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(ELV (2,14) zur Rede von der Rechtfertigung wechseln. Für das Verständnis der soteriologischen Konzeption des Jakobusbriefes von einigem Gewicht ist nun, was die "Rechtfertigung aus Werken" bzw. "aus aus Werken zur Ganzheit gelangter Glauben" oder auf 1,22-25 bezogen: was otrWC; ~IXKapLOC; EV rfj rr01170El aurou EOtIXL genau besagt. Hat PsJakobus Sündlosigkeit und eine perfekte ErfUllung des Gesetzes im Blick oder eher die Grundhaltung der aufrichtigen und umfassenden, d.h. ungeteilten Ausrichtung der Existenz auf Gott und seinen Willen hin, Scheitern dabei und Vergebung eingerechnet? Die Textindizien weisen deutlich auf die letztere Option. In 1,22-25 verweist die Wahl der substantivischen Wendung TIOLllt~C; A,OYOU!EPYOU (nicht EPYWV) eher auf eine grundsätzliche Haltung. Vor allem aber fordert PsJakobus die Adressaten in 5,16 zum Sündenbekenntnis und zur gegenseitigen Fürbitte um Heilung von Sünden auf. V.16c hat im Kontext die Funktion zu begründen, warum Gott das Bittgebet erhört62 • Bringt man die Reziprozität der Aussagen in V.16a.b in Anschlag, beachtet man also, dass PsJ akobus die Gemeinde hier nicht in Sünder und Fürbitter unterteilt, kann man den Textzusammenhang ohne weiteres so verstehen, dass auch bei Gerechten Sünden anzutreffen sein können. Gerechtsein hat demnach nicht vollkommene Sündlosigkeit zur zwingenden Voraussetzung, wohl aber das - Abkehr von dem sündhaften Tun signalisierende - Bekenntnis der Sünden und die ernsthafte Bereitschaft, in allem dem Willen Gottes gemäß zu leben (vgl. z.B. PsSaI9,7). Ist in 5,16c vorausgesetzt, dass es gerechte Christen gibt, so rechnet PsJakobus nach 3,2 hingegen offenbar nicht mit vollkommenen, weil er weiß, dass "wir uns alle mannigfaltig verfehlen". Kurzum: Gerechtund Vollkommensein ist rür PsJakobus offenbar nicht einfach dasselbe. Dem fUgt sich 1,4-8 nahtlos ein. Christen, denen es an Weisheit mangelt, fordert PsJakobus auf, um sie zu bitten. Voraussetzung fUr den Empfang von Weisheit ist aber, dass man dies EV TILOtEt ~llÖEV ÖLIXKPLV6~EVOC; tut. ÖLCXKPLVE08cxL wird hier häufig im Sinne von Zweifel, von mangelnder Erhörungs~ewissheit, EV TILotEt entsprechend im Sinne von Gebetszuversicht verstanden 3. Aber dazu passt TILonc; in V.3 nicht, und vor allem setzt V.7 Erhörungsgewissheit voraus. 62
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Vgl. Burchard, Jak, 212. Siehe exemplarisch Mußner, Jak, 69 und Klein, Werk, 92f.
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Ferner wird öLaKpwollEvo<; in 1,8 durch ölttmxo<; aufgenommen, und dabei geht es, wie 4,1-10 deutlich macht und oben bereits ausgeführt wurde, um eine grundsätzliche Gespaltenheit der Lebensorientierung. EV lTlotEL 1l1lÖEV öLaKpLvOIlEva<; nimmt also nicht Gebetszweifel ins Visier, sondern mahnt zu einem entschiedenen Glauben, zu einer ungeteilten Orientierung an Gott. Vorausgesetzt ist damit in 1,5f, dass es eine solche ganzheitliche Ausrichtung des Lebens an Gott und seinen Willen auch dann geben kann, wenn es an Weisheit noch mangelt, die ein Christenmensch aber insofern braucht, als sie hilft, die lTELpaOIlOI. lTOLKlAOL dauerhaft schadlos zu bestehen und die Gebote Gottes in Praxis umzusetzen 64 • Anders gesagt: Fehlt es an Weisheit, ist die Gefahr von Fehltritten erhöht; man braucht sie, um dem EPYOV tEAELOV näher zu kommen. Wiederum zeigt sich: Ungeteilte Orientierung an Gott ist nicht einfach dasselbe wie die Vollkommenheit, auf die VA ausblickt. Oder anders gesagt: Der öltlruxo<; ist nicht das genaue negative Gegenstück zum tEAELO<;. Voraussetzung für das Gerechtsein von Christen ist entschiedener Glaube, der es zu Werken bringt, ist eine Orientierung am ganzen Gesetz, die ihre Früchte zeitigt. Täter des Wortes sind jedoch nicht schon Vollkommene, wohl aber solche, die es werden wollen, auch wenn sie dieses Ziel nicht erreichen. Diesem Ansatz fügt sich schließlich harmonisch ein, dass das Genesiszitat in Jak 2,23 durch KaI.
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Zur Weisheit im Jakobusbrief ausführlicher Konradt, Existenz, 249-265. Siehe ferner den Exkurs bei Burchard, Jak, 155-158. Vorausgesetzt ist dies ebenfalls in dem Nebeneinander von VOllo8EtT\C; und KPL't"~C; in 4,12. Zur entsprechenden Deutung von 2,8-11 s. oben (bei) Anm. 54.
Geboren durch das Wort der Wahrheit
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nur im Ideal-, nicht im Regelfall ein 1TOlllt~C;; EPYOU tEAELOU (vgl. 1,4). Als Gerechten, als jemanden also, der das von Gott durch die Geburt A6y~ UA1l8ELUC;; eröffnete Gemeinschaftsverhältnis seinerseits angenommen hat und entsprechend lebt, erkennt Gott auch ersteren an. Die Vollkommenheitsthematik fungiert im Jakobusbrief als anspornendes Ziel, als motivierendes Ideal, das, realistisch betrachtet, kaum zu erreichen ist (s. 3,2). In diesem Sinn ist PsJakobus kein Perfektionist. Worauf es aber ankommt, ist das aufrichtige Bemühen darum, womit die ungeteilte Orientierung der Existenz auf Gott hin im Blick ist. Und dies entscheidet sich zentral an der Haltung gegenüber dem eingeborenen Wort. Nur-Hören reicht nicht, eine bloß partielle Erfiillung des Gesetzes, d.h. bloß ausgewählter Gebote auch nicht. Das Gesetz ist als Ausdruck des göttlichen Willens eine Einheit und als Ganzes zu tun. Schließlich: Indem PsJakobus in 2,12 zu v6~oc;; erneut EAEU8EPLUC;; als Genitivattribut hinzusetzt, verweist er auf den in 1,13-25 entfalteten theologischen Begründungszusammenhang zurück. Den Christen ist mit dem in 2,12 genannten Maßstab des Gerichts nichts Unmögliches abverlangt. Denn das ihnen eingestiftete Wort ist eine Kraft, dank derer sie dem Treiben der Begierde ohne weiteres standhalten können und die sie bei den geforderten, zum Glauben dazugehörenden Werken unterstützt. Wenn aber in der Gemeinde "Ansehen der Person" sein Unwesen treibt, wenn die Reichen, weil sie reich sind, hofiert werden, wenn die Adressaten sich also an einem Werte system orientieren, das mit dem im Gesetz niedergelegten Willen Gottes schlechterdings unyereinbar ist, zeigt dies, dass sie den "Lebenskeim" des Wortes in sich verkümmern lassen, sich auf Gottes Wort nicht wirklich eingelassen haben, sondern die Begierde trotz der Heilsinitiative Gottes sie beherrscht. Sie sind von der - durch das Wort erschlossenen (1,18) - Wahrheit abgeirrt (5,19), haben sich von der Begierde auf den "Weg des Todes" (vgl. 1,15) (zurück)fiihren lassen, kurzum: Sie spielen mit ihrem "Leben", das Gott ihnen geschenkt hatte. Die Chance zur Umkehr steht ihnen offen (4,7-10; 5,19f). Ergreifen sie sie nicht, werden sie Öl/x. v6~ou EAEU8EPLUC;; verurteilt werden. Um dies zu verhindern, schreibt PsJakobus ihnen. Die Basis seiner Mahnungen bildet der soteriologische Bekenntnissatz in 1,18, in dem die Grundpfeiler seiner theologischen Konzeption in nuce enthalten sind. Wozu PsJakobus seine Adressaten zu ermahnen sucht, ist, kurz gesagt, dass sie sich in ihrem alltäglichen Verhalten als Menschen zeigen, denen Gott durch das Wort der Wahrheit das Leben geschenkt und das Wort als Kraft dieses Lebens eingestiftet hat. Im Endgericht werden sie daran gemessen werden.
Der Jakobusbrief als Brief des Jakobus. Erwägungen zum historischen Kontext des lakobusbriefes im Lichte der traditionsgeschichtlichen Beziehungen zum 1. Petrusbrief und zum Hintergrund der Autorfiktion Matthias Konradt
Ist der Jakobusbrief "echt", wurde er in Jerusalem vor 62 n. Chr., dem Todesjahr des Herrenbruders, abgefasst. Ist er es, wie die Mehrheit der Ausleger m.E. mit Recht annimmt, nicht', ist die Frage nach dem historischen Ort des Jakobusbriefes offen - und schwer zu beantworten. "Lokalkolorit fehlt,,2. Einen möglichen Zugang bilden die traditionsgeschichtlichen Beziehungen des Jakobusbriefes zu zeitgenössischen Schriften. Dies gälte zumal dann, wenn sich bei dem ein oder anderen Traditionsstück verschiedene Stränge unterscheiden ließen und die im Jakobusbrief vorliegende Ausprägung der Tradition hier zuzuordnen wäre. Da mündliche Tradition auf Träger(kreise) angewiesen ist, könnte man von da aus weiterfragen, ob sich der traditionsgeschichtliche Befund mit bekannten Daten der Geschichte des frühen Christentums in Beziehung setzen lässt. Ein Seitenaspekt der historischen Verortung ist dabei die Frage nach dem Hintergrund der Autorfiktion: Warum gibt der Verfasser seine Ausführungen ausgerechnet als ein Schreiben des Herrenbruders Jakobus aus? Ist er Zeuge eines Christentums, in dem Jakobus als die kirchliche Autorität in Ehren gehalten wird? Gibt es auf der materialen Ebene eine Beziehung zwischen dem im Jakobusbrief aufgenommenen Traditionsgut und dem Jerusalemer Gemeindeleiter? Oder lassen sich andere Gründe anführen, warum der Jakobusbrief ein Jakobusbrief ist? Die Diskussion des traditionsgeschichtlichen Hintergrunds des Jakobusbriefes konzentriert sich in aller Regel auf die (positiven) Beziehungen zur Jesustradition einerseits 3 und die (negativen) Bezüge zu paulinischer Tradition anderer-
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Die Hauptgründe für die pseudepigraphische Verfasserschaft des Jakobusbriefes hat Ch. Burchard: Der Jakobusbrief, HNT 1511, Tübingen 2000, 4, bündig zusammengefasst: "Gegen den Herrenbruder sprechen ... die griechische Rhetorik ... , die hellenistischen, wenn auch oft jüdisch vermittelten Züge seiner Theologie und Ethik, die sprachlichen und sachlichen Berührungen mit der nachpaulinischen frühchristlichen Literatur und was sich über die Adressaten ausmachen läßt" (s. auch M. Konradt: Christliche Existenz nach dem Jakobusbrief. Eine Studie zu seiner soteriologischen und ethischen Konzeption, StUNT 22, Göttingen 1998, 334, Anm. 112). Die nachfolgenden Ausführungen werden dieses Urteil in traditionsgeschichtlicher Hinsicht unterstreichen. - Für den Verfasser des Jakobusbriefes verwende ich im Folgenden "Psjakobus", um ihn vom Herrenbruder unterscheiden zu können. Burchard, Jak, 7. Exemplarisch verwiesen sei auf F. Mußner: Der Jakobusbrief, HThK XIIII1, FreiburglBasel/Wien 51987,47-50; P.J. Hartin: James and the Q Sayings of Jesus, JSNT.S 47, Sheffield 1991.
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seits 4 • Gelegentlich finden ferner Affinitäten mit den Apostolischen Vätern, insbesondere mit Herrn, Beachtungs. Die engen Berührungen mit dem (ebenfalls pseudepigraphen6) 1. Petrusbrief sind zwar lange registriert worden7 • Die Diskussion bewegt sich aber allein in der Alternative, ob literarische Abhängigkeit vorliegt 8 oder gemeinsames Traditionsgut verarbeitet ist9, und ist mit einer Entscheidung dieser Frage erledigt. Mit dem Siegeszug der Forrngeschichte hat sich letztere Option, m.E. zu Recht, als Mehrheitsmeinung durchgesetzt. Die Berührungen sind freilich zum Teil so eng, dass - statt allgemein auf das weite Meer des anderweitigen Vorkommens einzelner Motive zu verweisen - genauer der Art des traditions geschichtlichen Zusammenhangs nachzugehen ist. Anders gesagt: Zu fragen ist, ob hier ein Ansatzpunkt für die historische Verortung des lakobusbriefes (und des 1. Petrusbriefes) liegt. Dass der im Folgenden aufzuweisenden engen Verwandtschaft zwischen dem lakobusbrief und dem 1. Petrusbrief bis dato nicht mehr Aufmerksamkeit gewidmet wurde, mag auch daran liegen, dass beiden Schriften in theologischer Hinsicht entgegengesetzte Beurteilungen zuteil wurden. Martin Luther hat bekanntlich theologisch alles an Paulus gemessen. Während dem 1. Petrusbrief dabei ein positives Urteil zukam, wurde der lakobusbrief zur "strohernen Epistel" degradiert. Das Postulat der theologischen Nähe des 1. Petrusbriefes zu Paulus wurde dabei in der modemen Exegese traditionsgeschichtlich durch die These einer tiefen Verwurzelung des 1. Petrusbriefes in paulinischer Tradition flanIm Zentrum steht hier bekanntlich Jak 2,14-26. Einige Autoren haben in jüngster Zeit rur verschiedene weitere Textpartien des Jakobusbriefes Einfluss paulinischer Tradition postuliert, so rur das "Gesetz der Freiheit" (s. etwa W. Popkes: The Law ofLiberty [James 1:25; 2:12], in: FS Günter Wagner, hg. v. Faculty of Baptist Theological Seminary RüschlikoniSwitzerland, International Theological Studies: Contributions of Baptist Scholars 1, Bern u.a. 1994, 131-142: 136-138; M. Klein: "Ein vollkommenes Werk". Vollkommenheit, Gesetz und Gericht als theologische Themen des Jakobusbriefes, BWANT 139, Stuttgart/BerlinlKöln 1995, 143f) und auch rur die Weisheitsthematik (Klein, Werk, 160f). 5 Siehe die Übersicht bei Konradt, Existenz, 330-332. 6 Siehe dazu z.B. N. Brox: Der erste Petrusbrief, EKK XXI, ZürichIDüsseldorflNeukirchenVluyn 3 1989, 43-47; R. Feldmeier: Die Christen als Fremde. Die Metapher der Fremde in der antiken Welt, im Urchristentum und im 1. Petrusbrief, WUNT 11.64, Tübingen 1992, 193-198. 7 Siehe nur die Liste der Berührungen zwischen bei den Schriften bei J.B. Mayor: The Epistle of James, Neudr. der 3. Aufl. London 1913, mit einem Vorwort v. C.J. Barber, Grand Rapids (MI) 1990, cii-cvii. 8 Mit Jakobuspriorität z.B. Mayor, Jak, cii-cvii; M. Hengel: Der Jakobusbrief als antipaulinisehe Polemik, in: Tradition and Interpretation in the New Testament, FS E.E. EIlis, hg. v. G.F. Hawthorne/O. Betz, Grand Rapids (MI)/Tübingen 1987,248-278: 251.269, Anm. 26. Für die Gegenposition s. v.a. W. Brückner: Zur Kritik des Jakobusbriefes, ZWTh 17 (1874), 530-541: 533-537; T.E.S. Ferris: The Epistle of James in Relation to I Peter, CQR 128 (1939), 303-308. 9 Siehe nur J.H. Ropes: A Critical and Exegetical Commentary on the Epistle of St. James, ICC, Edinburgh 1916, Nachdruck 1991,22; M. Dibelius: Der Brief des Jakobus, mit Ergänzungen von H. Greeven, mit einem Literaturverzeichnis und Nachtrag hg. v. F. Hahn, KEK 15, Göttingen 12[6]1984, 48f; N. Brox: Der erste Petrusbriefin der literarischen Tradition des Urchristentums, Kairos NF 20 (1978), 182-192: 186; P.H. Davids: The Epistle of James in Modern Discussion, ANRW 11 25.5, BerlinlNew York 1988,3621-3645: 3634f. 4
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kiert lO • In jüngster Zeit hat aber nicht nur der Jakobusbrief gegenüber Luthers Urteil eine theologische Aufwertung erfahren, hat sich nicht nur die Perspektive der Inblicknahme des Jakobusbriefes gegenüber der verengten Wahrnehmung durch den Rezeptionsfilter paulinischer Rechtfertigungsaussagen geweitet - bis dahin, dass in einigen neueren Arbeiten der Konsens einer antithetischen Bezugnahme auf Paulus bzw. auf einen Paulus verzerrenden Paulinismus in Jak 2,14-26 in Frage gestellt wurdelI. Zugleich ist im Blick auf den 1. Petrusbrief dessen "Paulinismus" verschiedentlich deutlich zurückhaltender beurteilt oder ganz abgestritten worden \2. Eine neue Diskussionsrunde ist eröffnet, zu der die folgenden Ausfiihrungen einen Beitrag beizusteuern suchen. Der Schwerpunkt soll dabei zunächst beim Jakobusbriefliegen.
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Siehe z.B. Ph. Vielhauer: Geschichte der urchristlichen Literatur. Einleitun,r. in das Neue Testament, die Apokryphen und die Apostolischen Väter, BerlinlNew York 1985, 584; H. Köster: Einführung in das Neue Testament im Rahmen der Religionsgeschichte und Kulturgeschichte der hellenistischen und römischen Zeit, BerlinlNew York 1980, 731; H. Hübner: Biblische Theologie des Neuen Testaments, Bd. 2: Die Theologie des Paulus und ihre neutestamentliche Wirkungsgeschichte, Göttingen 1993, 387. Siehe z.B. R. Heiligenthai: Werke als Zeichen. Untersuchungen zur Bedeutung der menschlichen Taten im Frühjudentum, Neuen Testament und Frühchristenturn, WUNT II.9, Tübingen 1983, 49-52; K. Berger: Theologiegeschichte des Urchristentums. Theologie des Neuen Testaments, TübingenlBasel 2 1995, 188f; T.C. Penner: The Epistle of James and Eschatology. Re-reading an Ancient Christian Letter, JSNT.S 121, Sheffield 1996,4774 und meine eigenen Ausführungen in Existenz, 210-213.241-246, sowie zuletzt auch Burchard, Jak, 125f. - Die These einer Bezugnahme des Verfassers des Jakobusbriefes auf Paulus ist jüngst von F. Avemarie: Die Werke des Gesetzes im Spiegel des Jakobusbriefes. A Very Old Perspective on Paul, ZThK 98 (2001), 282-309: 289-294 mit kritischem Bezug auf meine Argumentation erneuert worden. Freilich gibt Avemarie die Argumentation nur erheblich verkürzt wieder. Beruft sich Avemarie, wie viele andere vor ihm, erneut darauf, dass die in Jak 2 vorliegende Differenzierung zwischen TItan<; und EPYa. frühjüdisch nicht belegt sei, so übergeht er kurzerhand den in traditionsgeschichtlicher Hinsicht zentralen Verweis darauf, dass es eine eigene frühchristliche Traditionsgeschichte der Rede vom Glauben gegeben hat, die wesentlich in der Verwendung von TItan<; im Kontext frühchristlicher Missionsverkündigung begründet ist (s. dazu E. Brandenburger: Pistis und Soteria. Zum Verstehenshorizont von "Glaube" im Urchristentum, ZThK 85 [1988], 165-198). Abseits spezifisch paulinischer Tradition ist hier vom rettenden Glauben die Rede, und zwar ohne dass damit eine Antithese zu den Werken verbunden ist. Die Genese der Problematik von Jak 2,14-26 erklärt sich dabei zumal dann ohne weiteres aus diesem Zusammenhang, wenn man die paganen Rezeptionsvoraussetzungen der Rede vom "Glauben" einbezieht. Avemarie repetiert ferner das Argument, in Jak 2,14-26 werde "mit dem Gegenbegriff vermeintlich nicht heilsrelevanter EPYa." operiert. Aber dass jemand eine Antithese von Glaube und Werken vertreten hat, ist Jak 2,14-26 nicht zu entnehmen, und auch PsJakobus selbst wirft diese Antithese nicht auf. Er fragt - angesichts dessen, dass er Christenmenschen registriert, die zum "Glauben" gekommen sind, aber kein ihrem Christsein entsprechendes Verhalten zeigen - ausschließlich danach, in welchem Zustand der Glaube rettet, und dazu dienen ihm eben die Werke als Differenzierungskriterium. Siehe vor allem Berger, Theologiegeschichte, 419-430; 1. Herzer: Petrus oder Paulus? Studien über das Verhältnis des Ersten Petrusbriefes zur paulinischen Tradition, WUNT II.103, Tübingen 1998, auch L. Wehr: Petrus und Paulus - Kontrahenten und Partner. Die bei den Apostel im Spiegel des Neuen Testaments, der Apostolischen Väter und früher Zeugnisse ihrer Verehrung, NTA NF 30, Münster 1996, 181-215. - Vgl. unten Anm. 119.
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Meine These ist, dass die engen Berührungen zwischen dem Jakobusbrief und dem 1. Petrusbrief einen Ansatzpunkt bieten, um den Jakobusbrief auf der Landkarte des frühen Christentums historisch zu verorten. Dazu wird versucht, den traditionsgeschichtlichen Befund mit Daten der Geschichte des frühen Christentums, spezieller: mit Daten des Wirkens und der Wirkung von Jakobus (und Petrus) in Beziehung zu setzen. Die Verbindung beider Perspektiven bildet zugleich die Basis, um Erwägungen zum Hintergrund der Verfasserzuschreibung anstellen zu können, in die die folgenden Ausführungen münden.
1. Die gemeinsamen Traditionen des Jakobusbriefes und des 1. Petrusbriefes und ihre jeweiligen redaktionellen Ausrichtungen 1.1. Jak 1,2f; 1 Petr 1,6f Weithin anerkannt ist in der neueren Forschung zum Jakobusbrief, dass der Brief einen Prolog hat, in dem die im Folgenden behandelten Themen summarisch exponiert werden. Die Abgrenzung ist umstritten 13 ; m.E. ist nach 1,12 zu zäsurieren. Innerhalb der programmatischen Eingangsverse ragt 1,2-4 noch einmal als thematisch grund-legender Eröffnungsabschnitt hervor, in dem der Verfasser mit wenigen Strichen die Grundkoordinaten seines ethischen Anliegens nennt. Das Thema der Bewährung des Glaubens in Versuchungen/Prüfungen in 1,2fhat er dabei, wie Röm 5,3-5 und allen voran 1 Petr 1,6fzeigen, unter Aufnahme von Tradition formuliert. Auffällig ist, dass stets nur einer der Paralleltexte mit Jak 1,2fzusammengeht, so dass Röm 5,3-5 und 1 Petr 1,6funtereinander keine engere Verwandtschaft aufweisen. Während Jak 1,2f und Röm 5,3-5 einen ähnlichen Aufbau zeigen, an wörtlicher Übereinstimmung aber nur auf Ka'tEpya(eraL inro~ov~vI4 und entfernter auf ÖOKL~LOV/ÖOKL~~ zu verweisen ist, finden sich zwischen dem Jakobusbrief und dem 1. Petrusbrief auffallende Gemeinsamkeiten im Vokabular, nicht aber im Aufbau. Die Berührungen mit Röm 5,3-5 sind auf den ön-Satz in Jak 1,3 konzentriert, dessen Inhalt die Einleitung mit YLVWOKOV'tE<; als Erinnerung an Bekanntes darstellt. Nimmt man hinzu, dass 'to ÖOKL~LOV u~wv 'tTl<; TILO'tEW<; so auch in 1 Petr 1,7 begegnet, liegt die Schlussfolgerung nahe, dass der ö'tL-Satz in Jak 1,3 Zitat ist. In V.2 entstammt TIELpao~ot TIOLKLAOL der zugrunde liegenden Tradition; ansonsten dürfte der Vers sprachlich relativ frei formuliert sein l5 • Paulus muss mit der Tradition nicht in genau der Form vertraut gewesen sein, wie sie der Verfasser des Jakobusbriefes hier rezipiert hat; es kann sich ebenso gut um einen Seitenstrang handeln, doch ist dies letztlich nicht zu klären. Anders gesagt: 8Al$L<; statt 'to ÖOKL~LOV u~wv 'tTl<; TILO'tEW<; kann paulinische Redaktion sein, muss aber nicht; die TIELpao~ot TIOLKLAOL haben jedenfalls in Röm 5,3-5 keine Spuren hinterlassen. Sichereren Boden hat man unter den Füßen, wenn man die Gemeinsamkeiten zwischen dem Jakobusbrief und dem 1. Petrusbrief an dieser Stelle betrachtet. 13 14 15
Siehe Komadt, Existenz, 17-21. Allerdings in verschiedener Wortstellung. Zum Motiv der Freude s. u.
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Mag man die übereinstimmende Rede von TIELpa0I-L0L TIOlKLÄOl für sich genommen noch als Zufall ansehen l6 , so ist der gemeinsame Gebrauch der nur hier belegten Wendung TO ÖOKLl-LlOV UI-LWV Tf]<; TILOTEW<; sowohl im Blick auf das rür sich schon seltene Wort ÖOKLl-LlOV als auch hinsichtlich der übereinstimmenden Wortstellung so markant, dass ein engerer Zusammenhang zwischen beiden Texten schwerlich zu verneinen ist. Die Gemeinsamkeiten lassen sich hier nicht suffizient durch einen Verweis auf die Traditionalität des Motivzusammenhangs bzw. Wortfeldes "Versuchungen/Prüfungen - Bewährung - Standhalten/Geduld - Freude" erklären 17. Beide Texte repräsentieren vielmehr eine bestimmte frühchristliche Ausprägung des Motivzusammenhangs. Der Verfasser des 1. Petrusbriefes ist mit dem Traditionsstück freier umgegangen als der des lakobusbriefes. Ersterer hat allein die beiden markanten Leitwörter des Traditionsstranges und das Motiv der Freude rezipiert, während PsJakobus die Tradition, wie gesagt, in V.3 zitathaft zu Wort kommen lässt. Die unterschiedliche Redaktion der Tradition zeigt sich aber nicht nur in formaler, sondern auch in sachlicher Hinsicht. Blickt man auf den jeweiligen kontextuellen Bezug der rezipierten Tradition, so steht hinter der rür sich genommen semantisch offenen, ein weites Applikationsspektrum zulassenden Rede von den l8 TIELpa0I-L0L TIOlKLAOl in 1 Petr 1,6 die im 1. Petrusbrief insgesamt zentrale Leil9 densthematik , also die Bedrängnis der heidenchristlichen Gemeinde in ihrem heidnischen Umfeld, das auf die Abwendung der Christen von früheren Lebenszusammenhängen und die damit verbundene Aufkündigung von Gemeinschaft und Gemeinsamkeiten brüskiert mit Schikanierung, Schmähung und Verleumdung reagiert. Die Bedrängnis wird hier mit Hilfe des geläufigen Motivs der Erprobung des Goldes/Silbers durch Feuer20 als Prüfungsleiden gedeutet und damit ein theologischer Verständnishorizont rür die Adressatensituation aufgespannt. Anders ist dies im lakobusbrief. Zwar spielt auch hier am Ende des Briefes die Leidensthematik hinein (5,6.10f), doch ist sie nicht das bestimmende Thema des Schreibens. Die Rede von TIELpa0I-L0L TIOlKLÄOl im Rahmen des grund-legenden Abschnitts der summarischen Exposition wird vielmehr im Korpus (1,13-5,6) auf das Problem der Gefährdung der ethischen Integrität der Christen durch die eigene, auf die Seite des gottfeindlichen Kosmos gehörende Begierde bezogen (1,13-15), die auf die gottwidrige "weltliche" Lebensweise, mit der die Christen in ihrem Lebensalltag ständig konfrontiert werden, "Lust" zu machen sucht. Als zentrales Problemfeld erscheint dabei konkret die Reichtumsthematik21 •
ist durchaus gebräuchlich (s. etwa Philo und Herrn). Speziell zu Jak 1,2; 1 Petr 1,6 vgl. 3 Makk 2,6; 4 Makk 17,7; 18,21. Siehe dazu Konradt, Existenz, 102-105. Siehe dazu Konradt, Existenz, 109ff. Dazu H. Millauer: Leiden als Gnade. Eine traditionsgeschichtliche Untersuchung zur Leidenstheologie des ersten Petrusbriefes, EHS.T 56, BernlFrankfurt a.M. 1976; A. Reichert: Eine urchristliche praeparatio ad martyrium. Studien zur Komposition, Traditionsgeschichte und Theologie des 1. Petrusbriefes, BET 22, Frankfurt/M. u.a. 1989. Vgl. Ps 66,10; (Jes 48,10); Sach 13,9; Jdt 8,27; Mal 3,3; Sap 3,5f; Sir 2,5; 1 QH 13[5*],16; Philo, Sacr 80; 1 Petr 1,7; 6 Esr 16,74, ferner Prov 17,3; 27,21; Sir 27,5; 1 QM 17,1, außerhalb des biblischen Traditionsbereichs z.B. Platon, Resp 1II413E, Seneca, Prov 5,10. Näheres dazu unten S.47.
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Mit diesen unterschiedlichen Redaktionen gehen divergierende Ausrichtungen des Motivs der Freude einher. PsJakobus fordert zur Freude anlässlich der iTElpuo~o( auf, weil sie Gelegenheiten sind, die Immunabwehr gegenüber der "Welt" zu trainieren, und insofern die Standhaftigkeit (UiTO~ov~) fördern können. In 1 Petr 1,6 geht es dagegen um zukünftige Freude22 , während die Gegenwart eben aufgrund der Leidenssituation durch Betrübnis (AuiT1l8EV't"Ee;) gekennzeichnet ist. In Jak 1,2fund 1 Petr 1,6f zeigen sich also zwei grundlegend differierende Adaptionen einer gemeinsamen, wohl ursprünglich in der Taufunterweisung beheimateten23 Tradition, die exakt den unterschiedlichen Gesamtanliegen der beiden Schriften entsprechen.
1.2. Jak 4,6-10; 1 Petr 5,5c-9 Ein zu Jak 1,2f; 1 Petr 1,6f analoger Fall liegt in Jak 4,6-10; 1 Petr 5,5c-9 vor. In beiden Texten folgt auf ein Proverbienzitat (3,34), in dem beide mit 0 8EOe; statt KUpLOe; dieselbe Abweichung vom LXX-Text aufweisen24 , die Doppelmahnung, sich Gott unterzuordnen und dem Teufel Widerstand zu leisten. Die Demütigung unter Gott ist dabei jeweils mit der Verheißung der Erhöhung verbunden, womit in beiden Texten die Teilhabe am eschatologischen Heil in den Blick genommen wird25 . Vergleicht man Jak 4,10; 1 Petr 5,6 mit dem verwandten synoptischen Weisheitswort (Mt [18,4]; 23,12b; Lk 14,11; 18,14b)26, fallen auch hier die gemeinsamen Abweichungen auf. An die Stelle des Partizips 0 't"UiTElVWV ist der Imperativ getreten, der nicht reflexiv gefasst ist (EUU't"OV), sondern Gott als Objekt hat, an die Stelle des Passivum divinum UtVW8~OE't"UL das aktive UtVWOEl, das jeweils u~&e; als Objekt bei sich hat27 . Jak 4,6-10; 1 Petr 5,5c-9 gehen also offenbar auf ein gemeinsames Traditionsstück zurück. Zugleich gehen beide in der Ausgestaltung des Traditionsstückes eigene Wege. In der petrinischen Adaption wird die Tradition wiederum auf die Thematik des 22
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Ebenso Mi1laue~ Leiden, 183f; L. Goppelt: Der Erste Petrusbrief, hg. v. F. Hahn, KEK 12/1, Göttingen [IJ I978, 98f. Anders Brox, 1 Petr, 63f. Vgl. 1 Petr 4,13b. Um gegenwärtige Freude über das Leiden geht es hingegen in 4,13a (vgl. Millauer, Leiden, 184f). Siehe dazu W. Popkes: Adressaten, Situation und Form des Jakobusbriefes, SBS 125/126, Stuttgart 1986, 134ff.176; P.H. Davids: The Epistle of James. A Commentary on the Greek Text, NIGTC, Grand Rapids (MI) 1982, 66. Folglich wird Prov 3,34 jeweils nicht direkt aus der Schrift zitiert, sondern ist als Zitat aus frühchristlicher Tradition übernommen. Dieselbe Abweichung begegnet im übrigen auch in 1 Klem 30,2 (ohne Artikel); Ign, Eph 5,3. In den neutestamentlichen Schriften wird Prov 3,34 ansonsten nicht mehr zitiert (vgl. lediglich noch Lk 1,51). In 1 Petr 5,6 ist dies durch die Zeitangabe EV KIXLP4>, die auf der Linie von EV KIXLP4> EOx&:r4> in 1,5 zu lesen ist, expliziert (vgl. Goppelt, 1 Petr, 337; R. Metzner: Die Rezeption des Matthäusevangeliums im 1. Petrusbrief. Studien zum traditions geschichtlichen und theologischen Einfluß des 1. Evangeliums auf den 1. Petrusbrief, WUNT 11.74, Tübingen 1995,96). Vgl. noch Hiob 5,11; Ez 17,24; 21,31; Arist 263; 1 Klem 59,3. Zum Schema von Erniedrigung und Erhöhung vgl. auch 2 Kor 11,7; Phil2,8f. Allerdings in unterschiedlicher Wortstellung. - Zum Vergleich mit dem synoptischen Weisheitswort vgl. Gopp~lt, 1 Petr, 337, Anm. 5; Metzner, Rezeption, 95f.
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Bedrängnisleidens hin ausgelegt (1 Petr 5,9). Die Mahnung zum 1:UlTELVOÜV wird durch das Bild von der starken Hand Gottes 28 ausgestaltet (5,6). Die Bedrängnis ist - auf der Linie ihrer Interpretation als Prüfungsleiden - von Gott her anzunehmen. Die in Jak 4,6 bezeugte und wohl ursprüngliche direkte Aufeinanderfolge der bei den Mahnungen zur Demütigung unter Gott und zum Widerstand gegen den Teufef 9 ist in 1 Petr 5 durch verschiedene Einschübe aufgebrochen, die die Ausrichtung des Traditionsstückes auf die Leidensthematik unterstreichen30 . Anders ist dies wiederum im Jakobusbrief. PsJakobus hatte zuvor die Weltfreundschaft, wie sie sich im Streben nach materiellen Gütern zeigt (4,1-3 )31, als mit der Gottesbeziehung unvereinbar inkriminiert (4,4)32. Die in 4,6-10 rezipierte Tradition ist in diesen Zusammenhang eingestellt. Die redaktionellen Elemente unterstreichen diese Ausrichtung. PsJakobus hat die Mahnung zur Unterordnung unter Gott verdoppelt, indem er die aus der Tradition übernommene, bei ihm an das Ende gerückte Forderung, sich vor Gott zu demütigen (V.10), durch lm01:&'Yll1:E ... 1:4) 8E4) (V.7, vgl. 36,7) variiert. Von VA her macht diese Doppelung guten Sinn: Angesichts der Weltfreundschaft der Adressaten geht es darum, sie zu Gott zurückzurufen. V.8a verleiht diesem Anliegen weiteren Nachdruck. Die Imperative in V.7 erscheinen durch den Kontext als Umkehrmahnungen. Der Widerstand gegen den Teufel bedeutet konkret die Abkehr von 33 dem zuvor kritisierten Verhalten . Dem Aufruf, Hände und Herzen zu reinigen (V.8b.c), sind in V.9 schließlich eindringliche Bußmahnungen angefügt. Deutlich ist wiederum: Die Verfasser des Jakobusbriefes und des 1. Petrusbriefes haben auch hier gemeinsames Traditionsgut mit Blick auf die von ihnen je-
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28 Vgl. Ex 3,19; 6,1; 13,3.9.14.16; Dtn 9,26; 26,8 u.ö. 29 Ebenso Metzner, Rezeption, 96f. 30 V.7, in dem Jesustradition Pate stehen dürfte (v gl. Mt 6,25-34 par Lk 12,22-32), unterstreicht den Gedanken, dass sich der Christ vertrauensvoll in Gottes Hand geben soll und kann, durch den Verweis darauf, dass Gott für ihn sorgt. Nach dem ebenfalls in das Traditionsstück eingefügten Ruf zu Nüchternheit und Wachsamkeit (vgl. 1 Thess 5,6-8) bietet der 1. Petrusbrief redaktionell schließlich noch eine plastische Umschreibung des gefährlichen Treibens des Teufels durch das Bild vom Löwen (5,8, besonders nahe steht l\J 21,14, s. ferner Ps 58,7; 1 QH 13[5*],9-11.13f; 2 Tim 4,17 u.ö.), bevor die Mahnung zum Widerstand gegen den Teufel folgt (V.9a), die ebenfalls auf das Standhalten in der Bedrängnis bezogen ist (V.9b). 31 Der Argumentationsduktus setzt voraus, dass das, was begehrt wird, auch Gegenstand des Gebets sein können muss. Zweitens gilt, dass man das Begehrte bzw. Erbetene EV 'tale; ~öovale; verschwenden kann. Demnach muss es sich um materielle Güter handeln. V gl. z.B. W. Schrage: Ethik des Neuen Testaments, GNT 4, Göttingen 5[2]1989, 300, der in Jak 4,lf "die leidenschaftliche Gier nach Besitz und Lust" kritisiert sieht. H. Frankemölle: Der Brief des Jakobus, ÖTBK 17/2, Gütersloh/Würzburg 1994,590 hält dagegen zu ou ouvaa8E ElTl'tUXElv jeden Versuch, das Objekt zu bestimmen, für "fehl am Platze". 32 Jak 4,5 ist eine notorische crux. Zur Diskussion der Auslegungsmöglichkeiten s. den Exkurs bei Burchard, Jak, 171-174 (Lit.!) und Konradt, Existenz, 81-84. 33 Die an die Mahnung zum Widerstand gegen den Teufel angehängte Verheißung Kat
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weils anvisierte Gemeindeproblematik, die Leidensthematik im 1. Petrusbrief und die ethischen Missstände im Jakobusbrief, unterschiedlich interpretiert und ausgestaltet. 1.3. Jak 1,18.21; 1 Petr 1,22-2,2 Geben die beiden vorangegangenen Beispiele die unterschiedliche Ausgestaltung von gemeinsamem Traditionsgut im Jakobusbrief und im 1. Petrusbrief zu erkennen, so lässt sich anhand von Jak 1,18.21; 1 Petr 1,22-2,2 darüber hinaus die enge traditionsgeschichtliche Verwandtschaft beider Schriften gegenüber anderen frühchristlichen Traditionssträngen demonstrieren. Gemeinsam ist beiden Textabschnitten zunächst die Interpretation der Konversion als (Wieder-) Geburt34 • Terminologisch zeigt sich eine Differenz: Während PsJakobus, vielleicht durch 1,15 inspiriert, aiToKuE1V verwendet, spricht 1 Petr 1,23 wie zuvor in 1,3 von einem avaYEvväa8aL. Nun ist die Geburtsvorstellung - ebenfalls mit variabler Terminologie - auch in anderen frühchristlichen Traditionskreisen belegt35 • Nur in Jak 1,18 und 1 Petr 1,23 aber wird das Wort als "Wirkmittel" eingefiihrt36 . Zu beachten ist ferner, dass in Jak 1,18 das Wort als A6yo~ dAq8c{ar; näherbestimmt ist, was gut zum konversionstheologischen Kontext passt3 , und von der aA~8ELa auch im petrinischen Kontext die Rede ist (1,22). Die Rede vom "Wort der Wahrheit" begegnet verschiedentlich im Corpus Paulinum im Blick auf die Missionsverkündigung38 , allerdings nie im Rahmen der Deutung der Konversion als Geburt. Die Signifikanz dieses Befundes wird nun durch die Berührungen zwischen Jak 1,21 und 1 Petr 2,lf eindrücklich unterstrichen. PsJakobus und PsPetrus verwenden hier ein zweigliedriges paränetisches Schema, in dem in Negation und Position die vollzogene und bleibend geforderte Reaktion des Christen auf Got34
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Der Bezug von 1 Petr 1,23 auf die Konversion/Taufe ist opinio communis, von Jak 1,18 zumindest Mehrheitsmeinung. Zu Deutungsaltemativen s. die Diskussion bei Konradt, Existenz, 42-44. Joh 3,3-8 nennt das Getauftwerden YEVV118ilva.L &VW8EV bzw. E~ üöa.'toc; Ka.t lTVEUI-La.'tOC;, der 1 Joh spricht vom YEVV118ilva.L EK 'tOU 8EOU (2,29; 3,9; 4,7; 5,1 u.ö.), Tit 3,5 vom AOU'tpOV lTa.ALYYEVEOLa.C;. In der nachneutestamentlichen Literatur ist das in 1 Petr 1,3.23 begegnende Kompositum a.va.YEvvlio8a.L/a.va.yEVV110LC; offenbar zum Standard geworden (s. Justin, Apol. I 61,3f.10; 66,1; Dial. 138,2; Tatian 5,3; ActThom 132; PsKlem, Contestatio 1,2; Horn XI 26,1). ÖLIX A6you (hlV'tOC; 8EOU Ka.t I-LEVOV'tOC; steht in 1 Petr 1,23 appositiv neben OUK EK olTopliC;
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tes Heilshandeln bündig fonnuliert ist, wobei die Abkehr vom Alten im negativen Glied durch aTIo'd8E08al verbalisiert ist. Zu diesem Schema finden sich in frühchristlicher Tradition einige Parallelen39 • Beachtet man nun die verschiedenen Fonnulierungen des positiven Gliedes, lassen sich Traditionsstränge unterscheiden. Der Vorstellung, dass das Alte wie ein Kleid abgelegt wird, korrespondiert in den paulinischen und deuteropaulinischen Belegen, dass das Neue als ein EvöuEo8al beschrieben wird: der Waffen des Lichts (Röm 13,12, vgl. 1 Thess 5,8), Christi (Röm 13&14, vgl. indikativisch GaI3,27) und des neuen Menschen (Kol 3,10; Eph 4,24 4 ). Hebr 12,1 stellt eine Ausprägung sui generis dar, in der das positive Glied mit seiner Mahnung, "mit Ausdauer in dem uns bestimmten Kampf zu laufen", deutlich von der Gesamtthematik des Schreibens bestimmt ist. Jak 1,21b und 1 Petr 2,2 berühren sich nun weder in der Wahl des Verbs noch in der des Objekts mit den paulinisch-deuteropaulinischen Belegen41 , weisen aber untereinander ein enges Verwandtschaftsverhältnis aut 2 • Zudem folgt das zweigliedrige Schema nur im Jakobusbrief und im 1. Petrusbrief im Sinne einer paränetischen Schlussfolgerung auf die Deutung der Konversion als Geburt, die nur an diesen beiden Stellen, wie erwähnt, mit dem (die Wahrheit erschließenden) Wort in Verbindung gebracht wird. Eben das Wort wird in beiden Texten im positiven Glied des paränetischen Schemas aufgenommen, was wiederum ohne Parallele ist43 • Was Jak 1,21b mit der geläufigen Wendung der "Annahme des Wortes" ausdrückt44 , fonnuliert 1 Petr 2,2 bildlich unter Weiterfiihrung der Metaphorik der Heilsaussage: Die Adressaten sollen wie45 neugeborene Säuglinge nach der zum Erhalt und Wachstum des neuen Lebens notwendigen Milch
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Jüdische Wurzeln sind hier nicht greifbar. Auch außerhalb eines zweigliedrigen Schemas gibt es nur vereinzelte Belege fiir die hier vorliegende Verwendungsweise von a.lTotL8E08uL (Arist 122; Philo, Post 48; [Imm 26]; [Ebr 86]; SpecLeg I 306; Josephus, Ant VI 264). In Kol 3,10 korrespondiert Evöua&~EvoL freilich (primär) a.lTEKöua&~EvoL (V.9), nicht UlT08E08E, und in Eph 4,22-24 ist zwischen Ablegen und Anziehen die Erneuerung 1'4) lTVEU~UtL toD vooc; u~wv eingefiigt. In Eph 6,11.14 klingt Röm 13,12 bzw. 1 Thess 5,8 nach, es fehlt aber wie im 1 Thess das negative Glied des zweigliedrigen Schemas. Kol 3,12 schließlich nimmt Evöua&~EvoL aus V.10 auf, doch begegnet nun ein Tugendkatalog als Objekt (vgl. dazu noch Herrn, Sim VI 1,4). Mit dem Anziehen Christi ist bei Paulus der Gedanke verbunden, dass die Taufe als Eingliederung in den Heilsbereich Christi trennende Differenzen zwischen Menschen transzendiert, d.h. coram Deo außer Kraft setzt (GaI3,27f). In Eph 2,14; Kol 3,11 klingt dies in der Rede von dem neuen Menschen, den Christus durch sein Opfer in seiner Person aus den zweien (sc. Jude und Heide) geschaffen hat, nach. Dagegen spielt die heilsgeschichtliche Differenz zwischen Juden und Heiden fiir die Verfasser des Jakobusbriefes und des 1. Petrusbriefes offenbar keine Rolle; vielmehr werden unpolemisch Würdebezeichnungen Israels übernommen. V gl. Ph. Carrington: The Primitive Christian Catechism. A Study in the Epistles, Cambridge 1940, 35f, ferner S. Laws: A Commentary on the Epistle of James, BNTC, London 1980, 84f; D.J. Moo: The Letter of James, The Pillar New Testament Commentary, Grand Rapids (MI) u.a. 2000, 85. Vergleichen kann man entfernt höchstens 1 Klem 13,1: Der Aufforderung zum Ablegen der Laster folgt hier die Mahnung, 1'0 YEYPU~~EVOV zu tun. Vgl. Lk 8,13; Apg 8,14,.11,1; 17,11; 1 Thess 1,6; 2,13. Nicht "als"! Es handelt sich nicht um Neophytenunterweisung (vgl. Brox, 1 Petr,91f).
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46 (= Wort ) verlangen. Festzuhalten ist: Geburtsaussage und paränetisches Schema im Jakobusbrief und im 1. Petrusbrief stellen mit ihrer Erwähnung des Wortes nicht nur jeweils für sich eine besondere Ausprägung gegenüber den Parallelen dar, sondern beide sind zugleich allein im Jakobusbriefund im 1. Petrusbrief miteinander verbunden und bilden einen stimmigen Gesamtzusammenhang: Aus Gottes Heilsinitiative, den Christen durch das Wort (neues) Leben eröffnet zu haben, wird für die Christen die Konsequenz gezogen, dieses Leben, da sie sich von ihrer alten Existenz abgekehrt haben (Jak 1,21a; 1 Petr 2,1)47, durch die Annahme eben des Wortes zu ergreifen und beständig zu nähren. Die enge Verwandtschaft zwischen bei den Textsequenzen wird ferner noch dadurch unterstrichen, dass beide expressis verbis die Erlangung des eschatologischen Heils als (motivierendes) Ziel anfuhren (Jak 1,21: owoaL, 1 Petr 2,2: Elc; oW'tllptav). Des Weiteren ist in beiden Texten das Wort als eine Kraft, als ein wirkmächtiges Wort konziPiert. In Jak 1,21b wird dies mit 'tov öuvallEVOV expressis verbis ausgeführt4 . Im 1. Petrusbrief liegt dies dem Begründungszusammenhang zwischen 1,22b und 1,23 zugrunde (dazu gleich), dürfte aber auch in der Attribuierung des Wortes als "lebendig" impliziert sein. Und nicht zuletzt ist auf die verwandte Metaphorik zu verweisen. Spricht 1 Petr 1,23 von der 01TOpa ä
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9lf; Giesen, Gemeinde, 157-160. Das Partizip O:lT08EflEVOL dürfte jeweils nicht, wie zumeist gedeutet wird, imperativisch zu fassen (für viele F. Schnider: Der Jakobusbrief, RNT, Regensburg 1987, 46.47f), sondern kausal zu verstehen sein. Zum kausalen Verständnis vgl. Giesen, Gemeinde, 152f. Temporal Burchard, Jak, 67.82. PsJakobus bezeichnet damit nicht eine bloße Möglichkeit, sondern die Wirkmacht des Wortes (s. dazu Konradt, Existenz, 80; Burchard, Jak, 83f). Vgl. den Gebrauch des Verbs in 2,14; 3,8.12; 4,2.12 (s. auch 3,2). Freilich werden unterschiedliche Aspekte des Zitats ausgewertet. Der Verfasser des 1. Petrusbriefes hebt auf die positive Kennzeichnung des Wortes ab, Jak 1,10f nimmt die als Kontrast dazu fungierende Vergänglichkeit des Menschen - zugespitzt auf die Reichen (zu dieser Zuspitzung vgl. Ps 37,lf; 129,6; syrApkBar 82,7) - auf. mx<; begegnet in diesem Zusammenhang ansonsten noch in 1 Klem 13,1, ferner Kol 3,8; Hebr 12,1, dort aber in anderer syntaktischer Stellung.
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linischen Tradition zur traditionsgeschichtlichen Beurteilung des 1. Petrusbriefes häufig beigemessen wird, ist in Sonderheit festzuhalten, dass Jak 1,18.21 und 1 Petr 1,22-2,2 die den beiden herausragenden Gestalten der Jerusalemer Urgemeinde zugeschriebenen Briefe gegenüber paulinisch-deuteropaulinischer Tradition als traditionsgeschichtlich zusammenhängend erweisen. Es gibt, wie die paulinisch-deuteropaulinischen Parallelen zu Jak 1,21; 1 Petr 2,1-2, aber auch zum AOyor. aA1l8Elar. zu erkennen geben, ein gemeinsames Traditionsfundament. Die weitergehenden Übereinstimmungen zwischen dem Jakobusbrief und dem 1. Petrusbrief verweisen jedoch auf eine eigenständige Ausprägung bzw. Weiterentwicklung als gemeinsamen Traditionshintergrund der beiden katholischen Briefe. Zugleich ist auch hier wieder festzuhalten, dass die Verfasser des Jakobusbriefes und des 1. Petrusbriefes in der Ausgestaltung des rezipierten Traditionsgutes unterschiedliche Wege gehen. Jak 1,18 bildet die Achse der ersten und theologisch grundlegenden Entfaltung des in 1,2-4 exponierten Programms in 1,1325 51 und mithin den soteriologischen Basissatz des Jakobusbriefes 52 • Das Ziel des Heilshandelns Gottes ist nach 1, 18b die Aussonderung der Christen zu seinem besonderen Eigentum53 , womit PsJakobus bezogen auf das Gesamtanliegen seines Schreibens das positive Gegenstück zur mit der Konversion verbundenen Dissoziation von der "Welt" in den Blick nimmt. Zwischen Geburtsaussage und paränetischem Schema hat PsJakobus 1,19f eingeschaltet. Der abgelegte Schmutz der alten Existenzweise (V.21a) wird so durch die Warnung vor dem Zorn, der zu unbedachter, gemeinschaftschädigender Rede führt, und damit durch einen Hauptpunkt der ethischen Aussagen des Jakobusbriefes (vgl. 1,26; 3,1-11 )54 illustriert, während die Begründung in 1,20 ein Widerlager zu "Cov öuV&~EVOV awaa L ••• (1,21 b) bildet. Indem PsJakobus das Wort in 1,21 b - wohl auf der Grundlage der rezipierten Tradition - als E~Q>U"COr. näherbestimmt, konzipiert er es als dem Christen eingestiftete Gegenmacht zur Begierde (1,14 f) und unterstreicht damit im Kontext die in 1, 17f angelegte Zurückweisung des Versuchs, sich selbst angesichts von "Niederlagen" in den mannigfaltigen Versuchungen zu Lasten Gottes zu exkulpieren. Mit 1,22-25 entfaltet und klärt PsJakobus die Mahnung von 1,21 b. Der ethischen Gesamtausrichtung des Schreibens entsprechend fokussiert PsJakobus dabei auf die imperativische Seite des Wortes, auf den vo~or.. Zieht man zusammen, so ist festzuhalten: PsJakobus rekurriert auf die Tradition, um angesichts ethischer Defizite bei den Adressaten durch einen Rückgang auf das Konversionsgeschehen die Grundkoordinaten christlicher Existenz als Basis fiir seine weiteren Ausfiihrungen einzuschärfen.
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Insbesondere mit der Einführung des "Wortes der Wahrheit" als Wirkmittel der Geburt bietet 1,18 das Fundament für 1,21 b-25. Zugleich ist der Vers antithetisch auf die vorangehenden Aussagen bezogen (s. die Wiederaufnahme von a.lTOKuE1v aus 1,15): Gott versucht nicht zum Bösen; vielmehr hat er, von dem als Vater der Lichter seinem Wesen entsprechend nur Gutes kommt (l, 17), uns durch das Wort der Wahrheit zum Leben geführt. Siehe dazu Konradt, Existenz, 41-74. Zur Gliederung des Jakobusbriefes a.a.O., 1521.311-315. Zum Verständnis von 1, 18b Konradt, Existenz, 59-66. Siehe dazu v.a. W.R. Baker: Personal Speech-Ethics in the Epistle of James, WUNT 11.68, Tübingen 1995.
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Anders stellt sich die Adaption der Tradition wiederum im 1. Petrusbrief dar. Der Verfasser blickt zunächst in 1,22a auf die menschliche Seite des Konversionsgeschehens. In der Rede, dass sich55 die Adressaten durch 56 den Gehorsam gegen die Wahrheit, womit nichts anderes als Gottes Wort von 1,23, als Gottes Offenbarung im Blick ist57 , gereinigt haben, dürfte dabei bereits ausweislich der Rede vom 'Aoyoc,. a'A118ELac,. in Jak 1,18, wie oben angedeutet, die in 1,23ffverarbeitete Tradition Pate stehen58 • Ziel dieser Reinigung ist die ungeheuchelte Bruderliebe. Worauf es nun ankommt, ist, dass die Adressaten auf dem eingeschlagenen Weg fortfahren. In der das (pragmatische) Zentrum des Textzusammenhangs bildenden Mahnung in 1,22b wird avu1ToKp l1"OV durch EX Ka8ap&c,. 59 KapöLac,. aufgenommen ; das über 1,22a hinausfiihrende Element bildet das Adverb EK1"EVWc,. (vgl. 4,8), auf dem damit der Ton liegt und das hier, wie der nachfolgende Kontext zeigt, im Sinne von "dauerhaft" aufzufassen ist60 • Nicht wie im Jakobusbriefum Kritik und Korrektur des Verhaltens der Adressaten geht es hier, sondern - passend zur Leidensthematik - um Zuspruch und Mahnung zur beharrlichen Weiterfiihrung des Begonnenen, zum "Bleiben" in d~r "Wahrheit". Kurz gesagt: PsJakobus korrigiert, PsPetrus bestärkt und ermutigt zum Weitermachen. Die mit dem Jakobusbrief gemeinsame Tradition wird auf dieses Anliegen hin rezipiert, nämlich als Begründung des EK1"EVWc,. ausformuliert. Die Kenntnis der Tradition bei den Adressaten dürfte dabei vorausgesetzt sein. In 1 Petr 1,22ff bietet PsPetrus eine neue Applikation. Nicht mehr auf der Interpretation der Konversion selbst als göttlicher Neuzeugung liegt nun der Ton, sondern auf den Attributen, die dem Samen bzw. dem Wort beigegeben sind, wobei - in Korrespondenz zu EK1"EVWc,. - durch die Schlussstellung und das angefiigte Jesajazitat (j.LEVEL V.25a!) der Akzent aufj.LEvov1"oc,. fällt 61 • Ebenso wie die dem Wort beigegebenen Attribute dürfte auch das Jesajazitat als redaktionelle Einfiigung zu verstehen sein62 , wobei Jak 1,10f zeigt, dass es zum gemeinsamen theologischen Repertoire der Verfasser der beiden Schriften gehörte. Die Tradition wird im 1. Petrusbrief also darauf zugeschnitten, das indikativische Fundament fiir 1,22b, genauer: fiir die Dauerhaftigkeit, die Beharrlichkeit der Liebe bereitzustellen: Die Aufforderung zu dauerhafter Bruderliebe ergibt sich konsequent daraus, dass das wirkmächtige Wort, dem die Christen ihre Konversion verdanken, nicht ein vergängliches, sondern ein in Ewigkeit bleibendes ist, das nicht bloß einen einmaligen Impuls gesetzt hat, sondern dauerhaft wirkt und also fortwährend die fiir das neugewonnene Leben nötigen "Vitalstoffe" bereitstellt. 55 56 57
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l\JUX~ meint hier - wie in Jak 1,21 (!) - nicht einen Teil am Menschen, sondern die Person selbst (vgl. Giesen, Gemeinde, 139f; Goppelt, 1 Petr, 131). Zum instrumentalen Verständnis des EV vgl. Giesen, Gemeinde, 140. Ebenso z.B. Giesen, Gemeinde, 140. &}..~eELa fehlt ansonsten im 1. Petrusbrief1 Vgl. M. Evang: 'EK KapöLa<; &}..}..~}..ou<; &ya1T~aa't'E EX't'EVW<;. Zum Verständnis der Aufforderung und ihrer Begründungen in 1Petr 1,22f., ZNW 80 (1989), 111-123: 116. Ebenso Brox, 1 Petr, 85; E. Schweizer: Der erste Petrusbrief, ZBK.NT 15, Zürich 41998, 39; Evang, Verständnis, 116-118; Giesen, Gemeinde, 143f. Anders Goppelt, 1 Petr, 130. Vgl. Evang, Verständnis, 114. Entsprechend geht der erläuternde Satz in 1,25b auf den Verfasser des 1. Petrusbriefes zurück. Vgl. dazu 1,10-12 und speziell zum EL<; uf.ui<; 1,10.
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Auch die Fonnulierung des positiven Gliedes des zweigliedrigen Schemas lässt sich gut im Rahmen der durch die Mahnung in 1,22b bestimmten Anwendung des Traditionsgutes verstehen, kommt doch in der Rede vom Verlangen der Neugeborenen nach der "worthaften Milch"63 stärker als in der traditionellen Wendung öEXEo8a l 'tov AOYOV das prozessuale Moment zum Tragen, dass das Wort die Christen fortwährend auf dem mit der Konversion eingeschlagenen Weg unterstützt64 . Dass der 1. Petrusbrief dabei ethisch auf die Bruderliebe abhebt, fugt sich wiederum gut in die Bedrängnisthematik ein. Die Mahnung zur Bruderliebe ist traditionell mit dem Aspekt der Stärkung der Binnenkoh&sion verbunden6\ die insbesondere im Kontext einer Existenz als Minderheit mit einem spannungsgeladenen Verhältnis zur Umwelt bedeutsam ist66 . Dazu passt, dass 4,8 die beharrliche Bruderliebe nicht nur besonders herausstreicht, sondern in 4,8b mit einem "Zitat" aus Prov 10,12 (MT) konkret auf die Sündenvergebung bezieht. Das Proverbienzitat wird wiederum auch von PsJakobus aufgenommen (5,20). Zudem verweist die gemeinsame Übereinstimmung mit dem hebräischen Text gegenüber der LXX-Fassung wiederum auf eine gemeinsame frühchristliche Traditionsgrundlage 67 . In der Adaption unterscheiden sich beide Schriften auch hier, da PsJakobus die Worte in die sein eigenes Gesamtanliegen bündelnde Aufforderung einstellt, von der Wahrheit abgeirrte Christen zurückzubringen68 . 1.4. Zwischenbilanz: Jakobusbrief und 1. Petrusbrief als unterschiedliche Zeugen eines Traditionszweiges
Überblickt man den Befund zu Jak 1,18.21; 1 Petr 1,22-2,2, so ist festzuhalten: Die Berührungen sind hier so eng und heben sich in ihrer Ausprägung derart signifikant von verwandten Aussagen ab, dass es nicht möglich ist, sie suffizient durch einen allgemein gehaltenen Verweis auf das weite Meer paränetischer Traditionen zu erklären. In dieselbe Richtung weisen die Gemeinsamkeiten zwischen Jak 1,2f; 1 Petr 1,6fsowie Jak 4,6-10; 1 Petr 5,5c-9. Insbesondere am zu63
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Zur Übersetzung vgl. Schweizer, 1 Petr, 42; Giesen, Gemeinde, 159. Das in 2,3 angefügte Psalmzitat schließlich zielt ebenfalls darauf ab, zum Weitermachen zu ermuntern: Die Aufforderung, nach der "worthaften Milch" Verlangen zu haben, wird durch den Verweis auf die positive Anfangserfahrung substantiiert. Dieser Ausrichtung fUgt sich auch die Gestaltung des negativen Gliedes des Schemas in 2,1 ein, wo vor allem Verhaltensweisen angefUhrt werden, die für eine intensive Gemeinschaft schwere Störungen bedeuten (vgl. Schweizer, 1 Petr, 41). Siehe dazu etwa H.-P. Mathys: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Untersuchungen zum alttestamentlichen Gebot der Nächstenliebe (Lev 19,18), OBO 71, Freiburg (Schweiz)/Göttingen 1986, 132-134, zu Lev 19,18 sowie J. Becker: Untersuchungen zur Entstehungsgeschichte der Testamente der zwölf Patriarchen, AGJU 8, Leiden 1970, 394f; M. Konradt: Menschen- oder Bruderliebe? Beobachtungen zum Liebesgebot in den Testamenten der Zwölf Patriarchen, ZNW 88 (1997), 296-310: 308, und Th. Söding: Solidarität in der Diaspora. Das Liebesgebot nach den Testamenten der Zwölf Patriarchen im Vergleich mit dem Neuen Testament, Kairos 36/37 (1994/1995), 1-19: 6 zu den TestXII. Wobei freilich zu vermerken ist, dass das "Zitat" auch anderorts begegnet (s. Anm.69). Die bedeckten Sünden sind dabei die des Apostaten (s. Konradt, Existenz, 57f).
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letzt genannten Beispiel mit seinem Ineinander von Übereinstimmungen und Differenzen lässt sich zugleich gut demonstrieren, dass die Berührungen schwerlich durch ein direktes literarisches Abhängigkeitsverhältnis erklärt werden können, da sich keine der beiden Fassungen schlüssig aus der jeweils anderen ableiten lässt. Vielmehr zeigt sich in den gemeinsamen Partien ein gemeinsames Grundgerüst, das beide ihren divergierenden Anliegen entsprechend unterschiedlich ausgestaltet haben. Und umgekehrt formuliert: Die verzeichneten Differenzen lassen sich als redaktionelle Ausgestaltungen begreiflich machen. Zu schlussfolgern ist: Das den Jakobusbrief und 1. Petrusbrief verbindende Traditionsgut bildet einen eigenen Traditionszweig in der Entwicklung frühchristlicher Überlieferung. Ist dies richtig, gewinnen weitere Berührungen, die für sich genommen wenig aussagekräftig sind, an Gewicht. Auf Jak 5,20; 1 Petr 4,8 ist bereits hingewiesen worden69 • In den Präskripten beider Briefe, und zwar allein in diesen beiden, werden die Adressaten in der Diaspora "lokalisiert" (Jak 1,1; 1 Petr 1,1). 1 Petr 2,11 spricht von den fleischlichen Begierden, cl(-nvEC; atpatEUOVtat. Kata tfJc; lJmxfJc;; Jak 4,1 bezeichnet das Wirken der ~öoval in den Gliedern als ein atpatEUEa8a t.. Vom inneren Kampf im Menschen wird das Verb neutestamentlich nur an diesen beiden Stellen gebraucht. In beiden Schriften begegnen Ausführungen zur Zungenethik (1 Petr 3,9-12; Jak 1,26; 3,1-11), und die Inkriminierung der KataAaAt.a in 1 Petr 2,1 hat ihr~akobeisches Pendant in 4,1 Co. &vaatpocp~ ist frühchristlich durchaus geläufi ' doch ist nur in Jak 3,13 und 1 Petr 2,12 von der KaA~ &vaatpocp~ die Rede 7f• Der "Reinigung der Seelen" in 1 Petr 1,22 lässt sich PsJakobus' Aufforderung ayvlaatE Kapölac; (4,8) zur Seite stellen. Eine vergleichbare Verwendung von ayvl(Et.V im ethisch übertragenen Sinn findet sich neutestamentlich ansonsten nur noch in 1 Joh 3,3 73 • iTapaKUiTtEt.V begegnet in Jak 1,25 bezogen auf das Gesetz, in 1 Petr 1,12 im Blick auf die Evangeliumsverkündigung, während das Verb sonst neutestamentlich nur noch im Zusammenhang des Besuchs des leeren Grabs vorkommt (Lk 24,12; Joh 20,5.11). Diese Liste ließe sich noch um die eine oder andere kleinere Berührung fortftihren 74 • Zieht man zusammen, ist die Schlussfolgerung nicht von der Hand zu wei69
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Für sich genommen ist diese Berührung weniger signifikant, da das auf Prov 10,12 fußende Wort auch anderorts in frühchristlicher Tradition verschiedentlich belegt ist (s. 1 Klem 49,5; 2 Klem 16,4, ferner z.B. Klemens v. Alexandrien, Paid 111 91,3; Strom I 173,6; 11 65,3; IV 111,3; Quis div. salv. 38,2; syrDid 4 [p.46 Vööbus]). KataAaAUx. neutestamentlich sonst nur noch 2 Kor 12,20, Kata.AaAoc; Röm 1,30, das Verb KataAaAELV ferner nur noch 1 Petr 2,12; 3,16 von der Verleumdung von Christen durch Heiden. Außer in Jak 3,13 und 1 Petr 1,15.18; 2,12; 3,1.2.16 noch Gall,13; Eph 4,22; 1 Tim 4,12; Hebr 13,7; 2 Petr 2,7; 3,11. Vgl. 1 Petr 3,2 (ayv~); 3,16 (&ya8~). aYVL(ELV von ritueller Reinigung (örtlich immer mit Jerusalem/dem Tempel verbunden) Joh 11,55; Apg 21,24.26; 24,18. In Jak 5,12 wie in 1 Petr 4,8 begegnet 1TPO 1Ta.Vtwv als Überleitungsformel. Der Jakobusbrief wie der 1. Petrusbrief nehmen zur Beschreibung des eschatologischen Heils die freilich breit bezeugte Vorstellung des Kranzes (otE$avoc;) auf (Jak 1,12; 1 Petr 5,4). emotpE$ELV und 1TAav&o8aL sind gebräuchliche Vokabeln, begegnen im NT aber nur in Jak 5,19 und 1 Petr 2,25 direkt nebeneinander. &1TpOOW1TOA~fl1TtwC; in 1 Petr 1,17 lässt sich Jak 2,1 zur Seite stellen, doch ist das Motiv der Unparteiischkeit Gottes wie die Forderung der
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sen, dass der Jakobusbrief und der 1. Petrusbrief ein und denselben Traditionszweig repräsentieren. Festzuhalten ist ferner, dass das dem Jakobusbrief und dem 1. Petrusbrief gemeinsame Traditionsgut, wie dies anhand von Jak 1,18.21; 1 Petr 1,22-2,3 sichtbar geworden ist, aber z.B. auch für Jak 1,2f; 1 Petr 1,6f; Röm 5,3-5 eine plausible Erklärung darstellt, auf einen vom paulinischen Traditionsbereich unterschiedenen Traditionsstrang verweist, beide aber an der Wurzel miteinander verbunden sind. Im Folgenden ist nun zu versuchen, diesen Befund historisch zu kontextualisieren. Zum einen ist zu fragen, ob es möglich ist, die traditions geschichtliche Verzweigung zwischen dem Jakobusbrief und dem 1. Petrusbrief einerseits und der paulinischen Tradition andererseits zu verorten und von da aus durch die Hinzunahme weiterer traditionsgeschichtlicher Daten zu einer These über den Standort des Jakobusbriefes in der Geschichte des frühen Christentums fortzuschreiten. Zum anderen ist - auf dieser Grundlage - zu versuchen, Charakter und Hintergrund der Verfasserzuschreibung zu bestimmen. Für beides ist skizzen- und ausschnitthaft die Rolle von Jakobus und seine Wirkung im frühen Christentum in den Blick zu nehmen. Von hervorgehobener Bedeutung sind dabei der Apostel konvent und vor allem der sogenannte "antiochenische Zwischenfall", auf die ich mich im Folgenden konzentriere. 2. Versuch einer historischen Kontextualisierung des traditionsgeschichtlichen Befundes
Jakobus 75 war neben Petrus die herausragende Gestalt der Jerusalemer Urgemeinde. Die Frage, ob, wie in der Regel angenommen wird, der Herrenbruder
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Unparteiischkeit an Menschen weit verbreitet (s. die Belege bei Konradt, Existenz, 136, Anm. 228.229). Das Vorkommen von ElTLELK~e; in Jak 3,17; 1 Petr 2,18 ist noch unspezifischer (vgl. neutestamentlich Phil 4,5; 1 Tim 3,3; Tit 3,2), ebenso das von lTpaut1le; in Jak 1,21; 3,13; 1 Petr 3,16 (vgl. nur Gal 5,23; 6,1; Eph 4,2; Kol 3,12; 2 Tim 2,25; Tit 3,2). Auch dass beide die Gegenwart vom tEAOe; her zu sehen lehren (Jak 5,11; IPetr 1,9), ist wenig aussagekräftig. Dasselbe gilt fiir die Verwendung von O't'1lPL(ELV in Jak 5,9; 1 Petr 5,10, zumal einmal die Christen Subjekt sind, das andere Mal Gott. Im Blick auf uvulTOKpltoe; (Jak 3,17; 1 Petr 1,22) fällt im Vergleich zur LXX und zum Frühjudentum (nur Sap 5,18; 18,16, nie in den griechisch erhaltenen Pseudepigraphen, nie bei Philo und Josephus) der relativ häufige Gebrauch im frühchristlichen Schrifttum auf (neben Jakobusbrief und 1. Petrusbrief im NT noch vier Belege, alle im Corpus Paulinum [Röm 12,9; 2 Kor 6,6; 1 Tim 1,5; 2 Tim 1,5], vgl. ferner noch 2 Klem 12,3), doch stehen hier Röm 12,9; 2 Kor 6,6 der petrinischen Rede von der "ungeheuchelten Bruderliebe" sachlich näher als Jak 3,17. Eine formale Analogie kann man zwischen Jak 5,19fund 1 Petr 5,12 ausmachen: In beiden Fällen kommt am Ende des Schreibens gebündelt das Gesamtanliegen zum Ausdruck (in 1 Petr 5,12 wird dies expressis verbis als solches eingefiihrt, zur Bedeutung von Jak 5,19fim Kontext des Briefes s. Popkes, Adressaten, 206; L. Thuren: Risky Rhetoric in James?, NT 37 [1995],262-284: 274; Konradt, Existenz, 314f). Der Herrenbruder Jakobus und Traditionen über ihn waren in der jüngeren Forschung verschiedentlich Gegenstand monographischer Untersuchungen. Siehe M.I. Webber: 'MKlußOe; LlLKaLOe;: Origins, Literary Expression and Development of Traditions About the Brother of the Lord in Early Christianity, Diss. masch., Fuller Theological Seminary, 1985; W.
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im Gefolge der Verfolgung und Flucht des Petrus unter Agrippa 1. 76 den Zwölferapostel als ersten Mann der Gemeinde ablöste 77 oder bereits zuvor beide in der Gemeindeleitung kooperierten78 , kann hier offen bleiben79 • Erkennbar ist, Pratscher: Der Herrenbruder Jakobus und die Jakobustradition, FRLANT 139, Göttingen 1987; J. Painter: Just James. The Brother of Jesus in History and Tradition, Studies on Personalities of the New Testament, Columbia 2 1998. Siehe ferner den Aufsatzband von B. ChiltonlC.A. Evans (Hg.): James the Just and Christian Origins, NT.S 98, LeidenIBostonl Köln 1999. 76 Dass mit dem Zebedaiden Jakobus und mit Petrus allein namhafte Apostel des Zwölferkreises Opfer der Verfolgung unter Agrippa wurden, mag hinreichend mit deren Stellung in der (Jerusalerner) Öffentlichkeit erklärt werden, muss also, umgekehrt formuliert, nicht mit einer laxeren Haltung des Petrus zur Thora zusammenhängen (anders z.B. M. Hengel: Jakobus der Herrenbruder - der erste "Papst"?, in: Glaube und Eschatologie, FS W. G. Kümmel, hg. v. E. Gräßer/O. Merk, Tübingen 1985, 71-104: 100, s. auch unten zum antiochenischen Zwischenfall). 77 Für viele Hengel, Jakobus, 98-100; M. Bockmuehl: Antioch and James the Just, in: James the Just and Christian Origins, hg. v. B. ChiltonlC.A. Evans, NT.S 98, LeidenIBostonl Köln 1999, 155-198: 186; W. Kraus: Zwischen Jerusalem und Antiochia. Die ,Hellenisten' , Paulus und die Aufnahme der Heiden in das endzeitliche Gottesvolk, SBS 179, , Stuttgart 1999, 136. 78 V gl. Painter, James, 44 u.ö. 79 ~an kann überhaupt fragen, ob von einer klar definierten Leitungshierarchie ausgegangen werden darf. In der Regel wird - auf der Basis von Mk 3,20f.31-35; 6,1-6; Joh 7,5 - angenommen, dass lakobus dem Wirken seines Bruders vor Ostern distanziert gegenüberstand. Durch eine Erscheinung des Auferstandenen (1 Kor 15,7) sei es dann zur Wende gekommen, und in der Folgezeit habe das Gewicht des Jakobus sukzessiv zugenommen. Dagegen hat RB. Ward: James of Jerusalem in the First Two Centuries, ANRW 1126.1, BerlinlNew York 1992, 779-812: 786-791, den Aussagewert der angeführten Belege aus den Evangelien in Frage gestellt und jüngst Painter, James, 12ff vertreten, dass Jakobus auch vor Ostern bereits zum Anhängerkreis seines Bruders zählte. Ein Führungswechsel wird gern aus Apg 12,17 herausgelesen: Erst mit dem Weggang des Petrus wird Jakobus in der Apostelgeschichte das erste Mal namentlich erwähnt. Ein sicheres Indiz ist das nicht. Dass Petrus bei seiner Flucht anweist, Jakobus Bescheid zu geben, könnte man auch so lesen, dass der Gemeindeleiter unterrichtet werden sollte (vgl. Painter, James, 44). Und dass Jakobus in der Apostelgeschichte zuvor nicht als solcher hervorgetreten ist, ließe sich auch durch das Postulat einer redaktionellen Tendenz des Lukas erklären, der eben vorrangig an Petrus orientiert ist. Einen tragfähigen Beleg für eine exklusive Führungsrolle des Petrus liefert auch Gal 1,19 nicht. Dass Paulus bei seinem ersten Besuch in Jerusalem das Haupt des Zwölferkreises kennenlernen wollte, lässt sich suffizient dadurch erklären, dass Petrus als Missionar Paulus' Interesse weckte (vgl. R Heiligenthai: "Petrus und Jakobus, der Gerechte". Gedanken zur Rolle der beiden Säulenapostel in der Geschichte des frühen Christentums, ZNT 2 [1999],32-40: 37: "Paulus besuchte Petrus, weil dieser bereits durch Jesus an vorrangiger Stelle zur Mission unter den zwölf Stämmen Israels berufen war"; W.R Farmer: James the Lord's Brother, According to Paul, in: James the Just and Christian Origins, hg. v. B. ChiltonIC. A. Evans, NT.S 98, LeidenIBostonlKöln 1999, 133-153: 143, sucht das Interesse des Paulus an Petrus davon abzuleiten, dass Paulus es während seiner Verfolgertätigkeit mit der petrinischen Mission zu tun gehabt habe). Zu bedenken ist ferner, dass Paulus einräumt, als einzigen maßgeblichen Kopf der Jerusalemer Gemeinde neben Petrus noch Jakobus gesehen zu haben. Über Themen des Gesprächs (Farmer, James, 138, postuliert im Blick auf Paulus' ersten Jerusalembesuch, "that we have every reason to expect that at some point during the fifteen days, if not very early in the visit, the question of the Law and the circumstances of its binding force for Gentile converts would have come up") und Umstände verlautet nichts. Ist Jakobus zufällig dazugekommen? Oder, mir
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dass Petrus und Jakobus unterschiedliche, aber einander ergänzende Rollen zukamen, nämlich insofern, als Jakobus (von Anfang an?) offenbar gegenüber dem umherreisenden Missionar Petrus 80 eine - wenn nicht ausschließlich81 , so doch stärker - gemeinde intern ausgerichtete Funktion ausübte 82 • Nach Paulus' Darstellung des Apostelkonvents (48 n.Chr.) galten Jakobus, Petrus und der Zebedaide Johannes damals als atUAOl (Gal 2,9). Reflektiert diese Metapher ein Verständnis der Kirche als eines eschatologischen Baus Gottes, so ist hier kaum bloß die Jerusalemer Gemeinde samt judäischem bzw. palästinischem Umfeld im Blick, sondern die Kirche überhaupt. Das Dreierkollegium stellte (nach eigenem Verständnis) die tragenden Säulen der Kirche dar83 • Jerusalem ist als Ausgangspunkt des Evangeliums die Muttergemeinde des frühen Christentums und besitzt damit eine singuläre überregionale Bedeutung und Autorität. Dass Jakobus in der Jerusalemer Urgemeinde (zunehmend) als zentrale Führungspersönlichkeit hervortrat, bildet den historischen Kern der judenchrist-
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wahrscheinlicher, hat Petrus Jakobus dazugerufen? Dann wäre auch damals der Herrenbruder schon eine bedeutsame Autorität in der Urgemeinde gewesen. Die Apostelgeschichte weiß auch vor der Verfolgung unter Agrippa von einem "überall im Land umherziehenden" Petrus (9,32, zur missionarischen Wirksamkeit des Petrus wie überhaupt der "Zwölf' in Palästina vgl. G. Theißen: Hellenisten und Hebräer [Apg 6,1-6]. Gab es eine Spaltung der Urgemeinde?, in: Geschichte - Tradition - Reflexion, FS M. Hengel, hg. v. H. CancikIH. LichtenbergerlP. Schäfer, Bd. III: Frühes Christentum, hg. v. H. Lichtenberger, Tübingen 1996, 323-343: 326f.338), und sie dürfte auch darin ein zuverlässiges Bild vermitteln, dass Petrus bereits in der öffentlichen Verkündigung in Jerusalem die zentrale Rolle spielte (2,14ff; 3,12ff; 5,15); möglicherweise trat Petrus dabei auch - mit der entsprechenden Außenwirkung - als charismatischer Heiler (vgl. Apg 3,1-10; 5,13-16) in Erscheinung (so z.B. Heiligenthai, Petrus, 37). 1 Kor 9,5 deutet auf Reiseaktivitäten auch der Herrenbrüder. Jakobus hier impliziert zu sehen, liegt nahe. Freilich gibt Paulus nichts Näheres über Kontext und Charakter der Reisen zu erkennen. Hat Jakobus schon bestehende Gemeinden in Judäa und Umland oder auch im syrischen Raum (mit seiner Frau?) besucht? Hat er Gelegenheiten genutzt, in Synagogengottesdiensten die christliche Botschaft bekannt zu machen? Man kann dies plausibel finden, aber letztlich nicht wissen. Dass er selbst Gemeinden gegründet hat, ist nicht zu erkennen. Gal 2,6-9 gibt jedenfalls Petrus unter dem Dreierkollegium Jakobus, Petrus und Johannes als Kopf der (von Jerusalem ausgehenden) Mission zu erkennen. Folgt man der These von Theißen, dass es sich bei dem Siebenerkreis der Hellenisten (Apg 6,1-6) "um einen ersten Versuch (handelt), neben den überregionalen Autoritäten der 'Zwölf Ortsautoritäten für Jerusalem zu schaffen" (Hellenisten und Hebräer, 328), ist eher davon zu reden, dass der Herrenbruder (als ortsfester Gemeindeleiter) in die Fußstapfen des Siebenerkreises trat, nicht aber Petrus ablöste. - Eine Rivalität zwischen Petrus und dem Herrenbruder lässt sich aus den Quellen in jedem Fall nicht konstruieren. 1 Kor 15,7 als Rivalitätsformel zu lesen (so zuletzt Pratscher, Herrenbruder, 35-46), hat am Textbefund in 1 Kor 15 keinen Anhalt (treffend Heiligenthai, Petrus, 36: "Diese These erscheint mir eher durch eine grundsätzliche Sicht des frühen Christentums als einer Konfliktgeschichte evoziert als durch den Textbefund"). Das Postulat der Vorrangstellung des Jakobus spiegelt sich z.B. in der Erscheinungsszene in HebrEv 7 (dazu Painter, James, 184186), doch lässt sich dies nicht ohne Weiteres auf die Frühzeit rückprojizieren. Vgl. nur J.D.G. Dunn: A Commentary on the Epistle to the Galatians, BNTC, London 1993, 109f; R. Bauckham: James and the Jerusalem Church, in: The Book of Acts in Its First Century Setting, Bd. 4: The Book of Acts in Its Palestinian Setting, hg. v. R. Bauckham, Grand Rapids (MI)/Carlisle 1995,415-480: 442-450.
