächsten Augenblick eilte er dem Laktonen auch schon nach. Doch Will Rimson und der General dachten nicht daran, untätig zu bleiben. Auch sie hetzten weiter. Hinter der Biegung teilte sich die Schlucht überraschend. An der linken Seite sahen die drei Männer Nukleon hinter den Felsen verschwinden. Rechts öffnete sich ein dunkler Spalt, der schräg in die Tiefe führte. Am Grunde der Enge schimmerte ein grüner Bach. „Rimson! Sie gehen dort hinein! Wir folgen dem Laktonen! Bis gleich!" General Dingel warf dem Wissenschaftler das Gerät zu. Will Rimson konnte ebensowenig ausweichen wie zuvor der General. Er knirschte wütend mit den Zähnen, schnappte das Gerät und stolperte in die dunkle Schlucht hinein. Griffith und Dingel eilten lautlos weiter. Hier stieg der Boden leicht an. Nach etwa zwanzig Schritten sahen sie Nukleon. Der Hund lag flach auf dem Boden, durch einen Felsblock geschützt. Er spähte durch einen kleinen Spalt, in dem eine hagere Kiefer kauerte, nach vorn. Die beiden Offiziere knieten dicht
hinter dem Hund nieder und krochen die letzten zwei Meter über den Boden. Dann sahen sie, was sich in dem kleinen Felskessel abspielte. Nurgentamar war in die Falle gelaufen. Er stand zwischen vier Whims, zwei Robotern und einem hämisch grinsenden Orathonen. Auf der anderen Seite des Kessels öffnete sich die Schlucht zu einem weiten Tal. Kurz hinter der Öffnung stand der Diskus. Der Orathone rief etwas. Der Laktone antwortete nicht. Seine Augen glühten in abgrundtiefem Haß. General Dingel erschauerte. Nie hatte er einen so wilden unversöhnlichen Haß bei einem Menschen gesehen. Nurgentamar bebte am ganzen Körper. Seine Augen sahen nur den Featherhead, in dessen grünem Gesicht die Zähne blitzten. Die farbig gemusterten Augenlider zuckten spottend. Blitzschnell fuhr die Hand Nurgentamars zur Hüfte. Die kräftige Hand packte die Waffe. Doch noch schneller sprang ihn eine der Grillen an und warf ihn zu Boden. Die Waffe trudelte über den Boden. Der bräunlichgelb Gefiederte gab den Grillen einen befehlenden Wink. Sie packten Nurgentamar und schleppten ihn zum Ausgang der Schlucht hin. „Verdammt! Sie dürfen ihn nicht haben! Er verrät alles!" wisperte General Dingel erregt. „Was wollen Sie machen? Wir können ihn nicht erschießen!" keuchte der Major. Doch der Laktone nahm ihm alle Probleme ab. Er begann urplötzlich in den Chitinklauen der insektenartigen Sklaven der Orathonen zu toben. Er schrie laut und haßerfüllt. Er versuchte, sich auf den Gefiederten zu werfen - so sah es jedenfalls aus. Als die Grillen ihre Kraft allem auf diese Bewegungsrichtung ansetzten,
schleuderte sich der Laktone mit unmenschlicher Gewalt zurück. Er kam frei. Er kugelte, sich überschlagend, durch den Kessel. Wütend stürzten sich die Grillen auf ihn, doch er kam auf die Füße, bevor sie ihn erreichten. Dann ging alles schnell. Nurgentamar rannte mit einem verzweifelten Schrei auf den Lippen gegen die Felsen, den Kopf tief gesenkt. Er war auf der Stelle tot. * „Nurgentamar - tot?" stöhnte Will Rimson. Er ballte die alten Fäuste. „Was sind das für Bestien, die da über uns hergefallen sind?" „Er hat sich selbst getötet!" „Ich verstehe das trotzdem nicht! Beide Völker haben eine sehr hochstehende Zivilisation. Beide Völker sind uns geistig und technisch weit überlegen. Wie ist es möglich, daß sie sich dann so gnadenlos und haßerfüllt bekriegen! Ich verstehe das nicht!" Er griff nach dem erbeuteten Gerät, das er auf den Felsen abgesetzt hatte. „Wir können nicht hierbleiben", sagte Jake Dingel ernst. „Wir müssen uns beeilen, wenn wir nicht auch noch geschnappt werden wollen!" „Können Sie mir sagen, wie Sie ins NORAD zurückkommen wollen?" fragte Rimson. „Ich sehe keine Möglichkeit!" „Warten wir ab", bemerkte Griffith. „Zunächst einmal müssen wir aus diesem Kessel heraus! Wir müssen damit rechnen, daß die Gefiederten das ganze Gebiet sorgfältig durchkämmen!" Er sah sich mit zuckenden Lippen um. Nervös tanzten seine Augenbrauen auf der hohen Stirn. Besorgt beobachtete General Dingel, daß der Geheimdienstler die Nerven zu verlieren begann.
„Wenn ich beim Sicherheitsdienst der Gefiederten arbeitete, dann wüßte ich inzwischen bereits, wer an der Konferenz teilgenommen hat", erklärte der Major. „Das bedeutete, daß ich so lange suchen würde, bis ich alle wichtigen Leute gefunden habe." Schweigend setzte General Dingel sich in Bewegung. Griffith nahm dem Wissenschaftler das schwere Gerät ab. Wenig später hatte die Schlucht die drei Männer und den Hund verschluckt. Die drei Grillen, die fünf Minuten danach an der Stelle auftauchten, an der die Männer eben noch gestanden hatten, fanden keine Spur mehr. * „Wir haben es geschafft!" behauptete Griffith. „Jetzt besteht keine Gefahr mehr!" Sie standen am Rande eines kleinen Waldes und konnten das Land unter sich gut überblicken. Weit in der Ferne ragte das Hantelschiff drohend in die Wolken hinauf. In der Ebene durchkämmten Grillentrupps einsam gelegene Gehöfte. Dort, wo die Farm gewesen war, stand eine Rauchsäule, die sich bis in die Wolken hinauftaumelte. Ein weißer Diskusraumer zog langsam nach Süden. Die drei Männer und der Hund wanderten am Rande des Waldes entlang, bis sie in einem sanften Seitental eine Farm entdeckten. Griffith blieb lächelnd stehen. „Sehen Sie sich das an! Das kommt doch wie gerufen!" Er meinte das Flugzeug, das neben der Farm stand. „Das ist eine Cessna Super Skymaster, zweihundert Meilen schnell! Genau das richtige Fahrzeug für uns!" General Dingel schnaubte verächtlich durch die Nase. „Glauben Sie wirklich, daß wir uns diesem alten Schinken anvertrauen
können?" Seine Augen hatten sich nicht getäuscht. Die Cessna war tatsächlich alt. Dunkle Rostflecken überzogen ihre schlanken Seiten. Die Farbe war kaum noch zu erkennen. Eine Scheibe war zerbrochen. Während Major Griffith das Flugzeug überprüfte, durchsuchten Nukleon und General Dingel die Farm. Sie fanden keinen Menschen. Ein Teil der hinteren Hausfront war verbrannt. Hier schienen auch die Schlafräume der Farmer gewesen zu sein. Doch war nicht mehr zu erkennen, ob die Bewohner in diesen Räumen gewesen waren, als sie in Flammen aufgingen. Als der General zu der Cessna zurückkehrte, strahlte der schmächtige Major. „Die Maschine ist in Ordnung, Sir", meldete er. „Rimson hat zudem noch etwas Treibstoff aufgetrieben. Ich würde sagen - wir können es wagen!" „Und die Gefiederten?" „Es kommt auf einen Versuch an, Sir! Mit knapp zweihundert Meilen in der Stunde sind wir ausgesprochen langsam. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Featherheads da mißtrauisch werden könnten!" Dreißig Minuten später stieg die Cessna auf. Major Griffith ließ sie zunächst sehr dicht über den Boden fliegen, kaum mehr als fünf Meter hoch. Erst als sie in die Berge kamen, zog er die Maschine höher, aber er folgte den langgestreckten Schluchten. Will Rimson hockte ganz still in einem schmutzigen Winkel der Kabine. Er hatte das laktonische Gerät auf den Knien und versuchte, es zu verstehen. Aber es gelang ihm nicht, sich ausreichend zu konzentrieren. Seine Gedanken schweiften immer wieder ab. Es quälte ihn, daß er immer noch nicht wußte, ob die Aktion Rex Cordas erfolgreich verlaufen war. Er suchte
verzweifelt nach einer Möglichkeit, sich über die Ereignisse in Los Angeles zu informieren. Er hatte noch keine gefunden, als sie sechzehn Stunden später einige Meilen südlich von Colorado Springs im Schatten des Cheyenne landeten. Aber er glaubte, etwas mehr von dem erbeuteten Gerät zu verstehen. Ihm schwebten bereits einige Experimente vor, die er machen wollte - falls die Featherheads ihn nicht verhafteten! Er hoffte, daß er wirksam in den Kampf eingreifen konnte. Wenn Rex Corda keinen Erfolg haben sollte, dann blieb nur noch eine winzige Hoffnung. Alle Last ruhte dann auf seinen Schultern. * Amir Vernian, Sicherheitsbeauftragter eines Forschungsraumschiffes, preßte die Lippen zusammen. Unbehaglich musterte er den hartgesichtigen Agenten der Zentralen Abwehr, der ihn aufgesucht hatte. „Wieso läßt sich nicht feststellen, ob alle Teilnehmer gefaßt wurden?" wiederholte der Agent. „Es wurde geschossen! Bei dem Angriff wurde ein Teil des Hauses zerstört. Es ist möglich und wahrscheinlich, daß dabei auch einige Abgesandte getötet wurden!" Der Agent schnaubte verächtlich. Er blinzelte zu dem Holographen hinüber, der ein wirklichkeitsgetreues dreidimensionales Abbild der Umgebung zeigte. Plötzlich klatschte seine flache Hand auf die Lehne des schwebenden Sessels herab. „Es ist unfaßbar!" brüllte er. Er sprang auf und kam mit wuchtigen Schritten zu Amir Vernian herüber. „Wir sind unvorsichtig geworden, weil wir nur noch den Sieg kennen. Wir sind hier auf einige Dinge gestoßen, die uns aufmerksam und mißtrauisch machen
sollten. Statt dessen reagieren wir mit einem überlegenen verächtlichen Grinsen. Nie in der Geschichte des Krieges gelang es einer besetzten Welt, uns gefährlich zu werden. Aber das rechtfertigt unsere Überheblichkeit nicht. Vielleicht bahnt sich schon jetzt die entscheidende Niederlage in diesem Krieg an, nur weil wir zu sicher sind, daß die Eingeborenen uns nicht gefährlich werden könnten!" Er wirbelte herum und stampfte mit dröhnenden Schritten zu der Wand hin, die von einem dreidimensionalen farbechten Bild Nordamerikas mit großen Teilen des atlantischen und des pazifischen Ozeans eingenommen wurde. „Das glauben Sie doch nicht wirklich!" warf Vernian ein. Der Hartgesichtige warf ihm nur einen kalten Blick zu. Seine Hand zuckte hoch und zeigte auf eine Stadt an der Westküste des Kontinents. „Hier wurde ein Fahrzeug gestohlen, das sich für Expeditionen in große Meerestiefen eignet. Wie ich erfuhr, gelang es bis jetzt nicht, die Besatzung des Bootes zu überwinden und das Boot an die Oberfläche des Ozeans zurückzuholen. Wir vermuten, daß Präsident Corda sich an Bord des Schiffes aufhält. Er wird wahrscheinlich zu dem Wrack eines abgestürzten Raumers vorstoßen wollen, um sich dort Waffen zu besorgen!" Amir Vernian erhob sich und ging zu dem Agenten hinüber. „Wir erfahren gleichzeitig von einer Konferenz, die im Norden des Landes stattfinden soll, weil uns ein Bote in die Hand fällt", fuhr der Agent fort. „Wir überraschen die versammelten Verschwörer, packen die Sache jedoch so ungeschickt an, daß niemand sagen kann, ob alle Beteiligten gefaßt wurden!" Er ließ sich in einen Sessel fallen. „Sehen Sie, welche Fehler sich hier
einschleichen?" Zögernd nickte Vernian. Er wischte sich mit der flachen Hand über das schwitzende Gesicht. „Das alles wäre nicht sonderlich gefährlich", fuhr der Agent grollend fort, „wenn wir nicht bei der Vernehmung der Verhafteten erfahren hätten, daß ein bisher unbekanntes laktonisches Waffensystem mit im Spiele ist, das unsere Supertransmitter vernichten soll. Ich erwarte, daß Sie innerhalb der nächsten Tagperiode herausfinden, ob alle Beteiligten der Verschwörung gefaßt wurden. Ich will wissen, wo das Waffensystem blieb. Gleichzeitig ist jetzt mit aller Energie nach dem Unterseeboot zu forschen. Diese Aufgabe übertrage ich Ihnen. Sie können sich dabei bewähren. Wenn es nicht gelingt, das Fahrzeug an die Oberfläche zu holen, dann ist es zu vernichten. Zeigen Sie, was Sie könnnen. Zerschlagen Sie alles, was sich uns in den Weg stellen könnte." Plötzlich grinste er breit. Seine Augen funkelten teuflisch. Er beugte sich zu Vernian hinüber. „Es geht allein um Sie, Vernian! Nur um Sie. Vergessen Sie das, was ich über eine mögliche Niederlage gesagt habe. Die Rebellen haben nicht die geringste Chance. Es ist alles vorbei, wenn sie endlich soweit sind, daß sie zuschlagen können." „Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann geht es also gar nicht um den Kopf der Aufständischen!" „Es geht um Ihren. Amir Vernian", lächelte der Hartgcsichtige. „Der Kopf der Terraner ist längst verspielt!" * Rex Corda erlaubte sich ein flüchtiges erleichtertes Lächeln. Der wichtigste Schritt war getan. Das dumpfe Gurgeln, mit dem das
