Paralax Elements 08.09.02
Raumschiff Neptun (1)- Der verzauberte Planet von Clark Darlton
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Paralax Elements 08.09.02
Raumschiff Neptun (1)- Der verzauberte Planet von Clark Darlton
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1 Als im Jahr 2020 der Gravital-Antrieb erfunden wurde, begann die Pionierzeit der echten interstellaren Raumfahrt. Nun ging es nicht nur mehr darum, zu den ohnehin wenig ertragreichen Planeten des eigenen Sonnensystems zu fliegen, sondern die Trabanten anderer Sterne zu entdecken und auf ihnen zu landen. Eugen Tarrot war fünfundzwanzig Jahre alt, als das erste Versuchsschiff die gefürchtete Lichtbarriere durchbrach und nach zwei Wochen heil zur Erde zurückkehrte. Die Kontrollinstrumente bewiesen einwandfrei, daß die beiden Astronauten in diesen vierzehn Tagen eine Strecke von nahezu einem Lichtjahr zurückgelegt hatten. Sie hatten die Sonne als winzigen Stern unter vielen gesehen. Eugen Tarrot konnte sich noch gut an jenen Tag erinnern, der nun fünfzehn Jahre zurücklag. Sein Vater, allmächtiger Boß und Besitzer der internationalen 'Atomic Energy Corporation', kurz AEC genannt, hatte ihn einige Wochen zuvor zum Repräsentanten der Firma für Südamerika ernannt. Seine Pläne für die Zukunft sahen zwar etwas anders aus, aber vorerst war der Wille und Wunsch seines Vaters maßgebend. Die zurückkehrenden Astronauten hatten sich erst kurz vor der Landung über Funk melden können, da sie schneller als die Funkwellen flogen. Ihre unterwegs abgestrahlten Sendungen würden erst Wochen und Monate später eintreffen. Ihr Empfang ging über Video-TV um den ganzen Erdball, und da alle Nationen der Welt an dem Projekt mitgearbeitet hatten, waren Ehre und Erfolg gleichmäßig verteilt. Gene, wie ihn seine Freunde nannten, war an diesem Tag nicht in sein Büro gefahren. Neben dem Swimming-pool saß er in dem bequemen Korbsessel und verfolgte jede Phase der Landung auf dem dreidimensionalen Bildschirm. Sein Bungalow lag außerhalb von Brasilia, der Hauptstadt des Landes, in der er nun lebte. Die beiden Astronauten, Martens und Kosselow, demonstrierten noch vor dem Aussteigen die Wirksamkeit des Antigravitationsfeldes, das Teil des neuen Antriebs war. Scheinbar schwerelos und ohne jedes Gewicht schwebte das Schiff etwa einen Meter über der Betonfläche der Landebahn, ehe es endgültig niederging. Dann erst öffnete sich die Luke. Die Begrüßungszeremonie interessierte Eugen weniger. Er stand auf, um sich aus der Bar etwas zum Trinken zu holen. Am späten Nachmittag erst sollten die technischen Daten des Fluges bekanntgegeben werden. Soweit er zurückdenken konnte, hatte die Raumfahrt ihn begeistert. Sein Vater hatte ihm die alten Filme der ersten Pionierzeit gekauft - die Landung auf dem Mond, dann auf dem Mars. Als er geboren wurde, betrat zum erstenmal ein Mensch den Boden des Saturnmondes Titan. Die anderen folgten, auch die des Jupiter. Sonden brachten Proben von den äußersten Planeten. Leben wurde nur in Form von Sporen und Bakterien gefunden. Der Mensch war allein im Sonnensystem. Selbst der Atomantrieb brachte keinen wesentlichen Fortschritt, aber die Gerüchte wollten nicht verstummen, daß die Weltraumbehörde einer umwälzenden Entdeckung auf der Spur sei. Erste Tatsachen sickerten um die Jahrtausendwende durch, als Eugen gerade fünf Jahre alt war. Als er fünfzehn war, verließ die erste Sonde mit zehnfacher Lichtgeschwindigkeit den Schwerebereich der Sonne. Dann kam der Testflug von Martens und Kosselow. Von nun an nahm die Entwicklung einen ungeahnt stürmischen Verlauf. Bemannte Flüge zum nächsten Sonnensystem folgten, aber die beiden Planeten von Alpha Centauri waren unbewohnt, allerdings besaßen sie eine sich gerade bildende Atmosphäre mit beachtlichen Spuren von Sauerstoff. Copyright 2001 by readersplanet
Mit Meßinstrumenten wurden reiche Lager an wertvollen Rohstoffen festgestellt. Allein die Proben, die von den Raumfahrern mitgebracht wurden, machten den Flug bezahlt. Als um das Jahr 2000 die Erdölquellen nahezu versiegt waren, konnte die Menschheit froh sein, daß es genügend Atomkraftwerke gab. Vorausschauende Männer wie Tarrot senior waren dadurch zu Milliardären geworden, aber auch die Energiekrise gehörte der Vergangenheit an, wenn auch das Problem der sicheren Abladung des Atommülls noch immer nicht restlos gelöst worden war. Die Idee, das Prinzip des Gravital-Antriebs zur Energieerzeugung zu verwenden, kam erst im Jahr 2025 auf. Fünf Jahre später lieferten die ersten Werke dieser Art unzählige Megawatt in allen Teilen der Welt. Die Atomkraftwerke konnten auf den Schrott geworfen werden. Das war ein Schlag, den Eugens Vater nicht verwinden konnte. Er starb kurze Zeit darauf und hinterließ seinem einzigen Sohn sein gesamtes Vermögen, das immerhin noch einige hundert Millionen wert war. Und damit begann das Abenteuer, von dem Eugen Tarrot sein Leben lang geträumt hatte. Der Tacho zeigte 250 Stundenkilometer an, als Eugen Tarrot auf der Schwebestraße von Frankfurt nach London fuhr. Er plante den kurzen Umweg über Paris und warf einen Blick auf das Lademeßgerät der Speicherbatterie. Sie war noch halbvoll. Das würde bis England reichen, dort konnte er sie umtauschen. Durch den transparenten Beton hindurch sah er die Landschaft unter sich. Die Luft war klar und sauber; Dunstglocken über den Städten gab es schon lange nicht mehr. Ein Leuchtzeichen auf der sich abrollenden Karte zeigte, daß er sich Straßburg näherte. Er fuhr auf der mittleren elektronischen Leitspur, rechts blieben langsamere Wagen zurück, links überholten ihn die schnelleren. Bei der nächsten Weiche würde er nach rechts wechseln. Er hatte Zeit. Dann gondelte er mit 150 Sachen dahin, über Straßburg hinweg. Die Strahlengrenzkontrolle hatte ihn ohne anzuhalten passieren lassen. In Sekundenschnelle war seine Identität festgestellt und für in Ordnung befunden worden. Schmuggeln war längst überflüssig geworden. Das Warnsystem im Armaturenbrett signalisierte plötzlich Gefahr, gleichzeitig löste sich die Halterung des Wagens aus der Gleitschiene. Geistesgegenwärtig packte Eugen das sonst überflüssige Lenkrad und steuerte auf den Parkstreifen. Langsam ließ er den Wagen ausrollen und kam fünfzig Meter hinter einem anderen Fahrzeug zu stehen, das noch aus dem vorigen Jahrhundert zu stammen schien, so alt sah es aus. Möglicherweise fuhr es noch mit einem kleinen Atomreaktor. Die Batterie war leer. Ungläubig starrte Eugen auf den Zeiger, der auf Null stand. Und noch vor einer halben Stunde hatte er für mindestens sieben bis acht Stunden Ladung angezeigt. Er schaltete alle Systeme ab und stieg aus. Mit den drei unterschiedlichen Festgeschwindigkeiten rasten die anderen Autos an ihm vorbei. Sie wurden nicht gestoppt, da er keinen Notruf ausgestrahlt hatte. Unter sich sah er Wälder und Dörfer. Das mußte schon Frankreich sein. Obwohl er die Panne mit der Speicherbatterie nicht begriff, machte er sich keine Sorgen. Ein Funksignal genügte, und man würde ihm eine neue bringen. Aus dem Wagen vor ihm stieg ein Mann. Er hatte Mühe, sich durch die Tür zu zwängen, schaffte es aber schließlich doch. Er winkte Eugen zu und setzte sich dann in Bewegung. Seine Glatze schimmerte rosarot im Schein der Mittagssonne, und mehrmals wischte er sich mit einem Taschentuch den Schweiß von der Stirn. »Schöner Tag heute«, sagte er, als er bei Eugen anlangte und dessen Wagen mit bewundernden Blicken streifte. »Feiner Schlitten, scheint aber etwas nicht in Ordnung zu sein.« Eugen nahm die Hand, die sich ihm entgegenstreckte. »Woher wissen Sie das?« Copyright 2001 by readersplanet
»Er sprang aus der Leitschiene, ohne die nächste Weiche abzuwarten.« »Sie sind ein guter Beobachter. In der Tat, das Warnsystem schaltete sich ein. Meine Speicherbatterie ist plötzlich leer geworden. Vor einer halben Stunde war sie noch halbvoll.« Der Fremde war ziemlich korpulent und wirkte etwas tolpatschig. Er ging zweimal um den Wagen herum, bückte sich und inspizierte ihn dann von unten, so gut es seine Beleibtheit zuließ. Als er sich wieder aufrichtete, schwitzte er noch mehr als vorher. »Habe ich mir doch gedacht«, murmelte er zufrieden mit sich selbst. »Ein Blitzkurzer!« »Was ist denn das?« wunderte sich Eugen. Der Dicke grinste breit. »Sie haben wohl nicht viel Ahnung davon, was? Setzen sich einfach in die vollautomatische Mühle und fahren los, stimmt's? Na ja, dachte ich mir schon. Wenn Ihnen jetzt der Notdienst eine neue Batterie brächte und umtauschte, würde Ihnen das nicht viel nützen. Sie wäre in ein paar Minuten wieder leer. Es sei denn, die hätten einen Fachmann dabei.« »Und Sie sind einer?« Der Dicke lächelte geschmeichelt. »Ja, man könnte mich so nennen. Übrigens - ich heiße Patrik O'Brian, bin aus Irland. Lebe aber schon lange hier in der Gegend. « »Eugen Tarrot«, nannte auch Eugen seinen Namen. O'Brian sah ihn aufmerksamer als bisher an. »Etwa der Tarrot?« »Ganz richtig!« Der Ire setzte sich mit einer Hälfte seines massigen Hinterteils auf den Kotflügel des Wagens, der sichtlich in die Knie ging. »Junge, Junge, der Atom-Tarrot! Das hätte ich mir nicht träumen lassen. Wissen Sie, daß ich noch eines von Ihren Reaktordingern fahre?« »Ich dachte es mir. Man wird sie bald verbieten.« »Bis dahin fällt mein Karren auseinander. Ich bin ohnehin erstaunt, daß er mich so lange ausgehalten hat.« Er stand wieder auf, was der Wagen mit einem erleichterten Aufseufzen registrierte. »Ja, da wollen wir uns mal um Ihren Kurzschluß kümmern. Funktioniert die Notbatterie noch, damit wir den Wagenheber einschalten können?« »Ich denke schon, aber geben Sie sich keine Mühe. Ich rufe den Notdienst. « O'Brian wehrte entsetzt ab. »Das dürfen Sie mir nicht antun - schließlich habe ich doch den Fehler entdeckt! Die Batterie ist nämlich noch immer halbvoll, wird jedoch ständig entladen. Das haben wir gleich.« Eugen schaltete den automatischen Wagenheber ein, und noch während die Räder abhoben, schnellte der Anzeiger des Ladegerätes wieder in die Mitte der Skala zurück. O'Brian kroch schnaufend unter das Fahrgestell und verschwand. Eugen konnte nicht sehen, was er da machte, aber sein Gefühl sagte ihm, daß er es mit einem ehrlichen und hilfsbereiten Menschen zu tun hatte, dem er vertrauen durfte. Ein bißchen eitel war er zwar, aber wer war schon ganz ohne Fehler? Nach zwei Minuten erschien der Ire wieder, klopfte sich den Staub von seinem Anzug und grinste fröhlich. »So, fertig! Bei der nächsten Inspektion lassen Sie die Isolierung der Leitschienenverbindung erneuern, das ist alles.« Eugen betätigte den Wagenheber, bis das Auto wieder auf allen vier Rädern stand. Der Zeiger des Ladegerätes rührte sich nicht. Die Batterie war halbvoll. Copyright 2001 by readersplanet
»O'Brian, ich habe zu danken. Sicher haben Sie Zeit verloren, trotzdem möchte ich Sie bitten, in der nächsten Raststätte mein Gast zu sein. Wir können ja auf der rechten Spur fahren, damit Sie nicht zurückbleiben.« O'Brian grinste schon wieder, diesmal aber anders und - wie es schien - ein wenig schmerzlich. »Ich habe Ihnen gern geholfen, und ich würde auch Ihre Einladung annehmen, aber leider geht das nicht.« »Also doch keine Zeit?« fragte Eugen enttäuscht, denn der Ire begann ihm zu gefallen. »Das schon, aber ...«, er deutete in Richtung seines Wagens, ».. . kein Auto. Was Sie da sehen, ist ein Wrack. Der Reaktor hat seinen Geist aufgegeben, und ich habe kein Funkgerät. Ich wollte es Ihnen nicht sofort sagen, und wahrscheinlich hätte ich auch den Mund gehalten, wenn Sie mich nicht eingeladen hätten. So aber kann ich Sie nur bitten, den Abschleppdienst zu informieren. « Eugen mußte unwillkürlich lachen. »Lieber Freund, das ist doch selbstverständlich. Schließlich stammt der Reaktor aus meiner Firma, da bin ich Ihnen einiges schuldig. Holen Sie Ihre persönlichen Dinge aus dem Wagen, und dann fahren Sie mit mir. Ich will nach Paris und London. Und Sie?« »London wäre fein«, sagte O'Brian erfreut. »Warten Sie, ich bin gleich zurück...« Er stapfte zurück zu seinem "Wrack". Eugen sah ihm nach. Patrik O'Brian hatte sich nicht sonderlich davon beeindrucken lassen, plötzlich einem der reichsten Männer der Welt gegenüberzustehen, wenn ihm dieser Zufall auch sehr gelegen kam. Zumindest konnte er damit rechnen, umsonst mit nach London genommen zu werden. Eugen stieg ein und fuhr langsam mit Handsteuerung vor. Unmittelbar hinter O'Brians Wagen hielt er an und wartete, bis der Ire mit einem kleinen Handkoffer erschien. Inzwischen hatte er den Notdienst informiert. Man würde das Museumsstück abholen und verschrotten. Diesmal reihte sich Eugen auf der linken Spur ein. Mit 300 Stundenkilometern ging es Paris entgegen. »Wir bleiben bis morgen in Paris«, sagte Eugen, »wenn Sie einverstanden sind. Die Raststätte können wir vergessen. Sie sind mein Gast.« »Sie sind der Boß. « O'Brian war sofort einverstanden. »Ich versäume nichts.« »Was und wo arbeiten Sie?« Der Ire seufzte, als fiele ihm die Antwort schwer. Schließlich sagte er: »Das ist eigentlich eine lange Geschichte, und ich möchte Sie nicht langweilen. « »Wir sind erst in einer Stunde am Ziel«, erinnerte ihn Eugen. »Na schön, wenn es Sie interessiert, kann ich ja anfangen. Eigentlich bin ich ein Pechvogel, müssen Sie wissen. Daß ich nicht besonders intelligent bin, haben mir meine Eltern schon immer vorgehalten, aber richtig betrachtet habe ich das ja ihnen zu verdanken, wenn man die Mendel'schen Vererbungsgesetze berücksichtigt. Die Schule brachte ich gut hinter mich, obwohl ich die richtigen Antworten bei den Prüfungen mehr ahnte als wußte. Danach schlug ich mich als Mechaniker auf allen möglichen Gebieten durch. Ob Sie es nun glauben oder nicht, aber man hat mich immer wieder übers Ohr gehauen. Alle meine Erfindungen wurden von den Firmen geschluckt, mir gab man lediglich ein Taschengeld dafür. Und ich habe eine Menge Erfindungen gemacht. Kleinigkeiten, zugegeben, aber immerhin recht nützliche.« Er deutete mit dem Daumen nach rückwärts. »Nun wissen Sie auch, warum ich eine schrottreife Mühle fuhr.« »Sie hätten ein Mittel erfinden müssen, das Blech zusammenhält. « O'Brian grinste schmerzlich. »Sie haben gut lachen - als Milliardär.« Copyright 2001 by readersplanet
»Das ist vorbei. Ich bin gerade dabei, meine Geschäftsanteile und damit auch die Werke zu verkaufen. Unter dem Preis, versteht sich. Wer spricht heute noch von Atomenergie? Immerhin konnte ich noch ein paar Millionen flüssig machen. Ich fürchte, ich muß mich nach einem Job umsehen.« Der Ire schnappte nach Luft und wischte sich über die Glatze. »Ein paar Millionen ...? Mann Gottes, wenn ich die hätte, könnte mir jeder Job gestohlen bleiben. Wissen Sie, was ich damit tun würde?« »Keine Ahnung.« »Ich würde mir...ich würde mir eine Raumjacht kaufen. Ja, die werden doch jetzt in Serie hergestellt, sündhaft teuer natürlich, aber für Millionäre erschwinglich. Und dann würde ich...« Er stockte und warf seinem Nachbarn einen erstaunten Blick zu. »Was haben Sie denn?« Eugen lachte und gab den Blick zurück. »Warum ich lache? Weil ich genau das mit meinem restlichen Geld vorhabe. Die Jachten kosten etwa zweihundert Millionen, und die kriege ich vielleicht gerade noch zusammen. Kommt auf die restlichen Aktienverkäufe in Europa und Amerika an. Ich hoffe, ich schaffe es.« O'Brian hatte es die Sprache verschlagen. Minutenlang hockte er neben Eugen und starrte nach vorn auf die Fahrbahn. In der Ferne tauchte Paris auf. Der Wagen wechselte automatisch auf die mittlere und dann auf die rechte Spur, um dann auf die Abfahrt zu gleiten. Die Leitzentrale der Motropole übernahm die Steuerung des Wagens, nachdem Eugen das Fahrtziel signalisiert hatte. Die Autos fuhren fast Stoßstange an Stoßstange, ohne sich je zu berühren. »Was wollen Sie denn mit einem Raumschiff?« brachte O'Brian schließlich hervor, als der Wagen ausscherte und vor dem Hotel anhielt. Ein Klicken verriet, daß die Fernkontrolle abgeschaltet wurde. »Wollen Sie etwa ...?« »Wir unterhalten uns später darüber. Vergessen Sie Ihren Koffer nicht. « Während sie ihre Zimmer buchten, wurde der Wagen vom Hoteldienst in die Tiefgarage gesteuert. »Wir sehen uns in einer Stunde beim Essen«, sagte Eugen zu seinem neuen Bekannten. »In der Bar treffen wir uns ...« Sie saßen satt und zufrieden an einem kleinen Tisch in der Bar. Der Raum war nur schwach erleuchtet, und es herrschte eine gemütliche Atmosphäre. Während des Essens hatten die beiden Männer kaum gesprochen. Die Unterhaltung drehte sich nur um belanglose Dinge, aber jeder wußte, daß man sich später noch eine Menge zu sagen haben würde. Die Andeutungen hatten genügt. »Raumjachten werden von fast allen Nationen zu Forschungszwecken gekauft«, informierte Eugen den anscheinend ahnungslosen Iren. »Privatleute haben zu wenig Geld dafür, Staatskassen nicht. Aber es wird nicht nur Forschung betrieben. Sie müssen die Zeit, die gerade angebrochen ist, mit jener der ersten Entdeckerfahrten im Mittelalter vergleichen. Mutige Männer brachen auf, um die weißen Flecke von der Landkarte der Erde zu tilgen. Oder denken Sie an die Geschehnisse nach der Entdeckung Amerikas. Ein ganzer unbekannter Kontinent lag vor den Eroberern. Es waren echte Pionierzeiten - so wie heute.« »Heute? Wieso?« »Unser Sonnensystem ist erforscht, Pat, das wissen Sie. Der Gravital-Antrieb ermöglicht es uns nun, in den interstellaren Raum vorzudringen. Vor uns liegt mehr als nur ein Kontinent. Vor uns liegt die Unendlichkeit. Die modernsten Jachten können in zehn Flugtagen ein volles Lichtjahr zurücklegen, und durch ein raffiniert ausgeklügeltes Ausgleichssystem wird die Zeitdilatation neutralisiert und somit unwirksam.« Copyright 2001 by readersplanet
»Davon hörte ich schon ...« »Rein theoretisch rutschen wir beim Übergang zur Überlichtgeschwindigkeit natürlich ein Stück in die Zukunft, aber wir merken es nicht, weil kein Bezugspunkt vorhanden ist. Sobald das Schiff jedoch mit Überlicht fliegt, läuft die Zeit außerhalb wieder zurück, und zwar genau um die Spanne, die sie vorher vorsprang. So ist alles kompensiert und bleibt beim alten.« »Das verstehe ich nicht ganz.« »Ich auch nicht, aber es ist so. Jedenfalls haben schon mehrere Dutzend Schiffe unser Sonnensystem im Auftrag ihrer Regierungen verlassen. Und ich habe in Erfahrung gebracht, daß insgesamt drei Privatjachten ins Unbekannte aufgebrochen sind. Mein Schiff wird das vierte sein.« Pat lehnte sich in den Sessel zurück. Er begann wieder zu schwitzen, obwohl es in der Bar nicht besonders warm war. »Haben Sie denn einen Pilotenschein für Raumschiffe, Gene?« Eugen lächelte und nickte. »Bei meinen früheren Beziehungen war das einfach, nur durfte mein Vater, der damals noch lebte, nichts davon wissen. Es war nicht so schwierig, denn das Schiff wird vollautomatisch gesteuert und von einem Computer kontrolliert. Wenn man sich gut mit diesem Rechenkünstler versteht, ist alles andere kein Problem mehr.« »Und was wollen Sie dort oben?« Pat deutete gegen die Decke, als sähe er schon die Sterne der Milchstraße über sich funkeln. »Ich meine, nur so aus Abenteuerlust riskiert man doch nicht sein Leben.« »Geld verdienen, Pat. Können Sie sich vorstellen, was es dort zu holen gibt? Unbekannte Welten, die noch nie ein Mensch gesehen oder gar betreten hat. Ich werde meine Jacht in ein kleines Labor verwandeln und zusätzliche Lagerräume statt der Kabinen einbauen lassen. Was glauben Sie, was ich alles mitbringen werde ...?« Pat rutschte unruhig auf seinem Sessel hin und her. Ihm lag eine Frage auf der Zunge, aber er sprach sie nicht aus. Eugen begann sich zu amüsieren. »Natürlich fliege ich nicht allein. Theoretisch könnte ich das schon, denn das Schiff wird vollautomatisch gesteuert, wie ich schon erwähnte. Aber ich glaube doch, daß es besser sein wird, einen zuverlässigen Begleiter mitzunehmen.« Er fixierte Pat mit fragenden Blicken. »Nun, was meinen Sie dazu?« Patrik O'Brian war sich darüber im klaren, daß er vor der größten und wichtigsten Entscheidung seines Lebens stand. Die Frage seines neuen Freundes war eindeutig. Er hatte nicht viel zu verlieren, und so eine Chance bot sich einem Pechvogel wie ihm nur einmal im Leben. Vorsichtig sagte er: »Sie sollten wirklich nicht allein fliegen, Gene. Haben Sie schon jemand, der mit Ihnen kommt?« Gene leerte sein Glas und gab dem Mixer einen Wink. »Sie sind ein schlechter Schauspieler, Pat. Also, was ist? Haben Sie Lust? Ich kenne viele Freunde, aber keinen, der einem armgewordenen Milliardär selbstlos geholfen hätte. Sind Sie verheiratet?« »Ich hatte eine Frau, sie ist gestorben.« Seine Augen wurden plötzlich größer. »Meinen Sie das im Ernst, Gene? Sie wollen mich mitnehmen, obwohl wir uns kaum kennen?« »Die paar Stunden genügen. Ich glaube, Sie sind der richtige Mann für mich, praktisch veranlagt, zuverlässig, ehrlich. Sie werden manchmal fest zupacken müssen, und niemand kann wissen, was dort in den unbekannten Regionen auf uns wartet. Mein ganzes Geld wird für das Schiff draufgehen, aber was immer wir auch finden, wir teilen es. Sind Sie damit einverstanden?« Pat wartete, bis die gefüllten Gläser gebracht wurden. Er hob das seine. »Einverstanden? Und wenn Sie alles für sich behalten würden, wäre ich einverstanden, schließlich gehört das Schiff Ihnen.« Copyright 2001 by readersplanet
»Wir teilen!« wiederholte Gene energisch und stieß mit ihm an. »Von jetzt an sind wir Partner.« Sie tranken. »Nur - ich glaube das alles noch nicht so richtig«, murmelte Pat unsicher, als er sein Glas auf den Tisch zurückstellte. »Es ist wie ein Märchen, so unwahrscheinlich und so schnell über mich hereingebrochen. Ich bin doch nur ein ganz gewöhnlicher Mechaniker, Sie sind reich und mächtig. Warum gerade ich?« Gene lächelte nachsichtig. »Sie haben mir heute einen guten Tip gegeben, als ich mit dem Wagen hängenblieb, einen technischen Tip. Es könnte gut sein, daß ich auf dem Flug wieder einen brauche. In der Theorie kenne ich mich bestens aus, aber die Praxis...« »Also gut, wir werden uns ergänzen«, Patrik setzte sich sehr gerade hin. »Trinken wir auf unsere Partnerschaft!« »Auf daß Freundschaft aus ihr werde! « fügte Gene hinzu. Von London aus flog Gene mit dem Strato-Jet nach Amerika, um den Kauf der Raumjacht perfekt zu machen. Pat blieb in England, um noch einige private Dinge zu regeln und seinen Job zu kündigen. Ein Telegramm würde ihn unterrichten, wann er nachkommen sollte. In seiner Brieftasche befanden sich seit Paris einige Tausender. Die Jacht, schon seit einiger Zeit auf den Namen Tarrot bestellt, konnte in zwei Wochen geliefert werden. Gene sorgte dafür, daß sie in der Werft blieb, damit die gewünschten Umbauten vorgenommen werden konnten. Dazu benötigte er Pats Rat und Hilfe. Die vierzehn verbleibenden Tage nutzte er dazu, die restlichen Aktien und seine Liegenschaften zu verkaufen. Er behielt nur noch seine Blockhütte in Kanada, die ihm immer ein Refugium sein würde, wenn alles schiefging. Notfalls bot sie auch Platz für zwei Personen. Dann, am verabredeten Tag, stand er zusammen mit Pat vor der Jacht. Sie sah aus wie ein flacher Pilz mit einem dicken, kurzen Fuß. Der Durchmesser des Hutes betrug dreißig Meter, seine Höhe etwas mehr als sechs. Beim Fuß, der den Antrieb barg, waren die entsprechenden Maße zwanzig und dreieinhalb Meter. Das ganze Gebilde mochte auf den vier Landestützen knapp zwanzig Meter hoch sein. Oben auf dem Hut saß in der Mitte die transparente Kontrollkuppel, die einen freien Blick nach allen Seiten gestattete. »Sieht aus wie die Dinger, die vor einem halben Jahrhundert die Leute so aufregten«, stellte Pat fest. »Können wir rein?« Gene grinste. »Das Schiff gehört uns!« sagte er stolz. Pat begann sofort damit, Verbesserungsvorschläge für den unteren Teil vorzubringen, in dem die Vorräte, Ersatzteile und die erhoffte Fracht untergebracht werden sollten. Trotz seiner Korpulenz turnte er mit erstaunlicher Geschicklichkeit in die letzten Ecken der Jacht, bis er sie wie seine Westentasche kannte. Der Plan des Werkes kam ihm dabei sehr zustatten. Bereits am folgenden Tag begannen die Techniker mit ihrer Arbeit, von Pat tatkräftig unterstützt. Gene holte inzwischen die Startgenehmigung bei der WSA (World Space Administration) ein. Sein Antrag lag dort schon seit Monaten und war genehmigt worden. Auch hier wirkte noch der Name Tarrot. Der erste Testflug fand zwölf Tage später statt. Ein erfahrener Pilot und Techniker überwachte den Transport der Jacht zum Startplatz. Der flache Wagen bewegte sich nur langsam aus der Halle heraus. Auf dem silbernen Leib des Schiffes hoben sich die sechs Buchstaben groß und deutlich ab: NEPTUN. Copyright 2001 by readersplanet
Die runde Kommandozentrale bot den drei Männern genügend Platz, obwohl vor den Kontrollen nur zwei Kontursessel standen. Pat setzte sich auf die breite Couch auf der anderen Seite. Sein Gesicht verriet äußerste Spannung und Konzentration. Er wußte, daß sich seit jenen ersten Versuchen vor achtzig Jahren viel verändert hatte und ein Raumflug inzwischen kaum mehr bedeutete als eine Fahrt mit dem Auto. Allerdings auch erst, seit es den Gravital-Antrieb gab. Der Pilot erklärte fast eine Stunde lang sämtliche Kontrollvorgänge, die Wirkungsweise der Instrumente und die Bedeutung der einzelnen Meßgeräte. Dann schloß er: »Das ist eigentlich alles. Im Notfall haben Sie die Bedienungsanleitung. Überall sind Sicherheitsschaltungen eingebaut, die jeden Unfall so gut wie ausschließen. Und Sie haben 'Sweety', den eigentlichen Piloten der Jacht. Sie können den Computer auch anders taufen, wenn Sie wollen...« »Ich finde Sweety ganz hübsch«, ließ sich Pat vernehmen. »Der Name erinnert mich an ein Mädchen, das ich einmal kannte.« » Er paßt auch gut«, sagte der Testpilot. »Wir haben dem Computer eine weibliche Stimme gegeben. Für den kurzen Flug heute brauchen wir seine Dienste allerdings nicht.« »Ihre Dienste!« berichtigte Gene amüsiert. »Meine?« wunderte sich der Pilot, dann begriff er und lachte. »Also schön, wenn Sie Sweety aktivieren wollen, dann brauchen Sie nur diesen kleinen Kasten an der Seite zu öffnen. Er enthält sämtliche Kontrollen. Auch für die Datenspeicherung. « Er sah auf die Instrumente. »Wir starten jetzt. Um Gravitalgeschwindigkeit fliegen zu können, wird vertikal zur Ekliptik gestartet, also senkrecht zur Ebene der Planetenbahnen ungefähr. Innerhalb des Systems ist Unterlichtgeschwindigkeit Gesetz. Aber das wissen Sie ja schon alles.« Gene beobachtete jede Handbewegung des Piloten und stellte fest, daß er jeden einzelnen Griff von seinen Übungen her noch kannte. Der Simulator war ein exaktes Ebenbild der Kontrollkuppel. Ohne jede Erschütterung hob die NEPTUN vom Boden ab und begann schnell zu steigen. Die Männer spürten keinen Andruck, als das Werksgelände und dann die es umgebende Landschaft regelrecht in eine bodenlose Tiefe stürzte. Der Ozean kam in Sicht, dann rundete sich der Horizont, während der Himmel dunkelblau, dann violett und schließlich schwarz wurde. Die Sterne kamen zum Vorschein. Eine sich automatisch verschiebende Dunkelblende stand immer so, daß sie die Sonne verdeckte. Die Klimaanlage regulierte Temperatur und Luftzufuhr im ganzen Schiff. Als Erde und Mond nur noch winzige Kugeln waren, sagte der Pilot »Wir gehen in wenigen Minuten für einige Zeit auf Gravitalgeschwindigkeit. Um genau zu sein: eine Stunde. Achten Sie auf den Augenblick, in dem sich die Sonnenblende schließt.« »Und wann geschieht das?« wollte Gene wissen. »Genau dann, wenn wir eine Entfernung von der Sonne erreichen, die dem Radius unseres Systems entspricht, also knapp sechs Milliarden Kilometer - die Entfernung von der Sonne zum Pluto.« Der Übergang zur Lichtgeschwindigkeit vollzog sich nahezu unbemerkt. Die NEPTUN glitt in eins der zahllosen Energiefelder, die Planeten, Sonnen und sogar - wie man jetzt annahm Galaxien miteinander verbanden, und beschleunigte mit unvorstellbaren Werten. Pat sah, daß die Erde in Sekunden zu einem winzigen Stecknadelkopf wurde - und dann verschwand. Nach etwa acht Minuten wurde die Sonnenblende transparent. Die Sonne war zu einem hellen Stern geworden, der allmählich kleiner wurde. Gene warf nur einen kurzen Blick zurück, dann widmete er sich wieder den Instrumenten. Die Männer sprachen nicht mehr. Was sie erlebten, wäre noch vor einigen Jahrzehnten ein verrückter Traum gewesen, dessen Realisierung jeder wissenschaftlichen Erkenntnis widersprochen hätte. Aber waren es nicht auch gerade Wissenschaftler gewesen, die einst behauptet hatten, der Mensch hielte keine höhere Geschwindigkeit als dreißig Stundenkilometer aus? Hatten sie nicht auch gesagt, nichts könne fliegen, das schwerer sei als Luft? Hatten sie nicht Hunderte von Thesen aufgestellt, die später alle verworfen werden mußten? Copyright 2001 by readersplanet
Nach einer Stunde sagte der Testpilot: »Wir haben jetzt 38 Milliarden Kilometer zurückgelegt. Das Licht würde für diese Strecke mehr als anderthalb Tage benötigen. Wir kehren um.« Als sie wieder landeten, waren die Uhren des Werkes etwas mehr als 150 Minuten weitergegangen... Sie saßen im Hotel auf Genes Zimmer. Es war schwer zu glauben, daß sie an diesem Tag eine Entfernung hinter sich gebracht hatten, für die noch vor sechzig Jahren die Sonden der Amerikaner und Russen viele Jahrzehnte unterwegs waren. Es konnte sehr gut sein, daß sie während ihres kurzen Testfluges eine überholt hatten, die vor sechzig Jahren gestartet worden war. »Morgen verlassen wir die Erde«, sagte Gene und ließ den Korken der Flasche Champagner gegen die Decke knallen, eine Seltenheit, denn es gab kaum noch Flaschen mit richtigen Korken. Er schenkte ein. »Trinken wir auf Ross 248!« Pat nahm sein Glas. »Ein Rennpferd? Warum denn das?« Gene seufzte. »Mit dem Schraubenschlüssel kannst du ja umgehen, aber von Astronomie hast du keine Ahnung. Ross 248 ist ein Stern, über den so gut wie nichts bekannt ist. Er ist 10,4 Lichtjahre von uns entfernt. Meines Wissens ist noch nie jemand dort gewesen. Also werden wir die ersten sein! Prosit!« »Ach so - prosit!« »Wir starten gleich vom Werksgelände aus, die Genehmigung der Raumbehörde liegt vor. Landen müssen wir jedoch bei der Rückkehr auf einem der offiziellen Häfen.« Er stellte das Glas auf den Tisch zurück. »Übrigens habe ich da kürzlich eine Meldung gelesen, die dich interessieren dürfte. Wir kannten uns damals noch nicht. Eine der Privatjachten - mit unserer gibt es ja nur vier - kehrte zurück und brachte Proben eines unbekannten Elementes mit. Später stellte sich heraus, daß es erstaunliche Eigenschaften hat, die eine Bearbeitung im Vakuum und bei absolut Null überflüssig machen, um einen widerstandsfreien Stromleiter herzustellen. Kannst du dir vorstellen, was der Bursche an seinen Proben verdiente? Natürlich hat er niemandem verraten, wo er gewesen ist.« Pat nickte nachdenklich. »Wenn wir so etwas Ähnliches entdeckten, hätten wir keine Geldsorgen mehr. Sag mal, ist von deinem Vermögen eigentlich noch ein Rest übriggeblieben?« »Für ein paar Jahre wird es noch reichen, wenn wir sparsam sind. Zum Glück gibt es beim Gravital-Antrieb keine Treibstoffsorgen. Das ganze Universum ist voller kostenloser Energie. Aber du darfst Lebensmittelvorräte und Ausrüstungsgegenstände nicht vergessen, die immer wieder erneuert werden müssen. Na ja, so schnell werden wir nicht verhungern.« »So ein bißchen habe ich auch noch gespart«, bot Pat gleich seine Hilfe an. »Ist doch klar, daß es auch dir gehört.« Gene sah auf die Uhr. »Mein Lieber, heute wird nicht weitergefeiert, wir gehen früh schlafen. Morgen kommen wir vor lauter Aufregung nicht so schnell zur Ruhe. Ich fliege das erstemal ohne einen Piloten.« »Ich dachte, du wärest außer heute zum erstenmal mit einem Raumschiff geflogen...« »Ist auch richtig. Ich meine ja nur mit dem Simulator( Da war immer jemand dabei, der aufpaßte, daß man keine Bruchlandung ausführte. Das hätte einen schönen Punkteabzug gegeben. Ab morgen ist es ernst. Da würde so etwas das Ende bedeuten.« »Wir werden es schon schaffen.« »Natürlich, was sonst? Prospektoren werden wir sein, moderne Schatzsucher, Pioniere der Unendlichkeit! Wir werden Dinge sehen, die vor uns nie ein Mensch gesehen hat. Abenteuer werden wir erleben, wie sie sich niemand auch nur vorstellen kann! Ich fürchte, ich werde in Copyright 2001 by readersplanet
dieser Nacht kein Auge zutun können ...« »Dann nimm eine Schlaftablette«, riet der praktisch veranlagte Pat und erhob sich. »Gute Nacht - und bis morgen.« Gene nahm vorsichtshalber gleich zwei Tabletten.
