Arno Zöller
Band 24
Der kosmische Verbrecher Tsati Mutara lebt! Tsati Mutara hat Rex Corda in seinem aufopfernden Kam...
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Arno Zöller
Band 24
Der kosmische Verbrecher Tsati Mutara lebt! Tsati Mutara hat Rex Corda in seinem aufopfernden Kampf gegen die Orathonen entscheidend geholfen. Mutara hat eine unheimliche Fähigkeit: er kann Energie in sich aufnehmen und sie nach Belieben umformen! Mit dieser parapsychischen Waffe hat er die Orathonen geschlagen. Er durchbrach ihre gigantischen Schufzschirme und stürzte sich in einen Supertransmitter, um ihn zu vernichten. Der Transmitter brach zusammen. Tsati Mutara verschwand von der Erde. Rex Corda hörte nichts mehr von ihm. Tsati Mutara fiel in die Hände der Orathonen! Und sie erkannten seine phantastischen Fähigkei-
ten. Damit beginnt der Weg Mutaras durch die Hölle der orathonischen Verhöre. Sigam Agelon will alles wissen, denn er steht im Schatten einer unheimlichen Gefahr. Er weiß, daß es eine galaktische Ordnung gibt. Er weiß auch, daß es tödlich ist, gegen diese Ordnung zu verstoßen. Sigam Agelon hat es dennoch getan. Doch Sigam Agelon ist nicht bereit, sich dem Urteil zu unterwerfen, das in unbekannten Tiefen der Galaxis über ihn gefällt worden ist. Sigam Agelon empört sich gegen die galaktische Ordnung. Er will sie zerschlagen, um zu überleben. Und dafür braucht er Tsati Mutara!
Die wichtigsten Personen: Sigam Agelon . . . . . . . . . . . . . . . Flottenkommandeur der Featherheads Gort Kosta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . sein Vertrauter Ger-Velath . . . . . . . . . . . . . . . . . . ein undurchsichtiger Verbindungsmann Tsati Mutara . . . . . . . . . . . . . . . . . . . der Mutant von Terra wird das Opfer verbrecherischer Experimente Thali-Fenberth-Fen-Berthnyen . . . . . . . . . . . . . . . der Trop ist ein Sklave der Featherheads, aber Tsati Mutara treu ergeben „Die Nadel" . . . . einst war sie die Parallelmutantin Virginia Matson
Über die massige Gestalt Sigam Agelons lief ein Schauer. Wie in einem Krampf wurde der muskulöse Körper auf den harten metallenen Lager geschüttelt. Seltsame, abgerissene Wortfetzen drangen von den zuckenden Lippen. Gort Kosta trat überrascht einen Schritt zurück. Die dunklen Federn auf dem Haupt des Orathonen sträubten sich empor. Klappernd fiel die Hochdruckspritze aus seiner schlaffen Hand auf den glänzenden Boden des Laboratoriums. Der unartikulierte Schrei Sigam Agelons übertönte das Geräusch. Er übertönte das Summen der Computerbänke, das hastige Atmen der Gefiederten, die sich um die Lagerstatt drängten, und die vielfältigen Geräusche des Sumpfplaneten Swamp, die durch einen Riß in der Außenwand des Laboratoriums drangen. Es war ein Schrei der Wut, aber auch der Angst. War das Experiment ein Fehlschlag gewesen? War Sigam Agelon, der ein Veränderter werden sollte, wahnsinnig geworden? Kosta löste sich aus seiner Starre. Mit einem Schritt trat er auf den zukkenden, sich in wahnsinnigen Qualen windenden Körper zu. Ein Bronzeroboter riß ihn zurück. Etwas zischte heiß und sengend an der Schläfe des großen Orathonen vorbei. Das Metallstück, das die rechte Hand Sigam Agelons fest an die Lagerstatt gefesselt hatte, prallte gegen die Wand. Es hallte wie im Innern einer Glocke. Ein breiter Riß zog sich über die glänzende Fläche. Der Körper Sigam Agelons richtete sich auf. Die Augen des Gefiederten waren geschlossen, aber der zuckende Mund stand weit offen und schrie die unverständlichen Laute. Kalte Schauer jagten über die Rücken der Gefiederten,
die das Operationsbett umstanden. Selbst die Bronzeroboter zeigten Überraschung auf ihren ausdruckslosen Gesichtern. Mit anscheinend müheloser Leichtigkeit hatte Sigam Agelon die Sicherheitsfesseln abgestreift. Wie Papierbänder hatte er sie zerfetzt. Die Beine Agelons hebelten empor. Mit scharfem Knacken lösten sich die Fußfesseln und wurden gegen die Decke geschleudert. Der Aufprall der Metallplastbänder erschütterte den ganzen Raum. Mit zitternden Händen strich Cort Kosta über den breiten Kratzer, der sich über seine Stirn zog. Wenn der Bronzeroboter ihn nicht zurückgerissen hätte, wäre sein Ende besiegelt gewesen. Aber noch dauerte die Gefahr an. Die Gefahr, die von dem veränderten, anscheinend wahnsinnigen Sigam Agelon kam. Der Sohn des Moga Agelon stand jetzt breitbeinig im Raum. Er schien die Soldaten und Roboter nicht zu bemerken, die bis zur Wand zurückgewichen waren. Cort Kosta zwang sich zur Ruhe. Jeden Augenblick konnte hier eine Panik ausbrechen. Er wußte nicht, wie sich die Roboter verhalten würden. Eines stand fest: Das Wesen, das einmal Sigam Agelon gewesen war, stellte eine unglaubliche Bedrohung dar. Würden die Bronzeroboter sich gegen den Veränderten wenden, der Sigam Agelon hieß? „Halt!" schrie Cort Kosta, aber er ahnte, daß sein Befehl zu spät erfolgte. Es schien Ewigkeiten zu dauern, als Agelons schwankender, zitternder, sich aufbäumender Körper im Raum verharrte. Ein Medo-Roboter näherte sich dem Gefiederten. Ihm hatte der Ruf Kostas gegolten. Der Roboter verharrte auf der Stelle, doch trotz seiner geschlossenen
Augen schien ihn Agelon gesehen zu haben. Die Hände des Veränderten zuckten gedankenschnell empor, ehe sich der Medo zurückziehen konnte. Ein reißendes Krachen zerriß die Luft des Raumes, als die wirbelnden Fäuste Agelons die Brustplatte des Maschinenmenschen zerschmetterten. Der grelle Lichtblitz schien den Veränderten nicht zu kümmern. Die Flamme schlug aus der Brust des zusammenbrechenden Roboters und fauchte dem Gefiederten ins Gesicht. Aber Sigam Agelon wich nicht zurück. Er schien die Hitze nicht zu spüren. Cort Kosta stöhnte auf, als er die Augen des Wesens sah, das sein Vorgesetzter war. Agelon hatte die Pupillen verdreht. Er konnte einfach nichts sehen. Es war unmöglich. Aber er schien genau zu wissen, was er tat, in einer kalten, präzisen Art. Mit vor Grauen geweiteten Augen wichen die Gefiederten zurück. Keiner wagte, eine Waffe gegen seinen Kommandanten zu richten, unter dessen rasenden Fäusten der unter kleineren Explosionen und verzögerten, sinnlosen Reaktionen zuckende Körper des Roboters zu wertlosem Schrott wurde. Sigam Agelon wirbelte herum. Sein Gesicht war eine verzerrte Maske reinsten Hasses. Diabolische Freude, wilde Lust am Zerstören erschien auf seinen Zügen. Ein brüllendes Gelächter erfüllte das Laboratorium. Die Gefiederten, die Zeugen des Experimentes geworden waren, rührten sich nicht von der Stelle. Sie waren harte Kämpfer, grausame Feinde, erbarmungslos jedem Gegner gegenüber, aber das hier verstanden sie nicht. Sie bewegten sich immer noch nicht, als der Veränderte in seinem leuchtend roten Umhang, mit verdrehten Augen und schwingenden Fäusten auf sie zu-
kam. * Angespannt hockte die dunkle Gestalt vor der Wand mit den leuchtenden Holografen. Tsati Mutara ruhte scheinbar lässig in einem Andrucksessel, der für seine Körpergröße von über zwei Metern viel zu klein bemessen war. Aber die Lässigkeit täuschte. Jeder Muskel in seinem sehnigen dunklen Körper war angespannt. Unablässig flogen die Augen über die Wand der Holografen, sogen jedes dreidimensionale Bild begierig in sich auf. Der terranische Mutant ahnte, daß sich ihm hier eine Chance zur Flucht bot. Es war im Augenblick sinnlos, zu fliehen. Erst dann hatte es Sinn, wenn seine Ahnung zur Gewißheit wurde ... Die Bilder auf den Holografen zeigten nichts Neues. Mutara hatte in den letzten Wochen und Monaten, seit er in die Gefangenschaft der Orathonen geraten war, viele Dinge gesehen, die ihm anfangs unverständlich waren. Zusammen mit Sigam Agelon, dem Kommandanten und Oberbefehlshaber des größten Teils der Orathonen-Flotte, hatte er unvorstellbar große Entfernungen zurückgelegt, hatte fremdartige Rassen und Planeten gesehen, hatte Gefahren bestanden, wie noch kein Mensch zuvor. Mutara grinste freudlos vor sich hin, als er auf einem kleinen verzweigten Gestell, nur wenige Meter rechts, die rötliche Pelzgestalt des Trop sah. Mit ihm zusammen hatte er die Gefiederten getäuscht. Gemeinsam waren sie in die mahlende, glutende Hölle des Supertransmitters gestürzt und waren in einem Hantelraumer auf der Venus wieder aufgetaucht. Ja, sie hatten die Orathonen getäuscht, aber wie lange konnten sie diese Täuschung aufrecht erhal-
ten? Der Neger wußte, daß er auf Grund seiner besonderen Mutation für Sigam Agelon von unschätzbarem Wert war. Aber er wußte auch, daß Agelon sofort versuchen würde, ihn zu vernichten, sollte er hinter das Täuschungsmanöver kommen. Wieder grinste Mutara. Es war gar nicht so einfach, ihn zu vernichten! Sie hatten es versucht. Man hatte Experimente mit ihm angestellt, die kein anderer Sterblicher überstanden hätte. Mutara sah sich vorsichtig um. In der Holografenzentrale, die von den automatischen, schwebenden Laserkameras die Bilder von den verschiedensten Schauplätzen auf diesem Planeten empfing, befand sich kein Gefiederter. Die Technik lag hauptsächlich in den Händen der Bronzenen und der Hilfsvölker. Aus den Augenwinkeln sah Tsati Mutara die langgestreckte, dürre Gestalt eines Whims. Die kalten Facettenaugen nahmen jede Bewegung in diesem Raum auf. Eine dunkle Chitinklaue schwebte immer dicht über der in Ringen aufgeteilten Mitte der Grille. Tsati Mutara wußte, wie schnell und sicher dieser grausamste Vertreter der orathonischen Sklavenvölker mit dem gefürchteten Blau-Lighter umgehen konnte. Diese Waffe war selbst dann tödlich, wenn das Opfer nur gestreift wurde. Der Blick des Negers glitt zurück. Er lächelte, als er den kleinen Trop sah. Das rotbepelzte Wesen hatte sich als fester Freund erwiesen; ohne seine Hilfe wäre Mutara längst tot oder ein willenloses Werkzeug des semibiotischen Conduktors, den man ihm eingepflanzt hatte. Das war Mutaras Geheimnis. Jeder an Bord dachte, daß sein Gehirn programmiert war, daß ein Fremdkörper in seinem Gehirn Befehle der Orathonen
weiterleitete. Aber Mutara war keine Marionette. Das hatte er dem Trop zu verdanken. Wieder veränderten sich die Bilder auf den Holografen. Eine der vollautomatischen Laserkameras mußte sich im Schiff befinden, von dem Mutara nur wußte, daß es ein Hantelraumer der Alakim-Klasse war und den Namen LYNTHOS trug. Wieder sah Mutara die Nadel, jenen seltsamen, an eine Skulptur erinnernden Gegenstand, den die Gefiederten von der Erde geraubt hatten. Er, Mutara, war dabeigewesen. Er hatte damals fliehen wollen, als man die Nadel von der Erde entführte. Aber die Flucht war ihm nicht gelungen. Was war mit dieser Nadel, jenem hohen, von unzähligen Rillen und Einschnitten überzogenen Gegenstand? Die Nadel gab Laute von sich. Die pfeifenden Geräusche hatten sich angehört wie ein Sturm, der sich in Klippen und Felsenhöhlungen fängt. Doch an Bord der LYNTHOS gab es keinen Sturm. Die Nadel sprach; die Spezialcomputer der LYNTHOS mußten immer noch mit der Entschlüsselung jener seltsamen Laute beschäftigt sein. Ein phantastischer Gedanke schoß Mutara durch den Kopf. Aber er weigerte sich, dieser Vermutung Gehör zu schenken. Die seltsamen Ahnungen und Gedanken, die ihn seit der Landung auf diesem seltsamen Sumpfplaneten überfallen hatten, tauchten wieder auf. Irgendwie schien es Tsati Mutara, als habe er alles schon einmal erlebt, zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort... Die Ahnungen erfüllten den Mutanten von Terra mit Unruhe. Sie wiesen eindeutig darauf hin, daß er fliehen mußte, jetzt sofort! Blitzartig schoß Mutara jener Gedanke durch den Kopf, den er bisher immer von sich gewiesen hatte: Rex Corda
befand sich auf diesem Planeten! Welcher Planet? Ein Sumpf, dachte Mutara. Ein rötlich flimmernder Sumpf. Eine Schlammkugel, die von bösartigen Pflanzen bewachsen war. Swamp! schoß es Mutara durch den Kopf, während er auf seinen Holografen starrte, der sich in die Nähe von bösartig tastenden Pflanzenarmen begeben hatte. Dieser Planet mußte Swamp heißen! Warum? Tsati Mutara saß starr vor Entsetzen. Er zwang sich wieder in eine lässige Haltung. Jede verdächtige Bewegung würde von den gnadenlosen Bewachern registriert werden. Warum Swamp? Wer konnte diesen Planeten so genannt haben? Es war ein englisches Wort und bedeutete Sumpf. Tsati Mutara war sich klar darüber, daß er nicht allein auf diesen Gedanken gekommen war. Der Begriff hatte sich in seinem Hirn gebildet. Wie aus dem Nichts war er entstanden. Ein Gedankenimpuls! Terraner mußten sich auf diesem Planeten befinden. Langsam erhob sich Tsati Mutara von dem Andrucksessel. Zu seiner Überraschung beachtete ihn der Whim am Eingang nicht. Natürlich! Mutara grinste verzerrt. Jeder dachte, daß sein Gehirn programmiert war, daß er keinen eigenen Willen mehr haben konnte. Der Neger zuckte zusammen, als er die Alarmsirenen durch das Schiff heulen hörte. Blitzartig fuhr der Insektenkopf des Whims herum. Das grillenartige Wesen setzte sich mit seinen charakteristisch steifen Bewegungen in Gang. Aber Mutara blickte ihm nicht nach. Seine Augen hauen sich an dem mittelsten Holografen festgesogen. Der Pflanzententakel schien zum Greifen nahe im Raum zu schweben. Er langte mit peitschenden Bewegungen nach
dem Aufnahmegerät. Ein gleißender Strahl ließ die Pflanze zu einem sich krümmenden schwarzen Bündel werden. Die Laserkamera hatte sich gewehrt, aber sie war von dem Tentakelstoß getroffen worden und schleuderte herum. Das Bild wechselte. Plötzlich stand ein Mann auf dem Holografen. Der Schirm ließ ihn überdeutlich erscheinen. Die Gestalt war leicht vorgebeugt, die Haare gesträubt und verwirrt. Der Mann trug einen Raumanzug, aber die durchsichtige Scheibe des Helms ließ seine Augen übernatürlich strahlen. Rex Corda! Mutara stieß einen Schrei aus. Das Geräusch erregte Mißtrauen. Es ging im Schrillen der Alarmsirenen unter. Automatisch bemerkte Mutara, daß der Trop den Schirm ebenfalls beobachtete. Das kleine Pelzwesen hätte jetzt sofort eingreifen müssen, als es den Terraner erkannte, aber es reagierte nicht. Dann verschwand die hochgewachsene Gestalt. Die Kamera hatte ein Lichtzeichen gegeben, zusammen mit einem Akustik-Impuls, aber die Zeichen waren von den anderen nicht bemerkt worden. Da die Kamera keinen Befehl zur Verfolgung erhielt, beachtete sie den Menschen nicht weiter, von dessen Verschwinden nur ein Wogen des Dikkichts und aufspritzender Schlamm Zeugnis ablegten. Tsati Mutara handelte fieberhaft. Seine Augen bohrten sich in die des Trop, aber das Wesen reagierte nicht. Dann schüttelte das rötliche Pelzwesen in einer fast menschlichen Gebärde den Kopf. Mutara verstand. Der Trop würde nicht an der Flucht teilnehmen, um Mutaras Chancen nicht zu verringern. Langsam, wankend ging der Neger aus dem Beobachtungsraum. Er wäre am liebsten gerannt, aber trotz der immer noch schrillenden Sirenen hätte das Verdacht erregt.
Erst jetzt nahm Mutara das klingende, in seinen Ohren schmerzende Geräusch wahr. Weswegen war Alarm gegeben worden? Er wußte es nicht. Mutara ahnte nur, daß er jetzt eine Chance hatte. Er mußte Corda finden, und wenn er den ganzen Sumpfplaneten durchsuchen mußte. Es gab sonst keine Rettung mehr für ihn. Mutara ahnte, daß er die Erde nie wieder sehen würde, wenn ihm die Flucht nicht gelang. Rex Corda! Die Erde! Langsam schlenderte der Neger den Gang entlang, glitt in einen Gravoschacht und blickte unbeteiligt auf die amphibische Gestalt eines Staras, der mit ihm in die Tiefe schwebte. Geschickt glitt der Neger aus dem Gravoschacht und bewegte sich gemächlich weiter. In seinem Innern eine brodelnde Hölle, von außen umtost von dem Gellen der Alarmsirenen, allein und zum Äußersten entschlossen. * Als erster löste sich Ger-Velath aus seiner Erstarrung. Der orathonische Verbindungsmann riß einen Thermostrahler empor. Cort Kosta schrie auf und sprang auf den Verbindungsmann zu, aber er erreichte ihn nicht rechtzeitig. Ein hellgleißender Strahl löste sich aus der Waffe und verfehlte Sigam Agelon nur um wenige Zentimeter. Der Orathone im roten Umhang blieb stehen. Das grausame Lachen verstummte. Das Folgende geschah so schnell, daß Cort Kosta erst nachträglich die Geschehnisse in einer logischen Reihenfolge ordnen konnte. Bevor der Energiestoß aus der Waffe Ger-Velaths erlosch, erhob Sigam Agelon mit einer unbegreiflich schnel-
len Bewegung die Hand. Der helle Strahl ließ seine Finger glühen — aber sie blieben unverletzt! Im Gegenteil, Agelon schien förmlich nach Energie zu hungern. Zwei Bronzeroboter sprangen auf Ger-Velath zu und erreichten ihn zusammen mit Cort Kosta. Der orathonische Verbindungsmann stieß wütende Schreie aus, als er sich aus den festen Umklammerungen der Maschinenmenschen zu befreien suchte. Kosta wurde zurückgeworfen. Trotz seiner gewaltigen Kräfte hatte er im Handgemenge gegen die Roboter keine Chance. Dabei hatte er dasselbe geplant wie sie. Er wollte ebenfalls Ger-Velath davon zurückhalten, seine Waffe auf Sigam Agelon zu richten. Immer noch stand Sigam Agelon unbeweglich. Langsam senkte sich seine Hand. Sie wies keinerlei Verletzungen auf. Und doch hätte der kurze Energiestoß normalerweise genügt, den ganzen Arm Agelons zu verkohlen. Was aber Cort Kosta weitaus mehr beunruhigte, war die Tatsache, daß Agelon dem Schuß nicht ausgewichen war. Es konnte keine Sinnestäuschung sein: Agelon hatte den Strahl mit der Hand aufgefangen. Cort Kosta schüttelte den Kopf, als die Bronzenen Ger-Velath zur Wand zurückzogen. „Er wird uns alle umbringen!" schrie der Verbindungsmann. „Begreift ihr das nicht?" Kosta bemerkte die Unruhe unter den anderen. Und auch er konnte sich von seiner wachsenden Furcht nicht losmachen. Dort stand ein Mann, der mächtige Metallplastfesseln zersprengte, der die Energie eines ThermoStrahlers mit den bloßen Händen auffing. Was war, wenn Ger-Velath recht hatte? Was war, wenn das Experiment Sigam Agelon zu einem bösartigen
Monster gemacht hatte? Die Roboter würden ihnen nicht helfen, das schien jetzt klar zu sein. Bedingungslos waren ihre Hirne auf die Befehle Agelons programmiert. Aber es war sinnlos. In keinem Fall würde es für sie ein Überleben geben. Sie durften es nicht wagen, ohne Sigam Agelon zurückzukehren. Immer noch stand der Gefiederte in seinem roten Umhang bewegungslos vor den zerstörten Resten des MedoRoboters. Er wirkte wie eine Bombe, die kurz vor der Explosion stand. Wie unter einem Zwang wich Cort Kosta zurück. Er stieß gegen die Wand und tastete sich zu den anderen. Als er gegen eine Erhebung der Wand traf, zuckte Kosta zusammen. Er strich über eine kleine quadratische Ebene hinter seinem Rücken. Seine Finger prickelten plötzlich. Ein Kraftfeld! Das leise Rollen hinter ihm verriet Kosta, daß hinter ihm ein Segment zur Seite geglitten war. Also hatte das kleine Laboratorium noch einen zweiten Ausgang. Das konnte die Rettung sein. Kosta stieß ein paar kurze heisere Worte hervor. Sofort ruckten die Köpfe der anderen herum. Sie hatten verstanden. Nacheinander glitten sie durch den engen Spalt. Cort Kosta wollte den Befehl geben, die Raumhelme aufzusetzen, aber das hätte wieder Zeit gekostet. Scheinbar unbemerkt von dem erstarrt stehenden Agelon wollten sie den Raum verlassen. Als letzter kam Ger-Velath. Der Verbindungsmann nickte Kosta stumm zu und deutete auf den Raumhelm. Kosta hatte verstanden, aber er schüttelte den Kopf. Sie befanden sich immer noch inmitten des leichten Kraftfeldes, das die verseuchte Atmosphäre des Sumpfplaneten zurückhielt. Das Kraftfeld spannte sich auch über jenen Spalt, obwohl das
diffuse rötliche Licht und die Geräusche von draußen hereindrangen. Als Ger-Velath sich dem Spalt näherte, in dem die anderen schon verschwunden waren, erwachte der Veränderte aus seiner Erstarrung. Wieder durchlief ein Schauer den breiten muskulösen Körper. Eine ganze Skala verschiedenster Empfindungen zuckte über das breite grünliche Gesicht. Cort Kosta blieb wie angewurzelt stehen, als er sah, wie sich die Augen Sigam Agelons in ihre normale Lage zurückdrehten und ihn intensiv musterten. Auch der Verbindungsmann Ger-Velath regte sich nicht. Die beiden Gefiederten duckten sich zusammen wie ein Kaninchen unter dem hypnotisierenden Blick einer Giftschlange. Verächtlich glitten die harten Augen Agelons über sie hinweg und blieben an den Robotern hängen, die in einer Reihe ihm gegenüber standen. Die Gesichter der Bronzenen waren ausdruckslos. „Kommt her!" Die Stimme Agelons knallte durch das kleine Labor. Sie hatte einen harten, stählernen Unterton. Es war die Stimme Agelons, aber ein neuer Klang war dazugekommen, ein Klang, der nicht von den Stimmbändern eines normalen Gefiederten erzeugt werden konnte. Die Roboter rührten sich nicht. Einer von ihnen öffnete seinen humanoiden Mund. Es war seltsam, daß seine Stimme mehr der eines lebenden Wesens glich als das klingende Organ Agelons. „Wir können nicht, Herr!" Sigam Agelon schien die Worte nicht zu hören. Langsam wanderten seine Blicke durch den Raum, blieben interessiert an den Überresten des MedoRoboters hängen, streiften die am Boden liegende Waffe, die Ger-Velath abgefeuert hatte, und glitten über die Reste der Stahlplastfesseln.