Wasser in den Absaugrohren der Schleuse versackte, drang durch die dicken Spezialwände des Aluminauten bis ins Innere. Als der Wasserspiegel unter die Bulleys sank, schwemmte weißes Licht in die enge Kabine, in der sich die sechs Männer drängten. Ga-Venga, der zwergenhafte Kynother, stieß ein dunkles Lachen aus, in dem sich die Anspannung der letzten Stunden spiegelte. Der Durchbruch zu dem Raumschiffswrack war gelungen. Percips tollkühner Einsatz war nicht umsonst gewesen. Rex Corda rieb sich mit dem Handrücken über den Mund. Seine Blicke suchten John Haick. den Atomwissenschaftler, der mit einem dünnen Lächeln auf den Lippen an einem Instrumentenpult lehnte und den Instrumenten einen letzten kontrollierenden Blick zuwarf. „Das wäre geschafft!" brummte Oberst Polley. Bekoval, der Laktone, sagte etwas. Es dauerte einige Augenblicke, bis GaVenga übersetzte. „Bekoval empfiehlt Ihnen, den Schnabel zu halten", grinste der Kleine. „Er sagte, bis jetzt sei noch nichts geschafft. Erst wenn wir in dem Terra-Jet sitzen, wird sich zeigen, wie weit wir wirklich sind. Der Laktone hält es für wahrscheinlich, daß der Terra-Jet beschädigt ist." Percip, der laktonische Agent, entblößte seine rötlichen Zähne zu einem verzerrten Grinsen. Das Wasser versackte bis auf unwesentliche Reste in der Schleuse. Der Aluminaut neigte sich langsam. „Festhalten!" brüllte Polley. Im nächsten Augenblick schon donnerte das Spezialboot gegen die Kammerwandungen. Die Schleuse dröhnte wie eine gigantische Glocke. Rex Corda beobachtete, wie sich ein
fingerstarker Riß knisternd seinen Weg quer über die Schleusenwand zog. Glitzernde Wassertropfen funkelten an den brüchigen Rändern. „'raus hier!" keuchte Percip. Der Agent mit der roten Kerbe auf der Unterlippe raste die schmale Eisenleiter hoch, die in den Turm des U-Bootes führte. Unter seinen kräftigen Händen wirbelte das Stahlrad herum, das den Turmdeckel verriegelte. Sekunden später schlug der Deckel hoch, die Boots-Schleuse öffnete sich. Laut drang das unheimliche Knistern der Schleusenwände bis zu den Männern ins Boot hinein. Einer nach dem anderen kletterten sie die Leiter hoch. Die Atemluft erwies sich als sehr gut atembar für die drei Terraner. Nur der herbe Geruch störte etwas. Es war der gleiche Geruch, der auch den Laktonen anhaftete. Als Rex Corda als letzter den Aluminauten verließ, stand Percip bereits an der Innenschleuse. Seine Hände fuhren über das Schott, das sich träge öffnete. Cordas Blicke flogen über die Seitenwandungen. Der Riß erweiterte sich. Vereinzelte Wasserrinnsale schlängelten sich über die feuchte Wand. Das Knistern steigerte sich zum bedrohlichen Krachen. Die ungeheure Wassermasse, die auf das Raumschiffsfragment drückte, drohte Sieger zu werden. „Wenn wir Glück haben, geht nur die Schleuse zum Teufel!" rief Ga-Venga. Der Kynother stand neben der jetzt offenen Innenschleuse. Er stemmte die kleinen Fäuste in die Hüften und sah Rex Corda mit einem harmlosen Lächeln zu, als dieser das U-Boot verließ und über die knallroten Verkleidungen herabrutschte. „Die lächerlichen 5100 Meter Tiefe machen diesem Unterwasserspielzeug ganz hübsch zu schaffen!" spottete er. „Ich bin überzeugt, daß es in Kynoth ähnliche Spezialanfertigungen gibt, die
weit über zehntausend Meter Tiefe spielend schaffen", antwortete Rex Corda grinsend. Er schob den kleinen Kynother an der Schulter herum und drängte ihn zur Schleuse hinaus. Percip wartete bereits an der Schalttafel. Jetzt schloß er das Schott. Ga-Venga strich sich kichernd über sein blaues Haar. Er reckte sich stolz. „Nimm das Doppelte, Terraner, dann kommt das der Wahrheit am nächsten!" Der Dolmetscher der Laktonen hob plötzlich die winzigen Hände und deutete auf das eben geschlossene Schott. Das Knistern steigerte sich zu einem wütenden Krachen und Brüllen. Plötzlich gab es einen ohrenbetäubenden Krach. Das Schiff schwankte. Rex Corda beobachtete, wie das Schleusenschott in seinen Verankerungen bebte. Irgend etwas prallte donnernd gegen das Metall. Dann wurde es ebenso plötzlich still, wie der Krach gekommen war. Ga-Venga stimmte einen leisen spöttischen Singsang an. Er beobachtete John Haick, Oberst Polley und Rex Corda, die das Schott im Auge behielten. „Damit ist der Rückweg abgeschnitten", versetzte Percip. „Der Aluminaut besteht nicht mehr!" Rex Corda wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er nickte ruhig. Ein seltsamer Glanz lag in seinen Augen, die wie ruhige kristallklare Steine in den Höhlen lagen. „Ich hatte nie die Absicht, den Rückweg einzuschlagen", bemerkte er. „Also, halten wir uns nicht unnötig auf!" Percip lächelte dünn. Er nickte anerkennend. „Sie haben es genau erfaßt, Corda'', sagte er. „Entweder schaffen wir es oder wir brauchen uns um nichts mehr zu kümmern! Also sehen wir uns den Terra-Jet an. Ich bin gespannt, wie er
den Absturz überstanden hat!" * John Haick schüttelte den Kopf, als er das massige Monster in den Stahlkammern sah. Der Terra-Jet war etwa 35 Meter lang und glich einem sehr schlanken langgezogenen Trichter mit einem größten Durchmesser von etwa drei Metern. Die Außenhaut war glatt und fugenlos wie eine Bombe. Am Trichter konnte der Atomwissenschaftler die Hitzestrahler erkennen, die sich kranzförmig um die gähnende Ansaugöffnung spannten. „Und das Ding soll unter der Erde fliegen können?" stöhnte Oberst Polley. Er griff sich an den Kopf und kratzte sich im Haar. Langsam ließ er sich auf eine Metallstrebe sinken, um dann fassungslos auf den Metallkörper zu starren. Der Terra-Jet hing senkrecht in der „Varnal", den Trichter gegen die Erde gerichtet. Kräftige Stahlarme verhinderten, daß er zu früh herabfiel. Oberst Polley erkannte jedoch an den tiefen Schrammen in dem Metallkörper, daß der Terra-Jet beim Aufprall des Schiffrestes fast aus der Verankerung gerissen worden war. „Unmöglich!" sagte der Oberst. „Percip, das Ding kann doch unmöglich unter der Erde fliegen! Ich hatte so eine Art Bohrer am Bug dieses Monsters erwartet!" Percip entblößte seine rötlichen Zähne zu einem flüchtigen Grinsen. „Es fliegt!" bestätigte er. Er stieg die Stahltreppe, die spiralförmig um das Tragegerüst des Terra-Jet führte, tiefer hinab. Oberst Polley erhob sich ächzend und folgte ihm langsam. Der Laktone zeigte erklärend auf die mächtigen Hitzestrahler am Bug des Terra-Jet. „Die Leistung dieser Strahler ist so groß, daß jegliche Materie, die wir vor-
finden können, augenblicklich vergast wird. Das heiße Gas wird durch die Düsen angesaugt, verdichtet und am Heck des Jets wieder ausgestoßen. Es ist das gleiche Prinzip wie bei den Düsenflugzeugen, die ihr verwendet. Es besteht kein wirklicher Unterschied zu diesen Jets!" Oberst Polley lachte schrill. „Kein Unterschied! Sie machen Witze, Percip! Sie sollten uns lieber sagen, wie dieses Monstrum wirklich funktioniert! Daß es ein echter Jet ist, nehme ich Ihnen nicht ab." Ga-Venga kicherte vor sich hin. Rex Corda räusperte sich. Er hatte höher als alle auf der Treppe gestanden. Jetzt kam er langsam zu den anderen herunter. Er zündete sich dabei eine Zigarette an. „Sie können es ruhig akzeptieren, Oberst Polley", sagte er. „Soweit ich weiß, haben auch die Wissenschaftler der USA an einem Gerät dieser Art gearbeitet, bevor es zu der großen Katastrophe kam! Die Idee war auch bei uns vorhanden. Sie geht auf den Europäer Zwicky zurück!" Oberst Polley brummte vor sich hin. Mißtrauisch verkniff er die Augen. „Und was bleibt zurück? Ich meine, hinter uns? Bleibt da ein Kanal - oder was?" Rex Corda lächelte. Seine Augen richteten sich kurz auf die beiden Laktonen, die sich abgewendet hatten, um die Schleuse des Terra-Jet zu öffnen. „Es ist, als ob man einen Stein ins Wasser wirft, nur, daß das Wasser in diesem Fall nicht ausweicht und sich hinter dem Stein wieder schließt, sondern komprimiert durch den Stein hindurchgeschleust wird." Polley wühlte in seinem roten borstigen Haar. Tiefe Falten zerrissen seine Stirn. Abermals brummte er, unwillig
und rauh. In seinen Augen blieb die Unzufriedenheit. Er akzeptierte die Erklärung immer noch nicht. „Verstehen Sie es bitte so, Oberst, daß der Terra-Jet in einer glühenden Gesteinsblase durch die Erde wandert. Vor dem Jet wird die Erde vergast, hinter dem Jet kühlt sie ab und erhärtet wieder." „Und - wenn einmal die Maschinen ausfallen? Dann sitzt das Ding tief unter der Erde und wird im erstarrenden Gestein eingemauert, stimmt's?" Percip trat lächelnd an sie heran. Das Schott stand offen. Bekoval zwängte seine massige Gestalt durch die kleine Öffnung. „Keine Sorge. Es kann nichts passieren. Der Terra-Jet kann ein paramagnetisches Feld erzeugen, das die gasförmige Materie zurückdrängt. Sobald der Flug durch die Erde zum Stillstand kommt, schaltet sich das Feld automatisch ein", sagte der Agent. „Wie schnell ist der Jet?" erkundigte sich John Haick. Das Gesicht des jungen Wissenschaftlers glühte vor Erregung und Eifer. Man sah ihm an, daß er es kaum erwarten konnte, den Jet zu betreten. „Nach Ihrer Rechnung ungefähr 200 bis 250 Kilometer in der Stunde!" Seine Sprache klang etwas holprig, aber das störte niemanden. Ab und zu sah Percip zu Ga-Venga, dem Dolmetscher, um sich zu vergewissern, daß er keine Fehler machte. Der Kynother kontrollierte ihn unauffällig. Manchmal warf er ein Wort ein, um ihn zu verbessern. Bekoval erschien in dem Schott. Ga-Venga übersetzte seine Worte. Doch schien es Rex Corda, als dämpfe der Kynother ein wenig. Bekovals Stimme verriet die Erregung des Laktonen. „Es sind einige Schäden vorhanden", übersetzte Ga-Venga. Er preßte die Lip-
pen zusammen, so daß die sich bis zu den Kinnladen herabziehenden Augenbrauen fast einen Halbkreis bildeten. „Das Schiff stürzte aus großer Höhe ab. Es hat schwere Treffer erhalten. Es ist daher nicht überraschend, daß es Schäden gegeben hat!" Rex Corda musterte Bekoval. Der Laktone rieb sich die Hände an den Hosenbeinen. Seine Mundwinkel zuckten. „Wie groß waren die Schäden?" Rex Corda fühlte, wie die Unruhe und Nervosität auch auf ihn übersprang. „Wir werden es trotzdem schaffen", sagte er mit kühler Stimme. „Irgendwie schaffen wir es trotzdem!" Er ging zu dem Schott hinüber und sah Bekoval entschlossen an. „Zeigen Sie mir, wie es drinnen aussieht! Ich möchte über jeden weiteren Schritt genau informiert werden!" Ga-Venga begann mit seinem leisen Singsang, der jetzt nervtötend wirkte. Auf den ersten Blick waren keine Schäden zu erkennen. Rex Corda sah sich in der engen Kabine des Terra-Jet um. Wohin er blickte, starrten ihm Instrumente entgegen. Noch nie hatte er eine derartige Menge von Kontrolltafeln und Kontrollscheiben, Oszillographen, Skalen und tabellarischen Übersichten, Hebeln, Knöpfen, Tasten und Rasten gesehen. Es erschien auf den ersten Blick einfach unmöglich, daß sich jemand in diesem unfaßbaren Durcheinander zurechtfinden könnte. Aber Bekoval und Percip wußten sehr genau Bescheid. Sie erklärten mit knappen Worten die wichtigsten Kontrolleinrichtungen und Steuerelemente. „In der empfindlichen Elektronik sind die meisten Schäden eingetreten", grollte Bekoval. Von seinem überlegenen Stolz war jetzt kaum noch etwas zu bemerken. Sein massiges Gesicht spiegelte die tiefe Sorge nur zu deutlich wider.
