DER HEBRÄISCHE BIBELTEXT SEIT FRANZ DELITZSCH
FItANZ DELITZSCH.VORlESUNCEN
19~8
'ON
PAUL. I:AHLE
W.KOHL.HAMMER VERLAG STUTTGART
Franz "Delitzsm (1813-1890)
hat es sich in einem langen und reichgesegneten Leben als Gelehrter und als unvergessener Lehrer der Kirche im beso.nderen zum Ziel gesetzt, der wahrheitsgemäßen Kenntnis des Judentums unter den Christen und der wahrheitsgemäßen Kenntnis des Christentums unter de~ Juden zu dienen. Um dieses Zieles willen begründete er 1886 ip Leipzig das später nach ihm benannte Institutum Iudaicum, das jetzt in Münster (Westf.) arbeitet. Die jährlichen Franz Delitzsm.-Vorlesungen sind dazu bestimmt, in Verbindung mit dem Institutum Judaicum Delitzschianum das Anliegen Delitzsm.s auch in einer breiteren: Öffentlichkeit lebendig zu erhalten und fruchtbar zu machen.
Alle Rechte vorbehalten © 1961 W. Kohlhammer GmbH, StuUgart Druck: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart 1961 (71018)
Inhalt
Vorbemerkung
,; . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1. Seligmann Baer 2. Salomo
9 11
Jedidja de Norzi
'-'. . . . . . . . . . . . . .. ~
3. Franz Delitzsch und die Complutensische Polyglotte ~
4. Der Babylonische Bibeltext
'. . .. . .
5. Der Palästinische Bibeltext und der Samaritanus 6. Mercati's Hexapla-Fragmente
. . . ..
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16 17 19
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24
',: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..
31
7. Die Bibelhandschriften des Origenes
42
8. Die ~aräischen Masoreten von Tiberias und ihre Arbeit am Bibeltext
51
9. Die Abbildungen des Kairoer Prophetenkodex des Mosche ben
Ascher, untersucht von R. H. Pinder Wilson (mit Beiträgen von Dr. R. Ettinghausen) 10.
54
Jatbe~ ben Schelomo, der prominente
~~räer
in
Jerusalem,
beauf-
tragt Mosche ben Ascher in Tiberias mit der Herstellung des Kairoer
59
Prophetenkodex
62
11. 'Das Kolophon des Mosche ben Ascher, Masoreten von Tiberias
12. Die Akzente der tiberischen Punktation und die Betonung des tibe-
rischen Bibeltextes
6r
13. Die Ordnung der Schrift von Mosche ben Ascher und die dem Ahron
69
ben Ascher zugeschriebene Fassung des Textes 14. Die Prophetenliste und die Anzahl der Verse der Bibel
72
15. Die Freigabe der durch die Kreuzfahrer beschlagnahmten Bümer
der
~aräer
. '..'
',' . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73
16. D~e Schenkung ,des Prophetenkodex an die ~aräer - Synagoge zu
Kairo
~
'
.
95
1-21
Verzeidlnis der Abbildungen 1. Abb.:,Abbildung S.
1 im Prophetenkodex des Mosche ben Asmer aus
der ~aräer-Synagoge in Kairo von A. D. 895. 2. Abb.: Abbildung S. 2 im Prophetenkodex. 3. Abb.: Abbildung S. 4. Abb.: Abbildung S.
3 im Prophetenkodex. 4 im Prophetenkodex.
5. Abb.: Abbildung S.
5 im Prophetenkodex.
6. Abb.: Abbildung S. 7. Abb.: Abbildung S.
6 im Prophetenkodex. "7 im Prophetenkodex.
8. Abb.: Abbildung S. 9. Abb.: Abbildung S~
8 im Prophetenkodex. 9 im Prophetenkodex.
10. Abh.: Abbildung S. 11 im Prophetenkodex.
11. Abb.: Abbildung S.581 im Prophetenkodex (Ende von Maleachi). 12. Abb.: Abbildung S.582 im Prophetenkodex (Die Zahl der Verse der
Bibel) 13. Abb.: Abbildung S.583 im Prophetenkodex (Das Seder ha-Mil.crä)
14. Abb.: Das Seder
ha-Mi~rä
aus dem Bibelkodex Leningrad B 19a von
1008/9 fol. 479 a. 15. Abh.: Abbildung S.584 im Prophetenkodex (Die Liste der Propheten). 16. Abb.: Abbildung S.585 im Prophetenkodex (Auftraggebung zur Her-
stellung des Prophetenkodex). 17. Abb.: Abbildung S. 586 im Prophetenkodex (Das Kolophon des Mosche
ben Ascher). 18. Abb.: Abbildung S.587 im Prophetenkodex (Die letzte Abbildung im
Prophetenkodex) . 19. Abb.: Ms. Bodl. Heb. d.29 Fol.19b
= Jos xviii, 8 xix 9; geschrieben über
einem Text mit palästinischer Punktation. 20. Abb.: Ms. Bodl. Heb. d. 29 FoI. 19 b = J os xvüi, 8 xix 9, palästinisme Pun'ktation, entziffert von Dr. Manfried Dietrim. 21.
Abb.: Psalterii Hexapli Reliquiae, cura et studio Johannis Card. Mercati, Psalmus xxvii, 6-9.
Vorbemerkung
Es handelt ~ich hier um eine Zeit von beinahe hundert Jahren, die vergangen sind. Man braucht nur einen Blick in das Inhaltsver~ zeichnis zu werfen, um zu sehen, in welchem MaRe die Problemstellung sich gewandelt hat. Als Franz Delitzsm mit Seligmann Baer verhandelte, war man froh, einen einigermaßen korrekten hebräischen Bibeltext herauszubringen~ den Baer als Ben Ascher Text bezeichnen zu können glaubte. Er ahnte indes nicht, daß z. B. die in l'oledo 1277 geschriebene Bihelhandschrift ·bereits über hundert Jahre im Besitze der Familie Norzi war, als Salomo Jedidja Norzi im wesentlichen nach dieser· Handschrift sein textkritisches Werk Min1;tat Sdtaj im Jahre 1626 beendete, das einen Ben -Ascher-Text bot, der ziemlich genau mit dem Ben AsclJ.er~-Text übereinstimmte, wie ich ihn nach der ältesten vollständigen Ben Ascher-Handschrift aus Leningrad in der Biblia Heb,.aica in Stuttgart 1926-1937 veröffentlicht habe und der übereinstimmte mit. dem T·exte, den auf Grund von Min1;tat Sdtaj Dr. Norman H. Snaith 1930-1958 für die British and Foreign Bible Society herausgab. Die in Toledo 1277 geschriebene Bibelhandsmrift kam später in (len Besit.z von Johannes Bernhard de Rossi und genießt in Parma al~ Kodex df? Rossi 782 ein besonders hohes Ansehen als die einst von Norzi verwertete Handschrift. In d~r neuen Auflage der Cairo Geniza, Oxford 1959, habe ich ein Blatt dieser Handschrift als ; Plate 10 veröffentlicht. Inzwischen waren babylonische Bibeltexte bekannt geworden, die einmal eine sehr große Verbreitung gehabt haben müssen, von deren ursprünglicher Form man aber nur wenig ~ußte. Dazu waren 1'e~te mit palästinischer Punktation··gefunden worden, die, wie die Forschungen von Dr. Murtonen ergeben haben, ursprünglich eine Aussl?rache des Hebräischen boten, die die Samaritaner nom heute bei dem Vortrag des Tora-Textes im Gottesdienst der Synagoge verwenden. / Von dem durch Giovanni Mercati im Jahre 1894 entdeckten HexapIa-Palimpsest der Ambrosiana ist der erste Band der Texte mit der Reproduktion der Originale irh Jahre 1958 erschien~n. Der l
9
hebräische Text in grie(lnischer Umschrift hietet offenbar eInen Anhalt dafür, wie der hebräische Text zur Zeit des Origenes gesprochen wurde oder ein paar Jahrhunderte vor Origenes. Denn die Umschriften der Hexapla sind wohl sicher vorchristlich. Professor G. R. Castellino hat mir am 9. November 1960 aus ROln mitgeteilt, daß er seine Arbeit an der Hexapla von Card. Mercati wieder aufgenommen und die Handschrift des zweiten Teiles des ersten Bandes für den Drucker vorbereitet habe. Der Band wird alle Nachträge der indirekten Überlieferung der Hexapla von Card. Mercati enthalten.
Schließlich kann es heute keine Frage mehr sein, daß die Masoreten von Tiberias absichtlich Änderungen der Aussprache des Hebräischen vorgenommen haben. Dazu gehört unter anderem die iln wesentlichen durchgeführte Ultima-Betonung der Masoreten von Tiberias. Die ersten drei Worte der Bibel werden bei den Samaritanern ausgesprochen bara,sit bara 'älurvem, und mit derselben Betonung lesen die aschkenasisooen Juden diese Worte baraishith bora aelurvim. Es handelt sich hier bei dieser Betonllng Uln eine alte überlieferung, nicht um eine Modifikation des tiberischen beresit bära 'elöhim.
10
1. Seligmann Baer
In meiner Studienzeit, in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, waren die Ausgaben desnebräismen Bibeltextes, ~ die F'ranz Delitzsch.. zusammen mit Seligmann Baer veröffentlicht hatte. besonders geschätzt. Delitzsch hat in den Vorreden zu den einzelnen Büchern über seine Arbeit mit Baer berichtet, vielleimt am klarsten in der Ausgabe der Genesis, mit der die Serie im Jahre 1869 ihren eigentliroen Anfang nahm, bald nachdem er im Jahre 1867 als Ordi~ narius VOll der Universität Erlangen an die Universität Leipzig berufen worden war. Wir lesen da: 1 Alle Ausgaben des hebräischen Bibeltextes, die bisher im Druck erschienen sind, nicht ausgenommen die, welme wir Joseph Athias (1661), Daniel Ernst Jablonski (1699), Salomo Jedidja Norzi (1743) verdanken, sind nicht nur nicht frei von Fehlern, sondern vielfach auch weit entfernt von der klaren und genauen Beobachtung der masoretischen Überlieferung. Sie sind entstellt nicht nur durch falsche Akzente und Vokale, sondern auch durch falsche Worte (es folgen Beispiele). Solche Irrtümer haben nicht nur von einer Ausgabe in die andere, sondern aum in die Lexica Eingang gefunden. Manche Leute sehen derartige Dinge für Minutien an; aber wer immer sich um die Erforschung der Heiligen Schrift bemüht und die Wahrheit auch in den kleinsten Dingen ni,cht gering amtet, müsse zugeben, daß die Gramma-tik, die Lexikographie, die Exegese des Alten Testaments vor allenl eines authentischen Textes bedürfe, d. h. eines wirklich überlieferten und von der Masora bezeugten zuverlässigen Textes. Es sei Zll bedauern, daß unsere Bibelausgaben sich darauf beschränkten, den Text hie und da zu verbessern, anstatt ihn durch Her-anziehung von Gelehrten herauszugeben, die in masoretisclJ.en Dingen aufs genaueste bewande·rt sind. Von Seligmann Baer" mit dem er siCh zur Bearbeitung des Textes der Genesis zusammengetan hatte, berichtet Delitzsm, er habe sich 1 Liber Genesis. Textum Masoreticum accuratissime expressit, e fontibus Masorae varie illustravit, notis criticis confirmavit S. Baer. Praefatus est edendi operis adjutor F. Delitzsch, Lipsiae 1869. Ich übersetze von p. v, vi.
11
an die 25 Jahre dem Studium der Masora gewidmet und ihm hätten sich viele der ältesten Quellen erschlossen, die nur ,venigen zugänglich gewes'en seiell. Das erweIse ihn als den- für solche _ A-lbeit am Bibeltext geeigneten Mann. ''; . Allerdings äußert Delitzsch seIher, er mÜsse zugebotn, daß die Aus'gabe des Psalnltextes, die Baer 1861 mit einer von ih~ - D,elitzsch - verfaflten Vorrede herausgegeben -habe, nicht frei von · F'ehlern gewesen sei; immerhin sei sie vollkommener gewesen als andere ~usgaben der Psalmen. Die gegenwärtige Ausgabe der Genesis ~ ve~spreche jedoch, besser als alle bisher veröffentlichten Texte zu sein, zumal man bei ihrer --Herstellung nicht wie beim · Psalmtext durch gewisse Beschränkungen der typographischen Hilfsmittel behindert gewesen sei. Wer war dieser Seligmann Baer? Er hatte im Jahre 1852 in Rödelheim eine hebrä;ische Abhandlung über die Akzente der sog. poetischen Bücher ,der Bibel (d. h. Job, Proverbien, Psalmen) unter dem Titel.n~N .n"n erscheinen lassen, zu der sogar ein berühmter Gelehrter wie S. D. Luzzatto aus Padua einen Beitrag geliefert habe 2. Das habe Delitzsch's Interesse ~r,veckt. Er habe ihn in Bieberich bei ~1ainz aufgesucht, wo er als jiidischer Elementarlehrer tätig gewesen sei, anspruchslos, ohne Fähigkeit sich bekannt zu J)lachen, aher begeistert für die Arbeit am Bibeltext und mit beachtlicher Kenntnis der Masora und de-r ältesten hebräischen Gl.'amlnatiker. Das habe De.litzsch imponiert, und er habe_ versucht, sich einen so~chen Mann für die Arbeit am hebräischen Bibeltext zu sichern. An einer gewissen Gelehrsamkeit 'und an Liebe z!lr Sache ·hat es Baer sicher nicht gefehlt, und so kann man es schon- verstehen, daß · solche Eigenschaften Delitzsch über allerlei Unvollkommenheiten von Baer hinweggeholfen haben. Aber zunächst einmal hat DeIitzsch cl-en Umfang und die Bedeutung von Baer"s masoretischem Wissen weit überschätzt. Wir sehen jet~t, daß sowohl Bae~ selber 2 Thorath Emeth sive liber__ et praecepta et ~octrinam _plenaln perfectamque accentuum libb. psalmorum, proverbiorum et Jobi continens secundum Massoram et principia, quae nobis reliquernnt R. Aharon ben Ascher, R. Jehuda ben Bilaam, aliique prioris temporis clarissimi grammatici, composuit S. Baer. Accedit et epistola quae uber~inle de hac materia agitur, scripta ab illustrissimo et doctissimo viro S. D. Luzzatto, professore collegii rabbinici patavini. Rödelhemii 1852. - Vgl. den Artikel von R. Gottheil über Seligmann Baer, Jew.·· Ene. II, S. 433 f., wo auch ein Bild von ihm zu finden ist und ein Hinweis auf Baer's andere Werke. ~
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· als auch. sein einstiger Protektor Wolf Heidenheim, von dem er ausgegangen war und in dessen Bahnen er wandelte, ihr masoretisches Wissen aus sehr unzureichenden Quellen bezogen haben~ Wirklich wertvolles masoretisches Material ist nicht in ihren Gesichtskreis gekommen. Gewi.ß kannte er allerlei Masora und hatte eine gewisse Übung im Legen masoretismer Texte~ Aber es war dom nur ganz zufällig in seine Hände gekommenes Masora-Material, meist durch Erbschaft von Wolf Heidenheim, und den Wert desselben hat er stark überschätzt. Er hatte nie Masora-Studien an irgend einer Bibliothek getrieben, die über wirklich bedeutsame Bestände verfügte. Dazu kommt, daR es ihm vollständig an wissenschaftlicher Schul~ng fehlte. Wie ,:völlig unfähig Baero einer wissenschaftlichen Aufgabe gegenübe:r. gestanden hat, sieht man am besten aus seinen Bemühungen um die Di~du~e ha- Teeamim des Ahron b. Moscheh ben Asdrer. Schon der für das Buch ge,vählte Titel ist bezeichnend für d~e Einstellung' des Bearbeiters: . 0
Die Dikduke ha-Tecamim des Ahron ben Moscheh ben Ascher. und andere ·alte gr·ammatisch-massoretische Lehrstücke zur ·Fest~ stellung eines richtigen Textes der hebräischen Bibel mit Benutzung zahlreicher alter Handschriften zum ersten Male vollständig herausgegeben von S. Baer und H. L. Strack. Leipzig 1879. Baer dachte nicht etwa daran, die von Ahrön b. Ascher verfaRten Regeln kritisch herauszugeben. Er hatte masoretisches Material ver-_ schiedener Art gesammelt, das zu verschiedenen Zeiten geschrieben war. Die Frage, wie weit solche versclriedenartigen Materialien tatsächlich dem Ben Ascher zugesprochen werden konnten, ~xistierte für ihn nicht. Auch die Überlegung lag ihm fern, daß siCh die von Ben Ascher verIaRten Regeln natürlich auf den Ben Asmer-Text und nirht auf den Ben Chaijim-Text bezogen. Für Baer war das gesamte masoretische Material eine Einheit. Sein ~inziges Ziel war, dieses Material für einen "richtigen" Bibeltext zu verwenden, und da die von ihm gesammelten ,T~xte weder zu einander nom zu dem Text, den Baer für den Ben ~Asrher-Text hielt, stimmten, so entschied er nach eigenem Gutdünken, was davon als korrekt z~ halten ,var. Und was davon abwich, erklärte er für korrupt, unvollständig, in Verwirrung. Mit solchen. Methoden kann man nicht alte und schwierige masoretisooe Texte behandeln. Aber sie sind typisch für Baer. Strack war selber im wesentlichen ein Kompilator, kein kriti13
scher Forscher. Er verstand letztlich von den Dingen nicht viel und dachte nicht daran, gegen diese Methoden von Baer Bedenken zu erheben. Aber Baer beschränkte sicl1 nicht darauf, aus den ihm zur Verfüg~ng stehenden Materialien herauszusuchen~ was er für "richtig" hielt. Er änderte auch unbedenklicl1 die Lesarten seiner Handschriften, wenn sie nicht das boten, was er für richtig hielt. Wir kamen in Bonn auf ein sehr drastisches Beispiel dieser seiner Methoden. In der Vorrede zu der Ausgabe der Di1;dul;e ha-Teeamim wird ein masoretismes Kompendium erwähnt, ·eAdat Deborim, verfaßt von einem gewissen Joseph aus Konstantinopel. Es stand in einer von Strack in Leningrad angefertigten Abschrift zur Verfügung, und die Leningrader Handschrift, datiert 1207, ist die einzige, die wir kennen. Der Verfasser dieses Kompendiums hatte dahinein \\'resentliche Teile einer Abhandlung aufgenommen, die die kleinen Unterschiede der Lesarten von Ben Ascher und Ben Naftali ver7eimnet und die verfaßt war von Mischael b. cUzziel. Eine Reihe von Fragmenten dieses Werkes selber befinden sich in Leningrad. Die große Bedeutung dieses Textes war mir klar geworden, und so schlug ich einem meiner Schüler, Lazar Lipschütz, vor, diese Abhandlung herauszugeben und zu untersuchen. Dazu brauchten wir außer den Geniza-Fragmenten des Textes selber auch die Handschrift von cAdat Deborim. Auf meine Bitte hin wurde sie von Leningrad nach Bonn gesandt. ~ Baer hatte dieses Buffi nicht nur gelegentlich für die Ausgabe der Di/sdu"/se ha-Tecamim benutzt, sondern auch für die Listen der Abweichungen zwischen den Texten von Ben Ascher und Ben Naftali, die er den biblism.en Texten beifügte, welche er zusamlnen mit Franz Delitzsm herausgab, und die Baer mit einem Stern versah. In den Listen, die diesen Ausgaben seit 1880 beigefügt sind, finden sich· Angaben aus eAdat Deborinl, in großer Zahl. Eine Untersuchung, die Lipschütz anstellte, ergab, daß kaum ein einziges von Baer's Zitaten aus diesem Buche zu der Handschrift stimmte, der es entnommen war. Baer hat diese Zitate einfach geändert und sie in eine Form gebracht, die er für den "richtigen" Ben Ascher-Text hielt, ohne auch nur ein Wort iiber diese seltsame Methode zu "Verlieren. Franz Delitzsm. stand so unter dem Eindruck von Baers großer Vertrautheit mit der Masora, daß er es vollständig unter14
ließ, Baer's Angaben nachzuprüfen, und so diese Pseudoausgaben mit seiner Autorität deckte. pie Photographie der Handschrift von eAdat Deborim habe ich einem meiner letzten Bonner Schüler, Harry Levy, zu bearbeiten empfohlen. Er stellte zunächst einmal fest, daß auf Seite 30b der Handschrift ein Streit berichtet wird über die Lesung des Wortes ~~!iJ (Jes. 1,16) zwischen Jona b. Ganäl}. und Mosme b. Gikatilla. Bei Jona steht die Eulogie-Formel für Verstorbene (V'~:=II ,n,~), bei Mosme aber nicht. Daraus folgert er mit Recht, daß cAdat Deborim nam dem Tode von Jona, aber noch zu Lebzeiten des Mosche verfaßt worden sein muß. Jona ist im Jahre 1050 gestorben, Mosche habe bis etwa 1080 gelebt. D~mnach wäre cAdat Deborim nach 1050 und vor 1080 verfaßt. Das Buch des Mischael b. CUzziel, das eine Quelle für eAdat Deborim gewesen ist, muß daher erheblich älter sein als man zuvor angenommen hat. Es ist sicher noch im 10. Jahrhundert geschrieben. Es han~elt sich bei eAdat Deborim um ein Kompendium, für das der Verfasser sich an ältere Werke gehalten hat, wie I:!ayyiig, Menamem b. Sarü:Lc. Er bring,t dann 14a-24a grammatisch-masoretische Lehrstücke des Ben Ascher, in fol. 24a-39a Differenzen zwischen Ben Ascher und Ben Naftaii, ferne~ auf fol. 39a--40a Differenzen zwismen Palästinern und Babyioniern. Er behandelt dann die Vokale fol. 4Oa-52b, das Schwa fot 52b-55b und die Akzente foI. 55h-70a. Den Artikel über die. Vokale hat Levy übersetzt und den Text nach der Handschrift reproduziert. Er ist dabei zu ganz interessanten Resultaten gekommen. Da er als in Deutschland geborener Jude seit dem Jahre 1938 in Deutschland nimt mehr promovieren konnte, machte ich ihm den Vorschlag, mit seiner Arbeit nach Bern zu gehen, und unter Professor Gottfried Widmer als Referenten hat er 1939 dort promoviert. Ich habe dann lange nichts von ihm gehört. Auf der Internationalen Alttestamentler-Tagung in Straßb.urg im Jahre 1956 sprach mich Rabbiner Dr. J. Speier aus Zürich auf Dr. Harry Levy an, der inzwischen als }ehezkel Levy Rabbiner in der Nähe von Jerusalem geworden war. So konnte ich wieder mit ihm in Verbindung treten. Ich fragte ihn nach dem Geschick der Handsmriftenphotographie - die er mir auf meine Bitte hin zurückgesandt hat. Über die Dissertation schri~b er mir: "Meine Dissertation ist 1938 (es muß heißen 1939) in Bern veröffentlicht worden und kann durch die Universitätsbibliothek oder
1'"
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Nationalbibliothek in Bern bezogen werden. Sie ist in Deutschland (Berlin) gedruckt worden, wurde 'aber nur in zehn Exemplaren geliefert, so daß ich selber leider kein Exemplar besitze." Durch Verlllittlung von Professor W. Baumgartner habe iCh dann, die Disser-. tation von der Universitätsbibliothek i~ Basel entliehen. Durd} Rückfrage bei Professor J. J. Stamm in Bern stellte Baumgartner fest, daß in Bern weder die Universität noch die Stadt- und Homschulhibliothek nom Professor Widmer ein Exemplar. der Dissertation b.esäßen. Aber die Landesbibliothek besäße ein Exemplar, und von·, dem habe P.rofessor Stamm einen Mikrofilm anfertigen lassen, der zur allfälligen späteren Verwendung auf der Landesbibliothek verbleiben '\Tird. Iclt habe das Buch dem Instituto Arias Montano in Madrid zugänglich gemacht, wo Herr Lacave eine neue vollständige Ausgabe von dem Buche der Varianten von Ben Ascher und Ben Naftali des Mischael b. (Uzziel vorber~itet, das in den Beiheften zur Z·AWerscheinen soll.
2. Salomo Jedidja de Norzi Aber auch sonst hat sich D'elitzsch durch Seligmann Baer irreführen lassen. Auch dafür: möchte ich ein Beispiel geben: . Die British and Foreign Bible Society hat seit 1930 eine neue Hebräische Bibel vorbereiten lassen, die zu Weihnachten 1958 erschienen ist. Anstelle des seit 1852 verbreiteten Letteris-Textes, eines Abdrucks des von Jacob ben Chaijim in Venedig 1524-25 veröffent.. , lichten . B ibeltextes, der 1866 ~veithin durch Manuskript Erfurt 3 beeinflußt worden war 1, sollte ein Ben Ascher-Text herau~gebrarht 1 über diese Handschrift hat Paul de Lagarde (Symmictä i, Göttingen 1877, S. 137 t) berichtet. Seit der überführung der Handschrift nam der
Berliner Staatsbihliothek führt die Handschrift die ~ignatur Ms. or fol 1213. Ich habe die Hs. während des Druckes der Biblia Heb,raica mehrere Jahre in Bonn gehabt und das Ergebnis einer genauen Untersuchung in Masoreten des Westens II. 1930, S. 54 f. veröffentlicht. De Lagarde hat darauf hingewiesen, daß in der Handschrift Erfurt 3 große Stücke der Od1.la weOdtla vorhanden sind. Dieses Werk ist seinerzeit von Dr. S. Frepsdorff, Hannover 1864, nach der Pariser Handschrift herausgegeben worden. Eine neue Ausgabe dieses Werkes wird jetzt von meinem Schüler Dr. Fernando Diaz Esteban in Madrid vorbereitet. Er hat dazu außer der Hallenser Handschrift Y b 10 auch Erfurt 3 in Madrid
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werden, wie ich ihn seit 1926 in der Biblia Hebraica von Rudolf Kittel in der Württembergischen Bibelanstalt in Stuttgart herauszugeben begann und wie er 1937 fertig vorlag. Dr. Norman H. Snaith, der Alttestamentler des Wesley College, Headingley, Leeds, hat deli ihm 1933 übertragenen Auftrag durchgeführt, und die neue Ausgabe ist zu Weihnachten 1958 ersmienen. In seineIn Artikel "Nero Edition 01 the Hebrem Bible" 2 hat Snaith über seine Bibelausgabe berichtet. Ich habe in meiner Cairo Geniza 3 die von ihm· verwerteten Handschriften besprochen und etwas bedauert, daß Snaith es sich hat entgehen lassen, für seine Ausgabe yor allem die Bibelhandsmrift mit zu verwerten, die für die textkritische Arbeit von Norzi die Hauptquelle gewesen ist. Sie war im Jahre 1277 geschrieben worden in Toledo, einem einst berühmten Sitz jüdischer Gelehrsamkeit, und ist 1626, als Salomo Jedidja de Norzi sein unter dem Namen Min1)at Schaj berühmtes textkritisches Werk beendete, weit über ein Jahrhundert im Besitze der Familie de Norzi gewesen. Später in den Besitz von Johannes Bernhard de Rossi übergegangen, genießt sie, wie schon gesagt, als Kodex 782 der Bibliotheca Palatina zu Parma eine besondere Hochschätzung, weil sie die Hauptquelle für d.ie textkritische Arbeit von de Norzi gewesen ist. Wir müssen annehmen, daß es sich bei dieser Handschrift - ich habe eine Abbildung von ihr in der 2. Auflage meiner Cairo Geniza veröffentlicht - um eine masoretische Spitzenleistung handelte, wie sie weder Seligmann Baer noch seinem Protektor Wolf Heidenheim je in die Hände gekoilllnen ist. Franz Delitzsch, der sich auf Baer verließ, hat sich durch ihn verleiten lassen, die Ausgabe von Norzi a~s fehlerhaft und gegen die Regeln' der Masora verstoßend zu bezeichnen.
3. FraBz Delitzsm. und die Complutensische Polyglotte Daß DelitzsCh aber trotz des bedenklichen Einflusses, den er Seligmann Baer auf sich eingeräumt hat, wirklich ·etwas von Bibeltext und Masora verstanden hat, bezeugen vor allem die Untersuchungen, benutzen können und verschiedene andere Handschriften, die ich in der neuen Auflage meiner Cairo Geniza, 1959, S.134 aufgeführt habe. 2 VT vii, 1955, S.207f. s 2. Auflage, Oxford, 1959, S. 138--141.