„Kommt her!" wiederholte Agelon. Seine Stimme jagte den beiden Gefiederten am halb geöffneten Segment kalte Schauer über den Rücken. Die Verwirrung der Roboter war offensichtlich. Einige traten einen Schritt vor, um sofort wieder zurückzutreten. Bei einem blitzte sogar das Linsensystem des Waffenkranzes auf seiner Stirnseite auf. Ger-Velath stieß einen Schrei aus, als Sigam Agelon wie ein roter Blitz durch den Raum schoß. Er packte den zunächst stehenden Roboter, riß ihn empor und schleuderte ihn gegen die Wand. Eine Stichflamme schoß hoch. Gleichzeitig reagierten die anderen Roboter. Ihre Waffendrehkränze spuckten lange Flammenbahnen quer durch den Raum. Immer noch wirkte sich ihre Verwirrung aus. Einige konnten gemäß ihrer Programmierung nicht auf einen Orathonen schießen, andere, bei denen die Verwirrung offenbar fortgeschritten war, zielten direkt auf Sigam Agelon. Die beiden Orathonen, die sich eng in den Spalt des Segments preßten, hielten den Atem an. Der Aufenthalt in diesem von Strahlbahnen und Reflektionen durchkreuzten Raum war lebensgefährlich geworden. Ein paarmal waren Kosta und Ger-Velath nahe daran, verbrannt zu werden, aber sie starrten wie gelähmt das unbegreifliche Wesen an, das mitten im Raum stand und begierig die Energien in sich hineinzufressen schien. Mit jedem Strahlstoß, der ihn traf, schien Agelon anzuschwellen. Aber das mußte eine Täuschung sein. Denn er veränderte nicht seine Größe. Die Gestalt leuchtete. Die Kraft dieses Veränderten stand fast greifbar im Raum. Eine unheimliche Macht schien die beiden Orathonen an ihren Platz zu ketten. Sie konnten kein Auge von Agelon wenden, der jetzt wie ein Berserker,
wie ein leuchtender, von Strahlen umflossener Blitz durch den Raum schoß. Die Roboter waren machtlos. Offenbar waren noch genügend Hemmungsimpulse aktiv, um den Einsatz aller ihrer Waffen zu verhindern. Kosta und GerVelath hätten eigentlich ihrem Oberbefehlshaber helfen müssen. Doch sie waren nicht dazu in der Lage, und Sigam Agelon schien ihre Hilfe auch gar nicht zu benötigen. Er richtete unter den ziellos umhertaumelnden Robotern ein wahres Massaker an. Ungeheure Gewalten sprengten die glatten, schlanken Leiber der Roboter, rissen ihre Gliedmaßen in Stücke und schmetterten die Köpfe gegen die Wände. Unversehrt bewegte sich der Gefiederte in diesem Chaos. Seine Bewegungen beschleunigten sich von Augenblick zu Augenblick. Seine Füße stampften auf den Boden und hinterließen tiefe Dellen. Die folgende Ruhe war fast schmerzhaft spürbar. Cort Kosta sah, daß GerVelath neben ihm zusammensackte. Während der Vertraute Sigam Agelons auf seinen Herrn starrte, der ruhig in einem Durcheinander von zerschmetterten Metallteilen stand, spürte er ganz plötzlich den eigenartigen Geruch. Es war wie Moder, was sich jetzt in die von Rauch und Hitze geschwängerte Luft mischte. Blicklos starrte Cort Kosta auf den Spalt, vor dem sich vorher noch der schimmernde Energiebogen gespannt hatte, der die verseuchte Atmosphäre des Sumpfplaneten zurückgehalten hatte. Der Energiebogen existierte nicht mehr. Der kleine tragbare Generator, der an einer Wand des Laboratoriums gestanden hatte, war von einer jähen Strahlengewalt zerstört worden. Sie atmeten die verseuchte Luft des Sumpf planeten! Bevor Cort Kosta neben Ger-Velath zusammenbrach, sah er noch die kleine
Laserkamera vor dem Spalt schweben. Das scheinbar höhnische Blinken des langsam hin und her schwingenden Auges verfolgte Cort Kosta bis in seine Bewußtlosigkeit. * In den letzten Wochen hatte er eine recht genaue Kenntnis vom Innern des Alakim-Raumers erhalten. Er hatte das mächtige, über vierhundert Meter lange hantelförmige Raumschiff sogar ein paarmal in seiner gesamten Länge überblicken können, wenn er unter starker Bewachung zu einem anderen Schiff übergeführt wurde, wo aus Sicherheitsgründen die Experimente mit der Nadel durchgeführt wurden. Die LYNTHOS war an ihrem feuerroten Mittelteil, das die beiden großen Endkugeln des hanteiförmigen Raumschiffes verband, sofort als Privatraumer eines Agelon zu erkennen. Die rote Farbe war allein der FAMILIE vorbehalten, Kein anderer Orathone wagte es, sich mit der roten Farbe zu umgeben oder gar Rot in seiner Kleidung zu tragen. Die genaue Kenntnis der LYNTHOS konnte jetzt für Tsati Mutara entscheidend sein. Er war im Laderaum angekommen. Wie zu erwarten, wurde dieser Teil des Schiffes bei einem Hauptalarm nur wenig bewacht. Dennoch stand ein Bronzeroboter an der Ladeschleuse. Unweit davon hatte sich ein Ätzer niedergelassen. Das kaum intelligente, aber äußerst gefährliche Tier schien seine Schlafperiode zu haben, aber Mutara wußte, daß er sich nicht darauf verlassen durfte. Bisher waren bei seinem Ausbruchsversuch nur wenig Schwierigkeiten aufgetaucht. Ungehindert hatte sich der Mutant von Terra durch das Schiff bewegen können. Der Aufruhr im Innern der LYNTHOS entsprach dem geordne-
ten Chaos, das jeden Hauptalarm begleitete. Jeder an Bord wußte, was er zu tun hatte. Kaum einer beachtete den hochgewachsenen schlanken Neger, der sich scheinbar gemächlich und gleichgültig seinen Weg bahnte. Doch der Bronzene an der Ladeluke würde wachsam sein. Und jeden Augenblick konnte der Ätzer aus seiner täuschenden Starre erwachen. Mit vor Ekel zusammengezogenen Augen beobachtete Tsati Mutara das Tier, während er sich an den GravoKränen vorbeibewegte. Weder der Ätzer noch der Bronzeroboter hatten ihn bemerkt. Mutara mußte ein Ablenkungsmanöver riskieren. Er näherte sich einer Schalttafel und ließ seine dunklen Finger über die Tasten gleiten. Einem zufälligen Beobachter wären die Bewegungen spielerisch und zufällig vorgekommen. Das hoffte Mutara zumindest. Ein Kreischen erfüllte die Halle. Sofort rannte der Neger ein paar Schritte weiter und duckte sich hinter einem Stapel von Ballen mit fremdartigen Aufschriften. Der Kopf des Bronzenen ruckte herum. Noch bewegte sich der Ätzer nicht. Die langen Nesselfäden an den Seiten des dunklen Körpers, der wie ein gigantischer Teppich wirkte, lagen schlaff am Boden. Tsati Mutara konnte den Bronzenen jetzt nicht sehen, aber er hörte an den knallenden Schritten, daß sich der Maschinenmensch näherte. Er wollte nach der Ursache des Geräusches forschen. Der Neger grinste nervös, als er sah, daß seine Einstellungen richtig gewesen waren. Ein großer Ballen schwebte bis zur Decke empor und verharrte dort. Ein zweiter folgte ihm. Lautlos glitt der Neger auf die große Schleuse zu. Das Kreischen verstärkte sich. Aus den Augenwinkeln sah Muta-
ra, wie eine ganze Reihe von Kisten in Bewegung geriet. Sie rollten über ein Gravo-Band auf den hinteren Teil der Halle zu. Jetzt war der Moment gekommen, in dem der Bronzene Verstärkung anfordern würde. Jeder Augenblick mußte genutzt werden. Trotz des Alarms — die Sirenen hatten unterdessen ihr Schrillen eingestellt — waren genügend Reservemannschaften verbanden. Minuten später konnte das Innere der Halle von den grillenähnlichen Whims, den amphibischen Staras, von flatternden Ätzern und den kleinen, känguruähnlichen Wesen angefüllt sein, für die man auf Terra den Ausdruck Jumper geprägt hatte. Entfernter Lärm kündigte die Suchtrupps an. Man befand sich also schon auf dem Weg hierher. Jeden Augenblick konnte die formlose Masse eines Yps aus einem Segment hervorquellen. Mit Schaudern dachte Mutara an die gefürchteten Jagdtiere der Orathonen. Sie saugten ihrem Opfer das Blut aus. Sie bewegten sich mit unvorstellbarer Leichtigkeit selbst durch massive Betonwände. Der Neger zwang sich, nicht daran zu denken, daß der grauenhafte Tötungsvorgang bei diesen Riesenamöben mindestens fünfzehn Minuten dauerte. Fünfzehn lange Minuten, während das Opfer hilflos in ihren schleimigen Fängen hing. Aber er hatte noch wertvolle Zeit. Noch brauchte er nicht aufzugeben. Im hinteren Teil der Halle, wo sich noch Bronzeroboter befinden mußten, war die Hölle los. Die wenigen Schaltvorgänge, die Mutara eingeleitet hatte, brachten den gesamten Laderaum in Bewegung. Riesige Käfige mit fremdartigen Wesen schwebten gegen die Decke oder rutschten, wie von Zauberhand bewegt, über den Boden. Kessel, in denen sich Flüssigkeit befinden
mochte, torkelten schwerfällig auf ErgBänder zu. Wenn er die Zeit und die Nerven dazu gehabt hätte, wäre Mutara die Situation komisch vorgekommen. Aber Mutara hatte keine Nerven mehr. Es gelang ihm kaum noch, einen klaren Gedanken zu fassen. Sein Kopf war mit einer wirbelnden Flut von Empfindungen angefüllt. Er hatte Rex Corda gesehen! Rex Corda, der terranische Präsident, hatte fast greifbar auf dem Schirm des Holografen vor ihm gestanden. Es gab noch eine Chance, die Erde zu erreichen und den Orathonen zu entkommen, in deren Gefangenschaft er sich seit langen Wochen befand. Tsati Mutara rannte zur Schleuse. Mit flatternden Händen nahm er die notwendigen Einstellungen vor. Eine strahlend helle Lampe glomm über dem Außenschott auf. Jeder, der jetzt zufällig in seine Richtung blickte, konnte erkennen, daß der Öffnungsvorgang der Schleuse eingeleitet worden war. Während er mit brennenden Augen sah, wie sich die Innenschleuse einen Spalt breit öffnete, führte seine Hand automatisch das Manöver durch, das er einmal bei Cort Kosta, dem Vertrauten Sigam Agelons, gesehen hatte. Er stellte den Öffnungsvorgang ein. Das Schott schwang auf, und Mutara quetschte sich hindurch. Im gleichen Augenblick schloß es sich wieder hinter ihm. Gleichzeitig würde die Lampe über dem Schott erlöschen. Tsati Mutara warf einen letzten Blick über die Schulter zurück. Der Aufruhr der Ladegüter in der Halle hatte sich gelegt. Dafür aber war ein anderer Aufruhr entstanden. Die Gravo-Schächte spien Reihen von Bronze-Robotern aus. Über die Gänge und Erg-Bänder bewegten sich die Hilfsvölker der Gefiederten heran. An der Decke flatterten Ätzer.
Der Neger zuckte zusammen, als ein hysterisches Lachen den weiten Innenraum der Ladeschleuse erfüllte. Dann merkte er, daß er selbst es gewesen war, der die unheimlichen Laute hervorgestoßen hatte. Unzusammenhängende Worte stammelnd rannte er auf den kleinen Diskusraumer zu, der am Außensegment der Schleuse abgestellt worden war. Er hatte unvorstellbares Glück gehabt. * Langsam sah sich der Veränderte um. Stille herrschte. Nur leise drangen die Ungewissen Geräusche der Außenwelt an sein Ohr. Was waren das für Geräusche? Sigam Agelon horchte auf. Plötzlich überschwemmte ihn ein Strom von schrillen Lauten. Es war eine Kakophonie von Geräuschen. Das Klatschen von dicken Ranken, das harte Geräusch, das ein Säuretropfen verursacht, wenn er auf organisches Gewebe herabfällt, das Schmatzen der Luftblasen, die aus dem dickflüssigen Sumpf an die Oberfläche drangen... Der Gefiederte in seinem roten Umhang, der von bewegungslosen Körpern und dem Schrott der zerstörten Roboter umgeben war, preßte die Hände gegen seine Ohren. Die Laute schienen sein Bewußtsein einzudämmen, sie quälten ihn. Es waren grausame Augenblicke, die der Veränderte durchstand. Aber dann begriff er. Ein breites Grinsen verzerrte seine grünlichen Lippen, als er verstand. Er konzentrierte sich. Er wollte nicht mehr hören, und die Geräusche verebbten. Langsam glitt sein Blick über den zerstörten Raum. Er stutzte, als er die bewegungslosen Körper von Cort Kosta und dem Verbindungsmann Ger-Velath
sah. Dann fiel es ihm ein, als er den in unzählige Fragmente zerrissenen Kasten neben sich sah. Das Schirmfeld, das die giftige Atmospähre abgehalten hatte, existierte nun nicht mehr. Sigam Agelon atmete die giftige, verseuchte Luft des Sumpfplaneten! Er verstand die neue Situation sofort. Die anderen waren gewöhnliche Sterbliche. Sie wurden hilflos und starben, wenn sie einem anderen Gasgemisch als dem ihrer Heimatwelt ausgesetzt waren. Das war bei ihm, Sigam Agelon, nicht der Fall. Die Operation war ein voller Erfolg gewesen. Der seltsame Stoff, den man unter seine Schädeldecke gepflanzt hatte, schien seinen Körper grundlegend verändert zu haben. Er gehörte nicht mehr den gewöhnlichen Sterblichen an. Verächtlich sah Sigam Agelon die zusammengekrümmten Körper. Der Raum war von einem diffusen Licht erfüllt, aber Agelon war nicht mehr auf gewöhnliche Lichtquellen angewiesen. Er wollte sehen, und plötzlich lag der Raum in strahlender Helligkeit vor ihm. Deutlich sah der Veränderte das klaffende Segment hinter den Körpern von Cort Kosta und dem Verbindungsmann. Wenige Meter dahinter lagen die anderen. Sie waren nicht weit gekommen. Natürlich hatten sie den Energieschirm nicht durchdringen können. Die Narren hatten außerdem vergessen, ihre Helme zu schließen. Als der Schirmfeldgenerator vernichtet wurde, war sofort die verseuchte Atmosphäre des Sumpfplaneten in das Innere des kleinen Laboratoriums eingedrungen. Sterbliche Körper! Sigam Agelon wandte sich um. Gedanken ballten sich hinter seiner breiten Stirn. Jetzt würde er das verwirklichen können, was er bisher immer nur
erträumen konnte. Doch zunächst mußten die anderen Dinge erledigt werden. Im Unterbewußtsein nahm er die Stimme wahr. Sie mußte schon seit mehreren Augenblicken auf ihn eingehämmert haben, aber er wollte ja nicht hören! Die Stimme war für die Ohren der normalen Wesen gemacht, doch Sigam Agelon gehörte nicht mehr zu ihnen. Nicht mehr! „Herr, was ist geschehen?" Das war die klingende Stimme eines Bronzenen. Sie kam aus einem Lautsprecher, der im System der automatischen Laserkamera untergebracht war. Das Auge schwebte vor dem Spalt, der einen Blick auf die rötlich schimmernden Pflanzendickichte des Sumpfplaneten offenbarte. „Wurde Hauptalarm gegeben?" erkundigte sich Sigam Agelon kurz. „Jawohl, Herr", meldete die Stimme aus der schwebenden Laserkamera. „Sind Trupps hierher unterwegs?" „Ja, Herr. Sie müssen jeden Augenblick eintreffen." „Hier werden Ärzte, Medo-Roboter, Belebungsautomaten und Lastenschweber benötigt." „Es ist alles unterwegs. Dürfen wir fragen, Herr, wie es zu der Katastrophe ge..." Sigam Agelon richtete seine brennenden Augen auf die Laserkamera. Die Stimme verstummte. Auf eine gebieterische Bewegung des Veränderten verschwand die Kamera. Sie gewann rasch an Höhe und strebte auf die LYNTHOS zu, deren gigantischer Metallplastleib hinter den aufsteigenden Gasschleiern der Sumpf atmosphäre verborgen war. Für die Augen eines gewöhnlichen Sterblichen. Nicht aber für Sigam Agelon. Er sah die LYNTHOS fast greifbar nahe vor sich liegen. Was auch immer mit ihm geschehen sein mochte, die Operation war ein voller Erfolg
gewesen. Sie hatte seine Sinnesorgane leistungsfähiger als die eines Roboters gemacht. Sie hatte ihm Fähigkeiten verliehen, von denen gewöhnliche Sterbliche nur träumen konnten. In Machtträume versunken starrte Sigam Agelon auf den hantelförmigen Raumer, sein Schlachtschiff. Es gab noch viele Geheimnisse für ihn, aber jetzt konnte er sie lösen. Der Spruch der Nadel, man würde ihn inzwischen dechiffriert haben. Die Kräfte des terranischen Mutanten; sie würden ihm kein Rätsel mehr sein. Aber dann drang sein Geist, in neue Höhen vor. Die Galaxis würde ihm Untertan sein. Nichts mehr konnte sich ihm in den Weg stellen. Nicht einmal die ZEITLOSEN, gegen deren Große Gesetze er verstoßen hatte. Die ZEITLOSEN? Das Bild der LYNTHOS verschwand vor seinen Augen. Ein Stöhnen entrang sich der Brust Agelons. Was geschah dort, an der Stelle, wo sich eben noch sein Schiff befunden hatte? Einen Augenblick verschwammen die Konturen der LYNTHOS und lösten sich schimmernd auf. An ihre Stelle traten Gesichter mit gnadenlosen flammenden Augen. Die hohen Stirnen wölbten sich über leuchtenden Augenlidern, unter denen der stählerne Blick der Pupillen drohte. An den Seiten des Kopfes, der von weißen langen Haaren bedeckt war, befanden sich keine Ohren, sondern muschelförmige, wie Perlmutter glänzende Gebilde. Die Gesichter bewegten sich auf ihn zu. Sie drohten ihm. Die Lippen waren fest geschlossen, aber der gnadenlose Zug um die Mundwinkel ließ erkennen, daß sie kein Erbarmen kennen würden. Denn er, Sigam Agelon, hatte gegen die Großen Gesetze verstoßen.
Er wollte nicht mehr sehen, nicht mehr hören. Doch nur langsam verschwanden die Gesichter der ZEITLOSEN. Aber die Drohung blieb. Er würde sie nicht so rasch vergessen. Ein Druck auf die Schulter ließ Sigam Agelon herumfahren. Hinter ihm stand eine Gruppe von Bronzerobotern. Der ihm zunächst stehende neigte ehrfürchtig den glänzenden humanoiden Schädel. „DEY 3572, Herr", meldete der Maschinenmensch. „Wir haben versucht, Sie anzusprechen, aber Sie haben nicht reagiert. Wollen Sie jetzt Ihren Gleiter besteigen?" Sigam Agelon riß sich aus seiner Starre. Er mußte geträumt haben. Seine etwas überreizte Phantasie hatte ihm Trugbilder vorgegaukelt. Er verstärkte die Intensität seiner Sehkraft und sah die LYNTHOS wieder. Die Gesichter waren verschwunden. Sigam Agelon schüttelte schwer den Kopf. Es hatte sie nie gegeben. Der Gefiederte wies den Raumanzug zurück, den zwei Bronzeroboter ihm überstreifen wollten. Er gab keine Erklärung für die Verwüstung des Labors ab. Gleichgültig beobachtete er, wie die Bewußtlosen von Medo-Robotern behandelt wurden und in sicher geschlossenen Raumanzügen zu Lastengleitern getragen wurden. Befriedigt blickte sich der Gefiederte um. Das Labor, das von laktonischen Wissenschaftlern eingerichtet worden war, lag in völliger Verwüstung vor ihm. So hatte es Sigam Agelon gewollt. Keiner sollte mehr die Möglichkeit haben, sich gleich ihm dieser Operation mit dem geheimnisvollen Stoff unterziehen zu können. Er würde die Macht an sich reißen. Die feindlichen Reiche Orathon und Lakton würden in seine Hand fallen.
Nichts konnte sich ihm entgegenstellen. Nicht einmal... Agelon zwang sich, den Gedanken zu Ende zu führen. Er war allmächtig. Die Gesichter, die ihn vor wenigen Augenblicken an den Rand des Wahnsinns getrieben hatten, waren Trugbilder gewesen. Die ZEITLOSEN waren degeneriert. Sie hatten keine Macht mehr. Ihre Gesetze waren Legende. Aber tief im Innern Sigam Agelons schlummerte die Ahnung eines furchtbaren Fehlers! * Die Verzweiflung drohte ihn niederzuschmettern. Er hatte keine Möglichkeit, den Diskus zu öffnen. Mit bitterem Lächeln sah Tsati Mutara nach oben auf die Unterseite der konvexen Diskuswölbung. Irgend etwas mußte diese Flugmaschine öffnen. Ein elektronisches Schloß oder ein Schlüsselwort oder... Er wußte es nicht. Seine Freude war grundlos gewesen. Selbst wenn es Mutara gelungen wäre, den Diskus zu öffnen, hätte er vermutlich nicht damit fliegen können. Es fehlten ihm einfach die technischen Kenntnisse. Es konnte nur noch Sekunden dauern, bis man erkannt haben würde, daß sich jemand im Innern der Lastenschleuse befand. Sollte er aufgeben? Nein! Mutara wandte sich zur anderen Seite der großen Schleuse. Der kleine Gleiter war seiner Aufmerksamkeit entgangen. Jetzt stürzte sich der Neger förmlich auf die Flugmaschine. Mit einem Gleiter konnte er umgehen. Er betätigte die Kontrollen und glitt langsam gegen die leicht nach außen gewölbte äußere Schleusentür. Fast zu spät wäre ihm eingefallen, daß er sich nicht ohne Raumanzug auf
die Oberfläche eines fremden Planeten wagen konnte. Swamp, so lautete der Gedankenimpuls. War es ein Gedanke Cordas? War Corda vielleicht hier, um ihn, Mutara, zu befreien? Neue Hoffnung stieg in Tsati Mutara hoch. Der Neger ließ den Gleiter einen halben Meter über dem Schleusenboden schweben und sprang heraus. Hastig untersuchte Mutara den kleinen Kasten, der sich auf dem Boden über dem Antriebsaggregat befand. Erleichtert zog er den dünnen Schutzanzug heraus. Es war kein vollwertiger Raumanzug, aber er mußte es einfach riskieren. Mit schnellen Griffen streifte er die Kombination über, die aus einem flexiblen Plastikgewebe bestand. Die Kombination war auf orathonische Maße zugeschnitten. Das bedeutete für den Terraner, daß er in seiner Bewegungsfreiheit stark behindert war. Die Gefiederten maßen im Durchschnitt kaum über 1,5 m. Allerdings waren sie wesentlich breiter gebaut als ein Terraner. Es bereitete Tsati Mutara große Mühe, die wenigen Meter bis zur Verriegelung der Außenschleuse zurückzulegen. Er betätigte den Öffnungsmechanismus, dann eilte er zurück. Als er sich in den Sitz des Gleiters schwang, gab es ein scharfes, reißendes Geräusch, aber in seiner Erregung kümmerte sich der Neger nicht darum. Langsam, viel zu langsam glitten die Schotten der Schleuse zurück. Fieberhaft glitten die Hände Mutaras über die Kontrollen des Gleiters. Er war bereit zu starten. Aber noch bekam er die Plattform nicht durch die Öffnung. Tsati Mutara wagte es noch nicht, sich umzudrehen. Jeden Augenblick glaubte er, die peitschenden Nesselfäden eines Ätzers oder die hart zupakkenden Metallfäuste eines Bronze-Roboters zu fühlen. Dann war der Augenblick gekom-
men. Das rote diffuse Licht der Sumpfwelt strömte herein. Wenn die Orathonen und ihre Hilfsvölker nicht gerade blind waren, mußten sie an den Warnlampen sehen, daß die Schleuse nach außen hin geöffnet war. Mit einem hellen Singen schoß der Gleiter durch die geöffneten Schotten in die dunstige Luft Swamps. Mutara war sich darüber im klaren, daß er auf dem offenen Gleiter wie auf einem Präsentierteller saß. Er durfte sich nicht hoch in der Luft bewegen, sondern mußte sich möglichst niedrig am Boden halten. Mit Schaudern dachte er an die giftigen Pflanzen, die sich wie bösartige Tiere bewegen konnten. Tsati Mutara konzentrierte sich. Immer noch im Schatten des mächtigen Hantelraumers schoß der Gleiter dicht am Boden dahin. Vielleicht hatte man ihn geortet; vielleicht aber hatte ihm die Verwirrung des Hauptalarms die rettende Chance gegeben. Mutara merkte nicht, daß seine Zähne mahlend aufeinanderbissen. Er merkte auch nicht, daß ihm das Atmen immer schwerer wurde. Sein Keuchen klang ihm überlaut in den Ohren, doch er achtete nicht darauf, konzentrierte sich mit übermenschlicher Willenskraft. Vielleicht konnte er gedankliche Impulse von Rex Corda auffangen. Vielleicht... Plötzlich wußte er die Richtung. Unter seinen geschickten Händen in den dünnen Plastikhandschuhen wendete der Gleiter und hielt auf ein nadelspitzes Felsmassiv zu, das sich undeutlich im rötlichen Dunst erhob. Tsati Mutara hustete. Das Geräusch klang hohl. Er biß die Zähne zusammen und versuchte wieder tief Luft zu holen. Tränen traten in seine Augen. Was war mit ihm los? Das Atmen fiel ihm auf einmal so schwer. Bunte Lichter tanzten vor seinen Augen. Einen Moment hatte er noch ge-
glaubt, die Richtung zu wissen; es war wie ein Gedankenfetzen gewesen, und sein Gefühl sagte ihm die Herkunft. Jetzt aber glaubte er nicht mehr daran. Grenzenlose Erschöpfung machte sich in ihm breit. Bleierne Müdigkeit drückte gegen seine schmerzenden Augen. „Helft mir!" schrie Tsati Mutara. „Melden Sie sich, Corda! Helfen Sie mir!" Die Stimme klang entstellt und rauh. Etwas schien seine Stimmbänder zerfressen zu haben. Jeder Atemzug schmerzte in den Lungen. Es war ihm nicht mehr länger möglich, sich zu konzentrieren. Er sank zu einem verkrümmten Etwas zusammen. Sein Kopf schlug auf die Schalthebel. Sofort richtete die Plattform ihre Nase nach unten. Die dunklen gierigen Arme der Pflanzen reckten sich empor, griffen nach ihrem Opfer, obwohl es noch Dutzende von Metern entfernt war. Mit letzter Kraft richtete sich Mutara auf. Sein leerer Blick fiel auf sein verkrümmtes rechtes Bein. Etwas stimmte daran nicht. Ohne recht den Sinn des Geschehenen zu begreifen, starrte der Neger auf den langen Riß in seiner Kombination. Er fiel dem Boden entgegen! Er handelte rein automatisch. Mit einem schrillen Heulen jagte der Gleiter empor. Dicht über den schnappenden Pflanzententakeln war er abgebogen und schoß fast senkrecht in die Höhe. Mutara kämpfte mit der Bewußtlosigkeit. Dann wußte er, daß er nicht mehr zu kämpfen brauchte. Vor seinen Augen, in einer Entfernung von nur wenigen Kilometern, erhob sich ein leuchtendes Fanal und jagte gen Himmel. Tsati Mutara hatte die WALTER BECKETT, das Raumschiff Rex
Cordas, und zugleich das Schlachtschiff der terranischen Flotte, nie gesehen, aber eine kalte Hand, die sich um sein flatterndes Herz krampfte, drückte seine Ahnungen aus. Im gleichen Augenblick verlor der terranische Mutant Tsati Mutara das Bewußtsein. Seine Lippen zuckten vor grenzenloser Enttäuschung. Sein letzter Gedanke war die Hoffnung, nie zu erwachen, zu vergessen, zu sterben ... * Die harten Augen Rex Cordas drückten Entschlossenheit aus. In letzter Sekunde war es ihm gelungen, zur WALTER BECKETT zurückzukehren. In den Laboratorien der Laktonen hatte er von einer geheimen Holografen-Zentrale aus beobachtet, wie sich Sigam Agelon der Operation unterzog. Er konnte nichts dagegen ausrichten. Der Planet Swamp war von Orathonen besetzt. Eine ungeheure Übermacht würde mit der verhältnismäßig kleinen WALTER BECKETT leichtes Spiel haben. Sie konnten nur eines tun, den zehn Veränderten folgen, die von der Erde ausgebrochen waren, das Ergebnis verbrecherischer Experimente der Laktonen. Der Stoff Becon würde das Universum verändern, allerdings in anderer Hinsicht, als es sich der geniale Wissenschaftler Walter Beckett gedacht hatte. Beckett hatte den Stein der Weisen gefunden, jenen Stoff, der als unzerstörbar galt. Man konnte diesen Stoff mit Hitzestrahlen bombardieren, er wurde nur immer unempfindlicher gegen Hitze. Das gleiche betraf die Zerreißfähigkeit, die Undurchlässigkeit gegen Materie und Strahlungen verschiedenster Art. Becon war das kostbarste Material der Galaxis. Nicht nur, weil dieses Material unzerstörbar zu sein schien.