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lichen wie aber auch großkirchlichen Traditionen84 über seine hervorgehobene Stellung im Urchristentum85 • Aus der Reihenfowe der Nennung der drei Säulen in Gal 2,9 eine interne Hierarchie abzuleiten , ist nicht zwingend. Immerhin kann man aber die Voranstellung des Herrenbruders in Korrespondenz zur Darstellung von Apg 15 setzen, nach der eben Jakobus das entscheidende Votum spricht, auch wenn Lukas mit der Einstellung des "Aposteldekrets" in den Rahmen des Jerusalemer Apostelkonvents eine Zusammenziehung verschiedener historischer Zusammenhänge anzulasten ist (s. sogleich). Festzuhalten ist in jedem Fall, dass nach dem übereinstimmenden Zeugnis von Gal 2,1-10 und Apg 15 nicht nur Petrus, sondern auch Jakobus auf dem Apostelkonvent gegen das Votum einer anderen judenchristlichen Gruppierung, die Lukas als christliche Pharisäer klassifiziert (Apg 15,5) und Paulus polemisch zu "Falschbrüdern" degradiert (Gal 2,4), der beschneidungsfreien Heidenmission des Paulus bzw. der Antiochener zugestimmt hat. Von weichenstellender Bedeutung im hier verfolgten Zusammenhang ist nun der "antiochenische Zwischenfall" (Gal 2,11-14) nach dem Apostelkonvent87 • In Antiochien hielten Juden- und Heidenchristen (im Gefolge der paulinischen Interpretation der Konventsbeschlüsse?) Tischgemeinschaft. Bedenkt man, dass das Herrenmahl mit einer Sättigungsmahlzeit verbunden (vgl. 1 Kor 11,20fO, also auch dieses betroffen war, wird deutlich, dass es bei der Tischgemeinschaft um ein wesentliches Moment des christlichen Gemeinschaftslebens ging. Jüdische Speisetabus spielten dabei entweder gar keine Rolle oder, mir wahrscheinlicher, wurden in den Augen der Jakobusleute zumindest nicht ausreichend beachtet 88 • Es ist, anders gesagt, durchaus nicht zwingend, dass Schweinefleisch 84 85
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Siehe dazu die Aufarbeitungen von Pratscher, Herrenbruder, 102ff, und Painter, James. Vgl. Hengel, Jakobus, 88. - Die These, dass dem Jerusalemer Führungsanspruch ein "kirchenrechtlicher" Charakter eignete (Hengel, Jakobus, 88.102), bringt aber eine schwerlich angemessene Kategorie in die Diskussion ein. Häufig wird die Voranstellung des Jakobus in der Trias als Indiz seiner Führungsrolle gewertet (so z.B. Hengel, Jakobus, 92; Farmer, James, 143). Ich gehe davon aus, dass die in Gal 2 gebotene Sequenz die historische Abfolge richtig wiedergibt. Ebenso G. Schneider: Die Apostelgeschichte, II. Teil: Kommentar zu Kap. 9,128,31, HThK 5/2, FreiburglBasel/Wien 1982, 191; T. Holtz: Der antiochenische Zwischenfall (Galater 2.11-14), NTS 32 (1986), 344-361: 346f; e.e. Hill: Hellenists and Hebrews. Reappraising Division within the Earliest Church, Minneapolis 1992, 115-117; A. Wechsler: Geschichtsbild und Apostelstreit. Eine forschungsgeschichtliche und exegetische Studie über den antiochenischen Zwischenfall (Gal 2,11-14), BZNW 62, BerlinlNew York 1991,297-305 u.v.a. Anders G. Lüdemann: Paulus, der Heidenapostel, Bd. 1: Studien zur Chronologie, FRLANT 123, Göttingen 1980, 77-79.101-105. EL au 'IoUÖlXloC; lJ1TapxWV EeVlKcJ, KlXl ouXt'IouÖIX'LKWC; (tlc; in Gal 2,14 spricht prima facie rur die erstgenannte Möglichkeit. Aber dass Petrus "heidnisch lebte", gehört zur polemischen Darstellung des Paulus und lässt jedenfalls nicht den Schluss zu, dass Petrus überhaupt die Thora als überholt angesehen hat (vgl. Dunn, Gal, 127f). Mit ausreichender Sicherheit lässt sich dies nicht einmal rur die Speisethora behaupten (vgl. Holtz, Zwischenfall, 345). Apg 10,1-11,18 dürfte jedenfalls lukanischer Redaktion zuzuweisen sein (vgl. Ch. Heil: Die Ablehnung der Speisegebote durch Paulus. Zur Frage nach der Stellung des Apostels zum Gesetz, BBB 96, Weinheim 1994, 153). Dass Petrus bereits vor dem Apostelkonvent in seiner eigenen missionarischen Tätigkeit die Öffnung zu den Heiden betrie-
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auf den Tisch kam89 . Es genügt die Annahme, dass die Jakobusleute kritisierten, dass (bei Mahlzeiten in Häusern von Heidenchristen) nicht auf die Herkunft und Zubereitung der Speisen geachtet wurde 90 • Ob alle antiochenischen Judenchristen an Mahlzeiten mit Heidenchristen teilnahmen oder es bereits unter einigen von ihnen Reserven dagegen gab, entzieht sich unserer Kenntnis 91 • Rechnet man damit, dass es in Antiochien mehrere Hausgemeinden gegeben hat, besteht durchaus die Möglichkeit, dass sich hier auch rein judenchristliche Zirkel behaupteten92 • Petrus freilich hatte sich wie Bamabas der gemischten antiochenischen Mahlpraxis, als er in die syrische Metropole kam, eingefügt93 , seinen Standpunkt aber infolge des Auftretens der Jakobusleute geändert 94 • Paulus' Vorwurf an Petrus,
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ben hat, ist angesichts von Gal 2,7 zweifelhaft (vgl. R. Pesch: Die Apostelgeschichte, 2. Teilbd.: Apg 13-28, EKK V/2, ZürichlDüsseldorflNeukirchen-Vluyn 1986, 86). Vgl. Heil, Speisegebote, 138. Fleisch und auch Wein von Heiden waren mit heidnischem Götzendienst fest assoziiert (v gl. E.P. Sanders: Jewish Association with Gentiles and Galatians 2:11-14, in: The Conversation Continues. Studies in Paul and John, FS J. L. Martyn, hg. v. R. T. Fortna/B.R. Gaventa, Nashville 1990, 170-188: 178f). Spiegelt das "Aposteldekret" (Apg 15,29) die Kritikpunkte der Jakobusleute (dagegen Bockmuehl, Antioch, 181), liegt es nahe, die Lösung in dieser Richtung zu suchen (zum Zusammenhang mit dem antiochenischen Zwischenfall s. u.). - Die Frage, ob es um die Unreinheit der Speisen (so dezidiert Sanders, Association, 172ff.185) oder um die der Heiden als Heiden geht (vgl. Bockmuehl, Antioch, 181), führt möglicherweise in eine falsche Alternative. Dass das "Aposteldekret" Götzenopferfleisch, Blut und Ersticktes anführt, weist auf Speisen. "Unzucht" aber lässt sich hier nicht einstellen, sondern verweist auf die Unreinheit der Person (v gl. 1 Kor 5,111). Die relevanten frühjüdischen Texte geben als Problem mehrheitlich die Speisen zu erkennen (s. Dan 1,5-16; 2 Makk 7,lf; 3 Makk 3,4.7; Est 4,17 [LXX]; Tob 1,1Ofund positiv Arist 181: Die Teilnahme der Juden am königlichen Festbankett ist ohne weiteres möglich, weil sichergestellt ist, dass die Speisen unter Beachtung der jüdischen Speisegebote zubereitet werden). Anders aber das Trennungsgebot in Jub 22,16 (vgl. auch Apg 10,28). Die Szenerie in JosAs 7,1 kann man für sich genommen im Sinne einer prinzipiellen Meidung des Essens mit Heiden lesen, anders aber JosAs 20,8! Nach Gal 2,13 haben sich "auch die übrigen Juden" zurückgezogen. Aber waren das alle? Oder nur die, die sich zuvor an der Tischgemeinschaft mit Heiden beteiligt hatten? V gl. dazu die Überlegungen bei L. Schenke: Die Urgemeinde. Geschichtliche und theologische Entwicklung, Stuttgart/Berlin/Köln 1990,320.323. Der Vorschlag von P.C. Böttger: Paulus und Petrus in Antiochien. Zum Verständnis von Galater 2,11-21, NTS 37 (1991), 77-100: 80f, dass die Rede vom E8vLKWC; (fJv des Petrus nicht auf die Tischgemeinschaft zu beziehen, sondern als Kritik im Sinne von 1 Thess 4,5; Eph 2,12 zu verstehen und mit dem Vorwurf in Gal 2,14a zu parallelisieren sei, macht aus dem Textzusammenhang einen Torso. Paulus' Schilderung gibt nicht sicher zu erkennen, dass es sich bei den Jakobusleuten um eine vom Herrenbruder aus Kenntnis der antiochenischen Praxis mit einer Intervention beauftragte Gesandtschaft handelt (alTo 'IaKwßou in Gal 2,12 müsste man dann zu a8ELv ziehen). Es kann sich auch um Christen aus dem Kreis um Jakobus handeln (alTo 'IaKwßou zu nvac;), die (im Rahmen üblicher Besuchspraxis?) nach Antiochien kamen und erst dort von der für sie untragbaren Praxis Kenntnis erhielten. An eine Gesandtschaft denken dagegen z.B. Pratscher, Herrenbruder, 79; Schenke, Urgemeinde, 323; 1. Wehnert: Die Reinheit des "christlichen Gottesvolkes" aus Juden und Heiden. Studien zum historischen und theologischen Hintergrund des sogenannten Aposteldekrets, FRLANT 173, Göttingen 1997, 124; Farmer, James, 146-148, der zudem als Kontext ein geplantes "high-level meeting" (147)
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dass "Furcht vor denen aus der Beschneidung" die Antriebsfeder seines Rückzugs gewesen war, ist Teil der polemischen Argumentationssituation des Galaterbriefes 95 • Die Jakobusleute werden vielmehr gute Gründe vorgetragen haben, die Petrus und Barnabas wie die übrigen Judenchristen theologisch überzeugt haben96 • Dabei dürften zwei - miteinander verzahnte - Aspekte eine Rolle gespielt haben: Zum einen nahm die antiochenische Praxis auf die jüdische Identität der jüdischen Glaubensgenossen entweder keine oder nach dem Urteil der Jakobusleute keine ausreichende Rücksicht, so dass die Realisierung der Einheit der ecclesia auf Kosten der jüdischen Seite ging. Petrus mag im Blick auf die Speisegebote eine liberale bzw. laxe Haltung eingenommen haben, die (einige?) andere Judenchristen (in Antiochien) zu teilen vermochten und der hier und da im zeitgenössischen Judentum vorgearbeitet worden sein mag97 • Aber es gab zur Speisehalacha offenkundig auch andere Positionen im Judenchristentum. Die antiochenische Praxis machte deren Vertretern eine Teilnahme an der Mahlgemeinschaft unmöglich, stand damit der (überregionalen) Einheit der Christusgläubigen im Wege 98 und musste auch ein Hindernis rur die Mission unter Juden bedeuten. Die Jakobusleute vertraten dabei schwerlich bloß die Vorbehalte anderer Judenchristen gegen die antiochenische Praxis (wie etwa der in Apg 15 erwähnten christlichen Pharisäer), sondern (auch) ihre eigenen. Darf man von ihrer Intervention auf den Herrenbruder selbst rückschließen, gibt der antiochenische Konflikt zugleich eine Differenz zwischen Jakobus und Petrus in ihrer halachischen Praxis zu erkennen, der insofern eine ekklesiologische Differenz korrespondieren dürfte, als Jakobus christliche Gemeinde konsequent(er) von der Erwählungsgeschichte Israels her im Rahmen des Gegenübers von Israel und den Völkern denkt. Die beschneidungsfreie Mission unter Heiden hatte er bejaht; eine Realisierung der Gemeinschaft von Juden- und (nicht zu Juden gewordenen) Heidenchristen auf Kosten der jüdischen Seite aber konnte nicht sein Plazet finden. Dies lässt nicht den Umkehrschluss zu, dass Jakobus bzw. seine Leute die Speisethora entgegen der Gesetzesauslegung Jesu besonders betont hätten99 . Überhaupt war er offenkundig kein "Rigorist". Als wesentliches Charakteristi-
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über die antiochenische Mission postuliert, an der auch weitere Gesandtschaften teilgenommen haben werden; mehr als eine phantasievolle Spekulation ist das nicht. Paulus' Vorwurf steht im Dienste der ParaUelisierung des antiochenischen Zwischenfalls mit der galatischen Krise. Dort wird den ,judaisierenden Gegnern" vorgehalten, sie zwängen die Galater zur Beschneidung, um der Verfolgung um des Kreuzes Christi willen aus dem Weg zu gehen (6,12). Schon die Rede von "denen aus der Beschneidung" in 2,12 ist offenkundig im Vorgriff auf die Problematik in Galatien gewählt. Vgl. dazu und fiir das Folgende: Holtz, Zwischenfall, 348ff. Nicht bedacht wird der polemische Charakter von Ga12,12 hingegen z.B. bei Wehnert, Reinheit, 124f. Als Hintergrund ist darauf zu verweisen, dass es im zeitgenössischen Judentum durchaus verschiedene Gewichtungen der Speisegebote bzw. unterschiedliche Spielarten ihrer Befolgung und des Verkehrs mit Heiden gegeben hat. Siehe dazu als Übersicht z.B. die Ausfiihrungen von Bockmuehl, Antioch, 164-168. Die Jakobusleute etwa konnten sich nur ihren eigenen Tisch decken. Der Gruppe christlicher Pharisäer, in der man eine solche Betonung am ehesten erwarten könnte, gehörte der Herrenbruder nach Apg 15 jedenfalls nicht an. Als christlicher Pharisäer wird Jakobus dagegen von K.L. Carroll: The Place of James in the Early Church, BJRL 44 (1961), 49-67: 60, eingestuft.
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kum des Herrenbruders festzuhalten ist wohl aber seine gewissenhafte Orientierung an und Befolgung der Thora (in ihrer Ausle~ung durch Jesus)lOO, die ihm schon bald den Beinamen "der Gerechte" eintrug 10 . Im Gefälle der eben angedeuteten ekklesiologischen Position des Herrenbruders liegt der zweite Aspekt, der die Kritik der Jakobusleute wesentlich bestimmt haben dürfte. Es geht nicht nur um die Beachtung der Speisegebote um der Speisegebote willen, sondern diese weisen über sich selbst hinaus und haben eine wichtige Funktion in der Markierung der Grenze zwischen dem Gottesvolk und den Völkern to2 • Gehören die Bestimmungen des "Aposteldekrets" (Apg 15,20.29; 21,25), wie häufig und m.E. mit Recht angenommen wird, ursprünglich in den Zusammenhang der Lösung des antiochenischen Problems 103 , findet darin eben dieser Aspekt eine Bestätigung. Die Gemeinschaft von Juden- und IOODies spiegelt auch die lukanische Darstellung des Apostelkonvents. An Jakobus' Vorschlag, den Heidenchristen lediglich die Meidung der Befleckung durch Götzen, von Unzucht, Ersticktem und Blut aufzuerlegen (Apg 15,20), schließt sich als Begründung der Verweis an, dass Mose seit ältesten Zeiten in jeder Stadt seine Verkündiger habe, da er an jedem Sabbat in den Synagogen verlesen werde (15,21). Zu verstehen ist diese Begründung, bezieht man sie direkt auf V.20, offenbar so, dass das "Dekret" deshalb nötig ist, "weil die Juden seit Urzeiten an das im Synagogengottesdienst verlesene Gesetz gebunden sind und ihnen nicht ohne weiteres zugemutet werden kann, sich davon zu lösen" (l Roloff: Die Apostelgeschichte, NTD 5, Göttingen/Zürich 18[2]1988,233). In dieser Frage aus der Notiz des Josephus, dass die Steinigung des Jakobus (Ant XX 200) den Protest derer hervorrief, die die Gesetze akribisch beachteten (201), worunter wohl Pharisäer zu verstehen sind (s. dazu Hengel, Jakobus, 73; Ward, James, 785 u.a., s. aber die Differenzierung bei Hill, Hellenists, 190), Rückschlüsse zu ziehen, ist mit Schwierigkeiten behaftet. Denn möglicherweise wollten, wie Hengel vermutet, "die Protestierenden mehr das Machtstreben des ungestümen Hannas dämpfen, als die Jerusalemer Judenchristen verteidigen" (Jakobus, 74). Nach Hill, Hellenists, 187f ging es bei dem Protest um die Rechtmäßigkeit des Vorgehens des Ananus, nicht um die Unschuld des Jakobus. - Zur Thoratreue des Jakobus vgl. Burchard, Jak, 3; Hengel, Jakobus, 80; Pratscher, Herrenbruder 101 u.a.m. 101 Siehe dazu ThEv 12; HebrEv 7; Hegesipp bei Eusebius, Hist. eccl. 11 23,4.7.12.15.16; IV 22,4; 1 ApkJak p.32 (NTApo I, 6 1990, 261) U.ö. - Vgl. Hengel, Jakobus, 79-81; Painter, James, 125.157 .162f.169.185. 102 Pointiert formuliert begegnet dieser Aspekt in Arist 139-142: " ... Damit wir nicht besudelt und durch schlechten Umgang verdorben werden, umgab er uns von allen Seiten mit Reinheitsgeboten in Bezug auf Speisen und Getränke und Berühren, Hören und Sehen" (142). 103 So z.B. Roloff, Apg, 227; Schneider, Apg 11, 189; Hengel, Jakobus, 94f; A. Strobel: Das Aposteldekret als Folge des antiochenischen Streites. Überlegungen zum Verhältnis von Wahrheit und Einheit im Gespräch der Kirchen, in: Kontinuität und Einheit, FS F. Mußner, hg. v. P.-G. Müller/W. Stenger, FreiburglBasel/Wien 1981, 81-104: 86; R. Pesch: Das Jerusalemer Abkommen und die Lösung des Antiochenischen Konflikts. Ein Versuch über Ga12, Apg 10,1-11,18, Apg 11,27-30; 12,25 und Apg 15,1-41, in: Kontinuität und Einheit (s.o.), 105-122: 106f; A. Weiser: Das "Apostelkonzil" (Apg 15,1-35). Ereignis, Überlieferung, lukanische Deutung, BZ NF 28 (1984),143-167: 152; Holtz, Zwischenfall, 354f; l Becker: Paulus. Der Apostel der Völker, Tübingen 31998, 103; Wehr, Petrus, 69.167ff; Heil, Speisegebote, 158. Dagegen sehen z.B. D.R Catchpole: Paul, James and the Apostolic Decree, NTS 23 (1977),428-444: 442 und Wehnert, Reinheit, 129 die Forderungen des Aposteldekrets als Auslöser des antiochenischen Streites. Sie seien "Teil der in Gal 2,12 erwähnten Jakobus-Botschaft" (ebd.). Zur Kritik an dieser Position s. Kraus, Jerusalem, 151f.
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Heidenchristen durfte nicht zur Aufweichung der Scheidelinie zwischen dem Gottesvolk und dem Heidentum führen und zum Einfallstor "paganen Unwesens" werden. Von daher erklärt sich die prominente Stellung von ELöwÄ6Su-ra und die über die Speisehalacha hinausgehende Forderung der Enthaltung von 1 iTOPVE (a 04 im "Aposteldekret" 105 • Petrus' Rückzug in Antiochien muss man nicht so interpretieren, dass er seine halachische Position änderte. Es genügt die Annahme, dass er in den Argumenten der Jakobusleute übergeordnete Gesichtspunkte erkannte, die in der antiochenischen Praxis nicht bedacht waren. Das Ziel seines Rückzugs (wie wohl auch der Intervention der Jakobusleute) ist dabei nicht die zukünftige Spaltung in Juden- und Heidenchristen, sondern die Neubegründung der Gemeinschaft auf einer Grundlage 106, die der jüdischen Identität der Judenchristen Rechnung trägt und die Grenze zwischen dem Gottesvolk und der paganen Welt wahrt. Wurde die Problematik in Antiochien durch das "Aposteldekret" gelöst, war Paulus in dem Konflikt der Unterlegene 107 • Diese Annahme wird durch den Gal indirekt bestätigt: Hätte Paulus sich in Antiochien durchgesetzt, hätte er dies gegenüber den Galatern angesichts der dortigen analogen Krise schwerlich unerwähnt gelassen. Sein Schweigen ist in diesem Fall beredt. Er trennt sich in Folge der Auseinandersetzung von Barnabas, wirkt fortan nicht mehr als antiochenischer Gemeindemissionar, sondern macht einen eigenen Missionsbetrieb auf und findet nach der Mission in Mazedonien und Achaja in Ephesus eine langjährige Basisstation für seine Mission 108 • Die Gemeinde im syrischen Antiochien bewegt sich also fortan auf der Linie der Jerusalemer. Die Forderungen der Enthaltung von Götzendienst, von Blut und Ersticktem und von Unzucht bilden eine Minimalanforderung an Heidenchristen, die sich, was nicht erneut auszuführen ist, an den Regelungen für Gerim im 1040b damit im Sinne von Lev 18 allein inzestuöse Verbindungen gemeint sind (18,6-18) oder umfassender Unzucht (s. in Lev 18 immerhin V.l9f.22f), kann hier offen bleiben. Gewichtiger ist als Verstehenshintergrund, dass "Unzucht" in frühjüdischen wie dann auch frühchristlichen Schriften stereotyp als nota "heidnischen Unwesens" begegnet bzw. im Sexualethos eine gewichtige Differenz zur paganen Welt gesehen wird (s. etwa Sap 14,24.26; lub 25,1; Arist 152; Sib III 594-600; V 387-393; PsPhilo, De 10na 16.105f; Phi10, los 40-44; KoI3,5-7; Eph 4,17-19; 5,3-8; 1 Thess 4,3-5; Offb 14,8; 18,3). Verankert ist dies notabene bereits im vermutlichen primären Referenztext des "Aposteldekrets" Lev 1718(s.18,24-30). 105 Als dritter Aspekt mag bei der Intervention der lakobusleute noch ein politisches Motiv mitschwingen. Siehe dazu Bockmuehl, Antioch, 182-184. 106 Ansonsten wäre Paulus' Vorwurf an Petrus, die Heiden zum Louöa:L(ELV zu zwingen, unverständlioh (vgl. Holtz, Zwischenfall, 349; Kraus, lerusalem, 160). LOUÖIl'L(ELV ist dabei Teil der paulinischen Polemik (vgl. zu dieser Frage Holtz, Zwischenfall, 345f.354) und spricht jedenfalls nicht dagegen, dass es sich bei den an die Heidenchristen herangetragenen Vorstellungen "lediglich" um Forderungen auf der Linie des "Aposteldekrets" (v gl. oben Anm. 90 zum "Dekret" als Reflex der Kritikpunkte der lakobusleute) gehandelt hat. Paulus freilich sieht hier eine grundsätzliche Weichenstellung. 107 Ebenso G. Bornkamm: Paulus, Stuttgart u.a. 61987, 67f; Catchpole, Paul, 439f; Holtz, Zwischenfall, 348; Roloff, Apg, 227; Schenke, Urgemeinde, 324; Becker, Paulus, 102; Hill, Hellenists, 126f; Heil, Speisegebote, 162; Wehnert, Reinheit, 125 u.a.m. 108 Die Historizität des Antiochienbesuchs in Apg 18,22f ist m.E. zweifelhaft. Paulus hat Antiochien wohl für immer verlassen (ebenso z.B. Wehr, Petrus, 34.73).
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Lande Israel (v gl. Lev 17f) orientieren 109. Heidenchristen blieben nach diesem Kompromiss als Heiden akzeptiert, Judenchristen war die Bewahrung ihrer jüdischen Identität ermöglicht 11O, die "Reinheit" des Gottesvolkes sichergestellt 111 • Diese Lösung des Problems, das im Rahmen des Apostelkonvents offenbar noch gar nicht präsent war 1l2 , ist zweifelsohne moderat. Ja, "die Entscheidung war offenbar zugleich theologisch und geschichtlich so situationsentsprechend einleuchtend, daß sie sich ökumenisch durchsetzte. Die Bestimmungen des Dekrets stehen alsbald in der ganzen Kirche in Geltung" I 13. Dieser Befund ist nun in mehrfacher Hinsicht bedeutsam: 1. Die antiochenische Gemeinde als wichtiges Zentrum des frühen Christentums stand in enger Verbindung mit der Jerusalemer "Muttergemeinde". Wurde in der Frage der beschneidungsfreien Heidenmission die Übereinkunft mit den Jerusalernern gesucht, so setzte sich die Jerusalemer Position auch im Blick auf die Tischgemeinschaft von Juden- und Heidenchristen durch. 2. Die Lösung des Konflikts ist in der Tradition von Apg 15 mit dem Herrenbruder Jakobus verbunden. Dabei kann man historisch offen lassen, ob die Klauseln von Jerusalem quasi "dekretiert" wurden oder, mir wahrscheinlicher, in Abstimmung mit der antiochenischen Gemeinde gefunden wurden. So oder so dürfte, darin wird Lukas eine historisch zuverlässige Reminiszenz bieten, Jakobus als der Kopf dieser Lösung anzusehen sein 114; deren Orientierung an der Thora passt jedenfalls gut zum Herrenbruder. Ist dies richtig, hat sich Jakobus nicht nur beim Apostelkonvent, sondern auch beim antiochenischen Zwischenfall als Führungspersönlichkeit bewährt und als "ein Mann des Ausgleichs" I 15 gezeigt, denn das "Aposteldekret" ist ein Dokument des Entgegenkommens, ein echter Kompromiss, der Jakobus' Interesse an der Einheit der Kirche deutlich werden 109 Siehe
dazu Roloff, Apg, 227; Pesch, Apg 11,81; Holtz, Zwischenfall, 355; Wechsler, Geschichtsbild, 361; K. Müller: Thora für die Völker. Die noachidischen Gebote und Ansätze zu ihrer Rezeption im Christentum, SKI 15, Berlin 1994, 157-163; Bauckham, James, 459f; Wehr, Petrus, 168.173; Heil, Speisegebote, 15lf; Wehnert, Reinheit, 209-245; Kraus, Jerusalem, 146-149. Anders aber z.B. A.J.M. Wedderbum: The 'Apostolic Decree': Tradition and Redaction, NT 35 (1993), 362-389: 363ff. 1l0 Vgl. Holtz, Zwischenfall, 355. - Auch dazu hatte schließlich der Apostelkonvent sein Ja gesprochen, während für Paulus die Akzeptanz der beschneidungsfreien Heidenmission bedeutete, dass den Heiden auch sonst nichts auferlegt war. 111 Dazu Wehnert, Reinheit, 239ff. 1l2 Vgl. für viele: Bornkamm, Paulus, 67. - Dies erklärt sich leicht dadurch, dass dort die Tischgemeinschaft wie selbstverständlich unter den Bedingungen der Jerusalemer stattfand (vgl. Hengel, Jakobus, 94; Holtz, Zwischenfall, 352). 113 Holtz, Zwischenfall, 355. - Zur Geltung des Dekrets vgl. M. Simon: The Apostolic Decree and its Setting in the ancient Church, in: ders., Le Christianisme antique et son contexte religieux. Scripta Varia, Bd. 2, WUNT 23, Tübingen 1981,414-437: 43lff; Bauckham, James, 464f. 114 S0 oder ähnlich z.B. Roloff, Apg, 227; Hengel, Jakobus, 94; Weiser, Apostelkonzil, 152; Wehr, Petrus, 174 ("Lukas hätte von sich aus zweifellos Petrus oder einem anderen der Zwölf die Rolle des Initiators überlassen"); Wehnert, Reinheit, 66f.68-70 ("Bei aller gebotenen Vorsicht darf ... angenommen werden, daß in der von Lukas benutzten Überlieferung die Formulierung der Enthaltungsvorschriften mit der Person des Jakobus verknüpft war" [67]), s. auch HilI, Hellenists, 144f. 115 Hengel, Jakobus, 92 (im Original kursiv).96.
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lässt l16 • Zugleich dokumentiert der antiochenische Zwischenfall und insbesondere dessen Lösung die Ausstrahlungskraft des Herrenbruders über Jerusalem und Judäa hinaus in den antiochenischen Raum, und zwar nicht nur bei den dortigen Judenchristen. Dass die Gemeinde in dem Konflikt offenbar nicht auseinandergebrochen ist, gibt vielmehr zu erkennen, dass auch im heidenchristlichen Teil der mit Jakobus verbundenen Jerusalemer Position Verständnis entgegengebracht wurde" 7, dass sein Anliegen mitgetragen werden konnte, ja dass seinem Wort ein offenbar hoher Stellenwert beigemessen wurde und er mithin als bedeutsame Autorität galt 118. Man kann nun in einem weiteren Schritt versuchen, den im ersten Teil dargelegten traditionsgeschichtlichen Befund und die obigen Ausführungen zum Herrenbruder und zu seinem Wirkungskreis miteinander in Beziehung zu setzen. Meine These ist, dass sich der traditionsgeschichtliche Befund, wie er in Teil I erhoben wurde und im Folgenden noch zu konturieren sein wird, plausibel von der mit dem antiochenischen Zwischenfall erfolgten Weichenstellung in diesem bedeutenden Zentrum des frühen Christentums her erklären lässt. Der dargelegten Verzweigung zwischen dem Jakobusbrief und dem 1. Petrusbrief einerseits und paulinisch-deuteropaulinischer Tradition andererseits korrespondiert das durch den antiochenischen Konflikt ausgelöste Auseinandergehen der Wege. Konkret: Das in Jak 1,21; 1 Petr 2,lfund verschiedentlich in paulinischer Tradition begegnende zweigliedrige paränetische Schema gehört zum gemeinsamen antiochenischen Traditionsfundament, das in beiden Traditionszweigen unterschiedliche Ausgestaltungen erfahren hat. Das Zusammenwachsen ursprünglich selbständiger Traditionsstücke wie in Jak 1,18.21 par 1 Petr 1,22-2,2 weist dabei auf diese spätere Entwicklung. Trägerkreis dieser Traditionsfortbildung ist das antiochenische Christentum (samt Umfeld) nach dem Zwischenfall, in dem Petrus und auch Jakobus als gewichtige Autoritäten galten. Und eben dies dokumentiert sich in den Autorenfiktionen des 1. Petrusbriefes und des Jakobusbriefes. Zugleich ist zu fragen, ob sich die Berührungen des 1. Petrusbriefes mit Paulusbriefen und Deuteropaulinen zumindest in einem wesentlichen Umfang suffizient auf der Basis gemeinsamer Abhängigkeit von antiochenischer Tradition verstehen lassen 119. Dasselbe Jailt mutatis mutandis von Berührungen zwischen dem Jakobusbriefund Paulus l 116 Vgl.
Hengel, Jakobus, 95. gälte auch, wenn die sog. "Jakobusklauseln", wie Pratscher, Herrenbruder, 87 gemutmaßt hat, von den antiochenischen Heidenchristen als "eine Art freiwillige Selbstbeschränkung zum Zweck des Zusammenlebens mit den Judenchristen" (im Original kursiv) erstellt wurden. So oder so ist kaum über die Köpfe der Beteiligten hinweg "dekretiert" worden und das Einverständnis der antiochenischen Heidenchristen anzunehmen - in welchem Grad auch immer sie an der Findung der Lösung beteiligt gewesen sein mögen. 118 Zur Hochschätzung des Herrenbruders im syrischen Raum siehe auch das Zeugnis des ThEv in Logion 12 (dazu Pratscher, Herrenbruder, 151-154; Painter, James, 160-163). Zur (späteren) positiven Rezeption des Herrenbruders in der Großkirche s. Pratscher, Herrenbruder, 178-208. 119 Siehe dazu Berger, Theologiegeschichte, 418-430, vgl. auch 1. Becker: Die Erwählung der Völker durch das Evangelium. Theologiegeschichtliche Erwägungen zum 1 Thess, in: Studien zum Text und zur Ethik des Neuen Testaments, FS H. Greeven, hg. v. W. Schrage, 117 Dies
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Dieser Ansatz lässt sich durch ein weiteres Datum untermauern. Für den Jakobusbriefist verschiedentlich eine tiefe Verwurzelung in der Jesustradition postuliert worden. M.E. ist an vielen Stellen zurückhaltender zu urteilen; der Zusammenhang ist häufig ein indirekter l21 • Die These eines Einflusses von Jesustradition ist damit aber nur modifiziert l22 • Nicht nur das Schwurverbot Jak 5,12, das hier in einer überlieferungsgeschichtlich älteren Gestalt als in Mt 5,33-37 mit seiner Antithesenform vorliegen dürfte l23 , weist dabei auf eine besondere Nähe zum Matthäusevangelium 124. Ist der 1. Petrusbrief der engste Verwandte des Jakobusbriefes, was Berührungen in einzelnen Traditionsstücken angeht, so gebührt dem Matthäusevangelium dieses Prädikat im Blick auf die theologische
BZNW 47, Berlin/New York 1986, 82-101: 100. - Dies muss freilich keine Generallösung sein. Eine Diskussion dieser Frage müsste in jedem Fall den Aspekt des Verhältnisses von Traditionsgebundenheit und innovativen, genuin paulinischen Elementen der Ausführungen des Paulus mit in den Blick nehmen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Ist die Rede von xapLo~a-m (Röm 12,6; 1 Kor 12,4.9.28 u.ö., vgl. 1 Petr 4,10) eine spezifisch paulinische Prägung (wofür der Konkordanzbefund deutlich spricht) oder bereits eine Paulus vorliegende Tradition? Ohne dies hier entfalten zu können, scheint mir eine Lösung dahingehend zu suchen zu sein, dass der 1. Petrusbrief Zeuge eines unpaulinischen Christentums ist, aber Seiteneinflüsse durch paulinische Traditionselemente vorliegen. Dass diese als distinkte Paulinismen bekannt waren, muss man dabei nicht voraussetzen (vgl. Herzer, Petrus, passim). Über konkrete Traditionswege kann man hier im Detail letztlich nur spekulieren. Aber wenn man z.B. bedenkt, dass es in Korinth eine Petruspartei gegeben hat und der Tatbestand, dass Paulus Bamabas in 1 Kor 9,6 als in Korinth bekannt voraussetzt, doch wohl auf Verbindungen zwischen Korinth und Antiochien hinweist (so H. Merklein: Der erste Brief an die Korinther. Kapitel 1-4, ÖTBK 7/1, Gütersloh/Würzburg 1992, 150), wird es plausibel, dass sich andere Gruppen paulinisches Gut aneignen und in nicht-paulinische Traditionskanäle einspeisen konnten. 120 Jak 2,14-26 ist m.E. von paulinischer Tradition unabhängig (s.o. Anm.11). Eine Verbindung, die sich gut über eine gemeinsame Traditionsbasis erklären lässt, dürfte aber in dem Gebrauch von l/JUXLKOC; (Jak 3,15; 1 Kor 2,14) im Rahmen der Thematisierung der Weisheit in Jak 3,13-18 und 1 Kor 1-3 vorliegen, zumal der Weisheits anspruch ganz ähnlich "widerlegt" wird. Lastet Paulus den Adressaten (fJAOC; KaI. EPLC; an (1 Kor 3,3), so verweist PsJakobus auf(fJAoc; TILKPOC; KaI. EpL8ELa (Jak 3,14). 121 Siehe Konradt, Existenz, 322f. 122 Es bleibt freilich auch die Frage, ob alles, was in den Evangelien begegnet und Verwandte im Jakobusbriefhat, PsJakobus als Jesustradition bekannt war. Es ist im Einzelfall auch die Möglichkeit zu überprüfen, dass ethische Unterweisung sekundär zum Jesuswort geworden ist. Einer Inanspruchnahme des Jakobusbriefes als Quelle fUr Jesustradition sind damit methodisch enge Grenzen gesetzt. 123 Siehe dazu G. Dautzenberg: Ist das Schwurverbot Mt 5,33-37; Jak 5,12 ein Beispiel für die Thorakritik Jesu?, BZ NF 25 (1981),47-66. 124 Ein enger Zusammenhang des Jakobusbriefes mit dem Matthäusevangelium ist verschiedentlich vertreten worden. Hartin, James, 186f.195f U.ö. sieht den Jakobusbrief von der Logienquelle abhängig und mit deren Weiterentwicklung in der mt Gemeinde (QMt) vertraut, nicht aber mit der mt Redaktion. Berührungen mit mk Stoff seien über die mt Gemeinde vermittelt. Andere Ausleger dagegen postulieren eine Kenntnis des Matthäusevangeliums selbst durch den Verfasser des Jakobusbriefes, so z.B. Brückner, Kritik, 537; M.H. Shepherd: The Epistle of James and the Gospel of Matthew, JBL 75 (1956), 40-51; F. Gryglewicz: L'Epitre de St. Jacques et l'Evangile de St. Matthieu, RTK 8 (1961),33-55; R.M. Cooper: Prayer. A Study in Matthew and James, Encounter 29 (1968), 268-277.
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Affinität l25 • Den Jakobusbrief im Umfeld des Traditionsraumes zu lokalisieren, der das Matthäusevangelium geprägt hat, böte eine naheliegende Erklärung dieses Befundes. Dem fügt sich nun ein, dass auch für den 1. Petrusbrief überauffallige Berührungen mit dem Matthäusevangelium zu verzeichnen sind, so vor allem in 1 Petr 3,14 mit Mt 5,10 sowie in 1 Petr 2,12 mit Mt 5,16. Gehen die mit dem 1. Petrusbrief übereinstimmenden Partien in Mt 5,10.16 auf matthäische Redaktion zul26 rück , könnte der 1. Petrusbrief der früheste Zeuge fur die Benutzung des Matthäusevangeliums sein l27 • Da sich andererseits der erste Evangelist deutlich als Exponent seiner Gemeinde zeigt, ist es freilich ebenso gut möglich, dass die matthäischen "Redaktionismen" in der Gemeindetradition wurzeln, so dass sich die Berührungen mit dem 1. Petrusbrief hinreichend über ein gemeinsames Traditionsfundament erklären ließen. So oder so ergibt sich ein interessantes Beziehungsgeflecht zwischen dem Jakobusbrief, dem 1. Petrusbrief und dem Matthäusevangelium 128. Zu beachten ist dabei ferner, dass Matthäus nicht nur die Zentral stellung des Petms im Zwölferkreis gegenüber dem Markusevangelium noch stärker herausgearbeitet hat l29 ; zugleich ist auch die negative markinische Sicht der Familie Jesu und damit des Herrenbruders gemildert 130. Der Kreis schließt sich, wenn man schließlich bedenkt, dass das Matthäusevangelium nach einem breiten Konsens in Syrien zu lokalisieren ist 13 \ womöglich, aber nicht sicher in der Metropole Antiochien selbst. Das Matthäusevangelium passt als Zeuge des syrischen Christentums wohl Anfang der 80er Jahre des ersten Jahrhunderts dabei hervorragend zur Weichenstellung der Entwicklung der antiochenischen Gemeinde, wie sie durch die Lösung des sog. antiochenischen Zwischenfalls Ende der 40er Jahre erfolgt ist: Antiochien steht zu dieser Zeit in enger Verbindung zur Jerusalerner Urgemeinde, die in Jakobus und Petms ihre beiden herausragenden Führungspersönlichkeiten hat. Im Blick auf den Jakobusbrief ist festzuhalten: Die traditionsgeschichtliche Entwicklung, wie sie in dem aufgewiesenen Beziehungsgefuge zwischen dem Jakobusbrief, dem 1. Petrusbrief und dem paulinisch-deuteropaulinischen Schrifttum zutage tritt, weist auf Antiochien als Traditionsknotenpunkt, ja lässt sich näherhin mit der Weichenstellung, die in der Geschichte der antiocheni125 Gemeinsamkeiten bestehen u.a. im Gesetzesverständnis, in der Vollkommenheitsthematik, in dem Fehlen einer ausgeprägten pneumatologischen Komponente und in der starken Prägung durch einen zur ethischen Motivation dienenden Gerichtshorizont. V gl. Konradt, Existenz, 324-327. 126 So z.B. U. Luz: Das Evangelium nach Matthäus, 1. Teilbd: Mt 1-7, EKK IIl, Zürich/Düsseldorf/Neukirchen-Vluyn 21989,200.220. 127 Abhängigkeit des 1. Petrusbriefes vom Matthäusevangelium hat jüngst Metzner, Rezeption, ausführlich zu begründen versucht. Luz, Mt I, 76 hat dies erwogen (bestimmter a.a.O., 220). 128 Wobei sich freilich an keiner Stelle alle drei Schriften zugleich enger berühren. 129 Diese Tendenz verdichtet sich bekanntlich in dem "Felswort" in Mt 16,17-19. 130 Siehe dazu D.C. Sim: The Gospel ofMatthew and Christi an Judaism. The History and Social Setting of the Matthean Community, Studies of the New Testament and Its World, Edinburgh 1998, 188-192. 131 Siehe nur Luz, Mt I, 73f.
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schen Gemeinde durch den antiochenischen Zwischenfall erfolgt ist, in Beziehung setzen. Zum syrischen Bereich passt ferner die Nähe des Jakobusbriefes zum Matthäusevangelium, und hier ist schließlich ein Milieu bezeugt, in dem die Autorfiktion verständlich und plausibel ist. Kurzum: Die Entstehung des Jakobusbriefes im syrischen Raum zu denken, ist angesichts des dargelegten traditionsgeschichtlichen Befundes m.E. die beste Option 132 • Da PsJakobus das Matthäusevangelium nicht kennt, ist der Jakobusbrief angesichts der raschen Verbreitung des ersten Evangeliums 133 schwerlich später als 85 zu datieren 134 •
3. Der Jako bus brief als Brief des Herrenbruders Ist mit den bisherigen Ausführungen ein historischer Kontext aufgewiesen, in dem sowohl die Autorfiktion verständlich wird wie die Beziehungen zu anderen frühchristlichen Schriften, namentlich zum 1. Petrusbrief und zum Matthäusevangelium, erklärbar sind, so steht die Beantwortung der Frage noch aus, warum der tatsächliche Verfasser sein Schreiben gerade unter die Autorität eben des Herrenbruders (und nicht z.B. des Petrus) stellt. Wodurch ist die Wahl motiviert? Verschiedentlich und in verschiedenen Varianten vertreten wurde die These einer zweistufigen Entstehung des Jakobusbriefes, nach der zwischen dem Brief und dem Herrenbruder auf der materialen Ebene ein enger Zusammenhang besteht: Im Jakobusbrief seien Stoffe aufgenommen und/oder fortgeschrieben, die auf den Jerusalemer Gemeindeleiter zurückgehen. So hat jüngst z.B. Davids postuliert, "that the Epistle of James is either a product of James himself or, more likely, a Diaspora letter preserving his sayings for the church at large shortly after his martyrdom,d35. Nach Martin siedelten Schüler des Jakobus im Gefolge des Römisch-Jüdischen Kriegs nach Antiochien über und brachten auf diesem Weg Unterweisungsgut des Herrenbruders in die syrische Metropole, das dort zusammengestellt und überarbeitet wurde, "to meet the pastoral needs of 132 Syrien
ist auch die Mehrheitsmeinung der Ausleger, s. etwa Shepherd, Epistle, 49-51; K. Kürzdörfer: Der Charakter des Jakobusbriefes. Eine Auseinandersetzung mit den Thesen von A. Meyer und M. Dibelius, Diss. masch., Tübingen 1966, 128-130; A.F. Zimmermann: Die urchristlichen Lehrer. Studien zum Tradentenkreis der cSLMaKuAoL im frühen Urchristentum, WUNT 11.2, Tübingen 2 1988, 194-196; Pratscher, Herrenbruder, 219, Anm. 51; Burchard, Jak, 7 (zu den gehandelten Alternativen ebd.). 133 Vgl. Luz, Mt I, 74.75f; W.-D. Köhler: Die Rezeption des Matthäusevangeliums in der Zeit vor Irenäus, WUNT II.24, Tübingen 1987,526.534 (zu Syrien). 134 Für den 1. Petrusbrief ist, ohne diese Frage hier weiter verfolgen zu können, entgegen der üblichen Lokalisierung in Rom oder Kleinasien eine Beheimatung im syrischen Raum angesichts des dargelegten traditions geschichtlichen Befundes m.E. als eine ernsthafte Option zu erwägen. Die Zuschreibung des Briefes an Petrus ist - für sich genommen - freilich auch anderorts plausibel; schon die Existenz einer Petruspartei in Korinth (s. 1 Kor 1,12) gibt zu erkennen, dass Petrus' Einflusssphäre weiter reichte. 135 P.H. Davids: Palestinian Traditions in the Epistle of James, in: James the Just and Christian Origins, hg. v. B. ChiltonlC.A. Evans, NT.S 98, LeidenlBostonlKöIn 1999, 33-57: 55. B.R. Halson: The Epistle of James: 'Christian Wisdom?', StEv IV (=TU 102), Berlin 1968, 308-314: 312f sieht im Jakobusbrief eine Sammlung katechetischen Materials, die auf eine mit dem Herrenbruder Jakobus eng verbundene Katechetenschule zurückgehe.
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some community in the Syrian province,d36. Martin verweist fiir diese Lokalisierung auf die Nähe zum Matthäusevangelium und zur Didache. Die engen Berührungen mit dem 1. Petrusbriefbleiben hier außerhalb des Blickfeldes. Klare Indizien fiir die von Davids, Martin u.a. postulierte weitgehende "materiale" Beziehung zu Unterweisungsgut des Herrenbruders sind aber nicht zu erbringen. Dies ist hier nicht fiir jedes einzelne Textsegment des Briefes zu diskutieren. Drei Schlaglichter mägen genügen: 1. Im Jakobusbrief ist, wie angedeutet, an verschiedenen Stellen Einfluss von Jesustradition vernehmbar. Es ist plausibel, dass diese im Umfeld der Jerusalemer Urgemeinde gepflegt wurde, aber ins syrische Antiochien musste sie nicht erst durch Jakobusanhänger in der zweiten Hälfte der 60er Jahre gebracht werden. 2. Das mit dem 1. Petrusbrief gemeinsame Gut lässt sich mit einiger Plausibilität allein als Traditionsgut im Ausstrahlungsfeld Antiochiens erweisen, nicht aber speziell auf den Herrenbruder (oder Petrus) zurückfiihren. Es "sitzt" allerdings an gewichtigen Stellen des Jakobusbriefes. 1,2f ist Kopf des grundlegenden Abschnitts der summarischen Exposition (1,2-12). TIElpao~ot TIOlKLAOl und 'Co 00KL~lOV u~wv 'Cf]<; TILO'CEW<; geben dabei sicher zu erkennen, dass es sich von vornherein um ein Traditionsstück in griechischer Sprachgestalt gehandelt hat 137 . Die Geburtsaussage und das zweigliedrige paränetische Schema in 1,18.21 sind die zentralen Glieder des theologisch grund-legenden Abschnitts 1,13-25 138 • Die Liste ließe sich fortsetzen. Aber schon die beiden genannten BeiMartin: James, WBC 48, Waco (TX) 1988, lxxvi. Aufgenommen hat diese These jüngst Painter, James, 264. 137 Ein Faktum, das gegen die zuletzt von K.-W. Niebuhr: Der Jakobusbrief im Licht frühjüdischer Diasporabriefe, NTS 44 (1998), 420-443: 431, erwogene Möglichkeit spricht, "daß ein fiir die Gemeinden in der Diaspora bestimmtes Schreiben des Herrenbruders in Jerusalern übersetzt worden ist" (Hervorhebung im Original). Die griechische Sprachgestalt von im Jakobusbrief rezipierten Traditionen spricht zugleich überhaupt gegen eine Abfassung durch den Herrenbruder, denn sie erklärt sich wesentlich schlüssiger, wenn Griechisch die lingua franca ist. Der Herrenbruder mag Griechischkenntnisse besessen haben, und er mag mit der Verantwortung als Gemeindeleiter gewachsen sein. Dies führt aber noch nicht zu dem rhetorischen Niveau des Jakobusbriefes. Und vor allem: Ist es plausibel, dass in der Jerusalemer Urgemeinde (nach der Flucht der Hellenisten) griechischsprachige Traditionen gepflegt wurden, und zwar in einem Umfang, wie dies die Berührungen mit dem 1. Petrusbrief verlangen? 138 Jak 1,18 passt m.E. theologisch nicht gut zum Herrenbruder. Nach dieser Bekenntnisaussage bedeutet die Konversion zum christlichen Glauben einen Übergang vom Tod zum Leben, und die Christen werden damit eine Art a1HxPX~ der Geschöpfe Gottes. Dieselbe Metapher verwendet Philo zur Bezeichnung der Sonderstellung Israels als des besonderen Eigentums Gottes (SpecLeg IV 180). Wird man nach Jak 1,18 (erst) durch die Konversion zum christlichen Glauben zum Eigentum Gottes, so ist die Sonderstellung Israels hier faktisch abgeblendet (den Vers auf die Erwählung Israels zu beziehen [so A. Meyer: Das Rätsel des Jacobusbriefes, BZNW 10, Gießen 1930, 157-159.269; M. Ludwig: Wort als Gesetz. Eine Untersuchung zum Verständnis von "Wort" und "Gesetz" in israelitischfrühjüdischen und neutestamentlichen Schriften. Gleichzeitig ein Beitrag zur Theologie des Jakobusbriefes, EHS.T 502, Frankfurt a.M. u.a. 1994, 157-159], hat, da der Brief kein ursprünglich jüdisches oder an das jüdische Volk gerichtetes Schreiben ist, im Kontext des Briefes keinen Anhalt). Eine solche Position ist dem Herrenbruder m.E. schwerlich zuzutrauen. 136R.p.
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spiele machen deutlich, dass an zentralen Stellen des Jakobusbriefes Traditionsgut aufgenommen ist, dass sich nicht ohne weiteres auf den Herrenbruder zurückführen lässt. 3. Das Missverständnis über die im Kontext frühchristlicher Mission beheimatete Rede vom "rettenden Glauben", genauer: über den Aspekt der im Glauben eingeschlossenen Lebenspraxis, das PsJakobus in 2,14-26 auszuräumen sucht, lässt sich auf dem Hintergrund eines heidnischen Verstehenshorizontes von nlan<;, ja der Gottesverehrung besser erklären als in einem judenchristlichen l39 Kontext . 2,19 steht dem nicht im Wege, im Gegenteil; denn gerade in einem heidenchristlichen Kontext lässt sich das monotheistische Bekenntnis trefflich als das Kennzeichen der neuen religiösen Orientierung benennen, als welches es im Argumentationsduktus guten Sinn macht l40 . Kurzum: Auch 2,14-26 ist schwerlich auf den Herrenbruder zurückzuführen. Die Zweistufentheorien sind daneben noch von einer anderen Seite her in Frage zu stellen. Insbesondere bei Davids wirkt Dibelius' literarische Wertun~ des Jakobusbriefes als einer "freischwebende(n) ethische(n) Hausapotheke" 41 nach, wenn er den Brief als "collection of traditions" 142, als "a series of sayings and sermons,,143 versteht. Eine solche Beurteilung der literarischen Gestalt des Jakobusbriefes ist geradezu eine notwendige Voraussetzung für Theorien einer zweistufigen Entstehung des Schreibens, nach denen hier Schüler nach dem Tod des Meisters dessen Erbe zu sichern suchen. Die Kohärenz des Jakobusbriefes ist aber m.E. wesentlich höher einzuschätzen; er besitzt eine durchdachte Gliederung und einen einheitlichen Gestaltungswillen, und Anlass, Anliegen und Themen sind in erster Linie von der kirchlichen Situation her bestimmt, in die der tatsächliche Verfasser hineinspricht bzw. I44 -schreibt . Nicht die Sicherung des Erbes des Herrenbruders rür die Gesamtkirche ist das Anliegen des Briefes, sondern die Behebung von Missständen, wie der tatsächliche Verfasser(kreis) sie in seinem kirchlichen Umfeld wahrgenommen hat, allem voran die Gefahr eines werklosen Glaubens, eines vergeblichen Gottesdienstes, weil die Handlungsdimension des christlichen Glaubens unterbestimmt bleibt, und das gemeinschaftsschädigende Streben nach Reichtum und Sozialprestige. Dazu benutzt PsJakobus die Autorität des Herrenbruders. Warum aber eben gerade diese? Die (Mindest-)Voraussetzung einer solchen Zuschreibung ist, wie oben bereits angedeutet, ein kirchliches Milieu, in dem Jakobus positiv gewürdigt wurde und mithin als eine Autorität galt. Im syrischen Raum, der zur Erklärung der Beziehungen zum 1. Petrusbrief wie zum Matthäusevangelium die erste Adresse ist, ist diese Voraussetzung gegeben, wie vor 139 Y gl.
Konradt, Existenz, 21lf (mit Anm.32). fUgt sich hier nahtlos ein, dass PsJakobus mit Abraham und Rahab auf zwei Proselyten rekurriert. 141 So die treffende Charakterisierung der Sicht von Dibelius bei Ch. Burchard: Zu einigen christologischen Stellen des Jakobusbriefes, in: Anfänge der Christologie, FS F. Hahn, hg. v. C. BreytenbachIH. Paulsen, Göttingen 1991,353-368: 354. 142 Davids, Palestinian Traditions, 34. 143 Davids, Palestinian Traditions, 41. 144 ygl. die Kritik an Zweistufentheorien bei R.W. Wall: Community ofthe Wise. The Letter of James, The New Testament in Context, Yalley Forge (PA) 1997, 9f, dass "Herausgeber" schwerlich bloß als Kompilatoren aufzufassen sind, sondern selbst gestalten. 140 Schließlich
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allem der Ausgang des antiochenischen Zwischenfalls erweist, aber auch etwa die Zurückdrängung der negativen Sicht der Familie Jesu im Matthäusevangelium gegenüber der Markusvorlage indiziert. Dies gilt um so mehr, wenn eine namhafte Zahl von palästinischen Judenchristen nach 70 n. Chr. im syrischen Raum Zuflucht gefunden hat. Es ist dabei durchaus möglich, dass es hier auch Gudenchristliche) Kreise gegeben hat, die nicht in den bestehenden Gemeinden aufgingen, sondern ein spezifisch jakobeisches Christentum bildeten, das Jakobus als die urchristliche Autorität schlechthin in Ehren hielt 145 , doch ist die Annahme eines solchen Entstehungskontexts zur Erklärung der Verfasserzuschreibung keineswegs zwingend und fiir den Jakobusbrief eher unwahrscheinlich, wenn mit einer signifikanten Zahl von Heidenchristen im Adressatenmilieu zu rechnen ist 146 • Kurzum: Es genügt die Annahme, dass der Jakobusbrief in einem kirchlichen Milieu im Ausstrahlungsfeld Antiochiens entstanden ist, das die Jerusalemer Muttergemeinde und deren Leiter Jakobus als bedeutsame frühchristliche Persönlichkeit in Ehren hielt (was durch judenchristlichen Zustrom aus Jerusalem und Judäa forciert worden sein mag), das aber nicht als spezifisch jakobeisches Christentum zu rubrizieren ist. Dass dennoch die Wahl auf Jakobus - und eben nicht z.B. auf Petrus - fiel, hat seinen fundamentalen Grund nun m.E. darin, dass der Herrenbruder fiir ein stark ethisch ausgerichtetes Schreiben als die Autorität der Anfangszeit gelten konnte. Bereits im Logion 12 des (wohl aus Syrien [I] stammenden) Thomasevangeliums ist "der Gerechte" als Beiname des Jakobus belegt. Dies bedeutet nicht, das Motiv der Autorfiktion darauf zu reduzieren, dass sie allein am Ruhm des Jerusalemers orientiert war 147 • Eine solche Autorisierung lag vielmehr um so näher, wenn der Verfasser der Meinung sein konnte, ganz im Sinne des Jerusalemer Apostels zu schreiben, wenn es, anders gesagt, Berührungen seines Anliegens 145 Dass
es solche Kreise gegeben hat, ist durch die hinter ThEv 12 stehende Tradition oder HebrEv 7 sowie eine Reihe weiterer frühchristlicher Zeugnisse (s. die Aufarbeitung bei Pratscher, Jakobus, 102ff; Painter, James, 105ft) sicher. 146 Neben 2,14-26 macht auch der Bekenntnissatz in 1,18 unter der Voraussetzung eines zumindest auch Heidenchristen umfassenden kirchlichen Milieus guten Sinn (vgl. oben Anm. 138). - Dass im Jakobusbrief Beschneidung, Sabbat und Reinheitsgebote, also klassische jüdische "identity markers" fehlen, muss freilich in dieser Hinsicht nicht viel besagen, da auch für die zeitgenössische diasporajüdische Literatur eine auffällige Konzentration auf die das soziale Leben betreffenden Gebote der Thora zu verzeichnen ist (s. dazu K.-W. Niebuhr: Thora ohne Tempel. Paulus und der Jakobusbrief im Zusammenhang frühjüdischer Thorarezeption für die Diaspora, in: Gemeinde ohne Tempel. Community without Temple. Zur Substituierung und Transformation des Jerusalemer Tempels und seines Kults im Alten Testament, antiken Judentum und frühen Christentum, hg. v. B. Ego/A. Lange/P. Pilhofer, Tübingen 1999, 427-460), und ohnehin führen Rückschlüsse aus den Leerstellen des Briefes schon aufgrund seiner Kürze auf dünnes Eis. Immerhin fehlt damit aber eben ein positives Indiz für ein dezidiert judenchristliches Entstehungsmilieu. Bestimmter hier Burchard, Jak, 5: "Zur christlichen Existenz, wie Jak sie im Brief fordert, gehört nicht der Anschluß an das Judentum als Proselyt oder Gottesfürchtiger ... samt entsprechender Bindung an die Thora ... Da das auch für ihn selber gegolten haben dürfte, war er in diesem Sinn kein Judenchrist". Als Argument gegen die Rückführung des Jakobusbriefes auf einen Kreis von Jerusalemer Flüchtlingen dürfte der stark hellenistische Einfluss geltend zu machen sein (vgl. dazu S.46fund Anm.151) 147 So Pratscher, Herrenbruder, 221.
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mit dem gab, was ihm vom Herrenbruder bekannt war. Eine solche Affinität ist im übrigen ebenso im Blick auf die Plausibilität der Verfasserzuschreibung im Adressatenkreis zu bedenken. Dies führt nun nicht doch zur Suche "echten" Gutes im Jakobusbrief. Es geht eher um ein Jakobusbild, das z.B. bei der kontextuellen Verwendung und Ausgestaltung des mit dem 1. Petrusbrief gemeinsamen Traditionsgutes im Hintergrund steht, um ein "Wissen" darum, wofür Jakobus eingetreten ist, welche Standpunkte er vertrat. Ist der Jakobusbrief nicht mehr als fünfzehn bis zwanzig Jahre nach dem Tod seines fiktiven Verfassers geschrieben, ist dabei mit Kontinuitätslinien zwischen dem "historischen Jakobus" und dem Jakobusbild, das im JakobusbriefPate steht, zu rechnen. Dies bedeutet umgekehrt: Die These, dass die Autorfiktion nicht allein am Ruhm des Herrenbruders orientiert ist, sondern der Jakobusbrief ein gutes Stück weit als Reflex des Jakobusbildes seines tatsächlichen Verfassers gelesen werden kann, steht und fällt damit, dass sich bestimmte Kontinuitätslinien aufweisen lassen. M.E. hat die These genug Halt, um stehen zu bleiben. Für ein erstes Beispiel sei auf die in Teil 1 dargelegte Redaktion und Weiterführung des in Jak 1,18.21 rezipierten Traditionsstückes rekurriert. Es gibt, wie angedeutet, keinerlei Hinweis darauf, dass diese Tradition in irgendeiner Weise als spezifisch jakobeische Tradition zu verbuchen wäre. Aber dessen Ausgestaltung durch die Einfügung von 1, 19f und vor allem die Explikation von 1,21 b durch 1,22-25 passt gut zu dem, was als theologischer Standpunkt des Herrenbruders bekannt gewesen sein dürfte. PsJakobus bezeichnet in 1,25 den E~
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ders identisch ist, sondern eher von einer Transformation auszugehen ist, die auf ein anderes kirchliches Milieu verweist, so besteht doch in jedem Fall darin sachliche Kontinuität, dass das Tun des Gesetzes als wesentliches Strukturelement christlichen Glaubens erscheint. Christsein ohne TIOLElV VOIlOV ist fiir PsJakobus wie fiir den Herrenbruder ein Selbstwiderspruch. Festzuhalten ist: Das Traditionsstück lässt sich nicht auf den Herrenbruder zurückfiihren, aber seine Ausgestaltung im Jakobusbrief spiegelt ein theologisches Anliegen des Jakobus. Sachliche Kontinuität im Sinne einer Transformation theologischer Positionen des Herrenbruders lässt sich aber auch noch an anderer Stelle wahrscheinlich machen. PsJakobus sieht seine "Brüder und Schwestern" ethisch vor allem durch das mit gemeinschafts schädigendem Verhalten einhergehende Streben nach Reichtum und Sozialprestige gefährdet (4,1_4 153 ). Um sie hier zur "Wahrheit" zurückzufiihren (5,19), fährt er eine scharfe Kritik an den Reichen auf und verweist auf deren schreckliches Ende (1,10f; 2,6f; 4,13-5,6). Von Christen erwartet er nicht völligen Besitzverzicht, wohl aber Barmherzigkeit gegenüber Armen, die mit einem respektvollen Umgang mit ihnen beginnt (2,1-5) - Ansehen der Person, in dem sich die Orientierung am "weltlichen" Status- und Werte system äußert, verletzt das Gebot der Nächstenliebe I 54 - und sich in konkreter Hilfeleistung fortsetzt (1,27; 2,15f). Nun haben die (meisten) judäischen Christen selbst offenbar wirtschaftlich unter bescheidenen Verhältnissen gelebt (s. GaI2,10; Röm 15,26)155. Im Blick auf die "Gütergemeinschaft" der Urgemeinde nach den Summarien der Apg in 2,42-47; 4,32-35 ist hier über die Schwierigkeiten präziser historischer Rückschlüsse aus der lukanischen Darstellung nicht en detail zu handeln. Sicher scheint mir, dass Lukas nicht frei fhantasiert, sondern seine Darstellung auf ihm überkommener Tradition basiert 56, deren nicht zu bestreitender historischer Kern zumindest darin besteht, dass in der Urgemeinde ein Besitzethos in Geltung stand, das an
153 Zu
dieser Deutung Konradt, Existenz, 125-135 und oben Anm. 31. Deutung des Liebesgebotes im Jakobusbrief s. Ch. Burchard: Nächstenliebegebot, Dekalog und Gesetz in Jak 2,8-11, in: Die Hebräische Bibel und ihre zweifache Nachgeschichte, FS R. Rendtorff, hg. v. E. BlumlChr. MacholzlE.W. Stegemann, NeukirchenYluyn 1990, 517-533; Konradt, Existenz, 184-194 sowie Theißen, Nächstenliebe (in diesem Band). 155 ygl. E.W. Stegemann/W. Stegemann: Urchristliche Sozialgeschichte. Die AnHinge im Judentum und die Christusgemeinden in der mediterranen Welt, Stuttgart/Berlin/Köln 1995, 193f; Painter, James, 249. Dass "Arme" - in Analogie zum Befund in einigen Qumrantexten (s. 1 QH 10[2*],32.34; 11 [3*],25; 13[5*],13-18.22; 1 QM 11,9; 1 QpHab 12,3.6.10; 4 QpPs37 2,9; 3,10) - den Frommen als Selbstbezeichnung diente, geht aus den oben genannten paulinischen Belegen nicht hervor (s. dazu L. Keck: The Poor Among the Saints in the New Testament, ZNW 56 [1965], 100-129: 117ft). 156 G. Theißen: Urchristlicher Liebeskommunismus. Zum 'Sitz im Leben' des Topos ämxv't'!X. KOWa in Apg 2,44 und 4,32, in: Texts and Contexts. Biblical Texts in their Textual and Situational Contexts, FS L. Hartman, hg. v. T. FomberglD. Hellholm, Oslo u.a. 1995, 689712: 696-700, weist lukanische Abhängigkeit von Tradition dabei auch im Blick auf den hellenistischen Freundschaftstopos nach, der in dem ä'TT!X.v't'!X. KOWa von Apg 2,44; 4,32 Pate steht. 154 Zur
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sozialem Ausgleich orientiert war l57 und das "Hängen am Besitz" - im Gefolge der reichtumskritischen Motive der Verkündigung Jesu - verwarfl58 • Möglicherweise hat Jakobus ferner auch außerhalb der christlichen Gemeinde Belange der Armen vertreten. Die treibende Kraft des Prozesses gegen Jakobus war nach Josephus' Bericht der Hohepriester Ananus, der den Kreisen der Sadduzäer entstammte (Ant XX 200), die sich bekanntlich aus der Oberschicht rekrutierten I 59. Es ist gut möglich, dass die Steinigung wegen angeblichen "Gesetzesbruchs" tatsächlich dadurch (zumindest mit)motiviert war, dass Jakobus an ungerechten sozialen Zuständen in Jerusalem Kritik geübt hatte l60 • Sicherheit ist aufgrund der dünnen Datenbasis hier nicht zu erlangen. Dass aber die Jerusalemer Urgemeinde und darin eingeschlossen insbesondere ihr Leiter Jakobus, "der Gerechte", die Absage an den "Mammon" glaubhaft verkörperte und dies zum Bild gehörte, dass man im syrischen Raum vom Herrenbruder haben konnte, ist gleichwohl in jedem Fall eine plausible Annahme. Ist sie richtig, konnte PsJakobus also auch in seinem Anliegen, den Reichtum als zentrales Gefährdungsmoment christlicher Existenz einzuschärfen? mit sachlichem Recht die Autorität des Herrenbruders in Anspruch nehmen l6 . Dass PsJakobus in diesem Zusammenhang von den ~öova( in den Gliedern spricht, die zu Felde ziehen, und die "Kriege und Streitigkeiten" auf das E-rTLeU~ELV (nach mate-
157 Allgemeinen
Besitzverzicht hat es wohl nicht gegeben, denn die Erwälmung von Häusern in Apg 2,46 und des Hauses der Maria in 12,2 setzt doch wohl voraus, dass Christen weiterhin Privatbesitz hatten (s. auch 4,32). Vgl. Schenke, Urgemeinde, 91: Es gab "nach wie vor 'Besitzende' in der Gemeinde, die aber die Nutzung ihres Eigentums allen ermöglichten. Sie pochten nicht auf Eigentum, sondern stellten es zur Verfiigung, aber gerade nicht so, daß sie es verkauften und den Erlös in eine gemeinsame Kasse gaben, sondern so, daß sie andere partizipieren ließen." Siehe auch die zusammenfassende Feststellung von Schenke, a.a.O., 93, "daß es die in den beiden Summarien von Lukas beschriebene soziale Solidargemeinschaft in der Urgemeinde tatsächlich gegeben hat, auch wenn sie nach Form und Organisation nicht einfachhin dem idealen Typos folgte, den Lukas darstellt". 158 Zur Frage nach dem genauen historischen Kern der lukanischen Darstellung s. den Vorschlag bei Theißen, Liebeskommunismus, 706-710, der die Möglichkeit erwägt, dass der "urchristliche Liebeskommunismus" in einer Reformidee der Hellenisten der Jerusalemer Urgemeinde wurzelt. 159 Siehe nur Stegemann/Stegemann, Sozialgeschichte, 144. 160 So z.B. RP. Martin, Jak, lxii-lxvii; Painter, James, 140.250f. - Möglicherweise spiegelt sich dies in Jak 5,6 (so zuletzt Frankemölle, Jak, 663-665; Painter, James, 259), auch wenn o öLKa \.Oe; hier schwerlich auf den Herrenbruder allein zu fokussieren ist, sondern allgemeiner verfolgte Christen im Blick hat. 161 Davids, Palestinian Traditions, 48, hat fiir Jak 5,4 palästinisches Lokalkolorit postuliert, denn die Rede von Epya:taL "reflects the situation in first century Palestine, where absentee landlords (and also those who were not absentee) used hired workers to work their farms rather than slaves (as was common elsewhere in the Roman Empire and in the period when the Hebrew scriptures were being written)". Aber PsJakobus' Rede vom flL08oe; 'tWV EPya'twv lässt sich olme weiteres in einem diasporajüdischen Kontext verstehen. PsJakobus nimmt hier bekanntlich das Gebot der abendlichen Auszahlung des Lolms an den Tagelöhner auf, das in der frühjüdischen Tradition breit rezipiert ist (Lev 19,13; Dtn 24,14f, ferner Tob 4,14; Mal 3,5; Jer 22,13; Sir 34,22; TestHiob 12,3f; PsPhok 19; Philo, SpecLeg IV 195f; Virt 88; Josephus, Ant IV 288). In der diasporajüdischen Schrift TestHiob aber ist in diesem Zusammenhang wie in Jak 5,4 vom Epya't'lle; die Rede (TestHiob 12,3).
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riellen Gütern) zurückfiihrt l62 (Jak 4,1f), gibt dabei wiederum das hellenistische Kolorit seiner Behandlung der Thematik zu erkennen. Die Umkehrmahnung formuliert PsJakobus in diesem Zusammenhang in 4,6/7-10 ebenfalls durch Aufnahme und Ausgestaltung eines mit dem 1. Petrusbrief gemeinsamen Traditionsstückes, in dem wohl ein J esuslogion Pate steht und paränetisch umgeformt ist. Auch hier gilt: Nicht Unterweisungsgut, das speziell auf den Herrenbruder zurückzufiihren ist, ist im Jakobusbrief eingearbeitet, aber es könnte sich in der Zentralstellung des Reichtums als ethischer Gefährdung ein Moment des Bildes von Jakobus als Leiter der Urgemeinde spiegeln, das Wurzeln bei ihm selbst hat. Jakobus ist der vorbildliche ra:ITELVOC;, der sich unter den Willen des Herrn beugt und mit dem "weltlichen" Streben der hochmütigen Reichen nichts zu tun hat. Festzuhalten ist wiederum: Die kontextuelle Verwendung und Redaktion des in 4,6-10 rezipierten Traditionsstücks wie überhaupt die gewichtige Position der Armut-Reichtum-Thematik harmoniert gut mit der Verfasserzuschreibung. Dasselbe gilt fiir 1,2f. Es gibt wiederum kein Anzeichen dafiir, dass dieses Traditionsstück in irgendeiner Weise auf den Herrenbruder zurückzufiihren ist. Nimmt man 1 Petr 1,6f sowie die - weiter entfernte - paulinische Parallele in Röm 5,3-5 hinzu, bietet sich vielmehr eine Erklärung auf der Basis des vor allem auf der Grundlage von Jak 1,18.21; 1 Petr 1,22-2,2 entwickelten traditionsgeschichtlichen Erklärungsmodells an: Es handelt sich bei Jak 1,2f; 1 Petr 1,6f um eine Weiterentwicklung einer im antiochenischen Raum verbreiteten Tradition, die in anderer Gestalt in Röm 5,3-5 verarbeitet ist. Aber die thematische Einbindung, die das Traditionsstück im Jakobusbrief erfährt, lässt sich ohne weiteres mit einem Jakobusbild in Beziehung setzen, das dem Verfasser des Jakobusbriefes mit historischer Plausibilität zugeschrieben werden kann. Auf einen dritten Aspekt ist abschließend zu verweisen. Die Jerusalemer Gemeinde verstand sich, wie die Tradition des Zwölferkreises und die auf die Jeru163 salemer Anfänge zurückgehende Selbstbezeichnung als EKKA,110la rou 8EOU ausweist, als "das von Gott gesammelte und erwählte Aufgebot ... , dazu bestimmt, Kristallisationspunkt des nun von ihm zu sammelnden endzeitlichen Israel zu werden,,164. Jakobus hat das Hinzukommen der Heiden, wie gesehen, nicht abgelehnt (GaI2,1-10; Apg 15), und er war im Blick auf das in Antiochien aufgebrochene Problem der Tischgemeinschaft von Juden- und Heidenchristen offenbar maßgeblich an einer moderaten, an der Thora orientierten Lösung beteiligt. Zugleich erweisen der antiochenische "Zwischenfall" und seine Lösung Jakobus als einen Sachwalter jüdischer Identität, als einen Theologen, der die christliche Gemeinde konsequent in die Erwählungsgeschichte Israels einstellt.
