PETER GRIESE – DER LANGE WEG DER SOL Perr y Rhodan Taschenbuch 294
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PETER GRIESE – DER LANGE WEG DER SOL Perr y Rhodan Taschenbuch 294
PROLOG Die grünen Zif f ern des Bordchronometers der SOL zeigen das aktuelle Datum an, den 7. Oktober des Jahres 3808. Meine Gedanken gehen den W eg zurück zu jenem 4. März des Jahres 3791, als m ich die Solaner im Leerraum entdeckt und an Bord ihres Generationenschif f s gebracht hatt en. Sie durcheilen die Jahre bis zum gestrigen Tag, der eine wichtige Entscheidung in m einem Leben gebracht hat. Die Gedanken zerren an einer verblassenden Erinnerung, die ich f esthalt en will und doch nicht an m ich klamm ern kann. Gestern. Ich m uß es noch einm al aufrollen, das Gestern, um ein paar vage G edanken der sch windenden Erinnerung zu halt en… W ir saßen in der Messe im Mitt elteil der SOL. Auch Parzelle war präsent, aber er war nur noch ein flüchtiger Schatt en. Ich hört e m ir an, was Breckcrown Hayes zu bericht en hatt e. Er sah übel aus, der Solaner, aber ich dacht e m ir, daß er noch ein paar Jahre durchhalt en würde. SENECA verf ügt e auch wieder über die Koordinate n von Varnhagher-G hynnst. Ich hatt e sie ihm nicht m itteilen m üssen. Das W issen darum war urplötzlich wieder in ihm gewesen. Er behaupt et e, daß er wisse, daß er die Koordinaten lange Zeit nicht besessen hatte, aber dennoch aus seinen Speichern erkennen konnte, daß er sie nie hergegeben hatt e. Chybrain hatt e auf m eine Fragen hierzu keine Erklärung abgegeben. Die Raum schif f e der tausend Pagen der Nam enlosen Zone waren vernichtet worden. Sie hatten den Kam pf und den Tod gesucht. Die SOL hatte keine
nennens werten Verluste erlitten. Über Bildfunk waren wir m it den Vulnurern verbunden. An Bord ihrer drei Schiffe befanden sich auch schon Zyrtonier, um die endgültige Versöhnung m it den Vulnurern zu bekräftigen. Lichtquelle-Jacta teilte uns m it, worin sie ihre neue Aufgabe sah. Es galt, für die vielen Völker der ehem aligen Nam enlosen Zone die W eichen für die Zukunft zu stellen. Es würde noch genügend Reibereien geben, bis sich diese Völker an ihr neues Dasein gewöhnt hatten und die verbliebenen Aggressionen ver weht waren. Unser Abschied von den Vulnurern stand bevor, denn das Ziel der SOL hieß Varnhagher-Ghynnst. Und Varnhagher-Ghynnst war auch m ein ganz persönliches Ziel. Feiern wollte eigentlich niem and so recht, denn letztlich waren wir uns alle darüber im klaren, daß wir zwar viel Positives in unserem Sinn erreicht hatten, aber unzählige Opfer dafür hatten bringen m üssen. Ich verließ die Versamm lung und bat auch Tyari, m ir nicht zu folgen. In m einer Kabine wartete Chaybrain. Er hatte m ich um ein Gespräch gebeten. Er leuchtete noch imm er sehr m att, als ich eintrat. »W ir sind allein«, begrüßte er m ich auf norm alem akustischem W eg. »Das ist gut. Ich habe dir zu danken. W enn ich die Jenseitsm aterie nicht bekomm en hätte, wäre ich verendet. W enn du nicht nach Zytron gekomm en wärst, wäre ich in der Gefangenschaft NullPages gestorben.« Ich nahm auf einem Hocker Platz und betrachtete das seltsam e Ei, dem ich eigentlich m ehr zu verdanken hatte als es m ir. Er verdankt dir in jeder Hinsicht seine Existenz, m erkte der Extrasinn an. »Ich dachte, er verdankt sie dir«, ant wortete ich lächelnd. Ich bin du. Und du bist ich. »W enn ihr fertig seid«, kam es von Chybrain, »dann m öchte ich noch etwas sagen.« »Sprich!«
»Es ist traurig, aber wahr. Ich habe versucht, die Anerkennung der Kosm okraten zu gewi nnen. Ohne m ich wäre die Nam enlose Zone noch jetzt ein Ort des Schreckens und der imm erwährenden Gefahr für alle Völker. Aber die Kosm okraten haben sich nicht bei m ir gem eldet. Der Makel eines Bastards klebt weiter an m ir. Ich habe versagt. Ich habe alles falsch gem acht. Ich gehe. W as ich brauche, ist die Einsam keit.« »Jetzt sind doch alle Probleme beseitigt«, widersprach ich vorsichtig. »Und da willst du uns verlassen?« »Ja.« Er sch webte in die Höhe und kam auf m ich zu. »Ich m uß weiter reifen. Es gibt irgendwo eine Sonne nam ens Gum b, um die ein Planet kreist, der Jukka genannt wird. Das ist der Ort, an dem ich Katzulla traf, der m ich besiegte. Der alte Kennery lebt sicher noch. Er wird sich über meine Rückkehr freuen, und ich werde das Gejaule der Kauzunde genießen und an euch denken.« Er ließ m ir keine Möglichkeit des Einwands. »Sehe ich dich wie der, Chybrain?« war m eine letzte Frage. »Nein, das glaube ich nicht.« Er versch wand durch die W and. Ich hockte eine W eile da und sinnierte über alles nach. Dann berührte m ich etwas. Parzelle stand neben m ir. »Er ist von den W assern der ewigen Zeiten an neue Ufer gespült worden«, sagte der Durchsichtige. »Meine Existenz ist zu Ende. Ohne Term entier und Lichtquelle kann ich nicht länger bestehen. Lebe wohl!« »W arum verlaßt ihr m ich alle?« Ich schüttelte den Kopf. »Die W asser der Zeiten, Atlan.« Parzelles Gesicht nahm noch einm al feste Form en an. »Sie spülen alles weg, aber sicherlich nicht dich. Ich habe erfahren, daß die Kosm okraten dich noch brauchen. Du bist ein Auser wählter der Mächte aus dem Jenseits. Chybrains Visionen werden in dir verblassen, weil sie dich nur belasten würden. Der Kleine hat das so gewollt. Und daran hat er recht getan. Auf dich wartet in
Varnhagher-Ghynnst eine neue Aufgabe. Aber das ist nicht alles! Für ein eigentlich untätiges und unbewegliches Orakel bist du den Kosm okraten sicher zu schade. Ich denke, dein W eg ist noch weit.« »Du hast m it den Kosm okraten gesprochen?« staunte ich. »Nein, Atlan.« Parzelle schüttelte seinen Kopf. »Si e haben m ich etwas wissen lassen, aber ich verstehe es selbst nicht.« »W as haben sie dich wissen lassen?« Meine Neugier war er wacht. »Du hast alle Bewährungen bestanden. Du bist reif für eine Aufgabe, die den Kosm okraten m ehr Kumm er bereitet, als sie vertragen. Das Universum ist voller W under. Und der ewige Kam pf der Mächte des Chaos m it denen der Ordnung wird so lange andauern, wie die W asser der Zeiten fließen. Sie werden dich an ein Ufer spülen, an dem du noch nie ge wesen bist. Und du wirst die Gefahr erleben, die jede Vorstellung übertrifft.« Parzelle löste sich vor m einen Augen auf. Ich wußte nicht, was ich von seinen W orten halten sollte. »Varnhagher-Ghynnst«, sagte ich. »W ir komm en!« Chybrains Visionen werden in dir verblassen, weil sie dich nur belast en würden. Das ist einer der entscheidenden Sätze. Ich weiß noch, daß Parzelle dam it auf die Visionen angespielt hat, die ich in den letzten W ochen hatte erleben m üssen. Ich weiß noch, daß m ich diese Visionen auf die Spur Chybrains gebracht hatten, aber ich kenne den Inhalt der Visionen nicht m ehr. Das W issen darum ist vergangen. Auch der Extrasinn kann m ir da nicht helfen. Mich verunsichern diese neuen W issenslücken, denn sie erscheinen m ir irgend wie unlogisch. Oder, so sage ich m ir, ich kann den Sinn dieses Erinnerungsschwunds nicht verstehen. Es handelt sich m it Sicherheit nur um ein bruchstückhaftes W issen, das m it der riesigen Erinnerungslücke aus m einer Zeit jenseits der Materiequellen nicht konkurrieren kann. Aus dieser
Lebensphase besteht ein geistiges Loch von rund 186 Jahren. Eine neue Belastung ist jedenfalls da. Sie beeinträchtigt m ich, und ich habe keine Ahnung, wie lange dieser Zustand andauern soll. Die Gefahren, von denen Parzelle gesprochen hat, schrecken m ich weit weniger. Mein Leben war nie gefahrlos ge wesen. Und m einer Aufgabe im Sinn der Kosm okraten war ich m ir voll be wußt, auch wenn ich sie nicht in den Einzelheiten zu form ulieren verm ochte. Varnhagher-Ghynnst wartete auf die SOL und m ich. Und aus der letzten Vision war der Begriff »Orakel« in m einem Bewußtsein hängengeblieben. Aber die Leere in einigen Bereichen m einer Erinnerungen stört m ich doch. Du solltest dich an das halten, was du weißt und was du besit zt, rät mir mein Logiksektor. Grübeleien über Vergangenes und Vergessenes bringen dich nicht weiter. Nun gut. Ich habe Tyari, eine wunderbare Lebensgefährtin. Ich habe die SOL. Ich kenne den grundsätzlichen Inhalt m eines Auftrags. Ich habe den festen W illen, nach den Vorstellungen der Unbegreiflichen von jenseits der Materiequellen diesen Auftrag m it Leben und Taten zu füllen. Aber das alles täuscht nicht darüber hinweg, daß ich Verluste erlitten habe, die an m einer Seele nagen. Chybrain, Hage Nockem ann, Blödel, Parzelle, Chart Deccon und viele rechtschaffene Solaner… Ich ahne et was Böses, das m it dem entwendeten W issen aus den Visionen zu tun haben m uß. Die Reihe der Verluste, die ich hinnehm en m ußte, ist noch nicht zu Ende. Die Bewährungen, die m ir die Kosm okraten imm er wieder auferlegen, können noch andauern. Ich gehe zu Tyari und suche Trost und Frieden bei ihr. Ich weiß aber, daß sie m ir nur sehr bedingt helfen kann. Ich m uß dam it leben. Heute starten wir in Richtung Varnhagher-Ghynnst. Für den Flug sind zwölf Tage vorgesehen. Breckcrown
Hayes und SENECA haben für jeden Zwischenstop eingeplant. In zwölf Tagen werde ich m ehr wissen.
Tag
einen
ERSTES ZW ISCHENSPIEL ER raste wie ein Besessener durch den Leerraum , angetrieben von einer fixen Idee. ER wollte nicht aufgeben. ER war noch da, und alle sollten ihn zu spüren bekomm en. Die Zeit war reif für eine entscheidende Tat. Aber wo sollte ER SIE finden? Gab es SIE überhaupt noch? Oder war alles nur eine hypothetische Annahm e, die einfach in ihm entstanden war? ER wußte es nicht genau, aber ER glaubte an sich. SIE konnten nicht zur Gänze verschwunden sein. Dafür waren SIE zu stark, zu absonderlieh, ja, m anchm al fast wie eine Superintelligenz, gewesen. ER wußte nichts über die wahre Vergangenheit derer, deren Reste ER suchte. ER glaubte ganz einfach daran, daß es diese Fragm ente des früheren Daseins noch geben m ußte. SIE wären das ideale Instrum ent, um alles in Bewegung zu bringen. Auch den Mächten jenseits der Materiequellen würden SIE nicht verborgen bleiben, wenn SIE plötzlich wieder handeln würden. Allein war jeder zu sch wach. Vielleicht ruhte jeder in einem hoffnungslosen Dämm erzustand irgendwo zwischen den Dim ensionen. Aber ER war sicher, daß SIE noch existierten. SIE m ußten existieren, denn SIE konnten nicht einfach versch wunden sein. SIE waren nicht wirklich sterblich. Dafür standen SIE zu hoch. SIE m ußten hier irgendwo sein, denn den Ort, an dem SIE so lange gelebt hatten, gab es nicht m ehr. ER streckte seine geistigen Fühler aus und lauschte. Die Echos des Universum s waren sehr vielfältig und m eistens unbegreiflich. SIE würde ER aber erkennen, denn ihre Ausstrahlung war charakteristisch. ER besaß das Muster dieser Ausstrahlung. Sicher, SIE würden sich bestimmt verändert haben,
nein, m ehr noch, SIE m ußten sich verändert haben, denn SIE hatten unsägliches Leid ertragen m üssen, aber etwas von den ursprünglichen Im pulsen m ußte noch existieren. ER brauchte SIE für die Aufgabe, die ER sich gestellt hatte. SIE würden ihn verstehen und akzeptieren, denn SIE m ußten sich in einer größeren Notlage befinden als ER. Daran gab es keinen Z weifel. ER sondierte die Störim pulse aus, die in diesem neuen Raum gebiet noch vorherrschten. ER war auf der richtigen Spur. Hier hatten SIE zwischen Diesseits und Jenseits existiert. Hier m ußten sich ihre Fragm ente finden lassen. Die Suche hatte schließlich Erfolg. ER jubelte, als ER den ersten Im puls erkannte. Das Signal war m att. Es steckte kaum , noch Leben in ihm , aber er be wies auch, daß dies nicht der Tod war. ER steuerte das Raum gebiet an, aus dem der Im puls kam . Hier herrschte Leere. Die nächsten Sterne waren sehr weit entfernt. Also hatten SIE sich in di e Einsam keit ihrer Hoffnungslosigkeit zurückgezogen. ER dachte, daß SIE ein würdigeres Schicksal verdient hatten. W elches, das sollten SIE selbst bestimm en. Die genaue Lokalisierung des Ersten war problem atisch, denn dieses W esen besaß nichts Körperliches m ehr. ER hatte das eigentlich er wartet. Das Fragm ent registrierte ihn m it Neugier. ER filterte die geistigen Bänder heraus, die SIE alle m iteinander verbanden. Als das geschehen war, konnte ER sprechen. SIE hörten schwei gend zu und zollten ihm dann uneingeschränkte Zustimm ung. ER baute SIE zu einer Leiter aus zehn Sprossen zusamm en, wobei ER eine willkürliche Reihenfolge wählte. Als SIE bereit waren, zog ER sich wieder zurück, um zu warten. ER hatte Zeit.
ZW EITES ZW ISCHENSPIEL Ich wachte irgend wann in der Nacht auf. Mir war, als wäre ein frem des Geräusch an m eine Ohren gedrungen. Ein undefinierbares Summ en lag in der Luft. Ich schwitzte. Als ich den Kopf zur Seite drehen wollte, um nach Tyari zu sehen, spürte ich einen dum pfen W iderstand. Ich brauchte alle Kraft, um die einfache Bewegung durchführen zu können. In einer Ecke m einer Kabine brannte das schwache rötliche Nachtlicht. Jetzt kam es m ir fast gespenstisch und un wirklich vor. Die m üden Lichtstrahlen schienen zu zittern. Ich wollte m ir m it einer Hand über die Augen wischen, aber m eine Arm e ließen sich nicht bewegen. Eine unsichtbare Kraft preßte sie auf die Liege. »Ein Alptraum , Extrasinn?« preßte ich über die trockenen Lippen. Ich bekam keine Antwort von m einem zweiten Ich. Ticker, der Adlerähnliche vom Arsenalplaneten, ruhte in einem Nebenraum . Er m üßte doch m it seinen psionischen Fähigkeiten m eine Not spüren und m ir zu Hilfe komm en. Aber dort rührte sich nichts. Endlich hatte ich den Kopf in eine Position gebracht, in der ich Tyari sehen konnte. Aber ihr Bett war leer! Das verstand ich nun überhaupt nicht. »Ganz ruhig bleiben«, wollte ich m ir zuflüstern, aber nun ließen sich auch m eine Lippen nicht m ehr bewegen. Das frem dartige Summ en peinigte m eine Ohren und m arterte m ein Gehirn. Die Nachtbeleuchtung flackerte noch stärker. Oder waren das alles nur Halluzinationen eines bösen Traumes? Die Nachwehen der Ereignisse der letzten Monate in der Nam enlose Zone? Nam en, die der Vergangenheit angehörten, drängten sich in m ein Be wußtsein: Anti-ES, die zehn Zounts oder Zähler, KING, HIDDEN-X, T woxl… Das Summ en erstarb ganz plötzlich. Auch hörte das Flackern der Beleuchtung auf. Aber bewegen konnte ich m ich noch imm er nicht. »Du bist wach?« hörte ich eine frem de Stimm e. Sie
klang weder m ännlich noch weiblich. Sie schien m itten in m einer Kabine zu entstehen, aber dort sah ich nichts. Eine Ant wort konnte ich nicht geben, denn außer den autom atischen Be wegungen m eines Brustkorbs war ich zu keiner Regung mehr fähig. »Du bist wach«, stellte die Stimm e fest. »Dann höre, Atlan! Du glaubst, daß du in zwölf Tagen VarnhagherGhynnst erreichen kannst. Du glaubst, daß die Zeiten der Prüfungen vorüber sind. Parzelle, der Unwirkliche, hat dir eingeredet, daß du dich ausreichend bewährt hast. Es gibt aber noch viel zu tun. Du hast die Geister deiner Vergangenheit geweckt. Und die scheren sich nicht darum , was die Kosm okraten wollen. Sie haben selbst unter ihnen gelitten. Du bist dafür verant wortlich, daß die Nam enlose Zone nicht m ehr existiert. Das m ag für dich richtig sein, aber nicht für uns. Du kannst uns nicht einfach verlassen. Du hast uns vergessen, aber wir dich nicht. Varnhagher-Ghynnst kann warten. Die Kosm okraten können warten. Für sie ist es gleichgültig, ob du dein Ziel in zwölf Tagen oder in zwölf Monaten erreichst.« Ich wollte etwas schreien, aber die Lähm ung und der Druck hielten unverm indert an. »Die Geister der Vergangenheit kreuzen deine Lebensleiter«, fuhr die unsichtbare Stimm e gnadenlos fort. »Zehn Sprossen m ußt du erklimm en, wenn du an dein Ziel gelangen willst. Die Kosm okraten werden dir nicht helfen. Und wenn du die zehn Stufen nicht erkennst und m eisterst, wirst du nicht einm al als Leichnam nach Varnhagher-Ghynnst gelangen. Nun kennst du einen Teil deiner wahren Aufgabe, die wir dir stellen. Du kannst ihr nicht aus weichen.« Ich brachte unter unsäglichen Mühen die linke Hand in die Nähe des Alarm knopfs, aber ich besaß nicht die Kraft, diesen zu berühren. »Du kannst an die vergangenen Jahre auf der SOL denken.« Die Stimm e wurde et was leiser. »Aber du sollst wissen, daß er noch nicht zu Ende ist – der lange W eg der SOL!« Ich bäum te m ich auf, und plötzlich war der
unerklärliche Druck versch wunden. Ich schnellte in die Höhe. Sofort schaltete sich autom atisch die Beleuchtung in der Kabine ein. Ich saß kerzengrad im Bett und blickte m ich um . Alles war ganz norm al. Neben m ir lag Tyari. Ihre Atem züge waren ruhig und gleichm äßig. Ich wischte m ir den Sch weiß von der Stirn. Der Zellaktivator pulsierte et was stärker als gewöhnlich, und das war ein sicheres Zeichen dafür, daß ich einer besonderen Streßsituation ausgesetzt gewesen war. Sollte ich Alarm schlagen? Ich würde m ich wom öglich lächerlich m achen, denn hier war nichts Verdächtiges zu entdecken. Ich tastete m ir ein Erfrischungsgetränk aus dem Autom aten. W ährend ich das kühle Naß über die Zunge laufen ließ, versuchte ich, wieder zu m ir selbst zu finden. Das heftigere Pulsieren des Aktivators ließ schnell wieder nach. Ich starrte auf die schlafende Tyari und schüttelte irritiert den Kopf. Ein Blick in den Nebenraum genügte m ir, um zu sehen, daß auch Ticker seine Nachtruhe nicht unterbro chen hatte. Er hatte seinen Kopf ins Gefieder gesteckt, und er rührte sich auch jetzt nicht. Die Minuten verstrichen. Und m it jeder gewann ich m ehr das Gefühl, alles nur geträum t zu haben. Das war Wirklichkeit, m eldete sich der Extrasinn. Versuche nicht, das Erlebt e zum Traum oder zur Halluzination abzu stempeln. Das könnte ein böser Fehler sein. »Und wenn es W irklichkeit war?« fragte ich zurück. »W as hat es zu bedeuten? Von welchen Geistern der Vergangenheit hat der Unbekannte gesprochen?« Ich weiß es nicht. Aber ich zweifle nicht daran, daß du es über kurz oder lang erf ahren wirst. Du bist noch nicht in Varnhagher-Ghynnst. Und ich sehe die Sache so, daß du auch nicht so bald an dieses Ziel gelange n wirst. Du sollt est SENECA informieren und Breckcrow n Hayes warnen. »Ich brauche noch eine Stunde Schlaf«, ant wortete ich unzufrieden und legte m ich wieder ins Bett.
Der lange W eg der SOL ist noch nicht zu Ende, dachte ich. Und: Mögen die angeblichen Geister der Vergangenheit doch komm en! DIE ERSTE SPROSSE Trotz der gestörten Nachtruhe fühlte ich m ich am nächsten Morgen frisch. Die Im pulse m eines Zellaktivators hatten alle Spuren des W achtraum s ausradiert. Ich fragte Tyari, ob sie in dieser Nacht et was geträum t habe, und sie antwortete: »Ja, m ein Lieber. Ein Unsichtbarer hatte m ich entführt. Aber du hast m ich aus seinen Klauen gerettet und wieder an Bord der SOL geholt.« Sie lachte dabei schelm isch, so daß ich nicht wußte, ob sie scherzte. Ich zog es vor, sie nicht weiter zu fragen und ihr auch nichts von m einem nächtlichen Erlebnis zu erzählen. Nach dem ausgiebigen Frühstück begaben wir uns i n die Hauptzentrale. Hier erkannte ich m it einem Blick aus den Anzeigen, daß die erste Flugetappe noch andauerte. Die Dimesexta-Triebwerke der drei Solzellen arbeiteten im Verbund m it 80 Prozent Schub. Breckcrown Hayes hatte das Komm ando an Brooklyn übergeben, die eigentlich Solania von Terra hieß. Beim Anblick der 63j ährigen Ex-Magnidin beschlich m ich ein seltsam es Gefühl. Eine Erinnerung wollte sich aufdrängen, aber ich ver wischte sie, denn sie war bruchstückhaft und unlogisch. Sie besagte, daß Solania längst nicht m ehr am Leben war. Sie stand aber in ihrer vollen Größe nur wenige Meter von m ir entfernt. Irgend et was stimmte nicht m it ihr oder m it m ir. Breckcrown Hayes ließ sich sicher in einem MedoCenter behandeln. Es war sehr fraglich, ob er sein Leiden je ganz auskurieren können würde. Das muß mit den vergessenen Visionen zusammenhängen, half m ir der Logiksektor, wom it er auf m eine Gedanken zu Solania anspielte. Aber Grübeleien darüber helfen dir nicht.
Das m ochte stimm en, aber dennoch war m eine Frühstückslaune schnell wieder verflogen. Ich wechselte hier und dort ein paar W orte m it den Solanern. Uster Brick, der in den vergangenen W ochen m eine MJAILAM, den Kreuzer MT-1, gesteuert hatte, war sehr redselig. Er verm ittelte den Eindruck einer positiven Stimm ung an Bord. Die Abenteuer der Nam enlosen Zone waren überstanden. Jetzt ging es zu neuen Ufern. Und wohl auch zu friedlicheren. Zum indest schien dies die vorherrschende Meinung bei den m eisten Solanern zu sein. Eine Ausnahm e bildete die neue Cheftechnikerin der SOL, Jessic a Urlot. Sie hatte nach dem Tod der Ex-Magnidin Ursul a Grown deren Posten als Stabsspezialistin angenomm en. Jessica galt als Allround-Genie, nicht nur, was technische Belange betraf. Auch als Führungskraft hatte sie sich schon einen Nam en gem acht. Mit Breckcro wn Hayes verband sie etwas. Der High Sideryt hatte sie schon m ehrm als als persönliche Beraterin zu W ort komm en lassen oder als seine Vertreterin eingeteilt. Man m unkelte an Bord, daß sie vielleicht seine Nachfolgerin im höchsten Führungsposten der SOL werden könne, wenn Hayes nicht wieder seine volle Gesundheit zurückgewinnen konnte. Insofern wunderte ich m ich j etzt etwas, weil Solania von Terra das Komm ando führte. Sie gehörte ja eigent lich auf die Solzelle-2. Jessica Urlot war 64 Jahre alt und eigentlich eine ganz durchschnittliche Solanerin. Ihre brünetten Haare waren kurz geschnitten, und das entsprach den augenblicklichen modischen Vorstellungen an Bord des Generationenschiffs. Sie wirkte et was m askulin und hart, insbesondere, wenn sie sprach. Aus unserer kurzen Unterhaltung ging nicht viel hervor, aber ich gewann doch den Eindruck, daß sie nicht vorbehaltlos m it dem Flug nach VarnhagherGhynnst einverstanden war. Es hatte in der Vergangenheit m ehrfach
Bestrebungen aus verschiedenen Gruppen der Solaner gegeben, die m it meinem Einfluß auf den High Sideryt nicht ganz einverstanden waren. Ich hatte zwar Verständnis dafür, denn durch m eine Entscheidungen war die SOL in so m anche lebensgefährliche Situation geraten. Und durch m eine Ziele hatte es Opfer zur Genüge gegeben. Mir fiel der seltsam e Alptraum der vergangenen Nacht wieder ein. Es wäre sehr unklug gewesen, gegenüber den Solanern etwas davon zu er wähnen. Ich verzichtete auch darauf, SENECA, die Bordpositronik, vertraulich darüber zu inform ieren. Die Solaner hatten wirklich Ruhe verdient. Schreckensnachrichten hätten nur eine neuerliche Stimm ung gegen m ein Ziel Varnhagher-Ghynnst und dam it gegen m ich erzeugen können. »Ende der Flugetappe in fünf Minuten«, tönte es aus den unsichtbaren Lautsprechern. Bewegung kam in das Personal der Zentrale. Mit dem Zwischenstopp wü rde eine gründliche Orientierung not wendig werden. Der W eg nach Varnhagher-Ghynnst war noch weit. Und diese Orientierung war eine Aufgabe, die das SPARTAC-Teleskop gem einsam m it SENECA zu be wältigen hatte. In der Zentrale herrschte Gelassenheit. Breckcrown Hayes kam herein. Ein Roboter stützte ihn, aber der High Sideryt schüttelte die Maschine ab, begrüßte seine Leute und nahm in seinem Komm andantensessel Platz. Solania gab einen kurzen Bericht ab, der m it den W orten »keine besonderen Vorkomm nisse« endete. Die SOL fiel in den Norm alraum zurück. Die Anzeigen der Dim esexta-Triebwerke fielen auf Null. Auf dem Hauptschirm der Zentrale leuchtete matt das Schwar z des Alls auf. Aus Gründen der reinen Routine wurden die Defensivschirm e im gleichen Mom ent auf 50 Prozent Last hochgefahren. Man konnte nie ganz genau wissen, wo m an gelandet war. SENECA wertete in Sekundenbruchteilen die Ergebnisse der Ortungsstationen aus. Es gab keine Anzeichen für eine Gefahr. Der Raum ringsum war
lichtjahreweit völlig leer, und das entsprach den Vorausberechnungen. Die Schutzschirm energien wurden auf 20 Prozent reduziert. Das reichte imm er noch aus, um gelegentlich durch den Leerraum streunende kleine Himm elskörper auf zuhalten, die dem Ynkelolium -Terkonit-Verbundstahl unserer Außenhüllen unter Um ständen Schäden zufügen konnten. Die Auswertungen des SPARTAC-Teleskops dauerten wesentlich länger. Ferne Galaxien m ußten identifiziert und verm essen werden. Daraus wurde dann die eigene Position berechnet. Ich er wartete auch hier keine Besonderheiten und setzte m ich m it Tyari an einen Ecktisch, wo ein Roboter Getränke und kleine Speisen aufgefahren hatte. W ir plauderten zwanglos, als sich Uster Brick wieder zu uns gesellte. Nacheinander gingen die Meldungen der drei Solzellen ein. In den technischen Sektionen, und diese betrafen in erster Linie die Dim esexta-Triebwerke für den extragalaktischen Flug, waren keine nennens werten Störungen zu verzeichnen. Jessica Urlot faßte diese Meldungen in einem Satz zusamm en: »Die SOL ist zu 99,9 Prozent einsatzbereit und fernflugtauglich.« Ich m erkte erst eine ganze W eile später, daß Breckcrown Hayes unruhig wurde. Schließlich fragte der High Sideryt beim SPARTAC-Teleskop an, warum die Positionsbestimm ung eine so lange Zeit dauerte. Ein Bildschirm flammte auf, und der Kopf eines jungen Solaners erschien. Die Augen des Mannes zuckten nervös. »Problem e«, erklärte der Solaner knapp. »W ir können die drei nächsten Galaxien nicht identifizieren. Die Entfernungen betragen zwischen acht und zwölf Millionen Lichtj ahre, aber kein System ist uns bekannt.« »Und andere Galaxien?« wollte Hayes wissen. »W ir haben Pers-Mohandot gefunden, aber die Entfernung ist zu 200 Prozent falsch. Etwas Ähnliches gilt für Mysantrop und…«
»Das gibt es nicht«, grollte der High Sideryt. »In eurem Teleskop ist wohl eine Schraube locker. Meßt alles noch einm al nach. Ende.« Hayes drückte eine Sensortaste, die eine direkte Verbindung zu SENECA schaltete. Das Sym bol der Biopositronik flammte auf. »Und?« fragte der Solaner nur. »Die Berechnungen des SPARTAC-Teleskops sind richtig«, erklärte SENECA. »Das würde aber bedeuten, daß wir unser Ziel nicht erreicht haben!« brauste der High Sideryt auf. »Das wüßte ich aber«, erklärte SENECA lapidar. »Mit dumm en Sprüchen ist keinem geholfen.« Jetzt wurde Hayes richtig wütend. Sein angekratzter Gesundheitszustand hatte ihn in den letzten Tagen schon m anchm al fast cholerisch reagieren lassen. Ich erhob m ich und ging zu ihm hinüber. Beruhigend legte ich ihm eine Hand auf die Schulter, aber er reagierte zunächst nicht. Seine Blicke ruhten starr auf den Bildern, die die Ortungszentralen hereinspielten. Sieben Galaxien waren hier abgebildet. Und nur drei trugen einen eingeblendeten Nam en. »Verstehst du das, Atlan?« fragte m ich Breck schließlich. Ich schüttelte nur den Kopf. »Hier SENECA«, erklang es. »Meine Nachberechnungen haben ergeben, daß wir unser Zwischenziel nicht erreicht haben. Sie haben ferner ergeben, daß die Konstellation der erfaßten Galaxien falsch sein m uß, denn die durch das SPARTACTeleskop verm essenen Galaxien Pers-Mohandot, Mysantrop und AK-7781 -Bezeichnung nach dem Beneter-Katalog – stehen in einem räum lichen Verhältnis zueinander, das nicht den bekannten Tatsachen entspricht. Die Folgerung daraus ist, daß das SPARTAC-Teleskop falsch arbeitet.« »Aha!« Hayes winkte Jessica Urlot heran. »Das fällt in dein Ressort. Bitte kümm ere dich darum . Ich bereite unterdessen die Daten des W eiterflugs aufgrund der bisherigen Fakten auf, ohne diese falschen Resultate
zu berücksichtigen.« »Das ist nicht m öglich«, widersprach SENECA. »Ich habe keinen Anhaltspunkt. Erst m uß das SPARTACTeleskop repariert werden.« »Ich wechsle hinüber zu m einer SZ-2«, bot Solania an. »W ir haben dort ein kleines und weniger leistungsfähigeres Teleskop, aber seine Ergebnisse m üßten für eine Positionsbestimm ung ausreichen.« Breckcrown Hayes war dam it einverstanden, und Solania verließ die Hauptzentrale über den Antigravschacht. Es verging eine Viertelstunde. Dann gingen kur z nacheinander drei Meldungen beim High Sideryt ein, die ich m itverfolgte. Die erste kam von Jessica Urlot. Die Überprüfung des SPARTAC-Teleskops hatte ergeben, daß dieses fehlerfrei arbeitete. Noch rätselhafter wurde die Sache, als Solania di e gem essenen W erte des SPARTACS m it ihrem Teleskop bestätigte. Den be wußten Tropfen, der das Faß zum Überlaufen brachte, lieferte SENECA. »Ich habe eine Hyperfunknachricht empfangen«, ver kündete die Biopositronik. »Ein Absender wurde nicht genannt, und eine Peilung war wegen der Kürze der Nachricht nicht m öglich. Der Inhalt besteht aus drei W orten, und diese lauten: Die erst e Sprosse. Der Text ergibt für m ich keinen Sinn.« Meine Augen begannen zu tränen. W as sollte ich tun? Eigentlich war jetzt der Mom ent gekomm en, an dem ich über m einen seltsam en Alptraum sprechen m ußte. Genau das konnte sich aber auch als schwerer Fehler herausstellen. Ich er wartete einen bissigen Komm entar m eines zweiten Be wußtseins, aber der Extrasinn schwieg beharrlich. Er schien sich seiner Sache auch nicht sehr sicher zu sein, was bei den dürftigen Hin weisen und den ungeklärten Verhältnissen auch kein W under war. Ich wischte m ir unauffällig das salzige Naß aus den
Augen und folgte m einem ersten Entschluß, näm lich abzu warten und zu sch weigen. Breckcrown Hayes ließ sich die Meldungen noch einm al wiederholen. Dann handelte er so, wie es sich für einen High Sideryt gehörte, näm lich logisch und konsequent. Er witterte et was Undurchschaubares. Und Undurchschaubares konnte imm er gleichbedeutend m it Gefahr sein. »W ir brauchen Klarheit.« Seine Stimm e klang jetzt fester, und der Anflug von Unruhe, Unzufriedenheit und ein bißchen Cholerik war verschwunden. »SENECA! Sind alle Daten des SPARTAC-Teleskops abgespeichert?« »Natürlich«, antwortete die Biopositronik sofort. »Dann halt sie gut fest. W ir führen eine Etappe m it den Lineartrieb werken durch. Dabei fliegen wir im rechten W inkel zur Abstandslinie zur Galaxis Mysantrop. Entfernung 5000 Lichtjahre. Dort wir d gestoppt und alles erneut verm essen.« Ich erkannte Hayes’ Absicht. Er wol lte von einer anderen Stelle aus die astronom ischen Daten bestätigt oder widerlegt haben. Die Querbewegung zur Blickrichtung Mysantrop m ußte bei dieser Entfernung ein deutlich anderes Ergebnis liefern. Die verschiedenen Sektionen der Solzellen bestätigten die Anweisung. SENECA koordinierte die Antriebssystem e. Es dauerte keine Minute, bis sich di e SOL wieder in Be wegung setzte. Nach der Beschleunigung sollte diese Linearetappe nicht länger als höchstens zwölf Minuten dauern. Ich begab m ich wieder zu Tyari, die m ich fragend anblickte. Meine Reaktion war nur ein leichtes Kopfschütteln. Es hat sich jemand mit dir in Verbindung geset zt, sprach plötzlich gedanklich der Logiksektor. Dieser Jemand war real, auch wenn er nicht so wirkte. Und er demonstrierte seine Macht. Dieser Jemand sprach von sich in der Mehrzahl. Dabei klang f ür meine Begriffe an, daß du für ihn kein Unbekannt er bist. Damit gilt diese Festst ellung auch im umgekehrt en Sinn. Du müßtest
diesen Jemand kennen, und ich müßt e diesen Jemand kennen, aber ich erkenne ihn – oder sie, denn es sind wohl mehrere – nicht. »W eiter!“ drängte ich lautlos, denn m ir war in diesem Mom ent jede Hilfe willkomm en. Da ist ein gan z entscheidender Punkt. Dieser Jemand wandt e sich in jeder Be ziehung nur an dich, nicht jedoch an die SOL oder die Solaner oder an eine andere Person. Das geht nicht nur aus seinen W orten hervor. Es wird auch dadurch bekräftigt, daß niemand auß er dir diesen scheinbaren Alptraum erlebte. Es stimmte, was der Extrasinn sagte. Ich m ußte zugeben, daß ich die Sache so nicht in aller Deutlichkeit gesehen hatte, wenngleich ich durch m ein Sch weigen in diesem Sinn gehandelt hatte. Oder nicht gehandelt, spottete m ein zweites Bewußtsein. »Er hat aber vom langen W eg der SOL gesprochen«, erinnerte ich m ich wieder. Eine bewußte I rref ührung, behauptete der Extrasirin nicht ganz überzeugend. Er sieht die SOL als dein W erkzeug, was sicher nicht ganz richtig ist. Die Problemst ellung mit dem Kreuzen der Lebensleiter – was immer das bedeut en soll – bet raf allein dich. Ich beendete den gedanklichen Kontakt, denn die Linearetappe neigte sich dem Ende zu. »Du bist sehr sch weigsam «, m einte Tyari ohne jeden Vor wurf. »Ja.« Ich versuchte ein Lächeln. »Ich habe nachgedacht, was das alles zu bedeuten hat. In ein paar Minuten werden wir m ehr wissen.« Ganz so kam es nicht. W ir erfuhren zwar et was Neues, aber unsere Lage wurde dadurch noch unsicherer und unklarer. Die astronom ischen Verm essungen durch das SPARTAC-Teleskop ergaben ebenso wi e die durch das kleine Teleskop der SZ-2, daß sich gar nichts geändert hatte. Der logische Schluß daraus wäre gewesen, daß sich die SOL gar nicht von der Stelle bewegt hätte. Dem widersprachen aber alle Messungen der
bordeigenen System e von den Beschleunigungsm essern bis zum Energieverbrauch. W ir hatten uns bewegt! Und zwar genau die 5000 Lichtjahre, die Breckcro wn Hayes angeordnet hatte. Der W iderspruch zu den Resultaten der Teleskope wurde dadurch aber nicht geklärt. W ährend alle System e erneut überprüft wurden, wartete ich darauf, daß sich der Unbekannte noch einm al m eldete. Aber das geschah nicht. Die Nachricht, die SENECA em pfangen hatte, stellte einen eindeutigen Bezug zu m einem Alptraum her. Ein Zufall konnte das unm öglich gewesen sein. Die erste Sprosse, das paßte genau zu m einem Alptraum . Es gab aber noch eine andere Möglichkeit. Und je länger ich darüber nachdachte, desto logischer erschien es m ir. Es gab eigentlich nur ein W esen, das hier an Bord die Macht hatte, m ich diesem Alptraum auszusetzen. Es gab auch nur ein W esen an Bord, das die seltsam e Nachricht von der ersten Sprosse em pfangen hatte. Und es gab nur ein W esen, das in solch großem Umfang Daten der Teleskope oder der Ortung m anipulieren konnte. SENECA! Die Biopositronik hatte uns in der Vergangenheit schon so m anchen Streich gespielt. Zwar waren dabei in den m eisten Fällen Frem dbeeinflussungen die Ursache gewesen, aber ich erinnerte m ich noch zu gut an die erste Zeit nach m einer Ankunft auf der SOL, als SENECA jede Zusamm enarbeit ver weigert hatte. Ich habe solche Überlegungen auch bereits angestellt, teilte m ir der Extrasinn m it. Deine SENECA betreff enden Gedanken sind logisch, aber das ist noch kein ausreichender Beweis. »Es gibt eine ganz einfache Möglichkeit«, ant wortete ich dem Logiksektor auf m entaler Ebene, »das festzustellen. Die MJAILAM-Positronik der MT-1 arbeitet völlig unabhängig von SENECA. Er kann sie vielleicht hier an Bord beeinflussen, aber niem als außerhalb davon.«
Richtig! Dam it stand für m ich fest, was ich zu tun hatte. Ich wartete noch eine W eile ab, ob sich neue Erkenntnisse ergaben. Das war nicht der Fall. Dann wandte ich m ich an Breckcrown Hayes und schlug ihm vor, m it der MJAILAM, wie der Eigennam e des Kreuzers MT-1 lautete, einen Erkundungsflug durchzuführen und von einer größeren Entfernung zur SOL aus die bisher so widersprüchlichen Daten zu überprüfen oder zu wider legen. Der High Sideryt konnte m ein Verlangen nicht abschlagen. Außerdem sah er m ir mit Sicherheit an, daß ich einen bestimmten Plan verfolgte. Er schien diesen auch schon zu ahnen, und das war m ir ganz recht. Von den Leuten, die in den letzten Monaten an m einer Seite gekämpft hatten und die m an das »AtlanTeam « genannt hatte, nahm ich nur Tyari und den Piloten Uster Brick m it. Hayes versicherte ich, i n spätestens einer Stunde zur SOL zurückzukehren. Als die MJAILAM die Hauptschleuse des Mittelteils der SOL verließ, hatte ich das Gefühl, daß eine Last von m ir abfiel. Aber Gefühle trogen ja oft. Ich m aß ihnen daher keine Bedeutung bei und konzentrierte m ich ganz auf m ein Vorhaben. W ir wählten eine Richtung aufs Geratewohl und brachten in einer Linearetappe von 700 Lichtj ahren schnell eine größere Entfernung zwischen die SOL und uns. Kaum kehrten wir aus dem Zwischenraum zurück, da m eldete sich SENECA über Hyperfunk. Ich ließ ihn warten und veranlaßte erst einm al, daß unser kleines Observatorium in der Polkuppel seine Arbeit aufnahm . Von dort erhoffte ich m ir die wichtigsten Ergebnisse und Aufschlüsse. Dann beantwortete ich SENECAS Anruf. »Es fällt m ir nicht schwer«, erklärte die SOLPositronik, »den Sinn deines Manövers zu durchschauen. Bei den Recherchen, die ich angestellt habe, um einen Urheber zu finden, der uns dieses ver wirrende Bild der kosm ischen Um gebung
vorspiegelt, bin ich zu dem Resultat gekomm en, daß nur ich selbst dazu in der Lage wäre. Und um das zu ergründen, hast du dich m it der MT-1 abgesetzt, weil deren Positronik von m ir völlig unabhängig ist.« »So ist es«, ant wortete ich ohne Zögern. Ich erntet e erstaunte Blicke von Tyari und Uster Brick, denen ich von m einer Absicht natürlich nichts m itgeteilt hatte. »Ein vernünftiger Schritt, Atlan«, fuhr SENECA völlig unbeeindruckt fort. »Ich hoffe, daß du einen Beweis findest. Ich bin m ir weder einer Beeinflussung bewußt, noch könnte ich einen anderen Grund nennen, um euch so zu täuschen. Ich stehe dir nach deiner Rückkehr zur SOL für jede Untersuchung und Überprüfung uneingeschränkt zur Verfügung. Der High Sideryt – und nur der allein – kann dieses Gespräch verfolgen.« Das klang alles gut und vernünftig. »Ich m elde m ich wieder, SENECA«, antwortete ich, »wenn ich m eine Untersuchungen abgeschlossen habe.« Die Verbindung wurde beendet, und ich konnte m ich wieder ganz um die Geschehnisse an Bord der MJAILAM kümm ern. Die Ergebnisse unseres Observatoriums lagen wenig später vor. Die wirklich von SENECA völlig unabhängige MJAILAM-Positronik faßte sie zusamm en: »Es bestehen geringfügige Abweichungen zu den Messungen, die von der SOL aus gem acht wurden. Aber die erm ittelte Konstellation der bekannten Galaxien entspricht nicht den bekannten W erten. Und die unidentifizierbaren Galaxien können von hier ebenfalls beobachtet werden.« Das Rätsel, m it dem ich m ich herumschlug, wurde dadurch eher größer. »W ir führen eine weitere Linearetappe von m indestens 700 Lichtjahren durch«, entschied ich. »Ich m öchte weitere Messungen von einem weiter entfernten Ort vornehm en lassen.« Mit diesem Entschluß folgte ich einfach m einem Gefühl. Die Festlegung des Kurses überließ ich Uster Brick.