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2 Bereits nach zehn Tagen Flug war alles zur Routine geworden. Längst war die Sonne nur noch ein kleiner Stern unter Tausenden von anderen Sternen, und die beiden Männer hätten sie wahrscheinlich nie mehr wiederfinden können, wenn Sweety nicht gewesen wäre. Der Computer speicherte sowohl den Kurs als auch die zurückgelegte Flugstrecke und zeichnete beides auf der Leuchtkarte ein. Ein Blick genügte, und man wußte genau, wo man sich gerade befand. Das Schiff selbst war auf dieser Karte ein sich unendlich langsam vorschiebender Punkt, der sich dem Ende der Kurslinie näherte. Ein Zehntel der Gesamtstrecke lag hinter ihnen. In den ersten Tagen hatten sie sich mit der Wache in der Kommandokuppel abgelöst, es dann aber aufgegeben, als Sweety ihnen mit sanfter und weicher Frauenstimme mitteilte, wie überflüssig und vergeudet ihr Bemühen sei. »Im Aufenthaltsraum gibt es jede Menge Videofilme, meine Herren, und wenn ich richtig registrierte auch genügend Lesestoff. Sogar eine Bar mit Inhalt ist vorhanden. Kümmern Sie sich nicht um meine Aufgaben, sondern genießen Sie den Flug.« Pat hatte fassungslos auf den Lautsprecher gestarrt, ehe er meinte: »Hat die aber ein Stimmchen, Donnerwetter! Möchte wissen, wer ihr die gegeben hat.« »Negativl« weigerte sich Sweety, den Namen der Person preiszugeben. Überhaupt stellte sich mit der Zeit heraus, daß Sweety sehr oft ihren eigenen Willen hatte, wenn auch nicht in bösartigem Sinne. Bereitwillig gab sie auf alle technischen Fragen Auskunft, schwieg aber beharrlich, wenn Pat vertraulich werden wollte, was bei Gene wiederum unbändige Heiterkeit hervorrief. Sweety vertrieb den beiden einsamen Männern besser die langsam dahinkriechende Zeit als jeder Videofilm und jedes Buch. Was die Bücher anging, so kam Gene erst am zehnten Tag dahinter, was sein Freund als 'persönliches Frachtgut' mitgenommen hatte. Er kam aus der Kuppel und klopfte an der Tür zu Pats Kabine. »Nun komm schon!« hörte er ihn von innen rufen. Pat lag auf seinem Bett, um sich herum stapelweise Hefte mit grellbunten Umschlägen. Gene konnte die großen Titelbuchstaben mit einem Blick lesen: Asterix! Tarzan! Donald Duck! Er setzte sich in den Sessel und deutete auf den farbigen Berg. »Was liest du denn da? Comics ...?« »Die sind noch von meinem Vater«, entschuldigte sich Pat ein wenig verlegen. »Ich fand sie auf dem Boden unserer Wohnung. Da mir nichts anderes einfiel, nahm ich sie mit.« »Und ich habe beste Literatur besorgt ...« »Die lese ich später mal«, versprach Pat mit wenig Überzeugungskraft. »Im Augenblick gefällt mir dies hier. Keine Sorge, ich habe das von dir errechnete Höchstgewicht nicht überschritten.« Gene schüttelte den Kopf. Copyright 2001 by readersplanet
»Tarzan! Ein Lichtjahr von der Erde entfernt! Das hätte sich der Affenmensch auch nicht träumen lassen.« »Prinz Eisenherz erst recht nicht«, sagte Pat und zog eines der Hefte unter dem Berg hervor. »Willst du lesen?« Gene wehrte entsetzt ab und stand auf. »Auf den Schreck hin muß ich einen trinken. Ich bin in der Bar, wenn du mich suchen solltest.« »Literaturbanause!« schimpfte Pat hinter ihm her und vertiefte sich erneut in die Abenteuer der lustigen Micky Mouse. In der Bar, gleichzeitig Aufenthaltsraum, Kinosaal, Speisezimmer und Musikhalle, schaltete Gene das Radio ein. Er hatte keine Ahnung, wie die Funktechniker es fertiggebracht hatten, ein System zu entwickeln, das den Empfang der sechsunddreißigmal langsameren Funkwellen ermöglichte. Aber das System funktionierte. Die Nachrichten waren ein Jahr alt, wie alle Sendungen. Am Ziel angelangt würden sie 10,4 Jahre minus 100 Tage alt sein. Eine Reise in die Vergangenheit - so betrachtet. Er schaltete Musik ein. Während er sich ein Glas Bier einschenkte, kam aus dem Bordlautsprecher die einschmeichelnde Stimme Sweetys: »Wenn Sie so weitertrinken, Eugen Tarrot, werden Ihre Vorräte erschöpft sein, ehe wir Ross 248 erreichen.« Gene setzte das Glas auf die schmale Theke zurück. »Nun hör mal gut zu, Sweety : Erstens trinke ich sehr wenig, und zweitens kann dir das egal sein. Drittens: Du kannst mich und Pat ruhig duzen. Sonst alles in Ordnung?« »Tut mir leid, ich bin auf persönliche Distanz programmiert. Sonst alles in Ordnung.« Die Stimme des Computers drückte wahrhaftig ehrliches Bedauern aus. Es schien ihm - oder ihr - in der Tat leid zu tun, die beiden Männer nicht duzen zu können oder zu dürfen. Dann aber entsann sich Gene noch rechtzeitig, daß Sweety eine seelenlose Maschine war, der nur eine menschliche Stimme verliehen worden war. Oder war sie mehr? Gene wußte, daß es in der Kybernetik aufsehenerregende Fortschritte gegeben hatte. Es sollte sogar selbständig denkende Roboter geben. Konnte Sweety auch richtig denken? Er trank sein Bier aus und schob das Glas - echtes, zerbrechliches Glas! - in den Spülautomaten. Dann stieg er die wenigen Stufen zum Unterteil des Schiffes hinab, in dem sich die Lagerräume befanden. Langsam durchwanderte er sie, um sich Bewegung zu verschaffen, und als er wieder zum Ausgangspunkt zurückkehrte, hatte er gute neunzig Meter zurückgelegt. »Würden Sie bitte in die Zentrale kommen, Eugen Tarrot«, kam es ihm aus dem Lautsprecher in der Bar entgegen. »Was ist denn schon wieder, Sweety?« »Eine astronomische Seltenheit, die Sie nicht versäumen sollten. Auch Sie nicht, Patrik O'Brian. Das viele Lesen verdirbt die Augen.« »Kindermädchen!« hörte Gene seinen Freund über die Bordanlage schimpfen. »Fehlt nur noch, daß sie uns auf der Toilette zusieht. « »Das Bad ist der einzige Raum in der NEPTUN ohne Sichtverbindung«, bedauerte Sweety aufrichtig. »Was gibt es denn nun zu sehen?« erkundigte sich Gene. »Ein Dunkelplanet. Um keinen Aufenthalt zu verursachen, habe ich ihn mit entsprechender Verlangsamung gefilmt. Leider kann ich Ihnen die Bilder nicht überspielen.« »Dunkelplanet? Was hat denn der hier zu suchen?« Copyright 2001 by readersplanet
»Sehen Sie sich die Bilder an«, forderte Sweety die Männer noch einmal auf. »Sie laufen auf dem Bildschirm.« Gene nickte Pat zu, der inzwischen in die Bar gekommen war. »Komm!« sagte er nur. Der breite Bildschirm erinnerte an ein Fenster in den Weltraum. Genau in seiner Mitte schwebte ein unregelmäßig geformter Globus, dessen Größe nicht abzuschätzen war. Er hing scheinbar bewegungslos im All, aber das war eine Täuschung. Ungewöhnlich sachlich erklärte Sweety: »Die Verlangsamung des Films war 1800000fach. Das bedeutet, daß der Dunkelplanet eine Eigengeschwindigkeit von 21991 Kilometern in der Stunde besitzt. Wir hingegen fliegen mit 38,8 Milliarden Stundenkilometern. Um die Differenz auszugleichen, war die entsprechende Verlangsamung der Aufnahmen notwendig.« Gene hatte keine Zeit, die Rechenkünste Sweetys richtig zu würdigen. Er wußte, daß sie noch viel mehr konnte. »Wo kommt er her? Wo ist seine Sonne?« »Es gibt keine Sonne ein Lichtjahr von der Erde entfernt«, belehrte ihn Sweety etwas unterkühlt. »Und es gibt auch keine astronomischen Instrumente, mit denen man diesen Planeten hätte entdecken können. Ich habe den Kurs zurückverfolgt. Dabei habe ich eine erstaunliche Entdeckung gemacht.« Als sie schwieg, rief Pat ärgerlich »Willst du uns Rätsel aufgeben, Süße? Nun sag schon, was du entdeckt hast!« »Der Kurs zurück führt genau in eine Region, an der vor 50 000 Jahren das Sonnensystem stand. Und bei der konstanten Geschwindigkeit von 21991 Stundenkilometern legte der Planet die Strecke von einem Lichtjahr in etwas weniger als 50000 Jahren zurück. Halten Sie das für einen Zufall, meine Herren?« Gene starrte sprachlos auf den vom Superblitz des Filmgerätes dämmerig erleuchteten Planeten und versuchte zu begreifen, was Sweety da angedeutet hatte. Der leblose und tote Weltkörper stammte aus dem eigenen Sonnensystem ...? »Was hat das alles zu bedeuten?« fragte er schließlich. »Sol, die Sonne der Erde, hat vor 50000 Jahren einen Planeten verloren. Er ist aus dem System hinausgewandert. Eine andere Konsequenz sehe ich nicht.« »Aber ich!« sagte Gene mit fester Stimme. »Es ist doch logisch, daß es sich in einem solchen Fall nur um einen äußersten Planeten des Sonnensystems handeln könnte. Pluto hat aber nur eine Bahngeschwindigkeit von 4,7 Kilometern in der Sekunde, während unser Freund dort draußen schneller ist, nämlich etwa 6 Kilometer ...« »Um exakt zu sein: 6,10 Kilometer pro Sekunde.« »Na also! Es könnte also kaum möglich sein, daß er plötzlich derart beschleunigte, um das Schwerefeld des Systems zu verlassen. « Sweety sagte trocken: »Vielleicht hat ihn jemand auf die Fluchtgeschwindigkeit gebracht - vor 50 000 Jahren, Eugen Tarrot. « Gene starrte den Lautsprecher wütend an. »Und wer, wenn ich fragen darf?« »Jemand, der Ihnen schon damals in Technik und Wissen weit voraus war. Aber diese Frage wird Ihnen niemand bis zur letzten Konsequenz beantworten können, da alle Informationen fehlen, die Menschen selbst haben sie im Verlauf ihrer Entwicklung vernichtet.« Pat versuchte, das Bild auf dem Schirm zu vergrößern, wodurch es natürlich an Schärfe verlor. Sweety schien seine Gedanken lesen zu können. »Ich weiß, Patrik O'Brian, was Ihnen aufgefallen ist. Sie haben die Reste einer untergegangenen Zivilisation gesehen. Auf der Oberfläche des nun atmosphärelosen Copyright 2001 by readersplanet
Dunkelplaneten gibt es Bauten. « Nun erkannte auch Gene die für einen natürlichen Ursprung viel zu regelmäßig geformten Oberflächenstrukturen, die er vorher für Schluchten und Hügel gehalten hatte. Noch während Pat das Bild näher heranholte, wurden die Formationen deutlicher, das konnte auch die relative Unschärfe nicht verhindern. Die ganze Oberfläche schien aus nahezu gleichgroßen Quadraten zu bestehen, die durch gerade verlaufende Risse getrennt wurden. Der Anblick erinnerte an jenen, den man hatte, wenn man aus geringer Höhe auf eine ausgetrocknete Sumpflandschaft hinabsah, nur daß sich dort Vertiefungen und Erhöhungen unwillkürlich und nicht mit mathematischer Exaktheit bildeten. Die Quadrate waren, soweit man das beurteilen konnte, von gleicher Höhe und völlig glatt. Abgesehen von den sie trennenden Rillen würden sie eine einzige Ebene bilden. Die gesamte Oberfläche des Dunkelplaneten war künstlich gestaltet worden. Gene hieb die Faust auf den Kontrolltisch. »Sweety, warum hast du mich nicht sofort benachrichtigt? Warum sind wir einfach vorbeigeflogen? Das ist eine Entdeckung, die wir uns nicht entgehen lassen dürfen! Ist es möglich, daß wir zu dem Planeten zurückfliegen?« »Ich habe Geschwindigkeit und Kurs gespeichert, Eugen Tarrot. Wir können den Dunkelplaneten jederzeit wiederfinden - jetzt oder auf dem Rückflug. Ich machte die Aufnahmen vor genau 210 Minuten, das bedeutet, daß wir inzwischen eine Strecke von 133 Milliarden Kilometern zurücklegten. Die 76968,5 Kilometer Flugstrecke des Planeten spielen keine Rolle. Allerdings müßten wir, um umkehren zu können, auf Unterlicht gehen und dann erneut beschleunigen. Dabei ginge Zeit verloren. Aus diesem Grund schlage ich vor, daß wir beim Rückflug eine Zwischenlandung von Anfang an einplanen und programmieren.« Gene sah Pat an. »Was meinst du?« Der Ire warf einen kurzen Blick auf den Bildschirm. »Interessant wäre das schon, aber Sweety hat recht. Wir verlieren mehr als einen ganzen Tag. Warten wir bis später.« »Was spielt denn ein Tag schon für eine Rolle?« »Das wäre nur der Rückflug, Gene. Aber wenn wir schon dort landen, wollen wir uns auch umsehen. Was glaubst du, wieviel Zeit wir dafür brauchten? Der Planet - sieh doch auf Sweetys Daten - hat einen Durchmesser von dreitausend Kilometern. Ein schöner Brocken.« Noch während Gene überlegte, löschte Sweety das Bild auf dem Schirm. Auch die Daten in Leuchtschrift verschwanden. Sie sagte: »Sie können wieder Ihrer gewohnten Beschäftigung nachgehen, meine Herren. Ich habe den Planeten unter der Kennbezeichnung Sol-10 gespeichert. Alle Daten können jederzeit nach Belieben abgerufen werden. « Pat kehrte in seine Kabine zurück. Gene blieb in der Zentralkuppel und beobachtete die scheinbar unbeweglich auf der Stelle stehenden Sterne. Trotz der unvorstellbaren Geschwindigkeit - immerhin brachte die NEPTUN in der Sekunde 10,8 Millionen Kilometer hinter sich - veränderten sich die bekannten Konstellationen nicht sofort sichtbar. Die Entfernungen waren zu groß. Das transparente Material der Kuppel besaß einen besonderen Polarisierungseffekt, sonst wären die Sterne überhaupt nicht zu sehen gewesen, da die NEPTUN viel schneller als das Licht war. Der berühmte Regenbogeneffekt blieb aus. Das alles ist erst ein Anfang, dachte Gene, während er auf dem Geschwindigkeitsmesser die Zahlen vorbeihuschen sah - in der Zehntelsekunde mehr als eine Million Kilometer. Wir sind immer noch zu langsam, um weit entfernte Sterne jemals erreichen zu können. Ein ganzes Jahr brauchen wir, um lächerliche 36 Lichtjahre überbrücken zu können. Aber die Energiequellen des Kosmos sind unerschöpflich. Wir wissen nun, wie sie auszunutzen sind. Eines Tages werden unsere Schiffe mit tausendfacher und hunderttausendfacher Lichtgeschwindigkeit fliegen, und dann werden die Entfernungen schrumpfen. Einst waren Copyright 2001 by readersplanet
die Segelschiffe viele Monate unterwegs, um von Europa nach Amerika zu gelangen. Dann kam das Flugzeug, und aus den Monaten wurden Stunden. Ein Satellit schließlich brauchte nur noch zwanzig oder dreißig Minuten. Auf den Weltraum übertragen ist meine Vorstellung also keineswegs zu fantastisch... »Wenn Sie ein Problem haben, Eugen Tarrot, teilen Sie es mir mit. Ich kann Ihnen sicherlich behilflich sein.« Sweetys Stimme war wieder sanft und einschmeichelnd. Gene versuchte, sich die Frau vorzustellen, die dem Computer ihre Stimme geliehen hatte. Sicher war sie blond, hübsch und jung. Oder auch dunkelhaarig mit samtbrauner Haut und Haselnußaugen. »Danke, Sweety, es ist kein Problem. Ich habe nur ein wenig über die Zukunft nachgedacht. Kannst du mir Ross 248 zeigen?« »Drei Sterne stehen im Schnittpunkt des Zielkreuzes. Der weißschimmernde ist es. Die anderen stehen nur scheinbar in seiner Nachbarschaft, sind aber in Wirklichkeit 67 und 235 Lichtjahre entfernt. Entfernung noch 9,07 Lichtjahre.« Ross 248 war in den vergangenen Tagen etwas heller geworden, wenn auch nicht größer. Noch neunzig Tage würde es dauern, bis er sich in eine Sonne verwandelte. Aber vorher schon würde Sweety wissen, ob er Planeten besaß oder nicht. »Ich lege mich etwas hin«, sagte Gene und stand auf. »Hoffentlich wird es dir nicht zu langweilig.« »Negativ«, teilte der Computer ihm höflich mit. Am 29. November 2035, also genau fünfzig Tage nach dem Start, meldete sich Sweety nach einer längeren Pause wieder. »Wir haben genau die Hälfte der Gesamtstrecke zurückgelegt. Alle Systeme arbeiten fehlerfrei. Vor uns liegen noch 5,2 Lichtjahre. Ich werde in dreißig Tagen mit den Ortermessungen beginnen. Ende der Durchsage.« Gene und Pat saßen im Aufenthaltsraum und spielten Schach. »Die Hälfte!« rief der Ire erfreut aus. »Darauf sollten wir uns ein Glas Sekt genehmigen.« »Wenn du nur einen Grund hast!« meinte Gene und holte die Flasche aus dem Kühlfach. »Du bist übrigens heute mit Küchendienst an der Reihe.« »Keine Sorge, du wirst schon satt werden.« Die Zeiteinteilung an Bord war einfach. Die Uhren waren nicht verstellt worden. Es galt die Zeit von Greenwich. Um Tag und Nacht besser unterscheiden zu können, wurden die Lichter im Schiff automatisch ab 22.00 Uhr gedämpft. »Ich habe mir gestern Trucky näher angesehen, Pat. Wie du weißt, wurde er nach Plänen seines größeren Bruders entwickelt, der auf den Planeten eingesetzt wird. Ich glaube, du wirst einige Dinge verbessern können, die mir aufgefallen sind. Ich habe sie dir aufgeschrieben.« Trucky war der Name eines Geländefahrzeuges mit Druckkabine, das auch auf atmosphärelosen Weltkörpern eingesetzt werden konnte. Seine Höchstgeschwindigkeit betrug etwa fünfzig Kilometer pro Stunde, und Neigungen bis zu fünfzig Grad bedeuteten kein Hindernis für ihn. Ausgerüstet war der achträdrige Wagen mit mechanischen Grabwerkzeugen und allen Meßgeräten, die für Bodenuntersuchungen unerläßlich waren. Der Elektromotor in Verbindung mit der Speicherbatterie sorgte für einen beachtlichen Aktionsradius. »Gib mir den Zettel, ich fange noch heute damit an.« »Morgen, denn heute ist Feiertag.« Gene hob sein Glas. »Auf unseren Flug, Pat!« »Auf die gesunde Rückkehr, Gene!«
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Am 10. Januar des Jahres 2036 erreichte die NEPTUN das Zielgebiet. Sweety teilte den beiden Männern mit, daß sie den GravitalAntrieb 70 Milliarden Kilometer vor der Randzone des Systems abschalten würde. Das Schiff flog dann mit etwa 80 % der Lichtgeschwindigkeit weiter, ohne Energie zu benötigen. Dann gab sie die ersten Daten durch »Ross 248 wird von drei Planeten umlaufen, von denen der zweite die günstigsten Lebensbedingungen bieten dürfte. Es gibt keine Anzeichen von intelligentem Leben, sonst hätten wir zumindest Funksprüche empfangen, es sei denn, es befindet sich noch auf einer sehr niedrigen Entwicklungsstufe. Bis zu diesem Augenblick bestehen meinerseits keine Bedenken gegen eine Landung auf Ross 248/II.« »Unser Mädchen vergißt völlig, daß wir auch auf unbewohnbaren Planeten landen können«, kritisierte Pat, als sie die Kuppel betraten. »Nun, Sweety, wie steht es mit Nummer I oder III?« »Ross 248/I ist so nahe an der Sonne, daß seine Oberfläche noch glutflüssig ist. Landung nicht empfehlenswert. Bei Ross 248/ III ist eine Landung durchaus möglich, aber die Dicke der Eisdecke beträgt im Durchschnitt achttausend Meter. Die Temperaturen liegen nur wenig über absolut Null.« »Unangenehm«, schauderte Pat zusammen. »Bleibt also nur II. « »Ein Planet ist besser als keiner«, sagte Gene, der von Anfang an mit einer Enttäuschung gerechnet hatte. »Gib uns exaktere Daten, Sweety, sobald du sie einholen kannst.« »Das wird erst in einer Stunde möglich sein. Dann genau gehen wir auf Unterlicht. Optisch wird die Beobachtung auch dann für Sie leichter sein. Die Polarisierung stört die Sicht.« Trotzdem war Ross 248 bereits als hellster Stern zu erkennen. Er war ein wenig aus dem Fadenkreuz gerückt, weil die NEPTUN das System vertikal zur Umlaufebene anflog. Sweety korrigierte den Kurs. »Kann ich mal unsere Sonne sehen, Sweety?« fragte Pat. »Auf dem Bildschirm. Mit bloßem Auge wäre es für Sie zu schwierig, sie von den anderen Sternen zu unterscheiden.« »Schulmeisterin!« knurrte Pat ein wenig ungehalten. Die Sonne war ein Stern unter vielen, zehn Lichtjahre entfernt. Er leuchtete mattgelb und wirkte warm und freundlich. Pat fand ihn sofort, als er durch das Kuppelglas sah. » Na also!« knurrte er befriedigt. » Es ist die Sonne, wie sie vor zehn Jahren war«, erinnerte ihn Gene. »Wir können Sterne sehen, die schon seit Jahrtausenden vielleicht nicht mehr existieren. Oder Sterne, die vor Jahrtausenden explodierten und zur Nova wurden.« Die Minuten dieser letzten Stunde vor der Abbremsung vergingen in quälender Langsamkeit. Ross 248 wurde nun wesentlich schneller größer und heller als zuvor. Der Stern stand wieder mitten im Zielkreuz. Später erst würde der Kurs abermals korrigiert werden und dann genau zum zweiten Planeten führen. Der Bremsvorgang machte sich kaum bemerkbar. »Unterlicht«, gab Sweety mit seltener Knappheit bekannt. »In Kürze kann ich weitere Daten liefern. Ich bitte um Geduld.« Mit achtzig Prozent Lichtgeschwindigkeit würden sie etwa drei Tage benötigen, Ross 248/II zu erreichen, wenn man das eigentliche Bremsmanöver nicht berücksichtigte. Zeit genug also, die Daten zu verarbeiten und auszuwerten. Im Funkgerät waren nur Sendungen von der Erde, etwas mehr als zehn Jahre alt. Sonst war außer Statik nichts zu hören. Die Ausstrahlung der Pulsare machte sich als regelmäßiges Knacken im Lautsprecher bemerkbar. »Abstand des zweiten Planeten von Ross 248 ist 270 Millionen Kilometer, sein Durchmesser beträgt 7500 Kilometer«, sagte Sweety, und Pat hätte schwören mögen, daß in der Stimme des Computers so etwas wie Verwunderung mitschwang, was natürlich nur Einbildung sein Copyright 2001 by readersplanet
konnte. »Weitere Daten folgen.« »Ziemlich weit weg von seiner Sonne, Gene.« »Ross 248 ist heißer als Sol, vergiß das nicht. Der Abstand dürfte fast ideal sein. Wir werden bald wissen, wie es auf der Oberfläche aussieht. Hoffentlich gibt es genug Landmassen. Kann ja auch sein, daß wir einen Wasserplaneten vorfinden.« »Dann müssen wir eben tauchen, oder hast du unser Schiff nicht NEPTUN getauft?« »Wir können es ohne Probleme auch als U-Boot einsetzen«, wich Gene einer direkten Antwort aus. »Aber Land ist mir lieber. « »Ich habe ebenfalls keine große Lust, ständig im Druckanzug herumzulaufen. « Sie blieben noch einige Stunden in der Kuppel, aber als weiter nichts geschah und der Planet mit bloßem Auge noch immer nicht zu sehen war, nahmen sie die gewohnte Routine wieder auf. Außerdem war es bald Schlafenszeit. Pat las noch einige Heftchen, dann löschte er das Licht und lag schon Minuten später in schönsten Träumen. Gene hingegen konnte nicht so schnell einschlafen. Obwohl es in seiner Kabine absolut dunkel war, wälzte er sich ruhelos auf dem Bett hin und her. Dabei würde es noch zweimal Nacht werden, ehe eine Landung auf Ross 248/ II möglich war. »Kannst du mich hören, Sweety?« fragte er in das Dunkel hinein. »Haben Sie einen Wunsch, Eugen Tarrot?« »Ich möchte Pat nicht aufwecken, vielleicht schläft er schon.« »Die Anlage zu seiner Kabine ist abgeschaltet«, beruhigte ihn der Computer. »Schön, dann können wir uns unterhalten. Was hältst du von dem zweiten Planeten, Sweety? Konntest du schon eine Analyse vornehmen?« »Ich bekam ein paar Resultate, aber sie sind ungenau. Jedenfalls handelt es sich um einen festen Körper mit organischen Bestandteilen. Das würde, zumindest an der Oberfläche, auf Vegetation hindeuten. Von Mineralien bis jetzt keine Spur.« »Klingt das nicht etwas seltsam?« »Es ist seltsam, Eugen Tarrot! Aber niemand kann erwarten, daß wir die gleichen Bedingungen wie im eigenen Sonnensystem vorfinden. « »Ja, da hast du auch wieder recht. Wann erfahren wir mehr?« »Von Stunde zu Stunde.« Sweety schwieg einige Sekunden. »Fühlen Sie sich nicht einsam, Eugen Tarrot?« Gene war über die persönliche Frage so überrascht, daß er nicht sofort antworten konnte. Der Computer hatte sich bisher noch nie um das Seelenleben seiner Schutzbefohlenen gekümmert, es gehörte auch nicht zu seinen Aufgaben. Und nun stellte er eine solche Frage. »Manchmal schon«, gab Gene endlich zu. »Warum möchtest du das wissen? Könntest du etwas daran ändern?« »Nur durch Gespräche, auch dafür wurde ich programmiert.« »Du hast behauptet, persönliche Dinge gingen dich nichts an. Erkläre mir den Widerspruch, bitte.« »Es ist kein Widerspruch, Eugen Tarrot. Im Falle seelischer Komplikationen, die bei Ihrem empfindlichen Organismus leicht auftreten können, bedeutet vertraulicher Zuspruch nichts anderes als Medizin zur Heilung einer Krankheit. Es ist meine Aufgabe, für Ihre Sicherheit zu sorgen, und dazu gehört, wenn Sie meine Frage negativ beantwortet hätten, auch der persönliche Zuspruch und das vertrauliche Gespräch.« Gene nickte, aber er wußte nicht, ob Sweety das in der Dunkelheit sehen konnte. Er wurde sich darüber klar, daß schon jetzt ein gewisser psychologischer Effekt vorhanden war. Die sanfte, weibliche Stimme des Computers übte einen beruhigenden Einfluß auf ihn aus. Ihm war plötzlich so, als sei er nicht mehr allein in der Kabine, sondern als sei jemand bei ihm, Copyright 2001 by readersplanet
den er schon lange kannte. Eine gute Freundin vielleicht. Oder seine Frau, wenn er je geheiratet hätte. »Ich verstehe, was du meinst, Sweety«, sagte er träumerisch. »Und ich danke dir. Ich glaube, ich werde nun einschlafen können. Gute Nacht.« »Gute Nacht, Eugen Tarrot«, erwiderte Sweety mit zärtlicher Stimme, die Gene in den Schlaf hineinbegleitete... Am dritten Tag stand Ross 248/ II groß und deutlich vor ihnen. Die NEPTUN hatte stark abgebremst und flog nur noch mit geringer Geschwindigkeit. Sweety war damit beschäftigt, Daten zu sammeln. Je mehr Ergebnisse sie verlautbaren ließ, desto widersprüchlicher wurden sie. Wenn man ihr glauben wollte, hatte sich die Oberflächenstruktur von 'First', wie sie den Planeten getauft hatten, bereits dreimal entscheidend verändert. Das war natürlich absolut ausgeschlossen. Irgend etwas bei den Fernortern war nicht in Ordnung. Vielleicht war aber auch ein Fehler in der automatischen Analytik aufgetreten. Sweety würde sich darum kümmern müssen. Gene konnte unter der aufgelockerten Wolkendecke riesige Landmassen erkennen, die durch schmale Meere getrennt wurden. Einer der Kontinente erinnerte ihn an Europa und Asien, ein anderer war die verkleinerte Ausgabe von Nord- und Südamerika. Aber die Umrisse stimmten nicht genau. Das wäre auch ein zu gewaltiger Zufall gewesen. Pat studierte die Skalen der Elementtaster. »Alles da«, versicherte er ein wenig verblüfft. »Sogar Gold.« »Wir suchen kein Gold«, erinnerte ihn Gene gereizt. »Das Zeug ist viel zu schwer.« »Aber noch immer ziemlich wertvoll«, gab Pat kurz angebunden zurück. » Na schön, wenn wir etwas auf der Oberfläche herumliegen sehen, sammeln wir es ein und nehmen es mit und lassen Schmuck für unsere Damen daraus machen. « Pat sagte zehn Sekunden später: »Der prozentuale Anteil von Gold auf First hat sich soeben verdoppelt.« Dann schwieg er verdutzt, weil er es nicht begriff. »Die Analytik spielt verrückt, das ist alles. Sweety, was meinst du?« Der Computer antwortete: »Ich habe das System durchgecheckt. Es ist in Ordnung. Keine Erklärung.« Das war nun die zweite Merkwürdigkeit, die sich bei der Annäherung an den Zielplaneten ereignete, und für beide gab es keine vernünftige Erklärung. Aber mit solchen Dingen mußte man rechnen, wenn man in unbekannte Regionen vorstieß, die noch nie ein Mensch gesehen oder gar erforscht hatte. Schließlich waren das Schiff und alle seine Instrumente auf irdische Verhältnisse abgestimmt, die hier vielleicht keine Gültigkeit besaßen. »Ich schlage mehrfache Umkreisungen vor, ehe Sie sich für einen Landeplatz entscheiden«, brach Sweety das Schweigen. »Außerdem habe ich Gelegenheit, eine genaue Karte der Oberfläche herzustellen. Sie erhalten Kopien und Einzelvergrößerungen.« »Einverstanden«, sagte Gene. Noch dreihundert Kilometer von First entfernt schwenkte die NEPTUN in die Umlaufbahn ein, die bei Gravitalenergie unabhängig von Geschwindigkeit und Planetenabstand war. Aus dieser Höhe war mit Hilfe der Bildvergrößerung die Oberfläche gut zu erkennen. Mit bloßem Auge durch die transparente Kuppel sah sie nicht viel anders aus als jene der Erde aus etwa gleicher Höhe. »Keine Anzeichen einer Zivilisation«, stellte Sweety fest. »Aber es gibt Vegetation, und zwar in jeder Menge«, rief Pat, der sich nun nicht mehr um die Elementtaster kümmerte. »Und Gebirge, weite Ebenen, Flüsse und Wälder. Wie auf der Copyright 2001 by readersplanet
Erdet« »Er hat viel mit der Erde gemeinsam«, schränkte Gene ein. »Aber er ist nicht die Erde! Sweety, was meinst du? Ob wir landen können?« »Nach drei Umläufen gebe ich meine Entscheidung bekannt.« Pat polterte los: »Die letzte Entscheidung treffen wir, verehrte Dame!« »Selbstverständlich, Patrik O'Brian. Ich kann nur Empfehlungen aussprechen, solange es sich nicht um einen Notfall handelt.« »Einverstanden«, knurrte Pat, der auch einem Computer gegenüber das letzte Wort haben mußte, selbst wenn der Computer eine Dame war. Diesmal hatte er Pech. »Danke, Patrik O'Brian«, sagte Sweety nämlich. »Eigentlich spielt es keine Rolle, wo wir landen«, faßte Gene seine Eindrücke in einer halben Entscheidung zusammen, als sie sich dem Ende der dritten Umkreisung näherten. »Die Daten sind ungenau und wechselhaft. Die Instrumente sprechen irreführend an. Auf sie scheint kein Verlaß zu sein, wenigstens nicht hier in diesem System. Was ist deine Meinung, Sweety?« »Ich schlage den Kontinent mit der größten Landmasse vor, da er die größte Chance für das Entdecken wichtiger Rohstoffe bietet. Eine Gefahr konnte bisher nicht registriert werden. Außer Vegetation konnte ich keinen lebenden Organismus feststellen.« »Leben bedeutet nicht immer Gefahr«, machte Gene den Computer aufmerksam. »Leben bedeutet immer ein Risiko«, belehrte ihn Sweety. »Geben Sie mir also Ihre Entscheidung bekannt.« »Der große Kontinent. Die genaue Stelle suchen wir uns noch aus. Damit wir alles zusammen haben, in der Nähe der Küste und bei einem Fluß. « Er sah auf die Karte, die Sweety inzwischen geliefert hatte. »Ostküste, wo der breite Strom mündet. Da haben wir auch gleich Wälder und Gebirge in der Nähe.« »Wird programmiert«, bestätigte der Computer den Auftrag. Das Schiff sank tiefer und flog langsamer, ganz im Gegensatz zu den Raumfahrtgesetzen der ersten Pionierzeit. Der europaähnliche Kontinent zog unter ihnen weg und machte dem Ozean Platz, bis im Westen die Küstenlinie der nächsten Landmasse auftauchte. »Neu-Amerika!« jubelte Pat ein wenig aufgeregt. »Ich kann es kaum noch erwarten, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben.« »Amerika vor tausend Jahren ist ein Tummelplatz von Tieren und Menschen gegen das, was uns erwartet«, dämpfte Gene seinen Optimismus. »Der Kontinent ist leer. Außer uns gibt es niemanden dort. « »Das stört mich auch nicht. Aber es gibt Wälder und Gras, und es gibt richtige Luft zum Atmen. Frag doch Sweety, wenn du es nicht glaubst.« »Die Instrumente zeigen es an«, sagte der Computer. »Aber wie verläßlich sie sind, wissen wir ja inzwischen.« Schon vom Meer aus waren die zahlreichen Flußarme des Mündungsdeltas zu erkennen. Als sie in geringer Höhe darüber hinwegschwebten, bemerkten sie zahlreiche dicht bewachsene Inseln und einige größere Sandbänke. Die Arme vereinigten sich weiter landeinwärts zu dem eigentlichen Strom, der aus der Ebene kam, die bis zum Horizont reichte. »Dort, auf dem Plateau innerhalb der Flußbiegung«, sagte Gene und deutete schräg nach vorn. »Sieht auch trocken und fest aus. Kaum Bäume, nur hohes Gras.« »Programmiert«, teilte Sweety kurz mit. »Soll ich die Handsteuerung übernehmen?« Copyright 2001 by readersplanet
»Das ist überflüssig. Wir landen in zwei Minuten und dreißig Sekunden.« Die NEPTUN schwebte über der gewählten Landestelle und verlor an Höhe. Senkrecht ging sie immer tiefer, bis die ausgefahrenen vier Landebeine mit einem sanften Stoß den Boden des fremden Planeten berührten. »Kontakt!« sagte Sweety ohne jede Gefühlsregung. Pat sprang auf. »Wir haben es geschafft! Als erste Menschen haben wir einen Planeten des Sterns Ross 248 erreicht und sind auf ihm gelandet!« Gene sah durch die Kuppel hinaus auf eine friedliche und erdgleiche Landschaft. Es schien leicht windig zu sein, denn die Grashalme bogen sich alle in einer Richtung. Im Osten war das Meer zu erkennen. Kleinere Baumgruppen brachten ein wenig Abwechslung in die Grasebene. Im Norden war eine flache Hügelkette, die die Sicht zum Horizont begrenzte. Gene sagte »Nimm bitte eine nochmalige Analyse vor. Luftzusammensetzung, Bakterien - na, du weißt schon.« »Wird bereits gemacht.« Es war ein ungeschriebenes Gesetz, daß kein Raumfahrer die Oberfläche eines unbekannten Weltkörpers betrat, ohne daß gewisse Vorsichtsmaßnahmen getroffen wurden. Dabei ging es nicht nur um seine eigene Sicherheit, sondern auch um die der Erdbevölkerung. Niemand konnte wissen, welche Krankheitskeime und Bakterien es auf anderen Planeten gab und ob entsprechende Gegenmittel rechtzeitig zu entwickeln waren. Zwar gab es in der Luftschleuse desinfizierende Strahlenschauer, die zuverlässig alle bekannten Erreger abtöteten. Was aber, wenn fremde und unbekannte Erreger dagegen immun waren? »Atmosphäre relativ steril«, kam das erste Ergebnis des Computers. »Unbedeutende und ungefährliche Bakterien laut Analyse. Ich konnte Insekten feststellen. Gegen ein Verlassen des Schiffes bestehen keine Bedenken.« »Sehr erfreulich«, meinte Pat und war schon an der Tür. »Was nehmen wir mit, Gene?« »Nichts. Wir entfernen uns nicht mehr als fünfzig Meter vom Landeplatz. Wenigstens heute noch nicht.« »Das reicht nicht einmal für einen Spaziergang«, maulte der Ire. Gene betrachtete ihn prüfend. »Ich gebe zu, etwas Bewegung würde dir guttun, aber warte damit bis morgen. Wir haben Zeit.« Pat nickte und verschwand. Gene holte sich noch einige Ratschläge von Sweety und überprüfte das kleine Funkgerät am Armband. Mit ihm war jederzeit eine Verbindung mit dem Computer möglich. Dann erst folgte er Pat in den unteren Lagerraum. Luftschleuse und Ausstieg lagen seitlich über dem Antriebsteil. Pat erwartete ihn bereits ungeduldig. Die Schleuse war überflüssig, der Ausstieg konnte direkt geöffnet werden. Schwer schwang die Luke auf, und zum erstenmal seit drei Monaten konnten die Männer wieder frische, natürliche Luft atmen. Neun Meter unter ihnen wogte das Meer aus Gras. Als die Leiter ausgefahren war, verbeugte sich Pat und sagte ironisch »Der Vortritt gebührt dir, Kolumbusl« Gene grinste und betrat als erster die Oberfläche von First. Er machte einige vorsichtige Schritte, so als wolle er prüfen, ob der Boden sein Gewicht auch trug, dann winkte er nach oben. »Nun komm schon, es ist ein herrliches Gefühl.«
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In der Luft war ein feiner Geruch nach Blüten und Grassamen. Winzige Insekten summten vorbei, ohne sich um sie zu kümmern. Die Sonne stand ziemlich hoch im Süden. Über der weiten Grünfläche flimmerte die Hitze. Am Himmel waren nur ein paar Federwolken. Sie entfernten sich mehr als fünfzig Meter vom Schiff, und Sweety äußerte keine Bedenken. Außer Insekten sahen sie keine Lebewesen. Einmal schaukelte sogar ein bunter, handgroßer Schmetterling über sie hinweg. »Ob wir bis zum Fluß gehen können?« fragte Pat. Da Sweety mithören konnte, sagte sie, noch bevor Gene antworten konnte: »Entfernung dreihundertvierzig Meter. Keine Gefahr.« Das Gras war gut einen Meter hoch, aber nicht sehr dicht. Etwa wie Getreide. Darin hätten sich Tiere gut verbergen können, aber es schien tatsächlich keine zu geben. Nicht einmal ein Mauseloch war zu sehen. Die Uferböschung senkte sich flach in den langsam dahinfließenden Strom hinein. Das Wasser war kristallklar. Man konnte bis auf den Grund sehen, wenn die Sonne nicht blendete. »Da sind doch Fische!« stieß Pat plötzlich hervor und deutete schräg in das Wasser einer kleinen Bucht, wo es kaum noch Strömung gab. »Die dunklen Schatten - kannst du sie sehen? Und ich dachte noch eben, wie gut mir eine gebratene Forelle munden würde. « »Fische sind es zwar, aber sicher keine Forellen«, erklärte Gene. »Wir werden gelegentlich einen fangen und von Sweety untersuchen lassen. Sollte er genießbar sein ...« »Warum sollte er nicht?« sinnierte Pat, dem das Wasser im Mund zusammenlief. »Mein Glück ist vollkommen, wenn wir auch noch ein Rind oder ein Spanferkel hier finden.« »Patrik O'Brian, Sie verlangen zuviel«, ließ Sweety sich vernehmen, und ihre Stimme klang sichtlich vorwurfsvoll. Später wanderten sie ein Stück flußaufwärts, ohne neue Entdeckungen zu machen, wenn man von der erstaunlichen Tatsache absah, daß sie sich auf die Erde zurückversetzt fühlen konnten. Und zwar auf eine Erde, wie sie vielleicht vor einigen hundert Jahren aussah. Wenigstens was die Landschaft anging, denn Menschen gab es keine. »Eine paradiesische Welt«, faßte Gene ihre Eindrücke zusammen und wußte, daß Sweety jedes seiner Worte für den späteren Gebrauch speicherte. »Man wird sie später vielleicht einmal kolonisieren, wenn zu wenig Platz auf der Erde ist. Ich kann mir die ersten Siedlungen hier sehr gut vorstellen.« »Die Bedingungen sind ideal«, pflichtete Pat ihm bei. »Aber morgen werden wir uns um unsere Arbeit kümmern. Was hältst du von einer Fahrt mit Trucky?« »Schon eingeplant, Pat. Hoffentlich spinnen dann die Massetaster nicht. Bin gespannt, ob du dein Gold findest.« »Da müßten wir schon bis zu den Hügeln im Norden oder bis zum Gebirge im Westen, aber das ist fast hundert Kilometer entfernt.« »Wir haben immer noch den Gleiter«, erinnerte ihn Gene. Sie ließen die Luke offen, zogen aber die Leiter zur Vorsicht ein. Sweety meldete 'alles okay' und wünschte höflich eine gute Nacht. Gene und Pat hielten sich noch eine Weile in der Bar auf, ehe sie ihre Kabinen aufsuchten. In dieser Nacht schliefen sie so gut wie lange nicht mehr.