„Wir müssen so oder so starten", bemerkte Corda. Er ließ sich in einen der Schalensessel nieder. „Es bleibt überhaupt keine Wahl. Der Aluminaut ist zerstört. Uns bleibt nur der Terra-Jet. Und wir werden ihn nehmen. Je schneller, desto besser!" „Wir haben noch etwas Zeit!" mischte sich Ga-Venga ein. Rex Corda warf ihm einen kurzen Blick zu und schüttelte den Kopf. „Mag sein, daß ihr Zeit habt - wir, die Erde, haben keine Zeit!" Bekoval stieß einen harten, grollenden Laut aus. „Was fehlt ihm?" fragte John Haick. „Schafft er es allein nicht?" Percip schüttelte den Kopf. „Wir müssen starten, sobald wir die Antriebsaggregate eingeschaltet haben. Vom gleichen Augenblick an kann man uns vermutlich orten! Der Energieumsatz wird zu hoch." Oberst Polley schnaubte verächtlich. „Na und? Bis jetzt haben die Orathonen uns nicht viel anhaben können! Bis jetzt haben sie mehr Federn gelassen als wir!" „Bis jetzt erkannten sie auch noch nicht, wie gefährlich wir tatsächlich sind." Bekoval brauste zornig auf. „Sobald sie den hohen Energieumsatz orten, wissen sie es. Sie werden keine Sekunde zögern, uns schwere Bomben herabzuschicken." Er sprach so schnell, daß Ga-Venga kaum mitkam. Corda bewunderte die Leistung des Kleinen in dem schwarzen Anzug vorbehaltlos. Angesichts der Tatsache, daß der Kynother erst wenige Tage auf der Erde weilte, vollbrachte er eine phantastische Leistung. „Eine einzige Bombe genügt, um alle Pläne über den Haufeh zu werfen!" v „Dann testen Sie die elektronischen Einrichtungen so schnell wie möglich", sagte Corda scharf. „Verlieren Sie keine Zeit!"
„Hier erteilt niemand Befehle!" zischte Bekoval. Rex Corda lächelte hintergründig. Er sah den Laktonen an. Seine Augen überzogen sich mit einem eisigen Schimmer. Bekoval taumelte. Er fühlte sich wie in einem körperlich spürbaren Griff, der ihn zu Boden zwingen wollte. Diese Augen waren ihm unheimlich. Eine Gewalt ging von ihnen aus, der er nicht gewachsen war. „Hören Sie auf!" ächzte er. Corda zuckte die Achseln. „Starten Sie diesen Jet, alles andere ist mir gleich!" Er drehte sich um und verließ den Terra-Jet. Als er an Ga-Venga vorbeikam, sah er den Kynother grinsen. Das Kindergesicht des Sprachgenies spiegelte reines Vergnügen wider. Er amüsierte sich köstlich darüber, daß Rex Corda sich dem Laktonen widersetzt hatte. * „Es ist ausgeschlossen, daß die Gruppe spurlos verschwunden ist", knarrte die Stimme Vernians aus dem Lautsprecher des Holographen. „Forschen Sie so lange, bis Sie die Spur wieder aufgenommen haben. Und bringen Sie mir das laktonische Waffensystem, das aus dem Gebäude verschwunden ist!" Der Leiter der Forschungsabteilung hob den Kopf. Er sah Vernian starr an. Er hatte diesen Auftrag nicht sehr ernst genommen, war jedoch entschlossen, ihn jetzt konsequent zu Ende zu führen. Er kannte Amir Vernian lange genug, um zu wissen, was ihm eine solche Hilfe wert war. Der Sicherheitsbeauftragte schaltete ab. Der Gefiederte war allein in dem Diskus. Langsam wanderten seine Blikke über die Kontrollinstrumente. Hier und da zeigte sich eine Reaktion. Waren es nur Bruchstücke des ab-
geschossenen Raumschiffes der Laktonen? War es das Kernstück? Gab es darin eine neue, bisher geheime Waffe? Der Featherhead lachte kurz und hart. Er konnte sich nicht vorstellen, daß es dem Feind gelungen war, eine neue Waffe zu entwickeln, ohne daß der orathonische Geheimdienst etwas davon erfahren hatte. Er sah durch die Klarsichtluken des Spezialfahrzeuges nach draußen. Der Diskus zog in fast zehntausend Meter Höhe über den Pazifik. Die elektronischen Sinne, die zahlreichen Sensoren, tasteten den Tiefseegrund ab. Jedesmal, wenn sie ein Stückchen Metallplast orteten, schnellte eine Raste nach oben, und ein schnelles „Pip" kam aus dem Lautsprecher. Plötzlich zuckten sieben Rasten schlagartig nach oben. Gleichzeitig kam ein schrilles Trommelfeuer warnender Laute aus dem Lautsprecher. Der Gefiederte stand auf. Er warf einen kurzen Blick auf die Instrumente, dann ging er zu einem gedrungenen Automaten hinüber und tippte etwas in eine weiße Tastatur. Es dauerte einige Sekunden, bis eine Plastikkarte ausgeworfen wurde. Der Orathone nahm sie auf. Dann lehnte er sich gegen die Maschine. Ein hartes Lächeln sprang in seine Züge. Das Planspiel näherte sich seinem Ende. * „Wie weit sind Sie?" „Scheren Sie sich zum Teufel!" brüllte Bekoval. Ga-Venga, der diese Worte für John Haick übersetzte, grinste vergnügt. Er fühlte sich in dieser gereizten Atmosphäre überraschend wohl. Bekoval, der Laktone, der während der Schlacht über Terra auf der Erde strandete, hockte schweißüberströmt
vor der Instrumententafel und prüfte Schaltverbindungen und Kontakte. John Haick stellte fest, daß zahlreiche Kontrollampen jetzt andersfarbig aufleuchteten als zuvor. Die meisten Lämpchen hatten eine sattblaue Farbe, während sie vorher rot gewesen waren. John Haick wußte inzwischen, daß das farbliche Freizeichen bei den Laktonen nicht grün, sondern blau war. Ga-Venga gab ihm einen Wink mit dem Kopf. Zusammen verließen sie die enge Kabine des Terra-Jet. Am Außenschott stießen sie auf Rex Corda, der soeben aus dem Maschinenraum kam. „Percip kann mich nicht gebrauchen! Polley genügt ihm vollkommen!" erklärte der Senator, der jetzt als provisorischer Präsident der Vereinigten Staaten von Nord- und Südamerika galt, nachdem die gesamte Führungsspitze der USA und der Estados Unidos Sudamericanos beim Absturz eines orathonischen Raumschiffes über Washington getötet wurde. Rex Corda verließ den Terra-Jet zuerst. Die selbstleuchtenden Wände des laktonischen Raumschiffes gaben genügend Licht, so daß er die Halle, in der der Jet lag, gut erkennen konnte. Doch blieb ihm das Gewirr der Maschinen, Kabelstränge, Rohre und Laufkatzen unverständlich. „Wir sind noch nicht dazu gekommen, weiter oben zu kontrollieren", sagte Ga-Venga. „Es wird Zeit. Es ist möglich, daß noch einige Besatzungsmitglieder am Leben sind!" John Haick sah skeptisch zu dem Terra-Jet hinüber. Er wies auf die langen scharfen Kerben, die die Klammern in den weißen Leib des Terra-Jet gerissen hatten. „Gibt es nicht sogenannte Antigravitationsautomaten an Bord der laktonischen Schiffe?" Der zwergenhafte Dolmetscher stieß einen verblüfften Laut aus.
„Allerdings", sagte er. „Dann weisen diese Schrammen daraufhin, daß die Automaten beim Absturz des Raumers ausgefallen sind", betonte Rex Corda. „Wir brauchen nicht mehr nach Lebenden zu suchen! Diesen Aufprall hat niemand überlebt!" Er verstummte, als ein dumpfes Grollen in der Nähe aufkam. Sekunden später polterte es hart. Der Krach pflanzte sich durch die Stahlplatten der Verstrebungen fort. Ga-Venga wirbelte herum und starrte Rex Corda mit großen Augen an. Seine Wangen zuckten unmerklich. „Sie irren sich!" sagte er und wies mit dem ausgestreckten Arm nach einem runden Schott, wenige Meter vor ihnen in der Wand. Jetzt öffnete sich das Metalltor knirschend. Ga-Venga lief darauf zu, doch schon nach drei, vier Schritten warf er sich auf den Boden und riß seine Waffe aus dem Gürtel. Ein blitzender Ball von doppelter Faustgröße schwankte durch das Schott. Rötlich schillernde Öffnungen in der Mitte der Kugel verschossen meterlange gleißende Strahlen. Ga-Venga feuerte. Aus seiner Hand zuckte ein heller Strahl, der in die Kugel schlug. Mit einem dumpfen Krach flog sie auseinander. Die Trümmer sirrten gefährlich durch den Raum, verletzten jedoch niemanden. Ga-Venga sprang sofort auf die Beine. Er kicherte. „Was war das?" keuchte John Haick betroffen. „Eine SAT-Kugel'', antwortete der Kynother. „Eine der gefährlichen Waffen der Laktonen. Die Kugel besitzt einen Gravitationsantrieb, ein auf Laser basierendes Waffensystem und ein winziges Positronenhirn, das es zu eigenen Beschlüssen befähigt!" „Es scheint unter Neurosen gelitten zu haben", meinte John sarkastisch. Ga-Venga grinste breit. Sein volles
Kindergesicht grinste vor Vergnügen. „Deshalb schoß ich es ab. Das Hirn hat bei dem Absturz gelitten. Auch die Gravo-Anlage war nicht mehr in Ordnung, deshalb flog die Kugel ab und zu gegen die Wand!" „Und weshalb heißt dieses Ding SAT?" Ga-Venga hob die Hände. „Das Wort ist eine Abkürzung aus dem Laktonischen. Es bezeichnet eine Welt, auf der es organische Kugeln gibt, die sich mit Hilfe der Gravitationskontrolle fortbewegen. Heimtückische Biester!" Er zögerte einen Augenblick, blinzelte vergnügt und sprach dann weiter. Jedenfalls sahen John Haick und Rex Corda, wie sich seine Lippen bewegten, aber sie hörten keinen Laut. Sie sahen, wie sich seine zierliche Gestalt vom Boden hob und sich krümmte. Gleichzeitig fühlten sie, wie auch unter ihren Füßen der Boden wich. Der urweltliche mörderische Krach kam Bruchteile von Sekunden später. Er übertraf alles, was ihre Vorstellung bisher erfassen konnte. Abermals einige Sekundenbruchteile später kam die Wasserflut. Sie schoß drei Meter über ihnen aus der Wand hervor und durchraste den Raum in fingerdickem Strahl, um sich mit titanischer Wucht an der gegenüberliegenden Seite der Halle zu brechen. Rex Corda erkannte zunächst überhaupt nichts. Er versuchte nur einen Halt in dem rotierenden Raum zu finden, der ihn umgab. Er rutschte über die plötzlich schrägen Böden und wirbelte haltlos auf die Treppen zu, die in die Tiefe führten. Vergeblich hangelte er nach den Streben, um sich zu halten. Es war aussichtslos, es gab keine Rettung mehr. Doch dann kehrten sich die Ereignisse plötzlich um. Eben schien es so, als würde er wie eine Rakete vom Start-
schlitten über den Terra-Jet hinausfliegen. Jetzt holte das verwundete Raumschiff aus und warf sich zur anderen Seite. Rex Corda fing sich mitten im Schwung ab, als sich die Bewegungen für Sekundenbruchteile gegenseitig aufhoben. Er sah, wie Ga-Venga mit katzenhafter Gewandtheit auf die Füße schnellte und über die Schräge heranraste. Er packte John Haick und riß ihn mit unfaßbarer Kraft hoch. „Sie haben uns gefunden!" brüllte der Kynother. „Jetzt werfen sie Bomben! Wir müssen starten! Sofort!" Im nächsten Moment schon klammerte er sich verzweifelt an eine Metallstrebe und schleuderte John Haick gegen eine andere, weil das Raumschiff sich schüttelte und tief neigte. Der Boden wurde zur Wand, die Stahltreppe zu einem Alptraum. Neue Bruchstellen öffneten sich unter dem titanenhaften Druck des Wassers. Rex Corda sah, wie nadelfeine Wasserstrahlen einen dünnen Stahlpfeiler zerschnitten. Er stieß sich ab und kroch das Gebilde entlang, das einmal eine Treppe gewesen war und sich jetzt unter den gigantischen Gewalten wie dünnes Blech bog und formte. Hinter ihm versuchten Ga-Venga und John Haick Anschluß zu halten. Der Terra-Jet durfte nicht ohne sie starten. Er durfte sie hier nicht zurücklassen! Direkt vor Corda zerbarst eine meterdicke Stütze mit infernalischem Krachen. Unter dem Druck nachgebender Zwischenwände wirbelte das tonnenschwere Stahltstück wie ein splitterndes Stückchen Holz über die drei Männer hinweg, die unter Aufbietung aller Kräfte auf das offene Schott zukrochen. Plötzlich tauchte das kantige Gesicht Percips in der runden Öffnung des
Schotts auf. Rex Corda sah, wie seine Hand nach dem Verschluß langte. „Nein!" brüllte er voller Verzweiflung. Er schnellte sich mit letzter Kraft nach vorn, erreichte das Schott und schlug es mit einem Fußtritt zurück. Er traf die Hand des Laktonen. Das Schott war frei. Das sterbende Raumschiff schüttelte sich. Es half Ga-Venga und John Haick, näher an das Schott zu kommen. Rex Corda griff zu. Er konnte später nicht mehr sagen, wie es ihm gelang. Er wußte nur, daß er den jungen Wissenschaftler und Ga-Venga durch das enge Schott in den Terra-Jet stieß. Dann hatte er selbst die größte Mühe, hineinzukommen. In der Tiefe barst eine Zwischenwand. Rex Corda sah die dunkle grüne Wasserflut mit unfaßbarer Geschwindigkeit ansteigen. Percips Faust schoß auf ihn zu. Er wollte sich zurückwerfen, um der Faust zu entgehen. Er fürchtete, in die jagenden Fluten geschleudert zu werden. Doch dann krallten sich die stahlharten Finger des Laktonen in seine Jacke. Corda flog in das Schott, landete in den Armen des laktonischen Agenten und hörte das Schott hinter sich zuknallen. Im gleichen Augenblick stieß Percip einen wilden Schrei aus. Rex Corda hörte die Maschinen im Innern des Jet jaulend anlaufen. Das häßliche Scharren der Klammern, in denen der Jet hing, klang zu ihnen herein. Und während abermals ein schwerer Schlag das Raumschiff traf und den Terra-Jet aus den schützenden Klammern schmetterte, begannen die Aggregate zu funktionieren. Mit einem harten Ruck schoß der Terra-Jet in die Tiefe. Schlagartig hörte das Rütteln und