W ährend der Pilot m it der MJAILAM-Positronik die Daten festlegte, inform ierte ich Breckcrown Hayes über m einen nächsten Schritt, ohne dabei aber die unklaren Resultate zu erwähnen, die wir bisher erzielt hatten. Die neuerliche Linearetappe betrug 800 Lichtjahre. Nach dem W iederauftauchen im Einsteinraum bekam ich keinen Funkkontakt zur SOL. Ein Ortungsecho war bei der großen Entfernung, die wir inzwischen zum Generationenschiff hatten, nicht zu er warten. Die ganze Sache wurde imm er rätselhafter. Ich käm pfte gegen eine aufsteigende Panik, obwohl dafür eigentlich kein Grund vorlag. Oder noch keiner, däm pfte der Extrasinn m einen verbliebenen Optim ism us. »Beeilung!« herrschte ich das Personal des Observatorium s an. »Ich brauche die Ergebnisse sofort, denn wir haben den Kontakt zur SOL verloren.« Dam it übertrug sich die Unruhe auf das ganze Schiff. Sie steigerte sich noch m ehr, als das Observatorium m eldete, daß nun ausschließlich bekannte Galaxien gesichtet worden waren. Danach ließ sich auch unsere Position und dam it die theoretische der SOL bestimm en. W ir standen wahrscheinlich in der richtigen Entfer nung von knapp 1500 Lichtj ahren von dem Hantelschiff, aber dieses hatte das Zielgebiet der ersten« Fernflug etappe um mindestens drei Millionen Lichtjahre ver fehlt. Die weiteren Folgerungen waren einfach. SENECA hatte uns belogen. Die Frage war nur, ob er dies wissentlich und vorsätzlich gem acht hatte oder nicht. Ich war fest entschlossen, das auf dem schnellsten W eg zu klären. »Rückkehr zur SOL!« befahl ich. Uster programm ierte eine einzige Etappe ein. Ic h hatte während des Fluges durch die Labilzone wieder ein steigend ungutes Gefühl. Das mochte von dem fehlenden Funkkontakt beim letzten Aufenthalt herrühren. Es konnte aber auch dam it zusamm enhängen, daß ich m ir wieder deutlicher
bewußt war, daß ich m ich der SOL näherte. Ich atm ete auf, als bei der Rückkehr in den Norm alraum die Orter sofort das Generationsschiff erfaßten und auch der Funkkontakt zustande kam . »Ihr bleibt alle an Bord der MJAILAM! „ ordnete ich an. »Es darf vorerst niem and etwas von den Resultaten unseres Ausflugs erfahren. Strengstes Stillschweigen! Ich will erst m it SENECA sprechen, aber nicht über ein x-beliebiges Komm unikationsgerät.« »Ich begleite dich natürlich«, m einte Tyari. »Nein, m ein Herz«, erklärte ich entschieden. »Auch du bleibst hier. Nur Ticker wird m ich zu SENECA begleiten, denn ich ge winne imm er m ehr den Eindruck, daß dies allein m eine Angelegenheit ist.« SENECA war der Nam e der biopositronischen Hyperinpotronik der SOL, eingebaut im zylindrischen Mittelteil des Mutterschiffs. Mit einer herkömm lichen Bordpositronik ließ sich diese in jeder Hinsicht autarke Kugel von 500 Metern Durchm esser nicht vergleichen. Ein eigenes NUGAS-Kraftwerk hinter den zwei Meter dicken Panzerstahl-Außenwänden SENECAS sorgte dafür, daß die gewaltige Biopositronik von außen nicht durch Energieentzug desaktiviert werden konnte. 125 000 Kubikm eter Zellplasm a, das von der Hundertsonnenwelt der Posbis stammte, erzeugte neben der positronischen Kom ponente echte Intelligenz und Eigenständigkeit. Ganze zwei Schleusen führten ins Innere SENECAS. Besuche waren ohnehin stets die Ausnahm e, dafür sorgte SENECA selbst. Das W issen, das er barg, war eine unersetzliche Quelle für die fast 100 000 Lebewesen an Bord der SOL. Es durfte nicht gefährdet werden. Vor einem dieser Eingänge stand ich nun. Meine Besuche hier konnte ich an einer Hand abzählen, aber dennoch waren m ir die räum lichen Einzelheiten bestens bekannt. Hinter der Schleuse begann der sogenannte Todes gang, der fast 200 Meter ins Innere zur Alpha-Zentrale führte. Es war nahezu undenkbar, daß ein Lebewesen
diesen Todesgang gegen den W illen SENECAS passieren konnte. Die Fallen und Vernichtungssystem e, die er enthielt, waren m ir allerdings auch nur zu einem geringen Teil bekannt. Die Alpha-Zentrale war ein besonderer Komm unikationsort für extrem e Fälle. Norm alerweise war sie von außen her unzugänglich. Es verstand sich von selbst, daß niem and – auch nicht der High Sideryt oder ich – die Außenschleuse m it einer W affe oder einem anderen Vernichtungsinstrum ent passieren konnte. Daher war es klar, daß ich m ich an diese Regelung zu halten hatte. Ich hoffte nur, daß SENECA nichts gegen m eine Begleitung einzu wenden hatte. Ticker hatte sich auf m einer rechten Schulter einen Plat z gesucht. Und er konnte unter Um ständen gefährlicher sein als eine Bom be. Seine ganzen psionischen Kräfte und Möglichkeiten kannte ich auch jetzt noch nicht. Ticker glich äußerlich einem großen Adler, Ursprüng lich war er ein ganz norm ales Tier eines Planeten gewesen, den wir durch die Um stände im Kam pf gegen Anti-ES den Arsenalplaneten genannt hatten. Der Arsenalplanet hatte kein intelligentes Leben hervorgebracht. Er hatte aber m it der geballten Kraft seiner Natur alle denkbaren Kräfte in ein W esen vereinigt – in Ticker, um sich gegen Anti-ES und seine Helfer zur W ehr zu setzen. Ticker war m ein Freund geworden. Ohne den Adlerähnlichen hätte ich wohl nie über Anti-Es trium phieren können. Ticker besaß ein graues, fast unscheinbares Gefieder. Der weiße Fleck unter seinem Hals stellte di e einzige Ausnahm e dar. Sein Hakenschnabel ragte eine gute Handbreit nach vorn. W enn er still hockte, wirkte er m it einer Größe von 65 Zentim etern und einer Länge von fast einem Meter schon im posant. Voll zur Geltung kam er aber erst, wenn er seine Flügel ausbreitete, die eine Spann weite von vier Metern erreichten. Jetzt saß Ticker auf m einer rechten Schulter. Er verhielt sich ruhig. In ihm lebte die ganze Natur des
Arsenalplaneten mit ihren natürlichen psionischen Kräften. Er m ochte m ich. Und ich m ochte ihn. W ir standen in der Schleuse zu SENECA, hinter der der Todesgang zur Alpha-Zentrale führte, und ließen die ersten Prüfungen über uns ergehen. Es vergingen m ehrere Minuten, bis eine unpersönliche Stimm e erklang: »Eintreten!« Die Innentür der Schleuse öffnete sich. Der Todesgang m it seinem rötlichen Dämm erlicht nahm m ich auf. Im gleichen Mom ent m eldete sich der Extrasinn. Mei n zweites Be wußtsein legte m ir eine gründliche Analyse vor. Einiges von dem , was es m ir m itteilte, klang m erkwürdig oder unglaubhaft. Aber insgesam t war ich schnell überzeugt. Als ich die quadratische Alpha-Zentrale erreichte, schwieg der Extrasinn wieder. Zeit für eine Ant wort oder für Rückfragen war m ir nicht geblieben, denn SENECA m eldete sich sofort. »Hallo, Atlan! Ich begrüße dich. Es ist gut, daß du allein gekomm en bist.« Er schien Ticker gar nicht zu registrieren. Oder hatte der Adlerähnliche sich m it seinen psionischen Kräften so getarnt, daß SENECAS Sensoren versagten? »Ich hoffe«, fuhr SENECA fort, »du bringst Inform ationen m it, denn ich stehe vor einem Rätsel. Es bestehen W idersprüche, die ich nicht erklären kann.« »Deine Balpirolleiter werden gleich noch m ehr ins Sch witzen komm en«, scherzte ich. »Ich habe ein paar Neuigkeiten, und die werden auch nicht in dein Bild und in deine Überlegungen passen.« Ich berichtete getreu dem Rat des Extrasinns zunächst ausführlich von m einem Alp träum . SENECA stellte keine Z wischenfragen. Dann legte ich offen, was sich aus dem Erkundungsflug der MJAILAM ergeben hatte. »Da ist unm öglich!« platzte es aus der Hyperinpotronik heraus. »Bestehende Tatsachen darf m an nicht als unm öglic h
bezeichnen«, entgegnete ich. »Vielleicht können wir gem einsam eine Erklärung finden. Ich betrachte alles, was bisher geschehen ist, als eine Reihe von Maßnah m en, die sich prim är gegen m eine Person richten. Irgend jem and will etwas Bestimmtes von m ir. Ich weiß nicht, wer das ist. Verm utlich handelt es sich um m ehrere W esen. Ich spreche ganz bewußt nicht von einem Angriff. Es ist auch keine Prüfung oder Bewährung. Ich glaube auch nicht, daß die Kosm okraten ihre Finger im Spiel haben. Eher m eine ich, daß ich in der jüngsten Vergangenheit etwas übersehen habe. Und diese Geister der Vergangenheit sind es, die sich jetzt rühren.« »Das ist m ir zu phantastisch«, wehrte die Biopositronik ab. »Das war erst die Einleitung, SENECA. Deine und m eine astronom ischen Messungen haben ergeben, daß zum einen du beeinflußt wirst, zum anderen die SOL und ihre nähere Um gebung. W ir sind nach dem Fernflug nicht an den richtigen Zielpunkt gekomm en. Und unser e kosm ische Um gebung präsentiert sich in einem gefälschten Bild.« »Ich werde nicht m anipuliert«, wehrte sich die Biopositronik. »Ich wüßte das doch.« »Ich kann dir be weisen, daß du nicht unfehlbar bist. Du kennst Ticker?« »Natürlich.« »W o befindet er sich?« »Ich nehm e an, in deiner Privatkabine. Oder bei Tyari auf der MT-1. W as soll diese Frage?« »Ticker ist hier. Er sitzt auf m einer Schulter. Und du kannst ihn nicht wa hrnehm en. Es gibt bestimm te psioni sche Beeinflussungen, die du gar nicht m erkst.« SENECA sch wieg. »Der, der dich und uns alle beeinflußt und uns eine falsche astronom ische Um gebung vorgaukelt«, fuhr ich ungerührt fort, »scheint m it ähnlichen psionischen Energien zu arbeiten.« »Ticker ist nicht hier«, behauptete er. »Ich hätte es bereits von den Sensoren an der Eingangsschleuse
erfahren, wenn du nicht allein ge wesen wärst.« »Deine Sinne sind getrübt. Ich werde Ticker auffordern, sich zu zeigen, wenn du m ir zusicherst, daß ihm nichts widerfährt.« »Einverstanden« Ich nickte Ticker zu. Da er m eine gewollten Gedanken em pfangen konnte, wußte er, was er zu tun hatte. Er breitete seine Sch wingen aus und drehte eine Runde in der Alpha-Zentrale. »Tatsächlich, Atlan«, sagte SENECA. Und dann schrie er: »Vorsicht! Da ist noch et was! Ich baue einen Paratronschirm auf.« Energien prasselten auf. Ich wurde gegen eine Seitenwand geschleudert. In der Mitte der Zentrale bildete sich ein kugelförm iges Energiefeld von rötlicher Farbe. Es schloß Ticker ein. Und neben diesem wuchs eine achtbeinige Gestalt aus dem Boden, die halb wie ein Mensch und halb wi e ein Tier aussah. Zwischen den beiden ungleichen W esen entspann sich ein Kam pf, bei dem die psionischen Energien im Vordergrund standen. W ilde Gedanken peitschten trotz des Paratronsschirms SENECAS in m ein Bewußtsein. Ein paar davon konnte ich sogar em pfangen. … unf air von dir, einen anderen kämpf en zu lassen… … aber ich bin auch nicht allein, nur jetzt, du wirst… … Rücksicht vor den Vergangenen scheinst du nicht… … die anderen Sprossen… Ticker hieb m it seinem Hakenschnabel auf die undefi nierbare Gestalt ein, die unter den Schlägen und seinem psionischen Feuer imm er m ehr schrum pfte. Die peitschenden Gedanken verstumm ten im gleichen Mom ent, als sich Tickers Gegner in einen rötlich und grünlich funkelnden Stab von et wa zwanzig Zentim eter n Länge ver wandelte. Ticker packte das strahlende Ding m it seinem Schnabel. Das Leuchten des Stabes ließ schnell nach. Ein klarer und verklingender Gedanke erreichte m ich
noch: Beim nächst en Mal kann er dir nicht helfen… Das Leuchten verschwand. Der Stab wurde m att und silbergrau. »Schalte den Paratronschirm ab«, forderte ic h SENECA auf. »Die Gefahr ist vorüber.« Als das geschehen war, sprang Ticker zu m ir und hielt m ir den Stab entgegen. Ich nahm ihn in die Hand. Er bestand aus Metall, und es war unschwer zu erraten, daß er aus purem Nickel war. Das rot-grüne Leuchten hatte schon auf die geheim nisvolle Jenseitsm aterie hingewi esen, die sich in Nickel ver wandelte, wenn ihre Andersartigkeit verflogen war. Aber das wunderte m ich nicht im m indesten. Der Stab verj üngte sich an beiden Enden zu stum pfen Kegeln. Das Mittelstück war jedoch im Querschnitt ein Rechteck. Das Ding glich aufs Haar der Sprosse einer Leiter. Ich wurde sehr nachdenklich. Ohne ein weiteres W ort verließ ich SENECA. DRITTES ZW ISCHENSPIEL Zwei Stunden später hatten wir uns im großen Versamm lungsraum getroffen. Fast alle wichtigen Personen waren anwesend. Jessica Urlot war in der Zentrale geblieben. Sie führte dort das Komm ando, so daß Breckcrown Hayes die Konferenz selbst leiten konnte. Ich saß m it Tyari, Bjo Breiskoll, den Zwillingstelepathen Sternfeuer und Federspiel, Joscan Hellm ut und dem Kowallek Insider in der vordersten Reihe. Am Konferenztisch selbst hatten neben dem High Sideryt die Stabsspezialisten Galatan Herts, Lyta Kunduran, Curie van Herling, Gavro Yaal, W ajsto Kölsch und Solania von Terra Platz genomm en. Die Buhrlos waren durch ihre Sprecherin Bora St. Felix vertreten. Die übrigen An wesenden waren in erster Linie W issenschaftler aus den verschiedenen Sektionen der SOL. SENECA nahm m it einer fest installierten
Komm unikationseinheit an der Versamm lung teil. Ich hatte m einen Bericht und insbesondere die Erlebnisse m it der MJAILAM und m it SENECA bereits vorab allen zur Kenntnis gegeben. Auch über m einen Alptraum hatte ich ausführlich gesprochen. Die Nickelsprosse lag nun vor Hayes. Die wissen schaftlichen Untersuchungen hatten ergeben, daß sie völlig harm los war und nichts Frem dartiges oder Leben diges m ehr enthielt. Die Mutanten hatten inzwischen m it SENECAS Ein verständnis und Unterstützung den gesam ten Bereich der Hyperinpotronik psionisch sondiert. Danach stand m it sehr großer W ahrscheinlichkeit fest, daß sich nichts Frem des m ehr in SENECA befand. W ogegen Ticker gekäm pft hatte und wen oder was er besiegt hatte, wußten wir aber auch j etzt noch nicht. SENECA war jetzt aber wieder in der Lage, die falschen astronom ischen Daten zu erkennen. Dieses Rastel war jedoch noch nicht beseitigt, denn das SPARTAC-Teleskop und alle anderen Observatorien lieferten weiterhin die gleichen Inform ationen, die einfach nicht stimm en konnten. SENECA arbeitete an der Lösung dieses W iderspruchs ebenso wie m ehrere wissenschaftliche Abteilungen. Breckcro wn Hayes erhoffte sich neue Aufschlüsse in der nächsten Stunde. Als der High Sideryt die Besprechung eröffnete, m eldete sich SENECA sofort. »Es steht zweifelsfrei fest«, erklärte er, »daß es nicht nur in m ir, sondern auch in der ganzen SOL keine frem den Störeinflüsse m ehr gibt. Ich habe alle Möglichkeiten überprüft. Da die falschen kosm ischen Konstellationen weiterhin von den Teleskopen angem essen werden, schließe ich daraus, daß diese m anipulierten Daten von außerhalb der SOL komm en.« Hayes warf m ir einen fragenden Blick zu. Ich nickte, denn der Extrasinn war auf fast das gleiche Ergebnis gekomm en. »Ich gehe sogar noch et was weiter«, erklärte ic h dann. »Ich weiß zwar nicht, welche Ziele die
Unbekannten Verfolgen, aber ich neige dazu, daß sie nichts Gewalttätiges planen. Sie wollen m ich in eine bestimmte Richtung drängen. Das ist sehr wahrscheinlich. Ich kenne nicht das Ziel dieses Drängens, aber es ist ganz offensichtlich nicht identisch m it Varnhagher-Ghynnst. Auch rechne ich dam it, daß sich we itere Dinge ereignen, die dam it im Zusamm enhang stehen, denn bei dem seltsam en Kontakt, den ich als Alptraum bezeichnete, klang dies an. Für uns alle bedeutet das erhöhte W achsam keit.« »Dagegen ist nichts einzu wenden«, ant wortet e Breckcrown Hayes. »Mir. ist auch klar, daß wir diese Rätsel nicht im Handum drehen lösen können. Ein aktuelles Problem m uß aber beseitigt werden. Ohne exakte astronom ische Daten können wir unseren Flug nicht fortsetzen. W ir sind zwar technisch m anövrierfähig, aber dennoch nicht praktisch. W ir sind blind.« »Die Störquelle ist irgend wo außerhalb des Schiffes im Leerraum .« Ich versuchte, Zuversicht auszustrahlen. »W ahrscheinlich ist sie unsichtbar. Die Ortungsstationen haben nichts gefunden. Da werde ich den Hebel ansetzen. Ich werde diese Störquelle finden und ausschalten. Ich werde diesem om inösen Gegner das Gesetz des Handelns aufzwingen. Für m orgen plane ich einen erneuten Start m it der MJAILAM. W enn keine Bedenken bestehen, sollte Bj o m ich m it der FARTULOON begleiten.« Die Solaner stimmten m einem Vorschlag zu. Ein bißchen hatte ich das Gefühl, daß sie ganz froh waren, weil ich m ich bereit erklärt hatte, die Kastanien aus dem Feuer zu holen. Aber eigentlich war das unwichtig, denn ich betrachtete die Sache wirklich als m eine ureigene Angelegenheit. VIERTES ZW ISCHENSPIEL Ich führte noch am gleichen Tag eine Routineinspektion der MJAILAM durch. Tyari und Bjo Breiskoll begleiteten m ich. Ich verfolgte eigentlich keine bestimmte Absicht m it dieser Kontrolle. Es kam m ir
m ehr darauf an, überhaupt et was Sinnvolles zu tun. Mein Gefühl sagte m ir, daß über kurz oder lang, wieder etwas Unge wöhnliches geschehen würde. Der Extrasinn hüllte sich seit dem Erlebnis m it SENECA fast nur noch in Schweigen. Ich verm ochte nicht zu sagen, ob er sich zurückgezogen hatte oder ob er sich m it den anstehenden Problem en befaßte. Als ich vor den Panoram aschirm der Zentrale trat, geschah es. Ich spürte, wie etwas nach m ir griff. Gleichzeitig tauchte die Um gebung in ein unwirkliches Rotlicht. Eine Erinnerung drängte sich in m ir an die Oberfläche m eines Bewußtsein. Die frem de Kom ponente förderte diesen Vorgang, während sich alles in m ir dagegen sträubte. Ich wollte Tyari und Bjo eine W arnung zurufen, aber ich war wie gelähmt. Die Ähnlichkeit m it dem ersten Alptraum wurde m ir dennoch be wußt. Ich sah Bilder auf dem Panoram aschirm , der gar nicht eingeschaltet war. Und ich sah Szenen in m einer Um gebung, die einfach nicht stimmen konnten. Mit aller Kraft versuchte ich, wieder Klarheit zu gewinnen. Der Extrasinn sch wieg. Ich scheiterte. Die Unwirklichkeit überm annte m ich… Tyari hielt einen Strahlenkarabiner in Händen. Ihr e Finger umkrampften den Abzug, daß die Knöchel bleich durch die Haut schimmert en. Ein heiseres Krächze n ließ mich aufschauen. O bwohl ich wußte, wonach ich zu suchen hatte, entdeckte ich Ticker, den Adlerähnlichen vom Arsenalplanet en, keineswegs auf Anhieb. Das Tier hatt e sein Gefieder nahezu vollständig der Färbung der rotbraunen Gesteinsschichten angepaßt, die das unt erirdische Höhlensyst em durchzogen. »Sie werden gleich wieder angreif en«, sagte Tyari unvermitt elt. »Kannst du in zwischen ihre Gedanken erkennen?« »Nur dumpf e Emotionen. Die Psi-Paralyse des Robot ers läßt mich erschaudern. « Ich nickt e flüchtig, wobei ich mich zu m wiederholten Male fragte, wo wir uns eigentlich bef anden. Ich wußte nur, daß Tyari, Ticker und ich uns auf einer
unbekannten W elt aufhielt en. Irgendwann in der Zukunft – aber nicht einmal das st and f est. W as war aus der SOL geworden? Ich hatt e ebenfalls keine Ahnung und machte den gegnerischen flugf ähigen Kleinroboter für meine Erinnerungslücken verant wortlich. Tyaris panische Angst vor dieser Maschine hatte längst auf mich übergegriffen. Flügelschlagend ließ Ticker sich nieder. Ich erkannte, daß der Adler eine der let zt en uns verbliebenen Lähmbomben aufnehmen wollt e, um sie gegen die Angreif er einzuset zen. Meine gedankliche W arnung konnt e Ticker jedoch nicht auf halten. Der Adler hatt e das Ende der Höhle fast erreicht, da taucht e aus einem der in die Tiefe führenden Stollen der kaum f ünf zig Zentimeter messende Roboter auf. Tyari schrie, als die Ausläuf er der sich wellenförmig ausbreitenden Psi-Paralyse sie ebenfalls erreichten. Ticker verlor in dem Moment nicht nur seine MimikryFähigkeit, sondern auch seine anderen besondere n Kräft e. Z u einem normalen Vogel geworden, suchte er sein Heil in der Flucht. Der Robot er folgte ihm. In seinen T entakeln hielt er eine bogenförmige W affe. Nur Sekunden spät er st ürzt e Ticker, von einem stählernen Pfeil getroff en, wie ein Stein zwischen die sich heranwälzenden Angreif er. Die det onierende Lähmbombe verschaffte Tyari und mir ein wenig Luft. Ungeacht et ihrer eigenen Sicherheit sprang Tyari auf und st ürmt e vor. Ihr Strahlenkarabiner säte Verderben. Dann fand sie das Ziel, das sie gesucht hatte. Der Schut zschirm des Kleinrobot ers glüht e zwar auf, hielt jedoch stand. Jet zt erst f euerte ich. Als unsere W affenstrahlen sich in einem Punkt vereinigten, verging der Roboter… Das unwirkliche Erlebnis endete hier abrupt. Ich stand wie versteinert da. Meine Gedanken überschlugen sich. Ich faßte m ir an den Kopf. Zwischen den Schleiern, die die Tränen in m einen Augen erzeugten, erkannte ich die sorgenvollen Blicke von Tyari und Bjo Breiskoll.