2 Kahle. Hebräischer Bibeltext
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die er dem Hebräischen Text der Complutensischen Polyglotte gewidmet hat und die als Reformationsfest-Programme der Leipziger Universität in den Jahren 1871, 1878 und .1886 erschienen sind 1. Speziell in der zweiten dieser Abhandlungen: Complutensische Varianten zum Alttestamentlichen Bibeltext, hat Delitzsm wesentliche Resultate erzielt. Er hat ~ehr als neunzig Stellen des Polyglottentextes untersucht, bei denen er neben zwei Madrider I-Iandschriften, die wir nachkontrollieren können, mindestens noch eine Handschrift erkannt hat, die er nicht identifizieren konnte. Ich habe den Nachweis führen können"2, daß es sich hier um eine alte babylonische Bibelhandschrift gehandelt hat, die auf die Gestaltung des hebräischen Bibeltextes in der Complutensis von maßgebendem Einfluß gewesen ist. Besonders wichtig ist es, daß Delitzsch es klar erkannt hat, daß der textus receptus der Bibel - das heißt, der von Jacob Ben Chaijim 1524/25 bei Bomberg in Venedig besorgte Text der hebräischen Bibel - gegenüber dem Text der Complutensis vielfach zurücksteht und ein~r gründlichen Revision bedarf, bei der es sich nicht bloß um Kleinigkeiten ohne Belang handelt.. Delitzsch hat hier klar emp":funden, daß die Complutensis weithin auf Handsmriften beruht, die dem textus reGeptus des Ben Chaijim weit überlegen waren, dadurch Haß sie, wie wir heute mit Sicherheit wissen," den Ben' Ascher-Text boten. Daß auch babylonische Bibelhandschriften' bei de~ Herstellung des Bibeltextes der Complutensis eine Rolle gespielt.·haben, konnte Delitzsch, als er in1 Jahpe 1878 seinen Artikel schrieb, nicht ahnen. 1 Bei der Rektoratsübergabet die in Leipzig am Reformationsfeste statt.. fand, wirkte Delitzsch in allen drei Fällen als designierter Dekan der Theologischen Fakultät mit. Er hat dabei verfaRt: 1. Studien zur" Entstehungsgeschichte der Polyglottenbibel des Cardinal Ximenes. Leipzig 1871. S.1--44. 2. Complutensische Varianten zu dem alttestamentlichen Texte. 1878. S. 1-38. . 3. Fortgesetzte Studien zur Entstehungsgeschichte der Complutensischen Polyglotte. 1886. S. 1-60. 2 Ich verweise hier auf meine zwei Arbeiten: 'The Hebrew Text 01 the Complutensian Polyglot': (Homenaje a Millas-Vallicrosa I, Barcelona 1954, S.741-751) und: flZroei durm"" Humanisten besorgte, dem Papst gewidmete Ausgaben der hebräischen Bibel' (Essays presented to Leo Baedc ... Lon.. don 1954 S.50-:-74. = Opera Minora, Leiden 1956 8.128-150. t
t
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Aber die Bearbeiter des hebräischen Textes der Complutensis sind als echte Humanisten darauf aus gewesen, möglichst alte Handschriften für die Ausgabe heranzuziehen. Von den vetustissima exemplaria, die dabei verwendet wurden, hat Cardinal Ximenes de Cisneros dem Papste Leo X., dem die Bibelausgabe gewidmet war, ausdrücklich in der Vorrede berichtet. Ich habe den Nachweis führen können; daß gewisse Eigentümlichkeiten des Polyglottentextes sich nur unter der Vöraussetzung erklären lassen, daß dabei alte babylonische Handschriften verwendet worden sind, die damals in Spanien aufgefunden sein müssen 3.
4. Der Babylonische Bibeltext Für meine wissenschaftlichen Arbeiten ist es von wesentlicher , Bedeutung gewesen, daß ich bald nach meiner Promotion zum Dr. phi!. unter Franz Praetorius in Halle (23. April 1898) fü~ eine Reihe von Monaten (März bis September 1899) nach England gehen konnte, wo im British Museum, der University Library in Cambridge und :der Bodleian Library in Oxford Handschriften studieren konnte. In Cambridge und Oxford konnte ich schon damals etwas von den reichen Schätzen hören, die aus der Cairo Geniza ihren Weg nach England gefunden hatten, und es war mir schon von großer Bedeutung, daß ich dort mit Männern wie Solomon Schemter'in Cambridge und A. E. Cowley in Oxford in Kontakt kommen konnte, ganz abgesehen von anderen Gelehrten, die ich kennengelernt habe, Professor A. A. Bevan, Professor F. C. Burkitt, Norman McLean, Mrs. Agnes Smith Lewis, Mrs. Margaret Dunlop Gibson in Cambridge, ~rofessor S. R. Driver, Professor D. S. Ma!goliouth und Dr. Adolf Neubauer in Oxford. Nach meiner Rückkehr aus England kam ich auf zwei Jahre in das Prediger-Seminar zu Wittenberg (Oktober 1899 bis September 1901), und als ich dort von einigen meiner Kollegen, Kandidaten gleiCh mir, gebeten wurde, mit ihnen etwas Biblisch-Aramäisch zu treiben, nah:rn ich bei einem Aufenthalt in Berlin die Gelegenheit wahr, mir in der Berliner Staatsbibliothek hebräische Bibelhands<;hriften anzusehen. Dort entde
im
s The Cairo Geniza 2, Oxford 1959, S.124-127.
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komnlenden Handschrift des dritten Teiles der Bibel, der Ketubinl: die schon seit fast 25 Jahren (die Handschrift war 1879 von Moses Wilhelm Shapira gekauft worden~ in Berlin war, die aber bisher keine Beachtung gefunden hatte. Selbst mein verehrter Lehrer Praetorins, der die I-Iandschrift in Händen gehabt hatte, sagte mir, als ich ihm berichtete, daß ich mit dieser Handschrift beschäftigt sei: ,,~1it dieser Handschrift (ist doch nichts anzufangen." Ich erwiderte darauf, er werde sich wundern, was mit der zu machen sei. "Nun, wir werden ja sehen", war seine Antwort. Er sah bald ein, daß ich recht hatte. Er habe nicht geahnt, welchen Schatz er in seinen Händen gehabt habe, so sagte er. Die Handschrift ",var mir gleich, als ich sie sah, durch, die abweichende Punktation erster Hand aufgefallen, Wld ich beschloß sogleich, sie eingehend ZlY untersuchen. Man schickte sie mir auf meine Bitte hin nach Wittenberg, und ich. habe sie zuerst dort, da~n später auf der Bibliothek in Berlin sehr eingehend studiert, und nachdem ich etwa zwei Jahre intensi ver Arbeit der Untersuchung dieses Textes gewidnlet hatte, konnte ich den Nachweis führen, daß uns hier in der Punktation erster Hand ein echt babylonischer Bibeltext vorlag, ein Bibeltext also, von dessen Existenz wir bis dahin kaum etwas gewußt hatten, von dem ,vir aber jetzt unzweifelhafte Proben vor uns hatten. Mit einer dieser Hands~hrift gewidnleten Arbeit wurde ich anl 7. August 1902 in der Theologischen Fakultät der Universität Halle unter Emil Kautzsch promoviert l. Als ich dann nach fast sechsjährigem Aufenthalt im Ausland, zuerst acht Monate als stellvertretender Pfarrer in Braila (Rumänien), dann über fünf Jahre als deutscher Pfarrer und Leiter der deutschen Sehule in Cairo, mich am 1. Februar 1909 an der Philosophischen Fakultät der Universität in I-Ialle für das Fach der Orientalia habilitiert hatte und bald darauf (1909-10) am Deutschen Evangelischen Institut für Altertumskunde des Heiligen Landes in Jerus.alem bei Gustaf Dalman als Mitarbeiter tätig gewesen war, habe ich meine Studien am hebräischen Bibeltext in Halle wieder aufgenommen. Im Jahre 1911 bin ich zum zweiten Male in England gewesen, diesmal~in der ausgesprochenen Absicht, Geniza-Material zu studieren, da mir klar geworden war, daß, wenn irgendwo in der Welt, dann 1 Der masoretisme Text des Alten Testamentes nach der rJberlieferung der babylonischen Juden. Leipzig 1902.
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dort im Material der Cairoer Geniza babylonische Handschriften zu finden sein müßten. Es gelang mir tatsächlich, in Cambridge ··und Oxford· Reste v~n mehr als sechzig· echten babylonischen ·Bibelhandschriften zu finden. Ein paar ,veitere Fragmente dieser Art wurden mir aus der Russischen öffentlichen Bibliothek in Leningrad nach Halle gesandt, die Paul Kokovtsov, mein späterer verehrter Freund, herausgesucht hatte. Diesem Material ist mein Buch Masoreten des Ostens gewidmet gewesen 2. - Ich konnte da Res~e einer großen selbständigen Überlieferung des hebräischen Bibeltextes vorlegen, die un·s nun zwang, neben dem bisher allein beachteten tiberischen Bibeltext einen babylonischen Bibeltext ernsthaft in Rücksicht zu ziehen. Daß es sich bei dem b.abylonischen Bibeltext um eine Größe handelte, die einmal wirklich ernst genommen worden ist, beweist ein Passus, der in dem unl 937 D. Chr. verfaßten Kiiab al-anroar roalmaräqib, dem Code ofkaraite Laro, des bekannten I.caräischen Gelehrten Ja~~üb al-~ir~isänI sich findet. Es heißt da:
Die babylonische Lesung flsirä!)at al- 1ral;) sei verbreitet gewesen von ar-Ra~~a am Euphrat his zu den Gr~nzen von China (a~-~In) hin bei der Mehrheit der Leute, die in Mesopotamien, Khorazän, Färis, Kirman, I~fahän, Yamäma, Bal).rain und al-Yaman wohnen S• f
aJ-~irI.cisänI
verweist für seinen Bericht auf einen gewissen Jac~üb b. Efraim ash-Shäml, von dem wir leider sonst nichts wissen. Aber wir können. '\Toh1 annehmen, daß sich dieser Bericht auf eine Zeit bezieht, da die von den Masoreten von Tiberias durchgeführte Aussprache außerhalb von Palästina kaum bekannt war. Zu dem babylonischen Bibelmaterial, das ich in meinen Masoreten lles Ostens" behandelt habe, hat siro weiteres Material gefunden, über das ich in ZAW berichtet habe 5 und sodann in der Vorrede zur Biblia Hebraica 6. Leipzig 1913. Kitäb al-anwär wal..maräqib. Code of Karaite Law, by Yafqüb aI.. Qirqisäni (Second Quarter of the Tenth Century) Edited ... by LeoD Nemoy, New York 1934-1943, S. 135 f. Vgl. George Vajda, Etudes sur Qirqisani, in RE], vol. cvii, 1946-47, S. 91 f. 4 Leipzig 1913. 5 f:Die hebräischen Bibelhandsmriften aus Babylonien'. Mit Faksimiles von 70 Handschriften ZAW xlvi, 1-928, S. 113-137, Tafel 1-70. 6.- Biblia Hebraica ... edidit Rud. Kittel, Textum Masoreticum curavit 2
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Wesentlich weiteres Material ist sodann 'durch Professor A. Diei Macho von der Universität Barcelona gefunden worden, besonders bei seinem Aufenthalt in Amerika 7. Dort hat er in der Bibliothek des Jewish Theological Seminary of ,America in New York ~o viel an babylonischem Bibeltext gefunden, daß man jetzt annähernd die Hälfte des hebräischen Bibeltextes in babylonischer überlieferung publizieren könnte. Wir mussen uns nun allerdings darüber klar sein, daß es sich hei dt:m babylonischen Bibeltext nicht in erster Linie um die Menge des Materi~ls handelt, das bekanntgemacht werden soll; wir müssen vielmehr sorgfältig auf die Qualität der Texte achten, die zu be.·arbeiten sein werden, sowohl hinsichtlich der Art der Handschriften, von denen uns inder Geniza Reste erhalten sind, als auch hinsid1tlieh der Art wie sie herauszugeben sein werden. Was die Technik der Ausgabe anlangt, so genügt es im allgemeinen nicht, daß man die Zeichen wiedergibt, welche zufällig zu sehen sind in der Photographie oder im Original, sondern man muß sorgfältig die Methode der Punktation dieser alten Texte studieren. Man muß ferner daran denken, daß bei den Fragmenten, die~ erhalten sind, vielfach verschiedene Hände :tätig waren, die 'oft die Absicht hatten, den babylonischen Bibeltext dem immer mehr sich durchsetzenden tiberischen Bibeltext anzugleichen, der sich ja schließlich alle einst vorhan4enen Formen der Punktation so vollständig beseitigt hat, daß erst in dem Geniza-Material' Reste von früheren Punktationen haben aufgefunden werden können. Wir müssen weiter ~aran denken, daß wir auf Grurnd der u~s zur Verfügung stehenden Handschriften nicht imstande sind, einen einheitlichen maßgebenden babylonischen Biheltext zu publizieren, da es einen solchen nicht gegeben hat. Die uns zur Verfügung stehenden Fragmente weisen zu viel Formen der Ausführung auf, die in den Einzelheiten vers~.i~den waren. Dafür aber ermöglichen sie in sehr instruktiver Weise das Studium der Entwicklung dieser Punktationsm~thoden. Um diese sorgfältig zu studieren, müssen wir uns bemühen, längere sorgfältig bearbeitete Bibeltexte zu studieren, die uns ermöglimen,,, die charakteristischen Eigentümlich-
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P. Kahle. Editionem Tertiam denuo elaboratam ad finem perduxerunt A. Alt ei O. Eissfeldt. Stuttgart 1937. Index codicum Veteris Testamenti Babylonicorum. S. xxx-xxxiii. 1 Siehe TheCairo Geniza, 2. Aunage~ Appendix III~ S. 336 f.
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keiten derselben festzustellen. Dazu eignete sich sehr wenig der Leningrader spg. babylonische Prophetenkodex, der vom Jahre 916 A. D. datiert ist; er ist zwar fast der älteste datierte Bibelkodex, der sich erhalten hat, und weist DOm babylonische PunktatioDszeimen auf; a1?er diese sind bereits vollkommen nach den Methoden der tiberischen Masora überarbeitet und sind somit für das Verständnis der babylonische~ Punktation ziemlich wertlos. Von allergröflter Wichtigkeit ist dagegen die umfangreiche und z~verlässi~e echt babylonische Berliner Handschrift Or qu 680 in der Punktation erster Hand, wie ich sie 1902 nachgewiesen habe. Diese Handsrnrift richtig herauszugeben ist deshalb eine schwierige Arbeit, weil der ursprünglich echt babylonische Bibeltext, den sie hietet, nach der später in Jemen systematism überarbeiteten Punktation, die nur eine vereinfachte Nachbildung der tiberischen Punktation mit babylonischen Zeichen darstellt, überarbeitet worden ist. Die Wiederherstellung der ursprünglichen babylonischen PunktatiOn der Handschrift ist von allergrößtem Interesse, weil sie uns das Bild einer umfangreichen babylonismen Bibelhandschrift d~rbietet, die von der tiherischen Punktation unabhängig ist und eine Bibelhandschrift bietet, die wahrscheinlich noch aus der Zeit stammt, die vor der Entstehung der tiberischen Punktation liegt. Ich habe 80"\\Tohl die Berliner Blätter der Handschrift~ die jetzt in der Universitätsbibliothek Tübingen aufbewahrt werden, als auch die sieben Blätter, die in die Glaser-Sammlung des Jewish Theological Seminary of America in New York gekommen sind, in Oxford benutzen können. Pater L. Johnston, vom Ushaw-College bei Durharn, "hat auf meinen Vorschlag hin den Konsonantentext genau abgeschrieben und wir haben die ursprüngliche Punktation der Handschrift aufs sorgfält,igste feststellen können. Die 'Herausgabe dieser 101 Blätte·r oder Blattfragmente einer emt babylonischen Bibelhandschrift soll den Anfang bilden für wesentliche Teile des babyJonischen Bibeltextes. Wir haben ältere Text.e echter babylonischer Punktation als die, welche hier vorliegen, und spätere. Erst wenn wir eine Reihe von wichtigen Texten derart in genauer Wiedergabe vor uns haben, wird es möglich sein zu beurteilen, in welchem Verhältnis die verschiedenen auf uns gekommenen Bibeltexte zueinaJ;lder stehen. Wir müssen immer daran denken, daß eine einheitliche Punktation erst das Ergebnis einer langen Entwicklung ist.
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S. Der ralästinisme BibeltextiUld'-ae~-SamarifBnus
~Aber wir wissen nom von einer dr;tten Methode der hebräismen
Punktation..Samuel David Luzzatto aus Padua hatte als erster darauf hingewiesen, daß in dem Abet.:.KoPlmentar im Ma1Jzor des Sim\1a b. Samuel Vitry, eines Schülers von Ras
.erobas von dem sonst unbekannten Dichter Hedwatha(NM"iT)verfaßt sind 4. Es ist sehr möglich, daß diese sehr komplizierten liturgischen Gedichte veranlaßt worden sind durch Er-
,'p.,)
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1 Kerem Chemed, iv (1839), S.203. Luzzatto bemerkt dazu: n~,;, ru,~n, l"V ,',~n ~,,~ rtJ"" Mt In Hurwitz' Ausgabe des Mal),zor Vitry (Berlin 1889-1893), S.462. Vgl. MdW I S.24; Cairo Geniza, London 1947, S.49, Oxford 1959, S.66. 2 Ich habe diese Fragmente in ZAW xxi, 1901, S.273-317, untersumt und veröffentlicht. 3 Es handelt sich um Ms. Heb. d 63, fol 82-89 in Oxford, T-S, H 162-3 in Cambridge. Ein zu Cambridge 162 gehöriges Stück aus P 171/2 der Sammlung Mosseri in Cairo hat Dr. M. Zulay in Studies 01 the Re~eardz Institute for Hebrem Poetry, in Jerusalem. vol. V, 1939, 8.113-118 veröffentlieh t. 4 Monatssmrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums, 1929, 8.68.
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schwerungen gewisser Teile des jüdischen Gottesdienstes, die notwendig wurden im Zusammenhang mit den Bestimmungen des Ediktes nepl «: E13paiwv, d~s als Novelle 146 von Kaiser }ustinian im Jahre 553 erlassen worden ist 5. Ich habe mim dann bemüht, weiteres Geniza-Material mit dieser Punktation aus Oxford, Cambridge und Leningrad teils selber zu veröffentlichen, ·wie in Masoreten des Westens 11, teils durch verschiedene meiner Schüler veröffentlichen und bearbeiten zu lassen, die im Laufe der Jahre 1929-1938 in Bonn promoviert worden sind 6. Einige wichtige Texte mit dieser Punktation hat Professor A. Diez Macho aus Barcelona entdeckt, vor allem in der Bibliothek des Jewish Theological Seminary of America in New York. Besonders handelt es sich hier um einen Text, der uns den sicheren Beweis bringt, daß die· sog. palästinische Punktation der tiberismen Punktation des Hebräischen· vorangegangen ist. Es handelt sich hier um ein Pergamenthlatt mit dem Schluß von Kohelet und dem Anfang von Threni, auf dem der Schreiber den Konsonantentext in schöner rötlicher Tinte mit palästinischer Punktation verzeichnet hat. Ein späterer Punktator hat dann mit schwarzer Tinte tiberische Punktation zugesetzt, die aber noch auf einem früheren Stadium der Entwicklung dieser Punktation stehengeblieben war. Ich habe dieses Blatt mit Hilfe von Professor Diez Macho und Dr. A. Murtonen in der nenen Auflage meiner Cairo Geniza 7 abgedruckt und verweise hier darauf. In ,einem anderen Geniza-Fragment in der Bodleian Library 8 t
5 Siehe mein Buch The Cairo Geniza, London 1947, S.33-35, 2·. Auflage, Oxford 1959, S.315-317. 6 Vgl. M. Kober, Zum Mamzor Jannai (]ahrbum der jüd. Liter. Gesellschaft), Frankfurt, vol. xx, 1929. Menachem Zulay, Zur Liturgie der babylonismen Juden. Geniza-Texte, herausgegeben, übersetzt und bearbeitet, sowie auf ihre Punktation hin untersucht. Bonner Orient. Studien, Heft 2,
1933.
Gustav Ormann: Das Sündenbekenntnis des Versöhnungstages, sein Aufbau und seine Entwicklung, in Verbindung mit Geniza-Texten unter.. sucht (1930), Frankfurt 1934. Falk Bar: Liturgislhe Dichtungen Don ]annai und Samuel, herausgeg. und erklärt und mit einer Einleitung versehen. Bonn 1936. - Gabriel Dawidowicz: Liturgisme Dichtungen der Juden. Geniza-Fragmente aus Babylonien, Berlin 1938. 7 Oxford 1959, Appendix 111, S.336-344. 8 Ms. Heb. d 29, Fol. 17-20 = 6212, 5.
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haben sich vier Pergamentblätter mit dem Text von Josua 14,4 bis 21,32 erhalten, die äußerlich normale tiberische Punktation aufweisen.-Bei gen~uem Zusehen entdeckte aber Dr. Manf~"i~dDietrich, daR diese Blätter vor der tiberischen Punktation mit. altertümlicher palästinischer Punktation ver"sehen waren. Eine Seite dieser Blätter, Josua 18,8-19,8, veröffentliche ich hier mit der Photographie der Seite und der ursprünglichen palästinischen Punktation, die Dr. Dietrich herausbekommen hat. Man sieht aus dieser Probe, wie schwierig es sein kann, die ursprüngliche palästinische Punktation herauszuhekommen.Nam der Erfindung de~ tiberischen Punktation hatte man kein Interesse für die alte palästinische Punktation- und hat vielfach versucht, sie zu beseitigen. Es wird natürlich außerordentlich wichtig sein, die palästin~sch punktierten Texte sorgfältig zu untersuchen. Herr Rüger und Dr. Dietrich, die mit der Untersuchung von Bibeltexten für die neue Ausgabe der Biblia Hebraica beschäftigt waren, b.aben eine ganze Anzahl von höchst interessanten altertümlich punktierten Bibeltexten gefunden in der -"Nero Series" der Cambridge University Library', die einstweilen noch nicht bekannt sind. Die Publikation pal.ästinismer Bibeltexte ist ganz auRerordentlich schwierig und e.rfordeI:t ein besonders großes Maß von Akribie. Dr. Murtonen, von dem gleich die Rede sein wird, hat vier Fragmente einer Psalmrolle aus Camhridge -(T. S. 20, 52, 53, 54, 58) in seiner Academic Dissertation 10" die ich ihm zu veröffentlichen vorschlug, mit großer Sorgfalt publiziert. Zur gleichen' Zeit sind dieselben Texte von Dr. N. Allony und Professor A. Diez Macho veröffentlicht worden. Der eine Teil' (T. S. 20, 52~' 58) ist unter dem Titel "Dos Manuscriptos ,palestinenses'''11, die Fortsetzung (T.S.20, 53, 54) unter dem Titel "Dtros dos Manuscriptos ,Palestinenses' de Salmos" 12 erschienen. Wenn man diese Publikationen mit der Aus-
Vgl. The Cairo Geniza 2, Oxford 1959, S. viii. Seine Academic Dissertation, mit der er am 15. Februar 1958 in der Theologischen Fakultät der Universität Helsinki promoviert worden ist~ hat den Titel: Materials for a non-Masoretic Hebrero Grammar. Liturgical Texts and Psalm Fragments Provided with tbe So-Called Palestinian Punctuation, edfted with' an introduction, partial translation, CODlme~ts and plates by A. Murtonen. With a Contribution by G. J. Ormann. Helsinki 1958. 11 Estudios Biblicos, vol. xvii, 1958. 12 Sefarad, vol. xviii, 1958, S.254-271. 9
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gabe des Textes durch Murtonen vergleicht, findet man sehr starke Unterschiede. Ich habe die Besung eines Teiles dieser Psalmrolle von Cambridge (T. S. 20, 54), wie sie einerseits durch Dr. A. Murtonen, andererseits durch Dr. N. Allony und Professor A. Diez Macho 13 mit einer guten Photographie an Professor Dr. Malachi Martin, S. J., vom Päpstlichen Bibel-Institut in Rom, der zeitweise bei mir in Oxford arbeitete, zur PrüflIng übergeben und er- ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, daß die Hauptbedenken gegen die Publikation von Allony und Diez Macho folgende sind: . , 1. Methodologisch führt es zur Ignorierung des-Hauptproblems, das durch die Texte mit palästinischer Punktation gestellt ist, wenn wir die Punkta,tion dieser Texte zusammen mit der tiberischen Punktation als unser· Klassifikations-Prinzip behandeln. Denn das ganze Problem, das durch die Punktierung dieser wertvollen Texte gestellt ist, ist gerade dieses: Was ist der genaue phonetische Wert, den man diesem palästinismen Texte zuweisen muß? Und wichtiger noch: Was war das charakteristische System von Substantiv- und Verbbildung, die dieser Zeit des HebräisChen zukommt? 2. So ist es unmöglich in einer streng wissenschaftlichen Untersuchung zu sagen, das Zeichen -=-- entspricht dem tiberischen Patam oder aaief Patach oder Schwa oder Sere, das Zeimen ~ . . ~ entspricht dem Segol usw. wie die ganzen Ausführungen auf den Seiten 262 bis 264 deutlich voraussetzen. "3. Im besonder~n ist die Festste.llung auf Seite 264 und 265 die Tatsache, daß die Punktation von .;~~ das Prototyp der Ausspraroe _des Schluß-Waw mit dem Punkt (die auch in B~n Naftali-Manuskripten zu finden ist) unter derselben Schwierigkeit leidet. Murtonen vermutet bei seiner grammatischen Abteilung, daß die . palästinische Punktation' eine Quieszierung des Schluß-Waw in einem Schluß-o-Laut voraussetzen mag, aber er vermutet es nur als Möglichkeit und. entscheidet die Frage nicht. 4. Besondere Fehler der Umschrift in der Behandlung von Diez Macho und Allony (in dem untersuchten Teile allein etwa 61 Unterlassungen oder falsche Punktationen) kommen entweder von Druckfehlern oder unzureichender Untersuchung des Textes. 5. Schließlich: Trifft es zu, daß die Behauptung auf Seite 267 kor-' " I
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8efarad, xvii, 1958, S.262-271. 27
rekt ist~ die besagt, daß die tiberischen und babylonischen hebräischen Texte normalerweise übereinstimmen in dem, was Diez Macho und Allony CMasora~ nennen, womit sie deutlich meinen Punktierung? Das scheint mehr' oder weniger derselbe Fehler zu sein wie der, welcher in ihrer ganzen Methodologie zutage tritt, nämlich einer phonetischen und damit grammatischen Gleichheit zwischen tiberischen und babylonischen Punktationsmethode. Dazu möchte ich noch bemerken, daß ich selber große Teile dieser Psalmrolle nach dem Original in Cambridge genau untersucht habe, lange ehe ich sie Dr. Murtonen zur Bearbeitung empfohlen habe, und er hat meine Aufnahmen nie gesehen, und wir sind in allem \\Tesentlichen zu denselben Resultaten gekommen. Man muß darauf hin~eisen, daß die Publikation von palästinisch-punktierten Texten äußerst schwierig ist und sehr viel exakter gemacht werden muß, als wie das durch Allony und Diez Macho gemacht worden ist
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ten die Vokale meist nur da angedeutet, wo die Gefahr einer falschen Lesung bestand. Wegen dieser regelmäßig gesetzten Vokalisationszeichen ist es Dr. Murtonen möglich gewesen, die Skizze einer Grammatik dieser Texte zu schreiben. Bei genauer Untersuchung der Originale dieser Fragmente hat er festgestellt, daß bei der Vokalisation der Texte vier verschiedene Hände tätig gewesen sind, davon die letzte I-Iand von einem tiberischen Punktator. Für den grammatischen Abrill hat er nur die Vokalisation der ersten heiden Hände berücksichtigt, die einallderer sehr nahestehen, und die ergaben' eine Aussprache des IIebräischen, die sehr nahe steht der Art, wie die Tora im Gottesdi~nst der Samaritaner heute noch vorgetragen wird. Das heißt aber, wir haben damit zu rechnen, daß die Aussprache des Hebräischen in Palästina in der Zeit, ehe die Masoreten von Tiberias mit ihrer Arbeit begannen, im wesentlichen so gewesen ist, wie die Samaritaner heute nom in ihren Gottesdiensten die Tara rezitieren. Der erste Teil der Arbeit von Murtonen handelt im "\vesentlichen von liturgischen Texten mit palästinischer Punktation. Sehr dankenswert ist es, daß er diesen schwierigen Texten Übersetzungen und Erklärungen beigegeben hat. Ich hatte ihn dafür an meinen Freund Dr. Menachem Zulay verwiesen, der sich in Bonn in dieses Gebiet eing~arbeitet hatte, auf dem er dann der große Meister geworden war, und der danlais das von Salman Schocken gestiftete Researc11 Institute for Hebrew Poetry in Jerusalem leitete. Zula)T hat Murtonen so wertvolle Auskünfte gegeben, daß er sein Buch dem Andenken dieses feinen Menschen und großen Gelehrten (er starb im November 1954) gewidmet hat, den er persönlich nie gesehen hat. pr. A. Murtonen hat siell dann an Dr. Gustav Ormann gewandt, einen andern meiner Bonner Schüler, der jetzt an der Jüdischen National Bibliothek' in Jerusalem tätig ist und daneben in der Redaktion der Zeitschrift Kirjath Sepher arbeitet. Der hat ihn vortrefflich beraten und hat ihm einen wertvollen Appendix zur Verfügung gestellt, eine Ausgabe einer mit palästinismer Punktation versehenen ~eroba von ~alir, die in der Handschrift Antonin 222 der Russischen öffentlichen Bibliothek zu Leningrad" vorliegt 16. Nur eine Skizze einer Grammatik des Hebräischen ließ sich auf Grund dieser liturgischen Texte mit palästinischer Punktation auf16 Materials tor a non Masoretic Hebrero Grammar. S.53-60 des hebräischen, S. 63-80, 116-126 des englischen Textes.
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stellen: Die Bibeltexte ~it palästinischer Punktation sind zumeist schon von der tiherischen Punktation beeinflußt. Unter dem von Murtonen erzielten Resultat wird es yötig sein, die bisherigen Publikationen von TeXJten dieser Art neu zu untersuchen. Dr. Manfried Dietrich aus Tübingen hathei eingehenden Studien in Oxford an Geniza-Fragmenten einige weitere Bibeltexte mit palästinischer Punktation aufgefunden, und ich habe ihm zugeredet, eine' neue Ausgabe~, der bisher publizierten und bekanntgewordenen Bibelfragmente vorzubereiten. Es ist natürlich von großer Wichtigkeit, diese alten punktierten Texte, ·die von der Aussprache des Hebräischen in Palästina in einer der tiberischen Punktation vorangeh~nden Zeit Kunde geben, so sorgfältig als möglich zu bea~~eiten. Wesentlich mehr nicht-masoretisches Hebräisch ist bei dem Hebräisch in der Aussprache der Samaritaner zu finden. Frühere Aufzeichnungen wie die von PetermanD 17 waren unzureichend. Im Jahre 1917 erhielt ich von Hellmut Ritter, der damals als Chef des Dolmetscherstabes des Generals von der Goltz Pascha in Näblus war, die Umschrift der ersten 23 Verse der Genesis, die er nach. dem DiJ.ctat des Sohnes des Hohenpriesters der Samaritaner Isl}.äl.c, des .. Priesters C:Amräm, aufgezeichnet hatte, die sehr wertvoll waren. Ich bat ihn, die Arbeit fortzusetzen, und da er selber dazu keine Zeit hatte, ermunterte er Arthur Schaade, der auch bei dem Dolmetscherstabe in Palästina tätig war, das an seiner Stelle zu tun. Dieser hat das mit großer Sorgfalt getan und etwa 20 Kapitel von Genesis und .. Exodus aufgezeichnet. Einige Proben in Reinschrift lsandte er mir 1922 von Hamburg aus zu, wo er inzwischen Professor für Arabisch geworden war, konnte sich aber nicht entsmließen, weitere Reinschriften von seinen Aufzeichnungen herzustellen. " Durch die Arbeiten von Dr. Murtonen und die Handsmrifte'nfunde beim Toten Meer wurden Schaade's Aufzeichnungen aufs neue wichtig. Sie waren mit dem wissenschaftlichen Nachlaß voiI Schaade, der 1952 gestQrben war, nach der Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek gekommen. Dieses Material wurde mir zu freier Verfügung zugesandt. Dr. Murtonen, der sich zu einem Sp.ezialisten für diese Dinge entwickelt hatte, hat es auf meine Bitte druckfertig gemacht. Er ist, wie ich, davon überzeugt, daß die Aufzeim\ nungell von Schaade von bleibendem Werte sind. Sie sind abgel
17 Versuch einer hebräischen Formenlehre nadl, der Aussprache der heutigen Samaritaner . .. von H. Petermann AKM v, i, Leipzig 1868.