Schlagen der Wände und des Bodens auf. Der Terra-Jet lag völlig ruhig, von einem machtvollen Dröhnen erfüllt. Rex Corda sah Percip an. „Sie wären ohne uns gestartet?" Der laktonische Agent wich seinem Blick nicht aus. Er senkte den Kopf ein wenig. „Ja", antwortete er. * Bekoval saß hinter den Steuerelementen, die Augen starr auf die zahlreichen Kontrollinstrumente gerichtet. Er wandte noch nicht einmal den Kopf, als Percip, Ga-Venga, Oberst Polley, John Haick und Rex Corda eintraten. Schweigend ließen sich die Männer in die gepolsterten Schalensitze sinken. Rex Corda sah sich um. Bekoval schien es geschafft zu haben, die wichtigsten Reparaturarbeiten zu erledigen. Nur noch ein sehr kleiner Teil der Instrumente war unverschalt. Nur noch zwei Lämpchen leuchteten rot, alle anderen zeigten blau. „Irre ich mich, wenn ich annehme, daß es auch an Bord dieses Jet einen Gravitationsautomaten gibt?" erkundigte sich John Haick mit gedämpfter Stimme. „Nein, Sie haben recht", bestätigte Percip. Er sah zu den Instrumenten zu Bekoval hin. „Wir fliegen jetzt fast senkrecht in die Tiefe. Der Automat sorgt dafür, daß wir das Gefühl haben, waagerecht zu fliegen!" „Wie orientieren wir uns?" fragte John Haick heiser. Percip stand auf und kam zu ihm. Er wies auf ein Instrument, auf dem sich weißrote Wellenlinien abzeichneten, dann auf ein anderes, auf dem kleine weiße Zahlen vorüberrasten. Sie zuckten blitzartig vorbei, schwankten zögernd, verharrten auf dem Platz und rasten wieder weiter. Mal zeigte das Instrument vier- und fünfstellige Zahlen
an, mal zwei- und dreistellige. Und einmal fielen die Zahlen sogar unter Null zurück. Das war in dem Augenblick, als ein leichter Schlag durch den Jet ging. „Wir können uns nur annähernd orientieren", erklärte Percip. „Dabei müssen zahlreiche Faktoren berücksichtigt werden. Wir müssen einen bestimmten Winkel zum Zentrum der Erde einhalten. An der Menge der vergasten Materie können wir annähernd errechnen, wie groß unsere Geschwindigkeit ist und wie groß die bisher zurückgelegte Strecke. Dieser Schirm gehört zu den wichtigsten Instrumenten. Er zeigt uns die Stellung der Sterne, wobei die Sonne dieses Systems der wichtigste ist. Wie Sie wissen, ist jede Sonne ein Neutrinospender. Neutrinostrahlung aber stößt bis zu uns herab. Sie sehen also, daß wir uns durchaus orientieren können. Wir fliegen nicht blind. Deshalb können wir auch annähernd errechnen, an welcher Stelle wir in Afrika herauskommen werden. Könnten wir nicht navigieren, dann wäre es auch unmöglich, auf diesem Wege die Supertransmitter der Gefiederten anzugreifen!" Rex Corda hatte kaum gemerkt, daß Percip nur einen Teil dieser Worte in englischer Sprache erläuterte, während Ga-Venga den größeren Teil übersetzte. Der Kynother übersetzte so schnell und so geschickt, daß keine Pausen eintraten. Er schien genau zu wissen, was Percip sagen wollte. Nur selten wartete er das Ende eines Satzes ab, meistens begann er mitten im Satz und führte ihn richtig zu Ende. „Sind die Schäden restlos beseitigt?" Bekoval verneinte. „Wir haben nur die wichtigsten Reparaturen durchführen können." Oberst Polley fluchte leise. „Dann wollen wir hoffen, daß die Maschinen unterwegs nicht anfangen zu
stottern!" * Rex Corda erwachte, als die Vibrationen des Bodens verschwanden und ein eigentümliches Gurgeln aus dem Maschinenraum durch die Verbindungsgänge kroch. In den ersten Augenblicken hatte er Mühe, sich zurechtzufinden. Dann war er schlagartig wach. Er sprang aus seinem Sessel. Bekoval stand am Kontrollpult hinter Percip. Die massigen Hände des laktonischen Agenten lagen unruhig neben den Steuerelementen. „Was ist passiert?" fragte Rex Corda. Jetzt regten sich auch die anderen drei Männer. „Die Maschinen haben ausgesetzt!" antwortete Percip hart. Bekoval drehte sich um. „Ich will Ihnen die Wahrheit sagen. Nicht nur die Antriebsaggregate sind ausgefallen, auch das paramagnetische Feld droht zusammenzubrechen!" Percip erhob sich. Er ging zu einem Schrank und streifte sich einen weißlichen weiten Anzug über. Anschließend zog er sich eine Maske über den Kopf, so daß er völlig eingehüllt war. Erst jetzt verließ er den Steuerraum und stampfte zum Maschinenraum hinüber. Rex Corda hörte seine schweren Schritte in den Tiefen des Terra-Jet verhallen. „Strahlung?" fragte Ga-Venga. „Offensichtlich", fluchte Oberst Polley rauh, als Bekoval nicht antwortete. „Sonst hätte er kaum diesen Anzug angezogen! Wie tief sind wir?" Bekoval lachte kurz und hart auf. „Als ob das wichtig wäre!" Polley biß die Zähne zusammen. Rex Corda bemerkte dichten Schweiß auf seiner Stirn. „Es mag unwichtig sein, Bekoval!" fuhr Polley auf. „Mich interessiert es
trotzdem! Wie tief?" Bekoval drehte sich um und sah zu den Instrumenten hinüber. „Ungefähr 8 000 Meter!" „Und - was ist über uns?" Bekoval knurrte mürrisch. Tiefe Falten gruben sich in seine Stirn. „Ich kenne mich auf diesem Planeten nicht aus. Was fragen Sie mich also?" übersetzte Ga-Venga seine Worte. „Es dürfte doch wohl ziemlich egal sein, was über uns ist", warf John Haick gelassen ein. „Wichtig ist nur, daß Percip die Maschine reparieren kann!" „Achttausend Meter!" flüsterte Oberst Polley heiser. „Verdammt - das ist eine Menge Gestein!" Er kam mit dröhnenden Schritten zu Rex Corda. „Glauben Sie, daß die Laktonen es schaffen?" Rex Corda lächelte. „Ich bin überzeugt davon! Die Laktonen leben selbst gern!" Demonstrativ ging er zu seinem Sessel zurück und legte sich hinein. Kaum zwei Minuten später war er eingeschlafen. Ga-Venga pfiff leise. „Nerven hat er!" brummte er anerkennend. „Sie nicht?" fragte John Haick, während er sich ebenfalls legte. Ga-Venga grinste unbekümmert, bis sein Blick auf die Instrumententafel fiel. Dort leuchteten jetzt mehr als die Hälfte aller Lampen rot. Und durch die Wände wurde das harte Knacken des erstarrenden Gesteins hörbar. Das ParaFeld existierte nicht mehr. Der enorme Energiebedarf der Bugstrahler konnte durch die hochgezüchteten Fusionsmeiler gesättigt werden. Hier aber trat der entscheidende Schaden zutage. Percip arbeitete in fieberhafter Eile an dem Verdichter, der das glühende Plasma für die Fusionskammern vorbereitete. Durch den ent-
standenen Schaden war es unmöglich geworden, den Pincheffekt auszulösen: In der Folge kam es zu einem rapiden Abfall des Energieflusses. Es war gerade noch gelungen, schwerere Schäden, die sich wenig später unvermeidlich eingestellt hätten, zu vermeiden. Doch jetzt kam es darauf an, die Reparatur möglichst schnell zu beenden, um nicht von dem erstarrenden Gestein zerquetscht zu werden. Bekoval staunte immer wieder, wie gut der Agent mit den Maschinen des Terra-Jet vertraut war. Als Percip wichtige Zwischenschaltungen austauschte, erschien Ga-Venga beim Maschinenschott. Er sah verblüffend aus in dem durchsichtigen Schutzmantel, den er trug, um sich vor Radioaktivität abzuschirmen. Er sagte kein Wort, doch seine Augen funkelten hinter der Maske. Bekoval richtete sich zornig auf. „Niemand hat dir erlaubt, hier zu erscheinen!" Ga-Venga war nicht zu erschüttern. Er sah sich im Maschinenraum um, stemmte die kleinen Fäuste in die Hüften, drehte sich dann um und stolperte mühsam davon. Doch Bekoval gedachte nicht, ihn so schnell entkommen zu lassen. Mit drei Sätzen hatte er ihn erreicht. Er packte ihn am Genick und wirbelte ihn herum. „Was hat das zu bedeuten, Ga-Venga?" Der kleine Kynother rümpfte die Nase. „Ich habe festgestellt, daß das uns umgebende Material zu schnell erstarrt. Ich sah auch, daß Percip den Schaden bald behoben hat. Es wäre unpassend gewesen, hätte ich Beeilung gefordert!" Bekoval biß sich verblüfft auf die Lippen. Dann lachte er schallend. Er gab dem zwergenhaften Dolmetscher einen harten Stoß, der ihn quer über den Gang wirbelte, und kehrte in den Ma-
schinenraum zurück. Hier beendete Percip gerade die Reparatur. Er schloß den Verdichter mit geschickten Handgriffen ab. Die magnetischen Halterungen schnappten klickend ein. Der Terra-Jet schüttelte sich, bevor er in gleichmäßigen Gleitflug überging, der nichts davon ahnen ließ, wie das Gas beschaffen war, in dem der Jet sich vorwärtsriß. Rex Corda erhob sich langsam und stellte sich hinter Ga-Venga, der die Positionsberechnungen überprüfte und auf eine Karte übertrug. Danach näherte sich der Jet jetzt dem afrikanischen Kontinent auf schnurgeradem Kurs, wobei er der Oberfläche ständig näher kam. „Eine Stunde noch", erklärte der Kynother. „Dann sind wir wieder oben!" Er sah Corda an. „Mir wird wohler sein!" „Mir auch", gab Corda zu. Corda wollte zu seinem Sitz zurückkehren, als plötzlich harte kurze Stöße den Jet erschütterten. Der Boden neigte sich blitzschnell um fast vierzig Grad. Ein heftiger Stoß fegte Rex Corda von den Füßen und schleuderte ihn gegen den Pneumosessel Ga-Vengas. Fast gleichzeitig senkte sich der Bug des Jet, der Boden schien sich zu drehen. Der Terra-Jet jagte steil in die Tiefe. Rex Corda konnte sich nicht mehr abfangen. Er verlor den Boden unter den Füßen, flog über Ga-Venga hinweg und landete hart auf dem Instrumentenpult. Er hörte die Verschalung splittern, während sich ein Vorhang schmerzhafter Dunkelheit über sein Bewußtsein schob. Er hörte sich schreien, während seine Hände nach einem Halt suchten. Taumelnd erhob sich der Terra-Jet, als Percip mit blitzschnellen Griffen über die Instrumententafel fuhr. Seine Augen starrten eiskalt auf die Instrumente, die ihm mit höchster Präzision
anzeigten, wie der Jet tatsächlich reagierte. Bekoval, der in seinem Sessel geruht hatte, hetzte mit kraftvollen Bewegungen durch die enge Kabine. Er schien die Schwankungen des Jet schon im voraus zu kennen. Die immer wieder durchkommenden Stöße vermochten ihn nicht von den Füßen zu bringen. Neigte sich der Terra-Jet zu stark, dann hielt er sich an einem Sessel oder am Instrumentenpult fest. Aber er ließ sich nicht von seinem Ziel abbringen. Als erstes sprengte er die Sperre der Halterungen in Percips Kommandantensitz. Leise zischend schössen die gepolsterten Plastikklammern aus den Verschalungen, umspannten den Körper des Agenten und fesselten ihn hart an den Sessel. Dann schnellte sich der untersetzte Laktone geschmeidig zu Rex Corda hinüber, packte ihn und hob ihn vom Instrumentenpult. Er klammerte sich kurz an Ga-Vengas Sessel, um das wilde Rütteln des Jet abzufangen, dann glitt er zu Rex Cordas Schale, warf ihn hinein und fesselte auch ihn mit den Schutzklammern. Mit einer knappen Bewegung sicherte er Ga-Venga ab, der bewußtlos in seinem Schalensitz herumtaumelte. Der Kynother mußte von einem Schlag getroffen worden sein, als Rex Corda über ihn hinwegflog. Oberst Polley und John Haick hatten sich bereits selbst gesichert. John Haick beobachtete den Laktonen mit eiskalter Ruhe. Es gelang ihm, alle Unruhe und Nervosität von sich abzuschütteln. Allmählich verebbte das gefährliche Rütteln des Jet, der Boden lag wieder waagerecht. Das häßliche Kreischen des gequälten Materials verklang. Rex Corda kam zu sich. Er stöhnte leise, während er sich in seinen Fesseln aufzurichten versuchte. Dann blieb nur noch das leise Wummern der schweren Aggregate, die Per-
cip in Ruhestellung weiterlaufen ließ. Rex Corda fühlte sich seltsam leicht. Er löste die Halterungen und beugte sich vor. „Was haben Sie noch für Überraschungen parat, Bekoval?" „Schweigen Sie!" brüllte der Laktone zornig. „Durch Ihr ungeschicktes Verhalten sind wertvolle Instrumente zerstört worden!" Ga-Venga übersetzte eilfertig. Rex Corda lachte spöttisch. „Ihre Flotte hat mehr als nur ein paar Instrumente auf der Erde zerstört!" sagte er kalt. „Sie haben nicht gefragt, ob uns Ihre Anwesenheit gefällt oder nicht!" John Haick hustete verhalten. „Ist das wirklich nötig?" fragte er. „Der Schaden, den Corda angerichtet hat, ist unerheblich. Das kann sogar ich erkennen. Es lohnt sich nicht, sich darüber aufzuregen. Der Ausfall des Antigravitationsautomaten sollte nicht so schwerwiegend sein. Wir müßten es auch ohne ihn schaffen!" „Woher wissen Sie, daß es der Automat ist?" fragte Percip verblüfft. John Haick grinste jungenhaft. „Ich fürchte, Sie schätzen unsere Intelligenz doch zu niedrig ein, Percip. Ich würde Ihnen eine Überprüfung Ihrer vorgefaßten Meinung empfehlen!" Ga-Venga zwitscherte mit spitzen Lippen. Er rieb sich seine zu groß geratene Nase und sah sich mit betont unschuldigen Augen in der Kabine um. Auf seiner Schläfe schillerte ein farbenprächtiger Fleck, der von dem Schlag herrührte. Bekoval preßte grollend einige Worte über die Lippen. Ga-Venga schluckte. „Diese Worte übersetze ich lieber nicht", sagte er dann. „Das dürfte auch nicht im Sinne Bekovals sein!" „Beeilen Sie sich! Wir müssen weiter! Es hat keinen Zweck, hier zu verweilen! Dies Gerede geht mir auf die