»W as ist geschehen?« fragte ich m att. Tyari und Bjo blickten sich fragend an. Dann schüttelte der Katzer den Kopf. »Ich weiß es nicht, Atlan. Du warst für m ehrere Minuten wie zu einer Salzsäule erstarrt und nicht ansprechbar. Et was anderes habe ich nicht bem erkt.« »Der unbekannte Gegner hat wieder nach m ir gegrif fen«, versuchte ich eine Erklärung abzugeben. »Eine höchst m erkwürdige Geschichte. Ich erlebte ganz wirklichkeitsnah den Tod Tickers. Aber das ist nicht alles. Ich habe dieses visionäre Erlebnis schon einm al gehabt, hier an der gleichen Stelle, als wir vor ein paar W ochen m it Hilfe der BRISBEE-Kinder in die Nam enlose Zone vorstoßen wollten. Ich hatte das aber vergessen, wohl, weil Chybrain es so wollte. Ich erkenne jetzt wieder, daß er m ir diese Vision und ein paar weitere, an die ich m ich nicht erinnern kann, geschickt hat. W arum wiederholt sich dieses Erlebnis ? Chybrain ist weg. Er kann nicht der Urheber sein. Ich habe deutlich gespürt, wie die Sperre, die er in m eine Erinnerung pflanzte, durch einen äußeren Einfluß aufgehoben wurde. Meine Gegner wollten, daß ich m ich an diese Vision erinnerte.« Die beiden sagten nichts. Und ich gab zu, daß die Rätsel nur noch größer ge worden waren. W as hast du gehört, fragte der Extrasinn ironisch, als Ticker in SENECA gegen den Unbekannten kämpfte? ,Beim nächst en Mal kann er dir nicht helfen’. Nicht wahr? Ich wollte das Gesetz des Handelns an m ich reißen, aber ich spürte, wie m ir die Kontrolle auf unbegreifliche W eise m ehr und m ehr entglitt. DIE ZW EITE SPRO SSE Ich startete am nächsten Morgen m it der MJAILA M und in Begleitung der Korvette MT-K-20, FARTULOON, auf der Bjo Breiskoll als Komm andant fungierte. Mein Ziel war es, die nähere Um gebung der SOL abzusuchen. Ich ging dabei von den gem achten Erfahrungen aus, daß sich näm lich m it zunehm ender
Entfernung vom Generationenschiff der Solaner die W irklichkeit m ehr und m ehr stabilisierte. Vor dem Abflug hatte ich m it SENECA über das visionäre Erlebnis gesprochen. Aber die Biopositronik hatte m ir auch nicht m it neuen Erklärungen helfen können. Ihr Sch weigen hatte m eine Verunsicherung eher vergrößert. Von der Logik her gesehen, hätte ich Ticker gar nicht m itnehm en dürfen. Denn wenn die Vision der W irklichkeit entsprach, m ußte ich ihn auf der SOL lassen. Der Logiksektor hatte m ich in diesem Punkt aber überzeugt. W enn du einen wahren Ausschnitt einer nahen Zukunft erlebt hast , dann kannst du diesem Geschick nicht ent gehen. Ich wollte das einfach alles nicht glauben. Es war zu unwirklich. Die Mächte, die m it m ir spielten, waren unbegreiflich. Schließlich hatte ich es Ticker überlassen, ob er m ich begleiten wollte. Er hatte sich m ir angeschlossen. W ir bewegten uns erst im Unterlichtflug von der SOL weg. Säm tliche Ortungsanlagen arbeiteten auf Hochtouren. Die Funkverbindungen zum Mutterschiff wurden pausenlos überprüft. Natürlich gingen auch auf der SOL die Bem ühungen der W issenschaftler weiter, das herauszufinden, was die Um gebung scheinbar oder wirklich veränderte. Noch tappten wir alle im dunkeln. W ir sprachen von einem »psionischen Störfeld«, ohne zu wissen, ob die Kräfte wirklich psionisch waren. Dann setzten wir die Erkundung m it kurzen Linear etappen fort. Dabei zeigte sich, daß die Funkverbindungen in einem ungewöhnlichen Maß schnell sch wächer wurden. Zum indest war dies ein weiterer Beweis für die Hypothese, daß da irgend et was war. Ich schickte Bjo los. Er sollte anhand der schwachen Funkpegel feststellen, wo das Zentrum dieser Störungen lag. Dazu bewegte sich die FARTULOON nun kreisförm ig um die SOL in einer Entfernung von
etwa 500 Lichtjahren herum . Unterdessen konzentrierte ich m ich m it der MJAILAM ganz auf die Ortungssystem e. Aber wir fanden nichts. Der Flug der FARTULOON erbrachte bald ein greifbares Resultat, aber das half m ir auch nicht weiter. Aus den abnehm enden Funkpegeln ergab sich aus einer indirekten Hochrechnung über das Zentrum des verm uteten psionischen Störfelds, daß dieses m it dem Standort der SOL identisch war. Ich forderte Breckcro wn Hayes auf, m it dem Hantelschiff eine Flugetappe von 400 Lichtjahren durchzuführen. Als das geschehen war, nahm die FARTULOON erneut die Pegelmessungen der Funksignale vor. Das Ergebnis entsprach m einen Erwartungen. Das Zentrum des Störfelds bewegte sic h m it der SQL. Bedeutete das, daß die SOL selbst die Veränderungen erzeugte? Oder et was, das sich doch an Bord befand? SENECAS Behauptung, daß nichts Frem des an Bord sei, geriet dadurch wieder in Zweifel. Mein visionäres Erlebnis um den Tod Tickers hatte auch schon an dieser Annahm e gerüttelt, war das Ereignis doch auch innerhalb der SOL abgelaufen. Unsere Ortungssystem e wiesen ebenso wie die der SOL und der FARTULOON auch nach der m ehrstündigen Suche nicht die geringste Kleinigkeit weit und breit nach. W ir befanden uns im Leerraum , und in diesem war nichts außer dem üblichen kosm ischen Staub. Alle hyperenergetischen W erte waren stabil und norm al. Ich wollte die immer sinnloser erscheinende Suche schon abbrechen, denn ich wußte ja nicht einm al, wonach ich suchte. Da bekam ich den „ entscheidenden Hinweis aus dem Kreis des Teleskop-Team s der MJAILAM. »Desm on Jukera«, m eldete sich ein älterer Mann auf m einem Bildschirm . Ich erkannte, daß es sich um einen Buhrlo handelte. »Ich habe gerade meine Schicht am Teleskop angetreten. Und ich sehe etwas, das die
anderen nicht sehen.« Schlagartig erinnerte ich m ich an unsere Auseinandersetzungen m it den Zyrtoniern in der Nam enlosen Zone. Dieses Volk hatte dort die eigenen Sonnensystem e durch sogenannte Schockfronten absolut unsichtbar gem acht. Erst reichlich spät hatten wir entdeckt, daß unsere Buhrlos, die dem W eltraum am besten angepaßten Nachkomm en der Terraner, durc h diese Schockfronten hindurchsehen konnten. Zum Teufel! schim pfte ich gedanklich. W arum war ich nicht früher auf diese Idee gekomm en? »Ich bin auf dem Weg zur Polkuppel«, ant wortete ich. Tyari begleitete mich. Als ich m it ihr aus dem Antigravschacht in den Raum des Observatorium s sprang, hatte Desm on Jukera schon m it Hilfe der MJAILAM-Positronik eine Skizze des Objekts angefertigt, das er ausgem acht hatte. Es handelte sich um einen kleineren Himm elskörper m it unregelm äßigen Form en. Die Skizze erinnerte m ich an eine überdim ensionale Kartoffel oder an den Marsm ond Phobos. Auch die geschätzte Masse schien dam it übereinzustimm en. Desm on Jukera führte m ich zum Teleskop. Ich warf selbst einen Blick hinein, aber ich sah nichts. Auch Tyari schüttelte nach ihrem Versuch nur resignierend den Kopf. »Die Entfernung beträgt nur etwa 100 Lichtm inuten«, erläuterte der Buhrlo. »Aber dieser W ert ist eher geschätzt.« Ich eilte ohne jeden weiteren Komm entar in die Hauptzentrale zurück. Von hier inform ierte ich die SOL über die Entdeckung. Gleichzeitig beorderte ich die FARTULOON herbei. »W as hast du vor?« fragte der High Sideryt an. »Ich gehe der Sache sofort auf den Grund«, ant wortete ich entschlossen. »Halte dich für ein eventuelles Eingreifen bereit. Ich fliege zu dieser seltsam en Kartoffel. Sie versteckt sich hinter einer Art Schockfront. Erfahrungsgem äß lassen sich diese von außen her problem los durchqueren. Und wenn ich erst
einm al drin bin, wird sich alles W eitere schon zeigen.« »Bist du nicht et was leichtsinnig, Atlan?« m eldete Breckcrown Hayes seine Zweifel an. »Nein.« Meine Stimm e klang etwas rauh. »Ich habe es satt, m ich m it diesem Hokuspokus herum zuschlagen. Ich starte, sobald Bj o eingetroffen ist.« Ich schaltete eine direkte Verbindung zu Desm on Jukera, denn dieser würde nun praktisch als Lotse dienen. Uster Brick bereitete unterdessen m ehrere kurze Linearetappen von je weils zehn bis zwölf Lichtm inuten vor. Diese Daten wurden für einen Parallelflug an die FARTULOON weitergegeben, als diese eingetroffen war. Bjo hatte zwei Buhrlos an Bord, und diese sollten Desm on Jukera m it eigenen Beobachtungen unterstützen. Das Herantasten an die Phoboskartoffel vollzog sic h problem los. Nach jedem Zwischenstopp korrigierten wir unsere Flugrichtung nach den Hinweisen der Buhrlos. Als wir noch sieben Lichtm inuten von unserem Ziel entfernt waren, sprachen endlich die Orter für Hyperenergien an. Offensichtlich ließen sich die Streuenergien in der unm ittelbaren Nähe des Entstehungsorts nicht voll kom pensieren. Dam it hatten wir einen weiteren Anhaltspunkt, aus dem sich die Schockfront – oder um was auch imm er es sich hier handelte – genau verm essen ließ. Die energetische Struktur er wies sich als exakt kugelförm ig und schloß den kleinen Himm elskörper genau in ihrer Mitte ein. Sie war energetisch den bekannten Schockfronten der Zyrtonier nur bedingt ähnlich. In den praktischen Auswirkungen war sie aber gleich. Immerhin schloß ic h daraus, daß dieses Objekt nichts m it den untergegangenen Zyrtoniern zu tun haben konnte. Ich flog m it der MJAILAM zuerst durch das unsichtbare Hindernis. Im gleichen Mom ent erschien die Phoboskartoffel als norm aloptische Darstellung auf dem Panoram aschirm. Mehrere kleine Kunstsonnen tauchten den rauhen Himm elskörper in ein m attes Licht von bläulicher Farbe. Die MJAILAM-Positronik nahm die routinem äßigen
Verm essungen vor und stellte alle Daten auf einem weiteren Bildschirm bereit. Überraschungen ergaben sich dabei nicht. Ich ließ dennoch die Defensivschirm e hochfahren. Die Ortungszentrale m eldete vier Punkte, die dicht unter der Oberfläche lagen, von denen aus extrem starke energetische Strahlungen ausgingen. Eine genaue Analyse dieser Energien er wies sich als sehr schwierig. »W ir landen in der Nähe von Quelle eins«, entschied ich. Auch die FARTULOON war nun zur Stelle. W ir tauschten die Beobachtungsergebnisse und die gem essenen W erte aus. Zur SOL bekam en wir nun keinen Kontakt m ehr. Die Schockfront wirkte von innen her auch in dieser Beziehung absolut undurchlässig. Uster Brick steuerte den Kreuzer m it der üblichen Routine auf ein Plateau zu. Die Landebeine wurden ausgefahren. Als wi r aufsetzten, hatte ich bereits m eine Kam pfmontur angezogen. Tyari war schweigend m einem Befehl gefolgt. »Ticker bleibt an Bord! „ entschied ich, wobei ich einer spontanen Eingebung folgte. Zum indest glaubte ich das. Spont ane Eingebung? spöttelte der Extrasinn. Du hast Angst, daß du ihn verlieren könnt est. Ich entgegnete nichts, aber ich registrierte zu m einer Zufriedenheit, daß der Adlerähnliche m einen W illen ganz offensichtlich em pfangen hatte, denn er steckte seinen Kopf ins Gefieder. Zu den Leuten, die m ich bei einer ersten Erkundung begleiten sollten, gehörten auch Insider und Federspiel. Sternfeuer sollte an Bord bleiben. Die telepathische Verbindung zwischen den Zwillingen konnte in Gefahrenm om enten nützlicher sein als j edes technische Mittel. Ferner gehörten vier Solaner und ein Dutzend Kam pfroboter zu m einer Begleitung. Bjo Breiskoll blieb m it der FARTULOON in einem Orbit über der Phoboskartoffel. Der telepathisch hochbefähigte Katzer würde von sich aus die
Geschehnisse verfolgen und dann eingreifen, wenn es nötig sein würde. Zum indest hatte ich m ir das alles so gedacht. Der Extrasinn warnte m ich zwar m ehrm als, ich solle m ir keine Illusionen m achen, aber ich dachte keine Sekunde daran, auf ihn zu hören. Und prom pt kam alles ganz anders. Kaum standen wir im Freien und bauten die tragbaren Energieorter auf, da fegte eine unsichtbare Kraft m eine Begleiter zu Boden. Ein grünlich schimm erndes Energiefeld hüllte m ich ein. Durch die energetischen Schlieren hindurch sah ich, wie sich m eine Um gebung schlagartig veränderte. Ich wurde räum lich versetzt und damit gleichzeitig von Tyari und den anderen abgeschnitten. An eine Gegenreaktion war nicht zu denken. Das Energiefeld erlosch. Ich stand in einem unterirdischen Gang. W oher die Beleuchtung kam , konnte ich nicht feststellen. Das unbearbeitete Gestein ringsum schimm erte rotbraun. »Du sollst diese Auseinandersetzung allein bestehen!« klang eine un willige Stimm e m it einem seltsam en Akzent auf. Ich regelte blitzschnell den Verstärker der Außenm ikros herunter, aber die Lautstärke veränderte sich dadurch nicht. Folglich drang der Sprecher direkt in m ein Be wußtsein ein – und das trotz m einer Mentalstabilisierung! »Ich m ußte dich daher von den Unwichtigen trennen. Du bist der Verursacher, Atlan. Du m ußt den angerichteten Schaden wieder ins Lot bringen.« Vor m ir tauchte aus einem Seitengang ein vielleicht fünfzig Zentim eter großer Roboter auf. Der Zwerg wirkte harm los, zumal er in seinem Aufbau m enschliche Züge trug. »W er bist du?« rief ich. »W er war ich?« fragte er zurück. »W er werde ic h sein? Die zweite Sprosse? Oder der, der dich bestraft?« Ich spürte einen ungeheuren psionischen Druck, der
von dem Kleinroboter auszugehen schien. Gleichzeitig hämm erte der Extrasinn seine Überlegungen in m ein Bewußtsein. Das ist der Roboter aus der Vision. Und auch di e Umgebung, der unterirdische Gang von rotbrauner Farbe, ist dir bereit s daher bekannt. Ich kam gar nicht dazu, eine überlegte Antwort zu geben, denn nun überstürzten sich die Ereignisse. Der kleine Roboter jagte in einer Irrsinnsgesch windigkeit davon. Er verschwand irgendwo zwischen dem Felsgestein. Dafür tauchten nun aus allen Ecken und W inkeln röhrenförm ige Gestalten auf. Sie wirkten wie Lebe wesen, aber es konnte sich auch um Roboter handeln. Sie eröffneten sofort das Feuer auf m ich. Das Aggregat m eines Schutzschirm s heulte auf, während ich eine Deckung suchte. Ich feuerte zurück und erkannte, daß m eine W affen den zahllosen Angreifern deutlich überlegen waren. Dafür war ich aber zahlenm äßig haushoch unterlegen. Der ganze Kam pf kam m ir irgendwie unsinnig vor. Ich wußte ja nicht, warum und gegen wen ich käm pfte! »Ich bin da!« Tyari landete neben m ir auf dem Boden. Als ich nach oben blickte, erkannte ich Ticker, der sie wohl befördert hatte. Der Adlerähnliche paßte die Farbe seines Gefieders der Umgebung an. »Ich habe ein paar Lähm bom ben m itgebracht.« Ticker raste ohne m einen Auftrag los. Er handelte wohl rein instinktiv. Er warf die Bom ben zwischen die Reihen der röhrenförm igen Angreifer. Die Explosionen erzeugten Schockwellen, die zur Bewußtlosigkeit führten. Die röhrenförm igen Gestalten kippten reihen weise um , aber aus den Seitenstollen der Höhlen ström ten imm er wieder neue W esen nach. »Der eigentliche Feind«, rief Tyari mir zu, »ist ei n kleiner Roboter. Ob es sich wirklich um einen Roboter handelt, weiß ich noch nicht. Er kann psionische Kräfte neutralisieren oder paralysieren. Ich habe ihn geortet und Bjo und Federspiel auch. Hüte dich vor ihm . Er ist hier irgendwo.« Ich spürte den Mom ent, in dem das begann, was ich
in der Vision erlebt hatte. Aber auch jetzt war es für ein Eingreifen zu spät. Der bekannte Film lief einfach ab… , Zum drittenm al erlebte ich den Tod Tickers, nur handelte es sich diesm al um die W irklichkeit. Ich war von einer inneren Starre fast gelähm t… Als der Pfeil den Körper des Adlers durchbohrte, verm einte ich, daß er m ich selbst getroffen hatte. Ich brauchte m ehrere Sekunden, um Tyari in ihrem verzwei felten Kam pf gegen den Kleinroboter zu unterstützen und so wenigstens einen kleinen Erfolg zu erzielen. Die röhrenförm igen Angreifer zogen sich nun schlagartig zurück, wohl, weil sie ihres Anführers beraubt worden wa ren. Ich konnte nicht sagen, wohin sie verschwanden. Einige schienen sich regelrecht aufzulösen. »Komm! „ sagte Tyari. Sie führte m ich zu Ticker, der m it verkrümmtem Hals zwischen den Felsbrocken lag. Ich riß den Pfeil aus seinem Körper und hielt ihn zornig in die Höhe. Vor m einen Augen verform te sich das Ding zu einer silbrig glänzenden Leitersprosse. Diese glich bis ins letzte Detail der, die ich aus SENECA m itgebracht hatte. Auch Tyari war stumm vor Staunen. »Ich werde Ticker begraben«, erklärte ich dum pf. DIE DRITTE SPRO SSE Tyari führte m ich aus dem unterirdischen Labyrinth. Ich hörte ihr kaum zu, als sie erzählte, daß Ticker aus eigenem Antrieb bei ihr erschienen war, als das grünliche Transportfeld m ich entfernt hatte. Für den Adlerähnlichen vom Arsenalplaneten war es eine Selbstverständlichkeit ge wesen, m ir zu helfen, als er m it seinen unbegreiflichen Sinnen die Gefahr gewittert hatte. Meine Gefährtin stand jetzt in telepathischem Kontakt m it den Z willingen Sternfeuer und Federspiel. Daher war es ihr m öglich, den W eg zurück zur Oberfläche zu finden.
Bei den Raum schiffen war alles in Ordnung, wußte Tyari zu berichten. Auch der Angriff, der m ich von den anderen getrennt hatte, war ganz harm los gewesen. Niem and war zu Schaden gekomm en. Das Un wirkliche und Gewaltlose m einer unbekannten Gegner spiegelte sich darin wider. Aber andererseits war Ticker völlig überflüssig getötet worden. Ich wußte nicht, woran ich war. Nach einer halben Stunde erreichten wir di e Oberfläche in der Nähe der MJAILAM. Hier war alles unverändert. Ich stellte Funkkontakt zu Bjo Breiskoll und der FARTULOON her. W as sich in der unterirdischen Höhle ereignet hatte, war dem Telepathen natürlich längst bekannt. »Hier draußen blieb alles ruhig«, teilte m ir der Katzer m it. »Es hat sich auch nichts verändert. Das betrifft insbesondere das Energiefeld um die Phoboskartoffel. Es besteht unverändert. Versuche, m it robotischen Sonden dieses Tarn- und Sperrfeld zu durchqueren, sind gescheitert. Es wirkt in der Tat wie eine Schockfront. W ir sitzen vorerst noch fest.« »Das Energiefeld wird irgendwo im Innern der Phoboskartoffel erzeugt«, antwortete ich. »W ir werden die Quelle finden und abschalten.« Ich begab m ich zunächst an Bord der MJAILAM, wo ich m einen staunenden Mitstreitern die zweite Sprosse zeigte. »Das Ding ist m ir unheim lich«, erklärte Uster Brick. »Es ist völlig harm los«, beruhigte ihn Tyari. »Ic h würde es spüren, wenn es sich um etwas anderes als ein Stück Nickel handeln würde.« »W ir sollten uns um die wirklichen Problem e küm m ern«, griff ich ein. »W ir haben vier Energiequellen geortet. Eine oder m ehrere davon erzeugen das Sperrfeld. Es gilt nun, diese Anlagen zu desaktivieren.« »W enn sie sich desaktivieren lassen«, unkte der Pilot. Die MJAILAM-Positronik hatte inzwischen eine erste, noch grobe Karte des Planetoiden angefertigt und dort die Punkte verm erkt, die die Ortim gssystem e als starke
Energiequellen ausfindig gem acht hatten. Sie lagen in einem Um kreis von fünfundzwanzig Kilom etern von unserem Landeplatz. Einer, der die Numm er eins bekomm en hatte, war fast identisch m it der unterirdischen Höhle, in der Ticker den Tod gefunden hatte. »W ir werden alle vier Orte aufsuchen«, entschied ich. »Ich kann nicht beurteilen, ob die Sache gefährlich wird oder nicht. Einen Gegner haben wir zwar ausgeschaltet, und ob die röhrenförm igen W esen oder Roboter noch einm al eingreifen oder angreifen, weiß ich auch nicht. Es ist auch unbekannt, ob sich noch weitere Gegner hier befinden. Tyari konnte nichts feststellen, aber das besagt wenig. Vorsicht ist in jedem Fall geboten. Ein Komm ando übernehm e ich selbst. W er m acht m it?« »Ich komm e per Transm itter herunter«, m eldete sich Bjo Breiskoll, der alles m itgehört hatte. »Und ich übernehm e einen Suchtrupp. W ir sollten bei j edem Team einen Telepathen haben, um unsere Erfahrungen ständig austauschen zu können. In der Nähe der Energiequellen kommt es bestimmt zu erheblichen Störungen der Funkverbindungen.« »Klar«, rührte sich Insider, »daß ich dabei bin. Aber ich bin kein Telepath.« »Ich komm e m it dir, Atlan«, m einte Tyari. »Und wenn Sternfeuer und Federspiel sich aufteilen…« Die Zwillinge verständigten sich lautlos. Dann teilte die Frau den gem einsam en Entschluß m it: »Mein Bruder übernimmt den vierten Trupp. Ich gehe m it Insider. Dann ist der telepathische Kontakt sichergestellt.« Bjo Breiskoll kam aus dem Transm itter. Joscan Hellm ut übernahm das Kommando über di e beiden Raum schiffe. W eitere Solaner und Kam pfroboter ergänzten die Erkundungstrupps. Die beiden Z wölfMeter-Space-Jets der MJAILAM, MJAI-A und MJAI-B, wurden für den Transport ebenso startklar gem acht wie die beiden Lightning-Jets. Ich entschied m ich für Quelle zwei, weil ich nicht noch einm al an den Ort von Tickers Tod zurückkehren
wollte. Federspiels Trupp übernahm diese Aufgabe. Kurz bevor wir aufbrachen, knackte es in den Norm alfunkanlagen. W ir stutzten. Es prasselte eine W eile, und dann hörten wir eine verzerrte Stimm e m it einem ähnlichen Akzent, wie ihn der Kleinroboter besessen hatte: »PE und JA hast du erlöst. ER wartet. Aber d u sollt est besser allein kommen, Atlan, sonst wird KA oder TA dich am Ende doch noch erwischen. Und der W eg der SOL wird immer länger.« Ich wartete auf eine Mitteilung des Extrasinns, aber der schwieg. Er konnte m it diesen W orten wohl auch nichts anfangen. »Hier Ortungszentrale«, hörte ich. »W ir haben das Signal gem einsam m it der FARTULOON angepeilt. Es kam aus der Region der Energiequelle zwei.« »Es bleibt alles so«, entschied ich, »wie es beschlossen war. W ir brechen auf. W enn der Unbekannte, der sich wohl ER nennt, in Quelle zwei steckt, dann bin ich auf der richtigen Spur. Und denkt daran: Es m üssen alle Energiequellen abgeschaltet oder elim iniert werden, dam it das Sperrfeld zusamm enbricht.« Dann waren wir unterwegs. Der telepathische Kontakt klappte ein wandfrei, wenngleich ich auch in diesem Punkt ge wisse Bedenken hatte. Das W esen, das Ticker getötet hatte, war nach Tyaris Aussage in der Lage gewesen, psionische Kräfte zu elim inieren. Da aber die Norm alfunkverbindungen keine Problem e m achten, konnten wir Joscan Hellm ut laufend inform ieren. Die Funkstörungen, die Bjo Breiskoll erwartet hatte, traten in der Folgezeit tatsächlich imm er dann ein, wenn ein Trupp ganz nah am Ziel war. Ich erreichte m ein Obj ekt als letzter der vier Erkundungstrupps, weil wir die größte Entfernung zurückzulegen hatten. Von Federspiel lagen zu diesem Zeitpunkt bereits die ersten Nachrichten vor. Er hatte problem los in das Höhlenlabyrinth eindrin gen können. Nichts hatte sich ihm in den W eg gestellt, auch nicht die röhrenförm igen W esen, die m ich
angegriffen hatten. Etwa tausend Meter hinter Tickers Grab war er auf eine nahezu undurchdringliche W and gestoßen, die aus einem unbekannten Material bestand und zusätzlich m it Schirmfeldern gesichert wurde. Hinter dieser Sperre, so wiesen die m itgeführten Orter aus, tobten gewaltige Energien. Die Massetaster entdeckten Hohlräum e, aus deren Anordnung m an auf ein Kraftwerk oder etwas Ähnliches schließen konnte. Jetzt versuchte der Trupp, dieses Hinderni s aufzubrechen, aber ein Erfolg zeichnete sich nicht ab. Ganz ähnliche Nachrichten gingen wenig später von Bjo Breiskoll und Insider ein. Die drei Anlagen schienen zum indest von außen her gleich zu sein. Einen Eingang entdeckte niem and. W ir hatten die MJAI-B verlassen und drangen nun ebenfalls in unterirdische Regionen vor. Hier herrschte ein schwaches Dämm erlicht von rötlichem Charakter, das m ich ein wenig an das seltsam e Leuchten während der wiederholten Vision erinnerte. Durch einen kilometerlangen Stollen glitten wir m it den Flugaggregaten voran. Ein Trupp Kam pfroboter bildete die Spitze. Dann folgten Tyari und ich. Den Abschluß bildeten vier Solaner und acht weiter e Roboter. »Kannst du irgend etwas Lebendiges feststellen?« fragte ich m eine Gefährtin. »Eine unbestimmte Ausstrahlung.« Sie zögerte. »Sie kommt aus keiner bestimmten Richtung. Sie enthält auch keine inhaltlichen Inform ationen.« Ich er wartete, daß auch wir in unserer Flugrichtung auf ein Hindernis treffen würden, denn die Energieechos waren eindeutig und identisch m it denen, die die anderen Trupps angem essen hatten. W ieder einm al kam es ganz anders. Der Höhleneingang weitete sich ganz plötzlich zu einem riesigen Tal. Ich sah einen großen See m it einer kleinen Insel in der Mitte, auf der sich eine altertüm liche Burg erhob. Die Ufer des Sees wurden von weißen Stranden und palm enartigen Baum inseln
gesäum t. Mich erinnerte das an Hawaii, wenn da nicht diese m erkwürdige Burg gewesen wäre. Hoch über dem See strahlte eine kleine Sonne. Erst durch einen Hin weis des Extrasinns wurde ich darauf aufm erksam , daß die Abm essungen nicht stim m en konnten. Das ganze Ge wölbe war höher als die Entfernung bis zur Oberfläche der Phoboskartoffel. Und in der Breite war ebenso wie in der Ferne kein Horizont zu erkennen. Ich wollte m ich zu Tyari um drehen, aber ich entdeckte sie nicht. Auch, die Kam pfroboter und die solanischen Begleiter waren verschwunden. Ich warf einen Blick zurück und sah auch den Höhlengang nicht m ehr, durch den wir gekomm en waren. Ein illusionäres Bild, m einte der Extrasinn. Vielleicht Wirklichkeit, vielleicht auch nicht. Ich versuchte es m it dem Funkgerät, aber ich bekam keine Antwort. Du bist allein, bem erkte der Logiksektor ganz überflüssig. Deine Gegner beweisen wieder, daß meine erst e Vermut ung richtig war. Sie int eressieren sich nur für dich. Ich schritt die wenigen Meter hinunter zum See und steckte prüfend eine Hand in die Flüssigkeit. Es handelte sich um lauwarm es W asser, und dieses fühlte sich verdammt echt an. Ein Test m it m einem Multisensor bestätigte diesen ersten Eindruck. Ich ließ etwas Sand durch m eine Finger rieseln. Auch der wirkte ganz echt und natürlich. »W as hat das zu bedeuten?« fragte ich m ein zweites Bewußtsein. Ich weiß es nicht. Nachdenklich schritt ich am Ufer entlang. Immer wieder warf ich einen Blick zu der gut fünfhundert Meter entfernten Insel m it der Burg. Manchmal hatte ich dabei das Gefühl, diese Szene schon einm al gesehen zu haben. Aber eigentlich konnte ich m ich auf m ein fotografisches Gedächtnis doch verlassen. Und das sagte klar nein. Ich schleppte ein paar Erinnerungslücken m it m ir
herum . Dessen war ich m ir bewußt. Da war vor allem die fast zweihundert Jahre umfassende Zeit, in der ich aller W ahrscheinlichkeit nach hinter den Materiequellen und im Reich der Kosm okraten gewesen war. Ich besaß nicht den Funken einer Erinnerung daran. Gleichwohl lebte in m ir der feste W ille, nach Varnhagher-Ghynnst zu gelangen und dort eine Aufgabe im Sinn der Kosm okraten und zum W ohl der positiven Kräfte des Universum s zu übernehm en. Im Vorfeld zu dieser Aufgabe hatte ich viel erreicht. Ich hatte HIDDEN-X, eine Spiegelung der Superintelligenz Seth-Apophis, in die Schranken gewiesen. Es war m ir gelungen, die katastrophalen Zustände auf der SOL zu norm alisieren. Und schließlich hatte ich Anti-ES befrieden und das Rätsel der Nam enlosen Zone lösen können, was zur Befreiung einer großen Zahl von geknechteten Völkern geführt hatte. Ich bildete m ir nichts auf diese Taten ein. Ich war m ir bewußt, daß ich allein keins dieser Ziele erreicht hätte. Irgendwann während dieser Zeit m it den Solanern m ußte ich etwas übersehen oder falsch gem acht haben. Anders waren die nun drohenden Schatten der Vergangenheit kaum zu erklären. Oder sollte doch Chybrain hier seine Finger im Spiel haben? Eigentlich gab es dafür keine Hinweise. Vielm ehr verließ ich m ich auf das, was er zum Abschied gesagt hatte, näm lich, daß er sich zurückziehen wollte. Er grollte sicher noch imm er den Kosm okraten, die ihn nicht anerkennen wollten. Ich sagte m ir m anchm al, daß die unfaßbaren Kosm okraten vielleicht gar nichts von seiner Existenz wußten oder wissen wollten. Meine Gedanken wanderten zu Tyari und m einen Begleitern. Sicher würden sie m ich verm issen. Sie würden versuchen, m ich zu finden. Aber so, wie ich die Sache jetzt sah, hatten sie kaum eine Chance, denn ich schien m ich auf einer gänzlich anderen W elt, ja vielleicht sogar auf einer anderen Existenzebene zu befinden. Eine räum liche Versetzung oder eine Teleportation
hatte ich nicht wahrgenomm en. Aber auch das besagte wenig oder nichts. Die Gegner, m it denen ich es hier zu tun hatte, verfügten offensichtlich über Möglichkeiten, die m ein Vorstellungsverm ögen erheblich überschritten. Gegner oder Gegenspieler? fragte ich laut und zog m einen Kom bistrahler. Mit einem gezielten Einzelschuß trennte ich einen Ast von einem Baum. Das Holzstück fiel vor m ir in den Sand. Ich untersuchte es m it den bescheidenen Möglichkeiten, die m ir zur Verfügung standen, und konnte nichts Außerge wöhnliches entdecken. Mein unfrei williger Aufenthalt in dieser seltsam en Landschaft m ußte doch einen Sinn haben. Sicher war ich nicht in der Lage, die Hintergründe zu erkennen. Aber diejenigen, die das veranlaßt hatten, m ußten um die Gründe wissen. Sie zeigten sich aber nicht. Du sollt est die Burg aufsuchen, riet m ir der Logiksektor. Sie ist der einzige markante Punkt in dieser Landschaft. Nur dort kannst du etwas entdecken, das dir weiterhilft. »Dam it würde ich genau das tun, was m eine Gegner oder Gegenspieler wollen. Und dazu verspüre ich keine Lust.« Der Extrasinn schwieg, und ich setzte m einen W eg am Ufer entlang fort. »Hallo, Atlan!« schnarrte es in m einem Rücken. Ich fuhr herum und erblickte eine kaum fünfzig Zentim eter große Gestalt. Sie erinnerte m ich an einen verhutzelten Zwerg, dem beide Arm e fehlten. An deren Stelle ragten verknorpelte Stumm el aus dem Oberkörper. Der Braunhäutige trug einen lappigen Um hang, der aber nicht einm al den halben Körper bedeckte. Er wirkte harm los, aber das konnte auch eine bewußte Täuschung sein. »Du kennst m ich«, stellte ich fest und ging ein paar Schritte auf den Kleinen zu. »Aber ich kenne dic h nicht.« »Du erkennst m ich nicht wieder«, lautete di e rätselhafte Ant wort. »Nenne m ir deinen Nam en!«
»Ich weiß ihn nicht m ehr. Ich bin nur noch ein Fragm ent eines Fragm ents. Eigentlich weile ich dort in der Burg. Dort warte ich auch auf die Begegnung m it dir. Nur dort wirst du vielleicht eine Antwort bekomm en. Ich bin nur ein Teil von ER. ER, das ist die dritte Sprosse. ER, das ist der, der dir kürzlich eine Botschaft geschickt hat.« »Per Funk«, antwortete ich und betrachtete den Zwerg genauer. »Und ER hat von PE, JA, KA und TA gesprochen.« »Das könnte sein. Ich weiß es nicht genau. W ie gefällt es dir hier?« »Hübsch. Es wäre aber angenehm er, wenn ich wüßte, was dieses Theater bedeuten soll. Das ist doch keine W irklichkeit.« Der Hutzlige sagte zunächst nichts. Seine Haut wirkte aus der Nähe fast durchscheinend. Im Innern glaubte ich positronische Schaltanordnungen zu erkennen. Genau konnte ich das aber nicht feststellen. »Die Zeit deiner Leiden hat erst begonnen«, knarrt e der Zwerg. »Die Zeit der Ant worten sollst du ja nicht erreichen.« Meine Geduld war am Ende. Ich sprang blitzschnell nach vorn und schnappte m ir den Burschen. Das hieß, ich wollte es tun, denn m eine Hände griffen ins Leere. Das angebliche ER-Fragm ent löste sich vor m einen Augen auf. Es konnte aber auch sein, daß er sich unsichtbar gem acht hatte und ausge wichen war, denn ich hörte seine Stimm e noch: »W O hat einm al gesagt, du seist jenseits der Materiequellen ge wesen. Hast du dort diese Landschaft nicht gesehen? Oder stimmt es, daß du keine Erinnerung daran hast? ER will das wissen, bevor er dich für deine Freveltaten m it dem Tod bestraft.« Ein häm isches Lachen klang auf, das sich schnell entfernte. Damit steht fest, bem erkte der Extrasinn, daß dieser Gegner nichts mit den Kosmokraten zu tun hat. Denn wäre das der Fall, dann wäre diese Frage absolut
unsinnig gewesen. Ich antwortete nichts und schaltete das Flugaggregat ein. Mein Ziel war die Burg auf der Insel. Ich wollte endlich Klarheit. Vor dem Eingang zur Burg erstreckte sich eine m it quadratischen Steinen gepflasterte Fläche. Zwischen den Fugen streckten kleine Gräser ihre Spitzen in die Höhe. Staub wirbelte auf, als ich dort landete. Alles m achte einen reichlich verkomm enen und uralten Eindruck. Ich schritt auf das breite Tor zu. Die hölzernen Balken waren m it dicken Eisenbeschlägen verstärkt worden. Eine Flügeltür stand einen Spalt offen. Sie gab m it einem Knarren nach, als ich gegen sie drückte. Ich trat ein. W ieder war es, als ob ich in eine andere W elt kam . Vor m ir türm ten sich weiß getünchte W ände m it zahllosen W inkeln und Lücken auf. Aber hier wirkte alles sauber und neu. Ein Labyrint h, stellte m ein Logiksektor fest. Ich blickte zurück. Der Toreingang war versch wunden. Hinter m ir erstreckte sich eine lückenlose und glatte W and. An den verschiedenen Durchlässen des Labyrinths entdeckte ich kleine Pfeile. Diese waren entweder hellrot oder blaßgrün. Die F arben der Jenseitsmaterie, teilte der Extrasinn m it. W eitere Folgerungen konnte aber auch er nicht ziehen. Ich schaltete m einen Defensivschirm ohne die Paratronkom ponenten ein und m achte m ich auf den W eg. Dabei wählte ich einen Gang, der m it einem grünen Pfeil gekennzeichnet war. Schon nach der ersten Biegung stieß ich auf eine m ehrfache Verzweigung. Auch hier waren wieder rote und grüne Pfeile für alle m öglichen Richtungen angebracht. Ich hielt m ich weiter an die grünen W egweiser. Z u m einer Verwunderung kam ich schnell voran. Erst als ich m ich um sah, merkte ich, daß sich die Konstellation
der Gänge und Durchlässe hinter m ir verändert hatte. Direkt beobachten konnte ich diese Veränderungen nicht. Sie geschahen imm er nur dann, wenn ich m ich nach vorn orientierte. Ich versuchte einen W eg zurück zu finden, aber ic h rannte überall in Sackgassen. Bevor ich weiterging, untersuchte ich das Material der W ände. Es fühlte sich warm und weich an, fast, als ob es leben würde, war aber dennoch unnachgiebig. Es schien sich um eine Art Plastik zu handeln. Als ich versuchte, den roten Pfeilen zu folgen, geriet ich ebenfalls in Sackgassen und zweim al an einen schier bodenlosen Abgrund. Man will dich nicht nur in eine bestimmte Richtun g lenken, folgerte der Extrasinn. Mann will dich auch nervös machen. »W er?« fragte ich zurück, aber er wartungsgem äß wußte m ein zweites Bewußtsein darauf keine Antwort. Ich fügte m ich in die Gegebenheiten und folgte den grünen Pfeilen. Nach zahllosen W inkeln und Verzweigungen gelangte ich in einen kreisrunden Raum . Das einzige Möbelstück hier war ein Thron, der in der Mitte auf einem m ehrere Meter hohen Podest stand. Und darauf hockte eine Gestalt, die der glich, die m ir draußen am Ufer des Sees begegnet war. Nur war diese Figur m indestens vierm al zu groß. Hinter m ir schloß sich die letzte Lücke des Labyrinths. Der Arm lose stieß einen lauten Ruf aus, der wohl ein Ausdruck seiner Begeisterung sein sollte. Dann polterte er los: »Diese Aufgabe war sehr leicht, Atlan. Nicht wahr? Sie sollte es auch sein, denn es entsprach m einem W illen, dich hier zu sehen.« »Bist du dieses ER-Fragm ent?« rief ich nach oben. »Ich bin es«, kam prom pt die Antwort. »Ich kenne dich von früher, auch wenn wir uns nie direkt gesehen haben. Aber das spielt keine Rolle m ehr. Du m ußt m ir zwei Fragen beantworten, bevor du deine Strafe
bekomm st, die auch der Tod sein kann.« »Es wäre wohl angebracht«, entgegnete ich barsch, »wenn du m ir ein paar Fragen beant worten würdest.« »Dafür gibt es keinen Grund.« Der Arm lose lachte selbstbewußt. »Versuche nur, et was zu fragen.« »W arum werde ich von dir und deinesgleichen verfolgt? W as wollt ihr überhaupt von mir?« »Ich dachte«, kicherte die braune Gestalt, »du wärst so intelligent, um das zu erkennen. Du hast dich an uns versündigt. Du hast uns nicht erkannt. Du hast uns ins Unglück gestoßen. Und aus diesem Unglück wollen wir uns befreien. Du wirst bestraft, und du verhilfst uns gleichzeitig zu unserem Glück.« »Das verstehe ich nicht«, gab ich offen zu. »Drück e dich deutlicher aus!« »Nein, Atlan!« Das klang hart. »Es ist dein Problem , deine Fehler und uns zu erkennen. Ich habe genug gesagt. Und nun beantworte m eine beiden Fragen! W age nicht, m ir auszu weichen, denn das hätte deinen sofortigen Tod zur Folge.« Ich wollte diesen seltsam en Burschen nicht unnötig reizen und lenkte ein. »Ich höre«, sagte ich. »W as willst du wi ssen?« »W arst du hinter den Materiequellen?« Das war eine schlimm e Frage, denn m eine Ant wort konnte alle m öglichen Folgen haben. Ich beschieß, es m it der W ahrheit zu versuchen. »Ich war wohl dort, ER-Fragm ent, aber ich habe keine Erinnerung daran.« W ütend stand der Arm lose aus dem Thron auf. Er um rundete diesen einm al und wandte sich dann wieder an m ich: »Sieht es dort so aus wie draußen am See m it der Burg?« »Ist das die zweite Frage, Alter?« »Es ist eine Zusatzfrage. Antworte!« »Es ist eine dumm e Frage, Bruchstück. W enn ich m ich an nichts erinnern kann, wie soll ich dann wissen, wie es hinter den Materiequellen aussieht?« Er hockte sich wi eder in Seinen Thronsessel und
schwieg eine W eile. »Die zweite Frage erübrigt sich«, kam es dann etwas kleinlaut. »Ich habe dich überschätzt. Verlasse diesen Ort, wenn du kannst. Ich werde dich töten, bevor du in Freiheit gelangst.« »Dazu gehören zwei«, konterte ich. Mit blitzschnellen Bewegungen riß ich m einen Kom bistrahler hervor. Da das ER-Fragm ent m ir wehrlos erschien, feuerte ich nur auf den Sockel, auf dem sein Thron stand. Die Energien wüteten nur Sekunden, dann waren der Sockel, der Thron und das seltsam e W esen versch wunden. Mein Feuer hatte das nicht be wirkt. Es m ußte dieser Arm lose gewesen sein. Jedenfalls war der Raum jetzt leer. »Finde den W eg zurück!“ lachte er von irgendwoher. »W enn du kannst! Ein einziger falscher Schritt wir d dein Tod sein!« Ich entdeckte eine Öffnung in der W and. Sie befand sich genau an der Stelle, an der ich den runden Raum betreten hatte. Als ich darauf zuschritt, m eldete sich der Extrasinn. Vorsicht! Ich denke, du mußt genau den W eg wählen, auf dem du gekommen bist. Das schließt auch die Seitengänge ein, bei denen du auf Hindernisse gestoß en bist. Ich stutzte. W enn das stimmte, m ußte ich die Fähig keit m eines fotografischen Gedächtnisses bis an die Grenzen strapazieren, denn der W eg war lang und ver wirrend ge wesen. Ich wurde unsicher. Überlaß es mir, flehte der Extrasinn. Ich kann es besser als du. Ich befolgte diesen Rat. Das fotografische Gedächtnis war ja auch ein Produkt der ARK SUMMIA und eigentlich ein Teil m eines zweiten Bewußtseins. In den nächsten Minuten hörte ich in m ir nur di e W orte: Gerade, links, rechts, kehrt. Und tatsächlich gelangte ich ohne Zwischenfall an das Tor der Burg. Aber hier bot sich eine neue Überraschung.