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18 • druckt als Appendix 11 in der neuen Auflage meiner Cairo Geniza I Daneben wird Murtonen für seine Grammatik des Hebräischen nach der Aussp:rame der Samaritaner ein Vokabular verwenden, das er sich. angelegt hat. Darüber hat er mir einige Angaben gemacht, von denen ich hier folgendes mitteilen möchte: Das Glossar soll alle Wörter und ihre Flexionsformen, die in dem samaritanischen Pentateuch zu finden sind, in phonematischer Transkription einschließen. Phonetische Transkription wird nur gehraurht "\verden, wenn die überlieferten Formen sich nicht mit Sicherheit auf eine gemeinsame Zwischenform zurückführen lassen. Die alphabetische Reihenfolge wird die des hebräischen Alphabets sein, doCh mit der Ausnahme, daß alle sog. Gutturale vor alle andeI:en Buchstaben gesetzt werden, weil ihre Aussprache weithin zusammengefallen ist oder überhaupt nicht existiert; die alphabetische Reihenfolge des ganzen Werkes wird nach den Wurzeln angeordnet sein. Die einzelnen Wörter werden nach ihnen in alphabetischer und, wenn nötig, morphologischer Reihenfolge gesetzt, das Verb als die .,einfachste Form an der Spitze. Als das Fundament des Vokabulars dient die heutige Aussprache des Hebräischen unter den Samaritanern. Die Originalformen werden ·erreicht mit' Hilf~ des Materials von den alten vokalisierten I-Iandschriften und den grammatischen Abhandlungen der Samaritaner in arabischer Sprache. Murtonen rechnet damit, daß das Vokabular allein etwa 200 bis 250 Druckseiten umfassen wird; es ist bereits im Druck in den Publikationen der Finnischen Akademischen Gesellschaft 19. Die Grammatik selber ist in Arbeit und soll bei Brill in Leiden erscheinen.
6. Mercati's Hexapla-Fragmente Eine weitere Form des nicht-masoretismen Hebräisch liegt in dem Hebräischen in griechischer und lateinischer Umschrift vor. Das· Hauptmaterial ist hie! das Hebräische in griechischer Umschrift, 18
S.318-335.
Das Buch ist inzwischen erschienen: Studia Orientalia edidit Societas Orientalis Fennica XXIV: Materials for a non-Masoretic Hebrem Grammar 11. An Etymological Tl'ocabulary to the Samaritan Pentateum, by A. Murtonen. Helsinki 1960. 225 Seiten. 19
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das Origenes als zweite Kolumne in seine Hexapla aufgenommen. hat. Zusammenhängende Stücke davon bietet das Palimpsest 0 39 der. Ambrosiana in Mailand, in d.essen unterem Texte Giovanni Mercati am 17. Mai 1894 Fragmente der Psalmen der Hexapla entdeckt hat 1, die nun gerade herausgekommen sind 2. Für mich ist bei dem Mailänder Hexapla-Pali~psest in erster Linie die I(olumne von Bedeutung gewesen, die den hebräischen Bibeltext in griechischer Umschrift enthält, weil sie uns einen klaren Eindruck gibt von einer Aussprache des .Hebräischen etwa im zweiten und dritten Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Bei dem Referat, das ich auf dem Ersten Deutschen Orientalistentag in Leipzig am 30. September 1921 gehalten habe 3, und bei der daran anschließenden Diskussion war mir klar zum Bewußtsein gekommen, daß für die ·Bestimmung der Aussprache des Hebräischen außer den Texten mit palästinischer und babylonisCher Punktation und der Aussprache des hebräischen Pentateuchs der Samaritaner die Umschrift des Hebräischen in griechischer und lateinischer Umschrift herangezogen werden müsse. Hierfür boten die von Mercati entdeckten Fragmente das umfangreichste Material. Es handelte sich für mich darum, jemand zu finden, der für eine solche nicht leichte Arbeit die Vorbildung und die Arbeitsenergie besaß, und der zur Übernahme der Arbeit bereit war. Franz Wutz war - so schien mir durch sein gelehrtes Buch Onomastica Sacra 4 für eine derartige Arbeit ausge,viesen. Aber ich hatte keine Ahnung, ,vo er zu finden war. Als mich Franz Taesmner, ein Schüler meines Freundes Georg Jacob in Kiel, bei seiner Rückkehr von Münster, wo er mit Hubert Grimme über seine Habilitation verhandelt hatte, in Gießen aufsuchte, stellte es siro. heraus, daß er mit Wutz gut befreundet war. ,
1 D'un palimpsesto Ambrosiano contenente i salmi esapli. Atti Acad. Scienze Torino, xxxi, 1895, S. 655-676. 2 Psalterii Hexapli Reliquiae cura et studio Iohannis Card. Mercati editae. Pars I: Codex rescriptus Bybliothecae Ambrosianae 0 39 SUpe phototypice expressus et transscriptus in Italiae Bybliothecis delecti phototypice expressi ... consilio et studio procuratorum Bybliothecae Vaticanae. Volumen viii, Psalterii Hexapli Reliquiae. 3 "Die überlieferte Aussprache des Hebräismen und die Punktation der Masoreten ZAW, xxxix, 1921, S.230-239 = Opera Minora 1956, S.38-49. fl
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Untersudlungen zum Liber Inferpretationis Nomimum Hebraicorum des HI. Hieronymus = Texte und Untersuchungen ... von Adolf Harnack und Carl Schmidt, 111. Reihe Bd. xi, Leipzig 1914, 1915 (xvi + 1200 Seiten). 4
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Er vermittelte unsere Bekanntschaft. Ich suchte Wutz Ende Dezember 1921 in Eirostätt auf, wo er als PrQfe~sor an der Bischöflismen Philosophisch-Theologischen Hochschule tätig war. Wir haben uns da menschlich sehr bald gefunden. Dort habe ich mit ihm den Plan der Arbeit, wie er mir vorschwebte, eingehend durchgesprochen. Er war für eine solche Arbeit sehr interessiert, und geradezu begeistert, SIe zu übernehmen. Das erste, was mir wichtig erschien~ war eine genaue Untersuchung des hebräischen Umschrifttextes in dem Mailänder Palimpsest 0 39. Mercati hatte noch in seiner Mailänder Zeit - er kam bereits 1898 an die Bibliotheca Vaticana in Rom - eine Abschrift des Mailänder Palimpsest angefertigt Diese Abschrift hatte für Supplement 11 der -Oxforder Septuaginta Konkordanz, die. 1906 erschien, zur Verfügung gestanden. Auf meinen Vorschlag erbat Wutz Anfang 1922 ~fercati's Abschrift für seine Arbeit und , erhielt durch Vermittlung von P. Ehrle, der von 1895 his 1914 Präfekt der Vaticana gewesen war und. 1922 Kardinal geworden war (er starb am 31. März 1934), eine Photographie von Mercati's Abschrift, wie Wutz schreibt, "zur freien Verfügung" 5. Auf das Studium dieses Textes verlegte sich Wutz nun mit größtem Eifer, und als er mich im Herbst 1922 in Gießen besuchte, war er :in die Methode dieses Umsmrifttextes sehr genau eingearbeitet. Er hatte sich davon grammatische Aufzeichnungen angelegt, die wir durchsprachen. Es stellte sich bald heraus, daß wir eS' hier mit einer außerordentlich konsequenten Methode der Umschrift des Hebräischen zu tun hatten 6. In Anbetracht dessen erschien es mir , zweckmäßig, andere Umschriften hebräIscher Worte heranzuziehen, 5 Daß P. Ehrle als Prefetto della Bibliotheca Vaticana sehr hilfsbereit war und alle ernstliche wissenschaftliche Arbeit förderte, habe ich selbst erlebt, als ich im Sommer 1905 nach Rom kam zu einer Zeit, wo die Bib.. liotheca Vaticana geschlossen war. Er gestattete mir, trotzdem mehrere Wochen am Samaritanischen Targum der Barberinischen Triglotte zu arbeiten. So half er auch Wutz, eine Photographie von Mercati's Abschrift des Mailänder Hexapla-Palimpsesis zu bekommen. Mercati war mit der Art, wie Wutz die Abschriften verwertete, gar nicht einverstanden. Er hat mir oft davon gesprochen. 6 A. Sperber hat sich in die konsequente Methode der Umschrift der Zweiten 'Kolumne der Hexapla nicht wirklich. eingearbeitet. So hielt er es für mögliclJ., die Einheitlichkeit ihrer Umsmrift für sekundär und die Verschiedenheiten in den Umschriften in Septuaginta-Handschriften für primär zu halten. Wutz hat hier die Entwicklung der Dinge richtiger erkannt. Vgl. HUCA xii/xiii, 1937/38, 8.108.
33 3 Kahle. Hebräischer Bibeltext
die nicht so konsequent umschrieben waren. Ich schlug Wutz also vor, daß er zunächst einige Handschriften der Septuaginta auf die Umschrift der Eigennamen hin ilntersuchen sollte. Davon wollte er anfangs nichts wissen. Dann hat er sich aber in den folgenden Monaten doch daran gemacht und ~ich mit allem Eifer auf dieses Studium verlegt, und als er mich im. März 1923 wieder in Gießen aufsuchte, hatte .,er wnfangreiche Teile der Umschriften in den Septuaginta-Codices A (Alexandrinus) und B (Vaticanus) verglichen und dab'ei festgestellt, daß in Codex B die Umsmriften zumeist sehr viel altertümlicher und inkonsequenter waren, während in Codex A die Eigennamen zumeist nach der Methode der Umschrift in der zweiten Kolumne der Ilexap]a korrigiert waren. Diese verschiedenen Methoden der Umschrift waren allerdings in den beiden Codices nicht konsequent durchgeführt, und es fanden sich in Co, dex B Umschriften, die denen glichen, die wir gewöhnlich in Codex A finden und umgekehrt. Als Wutz mir von diesen Beobachtungen berichtete, erschienen sie "mir so wichtig, daß ich ihn ermunterte, mit nach Berlin zu konlmen, wo damas der Zweite Deutsche Orientalistentag stattfinden sollte. Ich hatte für den 9. April 1923 ein Referat über Problemeder Septuaginta angekündigt und schlug Wutz nun vor, daß er; von mir eingeführt, an meiner Stelle referieren sollte über das! was er beob~chtet hatte, nachdem wir uns über alle Einzelheiten 7 NatürliCh darf man sich bei einer Untersuchung von Umschriften hebräischer Worte in griechischen Bibelhandschriften nicht auf zwei bekannte Bibelcodices beschränken. Murtonen schreibt am 10. Juli 1958 in einem Bericht über Bibliotheksverhältnisse in den Vereinigten Staaten: , "In St. Louis haben sie aber etwas Wertvolles, was ich nachher gebrauchen kann: Mikrofilme von alten griechischen Handschriften der Vaticana. In einigen Handschriften der LXX habe ich eine Methode der Transkription der Eigennamen gefunden, von der man vielleicht ganz wichtige Resultate erwarten kann. Die Mikrofilme sind in der Katholischen Universität von Si. Louis ..." Dr. Murtonen schreibt mir unter dem 26. Januar 1959 von Finnland aus: "Was die Transkriptionen betrifft, so kann ich nur sagen, ~ daß die von mir gemeinte jüngere Gruppe von Handschriften näher den Umschriften von Josephus als denen der älteren LXX-HSS oder der Zweiten Kolumne des Origenes zu sein scheint., Um mehr zu sagen, muß ich sie näher ansehen. Ich werde Mikrofilme von ihnen nach Helsinki kommen lassen. - Eine systematische Untersuchung der Transkriptionen von Eigennamen wird sehr -wichtig und notwendig sein. Bisher ist kaum ein Anfang dazu gemacht worden".
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seines Referates genau geeinigt hatten. Sein Referat erregte berechtigtes Aufsehen, und sein Entwurf einer Grammatik des Hebräismen auf Grund der lJmscl1riften enthielt ohne Frage sehr wertvolle Beobachtungen. Indem Wutz die Art des Hebräischen, wie sie in der Zweiten Kolumne der Hexapla vorliegt, mit den in Codices der Septuaginta verwandten Umschriften hebräischer Eigennamen verglich, stellte er fest, daß in diesen zum Teil weit ältere Arten der Umschrift verwendet waren, und er glaubte, sicher mit Recht, aus dem Wandel der Umschrift in den verschiedenen Handschriften auf einen gewissen Wandel in der Aussprache des Hebräischen, von dem diese Umschriften Kunde gaben, schließen zu können. Aber schon bald haben die UmsclIrifttexte in dem alttestamentlichen Exegeten Wutz Illusionen erweckt", die seine wissensmaftliehe Arbeit aufs schwerste beeinträchtigten. Er glaubte, man könne bei sorgfältiger Untersuchung der griechischen Umschriften nach bestimmten Grundsätzen die heb.räische Vorlage der Septuaginta rekonstruieren, und hoffte, daß es so möglich sein werde, den hebräischen Urtext der biblischen Schriften wieder" zu gewinnen. Die hebräischen Vorlagen der griechischen Übersetzung, die heute in den Qumrantexten, speziell bei den Früheren Propheten, ans Tageslicht gekommen sind, sehen wesentlich anders aus 8 als die, welche \Vutz zu rekonstruieren versucht hat. Er war bald zu bestimmten Axiomen gekommen, die ihn in die Irre führten und von denen er trotz aller unserer Bemühungen nicht abzubringen war. Das zeigte ,sich schon deutlich im Jahre 1924 bei seinem Vortrag beim Münchener Orientalistentag "Ist der hebräisme Urtext wieder erreichbar?" 9 Ich hatte vorher mir von ihm darüber genau berichten lassen und bat Rudolf Kittel, er möchte Wutz nach seinen nicht leimt verständlichen Ausführungen ein paar freundliche Wor.te der Ermunterung sagen, um ihn vor einer Enttäuschung zu bewahren, da ich immer noch die Hoffnung hegte, daß man ihn vor der Art, wie er die Dinge zu behandeln begann, vielleicht doch noch würde retten 8 Ich möchte hier etwa auf das Referat von Mgr. P. W. Skehan, Wasshington, hinweisen, 'The Qumran Manuscripts and Textual Criticism') das er auf der Alttestamentler-Tagung in Strasbourg (27. August bis 1. September 1956) gehalten hat und das in Volume du Congres Strasbourg, Supplements to Vetus Testamentum, vol. IV, Leiden 1957, S.148-160, erschienen ist. g ZDMG 1924, S. xxii.
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können. Aber die weitere Ausarbeitung seines Vortrages "Studien zum Urtext der Psalmen", die er mir im November 1924 eins~ndte, und sein Buch "Die Psalmen textkr,itisch untersucht" 12 z·eigten leider mit aller Deutlichkeit, daß ihm nicht zu helfen war. Von seinem Buche "Die Transkriptionen von der Septuaginta bis zu lLieronyn},us:', von dem die ersten 176 Seiten, die 1925 erschienen, noch einige viel versprechende Ansätze boten, war der Schluß von S. 177-569, der im Jahre 1933 herauskam, vollkommen hoffnungslos. Es liegt eine große Tragik darin, daß eine so ehrliche Begeisterung, solch ein Fleiß und Scharfsinn auf die Erreichung eines Zieles aus war, das in ganz anderer Richtung lag, als er es suchte, und dem man, wenn überhaupt, nur mit ganz anderer sprachlicher Ausrüstung und mit wissenschaftlichen Methoden ganz anderer Art, als wie er es versuchte, nahe komInen konnte, und daß er um eines für ihn gar nicht erreich-: baren Zieles willen, das, was er hätte leisten können, zurückge~tellt hat. Ich habe in einem Referat über sein letztes Buch "Systematisdte Wege zum hebräischen Urtext" 10 kurz nach seinem Tode (19. März 1938) 11 gehandelt und habe mir da alle Mühe gegeben, ihm gerecht zu ,verden. Cardinal Mercati, mit dem ich oft über Wutz gesproch,en habe, sagte dann inlmer mit Wehmut: Was über den zu sagen wfir, haben Sie ja gesagt. In seinem Buche über die Psalmen 12 hatte Wutz die Umschrifttexte des Mailänder Palimpseste nach der Photographie von Mer- .. cati's"'Abschrift vom Jahre 1897 abgedruckt ohne irgend eine Einführung, aber mit allerlei Korrekturen, die er selbst hinzugefügt hatte. VOll diesenl Umschrifttexte hatte er mir schon zuvor eine Abschrift zur Verfü&ung gestellt, und diese Abschrift hqt mich viel 'beschäftigt; aber es war mir im:pl.er mehr zum Bewußtsein gekommen, daß die Art, wie die Umschrifttexte uns hier geboten waren, nicht genügte. Schließlich hatte ja Mercati selber, der Entdecker' und Entzifferer der Texte, sie nicht so veröffentlicht. So enfschloß ich' mich im Laufe des Jahres 1927 an Giovanni Mercati, den ich damals persönlich nicht kannte, einen langen Brief zu schreiben, in dem ich meine Bedenken gegenüber der Art, wie Wutz die Texte ,veröffentlicht hatte, zum Ausdruck brachte und darauf hinwies, daß es bei solchen hebräischen Texten in griechischer Umschrift nicht 10 11
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Stuttgart 1937, xxii + 1027 S. ZDMG, Bd.92, 1938, S.276-286. München 1925.
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genüge, daß ein Kenner des Griechischen diese Te~te l~se, sondern daß auch dem Semitisten die Möglichkeit gegeben werden müsse, diese Umschriftt~xte in der Originalniederschrift zu ver'gleichen. Es handle sich dabei ja schließlich um hebräische Texte. Ich schlüge also vor, von diesen Palimpsestblättern gute Photographien anfer"tigen zu lassen. Man solle, so führte ich aus, etwa Pater Dold von der Benediktiner-Abtei Beuron, den großen Experten ,für Hand-schriftenphotographien solcher Art, bitten, bei seinem nächsten Aufenthalt in Rom geeignete Aufnahmen von diesen Palimpsestblättern anzuferJigen. Es würde ja gewiß nicht schwierig sein, zu einem solchen Zwecke die Originale der Alnbrosiana nach der Vaticana konlmen zu lassen. Auf diesen Brief habe ich keine Antwort erhalten. Aber als ich iIn August 1928, bei dem Internationalen Orientalisten-Kongreß in Oxford Eugene Tisserant traf, den ich als einen ausgezeichneten Expertep auf dem Gebiete des Christlichen Orienlts gut kannte und der damals einer der wichtigsten Beamten der Bibliotheca Vaticana ,var 13, richtete ich an ihn die Frage: Sind die Photographien der 1\1ailänder Hexapla-Fragmcnte in Rom angefertigt, wie ich das in meinem Briefe vom Jahre 1927 angeregt hätte? Die Antwort lautete: Ja, die Photographien sind angefertigt worden,.. Als ich. dann weiter fragte, wie die Photographien ausgefallen seien, lautete die Ant.wort: Darüber könne er mir nichts sagen, da er niclIts von ihnen. ,gesehen habe. ~ Ich schrieb dann an Mercati, ob ich ,vohl für eine kurze Zeit ein Specimen·von der Photographie bekommen könnte, von deren Du!chführung ich gehört hätte, da ich naturgemäß sehr interessiert sei, eine Vorstellung von dem Aussehen des Originals zu gewinnen. Auch darauf erhielt ich keine Antwort. Mercati ,var damals mit anderen Ding.en beschäftigt. Es gelang mir dann aber auf Umwegen zwei Specimina der Photographien für ein paar Tage nach Bonn zu bekommen, und ich habe damals im Orientalischen Seminar der Universität Bonn ein paar Stunden mit Christian Jensen, dem klas. sischen Philologen und Papyrus-Kenner, über diesen Photographien gesessen. Wir haben den von Wutz veröffentlichten Umsmrifttext 13 Vgl. über ihn: Recueil Cardinal Eugene Tisserant, "Ab Oriente et Occi. dente" Torne I, II. Puhlie par Sever POP, avec Ia Collab~ration de George LEVI DELLA VIDA, Gerard GARITTE, et ~fgr. Octave BARLEA. Louvain 1955.
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mit den Photographien der Originale verglichen und sind uns dabei klar geworden, welch eine I.,Jeistung die Lesung der Palimpsestfragmente durch den im Jahre 1897 doch noch jungen Mercati gewesen ist. Als man sich dann im Jahre 1940 entschloß, das Original von Mailand nach Rom zu senden, zum Gebrauch für Cardi~al Mercati, war ausdrücklich davon die Rede, daß vor etwa 12 Jahr~n - d. h. nach der photographismen Aufnahme der Fragmente im Jahre 1928 - das Original von Rom nach Mailand zurückgesandt worden war. Erst nach mehr als 40 Jahren hat Mercati die Arbeit an den Hexapla-Fragmenten wied~r aufgenommen. Der äußere Anlaß dazu scheint ein Brief von Einar Brenno gewesen zu sein, der mit der Vorbereitung seiner Studien über hebräische Morphologie und Vokalismus auf Grundlage der Mercatismen Fragmente der Zmeiten Kolumne der Hexapla des Origenes beschäftigt war. Er wollte die Arbeit in den Abhandlungen für die Kunde des Morgenlandes veröffentlimen 'und hatte mir als dem damaligen Geschäftsführer der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft eine Fassung seiner Arbeit eingesandt. Ich hatte ihn darauf hingewiesen, daß weder der von Wutz publizierte Text der Zweiten Kolumne nom die im zweiten Supplement der Oxforder Septuaginta-Concordance verzeichneten Wörter eine genügende Sicherheit dafür boten, um darauf eine grammatische Abhandlung über diese Umschrifttexte begründen zu können. Brenno habe daraufhin gebeten, daß Mercati seine einst gemachte Abschrift der Fragmente, die ja noch in Mailand - also vor 1898 angefertigt war, der Bibliothek zu Copenhagen leihe, damit er sie ~ort vergleimen könne. Mercati habe darauf die Photographie seiner Abschrift an Brenno gesandt, die im Jahre 192~ für Wutz und zuvor für Redpath für die Septuaginta-Concordance zur Verfügung gestanden hatte, die ja aber nicht wirklich weiter führte. Der eigentliche Fortsmritt hat dann darin. bestanden, daß Brenno, der an grammatischen Aufstellungen arbeitete, regelmäßig nach Lesarten der Zweiten Kolumne fragte und Cardinal Mercati sich bemühte, die Fragen sorgfältig wie möglich zu beantworten. Es ist zweifellos ein Verdienst ~von Branno gewesen, daß' er durch seine ständigen Fragen Cardinal Mercati veranlaßt hat, sich wieder mit dem griechischen Umsmrifttext des Hexapla..:Palimpsestes zu beschäftigen. Daß man ihm dann im Jahre 1940 das Original des Mai-
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länder Hexapla-Palimpsests naCh Rom sandte, so daß er es nun wieder, wie einst in Mailand, ständig zur Hand hatte/ war für ihn im besonderen die Veranlassung, so gut und so schnell als seine anderen Pflichten, die Kräfte und die schwierigen Zeitumstände während des- Krieges ete. es erlaubten, an die Arbei,t zu gehen. Noch größer erschien ihm die Verpflichtung, die durch den großen Erfolg der 1928 angefertigten Photographien geboten war, die manche dunklen und schwierigen Punkte aufhellten, so daß Monsignore Anselmo Albareda, der Prefekt der Vatieana, ins Auge fassen konnte, das Palimpsest auch in Facsimile zu veröffentlichen. Das habe zwar eine andere Anordnung des Stoffes notwendig gemacht, aber dafür den ganz besonderen V ~rz.ug geboten, daß man beim Aufschlagen des Buches das Original des Palimpsests auf der einen Seite und die Lesung desselben auf der gegenüberliegenden Seite vergleichen kann. In seinem Avviso al Lettore, datiert vom 17. Dezember 1956, schreibt Cardinal Mercati: Am Anfang eines Entwurfs einer Einleitung habe er die Ulllstände dargelegt, unte~ denen er die Vorbereitung eines Druckes der Fragmente der Ambro~iana, also eines Psalteriums der Hexapla, gleichsam aufgegeben habe und wie er, als er nach 40 und mehr Jahren ihn ,vieder aufnahm, veranlaßt wurde, den Plan der Ausgabe umzuändern und zu erweitern in einer Weise, die auch einen alten ~fann hätte zögern lassen können, , der viel stärker war als er, mehr bewander,t in der Materie und leichter in der Arbeit und im Schreiben gewesen wäre. Heute sei es nun in der Ordnung, daß er bestätigen und rechtmäßig verkünden müsse, daß wegen der weiteren Schwächung seiner Augen die Arbeit an der Vorbereitung sehr viel mühsamer und unsicherer geworden sei. Infolgedessen wären die Revisionen des Palimpsestes und der Umschrift, sowie die Neufassung der Anmerkungen, die dazu gehörten, nicht herausgekommen, wen"n nicht das generöse Anerbieten von Herrn Giorgio Castellino, von der Societa Salesiano di -S. Giovanni Bosco, Dozent an der Universität Rom, gemacht worden wäre, für den Druck zu sorgen und die Indices zu yollenden. Nach einigem Zögern wegen der nicht vollständig voraussehbaren Zeit und Energie, das solch ein Unternehmen mit sich gebracht hätte, habe er sich schließlich damit abgefunden. So habe er an Dr. Castellino, der seine Hilfe angeboten habe, seine AbschrifteD~
einige Teile der. Einleitung fast vollständig und die Entwürfe d~r Anmerkungen und einige Indices, wie sie waren, übergeben, indem " er ihn auf den Stand der Unvollständigkeit hingewiesen und ihn gepeten habe, Inkorrektheiten zu -verbessern und alles zu tun, ,vas im Sinne der Wahrheit und des Lesers liegen würde. Er dankt schließlich Dr. Castellino für die exakte Herstellung der Abschriften und Abate Anselmo ·Albareda für die .Regelung aller, technischen Anordnungen der Ausgabe, und dafür, daß nichts geändert ·~der zugefügt sei zu seinen Beobachtungen. In Ergänzung zu Mercati's "Anweisung an den Leser" gibt Dr. Ca:stellino unter denl Datum vom Mai 1958 einige Anmerkungen über den Plan des Werkes, wie es vom Autor beabsichtigt gewesen sei und wie es nach den verschiedenen han·dsmriftlichen Entwürfen schließlich durchgeführt werden soll: Part I a: Der Cod. Ambrosiano 039
SUpe
Part Ib: Osservatori: der kritische Kommentar zum Texte der hexaplarischen Fragmente. Part 11:
Fragmente der indirekten Überlieferung (hexaplarische FragInente nach cod. Holmes 264 und Ottob. gr. 398 und nach cod. Vat. gr. 752. Indices der hebräischen und griecllischen W ~rJe. Allgemeines.
Dem Teile I sollte vorausgesetzt werden eine Viceprefazione, von der ein Entwurf von Weihnachten 1952 vorliegt. Außerdem eine lntroduzione speciale, die im Original für den Band der Osservazione vorgesehen ist, die eine Darstellung oder Beschreibung des Cod. Ambrosiano 0 39 SUpe enthält, ind~m er a) den neuen Kodex, b) den alten Kodex berücksichtigt, und zwar in beiden Teilen, dem Hexapla-Psalter und der Catena. Alle diese Punkte, ausgenommen die Catena, sind zurückgezogen und zu·Ende geführt in eine gleichsam definitive Form vom Autor in den letzten Tagen seines ~ebens. Auch Teil 11 sollte mit einer Spezialeinleitung versehen sein über die Fragmente der Psalmen 24-32 vom Cod. Ottob. 398 und über die Fragmente der Psalmen 77-82 nach cod. Vat. gr. 752. Die gegenwärltige Publikation enthält danach Teil I, d. h. die photographierten Tafeln und die U!llsmrift der hexaplarischen Fragmente des cod. Ambrosiano, die besonders dringend von den Gelehrt~n erwartet wurden. Es ist außerdem vorangesetzt worden 40
die Introduzione, die die ursprüngliche Viceprefazione über das Schicksal der.. Ausgabe enthält, mehrfach umgearbeitet vom Autor in diesen letzten Jahren, und die Teile der speziellen Introduzione betreffend die Beschreibubg des cod. Ambrosiano nach seinem Deuen Inhalt und dem alten. Von den Spezial-Fragen, die einen- Teil der IntroduziQne bilden sollten, wird die Untersuchung von Kolumne IV gegeben, die ganz dem Autor überlassen ist. Die Direktion der Bibliotheca Apostolica Vaticana beabsichtigt, Band I b und Band 11 so schnell als möglich folgen zu lassen, so,-vohl um das Andenken des betrauer.ten Cardinal Bibliothecario zu ehren, als auch um die Frucht so vieler Jahre Arbeit dieses hervorragenden Gelehrten der Wissenschaft zugänglich zu machen. Möge das bald geschehen! Es ist tatsächlich so, daß der große Teil der Arbeit, die Cardinal Mercati der Septuaginta gewidnlet hat~ in diesen heiden Bänden I bund 11 liegt und daß diese wichtige Arbei~ für uns nicht erreichbar ist, so lange diese zwei Bände nicht zugänglich sind. Wir können nur dankbar sein allen denen, die bemüht gewesen sind, uns die Arbeit von Mercati so gut als möglich zugänglich zu machen, vor allem Mgr. Albareda, der mit solchem Verständnis für die glänzende Ausstattung des Werkes gesorgt hat, und Professor Castellino, der in hingebender Treue bemüht gewesen ist, das zu veröffentlichen, was im Laufe der Jahre von Cardinal Mercati erarbeitet worden ist. Die Septuaginta hat im Mittelpunkt" seiner Arbeiten gestanden; aber was er über sie herausbekommen· hat, ,verden wir erst erfahren, wenn der Schluß seiner Arbeiten uns vorliegen wird.