Andere Wirkungen waren weitaus spektakulärer. Rex Corda riß sich gewaltsam aus seinen Gedanken. „Blitzstart!" befahl er. Der laktonische Agent Percip, der zusammen mit Bekoval an den Kontrollen saß, bleckte zustimmend mit den rötlichen Zähnen. „Ist das nötig?" fragte der laktonische Synoptiker Latak Decimo. „Sollten wir nicht besser gegen Sigam Agelon kämpfen?" Rex Corda schüttelte den Kopf. Ihm war jetzt nichts an einer Diskussion gelegen, obwohl er den Standpunkt des Synoptikers wohl verstand. Die Orathonen oder Gefiederten, wie man sie nannte, waren die erbittertsten Feinde der Laktonen. Der gewaltige kosmische Konflikt, in den die Erde so plötzlich hineingezogen worden war, tobte schon seit Jahrhunderten irdischer Zeitrechnung. Und hier auf Swamp hatten die Laktonen die Möglichkeit, einen ihrer größten Feinde, Sigam Agelon, zu vernichten. Agelon war doppelt gefährlich, weil er jetzt vermutlich das Becon unter seiner Gehirnschale trug. Latak Decimo schien den gleichen Gedanken zu haben. „Agelon wird wahnsinnig werden, genau wie die anderen Veränderten, wie Samar Tarkant oder wie jener über fünf Meter hohe Terraner, der hier auf Swamp mit der Riesenpflanze kämpfte." Ga-Venga, der unbemerkt eingetreten war, schüttelte den Kopf. Sein sonst jungenhaft fröhliches Gesicht war von Sorge überschattet. Er war es gewesen, der mit Percip und Bekoval trotz der Proteste der Laktonen die Expedition WALTER BECKETT gestartet hatte, ohne ahnen zu können, daß dieser Flug zu einer Rettungsaktion werden würde. Längst hatte man Rex Corda und die fünfunddreißig laktonischen Spitzen-
wissenschaftler für tot erklärt. Es war wie ein Zufall, daß man sie auf Swamp fand, aber hinter diesem Zufall stand die Tatsache, daß Swamp zum Schlüsselpunkt im Ringen der galaktischen Völker geworden war. Ga-Venga schüttelte den Kopf. Ein Anflug des alten Humors zuckte um die Mundwinkel des kynothischen Dolmetschers, als er erklärte: „Gewisse Herren hier an Bord machen es sich leicht mit ihren Schlüssen. Sigam Agelon hat erfahrene laktonische Wissenschaftler gezwungen, bei der Operation zu helfen. Er hat zuvor durch seine eigenen Spitzenwissenschaftler das Phänomen untersuchen lassen. Agelon würde sich niemals leichtfertig einer Operation mit Ungewissem Ausgang unterziehen." „Sigam Agelon ist von seinem eigenen Machtstreben verblendet", warf Bekoval dröhnend ein. „Er hat versagt, und jetzt kämpft er mit mehr Verzweiflung als Verstand!" Die mächtigen Antriebsaggregate waren unterdessen angewärmt, die Brennkammern vorbereitet. „Es bleibt dabei, wir starten", erklärte Rex Corda. „Vermutungen haben jetzt keinen Sinn. Agelon hat diesen Planeten besetzt. Daran ist Lakton nicht ganz unschuldig. Es sind hier verantwortungslos wenig Schiffe stationiert. Es scheint sich immer irgendwie zu rächen, wenn illegale Methoden angewandt werden!" Gespannt beobachteten die Männer in der Kommandozentrale die Oberfläche des feindlichen Planeten. Die WALTER BECKETT hatte eine äußerst günstige Deckung gewählt, aber jeden Augenblick konnten die Gefiederten ihnen auf die Spur kommen. Die fünfunddreißig laktonischen Spitzenwissenschaftler stellten einen unschätzbaren Wert für die Erde dar. Rex Corda durfte nicht riskieren, ihre Sicherheit zu gefährden.
Percip zählte leise die Sekunden mit. Dann hieb er die Haupttaste herunter. Ein Zittern durchlief die WALTER BECKETT. Das Donnern der entfesselten Energien dröhnte in den Ohren der Männer. Plötzlich richtete sich Rex Corda auf. Intensiv spähten seine leuchtend blauen Augen auf den großen Holografen, der in verschiedenen Unterteilungen die Umwelt des startenden Raumschiffes zeigte. „Was ist los?" brüllte John Haick. Der dunkelhaarige Atomwissenschaftler saß neben seinem Freund. Er hatte sofort das veränderte Benehmen Cordas bemerkt. Rex Corda schüttelte den Kopf. Einen Augenblick war ihm, als sei ein Gedankenimpuls zu ihm gedrungen. Eine leise, verzerrte Stimme in höchster Not. Es waren keine Worte, nur abgerissene Gefühlsfetzen, die von den Sondersinnen des Präsidenten aufgefangen wurden. Angst und Entsetzen klang da mit, Furcht und eine unendlich tiefe Resignation. Dann war es vorbei. Rex Corda wußte nicht, was das bedeuten sollte. Er war übermüdet und nervös. Seine überreizte Phantasie hatte ihm einen Streich gespielt. Er dachte an Tsati Mutara, den terranischen Mutanten, mit dessen Hilfe sie die Supertransmitter auf der Erde zerschlagen hatten. Mit einem Kopfschütteln wehrte Corda die Erinnerung ab. Sie mußten jetzt wachsam sein und durften sich keinen Täuschungen hingeben. Mutara war ja längst tot. Die WALTER BECKETT manövrierte aus ihrem Versteck und schoß in den rötlichen Dunst, der wogend die sumpfige Oberfläche Swamps einhüllte. Man hatte sie vielleicht entdeckt, aber noch waren keine Verfolger zu sehen. Und auch der winzige schwarze
Punkt auf dem Holografen, der langsam dem Boden entgegentaumelte, wurde von den Männern der WALTER BEKKETT nicht bemerkt... * Eisiges Schweigen herrschte in der Kommandozentrale der LYNTHOS. „Warum ist die Flucht des Mutanten erst so spät bemerkt worden?" tropfte die ätzende Stimme Sigam Agelons in das betretene Schweigen der Offiziere. Cort Kosta richtete sich halb von seinem Liegebett auf. „Soweit ich informiert bin, herrschte gerade Hauptalarm", warf er ruhig ein. „Ihretwegen ..." Seine Stimme war leise, aber fest. Kosta hatte sich durch die schnell eingesetzten Wiederbelebungsversuche der Medo-Robots und die sofort erfolgte Behandlung der orathonischen Ärzte schnell erholt. Ein verächtlicher Blick Agelons traf seinen Vertrauten. „Ich kann mich nicht erinnern, dich nach deiner Meinung gefragt zu haben. Gerade im Falle eines Hauptalarms müßte das Entkommen eines Flüchtlings unmöglich sein. Die Verantwortlichen werden aufs strengste ..." Das harte Summen riß ihm die Worte von den Lippen. Die Ortungszentrale hatte sich gemeldet. Der Offizier auf dem Holografen salutierte hastig. „Ja?" „Unbekanntes Raumschiff, offensichtlich orathonischer Herkunft", sprudelte der Offizier hervor. Er schien an der Richtigkeit seiner eigenen Worte zu zweifeln. „Eben gestartet, Kommandant. Beschleunigt mit hohen Werten." . „Behaltet es im Suchstrahl. Verfolgung durch Diskusraumer", befahl Sigam Agelon. Das harte Gesicht des Gefiederten drückte Überraschung aus. Erregt griff Sigam Agelon nach der gepolsterten Lehne seines Andrucksessels.
Die Lehne zerbrach mit einem häßlichen Knirschen. Staub und Bruchstücke fielen auf den Boden. Der Kommandant der orathonischen Flotte achtete nicht auf das Entsetzen seiner Offiziere. „Sagen Sie das noch einmal!" bellte er. Das Gesicht des Offiziers wurde noch verwirrter. „Es handelt sich um einen Hantelraumer. Aber in dieser Gegend lag kein Raumer unserer Flotte. Es muß sich um ein fremdes Objekt handeln. Wir konnten keine Funkverbindung herstellen!" „Wir starten", befahl der Kommandant. Die harten Augen unter den gemusterten Lidern schienen jeden der Anwesenden zu durchdringen. „Aber erst, wenn der Mutant an Bord ist." „Die Fernsteuerung bringt ihn in wenigen Augenblicken herein", meldete ein Offizier eifrig. Er duckte sich unter dem gefürchteten Blick des Kommandanten. „Nun, Kosta, was gibt's?" Wieder hatte sich der Vertraute Sigam Agelons auf den Ellenbogen aufgerichtet. Er blickte dem Gefiederten offen in die Augen. „Woran, glauben Sie, hat es gelegen, daß die Robots verrückt spielten?" Cort Kosta ließ die Frage in der Luft hängen. Als Vertrauter Sigam Agelons konnte er sich diesen lässigen Ton leisten. Der Kommandant sah den von Gravofeldern gestützten Orathonen nachdenklich an. Keiner der anwesenden Offiziere konnte den Sinn der Frage verstehen. „Kannst du wieder aufstehen?" erkundigte sich Sigam Agelon ruhig. Kosta nickte mühsam. „Dann wälz dich nicht wie ein Weib auf deinem Bett herum!" brüllte Sigam Agelon wütend. Eine tiefgrüne Ader erschien auf seiner breiten Stirn. Wutausbrüche waren für Cort Kosta
nicht neu. Seufzend erhob er sich aus seinem Bett. Dunkle Schweißtropfen standen auf seiner Stirn, als er sich schwankend aufrichtete. Die Hilfe eines Medo-Roboters wehrte er nachdrücklich ab. Zusammen mit dem Oberbefehlshaber der orathonischen Truppen verließ er die Kommandozentrale. Sofort setzte das Stimmengewirr der Offiziere in der Zentrale ein. „Eine gute Frage", sagte Agelon auf dem Gang. „Vielleicht kann ich sie dir später beantworten. Jetzt wollen wir den Mutanten in Augenschein nehmen. Der Bursche scheint doch wichtiger zu sein, als ich anfangs dachte. Wir werden ihn dringend brauchen!" Cort Kosta sah Sigam Agelon überrascht an. Dann stützte er sich gegen die Wand. Ein Schwächeanfall drohte ihn zu überwältigen. „Sie haben dich mit Medikamenten vollgestopft, was?" fragte Agelon. Durch einen Schleier von Schmerz sah Kosta seinen Befehlshaber erstaunt an. Es war fast wie ein Mitgefühl, was in der Stimme Sigam Agelons mitschwang. * Erst in der Luftschleuse war Tsati Mutara wieder zu sich gekommen. Die harte Behandlung einiger Medo-Roboter hatte er mit der Resignation eines Mannes ertragen, dem alles gleich ist. Aber jetzt war wieder der Funke an Lebenskraft da, der Wille, weiterzuleben ... Mutara schüttelte den Kopf. Es gab keine Hoffnung mehr für ihn. Schon einmal hatte er versucht zu fliehen. Ein zweites Mal würde er nicht mit einer verhältnismäßig harmlosen Bestrafung davonkommen. Er befand sich seit zwei Minuten wieder im Innern der LYNTHOS.
Hochdruckspritzen hatten Antibiotika in seine Haut gejagt, und eine Sauerstoffmaske ihn wieder zu klarem Bewußtsein gebracht. An beiden Armen wurde er von Bronzerobotern gepackt und vorwärtsgestoßen. Im gleichen Moment fühlte der Neger, daß das Schiff startete. „Vorwärts!" befahl Sigam Agelon. Die harten Augen des Gefiederten sahen auf die hohe dunkle Gestalt, die unter dem Zwang seines Befehls vorantaumelte. Zwei Bronzeroboter tauchten wie leuchtende Schemen auf. Sie packten den dunkelhäutigen Terraner bei den Schultern und stießen ihn vorwärts, auf die hohe glänzende Kontrollwand zu, an deren Unterseite sich ein Segment lautlos geöffnet hatte. Blitzschnell fuhr eine lange Metallzunge heraus. Glänzende Fesseln bewegten sieh tastend und leer zu beiden Seiten, bereit, ihre Beute an sich zu ketten. Die Bronzenen wären jetzt nicht nötig gewesen, aber die Demütigung sollte vollkommen sein. Tsati Mutara fühlte panische Angst in sich aufsteigen. Er wußte, daß er sich widerstandslos zu fügen hatte. Sonst wäre auch seine letzte Chance dahin. Er konnte nur hoffen, daß ihn der Trop nicht im Stich ließ ... Der Bronzeroboter stieß ihn hart auf die blanke glatte Metallzunge. Sofort schnappten die Fesseln um die Gliedmaßen des terranischen Mutanten. Dann fühlte Mutara, daß sich die Zange wieder in Bewegung setzte, hineinfuhr in den Bauch der Maschine, die sein Gedächtnis anzapfen würde. Aber noch hatte die gnadenlose Befragung nicht begonnen. Ein lautloser Schrei formte sich auf den Lippen Mutaras, als sich kalte Schalen gegen seine Schläfen preßten. Dann wurde es dunkel um ihn. Er hatte versucht, sich zu bewegen, wenigstens den Kopf, um noch einmal den Trop vor
dem kleinen Schaltpult sehen zu können. Aber es war ihm nicht möglich gewesen. Ein Stöhnen entrang sich der Brust des Mutanten, als sich eine schwere Platte auf seine Brust senkte. Er konnte nur noch flach atmen. Die Vorstellung, daß er ersticken mußte, war übermächtig in ihm. Etwas explodierte in seinem Schädel. Der Schmerz drängte seinen Geist an die Grenzen des Wahnsinns. Aber er wurde nicht bewußtlos. Noch nicht... * Unbeweglich hatte Cort Kosta verfolgt, wie der lange dunkle Körper des terranischen Mutanten von der Metallzunge in das Innere der Kontrollwand transportiert worden war. Einen Augenblick hatte er den Trop scharf beobachtet, der an dem kleinen Gerät die Vorbereitungen zu der Befragung kontrollierte. Die Spinnenfinger des kleinen rotbepelzten Wesens glitten mit unheimlicher Schnelligkeit über die Kontrollen. Cort Kosta, der engste Vertraute Sigam Agelons, wußte, daß jetzt eine mikroskopisch kleine Nadel einzelne Stellen des zu untersuchenden Gehirns mit elektronischen Impulsen reizen würde. Cort Kosta reckte seine lange Gestalt auf einem bequemen Pneumosessel. Er fühlte sich jetzt weitaus besser. „Glauben Sie, daß hier etwas Sinnvolles herauskommt?" wandte er sich ziemlich nachlässig an Sigam Agelon. Der Gefiederte in dem leuchtend rpten Umhang neben ihm wirbelte herum. „Du bist ein Narr, wenn du das nicht siehst, Kosta", sagte Sigam Agelon mit scharfer Stimme. „Wir wollen jetzt alles wissen. Der Mann birgt ein Geheimnis. Die vergangenen Wochen haben es bewiesen. Es steht außer Frage, daß er von Rex Corda als Waffe gegen uns
eingesetzt wurde. Verschiedenes ist uns noch völlig unklar. Jetzt..." Kosta, der lässig in seinem Stuhl saß, fuhr gleichzeitig mit Sigam Agelon hoch. Der Fußboden zitterte unter ihnen. Ein hallender Schlag schien gegen die Wandung des Raumers gegangen zu sein. Nur eine Waffe konnte gegen ein Schiff von der Größe eines AlakimRaumers einen solch vernichtenden Schlag führen: Die laktonische Superwaffe, die von den Terranern den Spitznamen „Silent Mary" erhalten hatte. Mit einer eiligen Handbewegung befahl Sigam Agelon dem Trop, die Aktion der Gehirnsonde einzustellen. Der oberste Orathone wandte sich überrascht dem Holografen zu, auf dem das gewaltige zigarrenförmige Raumschiff erschienen war. Ein rotes Licht geisterte über das dreidimensionale Bild und hüllte den laktonischen Raumgiganten ein. Gleichzeitig verkündete ein schrilles Heulen und Tosen, daß ihr eigenes Schiff in den Hyperraum glitt. Während Sigam Agelon mit scharfen Worten nach der Ursache forschte, wie es zu diesem Zwischenfall gekommen sein konnte, entwickelte das kleine affenartige Wesen, das mit den Schaltungen der Gehirnsonde beauftragt worden war, eine erstaunliche Aktivität. Es vergewisserte sich, daß Agelon und Kosta völlig durch die Geschehnisse auf dem Holografen abgelenkt waren. Dann sprang der Trop hinter seinem kleinen Steuerpult hervor und näherte sich der großen Kontrollwand, hinter der Tsati Mutara verschwunden war. Die Hände mit den schlanken dunklen Spinnenfingern glitten die Kontrollen entlang. Niemand würde jetzt bemerken, daß wesentliche Teile der Gehirnsonde außer Funktion waren. Tsati Mutara würde einen Teil seines Willens behalten. Er würde einen kleinen Teil seines Wissens zurückhal-
ten können. Vielleicht würde es der wesentlichste Teil sein. Andernfalls würde es für den terranischen Mutanten und für den Trop der Tod. Wie ein braunroter Blitz huschte der Trop an sein Steuerpult zurück. Keinen Augenblick zu früh. Denn jetzt drehten sich die beiden Gefiederten herum und kamen langsam wieder auf ihn zu. Hatten sie ihn bemerkt? Oder hatten unsichtbare Bewacher die Aktion des Trop dem orathonischen Herrscher und seinem Vertrauten gemeldet? Das kleine rotbepelzte Wesen zuckte zusammen, als es die scharfe Stimme Sigam Agelons hörte. „Trop?" „Ja, Herr?'' „Wie heißt du?" Der richtige Name des Trop war Thali-Fenberth-Fen-Berthnyen, aber das Wesen kannte die Ungeduld des orathonischen Herrschers. „Thali, Herr." Sigam Agelon nickte Cort Kosta zufrieden zu, „Warst du es, Thali, der mit dem terranischen Mutanten durch den Transmitter geschleudert wurde?" „Ja, Herr." Der Trop wußte, daß es sinnlos war, die Tatsache abzuleugnen. Er konnte nur hoffen, daß Sigam Agelon und Cort Kosta nicht nach den wahren Ursachen forschen würden, warum gerade er die Kontrollen des Steuergerätes übernommen hatte. Cort Kosta beugte sich zu Sigam Agelon herüber. Die dunklen Federn auf dem Haupt des Vertrauten senkten sich beruhigend. „Der Trop trägt eine Sonde in seinem Hirn, genau wie Tsati Mutara. Bei Mutara allerdings scheint der Conduktor nicht viel zu bewirken, wie der erneute Ausbruchversuch beweist. Die Terraner sind ein eigenartiges Volk. Auch bei Rex Corda hat die Sonde nicht gewirkt,
allerdings hat sie bei ihm völlig versagt, während der Dunkle hier ..." Sigam Agelon nickte. Sie befanden sich in einem kleinen Laboratorium. Außer den Technikern waren sie allein irn Raum. Über dem Computer, der die Gehirnsonde steuerte und die Befragung weiterleitete, leuchtete ein Holograf. Die Zentrale meldete, daß das feindliche Geschoß nur den Schirm gestreift habe. Von dem feindlichen Kreuzer sei nicht mehr viel zu sehen. Man hoffe, einen Treffer erzielt zu haben. Der Feind sei auf der Flucht. Ob Sigam Agelon eine Verfolgung wünsche .. .? Der Gefiederte winkte ab. Er hatte jetzt andere Sorgen. Es war ein Zufall gewesen, daß ein Feindschiff so nahe hatte herankommen können. Die LYNTHOS war von einem starken Kordon Begleitschiffen umgeben. Kleine Plänkeleien waren hier nur Zeitverschwendung. Ein Gedanke geisterte durch das Hirn Agelons. Die ZEITLOSEN . . . Wieder sah er die ernsten Gesichter mit den hohen Stirnen vor sich. Er würde sie zerschmettern! Aber vielleicht brauchte er dabei Hilfe. Etwa die Hilfe dieses seltsamen dunklen Mutanten, der hier unter der Gehirnsonde lag. Mutara hieß der Mann. Er war einer jener jungen Mutanten, wie sie nur auf Terra entstanden waren. Dieser Mann konnte Kraftfelder beeinflussen. Er konnte sie durchdringen, die Energien in sich aufnehmen. Sigam Agelon hatte Versuche mit diesem Mann anstellen lassen. Die Versuche hatten kein Ergebnis gezeitigt. Agelon wußte, daß auch seinen Superkräften Grenzen gesetzt waren. Er mußte es ebenfalls lernen, Energiefelder zu manipulieren. Langsam wurde Sigam Agelon der
prüfende Blick seines Vertrauten lästig. „Was gibt es, Kosta?" fragte er scharf. Cort Kosta schloß langsam die Augen. „Ich frage mich immer noch", meinte er leise, „weswegen die Roboter Sie angegriffen haben. Sie haben einen MedoRoboter zerschmettert, aber das kann nicht der Grund sein. Sie gehen auch sonst nicht sehr schonend mit dem technischen Personal um." Die Ironie war unverkennbar. Sigam Agelon fühlte kalte Wut in sich aufsteigen. Er hatte Lust, diesen Wurm, diesen gewöhnlichen Sterblichen zu zerschmettern. „Glauben Sie", sagte Kosta langsam, „daß die Roboter annehmen mußten, Sie seien nicht mehr ... nun, sagen wir, Herr Ihrer Sinne? Also eine Gefahr für uns alle?" Cort Kosta öffnete die Augen jetzt weit. „Denn so sah es doch zuerst aus, nicht wahr?" Zu Sigam Agelons eigener Überraschung blieb er ruhig. Langsam lernte er, seine Kräfte, seine mächtige, überschäumende Gefühlswelt, die absolut ungewöhnlich für einen Orathonen war, zu beherrschen. „Ich habe eigentlich eine andere Vermutung", äußerte er kalt. „Eine Vermutung oder einen Verdacht. Jemand hat die Bronzeroboter umprogrammiert. Das würde bedeuten ..." Die Frage stand im Raum. Cort Kosta nickte langsam. Er fühlte bleierne Müdigkeit in sich. Die überstandenen Strapazen, die Drogen in seinem Körper machten sich bemerkbar. „Ja, Sigam Agelon", sagte er, „ich weiß, was das bedeutet. Wir haben einen Spion an Bord. Einen Verräter!" Das Schweigen stand fast greifbar im Raum. Cort Kosta streifte den teilnahmslos dasitzenden Trop mit einem kurzen Blick. Er entsann sich des dunklen langgestreckten Körpers im Innern
der Maschine. Die Befragung, die Sonde ... „Wir sollten weitermachen", meinte Cort Kosta mit gleichgültiger Stimme. Doch seine Augen blickten scharf.., * Tsati Mutara schrie. Wie ein Schatten glitt der Körper einer Frau an ihm vorbei. Er war ihr ausgewichen, als sie ihn in den Transmitter zurückschleudern wollte. Die mannshohe Halbkugel, in ihrem Innern das gelbe Pulsieren der reinen Energie, der Transmitter ... In ihr war Mutara aufgetaucht, als er sich auf der Erde in den letzten der fünf Supertransmitter stürzte, um ihn zu vernichten. Jetzt war es die Frau, die Verräterin, die gegen ihren Willen den Energieausgleich herbeiführte. Mit vor Schrecken geweiteten Augen sah Tsati Mutara, wie ihr Körper durchsichtig wurde. Die Konturen verschwammen, dennoch ahnte man die heftige Abwehrbewegung der Frau. Dann wurde der Körper der Frau zu einem Nichts, einem flatternden glasigen Hauch, der nach Sekunden verlöschte. Sie wurde zu einein energetischen Impuls, einer Welle, die ins Nichts glitt. Denn der fünfte Supertransmitter auf Terra existierte nicht mehr. Langsam drehte sich Tsati Mutara herum. Seine Lippen zuckten. Er hob die Arme. Er war waffenlos. Die flimmernden Abstrahlfelder dreier Energiewaffen drohten ihm entgegen. Die Gesichter der Gefiederten über den Waffen waren verkrampft. Man war bereit, Mutara zu töten. * Die Stimme Agelons war ein unge-
duldiges Bellen. „Weiter, Thali! Das ist für uns jetzt unwichtig!" Gespannt starrte er auf den großen Holografen über der Computerwand. Die Positronik setzte in einem komplizierten Vorgang die von der Sonde aufgefangenen Erinnerungsfetzen des Negers in dreidimensionale Bilder um. Der Trop nickte. Die kleinen pelzigen Finger glitten rasch über die Kontrollen. „Ich halte es nicht für unwichtig", bemerkte Cort Kosta. Seine Brust hob sich unter stoßweisen Atemzügen. Aber er hatte sich rasch wieder erholt. Einen Augenblick fragte sich der Vertraute Agelons, wie Ger-Velath, der Verbindungsmann, die Schockbehandlung der Ärzte überstanden haben mochte. „Wie kommst du darauf?" Kosta sah Sigam Agelon aufmerksam an. „Das hier ist der letzte Beweis, daß es Tsati Mutara gelungen ist, den fünften Supertransmitter auf der Erde zu zerschlagen. Damit brach die gesamte Nachschublieferung zusammen. Letztlich haben wir es ihm zu verdanken, wenn wir gegen die Laktonen auf der Erde eine Niederlage einstecken mußten. „Wir brauchen das Gesamtbild", entschied Agelon. „Es ist sinnlos, sich mit den Einzelheiten abzugeben. Mutara ist ein Primitiver. Er beherrscht diese Vorgänge nur unbewußt. Wir müssen also versuchen, an sein Unterbewußtsein heranzukommen. Notfalls mit Gewalt!" Cort Kosta schwieg. Es hatte keinen Sinn, mit Sigam Agelon zu diskutieren. Der Vertraute wußte nur, daß der Neger Mutara einen gewaltsamen Vorstoß der Gehirnsonde nicht überstehen würde. Der Trop nickte. Auf dem Holografenschirm flammte eine neue Projektion der Gedanken Mutaras auf.
* Erstarrt stand Mutara vor den drei Orathonen. Wo war er gelandet? Wo befand er sich jetzt? Wieder stieß er einen Schrei aus, als die Mündungsenergie aufflammte. Ein Strahlenfeld hüllte ihn ein. Mutara versuchte verzweifelt, diese Strahlen in sich aufzunehmen, aber es gelang ihm nicht. Er war völlig entkräftet. Seine Gedanken glitten träge dahin. Er begriff, daß man ihn nicht erschossen hatte. Man hatte ihn nur gelähmt. Der Neger stellte fest, daß er seine Augen bewegen konnte. Er war also nicht völlig regungslos. Und jetzt sah er auch auf den Holografen ein Bild der Außenwelt. Das konnte die Venus sein. Etwas anderes konnte kaum möglich sein. Mutara war sicher, daß er sich noch im Terra-System befand. Dämmerung herrschte. Riesige Wolkenfetzen trieben über den wogenden Wasserflächen. Der Hantelraumer, auf dem Tsati Mutara angekommen war, stand mit seinen Kugeln zu zwei Dritteln im Wasser. Mit Booten, Gravoleitern, Flößen, an Plastikdrähten und im Wasser, überall arbeiteten die Hilfsvölker der Gefiederten. Der Hantelraumer war beschädigt. Mannschaften mit elektronischen Schweißgeräten kletterten wie winzige Insekten über die gewölbte Oberflächen der Kugeln. Der mächtige Hantelraumer schwankte. Arbeiter glitten von der Wandung ab und stürzten schreiend ins Meer. Ein gigantisches Lebewesen von über zweihundert Metern hatte spielerisch mit seinem gewaltigen, vielfach geringelten Schwanz einen Schlag gegen die Schiffswandung geführt. Und der gewaltige Raumgigant erzitterte und legte sich auf die Seite.
Spezialfahrzeuge glitten aus den großen Schleusen, bemannt mit Bronzerobotern und seltsam blau schimmernden Lebewesen. Tsati Mutara erinnerte sich, daß Rex Corda ihm von dieser Hilfsrasse der Orathonen berichtet hatte: Es waren Cuttles, riesige, krakenförmige Ungeheuer, die mit ihren mächtigen Fangarmen ganze U-Boote zerdrücken konnten. Beinahe wäre Rex Corda mit seinen Männern im Unterseeboot „Aluminaut" diesen teuflischen Kreaturen zum Opfer gefallen. Aus verdrehten Augen beobachtete Tsati Mutara das Vorgehen der Ungeheuer. Mit angelegten Fangarmen schossen sie von allen Seiten auf den Meeresgiganten der Venus zu. Ihre wimmelnden Massen hüllten den Koloß ein. Schwarzes Blut schoß tintig nach allen Seiten. Wieder erzitterte der Hantelraumer unter einem dröhnenden Schlag. Die Bronzenen griffen jetzt ein. Selbst unter Wasser konnten sie sich mühelos bewegen. Mit den Scheinwerfern über ihren runden Metallgesichtern erleuchteten sie das trübe, aufgewühlte Meereswasser. Das war die Rettung. In der Kommandozentrale herrschte wilder Aufruhr. Man hatte Tsati Mutara vollkommen vergessen. Kaum einer entsann sich noch der Tatsache, daß der dunkelhäutige Terraner aus dem Transmitter auf das Schiff gestürzt war. Es war außerdem unwichtig. Der Terraner war ungefährlich. Man hatte ihn paralysiert; es war ihm unmöglich, sich zu bewegen. Tsati Mutara bewegte seine Augen nach unten. Er versuchte, seinen Kopf zu senken, da ihn seine Augen schmerzten, aber es gelang ihm nicht. Zu seinen Füßen hatte er eine Bewegung gesehen. Ein Trop. War es der Trop, mit dem er zusammen den fünften Transmitter zerstört hatte? Mutara
hoffte, daß er es war. Er hatte den kleinen pelzigen Gesellen in der kurzen Zeit, in der er mit ihm zusammen war, liebgewonnen. Er hatte ein besseres Schicksal verdient als ...