Im Torbogen stand das ER-Fragm ent. Seine Augen funkelten tückisch. »Du hast es tatsächlich ohne einen Fehler geschafft!« knarrte der Arm lose. »W ie ist das m öglich?« »W ie sind so etwas wie du und diese W elt m öglich?« konterte ich. »Diese W elt bin ich. Und du wirst hier sterben. Ich bin nicht so behutsam wie JA und PE.« Er kam auf m ich zu. Aus seinen verknorpelten Arm stüm pfen wuchsen kräftige Extrem itäten m it klobigen Händen. Diese griffen durch m einen Defensivschirm und die Kam pfausrüstung hindurch, als seien beide nicht vorhanden. Sekunden später spürte ich den Druck, der sich um m einen Hals legte. Ich wehrte m ich m it allen Tricks und Möglichkeiten, aber sein Körper war weich und nachgiebig. Ich bekam ihn nicht zu fassen. Als ich kurz vor der Besinnungslosigkeit stand, fuhr ich m it einem Schlag den doppelten Paratronschirm m eines Kam pfanzugs auf die höchste Energiestufe. Es war ein verzweifelter Versuch, und er glückte. Als das rote Energiefeld sich aufblähte, zerrte es die unwirkliche Gestalt m it. Der Druck an m einem Hals versch wand. Das ER-Fragm ent verfing sich zwischen den Energien des prasselnden Doppelschirm s. Es tobte dort herum , aber es wurde zusehends kleiner und schwächer in seinen Be wegungen. Schließlich polterte eine am orphe Masse, die weiter schrum pfte, zu Boden. Ich trat ein paar Schritte zurück und zog m eine W affen. Aber dieser kümm erliche Rest schien kei n Leben m ehr zu enthalten. Daher wagte ich m ich wieder näher heran. Der letzte Schrum pfungsprozeß begann. Im gleichen Mom ent versch wand die gesam te Materie ringsum . Ich schwebte im Leerraum . In der weiteren Um gebung verblaßten schnell die Kunstsonnen der Phoboskartoffel. Von dem Planetoiden war innerhalb kürzester Zeit keine Spur m ehr vorhanden. Und wenige Meter vor m einen Augen glitzerte dunkel
die Masse des ER-Fragm ents, bis sie sich zu einer silbrig glänzenden Leitersprosse verformt hatte. Ich steckte das Ding in eine Außentasche m einer Kam pf kom bination. Als ich die Funkanlage einschaltete, hörte ich ein Durcheinander, aus dem sich aber bald ein klares Bild ergab. Auch die anderen Trupps und nicht zuletzt die MJAILAM waren von dem Verschwinden der Phoboskartoffel – und dam it auch der Schockfront – überrascht worden. Jetzt suchten alle Anschluß an das Raum schiff. Auch ich m eldete mich. Joscan Hellm ut leitete unsere Bergung ein. Bis sie m ich holen würden, hatte ich noch etwas Zeit, um über dieses unbegreifliche Erlebnis nachzudenken. FÜNFTES ZW ISCHENSPI EL W ir saßen in einem Nebenraum der Kantine von Deck 17. Die Roboter fuhren Speisen und Getränke nach unseren W ünschen auf. Aber es m ochte keine rechte Stimm ung aufkommen. Tyari war nicht wen iger nachdenklich als Breckcrown Hayes oder Bjo Breiskoll. Und ich selbst fühlte m ich nach dem Abenteuer auf der Phoboskartoffel auch nicht befreit. Ich wußte, daß diese Geschichte noch nicht zu Ende war. In m einem Alptraum hatten die Unbekannten (oder war es nur einer gewesen?) von zehn Sprossen gesprochen. Drei Nickelstücke waren jetzt in m einem Besitz. Einfach ausgedrückt bedeutete das vielleicht, daß ich noch siebenm al durch die Hölle gehen m ußte, um dieses Rätsel zu lösen. Und dazu verspürte ich keine Lust, denn alles erschien m ir irgendwie sinnlos. Du erkennst den Sinn nur nicht, m einte der Extrasinn. SENECA hatte m einen Bericht komm entarlos zur Kenntnis genomm en. Als ich ihn gefragt hatte, warum er nichts dazu zu sagen hätte, hatte er erst gesch wiegen und dann lakonisch gem eint:
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll.« Unsere Bergung aus dem Raum war ohne Zwischen fälle verlaufen. Mit der Auflösung des Planetoiden und der Schockfront hatten unsere beiden Raum schiffe auch wieder Funkkontakt zur SOL bekomm en. Und nachdem die MJAILAM und die FARTULOON alle Mann aufgenomm en hatten, waren wir an Bord des Generationenschiffs zurückgekehrt. Die astronom ische Um gebung, die uns das SPARTAC-Teleskop jetzt zeigte, hatte sich weitgehend norm alisiert. W eitgehend! Das bedeutete, daß es imm er noch ein paar unklare Galaxien und ein paar nicht unerhebliche Abweichungen in den wahren Konstellationen gab. Die W issenschaftler verm uteten einen Resteffekt der Störungen, die von der Phoboskartoffel ausgegangen und auf die SOL zielgerichtet ge wesen waren. Sie m einten, daß sich diese verbliebenen Störungen m it der Zeit verlieren würden. Ich glaubte das nicht. Und SENECA teilte m eine Bedenken. Die Geschichte war nicht abgeschlossen. Das zeigte sich allein daran, daß ich nur drei von den zehn angedeuteten Sprossen besaß. Ich konnte m einen Verdacht nicht be weisen, aber ich glaubte, daß noch irgend et was von diesen unheim lichen W esen in unserer Nähe war. Imm erhin hatten wir in einer relativ kurzen Entfernung von nur 18 000 Lichtj ahren eine Kleingalaxis ausm achen können, die sich vor der Zerstörung der Phoboskartoffel gar nicht gezeigt hatte. Die Galaxis trug die Katalogbezeichnung VP-515 und war ansonsten gänzlich unbekannt. Ihr größter Durchm esser betrug nur knapp 10 000 Lichtj ahre, der kleinste 4000 Lichtjahre. VP-515 war eher ein in die Länge gezogener Kugelsternhaufen als eine richtige Galaxis. SENECA hatte vorgeschlagen, VP-15 anzufliegen, weil nach seiner Meinung zwischen den Sternen die noch vorhandenen Störeinflüsse bei der Erm ittlung der astronom ischen Daten versch winden würden. Und das
m ußten wir erreichen, um wieder gezielt Fernflüge durchführen zu können. Der Start stand bevor, aber der High Sideryt hatt e erst um dieses Gespräch gebeten. Ich war nicht richtig bei der Sache, denn m eine Gedanken beschäftigten sich m it anderen Dingen. W as wir m it der Phoboskartoffel, den verfälschten astronom ischen Daten, dem ER-Fragm ent und auch davor erlebt hatten, ließ m ich erschaudern. Es handelte sich nicht nur um unerklärliche Dinge. Sie waren vor allem von solch gewaltigen Ausm aßen, daß allein die Macht, die das ER-Fragm ent repräsentiert hatte, an di e Fähigkeiten einer Superintelligenz heranreichte. Meine Bem ühungen, den Gegner zu erkennen (der ja m ehrm als betont hatte, er würde m ich kennen, und ic h m üßte ihn kennen und erkennen!), waren erfolglos. Ich suchte in den fernsten Erinnerungen herum , aber ich fand nichts in m einer Vergangenheit, das auf dies e »Schatten« oder »Geister« hindeutete. Vielleicht über sah ich etwas. Und auch der Extrasinn wußte zu dieser Kernfrage nichts zu sagen. Zuletzt hatten wir die Zyrtonier der ehem aligen Nam enlosen Zone besiegt. Von den zyrtonischen Führern, den Pagen, war keiner am Leben geblieben. Davor war es gelungen, Anti-ES zu bekehren und zu KING zu ver wandeln. Da war kein Rest, kein Fragm ent, eines Bösen verblieben. Und davor? Hidden-X war zur Gänze ausgeschaltet worden. Auch er kam nicht in Frage. Und davor? Da lagen die 186 Jahre, die ich wohl hinter den Materiequellen im Reich der Kosm okraten verbracht hatte. An diese Zeit konnte ich m ich m it keinem Funken erinnern. W ußten das die geheim nisvollen Gegner von jetzt nicht? Das ER-Fragm ent hatte sich in m erkwürdiger W eise danach erkundigt. Es war zum indest theoretisch denkbar, daß ich in dieser Zeitspanne Feinden begegnet war, die m ich noch jetzt verfolgten. Aber wahrscheinlich war das nicht.
Auch wenn ich die W elt der Kosm okraten nicht kannte, so erschien sie m ir in m einen Vorstellungen doch als etwas Kom paktes und Ganzes und Stabiles. Von dort konnten diese »Geister der Vergangenheit« schlecht komm en. Und wenn ich noch weiter in die Vergangenheit ging, dann kam die Zeit m it Perry Rhodan auf der BASIS, die Auseinandersetzungen m it den Loowern, m it Boyt Margor, die Kosm ischen Burgen der Mächtigen… Ich zögerte in m einen Gedanken, aber ich verwarf auch diese Überlegung wieder. Nein, die Mächtigen existierten nicht m ehr. Und wenn ich noch weiter in die Vergangenheit ging, dann wurde es immer unwahrscheinlicher, hier jem and oder etwas zu entdecken, das m it diesem Rätsel der Leitersprossen etwa s zu tun haben konnte. »Du träum st ja!« Tyari riß m ich aus m einen Gedanken. »Breck hat dich zweim al gefragt, ob du etwas einzuwenden hast, wenn die SOL VP-515 anfliegt.« »Nein, natürlich nicht«, ant wortete ich rasch. Eine halbe Stunde später setzte sich die SOL in Bewegung. SECHSTES ZW ISCHENSPIEL Ich schlief tief und fest. Das wußte ich genau. Dabei war ich m ir des W iderspruchs bewußt, daß m an im Schlaf nichts bewu ßt erleben konnte. Und doch war es so. Ich schlief, und ich war wach. Ich sah m eine Um gebung. Tyaris liebliches Gesicht, das m einem irgendwie glich, lächelte sogar im Schlaf. Mir fiel ein, daß sie nach m einem Bild von Tyar erschaffen worden war. Tyar, dem ich auch m it Hilfe m einer Freunde zu einer friedlichen und freien Zukunft verholten hatte. Bars-2-Bars, das war der Nam e der Galaxis gewesen, aus der sie gekomm en war. Heute war das nur noch Bars. Und Tyar hatte m ir sein Geschöpf, das künstlich und gleichzeitig echt war, belassen. Ich brauchte eine Lebensgefährtin.
Ihre Haare waren schlohweiß. Sie reichten weit über die Schultern, fast bis zur Hüfte. Jetzt lagen sie zu kleinen Knäueln geringelt zwischen ihr und m ir. Ich wollte ihre Haare berühren, aber das ging nicht. Ich konnte m ich nicht bewegen. Eigentlich war das logisch, denn ich schlief ja. Und willentliche Bewegungen waren nun einm al im Schlaf nicht m öglich. Sie war wie ich – eine ideale Lebensgefährtin. Daß sie eine überragende Telepathin war, störte m ich nicht. Ich konnte m eine Gedanken abschirm en’, aber m eistens tat ich das nicht. Sie sollte ruhig wissen, was ich dachte. Aber da war doch etwas ge wesen, das ich ihr verheimlicht hatte… Oder… »Hast du!« sagte eine weibliche Stimme. Es war nicht Tyari, aber ich wußte auch nicht, wer es war. Ich wollte eine Frage stellen, aber m eine Lippen und Stimm bänder bewe gten sich nicht so, wie es der Geist befahl. Das m ußte daran liegen, daß ich schlief. Ich erwartete, daß sich der Extrasinn m eldete, denn hier herrschte ganz offensichtlich ein W iderspruch vor. Nichts geschah. Schlief der Extrasinn auch? Kannte er überhaupt so et was wie Schlaf? Ich m erkte, daß meine Gedanken im m er verrückter wurden. Ich war benebelt. W er hatte denn eben zu m ir gesprochen? Ich wu ßte es nicht. Ich wollte auf wachen – voll und ganz. Es war unm öglich. »Du hast Tyari den Inhalt von drei Visionen verwei gert«, m eldete sich wieder die unbekannte weibliche Stimm e, »die allein sie betreffen. Chybrain, dei n Geschöpf aus Born und dem ARK SUMMIA-Bewußtsein, hat dir diese Visionen verm ittelt. Er hat die Erinnerungen daran auch wieder gelöscht. Ich kenne diese Visionen aber.« Ich versuchte, einen gezielten Gedanken zu form ulieren: W er spricht da? Das funktionierte, denn die Ant wort kam direkt. Sie gab m ir aber neue Rätsel auf, und sie riß m ich auc h
nicht aus diesem Zwischenstadium von Traum und W irklichkeit: »Ich bin die Kom bination, der Rest des Zwillings. Ich bin das Doppelfragm ent aus TR und SA, also TRSA. Frage m ich nicht nach dem Rest der Nam en, denn ich weiß das nicht. Nur du weißt es.« W as willst du, TRSA? dachte ich. »Dich inform ieren, dam it du das tust, was einen fairen Ausgleich deiner Sünden beinhaltet. Der lange W eg der SOL ist kürzer als m ein langer W eg. Und ich will, daß m ein langer W eg ein Ende findet. Die Alternative dazu besteht allein darin, daß dein W eg ein Ende findet.« Verrückt, dachte ich. »Verrückt? Ich zeige dir, was verrückt ist. Ich zeige es dir! Ich hole die verschollene Erinnerung aus Chybrains Vision hervor. Ich spiele darin eine entscheidende Rolle. Du wirst m ich vielleicht erkennen, aber nur vielleicht. Ich werde hier aber einen anderen Nam en benutzen, den Nam en Weidenscharf. Sei leichtsinnig! Und wisse trotzdem , daß ich Zwei bin, zwei, die Reste von TR und SA. Ich bin besser als ER oder PE oder JA. Du wirst dich wundern, Frevler. Ich werde dich erst bestrafen, dam it du dir deiner Greueltaten bewußt wirst. Und dann werde ich dich töten, wenn du nicht…« Ich war plöt zlich hellwach. Und ganz andere Dinge spukten durch meinen Kopf. Meine Gedanken überschlugen sich. Ich war auf Kausnit , auf der Ebene der Flüsterblumen. Ich und Tyari. W eidenscharfs Jäger waren hinter uns her. Wir rann ten und st olpert en keuchend und schwit zend unter der stechenden Sonne durch die endlose F lut der vielf arbigen Blumen. Unter unseren Schritten zerbrachen die Blütenst engel und rissen mit schmat zenden G eräuschen. Blut enstaub wirbelte durch die warme Luft und drang mit bet äubendem Duft i n unsere Nasen und weit auf gerissenen Münder. »Atlan, ich verliere langsam alle meine Fähigkeiten«,
stieß Tyari abgehackt hervor. »I ch spüre die Ausst rahlung der Jäger nur noch schwach.« »Das ist der verdammt e Blutenst aub«, sagte ich und hob den Arm. Ich zeigt e auf den W aldrand und die niedrigen Hügel, die sich am Ende der f reien Fläche vor den Horizont schoben. Wir wußt en nicht, was hinter den Hügeln lag. »Sie werden uns einkesseln! « »Wir können uns wehren«, sagte ich und wischte den Schweiß von meiner Hand, ehe ich wieder Tyaris Finger packte und sie mit mir zog. Wir rannt en geradeaus, auf die Hügel zu. Unsere Doppelspur durch die riesige Fläche der exotischen Blüten und Blumen war für jeden Verf olger unübersehbar. Einige Minut en spät er, als wir den kühlenden Schatten eines einzelnen Baumes erreicht hatten, blieb ich stehen und wirbelt e herum. »Ich sehe sie«, keuchte ich und versuchte, meinen Pulsschlag zu kont rollieren. Langsam zog ich die W affe aus der Schut zhülle und regelte den Energiestrahl ein. »Oder einige von ihnen. « Es ging um Leben oder T od für uns beide. Die rothaarige W eidenscharf wollt e uns st erben sehen. Ich set zt e die W affe auf das linke Handgelenk und merkt e, daß der Projektorlauf unruhig zitterte. Ich machte ein paar schnelle Schritt e und glitt hinter einen borkigen Stamm. Als ich den Strahler mit beiden Händen an einem t rockenen Astst ück abstüt zte, sah ich durch die Zieloptik, wie sich zwei Jäger inmitten des Blütenfeldes aufrichteten. Ich zielt e ruhig, dann f euert e ich zweimal. Unsichtbar im gleiß enden Sonnenlicht röhrten die Blasterschüsse waagerecht über die Blumen. Obwohl ich wußt e, daß die Jäger uns töten würden, hatt e ich auf die Schult ern der zwei schlanken Männer in Kampfanzügen gezielt. Die Kleidung stand sofort in Flammen. Ich sah die schmerzerf üllt en Gesichter, aber ich hört e die Schreie nicht. Beide Getroff ene sanken, sich halb überschlagend, zu Boden.
Ich sichert e die W affe und schob sie zurück. »Das wird uns einen groß en Vorsprung sichern, Lieb ste«, sagt e ich. Tyari band ihr langes silbernes Haar, das sic h während des Rennens gelockert hatt e, wieder zu einem Zopf zusammen. Auch sie war gut ausgerüstet. Wir waren kein wehrloses Wild. Seit Tagen hast eten wir, nur durch wenige Stunde n Schlaf unt erbrochen, durch die menschenleere Land schaft des Planeten Kausnit. Wir wurden von minde stens zwanzig berufsmäßigen Jägern verfolgt, deren Anführerin die schöne W eidenscharf war, die ich einmal am Anf ang der Jagd deut lich gesehen hatte. Mich wundert e, daß die Jäger weder Reittiere noch Maschinen benut zt en. Dann hätt en wir, wenn überhaupt, keine echte Chance gehabt. »Ich habe gerade noch den Schmerz der beiden Jäger t elepat hisch auff angen können«, gab Tyari zu. »Wie viele T age, sagst du, bis zur Rett ung?« Ich lacht e grimmig und wischte den Schweiß vo n meiner Stirn. T yari schob mir einen Riegel Konzentrat nahrung zwischen die Zähne. »Ich habe nichts gesagt. Aber irgendwoher weiß ich, daß es drei T age sind. « Tayri blickt e mich auf merksam an. Aus ihrem Gesicht sprach derselbe Ernst zu überleben, wie aus jeder ihrer Bewegungen. »Dann sollt en wir nicht länger warten. Los! W eiter!« »Obwohl wir eine deutliche Spur hinterlassen«, ant wortet e ich. »Das wird sich erst hinter den Hügeln ändern. « Wir holten ein let zt esmal tief Atem. Wieder drang der feine Blut enst aub und der betäubende Geruch der ätherischen Öle in unsere Nasen, legte sich auf die Schleimhäut e und löschte, wenigst ens bei Tyari, einen Teil der geistigen Fähigkeit en aus. Dann rannten wir los. Zuerst viel zu hastig, dann in einer Geschwindigkeit, von der wir hofft en, sie länger halten zu können. Die Hit ze nahm zu. Die Kont uren der Hügel
verschwammen im Glast, der von der Ebene aufstieg. Tyari und ich hasteten durch das Meer aus Blüten und Farben, das uns zu einer anderen Z eit entzückt hätte. Jet zt acht eten wir nur darauf, zwischen den Pflanzen richtig auf zutreten. Ein verstaucht er Fuß kam einem Todesurteil gleich. Rätselhaft! Wir wußten alles, aber wir kannten den Grund nicht. W arum waren wir auf Kausnit ? W er war die schöne W eidenscharf mit dem st echenden Blick? Und warum wollt e sie unseren T od? Noch hatt en wir kein Teil unserer Ausrüstung verloren – wir konnt en hoffen zu überleben. Jet zt f ührt e Tyari. Ich rannte mit angewinkelten Armen hint er ihr her. Wir lief en auf den Einschnitt zwischen zwei Hügeln zu. Noch sah keiner von uns die Verf olger. Vielleicht hatt en sie uns längst eingekreist. Tyari hätt e es wissen können, aber ihre telepathischen Fähigkeit en waren so gut wie gelähmt. Zum Einbruch der Dunkelheit erreichten wir die Hügel. Am Ende unserer Kräft e st olperten wir den Hang auf wärts. Ich zog meine W affe, verlor den Halt und schlug schwer zu Boden. Ich landete im dicken Gras und schlug mit dem Hinterkopf gegen eine harte Fläche. Sekundenlang war ich benommen. Als ich m it einem Stöhnen die Augen aufriß, sah ich in Tyaris Gesicht. »Atlan!« schrie sie und schüttelte m ich heftig an den Schultern. »Du träumst! W as ist los?« Ich richtete m ich auf und blickte m ich um . Ich lag in m einem Bett. »Es ist nichts, m ein Engel«, stöhnte ich. »Oder sagt dir der Nam e W eidenscharf etwas? Nein, er kann dir nichts sagen, denn es war ja ein falscher Nam e. Und TRSA sagt dir auch nichts?« Sie fand die passende Ant wort. »Ich bereite uns das Frühstück.« Mit einem Satz war sie aus dem Bett, und ich starrte ihr hinterher.
Wir sprechen uns wieder, Atlan! erklang W eiden scharfs Stimm e in m einem Kopf. Ich hätte m ich am liebsten unter der Bettdecke verkrochen, wenn da nicht dieser unbändige W ille ge wesen wäre, auch dieses Problem zu m eistern. Varnhagher-Ghynnst wartete auf die SOL und m ich. »Varnhagher-Ghynnst«, flüsterte ich. »Ich komm e, egal wie lang der W eg der SOL auch ist!« W eidenscharfs Gekicher verebbte irgendwo in der Ferne. SIEBTES ZW ISCHENSPIEL Die SOL erreichte den Rand von VP-515. Ich war bei Breckcrown Hayes, den Piloten und den Stabsspezialisten in der Hauptzentrale im Mittelteil des sechseinhalb Kilometer langen Hantelschiffs. Die Mannschaft sondierte die Lage. Die Orter spielten, und die Hyperfunkem pfänger jagten durch die Frequenzbänder, während sich die Antennensystem e auf VP-515 richteten. Nach zwei Stunden gründlicher Arbeit faßte der High Sideryt in Anlehnung an ein Sprichwort, das er wohl von seinen Vorfahren kannte, die Lage so zusamm en: »Schweigen im W ald!« Das bedeutete, daß die Kleingalaxis VP-515 wie tot wirkte. »W ir suchen uns eine Sternenballung«, entschied das Oberhaupt der Solaner, »die dicht genug ist, um mit ihren hyperenergetischen Strahlungen das zu überdecken, was uns an der Nase herum geführt hat.« Er warf m ir einen auffordernden Blick zu. Ich nickte. Unser Verhältnis war gut. Breck war der High Sideryt der SOL. Ich hatte niem als daran gedacht, das zu ändern oder m ich gar in diese Position drängen zu wollen. Er kannte mein Ziel. Zum Teil war das sein Ziel, denn er wollte den Solanern, seinem terranischen Zwergvölkchen, eine Aufgabe geben. Ich hatte in den letzten Jahren durch m eine Gedanken und Ziele den Solanern fast zuviel zugem utet. Es hatte W iderstand gegeben, und der
konnte auch jetzt noch aufflamm en. Breck richtete sich dennoch nach m einer Meinung. Der nächste Zielpunkt der SOL war bereits fixiert. Die routinem äßigen Vorbereitungen liefen, die Stimmung in der Hauptzentrale signalisierte Ruhe und Gelassenheit. Keiner erwartete etwas Außerge wöhnliches. Da m eldeten die Orter: »Auftauchen eines Objekts in einhundertzwölf Lichtm inuten Entfernung. Verm utlich ein Raum schiff, das in den Einsteinraum zurückkehrte. Typ nicht identifizierbar.« Und die Funkzentrale ergänzte: »Em pfang von digitalen, sym bolartigen Zeichen im Zwischenfrequenzbereich um einhundertachtzig MegaKP. W eiterleitung an SENECA, da norm ale Dekodierung nicht m öglich.« Es dauerte nur zwei Sekunden, bis SENECAS Separatschirm aufleuchtete und sich die Biopositronik m eldete: »Der aufgenomm ene Text lautet: LA-6 ruft um Hilfe. LA-6 ist in Not. Wir sind völlig vom Kurs abgekommen. Der Antrieb versagt. Die zwan zig Sterbenden und Rosmere flehen. Rett et uns! Hört ihr uns? Diese Nachricht wiederholt sich m ehrm als, bis sie inm itten des digital kodierten W ortes Rosmere abbricht. Danach konnten keine Signale m ehr aufgenomm en werden. Deutung: Frem de Raumfahrer in Not.« »Hoppla!« sagte Breckcro wn Hayes. »Die holen wir heraus!« Seine weiteren Maßnahm en waren ein Zeugnis seiner Routine. Seine Anordnungen kam en schnell und genau. Die SOL beschleunigte, aber bevor sie in eine Linearetappe gehen konnte, hatte, die SZ-2-22, die GIRGELT-JOFF, im Alarm start das Generationenschiff verlassen, um ihm voraus auf die havarierten Frem den zuzueilen. Ich nickte Breck nur zu, obwohl m ir diese erneute Unterbrechung eigentlich nicht willkomm en war. Aber was war wichtiger, Lebewesen in Not oder m ein Ziel Varnhagher-Ghynnst? Es gab nur eine Antwort auf diese stumm e Frage. Bevor wir das Zielgebiet erreicht hatten, kam die
Meldung von der GIRGELTJOFF. Deren Besatzung hatte einundzwanzig m enschengleiche Lebewesen in höchster Not aus einem Raum schiffswrack geborgen. Zwanzig schlanke m ännliche W esen waren besinnungslos oder ver wundet. Die Komm andantin, eine Frau nam ens Rosm ere, konnte sich in einer absolut frem dartigen Sprache m it der Besatzung der GIRGELTJOFF verständigen. Sie hatte zwanzig unheilbar Kranke aus ihrem Volk, das sie die Salapa nannte, an Bord gehabt, um sie zur W elt der Heilung zu bringen. Diese W elt, die zur Kleingalaxis CP-515 gehörte, nannte sie Ikardem . Die Nam en -sagten m ir naturgem äß nichts. Ich m aß dieser Bergungsaktion auch keine besondere B edeutung be i. Die Geretteten kamen an Bord. Die zwanzig Kranken entpuppten sich als schwar z gekleidete, schlanke Männer, die absolut m enschlich wirkten. Sie wurden ärztlich versorgt. Rosm ere war eine Frau, die m ich mit ihren roten Haaren, ihrer Art des bescheidenen und doch bestimmten Auftretens, ihrer über wältigenden Figur und ihrem Charm e und ihrer Faszination sofort in ihren Bann zog. »Mein Ziel«, übersetzten die Translatoren, als sie m it weicher Stimm e sprach, »ist es, die zwanzig arm en Kreaturen zu retten, die ich an Bord der LA-6 hatte. Und das kann nur auf Ikardem geschehen, wo die Natur noch heil ist. Bitte bringt m ich nach Ikardem , auch wenn ich dadurch sterben m uß.« Ich bem erkte die schiefen Blicke, die m ir Tyari zuwarf, als ich Rosm ere anstarrte, als wollte ich sie m it den Augen verschlingen. Varnhagher-Ghynnst war weit. Der W eg der SOL sollte ruhig lang werden. Der W eg nach Ikardem konnte auch sehr lang werden – oder nicht lang genug. Vollidiot! bem erkte der Extrasinn. DIE SECHSTE SPROSSE Es war etwas m ühsam , aus Rosm eres Angaben die
Position des Planeten Ikardem zu erm itteln. Klar war von Anfang nur, daß diese W elt in der Kleingalaxis VP 515 liegen m ußte. Rosm eres schrottreife und zurückgelassene LA-6 wäre auch im intakten Zustand niem als in der Lage ge wesen, auch nur einen nennens werten Bruchteil der Entfernung zur nächsten Großgalaxis zu überwinden. Rosm ere war in diesen Dingen sehr wenig bewandert. Sie war zwar Komm andantin der LA-6 gewesen, aber sie bezeichnete sich als Ojeoje, was eigentlich Krankenschwest er bedeutete. Die eigentliche Führung der LA-6 war nach ihren Angaben von einem Com puter durchgeführt worden, der jetzt nicht m ehr existierte. W ie es zu dem Unfall an Bord gekomm en war, wußte Rosm ere nicht. SENECA erm ittelte nach ihren Angaben den verm utlichen Standort Ikardem s, während die zwanzig Patienten in den Medocentren der SOL versorgt wurden. Sie litten an einer unbekannten Seuche, die auch den Medizinern der SOL Kopf zerbrechen m achte. Bei den Untersuchungen der Kranken ergab sich ferner, daß sie zwar äußerlich fast vollständig dem m enschlichen Bild glichen, ihr Metabolism us und der Aufbau und die Funktion der Organe war j edoch ganz anders. Die Heilm ethoden der Solaner konnten daher nicht angewandt werden. Rosm ere betonte mehrm als, daß die Natur Ikardem s allein ihren Patienten Heilung bringen könne. Sie habe entsprechende Erfahrungen darin, und sie habe den Planeten schon m ehrm als besucht. Über ihre Herkunft und ihr Volk wollte sie allerdings nichts sagen. Auch schien sie sich keine Gedanken darüber zu m achen, wie sie wieder in ihre Heim at zurückkehren wollte. Die Entfernung nach Ikardem schien nur knapp achtzig Lichtjahre zu betragen. In Übereinstimm ung m it Breckcrown Hayes und SENECA startete die SOL wieder einmal. Als Zielpunkt wurde zunächst eine Zone innerhalb der Randsterne von VP-515 programmiert. Ich verfolgte diese Linearetappe persönlich in der Hauptzentrale. Auch
Tyari und Rosm ere waren an wesend. Die Frem de war wortkarg und eher ab weisend, was Tyari gefiel, aber m ir nicht. Ich verließ die Komm andozentrale, und Tyari folgte m ir unaufgefordert. Draußen auf dem Hauptgang verharrte ich, denn ich sah ihren fragenden Blick. »Ich liebe dich, Tyari.« Und das entsprach der W irklichkeit. »Du hast natürlich bem erkt, daß Rosm ere einen großen Einfluß auf m ich auszuüben scheint. Ich gebe zu, sie ist faszinierend, aber das kann m eine Gefühle für dich nicht irritieren.« »Du lügst.« Sie lächelte m ich freundlich an. »Und du lügst auch wieder nicht. Es geht etwas von dieser Person aus, das auch für m ich unbegreiflich ist. Sie ist faszinierend. Aber diese Faszination ist nur äußerlich und künstlich. Ihre Gedanken bleiben m ir verschlossen. Ich spüre aber, daß sie ein Ziel verfolgt, das nicht gut ist.« »W ie kannst du etwas spüren, wenn ihre Gedanken nicht zu dir dringen?« »Ich kann es dir nicht erklären, Atlan.« Sie um arm te m ich. »Ich habe keine Angst um dich. Rosm ere irritiert dich m it einer künstlichen Masche. Ich weiß, daß du das erkennen wirst. Leider kann ich dir nicht erklären, worin ihr Kunstgriff besteht. Ich gebe auch zu, daß es m ehr Ahnung ist als Telepathie.« Ihre W orte stimmten m ich nachdenklich. Rosm ere war hinreißend. Vielleicht zu hinreißend? »Ich liebe nur dich«, sagte ich. »Und j etzt gehen wir wieder in die Kommandozentrale, ja?« Sie ließ m ich los und nickte. Die Linearetappe neigte sich ihrem Ende zu, als wir uns wieder zu Breck, den wenigen anwesenden Stabspezialisten und den Piloten der SOL gesellten. Rosm ere hockte stumm in einem Sessel abseits des eigentlichen Geschehens. Sie blickte nicht auf, als Tyari und ich eintraten. »Ende der Linearetappe«, teilte SENECA m it. »Ich werte die neuen Messungen des SPARTAC-Teleskops aus.«
Auf dem Hauptpanoram aschirm funkelten unzählige Sterne. Ich ergötzte m ich an ihrem Anblick und drückte dabei Tyari an m ich. Du lügst, m eldete sich der Extrasinn. Du belügst dic h selbst. Ich konnte gedanklich nicht ant worten, denn SENECA übertönte alles. »Ikardem kann geortet werden. Die Entfernung beträgt vierundvierzig Lichtjahre. Das Anm essen ferner Galaxien ist – entgegen m einen Berechnungen – von hier innerhalb VP-515s noch schlechter als von draußen. Es ist alles falsch, was das Teleskop überm ittelt, von den internen Daten, die VP-515 betreffen, einm al abgesehen. Extragalaktisch sind wir hier noch weniger manövrierfähig als zuvor.« Das war ein Schlag, den auch ich nicht erwartet hatte. »Ich m uß nach Ikardem «, rührte sich Rosm ere. »Ich m uß zwanzig Leben retten. Kennt ihr keinen W eg?« »Abwarten«, m einte Hayes nur. »W ir sind noch nicht am Ende unseres Lateins.« Ich dachte bei m ir, wie der Translator das wohl in Rosm eres Sprache übertrug. Der High Sideryt ordnete unterdessen neue Überprüfungen der eigenen Position und der astronom ischen Daten an. Ich brauchte m ich um diese Routineangelegenheiten nicht zu kümm ern, zum al SENECA die Solaner dabei besser unterstützen konnte als ich. Eine Stunde später stand fest, daß das Hantelschiff im Innenraum von VP-515 nur sehr bedingt m anövrierfähig war. Selbst bei kurzen Linearetappen bestand das Risiko einer Kollision m it Sternen. Es ließ sich allerdings nicht feststellen, ob die unbekannten Einflüsse, die ja fast verklungen waren, nur hier s o stark vorherrschten, oder ob sie generell – also auch außerhalb der Kleingalaxis -wieder Gültigkeit hatten. Ich m achte m ir m einen eigenen Reim darauf, aber ich behielt m eine Ansicht erst einm al für m ich. Breckcrown Hayes wollte das erm itteln. Es war klar, daß die SOL dam it wieder Kurs von Ikardem fort
nehm en m ußte. Als Rosm ere das hörte, fing sie an zu weinen und zu j amm ern. »Die Zeit drängt«, klagte sie. »W enn ich die Kranken nicht in den nächsten Tagen der Atm osphäre Ikardem s aussetzen kann, m üssen sie sterben.« Das war der Moment, an dem ich m ich zu W orte m eldete. »W ir haben schon die Erfahrung gem acht«, sagte ich zu Breck, »daß ein einzelnes Raumschiff in großer Entfernung der SOL viel genauere astronom ische Ergebnisse erzielt als das SPARTAC-Teleskop. Dam it ist es auch besser m anövrierfähig. Ich schlage daher vor, ich bringe m it der MJAILAM die Kranken nach Ikardem , während du m it der SOL aus VP-515 versch windest. W ir m achen eine Position aus, an der wir uns wieder treffen, denn ich rechne dam it, daß auch der Hyperfunkkontakt wieder abreißt.« Rosm ere warf m ir einen dankbaren Blick zu, aber Breck wirkte nachdenklich. »Diese Trennung auf Zeit behagt m ir nicht«, gab er offen zu. »Ich verm ute, daß du das Problem , das du siehst, wieder allein lösen willst, weil du dich noch imm er aus deinem Alptraum angesprochen fühlst. W as ist, wenn wir uns verlieren?« »W ir verlieren uns nicht.« Ich lächelte selbstbewußt. »Und was deine Meinung zu m einer Aktion betrifft, so ganz unrecht hast du nicht. Im Vordergrund sehe ich aber den W eg, wie wir den Kranken und Rosm ere helfen können.« »In Ordnung.« Breckcro wn Hayes willigte ein. »Laßt die MJAILAM startklar m achen. W er soll dich begleiten?« »Uster Brick als Pilot. Und Tyari natürlich. Sie kann zu Bjo oder Sternfeuer telepathischen Kontakt halten, wenn alle Stricke reißen. Ansonsten genügt die norm ale Besatzung.« »W enn du nichts dagegen hast«, m einte der Kybernetiker Joscan Hellm ut, »dann bin ich auch dabei.« Ich hatte nichts dagegen.