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3 Nachdem die Ladeluke am anderen Morgen geöffnet und die Rampe ausgefahren war, rollte Trucky auf seinen acht federnd gelagerten Rädern aus dem kleinen Hangar. Das Fahrzeug war nur drei Meter lang und bot notfalls Platz für vier Personen. Zwei mußten dann allerdings auf der hinteren Ladefläche sitzen. Die Meßinstrumente und Grabwerkzeuge für die Proben waren unten angebracht, störten jedoch nicht bei Geländefahrten, außerdem wurden sie durch Stahlblech abgesichert. Gene winkte Pat zu: »Einsteigen! Es geht los!« Wegen der Rückkehr machten sie sich keine Sorgen; Trucky hinterließ eine nicht zu übersehende Spur. Außerdem konnten sie immer noch Sweety anpeilen, die mit ihnen durch das eingebaute Funkgerät in Verbindung stand. »Sehen wir uns die Hügel an?« fragte Pat zum viertenmal. Gene seufzte. »Sollte mich nicht wundern, wenn dich noch das Goldfieber packt. Vergiß nicht, daß wir wertvollere Dinge suchen.« »Trotzdem lasse ich es nicht liegen, wenn wir welches finden.« »Falls Sie das chemische Element mit der Bezeichnung Au, dem Atomgewicht 197,2 und der chemischen Ordnungszahl 79 meinen, Patrik O'Brian«, mischte sich Sweety in die Unterhaltung, »so fahren Sie genau in die Richtung, die meine Sensoren anzeigen. Die Entfernung läßt sich von hier aus nicht bestimmen.« Pats ohnehin nicht gerade blasses Gesicht bekam noch mehr Farbe. »Hast du das gehört, Gene?« rief er begeistert. »Ich bin ja nicht taub!« »Gold! Wir sind reich, Gene!« »Und ich sage dir jetzt zum letztenmal, daß wir nur dann Gold mitnehmen, wenn wir nichts anderes finden. Sozusagen als Trostpflaster. Wenn du noch einmal davon anfängst, fahren wir nach Westen, nicht nach Norden.« »Spielverderber!« knurrte Pat und schmollte vor sich hin. Die Hügelkette kam allmählich näher. Immer öfter mußte Gene den Baumgruppen ausweichen, aber das Gelände blieb eben und gut befahrbar. Wenn es Unebenheiten gab, dann nur flache Mulden und einmal sogar einen kleinen See, den sie umfuhren. Das Gras wuchs nun niedriger, während der Boden trockener und steiniger wurde. Wenn sie sich umblickten, sahen sie in weiter Ferne den Pilzhut der NEPTUN. Sie hatten bereits mehr als die Hälfte der Gesamtstrecke zurückgelegt. Gene verlangsamte das Tempo, als das Gelände anstieg und mit Geröll bedeckt war. Die Berge waren höchstens drei- bis vierhundert Meter hoch und kaum bewachsen. Einige tiefe Rillen und enge Täler verrieten, daß es auf First auch so etwas wie Regen und Verwitterung gab. Links rauschte ein Wildbach in die Ebene hinab. Er bog dann nach Südwesten ab und mündete irgendwo in den Strom. Gene folgte seinem Lauf und ignorierte die suchenden Blicke Pats, der wahrscheinlich hoffte, sein Gold läge gleich klumpenweise in der Gegend herum. Auf einem kleinen Felsplateau hielt Gene an. Copyright 2001 by readersplanet
Trucky würde jetzt nicht mehr weiterfahren können, denn die Steigung betrug bald über fünfzig Grad. Zwar lag hinter der ersten Stufe wieder eine Ebene, soweit sich das abschätzen ließ, aber von dieser Seite aus blieb sie unerreichbar. »Pause?« fragte Pat hoffnungsvoll. »Hast du was dagegen, wenn ich die Massetaster und den Element-Analysator in Betrieb nehme?« »Keineswegs. Ich sehe mich inzwischen ein wenig um.« Wieder meldete sich Sweety: »Nehmen Sie die Waffe mit, Gene Tarrot, wenn Sie sich mehr als zehn Meter vom Fahrzeug entfernen.« »Ich halte das zwar für überflüssig, aber ich werde deinen Rat befolgen, mein Schatz«, gab Gene zurück. Sweety gab keine Antwort und keine weiteren Ratschläge mehr. Er nahm das automatische Gewehr aus der Halterung und überzeugte sich, daß es geladen und gesichert war. Das Magazin faßte fünfzig Schuß. Zwar gab es schon moderne Lasergewehre, aber darauf hatte Gene absichtlich verzichtet. Außerdem rechnete er nicht damit, jemals auf feindlich gesonnene Lebewesen zu stoßen. Die Waffe war ausschließlich zur Jagd bestimmt - falls es etwas zum Jagen gab. Eine Weile sah er zu, wie Pat an den Geräten hantierte und sie schließlich aktivierte, dann schulterte er sein Gewehr und marschierte in Richtung Bach davon. Er folgte seinem Lauf bergauf, kletterte über riesige Felsbrocken und Bodenschwellen, die schäumende Wasserfälle verursachten. Die Bewegung tat ihm gut, spürte er, wenn auch seine Lungen zu schmerzen begannen. Zu lange war er faul und träge gewesen. Höchste Zeit also, sich wieder fit zu machen. Als er etwa hundert Meter Höhenunterschied überwunden hatte, blieb er stehen und blickte zurück. Unten auf dem Plateau konnte er Pat und Trucky gut erkennen. Der Ire hatte das Fahrzeug noch immer nicht verlassen. Er ließ den Element-Peiler kreisen und kontrollierte dabei die Skalen der Instrumente. Gene schüttelte den Kopf und wanderte weiter, diesmal mehr nach links, bis er wieder das Bachufer erreichte. Er setzte sich auf einen Stein und beobachtete das vorbeischießende Wasser. Es war glasklar, und dort, wo es ruhiger floß und Buchten bildete, glaubte er die silbernen Schatten von Fischen erkennen zu können. Wie war es ihnen möglich gewesen, vom Strom herauf über die vielen Wasserfälle bis hierher zu gelangen? Sein Blick fiel auf die gelbschimmernden Steine, die am Rand der Bachwindungen lagen. Manche waren so groß wie eine Männerfaust, die meisten kleiner. Gene blieb sitzen. Er wußte auch so, was es war. Gold! Es lag frei herum wie das andere Gestein. Aber wer hätte es auch aufheben sollen? So hatte vor hunderttausend Jahren vielleicht auch auf der Erde das Gold herumgelegen, und der Mensch von damals kümmerte sich nicht darum, weil es für Werkzeuge oder Waffen viel zu weich war. Und nur das zählte und gab den Wert an. »Das kann sich Pat ja holen, wenn er nicht zu faul ist«, murmelte er mit einer Spur von Schadenfreude. »Es wird mir ein Vergnügen sein, ihm dabei zuzusehen.« Er schaltete sein Gerät ein. »Sweety?« Sie meldete sich sofort: »Ja, Eugen Tarrot?« »Alles in Ordnung bei dir?« »Selbstverständlich! Ich habe zur Vorsicht zwei Flugspione ausgeschickt, einen nach Osten, den anderen nach Westen. Sie werden ihre gespeicherten Bilder in einer guten Stunde Copyright 2001 by readersplanet
abliefern. Die Flughöhe beträgt zweihundert Meter. Ihr Einverständnis setzte ich voraus. « »Danke, Sweety, du bist sehr umsichtig.« »Ich bin lediglich vorsichtig und für Ihre Sicherheit verantwortlich«, schwächte sie das Lob ab. Er schaltete wieder ab, blieb aber auf Empfang. Unten sah er Pat stehen und winken. Er hatte das Fahrzeug verlassen und erinnerte an eine altertümliche Windmühle. Es konnte kein Zweifel daran bestehen, daß er etwas Aufregendes entdeckt hatte. Auf den Gedanken, den Sender einzuschalten, kam er nicht. Gene winkte zurück und deutete mit der rechten Hand auf sein linkes Handgelenk, aber Pat reagierte nicht. Er vollführte auf dem Plateau die unsinnigsten Luftsprünge, rannte im Kreis umher und landete schließlich, weil er nicht aufpaßte, im Bach. Zum Glück an einer ruhigen Stelle, die dafür aber tiefer war. Die Kälte brachte ihn zur Besinnung. Er kletterte zurück ans Ufer und schüttelte das Wasser aus der Kombination. Die Sonne würde sie schnell trocknen. Dann bückte er sich und hob den Goldklumpen auf, gegen den er mit den Füßen gestoßen war. Er wog mindestens ein Kilo. Gene hörte ihn bis zu sich herauf brüllen und rufen, stand seufzend auf und kletterte vorsichtig den Hang hinab. Pat kam ihm entgegengelaufen, den Goldklumpen in der ausgestreckten Hand. »Rein, absolut rein! Tausend Gramm, wenn nicht mehr!« »Reg dich wieder ab!« riet Gene und betrachtete den Fund, als handele sich um einen Stein. »Von dem Zeug liegt hier mehr herum, als du aufheben kannst. Wir können es später noch immer holen. « »Gold einfach liegenlassen?« Pat starrte mit aufgerissenen Augen auf Gene. »Bist du wahnsinnig? Ich werde sofort ...« »Nichts wirst du!« sagte Gene scharf und warf das Gold in den Bach. »Ich habe dir versprochen, daß wir eine Ladung mitnehmen, wenn wir nichts Besseres finden, und dabei bleibt es. Nun sei vernünftig, Pat, oder wir starten noch heute zurück zur Erde. Das ist mein letztes Wort.« Der Ire sah ihn noch eine Weile mit stierem Blick an, dann ließ er die Hände sinken. Er nickte. »Du hast recht, verzeih mir. Ich habe einfach durchgedreht, als ich das Zeug plötzlich herumliegen sah. Es nimmt uns ja hier keiner weg. Du bist dein Leben lang immer reich gewesen, hast niemals Geldsorgen gehabt. Bei mir war das ganz anders. Vielleicht verstehst du das...« »Ist ja schon gut, Pat.« Gene klopfte ihm auf die Schulter. Sie gingen zurück zu Trucky. Messungen ergaben, daß in geringer Tiefe unter der Oberfläche noch unbekannte Elemente lagerten, die sich ohne die komplizierten Geräte der NEPTUN nicht analysieren ließen. Man würde Proben benötigen. »Morgen beginnen wir mit der eigentlichen Arbeit«, sagte Gene, als sich das Fahrzeug in Bewegung setzte. »Jetzt fahren wir noch ein wenig spazieren und dann zurück zum Schiff.« Sie erreichten die NEPTUN, als es bereits zu dämmern begann. In dieser Nacht allerdings träumten sie... Sie hatten Trucky zehn Meter vom Schiff entfernt im hohen Gras stehen lassen. Auch Sweety war der Meinung gewesen, man könne sich die Arbeit sparen, den Geländewagen zurück in den Hangar zu bugsieren. Um so verblüffter war Pat, der zuerst auf den Beinen war, als er aus der Luke sah und rund um Trucky und die NEPTUN das niedergetrampelte Gras bemerkte.
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Es waren mindestens ein volles Dutzend Spuren, die Pat zählte, aber sie stammten nicht von seinen oder Genes Stiefeln. Es waren überhaupt keine Spuren von Menschen. Unverkennbar handelte es sich um Hufabdrücke, wenn auch um relativ kleine. Da er sich keinen Rat wußte und das Schiff unter diesen Umständen nicht allein verlassen wollte, ging er in die Zentrale, weil Gene noch schlief und er ihn nicht wecken wollte. Nachdem er den schiffsinternen Interkom abgeschaltet hatte, fragte er Sweety: »Weißt du, wer diese Nacht um die NEPTUN geschlichen ist? « Der Computer antwortete sofort »Als der Morgen graute, näherten sich vierzehn kleine Tiere dem Schiff und Trucky. Sie umkreisten beides mehrere Male, ehe sie wieder verschwanden. Ihr Benehmen signalisierte keine Gefahr, darum gab ich keine Warnung durch. Sie scheinen lediglich neugierig gewesen zu sein.« »Tiere, sagst du? Bist du sicher, daß es keine intelligenten Lebewesen waren, die nur wie Tiere aussahen?« »Definitionen in dieser Hinsicht sind ungenau und nur relativ zu werten. Eine vielleicht im Universum existierende superintelligente Rasse müßte euch demnach ebenfalls als Tiere bezeichnen, weil ihr nicht ihrem durchschnittlichen Niveau entsprecht.« »Ohne dich korrigieren zu wollen, muß ich betonen, Sweety, daß die Bezeichnung 'Tier' von mir nicht als Herabsetzung gedacht war. Ich liebe Tiere und ...« »Ja, ich weiß«, unterbrach ihn Sweety rigoros. »Besonders Spanferkel. Aber auch Rinder, der Steaks wegen. Ich habe volles Verständnis für diese energiespendenden menschlichen Bedürfnisse, weil sie euch von der Evolution mitgegeben wurden.« »Na also!« Pats Stimme verriet Erleichterung. »Was also war in dieser Nacht dort draußen?« »Ohne Umschweife?« »Natürlich ohne Umschweife. Exakte Auskunft, wenn ich bitten darf.« »Also gut: Schweine! Junge Schweine und ein paar Rinder.« Pat starrte das Gitternetz an, aus dem Sweetys Stimme kam. »Schweine ...?« stammelte er schließlich, immer noch benommen. »Und Rinder? Bist du sicher, Sweety? Wenn du mich auf den Arm nehmen willst, rede ich kein Wort mehr mit dir.« »Ich besitze keine Arme«, versicherte der Computer ernsthaft. »Erbitte genauere Definition Ihrer Mitteilung.« »Eine Redensart, mehr nicht. Ich wollte damit sagen, daß du dir keinen Spaß mit mir erlauben sollst. Wo sollen hier Schweine und Rinder herkommen? Ausgerechnet auch noch junge!« »Es war kein Spaß, sondern eine sachliche Information. Die Tiere waren da, und sie waren jung. Logischerweise gibt es dann auch ältere. Vielleicht kommen sie wieder.« Pat spürte, wie ihm das Wasser im Mund zusammenlief. Ehe er jedoch weitere Fragen stellen konnte, kam Gene mit verschlafenem Gesicht in die Zentrale. Er deutete auf die Kontrollen des Computers. »Was machst du denn hier? Führst du heimliche Zwiegespräche mit Sweety?« »Ich wollte dich nicht wecken, darum schaltete ich den Interkom ab. Fehlt nur noch, daß du eifersüchtig wirst ...« »Was gibt es denn so Wichtiges?« Pat schilderte ihm, was geschehen war, und zeigte ihm dann von der Luke aus die Spuren und das niedergetretene Gras. Gene nickte gelassen. »Du hast ein unverschämtes Glück, Pat. Gestern findest du Gold, und heute rücken Spanferkel und Steaks in greifbare Nähe. Vielleicht bist du nun auch so freundlich, ein reichhaltiges Lager Bellarium zu entdecken.« Copyright 2001 by readersplanet
Bellarium war ein Element, das auf der Erde nicht vorkam. Zum Bau der leistungsfähigen Energie-Speicherbatterien wurde es unbedingt benötigt, und bis heute gab es keinen Ersatz für Bellarium. Ein Gramm davon kostete mehr als zehn Kilo Gold. Zum erstenmal hatte man das seltene Element unter der Eisdecke Plutos gefunden. »Vielleicht hilft Sweety mir dabei«, hoffte Pat. »Dann bleibt dein Gold aber hier zurück«, sagte Gene energisch. Pat grinste beruhigt. Ein oder zwei Zufälle mochte es ja hintereinander geben, aber keine drei oder gar vier. Nach dem Frühstück nahm er das Gewehr und überprüfte das Magazin. »Ich gehe uns einen Braten schießen, oder bist du die ewigen Konserven nicht auch bald leid? Die Spuren draußen sind noch frisch, ich brauche ihnen nur zu folgen.« »Sei vorsichtig, das hier ist eine für uns fremde Welt.« »Keine Sorge, ich passe schon auf mich auf. Die Spuren führen hinab zum Fluß. Wo sie herkommen, kann ich allerdings nicht feststellen. Wahrscheinlich aus dem Wald im Norden.« Während Pat durch das Gras davonstapfte, untersuchte Gene den Wagen nach eventuellen Beschädigungen. Er fand keine und war beruhigt. Über das Funkgerät teilte er Sweety mit: »Bleib mit mir und Pat in Kontakt. Ich fahre noch einmal zu den Hügeln im Norden. Die Berge im Westen nehmen wir uns später vor. « »Kontakt bleibt konstant, Gene Tarrot«, bestätigte Sweety förmlich. Gene zuckte die Schultern und fuhr los. Seit, gestern sprach Sweety ihn mit 'Gene' an... Gene hatte, als er später durch den Wald zurückfuhr, trockenes Holz mitgebracht, weil Pat in der Flußniederung keins finden konnte. »Und ein Holzfeuer brauchen wir!« teilte er Sweety mit, als der Computer ihn an die Heizplatten in der Bordküche erinnerte. »Pat hat ein Ferkel erlegt, und das muß am Spieß gebraten werden. Alles andere wäre in dieser Situation Blasphemie. Wir sind romantische Naturen. « »Ihre Evolution war von zu kurzer Dauer, das ist alles, Gene Tarrot. Die Urinstinkte brechen immer wieder durch, und Sie nennen das einfach Romantik.« Gene schluckte die neuerliche Belehrung und erwiderte nichts. Von weitem schon sah er die NEPTUN und den winkenden Pat, der seine Jagdbeute schon ausgeweidet hatte. Es war in der Tat ein noch sehr junges Schwein von dunkler Hautfarbe. Das Fleisch sah ungemein zart aus. »Es lief mir direkt in die erste Kugel«, berichtete Pat. »Als ob es geschossen werden wollte. Wo ist das Holz?« »Hast du Sweety eine Analyse vornehmen lassen?« »Nicht nötig, das hier ist ein richtiges Schwein! Was soll es denn sonst sein?« Wortlos lud Gene das Holz ab, während Pat ein Feuer entzündete. Als die Flammen niedriger brannten und die Glut seiner Meinung nach reichte, legte er den Spieß mit dem Ferkel in die beiden Astgabeln und rieb sich vergnügt die Hände. »Du kannst schon mal eine Flasche aus der Bar holen, Gene.« Später, als sie satt und zufrieden im Schein der untergehenden Sonne am Feuer hockten, meinte Gene: »Morgen untersuchen wir das Gebirge im Westen. Es wird besser sein, wir nehmen den Gleiter, sonst schaffen wir den Rückweg nicht vor Anbruch der Dunkelheit. Wir werden also sehr früh aufstehen müssen und unterwegs frühstücken.« »Kaltes Fleisch ist genügend übrig«, sagte Pat und deutete auf die Reste der Abendmahlzeit. »Glaubst du, daß wir Bellarium finden?« Copyright 2001 by readersplanet
Gene schüttelte den Kopf. »Ehrlich gesagt - nein. Die Wissenschaftler behaupten, es bilde sich nur in extremer Kälte, wie eben auf Pluto. Und von Kälte kann hier auf First ja kaum die Rede sein.« »Ich glaube auch nicht alles, was die sagen. Aber angenommen, wir finden wirklich Bellarium, werden wir dann sofort den Rückflug antreten?« »Wir werden keine unnötige Zeit verlieren«, antwortete Gene etwas unentschlossen. »Der Dunkelplanet wartet nicht, darum würde der Umweg immer größer, den wir machen müssen.« »Am liebsten würde ich hier noch einige Wochen bleiben, wenn uns nicht ein paar hübsche Dinge fehlten. Aber schließlich kann man ja nicht alles haben ...« Gene stand auf und reckte sich. »Ich gehe schlafen, damit ich morgen frisch bin.« Pat nickte. »Ich warte nur noch, bis das Feuer ausgebrannt ist.« Noch bevor die Sonne aufging, war der Gleiter startbereit. In geringer Höhe überquerten sie den Fluß und folgten dann auf der südlichen Seite seinem gewundenen Lauf, bis das Gebirge am Horizont sichtbar wurde. Da auch der Gleiter mit entsprechenden Suchgeräten ausgerüstet war, hatte Pat genug damit zu tun, seine Analysen vorzunehmen. Von der Landschaft bekam er nicht viel zu sehen. »Die meisten Elemente kommen auch auf der Erde vor«, sagte er schließlich. »Keine Spur von deinem Bellarium.« »Es würde zur Hälfte auch dir gehören«, erinnerte ihn Gene. »Na schön, vielleicht sind wir im Gebirge erfolgreicher. Es ist noch zu weit für exakte Messungen. « Er sah hinab auf die endlosen Wälder und Steppen. »Eine ganze Welt, die uns allein gehört. Was für eine Verschwendung! Erstaunlich, daß noch nie jemand bis hierher gekommen ist. Wir sind doch nicht die einzigen mit einem Gravital-Antrieb. « »Aber vielleicht die ersten so weit weg von der Erde, Pat. Jemand, der es vor uns geschafft hätte, hätte nach seiner Rückkehr zur Erde doch nicht über das alles geschwiegen.« »Ja, wenn er zurückgekehrt wäre ...« Gene gab keine Antwort, während Pat über die von ihm angedeutete Möglichkeit nachzugrübeln schien. Der Wald hörte am Fuß des Gebirges auf, was auf einen strengen Winter und eine niedrige Baumgrenze schließen ließ. Einzelne Gipfel erhoben sich bis in eine Höhe von mehr als fünftausend Metern, dazwischen lagen vegetationslose Hochtäler und Plateaus. In gewaltigen Kaskaden stürzten Wasserfälle in die Tiefe und vereinigten sich zu dem Fluß, der nicht weit vom Landeplatz der NEPTUN ins Ostmeer mündete. »Was verraten deine Messungen?« unterbrach Gene die ihm verborgenen Gedankengänge seines Freundes. »Immer noch nichts?« »Schon einige brauchbare Elemente, aber in viel zu großer Tiefe. Wir müßten jahrelang hierbleiben, um sie ausbeuten zu können.« »Kein Bellarium?« »Bis jetzt...warte mal! Doch, Bellarium auch, die Zeiger schlagen sogar recht kräftig aus. Die Tiefe des Vorkommens - ach, du lieber Gott! Genau 1250 Meter ...!« »Immerhin haben wir welches gefunden, obwohl die Voraussetzungen denkbar ungünstig waren. Aber mehr als einen Kilometer tief! Mit unserer Ausrüstung dauert es sechs Monate, bis wir Proben entnehmen könnten.« »Vielleicht finden wir eine günstigere Fundstelle, damit sich das Anfangen wenigstens lohnt.« Gene nickte und nahm Richtung auf eine der vielen Hochebenen, deren Hänge so steil waren, daß man sie kaum ohne den Gleiter erreicht hätte. Das Fehlen jeglicher Vegetation Copyright 2001 by readersplanet
wirkte bedrückend. »Werden wir auch mal landen?« fragte Pat. »Eine Mahlzeit in einigen tausend Metern Höhe wäre eine Abwechslung.« »Da vorn das Plateau - wenn ich mich nicht irre, wächst da sogar etwas. Habe es eben nicht gesehen. Bäume, wahrhaftigl« »Wurden wohl durch Felsvorsprünge bisher verdeckt.« In der Tat war der größte Teil der Hochebene mit Gras bedeckt, nur von vereinzelten Baumgruppen unterbrochen. Ein kleiner Bach überquerte es und verschwand zwischen herumliegenden Felsbrocken. Der Gleiter landete sanft und problemlos zwischen den Hindernissen auf seinem Gravitationsfeld. Gene und Pat stiegen aus und nahmen ihren Proviant gleich mit. Das Wasser im Bach war kühl und frisch. Sie hatten keine Bedenken, es zu trinken. Nachdem sie sich gestärkt hatten, unternahmen sie einen Erkundungsgang, aber wenn Pat heimlich gehofft hatte, wieder Goldklumpen zu finden, sah er sich getäuscht. Dagegen stellte Gene etwas später, als sie wieder beim Gleiter und dessen Instrumenten waren, erneut ein Lager von Bellarium fest. »Seltsam«, murmelte er und betrachtete seine Umgebung. »Hier sind wir höher als bei deiner ersten Messung, und trotzdem liegt das Zeug nur fünfhundert Meter tief.« Er schüttelte den Kopf. »Nein, es hat wenig Sinn. Wir müßten die ganze Ausrüstung hierher bringen, vielleicht sogar mit der NEPTUN. Und dann fünfhundert Meter harter, gewachsener Fels! Unmöglich!« Es schien so, als hätte sich auch Pat endgültig auf Bellarium umgestellt und sei dabei, sein Gold zu vergessen. »Die Tiefe ist geringer geworden, Gene. Dabei haben wir erst einen winzigen Teil des Kontinents erforscht. So schnell geben wir doch nicht auf, oder ...?« »Natürlich nicht.« Gene kletterte in die Kabine. »Komm, suchen wir weiter. Ich möchte wissen, was hinter dem Gebirge im Westen ist.« »Haben wir schon vom Raum aus gesehen - Wälder und Prärien. « »Ich meine doch die Meßinstrumente ...« »Ah, du meinst also: unter der Oberfläche?« »Du hast es erfaßt.« Gene schaltete das Funkgerät auf Senden. »Hallo, Sweety, alles in Ordnung bei dir?« »Keine Veränderung, Gene Tarrot.« Pat machte ein verwundertes Gesicht. »Aha, die Dame scheint zutraulicher geworden zu sein. Eines Tages wird sie uns noch duzen.« »Das wird kaum geschehen, Pat O'Brian, aber die Einsparung einer Silbe ist ökonomisch und erfüllt den gleichen Zweck.« Gene seufzte und schaltete wieder zurück auf Nur-Empfang. »Man erlebt wirklich seltsame Dinge«, meinte er und startete. Langsam schwebten sie nach Überquerung des Gebirges in die Ebene hinab, die bis zum Horizont reichte. Auch hier gab es einen breiten Fluß, endlose Prärien und verfilzte Urwälder. »Du kannst mit den Messungen anfangen«, empfahl Gene und sah angestrengt nach vorn, wo er etwas bemerkt zu haben glaubte, das nicht in die fast genormte Landschaft paßte. »Sieh doch mal dort, Pat!« wechselte er dann das Thema und deutete nach Westen. Sie sprachen kein Wort, als sie das in der Mitte auseinandergebrochene Raumschiff in Torpedoform erblickten. Halb überwachsen lag es dicht beim Flußufer.