* „Das genügt", befahl Sigam Agelon. „Das bringt uns nichts Neues." Gehorsam reaktivierte der Trop die Sonde. Er war sich dessen sicher, daß weder Cort Kosta noch der Kommandant in seinem roten Umhang in seiner Physiognomie lesen konnten. Darum erlaubte sich Thali auch ein leichtes Kräuseln seiner Schnurrbarthaare. Mutara konnte sich jetzt ausruhen. Der dunkle Mann auf der Metallzunge innerhalb der Computerwand mußte jetzt wieder bei Bewußtsein sein. Sigam Agelon schien in tiefe Gedanken versunken. Mit scharfem Knacken zerbrach der kleine elektronische Aufzeichner in seiner Hand. Ein Fluch entrang sich den verzerrten Lippen Agelons. Er mußte seine Kräfte unter Kontrolle bekommen! Cort Kosta bemühte sich, sein spöttisches Lächeln zu verbergen. „Wenn ich Sie daran erinnern darf, Sigam Agelon", meinte er bedächtig, „zu dieser Zeit gaben Sie den Befehl, Terra zu vernichten. Nein, nicht nur Terra, sondern das gesamte Terra-System!" Sigam Agelon antwortete nicht. Er schien die Worte seines Vertrauten gar nicht gehört zu haben. „Wir gaben einen Notruf nach Khara ab", bemerkte Kosta. „Ich bin immer noch der Meinung, daß man ihn hätte vermeiden können." Agelon erwachte aus seinen Gedanken. „Vielleicht hast du recht, Kosta. Doch diese Frage ist jetzt nicht entscheidend. Wir haben große Fehler
gemacht. Wir haben die Laktonen unterschätzt. Am meisten aber die kleine, unbedeutende Rasse, die Terraner." Sigam Agelon erhob die Stimme. Die Augen unter den gemusterten Lidern strahlten in einem kalten, unpersönlichen Licht. „Es wird keine solchen Fehler mehr geben. Fehler werden von schwachen sterblichen Lebewesen gemacht. Für mich gibt es keine Fehler mehr!" Cort Kosta blickte in die fanatischen Augen Agelons. „Haben Sie jemals an die Großen Gesetze gedacht?" fragte er langsam. Die Stimme des Gefiederten zitterte vor Wut. An der Stirn schwoll die grüne Ader pulsierend an. „Große Gesetze!" schrie er. „Die großen Galaxier. Die ZEITLOSEN!" Erregt sprang Sigam Agelon auf. Die Federn auf seinem Haupt sträubten sich wild empor. Cort Kosta war sich dessen bewußt, daß Agelon ihn mit einer Hand zerschmettern konnte. Er mußte vorsichtiger werden. Dieser Orathone hatte sich verändert. Und diese Veränderung ging, über das Anwachsen der körperlichen Kräfte weit hinaus. Doch dann stand die Stimme des Veränderten als ein sanftes Flüstern im Raum. „Glaubst du an diesen Unsinn, Kosta? Bist du der Meinung, daß uns eine degenerierte Rasse irgendwo an den Grenzen der Galaxis zerschmettern könnte? Du bist ein Narr, Kosta! Wir haben die Macht! Verstehst du das denn nicht? Wir werden herrschen. Für uns gibt es keine Großen Gesetze, keine ZEITLOSEN mehr. Sollen sie es wagen, uns Vorschriften zu machen. Sollen sie es nur wagen, mich, Sigam Agelon, anzugreifen. Wir werden zurückschlagen, gnadenlos. Es gibt nichts mehr, was uns aufhalten könnte!" Wieder versank der Gefiederte mit
dem roten Umhang in Schweigen. Ein Bild tauchte vor seinen Augen auf. Die Gesichter der ZEITLOSEN, klar vor den wogenden Nebeln von Swamp stehend. Eine Halluzination? Oder eine Warnung? „Trop?" bellte die Stimme Agelons auf. „Ja, Herr?" „Bist du bereit?" Thali nickte. Die schlanken Finger des Trop-Technikers huschten über die Kontrollen. Der große Holograf blinkte auf. * Mutara atmete auf. Das Bohren in seinem Gehirn, ein mehr psychischer als körperlicher Schmerz, hatte nachgelassen. Jetzt wußte Tsati Mutara, daß er seinen Peinigern nicht ganz hilflos ausgeliefert war, wie es zunächst den Anschein gehabt hatte. Er war unter der Sonde, aber dennoch befand er sich nicht in tiefer Bewußtlosigkeit. Er war in der Lage, seine Gedanken zu kontrollieren. Er brauchte nicht wie ein Sklave jede Frage genau zu beantworten. Von dieser Tatsache schienen Cort Kosta und Sigam Agelon keine Ahnung zu haben. Es gab dafür nur eine Erklärung: Der Trop hatte ihm geholfen. Der Trop, jenes kleine Wesen, das wie ein Tier wirkte, affenähnlich, mit einem dichten rötlichen Pelz bewachsen, ein Angehöriger einer intelligenten Rasse. Ein fähiger Techniker, der von den Orathonen gezwungen wurde, für sie Kriegsdienst zu leisten. Nicht nur mit dem Trop hatte man es so gemacht. Jedes Volk, das die Gefiederten unterworfen hatten, mußte seine fähigsten Wissenschaftler den Orathonen zur Verfügung stellen. Staras, Whims, Cuttles, Jumper, Byts,
Ypse, Ätzer und Trops. Es gab noch andere Völker, wie etwa die Sylper. Doch hier waren die Orathonen auf Schwierigkeiten gestoßen. Mit Schaudern dachte Tsati Mutara an den Einsatz auf der von unzähligen unterirdischen Höhlen zerfressenen Welt der Sylper. Jene Rasse hatte den Aufstand gewagt, der blutig niedergeschlagen worden war. Mutara grinste mit verzerrten Lippen. Es war gut, daß man die Befragung abgebrochen hatte. Es war ein kritischer Punkt gewesen, an dem Sigam Agelon offenbar die Geduld verloren hatte. Der Neger dachte an seine Gefangenschaft auf jenem orathonischen Raumschiff in den Meeren der Venus. Der Angriff des großen Ungeheuers war abgeschlagen worden. Der große Kadaver wurde sofort den großen Robotmaschinen zugeleitet, die die Nahrungsmittel zubereiteten. Auch die Ausbesserungen an dem Raumschiff waren ausgeführt worden. Tsati Mutara wußte nicht, wie lange er bewegungslos, inmitten eines schimmernden Feldes, in der Zentrale gefangen war. Eine Abordnung von mehreren Orathonen erschien. Mit ihnen kamen einige Medo-Roboter. Das Schirmfeld um den Neger wurde aufgelöst. Aus den Augenwinkeln erhäschte er einen Blick auf den Trop, der die Vorgänge beobachtete. Das kleine Wesen schien sich eine plausible Erklärung ausgedacht zu haben, warum es zusammen mit Mutara im Transmitter erschienen war. Tatsache war, daß man den Trop nicht geschockt hatte wie Mutara. Als Mutara aus dem Feld befreit wurde, blickte er wieder in die schimmernden Abstrahlschächte mehrerer hochwertiger Strahlwaffen. Er hatte keine Chance, sich jetzt zu befreien. Er versuchte es nicht einmal. Denn immer
noch bestand die Möglichkeit, ihn ohne Strahlenenergie zu töten. Ein einziger Schlag des Bronzeroboters gegen seinen Schädel würde genügen. Man schleppte ihn fort. Mutara wurde durch Gravo-Schächte gebracht, fiel durch scheinbar endlose Tiefen und gelangte mit seinen Bewachern in einen riesigen Raum. Er ahnte, wo er sich befand. Hier beherrschten die Medo-Roboter das Feld. Holografen gaben Bilder von verschiedenen engen Kammern wieder. Wesen lagen dort, manche waren Mutara bekannt, da er von den meisten Fremdrassen der Orathonen wußte. Teilweise lagen die Wesen in tiefem Schlaf. Manche schwebten über ihren Betten, andere lagen in metallenen Klammern gefesselt. Allen aber war ein starrer Ausdruck auf den Gesichtern eigen, und wieder durchzuckte Tsati Mutara eine Ahnung. Hier wurden die Semibioten eingepflanzt, jene Steuergeräte, die ihre Träger zu willenlosen Werkzeugen der Gefiederten machten. Ein Schlag löschte sein Bewußtsein aus. Es kam mit solcher Plötzlichkeit, daß Tsati Mutara nicht wußte, wer ihn geführt hatte. Augenblicke später wachte er wieder auf. Er wußte, daß etwas mit ihm geschehen war. Er wußte ebenfalls, daß sein scheinbares augenblickliches Erwachen auf einer Täuschung beruhte. Er mußte Stunden, wenn nicht gar Tage in Bewußtlosigkeit verbracht haben, während die Medo-Roboter die Operation an ihm vollzogen hatten. Etwas pulsierte in seinem Schädel. Es war ein Wesen, das sich in seinem Gehirn zusammengekauert hatte, das jetzt noch in einem Winkel seines Bewußtseins hockte, aber jeden Augenblick mit aller Plötzlichkeit zuschlagen konnte. Der semibiotische Conductor!
Tsati Mutara fragte sich, was er gegen den Eingriff unternehmen konnte. Minuten war sein Geist von Panik überflutet. Er wollte mit den Händen nach seinem Hinterkopf greifen, wo er die pochende Wunde vermutete, die bald verheilt sein würde. Aber er konnte die Plastikverbände nicht erreichen. Seine Arme waren in metallenen Bändern gefesselt. Ein Stöhnen entrang sich seiner Brust. Ohnmächtige Wut über das unmenschliche Vorgehen der Gefiederten ließ seine Finger sich zusammenkrampfen. Er konnte nichts tun. Nichts, außer denken! Mutara konzentrierte sich. Was wußte er über einen Semibioten? Er hatte mit Rex Corda über diese grausame Entwicklung der Orathonen gesprochen. Rex Corda hatte selbst einen Conductor getragen. Aber das Wesen, das zur Hälfte aus organischer Masse, zur anderen aus einem elektronischen Gerät bestand, war bei Corda ausgebrochen, vor seinen geistigen Impulsen geflohen. Rex Corda war Mutant, Tsati Mutara ebenfalls. Der Präsident von Terra hatte den Conductor durch reine Willenskraft verdrängt. Tsati Mutara bezweifelte, ob es ihm auch gelingen würde. Und wenn, würde man es nicht bemerken? Tsati Mutara versuchte, den Conductor zu lokalisieren. Es gelang ihm nicht. Irgendwo im Innern seines Gehirns hockte der Feind. Er würde vermutlich nur mikroskopische Größe haben oder höchstens eine Länge von einigen Zentimetern. Ein Impuls jagte durch sein Hirn und ließ ihn aufstöhnen. Der Conductor begann, die Macht über ihn zu ergreifen. Er lähmte einzelne Gehirnpartien, um sie mit seinen elektronischen Energiestößen unter Kontrolle zu bringen. Mutara würde sich wie eine Mario-
nette bewegen, wenn dem Conductor die Übernahme gelingen würde. Das durfte nicht sein. Es gab eine Möglichkeit! Tsati Mutara saugte die Energie ab. Er mußte sie wieder abgeben, also leitete er sie nach außen ab. Der Behandlungsraum erwärmte sich. Doch es entstand kein Verdacht. Die Ströme waren verhältnismäßig schwach, das Energiepotential nicht sehr hoch. Aber er nahm dem Conduktor die Energie. Er saugte sie ab. In der Zentrale würde man nichts bemerken, hoffte der Mutant. Es war ein Vorgang, der sehr lange dauerte. Die Anstrengungen des Conductors bereiteten jetzt körperliche Beschwerden. Der organische Teil des „Dirigenten" wurde von den elektronischen Impulsen abgeschnitten und verlor seine Energie. Die Bewegungen trieben Ströme von Schmerz durch den sich aufbäumenden Körper des Mutanten. Wie durch einen Schleier sah er die kleine pelzige Gestalt des Trop neben sich. Die klugen Augen der tierähnlichen Intelligenz musterten den kämpfenden Mutanten ausdrucksvoll. Mitgefühl stand in ihnen, tiefes Verständnis. Dann hatte Mutara es geschafft. Ein lauter Schrei entrang sich seinen Lippen, als die frische Wunde an seinem Hinterkopf aufbrach. Blut strömte heraus und helle Wundflüssigkeit. Ein schwarzes Etwas schlängelte sich zwischen den Plastikverbänden hervor. Trotz seiner Schmerzen spürte Mutara die Bewegungen des sterbenden Conductors. Ein gräßliches Zucken ließ ihn sich aufbäumen. Mutara warf sich herum. Die metallenen Fesseln hatten sich gelöst. Der Neger blickte auf die ekelerregenden Überreste des Conductors, eine schwarze, sich windende Masse. Daneben der Anhang dunkel schimmernder,
winziger Metallteile. Der zerstörte elektronische Teil, von seiner Energieversorgung abgeschnitten... Tsati Mutara litt wahnsinnige Schmerzen. Er warf sich wie im Fieber herum. Da hörte er die beruhigenden Laute. Der Trop hockte neben ihm. Mit seiner pelzigen Hand fegte er die Überreste zu Boden. Dann entfernte er den zerstörten Plastikverband und legte sicher und schnell einen neuen an. Ein beruhigendes Gefühl breitete sich in Tsati Mutara aus. Er hätte es nie allein schaffen können. Aber jetzt wußte er, daß er die Orathonen überlistet hatte. Mit einem verzerrten Lächeln beobachtete er den Trop, der die blutigen Überreste des Conductors in den Verbrennungsschacht in einer Ecke des Raumes warf. Der Trop trug keinen Conductor, der ihn versklavte, denn Rex Corda hatte ihn davon befreit. Tsati, alter Junge, sagte er sich, jetzt kannst du mal beweisen, daß du ein erstklassiger Schauspieler bist! Denn jetzt würde die Zeit der Verstellung beginnen. Er mußte die Befehle der Orathonen ausführen, als sei er nicht mehr Herr seiner Handlungen. Er mußte die Rolle eines Roboters, eines Sklaven spielen ... Sein Blick fiel auf den Trop, dem er schon so viel verdankte. Hoffentlich konnte er sich diesem Wesen gegenüber revanchieren. * In der Dunkelheit lächelte Mutara grimmig. Das waren die Tatsachen gewesen, die er Sigam Agelon vorenthalten hatte. Vielleicht würde man wegen seines Ausbruchversuchs auf Swamp mißtrauisch werden. Ein Mann, der schale trug, sollte nicht so reagieren. Aber die Gefiederten hatten schon ganz andere Überraschungen mit den Terra-
nern erlebt. Das Lächeln verschwand. Mutara bäumte sich in der Dunkelheit auf. Wieder forschte die Sonde in seinem Gehirn. Er mußte vorsichtig sein. Seine Gedanken durften keine Lücke aufweisen, damit nicht der Eindruck entstand, er hielte sein Wissen zurück. Die gnadenlose Stimme klang in ihm auf. „Welche Experimente hat man mit Ihnen angestellt, Mutara? Sie können Energieschirme durchdringen, könnten Sie auch Energien erzeugen?" Es war die Stimme Sigam Agelons, aber sie war verzerrt. Die Sonde gab nur den Gedanken wieder, dennoch hatte Mutara den Eindruck des gesprochenen Wortes. Die Erinnerung überfiel ihn mit unvermuteter Plötzlichkeit. Er konnte im Augenblick nichts gegen den Strom tun, der ihn überschwemmte. Zu direkt, zu grauenhaft waren jene Erlebnisse gewesen, als ihn die Orathonen auf der Venus getestet hatten. Das Bild eines Orathonen erschien vor seinem geistigen Auge. Die Sonde übertrug das Bild über die Laseraufzeichnung auf den großen Holografen. Der Orathone grinste diabolisch. Mutara kannte sich in den Rängen der Orathonen-Soldaten etwas aus. Dieser hatte einen niedrigen Dienstgrad. Seine Intelligenz war entsprechend. Mutara wandte den Kopf. Eine Stimme hatte ihn angesprochen. Sie kam hinter einer energetischen Schutzwand hervor. Für den Bruchteil einer Sekunde sah der Neger die Uniform eines hohen Offiziers, der sich hinter der Barriere duckte. Ein Experiment! „Sehen Sie nicht uns an, Terraner! Blicken Sie auf den Soldaten. Wir haben bemerkt, daß Sie Energiefelder manipulieren können. Anders ist Ihr Er-
scheinen in unseren Transmittern nicht zu erklären. Vermutlich sind Sie für die Vernichtung des fünften Super-Transmitters auf Terra verantwortlich. Für dieses Verbrechen wäre die Todesstrafe noch zu milde. Haben Sie etwas dazu zu sagen?" Mutara merkte die Falle sofort. Man wollte zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Vielleicht zweifelte man, ob der semibiotische Conductor bei ihm wirkte. Ein Widerspruch wäre der Beweis für die Unwirksamkeit gewesen. Der Neger senkte seinen Blick auf den Brustteil seines orangefarbenen Raumanzuges. „Nein, ich bin ein Verbrecher. Töten Sie mich!" Der Orathone verstand ihn. Mutara hatte in den elektrischen Dolmetscher gesprochen, den man ihm nach der Operation gegeben hatte. Das kleine Gerät baumelte auf der Brustplatte seines Raumanzuges. Die Stimme des jetzt wieder unsichtbaren Offiziers lachte zufrieden. „Sie sollen Ihren Willen haben, Terraner. Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß der Soldat vor Ihnen einen Blau-Lighter in der Hand trägt. Es ist eine Schockwaffe von ausgezeichneter Wirkung. Ihre statische Körperelektrizität wird verändert. Die Wirkung der Waffe ist variabel. Sie reicht von Lähmung bis zum äußerst schmerzhaften langsamen Tod. Sie sind bereit?" Tsati Mutara sah wieder in das Gesicht des grinsenden Soldaten. Er täuschte Verwirrung vor. „Bereit zum Tod? Ja ..." Ein tintenblauer Strahl schoß aus der klobigen Waffe. Ein rasendes Prickeln lief über den angespannten Körper des Mutanten. In seinem Gehirn konzentrierte sich das mutierte Zentrum. Es kämpfte gegen die Schmerzen an. Die Verkrampfung löste sich, als sein Gehirn die Energie
aufnahm und weiterleitete. Wohin? Er hatte nur begrenzte Möglichkeiten, die Energie in sich aufzunehmen. Es gab verschiedene Möglichkeiten, sie abzuleiten. Er konnte sie wieder zum Ursprungsort zurückführen. Aber das würde einen Energiestau in der Waffe verursachen. Die Brennkammern würden explodieren. Das würde Mutara zu einer Gefahr machen. Denn das bedeutete, daß er jede gewöhnliche Waffe gegen seinen Gegner kehren konnte. Tsati Mutara wählte den unauffälligeren Weg. Langsam stieg die Temperatur in der Halle an. Das Gesicht des Soldaten zeigte einen ungläubigen, entsetzten Ausdruck. Er konnte es nicht fassen, daß seine Waffe wirkungslos war. Auf einen scharfen Befehl hin verstärkte der Soldat die Energieabgabe. Der tintenblaue Strahl jagte flammend aus der Spezialwaffe. Doch dicht vor der Brust Mutaras schien er sich aufzulösen. Er verschwand scheinbar im Nichts. Der Featherhead vor Mutara hatte den Energieriegel voll aufgedreht. Abgerissene Worte klangen von den grünen Lippen des Gefiederten. Tsati Mutara vermutete, daß es Flüche waren, da die Worte von seinem Übersetzungsgerät nicht übertragen wurden. Plötzliche Wut stieg in ihm auf. Er versuchte dagegen anzukämpfen. Ein harter schmerzhafter Knoten schien sich in seinem Schädel zu bilden. Blitzschnell hob der Neger die sehnige Hand. Im selben Augenblick brach der einfache Soldat zuckend zusammen. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte Mutara die Energie des BlauLighters auf sein Nervensystem übertragen. Die Energie versiegte. Der tinten-
blaue Schockstrahl brach ab. Tsati Mutara wankte. Er hatte unverantwortlich gehandelt, als er den Featherhead zu Boden schickte. Jetzt stand er immer noch unter der gewaltigen Anspannung, der übermenschlichen Konzentration. Metallene Fesseln klickten um seine Handgelenke. Bronze-Roboter mit steinernen Gesichtern packten ihn an den Schultern. Hinter der sicheren Barriere traten die Offiziere hervor, die das Experiment beobachtet hatten. „Überraschend", sagte der erste. „Aber wir werden die Experimente fortführen. Sigam Agelon hat sich bereits für Ihre Fähigkeiten interessiert. Sie können Energien auffangen und ableiten, Energieschirme durchbrechen und unversehrt hindurchschlüpfen. Sie können freie Energie in Wärme verwandeln. Der nächste Versuch soll klären, ob es Ihnen auch umgekehrt gelingt!" * Cort Kosta schüttelte den Kopf. „Ich kann mir nicht vorstellen, was Ihnen dieser Terra-Mutant noch nützen sollte", meinte er. Sigam Agelon erhob sich mit jäher Bewegung. Sein roter Umhang, der ihn als Mitglied der FAMILIE kennzeichnete, bauschte sich auf. „Das kannst du dir also nicht vorstellen", höhnte er. „Begreifst du das nicht: Ich muß alles wissen! Wir haben bisher nur die Einzelstücke gesehen. Jetzt will ich mir ein Gesamtbild formen. Ich kann abstrakter denken, als du dir das vorstellen könntest. Deine Vorstellungskraft ist gering. Das ist mir bekannt." Cort Kosta versuchte, seinen Ärger zu verbergen. Es gelang ihm nur unvollkommen. „Ich habe Sie beobachtet, kurz nach
der Operation", brummte er. „Sie haben einem Schwall purer Energie standgehalten." Das Gesicht Sigam Agelons versteinerte sich. Die gemusterten Augenlider senkten sich starr herab. Aus schmalen Schlitzen beobachtete Agelon seinen Vertrauten. „Man hat auf mich geschossen", sagte er dumpf. „Du sagtest vorhin, daß es die Roboter waren. Ich frage dich jetzt: War es ein Roboter, der den ersten Schuß abgab?" Die dunklen Federn auf dem Kopf Cort Kostas sträubten sich. Das grünliche Gesicht wurde dunkel. „Ich — ich kann mich nicht mehr genau erinnern", sagte er leise. Sigam Agelon trat einen Schritt vor. Seine Hand senkte sich auf die Lehne des Sessels, in dem sein Vertrauter saß. „Ich kann dich mit meinen Händen zerbrechen, wenn ich will", bemerkte Agelon ruhig. „Und es würde mir nicht viel bedeuten. Du bist mir als Ratgeber und Vertrauter nutzlos, wenn ich mich nicht auf dein Wort verlassen kann." Cort Kosta nickte schwer. „Nun?" „Ich vermute, daß es Ger-Velath war", murmelte er. „Es klingt interessant", gab Sigam Agelon zu. „Vielleicht sollte ich dich auch unter die Gehirnsonde stecken. Es wäre eine echte Überraschung, wenn du es etwa warst, der auf mich feuerte." Das Lächeln Cort Kostas war verzerrt. „Natürlich steht es Ihnen frei..." Die harten Blicke Sigam Agelons glitten durch den Raum und blieben an dem Trop hängen, der zusammengekauert vor seinen Schalttafeln saß. „Wir machen weiter, Kosta. Aber zunächst ist deine Frage zu beantworten: Ja, ich kann einem Strahl purer Energie standhalten. Aber mir geht es um mehr. Es muß mir ebenfalls gelingen, Ener-
gieschirme zu durchdringen wie jener Mutant. Und wenn ich Teile meines Gehirns ..." Sigam Agelon sprach den Satz nicht zu Ende. Cort Kosta war zusammengezuckt. Zufällig war auch die heftige Bewegung des Trop unbemerkt geblieben. „Was ist los?" knallte die unbarmherzige Stimme Agelons durch den Raum. „Die — Gesetze ...", murmelte Cort Kosta. „Ja", höhnte Sigam Agelon, „wieder ein Verstoß gegen die Gesetze der ZEITLOSEN. Die würdigen, weisen Männer, die die gesamte Galaxis so schön im Griff zu haben glauben. Die sich als Götter aufspielen. Unsterblichkeit...!" Sigam Agelon spie das Wort förmlich aus. Dann hatte er sich wieder in der Gewalt. „Weiter!" Ungläubig horchten die beiden Featherheads auf, als der Troptechniker es wagte, seine Stimme zu erheben. „Herr, wenn wir weitermachen, kann es ihn töten!" Einen Augenblick schien es, als wolle sich Sigam Agelon auf das kleine Pelzwesen stürzen. „Ich habe weiter gesagt!" zischte er heiser. Die Finger des Trop huschten über die Kontrollen. * Wieder wühlte die Nadel in seinem Gehirn. Tsati Mutara warf sich stöhnend empor, aber die engen Metallfesseln ließen keine Bewegung zu. Wie lange befand er sich schon unter der Maschine? Würde seine Qual denn nie ein Ende nehmen? Die grauenhafte Stimme tönte wieder in seinem Geist. Es war die Stimme Sigam Agelons, aber bis zur Unkennt-
lichkeit entstellt. Nein, sie war klarer als je zuvor. Tsati Mutara befand sich in einem Zustand völliger Verwirrung. Er hatte plötzlich die Idee, er würde durch die elektronischen Impulse der Sonde Agelons Stimme hören, wie dieser Mann wirklich war. Widersprüchlich, schwankend, berstend vor Kraft und zugleich wieder klein und niedrig. Es war unglaublich, wie viele Nuancen in dieser veränderten Stimme steckten. „Erinnere dich, Mutara! Es gab andere Versuche. Was machte man mit dir? Was geschah auf dem zweiten Planeten des Terra-Systems, den ihr Venus nennt?" Tsati Mutara krümmte sich zusammen. Er wollte sich nicht erinnern. Die Gedanken daran bargen noch das ganze Grauen jener unmenschlichen Versuche. Dann glitten ihm die Zügel aus der Hand. Aber er spürte, daß er sich noch nicht verraten hatte. * Die dicke grüne Ader auf der breiten Stirn des Gefiederten schwoll an. „Trop, was ist mit deinen Geräten los?" Das Wesen schrak empor. Der kleine Kopf mit den ausdrucksvollen braunen Augen schüttelte sich. Diese Bewegung hatte er von den Terranern abgesehen. „Die Geräte sind schon in Ordnung, Herr. Aber der Mutant ist am Ende seiner Kräfte. Seine Gedanken sind ein einziges Durcheinander!" Sigam Agelon starrte den Trop an. „Aber der Schirm ist leer!" brüllte er. „Ist er etwa tot?" Wieder glitten die Hände des Trops über die Kontrollen. „Ich würde vorschlagen, Schluß zu machen", bemerkte Cort Kosta. „Nein!" bellte Sigam Agelon. Er starrte wütend auf den Hologra-