Die Vorbereitungen benötigten einige Zeit, denn die kranken Salapa m ußten um quartiert werden. Der Bordarzt der MJAILAM, Doc Fredersteen, nahm das in seine Hände. SENECA und die MJAILAM-Positronik tauschten alle erforderlichen Daten aus. Der gem einsam e Treffpunkt wurde in einer Entfernung von fünfundachtzig Lichtjahren vom Rand der Kleingalaxis festgelegt. Die drei Telepathen der SOL wurden von Tyari auf den geistigen Kontakt eingestimmt, der uns helfen sollte, Verbindung zu halten. Als die MJAILAM dann den Rum pf der SOL verließ, setzte sich auch das m ächtige Hantelschiff in entgegengesetzter Richtung in Be wegung. Die verm utliche Entfernung nach Ikardem wollte ich in vier Linearetappen von je elf Lichtjahren überbrücken. In dieser Zeit würde die SOL ihr Zielgebiet im Leerraum schon erreicht haben. W enn die Störeinflüsse wirklich von ihr ausgingen, so war sie dann weit genug entfernt, um unsere Messungen nicht m ehr zu beeinflussen. Nach dem ersten Halt er wies sich die Hyperfunkverbindung bereits als leicht gestört. Unsere Entfernung zur SOL betrug zu diesem Zeitpunkt über hundert Lichtjahre. Das SPARTAC-Teleskop verm ittelte den Solanern noch imm er die gleichen unm öglichen astronom ischen Daten, während bei uns ein deutlicher Trend zu den bekannten W erten der galaktischen Konstellationen erkennbar war. Die Verm essung der Sterne von VP-515 verlief scheinbar problemlos. Scheinbar, weil wir keine Vergleichsm öglichkeiten besaßen und uns nur auf die ersten Messungen abstützen konnten. Nach der zweiten Linearetappe war kein Hyperfunkkontakt m ehr m öglich. Tyari bekam aber problem los telepathische Verbindung zu Bj o Breiskoll. Die beiden Telepathen tauschten unsere bisherigen Erkenntnisse über eine Entfernung von zweihundertfünfzig Lichtj ahren m it der gleichen Sicherheit aus, als befänden sie sich in einem Raum
und würden sich unterhalten. Das Observatorium der MJAILAM spiegelte nun eine fast exakte Konstellation der fernen Sterneninseln wider. Die Nachricht der SOL hingegen lautete, daß dort alles unverändert war – falsche kosm ische Daten und fehlende sichere Navigationsm öglichkeit. Für Breckcrown Hayes war das eine deutliche W arnung. Ich ließ ihn das über die Gedankenbrücke wissen, denn diese Tatsache ließ doch verm uten, daß nach wie vor etwas die SOL in Bann hielt. Nach der dritten Flugetappe er wartete ich natürlic h nicht, daß wieder Hyperfunk m öglich war. Und so bestätigte es sich auch. Als ich aber Tyaris Kopfschütteln sah, wurde m ir unwohl. Sie konnte keine telepathische Verbindung m ehr herstellen. W ir warteten die verabredete Zeit für den Zwischenstopp ab, aber m eine Gefährtin em pfing auch fortan kein Signal von den Telepathen der SOL. Dieses abrupte Verschwi nden der eigentlich als sicher geltenden Verbindung verunsicherte m ich. Es konnte alle m öglichen Ursachen haben, und diese verhießen eigentlich nichts Gutes für die Sol. Aber an ein Um kehren wenige Lichtj ahre vor dem Ziel Ikardem dachte ich auch nicht. »W ir setzen unseren Flug planm äßig fort«, entschied ich. »W ir können uns später immer noch an den verabredeten Treffpunkt halten.« Rosm ere warf m ir einen dankbaren Blick zu. Sie erhob sich und kam an m eine Seite. »Es genügt m ir«, erklärte sie leise, »wenn du uns auf Ikardem absetzt. W enn die Zeit der Heilung verstrichen ist und wir nicht heim kehren, wird m ein Volk ein anderes Raum schiff schicken, das uns in die Heim at bringt. Die Zeit der Heilung ist lang, m ehrere W ochen nach euren zeitlichen Maßstäben.« Ich war m it dieser Auskunft zufrieden. Länger als not wendig wollte ich m ich m it dieser Hilfsm aßnahm e auch nicht aufhalten. Sie hatte ja m it m einem aktuellen Problem und dem der SOL nichts zu tun. Uster Brick startete die MJAILAM, als die festgelegt e
Zeit verstrichen war. Da wir uns in einem dicht m it Sternen besiedelten Gebiet befanden, war Vorsicht geboten. Die letzte Etappe sollte verzögert werden. Dazu waren et wa dreißig Minuten erforderlich. Ich nutzte diese Pause, um m ich in m einer Kabine etwas frisch zu machen. Tyari kam wenige Minuten später nach. Ich verließ gerade die Hygeniekamm er, als sie eintrat. »Atlan«, sagte sie ernst. »Ich habe ein paar Gedankenfetzen von Rosm ere aufnehm en können. Und das beunruhigt m ich.« »W as hat sie gedacht?« »Sie stand in telepathischem Kontakt m it einem W esen nam ens LA-6 und erklärte diesem , es solle seine schm utzigen Finger aus dem Spiel lassen. Jetzt sei sie an der Reihe. Das ist alles. Ihr telepathischer Partner, den ich nicht räum lich lokalisieren konnte, lachte nur über ihre W orte.« »Hirngespinste«, wehrte ich lachend ab. »LA-6 war der Nam e von Rosm eres Raum schiff. Sie hatte sicher ein paar Nach wehen zu diesem Verlust.« »Das sehe ich anders.« Ihre Gesichtszüge waren düster. »Ich kann es nicht be weisen, aber durch Rosm ere braut sich etwas zusamm en. Ich hatte bei ihren Gedankenfetzen den seltsam en Eindruck, daß sie über zwei Gehirne verfügt.« »Ich freue m ich, daß du eifersüchtig bist. Aber ich kann dich trösten. Es besteht kein Grund, unruhig zu werden. In spätestens vierundzwanzig Stunden haben wir Rosm ere und ihre Patienten auf Ikardem abgesetzt. Dann bist du sie los, und wir können in Ruhe zur SOL zurückkehren. Und was die zwei Gehirne betrifft, so m ag das auf dich seltsam wirken. Ich kenne noch andere Völker, bei denen es ganz natürlich ist, daß jedes Individuum zwei Gehirne hat.« »Ich wünschte, ich könnte deinen Optim ism us teilen.« Sie ging ohne ein weiteres W ort, während ich m ich ankleidete. W enige Minuten später befand ich m ich wieder in der
Komm andozentrale. Das Gesicht des kleinen und et was dicklichen Piloten Uster Brick signalisierte. Zufriedenheit. »Noch eine knappe Minute, Atlan«, rief er m ir zu. »Dann verlassen wir den Zwischenraum . Die Sonne Ikardem s kann dann nur noch wenige Lichtm inuten entfernt sein.« Rosm ere saß wieder still in einer Ecke. Ich bem erkte die verstohlenen Blicke, m it denen Tyari sie m usterte. Irgendwie am üsierte m ich diese Spannung. Und irgend wie gefiel m ir die Frem de. In wenigen Stunden würde alles vorbei sein. Das dachte ich! W ie sehr ich m ich irrte, m erkte ich nur Sekunden später. Die MJAILAM verließ planm äßig die Labilzone. Ich blickte fast gelangweilt auf den Hauptschirm , wo j etzt eine helle Sonne und viele ferne und kleine Lichtpunkte aufleuchten würden, die Sterne von VP-515. Aber der Panoram aschirm blieb dunkel. »W o bleiben die Bilder?« fragte ich. Uster Brick und seine Helfer betätigten m ehrere Schaltungen, aber der Schirm blieb dunkel. Auch als sie die Zweitschirm e aktivierten, geschah nichts. »Ortung negativ«, hörte ich aus der nebenan befindli chen Ortungszentrale. »W as heißt das?« Ich käm pfte gegen eine aufsteigende Unruhe in m ir an. »Das heißt«, erklang es lapidar und doch so vielsagend, »daß wir kein einziges Echo em pfangen.« »Keine Hyper- oder Norm alfunksignale«, ergänzte die Funkzentrale diese Hiobsbotschaft. »Und kein optisches Bild.« Uster Brick starrte m ich ratlos an. »Das ist doch nicht m öglich! „ platzte ich heraus. »W as m eldet der Halbraum spürer?« »Natürlich nichts«, m einte der Pilot betreten. »W ir befinden uns nicht m ehr in der Labilzone. W ir sind im Einsteinraum .« »Unsinn! Dann m üßten wir irgend etwas em pfangen oder sehen oder orten.«
Ich erntete Sch weigen, bis sich die MJAILAMPositronik m eldete: »W ir sind fraglos planm äßig in den Norm alraum zurückgekehrt. Aber der Norm alraum ist leer, so weit die Sensoren ihn erfassen können.« Mir wurde klar, daß et was ganz und gar Unbegreifliches geschehen war, etwas, das die bisherigen Ereignisse, die schon rätselhaft und ver wirrend ge wesen waren, bei weitem übertraf. W ir schleusten zwei robotische Sonden aus, die unabhängig von den Bordsystem en die nähere Um gebung erkunden sollten. Sie gaben ein einwandfreies Echo ab, als sie die MJAILAM verließen. Auch ihre Funkm eldungen liefen völlig störungsfrei ein. Meine letzte Hoffnung war dam it weggeblasen, denn ich hatte noch dam it gerechnet, daß wir es vielleicht nur m it einem größeren Defekt in den Bordsystem en zu tun haben könnten. Die Messungen der Sonden ergaben im übrigen, daß alle physikalischen Daten des uns um gebenden Raum es absolut identisch m it den bekannten W erten waren. Daran änderte sich auch nichts, als die Sonden zurückkehrten und die m itgebrachten Daten nochm als überprüft wurden. Es sah wirklich so aus, als bestünde nur noch der Leerraum m it der äußerst fein verteilten kosm ischen Materie, wohingegen alle Sterne und Planeten versch wunden waren. Siehst du, erklang eine leise und frem de Stimme spöttisch in m einem Kopf. Das macht die sechste Sprosse. Das ist das W erk von LA-6. Ich glaubte zu phantasieren und reagierte nicht darauf. Der Extrasinn hatte jedenfalls nicht zu m ir gesprochen. Er rührte sich auch jetzt nicht, als ich ihn gezielt m it einem Gedanken ansprach. »Uster!« entschied ich. »Die Daten der letzten Linearetappe liegen noch vor. W ende die MJAILAM! W ir fliegen an unseren Ausgangsort zurück. Hier stinkt etwas ganz ge waltig.« »Blind?« fragte der Solaner. »Mir ist nicht wohl
dabei. Du weißt, Atlan, es kann im m er geringfügige Verschiebungen durch kosm ische Einflüsse geben. Das Risiko eines solchen Blindflugs ist nicht kalkulierbar.« »Hat jem and eine bessere Idee?« fauchte ich. Tyari kam an m eine Seite und versuchte m ich zu beruhigen. Es gelang ihr nicht. Ich fragte sie, ob sie telepathischen Kontakt zur SOL bekäm e, aber erwa rtungsgem äß schüttelte sie m it dem Kopf. Schulterzuckend bereitete Uster Brick die not wendigen Schritte vor. »Eine Etappe«, fragte er. »Und die direkt?« »Ja, zum Teufel«, entgegnete ich. Der Kreuzer wurde um einhundertachtzig Grad gedreht. Dann starteten wir zu einem regelrechten Blindflug. Technisch war das kein Problem , aber wenn da draußen noch Himm elskörper waren, die sich nur dem Zugriff unserer Sensoren entzogen, dann konnten wir m it diesen kollidieren, bevor der Eintritt in die Labilzone erfolgte. Es geschah nichts Ungewöhnliches bis zu dem Zeitpunkt, an dem wir den Einsteinraum verließen. Der Halbraum spürer lieferte auch jetzt keine Inform ationen. Für das Gerät war der Zwischenraum so »leer« wie eh und je. W ährend des Linearfluges wurde m eine Unruhe imm er größer. Ich ahnte imm er deutlicher, daß ich in etwas hineingeraten war, das ich nicht m ehr in den Griff bekomm en würde. Tyari versuchte auch jetzt, besänftigend auf mich einzureden, aber ich hörte ihr gar nicht zu. Rosm ere schien genau verstanden zu haben, was geschehen war. Ihre Augen flackerten traurig, aber sie hielt sich aus den verschiedenen Diskussionen heraus. Nur einm al klagte sie, daß ihre Patienten nun doch sterben m üßten. »Noch eine Minute bis zum Ende der Linearetappe«, rief Uster. Der Schweiß stand dem Piloten auf der Stirn. Die letzte Minute verstrich m it einer lähm enden Zähigkeit. Mir standen vor Erregung die Tränen in den
Augen, während ich den Hauptpanoram aschirm anstarrte und auf das Auftauchen der Sterne hoffte. Und wieder wurde ich enttäuscht. Es ließ sich nicht exakt feststellen, ob wir wirklich an den Ausgangsort der letzten Linearetappe zurückgekehrt waren. Die Daten der System e wiesen das zwar aus, aber ich glaubte inzwischen gar nichts m ehr. Jedenfalls war hier der Raum so leer wie vor dem Flug. Ich m ußte zugeben, daß m eine Ratlosigkeit einen Punkt erreicht hatte, den ich nie für m öglich gehalten hätte. »In zwanzig Minuten beginnt eine Krisensitzung«, erklärte ich. Dam it gab ich gegenüber der Mannschaft zu, daß ich zum indest im Mom ent keinen Aus weg sah. Ich konnte das aber nicht ändern. »Komm!« Ich winkte Tyari zu und steuerte den Ausgang an. Hier kam m ir unser Bordm ediziner, Doc Fredersteen, entgegen. »Zum indest ich habe eine gute Nachricht«, rief er. »Ich kann die Krankheit der Salapa zwar nicht diagnostizieren, aber es ist uns zum indest gelungen, bei den m eisten Patienten den körperlichen Verfall zu stoppen. Mach dir keine großen Hoffnungen, Rosm ere. An eine Heilung ist nicht zu denken. Ich kann lediglich den sicheren Tod für eine W eile aufhalten.« In m einer Situation war das ein schwacher Trost. Die Vorbereitung der Krisensitzung überließ ic h Joscan Hellm ut. Ich wollte ein paar Minuten m it Tyari allein sein, um m ich m it ihr abzustimmen. W ir sprachen erst m iteinander, als wir unsere Privatkabine erreicht hatten. »W ie war das m it LA-6?« fragte ich sie. »W arum ?« wollte sie wissen. »Mir war, als hätte ich eine Stimme gehört. Der Sprecher bezeichnete sich als LA-6 und als die sechste Sprosse. Er behauptete, für die augenblicklichen rätselhaften Erscheinungen verant wortlich zu sein.«
»Sechste Sprosse?« echote Tyari. »Nach m einer Zählung wäre die vierte Sprosse an der Reihe.« »Vielleicht habe ich geirrt«, gab ich zu. »Aber wenn ich m ich nicht geirrt habe, kann die Reihenfolge der Sprossen auch eine andere als die eines Abzählreim s sein.« Sie wußte darauf nichts zu sagen und wechselte das Them a. »Ich habe Rosm ere genau beobachtet und auf jeden Hauch ihrer Gedanken geachtet, der zu m ir durchdrang. Sie war wirklich betroffen, als sie m iterlebte, daß da draußen nichts war. Sie m acht sich auch wirklich Sorgen um die zwanzig kranken Salapa. Und als der Doc sagte, daß er den körperlichen Verfall stoppen konnte, atm ete sie sichtlich auf.« »Ich weiß wirklich nicht, was ich von allem halten soll. Man kann ja nichts m ehr glauben oder für wirklich halten.« »W as sagt dein Extrasinn dazu?« »Gar nichts.« »Steht deine letzte Vision im Zusamm enhang m it diesen Ereignissen? Du hast m ir nichts darüber berichtet.« »Ich sehe keinen Zusamm enhang. W ir waren auf einer W elt nam ens Kausnit. Nur wir zwei. W ir wurden von sogenannten Jägern verfolgt, die unter dem Komm ando einer Frau nam ens W eidenscharf standen. Das traum artige Erlebnis endete ohne besonderes Ereignis während unserer Flucht durch diese W elt.« »Ich habe aus Rosem eres Gedanken auch et was über diesen LA-6 erhascht. Und LA-6 war der Nam e ihres Raum schiffs. Ist das Zufall? Eigentlich ist das doch absolut unwah rscheinlich.« »Ich habe m ir auch schon den Kopf darüber zerbrochen. Du m ußt sie danach fragen, m ein Engel. Geh zu ihr! W enn sie m it dir spricht, kannst du vielleicht m ehr von ihren wahren Gedanken aufnehm en, als wenn du nur stumm zuhörst. Ich m öchte noch einen Mom ent allein sein, bis die Krisenkonferenz beginnt.« Sie drückte m ir einen flüchtigen Kuß auf die W ange
und ging. Ich setzte m ich in einen Sessel und konzentrierte m ich. Irgend et was m ußte ich übersehen haben. Und auch der Extrasinn, der sich in Schweigen hüllte, schien m it diesem Problem zu käm pfen. Neben m ir auf dem niedrigen Tisch lagen die drei Sprossen aus Nickel, die sich wi e ein Ei dem anderen glichen. W as bedeuteten sie? Sie st ehen als Symbol f ür irgendwelche Lebewesen, m einte unverm utet m ein zweites Bewußtsein. Aber m ehr kann ich nicht sagen. Es ist alles zu verworren. Generell meine ich, daß du dann, wenn du die sechste Sprosse findest, auch wieder die St erne von VP-515 sehen wirst. I ch halte alles f ür eine ähnlich gewaltige Manipulation, wie wir sie schon erlebt haben. Ich habe aber keinen Hinweis darauf, wo oder wie du die sechste Sprosse findest. Vielleicht befindet sie sich an Bord von Rosemeres W rack. Aber wo das sich befindet, ist ja wohl auch nicht ganz klar. Dam it kapselte sich der Extrasinn wi eder ganz ab. Ich war allein. Und plötzlich brach eine Erkenntnis in m ir durch. Ich fand keinen Hin weis darauf, warum dies gerade jetzt geschah. Ich wußte m it einemm al, daß ich die Vision m it Tyari auf Kausnit schon einm al in nahezu der gleichen Form erlebt hatte. Ich wu ßte auch, daß die Erinnerung daran durch Chybrain gelöscht worden war. Diese Sache war höllisch parallel zu der Doppelvision um Tickers Tod und der folgenden W irklichkeit auf dem Planetoiden Phoboskartoffel. Aber was hatte das zu bedeuten? Ein Lachen klang in m ir auf. Es war unwirklich und zugleich ganz nah und ganz fern. Gleichzeitig lahm te m ich ein geistiger Druck. Auch das war m ir schon bekannt. Ich wehrte m ich nicht gegen den Druck, denn im Augenblick schien es m ir wichtiger zu sein, neue Inform ationen der unbekannten Gegner zu erhalten. Den erst en Teil deines Kampfes mit Tyari auf Kausnit haben dir die Zwillinge TR und SA vermittelt. Das ist dir
doch klar. Die Sperre der Erinnerung an die Vision deines G eschöpf es Chybrain habe ich gelöst. »LA-6?« wollt e ich sagen. Aber es wurde nur ein Gedankenstrom daraus, denn auch meine Lippen ließen sich nicht bewegen. »Die sechst e Sprosse?« Du kannst mich auch das LA-F ragment nennen, Atlan. I ch f reue mich, daß du herumrät selst und von der W ahrheit noch weit entf ernt bist. Das gibt mir das Recht, dich zu best rafen. Du sit zt in der Falle, die ich auf gebaut habe. Finde einen Ausweg! Oder du wirst hier verschimmeln. »Hier?« dachte ich intensiv. Mehr als die Freiheit m einer Gedanken besaß ich im Mom ent nicht. »W o?« Irgendwo in der Z eit. Ja, ich spiele mit der Zeit. Sieben Monate, elf Tage und vierhundert dreiundzwanzig Minut en sind scho n verst richen, seit du die SO L verlassen hast. Für dich und deine Begleit er waren es nur St unden. Diese Mitteilung übertraf – wenn sie der W ahrheit entsprach – sogar die bisherigen Ungeheuerlichkeiten. Sie hätte bedeutet, daß wir aus dem norm alen Zeitgefüge entfernt worden waren. Vielleicht erklärte sich aber dadurch, daß wir nichts von der norm alen kosm ischen Um gebung wahrnehm en konnten. Ich form ulierte we itere Gedanken, aber das LAFragm ent m eldete sich nicht m ehr. Irgendwo in der Ferne verklang sein heiseres Lachen. Ich wollte aufstehen, aber ich fühlte, wie sich der zähe Schlamm des Sumpf es um meine Stiefel schloß. Lianen und weißliche F äden aus Schmarotzerpflan zen wischt en durch mein Gesicht. Hint er mir keuchte und stöhnt e Tyari. Der Geruch des Blut enstaubs kämpfte gegen den fauligen Gestank des Sumpfurwalds an. Wir waren wieder auf Kausnit. Die Vision! durchzuckte es m ich. Ich versuchte, ihr zu entfliehen, aber der halbe Traum dauerte an, der Traum , der m ich zu verwunden versuchte wie ein Pfeil aus dem Dunkel der Unge wißheit. W eit hinter uns hörte ich die Jäger, die sich mit
exotisch klingenden Ruf en verst ändigten. W aren da nicht auch Laut e auf int erkosmo? »Schneller! « wimmerte Tyari auf. Jeder Schritt bedeutete riesigen Kräfteverschleiß. Ich dreht e mich um, packte ihren Unt erarm und zog sie mit. Wir watet en bis zu den Knien durch ein e Sumpffläche. Dann gelangten wir auf einen schmalen Wildwechsel. Binnen weniger Schritte hatten die gierigen Rankengräser und die langen Haare der gift gelben Moospolster Stiefel und Hosen wieder gesäubert. Die Enden der Pflanzen stürzten sich auf alles, was in ihre Nähe kam. Eine W asserflasche und ein Kompaß-Kombigerät waren im Sumpf versunken, ebenso mein Vibromesser. Eine Schlange hatte es mir aus der Hand gerissen und da vongewirbelt. »W arum het zen sie uns, Atlan?« klagte Tyari, als wi r den Rand einer langgezogenen Licht ung erreichten. Der Pfad führt e hinaus ins helle Sonnenlicht, mitten durch die mannshohen Gräser und auf das Gewirr aus gestür zten Baumriesen zu. »W eil sie unseren Tod wollen«, erwiderte ich. Meine Lungen brannten. Wir rannt en, so schnell wir es noch vermochten, quer durch die Lichtung. »Halt! Wir legen einen Hint erhalt«, brummte ich. »Noch sind es mindestens f ünf zehn Jäger.« »W enn nicht der eine oder andere im Sumpf steckengeblieben ist«, erklärt e sie. »Dort hinüber«, rief ich, als wir den jenseitigen Ran d der Licht ung erreicht hatten. »Dann haben wir sie von zwei Seiten.« »W ann?« fragte Tyari nur und zog sich auf einen Stamm hinauf, dessen Rinde unter ihrem Griff pulverisiert wurde. Fingergroß e I nsekt en rannten nach allen Richt ungen davon. »W enn sie in der Mitte der Licht ung sind.« »Sie… oder wir.« »Denke daran, wenn du f euerst«, ermahnte ich si e und packt e eine Liane. Ich schwang mich mit ihrer Hilfe in eine raschelnde Krone aus trockenen Blättern, die mit ten zwischen den faulenden Bäumen lag.
Dann wartet en wir wieder. Die ganze Szene fror plötzlich ein. Nichts bewegte sich m ehr. Es war, als ob ein Film in einer Szene angehalten worden war. Selbst Tyari, die ich deutlich erkennen konnte, atm ete nicht m ehr. Wie gefällt dir das, Atlan? hörte ich das LA-Fragm ent ganz in m einer Nähe. Erinnerst du dich, daß Chybrain dir auch diese Vision schon einmal vermittelt hat? Sicher, jet zt erinnerst du dich. So war es in der Tat. Der Druck war verschwunden. Ich konnte aus dem Sessel aufstehen. Alles war wieder fast norm al. Ich wa rf einen Blick auf die Uhr. W ährend dieses visionären Scheinerlebnisses waren keine zwei Minuten in der W irklichkeit verstrichen. Ich beherrsche ein wenig die Z eit, erklärte das LAFragm ent überheblich. Früher, als ich noch meinen ganzen Namen besaß, konnt e ich es besser. Aber die gebliebenen Fähigkeiten reichen aus, um dich zu bestrafen. Du weißt , wie die Geschicht e sich fortsetzte? Ich wußte es ziem lich genau, aber nicht vollständig. Die Erinnerung an etwas, das ich noch gar nicht wirklich erlebt hatte, war wieder da. Ich m erkte aber bald, daß diese Erinnerung doch sehr trügerisch war… W ir käm pften einen Teil der Jäger nieder. Dann kam das helle Summ en. Es wurde schärfer und näherte sich schnell. Ich grübelte noch darüber nach, wieso einige der Jäger Interkosm o gesprochen hatten. Und ich grübelte über dieser Frage auch jetzt in der W irklichkeit. Der flache Gleiter kam von links über die Lichtung. In ihm stand eine Frau m it langen, im Fahrtwind flatternden Haaren. Ich konnte ihr Gesicht nicht aus der gestörten Erinnerung in m ein Vorstellungsverm ögen holen, aber ihr Nam e fiel m ir wieder ein – W eidenscharf. Das LA-Fragm ent lachte an dieser Stelle. Meine Erinnerung war doch noch sehr lückenhaft. Ich verm einte jedenfalls, daß sich W eidenscharf nach einem kurzen Kam pf wieder von uns entfernte. Es gibt noch einen dritten Teil dieser Vision, ließ
m ich der Unsichtbare wissen. Die Erinnerung daran schlummert in dir. Vielleicht wirst du ihn in der Wirklichkeit erleben. Aber dazu müßtest du in den Besit z der sechst en Sprosse gelangen. Und das schaffst du nicht! »Du bist diese W eidenscharf!« schrie ich, einer plötzlichen Eingebung folgend. »Zeige dich!« Nein! W ieder lachte das LA-Fragm ent. Ich bin nicht W eidenscharf. Und ich werde mich dir nicht zeigen. Dann war der Spuk vorbei. Ich wartete noch ein paar Minuten, dann verließ ich m eine Kabine. Im Konferenzraum warteten Tyari, Joscan Hellm ut, Uster Brick, der Doc und ein paar solanische W issenschaftler auf m ich. Sie würden über das, was ich ihnen nun zu berichten hatte, nur noch m ehr staunen. Ich m ußte jetzt aber offen sein. W as würde der angekündigte dritte Teil dieses Erlebnisses bringen? Ich fand keine Antwort auf diese Frage. Ich gab m ir gegenüber zu, daß ich Angst hatte. Joscan Hellm ut übernahm auf m einen W ink hin die Gesprächsleitung der Krisensitzung. Der erfahrene Kybernetiker spürte, daß ich innerlich aufgewühlt war. Seine Besonnenheit und seine Erfahrung waren jetzt wichtiger als m eine, denn ich war nicht ganz Herr m einer Sinne. Zu übel war m ir m itgespielt worden. Ich brauchte Zeit, um zu m ir zu finden. Joscan würde m ir dabei helfen. »Bestandsaufnahm e«, erklärte er nach den einleitenden W orten. »Nur neue Inform ationen helfen uns aus dieser verfahrenen Situation.« Auch Tyari hatte gem erkt, daß ich noch et was Ruhe brauchte. Sie ergriff das W ort. In ihrer Schilderung stand das Problem um LA-6 im Mittelpunkt. Die Frem de wartete abrufbereit im Vorraum des Konferenzsaals. Tyari schloß ihre Aussage m it den W orten: »Ich habe m it Rosm ere gesprochen. Dabei habe ich ein paar ihrer Gedanken aufnehm en können. Sie kann sich die Nam ensgleichheit von LA-6 hie und LA-6 da nicht erklären. Sie weiß das wirklich nicht. Ich sage
das, obwohl ich Atlan gegenüber noch vor wenigen Stunden et was anderes behauptet habe. Rosm ere ist harm los. Ich habe entweder etwas Falsches gehört, oder ich habe m ir in m einer vielleicht verständlichen Eifersucht um Atlan etwas eingebildet.« Ich war dankbar für ihre W orte, denn sie halfen m ir sehr. Ich wollte jetzt über m eine jüngsten Erlebnisse, so un wirklich sie auch klingen konnten, berichten. Aber ich kam noch nicht dazu. Die MJAILAM-Positronik nahm auch an dieser Besprechung teil. Sie war SENECA unterlegen, aber imm er noch ein Hochleistungsinstrument, in dem die Erfahrung von m ehreren Jahrhunderten Kybernetik und Positronik verankert war. »Ich bin sozusagen listenm äßig vorgegangen«, erklärte die Biopositronik. »W ie Tyari, so ist auch m ir aufgefallen, daß nach drei Sprossen plötzlich von einer sechsten die Rede ist. Ich m uß m ich fragen, wo sind die fehlenden zwei, die Numm ern vier und fünf?« Ich faßte kurz zusamm en, was seit dem Start der SOL aus m einer Sicht geschehen war, aber ich sprach noch nicht über das jüngste Erlebnis, das erst wenige Minuten alt war. Daraufhin fuhr die MJAILAM-Positronik fort: »Meine Liste um faßt nun JA, PE, ER, das Doppel aus TR und SA so wie LA. Und dann war da noch von W O, TA und KA die Rede. Das sind neun an der Zahl. Atlan erwähnte aber zehn m ögliche Sprossen. Ich finde keine Erklärung.« »Der, der die Erklärung finden m uß«, sagte ich, »bin ich. So habe ich diese W esen verstanden. Nun hört euch an, was ich j ust erlebt habe, nachdem Tyari m ich in unserer Kabine allein ließ.« Ich berichtete wahrheitsgetreu von der m erkwürdigen Begegnung m it dem LA-Fragm ent und der Erinnerung an Chybrains überm ittelte Vision, die ich unvollständig nachvollziehen m ußte. Tyari starrte m ich m it großen Augen an, als ob sie m ir kein W ort glauben würde. Den kurzen Gedankenaustausch m it dem Extrasinn erwähnte ich nicht. Es war ja eigentlich nur eine
einseitige Inform ation ge wesen. Auch j etzt m eldete sich das durch die ARK SUMMIA aktivierte zweite Bewußtsein nicht. Der Hin weis des LA-Fragm ents, daß es »ein wenig die Zeit beherrschen würde«, löste teils Beklemm ung, teils heftige Diskussionen aus. Als Joscan Hellm ut m erkte, daß die Diskussionen in nutzloses wissenschaftliches Gerede abzugleiten drohten, griff er ein. »W ir m üssen handeln«, verlangte er entschieden. »Über Zeitprobleme theoretisch zu diskutieren, bringt uns nicht von der Stelle. Abgesehen davon, kann ich da nicht m itreden. Die Kernfrage ist: W as sollen wir in unserem Dilemm a denn tun?« Betretene Stille kehrte ein. »Ich brauche das LA-Fragm ent«, sagte ich klar, aber leise. »Die Hinwei se sind sch wach. Ich m eine die Hinweise auf den Ort, an dem es sich aufhält. Aber ich sehe einen zum indest theoretischen W eg. Ich nehm e an, daß es kein Zufall ist, daß das Raum schiff der Salapa LA-6 hieß und dieses unsichtbare W esen auch. Es m uß da eine Verbindung geben. W o sonst könnte ich also die sechste Sprosse finden, als in Rosm eres W rack?« Es dauerte eine W eile, bis die anderen verstanden, was ich m einte. »Selbst wenn das stimm en sollte«, m aulte Uster Brick, »wer weiß, wo das LA-6-W rack jetzt ist? W ir wissen ja nicht einm al, wo wir selbst sind.« »Diese W esen«, versuchte ich m eine Theorie zu verdeutlichen, »die die Sprossen liefern und sie auf eine unbegreifliche Art vielleicht sogar selbst sind, handeln hart. Sie sind aber auch fair. Sie haben m ir imm er eine Chance eingeräum t. Manchm al hatte ich, sogar den Eindruck, daß sie m ich nur lenkten und lockten, dam it ich etwas Gutes für sie tat. Aber da kann ich m ich irren. Sie haben m ir versteckte Hinweise gegeben, dam it ich erkenne, was sie sind und was sie wollen. Das ist m ir bis jetzt noch nicht gelungen. Ich habe aber inzwischen verm ocht, aus den kleinen
Hinweisen etwas zu lesen.« »Du sprichst in Rätseln«, begehrte Tyari auf. »Im geistigen Kontakt m it dem LA-Fragm ent, m it LA-6 – oder m it der sechsten Sprosse – ; erklärte dieses W esen, es könne in ge wissen Grenzen die Zeiten m anipulieren. Bis j etzt hat m ich noch keiner dieser Gegenspieler gezielt belogen, um einen Vorteil zu erzielen. Im Gegenteil – ich traf auf Neugier. Ich nehm e daher an, daß mich das LA-Fragment auch nicht belogen hat, als es er wähnte, daß sieben Monate, elf Tage und vierhundertdreiundzwanzig Minuten verstrichen seien, seit ich die SOL verlassen habe.« »Das ist doch total verrückt!« Der W iderspruch kam von Doc Fredersteen und Uster Brick gleichzeitig. Die sieben solanischen W issenschaftler hakten sofort ein und unterstützten diese Aussage. »Verrückt?« Ich gewann m eine Ruhe allm ählich wie der. »Verrückt ist, was wir von draußen sehen und em pfangen – näm lich nichts! Das zeigt, daß das LAFragm ent m ächtig ist. Es zeigt aber auch, daß es m ich lenken oder locken will. Ich soll es finden, so wie ich JA, PE und ER gefunden habe.« Die W idersprüche prasselten auf m ich nieder. »Es ist ein technisches Problem «, fuhr ich ungerührt fort. »W ir haben in unserer MJAILAM-Positronik die Daten aller Flugetappen der letzten Zeit. Sie hat auch die Ortungs werte gespeichert, die SENECA über den Flug des LA-6-W racks gesamm elt hat. Ich weiß vom LAFragm ent, wieviel Zeit verstrichen ist, Zeit, in der sich das LA-6-W rack am Rand von VP-515 im freien Fall weiterbewegt hat. Es m uß doch m öglich sein, daraus die MJAILAM genau an jenen Ort zu bringen – in einer Art Rück wärtsverfolgung unter Berücksichtigung des veränderten Zeitablaufs – , an dem sich das LA-6W rack jetzt befindet. Dorthin m üssen wir! Nur dort kann ich das LA-Fragm ent treffen und seine Sprosse bekomm en.« Aus den Gesichtern m einer Gesprächspartner konnte ich unschwer erkennen, daß sie m ich nicht verstanden hatten. Selbst die MJAILAM-Positronik rührte sich nicht
m it einer Frage. Ich erklärte noch einm al m it anderen W orten, was m ir vorsch webte. W enn alles stimmte, was ich wußte, dann m ußte ich das LA-Fragm ent aufspüren. W o es war, wußte ich nicht. Da war nur diese Nam ensgleichheit m it Rosm eres Krankenschiff. Die MJAILAM-Positronik verstand m ich zuerst. »Die verlangten Daten sind vorhanden, Atlan«, erklärte die Biopositronik. »W as du beabsichtigst, habe ich verstanden. Meine Kapazität ist groß, aber ich kann die Un wägbarkeiten deiner Vorstellungen nicht genügend sicher einkalkulieren, um dieses Vorhaben zu realisieren. Mir fehlen die spontanen Inputs, eben das rein Menschliche.« »Ich werde versuchen, dir das zu geben«, antwortete ich im pulsiv. »Aber ich verstehe nicht, wo dein Problem liegt.« »Das habe ich m ir gedacht«, teilte die Biopositronik m it. Eine heftige Diskussion brandete auf. Sie wurde durch einen scharfen Z wischenruf unterbrochen. Der kam von Joscan Hellm ut. »Ruhe! Ich habe Atlans Plan verstanden. Ich verstehe auch die Unsicherheiten, die die MJAILAMPositronik aufgrund ihrer biopositronischen Struktur ent wickeln m uß. Da ich keinen Aus weg aus unserer Situation weiß, also nichts, was besser wäre als Atlans Idee, das LA-Fragm ent zu finden, um dadurch in eine greifbare Realität zurückzukehren, erkläre ich m ich bereit, gem einsam m it der MJAILAM-Positronik einen Ablaufplan zu entwi ckeln, der uns per Linearetappen in die Nähe des LA-6-W racks bringt. Einen Erfolg garantiere ich nicht, aber einen Versuch ist die Sache doch wert. Die Biopositronik braucht einen solanischen oder m enschlichen Partner. Ich biete m ich an, so wi e ich es früher bei SENECA oft genug getan habe.« Ich fühlte m ich.nach den W orten des Kybernetikers erleichtert. Es war ein Segen, daß er sich frei willig als Teilnehm er an dieser scheinbar harm losen Hilfsaktion gem eldet hatte.