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4 »Völlig ausgeschlossen!« behauptete Pat, als sie die Absturzstelle in geringer Höhe vorsichtig umkreisten. »Das ist kein Raumschiff von der Erde.« »Die ersten Versuchsschiffe mit Gravital-Antrieb sahen aus wie dieses dort«, erinnerte ihn Gene. »Man benutzte einfach die herkömmlichen Formen, weil man es so gewohnt war. Es kann also sehr gut eins dieser Schiffe sein. Ich weiß, daß einige niemals zurückkehrten.« »Ob es Überlebende gab?« »Wir werden nachsehen. Auf keinen Fall kann das Unglück sich vor mehr als fünfzehn Jahren ereignet haben. Wenn jemand den Absturz überlebte, werden wir Spuren und Hinweise finden. Aber bis jetzt rührt sich da unten nichts.« »Warum sollten die Überlebenden auch bei ihrem Wrack bleiben?« Gene gab keine Antwort. Keine fünfzig Meter von der geborstenen Rakete entfernt landete er. Sie war jetzt besser zu erkennen. Es handelte sich rein äußerlich um ein Modell, wie man sie noch vor der Jahrtausendwende zur Erforschung des Sonnensystems einsetzte. Wenn es eine Bezeichnung gegeben hatte, so war sie jetzt nicht mehr auf dem stumpf gewordenen Rumpf zu erkennen. Teile der Hülle begannen bereits zu oxydieren. Pat öffnete den schmalen Ausstieg. Diesmal vergaß er sogar das Gewehr. Gene folgte ihm und schloß das Luk wieder. In dem hohen Gras gab es keinerlei Spuren. Hier war viele Jahre niemand gegangen, das ließ sich auf den ersten Blick erkennen. Wenn es also einen oder mehrere Überlebende gegeben hatte, so waren sie nicht beim Wrack geblieben. Fluß und Gebirge boten bessere Lebensbedingungen. Es war einfach, in das Schiff einzudringen. Pat interessierte sich für die Art des Antriebs und machte einige erstaunliche Entdeckungen, während Gene sich mehr dem Vorderteil der in zwei Hälften geteilten Rakete widmete. Mühsam zwängte er sich durch die abgebrochenen Verstrebungen in die ehemalige Kommandozentrale. Der Aufprall hatte alles zerstört und unbrauchbar gemacht. Sämtliche Instrumente und Geräte waren zersplittert und sogar die Sichtluke aus ihrer Verankerung geschleudert worden. Im Pilotensessel vor den Kontrollen hing in den Haltegurten ein menschliches Skelett. Der unglückliche Raumfahrer schien bis zur letzten Sekunde noch versucht zu haben, das abstürzende Schiff wieder abzufangen und auf Kurs zu bringen. Er hatte seinen Wagemut mit dem Leben bezahlen müssen. Gene hörte Pat rufen und antwortete über Funk: »Warte einen Augenblick, ich suche noch das Logbuch.« Aber nach zehn Minuten gab er es auf. Es würde Wochen dauern, wollte er sämtliche Trümmer beiseite räumen, außerdem war es gar nicht so sicher, daß der unbekannte Astronaut Eintragungen gemacht hatte. Vielleicht hatte er, wie Gene und Pat, alle Informationen und Kursdaten im Computer gespeichert. Und der war natürlich ebenfalls zerstört worden. Gene atmete auf, als er wieder im Freien stand. Pat deutete auf die Reste des einstigen Hecks. »Zumindest kann ich feststellen, daß es sich um die ersten Anfänge der Gravitaltechnik handelte, aber das Schiff verfügte auch über einen normalen Antrieb für flüssigen Treibstoff. Sieht so aus, als habe der Mann sich das selbst zusammengebastelt. Er ist vielleicht Copyright 2001 by readersplanet
jahrelang unterwegs gewesen, nur um hier den Tod zu finden.« »Die zusammengedrückte Kabine läßt keinen Schluß darauf zu, ob er allein war oder einen Begleiter bei sich hatte. Aber in der Zentrale gibt es einen zweiten Sessel.« »Das hat nichts zu sagen, Gene. Diese alten Modelle flogen immer mit zwei Mann Besatzung. Erst der Gravital-Antrieb machte längere Alleinflüge möglich.« Sie untersuchten die nähere Umgebung des Wracks, fanden aber nur im Gelände verstreute Trümmerstücke und verrostete Einzelteile der zerbrochenen Schiffshülle. Nichts deutete darauf hin, daß jemand den Absturz überlebt hatte. »Wir können uns ja später noch einmal hier umsehen«, schlug Gene schließlich vor. »Es wird Zeit, daß wir zur NEPTUN zurückkehren. Morgen oder übermorgen unternehmen wir dann eine größere Expedition und erforschen den Kontinent.« Nach einem letzten Blick auf das Wrack starteten sie und nahmen Kurs nach Osten. Als sie das Gebirge überquert hatten und in der Ferne ihr Schiff sichtbar wurde, meldete sich Sweety und sagte: »Gene Tarrot und Pat O'Brian, von Norden her nähert sich ein Mann. Er scheint bewaffnet zu sein. Geben Sie bitte Ihre Position durch ...« Nachdem sie sich von ihrer sprachlosen Überraschung einigermaßen erholt hatten, folgten sie der Aufforderung des Computers und beeilten sich, neben der NEPTUN zu landen. Pat nahm das Gewehr und kletterte zuerst aus dem Gleiter. Gene folgte ihm langsamer. Er wurde nicht mit der Tatsache fertig, daß es nun auf einmal drei Menschen auf dieser Welt geben sollte. Hatte doch jemand den Absturz des Raumschiffes überlebt, das sie gerade erst entdeckten? Der von Sweety angekündigte Besucher erschien auf dem Kamm der Hügel, die das hohe Gras um einige Meter überragten. In der lose herabhängenden rechten Hand hielt er ein Gewehr. Das deutlich erkennbare Magazin verriet, daß es sich um ein ähnliches Modell handelte, wie Pat es benutzte. Seine Kleidung wirkte zerlumpt. Ein dunkler Vollbart rahmte das Gesicht ein und machte es kaum vertrauenerweckender. Gene nickte Pat zu und ging dem Fremden langsam entgegen. Fünfzig Meter von der NEPTUN entfernt hielt er an und wartete. Hinter sich wußte er den wachsamen Pat, der jede Bewegung des Unbekannten mit Argusaugen beobachtete und sofort handeln würde, sollte sich das als nötig erweisen. Der Fremde ging weiter, auf Gene zu. Er hob die linke Hand zum Gruß. »Hallo!« rief er, als wäre sein unvermutetes Erscheinen das Normalste auf der Welt. »Ich bin froh, daß Sie gekommen sind. Das Leben auf Ross II ist einsam...« Gene betrachtete ihn mißtrauisch. »Hallo«, gab er den Gruß dann zurück und nahm die ausgestreckte Hand des anderen. »Wer sind Sie? Gehören Sie zu dem Wrack jenseits des Gebirges? Wie haben Sie überlebt? Wo kommen Sie jetzt her?« Der Fremde stützte sich auf den Lauf seines Gewehrs. »In den Hügeln im Norden habe ich eine Höhle gefunden, in der ich wohne. Nahrungssorgen gibt es nicht, diese Welt ist ein Paradies. Und sie gehört mir allein. Ich sah Sie gestern mit dem Wagen, aber ehe ich mich bemerkbar machen konnte, waren Sie schon wieder fort. « Sie gingen zum Schiff. Pat ließ das Gewehr sinken, sicherte es aber noch nicht. Der Bärtige, er mochte an die sechzig Jahre alt sein, lächelte nachsichtig. »Seit wann leben Sie hier?« fragte Gene und deutete auf mehrere Kisten, die er zusammen mit Pat gestern noch ausgeladen hatte. »Setzen wir uns, und dann berichten Sie ...« »Mein Name ist Henry Muller. Ich startete zusammen mit meinem Partner im Jahr 2018 zu einer Expedition, um im Auftrag unserer Gesellschaft den offiziell noch nicht eingeführten Gravital-Antrieb zu erproben. Wir waren zwei Jahre unterwegs und hatten Schwierigkeiten, Copyright 2001 by readersplanet
aber wir erreichten heil dieses System und beschlossen die Landung, da wir dem Schiff eine Erholungspause gönnen wollten. Mein Partner übernahm die Kontrollen. Beim Abstieg setzte der Antrieb aus, wir stürzten ab, mein Partner wurde getötet. Ich überlebte wie durch ein Wunder. Das ist alles.« Gene schüttelte den Kopf und warf Pat einen warnenden Blick zu, obwohl Henry Muller inzwischen sein Gewehr achtlos neben sich ins Gras gelegt hatte. »Wir haben das Wrack gesehen. Darin konnte niemand überleben.« »Wie Sie sehen, haben Sie unrecht. Ich lebe wirklich.« »Und warum haben Sie Ihren umgekommenen Partner nicht begraben, wie es Christenpflicht gewesen wäre? Wir fanden seine Überreste in der Kommandozentrale, noch immer an den Kontrollsessel gefesselt.« Zum erstenmal zeigte Muller so etwas wie Verlegenheit. »Sie müssen meine damalige Situation verstehen, Mr. Tarrot. Der Absturz, der Aufschlag, der Schock - und das alles. Ich raffte alles zusammen, dessen ich habhaft werden konnte, und floh in das Gebirge. Trotz eines gebrochenen Beines und verstauchter Arme. Später wagte ich es nicht mehr, zu dem Wrack zurückzukehren. Es wäre wohl auch zu spät gewesen, meinen Partner zu beerdigen.« Genes Gesicht blieb ausdruckslos, als er sagte: »Sie leben also seit sechzehn Jahren hier? Ich nehme an, Sie werden uns einige brauchbare Tips geben können, denn wir sind Prospektoren. Selbstverständlich werden wir Sie mit zur Erde zurücknehmen, sobald wir unsere Aufgabe hier erfüllt haben.« »Ich werde hierbleiben«, erwiderte Muller und schüttelte den Kopf. »Ich werde nicht mit Ihnen kommen. Vielleicht haben Sie auch eines Tages den Wunsch, für immer hierbleiben zu wollen.« Die Einsamkeit hat seinen Geist verwirrt, dachte Gene. Wir werden auf ihn achten müssen. Pat sagte: »Den Namen Henry Muller habe ich schon gehört. Waren Sie nicht einer jener Testpiloten, die in den frühen Tagen der Erprobung für einen europäischen Betrieb als verschollen galten? Ich muß damals so um die fünfundzwanzig gewesen sein. Wenn Sie dieser Muller sind, dann waren Sie damals einer meiner heimlichen Helden. « »Ich bin es!« sagte Henry Muller mit Überzeugung. Gene stellte noch einige Fragen und bot dem Schiffbrüchigen dann an, bei ihnen im Schiff zu übernachten. Im Lagerraum würde sich schon ein bequemes Eckchen herrichten lassen. Aber Muller lehnte ab. Er sei das Leben im Freien gewohnt, und niemand würde ihn jemals wieder dazu überreden können, ein Raumschiff zu betreten. »Ich werde unter freiem Himmel schlafen und morgen in meine Höhle zurückkehren. Besuchen Sie mich dort. Sie haben schon recht: Ich bin sicher, Ihnen wertvolle Hinweise geben zu können. « »Wir werden alle Probleme mit der Zeit lösen können, auch das Ihre«, erwiderte Gene vorsichtig. »Dürfen wir Sie wenigstens zum Abendessen einladen?« »Danke, ich habe keinen Hunger. Aber der lange Weg hat mich ermüdet. Ich bin dort drüben in den nahen Hügeln. Eine trockene Mulde wird mein Bett sein.« Er nahm sein Gewehr und ging langsam davon, so als warte er darauf, zurückgerufen zu werden. Aber niemand rief ihn, auch Pat nicht, obwohl er es am liebsten getan hätte. Aber rechtzeitig noch bemerkte er Genes warnendes Handzeichen. Henry Muller verschwand im hohen Gras und erschien erst wieder bei den nahen Hügeln. Dann tauchte er endgültig unter. Pat sicherte das Gewehr. »Er scheint harmlos zu sein, wenn auch ein Sonderling. Kein Wunder bei einem Menschen, der fast zwei Jahrzehnte allein gewesen ist.« Er stand auf. »Heute werden wir Konserven Copyright 2001 by readersplanet
zum Abendbrot haben. Morgen schieße ich uns wieder einen Braten.« Gene blieb wortlos sitzen und starrte in den allmählich dämmerig werdenden Himmel. Dann hatte er eine kurze informatorische Unterhaltung mit Sweety, die seine Vermutung bestätigen konnte. Dadurch wurde alles nur noch rätselhafter und geheimnisvoller. Es gab überhaupt keine vernünftige Erklärung. Pat kam mit den Konserven und etwas zu trinken. »Du hast das Gewehr im Schiff gelassen?« fragte ihn Gene. »Ja, warum? Meinst du, wir hätten es nötig?« Er deutete in Richtung der Hügel. »Der da tut uns bestimmt nichts. Der ist in Ordnung. « »Das bezweifele ich sehr, Pat. Henry Muller - der Name ist dir also bekannt?« »Ja, das sagte ich doch schon.« »Und woher, mein Lieber, hat er meinen Namen gewußt? Ich habe uns nicht vorgestellt, und Sweety hat ihm ebenfalls unsere Namen nicht verraten. Niemand kannte uns, als er vor achtzehn Jahren von der Erde aus startete. Wie also konnte er mich mit 'Mr. Tarrot,' ansprechen?« Pat starrte seinen Freund und Partner sprachlos an, ehe er um die Nasenspitze herum blaß wurde. Beide sahen sie hinüber zu den Bäumen, wo sie Henry Muller das letztemal gesehen hatten. Wer war dieser Henry Muller wirklich...? Als sie am anderen Tag das Schiff verließen, verschlossen sie das Einstiegluk und verstellten die Kombination. Nun konnte kein Unbefugter eindringen. Sie nahmen beide Gewehre mit, Gene außerdem noch die handliche Laser-Pistole, die in erster Linie dem Zerschmelzen von Gestein bei Probeentnahmen diente. Zugleich konnte sie aber auch eine tödliche Waffe sein. »Ob er noch schläft?« wunderte sich Pat und deutete zu den nahen Grashügeln. »Soll ich mal nachsehen?« »Kannst du, wir haben noch etwas Zeit. Ich habe nicht gesehen, ob er Proviant dabei hatte, vielleicht hat er Hunger.« Pat folgte der deutlichen Spur Henry Mullers, das Gewehr in der Hand. Gene ordnete inzwischen die Gerätschaften, die sie heute mitnehmen wollten. Sie hatten ihren Plan, einen längeren Ausflug mit dem Gleiter zu unternehmen, geändert. Noch einmal wollten sie mit dem Geländewagen nach Norden zu den Felshügeln fahren, um eine intensivere Suche nach Bellarium zu starten. Das tragbare Massetaster- und Analysegerät würde ihnen dabei wertvolle Dienste leisten können. Als Gene mit dem Einräumen fertig war, rief er Pat über Funk: »Na, was ist? Kommt er nun mit oder nicht?« »Er ist überhaupt nicht mehr da«, teilte Pat mit. »Aber er muß hier unter den Bäumen geschlafen haben, denn das Gras ist niedergedrückt. Eine frische Spur führt in nördliche Richtung.« »Dann kann er noch nicht weit sein, wir holen ihn ein.« Gene fuhr los und hielt dann kurz an, damit Pat einsteigen konnte. Am Himmel war kein Wölkchen zu sehen, und es wurde warm in der Kabine. Sie öffneten das Schiebedach. Die Spur war in dem hohen Gras deutlich zu erkennen und kaum zu verfehlen. Sie führte genau nach Norden, wo die felsigen Hügel lagen, an deren Fuß sie am ersten Tag das Gold gefunden hatten. Sie konnte nicht mehr als zwei oder drei Stunden alt sein. Dann hielt Gene plötzlich mit einem Ruck an. Pat, der darauf nicht gefaßt war, konnte sich noch gerade mit den Händen abstützen. »Was hast du denn? Eine rote Ampel?«
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Gene gab keine Antwort. Er starrte angestrengt durch die Windschutzscheibe der Kabine Truckys. Pat folgte seinem Blick, ehe er die Augen weit aufriß. Dann stotterte er: »Die Spur ... sie hat aufgehört! Genau vor uns hat sie aufgehört! Wie ist denn das möglich?« Gene öffnete die Tür. »Komm, das müssen wir uns ansehen!« Ratlos standen sie dann beide im Gras und versuchten, eine Erklärung für das schier Unmögliche zu finden. Die Spur endete unmittelbar vor ihren Füßen, obwohl da noch immer Gras wuchs, genauso hoch wie vorher. Es war, als hätte Henry Muller den letzten Schritt gemacht und sich dann in Luft aufgelöst. »Der kann doch nicht fliegen«, murmelte Pat ratlos und unsicher. »Aber so sieht es aus...« Und so sah es wirklich aus. Gene sagte: »Gehen wir ein Stück. So unwahrscheinlich es klingen mag, aber vielleicht ist er zehn Meter weit gesprungen. Dann müßten wir seine Spur wiederfinden.« »Kein Mensch kann so weit springen, und hier herrschen nahezu die gleichen Schwerkraftverhältnisse wie auf der Erde.« »Gehen wir trotzdem, Pat.« Es gab keine Spur mehr. Überall wuchs das Gras gleichmäßig hoch. Nur an einigen Stellen kam der Fels bis zur Oberfläche empor, aber warum hätte sich Muller die Mühe machen sollen, von Fels zu Fels zu springen, nur um keine Spuren zu hinterlassen? Abgesehen davon, daß solche Sprünge unmöglich schienen. Ratlos kehrten sie zu Trucky zurück, dessen Antrieb beruhigend summte. Sie stiegen wortlos ein und fuhren weiter, immer nach Norden. Um die Richtung nicht zu verlieren, brauchten sie die Spuren Mullers nicht, aber ihr plötzliches Fehlen wirkte alarmierend. Der Schiffbrüchige konnte doch nicht einfach von der Oberfläche des fremden Planeten verschwunden sein! Sie passierten eine glatte Felsplatte größeren Ausmaßes, auf der kein Gras wuchs und die das erste Anzeichen des aufsteigenden Urgesteins war. Die Hügel waren nur noch zwei Kilometer entfernt, als wieder Gras wuchs - und die Spuren wieder vorhanden waren. »Der Kerl hält uns wohl zum Narren!« knurrte Pat wütend. »Aber ich frage mich nur, wie er das macht. Die einzige plausible Erklärung wäre, daß er einen Fluganzug bei sich hat, aber ich habe keinen gesehen.« »Den kann er versteckt haben, bevor er bei uns auftauchte. Ich glaube, du hast des Rätsels Lösung gefunden.« »Vielleicht, Gene, vielleicht aber auch nicht.« »Es gibt keine andere!« sagte Gene überzeugt. »Wenigstens keine vernünftige.« Von nun an folgten sie wieder der Spur, bis sie endgültig felsiges Gelände erreichten und bergauf fuhren. Wenn Henry Muller sie erwartete, würde er sich schon bemerkbar machen. Gegen Mittag entdeckte Gene mit dem Handmeßgerät Bellarium in einer erträglichen Tiefe von dreißig Metern. Da es sich bei diesen dreißig Metern um Urgestein handelte, waren die Schwierigkeiten, die es zu überwinden galt, noch immer beträchtlich. Die Bohrgeräte waren zwar moderner Bauart, aber ihre Konstrukteure hatten in erster Linie nur an die Entnahme von Proben gedacht. »Ich denke, es lohnt sich trotzdem«, faßte Gene nach kurzer Diskussion mit Pat zusammen. »Wir dürfen nicht vergessen, daß schon ein Kilo Bellarium die halbe Reise finanziert, und da unten liegen einige Tonnen, wenn die Instrumente nicht verrückt spielen. Allerdings wird es einige Wochen dauern, bis wir den ersten Klumpen fördern können. Dann aber geht es schneller.« »Ziemliche Arbeit, was?«
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»Nur der Transport hierher, dann läuft fast alles automatisch. Ich glaube, wir holen die NEPTUN näher heran. Unten am Fuß der Hügel gäbe es einen idealen Landeplatz.« Pat nickte und sah sich zum hundertsten Male nach allen Seiten um. »Wo mag nur dieser Muller stecken? Er muß uns doch gesehen haben!« Gene zuckte mit den Schultern. »Wenn er nicht mit uns reden will, dann soll er es eben bleiben lassen. Wir sind nicht auf ihn angewiesen, wohl aber er auf uns.« »Ob er deswegen - wie auch immer - seine Spuren verwischt hat?« »Weil er nichts mit uns zu tun haben will? Möglich, aber unwahrscheinlich. Auf jeden Fall will ich mir in den nächsten Tagen das Wrack seines Schiffes noch einmal ansehen. Etwas an seiner ganzen Geschichte stimmt nicht. Ich will wissen, was!« Pat bückte sich und hob einen der herumliegenden Goldklumpen auf. Er wog mindestens zwei Kilogramm. Er betrachtete ihn von allen Seiten, ehe er ihn einfach zu Boden fallen ließ. »Wenn ich daran denke, wie nötig ich so etwas noch vor einigen Jahren gehabt hätte, wird mir ganz schwindelig. Ich wäre alle meine Sorgen los gewesen, für immer. Und jetzt...?« Er zeigte mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf die gelbschimmernden Reichtümer, die man nur aufzuheben brauchte. »Du hast recht, Bellarium ist wertvoller - und leichter.« Gene warf ihm einen seltsamen Blick zu, ehe er sagte: »Hast du dir schon überlegt, wie verrückt es eigentlich ist, wenn das Zeug hier herumliegt? Im Bach kann ich es noch verstehen und habe eine wissenschaftliche Erklärung, aber hier auf dem Plateau? Wie kommt es überhaupt hierher? Angeschwemmt? Wovon denn? Der Bach ist dort drüben, ein paar hundert Meter entfernt. Ist es von den Gipfeln herabgefallen? Und wie kam es dorthin?« Er schüttelte ein wenig ratlos den Kopf. »Du kannst mir sagen, was du willst, aber dieser Planet ist verrückt, total verrückt.« »Vielleicht ist er nur verzaubert«, schlug der optimistische Pat vor. »Und der Obermagier ist dieser Henry Muller, der durch die Luft fliegen kann und keine Spuren hinterläßt.« Gene seufzte und machte sich wieder an die Arbeit. Er mußte exakte Messungen vornehmen, um Tiefe und Ausmaß des Vorkommens an Bellarium festzustellen. Er war davon überzeugt, dass sie keine günstigere Stelle als diese mehr finden konnten. Pat nutzte die Zeit, die nähere Umgebung abzusuchen, und hoffte, vielleicht doch die Höhle des mysteriösen Schiffbrüchigen zu entdecken. Aber er hoffte vergebens. Es gab keine Höhle, wenigstens keine, die bewohnt war. Als es im Osten dunkler wurde, nachdem die Sonne unter den Westhorizont gesunken war, mahnte Gene zum Aufbruch. Sie packten die Instrumente zusammen, verluden sie und fuhren los. Schon wenig später konnten sie den Pilzhut der NEPTUN über dem Grasmeer sehen. Die Richtung war nicht zu verfehlen, abgesehen davon, daß Truckys Fahrspur vom Morgen noch deutlich zu erkennen war. Gene versäumte es, Kontakt zu Sweety aufzunehmen und sorgte so für die Überraschung. Der Computer selbst hielt es wahrscheinlich für überflüssig, ihnen zweimal die gleiche Meldung zu machen. Pat, der aufrecht in der offenen Kabine stand und weiter sehen konnte als Gene, setzte sich plötzlich und schnaubte verblüfft: »Beim Schiff steht jemand und erwartet uns. Henry Muller.« Gene fuhr mit unverminderter Geschwindigkeit weiter. »Gut«, sagte er lediglich. »Dann wird er uns einige Fragen beantworten müssen...« Sie hielten an. Muller ließ sein Gewehr am Boden liegen und kam ihnen entgegen. »Ich hoffe«, sagte er, »Sie hatten .einen erfolgreichen Tag, und ich selbst würde mich freuen, wenn Sie noch einige Zeit auf dieser einsamen Welt blieben.« Gene nickte bestätigend.
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»Es sieht ganz so aus, als sei das nötig. Wir haben ein reiches Lager Bellarium gefunden. Der Abbau wird sich lohnen.« Er sah den Schiffbrüchigen forschend an. »Wo haben Sie den ganzen Tag gesteckt? Wir hatten gehofft, Ihnen drüben bei den Hügeln zu begegnen.« »Ich hatte zu tun.« Das klang nur wenig überzeugend. Der Mann handelte allen Gesetzen der Psychologie zuwider. Jemand, der sechzehn Jahre allein auf einer unbewohnten Welt unfreiwillig zugebracht hat, würde sich um jede Minute menschlicher Gesellschaft reißen. Gene ignorierte die offensichtliche Lüge und gab Pat einen Wink. »Sorge bitte für ein gutes Abendessen aus unseren Vorräten. Mr. Muller ist unser Gast heute, ob er will oder nicht. Bringe auch ein paar Dosen Bier mit.« Er wandte sich an Muller. »Sie trinken doch Bier, oder ...?« »O ja, natürlich, danke.« Während Pat im Schiff war, unterhielt sich Gene mit seinem Gast. Er stellte ihm Fragen und beantwortete welche, bis er endlich, ohne Verdacht zu erregen, die für ihn wichtigen Umstände zu klären suchte. Bereitwillig stand Muller auf. »Kommen Sie, Mr. Tarrot, ich will Ihnen meinen Fluganzug zeigen. Er liegt drüben beim Grashügel. Ich benutze ihn immer, wenn ich größere Strecken zurücklegen muß. Aber ich muß sparsam mit der verbliebenen Energie umgehen, darum gehe ich oft eine Strecke zu Fuß, bis ich müde werde. Das ist der Grund, warum Sie keine Spuren fanden. Klingt logisch, nicht wahr?« »Allerdings«, gab Gene zu, aber seine Spannung wuchs. Später saßen sie beim Schiff im Gras und aßen. Das Bier schien Muller gut zu schmecken. Er hatte schließlich lange genug keins mehr getrunken. Dann, ohne Ankündigung, stand er auf und verabschiedete sich. »Ich möchte in meiner Höhle schlafen, und jetzt kann ich ja auch mit offenen Karten spielen. Sie nehmen mir den Fluganzug nicht ab. « Sie sahen ihm nach. Er verschwand zwischen den Bäumen, und wenig später sahen sie ihn mit dem Antigravanzug langsam in die Höhe steigen und in nördlicher Richtung verschwinden. Pat nickte. »Na also, damit wäre das Geheimnis der verschwundenen Spuren gelöst. Wir haben uns ganz umsonst den Kopf zerbrochen und verrückte Spekulationen angestellt. Ist doch klar! Er hat den Anzug beim Absturz gerettet.« »Sicherlich«, murmelte Gene und setzte sich wieder. »Das Problem der verschwundenen Spuren ist gelöst, dafür gibt es aber ein anderes. « Pat sah ihn verwundert an. »Ein anderes? Welches denn, zum Teufel!« Gene versuchte zu lächeln, aber es gelang ihm nicht ganz. »Er hat mir den Fluganzug gezeigt, ich habe ihn also ganz aus der Nähe sehen können. Eine Firmenbezeichnung habe ich nicht entdeckt, aber ich kenne das Modell genau. Ein Irrtum ist ausgeschlossen. Es handelt sich um das Modell, das wir mitnehmen wollten, es aber dann doch nicht taten.« »Na und? Was soll das?« Gene drückte den Zeigefinger in den weichen Boden bei den Graswurzeln. Es sah aus, als wolle er den Planeten für das verantwortlich machen, was er dann sagte: »Henry Muller landete hier, wie er sagte, im Jahr 2020. Das Modell seines Fluganzuges kam aber erst im Jahr 2033 auf den Markt. Es wurde Anfang der dreißiger Jahre entwickelt.« Pat starrte ihn sprachlos an, dann begann er lautlos vor sich hinzufluchen. Copyright 2001 by readersplanet
5 Um sich das Einladen des Gleiters und des Wagens zu ersparen, nahm Pat am anderen Tag Trucky und fuhr mit ihm zu dem neuen Landeplatz bei den Hügeln. Gene holte ihn dann mit dem Gleiter ab und brachte ihn zurück zur NEPTUN. »Nimm den Gleiter und warte dann auf mich, Pat. Ich kann das Schiff allein fliegen, ist ja nur ein Katzensprung.« »Sei vorsichtig«, warnte Pat ein wenig besorgt. »Ich kann mit dir kommen und wir holen den Gleiter später nach.« »Wozu die überflüssige Arbeit?« Pat zuckte die Achseln. »Keine Ahnung, wenn ich ehrlich sein soll. Mir wird es hier allmählich zu unheimlich, das ist alles. « »Unsinn! Es gibt für alles eine natürliche Erklärung.« »Aber das ist hier eine fremde Welt, wo es vielleicht gar keine natürlichen Erklärungen gibt.« Gene fuhr die Leiter ein. Bevor er die Luke der NEPTUN schloß, sagte er: »Dreh nur nicht durch, alter Junge! Bis bald ...« Pat startete noch vor Gene und erreichte den Lagerplatz in knapp fünf Minuten. Er stieg aus und sah nach Süden. Die NEPTUN kam laut- und schwerelos herbeigeschwebt und landete ohne Zwischenfall. Die ganze Aktion hatte kaum zwei Stunden gedauert. Mittags, als die Sonne warm herabschien, setzten sie sich ans Bachufer und rasteten. Pat spielte gedankenlos mit kleinen Goldnuggets und warf sie ins Wasser, wie er es früher mit Steinen getan hatte. Es bereitete ihm offenbar Spaß, mit dem herumliegenden Reichtum zu spielen. Plötzlich meldete sich Sweety aus dem knapp achthundert Meter entfernten Schiff »Gene und Pat« - nun ließ der Computer auch schon die Familiennamen fort -, »Ihrem Standort nähert sich ein vierbeiniges Wesen. Es scheint harmlos zu sein.« Gene sprang sofort auf, während Pat nach dem Gewehr griff. »Woher?« fragte Gene. »Von Osten.« Im Osten waren auch die wenigen Höhlen, die Pat gestern entdeckt hatte. Sie waren von dem kleinen Plateau aus deutlich zu erkennen, weil die hochstehende Sonne die Felswände hell anstrahlte und jede noch so kleine Vertiefung dunkle Schatten warf. Das 'vierbeinige Wesen' bedurfte keiner weiteren Beschreibung. Es sah aus wie ein Hund, der so ziemlich alle bekannten Rassen in sich vereinigte. Obwohl er ziemlich groß war, wirkte er durchaus friedlich und lediglich neugierig. Er schnüffelte am Boden herum und schien die Reste der Mahlzeit gewittert zu haben, die Pat aus Konserven zubereitet hatte. Als er näher kam, begann er mit dem buschigen Schweif zu wedeln, als freue er sich, endlich sein Herrchen wiedergefunden zu haben. »Ich verliere noch den Verstand«, sagte Pat und setzte sich wieder, nachdem er dem Hund seinen Teller hingeschoben hatte. »Ich liebe Hunde, besonders die mit undefinierbarer Abstammung, aber ich frage dich: Wie kommt hierher ein Hund? Das ist doch völlig Copyright 2001 by readersplanet
ausgeschlossen!« »Es gibt schließlich auch Schweine und Rinder«, erinnerte ihn Gene. »Warum soll es da keine Hunde geben?« »Ein Hund ist ein Haustier! Siehst du hier ein Haus?« Gene mußte grinsen. »Vielleicht ist das auf First anders als auf der Erde, jedenfalls ist das ein Hund, da kannst du machen, was du willst. Sieh, jetzt ist er satt und trinkt Wasser aus dem Bach. Und nun kommt er, um sich zu bedanken...« Das war offensichtlich die Absicht des friedfertigen Tieres, aber es ging dabei so ungestüm vor, daß Pat, der wohl das Gewicht des Collie-Bernhardiner-Schäferhundes unterschätzte, seinen Halt verlor und auf den Rücken rollte. Der Hund schien das als Aufforderung zum Spielen verstanden zu haben, denn er stupste Pat mit der Schnauze in die Seite und begann munter zu bellen. Gene lachte und amüsierte sich köstlich. Besonders, als Pat auf die Füße sprang und sofort wieder hingeworfen wurde, diesmal allerdings hauptsächlich deshalb, weil er über einen Goldklumpen stolperte. Auch dem Hund gefiel das. Breitbeinig stand er über dem Gestürzten und bellte seine Freude in die felsige Wildnis hinaus. »Nun hilf mir doch, Gene! Bring das Vieh zur Ruhe!« »Ich dachte, du magst Hunde .. .?« Gene stand auf und klopfte dem Tier auf das dicht behaarte Hinterteil. »Nun komm schon, Pfiffi, sei bravl Der liebe Pat versteht keinen Spaß.« Das Tier gehorchte sofort und rollte sich in einigen Metern Entfernung zusammen, als wolle es schlafen. Pat kam auf allen vieren zum Lagerplatz zurückgekrochen. Er setzte sich. »Pfiffi ...? Wie kannst du das Riesenbiest nur Pfiffi nennen?« »Fiel mir gerade so ein. Meine Tante hatte einen Spitz ...« »Das hier ist kein, Spitz! Das ist ein Caesar, ein Pluto oder ein Neptun, aber kein Pfiffi.« Er betrachtete das Tier, und sein Blick begegnete den blinzelnden, fragenden Augen. »Aber du hast recht, er scheint ganz harmlos zu sein. Ich frage mich nur, wieso es hier Hunde geben kann. Ob Muller etwas darüber weiß?« Gene nickte und sah an Pat vorbei. »Wenn du willst, kannst du ihn gleich fragen - da kommt er.« Henry Muller hatte diesmal sein Gewehr nicht dabei. Er stützte sich auf einen knorrigen Stock, als er herbeischlurfte und sich einfach auf einen Stein setzte. Den Hund beachtete er nicht, so als habe er ihn gar nicht gesehen. »Schon tüchtig bei der Arbeit?« erkundigte er sich ohne Begrüßungszeremoniell. »Wie lange werden Sie brauchen, bis Sie an das Zeug herankommen?« Pat konnte seine Ungeduld nicht länger zügeln. »Der Hund! Sehen Sie diesen Hund?« Muller deutete mit der Stockspitze auf Pfiffi. »Den da meinen Sie? Natürlich sehe ich ihn, bin ja nicht blind.« Pat schnappte nach Luft. »So! Können Sie uns vielleicht auch erklären, ob es mehrere von der Sorte hier gibt? Und wenn, haben Sie eine Erklärung dafür, wo sie herkommen? Er vereinigt mindestens fünf irdische Hunderassen in sich.« Seine Stimme überschlug sich fast. »Hier kann es aber keine Hunde geben!« »Diesen hier aber gibt es doch offensichtlich!« sagte Muller, ohne daß ihm jemand widersprechen konnte. Dann lächelte er plötzlich, als sei ihm die Lösung eingefallen. »Ich habe ihn von der Erde mitgebracht. Er überlebte den Absturz.« Copyright 2001 by readersplanet
Gene kniff die Augen zusammen, sagte aber nichts. Pat hingegen atmete erleichtert auf. »Ach, so ist das ...? Darum ist er so zahm. Hätte mich auch schon gewundert.« Henry Muller erhob sich ächzend. »Ich muß weiter, habe noch einiges zu tun. Vielleicht sehe ich am Abend noch einmal vorbei. Es ist ja jetzt nicht mehr so weit bis zu Ihrem Schiff.« Er ging einige Schritte, dann drehte er sich um und stieß einen gellenden Pfiff aus. Der Hund schreckte aus seinem Halbschlaf hoch, wedelte mit dem Schwanz und folgte dann gehorsam seinem Herrn. »So ist es brav, mein Alter. Komm, wir gehen auf die Jagd, Pfiffi. Es gibt Fleisch heute ...« Genes Gesicht war ausdruckslos, als er Muller und dem Hund nachsah, dann blickte er Pat an. »Nun, was sagst du jetzt?« Pat kratzte sich am Kopf, ehe er vorsichtig meinte: »Er hat ihn also von der Erde mitgebracht, behauptet er. Dann müßte der Hund jetzt mindestens siebzehn bis achtzehn Jahre alt sein. Wenn der fünf oder sechs ist, so halte ich das für eine gute Schätzung. Das Tier ist noch relativ jung. Was also geht hier vor?« »Deine Beobachtung deckt sich mit der meinen, Pat. Der Hund ist noch jung, er kann also nicht von Muller mitgebracht worden sein. Vielleicht hat er ihn wirklich hier gefunden und lügt nur, um sein Eigentumsrecht zu demonstrieren. Er will den Hund nicht hergeben. « »Das wäre allerdings eine Erklärung.« Pat seufzte. »Eigentlich komisch, wie froh wir immer sind, wenn wir eine Erklärung gefunden haben - und zwar für die einfachsten Dinge. Schade, ich wäre ganz froh gewesen, wenn Pfiffi bei uns geblieben wäre.« Gene fragte: »Erklärung? Dann versuche auch, für die zweite Frage eine Antwort zu finden.« »Zweite Frage? Was meinst du?« »Als der Hund mit dir spielte und ich ihn 'Pfiffi' taufte, war von Muller noch nichts zu sehen. Er kam erst später, und als er dann ging rief er den Hund beim gleichen Namen: Pfiffi! Warum?« Pats ratloses Gesicht hätte jeden Maler oder Fotografen mit Begeisterung erfüllt. Das Faß mit Zufällen und Wundern begann überzulaufen. Der Bohrer begann am Nachmittag mit seiner Arbeit. Fast geräuschlos fraß sich die Stange, an deren Spitze der Laser saß, in das Gestein. Gene überzeugte sich davon, daß die automatische Steuerung einwandfrei funktionierte, ehe er das Gerät sich selbst überließ. Sobald der Laser auf Bellarium traf, würde er sich abschalten. »Wie lange wird es dauern?« fragte Pat, der seit Stunden kein Wort mehr gesprochen hatte. Gene sah der Staubwolke nach, die in dreißig Metern Höhe vom Wind davongetragen wurde. Sie war alles, was von dem in Pulver verwandelten Gestein übrigblieb und durch das hohle Bohrgestänge an die Oberfläche befördert wurde. »Wenn wir nicht abschalten, kann es in vierundzwanzig Stunden soweit sein. Dann müssen wir die Füllbehälter herbeischaffen, denn wir werden für den Anfang auch das Bellarium in Staubform herausholen. Ein regulärer Abbau kann später erfolgen.« »Wenn wir Zeit haben, sollten wir vielleicht noch einmal zum Wrack fliegen. Ich möchte es mir noch einmal genau ansehen.« »Guter Gedanke. Morgen vormittag also.« Pat nahm das Gewehr, kletterte in Trucky und fuhr nach Süden in die Flußsenke, um Frischfleisch zu besorgen. Gene sammelte Holz für das Lagerfeuer und sah dann der tiefer sinkenden Sonne nach, die sich dem westlichen Horizont näherte. Von den Bergen herab sah er Muller und seinen Hund kommen. Copyright 2001 by readersplanet
Der Mann trug ein kleines Tier auf der Schulter, nicht größer als ein Kaninchen. Von weitem schon winkte er Gene zu und ging etwas schneller. Pfiffi hatte keine Schwierigkeiten, ihm zu folgen, wenn seine Bewegungen auch langsamer und müder erschienen. Der lange Weg, dachte Gene. Das Tier ist erschöpft. Henry Muller warf seine Beute ins Gras und setzte sich. »Ein Karnickel, es gibt welche in den Bergen. Pfiffi fängt sie wie nichts, töten allerdings muß ich sie selbst. Er ist zu sensibel.« »Pat ist unterwegs zum Fluß. Dort gibt es wilde Schweine.« »Ich weiß.« Muller nickte und wechselte das Thema. »Sie wollen sicher noch einmal zum Wrack, nicht wahr?« »Woher wissen Sie das?« fragte Gene schnell. »Oh, ich dachte es mir. Sie können mich dann mitnehmen. Mir ist der Flug dahin zu teuer wenn ich das mal so ausdrücken darf. Sie wissen ja, daß ich sparsam mit den Energiereserven meines Fluganzugs umgehen muß.« »Waren Sie lange nicht mehr bei Ihrem Schiff?« »Ziemlich lange nicht. Eigentlich nur einmal, vor etwa dreizehn Jahren. Es wird sich kaum etwas verändert haben.« »Wir könnten dann Ihren Piloten begraben - oder das, was von ihm übriggeblieben ist.« »Sie haben recht, ich hätte es damals gleich tun sollen.« Das Gespräch drehte sich dann um belanglose Dinge, so als wollten die beiden Männer sich nur die Zeit vertreiben. Muller zog dem Kaninchen das Fell ab und zerlegte es dann. Pfiffi fraß mit gutem Appetit das, was ihm hingeworfen wurde. Im Süden wurde Trucky sichtbar. Pat kam zurück und brachte ein junges Ferkel mit. Als der Bratenduft ihr Hungergefühl nur noch stärker werden ließ, sagte Pat plötzlich ohne jede Ankündigung: »Es muß auf diesem Planeten noch Menschen außer uns geben. Ich habe unten am Fluß ihre Spuren gefunden. Sie stammen nicht von uns und auch nicht von Ihnen, Henry Muller. Es sind Spuren von mindestens einem Dutzend Menschen mit unterschiedlichem Schuhwerk. Haben Sie davon gewußt?« Muller schien absolut nicht überrascht zu sein, trotzdem erwiderte er ohne zu zögern: »Nein, das ist mir neu. Ich glaubte, hier allein zu sein.« Gene fühlte, daß Muller log. Oder war es etwas anderes, das ihn so ruhig bleiben ließ? Schließlich hatte er angeblich sechzehn Jahre als Einsiedler hier gelebt. Die Nachricht, daß es außer ihm noch andere Menschen hier gab, hätte ihn geradezu elektrisieren müssen. Auf der anderen Seite konnte es sehr gut sein, daß in der Tat erst heute oder gestern ein Schiff von der Erde in größerer Entfernung gelandet war. Aber dann hätte man die NEPTUN entdecken müssen und wahrscheinlich sofort Kontakt aufgenommen. Gene rief Sweety, der Computer antwortete sofort. »Sweety, südlich von hier hat Pat menschliche Spuren gesichtet. Es muß ein anderes Schiff gelandet sein. Hast du eine solche Landung registriert?« »Solange wir hier sind, Gene, hat sich kein anderes Schiff diesem System genähert. Ich werde die Spuren am Fluß durch eine Sonde untersuchen lassen.« Gene schaltete ab. »Also, was ist?« fragte er dann, ohne Pat oder Muller direkt anzusprechen. »Hat jemand eine Erklärung dafür?« Pat winkte schließlich ab. »Ich habe keine Lust, mir durch ungelöste Probleme den Appetit verderben zu lassen. Morgen werden wir mit dem Gleiter zum Fluß fliegen und uns die Spuren ansehen. Heute ist Copyright 2001 by readersplanet
es schon zu dunkel.« Während sie aßen, fraß sich der Bohrer auf dem Plateau Zentimeter um Zentimeter tiefer in das Felsgestein. Als es dunkel geworden war, stand Henry Muller auf, bedankte sich für die Gastfreundschaft, pfiff seinem Hund und wanderte davon. Pat sah ihnen nach, bis sie verschwunden waren. »Pfiffi ist der Ausflug nicht gut bekommen«, murmelte er. »Der Hund scheint um Jahre gealtert zu sein.« Gene nickte ungerührt und sagte: »Ja, du hast recht. »Ich würde sagen: um mindestens neun Jahre.« Pat stocherte im Feuer herum, nickte, sagte aber nichts. Alles wurde immer rätselhafter und geheimnisvoller. Die Bohrmaschine schaffte in dieser Nacht nur sieben Meter. Morgen erst würde sie das Bellarium erreichen. Das Gestein schien weiter in der Tiefe härter geworden zu sein. Gene und Pat kletterten in den Gleiter. Muller war nicht aufgetaucht, und da sie keine Ahnung hatten, wo er sich aufhielt, starteten sie ohne ihn. Im schnellen Flug näherten sie sich dem Fluß. Pat deutete nach vorn. »Dort, bei der Halbinsel! Kannst du dort landen? Es ist ein wenig sumpfig. « »Keine Sorge, wir nehmen die Sandbank. Der Boden wird fest genug sein.« Der Gleiter setzte auf und sank kaum ein. Gene sprang als erster aus der Kabine. »Wie ich vorhersagte - trocken und fest. Wo sind die Spuren?« »Vor und auf der Halbinsel.« Sie mußten knöcheltief durch das flache Wasser waten, bis sie das Ufer erreichten. Hier wuchs Gras, die Erde war feucht und sumpfig. Pat ging voran, den Blick nach unten gerichtet. Auf seiner Stirn begannen sich Falten zu bilden, die immer tiefer wurden, je mehr sie sich der Halbinsel näherten. Endlich blieb er stehen. Gene hielt ebenfalls an und nickte. »Ich weiß schon, was du mir sagen willst, mein Junge. Du kannst die Spuren nicht mehr finden, stimmt's?« »Zum Teufel, genau das wollte ich sagen! Woher weißt du das?« »Erstens sehe ich keine Spuren, und zweitens habe ich es fast erwartet. Nun gibt es zwei Möglichkeiten.« »Welche? « »Die eine ist: Du hast dich gestern getäuscht. Vergiß nicht, daß es schon dämmerig war, und Zwielicht erzeugt sehr oft optische Täuschungen. Man irrt sich dann leichter.« »Es war noch hell genug, Gene! Die Spuren waren so deutlich, wie man sie sich nur wünschen kann, und höchstens ein paar Stunden alt. Nein, getäuscht habe ich mich ganz bestimmt nicht!« Er sah Gene forschend an. »Und die zweite Möglichkeit?« »Jemand - oder etwas - macht sich einen Spaß daraus, uns zu verwirren und zu verunsichern. Vielleicht will man uns dazu veranlassen, so schnell wie möglich diese Welt zu verlassen. Muller vielleicht, wenn ich mir auch kein Motiv vorstellen kann. Außerdem weiß ich wirklich nicht, wie er das anstellen will. Hinzu kommt, daß er gestern bei mir war, als du auf Jagd gingst. Wann sollte er die Spuren erzeugt und wieder getilgt haben?« »Er war immerhin ziemlich ruhig, als ich mit der Neuigkeit eintraf.« »Zugegeben, Pat, aber das ist kein Beweis.« Copyright 2001 by readersplanet
Sie suchten die ganze Halbinsel ab, fanden jedoch nichts. Zumindest hätte man Mullers Spuren finden müssen. Aber Gras und Erde waren absolut unberührt. Erst als sie im Gleiter waren und nach Westen flogen, um dem Wrack einen Besuch abzustatten, schlug sich Pat mit der flachen Hand gegen die Stirn und wurde weiß wie eine Kalkwand. Gene, der neben ihm saß und die Steuerung bediente, fragte: »Was hast du denn? Ist dir etwas Wichtiges eingefallen?« Pat nickte bleich. »Die Spuren! Jemand muß sie verwischt haben, weil nämlich meine Spuren auch nicht mehr vorhanden waren. Unser geheimnisvoller Gegenspieler hat einen Fehler begangen. Zumindest weißt du nun, daß ich mich nicht irrte, denn ich war gestern auf der Halbinsel. Deine erste Hypothese ist damit hinfällig.« »Also bleibt nur die zweite - um so schlimmer«, sagte Gene. Sie landeten dicht beim Wrack, an dem sich auf den ersten Blick nichts geändert hatte. »Hinten im Gleiter ist eine Schaufel. Du kannst schon mal anfangen zu graben, während ich das Skelett heraushole. Wir können es auch ohne Muller begraben.« Pat nickte grimmig, nahm die Schaufel und wanderte den flachen Hügel hinauf, wo er eine würdige Grabstätte vermutete. Er ahnte nicht, wie richtig seine Vermutung war. Aber zuvor erlebte Gene noch eine Überraschung. Als er sich mit einiger Mühe bis zur Kontrollkanzel vorgearbeitet hatte, starrte er fassungslos auf den Sessel mit den lockeren Haltegurten. Das Skelett des seit sechzehn Jahren toten Piloten war verschwunden und der Sessel leer. So schnell Gene konnte kletterte er über die Trümmer des geborstenen Raumfahrzeugs zurück ins Freie. Er hastete den Abhang des Hügels hinauf. Oben sah er Pat stehen und winken. Als er ihn erreichte, sah er das Grab. Sorgfältig und wie mit dem Lineal gezogen waren seine Ausmaße, und am Kopf des Grabhügels stand ein einfaches Holzkreuz mit einer Tafel ohne Inschrift. Der Grabhügel wirkte frisch, aber auf ihm wuchsen einige fremdartige Blumen. »Als wir das erstemal hier waren, habe ich das Grab nicht gesehen«, sagte Gene, als er sich von seiner Überraschung erholt hatte. »Muller muß seinen toten Piloten inzwischen beerdigt haben.« »Und warum sagte er uns gestern nichts davon?« »Keine Ahnung.« Gene zuckte die Schultern. »Wir werden ihn fragen.« »Und warum hat er die Inschrift auf der Tafel vergessen?« Gene blickte zurück zum Gleiter. »Auch das weiß ich nicht. Komm, wir müssen zurück zur NEPTUN. Ich möchte sie von jetzt ab keinen Augenblick mehr allein lassen.« Er sah noch einmal zum Grab hin, bevor sie den Hügel hinabgingen. »Aber eins weiß ich: Eines Tages werden wir, du und ich, die Inschrift dort am Kreuz einritzen. Wenn wir wissen, wer da unter der Erde ruht...« Pat folgte ihm langsamer. »Wenn dort jemand ruht ...«, murmelte er vor sich hin.