fen über der Computerwand, wo das flimmernde Grau einem Gemisch von Bändern und Farben gewichen war. Dann tauchte das grüne Gesicht eines Gefiederten auf. Die Züge verzogen sich zu einer höhnischen Fratze. „Sie können Energie auffangen und ableiten und unversehrt hindurchschlüpfen. Sie können freie Energien in Wärme verwandeln. Der nächste Versuch soll klären ..." „Es scheint ihn sehr zu beschäftigen", murmelte Cort Kosta. „Der arme Kerl scheint allerhand durchgemacht zu haben." „Rede keinen Unsinn. Der Techniker hat noch einmal die Erinnerung an den nächsten Versuch gereizt." Cort Kosta schwieg und sah auf den Holografen. Er fühlte eine niegekannte Müdigkeit in sich. Die Drogen hatten seinen Körper ausgehöhlt. Er war der gnadenlosen Befragung müde. Ein etwas weniger widerstandsfähiges Wesen wäre schon längst wahnsinnig geworden, oder sein Kreislauf wäre zusammengebrochen. Auf dem Holografen zeigte sich jetzt die Szenerie des orathonischen Laboratoriums, so wie sie Tsati Mutara erschienen war. Immer noch befand man sich auf der Venus. Ein anderer Versuch war aufgebaut worden. Psychologen hatten die Anordnung auf die primitive Vergangenheit des Terraners zugeschnitten. Tsati Mutara lag auf einem metallenen Bett, das seinen Körperformen angepaßt war. Er ruhte in einer Mulde. Zusätzlich sorgten Fesseln dafür, daß er sich nicht bewegen konnte. „Was habt ihr mit mir vor?" tönte die Stimme des Terra-Mutanten über den elektronischen Dolmetscher. Man hatte das Gerät neben ihn gelegt, um es später nicht zu beschädigen. „Wir versuchen jetzt den umgekehrten Weg. Dein Unterbewußtsein muß in
der Lage sein, Materie in Energien zu verwandeln. Du hast diese Tatsache bestritten, aber uns kann man nicht täuschen." „Was habt ihr mit mir vor?" wiederholte Mutara. Sein braunes Gesicht war von dichten Schweißtropfen übersät. Entsetzt betrachtete der Terra-Mutant die Geräte, die aus einer mittelalterlichen Folterkammer zu stammen schienen. „Wir werden hinter das Geheimnis kommen. Unser oberster Flottenführer, Sigam Agelon, besteht darauf. Wir werden dahinterkommen. Notfalls mit Gewalt!" „Aber ich gehorche doch euren Befehlen!" schrie Tsati Mutara. „Ihr habt mir dieses Steuergerät eingepflanzt. Ich kann gar nicht anders als euch gehorchen!" Der Orathone lachte selbstgefällig. Zusammen mit einigen amphibischen Staras saß er vor einem Steuerpult, „wir haben es schon einmal erlebt, daß Terraner den Befehlen des Dirigenten nicht gehorchten. Ein zusätzlicher Druck kann also nichts schaden. Es wird dir nicht die kleinste Möglichkeit geboten werden, dich zu verstellen." „Was soll ich tun?" keuchte Tsati Mutara. „Du wirst Materie in Energie verwandeln. Du bist dazu in der Lage. Wir wissen es." „Nein!" schrie der Neger. Man achtete nicht auf ihn. Eiserne Klauen griffen nach seinen Armen und Schenkeln. Eine schwere, mit spitzen Dornen besetzte Platte senkte sich auf seine Brust. „Nun?" fragte die gnadenlose Stimme schon wieder. Die Antwort Mutaras war ein heiseres Keuchen. Dann senkte sich die Platte auf seine Brust. Ein wilder, urwelthafter Schrei gellte durch das Laboratorium des Han-
telraumers. Die Techniker waren verwirrt. Der Orathone vollführte sinnlose Bewegungen. * Sigam Agelon brummte wütend vor sich hin. Das Bild auf dem Holografen war dunkel geworden. Das Bewußtsein der Versuchsperson war ausgelöscht worden. Geisterhafte Bilder zuckten in den letzten Sekunden über den Holografen. Ausgeburten eines Gehirns, das an der Schwelle des Wahnsinns stand. Gort Kosta zuckte die Achseln. „Das sollte Sie überzeugen. Ihre Körper sind zu empfindlich. Die Angst vor dem Tode ist bei diesen Primitiven zu groß. Er kann sich nicht verstellt haben. Es ist eine Tatsache. Tsati Mutara kann nicht den umgekehrten Weg gehen. Sein mutiertes Gehirn ist nur in der Lage, Energien zu manipulieren, nicht aber..." Sigam Agelon hieß seinen Vertrauten mit einer machtvollen Gebärde schweigen. „Dennoch könnte es die Verbindung schaffen", murmelte er. „Wenn er nicht schon tot ist", flüsterte Kosta spöttisch. Mit einer müden Bewegung strich er sich über die dunklen Federn auf seinem Haupt. „Wie steht es mit ihm, Trop?" fragte Agelon. Thali blickte von seinen Instrumenten auf. „Eine weitere Befragung würde er nicht aushalten, Herr", sagte das Wesen leise. Sigam Agelon erhob sich abrupt und ging aus dem Raum. Cort Kosta zwängte sich aus dem Sessel. Er wollte dem Befehlshaber rasch folgen, aber einen Moment mußte er sich an der Lehne stützen. Die vergiftete Atmosphäre des Sumpfplaneten hatte ihm sehr zu schaffen gemacht. Ohne das Können der orathonischen Spezialisten, die gemein-
sam mit den Medo-Robotern den Körper entgifteten, würde er wohl kaum noch leben. Im Eingang stieß Kosta mit GerVelath zusammen. Der Verbindungsmann von MORATHA hielt sich gebückt, als verspüre er Schmerzen. Kosta grinste und wollte an dem anderen vorbei. Aber eine grüne Hand schoß aus dem langen Umhang und hielt ihn zurück. „Was wird jetzt geschehen?" fragte Ger-Velath leise. Der Vertraute Sigam Agelons blickte den anderen prüfend an. Ger-Velath schien krank zu sein. Seine Augen lagen unter ungesund rötlichen Lidern. Sie bohrten sich fanatisch in die seinen. „Wie meinen Sie das, Ger-Velath?" murmelte Kosta und befreite sich aus dem Griff. „Vermutlich wird Agelon einen Ruhetag einlegen, bevor er seinen Kurs fortsetzt. Sie scheinen ebenfalls Ruhe zu benötigen, Velath.'' * Das dunkle Gesicht Tsati Mutaras war jetzt blaß. Die Augen waren von Schweiß verklebt. Der Trop gab den beiden MedoRobotern Anweisungen. Drei Bronzene standen im Hintergrund und registrierten das Geschehen. Der Trop Thali beachtete sie nicht. Mutara schlug die Augen auf. Seine Lippen bewegten sich, aber er sagte kein Wort. Der Trop sah ihn beruhigend an. Sie konnten jetzt nicht sprechen. Die Bronzeroboter würden jede Unterhaltung zwischen Techniker und Versuchsperson unterbinden. Sie verstanden sich auch ohne Worte. Sigam Agelon stand in der Mitte der Kommandozentrale. Er war von seinen engsten Mitarbeitern und fähigsten Offizieren umgeben. Cort Kosta stand einen Meter hinter
seinem Vorgesetzten. Ger-Velath ruhte an einer Wand. Mit funkelnden Augen blickte sich der Flottenkommandant um. „Wir können jetzt unsere Zeit nicht mit kleinen Gefechten vergeuden. Kosta, die Lage!" „Wir hatten eine Begegnung mit zwei Raumschiffen, von denen eines laktonischer Bauart war. Es ist unverständlich, was ein einzelnes Schiff der Laktonen in dieser Gegend sucht. Es wurde der Verdacht geäußert, daß es sich um Überläufer aus den laktonischen Reihen handele." „Diese Vermutung ist unsinnig", sagte Sigam Agelon scharf. „Es gibt bei den Laktonen keine Deserteure, ebensowenig wie bei uns!" Cort Kosta schwieg einen Moment, dann fuhr er fort: „Ein anderes Schiff wurde gesichtet; wir hatten eine kurze Feindberührung, nahmen aber die Verfolgung nicht auf. Es handelte sich um einen Hantelraumer der Wonn-Klasse, vermutlich von den Laktonen erbeutet und umgebaut, denn wir wurden kurz von schwersten laktonischen Geschützen angegriffen, Es wurde der Verdacht geäußert, daß die Besatzung aus Laktonen und Terranern besteht. Die Tatsache, daß sie — von uns unbemerkt — auf der Sumpfwelt gelandet waren und vor uns flohen, scheint diesen Verdacht..." „Verdacht, Verdacht!" bellte Sigam Agelon. „Wir können als Schlachtschiff nicht jeden unwichtigen Raumer verfolgen. Wir haben Größeres vor." „Ich habe hierzu noch eine Frage." Ein junger Offizier trat vor. „Mich würde interessieren, was" — er starrte einen Augenblick in die eisigen Augen des Flottenführers und setzte dann seinen Satz fort — „was es für uns Bedeutenderes gibt, als unsere Feinde zu besiegen. Ich halte es für meine Pflicht, darauf hinzuweisen, daß möglicherwei-
se der Terraner Rex Corda auf diesem geflohenen Hantelraumer gewesen sein kann. Er muß einen bestimmten Grund gehabt haben, hier auf dem Sumpfplaneten zu landen. Ich..." Der junge Offizier brach ab. Seine Augen waren voller Furcht, als Sigam Agelon auf ihn zutrat. Einen Schritt vor dem Soldaten verhielt der Flottenführer. „Hat sonst noch jemand Zweifel an der Richtigkeit meiner Entscheidungen?" fragte Sigam Agelon mit gefährlicher Ruhe. Der Offizier erkannte, daß er zu weit gegangen war. Er öffnete seinen Mund, um sich zu entschuldigen, aber Sigam Agelon ließ ihn nicht zu Wort kommen. „Es gibt Männer hier an Bord, die nach ihren Worten besser zu Flottenführern geeignet sind als ich. Jeder kann seine Meinung frei äußern. Er muß aber damit rechnen, daß er für seine Worte zur Verantwortung gezogen wird. Ich kann keinen Haufen von stammelnden Halbwilden gebrauchen. Das hier ist Meuterei!" Ein Raunen ging durch die Offiziere, als Agelon einen Schritt auf den jungen Offizier zutrat. Die Bronzeroboter an den Eingängen betrachteten aufmerksam die Szene. Der junge Offizier wich einen Schritt zurück. „Ich meine keinen bestimmten", sagte Sigam Agelon. „Jedenfalls noch nicht jetzt. Aber Sie alle unterstehen Kriegsrecht. Ich kann keinen Widerspruch dulden!" Seine Hand schoß vor und packte den Arm des Offiziers. Der Orathone stieß einen leisen Schrei aus, ein scharfes Knacken stand Sekunden im Raum. Die Linke des Soldaten zuckte nach unten. Er drückte blitzschnell ab. Der grünliche Energiestrahl hätte Sigam Agelon in die Brust treffen müssen. Jetzt ertönte ein lauter Schrei in der
Halle, aber er kam von allen zugleich! Sigam Agelon ließ sein Opfer los. Der Arm pendelte gebrochen herab. Ein wahnsinniges Leuchten stand in den Augen des Soldaten, als er wieder und wieder den Hebel durchriß. Ein spöttisches Lächeln stand auf den Lippen Sigam Agelons. Sein mit dem roten Umhang bedeckter Körper stand stolz aufgerichtet in der Kommandozentrale. Die gesamte Gestalt wurde von einem wogenden grünen Feld umgeben. Keiner der Umstehenden machte von seiner Waffe Gebrauch. Wie gebannt starrten sie auf das verzweifelte, von Schmerz und Wut durchzuckte Gesicht des jungen Offiziers. Er verstand es nicht. Und dann schlug Agelon zurück. Mit einer einzigen machtvollen Geste streckte er beide Hände vor. Von seinen Fingerspitzen schienen feine Strahlen auszugehen. Der junge Soldat brach zusammen. Schon vor dem Aufschlag auf den Boden war er tot. Erschüttert umstanden ihn die anderen, die Strahler immer noch schußbereit. Während die Maschinenmenschen die Leiche des jungen Offiziers aus der Kommandozentrale trugen, musterte der Flottenkommandant die Gesichter der Offiziere. Nacheinander fixierte er jedes Gesicht. Es schien ein Zufall zu sein, daß er Ger-Velath besonders lange ansah. * „Verdammt knapp", brummte Fatlo Bekoval. Ga-Venga, der laktonische Dolmetscher, grinste. „Spätzündung, Bekoval, wir sind schon lange aus ihrem Feuerbereich." Der massige Laktone blickte den kleinen Kynother giftig an.
„Muß dieser Zwerg immer dazwischenreden?" Rex Corda nickte. „Sie haben recht, Bekoval. Unsere Chancen standen wirklich sehr schlecht. Es hätte den Featherheads nur einfallen sollen, uns zu verfolgen. Aber vermutlich sind wir ein zu kleiner Fisch für sie." „Das gleiche betrifft das Schiff der zehn Veränderten." John Haick stand hinter seinem Jfreund. „Wenn sie auch mit gänzlich anderen Absichten nach Swamp kamen." Latak Decimo schwang auf seinem Pilotensessel herum. Der Synoptiker, einer der seltenen Vertreter der laktonischen Hauptwissenschaft, grinste, als er den mit Männern angefüllten Kontrollraum der WALTER BECKETT sah. Er lächelte, als er Ierra Kretan sah, die einzige Frau an Bord, die gerade die Zentrale betrat. Sie hatte die letzten Worte mitangehört. Die Mathematikerin war hinreichend über die Lage auf der Erde informiert, so daß sie sich ihr eigenes Bild machen konnte. Auf Terra, dem fernen Heimatplaneten Rex Cordas und der WALTER BECKETT, hatte der laktonische Botschafter, K. Enschko, mit Hilfe von Becon verbrecherische Experimente unternommen. Die Ergebnisse dieser Experimente waren die Veränderten, die in einem gekaperten Schiff durch den Raum flogen. „Die zehn Veränderten wollten zu den Orathonen überlaufen", sagte die Frau fest. Ihr hübsches Gesicht war ungewöhnlich ernst. „Aber die Featherheads waren der Meinung, daß von einem Schiff laktonischer Bauart nur ein Angriff ausgehen kann. Darum haben sie die Annäherungsversuche mißverstanden und ihrerseits einen Angriff gestartet." Rex Corda nickte zustimmend. „Die Situation ist nicht nur für uns
verwirrend", meinte er. „Wir haben auf der einen Seite Samar Tarkant, den falschen Marduranen. Er ist offenbar wahnsinnig, aber sein Wahnsinn ist für Außenstehende nicht sofort erkennbar." Mit Schaudern entsann sich der Präsident der fernen Erde, der grauenhaften Vorfälle an Bord des Wachschiffes COROCON III, jenes Schiffes, das jetzt zerstört in den Sümpfen von Swamp lag. „Dann haben wir Sigam Agelon, dem es durch einen unglaublich kühnen und gewagten Handstreich gelungen ist, die Nadel von der Erde zu entführen. Welcher Art die Aufschlüsse dieser Nadel sind, die Agelon erfahren hat, können wir nur ahnen." „Was hat es mit der Nadel auf sich?" erkundigte sich Ierra Kretan scharf. „Bisher hat es keiner für nötig befunden, mich über den genauen Sachverhalt aufzuklären." Rex Corda blickte die Frau lange an. „Sie kennen vielleicht aus unseren Gesprächen einige Männer des Terra-Systems. Einen Mutanten namens Tsati Mutara. Dieser Mutant — wir vermuten, daß er längst tot ist — war in der Lage, Energiefelder zu durchbrechen. Mit seiner Hilfe konnten wir die letzten Supertransmitter zerschlagen. Ein anderer Mutant war Fred Matson. Er hatte fast die gleiche Fähigkeit, aber in weit stärkerer Form. Ihm gelang es, den riesigen Schirm, die gigantische Energieblase, die von den Featherheads um das Terra-System gelegt wurde, zu zerschlagen!" „Das ist unmöglich", sagte die Frau kühl. „Ich vermute, daß Sie kein Fachmann für philosophische Mathematik sind, Corda." Ihre Worte tropften ätzend in die Stille. Rex Corda schüttelte lächelnd den Kopf. Leicht irritiert fuhr die Laktonin fort: „Wenn es einem Lebewesen gelingen sollte, eine Energieschranke von kosmi-
schen Dimensionen zu durchbrechen, dann muß sein Körper eine andere Seinsform annehmen. Sie sehen, es ist unmöglich..." „Durchaus nicht", sagte Corda ruhig. „Matson, der Energiemechaniker, hat eine — wie Sie sagen — andere Seinsform angenommen. Er wurde zu einem Stein. Einem etwa fünfzig Zentimeter langen Gebilde aus unvorstellbar dichter Materie. Wir vermuten, daß er jetzt bei den ZEITLOSEN ist." Ierra Kretan sah den schlanken blonden Terraner verblüfft an. „Bei den ZEITLOSEN ...", murmelte sie. Dann richtete sie sich auf. „Und was hat das mit dieser Nadel zu tun?" „Diese Nadel war einmal seine Frau", meinte Rex Corda ernst. „Genauer gesagt, die Parallelmutantin Virginia Matson. Im gleichen Augenblick, als es ihrem Mann gelang, die Energiebarriere um das Terra-System zu zerschlagen, verformte sie sich mit ihm. Sie wurde zu einer sieben Meter hohen Nadel; das Material konnte von uns nicht analysiert werden. Fest steht jedoch, daß sie eine materiell entsprechende Form gesucht und gefunden hat, um in Verbindung mit ihrem Mann zu bleiben. Diese Nadel strahlt Botschaften aus. Die meisten konnten wir nicht entschlüsseln. Aber es schien, als stünde sie in dauernder Verbindung mit ihrem Mann..." „... und damit auch mit den ZEITLOSEN", murmelte Ierra Kretan. Die Frau trat bis zur Wand zurück und senkte den Kopf. „Verzwickte Situation", brummte Bekoval. „Wir haben diesen einen Verrückten, Samar Tarkant. Dann hetzten zehn Veränderte durch den Raum, die von der Erde kamen, und jetzt gibt es noch Sigam Agelon, der sich ebenfalls verändern ließ, offenbar mit Erfolg, denn die Aktionen verraten eine unheimliche Planmäßigkeit. Er läßt sich
durch nichts von seinem unbekannten Ziel abbringen!" „Es ist zu einer Kursänderung noch nicht zu spät", sagte Rex Corda plötzlich, „ich bitte um Ihre Meinung!" „Sie meinen, wen wir verfolgen sollen?" fragte Oberst Percip. „Wenn das so ist, habe ich meine Stimme bereits abgegeben: Wir verfolgen die zehn Veränderten !" * Der Trop, der dem alten und ehrwürdigen Geschlecht der Fenberth-Fen-Berthnyen angehörte, zog seine grauen Schnurrbarthaare kräuselnd nach oben. Diese Geste drückte bei dem Trop immer besondere Befriedigung aus. Thali stellte sich auf die Hinterläufe, dann stellte er mit rascher Bewegung eine Verbindung her. Kabelenden wurden zusammengeschlossen, Relais klickten unhörbar, durch eine komplizierte Schaltung floß Schwachstrom. Die beiden Bronzeroboter an der Tür schöpften keinen Verdacht. Es entging ihnen auch, daß der kleine Trop den elektronischen Dolmetscher, der neben dem auf sein Bett geketteten Mutara lag, mit seinen Geräten verband. „Hörst du mich?" flüsterte der Trop. Tsati Mutara regte sich auf der metallenen Zunge. Seine Augen öffneten sich, aus seinem Mund quoll ein Stöhnen. „Still", wisperte der Trop. „Du mußt nur die Lippen bewegen, ich höre dich dann." „Trop?" „Ja, Tsati." Der Trop machte eine gleichgültige Bewegung zu den Bronzenen hin. Ein Blick des einen Maschinenmenschen glitt über ihn hinweg. „Sigam Agelon hat angeordnet, daß die Offiziere und höheren Techniker in den großen Versammlungsraum
kommen sollen", knarrte die metallische Stimme. Der Bronzene gab sich keine Mühe, zu dem Trop mit reichhaltiger Modulation zu sprechen. Der Energieverbrauch war dann höher und hier überflüssig. „Ein Festbankett, was?" grinste der Trop. Wieder kräuselten sich seine Schnurrbarthaare empor. „Das gilt leider nicht für mich, du Monster." „Ich heiße ETR 7632", protestierte der Bronzeroboter. Sein metallenes Gesicht verzog sich zu einer Grimasse. Der Trop schüttelte in einer menschlichen Gebärde den Kopf. „Der Kommandant will den Versuch fortsetzen. Der Barbar wird auf langsamem Feuer geschmort. Er darf nicht ganz sterben, verstehst du? Immer nur ein bißchen." Der Bronzeroboter würdigte den kleinen Trop-Techniker keines Blickes mehr. „Immerhin", sagte der Maschinenmensch mit abgewandtem Gesicht, „habe ich Ihnen die Nachricht weitergegeben. Sollten Sie zur Rechenschaft gezogen werden, trifft uns dann keine Schuld." Thali stieß ein hohes Lachen aus. Er gab sich ganz so, wie man es von einem Trop erwartete. Sie waren ungemein fähige Techniker, aber die größten Individualisten unter den orathonischen Hilfsvölkern. Die Trops erfreuten sich an Bord der orathonischen Hantelraumer größter Beliebtheit und konnten sich ein ungezwungenes Benehmen leisten. Sie tollten oft wie spielende Tiere um die Beine der gravitätischen Whims oder der marschierenden Bronze-Roboter. Dann wieder saßen sie würdevoll zusammen, palavernd wie Ratsherren. „Hörst du mich?" wisperte der Trop. „Ja", flüsterte Mutara. Thali registrierte befriedigt, daß sich nicht einmal der Kehlkopf des Negers bewegte. Er konnte jetzt sogar die Anwesenheit eines Medo-Roboters riskie-
ren. Auf einen Wink kam einer dieser kleineren Roboter-Typen mit seinen Spezialgeräten heran. Der verkrampfte Körper des Negers wurde mit Spritzen und Massagen wieder fit gemacht. Währenddessen entspann sich eine lebhafte Unterhaltung, die von den Medo-Robotern nicht bemerkt wurde. „Die Befragung wird weitergehen", sagte der Trop. „Das halte ich nicht mehr aus", sagte Tsati Mutara keuchend. „Die Erinnerung an das letzte Experiment auf der Venus hat mich fast um meinen Verstand gebracht. Das nächste Mal..." „Du wirst es überstehen", meinte der Trop beruhigend. „Ich habe zusätzliche Widerstände eingeführt. Das heißt, daß deine Erlebnisintensität herabgesetzt ist. Du wirst alles wie einen Traum erleben. Wie einen unwirklichen und schrecklichen Traum. Aber du stehst nicht mehr mitten im Geschehen drin. Du bist dir jederzeit bewußt, daß du — bildlich gesprochen — sofort wieder aufwachen kannst, daß alles eben nur ein Traum ist." „Danke", flüsterte der Neger. „Weißt du überhaupt, was Sigam Agelon mit der Befragung bezweckt?" „Ich kann es nur vermuten", antwortete der Trop vorsichtig. „Agelon will hinter dein Geheimnis der Energiemanipulation kommen. Er will wie du Energieschirme brechen können." Tsati Mutara lachte unhörbar. „Wie will er das schaffen?" „Es ist durchaus möglich. Agelon ist anders geworden. Das Experiment mit jenem seltsamen Stoff unter seiner Schädeldecke ist geglückt. Agelon ist unvorstellbar mächtig geworden. Aber es fehlt ihm noch deine Begabung, die dich so ungeheuer wertvoll macht..." *
Das scharfe, würzige Getränk brannte in den Kehlen. Die Ansprache Sigam Agelons war kurz, aber jedes einzelne Wort bohrte sich in die Gehirne seiner Offiziere. Agelon schaffte eine eigenartige Atmosphäre. Er handelte fast wie im Rauschzustand. Jeder seiner Soldaten war mitgerissen von seinen Worten. Während sich Agelon setzte, vom Beifall seiner Offiziere umtost, vermißte er Ger-Velath. Cort Kosta, der zur rechten Seite des Flottenkommandeurs saß, beugte sich vor: „Ger-Velath scheint immer noch etwas unter den Vergiftungserscheinungen auf dem Sumpfplaneten zu leiden." Der Vertraute Sigam Agelons lachte und hielt sein leeres Glas einem Mädchen hin, das die Bedienung übernommen hatte. Die Kleine füllte das Glas mit dampfendem Wein. Etwas schwappte über und tropfte auf den Fußboden. Cort Kosta lachte gutmütig. Er gab der Kleinen einen Klaps und befahl ihr, die Tropfen aufzuwischen. Eilig kam das Mädchen seinem Befehl nach. Während sich die Dienerin ihm zu Füßen bewegte, wunderte sich Cort Kosta über die Einstellung Sigam Agelons, der sich nur selten von Bronze-Robotern bedienen ließ. Er zog Frauen vor, die allerdings nicht jene Schnelligkeit und Präzision aufwiesen wie die Bronzenen. Nun, Kosta war es recht. Wohlgefällig musterte er das äußerst spärlich bekleidete Mädchen, das sich kichernd entfernte. Agelon hatte recht: BronzeRoboter waren weitaus weniger amüsant. „Was hast du gesagt?" Sigam Agelon schien nicht bei der Sache zu sein. Das Gesicht des hohen Featherheads leuchtete. Nur schwer schien er in die Wirklichkeit zurückzufinden. „Sie sprachen von Ger-Velath", sagte Kosta ruhig.