Plutarch, Mor. 108A-B (KaI. yap TIOAE~OUe; KaI. OTaOELe; KaI. ~axae; OUöEV liAAO TIlX PEXEL ~ TO ow~a KaI. al TOUTOU ETIl8u~lal' ÖLa yap T~V TWV XP,,~aTWV KTflow TIaV"CEe; ol TI6AE~OL YlYVOVTaL); PsLukiarJ, Cynicus 15 (TIaVTa yap Ta KaKa TOl.e; &.V8pWTIOLe; EK Tfle; TOUTWV ETIl8u~lae; <j>UOVTaL, KaI. OTaOELe; KaI. TI6AE~OL KaI. ETIlßouAal. Kal o<j>ayaL TaUT I. TIavtIX TI"y~v EXEL T~V ETIl8u~laV TOU TIAElOVOe;); Platon, Phaidon 66C; Philo, Det 174; (Jos
162 Vgl.
56); SpecLeg IV 85; Cicero, De tin.bon. 144. J. Roloff: Die Kirche im Neuen Testament, GNT 10, Göttingen 1993, 83-85; Kraus, Jerusalem, 33-38. 164 Roloff, Kirche, 83. 163 Dazu
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Nun bezieht der zumindest vorrangig an Heidenchristen adressierte 1. Petrusbrief Würdeprädikate Israels auf die christliche Gemeinde (2,9), und zwar ohne dass Israel selbst noch im Blick zu sein scheint l65 . Aber auch PsJakobus gibt christliches Israelbewusstsein zu erkennen. Mit den "zwölf Stämmen in der Diaspora" in der adscriptio ist, wie die überwiegende Mehrheit der Ausleger zu Recht annimmt, die Christenheit bezeichnet 1 . Ebenso ist die Rede von der &1Tapx~ in Jak I,I8b als Übertragung von Israelselbstverständnis (vgl. Philo, SpecLeg IV 180) auf die Kirche zu lesen. Abraham, unser Vater, ist nun Vater der Christen (2,21)167, zu denen im Adressatenkreis des Briefes, wie bereits angedeutet, kaum allein Judenchristen zählen l68 . Die ungewöhnliche Verbalisierung des christlichen Israelbewusstseins mit der Rede von den "zwölf Stämmen" in Jak 1,1 resultiert dabei daraus, dass "der Absender Jakobus heißt,,169, ist also durch eine Anspielung an den Patriarchen Jakob inspiriert 170. Dies ist kaum eine so zu systematisierende Aussage, dass der Herrenbruder hier zum Stammvater eines neuen Israel deklariert würde, sondern eher eine lockere "schriftgelehrte" Assoziation. Zuzutrauen ist sie wiederum eher einem Dritten als dem genannten Absender selbst. Dass tale; EV tfl ölao1Top~ als "Ortsangabe" angefiigt ist, verbindet Jak 1,1, wie oben erwähnt, mit dem Präskript des 1. Petrusbriefes, das die Adressaten als EKÄEKtOL 1TapE1TLÖTJIlOl Öla01TOp&e; anspricht. Die Fremdlingsexistenz der Christen in der Welt ist ein ekklesiologisches Grundmotiv des 1. Petrusbriefes l7 I, das neben 1TapE1TLÖTJIlOe; (1,1; 2,11) durch mx,polKOe;/1TapolKLa verbalisiert wird (1,17; 2,11), aber zugleich in ölao1Topa zumindest anklingt. Ganz ähnlich verweist EV tfl ölao1Top~ in Jak 1,1 nicht in erster Linie auf die Zerstreuung auch der christlichen Gemeinde, sondern besagt, "daß sie in der Welt getrennt von der Welt leben müssen (s. 1,27),,172. In EV tfl ölao1Top~ klingt damit auch im Jakobusbrief ein wesentlicher 165 Treffend Roloff, Kirche, 275: "Weder wird dabei ein heilsgeschichtlicher Zusammenhang der Kirche mit Israel vorausgesetzt, noch wird das Recht dieser Übertragung reflektiert." 166 So zuletzt auch Burchard, Jak, 50. - Dass die adscriptio allgemein auf das Jüdische Volk zielt (so z.B. J.B. Adamson: The Epistle of James, NIC, Grand Rapids [MI] 1993,49-51), ist ausgeschlossen, da der Jakobusbrief durchgehend binnenkirchlich ausgerichtet ist. Sind aber Christen adressiert, kann man die übertragene Rede von den "zwölf Stämmen" nicht a priori auf Judenchristen begrenzen. Treffend Ropes, Jak, 127: "No kind of early, or of ingenious, dating can bring us to a time when a writer addressing Jewish Christians in distinction from unbelieving Jews would have addressed them as 'the twelve tribes,' if by the term he meant 'the Jews'; and if the term is here used for 'the People of God,' then the limitation to Jewish Christians is not contained in it" (Hervorhebungen im Original). 167 Vgl. Burchard, Jak, 126f. 168 Vgl. in diesem Sinne Burchard, Nächstenliebegebot, 531; Klein, Werk, 206f. 169 Burchard, Jak, 49. 170 Vgl. Sir 44,23; syrApkBar 78,4; 1 Klem 31,4. 171 Grundlegend dazu Feldmeier, Fremde. Siehe auch Roloff, Kirche, 268-273. 172Burchard, Jak, 50. Siehe dazu ferner Konradt, Existenz, 64-66. - Dass in EV tiJ ÖLlXalTOp~ zumindest metaphorische Obertöne mitzuhören sind, scheint mir trotz etwa der neuerlichen Bestreitung durch DJ. Verseput: Wisdom, 4 Q185, and the Epistle of James, IBL 117 (1998), 691-707: 70lf, unabweisbar. Eine metaphorische Lesart ist notabene auch dann möglich, wenn man den lakobusbrief aufgrund der adscriptio in die Tradition der jüdischen Diasporabriefe einstellt (s. dazu M. Tsuji: Glaube zwischen Vollkommenheit und Verweltlichung. Eine Untersuchung zur literarischen Gestalt und inhaltlichen Kohärenz
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Zug des ekklesiologischen Programms an (vgl. noch I,I8b; 4,4). Der im NT nur in Jak 1,1; 1 Petr 1,1 mit Bezug auf die christlichen Gemeinden begegnende Gebrauch von ÖuxoiTopa 173 ist offenbar dem die bei den Schriften verbindenden Traditionsreservoir zuzuweisen, ja "Diasporaexistenz" und Israelbewusstsein gehören als ekklesiologische Eckpfeiler zum gemeinsamen Traditionsfundament von Jakobusbriefund 1. Petrusbrief.
des Jakobusbriefes, WUNT 11.93, Tübingen 1997, 18ff; Niebuhr, Jakobusbrief; Davids, Palestinian Traditions, 4lf; DJ. Verseput: Genre and Story: The Community Setting of the Epistle of James, CBQ 62 [2000], 96-110: 99-104). Die vor allem von Niebuhr herausgearbeiteten thematischen Affinitäten sind Ausdruck analoger Problemkonstellationen von Diasporajudentum und Christentum, denen mit ähnlichen theologischen Mitteln begegnet wird, was angesichts dessen, dass das Diasporajudentum der theologische Mutterboden der frühchristlichen Gemeinden ist, nicht überrascht. Mit EV tlJ öL(XalTOp~ in 1,1 b wird ein wichtiges Lesesignal gesetzt (vgl. Niebuhr, Jakobusbrief, 423f), das an den sozialen Erfahrungshorizont des Diasporajudentums als einer Minderheit anknüpft (vgl. Konradt, Existenz, 65), die der steten Gefährdung ausgesetzt ist, in ihrem heidnischen Umfeld ihre Glaubensidentität aufzuweichen oder gar zu verlieren. Im Jakobusbrief fehlt freilich das Gegenüber der "zwölf Stämme" zu den Völkern (vgl. etwa 2 Makk 1,27; syrApkBar 82,3; 83,5); hingegen sollen sich die Adressaten von der "Welt" unbefleckt halten (1,27, vgl. 4,4). Und sowenig der Jakobusbrief einen Hinweis darauf gibt, dass die Diasporasituation Strafe ist (vgl. dagegen EpJer 1; ParJer 6,21; syrApkBar 78,5f; 79,2f; 84,2-4), sowenig spricht er davon, dass sich die Hoffnung auf die Barmherzigkeit Gottes auf die Sammlung und Rückführung der Zerstreuten richtet (s. dagegen 2Makk 1,27-29; ParJer 6,22; syrApkBar 78,7). Als Problem erscheint im Jakobusbrief ferner auch nicht wie in EpJer, dass das monotheistische Bekenntnis als solches durch die Kulte der Heiden gefährdet ist (anders Niebuhr, Jakobusbrief, 434); das Problem ist vielmehr die ethische Folgelosigkeit des Bekenntnisses. Zu beachten ist darüber hinaus eine gewichtige formale Differenz: Die jüdischen Diasporabriefe sind, wenn nicht an Einzelpersonen (ParJer 6,17; [2Makk 1,lObD, so an die "Brüder" oder schlicht die "Juden in xy" gerichtet (2 Makk 1,1; [1,lOb]; syrApkBar 78,2, vgl. auch Apg 15,23). Nie begegnet jedenfalls ein Israeltitel in der adscriptio (auch nicht in syrApkBar 78,2); nie ist allgemein von der Diaspora die Rede (dies aber ist ein gemeinsames Merkmal von Jakobusbrief und 1. Petrusbriefl). Und schließlich ist kein Brief an die gesamte Judenschaft in der Diaspora adressiert (am nächsten kommt hier syrApkBar, wo sich die Rede von 9 1/2 Stämmen aus der fingierten Situation ergibt: Nun sind auch die Stämme des Südreiches exiliert; in dieser Situation wird vergewissert, dass Israel, das Zwölfstämmevolk, noch intakt ist, und dies untermauert die Hoffnung auf das zukünftige Heil für das Gottesvolk). Kurzum: Es erscheint mir plausibel, dass PsJakobus sich die Tradition jüdischer Diasporabriefe zunutze macht, darauf anspielt und sie imitiert; aber die Bezugnahme ist eine gebrochene, was sich aufgrund des frühchristlichen Entstehungs- und Adressatenkontextes des Jakobusbriefes erklärt. Ist der Brief "unecht", ist es völlig problemlos, das Präskript auf zwei Ebenen zu lesen: Zur Autorfiktion gehört, dass der Herrenbruder als Leiter der Jerusalemer Gemeinde - in Analogie zu jüdischen Diasporabriefen Glaubensgenossen außerhalb Palästinas anschreibt. EV tlJ öL(XalTOp~ ist hier Ortsbezeichnung. Zugleich aber wird mit der Wendung, wie angeführt, ein bestimmter Erfahrungshorizont aufgerufen. Die Situation diasporajüdischer Gemeinden unter den Völkern ist hier Spiegelbild für die Herausforderung christlicher Gemeinden in der "Welt", ihre Abgrenzung von der "Welt" im Lebensalltag durchzuhalten. Dass die Adresse auf die "zwölf Stämme (zu deren Bezug auf Jakobus s. oben bei Anm. 169) in der Diaspora" lautet, ist also ein geistreiches Wortspiel des Verfassers, bei dem er ausweislich 1 Petr 1,1 Tradition zu Hilfe genommen hat. 173 Ansonsten überhaupt nur nocH Joh 7,35.
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Auch an dieser Stelle ist nun m.E. gegenüber der theologischen Position des Herrenbruders eine signifikante Verschiebung zu verzeichnen. Christliche Gemeinde ist nicht mehr Kristallisationspunkt des endzeitlich zu sammelnden Israel (und damit als Teil auf das Ganze bezogen), sondern schlicht Israel, und zwar ohne dass das nicht-christusgläubige Israel noch im Blick zu sein scheint l74 • M.E. ist dies ein weiteres Argument gegen die "Echtheit" des Briefes. Zugleich lässt sich aber die ekklesiologische Position von PsJakobus wiederum als Transformation und Fortschreibung des israelbezogenen Selbstverständnisses der Jerusalemer Urgemeinde in einem sozialen Kontext verstehen, in dem der enge Bezug auf das nicht-christusgläubige Israel keine vorrangige Bedeutung (mehr) hatte. Noch eine weitere Linie mag hier gezogen werden. Die "Jakobusklauseln" (Apg 15,20.29) weisen, wie oben dargestellt, auf das Anliegen, die Grenze zwischen dem Gottesvolk und den Völkern nicht zu verwischen. Auch der Jakobusbriefist um eine klare Grenzziehung bemüht, nämlich zwischen christlicher Gemeinde und ,(Welt". Christen haben sich "von der Welt unbefleckt zu halten" (Jak 1,27) 75. Auch hier ist es ohne weiteres möglich, die Mahnungen des Jakobusbriefes als Transformation eines theologischen Anliegens des Herrenbruders zu lesen. Ich fasse zusammen: Voraussetzung für die Autorfiktion ist ein Milieu, in dem der Herrenbruder Jakobus als Autorität der Jerusalemer Urgemeinde anerkannt und wertgeschätzt wurde. Berücksichtigt man sowohl den traditionsgeschichtlichen Befund als auch die vorhandenen Daten über das Ausstrahlungsfeld des Herrenbruders und bezieht beide Perspektiven aufeinander, bietet sich das (gemischte) syrische Frühchristenturn mit Antiochien als Zentrum als Entstehungskontext des Jakobusbriefes an. Grundlegend rur die Verfasserzuschreibung ist Jakobus' Nachwirkung als ethisches Vorbild, die sich in seinem Beinamen "der Gerechte" verdichtete und ihn für einen Brief wie den Jakobusbrief in seinem Charakter als ethisches Korrekturschreiben 176 als passende Autorität erscheinen ließ. Die Hintergründe der Autorfiktion sind damit aber schwerlich erschöpft. Die Bezüge sind enger, ohne dass sich erweisen lässt, dass spezifisches Unterweisungsgut des Herrenbruders in den Brief Eingang gefunden hat. Aber sein tatsächlicher Verfasser vertritt Positionen, die am "historischen Jakobus" Anhalt haben und damit die These plausibel erscheinen lassen, dass nicht nur der Ruhm der Jerusalemer Autorität, sondern auch ein bestimmtes Jakobusbild, in dem theologische Standpunkte des Herrenbruders nachwirken, bei der Autorfiktion Pate steht. Allem voran das Tun des Gesetzes als zentrales Strukturelement christlicher Existenz, ferner die Armut-Reichtum-Thematik und cum grano salis auch das Israelbewusstsein der christlichen Gemeinde reflektieren Standpunkte, die sich als Fortschreibungen der theologischen Position des Herrenbruders, soweit diese 174 ygl. 175
Burchard, Jak, 50.127. Für den, der sich auf die "Welt" eingelassen hat, gilt die Umkehrmahnung in 4,8:
pLoa't'E XELpac;, ajlap't'WAOL, Kat aYVLoa't'E KUpöLuc;, öL\jJUXOL. 176 Ygl.
Popkes, Adressaten, 209.
Ka8a-
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angesichts der Quellenlage noch zu erschließen ist, verständlich machen lassen und damit zugleich die Verfasserzuschreibung im Adressatenkreis als plausibel erscheinen lassen konnten. Zugleich sind Differenzen zu verzeichnen gewesen, die in historischer Perspektive als Transformationen theologischer Positionen des Herrenbruders klassifiziert werden können, die ein von der Jerusalemer Urgemeinde unterschiedenes frühchristliches Milieu, als dessen Mutterboden das hellenistische Diasporajudentum erscheint, als Entstehungskontext zu erkennen geben. Gehören zum Christentum, das PsJakobus im Blick hat, zumindest auch gebürtige Heiden, so spricht dies in keiner Weise gegen den dargelegten Zusammenhang zwischen Autorfiktion und Herrenbruder. Jakobus hat sich dem Hinzukommen der Heiden nicht verschlossen. In dem syrischen Christentum, das den Entstehungskontext des Jakobusbriefes bildet, gehört auch dies zum Jakobusbild und ist als dessen Element, wie gesehen, auch historisch plausibel. Mit einem Wort: PsJakobus schreibt mit der Überzeugung, Positionen des Herrenbruders zu vertreten. Insofern kann man den Jakobusbrief tatsächlich als ein theologisches Vermächtnis des Herrenhruders Jakobus lesen, freilich eben als ein Vermächtnis, das Standpunkte nur spiegelt und in transformierter Gestalt bietet, das lediglich ein Jakobusbild reflektiert, nicht aber Jakobustraditionen zitiert.
Die pseudepigraphe Intention des lakobusbriefes Ein Beitrag zu seinen Einleitungsfragen Gerd Theißen
Bei der Erforschung neutestamentlicher Pseudepigraphie kann man zwei Fragen unterscheiden: die Echtheitsfrage, die klärt, ob Pseudepigraphie vorliegt, und die Interpretationsfrage, die erklärt, warum ein pseudepigrapher Name gewählt wurde. Zu unterscheiden ist zwischen der Destruktion der traditionell angenommenen Verfasserschaft und der Rekonstruktion der fiktiven Verfasserschaft. In der Forschung dominierte zunächst die Kritik an den tradierten Autorenzuschreibungen und Entstehungskontexten. Die Notwendigkeit, eine (neue) historische Entstehungssituation zu rekonstruieren, tritt erst hervor, wenn die Echtheitsfrage negativ entschieden ist.) Solange man keine Erklärung für den falschen Autorennamen hat, ist die Annahme der Echtheit historisch oft befriedigender als die der Pseudepigraphie. Denn über die pseudonymen Autoren weiß man meist etwas Konkretes; es handelt sich um bekannte Gestalten des Urchristentums, die wegen ihrer Bekanntheit und Autorität ausgewählt wurden. Über den Fälscher aber weiß man in der Regel nichts und soll nach dessen dezidierter Absicht auch nichts wissen. Man kann dieses Dilemma auch beim Jakobusbrief beobachten. Unter der Voraussetzung seiner Echtheit kann man ihn oft in beeindruckender Weise historisch interpretieren und mit einer konkreten Situation verbinden. Es befriedigt unsere historische Phantasie mehr, wenn wir uns vorstellen, der Herrenbruder Jakobus habe noch vor seiner Begegnung mit dem Apostel Paulus auf dem Apostelkonzil kritisch zu seiner Lehre über das Verhältnis von Glauben und Werken Stellung bezogen - noch ohne Information über dessen Theologie aus erster Hand, weswegen er dessen Position vergröbert habe (G. Kittel).2 Wir können uns gut vorstellen, dass der Herrenbruder Jakobus in Reaktion auf die spätere paulinische Mission einen gegen Paulus polemisierenden Brief an die christlichen Diasporagemeinden schrieb, in dem er persönliche Polemik bewusst entkonkretisierte, damit dieser Brief für verschiedene Diasporagemeinden passte (M. Hengel). 3 Bei Annahme der Unechtheit kann man dagegen oft nur vage Aussagen über die Aussageabsicht eines unbekannten Autors machen, den man 1
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W. Pratscher: Der Herrenbruder Jakobus und die Jakobustradition, FRLANT 139, Göttingen 1987, 220, bemerkt zurecht: "Daß ein solcher Bezug (sc. des Jakobusbriefs zum Herrenbruder) überhaupt vorhanden ist, wird von den Vertretern der Unechtheit gewöhnlich überhaupt nicht reflektiert. Und doch muß ein solcher Bezug in den Augen des Verfassers bestanden haben, sonst hätte er nicht diese Wahl des Pseudonyms getroffen." G. Kittel: Der geschichtliche Ort des Jakobusbriefes, ZNW 43 (1942), 71-105. M. Hengel: Der Jakobusbrief als antipaulinische Polemik, in: Tradition and Interpretation in the New Testament, FS RE. Ellis, hg. von G.F. Hawthorne/O. Betz, Grand Rapids/Tübingen 1987, 248-278 = ders.: Paulus und Jakobus, Kleine Schriften III, WUNT 141, Tübingen 2002,511-548.
Pseudepigraphe Intention
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weder genau lokalisieren noch präzise datieren kann. Eine Rekonstruktion der pseudepigraphen Intention des realen Autors muss daher die Kritik der pseudepigraphen Verfasserschaft vollenden, wenn diese Kritik auf Dauer bestehen soll. Die Echtheitskritik hat beim Jakobusbrief gute Gründe. Sie kann sich auf zwei "ausschlaggebende" und zwei "kompatible" Argumente berufen. Ausschlaggebende Argumente begründen die Annahme der Unechtheit, kompatible Argumente passen zu ihr, ohne sie begründen zu können. 1) Das erste ausschlaggebende Argument ist: Der historische Jakobus stritt im frühen Urchristentum für die Ritualgebote wie Beschneidung, Speisegebote, Sabbatheiligung und die Abgrenzung vom Götzendienst (vgl. GaI2,114; Apg 15). Für den "Jakobus" des Briefes aber besteht das Gesetz in ethischen Forderungen. Nirgendwo erwähnt er explizit rituelle Gebote. Der Jakobus des Briefes müsste sich bei seinem Gesetzesverständnis in diesen rituellen Fragen mit Paulus verständigen können. Der historische Jakobus und der Briefautor können nicht derselbe sein. 2) Das zweite ausschlaggebende Argument ist: Der historische Jakobus stammt aus der Familie eines galiläischen Handwerkers. Der Jakobus des Briefes aber schreibt ein Griechisch mit literarischer und rhetorischer Aura. Auch wenn man in Palästina mit Zweisprachigkeit rechnen muss, ist es unwahrscheinlich, dass bei einfachen Menschen die Fähigkeit zu einem solchen literarischen Griechisch vorhanden war. Um die Echtheit zu retten, muss man hier zu einer Verlegenheitshypothese greifen wie der Annahme eines Sekretärs. Hinzu kommen zwei Argumente, die mit der Annahme der Unechtheit kompatibel sind, sie aber nicht begründen können: 3) Der Jakobusbrief wird erst spät durch Zitate bezeugt - erst im 3. Jh. bei Origenes und in den pseudo-klementinischen Briefen ad virginitatem. Er war lange im Westen wie im Osten umstritten. Sollte er von dem 62 n.Chr. hingerichteten Herrenbruder Jakobus stammen und von Anfang an mit dessen Autorität verbunden gewesen sein, wäre seine zögernde und umstrittene Rezeption schwer verständlich. 4) Ein letztes Argument ist schwächer als die bisher genannten: Sachliche Parallelen und Berührungen von Motiven und Traditionen finden wir vor allem in Schriften um die Jahrhundertwende und in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts, nämlich im Matthäusevangelium, dem 1. Petrusbrief, dem Hirten des Hermas, ohne dass wir eine literarische Bekanntschaft mit dem Jakobusbrief annehmen können. Dieser Befund weist darauf, dass diese Schriften ungefähr im gleichen Zeitraum entstanden sind wie der Jakobusbrief und aus einem gemeinsamen Sprach- und Traditionsschatz schöpfen, was freilich einen großen Spielraum für seine Datierung offen lässt. Wenn man diese (und andere) Argumente gegen die Echtheit überzeugend findet, verliert man mit der Zu schreibung des Briefes an den Herrenbruder Jakobus den Kontext des Briefes: Weder Zeit, Ort noch Anlass des Briefes lassen sich bei Annahme der Unechtheit so konkret bestimmen wie bei Annahme der Echtheit. Die Unechtheit dekontextualisiert den Brief.
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Das Konkreteste, was wir über den Brief wissen, ist, dass der unbekannte Autor seinen Brief als Jakobusbrief verbreiten wollte. In seinem Kommentar skizziert eh. Burchard mehrere Erklärungen dafür, "warum der Brief vom Herrenbruder geschrieben sein soll" 4. Ich mache daraus im folgenden sechs Hypothesen. Dabei handelt es sich nicht um Alternativen: 1) Die Traditionshypothese: Der Verfasser könnte "Zugang zu Stoffen unter dem Namen des Jakobus" gehabt haben. 5 Die Spruchüberlieferung im Jakobusbrief erinnert an die synoptische Tradition. Das Eidverbot Jak 5,12 hat dort eine direkte Parallele. Auf den historischen Jakobus könnte daher ein Traditionsstrom zurückgehen, der jüdische Traditionen, Jesusworte und Worte des Herrenbruders selbst umfasste. Der Fingator könnte sich aufgrund solcher Jakobustraditionen berechtigt gefühlt haben, seinen Brief dem Herrenbruder zuzuschreiben. 6 Da Briefe die Gegenwart des räumlich getrennten Autors vermitteln, wie das sogenannte "Parusiemotiv" in den neutestamentlichen Briefen zeigt, ist es nur ein kleiner Schritt dahin, dass man auch die Gegenwart eines Verstorbenen durch einen Brief vermitteln will. 2) Die Fortschreibungshypothese: Nicht alles, was im Jakobusbrief steht, muss wortwörtlich als Jakobustradition gegolten haben. Es genügt, wenn der Verfasser der Überzeugung war, "daß der Herrenbruder so geschrieben hätte.,,7 Er schrieb virtuelle Worte des Jakobus nieder. Aber woher war er so sicher, dass sie im Geiste des echten Jakobus gesprochen waren? Solch eine Gewissheit setzt ein Bild von Jakobus voraus, das in Überlieferungen einen Anhalt haben muss. Insofern setzt auch diese Hypothese konkrete Jakobustraditionen voraus, weniger einzelne Worte als ein Jakobusbild im umfassenden Sinne, das auch aus summarischen Notizen, Erzählungen und Polemik bestanden haben könnte. 8 So entspricht der Jakobusbrief mit seiner Hochschätzung des "Gesetzes", seiner Armenfrömmigkeit und seinem Israelbewusstsein wahrscheinlich einem Jakobusbild, das Anhalt am historischen Jakobus hat, auch wenn rituelle Aspekte des Gesetzes in ihm keine Rolle spielen und sein Israelbewusstsein das nicht-christliche Judentum nicht im Blick hat.
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Ch. Burchard: Der Jakobusbrief, HNT 15/1, Tübingen 2000,5. Burchard, Jak, 5. Diese These vertritt P.H. Davids: Palestinian Traditions in the Epistle of James, in: James the Just and Christian Origins, hg. von B. ChiltonlC.A. Evans, NT.S 98, LeideniBostonlKöln 1999,33-57. B.R. Halson: The Epistle of James: 'Christian Wisdom?', in: F.L. Cross (Hg.), Studia Evangelica IV,I, TU 102, Berlin 1968,308-314, rechnete mit einer mit dem Herrenbruder verbundenen Katechetenschule, die sich nach dessen Tod aufgelöst habe. Ihre Überlieferungen seien im Jakobusbrief zusammengefasst worden. Burchard, Jak, 5. Diese These (verbunden mit der Traditionshypothese) wird vertreten von W. Popkes: Adressaten, Situation und Form des Jakobusbriefes, SBS 125/126, Stuttgart 1986. Auch M. Konradt: Der Jakobusbrief als Brief des Jakobus. Erwägungen zum historischen Kontext des Jakobusbriefes im Lichte der traditionsgeschichtlichen Beziehungen zum 1 Petr und zum Hintergrund der Autorfiktion, in diesem Band a.a.O., vertritt die These, dass der Jakobusbrief ein Reflex des Jakobusbildes des tatsächlichen Verfassers ist.
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Die Milieuhypothese: Der Verfasser wählte den Namen des Herrenbruders, weil "das Milieu, das er repräsentierte, durch den Herrenbruder oder seine Richtung mitbestimmt war ... und deshalb das, was in ihm galt, unter den Namen des Jakobus gestellt werden durfte".9 Die Autorfiktion soll helfen, Gedanken in diesem Milieu leichter durchzusetzen. 1O Im Extremfall dient sie nur als Hebel, um ein bestimmtes Milieu besser für die Inhalte "aufzubrechen", die der reale Verfasser übermitteln wollte. Oft aber wird der reale Autor das artikulieren, was in diesem Milieu schon immer galt und was er deshalb leicht unter den Namen des in ihm anerkannten Jakobus stellen konnte. Solch ein Milieu wäre etwa in Syrien und Antiochien gegen Ende des 1. Jh. gegeben: Hier hatte sich der historische Jakobus einmal gegen Paulus im antiochenischen Konflikt durchgesetzt. Hier war das Aposteldekret beheimatet. Hier war eine Jakobus und Petrus verbindende Tradition denkbar, die in Berührungen zwischen Jakobusbriefund 1 Petrusbriefihren Niederschlag fand. 11 Die Korrekturhypothese l2 rechnet mit der Möglichkeit, der Verfasser könne die Absicht gehabt haben, Aussagen, die mit dem Namen des Jakobus verbunden waren, zu korrigieren. Sie waren zu bekannt und verbreitet, als dass sie durch Interpretation oder Verschweigen hätten verdrängt werden können. Er will daher durch einen fingierten Jakobus den echten Jakobus zurechtrücken. Der Verfasser lehnt sich nicht nur an ein vorhandenes Jakobusbild an (so die Fortschreibungshypothese), sondern will dieses Bild verändern. Er spricht nicht nur in ein Milieu hinein, in dem Jakobus anerkannt ist (so die Milieuhypothese), sondern zielt auf Adressaten, die Jakobus kritisch gegenüberstehen. Die Symbolhypothese: Jakobus ist ein symbolhaItiger Name. Er ist in Jak 1,1 mit den zwölf Stämmen Israels verbunden. Damit wird er typologisch auf den Patriarchen Jakob bezogen, dessen zwölf Söhne Stammväter der zwölf Stämme waren. Sollte also der Name des Herrenbruders Jakobus "dazu beitragen, das Israelbewußtsein, das der Brief zeigt (s. 1,1) zu legitimieren?,,13 Musste der Name "Jakobus" am Ende des ersten Jahrhunderts nicht in jedem Fall als Symbol für das ganze Judenchristentum verstanden werden? Die Leerstellenhypothese: Am Ende bietet eh. Burchard noch eine letzte Möglichkeit an. Er fragt: "Oder war unter den möglichen Namen fiir einen pseudepigraphischen Brief nur Jakobus noch frei? Dessen -individuelles
Burchard, Jak, 5. Zu dieser These neigt Pratscher, Herrenbruder, 221, der annimmt, dass Jakobus "als verehrte und schon verklärte Gestalt der Anfange ... in Erinnerung geblieben war." Er spricht deswegen von einer "sekundären Herrenbrudertradition" , "die sich primär nicht an dessen Vorstellungen, sondern an dessen Ruhm orientiert" (Hervorhebungen von W. Pratscher). So M. Konradt, Der Jakobusbrief als Brief des Jakobus, in diesem Band a.a.O. Mit guten Gründen bestimmt er Antiochien als mögliches Milieu rur den Jakobusbrief. Die Milieuhypothese erklärt rur ihn jedoch nicht alles, sondern ist nur eine (Mindest-)Voraussetzung rur die Zuschreibung des Briefes an Jakobus. Diese Hypothese sei hier über die von eh. Burchard genannten Möglichkeiten hinaus genannt. Sie wird in diesem Aufsatz vertreten - und mit den anderen Hypothesen kombiniert. Burchard, Jak, 5.
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Profil wollte der Verfasser womöglich gar nicht treffen.,d4 Diese Hypothese setzt voraus, dass man keine plausiblen inhaltlichen Motive fiir die Namenwahl gefunden hat. Autorfiktionen sind in der urchristlichen Pseudepigraphie in der Regel aber motiviert: Die deuteropaulinischen Briefe fiihren Interpretationskämpfe um das Pauluserbe durch. Es ist daher kein Zufall, dass sie Paulus und keinem anderen zugeschrieben wurden. Der erste Petrusbrief wählt fiir seine Leidensparänese einen der bekanntesten Märtyrer des Urchristentums, das Johannesevangelium den Lieblingsjünger, um sich als wahres Zeugnis von Jesus zu legitimieren. Bis zum Beweis des Gegenteils muss man davon ausgehen, dass sich der unbekannte Autor etwas dabei gedacht hat, als er seinen Brief unter dem Namen des Jakobus veröffentlichte. Die These dieses Aufsatzes sei kurz skizziert: Jakobus wird im Jakobusbrief als Symbol des Judenchristentums in Anspruch genommen, um das Judenchristentum gegen Missverständnisse zu verteidigen. Der Brief polemisiert nicht gegen den Paulinismus. Er verteidigt sich (Ende des 1. Jh. n.Chr.) gegen das Bild, das die Konflikte der ersten Generation hinterlassen haben - also gegen das Bild eines ritualistischen, konfliktsüchtigen, engherzigen Judenchristentums, dem es an höherer theologischer Weisheit fehlt und das die Einheit der Kirche unnötig aufs Spiel setzt. Diesem nicht ganz vorurteilsfreien Bild, rür das der Paulinismus verantwortlich ist, setzt der Jakobusbrief das Konzept eines ethischen Christentums entgegen, dem es um den Frieden in der Gemeinde und eine konsequente Verwirklichung des Glaubens geht. Dabei verteidigt er das Judenchristentum nicht nur nach außen, sondern wirbt auch unter Judenchristen nach innen um Zustimmung fiir sein ethisches Christentum. 15 Im Folgenden gehen wir den Brief in der Reihenfolge durch, wie die Leser ihn rezipiert haben. Oft wird auf spätere Teile des Briefes vorgegriffen. Dabei orientiere ich mich weithin an der Gliederung Ch. Burchards. Bei jedem Abschnitt des Briefes wird die Frage gestellt: Gibt es Zeichen dafiir, dass dieser Abschnitt bewusst als eine Aussage des Jakobus verstanden werden will? Und wie muss er dann verstanden werden?
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Burchard, Jak, 5. Die oben aufgefiihrten Hypothesen Nr. 1-5 zur Autorenfiktion werden dabei kombiniert: Wahrscheinlich enthält der Jakobusbrief auch echte Jakobustradition (Nr. 1). Sie wurde im Lichte eines Jakobusbildes gelesen, das in der Gegenwart eine aktuelle Autoritätsquelle war (Nr. 2). In diesem Bild hat Jakobus symbolische Qualität. Er steht für das Judenchristentum (Nr. 5). Gerade deshalb will der Autor dieses Bild korrigieren, um für sein ethisch ausgerichtetes Judenchristentum zu werben (Nr. 4). Er kommt aus einem Milieu, in dem Jakobus anerkannt war (Nr. 3), spricht aber bewusst auch Kreise an, in denen er umstritten war. Nur die Annahme einer Leerstelle (Nr. 6), wonach "Jakobus" als pseudepigraphischer Name noch unverbraucht war, kann in die oben skizzierte These nicht integriert werden.
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Präskript (1,1) lakobus als Verfasser, die zwölf Stämme in der Diaspora als Empfänger Prolog (1,2-11) Die Thematik des Briefs (1,2-4): In Anfechtungen erprobter Glaube führt durch Geduld mit Werken zur Vollkommenheit. Das wird im ersten Hauptteil des Briefes entfaltet (vgl. 1,12-3,11). - Anwendung auf die, denen Weisheit fehlt (1,5-8): Sie sollen um Weisheit bitten. Das wird im zweiten Hauptteil des Briefes entfaltet (vgl. 3,12ff). - Anwendung auf die, denen Reichtum fehlt (1,9-11): Die Armen sollen stolz sein auf ihre Erhöhung, die Reichen sollen demütig sein. Auch das wird im zweiten Hauptteil des Briefes entfaltet (vgl. 4,13ff). Briejkorpus (1,12-5,6) a) Erster Hauptteil: Mahnung zur Erfüllung des vollkommenen Gesetzes der Freiheit (1,12-3,11) Grundlegung (1,12-27): Die Erschaffung durch das Wort, um das Gesetz der Freiheit im ethischen Gottesdienst zu erfüllen. Drei Beispiele für einen ethischen Gottesdienst in kleinen Abhandlungen: 1) Das erste Beispiel (2,1-13): Glaube und Liebe verlangen, keine Rücksicht auf Status und Personansehen zu nehmen. 2) Das zweite Beispiel (2,14-26): Der Glaube ist ohne konkrete Werke totohne Liebeswerke unter Christen und ohne die Bereitschaft Abrahams, seinen Sohn zu opfern. 3) Das dritte Beispiel (3,1-11): Der vollkommene Mensch bändigt seine Zunge. Die Gefahr von Zunge und Lehre wird beschworen.
b) Zweiter Hauptteil: Kritik und Umkehrruf an die Unvollkommenen (3,125,6) Eine lockere Folge von Spruchgut mit zwei thematischen Schwerpunkten: Streit und Reichtum 1) Warnung vor Streit als Folge mangelnder Weisheit, vgl. 1,4-5 (3,124,12) - aufgrund irdischer Weisheit (3,12-18) - aufgrund irdischen Besitzes (4,1-12) 2) Warnung vor Reichtum als Folge mangelnder Demut (4,13-5,6) - vor Vertrauen auf den eigenen Reichtum (4,13-17) - vor Machtmissbrauch aufgrund von Reichtum (5,1-6) Brieftchluss (5,7-20) a) Mahnung zur Geduld (5,7-11) b) Mahnung zum Umgang mit dem Wort beim Schwören (5,12) und Beten (5,13-18) c) Mahnung zur correctio fraterna (5,19)
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1. Das Präskript: Leseerwartungen aufgrund der pseudonymen Verfasserangabe
Nur im Präskript erscheinen explizit Jakobus als Briefverfasser und die zwölf Stämme Israels als seine Adressaten. 16 Der historische Kontext des Briefes kann nicht das Leben des Herrenbruders Jakobus zwischen ca. 35 bis 62 n.Chr. in Jerusalem sein, wenn wir von der Unechtheit des Briefes überzeugt sind, sondern nur das Jakobusbild im späten ersten und am Anfang des zweiten Jahrhunderts. 17 Wir müssen daher fragen, was der reale Autor des Briefes und seine christlichen Leser in dieser Zeit mit dem Namen "Jakobus" verbunden haben. Welches Wissen um Jakobus wollte oder konnte der Verfasser durch "onomastische Intertextualität" aufrufen, wenn er mit dem bekannten Namen des Jakobus seinen Brief einleitete? Welche Leseerwartungen konnte er rur die Lektüre des weiteren Briefes schaffen? 18 Jakobus galt als Führer des Judenchristentums in Palästina. Das wird nicht nur durch neutestamentliche Quellen belegt und durch apokryphe Texte bestätigt (Gal 2,lff; lKor 15,7; Apg 15; Ev Thom 12), sondern auch von Josephus als einem Außenstehenden bezeugt (Jos Ant 20,200). Was über Jakobus gesagt wird, wird (in den Augen damaliger Leser) indirekt über das Judenchristentum gesagt. Und das gilt unabhängig davon, an wen der Brief gerichtet sein will: Er wendet sich bewusst an alle Christen in der Diaspora, gleichgültig ob sie Judenoder Heidenchristen sind. Indem er aber diese Christen als die "zwölf Stämme" anspricht, betont er ihre Kontinuität mit Israel. Er sieht die Hoffuung auf Wiederherstellung des Zwölf-Stämme-Volkes in Gestalt des weltweit verbreiteten Christentums in Errullung gehen. In ihm wird durch den Namen Jakobus dem judenchristlichen Element eine besondere Bedeutung zugesprochen. Etwas von 16
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Eine Anspielung auf Jakobus könnte man noch in dem ermordeten "Gerechten" (in 5,6) sehen. So vor allem H. Frankemölle: Der Brief des Jakobus, ÖTBK 17,1-2, Güterslohl Würzburg 1994, 663ff. Jakobus wird oft "der Gerechte" genannt (vgl. Eus HE 11 23,4.7; HebrEv 7; EvThom 11 [12]. Er wurde 62 n.Chr. hingerichtet. Pratscher, Jakobus, 1987. J. Painter: Just James. The Brother of Jesus in History and Tradition, Columbia 2 1998. Als Quellen filr eine Rekonstruktion des Jakobusbildes innerhalb des "normalen" Gemeindechristentums am Ende des 1. Jh. können dienen (l) das "kanonische Jakobusbild" in 1 Kor 15,7; Gal 1,18f; 2,lff; Apg 12,17; 15,lff. 21,15ff; (2) das judenchristliche Jakobusbild: EvHebr 7 und Hegesipp (Eus KG 11 23,4ff; IV 22,4), auch wenn man bei diesen späteren Quellen immer auf eine frühere Zeit zurückschließen muss; das Jakobusbild der Pseudoklementinen stammt aus noch späterer Zeit; (3) das gnostische Jakobusbild: Nur ThomEv 12 filhrt ins 1. Jh. zurück, dazu die spätere Epistula lacobi Apocrypha (NHC 1,2) und die beiden Jakobusapokalypsen (NHC V,3; V,4). (4) Das jüdische Jakobusbild: die einzige nicht-christliche Erwähnung des Jakobus bei Josephus, Ant 20,200. Der Verfasser rechnet damit, mit dem Namen Jakobus viele Informationen und Assoziationen aufzurufen. Er filhrt ihn nicht als Herrenbruder ein, weil er als selbstverständlich voraussetzt, dass er den bekanntesten unter den vielen Menschen mit Namen "Jakobus" im Urchristentums meint - nicht etwa den Vater des Josephs (Mt 1,15t), nicht die beiden Apostel mit dem Namen Jakobus (Mk 1,19; Mk 3,18), auch nicht die beiden Jakobusse, die nur zur Identifizierung anderer Personen in Mk 15,40 und Lk 6,16par erwähnt werden. Wenn der Jakobusbrief davon ausgeht, dass der Leser an den Herrenbruder Jakobus (vgl. 1 Kor 15,7 u.ö.) denkt, so impliziert dies die Annahme, dass er gewisse Kenntnisse über ihn voraussetzt: Er ist der Jakobus schlechthin.
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ihm soll weltweit zur Geltung kommen. 19 Gleichzeitig will der Verfasser seine Leser dazu bringen, seinen Brief als Aussage der führenden Gestalt des Judenchristentums zu lesen - und das gilt unabhängig davon, ob der reale Autor Judenchrist war oder nicht. Schließlich sollen die Adressaten den Herkunftsort des Briefes in Jerusalem suchen. Dort hatte Jakobus die Gemeinde geleitet. Ein Rundschreiben an die Diaspora kann nur von dort kommen. Ferner wussten viele Gemeinden, dass Jakobus das Aposteldekret mit veranlasst hatte. Davon berichtet Lk in Apg 15. Es gilt als gemeinsam verfasstes Schreiben der Apostel und wendet sich an die Gemeinden in Syrien und Kilikien (Apg 15,23). Vielleicht findet sich in Jak 1,1 eine winzige intertextuelle Bezugnahme auf dieses Schreiben. Nur der Jakobusbriefund Apg 15,23 benutzen im Neuen Testament das griechische Präskriptformular, das aus einem Satz besteht20 , anstatt des orientalischen Briefformulars aus zwei Sätzen. Wenn Ende des 1 Jh. ein Schreiben von Jakobus kursierte, konnte es in Beziehung zu diesem Aposteldekret gesetzt werden. Bei anderen pseudepigraphischen Briefen im NT finden wir ebenfalls Bezugnahmen zu anderen Briefen als jeweiligem Prätext: Der Epheser- bezieht sich auf den Kolosserbrief, der 2 Thessalonicher- auf den 1 Thessalonicherbrief, der 2 Petrus- auf den Judasbrief, die Pastoralbriefe auf das ganze Corpus Paulinum. Könnte sich nicht auch der Jakobusbrief auf den einzigen (indirekt) mit Jakobus verbundenen "Brief' intertextuell beziehen - gerade weil er einen ganz anderen Inhalt hat? Will der Jakobusbrief die unter dem Namen des Herrenbruders laufenden Überzeugungen relativieren? Jedoch ist die formale Übereinstimmung des Präskripts ein sehr schwaches Indiz; ihm sollte kein großes Gewicht beigemessen werden. Drittens dürfen wir annehmen, dass in vielen Gemeinden Informationen über die Konflikte im frühen Urchristentum kursierten. Jakobus war in ihnen einer der Protagonisten gewesen. Mochte man sonst nicht viel von ihm wissen - die Erinnerung an Konflikt und Streit dürfte mit ihm verbunden gewesen sein. Wahrscheinlich wusste man noch, dass Jakobus und Paulus die Sprecher verschiedener Parteien gewesen waren. Sicher war das in Jerusalem und Antiochien bewusst, wo ihr Gegensatz sowohl diplomatisch überbrückt (Gal 2,1-10) als auch durch Eklat zum Ausdruck gekommen war (Gal 2,11-14), aber auch an anderen Orten, wo die Erinnerung an die judaistischen Gegner des Paulus lebendig war. Das galt sowohl von paulinischen Gemeinden, in denen die Briefe des Paulus bekannt waren, als auch von judenchristlichen Kreisen, in denen noch lange ein Feindbild von Paulus kultiviert wurde21 • Konnten oder sollten die Leser des Jakobusbriefes dieses Wissen um den historischen Jakobus aktivieren? Zunächst möchte man sagen: Nein! Der Jakobusbrief will zwar von der führenden Gestalt des Judenchristentums geschrieben sein, aber er betont nur wenig speziell judenchristliche Züge, die den Unterschied zum Heidenchristenturn bilden. Er mag formal an den Brief mit dem 19
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Das erinnert an das MtEv, das seine eigene Theologie und Ethik weltweit verbreitet wissen will und dafiir die Autorität des Auferstandenen beansprucht: Alle Welt soll gelehrt werden, was Jesus (in diesem Evangelium) gesagt hat. Sonst findet es sich nur in dem Brief des Heiden Klaudius Lysias an den Prokurator Felix (Apg 23,25). Vgl. die Pseudo-Klementinen H 11 17,1-2; XVII 13-19.
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Aposteldekret erinnern, geht aber mit keiner Silbe auf dessen Inhalt ein. Götzendienst, Blutgenuss und Porneia spielen keine Rolle. Paulus wird nicht erwähnt. Allerdings wird 2,14 ff meist als Stellungnahme zu paulinischen Parolen verstanden. Auf den zweiten Blick kann man aber zu einem anderen Ergebnis kommen, und das hat sowohl formale Gründe als auch inhaltliche. Zunächst zu den formalen Gründen, die auf der alten Beobachtung basieren, dass der Jakobusbrief eine Mischform von Rede und Brief ist: Der Brief wird von Anreden an die Adressaten durchzogen, die er fiinfzehnmal als "Brüder" anspricht. Jedes Mal ruft sich dabei der Autor selbst bei den Lesern in Erinnerung, insbesondere wenn er sie als "meine Brüder" (zehnmal)22 und nicht nur als "Brüder" (viermali 3 anspricht. Dreimal wendet er sich emphatisch an "meine geliebten Brüder" (1,16.19; 2,5), was im urchristlichen Schrifttum selten und bei Paulus nur zweimal belegt ist (1 Kor 15,58; Phil 4,1). Der Brief ist durch und durch als mündliche Rede stilisiert. Eine Rede aber lässt den Sprecher anwesend sein. Und so kann man alle Anreden als Mittel betrachten, um die pseudepigraphe Intention zu unterstreichen: Der Leser soll immer wieder daran erinnert werden, dass kein anderer als Jakobus spricht und dass dieser Jakobus um Konsens bei seinen "geliebten Brüdern" wirbt. Wir müssen also bei der Interpretation des Briefes immer fragen, was ein bestimmter Gedanke bedeutet, wenn man ihn im Urchristentum als Gedanken des Jakobus las. 24 Hinzu kommt eine weitere Beobachtung zur Briefform: Paulus hat die Briefform als eine der beiden literarischen Grundformen des entstehenden neutestamentlichen Kanons durchgesetzt. Zwar knüpfen PsJakobus und Paulus unabhängig voneinander an jüdische gemeindeleitende Briefe25 an, aber dass urchristliche Autoren ihre Botschaft in Briefen zum Ausdruck brachten, "liegt eher an Paulus als an Gewohnheiten der Umwelt. ,,26 Schon die Briefform schafft einen Bezug zu Paulus - und das um so mehr, als sie im Jakobusbrief künstlich ist. Sein Inhalt hätte sich auch in Form einer weisheitlichen Sammlung von Traditionen analog zur Logienquelle, zum Thomasevangelium oder zur Didache gestalten lassen. Die Briefform könnte signalisieren: Hier soll ein Ausgleich zur Dominanz der Paulusbriefe geschaffen werden, und zwar durch Briefe, die nicht nur an konkrete Gemeinden gerichtet waren, sondern an alle und die deshalb eine größere Autorität als die paulinischen Briefe beanspruchten! Zu diesen Beobachtungen zur Form kommt eine allgemeine Überlegung zum Inhalt. Das Christentum des fiihrenden Judenchristen Jakobus stellt sich in diesem Brief als ethisches Christentum von hohem Niveau vor. Daher liegt die Idee nahe: Will der Jakobusbriefbewusst Vorurteile über das angeblich ritualistische Judenchristentum korrigieren? 22 23
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Jak 1,2.16.19; 2,1.5.14; 3,1.10.12; 5,12. Jak 4,11; 5,7.9.1 O. Jakobus tritt im Verlauf des Briefes zwar nirgendwo als Person in den Vordergrund, es sei denn, man sieht in der Stelle vom Tod des Gerechten in Jak 5,6: "Ihr habt den Gerechten verurteilt und getötet, und er hat euch nicht widerstanden", eine Anspielung auf seinen Märtyrertod. I. Taatz, Frühjüdische Briefe. Die paulinischen Briefe im Rahmen der offiziellen religiösen Briefe des Frühjudentums, NTOA 16, Freiburg (Schweiz)/Göttingen 1991. B urchard, Jak, 5.
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Ritualgebote spielen nicht die geringste Rolle in ihm. Wohl finden wir einige kultische Begriffe wie oAOKA:tlP0<; (1,4), ayvo<; (3,17), Ku8upis EtV (4,8), ayvisEtv (4,8) und 'tEAEtO<; (1,4; 3,2), aber sie werden ins Ethische uminterpretiert. Das wird programmatisch in 1,27 formuliert: Der reine und unbefleckte Gottesdienst (8PllcrKciu Ku8upa. KUt uJ.liuv'tu) besteht darin, fiir Waisen und Witwen in ihrer Not zu sorgen und sich unbefleckt (äcr1ttAO<;) von der Welt zu halten. Dieser Satz ist Zielpunkt des grundlegenden Teils (1,12-27). Man kann die folgenden "Traktate" als drei Beispiele fiir diesen ethischen Gottesdienst verstehen27 • Auf 1,26fliegt ein besonderer Akzent. Die kultischen Begriffe "rein und unbefleckt" und die Abgrenzung von der Welt werden auf ein ethisches Verhalten übertragen. Wegen dieser Ausblendung von rituellen Fragen wird der Brief mit Recht dem historischen Jakobus abgesprochen. Aber gerade weil der historische Jakobus in Fragen ritueller Gebote "hart" geblieben war, könnte es Ende des 1. Jahrhunderts ein Bedürfnis gegeben haben, ihn als liberalen Judenchristen darzustellen, da sich inzwischen das Judenchristentum selbst gewandelt hatte: Nach der Tempelzerstörung war die ethische Tradition des Judentums wichtiger als seine kultischen Institutionen geworden28 • Man konnte das Jakobusbild am besten korrigieren, wenn man Jakobus selbst seine Meinung "revidieren" ließ, um ebenso seine Anhänger fiir eine andere Meinung zu gewinnen wie seine Gegner zu einer Revision ihres "Feindbildes" zu bewegen. Nun gab es, durch die Autorität des Jakobus gedeckt, das Aposteldekret. Das konnte man nicht leugnen. Aber gerade deshalb war es fiir den Verfasser notwendig, in einem neuen Brief einen anderen Jakobus vorzustellen. Der zweite "Brief' des Jakobus sollte die Abgrenzung des Aposteldekrets gegenüber der Welt neu bestimmen - nicht im Rituellen, sondern im Ethischen. Während sich das Schreiben mit dem Aposteldekret nach Apg 15,23 an die Christen in Antiochien, Syrien und Kilikien wandte, wendet sich dieses neue Schreiben an alle Christen in der Diaspora - und deutet schon damit an, dass es das umfassendere Wort des Jakobus war, das nicht nur hinsichtlich seiner lokalen Reichweite, sondern als zeitlich letzte Äußerung des Jakobus in seiner Gültigkeit überlegen war. 29 Richtig ist schließlich, dass sich der Jakobusbrief nicht als Polemik begreifen lässt. Im Gegenteil, er warnt vor Streit und Konflikt. Tut er das, weil mit Jakobus einst Konflikte verbunden waren? Will er das Judenchristentum als ein an der Einheit der Gemeinde orientiertes Christentum darstellen, das von sich aus 27
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Häufig wird übersehen, dass ein zentrales Beispiel für diesen "reinen und unbefleckten Gottesdienst" (1,27), die Bindung Isaaks durch Abraham, kein ethisches, sondern ein rituelles Werk ist, das ethisch problematisch ist. Abrahams Glauben besteht darin, dass er dennoch gehorsam ist - im Vertrauen auf Gott, dass er das für ihn unlösbare Dilemma lösen werde. Könnten hier nicht auch andere rituelle Gebote mitgemeint sein? Ein Zeuge dieser ethischen Konzentration im Judenchristentum ist das mit dem Jakobusbrief verwandte Matthäusevangelium, in dem die Tempelzerstörung u.a. mit Hos 6,6 beWältigt wird: Gott will Erbarmen, nicht Opfer (Mt 9,l3; 12,7). Eine vergleichbare ethisierende Tendenz lässt sich in der Textgeschichte des Aposteldekrets feststellen: Der Codex Bezae Cantabrigiensis fügt die Goldene Regel hinzu und versteht "Blut" nicht mehr rituell, sondern ethisch als Mord (vgl. Apg 15,21.29 mit Apparat). Das wird noch deutlicher, wenn der Jakobusbrief als ein Vermächtnis aufgefasst wird. Aber es fehlen - anders als 2 Tim und 2 Petr - testamentarische Elemente (vgl. Burchard, Jak, 10). Nur indirekt könnte 5,6 auf den Märtyrertod des Jakobus anspielen.
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keinen Streit sucht, Streit vielmehr verabscheut und sich stattdessen dem königlichen Gebot der Nächstenliebe und der Bruderliebe verpflichtet weiß? Und ist das der Grund dafiir, dass er dreimal die eindringliche Anrede "meine geliebten Brüder" benutzt? Vom Präskript ausgehend wurde schon oft auf den ganzen Brief vorgegriffen. Lesen wir ihn nun weiter als einen Brief, der als Brief des Jakobus gelesen sein will und der mit jeder Anrede an dessen "Brüder" intertextuell das Bild des Jakobus wachrufen will. 2. Der Prolog (1,2-11): Die Themenangabe des Briefes
Im Jakobusbrief folgt dem Präskript kein Proömium im üblichen Sinne, in dem der Briefautor Kontakt mit den Adressaten aufnimmt und am Ende zum Thema überleitet. Der Autor lässt aber Topoi neutestamentlicher Proömien anklingen. Ein Proömium tröstet die Angeredeten und versichert ihnen, dass der Verfasser von ihrem Glaubensstand überzeugt ist. Auch PsJakobus spricht vom Erprobten ihres Glaubens (1,2), er fordert zum Gebet um Weisheit auf (1,5ff) und stellt das Thema des folgenden Briefes vor, um es auf zwei Gruppen anzuwenden - oder auf die Adressaten unter zwei Aspekten. Das Thema des Briefes ist nach 1,2: Die Bewährung des Glaubens durch Ausdauer, die vollkommenes Christsein verwirklicht. Zugrunde liegt ein Kettenschluss, der auch in Röm 5,3ffund 1 Petr 1,6fbegegnet, jedoch im Jakobusbrief charakteristisch abgewandelt wird. Röm 5,3-5
Drangsale Ausdauer Bewährung Hoffnung
Jak 1,2-4
1 Petr 1,3ff. 6-7
(Wiedergeboren zur Hoffnung) Anfechtungen Anfechtungen Das Bewährte des Glau- Das Bewährte des Glaubens bens Ausdauer vollkommenes Werk Hoffnung = Lob, Herrlichkeit und Ehre bei der Parusie
Die bei den parallelen "Kettenschlüsse" in Röm 5,3ffund 1 Petr 1,6f zielen auf die Hoffnung, Jak 1,2ff dagegen auf das "vollkommene Werk", durch das die Christen "vollkommen und untadelig" werden30 • Die Zusammengehörigkeit von Glaube und Werk ist ein besonderes Anliegen des Jak, hier wird sie durch "Ausdauer" vermittelt, die das Werk bei sich haben soll (Bx~h(O), so dass die Ausdauer streng genommen weniger ein Zwischenglied zwischen Glaube und Werk ist 30
Vgl. Popkes, Jak, z.St.: Die Verbindung mit dem "Werk" ist ein neuer Akzent gegenüber der Tradition (S.78). Der Verfasser verändert hier die Kettenschluss-Tradition (S. 84). Er bezieht sich mit "Werk" neben "Glauben" bereits auf Kap. 2 (S. 85).
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als ein Aspekt des vollkommenen Werkes. Schon in der Themenangabe wird also ein im Urchristentum von Paulus besetztes Thema angeschlagen, das Verhältnis von Glaube und Werk, freilich ohne antipaulinische Polemik. Sicher ist nur: Die Abhandlung über den Zusammenhang von Glaube und Werk (Jak 2,14ff) wird schon hier angekündigt. Sie hat fiir den Verfasser zentrale Bedeutung. Falls sie in 2,14ff antipaulinische Polemik enthalten sollte, wäre diese im Prolog vorbereitet. Dagegen finden sich nur vage Anspielungen im Prolog auf die beiden Abhandlungen vorher und nachher: Vor dem Abschnitt über Glaube und Werke steht die Abhandlung über die Gleichbehandlung (Jak 2,1-13), in der sich der Glauben bewähren muss (vgl. 1ttcrnc; in 1,3 und 2,1.5). Nach dem Abschnitt über Glauben und Werken folgt die Abhandlung über die Macht der Zunge (Jak 3,1-12), bei der sich entscheidet, ob jemand ein "vollkommener Mensch" ist (ein 'tEAEtOC; aV1lP; vgl. 3,2 mit 1,4). Beides gehört zu den mannigfachen Versuchungen, von denen in 1,2 die Rede ist. Die beiden folgenden Abschnitte (1,5-8 und 1,9-11) wenden die Aufgabe, ein vollkommener Christ zu werden, auf die Themen Weisheit und Besitz an, die (nach den drei Abhandlungen des ersten Hauptteils des Jakobusbriefes) in dessen zweitem Hauptteil ab 3,12ff entfaltet werden 31 • Das Verhältnis der Adressaten zu beiden Gütern wird verschieden bestimmt: Um die Weisheit sollen sie beten. Hier soll ihr Mangel behoben werden. Auf ihren niedrigen Status sollen sie stolz sein: "Ein Bruder, der niedrig ist, rühme sich seiner Höhe ... " . Hier darf der "Mangel" bestehen bleiben, weil Armut vor Gott ein Vorteil ist. Weisheit ist ein Gut, das fehlt, Armut ein Mangel, der als Vorzug interpretiert werden soll. Der Autor motiviert die Aufforderung, um Weisheit zu beten, mit der Güte Gottes, "der jedermann gern gibt und niemandem einen Vorwurf macht" (1,5). Das ist der Topos vom fröhlichen Geber, der ohne Murren gibt (vgl. 2 Kor 9,7 = Prov 22,8 Lxx). Er wird sonst in der Antike von Menschen ausgesagt. Seine Übertragung auf Gott ist singulär32 • Vielleicht steht der ohne Tadel gebende Gott im Kontrast zu Menschen, die den Mangel an Weisheit bei den Angeredeten tadeln. Sie könnte man sich im damaligen Urchristentum gut vorstellen. Denn wir finden in jener Zeit einen großen Stolz darauf, dass in Christus die Schätze aller Weisheit sind (Kol 2,3) und in ihm die mannigfaltige "Weisheit" Gottes offenbart wird (Eph 3,10). Der Jakobusbrief definiert dagegen Weisheit schlichter: Sie ist die Fähigkeit, selbstbestimmt durch die Stürme des Lebens zu steuern, nicht wie "eine Meereswoge, die vom Wind getrieben und bewegt wird". Weisheit zeigt sich in der Lebensfiihrung. Später wird (in 3,11ff) diese Weisheit von
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Frankemölle, Jak, 211-259, unterscheidet drei Versuchungen: Mangel an Weisheit (Jak 1,5-6a), an Glauben (1,6b-8), an richtiger Selbsteinschätzung bei Armen und Reichen (1,911). Aber in 1,6 ist von der Bitte um Weisheit die Rede, die "im Glauben" geschehen soll. Der Glaube ist kein neues Thema. Vgl. Burchard, Jak, 60: Der Topos ist häufig von Menschen belegt. Er weist nur auf eine Stelle, wo Gott gemeint ist. Merkur spricht von seinem Vater Jupiter: "Doch war es nie bei meinem Vater Sitte, was an Gutem er getan, den Guten vorzurücken. Er ist überzeugt von eurer Dankbarkeit ... " (Plautus, Amph. Prolog 44-47). Es handelt sich auf jeden Fall um "erstaunliche Gottesprädikate" ohne traditionsgeschichtliche Vorbilder (Frankemölle, Jak, 217; Popkes, Jak, 88).
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oben mit einer irdischen Weisheit kontrastiere 3 • Und auch hier wird die himmlische Weisheit an ihren sozialen Früchten gemessen. Das darf man so verstehen: Der Autor will die einfache "Weisheit" des Judenchristentums (d.h. des Jakobus) verteidigen. Gemessen an den spekulativen "Weisheitstheologien" der paulinischen Schule 34 ist sein Christentum sehr schlicht. Der Verfasser räumt dieses Defizit an Weisheit ein, hält es aber in Wirklichkeit nicht fiir einen Mangel. Denn die angeredeten Christen vertrauen darauf, dass Gott ihnen die nötige Weisheit zur konsequenten Lebensfiihrung gibt und dass sie so die Gespaltenheit des Lebens, das 8hJluxoc;-Sein, überwinden. Anders geht der Autor mit dem zweiten Mangel um: der Armut. Das 'tu1tEtv6C;Sein bedeutet (in Opposition zum Reichtum) Armut. Diese Armut will der Verfasser neu bewerten, denn sie ist in Wirklichkeit Hoheit. Die Armen sind, wie wir später hören, von Gott erwählt (Jak 2,5). Der Reiche (wahrscheinlich ein christlicher Bruder) wird dagegen wie Gras in der Glut der Sonne vergehen. Auch hier will der Verfasser vielleicht bewusst Assoziationen wecken, die mit dem Judenchristentum des Jakobus verbunden sind: Paulus hatte fiir die "Armen" unter den Heiligen in Jerusalem seine Kollekte gesammelt (Röm 15,25; vgl. Ga12,10). Spätere judenchristliche Gruppen nennen sich Ebionim, "die Armen". Es ist durchaus möglich, dass judenchristliche Gruppen ärmer waren als andere Teile des Urchristentums. Vor allem aber wird sich unter ihnen die aus jüdischen Traditionen gespeiste Armutsfrömmigkeit der frühen Jesusüberlieferung länger erhalten haben.
3. Die Grundlegung des ersten Hauptteils (1,12-27): Der ethische Gottesdienst der Christen In 1,12-27 legt der Verfasser die Grundlage dessen, was fiir ihn christliche Existenz ist: eine Theologie des Wortes und der Tat. Die Überschrift über allem ist ein Makarismus derer, die in Ausdauer Versuchungen ertragen. Sie erben das Heil, das Gott denen bereitet hat, die ihn "lieben" (1,12). Die Liebe zu Gott steht über allem. Sie ist Gebotserfiillung35 und bewährt sich in Versuchungen. Bei den folgenden Gedanken bringt sich der Verf. ausdrücklich durch ein "Irrt euch nicht, meine lieben Brüder" (1,16) und "Ihr sollt wissen, meine lieben Brüder" (1,19) in Erinnerung. Er stellt fest: Das Böse stammt aus dem Menschen 33
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Popkes, Jak, 87, betont, dass PsJakobus hier noch nicht zwischen akzeptabler und inakzeptabler Weisheit (wie in 3,13ff) unterscheidet. Er spricht sachlich jedoch von der Weisheit "von oben", die man erbeten muss. Aber als Gegenbild zu dem, der in richtiger Haltung betet, erscheint der Mensch, der
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selbst. Gott selbst versucht niemanden, sondern die Begierde im Menschen reizt und ködert ihn. Sie ist eine unheimliche Macht und gebiert den Tod. Gott ist dagegen reine, ethische Energie, unwandelbares Licht ohne Schatten, Ursprung aller Güter. Er gebiert nicht zum Tod, sondern macht durch das "Wort der 36 Wahrheit" die Christen zu Erstlingen seiner GeschÖpfe . Dieser lakobus vertritt in seiner Weise auch ein soteriologisches Christentum, nach dem Gott durch sein Wort die Christen rettet (1,21). Wie aber soll der Mensch reagieren? Er soll erstens das Wort, das ihn durch Neuschöpfung rettet, annehmen, es bereitwillig hören und nicht schnell (im Zorn) reden. Die Überwindung der Aggression zwischen den Menschen erscheint als die wichtigste Folge der Schöpfung des Menschen durch das Wort - verbunden mit der Fähigkeit, "in Sanftmut" (dem Gegenteil von Zorn)37 das rettende Wort (als EJl
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Nach M.A. Jackson-McCabe: Logos and Law in the Letter of James. The Law ofNature, the Law of Moses and the Law of Freedom, NT.S 100, LeidenIBostonlKöln 2000, war PsJakobus ein christlicher Stoiker, der mit dem "Wort der Wahrheit" (S. 214t) und dem "eingepflanzten Wort" (S. 136ft) die dem Menschen gegebene Vernunft meint. Das Buch ist exzellent. Dennoch ist seine Interpretation abzulehnen. Sie beachtet nicht, dass die Ausführungen über die Versuchbarkeit des Menschen in Jak 1,13-15 in der 3. Person allgemein auf jeden Menschen bezogen sind (lllloEiC;, OUoEVU, EKucr'tOC;), dass aber von 1,16 an durch die Anrede "meine geliebten Brüder" (vgl. 1,19) eindeutig ein christlicher Adressatenkreis angesprochen wird. In 1,18 erfolgt zudem ein Wechsel von der Darstellung in der 3. Person zu einem "Wir", das hier zum ersten Mal im Brief begegnet (vgl. 3,1.9; 5,11). Die "Erstlinge der Geschöpfe" sind daher die Christen als die "Erstlingsgabe aus der Menge seiner Geschöpfe" (Burchard, Jak, 67) und das "Wort der Wahrheit" ist die christliche Botschaft (Burchard, Jak,78t). Vgl. P. v. Gemünden: Die Wertung des Zorns im Jakobusbrief auf dem Hintergrund des antiken Kontextes und seine Einordnung, a.a.O. in diesem Band. Vgl. P.V. Gemünden: Vegetationsmetaphorik im Neuen Testament und seiner Umwelt. Eine Bildfelduntersuchung, NTOA 18, Freiburg SchweizlGöttingen 1993, 270f. Wie Barn 1,2 (EIl
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Wort der Wahrheit abhängig. Wer es vergisst, verliert seine Identität und weiß nicht mehr, wer er ist40 • Diese christliche Identität ist im "Gesetz der Freiheit" begründet. Wenn wir wissen, was unter diesem Gesetz der Freiheit verstanden werden soll, kennen wir die Identität der Gruppen, an die sich der Jakobusbrief wendet. Der Begriff "Gesetz der Freiheit" ist vorchristlich nicht belegt. Die wenigen Parallelen sind christlich wie z.B. Iren. haer IV 34,4: libertatis lex, hoc est verbum Dei ab Apostolis qui ab Hierusalem exierunt annuntiatum in universam terram im Unterschied zum lex Moysen data est41 . Die meisten Belege enthalten eine Opposition zum Alten Testament, die im Jakobusbrief gerade fehlt. Denn zu seinem Gesetz der Freiheit gehören Lev 19,18 und der Dekalog. Und doch ist auch bei ihm in diesem Begriff eine Opposition enthalten - ein Gegensatz zu einem anderen Verständnis des Gesetzes, wie es Paulus geprägt hat. Paulus hatte das Gesetz als "Sklaverei" bezeichnet. Paulus hatte Hagar die Unfreie und Sarah einander gegenübergestellt und beide Frauen auf zwei Bundesschlüsse gedeutet: auf den "Sinaibund", den er mit Sklaverei gleichsetzt, und auf den "neuen Bund", für den er "Freiheit" beanspruchte (ohne dass er in Gal 4 den ihm vertrauten Begriff "neuer Bund" benutzt). Wenn in Jak 1,25 zum ersten Mal vom "Gesetz der Freiheit" gesprochen wird, so könnte diese Bezeichnung eine judenchristliche Apologie des Gesetzes enthalten: Anders als Paulus und seine Anhänger meinten, ist das Gesetz ein Hort der Freiheit. 42 Der Jakobusbriefbefindet sich damit in Einklang mit antiker Mentalität: Nach den eigenen Gesetzen zu leben, war "Freiheit". Er mahnt, die Bindung an das Gesetz nicht aufzugeben, weil das Aufgabe der eigenen Identität bedeutet: Wer sich nicht mehr an das Gesetz bindet] ist wie einer, der davongeht und "vergaß sofort, wie er beschaffen ist" (1,24)4 . Selig aber ist er, wenn er das Gesetz der Freiheit nicht vergisst und 40
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Der Spiegel zeigt zugleich, wer man ist und was man sein soll. Zwischen Bild (in 1,23b24) und Anwendung (1,25) wechselt die Metaphorik vom "optischen Sehen" zum "akustisehen Hören". Das "Sehen" im Bild lässt sich leicht auf ein "Sein", das "Hören" in der Anwendung auf ein "Sollen" beziehen (vgl. auch 1,22-23a). Man darf Bild und Anwendung nicht auseinanderreißen: Der Dreischritt von "Sehen (Ku'tEv611O'Ev)" - "Weggehen" - "Vergessen" im Bild entspricht dem "Sehen (1tUpUKU\jfUe;)" - "Bleiben" - "Vergessen" in der Anwendung (Jackson-McCabe, Logos, 143). Die Wendung 6 OE 1tUpUKU\jfUe; (1,25) greift auf das Spiegelbild zurück, denn man beugt sich auch über einen Spiegel: Eie; KU't01t'tpov KU\jfUe; 9EcOPEt (Plutarch Fr. inc. 49 zit. n. Burchard, Jak, 87). Der UKpOU't11e; E1ttAllO'I.lOvfje; greift E1tEAU9E'tO (1,24) auf. Das Spiegelbild zielt von seiner Tradition her auf die Übereinstimmung zwischen Norm und Sein. Vgl. Diog Laert. 11, 33: "Er [Sokrates] forderte die Jungen immer wieder auf, oft in den Spiegel zu sehen, damit sie, falls sie schön seien, (dessen) würdig würden, falls aber hässlich, ihr schlechtes Aussehen durch Bildung überdeckten" (vgl. Burchard, Jak, 86-87). Jak 1,23-25 meint aber darüber hinaus noch mehr: Das "Gesetz der Freiheit" steht im Unterschied zu anderen Gesetzen. Insofern liegt ein Bild rur christliche Identität vor. Nicht nur das Tun (bei undiskutierter Norm) steht zur Diskussion, sondern auch die Normen, an denen man sich orientiert; es gibt Alternativen zum Gesetz der Freiheit. Vgl. weitere Belege bei Burchard, Jak, 88. Eine Bezugnahme auf Paulus (zumindest auf eine im Paulinismus verbreitete Bewertung des Gesetzes) halte ich rur wahrscheinlich (mit Jackson-McCabe, Logos, 249f). Das Spiegelbild meint kaum, dass ein Vergessen des eigenen Aussehens beim Blick in den Spiegel die Regel ist. Denn es betont, dass der Mensch "sofort" sein Aussehen vergisst; das
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es praktiziert: Er ist als "ein Täter des Werks ... selig in seiner Tat" (1,25). Die Seligpreisung des Tuns steht im Gegensatz zur Seligpreisung dessen, der nicht durch Tun, sondern durch Glauben gerechtfertigt wird (Röm 4,7f = Ps 31,lf Lxx). Aber dieser Gegensatz wird erst 2,14ff manifest und ist hier nur latent vorhanden. Wenn jedoch im "Gesetz der Freiheit" eine Sicht des Gesetzes enthalten ist, die sich als Alternative zu dessen paulinischer Abwertung versteht, so könnte hier ein intertextueller Bezug zu Paulus vorliegen. Was unter diesem Tun in Bindung an das Gesetz zu verstehen sei, macht der Jakobusbriefim folgenden Abschnitt klar: Die Forderungen des Gesetzes der Freiheit zielen auf einen "reinen und unbefleckten Gottesdienst" (9Plloxeia Ka9apa Kat uJ-ltav-roc;). Sie ermöglichen es, "sich von der Welt unbefleckt (äcr1tlAOV) zu halten" (1,27). Das ist kultische Sprache. Das Gesetz zielt im Jakobusbrief auf Gottesdienst, Reinheit und Unbeflecktheit. Damit wird terminologisch die rituelle Seite des Gesetzes angesprochen. Bei den Konflikten im frühen Urchristentum um das Gesetz ging es ja immer um die Frage, wie man sich rein und unbefleckt gegenüber der von Götzendienst verunstalteten Welt halten könne. Wenn der Jakobusbriefnun behauptet, dieses kultische Anliegen des Gesetzes werde vor allem durch ethisches Verhalten eingelöst, durch Fürsorge für Waisen und Witwen, so kann man das als Apologie verstehen: Das eigentliche Anliegen des Gesetzes und das eigentliche Anliegen der Judenchristen (als deren Sprecher Jakobus auftritt) ist ethisch. Alle rituellen Bestimmungen über rein und unrein sind kein Selbstzweck. Analogien zu diesem Zurücktreten der rituellen Gebote finden sich in jüdischen Schriften des 1. Jh. n.Chr., die sich apologetisch an eine heidnische Umwelt wenden. Die Gesetzeszusammenfassung des Philo, die in den Exzerpten des Euseb in der praeparatio evangelica erhalten ist (PE 8.5,11-7,20: 8.11.1-18), enthält keine rituellen Gebote. Wenn Josephus in contra Apionem 11 190-219 das Gesetz des Mose zusammenfasst, geht er zwar kurz auf den Tempelkult und die zu ihm gehörenden Reinheitsgesetze ein (11 193-198), aber der größte Teil seiner Zusammenfassung besteht aus ethischen Geboten. Reinheitsgebote werden sonst nur noch im Zusammenhang mit Sexualverkehr (11 203) und Begräbnissen (11 295) erwähnt. Über die Beschneidung und die Speisegebote schweigt er, obwohl sich Juden gerade durch sie von Heiden eindeutig unterscheiden, so dass wir in ihnen Identitätsmerkmale des Judentums sehen. Beide, Josephus und Philo, halten prinzipiell am Tempel fest. Wenn schon bei ihnen Rituelles in Zusammenfassungen des Gesetzes mit apologetischer Intention so stark zurücktreten konnte, wie erst recht in einer Gemeinschaft, die sich vom Tempel gelöst hat! Dazu kommt als zweiter Faktor die veränderte Situation nach der Tempelzerstörung. Zur Zeit des Paulus hatte das Judenchristentum versucht, die neu entstandenen heidenchristlichen Gemeinden ins Judentum zu integrieren, indem es in ihnen für die freiwillige Übernahme von Beschneidung und Speisegeboten geworben hatte. Dieser Versuch ist die judaistische Gegenrnission, mit der Paulus in den 50er Jahren in Galatien und Philippi konfrontiert wurde. Der Verlust des Tempels 70 n.Chr. führte jedoch im Judentum und Judenchristentum zu einer soll etwas Ungewöhnliches zum Ausdruck bringen. Anders M. Dibelius: Der Brief des Jakobus, KEK 15, hg. v. H. Greeven, Göttingen 1964, 147.
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Neubestimmung des Kultischen und Rituellen. Jochanan ben Zakkaj vertrat ebenso wie das Matthäusevangelium mit Hos 6,6 die These, dass Gott Barmherzigkeit will und nicht Opfer (AbothRN 4; Mt 9,13; 12,7). Ein judenchristliches Evangelium konnte nach 70 n.Chr. im Ende der Opfer den Sinn der Sendung Jesu sehen: "Ich bin gekommen, die Opfer abzuschaffen, und wenn ihr nicht ablasst zu opfern, wird der Zorn von euch nicht ablassen" (EvEb Nr. 6 = Epiph. haer. 30,16.4f). Das Judenchristentum, das vor 70 vergeblich versucht hatte, die übrigen Christen rituell ins Judentum zu integrieren, hat in dieser neuen Situation nach 70 n.Chr. einen neuen Versuch gemacht, das Heidenchristentum an jüdische Traditionen zu binden, dieses Mal unter Verzicht auf rituelle Forderungen, aber mit Konzentration auf das jüdische Ethos. Dokumente dieses erneuerten Judenchristentums sind das Matthäusevangelium, der Jakobusbrief und die Didache. Das Matthäusevangelium stellt Jesus als den wahren Thoraausleger dar, der jedes Häkchen im Gesetz erhalten will (Mt 5,18), schweigt von der Beschneidung und relativiert andere rituelle Gebote (Mt 23,23). Mit dieser "Strategie" hatte es durchschlagenden Erfolg. Es wurde zum beliebtesten Evangelium der Alten Kirche. Der Jakobusbrief gehört in dieselbe Renaissance des Judenchristentums nach 70, als dieses erneut expansiv wurde 44 • Er wurde im Unterschied zum Matthäusevangelium nur zögernd rezipiert. Ihm fehlte gerade das, was das Matthäusevangelium so stark machte: die zentrale Stellung Jesu als des wahren Thoralehrers. Der Jakobusbrief nimmt kaum auf Jesus Bezug (Jak 1,1; 2,1; vgl. 5,8.11). Die Autorität Jesu war Konsens, die Autorität des Herrenbruders Jakobus umstritten. Die Grundlegung des ersten Hauptteils soll auf jeden Fall als Aussage des Jakobus gelesen werden. Er verkörpert das Judenchristentum. Sein Brief stellt es als ein ethisches Christentum dar, das im Heilshandeln Gottes durch sein Wort begründet ist. Er tritt damit einer Karikatur des Judenchristentums entgegen, wie es durch das Wirken des Paulus entstanden war. Er will Paulus nicht angreifen, sondern verteidigt sich gegen Angriffe aus der paulinischen Strömung des Urchristentums.
4. Der erste Hauptteil als Apologie des Judenchristentums (2,1- 3,12) Der erste Hauptteil will anhand von drei Themen zeigen, was positiv zur wahren Gottesverehrung gehört. Er umfasst drei Abschnitte, die einer eingeführten Sprachtradition entsprechend drei "Abhandlungen" im Unterschied zu den Spruchsammlungen im zweiten Hauptteil genannt werden. Die erste Abhandlung hat die 7tpoO'co7toA:rU.l\jlia. zum Thema. Am Anfang erinnert der Verfasser durch die Anrede: "Meine Brüder!" (2,1) noch einmal daran, 44
Möglicherweise ist in den Pseudoklementinen Horn 11 17,4 ein Echo dieser neuen expansiven Phase des Judenchristentums erhalten. Entsprechend der Syzygienlehre, wonach Falschpropheten den wahren Propheten immer vorausgingen, sagt Petrus dort: "So muss denn, wie es der wahre Prophet gesagt hat, zuerst ein falsches Evangelium von einem Betrüger kommen (= das Evangelium des Paulus), und dann erst, nach der Zerstörung des heiligen Ortes, kann ein wahres Evangelium ausgesandt werden zur Berichtigung der kommenden Sekten."