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6 Am anderen Tag behauptete Muller steif und fest, er habe sich gestern die Sache anders überlegt, sei mit dem Fluganzug zum Wrack geflogen und habe seinen toten Piloten beerdigt. Alle Gegenargumente konnten ihn nicht von seiner Schilderung abbringen. Und das Gegenteil ließ sich nicht so einfach beweisen. Auch für die verschwundenen Spuren hatte er eine Erklärung. »Sehen Sie, drüben im westlichen Gebirge kommt es sehr oft zu plötzlichen Regengüssen und Gewittern, der Fluß schwillt dann in wenigen Minuten an und tritt über die Ufer. Ein paar Stunden später ist alles vorbei. Hier können Sie davon nichts bemerkt haben. Das Wasser hat die Spuren getilgt, das ist alles.« »Und wo kamen sie überhaupt her? Wenn es sie gab, und Pat hat sie ja deutlich gesehen, muß es außer uns hier noch jemanden geben.« »Das wäre ja nicht gerade ausgeschlossen, nicht wahr? Diese Welt ist so groß wie die Erde. Ich habe immer nur in diesem Teil hier gelebt, und Sie sind erst ein paar Tage hier. Vielleicht sind es Schiffbrüchige wie ich, oder eine Expedition - was weiß ich?« »Und warum nehmen sie keinen Kontakt mit uns auf?« Wieder zuckte Muller die Schultern. »Was fragen Sie mich? Sie werden schon ihre Gründe haben.« »Das allerdings glaube ich auch«, sagte Gene und wandte sich ab. Henry Muller blieb noch einige Zeit, dann erhob er sich und ging grußlos. Er pfiff nicht einmal seinem Hund, der ihm nachsah, sich dann aber wieder hinlegte, zusammenrollte - und blieb. »Mit seiner Hilfe können wir nicht rechnen«, sagte Pat, als er Muller zwischen den Felsen verschwinden sah. »Er verbirgt uns etwas, und ich gäbe eine Menge dafür, zu wissen, was.« Gene winkte ab und kontrollierte die Bohrmaschine. »Fünfzehn Meter jetzt. Es geht wesentlich langsamer, als wir annahmen. Wir werden warten müssen. Zu einer größeren Expedition ist mir auch die Lust vergangen. Nachher finden wir unser Schiff nicht mehr wieder. Hier scheint alles möglich zu sein.« »Ich hätte mir gern mal das Meer angesehen«, sagte Pat mit Bedauern in der Stimme. »Es würde ja genügen, daß einer von uns hierbleibt.« »Von mir aus, aber sei vorsichtig. Wenn etwas passiert, kann ich dir nur mit dem Wagen zu Hilfe kommen. Fliege also nicht zu weit.« »Bis zum Meer sind es knapp zwanzig Kilometer«, beruhigte ihn Pat. »Vor Sonnenuntergang bin ich zurück.« »Wir bleiben über Funk in Verbindung.« »Klarer Fall, Gene ...« Pat nahm das Gewehr mit, kletterte in den Gleiter, öffnete das Dach der Kabine und startete. Er stieg nur knapp fünfzig Meter hoch, ehe er Kurs nach Osten nahm. Er konnte die unendliche Fläche weit vor sich schon sehen. In seiner Jugend war Pat ein begeisterter Amateurtaucher gewesen. Ohne Gerät schaffte er leicht seine zwanzig Meter und konnte fast zwei Minuten unter Wasser bleiben. Später, als die Meere immer mehr verschmutzten, hatte er sein Hobby aufgegeben. Copyright 2001 by readersplanet
Auf der Erde gab es zwar wieder genug Seen mit klarem Wasser, aber für den im Tauchen geübten Iren waren sie kaum mehr als ein dürftiger Ersatz. Hier auf dem neuen Planeten mußte das Meer klar wie ein Kristall sein. Ein Glück, daß er seine Tauch-Kontaktlinsen und die kaum daumengroße Preßluftpatrone mitgebracht hatte, die ein längeres Unterwasserbleiben erlaubte. Der Strand war so ideal, wie er nur sein konnte. Pat konnte sich nicht erinnern, jemals ein schöneres Fleckchen Erde und Wasser gesehen zu haben. Flach zum Meer abfallend gab es Dünen und breite Sandstreifen, dazwischen wuchsen Gras und blühende Büsche. Die kleinen Buchten ließen Pats Herz höher schlagen, denn sie boten genau das, was er sich immer gewünscht hatte: Einsamkeit, glasklares Wasser und abenteuerlich geformte Riffe. Der Gleiter landete im festen Sand einer solchen Bucht, kaum zehn Meter vom Ufer entfernt. Pat kletterte aus der Kabine und fühlte die warmen Strahlen der Sonne auf seiner Haut, als er sich entkleidete. Nur den Schwimmgürtel mit dem Messer und den beiden Fächern für die Luftpatronen behielt er an. Die Kontaktlinsen, die ein einwandfreies Sehen unter Wasser erlaubten, waren schnell eingesetzt. Er vergaß Genes Warnung nicht, als er langsam und vorsichtig am Strand entlangging, um die günstigste Eintauchstelle zu finden. Er sah Fische, nicht länger als ein Unterarm, bunte Pflanzen - oder Tiere? - an den Felsen, und den nur allmählich abfallenden Meeresboden. Nichts wirkte gefährlich. Sich auf sein Glück und notfalls sein Messer verlassend, glitt er in die lauwarme Flut und tauchte sofort unter, um besser beobachten zu können. Seiner Schätzung nach betrug die Sicht mehr als achtzig Meter, ein Phänomen, das auf der Erde schon längst unbekannt geworden war. Deutlich war jeder einzelne Stein unter ihm zu erkennen, er hätte sie zählen können. Dunkle Höhlen unterbrachen die Uferfelsen, und wenn überhaupt eine Gefahr vorhanden war, dann lauerte sie dort. Pat tauchte auf und holte Atem. Um länger unter Wasser bleiben zu können, nahm er eine der Patronen, entsicherte die Konterdruckventile und schob sie in ihr Fach zurück. Das kleine Behältnis faßte zwischen drei- und vierhundert Atemzüge, reichte also für eine entsprechende Zeitperiode. Wenn man sparsam damit umging, konnte man zwei bis drei Stunden tauchen. Langsam ließ Pat sich wieder in die Tiefe sinken. Der schwere Schwimmgürtel neutralisierte den Auftrieb. Aufrecht konnte er auf dem Meeresgrund stehen, dicht über sich das silberne Geflimmer des Sonnenlichtes. Schritt für Schritt entfernte er sich vom Ufer, um tieferes Wasser zu erreichen, wo er sich mehr Bewegungsfreiheit erhoffte. Schwärme kleiner Fische kamen neugierig näher, ohne Furcht zu zeigen. Als ob sie den Anblick von Menschen gewohnt wären, dachte Pat verwundert. Er streckte die Hand nach ihnen aus, aber sie wichen kaum zur Seite. Er stieß sich vom sandigen Boden ab und schwamm um einige Klippen herum, die ihm die Sicht ins offene Meer nahmen. Ab und zu nahm er einen tiefen Atemzug aus seiner Flasche. Zwanzig Meter vom Ufer entfernt war das Wasser nicht tiefer als fünf Meter. Einmal glaubte er einen hellen Schatten zu sehen, aber er verflüchtigte sich wieder, ehe er ihn erkennen konnte. Vielleicht doch ein großer Fisch, der schnell das Weite gesucht hatte ...? Pat schwamm zurück zum Ufer. Er wollte sich auf kein Risiko einlassen. Außerdem wurde es Zeit, Gene davon zu unterrichten, daß alles in Ordnung war, sonst machte er sich noch unnötige Sorgen. Nach einem letzten Rundblick tauchte er auf und watete durch das seichte Wasser zum Strand. Und dann blieb er mit einem Ruck stehen und vergaß zu atmen. Neben seinen Sachen, Unterwäsche und Kombination, lag auf einer bunten Decke ein schlankes, dunkelhaariges Mädchen in einem gelben Bikini. Sie sah ihm lachend entgegen und winkte ihm zu. Das Bohrgerät arbeitete allein und automatisch, daher war es kein Wunder, daß Gene die Zeit allmählich lang wurde. Fast wünschte er sich, Muller würde wieder auftauchen und ihm und Pfiffi Gesellschaft leisten. Pat hatte sich noch nicht gemeldet. Copyright 2001 by readersplanet
Eine halbe Stunde später kam Henry Muller den Osthang herabgeschlendert und tat so, als hätte es nie auch nur eine leichte Verstimmung gegeben. Er streichelte den Hund und setzte sich auf einen Goldklumpen, da gerade kein Stein in der Nähe lag. »Langweilige Geschichte, das Bohren«, sagte er und deutete auf die Anlage. »Aber auch lohnend, nicht wahr?« »Ich denke schon. Wenn die Meßapparate nicht lügen, haben wir da unten ein reiches Vorkommen gefunden. Aber es ist nicht leicht, es auch auszubeuten. Dreißig Meter Fels ist kein Pappenstiel.« »Sie haben ja Zeit genug«, tröstete Muller, der jetzt einen ganz normalen und vernünftigen Eindruck machte. »Und Ihr Freund Pat nutzt sie gut, wenn er schwimmen gegangen ist. Ich war oft drüben am Meer. Es ist wirklich paradiesisch. Auf der Erde findet man so etwas nicht mehr.« Gene bemühte sich, keine Überraschung zu zeigen. Muller konnte überhaupt keine Ahnung davon haben, daß Pat mit dem Gleiter zum Meer geflogen war. Woher also wußte er, daß der Ire beim Baden war? Ein Telepath, der Gedanken lesen konnte? Die Idee kam Gene eigentlich zum erstenmal. Telepathie würde manches erklären, aber noch lange nicht alles. Auf keinen Fall die Sache mit den verschwundenen Fußspuren am Fluß und schon gar nicht das Grab beim Wrack jenseits des Gebirges. Auch Muller schwieg. Er schien bemerkt zu haben, daß er einen Fehler begangen hatte. Dann sagte er: »Pat ist doch zum Meer, oder nicht? Ich sah den Gleiter nach Osten fliegen, und genau da ist das Meer.« »Er kann ja auch einen Erkundungsflug unternommen haben.« »Sicher, aber ich kenne Ihren Freund. Als er unten am Fluß war, hätte er sich am liebsten auch gleich ausgezogen, um zu schwimmen. Aber das Wasser war ihm zu kalt. Hat er Ihnen das nicht erzählt?« »Mir nicht. Ihnen aber doch sicher, sonst könnten Sie es nicht wissen. « »So war es.« Gene war überzeugt, daß es nicht so war, aber er ging nicht weiter darauf ein. Er stand auf. »Ich muß mich um den Bohrer kümmern«, entschuldigte er sich. Henry Muller sah ihm mit gefurchten Augenbrauen nach. »Kommen Sie, ich beiße nicht«, rief das Mädchen. Pat spürte, wie die lähmende Starre, die seinen ganzen Körper ergriffen hatte, allmählich nachließ. Er konnte sich wieder bewegen und zum Glück auch wieder atmen. Unendlich langsam und so, als seien seine Füße aus Blei, ging er auf das Mädchen zu und blieb ein paar Meter vor ihm stehen. »Wer sind Sie?« brachte er mühsam hervor. »Ich bin Mary Ann«, antwortete sie und kicherte. »Mary Arm«, wiederholte er, immer noch fassungslos, und setzte sich einfach auf seine Bekleidungsstücke. Sie machte Platz auf ihrer Decke. »Kommen Sie hierher, das ist gemütlicher.« Pat blieb auf seinen Sachen sitzen. Er starrte sie an, obwohl er am liebsten hundert Fragen gestellt hätte, aber sie kam ihm mit den Antworten zuvor: Copyright 2001 by readersplanet
»Wir landeten vor einigen Wochen ein paar hundert Kilometer, entfernt von hier im Süden und unternehmen Ausflüge. Ich wollte schwimmen, also setzte man mich hier ab. Bald werden sie kommen und mich wieder holen.« »Wer ist wir?« brachte Pat mühsam zwischen den Lippen hervor. »Na, wir und Freunde von mir. Ja, richtig, wir kamen mit einer Jacht - nicht wahr, das vermuteten Sie doch?« Als er stumm nickte, fuhr sie fort: »Eine wissenschaftliche Expedition, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, bewohnbare Planeten für die Menschen zu entdecken. Wir sind keine Konkurrenz für Sie und Ihren Freund.« Er starrte sie noch immer an. »Woher wissen Sie, daß ich nicht allein bin?« »Ach, ich dachte es mir.« Pat begann sich nur langsam von der Überraschung zu erholen, aber die Antworten des Mädchens sorgten stets für neue Verwirrung. Hinzu kam, daß sie einer Freundin von ihm ziemlich ähnlich sah. Da war allerdings etwas Merkwürdiges: Mary Ann sah so aus, wie er die andere Mary Ann vor etwa sieben Jahren zuletzt gesehen hatte. Denn seine Freundin hatte auch so geheißen. Sie hatte ihn damals verlassen, aber er mußte immer wieder an sie und die Zeit, die sie zusammen verbracht hatten, zurückdenken. Das Mädchen auf der Decke sprang plötzlich auf. »Kommen Sie mit ins Wasser? Tauchen wir?« Pat verspürte keine große Lust dazu, aber trotz aller Geheimnisse, die Mary Ann umwitterten, begann er sie zu mögen. Es war, als hätte sich sein sehnlichster Wunsch erfüllt und die ursprüngliche Mary Ann wäre zu ihm zurückgekommen. Er folgte ihr ins Wasser. Eine Weile planschten sie an der Oberfläche, dann tauchte Mary Ann weg. Pat holte schnell Luft und folgte ihr. Nebeneinander schwammen sie an den Felsenhöhlen vorbei und gaben sich Zeichen. Sie mußte Übung im Tauchen haben und erwies sich als äußerst geschickt. Als seine Atemluft zur Neige ging, während sie sogar noch in eine der Höhlen hineinschwamm, nahm er unbemerkt einen kräftigen Zug aus seiner Druckflasche, um sich nicht zu blamieren. Dann erst folgte er ihr. Es war dämmerig unter der Felsendecke und nicht viel zu sehen. Noch einmal mußte Pat Atem holen, um nicht zu ersticken, aber Mary Ann dachte nicht einmal daran, schon aufzutauchen. Sie hielt jetzt bereits vier Minuten die Luft an. Die vielen unerklärlichen Ereignisse, die seit der Landung auf dem Planeten First passiert waren, trugen dazu bei, daß der Ire allmählich abergläubisch zu werden begann. Aber statt sich immer mehr zu fürchten, wurde er ständig ruhiger und kaltblütiger. Wenn es schon Geister aus Fleisch und Blut gab, dann waren sie auch zu überführen. Noch während er diese Überlegungen anstellte, winkte ihm Mary Ann zu und tauchte schnell auf. Immerhin waren sie nun fünf Minuten unter Wasser gewesen. »Sie können ungemein lange tauchen«, lobte er sie harmlos. »Wo haben Sie das gelernt?« Sie legte sich auf ihre Decke. »Ich konnte es immer. Meine Eltern meinten, ich sei ein kleines Tauchwunder. Wie hielten Sie es denn so lange aus?« Pat zeigte ihr seine Druckpatrone. Sie nickte stumm und machte ein Gesicht, als habe man sie beim Naschen ertappt. Oder bei einem Fehler. »Wann kommen Ihre Freunde Sie abholen?« fragte er. »Bald«, gab sie einsilbig zur Antwort. Copyright 2001 by readersplanet
Er hatte sich nicht mehr gesetzt, sondern nahm seine Sachen auf den Arm. Er versuchte zu grinsen, als er sagte: »Ich ziehe mich an, Mary Ann, und darum gehe ich hinter den Gleiter. Bleiben Sie schön hier sitzen, bis ich zurück bin.« Sie nickte stumm. Die Prozedur, so schätzte Pat später, dauerte kaum mehr als drei Minuten, aber als er wieder hinter dem Gleiter hervorkam, waren die bunte Decke und Mary Ann verschwunden. Nur noch seine eigenen Fußspuren waren übriggeblieben. Er war nicht mehr sonderlich überrascht, suchte jedoch -natürlich vergeblich - nach einer vernünftigen Erklärung. Wenn man sie abgeholt hätte, wäre ihm das sicherlich nicht verborgen geblieben, denn das Gelände war flach und übersichtlich. Immerhin hätte so etwas im Bereich des Möglichen liegen können. Vielleicht war er gerade dabei gewesen, sich das Hemd über den Kopf zu ziehen. Aber die verschwundenen Spuren blieben unerklärlich. Außerdem wäre es normal gewesen, daß sich Mary Anns Freunde vorgestellt hätten. Schließlich war man mehr als zehn Lichtjahre von der Erde entfernt. Nach einem letzten Blick auf die wunderschöne und nun wieder einsame Bucht kletterte er in die Kabine und startete. Erst jetzt fiel ihm ein, daß er ganz vergessen hatte, Funkkontakt mit Gene aufzunehmen. Schnell holte er das nach. Gene antwortete sofort. »Wo steckst du denn? Ich mache mir schon Sorgen um dich. Es ist später Nachmittag und...« »Ich habe es vergessen«, unterbrach ihn Pat ungeduldig. »Aber das wirst du verstehen, wenn du erfährst, was ich inzwischen erlebte. Es ist unglaublich, Gene! Du wirst mich für verrückt halten, aber ich versichere dir ...« »Du bist auf dem Rückflug?« »Bin in zehn Minuten bei dir. Aber soll ich dir nicht erzählen, was ich...« »Nein, nicht jetzt! Später!« Und nach einer kleinen Pause in einem Tonfall, der Sarkasmus andeutete: »Ich nehme an, du bist mit einer ganzen Schar hübscher und junger Mädchen zusammengetroffen und baden gegangen. Davon hast du doch immer geträumt. « Einen Augenblick lang blieb es ruhig in Genes Empfänger, dann erwiderte Pat: »Du wirst lachen, aber so ähnlich war es.« Gene holte tief Luft und schaltete ab. Er nahm sich zum x-ten Male vor, hier auf dem zweiten Planeten des Sterns Ross 248 über nichts mehr aus der Fassung zu geraten. Trotzdem lief ihm ein kalter Schauer den Rücken herab. »Stimmt«, erinnerte sich Gene, als Pat berichtet hatte, »du hattest mir von Mary Ann erzählt. Nun mal ganz abgesehen von der Tatsache, daß bei dir am Strand ein Mädchen erschien, was ohnehin nicht mit rechten Dingen zuging, so wäre es doch wohl ein doppeltes Wunder, wenn dieses Mädchen auch noch wie deine Mary Ann aussah. Du hast viel an sie gedacht in letzter Zeit, nicht wahr?« »Manchmal«, gab Pat verlegen zu. »Aber deshalb verstehe ich noch immer nicht...« »Ich verstehe es auch nicht!« Gene sah hinüber zu dem Platz, an dem Muller bis vor kurzer Zeit gesessen hatte, ehe er sich verabschiedete und davonging. »Ich verstehe eine ganze Menge nicht. Am liebsten würde ich das Bellarium hier liegenlassen und starten. « »Ich könnte sogar das Gold vergessen«, gestand Pat. Sie hatten sich während des langen Fluges nach Ross 248 oft und ausgiebig über das unterhalten, was ihnen auf einer fremden Welt vielleicht begegnen könnte. Pat, von der Copyright 2001 by readersplanet
Lektüre seiner Hefte angeregt, hatte fremdartige und seltsame Lebewesen vermutet, die vielleicht sogar intelligent waren und ihnen feindselig gegenübertraten. Gene, wesentlich nüchterner, war der Meinung gewesen, man könne schon mit Bakterien und Vegetation zufrieden sein. Oder wenn schon Lebewesen, dann wenigstens friedfertige. Aber das, was nun um sie herum geschah, war unerklärlich und völlig sinnlos. Es schien, als gäbe es im ganzen Universum nur den Menschen, aber keine außerirdischen Intelligenzen, wie doch stets vermutet wurde. Allerdings erschienen alle diese Menschen auf dem Planeten First unter äußerst geheimnisvollen Umständen. »Wir werden ein ernstes Wörtchen mit Mr. Muller zu reden haben, Pat. Ich nehme jetzt keine Rücksicht mehr. Er soll die Karten auf den Tisch legen, denn er weiß mehr, als er zugeben möchte. Auch lebt er lange genug hier, um uns einige Erklärungen zu geben. Bis jetzt hat er sich davor drücken können.« »Wo steckt Pfiffi überhaupt?« fragte Pat. »Ist er mit ihm fortgegangen?« Gene entsann sich, daß der alte Raumfahrer allein gegangen ' war. Pfiffi war zurückgeblieben. Er mußte noch oben auf dem Plateau sein. »Sehen wir nach, wir müssen uns ohnehin um den Bohrer kümmern. « Sie fanden den Hund nahe beim Bach. Er war tot. Vielleicht hatte er noch Wasser trinken wollen, war aber schon zu schwach dazu gewesen. Gene untersuchte ihn kurz, dann richtete er sich auf. »Merkwürdig, er scheint in den letzten Stunden wiederum um Jahre gealtert zu sein. Jetzt könnte es mit den sechzehn Jahren stimmen. Aber wie ist das nur möglich? Er machte doch einen frischen und gesunden Eindruck, als wir ihn das erstemal sahen.« Pat nickte und strich über das Fell des toten Tieres. »Sicher, das stimmt, und dann machten wir uns Gedanken darüber, wieso ein Hund, der mindestens achtzehn Jahre alt sein müßte, wie sechs oder sieben wirkt. Von dem Augenblick an alterte Pfiffi. « Gene starrte auf das vorbeifließende Wasser und die schimmernden Goldklumpen. »Unser Zauberer hat eine Korrektur vorgenommen«, murmelte er. »Ich weiß nicht, ob Muller wirklich dahintersteckt, Gene. Vielleicht ist er auch nicht mehr als eine Schachfigur, so wie das Mädchen am Strand, Pf iffi oder die Spuren beim Fluß. « Er seufzte. »Bis jetzt ist noch nichts passiert, das Gefahr signalisiert. Im Gegenteil: eigentlich wirkt alles ganz harmlos, sogar so, als wolle uns jemand einen Gefallen tun und für eine nette Abwechslung sorgen. Findest du nicht auch?« »Schach...?« sann Gene dem Wort nach. »Spiel! Natürlich, das ist es! Jemand spielt mit uns!« »Aber wer ist dieser Jemand?« Gene zuckte die Schultern. »Das werden wir Muller fragen, sobald er wieder vorbeikommt. « Pat begrub den Hund am gegenüberliegenden Ufer, wo der Boden nicht so felsig war. Neben Gene, der die Bohrkontrolle überprüfte, blieb er stehen. »Wollen wir wirklich aufgeben?« erkundigte er sich. »Wie tief sind wir?« »Fünfundzwanzig Meter. Geht langsamer, als ich dachte. Aber morgen müßten wir es geschafft haben. Wenn nicht, packen wir alles ein und verschwinden, ehe es zu spät ist. Es hat keinen Zweck, gegen Geister zu kämpfen.« Pat sagte nichts, wenn er Gene auch insgeheim recht gab. Auf der anderen Seite versuchte seine natürliche Neugier, die Oberhand zu gewinnen. Hinzu kam sein zweifellos vorhandener Pioniergeist, der einfach nicht zuließ, daß man einen Kampf aufgab, der noch nicht verloren war.
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Er nahm einen der ledernen Tragbeutel und begann damit,wortlos die Goldklumpen am Bachufer einzusammeln. Gene hinderte ihn nicht mehr daran.