Die anderen schwie gen. Nur die MJAILAM-Positronik m eldete sich. Sie sagte ganz einfach: »Danke. Du bist m ir willkomm en, Joscan.« Der Solaner erwiderte nichts. Er wartete ab, bis Tyar i und ich uns erhoben und den Raum verließen. Dann standen auch die anderen auf. Ich warf Joscan einen Blick zu, der unsere langjährige Verbundenheit beweisen sollte. Er er widerte ihn nicht, denn er war bereits m it dem eigentlichen Problem so intensi v befaßt, daß er für seine Um gebung keine Aufm erksam keit m ehr hatte. Ich verließ m ich auf ihn. Es gab Dinge, die er besser konnte als ich. Tyari, Uster und ich spielten in der Hauptzentrale anschließend drei Stunden ein völlig sinnloses W ürfelspiel, um uns die Zeit zu vertreiben. Rosm ere ließ sich nicht blicken. Sie weilte m it Doc Fredersteen bei ihren Kranken. Draußen war alles unverändert. Da war nichts. Ob m eine Theorie stimmte, daß der andere Zeitablauf, den das LA-Fragm ent verursacht hatte, auch die Ursache für die fehlenden Signale aus der kosm ischen Um welt war, erfuhr ich nicht. Die Solaner diskutierten heiß. Ich war froh, daß sich daraus keine Stimm ung gegen mich ent wickelte, denn das hätte m ir jetzt noch gefehlt. Dann kam Joscan Hellm ut in die Zentrale. Er fluchte vor sich hin. Tyari zwinkerte m ir zu. Das bedeutete, daß sie die Gedanken des Kybernetikers längst erfaßt hatte. Es bedeutete auch, daß ich et was zuversichtlicher sein konnte. »W enn ich noch einm al geboren werde«, sagt e Joscan Hellm ut, »dann werde ich Bordkoch oder Roboter. Diese MJAILAM-Positronik hat m ich geschafft.« Er ließ sich in einen Sessel fallen. »Und j etzt?« fragte ich. Der Kybernetiker deutete m it ausgestrecktem Arm auf Uster Brick. »Du läßt die Finger von deiner Steuerorgel?«
Der kleine, dickliche Pilot sah sich hilfesuchend um . Dann nickte er. Im gleichen Mom ent war das leise Singen aus dem Rum pf der MJAILAM zu hören. Der Kreuzer beschleunigte. »W ir haben alle Daten.« Joscan Hellm ut wurde et was redseliger. »Ich habe einen Menschlichkeitsfaktor eingebaut, der ganz falsch oder halb richtig sein kann. Die MJAILAM-Positronik hat ihn erst nach langem Zögern und nach einem Eingriff in die U-22-Einheit akzeptiert. Der Flug zurück ist kein Risiko. Er ist W ahnsinn. W ir müssen durch Bereiche von VP-515 hindurch, und die Sterne dieser Kleingalaxis wurden nur zu einem geringen Bruchteil verm essen und registriert. Und die Unsicherheiten durch die Verfälschungen von irgend woher komm en hinzu. Es war nicht m öglich, alle Unwägbarkeiten ins Kalkül zu ziehen. Insbesondere ist nichts bekannt, was die Be wegungen der Sterne VP 515s betrifft. Nach der einzigen Bestandsaufnahm e, die unvollständig war, sind inzwischen acht Monate, zwölf Tage und einundsiebzig Minuten verstrichen.« Die MJAILAM beschleunigte, gesteuert von ihrer Positronik. Uster Brick starrte irritiert auf seine W ürfel. Ich auch. In diesem Mom ent, in dem ich Joscan Hellm uts m üdes Gesicht studierte, erkannte ich, daß ich ein Nichts war -ohne Hilfe derer, die an m einer Seite standen. W enn das stimmte, was ich von dem Wesen LA oder seinem Fragm ent em pfangen hatte, dann waren wi r jetzt schon Monate von der SOL getrennt. W as würde Breckcrown Hayes in dieser Zeit veranlaßt haben? W ar er überhaupt noch in der Reichweite unserer Hyperfunksender, die in einer falschen Zeit und unter völlig frem den Voraussetzungen arbeiteten – wenn sie jem als wieder in die gewohnte Norm alität zurückfinden würden? Die MJAILAM-Positronik lenkte nach Joscan Hellm uts und ihren Vorstellungen diesen Flug. Das W ürfelspiel war längst vergessen. Ich studierte die Sym bole über
Usters Pilotensitz, der ver waist war. Es folgten sieben Linearetappen. Und nach jedem Eintauchen in die Zwischenzone, in der die MJAILA M sich m it Überlichtgesch windigkeit bewegte, wurde Joscan Hellm uts Miene lockerer. »Noch eine!« Der Solaner hatte seinen Kopf in den Händen vergraben. Die MJAILAM-Positronik führte das durch, was er m it ihr ausgeheckt hatte. Mit Joscans Miene wuchs auch m eine Zuversicht. Tyari verließ die Hauptzentrale. »Ich sehe m al nach Doc und Rosm ere.« Sie lächelte. »Ohne Eifersucht«, fügte sie hinzu. Nicht schlecht, hörte ich eine Stimm e. Es gab keinen Zweifel. Das war LA. Oder sein Fragm ent. Du näherst dich, aber du wirst mich nicht finden. Ich konnte nichts denken, denn mein Extrasinn m eldete sich vehement: Du bist auf der richtigen Spur. Bleib dran! Die MJAILAM fiel in den Norm alraum zurück. Joscans Miene signalisierte, daß wir jetzt an dem Ort sei n m ußten, an dem sich das LA-6-W rack befand. »Plus-m inus eine Lichtsekunde«, sagte der Kybernetiker lächelnd. »W ir sind am Ziel. Ohne Kollision.« Die Ortungszentrale überm ittelte ihre Ergebnisse. Sie ließen sich m it einem Satz zusamm enfassen: Da draußen war nichts. Gar nichts! Geh! signalisierte der Extrasinn. »Sind die Lightning-Jets klar?« fragte ich. Dam it waren die beiden Ein-Mann-Jäger der MJAILA M gem eint. »Sind klar«, hörte ich von der MJAILAM-Positronik. »Ich fliege allein«, entschied ich schnell. »Ich m öchte auch nicht, daß Tyari et was erfährt.« »W as hast du vor?« Joscan Hellm ut wirkte gelöst, aber doch sehr nachdenklich. Er hielt m ich energisch fest. »Ich habe dir freie Hand gelassen und dir vertraut«, sagte ich. »Ich verlange keine Gegenleistung. Vielleicht tu’ ich etwas, das nicht in deine Vorstellungen paßt. Ich
m uß es aber tun – allein.« »Viel Glück!« Ich eilte zum Hangar der Lightning-Jets. Unter wegs erreichte m ich Tyaris Nachricht. Trotz Doc Fredersteens Behandlung waren zwei Salapa gestorben. Und wei tere neun standen auf der Liste der Sterbenden. Die positive Botschaft unseres Docs hatte sich als halber Irrtum herausgestellt. Oder nicht, er wähnte der Extrasinn völlig unsinnig an dieser Stelle. Ich m aß dieser Bem erkung keine Bedeutung bei. Dann hockte ich im Sessel der Lightning-Jet und schloß m eine Kampfkom bination. Das Hangartor war offen. Ich startete behutsam und beschleunigte dann voll. Eine Lichtsekunde, wenn ich Joscan glauben durfte, das waren 300 000 Kilom eter – oder etwa die Entfernung von Terra, der Erde, nach Luna, dem Mond. Ich um rundete die MJAILAM in einem Radius von 24 000 Kilom etern. Ihr Reflex war deutlich auf dem Orterschirm zu sehen. Meine Überlegung beruhte auf der Erfahrung, die ich auf der SOL gemacht hatte, als ich diese m it der MJAILAM verlassen hatte. In zunehm ender Entfernung hatten sich da die astronom ischen Daten auf norm ale W erte stabilisiert. So ähnlich konnte es auch hier der Fall sein. Das Ortungsecho der MJAILAM blieb stabil, als ic h die Entfernung zu ihr vergrößerte. Als diese 180 000 Kilom eter betrug, gab der Orter ein akustisches Zeichen. Ein neues Echo war aufgetaucht! Das W rack Rosm eres? Es war da! Von der MJAILAM aus hatten wir es nicht orten können, ob wo hl die Distanz lächerlich gering war. Ich hatte diese verrückten Gegenspieler richtig verstanden. Sie hatten die MJAILAM in den Mittelpunkt einer Konfusion gerückt – wie zuvor die SOL. Ich steuerte den Jet auf das Echo zu und schloß den Helm meines Raumanzugs. Dann legte ich alle W affen ab, die an der Ausrüstung hingen. Ich wollte nicht käm pfen. Ich wollte überzeugen.
Neben dem W rack hielt ich an und stieg aus. W ährend des kurzen Fluges hinüber zu dem Trümm erhaufen versuchte ich, die MJAILAM per Funk anzurufen. Ich bekam keinen Kontakt. Das W rack der LA-6 sah erbärm lich aus. Ich drang durch eine der vielen Öffnungen in es ein. Licht flackerte auf. Eine Gestalt be wegte sich darin. Sie besaß einen schmalen Hals. Mehr konnte ich nicht sehen. Ich sah nur diesen erbärm lichen Hals. »Ich bin das LA-Fragm ent! „ Die Stimm e klang über die Außenm ikrofone m eines Raum anzugs an m eine Ohren. »Ich habe dich getrieben. Du hast Freunde, die dir helfen. Ich habe keine Freunde. Ich bin der Rest von LA. Du hast JA, PE und ER befreit. Ich habe die Zeit m anipuliert, so wie ich es früher getan habe. Dafür wurde ich dam als bestraft. Nun habe ich dich bestraft. Den Rest besorgen die anderen, die Zwillinge TRSA. Oder W O, oder KA, oder TA. Oder der, der keinen Nam en m ehr hat. Kannst du m ir einen Gefallen tun? Du m ußt es tun. Töte m ich so, wie du es schon getan hast.« Ich hatte oft genug in m einem Leben getötet, und jedesm al hatte ich einen bitteren Geschm ack auf der Zunge gehabt. Dieser Geschm ack war j etzt wieder da. »W er bist du?« fragte ich laut. »Töte m ich! Töte m ich endgültig! Du, Atlan, hast m eine Ruhestätte, in der ich vergewaltigt worden bin, geraubt. Ich kann von dir verlangen, daß du m ich dafür tötest.« »Ich bringe nichts und niem anden vorsätzlich um .« »Dann m uß ich dich töten«, erklang es. »Tu es! „ Ich sagte das ganz ruhig. »Ich töte dich nicht, LA. Ich bin ohne j ede W affe zu dir gekomm en. Ich will nicht töten. Ich will überzeugen.« Der schm ale Hals verbreiterte sich. Er erzeugte zwei feste Arm e m it breiten Händen. Diese griffen nach m ir, aber sie erreichten m ich nicht. Sie stoppten in der heftigen Bewegung. »Du m ußt m ich doch hassen«, stöhnte das LAFragm ent. »Ich habe dir geschadet. Ich habe dir fast
ein Jahr deines Lebens geraubt.« »Ich kenne dich nicht«, entgegnete ich. »Und ich hasse dich nicht. Du m ußt ein schweres Schicksal hinter dir haben, denn deine Sinne sind ver wirrt.« Die beiden Arm e des seltsam en W esens zuckten hilflos vor und zurück. Ich ergriff eine Hand und hielt sie fest. »Du reichst m ir die Hand? Ich habe nie an so etwas geglaubt«, hörte ich. »Das LA-Fragm ent, das du gefunden hast, ist frei und tot. Du hast m ich ohne Gewalt an den Punkt gebracht, an dem ich vergessen kann, daß du m eine Heim at gestohlen und die halben Seelen vergessen hast. Du brauchst m ich nicht noch einm al zu töten, denn Töten ist falsch. Ich habe m it der Zeitm anipulation erst ein Reich aufgebaut, dabei getötet und danach noch m ehr getötet. Jetzt kann ich vergehen, denn ich habe dich wirklich gesehen und gespürt. Ich habe Unrecht getan, nicht du. Erkenne m ich und die anderen!« Ich verstand nichts, aber ich m erkte m ir jedes W ort. Eine reale Gestalt form te sich aus dem LA-Fragm ent. Sie war erst klein und dann groß. Sie spiegelte die Zukunft in Farben und Bewegungen wider. Und die Vergangenheit. Sie flammte hellrot und fahlgrün auf die Farben der Jenseitsm aterie. Sie krümmte sich, und ich sah ein unm enschliches Gesicht, das lächelte. Dann schrum pfte das W esen in sich zusamm en. Teil e des vergehenden Körpers purzelten zu Boden und lösten sich auf. Es blieb nichts davon übrig als ein längliches Stück Nickel. Es war die sechste Sprosse. ACHTES ZW ISCHENSPIEL Ich hatte die Nickelsprosse noch nicht ganz in einer Außentasche verstaut, da sprach m ein Funkgerät an. Joscan Hellm ut rief nach m ir. Daß der Kontakt jetzt wieder klappte, war ein erstes Zeichen für die Norm alisierung der Verhältnisse. »Hier Atlan«, ant wortete ich. »Bei mir ist alles in
Ordnung. Ich bin in wenigen Minuten wi eder bei euch.« »Ausgezeichnet.« Das war Tyari. »W ir sehen auch die Sterne von VP-515 und die fernen Galaxien wieder. Und die Ortungszentrale hat das W rack der LA-6 auf dem Schirm . Noch sondieren wir die Lage.« Ich bestätigte und m achte m ich auf den W eg zurück. Als ich das W rack verließ und die Sterne sah, atm ete ich auf. Es war unvorstellbar, daß ein kleines W esen wie dieses LA-Fragm ent das alles bewerkstelligt haben sollte. Aber eine andere Erklärung gab es nicht. Der Lightning-Jet wartete auf m ich. Zehn Minuten später betrat ich die Hauptzentrale der MJAILAM. Die Gesichter verrieten nicht nur Freude. Auch Rosm ere war an wesend. »Es scheint sich alles norm alisiert zu haben«, berichtete Joscan Hellm ut. »Aber wir scheinen tatsächlich den größeren zeitlichen Sprung durchgeführt zu haben, den wir den Berechnungen beim Flug hierher zugrunde gelegt haben. Und wir bekomm en keinen Kontakt zur SOL.« »Auch keinen telepathischen«, ergänzte Tyari. »Der Zeitsprung könnte et wa ein Jahr betragen«, sagte ich. Dann erzählte ich, was ich erlebt hatte. »Verrückt«, m einte Tyari nur. »Ich habe dieses W esen in der Stunde seines Todes kurz gespürt. Es war glücklich. Die Gedanken waren ungenau, aber es wollte etwas lassen. « »W ie bitte?« fragte ich. »Meinst du unterlassen? Oder wie soll ich das verstehen?« »Ich verstehe es ja selbst nicht«, gab sie offen zu. »Es war irgend etwas m it lassen, und darüber war es sehr froh. Dann verwehten die Gedanken wie bei einem glücklichen Sterbenden.« Rosm ere drängte uns, j etzt endlich Ikardem anzufliegen. Dabei erfuhr ich von Doc Fredersteen, daß zwei weitere Salapa inzwischen verstorben waren. Das Auffinden der SOL erschien mir zwar sehr wichtig, aber da wohl feststand, daß ein Standardjahr uns zeitlich trennte, konnte das zu einem schwierigen Unterfangen werden. Außerdem spielten nun ein paar
Tage m ehr oder we niger keine Rolle. Auch Tyari und Joscan stimmten daher Rosm eres Begehren zu. Die MJAILAM wurde startklar gem acht. Das Ziel hieß Ikardem . Bevor die erste Linearetappe begann, m eldete sich die MJAILAM-Positronik. »Aus den bisherigen Zeitangaben, die Atlan geliefert hat, sowie aus der Konstellation bekannter angem essener Galaxien geht hervor, daß dreihundertneunundfünfzig Tage vergangen sind, die uns wie ein Tag erschienen. Ich korrigiere di e Bordchronom eter.« Die Leuchtziffern sprangen um und zeigten nun den 2. Oktober des Jahres 3809. W ir starteten. Und ich wartete auf neue böse Überraschungen. DIE ZEHNTE SPRO SSE Zunächst verlief unser Flug planm äßig. W ir führten zwei Linearetappen durch, die uns ins Innere der Kleingalaxis VP-515 brachten. Bei jedem W iederauftauchen im Norm alraum war ein deutliches Aufatm en aller Anwesenden in der Komm andozentrale zu vernehm en. Der Schock der jüngsten Ereignisse, die in W irklichkeit fast ein Jahr gedauert hatten, steckte allen noch in den Gliedern. Die Furcht, daß sich solches wiederholen könnte, war noch vorhanden. Nur Rosm ere hielt sich aus allem heraus. Sie hockt e still in einer Ecke und trug ihre Trauer über den Tod der Salapa m it sich. Auch jetzt versuchten wir noch bei jedem Zwischenstopp Hyperfunkkontakt zur SOL zu bekomm en. Aber nichts rührte sich. Ich gab die Hoffnung dennoch nicht auf, denn wir hatten ja einen Treffpunkt ausgemacht. Den anzufliegen und den Tod weiterer Salapa hinzunehm en, konnte ich nicht m it m einem Gewissen vereinbaren. W ir mußten erst nach Ikardem . Auch alle Versuche Tyaris, m it den Telepathen der SOL in Verbindung zu treten, scheiterten weiterhin.
Tyari hatte sich m it Rosm ere fast etwas angefreundet. Sie unterhielten sich zum indest. Die Frem de reagierte allerdings völlig verständnislos, als das Them a auf den Zeitsprung kam , den wir durchgeführt hatten. Sie verstand diese Geschichte offensichtlich nicht. W ährend der dritten Linearetappe in Richtung Ikardem löste ich Uster Brick als Pilot ab. Es ging nicht nur darum , daß der Solaner eine Pause brauchte. Oder darum , daß er m it der Trennung von seinem Zwillingsbruder Vorlan nicht ganz problem los leben konnte. Ich brauchte eine Ab wechslung. Auch Joscan Hellm ut ruhte. Ich hatte gar keine rechte Gelegenheit gefunden, um ihm für seine großartige Arbeit zu danken. Ohne seine phänom enalen Fähigkeiten und ohne sein tiefes Verständnis für die MJAILAM-Positronik hätte ich niem als das LA-Fragm ent gefunden. Doc Fredersteen kam während der dritten Linear etappe in die Zentrale. Er hatte seine m edizinische Betreuung verbessern können. Er war sich jetzt sicher, daß die übrigen Salapa überleben würden, wenn wir Ikardem in den nächsten achtundvierzig Stunden erreichten. Die angekratzte Stimm ung besserte sich dadurch etwas. Die MJAILAM-Positronik bem erkte dazu, daß der Tod der Salapa vielleicht auch dadurch so schnell eingetreten sein könnte, weil sie den veränderten Zeitablauf nicht vertragen hätten. Das Problem schien jetzt zur Gänze beseitigt. Die Hoffnung, daß die übrigen Patienten Rosm eres überleben würden, waren berechtigt. Ich sch wenkte den Pilotensessel herum und lächelte Tyari zu. In wenigen Minuten würden wir wieder den Linearraum verlassen. Dann trennten uns nur noch wenige Lichtjahre vom Ziel. So dachte ich, als Tyari m ein Lächeln beantwortete. Ihre Gesichtszüge waren entspannt. Ihr Mißtrauen Rosniere gegenüber hatte sich gelegt. Und auch ich dachte nicht m ehr so über diese fremde Frau, wie ich
es einm al getan hatte. Ich em pfand es als störend, daß sich just in diesen ruhigen Minuten der Extrasinn m it peinigenden Gedanken m eldete: Ich habe die Lösung des Rätsels der F ragmente noc h nicht. Aber lange wird das auch nicht mehr dauern. Du jedenf alls bist mehr als Millionen Lichtjahre davon entf ernt, denn dieser Gegner lahmt deinen Verstand. Und meinen auch. Aber ich set ze mich durch. Ich brauche nur etwas Zeit. Du wirst sehr bald größere Probleme bekommen. Ich erwiderte auch gedanklich nichts. Problem e hatte ich genug. Und die W orte des Extrasinns trugen nicht dazu bei, sie zu verm indern. Die Signallam pen blinkten auf dem Arm aturenpult auf. Die Linearetappe neigte sich dem Ende zu. Ich inform ierte die Funkzentrale und Tyari, denn ich wollte auch diesen kurzen Aufenthalt im Norm alraum dazu nutzen, Kontakt zur SOL zu bekomm en. Auf dem Hauptschirm flamm ten die Sterne von VP 515 auf. Alles wirkte norm al. Die MJAILAM-Positronik samm elte die Daten der technischen System e und faßte die ausgewerteten Ergebnisse so zusamm en: . »Zielposition erreicht. Keine Besonderheiten.« W er weiß, bem erkte der Extrasinn unfreundlich, wo die SOL sich nach einem Jahr befindet. Du hast doch gehört, daß ihr ein langer W eg bevorstand und noch bevorsteht. »Ihr oder m ir?« fauchte ich leise zurück. Tyar i verstand, daß ich m it m einem zweiten Bewußtsein sprach. Eine Antwort bekam ich nicht. Der Extrasinn schien wirklich unter einer Depression oder Beeinflussung zu leiden. Als die Vergleichsdaten des Observatorium s und der Fernortung vorlagen (und diese wiesen keine extrem en Abweichungen von den erwarteten W erten auf), bereitete ich die nächste Linearetappe m it der MJAILAM-Positronik vor. Sie sollte uns in die Nähe von Ikardem bringen, also in jene Zone, in der uns der unbegreifliche Einfluß des vergangenen LA-Fragm ents
überrascht hatte. Dort kommst du nie hin! Der Satz stand plötzlich in m einem Kopf. Ich spürte, daß er weder aus m ir selbst heraus entstanden war, noch eine Mitteilung des Extrasinns darstellte. Er lebte in m ir. Eine Beeinflussung? »Hör in m ich hinein!« forderte ich Tyari auf. »Ich öffne m eine Gedanken, so gut das nur m öglich ist.« »Du hörst eine fremde Stimm e«, sagte sie. »Ich höre sie auch. Sie gehört TA. Du kennst TA, denkt er. Er will dich verunsichern und sch wächen. Er denkt, er war einm al dein Freund.« Das klang alles zu verwirrend. »Du kannst das besser erfassen als ich«, gab ich zu. »W as ist da in m einem Kopf? Der Extrasinn hat sich wieder abgekapselt.« »Eine Zahl.« Tyari hatte die Augen geschlossen. Ihr e Hände lagen auf m einen Schultern. Der körperliche Kontakt potenzierte ihre telepathischen Fähigkeiten. »Die Zahl ist eine Zehn. TA-10. Ein Fragm ent. Es ist nicht hier, aber in der Nähe. Es verändert seinen falschen und m ißbrauchten Körper. Das TA-Fragm ent will dich täuschen. Es will dich töten. Es denkt, daß es das Gegenteil in seinem Aussehen darstellen will, das Gegenteil von dem , wie du es einm al gekannt hast.« Ich verstand noch imm er nichts. Daran hast du dich doch gewöhnt, erklang leise der Extrasinn. Und ich habe mich auch damit abgefunden. Aber ich finde die Lösung. Das ARKSUMMIA-Bewußtsein signalisierte dam it zum indest, daß es auch das gedankliche Geschehen verfolgte. Ratschläge oder Hin weise kam en von ihm aber nicht. Und die hätte ich eigentlich gebraucht. »Jetzt ist das TA-Fragm ent weg«, sagte Tyari. »Es ist nicht m ehr bei dir. Aber es ist irgendwo in der Nähe.« Ich reagierte instinktiv m it m einem ureigenen Bewußtsein. »Alarm !« rief ich. »Schutzschirm e auf hundert Prozent.«
»Alarm ! „ quäkte nur Sekunden später die MJAILAMPositronik. »Fremdes Raum schiff. Entfernung nur dreitausend Kilom eter. Es m aterialisierte ohne hyperenergetische Begleiterscheinungen.« Keine Sekunde später hatte ich ein mehrfaches Bild der Ortungszentrale auf den Schirm en. Masse, Bewegung und Energie des frem den Raum schiffs wurden in Zahlen werten und optischen Darstellungen abgebildet. Das Raum schiff hatte die Form eines W ürfels. Alle Seiten waren völlig eben und glatt, außer einer, die einen stum pfen Trichter nach außen stülpte. Das m ußte das Antriebssystem sein. Die Entfernung zu dem Objekt verringerte sich schnell. Das Raum schiff hielt auf uns zu. Die MJAILAM-Positronik lieferte weitere Daten. Die Kantenlänge des W ürfelschiffs betrug exakt dreihundertachtundvierzig Meter. (Die Zahl kam m ir irgend wie bekannt vor). Die Ecken waren leicht abgerundet. Der Alarm hatte Joscan Hellm ut und Uster Brick aus der Ruhe gerissen. Beide stürm ten gem einsam in die Zentrale. Ich räum te den Platz des Piloten, denn ich wußte, daß der Solaner an diesem Ort der bessere Mann war. »Kaffee!« schrie Uster. »Extra stark!« Ein Dienstroboter kam seinem Begehren sofort nach. »Kontakt herstellen«, wies ich die Funkzentrale an. »Und m acht es nett und freundlich, auch wenn ich den Verdacht habe, daß sich an Bord dieses W ürfelschiffs die zehnte Nickelsprosse befindet.« Ich erntete erstaunte Blicke, insbesondere von Joscan. Aber auch die anderen Solaner in der Komm andozentrale hatten die W orte nicht gehört, die Tyari und ich ge wechselt hatten. Und die Gedanken dazu hätten sie gar nicht vernehm en können. Meine Blicke ruhten auf dem Hauptschirm . Das frem de Schiff war in der norm aloptischen Darstellung bereits als kleiner Lichtpunkt zu erkennen. Es reflektierte m it seinen blanken Metallwänden das Licht
eines nahen Sternes. Daneben war es auf dem Bild der Ortungszentrale in allen Einzelheiten zu erkennen. TA-10 hat gesagt, daß er eine ganz andere Gestalt annimmt, erinnerte m ich der Extrasinn. Ich hatte für solche Gedankenspielereien in diesem Augenblick kein Verständnis. Der Hauptschirm war für Sekunden in ein grelles W eiß getaucht. Dann blendete die Autom atik das grelle Licht aus. Die MJAILAM wurde so heftig geschüttelt, daß die Andruckneutralisatoren die Stöße nicht ganz ausgleichen konnten. Das Aufheulen der Kraftwerke, die die Energien für die Defensivschirm e lieferten, drang bis in die Hauptzentrale durch. W ir wurden beschossen! Und das nicht gerade m it harm losen W affen! »Keine Ant wort auf unsere Anrufe«, plärrte es aus der Funkzentrale. »Es gibt doch eine Antwort.« Tyari stand neben m ir. »Sie ist schwach, aber ich kann imm er wieder Teile von TA em pfangen. Er ist dieses Raum schiff m it all seinen achtundachtzig Insassen. Er ist das alles. Er war imm er ein Raum schiff, und er will dich töten, weil du ihm seine zweite Heim at geraubt hast.« »Das ist totaler Blödsinn«, stöhnte ich. Aber die Parallelen zu den Aussagen der anderen Fragm entwesen, denen ich bereits begegnet war, waren deutlich. »Mag sein.« Meine Gefährtin blieb gelassen. »Aber das ist das, was ich an Gedanken auffasse.« Uster hatte längst ein Aus weichm anöver geflogen. Der Beschüß aus den unbekannten W affen des W ürfelschiffs dauerte aber unverm indert an. Die W arnlam pen der Schutzschirm über wachung flackerten schon bedenklich. Joscan Hellm ut kam zu uns. »Sollten wir uns nicht ein bißchen wehren?« fragte er. Das klang aber m ehr wie eine Aufforderung. »Gleich«, vertröstete ich den Kybernetiker. »Tyari em pfängt Gedanken von TA, und diese sind auf Dauer vielleicht wichtiger als ein Erfolg im Kam pf. Ich wil l
endlich wissen, gegen wen wir käm pfen.« Uster Brick be wies sein ganzes Können. W ährend er die MJAILAM in die wildesten Flugmanöver steuerte, leerte er zwischendurch die dritte Tasse Kaffee. Seine Gesichtszüge, die anfangs m üde und abgespannt gewesen waren, glätteten sich dabei schnell. Das W ürfelschiff feuerte bei jeder Gelegenheit, aber es traf nicht m ehr richtig. Die Streifschüsse konnten unserem aufgeblähten Mehrfachschirm nichts m ehr anhaben. Er lockt dich zur G egenwehr, folgerte der Extrasinn. »Er fleht um deine Gegenwehr«, sagte Tyari fast gleichzeitig. »Das em pfange ich als vagen Gedankenstrom aus dem ganzen W ürfelschiff.« »W affenzentrale?« fragte ich. »Feuerbereit«, hörte ich. Gleichzeitig brüllte Uster Brick den eifrigen Roboter an: »Ich will keinen Kaffee m ehr. Ich will m ich wehren!« Er drehte seine Augen in m eine Richtung. Ich sah das zornige Funkeln unter seinen Lidern, m it dem er m ir seinen Ärger über m ein zögerliches Verhalten m itteilte. W er oder was war das TA-Fragm ent? Das fragte ic h m ich. Tyari schwieg. Sie vernahm nichts m ehr. Und dann erinnerte ich m ich an die alten Zeiten, an die Zeiten des arkonidischen Im periums. »Feuer frei! „ hörte ich m ich sagen. Endlich! erklang es in m einem Kopf. Aber damit kriegst du mich nicht! Du weißt nicht, wer ich bin, obwohl ich deinem f ot ografischen Gedächtnis einen klaren Fingerzeig gegeben habe! Die Transform geschütze der MJAILAM hämm erten ihre geballte Energie in den Raum . Am Zielort flamm te ein bläulicher Energieschirm auf, der das W ürfelschiff einschloß und schützte. Der Gegner be wies nun auch sein navigatorisches Geschick. Er flog ein Aus weichm anöver just in dem . Mom ent, in dem die Solaner die zweite Salve losjagten. Die Energien verpufften wirkungslos, denn das W ürfelschiff war nicht m ehr an der Stelle, an der es
erwartet worden war. Der Kam pf spitzte sich zu. Ich dachte an die verwirrenden W orte des LAFragm ents. Da war es m ir gelungen, m it Taten und W orten -aber ohne W affen – zu überzeugen. Jetzt war das unm öglich. Dieser Gegner gab m ir eine solche Chance nicht. Er zwang uns den Kam pf auf. Und doch schien es m ir so, daß es eine Ver wandtschaft zwi schen LA und TA gab. Sie m ußten doch beide auf m eine gleichen Reaktionen reagieren. Jetzt war es zu spät. Der Kam pf dauerte an. Idiot! quäkte der Extrasinn dazwischen. Sollte ich imm er und imm er wieder etwas durch Käm pfe erreichen? Siegen? W aren das wirklich Siege? W ar die Begegnung m it dem LA-Fragm ent nicht viel schöner gewesen? Auch wenn es m ir ein Jahr m eines bewußten Lebens geraubt hatte. Mir und einer Handvoll Solaner. Ich verfolgte den Kam pf zwischen dem W ürfelschiff und der MJAILAM genau. Meine Gedanken gingen dennoch ihre eigenen W ege. Es war längst klar, daß wir diese Auseinandersetzung der Hochenergiewaffen nicht verlieren würden. Aber was hatte der Verlierer davon? Ich m ußte m ich das einfach fragen, auch wenn der Extrasinn m ich m it quälenden Erinnerungen an m ein hartes Herz der Vergangenheit m arterte. »Ich m öchte eine Multifrequenzschaltung auf m ein Mikro«, verlangte ich. »Ist da«, kam es Sekunden später. »TA!« rief ich, und die Sender der MJAILAM trugen m eine W orte hinaus. »Ich weiß noch nicht, wer du bist. Ich habe deine Brüder JA, PE, ER und LA überzeugen können. Oder – vielleicht klingt das richtiger – ich habe das getan, was ihnen zu ihrem Ziel verhalf. Von diesen Ereignissen war nur eins schön, das m it dem LAFragm ent. Alles andere war Kam pf, Und dam it Kram pf. Ich will auch dich überzeugen.« Ich bekam sofort eine Antwort. Sie kam auf m ehreren Funkkanälen, rein telepathisch in m einem . Kopf und aus Tyaris W orten:
»Ich käm pfe! Ich bin nicht JA oder PE oder ER oder die schlafenden Z willinge TR und SA. Und ich bin schon gar nicht der Träum er PA. PA m ag für dich wie ein Vater klingen, aber er ist weder dein Vater noch m ein Vater. Er wartet auf dich, aber du wirst ihn nicht erreichen. Ich töte dich, denn du hast dich an m ir versündigt.« Der Tenor dieser W orte weckte Erinnerungen an die anderen Sprossen – oder an die Fragm ente, denen die Sprossen entsprungen waren. Eine neue Salve hyperenergetischer Energien traf die MJAILAM. Uster tauchte das Schiff in den Rücken des TAFragm ents ab. Er wendete dort so ruckartig, daß di e Andruckabsorber aufheulten und dennoch die Beschleunigungskräfte nicht absorbieren konnten. Tyari und ich, die wir ohne Halt in der Komm andozentrale standen, wurden zur Seite geschleudert. Das Dröhnen der Geschütze peitschte in m eine Ohren. Uster hatte den wunden Punkt des W ürfelschiffs erkannt und die Geschütztürm e in eine günstige Position gebracht. Die geballten Energien der MJAILAM krachten auf die Seite des TA-Schiffes, an der der trichterförm ige Antrieb zu erkennen war. Der bläuliche Schutzschirm zerbrach. Glühende Trümm er flogen durch das All. Riesige Fetzen wurden abgesprengt. »Feuer stopp!« brüllte ich. »Jetzt haben wir ihn doch!« Joscan Hellm ut war hochrot im Gesicht. »Da m üssen wir ihm den Todesstoß versetzen.« »Ihm ?« Ich registrierte, daß m eine Anweisung befolgt wurde. »W eißt du, gegen wen wir kämpfen? W eißt du, warum wir es tun? Kennst du ihn? Du hast m ir auf eine phantastische W eise geholfen, LA zu finden. Aber das gibt dir nicht das Recht, jem andem den Todesstoß zu versetzen.« Joscan Hellm ut schwieg betreten. Das W ürfelschiff feuerte nicht m ehr. Es fiel auf das nahe Sonnensystem zu, und das glich einer Flucht.