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7. Die Bihelhandsmriften des Origenes
In dieser Publikation ist Mercati auf die zweite Kolumne der Hexapla, die den hebräischen Text in griechischer Umschrift enthielt, nicht mehr besonders eingegangen. Die grundlegende Arbeit war der Artikel gewesen ,,11 problema della Colonna 11 deli' Esa-
plo" 1. Er sandte mir die Arbeit zu mi,t der Bemerkung "ne Semitista. ne Talrriudista", eine gelehrte Abhandlung, die das Ergebnis darstellte von der Arbeit der letzten Jahre, die er dem Mailänder Palimpsest seit 1939 wieder gewidmet hatte. Merc~ti iSlt davon überzeugt, daß die Umschrift der Zweiten Kolumne, d. h. der in griechischen Buchstaben geschriebene hebräische Bibeltext, von Origenes selber oder auf seine Anordnung gemacht. worden ist. Er ist zu dieser Überzeugung gekommen, weil er nirgendwo Nachrichten gefunden habe, daß Juden solche hebräische Texte in griechischer Umschrift verwendet haben. Mercati hat mit großem Nachdruck. darauf hingewiesen, daß die von Joseph Halevy angeführten Stellen des Palästinischen Talmuds und von Canticum Rabba nicht das bewiesen, was Halevy aus ihnen habe·herauslesen wollen. Aber Mercati hatte das Original von Ludwig Blau's Schrift Zur Einleitung in die Heilige Schrift 2 nicht zur Hand gehabt, der hier in dem Kapitel "Über hebräische Codices in fremden Charakteren" 3 darauf hingewiesen hatte, daß die Baraitha b. Schabbat 115a nicht anders verstanden werden könne, als daß es sich hier um von Juden geschriebene Texte in griechischer Umschrift handle. Ich habe in der neuen Auflage meiner Cairo Geniza 4 die in Betracht kommenden Stellen aus Blau's Buch abgedruckt und verweise hier darauf. Wir können in judischen Texten späterer Zeit keine deutliche Erklärung darüber erwarten. Je mehr das Chris.tentum zu Ansehen kam, um so mehr hat ein~ gewisse Abneigung bei den Juden zugenommen gegenüber allem, was in der bei den Christen gebrauchten griechischt:n Sprache geschrieben war. Wir können ganz sicher
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Veröffentlicht in Biblica xxviii, 1947, S.1-30, 173-215. Budapest 1894. S. 81--83 seines Bumes. Oxford, 1959, S. 159. ,·42
sein, daß Stellen, die sich auf in griechischer UmsChrift geschriebene Texte bezogen haben, beseitigt oder geändert worden sind. Es kann keine Frage sein, daß der griechische Umsmrifttext, den Origenes in seiner Hexapla aufgenommen hat, außerordentlich einheitlich ist, und daß der in dem Umsmrifttext vorausgesetzte hebräische Konsonantentext durchaus dem Konsonantentext entspricht, der in unserer hebräischen Bibel maßgebend geworden ist. Das spricht dafür, daß wir es hier mit einem sehr offiziellen Text zu tun haben. Der Wert eines solchen Umschrifttextes ist" natürlich sehr viel höher einzuschätzen, wenn wir es hier mit einem Texte zu tun haben, der von offiziellen, maßgebenden jüdischen Kreisen angefertigt worden ist, als wenn wir es hier mit einer Privatarbeit des Origenes zu tun hätten. Das große Problem ist bisher immer gewesen: Zu welchem Zwecke hat man einen griechischen Umschriftstext der gesamten hebräischen Bibel angefertigt? Darüber hat ein neuerer Fund Licht verbreitet. Die im zweiten Jahrhundert ve.rfaßte Homilie des Bischofs Melito von Sardes über Passah und Passion ist in einem griechischen Papyrus des vierten Jahrhunderts entdeckt worden, der teils an Sir Alfred Chester Beatty, teils an die Universität Michigan gekommen ist. Die Homilie beginnt mit den Worten: ~ H ~EV lpacp~ Til~ (Eßpa"iKllC; )Efobou aV€TwO"TOl Kai Ta p~fJOTa TOU fJuO"T'1P10U btaO"El1Ta1 1tW~ TO npoßaTov eUETal Kai nw~ 6 ~ao~ O"wZeTQl.
Die Schrif,t des hebräischen Exodus ist verlesen worden, und die Worte des Mysteriums sind erklärt worden, wie das Lamm geschlachtet und wie das Volk gerettet wird. Sir Frederic Kenyon hat mit Recht darauf hingewiesen 5, daß die ersten Worte des Textes vorauszusetzen scheinen, daß die Verlesung des alttestamentlichen Textes in hebräischer Sprache stattgefunden hat, daß darauf die griechische übersetzung folgte und danach als dritter Teil die Homilie. In einer besonderen Untersuchung hat Dr. Günther Zuntz inl einzelnen zu zeigen versucht 6, 5 The Chester Beatty Papyri ... Fase. viii Enom and Melito. Plates. London 1941, S. 10, the first annotation. - Vgl. Die Passa-Hotnilie des Melito VOn Sardes, herausgeg. von Bernhard Lohse, Leiden 1958 vs 1-4. '., On the Opening Sentenc.e of Melito's Pascha} Homily, Harvard Theo~ logical Review, xxxvi, 1943, S.299-315.
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d-aR die ChrOisten die Verlesung der alttestamentlichen Perikope in hebräis'cher Sprache von den Juden "übernommen haben werden. Für ~..ie Verlesung des alttestamentlichen Textes in heb~äischer Sprache hätten nicht nur die Christen, sondern auch. viele von den Juden den griechischen Umsmrifttext notwendig gehabt. In einer Besprechung meines Buches The Cairo Geniza 7 hat Professor T. W. Manson, der langjährige Vertreter von Biblical Criticism and Exegesis an der Universität Manchester, dem beigestimmt'-'und darauf hingewiesen: Die Zweite Kolumne der Hexapla desOrigenes gewinne mehr Interesse denn je, wenn es eine chris.tliche wie eine jüdische Sitte gewesen ist, das Alte Testament zunächst in der heiligen (d. h. der hebräischen) Sprache zu verlesen~ ehe man es in die Umgangssprache (d. h. die griechische) übersetzte. Es sei schwierig, sich vorzustellen, daß die griechische Umschrift d.~r ganzen hebräischen Bibel, die in der Zweiten Kolumne der _. Hexapla des Origenes vorgelegen hat, einem andern Zwecke hätte dienen sollen. Für einen Theologen~ der Hebräisch verstand, war sie überflüssig. Für einen, der es nicht verstand, war sie nicht verständlich. Aber sie konnte äußerst nützlich sein für den Zweck der liturgischen Lesung eines heiligen Textes in einer Sprache, die man nicht mehr verstand, als Einführung für die Verlesung der Übersetzung. Hierfü'r war sie nieh,t nur für Christen, sondern auch für weite Kreise der Juden notwendig. ' Mercati hält die untere Schrift des Mailänder Palimpsests für eine schöne Minuskel des 9.-10. Jahrhunderts. Ich habe in Oxford Paul Maas um seine Meinung gefragt, der für paläographische Fragen dieser Zeit eine besondere Autorität ist, und er erklärte mit aller Bestimmtheit, die untere Schrift des Palimpsests, -d. h. die Niederschrift der Hexapla, könne nicht älter sein als das 11. Jahrhundert. Aber die genaue Datierung der Niederschrift der Hexapla auf diesem Palilnpsest ist wohl nicht so wesentlich, weil wir damit rechnen müssen, daß die Abschreiber des Hexapla-Textes sich bemüht haben, ihre Vorlage möglichst so wiederzugeben, wie sie sie vorgefunden haben. Das mußte natürlich im besonderen der I
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The Cairo Geniza. Smroeim Lectures 01 the British Academy,
1941,
London 194'7, ist von T. W. Manson in Dominican Studies, vol. 11, Oxford 1949, pp. 183-192, besprochen worden.
.Fall sein, wenn es sich dabei um die Wiedergabe fremder Buchstaben handelte. Wenn wir nun in den fünf Kolumnen des HexaplaPalimpsestes, wie es in der Ambrosiana vorliegt, den Gottesnamen regellnäßig in dem mit hebräischen Quadratbuchstaben geschriebenen Tetragramm wiederfinden, so kann es keine Frage sein, daß die Abschreiber sich bemüht haben, so gut als möglich nachzubilden, was Origenes im Original seine:.; Hexapla geschrieben hatte. Wir müssen also annehmen, daR Origenes sowohl in der Zweiten KoIUlnne der Hexapla als auch in den Kolumnen des Aquila, des Symmachus, aber auch in der Septuaginta und der Qui.nta (nebst Sexta) Bibeltexte abgeschrieben hat, in denen der Gottesname durch hebräisches n,n\ mit hebräischen Q·tiadratbuchstaben, geschrieben ,var. Wahrscheinlich ist zuerst in der Septuaginta-Kolumne neben dem von Origelles geschriebenen Gottesnamen itlil' von ~ den Abschreibern die später in christlichen Bibelhandschriften ü.bliclle !(urzform 1(<; ete. zugesetzt worden. Nur einmal steht bei Aquila die Kurzform 'I(<; neben n'ir\ und einmal steht in LXX und Quinta statt der hebräischen Form (S.7, Z.34) die christliche Abkürzungsform; aber an 17 von 40 Stellen, an denen der Gottesname in der LXX-Kolumne vorkommt, steht auch heute nom einfach i1,i1\ Über die Behandlung des hebräischen Gottesnamens hat sich Origenes in seinen Erklärungen zU Psalm 2,2 folgendermaßen geäußert 8: Man muß Bescheid wissen über den Namen, der bei den Griechen durch den Ausdrucl~ KUPI0~, bei den Juden dureIl abwvat wieder'gegeben wird. Nämlich mit zehn Namen wird Gott bei den Juden ,.bezeichnet, von denen einer jenes abwv<xt ist, das KUPlO<; bedeutet. Es gibt Stellen, wo bei den Juden abwval und bei den Griechen KUPlo-C; gesagt wird, da das in der (heiligen) Schrift so geschrieben lautet: ManchmaL.steht abwvat da, das bei den Griechen durch den Ausdruck KUPI0~ wiedergegeben wird, aber nicht bei den Juden, ~ie es im Psalm' 146 hei.ßt <XlvalTE TOV KUplOV OTl <Xya8ov, denn da hat er KUplOV für lan gesagt, und der Anfang des Psalmes lautet bei den Juden )aAAllAoula. Es gibt ferner bei ihnen ein unausprechliches Tetragrammaton, welcP.es auch auf dem goldenen Blatt des Hohenpriesters eingeschrieben ""Tar und mit dem Worte CXbWVCXl gelesen wird, das aber nicht in 8 Patrologia Graeca, vol. XII 1004 A; Benedictiner Ausgabe 11 539; ed. Lommatzsch, vol. XI 396. Ich habe diesen Text und den folgenden mit Paul Maas' durchgesprochen und danke ihm für seine Hilfe.
dem Tetragramm geschrieben wird, das bei den Griechen mit ausgesprochen wird. Und in exakteren Handschriften ist dieser Name mit hebräischen Buchstaben geschrieben, aber nicht mit den modernen, sondern mit den alten. KUPIO~
Zur Ergänzung führe ich hier an, was PanI de Lagarde in der 2. Auflage der Onomastica Sacra 9 abgedruckt hat und was letzt-
lich sicher auch auf Origenes zurückgeht, S.228, nach den Glossae (}olbertinae, S. 229, nach einem Scholion Ei~ Ta Trntl, das dem Evagrius Pontlcus, vielleicht fälschlich 10, zugesprochen wird. Über die hebräische Wiedergabe des Gottesnamens ist folgendes zu sagen: Mit zehn Namen wird bei den Jude:r:t Gott benannt: Von diesen ist einer abwval, das ist KUP10~t ein anderer ist la, was im Griechischen auch mit KUP10~ wiedergegeben wird. Ein anderer neben diesem ist das Tetragrammaton, unaussprechlich, das bei den Juden ahwvat gelesen wird, bei uns aber KUpl0~. Von diesem sagt man, daß es auf dem goldenen Blatt auf der Stirn des Hohenpriesters geschrieben war gemäß dem Worte des Gesetzes (Exod. 28, 36) als Eingrabung eines Siegels, eine Heiligung für Gott. TrlTTt, lCXW, e~wl, abwvcxl, craßaw9, crabat, leal, €Kxea1. In dem dem Evagrius zugeschriebenen Scholion lauten die Gottesnamen: HA, E~w€ilJ, Abwv, l:aßaw8, l:abbal, Aue €crepl€, wozu die drei vorgenannten kommen, zu denen das Tetragrammaton gehört, das mit den Buchstaben lw9 Ti n ouau Tl il, 1T11Tl 6 eEO~ geschrieben wird. Der letzte der Gottesnamen, der angeführt ist, geht natürlich auf iT~i1~ ,ruH i1~ilN, Exod. 4, 14 zurück. Es folgen auf S.230 noch Ausführungen über die Aussprache des Tetragrammaton, mit denen vorderhand nicht viel anzufangen ist. Wenn Origenes hier von dem Gottesnamen spricht, der bei den Juden als abwval, bei den Griechen als KUP10~ gelesen wird, so muß man dabei wohl an einen Bibeltext denken, der so oder so gelesen werden konnte. Das war möglich, wenn der Gottesname im griechischen Text selber mit hebräischen Buchstaben als i1,n~ geschrieben war. Solche Texte hat es bekanntliclI gegeben. Auf eine~ solmen Text hat zuerst W. G. Waddeli hingewiesen 11, Fragmente eines Septuaginta-Papyrus aus Ägypten, der wahrscheinlich um 100 Be geschrieben ist. . Göttingen, 1887. Siehe Realencyclopädie für prot. Theologie und Kirche, V 1898, S. 652. 11 The Tetragrammaton in the LXX, JTS XLV, 1944, S.158-161. 9
10
46
Auf meine Bitte hin hat dann Pater A. Vaccari vom Päpstlichen BibelillstitlLt in Rom das, was von diesem Papyrus erreichbar war, untersucht und diese Untersuchung als Appendix zu meinem Artikel 'Problems 01 the Septuagint' 12 veröffentlicht, und daselbst h~t er auf S.339-342 den Nachweis geführt, daß der Papyrus unter die Gruppen B A F und verwandte Minuskeln der Septuaginta zu zählen ist und den Text der Septuaginta in einer zuverlässigeren F'orm enthält a,ls Codex Vaticanus (B) und etwa vierhundert Jahre vor diesem geschrieben zu sein scheint 13. Dieser Papyrus wird also wohl mehrere Jahrhunderte vor Origenes geschrieben worden sein; aber aus den von Origenes verwendeten griechischen Bibeltexten müssen wir annehmen, daß griechische Bibeltexte, in denen der Gottesname in hebräischen Quadratbuchstaben geschrieben war, dem Origenes wohl vertraut gewesen sind.Origenes muß derartige griechische Bibeltexte vor sich gehabt haben, und es ist von großer WiChtigkeit, daß in den von Cardinal Mercati publizierten Fragmenten der Hexapla sowohl die Zweite Kolumne als auch Aquila, 8ymmachus, die Septuaginta und die Quinta (mit Sexta) griechische Bibeltexte enthalten, in denen der Gottesname mit dem hebräischen Worte il'it~ geschrieben worden ist. Es ist wohl außer Frage, daß diese von Origenes abgeschriebenen griechischen Bibeltexte jüdisd~en Ursprungs gewesen sind, und es ist besonders beachtlich, daß dies die einzigen jüdischen griechischen Bibeltexte sind, die uns erhalten sind. In seinem Buche über die Nomina Sacra 14 hat Ludwig Traube die Wiedergabe des Tetragramms bei den hellenistischen Juden untersucht und festgestellt, daß es dabei zwei Möglichkeiten gebe. Zunächst habe man das Wort in seiner hebräischen Form fortbestehen lassen können (8. 27). Den Hauptbeleg dafür, den wir jetzt in der Ausgabe des von Mercati veröffentlichten Hexaplatextes des Mailänder Fragmentes haben, wo in allen erhaltenen fünf Kolumnen der mit hebräischen Quadratbuchstaben geschriebene Gottesname i1n,~ sich findet, kannte man vorher nom nicht. Daß in diesem Kodex die Abschreiber die Form init~, die Origenes selber in das Original seiner Vorlage sorgfältig eingetragen hatte, und 12
Studia Patristica, Vol. I = Texte und Untersuchungen, LXIII, Berlin
1957, S.328-338. 13
14
Vgl. mein Buch The Cairo Geniza 2, Oxford 1959, S.219. München 1901. 47
damit die ihnen unbekannten hebräischen Buchstaben mit der Zeit durch die griechischen Buchstaben TTITTI ersetzt haben, hat auch schon Traube vermutet. Die zweite Möglichkeit der Wiedergabe des Tetragramms bei den hellenistischen Juden besteht .darin, d~ß man das Tetragramm durch ein .griechisches Wort wied~rgab. Im christlichen Text der Septuaginta steht für das Tetragramm meist KUPI0~, was als Übersetzung von abwval anzusehen sei. Traube verweist hier auf die Au·ssage des Origenes, die ich eben angeführt habe, un.d führt dann aus: ,Nie aber wurde, so scheint es, in kalligraphischen Handschriften KUP\O~ ausgeschrieben, sondern dafür stets die Kurzform J<.~ gesetzt ... Wir kennen diese Verwendung aus der _übereinstimmenden Überlieferung aller christlichen Handschriften der Ll.X und des Neuen Testaments ...' Ob Traube freilich recht hat, wenn er meint, daß wir allen Grund haben, die Formen wie J(~ schon für jüdisch zu halten 15, scheint doch heute äußerst zweifelhaft geworden zu sein. Jedenfalls haben wir keine Belege dafür. Ich verweise hier auf mein Referat fThe Greek Bible Manuscripts used by Origen', das ich beim 111. Internationalen Patristiker-Kongref! in Oxford, 1959, gehalten habe 16. Was Traube über die Verwendung der Kurzformen aus der übereinstinlmenden Überlieferung aller christlichen Handschriften der LXX und des NT ausführt, hat sich durch die Chester Beatty Biblical Papyri durchaus bestätigt. Es genügt auf den ältesten dieser Papyri hinzuweisen 17, von dessen Datum der Herausgeber, Sir Frederic Kenyon, sagt: Es scheint nicht möglich, diese Handschrift später als das zweite Jahrhundert zu datieren oder sogar, in meiner Ansicht, nach der Mitte dieses Jahrhunderts anzusetzen ... In jedem .Falle, alsQ wenn nicht alle Papyrus-Paläographie auf einem Irrwege ist, ist dies nicht nur das älteste Manuskript in der Chester-BeattySammlung, sondern auch das älteste vorhandene Beispiel eines Manuskripts in Kodex-Form. Sir Frederic Kenyon glaubt dann ausführen zu können, daß dieser Kodex be:weise, daß die Christen in Ägypten hervorragende Schreiber in ihren Dienst stellen konnten, und er glaub,t mit der Möglich15
S.31.
16
Journal of Biblical Literatura, vol. LXXIX, June 1960, pp. 111-118. Fasciculus V, Numbers and Deuteromy, London 1935.
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keit rechnen zu können, daß ein solcher Kodex für einen jüdischen Besitzer in Bestellung gegeben sein könnte, der weder durch Mangel an Geld noch du:r;ch Furcht vor Verfolgung abgehalten worden sein mochte: fein geschriebene Abschriften der Bücher seiner Religion zu erhalten. Aber wir wissen ja, daß für Juden die normale Form für Bücher des Pentateuchs die Rolle war, und man könne nicht gerade erwarten, di~ Kodex-Form, auch für nicht offizielle Kodizes, bei Juden zu finden. Entscheidend scheint mir zu sein, daß ein Jude nicht gerade geneigt wäre, für' den Namen )lll<10U~ [= Joschua] gerade die für Nomina Sacra übliche Kurzform zu gebrauchen. Woran aber Kenyon gar nicht gedacht hat, scheint mir die Frage zu sein, daß es doch sehr unwahrscheinlich erscheinen müßte, den Namen KUPI0~ oder eine Kurzform davon in einem jüdismen Text für den Gottesllanlen zu finden. Dieser älteste uns erha1tene griechische Bibelkodex weist nicht nur diese Kurzform, sondern auch die andern Kurzformen bei den Nomina Sacra auf, wie wir das bei ChristliChen, Bibelhandschriften erwarten müssen. Die Mailänder Hexapla-Fragmente enthalten bekanntlich Psalmtexte, und unter den Chester Beatty Papyri findet sich nicht ein einziges Stück Psalmtext. Aber alte Psalmtexte auf Papyrus sind na:-ch der Bibliotheca Bodmeriana in Cologny-Geneve gekommen. Nach einer freundlichen Auskunft von Herrn Professor Dr. Michel Testuz, der diese Papyri bearbeitet, is,t dort ein Kodex erhalten, der neben andern Dokumenten ein Psalmfragment von 332-34 17 bietet, das vermutlich aus dem Anfang des 4. Jahrhunderts stammt. Es ist nunmehr als Papyrus Bodmer ix erschienen 18•. Ein weiterer Psalmkodex enthält auf 42 Papyrus-Blättern und einigen " hundert kleineren Fragmenten etwa die Hälfte der kanonischen Psalmen von Ps.. 17-102, mit g~legentlichen Lücken; von diesem ICodex habe ich die Photographie eines Papyrus-Fragments gesehen, . das aus dem 3., vielleicht gar noch aus dem 2. Jahrhundert, also jedenfalls noch. aus der Zeit des Origenes, stammen wird.. Origenes hat solche Handschriften natürlich gekannt, es waren mristliche Handschriften mit Abkürzungen von Kupto~ und den sonstigen Nomina sacra. Aber es ist beachtenswert, daß Origenes derartige Handschriften für seinen Psalmtex:t in der Hexapla nicht verwendet hat. Er hat griechische Bibeltexte verwendet, in denen der Gottes18 Papyrus Bodmer VII-IX, publie par Michel Testuz, Bibliotheca Bodmeriana 1959.
4.Kahle. Hebräischer Bibeltext
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name dur~ das mit Quadratschrift geschriebene Tetragramlll wiedergegebell war. So ist es inl Mailänder Palimpsest, dessen untere Schrift wohl aus dem 11. Jahrhundert stammt, bei der '\vir aber sicller sein können, daß die aufeinander folgenden Kopisten getreulich wiedergegeben haben, was Origenes in seinem Original geschrieben hatte, so daR uns da NaC'hbildungen von dem Original alls denl 3. Jahrhundert erhalten sind. Daß in der Zweiten Kolunlne, die den hebräischen Text in griechischen Buchstaben en,tllielt, der Gottesname als il';''' geschrieben war, daß bei Aquila der Gottesname als ;,'il'l geschrieben ist, auch mit Quadratbuchstaben, nicht mit althebräischen Buchstaben, wie in den späteren Cambridger Geniza-Fragmenten, können wir verstehen; auch mit deul so geschriebenen Namen bei S'ymmachus und bei der Qui11ta können wir uns abfinden. Aber eine gewisse Schwierigkeit bietet die KolulIlllC der Septuaginta. Von den 39 Malen, ,vo der Name in den Fragluenten vorkolnmt, ist er 17mal allein als ;nil~ geschrieben, 22mal ebenso, aber mit daneben gesetztem J<.c ete., der bei den Nomina Saera üblichen Form des Gottesnamens. lvIan wird da~ wohl so zu erklären haben, daß die christlichen Abschreiber wenigs.tens gelegentlich neben die ihnen ungewohnte Forul ;,,;,.. die in christlichen Handschriften üblichen Formen der Nomina Saera gesetzt haben. Wir müssen wohl annehmen, daR Origenes selber für den Septuagintatext nicht dl.ristliChe Abschriften verwendet hat, sondern jüdisme Septuagintatexte, die für den Gottesnamen eben das mit Quadratbuchstaben geschriebene Tetragramm setzten. Bekanntlich haben wir kein einziges Stück Septuaginta aus nachchristlicher Zeit, das von Juden für Juden geschrieben wß.r. Von sechs vorchristlichen Fragmenten solcher Septuagintatexte habe ich in Oxford 1957 bei dem Congress 'The Four Gospels in 1957' gehandelt, die in den Studia Evangeliea herausgekommen sind 19. Zwei 19 The Greek Bible and "lhe Gospels = Studia Evangelica, "The Four Gospels in 1957", held at Christ Church, Oxford, 1957 = Texte und Untersuchungen LXXII, Berlin 1959, S.613-621. Prof. Bickermann schreibt mir aus New York (13. VIII. 1960) auf eine Anfrage: "The question. what happened to Jewish Mss of the LXX is easy to answer: Papiri decay in a short time. To survive, an ancient papyrus text had to be recopied again and again; only through this manual labor could it be preserved for the next generation. The rebellion under Trajan ruined Egyptian Jewry; 'Christian use of the LXX made it suspect in the eyes of the Jews, and they just stopped copying the Creek Bible.
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weitere solche Fragmente sind in der Höhle Qumran VII gefunden worden. In seiner Hexapla hat Origenes einen jüdischen Septuagintatext aus nachchristlicher Zeit erhalten, von dem wir sonst keine Kenntnis haben. 8. Die karäischen Masoreten von Tiberias und ihre Arbeit am Bibeltext Inl Jahre 18'70 hat Heinrich Graetz in seinem Artikel: Die beiden Ben Asch~r und die Masora 1 im wesentlichen richtig über den Kairo Prophetenkodex des Mosche ben Ascher von 895, den er nur aus den Beschreibungen von Jakob Sapir kannte, und über den AleppoKodex der vollständigen Bibel des Ahron ben Ascher im wesentlichen zutreffend berichtet und beide Masoreten als ~aräer bestimmt. Daß die tiberische Punktation erst eine Schöpfung der Ben Ascher-Masoreten gewesen ist, daß ihre Vorgänger Texte mit palästinismer P~nktation sind, konnte er nicht ahnen, da solche Texte erst in den Funden der Cairoer Geniza bekannt geworden sind, und erst Dr. Murtonen hat den Nachweis geführt, daß die Aussprache des Hebräischen vor der Entstehung der tiberischen Punktation nahe verwandt gewesen ist mit der Art, wie die Samaritaner heute nom in ihrem Gottesdienste die Tora vortragen. Durch die Untersuchung des Hebräischen, das sich bis heute bei den Samaritanern erhalten hat, kommen wir der Form der Sprache näher, die einst von den Verfassern der biblischen Bümer gesprochen wurde. Ganz sicher ist, daß die durch die tiberischen Masoreten im wesentlichen durchgeführte Ultima-Betonung der hebräischen Worte zuvor nicht üblich gewesen ist. Aber wir müssen uns darüber klar werden, daß die Untersuchung des Hebräischen, welches einst wirklich gesprochen wurde, erst neu durmgeführt werden muß. Über den Hauptmasoreten von Tiberias, Mosche ben Ascher, sind wir sehr genau orientier.t, da wir eine Bibelhandschrift haben, die von diesem bedeutenden Manne selber geschrieben ist. Sie ist ausgezeichnet erhalten und ist als die älteste datierte hebräsiche Bibelhandschrift von besonderer. Bedeutung. Als ich Ende 1926 Rudolf Kittel zugesagt hatte, daß ich die Ausgabe des Ben Ascher-Textes der Biblia Hebraica durchführen werde, habe ich dafür Sorge ge1
MGWJ xx, 1871, S. 1-12, S.49-59.
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tragen, daß eine Photographie dieser Handschrift für 'dIe Berliner Staatsbibliothek angefe!tigt werden' sollte. DIe Handschrift hatte seit-800 .oder 850 Jahren der I).".aräer-Synagoge zu Kairo angehört. Icll bat den damaligen Direktor der Orientalischen Abteilung der Biblioth,ek, Professor Gotthold Weil, eine Photographie der Handschrift herstellen zu lassen. Um die Herstellung der Photographie hat sich auf meine Bitte hin Max Meyerhof bemüht, den ich seit 1~03 sehr gut kannte. Wir haben die Jahre 1903-1908 zu gleicher , Zeit in :K'airo verbracht, er als sehr fähiger Augenarzt, der sich mehr und mehr zu einem prominenten Wissenschaftler entwickelt hat, ich als deutscher Pfarrer, der sich dann ~m 1. Februar 1909 als Privatdozent für das Fach der Orientalia an der Universität Halle habilitierte, 1914 Ordinarius an der Universität Gießen, 1923 an der Universität Bonn geworden war. Auf meinen Antrag hirt, hat die Philosophische Fakultät der Universität Bonn am Mittwoch, den 22. August 1928 den Dr. med. Max ~1eyerhof zum Dr. phil. h. c. ernannt 2. Die in Kairo hergestellte Schwarz-Weifl-Photographie der I-Iandschrift ist in der Preußischen Staatsbibliothek i;' sieben rote Halblederbände gebunden worden (= Mss. simulata' orient. 14) und hat mir mehrere Jahre in Bonn zur Verfügung gestanden. Ehe ich sie n,ach Berlin zurücksandte, habe ich mir von ihr im Orientalismen )\ Seminar der Universität Bonn ein Photostat machen lassen, und dieses Photostat in meiner Hand ist lllir schon von großer Bedeutung gewesen. Der zweite Teil des PIlotostats ist mir gleich im Jahre 1939 nach England zur Benutzung übersandt worden, und der erste Teil des Photostats, das den Krieg im Orientalischen Seminar der Universität Bonn überdauert hatte, habe ich mir sehr bald nach dem Kriege mit sehr vielen .,andern Photostaten hebräischer Handschriften, die ich mir im Laufe der Jahrzehnte gesammelt habe, nach Englan'd senden lassen, und diese Photostatel1 haben nicht nur mir, sondern auch sehr vielen).andern dafür interessierten Kollegen des In- und Auslandes, unte;-~ndern z. B. den1 Instituto Arias Montana in Madrid und dem Department of Semitic S.tudies der Universität - Leeds, sehr wichtige Dienste geleistet. Die Abbildungen, mit denen diese Handschrift geschmückt' war, habe ich auf Vorschlag von Dr. S. M. Stern an R. H. Pinder Wilson 2
ZDMG 82, 1928, S. xviii.