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7 Am nächsten Tag förderte der Bohrer die ersten Proben des Bellariums an die Oberfläche. Der Analysator bestätigte die absolute Reinheit des wertvollen Elements. Während die Maschine weiterarbeitete und sich der Metallbehälter allmählich füllte, trug Gene das Vorkommen auf der von Sweety inzwischen perfektionierten Landkarte ein, um sich die Schürfrechte zu sichern. Pat hatte mehrere Beutel mit Gold vor dem Schiff aufgestapelt. Noch wagte er es nicht, sie in den Lagerraum zu bringen, aber falls Gene sich doch noch zu einem überstürzten Start entschloß, wollte er nicht viel Zeit verlieren, sich ein wenig zu bereichern. Henry Muller war nicht mehr aufgetaucht. Sweety hatte einige ihrer Minispione losgeschickt, aber die Bildschirme blieben leer. Die winzigen Kameras flogen weite Strecken über Steppen, Wälder und Gebirge, aber sie entdeckten keine Spur beweglichen Lebens. Das Wrack von Mullers Raumschiff lag unberührt am alten Platz. Auf dem Grab blühten bunte Blumen, viel prächtiger als zuvor. Pat, der in den Kontrollraum gegangen war, fragte: »Sweety, was hältst du von der ganzen Geschichte? Zumindest du müßtest doch eine Erklärung finden. Du hast alle Daten und Informationen gespeichert und kannst sie auswerten. Warum tust du es nicht?« »Negativ, Pat. Daten und Informationen sind ungenügend. Ich registriere lediglich unregelmäßige Energieabstrahlungen, deren Quelle nicht so lokalisieren ist. Sie muß unter der Oberfläche sein.« »Signalisiert dein elektronisches Gehirn Gefahr, Sweety?« »Negativ. « Also keine unmittelbare Gefahr, dachte Pat erleichtert. Dann haben auch die Startvorbereitungen noch Zeit. »Kannst du feststellen, wo sich Henry Muller aufhält?« »Negativ.« »Aber er muß doch irgendwo sein!« »Auch das ist nicht feststellbar.« Pat gab es auf. Sweety war in dieser Situation keine große Hilfe. Er verließ das Schiff und ging wieder zurück zu Gene. »Lohnt es sich?« fragte er und deutete auf den Behälter, in den unaufhörlich der graue Staub rieselte, der den zehntausendfachen Wert reinsten Goldes besaß. »Wenn es so bleibt - ja. Hast du was von Sweety erfahren können?« »Nichts! Sie ist nicht klüger als wir.« Er sah sich nach allen Seiten um, als erwarte er ein neues Wunder. »Sie kann Muller nicht auftreiben. Der Kerl scheint wie vom Erdboden verschwunden zu sein. « »Vielleicht ist er das auch, wundern würde es mich nicht. Wir haben ihn somit schachmatt gesetzt. Unser Spielgegner wird sich eine neue Figur einfallen lassen müssen.« »Du scheinst dich wahrhaftig mit dem Gedanken abgefunden zu haben, daß wir es mit einer fremden Intelligenz zu tun haben. Aber wo ist siel Wie sieht sie aus? Warum zeigt sie sich nicht?« Er schüttelte den Kopf. »Dieses Versteckspiel geht mir auf die Nerven. « »Sammle Gold, das beruhigt«, riet Gene spöttisch. Copyright 2001 by readersplanet
»Ich werde etwas ganz anderes tun«, gab Pat entschlossen zurück. »Ich werde mit dem Gleiter auf die Jagd gehen. Ich wünsche mir für heute ein saftiges Steak - wetten, daß ich eins finde?« »Die Wette hast du schon jetzt gewonnen«, lehnte Gene ab. »Aber bleib mit mir in Funkkontakt. Vergiß es nicht!« »Ich werde daran denken«, versprach Pat und startete. Er flog nach Süden zu der Stelle am Fluß, an der er bisher immer die wilden Schweine oder Rinder gefunden hatte, aber diesmal mußte er nach einiger Zeit Gene mitteilen, daß sie bis jetzt alle beide eine Wette verloren hätten. »Die Gegend im Norden kennen wir so gut wie gar nicht, Gene. Ich werde die Hügel überqueren und dort mal nachsehen. Kann ja auch sein, daß die Viecher allmählich mißtrauisch geworden und ausgewandert sind. « »Das ist eine Möglichkeit«, gab Gene zurück und sah dem Gleiter nach, der über ihm nach Norden schwebte und hinter den Felsen verschwand. »Was ist also mit unserer Wette?« »Danke, ich verzichte. Jetzt nicht mehr.« Pat überquerte den Höhenzug und sah vor sich bis zum Horizont eine unendliche Prärie, die von niedrigen Hügelketten und wüstenähnlichen Partien durchzogen wurde. Von Westen nach Osten floß ein breiter Strom dem Meer entgegen. An seinen Ufern hatten sich breite grüne Vegetationsstreifen entwickelt. Tief in Pats Unterbewußtsein schlummerte die ungewisse Erinnerung an eine Landschaft, die der vor ihm liegenden ähnlich war. Bevor er Gene kennenlernte, war er einmal in seinem Leben in Amerika gewesen und von Atlanta nach Buffalo geflogen. Damals hatte er die Weite und Schönheit des Landes bewundert, von dem er glaubte, es wäre inzwischen zu einer einzigen riesigen Industriestadt geworden. Die Erinnerung wurde allmählich deutlicher und nahm greifbare Formen an. Pat wurde sich ihrer bewußt, aber sein nüchterner Verstand weigerte sich, die Realität anzuerkennen. Die Realität nämlich, daß die Landschaft unter ihm jener glich, über die er vor vielen Jahren in einem Jetliner dahingeglitten war. Nein, da gab es Unterschiede. Hier war die Luft viel klarer, und keine Dunstglocken versperrten die Sicht zum fernen Horizont. Der Himmel war dunkelblau und wolkenlos. Im Osten konnte er das Meer sehen, obwohl es jetzt mehr als hundert Kilometer entfernt sein mußte. Auch vermißte er die regelmäßigen Quadrate der Straßen, die den Osten Nordamerikas wie ein Gitternetz überzogen, und natürlich gab es auch keine Ansiedlungen oder gar Städte. Er schalt sich einen Narren, beinahe einer verrückten Illusion erlegen zu sein, und ging tiefer, um vielleicht doch noch ein jagdbares Wild zu entdecken. Er überflog fruchtbares Weideland, das sich wie ein saftiggrüner Teppich unter ihm ausbreitete. Zwischen flachen und bewaldeten Hügeln blinkten Seen zu ihm herauf. An ihren Ufern grasten die Herden, die er gesucht hatte. Sie sahen Rindern ähnlich, waren aber kleiner - oder jünger. Wieder tauchte vor seinem geistigen Auge die Erinnerung an jene Tage in Amerika auf, als ihn ein Freund mit auf seine Farm genommen hatte. Voller Stolz wurde ihm dort der Viehbestand vorgeführt, und lange Ritte über das weite Land hatten ihm klargemacht, daß es trotz Technik und Fortschritt noch immer ein fast unberührtes Stück Natur gab, das es zu bewahren galt. An all dieses mußte er denken, als er dicht beim Seeufer zwischen den Hügeln landete und sein Gewehr überprüfte. Hier auf dem Planeten First galten irdische Gesetze nicht. Er brauchte niemanden nach einer Jagderlaubnis zu fragen, weil es niemand gab, der ihm diese Erlaubnis hätte geben können. Die Tiere liefen frei und wild herum, und als er aus der Kabine kletterte, sahen sie nicht einmal zu ihm hin. Er wählte ein Jungtier mit braunem Fell aus, zielte sorgfältig und erlegte es mit einem einzigen Schuß. Nun erst schien der Rest der Herde seine Gegenwart wahrzunehmen, denn sie stob in wilder Hast davon und brachte sich in Sicherheit. Copyright 2001 by readersplanet
Fast tat es Pat leid, die Ruhe der paradiesischen Landschaft gestört zu haben, aber dann wandte er sich entschlossen seiner Beute zu, um sie zu zerlegen und transportfähig zu machen. Er legte sein Gewehr ins hohe Gras, zog das breite Messer aus dem Gürtel und begann mit der Arbeit. Noch immer konnte er das Getrappel der flüchtigen Hufe hören, aber er achtete nicht darauf. Auch dann nicht, als es wieder näher kam und lauter wurde, wenn auch aus einer anderen Richtung. Erst als er aus den Augenwinkeln heraus einige Schatten bemerkte und Rufe hörte, sah er auf - und erstarrte vor ungläubigem Erschrecken. Sie kamen vom Hügel herabgeritten, auf richtigen Pferden mit Sätteln und Zaumzeug. Auf ihren Köpfen waren breitkrempige Hüte, und in den Händen schwangen sie langläufige Gewehre und Handfeuerwaffen. »Viehdiebe werden bei uns aufgehängt!« rief einer von ihnen und sprang aus dem Sattel, seine Waffe auf den völlig gelähmten Pat richtend. Seine Begleiter johlten und bildeten einen Kreis. Einer hob das Schnellfeuergewehr auf und untersuchte es neugierig. »Haben wir dich endlich erwischt? Los, steh schon auf...! « Pat versuchte, die so plötzlich erschienenen Geister aus Amerikas Vergangenheit wieder verschwinden zu lassen, indem er die Augen schloß und erst nach Sekunden wieder öffnete. Ein derber Fußtritt in die Hüfte machte ihm klar, daß er nicht träumte und daß die Geister, unglaubliche Wirklichkeit waren. Der Kerl, der zu ihm gesprochen hatte, riß ihn mit brutaler Gewalt auf die Füße. »Auf dich wartet der Galgenbaum«, sagte er voller Hohn und schob Pat vor sich her. »Beweg dich schon!« Eine der wüst aussehenden Gestalten warf ihm eine Schlinge über den Kopf und zog sie stramm. Pat fühlte, wie seine Arme fest an den Körper gepreßt wurden, aber er weigerte sich noch immer, nicht an einen Traum zu glauben. Selbst wenn es hier Menschen gab, so hätte er sie oder ihre Häuser vor seiner Landung sehen müssen. Das Gelände war von oben her übersichtlich und bot keine großen Verstecke. Der unbekannte Zauberer von First hatte sich einen riesigen Spaß für ihn ausgedacht. »Nun reicht es aber!« sagte Pat endlich und versuchte, seiner Stimme einen festen Klang zu geben. »Ich weiß, daß ihr nicht wirklich vorhanden seid und mich nur erschrecken wollt. Laßt mich los und verschwindet!« Der Mann, der ihn vor sich herschob, sagte: » Daß wir vorhanden sind, wirst du spätestens merken, wenn du baumelst! Los, geh schon weiter ...!« Gegen Mittag, als die Sonne ihren höchsten Stand erreichte, begann Gene unruhig zu werden. Mehrmals schon hatte er versucht Funkkontakt mit Pat aufzunehmen, aber sein Freund und Partner meldete sich nicht. An eine ernsthafte Gefahr glaubte Gene noch nicht, denn in einem solchen Fall wäre mit Sicherheit ein Notsignal erfolgt, wenn schon keine Zeit für eine ausführliche Information blieb. Er wechselte den Bellariumbehälter aus und brachte den gefüllten in die NEPTUN, wo bereits vier andere im Laderaum standen. In der Zentrale versuchte er dann noch einmal, Pat mit dem stärkeren Bordsender zu erreichen - ebenso erfolglos. Dann blieb sein Blick auf dem Armbandgerät hängen, das Pat vergessen zu haben schien. Ihm blieb also nur das Funkgerät im Gleiter. Wenn er gelandet und zu Fuß weitergegangen war, konnte er auch nicht funken. Aber warum sollte er sich so weit vom Gleiter entfernen? Gene dachte an das, was in den vergangenen Tagen alles passiert war, und begann sich nun doch ernsthaft Sorgen zu machen. »Sweety, schick ein oder zwei Kameras nach Norden. Und benachrichtige mich, wenn du eine Spur von Pat findest.« Copyright 2001 by readersplanet
Er kehrte zum Plateau zurück. Es würde wenig Sinn haben, den Freund mit Trucky suchen zu wollen. Erst einmal mußte er den Bergrücken umfahren, ein Umweg von zwei oder drei Stunden. Und dann besaß er nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, wohin Pat mit dem Gleiter geflogen war. Er konnte hundert, aber genauso gut auch tausend Kilometer entfernt gelandet sein. Zwei Stunden des Wartens vergingen, dann meldete Sweety, daß die Kameraspione ergebnislos zurückgekehrt seien. Allerdings mußte der Computer auch zugeben, daß sie keine klaren Bilder empfangen hatte. Ihrer Meinung nach waren sie durch elektromagnetische Felder während der Übertragung negativ beeinflußt worden. Gene sah hinüber zu den Höhlen, in denen Henry Muller angeblich hauste. Kurz entschlossen nahm er sein Gewehr und überquerte das Plateau, um den Schiffbrüchigen aufzusuchen. Es konnte nicht schwer sein, ihn zu finden. Das Gelände war zwar nicht gerade sehr übersichtlich, aber Höhlen gab es eigentlich nur an einer Stelle. Ein längst ausgetrockneter Fluß mußte sie einst aus den Felsen gespült haben. In keiner der Höhlen, die er untersuchte, fand er auch nur den geringsten Hinweis darauf, daß sich hier ein Mensch aufgehalten hatte. Im Gegenteil, sie wirkten uralt und naturbelassen und auch so, als habe sich in ihnen nicht einmal ein Tier niedergelassen oder zumindest Unterschlupf vor einem Unwetter gesucht. »Der Kerl hat uns von Anfang an belogen«, knurrte Gene wütend und enttäuscht vor sich hin. »Aber Pat hat ihn doch hier verschwinden sehen. Er muß also hier gewesen sein, denn an der Steilwand kann er nicht hoch, und rechts ist der Abgrund.« Der Fluganzug fiel ihm ein, aber mit dem stimmte es ja auch vorn und hinten nicht, angefangen beim Herstellungsdatum. » Muller!« rief er in die Felsen hinein, so laut er konnte. »Henry Muller, wo sind Siel Ich muß mit Ihnen reden! Es ist wichtig!« Ein schwaches Echo kam zurück, das war alles. Muller antwortete nicht. Sweety gab das Rufsignal durch. Gene schaltete sein Gerät ein. »Was ist, Sweety? Hast du was gefunden?« »Muller existiert nicht mehr, Gene. Ich kann seine energetische Ausstrahlung nicht mehr aufnehmen.« »Energetische Ausstrahlung? Davon hast du niemals etwas erwähnt, Sweety. Du konntest also immer feststellen, wo Muller war? Warum hast du uns nichts davon gesagt?« »Es war bisher unwichtig und überflüssig, außerdem gebe ich nur Resultate bekannt, niemals Vermutungen. Die Natur der energetischen Abstrahlung Mullers war mir fremd. Ich konnte sie lediglich registrieren, das war alles.« »Hör zu, altes Mädchen, das ist ja alles schön und gut, aber du hättest uns sehr geholfen, würdest du uns früher aufgeklärt haben. Seit wann kannst du Mullers Existenz nicht mehr registrieren?« »Seit exakt fünf Stunden und zwanzig Minuten.« Gene ahnte, daß er der Lösung des Rätsels einen kleinen Schritt nähergekommen war, aber er wagte es noch nicht, Schlüsse daraus zu ziehen. Im Augenblick gab es wichtigere Probleme. »Und was ist mit mir oder Pat? Besitzen wir auch eine energetische Ausstrahlung - was immer das auch sein soll?« »Sicher, Gene, aber eine natürliche, deren Ursprung ich kenne und die auch dir bekannt sein dürfte. Ich kann dich jetzt genau registrieren und deinen Standort bestimmen.« »Und was ist mit Pat?« schrie Gene ungeduldig. »Kannst du ihn etwa auch registrieren?« »Nördlich von uns, aber die gleichen Magnetfelder, die eine einwandfreie Qualität der Funkbilder verhinderten, wirken auch hier störend. Ich kann keine Ortsbestimmung vornehmen.« Copyright 2001 by readersplanet
Gene ging auf dem Plateau hin und her, während die Sonne dem westlichen Horizont entgegensank. Es begann langsam zu dämmern. »Ich muß ihn finden, Sweety! Vielleicht ist er in Gefahr.« »In welcher Gefahr, Gene? Auf dieser Welt gibt es außer euch beiden kein lebendes Wesen.« »Und Muller? Was ist mit dem Mädchen, mit dem Pat angeblich badete? Die Steaks, die wir gebraten haben, von wem stammen denn die? Etwa nicht von lebenden Wesen?« »Energetische Impulse, nicht mehr und nicht weniger«, gab der Computer zur Antwort. »Ich bin noch dabei, das Problem zu lösen, und bevor mir das nicht gelungen ist, kann ich keine Prognosen stellen.« »Aber Pat! Prognosen könnten ihm helfen, wenn er wirklich in Gefahr ist. Aber ein Resultat, das zu spät kommt, könnte ihn vielleicht nicht wieder lebendig machen. Sei doch vernünftig, Sweety, und hilf mir jetzt. Vergiß deine sture Programmierung!« »Negativ, Gene, so leid es mir tut. Pat ist nördlich von uns, das ist alles, was ich dir sagen kann, denn es ist keine Prognose, sondern eine Tatsache.« Gene war der Verzweiflung nahe, aber er beherrschte sich. Sein Blick fiel auf Trucky. Sollte er wirklich versuchen, mit dem geländegängigen Wagen um den Bergrücken herumzufahren und nach Norden vorzudringen? Er würde die ganze Nacht fahren müssen, um ein paar hundert Kilometer zurückzulegen. Eine Strecke, die der Gleiter notfalls in dreißig Minuten hinter sich bringen würde. Er sah nach Westen. Die Sonne versank gerade hinter dem Horizont, und es wurde schnell dunkel. In der Nacht würde er Pat nie finden können, schon gar nicht mit Trucky. »Was soll ich denn nur machen, Sweety?« fragte er. »Wir warten bis morgen, Gene«, kam es sachlich zurück. »Wenn sich Pat bis dahin nicht gemeldet hat, unternehmen wir das einzig Logische.« »Und das wäre?« »Wir suchen ihn mit der NEPTUN.« Gene gab keine Antwort, weil er sich darüber ärgerte, nicht von selbst auf die einzig richtige Idee gekommen zu sein. Er hätte schon vor Stunden mit dem Schiff starten und Pat suchen sollen. Jetzt war es zu spät dazu. »Danke, Sweety! Endlich ein vernünftiger Entschluß.« »Ich habe ihn schon vor längerer Zeit gefaßt«, gab der Computer mit sanfter Stimme zurück Pat wußte mit tödlicher Sicherheit, daß die primitiv errichteten Holzhäuser entlang der staubigen Dorfstraße vorher nicht dagewesen sein konnten, denn er hätte sie unweigerlich aus der Luft sehen müssen. Es war eine große Ansiedlung, die mindestens dreihundert Menschen beherbergte. Als er mit den Kerlen, die ihn gefangengenommen hatten, den Dorfrand erreichte, kamen ihnen Männer, Frauen und Kinder entgegengelaufen, die so gekleidet waren, wie er sie in den alten Filmen gesehen hatte. Die Frauen trugen lange, altmodische Kleider, die Männer dreckige Lederhosen und breite Hüte. Sie waren alle bewaffnet. »Herrgott, ich bin im Wilden Westen!« stöhnte Pat und stolperte weiter, als er von hinten einen Stoß erhielt. »Fehlen nur noch Indianer und ein paar Revolverhelden...« »Halt den Mund, Viehdieb, bis dich der Sheriff fragt«, riet der Kerl hinter ihm und versetzte ihm wieder einen Stoß. Ein Sheriff auch noch! dachte Pat und begann an seinem Verstand zu zweifeln. Wer hat sich nur diesen ganzen Unsinn ausgedacht? Der Gedanke, daß er es vielleicht selbst gewesen sein könnte, kam ihm natürlich nicht. Wenigstens noch nicht. Jemand kam mit einem Strick dahergelaufen. Copyright 2001 by readersplanet
»Hängen wir ihn gleich auf?« rief er begeistert. »Er wird ordentlich verurteilt und morgen zum Galgenbaum gebracht«, gab einer der Kerle zurück. »Wir halten uns stets an das Gesetz. Bis dahin bleibt er im Gefängnis. Geht nach Hause, Leute, hier gibt es jetzt nichts mehr zu sehen.« Pat hatte bis jetzt wenig Gelegenheit gehabt, sich die Gesichter der Leute genauer anzusehen, aber nun fiel ihm auf, daß sie alle eine gewisse Ähnlichkeit besaßen. Obwohl von der Sonne gebräunt und vom Staub verdreckt, war ihnen anzusehen, daß sie alle miteinander verwandt sein mußten. Auch trugen fast alle Männer einen Bart. Sie stießen ihn die hölzernen Stufen einer Veranda hoch und schoben ihn in einen Raum, an dessen Wänden Steckbriefe und Gewehre hingen. Hinter einem wackeligen Holztisch saß ein breitschultriger Mann mit einem dunklen Vollbart und einem silbernen Stern auf der Brust. Der Sheriff, so wie Pat ihn aus Filmen und Comics kannte! »Habt ihr ihn endlich erwischt?« fragte er voller Genugtuung. »Das ist alles ein Irrtum!« sagte Pat, ehe jemand anderer antworten konnte. »Wir sind Prospektoren und kommen von der Erde, um nach Rohstoffen zu suchen. Ich wollte lediglich ein Stück Wild erlegen und ...« »Mund halten! « brüllte ihn der Sheriff an. » Du redest nur dann, wenn du gefragt wirst, verstanden? Du gibst also zu, eins von unseren Rindern geschossen zu haben?« »Ich sagte doch schon ...« »Hast du oder hast du nicht?« »Ja, aber ich konnte doch nicht wissen ...« » Du hättest es kaufen müssen«, belehrte ihn der Sheriff. Erbetrachtete ihn forschend. »Was hast du gesagt, wo du herkommst?« »Von der Erde.« Das brüllende Gelächter machte jedes weitere Wort vorläufig überflüssig. Die Männer schlugen sich mit ihren kräftigen Händen vor Vergnügen auf die Oberschenkel, einer schoß sogar übermütig seinen Colt leer, zum Glück zielte er auf die Decke. »Ruhe!« brüllte der Sheriff. »Wir sperren ihn ein und beraten nachher im Saloon, was mit ihm geschehen soll. Er scheint verrückt geworden zu sein. Weiß der Teufel, welchen Kontinent er meint. Sicher ein fernes Land, China vielleicht.« Er stand auf, griff nach einem Schlüsselbund und führte Pat durch den Gang zu seiner Zelle. Schwer fiel die Tür hinter ihm ins Schloß. Der Sheriff ging, ohne ihm noch einen Blick zuzuwerfen. Das Fenster war vergittert und ohne Glas. Eine durchlöcherte alte Decke lag auf der Holzpritsche. Pat setzte sich. Er wußte, daß er das alles schon einmal erlebt hatte. Natürlich nicht er selbst, sondern einer seiner heimlichen Helden. Die hatten oft genug in der Klemme gesteckt, waren aber immer wieder mit heiler Haut davongekommen. Hätte er doch wenigstens sein Funkgerät nicht auf dem Kontrolltisch der NEPTUN liegen lassen. So konnte er Gene nicht einmal davon unterrichten, was geschehen war. Er mußte allein mit dem Spuk fertigwerden, denn etwas anderes konnte es nicht sein. Wildwest auf einem Planeten, der zehn Lichtjahre von der Erde entfernt war! Einfach lächerlich! Aber er konnte in der Hüftgegend noch den Fußtritt spüren, den ihm eins von diesen Gespenstern versetzt hatte. Sie hatten ziemlich harte Stiefelspitzen, und ihr Strick, mit dem sie ihn morgen aufknüpfen wollten, würde auch echt sein. Sollte er jemals aus diesem Gefängnis herauskommen und die NEPTUN wieder erreichen, würde er Gene dazu überreden, sofort zu starten und First zu verlassen. Wer immer es auch war, der sein Spiel mit ihnen trieb, er war zu mächtig und zu stark. Er konnte Menschen aus dem Nichts entstehen und wieder verschwinden lassen, und nicht nur das. Copyright 2001 by readersplanet
Von Abenteuern zu lesen war ja unterhaltend und spannend, aber sie selbst zu erleben - das war eine andere Sache. Dieses jedenfalls war nicht nach seinem Geschmack. Die Episode am Meeresstrand ließ er sich ja noch gefallen, aber als Viehdieb gehängt zu werden - nein, das war nichts für ihn. Er stand auf und rüttelte an den Gitterstäben, aber die saßen fest eingemauert in den dicken Holzbalken. Die Dorfstraße war leer und verlassen. Niemand schien sich mehr um ihn zu kümmern. Vielleicht hockten sie alle im Saloon und berieten über sein Schicksal. »Sheriff!« rief er, so laut er konnte und rüttelte an der Gittertür, die auf den Gang führte. »Laßt mich hier raus, ich kann alles erklären. Ihr begeht einen Fehler, einen furchtbaren Fehler ...« Aber niemand kam, um die Tür aufzuschließen. Verzweifelt und müde warf er sich auf die Pritsche und schloß die Augen. An Schlaf war nicht zu denken. Die Angst, daß alles doch noch Wirklichkeit sein könnte, wurde immer größer. Ruhelos wälzte er sich auf seinem Lager hin und her und versuchte sich zu erinnern, wie die Geschichte mit dem angeblichen Viehdieb ausgegangen war, die er einmal im Film gesehen oder in einem Buch gelesen hatte. Dabei stand noch gar nicht fest, daß es diesmal auch so verlaufen würde. Richtig! Da war doch so ein Revolverheld gewesen, eigentlich kein schlechter Kerl, dem der Viehdieb leid getan hatte. Und in der Nacht vor der Hinrichtung... Pat hörte eine Tür knarren, dann schleichende Schritte. Drüben im Büro des Sheriffs wurde ein Streichholz entzündet, dann kam jemand auf die Zellentür zu. »Wo steckst du denn, Pat?« flüsterte eine Stimme. »Gene!« rief Pat erleichtert aus. »Wie hast du mich gefunden?« Das brennende Streichholz wanderte etwas höher und beleuchtete ein fremdes Gesicht, wenn es auch eine undeutliche Ähnlichkeit mit dem Genes hatte. »War nicht schwer, Pat.« Der Fremde schob einen Schlüssel in das Schloß der Gittertür und drehte ihn um. »Komm schon, wir dürfen nicht viel Zeit verlieren. Bald wird die ganze Meute hinter uns her sein.« Pat folgte seinem Befreier wie in Trance. Ohne Widerstand nahm er das Gewehr, das ihm dieser in die Hand drückte. Draußen auf der Straße standen zwei gesattelte Pferde. Der Saloon war noch geöffnet, Licht fiel durch die halb geöffnete Schwingtür. Dann erschienen einige Männer in ihr und torkelten auf die Straße. »Zu spät«, murmelte Pats Befreier und packte seinen Arm. »Komm gehen wir in den Saloon und zeigen ihnen, wer wir sind. Du brauchst keine Angst zu haben, sie kennen mich. Und sie haben Angst vor mir.« Die Betrunkenen hatten sie inzwischen entdeckt und begannen zu schreien. Als der Fremde nach einem seiner beiden Revolver griff, rannten sie davon. Im Saloon wurde es ganz still, als sie eintraten. Pat hielt die durchgeladene Winchester in der Hand, sein Begleiter beide Colts. »Der schwarze Reiter!« stöhnte der Sheriff an der Theke und wurde blaß. »Was willst du von uns?« »Dieser Mann hier ist mein Freund, laßt ihn frei! Wenn nicht...« Er richtete den Lauf seiner rechten Waffe auf den Sheriff. »Wenn nicht, dann sollt ihr mich kennenlernen.« »Ist ja schon gut, schwarzer Reiter, wir wollten ihn ohnehin laufenlassen. Wer hängt schon jemand eines Rindes wegen ...?« Pat ging das zu glatt. In seiner Geschichte, an die er sich nun immer besser erinnern konnte, hatte es viel mehr Komplikationen gegeben. Da hatte der schwarze Reiter mit seinem Revolver ... »Unser Sheriff kneift!« rief jemand im Saloon und drängte sich durch die Menge nach vorn. »Das Rind gehörte mir, und der Dieb soll dafür hängen. He, schwarzer Reiter, zieh schon!« Copyright 2001 by readersplanet
Pat duckte sich, als die beiden Schüsse fielen. Er sah, wie der Mann, der ihn hängen sehen wollte, zusammenbrach und sich dann nicht mehr rührte. Der schwarze Reiter sah sich herausfordernd nach allen Seiten um. »Noch jemand, der nicht mit dem Vorschlag des Sheriffs einverstanden ist?« erkundigte er sich spöttisch. Als niemand etwas sagte, wandte er sich an Pat: »Jetzt bist du sicher, mein Freund. Und dir gehören alle Rinder, die der Kerl da besessen hat. Du wolltest doch schon immer eine Rinderfarm haben.« Pat stotterte »Ja, eigentlich schon, aber das war damals, als ich noch jünger war. Außerdem...außerdem...« »Ja, was sonst noch?« »Ich bin nicht von hier.« Der schwarze Reiter klopfte ihm auf die Schulter. »Das hat nichts zu sagen, ich bin auch nicht von hier.« Er sah wieder die eingeschüchterten Männer im Saloon an. »Ihr habt gehört, was ich gesagt habe. Sheriff, Sie haften mir mit Ihrem Kopf für das Wohlergehen meines jungen Freundes hier. Ich werde ein paarmal die Woche vorbeikommen.« Er drehte sich um, verließ den Saloon und verschwand in der Dunkelheit. Wenig später hörte man die sich schnell entfernenden Hufschläge seines Pferdes. Die Männer im Saloon setzten sich wieder. Sie warfen Pat scheue Blicke zu und schwiegen. Der Sheriff lud ihn zu einem Drink ein und erklärte ihm, wo die Farm des Toten sei. Damit war der Fall für ihn erledigt. Am liebsten hätte Pat sich jetzt auf den Weg zum Gleiter gemacht, aber er fürchtete, sich in der Finsternis zu verirren. Also nahm er das Angebot des Saloonbesitzers an, die Nacht in einem der Gästezimmer zu verbringen. Zusammen mit seinem Gewehr lag er wenig später im Bett und schlief sofort ein.
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8 Sweety meldete am nächsten Morgen noch immer starke elektromagnetische Störfelder aus nördlicher Richtung. Daß diese Richtung zufällig mit jener übereinstimmte, in die Pat gestern mit dem Gleiter geflogen war, erfüllte Gene erneut mit Sorge. Vielleicht bestand da ein Zusammenhang. Er überprüfte das Bohrgerät und brachte die gefüllten Behälter ins Schiff. Seiner Schätzung nach würde ihm der Erlös nahezu den Kauf einer zweiten NEPTUN ermöglichen. In dieser Hinsicht hatte sich der Flug nach Ross 248 gelohnt. Von der Zentrale aus schloß er die Luke und bereitete den Start vor. Für den wahrscheinlich nur kurzen Flug brauchte er Sweety nicht. Er würde das Schiff von Hand steuern. Die NEPTUN stieg schwerelos in die Höhe und nahm Kurs nach Norden. Die Hügelkette glitt unter Gene hinweg, bis sich vor ihm die endlose Prärie erstreckte, nur von einzelnen Wäldern und Flüssen unterbrochen. Immer wieder versuchte er, Pat über Funk zu erreichen, erhielt aber keine Antwort. Nach einem Flug von fünfhundert Kilometern begann Gene immer größere Kreise zu ziehen und das riesige Gebiet systematisch abzusuchen. Es wurde Mittag, und noch immer zeichnete sich kein Ergebnis ab. Bis Sweety plötzlich mitteilte: »Die elektromagnetischen Störfelder sind zusammengebrochen. Ich stelle keine Energieabstrahlungen mehr fest, dafür schwache Impulse natürlichen Ursprungs. Sie könnten von Pat stammen.« »Richtung?« »Dreihundertfünfzig Grad.« »Entfernung?« »Negativ.« Gene hatte kaum wieder Fahrt in geringer Höhe aufgenommen, als er den Gleiter auch schon sah. Er stand mitten in einem unwegsamen, felsigen Gelände und schien verlassen zu sein. Sollte Pat eine Bruchlandung gebaut haben? Aber dann hätte er doch mindestens funken können. Die NEPTUN landete weich unmittelbar neben dem Gleiter. Gene eilte zum Ausstieg und konnte es kaum erwarten, bis sich die Leiter ausgefahren hatte. Die letzten Sprossen übersprang er einfach. Die Kabinentür stand offen, aber Pat war nicht zu sehen. Er war offensichtlich glatt gelandet und hatte den Gleiter mit seinem Gewehr verlassen, das nicht im Halteständer war. Gene sah sich in der Umgebung des Landeplatzes um. Spuren waren hier schwer zu finden, da der Boden fest und steinig war. Es gab kaum Vegetation. Ein paar dürftige Grashalme, das war alles. Sein Armbandgerät summte. Sweety rief ihn. »Ja?« »Ich habe eine Kamera ausgeschickt. Sie hat Pat gefunden, keine fünfhundert Meter entfernt. Er liegt bewegungslos im Sand.« »Ist er tot?« »Es sind Impulse vorhanden, also lebt er. Genau in östlicher Richtung.« Gene überlegte nicht lange. Hastig kletterte er in den Gleiter und startete. Das Gelände stieg leicht an und fiel dann wieder ab, deshalb hatte er Pat bei der Landung mit der NEPTUN Copyright 2001 by readersplanet
wohl nicht gesehen. Hinter dem kleinen Hügel war es nicht mehr so felsig. Eine Sandwüste erfüllte die Ebene, an deren Rand ein Bergzug zu erkennen war. In der Mulde sah er die zusammengekrümmte Gestalt Pats liegen. Hundert Meter davor entdeckte Gene das Schnellfeuergewehr. Es sah so aus, als hätte Pat es einfach weggeworfen. Der Gleiter landete. Gene beugte sich wenig später über Pat und stellte zu seiner Erleichterung fest, daß er nur bewußtlos war. Aber er bewegte sich schon wieder und stöhnte. Dann murmelte er undeutlich: »... Farm ... Rinder! Ich will nicht hängen ... Laßt mich in Ruhe!« Wahrscheinlich eine leichte Gehirnerschütterung, dachte Gene und sah sich forschend nach allen Seiten um. Hier gab es nichts, über das Pat so folgenschwer hätte stürzen können, nur glatter, feiner Sand. Und doch sah es so aus, als wäre Pat aus mindestens fünf oder zehn Metern herabgestürzt. Woher sonst die Bewußtlosigkeit? Er rüttelte ihn und schleppte ihn dann zum Gleiter. Er holte das Gewehr. Als er Pat aufzuhelfen versuchte, schlug dieser die Augen auf und begann sich heftig zu sträuben, bis er Gene erkannte. » Du .. .?« stieß er hervor, sichtlich erleichtert. »Was ist passiert? « Gene stellte ihn auf die Füße, hielt ihn aber noch fest. »Das wollte ich dich auch fragen. Fällst im Sand über deine eigenen Füße, verlierst das Gewehr, denkst an keinen Funkspruch und redest auch noch dummes Zeug. Was war los?« Pat blieb schwankend und nun ohne Genes Hilfe auf den eigenen Füßen stehen. Mit weit aufgerissenen Augen sah er sich um, schüttelte mehrmals den Kopf. Dann fragte er: »Wo lag das Gewehr?« »Genau hier an dieser Stelle. Warum?« Pat nickte. »Das könnte stimmen. Drüben, wo du mich gefunden hast, war das Gästehaus des Wirtes, und hier stand der Saloon. Drüben auf der anderen Straßenseite wohnte der Sheriff, aus dessen Gefängnis mich der schwarze Reiter befreite.« Gene starrte ihn fassungslos an. »Bist du endgültig übergeschnappt?« »Aber nein, Gene, ich bin völlig normal. Hier an dieser Stelle war eine waschechte Goldgräberstadt aus dem neunzehnten Jahrhundert. Ich habe im ersten Stock eines wackeligen Holzhauses geschlafen, und als es verschwand, vielleicht erst vor einer halben Stunde, fiel ich natürlich ein paar Meter. Erklärt das meinen Sturz im Sand?« Gene nickte mitfühlend. »Natürlich, das erklärt absolut alles. Und wie kommt dein Gewehr in den Saloon?« Er deutete mit weit ausholender Geste auf den Sand zu seinen Füßen. »Einer der Kerle, die mich hängen wollten, nahm es mit. Als er sich in Luft auflöste, so wie die ganze Stadt, blieb das Gewehr natürlich liegen. Das ist alles.« Was Pat sagte, klang verrückt, aber es würde einiges erklären, wenn man es einmal versuchsweise - akzeptierte. Während die "Geisterstadt", und ihre ebenso geisterhaften Bewohner existierten, hatte Sweety elektromagnetische Störungsfelder etwa an dieser Stelle registriert. Sie waren vor einer halben Stunde verschwunden. Und vor dreißig Minuten war Pat auch gestürzt. Die Zusammenhänge wurden immer klarer, wenn sie auch nicht zu erklären waren. »In Luft aufgelöst ...«, wiederholte Gene nachdenklich. »Du bist also überzeugt, daß unser großer Unbekannter nicht nur Menschen und Tiere, sondern sogar ganze Städte herbeizaubern kann? So aus dem Nichts heraus? Nein, unterbrich mich jetzt nicht, Pat, denn ich muß dir ja zustimmen. Ich habe schließlich keine andere Lösung gefunden. Ich frage mich nur, wie etwas Materielles entstehen und dann wieder spurlos verschwinden kann. Copyright 2001 by readersplanet
Siehst du hier noch eine einzige Spur von der Stadt und ihren Bewohnern?« »Natürlich nicht. Auch die Landschaft hat sich verändert. Als ich hier eintraf...«, er deutete hinüber zur NEPTUN, »...war dort unten in einer Talsenke ein See, saftiges Weideland und eine große Herde Rinder. Jetzt sehe ich nur Wüste und Felsen.« Gene gab Pat das Gewehr. »Glaubst du, mit dem Gleiter fliegen zu können? Sonst müssen wir ihn verladen.« » Es geht schon, Gene. Ich bleibe in deiner Nähe. Gibt es bei dir etwas Neues?« »Muller ist nicht mehr zurückgekommen.« »Das wundert mich nicht. Aber er könnte echt sein, denn schließlich ist auch das Wrack seines abgestürzten Schiffes echt, sonst wäre es längst verschwunden.« »Vielleicht«, meinte Gene zweifelnd und half Pat in den Gleiter zu klettern. »Du fliegst voraus, damit ich dich im Auge behalten kann.« »Schon gut, ich habe die Nase voll.« Ohne Zwischenfall erreichten sie ihren Landeplatz und fanden alles so vor, wie Gene es verlassen hatte. Zwei weitere Behälter hatten sich mit Bellarium gefüllt. »Ich habe mir geschworen, dich zum Abflug zu überreden«, sagte Pat abends, als sie im Kontrollraum der NEPTUN saßen. »Es geschehen Dinge hier, die nicht zu erklären sind, und mein Erlebnis hat gezeigt, daß sie auch gefährlich werden können. Wäre dieser schwarze Reiter nicht aufgetaucht ...« »Du hast ihn dir doch richtig herbeigewünscht, nicht wahr?« unterbrach ihn Gene. »Wer ist dieser schwarze Reiter überhaupt? Hast du jemals auf der Erde von ihm gehört?« Pat nickte und stand auf. »Warte einen Augenblick, ich glaube, es ist mir eingefallen.« Er verschwand und kam wenige Sekunden später mit einem Stapel seiner bunten Comics wieder. Er wühlte in ihnen herum und zog dann eins von ihnen hervor. Triumphierend zeigte er Gene das Titelbild, einen maskierten schwarzen Reiter auf einem braunen Pferd. In der Rechten hielt er einen langläufigen Revolver. »Das ist er! Ich wußte es doch! Ein charmanter Bösewicht, der schon manchem aus der Klemme geholfen hat.« Gene nahm das Heft und blätterte es flüchtig durch. Eine typische Bildergeschichte aus der Pionierzeit Amerikas. Er blätterte zurück und las einige Texte. Dann legte er das Heft auf den Tisch. »Deine eigene Geschichte, Pat. Ein Tramp soll unter dem Verdacht des Viehdiebstahls gehängt werden, da kommt der schwarze Reiter und rettet ihn. Der junge Mann erbt sogar eine Farm.« »Genau das haben sie mir auch angeboten - es ist zum Verzweifeln!« »Wir haben Sweety alle Informationen darüber gegeben. Zusammen mit den vorhandenen Daten sollte doch endlich ein Ergebnis zu erwarten sein. Nun, Sweety, wie steht es damit?« Der Computer antwortete prompt: »Es ist sicher, daß die unbekannte Wesenseinheit gewisse Formen der Energie beherrscht und sie jederzeit in jede gewünschte Form der Materie umzuwandeln versteht - das würde sämtliche bisherigen Erscheinungen erklären. Dazu gehört auch die Oberflächenformation des Planeten. Außerdem ist sicher, daß diese Wesenseinheit telepathische Fähigkeiten besitzt: Beweis: sie läßt Landschaften, Tiere, Menschen und Bauten entstehen, die bewußt oder unbewußt von Ihnen, Gene und Pat, herbeigesehnt werden. Allerdings ist sie auch in der Lage, die in Materie umgewandelte Energie jederzeit wieder in Energie zurückzuverwandeln.« Copyright 2001 by readersplanet
Die beiden Männer sahen sich an. Schließlich biß sich Gene auf die Lippen und sagte: »Dieses Wesen scheint nicht gerade bösartig zu sein, Pat. Wenn Sweety mit ihrer Definition recht behält, droht uns keine große Gefahr. Wir hätten sonst schon zehnmal umgebracht werden können.« »Trotzdem ist mir das zu unheimlich, Gene. Ich will hier fort, und zwar so schnell wie möglich.« »Wir starten, sobald ich das Rätsel um Muller gelöst habe. Wenn er wirklich existiert, müssen wir ihn mit Gewalt dazu zwingen, uns zurück zur Erde zu begleiten. Wir können ihn nicht zurücklassen.« »Von mir aus kann er hier zurückbleiben.« »Sweety?« fragte Gene. » Muller ist eine Fiktion, er existiert nicht wirklich. Das konnte ich eindeutig feststellen, und daran besteht kein Zweifel.« »Gut«, beschloß Gene. »Dann haben wir keine andere Wahl, als uns das Wrack noch einmal anzusehen und das Grab zu untersuchen. In ihm müßte das Skelett liegen, das wir vorher im Wrack fanden.« »Und wer hat es begraben?« fragte Pat. »Etwa die Fiktion Muller? « »Wahrscheinlich, oder eben eine andere Kreatur des Unbekannten. « Sie verbrachten eine unruhige Nacht bei geschlossener Luke. Pat hütete sich, seine Hefte auch nur anzuschauen. Er hatte sie im Schrank verschlossen und versuchte krampfhaft, jetzt nicht an Buck Rogers oder Flash Gordon zu denken. Erst als der Morgen graute, gellte der Alarm durch das Schiff. Gene und Pat trafen sich auf dem kurzen Gang, der zur Kontrollzentrale führte. Die regelmäßig alle zwei Sekunden aufleuchtende Lampe verriet ihnen, daß Sweety den schützenden Energieschirm um das Schiff gelegt hatte. Es mußte sich demnach um eine ernstzunehmende Bedrohung handeln. Als sie in den Kuppelraum stürzten und durch die transparente Trennwand blickten, sahen sie in geringer Entfernung ein torpedoförmiges Raumschiff auf seinen Heckflossen stehen. Es war vielleicht dreißig Meter hoch und schwarz. Aus der Luke beim Heck kamen seltsame Wesen, die an vergrößerte Insekten erinnerten. In ihren Klauen hielten sie metallisch blitzende Strahlwaffen mit spiraligen Läufen. Sie machten nicht gerade einen friedfertigen Eindruck. »Hast du wieder gelesen?« fauchte Gene seinen Freund an. Pat schüttelte verwirrt den Kopf. »Bestimmt nicht, Gene! Schon seit Tagen nicht mehr.« »Es genügt aller Wahrscheinlichkeit nach«, mischte Sweety sich ein, »wenn einer träumt. Träume sind Gedanken des Unterbewußtseins, die von der Wesenseinheit empfangen und definiert werden können. Das energieumwandelnde Wesen muß annehmen, daß Gene oder Pat sich ein gefährliches Abenteuer gewünscht haben, denn es handelt nach meiner Analyse nicht absichtlich bösartig.« »Ein gefährliches Abenteuer!« Gene warf Pat einen wütenden Blick zu. »Das sähe dir aber doch ziemlich ähnlich, auch wenn du das Zeug nur geträumt hast. Was sollen wir tun, Sweety?« »Die energetischen Impulse greifen die NEPTUN an, Gene.« »Wer?« »Das, was Sie für Insektenwesen halten müssen, sind nichts als zu Materie gewordene Impulse. Sie sind somit wirklich vorhanden. Sie können Sie nur durch Energieeinfluß zurückverwandeln.« Copyright 2001 by readersplanet
»Das Laserbündel?« »Ja, Gene.« Sie hatten bisher die Laserkanone noch nicht benutzt, aber wenn sie Sweety die Bedienung überließen, bedeutete ihr Einsatz keine Schwierigkeit. Es war lediglich notwendig, ihr strikte Anweisungen zu geben, da die Konstrukteure sie so programmiert hatten, daß sie nur auf natürliche Hindernisse beim Flug, zum Beispiel auf Asteroiden, die ihre Flugbahn kreuzten, das Feuer eröffnen konnte. »Richte das Geschütz ein, Sweety!« Gene sah, daß die Fremden zum Plateau gingen, wo das auch nachts pausenlos arbeitende Bohrgerät stand. Andere kamen auf die NEPTUN zu, die Waffen drohend erhoben. »Soll ich nicht vorher versuchen, Kontakt aufzunehmen?« Pat kam Sweety zuvor: »Du bist verrückt, Gene! Das sind keine richtigen Lebewesen! Das sind doch nur...ja, was sind sie eigentlich? Auf jeden Fall leben sie nicht! Man kann sie gar nicht töten, nur unschädlich machen.« »Deine verfluchten Schauergeschichten! « schrie Gene ihn wütend an. »Wer weiß, wovon du in der Nacht wieder geträumt hast. « »Es ist mir eben wieder eingefallen. Aber ich bin sicher, daß die Geschichte gut ausging. Buck Rogers landete auf einem unbekannten Planeten und wurde von einem Insektenvolk angegriffen. Aber er wehrte sich erfolgreich und konnte abhauen. Du siehst also...« »Halt den Mund jetztl« Gene war ehrlich erzürnt. »Man hätte dir ein Narkosemittel geben sollen!« »Dann wären die Träume noch verrückter geworden«, vermutete Pat. Sweety sagte ruhig und fast sanft: »Die Angreifer sind nur noch dreißig Meter entfernt und geraten in genau zwanzig Sekunden in den toten Winkel. Ihre Anordnungen, Gene?« »Jage sie zurück, und zwar sofort!« Der Computer hatte im Bruchteil einer Sekunde den Laserstrahl breitfächrig geschaltet und das Feuer eröffnet. So ließ sich die gesamte deckungslose Fläche zwischen der NEPTUN und dem fremden Schiff bestreichen. Vier oder fünf der wie große Insekten aussehenden Wesen gerieten zuerst in den Bereich der Strahlung, die nicht so stark war, als wenn Sweety sie konzentrierter gebündelt hätte. Sie verbrannten nicht, aber sie stürzten zu Boden und bewegten sich nicht mehr. Hätte es sich um organische Lebewesen gehandelt, wäre Gene davon überzeugt gewesen, daß sie nur bewußtlos waren, aber in diesem Fall... »Sie verschwinden ja nicht«, rief Pat, offensichtlich überrascht. Sweety ließ die Kanone langsam weiterschwenken und erfaßte mit dem Laserbündel auch die anderen Angreifer, die sich dem Schiff näherten. Jene, die auf das Bohrgerät zugegangen waren, kümmerten sich nicht um das Geschehen. Es war, als hätten sie es nicht bemerkt - oder wollten es nicht bemerken. »Sie beschädigen die Bohranlage! « sagte Gene zu Sweety. »Halte sie davon ab, die Geräte sind sündhaft teuer.« Die Intensität des Laserbündels war zu schwach, den Geräten zu schaden, aber die Fremden fielen um, als wäre das "Leben" plötzlich aus ihnen entwichen. Gene sagte sich immer wieder, daß sie es nicht mit außerirdischen Intelligenzen zu tun hatten, sondern mit ... ja, womit eigentlich? Wie kam Sweety überhaupt auf die Schlußfolgerung, daß es sich bei dem Unheimlichen, der sie aus Gedanken erzeugte, nur um ein einziges Wesen handelte? Konnte es nicht eine ganze Rasse sein, die vielleicht unter der Oberfläche von First lebte und deshalb unsichtbar blieb? Pat rief plötzlich: Copyright 2001 by readersplanet
» Da - die Insekten! Sie erheben sich wieder und greifen an!« Nun sah es auch Gene. Die reglos dicht vor der NEPTUN liegenden "Leichen" der Angreifer bewegten sich etwas mühsam, rappelten sich aber dann wieder auf und griffen nach ihren Waffen, die verstreut im Gras lagen. Als fürchteten sie den Tod nicht, marschierten sie erneut auf das Schiff zu. »Enger bündeln!« befahl Gene dem Computer. Aber dazu war es bereits zu spät. Die Fremden hatten den toten Winkel erreicht und konnten von der Laserkanone nicht mehr erfaßt werden. Sie verschwanden gleichzeitig aus dem Sichtbereich von Gene und Pat, der entschlossen seine Strahlwaffe aus dem Schrank nahm und ein Energiemagazin hineinschob. »Warten Sie noch, Pat!« riet Sweety. »Noch ist unser Schutzschirm aktiviert. Den werden sie kaum durchdringen können, denn jetzt bestehen sie aus Materie, nicht aus Energie.« Draußen zuckten erste Entladungsblitze auf. Der Heckbildschirm gab Auskunft. Die Fremden lösten sich in nichts auf, sobald sie den Energieschirm der NEPTUN berührten. Sie verschwanden einfach. Und die Meßinstrumente zeigten an, daß sich der Schirm damit auflud. Inzwischen kümmerte sich Sweety wie befohlen um die Insekten, die das Plateau mit der Bohreinrichtung angriffen. Scharf gebündelt zielte sie auf jeden einzelnen Fremden und vernichtete ihn, diesmal endgültig. Aber die Toten verschwanden nicht. Als unkenntliche Häufchen verkohlter Asche blieben sie liegen. Dabei mußte der Computer sehr sorgfältig vorgehen, um nicht auch die Geräte zu zerstören. »Wie in den schlimmsten Räuberpistolen«, entfuhr es Gene. Dann sah er Pat an. »Buck Rogers, eh?« »Da war es so ähnlich«, gab Pat kleinlaut zu. »Aber ich sagte ja schon, daß es gut ausgeht. Wenigstens ging es für Buck gut aus.« »Sobald der Spuk vorüber ist, starten wir«, sagte Gene nur. Auch als sich nichts mehr rührte, verließen sie die NEPTUN an diesem Tag nicht, um den Gleiter, Trucky und die wertvollen Bohreinrichtungen zu bergen. Abwechselnd saßen sie in der Kontrollzentrale und beobachteten das schwarze Raumschiff, das dicht neben ihnen stand. Es schien keine Besatzung mehr an Bord zu sein. Als es dunkel wurde, richteten sie einen starken Scheinwerfer auf das Plateau und befahlen Sweety, sofort das Feuer zu eröffnen, falls sich dort einer der Fremden zeigen sollte. Die verkohlten Leichen lagen noch immer dort. Gene verschwand in seiner Kabine, bevor sie schlafen gingen, und kam mit einem Buch wieder heraus. Er reichte es Pat mit den Worten: »Lies das, bevor du einschläfst, vielleicht hilft es.« Pat nahm das Buch und verzog sich. Er hatte ein starkes Schuldgefühl, obwohl schließlich niemand vorher wissen konnte, was ihnen auf diesem verrückten und verzauberten Planeten passieren würde. Gene grinste, als er seine Kabinentür schloß. Pat warf das Buch achtlos auf sein Bett, zog sich aus und wusch sich. Er wußte, daß Sweety aufpaßte und sie sich keine Sorgen zu machen brauchten, außerdem kam niemand durch den Schutzschirm, der das Schiff wie eine Glocke einhüllte. Erst im Bett erinnerte er sich an das Buch, das Gene ihm gegeben hatte. Er nahm es vom Boden auf, wohin es gefallen war. Das Titelbild zeigte mehrere junge Mädchen in orientalischen Gewändern in einer prunkvollen Halle mit einem Badebecken aus Marmor. Der Titel lautete: Copyright 2001 by readersplanet
»Zwei Wochen im Harem des Kalifen«. Pat schob das Buch unter sein Bett. So verrückt war er nun auch nicht, das jetzt zu lesen ... Er schlief traumlos. Am anderen Morgen waren das schwarze Schiff und die Überreste der Fremden verschwunden. Sie hatten keinerlei Spuren hinterlassen.