„Richtig, Ger-Velath, der Verbindungsmann, Sieh nach, wo er steckt." Cort Kosta erhob sich mit einem Kopfnicken. Seine dunklen Federn flatterten. Der hochgewachsene Vertraute Agelons warf einen Blick in die Runde. An der Tafel, an der die köstlichsten Leckerbissen des orathonischen Reiches aufgetragen wurden, herrschte eine fast gedrückte Stimmung. Keiner wagte ein lautes Wort. Woran mochte das liegen? Ahnten die Offiziere, daß Unheil bevorstand? Die Ansprache Sigam Agelons war in sehr allgemeinen Worten gehalten. Er sprach von Sieg, von der Niederwerfung des Feindes, aber es waren nur Andeutungen. Wer war der Feind? Über wen wollte er den Sieg erringen? Cort Kosta eilte aus der Halle. In der Vermittlung gab er eine Meldung an den Verbindungsmann durch und beauftragte gleichzeitig mehrere LaserKameras, nach Ger-Velath zu suchen. Kopfschüttelnd glitt er in einen Gravo-Schacht. Er hatte eine bestimmte Ahnung, der er nachgehen wollte. Was wußten sie über den Verbindungsmann? Nachdem sich die Terraner mit Unterstützung der Laktonen von der Umklammerung durch die Featherheads befreit hatten, war das Schlachtschiff Sigam Agelons zur Orathonen-Zentrale beordert worden. Agelons Vater, Moga Agelon, das Oberhaupt der mächtigen FAMILIE, hatte mit seinem Sohn gesprochen. Und nicht einmal Cort Kosta war über dieses Gespräch informiert worden. Es war durchaus denkbar, daß Sigam Agelon nach seinem Mißerfolg im TerraSystem bei seinem Vater in Ungnade gefallen war. So ließ sich auch der Auftrag erklären, der sie zu den Grenzen der Galaxis geführt hatte. Man hatte ihnen hierfür ein neues Schlachtschiff zur Verfügung gestellt, die
LYNTHOS. Und gleichzeitig war ein neuer Mann in den Führungsstab berufen worden: Ger-Velath. Er hatte den Status eines Verbindungsmannes, aber welche Funktion hatte dieser Orathone wirklich? Er begab sich immer in die gefährlichsten Situationen, um in der Nähe Sigam Agelons sein zu können. Sollte er Sigam Agelon vor eventuellen Gefahren schützen? Cort Kosta stieg auf die Gravo-Plattform, die für den Lastentransport vorgesehen war, und ließ sich langsam in die Höhe tragen. Jetzt konnte er die gesamte Halle überblicken. Von GerVelath war keine Spur zu entdecken. Die Türen zu dem nächsten kleinen Raum glitten vor Kosta zurück. Und jetzt wußte er auch, daß ihn seine Ahnung nicht getrogen hatte. Ein Blick erfaßte die ganze Situation. Ger-Velath stand inmitten der lachenden Sklavinnen. Die Mädchen umdrängten den fülligen Mann und fütterten ihn mit Leckerbissen. Automatisch trat ein verständnisvolles Lächeln auf die Züge Kostas, aber seine Augen blickten kalt. Er hatte die Bewegung Ger-Velaths genau gesehen. Mit der linken Hand umfaßte der Verbindungsmann die Schulter eines hübschen dunklen Mädchens. Er lachte dröhnend; aber gleichzeitig glitt seine Rechte von einem besonders reich verzierten Tablett zurück. Cort Kosta bemerkte es sofort: Es waren die Speisen und Getränke, die für Sigam Agelon bestimmt waren. Auch das Aufblitzen in der Hand des Verbindungsmannes war Kosta nicht entgangen. Jetzt hatte Ger-Velath ihn gesehen. „Kommen Sie, Kosta", dröhnte der Verbindungsmann herzlich. „Hier gibt es für jeden etwas!" Cort Kosta näherte sich lächelnd. Seine Augen blickten wachsam. Die Hand schwebte über dem Blau-Lighter an seiner Seite.
Grinsend schüttelte der Vertraute den Kopf. „Sie können anscheinend nie genug kriegen, Ger-Velath", brummte er. „Kommen Sie, ich muß mit Ihnen sprechen!" Der Verbindungsmann nickte freundlich. Er tätschelte einige der Mädchen, die kichernd davonstoben, und folgte dann Kosta in den Gang nach draußen. Mit einem Blick vergewisserte sich Kosta, daß der Gang leer war. Erst am nächsten Knotenpunkt sah er das stetige Kommen und Gehen der Mädchen. Zu jeder anderen Zeit hätten ihm ihre anmutigen Bewegungen ein vergnügtes Lächeln entlockt, jetzt aber war sein Gesicht wie aus Stein gemeißelt. Als er sich wieder umdrehte, sah er den prüfenden Blick Ger-Velaths. Die beiden Featherheads maßen sich mit den Augen. „Was haben Sie dort drinnen gemacht?" verlangte Kosta zu wissen. Er bemühte sich nicht mehr um einen freundlichen Ton. Ger-Velath grinste. „Nun, Sie werden es nicht für möglich halten, aber ich..." Cort Kosta hatte nicht gesehen, wo Ger-Velath so schnell die Waffe herbekommen hatte. Vermutlich hatte er sie schon die ganze Zeit in der Hand getragen. „Was soll das?" knurrte Cort Kosta. „Das wissen wir beide ganz genau. Wenn Sie einen Schritt näherkommen, Kosta, drücke ich ab. Dieser kleine Blau-Lighter in meiner Hand ist eine Spezialanfertigung. Es ist eine Hochleistungswaffe, die sonst nur Moga Agelon trägt." Cort Kosta erstarrte. „Sie wurden vom Moga persönlich geschickt?" Ger-Velath antwortete nicht. Seine freie Hand glitt in eine Falte seines dunkelgrünen Umhangs. Das winzige glänzende Zeichen, das er hervorholte, erstrahlte in einem brennenden Rot.
„Warum wurde Sigam Agelon nicht darüber informiert, daß sich ein Beauftragter seines Vaters an Bord befindet?" fragte Cort Kosta scharf. Der andere stieß ein höhnisches Lachen aus. „Ich hätte Sie nicht für so dumm gehalten, Kosta! Sie wissen genau, daß der Moga seinem Sohn mißtraut. Man hätte die erste Gelegenheit benutzt, um mich unschädlich zu machen. Es gab genug gefährliche Situationen!" Cort Kosta nickte. „Was haben Sie in das Glas Sigam Agelons getan?" fragte er. „Oh, nichts Besonderes." Ger-Velath lachte leise. „Nichts, was Sigam Agelon schaden könnte. Es handelt sich um. eine Wahrheitsdroge. Auf jede beiläufige Frage wird Ihr Chef wahrheitsgemäß antworten. Und auch die Tatsache, daß er ein Veränderter ist, wird darauf keinen Einfluß haben." „Das ist alles?" „Kaum. Die Wahrheit mag interessant sein, aber sie gibt mir noch keine Möglichkeit zu handeln. Die Droge ist weitaus wirksamer. Sigam Agelon wird meinen Befehlen gehorchen." „Sie wollen Befehle geben?" Das Gesicht Cort Kostas verzerrte sich vor Wut. Mit geballten Fäusten wollte er sich auf den Verräter stürzen, aber er kam nicht weit. „Zurück!" bellte GerVelath. Der Vertraute Agelons schien auf der Stelle zu verharren. Mitten im Satz machte er eine halbe Drehung. Es war ein grotesker Anblick, wie sich der Featherhead in der Luft umwandte und wieder auf seinem Ausgangspunkt landete. „Ach ja." Ger-Velath lächelte zynisch. „Eines habe ich vergessen Ihnen zu sagen, Kosta. Sie selbst haben natürlich längst die Wahrheitsdroge bekommen. Es wird Ihnen unmöglich sein, sich meinen Befehlen zu widersetzen!"
Die Züge Kostas erschlafften. Aber immer noch standen die dunklen Federn auf seinem Haupt steil aufgerichtet. „Ich darf Ihnen also gehorchen. Nun schön!" brummte er. „Da ich nunmehr Ihr Vertrauter bin, Ger-Velath, können Sie mir auch sicher sagen, was Sie nun wirklich vorhaben." „Recht gern." Der Verbindungsmann grinste, steckte die Waffe ein und rieb sich die Hände. „Das Ganze ist nur eine Vorsichtsmaßnahme. Nur für den Fall, daß Sigam Agelon vorhat, nicht nach MORATHA zurückzukehren, wozu er von seinem Vater verpflichtet wurde. Sollte Agelon die Zentrale des orathonischen Reiches anfliegen, ist alles in Ordnung. Keiner wird etwas merken, die Wirkung der Droge vergeht. Sollte er aber andere Dinge vorhaben, Schritte auf eigene Faust, etwa einen kleinen Rachefeldzug gegen das Terra-System oder andere Ausflüge, dann bin ich der Befehlshaber." Cort Kosta grinste spöttisch. „Sie haben mich unter Kontrolle, Ger-Velath. Vielleicht gelingt es Ihnen auch bei Sigam Agelon, obwohl ich das noch bezweifle. Aber Sie können nicht jedem einzelnen an Bord Ihr Wundermittel eingeben. Man wird sich Ihren Befehlen widersetzen." „Nicht, wenn ich die Vollmacht des Moga vorweise." Wieder förderte GerVelath das kleine brennendrote Symbol zu Tage. „Außerdem, aus welchem Grund hat Sigam Agelon ein neues Schlachtschiff bekommen? Die LYNTHOS ist ein Spezialraumer. Nicht einmal ich weiß, was für Sicherheitseinrichtungen Moga Agelon hier installieren ließ. Aber ich werde es wissen. wenn es nötig ist. — Kommen Sie." Cort Kosta verneigte sich spöttisch. Er merkte, daß es ihm tatsächlich unmöglich war, sich den Befehlen GerVelaths zu widersetzen. Aber er hatte seine Persönlichkeit behalten. Natürlich,
schoß es ihm durch den Kopf. Als willenlose Marionette würde er sofort Verdacht erregen. „Es ist Ihnen natürlich klar, Kosta, daß Sie von diesem Gespräch auch nicht ein einziges Wort verlauten lassen dürfen!" Die Worte klangen beiläufig, aber es war ein Befehl. „Ihr gehorsamer Diener", grinste Cort Kosta böse. Seine Verneigung reichte diesmal fast bis zum Boden. * Das volle Glas in der Hand des Gefiederten zitterte nicht. Um ihn waren die Offiziere etwas lebhafter geworden. Aber auch der Alkohol ließ keine wirklich fröhliche Stimmung aufkommen. Die Ungewißheit bedrückte die Soldaten. Sie hatten mehr denn je Angst vor ihrem Flottenkommandeur. Denn dieser Featherhead war ein Veränderter ... Sigam Agelon trank sein Glas in einem Zuge leer. Der scharfe Alkohol war ihm nicht anzumerken. Seine gemusterten Augenlider hoben sich etwas, als er die beiden Orathonen am Eingang der Halle auftauchen sah. Langsam näherten sie sich ihm. GerVelath verneigte sich. „Wo haben Sie gesteckt?" knurrte der Flottenkommandeur. Sein weiter roter Mantel bauschte sich unter einer fließenden Bewegung. Ger-Velath lächelte. „Ich mußte leider noch einmal die Hilfe einiger MedoRoboter in Anspruch nehmen. Mein Körper scheint immer noch völlig verseucht zu sein." „Mit Ihrem Gehirn ist hoffentlich alles in Ordnung?" erkundigte sich Agelon scharf. „Ich bin es nicht gewohnt, daß mich meine Untergebenen warten lassen!" *
„Ich darf Ihnen noch einmal die Situation erläutern, meine Herren!" Das breite olivgrüne Gesicht des Flottenkommandeurs zeigte ein leichtes Lächeln. In Cort Kosta tobte eine Hölle. Er mußte sich einfach verständlich machen. Es war seine Pflicht, Agelon von den Absichten Ger-Velaths zu benachrichtigen. Er wußte alles. Jedes Wort hatte sich mit schmerzlicher Deutlichkeit in sein Gehirn eingeprägt. Kosta versuchte es, einen Hinweis zu geben. Der spöttische Blick Ger-Velaths ruhte auf ihm. Außer einem Krächzen brachte Kosta nichts hervor. „Ist Ihnen nicht gut?" fragte Agelon ätzend. Cort Kosta schüttelte den Kopf. Seine Worte klangen plötzlich wieder klar. Es schien, als könne er alles aussprechen, was er nur wollte. Aber in seinem Innern wußte der Vertraute, daß es eine Täuschung war. „Nein. Vermutlich noch die Nachwirkungen der Drogen." Der verächtliche Lächeln auf den Lippen des Flottenkommandeurs verstärkte sich. Der Zynismus Sigam Agelons war unerträglich geworden, seitdem er die Veränderung durchgemacht hatte. Er schien mit einer grenzenlosen Verachtung auf alle normalen Lebewesen herabzublicken. „Sie sollten nicht soviel trinken, Kosta. Und auch Sie, Ger-Velath. Ich werde die Geschichte mit den Medo-Robotern nicht nachprüfen. Sie interessiert mich nicht. Vermutlich waren Sie bei den Dienerinnen, was?" Das Lachen Ger-Velaths klang unecht. „Sie wollten uns einen Überblick geben, Kommandant!" Sigam Agelon sah den Verbindungsmann kalt an. „Ich gebe hier die Anordnungen,
Ger-Velath!" Das kalte Leuchten in den Augen Agelons hatte sich verstärkt. Ger-Velath fiel förmlich in sich zusammen. In Kostas Gehirn tobten die Gedanken. Hatte Sigam Agelon von sich aus etwas bemerkt? War er hinter den Verrat Ger-Velaths gekommen? Einen Verrat, der von höchster Ebene, vom großen Moga Agelon gesteuert wurde? Gespannt blickte Kosta auf Ger-Velath. Er ahnte, was jetzt kommen würde. Ger-Velath würde die Probe machen. „Ich bitte Sie", sagte Ger-Velath mit zusammengebissenen Zähnen, „uns den Situationsbericht zu geben!" Sigam Agelon lächelte. „Natürlich. Gern. Wie Sie wünschen, Ger-Velath!" Cort Kosta entspannte sich. Widerstreitende Gefühle kämpften in seinem Innern. Offenbar hatte die Droge GerVelaths gewirkt. Die große Auseinandersetzung, die nur mit der Hinrichtung des Verbindungsmannes enden konnte, war vermieden worden. Ausdruckslos blickte Sigam Agelon auf den Trop-Techniker, der bereits vor seinen Kontrollen saß. Neben ihm lag der reglose dunkle Körper des Ter-raMutanten Tsati Mutara auf der Metallzunge. Hinter der Zunge gähnte die dunkle Öffnung, bereit, ihr Opfer wieder aufzunehmen... „Das Terra-System ist für uns unwichtig geworden. Darum zogen sich die Schiffe der Orathonen unter meiner Leitung zurück." Sigam Agelon blickte sich scharf um. Niemand der beiden anwesenden Orathonen widersprach dieser verfälschten Darstellung. In Wahrheit war die Orathonenflotte geflohen, nachdem die Terraner zusammen mit den Laktonen die Supertransmitter und die Energieglokke zerschlagen hatten. Das Terra-System sollte zerstört werden. Dann wurde der Rückzug zum Zentrum des ora-
thonischen Reiches, MORATHA, befohlen. Dieser Rückzug glich einer Flucht. „Bevor wir den Abschnitt mit dem Terra-System verlassen hatten", fuhr Sigam Agelon fort, „gelang es mir, einen unserer ärgsten Feinde, den Laktonenführer Jakto Javan, zu töten. Das kam einem wichtigen Sieg gleich!" Die Gesichter der beiden Männer blieben ausdruckslos. Auch hier lagen die Tatsachen anders, aber man war auf Vermutungen angewiesen. Es war allgemein bekannt, daß es Sigam Agelon gelungen war, bei einem Duell auf dem Planeten Terra den Laktonenführer mit einer tödlichen Waffe die Kampfhand abzuschlagen. Das war aber kein Beweis für den Tod des Laktonen. „Auf MORATHA", betonte Sigam Agelon, „wurde mir von meinem verehrten Vater der ehrenhafte Auftrag übertragen, ein rebellierendes Volk zu befrieden. Die widerspenstige Rasse der Sylper auf ihrem Hauptplaneten KAITHOR konnte vernichtend geschlagen werden. Wie zuvor steht sie uns als Sklavenvolk zur Verfügung!" Ger-Velath neigte ehrfürchtig den Kopf. Er wußte genau, daß diese Strafexpedition von Moga Agelon angeordnet war, um Sigam Agelon zur Raison zu bringen. Agelon hatte den Auftrag mit gewohntem Geschick und der nötigen Brutalität hinter sich gebracht. Er konnte aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß der Auftrag alles andere als ehrenvoll war. „Ist der Mutant bereit, unter die Sonde zu kommen?" Der Trop bejahte. Die flinken Finger Thalis glitten über die Kontrollen. Langsam schob sich die Metallzunge mit dem gefesselten Mutanten in die Öffnung unter dem Computer. Die Befragung konnte weitergehen. Die Wand schloß sich. „Mutara hat uns bei der Befriedung
des Rebellenvolkes gute Dienste geleistet", betonte Sigam Agelon. „Wir wären auch ohne ihn ausgekommen, aber das beschleunigte den Vorgang. Sie haben alles miterlebt. Die Erinnerung des Mutanten wird uns wichtige Aufschlüsse über sein Vorgehen geben. Wir werden imstande sein, uns seine Fähigkeiten zu eigen zu machen!" Wieder glitten die pelzigen langen Finger des Trop über die Kontrollen. Der große Holograf über der Computerwand leuchtete auf. Mit rasender Schnelligkeit schienen sie auf die Oberfläche eines wild zerklüfteten Planeten zuzufallen. KAITHOR, Planet der Sylper. Schauplatz grauenhafter Ereignisse. * Es waren sieben Landungsboote, die sich in die klare Atmosphäre von KAITHOR hinabschwangen. Sieben Landungsboote, bis an den Rand gefüllt mit Kampfrobotern und Spezialeinheiten der Fremdrassen. Gleichzeitig taumelten Ätzer aus den Luftschleusen der LYNTHOS. Die flatternden Fellteppiche verloren rasch an Höhe und stürzten sich der Oberfläche des Planeten entgegen. „Das ist eine Lebensform, die Sie interessieren wird, Mutara", meinte Sigam Agelon beiläufig. Er stand neben dem terranischen Mutanten. Hinter ihm befanden sich Cort Kosta und Ger-Velath. Die beiden Offiziere aus dem Führungsstab Agelons starrten auf die Rundung des Planeten unter ihnen. Die LYNTHOS war nicht allein auf die rebellierende Rasse der Sylper angesetzt worden. Sie war umgeben von einem Kordon von Diskusraumern und leichten Kreuzern. Wirbelnd stürzten sich die Landungsboote auf die Oberfläche zu. Plattformen begleiteten sie, aber sie folgten langsamer.
Es waren sieben Landungsboote, und alle barsten innerhalb weniger Sekunden in einem grellen Lichtblitz. Sie schienen gegen eine feste Mauer zu prallen. An einer Stelle dicht über der Oberfläche des Planeten stoppte ihr rasender Fall. Das Licht schmerzte in den Augen der Männer, die auf dem Holografen das Geschehen verfolgten. Sigam Agelon stieß einen Fluch aus. Wütend verlangte er nach dem Spezialisten für Xenologie. Man hatte die Rasse der Sylper bisher immer unterschätzt. Natürlich hatten die Xenologen der Orathon-Flotte erkannt, daß diese weißen, über drei Meter langen Raupen ausgezeichnete Soldaten abgeben würden. Man hatte ihre Kampfkraft erkannt. Dennoch waren sie unterschätzt worden. Die Sylper waren schon immer ein widerspenstiges Volk gewesen. Mit Mühe hatten die Featherheads nach der Unterwerfung der Sylper einen Vertrag aushandeln können, nach dem diese Rasse eine bestimmte Menge von Soldaten für den Galaktischen Krieg zu stellen hatte. Es hatte damals, nach der Unterwerfung der Sylper, nur eine Alternative gegeben: Die völlige Vernichtung des KAITHOR-Systems. Experten hatten gewarnt, diese Wesen im kosmischen Krieg einzusetzen. Aber ihr Einsatz hatte keine Schwierigkeiten gemacht. Hier hatten sich die Sylper mehr als einmal bewährt. Aber es war ihre Mentalität, daß sie nicht einfach zuließen, für eine fremde Rasse zu kämpfen. Kleinere Aufstände waren von MORATHA unberücksichtigt geblieben. Aber seit Wochen waren die Transporter mit Soldaten ausgeblieben; die Sylper hatten sich geweigert, noch länger an dem — wie sie sagten — „fremden" Krieg teilzunehmen. Sigam Agelon führte eine Strafexpedition. Er mußte dieses Volk wieder zum
Gehorsam zwingen. Unaufhörlich bellte Sigam Agelon die Befehle durch die Zentrale. Er versuchte zu retten, was noch zu retten war. Für die sieben Landungsboote kamen seine wütend hervorgestoßenen Befehle jedoch zu spät. KAITHOR war mit einem Energieschirm umhüllt. Man wußte, daß die Sylper mit Energien manipulieren konnten; gerade das machte sie zu gefürchteten Soldaten. Aber es hatte als unmöglich gegolten, daß sich diese wenig intelligenten Lebewesen vereinigen könnten, um einen Energieschirm dieser Größe herzustellen. Mit vor Wut verkrampften Kiefern sah Sigam Agelon auf den neben ihm siehenden dunkelhäutigen Terraner. Tsati Mutara überragte Sigam Agelon um fast einen halben Meter. Seine in einen orangefarbenen Raumanzug gekleidete Gestalt wirkte schmal und kräftig neben dem Gefiederten. „Jetzt kommen Sie zum Einsatz, Mutara", sagte Sigam Agelon. „Machen Sie das wieder gut, was Sie auf Terra angerichtet haben." Tsati Mutara antwortete nicht. Es war überflüssig, mit Sigam Agelon über die Zerstörung der Supertransmitter zu streiten. Der Orathone hätte ihn sofort schwersten Bestrafungen ausgesetzt. „Sie sind unser Wunderknabe, Mutara", höhnte Sigam Agelon. „Zeigen Sie jetzt mal, daß Sie Ihr Pulver wert sind!" Die dunklen Augen des Terra-Mutanten blickten forschend in das breite, grünliche Gesicht. Mutara mußte dazu seinen Kopf nach unten neigen. Er wußte, warum Agelon ihn verhöhnte. Er wollte seinen Fehler vertuschen. Mutara schüttelte den Kopf. Es war unglaublich, wie primitiv manchmal die Angehörigen dieses technisch so hochentwickelten Volkes sein konnten. Sie nannten die Terraner Barbaren,
Primitive. Aber die eigentlichen Barbaren waren sie, die wie einst die Horden Dschingis Khans auf Terra das All verwüsteten. Ausgebeutete, nutzlose, tote Planeten zurücklassend. Nichts achtend. Nur das Recht des Stärkeren gelten lassend ... Tsati Mutara zuckte zusammen, als ihn der Gefiederte im roten Umhang am Arm packte. Der Griff Agelons war wie ein Schraubstock. „Los", sagte Agelon und nickte Cort Kosta und Ger-Velath zu, die sich in der Nähe aufhielten. „Anmessungswerte des Schirms?" Der von den Sylpern erzeugte Schirm wies ein ungeheuer hohes Energiepotential auf. Ein stürzendes Schiff wie die LYNTHOS konnte ihn zwar zerschlagen, aber dabei würde das Schiff draufgehen. Einige Superbomben konnten zwar den Schirm, aber vielleicht den ganzen Planeten KAITHOR zerreißen. Das entsprach nicht dem Befehl Moga Agelons. Das Oberhaupt der FAMILIE hatte verlangt, an den widerspenstigen Sylpern ein Exempel zu statuieren, aber nicht mehr. Diese Rasse war als Soldaten wertvoll. Agelon stieß den Neger in die ausgebreiteten Arme einiger Bronze-Roboter. Mutara trug zwar — wie man glaubte — den semibiotischen Conductor im Hirn, aber allgemein nahm man an, daß der Terraner diesem „Dirigenten" einen größeren Widerstand entgegensetzte als jede andere bekannte Rasse. Tsati Mutara wurde auf eine Plattform gestoßen. Vor ihm öffnete sich das dunkle Maul der Luftschleuse, verschlang ihn und spie ihn sofort wieder aus. Eisige Luft umgab ihn. Man hatte es nicht für nötig gehalten, seinen Raumhelm zu schließen, weil KAITHOR ein Sauerstoffplanet war. Doch die Atmosphäre war so dünn, daß Mutara mühsam nach Luft rang.
Schwarze Schleier tanzten vor seinen Augen, als er in die Tiefe blickte. Trotz seiner Sehstörungen erhaschte er einen Blick auf die Oberfläche des Sylperplaneten. Mutara schüttelte den Kopf. Die flache ferngesteuerte Gravosscheibe, auf der er sich befand, schoß in rasender Fahrt auf die Oberfläche des Planeten zu. Die Luft wurde wärmer und atembarer. Wolkenfetzen schwebten vorüber. Der Planet bestand aus Felsen und Meer. Die großen dunklen Wasserflächen bedeckten etwa Dreiviertel von KAITHOR. Dazwischen ragten die bunten Felsen empor. Sie schienen alle möglichen Farbschattierungen aufzuweisen, aber dennoch war der Felsen nackt und wies keinerlei Pflanzenbewuchs auf. Mutara fragte sich, was dieser Planet für eine Sauerstoffatmosphäre haben konnte. Die Antwort fiel ihm sofort ein: Das Meer! Alles Leben befand sich in diesem Meer. An der Oberfläche trieben riesige Algenfelder. Die Plattform senkte sich tiefer. Wo waren die Sylper? Mutara konnte die Energieschranke erkennen. Der Schirm flimmerte leicht. Der Mutant fühlte die Barriere eigentlich mehr als er sie wirklich sah. „Tsati Mutara!" Die Stimme dröhnte laut in seinem Ohr, und der Neger erkannte, daß sie schon einige Male gerufen haben mußte. „Ja?" „Sie können jetzt die Steuerung des Gleiters beeinflussen. Sie sind mit den Anlagen vertraut. Sie fliegen auf die Schranke zu, halten kurz vor ihr und durchbrechen sie. Danach ziehen Sie sich sofort zurück, verstanden?" Tsati Mutara grinste vor sich hin. Er machte sich keine Illusionen. Man brauchte ihn. Er durfte nicht unnötig gefährdet werden. Man hatte ihn nur allein hier heruntergelassen, weil man wußte, daß es keine Fluchtmöglichkeit
gab. Zu den Sylpern? Tsati Mutara schüttelte sich. Er hatte sich an Bord der LYNTHOS Hologramme — dreidimensionale, absolut naturgetreue LaserBilder — dieser Kreaturen angesehen. Weißlich-grün, drei Meter lang, ein schwärzlicher Kopf. Dazu lange Hornkiefer, die wie Zangen ihr Opfer umfassen konnten, und pulsierende Fühler: Energieantennen! „Verstanden?" fragte die Stimme noch einmal scharf. „Verstanden", bestätigte Mutara tonlos. Er ließ den Gleiter herabsinken, starrte auf die Energiebarriere, und hoffte in seinem Innersten, daß er versagen würde ... * "Was soll das?" fragte Sigam Agelon und sah den neben ihm stehenden Verbindungsmann scharf an. „Sie sind doch Spezialist, Ger-Velath. Sonst hätte Sie mein Vater nicht an meine Seite gestellt. Sie waren ebenfalls bei dem Einsatz auf KAITHOR, dem Planeten der Sylper, dabei. Was schließen Sie aus der Einstellung des Mutanten, er hoffe auf ein Versagen?" Ger-Velath starrte Sigam Agelon an. „Ich bin kein Xeno-Psychologe", sagte er schließlich. „Mir sind die primitiven Reaktionen dieser unterentwickelten Rassen mehr als unsympathisch." „Was Sie nicht sagen!" höhnte der Veränderte, der Sigam Agelon hieß. „Worauf sind Sie überhaupt spezialisiert, Ger-Velath? Oder wollen wir etwas deutlicher werden: Welche Funktion üben Sie hier an Bord dieses Schiffes aus?" Die Augen Ger-Velaths bekamen einen zwingenden Glanz. „Diese Frage sollten Sie nicht stellen, Sigam Agelon."