Nerven!" wandte sich Rex Corda an Percip. „Sie nehmen Bekoval die Platzangst am besten dadurch, daß Sie endlich zur Oberfläche vorstoßen!" Percip preßte die Lippen zusammen. Drohend funkelten seine Augen. Doch er sagte nichts. Er schwang seinen Sessel herum und schaltete die Motoren hoch. Die scharfe Beschleunigung erschütterte den Terra-Jet und ließ ihn für einige Sekunden um seine Längsachse taumeln. Dann jedoch stabilisierte sich der Flug. Die Männer wurden tief in die Polster der Sessel gepreßt. Jetzt war das Gefühl zu fliegen intensiver als zuvor, als der Antigravautomat noch funktionierte. Bekoval verließ die Kabine. Er stampfte durch den engen Gang nach hinten zum Maschinenraum. Sie hörten ihn dort trotz der heulenden Motoren arbeiten. Als Ga-Venga mit einem schrillen Schrei bekanntgab, daß der Jet in wenigen Minuten die Erdoberfläche erreichen würde, setzte plötzlich das gewohnte Schweregefühl wieder ein. Im ersten Augenblick schien es so, als hebe sich ihnen der Boden entgegen, während die den Laktonen angepaßte Gravitation sich den Terranern in den Magen preßte. Doch das unangenehme Gefühl verging rasch. Bekoval kehrte zurück. In seinem Gesicht zuckte es. Rex Corda beobachtete ihn sorgfältig. Der Laktone schaltete an der Tafel. Ein Bildschirm erhellte sich schlagartig, doch noch zeigte er kein Bild. Aufblitzende Lichtflecke huschten über den Schirm. „Achtung!" rief Ga-Venga. Er stieß einige schrille Schreie aus, die Bekoval veranlaßten, erneut einige Schaltungen vorzunehmen. Sekunden später erhellte sich das Bild. Doch die Männer in dem Terra-Jet
atmeten nicht auf. Sie starrten wie gebannt auf die steil in die Höhe wuchtende Wand des Hantelraumschiffes, in dem sich mit erschreckender Schnelligkeit die Geschützluken öffneten. Schon als die Luken halb offen waren, bauten sich die flimmernden Abstrahlfelder der Energiekanonen auf. Percip riß den Akzelerator voll durch. Der Jet machte einen wütenden Satz. Mit fünfzig Meter langer Bugflamme pflügte das laktonische Fahrzeug den Boden auf. Glutflüssige Brocken flogen wabernd zu den Seiten weg. Sekunden später hüllte sich der Jet in einen flimmernden Glutschleier. Ga-Venga schaltete die Aufnahmeoptik ab. Rex Corda hörte die Sicherheitsschotts dumpf über die Geräte an der Außenwand schlagen. Der trichterförmige Bug senkte sich dem Boden wieder entgegen. Ein harter Ruck ging durch den Jet, dem ein unangenehmer Andruck folgte. Percip beschleunigte mit Höchstwerten. Die Motoren rüttelten in den Halterungen. Das dumpfe Heulen der Beschleuniger steigerte sich zum schrillen Kreischen, das alle anderen Geräusche übertönte, bis ein ohrenbetäubender Krach die Hülle des Jet erschütterte. Percip brüllte wütend auf. Ein wilder Fluch schoß über seine Lippen, während der Terra-Jet in die Tiefe trudelte. „Treffer!" kreischte Ga-Venga mit blutrotem Gesicht. Seine Finger gruben sich heftig in das kurze blaue Haar, und die Augenbrauen, die sich von den Augen bis zum Kinn herabzogen, schienen sein Gesicht zusammenzuschieben. Im Maschinenraum heulte eine Sirene ein schauriges Lied. Und mit einem urweltlichen Gurgeln erstarben die Aggregate. Langsam neigte sich der Jet nach vorn, während der Antigravautomat abermals ausfiel. Rex Corda hörte das heiße Zischen im Heck. „900 Meter tief!" schrillte der
Kynother. Seine kleine Faust knallte auf das Instrumentenpult. „Die gefiederten Teufel könnten uns hier noch erreichen, wenn sie hartnäckig genug sind!" Die Taumelbewegung des Jet brach ab. Jetzt lag das Fahrzeug ganz ruhig in der Glutblase, den Bug um annähernd dreißig Grad geneigt. Bekoval und Percip lösten sich aus ihren Sitzen und stiegen in den Maschinenraum. Rex Corda folgte ihnen. Heißes Öl zischte aus einer gebrochenen Leitung. Weitere Schäden konnte Corda nicht erkennen. Bekoval schloß die Ventile. „Wir haben Glück gehabt", sagte Percip. „Wir wurden nicht voll getroffen. Der größte Teil der Aufprallenergie wurde vom Parafeld aufgefangen!" Er lächelte dünn und nickte Rex Corda zu. „Wir werden bald einen zweiten Versuch machen!" „Können die Featherheads uns orten?" „Dies ist eine völlig neue Waffe, die wir zum erstenmal einsetzen. Die Gefiederten kennen sie noch nicht. Im Augenblick sind wir vermutlich noch sicher, aber es wird nicht mehr lange dauern, bis die Orathonen uns genau verfolgen können; in ein paar Stunden vielleicht!" „Das bedeutet, daß wir keine Zeit mehr verlieren dürfen!" Bekoval spritzte eine gelbe plastische Masse auf das gebrochene Rohr. Die Masse erhärtete sehr schnell und verschloß die Öffnung. „Das größte Problem wird noch sein, herauszufinden, wo die Gefiederten die Supertransmitter errichtet haben. Bis jetzt kennen wir nur den Standort eines Transmitters!" brummte der Agent. „Wir werden einen Weg finden!" sagte Corda zuversichtlich. Ga-Venga stieß einen hellen Schrei aus. Dann sprudelte er eine Nachricht
heraus. Bekoval fluchte. „Da haben Sie es!" knurrte Percip. „Die Gefiederten feuern auf uns! Der Kynother meldete einen steilen Energieanstieg im Raum über uns. Das bedeutet, daß die Orathonen mit den Energiegeschützen feuern!" Hastig kehrte er zum Pilotensitz zurück. Brüllend erwachten die Maschinen zum Leben. Percip wartete eiskalt ab, bis alle Kontrollichter blau zeigten, dann startete er. Ga-Venga atmete erleichtert auf. Er schaltete ein Gerät ab, mit dem er das energetische Verhalten der umgebenden Materie beobachtet hatte. Rex Corda fragte sich, wielange sie sich der Beobachtung der Invasoren noch entziehen konnten. „Hast du erkannt, wo wir 'rauskamen?" fragte John Haick. Rex Corda hob die Schultern. „Ich habe nicht viel erkennen können. Der Hantelraumer stand in der Nähe einer Stadt. Es könnte Conakry gewesen sein." John nickte zufrieden. „Den gleichen Eindruck hatte ich auch! Wo werden wir jetzt herauskommen?" Ga-Venga drehte sich mit seinem Sessel um. „In einer Gegend, die Sie mir als Kongo bezeichnet haben. Diesmal werden wir versuchen, in größerer Entfernung von der Küste durchzustoßen!" Percip unterbrach sie mit einer knappen Geste, die darauf hindeuten sollte, daß der Durchbruch in wenigen Minuten erfolgen mußte. Der Bildschirm erhellte sich bereits. Würden die Gefiederten auf sie warten? Rex Corda bemerkte, daß dichter Schweiß seine Stirn bedeckte. „Hat der Jet keine Außenbordwaffen?" fragte Polley. Bekoval schüttelte den Kopf.
„Es wäre sinnlos. Unter der Erde ist nur die Hitzeprojektion zu gebrauchen." Zwei Stunden waren seit dem Durchbruch bei Conakry vergangen. Nach den Berechnungen Rex Cordas mußte die Nacht sehr bald über dem Kongo anbrechen. „Achtung!" rief Percip. Corda beugte sich vor. Er starrte auf den Bildschirm. Schlagartig kam das Bild. Doch zunächst sahen sie nichts als wabernde Glut, die über das Prallfeld raste. Percip drosselte die Motoren. Die Hitzestrahler erloschen. Der Jet kippte nach vorn. Der Laktone schaltete das paramagnetische Prallfeld höher. Mit dem Rest der Geschwindigkeit ritt der Jet auf dem Feld, die Glut hinter sich lassend. Im Widerschein kurz aufflammender Büsche erkannte Rex Corda mächtige Bäume, die sich weit in den Himmel hinaufreckten. Jetzt erhellte sich ein weiterer Bildschirm. Auf ihm zeichnete sich der Glutsee ab, der sie ausgestoßen hatte. Ein Teil vom Heck des Jet war zu erkennen. Unter dem dichten Gasnebel, der aus den Heckdüsen schoß, erlosch die Glut verblüffend schnell. „Das ist ein Spezialmittel, das die Glut erstickt!" erklärte Percip. Er entblößte die rötlichen Zähne und grinste befriedigt. „Es wäre schade, wenn wir uns durch einen Waldbrand verrieten! Wir haben also doch an so einiges mehr gedacht, Mr. Corda, als Sie vielleicht angenommen hatten!" Wie gewöhnlich wechselte Percip schon nach den ersten Worten von der englischen in die laktonische Sprache über, wobei Ga-Venga dann übersetzte. Ga-Venga lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich glaube, wir sind noch nicht entdeckt worden", sagte er zunächst auf englisch und dann in der Sprache seiner
Herren. „Der nächste Hantelraumer ist weit genug entfernt! Es ist geglückt!" „Wir sind noch nicht am Ziel!" mahnte Corda. „Das werden wir auch nicht mit diesem Jet erreichen!" antwortete Bekoval. Ga-Venga übersetzte zögernd. „Wie ist das zu verstehen?" fragte Oberst Polley verblüfft. „Die Schäden am Jet sind zu groß. Ich werde hierbleiben, um sie zu beheben. Führen Sie die Aktion allein weiter." John Haick lachte ungläubig. „Und wie? Wie sollen wir die Bomben, wenn wir sie überhaupt bekommen, hierherbringen?" „Versuchen Sie mit einem Diskus zu fliegen!" Oberst Polley lachte dumpf. Seine Augen blitzten ärgerlich. „Was wollen Sie?" fuhr Bekoval zornig auf. „Wollen Sie das Risiko eingehen, in der Erde steckenzubleiben? Sie sollten wissen, wie Sie sich zu entscheiden haben, Oberst!" Oberst Polley verzog die schmalen Lippen. Das harte Kinn verkantete sich. „Ich bin sehr zufrieden, Bekoval", nickte er. „In den ersten Tagen der Invasion waren Sie so etwas wie Halbgötter für mich. Ihre Maschinen hatten den Glanz unwirklicher Vollkommenheit! Es ist gut, daß ich allmählich begreife, daß Sie auch nur mit Wasser kochen!" Bekoval wartete ruhig ab, bis der Kynother übersetzt hatte, dann brach er in ein schallendes Gelächter aus. Percip trat vom Computer des TerraJet zurück, nachdem die Elektronik eine kleine Karte ausgeworfen hatte. „Während unseres Anflugs mit der VARNAL, aus der wir den Terra-Jet geborgen haben, zeichnete der große Computer diese Aufnahmen. Er gab die Ergebnisse an diesen Computer weiter." Rex Corda warf einen Blick auf die
Karte. Sie zeigte den afrikanischen Kontinent. Ein weißer Pfeil wies auf einen kleinen Punkt im Kongo. „Wir sind jetzt an diesem Punkt!" fuhr der Laktone fort. „Der Computer hat diese Position ermittelt!" „Leopoldville ist nicht weit entfernt", knurrte Oberst Polley. „Wir haben Glück gehabt! Was wäre gewesen, wenn wir mitten in der Stadt aus der Erde gekommen wären?" „Das wäre nicht passiert", behauptete der laktonische Spezial-Agent. „Die elektronische Flugüberwachung des Jet hätte das verhindert!" Polley grinste maliziös. „Sofern sie nicht versagt hätte!" Percip ließ sich nicht provozieren. Er wußte, daß diese ungerechtfertigte Bemerkung des Offiziers aus dem Gefühl der Ohnmacht gegenüber der überwältigenden Technik der Laktonen resultierte. „Ich schlage vor, daß wir zunächst in Richtung Leopoldville vorstoßen", sagte Percip. „Unseren Erfahrungen nach ist dort die Chance am größten, auf orathonische Fahrzeuge zu stoßen!" Gegen diesen Vorschlag war nichts einzuwenden. Percip übernahm jetzt die Führung der kleinen Gruppe. Er war ein Spezialist für die Art der bevorstehenden Aufgaben. Kein Wunder, daß er sich mit Spezialitäten ausrüstete, die er in verschiedenen Schränken des Terra-Jet ausfindig machte. * Kurz nach Mitternacht erreichten sie das Dorf, in dem ihnen das Grauen begegnete. Ga-Venga ging in diesem Augenblick voran. Er stieß einen leisen Warnschrei aus, der sie auf der Stelle verharren ließ. Da sie nicht wußten, was den Kynother zu seiner Warnung veranlaßt hatte,
lauschten sie unwillkürlich den vielfältigen Geräuschen des nächtlichen Dschungels, die sie auf ihrem gesamten Weg begleitet hatten. Percip schloß dichter zu dem zwergenhaften Fremden auf. Rex Corda war bereits bei ihm. Das schwache Mondlicht geisterte über kleine weiße Häuser, die im typischen Kongo-Stil gebaut waren. An zahlreichen Häusern waren schwere Beschädigungen zu erkennen. Doch das bemerkte Rex Corda kaum. Ihn faszinierte die schwach leuchtende, blaue Pyramide, die sich zwischen den Häusern aus dem Boden erhob. Sie bestand aus einem transparenten Material, so daß Corda deutlich erkennen konnte, was sie in ihrem Innern barg - einen hochgewachsenen Orathonen! Percip hantierte an einem Gerät, das er am Arm trug. Rex Corda hörte, wie es leise zirpte. „Die Luft ist rein", murmelte er wenig später. Rex Corda war überrascht, wie schnell und wie geschickt sich der Laktone die englische Sprache aneignete. Er sprach immer besser. „Woher wissen Sie das?" Percip tippte auf das Armgerät. „Ein kleiner Trick, Corda", erklärte er. „Dies ist ein Energie-Taster. Damit kann ich einen der Featherheads anpeilen. Das Gerät spricht nur auf den Energieumsatz des orathonischen Körpers an, der einen ganz bestimmten Wert hat." Percip lachte leise. „Im Grunde genommen nur ein kleines Spielzeug, das sich die Kinder bei uns zu ihrer Unterhaltung zusammenbasteln", sagte er, wobei er Oberst Polley ansah. Doch der Offizier sprach diesmal nicht auf die Provokation an. Er hatte sie nicht einmal gehört. Er starrte auf die leuchtende Pyramide und hatte für nichts anderes Interesse. „Was ist das, Ga-Venga! Zum Teufel,