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vom Department of Oriental Antiquities des British Museußl zur kunsthistorischen Untersuchung übergeben. Dieser hat festgestellt, daß die allgemeine Struktur der Dekorationen, mit denen der Masoret Mosche ben Ascher aus Tiberias sein Buch geschmückt hat, von allergrößter Bedeutung ,sind. Zur ..P ublikation der Abbildungen reichten die nlir zur Verfügung stehenden Ph~otostaten der in Kairo aufgenommenen Schwarz-WeißPhotographien nicht aus. Auch Professor Perez Castro sprach mir davon bei der Internationalen Alttestam~ntler-Tagungin Oxford, September 1959. Er sagte, daß es ihm unter allerlei Schwierigkeiten gelungen -sei, durch einen seiner Schüler einen Mikrofilm des Kairoer Prophetenkodex von der ~aräer-Synagogezu bekommen, der besser sei als die Photostats, die ich ihm seinerzeit geschic:kt hatte und von denen er sich wieder Photostats hatte machen lassen. Er schickte mir eine Probe des Mikrofilms mit dem Text ,von·' Josua . und Richter zur A.nsicht zu. Ich hab~ mir dann den ersten und letzten Band der in Kairo 1926 aufgenommenen Original Schwarz-Weifl-Photographie, die die Aufnahmen der Abbildungen des Kodex und den Anfang d'es Textes enthalten, von der WestdeuJschen Bibliothek in Marburg, wo sie jetzt aufbewahrt werden, nach Oxford erbeten. Nach denen habe ich mir in der Bodleian Library ausgezeichnete Rüc:kphotographien machen lassen, die den Vergleich mit dem Mikrofilm reichlich aushalten. Nach diesen Rückphotographien veröffentliche ich hier die Abbildungen und einige,weitere wichtige Blätter vom Ende der Handschrift. Anfang Dezembe~ kam Frau Professor Walzer, die'für die Abbildungen des Kairoer Prophetenkodex von vornherein großes Interesse "gezeigt hatte, mit Dr. Rimard Ettinghausen von der Freer Gallery of Art, S'mithsonsian Institution, Washington, zu mir. Dieser hat sich mit großem Interesse die Abbildungen des Ben AscherKodex angesehen. Auf seinen Vorschlag übergab ich ihm die Abbildungen und die Untersuenungen von Pinder Wilson, die er mit ihm nochmal besprechen wollte. Dr. E,ttinghausen schrieb mir, er habe die sehr sorgfältig,en Ausführungen' von Pinder Wilson übe,r die Kairoer Handschrift von 895 durchgesehen und habe verschiedene Vorschläge für weitere Interpretationen gemacht und noch auf einige etwas schwer erhältliche Publikationen hingewiesen. Er dankte mir für die Informationen, die ich ihm gegeben habe, und bat um einen Satz von Photographien der Abbildungen, die er
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weiter studieren wollte, da sie aum kunsthistorisch sehr wichtig seien. Ich habe dann bald die ü'berarbeitete englische Beschreibung ~er Abbildungen von Herrn Pinder Wilson bekommen und sie ins Deutsche übersetzt und sage Frau Professor Walzer und Herrn Dr. Stern herzlichen Dank für alle Hilfe bei der Durmführung der Übersetzung.
9. Die Abbildungen des Kairoer Prophetenkodex des Mosche ben Aseher, untersucht von R. H. Pinder Wilson (mit Beiträgen von Dr. Ettinghausen) oft
Für den Historiker der islamischen Kunst stellen die Verzierungen des Prophetenkodex der ~aräer-Synagogezu Kairo vom Jahre 895 zwei Fragen. Zunächst: In welchem Maße spiegeln seine Verzierungen den gleichzeitigen künstlerischen Stil der islamischen Welt wieder? und zweitens: Was ist, wenn überhaupt, die Verbindung zwischen dem physischen Aussehen des hebräischen und des islamischen Buches? Es kommen 13 Seiten in Betracht, nämlich Seite 1-9 und 11 am Anfang des Manuskripts und Seite 581, 585 und 587 am Ende. Die erzierungen dieser Seiten sind in einem mehr oder wenig'er quadratischen Rahmen enthalten und können in 4 Gruppen eingeteilt werden: (a) Zwei Seiten (1 und 11) enthalten gleiChartige Paneele von komplizierten geometrischen Verflechtungen, basiert auf Kreisen und Vierblättern. (b) Fünf Seiten (2, 4, 7-9) enthalten je eine Rosette von verschied.ener Form, die eingeschlossen ist in ein einrahmendes Band mit Ornamenten in Zwick'eln zwischen den Bögen. (c) Vier Seiten (3, 5, 6, 58?) enthalten Zeichnungen, die mehr oder weniger architektonische Fassungen andeuten. (d) Zwei Seiten (581 und 585) enthalten Rahmenverzierungen längsseits des Textes. Eine auffallende Erscheinung von Gruppen (b) und (c) ist der Gebrauch von hebräischen Buchstaben als integraler Teil der Verzierung. Auf Seite 2 und 4 sind sie gebraucht, um ein sorgfältig ausgearbeitetes umschließendes Band um die Rosetten und Zwi
,r
* Das englische Original hefindet sirh als Anhang auf S. 95 ff. 54
Ornamente zu bilden. Auf den Seiten von Gruppe (c) beschreiben sie Umrisse VOll Arkaden und Giebeln. Solch ein Gt:brauch von Schrift ist ganz unbekannt in islamischer Kunst in dieser Periode; aber es kann eine festgelegte Praxis unter den hebräischen Künstlern gewesen sein. Die dekorative Verwendung von Schrift war üblich im Osten bereits im 4. Jahrhundert, als Konstantins d.es Großen Hofdichter Porphyrius die "Carmina figurata" in Mode brachte. Dieselbe Technik muß auch bekannt gewesen sein im 'Ve~ten; denn ein karolingisches Manuskript des Aratus, das Dlan als eine Kopie eines Originals vom 4. Jahrhundert ansieht, illustriert die Sternbilder mit dem lateinischen Text, der gebraucht wird, unl die Entwürfe der Figuren auszufüllen! 1. Eine andere Erscheinung, die nicht von einer islamischen Quelle hergeleitet werden kann, sind die architektonischen Darstellungen von Gruppe (c). Zwar könnte man in Frage stellen, ob dieser Dekorationstyp als architektonisch. zu betrachten ist. Die offenbar zufällige Anordnung von geometrischen Figuren auf Seiten 3, 5 und 6 kann diesen Titel nur bei einer beträchtlichen Ausdehnung der Einbildung führen, - immerhin auf Seite 587 ist die Fornl deutlich, und die ~edeutung ist klar. Es ist wohl nicht phantastisch, die hie.r gezeichnete Arkade mit der arkadenartigen Darstellung der Eusebianismen Kanonentafeln zu verbinden, die den Evangelienhandschriften seit dem 4. Jahrhundert. angehängt werden. Nordenfalk in seinen Untersuchungen der Kanonentafeln 2 hat die Aufmerksamkeit auf die Tatsache gelenkt, daß, während im Westen der Künstler genau sich an den architektonischen Aufbau der Arkade oder "tholos" gehalten hat, die Tendenz im Osten mehr auf die Schematisierung gerichtet war, mit dem daraus folgenden Verlust der ursprünglichen @,rchitektonischen Bedeu.tung der Fassung. Das trifft besonders auf die syrischen Schreiber zu, und es ist nicht ohne Interesse, daß unter den Kanonentafeln in einem syrischen Manuskript aus der Bibliotheca Laurentiana in Florenz, das in Beth Zagba im Jahre 586 AD gesmriehen war, mehrere der Arkaden dekoriert waren mit Kreuzblumen nicht unähnlich denen in dem masoretischen Manuskript 3. 1
A. Grabar und Nordenfalk, Early Mediaeval Painting, 1957, S. 91 f.
2
Die spätantiken Kanonenfafeln, Gothenburg 1938. Nordenfalk, Abb. 144--147.
3
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In bezug auf die Blumen- und geometrischen Ornamente ist die
V~rbindung mit dem ornamentalen Repertoire der frühen islamischen Kunst sogleich klar ersichtlich. Die geometrischen Verflechtungen der Gruppe (a) sind typisch für eine Art von Ornament.. das heimisch war in Umayyadischer und cAbbäsidischer Kunst, die eine Geschichte hat, die bis zum Klassischen Altertum zurückgeht, wo diese Methode in Mosaik-Fußböden allgemein war. In der Tat, eine etwas vereinfachte Fassung der masoretischen Verflechtungen begegnet in einem Mosaik, das in An.tiochia entdeckt worden ist und das zwischen 450 und 540 AD zu datieren ist 4. Geometrische Verflechtungen findet man in den dekorativen Päneelen, welche die Suren voneinander trennen in einem Exemplar des Koran, welches der cAmr Moschee zu Kairo in 725 AD geschenkt worden ist und jetzt in der Ägyptischen Staatsbibliothek sich befindet 5. Wenn auch nicht gleichzeitig mit der Handschrift, müssen diese Paneele aus dem 9. Jahrhundert stammen. Noch wichtiger für unsere Untersuchung sind die ersten Blätter aus einem Koran, der der Großen Moschee in Damaskus geschenkt worden war und die eins.t der Sammlung von F. R. Martin gehörten 6. Diese weisen ein Schach;.. . brett-Muster mit einem remtwinkeligen Rand von Verflechtungen auf. Auf Seite 1 ragt eine Palmette von der Mitte des äußeren Randes des geometrischen Paneels hervor. Es ist dies eine typische Form von islamischer Ausmalung und' wird gewöhnlich abgeleitet von, der "tabula ansata" des Klassischen Altertums. Die "ansa" in der Form einer Palmette kommt häufig in den Paneelen vor, die die Suren voneinander trennen und ebenfalls in den Verzierungsseiten des Korans von der cAmr Moschee. Die Einzelheiten des Blumenornaments auf den Seiten der Gruppe (b) sind ausgesprochen islamisch. Rosetten, eingeschlossen von einem Viereck, sind schon in der hellenistischen Zeit bekannt. In der römischen Zeit war eine Art von Rosette ausgebildet, in welcher stylisierte Blätter und Blumen von einer Blumenkrone ausstrahlten. In der sassanidischen Abart, bekannt durch geschnitzt.e Stuck-Rondelen, die in Ctesiphon und kür-zlich in Bishapur gefunDora Levi, The Antioch Mosaics, Princeton 1944, Abb. CXXXV. Moritz, Specimens 01 Arabic Palaeography, besonders Abb. 8 bis 12. 6 Martin, The Miniature Painting and Painters 01 Persia, India and Turkey trom the 8th to the 18th century; London 1912, vol. 11, Abb. 233. 4
5
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den sind, ist die Stilisierung mehr entwickelt; die ausstrahlenden Elemente sind angehängt an einen zentralen Knopf. Es Waf dieser Typus während: der Umayyaden- und cAbbässiden-Zeit in Syrien im Umlauf vor allem in der großen skulptierten Fassade von' Mshatta, wo die Rosetten zum größten Teil lappige oder vieleckige Umrisse haben. Leider erscheinen solche Typen von Rosetten nicht in Koran-Handschriften, soweit sie publiziert sind; aber es ist nicht unbillig anzunehmen, daß sie verwendet worden sein mögen, entweder in den Rondelen, die Abschnitte von fünf oder zehn Verse " anzeigen oder als Dekorationen, die ganze Seiten ausfüllen. Ist es nicht möglich, daß irgend ein Motiv dieser Art die Entwicklung der Sdtamsa, die die ersten Seiten von Prachthandschriften seit dem 13. Jahrhundert schmückten und die zu den feinsten Leistungen der islamischen Buchkunst gehört, vorausnimmt? Die achteckige Figur auf Seite 7 ist gebildet durch Quadrate, verflochten mit einem inneren und äußeren Kreis. Auch dieses ist ein ziemlich gebräuchliches Motiv von der Umayyaden-Zeit an. Martin 7 illustriert ein Blatt von einem Koran, den er aus dem 9. Jahrhundert datier,t, in welchem ein rechteckiger Rahmen eine achteckige Figur einschließt, die gebildet wird von zwei übereinander gesetzten Quadraten, v"erflochten mit einem inneren Kreis. Die "Rondel"-Komposition ist natürlich in östlichen und westlichen Schulen der. Buchmalerei bekannt. Ein wohlbekanntes Beispiel findet sich auf Seite 6 verso des Wiener Dioscorides (in Konstantinopel ungefähr zwischen 500 und 510 AD geschrieben), wo zwei verflochtene Quadrate, eingeschlossen von einem Kreis, den Rahmen für ein Porträt der Anicia Juliana abgeben, für die das B·uch gemacht worden ist, zwischen Megalopsychia und Phronesis. Die Titelseite eines fragmentarischen Evangelien-Buches, geschrieben in Wearmouth oder Jarrow im späten 7. oder 8. Jahrhundert, hat eine kreisförmige Einrahmung von verflechtenden Arkaden, in denen in griechischer Sprache eine Anrufung der Jungfrau eingeschrieben ist 8. Schließlich einige Bemerkungen über individuelle Motive.: Die paarweise Verbindungskette auf Seite 5 und 585 erscheint in einem Koran des 8. Jahrhunderts aus der Khodja Ahrar Moschee in Sa7 Bd. vol. 11, Abb. 234. s E. A. Lowe, The Uncial Gospel leaves attached to the Utremt Psalter, The Art Bulletin, vol. XXXIV, 1952, S. 237 f. und Abb. 1.
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marqand, jetz,t in der- Öffentlichen Bibliothek in Leningrad 9. Die Rosetten, gebildet durch ~inen Wirtel von Blättern auf Seite 585 haben eine Parallele in einem Koran des 9." oder 10. Jahrhunderts, wo die Rosette gebraucht wird, um Abschnitte von zehn Versen anzugeben 10. Die Rollen, angeordnet in der Form einer Palmette oder Blume auf Seiten 7 bis 9 und 587, sind ähnlich der "ansa" in dem Blatt von dem Koran der Moschee des cAmr in Kairo, die auch. eine einseplieflende UmriRlinie hat, und wieder in den Anfangsblättern eines Korans, welcher der Großen Moschee von Damaskus geschenkt worden ist im Jahre 920 AD 11. Die Blattrolle auf Seite 5 ist ähnlich der ansa eines Paneels, die die Suras in einem Koran voneinander apteilt 12. Das Schachbrett-Muster, das die Grundlagen der E-cken-Palmetten bildet, kommt in einem anderen Koranblatt vor 13. Die feine Zeichnungslinie des Einrahnlungsbandes auf Seite 7 bildet einen effektiven Gegensatz zu den stärker gezogenen Umrissen der anderen Ornamente. Auch dies ist ein Umriß, der in Kufischen Koranen zu finden is.t (z. B. in fol. 1 verso und 22 verso einer bisher unpublizierten Koran-Handschrift [Or 1397) im British Museum). Die mosaikartigen Punkte, die gebraucht werden zur Verschönerung der Verzierung in den masoretischen Seiten, ist nicht nur gewöhnlich in Koranen derselben Zeit, sondern auch eine Eigentümlichkeit des mit Lustre bemalten Tongeschirrs (Keramik) vom Irak, das im 8. und 9. Jahrhundert hergestellt wurde. Es sollte an Hand dieser kurzen Analyse klar sein, daß mit den Ausnahmen, die oben dargestellt sind, kaum ein einziges Verzierungsmotiv vorkommt, das nicht zur Vorratskammer der frühen islamischen Kunst gehört. Noch bezeichnender ist, daR zu einem großen Teil dieser Motive Parallelen aus Illustrationen gleichzeitiger Korane angeführt werden können. Mit bezug auf die allgemeine Struktur der Dekorationen des masoretismen Buchs und seiner Beziehung zum islamischen Buch, haben wir gesehen~ wie die Anordnung der Ornamente auf den 9 V. Stassov, L'Ornement Slave et Oriental d'apres les Manuscrits anciens et modernes, St. Petersburg, 1887, Abb. CLIII, 5. 10 Moritz, Abb. 45. 11 Martin, op. cit. Abb. 233. 12 Moritz, Abb. 34. 13 Martin, op. cit. Abb. 235.
Seiten der Gruppe (a) und (b) in Beziehung zu den seltenen erhaltenen Blättern von frühen Handschriften des Korans steht. Ferner, das Vorkommen der "ansa" in der Form einer Palmette sowohl in hebräischen Handschriften und in Koranen ist ein Faktor von entscheidender Bedeutung. Die masoretismen Blätter sind um wenige Jahre früher als ihre frühsten Äquivalente, die eine genaue Datierung erlauben. Die Frage entsteht natürlich, wo und wie war diese spezielle Form der Buch-Dekoration ausgebil~et. Jede Lö~ung muß in Beziehung gesetzt werden zu dem weiteren Problem der Ursprünge von gewissen Schulen von westlichen Ausmalungen. In christlimen Handschriften scheinen Seiten rein dekorativen Charakters unbekannt zu sein. Im Westen aber gibt es bemerkenswer.te Beispiele von solchen Seiten in angelsächsischen und nordhumbrischen Handsmriften des 8. Jahrhunderts, vor allem in den Lindesfarne Evangelien. Diese wenden keltische Ornamente für eine zentral geplante KOlnposition an, nicht unähnlich der von unserer Gruppe (h). In letzter Zeit hat man darauf hingewiesen, daß die Vorgänger dieser insularen Handschriften sich in einer Gruppe von Handschriften finden, die in Norditalien im 7. Jahrhundert hergestellt sind. Die einzigen Beispiele einer durchgängig geometrischen Zeichnung, ähnlich unserer Gruppe (a), erscheint in Ottonischen Handschriften aus dem 11. Jahrhundert. Eines Tages, wenn mehr Material ans Tageslicht kommen sollte, könnte es möglich sein, die gemeinsamen Vorfahren dieser verschiedenen Vorfahren zu erschließen. Im Augenblick scheint der wahrscheinlichste Kandidat Koptisch Zll sein. Aber unglücklicherweise ist sehr wenig von der S.truktur früher koptischer Handschriften bekannt, abgesehen von ihren dekorativen Einbänden, von denen eine beträchtliche Anzahl existiert. Nichtsdestoweniger sollte der Wert eines datierten Beispiels, wie der masoretische Text, nicht unterschätzt werden, da er einen weiteren Wegweiser auf dieser Entdeckungsfahrt bedeutet. 10. Ja'bes ben Scltelomo, der prominente Karäer in Jernsalem, beauft~agt Mosme hen Ascher in Tiberias·mit der Herstellung
des Kairoer Prophetenkodex So weit der kuns.thistorische Bericht über die Abbildungen, die l\losche ben Ascher seinem Prophetenkodex beigesetzt hat. Schon 59
die kunsthistorische Einordnung dieser Abbildungen legt Zeugnis dafür ab, daß der Hersteller des Kodex ein Mann gewesen sein Inuß, der schon auf dem Gebiete der Kunst auf der Höhe seiner Zeit gestanden hat, sowohl auf dem Gebiete der islamischen Kun,st wie der jüdischen und der christlichen Kunst. Wir wissen gewiß nicht in wie weit er selber bei der Herstellung der Abbildungen beteiligt gewesen ist, d. h. in wie weit er selber ein Maler gewesen ist. Das ist aber sicher, daß er bei der Auswahl der Bilder und ihrer Motive maßgebend beteiligt war, und daß er schon auf dem Gebiete der Kunst als ungewöhnlich kompetent angesehen werden muß. Aber eigentlicher Fachmanl) ist Mosche ben Ascher natürlich auf dem Gebiete des Bibeltextes gewesen. Auf der mit Illustration geschmürklten Seite 585 des Kodex berichtet Mosche ben Ascher selber von dem Auftrag, der ihm von seiten des prominenten ~a räers Jacbe~ ben Schelomo ha-Babli aus Jerusalem zuteil geworden ist: ,Dies ist der ICodex (difter), den sich Ja cbe~ ben Schelomo haBabli - möge dessen Seele Ruhe finden - erwerben durfte. Er hat ihn für sich selber herstellen lassen, um in ihm zu studieren, vom Ertrag seiner Arbeit, dem Abmühen seiner Hände, dem Schweiße seines Angesichts, zu Ehren des Gottes von Israel. Möge der Schöpfer der Seelen ihm zu gewähren geruhen, in ihm zu studieren, zu beachten und zu bewahren alles, was in ihm ist, möge er ihm einen guten Teil und ein gutes Herz und ein angenehmes Los in diesel: Welt und guten Lohn in der zukünftigen Welt geben. Möge Jaebe~ ben Schelomo - möge dess~n Seele Ruhe finden - gewürdigt werden, die Lieblichkeit Gottes zu schauen, seinen Tempel zu besuchen. Der Gott Israels möge ihm Söhne und Enkel geben, die in der Tora studieren und sich mit den Geboten beschäftigen. Und alle die Segnungen, die in der Tora, den Propheten und den Schriften enthalten sind, mögen auf sein Haupt kommen und das seiner Nachkommen, und ganz Israel sei in dem Segen eingeschlossen. Amen.' Diese Notiz ist in ein Rechteck eingeschlossen, das aus den folgenden Bibelversen besteht: ,Und meinerseits ist dies Mein Bund mit ihnen, spricht der Herr: Mein Geist, der auf dir ruht, .und Meine Worte, die ich dir in den Mund gelegt habe, die sollen nicht aus deinem Munde weichen, noch aus dem Mun~~ deiner Nachkommen, spricht der Herr von nun an bis in E,vigkeit.' (Is. 59,21.) ,Beständig sollst du dieses Gesetzbuch im Munde führen und ihm nachsinnen Tag und Nacht, damit du darauf bedacht seist alles
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, zu halten, was darin aufgezeichnet ist; dann wirst du deine Unternehmungen glücklich vollführen und weislich handeln: (Jos. 1, 8.) . ,Und der Herr wird dich immerdar geleiten, er wird in ausgedörrter Gegend dich sättigen und deine Gebeine stärken, daß du einem wohlbewässerten Garten gleichst und einem Quellorte, dessen Wasser nicht trügen.' (Is. 58,11.)
. In deIn oben auf der Spitze stehenden Quadrat heißt es: ,Der Herr wird dich behüten vor allem Übel, er wird deine Seele behüten. Der Herr wird dein Aus- und Eingehen behüten von nun an bis in Ewigkeit.' (Ps. 121, 7-8.) In dem unten stehenden Quadrat heißt es: ,Gesegnet bist. du in der Stadt und gesegnet auf dem Felde. Gesegnet is,t deine Leibesfrucht und deine Feldfrucht und die Frucht deines Viehs, der Wurf deiner Rinder und die Tracht deiner Schafe.' (Dt. 28, 3-4.) ,Gesegnet wirst du sein vor allen Völkern; unter deinen Männern und Weibern wird es keine un.fruchtbare geben und ebenso unter deinem Vieh.' (Dt. 7, 14.) Drei weitere Noten, jede von verschiedener Hand geschrieben, / besagen über die Bestimmung des Kodex, daß er speziell im Interesse der :&.aräer in Jerusalem angefertigt worden ist: 1. S.582:
,Dieser Kodex sind die Propheten, die Jaebe~ ben Schelomo alKhalafi in Jerusalem, der heiligen Stadt - Gott richte sie auf für ewig - den ~aräern geweiht hat, die die Feste nach dem Sichtbarwerden des Mondes feiern. In ihm sollen sie alle lesen und niemand soll verhindert werden in ihm zu lesen auf dem Platze, auf dem er deponiert ist, an den Sabbat-Tagen, NeU:monden und Festen. Und nicht soll er verkauft noch gekauft ,verden. Und wer imnler ihn stiehlt, oder ihn verkauft, oder ihn kauft oder ihn verpfändet, der sei verflucht von dem Gotte Israels. Und wer ihn bewahrt und in ihm liest, den möge der Herr bewahren, ihm Leben geben und er möge glücklicll gepriesen werden im Lande. Und wer immer ihn herausbringt aus dem Gehöft des' Jaebe~ ben Srhelomo, der soll getilgt werden aus dem Buche des Lebens und zu den Gerechten soll er nicht gezählt "verden. Amen. Und gesegnet sollen sein im Namen des Herrn alle, die ihn bewahren und in ihm lesen in ·aufrichtiger Weise. Amen.' 2. S.583:
,Dieser Kodex, die acht Propheten, ,veIche geweiht hat Jaebe~ ben Schelomo in Jerusalem, der heiligen Stadt - möge Gott sie
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aufrichten für ewig, Sela! ~ den ~aräern, die gie Feste nach dem Sichtbarwerden des Mondes veranstalten - sie alle sollen in ihm lesen an den Sabbaten, und an den Neumonden und den Festennicht soll er verkauft oder gekauft werden; und jeder, "der ihn stiehlt oder ihn verkauft oder ihn kauft, oder ihn verpfändet, verflucht sei er für den Gott von Israel. Und wer ihn bewahrt und die Anordnungen des Jacbe~ ben Schelomo, des Besitzers dieses Kodex, aufrecht erhält, den möge der Herr bewahren~ ihm Leben geben, ihn glücklich machen im Lande.
Am Rande ist hier zugefügt: ,oder ihn herausbringt aus denl Gehöft des Jacbe~ ben Schelomo, dessen Nachkommenschaft müsse der Ausrottung verfallen, in einem Geschlecht erlösche ihr Name!' (Ps. 109, 13.) 3. S.588: ,Dieser Kodex, welchen Jacbe~ ben Schelonlo den I)::aräern in lerusalem, der heiligen Stadt, geweiht hat, soll nicht verkauft noch zurückgekauft noch verpfändet werden, noch soll man ihn herausbringen aus seinem Hause. Verflucht seien im Na:men des Herrn, des Gottes Israels, alle die ihn verkaufen und alle, die ihn herausbringen aus dem Grundstück des Jacbe~ ben Schelomo, des Besitzers dieses .Kodex, und nicht möge der Herr ihnen Vergebung gewÄhren. Denn dann wird entbrennen der Zorn des Herrn und sein Eifer gegen sie und alle Flüche, die geschrieben sind in diesem Buche, sollen sich auf ihn niederlassen und auslöschen wird' der Herr ihre Namen von unter dem Himmel (Dt. 29, 19) und der Herr wird sie trennen für das Übel von allen Stämmen Israels und alle Flüche, die geschrieben sind in allen Bi.ichern der Seh.rift, sollen an ihnen und ihren Nachkommen haften. Amen. Und gesegnet seien im Namen des Herrn alle, die ihn bewahren und in ihnl lesen mit aufrichtigen Herzen, mögen sie leben und die Errettung von Israel sehen. Amen!' I
11. Das Kolophon des Mosche ben Ascher, des Masoreten von Tiberias Von ganz besonderer Wichtigkeit ist das Kolophon des Kodex, das auf Seite 586 folgendermaßen lautet: ,Ich, Mosche ben Ascher, habe diesen Kodex der Schrift "ln~n N'P~~tu nach Maßgabe meiner Einsicht wie die gute, Hand meines Gottes über mir waltet (Neh. 2.8), klar und deutlich (Dt. 27.4) in der Stadt Ma(azja ~ das ist die berühmte Staat Tiberias Cfabarije) - geschrieben, wie ihn die Gemeinschaft der Pro62
pheten erläutert haben, die Erwählten des Herrn ('''), die Heiligen unsers Got.tes, die alles Verborgene erklären und die das Geheimnis der Weisheit verschönern, die Eichen der Gerechtigkeit (Iso 61.3), die Männer des Glaubens; sie haben kein Wort zurückgehalten (Ps. 78, 4) von dem was ihnen gegeben war und keinen Spruch hinzugefügt zu dem, was ihnen überliefert war (Dt. 4.2; 13. 1); sie haben mächtig und groß gemacht die Smrift (Is. 42. 21), die Vierundzwanzig Bücher, sie festgegründet in ihrem treuen Glauben durch sinngebende Betonungszeichen ~~ru '~l'~:l durch Erklärung des Wortes il:l'" ~'i"!):l, durch süßen Gaumen, durch Schönheit der Sprache '~N~ "~":l ptM~ 1"n.:J). Möge es der Wille von unsernl Schöpfer sein, daR er unsere Augen erleuchte und unser Herz erhelle mit seiner Tora - (sie) zu lernen und zu lehren und zu üben mit ganzem Herzen und williger Seele (I ehr. 28, 9) und für ganz Israel. Er ist geschrieben worden im Jahre 827 nach der Zerstörung des Zweiten Tempels (Hauses), zu welchem der Schöpfer der Seelen zurückzukehren geruhen möge in Barmherzigkeit, und welches er erbauen möge Init Rubinen, Saphiren, und Karbunkeln (ls. 54, 11 f), zu einem vollkommenen Gebäude, zu einem fest erstellten Gebäude, das nicht eingerissen, nicht zers.tört, nicht niedergerissen werden soll in Ewigkeit und Ewigkeit der Ewigkeiten, eilends, in unseren Tagen und in den Tagen von ganz Israel. Am e n l' ~ Dies Kolophon macht es 'zunächst klar, daß Mosche ben Ascher selber den Kodex in Tiberias geschrieben hat, und daß er 'Selber ihn mit Punktation und Masora versehen hat. Der Kodex war fert.~g gestellt in Tiberias im Jahre 82? nach der Zerstörung des Tempels, d. h. im Jahre 895 nach unserer Zeitrechnung. Tiberias war damals, in den ersten Jahrhunderten der islamischen Herrschaft, die Hauptstadt der Provinz al-Urdunn (Jordan), die ungefähr der Palästina Secunda der älteren Einteilung entsprach. In vorislamiscller Zeit war Tiberias ein Zentrum tallnudischer Wissenschaften gewesen., um. 200 wurde dor,t die Mischna redigiert, später der pa,lästinische Talmud dort verfaßt. Nachdem dann die muslimischen Herrscher des Landes die Stadt Jerusalem den Juden wieder zugänglich gemacht hatten, wurde Tiberias ein Zentrum für die Arbeit an dem Bibeltext, der seinen Namen nach der Stad.t Tiberias als tiberisCher Bibeltext bekommen hat. Wir haben über die Verhältnisse der Juden in Tiberias in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts ein höchst interessantes Zeugnis.~ von dem arabischen Zeitgenossen al-Masciidi, dem bekannten Histo-
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riker un~ Geographen, der damals einen großen Teil der Welt gesehen hatte und in seinen Werken allerlei von interessanten Er~ lebnissen berichtet hat. In seinem kitab at-tanbih roa'l-isräf, 1 kommt er auf die Israeliten in der natürlich unter islamischer Herrschaft stehenden Provinzialhauptstadt Tiberias zu sprechen, und zwar mit folgenden Worten: Betreffend die Israeliten, sowohl die Ashmal:ath, die die vielen und die groBe Masse bilden, als auch die l:Ananiten, die an Gerechtigkeit tadl) und Monotheismus (taubid) glauben, so beruhen sie in ihrer Erklärung der hebräischen Bücher, der Tora, der Propheten und der Psalmen - die die 24 Bücher' bilden und in ihrer Übersetzung ins Arabische auf einer Anzahl von Israeliten, die in sehr hoher Achtung stehn, von denen wir die meisten persönlich kennen gelernt haben, unter ihnen war Abu Kathir Jal)jä ben Zakarija, der Katib (Sekret'är), der Mann aus Tiberias, Ashmal:athi im Glauben, der ungefähr AH 320 (ca 932 AD) gestorben ist und Sal:id b. Jal:~üb al-Faijumi, der seine Studien unter Abu Kathir gemacht hatte und dessen Bibelexegese viele sehr hoCh schätzen, und als dessen Todesjahr AH 330 = 941 AD angegeben wird.