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dass der Leser das Folgende als Worte des Jakobus lesen soll. Warum profiliert sich der gerade mit dem Thema des "Personansehens"? Die Antwort liegt nahe. Gerade über Jakobus und andere Jerusalemer Größen hatte Paulus im Galaterbrief ironisch gesagt: "Was sie früher gewesen sind, daran liegt mir nichts; denn Gott achtet das Ansehen der Menschen nicht" (TtpocrCOTtOV 6 eBOe; aVepcOTtOU AU/-lßaVBt Gal 2,6).45 Unbestreitbar ist, dass einige im Urchristentum mit Jakobus einen hybriden Vollmachtsanspruch verbanden. ThomEv 12 zeugt davon: "Es sprachen die Jünger zu Jesus: Wir wissen, dass du von uns gehen wirst. Wer ist's, der groß sein wird über uns? Jesus sprach zu ihnen: Am Ort, wohin ihr gekommen seid, werdet ihr gehn zu Jakobus dem Gerechten, dessentwegen der Himmel und die Erde geworden ist." Auf solche Erwartungen sowohl von Seiten seiner Gegner wie seiner Anhänger geht PsJakobus sehr geschickt ein. Er stellt es als seine erste Sorge dar, unter Christen jede TtPOcrCOTtOAl1/-l\lfiu zu verhindern - besonders die gegenüber den Hochgestellten. Das folgt für ihn aus dem königlichen Gebot der Nächstenliebe. Er aktiviert dazu ein Wissen um das Judenchristentum in Jerusalem, das er im Urchristentum voraussetzen darf: Die Jerusalemer Christen verstanden sich als die "Armen". Und sie waren als solche unter den paulinischen Gemeinden bekannt. Denn Paulus hatte für die "Armen unter den Heiligen in Jerusalem" seine Kollekte gesammelt (Röm 15,26; vgl. Gal 2,10). Wenn Gott die Armen dieser Welt (unter ihnen die Judenchristen in Jerusalem unter der Leitung des Jakobus) erwählt hat - wie kann er dann Hochmut und Herrschaftsanspruch unter ihnen tolerieren? Vielmehr herrscht unter diesen Christen ein Klima, das die Ungleichbehandlung von Christen unmöglich macht. Es ist unwahrscheinlich, dass der Jakobusbrief bei seiner Polemik gegen Reiche gegen ein paulinisches Christentum polemisiert. Ihm ist die positive Aussage wichtiger: Unter den Judenchristen, die sich aus den "Armen" der Welt gebildet haben, werden hierarchische Ansprüche abgelehnt. Damit entsprechen Judenchristen dem Zentralgebot des Christentums: dem Liebesgebot46 , und zwar genau in der Form, in der es auch bei Paulus in Gal 5,14 und Röm 13,8-10 begegnet: Nur Paulus und PsJakobus fassen das Gesetz in dem einen Gebot Lev 19,18 zusammen. Nur sie zitieren das Ehebruchsverbot und Tötungsverbot (in dieser Reihenfolge) als Beispiele für die anderen Gebote, die mit dem Liebesgebot zusammenhängen. Der Jakobusbrief . könnte schon hier in einem Gespräch mit Paulus stehen. 47
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Am Anfang der zweiten Abhandlung über den Zusammenhang von Glauben und Werken schaltet sich der pseudepigraphe Verfasser erneut in die Kommunikati-
45 Bis in die heutige Exegese hinein wird Jakobus immer wieder ein besonderer Machtan-
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spruch zugeschrieben. E. Stauffer: Zum Kalifat des Jakobus, ZRGG 4 (1952), 193-214, nahm an, Jakobus habe ein "Kalifat" im Namen seines Bruders errichten wollen. M. Hengel: Jakobus der Herrenbruder - der erste "Papst", in: Glaube und Eschatologie" FS W.G. Kümmel, hg. v. E. GräBer und O. Merk, Tübingen 1985, 71-104, spricht S. 100 von "Primatsansprüchen" . Unwahrscheinlich ist, dass PsJakobus das Vorziehen von Personen nur als Verstoß gegen Lev 19,15 betrachtet, nicht aber gegen Lev 19,18. Würde er dann nicht dieses Verbot in Lev 19,15 neben dem Nächstenliebegebot aus Lev 19,18 explizit zitieren? Jackson-McCabe, Logos, 248f, denkt an eine direkte Bezugnahme auf Paulus; Popkes, Jak, 177, an Adressaten, die sich auf Paulus berufen.
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on ein, wenn er seine "Brüder" anspricht (2,14), und daran erinnert, dass wir die folgenden Sätze als Aussagen des "Jakobus" lesen sollen, der mit den Stichworten "Glauben" und "Werke" intertextuell eine Beziehung zur paulinischen Theologie herstellt. Dieser intertextuelle Bezug ist beim Abrahambeispiel unverkennbar, dem Schriftbeleg für die These des Jakobusbriefes vom heilsnotwendigen Zusammenwirken von Glaube und Werken. Zwar folgt der Jakobusbrief hier einer Abrahamtradition, in der - anders als bei Paulus - nicht Abrahams Glauben an die Verheißung der Geburt Isaaks im Zentrum steht, sondern seine Bereitschaft, Isaak zu opfern48 • Aber das spricht nicht gegen eine Bezugnahme auf Paulus. Im Gegenteil, nicht Jakobus weicht vom Hauptstrom der Überlieferung ab, sondern Paulus, so dass verständlich ist, wenn der Jakobusbrief in den Hauptstrom der Überlieferung zurückkehrt, um mit Hilfe eines konsensgestützten jüdischen und urchristlichen Abrahambildes das eigenwillige Abrahambild des Paulus zurechtzurücken. Er könnte dafür ein inhaltliches Motiv haben. Das Vertrauen in die Verheißung in Röm 4 ist ohne kultische Assoziationen. Die Bindung Isaaks ist dagegen eine rituelle Handlung, kein ethisches Werk, sondern ethisch gesehen eine sehr problematische Handlung. PsJakobus könnte sie gewählt haben, um andere, viele harmlosere rituelle Handlungen zu rehabilitieren: Wenn schon Abraham ein Freund Gottes genannt wurde, weil er zum Extrem des Menschenopfers bereit war - im Widerspruch zu allen ethischen Vorstellungen, aber im Vertrauen darauf, dass Gott das unlösbare Dilemma lösen werde -, um wie viel mehr darf man die harmlosen rituellen Praktiken des Judenchristentums als Ausdruck des Glaubens akzeptieren! Der Anschluss an das allgemeine jüdische Abrahambild wäre im Jakobusbrief gerade wegen dessen Abweichung von Paulus motiviert. Für einen intertextuellen Bezug zu Paulus sprechen in der Tat gute Argumente, obwohl dieser Mehrheitsmeinung in letzter Zeit fundiert widersprochen wurde49 : 1) Gen 15,650 wird in Jak 2,23 für das Zusammenwirken von Glaube und Werken in Anspruch genommen wird, obwohl in Gen 15 nichts von" Werken" steht, es sei denn, man liest Gen 15 (Lxx) von vornherein im Lichte der paulinischen Deutung als Belegtext für eine Rechtfertigung ohne Werke. Erst recht bietet die Erzählung von Rahab (Jos 2) keinen Anhaltspunkt für die Rechtfertigungsthematik, die PsJakobus in sie einträgt. 51 48
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Vgl. Sir 44,20 (die Versuchung ist hier wahrscheinlich auf Gen 22 zu beziehen); Weish 10,5; Jub 17,15-18,16; 19,8; 4Q225 Fr.2 Sp.l; Philo Imm 4; Jos Ant I 222-236; 4 Makk 16,19f; LibAnt 32,1-4; vgl. Hebr 11,17-19; 1 Klem 10,7. Nirgendwo wird der Glaube oder die Bewährung Abrahams auf den Glauben an die Verheißung Isaaks bezogen. Durch Konradt, Existenz, 241-246, Burchard, Jak, 125; L.T. Johnson: The Letter of James. A New Translation with Introduction and Commentary, AncB 37a, New YorkILondon u.a. 1995,64. Dass sich kleine Übereinstimmungen im Zitat von Gen 15,6 mit Röm 4,3 gegen die Lxx finden, spricht zumindest nicht gegen eine Abhängigkeit des Jakobusbriefes von Paulus: Der Jakobusbrief schreibt bekanntlich 81ticrn;ucrEv Be 'AßpaaJl (und nicht wie Lxx 81ttcrtEUcrEV Kat 'Aßp@). Aber damit sollte man nicht die Annahme einer Abhängigkeit von Jak 2,20ff von Paulus begründen. Rahab begegnet in christlichen Texten als Beispiel dafür, dass sie nicht mit den anderen zugrunde ging (cruvamOAEto) (Hebr 11,31), sondern dass sie gerettet wurde (8crw9rl> (1 Klem 12,1).
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PsJakobus folgert aus dem Abrahambeispiel nicht: "Also wurde Abraham aus Werken gerechtfertigt", sondern er verallgemeinert: "Aus Werken wird ein Mensch (ävSpro1toC;) gerechtfertigt". Dieser ävSpro1toC; begegnet als Subjekt von ÖtKUtroSi1vut nur noch in der paulinischen These Röm 3,28: ÖtKUtOUO"SUt 1ttO"'tct ävSpro1toV XroplC; epyrov VOJlou und Gal 2,16: ou ÖtKUtOU'tUt ävSpro1toC; B~ BPYroV VOJlOU (an allen drei Stellen ohne Artikel).52 Darüber hinaus begnügt sich PsJakobus nicht mit der positiven Konsequenz, dass Abraham aus Werken (und Glauben) gerechtfertigt wurde, sondern betont die negative Konsequenz: ÖtKUtOU'tUt ... OUK BK 1ttO"'tcroc; Jlovov (2,24), als widerspreche er einer anderen These. 3) Auch die abschließende These: "Denn wie der Leib ohne Geist tot ist, so ist auch der Glaube (tot) ohne Werke" (2,26) lässt sich als Gegenthese verstehen. Eigentlich wäre zu erwarten, dass der Glaube als eine innere Realität dem Geist entspricht, der sich in der äußeren Realität in Werken zeigt, die durch den Leib gewirkt werden 53 . Der Jakobusbriefwill selbst aus sichtbaren Werken den unsichtbaren Glauben erweisen (2,18). Wenn er hier dagegen die Werke mit dem Geist, den Glauben aber mit dem Körper parallelisiert, so stellt er die These auf den Kopf, dass der Glaube die Werke beseelt, so dass sie keine "toten Werke" sind. Dass sich der Jakobusbrief mit paulinischer Theologie auseinander setzt, ist m.E. kaum zu bestreiten. Wichtiger ist die Frage, wie er sich mit ihr auseinander setzt. Meist wird eine polemische Absicht angenommen. Sie wird näher bestimmt als Polemik gegen einen missverstandenen oder einen formelhaften Paulus, gegen einen ethisch defizitären Paulinismus, einen ideologisch missbrauchten Paulus, hinter dessen Parolen sich ein laxes Gewohnheitschristentum versteckt, oder gar gegen einen radikalen gnostischen Paulus. 54 Aber immer handelt es sich um Polemik gegen etwas. Immer gibt es dabei die Schwierigkeit, dass der Paulinismus zur Zeit des Jakobusbriefes gegen diese Polemik des Jakobusbriefes sachlich wenig einwenden könnte. Denn die Deuteropaulinen reden positiv von den Werken. Die Christen sollen "in jedem guten Werk" Frucht tragen (Kol 1,10). Der Mensch ist zu "guten Werken" geschaffen (Eph 2,10). Sie sind ein zentraler Wert in den Pastoralbriefen55 . Auch der authentische Paulus kritisiert nicht die "Werke" an sich, sondern nur die Werke des Gesetzes, sofern sie 52
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Sonst findet sich die Verbindung von äv8pÜ)1toC; und ötKutOO8ilvUt nirgends in Lxx und urchristlicher Literatur. Hier gibt es nur die beiden Belege bei Paulus. Dieser könnte durch '" 142,2 bestimmt sein. Dort steht anstatt äv8pü)TCOC; entweder TCUC; ~&v ('" 142,2) oder TCUcrU crap~ (Röm 3,20; Gal 2,16). Wo die Rechtfertigungslehre des Paulus sonst im Urchristentum nachklingt, finden wir keine äv8pooTCoc;-Aussage (vgl. Apg 13,39; Tit 3,7; 1 Klem 31,3; 32,3-4). Dass PsJakobus selbst eine allgemeine Aussage mit (6) äv8pü)TCOC; gebildet haben könnte (Burchard, Jak, 126), ist zwar nicht ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich. Solche Aussagen finden sich sonst meist in Anlehnung an alttestamentliche Sätze (Mt 4,4 = Dtn 8,3; Mt 19,5 = Gen 2,24; Röm 10,5 = Lev 18,5; 1 Klem 22,2 = '" 33,13), manchmal auch unabhängig davon (vgl. noch Mt 19,6; GaI6,7). Vgl. den Zusammenhang von Taten und Leib: 'taC; TCpa~EtC; 'tou crcOflU'tOC; (Röm 8,13); 'ta Öta 'tou crcOflu'tOC; TCPOC; ä ETCPU~EV, EhE ayu80v d'tE
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vor Gott gerecht machen sollen. Der Jakobusbrief spricht nicht explizit von Werken des Gesetzes, auch wenn die Werke, die er meint, die vom "Gesetz der Freiheit" geforderten Werke sind56 • Ein mit den Werken verbundener Leistungsanspruch liegt ihm ohnehin fern. Er fordert Werke der Barmherzigkeit, die das Erbarmen Gortes finden (2,13). Die Verheißung des eschatologischen Heils gilt denen, die Gort lieben (1,12; 2,5) - was mehr ist als äußerliche Gesetzeserfüllung. Ein grundsätzlicher Widerspruch zwischen dem Jakobusbrief und dem Paulinismus seiner Zeit (d.h. der Generation nach Paulus) wie zwischen Katholizismus und Protestantismus in der Reformationszeit gibt es nicht. Die Polemik des Jakobusbriefes liefe ins Leere. Sie würde mit Gedanken angreifen, bei dem die vermeintlichen Gegner zustimmen müssten. Aber es handelt sich gar nicht um Polemik, sondern um Apologetik. Und diese sucht von sich aus, was Zustimmung bei der anderen Seite findet. Der Jakobusbrief beginnt den Abschnitt mit dem Einwand eines Dritten: "Was hilft's, meine Brüder, wenn jemand sagt, er habe Glauben, und hat doch keine Werke? Kann denn der Glaube ihn retten?" (2,14). Gemeint ist: "Kann der Glaube ihn, wenn er ohne Werke ist, retten?" Er bringt dann ein Beispiel, bei dem ihm die Zustimmung aller Christen sicher war: die Unterstützung notleidender Brüder und Schwestern. Solche Werke gehörten selbstverständlich zum Glauben. Auch der radikalste Pauliner und extremste Gnostiker härten dem zugestimmt. Damit hat der Jakobusbrief die dem Judenchristentum unterstellte Überschätzung von "Werken" in ein positives Licht gerückt. Er sagt: Wir schätzen die Werke (d.h. ethische Taten) überaus. Was gibt es daran zu kritisieren, wenn es sich um die Unterstützung notleidender Gemeindeglieder handelt? Geschickt blendet er aus, dass sich der Streit an rituellen "Werken" entzündet hatte und nicht an solchen ethischen Taten, die für alle selbstverständlich sind. Und doch war es objektiv sinnvoll, gegenüber dem Paulinismus auch die ethischen Taten aufzuwerten. Denn Paulus hatte nicht nur rituelle, sondern auch ethische Werke als Grundlage des Heils problematisiert. Dann lässt PsJakobus in Jak 2,18 einen zweiten Zwischenredner zu Wort kommen, der z.T. das Gegenteil von dem sagt, was der erste Zwischenredner in 2,14 behauptet hatte. Der erste sagte: "Ich habe Glauben", der zweite: "Ich habe Werke" 57. PsJakobus schwebt m.E. die rhetorische Strategie vor, zwei Extrem56
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Gegen eine Bezugnahme von Jak 2,14ff auf Paulus wird immer wieder damit argumentiert, PsJakobus spreche anders als Paulus nicht von "Werken des Gesetzes". Aber das "vollkommene Gesetz der Freiheit" verlangt "Täter des Werks" (Jak 1,25). Der 1tOtTrnl~ epyou ist mit dem 1tOtll'[i1~ v6~ou identisch (vgl. Jak 1,25 mit 4,11). Sachlich sind die "Werke" bei PsJakobus daher "Werke des Gesetzes". So mit Recht JacksonMcCabe, Logos, 244-253. Der Einleitungsformel nach erwartet man einen Einwand: "Aber es wird (vielleicht) jemand sagen: ... ", dem Inhalt nach aber eher einen zustimmenden Satz dieses Zwischenredners: Dieser Widerspruch zwischen Form und Inhalt hat die Sekundantenhypothese hervorgebracht: PsJakobus lasse seine eigenen Argumente durch einen Zwischenredner unterstützen - umstritten ist dann aber, wie lange der Sekundant spricht: nur in 2,18, in V.l8-19 oder gar in V. 18-23. Vgl. den Überblick über die Hypothesen bei Burchard, Jak, 118-121. Meine oben skizzierte Auslegung sieht in dem vermeintlichen Sekundanten einen zweiten Opponenten, der in V. 18-19 spricht und in Jak 2,20 als "hohler Mensch" schroff kritisiert wird.
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positionen aufzubauen, um sich von beiden abzugrenzen und seine Position als den richtigen Mittelweg anzubieten: Für ihn sind beide, Glauben und Werke, gleich notwendig; beide bewirken zusammen das Heil (vgl. das (jUVEPYEtV in 2,22). These und Gegenthese sind also jede für sich einseitig. Freilich sind sie nicht ganz symmetrisch. Der erste Zwischenredner behauptet, nur Glauben zu haben, aber keine Werke. Der zweite konzediert anderen Gesprächspartnern Glauben beansprucht aber für sich Werke: "Du hast Glauben, und ich habe Werke"5s. Er ist überzeugt, auch Glauben zu haben. Deshalb fährt er fort: "Zeige mir deinen Glauben ohne die Werke 59, und ich werde dir aus meinen Werken den Glauben zeigen". Damit betont er: Glaube kann nur durch Werke erkannt werden60 • Dieser Zwischenredner vertritt damit eine einleuchtende Position: Aus Werken lässt sich auf Glauben schließen, nicht aber aus Glauben auf ethische Werke. Die Frage in 2,14 ging aber noch weiter. Nicht die Erkennbarkeit des Glaubens wurde hier thematisiert, sondern seine rettende Kraft: "Kann Glaube (ohne Werke) retten?" Im nächsten Satz gibt der zweite Zwischenredner die Antwort: Auch wenn einer Glauben hat, bringt ihm das kein Heil. Denn auch die Dämonen glauben an Gott, vollbringen aber keine ethischen Taten - und auch keine rituellen Handlungen der Gottesverehrung, wie wir stillschweigend ergänzen können. Jetzt schaltet sich der Autor wieder ein und weist den zweiten Zwischenredner schroff zurück: "Willst du dagegen erkennen, du hohler Mensch, dass der Glaube ohne die Werke unnütz ist?" (2,20). Er muss nicht ausführen, dass ein Glaube, wie ihn die Dämonen haben, nicht rettet61 . Ein solcher Glaube ist kein wirklicher Glaube. Er ist "unnütz" (apyil). Der Verfasser polemisiert hier gegen den einseitig "kognitiven" Dämonenglauben. Wie die anderen Stellen, an denen er vom "Glauben" spricht, zeigen, hat er einen umfassenderen Begriff von Glauben: Es ist ein Vertrauensglauben, der die ganze Existenz umfasst (1,6). Er ist Gebetsglauben, der bei Kranken Heilungen ermöglicht (5,15). Er ist ein Glaube an den Herrn Jesus Christus (2,1). Er übersteigt damit weit ein monotheistisches Bekenntnis, das die Dämonen auch sprechen können, ohne Gott wirklich zu verehren! Weder ein solcher eingeschränkter Glaube allein bringt das Heil, noch 58
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H. Neitzel: Eine alte crux interpretum im Jakobusbrief 2,18, ZNW 73 (1982), 286-293, versteht die beiden Aussagen als Frage und Antwort: ,,'Du hast doch den (richtigen) Glauben?' Und ich (werde sagen): 'Ich habe Werke (der Liebe)'''. Wodurch im Vorherigen sollte der Verfasser die Vermutung nahe gelegt haben, er habe nicht den richtigen Glauben? Der Artikel "[mv äpycov anstelle des dreimaligen artikellosen äpyu in 2,14.17 .18a könnte als Rückbezug verstanden werden: "Weise mir deinen Glauben nach, ohne die (vorher erwähnten Barmherzigkeits-)Werke. Ich aber weise dir aus diesen meinen Werken den Glauben nach!". XCOptc; "[mv äpycov gehört entweder als Umstandsbestimmung zu 8d~6v ~Ot oder als Attribut zu nicrnc;. Für Letzteres spricht die Stellung von crou (Burchard, Jak,122), dagegen der folgende Satz, in dem h: "[mv äpycov eindeutig auf 8d~co zu beziehen ist. Hier kann nicht vom "Glauben aus den Werken" die Rede sein, also ist auch vorher kaum vom "Glauben ohne Werke" die Rede. Aus der Nicht-Erkennbarkeit des Glaubens, der keine Werke hat, folgt für PsJakobus nicht die Nichtexistenz des Glaubens. Die Teufel glauben ja auch. Aber sie haben keinen rettenden Glauben. Bei der Frage ersetzt er "retten" (crmcrut) in 2,14 durch "gerechtfertigt werden" (8tKUtco8flvUt) in 2,20.24.25.
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Werke allein. Mit der schroffen Attacke auf den "Hohlkopf" distanziert sich PsJakobus in 2,20 rhetorisch geschickt von einem einseitig judenchristlichen Standpunkt (bzw. dessen Karikatur), als seien Werke allein rür das Heil entscheidend, Glaube aber ineffektiv. Der rein kognitive Dämonenglaube ist fUr ihn kein richtiger Glaube! Und das kann er an Abraham zeigen: Mit Berufung auf ihn fUhrt er einen Schriftbeweis fUr seine These, dass nur eine Verbindung von Glauben und Werken Heil schafft und dass nur ein Glaube, der zu Werken fUhrt, zur Gerechtigkeit anerkannt wird. In Übereinstimmung mit einer breiten Abrahamtradition im Judentum und Urchristentum wählt er ein Beispiel rür ein rettendes Werk aus Glauben, das in einer kultischen Handlung besteht: die BindUI1f Isaaks. Sie ist ein ritueller Akt, nämlich die Bereitschaft zum Menschenopfer 6 • Wir sind hier auf einer anderen Ebene als bei der Unterstützung notleidender Brüder und Schwestern. Der Verfasser macht in der Diskussion der "Werke" einen gewaltigen Schritt von der selbstverständlichen Unterstützung Notleidender zu einem rituellen Akt, der jeder familiären Ethik widerspricht. Der Befehl, den eigenen Sohn zu opfern, ist unverständlicher und irrationaler als alle rituellen Einzelgebote, über die man im Urchristentum gestritten hat. Wenn ihm zu folgen richtig war, warum sollte man dann nicht den viel harmloseren rituellen Geboten Gottes im Alltag folgen? Vielleicht fUgt der Jakobusbrief deshalb das Beispiel der Hure Rahab hinzu, welche die Spione der Israeliten aufnahm - was vom Standpunkt der jüdischen Eroberer gewiss ein gutes "Werk" im ethischen Sinne war. Denn es geht ihm um eine Rehabilitierung der Werke im umfassenden Sinne, der rituellen Werke wie der ethischen. PsJakobus greift mit all diesen Gedanken nicht den Paulinismus an, sondern verteidigt das Judenchristentum. Er möchte es als ein ethisches Christentum darstellen, das auch den Ansprüchen gerecht wird, die anderswo zum entscheidenden Kriterium des Christseins erhoben werden. Das entscheidende Kriterium ist im paulinischen Christentum der Glaube. In judenchristlich geprägten Strömungen des Urchristentums aber waren es die "Werke" als die Früchte des Glaubens, an denen man echte und unechte Christen erkennen sollte63 . Dass jedoch nur die Werke entscheidend waren, ist freilich eine Karikatur, von der sich PsJakobus schroffer abgrenzt als von paulinischen Positionen. Die These des Jakobusbriefes ist: Sein ethisches Christentum geht den richtigen Mittelweg. Glauben und Werke sind in gleicher Weise wichtig. Der Glaube ist erst wahrer Glaube (und nicht "unnütz"), wenn er zu Taten fUhrt. DafUr beruft Jak sich auf eine Bibelstelle, die das paulinische Christentum fUr sich beanspruchte: Glaube wird nach Gen 15,6 zur Gerechtigkeit angerechnet, weil er bei Abraham mit Taten verbunden 62
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Es ist daher nicht ganz nachvollziehbar, wenn immer nur betont wird, der lakobusbrief sehe nur die ethischen Gebote im Gesetz. Zweifellos schweigt er von der Vielzahl ritueller und kultischer Bestimmungen. Beim Abrahambeispiel aber wählt er ein Beispiel für den wahren Gottesdienst aus, bei dem es um einen Ritus geht. Ob er nicht unausgesprochen gemeint hat: Wenn man schon bei solch einem Akt wie dem Kindesopfer Gottes Stimme hören muss (wobei Abraham darauf vertraute, dass Gott für einen guten Ausgang sorgen wird), wie viel mehr muss man die ethisch unproblematischen rituellen Forderungen des Alltags einhalten? Das gilt für das MtEv wie für den lakobusbrief. Die "Werke" dienen der Erkennbarkeit des Heilsstandes: "An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen" (Mt 7,16.20). Das Herr-HerrSagen reicht dazu nicht aus (Mt 7,2lff).
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war. Diesen von Gott akzeptierten Glauben haben auch die Judenchristen. Sie berufen sich mit demselben Recht auf Abraham wie die Gemeinden in der Nachfolge des Paulus. Die dritte Abhandlung über Lehre und Sprache wird wieder mit einer direkten Anrede eingeleitet: "Seid nicht (mehr so) viele Lehrer, meine Brüder; ihr wisst Ga), dass wir ein härteres Urteil bekommen werden" (3,1). Wieder wird daran erinnert, dass alles als Anrede des Jakobus, der sich hier unter die urchristlichen Lehrer einreiht, an andere Christen verstanden werden soll. Aber warum soll ausgerechnet Jakobus davor warnen, Lehrer zu werden? Ich vermute, dass er sein Judenchristentum verteidigt, das weder viele Lehrer noch eine so kunstvolle theologische Weisheit hervorgebracht hat wie das Heidenchristentum. Im MtEv äußert sich ebenfalls ein kritischer Vorbehalt gegenüber christlichen Lehrern: "Und ihr sollt euch nicht Lehrer nennen lassen; denn einer ist euer Lehrer: Christus" (Mt 23,10). Jakobus macht aus der Not eine Tugend: Es ist ein Zeichen hoher Verantwortung, wenn man strenge Maßstäbe an Lehrer anlegt, so dass nicht viele Lehrer werden. Denn die Zunge ist eine kaum zu bändigende Macht. Mit ihr, d.h. durch Lehren, kann man die Welt in Brand setzen. Und dabei denkt er vor allem an kräftige Verfluchungen, die von der Zunge getätigt werden: "Mit ihr loben wir den Herrn und Vater, und mit ihr fluchen wir den Menschen, die nach dem Bilde Gottes gemacht sind" (Jak 3,9). Der erste Hauptteil stellt dar, was zu einer richtigen Gottesverehrung gehört: kein Personansehen, Werke als Ausdruck lebendigen Glaubens und verantwortliches Lehren. Er hat vor allem apologetische Intention. Erst der zweite Hauptteil geht über in eine Kritik der Unvollkommenen - der streitsüchtigen Weisen und Weltfreunde auf der einen (3,13-4,12), der Geschäftsleute und Reichen auf der anderen Seite (4,13-5,6). Hier benutzt der Jakobusbrief die Sprache der Polemik. Und daher müssen wir damit rechnen, dass hier Apologie in Polemik übergeht.
5. Der zweite Hauptteil und seine Verbindung von Apologie und Kritik
In diesem Teil redet PsJakobus nur einmal die Adressaten mit ~,Brüder" an, wenn er sie dazu mahnt: "Verleumdet einander nicht!" (4,11). Dies dürfte ein Hauptmotiv für seine kritischen Mahnungen sein: Er sieht im Urchristentum überall eine allzu irdische Weisheit am Werk, mit der sich die Christen untereinander verleumden und die so Streit schafft. Mit ihr kontrastiert er die vom Himmel stammende Weisheit, die an ihren "guten Früchten" (3,17) zu erkennen ist, an Friedfertigkeit und Kooperationsfähigkeit: "Die Frucht der Gerechtigkeit ... wird gesät in Frieden für die, die Frieden stiften" (3,18). Dass die konfliktfördernde irdische Weisheit unter den Christen so ausgebreitet ist, führt er auf das Wirken der "Begierden" zurück (4,1). Den streitenden Christen wirft er vor, dass sie die wahre Weisheit nicht von Gott erbitten und empfangen wollen, wie er es am Anfang des Briefes forderte (1,5ff). Oder er kritisiert, dass sie etwas in falscher Weise erbitten, weil sie von ihren eigenen Wünsche bestimmt sind (die Worte UhEtV und AUJ.lßavElv in 4,2-3 erinnern direkt an 1,5-7). In dieser Polemik gegen die Streitsucht im Urchristentum ist indirekt eine Apologie enthal-
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ten: Seit dem antiochenischen Konflikt und der späteren judaistischen Gegenmission galt das Judenchristentum als streitsüchtig. Und das war nicht ganz unbegründet. Noch aus den Pseudo-Klementinen schlägt uns ein tief sitzender Hass auf Paulus entgegen - eine spiegelbildliche Entsprechung zum Anathema, das Paulus seinen judaistischen Gegnern im Galaterbrief entgegenschleudert (Gal 1,8.9). Hier aber stilisiert sich "Jakobus" (als Stellvertreter des ganzen Judenchristentums) als friedfertig. Seine Weisheit soll zu Kooperation und nicht zu Spaltung in der Gemeinde führen. Eine Analogie aufpaulinischer Seite wäre der Epheserbrief, in dem der Apostel Paulus, einer der großen Konfliktverursacher im frühen Urchristentum, als Botschafter des Friedens stilisiert wird, der es fertig bringt, Juden- und Heidenchristen in einer Gemeinde friedlich zusammenzuführen (vgl. Eph 2,11-3,13). Die Schlussmahnung zu diesem Abschnitt (Jak 4,11-12) bringt am deutlichsten zum Ausdruck, dass der Jakobusbrief Kritik am Judenchristentum zurückweist. Erneut redet er seine Brüder an (4,11), dass sie sich nicht gegenseitig herabsetzen sollen64 • Und das wird so begründet: "Wer einen Bruder herabsetzt oder seinen Bruder verurteilt, setzt das Gesetz herab und verurteilt das Gesetz" (4,11). Das gilt besonders für die Kritik an Judenchristen, denn mit dieser Kritik wurde immer auch das Gesetz kritisiert, an dem sich Judenchristen orientierten65 . Die Heidenchristen schwingen sich damit zu Richtern über das Gesetz auf, als seien sie der Gesetzgeber, der bestimmt, was gilt und was nicht gilt: "Wenn du aber das Gesetz verurteilst, bist du nicht Täter des Gesetzes, sondern Richter" (4,11). Damit greifen sie in das Privileg Gottes ein. Denn "einer ist der Gesetzgeber und Richter, der retten und vernichten kann; du aber, wer bist du, der du den Nächsten verurteilst?" (4,12). Ein zweiter Abschnitt (4,13-5,6) kritisiert die Reichen und wendet sich dabei an zwei Gruppen: zunächst an Geschäftsleute wegen illusionären Zutrauens in ihre Pläne und Absichten, dann an Landbesitzer wegen ihrer Unterdrückung einfa64
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KU-rUAUAElV (und verwandte Worte) begegnen im NT eher selten (als Adjektiv in Röm 1,30, als Substantiv 2 Kor 12,20; 1 Petr 2,1, als Verb 1 Petr 2,12; 3,16; Jak 4,11), häufiger dagegen bei den Apostolischen Vätern (Herrn mand II 2-3; VIII 3; sim VI 5,5; VII 7,2; IX 15,3; IX 23,3; IX 26,7; 1 Klem 30,1.3; 35,5.8; 2 Klem 4,3; Barn 20,2; Polyk 2,2; 4,3). KU-rUAUAElV bedeutet nicht nur, durch Übertretungen ein Gesetz zu schmähen, sondern durch Worte seinen Sinn zu kritisieren, wie die Wendung Ku-rEAaAouv -ro 86yflU (den Senatsbeschluss kritisieren) bei Polybios XVIII 45,1 zeigt (Burchard, Jak, 179). Dahinter dürfte also Gesetzeskritik stecken. Herabsetzung und Kritik des Gesetzes werden meist anders verstanden: (1) Die Herabsetzung anderer Christen verstoße gegen das Liebesgebot (Lev 19,18 einschließlich 19,16 und 19,1lb). Mit diesem konkreten Gesetzesverstoß werde das ganze Gesetz herabgesetzt. (2) Nicht ein Einzelgebot werde gebrochen, sondern "Sinn und Funktion" des Gesetzes als Ganzes in Frage gestellt: Es soll als Gesetz der Freiheit die Christen beim Endgericht freisprechen. Wer es zur Diffamierung seiner Gegner benutzt, setzt es herab (Burchard, Jak, 179). - Man kann noch weiter gehen: Die Kritik am Bruder trifft nur dann das Gesetz, wenn es sich um einen Bruder handelt, der sich am Gesetz orientieren will. Jak 4,llff hat daher Kritik an Judenchristen wegen ihrer Gesetzespraxis vor Augen. Wer das Verhalten des judenchristlichen Bruders kritisiert, kritisiert damit indirekt das Gesetz, das dessen Verhalten bestimmt. Sofern er einzelne seiner Bestimmungen aufheben will, maßt er sich die Rolle des Gesetzgebers und Richters an.
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cher Landarbeiter. Bei den Kaufleuten handelt es sich um Christen, die auf ihr religiöses Ethos hin angesprochen werden, bei den Landbesitzern aber um Vertreter der politischen Oberschicht überhaupt; denn hier fehlt jeder Appell an christliche Normen. Durch die gleichförmige Einleitung "AYE vov oi A8YOVtE<; (4,13) und "AYE VOV oi 1tAOUcrlOl (5,1) werden beide Gruppen sowohl parallelisiert als auch unterschieden. Handelt es sich auch hier um eine Apologie des Judenchristentums? Wer sind die Geschäftsleute? Als Kaufleute sind Juden in der Antike nur selten zu finden. Josephus schreibt zur Zeit des Jakobusbriefes über sie: Wir kennen nicht den "Handel (e~1tOpiul<;) und den dadurch vermittelten Verkehr" (cAp I 60). Dabei denkt er primär an die Juden in Palästina, so wie der Jakobusbrief ja auch aus palästinischer Perspektive geschrieben sein will (unabhängig davon, wo er faktisch geschrieben wurde). Eine Parole wie die in 4,14 e~1topEucr6~E8u KUt KEp8tlcrO~EV wäre nach Josephus Juden fremd. Im paulinischen Bereich aber haben sich die in verschiedenen Städten wohnenden Christen wahrscheinlich auch beim Handel gegenseitig geholfen. So kann man die Empfehlung des Paulus an die römische Gemeinde verstehen, Phoibe "in jeder Sache, in der sie euch braucht, zu unterstützen" (Röm 16,2). Die Polemik gegen die Kaufleute soll christliche Kaufleute treffen. Die Polemik gegen die Reichen soll dagegen nicht speziell Christen treffen. Sie könnte am Ende indirekt eine Apologie des Judenchristentums und insbesondere des Jakobus enthalten, wenn man annimmt, der Verfasser habe den Tod des Gerechten iJt 5,6 so geschildert, dass die Leser den Märtyrertod des Jakobus in ihm präfiguriert sahen. Der fiktive Jakobus konnte natürlich als Briefverfasser nicht auf seine eigene Hinrichtung zurückblicken. Aber die Leser wissen wahrscheinlich, dass er vor dem jüdischen Krieg vom Synhedrium nach einem juristisch umstrittenen Prozess hingerichtet wurde. Daher spricht der Verfasser von einer ungerechtfertigten Hinrichtung in einer Weise, dass die Leser auch an den Tod des Jakobus denken können. Ahnlich wird auch in deuteropaulinischen Briefen der Tod des Paulus antizipiert und zur höheren Ehre des fiktiven Autors ausgewertet (vgl. Kol 1,24; 2 Tim 4,6-8). Er verleiht den posthum erschienenen (d.h. fingierten) Briefen eine höhere Autorität.
6. Die Schlussmahnungen (5,7-20)
Bei den Schlussmahnungen schaltet sich Jakobus wieder häufiger persönlich ein: Dreimal appelliert er an seine "Brüder" (5,7.12.19). Alle Mahnungen beziehen sich ganz oder teilweise auf den Umgang mit der Sprache: Jakobus mahnt dazu, nicht übereinander zu klagen. Er verwirft den Eid, empfiehlt das Gebet als heilende Kraft und die correctio fratema als rettende Macht. Die Mahnung zur eschatologischen Geduld bei der Erwartung der Parusie (5,711) ergibt sich für ein Christentum Ende des 1. Jahrhunderts aus der fortgeschrittenen Zeit. Möglicherweise war Jakobus selbst einst mit solch einer Naherwartung verbunden gewesen, so dass es sinnvoll war, gerade in seinem Namen um Geduld zu bitten (JluKpo8uJlElv und JluKpo8uJliu begegnen viermal in Jak 2,7-11). Wenn wir in Jak 5,9 lesen: "Der Herr steht vor der Tür!", so erinnert
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das an die bei Hegesipp erhaltene Jakobuslegende, in der Jesus selbst "die Tür" genannt wird: "Einige von den sieben ... erwähnten Sekten fragten ihn: 'Welches ist die Tür Jesu?'" (Eus KG 11 23,8 vgl. 11 23,12). Gemeint ist: Wer ist der Erlöser? Zwischen dem Herrn, der vor der Tür steht (wie in Mk 13,29; Mt 24,33; Apk 3,30), und dem Erlöser, der selbst die Tür ist (vgl. Joh 10,7.9; Ign Phild 9,1), besteht natürlich ein Unterschied. Aber es könnte kein Zufall sein, dass dieselbe Metapher in diesen Jakobusüberlieferungen begegnet. Ein besonderes Anliegen des Jakobusbriefes wird mit dem vor der Tür stehenden Herrn verbunden, wenn der Jakobusbrief mahnt: "Stöhnt nicht übereinander, Brüder, damit ihr nicht verurteilt werdet. Siehe, der Richter steht vor der Tür" (Jak 5,9). Das erinnert nicht nur an das gegenseitige Abwerten von Jak 4,11. ÜbereinanderKlagen und -Seufzen kann alle Vorbehalte und Kritik meinen, die Christen gegen andere Christen haben. Damit trifft diese Mahnung genau die Absicht des Jakobusbriefes, ein positiveres Bild vom Judenchristentum zu schaffen: Er appelliert an Heidenchristen, nicht die Judenchristen abzuwerten! Auf der Warnung vor jedem Schwören liegt ein besonderer Akzent. "Vor allen Dingen" sollen Christen nicht schwören, "weder beim Himmel noch bei der Erde noch irgend einen anderen Eid" (Jak 5,12). Das Eidverbot wird ausdrücklich auf jede Form von Eid verallgemeinert. Der fiktive Jakobus des Briefes schärft es persönlich ein, wie die Anrede "meine Brüder" zeigt. Sollte auch mit dieser Mahnung ein Jakobusbild korrigiert werden? Nach Apg 21,23-25 empfahl Jakobus dem Apostel Paulus, die Kosten für die Auslösung eines Nasiräatsgelübdes (einer Euxrl) zu übernehmen, das vier Männer auf sich genommen hatten. Genau genommen würde solch ein Gelübde unter das Eidverbot fallen. Wir hören aber nicht nur von Gelübden von Menschen aus der Umgebung des Jakobus. Jakobus selbst wird in der aufHegesipp zurückgehenden Überlieferung als Nasiräer dargestellt. Dabei wird ein Nasiräatsgelübde vorausgesetzt, auch wenn es nicht expressis verbis erwähnt wird: "Schon vom Mutterleib an war er heilig. Wein und geistige Getränke nahm er nicht zu sich, auch aß er kein Fleisch. Eine Schere berührte nie sein Haupt, noch salbte er sich mit Öl noch nahm er ein Bad. Jakobus allein war es gestattet, das Heiligtum zu betreten; denn er trug kein wollenes, sondern ein leinenes Gewand" (Hegesipp bei Eus KG 11 23,5f). Dieser Jakobus hatte einen Schwur getan, sich nicht zu scheren und weder Fleisch noch Wein zu trinken. Im Hebräerevangelium wird sogar direkt von solch einem Schwur berichtet: "Als aber der Herr das Leintuch dem Knecht des Priesters gegeben hatte, ging er zu Jakobus und erschien ihm. Jakobus hatte nämlich geschworen, er werde kein Brot mehr essen von jener Stunde an, in der er den Kelch des Herrn getrunken hatte, bis er ihn von den Entschlafenen auferstanden sähe" (HebrEv Frg. 7 = Hieronymus de vir. inl. 2). Es ist möglich, dass die Mahnung gegen das Schwören jemandem in den Mund gelegt wurde, der durch seine Schwüre bekannt war. Die dritte Mahnung betrifft das Gebet: Die Gemeinde soll rür Kranke und Sünder beten. Denn: "Viel vermag Fürbitte eines Gerechten, energisch betrieben" (Jak 5,16). Als Beispiel dazu dient Elia. Aber im Hintergrund könnte wieder ein bestimmtes Jakobusbild stehen, wie es uns in der Jakobuslegende des Hegesipp entgegentritt: "Allein pflegte er (d.h. Jakobus) in den Tempel zu gehen, und man fand ihn auf den Knien liegend und rür das Volk um Verzeihung flehend. Seine
Pseudepigraphe Intention
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Knie wurden hart wie die eines Kameles, da er ständig auf den Knien lag, um zu Gott zu beten und ihn um Verzeihung für sein Volk zu bitten. Wegen seiner hervorragenden Gerechtigkeit wurde er der Gerechte genannt; er war ein Oblias, was im griechischen 1tEptOXYt 'too AUoo (Stütze und Halt des Volkes) heißt, und war die Gerechtigkeit, von welcher die Propheten sprechen" (Eus KG 11 23,6-7). Dieser Jakobus war als Fürbitter für die Sünden des Volkes bekannt. Er wird auch deshalb "der Gerechte" genannt. Sollte daher nicht auch an ihn gedacht sein, wenn Jak 5,16 von der machtvollen "Fürbitte des Gerechten" spricht? Besonders interessant ist die Schlussmahnung, bei der sich Jakobus noch einmal durch eine Anrede seiner Brüder betont ins Spiel bringt: "Meine Brüder, falls jemand unter euch von der Wahrheit abirrt und jemand ihn zur Umkehr bewegt, der soll wissen, dass wer einen Sünder aus seinem Irrtum zur Umkehr bewegt hat, wird seine Seele aus dem Tod retten und eine Menge Sünden zudecken" (5,19-20). Diese Schlussmahnung bezieht sich selbst-referentiell auf den Brief: Jakobus hat in ihm Irrende auf den rechten Weg zurückgebracht. Er hat es ohne Selbstgerechtigkeit getan. Denn mit dieser correctio fraterna hat er nicht nur die Sünden anderer, sondern auch seine eigenen bedeckt66 • Korrigiert der Verfasser vielleicht ein einseitiges Bild von einem Jakobus, für den in fast anstößiger Weise Heiligkeit und Sündenfreiheit beansprucht wurde? Ein solches Bild ist in der Jakobusüberlieferung des Hegesipp belegt, die oben zitiert wurde (Eus KG 11 23,4-7): "Schon vom Mutterleib an war er heilig .... Jakobus allein war es gestattet, das Heiligtum zu betreten." Auch hier setzt sich Jakobus für das Volk ein, aber als ein Heiliger, der ohne Sünde ist. Er tritt fast in die Rolle des Hohenpriesters, der allein berechtigt ist, das Allerheiligste zu betreten. Wenn er rur andere bittet, wird er selbst als jemand dargestellt, der auf solche Fürbitte nicht angewiesen ist. Er sieht seine Volksgenossen auf einem falschen Wege und bittet Gott stellvertretend um Sündenvergebung rür das Volk. Der Jakobus des Jakobusbriefes aber rechnet sich selbst unter die Sünder. Er tritt rür seine Brüder ein, indem er sie korrigiert. Dabei korrigiert er auch ihr Bild von einem engherzigen, rituellen und streitsüchtigen Judenchristentum - eine Folge der Konflikte der ersten Generation. Man sollte im Jakobusbrief also keinen Angriff gegen die paulinische Theologie vermuten. Am Ende des ersten Jh. n.Chr. handelte das Judenchristentum aus der Defensive heraus. Wir haben es eher mit einer Apologie zu tun, einem Werben rür das Judenchristentum. Bei allem, was dieser fingierte Jakobus sagt und schreibt, sollen wir denken: Das sagt Jakobus als der Repräsentant des Judenchristentums. Sein Judenchristentum ist ein ethisches Christentum, das weiß: Rituelle Fragen sind so unwichtig, dass man sie nicht einmal erwähnen muss. Christliches Verhalten misst sich am Liebesgebot, das zur Gleichbehandlung aller verpflichtet. Christlicher Glaube misst sich an seinen ethischen Taten. Theologische Lehre misst sich am Aufbau der Gemeinde. Vor 66
Bei den "Sünden" fehlt ein Pronomen, das eindeutig macht, wessen Sünden hier bedeckt werden. Nachdem der Irrende schon vom Tod gerettet wurde, wäre es überflüssig, auch noch die Vergebung seiner Sünden zu betonen. Vielleicht soll offen bleiben, wessen Sünden es sind. Die des Schreibers sind nicht ausgeschlossen. Vgl. Burchard, Jak, 217, der daraufhinweist, dass die Sentenz Prov 10,12 in 1 Klem 49,5 eher die fremden Sünden, in 2 Klem 16,4 die eigenen und in 1 Petr 4,8 vielleicht beide meint.
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allem aber war lakobus kein streitsüchtiger Ritualist, sondern ein weitherziger Christ, der mit Sanftmut seine Brüder zurechtwies. 67
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Die Stellen, in denen der Jakobusbrief ein Sprachethos zum Ausdruck bringt, sagen auch etwas über das "Ethos", mit dem der Verfasser rhetorisch um Glaubwürdigkeit wirbt: Jakobus selbst sprach ohne Zorn (1,19-21). Er beherrscht seine Zunge (1,26). Er weiß um die große Verantwortung des Lehrers (3,lff).
Einsicht, Affekt und Verhalten. Überlegungen zur Anthropologie des Jakobusbriefes
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Die Bewältigung der Affekte und die Steuerung menschlichen Verhaltens durch Einsicht (Vernunft) war ein zentrales Problem in der Antike, das von den meisten philosophischen Strömungen (den Platonikern, Stoikern und Epikureern)2 intensiv diskutiert wurde. Auch das Judentum reflektierte den Zusammenhang von Einsicht, Affekt und Verhalten und thematisierte das Steuerungsproblem. Aufgrund der Bedeutung dieser Thematik in der Antike scheint es mir interessant zu versuchen, den Jakobusbrief einmal von da her zu lesen. Zwar entspricht dieser Versuch nicht dem gewohnten Herangehen an den Jakobusbrief. Nichtsdestotrotz scheint mir der Versuch gleichwohllohnenswert, da der Jakobusbrief als paränetischer Text viel Material enthält, das in dieser Hinsicht ausgewertet werden kann. Bevor wir uns aber der Anthropologie des Jakobusbriefes zuwenden, möchte ich zur Profilierung desselben auf zwei höchst unterschiedliche Wahrnehmungsund Deutungsmuster hinweisen, die beide - wie der Jakobusbrief - in den jüdischen und christlichen Kontext des 1. Jahrhunderts einzuordnen sind: Ich meine das 4. Makkabäerbuch und die Briefe des Paulus. Während der Verfasser des 4. Makkabäerbuchs die optimistische Auffassung vertritt, dass der Mensch seine Affekte und sein Verhalten mittels seines EUO'Eßt,C; AOY10'1l0C; - d.h. mittels seiner sich an der Thora orientierenden Urteilskraft - kultivieren und steuern kann3 und so auch in stürmischer Brandung zu bestehen vermag, 4 ist Paulus sehr viel pessimistischer hinsichtlich der ei geDieser Aufsatz basiert auf einem Vortrag vor dem Europäischen Theologenkongress am 29. September 1999 in Wien und erschien zuerst in: E. Herms (Hg.): Menschenbild und Menschenwürde, VWGTh 17, Gütersloh 2001,365-378. Ich danke dem Chr. Kaiser Verlag für die Erlaubnis, ihn in diesem Buch zum Jakobusbrief in überarbeiteter Form veröffentlichen zu können. 2 Eine Ausnahme bilden der späte Aristoteles und die Peripatetiker, vgl. D.E. Aune: Zwei Modelle der menschlichen Natur bei Paulus, ThQ 176 (1996), 28-39, hier: 28. Zur Diskussion vgl. nur H. Ringeltaube: Quaestiones ad veterum philosophorum de affectibus doctrinam pertinentes, Diss. phil., Göttingen 1913; Th. Rüther: Die sittliche Forderung der Apatheia in den ersten christlichen Jahrhunderten und bei Klemens von Alexandrien. Ein Beitrag zur Geschichte des christlichen Vollkommenheitsbegriffs, FThSt 63, Freiburg 1949; 1. Stelzenberger: Die Beziehungen der frühchristlichen Sittenlehre zur Ethik der Stoa: eine moralgeschichtliche Studie, München 1933 (= Hildesheim/Zürich 1989), bes. 245-276; A.1. Voelke: La philosophie comme therapie de lrame. Etudes de philosophie hellenistique. PrMace de P. Hadot, Vestigia 12, Fribourg (Suisse)/Paris 1993~ M.C. Nussbaum: The Therapy of Desire. Theory and Practice in Hellenistic Ethics, Martin Classical Lectures, New Series, Vol. 2, Princeton (N. 1.) 4 1996 (1994). 3 Vgl. nur den programmatischen Leitsatz in 4 Makk 1,13, dass der AoytOJ10C; Herrscher über die Affekte ist - der Satz zieht sich (über hundertmal) variierend durch die ganze Schrift, s. U. Breitenstein: Beobachtungen zu Sprache, Stil und Gedankengut des Vierten Makkabäerbuchs, Basel/Stuttgart 21978, 119. 4 4 Makk 13,6f, vgl. 4 Makk 7,1-5. I
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nen Möglichkeiten des Menschen: 5 Nach der Auffassung des Paulus hat der Mensch in sich keine Größe, die ihn befähigte, autonom mit seinen Affekten fertig zu werden und sein Verhalten zu steuern. Der Mensch ist zerrissen zwischen Wollen und Tun (Röm 7,15.19) und die Affekte können seine kognitive Steuerung6 einfach mit sich reißen. Der Ermöglichungsgrund zu rechtem christlichen Verhalten liegt für Paulus nicht im, sondern außerhalb des Menschen, ist also heteronom. Paulus sieht ihn gegeben im grundlegenden Wechsel in Christus und dessen Aneignung in Konversion und Taufe: im Sterben mit Christus und dem neuen Leben im Geist. 7 Die konträren Wahrnehmungs- und Deutungsmuster des Verfassers des 4. Makkabäerbuchs und des Verfassers der Paulusbriefe lassen nach der Anthropologie des Verfassers des Jakobusbriefes fragen. Ich will das im Folgenden in drei Schritten tun: Ich beginne (1.) mit der Problemexposition des PsJakobus, der den Christen als zweiseeligen, unbeständigen Menschen vorstellt. Darauf folgt (2.) eine Problemanalyse in Kettenreihen, in der PsJakobus nach dem Grund des Problems sucht. In einem dritten Schritt (3.) behandle ich die Problembearbeitung. Erstens will ich den Ausgangspunkt der Problemlösung vorstellen und zweitens die Reflexion des Verfassers auf zwei grundlegende Umsetzungsprobleme: das Problem rein kognitiver Zustimmung und das Steuerungsproblem. Abschließend will ich noch kurz auf den voluntativen Aspekt eingehen. In einem vierten Teil will ich die Beobachtungen zur Anthropologie des Jakobusbriefes zusammenfassen, um abschließend eine Situierung der Anthropologie des Jakobusbriefes im Verhältnis zum 4. Makkabäerbuch und zu den Briefen des Paulus zu versuchen. 1. Problemexposition: Der Christ als schwankender, zweiseeliger Mensch
Zu Beginn seines Briefes wendet sich der Autor des Jakobusbriefes an den Menschen, den er mit seiner Paränese erreichen und korrigieren will: Er beschreibt ihn als schwankenden, zweiseeligen und unbeständigen Menschen. Die Problemexposition führt uns einen steuerungslosen Menschen ohne feste Orientierung vor Augen: Er ist ein ÖtUKptVOJlEVOC;, einer, der - so kann man von ÖtUKptVEcr8Ut ableiten - "Unterschiede macht"S und (hin und her) schwankt. Der Autor illustriert das im Bild des "vom Wind getriebenen und auf-
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Vgl. meine Ausführungen in P. v. Gemünden: La culture des passions a l'epoque du Nouveau Testament. Une contribution theologique et psychologique, ETR 70 (1995), 335-348, beg. 338-346. Vgl. Röm 7,23: VOUC;. Vgl. P. v. Gemünden: Die urchristliche Taufe und der Umgang mit den Affekten, in: J. Assmann/G.G. Stroumsa (Hg.): Transformations of the Inner Self in Ancient Religions, SHR, Numen Book Series LXXXIII, LeidenIBostonIKöln 1999, 113 -149, hier: 129-131; F.W. Horn: Das Angeld des Geistes. Studien zur paulinischen Pneumatologie, FRLANT 154, Göttingen 1992,356. Vgl. Röm 4,20; (14,237).
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gepeitschten Meeresgewoge".9 Der ÖtUKptVOJ.lEVOC; wird also von äußeren Einflüssen hin- und hergetrieben und aufgepeitscht. \0 See- und Sturmbilder sind in der Antike weit verbreitet. Im alttestamentlichen und frühjüdischen Schrifttum finden wir sie häufig im Zusammenhang mit einer mangelnden Ausrichtung an Gott resp. der Thora. So werden nach Jes 57,20 die Ungerechten von den Wogen hin- und hergeworfen (KAuÖrovtcr8ftcrov-rUt), nach Sir 36(33),2 schwankt der in sich heuchlerische Mann, der dem weisen Mann, der das Gesetz nicht hasst, kontrastiert ist, wie ein Schiff im Sturm, und Philo von Alexandrien vergleicht (Decal 67) die, die sich nicht an Gott halten, schwankenden Fahrzeugen, die ewig unruhig umhertreiben. 11 Mangelnde Ausrichtung auf Gott bzw. auf die Thora hat also instabiles Schwanken, hat steuerungsloses Hin- und Hertreiben und Aufgepeitschtsein zur Folge. Dieser schwankende Mensch wird in V. 8 als aVtlP öhvuxoC;, als zweiseeliger Mann,12 charakterisiert, als einer, der unstet ist auf allen seinen Wegen. Der avr,p öhvuxoC; ist wie Jak 4,4-10 deutlich macht, jemand, der sich zugleich an Gott und der Welt?3 ausrichtet. Er ist also eine gespaltene Person, deren Gefiihle, deren Gesinnung und Leben 14 nicht zentriert sind und folglich nicht einheitlich in eine Richtung gehen. Die Formulierung in der Problemexposition ist so offen,
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Jak 1,6, Übersetzung cf. Ch. Burchard: Der Jakobusbrief, HNT 1511, Tübingen 2000, 51. KAU8cov ist wohl besser mit "Gewoge" als mit "Welle" oder "Woge" zu übersetzen, vgl. Philo, Gig 51; Sacr 90, die attributiven Partizipien und M. Dibelius: Der 8tUKptVOJlEVOC; "wird ... nicht mit der Welle, sondern mit dem unruhigen, vom Winde bewegten Meer verglichen" (M. Dibelius: Der Brief des Jakobus, mit Ergänzungen von H. Greeven, mit einem Literaturverzeichnis und Nachtrag hg. v. F. Hahn, KEK 15, Göttingen 12[6]1984, 111, vgl. auch W. Popkes: Der Brief des Jakobus, ThHK 14, Leipzig 2001, 90). Anders aber häufig, vgl. nut J. Cantinat: Les Epitres de Saint Jacques et de Saint Jude, SB, Paris 1973, 72f; W. Schrage: Der Jakobusbrief, in: H. Balz/W. Schrage: Die "Katholischen" Briefe. Die Briefe des Jakobus, Petrus, Johannes und Judas, NTD 10, Göttingenl Zürich 14[4]1993, 5-59, hier: 16; H. Frankemölle: Der Brief des Jakobus, ÖTBK 17/1, Gütersloh/Würzburg 1994, 133.234. . Vgl. die Übersetzung von pmtsco von A. Bailly: Dictionnaire grec-fran<;ais redige avec le concours de E. Egger. Edition revue par L. Sechan et P. Chantraine avec, en appendice, de nouvelles notices de mythologie et religion par L. Sechan, Paris 1950, 1720: "etre souleve par le vent"; auf ein solches Verständnis weist auch Ps-Klem, Horn XII, 16,4. Vgl. auch Philo, Migr 148 (in Bezug auf Unentschlossene) und Eph 4,14 (dort in Bezug auf die Unmündigen: von jedem Wind der Lehre werden sie "geschaukelt und herumgetrieben"). Zur Metaphorik vgl. weiter: Horn., 11. 2,144; Epikt., Frgm. F 2 (H. Schenkl: Epicteti Dissertationes ab Arriano Digestae ad fidem codicis bodleiani recensuit, BSGRT, Leipzig 1894, 487), Sen., Epist. 52,1; 95,57; Plut., Cor. 32; Demosth., Or. 19,136; vgl. Sir 29,17; u.ö. \jIOX1l hier wohl als Sitz von Empfindungen, Gefühlen, Gesinnungen, vgl. W. Bauer: Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur, 6., völlig neu bearb. Aufl. hg.v. K. Aland/B. Aland, BerlinlNew York 1988 ad \jIOX1l Ib, Sp. 178lfund Burchard, Jak, 62. Bzw. an Gott und am Teufel (Jak 4,7). Schon die Rede vom 8tUKptVOJlEVOC; in Jak 1,6 dürfte sich nicht allein auf das Gebet beziehen (so aber Dibelius, Jak, 112), sondern in viel grundsätzlicherer Weise von der gesamten Existenz des 8tUKptVOJlEVOC; handeln (vgl. die detaillierte Diskussion bei M. Konradt: Christliche Existenz nach dem Jakobusbrief. Eine Studie zu seiner soteriologischen und ethischen Konzeption, StUNT 22, Göttingen 1998, 269-272).
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dass es nahe liegt, dass der Autor bei dieser Beschreibung die affektive, die kognitive und die pragmatische Dimension gleichzeitig ansprechen will. Sie hängen alle zusammen: unsteter Wandel hat mit zwiespältiger Orientierung zu tun, die die Affekte und die Kognition (den Verstand) gleichfalls betreffen.
2. Problemanalyse Auf diese eher deskriptive Problemexposition folgen stärker analysierende Überlegungen, in denen der Verfasser nach dem Grund des Problems fragt. Auf zwei Textzusammenhänge ist hier einzugehen: auf Jak 1,13-15 und Jak 3,14ff und 4,lff. 2.1) In Jak 1,13ff unterstreicht der Verfasser, dass niemand von Gott versucht werde - vielmehr werde jeder von seiner eigenen Begierde versucht. Das Problem wird also nicht außen, sondern im Inneren des Menschen lokalisiert: von innen kommt der Anstoß zur Versuchung. Dabei ist die f:1tt80J,1ia, die Begierde, nicht mit dem Ich des Menschen identisch,15 sondern eine Größe im Menschen, die (v gl. Jak 1,14) aktiv um das Ich wirbt: Sie lockt und ködert es. Die hier verwandten Jagd- und Fischereimetaphern sind in der Antike häufig mit ftöovft und f:1tt8oJlia verbunden. 16 Sie erinnern an die Personifizierung der ..;öovi} als Straßenmädchen bei Philo von Alexandrien,17 ohne dass bei Jakobus notwendi18 gerweise eine sexuelle Konnotation angenommen werden muss: Vielmehr verkörpert die lockende und ködernde f:1tt8oJlia das, was den Menschen verlockt und hinreißt. In V. 15 steht sie am Anfang einer klimaktischen Filiationskette: "Die f:1tt8oJ.lia bringt, schwanger geworden, Sünde zur Welt, die Sünde aber, zum Ziel gelangt, gebiert [den] Tod." Das zeugende Subjekt ist nicht genannt. Was interessiert, ist der automatische, unaufhaltsam eskalierende Prozess, der mit dem Schwangerwerden der f:1tt8oJlia einsetzt und schließlich unabwendbar im Tod endet. Dabei macht die Filiationsreihe den Zusammenhang zwischen unsichtbarer Ursache und sichtbarer Folge, 15 16
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Vgl. auch W. Popkes, Jak, 106 m. Anm. 270. Vgl. Plat., Epist. 7,325 a.b; Ael., Hist. an. 6,31; Xen., Kyr. 8,1,32; Plat., Tim. 69d; Marc Ant. II, 12,1; Philo, Prob 159; Imm 168; Sobr 23; VitMos I, 295; Mut 17lf; VitAd 19,1; 26,3; Philo, Post 72; Agr 103; Virt 40; 2 Petr 2,18. Philo, Sacr 20-25.29; Op 166; All III,61. Gegen eine Akzentuierung der sexuellen Bedeutungskomponente von B1tt8UJ..lia an unserer Stelle spricht a) die nichtsexuelle Deutung sexueller Bilder in der Antike, z.B. im Traumbuch des Artemidor (vgl. M. Foucault: Die Sor,r.e um sich, übers. v. U. Raulff u. W. Seitter, Sexualität und Wahrheit III, Frankfurt a. M. 1995, 28ft), b) das semantische Feld von B1tt8UJ..lia, von dem nur eine geringe Teilmenge sexuell konnotiert ist (Popkes, Jak, 106), c) die Traditionsgeschichte: das Verbot von B1tt8UJ..liaIB1tt8UJ.lElV kann im Frühjudentum die zweite Tafel des Gesetzes zusammenfassen und drückt grundsätzlich gottwidriges Verhalten aus (Konradt, Existenz, 89), d) der Kontext: Im textuellen Kontext fehlt gerade sexuelle Gier. Im Jak 4,lff ist von Gewinnstreben (vgl. Konradt, Existenz, 127-132), von Freundschaft mit der Welt die Rede.
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zwischen Innen und Außen bewusst und warnt durch die klimaktische Betonung des Todes eindringlich davor, sich auf die Verlockungen der E1tt8UJ..liu einzulassen. Die Filiationsreihe hat also die Funktion, durch Bewusstmachung der verderbenbringenden Mechanismen die Verantwortlichkeit des Menschen zu betonen. In der Folge wird diesem negativen Geburtsbild unter Wiederaufnahme des Verbs U1tOKUEtV l9 in 1,18 ein positives Geburtsbild entgegengesetzt: das der Geburt der Christen durch den Aoyor; uA1l8Eiur;. Das zeigt, dass der Tod, von dem in Jak 1,15 die Rede ist, metaphorisch zu verstehen ist: Er bezeichnet den Tod im Leben, die gegenwärtige Unheils situation des Sünders, die durch den ewigen Tod in der Zukunft nur verendgültigt wird. Diese Todgeburt erfolgt gewohnheitsmäßig (Präsens!), während die Geburt zum Leben ein einmaliges Ereignis in der Vergangenheit - die Konversion - ist (Aorist).2o 2.2) Der zweite Textzusammenhang, Jak 3,14ffund 4,lff, spricht die Adressaten - also Christen - an und thematisiert die aggressiven, sozial destruktiven Auswirkungen der Affekte. a) In Jak 3,14ffwerden Unstetigkeit (uKu-cucr-cucriu)21 und übles Handeln aller Art auf S~AOr; 1ttKpOr; und Ept8du zurückgefiihrt~ auf eifersüchtiges, neidisches Verhalten 2 und auf Selbstsucht (bzw. Eigennutz). 3 Beide werden in den Herzen der Adressaten lokalisiert. Wieder wird ein Zusammenhang zwischen Innen und Außen, zwischen unsichtbarer, aber körperlich lokalisierbarer Ursache und sichtbarer Folge hergestellt: Neid und Selbstsucht haben uKu-cucr-cucriu zur Folge, was Unruhe, geistige, psychische Instabilität und Unordnung im Gemeinwesen, ja Anarchie bedeuten kann. Der Kontext lässt besonders an die so-
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U1tOKUElV bzw. U1tOKUElV, ersteres ist die jüngere Nebenform zum klassischen U1tOKUElV, s. H. Windisch: Der Jakobusbrief, in: Die katholischen Briefe erklärt, HNT 15, zweite, stark umgearbeitete Aufl., Tübingen 1930, 9. Die Deutung der Konversion als Übergang vom Tod zum Leben entspricht jüdischer Proselytentheologie, vgl. JosAs 8,10; 15,5. Vgl. den uviJp öh"uxoC;, uKu-racr-ru-roc; in 1,8 innerhalb der Problemexposition! sfiAOC; taucht in stoischen Affektenlisten auf, s. T. Onuki: Gnosis und Stoa. Eine Untersuchung zum Apokryphon des Johannes, NTOA 9, Freiburg (Schweiz)/Göttingen 1989, 35.46. Diese von epl8Euollul abgeleitete Übersetzung von epl8Eiu ist der von "Streitsucht, Hader" vorzuziehen, die auf der umstrittenen Ableitung von eplC; beruht (vgl. Bauer - Aland, Wörterbuch, Sp. 626; Burchard, Jak, 152.158; H. Giesen, Art. epl8du, uC;, ..,. in: EWNT Bd. 11, StuttgartlBerlinIKöln 1981 2 1992, 130-131, hier: 131; M. Klein: "Ein vollkommenes Werk". Vollkommenheit, Gesetz und Gericht als theologische Themen des Jakobusbriefes, BWANT 139, StuttgartlBerlin/Köln 1995, 156; Popkes, Jak, 247). Für diese Option sprechen die einzigen vomeutestamentlichen Belege von EPl8Eiu bei Aristoteles (pol. 1302b; 1303a), das Verbaladjektiv epl8Eo[-ra]v, das mit "unsachlich", "selbstsüchtig" wiederzugeben ist (vgl. F. Büchsel: Artikel epl8du, ThWNT 11, begründet von G. Kittel, hg.v. G. Friedrich, Stuttgart/BerlinIKöln 1990,657-658, hier: 657 Z. 37), der aus Phil 1,15-17,2 Kor 12,20; Gal 5,20 zu erschließende Bedeutungsunterschied zu eplC; und die sonstigen frühchristlichen Belege (vgl. Konradt, Existenz, 127).
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ziale Dimension denken: an Anarchie. 24 Neid und Selbstsucht haben jedoch nicht nur sozial destruktive Konsequenzen, sondern auch ethische: jegliches schlechte Tun. 25 26 b) In Jak 4,lff werden Kriege und Kämpfe unter Gemeindegliedern auf die i180vui, auf die Lüste, zurückgefiihrt, die wiederum im Körper des Menschen lokalisiert werden: sie streiten in seinen Gliedern. Die Frage nach dem Woher sichtbarer, erfahrbarer Phänomene (hier: Kriege und Kämpfe) wird durch die Rückfiihrung auf innere, unsichtbare Ursachen erklärt. Jak 4,2 erläutert näher, wie es zu Kriegen und Kämpfen unter den Gemeindegliedern kommt: Vom btt8uJl8LV, also von inneren Ursachen ausgehend, stellt der Autor den unheilsam eskalierenden Prozess dar, der durch Frustrationen ausgelöst und vorangetrieben wird. So stellen J..u:lX8cre8 KUt 1tOAql8L't8 den Endpunkt einer klimaktisehen Kausalkette dar, die in ihrer Dreistufigkeit an 1,14f erinnert. Auf der ersten und zweiten Stufe wird das Streben der Adressaten mit deren Frustration kontrastiert: "E1tt8uJl8L't8 KUt OUK EX8't8 <pov868't8 KUt SllAOl)'t8 Kut ou 86vucr88 E1tt'tUX8LV". Die Kausalkette drückt also eine durch Frustration ausgelöste und vorangetriebene Eskalation aus: die Enttäuschung und ihre Folgen werden immer stärker. Das schlägt sich auch stilistisch nieder: das Verb E1tt8uJ..I,8L't8 wird in der nächsten Stufe zu zwei Verben verdoppelt (<pov868't8 KUt SllAOU't8), die knappe Formulierung der Frustration OUK EX8't8 wird in der nächsten Stufe zu ou 86vucr88 E1tt1:uX8Lvausgebaut. In der Folge (4,2d.3) werden die Frustrationserfahrungen damit begründet, dass die Adressaten nicht, oder genauer: schlecht bitten, da sie das Erbetene rür ihre i180vui, fiir ihre Lüste, ausgeben wollen. Wie in Kapitel 3 werden soziale Spannungen und Konflikte auf Affekte zurückgefiihrt, die im Inneren des Menschen lokalisiert werden. Das Aufzeigen des Zusammenhangs von Innen und Außen, zwischen unsichtbarer Ursache und sichtbarer autodestruktiver (so in Kapitell) und sozialdestruktiver (so in Kapitel 3 und 4) Folge hat wieder die Funktion, durch Bewusstmachen der Mechanismen die Verantwortlichkeit des Menschen herauszustellen. Wie schon in Jak 1,13-15, stellt der Autor auch in Jak 3,14ffund 4,lff den negativen Aussagen positive entgegen: So werden in Jak 3,15ff SllAOC; und Ept8du, Neid und Selbstsucht, der irdischen cro
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."
Vgl. dIe Ubersetzung von Burchard, Jak, 152; vgl. F. Vouga, L'Epitre de Saint Jacques, eme CNT 2 serie, XIIla, Geneve 1984, 103.106; RP. Martin: James, WBC 48, Waco (Tx) 1988, 132. 1tUV <pauAov 1tpuy~a. Sowohl die Wortwahl1tpuy~a als auch die Oppositionsbeziehung zu Kap1trov aya8rov (3,17) unterstreichen den Handlungsaspekt (mit Popkes, Jak, 252). EV u~lv kann zwar nicht nur "unter euch" (so Jak 3,13), sondern auch "in euch" bedeuten. Letzteres ist jedoch aufgrund des engeren textuellen Kontexts unwahrscheinlich (v gl. F. Schnider: Der Jakobusbrief. Übersetzt und erklärt, RNT, Regensburg 1987,98). Versus sTiAo~ [3,16; vgl. 4,2] Kat Ept8Eia [3,16].
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werden. Ebenso werden die Kriege und Kämpfe in Jak 4,1 dem Frieden (dp1lV ll Jak 3,18) kontrastiert. Im Makrokontext ist dem schlechten, auf ftöovai zielenden Bitten (Jak 4,3) das Bitten um cro
Problembearbeitung
3.1) Als Ausgangspunkt rür diese Überlegungen kann man die Rede vom AOYOC; in Jak 1,18-25 ansehen. Die Rede vom AOYOC; uA118eiac; blickt auf die Geburt des Christen, auf seine Konversion durch das" Wort der Wahrheit" zurück. Kurz darauf, in Jak 1,21, spricht der Verfasser des Jakobusbriefes vom BI-l
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Versus
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36 eine Größe eingestiftet, die die öuvaJ,-ue; hat, den Christen zu retten. Es ist die indikativische Grundlegung der christlichen Existenz, der Ausgangspunkt christlichen Hörens und Tuns (1,22).37 Anders als die Stoa präsentiert PsJakobus nirgends eine dem Menschen eigene Größe wie den Logos, die ihn zur Affektkontrolle und zum vernünftigen Tun befähigt. Im Kontext von Jak 1 ist dieser EJ-lq>UTOe; Aoyoe; der Antipode der 81tt8uJ-lta, der Begierde. Beide werden im Inneren des Menschen lokalisiert. Beide werden nicht mit dem Ich des Menschen identifiziert. Der Mensch lässt sich entweder auf die Begierde ein oder er nimmt das Wort an. Im ersten Fall ist Tod, im zweiten Fall ist Rettung die F01ge. 38 Die Ausgangsanalyse zeigt sich also von einem strengen Dualismus geprägt, der nicht außen, sondern im Inneren des Menschen festgemacht wird. Trotz dieser klaren Alternative bleibt der Autor hier nicht stehen, sondern behandelt kognitive und affektive Probleme der pragmatischen Umsetzung christlicher Existenz. 3.2) Das erste Problem ist a) die kognitive Zustimmung des Christen ohne praktische Umsetzung. In Jak 1,24 wird es als ein Vergessen beschrieben, also als ein kognitives Defizit charakterisiert, infolge dessen der Christ beim Hören stehen bleibt. So mahnt Jak in 1,2239 die Adressaten, Täter des Wortes zu werden und nicht nur Hörer. Letztere - also Nur-Hörer - würden sich selbst betrügen. Dieser Menschentyp des Nur-Hörers und Nicht-Täters wird in 1,23f anhand des Vergleichs mit einem Menschen erläutert, der das Gesicht Tile; Y6ve0"6roe; aUToD im Spiegel betrachtet, danach weggeht und sofort vergisst, wie er beschaffen war. Das Problem ist das Vergessen - also ein kognitives Defizit. Auch das KaTaV06tV - das Betrachten - weist auf die kognitive Ebene. Das SichBetrachten (1,24) ist in Jak 1,23 insofern auffällig formuliert, als das TO 1tpoO"ro1tOV aUToD durch das Genitivattribut Tile; Y6ve0"6roe; erweitert ist. Das könnte ein Hinweis auf die kurz vorher erwähnte (1,18) yev60"te; des Nur-Hörers
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Das U1tOAEcrut fehlt bezeichnenderweise: Der EJl
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und Nicht-Täters sein40 und würde bedeuten, dass dieser Mensch sich im Spiegel als von Gott (Wieder-) Geborener sieht: 41 Er erkennt im Spiegel seine christliche Identität, "geht aber weg und vergisst sofort, wer er war". Das bedeutet: Er realisierte seine christliche Existenz nicht im Tun, wie der Kontrast in 1,25 deutlich macht: Seliggepriesen wird nämlich der, der in das vollkommene Gesetz der Freiheit hineinsieht und dabei bleibt [und] nicht zum vergesslichen Hörer, sondern zum Täter von Werk(en) geworden ist. Damit ist gesagt: Das Bewahren der christlichen Identität bedarf der unablässigen Beschäftigung mit dem Wort Gottes (V. 21).42 Es führt vor Augen, wer man durch Gottes Heilstat ist und was man tun sollte. 43 Der, der nicht bei der Zentrierung auf Gott und sein Wort und dem daraus resultierenden Tun verharrt, sondern weggeht, sich also der Welt und ihren Geschäften und Normen zuwendet, vergisst, "wie er beschaffen war", und verliert so seine volle christliche Identität, er wird zum 8hjluxo<;. Der, der nur hört, kognitiv zustimmt, ohne praktische Umsetzung, "vergisst" - er schätzt sich falsch ein und betrügt sich somit selbst. Das /-luKapto<; (Jak 1,25) gilt ihm nicht. Sollte das d8evut in Jak 4,17 mit "wissen" zu übersetzen sein, wie manche Exegeten annehmen,44 so wird das Problem in Kapitel 4 - gegenüber Kapitell noch verschärft: 45 Dann wäre in 4,17 nicht mehr vom Nicht-Tun infolge von Vergessen, also infolge eines kognitiven Defizits, die Rede, sondern vom NichtTun trotz besseren Wissens,46 trotz kognitiv-klaren Bewusstseins. Das würde bedeuten: Selbst das Wissen um das Gute, das zu tun ist, rührt nicht automatisch zum Tun. 47 Jedoch kann €i8evut mit Infinitiv auch ,,(etwas) vermögen" bedeu40 Das weite Bedeutungsspektrum von YEVECH<; erschwert die Determinierung von 1:0 npoO'omov 1:1i<; YEVEO'ECO<; aU1:ou. Häufig wird es entweder ganz einfach als das natürliche Gesicht/Aussehen des Menschen interpretiert oder als Metapher auf den Ursprung, die Natur, das Urbild des Menschen gedeutet. Bei diesen Deutungen ist das Attribut im Grunde überflüssig, da es keinen neuen oder vertiefenden Aspekt zum Ausdruck bringt. Will der Verfasser dagegen durch die Hinzufügung des Attributs etwas Spezifisches zum Ausdruck bringen, so bietet sich die oben vorgeschlagene Interpretation im Hinblick auf 1,18 an (vgl. Burchard, Jak, 85fund Konradt, Existenz, 174). 41 Vgl. Kamlah, Form, 184f Anm. 6. 42 Bzw. mit dem Gesetz der Freiheit (V. 25). Hier wird die kognitive Dimension deutlich. 43 Im Hintergrund steht wahrscheinlich die zentrale Bedeutung, die das Studium der Thora im Judentum hat. Die Thora, die für den Juden Indikativ und Imperativ beinhaltet, will studiert, behalten und praktiziert werden. Eine rein intellektuelle Auseinandersetzung, die vom Tun absieht, ist alttestamentlich-jüdischem wie auch urchristlichem Denken fremd (vgl. nur die Belege bei F. Mußner: Der Jakobusbrief, HThK XlIIII, Freiburg/Basel/Wien 1987, 104f; vgl. ferner Popkes, Jak, 135t). 44 Vgl. J.E. Huther: Kritisch-exegetisches Handbuch über den Brief des Jakobus, KEK 15, Göttingen 31870, 200f; J.B. Mayor: The Epistle of St. James, The Greek Text with Introduction, Notes and Comments and Further Studies in the Epistle of St. James, London 31913 (1892), 152; Mußner, Jak, 189; Klein, Werk, 127f; vgl. W.R. Baker: Personal Speech-Ethics in the Epistle of James, WUNT 11.68, Tübingen 1995, 235; Popkes, Jak, 284.295. 45 Vgl. Klein, Werk, 127f. 46 Anders: W. Beyschlag: Der Brief des Jakobus, KEK 15, Göttingen 61987, 205f; Konradt, Existenz, 152f. 47 Nach dieser Interpretation weicht PsJakobus sowohl einerseits von der sokratischen Tradition, der frühen und der kaiserzeitlichen Stoa ab, die einen Zusammenhang zwischen Wis-
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ten,48 was m.E. besser in den Kontext passt. Dann spräche PsJakobus von jemandem, der Gutes zu tun vermag und nicht tut. In letzterem Fall könnten wir in 4,17 keine Verschärfung von Nicht-Tun infolge von Vergessen zu Nicht-Tun trotz besseren Wissens feststellen. Das anfangs angesprochene Problem kognitiver Zustimmung ohne praktische Umsetzung bleibt jedoch bestehen. Das zweite Umsetzungsproblem ist b) ein Steuerungsproblem, das· Problem der Selbstkontrolle, das über die kognitive Dimension hinausgeht. PsJakobus behandelt es anhand der Zunge, die nur äußerst schwer in Zaum zu halten ist. Das Thema wird schon in 1, 19b mit der Mahnung, langsam zum Reden zu sein, vorbereitet. Es klingt in 1,26 an, wo die Frömmigkeit desjenigen als nichtig qualifiziert wird, der meint, fromm zu sein,49 seine Zunge aber nicht zügelt. Breit ausgeführt wird es schließlich in Kapitel 3,1-11, das eingangs warnend und mahnend die besondere eschatologische Verantwortung der 8t8ao'KUAOt hervorhebt - begeben sie sich im Umgang mit dem Wort doch auf ein Terrain, auf dem es äußerst schwierig ist, schuldfrei zu bleiben. Statt - analog zum Eingang in 3,1 nochmals auf das eschatologische Urteil zu verweisen, charakterisiert PsJakobus in 3,2 positiv den, der im Reden nicht fehlt, als 'tEAEtOC; aV1lP, der seinen Leib, bzw. sich selbst50 im Zaum halten kann. Mit XUAtVUYCOYEtV greift PsJakobus eine Metapher auf, die häufig im Hinblick auf das Im-Zaum-Halten von negativ konnotierten Affekten und ihren Ausdrucksorganen - wie der Zunge - gebraucht wird. 51 Jak 3,4 nimmt das Zügelbild auf und variiert es im Bild großer Schiffe, die von einem sehr kleinen Steuerruder dorthin geführt werden, wohin der Wille des Steuermannes will. Der Gegensatz "kleines Mittel - große Wirkung" ist auch dem Zügelbild inhärent. PsJakobus greift in 3,3f auf traditionelle Bilder zurück, die von der erfolgreichen Steuerung schwieriger Objekte durch ein kleines Mittel handeln: Auf Menschen angewandt erzählen sie [etwa] von der Steuerung
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sen und Tun herstellen (s. G. Theißen: Psychologische Aspekte paulinischer Theologie, FRLANT 131, Göttingen 1983,216-218), als auch andrerseits von Paulus, der in Röm 7 nicht vom Gegensatz von Wissen und Tun, sondern vom Gegensatz von Wollen und Tun handelt. Wenn eiöEvUt in Jak 4,17 als "wissen" aufzufassen sein sollte, so wäre bei Paulus höchstens Röm 2,17-24 zu vergleichen, wo die Juden kritisiert werden, die selbst nicht tun, was sie von anderen fordern. Vgl. die Belege bei Konradt, Existenz, 152 Anm. 345. Hier wird also die Selbsttäuschung des Christen thematisiert. Wie in Jak 1,22f ist hier bezüglich der Selbsttäuschung der soteriologische Aspekt angesprochen. Wahrscheinlich ist crroJlu hier noch weiter im Sinn von "Person" zu verstehen, Ch. Burchard spricht vom "lebendigen Erdenmenschen" (Burchard, Jak, 137), J.H. Ropes interpretiert: "the whole man" (J.H. Ropes: A Critical and Exegetical Commentary on the Epistle of St. James, lCC, Edinburgh 2 1961 [1916],228). Bo Reicke: The Epistle of James, Peter and Jude, AncB 37, GardenCity 2 1964, 37 und Popkes, Jak, 219, interpretieren crroJlu dagegen ekklesiologisch, vgl. dagegen Burchard, Jak, 137: "an die Gemeinde könnte man hier nur denken, wenn crroJlu technisch wäre". Zu Xu'Atvuyroyero (resp. Xu'Atv6ro/axa'Atvos K1''A.) im Zusammenhang mit Affekten und ihren Ausdrucksorganen vgl. Jes 37,29 LXX; syrBar 12,4; PsPhok 57; Philo, Somn II, 165; SpecLeg I, 53 (mit ilviu: Philo, Det 23; ilvioxos: Philo, Migr 67); Herrn, mand 12,1.1; Lukian., Tyrann. 4; Lukian., Salto 70; Aristoph., ran. 838; Aulus Gellius I, 15,17; Plat., leg. 701c; Philostrat, Vita Apoll. lV,26; Libanius, Epist. 318. Dazu passt, dass nach 4,1 die ilöovui in den Gliedern und somit im crroJlU der Adressaten streiten.