ich verstehe nicht, was soll das!" „Wir sollten diese Siedlung besser umgehen!" empfahl der Kynother. „Sie sollten sich das lieber nicht ansehen!" „Ich will es aber sehen, verdammt!" knirschte der Oberst. Er schob Percip zur Seite und stakte durch das Gebüsch auf die Straße hinaus, die zum Dorf führte. Zögernd zunächst, dann aber schneller folgten ihm die anderen, nachdem Percip sich abermals vergewissert hatte, daß ihnen keine Gefahr drohte. Der Orathone war tot. In seinem Rücken klafften zwei große Wunden, und in seinem Nacken steckte ein Messer. Der Gefiederte war ermordet worden. „Dies ist eine für sie typische Bestattungsart", erklärte Percip. „Die Gefiederten gießen ihre Toten in dieses Material ein, das sie vollkommen isoliert. Die Toten verändern sich nicht mehr. Nach tausend Jahren wird dieser Mann noch ebenso aussehen wie jetzt!" „Wenn die Erde dann noch existiert!" sagte John Haick hart. In seiner Stimme schwang verhaltener Haß mit. „Warum lassen die Gefiederten ihn hier?" fragte Rex Corda. Percip zuckte die Achseln. „Er ist hier ermordet worden!" John Haick stöhnte laut. Rex Corda drehte sich nach ihm um. Selbst in dem schwachen Licht war das Entsetzen, das sich in das Gesicht des Wissenschaftlers grub, deutlich zu erkennen. Rex Corda folgte dem Blick Haicks. Oberst Polley zerbiß einen Fluch auf den Lippen. „Das also meinten Sie, Ga-Venga!" „Wir verlieren zuviel Zeit! Wir müssen weiter!" drängte der Kynother. Percip, der Laktone, erschrak über die heftige Reaktion der Terraner. Er spürte die wilde, haßerfüllte Reaktion sofort. Laktonen sind adrenalinempfindlich. Das vermittelt ihnen eine sofortige Information über einen Gefühls-
ausbruch, wie jenen, der die Terraner beim Anblick der im Zuge einer Strafaktion hingerichteten Bewohner dieser Siedlung schlagartig befiel. Die Featherheads hatten sich von ihrer grausamsten Seite gezeigt. Sie hatten keinen Unterschied gemacht. Sie hatten auch nicht nach Schuld gefragt. Sie hatten nur zurückgeschlagen, blind und in ohnmächtigem Zorn. Rex Corda ruckte herum. Mit steifen Beinen ging er weiter. Er sah nicht mehr zurück. Er hörte auch die Schritte der anderen Männer nicht mehr. Er kämpfte mit dem heißen Zorn, der ihn zu verbrennen drohte. Er blieb erst stehen, als er den Fluß erreichte. In einer kleinen Bucht drängten sich mehrere Motorboote an einen Steg. * Corda lenkte das Boot an die Uferböschung. Leise gluckernd erstarb der Motor. Corda hatte einen guten Landeplatz ausgesucht. Das Ufer war leicht zu erreichen. „Folgen Sie mir jetzt! Unternehmen Sie nichts. Überlassen Sie alles mir!" flüsterte Percip. Er wartete keine Zustimmung ab, weil sie selbstverständlich für ihn war. Ohne Schwierigkeiten erreichten sie die Straße, die sich an dieser Stelle bis ans Ufer des Kongos heranzog. Und von hier aus konnten sie wieder sehen, was sie zur Landung veranlaßt hatte den riesigen Airport von Brazzaville, auf dem ein Diskus neben dem anderen stand. In der Deckung eines flachen Hügels und eines verlassenen Holzschuppens blieben sie stehen. Es war heller geworden. Im Osten zog sich bereits die Ahnung des neuen Tages über den Horizont. In diesem Licht war deutlich zu erkennen, daß bei
fast allen Raumfahrzeugen die Schleusen offenstanden. „Sieht verdammt einladend aus", knurrte der rauhbeinige Oberst Polley, ein waches Leuchten in den Augen. „Steigen wir doch ein!" „Wir wären auf der Stelle erledigt!" flüsterte Ga-Venga. „Die Schiffe werden natürlich vom Bord-Computer bewacht. Die Bordgeschütze würden uns erledigen, bevor wir bis auf zehn Schritte an den Diskus herangekommen wären!" „Wir nehmen den Diskus dort an dem Schuppen!" erklärte der Laktone. Er wies auf ein verfallenes Gebäude, das in etwa zweihundert Metern Entfernung am Rande des Startfeldes stand. Die kleine Gruppe zog sich sofort hinter die schützenden Hügel zurück, schlug einen Bogen und näherte sich dem Gebäude vorsichtig. Rex Corda fragte sich, warum der Laktone gerade diesen Diskus ausgesucht hatte. Er hatte gesehen, daß dieser Raumer als einziger der am Rande des Flugplatzes stehenden Schiffe eine verschlossene Schleuse hatte. Allerdings war sie so zu erreichen, daß sie durch den Schiffskörper gegen direkte Sicht von anderen Raumern her gedeckt war. Rex Corda schloß zu Percip auf. Der Laktone fingerte an seinem Gürtel. Er holte eine kleine, silbern schimmernde Tube aus einer der zahlreichen Gürteltaschen heraus und schraubte den Verschluß eilig auf. Mit dem Energietaster sondierte er die nähere Umgebung des Schuppens, dann gab er Corda einen Wink. „Vorsichtig jetzt! Man darf uns von den anderen Raumern her nicht sehen!" Corda nickte. Er folgte dem Laktonen, als dieser sich um die Ecke des Schuppens herumschob und durch das Dunkel zu dem Diskus hinüberglitt. Die anderen blieben in der Deckung. Auf der Rückseite des Gebäudes war Percip
kaum noch zu erkennen. Die Dunkelheit verschluckte ihn fast völlig. Wie ein wesenloser Schatten huschte er zu dem Raumschiff hinüber. Rex Corda blieb unmittelbar hinter ihm. Er atmete auf, als seine Hände das kühle Metall des Raumschiffes berührten. „Halten Sie!" murmelte Percip. Er drückte ihm einen flachen Gegenstand in die Hand, der das Format eines Zigarettenetuis hatte. In dem schwachen Licht, das über das zerbröckelnde Dach des Schuppens auf sie zukroch, konnte Rex Corda sehen, daß der Laktone grinste. „Der Computer kann mich ebenso orten, wie ich einen Orathonen orten kann. Nur - mit diesem Ding kann ich den Rechner ausreichend stören. Zusätzlich helfen Sie mir durch Ihre Anwesenheit. Dadurch ergibt sich ein schwankender Energiewert, der das Hirn für kurze Zeit täuscht." Percip drückte eine flache Platte gegen das Schott des Raumers und schob sie dann langsam an den Verschlußlinien entlang. „Was suchen Sie?" wisperte der Senator. „Die Elektronik!" Der Agent schob die Platte so hoch an der Wand empor, wie er gerade noch reichen konnte, dann suchte er auf der anderen Seite des Schotts weiter. Doch auch hier kam er nicht zu dem gewünschten Ergebnis. „Sie müssen mich hochheben!" sagte er. Er drehte Rex Corda herum, so daß dieser mit dem Gesicht zum Diskus stand - und sprang geschmeidig an ihm hoch. Corda brach unter dem Gewicht des laktonischen Kolosses fast zusammen. Er schwankte, doch dann gelang es ihm, seinen Stand zu sichern und den Rücken durchzudrücken. Jetzt widerstand er den 110 kg mühelos. Nach knapp einer Minute stieß Percip
einen leisen Ruf aus. Rex Corda konnte sehen, wie er die Tube wieder zur Hand nahm und sie mit der Öffnung gegen die Metallhaut des Raumers drückte. Der Agent strich eine weißliche Paste in bizarren Mustern über eine Fläche von annähernd einem halben Quadratmeter. „Geben Sie mir den Störsender!" Corda reichte ihm den flachen Sender herauf. Er beobachtete, wie der Laktone zwei kurze Stäbe aus dem Sender zog und sie mit den Spitzen in zwei verschiedene Pastenzüge drückte. Er hielt den Sender einige Sekunden lang fest. Als er ihn losließ, war die Paste erstarrt. Sie hielt den Sender. Percip sprang auf den Boden zurück. „Jetzt passen Sie auf!" flüsterte er. Seine Finger strichen über ein winziges Gerät, das er seinem unergründlichen Gürtel entnommen hatte. Über dem Schott zischte es leise. Rex Corda sah, wie die Paste plötzlich aufglühte, um sofort wieder abzudunkeln. In dem Schott knirschte es. Percip sprang mit einem geschmeidigen Satz an der Wand des Raumschiffes hoch und riß den Störsender herunter. Lautlos schwang die Schleuse auf. Eine Treppe aus metallisch glänzendem Material schob sich bis zum Boden herab. Rex Corda hielt verblüfft den Atem an. Er konnte sich nicht erklären, wie der Agent es gemacht hatte. Er stellte jedoch keine Fragen, denn in diesem Augenblick hörten sie schwere Schritte, die sich ihnen schnell näherten. Percip zerquetschte einen Fluch zwischen den Lippen. Er zog Corda hastig vom Diskus fort und drängte ihn in die dichte Dunkelheit des Schuppens. Fast im gleichen Augenblick torkelte die hohe Gestalt des Featherheads an ihrem Versteck vorbei. Rex Corda fühlte, wie seine Handflächen heiß wurden. Wenn der Gefiederte die verbrannten Reste der Paste entdeckte, war alles
vorbei. Corda hielt den Atem an, als der Featherhead die Treppe erreichte - und stehenblieb! Seine Blicke wanderten hinauf zum Schott. Es war ein kleiner Orathone mit schlanker Figur. Seine Federn waren grün. Er trug ein Strahlgewehr auf der Schulter. Er schwankte leicht. Er schien unter dem Einfluß eines berauschenden Mittels zu stehen, das die Kontrolle über sein Nervensystem beeinträchtigte. Percip glitt lautlos auf den Gefiederten zu. Als er aus der Dunkelheit des Schuppens trat, konnte Corda ihn sehen. Der Agent stand jetzt unmittelbar hinter dem Gefiederten. Ein Arm fuhr blitzschnell hoch. Da wirbelte der Orathone herum! Seine Fäuste zischten auf den Kopf Percips zu. Doch der Laktone war etwas schneller. Sein Faustschlag landete mit verheerender Wucht am Kinn des Orathonen. Der Gefiederte brach zusammen. Das Strahlgewehr rutschte ihm von der Schulter und bohrte sich ihm in die Hüfte. Im gleichen Augenblick löste sich ein Schuß! Sie sahen es nur ganz schwach aufblitzen, da der Featherhead nahezu die gesamte Energie mit seinem Körper auffing. Percip verlor keine Zeit. Er packte ihn und schleppte ihn in das Dunkel, um ihn dort zu verstecken. Danach eilte er die Treppe hinauf. Rex Corda folgte ihm. Das äußere Schott schloß sich wieder, und mattes Licht flammte auf. Es kam direkt aus den Wänden, die von innen leuchteten. Gleichzeitig rollte das Innenschott zurück, und ihr Blick fiel auf einen Bronzeroboter, der mitten im Raum stand und jetzt blitzartig herumfuhr. Percip schoß mit dem MAS. Die winzigen Stahlnadeln klirrten vernehmlich, als sie gegen das „Gesicht" des Roboters prallten. Rex Corda konnte die elektrischen Entladungen als blaue
Blitze sehen. Der Roboter krachte schlagartig zusammen. Percip sprang in den Raum. Er kannte sich sehr gut in dem Diskus aus. Er riß zuerst die Tür auf, die dem Innenschott direkt gegenüberlag. Über die Schulter des Laktonen hinweg sah Rex Corda in einen kleinen Schlafraum. Ein untersetzter Featherhead sprang von einer Liege. Mit unglaublicher Schnelligkeit griff er nach seiner Waffe, die auf einem kleinen Bord neben der Schlafstätte ruhte. Doch er war nicht schnell genug. Percip nutzte den Überraschungsvorteil aus. Er schoß den Magnet-Smash auf den Olivgrünen ab. Die Nadeln fuhren dem Orathonen in die Stirn und fällten ihn mitten in der Bewegung. Dieser Kampf hatte keine zwei Sekunden gedauert. Noch während der Gefiederte fiel, sprang Percip zur nächsten Tür und riß sie auf. Doch hier starrte ihm kein grünes Licht entgegen, auf der Liege hatte auch niemand geschlafen. Percip blieb aufatmend vor der Tür stehen. Er schob seine Waffe in den Gürtel zurück. „Wir haben es geschafft!" sagte er. Der Laktone glitt durch den Schleusenraum hinaus und stieß einen vorsichtigen Ruf aus. Unmittelbar darauf kamen Ga-Venga, Oberst Polley und John Haick um die Ecke des Schuppens. Es war merklich heller geworden. Viel länger hätte die Aktion nicht dauern dürfen. Es gelang den drei Männern, ungesehen in den Diskus zu kommen. Percip entfernte mit einer sehr scharf riechenden Lösung die auf das Schleusenschott aufgetragene Paste. Er schloß das Schott und kehrte mit den drei Männern zu Rex Corda zurück. Der Senator legte dem Featherhead Drahtfesseln an. Den Draht hatte er in
einem der Schränke im Raum des Orathonen gefunden. Percip sah ihn überrascht an. „Warum fesseln Sie ihn?" „Es wäre wohl zu gefährlich, darauf zu verzichten!" „Er kann keinen Schaden mehr anrichten!" Rex Corda richtete sich auf. Er suchte nach seinen Zigaretten und zündete sich eine an. Es war die erste Zigarette seit nunmehr zwölf Stunden. Er genoß sie besonders. „Ich bin nicht Ihrer Ansicht, Percip!" sagte er ruhig. Er stieg über den reglosen Körper des Gefiederten hinweg. Ein harter Glanz lag in seinen Augen, ein Schimmern wie von eisüberzogenem Stahl. „Ich werde es nicht zulassen, daß Sie ihn sterben lassen!" Ga-Venga, der die Worte gehört hatte, spitzte die Lippen. Der Laktone verengte die Augen. „Sie sind ein Narr, Rex Corda!" „Mag sein, Percip! Aber ich bin kein Mörder!" „Es ist Krieg!" „Das rechtfertigt keinen Mord!" erwiderte Corda mit eisiger Schärfe. "Dieser Orathone ist nur geschockt. Die MAS-Geschosse verursachen einen Zustand, der einem Koma gleichkommt, Der Orathone wird erst in einigen Stunden sterben, wenn Sie seinen Herzschlag nicht aktivieren! Ich werde aber nicht zusehen, wie Sie einen schon besiegten Feind ermorden!" Percips Gesicht versteinerte. Die scharfe Nase wurde noch schmaler. Und der für die Laktonen so typische herbe Geruch wurde plötzlich sehr viel intensiver. Der Gefiederte lag auf dem Rücken. Die Augen standen weit offen. Sie leuchteten unnatürlich in dem olivgrünen Gesicht. Die kurzen Federn, die den massigen Schädel bedeckten, hatten sich aufgerichtet.