Der Gefiederte erstarrte. Der rote Mantel hing schlaff von den eingefallenen Schultern. Mit einer müden Bewegung strich ihn der oberste Orathone zurück. „Vielleicht haben Sie recht, Ger-Velath", meinte er mit müder Stimme. „Trop?" flüsterte er nach einer kurzen Pause. „Ja Herr?" Thali richtete sich auf. „Die Sondierung wird fortgesetzt. Gerade der Einsatz gegen die Sylper kann mir jetzt gute Aufschlüsse über Mutaras Art der Mutation geben. Versuchen Sie zu straffen, Trop. Wir brauchen keine unwichtigen Einzelheiten!" Thali nickte. Die Finger des Trop senkten sich auf die Kontrollen. Innerhalb des Computers begann wieder die mikroskopisch kleine Nadel in dem mutierten menschlichen Gehirn zu wandern, einzelne Partien zu reizen, Befehle zu geben und elektronische Impulse aufzufangen. * Gegenwart und Vergangenheit hatten sich vermischt. Kein Wunder bei Mutaras Erschöpfung. Und immer mußte er dabei seine wahren Gedanken zurückhalten, die Tatsache, daß er und der Trop keinen semibiotischen Conductor unter den Hirnschalen trugen, die Tatsache, daß sie sich gegenseitig halfen, so gut sie es konnten . . . Mutara wußte, daß ihn nur noch sein Unterbewußtsein aufrechterhielt, sein Unterbewußtsein, daß ihn ans Leben klammerte. Er befand sich also der Energiebarriere der Sylper gegenüber. Er sollte sich erinnern. Gut, er würde es tun. Das Flimmern vor seinen Augen verstärkte sich. Die Landschaft unter ihm, zerklüftete Felsen und wild wogende Meere, war kaum noch zu erkennen.
Er warf sich mit einem wilden Aufschrei in die Energieschranke. Es war eine andere Art von Energie, etwas, was er noch nie gespürt hatte. Die Energie war organischen Ursprungs, untrennbar mit ihr waren Gedanken und Gefühle jener Wesen verbunden, die sie erzeugten. Mutara erschauerte. Es waren Gedanken, voll von Bösartigkeit, voll von fremden, grauenerregenden Gefühlen. Empfindungen umtobten ihn, zerrten seinen Geist an die Grenzen des Wahnsinns. Tsati Mutara wußte, daß er kein Telepath war. Nicht einmal ein Emphat, ein Sender und Empfänger von Gefühlen, so wie Rex Corda einer war. Es geschah durch die organisch hervorgebrachte Energie. Mutara konnte nicht anders: Er mußte diese fremden bösartigen Wesen hassen. Und doch taten die Sylper nichts anderes, als sich zu verteidigen. Der Neger fühlte die Wogen der Energien um seinen Körper. Er ahnte, daß er wie ein aufflammendes Geschoß durch die glühenden Schichten des Energieschirms glitt. Ob er noch die Gravoplattform unter den Füßen hatte, konnte er nicht sagen. Es war auch unwichtig geworden. Aber eines fühlte Tsati Mutara mit aller Deutlichkeit: Die Energiemauer wich zurück. Sie hatte ihn aufgefangen wie ein Netz. Die Wesen hatten gespürt, daß da eine Macht war, die sie vernichten konnte. Sie hatten daraufhin ihre Energieausstrahlungen moduliert. Langsam zogen sie die Energieglocke herunter, bis kurz vor die Oberfläche des Planeten. Mutara kämpfte um sein Leben. Er fühlte, daß er sich in einem Netz befand, daß er nicht die Energie so schnell abstrahlen konnte, wie seine Feinde neue Reserven hinzuführten. Es war ein furchtbares Erlebnis für ihn, zu erkennen, daß er in jedem Augenblick Hun-
derten von Sylpern das Leben raubte. Zwei widerstreitende Meinungen waren in Mutara: Die eine haßte die Sylper wegen ihres abstoßenden Äußeren, die andere bewunderte diese Wesen, die es wagten, sich gegen die mächtigen Featherheads zu erheben. Sie versuchten es, wie es die Terraner versucht hatten. Aber sie würden unterliegen, das wußte Tsati Mutara. Unter Aufbietung aller Kräfte führte er einen riesigen Energiestau herbei. Er füllte sich bis zum Platzen mit Energie an. Dann, anstatt den Überschuß in den freien Raum abzustrahlen, überlud der Mutant den Schirm. Ein wilder Aufschrei, der in seinem Gehirn widerhallte, war die Antwort. Die Sylper waren geschlagen! Der Energieschirm existierte nicht mehr! Als haltloses, um sich schlagendes Bündel stürzte Tsati Mutara auf den dunklen Ozean zu. Die haushohen Wogen waren mit weißen Schaumkämmen bedeckt. Unter diesen Wogen ahnte Mutara die Meeresungeheuer, die wilden, urwelthaften Raubtiere der Meere. Und an den Küsten entlang lauerten die Sylper. Sie konnten ihn töten, mit einem einzigen Biß ihrer Zangen, und Mutara zweifelte nicht daran, daß diese Wesen keinen Augenblick zögern würden ... Die wirbelnden Wogen waren direkt vor ihm. Jetzt... jeden Augenblick ... Mutara schrie. Es waren die Schreie einer Kreatur, die den sicheren Tod vor Augen hat. Das Meer näherte sich ihm wie ein brüllendes Ungeheuer. Es schien sich mit schwarzen Krallen auf ihn zu stürzen. Er sah unten schon die hellen Leiber der Sylper, die schwarzen Köpfe, die aus dem Höhlensystem hervorlugten! *
„Unwichtig", bemerkte Sigam Agelon. „Diese unkontrollierten Angstgefühle, selbst noch in der Erinnerung, beweisen, daß Tsati Mutara nicht Herr seiner Begabung ist. Er ist immer noch ein Primitiver, ein Barbar." „Ein Barbar mit bemerkenswerten Eigenschaften", warf Cort Kosta ein. Der massige Orathone hatte die Augen halb geschlossen. Er beobachtete GerVelath. Soeben hatte Cort Kosta miterleben müssen, daß Sigam Agelon genau wie er selbst auf die Droge zu reagieren schien. Kein Zweifel: Ger-Velath wollte die Gewalt über das Schiff an sich reißen, um zu verhindern, daß Sigam Agelon Unternehmungen auf eigene Faust begann. Aber worauf wartete Ger-Velath noch? Wollte er ganz sicher gehen und erst noch eine gewisse Zeit abwarten? Sigam Agelon starrte vor sich hin. Er hatte seine durch die Veränderung ungeheuer angewachsenen Körperkräfte schnell wieder unter Kontrolle bekommen. Nur manchmal geschah es noch, daß unter seinem zu heftigen Griff eine Sessellehne aus praktisch unzerstörbarem Material zerbrach, als wäre es ein dürrer Ast. Oder daß unter einem freundlichen Schulterschlag ein Offizier besinnungslos zusammenbrach. Jetzt aber riß der Stoff seines Umhangs, als er tief einatmete. Er schien das Geräusch nicht zu bemerken. „Ich muß alles wissen", flüsterte er. „Alles, was dieser mutierte Barbar im Zusammenhang mit energetischen Feldern erlebt hat. Ich bin ein Veränderter. Auch mein Gehirn arbeitet anders. Ich kann die Schlüsse ziehen. Ich kann noch mehr..." Ger-Velath räusperte sich. Seine Stimme war voller Bosheit, und erst viel später sollte Cort Kosta erkennen, was Ger-Velath eigentlich gemeint hatte.
„Die Sylper wurden befriedet, einige Stämme wurden ausgerottet, Gefangene wurden gemacht. Die Expedition nach KAITHOR war ein voller Erfolg. Dieser Primitive hier wurde kurz über der Oberfläche der Welt mit einem Traktorstrahl gerettet. Über die Notwendigkeit, die sieben Landungsboote so verfrüht einzusetzen, kann man sich allerdings streiten, aber..." Ger-Velath schwieg erschrocken. Sein Gesicht, das einen selbstzufriedenen, behäbigen Ausdruck gezeigt hatte, verwandelte sich zu einer Grimasse des Entsetzens. Sigam Agelon war auf ihn zugesprungen. Seine Füße knallten auf den harten Plastikboden, als sollte das widerstandsfähige Material jeden Augenblick splittern. Cort Kosta wußte, daß es jetzt zur Entscheidung kommen konnte. Ger-Velath hatte sich sofort wieder in der Gewalt. „Zurück, Agelon!" befahl er. Sigam Agelon hielt an. Seine Züge wurden schlaff. Doch Cort Kosta zweifelte immer noch daran, ob Ger-Velath den Flottenkommandanten wirklich unter seine Gewalt hatte bringen können. Das gnadenlose, boshafte Funkeln unter den gemusterten Augenlidern Sigam Agelons wollte nicht so recht zu der Maske der Unterwürfigkeit passen. „Wir machen weiter", sagte Sigam Agelon mit schwankender Stimme. „Nach der Niederwerfung des Auf Standes gingen wir nach MORATHA zurück ..." Er winkte dem Trop-Techniker. Thalis Finger glitten wieder über die Kontrollen. Wieder begann die Sonde ihr Werk. Die Erinnerungsfetzen Tsati Mutaras erschienen auf dem Holografen über der Computerwand. *
Der Mutant wußte nicht genau, wo er sich jetzt befand. Irgendwo hatte er aufgeschnappt, daß er sich im Zentrum, des orathonischen Reiches befinden mußte. Der Planet hieß MOTHARA, aber wo befand er sich wirklich? Und wo lag die Erde? Der Neger hatte sich nach seinem Einsatz auf KAITHOR, der Welt der Sylper, wieder erholt. Das Nervenfieber, das ihn tagelang geschüttelt hatte, war durch die Behandlung der MedoRoboter spurlos vorübergegangen. Jetzt aber würde man neue Experimente mit ihm anstellen und ihn bei weiteren Kämpfen zum Einsatz bringen. Er befand sich in einem hohen runden Raum. Die Wände waren hell und schimmerten matt. Der Raum war von strahlender Helligkeit erfüllt, aber die Lichtquelle war nicht auszumachen. Tsati Mutara zuckte zusammen, als sich ein Segment langsam, zur Seite schob. Die Öffnung in der Wand war zwei Meter breit und fünf Meter hoch. Das Wesen in diesem Eingang füllte sie vollkommen aus. Es war ein Mensch! „Nein!" schrie Mutara, als das Monster auf ihn zutaumelte. Das Wesen war offenbar wahnsinnig, aber es war ein Terraner, es mußte einer sein. Denn die Worte, die von den verzerrten Lippen quollen, waren Englisch! Tsati Mutara bemerkte aus den Augenwinkeln, daß sich links und rechts von ihm kleinere Segmente geöffnet hatten, durch die schwere Geschütze auf den Giganten drohten. Mutara grinste freudlos. Ja, er war kostbar, aber auch dieses Monster mußte einen gewissen Wert darstellen. Aber was bezweckte man mit dieser Gegenüberstellung? Der Riese hatte einen kahlen Schädel. Seine Augen waren blutunterlaufen,
die Pupillen unverhältnismäßig klein. Bekleidet war der Gigant mit einem Raumanzug, dessen Helm auf den Rücken geklappt war. Die schweren gepanzerten Stiefel mußten über sechzig Zentimeter lang sein, auch die teilweise zerrissenen Metallhandschuhe hatten eine enorme Größe. Mutara wußte, daß man ihn hören würde. „Was soll das?" fragte er scharf. „Es handelt sich bei diesem Wesen um eine Versuchsperson der Laktonen: Sie stammt offenbar von der Erde. Wir haben sie aber — zusammen mit einigen laktonischen Wissenschaftlern — in der Nähe eines Planeten aufgelesen, auf dem sich große geheime Laboratorien der Laktonen befinden müssen. Verständigen Sie sich mit diesem Mann!" Tsati Mutara fluchte hilflos vor sich hin. Er legte den Kopf in den Nacken und starrte auf das zuckende große Gesicht. Er wußte nicht einmal, ob ihn der Riese bemerkte. „Wer sind Sie?" schrie Mutara. Der große Kopf ruckte herum. Ein idiotisches Lächeln erschien auf den gekräuselten Lippen; offenbar hatte der Riese die Intelligenz eines Kindes. Erst jetzt schien das Monster Mutara zu bemerken. Eine Hand langte vor, dann brüllte der Gigant auf, als ihn ein nadelfeiner Energiestrahl daran hinderte, nach Tsati Mutara zu greifen. „Jommy", lallte der Riese. „Alles hören. Gedanken aller Wesen in der Galaxis!" Er lächelte Tsati Mutara unsicher an. Hilflosigkeit lag in seinem Blick. „Manchmal viel zu laut", flüsterte er. Dann bebte die breite Brust unter einem wilden, verzweifelten Schrei. „Zu laut! Gedanken aller Wesen, Ich kann das nicht verstehen!" Die Gedanken Tsati Mutaras jagten sich. Der Mutant vor ihm hatte außer seiner Körpergröße noch eine andere
bemerkenswerte Eigenschaft. Es war ein wandelnder Gedankenempfänger. Aber warum hatten die Featherheads ihn mit dem wahnsinnigen Riesen zusammengebracht? Nur wegen der Verständigung? Sicher nicht. Wie hieß das Monstrum? Jommy? „Hören Sie, Jommy", sagte Mutara rasch. „Woher kommen Sie? Was hat man mit Ihnen gemacht?" Wieder ging eine Veränderung in dem Riesen vor sich. Seine Gesichtszüge wurden plötzlich schlaff, aber seine Augen blickten klar. „Ich weiß, daß ich wahnsinnig bin", sagte er mit müder, aber klarer Stimme. „Aber wer sind Sie, Sie verdammter Zwerg?" Mutara antwortete nicht. Die blutunterlaufenen Augen blitzten einen Moment in wildem Zorn auf. „Über die Experimente weiß ich leider nichts. Aber die Ergebnisse — nun, das sehen Sie selber. Meine Größe, mein veränderter monströser Körper ist ja nicht einmal das Schlimmste. Es sind die Gedanken, die pausenlos auf mich einstürmen. Ich kann mich nur manchmal dagegen schützen. Wie jetzt, dann bin ich klar ..." Das Gesicht wurde von wilden Zukkungen entstellt. „Ich, Jommy", sagte der Riese, „höre zu viele Gedanken. Terra ist besonders schlimm. Schwer zu verstehen. Nadel. Die sprechende Nadel. Die sprechende Nadel!" Der Riese brüllte. Seine Schreie ließen Mutara zurücktaumeln. Angst und wahnsinnige Wut standen in den blutunterlaufenen Augen vor ihm. Der Neger fiel zu Boden, als die schweren Hände nach ihm griffen. Dunkelheit senkte sich über ihn, als er das Bewußtsein verlor. Er hörte nicht mehr die harten Kommandos, das feine Singen der Schockstrahlen und die wilden Schreie des großen Wesens, das
einmal ein Mensch gewesen war. Mutara wurde von einem Klatschen in sein Gesicht geweckt. Ein Bronzeroboter bearbeitete ihn mit einem nassen Tuch. Sigam Agelon stand mit gespreizten Beinen vor ihm. „Was ist das für eine Nadel?" erkundigte sich der Featherhead. „Wir haben die Gedanken dieses Wesens analysiert." Mutara verstand kein Wort. Die Sätze ergaben einfach keinen Sinn. Ungeduldig gab Sigam Agelon einem Bronzeroboter einen Wink. „Bevor die LYNTHOS das Zentrum des orathonischen Reiches erreichte, wurde ein fliehendes Schiff der Laktonen entdeckt. Es floh von einer Sumpfwelt, von der wir bisher angenommen hatten, daß es ein öder, unbewohnter Planet sei. In Wahrheit aber scheinen die Laktonen dort Experimente mit einem neuen Material gemacht zu haben. Unter anderem auch im Zusammenhang mit Terranern. Eines dieser Ergebnisse war der Gigant. Er ist in der Lage, gezielte telepathische Botschaften aufzufangen. Offenbar ist er wahnsinnig. Doch ein Gedanke kehrt immer wieder. Die Botschaft scheint entsprechend stark zu sein: Es ist die sprechende Nadel!" Ein leichtes Lächeln lag auf den Lippen des humanoiden Roboters, als er endete. Tsati Mutara schüttelte den Kopf. Hinter Sigam Agelon erblickte er eine Reihe von Offizieren. „Und was habe ich damit zu tun?" fragte er schwach. „Sie kommen von Terra", bellte Sigam Agelon hart. „Was kann der Mutant meinen? Wo steht auf der Erde ein Telepathiesender, eine sprechende Nadel?" Wieder schüttelte der Neger den Kopf. „Ich weiß überhaupt nicht, wovon Sie
sprechen. Ich kenne keine sprechende Nadel, oder was das sein soll. Sie sagen doch selbst, daß dieser Riese wahnsinnig ist. Diese Nadel ist die Ausgeburt einer kranken Phantasie." „Nein", sagte Agelon. „Wir wissen, daß sich auf Terra etwas befindet, das starke Impulse ins All sendet. Und dieser Mutant ist als einziger in der Lage, die Botschaften zu lokalisieren und aufzufangen. Wir werden das Terra-System ansteuern und das Rätsel lösen!" Die letzten Worte waren nicht für Tsati Mutara bestimmt. „Es ist eine Angelegenheit von größter Wichtigkeit. Wir haben erkannt, daß die Botschaften von Terra zum Rande der Galaxis gehen, zum System der Dunkelsterne..." * Sigam Agelon starrte sinnend vor sich hin. Auf seine Anweisung schaltete der Trop den Holografenschirm aus. Der Flottenkommandant blickte auf Ger-Velath. Ein flüchtiges Lächeln glitt über seine Lippen. Er, Agelon, würde warten. Und dann zuschlagen. Hart und erbarmungslos. Doch das war noch unwichtig. Es galt, sich zu erinnern. Er mußte einfach jene Vollkommenheit erlangen, die er bei den nächsten großen Gefechten brauchte. Dazu brauchte er das Wissen und die Begabung des TerraMutanten. Agelon dachte daran, welch ein Zufall es gewesen war, daß die Laktonen zusammen mit dem wahnsinnigen Versuchsobjekt von seinen Leuten aufgegriffen worden waren. Es war nicht einfach gewesen, seinen Vater von der Notwendigkeit zu überzeugen, sofort zum Terra-System zu fliegen. Moga Agelon billigte die Pläne seines Sohnes nicht. Mit dem Terra-System waren zu viele bittere Erinnerungen verbunden, Niederlagen, die den Experten ein
heimliches Kopfschütteln entlockt hatten. Es war ihm gelungen, seinen Vater umzustimmen. Er brauchte Moga Agelon nur daran zu erinnern, daß es ihm gelungen war, auf der Erde seinen größten Widersacher, den Laktonenführer Jakto Javan im Zweikampf niederzuschlagen. Dabei konnten weder Sigam Agelon noch sein Vater ahnen, daß Jakto Javan von Rex Corda in letzter Sekunde gerettet worden war. Erst viel später, fast zu spät, würde Sigam Agelon begreifen, daß die Verwundung Jakto Javans nicht tödlich gewesen war. Mit tausend Raumschiffen war Sigarn Agelon zur Erde aufgebrochen. Er wußte, daß das Terra-System von den Laktonen fast völlig verlassen war. Er würde leichtes Spiel haben. Auf diesem Flug hatte sich sein phantastischer Plan geformt. Die sprechende Nadel — die Laboratorien der Laktonen — das System der Dunkelsterne — die ZEITLOSEN! Ja, das war Agelons Plan. Er wollte sich ebenso verändern lassen. Nicht zu einem wahnsinnigen Riesen, der von telepathischen Botschaften gequält wurde. Aber die Sondierungen der laktonischen Forscher hatte andere Möglichkeiten ergeben. Man hatte einen Stoff gefunden, dessen Eigenschaften das menschliche Hirn und den Körper ändern konnten. Die Experimente mußten nicht unbedingt fehlschlagen. Die Fehlschläge waren daher abzuleiten, daß die Testpersonen Terraner und andere barbarische Völker waren, die einfach nicht den nötigen Intelligenzquotienten hatten, um die Veränderung zu überstehen. Sie scheiterten, weil sie nicht begriffen, was mit ihnen geschah. Mit einer kleiner herrischen Bewegung forderte Sigam Agelon den kleinen Techniker an den Kontrollen der Gehirnsonde auf, fortzufahren.
Sigam Agelon hatte jetzt Zeit. Es würde Tage dauern, bis sie in die Nähe des Systems der Dunkelsterne kommen würden. Bis dahin konnten sie noch einmal die Erinnerung des Terra-Mutanten überprüfen. Vielleicht war ihm etwas entgangen. Sigam Agelon war ein Veränderter. Er war unverwundbar. Und doch konnte ihn ein Energiefeld aufhalten, das ein Mutant mit den Kräften Mutaras fast mühelos durchdringen konnte. * Der grünblaue Ball schien mit rasender Geschwindigkeit auf den Holografen zuzustürzen. Noch einmal erlebte Tsati Mutara jene Ereignisse. Er wußte im voraus, was kommen würde, und die Verzweiflung drückte ihn nieder. Er stand vor dem Holografen, neben dem sich die breite, gedrungene Gestalt Sigam Agelons befand. Auf dem Holografen war Terra jetzt riesengroß angeschwollen. Mutara verspürte ein Würgen in der Kehle. Wann hatte er die Erde zum letztenmal gesehen? Würde er jetzt eine Chance zur Flucht haben? Selbstgefällig wies der Featherhead neben ihm auf die blitzenden Pünktchen, die einen bestimmten Teil des Planeten abriegelten. „Die Gegend ist genau lokalisiert worden", bemerkte Sigam Agelon. „Wir haben den gesamten nordamerikanischen Kontinent unter Beobachtung. Die Impulssendung kommt aus der Gegend, die ihr Florida nennt." „Verzeihung", sagte Tsati Mutara höflich, „aber ich verstehe immer noch nicht, was Sie da eigentlich suchen." „Ich möchte nicht hoffen, daß Sie sich so dumm stellen", brummte Agelon. „Die Nadel, die pausenlos ihre Botschaften zum Rand der Galaxis sendet.
Jedenfalls spricht der Riese jetzt pausenlos von dieser Nadel. Wir müssen ihn die ganze Zeit über in Gravofesseln halten." Mutara lauschte gespannt. Er hatte den Mutanten seit seiner ersten Begegnung nicht mehr gesehen. Sigam Agelon schien ihm wirklich zu glauben. Unter Wolkenfetzen lag ein großer Teil des nordamerikanischen Kontinents unter ihnen. Mutara sah deutlich die offenen Wunden, die von den Raumschlachten geschlagen worden waren. Ganze Landstriche waren zu schwarzen Wüsten verbrannt. Städte bestanden aus glasigen Trümmerbergen. Doch die Anzeichen des Aufbaues waren unverkennbar. Tsati Mutara zuckte vom Holografen zurück, als ein greller Blitz aufleuchtete. „Die ersten Verteidiger", murmelte Cort Kosta spöttisch. „Nach unseren Ermittlungen befinden sich fünfzig Kampfeinheiten der Lakton-Flotte in diesem Raum-Sektor. Sie werden es nicht wagen, uns ernsthaft anzugreifen!" Cort Kosta blickte Sigam Agelon nach, als der massige Featherhead wortlos aus dem Raum stampfte. „Kommen Sie, Mutara", befahl er. „Sie gehen jetzt mit mir zur Hauptschleuse. Wir werden in einem Diskus landen." * Zusammen mit Sigam Agelon, Cort Kosta, Ger-Velath und Dutzenden von Soldaten und Bronzerobotern, die den Riesenmutanten in ihrer Mitte hielten, verließ Tsati Mutara den Diskusraumer. Sie waren in einem Park gelandet. Über ihnen leuchteten am klaren Himmel die Sterne. Dort oben mußte sich auch die LYNTHOS befinden.
Die seltsame Prozession zog über eine weite Rasenfläche. Die Metallsohlen der Bronzenen wühlten den Boden auf. Ihre Scheinwerfer am oberen Ende des Kopfes geisterten durch die Dunkelheit. War jetzt seine Chance gekommen? Mutara sah sich vorsichtig um. Neben ihm staksten ein paar Whim-Soldaten. Der Neger wußte, daß die Facettenaugen der Insekten mühelos die Dunkelheit durchdringen konnten. Also mußte er äußerst vorsichtig sein. Ein einziger Schrei ließ Mutara zusammenzucken. Der Neger fuhr herum. Im diffusen Licht sah er die sich aufbäumende Gestalt des Mutanten. Wie Trauben hingen die Bronzenen an seinen Gliedern. Lähmstrahler flackerten auf und umspielten mit grünlichem Licht die verzerrten Gesichtszüge des Giganten. Der Kampf dauerte nicht lange. Aber es kam Mutara vor, als sei die mächtige kämpf ende Gestalt noch nicht besiegt. Langsam schob sich Tsati Mutara vor. Er hatte an Flucht gedacht, aber ein bestimmter Gedanke lenkte jetzt seine Schritte. Er befand sich in der Nähe des gestürzten Riesen. Das laute Keuchen des Giganten zerriß die Stille. Die Augen Jommys waren blutunterlaufen. Vor ihnen erhob sich die Nadel. Es mußte die Nadel sein. Sie war vielleicht sieben Meter hoch. An ihrer Basis mochte sie einen Durchmesser von einem Meter haben. Das Licht des Strahlers enthüllte eine mit Löchern und schalenartigen Einbuchtungen versehene Oberfläche. Die Nadel wirkte wie eine Skulptur, aber gleichzeitig wie ein organisch gewachsener Körper. Und dieser Stein sollte Leben in sich haben? Mutara konnte es nicht glauben. Und doch hörte er die abgerissenen Worte des am Boden gefesselten Mutanten,
hörte die ganze Qual und Verzweiflung dieses unglücklichen Mannes heraus, der einmal ein normaler Terraner gewesen war. „Nicht! Sie warnt! Keiner darf... es sind die Beherrscher der Zeit, und sie sind zeitlos. Hört auf damit! Jeder..." Teilweise waren die Worte des Riesen unverständlich. Trotzdem ahnte Mutara einiges von dem gnadenlosen Vorgehen Sigam Agelons, als er die Laserkameras den Riesen umschweben sah. Die Aufnahmen würden später vom Computer analysiert werden. Tsati Mutara erkannte, daß er jetzt an sich selbst denken mußte. Aber noch etwas hielt ihn zurück. Er vernahm ein Flüstern, das anschwoll und zu einem Rauschen wie im Innern einer Muschel wurde. Die Töne wechselten ab, helles Pfeifen veränderte sich zu einem dumpfen Brummen. Die Nadel „sprach". Der Mutant erhob sich plötzlich. Mit unheimlicher Kraft befreite er sich von den Lähmfeldern. Grüne Strahlen zischten auf ihn zu, umhüllten ihn mit flackernden Feldern. Der Riese schien zu wachsen. Seine Fäuste ballten sich gen Himmel. Schwerfällig stampfte er voran, auf die auseinanderjagenden Soldaten zu. Das war seine Chance. Mutara sah sich gehetzt um, dann schlich er sich zurück. Nach wenigen Schritten verfiel er in einen jagenden Lauf. Er keuchte. Immer wieder sah er sich um. Dann warf er sich zu Boden, als die Schatten vor ihm auftauchten. Es wurden mehr und mehr. Auch sie schienen zu wachsen, zu schwanken. Soldaten der Featherheads! Ein zweiter Kordon umgab die Landungsstelle des Diskusraumers. Und hier schien ein Entkommen unmöglich zu sein. Aber noch hatte man ihn nicht entdeckt. Unbeweglich preßte sich der Ne-
ger gegen die kühle Erde. Es war kalt, trotzdem bildeten sich dicke Schweißtropfen auf seiner Stirn. Er mußte warten. Bis sich der Diskus mit seiner Besatzung wieder erhob. Vielleicht vermißte man ihn nicht. Es war eine halb wahnsinnige Hoffnung. Vorsichtig blickte Mutara sich um. Deutlich konnte er die dunkle Wölbung des Raumschiffes erkennen. Sie war von teilweise aufflackernden Scheinwerfern in ein wechselndes Licht getaucht. Am Himmel erschien ein Leuchten. Es war ein Strahl, der aus dem Nichts zu kommen schien. Und dann begriff Mutara. Er verstand jetzt genug von der orathonischen Technik, daß er den Traktorstrahl erkannte. Das Leuchten schien bis zum Boden zu dringen. Ein Pulsieren ließ den Strahl aufflackern. Dann schob sich ein dunkler, länglicher Gegenstand nach oben. Die Nadel! Die Orathonen hatten das merkwürdige Gebilde mit einem Traktorstrahl empor gerissen! Ein Rascheln ließ Tsati Mutara zusammenfahren. Waren die schattenhaften Gestalten nähergerückt? Nein, die Kette der Soldaten vor ihm löste sich auf. Also war das Unternehmen abgeschlossen. Sie hatten ihn nicht entdeckt. Eine Hand legte sich schwer auf seine Schulter. Tsati Mutara fuhr mit einem Aufschrei herum. Seine Faust zuckte vor. Aber er hatte mit seinem Angriff keinen Erfolg. Wirkungslos versank seine geballte Rechte in angespannten mächtigen Muskelmassen. Das Lachen Cort Kostas klang fast gutmütig. „Tut mir leid, Mutara. aber ich muß Sie natürlich wieder zurückbringen. Es war uns völlig klar, daß Sie einen Fluchtversuch unternehmen würden. Vielleicht sollten wir den Druck Ihres Semibioten verstärken."