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des Körpers, der Affekte oder der Zunge durch den voue;,52 den Aoyoe;53 oder den AoytcrJ.!0e;54. Doch PsJakobus lässt sich in der Deutung der Bilder nicht von anthropologischem Optimismus davontragen, sondern nimmt nur den Zusammenhang "kleine Ursache - große Wirkung" auf, um im Bild des Feuers die ungemein große zerstörerische Kraft der kleinen Zunge herauszustreichen: Unbezähmbar ist sie, ein UKU'tUcr'tU'tov KUKOV, ein todbringendes Gift (3,8). Sie wird mit demselben Qualifikativum versehen wie der zweiseelige MenschUKU'tucr'tu'toe;55 - und ist ebenso ambivalent wie dieser: "Durch sie loben wir den Herrn und Vater, und durch sie verfluchen wir die Menschen, die «nach Gottes Ebenbild» geschaffen worden sind. Aus demselben Mund56 gehen Preis und Fluch hervor" (3,9.10a). Wie schon zu Beginn des Abschnitts (in 3,2a) schließt sich der Verfasser über die 1. Person Plural mit ein. Auch für den Christen und Lehrer stellt die Zunge eine große Gefahr dar. Darum die ausführliche Paränese. Denn: "ou XPYt, U8cA<poi J.!0u, 'tuu'tu oÖ'troe; yivccr8ut - dies darf nicht so geschehen, meine Brüder" (3,1 Ob). Eigentlich ist die Gespaltenheit der Zunge unmöglich, wie die folgenden Bilder der Unvereinbarkeit deutlich machen: Eine Quelle bringt nicht gleichzeitig süßes und bitteres Wasser hervor, 57 ein Fei~enbaum kann nicht Oliven und ein Weinstock kann nicht Feigen hervorbringen 8 und eine Salz(quelle?) kann nicht süßes Wasser hervorbringen: Das wäre nupa
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Philo, All III, 223f; (Migr 67). Philo, All 111, 155. 4 Makk 7,1-3; Philo, Virt 113. Jak 3,8; 1,8, vgl. Jak 3,16. 1 Kor 14,33 ist UKU'tUcr'tUcrtu EiPllVll opponiert (vgl. Jak 3,16f). "Mund" ersetzt hier die bisher dominierende Zunge. Im Grunde bedeutet das logischerweise ein posse non peccare für den Christen. Das Kuriosum, von dem Antig, Mir 133,1-3 (Neuer Wettstein, Texte zum Neuen Testament aus Griechentum und Hellenismus, Bd. 1112, hg. v. G. StreckerlU. Schnelle unter Mitarbeit von G. Seelig, BerlinlNew York 1996, 1315) die Rede ist, spricht nicht gegen die allgemeine Erfahrung, die Jak 3,11 zugrunde liegt. Zur Metaphorik vgl. Plut, Mor. 472E.F, Epiktet, Diss. 11, 20,18f; Marc Änt. VIII, 15; Sen, Epist. 87.25. Anders als im vorangehenden Bild Jak 3,11 sind hier hervorbringendes Objekt und Hervorgebrachtes (Pflanzen und ihre Früchte) jeweils positiv konnotiert. Der Akzent liegt allein auf der naturgegebenen Unmöglichkeit, heterogene (gattungsunspezifische) Früchte zu bringen, vgl. von Gemünden, Vegetationsmetaphorik, 268f. Und damit letztendlich auch Gott gegenüber, vgl. Jak 3,10 und Burchard, Jak, 150.
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umzusetzen ist, was - wie das Kapitel 3 eindringlich zeigt - jedenfalls bei der Zunge äußerst schwierig ist. Der Mensch kann das nicht von sich aus - was die eigenen Möglichkeiten des Menschen angeht, ist PsJakobus durchaus pessimistisch (vgl. bes. 3,5f). Doch im Makrokontext wird auf Größen, die außerhalb des Menschen liegen, hingewiesen: auf das eingepflanzte Wort, das Gesetz der Freiheit, die ävco8Ev O"oq>iu. 60 Von daher kann der Verfasser mahnen und an die Verantwortlichkeit eines jeden Christen appellieren. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass im anschließenden Kapitel 4 noch ein Aspekt zum Ausdruck kommt, der sowohl die kognitive als auch die affektive und prarmatische Dimension aufnimmt: Es handelt sich um den voluntativen Aspekt,6 der das Problem wiederum im Menschen lokalisiert und gleichzeitig auf die Entscheidungsmöglichkeit und damit auf die Verantwortung des Menschen verweist. In Jak 4,4b formuliert der Autor nicht einfach "wenn jemand ein Freund der Welt ist", sondern: "wenn jemand ein Freund der Welt sein will (ßouAu8n q>iAO<; EtVU1)". Selbst wenn ßOUAOj.lUl hier das eher unbewusst-triebhafte Wollen bezeichnen sollte,62 so hebt PsJakobus durch die explizite Formulierung der Alternative "Gott - Welt" das Gott entgegengesetzte Wollen ins Bewusstsein und macht so die Verantwortung der Adressaten bewusst. 63
4. Zusammenfassung Die Anthropologie des Jakobusbriefes ist durch einen grundlegenden Dualismus zwischen Gott und Welt geprägt. Gott und Welt schließen einander aus: Freundschaft mit der Welt ist Feindschaft mit Gott (4,4). Das Dilemma des Christen, an den sich PsJakobus wendet, besteht seiner Meinung nach darin, dass er sich an Gott und der Welt gleichzeitig orientieren will, dass er zweiseelig ist, innerlich schwankt und steuerungslos ist, was autodestruktive und sozialdestruktive Konsequenzen hat. Mittels Kettenreihen führt PsJakobus diese destruktiven Phänomene auf das Innere im Menschen zurück und behaftet ihn so bei seiner Eigenverantwortlichkeit. Gleichwohl ist PsJakobus, was die eigenen Möglichkeiten des natürlichen Menschen angeht, pessimistisch: Die dem Menschen eigenen Größen wie die bn8uj.liu, die i]8ov1l und die Zun~e kommen auf der negativ konnotierten Seite der Welt (und damit des Teufels) 4 zu stehen. Dem Menschen ist - anders als in der Stoa - keine Größe wie der Verstand, die Vernunft, etc. zu Eigen, die ihn zur Selbststeuerung befähigt, 60 61
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Möglicherweise ist hier auch auf die zwischenmenschliche correctio fratema (5,19f) verwiesen. Vorbereitet durch 3,4 (Wille des Steuermannes). So T.B. Cargal: Restoring the Diaspora: Discursive Structure and Purpose in the Epistle of James, SBL.DS 144, Atlanta, Georgia 1993,160. Dagegen F. Mußner, Jak, 181: "Wer es vorzieht". In Jak 1,18 drückt ßo6AO~at den Willen Gottes aus. Der Vergleich mit 4,4 macht deutlich: Während Gott mit [vollem] Willen die Adressaten durch das Wort der Wahrheit gebar, kann sich das Wollen der Adressaten auch auf die Welt richten und damit - nach der Interpretation des Jakobus - gegen Gott (4,4). Jak 4,7. Zur Zunge vgl. 1,26fund 3,5f.
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er ist also nicht autonom. 65 Die positiven Größen, die den Menschen zur Selbststeuerung befähigen, sind heteronom und kommen alle von Gott: der EJl
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Konradt, Existenz, 92.99. Ähnlich wie 4 Makk 18,lOff kann der Jakobusbrief das beharrliche Studium des Gesetzes preisen (1,25). Anders als dieser kann er aber den A6yo~ im Innern des Menschen lokalisieren - er ist dann nicht eine seit Generationen bestehende Außengröße, sondern er wird ihm (bei der Konversion) eingeboren, wo er ein positives Pendant zur negativ konnotierten Begierde ist. V gl. A. Nitschke: Historische Verhaltensforschung. Analysen gesellschaftlicher Verhaltensweisen. Ein Arbeitsbuch, UTB 1153, Stuttgart 1981, bes. 86. GaI2,19f; 5,24; (6,14); Röm 6,2-8; 8,1.9-11 (13); vgl. 2 Kor 5,17; Phil3,10. Nur zwei Stellen könnten zu der Überlegung Anlass geben, ob im Jakobusbrief Transformationsdynamik vorliegt: Jak 1,21 und 4,5: a) So ist zu überlegen, ob der EIl
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eine ausgeprägte Christologie noch eine ausgeprägte Pneumatologie hat: Folglich kommt weder der Gedanke des Sterbens und des neuen Lebens mit Christus, noch der Gedanke der Einwohnung des Geistes im Christen (Röm 8,9) zum Tragen. Der Jakobusbrief steht also in seiner Anthropologie, wenn man so will, etwa in der Mitte zwischen dem 4. Makkabäerbuch und Paulus. 70
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Um das näher zu präzisieren, müsste man das 4. Makkabäerbuch und Paulus mit einer analogen Fragestellung analysieren, was aber ein ganz neues Thema wäre. Doch kann man so sicherlich den traditionellen Vergleich zwischen den Briefen des Paulus und des PsJakobus fruchtbar ergänzen.
Die Wertung des Zorns im Jakobusbrief auf dem Hintergrund des antiken Kontexts und seine Einordnung Petra von Gemünden
'OPY1l yap avöpo<; Ö1KU10cruvllv SEOl> OUK EpyaSE"CUl (Jak 1,20) - diese Aussage, die im Jakobusbrief an betonter Stelle steht, wertet W. Pesch als SchlüsselsteIle für die menschliche Bewertung des Zorns im Neuen Testament, die er interpretiert: "Im Zorn tut der Mensch nicht das, was vor Gott recht ist". 1 Mit dem Zorn spricht PsJakobus ein Thema an, das im gesamtantiken Diskurs über die Affekte eine bedeutende Rolle spielte. Sowohl die Bemerkung Ciceros in seiner Epistula ad Quintum fratrem, wonach sich die größten Weisen zum Zorn (iracundia) geäußert hätten und es viele Werke gebe, die Quintus zum Thema unterrichten könnten/ als auch die überlieferten Schriften zum "Zorn,,3 zeigen, dass die Zornesthematik in der Antike intensiv diskutiert wurde. Das Phänomen des Zorns wurde in der Antike offensichtlich sehr ernst genommen. So nimmt der Zorn bei Seneca unter den menschlichen Affekten eine Sonderstellung ein. 4 Nach P. Brown ist nicht die sexuelle Leidenschaft, sondern der Zorn das zentrale Problem der antiken - männlichen - Oberschicht gewesen. 5 Kontrovers diskutiert wurde seine Wertung - und damit verbunden auch der Umgang mit dem Zorn. Von daher legt es sich nahe, einmal zu versuchen, die Wertung und den Umgang mit dem Zorn im Jakobusbrief auf dem Hintergrund der antiken Zornesdiskussion zu betrachten. Deshalb sollen in einem ersten Teil die wichtigsten I
apy",
W. Pesch: Artikel f\e;, ~, in: EWNT H, Stuttgart/Berlin/Köln 2 1992 (1981), 12931297, hier: 1294; zu den verschiedenen Verständnismöglichkeiten von ÖtKUtoCJ'\JVllV SEOU OUK EpyaSEtUt
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s.U.
Cic., ep. 30 (Q fr. 1,1, 37): "Quare illud non suscipiam ut quae de iracundia dici solent a doctissimis hominibus ea nunc tibi exponam, cum et nimis longus esse nolim et ex multorum scriptis ea facile possis cognoscere ... ". Sen., de ira I-IH; Plut., de coh. ira; fragmentarisch: Philodem., de ira; vgl. Stob., ecl. r', 20 (in: J. Stobaeus: Anthologii libri duo posteriores, rec. O. Hense, volL, Berlin 1894, 539ft); vgl. auch die Bemerkung von H. Almqvist: Plutarch und das Neue Testament. Ein Beitrag zum Corpus Hellenisticum Novi Testamenti, ASNU 15, Uppsala 1946, 131: "Die ganze spätantike Philosophie bekämpfte den Zorn". Die Sonderstellung des Zorns bei Seneca macht dieser an vier Punkten fest: 1.) seine Überlegenheit gegenüber anderen Affekten (de ira H,36,6), 2.) die Plötzlichkeit des Ausbruchs (de ira H,36,6; III,I,3-5, vgl. 1,1,5-7), 3.) sein Wahnsinns charakter (de ira 1,1,2) und 4.) seine allgemeine Verbreitung: alle Völker und Individuen unterliegen ihm (de ira III,2,lf; III,4,5; III,5,1, so auch Philodem, col. XXX, 3lf [ed. Indelli], vgl. weiter R. Huber: Senecas Schrift de Ira. Untersuchungen zum Aufbau und zu den Quellen, München 1973, 98t). Vgl. die Bemerkung P. Browns: "Zorn und nicht sexuelle Leidenschaft beschäftigte die Mentoren der oberen Klassen. Männer ... gerieten in Sorge darüber, daß Wutausbrüche und irrationale Grausamkeit in ihre eigenen Beziehungen zu Abhängigen Eingang finden könnten", P. Brown: Die Keuschheit der Engel. Sexuelle Entsagung, Askese und Körperlichkeit im frühen Christentum, München/Wien 1994 (1991; engl. Originalausgabe 1988), 25, sowie G. Theißen: Die Religion der ersten Christen. Eine Theorie des Urchristentums, Gütersloh 2000, 132.
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paganen und alttestamentlich-frühjüdischen Positionen in der Antike kurz vorgestellt werden. In einem zweiten Teil wollen wir uns den Aussagen des Jakobusbriefes zum Zorn zuwenden und diese genau untersuchen. In einem dritten Teil sollen diese Aussagen schließlich in den Rahmen anderer urchristlicher Aussagen gestellt werden.
1. Die Wertung des Zorns in der antiken paganen und in der alttestamentlich!rühjüdischen Tradition 1.1. In der paganen antiken Literatur lassen sich zwei Grundstandpunkte unterscheiden: a) Aristoteles wertet den Zorn als naturgegebene irrationale Regung,6 die in sich weder gut noch schlecht ist.? Entscheidend sei vielmehr der Gebrauch (die €~l~) der Zornesregung, der durch die Mesotes, die rechte Mitte zwischen einem Zuviel und einem Zuwenig, zwischen 6PY1A6tll~ und aOPYllcr{a8 gekennzeichnet ist. 9 Wie ein Zuviel, so sei auch ein Zuwenig negativ zu werten. IO Als Hilfsmittel fiir Redner I I und Dichter l2 sei der Zorn gut und als Hilfsmittel zur Kardinaltugend der av8pda sogar unentbehrlich. 13 In dieser Hinsicht finden wir eine grundsätzlich positive Wertung des Zorns, die Cicero in seinen Ausführungen über die Peripatetiker polemisch "referiert": " ... zuerst loben sie (sc. die Peripatetiker) mit vielen Worten den Zorn und sagen, er sei der Wetzstein der Tapferkeit; der Ansturm der Zornigen auf den Landesfeind und den ungerechten Bürger sei viel heftiger, wogegen die Überlegung 6
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Vgl. Aristot., NE V,10 (1135b); 11,4 (1105b). - Nach peripatetischer Auffassung sind die Affekte gottgegeben, vgl. 1. Heinemann: Art. Makkabäerbücher, in: PW XlVII, Stuttgart 1928, 779-805, 804; M. Pohlenz: Rez. von K. Reinhardt, Poseidonios. 1. Heinemann, Poseidonios' metaphysische Schriften, 1. Bd., Breslau 1921, und von H. Strache: Der Eklektizismus des Antioches von Askalon (Philol. Untersuchungen, hg.v. A. KießlinglU.v. Wilamowitz-Möllendorff: Heft 26) Berlin 1921, in: GGA 184 (1922), 161-187, hier: 180 mit Anm. 2, sowie den Peripatetiker Themestios, Me'tpto1tU9..,C; 359b (ed. H. Schenkl = 434 ed. W. Dindorf). V gl. Aristot., NE 11,4 (11 05b.l1 06a). Aristot., NE 11,7 (1108a). Aristot., NE 11,4 (1105b); 11,5 (1106b); 11,7-8 (1108a.b); vgl. NE IV, 11 (1125b.l126a). Zur Schwierigkeit, die rechte Mitte zu treffen, vgl. Aristot., NE 11,9 (1109b): "". es ist nicht leicht festzulegen, wie, wem, worüber und wie lange man zürnen soll", Aristoteles Nikomachische Ethik, übers. und kommentiert von F. Dirlmeier, neunte, gegenüber der sechsten, durchgesehenen, unveränderte Aufl., Aristoteles Werke in Deutscher Übersetzung 6, Darmstadt 1991 (1956). Vgl. NE IV,ll (1126a.b). Aristot., Rhetor. 11,2 (1378b-1380a); bes. 11,2 (1380a) 1-5. Der Zorn (iracundia) findet sich auch bei Behandlung der Affekte in Ciceros de oratore 11, 185-211 und in Quintilian VI, 1,14 (ira), vgl. VI, 1,31 (furor). 1. Wisse: Art. "Affektenlehre" in: G. Ueding (Hg.), Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Bd. I, Tübingen 1992,218-224, hier: 223, betont jedoch, dass Aristoteles, Cicero und Quintilian im Unterschied zu den meisten Rhetorikern die Anwendung der Affekterregung der Verantwortung des Redners unterstellen. Aristot., Poet. XVII (1445a) 3lf, vgl. das Homer-Zitat Aristot., Rhetor. 11,2 (1378b)6-7. Aristot., NE 111,11 (1 I 16b.l117a). Auf eine entsprechende Ansicht verweist Plut., Mor. 501 B (9qlOV 8E 1tOAAU KUAOUcrtv av8peiuv). In kritischer Auseinandersetzung damit auch Sen., de ira I,7,lff.
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jener, die etwa so sagen: 'Es ist gerecht, dass dieser Kampf stattfinde ... ' nicht ins Gewicht fielen. Dies alles habe keine Kraft, wenn nicht die Tapferkeit im Zorne erglüht. Sie fuhren aber nicht nur die Krieger an. Auch ein wirklich strenges Regiment sei ohne eine gewisse Heftigkeit des Zornes nicht zu fuhren. Ein Redner schließlich leiste nicht bloß bei der Anklage, sondern sogar auch bei der Verteidigung nichts ohne den Stachel des Zornes; und auch wenn dieser nicht da ist, so soll man ihn doch durch Worte und Bewegungen vortäuschen, damit der Vortrag des Redners den Zorn des Hörers entfache ... ".14 l5 b) Im Gegensatz zum Peripatos wertet die Stoa den Zorn als naturwidrig und per se schlecht. 16 Ist fur Aristoteles der Zorn nicht per se vernunftwidrig, da die Vernunft den Zorn leiten und auf das Gute (KUAOV) hin ausrichten kann, so stehen fur die Stoiker Zorn und Vernunft in einem absoluten Gegensatz. I? Folg14
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Cic., Tusc. IV, 43, zit. cf. Marcus Tullius Cicero, Gespräche in Tusculum. Tusculanae Disputationes. Lateinisch-deutsch. Mit ausführlichen Anmerkungen neu hg.v. O. Gigon, Darmstadt 6 1992, 279. Sen., de ira I,6,4f; Cic., Tusc. IV, 79; M. Pohlenz: Die Stoa. Geschichte einer geistigen Bewegung, Göttingen 7 1992 (1959), Bd. I, 150. "IIa.v ... 1ta90~ UJluptiu", Plut., virt. mor. 10 (mor. 449D), mor. 449E mit dem Beispiel des 9uJlo~. Vgl. weiter Pohlenz, Stoa I, 150. Cic., Tusc. IV, 79. Die Differenz hat ihren Grund in der unterschiedlichen Seelenlehre: Nach altstoischer Auffassung, der sich zum größten Teil Epiktet, Seneca und Cicero angeschlossen haben, ist die Seele als Einheit vorzustellen, die im Zustand der eUtOViu dem A.oyo~ gleichzusetzen ist (vgl. E. Brehier: Histoire de la Philosophie, Tome premier: L'antiquite et le moyen äge, 2: Periode hellenistique et romaine, huitieme edition revue et bibliographie mise ajour par P.-M. Schuhl: Paris 1967, 284: "L'äme humaine est en tout cas pure raison"). Schwächt sich der tOVO~ jedoch aufgrund einer Erregung des TtyeJlOVtKOV ab, so krampft sich die Seele zusammen und ist in dieser veränderten Gestalt (also im Zustand der atoviu oder acr9EVetU) ganz und gar Affekt. Von daher kann Seneca schreiben: "affectus et ratio in melius peiusque mutatio animi est" - "Leidenschaft und Vernunft sind Wandlungen der Seele zum Besseren und Schlechteren", übers. v. M. Rosenbach, in: L. Annaeus Seneca: Philosophische Schriften, lateinisch und deutsch, Bd. I, hg.v. M. Rosenbach, Darmstadt 4 1989 (1976). Der Affekt und d.h. auch der Zorn sind folglich eine Kivllcrt~ äA.oyo~ tii~ "lUxii~ (PsAndronicus, IIept 1tu9rov I, hg. v. A. Glibert-Thirry: Pseudo-Andronicus de Rhodes, ,,1tept 1tu9rov", Edition critique du texte grec et de la traduction latine medievale, CLCAG.S 2, Leiden 1977, 223; Nemesius, De Natura Hominis 216, s. Nemesii Emeseni: De Natura Hominis, ed. M. Morani, BSGRT, Leipzig 1987) bzw. äA.oyo~ KUt 1tupa <pocrtv ",uxii~ Kivllcrt~ (D.L. VII, 110; Stob., ecl. 11,88, in: Ioannis Stobaei: Anthologii libri duo priores qui inscribi solent Eclogae Physicae et Ethicae, rec. C. Wachsmuth, Vol. I, Berlin 1884; Cic., Tusc. IV,ll), vgl. auch A. Bonhöffer: Epictet und die Stoa, Untersuchungen zur stoischen Philosophie, Stuttgart 1890, 262. Anders Aristoteles, der im Gefolge von Platon (Ausnahme: Platons Phaidon) eine hierarchisch-gegliederte Auffassung von der Seele vertritt. In der Topik vertritt Aristoteles explizit die platonische Dreiteilung der Seele, s. F. Dirlmeier, Nikomachische Ethik, 343 Anm. 62,2: Der Zorn (apyil) hat, cf. Aristot., Topik 11,7 (113a.b); IV,5 (126a), seinen Sitz im 9UJloet8TJ~. Diese besonders anfangs von Aristoteles vertretene platonische Seelenteilungslehre tritt im Laufe der Zeit zurück hinter den Gedanken der Seelenvermögen (8uvaJlet~), die der Mensch in sich vereinigt (s. F. Ueberwegs Grundriss der Geschichte der Philosophie, Bd. I, hg.v. K. Praechter, Darmstadt 1967, 387), als da sind: das Ernährungsvermögen (das Pflanze, Tier und Mensch eignet), das Vermögen sinnlicher Wahrnehmung und Triebe (das Tier und Mensch eignet) und schließlich als Spezifikum des
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lich ist für die Stoiker nicht die vernunftgeleitete Mesotes anzustreben, sondern 18 die vollkommene Zornlosigkeit durch das konsequente Ausrotten des Zorns. 1.2. Wenden wir uns der alttestamentlich-frühjüdischen Tradition zu, so wird dort der menschliche Zorn in der weisheitlichen Literatur durchgehend negativ konnotiert,19 wenn auch nicht absolut negativ gewertet, denn auch der Weise ist 20 nach weisheitlicher Auffassung nicht vollkommen zornfrei: - Nach Prov 29,11 LXX z.B. drückt nur der Tor seinen Zorn voll aus - der Weise (dagegen~ geht haushälterisch damit um und drückt ihn abmessend, d.h. nur partiell aus. 1
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Menschen das Vermögen des Denkens und des von der Einsicht des Denkens geleiteten Willens. Nach Aristoteles hat die Vernunft die Aufgabe, die Funktionen der unteren Schichten zu leiten. Aus diesen unterschiedlichen ideologischen Voraussetzungen ergeben sich logischerweise unterschiedliche Optionen fiir den Umgang mit dem Zorn: Da nach der altstoisch monistischen Auffassung bei voll entwickeltem Affekt die Vernunft nicht mehr vorhanden ist und folglich auch nicht regulierend intervenieren kann, weil die Seele in den Affekt (hier: den Zorn) umgewandelt ist, besteht die einzig mögliche Affekttherapie in der Prophylaxe, die auf vollkommene Apathie zielt (zum Ideal der Apathie vgl. Zenon b. D.L. VII, 117). - Anders bei Aristoteles und den Peripatetikern: Dort kann und soll die Vernunft regulierend im Sinne des alten Prinzips des 1l110f:V äyuv eingreifen und den Mittelweg zwischen den Extremen eines Zuviel und eines Zuwenig anstreben (IlE'tpw1ta8Etu). An die peripatetische Position nähert sich der Mittelstoiker Poseidonios von Rhodos an, der den Affekt nicht der ganzen Seele, sondern nur den beiden niederen Seelenteilen zuordnet, die er fiir naturgemäß und unentbehrlich erachtet. Die irrationalen Triebe sind folglich nicht zu unterdrücken, haben sich aber unbedingt dem AOYO<; unterzuordnen. Erst wenn sie die natürlichen Grenzen (das Gebot des AOY0<;) überschreiten, werden sie zu verwerflichen 1ta811 (Pohlenz, Stoa I, 236:t). Im Unterschied zu der monistisch-orientierten altstoischen Auffassung strebt der dualistisch orientierte Poseidonios, der der mittleren Stoa zuzuordnen ist, keine Ausrottung der Affekte und damit auch des Zornes an (vgl. W. Stempel: Die Therapie der Affekte bei den Stoikern und Spinoza. Eine vergleichende Untersuchung zur Ethik und philosophischen Psychologie, Kiel 1969, 19, 50; vgl. Pohlenz, Stoa, I, 237). Sen., Epist. 116,1; Lact., ira 17,12; vgl. SVF 111, 443-444; M. Pohlenz, Stoa I, 150 (letzterer ad Chrysipp). Vgl. nur Ps 36,8LXX; Prov 11,25; 12,16; 14,17.29; 15,18; 29,11; Koh 7,9a; Sir 1,21 (Sünden/ apyil); Sir 1,22; 27,30; 28,3ff (vgl. 10,18); Aristeasbrief 254; (Sap 10,3.10); PsSal 16,10; PsPhok 57; 63f; TestDan II,I-V,I(2); U.Ö. Im Unterschied zur alttestamentlichfrühjüdischen Weisheitsliteratur, der wir eine Reflexion über die Wertung des Zorns entnehmen können, wird in der narrativen Literatur oft von menschlichem Zorn bzw. menschlichen Zornausbrüchen erzählt, ohne dass damit eine (negative) Wertung verbunden ist. Ausdrücklich positiv gewertet wird menschlicher Zorn da, wo der Mensch in seinem gerechten Zorn als an Gottes Zorn partizipierend, bzw. diesen ausdrückend gedacht wird, vgl. z.B. 1 Makk 2,44; Pinehas bei Philo, VitMos I, 302 und Philo, Fug 90. In Qumran begegnet die negative Wertung des Zorns im Kontext der Sektenregel (l QS 5,25; 7,2) sowie in der Damaskusschrift (CD IX, 4.6). Die hier und im Folgenden verwandte Rede von "nicht absolut negativer Wertung des Zorns" o.ä. ist in dem Sinn zu verstehen, dass trotz negativer Wertung des Zorns dieser als eine unausrottbare Realität menschlicher Existenz betrachtet wird bzw. durch seine Zuordnung zur Schöpfung als "natürlich" angesehen wird. Etwas anders der masoretische Text: "beschwichtigt ihn zuletzt".
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- Anders als in der Stoa wird folglich nicht die Ausrottung, sondern die Beherrschung (SW,~) des Zorn(impuls)es angestrebt/ 2 wobei häufig auf kognitive Grö24 ßen wie Einsiche 3 oder Überlegung verwiesen wird. Auch das Ideal der JlaKpo8OJ.lia, des JlaKpo8uJloc;-Seins,25 weist in die gleiche 26 Richtung: Nicht die Zornlosigkeit, sondern das Langsam-sein-zum-Zorn zeichnet z.B. nach Prov 17,27 LXX den avt,p
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Vgl. die hohe Wertung dessen, der Herr über seinen Zorn ist (;n~,~
"Wb
LXX:
KPU-r&V opyTj<;), in Prov 16,32.
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vgl. Prov 19,11; 25,15, Koh 7,8(9); Sir 1,23; 5,11; vgl. TestJos XVII,2; XVIII,3, sowie 1 QS IV, 3 (Cl~5l~ 11;~). JluKpo8qliu ist in der außerbiblischen Literatur kaum belegt. Vgl. die hebräischen ~quivalente Cl:5l~ 11~, l'1~'-11~ von l'~ (lang) Prov 14,29; 15,18; 16,32; U.ö. Das Aquivalent l"Ji'-'i? (von 'i? kalt, ruhig, Prov 17,27) bezieht sich auf die Assoziation von Zorn mit Hitze, Hitzig-Sein, so schon Amenemope IV,16f; VI,1-6; XI, 13f; XIII,llf; XV,13f(TUAT 11112). Die Bedeutung des temporalen Elements für die Beherrschung des Zorns spielt auch in den paganen Schriften eine herausragende Rolle. Zwar findet sich 8uJlo<; ä8tKO<; nicht in allen Handschriften, ist aber als lectio difficilior hier festzuhalten. Die Stelle ist nicht ganz eindeutig. Mit ä8tKO<; könnte der Zorn hier auch einfach negativ qualifiziert werden. Der Sprachgebrauch spricht jedoch eher für die obige Deutung. Vgl. auch Sir 27,24 (Hass); 50,25 (Ekel, Abscheu). Vgl. die entsprechende Auffassung des Peripatos, s.o. Anm. 6. In TestNaph 1I,8b ist wohl ein (ursprünglich selbständiges) medizinisches Onomastikon aufgenommen, das den einleitenden Satz über die göttliche Schöpfungsordnung (TestNaph 1I,8a) illustrieren soll. Zur Sonderstellung des Zorns vgl. 4 Makk 1,20-27 und die schematische Darstellung bei H.-J. Klauck: 4. Makkabäerbuch, JSHRZ II1I6, Gütersloh 1989, 691 ad V20. Vgl. 4 Makk 3,5: Der AOytO'JlO<; "ist nicht dazu da, die Leidenschaften zu entwurzeln, sondern dazu, sie in Schach zu halten (av-ruycovtO'-rYt<;)", übers. v. H.-J. Klauck, JSHRZ 111/6.
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edeln. 35 Sie sind zu beherrschen,36 was in der Schöpfungsvorstellung seinen theologischen Grund hat: "Am Tag nämlich, als Gott den Menschen schuf, hat er ihm auch seine Leidenschaften und Charaktereigenschaften ('tu nu811 aU'toD Kat 'tu fl8t,) mit eingepflanzt. Gleichzeitig hat er als heiligen Gebieter über sie alle durch die Sinneswerkzeuge den Verstand (voDC;) inthronisiert und diesem ein Gesetz (v6JloC;) gegeben" (4 Makk 2,21-23).37 Strukturell kommt die angesprochene alttestamentlich-frühjüdische weisheitliehe Tradition also eher beim Peripatos zu stehen, der den Zorn als natur- bzw. gottgegeben und unausrottbar betrachtet. Anders als dieser akzentuiert sie jedoch (mit Ausnahme von TestNaph 2,8) die negative (wenn auch nicht absolut negative) Wertung des Zorns. Geht man von der hier skizzierten paganen und alttestamentlich-frühjüdischen Tradition aus, so wäre im Jakobusbrief eine negative, aber nicht absolut negative, sondern realistische Wertung des Zorns zu erwarten: Diese läge aufgrund der alttestamentlich-frühjüdischen Tradition näher und entspräche auch, wie wir gesehen haben, einem Teil der paganen Tradition. Inhaltlich (a) und geschichtlich (b) benachbarte jüdische Schriften, wie Jesus Sirach (a) und das 4. Makkabäerbuch (b) weisen in diese Richtung. Da dem Jakobusbrief allgemein eine große Nähe zum Judentum nachgesagt wird, legt es sich nahe anzunehmen, dass er sich in die jüdische Tradition einfiigt - doch unsere Interpretation wird durch eine genauere Analyse diese Erwartung enttäuschen. 2. Die Wertung des Zorns im Jakobusbrief
Bei der ersten Lektüre erscheint die Wertung des Zorns im Jakobusbrief nicht eindeutig. Damit hängt sicher zusammen, dass wir zu diesem Thema in der Literatur zum Jakobusbrief ganz unterschiedliche Interpretationen finden. Diese Divergenzen werden jedoch in der Interpretation nur selten explizit kontrovers diskutiert, und es wird auch nicht versucht, die Wertung des Zornes im J akobusbrief genauer unter die Lupe zu nehmen.
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Vgl. 4 Makk 1,29; auch die Stoa rekurriert mit der Rede vom Entwurzeln, Ausreißen der Affekte, etc. auf Metaphorik aus dem Bereich der Gärtnerei, vgl. eic., Tusc. III,13; IV, 57. Vgl. die Metapher der Inthronisation des VOll<; in 4 Makk 2,22. Übers. v. H.-J. Klauck, JSHRZ III/6. Vgl. zum 4 Makk: H. v. Lips: Jüdische Weisheit und griechische Tugendlehre, in: H. Graf Reventlow (Hg.): Weisheit, Ethos und Gebot. Weisheits- und Dekalogtraditionen in der Bibel und im frühen Judentum, mit Beiträgen von A. Graupner, U. Kellermann, H. v. Lips, D. Sänger und W. Zager, BThSt 43, NeukirchenVluyn 2001, 29-60, hier: 52f. Im rabbinischen Schrifttum finden wir einerseits in Avot 2,10; 5,11 eine Analogie zum Ideal der j..luKpo9qliu, andrerseits wird in bMag 6b der Zorn gegenüber den Gottlosen erlaubt. - Keine Unterscheidung zwischen gerechtfertigtem und ungerechtfertigten Zorn macht eine Stelle aus dem dritten Jahrhundert, bNed 22a: "R. Semuel ben Nahmani sagte im Namen Jonathans: Wer in Zorn gerät (Oli'::li1 '?::l), über den haben alle [Strafarten] des Fegefeuers Gewalt ... " (übers. v. L. Goldschmidt: Der babylonische Talmud. Mit Einschluß der vollständigen Mischnah, Bd. 4, Haag 1933).
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Wenden wir uns daher dem Text zu: Zweimal ist im Jakobusbrief - und zwar an herausgehobener Stelle, nämlich zu Beginn eines neuen Abschnitts - vom Zorn die Rede: Lesen wir in Jak 1,19 ßpuBue; Eie; 1:0 AUA:i1crUt, ßpuBue; Eie; apy"'v, so heißt es in Jak 1,20 apYil yap avBpoe; BtKutocruvllv SEOU OUK EpyaSE1:Ut. Fügt sich das ßpuBue; Eie; apy"'v (Jak 1,19) scheinbar eher in die jüdische Traditionslinie, die den Zorn nicht absolut verurteilt und seine Eliminierung nicht anstrebt, sondern die ihn als Realität wahrnimmt und zum Langsam-Sein-zumZorn aufruft, scheint der folgende Vers (Jak 1,20) die apyf) vollkommen abzulehnen und damit der radikalen stoischen Position näher zu kommen. Auf die Bedeutung, die W. Pesch dieser Stelle für die Bewertung des menschlichen Zorns im Neuen Testament zuschreibt, haben wir oben schon hingewiesen. Jedoch ist die genaue Bewertung des Zorns in Jak 1,20 in der Sekundärliteratur umstritten: Ist die Stelle als eine vollkommene Verurteilung des Zorns zu lesen? Oder handelt es sich (in Analogie zu Jak 1,19) doch "nur" um eine eingeschränkte Verurteilung des Zorns? Daraus ergibt sich die Frage: Wie ist der Stellung des PsJakobus in der antiken Diskussion um den Zorn zu situieren? Zur Klärung dieser Frage legt sich daher eine genaue Analyse von Jak 1, 19f nahe. Durch die direkte Anrede: "Icr1:E, aBEAq>oi JlOU ayunll1:oi wird im Anfang des Hauptteils in Jak 1,19a ein neuer Abschnitt markiert und die folgende Mahnung besonders hervorgehoben: Ecr1:W B8 nue; ävSpwnoe; 1:UxUe; Eie; 1:0 aKoucrUt, ßpuBue; Eie; 1:0 AUA r;crUt, ßpuBue; Eie; apyf)v. An die Mahnung schließt sich in Jak 1,20 mit yap die weiterführende Begründung an: apYil yap avBpoe; BtKutocruvllv SEOU OUK EpyaSE1:Ut. Die Aussage zum Zorn (apyf)) schließt eine dreigliedrige Reihung ab, deren zwei erste Glieder explizit das Sprachverhalten thematisieren. Die analoge Formulierung des zweiten und dritten Gliedes (ßpuBue; Eie; 1:0 AUAr;crUt, ßpuBue; Eie; apy"'v) parallelisiert das Sprachverhalten dem Zorn. 38 Dabei ist vom Reden zum Zorn dar38
Der Zorn wird zum Sprachverhalten in Beziehung gesetzt. Das betont M. Konradt: Christliche Existenz nach dem Jakobusbrief. Eine Studie zu seiner soteriologischen und ethischen Konzeption, StUNT 22, Göttingen 1998, 201. Er versteht "ßpuöu<; Ei<; opyi]v ... (zumindest auch) als Erläuterung zu ßpuöu<; Ei<; 'to AUAfjcrUt bzw. den beiden vorangehenden Gliedern" (S. 201). Während Jak 1,19b.c aus der gleichen Perspektive formuliert sind und den Adressaten sowohl zum Langsam-Sein-zum-Reden als auch zum LangsamSein-zum-Zorn ermahnen, ist bei Aristoteles, in der Stoa und der Weisheitsliteratur das Verhältnis von Wort und Zorn häufiger als ein konsekutives vorgestellt, das auf zwei Personen(gruppen) aufgeteilt ist: das (verletzende) Wort (des einen) als Zornauslöser (beim anderen), vgl. nur Sen., de ira 111,8,1-8; 111,10,4; 111,11,1; 111,31,1; 11I,35,lff; 111,37,1-5 u.ö.; (vgl. umgekehrt Sen., de ira 1I1,22,2ff; 1I1,24,lff); Prov 15,1; vgl. Prov 12,16; vgl. TestDan IV,2 [e a feh i j]; TestDan IV, 3f (vgl. V,2); 2 Makk 10,35; Jos, Bell I, 478-480; vgl. Ptahhotep 391 (TUAT 111/2); Anchscheschonqi 7,23 (TUAT 111/2). - Im Zusammenhang mit dem Sprechverhalten einer Person steht der Zorn jedoch in: Platon, Phaidros 254c; Epiktet, Diss. 11,12,14; Cic., Ep. 30 (Q.fr. 1,1, 38: "resistendum esse iracundiae, cumque ea maxime animum moueat turn tibi esse diligentissime linguam continendam"); MarcAn1. IX,42,7; Sen., ira 111,6,2, cf. 11I,6,lf: Eigenschaften "quorum nihil inuenis in irato": "Quis enim traditus dolori et furens non primam reiecit uerecundiam? ... Quis linguae temperauit?" (vgl. als Exemplum flir die Möglichkeit, den Zorn zu unterdrücken, das Beispiel des
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über hinaus wohl auch eine Steigerung auszumachen: 39 Wer sein Wort nicht kontrolliert, kann erst recht nicht den Affekt des Zorns in den Griff bekommen. Die Klimax, die im Wechsel vom Reden zum Zürnen zum Ausdruck kommt, wie auch das EpyasE'tUt in der folgenden Begründung40 , lassen jedoch fragen, ob hier nicht auch - über die verbale Dimension hinausgehend - die pragmatische Dimension mitgedacht ist. Dann wäre der Zorn nicht "nur" als unbedeutendes Sprachgeschehen charakterisiert, sondern auch sein Tatcharakter hervorgehoben. 41 Innerhalb der dreigliedrigen Mahnung fällt das dritte Glied - die Mahnung, langsam zum Zorn zu sein -, insofern auf, als die ersten beiden Glieder durch den antithetischen Parallelismus über die Oppositionen 'tUxu versus ßpu8uC; und UKOUcrUt versus AUA:i1crUt eng aufeinander bezogen sind4 , und in der Antike Mahnungen zum Zuhören und zum sparsamen und überlegten Reden oft miteinander verbunden sind. 43 Auch Mahnungen vor Zorn sind (rur sich) in der
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Vaters, der cf. Sen., de ira 111,14,5 die Worte heruntergewürgt hat [deuorasse uerba)); Sen., de ira 1,4,3; Plut., De capienda ex inimicis utilitate 8 = mor. 90B; Amenemope XII, 1ff (Ärger; zit. cf. TUAT 111/2); Ptahhotep 151f? 476; PsSal 16,10; 1 QS 5,25 ("keiner soll zum anderen sprechen im Zorn oder Murren"); Jos, Bell 111, 438r*; Ant. VI, 237f; vgl. Kol 3,8; Eph 4,31. M. Dibelius: Der Brief des Jakobus erklärt, mit Ergänzungen von H. Greeven, 6. Aufl. dieser Auslegung mit einem Literaturverzeichnis und Nachtrag hg.v. F. Hahn, KEK 12XV, Göttingen 1984 (1921), 141, erklärt, dass sich die Mahnung ßpu8ue; Eie; apyftv als steigernder Anhang zur zweiten Mahnung begreifen lässt: "wer der Zunge nicht Herr zu werden vermag, versteht auch den Zorn nicht zu zügeln", Dibelius meint aber, dass eine solche innere Beziehung nicht notwendig anzunehmen ist. Eine Konkretisierung in dem Sinn, dass Jak "nur" vor dem Reden E~ apYile; warnt, liegt in Jak 1,19b.c nicht vor, da Jakobus dem vielen Reden auch sonst nichts abgewinnen kann. Vgl. weiter die positive Mahnung in Jak 1,22, nicht nur Hörer, sondern Täter des Wortes zu sein. Was natürlich nicht ausschließt, dass der Tatcharakter auch für das Sprechverhalten gilt. Schon in den Proverbien wird hinsichtlich des Zorns die rein verbale Ebene überschritten: Zorn kann dort nicht nur verbal (Prov 15,1; 16,14f), sondern auch durch (materielle) Zuwendungen (d.h. durch Bestechung, s. Prov 21,14) beschwichtigt werden. Zur Opposition 'tuxue; versus ßpu8ue;, die sich im NT nur hier findet, vgl. Philo, conf 48; Dion Chr. 32,2; vgl. Ovid, Ex Ponto 1,2,122. Die inhaltlich in gewisser Weise an das erste und zweite Glied der Mahnung in Jak 1,19 erinnernde Stelle Sir 5,11 LXX bietet nur 'tuxue;. Sir 5,llf LXX: rtVOU 'tuxue; EV o.KPOU<JEt <Jou KUt EV JluKpo80/-1tC;X
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Antike ebenfalls weit verbreitet,44 jedoch fällt die Trias Hören - Reden - Zorn auf. Sie ist so vor Jakobus nicht belegt. 45 Eine Analogie, die von der Zornlosigkeit spricht, finden wir im - zeitlich späteren - Demonax von Lukian (EPOJlEVCP, 1troc; äpt(}"tu äP;Et; 'Aopyrrrroe;, E
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vor der Rede"); V,13 ("schlafe vor dem Reden"); VI,7ff, VII,7-1O (X,21); XI,20 (TUAT III/2); Anchscheschonqi 7,23f; 15,16; 17,10.25; 22,18 (TU AT III/2); Ahikar III,41 (ed. Nau); Prov 29,20 ("Siehst du einen, der eilfertig ist im Reden, mehr Hoffnung gibt es rur den Toren als für ihn"); Koh 10,14 ("Und der Dumme redet endlos"); Sir 4,29 LXX: /lTl yivou 8puO"u<; (resp. "Cpuxu<; B C [cf. 6,20]; "Cuxu<; S* A 0 u.a. Hss) EV YAcOO"O"TI O"ou. Bias von Priene b. p.L. I, 82 ("Rede nicht voreilig [/lTl "Cuxu AaAEt], denn das verrät Torheit"); Mt 12,36f ("Uber jedes unnütze Wort, das die Menschen reden, werden sie am Tag des Gerichts Rechenschaft ablegen müssen ... "); Av 1,15 ("Parle peu et agis beaucoup ... "); Av 1,17 (,je n'ai rien trouve de plus sanitaire que le silence ... Celui qui parle trop occasionne des peches"); Av III,17 ("le rempart de la sagesse, c'est le silence"; die Übersetzung von Avot folgt n':JK-'p'E:), Les Maximes des Peres, texte hebra'ique, trad. fran9aise et notes de M. Schuhl, notes biographiques par S. Ulmann, preface de R. Sommer. O":J~'i1t, O'P'E:) i1)'~tlJ, Les huit chapitres [Introduction a la Michna Avot] de Ma'imonide [Rabenou Moche ben Ma'imon ou Rambam, trad. hebra'ique de l'original arabe ~ar Rabbi Ch. Ibn Tibbon, trad. fran9aise de l'original arabe par le rabbin 1. Wolff, Paris 1992 [1974]]); Bias von Priene cf. D.L. I, 87f(/lTl "Cuxu AaAEt). S.o., Ptahhotep 39lf; 476 (TUAT III/2); 1 Tim 2,8; Did 3,2; Herrn, mand V (o~uxoAiu) und Ch. Burchard: Der Jakobusbrief, HNT 15/1, Tübingen 2000, 81. H. Frankemölle: Der Brief des Jakobus, Kapitell, ÖTBK 17/1, Gütersloh, Würzburg 1994, 326; W. Popkes: Der Brief des Jakobus, ThHK 14, Leipzig 2001, 116. "Einem, der fragte, wie er am besten herrschte, sagte er: Ohne Zorn und wenig redend, aber viel zuhörend" (Lukian., Dem 51, übers. v. Burchard, Jak, 81). Entfernter ist die Analogie in Dion Chr., Or. XXXII,2, wo jedoch der Zorn als letztes Glied fehlt: EYro 8E /lUAAOV äv U/lu<; E1tTIVOUV ßpu8u /lEV
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die Zuordnung gerade des Zorns zum Sprachverhalten, andrerseits der Tataspekt desselben (vgl. Jak 3,13ff; 4,2).49 Die dreigliedrige Mahnung betrifft jeden (beliebigen) Menschen (na<; äv8pco50 no<;). Eine Einschränkung bzw. Fokussierung auf Prediger oder Lehrer erfordert weder das AUA:ilO"ut, das einen weiteren Bedeutungsradius als 8t86.0"KEIV hat,51 noch der Kontext. 52 Konkret angeredet sind die Mitchristen (Jak 1,19a), also auch der nEtpu~6J-lEVO<;. Eine Einschränkung oder Fokussierung auf das Wort Gottes (Jak 1,18) 3 bzw. auf Gott54 ist ebenso unwahrscheinlich: Die 55 Mahnung dürfte zwischenmenschliches Verhalten im Blick haben. In Jak 1,20
49 Das gilt sowohl, wenn man Jak 1,19(f) der Tradition zuschreiben will (so Dibelius, Jak, 143; M. Klein: "Ein vollkommenes Werk". Vollkommenheit, Gesetz und Gericht als theologische Themen des Jakobusbriefs, BWANT VIVI9, Stuttgart/BerlinlKöln 1995, 119; Konradt, Existenz, 76 m. Anm. 242; 201) als auch, wenn man Jak 1,19 für redaktionell hält (Frankemölle, Jak, 327). 50 So L. Simon: Une Ethique de la Sagesse, Commentaire de l'Epitre de Jacques, Geneve 1961, 96-98; 1. Cantinat: Les Epitres de Saint Jacques et de Saint Jude, SB, Paris 1973, 100; vgl. W.M.L. de Wette: Kurze Erklärung der Briefe des Petrus, Judas und Jakobus, Kurzgefaßtes exegetisches Handbuch zum Neuen Testament IIIIl, Leipzig 1847, 113; Beda Venerabilis, in: Bedae Venerabilis Opera, Pars II. Opera exegetica 4, ... In Epistolas VII Catholicas, CChr.SL CXXI, Bedae Opera Pars II,4, Turnhout 1983, 190f; F. Hauck, Jak, 74; 1.B. Adamson: The Epistle of James, NIC, Grand Rapids, Michigan 1976, 78. 51 Vgl. J.E. Huther: Kritisch exegetisches Handbuch über den Brief des Jakobus, dritte, verbesserte und vermehrte Auflage, KEK XV, Göttingen 3 1870, 79f. 52 Zu Jak 3,1 vgl. Burchard, Jak, 135f. 53 So vor allem ältere Kommentare (vgl. die Aufzählung bei Huther, Jak, 78); de Wette, Jak, 113; 1.H. Ropes: A Critical and Exegetical Commentary on the Epistle of St. James, ICC, Edinburgh 21961 (1916), 168f. 54 J. Calvin: Commentaires sur S. Jaques et S. Jude, in: Commentaires de Jean Calvin sur le Nouveau Testament, t. IV, Paris 1855, 704; A.R. Gebser: Der Brief des Jakobus. Mit genauer Berücksichtigung der alten griechischen und lateinischen Ausleger übers. und ausführlich erkl., Berlin 1828, 100; F. Spitta: Der Brief des Jakobus untersucht, Göttingen 1896, 47f; dagegen: de Wette, Jak, 113. Schrage argumentiert gegen die Deutung auf Gott, dass die dritte Mahnung kein radikales Nein zum Zorn zum Ausdruck zu bringen scheint eine Aussage, die "Gott gegenüber undenkbar wäre" (W. Schrage: Der Jakobusbrief, in: Die "Katholischen" Briefe. Die Briefe des Jakobus, Petrus, Johannes und Judas übers. und erkl. von H. Balz und W. Schrage, NTD 10, Göttingen, Zürich 1993, 5-59, hier: 22). Jedoch ist die Frage, ob Jak 1,19c wirklich kein radikales Nein zum Zorn ausdrückt, zumindest umstritten, s. Konradt, Existenz, 201, und unsere Auslegung unten. 55 Speziell das Hören und Reden, manchmal auch der Zorn wurden besonders unter Hinweis auf den AOY0C; uATJ8dac; (Jak 1,18) auf das Wort Gottes bezogen. Das entspricht sicher nicht der zugrunde liegenden weisheitlichen Tradition (vgl. Konradt, Existenz, 200 m. Anm. 196); als Ausgangspunkt der Paränese, welche die Basis des mit der Bekehrung/Taufe gegebenen grundlegenden Wechsels benennt, macht der AOYOC; uATJ8dac; in Jak 1,18 durchaus Sinn, wenn man beim Reden, Hören und Zornigsein an ein Verhalten in zwischenmenschlichen Beziehungen denkt. Im Hinblick auf das letzte Glied, die Mahnung vor dem Zorn, könnte man zwar auf die Opposition 0PY1l versus EV 1tpaG'tTJ'n (8€~a0'8E 'tov ... AOYOV) im Sinne von: "Nehmt das Wort Gottes in Sanftmut und nicht im Zorn an", verweisen (Konradt, Existenz, 201 Anm. 204 interpretiert letzteres als sich "eigenmächtig über das Wort ... erheben"), eine solche Interpretation ist im Hinblick auf Jak 1,21b zwar nicht auszuschließen, jedoch verweist der Duktus von Jak 1,19f stärker auf zwischenmenschliches Verhalten aufgrund des Wortes Gottes (Konradt, Existenz, 201 f;
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schließt sich, das Wort apyYt aufnehmend, mit yap die Begründung an: apyr, yap uvöpo<; ÖtKUtocruvllv BeOU OUK apyase'tut. Der Vers enthält mehrere Interpretationsprobleme: a) Man kann die Begründung in Jak 1,20 entweder nur auf den Zorn in Jak 1, 19c beziehen56 oder auf den ganzen dreigliedrigen Spruch (d.h. auf Hören, Reden und Zürnen).57 Für Ersteres spricht die direkt an Jak 1,19c sich anschließende Stichwortaufnahme von apyi]. M. Klein 58 argumentiert weiter damit, dass sowohl das 'tuxu<; ci<; 'to UKOUcrUt V. 22ff als auch das ßpuöu<; ci<; 'to AUA:r;crUt in 3,1-12 im Folgenden aufgenommen wird, während das bei der Mahnung vor dem Zorn nicht der Fall ist. Er nimmt von daher an, dass sich der Verfasser zu einer sofortigen kurzen Stellungnahme zum Thema "Zorn" veranlasst sah. Genau betrachtet sind jedoch die Verse 22ff schwerlich Ausführung zum 'tuxu<; ci<; 'to UKOUcrUt - in V. 22f geht es um das Verhältnis von Hören und Tun; umgekehrt ist das mit ßpuöu<; ci<; apyYtv angeschlagene Thema des Zorns zwar nicht wörtlich, aber angesichts von sllAo<; 1ttKp6<;59 und aptBeiu (?)60 in Jak 61 3,14ff; 4,lf wohl ein Stück weit sachlich aufgenommen. Direkt weitergeführt wird eigentlich nur - und zwar nicht nur in Jak 3,1-12, sondern schon in 1,26das ßpuöu<; ci<; 'to AuAllcrut.62 Als Argument dafür, Jak 1,20 nur auf den Zorn
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vgl. auch Schrage, Jak, 22; C.L. Mitton: The Epistle of James, London, Edinburgh 1966, 61). So Klein, Werk, 119; F. Mußner: Der Jakobusbrief, Fünfte, durchges. Aufl., HThK XIII/I, Freiburg/Basel/Wien 1987, 100; Schrage, Jak, 22; Cantinat, Jacques, 101; F. Schnider: Der Jakobusbrief, übers. und erkl., RNT, Regensburg 1987,47; H. Windisch: Der Jakobusbrief, in: Die katholischen Briefe erklärt, HNT 15, zweite, stark umgearbeitete Aufl., Tübingen 1930, 1-36, hier: 10. Baker, Speech-Ethics, 88. Klein, Werk, 119; vgl. S. Laws: A Commentary on the Epistle of James, London 1980,80. 1ttKpOe; kann auch die Bedeutung "zornig" haben, vgl. H. Men~e: Langenscheidts Grosswörterbuch Griechisch-Deutsch, Berlin/München/Wien/Zürich, 2 1984 (1913),554. Ept8Eia - das Wort ist schwierig. Das Stammwort ept8oe; bedeutet "Tagelöhner" (s. Burchard, Jak, 158), Ept8EUEtV, Ept8EuEcr8at "für Lohn arbeiten, sich um ein Amt bemühen, konkurrieren, intrigieren" (Burchard, Jak, 158). Ept8Eia begegnet in 2 Kor 12,20 und Gal 5,20 innerhalb von Lasterkatalogen, in denen vorher auch epte; und siiAOe; stehen. Bezeichnet es von daher (in falscher Ableitung von epte;) einen Spezialfall von Streit (so Dibelius, Jak, 252)? Die einzigen vorneutestamentlichen Belege von Ept8Eia bei Aristoteles (pol. 1302b; 1303a), sowie das Verbaladjektiv Ept8EO[1:U]V "unsachlich", "selbstsüchtig", vgl. F. Büchsel: Art. Ept8Eia ThWNT II, Stuttgart/Berlin/Köln 1990 (Studienausgabe), 657f, hier: 657 Z. 37) sprechen eher für Selbstsucht bzw. Eigennutz (vgl. H. Giesen: Art. Ept8Eia, ae;,,,, in: EWNT Bd. II, StuttgartiBerlin/Köln 21992 [1981], 130-131, hier: 131). In Jak 3,13ff; 4,lf findet sich zwar das Motiv gemeinschafts schädigenden und gemeinschaftszerstörenden Verhaltens, das in der oPYTJ zum Ausdruck kommt, wieder, vgl. de Wette, Jak 113; P.H. Davids: The Epistle of James. A Commentary on the Greek Text, Exeter 1982,93; vgl. auch R.W. Wall*: Community ofthe Wise. The Letter of James, The New Testament in Context, Valley Forge, Pennsylvania 1997, 69; 192ff, für den Jak 1,19c in 4,1-5,6 ausgeführt ist, jedoch ohne expliziten Rückbezug auf den Zorn. Für E. Pfeiffer: Der Zusammenhang des Jakobusbriefes, ThStKr 23 (1850), 163-180, hier: 167, ist das ßpa8ue; Eie; oPYTJV in Jak 3,13-4,12 aufgenommen. Auch wenn M. Klein, betont, dass oPYTJ später nicht mehr vorkommt (Klein, Werk, 119), muss er doch für Jak 3,13ff-4,lff eine gewisse Verwandtschaft mit oPYTJ zugeben. V gl. Burchard, Jak, 82.
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in Jak 1, 19c zu beziehen, kann also allein die explizite Wiederaufnahme von opytl direkt nach ßpaoo<; ci<; opytlV gewertet werden. Naheliegender erscheint mir von daher die zweite Möglichkeit, nämlich die, dass sich der an Jak 1,19 anschließende Begründungssatz nicht nur auf dessen letzten Teil, sondern auf den ganzen Vers bezieht, da in Jak 1,21 schon die Fortführung folgt und sonst die beiden ersten Teile von 1,19 unbegründet blieben. Jak nimmt in 1,20 mit dem Stichwort opytl die Klimax der Sentenz von 1,19 auf, die die beiden vorangehenden Glieder in sich enthält - der Zorn zeigt ja, wie wir oben festgestellt haben, einen direkten Bezug zum Sprachverhalten, wenn er auch nicht darauf zu reduzieren ist. b) In der Begründung in Jak 1,20 wechselt das allgemeine ävSpw1to<; (Jak 1,19) in avtlP (vgl. oPYT] yap avop6<;). Bedeutet das, dass opytl hier geschlechtsspezifisch attribuiert wird, dass Jakobus hier Zorn also ausdrücklich dem männlichen Geschlecht zuordnet?63 Oder ist avtlP hier einfach Wechselausdruck für äVSpW1tO<;?64 Die hinsichtlich der geschlechtsspezifischen Zuordnung des Zorns wenig eindeutige diachrone Betrachtung ergibt keine klar auswertbare Tendenz; der sonst bei Jakobus zu beobachtende Wechsel zwischen ävSpw1to<; und avtlP würde eher für die Austauschbarkeit der Begriffe und damit gegen eine bewusst-intendierte geschlechtsspezifische Attribuierung sprechen. c) Umstritten ist, ob "otKatocruvllv SEOU OUK epyaSE-cat" a) im Sinne einer Anerkennung von Gerechtigkeit von Seiten Gottes zu verstehen ist65 oder ß) im Sinn des Tuns der Gerechtigkeit von Seiten des Menschen als 1tou~:tV [-cT]v] otKatocruvllv.66 Im ersten Fall (a) vollbringt der Mann (Mensch) im Zorn kein Werk, aufgrund dessen Gott ihn als Gerechten anerkennt und im eschatologischen Gericht rettet (vgl. Jak 1,21b). 63
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Eine entsprechende Zuordnung für den Zorn (hier aber: 8uJloS) finden wir bei Clemens Alexandrinus, strom. IU, 93,1: " ... OOKEl ön Jlf:V äPPEVU opyf]v, 8f]AEtUV Of: 'tT]V Em8uJltuv ... ", vgl. auch (implizit) Longinus, sublim. 32,1-3. Auch bei den Peripatetikern wird, cf. Cic., Tusc. IV, 43, das Zornig-werden bes. dem Mann zugeordnet. - Im Sinne einer geschlechtsspezifischen Zuordnung interpretiert J.A. Bengel: Gnomon Novi Testamenti, Ed. octava, Stuttgart 1887, 953, Jak 1,20: "Sexus virilis maxime iram alit". Auch Jak 1,23 bietet im unmittelbaren Kontext avf]p im Zusammenhang mit dem Nur-Hörer und Nicht-Täter des Wortes. Vgl. Jak 1,7f (?); 3,2.8f. Für das Vorliegen eines Wechselausdrucks optieren Gebser, Jak, 100f; de Wette, Jak, 113; Huther, Jak, 80. 82; F. Hauck: Der Brief des Jakobus ausgelegt, KNT XVI, Leipzig 1926, 75; Davids, James, 92; 1. Th. Johnson: The Letter of James. A New Translation with Introduction and Commentary, AncB 37 A, New YorkILondon u.a. 1995,200; auch Cantinat, Jaques, 101, lehnt die Opposition zu yuvf] ab. Nach ihm ersetzt Jakobus avf]p "pour partialiser l'affirmation". So Burchard, Jak, 67; 82i Konradt, Existenz, 238; vgl. Schrage, Jak, 22; F. Vouga: L'Epltre de Saint Jacques, CNT 2 me serielXIUa, Geneve 1984, 62. So die meisten, vgl. die Lutherübersetzung: "tut nicht, was vor Gott recht ist" (= Die Bibel. Nach der deutschen Übersetzung M. Luthers, Stuttgart 1970 [1956 und 1964]); Huther, Jak, 80ff; de Wette, Jak, 113; Ropes, James, 169; E. Ruckstuhl: Jakobusbrief, 1.-3. Johannesbrief, NEB.NT 17/19, Würzburg 1988, 14. Zur Formulierung 1tOtElV 'tT]V OtKutocruvllv vgl. Gen 18,19 LXX; Jes 56,1 LXX; Mt 6,1; 1 Joh 2,29; Apk 22,11.
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Im zweiten Fall (ß) würde ÖtKUtOCS'\JVllv ... Epya~Ecr9ut analog zur (konträren) Formulierung uJ,lup-ciuv Epya~Ecr9ut (Jak 2,9)6 im Sinne von 1tOtEtV -co ÖiKUtOV gebraucht. Jak 1,20 bedeutet dann: Der Zornige 68 tut nicht das (vor Gott) Rechte. 69 Die Entscheidung ist schwierig. Für die erste Deutung verweist eh. Burchard erstens auf den näheren Kontext: Jak 1,18 und 1,21 sind soteriologisch und nicht ethisch geprägt. Dem entspräche, dass Jak 1, 19f kein ethisches Thema für später angibt. Die zweite Deutung hat vor allem den Sprachgebrauch für sich: Epya~E-cut bedeutet normalerweise "tun" o.ä.; die Bedeutung "bewirken", die die erste Deutung erforderte, ist nicht ausgeschlossen (vgl. 2 Kor 7,10; Herm, Sim 8,8,5), aber eigentlich dem Verb Ku-cEpya~Ecr9ut (vgl. Jak 1,3) zugeordnet. 70 "Epya~Ecr9ut ÖtKutocrovllv" meint "tun, was recht ist'j71 "Epya~Ecr9ut ÖtKUtocrovllv 9EOO" folglich "tun, was vor Gott recht ist". 2 Diese ethische Deutung passt insofern in den Kontext, als der auf dem Aoyor; (l, 18.21 b) basierende grundlegende Wechsel einen Wechsel der Existenzweise beinhaltet: Der Zorn (opyr}) - aufgenommen in 1tucruv pU1tupiuv KUt 1tEptcrcrduv KUKiur; soll abgelegt werden; U1to-ci9Ecr9ut begegnet in der neutestamentlichen Briefliteratur sonst fast ausschließlich im Zusammenhang mit negativ qualifiziertem Tun. 73 Nun wendet M. Dibelius gegen diese zweite Deutung, die mir wahrscheinlicher erscheint, ein, dass die Fassung "der Zornige tut nicht das (vor Gott) Rechte" eine Trivialität ergäbe. 74 Dem ist nicht so. Angesichts der antiken Diskussion um den "gerechten Zorn" ist die Feststellung, dass der Zornige nicht das (vor Gott) Rechte tue, gar keine triviale Feststellung: Schon W. Beyschlag Vgl. Mt 7,23 (EpyaSollEvot t1)v aVolltav); 1 Makk 9,23 (EpyaSollEvot t1)v aOtKtav), vgl. auch Ga16, 10 (EpyaScOllE8a tO aya8ov). 68 Genauer: des Mannes Zorn, d.h. der Mann [Mensch] im Zorn = der Zornige. 69 D.h. das, was vor Gott recht ist. Burchard, Jak, 82, umschreibt diese Möglichkeit so: "Im ... Zorn tut ein Mann (weiteres) Unrecht"; Vouga, Jacques, 62, etwas abweichend: "l'emporternent, les affirmations ou les protestations assenees avec violence ne peuvent passer pour de l'obeissance ala volonte de Dieu". 70 Vgl. Ropes, James, 169f. Eine ganze Reihe von Handschriften (e· P 0246; 1739; M) lesen aber ou KatEpyaSEtat. Vorzug verdient jedoch die Lesart OUK EpyaSEtat; KatEpyaSEtat ist vielleicht auf die Tendenz der Abschreiber, das Verb zu verstärken und auf eine Angleichung an Jak 1,3 zurückzuführen. Ob damit auch eine inhaltliche Änderung intendiert war, ist offen zu lassen. 71 Vgl. Ps 14,2 LXX; Act 10,35; Hebr 11,33; Herrn, Vis 1I,2,7; 1I,3,3; Mand V,I,I; XII,3,1; 6,2; Sim IX,13,7. Vgl. umgekehrt EpyaSE0'8at t1)v aVOlltaV Ps 5,5f LXX; Ps 6,9 LXX; Ps 13,4 LXX; Ps 35,13 LXX; Ps 52,5 LXX; (Ps 57,2 LXX); Ps 58,3.6 LXX; u.ö.; EpyaSE0'8at (t1)v) aOtKtaV Ps 27,3 LXX; Ps 63,3 S'L" B S 55; U.ö. (cf. ed. A. Rahlfs: Psalmi cum Odis, Septuaginta, Vetus Testamenturn Graecum, Auctoritate Academiae Litterarum Gottingensis, vol. X, Göttingen 2 1967 [1931]); EpyaSE0'8at KaKov/ KaKa Prov 3,30; 10,29; Mi 2,1. n OtKatOO'uVll ist in alttestamentlich-jüdischer Tradition als gemeinschafts gemäßes Verhalten gefasst, vgl. G.v. Rad: Theologie des Alten Testaments, Bd. I, Die Theologie der geschichtlichen Überlieferungen Israels, München 1978, 382ff. 73 Vgl. Röm 13,12 (a1to8cOIlE8a ... tU Epya tou O'KOtOUC;); Eph 4,22.25 (V25: Rede); Kol 3,8; 1 Petr 2,1. Nur Hebr 12,1 (allapttav) ist nicht unbedingt an ein "Tun" zu denken. 74 Dibelius, Jak, 142. 67
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hat darauf aufmerksam gemacht, dass "die opyf) selbst und die daraus herfließenden Werke mitunter für etwas Gottwohlgefälliges galten."75 Die Vorstellung eines gerechten Zornes war jedoch nicht nur im jüdischen, sondern auch im paganen antiken Kontext verbreitet,76 so dass - gegen W. Beyschlag - in Jak 1,20 keine antijüdische Polemik, sondern eine dezidierte Stellungnahme in einer gemeinantiken Diskussion angenommen werden muss. Versuchen wir nun, Jakobus' Auffassung vom Zorn zu präzisieren, indem wir daraufhin die Verse 1, 19f betrachten: Die Formulierung "ßpu8ue; cie; opyf)v" in Jak 1,19 erinnert, wie wir gesehen haben, an das weisheitliche Ideal der JluKpo8q..liu, des Langsam-Seins-zumZorn. Sie hebt folglich die Bedeutung des Zeitrnoments beim Zorn hervor, ohne diesen ganz und gar zu verurteilen. Dagegen lehnt die Begründung (yap) in Jak 1,20 den Zorn völlig ab - das gilt sowohl, wenn man der oben aufgeführten ersten Interpretationsmöglichkeit, als auch, wenn man der zweiten Interpretationsmöglichkeit anhängt. Eine Unterscheidung zwischen gerechtem und ungerechtem, positiv und negativ gewertetem Zorn fehlt in Jak 1,20. Ist der Zorn für PsJakobus nach Jak 1, 19f nun unter der Bedingung, dass man sich lange genug in Geduld übt, erlaubt oder grundsätzlich verboten? Wird der Zorn hier "nur" bedingt oder absolut negativ gewertet? Häufig wird ßpu8ue; cie; opyf)v (1,19) so interpretiert, dass hier kein radikales Nein zum menschlichen Zorn ausgesprochen werde,77 was sicher der hier aufgenommenen Tradition entspricht und sich insgesamt gut in die jüdische Tradition einfügt. Es fällt auf, dass Jak 1,19 stilistisch stark geprägt ist. Die Antithese von -ruxue; und ßpu8ue; und der parallele Aufbau von Jak 1,19b.c warnen davor, die Formulierung zu pressen: bei -ruxue; und ßpu8ue; handelt es sich um eine rhetorisch geläufige 78 und effektvolle Opposition, die für das letzte Glied einen bestimmten Gestaltungszwang mit sich brachte. Zwar wirkt die Formulierung auch in Jak 1,20 durchaus konventionell, jedoch ist dort kein analoger formaler Gestaltungszwang ersichtlich. Folglich ist der grundsätzlichen Verurteilung des
75 W. Beyschlag: Der Brief des Jacobus, KEK XV, Göttingen 61897, 80, vgl. daneben noch Hauck, Jakobus, 74, zum Zorn der Rabbinen Bill. I, 276ff; Av 2, 6(5) (Hillel: Der Aufbrausende eignet sich nicht zum Lehrer); Av 5, 14( 11); bSchab 31 a (der Jähzorn Schamais im Gegensatz zur Sanftmut Hillels). 76 Zu Aristoteles und den Rhetoriken von Cicero und Quintilian, s.o.; vgl. auch Ditt3 , Syll 780,22 (un' apYile; OU[K] aöiKou). 77 Vgl. E. Sjöberg: apyfJ K'tA...: Der Zorn des Menschen und der Zorn Gottes im NT, in: ThWNT V, Stuttgart/BerlinIKöln 1990, (Studienausgabe), 419-448, 422; Schrage, Jak, 22; D.J. Moo: The Letter of James, An Introduction and Commentary, TNTC, Leicester (England)/Grand Rapids (MI) 1985. James, 78; Frankemölle, Jak, 327. Nach P.H. Davids: Controlling the Tongue and the Wallet. Discipleship in James, in: R.N. Longenecker: Patterns of Discipleship in the New Testament, Grand Rapids (MI)/Cambridge (UK) 1996, 237, spricht Jak 1,19f nicht grundsätzlich vom Affekt des Zorns, sondern vom Ausdruck des Zorns: "James is not speaking here about the emotion of anger, which is relatively incontrollable, but the expression ofanger, especially in speech", vgl. ders., James, 93 (ad 1,20): "human outburst of anger" (Hervorhebungen von mir). 78 Vgl. die Belege bei Dibelius, Jak, 143 Anm. 1.