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9 »Die Materie-Illusion wurde in Energie zurückverwandelt«, erklärte Sweety lakonisch, als sie gefragt wurde. »Ich rate zum Start.« Jetzt, wo die Gefahr vorüber war, hatten Gene und Pat es auf einmal nicht mehr so eilig, First zu verlassen. Das Geheimnis, das den oder die Fremden umgab, begann sie zu reizen. Sie argumentierten eine halbe Stunde mit Sweety, als wäre der Computer ein richtiger Mensch. Schließlich beendete Sweety die Diskussion mit den Worten: »Alle gespeicherten Fakten lassen darauf schließen, daß eine Lösung des Problems erst nach Verlassen von First möglich ist. Mein Rat lautet: Verladen Sie noch heute die Geräte und die beiden Fahrzeuge, damit wir starten können. Denken Sie ständig an den bevorstehenden Start, bekunden Sie Ihre feste Absicht, zur Erde zurückzukehren. Das ist alles.« »Wir sollen wirklich ...«, wollte Gene Einspruch erheben, aber Sweety war unhöflich genug, ihn zu unterbrechen: »Der oder die Unbekannten hier können meine Überlegungen nicht empfangen, wohl aber die Ihren. Tun Sie, was ich Ihnen geraten habe! Denken Sie unablässig an Ihren baldigen Start. Sprechen Sie davon, daß er bereits morgen erfolgen wird. Wenn Sie das Geheimnis ergründen wollen, fangen Sie sofort damit an! « Gene warf Pat einen fragenden Blick zu und erhielt ein zögerndes Nicken als Antwort. »Also gut, Sweety, wir beginnen gleich mit dem Einladen - und wir starten noch heute abend.« »Was ist mit dem Wrack?« fragte Pat. »Und Muller?« »Wir fliegen mit der NEPTUN hin, ehe wir First endgültig verlassen. « Als sie den Schirm abgeschaltet hatten und das Schiff verließen, sah Gene sich forschend nach allen Seiten um, schien aber nicht zu finden, was er suchte. Dann fragte er Pat: »Sag mal, hast du nicht in dem Buch gelesen, das ich dir gestern gab?« Pat grinste. »Ach, du hattest wohl gehofft, ich würde davon träumen? Du vermißt den Palast des Sultans und die hübschen Damen?« Er lachte laut und ging hinauf zum Plateau. »Nee, das könnte dir so passen! Denk dir doch selbst deine Wünsche aus, sonst bin ich wieder schuld, wenn etwas schiefgeht. Los, an die Arbeit! Wir starten noch heute ...« Es war ein hartes Stück Arbeit, die Bohreinrichtung abzubauen und in die NEPTUN zu bringen, aber am frühen Nachmittag hatten sie es geschafft. Dreizehn Behälter mit reinem Bellarium waren im Laderaum untergebracht worden, ein unermeßlicher Reichtum. Pat sah sich suchend um und meinte dann: »Es ist noch Platz genug für ein paar Beutel Gold. Sie liegen unter dem Schiff bei den Landestützen.« »Ich habe nichts dagegen, wenn du sie holst«, erklärte Gene sich einverstanden. »Aber ich helfe dir nicht dabei. Das Zeug ist schwer und relativ wertlos, wenn man es mit Bellarium vergleicht.« »Mach ich schon allein«, rief Pat und sauste aus dem Laderaum. Lange bevor es zu dämmern begann, waren auch Trucky und der Gleiter verstaut. Als sie die Luke der NEPTUN hermetisch verschlossen, hatten beide Männer ein leichtes Gefühl des Bedauerns und konnten es nicht unterdrücken. Copyright 2001 by readersplanet
»Eigentlich schade«, murmelte Pat und hätte fast vergessen, was Sweety ihnen geraten hatte. Aber er korrigierte sich hastig: »Aber einmal hat ja alles ein Ende, und im Grunde bin ich doch froh, wenn ich die gute alte Mutter Erde wiedersehe.« »Ich auch«, knurrte Gene und ging voran. Sweety empfing sie »Ich stelle Störungen im Energiesystem fest. Die Zufuhr ist defekt. Versuchen Sie einen Handstart, ich übernehme später.« Auf Genes Stirn entstanden ein paar Falten. »Störungen? Welcher Art sind sie?« »Negativ, Gene. Ich kann erst dann eine Analyse erstellen, wenn eine praktische Erprobung vorliegt. Starten Sie!« Pat nahm am Navigationstisch Platz, während Gene sich hinter die Kontrollen setzte. Die eingeschulten Handgriffe erfolgten fast automatisch, dann legte er ein wenig zögernd den Haupthebel für den Antrieb um. Gleichzeitig wurde das Antigravfeld eingeschaltet. Nichts geschah. Gene starrte auf die Kontrollen. Alle Lämpchen brannten vorschriftsmäßig und verrieten, daß kein Defekt vorlag, wie Sweety behauptet hatte. Aber die Energie blieb trotzdem aus. Das Schiff rührte sich nicht. Wie festgeklebt haftete es auf der Oberfläche von First. Pat blieb stumm, als Gene es noch einmal versuchte. Wieder ohne jeden sichtbaren Erfolg. »Sweety?« fragte Gene tonlos. »Energie ist vorhanden, aber nur im Notspeicher. Von dort aus gelangt er nicht zum Verteiler. Der Gravital-Antrieb selbst erhält keinerlei Energie von außen. Der Zustrom ist blockiert.« Das bedeutete, daß sie von den Gravitationsfeldern der Planeten und Sonnen außerhalb des Ross-Systems abgeschnitten waren. Somit wurde ein Start unmöglich. »Was nun, Sweety? Analyse?« Diesmal dauerte es doch einige Minuten, ehe der Computer antwortete: »Ich kann die gleichen elektromagnetischen Störfelder anmessen wie immer, solange wir hier sind. Sie zapfen unsere Energiequellen an und blockieren die Verbindung zu den Außenfeldern. Der Zweck ist eindeutig: Sie sollen First nicht verlassen.« »Hast du uns darum geraten ...?« »Ja! Denn nun liegt die Initiative wieder bei der unbekannten Wesenseinheit. Sie wird sich melden und ihre Absichten darlegen. Sie muß es tun, wenn sie logisch denkt und handelt.« Gene schaltete sämtliche Kontrollen auf Nullstellung. »Und bis dahin drehen wir Däumchen, liebe Dame?« »Ich bin ein Computer, Gene«, korrigierte Sweety sachlich. »Aber wenn auch Sie logisch denken, dann müßten Sie wissen, daß zum Beispiel Trucky oder der Gleiter nicht blockiert werden, denn Sie sollen sich auf First ungehindert bewegen können. Lediglich der endgültige Abflug wird verhindert.« Pat sagte: »Wenn das stimmt, fliegen wir mit dem Gleiter zum Wrack.« »Genau das hätte ich auch empfohlen, wenn Sie mich gefragt hätten. Aber warten Sie bis morgen«, riet Sweety und schaltete sich von selbst ab. »Na schön«, seufzte Gene und stand langsam auf. »Noch so eine Nacht voller Überraschungen - vielleicht. Daß du mir kein Buch anrührst, Pat. « »Ich schlage vor, wir ziehen uns in die Bar zurück und nehmen einen guten Tropfen zur Brust, dann vergeht uns Lesen und Träumen. « »Gute Idee«, lobte Gene und ging voran. Copyright 2001 by readersplanet
Als sie am anderen Vormittag den Gleiter wieder ausluden, machten sie sich nicht allzuviel Sorgen wegen der NEPTUN. Es lag kein technisches Versagen vor. Sie waren lediglich der Willkür einer unbekannten Macht ausgeliefert, die sich bisher nicht als ausgesprochen feindlich erwiesen hatte. Sobald man Kontakt mit ihr erhielt, was ja nach Sweetys Prognose unmittelbar bevorstand, würde man einen Kompromiß aushandeln können - so wenigstens hofften die beiden Männer. Der Antrieb des Gleiters arbeitete einwandfrei, wie erwartet. »Sweety, wir bleiben in Kontakt«, bat Gene, als sie langsam in die Höhe stiegen und Kurs nach Westen nahmen. »Nicht abschalten! « »Positiv!« kam es beruhigend zurück. In geringer Höhe flogen sie über die unveränderte Landschaft dem Gebirge zu und überlegten, ob die gesamte Oberfläche von First eine materialisierte Illusion war, oder ob der Planet wirklich so aussah, wie er sich ihren Blicken darbot. Letzteres schien mit einigen Einschränkungen wahrscheinlicher zu sein. »Dabei liegt noch eine Menge Gold und Bellarium hier herum«, bedauerte Pat. »Vielleicht können wir es später mal holen.« »Vielleicht«, knurrte Gene. Das Gebirge wurde überflogen und blieb zurück. Weiter vorn in der Steppe tauchte der dunkle Punkt des Wracks auf. Nichts schien sich an ihm oder an seiner Umgebung geändert zu haben. Der Gleiter landete. Ohne ihre Waffen mitzunehmen verließen die beiden Männer ihr Flugzeug und gingen auf das Wrack zu, umrundeten es und stiegen dann den Hügel zum Grab hinauf. Die Blumen waren so frisch, als hätte sie eben erst jemand auf die letzte Ruhestätte des unbekannten Piloten gelegt. Muller? Oder das, was Muller sein sollte? Sie legten sich einige herumliegende Steine zurecht und setzten sich. Eine Weile schwiegen sie, dann sagte Pat: »Ich fürchte, wir hocken noch heute abend hier und warten. Wenn wir nichts unternehmen, geschieht nichts. Ich gehe zum Gleiter und hole den Spaten. Ich will wissen, wer in dem Grab liegt. « Gene schüttelte ablehnend den Kopf. »Ich weiß nicht, ob das richtig ist. Ein Skelett liegt in dem Grab, was sonst? Vorher war es im Raumschiff, dann wurde es begraben, weil wir Muller einen Vorwurf machten. Ist doch ganz einfach.« »Trotzdem werde ich nachsehen!« sagte Pat entschlossen und stand auf. »Ehe ich den ganzen Tag hier sitze und Däumchen drehe ...« Diesmal protestierte Gene nicht. Er sah, wie Pat zum Gleiter hinabging und den Spaten aus dem kleinen Laderaum holte. Dann kam er wieder zurück, nahm die Blumen von dem Grabhügel und legte sie behutsam ein Stück abseits auf einen flachen Stein. Als er zu graben anfing, sagte eine Stimme hinter ihnen: »Das würde ich nicht tun, Pat O'Brian.« Sie fuhren herum, denn sie hatten niemand kommen gehört. Keine zehn Meter von ihnen entfernt stand Henry Muller mit verschränkten Armen und immer noch ungepflegtem Vollbart. Sein Gewehr hatte er nicht bei sich. Gene faßte sich zuerst. »Wo kommen Sie so plötzlich her, Muller? Wir haben Sie tagelang gesucht und nirgends gefunden. Und warum sollen wir das Grab nicht öffnen?« Copyright 2001 by readersplanet
»Sie können mich auch weiterhin Muller nennen«, erwiderte der angebliche Schiffbrüchige. »Und das Grab enthält nichts anderes als die sterblichen Überreste des Raumschiffpiloten. Sie wollten doch, daß er begraben wurde, also geschah es. Lassen Sie ihm seine Ruhe.« Gene stand auf und sah Muller fest an. »Wie war der Name des Piloten - des einzigen Piloten, Muller? « Henry Muller lächelte unter seinem Vollbart. »Es war Henry Muller, Gene, und er liegt dort begraben, wie Sie es wünschten. Ist Ihre Frage damit beantwortet?« Gene schüttelte den Kopf. »Ich dachte es mir zwar, aber ich wollte Gewißheit.« Er deutete auf einen Stein. »Setzen wir uns, Henry Muller - Sie haben recht, bleiben wir bei dem Namen. Wollen Sie uns nicht endlich alles erklären? Was ist geschehen, als Mullers Schiff hier zerschellte? Und wer sind Sie? Wen vertreten Sie? Was wollen Sie von uns?« Muller nahm Platz. Auch Pat setzte sich wieder, nachdem er die Blumen zurück aufs Grab gelegt hatte. Der alte Mann mit dem Vollbart begann mit seinem Bericht... Vor Hunderttausenden von Jahren - den genauen Zeitraum konnte "Muller" nicht bestimmen - erlitt auf dem zweiten Planeten der Sonne Ross 248 eine Expedition Schiffbruch. Sie kam von der anderen Seite der Galaxis, hatte das sternendichte Zentrum der Milchstraße durchquert und viele bewohnte Welten entdeckt. Die Fremden waren Energiewesen mit seltsamen Eigenschaften. Da sie zeitweise materialisierten, ohne auf diesen Vorgang Einfluß nehmen zu können, war ihre Existenz ständig bedroht. Kraftfelder jeder Art, ob zwischen den Sternen oder in einer technischen Anlage, brachten sie in größte Gefahr, wenn sie nur als energetische Einheit existierten. Umgekehrt starben sie sofort, wenn sie sich innerhalb eines festen Mediums, sei es eine Mauer, ein Felsen oder auch nur die Hülle eines Raumschiffs, plötzlich von Energie zu Materie umwandelten. Aus diesem Grund bestand ihr Raumschiff aus einem Material, das nur mit Hilfe eines ständig in Betrieb befindlichen Generators stabil gehalten werden konnte. Fiel dieser Generator aus, verflüchtigte sich dieses Material und floß als Energie in den Hyperraum ab. Während des Fluges durch das Zentrum der Milchstraße übten die ungeheuer starken Gravitationsfelder sowohl auf das Schiff als auch auf die Besatzung einen verhängnisvollen Einfluß aus, dessen Ergebnis jedoch viel zu spät registriert wurde. Der erste Verdacht tauchte auf, als eines der Energiewesen eines natürlichen Todes starb, als es im materialisierten Zustand in seiner Kabine auf dem Bett ruhte. So etwas hatte es noch nie gegeben, denn die Wesen waren praktisch unsterblich, und sie vermehrten sich auch nicht mehr. Dann starben andere, Panik brach aus. Auf der Lichtspur ihres Sternenantriebs hatten sie das nächste Sonnensystem angesteuert, um eine Notlandung zu unternehmen. Auf einem Planeten würden sie sicherer sein, als in dem von Kraftfeldern überladenen Weltraum. Noch während sie in das System eindrangen, materialisierte die Besatzung und starb. Nur ein einziges Wesen blieb übrig. Urgh, so war seine Bezeichnung, sah nur eine Chance, den beginnenden Absturz zu überleben. Allein konnte er das Schiff nicht steuern, da er andere Funktionen versah. Aber er konnte mit dem Generator umgehen, der die Hülle stabilisierte. Seit mit dem ersten Gefährten die tödliche Veränderung stattgefunden hatte, war Urgh bemüht gewesen, sich mehr als bisher zu beobachten. Und so fiel ihm auf, daß seine bisher unwillkürlichen Umwandlungen jetzt seltener erfolgten, und schließlich nur noch dann, wenn er es wünschte. Noch draußen auf der Lichtspur zwischen den Sternen hatte er schließlich Copyright 2001 by readersplanet
völlige Kontrolle über diese Fähigkeit gewonnen. Als das Schiff am dritten Planeten vorbeijagte und auf den zweiten zufiel, bis es in seinen Anziehungsbereich geriet und schneller wurde, legte Urgh seinen Raumanzug aus fester Materie an, schaltete das Flugaggregat ein und sorgte vom Kontrollraum aus dafür, daß der Generator für Hüllenstabilität, der natürlich auch Zwischendecks und Kabinenwände versorgte, ausfiel. Das Schiff wurde unsichtbar und materielos. Urgh schwebte plötzlich allein im Raum, denn auch seine toten Gefährten hatten sich in Energie zurückverwandelt und wurden, wie das ganze Schiff, von den vorhandenen Kraftfeldern absorbiert. Nur einzelne Trümmerstücke, echte Materie, stürzte der Oberfläche des Planeten entgegen und zerschellte dort. Urgh selbst konnte den Fall mit seinem Flugaggregat regulieren und sorgte dafür, daß er seine materielle Form beibehielt. Nur das war seine Rettung. Wohlbehalten landete er auf der Oberfläche von First. Die Gewißheit, gerettet worden zu sein, half ihm die Trauer um die toten Freunde zu überwinden. Er war anders geworden als sie, viel anders, vielleicht eine energetische Mutation. Und er begann sein neues Dasein auf einer Welt, die ihm allein gehörte, wie er bald feststellte, ausgiebig zu genießen. Nahrungssorgen gab es für ihn nicht, denn wenn er Hunger verspürte, entmaterialisierte er und nahm soviel Energie auf, wie er nur wollte. Jahrhunderte und Jahrtausende vergingen, und allmählich entwickelten sich weitere Fähigkeiten bei ihm, die sein Leben noch einmaliger und abwechslungsreicher gestalteten. Er war nicht nur in der Lage, seine eigene Daseinsform willkürlich zu wählen, sondern auch jede auf dem Planeten vorhandene Materie in beliebige Formen umzuwandeln. Er ließ sie zuerst instabil werden und gab ihr dann die Gestalt, die er wünschte. Er begann mit seiner Macht über Energie und Materie zu spielen, verwandelte den öden Planeten in ein Paradies nach seiner Vorstellung und schuf sich täglich eine andere Landschaft. Einmal versuchte er den Planeten zu verlassen, aber es gelang ihm nicht. Die Energiefelder der Sonne schleuderten ihn zurück und zeigten ihm nur allzu deutlich, daß er keine Macht über sie besaß. In seiner Unsterblichkeit war er für alle Ewigkeit auf diese Welt verbannt. Seine Macht reichte knapp einige Planetendurchmesser weit. Weitere Jahrzehntausende vergingen, in denen sich nur das ereignete, was er selbst wollte. Zum erstenmal in seinem Dasein verspürte Urgh ein Gefühl, das ihm bisher unbekannt geblieben war. Er hatte Langeweile. Als ihm das bewußt wurde und er begriff, daß er von nun an für alle Zukunft von diesem neuen Gefühl begleitet sein würde, packte ihn Verzweiflung und die Sehnsucht nach dem Auslöschen seiner Existenz. Doch das war nicht so einfach, denn da er jene mysteriöse Umwandlung erfahren hatte, war ihm jede Art von Selbstmord unmöglich geworden. Die Energiefelder der Sonne nahmen ihn nicht auf, und anders war die Auflösung seiner energetischen Einheit nicht möglich. Gab er sich aber im materiellen Zustand den Tod, verwandelte er sich sofort wieder in das, was er auch war: in eine energetische Einheit mit der Bezeichnung Urgh. Er hatte es ausprobiert. Nach und nach, als wolle die Natur ihm helfen und sein Leben komplizierter gestalten, hielt die von ihm geschaffene Materie nur noch kurze Zeit, ehe sie sich automatisch und ohne seinen Einfluß in das zurückverwandelte, was sie vorher gewesen war. Fruchtbare Gärten und blaue Seen wurden wieder zu der öden, felsigen Oberfläche von First. Er mußte seine Schöpfungen bald alle zwanzig Stunden neu erstehen lassen, wenn er sich an ihnen erfreuen wollte. Nur das Ursprüngliche und auf natürliche Weise Entstandene hatte Bestand, sonst nichts. Wieder vergingen Zehntausende von Jahren, und dann geschah eines Tages das Wunder.
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Noch als das Raumschiff den Planeten in großer Höhe umkreiste, konnte Urgh die Gedanken des Wesens darin empfangen und deuten. Für ihn war es ein ungewohntes Erlebnis, plötzlich -wenn auch einseitigen - Kontakt mit einem echt existierenden Geschöpf zu erhalten, das Bestand hatte und sich nicht wieder verflüchtigte. Doch das Wesen in dem Raumschiff hatte Probleme, deren Natur Urgh nicht verstand. Er hätte ihm gern geholfen, als es zur Landung ansetzte, aber er wußte nicht wie. Doch während des Abstiegs aus der großen Höhe in die Atmosphäre dachte das Wesen an viele Einzelheiten, die es erlebt hatte. Es dachte an seinen Heimatplaneten, an den weiten Flug von Stern zu Stern und an viele andere Dinge, die Urgh sich merkte. Er würde jederzeit in der Lage sein, dem Wesen aus einer anderen Welt den Aufenthalt auf First so angenehm wie möglich zu gestalten. Vielleicht, so hoffte Urgh heimlich, würde es für immer hierbleiben wollen, weil es hier alles haben konnte, was es sich schon immer gewünscht hatte. Aber dann wurde der Fall des Schiffes immer schneller und war nicht mehr aufzuhalten. Im letzten Augenblick begannen die primitiven Bremstriebwerke noch einmal stotternd zu arbeiten und verringerten die todbringende Geschwindigkeit, aber nicht genug. Das Schiff prallte mit voller Wucht in die paradiesische Urlandschaft, die Urgh kurz zuvor geschaffen hatte. Die Gedankenimpulse des Wesens erstarben jäh. Es war tot. Urgh wußte alles über das Wesen, auch den Namen. Er kannte seine Freunde, die auf einem Planeten lebten, den sie Erde nannten. Er wußte, wie die anderen Wesen aussahen, die sie Frauen nannten. Mit ihnen verband sie etwas, das er nicht verstand, das aber für diese Wesen, die Menschen, sehr wichtig zu sein schien. Er untersuchte das Wrack und wußte, daß er nichts mehr tun konnte. Bald hatte er es vergessen, aber die Hoffnung blieb, daß eines Tages wieder ein Schiff von der Erde kommen und heil landen würde. Und genau das geschah, sechzehn Erdenjahre später. Die NEPTUN erreichte den zweiten Planeten von Ross 248. Als "Henry Muller" schwieg, war es am Grab des richtigen Henry Muller lange ruhig. Gene und Pat lagen hundert Fragen auf der Zunge, aber sie schienen sich vor den Antworten zu fürchten. Es war später Nachmittag geworden. In ein paar Stunden würde es wieder dunkel werden. Endlich fragte Gene: »Sind Sie Urgh?« 'Muller' schüttelte den Kopf. Er hatte viel gelernt. »Nein, natürlich nicht. Urgh hat mir diese Gestalt gegeben, also kann ich nicht er selbst sein. Niemand weiß, wie er aussieht, auch ich nicht. « Er deutete auf den nächsten Stein. »Das dort kann Urgh sein, wenn es ihm gefallen hat, diese Gestalt anzunehmen.« »Aber Sie sprechen für ihn, in seinem Auftrag?« »Es ist, als sprächen Sie mit ihm direkt.« »Gut, dann werden wir Sie der Einfachheit halber von jetzt an "Urgh" nennen. Henry Muller ist seit sechzehn Jahren tot.« »Einverstanden.« Es war Gene klar, daß ihm Urgh gegenübersaß, kein willkürlich geformter 'Muller'. »Sie haben uns einige Illusionen verschafft, Urgh, und vielleicht haben Sie gehofft, unseren Aufenthalt damit attraktiver zu gestalten. Oder haben Sie die Absicht, uns für immer hier zu Copyright 2001 by readersplanet
behalten?« »Das ist mein Wunsch«, gab Urgh unumwunden zu. »Sie hätten die Macht dazu?« »Allerdings. « Gene zögerte, dann wechselte er das Thema. »Warum haben Sie Henry Muller erst jetzt begraben, nicht bereits damals?« »Ich kannte diese Sitte der Menschen nicht. Erst als Sie erwähnten, daß es für "Muller" Pflicht gewesen wäre, seinen Piloten in die Erde zu versenken, tat ich es, um Ihre Gefühle nicht zu verletzen.« »Und was ist mit Pfiffi?« fragte Pat. »Sie meinen den Hund? Ein von mir geschaffenes Wesen, weil ich in Ihren Gedanken las, daß Sie diese Tiere gern haben. Es muß eine etwas seltsame Mischung gewesen sein, aber Sie dachten an verschiedene Rassen mit unterschiedlichem Aussehen. Leider vergaß ich, auf das Alter zu achten. Ich korrigierte das später, wenn auch nicht perfekt.« »Die Bäume, die Sträucher, Gräser, Berge und Flüsse - alles ist genau wie auf der Erde«, sagte Gene. »Ich habe sogar Eichenbäume gesehen. Die Fische im Bach, die Rinder und Schweine - das war alles eine Illusion?« »Alles, Gene Tarrot. Sie wünschten es sich, also bekamen Sie es. Nur ist die Bezeichnung 'Illusion~ eigentlich fehl am Platz. Sie haben Fisch und Fleisch verzehrt, keine Illusionen.« »Und unsere Sprache? Wie konnten Sie die so schnell erlernen?« »Das bedeutete keine Schwierigkeit. Sie haben sie vollständig im Unterbewußtsein gespeichert, ich brauchte sie nur abzurufen.« Geduldig beantwortete Urgh alle ihre Fragen, bis First ein entzauberter Planet war. Urgh hatte alles getan, Gene und Pat diese Welt so begehrenswert wie möglich zu machen. Sie sollte für sie schöner sein als die Erde, und wenn sie sich Menschen und Städte gewünscht hätten, wäre auch das zur Realität geworden. »Urgh«, sagte Gene nach einer längeren Gesprächspause, die ihm klarmachte, daß eigentlich nur noch eine einzige Frage offen geblieben war. »Ist es Ihr Ernst, uns mit Gewalt hier festhalten zu wollen?« Urgh nickte langsam. »Ja, ich möchte, daß Sie bleiben. Sie haben meinem ewigen Dasein wieder einen Sinn gegeben. Alles, was ich mir zur Abwechslung schuf, kam aus meinen eigenen Vorstellungen und war das Produkt meiner eigenen Wünsche. Ihre Wünsche dagegen waren mir fremd, und sie waren voller Überraschungen. Sie haben mich glücklich gemacht.« »Kann ein unsterbliches Wesen wie Sie glücklich sein?« fragte Gene zweifelnd. »Und glauben Sie wirklich, unsere Freundschaft erzwingen zu können, indem Sie uns zurückhalten?« Er schüttelte entschieden den Kopf. »Nein, Urgh, das wäre ein schlechtes Abkommen zwischen Ihnen und uns. Geben Sie uns frei. Sie besitzen unsere Erinnerungen und können sich Traumwelten aufbauen, die Sie vorher nicht kannten. Auch wenn wir gehen, so lassen wir Ihnen viel zurück.« »Ich möchte, daß wir Freunde sind, keine Feinde.« »Dann lassen Sie uns gehen. Ich weiß, daß andere nach uns kommen werden, Sie werden nie mehr lange allein sein müssen. Vielleicht kehren auch wir eines Tages zurück und besuchen Sie -aber nur dann, wenn wir Freunde geworden sind.« »Wenn ich Sie frei ließe, könnten Sie mir garantieren, daß andere Menschen zu mir kommen?« »Ja, das können wir. Viele werden kommen, um den verzauberten Planeten kennenzulernen, und Urgh, der ihnen alle Wünsche erfüllen kann. Nie mehr wird es Ihnen langweilig werden.« Urgh sann lange vor sich hin. Pat sagte:
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»Und noch etwas solltest du bedenken, Urgh: Die Erinnerungen von Gene und mir wären bald alle verbraucht, du würdest ihrer überdrüssig und müßtest sie wiederholen. Aber wenn dich immer wieder andere Menschen aufsuchen, gibt es auch immer wieder neue Erinnerungen und Gedanken, die du materialisieren kannst.« Urgh sah sie beide an. »Du hast eure vertraute Anrede benutzt, Pat. Soll das heißen, daß ihr mir eure Freundschaft anbietet?« » Ja, das soll es heißen. Und Freunde belügt man nicht.« Urgh erhob sich. »Und Freundschaft kann man nicht erzwingen, ihr habt recht.« Er deutete hinab zum Gleiter. »Kehrt zurück zu eurem Schiff. Ich hindere euch nicht mehr, meine Welt zu verlassen. Ich werde niemanden mehr daran hindern. Aber kommt wieder - eines Tages. « »Das werden wir«, sagte Gene fest. Urgh nickte ihnen noch einmal zu, dann ging er langsam, wie es sich für einen alten Mann gehörte, den Hügel hinab - und dann war er plötzlich spurlos verschwunden. Es war, als hätte es Urgh niemals gegeben, und doch war er überall. Jedes Sandkorn, jeder Stein, jeder Grashalm konnte Urgh sein, das unsterbliche Energiewesen von der anderen Seite der Milchstraße. Die NEPTUN startete noch am selben Abend. Sweety meldete das einwandfreie Funktionieren aller Systeme. In ihrer Stimme klang wahrhaftig ein wenig Befriedigung mit. Der Planet First rundete sich und wurde zu einem Globus. Noch immer ähnelten die Umrisse seiner Kontinente denen der Erde. Keine Wolken behinderten die Sicht, und deutlich konnten Gene und Pat sehen, daß sich die Oberfläche in einen einzigen blühenden Garten verwandelt hatte. Urgh sandte ihnen einen letzten Abschiedsgruß zu. »Wir werden ihn besuchen, Pat, ganz bestimmt. Aber das hat Zeit. Was sind für Urgh schon zehn oder zwanzig Jahre ...?« »Tausend Jahre sind für ihn wie ein Tag«, wandelte Pat ab. Die NEPTUN beschleunigte und durchbrach schließlich die Lichtbarriere. In wenigen Stunden schon würde sie sechsunddreißigmal so schnell wie das Licht sein. First versank in der Unendlichkeit. »Hundert Tage Flug«, sann Pat laut vor sich hin. »Nach den Abenteuern mit Urgh wird das ein wenig eintönig sein.« »Wir haben noch immer den Dunkelplaneten«, erinnerte ihn Gene. »Sollen wir ihm einen Besuch abstatten?« »Hat Sweety den augenblicklichen Standort?« Sweety schaltete sich ein: »Kurs und Standort sind gespeichert. Ich kann den Planeten jederzeit lokalisieren. Geben Sie mir Ihre Entscheidung in spätestens achtzig Tagen bekannt, damit der Kurs entsprechend korrigiert werden kann.« Gene lachte. »Ist gut, altes Mädchen, bis dahin haben wir einen Entschluß gefaßt. « »Interessieren würde er mich schon«, murmelte Pat. Gene erhob sich.