»Nichts m achen! Keine Flugbewegung, Uster!« verlangte ich. Mir wurde imm er klarer, daß ich nicht gegen Feinde käm pfte, auch wenn sich die Gegner brutal verhielten. All diese W esen m ußten ein Problem haben, das vielleicht ganz persönlich war. Es verleitete sie zu diesen sinnlos erscheinenden Taten, die etwas Selbstm örderisches an sich hatten. Dann folgten wir dem W rack des TA-Raum schiffs in größerer Entfernung. Auf m eine Funkanrufe erfolgte kein Echo. Kurz vor Erreichen der Atm osphäre eines Planeten platzte der W ürfel auseinander. Unzählige kleine W ürfel m it einer Kartenlänge von exakt zehn Metern setzten den Flug zum rettenden Boden fort. Zehn! sagte der Extrasinn. TA weiß offensichtlich, was zehn Met er sind. Ich ließ die kleinen W ürfel landen. Rosm ere bat m ich, den Flug nach Ikardem fortzusetzen, aber ich ver weigerte ihr dieses Verlangen. Jetzt wollte ich wissen, was es m it TA auf sich hatte. Du willst die zehnt e Sprosse, spöttelte der Extrasinn. Ich dachte, daß er m it dieser Bem erkung nur sein eigenes Unverm ögen übertünchen wollte. Aber es fehlen dir ein paar Sprossen aus der Mitte deiner Lebensleit er. »W ir gehen in einen Orbit um diesen Planeten«, entschied ich. »Dann fliege ich m it der MJAI-B nach unten. Ich gehe diesem TA auf den Grund. Außer Tyari nehm e ich noch zwei Mann m it.« »Ich bleibe an Bord«, sagte Tyari zu meiner Verwun derung. »Rosm ere braucht m eine Nähe. Sie hat bereits vier ihrer Patienten verloren. Das m acht sie seelisch krank. W enn ich ihr nicht beistehe, zerbricht sie.« »Ich komm e m it«, m eldeten sich Uster Brick und Joscan Hellm ut gleichzeitig. »Ihr nicht!« Ich lachte. »Die MJAILAM braucht euch. Und außerdem seid ihr m üde.« Dann mußt du wohl allein gehen, spottete der Extrasinn. »Ich bin an deiner Seite.« Rosm ere war
aufgestanden. Mich verblüffte diese Reaktion noch m ehr, denn ich hatte sie m it keinem Gedankenfetzen erwartet. Ausgerechnet Rosmere! »Du hilfst m ir«, sagte sie. »Ich helfe dir.« Tyaris Augen flackerten wild. »Danke.« Ich lächelte Rosm ere an und verdrängte m eine Gefühle für sie. »Ich helfe dir. Ich will aber nichts dafür haben. Ich suche Takorb allein auf.« »Takorb?« fragte Tyari. »Takorb.« Ich tappte zwar noch im dunkeln, aber ic h wußte, was ich wollte und was ich tun mußte. »Ich habe diesen Planeten so genannt. Gefällt dir der Nam e? TA und Korb!« Sie sagte nichts. Als ich in der Space-Jet MJAI-B saß und den Rum pf der MJAILAM verließ, fühlte ich m ich sehr einsam . Irgend jem and hätte jetzt an m einer Seite sein m üssen. Ich wischte diese Gedanken weg, denn ich m ußte m ich nun ganz auf m eine Aufgabe konzentrieren. Die m eisten Planeten des Alls waren öd und leer. Takorb war es auch. Die unzähligen W ürfel aus dem TA-Raum er hatte ich aus der Ortung verloren. Sie m ußten längst auf Takorb gelandet sein. Der Funkkontakt zur MJAILAM war stabil. Ich hatte nur keine Lust, etwas zu sagen. In Abstimm ung m it Joscan Hellm ut schalteten wir unsere Geräte auf »Autotrans«. Das bedeutete, daß jeder Sender alle dreißig Sekunden einen Im puls abgab. Die Gegenstelle, die MJAILAM oder ich (nicht die MJAI-B, die einen eigenen Kanal hatte), würde erst dann m it einem Alarm signal reagieren, wenn der zeitlich festgelegte Im puls nicht eintraf. Dam it hatte ich m eine Ruhe. Ich suchte Takorb im Tiefflug m ehrere Stunden ab. Das Ortungssystem der MJAI-B nahm alles auf, was da kreuchte und fleuchte. Et was Lebendes oder W ürfel m it der Kantenlänge von zehn Metern fand es nicht. Auch Tyari m eldete sich nicht über Funk. Das wurm te
m ich. Endlich gab der Orter ein Zeichen. Das Echo kam von der nördlichen Halbkugel, die zum Teil m it dickem Eis bedeckt war. Ich wendete den Space-Jet und jagte auf diese Stelle zu. • Die Schutzschirm e waren zur Hälfte aktiviert. Bei Gefahr würden sie sich autom atisch auf volle Last hochschalten. Die Eisregion tauchte unter m ir auf. Das Echo des Orters wurde deutlicher. Die ersten Um risse eines m etallischen Körpers, der langgestreckt unter der Eisdecke verborgen war, kristallisierten sich heraus. Das Objekt war über dreihundert Meter lang und hatte die Form eines Ellipsoids. W ar das TA? Ich um kreiste die Stelle und wartete auf eine Reaktion. »Vorsicht, Atlan!« erklang Tyaris Stimm e aus der Funkanlage. »Ich em pfange wieder ein paar Gedankenfetzen. Das TA-Fragm ent bereitet eine Falle vor. Du solltest es rücksichtslos unter Feuer nehm en, denn es will dich wirklich töten. Es kennt keine Nachsicht.« Ich quittierte den Em pfang, aber sonst sagte ich nichts. Unter m ir zerbrach das Eis. Etwas Dunkles schoß in die Höhe und verbreitete sich zu einem kilometerhohen Pilz. Ich lenkte die MJAI B zur Seite, aber es war zu spät. Die Kappe des Pilzes breitete sich m it rasender Geschwindigkeit aus und senkte sich wieder nach unten. In wenigen Sekunden würde ich eingeschlossen sein. Ich sah die schwarze W and von oben auf m ich zurasen. Ohne zu überlegen, drückte ich auf die Feuerknöpfe. Die Energien prallten an der schwarzen W and wirkungslos ab. Dann schlug die m etallene Dunkelheit auf m ich herab. Die Schutzschirm aggregate heulten auf. Der Jet wurde in die Tiefe gedrückt. Dunkelheit breitete sich aus. Im gleichen Mom ent gab die Funkanlage Alarm . Der
Kontakt zur MJAILAM war abgerissen. Ich war von m einen Freunden abgeschnitten. Die Stimm e des TA-Fragm ents brandete laut auf: »Jetzt habe ich dich.« Und plötzlich war das frem de W esen gegenwärtig. Es entstand im Komm andostand der MJAI-B als versch womm ene Gestalt. Erst allm ählich schälten sich klare Um risse heraus. Eine bizarre Figur aus unzähligen W ürfeln stand vor m ir. Die einzelnen Flächen schillerten in allen denkbaren Farben. Insgesam t war die Körperform der eines klobigen terranischen Roboters nicht unähnlich. Mit knirschenden Geräuschen kam das TA-Fragm ent näher. »Nenne m ir m einen vollständigen Nam en, Atlan!« forderte es. »Ich kenne ihn nicht«, gab ich zu. »Du m ußt ihn kennen! Du m ußt m ich kennen! W enn du es nicht kannst, m uß ich einen anderen W eg der Erlösung wählen. Und das wäre gleichbedeutend m it deinem Tod.« Ich schüttelte irritiert den Kopf. »Ich weiß ganz sicher, daß ich einem W esen wie dir noch nie begegnet bin.« Die würfelförm igen Körperteile purzelten wil d durcheinander und bauten sich neu auf. Nun glich das TA-Fragm ent einem übergroßen Schwan. »Auch dies ist nicht m eine wirkliche Gestalt«, erklang es fast traurig. »Ich kenne sie nicht. Ich kenne m einen vollen Nam en nicht, und ich weiß auch nicht genau, wie ich ausgesehen habe, als wir uns in der Vergangenheit begegneten. Vielleicht war ich so ähnlich wie jetzt.« »W ann und wo sind wir uns begegnet?« fragte ich. »Auch das weiß ich nicht. Ich bin nicht m ehr stabil. Der Dim ensionspilz, den ich m it letzter Kraft errichtet habe, erhält m einen Fragm entkörper noch. Ich will ein würdiges Ende!« Ein roter W ürfel am Kopfende des Sch wanenähnlichen verform te sich zu einem schweren Blaster.
»Stirb!« schrie das TA-Fragm ent. Ich wollte m eine W affen hochreißen, aber ich kam nicht m ehr dazu. Bevor m ein Gegner einen Feuerstoß auslösen konnte, erfolgte eine gewaltige Erschütterung. Die uns draußen um gebende Dunkelheit platzte auf. Energiebahnen j agten von irgendwoher heran und zerfetzten das un wirkliche Gebilde. Dazu erklang ein Dröhnen, als würde j em and m it einem überdim ensionalen Schm iedehamm er auf den Planeten tromm eln. »Nein! „ schrie das Fragm entwesen. »Verschwinde!« Seine W affe purzelte zu Boden. Die einzelnen W ürfel des Körpers folgten in einem bunten Reigen, in dem die Farben der Jenseitsm aterie nun dom inierten, während sich draußen der dunkle Schirm unter den Feuerstößen und den ge waltigen Schlägen imm er m ehr auflöste. Die Körperteile des Fragm ents begannen zu schrum pfen. Einige lösten sich vollständig auf. Das Jamm ern verklang. In den letzten Tönen, die ic h hörte, sch wangen Freude und Euphorie m it. Dann hatte der Spuk ein Ende. Es existierte nichts m ehr von dem seltsam en Körper. Fast nichts m ehr! An der Stelle, an der das seltsam e W esen vergangen war, lag ein unterarm langes Stück Nickel. »Die zehnte Sprosse«, sagte ich und hob das Ding nachdenklich auf. DIE NEUNTE SPRO SSE Ich blickte durch die Kanzel nach draußen. Die MJAI B lag auf der Eisfläche. Der dunkle Schirm , den das TAFragm ent als Dimensionspilz bezeichnet hatte, war versch wunden. Un weit m eines unfrei willigen Landeplatzes stand eine gut hundert Meter große Gestalt m it einer geballten Faust und einer überdim ensionalen W affe auf dem Planeten. Sie war m it einem dicken und weißen Fell bekleidet. Rötliche Augen funkelten herab. Ich versuchte Funkkontakt zur MJAILAM zu
bekomm en, aber nichts rührte sich. Dann wollte ich die MJAI-B starten. Die m ächtige Gestalt kam nun schnell näher. Sie setzte einen Fuß auf den Jet. Der Defensivschirm , der noch voll aktiviert war, schien für dieses W esen nicht zu existieren. Das Material der Außenwände begann zu knirschen. Zweifellos war es diese Gestalt gewesen, die m ich vor dem Tod durch das TA-Fragm ent bewahrt hatte. Freundlich gestimmt schien diese riesige Pelzgestalt m ir aber auch nicht zu sein. Ich gab den Startversuch wieder auf. Der dicke Fuß versch wand seitlich aus m einem Blickfeld, aber die rötlichen Augen funkelten weiter auf m ich herab. Plötzlich ruckte der m ächtige Schädel zur Seite. Ein Röhren drang aus dem breiten Maul. Ich konnte es bis ins Innere des Space-Jets hören. Der Arm m it der W affe zuckte hoch und spie Feuer in den Himm el. Ich warf einen Blick auf den Orterschirm und dann einen nach draußen. Die MJAILAM jagte heran. Sie war das Ziel des Beschüsses. Meine Freunde hielten es offensichtlich für angebracht, m ir zu helfen. So unrecht hatten sie dam it auch nicht. Unklar war m ir nur, warum ich keinen Funkkontakt zu ihnen bekam . Das ist nicht schwer zu erraten, m eldete sich der Extrasinn. Das umgekommene TA-Fragment scheint diesen bepelzt en Burschen doch gekannt zu haben, denn es f ordert e ihn auf zu verschwinden. Also ist das Pelzwesen eine weitere Sprosse. Sie will dich. Daher unt erbindet es mit seinen unbegreiflichen Fähigkeiten jeden Kont akt zu denen, die dich unt erstützen könnten. Und jet zt versucht es sogar, die MJAILAM ganz auszuschalten. Draußen entbrannte ein Kam pf. Die MJAILAM setzt e nur sch wache W affen ein, verm utlich die Lähm strahler und die Paralysatoren. Eine W irkung auf das riesige W esen erzielten m eine Freunde dam it nicht. Sie lenkten es aber von m ir ab.
Ich wartete einen günstigen Mom ent ab und führte dann m it der MJAI-B einen Blitzstart durch. Der Jet jagte in die Höhe. Der Bepelzte versuchte m it der blanken Hand m einen Flug aufzuhalten, aber ich wich m it einem geschickten Manöver aus. Das zornige Grollen des W esens war auch j etzt wieder zu hören. Es jagte m ir ein paar Schüsse hinterher, aber die konnten m ir nichts schaden. Auch die MJAILAM setzte sich ab. Ich wähnte m ich schon in Sicherheit, als erneut etwas Unbegreifliches geschah. Das Pelzwesen verform te sich zu einer Kugel von gut hundert Metern Durchm esser. Es war nun etwas größer als die MJAILAM. Und es hob ab und schoß in die Höhe. Die Funkverbindung war noch imm er vollkomm en blockiert, aber ich konnte m ich auch ohne sie auf Uster Brick verlassen. Der Kreuzer j agte heran. Das Hangartor war bereits geöffnet. Ich lenkte die MJAI-B darauf zu. Kurz bevor ich es erreichte, war die frem de Kugel heran. Sie blähte sich zu einem tulpenförm igen Hohlraum auf und verschlang den zwölf Meter durchm essenden Diskus der Space-Jet kurz vor dem Ziel. Ich bekam noch m it, daß die MJAILAM nun m it schweren W affen feuerte, aber eine W irkung erzielte sie dam it offensichtlich nicht. Um m ich herum herrschte jetzt völlige Dunkelheit. Der Antrieb war ausgefallen oder durch eine unbe kannte Ein wirkung blockiert worden. Ich schaltete die Außenscheinwerfer ein. Dunkelbraune W ände m it einer seltsam en Maserung um gaben m ich auf allen Seiten. Sie erinnerten m ich an das Innere eines riesigen Magens. Vorsichtshalber schloß ich den Helm m eines Kam pfanzugs. Dann wartete ich auf das, was nun geschehen sollte. Eine Möglichkeit, selbst zu handeln, sah ich nicht. Ich nutzte die Zeit, um erneut zu versuchen, eine Hyperfunkverbindung zur MJAILAM zu bekomm en. Norm alfunk würde aus dem Innern dieses W esens
heraus sowieso nicht funktionieren. Es knackte im Empfänger, als ich den Standardruf m ehrm als abgesetzt hatte. Dann meldete sich die MJAILAM-Positronik m it starken Verzerrungen, Verzögerungen und kurzen Ausfallzeiten. Sie wiederholte die Nachricht m ehrm als, bis ich sie vollständig em pfangen hatte. Sie lautete: »Objekt ist unsichtbar ge worden. Tyari spürt deine Gedanken nicht m ehr. Ortung negativ. Kein Kontakt außer dieser stark beeinträchtigten HyperfUnkverbindung.« Das hatte m ir gerade noch gefehlt. Dieses teuflische Biest hatte sich ausgezeichnet abgeschirm t. Ich hätte dam it rechnen m üssen, daß es dazu in der Lage war, denn auf dem Ödplaneten war es ja auch buchstäblich aus dem Nichts entstanden. Es m ußte aber schon vor m einer Ankunft dort ge wesen sein, obwohl ich es nicht entdeckt hatte. Ich setzte einen kurzen Lagebericht ab, aus dem eigentlich nichts hervorging. Ich wußte ja auch keine Einzelheiten, die m einen Freunden auf der MJAILAM geholfen hätten. Die Autom atik wiederholte m einen Bericht m ehrm als, aber ich erhielt keine Em pfangsbestätigung. Die Verbindung war wieder zur Gänze gestört. W eitere Versuche hatten keinen Sinn. Ich konzentrierte mich wieder auf m eine frem dartige Um gebung, denn ich rechnete dam it, daß sich m ein neuer Gegner irgendwann m elden würde. Als sich nach einer Stunde imm er noch nichts rührte, verließ ich das Beiboot. Mein Raum anzug sollte m ich genügend schützen. Ich nahm diesm al m ehrere W affen m it, denn ich wollte kein Risiko eingehen. Die Schein werfer der MJAI-B erhellten die riesige Hohlkugel. Ich entdeckte zwei größere Öffnungen. Mit dem Flugaggregat steuerte ich eine davon an. Aus der Nähe entpuppte sich das Loch als ein oval geform ter Gang. W ieder tauchte das Bild eines Magens auf. Und das hier war dann ein Darm eingang oder -ausgang. Ich kletterte in das Loch. Hier herrschte keine
Sch werkraft. Das deutete darauf hin, daß ich m ich nicht auf einem Planeten befand. Die Innenwände des »Darm es« waren von der gleichen bräunlichen Farbe wie die W ände des »Magens«. Ich schaltete den Helm schein werfer ein, denn bis hierher drang das Licht der Space-Jet nicht m ehr vor. Der »Darm « setzte sich in W indungen fort. Er m ündete in einen kleineren Hohlraum , der von einem m atten Licht erhellt wurde. W oher dieses kam , konnte ich nicht feststellen. In der Mitte dieses Raum es form te sich Nebel aus dem Nichts, der sich anschickte, feste Form en anzunehm en. Ich war gespannt, in welch m onströser Gestalt sich dieses Fragm ent zeigen würde. Aber ich wurde überrascht. Vor m ir stand ein Mann, der durchaus ein Terraner sein konnte. Er wirkte wie ein Vierzigj ähriger und trug eine alte einteilige Kom bination von purpurroter Farbe. W affen entdeckte ich nicht. »Hallo, ich bin Atlan«, sagte ich so ruhig wie m öglich. Aber m eine Sinne waren bis zum Zerreißen gespannt. »Ich weiß das«, sagte der Mann. »Aber ich weiß nicht, wer ich war. Ich heiße nur noch KA, und ich warte auf m einen endgültigen Tod.« Solche Reden hatte ich schon zur Genüge gehört. Ich ging nicht darauf ein und fragte direkt: »Bist du bereit, m ir Inform ationen zu liefern?« »Gern.« Das klang fast beschaulich. »Ich verlange nur eine kleine Gegenleistung. Ich kann m ir denken, was du wissen willst. Ich war einm al anders. Ich bin hier alles. Und alles ist künstlich. Ich wurde durch dich getötet und starb dennoch nicht richtig. Der Grund ist wohl der, daß ich anders bin. Und dann hast du mir m eine Heim at geraubt. Sonst weiß ich nichts. Ich bin nur ein Fragm ent, das seine endgültige Ruhe sucht. Ich habe dich vor dem Tod be wahrt, als ich den Dim ensionspilz des aggressiven TA-Fragm ents zerstörte. Eine Zahl begleitet m ein Scheinleben; es ist eine Neun. Mehr
weiß ich nicht. Und nun sage m ir bitte, wer ich bin. Sonst will ich nichts wissen, denn dann kann ich in Frieden sterben.« »Es tut m ir aufrichtig leid«, ant wortete ich, »aber ich weiß nicht, wer du bist oder wie du heißt.« »Aber er hat gesagt, daß du es weißt«, begehrte das KA-Fragm ent voller bitterer Enttäuschung auf. »W er hat das gesagt?« Ich spürte, daß ich auf einer heißen Fährte war. Von diesem Fragm ent war et was zu erfahren. »Ich kenne seinen Nam en nicht. Er sah so aus.« Er streckte einen Arm aus und fuhr dam it annähernd kreisförm ig durch die Luft. Ein et wa kopfgroßes Ei entstand für m ehrere Sekunden. Es schimm erte hellrot und blaßgrün. »Chybrain! „ stieß ich aus. Also hatte der Bursche hier doch seine Finger im Spiel. Das war für m ich eine echte Überraschung, denn ich hatte das seltsam e Ei aus Jenseitsm aterie längst abgeschrieben. W ie kam er darauf, daß ich diese Fragm ente kennen sollte? Sie sahen früher anders aus, erinnerte m ich der Extrasinn. »Es tut m ir leid«, wiederholte ich, »aber ich kann dich nicht erkennen. Chybrain hat sich geirrt.« Ich erwartete j etzt in Anlehnung an die vorangegangenen Ereignisse, daß das KA-Fragm ent aggressiv werden würde oder verlangte, daß ich es tötete. Aber es kam ganz anders. »Leb wohl! „ sagte das Fragm ent. Es griff in seine Brust und durchdrang m it der Hand den Overall. Als die Hand wieder zum Vorschein kam , leuchtete in ihr eine Leitersprosse in hellem Rot und fahlem Grün. Die Gestalt reichte m ir das Ding und nickte m ir aufm unternd zu. »Nimm es! Es ist ganz harm los. Das Leuchten wird gleich vergehen.« Ich packte zu. Im gleichen Mom ent verschwand die Gestalt und
auch die andere Umgebung. Ich schwebte im Leerraum . In weniger als fünfzig Metern Entfernung driftete die MJAI-B langsam vor sich hin. Ihr Scheinwerferlicht traf m ich. Als ich auf die Sprosse starrte, blinkte diese in dem bekannten Silberglanz des Nickels. Das konnte nur bedeuten, daß das KA-Fragnient freiwillig den Tod gesucht hatte. Und es hatte seine Sprosse, die neunte, hinterlassen. Ich schaltete das Flugaggregat ein und steuerte auf das Beiboot zu. Ohne Zwischenfälle gelangte ich in das Innere. Hier bem ühte ich m ich zuerst um Kontakt zur MJAILAM. Zu m einer Ver wunderung funktionierte das aber nicht. Auch auf dem Orter entdeckte ich nichts. Ich suchte die Um gebung ab. Ich befand m ich nur wenige Lichtm inuten von dem Ödplaneten entfernt, auf dem ich den beiden letzten Fragm enten begegnet war. Die MJAILAM m ußte hier doch irgendwo sein! Ich schaltete den Antrieb ein. Er funktioniert e fehlerfrei. Ich überprüfte die Funksystem e in Selbsttests. Sie waren in Ordnung. Es gibt nur eine Erklärung, m einte der Logiksektor. Es fehlen ja noch ein paar Sprossen, Eine oder mehrere davon geistern hier noch herum. Und si e unt erbinden den Kontakt. DIE ACHTE SPROSSE Ich irrte nun schon zwei Stunden m it der MJAI-B in dem frem den Sonnensystem herum , ohne eine Spur der MJAILAM zu entdecken. Zunächst hatte ich befürchtet, daß der Kreuzer von dem KA-Fragm ent zerstört worden war. Es hätte in dem Augenblick geschehen sein können, als ich von der Kugel verschlungen worden war. Aber dann hätte ich irgendwelche Trümmer finden m üssen. Das war im weiten Um kreis nicht der Fall. Auch das Ortungssystem , das fehlerfrei arbeitete, entdeckte nichts. Das war einerseits ein Trost, andererseits aber nicht.