Ich habe auf diese Stelle hingewiesen in meiner Arbeit 'The Masoretic Text
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the Bible and the Pronunciation
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Hebrero' 2.
al-Masl:udl erwähnt hier Abu Kathir, den er als Kätib bezeichnet, das ist ein Selcretär, der offenbar einen Posten in der islamischen Provinzial-Verwaltung inne hatte und weist auf seinen SChüler hin, der niemand anders war als der bekannte Satadja, der aus seiner Heimat Ägypten hatte fliehen müssen und bei dem offenbar angesehenen Kätib Abu Kathjr als Refugee Unterkommen gefunden hatte. Er ist wohl der weitaus beste Kenner des Arabischen, den die Juden gehab.t haben. Beide ~üssen also damals Bewohner der Stadt Tiberias gewesen sein. Beide gehörten den Ashmal:ath an, das ist ein Wort, das dem J\ramäischen Nnv~~ entspricht und im babylonischen Talmud für Tradition verwendet wird und von alMasl:üdi kollektiv als Bezeichnung der Rabbaniten genommen wird 1
Erl.
J. M. de Goeje, Bibliotheca Geographorum Arabicorum, vol. viii.
Leiden 1894, S. 113. 2 Im Institute of Jewish Studies, Manchester, am 11. März 1957, veröffentlicht im Journal of Jewish Studies VII, 1956, S. 133-153.
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(der einzelne Rahbanite heißt Ashmacathi). Die daneben genannten cAnaniten sind die ~aräer, die hier' nach ihrem Gründer cAnan bezeichnet werden. Wenn die ~aräer hier als "Männer der Gerechtigkeit und des Monotheismus" bezeichnet werden, so ist das offenbar eine Bezeichnung, die al-Mascüdi nach Analogie der muslimischen MuCtaziliten genommen hat. Die l):.aräer werden dem Masciidi wohl in dieser Weise charakterisiert worden sein. Im habe über die Wichtigkeit der Stelle für SaCadja in meiner Lorence Kostoris Lecture gehandelt und verweise hier darauf 3. Aus dieser Notiz von al-Mascüdi geht hervor, daß die Mehrzahl der Israeliten in Tiberias damals Rabbaniten waren. Aber daneben werden die J.(aräer mit hoher Achtung genannt. Für uns ist in diesem Zusammenhang sehr beachtlich, daß der Kairoer Prophetenkodex wenige Jahrzehnte vor dem Besuch von al-Mascüdi in Tiberias von dem Masoreten Mosche ben Ascher in Tiberias gesmrieben worden ist. Er stellt offenbar eine hervorragende Leistung des bedeutenden ~aräischen Masoreten Mosche ben Ascher dar. Als solch ein besonders wertvoller Kodex ist die Handschrift schon von dem ersten Besitzer desselben gewertet worden. Auf seinem, des ~aräers Jacbe~ ben Schelomo, Grundstück. in Jerusalem, war· ein besonderer Platz für den kostbaren Kodex vorgesehen, auf dem die Möglichkeit geboten war, ihn einzusehen. Insbesondere sollte er für Lektionen an den Sabbaten und den Festtagen verwendet werden, und zwar von den ~aräern, für die er von Jacbe~ ben Schelomo ausdrücklich bestimmt worden war. Wir wissen, daß gerade im Laufe des 9. Jahrhunderts eine sehr große Zahl von religiös stark interessierten ~aräern aus allen Teilen der Welt in Jerusalem zusam~engekommen war. Wir hören sogar, daß maßgebende Kreise rabbanitischer Juden Jerusalem verließen, weil sie sich neben den Mengen begeisterter ~aräischer Kreise smwer behaupten konnten. Man wird es bei dieser Lage der Dinge schon an und für sich für sicher halten können, daß der Masoret Mosche ben Ascher .aus Tiberias, dem die Herstellung des Kodex von dem prominenten ~aräer in Jerusalem in Auf.trag gegeben war und der ihn für die ~aräer in Jerusalem hatte herstellen lassen, selber zur Gemeinde der ~aräer gehört hat. Das läßt sich tatsächlich aus einer Reihe von 3
Siehe obige Anmerkung.
65 5 Kahle, Hebräischer Bibeltext
Bemerkungen, die Mosche ben Ascher selber seinem Prophetenkodex beigesetzt hat, mjt völliger Sicherheit beweisen, auf die ich gleich zu sprechen komme. In dem oben zitier.ten Kolophon "betont Mosche ben Ascher ausdrücklich, daR er diesen Prophetenkodex geschrieben habe, wie die Gemeinschaft der Propheten, die Erwählten des Herrn, die Heiligen unsers Gottes den Bibeltext erläutert haben. Die Bezeichnung die Gemeinsmaft der Propheten (C~N"~~ n,v) ist ein den.tlimer Hinweis auf die ~aräischen Gelehrten, die der Überzeugung gewesen sind, daß göttliche Erleuchtung ihnen bei ihrer exegetischen Arbeit ,vesentlich gewesen ist. Darauf hat mich Dr. N. Wieder hingewiesen, mit dem ich "diese Texte eingehend besprochen habe. Diese ~aräer standen im Laufe des 9. Jahrhunderts auf der Höhe ihrer Entwicklung. Ich verweise hier auf Jacob Mann's Ausführungen "The ~araite Settlement in Palestine (till the First Crusade)", dem ersten Kapitel- seines großen Werkes J.(araitica 4. Die l.}aräischen Masoreten von Tiberias sind - das können wir schon dem Kolophon des Mosche den Ascher entnehmen - fest davon überzeugt, daß sie es gewesen sind, die groß und mächtig gemacht haben die Heilige Schrift, die sie fest begründet haben - so führf Mosche ben Ascher es aus im Kolophon - durch sinngebende Betonungszeichen ('~rtI ~~VtQ~), durch Erklärung des Wortes (ro',~~~ "~~') durch süßen Gaumen, durch Schönheit der Sprache (i',n~ ,~n~ '~N~~"~'''~). In ganz ähnlicher Weise erklärt Mosche ben Ascher in seinem Weinliede, über das ich in der neuen Auflage meiner Cairo Geniz8 5 gehandelt habe, "Als Ergötzen haben sie festgelegt die Betonung der Schrift tN'P~ ~~VtQ ~~~pJ1n c~vntJV~), mit Darlegung des S,innes und deqtlimem Ausdruck ru,~~~ ~\~, ':Jrt' C'rtI~). Sie umgaben als mit einem Zaun die Tora uusers Gottes mit wohlgeordneten Masoras, die Unwissenden aufzuklären n"o~ ,~-'n'N 11"11' I') ,~'~n) C'n~ c~~ni1' n""o vs 24. 25 des Weinliedes. So sprechen nicht Leute, die es bei der Arbeit am Bibelte~te als ihre Aufgabe betrachten, alles beim alten zu lassen, wie es immer und seit Urzeiten ge,vesen ist. So spremen Leute, die davon überzeugt sind, daß sie etwas wesentlich Neues gesmaffen haben, wodurm sie sich im Stande fühLten, groß und mächtig zu machen die 4 5
Texts and Studies, vol. 11, Philadelphia 1935, S.3-66. Oxford 1959, S.82-86.
I
Schrift. Sie betonen dabei ausdrueklich, daß sie das erreicht haben durch Einführung von sinngebenden Betonungszeichen, die offenbar zuvor nicht da gewesen sind und die sie neu geschaffen haben.
12. Die Akzente der tiberischen Punktation und die Betonung des tiberiswen Bibeltextes Wir sind uns im allgemeinen nicht klar dessen bewußt, daß die Masoreten von Tiherias die ersten Punktatoren des Bibeltextes gewesen sind, welche Zeichen erfunden haben, die zur Andeutung des Wor.ttones gedient haben. Weder in der palästinismen noch in der babylonischen Punktation des hebräischen Bibeltextes haben die Zeichen, die wir "Akzente" nennen, irgend etwas mit der Betonung der hebräischen Worte zu tun. Davon kann man sich leicht überzeugen~ sobald man die den palästinisch oder babylonisch vokalisierten Texten beigesetzten Akzentzeichen untersucht. Die sogenannten Akzentzeichen haben in diesen Punktationssystemen nichts mit dem Wortdruck zu tun, sie haben hier ganz andere Aufgaben. Sie bieten zunächst eine Art von Interpunktation des hiblismen Textes. Sie sind weiter Zeichen für die syntaktische Gliederung der Worte im Satze. Ferner sind sie Zeichen für den gesanglichen Vortrag des Bibeltextes. Ausschließlich in der tiberischen Punktation haben sie dazu die Aufgabe erhalten, die Betonung der Worte anzudeuten, bei dem sie stehen und eigentlich nur diese letzte Aufgabe berechtigt uns diese Zeichen als Akzente zu benennen, insofern sie einen Anhalt dafür bieten, wie die hebräischen Worte im Bibeltext zu betonen sind. Aber weder in dem babylonischen Punktationssystem, soweit es nicht durch die tiberische Masora beeinflußt ist, noch in dem palästinischen Punktationssystem, haben die sogenannten Akzentzeichen irgend etwas mit der Betonung der hebräischen Worte zu tun. Wir müssen also damit rechnen, daß 9ie tiberisrhen Masoreten eine neue Methode der Andeutung der Betonung der hebräischen Worte durchgeführt haben, die für die hebräische Grammatik, wie wir sie kennen, von grundlegender Bedeutung geworden ist. Das will aber besagen, daß die Aussprache des Hebräischen, wie wir sie auf Grund der tiherischen Punktation kennen, überhaupt .erst eine Schöpfung der tiberismen Masoreten gewesen ist, des prominentes.ten unter ihnen, insbesondere erst des
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großen Masoreten Mosche ben Ascher, von dem der Kairoer Prophetenkodex eine der ganz großen Leistungen ist. Eine Notiz in dem von Siml}.a ben Shemuel aus Vitry zusammengestellten .Mal)zor 1 Vitry smreibt die beim Vortrag des Bibeltextes üblichen Modulationen (111J"~J) dem Moses zu, aber die Zeimen für die' Modulationen den Schriftgelehrten Q'l"~'Q), und er fügt hinzu: dementsprechend ist die tiberische Punktation nicht gleich der bei 'uns üblichen und die heiden sind nicht gleich der Punktation des Landes Israel. Es ist wohl keine Frage, daß mit der "bei uns" üblichen Punktation die babylonische Punktation gemeint ist, und daß "die Punktation des Landes Israel" mit der palästinischen Punktationsmethode zu identifizieren is.t, die heute noch bei den Samaritanern gebraucht wird, von der Dr. Murtonen nachgewiesen hat, daß sie im wesentlichen identisch ist mit der Ausspraclle ,des Hebräischen, die sich in liturgischen Texten mit palästinischer Punktation ~'N'~'\ l"N "P~) einst auch bei rabbanitismen Juden in Palästina bis zuni 8./9. Jahrhundert üblich gewesen ist 2. Wir sehen in dieser Notiz zwei Phasen der Aussprache des Hebräischen in Palästina angedeutet. Die Samaritaner haben eine Aussprache des Hebräischen bis auf den heutigen Tag festgehalten, welche die palästinisme Punktation in alten Geniza-Fragmenten einst auch für die Aussprache des Hebräischen bei den rabbaniti~chen Juden bezeugt hat. Bei diesen rabbanitismen Juden ist diese Aussprache aber abgelöst worden durch eine solche, die von den Masoreten ausgebildet worden ist, die ihren Sitz in Tiberias gehabt: haben. Diese haben der im Laufe des 9. Jahrhunder.ts mächtig aufblühenden Gemeinde der ~aräer angehört. Diese Aussprache ist dann aber von den rabbanitism.en Juden übernommen und hat sich bei ihnen so vollständig durchgesetzt, daß jede Erinnerung an eine frühere Art der Aussprache des Hebräischen vollständig in Vergessenheit geraten war. Man hat sich sogar mit Erfolg bemüht, alle Spuren zu verwischen, die uns Kunde davon gaben, daß die karäischen Masoreten eine neue Aussprache des Hebräischen ausgebildet und durdlgeführt haben, und auch den ~aräischen Ursprung der Siehe S. 19. Die Notiz findet sich im Mal}.zor Vitry, ed. Hurwitz, Berlin 1889-1893, S.462. Sie wurde zuerst veröffentlicht von Luzzatto in Kerem Chemed IV, 1
2
1839, S.203.
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tiberismen Punktation hat man zu vergessen sich bemüht. Wenn Maimonides in den Hilkot Sefer Tora, Kap. 8 von der korrekten Schreibung der Bibelkodizes redet und dabei ausführt: "... und das Buch, auf das wir uns stützen in diesen Dingen,ist das Buch welches alle vierundzwanzig Bücher enthält, welches vo.r vielen Jahren in Jerusalem war, damit man aus ihm die Bücher korrigiere, und auf das p:f1.egen sich alle zu stützen, weil es korrigiert hat und in ihm alle Einzelheiten gere~elt hat Ben Ascher viele Jahre, und er. hat es korrigiert viele Male, wie man es überliefert hat, und auf es habe ich mich gestützt in dem Torahuche, das ich nach seiner Anordnung geschrieben habe ..."
so ..ist wohl ziemlich klar, daß 'für Maimonides ben Ascher, d. h. Ahron ben Ascher, schon längst der maßgebende Masoret geworden war und daß er wohl keine Ahnung mehr davon hatte, daß die von den tiberischen Masoreten geschaffene Aussprache und Betonung des Bibeltextes letztlich auf die Karäer zurückgeht, die sie im Laufe des 9. Jahrhunderts neu gescltaffen haben, und zwar im Wesentlichen durch Mosche ben Ascher, den großen Masoreten. ;
13. Die "Ordnung der Schrift" des Mosche b. Asmer un
Ahron b. Ascher zugeschriebene Fassung dieses Textes Auf Seite 583 des Kodex steht an prominenter Stelle von Mosche ben Ascher seIher geschrieben ein Abschnitt, der den Titel trägt: "Die Ordnllng der Scbrift" (N"i'~" "t)), eine kurzgefaßte DarsteI··Jung der Heiligen Schrift, die nam Analogoie der drei Nachtwachen eine dreifach geteilte Fassung aufweist. Mosche ben Ascher betont darin, in typisch ~aräisclIer Weise, die gleichwertige Bedeutung der drei Teile des ~Bibeltextes~ die der Tora, den Propheten und den Schriften entnommen' werden müssen, und er schließt mit einem Hinweis auf den Tempel, der ebenfalls eine dreifam geteilte Struktur aufwies in dem Allerheiligsten, dem Heiligen und dem Vorhof. Bekanntli~ gibt es für den frommen Israeliten nur eine Art von maßgebender Gesetzesbes.timmung, eine solche die der Tora entnommen ist, und die ergänzt wird durch Bestimmungen der Mismna. Der- Abschnitt hat folgenden Wortlau.t (Tafel 13): Die Ordnung der Schrift. Die Tora ist die erste Nachtwache. Uralte Berichte und deren Anordnung sind wie die Tora. Die Wiederholung der Tora (Deu-
teronomium) ist wie die Tora. Der Schluß der Tora (die letzten 8 Verse) ist wie die, Tora. '
Die Ordnung der Propheten ist' die mittlere Namtwame. Sie ist die Vollendung der Tora und steht auf dem gleicl1en Range ('OV~) wie die Tora und man lernt daraus Un.terweisung wie aus der Tora. Sie sind Erquickung der Seelen, Boten des Glaubens, Gesandte der Gebote. Sie stehen auf dem Turm oberhalb des Volkes (Neh.8.4) und jeder Einzelne führt das Wort der Wahrheit in seinem Munde (1 Rg. 17.27). In der mittleren Nachtwache sitzen sie da in Ehren~ Die Ordnung der Schriften und die letzte Nachtwache ist die überlief~rungvon Wahrheit und das Denkmal der Anfänge. Und ihre Namen sagen aus über sie, über die Bestimmten an ihren Anfängen und über die Gemeinschaftlichen in ihren Gesamtgebieten. Tora, Propheten und Schriften. Und alles dies um kund zu tun allen Geschöpfen der W,elt die Glorie ihrer Heiligkeit, und die Größe ihres Lobes, und die Macht ihrer Herrlichkeit, daß alles Erschaffene und alles 1 Neukommende, daß sie in ihrer Ordnung und in ihrem Einzelteil und in ihren Gesamtgebieten, ebenso die Oberen und Unteren, wenn sie auch zahlreich sind in ihren Namen und in ihren Arten, so doch in dieser Ordnung im Hause des Allerheiligsten und des Heiligen und dem Vorhof der Stiftshütte zurückkehren.
Ich schließe an dieses Seder ha-Mi~ra des Mosche ben Ascher gleich das Seder ha-Mi~ra an, das dem Abron ben Ascher zugesprochen wird, und zwar schon iri der ältesten Form von d~ssen Text, die erhalten ist, dem Leningrader Bibelkodex B 19 a vom Jahre 1008/09, wo es folgende Fassung hat, die sich auf fol. 479 a des Kodex findet (siehe Tafel 14): Die Ordnung der Schrift. Die Tora ist die erste Nachtwache. Uralte Berichte und ihre Anordnungen sind wie die Tora. Die Wiederholung der Tora (Deuteronomium) ist wie die Tora. Der Schluß der Tora (die letzten S Verse) ist wie die' Tora. Die Ordnung der Propheten ist die mittlere Nachtwache. Sie ist die Vollendung der Tora u~d steht auf dem gleichen Range ('~l'~) wie die Tora, und man lehrt aus ihnen Unterweisung wie aus der Tora. Sie sind Erquikkung der Seelen, Boten des Glaubens. Sie stehen auf dem Turm oberhalb des Volkes wie die Satzung der Tora, und jeder einzelne 1
Hier erwartet ein dem
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"Erschaffenes" paralleles Wort.
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führt das Wort der Wahrheit in seinem Munde und in seinen Ausführungen. - In der mittleren Nachtwache sitzen sie in Wahrheit. Die Ordnung der Schriften ist die letzte Nachtwache, überlieferung von Wahrheit und Denkmal der Anfänge. Und ihre Namen sagen aus über sie: Tora, Propheten und Schriften, geschrieben nach dem Munde von Propheten, über die Einzelnen an ihren Anfängen und über die Gemeinschaftlichen in ihren Gesamtgehieten, um kundzugeben, daß alles Geschriebene und die Aussprache und das mit der Heiligen Schrift zu Vergleichende und die Punktation und die AI<:zente und die hängenden Buchstaben und die kleinen und die großen und die krummen, und die Punkte und die außenstehenden, und die geschlossenen und geöffneten und was geschrieben und nicht gelesen und was gelesen und nicht geschriehen ist, und die umgewandten Buchstaben. - Denn sie alle, ihre Einzelteile und ihre Gesamtgehiete und ihre Ordnung und ihre Einprägung, wenn sie aum zahlreich sind in Namen und Arten, ben ist, und die umgewandten Buchstaben, daH sie alle, ihre so doch zu dieser Ordnung im Hause des Allerheiligsten und dem Vorhof der Stiftshütte zurückkehren. - Und die Eingeweihten verstehen es. Es kann kaum eine Frage sein, daß diese Form des Seder ha-MiI.cra auf der Form bertlht, wie sie der Kairoer Prophetenkodex des Mosche hen Ascher hietet. Die Skizze vom Gehalt der Bibel des Mosche ben Ascher ist hier aber durch einen Abriß von der Wissenschaft der Masora ersetzt worden. Man hat im allgemeinen angenommen, daß diese Fassung, die dem Paragraphen 2 der dem Ahron ben Asmer zugesprochenen Dilcdu1;e haTeeamim bildet, das Werk des Ahron ben Ascher gewesen ist. Tatsame ist aber, daß in der Fassung der ältesten Handschrift dieses Textes ernsthafte Fehler vorkommen, die jedenfalls nicht dem Ahron ben Asmer zugesmriehen werden können. Zunächst steht an Stelle von n~~"M ,~~~ C~,~;, wie es im Kodex des Mosche ben Ascher heißt, im Leningrader Bibeltext ii""n t:3iT~ c""rn mit deutlichem , in heiden Fällen, wo im Texte des Mosche ben Ascher klar i1",'n steht, mit ,. Ferner steht im Texte des Mosche ben Ascher ,~~, was zweifellos als -,~t zu verstehen ist, hier dafür klar vokalisiert .,~~ was "Sinn" bedeutet und hier zweifellos ein Fehler ist. Eine weitere Änderung ist, daß an Stelle der 3 Teile der Bibel (Tora, Pröpheten und Schriften), die in dem Kodex des Mosche ben 71
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Ascher zu den drei Teilen des Tempels in Parallele gesetzt werden, hier nur zwei Teile des Tempels in Parallele gesetz;t sind (das Allerheiligste und der Vorhof). "' In seinem instruktiven Artikel uSancfuary" as a Metaphor for Scripture! hat Dr. N. Wieder eine Parallele gezogen zwischen den ~ Teilen der Schrift und denen des Heiligtums~ wie sie im Kodex des Mosche ben Ascher vorliegt, der in der Karäer Synagoge in Kairo aufbewahrt wird, und er hat dabei darauf bin~ewiesen. daR der Vergleich zwischen einem Teil der Schrift und dem TempellJeilip;tum nicht im rahbinischen Schrifttum vorkommt, wohl aber bei den I)::aräern zu finden ist, und daß er sogar in der Damaskus-·· smrift vorkommt, die ja zu den Qumran-Texten zu rechnen ist. Wenn hier im Leningrader Kodex anstatt dem dreigeteilten HE'ili~ turn nur zwei Teile des Heiligtums (Allerheilip:stes und Vorhof) erwähn.t wird, so scheint mir diese Änderung nicht den Intentionen des Ahron ben Ascher zu entsprechen.
14. Die Prophetenliste und die Anzahl der Verse
der~Bibe]
Typisch ~aräisch ist bei der Prophetenliste auf Seite 584 des Kairoer Prophetenkodex die Behandlung des Daniel als Propheten. In dieser Prophetenliste lesen wir: Und dies sind die Propheten, die in Babel prophezeit haben, als sie aus Jer~salem auswanderten: I:Iaggai. Zamaria, Maleachi und DanieI. Alle Propheten von Mosche ... bis zu Daniel und Maleachi sind 117. Bei den rabbanitismen Juden wird Daniel nicht unter die Propheten gerechnet. Das seinen Namen tragende Buch steht unter den "Schriften" (O"~'M~), der dritten Gruppe der biblischen Bücher, und nicht unter den Propheten. So ist es zweifellos von den jüdischen Kreisen angeordnet worden, die mit der Reorganisation des Judentums nach der Zerstörung des Tempels zu tun~ hatten. Aber schon in alter Zeit gab es eine der talmudischen Anordnung entgegengesetzte Tradition über Daniel, die später vom Islam und _auch von den ~aräern bis zu einem gewissen Grade übernommen Journal of Jewish Studies, Vol. VIII, S. t65-t 75. The Zadokite Documents ... ed. by Chaim Rabin, Oxford 1954, Page Seven, numher 14-16. 2
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worden ist. Aber das war ja senon in der Griechismen Bibel der Fall, und ist durch die Vulgata des Hieronymus in unsere Bibeln gekommen. Bei Josephus lesen wir z. B. Ant. x, 11, 4: ö~ Kat ßaVtnÄov TOV rrpo
15. Die Freigabe der durm die Kreuzfahrer beschlagnahmten Bücher der Karäer Die Verhältnisse dieses Prophetenkodex, der, nachdem er in Tiberias fertiggestellt war, ~iri Jerusalem auf dem Grundstück des Jacbe~ ben Schelomo· seinen Aufbewahrungsplatz gefunden hatte, werden sich nicht wesentlich geändert haben bis zu der Zeit, da die Kreuzfahrer (am 15. Juli 1099) Jerusalem erobert haben. Die haben den kostbaren Kodex mit anderen wertvollen Handschriften besChlagnahmt. In der, in hebräischer Kursive, auf Seite 581 des Kod.ex geschriebenen Randnotiz, deufet das U"'N~ ~'"N auf die Beschlagnahme und die Loskaufung des Kodex hin. Wir er'fahren von einem Dankgottesdienst, der am 13. Juli 1106 in der cAnan-Synagoge zu Jerusalem abgehalten worden ist, ein,er Synagoge also, die nach dem Stifter der ~aräergemeinde henannt worden war. Die Namricllt findet sich im Kolophon einer in ~aräischem Besitz befindlichen
Cairo Geniza, Oxford 1959, S.84. lntroduction to the Massoretico-Critical Edition London 1897, S. 68-106. 1
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the Hebrem Bible,
Gesetzesrolle, und ist zuerst von Harkavy 3, dann von Jacob Mann abgedruckt worden 4. Ich habe eine- übersetzung der Note in meinen Masoreten des Westens 1927 gegeben 5. Die Notiz ist von speziellem Interesse und ich drucke das Original und die übersetzung hier · wieder ab: t~U~~ ~" n,,'nn O"'~O~ on,"n, ')",nN ')".~:lO ,n~) l~n, ;N cru~ l"Nn ~)"31~ c'~n,~, ,on~, N--W)il n~;rtJ ')".~"N J1N 1M) ,ruN t~"nN "," 4Iro~N' ,~'" '~~M J1N " ll'l" '''MN I1Mn ,,~ '~N 1"N"'N~
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'J'.
• l~N'C n~J '.3"b"~ Im Namen des barmherzigen Gottes - NiclIt soll es unseren Söhnen nach uns unmöglich gemacht werden die Lobpreisungen Gottes ""') zu· verkünden gleich wie wir, der unsern Herrn Schelomo, den Nasi (Fürsten, N"tuJ), Gnade, Gunst und Erbarmen hat finden lassen in den Augen des Herrn Baldwin, der König geworden ist an Stelle seines Bruders (Gottfried von Bouillon), und ihm seinen Wunsch erfüllt hat und seinen Kriegsleuten, unsern Brüdern, den Söhnen Esau's, befohlen hat, daß sie uns alle unsere heiligen Bücher, und dieses Tora-Buch mit ihnen zurückgegeben haben. Und dies ist ein halber Trost. Deshalb versammeln wir uns in der Synagoge unsers Herrn eAnan, unsers Nasi, und segnen den König (Baldwin) - möge er ewig leben heute am Freitag, am Fasttag, dem 10. Ab 6 am Anfang des Jahres 1037 nach der z'\veiten Zerstörung, 1417 nach der Kontraktenära 7. Amen. - So möge er in seiner Barmherzigkeit beeilen und beschleunigen sein Werk zu unserm ,Troste, um aufzurichten die frohe Botsmaft, die verkündet hat \vie heute am Jahresanfang der ersten Zerstörung Ezekiel, der Prophet 8. Und der Name der ha-$e/ira 1875, S. 47-48. The Jeros in Egypt and Palestine under the Flitimid Caliphs, Vol. I, Oxford 1920, S.200, Note. 5 Masoreten des Westens, 1, 1927, S.10. 6 Der 10. Ab gilt bis zum Mittag als Fasttag. 7 Nach der Berechnung von Rerhert Loewe war der Tag Freitag, den 13. Juli, 1106. 8 Ezekiel's Vision vom neuen Tempel (Ez.40, 1 ff.) ist datiert vom Anfang des Jahres am 10. des Monats, darauf ist hier angespielt. 3 4
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Stadt soll fortan sein: Gott ist Hilfe. Amen, Amen. So möge es Gottes Wohlgefallen sein, in Eile, in unsern Tagen, ewiglicll! Sela. Danach scheint Schelomo, der damalige Vorsteher (nasi "Fürst") der ~aräer, eigens von Ägypten nach Jerusalem gereist zu sein, um seIher die Verhandlungen mit König Baldwin zu führen und er hat dabei offenbar erreicht, daß die von den Kreuzfahrern beschlagnahmten Handschriften der ~aräer gerade sieben Jahre nach ihrer Beschlagnahme freigegeben worden sind.