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Zorns in Jak 1,20 der Vorzug zu geben79 und das yap als weiterführende Präzisierung von Jak 1,19 zu werten. Das bedeutet: Für PsJakobus gibt es letztendlich keinen berechtigten Zorn. 80 Seine grundsätzliche Ablehnung des Zorns ist als Verschärfung gegenüber der jüdischen Tradition zu werten, die eine strukturelle 81 Analogie in der Stoa hat, die den Zorn ebenfalls absolut ablehnt. Erhärtet werden kann diese Interpretation durch die sich in Jak 1,21 an die absolute Verurteilung des Zornes in 1,20 anschließende Folgerung (8to): ,,8to uno8ellEVOt
nucruv punupiuv KUt nEptcrcrduv KUKim; ev npu6nT'tt, 8e~ucr8E 'tov EIl
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Mit Konradt, Existenz, 201; A. Schlatter: Der Brief des Jakobus ausgelegt, Stuttgart 21956 (1932), 14lf. Vgl. Hauck, Jakobus, 74. Davids, James, 93, erwägt die Stoa (neben der Lehre Jesu) hier als "background". Ob das zutrifft oder nicht - strukturell ist die grundsätzliche Verurteilung des Zorns der Stoa analog. Eine grundsätzliche Ablehnung des Zorns lässt sich (s.u.) auch in Mt 5,22 ausmachen. Konradt, Existenz, 202. Im Jakobusbrief fehlt hingegen völlig (abgesehen von der Zitierung des Dekaloggebots in Jak 2,11) die im Judentum des zweiten Tempels und im Frühchristentum wichtige Sexualparänese, vgl. Konradt, Existenz, 203. In dem ebenfalls judenchristlich geprägten Matthäus-Evangelium wird in Mt 5,2lff der Zorn vor dem begehrlichen Blick (Mt 5,28) angesprochen. EV 1tpuGtrrn kann sich sowohl auf a,1toti9Ecr9ut und somit auf das Ablegen der Negativa der alten Existenzweise beziehen, als auch auf das ÖEXEcr9ut des eingepflanzten/angeborenen Wortes. Letzteres liegt insofern näher, als die 1tpuGtll<; eher der neuen Existenzweise zuzuordnen ist (vgl. auch Gal 6,1; Eph 4,2; u.ö.) - wenn man die Negativa abgelegt hat, kann man in Sanftmut den AOYO<; annehmen. Weiter wird auch in Jak 3,13 das EV 1tpuGtlltl mit einem positiven Begriff (cro
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der Aggression. 85 Bisweilen steht sie zusammen mit der 'tU1tEtvoepPOCHJVll, der Demut (zu letzterer vgl. Jak 4,6-10).86 Gleichwohl zeigt die grammatikalische Konstruktion in Jak 1,21, dass die 1tpu(nllC; hier nicht auf den interpersonalen Bereich beschränkt ist, sondern über die Annahme des Wortes auch das Verhältnis zu Gott angesprochen ist. Ist in Jak 1,19-21 der Wortaspekt besonders hervorgehoben, so kommt in Jak 3,13ff - also zu Beginn des zweiten Teils innerhalb des Hauptteils 87 - der Tataspekt stärker zum Tragen: "Derjenige, der weise und klug ist, zeige anhand des guten Lebenswandels seine Taten auf (EV 1tpu(nll'tt croepiuC;)". Der Genitiv croepiuC; kann genitivus qualitatis,88 aber auch §3enitivus possessivus (bzw. auctoris) sein,89 wahrscheinlich scheint letzteres: die Sanftmut gehört zur Weisheit bzw. entspringt (wird hervorgebracht von) ihr. Der 1tpu(nllC; entgegengesetzt91 sind st;AOC; 1ttKPOC;92 und Ept8du 93 (Jak 3,14), sie entsprechen nicht der (ävro8EV) croepiu und der durch sie bestimmten christlichen Existenz. 0PY1l (1,19), sllAOC; 1ttKPOC; und Ept8du (3,14) stehen exemplarisch für den affektverhafteten, selbstsüchtigen Menschen. 94 Diese Seite seiner Existenz ist, wie der temporal vom Einst-Jetzt-Schema geprägte Vers Jak 1,21 deutlich macht, abzulegen, um das Wort (in Sanftmut) anzunehmen. Der temporalen Entgegensetzung entspricht in Jak 3,13ff; 4,lff eine lokale, die geprägt ist vom Dualismus zwischen ävro8Ev croepiu und der croepiu, die E1tiYEtOC; \jfUXtK1l und 8ut/-lovtro811C; ist (Jak 3,15). Diese temporale bzw. topologisch-dualistische Oppositi-
Vgl. Jak 3,13f; 1 Kor 4,21 (EV pußÖql versus EV ayunn nVEuJlu'ti 'tE npul>'tTJ'tO<;); Gal 5,20-23; Kol 3,8.12; 2 Tim 1,23-25, vgl. weiter Tit 3,2 (uJlUXou<; versus E1ttE1KE1<;, npul>'tTJ<;)· 86 Vgl. Jes 26,6 LXX; Soph 3,12 LXX (npuG<; KUt 'tunElvo,); Prov 16,19 LXX (npuGBuJl0<; JlE'tU 'tunElvrocrEffi<;); Sir 3,17f; 1O,14f; Mt 11,29 (npuü<; EiJll KUt 'tunElvo<;); Eph 4,2 ('tunELVo
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on95 radikalisiert jeweils die Mahnung und kann weder opyr" noch Sl1AoC; und Ept8da irgendeinen positiven Aspekt abgewinnen. 96 Erfolgt die radikale Ablehnung des Zorns in Jak 1 jedoch durch die temporale Entgegensetzung im (zugrunde liegenden) Einst-Jetzt-Schema, so die Abhebung von SllAOC; 1ttKPOS und Ept8da und die dem Zorn entgegengesetzte positive Wertung der 1tpaü'tllC; in Jak 3 dagegen durch die spatiale Opposition von oben und unten. 97 Als Ergebnis unserer Analyse können wir also festhalten, dass PsJakobus zwar in der Tradition des alttestamentlich-frühjüdischen Verständnisses des Zorns steht (vgl. 1,19), die Tradition jedoch radikalisierend zuspitzt, so dass der Zorn im Jakobusbrief letztendlich absolut verurteilt wird und folglich strukturell näher bei dem Rigorismus der Stoa als beim Peripatos zum Stehen kommt. Dieses Ergebnis ist überraschend. In einer so stark jüdisch geprägten urchristlichen Schrift wie dem Jakobusbrief erwartet man eigentlich den Standpunkt einer nur relativen Verurteilung, nicht aber den einer absoluten Zurückweisung des Zorns. Historische Forschung kann sich mit der Feststellung dieses Sachverhalts nicht begnügen. Es ist folglich weiter zu fragen, ob er sich aus dem spezifischen Kontext des Jakobusbriefes heraus erklären könnte. Deshalb fragen wir im folgenden, ob die im Jakobusbrief vorliegende Bewertung des Zorns isoliert im Urchristentum vorkommt oder ob sie Analogien hat. 3. Analoge Wertungen des Zorns im Urchristentum
Auf der Suche nach Analogien im Urchristentum stoßen wir auf ein interessantes Phänomen: Die Tendenz des Jakobusbriefes, die Wertung des Zorns zu verschärfen, findet sich ausgerechnet auch in zwei weiteren judenchristlichen Schriften, die - wie der Jakobusbrief - wohl im syrischen Raum zu verorten sind: 98 im Matthäusevangelium und der Didache. Die Wertung des Zorns im Ja-
95 Vgl. auch die scharfe Alternative zwischen Kocrfloe; und SB oe; in Jak 4,4. 96 97
98
Das "Triebwesen" des Menschen (die Formulierung geht auf Konradt, Existenz, 252, zurück) ist nicht zu beherrschen oder zu transformieren, sondern abzulegen (Jak 1,21). Wir können also einen Fortschritt von Jak 1 zu Jak 3 konstatieren: Während Jak 1,19-21 auf die Wiedergeburt durch das Wort der Wahrheit bezogen ist und damit (in Form einer postkonversionalen Mahnrede) sich auf die Konversion/Taufe zurückbezieht, verweisen Jak 3,13ff; 4,lff auf die Weisheit von oben, die durch Friedfertigkeit, Güte, etc. charakterisiert ist. Hier ist nicht die Anfangssituation im Blick, sondern die christliche Existenz in der Zeit, die sich im Reden und Tun zu bewähren hat (vgl. Konradt, 253). Die Lokalisierung des Jakobusbriefs ist schwierig (vgl. Burchard, Jak, 7). Mehrheitlich wird er jedoch in Antiochia bzw. Syrien verortet (vgl. die ausführliche Diskussion bei Konradt, Existenz, 334-336). Zur Lokalisation des Matthäusevangeliums in Syrien vgl. U. Luz: Das Evangelium nach Matthäus, 1. Teilband, Mt 1-7, EKK 111, Zürich 3 1992 (1985), 73-75, sowie G. Theißen: Lokalkolorit und Zeitgeschichte in den Evangelien. Ein Beitrag zur Geschichte der synoptischen Tradition, NTOA 8, Freiburg (Schweiz)/Göttingen 1989, 261-264. Zur Lokalisierung der Didache in Syrien vgl. K. Wengst: Didache (Apostellehre), Barnabasbrief, Zweiter Klemensbrief, Schrift an Diognet. Eingeleitet, herausgegeben, übertragen und erläutert, Schriften des Urchristentums II, Darmstadt 1984, 6lf; K. Niederwimmer: Die Didache, Kommentar zu den Apostolischen Vätern I, Göttingen 1989, 79f.
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kobusbrief scheint also nicht zufällig zu sein, sondern hat Parallelen innerhalb der judenchristlichen Tradition. Betrachten wir deshalb die Wertung des Zorns in diesen beiden Schriften etwas näher: 3.1) In Mt 5,21fstellt Jesus der These: ,,«Du sollst nicht töten».99 Wer aber tötet, soll dem Gericht verfallen" die Antithese entgegen: "Jeder, der (na<; 6) seinem Bruder zürnt (opytS0J..lEvo<;), soll dem Gericht verfallen". Der parallele Schluss, der die Konsequenz formuliert: EVOXO<; EO''tat 'tTI KP10'€t, stellt Mord und Zorn auf die gleiche Stufe: 100 Zorn wird als genauso schlimm wie Mord gewertet. Während die frühjüdische Tradition Zorn und Mord durchaus in ein konsekutives Verhältnis bringen konnte, wohl wissend, dass Zorn zum Mord führen kann, 101 fällt hier die evaluative Gleichstellung von Zorn und Mord auf. 102 Im Vergleich zum AT und den frühjüdischen Schriften 103 fällt erstens weiter auf, dass der Zorn in Mt 5,22 ohne irgendeine Einschränkung verurteilt wird. Das macht zweitens die sekundäre Textänderung in einer Reihe von Handschriften deutlich, die in Mt 5,22 dKTI bieten: opytS0J.l€vo<; 'tql a8€ACj)ql au'tou dKft,104 Drittens heißt es in der wohl nächsten Parallele zu Mt 5,22: "Wer gegen irgendeinenMenschen Zorn übt ohne (voraus§egangene) Kränkung, den wird der Zorn des Herrn dahinmähen" (slHen 44,2f).1 5 Wie in Mt 5,22 wird hier der Zorn geEx 20,13. - Zu Mt 5,2lf vgl. genauer meinen Artikel: "La gestion de la coU:re et de I' agression dans I' Antiquite et dans le sermon sur la montagne" , in : Henoch 25 (2003) 1945. 100 Ch. Dietzfelbinger: Die Antithesen der Bergpredigt, TEH 186, München 1975, 15. 101 Sir 22,24; TestDan I,7f; TestSim 1I,11ff; TestSeb IV,l1; Philo, SpecLeg 111,104; vgl. Did 3,2; vgl. auch schon Anchscheschonqi 22,2lff(TUAT 111/2); Achikar 111,73 (ed. Nau). 102 Das NT CI Joh 3,15) sowie die rabbinische Literatur (Derek Erez 10 = Bill. I, 282) kennen die evaluative Gleichstellung von Hass und Mord. 103 Vgl. oben S. 100ff. 104 Die Han~.schriften, die 6pytSOJlEVOC; n{) aOEA
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gen den Mitmenschen 106 dem Gericht unterstellt. Anders als Mt 5,22 wird hier jedoch nur der Zorn verurteilt, dem keine Kränkung vorausging, der also nicht ("nur") reaktiv ist. I07 Die absolute Verurteilung des Zorns in Mt 5,22 scheint die alttestamentlichfrühjüdische Tradition also radikalisierend zuzuspitzen. 3.2) Auch in Did 3,2 können wir eine entsprechende Tendenz zur Normverschärfung bei der Wertung des Zornes beobachten. Die Mahnung: "Sei nicht zornig (JlTl yivoo opyiAOC;); der Zorn nämlich fUhrt zum Mord (68rWEt yap 1l0PY1l npoc; 'tov <povov). Sei auch kein Fanatiker (Sl1Aün1lC;), nicht streitsüchtig, nicht zornmütig (80J.ltKOC;); denn aus diesem allen entstehen Morde" 108
lichkeiten: "a) der Zorn hat keine Ursache, hat also keinerlei einsichtige Begründung, b) der Zorn hat keine Folgen, "verraucht" also ohne bleibende Schädigung" (Brief von Ch. Böttrich vom 29. 3. 2001). Sprachlich ist die Frage also nicht zu entscheiden. Jedoch erscheinen mir die Übersetzungen von G.N. Bonwetsch und 1. Bonsirven aus inneren Gründen gegenüber der von Ch. Böttrich unwahrscheinlich, da "ohne Schaden" eine Folge beschreibt und der Argumentation das Prinzip der talio zugrunde liegt, was implizieren würde, dass der Zornige den Zorn des Herrn ernten würde "ohne Schaden". - sI Hen 44,3 kommt der Formulierung in Mt 5,22a nahe: auch hier wird der Zorn gegen einen Mitmenschen dem Gericht unterstellt. Doch anders als in Mt 5,22a fehlt hier erstens das generalisierende ,jeder, der", zweitens gilt die Gerichtsdrohung (auch wenn KpiO'tC; in Mt 5,22a nicht notwendigerweise eine eschatologische Konnotation hat, so ist diese Bedeutung im abschließenden yeEvvuv 'tou 7tUPOC; mitgesetzt) im slavischen Henoch nur dem grundlosen Zorn, wie die einschränkende Bemerkung "ohne (vorausgegangene) Kränkung" deutlich macht (vgl. auch Sir 11,9 nach dem verbesserten hebräischen Text von H.P. Rüger: Text und Textform im hebräischen Sirach. Untersuchungen zur Textgeschichte und Textkritik der hebräischen Sirachfragmente aus der Kairoer Geniza, BZAW 112, Berlin 1970, 69, vgl. auch G. Sauer: Jesus Sirach (Ben Sira), JSHRZ IIII5, Gütersloh 1981, 532, ders.: Jesus Sirach! BenSira, übers. und erkl., ATD. Apokryphen, Bd. I, Göttingen 2000, 110 mit Anm.169). 106 Mt 5,22 spricht vom Bruder (aOEA,<poc;), was jedoch (gegen 1. Jeremias: Die Gleichnisse Jesu, Göttingen 10 1984 [1947], 108 Anm. 2) nicht als Einschränkung der Reichweite des Wortes zu interpretieren ist. Zwar ist anzunehmen, dass Matthäus bei aOEA,<poc; (zuerst) an den christlichen Bruder denkt, was jedoch nicht notwendigerweise impliziert, dass Matthäus damit eine Einschränkung des Geltungsbereichs der ersten Antithese intendiert. Gegen eine intendierte Einschränkung des Geltungsbereiches sprechen a) dass die These ohne irgendeine Einschränkung formuliert ist, b) die beiden Konkretionen in Mt 5,23f.25f sowie Mt 5,44f.47 und c) die zweite Antithese, die sicher nicht nur den begehrlichen Blick auf christliche Frauen meint. 107 Ganz ähnlich in I QS 7,8, wo eine sechsmonatige Strafe für den vorgesehen ist, der "seinem Nächsten grollt ohne Grund" (übers. v. E. Lohse, vgl. ders. [Hg.]: Die Texte aus Qumran, Hebräisch und deutsch. Mit masoretischer Punktation, Übersetzung, Einführung und Anmerkungen, Darmstadt 1964, Hervorhebung von mir). Sir 1,22a verurteilt "nur" den une;erechten Zorn (8q.loC; äOtKOC;). 108 Ubers. v.: A. Lindemann: Didache, in: Die Apostolischen Väter. Griechisch-deutsche Parallelausgabe auf der Grundlage der Ausgaben von F.X. Funk, K. Bihlmeyer und M. Whittaker mit Übersetzungen von M. Dibelius und D.-A. Koch, neu übers. und hg.v. A. Lindemann! H. Paulsen, Tübingen 1992, 1-21, hier: 7.
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wird nämlich durch die Aufforderung eingeleitet: TSKVOV ~OU, «>8UY8 navroc; novllpou Kat navroc; oJ.loiou au't'ou - mein Kind, flieh vor jeglichem Bösen und vor allem, was ihm ähnlich ist. Durch novllPoc; wie durch den Mord als Folge l09 des apyiAoc;-Seins wird der Zorn eindeutig negativ qualifiziert. Did 3,lf mahnt nun nicht zu einem bewältigenden Umgang mit dem Zorn, sondern dezidiert zur Flucht vor dem Zorn, was als radikalisierender Zug gegenüber dem Gros der jüdischen Tradition gewertet werden kann. llo Dieser ist gleichwohl weniger stark ausgeprägt als in der ersten Antithese (Mt 5,22), da diese Zorn und Mord auf eine Stufe stellt, während Did 3,2 "nur" eine konsekutive, wenn auch sehr betonte Verbindung von Zorn und Mord herstellt. Von daher ist Did 3,2 als stärker konventionell denn Mt 5,22 einzustufen. 111
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3.3) Anders als die paganen und die frühen alttestamentlich-weisheitlichen Belege wird die Zornesthematik in späteren Texten (Sir, TestXII) zunehmend auf die Glaubensgemeinschaft bezogen. Dieser Bezug auf die Gemeinde ist, wenn auch nicht ausschließlich, I 12 auch in den eben besprochenen drei judenchristlichen Schriften zu beobachten. Nun kennen alle drei Schriften - Matthäus, Jakobus und die Didache - die Idee der correctio fraterna. Während Mt 18,15-18 das äußere Procedere klärt, präzisiert der Didachist den psychologischen Aspekt des EASYX81V: EASYX8't'8 88 aAAf}AOUC; ~1) EV apYil, aAA' EV dpftvn cOC; EX8't'8 EV 't'ql
8uaYY8Aicp.113
In Jak 5, 19f fehlt eine entsprechende Präzisierung: Über das "Wie" des Zurückbringens eines von der Wahrheit abgeirrten Bruders werden "keine expliziten Aussagen gemacht". 114 Man kann sich gleichwohl fragen, ob ein entsprechender Gedanke auch bei Jakobus mitgesetzt sein könnte. So lassen sich eine Reihe von Bezügen zwischen Jak 5,19fund Jak 1,13-21 beobachten: - Die Anrede mit a88A«>oi ~OU (Jak 5,19) begegnete schon in Jak 1,16.19. 115 I09Möglicherweise weist die Formulierung mit 68rlYdv auf einen Einfluß der TestXII, so J.S. Kloppenborg: The Transformation of Moral Exhortation in Didache 1-5, in: C.N. Jefford (Hg.): The Didache in Context, Essays on its Text, History and Transmission, NT.S 77, LeidenfNew York/Köln 1995, 88-109, 106; vgl. das 68fJydv in TestJud XIV,I; XIX, I. 110 Eine Nähe lässt sich zu den TestXII (s.o.) und zur (späteren) Derek-Erez-Literatur ausmachen, s. H. van de Sandt: Didache 3,1-6: A Transformation ofan Existing Jewish Hortatory Pattern, in: JSJ 23 (1992),21-41. 111 Vgl. Niederwimmer, Didache, 127: "Mt 5,21f bildet ... eine (freilich radikalere) Parallele zu dem Gedanken, den unser Text ausspricht". 112 Das Exempel in Mt 5,25füberschreitet die Gemeindegrenzen. 113 Did 15,3. Das erinnert in gewisser Weise an die Weisheit Sirachs: "Weise den Nächsten (1tAfJcriov) zurecht (eAEYSov), bevor du grollst (um:tAllcrat) ... " (Sir 19,17), übers. v. A. Schenk-Ziegler: Correctio fratema im Neuen Testament. Die "brüderliche Zurechtweisung" in biblischen, frühjüdischen und hellenistischen Schriften, fzb 84, Würzburg 1997, 102. Zum möglichen Rückbezug von Did 15,3 auf Mt 18,15ffvgl. Schenk-Ziegler, Correc. tio, 310 mit Anm. 91. 114 Schenk-Ziegler, Correctio, 416.
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- Das 1tAuvucr8ut (5,19) bzw. die 1tAUVll (5,20) begegnete schon im Imperativ f.lt, 1tAuvucr8e in Jak 1,16: in Jak l 16 als Warnung; Jak 5,19 dagegen zeichnet den Fall einer (erfolgten) Verirrung. i 16 - Die Konkretisierung von 1tAuv1l8fl durch "U1tO 'tt;<; uA1l8du<;" in Jak 5,19 nimmt den Aayo<; uA1l8eiu<; (Jak 1,18) auf: "durch das Wort der Wahrheit (Aaycp UA118du<;)" gebar der Vater die Christen 117 "mit (vollem) Willen.,,118 Und kurz darauf mahnt Jakobus zum Annehmen des EIl
Beobachtung allein ist jedoch wenig aussagekräftig, da bei Jakobus die Anrede mit a8sA<poi Jlou häufiger ist. 116 Das Verb 1tAuva.cr8ut begegnet auch in Mt 18,12-14 im Gleichnis vom verirrten Schaf (1tAuva.cr8ut ist der mt Redaktion zuzuordnen, vgl. U. Luz: Das Evangelium nach Matthäus, 3. Teilband, Mt 18-25, EKK I13, Zürich 1997, 26), das bei Matthäus den vorbildlichen Umgang mit irrenden Gemeindegliedern vor Augen führt. An das Gleichnis schließt sich in Mt 18, 15ff eine differenzierte Verhaltensregelung für die Zurechtweisung des Sünders an, die als ultima ratio den Ausschluss aus der Gemeinde kennt. Der in Mt 18,15-17 geregelte Gemeindeausschluss, der wohl die Exkommunikationsordnung der matthäischen Gemeinde spiegelt (Luz, Mt, EKK I13, 42), steht im Kontext nicht nur in Spannung zum Gleichnis vom verirrten Schaf (Mt 18,12ft), sondern auch zur Forderung unbegrenzter Vergebungsbereitschaft (Mt 18,21f) und dem sich daran anschließenden Gleichnis vom unbarmherzigen Schuldner, wo die JluKpo8uJliu, das Langsamsein-zum-Zorn eine zentrale Rolle spielt. Die aPYil des KUp1.O<; (Mt 18,34) entzündet sich schließlich an nicht gewährtem (obwohl selbst erfahrenem) Schuldenerlass. Durch die Situierung des von der Tradition seiner Gemeinde geprägten Abschnitts Mt 18,15-17 in diesem Kontext wollte Matthäus sicher einen korrigierenden Akzent setzen. 117 Vgl. die Formulierung in der ersten Person Plural: 1iJlS1:<;. 118 Burchard, Jak, 67. 119 In beiden Fällen ist der Tod wohl nicht primär futurisch-eschatologisch, sondern meint metaphorisch die tote Existenz im Leben, die im endgültigen Tod nur besiegelt wird, s. Konradt, Existenz, 56-58 (S. 58: ,,8ava:to<; bezeichnet ... die schon gegenwärtige Unheilssituation des Sünders"), 19lf; 299, vgl. Burchard, Jak, 74. 1208esucr8s 'tOV EJl
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wird nicht ausgeführt. Die Kontextbeziehungen zu Jak 1,13ff (und Did 15,13) lassen erwägen, ob Jakobus hier nicht an das 1'axue; Eie; 1'0 cl.KO\)cra1, ßpaöue; Eie; 1'0 'Aa'A11cra1, ßpaöue; Eie; apyi}v aus Jak 1,19 denkt. Auch der folgende Vers aPYll yap ö1Ka1ocruvllV SEO\) OUK EpyaSE1'a1 könnte im Schluss des Jakobusbriefes eine Entsprechul)1 haben, wo es in Bezug auf den, der einen Sünder zur Umkehr bewegt, I heißt: Ka'AU\lfE1 1t'AilSoe; aJ.!apn&v (Jak 5,20). Die Formulierung Ka'AU\lfE1 1tA:ijSoe; allapn&v geht wahrscheinlich auf eine Sentenz über die Liebe zurück,122 die möglicherweise aufProv 10,12b oder eine Variante davon zurückzuführen ist. 123 Auffalligerweise finden wir in TestJos XVII,2 eine Formulierung, die hier einzuordnen ist, und die bei der Präzisierung des Modus auf eine semantische Opposition zu apYil rekurriert, nämlich auf das Langsam-Sein-zum-Zorn, die Langmut (J.!aKpoSuJ.!ia): "Und nun, liebt euch gegenseitig und verbergt in Langmut gegenseitig eure Verfehlungen ( ... Kat EV J.!aKpoSullia crU)'KPU1t1'E1'E u'A'Ail'Aoue; Ta E'Aa1'1'roJ.!a1'a)".124 Es ist also nicht auszuschließen, wenn auch nicht zu beweisen, dass Jakobus hinsichtlich der angezielten correctio fraterna der in Jak 1, 19fbeschriebene Modus vor Augen schwebte. 125 Wir kommen zu einem klaren Ergebnis: Die Verschärfung der relativen zu einer absoluten Verurteilung des Zorns findet sich in einer Reihe von judenchristlichen Schriften aus dem syrischen Raum am Ende des ersten oder zu Beginn des zweiten Jahrhunderts n.Chr. Sie verschärfen die biblische Tradition und nähern sich dabei strukturell der stoischen Tradition, wo wir ebenfalls eine absolute Verurteilung des Zorns finden. Doch während in der Stoa das Ausreißen des Zorns in erster Linie ein Problem der Individualethik ist und die Frage behandelt, wie der Mensch seine Zornfreiheit erreicht und durchhält, wird der Zorn in den drei behandelten judenchristlichen Schriften immer vordringlich im Zusammenhang mit einer Gemeindeethik diskutiert: Hier geht es um das gute Zusammenleben in kleinen religiösen Gemeinschaften. Wir sahen, dass sich diese soziale Funktion der Zornbewältigung sogar noch konkretisieren lässt. Die Aussagen zum Zorn stehen oft im Zusammenhang mit der Notwendigkeit der correctio fraterna. Die judenchristlichen Autoren gehen also letztendlich nicht vom Ideal des perfekten Menschen aus, sondern setzen sich mit der fehlenden Vollkommenheit der Gemeindeglieder auseinander. Besonders hier (wenn auch nicht 121 Oder in Bezug auf den Sünder, der sich bekehrte? Zu den Interpretationsmöglichkeiten vgl. Burchard, Jak, 217. 122Vgl. 1 Petr 4,8; 1 Klem 49,5; 2 Klem 16,4. 123 Da Jak 5,20 nur Berührungen mit dem MT von Prov 1O,12b, nicht aber mit der Fassung der LXX aufweist, ist nicht von einer direkten Aufnahme von Prov 10, 12b auszugehen, vgl. Konradt, Existenz, 192. 124Übers. v.: 1. Becker: Die Testamente der zwölf Patriarchen, JSHRZ IUII, Gütersloh 1980. 125Nach Jak 5,19fist das emO''tpe
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nur hier) ist eine Bewältigung des Zorns notwendig - also nicht einfach im Zusammenhang mit dem Bemühen, die Existenz des von allen Affekten befreiten Weisen zu erreichen und zu verwirklichen, sondern im konkreten Umgang mit Menschen in der Gemeinde, die diesem Ideal gerade nicht entsprechen. Auch deswegen verdient die "stroherne Epistel" Anerkennung als ein wertvolles Zeugnis urchristlicher Gemeindeethik.
Nächstenliebe und Egalität Jak 2,1-13 als Höhepunkt urchristlicher Ethik l Gerd Theißen Die Rehabilitierung des Jakobusbriefes gegenüber seinen Kritikern ist voll im Gange. 2 Rehabilitiert wird er erstens gegenüber der theologischen Kritik M. Luthers, der in ihm eine Absage an die reine Rechtfertigungslehre des Paulus sah. Heute sieht man, dass auch der Jakobusbrief eine Soteriologie enthält, die in den Paränesen vorausgesetzt ist: Das Wort Gottes hat rettende Krafe. Rehabilitiert wird er zweitens gegenüber seiner religionsgeschichtlichen Relativierung, die in ihm eine nur jüdische Tradition oder gar eine oberflächlich bearbeitete jüdische Schrift sah (A. Meyert. An der Christlichkeit des Jakobusbriefes zweifelt heute niemand mehr. Und seine Nähe zum Judentum wirkt sich im Zeichen des jüdisch-christlichen Dialogs eher positiv aus. Rehabilitiert wird er drittens angesichts derformgeschichtlichen Zweifel an seiner literarischen Qualität (M. Dibelius Es handelt sich nicht um einen "zusammengestoppelten" Brief ohne Struktur und Ordnung, bei dem jede Einheit rur sich interpretiert werden muss. Vielmehr hat er eine kunstvolle literarische Struktur. Das Verbot, einzelne Texte aus ihrem Kontext heraus zu interpretieren (das "Kontextverbot"), wurde aufgehoben. 6 In diesem Beitrag soll gezeigt werden, dass der Jakobusbriefin seiner Ethik sogar ein Höhepunkt des Neuen Testaments ist. Meine These ist: Kein neutestamentlicher Autor hat so eindeutig wie er das Liebesgeboe als Verpflichtung zur Gleichbehandlung verstanden und es gleichzeitig relativ offen rur Außenstehen-
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Bernd lörg Diebner zum 60. Geburtstag gewidmet. Zugrunde liegt ein Vortrag im Rahmen eines troisieme cycle für Neues Testament an der Universität in Genf am 4. Juni 1999. Er wurde zuerst veröffentlicht in: Begegnungen, FS B.J. Diebner, DBAT 30 (1999),179-192, und überarbeitet als "Amour du prochain et egalite. Jac 2,1-13 un moment fort de l'ethique chretienne primitive, ETR 76 (2001), 325-346. Die hier vorgelegte Fassung ist noch einmal stark überarbeitet und erweitert. Einen Überblick über die Forschungslage geben M. Konradt: Theologie in der 'strohernen Epistel'- ein Literaturbericht zu neueren Ansätzen in der Exegese des Jakobusbriefes, VuF 44 (1999),54-78, und F.HalmlP. Müller: Der lakobusbrief, ThR 63 (1998), 1-73. V gl. M. Konradt: Christliche Existenz nach dem lakobusbrief. Eine Studie zu seiner soteriologischen und ethischen Konzeption, StUNT 22, Göttingen 1998. A. Meyer: Das Rätsel des lakobusbriefes, BZNW 10, Gießen 1930. M. Dibelius: Der Brief des lakobus, KEK 15, Göttingen 12 1984. Vgl. W. Popkes: Adressaten, Situation und Form des lakobusbriefes, SBS 125/126, Stuttgart 1986. Es handelt sich dabei um ein doppeltes Kontextverbot: das Verbot, einen Text im Jak aus seinem literarischen Kontext im Briefganzen zu interpretieren, und das Verbot, seine Paränese auf eine konkrete Situation der Adressaten hin zu deuten. Wichtigste Veröffentlichung zum Problem ist Ch. Burchard: Nächstenliebegebot, Dekalog und Gesetz in lak 2,8-11, in: Die Hebräische Bibel und ihre zweifache Nachgeschichte, FS R. Rendtorff, Neukirchen-Vluyn 1990, 517-533. Einen guten Überblick über das Liebesgebot im ganzen Neuen Testament bietet H. Meisinger: Liebesgebot und Altruismusforschung. Ein exegetischer Beitrag zum Dialog zwischen Theologie und Naturwissenschaft, NTOA 33, Freiburg (Schweiz)/Göttingen 1996. Dort zum Jak S. 131-149.
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de formuliert. Die Kombination bei der Züge - der Egalität im Inneren und einer gewissen Tendenz zur Universalität nach außen hin - ist das Erstaunliche. Warum? Wo liegt hier das Problem? Im Folgenden stelle ich (1) zunächst das Problem dar: Es ist die Spannung zwischen der Universalität und Egalität der Liebe, ein Grundproblem neutestamentlicher Ethik. Dann soll gezeigt werden, wie dieses Problem im Liebesgebot des Jakobusbriefes bearbeitet wird. Dabei wird (2) das Verhältnis von Nächstenliebe und Gleichheitsgebot und (3) ihr Verhältnis zur Forderung des Statusverzichts diskutiert. 1. Die Spannung zwischen Universalität und Egalität im Liebesgebot Liebe gegenüber Fremden und Außenstehenden ist leicht vorstellbar, wenn sie sich mit Ungleichheit abfindet: Außenstehende sind nicht gleichberechtigt. Ihre Nichtzugehörigkeit zur Gruppe bedeutet aus der Sicht der Binnengruppe eine Verminderung (seltener eine Erhöhung) ihres Status. Der Außenstehende ist entweder der hilfsbedürftige Mensch, zu dem man sich herablässt, so dass der Liebende ihm überlegen ist. Oder er ist der Überlegene, vor dem man sich mehr fürchtet, als dass man ihn liebt. Nun wird die Nächstenliebe im Neuen Testament bekanntlich ausgeweitet zur Liebe des Fremden, des Sünders und des Feindes, wobei tief im Alten Testament verwurzelte Tendenzen fortgesetzt werden 8 . Immer finden wir aber bei dieser Ausweitung eine Einschränkung der Gegenseitigkeit und der Gleichwertigkeit der Partner. Betrachten wir zunächst das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10,2537): Der Reisende, der unter die Räuber gefallen ist, hat in der Beispielerzählung einen niedrigen Status. Wie hochgestellt er vorher gewesen sein mag, er begegnet jetzt als halbtotes Opfer, angewiesen auf Rettung und Hilfe von außen. Die Zuwendung zu ihm wird daher in der Erzählung selbst nicht "Liebe zum Nächsten" genannt - wie in der einleitenden Rahmenerzählung (Lk 10,27) -, sondern "Erbarmen" (Lk 10,37). Erbarmen ist Zuwendung zu einem Schwächeren. Die Geschichte von der sog. "großen Sünderin" ist das klassische Beispiel der Liebe zum Sünder (Lk 7,36-50). Jesus sagt der Frau, die seine Füße mit Tränen "wäscht", sie mit dem Mund küsst und mit ihren Haaren trocknet: "Ihre vielen Sünden sind vergeben, denn sie hat viel Liebe gezeigt; wem aber wenig vergeben wird, der liebt wenig" (7,47). Zu beachten ist: Nur das Verhalten der Frau wird Liebe genannt, das Verhalten Jesu aber Sündenvergebung. Die Frau bleibt von der eigentlichen Tischgemeinschaft ausgeschlossen. Zur Teilnahme am Essen wird sie nicht aufgefordert. Erst das würde in der symbolischen Sprache aller Zeiten ihre Gleichwertigkeit unter Beweis stellen. Die Nächstenliebe wird im Neuen Testament schließlich zur Feindesliebe ausgeweitet. Sie ist in Mt 5,43-48 Liebe zu äußerlich überlegenen Menschen, zu übermächtigen Feinden. Sie haben die Macht, die angeredeten Jünger zu "verfolgen" (5,44). Ihre Feindseligkeit sollen die Jünger nicht mit Feindseligkeit erwidern. Daher besteht "Liebe" zu ihnen auch darin, Aggression in innerer Über8
V gl. H.P. Mathys: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Untersuchungen zum alttestamentlichen Gebot der Nächstenliebe (Lev 19,18), OBO 71, Freiburg (Schweiz)/Göttingen 1986.
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legenheit zu ertragen und den Schlag auf die rechte Backe damit zu beantworten, dass man die linke hinhält. Interessant ist, wie das MtEv hier das Liebesgebot formuliert: "Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen" (Mt 5,43). Obwohl wörtlich auf Lev 19,18 zurückgegriffen wird, fehlt die Gleichwertigkeitsformel. Mt sagt nicht: "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst", sondern nur: "Du sollst deinen Nächsten lieben". Die Liebe zum Feind, die Mt hier im Blick hat, ist keine Liebe zu sozial gleichwertigen Menschen. Alle drei Beispiele zeigen eine Tendenz zur Universalität. Adressaten der Liebe sollen nicht nur Mitglieder der Binnengruppe sein, sondern auch der Außengruppe: der Fremde, die Sünderin, der Feind. Aber wir finden immer Indizien rür eine gleichzeitige Einschränkung dieser Liebe: Es ist keine Liebe auf Gegenseitigkeit, keine Liebe unter Gleichwertigen, keine Liebe, welche den Nächsten wirklich "wie sich selbst" liebt. Beispiele für diese Einschränkung der Gegenseitigkeit und Gleichheit bieten vor allem die synoptischen Evangelien. In den johanneischen Schriften finden wir die entgegengesetzte Tendenz, nämlich Gegenseitigkeit in der Liebe bei Einschränkung ihrer Universalität. Die joh Schriften sprechen betont vom "gegenseitigen Lieben,,9. Die Johannesbriefe nennen diese gegenseitige Liebe darüber hinaus "Bruderliebe" (1 Joh 3,14; 4,20f). In bei den Fällen ist die Liebe auf die Gemeinde eingeschränkt. Wir hören nichts von einer Liebe zum Nächsten oder gar zum Feind. Die gegenseitige Liebe soll zwar eine Ausstrahlung auf die Welt haben: An ihr sollen alle Menschen die Christen erkennen, dass sie Jesu Jünger sind (Joh 13,35). Durch Erkenntnis ihrer Einheit soll die Welt zum Glauben und sogar zur Erkenntnis Gottes kommen (Joh 17,21.23). Insofern sind alle Menschen potentiell "Brüder" und "Schwestern" und Adressaten der Bruderliebe. Ferner kann man sagen: Die Welt liebt ihr Eigenes (Joh 15,19). Die Christen gehören nicht zur Welt und werden von ihr nicht geliebt. Unausgesprochen könnte dahinter der Gedanke stehen: Die Christen lieben im Getöensatz zur Welt nicht nur das Eigene, sondern auch das, was ihnen fremd ist . Trotz solcher Anklänge an eine universale Bedeutung der Liebe ist ihre Einschränkung auf die Gemeinde in den joh Schriften unverkennbar. Das wird häufig kritisiert. Diese Kritik beachtet zu wenig, dass die joh Schriften die Liebe zwar auf die eigene Gruppe einschränken, aber um so mehr die Gleichwertigkeit der Partner betonen. Prinzipiell gilt: Gleichbehandlung und Gegenseitigkeit sind leichter vorstellbar, wenn die Liebe auf die eigene Gruppe beschränkt wird. Das geschieht auch hier. Schon die Formulierung "Liebet einander!" oder die Rede von der Liebe des "Bruders" sprechen dafür. Vor allem aber zeigt die Fußwaschung in Joh 13,lff den Zusammenhang von Liebe und Gleichwertigkeit: Sie bildet die erzählerische Einleitung zum Liebesgebot. Was sie narrativ-symbolisch darstellt, wird im Liebesgebot auf eine kurze Formel gebracht. Die Mahnung, einander die Füße zu waschen, wie Jesus zuvor getan hat (Joh 13,14), veranschaulicht die allgemeine Aufforderung, einander zu lieben, wie Jesus seine Jünger zuvor geliebt hat (13,31). Die Pointe in der Fußwaschung ist der bewusste Verzicht auf Status. Jesus übernimmt demonstrativ die 9
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Joh 13,34f; 15,12.17; 1 Joh3,11;4,11. Vgl. 1. Augenstein: Das Liebesgebot im Johannesevangelium und in den Johannesbriefen, BWANT 134, Stutlgart/BerlinIKöln 1993, 84.
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Rolle des Unterlegenen: Fußwaschun~ ist in der Antike ein Dienst der Frau, des Sklaven, vielleicht auch des Schülers 1. Jesus ist der Herr und der Lehrer (Joh 13,13). Aber er übernimmt die Rolle der Maria, die ihm die Füße gesalbt hat (Joh 12,3ff). Er tritt in die Rolle des Schülers und Sklaven, wogegen Petrus protestiert. Die Szene zeigt: Liebe ist nach johanneischem Verständnis nur durch Statusverzicht realisierbar. Nur dann wird sie gegenseitige Liebe unter Brüdern! Die joh Schriften zeigen somit neben dem Verlust an Universalität einen Zuwachs an Egalität in der Liebe. Beides zusammen ist schwer vereinbar: Egalität in der Liebe, bei der alle gleichberechtigt sind, und Universalität, bei der andere nicht ausgeschlossen sind. Gerade diese unwahrscheinliche Kombination finden wir ansatzweise im Jakobusbrief. Damit steht er am Ende einer langen Entwicklung. In dieser Entwicklung wurden die beiden Grundwerte des urchristlichen Ethos, die Liebe und die Demut (oder der Statusverzicht), zusammengefiihrt. Beide wurden vor dem Jakobusbrief oft nur indirekt im Neuen Testament verbunden. Dass Liebe und Demut zusammengehören, ergibt sich aus dem Wesen der Nächstenliebe. Nächstenliebe wertet den anderen so hoch "wie sich selbst". Die egalitäre Forderung ist schon in der ältesten Formulierung des Nächstenliebegebots in Lev 19,18 enthalten. 12 Diese Gleichheit ist aber de facto nirgends gegeben. Deswegen ist Statusverzicht notwendig, um die faktische Ungleichheit auszugleichen - damit Liebende und Adressaten der Liebe sich wieder auf gleicher Ebene begegnen. Statusausgleich aber ist in realen Lebensverhältnissen meist nur dadurch erreichbar, dass der Höhere auf seinen Status verzichtet - manchmal auch dadurch, dass der Niedrige erhöht wird. Was aber ist Demut? Demut ist Statusverzicht. Er kann verschiedene Formen annehmen: als Verzicht darauf, den eigenen Status zu betonen (wir sprechen dann von Bescheidenheit), als Verzicht darauf, ihn als Machtmittel einzusetzen, oder als Bereitschaft, auf ihn zu verzichten, so dass man ihn nicht einsetzen kann. Demut kann Teil eines Positionswechsels sein: Der Überlegene verzichtet auf seinen Status und erniedrigt sich, gleichzeitig wird der Niedrige erhöht. Auch die Bereitschaft, den anderen in seinem Wert zu erhöhen, ist Demut. Da das Wort "Demut" belastet und verbraucht ist, ist man zwar versucht, auf dieses Wort zu verzichten. Aber vielleicht sollten wir es durch Rückgriff auf seinen ursprünglichen Sinn rehabilitieren: Es meint Statusverzicht (als Tugend des Überlegenen) und die Bereitschaft, den Status des anderen zu erhöhen (als Tugend des Starken, der solch eine Erhöhung bewirken kann). Demut bedeutet Dienstbereitschaft gegenüber dem Nächsten, auch wenn er eigentlich der Unterlegene ist. 11
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B. Kötting: Art. Fußwaschung, RAC 8 (1972), Sp. 743-777. Fußwaschung durch Sklaven und Frauen ist in der ganzen Antike belegt, Fußwaschung durch Schüler nur indirekt im rabbinischen Judentum, insofern alle Arbeiten eines Sklaven vom Schüler verlangt werden (bKeth 86a). Das Heiligkeitsgesetz spricht von den gleichberechtigten jüdischen Nächsten, Brüdern und Stammesgenossen. Es sieht in der Utopie des Jubeljahres (Lev 25,8ff) sogar vor, dass deren prinzipielle Gleichheit periodisch wiederhergestellt wird. Die normativ postulierte Gleichheit soll immer wieder Normalität werden.
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Wenn wir Nächstenliebe als Liebe dx; euutov verstehen, dann ist humilitas, die Demut, ihre notwendige Ergänzung. Die auf Statusgleichheit zielende Liebe kann ihr Ziel nur durch Verbindung mit Statusverzicht und Positionswechsel erreichen. Diese Verbindung bahnt sich im Alten und Neuen Testament an, sie wird aber nirgendwo so deutlich wie im Jakobusbrief. Wenn diese These richtig ist, wäre der Jakobusbrief ein Höhepunkt urchristlicher Ethik. Zu seiner theologischen, seiner religionsgeschichtlichen und seiner literarischen Rehabilitierung träte eine "ethische Rehabilitierung", sofern er einer solchen Rehabilitierung bedarf. Denn dass seine Stärke in der Ethik liegt, wurde schon immer gesehen.
2. Nächstenliebe und Egalität im Jakobusbrief Das Nächstenliebegebot wird im Jakobusbrief als Verpflichtung zur Egalität interpretiert: als Gebot, Gleichberechtigung herzustellen. Ungleichbehandlung des Nächsten gilt als ein Verstoß gegen das Gebot, den Nächsten zu lieben "wie sich selbst" (Jak 2,8). Zumindest wird der Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Jak 2,9) eng mit der Nächstenliebe verbunden. Wie kommt der Jakobusbrief dazu? Dazu ein Blick auf den Kontext. Nach einem einleitenden Kapitel 13 setzt der Jakobusbriefmit drei "Abhandlungen" ein: Jak 2,1-13 handelt von Gleichheit und Nächstenliebe, Jak 2,14-26 von Glauben und Werken, Jak 3,1-12 von irdischer und menschlicher Weisheit I4 . Diese drei Abhandlungen werden in Jak 1,22-27 angekündigt. Allgemeine Überschrift ist: "Seid aber Täter des Wortes und nicht Hörer allein; sonst betrügt ihr euch selbst!" (1,22). Wodurch kann man sich betrügen? Die Antwort geben (in etwas anderer Reihenfolge)I5 die drei Abhandlungen. Sie arbeiten drei Gefährdungen des Glaubens heraus:
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Dabei ist weniger wichtig, ob man zur Einleitung im ersten Kapitel des Jak die Verse 1-12, 1-18, 1-25 oder 1-27 zählt. M. Konradt, Christliche Existenz, 311-315, beschränkt die Einleitung zwar auf 1,1-12, sieht in 1,13-25 aber eine grundsätzliche "soteriologische Fundierung" (S. 312) für alles Folgende und in 1,26-27 wiederum einen "Obersatz" zu 2,1-3,11 (S. 312f). Mit anderen Worten: In verschiedener Weise haben alle Abschnitte im ersten Kapitel "einleitenden" und "grundlegenden" Charakter. W. Popkes: Der Brief des Jakobus, ThHK 14, Leipzig 2001, 152-155, tritt für Jak 2,1-26 als Einheit ein, arbeitet aber (bes. S. 155) heraus, dass 2,1-13 und 2,14-26 parallel gebaut sind: Beide Teile beginnen mit der Anrede "Brüder" (2,1.14; vgl. aber 2,5), bringen beide am Anfang Fallbeispiele im Eventualis (eingeleitet durch f:av) und untermauern ihren jeweiligen Gedanken durch Schriftbeweise. Beide haben eine eigene Thematik: "Ansehen der Person" und "Glauben und Werke". Das alles spricht für die traditionelle Einteilung, aufgrund derer man zusammen mit 3,1-12 drei etwa gleich lange "Abhandlungen" erhält. Die Reihenfolge ist nicht unmotiviert: 1,27 erwähnt die Waisen und Witwen. Es fehlen die Fremden, die im AT sonst noch genannt werden (z.B. Dtn 10,18). Aber der Arme und der Reiche in 2,2ff könnten Fremde sein. Ihr Beispiel schlösse dann gut an 1,26 an. So Ch. Burchard: Der Jakobusbrief, HNT 151I, Tübingen 2000, 96.
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Nächstenliebe und Egalität 1,23-25: Man soll das "vollkommene Gesetz der Freiheit" nicht vergessen, - - - das die Gewissheit verleiht: Sein Täter ist ein Freier. 1,26: Man soll seine Zunge in Zaum halten, sonst ist der Gottesdienst nichtig.
1,27: Der wahre Gottesdienst ist Sorge für Witwen und Waisen.
2,1-13: Man soll das "königliche Gesetz" der Nächstenliebe, das "Gesetz der Freiheit" (2,12), erfüllen, das jeden gleich behandelt. Gefährdet ist seine Erfüllung durch Parteilichkeit. Nächstenliebe und Gleichheit gehören zusammen. 2,14-26: Die Hilfe für notleidende Brüder und Schwestern ist Ausdruck lebendigen Glaubens. Gefährdet ist diese Hilfsbereitschaft durch die Trennung von Glaube und Werk. Glaube und Tat gehören zusammen. 3,1-12: Der "vollkommene Mann" hält seine Zunge im Zaum (3,2). Gefährdet ist solche Weisheit durch die streitsüchtige irdische Weisheit. Weisheit und Gemeinschaft gehören zusammen.
PsJakobus betrachtet das Auseinanderreißen von Nächstenliebe und Egalität, von Glaube und Werk, von Weisheit und Gemeinschaft als drei Gefährdungen der christlichen Existenz. An erster Stelle steht die größte Gefährdung, die Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes. Wie führt PsJakobus seine egalitäre Interpretation der Nächstenliebe in der ersten Abhandlung durch? Er tut es mit Hilfe von drei Motiven: (1) mit der Mahnung zur Unparteilichkeit, (2) mit der Aufforderung zur Barmherzigkeit und (3) mit der Zuordnung des Nächstenliebegebots zum königlichen Gesetz. Alle drei Motive hängen zusammen. 2.1. Die Mahnung zur Unparteilichkeit
Das Stichwort Parteilichkeit begegnet in Jak 2,1-13 zweimal. Im Hintergrund steht die Lxx-Wendung 1tp0Q"C01tOV AUf.lßaV6tVI6. Sie bezieht sich auf die Unparteilichkeit, die ein menschlicher Richter üben soll, und die Gott als Richter faktisch übt. Die substantivische Form 1tP0Q"C01tOAllJl\jltU (Jak 2,1) und die verbale Form 1tP0Q"C01tOAllJl1t't6tV (Jak 2,9) sind mit einer Ausnahme nur im christlichen Sprachgebrauch belegt. l7 Dabei wird das Substantiv sonst ausschließlich 16 17
Vgl. zur Wortgeschichte die französische Übersetzung mit Kommentar P. HarteID. Pralon: La Bible d' Alexandrie, vol. 3, Le Levitique, Paris 1988, 166f. Für 7tPOO(J)1toA:ru.nvta gibt es einen nichtchristlichen Beleg in TestHiob,43,13, drei christliche im Neuen Testament (Röm 2,11; Eph 6,9; Kol 3,25). Sie beziehen sich wie das entsprechende Adjektiv (TestHiob 4,8) und das Nomen npocrconoAf)~n'tTJC; (Apg 10,34) auf Gottes Unparteilichkeit. Menschliche Unparteilichkeit meint dagegen das Verb npocrconOATJI.11I:'tEtV (das nur in Jak 2,9 belegt ist) und der Plural des Substantivs npOOCOnOATJJlWtat, der nur in Polyk 6,1 und Jak 2,1 vorkommt. Dieser Plural ist in Jak 2,1 diversifizierend gemeint: Die Christen sollen sich von Parteilichkeiten verschiedener Art
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auf den göttlichen Richter angewandt und nur im Jakobusbrief auf menschliches Urteilen übertragen. Schon im Heiligkeitsgesetz l8 begegnet die Forderung der Unparteilichkeit im unmittelbaren Kontext des Nächstenliebegebots: "Ihr sollt nicht Unrecht tun im Gericht. Du sollst nicht die Person eines Armen ansehen (ou A1lf.!'VTI 1tpoaco1tov 1t'tcoxoD) noch die Person eines Mächtigen bewundern, in Gerechtigkeit sollst du deinen Nächsten (1tAl1aiov) richten!" (Lev 19,15 Lxx). Unparteilichkeit wird hier nach zwei Seiten hin gefordert - gegenüber Armen und Mächtigen. Das ist ungewöhnlich. Meist meint Unparteilichkeit: keine Begünstigung des Starken bzw. keine Benachteiligung des Schwächeren (etwa aufgrund von Bestechung durch den Reicheren)19. Die Symmetrie der Unparteilichkeit in beide Richtungen ist eine der Pointen in Jak 2,lff, auch wenn eine Begünstigung des Geringen, vor der in Lev 19,15 gewarnt wird, nicht im Blick ist. Wegen dieser Zweiseitigkeit könnte eine Anspielung aufLev 19 vorliegen. 2o Auf die Mahnungen zum Gerichtsverfahren (Lev 19,15-16) folgen im Heiligkeitsgesetz Mahnungen zur sozialen Verträglichkeit über das Gerichtsverfahren hinaus: zum Verzicht auf Hass und Rache und zur Nächstenliebe (Lev 19,18). Der Kontext ist vom Rechtsstreit geprägt. Nächstenliebe bezieht sich in Lev 19 auf den gleichberechtigten Mitbürger, der als Prozessgegner auftritt. Das unparteiische Gerichtsverfahren garantiert dabei ein Minimum an Zusammenleben durch Konfliktbegrenzung bei akutem Streit. Die Nächstenliebe aber sorgt darüber hinaus für ein Optimum des Zusammenlebens trotz potentiellen Streits. Der Jakobusbriefverbindet sachlich die beiden Forderungen nach Unparteilichkeit und Nächstenliebe aus dem Heiligkeitsgesetz (Lev 19,15.18). Auch er spricht von ihnen in forensischen Bildern, denkt jedoch nicht an einen realen Gerichtsprozess, sondern spricht in metaphorischer Sprache von ethischen Urteilen der Menschen übereinander (Jak 2,4) und in mythischer Sprache vom eschatologischen Gericht Gottes (Jak 2,12f). Die forensische Metaphorik begegnet schon in Jak 2,4, wo die Bevorzugung des Hochstehenden in der Gemeinde mit den Worten gegeißelt wird: "Macht ihr dann nicht Unterschiede unter euch21 und werdet Richter böser Gedanken" (d.h. Richter, die sich von bösen Motiven bestimmen lassen). Das ethische Urteil über andere Menschen versetzt jeden in die Rolle des Richters, von dem Unparteilichkeit gefordert wird. Daraus darf
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freihalten (Burchard, Nächstenliebegebot, 520). In der Tat werden im folgenden Beispiel zwei Beispiele für falsche Parteilichkeit genannt: Die Bevorzugung des Hochstehenden und die Demütigung des Armen. Die Wendung 1tPOcrffi1tOV AUJlßUW;tV bezieht sich sowohl auf Gott als auch auf Menschen. In Jub 21,4; 30,16; 33,18; Ga12,6 ist Gottes Unparteilichkeit, in Lk 20,21; Did 44,3; Barn 19,4 dagegen menschliche Unparteilichkeit gemeint. Auch das Adverb U1tPOcr01tffiAYtJl1t'tffi<; ist für Menschen (1 Klem 1,3) wie für Gott (l Petr 1,17; Barn 4,19) bezeugt. Vgl. hierzu besonders: Mathys, Liebe deinen Nächsten, 57-117. Auf Menschen bezogen in Dtn 1,17;16,19; Hi 32,21; Prov 18,5; 24,23; 28,21; Mal 2,9, auf Gott in Dtn 10,17; 34,19; Sir 35,15f; auf Götterin Ps 82,2. Besonders L.T. Johnson: The Use ofLeviticus 19 in the Letter of James, JBL 101 (1982), 391-401, plädiert für einen Bezug zu Lev 19. Wir kommen bei Jak 2,8-10 darauf zurück. Umstritten ist, ob euu'tot<; (a) interpersonal auf eine objektive Scheidung von Menschen in der Gemeinde bezogen ist oder (b) intrapersonal subjektive innere Gedanken meint, mit denen Unterschiede zwischen den Gemeindegliedern gemacht werden. V gl. Popkes, Jak, 164.
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man nicht schließen, in Jak 2 handle es sich um reale Gerichtsprozesse22 • Auch in Jak 4,11-12 werden ethische Mahnungen mit Hilfe von Gerichtsmetaphorik zum Ausdruck gebracht: Wer seinen Bruder verleumdet oder verurteilt, der verleumdet und verurteilt das Gesetz. Er spielt den letztgültigen Richter. Gefordert wird gerade der Verzicht darauf, den Richter über den Bruder und über das Gesetz zu spielen! Und dieser Verzicht wird verbunden mit dem Blick auf den ewigen Richter. Eine forensische Situation auf Erden ist nicht im Blick. Dasselbe gilt fUr Jak 2,1-13: Die Nächstenliebe wird im Jakobusbrief (wie in Lev 19) zwar eng mit forensischen Bildern verbunden, sie meinen hier aber metaphorisch das gegenwärtige ethische Urteil der Menschen, mythisch das zu erwartende Jüngste Gericht (Jak 2,12f). Forensisch ist vor allem das Gebot der Unparteilichkeit. Nennen wir es kurz das "Gleichheitsgebot". Dieses Gleichheitsgebot leitet in Jak 2,1 die erste Mahnung ein: "Meine Brüder, haltet den Glauben an unseren Herrn Jesus Christus, den Herrn der Herrlichkeit, frei von jedem Ansehen der Person" oder "von Parteilichkeiten". Es folgt ein Beispiel: Ein reicher und hochstehender Mann betritt die Gemeindeversammlung und wird bevorzugt behandelt, während ein armer Mensch (wohl ein Bettler) gedemütigt wird, weil er ihm weichen muss. Aus der einleitenden Mahnung in Jak 2,1 geht die Meinung des Autors hervor, dass man mit solcher Bevorzugung des Hochstehenden den, Herrn der Herrlichkeit" verleugne, vor dem alle Statusunterschiede verblassen. 13 Aufgrund der anschließenden Sentenz in Jak 2,5 soll man erkennen: Mit der Demütigung des Armen verleugnet man auch Gott, der die Armen erwählt hat; er hat sie zu Erben seines Reiches gemacht und ihnen dadurch einen hohen Status gegeben. Die Demütigung des Armen und die Bevorzugung des Reichen widersprechen dem Glauben, der nur einen Herrn der Herrlichkeit kennt und durch den alle Glaubenden unabhängig von ihrem weltlichen Status reich sind. Man achte darauf, dass in beiden Kontexten das Stichwort "Glauben" begegnet: in der Einleitung als Glaube an den Herrn der Herrlichkeit (2,1), in der anschließenden Sentenz als Reichtum "im Glauben" (2,5). Das Gleichheitsgebot begegnet ein zweites Mal in der Auslegung des Nächstenliebegebots - jetzt in Gestalt des Verbs "unparteilich sein": Die Angeredeten tun recht, wenn sie das königliche Gesetz nach dem Schriftwort "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!" erfUllen (2,8). Parallel dazu heißt es: Sie tun Sünde und werden vom Gesetz als Übertreter überfUhrt, wenn sie parteilich sind (2,9). Die Parallelität der beiden Aussagen erlaubt m.E. den Schluss: Das Nächstenliebegebot impliziert das Gebot der gleichen Behandlung aller Nächsten. Oder vorsichtiger: Wer gegen das Gleichheitsgebot (von Lev 19,15) verstößt, verstößt 22
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So die kaum haltbare Deutung von R.B. Ward: Partiality in the Assembly: James 2,2-4, HThR 62 (1969), 87-97. Auch in 1 Kor 14,24fkommt ein Außenstehender in die Gemeindeversammlung und das Urteil über ihn wird mit juridischen Kategorien beschrieben (er wird von allen "überführt" und von allen "beurteilt"), ohne dass an eine Gerichtsverhandlung gedacht ist. Einen Zusammenhang zwischen dem "Herrn der Herrlichkeit" (mit dem höchsten Ansehen) und der Kränkung der Ehre des Armen (mit keinem Ansehen) vermuten auch H. Frankemölle: Der Brief des Jakobus, ÖTBK 17/1.2, Gütersloh 1994, 371, und Konradt, Christliche Existenz, 13 7. In Sir 35, 12f bezieht sich oo~u 1tpocrc01tOU auf 1tpocrffi1tOV AUJlßaVEtV! (Burchard, Jak, 98).
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auch gegen das Nächstenliebegebot (von Lev 19,18). Dass beide eng verbunden werden, ist unbestreitbar. Theoretisch sind dabei zwei Deutungen möglich: 1) Der Autor konzediert zwar (~v'tOt), dass die Adressaten das Nächstenliebegebot (Lev 19,18) halten (KUA&C; 1tOtBt'tB), kritisiert aber (8B), dass sie gegen das Gleichheitsgebot (Lev 19,15) verstoßen - um dann nachzuweisen, dass sie mit dem Bruch des einen Gebots das ganze Gesetz (und damit auch das Liebesgebot) verletzen. Er würde dann analog zu V. 11 argumentieren: Wer die Ehe nicht bricht, aber mordet, übertritt das Gesetz. Man kann das eine Gebot halten, gleichzeitig das andere aber übertreten. Ähnlich würde gelten: Wer das Nächstenliebegebot hält, das Gleichheitsgebot aber verletzt, bricht das Gesetz! Beide Gebote stünden dann unabhängig nebeneinander. Aber ist die hier vorausgesetzte Logik wirklich einsichtig? Könnte man z. B. sagen: Wer den Nächsten liebt, aber mordet, ist ein Gesetzesübertreter? Wäre das nicht ein Widerspruch in sich selbst? Soll der Leser es nicht als Widerspruch empfinden, dass man seinen Nächsten liebt und parteilich ist? 2) Wahrscheinlich will der Autor beide Gebote sehr viel enger verbinden. Er sagt: "Wenn ihr wirklich (~v'tOt) das königliche Gesetz nach der Schrift: ,Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!' erfiillt, tut ihr recht!" Damit sagt er nichts über die Realität des Behaupteten24 • Dann aber behauptet er als Faktum: "Wenn ihr aber (8B) parteilich seid" - was durch 2,2-4 als Realität erwiesen ist -, "sündigt ihr und werdet von dem Gesetz als Übertreter überfiihrt". Meist spricht PsJakobus vom "Gesetz" ohne Artikef s, mit "dem Gesetz" könnte er sich daher auf das vorher erwähnte "königliche Gesetz" zurückbeziehen, das eng mit dem Liebesgebot verbunden ist. Er will sagen: Mit dem Verstoß gegen das Gleichheitsgebot verstößt man gegen das ganze Gesetz, das entweder im Liebesgebot erfiillt wird oder das man in allen Geboten entsprechend dem Liebesgebot erfüllen soll! PsJakobus setzt bei der ersten Deutungsmöglichkeit das Gleichheitsgebot aus Lev 19,15 voraus. 26 Bei der zweiten Deutungsmöglichkeit wäre das nicht ausge24
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Es handelt sich bei Ei + Indikativ um einen Realis, der nichts über "eine persönliche Ansicht über Wirklichkeit oder Verwirklichung" sagt und daher ein "Indefinitus" ist (so F. Blass/A. DebrunnerIF. Rehkopf, Grammatik des Neutestamentlichen Griechisch, Göttingen 15 1979, § 371 Anm. 1). Man kann zudem ).lEV!Ot mit "wirklich, in der Tat" übersetzen (so W. Bauer: Griechisch-Deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der übrigen urchristlichen Literatur, Berlin 5 1963, Sp. 995). Dann ließe der Autor offen, ob die Angeredeten das Nächstenliebegebot halten. Wenn sie gegen das Gleichheitsgebot verstoßen, was als Faktum angesehen werden muss, dann verstoßen sie eo ipso gegen die Nächstenliebe. So die einleuchtende Argumentation von Konradt, Existenz, 185f. Artikelloses VO).lOC; begegnet Jak 1,25; 2,8; 2,11 und 4,11 (4x), der Artikel nur 2,9 und 2,10 (ÖAOV 'tov VO).lov). Wir finden den artikellosen Gebrauch öfter bei Paulus (vgl. Röm 2,12.13.14.17.25; 3,20.21.27 usw.). Das Mt-, Lk- und das JohEv sprechen dagegen immer von "dem Gesetz" (mit Ausnahme von Joh 19,7). Das ist umstritten, weil PsJakobus nirgendwo Lev 19,15 explizit zitiert. Nach Burchard, Nächstenliebegebot, 527, könnte er "einen fertigen Satz gegen Parteiischkeit gehabt haben, sogar ohne dass ihm Lev 19,15 bewusst war." Der Topos der Unparteilichkeit wird ohne explizite Bezugnahme auf Lev 19,15 durch Ps-Phok 9-11; Did 4,3; Barn 19,4 und Polyk 6,1 bezeugt. Folgende Argumente sprechen aber dafür, dass in Jak 2 vielleicht doch Lev 19,15 vor Augen stand (so besonders Johnson, Leviticus):
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schlossen. Manches spricht in der Tat dafür, dass er es kennt: Wie in Lev 19,15 warnt er vor einer Ungleichbehandlung in beide Richtungen - gegenüber dem Armen und dem Mächtigen. Wie in Lev 19,15 scheint er beide in 2,8 als "Nächste" zusammenzufassen. Wie in Lev 19 steht das Nächstenliebegebot im unmittelbaren Kontext zum Gleichheitsgebot. Da er sich zudem auf das Nächstenliebegebot ausdrücklich als Bestandteil der "Schrift" bezieht (2,8), könnte er die Schriftstelle Lev 19,15 vor Augen haben. In einem Punkte weicht er aber in jedem Fall ab: In Lev 19,15 ist sowohl der 1t'tffiX6<; als auch der 8uvaO''tll<; Objekt zu 1tp60'ffi1tOV AU!-lßavBlv, Jak 2,9 aber nennt kein Objekt zu 1tPOO'ffi1tOAll!-l1t'tBtV. Muss man daher aus dem vorhergehenden Nächstenliebegebot (in Übereinstimmung mit Lev 19,15) 'tou 1tAllO'tOU ergänzen: "Seid nicht parteilich (gegen euren Nächsten)!"? Dann wären beide Gebote eng aufeinander bezogen! Verzichtet PsJakobus deshalb auf ein explizites Zitat von Lev 19,15, weil er das Gleichheitsgebot ganz eng mit dem Nächstenliebegebot verbinden will, um es so ins Zentrum des christlichen Ethos zu rücken? Will er sagen: Wer das Liebesgebot als Identitätsmerkmal der Christen ernst nimmt (was unumstritten ist), muss das Gleichheitsgebot ebenso ernst nehmen, da es die Kehrseite der Nächstenliebe ist? Auf jeden Fall hat der Verfasser beide Gebote eng verbunden. Er betont nämlich: Die im Heiligkeitsgesetz Lev 19 angelegte Kombination von Gleichheitsgebot und Nächstenliebegebot ist ebenso eng (1) wie das Verhältnis von ganzem Gesetz und Einzelgebot (2,10) und (2) wie die Kombination der beiden elementaren Einzelgebote: "Du sollst nicht ehebrechen!" und "Du sollst nicht töten!" (Jak 2,11 )27. In Lev 19 stehen das Gebot der Gleichheit und der Nächstenliebe
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(1) PsJakobus beruft sich auf das Nächstenliebegebot "nach der Schrift", also explizit auf Lev 19. Da das Nächstenliebegebot auch als mündliche Tradition allen Christen gegenwärtig war, hat er beim Schreiben wohl die Schriftstelle Lev 19 vor Augen. Die beiden Dekaloggebote sind dagegen (mündliche) Rede Gottes. Das entspricht der alttestamentlichen Darstellung: Der Dekalog ist unmittelbares Gotteswort (vgl. Philo Decal. 18), alle anderen Gebote (einschließlich des Nächstenliebegebots in Lev 19,18) sind durch Mose (den Verfasser des Pentateuch) überliefert. (2) Lev 19,15 wendet sich gegen Parteilichkeit in beide Richtungen, gegenüber dem Schwachen und Starken. Das ist bei den anderen Stellen zur 1tpocrW1tOA.1lIl'VtU im AT nicht der Fall. Parteilichkeit in beide Richtungen meint auch Jak 2,1, wenn er von 1tpocrW1tOA.1lIl'VtUt (im Plural) spricht. Vielleicht kennt PsJakobus beide Gebote als gesonderte Schriftgebote, will aber beide sachlich identifizieren. Daher zitiert er sie nicht erst als getrennte Gebote! Natürlich könnte man sagen: PsJakobus stellt hier alle Gebote gleich und nicht nur diese vier Gebote. Denn er spricht ausdrücklich davon, dass man durch Verfehlung an einem Gebot an allen schuldig wird (2,10). Er bestreitet damit die Autorität des ganzen Gesetzes. Eine Parallele (weniger die Quelle) dazu ist die stoische Lehre, dass die Tugend unteilbar ist. Vgl. M.O. Boyle: The Stoic Paradox of James 2.l0, NTS 31 (1985),611-617. Meint Jak also wirklich die ganze Thora? In ihr gibt es weit mehr als die vier angefuhrten Gebote. Der Buchstabe des Textes erlaubt solch eine Deutung, nicht jedoch der Geist des Jakobusbriefs. Nirgendwo zählt PsJakobus explizit rituelle Gebote zum Gesetz, das bei ihm auf ethische Forderungen reduziert ist. Auch in Jak 2 will er wohl nur die konkret genannten Gebote gleichstellen. Vgl. die Überlegungen von Burchard, Nächstenliebegebot, 529: Zum "Gesetz der Freiheit" gehören konkreten Gebote. Es ist in jedem Fall eine Auswahl. Sie umfasst sicher das Nächstenliebegebot, die sozialen Dekaloggebote und das Gleichheitsgebot.
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dicht nebeneinander, im Dekalog folgen aufeinander das Verbot des Tötens und des Ehebruchs (Ex 20,13f, Dtn 5,17f). Weniger wichtig ist, dass der Jakobusbrief in beiden Fällen die Reihenfolge des hebräischen Textes des AT umtauscht. Er beginnt mit dem Nächstenliebegebot (Lev 19,18) und lässt dann das vorhergehende Verbot der Parteilichkeit folgen (Lev 19,15). Er beginnt entsprechend einer aufDtn 5 beruhenden Lxx-Tradition mit dem Verbot des Ehebruchs (Ex 20,14) und kommt dann auf das vorhergehende Verbot des Tötens zu sprechen (Ex 20,13)28. Wichtiger ist, dass er den Schluss nahe legen will: So wie man beim Dekalog die benachbarten Gebote im Blick haben muss, so auch in Lev 19. Ihre Übertretung ist gleich gewichtig. Deshalb verwendet er gleiche Formulierungen. Diejenigen, die das Nächstenliebegebot und das Gleichheitsgebot missachten, werden vom Gesetz als Übertreter (n:apaßa:tat) überfuhrt (2,9). Ebenso gilt: Wer eines der beiden Dekaloggebote bricht, ist ein Übertreter des Gesetzes, ein n:apaßa:tll<; VOf.lOU (2,11). Er missachtet das Gesetz überhaupt. 29 Freilich wäre das nur ein äußerer Zusammenhang zwischen beiden Geboten: Das Nächstenliebegebot wäre durch seinen Kontext mit dem Gleichheitsgebot verbunden. Aber die "Gleichwertigkeitsformel" im Nächstenliebegebot, das Lieben wie dich selbst, weist m.E. auf einen inneren Zusammenhang zwischen Nächstenliebe und Gleichheit. Dieser innere Zusammenhang geht auch aus dem zweiten Motiv, der Mahnung zur Barmherzigkeit, hervor. 2.2. Die Ermahnung zur Barmherzigkeit (2,12-13.14-17)
Während das Liebesgebot in 2,1 ff als Gleichheitsgebot gegenüber höher Stehenden interpretiert wird, erscheint es in 2,12ffals Barmherzigkeitsgebot gegenüber niedriger Stehenden. Widerspricht diese Interpretation der Liebe als Barmherzigkeit nicht der egalitären Auffassung von Nächstenliebe? Barmherzigkeit setzt Ungleichheit voraus: Wer einem anderen helfen kann, ist situationsbedingt überlegen. Der Jakobusbrief geht (in Jak 2,14-17) in der Tat von einer Situation der Ungleichheit aus: Es gibt Christen ohne Kleidung und Nahrung. Ihnen muss geholfen werden. Aber genauso ging er auch bei dem Reichen von einer Situation der Ungleichheit aus. Der Mensch mit prachtvollen Kleidern und Goldring hat einen höheren Status als die Angeredeten. Das Ziel des Jakobusbriefes ist es, in beide Richtungen größere Gleichheit herzustellen. Drei kleine Indizien zeigen, dass ihm auch gegenüber den Bedürftigen das Gleichheitsgebot wichtig ist: Das erste Indiz ist: Er spricht von den Notleidenden als "Brüdern und Schwestern" (2,15) und verleiht ihnen damit grundsätzlich gleichen Status. Das ist um 28
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Die Reihenfolge Töten - Ehebruch findet sich im Masoretischen Text von Ex 20 und Dtn 5 und innerhalb der Wirkungs geschichte des Dekalogs bei Jos Ant 3,91; Mk 10,19par; Mt 19,18, Did 2,2. Die Reihenfolge Ehebruch - Töten findet sich dagegen im Papyrus Nash, Dtn 5 Lxx, bei Philo, in Lk 18,20 und Röm 13,9. Vgl. Burchard, Nächstenliebegebot, 519. Möglicherweise hat PsJakobus hier Röm 13,8-10 vor Augen (Popkes, Jak, 172f.l77): Parallel sind die Vorstellungen, dass (l) das Nächstenliebegebot zentral ist, dass (2) in ihm jedes Gebot erfüllt ist und dass (3) das Verbot des Ehebrechens und Tötens (in dieser Reihenfolge) zitiert werden.
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so auffälliger, als PsJakobus kurz vorher von "Waisen und Witwen", den klassischen personae miserae, als Adressaten von Hilfe gesprochen hatte (1,27). Leser und Hörer sollen in 2,15 an sie denken, aber aufhorchen, weil sie jetzt unter einem Begriff erscheinen, der ihre Gleichheit viel stärker betont: Sie sind "Brüder und Schwestern,,3o. Das zweite Indiz ist ihre nähere Charakterisierung. Es heißt in 2,15 nicht: "Wenn aber Brüder oder Schwestern frieren und hungern und euch um Hilfe bitten ... " , sondern: "Wenn es einen Bruder oder eine Schwester nackt gibt (U1tUPXCüe}'tv) ... ". Die Existenz von Notleidenden in der Gemeinde soll ein ausreichendes Motiv zur Intervention sein, nicht ihre Bitten. Daraus kann man indirekt erschließen: Hilfe für sie soll nicht nur für kurze Zeit aushelfen, sondern die Existenz von Notleidenden verhindern. Das zielt auf größere Gleichheit in der Gemeinde. Die dritte Kleinigkeit betrifft das Subjekt der Hilfe. Die Abweisung der Notleidenden wird in Jak 2,16 einem einzelnen Christen zugeschrieben. Es heißt: "Wenn aber irgendeiner (tiC;) ihnen sagt: Geht in Frieden ... !,,31 Die Barmher32 zigkeit wird dagegen der ganzen Gemeinde zur Pflicht gemacht: ,Jhr aber gebt ihnen nicht, was sie zum Leben brauchen" (2,16). So wie die Notleidenden für alle in der Gemeinde Brüder und Schwestern sind, so sind alle in ihr verpflichtet, ihnen zu helfen. Hilfe ist nicht individuelle Barmherzigkeit, sondern Gemeindeaufgabe. Vielleicht deutet PsJakobus damit an, dass sie aus der Gemeindekasse bezahlt werden soll.33 Das Gleichheitsgebot dürfte in Jak 2 also in zwei Richtungen zielen. Schon vom 1. Kapitel her sind diese bei den Richtungen vorgegeben, wenn sich der niedrige Bruder seiner Erhöhung, der Reiche seiner Erniedrigung rühmen soll (1 ,9f). Das zielt auf eine Angleichung bei der. Ebenso begegnet in 2,1 ff sowohl ein Reicher als auch ein Bettler. In Jak 2,lffstanden der Reiche und seine Gleichbehandlung im Vordergrund, in 2,14ff das bedürftige Gemeindeglied und die "Barmherzig-
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Man könnte einwenden, dies sei Gleichstellung durch Worte, nicht durch Taten. Die Bezeichnung "Brüder und Schwestern" verpflichtet zu Taten. Denn Taten sind die "Seele" des Glaubens (2,26); ohne sie wäre er tot (2,17.26). Die Taten der Barmherzigkeit muss man sich etwas kosten lassen. Beispiel fiir die Einheit von Wort und Tat, Glauben und Werk ist Abraham, der bereit war, das Teuerste dahinzugeben (2,20ff). Mit dieser Abschiedsformel "Geht in Frieden!" würde er sich von ihnen trennen - so wie man einem Lebewohl sagt in der Hoffnung, ihn nicht wieder zu sehen! (vgl. Gen 29,29; Ri 18,6; 1 Sam 1,17; 20,13.42; Mk 5,34; Apg 16,36 u.ö.). Vgl. Burchard, Jak, 116: Der Plural meint in Opposition zum Singular -d<; bestimmt nicht nur eine Teilmenge der Gemeinde. Vgl. Burchard, Jak, 116: "Daß Jak ein geordnetes Spendenwesen voraussetzt ... , ist mindestens denkbar". Das "Notwendige" zum Leben schließt in Jak 2,16 Kleidung ein (anders Jos Bell 11 125). Das spricht dafiir, dass die Adressaten nicht ad hoc zusammenlegen sollen. Dafiir spricht ferner, dass in Jak 5,16 die Gemeinde in der 2. Person Plural zur Fürbitte fiir Kranke aufgefordert wird, tatsächlich aber Presbyter die Fürbitte vornehmen (5,14). Ähnlich dürfte hinter der Aufforderung zur Hilfeleistung in der 2. Person Plural in Jak 2,16 ein schon institutionalisiertes Unterstützungssystem, fiir das die Gemeindeleiter verantwortlich sind, stehen.
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keit" (EAEOC;), die über das Gericht (Gottes) triumphiert (2,13b)34. Gemeint ist dabei nicht (nur) die Barmherzigkeit Gottes, die über seinen Zorn im Gericht siegt, sondern (auch) die vorher erwähnte "Barmherzigkeit", die der Mensch tut (2,13a).35 Das "Gesetz der Freiheit" (2,12) hat der Barmherzigkeit diese alles überbietende Bedeutung im Gericht gegeben. Wenn die Christen durch das "Gesetz der Freiheit" gerichtet werden, die Barmherzigkeit aber im Gericht triumphiert, dann wird um so wichtiger, herauszufinden, was dieses königliche und vollkommene Gesetz der Freiheit ist. 2.3. Das königliche Gesetz
PsJakobus spricht im Zusammenhang der Nächstenliebe von einem "königlichen Gesetz" (2,8). Es ist identisch mit dem "vollkommenen Gesetz der Freiheit" (1,25) und dem "Gesetz der Freiheit" \2,12). Es hat also drei Attribute: Es ist königlich, vollkommen und freiheitlich. 6 Die Interpretation des Attributs "königlich" ist umstritten. Grundsätzlich gibt es drei Möglichkeiten: Entweder ist "königlich" eine Qualität des Gesetzgebers, eine Qualität des Gesetzes oder eine Qualität der Menschen, die das Gesetz befolgen. Alle drei Möglichkeiten lassen sich kombinieren, und sie lassen weitere Nuancen zu. 1. Das "königliche Gesetz" kann als "Gesetz des Königs" verstanden werden. So bezeichnet 1 Esr 8,24 (Lxx) das Gesetz Gottes und des persischen Königs als 'tov VOIlOV 'tou SEOU O'OU Kat 'tOV ßaO'lA1KOV (vgl. auch 2 Makk 3,13)37. In Jak 2,8 kommt als König entweder Gott oder Jesus in Frage. Da das Gesetz "nach der Schrift" zitiert wird, dürfte an Gott als Gesetzgeber (im AT) gedacht sein. 38 Gott erscheint zudem in 2,11 als Urheber der Gebote: "Denn der gesagt hat: 'Du sollst nicht ehebrechen' , der hat auch gesagt: 'Du sollst nicht töten'." Außerdem ist in 2,5 vom Königreich Gottes die Rede. Das "königliche Gesetz" gehört zu diesem "Königreich".