Der Laktone verstärkte die bereits angelegten Fesseln mit den Kabeln. Dann legte er dem Featherhead das aus dem Roboter entnommene Gerät auf die Brust, schloß es mit dem Störsender zusammen und schaltete den Sender ein. Der Orathone bäumte sich stöhnend unter dem Schlag, den er erhielt, auf. Die im Koma erstarrten Züge belebten sich erschreckend schnell. Percip schaltete den vielseitig verwendbaren Störsender aus und trat zurück. Er drehte sich um und verließ den kleinen Raum, während unauslöschlicher Haß sich in seine Züge brannte. Corda erschauerte unter dem Ansturm unkontrollierter Haßgefühle in dem Laktonen. » Ga-Venga musterte ihn mit klugen Augen. „Vergessen Sie nicht, daß die beiden Vöker bereits einen sehr, sehr langen Krieg miteinander führen, Corda", sagte er. „Sie werden nie miteinander zu versöhnen sein. Sie kennen nichts als Haß. Und sie wollen nichts anderes mehr als Rache. Der Krieg wird erst dann beendet sein, wenn eines der beiden Völker nicht mehr in dieser Galaxis existiert." Der Orathone wand sich stöhnend auf dem Boden. Er preßte seine gefesselten Hände auf die Brust. Pfeifend flog ihm der Atem über die Lippen. Rex Corda blieb bei dem Orathonen stehen, bis dieser sich beruhigte. Er beobachtete die emotionellen Schwankungen des Fremden, in der Hoffnung, etwas anderes als Haß zu entdecken. Er wurde enttäuscht. * „Das Problem war es, den Bordcomputer zu überwinden", erklärte Percip auf die Frage John Haicks.
„Ich verwirrte den Computer durch den Störsender und durch die Anwesenheit Rex Cordas. Ich war nicht genau als Feind zu ermitteln. Dann brachte ich das Strukturmuster an der Schleuse an und setzte es unter Strom. Damit schockte ich den Schleusensensor des Computers und auf indirektem Wege diesen selbst. Er ließ mich herein. Der Bronzeroboter hätte mir gefährlich werden können, wenn es ihm gelungen wäre, die Bordelektronik zu alarmieren. Ich erledigte ihn rechtzeitig. Dann schaltete ich den Gefiederten aus und legte anschließend den Bordcomputer lahm. Damit war es geschafft!" „Und warum starten wir jetzt nicht?" erkundigte sich Oberst Polley. „Wenn wir jetzt starten, haben wir sofort Kontrollen auf dem Hals. Wir würden zu sehr auffallen!" „Bedeutet das, daß Sie warten wollen, bis der volle Betrieb auf dem Flughafen eingesetzt hat?" fragte John verblüfft. „Wir werden einige Stunden warten!" John Haick stieß die Tür zur zweiten Schlafkammer auf. „Es fehlt noch ein Mann der Besatzung! Oder irre ich mich?" * Percip sah auf, als Ga-Venga sagte: „Das ist er!" Der laktonische Agent wischte sich die verschmutzten Finger an der Hose ab und lehnte die Verschalung wieder an den Bordcomputer, an dem er konzentriert gearbeitet hatte. Jetzt beobachtete er den Orathonen, der sich mit wiegenden Schritten dem Außenschott näherte. Über dem halbmondförmigen Instrumentenpult boten die vier nebeneinanderliegenden Holographieschirme ein so täuschend echtes Bild des Flughafens, daß der Betrachter glauben konnte, di-
rekt ins Freie zu sehen. „Der sieht gefährlich aus!" stellte Oberst Polley fest. „Ein harter Brokken!" Percip informierte seine Begleiter mit hastigen Worten darüber, wie er gegen den Orathonen vorgehen wollte. Der Fremde erreichte kaum 1,60 Meter. Er wirkte gedrungen und massig wie ein Klotz, obwohl die unerhört breiten Schultern zu den sehr schmalen Hüften in scharfem Kontrast standen. Es war die Art, sich zu bewegen, die auf weniger beherrschte Gemüter furchteinflößend hätte wirken können. Der Orathone war alt. Seine Kopffedern hatten eine stumpfgraue Farbe angenommen, und ebenso graue Hautstreifen markierten die tiefen Falten in seinen Augenlidern. Auf seinen Schultern blitzten zahlreiche verschiedene Embleme. Vor der Schleuse blieb der Orathone ruckartig stehen. Er starrte aus verkniffenen Augen auf die Oberkante des Schotts. „Verdammt!" fluchte Oberst Polley. „Er hat die Reste Ihrer komischen Elektro-Paste entdeckt!" „Ziemlich unwahrscheinlich!" wehrte Percip ab. Atemlos warteten sie darauf, daß der Grünhäutige das Schott öffnen würde. Jetzt streckte er die Hand aus. Percip drückte einen Knopf auf dem Kontrollbrett des Bordgehirns. Ein aufflammendes Licht zeigte an, daß das Schott sich öffnete. Der Gefiederte verschwand aus dem Blickfeld der Lasererfassung, die das dreidimensionale Bild der Holographien produzierte. Percip ging auf das Innenschott zu, das jeden Augenblick auffliegen mußte. In der Hand hielt er die schußbereite Waffe. Rex Corda schob sich seitlich an das Schott heran. Als das Tor aufglitt, fiel
sein Blick durch die aufspringende Tür zur Kammer des gefesselten Orathonen. Der Fremde stand - gefesselt - in der offenen Tür, die Lippen zu einem Schrei geöffnet. Im nächsten Augenblick brach die Hölle los. Der graugefiederte Orathone sank blitzschnell in die Knie, die Geschosse des Magnet-Smash zischten wirkungslos über ihn hinweg. Der Gefesselte aber federte sich ab und schnellte zum Computer hinüber. Kurz davor landete er auf beiden Füßen, taumelte kurz und setzte zum nächsten Sprung an. Er mußte ihn auf das Pult werfen. Dort würde er Alarm auslösen! Der Graugefiederte sprang dumpf knurrend auf Percip zu, riß ihn um und schleuderte ihn zu Boden. Wie wütend um sich schlagende Bestien rollten die beiden Todfeinde quer durch den Raum. Jeder versuchte, den anderen so schnell wie möglich zu erledigen. Rex Corda achtete nicht auf sie. Er raste zu dem gefesselten Orathonen hinüber und warf sich auf ihn, bevor er springen konnte. Er prallte gegen einen Fels! Der Featherhead erkannte seine Absicht und stemmte sich ihm mit angespannten Muskeln entgegen. Der Aufprall war so hart, daß Rex Corda zu Boden geschleudert wurde. Da griff Rex Corda zu dem Gerät, mit dem Percip den Diskus geöffnet hatte - zu dem Störsender. Hastig zog er die beiden scharfen Pole heraus, aktivierte es und schleuderte es mit aller Kraft gegen den Rücken des Featherhead. Der Strom tötete ihn nicht. Er schockte ihn für einige Sekundenbruchteile. Der Vorteil genügte dem laktonischen Agenten. Seine Faust zischte hoch. Sie traf den Orathonen genau an
der Nasenwurzel. Die grünhäutige Kampfmaschine klappte lautlos zusammen. * Percip beugte sich tief über den Computer, schloß zwei Stromkreise und lächelte zufrieden. „Jetzt sollte es möglich sein, die Orathonen zu belauschen, ohne daß sie es merken!" sagte er. Er warf einige Kipphebel herum. Das Bild der Holographen erlosch. Zurück blieben schwarzgraue, fleckige Tafeln. Sie sahen aus, als habe sie eine Kinderhand mit Ruß und Ascheresten beschmiert. Doch statt der plastischen Bilder kamen orathonische Stimmen durch die Geräte. „Ruhe jetzt", bat der Laktone. Er setzte sich vor die Geräte und horchte. Ga-Venga trat hinter ihn, einen gespannten Ausdruck im Gesicht. Die Stimmen wurden lauter und leiser. Rex Corda, der mit geschlossenen Augen in der Nähe Percips saß, hatte das Gefühl, durch eine riesige Menschenmenge zu eilen. Überall schnappte er Wortfetzen auf, die leise und fremd waren. Er verstand sie nicht. „Unsere Aktion mit dem Terra-Jet hat erhebliches Aufsehen erregt!" erklärte der pausbäckige Kynother. „Unsere Freunde kämmen die westafrikanische Küste auf der Suche nach uns ab." Dann horchte er wieder. Ebenso Percip. Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis sie wieder etwas sagten. „In den USA ist eine Verschwörergruppe aufgeflogen!" flüsterte er. „Sollte das . . .?" „Was?" fragte Corda. „Ich dachte an Will Rimson. Ich dachte an NORAD!" „Unmöglich ist es nicht!" antwortete der Laktone mit harter Stimme. Er beugte sich vor, gebot mit energischer
Geste Ruhe. Einige Minuten verstrichen. „Sie sind zu sieggewohnt!" Er fügte einen dumpfen Fluch in seiner Muttersprache hinzu. „Sie werden selbstsicher!" „Was ist passiert?" forschte Oberst Polley. „Es heißt, daß ein Teil der Verschwörer mit einer vermutlich neuen Waffe entkommen ist!" Er drehte sich herum und lachte Corda zu. „Wissen Sie, was das bedeutet?" Corda hob die Schultern. „Wir haben zwei Eisen im Feuer!" sagte der Agent und schlug mit der Faust hart auf das Pult. „Wir haben zwei Eisen ..." „Noch nicht!" unterbrach Corda. „Noch haben wir die Atombomben nicht! Noch steht überhaupt nicht fest, ob die Afrikaner sie uns überlassen! Noch warten wir mitten auf einem Flugplatz der Orathonen und wissen nicht, ob wir unbehelligt herauskommen! Wir haben keinen Grund, schon jetzt zu triumphieren!" Percip biß sich auf die Lippen. Er nickte stumm. „Also gut, bleiben wir vernünftig! Jedenfalls haben wir noch eine Chance! Und das ist gut!" Rex Corda sah zur Uhr. „Es ist gleich sechs Uhr!" sagte er. „Lange dürfen wir nicht mehr warten!" Der Laktone schaltete um. Der Holograph formte seine verblüffenden Bilder. Zahlreiche Orathonen, Grillen und Roboter bewegten sich zwischen den Raumern. Auf der entgegengesetzten Seite startete ein Diskus. Er glitt in mäßiger Fahrt nach Süden davon. „Wir starten jetzt!" Rex Corda sah sich im Raume um. Die beiden Featherheads waren gut versteckt. Diesmal waren sie so gefesselt, daß sie nicht mehr eingreifen konnten. Der zerstörte Roboter lag in
einer der beiden Kammern. In hundert Meter Höhe ging Percip auf südlichen Kurs. Ein Diskus schoß mit scharfer Beschleunigung dicht an ihnen vorbei. Er flog westwärts, dorthin, wo der Terra-Jet noch immer lag. Der Kongo kam in Sicht. Golden spiegelte sich das Sonnenlicht im Wasser. Etwas Schwarzes wälzte sich durch die Fluten. Rex Corda konnte es nicht genau erkennen, aber er wußte sofort, daß dieses Wesen nicht von der Erde stammte. Es war zu fremd. Es konnte auch keine Mutation sein. Percip schaltete einen Holographen auf Funkempfang um. Wiederkamen die leisen flüsternden Stimmen aus den Lautsprechern. Ga-Venga eilte plötzlich ganz nah an das Pult heran. Er schnappte nervös mit den Fingern, neigte sich mehr und mehr nach vorn, um besser hören zu können. Da tauchte plötzlich ein weißer Diskus neben ihnen auf. Rex Corda konnte ihn auf dem einen Bildschirm, der noch lief, deutlich sehen. Er war keine zwanzig Meter von ihnen entfernt - und er flog den gleichen Kurs wie sie auch! Knackte es nicht in den Lautsprechern? Rief nicht eine Stimme? Percip, der laktonische Agent, strich sich den Schweiß von der Stirn. Seine scharfe Nase bog sich noch stärker. Jetzt konnte Corda auch die beiden Hantelraumer erkennen, die nördlich von ihnen aus dem Urwald wuchsen. Zwischen ihnen lagen die gigantischen Trümmer eines laktonischen Raumschiffsriesen. Rex Corda schätzte, daß es zu den größten laktonischen Raumschiffen gehörte. Es war mindestens zwei Kilometer lang und in der Mitte auseinandergebrochen. Percip hatte keinen Blick für das Schiff. Er beachtete auch den Diskus nicht. Er zog sich die Maske des Bronzeroboters über den Kopf.