Nach m einen Eindrücken hatte die MJAILAM diesen Raum sektor verlassen. Das wiederum war unlogisch, denn m eine Freunde würden m ich nicht im Stich lassen. Som it blieben noch zwei Möglichkeiten. Einm al die, die der Extrasinn genannt hatte, näm lich daß noch andere Fragm entwesen in der Nähe waren und die norm ale Kontaktaufnahm e m it dem Mutterschiff verhinderten. Und zum anderen war es durchaus für m ich vorstell bar, daß diese W esen die MJAILAM an einen anderen Ort gelockt hatten. Die Positronik des Beiboots fand j edenfalls keinen Hinweis auf irgendein bedeutendes Ereignis. Und ich selbst auch nicht. Ich war von jeglichem intelligenten Leben abgeschnitten. Das Sonnensystem bot nichts, und m it der MJAI-B würde ich kein anderes erreichen können. Ich grübelte, aber ich fand keinen Ausweg aus dieser Situation. Auch der Extrasinn be wies seine Ratlosigkeit durch langes Schwe igen. W enn die Unbekannten dich beeinflussen, sagte er schließlich, und daran zweifle ich nicht, dann werden sie sich auch irgendwann melden. Die ganze Geschicht e sieht so aus, als wolle man dich mürbe machen oder quälen. Mein inneres Gleichgewicht war noch recht stabil, denn et was Ähnliches war m ir auch schon durch den Kopf gegangen. Ich zwang m ich zur Gelassenheit und setzte die schon fast sinnlose Suche fort. Dazu durchstreifte ich we iter nach einem starren Schem a das ganze Sonnensystem. Die Überraschung, die dann tatsächlich eintrat, kam aber von einer ganz anderen Seite. »Ein bißchen einsam hier, nicht wahr?« hörte ich eine bekannte Stim m e. Ich fuhr in m einem Pilotensessel herum . Vor m ir schwebte Chybrain in der Mitte des Komm andostands. Er sprach auf normalakustischem W eg zu m ir, als ich ihn m it einem deutlichen Aufatm en begrüßte. »Ich habe dich gefunden«, m einte er. »Die anderen
störenden Fragm ente sind nicht m ehr da. Eine gute Situation.« »Das sehe ich anders«, entgegnete ich. »W o steckt die MJAILAM?« »Ich weiß es nicht«, lautete die Antwort, die m ich doch et was verwunderte. »Nach den harten Auseinandersetzungen m it den Zyrtoniern habe ich m ich noch nicht ganz erholen können. Meine Sinne sind getrübt. Ich kann die MJAILAM nicht entdecken.« W arum fragt er nicht nach der SOL? warf der Extrasinn dazwischen. Das war in der Tat m erkwürdig, sagte ich m ir. Aber so ganz hatte ich Chybrain ja nie verstehen können. »Ich m uß zur MJAILAM zurück«, antwortete ich daher nur. »Bist du nur gekomm en, um m ir zu sagen, daß du m ir nicht helfen kannst?« »W ir werden gem einsam einen W eg finden«, m einte das Kristallei etwas unklar. Ich schüttelte nur den Kopf. Irgendwie kam m ir diese unverhoffte Begegnung sehr m erkwürdig vor. Ich wurde von diesen Überlegungen aber schnell abgelenkt, denn die Hyperfunkanlage gab ein akustisches Zeichen. Ich wurde angefunkt. Die Verbindung war sch wach und von Störungen durchsetzt. Aber an den Sym bolen des einleitenden Textes erkannte ich den Absender sofort. Es war die SOL! Ich jubelte innerlich, denn dam it hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Sie suchten m ich – das ergab sich aus dem folgenden Text. Endlich klappte auch die Bildübertragung. Ich verlangte nach Breckcro wn Hayes. Ein noch versch womm ener Kopf schälte sich heraus. Das war nicht der High Sideryt. Es handelte sich um eine Person, bei deren Anblick m ir der Schweiß ausbrach. Das war Cara Doz! Die junge Frau hatte lange Zeit während der Auseinandersetzungen m it Anti-ES als Chefpilotin der SOL fungiert. Das lag nicht nur schon über zwei Jahr e zurück. Cara Doz hatte eines Tages ihr Geheim nis
preisgegeben. Sie war keine Solanerin gewesen, wie wir alle angenomm en hatten. Hinter ihr hatte sich dam als Chybrain verborgen! Der Chybrain, der jetzt hier in der MJAI-B schwebte. »Der Kontakt ist sehr sch wach«, teilte Cara m ir m it. »W ir haben dich noch nicht in der Ortung, aber wir werden dich finden.« Vorsicht! rief der Extrasinn scharf. Hier stimmt einiges gan z und gar nicht. Es ist unmöglich, daß dies Cara Doz ist. Selbst wenn ich annehme, daß Chybrain diese Person auch ohne Auf gabe seines eigentlichen Körpers darst ellen kann, so bleibt es absolut unvert räglich mit jeglicher Logik, daß er gleichzeitig hier ist und nichts darüber erwähnt. Ich stimmte m einem zweiten Bewußtsein bei dieser Überlegung vorbehaltlos zu. Ich be zweifle, fuhr der Logiksektor fort, daß diese Funknachricht echt ist. Ich bezweifle auch, daß dieser Chybrain echt ist. Ich starrte das funkelnde Ei an. Es glich bis ins letzte Detail j enem Chybrain, den ich kannte. W er sollte ihn nachahm en? Und aus welchem Grund? Eine andere Sprosse! Ein anderes Fragmentwesen! Es peinigt dich. Es ist wahrscheinlich auch der Urheber für den unt erbrochenen Kont akt zur MJAILAM. Der Funkkontakt war jetzt wieder so gestört, daß ic h kein W ort m ehr verstehen konnte. Der Bildschirm zeigte nur noch Schlieren. Ich erhob m ich aus m einem Sessel und stellte m ich vor den angeblichen Chybrain. Er glitt et was in die Tiefe, bis sein Körper auf der Höhe m einer Augen verharrte. »Der Kontakt ist nur kurz unterbrochen«, behauptete er. »Die SOL wird dich finden. Ich bin m ir ganz sicher.« »Und ich bin m ir sicher«, entgegnete ich, »daß du spinnst. Dieser Anruf kam nicht von der SOL.« »Aber wieso denn nicht?« Das klang fast ein bißchen spöttisch. Oder täuschte ich m ich da? »Es gibt auf der SOL keine Person, die der gleicht, die da eben gesprochen hat. Ich habe diese Frau
eindeutig erkannt, aber…« »Du phantasierst, Atlan«, klang es aus dem Kristallei. »Das war Cara Doz, die Chefpilotin.« »Es gibt auf der SOL keine Cara Doz m ehr. Du hast einen Fehler begangen, als du gerade sie für dieses erlogene Funkgespräch ausgewählt hast. W er bist du? Oder soll ich besser fragen, welches Fragm ent bist du? W elche Zahl begleitet dein Leben? Die Vier, die Fünf, die Sieben oder die Acht? Andere Möglichkeiten gibt es nicht m ehr.« »Du redest Unsinn. Ich bin Chybrain. Und du kennst m ich.« »Du kannst m ich weder bluffen noch an der Nase herumführen, Fragm ent.« Ich spielte den Gelassenen und Selbstbewußten. »Irgend woher hast du eine falsche Erinnerung, denn du m üßtest besser als ich wissen, daß es keine Cara Doz m ehr an Bord der SOL geben kann.« Das Ei antwortete nichts. »Verschwinde!« forderte ich es auf. Meine Hände lagen auf den Kolben der W affen. »Verschwinde!« »Du bist verrückt, Atlan!« schrie der scheinbare Chybrain aufgeregt. Auch das war eine Reaktion, die für ihn völlig untypisch war. Meine letzten Z weifel an den Folgerungen des Extrasinns waren weggewischt. »Du erwartest etwa s von m ir«, fuhr ich fort. »Deshalb peinigst du m ich. Du willst m ich an einen Punkt treiben, an dem ich dir sage, wer du einm al warst. Ich kenne dieses unsinnige Verlangen von deinen Artgenossen. Sechs Nickelsprossen habe ich bereits in m einen Besit z gebracht. Ich kann dir nicht helfen. Mach es wie KA! Der hat sich selbst aufgelöst. Oder kannst du das nicht?« »Er kann es wirklich nicht!« Ich fuhr herum . Der Spuk hatte eine Gestalt m ehr. Vor der Funkanlage stand ein uralter Mann m it runzeliger Haut und faltigen Händen. Ich war m ir sofort sicher, auch diese Gestalt noch nie zuvor gesehen zu haben. »Er kann es wirklich nicht«, wiederholte der Alte
m att. »Ich bin übrigens PA oder das siebte Fragm ent. Und der, der sich als Chybrain ausgibt, ist das W OFragm ent. Oder die Numm er acht. Ich halte das, was er m acht, für sehr unfair. Es ist auch dumm, denn er wird nichts dam it erreichen.« »Scher dich weg, PA!« schrie der falsche Chybrain. »Er gehört m ir. Ich suche m eine Erlösung auf m eine W eise.« »Du warst imm er ein Narr, W O. Auch die anderen waren Narren.« Der Alte wirkte m itleiderregend. »Dabei ist die Sache doch so einfach. Atlan kann uns nicht erkennen. Er hat es zur Genüge bewi esen. Vielleicht haben wir uns zu sehr verändert. Vielleicht ist aber auch sein Erinnerungsverm ögen blockiert.« »Es gibt da einhundertsechsundachtzig Jahre i n m einem Leben«, hakte ich ein und wandte m ich dabei an den Alten, als den sich das PA-Fragm ent widerspiegelte, »an die ich m ich wirklich nicht erinnern kann. Es sind die Jahre 3605 bis 3791. Und aus den zwölf Jahren vor 3605 weiß ich nur bruchstückhafte Ereignisse, denn da weilte ich als Gefangener von AntiES in der Nam enlosen Zone. W enn die Begegnungen zwischen uns, auf die ihr euch imm er wieder beruft, in jene Zeit fallen, so kann ich m ich nicht daran erinnern. Ich gehe davon aus, daß diese Bewußtseinslücke durch die Kosm okraten bewirkt wurde, in deren Reich ich diese Zeit verbracht habe. Aber selbst für diese Annahm e gibt es keinen sicheren Beweis.« »Es könnte so sein«, m einte der Alte. »Es kann aber auch anders ge wesen sein. Ich weiß es nicht. Es ist jedenfalls nicht fair, wie W O dich behandelt. Ich kann ihn nicht zu einem anderen Verhalten zwingen, aber ich kann dir, Atlan, bestätigen, daß du sein falsches Spiel durchschaut hast. Ich kann jedenfalls warten. Ich werde dich nicht angreifen oder bedrängen. Vielleicht findest du dann eine Lösung.« »Sehr angenehm «, knurrte ich wütend. »Und was m ache ich m it diesem falschen Kristallei?« »Ich weiß das auch nicht«, m einte das PA-Fragm ent. »Ich gehe wieder, denn ich kann hier nichts m ehr
erreichen. Vielleicht sehen wir uns noch, Atlan. Ich hoffe es jedenfalls sehr, denn auch ich suche m eine Erlösung, wenngleich ich nicht versuche, sie m it Gewalt zu erreichen.« Er löste sich vor m einen Augen auf. »Meine Aufforderung zu versch winden«, erklärte ich dem falschen Chybrain, »gilt nach wie vor. Du hast von deinem Artgenossen gehört, daß ich dir nicht helfen kann.« »Du m ußt m ir helfen«, j amm erte das W O-Fragm ent. »Ich finde sonst keinen inneren Frieden.« »Ich m öchte dir ja helfen«, antwortete ich. »Aber ich weiß nicht wie. Du bist der Urheber des zur MJAILAM unterbrochenen Kontakts. Ich m ache dir ein Angebot. Hebe diese Sperre auf! Bleib bei m ir! Erzähle m ir alles, was du über dich und die anderen Fragm ente weißt! Vielleicht finden wir dann eine Lösung für dein Problem .« »Es gibt nur noch vier Fragm ente, Atlan. PA und m ich. W o TR und SA stecken, weiß ich nicht. Ich m üßte jetzt m einer inneren Stimm e folgen und dich töten. In der Sekunde deines Todes werden vielleicht alle verschollenen Erinnerungen in dir frei. Ich könnte sie auffangen. Und dann wüßte ich, wer ich war. Und ich könnte dann in Zufriedenheit die verdiente Ruhe finden.« Die Farben des leuchtenden Eies verblaßten nun schnell. Das Oval verform te sich zu einer unregelm äßigen und schäbig aussehenden am orphen Masse. »Ich werde nicht versuchen, dich zu töten.« Di e Stimm e des W O-Fragm ents klang j etzt rauh. »Ich werde aber nicht die Dimensionsfalle aufheben, die dich von der MJAILAM abschneidet. Ich bleibe bei dir, bis du eine Lösung für m ein Problem findest.« »Das paßt m ir absolut nicht«, erklärte ic h entschieden. »W enn du nicht freiwillig verschwindest, werde ich dich dazu zwingen.« »W ie willst du m ich zwingen?« spottete die nun braune Masse, die wie ein schm utziger Fleck in der Luft
hing. »Das laß m eine Sorge sein.« Ich bereitete die Einschaltung des kleinen Paratronschirm s vor, den ich in Notfällen im Innern des Beiboots aufbauen konnte. Das Fragm ent rührte sic h nicht. Entweder wol lte es m ich gewähren lassen, oder es verstand nicht, was ich beabsichtigte. Es griff auch nicht ein, als ich das Feld so positionierte, daß es nach dem Einschalten den braunen Körper einschließen würde. Mit einem letzten Tastendruck aktivierte ich die Energien. Sie flam mten kurz auf und hüllten das W OFragm ent ein. Erst jetzt schrie es gepeinigt auf. Es zappelte wild hin und her, aber es war gefangen. Im gleichen Mom ent erschien auf dem Orterschirm das Echo der MJAILAM. Der Kreuzer war höchstens vier oder fünf Lichtm inuten entfernt. Und aus den Funkem pfängern hörte ich Tyaris sorgenvolle Stimm e: »Atlan! W o hast du gesteckt?« Ich hatte keine Zeit für eine Antwort, denn ich m ußte m ich ganz auf das Fragm entwesen konzentrieren, das sicher noch eine Teufelei plante. Um mich zu schützen, schaltete ich die Defensivschirm e m eines Kam pfanzugs ein. Längst war m ir klar, daß ich durch den Paratronschirm das W O-Fragm ent daran hinderte, weiter die unbegreifliche Dim ensionsfalte zu erhalten, von der es gesprochen und die m ich an der W ahrnehm ung der JAILAM gehindert hatte. Die braune Masse vergrößerte sich nun rasch. Sie drängte sich bis an den Rand des kugelförm igen Paratronschirm s, der unter der Belastung aufglühte. Ein dum pfes Rum oren im Kraftwerk der MJAI-B zeigte an, daß der Schirm dessen Energie bis zu den höchsten W erten abzog. »Abschalten der anderen System e oder Aufheben des Paratronschirm s«, verlangte die Bordpositronik. »Schalte ab, was du willst«, rief ich schnell. »Aber laß den Schirm stehen.« »Gefahr!« warnte die Bordpositronik. »Es droht die Selbstzerstörung des Beiboots.«
»Egal!“ Ich stürzte auf den Ausgang des Komm andostands zu, denn schon nahm der Energieschirm mit der braunen Masse in seinem Innern fast den ganzen Raum ein. »Alle Energie auf den Schirm!« Ich sprang die wenigen Stufen bis zum Notschott m it einem Satz hinunter und schlug auf die Verriegelung. Nichts geschah. Keine Energie! signalisierte der Extrasinn. Manuell öffnen! Die Positronik hatte selbst die Notenergien auf den Paratronschirm geschaltet. Das war gut und richtig so, aber ich hatte es im ersten Mom ent nicht erkannt. Sekunden später hatte ich das Schott m it den Händen geöffnet. Ich schaltete den Antrieb m eines Raum anzugs ein und entfernte m ich schnell von der MJAI-B. Es war keine Sekunde zu früh. Ein greller Lichtblitz zuckte dort auf, wo sich die MJAI-B befand. Autom atisch dunkelte der Sichtschirm m eines Raum anzugs sich ab, um m eine Augen zu schützen. Die gewa ltige Explosion konnte ich zunächst nur durch den Lichtschein wahrnehm en. Dann flamm te m ein Schutzschirm an m ehreren Stellen auf, als er von den auseinanderfliegenden Trümmern des Beiboots getroffen wurde. Tyaris entsetzter Schrei gellte im Helm em pfänger auf. Sie nahm wohl an, daß ich jetzt um s Leben gekomm en war. »Keine Sorge«, sendete ich schnell. »Ich bin rechtzeitig von Bord gegangen.« Nun blickte ich m ich um . Im Raum schwebten nur noch m eist glühende Trümm er des Beiboots. Vergebens hielt ich nach dem W O-Fragm ent Ausschau. Über Funk m eldete sich nun Joscan Hellm ut. Ich gab ihm einen kurzen Lagebericht und bat ihn, m it der MJAILAM an den Ort des Geschehens zu komm en. Alles andere würde ich an Bord berichten. Als die Explosion abgeklungen war, tauchte der Kreuzer auch schon auf. »Ich komm e gleich an Bord«, teilte ich m einen
Freunden m it. »Ich habe nur noch eine Kleinigkeit zu erledigen.« Ich steuerte m ich in das Zentrum der Explosion hinein. Hier war der Raum praktisch leer, denn die Trümm er waren nach allen Seiten davongeflogen. Lange zu suchen brauchte ich nicht. Einsam schwebte das Stück Nickel in der Leere. Ich nahm die Sprosse an m ich und lenkte m ich dann auf die offene Schleuse der un weit wartenden MJAILAM zu. NEUNTES ZW ISCHENSPI EL Mein Bericht wurde m it dem erwarteten Staunen zur Kenntnis genomm en. Ich hörte von Joscan Hellm ut, daß es auch weiterhin keinen Funkkontakt zur SOL gab. Aus seiner Sicht hatten sich die letzten Stunden ähnlich abgespielt wie bei m ir. Meine Freunde hatten einfach keine Spur der MJAI-B finden können und auf die gleiche Art herum gerätselt wie ich. Das Befinden von Rosm eres Patienten war m ehr schlecht als recht. Die Frem de zeigte sich zwar geduldig, aber das Flehen in ihren Augen verriet doch, daß ihr einziges Anliegen darin bestand, j etzt endlich den Planeten Ikardem , die W elt der Heilung, anzufliegen. Dagegen gab es keine Ein wände, zum al sich die kosm ische Um gebung nun als völlig norm al erwies. Mit dem Untergang des W O-Fragm ents schienen alle früheren Störungen oder Verfälschungen verschwunden zu sein. Auch jetzt versuchte die Funkzentrale eine Nachricht an die SOL abzusetzen. Aber kein Anruf wurde beantwortet. Nach Ikardem war es nicht m ehr weit. Uster Brick bereitete das Raumschiff für diese kurze Etappe vor, während ich imm er wieder Fragen beantworten m ußte. Die MJAILAM-Positronik nahm natürlich an allen Gesprächen teil, aber auch sie fand keine vernünftigen Erklärungen. »Haben wir von den verbliebenen drei
Fragm entwesen noch et was zu befürchten?« fragte Tyari. »Von PA wohl kaum «, m einte ich. »Dann wohl eher von TR und SA. Es ist auf jeden Fall angebracht, vorsichtig und aufmerksam zu sein.« Die MJAILAM startete und verließ dieses nam enlose Sonnensystem . Das Ziel hieß wieder einm al Ikardem . Ich legte in unserer Privatkabine die m itgebrachten Sprossen zu den anderen. Bis zum Ende der Linearetappe reichte die Zeit noch aus, um ein Duschbad zu nehmen. Und genau das hatte ich j etzt vor. DIE DOPPELSPRO SSE VIER UND F ÜNF W ir kreisten im Orbitalen Flug um Ikardem . Rosm ere betrachtete interessiert die Bilder, die wir von der Planetenoberfläche aufzeichneten. Sie wirkte jetzt gelöst und zufrieden. »Es gibt keinen Zweifel«, erklärte sie. »Dies ist Ikardem , m eine W elt der Heilung.« »Gibt es einen bestimmten Ort«, fragte ich, »an dem wir landen sollen?« Sie starrte m ich einen Mom ent an, als hätte sie m ich nicht verstanden. »Nein«, sagte sie dann. »Die MJAILAM darf überhaupt nicht auf Ikardem landen. Es könnte zu einer Katastrophe größten Ausm aßes komm en.« »W odurch?« Ich lachte. »Es gibt kein intelligentes Leben auf Ikardem . Das haben wir längst festgestellt. Es sind auch keine technischen Anlagen vorhanden, denn die Energiesensoren haben nichts festgestellt.« »Die Gefahr für ein Raum schiff, das nicht den Salapa gehört«, behauptete sie rätselhaft, »liegt an einer anderen Stelle. Leider bin ich nicht in der Lage, euc h das näher zu erklären. Ich weiß nur, daß es so ist.« Ich fand m ich dam it ab und stellte laut fest: »Dam it haben wir ein anderes Problem. W ie soll en wir dich und deine Patienten nach unten bringen, wenn wir nicht landen dürfen?« »Das Problem sehe ich nicht«, m einte Rosm ere. Si e
wurde imm er geheim nisvoller. »Könnt ihr einen Container bereitstellen, in dem die Patienten und die Verstorbenen untergebracht werden?« »Das ist kein Problem .« Auch Joscan Hellm ut war neugierig ge worden. »Ich spreche sofort m it Doc Fredersteen. Er wird alles veranlassen. Aber wie gelangt der Container auf die Oberfläche von Ikardem ? Er hat keinen Antrieb. W ir könnten ein Antigravaggregat installieren und ein Klim asystem , aber das dauert ein paar Stunden.« »Ich brauche keinen Antrieb und keinen Antigrav und kein Klim asystem «, behauptete Rosm ere. »Ich bin schließlich eine Ojeoje.« Unsere Translatoren übersetzten dieses W ort wieder m it dem Begriff »Krankensch wester«, wodurch ihr e Behauptung nur noch rätselhafter wi rkte. Auf m eine weiteren Fragen zuckte Rosm ere nur mit den Schultern. »Ich kann dir das nicht erklären«, sagte sie imm er wieder. Ich gab es schließlich auf, denn ich hatte den Eindruck ge wonnen, von ihr nichts W issenswertes m ehr erfahren zu können. Auch Tyari stimmte m ir zu. Doc Fredersteen meldete sich. Die Kranken und die Verstorbenen waren in einem Container untergebracht worden, der in einer Lagerhalle auf Deck B stand. Tyari und ich begleiteten Rosm ere an diesen Ort. Die Frem de wirkte gelöst, aber sie war noch schweigsam er als zuvor. Sie betrachtete den Container von innen und außen. Dann bedankte sie sich sehr herzlich bei Doc Fredersteen und bekräftigte, es sei alles nach ihren W ünschen und Vorstellungen vorbereitet worden. Schließlich kam sie zu Tyari und m ir. »Bei euch m öchte ich m ich ganz besonders bedanken«, sagte sie. »Und in diesen Dank schließe ich die ganze Mannschaft der MJAILAM ein. Ihr könnt euch kaum vorstellen, welchen Gefallen ihr m ir getan habt. Ich m öchte m ich gern ein wenig revanchieren. Daher lade ich dich, Atlan, und dich, Tyari, für vier Tage auf die W elt der Heilung ein. Ich verspreche euch,
daß ihr ein unvergeßliches W under erleben werdet.« »Vier Tage?« fragte ich und dachte dabei an die SOL, zu der wir imm er noch keinen W eg gefunden hatten. »Ist das nicht ein bißchen viel?« »Ich werde hundert Tage oder m ehr auf Ikardem bleiben«, antwortete sie. »Ist das nicht ein bißchen viel?« Ich war irgendwie neugierig geworden. Rosniere bar g ein Geheim nis, das sie vielleicht hier an Bord nicht lüften wollte. Und außerdem war ich gespannt, wie sie den Container auf den Planeten schaffen wollte. Tyari nickte m ir zu, als ich m eine Gedanken für sie öffnete. Dann sprach ich m it Joscan Hellm ut, der während m einer Abwesenheit wieder das Komm ando an Bord übernehm en würde. Der Solaner hatte auch keine Bedenken, auch wenn seine Sorge, die SOL zu finden, aus seinen W orten zu hören war. Tyari und ich ließen unsere leichte Ausrüstung kom m en und legten sie an. Mehr würden wir nicht brauchen, denn Ikardem war eine angenehm e und warm e Sauerstoff welt m it einer reichhaltigen Flora. »W ir sind bereit«, erklärte ich Rosm ere. »Gut.« Sie richtete sich auf und breitete ihre Hände aus. Dann schloß sie die Augen. Ich warf Tyari einen fragenden Blick zu, aber sie schüttelte nur m it dem Kopf. Das bedeutete, daß sie keinen Gedanken der Frem den em pfangen konnte. Ohne spürbare Nebenerscheinungen veränderte sich übergangslos die Um gebung. Tyari und ich standen auf einer grünen W iese. W enige Schritte von uns entfernt lag der Container. Rosm ere entdeckte ich zunächst nicht. Erst als ich m ich um sah, m achte ich sie auf dem Gipfel eines Hügels aus. Ihr ausgestreckter Arm deutete auf den Container. Ihre Lippen bewegten sich, aber ich konnte ihre W orte nicht hören. Die Seitenwände des Containers klappten nach unten. Das Dach glitt seitlich davon. Mehrere der Patienten sprangen quicklebendig daraus hervor. Einige
von ihnen öffneten die Särge m it den Verstorbenen. Auch diese glitten gewandt und sehr lebendig ins Freie. »Meine Jäger!« hörte ich nun Rosm eres Stimm e laut. Erstaunlich war, daß sie nun Interkosmo sprach. »Gebt den beiden ein paar Minuten Vorsprung. Und dann hetzt sie zu Tode!« »W ir gehorchen«, riefen die schlanken m ännlichen Gestalten in ihren schwarzen Anzügen. Auch sie bedienten sich des Interkosm o. Und in ihren Händen tauchten j etzt plötzlich schwere W affen auf. »W as hat das zu bedeuten?« Tyari war starr geworden. »Ich m erke nur«, ant wortete ich, »daß wir dieser Rosm ere ge waltig auf den Leim gegangen sind. Es ist besser, wenn wir uns in Sicherheit bringen.« Ein Gleiter zischte heran. Rosm ere schwang sich lachend hinein und jagte davon. Sekunden später war sie aus m einen Blicken entschwunden. Ich nahm Tyaris Hand und rannte einen Abhang hinunter in ein schier unendliches Blütenm eer. Gleichzeitig versuchte ich, die MJAILAM über Funk zu rufen. W ie ich es erwartet hatte, so geschah es. Ich bekam keine Verbindung. Als die ersten Feuerstrahlen über uns hinwegheulten, wußte ich endgültig, daß die Lage höllisch ernst war. W ir rannten weiter, wobei ich nach einer Deckung suchte. »Das TR-Fragm ent oder das SA-Fragm ent«, rief ich Tvari zu. »Das steckt hinter Rosm ere.« »Oder beide«, m einte sie. Beide, verm utete auch der Extrasinn. W ir gerieten in höhere Pflanzen, so daß die Verfolger, uns m it Sicherheit nicht sehen konnten. Da der Untergrund hier fest war, hinterließen wir auch kaum Spuren. Ich wechselte die Richtung um neunzig Grad, als seitlich ein kleines Felsm assiv auftauchte. W ir um rundeten es so, daß wir uns auch hier der Sicht von Rosm eres Jägern entziehen konnten. Als wir den Gipfel erreicht hatten, spähte ich vorsich tig nach unten. Die sch warzen Gestalten hatten in der
Tat unsere Spur verloren, denn sie waren in alle Richtungen ausgeschwärm t. Sicher war es nur eine Frage der Zeit, bis sie uns wieder entdeckten. Aber zunächst einm al hatten wir eine kleine Verschnaufpause. W ir hockten uns zwischen die Felsen. Ich konnte dabei die Landschaft unterhalb von m ir im Auge behalten und rechtzeitig erkennen, wenn sich die Jäger uns näherten. »Ich verstehe das alles nicht«, jamm erte Tyari. In diesem Augenblick erkannte ich den ersten Zusammenhang. Die Visionen! Ikardem war Kausnit! Und Rosm ere war W eidenscharf! Die Bilder wurden noch deutlicher. In Chybrains erster Vision zu diesem Erlebnis, die schon einige W ochen zurücklag, hatten Tyari und ich die gleiche Verfolgung erlebt. Und in dieser Vision war der Nam e der Anführerin Rosm ere gewesen. Und nicht W eidenscharf! Rosm eres W orte sah ich nun in einem ganz anderen Sinn. W enn sie von der • W elt der Heilung gesprochen hatte, dann hatte sie ihre Heilung gemeint! Die Paralle len zu den W orten der früheren Fragment wesen waren überdeutlich. Aber ich hatte sie nicht erkannt. Und wenn sie gem eint hatte, daß eine Landung der MJAILAM eine Katastrophe bedeuten würde, dann hatte sie an eine Katastrophe für sich gedacht! W ie geschickt sie es eingefädelt hatte, daß die MJAILAM zurückblieb und niem and an Bord etwas Schlim mes ahnte! Ich war ziem lich sicher, daß sie m it nachgeahm ten Funksprüchen auch Joscan Hellm ut und die Solaner beruhigte. Es war von einer dritten Vision die Rede, erinnerte m ich der Extrasinn. Ich erkenne dunkel, daß damals auch Chybrain dir drei Teile der visionären Erlebnisse auf Kausnit vermitt elt hatt e. Ich erkenne aber den Inhalt nicht. Auch m ir gelang es nicht.
»Ich werde den dritten Teil hier erleben«, antwortete ich dem Extrasinn lautlos. Irgendein unbestimmtes Gefühl hielt m ich davon ab, m it Tyari über diese Erkenntnisse zu sprechen. »Sie nahen«, warnte sie m ich. W ir setzten unsere Flucht fort. Fünfzig Stunden später war ich um einige Erfahrungen reicher. Die beiden ersten Teile m einer Kausnit-Visionen hatten sich weitgehend erfüllt. Die Abweichungen zur Realität bestanden nur in Kleinigkeiten und darin, daß diese m ir ein viel bewußteres Denken erlaubte. In den Visionen hatte ich nichts von den Fragm entwesen gewußt und auch meine eigentliche Gegnerin – Rosm ere oder W eidenscharf – nicht richtig gekannt. Das war jetzt anders. Daneben hatten wir m ehrere Kam pfund Verfolgungsphasen erlebt, die ich nicht aus den Visionen kannte. Die W irklichkeit verlief auch insofern anders ab, als sich jetzt alles zu einem geschlossenen Bild form te. Als der dritte Teil der Visionen begann, erkannte ich dies in der W irklichkeit. Ich war aber nicht in der Lage, etwas vorherzusehen. Erst wenn etwas geschehen war, wurde die verschüttete Erinnerung frei. Die Überein stimm ungen waren aber auch jetzt nicht absolut voll ständig. Hoch über uns sch webte irgendwo der Gleiter Rosm eres. »W ir leben noch«, stellte ich fest. »Erstaunlich, nicht wahr?« »Sie hat es auf meinen Tod abgesehen«, m urm elte Tyari. »Unsinn, auf unseren Tod!« sagte ich betont. W ir hasteten weiter, seit drei Tagen auf der Flucht. Ver wundete und tote Jäger m arkierten unseren W eg. Hinter uns, hoch über unseren Köpfen, klapperten und polterten zuerst kleine, dann größere Steine, und schließlich hagelte eine staubende Lawine genau an der Stelle herunter, an der sich eben noch Tyari
befunden hatte. Ich ließ m ich zurückfallen, zielte und schoß auf den Jäger, dessen Oberkörper zwischen zwei Steinzinnen in die Höhe gerissen wurde und dann schwer nach vorn fiel. Ein System enger Steinböden nahm uns auf. W ir hasteten auf wärts und sahen schon eine freie Fläche, die sich hinter einem unregelm äßigen Steinwall verbarg. Als wir das Rund vor uns erreichten, blieben wir im Schutz eines Durchlasses stehen. Tyari sicherte nach hinten. Ich drehte m einen Kopf in unsere Fluchtrichtung. Im gleichen Augenblick sprang dort, wohin wir rennen wollten, ein Jäger wild feuernd zwischen den Basaltsäulen hervor. Ich traf ihn m it dem zweiten Schuß, nach dem ich m ich blitzschnell zu Boden ge worfen hatte. Das Summ en des Gleiters wurde wieder lauter. Meine Augen suchten den Himm el ab. Das Summ en kam näher. »W ir haben es fast geschafft. In wenigen Stunden liegt alles hinter uns«, sagte ich und m usterte jede Handbreit der Felsen, die in den unglaublichsten Form en diese Fläche um grenzten. Nichts bewegte sich jetzt. Nur der heiße W ind, der nach Sum pf und Dschungel roch und nach dem betäubenden Blutenstaub, winselte in kurzen Stößen. Unser Herzschlag und die Atem geräusche waren das Lauteste ringsum . »Ich zuerst«, flüsterte ich und deutete auf die ander e Seite. »Jeder sichert den anderen. Etwa siebzig große Schritte. Das schaffen wir.« »Verstanden. Mach schnell!« Ich hob die W affe, kontrollierte die Ladeanzeige, holte tief Luft und warf m ich vorwärts. Ich raste m it riesigen Sprüngen im Zickzack über den freien Platz und landete m it dem letzten Sprung im einzigen sichtbaren Durchlaß. Zu m einen Füßen lag die Leiche des getroffenen Jägers. W ir besaßen nur noch wenige W affen. Alles ander e
hatten wir verloren. Und wir starben fast vor Durst. Ich warf einen langen Blick auf die steinernen Stufen und winkte dann Tyari. Sie rannte, sprang und schlug ebenso Haken wie ich. Als sie noch zwei Schritte von m ir entfernt war, schwang sich der Gleiter m it Rosm ere lautlos über die Felsbarriere. Das Abbild des Fragm entwesens stand federnd darin, eine klobige W affe im Anschlag. Der Gleiter hielt in der Luft an. Rosm ere schoß einen Meter neben m ir in die Felsen. Ich versuchte sofort, weiter nach links auszuweichen, um freies Schußfeld zu haben. Ich spürte, daß dieser eigentlich sinnlose Kam pf jetzt eine Entscheidung fin den würde. Tyaris Augen erfaßten die Feindin. W ährend sie zur Seite sprang, wirbelte sie gleichzeitig herum . Dann feuerten wir gem einsam . Ich traf den Gleiter am Bug, aber die W irkung war gering. Tyari verfehlte den Oberkörper Rosm eres nur um zwei Handbreit. Dann deutete der Projektor der Rothaarigen genau auf m ich. Tyari stürzte in m eine Richtung. W arum sie das tat, konnte ich nicht erkennen. Im selben Augenblick feuerte das Fragment wesen. Tyari hatte sich vor m ich geworfen. Ob zufällig oder bewußt, war unwi chtig. Ich würde es sowieso nie erfahren. Sie wurde gegen m ich geschleudert. Ihr Arm fiel sch wer herunter. Der Kolben ihrer W affe krachte auf m eine Handgelenke und prellte m eine W affen aus den schm erzenden Fingern. In ihren Augen glänzte ein letzter und verzweifelter Lebens wille. »Sie wollte m ich, Atlan«, hauchte Tyari und glitt langsam an m einem Körper herunter. Ich hielt sie geistesab wesend fest und hörte das laute, trium phierende Lachen Rosm eres. Ihre Stimm e hallte über die Fläche: »Das ist es, was ich wollte. Ich wollte Tyari töten. Du kannst zunächst weiterleben, denn dich brauche ich
noch.« Ich war völlig gelähm t. Ich sah untätig zu, wie sie sich in den Gleitersitz fallen ließ, die Maschine wendete und davonjagte. Tyari war tot. Ich kam erst wieder zu m ir, als ich merkte, daß die Parallelität zur verschütteten Vision hier endete. »Rache! „ stieß ich hervor und riß die beiden zu Boden gefallenen W affen hoch. Noch war ihr Gleiter in Schußweite. Meine Hände waren ganz ruhig, auch wenn sie höllisch schm erzten. Die Eiseskälte, die m ein Her z und m eine Sinne um klamm erte, übertrug sich auf m einen W illen, die Hände und die W affen. Ich traf m it beiden Feuerstößen das Heck des Gleiters. Eine Explosion wurde ausgelöst. Das Gefährt geriet ins Trudeln, aber Rosm ere bekam es wieder unter Kontrolle. Ich ging sowieso davon aus, daß es sich nicht um einen wirklichen Gleiter handelte, sondern um etwas, das das TR-Fragm ent oder das SAFragm ent erzeugt hatte. Sie kehrte zurück und landete wenige Schritte von m ir entfernt. Der Gleiter löste sich auf. Er verform te sich zu einer zweiten Rosm ere. Ich rief wieder die MJAILAM, aber niem and ant wortete. Die beiden Frauen kam en auf m ich zu. »Du kannst uns nicht töten, Atlan«, sprachen sie gleichzeitig. Ihre Augen funkelten böse. »Hier siehst du uns, Rosm ere und W eidenscharf, TR und SA. Du hast es gewagt, uns anzugreifen. Auch dafür wirst du bestraft! Oder kannst du die Schlüsselfrage beantworten?« Gegen die schweren W affen, die sich in ihren Händen bildeten, hatte ich keine Chance. »W artet!« Ich ließ m eine W affen fallen, denn in diesem Mom ent, in dem ich Tyari verloren hatte und selbst dem Tod ins Auge blickte, packte die zweite Erkenntnis nach m ir. »Ihr braucht m ich nicht zu töten, denn ich kann euch sagen, wer ihr seid.«
Die Reaktion war verblüffend. Die W affen verschwan den. Der böse Blick in ihren Augen wich gespannter Neugier. Ich schritt über Tyaris Leiche auf die beiden scheinbaren Frauen zu, ich hätte es frührer m erken m üssen«, gab ich zu. »JA, PE, ER, TR, SA, LA, PA, W O, KA, und TA, all das sind Nam ensfragm ente der ehem aligen zehn Zähler der Nam enlosen Zone, die die zehn Relativeinheiten überwachen sollten, für die AntiES von den Kosmokraten verbannt worden war. Ihr Fragm ente m üßt die Reste dieser Zähler sein. Oder der Rest der Manifeste, zu denen euch Anti-ES umfunktionierte. Ihr beide seid folglich Trem t-Zount und Sank-Zount. Und in euch steckt noch etwas der Manifeste Trem trin und Sankrin. Eure Artgenossen waren Janv-Zount oder Janvrin, Perv-Zount oder Pervrin, Erf-Zount oder Erfrin, Lasse-Zount oder…« Ich brach ab, denn die beiden Gestalten sanken zu . Boden, ohne eine Spur zu hinterlassen. An den Stellen, an denen sie gestanden waren, glänzten silbrig zwei Nickelsprossen. Als ich jetzt die MJAILAM rief, antwortete m ir ein fröhlicher Joscan Hellm ut: »Nett von euch, daß ihr euch wieder einm al m eldet. W ie sieht es da unten aus?« »Schlimm «, antwortete ich m att. »Sehr schlimm , Joscan. Tyari ist tot. Peilt m ich bitte an und holt m ich hier ab.« EPILOG Ich saß allein in m einer Kabine auf der MJAILAM und starrte die neun Nickelsprossen an, die vor m ir auf dem Tisch lagen. Eine fehlte noch, die des ehem aligen Zählers Pay-Zount oder des Manifests Payrin. Die Traurigkeit über den Verlust der geliebten Frau beherrschte m ich auch jetzt noch. Aber m ein Leben ging weiter. Varnhagher-Ghynnst wartete auf m ich. Und vielleicht, so versuchte ich in m einen Gedanken einen schwachen Trost zu finden, hätte Tyari dort nicht an m einer Seite bleiben können. Mit einem Ohr verfolgte ich die Geschehnisse, die sich in der Komm andozentrale abspielten. Joscan
Hellm ut hatte endlich Kontakt zur SOL bekomm en. Die MJAILAM steuerte jetzt den dam als verabredeten Treffpunkt außerhalb von VP-515 an. Und die SOL kam uns entgegen. Bis zum Zusamm entreffen würden noch einige Stunden vergehen. Breckcrown Hayes bestätigte die Zeit von rund einem Jahr, die vergangen war, seit wir uns getrennt hatten. Alle Suchaktionen der Solaner waren erfolglos geblieben, aber die Hoffnung, die MJAILAM wiederzufinden, hatten die treuen Burschen um den High Sideryt nie aufgegeben. Der Grund dafür war ein seltsamer alter Mann gewesen, der von Zeit zu Zeit auf der SOL erschienen war und versichert hatte, daß die MJAILAM noch existieren würde. Die Solaner hatten angenomm en, daß es sich dabei um einen Gesandten der heim atlichen Superintelligenz ES gehandelt hatte. Aus der Beschreibung des Alten erkannte ich aber sofort, daß das nicht stimmte, denn diese paßte genau auf das PAFragm ent. Später würde Zeit sein, diesen Irrtum aufzuklären. Jetzt verspürte ich keine Lust dazu. Ich wollte nur Ruhe, um Tyari zu vergessen. Ich ließ einen Roboter komm en, der alles aus der Kabine entfernen mußte, was m ich an sie erinnerte. Als das geschehen war, war ich wieder allein m it m einen Gedanken. Manches aus den Erlebnissen sah ich jetzt anders. Es ließ sich nicht leugnen, daß ich der eigentliche Verursacher für das Verschwinden der Nam enlosen Zone war. Diese m ußte eine Art Heim at für die Fragm ente der sicher früher einm al mächtigen W esen der Zounts oder Zähler ge wesen sein. Ich konnte den Zorn dieser Unbegreiflichen irgendwie sogar verstehen. Durch Anti-ES war ihnen übel m itgespielt worden. Und an dessen Verbannung in die Nam enlose Zone war ich zum indest m itschuldig, wenngleich ich m ir sagte, daß Perry Rhodan oder AntiES selbst die eigentlichen Verursacher waren. Aber Perry Rhodan waren die Zounts nie begegnet.
»Es ist noch viel schlimm er.« Das PA-Fragm ent in der Gestalt eines alten Mannes stand vor m ir. »Uns allen ist in der fernen Vergangenheit noch viel übler m itgespielt worden. Zugegeben, daß wir auch vieles falsch gem acht haben und daß einige von uns m it ihrem geistigen, psionischen oder technischen Potential Macht aufbauen wollten. Die Strafe der Kosm okraten hat uns in der fernen Vergangenheit getroffen, und wir landeten in der Namenlosen Zone, um fortan den Hohen Mächten von jenseits der Materiequellen direkt zu dienen. Du weißt selbst, Atlan, zu welchem Mißbrauc h es dann durch den Verbannten, durch Anti-ES, kam . Es wird schwer für dich sein, das alles zu vergessen und zu verstehen. W ir Zounts sind eine gänzlich andere Lebensform ge wesen. Und unser Tod verlangte nac h gewissen Ritualen, von denen du einiges aus dem Gebaren m einer Brüder und Sch western hast erfahren können. Dennoch gebührt dir unser Dank, den ich als letzter nur allein aussprechen kann. Unsere Sym bolik wird dich noch zu m ancher Erkenntnis führen, die dir auf deinem weiteren W eg helfen kann. Alles wirst du sicher nie verstehen. Leb wohl, Atlan!« Ich wollte nichts fragen, und ich wollte nicht reagieren. Es war m ir auch egal, ob Chybrain wirklich die Fragm ente der Zähler auf m ich gehetzt hatte oder nicht. Das PA-Fragm ent wurde durchscheinend. Aus dem braunen Nebel, der sich für kurze Zeit bildete, form te sich die letzte der zehn Sprossen, Sie behielt aber ihre rotgrüne Farbe der Jenseitsm aterie. Mitten in m einer Kabine entstand so etwas wie ein Loch im Nichts. Ich blickte in einen unbegreiflichen und unbeschreiblichen Kosm os aus bunten Farben und ver wirrenden Lichterspielen. Zwei gut eineinhalb Meter lange Stangen schoben sich aus der anderen Dim ension auf m ich zu. Ich sah die zehn Auskerbungen auf den Innenseiten. Die neun anderen Nickelsprossen glühten in den Farben der Jenseitsm aterie auf. Sie glitten m it der Sprosse PayZounts zwischen die beiden Stangen und form ierten
sich zu einer leuchtenden Leiter. Aus dem um gebenden Nichts schälte sich ein Sarg von gleicher Farbe und Substanz, in den die Leiter glitt. Der Deckel schloß sich, und das ganze Gebilde versch wand in der anderen Dim ension. Ein glückliches W ispern drang in m eine Sinne. Zum Schluß verschwand das Loch im Nichts. Ich war wieder allein. »Auf, Arkonide!« sagte ich zu m ir, denn ich wußte, daß der lange W eg der SOL noch nicht zu Ende war. ENDE