16. Die Schenkung des Prophetenkodex an die Koriier-Synogoge
zu Kairo Die Notiz in hebräischer Kursivschrift auf Seite 581 des Kairoer Prophetenkodex, die davon berichtet wie der Kodex nach Kairo g-ekommen ist, lautet in übersetzung (siehe Tafel 11): ,..Dieses Buch ("~O) die Propheten., ist heilig: dem Herrn (~''''') Gott. dem Gotte Israels. Geweiht hat es nach seiner Lo~kaufung ('11;U~5 ~'MN) der große Herr David., Sohn des ~roßen Herrn Jephet. bekannt als aI-Iskandari, für die Gemeinde der Karäer (N'i'~ ,,~~ ~']1 ;V), um in ihm zu lesen an den Ta~~n der Sabbate. der Fastt.a~e'l in der Syna~o~e von Kairo ("'rtNl';N) - möge sie (die Stadt Jerusalem) erbaut und fest ~eg-riinf1et sein rUnd wenn er ofler jemand von seinen Nachkommen Platz nimmt. so soll der Diener es (das Buch) vor ihn legen. Und nicht 8011 es ir~end einem gestattet sein es llerauszl1bring-en aus (fern Gebäude der Syna~oe:e. es sei denn -- Gott verhüte es - allS Zwan~ und er soll es zurückbringen zur Zeit der Bel'uhigllne-. Wer immer dieser AbmarounJ! C'N~l1") oder dieser Weihl1n~ (M~"i'M) zuwiderhandelt. verflucht sei er für den Herrn ("''';) und alle Flüche sollen an ihm 'haften. Und wer immer ihn bewahrt und in ihm liest und ihn zurückbringt auf seinen Platz nach der Unruhe, der sei ~e segnet im Namen de~ Herrn ("'''), mög-en alle Segnungen und der J!'ute Lohn und die Wiin~che auf sein Haupt kommen und das Haupt dessen. oer die Weihung vollzog-en hat, den Herrn David und. seine Nachkommen, bis zum Ende aller Geschlechter und von ganz Israel. Für die Schenkung des Prophetenkodex an die !ar·äergemeinde in. Kairo (al-!ähira) ist kein bestimmtes Datum angegeben, aber man muß dom wohl annehmen, daß sie sehr bald nach der Freigabe des Kodex im Jahre 1106 durch die Kreuzfahrer erfolgt ist
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und wir werden mit Sicherheit annehmen kö.nnen, daß dieser kostbare Kodex seit nunmehr 800 oder 850 Jahren der ~aräergemeinde in Kairo gehört. , Als ich im Februar 1956 für ein paar Tage auf der Durchreise in Kairo weilte, habe ich den Chef der ~aräergemeinde zu Kairo, den Juwelier David ben I~ha~ Elisma c (David Zeki Lisma in seinem Gesmäft im Khan al-Khalill aufgesucht und ihn gebeten, mir das Original des Kairoer Prophetenkodex zu zeigen. Er war dazu ger~ bereit, und lud mich ein naeh der vor wenigen Jahren neuerbauten prächtigen l):aräer-S'ynagoge in der cAbbäsIje zu kommen (in der Shärica as-SehII Khazindär). Dort öffnete er den hinten in der Synagoge stehenden großen Geldschrank, in dem in einem Holzkasten, der nach Maß gefertigt war, der Kodex ungebunden lag. Im habe ihn in der Hand gehabt. Er is.t ganz ausgezeimnet erhalten vom ersten bis zum letzten Blatt, und da ich diesen Kodex von der Photographie her sehr genau kannte, konnte ich bei der Durchsicht desselben dem Chef der ~aräergemeinde allerlei ererklären, was er nicht kannte und wofür er sehr dankbar war. Der Kodex wird von den J.(aräern von Kairo als großer Schatz betrachtet und auf das sorgfältigste behandelt. Der große Werf des Kairoer Prophetenkodex beruht darin, daß er der einzige von den alten tiberismen Bibelkodizes ist, der nachweislich durch den prominentesten der Masoreten, den ~aräer Mosche ben Ascher, geschrieben worden ist, für einen prominenten ~aräer in Jerusalem zu Gunsten der I.Caräer in Jerusalem und da er, abgesehen von den sieben Jahren, die er von den Kreuzfahrern beschlagnahmt gewesen war, niemals in den Hä~den von nichtE::aräern gewesen ist, so konnten die emt ~aräischen Angaben, die der Kodex von Mosche ben Ascher selber erhalten hat, erhalten bleiben, und in diesem ältesten datierten Bibelkodex sind uns tatsächlicl1 die ursprünglichen Bestimmungen des Kodex unverändert erhalten. C
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17. Der Leningrader Bibelkodex B 198 Der Leningrader Bibelkodex B 19 a vom Jahre 1008/09, nach dem ich die Biblia Hebraica nam Abmachung mit Rudolf Kittel für die Württemhergisme Bibelanstalt in Stuttgart in den Jahren 1926 'his
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19.37 abgedruckt habe, ist sicher mehr als ein halbes Jahrhundert nam dem Tode des Masoreten Ahron ben Ascher für den Priester Meborak b. Jose! b. Nat~nael b.Ozdad durch einen gewissen Samuel b. Jac~ob geschrieben und mit Punktation und Masora versehen
worden nach den klaren korrekten Handsmriften, die hergestellt hat der Meister ('~'Qi1) Ahron b. Mosche b. Ascher. Der Wert des Kodex beruht natürlich darin, daß er auf Handschriften des Ahron ben Mosche ben Asw.er zurückgeht, die wenige Jahrzehnte nach dessen Tode- (etwa 950) wohl leicht und mit Sicherheit aufgefunden werden konnten. Ahron "ben Ascher hat den von seinem Vater Mosche ben Ascher im wesentlichen festgestellten tiberischen Bibeltext wahrscheinlich oft abgeschrieben oder versmiedene Exemplare mit Punktation und Masora versehen l.J.nd ihm die Form gegeben, in der der tiberische Text dann auf uns gekommen ist. Wir haben ein ausdrückliches Zeugnis dafür von Mischael ben eUzziel, der sein Buch über die Differenzen in den Lesarten des Ben Ascher und des Ben Naftali wahrscheinlich noch im zehnten . Jahrhundert verfaßt hat, daß beide Masoreten in ihrer früheren Zeit öfters anders gelesen haben als in ihrer späteren Zeit. Es scheint, daß wir in dem Londoner Pentateuchkodex Or 4445, an dessen Rande verschiedentlich der große Lehrer Ben Ascher als Autorität zitiert wird, einen Text aus Ahroll ben Ascher's früherer Zeit vor uns haben, und in dem einen Ben Ascher Text, der vom Vater Mosche hen Ascher geschrieben und' mit Punktation und Masora versehn ist, dem in der ~aräer-Synagoge zu Kairo aufbewahrten Prophetenkodex vom Jahre 895, haben 'Yir einen Ben . Ascher Kodex aus noch früherer Zeit. 'Wir können Spuren von Verschiedenheiten in der Lesung der Ben Ascher Kodiz'es noch im Codex Leningradensis B 19 a finden in den zahlreichen Korrekturen, die der Kodex aufweist. Der Schreiber des Kodex, Samuel b. Jackob, hat mehrere korrekte, deutliche und auf Ahron ben Mosche ben Ascher zurückgehende Kodizes als Vorlage gehabt und wir können vermuten, daß die Korrekturen, die der Kodex aufweist, das Ergebnis von Kollationierungen anderer Ben Ascher Kodizes darstellen. Auf diese Korrekturen hat mit großer Sorgfalt Gottfried Quell geachtet, der die Möglichkeit hatte, " bei der Herstellung der Manuskriptvorlage für den Druck der Biblia Hebraica das OrigInal des Codex Leningradensis zu studieren, das 1926 für zwei Jahre auf meine Bitte hin nam Deutschland gesandt
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worden wa-r. Leider sind Quelrs Aufzeichnungen, die er für Rudolf Kittel angefertigt hatte, noch nicht wieder aufgefunden worden. Mit diesen Korrekturen des Leningradensis hat sich Professor Frederigo Perez Castro in Madrid beschäftigt in seinem wichtigen Artikel ,Corregido y correcto. EI Ms. B 19 a (Leninsrado) frente al Ms Or 4445 (Londres) y al C6dice de los Profetas de EI Cairo' 1. Hoffentlich wird es möglich sein, die Aufzeichnungen von Professor Quell wieder zu finden und die Korrekturen in der photographisehen Auf.nahme des Leningradensis zu erkennen. Durch Abraham Firkowitsch ist der Kodex im Jahre 1839 nach Odessa gebracht worden. Aber erst 1845 ist er definitiv der Gesellschaftt für Geschichte und Altertümer daseIhst übergeben worden, so daß Dr. Pinner erst im Namtrag zu seinem Prospectus der der
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Sefarad, XV, 1955, S. 1-30. Odessa 1845, S.81-92.
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hebräisChen Bibelhandschriften der Kaiserlimen Öffentlimen Bibliothek in St. Petersburg (1875) von A. Harkavy und H. L. Strack auf Seite 263-274besmrieben worden. Als ich den Kodex im Jahre 1926 in Leningrad sah, war er in primitiver Weise durch einen Bindfaden zusammengeheftet, der durch die Pergalilentblätter gezogen und oben und unten an schmalen Holzbrettcl1en befestigt war. Der Leningrader Bibeltext B 19a enthält bekanntlich die älteste Form der bi~dul.ce ha-Tecamim, die auf uns gekommen ist. Es ist P in Baer-Strack's Publikation, Leipzig 1879. Auf S,. xxv hei.ßt es hie~: "Von allen von uns benutzten Hilfsmitteln bietet P das reichste masoretische Material". Auf S. xxvi: "P ist, aucl:J. abgesehen von den Vorzügen die in großer Reichhaltigkeit und hohem Alter liegen, ein schätzenswertes Hilfsmittel für richtiges Verständnis des im Hauptteil des Textes dieses Buches Gebotenen, weil alle grammatischen Lehrstücke mit Ausnahme der Abschnitte 9-13 von erster Hand mit Vokalzeichen versehen sind. - Die Nichtvokalisierung " dieser fünf Abschnitte, einige Wiederholungen und die unpassende Stellung mancher Stücke beweisen, daß der Schreiber wiedergegebenes Material aus verschiedenen Handschriften zusammengestellt hat". " Ich bemerke dazu: es ist unzweifelhaft, daß die in diesen Texten gebotene Vokalisation in einer Form gegeben ist, die unter keinen Umständen von Ahron ben Ascher gemacht sein kann. Sie enthält Fehler, die beweisen, daß der Abschreiher den Text nicht richtig verstanden hat. Ich gebe hier fol. 479 b der Leningrader Handschrift in Photographie, auf dem Blatte ist § 3 der Dil.cdu~e ha-Tecamim zu finden, die ich oben in Kap. 13 3 zunächst in der Form des Kairoer Prophetenkodex des Mosche ben Ascher (S. 583) behandelt habe, wo der Text unvo~alisiert ist. In der Leningrader Handschrift ist der Paragraph umgearbeitet.IclI habe oben 4 darauf hingewiesen, welche Fehler die Leningrader Handschrift in diesem Paragraphen bietet und daß sie unter keinen Umständen dem Ahron hen Ascher zugemutet werden kann. Die Leningrader Handschrift zeigt eben nur, was man später dem Ahron ben Ascher zugetraut hat.
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S. oben. p. 61. S. oben. p. 63. 79
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18. Der Aleppo Kodex Der vollständige Text der hebräischen Bibel, der meh'rere Jahrhunderte lang in der Synagoge der Sefardim in Aleppo aufbewahrt gewesen ist, war lange Zeit hindurch mit großer Ehrfurcht betrachtet worden, weil es hieß, daß er von Ahron ben Ascher, dem hochgeschätzten Masoreten aus der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts, mit Punktation und Masora versehen worden war. Wir wissen das zwar nidlt durch ein vom Schreiber des Kodex geschriebenes Kolophon, das uns über die Entstehung und die ältesten Geschicke des Kodex hätte Auskunft geben können. Aber wir können das aus einer Weihenotiz entnehmen, die am Ende des Kodex zu finden war, geschrieben von einem offenbar wohlhabenden ~aräer, Israel aus Ba~ra, durch die der Kodex den ~aräern,die auf dem Berge Zion wohnten, also den ~aräern und in Jerusalem, gestiftet wurde. Er wurde dabei der besonderen Obhut zweier J.(aräischer Nesl'Im anvertraut, dem Nasl Joschija und dem Nasl Jeltez~ija, den Söhnen des Nast Schelomo, des Sohnes des Nasl David, des Sohnes des NasI Boeaz - alle diese gehören zu den Nachkommen des eAnän, des Begründers der ~aräer-Gemeinde und hatten als solche Anspruch auf den EhrentItel nasi "Fürst". Sie sollten qen Kodex herausbringen zu den Wohnplätzen und Synagogen, die in der Heiligen Stadt waren, an den drei Wallfahrtsfesten Passah, Wochenfest und Laubhüttenfest, um in ihm zu lesen und zu verstehen und aus ihm zu lernen alles, was sie wollten und wünschten. Wenn jene zwei großen Nesi'im Joscl1ija und Jel}.ezl}ija - möge ihr Schöpfer sie auf dem Wege des Erfolges leben lassen - es für gut hielten, daß sie ihn der Obhut zweier gerechter und verständiger, unterrichteter und gottesfürchtiger Männer anvertrauten, Männer des Vertrauens, die die Bestechun.g hassen, so sollten sie handeln nach ihrer Weisheit und ihrem Verfügungsrecht. Und wenn einer von allen Nachkommen Israels, von den ~araiten und Rabbaniten, den Wunsm hätte, an irgendeinem Tage des Jahres in ihm nachzusehen Worte der plene- oder defektiv-Schreibung, oder ob ein Satz ohne Unterbrechung geht, oder offen oder gesclUossen ist, oder einen von den Accenten, so sollten sie ihn herausbringen zu ihm, zum Sehen, Einsicl1tnehmen und Verstehen, nic:ht zum Lesen und Forschen, und sie sollten ihn zurückbringen zu seinem Platze und
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ihn bewahren, und nicht sollten sie mit ihm allein bleiben lassen einen unzuverlässigen Mann. Der Herr, der Gott Israels, möge ihn zu einem guten Zeichen machen, zu einem Zeichen des Segens über ihn und seine Nachkom~ men und über ganz Israel und es sollte sich bei ihm erfüllen die Schrift, die geschrieben steht (Is. 44, 3-5) : Denn ich, will Wasser gießen auf das Dürstende und Rieselhäche auf das troCkene Land, und ich will meinen Geist ausgießen auf deinen Samen, und meinen Segen auf deine Schößlinge, auf daß sie sprossen wie Gras unter Wassern und wie Weiden an den Wasserläufen. Der wird sagen: dem Herrn gehöre ich, und der "\vird sich nennen mit dem Namen Jacobs und der wird sich auf seine Hand schreiben "des Herrn" und der wird sich mit dem Namen Israels nennen. Und alle in ihm gesprochenen Segnungen sollen sich an ihm erfüllen, sie sollen kommen, herbeikommen und sich sammeln auf ihn und seine Nachkommen und auf alle seine Angehörigen und auf jeden, der hört, vernimmt und achtet, ~- und tut nach diesen Worten. Und nicht soll er sich verändern und umändern in alle Ewigkeit! Gepriesen sei der Herr ewiglich! Amen und Amen. Einen gewissen Anhaltspunkt für die Datierung des Kodex können wir darin sehen, daß sich ein von demselben Schreiber Schelomo ben BujäCa geschriebener Pentateuchkodex in Leningrad befindet (11 Firk. 17, siehe Masoreten des Westens 1927, S. 58). In diesem Kodex steht eine Notiz, die besagt, dieser Pentateuchkodex sei von Ephraim ben Buj~Ca, dem. Bruder des Schelomo ben Bujäea nlit Punktation und Masora versehen worden und diese Handschrift sei fertiggestellt worden am Freitag, den 8. Kislev des Jahres 1241 nach der Kontraktenära, d. h. am Freitag~ 13. Nov,ember 929 A. D. {nach der Berechnung von Dr. Herbert Loeve, Cambridge}. Dadurch hätten wir einen gewissen Au.haltspunkt für das Datum des Aleppo Kodex. Aber wir wissen nicht, wann dieser Bibeltext nach Aleppo gekommen ist. Immerhin hat Dr. N. \Vieder in ein,em Kommentar zu des Maimonides' lad ha-ba.za~a, den ein gewisser SaCadja b. David al-cAdeni zwischen 1478 und 1484 verfaßt hat und von dem eine Handschrift in der Bodleian Library (Huntington 3(2) sich befindet, auf S. 138 v. folgende Notiz gefunden: "Die Handschrift, auf die der Gaon (d. h. Maimonides) sich be'zieht, befinde sich heute noch. in der Stadt Soba (Ealeb, Aleppo), und man nenne sie die "Krone" (at-täg). Sie sei geschrieben auf Pergament, drei Kolumnen auf der Seite, und an ihrem Ende ist 81 6 Kahl"e. Hebräischer Bibeltext
geschrieben: ,Icll bin Ahron ben Ascher, der den Kodex korrigiert habe. Und ich habe es selbst gesehen und in ihm gelesen'." Wir müssen wohl annehmen, daR der Kodex sich damals, d. h. in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, schon ,seit einer geraumen Zeit in Aleppo befunden habe. Von besonderem Interesse ist die Angabe des Kommentators, daß sich am Ende des Kodex die Notiz gefunden habe: '~J1iT)ilru 'rtlN
1:1 1"nN
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"'Im bin Ahron ben Ascher, der ihn korrigiert hat. Der Kodex muß also im Laufe des 15. Jahrhunderts, als der Kommentar zu dem Bume des Maimonides geschrieben wurde, ein wirkliches Kolophon gehabt haben, das offenbar ganz richtig angab, daß Ahroll ben Ascher den Kodex korrigiert, d. h. ihn mit Punktation und Masora versehen hatte. Geschrieben hatte er ihn ja bekanntlich nicht. Der Kommentator des 15. Jahrhunderts erklärt ausdrücklich: "Ich habe es selbst gesehen und in ihm. gelesen." Kein einziger von den vielen, die den Kodex im Laufe des 19. Jahrhunderts vor sich gehabt haben - und wir wissen, daß es ziemlich viele gewesen sindhat dieses Kolophon des Ahron ben Asmer gese4en. Es muß also seit dem 15. Jahrhundert beseitigt word·en sein. Man könnte sehr wohl vermuten, daß das eigentliche Kolophon des Kodex, das normalerweise vorausgesetzt werden müßte, beseitigt worden ist, als die Weihenotiz an das Ende des Kodex gesetzt wurde oder bei einer anderen Gelegenheit. Das ursprüngliooe Vorhandensein derartiger echter Kolophone müßte man voraussetzen, wenn man siro. den Kairoer Prophetenkodex vor Augen hält, der vollkommen unbeschädigt bis zum heutigen Tage in der ~aräer-Synagoge zu Kairo erhalten ist. Ich verweise hier auf meine Ausführungen über diesen Kodex in Kap. 10 meines Buches. Bei den Kämpfen zwischen den Arabern und den Juden in Aleppo um das Jahr 1948 war der Kodex aus Aleppo versmwunden, und niemand wußte, was aus ihm. geworden war. Da konnte man es mit großem Dank begrüßen, als J. Ben Zvi, der Präsident des Staates Israel, im Jahre 1958 in Vol. xliii der Zeitsoorift Sinai, p.5-13 mitteilen konnte, daß der größte Teil des Kodex erhalten und simergestellt sei. Dem Artikel waren drei Faksimiles beigegeben: Zunächst der Text von Gen 36.3'(-37.30, die einzige Seite des Kodex, die photographiert worden war und die W. Wickes sei~em 82
Buche über die Prosa-Accente (Oxford 188?) als Faks,imile beigegeben hatte, und dessen Schrift zweifellos mit den anderen Blät~ tern des Kodex übereinstimmte. Ferner, abgesehen von einem Blatte Dt 31.28-32.14t ein Blatt, das Jesaia 39.7-40.26 enthält, welches von besonderer Bedeutung ist, weil es die Möglichkeit bietet, ein Stück des Aleppo Kodex mit den1 von Mosche ben Ascher im Jahre 895 geschriebenen Kairoer Prophetenkodex zu vergleichen. Eine genaue Gegenüberstellung der heiden Texte hat ergeben, daß der Aleppo Kodex in allen Einzelheiten von l'ext und Vokalisation genau mit dem Kairoer Prophetenkodex übereinstimmt. Das ergah mit Sicherheit, daß der Aleppo Kodex im wesentlichen auf die Fassung ·des Kairoer Prophetenkoc;lex zurückgeht und auf ihm beruht, und daß als der maßgebende Mann für den tiberismen Bibeltext durchaus der Vater Mosche ben Ascher anzusehen ist. Ahron ben A'sro.er, der Sohn, scheint im wesentlichen Fortsmritte in der Gestaltung der Masora zu bieten. Der in hebräischer Sprache verIaRte Artikel von Ben Zvi ist dann in englischer Übersetzung und in verschiedener Hinsicht erweitert wieder veröffentlicht worden in dem ersten Bande von Textus, A.nnual o{ th~ Hebrem University Bible Project, Edited by C. Rabin (Jerusalem 1960), von J. Ben Zvi unter dem Titel "The Codex of Ben Asher" p. 1-16. Der Artikel ist ein schönes Zeugnis für das lebhafte Interesse, das der Präsident von Israel für diesen Kodex hegt und die Mühe, die er sich gegeben hat, alles, was in Betracht kommt, zusammenzubringen. Und die wichtigsten Nachrichten über den wiederaufgefulldenen Aleppo Kodex sind hier geboten. Etwa ein Viertel des Kodex ist verloren gegangen. Von den ursprünglich etwa 380 Blättern desselben sind nur 294 folios erhalten. Vom Pentateuch fehlt alles bis auf Dt 28.17 bis zum Schlusse des Pentateuchs und die 12 erhaltenen Seiten des Deutronomium sind, einschließlich . des seinerzeit von W. Wickes veröffentlichten Faksimiles, dem Artikel von Ben Z;Vi bei~egeben. Von den früheren Propheten fehlt 2. Kg. 14.21-18.13. Von den späteren Propheten fehlt Jer. 29.9-31.35; 32.2-4, 9-11, 21-24; ferner Amos 8.12 bis Micha 5.1, Zephania 3.20 bis Zamaria 9.17. Von den Hagiographen fehlt 2. Chr. 26.19-35.7, Psalm 15.1-25.2; Hohes Lied 3.11 ~is zum Schlusse der Bibel, so daß Kohelet, Threni, Esther, Daniel und Ezra ganz fehlen.
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Verioren ist auch die Weihnotiz vom Ende des Kodex. Ben Zvi hat sie in seinem Artikel in Textus I 1960 auf p.13f. abgedruckt, ~owie sie von R. Meir Nel).mad in Aleppo 1933 veröffentlicht worden war unter dem Titel (i1~'3 C'N ,11:J). "1 found R. Meir Nel)mad, whom J met on visits to Cairo and ,Aleppo to be a scholar of vast knowedge and scientific acriby", so schreibt Ben Zvi in Textus I auf p.13, Note 30. Das mag im allgemeinen stimmen. Immerhin ist R. Meir Ne~mad nur an einer Stelle im.stande gewesen, den ursprünglichen Text einer später korrigierten Stelle herauszubekommen, vgl. Note 32 im Artikel von Ben Zvi. Ich habe in meinen Masoreten des Westens 1927 mich an den 1'ext der Weihenotiz gehalten, den A. E. Harkavy in c"tu,n "C;JrtI' c) No.6, 1895, p. 7 veröffentlicht hat. Er rühmt sich, den rfext der Weihenotiz viermal im Beisein des Oberrabbiners von Aleppo und vieler Großen von den Sefardis mit aller Sorgfalt untersucht zu haben und hat dabei den ursprünglimen Text einzelner Stellen, die typisch ~aräisch waren festgestellt. Ich drucke den Text der Weihenotiz Dom einmal so ab, wie ich ihn 1927 in meinen Masoreten des Westens abgedruckt habe' und gebe dazu die Varianten, die bei Präsident Ben Zvi nam dem Text von R. Meir Nellmad in Textus I S. 13 f. zu finden sind.
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Der Kodex wurde sehr hoch geschätzt und die Eigentümer desselben hatten streng verboten, ihn zu photographieren. Eine Photographie des Kodex, die nom um das Jahr 188? angefertigt werden konnte, wurde später nicht mehr gestattet. Als ich im Jahre 1926 mit Rudolf Kittel verabredet hatte, daß ich für die Biblia Hebraica in Stuttgart den Ben Ascher-rext pu. blizieren sollte, habe ich sehr ernstlich daran gedacht, als Grundlage für diese Publikation den Aleppo Kodex zu wählen. Aber
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alle meine Versucl1e, die ich mit Hilfe von .,Gotthold Weil, der damals der Direktor der Orientalischen Abteilung der Preußismen Staatsbibliothek in Berlin war,· und mit Hilfe des ihn begleitenden Hellmut Ritter:: des großen Handsmriftenexperten, anstellte, um Photographien des Kodex zu beschaffen, '\varen ebenso vergeblich, wie die Bemühungen, die etwa 20 Jahre später Umberto Cass·uto, während der vielen Monate, die er selber in Aleppo war, anstellte, für eine in Israel zu publizierende hebräische Bibel. Und er war einst der Oberrabbiner von Rom gewesen. Ich konnte mich seinerzeit an die I.Jeningrader Bibelhandsmrift B 19 a halten, die ich 1926 in der Russischen öffentlichen Bibliothek in Leningrad studiert, und in ihrem Wert erkannt hatte. Diese Leningrader Handschrift ist in ihrer "'Veise ausgezeichnet. Sie ist die älteste datierte Handschrift der vollständigen hebräischen Bibel, die wir haben (datiert 1008/9). Sie wurde auf meine besondere Bitte hin für zwei Jahre llach Deutschland (Leipzig) übersandt. Dort wurde der Kodex illl Auftrage \Ton Rudolf Kittet dem ich diesen Kodex als Grundlage für die dritte Auflage der Biblia He1?raica empfahl, durch Gottfried Quell aufs Genaueste untersucht, als er die Druckvorlage für die neue Biblia Hebraica vorbereitete. Quell achtete dabei mit besonderer Sorgfalt auf Korrekturen, die im Kodex vorhanden waren. Wir wissen, daß der Schreiber des Kodex, Samuel ben Jaccob, 'den Leningrader Kodex nach mehreren Vorlagen abgeschrieben hatte, "nach den klaren korrekten Handschriften, die der Meister Ahron b. Mosche b. Asmer hergestellt hatte". In Leipzig sind auch ausgezeichnete Schwarzweiß-Photographien angefertigt worden, die für den Druck der Biblia Hebraica die wichtigsten Dienste geleistet haben. Leider sind die Aufzeichnungen von Quell, die er für Rudolf Kittel ausgearbeitet hatte, nicht niehr gefunden worden. Sie sind wohl ebenso wie die Scl1warz-weiß-~J\.ufnahmenwährend des Krieges in Leipzig zugrunde gegangen. Nur eine auf die Hälfte verkleinerte Rückphotographie, die ich mir für meinen persönlicl1en Gebrau.ch im Orientalischen Seminar hatte anfertigen lassen, ist in Bonn erhalten geblieben. Sie ist wieder in meinem Besitze und ist mir schon oft zum Nachschlagen wichtig gewesen und ist es noch. Aber für die eigentliche Arbeit der nenen Biblia Hebraica, für welche auch wieder die l.Jeningrader Handschrift als Basis genommen wird, sind inzwischen ·neue Aufnahmen vom Original angefertigt worden.
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Die in Jerusalem herausgegebene Bibel (Copyright by the Magnes Press, The Hebrew University, Jerusalem, Printed in Israel 1953) gibt sich als "korrigiert nach der Masorah des Ben Ascher durch Mosche David Cassuto" nro~ "':1 ,toN 1:1 v,~v n."con 'l~' O';')U~) ,ro'CNP "'). Aber die Ausgabe ist erst nach dem Tode von Cassuto hergestellt worden. Für den 'Text der Propheten ist als Grundlage der Prophetenkodex von der Karäer-Synagoge aus Kairo vom Jah"re 895 verwendet worden, von dem auf meine Veranlassung im Jahre 1926 die Schwarz-weiß-Photographie für die Berliner Staatsbibliothek hergestellt worden war. Diese von Mosche ben Ascher (dem Vater) in Tiberias angefertigte Handschrift habe ich oben in Kapitel 10-12 dieses meines Buches eingehend beschrieben. Außerdem hat Cassuto viele Monate lang am Aleppo Kodex gearbeitet. Da dieser Kodex nicht photographiert werden durfte, mußte er süh darauf beschränken, die Lesarten des Aleppo Kodex in das Handexemplar seines Bibeltextes einzukollationieren und das war ein Exemplar der "Letteris" Bibel, die lange Zeit von der British and Foreign Bible Society verbreitet war, einem Nachdruck des Ben Chajim Textes (Venedig 1524/5), der seit 1866 durch die Kollationierung von Ms. Erfurt 3 (= Berlin Ms. Or. Fo!. 1213) modifiziert worden war. Hätte er die von mir herausgegebene Biblia Hebraica zur Kollationierung des Aleppo Kodex benutzt, s~ hätte er es sehr viel einfacher gehabt, da der von mir veröffentlichte Text inl wesentlichen mit dem Aleppo Kodex übereinstimmte. So haben die Männer, die an der Jerusalemer Bibel beschäftigt waren, mit den Kollationierungen von Cassuto, die ja ohnehin nicht abgeschlossen waren, nicht viel anfangen können und für die Ergänzung des Textes des Kairoer Prophetenkodex den Abdruck. ejnes Textes der British and Foreign Bible Society in überaus mühsamer Arbeit so umändern lassen, wie sie es für zweckmäßig gehalten haben und die Verantwortung dafür Cassuto zugeschoben. Meine Besprechung der Ausgabe, die ich in Vetus Testamentum 111, 1953, auf den Seiten 416-420 veröffentlicht habe, ist auf ausdrückliche Bitte von Salman Schocken geschrieben, als ich ihn ganz zufällig einmal 1953 in Bonn traf, und ich habe sehr freundliche Briefe des Dankes für meine Rezension sowohl von der Frau als auch von der Tochter von Professqr Cassuto erhalten.