34 Der Wechsel von "Nächstenliebe" (Jak 2,8) zur "Barmherzigkeit" (2,13) ist auch dadurch bedingt, dass PsJakobus an das Jüngste Gericht denkt. Der Richter übt im Gericht Barmherzigkeit, nicht Liebe. Denn er ist von vornherein der Überlegene. 35 Beides kann gemeint sein. Die Täter der Barmherzigkeit werden im Endgericht göttliche Barmherzigkeit erfahren. Vgl. Mt 5,7; bShab 151b: "Wer sich seiner Mitmenschen erbarmt, dessen erbarmt man sich im Himmel, und wer sich seiner Mitmenschen nicht erbarmt, dessen erbarmt man sich auch nicht im Himmel". 36 Vgl. die gründliche Untersuchung dazu von M.A. Jackson-McCabe: Logos and Law in the Letter of James. The Law of Nature, the Law of Moses, and the Law of Freedom, NT.S 100, Leiden/Boston/Köln 2001, 135-192. Die Prädikate "Freiheit" und "königlich" gehen eindeutig auf stoische Traditionen zurück, weniger eindeutig das Prädikat "vollkommen". 37 Die Wendung v6lloC; ßueHAtK6c; kann auf Inschriften das "Gesetz des Königs" bezeichnen (OGIS 483,1). Weitere Belege bei Burchard, Jak, 103f. 38 So W. Schrage: Der Jakobusbrief, in: H. Balz/W. Schrage, Die Katholischen Briefe. Die Briefe des Jakobus, Petrus, Johannes und Judas, NTD 10, Göttingen 13 1985, 28; Frankemölle, Jak, 400-402.
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Das "königliche Gesetz" kann zugleich ein Gesetz meinen, das selbst "königlich" ist, wobei entweder an das Liebesgebot oder das ganze Gesetz gedacht ist. a) "Königlich" meint vielleicht das Liebesgebot als ein Gesetz, das vor allen anderen Geboten königlichen Rang hat. 39 Aber dieses königliche Gesetz soll nach der Schriftstelle erfiillt werden: "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!" Das klingt so, als sei das königliche Gesetz umfassender als das eine Liebesgebot. Die anderen Gebote werden nicht aus ihm abgeleitet (wie etwa in Röm 13,9f), sondern könnten gleichberechtigt neben ihm stehen. 40 b) Die zweite Möglichkeit entspricht antikem Sprachgebrauch: Die Antike konnte das Gesetz einen König nennen. 41 So ist in einem Fragment Pindars vom "Nomos, dem König aller Sterblichen und Unsterblichen," die Rede. Für eine Beziehung auf das ganze Gesetz spricht, dass auch der Jakobusbrief an allen anderen Stellen mit Gesetz immer das ganze Ge42 setz meint. Daher spricht alles dafiir, dem ganzen Gesetz königlichen Charakter zuzuschreiben. 3. Schließlich könnte man damit eine weitere Bedeutung verbinden: Das Adjektiv "königlich" könnte sich auch auf die Adressaten des Gesetzes beziehen: Das Gesetz verleiht denen, die es erfiillen, einen königlichen Status oder fordert von ihnen ein königliches Verhalten. Ihnen ist das "Königreich Gottes" verheißen: den Armen und denen, die Gott lieben, d.h. die das Gesetz erfiillen (vgl. Sir 2,15 f). Wer "Erbe" des Königreichs ist, wird selbst "königlich,,43. Das geht im Jakobusbrief aus der Parallelität der beiden Verheißungen in Jak 1 und 2 hervor: Dort wird "die Krone des Lebens denen verheißen, die ihn lieben" (1,12), hier "die Königsherrschaft denen, die ihn lieben" (2,5). Gemeint ist dasselbe: Die Erwählten werden zu Königen So Popkes, Jak, 173f. Schon Dibelius, Jak, 177, wandte gegen diese Deutung des königlichen Gesetzes auf ein höchstes Gebot ein: " ... das Liebesgebot kommt hier nicht als einziges Hauptgebot im Sinne des bekannten Jesuswortes (Mk 12,31 parr) in Betracht, sondern als eines neben anderen - denn sonst hätte der V.lOf gefiihrte Beweis keinen Sinn." Dieser Gedanke kann in verschiedener Weise variiert werden (vgl. PS.-Plato Epist 8, 354c; DioChrys Or 75,2). Auf das ganze Gesetz bezieht Frankemölle, Jak, 402, das Attribut "königlich". So Jackson-McCabe, Logos, 153 Anm. 78. Man könnte fragen: Ist das Gesetz nicht ein Instrument, durch das gerichtet wird (2,12)? Kann es dann der Richter sein, der königliche Macht ausübt? Passt das Spiegelbild zu dieser Metaphorik? Aber Bilder sind im NT selten ganz kohärent! Vgl. Dibelius, Jak, 178: Es ist ein "Gesetz, das fiir Könige bestimmt ist". Dagegen meint M. Klein: "Ein vollkommenes Werk". Vollkommenheit, Gesetz und Gericht als theologische Themen des Jakobusbriefes, BWANT 139, StuttgartiBerlinlKöln 1995, dass ßucrtAtKOC; keine Zweckbestimmung ausdrücken könne, daher scheide diese Deutung aus. Aber Josephus spricht von der BA1tiC; ßucrtAtKiJ als der Hoffnung auf das Königtum (bell 1,450; 2,31). Hier bedeutet das Wort nicht "zum König gehörend", denn die dort genannten Königssöhne sind noch keine Könige. Philo post. 101 interpretiert den "königlichen Weg" in Num 20,17 mit den Worten: "Denn da der erste und alleinige König des Alls Gott ist, wird auch die zu ihm fiihrende Straße, weil sie die eines Königs ist, mit Recht eine "königliche" genannt." Auch hier bezeichnet ßucrtAtKOC; ein Ziel.
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und Herrschern (mit Kronen)44 und nicht nur zu Bürgern eines Königreichs. Sollte dieser Status nicht schon jetzt zu einem königlichen Verhalten verpflichten? Klemens von Alexandrien kann die Verheißung des Eingehens in die Königsherrschaft Gottes von Mt 5,20 so umformulieren: Wenn eure Gerechtigkeit nicht die der Pharisäer und Schriftgelehrten übertrifft, "werdet ihr nicht königlich sein" (OUK EcrEcr8E ßacrtAtKoi) (Strom VI,164,2). Wenn aber das Tun des Gesetzes zukünftigen königlichen Status verheißt, dann kann auch das gegenwärtige Verhalten ein "königliches" Verhalten genannt werden. Religiöse Texte arbeiten oft bewusst mit der semantischen Offenheit von Begriffen. Wahrscheinlich kann man keine der drei Interpretationsmöglichkeiten ausschließen, aufkeinen Fall aber die letzte Interpretationsmöglichkeit. Nur so kann man den drei Attributen des Gesetzes im Jakobusbrief einen vergleichbaren Sinn beimessen: Das vollkommene Gesetz (1,25) ist ein Gesetz, das vollkommene Menschen (3,2) hervorbringt. Das Gesetz der Freiheit (1,25; 2,12) ist ein Gesetz für Freie, nicht für Unfreie. Dann aber ist auch das "königliche Gesetz" ein Gesetz für königliche Menschen, ein Gesetz, das Menschen königlich macht. 45 Dafür spricht auch eine Parallele: Die beiden Attribute "königlich" und "Freiheit" stehen in 4 Makk 14,2 unmittelbar nebeneinander und bezeichnen dort die Vernunft der sieben Märtyrer, die sich durch keine Folter vom Gesetz abbringen lassen. Bewundernd ruft der Autor aus: ,,0 ihr Urteilskräfte, königlicher als ein König und freier als Freie" (ro ßacrtAEco<; Aoytcr,. lOi ßacrtA1KcO'tEPOt Kat EAEU8EPCOV EAEu8EponEpOt). Hier wird zweifellos der stoische Gedanke aufgenommen, dass der Weise frei und ein König sei. 46 Die Attribute "frei" und "königlich" sind hier eindeutig mit dem Menschen verbunden, der die Thora auch in Anfechtungen hält. Wie aber verhält sich das Liebesgebot zu diesem "königlichen Gesetz"? Wenn das Gesetz "nach der Schriftstelle" (= Lev 19,18) erfüllt werden soll, so kann man das m.E. so deuten: Das ganze (königliche) Gesetz soll "entsprechend" dem Liebesgebot erfüllt werden. Das Liebesgebot ist zwar nur ein Gebot im Gesetz. 44
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Mit Recht sagt Frankemölle, Jak, 369: Die Vorstellung von den Erben des Königreichs in 2,8 ist eine "Variation zu der Wendung 'Kranz des Lebens' in 1,12." Der Kranz ist einerseits Zeichen des Siegers, andererseits des Herrschers. Wer nach Apk 2,10 die "Krone des Lebens" (wie in Jak 1,12) erhält, ist zugleich derjenige, der mit Christus auf dessen Thron sitzen wird (Apk 3,21). Daher tragen die Ältesten Kränze (Apk 4,4), weil sie als Lohn für ihre Treue von Gott zu Mitregenten berufen sind, und sie werfen diese Kronen ab, wenn sie Gott huldigen (4,10). Der Kranz bzw. die Krone ist in der Apk ein "Abzeichen königlicher Herrschaft" (so H. Kraft, Art. L'tE<pavoc;, EWNT 3,654-656, dort Sp. 655). Jackson-McCabe, Logos, 153: "Understood in this light the law of James would be described as 'royal' inasmuch as obedience to it renders one 'kingly',just as obedience to the perfect law offreedom' renders one 'perfect' and 'free'." Vgl. Zeno bei Diog. Laert. VII 122; Sen.Ep.l08,13. Der Topos vom "Weisen als König" war auch im Judentum bekannt. Vgl. Weish 6,20f: "Begierde nach Weisheit führt deshalb zur Königsherrschaft. Folglich, wenn ihr Lust nach Kronen und Szeptern habt, ihr Tyrannen der Völker, (dann) ehrt die Weisheit, damit ihr bis in Ewigkeit herrscht." Philo sobr 57 sagt vom "Freund Gottes": "Er allein ist König ... ; er allein ist frei ... ". Nach Philo prob 154 ist nichts "königlicher als die Tugend". Nach Pirque Avot 6,2 verleiht das Studium des Gesetzes Königswürde.
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Aber alle seine Gebote sollen so erfüllt werden, dass sie ihm entsprechen. KU1:u 1:-.lv ypuq>llV wäre dann zu "CcActV zu ziehen - entsprechend der Verbindung von Verb+Ku1:a+Akkusativ, bei denen die KU1:a-Wendung Norm und Maßstab nennt, nach denen gehandelt wird (vgl. KU1:U 1tVcu/J.u 1tcpt1tU1:ctV Röm 8,4). Der Sinn dieser Wendung als Zitatformel bleibt erhalten. Gehandelt werden soll nach der Norm, die sich in einer bestimmten Schriftstelle findet: nach dem Liebes~ebot. KU1:u 1:-.lv ypuq>11V ist zwar frühchristlich nicht als Zitatformel bezeugt 7, aber meint in der Lxx die Vorschrift des Gesetzes (2 Chron 30,5) und des Königs (2 Chron 35,4; 3 Esr 1,4). Diese Bedeutung passt ausgezeichnet zu Jak 2,8: Das Liebesgebot wäre nicht das "königliche Gesetz", aber es ist die Richtschnur für das ganze Gesetz. Insofern wäre das Liebesgebot "Meta-Norm" zu allen anderen Normen des Gesetzes. Wir erhalten insgesamt eine zusammenhängende Deutung der verschiedenen Motive. Wer in das vollkommene Gesetz der Freiheit wie in einen Spiegel schaut, sieht vor allem sich selbst und seine Würde: die Würde eines zur Vollkommenheit und Freiheit bestimmten Menschen. Wenn er das Gesetz vergisst, verliert er diese Würde. Mit dem Bewusstsein dieser Würde soll er in der Gemeinde leben und weder die Hochstehenden vorziehen noch die Niedrigen demütigen. Denn alle Gläubigen sind zu einem hohen Status bestimmt - gerade die, die hier einen niedrigen Status haben. Alle sind dazu bestimmt, im Königreich Gottes die Krone des Lebens zu tragen. Allen gilt das königliche Gesetz, das mehrere Gebote umfasst: das Nächstenliebegebot und das Gleichheitsgebot ebenso wie die grundlegenden sozialen Gebote des Dekalogs. Das Gleichheitsgebot erfordert von allen Christen die Haltung eines souveränen Richters, der unparteiisch urteilt. Es setzt Menschen voraus, die sich selbst vor Gott einen hohen und überlegenen Status zuschreiben. Ein Gesetz für Könige aber orientiert sich am Liebesgebot. Wie Könige sollen die Christen Barmherzigkeit üben.
3. Nächstenliebe und Universalität im Jakobusbrief Die starke Betonung des Gleichheitsgebots lässt erwarten, dass die Universalität des Liebesgebots eingeschränkt wird: Nur im Binnenraum kleiner Gruppen kann egalitäre Liebe geübt werden. Je stärker die Gleichheit betont wird, um so mehr finden wir eine Abschottung nach außen. Auch im Jakobusbriefkönnte man ein sektiererisches Ethos finden: Die hier angeredeten Christen sollen sich rein halten von der Welt (1,27). Sie wissen, dass "Freundschaft mit der Welt Feindschaft mit Gott ist" (4,4). Trotzdem wird das Nächstenliebegebot nicht auf den Binnenbereich begrenzt und sektiererisch eingeschränkt. Zwar wird es nicht explizit auf alle Menschen ausgedehnt, aber es wird nirgendwo eindeutig auf Gemeindeglieder eingeschränkt. Es ist zwar nicht universal, wohl aber offen rür Außenstehende, die potentielle Gemeindeglieder sind. Zwei Beobachtungen deuten darauf hin: einmal die Verbindung des Liebesgebots mit anderen Deka47 Belegt sind Ku"Ca "Co YSYPUI.qlEVOV (2 Kor 4,13), Ku"Ca "Co sipTJIlEVOV (Röm 4,18), Ku"Ca "Ca<; ypuepa<; (l Kor 15,3t).
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loggeboten, ferner das Beispiel des in die Gemeinde kommenden angesehenen Menschen. 3.1. Das Liebesgebot im Kontext anderer Gebote
Die Bezeichnung "der Nächste" ist durch Lev 19,18 vorgegeben. Im Jakobusbrief könnte er mit den in 2,5 und 2,14 angesprochenen Brüdern identisch sein. Dafür spricht, dass in Jak 4,llf das Richten des Bruders parallel zum Richten des Nächsten steht, so dass man zwischen Bruder und Nächstem nicht trennen kann. Der Nächste scheint der Bruder zu sein. Aber ist es nur der Bruder? Für eine prinzipielle Einschränkung der Nächstenliebe im Jakobusbrief reicht m.E. Jak 4,llf nicht aus: "Bruder" begegnet hier, weil von einem zwischenmenschlichen Verhältnis auf Gegenseitigkeit die Rede ist - von Menschen, die sich gegenseitig herabsetzen können (4,11). "Nächster" begegnet in dem Augenblick, in dem vom Verhältnis zu Gott die Rede ist - als dem Richter, "der die Macht hat, zu retten und zu verderben" (4,12). Der Wechsel der Bezeichnung könnte signifikant sein: Vor Gott als ihrem Richter stehen alle Menschen. Der Begriff "Nächster" könnte daher in Jak 4,11 f weiter gefasst sein als der Begriff "Bruder". Aber das können wir hier auf sich beruhen lassen. Schon die Verbindung des Liebesgebots aus dem Heiligkeitsgesetz mit dem Ehebruchs- und Tötungsverbot aus dem Dekalog in Jak 2,8-11 spricht eine eindeutige Sprache: So wie Ehebruch und Töten universale Vergehen sind und ihr Verbot jeden Menschen schützt und jeden verpflichtet, so muss auch die Nächstenliebe potentiell jeden Menschen meinen und jeden verpflichten. Gewiss spricht der Verfasser von Töten (sic!) und Ehebrechen auch in der Gemeinde (Jak 4,2.4). Aber das ist metaphorisch gemeint. 48 Wenn er in 5,6 von der Tötung des Gerechten spricht, dann meint er dagegen eindeutig ein Todesurteil durch nicht-christliche Instanzen. Kurz, da von den drei konkreten Geboten in Jak 2,8.11 zwei eindeutig universale Reichweite haben, muss das tendenziell auch für das Nächstenliebegebot angenommen werden49 • Das wird durch eine universalistische Tendenz im Gesetzesverständnis des Jakobusbriefes bestätigt, die aber umstritten ist. 48
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Sofern in Jak 4,2
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PsJakobus identifiziert das "Wort der Wahrheit" (1,18) mit dem "eingepflanzten Wort" (1,21) und dem "vollkommenen Gesetz der Freiheit" (1,25). Beim Begriff 8Jl
So der überzeugende Nachweis von lackson-McCabe, 87-134, der dabei vor allem Philo, 4 Makkabäer, die Apostolischen Konstitutionen und lustin auswertet. Diese These wurde mit Nachdruck von lackson-McCabe vertreten. Er ist sich bewusst, dass er damit der Mehrheitsmeinung widerspricht (vgl. lackson-McCabe, 7-27). Er hat darin Recht, dass aus der Christlichkeit des lakobusbriefs noch nicht folgt, dass er nicht universalistisch gedacht hat. Die Variationsbreite des Christentums war groß genug, um auch solch eine Variante von Christentum zu umfassen.
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busbrief fehlt die paulinische Ambivalenz gegenüber dem Sinaigesetz. Er kann das Schöpfungsgesetz aller Menschen, das Gesetz vom Sinai der Juden und das Gesetz der Christen (die christliche Botschaft) noch sehr viel weniger trennen als Paulus. Deshalb gehen sie bei ihm erst recht ineinander über. Bei Gott, bei dem es keine Veränderung gibt (Jak 1,17), sind sie ohnehin identisch. Die Christen realisieren seinen Willen, wie er von Ewigkeit her war. Wir brauchen das Problem des Gesetzesverständnisses im Jakobusbrief nicht auszudiskutieren. Man muss auch in dieser Hinsicht den Jakobusbrief als Pseudepigraphie lesen. Der reale Verfasser wird von Jakobus die Vorstellung haben, dass der reale Autor gesetzestreu war. Daher wird man in einem ihm zugeschriebenen Brief kein kritisches Wort über das Gesetz hören. Im Gegenteil, er wird selbst womöglich kritischer sein als der von ihm fingierte Jakobus. Kleine Indizien weisen darauf hin. Bevor er direkt vom "Gesetz" spricht, spricht er 'vom "Wort der Wahrheit" und vom "eingepflanzten Wort" (1,18; 1,21). Erst danach begegnet der Begriff Gesetz als eine Interpretation dieses "Wortes" - aber an den beiden ersten Stellen mit einer zusätzlichen Qualifikation als "vollkommenes Gesetz der Freiheit" (1,25) und als "königliches Gesetz" (2,8). Angesichts dessen, dass "Jakobus" entsprechend seinem "Image" nur positiv über das Gesetz reden kann und darf und dass er immer nur vom jüdischen Gesetz sprechen kann, lassen diese Näherbestimmung aufhorchen, zumal es zum ersten Attribut "vollkommen" keine jüdischen Parallelen gibt 52 . Gemeint ist die christliche Botschaft, die als ein "vollkommenes Gesetz" verstanden wird und in deren Zentrum wahrscheinlich religiöse und soziale Gebote stehen. Sofern diese aber den Platz einnehmen, den in der Antike der EJl
Das Beispiel in Jak 2,2-4
Ist der in die Gemeindeversammlung kommende Reiche ein Ungläubiger oder ein Christ? Ist der in ihr gedemütigte Arme ein Gemeindeglied? Diese Frage entscheidet darüber, ob das Gleichheitsgebot auch gegenüber Nicht-Christen zu gelten hat oder nicht. Handelt es sich um zur Zeit noch Ungläubige, so wäre das 52
Die Parallelen reduzieren sich aufvoJlo<; 'tou Kupiou (iJlCOJlo<;
C",
18,8).
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Liebesgebot als Kehrseite des Gleichheitsgebots nicht nur auf Gemeindeglieder beschränkt. Solange man in Jak 2,2ff an konkrete Fälle dachte, die der Gemeinde durch Erfahrung vertraut waren und vom Verfasser nicht breit ausgemalt werden mussten, dachte man an Christen, etwa an einen Besucher aus einer anderen Gemeinde 53 , oder an Christen, die gegeneinander prozessierten; der Appell, keine unfairen Richter zu sein, wäre bei dieser Deutung wörtlich zu nehmen54 . Aber es könnte sich auch um gedachte Beispiele handeln, die zwar denkbare, aber deshalb nicht aktuell erfahrene Realität darstellen. Wir sollten daher nicht fragen, ob der Reiche und der Arme hinter dem Text - in der Gemeindewirklichkeit ein Christ oder ein Heide war, sondern ob er im Text als Christ oder Heide charakterisiert wird. Hier ist der Befund eindeutig: Der Text enthält nichts, was den Reichen als Gemeindeglied charakterisiert. Entweder soll das bewusst offen bleiben55 oder der Autor denkt an einen Ungläubigen! Denn der eine Reiche, der zwar nicht expressis verbis ein "Reicher" genannt wird, aber als solcher erkennbar ist, wird mit den vielen Reichen in 2,6-7 assoziiert. Diese unterdrücken die Christen, zerren sie vor Gericht und lästern den Christennamen. Sie werden im Text nicht als Christen dargestellt. 56 Wenn das Beispiel des einen Reichen ein gedachtes Beispiel ist, so wäre nicht an einen Christen gedacht57, wohl aber im Unterschied zu den vielen Reichen in 2,6f an einen potentiellen Christen. Ist aber der Arme, der in der Gemeindeversammlung gedemütigt wird, nicht eindeutig als Christ vorgestellt?58 Spricht nicht die Sentenz in Jak 2,5 für ein Selbstverständnis der Christen als Arme? "Hat nicht Gott erwählt die Armen in der Welt (die arm sind in Bezug auf die Welt), die im Glauben reich sind und 53 54 55 56
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So E. Grafe: Die Stellung und Bedeutung des Jakobusbriefs in der Entwicklung des Urchristentums, Tübingen/Leipzig 1904, 4. So Ward, Partiality, 87-97. Dass der Verfasser bewusst diese Frage offen gelassen habe, vertreten Dibelius, Jak, 169, und F. Mussner: Der Jakobusbrief, HThK XIII,l, Freiburg 3 1975, 117. Auch der gegenüber Gemeindegrenzen offene Sprachgebrauch bei den "Reichen" spricht m.E. für eine offene Nächstenliebe. In 2,7 spricht Jak m.E. von Reichen außerhalb der Gemeinde (was umstritten ist), in 2,2 eindeutig von einem Reichen, der von außen in die Gemeinde kommt. Wenn er nun in 2,1-7 nicht scharf zwischen den Wohlhabenden in und außerhalb der Gemeinde unterscheidet, wird er etwa scharf zwischen den Adressaten der Nächstenliebe in und außerhalb der Gemeinde unterscheiden? H. Windisch: Die katholischen Briefe, HNT 15, Tübingen 1930, 14, hält ungläubige Menschen für wahrscheinlich. Ch. Burchard: Gemeinde in der strohernen Epistel. Mutmaßungen über Jakobus, in: Kirche, FS G. Bornkamm, Tübingen 1980, 315-328, dort S. 323, nimmt an, sie seien aus Interesse in die Gemeindeversammlung hineingekommen. Interessant ist, dass der Begriff "Arme" nur in 2,1-7 (hier gleich vier Mal) begegnet. Hier ist nicht erkennbar, dass ein Christ gemeint ist. Wo Jak eindeutig von Christen spricht, benutzt er andere Begriffe: Er kennt den "Gerechten", der unterdrückt wird (5,6). Er spricht vom 't'U1tE1V6C; (dem "Niedrigen") - im Singular in Jak 1,9, im Plural in Jak 4,6 (= Prov 3,34 Lxx). Er nennt ihn in 1,9 einen christlichen "Bruder". Er spricht ferner von bedürftigen "Brüdern und Schwestern", denen es an Essen und Kleidung fehlt (2,15f), und macht dabei deutlich: Eine Gemeinde, die extreme Bedürftigkeit unter ihren Mitgliedern toleriert, wäre in ihrem Glauben tot (2,17). Eigentlich dürfte es in ihr keine Armen geben! Ist also "Arme" im Jak keine Selbstbezeichnung der Christen? Bezeichnet dieser Begriff nur die Schicht, aus der sich viele Christen rekrutieren, um dann· innerhalb der christlichen Gemeinde nicht mehr "Arme" zu sein? Dezidiert anders: Frankemölle, Jak, 387f.
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Erben des Reichs, das er verheißen hat denen, die ihn lieben?" Diese Aussage über die Armen wird freilich ergänzt: Das Erbe gilt allen, die Gott lieben. Das wirkt so, als weite der Verfasser einen aus der Tradition stammenden Satz über die Erwählung der Armen so aus, dass er fiir einen größeren Kreis gilt: fiir alle, die Gott lieben. Die Armen sind (durch Gottes Handeln) auserwählt zu Erben der Gottesherrschaft. Aber verheißen (durch sein Wort) hat Gott sie nur denen, die ihn lieben. Muss also der Arme noch zu jemand werden, der Gott liebt - d.h. seine Gebote halten will? Dann wäre auch er noch kein Christ, wohl aber ein potentieller Christ. Schließlich sei noch ein Argument angefiihrt, das rür beide gilt: rür den Reichen und den Armen. Der Jakobusbrief redet in 2,2-4 die Gemeinde in der 2. Pers. Plural an - und setzt dabei jeweils die ganze Gemeinde in ein Verhältnis zum Reichen wie zum Armen: ,Ihr sprecht zu ihm (dem Reichen): Setze du 'dich hierher auf den guten Platz! Und zum Armen sprecht ihr: Stell du dich dorthin! oder: Setze dich unten zu meinen Füßen!" (Jak 2,3). Da die Gemeinde als Ganze in ein Verhältnis zu dem Reichen und Armen gesetzt wird, gehört sie selbst weder zu den Reichen noch den Armen. Aus all dem ergibt sich m.E.: Die beiden im Beispiel vorgestellten Reichen und Armen werden nicht als Christen vorgestellt, sondern als zur Zeit noch Ungläubige, die in die Gemeindeversammlung gekommen sind. Sie sind potentielle Mitglieder. Sonst würden sie nicht die Gemeindeversammlung aufsuchen. PsJakobus warnt davor, die reichen Neuankömmlinge zu umwerben, die armen Interessenten aber zu demütigen 59 . Wenn sie als Außenstehende Beispiel fiir das Gleichheitsgebot und das mit ihm eng verbundene Liebesgebot sind, so bedeutet das: Das Liebesgebot ist im Jak trotz seines egalitären Charakters nicht exklusiv auf den Binnenraum der Gemeinde beschränkt. Es wird zwar nicht universal formuliert, aber es werden gegenüber potentiellen Mitgliedern keine Grenzen gezogen. 60
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So mit Recht Burchard, Nächstenliebegebot, 523f. Nachdem Jak in 2,2-4 zwei Beispiele von Neuankömmlingen vorgestellt hat, die sich für das Christentum interessieren, spricht er in 2,5-6 allgemein über die Armen und die Reichen als Rekrutierungspotential der Christen: Die "Armen fur die Welt" (n"Croxot "Ce{) KOcrJ,lcp) wären also nicht Christen, die arm in der Welt sind, sondern die noch nicht christlichen Armen, die von Gott erwählt sind - d.h. dazu bestimmt sind, einmal Christen zu werden. Sobald sie Christen werden, sind sie nach der Sicht des Jak keine "Armen" mehr, nicht nur, weil sie jetzt "reich im Glauben" sind, sondern weil sie "durch (tätigen) Glauben" und die gegenseitige Unterstützung der Christen von ihrer Armut befreit werden. In 2,6 spricht er dann von den Reichen als Rekrutierungspotential für christliche Gemeinden. Sie erhalten aufgrund ihres Verhaltens zu den Christen eine ungünstige Prognose (so mit Recht Burchard, Nächstenliebegebot, 524). So vorsichtig als Möglichkeit Meisinger, Liebesgebot und Altruismus, 147. Richtig Konradt, Existenz, 194: "Daß die npocrronoAllJ,l\jlia im Binnenraum der Kirche gegenüber vermutlich Nichtchristen (2,2-4) das Nächstenliebegebot verletzt, deutet die potentielle Offenheit des Gebotes zumindest an." Ebenso seine Einschränkung (Konradt, Existenz, 138): "Für das, was das Beispiel illustrieren soll, spielt die Konfession ohnehin keine Rolle, und so oder so findet die npocrronoAllJ,l\jlta - wenn nicht gegenüber Christen, so doch - in jedem Fall im Binnenraum der Gemeinde statt." Aber schon das wäre viel, wenn in der Gemeinde ein Konsens darüber besteht, Außenstehende ohne Ansehen der Person zu behandeln.
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Gegen die Tendenz der Nächstenliebe zu einer gewissen Universalität könnte man Jak 2,14-17 anführen. Die Nächstenliebe von Jak 2,8 kommt hier nur "Brüdern und Schwestern" zugute. Aber ist das eine grundsätzliche Einschränkung? Wie 2,14 und 2,17 zeigen, ist die Nächstenliebe ihnen gegenüber Beispiel für die notwendige Einheit von Glauben und Tun. Diese Einheit wird am Beispiel Abrahams und Rahabs gezeigt. Rahab hilft Mitgliedern eines anderen Volkes sogar Feinden. Das spricht für eine Offenheit der Nächstenliebe über die eigene Gruppe hinaus. Dass diese Offenheit nicht programmatisch formuliert wird, ist richtig. Aber angesichts der schroffen Abgrenzung zur Welt müsste man eine viel stärkere Eingrenzung auf die Binnengruppe erwarten. Wo die Egalität zwischenmenschlicher Beziehungen so stark wie im Jak betont wird, wäre ein Dualismus nach außen wie im johanneischen Schrifttum nahe liegend. Unser Ergebnis ist daher: Die Nächstenliebe ist zwar nicht explizit universal, aber sie ist zumindest für alle potentiellen Mitglieder offen. Sie ist nicht sektiererisch. Das könnte mit dem spezifischen Verhältnis der beiden urchristlichen Grundwerte, Liebe und Statusverzicht, im Jakobusbrief zusammenhängen. Abschließend versuchen wir, deren Verhältnis noch einmal zu bestimmen. 4. Das Verständnis von Positionswechsel und Demut im Jakobusbrief
Ich erinnere an das Ausgangsproblem: Nächstenliebe und Demut - verstanden als Statusverzicht - gehören zusammen. Nächstenliebe will den anderen "wie sich selbst" lieben. Da der andere nur selten auf gleicher Ebene begegnet, setzt Nächstenliebe die Relativierung des Status voraus. Der Hochstehende muss sich herab begeben auf die Ebene des Niedrigen und der Niedrige muss erhöht werden, um mit dem Höheren auf Augenhöhe zu verkehren. Erst dann wird der andere wirklich geliebt "wie man selbst". Am leichtesten ist dies in kleinen Gruppen von Gleichgestellten. Eine durch religiöse Überzeugungen zusammengehaltene Kleingruppe kann in ihrem Inneren Statusunterschiedevielleicht so weit relativieren, dass sie wirklich ein Gegenseitigkeitsethos praktiziert (obwohl auch Kleingruppen drückende Hierarchien entwickeln können). Sobald aber die Grenzen der Kleingruppe verlassen werden, hat auch sie es mit Überlegenen oder Unterlegenen zu tun. Die Liebe gewinnt dann zwar an universaler Offenheit, verliert aber an Egalität. Warum tritt das im Jakobusbrief in viel geringerem Maße ein, als man erwarten könnte? Statusverzicht und Demut haben im Jakobusbrief einen spezifischen Akzent. Im ersten Kapitel des Jakobusbriefes werden angesichts der Anfechtungen des Christen in dieser Welt (1,2-4) zwei Tugenden empfohlen: Erstens Weisheit, die in den Turbulenzen des Lebens den Weg finden lässt; diese Turbulenzen werden im Bild des Seesturms dargestellt; zweitens Demut, die nicht allein darauf basiert, dass sich der "Reiche seiner Niedrigkeit rühme", sondern der "Niedrige seiner Hoheit" (1,9). PsJakobus beginnt mit der Erhöhung des Niedrigen. Und auch später finden wir in diesem Brief eine vergleichbare ,Mahnung: "Erniedrigt euch vor dem Herrn, und er wird euch erhöhen" (4,10). Der Unterschied zur Mahnung in 1,9 besteht darin, dass dort jemand angesprochen wird, der niedrig ist, hier dagegen jemand, der niedrig wird: Die Angeredeten sollen
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sich vor Gott demütigen und selbst erniedrigen. Diese Demut führt zu einer neuen Hoheit. Gott wird sie erhöhen. In vielen neutestamentlichen Aussagen zum Positionswechsel finden wir wohl die Aufforderung zum Statusverzicht des Hohen, seltener aber wie hier die korrespondierende Aufforderung zur Statuserhöhung des Niedrigen. Man denke an den Philipperhymnus: Die Erniedrigung Jesu aus gottgleicher Position wird zum Vorbild der Christen für ihre "Demut" ('tU1tclvo
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Aufschlussreich ist: Bei dem armen Mann im schmutzigen Kleid könnte es sich um einen Bettler handeln. Aber Jak thematisiert hier nicht das Problem, wie man ihn versorgt. Wichtiger ist ihm, dass man ihn nicht entehrt: "Ihr aber habt den Armen Unehre angetan!" (Jak 2,6). Man vergleiche dagegen Röm 13, 8-10. Hier finden wir wie in Jak 2,8-11 eine Kombination des Nächstenliebegebots aus Lev 19,18 mit den sozialen Dekaloggeboten zum Ehebruch und Töten, ergänzt um die Gebote zum Stehlen und Begehren. Aber es fehlt das Gleichheitsgebot. Es wird im vorhergehenden Kontext gegenüber den heidnischen Machtträgem sogar durch die Forderung zur Unterordnung ersetzt. Natürlich sind beide Texte nicht direkt vergleichbar: Im Röm wird nicht damit gerechnet, dass Vertreter dieser heidnischen Welt in die Gemeinde kommen, um vielleicht Christen zu werden. Im Jak wird prinzipiell damit gerechnet.
Ethos und Gemeinde im Jakobusbrief Überlegungen zu seinem "Sitz im Leben"} Gerd Theißen
Der Jakobusbrief beschränkt sich auf ethische Themen. Aber er lässt immer wieder erkennen, dass diese ethischen Themen in umfassendere theologische Überzeugungen eingebettet sind, die an wenigen Stellen sichtbar werden. In ihnen erkennt man Ansätze einer Christologie, Eschatologie und Soteriologie. Daraus lässt sich ein Entwurf "christlicher Existenz" rekonstruieren, der innerhalb des Urchristentums einzigartig ist (M. Konradti. Aber wir erhalten nur bruchstückhaft Einblick in diese theologische Welt. Anders scheint es im Bereich der Ethik zu sein. Hier äußert der Jakobusbrief sich detailliert. Hier liegt sein Schwerpunkt. Aber selbst hier bietet er nur Fragmente. Er sagt nichts über die Familie, nichts über das Verhältnis von Mann und Frau, Eltern und Kindern, Herren und Sklaven, nichts über die Beziehung zum Staat. Er legt zwar dem konkreten Verhalten der Christen in der Welt einen hohen Wert bei, schweigt aber über die elementarsten ethischen Fragen3. Fragt man nach dem sozialen Ort seiner Ethik, so schließt man aus fragmentarischen Aussagen auf etwas zurück, was selbst bei weniger fragmentarischen Quellen nur schwer erkannt werden könnte. Um zu relevanten Aussagen zu kommen, müssen wir das Fragmentarische unseres Wissens selbst zum Gegenstand unserer Untersuchung machen. Wir sollten akzeptieren: Der Jakobusbrief bietet nur einen kleinen Ausschnitt aus seiner Welt. Aber es ist der Ausschnitt, dem er großen Wert zuschreibt. Was er in ihm festhält, will er in der ganzen Welt, überall, wo die zwölf Stämme des zerstreuten Gottesvolkes leben, verbreitet wissen (Jak 1,1).4 Es ist kein zufälliger AusI
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Dem Aufsatz liegt ein Vortrag im Rahmen eines troisieme cyc1e für Neues Testament an der Universität in Genf am 4. Juni 1999 zugrunde, der unter dem Titel: Ethique et communaute dans l'Epitre de Jacques. Reflexions sur son Sitz im Leben, ETR 77 (2002), 157-176, zum ersten Mal erschien und für dieses Buch noch einmal überarbeitet wurde. M. Konradt: Christliche Existenz nach dem Jakobusbrief. Eine Studie zu seiner soteriologischen und ethischen Konzeption, StUNT 22, Göttingen 1998. W. Popkes: Der Brief des Jakobus, ThHK 14, Leipzig 2001, 3-6, zählt folgende fehlende Themen auf: Der familiär-häusliche Bereich, christliche, speziell ekklesiologische Interna, Judentum, Staat, überirdische Mächte und Gewalten. Er ist daher gewiss kein "Handbüchlein christlicher Ethik" oder "ein kleines Handbuch für die Fragen des christlichen Alltags" (so E. Lohse: Theologische Ethik des Neuen Testaments, ThW 5,2, Stuttgart 1988, 110.111). Dazu fehlt zu viel von der Alltagswirklichkeit der Christen. Der Jakobusbrief steht in der Tradition der jüdischen Diasporabriefe (vgl. I. Taatz: Frühjüdische Briefe. Die paulinischen Briefe im Rahmen der offiziellen religiösen Briefe des Frühjudentums, NTOA 16, Freiburg (Schweiz)/Göttingen 1991). Zwei Untersuchungen haben dies unabhängig voneinander konkretisiert. Nach K.-W. Niebuhr: Der Jakobusbrief im Licht frühjüdischer Diasporabriefe, NTS 44 (1998), 420-443, will der Jakobusbrief die Identität der Briefadressaten als an Christus glaubende Glieder des Gottesvolkes stärken: Er mahnt zur Treue zum Gott Israels (und zur Abwendung von Welt und Teufel), wendet sich an ein erwähltes Gottesvolk, das sich die alttestamentlichen Frommen Abraham, Rahab, Hiob und Elia zum Vorbild nimmt, und erwartet das nahe Gericht. Diese drei Themen, Gottesverständnis, Gemeindeverständnis und Zukunftserwartung, haben Analogien in an-
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schnitt. Dieser Ausschnitt aus seinem ethischen "Universum" lässt sich in seiner Eigenart erfassen, wenn man ihn mit Ausschnitten aus anderen ethischen "Welten" vergleicht, d.h. wenn wir das, was wir positiv im Jakobusbrief finden, in das Spektrum der Möglichkeiten urchristlichen Ethos' und dessen Entwicklung einordnen und wenn wir zu den Themen, über die er zu schweigen scheint, Aussagen anderer Quellen vergleichen, um für kleinste Hinweise sensibel zu werden, die vielleicht doch etwas sagen. Dabei gilt der methodische Grundsatz: Jedes argumentum e silentio steht auf schwachen Füßen, wenn es sich nur auf Schweigen stützt. Ein "Schweigen" wird erst beredt, wenn wir nachweisen können, dass sich ein Verfasser zu einer bestimmten Frage hätte äußern können oder müssen, es aber nicht tut, und wenn wir Hinweise im Text finden, die man durch Auslegung zum Sprechen bringen kann - vor allem durch Vergleich mit anderen zeitgenössischen Quellen. Was man am Anfang als "Schweigen" erlebt, muss am Ende vernehmbare Aussagekraft haben. Zunächst (1) werden im Folgenden einige Grundzüge des urchristlichen Ethos skizziert, vor allem sein Ort zwischen den verschiedenen Lebensbereichen von Haus und Polis - also zwischen den beiden Bereichen, über die der Jakobusbriefwenig sagt. In zwei weiteren Abschnitten (2/3) sollen Hinweise im Jakobusbrief auf diese beiden Lebensbereiche besprochen werden, um zu zeigen, dass er sein "Schweigen" an einigen Stellen "unterläuft" und relevante Aussagen macht. Am Ende (4) steht ein Versuch zu bestimmen, was der J akobus brief positiv sagt: Er will ein Gemeindeethos formulieren, das sich von der Welt freihält (Jak 1,27). Sein Ethos will sich nicht an vorgegebene Strukturen der Gesellschaft anlehnen, sondern von den eigenen Traditionen der Christen bestimmt sein, vom "Gesetz der Freiheit".
1. Grundzüge des urchristlichen Ethos zwischen Oikos und Polis Ethos ist sozial gebundene Moral. Sie hat einen "Sitz im Leben" in einer Gemeinschaft, einem Beruf, einem Stand, einer Gesellschaft oder einer religiösen Gruppe. 5 Im Unterschied zu einer universalen Ethik bezieht sich ein Ethos immer auf reale Anforderungen in konkreten Kontexten. In der Antike waren das vor allem drei Kontexte: 1) Der elementarste Kontext war das "Haus" (der olKo<;)6. Er bestand aus einem Elternpaar, bei dem der Mann dominierte, mit Kindern und oft mit
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deren jüdischen Diasporabriefen. Nach M. Tsuji: Glaube zwischen Vollkommenheit und Verweltlichung, WUNT 11.93, Tübingen 1997, ist der Brief geschrieben, um Christen inmitten einer heidnischen Umwelt in ihrer Identität zu stärken. Dabei hat die Ethik zentrale Bedeutung. Christen wirken durch Ausrichtung auf das "Wort der Wahrheit" (daher die hohe Bedeutung des Sprachethos) und durch ihr Sozialverhalten in der Gemeinde (das zentral vom Liebesgebot bestimmt ist). Klaffen Wort und Praxis auseinander, so werden sie unglaubwürdig. Ethos ist nicht die faktisch praktizierte Moral, wohl aber die Moral, an der sich eine Gemeinschaft offiziell orientiert, mag sie noch so oft mit ihr und mit sich selbst in Widerspruch geraten. R. Osborne: Art. Oikos, DNP 8 (2000), Sp. 1134-136. H.-J. Gehrke/M.-L. DeißmannMerten: Art. Familie IV, DNP 4 (1998), Sp. 408-412 / 412-417.
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Sklaven. Das Haus war Wohn- und Produktions ort. Patriarchalismus war selbstverständlich, wenn auch verschieden ausgeprägt. Eine breite Literatur beschäftigte sich mit der Frage, wie man ein Haus verwaltet und wirtschaftet: die oikonomia-Literatur. Die Haustafeln des NT arbeiten mit Mustern aus dieser Literatur7 • Ethische Pflichten waren zunächst Pflichten im Haus. Wer ein großes Haus hatte und reich war, konnte als Patron eine ganze Sozialklientel an sich und sein Haus binden. 2) Oberhalb des Hauses gab es das, was wir heute den "Staat" nennen, die nOAt'tctu. In Griechenland und Rom war sie oft eine Stadtrepublik. Die Polis (nOAtc;)8 war der Lebensraum der freien Bürger, zu denen nur die freien Männer gehörten: Frauen, Sklaven und Fremde hatten nur verminderte Rechte. Im Orient finden wir häufiger das Volk oder das Ethnos (E8voC;) als staatliche Einheit. Oft wurde es von Fürsten und Königen beherrscht. Über beide Einheiten, Stadtstaaten und Ethnien, schoben sich immer wieder große Imperien wie das persische, seleukidische oder römische Reich. 3) Zwischen Haus und Polis bildeten sich allmählich weitere soziale Strukturen: eine Gesellschaft, die ein soziales Leben über das Haus hinaus und unabhängig vom Staat ermöglichte (zusätzlich zu den Institutionen der Polis, des Ethnos und des Oikos). Freundschaften bildeten informelle soziale Netze. Aber es gab auch formelle Gemeinschaften. In den Städten entstanden viele Vereine von Handwerkern und kleinen Leuten (auch Sklaven)9, Kultgemeinschaften und Landsmannschaften (nOAt'tEU!-!U'tU), dazu die Synagoge, die teils ein landsmannschaftlicher Verbund, teils ein Kultverein war. Sie erinnerte an philosophische "Schulen", die in diesen Raum zwischen Polis und Oikos gehörten und die sich um eine Lehre sammelten wie die Juden um die Thora. Jenseits dieser Lebensbereiche gab es das Leben von Außenseitern: Die pagane Kultur kannte die kynischen Wanderphilosophen 1o • Sie wichen in ihrem Lebensstil ab, verkörperten aber Werte und Ideale, die allgemein verbreitet waren: ein Streben nach Autonomie und Autarkie, eine Befreiung von dem, was nur durch Konvention (8BCrEt) galt und nicht von Natur (
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D. Lührmann: Neutestamentliche Haustafeln und antike Ökonomie, NTS 27 (1980), 83-97. P.J. Rhodes: Art. Polis II., DNP 10 (2001), Sp. 23-26; ders.: Art. Politeia, DNP 10 (2001), Sp.26-27. Für einen Vergleich zwischen antiken Vereinen und urchristlichen Gemeinden vgl. Th. Schmeller: Hierarchie und Egalität. Eine sozialgeschichtliche Untersuchung paulinischer Gemeinden und griechisch-römischer Vereine, SBS 162, Stuttgart 1995. Vgl. M.a. Goulet-Caze: Art. Kynismus, DNP 6 (1999), Sp. 969-977. Vgl. G. Theißen: Soziologie der Jesusbewegung. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte des Urchristentums, TEH 194, München 1977; ders.: Studien zur Soziologie des Urchristentums, WUNT 19, Tübingen 1979, 3 1989; E.W./W. Stegemann: Urchristliche Sozialgeschichte. Die AnHinge im Judentum und die Christusgemeinden in der mediterranen Welt, Stuttgart 1995.
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Palästinas. Im Verhältnis zur dortigen jüdischen Gesellschaft hatten diese Wandercharismatiker die Rolle, die Kyniker im Verhältnis zur paganen Gesellschaft hatten! 2. Sie verkörperten ein theokratisches Ethos, dessen Prämissen alle teilten - aber sie vertraten es in radikaler und sozial abweichender Gestalt. Diese Bewegung verbreitete sich ausgehend von den ländlichen Gebieten Palästinas bald in den paganen Städten der Mittelmeerwelt - zunächst im Umfeld der Synagoge, aber schon in der ersten Generation nach Jesu Tod selbständig von ihr und oft auch in Spannung zu ihr. Das Urchristentum war zweifellos eine jener vielen "Gemeinschaftsbildungen" zwischen Oikos und Polis, die damals einem sozialen Bedürfnis entsprachen. Es konnte von außen entweder als eine Art philosophischer "Schule" oder als Mysterienkult, als Verein oder als eine Art Synagoge erlebt werden. Aber es lehnte sich an keines dieser Modelle ganz an, auch nicht an die Synagoge, von der es Grundzüge des Gottesdienstes und der Ethik übernommen hatte. \3 Es entwickelte ein eigenes Selbstverständnis mit dem Anspruch, eine Größe sui generis zu sein. Das zeigt sich im Bewusstsein, schon in der Gegenwart Teil und Vorschein einer neuen Welt zu sein. In der Tat wollte man der vergehenden, alten Welt nicht angehören, auch wenn man mitten in ihr lebte. Dieses distanzierte Verhältnis zur" Welt" zeigt sich in einer großen Ambivalenz gegenüber den beiden elementarsten Institutionen der Gesellschaft: gegenüber Haus und Staat.
1.1. Die Einstellung zu Oikos und Familie Von seinen radikalen Anfangen her besaß das Urchristentum einen familienkritischen Zug. Nachfolge bedeutet Verlassen von Haus und Hof, von Vater und 12
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Sie waren m.E. deshalb keine Kyniker, die direkt vom Kynismus beeinflusst waren, hatten aber eine Analogie in den Kynikern. Diese These hatte ich in G. Theißen: Wanderradikalismus. Literatursoziologische Aspekte der Überlieferung von Worten Jesu im Urchristentum, ZThK 70 (1973), 245-271 = Studien zur Soziologie des Urchristentums, WUNT 19, Tübingen 3 1989, 79-105, S.89f, vertreten. Sie wurde einerseits scharf angegriffen. Die kynische Interpretation sei ein Irrweg, da sie den Wandercharismatikern eine freiwillige Entscheidung zu ihrer Lebensweise unterstelle. Gegen meine "kynische" Interpretation der Jesusbewegung wendet sich vor allem W. Stegemann: Wanderradikalismus im Urchristentum? Historische und theologische Auseinandersetzung mit einer interessanten These, in: W. Schottroff/W. Stegemann (Hg.), Der Gott der kleinen Leute. Sozialgeschichtliche Bibelauslegungen Bd. 2 Neues Testament, MüncheniGelnhausen 1979, 94-120, vgl. S.ll5. Sie sei allenfalls für das lk Bild der Wandercharismatiker zulässig, nicht aber für Jesus und seine Jünger. Andererseits gab es in der amerikanischen Literatur eine Tendenz, Jesus direkt zum jüdischen Kyniker zu machen, der durch den Kynismus über hellenistische Einflüsse in Galiläa direkt beeinflusst sei. So ist Jesus für J.D. Crossan: The Historical Jesus. The Life of a Mediterranean Jewish Peasant, Edinburgh 1991, ein "peasant Jewish cynic" (S. 421f). Der Trägerkreis der Logienquelle wird von L.F. Vaage: Galilean Upstarts. Jesus' First Followers According to Q, Valley Forge 1994; B.L. Mack: The Lost Gospel. The Book of Q and Christian Origins, San Francisco 1993, als eine Variante des Kynismus gedeutet. Zu diesen Modellen vgl. W.A. Meeks: Christentum und Stadtkultur. Die soziale Welt der paulinischen Gemeinden, München 1993, 159ff.
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Mutter, ja sogar von Frau und Kindern. Die Distanz zur Familie blieb auch im späteren Urchristentum lebendig. Sie zeigt sich in der Attraktivität asketischer Lebensweisen. Frauen (aber auch Männer wie Paulus) zogen es vor, ehelos zu bleiben. Sie wollten sich mit ihrem ganzen Leben "heiligen" und einem religiösen Ziel widmen - frei von den Beschränkungen der Ehe. Die Ehe beschreibt Paulus als ein gegenseitiges Übereinander-Verfügen, als ein Ka'tE~ouO't(isEtv (1 Kor 7,4): Die Gegenseitigkeit in ihr ist für ihn etwas Positives, die "Herrschaft" übereinander aber etwas Negatives, zeigt sie doch, dass man die "Herrschaft" über sich selbst verloren hat (die E~ouO'ia über den eigenen Willen, die er den Heiratenden indirekt in 1 Kor 7,37 abspricht). Auf diesen "asketischen" Paulus beriefen sich später viele Asketen und Asketinnen. Das beeindruckendste Zeugnis dieser Strömung in der "Schule" des Paulus sind die Thekla-Akten 14. Im Gegenzug zu solchen familienkritischen Traditionen werden bei anderen Paulusschülern Haus und Familie betont aufgewertet. Die meisten nachpaulinischen Briefe im NT orientieren sich positiv am Leitbild des Hauses. Kol und Eph wollen in ihren "Haustafeln" die häuslichen Beziehungen mit christlichem Geist durchdringen (Kol 3,18-4,1; Eph 5,21-6,9).15 Die Haustafeln scheinen sagen zu wollen: Wir Christen haben die besten Frauen, Kinder und Sklaven. Wir erfüllen vorbildlich das, wovon viele nur träumen und das gilt auch, wenn man strenge konservative Maßstäbe der damaligen Zeit zugrunde legt. Der Epheserbrief will zeigen, dass man auch im Rahmen der Ehe an der Heiligkeit des Erlösungsgeschehens teilnehmen kann, ja, dass man es in der sexuellen unio der Ehe direkt abbildet (Eph 5,21-33). Er wendet sich damit indirekt gegen asketische Tendenzen in der Nachfolge des Paulus. 16 Diese Haustafel ethik des Kol und Eph wird im Urchristentum in zwei Richtungen hin ausgeweitet und mit dem Selbstverständnis der Gemeinde verbunden: Im 1 Petr wird sie zur Grundlage für die Beziehungen zu Nichtchristen. Am Anfang steht hier die Staatsparänese, die den heidnisch dominierten Staat vor Augen hat (1 Petr 2,13-17); dann folgen die Sklaven- und die Frauenparänese, die sich an christliche Sklaven und christliche Frauen in nicht-christlichen Häusern wenden (1 Petr 2,13-3,7). Die Gemeinde selbst versteht sich als "Haus Gottes" (1 Petr 2,5; 4,17). Immer geht es darum, wie man ein "rechtschaffenes Leben unter den Heiden" führen kann (1 Petr 2,12). Das für die Binnenbeziehungen im Haus entwickelte Hausethos wird für die Außenbeziehungen zu den Heiden fruchtbar gemacht. In den Pastoralbriefen werden dagegen haustafelartige Mahnungen zur Grundlage der Gemeindeordnung. 17 Auch hier wird die Gemeinde als "Haus Gottes" 14 15
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A. Merz: Der intertextuelle und historische Ort der Pastoralbriefe, Diss. theol. Heidelberg 2000. Vgl. lT. Fitzgerald: Art. Haustafeln, ABD 3 (1992), 80-81; D.L. Balch: Art. Household Codes, ABD 3 (1992),318-320. M. Walter: Gemeinde als Leib Christi. Untersuchungen zum Corpus Paulinum und zu den "Apostolischen Vätern", NTOA 49, Freiburg (Schweiz)/Göttingen 2001, 233-242. Vgl. U. Wagener: Die Ordnung des 'Hauses Gottes'. Der Ort von Frauen in der Ekklesiologie und Ethik der Pastoralbriefe, WUNT 11.65, Tübingen 1994. Die Durchsetzung dieser Hausordnung Gottes in der Gemeinde hatte u.a. den Effekt, dass Frauen aus der Leitung der Gemeinde hinaus gedrängt wurden.
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aufgefasst. Timotheus erhält Anweisungen dafiir, wie er sich im "Hause Gottes" verhalten soll (1 Tim 3,15). Was fiir das Haus gut ist, ist auch fiir die Gemeinde gut. Daher ist es eines der wichtigsten Kriterien fiir Gemeindeleiter, dass sie ihrem Haus vorbildlich vorstehen. Sie sollen verheiratet sein. Die Pastoralbriefe polemisieren direkt gegen asketische Tendenzen (1 Tim 4,3) und wollen die Ehe fiir junge Frauen zur Pflicht machen (1 Tim 5,14). Betont widerruft der PsPaulus der Pastoralbriefe die Aussagen des echten Paulus in 1 Kor 7, wenn er sagt: "So will ich nun, dass die jüngeren Witwen heiraten, Kinder zur Welt bringen, den Haushalt fiihren" (1 Tim 5,14).
1.2. Das Ver,hältnis zum Staat Eine vergleichbare Ambivalenz wie gegenüber dem "Haus" können wir gegenl8 über dem Staat feststellen • Von den Anfangen her ist der Konflikt mit ihm tief in die Symbolsprache des Christentums eingeschrieben. Jesus wurde vom Staat hingerichtet. Er starb den schändlichsten aller Todesarten, den Tod am Kreuz, der fiir Aufrührer, Sklaven und Verbrecher bestimmt war. Das Risiko, in der Nachfolge Jesu im Konflikt mit dem Staat das Martyrium zu erleiden, gehörte zu den ethischen Grundforderungen des Urchristentums und war allen bewusst, auch wenn es viel weniger Märtyrer in der Frühzeit gab, als man im Lichte der großen Christenverfolgungen im 3. Jh. früher annahm. Ein tiefes Misstrauen gegen den Staat - und besonders gegen den sich selbst vergöttlichenden römischen Kaiser - prägt die Johannesoffenbarung: Das imperium romanum ist ein Untier aus dem Abgrund (Apk 12 und 13). Es ist die Verkörperung des Satans. Auch im JohEv und in der Versuchungsgeschichte der synoptischen Evangelien steht m.E. der politische "Herrscher dieser Welt" hinter der Gestalt des satanischen Herrschers dieser Welt (vgl. Joh 12,31; 14,30; 16,11; Lk 4,5-8). Auch hier finden wir an anderer Stelle eine Gegenbewegung. Schon Paulus mahnte in Röm 13,1-7 zum Gehorsam gegenüber allen staatlichen Amtsträgem. Er verweigert (wie alle Juden) dem Staat eine direkte religiöse Legitimation durch Vergöttlichung des Kaisers (den er in einem Brief nach Rom (!) unter den vielen Magistraten nicht hervorhebt). 19 Dafiir fiihrt er staatliche Macht (in Fortfiihrung jüdischer Traditionen) auf den Willen Gottes zurück und begründet damit ein Widerstandsverbot: Neben diese indirekte religiöse Legitimation tritt (in 18
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Vgl. K. Aland: Das Verhältnis von Kirche und Staat in der Frühzeit, ANRW 11,23,1 (1979), 60-246; W. Schaefke: Frühchristlicher Widerstand, ANRW 2,23,1 (1979), 460723. L.C.A. Alexander: Art. Rome, Early Christian Attitudes to, ABD 5 (1992), 835-839. Paulus spricht von den i:;oucriat im Plural (Röm 13,1). Er denkt an üpxovn:<; im Plural (Röm 13,3). Er kennt aber das Abstraktum der i:;oucria im Singular (Röm 13,2.3). Er weiß, dass die einzelnen Ämter (i:;oucriat) ihre Legitimation durch eine Vollmacht (i:;oucria) haben. Entweder orientiert er sich an seiner unmittelbaren Lebenswelt der Stadtstaaten in der Mittelmeerwelt. Hier begegnete er dem Staat in Gestalt vieler Magistrate und Amtsträger. Oder ist ihm sogar bewusst, dass auch das Amt des Princeps in Rom nur aus einer Akkumulation von republikanischen Ämtern besteht? 'E;oucria bedeutet oft die verfassungsmäßige Gewalt. Vgl. Augustus Res Gestae 1,6: "Was der Senat von mir besorgt wissen wollte, habe ich kraft meiner Vollmacht (i:;oucria) als Volkstribun getan."
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Fortfiihrung hellenistischer Traditionen) eine ethische Rechtfertigung des Staates: Paulus legitimiert staatlichen Zwang als Mittel zur Erhaltung einer Rechtsordnung. 1 Petr 2, 13-17 nennt, nachdem er ausdrücklich betont hat, dass der Staat eine menschliche Einrichtung (av8pco1tivll K'ticrtC;) ist, den Kaiser (den ßUcrtAf:UC;). Die Loyalität ihm gegenüber ordnet er unter die Pflichten gegenüber allen Menschen, wenn er seine Mahnung so abschließt: "Alle ehrt ('ttJ..t11cru'tf:), die Bruderschaft liebt, Gott fiirchtet, den König (= Kaiser) ehrt ('ttJ-lu'tf:)". Nur auf das 'ttJ-lUV, das allen gilt, hat der Kaiser Anspruch, nicht auf mehr! Der 1 Petrusbrief möchte die Christen als Freie handeln sehen, aber insgesamt als vorbildliche Staatsbürger, die böse Verleumdungen durch ihr Verhalten widerlegen. 1.3. Das Selbstverständnis der Christen
Dieses ambivalente Verhältnis zu Haus und Staat, zu Oikos und Polis, zeigt sich darin, dass die Christen ihr Selbstverständnis in Anlehnung an diese beiden Institutionen formulieren, teils um sie nachzuahmen, teils um eine Alternative zu ihnen aufzubauen. Unter den politischen Metaphern fiir die Gemeinden ist der am weitesten verbreitete Begriff die Kirche (SKKAllcriu). Wie immer es dazu gekommen ist, dass die Christen ihn übernahmen, in den hellenistischen Städten mussten die Christen als ein Gegenbild zur politischen Volksversammlung erscheinen. 2o In der Volksversammlung der Christen (in ihrer ekklesia) hatten auch die ein Recht, die in der politischen ekklesia ausgeschlossen waren: die Frauen, Fremden und Sklaven. Auch das bei Paulus zum ersten Mal auftretende Bild vom "Leib Christi" ist ein in der Antike verbreitetes Bild fiir ein politisches Gemeinwesen: Ein Staat oder eine Polis sollte einen Organismus bilden und dabei auch besondere Orpane (wie den Magen oder den Kopf) als notwendige Führerschaft akzeptieren. 2 Bei Paulus gibt es dagegen nur ein ausgezeichnetes Glied: das schwächste Glied, an dem sich alle anderen orientieren müssen (l Kor 12,12ff; vgl. Röm 12,3ff). Politische Konnotationen hat auch die Rede vom "Volk Gottes" (Röm 9,25; 1 Petr 2,9f). Dieses ekklesiologische Bild ermöglicht es immer wieder, Aussagen und Bilder von Israel, dem Volk Gottes, auf die Kirche zu übertragen - oft mit entpolitisierender Tendenz, aber dennoch mit politischem Hintergrund. Am direktesten spürbar ist der politische Bildhintergrund bei der ekklesiologischen Metapher von der Polis Gottes. Sie begegnet schon bei Paulus: Die Chris20
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1. Roloff: Die Kirche im Neuen Testament, GNT 10, Göttingen 1993, 96-99, erklärt die Tatsache, dass Paulus bei "ekklesia" fast immer an die Einzelgemeinde denkt, obwohl er den umfassenderen Begriff einer Gesamtkirche kennt, damit, dass Paulus bewusst auf die konkrete Grundbedeutung im griechischen Sprachraum zurückgreift, auf "die Versammlung des Volkes, die zu den Rechten der freien Bürger des Gemeinwesens, der polis, gehört" (S.98). VgI. die Fabel des Menenius Agrippa bei Livius 2,32, Dion HaI. 6 und Plutarch, Cor. 6. Eine große Sammlung von Belegstellen findet sich bei Walter, Gemeinde, 70-104, mit dem tabellarischen Überblick S. 313-317.
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ten haben ein Bürgerrecht (ein 1toAhcuJ-lu) im Himmel (Phil 3,20). Sie sind Bürger des himmlischen Jerusalems (Gal 4,26). Der Hebräerbrief sieht sie unterwegs zur himmlischen Heimat (1tu-rp{~, Hebr 11,13-16), zur himmlischen Stadt Jerusalem (1t6Al~, 12,22). Der Epheserbriefbenutzt politische Metaphern, wenn er von der 1tOAl-rclU Israels spricht und von den Christen als crUf.l1tOAt-rUl der Heiligen (Eph 2,12.19). Eine ausfiihrliche Gegenüberstellung der irdischen und der himmlischen Polis der Christen bietet Herrn sim 1,6: In jener Stadt werden die Christen nach ihrem eigenen Nomos leben können, im irdischen Staat werden sie dagegen als Fremde misshandelt. 22 Obwohl man sich also in einer Spannung zu den politischen Strukturen der Umwelt sah, entwickelte man ein Selbstverständnis, das sich an diese Strukturen sowohl anlehnte als auch in Opposition zu ihnen geriet. Das gilt in noch größerem Maße vom Haus, dem Oikos. Wenn bei Paulus das Bild vom Leib Christi und das des "Hauses" nebeneinander stehen, so ist mit dem "Haus" in der Regel der Tempel als Bildspender gemeint, d.h. ein öffentliches Gebäude. Dasselbe gilt fiir die Hausmetaphorik in Eph 2,20ff und 1 Petr 2,4-5. Aber schon in den Pastoralbriefen wird eindeutig das "private" Haus zum Leitbild der christlichen Gemeinden. In der Gemeinde ist der "Bischof' der Hausvater. Auch Gott wird als Hausherr betrachtet, der zwischen den brauchbaren und unbrauchbaren Gefaßen in seinem Haus zu unterscheiden weiß (2 Tim 2,20-21). Charakteristisch ist, dass in den Pastoralbriefen die Leib-ChristiMetaphorik, die sehr viel mehr im öffentlichen Bereich beheimatet ist, verschwunden ist. Man darf von solchen Bildern nicht direkt auf die Realität schließen. Aber sicher ist: Die Christen artikulierten ihr singuläres Selbstverständnis mit Bildern aus dem Bereich der Polis und des Oikos - also der bei den Institutionen, denen sie zugleich kritisch gegenüberstanden: Die Bruchstelle zur Polis wurde durch die Martyriumsbereitschaft gekennzeichnet; Christen waren bereit, sich in ihr wie Kriminelle behandeln zu lassen. Die Bruchstelle zum Oikos wurde durch die Askese geschaffen; sie motivierte Menschen dazu, sich der Ehe und Familiengründung zu entziehen. In diesem Bruch mit der "Welt", d.h. konkret mit den Institutionen der antiken Gesellschaft, lebte der alte Radikalismus fort, der sich am Rande und außerhalb der "normalen Welt", in einer Bewegung von Wandercharismatikern, hatte ausbilden können. Ende des 1. Jh. ist Anpassung und Widerstand gegen diese Welt oft schon in einem ausgeglichenen Verhältnis. Zwei Seelen wohnten im Christentum: Die Dynamik einer gegenkulturellen Bewegung - und einer religiösen Organisation, die das Leben durch Übernahme des allgemeinen Ethos lebbar machen wollte. Als gegenkulturelle Bewegung ist das Urchristentum eine Religion von Aussteigern, als akkommodierte Bewegung eine Bewegung, die fiir das allgemeine Ethos wirbt. 23 Unsere Frage ist nun: Wie ist der Jakobusbrief in dieses Urchristentum einzuordnen? Er bewahrt etwas von 22 23
Vgl. E. Plümacher: Identitätsverlust und Identitätsgewinn. Studien zum Verhältnis von kaiserzeitlicher Stadt und frühem Christentum, BThSt 11, Neukirchen 1987. Vgl. W.A. Meeks: The Origins of Christian Morality. The First Two Centuries, New HavenILondon 1993, 36: "Perfectionism and universalism, abhorrence of the world's perversions and longing for the world' s wholeness, the mind of the sect and the mind of the church struggle on in the history of Christi an moral thought and practice."
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der urchristlichen Radikalität. Andererseits vertritt er ein allgemein zugängliches Ethos. Wir besprechen zunächst sein Verhältnis zu den Problemen des Hauses, dann zum Staat. 2. Das Verhältnis des Jakobusbriefes zum Oikos und die Kritik an den innergemeindlichen Reichen
Der Jakobusbriefübergeht in auffälliger Weise die ethischen Probleme des Hauses. Nirgendwo spielen Beziehungen von Herrn und Sklave, Mann und Frau, Eltern und Kindern eine Rolle. Mahnungen zur Sexualität fehlen fast völlig. Zwar wird das Verbot des Ehebruchs aus dem Dekalog zitiert (2,11). Aber die in 4,4 angeredeten "Ehebrecher" sind Christen, die sich zu sehr auf die Welt eingelassen haben. Hier ist von Ehebruch in übertragenem Sinne die Rede. Möglicherweise gehören zu den "schmutzigen Dingen" in 1,21 auch sexuelle Verfehlungen. Sicher ist das nicht. Sicher ist nur, dass die ausdrücklich als "Hure" charakterisierte Rahab gelobt wird - also eine Frau, die den üblichen Sexualnormen widersprach (2,25). Ansonsten gilt: Nicht Sexualität, sondern Aggressivität ist das große Problem: Zorn (1, 19f), Neid, Streit und leidenschaftliche Kämpfe (3,14.15; 4,lff).24 Auch das Generationenverhältnis spielt keine Rolle. Kinder werden nicht erwähnt. Doch gibt es zwei Ausnahmen: Abraham ist bereit, seinen Sohn Isaak zu opfern. Er ist das Vorbild eines zur Tat entschlossenen Glaubens (Jak 2,20-24). Es ist ein verräterisches Beispiel: Die Familienwerte werden eher verletzt als bestätigt. Ferner definiert PsJakobus den wahren Gottesdienst als Fürsorge für Witwen und Waisen (Jak 1,27). Das ist ein Indiz für Familienethos. Die Gemeinde springt dort ein, wo die Familie durch Tod der Eltern nicht mehr für ihre Mitglieder sorgen kann. Die Familie wird hier erwähnt, wo sie an ihre Grenze gekommen ist. Aber nirgendwo wird gesagt, wie die bestehenden Familien mit christlichem Geist erfüllt werden sollen. Nirgendwo werden die Herren aufgefordert, ihre Sklaven gut zu behandeln. Nirgendwo wird aber auch von Sklaven Gehorsam angemahnt. Sklaven werden nicht einmal erwähnt. Der Verfasser nennt sich selbst zwar "Sklave Christi". Aber dieser metaphorische Gebrauch des Sklavenbegriffs ist das einzige Vorkommen von 80UAOC;. Gleichzeitig begegnet der Gegenbegriff zur Sklaverei "Freiheit". Zweimal wird vom "Gesetz der Freiheit" gesprochen (Jak 1,25; 2,12). Der Jakobusbrief hat als Adressaten keine Gemeinden vor Augen, die sich als ,,Haus Gottes" verstehen, von dem ein wohltätiger Einfluss auf das Leben im alltäglichen Hause ausgehen soll. Wahrscheinlich lebte die "implizite Gemeinde" dieses Briefes in Häusern und Familien. Wahrscheinlich war ein positives Familienethos für sie selbstverständlich. Aber das ist für den Verfasser des Jakobusbriefes nicht wichtig genug, um in seinen Brief aufgenommen zu werden. 24
Vgl. P.V. Gemünden: Einsicht, Affekt und Verhalten. Überlegungen zur Anthropologie des lakobusbriefes, in: Menschenbild und Menschenwürde, hg. v. E. Herms, Veröffentlichungen der Wiss. Gesellschaft für Theologie 17, Gütersloh 2002, 365-378, überarbeitet und erweitert auch in diesem Band.
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Dabei hätte die weisheitliche Tradition, in der er steht, ihm genug Gedanken und Bilder geliefert, um Mahnungen fiir das Haus zu formulieren. Dennoch könnte an einer Stelle indirekt und versteckt das "Haus" angesprochen sein, nämlich in der viel umrätselten Szene in Jak 2,lff, wo ein reicher Mann die Gemeindeversammlung betritt: PsJakobus ist bewusst, dass mit dem Eintritt von Reichen in die Gemeinde diese nach allgemein antiker Tradition zu Patronen der Gemeinde und die Gemeinden wiederum zu deren Sozialklientel werden können. Das Verhältnis eines Vereins zu seinen Patronen war ein Austausch von Ehrung gegen Wohltaten, von Spenden gegen Loyalität. Eine mögliche Ehrung bestand darin, dass man dem Patron einen Ehrenplatz einräumte. So erhält eine Patronin namens Tation in Phokaia im 3. Jh.n.Chr. fiir die Finanzierung von Baumaßnahmen in einer Synagoge einen ständigen Ehrenplatz in der ersten Reihe (npoEopia) - dazu die Inschrift, in der dies fiir immer festgehalten wird. Auch der in Jak 2,lff eintretende Reiche soll einen Ehrenplatz erhalten - vielleicht nach der antiken Maxime: "Ehrung gegen Wohltaten" in Hoffnung auf Unterstützung. 25 Zwar ist es nur ein situativ bedingter Ehrenplatz, keine formale Ehrung. Aber die Verhaltensmuster und Mentalitäten der Antike schlagen hier durch. Gegen den Einfluss solcher "Patrone" spricht sich der Jakobusbrief in scharfer Form aus: Keiner darf bevorzugt oder benachteiligt werden. Der abgerissene Bettler soll als Neuling in der Gemeinde ebenso willkommen sein wie der Reiche. Charakteristisch ist schon eine stillschweigende Voraussetzung der Szene: Die Gemeinde kommt nicht im Haus des Reichen zusammen, sondern er kommt in die Gemeindeversammlung - vielleicht ein Indiz dafiir, dass hier eine besondere Variante des Patronats vor Augen steht. Um das zu präzisieren, werfen wir einen Blick auf verschiedene Typen antiker Vereine und ihre Patrone. Die Prinzipatszeit kannte zwei Typen: religiöse Vereine und Berufsvereine. Die religiösen Vereine waren sozial etwas tiefer angesiedelt. Das Verhältnis zwischen frei und unfrei Geborenen war in ihnen ca. 17:83, in Berufsvereinen dagegen 35:65. 26 Ein genauerer Ver~leich ihrer sozialen Zusammensetzung (in Rom und Italien) ist aufschlussreich 7:
25
26
27
Vgl. J.S. Kloppenborg: Patronage avoidance in James, HTS 55 (1999), 755-794; ders.: Status und Wohltätigkeit bei Paulus und Jakobus, in: Von Jesus zum Christus, FS P. Hoffmann, hg. v. R. HoppelU. Busse, BZNW 93, Berlin 1998, 127-154, dort S. 128. Die oben angefiihrte Inschrift aus Phokaia findet sich in lB. Frey, Corpus Inscriptionum Judaicarum vol. 2 (Citta deI Vaticano: Pontificio Institutio di archeologia christiana 1952) = CIJ 11, Nr. 738 und B. Lifshitz: Donateurs et fondateurs dans les synagogues juives. Repertoire des dedidaces grecques relatives a la construction et a la refection des synagogues (Cahieres de la Revue biblique 7), Paris 1967, Nr. 13. Nach U. Fellmeth: Die römischen Vereine und die Politik. Untersuchungen zur sozialen Schichtung und zum politischen Bewußtsein der städtischen Volksmassen in Rom und Italien, Stuttgart (Mikrofiche) 1987, 88f; vgl. ders.: Politisches Bewußtsein in den Vereinen der städtischen Massen in Rom und Italien zur Zeit der Republik und der frühen Kaiserzeit, Eirene 27 (1990),49-71, hier S. 54. Schmeller, Hierarchie, 40. Zahlen nach Fellmeth, Vereine, 89; Schmeller, Hierarchie, 46.
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Berufskollegien Senatoren Ritter Dekurionen Freigeborene Plebs Freigelassene Sklaven
1,18% 0,60% 0,47% 32,75% 64,95% 0,05%
Religiöse Vereine -
0,47% 17,25% 63,6% 18,68%
Bemerkenswert ist: Die urchristlichen Gemeinden entsprachen in ihrer sozialen Zusammensetzung religiösen Vereinen. Sie umfassten auch Sklaven, drangen aber allenfalls bis in die Oberschichtperipherie. Aber sie hatten eine andere Leitungsstruktur. Um sie zu erkennen, muss man zwischen Patronen und Amtsträgern in antiken Vereinen unterscheiden. Patrone führten nicht die Geschäfte, sondern sorgten durch Geld und soziale Macht für ihre Vereine. Amtsträger organisierten dagegen das soziale Leben der Gemeinschaft. Berufsvereine und religiöse Vereine unterschieden sich hier in zwei Punkten: 1) Den sozial besser gestellten Berufsvereinen gelang es häufiger, sehr einflussreiche Patrone für sich zu gewinnen, als den religiösen Vereinen. Daher kam es hier zu einem großen Abstand zwischen Patron (etwa aus der Senatorenschicht) und den Vereinsmitgliedern. Bei den religiösen Vereinen standen die Patrone den Vereinsmitgliedern sozial näher. Hier wie dort nahmen die Patrone selten am Vereinsleben teil 28- mit einer Ausnahme: Sofern sich die Vereine in seinem Haushalt bildeten, war der Patron natürlicherweise das Zentrum des sozialen Lebens. 2) Die Berufsvereine kannten langfristige Ämter. Die Amtsinhaber wurden oft für fünf Jahre gewählt, manche sogar auf Lebenszeit. Bei den sozial niedrigeren religiösen Vereinen finden wir dagegen oft ein Rotationsprinzip: Da die Ausübung der Ämter mit Ausgaben verbunden war, verteilte man die Lasten reihum auf möglichst viele Schultern. Nur so konnten kleine Leute diese Ausgaben bewältigen. Die Sozialstruktur urchristlicher Vereine entsprach eindeutig den religiösen Vereinen der Prinzipatszeit, ihre Leitungsstruktur aber den Berufsvereinen. Die urchristlichen Ämter waren wahrscheinlich langfristige Ämter. Gegen Ende des 1. Jh. wurde ihre lebenslange Dauer (spätestens mit dem 1. Klemensbrief) durchgesetzt. Da urchristliche Gemeinden viel häufiger zu gemeinsamen Mahlzeiten zusammenkamen als andere Vereine, waren die Ausgaben rür das Gemeinschaftsleben sehr viel höher. Es gab daher eine Versuchung, hochgestellte Personen als Förderer zu gewinnen. Hier konnte sich nach den Verhaltensmustern der damaligen Zeit schnell ein Patronat entwickeln, bei dem sich Patrone dem Gemeinschaftsleben und seinen Normen entzogen. Dagegen gab es in der Struktur urchristlicher Gemeinden einen Widerstand: Sie waren Hausgemein28
Vgl. Schmeller, Hierarchie, 35: Zwischen Patronen und Verein gab es bei den Vereinen oft eine soziale Kluft. "Allerdings dürfte diese Kluft für das Vereinsleben kaum ein Problem gewesen sein, denn die Patrone waren in der Regel eine Art Ehrenvorsitzende, keine eigentlichen Mitglieder. Sie nahmen an den normalen Versammlungen nicht teil, übten auch keine Leitungsfunktionen aus und machten dem Verein keine Auflagen (abgesehen davon, daß sie einen Zweck fur die Verwendung ihrer Stiftung festlegten)."