Rex Corda biß sich auf die Lippen. Der Trick mit der Maske konnte nicht gelingen. Jetzt ahnte er, daß der Agent sie nur aufgesetzt hatte, um seine Begleiter zu beruhigen. Die Bronzeroboter zeichneten sich dadurch aus, daß ihr Gesicht beim Sprechen in ständiger Bewegung war. Es war ausdrucksvoll wie das eines Orathonen oder Laktonen. Das Metall der Masken war sehr elastisch. Percip aber hatte keine Möglichkeit, es zu bewegen. Sein Bronzegesicht würde starr bleiben. Sie konnten nur hoffen, daß es keinen Anruf geben würde. Sie waren ihm nicht gewachsen. Sie hatten nur minimale Chancen. Ihre Triebkraft war die Verzweiflung. Sie hatten sich durch das selbstsichere Verhalten des Laktonen täuschen lassen. Wußte eigentlich wirklich jemand von ihnen, wie gefährlich die Featherheads waren? „Verdammt! Schlagen Sie einen anderen Kurs ein!" keuchte Oberst Polley heiser. „Wie lange wollen Sie noch im Konvoi mit diesem Diskus fliegen?" Percip antwortete nicht. Er preßte die Lippen zusammen. Seine Blicke wichen nicht von den Instrumenten. Er schien den anderen Diskus nicht zu bemerken. Ga-Venga klatschte in die Hände. Er stimmte den für ihn so typischen Singsang an, der jetzt jedoch keineswegs melancholisch war. „Wer ist hier nervös?" grinste er. „Sie etwa, Oberst?" Er ging zu dem Offizier hin und tippte ihm auf die Schulter. Oberst Polley lief rot an. Eine Zornesader flammte auf seiner Stirn. „Verschwinde, du Wicht!" zischte er wütend. „Hier ist niemand nervös, klar?" Ga-Venga kicherte. Er stemmte die
kleinen Fäuste in die Hüften und schnarrte: „Was sagen Sie dazu, Oberst, daß unsere Freunde bereits nach Atombomben suchen?" Polley fuhr auf. „Was sagen Sie da?" „Also doch nervös!" triumphierte der Kynother. Polley ließ sich zurücksinken. Er musterte den zwergenhaften Dolmetscher mit ganz schmalen Augen. „Sagen Sie das noch einmal!" „Was? Daß ich Sie für verrückt..." „Unsinn! Das von den Atombomben!" „Die Gefiederten suchen! Sie suchen im Norden und im Süden dieses Kontinents nach Atombomben. Das ging ganz klar aus dem Gespräch hervor, das ich eben abhören konnte!" „Aber - woher wissen sie, daß hier noch Bomben existieren?" Hier mischte sich Rex Corda ein. Er sprach mit ruhiger klarer Stimme, die bezwingend wirkte und die anderen beruhigte. „Es ist keineswegs überraschend", sagte er. „Die Afrikaner schossen mit Atomraketen auf die Invasionsschiffe. Verständlicher wäre gewesen, wenn die Orathonen den Kontinent sofort abgesucht hätten!" „Sie sind sieggewohnt!" warf Percip ein. „Sie werden zu selbstsicher! Sie haben zuviele Planeten besetzt, ausgebeutet und am Ende vernichtet!" „Eben!" nickte Corda. „Und das ist unsere Chance. Sie werden sich Zeit lassen. Noch glauben sie nicht daran, daß wir die A-Bomben wirksam gegen sie einsetzen könnten. Sobald sie erst einmal erkennen, daß wir ernster zu nehmen sind als andere Völker vor uns, wird es für sie zu spät sein!" „Worauf wollen Sie hinaus?" fragte Percip. Rex Corda zündete sich eine Zigarette an.
„Das ist doch klar! Trennen Sie sich sofort von unserem Begleiter und steuern Sie unser Ziel so schnell wie möglich an. Wir können es uns nicht leisten, auch nur eine Stunde mehr zu verlieren!" „Das Risiko ist zu hoch! Ich muß warten, daß der andere Diskus abbiegt!" „Machen Sie, was ich Ihnen befehle, Percip!" „Sie sind ein Narr, Rex Corda!" keuchte Percip. Corda hatte nur noch Augen für den Holographen. Die weiße Scheibe des anderen Raumschiffes glitt mehr und mehr zurück. Sie hob sich scharf von dem satten Grün des Urwaldes ab. „Gehen Sie tiefer!" Der Agent gehorchte kommentarlos. Er drückte den Diskus bis nahe an die Baumwipfel heran. „Und jetzt halten Sie sich bitte mehr an den Kongo! Ich glaube, daß wir dann am ehesten ungeschoren bleiben!" Die nächsten Minuten verstrichen unendlich langsam. Immer kleiner wurde der weiße Fleck über dem Grün. Aber dann schien es so, als würde er wieder größer, als bliebe er schließlich immer gleich groß. Hatten die anderen Verdacht geschöpft? „Beschleunigen Sie, Percip! Wir haben ein Ziel, das wir schnell erreichen müssen! Steuern Sie Albertville an!" Albertville! Dort regierte Randa Evariste Kalunde, der Diktator Afrikas. Diese Information hatte Rex Corda von den Vertretern Afrikas in der UNO in New York erhalten. Die Afrikaner hatten ihm diese Möglichkeit, sich gegen die Invasoren aufzulehnen, gezeigt. Die große Frage jedoch war, ob Kalunde überhaupt noch Regierungschef war, ob er die Invasion lebend überstanden hatte. Seit der Invasion waren keine neuen Informationen aus Afrika gekommen. Und wenn er überlebt hatte,
würde er die Atombomben herausgeben? Würde er nicht vielmehr eigene Ziele verfolgen wollen, so wie er es bis zur Invasion immer getan hatte? Es würde sich zeigen! Der Diskus stieg höher. . Auf den Holographen waren keine anderen Raumschiffe in der Nähe zu erkennen. Es sah so aus, als wäre es tatsächlich gelungen, den grünhäutigen Orathonen einen Diskus zu entwenden! Percip lehnte sich entspannt zurück. In seinen Zügen zuckte es. Er warf verstohlene Blicke zu Rex Corda hinüber. Aus ihnen sprachen Respekt und Anerkennung. * Vernian mußte bekennen, daß er versagt hatte. Er schluckte krampfhaft, als der hartgesichtige Agent der Zentralen Abwehr bei ihm erschien und einen Bericht forderte. Vernian gab sofort zu, daß er die beiden ihm gestellten Aufgaben nicht gelöst hatte. „Wir konnten keine Spur von Corda finden", sagte er. „Es sieht so aus, als hätte er das Wrack auf dem Grunde des Pazifiks erreicht. Ich kann jedoch nicht sagen, ob wir ihn mit den Bomben erfaßt haben. Das laktonische Waffensystem, das angeblich während des Treffens der Aufständischen im Norden dieses Kontinents auftauchte, konnte nicht wieder aufgefunden werden." Der Hartgesichtige grinste mit dünnen Lippen. „Mit anderen Worten, die Terraner können doch ein wenig mehr, als wir bisher geglaubt haben?" Amir Vernian schnippte mit den Fingern. Er antwortete nicht. „Auf einem anderen Kontinent ist ein Fahrzeug aufgetaucht, das sich un-
terhalb der Erdoberfläche fortbewegen kann!" Vernian lächelte schwach. „Und?" „Man legt dieser Erscheinung in der Zentrale vorläufig noch keinen Wert bei!" „Ist dieses Fahrzeug denn Ihrer Meinung nach wichtig?" forschte Vernian. Der Agent erhob sich. „Es wäre zu phantastisch", antwortete er. „Ich glaube nicht, daß dieses Fahrzeug einen wirklich interessanten Aktionsradius hat. Aber das wird sich ja in den nächsten Tagen zeigen!" „Und - was wird aus mir?" Der Agent lachte „Was soll aus Ihnen werden? Ich wollte Sie nur davon überzeugen, daß wir nicht mehr so schlagkräftig sind wie früher! Früher wäre es undenkbar gewesen, daß aufständische Gruppen so lange arbeiten könnten!" „Sie wollen damit sagen, daß ich nicht fähig genug bin?" „Sie können etwas, Vernian. Sie nutzen Ihre Fähigkeiten nur nicht genügend aus. Das wollte ich Ihnen beweisen!" „Und die Aufständischen?"
Der Agent winkte unwillig ab. „Für sie ist es zu spät! Die Erde ist verloren. Wir haben Nachricht von unseren Spezialisten erhalten, daß die Rückkehr der Laktonen unmittelbar bevorsteht. Im gleichen Augenblick, in dem die Schlacht ausbricht, ist das Schicksal dieses Planeten besiegelt!" Er ging zur Tür, um den Raum zu verlassen. Doch vor der Tür blieb er noch einmal stehen. Ein entschlossener Zug grub sich in sein hartes Gesicht. „Hier haben wir Glück gehabt! Es hätte aber auch sein können, daß wir auf ein Volk höherer Intelligenz und Entschlußkraft gestoßen wären. Wir hätten zum Beispiel ein einheitliches Staatsgebilde vorfinden können. Dann hätten die Rebellen unter Umständen weitaus bessere Möglichkeiten gehabt. Und in diesem Fall wären wir nicht wachsam genug gewesen!" Amir Vernian kreuzte die Arme vor der mächtigen Brust. „Dann will ich hoffen, daß wir uns nicht irren! Hoffentlich waren wir tatsächlich wachsam genug!" Der Agent lachte. Es war ein Lachen, an dem nur der Mund teilnahm.
ENDE
LASER Jede Vorrichtung, die elektromagnetische Strahlung verstärkt, wird Verstärker genannt. LASER ist ebenfalls ein Verstärker, d. h. er arbeitet in der sichtbaren Region und gehört zur großen Familie der Verstärker. Die Klassifikation innerhalb dieser Familie hängt vom Arbeitsfrequenzbereich ab. So gibt es z. B. auch MASER (Mikrowellenbereich), IRASER (Infrarotbereich) und RASER (Radiofrequenzbereich). LASER ist die Abkürzung von „Light Amplification though Stimulated Emmission of Radiation". Wenn ein Atom mittels einer gewissen Menge von Energie angeregt wird, wird es in eine höhere Energieebene gehoben. Es kann jedoch nicht in dieser Ebene bleiben. Beim Zurückkommen in die alte Ebene strahlt es die gleiche Energiemenge aus, die es vorher zusätzlich bekommen hat. In einigen Fällen besteht diese Ausstrahlung aus Licht. Entgegengesetzt dazu ist ein anderer Prozeß bekannt als „Stimulated Emmission of Radiation". Hierbei werden die angeregten Atome in den Weg einer geeigneten Frequenz gebracht. Die Schwingungsunterschiede der angeregten Energie müssen dabei der der Trägerfrequenz entsprechen. Die angeregten (excited) Atome werden dann gezwungen (stimulated), die überschüssige Energie, die dabei an Stärke zunimmt, an das neue Frequenzfeld abzugeben. Der Prozeß der Übergabe von Energie kann mehrmals - auch mit veränderten Frequenzen - wiederholt werden. Um die Ausstrahlung der höheren Energieebene vor der Absorbierung nutzbar zu machen, müssen in der höheren Energieebene mehr Atome vorhanden sein als in der niedrigeren. Normalerweise sind aber in der einfachen, unteren Ebene immer mehr Atome vorhanden. Eine Möglichkeit, der Natur ein Schnippchen zu schlagen, ist das „Drei-Ebenen-System". Auf dem o. a. System basiert eine Möglichkeit des LASER. Man befördert eine gewisse Anzahl von Atomen in Ebene 3. Dabei werden sofort einige Atome wieder in die Zwischenebene „abfallen". Aber es handelt sich in der Ebene 2 noch um mehr Atome als daneben in der betreffenden Ebene l vorhanden sind. Weiter ausgebaut kann auch ein „Vier-Ebenen-System" angewendet werden. In der nächsten Woche berichten wir an dieser Stelle über die verschiedenen Arten der Laserstrahlen.