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»Ich denke, wir können nun alles wieder Sweety überlassen. Wie wäre es mit einem Schluck?« »Immer einverstanden, mein Freund.« An diesem 'Abend~ gingen sie erst spät ins Bett. Beide schliefen tief, fest und zum erstenmal wieder ohne Angst vor unkontrollierten Träumen. Jetzt konnte nichts mehr passieren, denn schon längst hatten sie das Einflußgebiet Urghs verlassen. Aber sie sollten noch einmal an ihn erinnert werden ... Nach drei Tagen Flug hatten Gene und Pat genug gefaulenzt. Um sich die Zeit zu vertreiben, säuberten sie Trucky, den Gleiter und die Bohreinrichtung. Sie wunderten sich darüber, daß Fahrzeuge und Geräte nicht so mit Schmutz behaftet waren, wie sie angenommen hatten. Eigentlich genügte es, oberflächlich mit einem Staublappen über die Teile zu wischen, bis sie wieder fabrikneu schimmerten. »Merkwürdig«, ließ sich Pat vernehmen, »äußerst merkwürdig. Ich kann mich erinnern, daß ich mit Trucky durch den Uferschlamm des Flusses gefahren bin. Die Reifen waren verschmiert und später verkrustet. Und jetzt sind sie so gut wie sauber.« Gene sah ihn nachdenklich an, dann wurde sein Gesicht ernst. »Ich fürchte, wir haben uns zu früh gefreut«, sagte er dann mit gepreßter Stimme. »Komm mit!« »Wohin?« »In den Laderaum.« Pat folgte ihm stumm. Da standen die dreizehn Behälter mit Bellarium, fein säuberlich in den Halterungen abgesichert. Gene beugte sich hinab und öffnete den Deckel des ersten. Das metallene Gefäß war leer. Alle dreizehn waren leer. Sie enthielten kein einziges Gramm Bellarium. »Der fehlende Dreck an Truckys Reifen brachte mich darauf, Pat. Urgh hatte die Spuren im Uferschlamm erzeugt. Er hat auch, um uns zu erfreuen und auf First festzuhalten, Bellarium materialisieren lassen, zuerst in großer Tiefe, und später, als er unsere Resignation feststellte, in den oberen Schichten der Felsen. Wir sind schon viele Lichttage von First entfernt, Urgh hat hier seinen Einfluß verloren. Selbst wenn er wollte, hätte er die Rückverwandlung des Bellariums und des hart gewordenen Uferschlamms nicht verhindern können. Sweety hätte die Energieabstrahlung registrieren müssen.« »Das habe ich auch«, mischte sich der Computer über den Interkom in das Gespräch. »Aber ich wollte euch diese logische Selbstverständlichkeit selbst entdecken lassen.« »Sehr freundlich«, knurrte Pat und schlug sich dann vor die Stirn. »Mein schönes Gold ...!« Er stürzte sich auf die Lederbeutel und stellte zu seiner Überraschung fest, daß zwei oder drei von ihnen noch ein beachtliches Gewicht besaßen. Hastig öffnete er sie. Gene beugte sich zu ihm hinab, um das Ergebnis zu begutachten. »Es muß reines und schon vor Urgh in der Natur vorkommendes Gold gewesen sein, das er mit seinem Energiegold bereicherte. Du hast Glück gehabt, Pat. So bleibt dir wenigstens noch etwas ...« »Es sind vielleicht vier oder fünf Kilo im ganzen, ein halber Beutel. Natürlich teilen wir uns das ...« »Wir leisten uns dafür einen schönen Urlaub in der Südsee, Pat. Ich glaube, nach dieser Enttäuschung haben wir ihn verdient.« »Vielleicht gibt es wirklich Bellarium auf First, nur gaben wir uns der Bequemlichkeit halber mit dem falschen Zeug zufrieden.« »Bellarium gibt es höchstens auf dem dritten Planeten von Ross 248«, vermutete Gene. »Das nächstemal sehen wir dort nach.« Copyright 2001 by readersplanet
Später, als Pat schon im Bett lag, mußte er sich eingestehen, seinen ersten Ärger über den Verlust des Goldes überwunden zu haben. Was bedeutete schon Gold? Er hatte einen Freund, war Teilhaber von Gene und Mitbesitzer der NEPTUN - und vor ihm lagen noch viele Flüge in den Weltraum mit seinen Überraschungen, Abenteuern und auch Wundern. Was wollte er noch mehr? Er griff unter sein Bett und holte das Buch hervor, das Gene ihm vor einigen Tagen gegeben hatte. Nun würde er es lesen, denn Urgh war weit weg und konnte seine Träume nicht mehr realisieren. Das würde er selbst besorgen, wenn sie heil auf der Erde gelandet waren. Doch zuvor kam noch der Dunkelplanet an die Reihe. Vielleicht würden sie ihm einen Besuch abstatten. Pat las, bis ihm die Augen zufielen, und dann träumte er. Zu seinem Ärger aber nicht von dem Harem des Sultans, sondern von Asterix und seinem dicken Freund Obelix. Er war froh, als er morgens aufwachte und nicht mehr in die römische Arena mußte, um dort gegen die Gladiatoren zu kämpfen. Da stritt er sich schon lieber mit Sweety.
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10 Zwei Lichtjahre von Ross 248 entfernt nahm Sweety auf Wunsch Gene Tarrots eine geringfügige Kurskorrektur vor, ohne dabei die Geschwindigkeit herabzusetzen. Die Flugbahn der NEPTUN würde jene des Dunkelplaneten Sol-10 in vierundsiebzig Tagen schneiden, und zwar in einem spitzen Winkel. Pat hatte seinen gesamten Lesevorrat bereits zweimal durchgeackert und las nun Shakespeare, einen dicken Sammelband, den Gene ihm gegeben hatte. Zu Beginn wollte ihm die ungewohnte Lektüre nicht so recht gefallen, aber dann fesselten ihn die Königsdramen derart, daß Sweety ihn regelmäßig an die Mahlzeiten erinnern mußte, sonst hätte er sie glatt vergessen. Knapp eine Billion Kilometer vor dem errechneten Treffpunkt, also am dreiundneunzigsten Flugtag, leitete Sweety das Bremsmanöver ein, das mehr als zwanzig Stunden in Anspruch nahm. »Wann sieht man ihn denn endlich?« fragte Pat ungeduldig und suchte den Bildschirm ab. Die Sonne war der hellste Stern, etwa ein Lichtjahr von ihnen entfernt. Sie stand etwas schräg zur Flugrichtung. »Sol-10 ist ein Dunkelplanet«, erinnerte ihn Sweety sanft. »Selbst mit dem Lupenteleskop ist er noch nicht zu sehen. Aber der Ferntaster hat ihn bereits registriert.« »Na, wenigstens scheinen deine Berechnungen zu stimmen.« »Ich mache keine Fehler«, wies Sweety den unterschwelligen Vorwurf etwas pikiert zurück. »War nicht so gemeint«, entschuldigte sich Pat. »Kannst du schon eine exakte Analyse vornehmen?« »Die übliche Zusammensetzung aus den bekannten Elementen, keine Atmosphäre, gleichmäßige Verteilung von Eisen mit einer geringen Beimischung von Kobalt und knapp zwei Prozent Kohlenstoff an der Oberfläche.« »Stah1?« wunderte sich Pat. Er konnte Sweety fast nicken sehen. »Das ist Stahl!« Gene kam in die Zentrale. Er hatte der Unterhaltung über den Interkom gelauscht. »Stahl kommt in der Natur selten oder überhaupt nicht vor. Schon beim Herflug fiel uns die regelmäßige Oberflächengestaltung des Dunkelplaneten auf. Kann es sein, Sweety, daß es sich bei Sol-10 um einen künstlichen Planeten handelt?« »Zumindest die Oberfläche ist künstlich«, sagte der Computer. Das war eine erstaunliche, aber nicht mehr sonderlich überraschende Behauptung. Allerdings wurde das Rätsel um den Planeten nicht kleiner dadurch, im Gegenteil. Es gab eine ganze Menge Theorien über untergegangene Zivilisationen in grauer Vorzeit, und man hatte auch Beweise dafür gefunden. Aber das, was vor Zehntausenden von Jahren wirklich auf der Erde geschehen war, fand man nie heraus. Der undurchsichtige Schleier der Zeit und des Vergessens lag über diesen Geheimnissen. Der Mensch selbst hatte die Erinnerung daran ausgelöscht, indem er alle Spuren verwischte, bis auf jene, die in Mythen und Religionslehren lebendig geblieben waren. Von Stunde zu Stunde wurden die von Sweety ausgewerteten Daten genauer und umfangreicher. Mit Hilfe des Infrarot-Teleskops zauberte sie die ersten Fernbilder auf den Schirm, obwohl Sol-10 mit dem bloßen Auge noch nicht zu sehen war. Gene und Pat hatten ein paar Stunden geschlafen. Sie hatten den Rat Sweetys nur angenommen, weil sie ihnen versicherte, sie würden inzwischen nichts versäumen. Copyright 2001 by readersplanet
»In einhundert Minuten erreichen wir die Umlaufbahn, die sich aus Masse und Gravitation des Planeten ergibt. Ihre Höhe über der Oberfläche liegt bei achtzig Kilometer. Sie ist stabil kreisförmig. « Die beiden Männer sprachen nicht viel. Sweetys Berechnungen lagen vor und ließen keinen Raum für Zweifel. Langsam nur verging die Zeit. Die Minuten schienen zu Stunden zu werden. »Wir sind in die Umlaufbahn eingeschwenkt«, teilte Sweety plötzlich mit, obwohl auf dem Bildschirm nichts zu sehen war. »Ein Blick durch die Kuppel wird Sie überzeugen. Das Licht der Sterne ist nur schwach, aber es genügt für eine geringfügige Reflektion. Teile der stählernen Oberfläche sind blank, der Rest liegt unter einer dünnen Schicht Meteorstaub.« Nach einer winzigen Pause fügte Sweety hinzu: »Sie können sich jetzt den Landeplatz aussuchen.« Erst als ihre Augen sich an die Dunkelheit außerhalb des Schiffes gewöhnt hatten, konnten Gene und Pat Einzelheiten der Planetenoberfläche erkennen. Das Licht in der Zentrale war gelöscht worden. Das regelmäßige Quadratmuster drehte sich langsam unter dem Schiff weg, eine Stelle war so gut wie die andere. Plötzlich deutete Gene nach unten und rief: »Ein Krater, ein riesiger Krater! Sweety, wir landen an seinem Rand!« »Ich wollte es gerade vorschlagen«, sagte Sweety. »Warum denn ausgerechnet neben einem Krater?« wunderte sich Pat. »Ist doch ganz einfach«, erklärte Gene. »Was glaubst du, wie lange wir buddeln müßten, bis wir erfahren, was unter der stählernen Oberfläche verborgen ist? Der Meteor hat uns die Arbeit abgenommen. « »Stimmt auch wieder«, gab Pat zu. Eine halbe Stunde später bremste die NEPTUN erneut ab und sank dann, mit den Teleskopstützen voraus, Sol-10 entgegen. Neben dem Krater, dessen Ringwall aus einem Gewirr von verbogenen Stahlstreben und aufgewölbten Platten bestand, vermischt mit Brocken des Meteors, hatte Sweety eine mattschimmernde ebene Fläche entdeckt, die sich vorzüglich als Landeplatz eignete. Sie befand sich noch innerhalb des Walls. Zwei Stunden nach der glatten Landung erteilte Sweety die Erlaubnis zum Ausstieg. Ihre Analyse besagte, daß es im Umkreis von hundert Kilometern nicht ein einziges Molekül organischer Materie gab. Die leichten Raumanzüge waren schnell angelegt. Sie waren relativ bequem und. ermöglichten für vierundzwanzig Stunden absolute Unabhängigkeit von der Luftversorgung des Schiffes. Diesmal nahmen Gene und Pat die Laserpistolen mit, um im Notfall Hindernisse durch Abschmelzen beseitigen zu können. Dann standen sie auf der Oberfläche von Sol-10. »Stahl, richtiger Stahl!« sagte Pat und spürte nur die Hälfte seines gewohnten irdischen Gewichts. »Daher auch die verhältnismäßig hohe Schwerkraft. Müßte eigentlich viel geringer sein.« Die regelmäßigen "Rillen", die sie damals auf dem Film gesehen hatten, entpuppten sich als breite und tiefe Täler künstlichen Ursprungs, die an Alleen zwischen Häuserblocks erinnerten. Aber die "Häuser" hatten keine Fenster. Sie gingen vor bis zum Kraterrand. Die Leuchtkraft der Sterne war stark genug, ein diffuses Dämmerlicht zu erzeugen. Nur auf dem Kratergrund war es dunkel. Gene schaltete den Handscheinwerfer ein. »Fast fünfzig Meter tief, geht nur mit dem Flugaggregat.« »Hast recht, Pat, ich habe auch keine Lust, mir bei der Kletterei ein Loch in den Anzug zu reißen. Wir müssen uns in der Mitte halten.«
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Das Flugaggregat neutralisierte lediglich die vorhandene Schwerkraft. Die beiden Männer nahmen einen kurzen Anlauf und schwebten dann langsam in den Krater hinein. Jetzt besaßen sie nur noch ein Zwanzigstel ihres irdischen Gewichts. Eine Korrektur des Falls konnte nur durch das Zünden winziger Raketen erreicht werden. In Zeitlupe glitten seitwärts die Wände des Kraters nach oben. Jetzt erst war die Struktur der stählernen Oberfläche zu erkennen. Die Männer erblickten sie wie in einem Querschnitt. Der Meteor mußte mit hoher Geschwindigkeit aufgeprallt sein, denn er hatte die Stahlschicht glatt durchschlagen, etwa wie ein gigantisches Geschoß. Es wäre in der Tat für Gene und Pat unmöglich gewesen, in das künstlich angelegte Labyrinth einzudringen, denn die Dicke der obersten massiven Schicht betrug zehn Meter. Erst darunter erschienen in regelmäßigen Abständen die von dem Meteoreinschlag verursachten Öffnungen des unterirdischen Tunnelsystems. Sie erinnerten an die Waben eines Bienenstocks und mußten, wenn nicht alles täuschte, den ganzen Planeten durchziehen. Zumindest waagerecht bis in eine Tiefe von fünfzig Metern. Sie zählten elf solcher Etagen mit Gängen, ehe sie den Grund des Kraters erreichten. Hier unten war es dunkel. Sie ließen die Lampen eingeschaltet. Um sie herum gähnten die finsteren Eingänge zu dem unheimlichen Labyrinth. »Unglaublich!« war alles, was Gene sagen konnte. »Mein Gott, Pat, müssen die eine fortgeschrittene Technik gehabt haben! Sie haben nicht auf, sondern in ihrem Planeten gelebt. Das Ganze ist eine unvorstellbare Leistung.« »Gehen wir hinein?« fragte Pat und deutete auf die untersten Eingänge, die nun zu ebener Erde lagen, was insofern stimmte, als sie nicht mehr auf Stahl, sondern auf den Trümmerstücken des Meteors standen. »Wo mögen die Erbauer dieses Wunders sein?« »Es muß eine Katastrophe gegeben haben, nachdem sie unser Sonnensystem verließen, oder schon vorher. Der Meteoreinschlag erfolgte erst viel später. Er kann nur einen winzigen Teil der Anlage zerstört haben.« »Aber wer waren sie?« wiederholte Pat seine Frage. »Doch sicher keine Menschen ...« Gene sah hinüber zu den Gangöffnungen. »Die Tunnels sind etwa drei Meter hoch. Riesen waren es also jedenfalls nicht. Vielleicht finden wir Hinweise.« Obwohl die Heizung im Raumanzug einwandfrei funktionierte, fror Pat, als sie wahllos in den ersten Gang eindrangen. Schon nach wenigen Metern hörten die Meteoritentrümmer auf. Der Boden bestand aus einem weichen Kunstmaterial. Die Stiefelspuren zeichneten sich deutlich in ihm ab, verschwanden aber nach genau zehn Sekunden wieder. Es gab Gangabzweigungen nach beiden Seiten, aber die Männer ignorierten sie. Sie folgten dem Hauptgang, der schließlich in einer Art Verteilerhalle endete. Die Decke war gut zehn Meter hoch, und im Zentrum der kreisförmigen Halle ruhte auf einem Sockel eine durchsichtige Kristallkugel. In ihr schwebten winzige helle Punkte, deren Bedeutung unklar blieb. Die Funkverbindung mit Sweety war abgerissen, was durch die dicken Stahlwände leicht erklärt werden konnte. Sie konnte ihnen also keine Ratschläge geben. »Fünfzigtausend Jahre ...«, murmelte Pat. »Das ist eine lange Zeit, aber hier sieht alles noch wie neu aus. Ich würde mich nicht wundern, wenn uns einer der unbekannten Erbauer jetzt entgegenkäme. « »Als der Meteorit einschlug, entwich die Atemluft aus dem Tunnelsystem. Es mag Sicherheitsvorrichtungen gegeben haben, die ein Überleben der Bewohner ermöglichten, aber ich glaube, sie waren schon vorher tot.« »Dann müßten wir ihre Überreste finden.« »Vielleicht starben sie woanders...« Pat dachte darüber nach und gab keine Antwort. Sie gingen weiter und erreichten so etwas wie eine richtige Straße, deren Decke sich hoch über ihnen wölbte. Rechts und links waren die stählernen Wände von rechteckigen Copyright 2001 by readersplanet
Öffnungen unterbrochen. Die kleinen Räume dahinter waren leer. »Eine unterirdische Stadt«, sagte Gene. »Ich könnte mir hier sehr gut Schaufenster und Läden vorstellen. Und Wohnungen. Aber es muß auch Möglichkeiten geben, in die anderen Etagen zu gelangen - über und unter dieser. Und irgendwo muß es Kraftwerke geben, die Licht und Luft erzeugten.« »Aber warum?« fragte Pat. »Warum haben sie das alles gemacht? Sie konnten doch auf der Erde leben, wo es Luft und Licht gibt. Warum verkrochen sie sich in das Innere des zehnten Planeten?« »Darauf gibt es tausend Antworten, aber nur eine davon kann richtig sein. Wir werden Sweety ausführlich berichten, sie ist die einzige, die das Rätsel lösen kann.« Als sie zwei Stunden unterwegs waren und ihren Weg mit gelegentlichen Energieschüssen in den Plastikboden markiert hatten, hörten sie zum erstenmal ein Geräusch über die Außenmikrophone. Gene blieb mit einem Ruck stehen. Sein Gesicht hinter dem durchsichtigen Helm verriet Unglauben. Dann sagte er: »Das ist doch unmöglich! Hier ist keine Luft, die den Schall leiten könnte!« Ein Blick auf die Meßinstrumente, die Pat bisher kaum beachtet hatte, belehrte ihn vom Gegenteil. »Hier ist eine Atmosphäre, Gene! Wie kann das sein? Ich habe nicht bemerkt, daß wir eine Art Luftschleuse passierten.« Gene studierte seine eigenen Instrumente im Helm. »Atembare Atmosphäre - nicht zu glauben! Aber das Geräusch? Was kann das sein? Es kommt von vorn.« »Mehr von unten«, verbesserte Pat. »Der Boden vibriert.« Sie gingen weiter, und eine Minute später standen sie vor den Liften. Es waren drei Schächte nebeneinander, die sowohl senkrecht nach oben als auch nach unten führten. Das rhythmische Geräusch war stärker geworden. Pat hatte recht: Es kam zweifellos von unten. »Die Energieversorgung arbeitet noch«, sagte Gene. »Aber wie gelangen wir nach unten? Der Aufzug hat keine Kabinen.« »Aber wir die Flugaggregate, Gene. Lassen wir uns einfach nach unten schweben.« »Neugierig bist du wohl gar nicht, was?« »Deshalb sind wir ja hier, oder ...?« Langsam sanken sie in den finsteren Schacht, der nur vom Schein ihrer Lampen erhellt wurde. Dann stießen ihre Füße sanft auf einen Widerstand. Sie standen auf einer Plattform und vor der rechteckigen Öffnung zu einem Gang. Gegenüber waren Türen. Eine von ihnen stand halb offen. Ihre Lichtkegel fielen in einen größeren Raum, dessen Wände mit unbekannten Instrumenten und Geräten bedeckt waren, die entfernt an Schalttafeln erinnerten. Das rhythmische Stampfen war noch lauter geworden. »Von rechts«, sagte Pat und trat auf den Gang hinaus, nachdem er sein Aggregat einreguliert und wieder normale Gravitation für sich hergestellt hatte. »Nicht mehr lange, dann können wir Licht einschalten. « Es mußte sich um die unterste Etage handeln. Die Wohnschicht der Fremden war demnach etwa hundert Meter dick und dreißig Etagen tief. Natürlich gelang es ihnen nicht, das "Licht einzuschalten", wie Pat sich ausdrückte, denn als sie das eigentliche Kraftwerk endlich fanden, standen sie einer total unbekannten und ihnen unbegreiflichen Anlage gegenüber. Gewaltige Kuppeln aus Stahl und anderen Metallen unterschiedlicher Legierungen füllten die Halle aus. Wenn die einzelnen Kuppeln Eingänge Copyright 2001 by readersplanet
besaßen, so konnten die beiden Männer sie nicht finden. Vielleicht lagen die Zugänge aber unter der Halle. Das rhythmische Geräusch kam aus einigen der Kuppeln. Sie bargen also die geheimnisvollen Anlagen, die nach fünfzigtausend Jahren noch immer Energie zur Lufterneuerung lieferten. »Unsere Wissenschaftler müßten das hier untersuchen können«, sagte Gene schließlich ratlos. »Wir selbst können damit nicht viel anfangen. Eine unvorstellbare Technik, zu deren Entwicklung wir noch ein paar hundert Jahre brauchen. Ich fürchte, wir verschwenden nur unsere Zeit, wenn wir hier herumstehen und das Zeug anstarren.« »Sweety hat den Kurs des Planeten gespeichert, er kann jederzeit wiedergefunden werden.« Später stiegen sie eine Etage höher und durchsuchten die hinter den Türen liegenden Räume. Die meisten waren leer, so als wären sie schon vor der Katastrophe nicht mehr benutzt worden. Andere wiederum ähnelten regelrechten Museen und Bibliotheken, nur waren die Ausstellkästen und Regale leer. Vielleicht war den Fremden keine Zeit mehr geblieben, sie rechtzeitig einzurichten. »Was immer damals auch passiert sein mag, es muß überraschend gekommen sein«, vermutete Gene. »Sie waren nicht darauf vorbereitet.« Pat war vom Gegenteil überzeugt, aber er schwieg. Weder er noch Gene konnten für ihre Vermutungen einen Beweis erbringen. Das mußte Aufgabe der wissenschaftlichen Expeditionen sein, die eines Tages auf Sol-10 landen würden. In der vierten Etage von unten fanden sie Apartments mit zwei und drei Räumen. Von den Einrichtungsgegenständen war nicht viel übriggeblieben, aber einiges ließ sich bei etwas Fantasie rekonstruieren. So konnte kein Zweifel daran bestehen, daß die Fremden sehr menschenähnlich gewesen waren, wenn auch erheblich größer. Das enge Zusammenleben mußte ihren Gemeinschaftssinn gefördert haben, wenn die Kleinwohnungen auch auf individuelle Freiheiten schließen ließen. In der obersten Etage waren keine Wohnungen, sondern nur größere Gemeinschaftsräume, allerdings ohne jede Einrichtung. Nicht einmal Lichtquellen konnten die beiden Männer entdecken, obwohl es sie zweifellos gegeben haben mußte. »Als wenn sie ausgezogen wären, mit Sack und Pack«, murmelte Pat. Zwei Stunden später waren sie froh, die richtige Ebene wiederzufinden und damit den Gang zum Kratergrund. Erleichtert atmeten sie auf, als sie in der Halle mit der Kristallkugel standen und die Spuren ihrer Laserpistolen erblickten. Gene sah auf seine Instrumente und stellte fest: »Die Luft wird dünner, sie wird abgesaugt. Das hier ist die Schleuse! « Sie hatten während ihres Spazierganges die Helme nicht geöffnet, konnten also in Ruhe warten, bis sie wieder im Vakuum standen. So hörten sie auch nicht mehr das Geräusch der in den Gängen zurückgleitenden Trennwände. Als sie wieder im Krater standen und das Flugaggregat einregulierten, sagte Gene: »Wir würden Wochen und Monate benötigen, wollten wir jede Etage und jeden Raum der näheren Umgebung durchsuchen. Dazu fehlt uns die Zeit. Wir werden sehen, was Sweety vorschlägt.« »Kontakt ist wiederhergestellt«, meldete sich Sweety. »Sie waren vier Stunden und zwanzig Minuten lang abgeschirmt, ich konnte Sie nicht erreichen.« Gene stieß sich als erster ab und schwebte nach oben, Pat folgte ihm. »Wir bringen Informationen mit, Sweety, die du auswerten mußt.« Gene schaltete schnell das Aggregat ab, um nicht über den Kraterrand hinauszuschweben. Er landete etwas unsanft dicht vor der NEPTUN. Pat segelte über ihn und den Trümmerwall hinweg und rief: »Bin gleich zurück, aber ich finde das Fliegen einfach zu schön.«
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»Etwas mehr Gravitation!« riet Gene hastig. »Sonst kann es dir passieren, daß du zu weit fliegst und nicht mehr zurückfindest. « »Bin gleich wieder da ...« Er landete wohlbehalten vor dem Schiff, als Gene schon in der Luftschleuse war und sich des Raumanzugs entledigt hatte. Zehn Minuten später betrat er die Zentrale. »Darf ich jetzt um die angekündigten Informationen bitten?« fragte Sweety, als Pat endlich saß. Sie berichteten abwechselnd und beantworteten die zwischendurch gestellten Fragen des Computers, der jede Einzelheit registrierte, sortierte und speicherte, um sie später geordnet auswerten und eine Analyse herstellen zu können. Sweetys gezielte Fragen sorgten dafür, daß auch die geringsten Kleinigkeiten nicht vergessen wurden, so daß sie ein vollständiges Gesamtbild erhielt. Nach dieser anstrengenden Informationsstunde zogen sich Gene und Pat erschöpft zurück. Beide hatten keinen anderen Wunsch mehr, als ein paar Stunden zu schlafen. Sweety hatte sie ausgequetscht wie eine Zitrone, dafür aber auch ein positives Ergebnis versprochen. »Wie lange werden wir hierbleiben?« fragte Pat, den Griff seiner Kabinentür schon in der Hand. »Ich sehe keinen Sinn darin, weiter zu suchen. Wir werden nach dem Start morgen in geringer Höhe einen Erkundungsflug unternehmen und dann die Rückreise zur Erde antreten.« Pat nickte. »Einverstanden ...« Dann war er verschwunden. Kreuz und quer suchten sie die Oberfläche von Sol-10 ab, doch der Eindruck, den sie erhielten, blieb gleich. Mit fast langweiliger Regelmäßigkeit zogen die riesigen Quadrate unter ihnen dahin, steril und ohne jede Abwechslung. Nur an einigen Stellen hatte es noch Meteoreinschläge gegeben, die sich allerdings mit dem ersten nicht vergleichen ließen. Nach zwei Umrundungen leitete Sweety die Beschleunigungsphase ein und programmierte den Kurs in Richtung Sonne. Der Dunkelplanet versank in der Tiefe des Alls. Im Zielkreuz des Frontalschirms stand der hellstrahlende Heimatstern der Erde. In zwanzig Tagen würde er allmählich größer werden, bis er mit seinem Glanz die Schutzblenden der Kuppel schloß. Dann war die NEPTUN wieder zu Hause. Vier Tage nach dem Start von Sol-10 rief Sweety die Männer in die Zentrale. Sie hatte ihre Auswertung beendet. Gespannt warteten Gene und Pat auf ihren Bericht. »Schon bei der ersten Begegnung ergaben meine Berechnungen, daß Sol-10 aus unserem Sonnensystem stammt. Der Dunkelplanet verließ es vor etwa fünfzigtausend Jahren. Die zusätzlichen Daten, die Sie mir lieferten, reichen nicht aus, eine absolut sichere Analyse zu liefern, aber sie ergeben zusammen mit den mathematischen Daten der ersten Auswertung Informationen mit hohem Wahrscheinlichkeitswert. « Nach einer winzigen Pause fuhr der Computer fort: »Es dürfte sich bei Sol-10 um einen natürlichen Planeten handeln, der von einer technisch hochentwickelten Zivilisation in ein Raumschiff verwandelt wurde. Mit diesem gigantischen Schiff konnten die Bewohner des Planeten, unabhängig von Zeit und Raum und Nachschub, unvorstellbare Entfernungen zurücklegen. Über erreichte Geschwindigkeiten liegen leider keine Daten vor. Als Antrieb diente wahrscheinlich der im Mittelpunkt des Himmelskörpers vorhandene natürliche Wärmevorrat aus der Zeit seiner Entstehung. « Wieder machte Sweety eine Pause, als wolle sie den beiden Männern Gelegenheit geben, das Ungeheuerliche zu verdauen. Dann fuhr sie fort Copyright 2001 by readersplanet
»Es ist auch sicher, daß Sol-10 aus einem anderen Sonnensystem stammt und nur für eine gewisse Zeit Gast in dem unseren war. Die Fremden besuchten einige unserer Planeten, darunter auch die Erde, dann muß etwas Unvorhergesehenes eingetreten sein, denn wenn ihr Schiff das Gravitationsfeld der Sonne mit normaler Reisegeschwindigkeit verlassen hätte, wäre es schneller gewesen. Es ist anzunehmen, daß die Fremden alle tot waren, als ihr Planetenraumschiff seine lange Reise begann, die sie nach meinen Berechnungen in etwa siebenhunderttausend Jahren wieder in das Sonnensystem zurückführt, da dessen Schwerkraftfeld, wenn auch stark vermindert, auch hier noch wirksam ist.« »Eine Katastrophe ...?« murmelte Gene. »Was ist mit dem Meteor?« »Er muß eingeschlagen haben, als die Fremden noch lebten, denn Ihre Schilderung verrät, daß der betreffende Sektor erst danach evakuiert wurde. Es geschah demnach noch, als er die Sonne umkreiste. « »Vielleicht war er es, der Sol-10 auf die Reise schickte.« »Eine solche Möglichkeit ist nicht auszuschließen«, blieb Sweety vorsichtig. »Aber auf keinen Fall verursachte er den Tod der Fremden. Ich möchte außerdem noch bemerken, daß erst eine intensive und planmäßige Untersuchung des Dunkelplaneten exakte Informationen ergibt. Sie beide haben knapp einen halben Quadratkilometer der Anlage betreten. Die Gesamtanlage bedeckt jedoch eine Fläche von mehr als 100 Millionen Quadratkilometern und das in dreißig Etagen übereinander. Sie müßten also insgesamt eine Fläche von drei Milliarden Quadratkilometern erforschen.« »Wie kann eine so grandiose Superzivilisation einfach aussterben?« »Dafür kann es tausend Gründe geben, Pat. Die bisherigen Informationen reichen nicht aus, auch nur einen einzigen als wahrscheinlich anzunehmen.« Sweetys Stimme wurde ohne Übergang wieder fraulicher und sanfter. »Das ist alles, Gene und Pat.« In der Messe holte Gene eine Flasche aus dem Kühlfach. »Es wird Zeit, daß wir die Vorräte ergänzen, aber für die verbleibenden sechs Tage werden sie noch reichen, wenn wir nicht allzu durstig sind. Was hältst du von Sweetys Spekulationen?« Pat lehnte sich in den Sessel zurück. »Was ich davon halte? Nun, zumindest fantastisch. Ob sie stimmen, werden spätere Nachforschungen ergeben. Schade, daß uns die Zeit dazu fehlt.« »Wir sind auch keine Experten«, erinnerte ihn Gene. »Aber das eine weiß ich: Die Wissenschaft wird kopf stehen, wenn sie von Sol-10 erfährt. Nur gut, daß Sweety den Film gemacht hat, sonst würde uns das keiner glauben.« »Das mit Urgh und dem verzauberten Planeten werden sie uns bestimmt nicht glauben. Aber auch da haben wir Filme.« »Die Menschen glauben nichts, was sie nicht glauben wollen«, stellte Gene fest und öffnete die Flasche. »Trinken wir auf die glückliche Heimkehr in einer Woche.« Später, in seiner Kabine und auf seinem Bett, griff Pat nach dem dicken Buch mit den Werken von Shakespeare, legte es aber dann mit einem Seufzer wieder beiseite. Mit einer Hand kramte er in seiner Bücherkiste. Wahllos nahm er eins seiner Comic-Hefte heraus und betrachtete das Titelbild mit dem grellbunten Raumschiff, das mit einem roten Feuerschweif zwischen grünen und blauen Planeten daherzischte. »Unser Mann im All«, las er laut und mußte grinsen. »So unrecht hatten die damals gar nicht...nur ist die Wirklichkeit viel fantastischer und aufregender. Habe ich recht, Sweety?« Und aus dem Gittergrill des Interkom-Lautsprechers antwortete die sanfte und fast zärtlich klingende Stimme des Computers: »Diesmal ja, Pat. Ausnahmsweise ...«
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