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19. VorJDasoretisches Hebräisch Der uns gewohnte hebräische Bibeltext hat sich im Laufe der Zeit so vollständig durchgesetzt, daß es uns fast ganz aus dem l~ewu.ßtsein gekommen ist, daß es zuvor andere Methoden der Aussprache des Hebräischen gegeben hat, die uns nicht mehr geläufig sind. Das. gilt sowohl für die einst in Palästina gegebene Form der Sprache, als aum für das Hebräisch, das einst in Babylonien üblich ,var. Es wird eine wichtige Aufgabe der Erforsmung der hebräischen Sprache sein müssen, die älteren Fornlen der Sprache daraufhin zu untersuchen, wie die Aussprachen und die Betonung des Hebräischen gewesen sind~ ehe die tiberischen Masoreten ih.re Arbeit am Bibeltext durchgeführt haben, der mit der Zeit maßgebend geworden ist 1. Gelegentlich läßt sich eine ältere Form der Aussprache noch feststellen_durch eine alte Form der Punktation, die nicht nach späterem Modus geändert worden ist. Ich habe von Professor Diez Macho ans Barcelona ein im Jewish Theological Seminary of America in New York aufgefundenes Pergamentblatt in der nenen Auflage meiner Cairo Geniza 2 ausführlich behandelt, in dem der Schreiber der HandsChrift mit der von ihlll benutzten rötlichen Tinte, die von ihm verwendete palästiniscb.e Punktation beigefügt hatte. Ein tiberiscb.er Masoret hatte dann ohne Rücksicht auf die ursprüngliche palästinisme Punktation nlit schwarzer Tinte tiberische Pu:p.ktation zugesetzt, allerdings in einer Form, die noch in einem früheren Stadium der Entwicklung war, und ich habe versucht zu zeigen, weshalb dies Spezimen ganz besonders instruktiv ist. Eine gewisse Parallele dazu hat Dr. Manfred Dietrich aus Tübingen in dem Bodleian Ms. Heb. d. 29, - fol. 1?-20 in Oxford, in einem bisher nicht beachteten interessanten Stück aus Josua (14.3-21.31) gefunden (vier Doppelblätter), das ursprünglich mit palästinismen Vokalen und Akzenten versehen war und das dann später zu einem normalen tiberismen Text überarbeitet worden ist.
1 Ich verweise auf meine Masoreten des Ostens, S. 162-179, wo ich ausführlich über die Betonung in babylonischen Handschriften gesprochen habe. In Appendix 11, der neuen Auflage meiner Cairo Geniza habe ich die Aussprache samaritanischer Texte behandelt, wie sie 1917 in Näblus durch H. Ritter und A. Schaade festgestellt worden ist, wo auf die Feststellung der Betonung der Worte besondere Sorgfalt verwendet worden ist. 2 Appendix III, S. 336-344.
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Derartige Beispiele werden sorgfältig untersucht ,verden müssen. Ich veröffentliche hier eine Seite (19a) in Faksimile. Bei genauem Zusehen wird man auch in der Abbildung die ursprünglichen palä-
stinischen Vokal- und Akzentzeichen noch erkennen. Solche Angleichung hat im allgemeinen nicht stattgefunden in alten liturgischen Texten von Geniza-Fragmenten mit palästiniswer Punktation, mit denen sich im besonderen Dr. A. Murtonen aus Helsinki befaßt hat, als er 1953 zu mir nach Oxford kam, um seine IJebräischen Studien weiterzuführen. Er kam dabei zu seinem eigenen Erstaune~ zu dem Resultat, daß die Texte mit alter palästinischer Punktation eine auffallende Verwandtschaft mit der Form der Sprache aufweisen, die noch heute die San1aritaner bei ihren Gottesdiensten verwenden, wenn sie die Tora in ihrer Synagoge in Näblus vortragen. In seiner Akademie Dissertation (Materials for a non-masoretie Hebrem Grammar I, Helsinki 1958) hat Murtonen einen Abriß der hebräischen Grammatik nach palästinischer Punktation verfaßt, bei der man dieses Resultat seiner Untersuchungen zwischen den Zeilen lesen kann. Er hat ,,,eiter als Materials for a non-masoretie Hebre~ Grammar 11 ein umfangreiches Vokabular veröffentlicht, das er selbst in QNäblus aufgenommen hat und in Vol. xxiv der Studia Orientalia, edidit Societas Orientalis Fennica unter den1 T~tel An Etymological Vocabulary to the Samaritan Pentateuch (Helsinki 1960). Er hat schließlich als Materials for a non-masoretie Hebrero Grammar IlI eine große wissenschaftlime Grammatik des Hebräischen nach der Aussprache der Samaritaner verfaßt, die bei E. J. Brill in Leiden in Supplements to Vetus Testanlentunl publiziert wird. Was die babylonische Aussprach,e des hebräischen Bibeltextes betrifft, so haben wir einen interessanten und wichtigen Bericht von dem ~aräischen Sroriftsteller Jac~üb al-I)::irl.cisänI, der in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts schrieb und der unter Bezugnahme auf den Palästiner Jae~üb ben Efraim darauf hinweist, daß gewisse' Differenzen in der Lesung des Bibeltextes bei den Palästinern und BabyIoniern nicht die Möglichkeit ausschließen, daß beide Lesarten zu recht bestehen. Im Kapitel 16 des Buches 11 seines We-rkes hat ~ir~isänl (p. 135 f.) darauf hingewiesen 3, daß man in der Bibel mit 3 Ich verweise hier auf die ausgezeichneten Etudes sur Qirqisäni 11 von Georges Vajda, R. E. J. CVII, 1946-1947, p. 91 f.
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zwei Lesungen zu rechnen habe, der babylonischen (al-~irä'at a1eirä(cl) und der palästinismen Lesart (al-lsirii' at asch-schämt). Wenn die Palästiner Recht hätten und die Lesung der Babyionier falsch wäre, sO'-'wäre bei den BabyIoniern ein Mangel festzustellen, und wenn das so wäre, so könnte man nicht sicher sein, daß das, was von den· BabyIoniern, die doch in den Händen von so vielen sind, gerade das ausgefallen wäre, was in den Händen der Palästiner ist, die nur gering an Zahl sind. Die Lesung der Babyionier erfülle die ganze Welt, denn sie erstrecke sich von den Grenzstätten ar-Ra~~a (am Euphrat) bis zur Grenze von China, nach der Län.ge und Breite, und umfasse die, welche in Mesopotamien, Khorasän, Färis, Kirmän, I~fahän, al- Jamama, al-Bal)rain, al- Jaman und anderen Gebieten wohnen. Und wenn von dem was in den Händen von all diesen ist, etwas ausgefallen wäre, so wäre es schon besser gewesen, wenn von all dem, was in den Händen der Palästiner war, etwas ausgefallen wäre aus der Bibel (dem Buche) wegen ihrer geringen Zahl ... und es waren doch in Babylonien Gottesmänner und Propheten wie Eze~iel und Daniel und andere, ... und es wäre doch unde~kbar, daß sie eine Lesung und eine Sprache hätten verwenden können, durch die Gott sich nicht hätte verehren lassen können ... Aus diesen Ausführungen geht hervor, daß in der Zeit vor I>.irl.cisünI, als dessen Gewährsmann, der Palästiner Jac~üb h.-EfraiIl1 schrieb, man von einer sehr großen Menge von Leuten wußte, die die babylonische Lesung der Bibel lasen, und nur von einer relativ beschränkten Zahl von Leuten, die von der palästinischen Lesung cl er Bibel wußten. Wir wissen nichts näheres über Jae~fih ben EfraiIn asch-Schäm!, aber von einer geringen Zahl, der mit dem Bibeltext beschäftigten Juden aus Palästina kann man doch nur reden in der Zeit, die der tiberischen Punktation voranliegt. Wir ,vissen, daR der große jüdische Gelehrte Saeadja, der später als Saead.ja Ga'on der Chef der jüdischen Akademie von Sura in Bab"ylonien war, eine Zeitlang die Masoreten in Tiberias persönlich erlebt hat, als er nach seiner Flucht aus seiner Heimat Ägypten dort weilte und unter seinenl Lehrer~ dem Kätib (Sekretär) Abu KathIr studierte 4. 4 cf. meinen Artikel: The Masoretic Text of the Bible (First Lawrence Kostoris Lecture, The Journal of J ewish Studies, vii, 1956, p. 133-153).
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Sar.adja ist, soviel ich weiB, abgesehen von dem ~aräer ~irl.c.isänI, der einzige jüdische Gelehrte, der von der babylonischen Überlieferung des Bibeltextes noch etwas '\TuRte (vgl. Vet. Testamentum, X~ p. 381 f.). Vor etwa 60 Jahren habe ich in Ms or qu 680 der Berliner Staatshibliothek sehr sorgfältig mit superlinearer Punktation versehene Pergamentblätter der Ketubim gefunden, die mir gleich als sehr. ungewöhnlich auffielen, und die ich genauer zu untersuchen beschloß. Als superlinear punktierte Texte lag es nahe, sie als babylonisch anzusehen. Die Berliner Handschrift hatte nichts zu tun mit deIn sog. Petersburger Prophetenkodex von 916, der zwar babylonische Punktation aufwies, die aber mit der neuaufgefundenen Berliner Handschrift yerglichen doch letztlich nur als ein,e Umarbeitung des tiberischen Bibeltextes betrachtet, und daher als eine babylonische Handschrift kaum bezeichnet werden konnte. Die Handschrift hatte auch zunächst nichts mit der sog. jemenischen Punktation zu tun, die später in Babylonien übliclJ. ,vurde, um die babylonische Punktation der inzwischen maßgebend gewordenen tiberischen Punktation anzugleichen. ÄußerliCh schien die Handsmrift nicht sehr ansehnlich zu sein, wenn man daran denkt, daß Moritz Steinschneider in seiner Beschreibung im Katalog der Berliner Handschrift (11 p. 2) die Handschrift mit den Worten beschreibt:
Pergaluent 94 BI., mitt!. Quadrat mit babylonischer Punktation über den Buchstaben; großenteils angefaulte Bibelfragmente mit Randmasora, ungeordnet; hauptsächlich lIagiograph·en (incl. Megillot). Psalmen, Hiob und Sprüche sind strophisch abgeteilt. Hermann L. Strack hat in seiner Grammatik. des Biblischen AraDläisooen in der 3. Auflage (Leipzig 1901) den von mir vorbereiteten Text von DanieI4.21-7.7 abgedruckt und in der Einleitung zu seinem Buche mitgeteilt, daß die v~n mir bearbeitete Handschrift (im Jahre 1879) von dem Antiquar Shapira aus Südarabien nach Berlin gebracht und durch Richard Lepsius (der seit 1873 Oberbibliothekar der Preußischen Staatsbibliothek war) auf seine (Stracks) Empfehlung hin angekauft worden ist. Strack soll den von mir bearbeiteten Danieltext in späteren Auflagen seiner Grammatik mehrmals wieder abgedruckt haben, ohne daß ich davon et\vas erfahren habe. Ich habe die Handschrift genau untersucht und in meinem Buche 92
,Der Masoretische Text des Alten Testaments nam der Oberliefel'ung der Babylonischen Juden', Leipzig 1902, den Nachweis geführt, d.aß wir es hier mit einer emt babylonischen Handschrift zu tun haben. Sie muff sicher noch aus der Zeit stammen t von der der Palästiller Jae~üb b-Efrainl, der Gewährsmann des Jal1~üb al-~ir~isäDI, berichtet. Mein vereh.rter I.Jehrer Franz Praetorius, der, als ich ihm berichtetet daß ich mit der Berliner Handschrift besmäftigt sei, mir sagte, er habe das Manuskript auch in den Händen gehabt, ohne jedocll zu ahnen t welchen Schatz er da vor sich gehabt habe, war über Ineine Entdeckung dieser echt babylonismen Handschrift sehr erfreut. Unter ihm hat dann bald danach eine zweite babylonische Handschrift untersucht werden können, die zu den yon Abraham Firkowitsch in Tschufutkale bei seinem Tode hinterlassenen Handschriften gehörte, die dann von der russischen Regierung angekauft worden waren und die nun als No. 1546 der Biblischen Pergamenthandschriften der 11. FirkowitsCh-Sammlung durch Vennittlung von Professor von Kokowzoff nach Halle geschickt worden war, vier Pergamentblätter in Quartformat mit Teilen des Textes von Hiob, die die nächste Ähnlichkeit mit der Berliner Handschrift aufwiesen uD.cl mit deren Untersuchung Johannes Weerts unter Franz Praeforius seinen Dr. phi!. erwerben konnte. Besonders wertvoll war in diesem Leningraper Fragment, daß hier keine Beeinflussung durch die jemenisme Punktation stattg-efunden hat" die in der Berliner Handschrift zum Teil durchgeführt ",-orden war. Die Arbeit ist in ZA.W xxvi .1906 p. 49-84 veröffentlicht worden. In meinem Buche Masoreten des Ostens, Leipzig 1913, habe ich dann das babylonische Material an Bibeltext und Targum, das ich bis dahin; gesammelt hatte, zusammengestellt und untersucht. Sehr vieles weiteres Material habe ich ferner in einem Artikel "Die hebräischen Bibelhandschriften aus Babylonien" in ZAW xlvi, 1928, veröffentlicht. In diesem Artikel konnte ich, dank einer Extrabewilligung des Preußischen Kultusministers t 70 Abbildungen von babylonischen Bibelhandsmriften beigeben. In der Einleitung zur Biblia Hebraica habe ich dann unter der Überschrift Index Codicum Veteris Testamenti Babylonicorum weiteres babylonisches Material aufgeführt. Eine Ausgabe des Hebrä93
ischen Bibeltextes und der Texte der Targume nach babylonischer Überlieferung war schon deshalb dringend erforderlich, da diese auf die Zeit zurückgehen, die vor dem Beginn der tiberischen Masoreten lag. Genauso wichtig sind natürlich die Untersuchungen der westlichen Überlieferungen des Hebräischen, die von Murtonen durchgeführt worden sind, durch eine genaue Untersuchung der von den Sanlaritanern überlieferten Sprache, die weit vor dem Beginn der l'iberischen Masoreten lag. In ferner zurücklieg·ende Zeiten führt uns die Überlieferung der Hexapla, deren zweite Kolumne sicher nicht auf Origenes zurürk~ geht, wie das Giovanni Card. Mercati glaubte, sondern bestimmt jüdischen Ursprung hatte. Da das Material dieser Hexapla voraussiclJ.tlich ziemlich beschränkt ist, müssen wir uns daran erinnern, daß das gewaltige Material an umschriebenen Eigennamen in griechischen Bibelhandsmriften systematisch untersucht werden lunß, das bisher noch fast gar nicht in Betracht gezogen worden ist, das aber g'ründlich und eingehend herausgezogen werden muß von denjenigen, denen an der wirklichen. Erforschung der hebräischen GramIna tik gelegen ist.
Anhang
The Illuminations in t,!e Cairo Mosdte-b.-Asher-Codex 01 the Prophets completed in Tiberias in 895 An, by R. H. Pinder WilSOD, Departement of Or. Antiquies, British Museum, London with contrihutions by R. Ettinghausen, Freer Gallery, Washington For the historian of Muslim art, the manuscript poses two questions. First, to what extent does its decoration reflect the contemporary artistic idiom oi' the Islamic world; and secondly, what if any, is the connection between the physical aspect of the Hebrew and Islamic book? The leaves under diseussion eonsist of thirteen pages, viz., pages 1-9 and 11 at the beginning of the manuscript and pages 581, 583 and 587 at the end. The decoratioD of each of these pages is eontained within a more or less square frame; and ean be divided into four groups: (a) Two pages (1 and 11) eontaining identieal panels of complieated geometrie interlacings based on circles and quatrefoils. (b) Five pages (2, 4, 7-9) eaoo containing a rosette of different form enclosed by a framing band with ornaments in the spandreIs. (c) Four pages (3, 5, 6, 587) eontaining designs more or less suggestive of armitectural settings. (cl) Two pages (581 and 585) with marginal deeoration alongside the text. A striking feature of groups (b) and (c) is the use of Hebrew characters as an integral part of the decoration. In pages 2 and 4 they are used to form an elaborate encireling band around -the rosettes and spandreI orna.. ments. In the pages of group (c) they describe the outlines of arcades and gables. Such a use of script is unknown in Islamie art in this period but may have been an established praetiee among the Hebrew illuminators. The deeorative employment of script was current in the east as early as the fourth century when COßstantine the Great's court poet, Por.. phyrius, made fashionable the "carmina figurata". The same technique must also have been known in the west for a Carolingian .manuseript of Aratus, considered a eopy of a fourth century original, illustrates the constellations with tbe Latin text used to fill in tbe outlines of the figures (vide A. Grabar and Nordenfalk, Early Mediaeval Painting, 1957, p. 91 f.). Another feature that seems not to be derived from an islamie source is the armitectural settings of group (e). Admittedly the interpretation of this type of deeoration as architeetural is open to question - the ap.. parently haphazard arrangement of geometrie figures in pages 3, 5 and 6 ean lay claim to this title only by some considerable stretch of the imagination - nevertheless, in page 587 the form is explieit, and the meaning elear. It is surely not fanciful to connect the arcade here portrayed with the areaded settings of the Eusebian Canon Tables appended to manu-
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scripts 01 the Gospels trom the fourth century onwards. Nordenfalk in his study of the Canon 'fables (Die Spätantiken Kanonentafeln, Gothenburg, 1938) has drawn attention to the fact that while in the w~est the artist adhered strictly to the architectural structure of the arcade or "tholos", the tendency in the east was towards schematisation with the consequent loss of the original armitectural significance of the setting. This is particularly true of the Syriac scribes and it is not without interest that among the eanon rrables in a Syriac manuscript preserved in the Biblioteca Laurenziana, Florence and copied at Beth-Zagba in 586 A. D., eertain of the arcades are decorated wit floral finials not unlike those in the Massoretic manuscript (Nordenfalk, plates 144-147). With regard to the floral and geometrie ornament, the connection with the ornamental repertory of early Islalnic art is at onee evident. The geometrie interlacings of group (a) are typical of a type of ornament weIl established in Umayyad and Abbassid art and have a history extending back into elassieal antiquity when the device was common in mosaic pavements. Indeed, a somewhat simplified version of tlle Massoretic interlaeings oecurs in a mosaie, diseovered at Antioch and dated between 450 and 540 A. D. (Dora Levi, The Antioch }losaics, Prineeton, 1944, plate CXXXV). Geometrie interlaeings are found in the decorative panels separating suras in a copy of the Qur'an presented to the ~10sque of (Amr in Cairo, in 725 A. D. and now preserved in tbe Egyptian State Library (Moritz, Specimens 01 Arabic Palaeography, espeeially plates 8 to 12). Although not contemporary with the manuscript these panels must date from the 9th eentury. Even more relevant to our enquiry are the first leaves from a Qur'an presented to the Great Mosque of Damaseus and at one time in the collection of F. R. Martin (Martin, The Miniature Painting and Painters 01 Persia, India and Turkey trom the 8th to the 18th century, London, 1912, vol. 11, plate 233). These show a chequer board
pattern with a rectangular horder of interlacings. In page 1 a palmette projects frQm the middle of the outside edge of the geometrie panel. This is a typical feature of Islamie illumination and is usually considered to derive from the "tabula ansata" of classieal antiquity. The "ansa" in the form of a palmette is of frequent occurence in the panels dividing suras as weIl as in the ornaments 1 pages of the Qur~an from the Mosque of (Amr already referred to. The details of the floral ornament in the pages of group (b) are strikingly lslamic. Rosettes enclosed by a square are kn·own as early as the Hellenistic period. In the Roman period a type of rosette was evolved in which stylised leaves and flowers radiated from a corolla. In the Sas-. sanian version known from carved stucco roundels found at Ctesiphon and more reeently at Bishapur, the stylisation is more developed, the radial elements being attached to a central boss. It was this type that was current in Syria during the Umayyad snd Abbassid period, above all in the great sculptured faeade of Mshatta where the rosettes für the most part have lobed or polygonal ontlines. Unfortnnately no such type of rosette appears in those Qur'an manuseripts that have been published
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hut it is not unreasonable to suppose that they may have been used either in the roundels indicating five or ten verse divisions or as whole page decorations. Is it not possible that some such motive anticipated the development of what is ODe of the finest achievments of the Muslim illuminator, the shamsa that ~dorns the opening leaves of the more splendid manuscripts from the 13th century onwards? The eight pointed figure in page 7 is formed by squares interlaced with an inner and Oll ter circle. This again is a fairly common motive fronl the Umayyad period onwatds. Martin (op. cit. vol. 11, 'plate 234) illustrates a leaf from a Qur'an (which he dates in the 9th century) in which a reetangular frame encloses an eight pointed figure formed of two superimposed squares interlaeed with an inner eircle. The "roundel" com.. position, of course, is known in eastern and western schools of illumination. A weIl known example is to be found on folio 6 verso of the Vienn8 Dioseorides (written in Constantinople about 500 to 510 A. D.) where two interlaeed squares enciosed by a circle provide the frame~ for a portrait of Anieia Juliana for whom the book was made, between Megalopsychia and Phronesis. The title page of a fragmentary Gospel book written at Wearmouth or Jarrow in the late 7th to 8 th eentury has a eircul.ar frame of interlacing areades in w hirh are inseribed in Creek an invocation to the Virgin (E. A. Lowe, The Uncial Gospel leaves attached to the Utremt Psalter, The Art Bulletin, vol. XXXIV, 1952, p. 237 f. aod plate). Finally a few remarks about individual motifs. The paired links in pages 5 and 585 oeeur in an 8th century Qur'an from the Khodja Akrar Mosque at Samarqand (V. Stassov, L'Ornement Slave et Oriental d'apres les Manuscrits anciens et modernes, St. Petersburg, 1887, plate CLIII, 5) and now preserved in the Public Library, Leningrad. The rosettes formed by a whorl of leaves in page 585 has a parallel in a 9th to 10th century Qur'an where the rosette is used to indieate a ten verse division (Moritz, plate 45). The serolls arranged in tbe shape of a palmette or flower in pages 7 to 9 and 587 are similar to the "ansa" in the leaf from the Mosque of ~Amr Qur'an which also has an enclosing eontonr line; and again in the openiog leaves of a Qnr'an given to the Great Mosque of Damaseus in 920 A. D. (Martin, op. cit. plate 233). The leaf seroll in page 5 is simil.ar to the ansa of a panel dividing the suras in a Qurtan (Moritz, plate 34). The "chequer board squares" forming the bases of the corner palmettes in page 7 occur in nother Qur'an leaf (Martin, op. eit. plate 235). The fine line drawing of the framing band in page '7 makes an effective contrast to the more heavily drawn ontlines of the other ornament. This too is a feature found in Kufie Qur'ans (e. g. in folios 1 verso and 22 verso of a Qur'an manuseript (Or. 1397) in the British Museum which is unpublished). The mosaie-like dots used to embellish the decoration in the Massoretic pages is not only eommon in Qur'an of the same period but is also a feature of the Iustre painted pottery of Iraq produced in the 8th,and 9th century. It should be evident from this brief analysis that with the exeeptions
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enumerated above, there is hardly a single decorative motif which does not belong to the repertory of early Islamie art. Even nlore signifieantly~ a great many of these lnotifs ean he paralleled in the illumination oi contemporary Qur'ans. With regard to the general decorative structure of the Massoretic book, and its relationship to the Islamie hook we have seen how the arrangement of the ornament in the pages of groups (a) and (b) is related to that of the rare surviving leaves from early manuscripts of the· Qur'an. Furthermore, the oecurrence of tbe "ansa" in tbe form of a palmette in both the Hebrew manuseript and in Qur'ans is a factor of deeisive importance. The Massoretie leaves are anterior by a few years to their earliest Islamie equivalents that permit of precise dating. The question natura.lly arises where aod how was this partieular form of book decoration evolved. Any solution will have to be related to the wider problem of the origins of certain schools of western illumination. Purely decorative pages .seem to be unknown in Christian manuscripts of the east. In the west however there are remarkable examples of such pages in Hiberno-Saxon and Northumbrian manuscripts of the 8th century, above all in the Lindisfarne Gospels. These adapt Celtic ornament to a centrally planned composition not unlike that of our group (b). In recent years it has been pointed out that the antecedents oI these insular manuscripts are to be found in a group of manuscripts produced in northern Italy in the 7th century. The only examples of an all-over geometrie design similar to our groupe (a) oeeur in Ottonian manuseripts of the 11 th century.
1: Abbildung 1 im Prophetellkodex des Mosche b. Ascher aus der I>:aräer-Synagoge in Kairo von A. D. 895
2: Abbildung 2 inl Prophetenkodex des Mosche ben Ascher aus der ~aräer-Synagoge von
A. D. 895 in Kairo
3: Abbildung 3 im Prophetenkodex des Mosche b. Ascher aus der I>.aräer-Synagoge in Kairo von A. D. 895
4: Abbildung 4 iIn Prophetenkodex des ~1osche b. Ascher aus der l):.aräerl.SYllagoge illKairo yon A. D. 895
5: Abbildung 5 inl Prophetenkodex des Mosche b. Ascher aus der }S::aräer-Synagog'e in Kairo von A. D. 895
6: Abbildung 6 ün Prophetenkodex des Mosche ben Ascher aus der ~aräer-Synag'oge in Kairo von A. D. 895
Abbildung 7 ün Prophetenkodex des ~1osche b. Ascher aus der ~aräer-Synagoge in Kairo von A. D. 895
8: Abbildung 8 iIn Prophetenkodex des Mosche b. Ascher aus der I}.aräer-Synag·o"ge in Kairo von A. D. 895
9: Abbildung 9 iIn Prophetenkodex des :rvlosche b. Ascher aus der J.(aräer-Synagoge in Kairo von A. D. 895
10: Abbildung 11 im Propheten kodex des ~·1osche b. Ascher aus der ~aräer-Synagoge in Kairo yon A. D. 895
11: Abbildung 581. Ende von ~·laleachi
Mosche b. Ascher aus der
VOll1
~aräer-Synagoge in
Prophetenkoclex des Kairo datiert A. D. 895
12: Die Zahl der Verse der Bibel aus p.582 im Prophetenkodex des Mosche b. Ascher aus der ~aräer-Synagoge zu Kairo A. D. 895
13: Das Seder ha ~1i~rä auf p. 583 iln Prophetenkodex der ~aräer Synagoge zu Kairo "on A. D. 895
16: Der prominente ~aräer JaCbe~ b. Schelolno ha-Babli in Jerusalem beauftragt auf S. 585 den Masoreten Mosche b. Ascher in rriberias Init der Herstell ung des Prophetenkodex von A. D. 895
14 (links oben): Das Seder ha-Mil~rä aus deIn Bibelkodex Leningrad B 19 a von 1008/9 fol. 479 a
15 (links unten): Die Liste der Propheten aus p.584 iIn Prophetenkodex des Mosche b. Ascher aus der ~aräer-Synagoge zu Kairo von A. D. 895
17: Das Kolophon des Mosche b. Ascher auf S.586 im Kairoer Propheten-
kodex zeigt an, daß der Kodex iIn Jahre 827 nach der Zerstörung des Tempels, d. h. inl Jahre 895 A. D., geschrieben ist
18: Die letzte Abbildung auf p.587 inl Prophetenkodex des Mosche b. Ascher aus der }S::aräer-Synagoge in Kairo von A. D. 895
= Jos xviii 8 xix 9 geschrieben über einenl Text nlit Palästinischer Punktuation
19: Ms. Bodl. Heb. d. 29. Fol. 19 b
Jos xviii, 8 xix 9 paläst. Punktuation entziffert von Dr. Manfried Dietrich
20: Ms. Bodl. Heb. d. 29. pol 19 r.
21: Psalterii Hexapli Reliquiae, cura et studio JOHANNIS Card. MERCATI, Psalmus xxvii, 6-9 -J
FR·ANZ.DELITZSCH.VORLESUNGEN Herausgegeben vom Institutum Judaicum Delitzschianum, Münster/Westfalen WILHELM MAURER
I{irche und Synagoge I
S'akrales I(önigtum im Alten Testament und im Judentum 1955. 128 Seiten. Kartoniert DM 10.80 "Widengren sieht den priesterlichen Charakter des israelitismen Königs im Zusammenhang der Erneuerung des Lebens am Neujahrstage und des Mythos von sterbenden und aufe·rstehenden auEe·rstehenden Göttern. Der König ist Priester mit allen ,Voraussetzungen eines Propheten und Gesetzeslehrers' und ,spielt zugleich die Rolle eines Gottes'. Die ganze Ideologie des ,sakralen Königtum" erweist sich besonders am, Laubhüttenfest lest als wirksam." Monatsschrift für Pastoraltheologie
JOACHIM JEREMIAS J~su
Verheißung für die Völker
2. Auß. 1959. 69 Seiten. Kartoniert DM 7.80 "Die Studie ist geeignet, unsere Nüw.ternheit Nümternheit bei Beurt~ilung der christli
Von Moses Mendelssohn zu Franz Rosenzweig Typen jüdis
E R W I N R 0 SEN T H Ä L"
Griechisches Erbe in der jüdischen Religionsphilosophi'e des ~ittelalters 1960. 110.,Seiten. Kartoniert DM 15.In der Frage des höchsten Gutes, der mens
KOHL HAMMER