Kosta schob ihn auf den Diskus zu. Automatisch bemerkte Mutara, daß seine Beobachtung richtig gewesen war. Die Nadel stand nicht mehr auf ihrem kleinen flachen Podest. Dafür befand sich in ihrer Nähe eine riesige schwärzliche Masse. Kleine Flammen züngelten von ihr auf. Ein paar Bronzene beendeten mit ihren Waffen ihr Werk, bis von der riesigen Gestalt des telepathischen Mutanten keine Spur mehr übriggeblieben war. „Er hat die Nähe der Nadel nicht mehr ausgehalten", bemerkte Cort Kosta beiläufig. „Wir mußten ihn unschädlich machen." „Sie hatten ihn ohnedies genug ausgenutzt, was?" sagte Tsati Mutara bitter. „Ihr habt ihn weggeworfen wie einen unbrauchbaren Gegenstand." „So könnte man es ausdrücken", sagte Kosta verbindlich. Ihn schien dieses Gespräch zu amüsieren. Sie schritten auf die Schleuse des Diskusraumers zu. „Und wann werdet ihr es mit mir genauso machen?" schrie Tsati Mutara. „Wann habt ihr mich ausgebraucht?" Cort Kosta lächelte beruhigend. „Sie haben noch ganz gute Chancen, Mutara. Bis jetzt scheint unser Chef nicht die Absicht zu haben, Sie zu liquidieren." „Herzlichen Dank." Tsati Mutara stieß ein bitteres Lachen aus. Cort Kosta warf ihn in den Gravoschacht. Sie rasten in der engen Röhre empor. Wenige Minuten später startete der Raumer und näherte sich schnell der LYNTHOS. Nach weiteren Minuten war die kleine Flotte der Featherheads aus dem Terra-System verschwunden. Ihr Kurs war auf ein Sonnensystem gerichtet, das 236 Lichtjahre von der Erde entfernt war. Das Zentralgestirn bestand aus einem Roten Riesen. Die Laktonen hatten eine aus Buchstaben
und Ziffern bestehende komplizierte Katalogbeschreibung; die Terraner aber nannten die Hauptwelt „Swamp". * „Trop?" „Ja, Herr?" „Die Sonde kann entfernt werden!" Thali stellte die Verbindungen her. Er konnte von seinen Geräten ablesen, daß sein Freund Tsati Mutara bei Bewußtsein war. Aber der Neger war schwer mitgenommen. Die Sonde hatte ihn völlig ausgelaugt. Gespannt beobachtete das kleine Pelzwesen, wie sich die Wand unterhalb des Computers öffnete. Auf der Metallzunge fuhr der bewegungslose Körper heraus. „Lösen!" befahl Sigam Agelon. Die Bänder schnappten zurück. Tsati Mutara war frei. Seine Augen waren offen, aber die Pupillen schienen blicklos zu sein. „Aufstehen!" kommandierte Sigam Agelon. In den Körper des Negers kam Bewegung. Er richtete stöhnend seinen Kopf empor. Dann tastete seine Hand nach seinen Schläfen. Ungläubig beobachtete er die Blutstropfen, die er von seiner Stirn abgewischt hatte. „Schneller", bellte Agelon. „Holen Sie einen Medo, Trop!" Der Medo-Roboter war sofort zur Stelle. Er injizierte einen farblosen Stoff in die Vene des Mutanten. Sekunden später wurden die Augen des Mannes auf der Metallzunge klarer. Tsati Mutara schwang sich von seiner Liegestatt und kam taumelnd hoch. „Los, gehen wir", befahl Sigam Agelon. „Sie kommen mit, Mutara." Auf einen Wink des Flottenführers stiegen sie auf eine Plattform, die sie dicht unter der Decke die Gänge entlangtrug. Sigam Agelon haßte es, zu-
sammen mit anderen Besatzungsmitgliedern ein Erg-Band oder einen Gravoschacht benutzen zu müssen. Augenblicke später hatte sie die Fernsteuerung zu dem Laboratorium gebracht, das besonders abgeschirmt war. Agelon ging als erster durch das von Kampfrobotern bewachte Segment. Wieder sah sich Tsati Mutara der Nadel gegenüber. Er hatte sie in letzter Zeit oft gesehen. Während des Fluges vom Terra-System zu der Sumpfwelt, wo sich Agelon dann operieren ließ, waren Untersuchungen an der Nadel durchgeführt worden. Die Spezialisten Agelons vertraten die verschiedensten Meinungen. Man hatte versucht, eine Probe des Stoffes zu entnehmen, aus dem das Gebilde bestand. Es war nicht gelungen. Erst nach einer langwierigen Versuchsreihe war es geglückt, die mentale Strahlung, die von dem Gebilde ausging, aufzufangen und über einen Computer zu leiten. Die Endauswertung mußte jetzt bevorstehen. Die Techniker traten zurück, als Agelon mit wuchtigen Schritten auf den Hauptcomputer zuging. „Die Strahlungen oder Gedankenbotschaften sind in letzter Zeit nur noch selten gekommen. Immer aber waren sie auf jene Richtung der Galaxis gerichtet, wo wir das System der Schwarzen Sterne vermuten", berichtete einer der Wissenschaftler. „Wurde jetzt der endgültige Schlüssel gefunden?" fragte Sigam Agelon scharf. Für seinen Geschmack redete der Wissenschaftler zuviel. „Ja." „Gut", knurrte Agelon. „Dann spielen Sie die letzte Ausstrahlung ab, die letzte Botschaft, die von dieser Nadel zum System der Dunkelsterne abgestrahlt wurde."
Das grünliche Gesicht des Technikers verfärbte sich. Aus irgendeinem Grunde schien er unsicher geworden zu sein. Mit zitternden Fingern reichte er dem Kommandanten eine Folie. Mit einem Blick überflog Sigam Agelon den Inhalt der Botschaft. Er schien explodieren zu wollen. Tsati Mutara trat einen Schritt näher heran. „Würden Sie bitte einem ungebildeten Terraner die Botschaft vorlesen?" Sigam Agelons Augen bohrten sich in die Mutaras. Dann zischte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor: „Ich liebe dich, Fred!" Mutara konnte nicht anders. In das betretene Schweigen hinein mußte er lachen. Da sah er die erstaunten, entsetzten Gesichter Ger-Velaths und Cort Kostas. „Entschuldigen Sie", sagte Tsati Mutara, während er die verständnislosen Gesichter der Orathonen grinsend betrachtete. „Verzeihen Sie meinen Heiterkeitsausbruch. Eine Folge der Anstrengung!" „Ich liebe dich, Fred", murmelte Sigam Agelon. Der Wissenschaftler wagte sich wieder näher heran. „Das erklärt meine Haupttheorie, Kommandant", sagte er respektvoll. „Es handelt sich bei diesem Gegenstand um ein lebendes Wesen, vielleicht sogar um einen veränderten Terraner." „Woher wollen Sie das wissen?" fragte Sigam Agelon beißend. „Zwischen die Bildsymbole", meinte der Wissenschaftler eifrig, „waren terranische Worte gemischt. Ich hielt es zunächst für einen Fehler bei der Aufschlüsselung, aber bald gab es keinen Zweifel mehr. Bedenken Sie bitte auch, daß auch jener Gefangene, das Experimentalobjekt der Laktonen, ehemals ein Terraner gewesen sein soll. Und er hat
die Nadel verstanden." Mit einer Handbewegung brachte ihn Sigam Agelon zum Schweigen. Ein helles Singen stand im Raum. Gleichzeitig schien die Oberfläche des schlanken Gegenstandes zu glühen. Die Lichter am Computer verrieten, daß jetzt die Entschlüsselung simultan vorgenommen wurde. Und immer noch standen die hellen Pfeiftöne im Raum. Sie schienen von den Löchern und Höhlungen widerzuhallen und klangen in den Ohren sanft und schmeichelnd. Ebenso wie sie begonnen hatte, hörte die Botschaft auf. Der Techniker wischte sich dicken grünlichen Schweiß von der Stirn. „Das hat es noch nie gegeben", flüsterte er. „Sie hat zu uns gesprochen." Er bewegte sich auf die Schmalseite des Computers zu, um den daraus hervorquellenden grauen Streifen zu erfassen, aber eine breite grünliche Faust stieß ihn zurück. Der rote Umhang flatterte um die Schultern Sigam Agelons. Der Kommandant überflog den Text, dann verzogen sich seine Lippen. Sigam Agelon grinste. Dann öffnete sich sein Mund zu einem schallenden schrecklichen Gelächter. Das grausame Lachen schien kein Ende nehmen zu wollen. Die Folie entfiel der Hand des Flottenkommandanten. Dann wankte Sigam Agelon aus dem Laboratorium. Er schien sich gar nicht beruhigen zu können. Erschauernd hörten die Featherheads und Mutara das grausame Lachen auf dem Gang verklingen. Gleichzeitig bückten sich Ger-Velath und Cort Kosta nach der Folie. Aber Kosta war schneller. „Zurück!" befahl Ger-Velath. Cort Kosta, der immer noch unter dem Einfluß der Droge stand, zuckte zurück.
Haßerfüllt starrte er Ger-Velath an. Der Verbindungsmann verzog keine Miene, als er die Nachricht überflog. Dann eilte er aus dem Raum. Die Folie flatterte in seiner Hand. Mit einem Schritt war Tsati Mutara am Computer. Er sah nicht das wütende Gesicht des Technikers. „Wiedergabe", befahl Mutara. „Letzte Meldung bitte über Akustik!" Unverzüglich stand die knallende, trockene Stimme des Rechenautomaten im Laboratorium. „Ich. Virginia Matson, warne Euch! Die ZEITLOSEN werden Sigam Agelon für seine Übertretungen der Großen Gesetze mit der Ewigen Strafe belegen. Fliegt nicht zum System der Schwarzen Sterne! Die ZEITLOSEN verbieten es!" Tsati Mutara starrte auf Cort Kosta. Der Featherhead war zu Boden gesunken. Sein Gesicht war verkrampft. „Er wird nicht hören", stöhnte er. „Verdammt, er wird nicht hören!" In diesem Augenblick schrillten die Klingeln und Glocken durch das Schiff. Langsam raffte sich Cort Kosta auf. Die Offiziere hatten sich sofort im Versammlungsraum einzufinden. „Kommen Sie, Mutara", meinte Kosta leise. „Sie werden ebenfalls gebraucht!" * Mit gespreizten Beinen stand Sigam Agelon vor der Versammlung seiner fähigsten Offiziere. „Ich gebe Ihnen hiermit offiziell den neuen Kurs bekannt: Das System der Dunkelsterne. Die genauen Koordinaten sind im Hauptcomputer vermerkt. Ich erwarte von jedem einzelnen ..." „Nein", sagte eine Stimme vor Agelon, „das werden Sie nicht! Sie werden jetzt nach MORATHA zurückfliegen! Haben Sie verstanden?" Die Augen Ger-Velaths brannten sich
tief in die seines Gegenübers. Dann riß der Verbindungsmann erschrocken die Augen auf. Die einzige Reaktion Sigam Agelons war ein trockenes Grinsen. „Sie werden nicht die Dunkelsterne anfliegen, Sigam Agelon", schrie GerVelath schrill. Ein Murmeln entstand unter den Offizieren. Einige drängten sich um Ger-Velath, aber keiner wagte sich ihm zu nähern. Der Verbindungsmann hatte einen überschweren Thermostrahler in der Hand. „Die Waffe ist auf breiteste Streuwirkung geschaltet", betonte der Verbindungsmann mit zitternden Lippen. „Wenn mich jemand auch nur berührt, schalte ich auf Dauerfeuer!" „Laßt den Narren", sagte Sigam Agelon ruhig. „Ich weiß, Ger-Velath, daß Sie von meinem Vater, dem Moga Agelon, meinem Schiff als Spitzel beigegeben wurden. Es hat mich nicht gestört, weil ich meinen Vater durchaus verstehen kann. Ihre Methoden aber, Ger-Velath, haben Ihren allzu großen Eifer verraten. Sie haben die Roboterumprogrammieren lassen. Sie wollten mich unschädlich machen, als ich nach dem geglückten Experiment als Veränderter erwachte. Sie haben versucht, Mißtrauen unter meinen Offizieren zu säen. Und schließlich haben Sie Cort Kosta eine Droge eingegeben. Mit der gleichen Droge wollten Sie mich Ihren Plänen gefügig machen. Aber Sie haben eines vergessen, Ger-Velath, Sie unfähiger Narr!" Das Gesicht des Verbindungsmannes war von Schweiß überströmt. Er hielt die Waffe fest in der Hand, den Zeigefinger um den Druckpunkt gekrümmt. „Was war es, Sigam Agelon? Weswegen hat die Droge bei Ihnen nicht gewirkt?" fragte er mit bebenden Lippen. Sigam Agelon lachte grausam. „Weil ich keinen sterblichen Körper mehr habe. Die normale Nahrung ist für
mich nutzlos. Wenn Sie Augen im Kopf gehabt hätten, Ger-Velath, dann brauchten Sie nur die Gläser Wein zu zählen, die ich beim Bankett getrunken habe. Mein Vater tut mir leid, daß er sich auf Leute wie Sie verlassen muß!" „Hören Sie nicht auf ihn!" schrie Ger-Velath und wandte sich an die Offiziere um ihn. „Sigam Agelon ist ein Veränderter. Er ist kein Orathone mehr. Er handelt gegen seinen Vater und damit gegen die Interessen des orathonischen Reiches. Er will zu einem Vernichtungsfeldzug gegen die ZEITLOSEN aufbrechen." Einzelne Stimmen wurden laut, aber der Verbindungsmann überschrie sie. „Er wird euch alle mit seinen wahnwitzigen Plänen töten! Sigam Agelon hat gegen die Großen Gesetze verstoßen. Die Rache der ZEITLOSEN, die ewige Strafe wird über ihn kommen. Sie haben ihn gewarnt, sie haben ihm durch die Nadel eine Botschaft zukommen lassen. Hier ist sie!" Einen Moment senkte Ger-Velath die Augen. Ein Schrei wurde laut, als sich Sigam Agelon mit unbegreiflicher Geschwindigkeit auf seinen Verbindungsmann zubewegte. Ger-Velath hätte fast zu spät reagiert. Aber die instinktive Reaktion war ohnedies nutzlos. Er riß den Strahler empor und feuerte auf den Gefiederten. Sigam Agelon lachte dröhnend. Er streckte eine Hand vor, und das Feuer verschwand in ihr. Sekundenlang hieb Ger-Velath auf den Druckpunkt, dann weiteten sich seine Augen vor Todesangst. Eine brüllende Flammenzunge schlug ihm entgegen. Sie entsprang den ausgebreiteten Armen Sigam Agelons, sie fauchte gegen den Körper des Verbindungsmannes und ließ ihn sich im nächsten Augenblick als schreiendes flammendes Bündel auf dem Boden wälzen. Der kurze Todeskampf war rasch
vorbei. „Sollte noch jemand hier an Bord der LYNTHOS sein, der ähnliche Argumente wie Ger-Velath vorzubringen hat, dann soll er sich melden. Hier und jetzt!" Sigam Agelon hob die gemusterten Augenlider in einer spöttischen Gebärde. Dann runzelte er die Stirn. „Kommandant!" Ein einzelner Schrei löste sich aus der Versammlung der Offiziere. Arme zeigten entsetzt nach vorn, in die Richtung des großen Holografen im Versammlungsraum. Tsati Mutara sah ebenfalls auf den Schirm. Im ersten Augenblick fiel ihm nichts auf. Sie rasten auf ein sternenarmes Gebiet der Galaxis zu. Weit dahinter begannen die Randzonen und mit ihnen der Bereich der geheimnisvollen Dunkelsterne, von denen man sagte, daß sie der Sitz der ZEITLOSEN seien. Der Schirm war von spärlichen weißen Pünktchen übersät. Am Rande des Schirmes wurden sie zu Strichen, da die LYNTHOS mit nahezu Lichtgeschwindigkeit durch das dreidimensionale Kontinuum raste. Dann sah es auch Tsati Mutara. Vor den Sternen hing es wie ein weißlicher Nebel. Der Nebel schwankte und verdichtete sich zu einem Gesicht. Der Nebel breitete sich noch weiter aus, glitt nach unten und formte sich zu einem Körper. Das schmale Gesicht hatte eine hohe Stirn. Die dunklen, ungemein ausdrucksvollen Augen waren von leuchtend farbigen Augenlidern umgeben. Der Kopf drehte sich zur Seite. Jetzt sahen die Beobachter im Versammlungsraum der LYNTHOS, daß die weißen Haare, die den Kopf bedeckten, im Nacken mit einer blitzenden Spange zusammengehalten wurden. Ohren waren an diesem Gesicht nicht zu erkennen, dafür leuchteten muschelförmige, perlmutterartig glänzende Gebilde an
den Seiten des Kopfes auf. „Die ZEITLOSEN!" stöhnte einer der Offiziere. Sigam Agelon wollte zu einer scharfen Antwort ansetzen, aber auch er war von dem Bild auf dem Holografen gebannt. Neben diesem ersten ZEITLOSEN bildeten sich zwei weitere Körper. Die Glieder waren schlank und von einem engen Gewebe bedeckt. Alle drei Wesen schienen die LYNTHOS anzustarren. Jeder im Versammlungsraum fühlte sich von den Augen durchbohrt. Die Sterne verblaßten hinter den Gestalten, die jetzt nicht mehr nebelartig verwaschen, sondern wie feste Körper im Raum standen. Sie mußten Kilometer hoch sein. Sigam Agelon riß sich als erster aus seiner Erstarrung. „Fiktivwerf er!" schrie er wütend. „Laßt euch doch nicht von solchen primitiven Mitteln einschüchtern! Die Laktonen haben fast die gleichen Bildwerfer benutzt, um uns damit zu täuschen. Wir sind keine Primitiven mehr, die vor den Göttern im Staub kriechen! Die ZEITLOSEN sind Wesen, ebenso wie wir. Ihre Zivilisation ist älter als die unsere, aber dafür degeneriert und überaltert. Es gibt keinen Grund, warum wir ihre lächerlichen Gesetze beachten sollten!" Die kraftvollen Worte Sigam Agelons verfehlten nicht ihren Eindruck. Gleichzeitig wurden die drei gigantischen Körper im All wieder durchsichtig. Treibende Nebelfetzen lösten sich schließlich in Nichts auf. Aber jeder fühlte, daß die ZEITLOSEN eine Warnung gegeben hatten. Man beruhigte sich langsam wieder. Wer waren denn die ZEITLOSEN überhaupt? Es war wenig von ihnen bekannt. Man kannte sie nur aus Beschreibungen, und die wichen stark voneinander ab.
Mit seinen nüchternen Worten hatte Sigam Agelon schließlich den Bann gebrochen. * Tsati Mutara hockte in der Kommandozentrale. Neben ihm lag der Trop Thali zu einem schnurrenden Bündel zusammengerollt. Aus irgendeinem Grunde hatte Sigam Agelon darauf bestanden, immer Mutara in seiner nächsten Nähe zu haben. Der Neger hatte sich inzwischen fast von seinen Strapazen erholt. Gelangweilt blickte er die hin und her huschenden Techniker an. Mutara kauerte sich tiefer in seinen Andrucksessel, als ihm das Schrillen und Klingeln verriet, daß die LYNTHOS in den Hyperraum hineinglitt. Dicht vor ihnen war eine Gruppe von weißen Zwergen aufgetaucht, und man hatte beschlossen, etwas früher Hyperfahrt aufzunehmen, um das gefährliche Gravitationszentrum nicht umsteuern zu müssen. Etwas machte den Neger stutzig. Das Schrillen der Glocken riß nicht ab. Sigam Agelon kam plötzlich in Bewegung. Er schaltete zusätzlich den Computer ein. Mit ungläubig geweiteten Augen sah der Flottenkommandant auf die Ergebnisse. Gleichzeitig kamen die Meldungen aus den Antriebssektoren des Hantelraumers. Hastig hervorgestoßene Meldungen besagten, daß den Technikern und Spezialrobotern die gesteuerten Fusionsprozesse der Antriebsaggregate entglitten. „Wir kommen einfach nicht mehr an die Schaltpulte heran!" schrie ein Techniker in höchster Verzweiflung. Das Holografenbild enthüllte die Lage, konnte aber das Rätsel nicht lösen. Die Techniker standen vor einer
schimmernden Wand, die sie von ihren Kontrollen und Computern trennte. „Hyperfahrt wird nicht aufgenommen!" schrie Agelon in die Mikrofone. Er blickte entsetzt auf die Gruppe der hell gleißenden Sterne, die in jeder Sekunde Hunderttausende von Kilometern näher heranrückten. Auf dem Holografen war zu erkennen, wie sich die Techniker bemühten, an ihre Kontrollen heranzukommen. Flammenwerfer und Energieprojektor ren richteten Stöße purer Energie gegen die aus dem Nichts entstandene Wand. Unbemerkt glitt Tsati Mutara aus seinem Sessel. Den Trop eng an seine Brust gepreßt, eilte er aus dem Kommandoraum. Keiner kümmerte sich um ihn. Die Mannschaft der LYNTHOS drohte in Panik zu geraten. Es konnte nur noch Minuten dauern, bis sich der Hantelraumer in die Gravitationszange der weißen Zwerge stürzen mußte. Es war einfach unmöglich, in den Hyperraum überzugleiten. Im Kommandoraum herrschte Aufruhr. Mit scharfen Befehlen brachte Sigam Agelon seine Leute wieder zur Vernunft. „Wo ist der Mutant?" fragte er plötzlich. Die von Panik gezeichneten Gesichter um ihn verrieten Verständnislosigkeit. Keiner hatte den Mutanten gesehen. Der Trop war ebenfalls verschwunden. Sigam Agelon schien einen Tobsuchtsanfall zu bekommen. Unter seinen Händen zerbrach knirschend die Kante eines Kontrollbordes. Sein Atem stieß zuckend aus seiner keuchenden Kehle. „Wir steigen aus!" entschied er. „In die Landungsboote!" Der Befehl wurde auch an die anderen Raumer der kleinen Flotte gegeben. In jedem Schiff hatte der gleiche unerklärliche Vorfall die Techniker von
den Antriebskontrollen abgeschnitten. Es waren etwa sechzig Schiffe, die auf die weißen Zwergsterne zustürzten. Das Trampeln der Männer, ihr Fluchen und Schreien erfüllte die Gänge des Hantelraumers LYNTHOS. Aber auf allen Begleitschiffen herrschte dasselbe Chaos. Die Landungsboote nahmen den größten Teil der Besatzung auf. Es waren nur die Techniker, die sich nicht retten konnten und auch nicht wollten. Sigam Agelons Gesicht schien wie aus Stein gemeißelt, als er dem Piloten des Landungsbootes befahl, die Schleuse zu öffnen. Der Pilot hieb auf die Kontrollen. Ein ungläubiger angstvoller Ausdruck stand auf seinem Gesicht. Wieder und wieder versuchte er, den Antrieb zu aktivieren. „Es — es geht nicht", stotterte er. Agelon brüllte vor Wut. Seine Hand zuckte vor und schmetterte in den großen Holografen, auf dem die weißen Sterne näherrückten. Auch sie schienen jetzt Gesichter zu sein, Gesichter mit hohen Stirnen und gnadenlosen Augen. * Er hetzte die Gänge entlang. Sie waren leer, und er hörte das Knallen seiner schweren Stiefel. Mit einer heftigen Bewegung machte sich der Trop frei, sprang zu Boden, überkugelte sich und war sofort wieder auf den Beinen. Thali folgte Mutara. Gemeinsam sprangen sie in einen Gravoschacht. Wenn dieser Schacht keine Energie mehr geführt hätte, wären sie am Boden des Schachtes von der Schiffsgravitation zerschmettert worden. Doch das hätte keine Rolle mehr gespielt. Der Trop war ihm ein guter Wegweiser. Mutara hätte sich beinahe in den Schächten verirrt. Sie kamen an eine Panzertür. Ein Klingeln ertönte. Tasterstrahlen durch-
suchten sie nach Waffen. Sie waren in einen Teil des Schiffes gekommen, der weitaus stärker bewacht war als die Kommandozentrale. Sonst stand hier an jeder Biegung ein Roboter. Patrouillen durchforschten die Gänge, die Waffen schußbereit. Der Antrieb war das Herz der LYNTHOS, aber dieses Herz war krank geworden. Etwas hatte sich dazwischengeschoben, hatte die Techniker zurückgedrängt und ihnen die Kontrollen aus der Hand gerissen. Keuchend hetzte Tsati Mutara vorwärts. Hinter sich hörte er die hallenden Schritte eines Roboters, der trotz des Untergangs des Schiffes stur seinen Dienst versah. Tsati Mutara achtete nicht auf die Anrufe. Zweimal zischten gleißende Strahlen an ihm vorbei. Er bog um eine Ecke, dem Trop dicht auf den Fersen ... ... und prallte zurück. Er wäre beinahe in eine leuchtende Mauer hineingelaufen. Neben ihm stießen die Techniker erregte Rufe aus. Die Spezialisten hatten völlig den Kopf verloren. Der Neger achtete nicht auf sie. Er senkte den Kopf und schloß die Augen. Er mußte sich auf die Energiebarriere vor sich konzentrieren. Er fühlte körperlich die Schwingung. Die Lösung formte sich wie von selbst in seinem mutierten Gehirn. Die staunenden Techniker sahen, wie der dunkle Terra-Mutierte die Hand hob und sie dem wabernden Energiefeld entgegenstreckte. Etwas zerriß im Raum. Schreiend wandten die Featherheads mit ihren Technikern die Köpfe ab, als die hochgewachsene Gestalt des Negers sekundenlang von tödlichen leuchtenden Flammen umleckt wurde. Dann war es vorbei. Tsati Mutara
In letzter Sekunde konnte die Flotte hatte eine Lücke in den Energieschirm Sigam Agelons dem Mahlstrom der geschlagen. Gravitationszangen ausweichen. Die Im nächsten Augenblick verschwand Schiffe glitten in den Hyperraum, und das Leuchten. Die ZEITLOSEN hatten ein einsamer Mann an Bord der LYNihre Angriffe eingestellt. Auf allen THOS, in seinen Armen den behaglich Schiffen der Orathonen verschwanden zusammengerollten Trop, schritt langdie Felder, die aus den Raumern hilflose sam zur leeren Kommandozentrale zuWracks gemacht hatten. Die Drohung rück. war vorbei. Aber nur für den Augenblick. ENDE