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den. Sie sammelten sich in den Häusern der besser gestellten Gemeindeglieder. Daher kam es weniger schnell zu einer Trennung von Patronat und Teilnahme am Gemeinschaftsleben. Der Jakobusbrief aber setzt charakteristischerweise voraus, dass der Reiche die Gemeinde besucht - nicht aber, dass die Gemeinde sich in seinem Hause sammelt. Er hat wahrscheinlich einen Typ des Patronats vor Augen, bei dem der Patron am Vereinsleben kaum teilnimmt. Er baut vor: Reiche Gemeindeglieder müssen grundsätzlich bereit sein, am Gemeinschaftsleben teilzunehmen und müssen sich in der Gemeinde nach dem Gleichheitsprinzip behandeln lassen. Wenn man die Normen der Gruppe bei ihnen nicht durchsetzen kann, soll man besser auf sie verzichten. Wenn sie dem Liebesgebot nicht unterworfen sind (d.h. einem intensiven Gemeindeleben auf egalitärer Basis), kann man ihnen im Übrigen auch alle anderen Gesetzesüberschreitungen zutrauen - vom Ehebruch bis zum Mord (Jak 2,11). Sind es doch dieselben ReiChen, die Christen vor Gericht schleppen (Jak 2,6f) - und die sie manchmal, wenn auch sehr selten, zum Tode verurteilten (Jak 5,6). Die Reichtumskritik des Jakobusbriefes hat daher wohl dieselbe Funktion, die man ihr auch anderswo gegeben hat: Sie bildet ein "moralisches" Gegengewicht gegen den übermächtigen Einfluss der Reichen. Sie erlaubt, dass die Führungsposten nicht automatisch an die reichen Mitglieder ~ehen, sondern nach "geistlichen" Kriterien verteilt werden (W. Countryman? . Diese Reichtumskritik scheint im Jakobusbrief zwei verschiedene Gruppen zu treffen: 30 Reiche in der Gemeinde und Reiche außerhalb von ihr. 31 Reiche im Raum der Gemeinde sind in 1,9-10 und 4,13-17 angesprochen. Immer aber weitet sich der Blick unmittelbar danach aus. Über die Reichen in der Gemeinde hinaus kommen (zumindest indirekt) die Reichen in der Gesellschaft in den Blick: Jak 1,10 handelt von einem reichen christlichen "Bruder", schon in 1,11 29 30
31
L. W. Countryman: The Rich Christian in the Church of the Early Empire. Contradictions and Accomodations, Texts und Studies in Religion 7, New York/Toronto 1980. Das Thema Armut und Reichtum im Jakobusbrief wurde in der modernen Exegese zunächst traditionsgeschichtlich bearbeitet: M. Dibelius: Der Brief des Jakobus, KEK 15, Göttingen 111964, 58-66, erklärte es aus der alttestamentlichen Armutsfrömmigkeit, in der "Armut" zum religiösen Begriff geworden war und die "Reichen" die typischen Gottlosen darstellten. Diese Armutsfrömmigkeit sei durch den Jakobusbrief wiederbelebt worden, ohne dass man deshalb auf eine arme Gemeinde schließen müsse. Mit dem Aufkommen sozialgeschichtlicher Exegese verstand man die "Armen" und "Reichen" im Jakobusbrief wieder wörtlich. Vgl. P.U. Maynard-Reid: Poverty and Wealth in James, Maryknoll NY 1987. Das ist wahrscheinlich zu einfach. Mit Recht hat M. Ahrens: Der Realitäten Widerschein oder Arm und Reich im Jakobusbrief. Eine sozialgeschichtliche Untersuchung, Berlin 1995, als methodischen Grundsatz eingeschärft, bei Rückschlüssen vom Text auf die Realität die Sprache, Form und Traditionen im Text stärker zu berücksichtigen. Dieser methodisch richtige Grundsatz führt in dieser besonnenen Arbeit freilich zu keinen neuen Erkenntnissen. Maynard-Reid, Poverty, 44 und 82, hält dagegen die Unterscheidung von Reichen in und außerhalb der Gemeinde für irrelevant. Er datiert den Brief in die Zeit vor das Apostelkonzil, als die Grenze zwischen Judenchristen und anderen Juden noch nicht existierte. Diese Frühdatierung ist unwahrscheinlich. Tsuji, Glaube, vertritt ohne diese Frühdatierung die These, dass immer die Reichen in toto gemeint sind: Dort wo christliche Reiche gemeint sind, sind Reiche generell mitgemeint - und umgekehrt: Aussagen über Reiche im Allgemeinen treffen auch innerchristliche Reiche.
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ist dagegen nichts gesagt, was nicht von allen Reichen gesagt werden könnte. In 2,2-4 befinden wir uns im Raum der Gemeinde. Der Reiche, der die Gemeindeversammlung besucht, interessiert sich für das Christentum. Dann aber verlassen wir in 2,6-7 diesen Raum und betreten in unserer Imagination einen Gerichtsraum, in dem die Christen angeklagt werden! In 4,13-17 ist von christlichen Geschäftemachern die Rede, in 5,1-6 werden dagegen Reiche ganz allgemein angegriffen. Wieder wechselt dabei die Szene. Wir stehen plötzlich in einem Gerichtsraum, in dem der Gerechte zum Tode verurteilt wird (5,6). Jedes Mal sind am Anfang Reiche in der Gemeinde im Blick, dann aber Reiche im Allgemeinen. Das macht Sinn, wenn man die Funktion der Polemik gegen die Reichen so bestimmt, wie wir es oben getan haben: Ihre moralaggressive Abwertung soll ihren natürlichen sozialen Einfluss in der Gemeinde reduzieren. Reichen, die zu solch üblen Kreisen gehören, soll man mit Misstrauen entgegentreten. Die Gemeinde will nicht zu ihrer Sozialklientel werden - erst recht nicht zur Klientel einiger Reicher, die nicht einmal intensiv am Gemeindeleben teilnehmen und sich den christlichen Normen entziehen. Nun wird bei 1,1 Of oft bestritten, dass es sich bei dem Reichen um einen Christen handelt. Nur der Arme wird als "niedriger Bruder" angesprochen (1,9), er dagegen nur als ,,Reicher", ohne dass bei ihm der Brudername wiederholt wird . Bei einem nichtchristlichen Reichen müsste man dessen "Erniedrigung" als seinen Tod verstehen: Er verwelkt wie Gras und geht zugrunde. Aber wie sollte er sich dessen "rühmen" können! Solch ein Sarkasmus wäre nur vorstellbar, wenn es sich um ein ironisches Rühmen der Reichen durch andere, nicht aber um deren Selbstironie handelt. Viel wahrscheinlicher ist die Deutung auf christliche Reiche: Sowohl der "niedrige Bruder" als auch der "Reiche" sind in Jak 1,9-10 Subjekt zu Kuoxacr8Cü, eine Wiederholung des Brudernamens beim Reichen würde unbeholfen klingen. Man darf daher den Brudernamen auch auf den Reichen in 1,10 beziehen. Der Arme soll sich als Christ seiner "Höhe" (ü\Vo<;), der Reiche seiner "Erniedrigung" (tUnctVCücrl<;) rühmen. Hier gibt es eine kleine Asymmetrie: ü\Vo<; meint im Unterschied zu Ü\VCücrl<; einen Zustand, 'tunctVCücrl<; im Unterschied zu 'tunElvo'tl1<; einen Vorgang. Diese Asymmetrie könnte sich so erklären: Vom Reichen wird ein Akt der Selbsterniedrigung oder des Statusverzichts verlangt. Sein Statusverzicht geschieht in der Gegenwart. Er ist präsentisch. Seines eigenen Handeins kann er sich rühmen. Der Arme aber hat als Erwählter durch Gottes Handeln schon immer einen besonderen Status (Jak 2,5). Jak 1,10 spricht also zunächst von einem christlichen Reichen. Unbestreitbar ist, dass alles, was dann weiter in V.II von ihm gesagt wird, von allen Reichen, ja, von allen Menschen gilt: Sie sind vergänglich. Eindeutig werden in 4,13ff Christen angesprochen: Sie werden nicht explizit "Reiche" genannt33 . Sie machen Pläne, die weit über ihren unmittelbaren lokalen 32
33
Konradt, Existenz, 145f, und viele andere deuten Jak 1,10 auf den nichtchristlichen Reichen - unter anderem unter Hinweis auf 2,6 und 5,lff. Aber diese Stellen hat der Leser noch nicht gelesen. Er denkt (wie Ch. Burchard, Der Jakobusbrief, HNT, Tübingen 2001, 64f, und Popkes, Jak, 93f) zunächst an Christen. Richtig ist aber, dass die Aussage in 1,11 nur Dinge umfasst, die für alle Reiche gelten - auch für die nichtchristlichen Reichen! Seit 1,9-11 werden Christen m.E. nicht mehr reich genannt, da seit 1,9ff klar ist, dass Christen nicht als "Reiche" auftreten, sondern sich ihrer Niedrigkeit rühmen sollen - und
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und zeitlichen Horizont hinausgehen: "Heute oder morgen wollen wir in die oder die Stadt gehen und wollen ein Jahr dort zubringen und Handel treiben und Gewinn machen" (4,13). Wir können aus ihren Geschäften und Plänen auf einen gewissen Besitz schließen. Aber nicht der Stolz auf Besitz ist ihr Problem, sondern ihr Vertrauen auf ihre Pläne und Geschäftserfolge. Dass es sich um Christen handelt, ergibt sich daraus, dass ihnen Handlungsalternativen empfohlen werden. Sie sollen (1) ihre Pläne mit der Bedingung verknüpfen: "Wenn der Herr will, werden wir leben und dies und das tun" (4,15). Sie werden (2) gemahnt, Gutes zu tun, sind also auf das Ethos der Gemeinde ansprechbar. Da sie in 4,13-17 nicht expressis verbis "Reiche" genannt werden, muss der in 5,lff folgende Weheruf über die Reichen sie nicht unmittelbar treffen. Unbestreitbar ist nämlich, dass sich nach dem Appell an christliche Kaufleute in 4,13-17 der Blick auf Reiche überhaupt ausweitet (5,1-6). . Zwischen den beiden Stellen über die (m.E. christlichen) Reichen in Jak 1,9-11 und 4,13-17 gibt es inhaltliche Beziehungen: An beiden Stellen dürfte das Vertrauen in die eigene Tüchtigkeit das entscheidende Problem sein. Jak 1,9-11 sagt, dass der Reiche wie verwelkendes Gras in der Gluthitze des Sommers ist. Seine Sterblichkeit kann er trotz seiner Aktivität nicht beeinflussen (1,11). Trotz Reichtum und "Aktivität" trifft auch ihn das allgemeine Schicksal. Auch ihm wird eine neue Einstellung als Alternative empfohlen: Er soll sich seiner Erniedrigung "rühmen". Das Stichwort "sich rühmen" (KuoXCicr8ut) begegnet an beiden Stellen (1,9 und 4,16). Vergleichbar sind auch die Bilder der Vergänglichkeit. Reiche sind wie Gras, das verdorrt (1,11), bzw. wie Rauch, der verschwindet (4,14). Das sind Bilder, welche die Vergänglichkeit aller anschaulich machen. Es wird dabei nicht die Vergänglichkeit des Reichtums beschworen, sondern die Vergänglichkeit der Menschen überhaupt. Beim ersten Mal soll der Reiche sich nichts auf seinen hohen Status einbilden (1,1 Oi), beim zweiten Mal sollen die Reichen nicht auf ihre Pläne vertrauen (4, 13fi)34. Sprechen nicht auch diese Berührungen dafür, dass hier wie dort an dieselbe Gruppe gedacht ist? Es sind an bei den Stellen Menschen, die durch Fleiß und Arbeit hoch gekommen sind und sich dieser Tüchtigkeit rühmen können, also wahrscheinlich keine Angehörigen der traditionellen Oberschiche 5, die ihren Besitz oft ererbt haben und
34
3S
nicht ihrer Hoheit. Daher finden wir keinen Appell speziell an Reiche, den Armen zu helfen. Sie sollen nicht als Reiche, sondern als Christen handeln! Deswegen werden sie auch in 4,13 ff nicht als Reiche angesprochen. Erst 5,1 wendet sich expressis verbis an "Reiche" und meint m.E. andere Adressaten als die in 4,13-17 angeredeten tüchtigen Geschäftemacher. Eine weitere Berührung zwischen 1,9-11 und 4,13-17 ist vielleicht der Hinweis auf die Aktivität der Reichen: 1,11 spricht von dem, was der Reiche "unternimmt" (ev 'tat<; 1topda<; au'tou); nach 4,13 sagen die dort angesprochenen Kaufleute: "Lasst uns Unternehmungen treiben (eJl1tOpEucrOJlE8a)". W. Popkes: Adressaten, Situation und Form des lakobusbriefes, SBS 125/126, Stuttgart 1986, 62, charakterisiert die Gemeinde als "ein bürgerlich-anständiges Christentum mit einer 'middle dass morality"', die sich auf paulinische Parolen von der "Freiheit" und von der alleinigen Heilsbedeutung des "Glaubens" berief, um ihre sozialen Ambitionen zu erfüllen. Der Begriff "Mittelschicht" (S. 63 und 90) kann freilich in der Antike nur in einem ganz anderen Sinne als heute benutzt werden: Es sind untere Schichten, die oberhalb der Armutsgrenze leben.
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rur die Landbesitz (wie bei den Reichen in 5,1fO die erstrebenswerte Form des Reichtums war. Das Geschäftemachen galt als Sache anderer. Die Reichen in der Gemeinde sind eher Menschen, die von der auch im Römischen Reich möglichen bescheidenen Mobilität profitiert hatten. Durch Geschäfte waren sie zu einem bescheidenen Reichtum gelangt. Zu solch einem Bild von aufstie~sorien tiertem Fleiß passt die Mahnung 4,1ff: "Ihr begehrt und erlangt's nicht!" 6 Es gab also in der Gemeinde des Jakobusbriefes begüterte Menschen. Sie werden wegen Vertrauens in ihre Tüchtigkeit kritisiert, nicht wegen ihres Reichtums an sich. Die Szene in 2,1ff schildert in verdichteter Form die Probleme, die beim Eintritt solcher reichen Menschen in die Gemeinde entstehen. Die Gemeinde steht in Gefahr, zu ihrer Sozialklientel zu werden. Man kann daher die Szene in 2,1 ff als Kritik am Patronatssystem der reichen Hausvorstände lesen. Nicht sie geben die Wohltaten, sondern letztlich ist Gott der Geber aller guten Gaben: "Alle gute Gabe und alle vollkommene Gabe kommt von oben herab, von dem Vater der Gestirne" (1,17). Und so wie in 3,13ff eine Weisheit "von oben" einer irdischen Weisheit gegenübersteht, so könnte auch hier Gott als der oberste Wohltäter allen irdischen Wohltätern entgegengesetzt sein.
3. Das Verhältnis des Jakobusbriefes zum Staat und die Kritik an den Reichen außerhalb der Gemeinde Der Brief ist adressiert an die "zwölf Stämme in der Diaspora" (1,1). Er bezieht sein Selbstverständnis rur die eigene Gemeinschaft nicht aus dem Modell des "Hauses", sondern dem des "Volk Gottes", ohne dass diese Metaphorik im Brief wiederkehrt. Dies "Volk" wird nicht durch Abstammung von Menschen gebildet, sond~rn durch Geburt mit Hilfe des "Wortes der Wahrheit" (1,18). Es ist ein Volk im übertragenen Sinne. Insgesamt ist das Schweigen über den Staat weit vollkommener als das Schweigen über den Oikos. Bei letzterem könnte man voraussetzen, dass alle Christen mit ihm vertraut waren. Das Selbstverständliche muss nicht immer neu besprochen werden. Denkbar aber wäre, dass es im Römischen Reich des 1. Jh. soziale Nischen gab, in denen man den Staat ausblenden konnte. Die Frage ist nur: Geschieht das im Jakobusbrief? Gibt es nicht doch versteckte Anspielungen auf den Staat? Meine These ist, dass ein Teil der Reichtumspolemik des Jakobusbriefes eine Polemik gegen die politische Elite des imperium romanum ist. Eine direkte Polemik ist von vornherein unwahrscheinlich. Wo wir in urchristlichen Schriften Kritik an der politischen Machtelite finden, ist sie oft verschlüsselt oder indirekt. Verschlüsselt wird sie in mythischer Form (etwa in der Apokalypse), oder sie wird als indirekte Kritik vorgetragen (in der Apostelgeschichte): So kritisiert die Apostelgeschichte die Apotheose von Herrschern, aber nicht am Beispiel der Apotheose des Kaisers, sondern des jüdischen Klientelftirsten Agrippa I. (Apg 12,21-23). Er wird rur alle Fürsten kritisiert, die-sich vergöttern lassen! Wahrscheinlich trifft ihn stellvertretend auch Kritik, die eigentlich Kai36
Rätselhaft ist freilich das "Morden" (<pow;he) in Jak 4,2 - vielleicht doch eine Verschreibung von
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sem wie Gaius Caligula und Domitian galt, die göttliche Ehren rür sich beanspruchten. Eine solche indirekte Kritik an den Mächtigen enthält möglicherweise auch der Jakobusbrief. Dort, wo er die Reichen außerhalb der Gemeinde angreift, greift er in Wirklichkeit die politischen Machthaber an. Freilich ist umstritten, ob er überhaupt Reiche außerhalb der Gemeinde im Blick hat und an welchen Stellen sie begegnen. Am ehesten auf Reiche außerhalb der Gemeinde sind Jak 2,6b-7 und 5,1-6 zu deuten. Diskutiert wird aber auch Jak 1,10f. Wir hatten oben gesehen: Alle Stellen schließen sich an Stellen an, in denen von Reichen im Raum der Gemeinde die Rede war. Geschieht der Übergang vom Konkreten zum Allgemeinen bewusst? Werden die Reichen in der Gemeinde angegriffen, um sie durch Assoziation mit den Reichen in der Gesellschaft zu diskreditieren? Der Übergang von den christlichen Reichen zu den Reichen schlechthin geschieht dabei in Jak 1,9-11 gleitend: Der Imperativ in 1,9fwendet sich an die konkrete Gruppe christlicher Reicher, die Begründung in V.ll ist allgemeiner rür alle Reichen formuliert. In Jak 2,1-7 und 4,13-5,6 wird dem Leser durch Wiederholung der Anrede ein neuer Abschnitt signalisiert: Die Anrede "Brüder" (Jak" 2, 1) und "geliebte Brüder" (Jak 2,5) leitet jeweils einen neuen Unterabschnitt ein. Der erste spricht von einem Reichen und Armen in der Gemeinde, der zweite von den "in der Welt Armen,,3? Daher sind mit den Reichen wohl auch die in der Welt Reichen gemeint! Als deutliches Gliederungssignal findet sich auch in 4,13-5,6 eine Wiederholung: "Und nun ihr, die ihr sagt ("Aye vuv oi ASYOV't"eC;): Heute und morgen wollen wir in die oder die Stadt gehen ... " (14,13). "Und nun, ihr Reichen ("Aye vuv oi 1tAoucrtOt) ... !" (5,1). Aber solche Wiederholungen sind keine sicheren Signale an den Leser, dass er mit einem Adressatenwechsel rechnen muss. Wichtiger sind inhaltliche Unterschiede zwischen den Aussagen, bei denen wir Reiche in und außerhalb der Gemeinde vermuten. Sie seien in der folgenden Tabelle zusammengestellt.
37
Die Reichen (in der Gemeinde?) machen vor alIem Geschäfte: - Sie sind aktiv in ihren Unternehmungen (1,11) - und machen überregionale Handelsgeschäfte (4,13).
Reiche (außerhalb der Gemeinde?) begegnen als reiche Landbesitzer, - die den Erntearbeitern den Lohn vorenthalten(5,4). - Sie treten als Ankläger (2,6) und Richter auf(5,6).
Den Reichen (in der Gemeinde?) wird falsches Selbstbewusstsein gegenüber den anderen Christen vorgeworfen: - Sie solIen sich ihrer Erniedrigung rühmen (1,9), - in der Gemeinde gleich behandelt werden (2,2-5), - falsches Selbstvertrauen und Sich-Rühmen vermeiden (4,13ft).
Die Reichen (außerhalb der Gemeinde?) gehen vor Gericht extrem feindselig gegen die Christen vor: - Sie ziehen Christen vor Gericht und schmähen den "guten Namen" (2,6t). - Sie handeln als Richter und verurteilen den Gerechten (5,6).
So übersetzt Popkes, Jak, 152: bzw. gegenüber der Welt".
't
K6cr~cp ist dativus relationis und bedeutet: "arm vor
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Von den innergemeindlichen (?) Reichen ist entweder - im Singular die Rede ("der Reiche" 1,10) - oder als einer Einzelperson (2,2) - oder unter Vermeidung der Bezeichnung "die Reichen" (4,13-17).
Der Plural "die Reichen" begegnet nur an den beiden Stellen, wo am ehesten nichtchristliche Reiche gemeint sind (Jak 2,6; 5,1). "Die Reichen" gehören als feststehende Gruppe (und nicht als Einzelpersonen) für den Jakobusbrief wahrscheinlich zur Welt außerhalb der Gemeinde
Die innergemeindlichen (?) Reichen werden mit der allgemeinen Vergänglichkeit aller Menschen konfrontiert: - Sie welken dahin (1,11). - Sie sind wie Rauch (4,14). Sie vertrauen auf ihre Tüchtigkeit. Dass sie auf ihren Reichtum vertrauen, wird nicht gesagt.
Die Reichen, die außerhalb der Gemeinde vermutet werden, werden konfrontiert - mit der Vergänglichkeit ihres Reichtums (5,2), - mit dem Gericht wegen ihrer Sünden (5,5).
Bei den innergemeindlichen Reichen werden Verhaltensalternativen genannt: - Der Reiche soll sich nicht seines Status rühmen (1,10). - Die Geschäftsreisenden sollen mit Gott rechnen und Gutes tun (4,15f).
Die Reichen (außerhalb der Gemeinde?) werden nicht auf positive Verhaltensalternativen hin angeredet. Sie sind für die christliche Predigt ohnehin unerreichbar.
Nach diesem Überblick seien die heiden entscheidenden Stellen, Jak 2,6f und 5,6, rür sich besprochen. In 2,6fheißt es: "Sind es nicht die Reichen, die Gewalt gegen euch üben (lCu'tu8uvuO''tEUOUO'tV) und euch vor Gericht ziehen? Verlästern sie nicht den guten Namen, der über euch genannt ist?" Dieser "Name" ist nur über den Angeredeten "genannt" (nämlich "über euch", wie es in der 2. Person Plural heißt). Die Angeredeten werden dadurch von den kritisierten Reichen unterschieden (von denen in der 3. Person Plural als Ul)'tOt die Rede ist).38 Die Angeredeten sind nun zweifellos Christen. Ihr Name ist der Christenname. 39 Wenn er der "gute" Name genannt wird, so deshalb, weil der Verfasser ein Gegengewicht dazu setzen will, dass andere ihn "schlecht" machen (vgl. Lk 6,22). "Lästern" ist die üble Nachrede durch Außenstehende, nicht die Kompromittierung des Christennamens durch christliches Verhalten. 40 Es könnte durchaus zur 38
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Vgl. Dibelius, Jak, 173 Anm. 1: Die Reichen sind Nichtchristen. Anders Burchard, Jak, 103, und H. Frankemölle: Der Brief des Jakobus, ÖTBK 17/1 und 2, Gütersloh/Würzburg 1994,395. Theoretisch könnte auch der Name Gottes gemeint sein. Wahrscheinlicher ist der Name Jesu Christi. So Popkes, Jak, 170, mit drei Argumenten: (1) Die Christen sind auf den Namen Jesu Christi getauft (vgl. Apg 2,38; 8,16 u.ö.). (2) Der Name war Gegenstand von Ablehnung und Hass (Mt 10,22; Lk 6,22; 21,12; 1 Petr 4,14.16). (3) Er wurde für Christen nach innen und nach außen hin ein Element ihrer Identität, wie der Name XPtO'nuvoi zeigt (Apg 11,26; 26,28; 1 Petr 4,16). Vgl. das Lästern des Gottesnamens durch andere in Röm 2,23: Das Verhalten von Juden ist Anlass für das Lästern des Gottesnamens unter den Heiden, aber es ist nicht selbst diese Lästerung. Man müsste also bei einerDeutung auf Christen an verbale Schmähungen des Namens denken. Burchard, Jak, 103, weist als Analogie auf die Polemik gegen die "Lästerer des Herrn und Verräter der Sklaven Gottes" in Herrn sim 9,19,1. Dort handelt es sich jedoch eindeutig um "Apostaten", die nicht mehr zur Gemeinde gehören. Die Parallele in
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Verachtung der Oberschicht gegenüber den Christen passen: Der Glaube der Christen galt in der Oberschicht als superstitio (Tac Ann 15,44; Plinius ep X,96).41 Unverkennbar wird auf Prozesse gegen Christen angespielt. Gegner der Christen sind nicht die Behörden selbst, vor denen die Prozesse stattfinden, sondern die Prozessgegner: Sie "ziehen" (EAKOUcrtV) die Christen vor Gericht. 42 Auch wenn sie konkrete Anklagepunkte vorbrachten, galt vor den Richtern im Prozessverfahren notfalls allein das Christsein, das nomen ipsum, als Grund fiir eine Verurteilung (Plinius Ep X,96). Auch deshalb könnte hier der "Name" beschworen worden sein. Der Pliniusbrief und 1 Petr 4,15 f machen nämlich einen Unterschied, ob Christen wegen eines Verbrechens oder nur als "Christen" verurteilt wurden. Wenn die Ankläger bei ihrer Anklage den Christennamen "lästern", müssen sie von vornherein einkalkuliert haben, dass Christen vor Gericht diskriminiert wurden. Deshalb kann man von einer rechtspolitischen Diskriminierung vor Gericht reden, nicht aber von einer gezielten politischen Verfolgung der Christen. Auffällig ist auch die Wortwahl fiir das Vorgehen gegen die Christen: Die Reichen "unterdrücken" die Christen. KU'tu8uvucr'tEUEtV kann sich auf ökonomische, aber auch auf politische Unterdrückung durch die herrschenden Schichten43 beziehen. Man kann an die Oberschicht in den Städten denken, die hin und wieder zur Vermeidung von Unruhe Christen vor Gericht anklagte. Mitglieder dieser Oberschicht hatten Güter, die sie von Landarbeitern bestellen ließen. Von ihnen ist in 5,lff die Rede. In 5,1-6 ziehen die Reichen die Christen nicht nur vor Gericht, sondern sie "verurteilen" sogar den Gerechten zum Tode (5,6). Sie sind nicht nur Ankläger, sondern Richter. Sie werden als Landbesitzer dargestellt, die viele Erntearbeiter anmieten können und die Macht haben, ihnen ihren Lohn vorzuenthalten. Insofern sind ökonomische Eliten gemeint. Aber da sie auch Todesurteile fällen "Ihr aber habt den Gerechten verurteilt und getötet, und er hat euch nicht widerstanden" (Jak 5,6) -, muss es sich um eine politische Elite handeln. Wäre nur von "töten" die Rede, könnte man auch an willkürliche Morde denken. Aber es ist (wie schon in 2,6f) an Gerichtsverfahren mit Todesurteilen gedacht44 . Das
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Herrn sim 9,19,1 spricht daher eher für die Ansicht, dass "die Reichen" von Jak 2,7 außerhalb der Gemeinde zu suchen sind. Das war Konsens in der Oberschicht: Tacitus, Sueton und Plinius stimmen darin überein. Vgl. D. Lührmann: SUPERSTITIO - die Beurteilung des frühen Christentums durch die Römer, ThZ 42 (1986),193-213. Das Wort EAKOUCHV bezeichnet ein gewalttätiges Schleppen vor Gericht. Vgl. Apg 16,9, wo Paulus gewaltsam von den Herren der wahrsagenden Sklavin vor die Stadtrichter gezerrt wird, und Apg 21,30, wo er aus dem Tempel von der aufgebrachten Menge gezerrt wird. Der mächtigere Prozess gegner kann vor das Gericht "schleppen", ohne mit der richtenden Staatsrnacht identisch zu sein. Es wird in der Lxx auch für gewalttätiges Vorgehen gegen Arme, Witwen und Waise benutzt. Es bezeichnet auch die Unterdrückung der Israeliten in Ägypten Lxx Ex 1,13; 6,7. Im Aristeasbrief 23 und 148 bezeichnet es tyrannisches Verhalten: Die Israeliten sollen "nicht im Vertrauen auf die eigene Kraft andere unterdrücken". Zwar würde man bei einem Todesurteil wie in Weish 2,20 die Wendung "zum Tode verurteilen" erwarten: 8uva:tep acrxrU.16vt Ku-ruÖtKucrcollEv uln6v (vgl. Popkes, Jak, 310f). Aber die Apg 9,1 lässt Paulus mit "Drohen und Morden" (
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Ko,'t'o,ÖtKUsctV ist eindeutig ein Verurteilen. Todesurteile aber wurden im Römischen Reich nur von den Beamten des Römischen Reiches, also der imperialen Elite, ausgesprochen. In den meisten Provinzen verfügten nur römische Beamte über das ius gladii, in anderen auch Klientelfürsten (wie Herodes Antipas usw.). Das ist das Ergebnis einer intensiven Diskussion um das Recht, die Todesstrafe in Palästina zu verhängen45 , die im Blick auf die Hinrichtung Jesu geführt worden ist. Die Angriffe gegen Reiche außerhalb der Gemeinde sind versteckte Angriffe auf die römische Machtelite, die letztlich für Todesurteile verantwortlich ist. Direkt konnte sie nicht angegriffen werden, wohl aber indirekt. Es war leichter, gegen die Reichen vom Leder zu ziehen als gegen römische Beamte als Träger imperialer Macht. Man kann weiter fragen, wer mit dem Gerechten gemeint ist. Handelt es sich nur um den Typos des unterdrückten Gerechten? Ist daher von ihm im Singular die Rede? Vom Gerechten heißt es in der Weisheit Salomos: "Lasst uns Gewalttat üben (Ko,'t'o,ÖUVo,Cl""['cucrwJ.!cv) am armen Gerechten und auch die Witwe nicht verschonen" (2,10). "Zu einem schimpflichen Tod lasst uns ihn verurteilen (Ko,'t'o,ÖtKUcrWJ.!cV)" (2,20). Hier und in Jak 5,6 wird zweifellos die Tradition vom leidenden Gerechten aufgegriffen. Weiter kann man fragen, ob der Verfasser einen bestimmten Gerechten als Modell vor Augen hat, etwa Jakobus, den Herrenbruder, der oft den Beinamen der "Gerechte" führt und der gewaltsam ums Leben gekommen war - hingerichtet auf Betreiben des Hohenpriesters Ananos?46 Aber das wäre allenfalls eine versteckte Anspielung. Sie schlösse nicht aus, dass an generelle Vorkommnisse gedacht ist, die im Lichte der Tradition vom leidenden Gerechten und vielleicht der Hinrichtung des Jakobus gedeutet werden sollen. Selbst M. Dibelius, der sonst immer die traditionelle Pr~ung des Jakobusbriefes betont, rechnet bei Jak 5,6 mit konkreten Erfahrungen. 4 Auch das Eidverbot (5,12) könnte mit dem Konflikt mit der römischen Machtelite in Gerichtsverfahren zusammenhängen: Denn in Gerichtsprozessen wurden
11). Übertragen wird
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Christen aufgefordert, beim Kaiser zu schwören48. Das Schwurverbot des Jakobusbriefes generalisiert ausdrücklich die Instanzen, bei denen nicht geschworen werden soll: " ... weder bei dem Himmel noch bei der Erde noch mit einem anderen Eid." Darunter würde auch ein Eid beim Kaiser fallen. Es wird ferner mit großer Emphase eingefuhrt: "Vor allem ... schwört nicht!" Über die Variante des Schwurverbots in der Bergpredigt hinaus wird eine Gerichtsdrohung hinzu gefugt: "Es sei aber euer Ja ein Ja und euer Nein ein Nein, damit ihr nicht dem Gericht verfallt." Dazu muss man wissen, dass in Christenprozessen die Beamten dreimal fragten, ob die Angeklagten Christen waren. Dreimalige Bejahung galt als Schuldbekenntnis und Grund genug, Christen zur Hinrichtung abzuführen. Auch der Kontext lässt eine Deutung denkbar erscheinen, welche die Gerichtssituation einschließt: Vorher werden Propheten und Hiob als Modelle für das Ertragen von "Leid" (KuKonu9iu) genannt (Jak 5,10-11). Bei den Propheten ist der Gedanke an deren gewaltsamen Tod nicht ausgeschlossen. Sie wurden verfolgt und getötet, als sie im Namen Gottes redeten. 49 Wenn die angeredeten Christen die Propheten als "Vorbild" nehmen sollen, so würde ihr Leiden auch Verfolgung und Martyrium einschließen! Nach dem Schwurverbot fährt der Verfasser fort: "Leidet (KuKonu9cl:) jemand unter euch, der bete!" Das Schwurverbot steht also in einem Kontext, der vorher und nachher zum Ertragen von Leid auffordert. 50 Bedenkt man, dass in 5,6 von Todesurteilen gegen den Gerechten die Rede war, so ist es möglich, hier (auch) an Gerichtsprozesse gegen Christen zu denken, in denen sie durch einen Schwur beim Kaiser ihre "Unschuld" beteuern und ihr Leben retten konnten. Unser bisheriges Ergebnis ist: Der Jakobusbrief vertritt eine Ethik, die sich von "dieser Welt" frei halten will. Er lässt eine Distanz zum Oikos wie zur Polis erkennen. Die Distanz in beide Richtungen bringt er nicht direkt zum Ausdruck, sondern durch Polemik gegen Reiche. Mit dieser Polemik wendet er sich einerseits dagegen, dass die Machtstrukturen des Hauses ungebrochen in die Gemeinde hineinwirken und die reichen Hausvorstände zu Patronen und Wohltätern der Gemeinde werden. Die Polemik gegen christliche Reiche und gegen die Bevorzugung reicher Neulinge hat primär diesen Sinn. Andererseits trifft seine Reichtumspolemik die politische Elite des imperium romanum. Diese Elite war unvorstellbar reich an Landbesitz. Nur sie hatte das Recht und die Möglichkeit, Christen zum Tode zu verurteilen. Natürlich steht die Kritik an den Reichen in und außerhalb der Gemeinde in einem inneren Zusammenhang. Wenn die Reichen in der Welt schon so feindselig gegenüber den Christen sind - um wie viel mehr sollte man ihnen gegenüber in der Gemeinde skeptisch sein! 48
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50
Vgl. Burchard, Nächstenliebegebot, 529 Anm. 35. Nach dem Pliniusbrief mussten sie für die Götter und den Kaiser opfern. Nach vielen Märtyrerberichten ging es aber vor allem um einen Schwur beim Kaiser. Vgl. das Martyrium des Polykarp bei Eus KG IV 15,18.20.21 (anders vorher IV 15,15). So Burchard, Jak, 201. Skeptischer Popkes, Jak, 327. Eine ganz andere Deutung bringt W. Bindemann: Weisheit versus Weisheit - Der Jakobusbrief als innerkirchlicher Diskurs, ZNW 86 (1995), 189-217, bes. S. 195f. Er sieht das Schwurverbot in Zusammenhang mit der folgenden Krankenheilung: Es lehne Magie mit Beschwörungen als Heilpraxis ab. Zu beachten ist jedoch, dass das allgemeine KaK01ta8et'v in Jak 5,13 nicht nur Krankheiten meint. Die Leidenden sollen beten. Wenn einer krank ist, sollen (zusätzlich) die Ältesten in der Gemeinde rur ihn beten.
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4. Jako b usbrief als Zeugnis eines Ringens um eine autonome Gemeindeethik
Wir haben soweit versucht zu zeigen, was der Verfasser des Jakobusbriefes nicht will. Er grenzt sich ab von den Strukturen des Hauses und der Polis. Was aber ist seine "positive" Intention? Warum will er sich von den weltlichen Strukturen des Oikos wie der Polis frei halten?51 Der Jakobusbrief möchte, dass innerhalb der Gemeinde nur eine Größe bestimmend ist. Er bezeichnet sie mit Begriffen, die in verschiedener Akzentsetzung dasselbe meinen: das "Wort der Wahrheit", das die Christen als Erstlinge der Geschöpfe geboren hat (1,18), bzw. das ihnen "eingepflanzte Wort"52, das rettende Kraft hat (1,21), bzw. das "vollkommene Gesetz der Freiheit" (1,25 vgl. 2,12) und das "königliche Gesetz" (2,8). Christen gehören zu den Stämmen des Gottesvolkes (Jak 1,1), das nach seinem eigenen Gesetz lebt: nach dem Gesetz der Freiheit. Die Gemeinde des Jakobusbriefes ist eine Gemeinschaft, die sich durch ein bestimmtes Normensystem konstituiert: durch das "Gesetz der Freiheit". Verachtung des Gesetzes ist daher identisch mit Verachtung des Bruders (4,11). Dieses Gesetz der Freiheit hat soziale Bedeutung für Selbstverständnis und Zusammenhalt der Christen. In 1,23ffbringt der PsJakobus ein schönes Bild rür ihre soziale Identität: Sie wissen, wer sie sind, indem sie in das Gesetz wie in einen Spiegel schauen. Wenn sie das Gesetz nicht tun, dann sind sie wie jemand, der sein eigenes Angesichts vergisst, wenn er nicht mehr in den Spiegel schaut - kurz: Er verliert das Bewusstsein seiner eigenen Identität und seine Identität. Eine Gemeinschaft, gebildet durch die ethischen Normen, die Gott als "Gesetzgeber" gegeben hat, das ist die Gemeinde des Jakobus. Dieses Gesetz wird demonstrativ das "Gesetz der Freiheit" genannt, wohl in Abwehr der seit Paulus im Urchristentum kursierenden Parole von der Unfreiheit, in die das Gesetz führt. Kritik am Gesetz gab es aber auch als (unterdrückte) Stimme in jüdischen Texten. 53 Kann man die "Freiheit", von der PsJakobus spricht, im Sinne einer inneren Autonomie der Gemeinde verstehen? Kann man sie als komm unitäre Freiheit verstehen? Aufschlussreich ist ein Vergleich mit Philos Freiheitsverständnis54 . Am Anfang seines Freiheitstraktats: "Quod omnis probus liber sit" unterscheidet Philo eine Freiheit von Körper und Geist: "Teils gewährt sie dem Körper Schutz vor mächtigeren Menschen, teils bewirkt sie, dass der Geist von der Herrschaft der Affekte frei ist" (prob 17). Da äußere und innere Freiheit auseinander fallen können, gibt es die Möglichkeit einer paradoxen Freiheit, bei der äußerlich Unfreie innerlich frei sind. Das ist ein verbreiteter Topos der stoischen Philosophie. Dass der Jakobusbrief die Gemeinde vor einer Assimilation an die Welt warnen will und in dieser Assimilation die Versuchungen liegen, die PsJakobus schon in Kap. 1 benennt, hat besonders M. Tsuji, Glaube, zusammenfassend S. 203f, herausgearbeitet. 52 Vgl. dazu P.V. Gemünden: Vegetationsmetaphorik im Neuen Testament und seiner Umwelt. Eine Bildfelduntersuchung, NTOA 18, Freiburg (Schweiz)/Göttingen 1993,270-271: Das Wort ist hier auf das Evangelium zu beziehen, der situative Kontext könnte die Taufe sein. 53 Vgl. die Schilderung des Simri bei Jos Ant 4,141-155: Simri greift Mose wegen seines tyrannischen Gesetzes an und unterstellt, er benutze es als Instrument, um die Israeliten zu knechten und in 80uAEia zu fUhren. 54 G. Theißen:. Paradoxe und kommunitäre Freiheit. Zum Freiheitsverständnis bei Paulus und Philo, in: H.-R. Reuter: Freiheit verantworten, FS W. Huber, Gütersloh 2002,357-368. 51
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Philo gibt zahlreiche Beispiele einzelner Menschen für solch eine paradoxe Freiheit. Sein eigentliches Freiheitsideal ist aber das einer Freiheit im Innern wie im Äußern. In der Gemeinschaft der Essener sieht er sie als "nicht zu knechtende Freiheit" (prob 88) verwirklicht. 55 Diese Freiheit ist nicht paradox, sie ist vielmehr kommunitär, d.h. an eine Gemeinschaft gebunden. Sie steht nicht in Widerspruch zur Realität, sondern in Konsonanz mit einem Milieu der Gesetzestreue. In diesem Punkt berühren sich Philo und Jakobus: Denn der Jakobusbrief konkretisiert das "vollkommene Gesetz der Freiheit" (1,25) durch Gemeinschaftsverhalten: einerseits durch die Beherrschung der Zunge (1,26), andererseits durch Hilfeleistung für Witwen und Waisen (1,27). Und er macht in 2,12f deutlich, dass die entscheidende Forderung des "Gesetzes der Freiheit" die Barmherzigkeit ist, die über das Gericht Gottes triumphiert. Philo gibt in seinem Traktat darüber hinaus drei Definitionen von Freiheit, die von Gott, vom Gesetz und vom menschlichen Willen ausgehen: 1) "In Wirklichkeit ist nur frei, wer Gott allein als Führer hat" (prob 20). Die Orientierung an Gott ist für den Jakobusbrief selbstverständlich: Freundschaft mit Gott bedeutet Feindschaft mit der Welt (wie man aus Jak 4,4 erschließen kann). 2) Für Philo ist das Gesetz die Grundlage der Freiheit: "Die, welche ein Leben in Übereinstimmung mit dem Gesetz führen, sind frei" (prob 45). Dieses Gesetz steht nicht auf Papier und Säulen, sondern "wurde von der unsterblichen Natur als unsterbliches der unsterblichen Vernunft eingeprägt" (prob 46). Auch im Jakobusbriefist Freiheit an das Gesetz gebunden. Der Begriff Freiheit begegnet nur zweimal, immer in der Wendung "Gesetz der Freiheit"! 3) Einer verbreiteten antiken Definition folgt Philo, wenn er schreibt: Der Tüchtige "wird die Macht haben, alles zu tun und zu leben, wie er will. Wer aber diese Macht besitzt, ist frei" (prob 59). Philo sieht in Übereinstimmung mit der stoischen Philosophie diese Freiheit des Willens durch die Affekte bedroht. 56 Auch PsJakobus kennt die Macht der Affekte (Jak 1,14; 4,lff). Wer dem "Gesetz der Freiheit" folgt, der wird auch die zerstörerischen Affekte überwinden können. Zerstörerisch sind sie vor allem für die Gemeinschaft. Trotz ganz verschiedener Mentalitäten kann man zwischen dem Freiheitsbegriff Philos und des Jakobusbriefes Analogien entdecken: Das Gesetz Gottes ist für beide die Grundlage der Freiheit. Freiheit wird auf dieser Grundlage in einer Gemeinschaft verwirklicht. Für Philo realisiert sich diese Freiheit in einer sich von der Welt absondernden kommunitären Gemeinschaft: "Das erste, was an ihnen hervorsticht, ist, dass sie in Dörfern wohnen und vermeiden, in Städte zu kommen wegen der Ruchlosigkeit, die den Bewohnern der Städte zur Gewohnheit wurde" (prob 76). Die Gemeinde des Jakobusbriefes aber bleibt in dieser Welt - aber auch sie soll sich nicht mit der Welt beflecken (Jak 1,27).
55 56
Vgl. die Schilderung der Essener in prob 75-91. Die durch Orientierung am Gesetz ermöglichte Freiheit gegenüber den Affekten ist das große Thema des 4. Makkabäerbuches. Zur Bewältigung der Affekte im lakobusbrief vgl. den entsprechenden Beitrag von Petra von GemÜllden in diesem Buch.
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In solch einer Gemeinschaft müssen diejenigen entscheidend sein, die diese Normen kennen, interpretieren und überliefern: die Lehrer. Sie haben eine große Bedeutung. Wenn in 3,1 ff eindringlich die auf ihnen lastende Verantwortung geschildert wird - sie können mit ihrer Zunge die Welt in Brand stecken - , so soll man darin keine Ablehnung von Lehrern herauslesen, im Gegenteil: Sie sind nur deshalb so wichtig, weil der Bestand der eigenen Lebenswelt von ihnen abhängt. Die entscheidende Eigenschaft der vom Himmel kommenden Weisheit ist ihre Gemeinschaftsfähigkeit: Sie löst keinen Streit aus (3,13ff). Auf eine solche Weisheit sind alle angewiesen. Der Jakobusbrief beginnt mit der Bitte um sie (l,5ff). Anders sehen das die Pastoralbriefe: Hier soll der Bischof ÖtÖUK'ttK6C; sein. Er lehrt, wie man sich im Haus Gottes (und im Haus überhaupt) verhalten soll. Er vertritt eine wertkonservative antike Hausethik, die verchristlicht wurde. Die Lehrer des Jakobusbriefes aber vertreten keine Variante der allgemeinen Hausethik. Sie vertreten die Normen, die der christlichen Gemeinschaft als solcher zukommen. Und daher bewahren sie den Geist der radikalen Traditionen vom Anfang. Schließlich gehören auch die berühmten Ausführungen über den Zusammenhang zwischen Glauben und Werken (Jak 2,14-26) hierhin. Der Glaube ist auch für Jakobus das, was Christen ihre Identität gibt. Aber es muss ein Glaube mit Konsequenzen sein. Sonst wird christliche Identität in der Welt undeutlich und der Glaube stirbt. Erst Werke geben ihm Leben. Die beiden Beispiele, die PsJakobus dafür bringt, sagen wahrscheinlich ungewollt mehr, als er sagen wollte: Der von ihm geforderte Glaube muss (l) bereit sein, die Loyalität gegenüber der Familie zurückzustellen. Daher wird Abraham (entsprechend einer breiten jüdischen und christlichen Tradition) zum großen Vorbild des lebendigen Glaubens. Er war bereit, seinen Sohn zu opfern. Das zeigt: Die Werte des Hauses und der Familie sind für den Glauben des Jakobusbriefes keine Letztwerte. Ebenso wird (2) die Hure Rahab zum großen Vorbild: Sie verletzte die Loyalität gegenüber ihrer Vaterstadt. Sie entzog sich der Solidarität mit der eigenen Polis, als sie die fremden Boten aufnahm und entkommen ließ. Die Werte der Polis und des eigenen Ethnos haben für den lebendigen Glauben ihren letzten Wert verloren. Welche Gemeinde hat der Jakobusbrief als Ziel vor Augen? Es ist eine Gemeinde, die sich autonom an ihrer eigenen Grundlage orientiert: am Gesetz der Freiheit. Es ist eine Gemeinde, die sich von ihren eigenen Lehrern unterrichten lässt, wie sie sich verhalten soll. Es ist eine Gemeinde, die ihren Glauben in Verhalten umsetzen will. Wir finden eine ~roße Hochschätzung der Lehre und der Weisheit - aber kein Wort von Taufe 7 und Abendmahl als den kultischen Grundlagen der Gemeindeidentität. Entscheidend ist das "Wort der Wahrheit" (1,18).
57
Anklänge an Taufsprache sind vorhanden in Jak 1,21 ("das Wort, das in euch gepflanzt ist") und 2,7 ("der schöne Name, der über euch genannt ist").
Stellenregister Altes Testament Est 4,17 34 Gen 2,24 73 Gen 15,6 12, 13, 72, 76 Gen 18,19 108 Gen 29,29 130 Ex 1,13 160 Ex 3,19 22 Ex 6,7 160 Ex 20,6 66 Ex 20,13 114, 129 Ex 20,13f 129 Ex 20,14 129 Lev 18,5 73 Lev 18,6-18 37 Lev 19,11b 78 Lev 19,13 48 Lev 19,15 71, 125, 126, 127, 128, 129 Lev 19,15-16 125 Lev 19,16 78 Lev 19,18 28,68,71,78, 120, 121, 122, 125, 127, 128, 129, 133, 135, 141 Lev 25,8ff 122 Dtn 1,17 125 Dtn 5,10 66 Dtn 5,17f 129 Dtn 8,3 73 Dtn 9,26 22 Dtn 10,17 125 Dtn 10,18 123 Dtn 16,19 125 Dtn 24,14f 48 Dtn 26,8 22 Dtn 34,19 125 Ri 18,6 130
1 Sam 1,17 130 1 Sam 20,13 130 1 Sam 20,42 130
2 Chron 30,5 134 2 Chron 35,4 134 Hi 5,11 21 Hi 32,21 125 Ps 5,5f 109 Ps 6,9 109 Ps 13,4 109 Ps 14,2 109 Ps 27,3 109 Ps 31,lf 69 Ps 33,9 5 Ps 35,13 109 Ps 37,lf 25 Ps 52,5 109 Ps 57,2 109 Ps 58,3 109 Ps 58,6 109 Ps 58,7 22 Ps 63,3 109 Ps 66,10 20 Ps 82,2 125 Ps 129,6 25 Prov 3,30 109 Prov 3,34 21, 138 Prov 5,10 20 Prov 10,12 28,29, 81 Prov 10,12b 118 Pro v 10,29 109 Prov 12,16 103 Prov 14,29 101 Prov 15,1 103, 104 Prov 15,18 101 Prov 16,14f 104 Prov 16,19 111 Pro v 16,32 101 Prov 17,3 20 Prov 17,27 101 Prov 18,5 125 Prov 19,11 101
167
Stellenregister
Prov 21,14 104 Prov 22,8 65 Prov 24,23 125 Prov 25,15 101 Prov 27,21 20 Prov 28,21 125 Prov 29,11 100 Prov 29,20 104 Prov 31,4 101 Koh 9,17 104 Koh 10,14 104 Jes 26,6 111 Jes 37,29 92 Jes48,10 20 Jes 55,10f 5 Jes56,1108 Jes 57,20 85 Jes 66,2 111 Jer 22,13 48 Jer 23,29 5 Ez 6,1 22 Ez 13,3 22 Ez 13,9 22 Ez 13,14 22 Ez 13,16 22 Ez 17,24 21 Ez 21,31 21 Dan 1,5-16 34 Ros 6,6 70 Mi 2,1 109 Sach 13,9 20 Ma12,9 125 Mal 3,3 20 Mal 3,5 48
Apokryphen Jdt 8,27 20 Sap 2,20 160 Sap 3,5f 20 Sap3,12 111 Sap 5,18 30 Sap 10,3 100 Sap 10,5 72 Sap 10,10 100 Sap 14,24 37 Sap 14,26 37 Sap 18,16 30 Tob 1,10f 34 Tob 4,14 48 Sir 1,21 100 Sir 1,22 100 Sir 1,22a 101,115 Sir 1,23 101 Sir 2,15f 132 Sir 2,5 20 Sir 4,29 104 Sir 5,11 101,104 Sir5,llf 104 Sir 10,14f 111 Sir 10,18 100 Sir 11,9 115 Sir 19,17 116 Sir 21,11 8 Sir 22,24 114 Sir26,28 101 Sir 27,5 20 Sir 27,24 101 Sir 27,30 100 Sir 28,3ff 100 Sir 34,22 48 Sir 35,12f 126 Sir 35,15f 125 Sir 36(33),2 85 Sir 44,20 12, 72 Sir 44,23 50 Sir 50,25 101 1 Makk 2,44 100
Stellenregister
168 1 Makk 2,52 12 1 Makk 9,23 108 2 Makk 1,1 51 2Makk 1,10b 51 2 Makk 1,27 51 2Makk 1,27-29 51 2 Makk 3,13 131 2 Makk 7,lf 34 2 Makle 10,35 103
Mt 18,15ff 116, 117 Mt 18,15-17 117 Mt 18,15-18 116 Mt 18,21f 117 Mt 18,34 117 Mt 19,5 73 Mt 19,6 73 Mt 19,18 129 Mt 19,18-19 135 Mt 23,10 77 Mt 23,12b 21 Mt 23,23 70 Mt 24,33 80
Neues Testament
Mt 1,15f 60 Mt 5,7 131 Mt 5,10 41 Mt 5,16 41 Mt 5,18 70 Mt 5,20 133 Mt 5,21f 114, 116 Mt 5,21ff 111 Mt 5,22 114, 115, 116 Mt 5,22a 115 Mt 5,25f 115, 116 Mt 5,28 111 Mt 5,33-37 40 Mt 5,43 121 Mt 5,43-48 120 Mt 5,44 120 Mt 5,44f 115 Mt 5,47 115 Mt 6,1 108 Mt 6,25-34 22 Mt 7,16 76 Mt 7,20 76 Mt 7,21ff 76 Mt 7,23 108 Mt 9,13 63 Mt 10,22 159 Mt 11,29 111 Mt 12,7 63 Mt 12,36f 104 Mt 18,4 21 Mt 18,12ff 117 Mt 18,12-14 116
Mk 1,19 60 Mk 3,18 60 Mk 3,20f 31 Mk3,31-3531 Mk 5,34 130 Mk 6,1-6 31 Mk 10,19 129 Mk 12,31 132 Mk 13,29 80 Mk 15,40 60 Lk 1,51 21 Lk 4,5-8 148 Lk 6,16 60 Lk 6,22 159 Lk 7,36-50 120 Lk 7,47 120 Lk 8,12 11 Lk 8,13 24 Lk 10,25-37 120 Lk 10,27 120 Lk 10,37 120 Lk 12,22-32 22 Lk 14,11 21 Lk 15,24 3 Lk 15,32 3 Lk 18,14b 21 Lk 18,20 129 Lk 20,21 125 Lk 21,12 159 Lk 24,12 29 Joh 1,13 2
169
Stellen register
Joh 3,3-8 2,23 Joh 7,5 31 Joh 7,35 51 Joh 8,32-36 7 Joh 10,7 80 Joh 10,9 80 Joh 11,55 29 Joh 12,3ff 122 Joh 12,31 148 Joh 13,lff 121 Joh 13,13 122 Joh 13,14 121 Joh13,31121 Joh 13,34f 121 Joh 13,35 121 Joh 14,30 148 Joh 15,12 121 Joh 15, 17 121 Joh 15,19 121 Joh 16,11 148 Joh 19,7 127 Joh 20,5 29 Joh20,11 29 Apg 2,38 159 Apg 2,44 47 Apg 2,46 48 Apg 3,1-10 32 Apg4,3247 Apg 4,32-35 47 Apg 6,1-6 32 Apg 8,14 24, 136 Apg 8,16 159 Apg 9,1 160 Apg 9,2 160 Apg 10,1-11 33,36 Apg 10,28 34 Apg 10,34 124 Apg 11,1 24, 136 Apg 11,26 159 Apg 11,27-30 36 Apg 12,2 48 Apg 12,17 31,60 Apg 12,21-23 157 Apg 12,25 36 Apg 13,39 73 Apg 15,lff 60
Apg 15,1-35 36 Apg 15,1-41 36 Apg 15,5 33 Apg 15,13-21 46 Apg 15,20 36, 52 Apg 15,21 36,63 Apg 15,23 51,63 Apg 15,29 34,36,63 Apg 16,9 160 Apg 16,30f 11 Apg 16,36 130 Apg 17,11 24, 136 Apg 18,22f 37 Apg 21,15ff 60 Apg 21,23-25 80 Apg 21,24 29 Apg 21,25 36 Apg 21,26 29 Apg 21,30 160 Apg 22,4f 160 Apg 23,25 61 Apg 24,18 29 Apg 26,9-11 161 Apg 26,28 159 Röm 1,16 5 Röm 1,30 29, 78 Röm 2,11 124 Röm 2,12 127 Röm 2,13 127 Röm 2,14 127 Röm 2,14f 136 Röm 2,17 127 Röm 2,23 159 Röm 2,25 127 Röm 3,20 73, 127 Röm 3,21 127 Röm 3,27 127 Röm 3,28 73 Röm4,3 72 Röm 4,7f 69 Röm 4,18 134 Röm 5,3ff 64 Röm 5,3-5 19,30,49,64 Röm 5,20 136 Röm 6,2-8 95 Röm 6,18-22 7
170 Röm 7,7 6 Röm 7,15 84 Röm 7,19 84 Röm 7,23 84 Röm 8,1 95 Röm 8,2 136 Röm 8,4 134 Röm 8,9 95, 96 Röm 8,9-11 95 Röm 8,13 73, 95 Röm 9,25 149 Röm 10,5 73 Röm 12,3ff 149 Röm 12,6 40 Röm 12,9 30 Röm 12,20f 135 Röm 13,1-7 148 Röm 13,8-10 71,129, 135 Röm 13,9 129 Röm 13,9f 132 Röm 13,12 24, 109 Röm 13,14 24 Röm 15,25 66 Röm 15,26 47, 71 1 Kor 1,12 42 1 Kor 1,18 5 1 Kor 2,4 112 1 Kor 2,14 40 1 Kor 3,3 40 1 Kor 4,21 111 lKor5,1134 1 Kor 7,4 147 1 Kor 7,37 147 1 Kor 9,5 32 1 Kor 9,6 40 1 Kor 11,20ff 33 1 Kor 12,4 40 1 Kor 12,9 40 1 Kor 12,12ff 149 1 Kor 12,28 40 1 Kor 14,24f 126 1 Kor 14,33 93 1 Kor 15,7 31,32,60 1 Kor 15,58 62 2 Kor 4,13 134
Stellenregister
2 Kor 5,10 73 2 Kor 5,17 95 2 Kor 6,6 30 2 Kor 6,7 3,23 2 Kor 7,10 109 2 Kor 9,7 65 2 Kor 10,1 111 2 Kor 11,4 136 2 Kor 11,7 21 2 Kor 12,20 29, 78, 87, 107 Gal1,8 78 Gal1,9 78 Gal1,13 29 Gal1,18f 60 Gal1,19 31 Gal2,lff 60 GaI2,1-10 33,49,61 GaI2,1-14 55 Ga12,4 33 Ga12,6 71 GaI2,6-9 32 Ga12,7 34 Ga12,9 32, 33 Ga12,10 47,66, 71 GaI2,11-14 33, 61 GaI2,11-2134 Ga12,12 34, 35, 36 Ga12,13 34 Ga12,14 33 Ga12,14a 34 Ga12,16 73 Ga12,19f 95 Ga13,27 24 Ga13,27f 24 Ga14,26 150 Gal 5, 13 -15 135 GaI5,13-24 90 Ga15,14 71 Ga15,20 87, 107 GaI5,20-23 111 Ga15,23 30 Ga15,24 95 Ga16,1 30, 111 Ga16,7 73 Ga16,10 108 Ga16,14 95
Stellen register
Eph 1,13 3,23 Eph 2,1 3 Eph 2,5 3 Eph2,10 73 Eph 2,11-3,13 78 Eph 2,12 34, 150 Eph 2,14 24 Eph 2,19 150 Eph 2,20ff 150 Eph 3,10 65 Eph 4,2 30, 111 Eph 4,17-19 37 Eph 4,18 3 Eph 4,22 29, 109 Eph 4,22-24 24 Eph 4,24 24 Eph 4,25 109 Eph 4,31 103, 112 Eph 5,3-8 37 Eph 5,21-33 147 Eph 5,21-6,9 147 Eph 6,9 124 Eph 6,11 24 Eph 6,14 24 Eph17,24 Phil1,15-17 87 Phil2,lff 141 Phil2,8f 21 Phil3,10 95 Phil4,1 62 Phil4,5 30 Kol 1,5 3,23 KoI1,10 73 KoIl,24 79 KoI2,3 65 KoI2,13 3 KoI3,5-7 37 KoI3,8 25, 103, 109, 111 KoI3,10 24 KoI3,11 24 KoI3,12 24,30, 111 KoI3,18-4,1 147 KoI3,19112 KoI3,25 124
171
1 Thess 1,6 24, 136 1 Thess 2,13 5,24, 136 1 Thess 4,3-5 37 1 Thess 4,5 34 1 Thess 5,6-8 22 1 Thess 5,8 24 1 Tim 1,5 30 1 Tim 2,4 3 1 Tim 2,8 105 1 Tim 2,10 73 1 Tim 3,3 30 1 Tim 3,15 148 1 Tim 4,3 148 1 Tim 4,12 29 1 Tim 5,10 73 1 Tim 5,14 148 1 Tim 5,25 73 1 Tim 6,3-5 3, 23 2 Tim 1,5 30 2 Tim 1,23-25 111 2 Tim 2,15 3,23 2 Tim 2,18 3,23 2 Tim 2,20-21 150 2 Tim 2,21 73 2 Tim 2,25 30 2 Tim 3,8 3, 23 2 Tim 3,17 73 2 Tim 4,4 3,23 2 Tim 4,6-8 79 2 Tim 4,17 22 Tit 1,14 3,23 Tit 1,16 73 Tit 2,7 73 Tit 2,14 73 Tit 3,1 73 Tit3,230,111 Tit 3,4-7 12 Tit 3,5 2,23 Tit 3,7 73 Tit 3,8 73 Tit 3,14 73 1 Petr 1,1 29,50,51
172 1 Petr 1,3 2, 23 1 Petr 1,3ff 64 1 Petr 1,6 20,21 1 Petr 1,6f 19,21,28,30,49,64 1 Petr 1,7 19,20 1 Petr 1,9 30 1 Petr 1,12 29 1 Petr 1,17 29, 50, 125 1 Petr 1,18 29 1 Petr 1,22 29,30 1 Petr 1,22ff 27 1 Petr 1,22-2,2 2, 5, 23, 25, 26, 28, 39,49 1 Petr 1,22-2,3 30 1 Petr 1,23 2,23,25 1 Petr 1,24f 25 1 Petr 2,1 25, 29, 78, 109 1 Petr2,lf 23,39 1 Petr2,1-2 26 1 Petr 2,2 24, 25 1 Petr 2,4-5 150 1 Petr 2,5 147 1 Petr 2,9 50 1 Petr 2,9f 149 1 Petr 2,11 29,50 1 Petr 2,12 29,41, 78, 147 1 Petr 2,13-17 147,149 1 Petr 2,13-3,7 147 1 Petr 2,18 30 1 Petr 2,25 29 1 Petr 3,1 29 1 Petr 3,2 29 1 Petr 3,9-12 29 1 Petr 3,14 41 1 Petr 3,16 29, 30, 78 1 Petr 4,8 29, 81, 118 1 Petr 4,10 40 1 Petr4,13a 21 1 Petr 4,13b 21 1 Petr 4,14 159 1 Petr 4,15f 160 1 Petr4,16 159 1 Petr 4,17 147 1 Petr 5 22 1 Petr 5,4 29 1 Petr 5,5c-9 21, 28 1 Petr 5,6 21
Stellenregister
1 Petr 5,9 22 1 Petr 5,10 30 1 Petr 5,12 30 1 Petr 6-7 64 2 Petr 1,4 6 2 Petr 2,7 29 2 Petr 3,11 29 1 Joh 2,16 6 1 Joh 2,29 2,23, 108 1 Joh 3,9 2, 23 1 Joh 3,11 121 1 Joh 3,14 121 1 Joh 3,15 114 1 Joh 4,7 2,23 1 Joh4,11 121 1 Joh4,20f 121 1 Joh 5,1 2,23 Hebr 4,12 5 Hebr 10,26 3, 23 Hebr 11,13-16 150 Hebr 11,17-19 72 Hebr 11,31 72 Hebr 11,33 109 Hebr 12,1 24,25, 109 Hebr 13,7 29 Jak 1,1 29,50,51,57,59,70,143, 157, 163 Jak 1,1-12 123 Jak 1,1-18 123 Jak 1,1-25 123 Jak 1,1-27 123 Jak 1,2 19,20, 62, 64, 65 Jak 1,2f 4, 19,21,28, 30,43,49 Jak 1,2ff 64 Jak 1,2-4 2,19, 26, 59, 64, 140 Jak 1,2-11 59,64 Jak 1,2-12 1 Jak 1,3 13, 19,65, 109 Jak 1,4 14,15,63,65 Jak 1,4-5 59 Jak 1,4-8 13 Jak 1,5 65, 89 Jak 1,5f 14
Stellenregister
Jak 1,5ff 77, 165 Jak 1,5-6a 65 Jak 1,5-7 77 Jak 1,5-8 59, 65 Jak 1,6 75, 85 Jak 1,6b-8 65 Jak 1,7 13 Jak1,7f 108 Jak 1,8 8, 11, 14, 87, 93 Jak 1,9 138, 140, 155, 156, 158 Jak 1,9f 130, 158 Jak 1,9ff 155 Jak 1,9-10 154, 155 Jak 1,9-11 59, 65, 155, 156, 158 Jak 1,10 27, 154, 155, 159 Jak 1,10f 25,27,47, 155, 156, 158 Jak 1,10-12 27 Jak 1,11 154,155,156,158,159 Jak 1,12 9, 19,29, 63, 66, 74, 132, 133 Jak 1,12-27 59, 66 Jak 1,12-3,11 59 Jak 1,12-5,6 59 Jak 1,13f 6 Jak 1,13ff 86, 117 Jak 1,13-15 4,20,67, 86, 88 Jak 1,13-21 116,117 Jak 1,13-25 7, 10, 15,26,43, 123 Jak 1,13-5,6 1, 20 Jak. 1,14 6,86, 164 Jak 1,14f 2, 6, 26, 88 Jak 1,15 2,6, 15,23,26,29,86,87, 90, 117 Jak 1,15a 6 Jak 1,15b 2 Jak 1,16 62,66,67,116 Jak 1,17 66, 137, 157 Jak 1,17a 8 Jak 1,17f 26 Jak 1,18 1,2,3,4,5,6,10,11,12, 15,23,25,26,27,28,30,39,43, 45,46,49,67,87,89,90,91,94, 106,108,109,117,136,137,157, 163, 165 Jak 1,18a 5 Jak 1,18b 4, 10,26,50,51 Jak 1,18ff 117
173 Jak 1,18-25 3,89 Jak 1,19 62, 66, 67, 102, 103, 104, 107,110,112,113,116,117 Jak 1,19a 103, 105, 106 Jak 1,19b 92, 103, 104, 105, 110 Jak 1,19c 103, 104, 106, 107, 110 Jak 1,19f 26,46, 103, 106, 109, 110, 118, 151 Jak 1,19-21 82, 112, 113 Jak 1,20 26,97, 102, 103, 106, 107, 108, 109, 110 Jak 1,21 2,4, 5, 11, 13,23,25,26, 27,30,39,43,46,49,67,89,90, 91,95, 107, 108, 110, 111, 112, 117,136, 137, 151 Jak 1,21a 25,26 Jak 1,21b 4, 8, 9, 24, 25, 26, 46, 106, 108, 109 Jak 1,21ff 6 Jak 1,21-25 3 Jak 1,22 5, 8,9, 12, 14,23,67, 90, 104, 123 Jak 1,22a 27 Jak 1,22b 9, 12,25,27,28 Jak 1,22-23a 68 Jak 1,22-25 5, 10, 11, 13,26,46 Jak 1,22-27 123 Jak 1,23 9,25,27,61, 81, 84,90, 108,121 Jak 1,23f 9,90 Jak 1,23ff 27, 163 Jak 1,23b-24 68 Jak 1,23-25 68, 124 Jak 1,24 9,68,90 Jak 1,25 5,6, 8, 9, 10, 12, 14,26, 29,46,68,69,74,91,95,127, 131, 133, 136, 137, 151, 163, 164 Jak 1,25a 9 Jak 1,25b 9,27 Jak 1,25c 9 Jak 1,26 10,26,29, 82,92, 107, 123, 124, 164 Jak 1,26f 10,63,67,.95 Jak 1,26-27 123 Jak 1,26-3,11 10
174 Jak 1,27 4, 10, 11,47, 50, 52, 63, 69, 123, 124, 130, 134, 144, 151, 164 Jak 2,1 10,29, 62, 65, 70, 75, 123, 124, 126, 128, 158 Jak 2,lff 125, 129, 130, 152, 157 Jak 2,1-5 47 Jak 2,1-7 138,158 Jak 2,1-13 10, 65, 119, 123, 124, 126 Jak 2,1-26 10, 123 Jak2,1-3,11 10,123 Jak 2,1- 3,12 70 Jak 2,2 138, 159 Jak 2,2ff 123, 138 Jak 2,2-4 14, 127, 137, 139, 155 Jak 2,2-5 158 Jak 2,3 28, 139 Jak 2,4 125 Jak 2,5 11, 62, 65, 66, 74, 123, 126, 131, 132, 135, 138, 139, 155, 158 Jak 2,6 139, 141, 155, 158, 159 Jak 2,6f 47, 138, 154, 158, 159, 160 Jak 2,6-7 138, 155 Jak2,6b-7 158 Jak 2,7 4, 138, 160, 165 Jak 2,7-11 79 Jak 2,8 123, 126, 127, 128, 131, 133, 134, 137, 140, 163 Jak2,8-10 125 Jak 2,8-11 9, 11, 14, 47, 119, 135, 141 Jak 2,9 108, 123, 124, 126, 127, 128, 129 Jak 2,9-11 11 Jak2,10 11,127,128,161 Jak 2,11 127, 128, 129, 131, 151, 154 Jak 2,12 1,6, 14, 15,29,35, 124, 131, 132, 133, 151, 163 Jak 2,12f 125, 126, 164 Jak 2,12ff 129 Jak 2,12-13 129 Jak 2,13 14,74,131 Jak 2, 13a 131 Jak 2,13b 131
Stellen register
Jak 2,14 3, 5, 11, 12, 13, 18,25,40, 45,59,72,74,75,123,124,135, 136, 140 Jak 2,14ff 62, 65, 69, 74, 130 Jak 2,14-16 10 Jak 2,14-17 129, 140 Jak2,14-26 10,11,12,17,18,44, 123, 165 Jak 2,15 129, 130 Jak 2,15f 10, 12, 14,47, 138 Jak2,16 130 Jak 2,17 130, 138, 140 Jak 2,18 73, 74 Jak 2,18-19 74 Jak 2,18-23 74 Jak 2,19 44 Jak 2,20 74, 75, 76, 161 Jak 2,20ff 72, 130 Jak 2,20-24 151 Jak 2,21 12, 13, 50 Jak 2,21-23 13 Jak 2,22 75 Jak 2,23 12, 14, 72 Jak 2,24 73, 75 Jak 2,25 75, 151 Jak 2,26 73, 130 Jak 3,1 62, 67, 77, 92 Jak 3,lff 82 Jak 3,1-11 10,26,29, 59, 92 Jak 3,1-12 65,107, 123, 124 Jak 3,2 13, 15,25,63,65, 92, 108, 124, 133 Jak 3,2a 93 Jak 3,3f 92 Jak 3,4 92, 94 Jak 3,5f 94, 95 Jak 3,8 2, 25, 93 Jak 3,8f 108 Jak 3,9 12, 77, 93, 137 Jak 3,10 62,93 Jak 3,10a 93 Jak 3,10b 93 Jak 3,11 93, 112 Jak 3,11ff 65 Jak 3,12 25, 62 Jak 3,12ff 59,65 Jak 3,12-18 59
175
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Jak 3,12-4,12 59 Jak 3,12- 5,6 59 Jak 3,13 29, 30, 111 Jak3,13f 111 Jak 3,13ff 66, 105, 107, 112, 113, 165 Jak 3,13-18 40 Jak 3,13-4,12 77, 107 Jak 3,13ff-4,lff 107 Jak 3,14 3,40, 112, 151 Jak 3,14ff 86,87,88,93, 107 Jak 3,15 40,95, 112, 118, 151 Jak 3,15ff 88 Jak 3,16 93 Jak 3,16f 93 Jak 3,17 30, 63, 77, 95, 118 Jak 3,18 77, 89 Jak 4,1 29, 77, 89, 92 Jak 4,lf 22,49, 107 Jak 4,lff 11,86,87,88, 112, 113, 151, 157, 164 Jak 4,1-3 22 Jak 4,1-4 6,47 Jak 4,1-10 14 Jak 4,1-12 59 Jak 4,1-5,6 107 Jak 4,2 25, 88, 105, 135, 157 Jak 4,2-3 77 Jak 4,2d 88 Jak 4,3 88, 89 Jak 4,4 4, 8, 22, 51, 73, 94, 112, 134, 135, 151, 164 Jak 4,4b 94 Jak 4,4-10 85 Jak 4,5 5, 22, 90, 95, 96 Jak 4,6 22, 138 Jak 4,6-10 21,22,28,49, 111 Jak 4,7 95 Jak 4,7-10 11, 15 Jak 4,8 8, 11,27,28,29, 52, 63 Jak 4,8b 22 Jak 4,8c 22 Jak 4,9 22 Jak4,10 21,140,141 Jak 4,11 14,29,62, 74, 77, 78, 80, 127, 135, 163 Jak 4,11f 11, 135
Jak 4,11ff 78 Jak 4,11-12 78, 126 Jak 4,12 5, 14, 25, 78, 135 Jak 4,13 79, 156, 158 Jak 4,13ff 59, 156, 158 Jak4,13-17 59,154,155,156,159 Jak 4,13-5,6 47,59, 77, 78, 158 Jak 4,14 79, 156, 159 Jak 4,15 156 Jak 4,15f 159 Jak4,16 156 Jak 4,17 91,92 Jak 5,1 79, 156, 158, 159 Jak 5,lff 155, 156, 160 Jak 5,1-6 59, 155, 156, 158, 160 Jak 5,2 159 Jak 5,4 48, 158 Jak 5,5 159 Jak 5,6 48, 60, 62, 63, 79, 135, 138, 154, 155, 158, 159, 160, 161 Jak 5,7 62, 79 Jak 5,7-11 59, 79 Jak 5,7-20 59, 79 Jak 5,8 70 Jak 5,9 30, 62, 79, 80 Jak 5,10 62 Jak 5,10-11 162 Jak 5,11 30, 67, 70 Jak 5,12 29,40, 56, 59, 62, 79, 80, 161 Jak 5,12ff 66 Jak 5,13 162 Jak 5,13-18 59 Jak 5,14 62, 130 Jak 5,15 75 Jak 5,16 13, 80, 81, 130 Jak 5,16a 13 Jak 5,16b 13 Jak 5,16c 13 Jak 5,16-18 3 Jak 5,19 3, 15, 29, 47, 59, 79, 116, 117 Jak 5,19f 2, 15,30,81,94, 116, 117,118 Jak 5,20 2,3,28,29, 116, 117, 118 Apk 2,10 133
176 Apk 3,21 133 Apk 3,30 80 Apk4,4 133 Apk 4,10 133 Apk 14,4 4 Apk 14,8 37 Apk 18,3 37 Apk 22,11 108
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Beiträge zum Verstehen der Bibel herausgegeben von Prof. Dr. Manfred Oeming und Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Gerd Theißen (Heidelberg)
Manfred Oeming (Hg.)
Theologie des AT aus der Perspektive von Frauen Sehen nicht zwei Augen mehr als eines? Vernehmen nicht die zwei Geschlechter mehr von dem einen Wort Gottes als eines? Vorliegender Band will den Nachweis erbringen, dass die hermeneutisch reflektierte Einbeziehung der Perspektive der Frauen zu einem tieferen Verstehen der Bibel führt. Die Beiträge von 16 WissenschaftlerInnen fügen sich zu einem Gang durch den hebräischen Kanon von der Genesis bis zur Chronik zusammen und eröffnen thematisch und methodisch originelle Zugänge zur Theologie des ~lten Testaments. Vorliegender Band eröffnet eme neue Reihe, die ihr Schwergewicht auf dem theologischen Verstehen der als Ganzheit begriffenen Bibel hat.
Stellenwert der Religionen in der heutigen Gesellschaft. Angesichts der Pluralität der Bekenntnisse soll der Anspruch der Wahrheit festgehalten werden. Bd.9, 2. Aufl. 2001, 350S., 20,90€, br., ISBN 3-8258-5203-2
Rainer Bendei (Hg.)
Die katholische Schuld? Katholizismus im Dritten Reich zwischen Arrangement und Widers~and " . Die Frage nach der "Kathohschen Schuld .lst spätestens seit Hochhuths "Stellvertreter" em öffentliches Thema. Nun wird es von Goldhagen neu aufgeworfen, aufgeworfen als moralische Frage - ohne fundierte Antwort. Wer sich über den Zusammenhang von Katholizismus und Nationalsozialismus fundiert informieren will, wird zu diesem Band greifen müssen: mit Beiträgen u. a. von GerhardBesier, E. W. Böckenförde, Heinz Hürten, Joachim Köhler, Johann Baptist Metz, Rudolf Morsey, Ludwig Volk, Ottrnar Fuchs und Stephan Leimgruber. Bd.14, 2002, 368S., 19,90€, br., ISBN3-8258-6334-4
Bd.1, 2003, 328S., 25,90€, br., ISBN3-8258-6386-7
Manfred Oeming
Claus Westermann: Leben - Werk Wirkung Claus Westermann war einer der weltweit bedeutendsten Alttestamentler seiner Zeit. Seine breitgefächerten exegetischen Arbeiten etwa zur Genesis und zu Deuterojesaja, zu Hiob und den Psalmen hatten und haben weit über die Fachwissenschaft hinaus auf Theologie und Kirche insgesamt einen außerordentlich starken Einfluss. Zu Themen wie Ökologie, politischer Verantwortung der Theologie oder dem interreligiösen Dialog mit dem Islam hat er starke Impulse gegeben. Vorliegender Band bietet eine autobiographische Skizze von Claus Westermann s~lbst, ein Werkverzeichnis sowie Würdigungen semes Oeuvres durch Rainer Albertz, Hans-Peter Müller, Jürgen Kegler und Klaus Meyer zu Uptrup. Bd.2, 2003, 128 S., 15,90€, br., ISBN 3-8258-6599-1
Theologie: Forschung und Wissenschaft Wolfgang W. Müller
Gnade in Welt Eine symboltheologische Sakramentenskizze Bd.2, 2002, 160S., 17,90€, br., ISBN3-8258-6218-6
Gabriel Alexiev
Definition des Christentums Ansätze für eine neue Synthese zwischen Naturwissenschaft und systematischer Theologie Bd.3, 2002, 112S., 17,90€, br., ISBN 3-8258-5896-0
Klaus Nürnberger
Theology of the Biblical Witness An evofutionary approach Bd.5, 2003, 456 S., 34,90 €, br., ISBN 3-8258-7352-8
Herbert Ulonska; Michael J. Rainer (Hg.)
Wissenschaftliche Paperbacks Theologie
Michael J. Rainer (Red.)
"Dominus Iesus" - Anstößige Wahrheit oder anstößige Kirche? Dokumente, Hintergründe, Standpunkte und Folgerungen
Sexualisierte Gewalt im Schutz von Kirchenmauern Anstöße zur differenzierten (Selbst-)Wahrnehmung. Mit Beiträgen von Ursula Enders, Hubertus Lutterbach, Wunibald Müller, Michael J. Rainer, Werner Tzscheetzsch, Herbert Ulonska und Myriam Wijlens Bd.6, 2003, 1925., 17,90€, br., ISBN 3-8258-6353-0
Die römische Erklärung "Dominus Iesus" berührt den Nerv der aktuellen Diskussion über den
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