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Hüttendorf ackerbautreibender Indianer aus dem 16./17. Jahrhundert. 1 Häuptlingswigwam. 2 Opferfeuer. 3 Kultischer Tanz. 4 Dorfschmaus. 5 Tabakfeld. 6 Feldhüter. 7 Maisfeld. 8 Gummibaumpflanzung. 9 Zauberfeuer. 10 Quelle
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LUX-LESEBOGEN NATUR-
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KULTURKUNDLICHE
OTTO
DER KAMPF MIT
DEM
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HEFTE
ZIERER
DES ROTEN
WEISSENMANN
SEBASTIAN
LUX
MURNAU • M Ü N C H E N • I N N S B R U C K • ÖLTEN
An einem Tag im Juni 1755 . . . D ie Musikkapellen der beiden britischen Regimenter beginnen ihr Spiel. König Jakobs altvertrautes Lied, der lustige „Charly-Doddle", hebt an. Stolz straffen sich die Grenadiere in ihren scharlachroten Röcken, ziehen die langen Vorderladerflinten an und fassen Gleichschritt, während das Lied die marschierenden Kolonnen entlangläuft. Jetzt nehmen es die himmelblau uniformierten Artilleristen auf; die resedagrünen Dragoner fallen ein. Wie Donner rollt König Jakobs Lied, von den Trompeten und Dudelsäcken begleitet, über die Urwaldschneise. Dort unten im sommergrünen, blumigen Waldtal windet sich blau und schilfgesäumt der Monongahela-Pluß dahin. Noch ein paar Meilen, und er wird sich mit dem von Norden kommenden Allegheny zum Ohio vereinen. Dort aber, auf der Landzunge zwischen den beiden Wassern, liegt Fort Duquesne — die spätere Stadt Pittsburg — der Stützpunkt der Franzosen. Fort Duquesne ist das Ziel des siegesgewissen Marsches der Briten. Auf seiner Schimmelstute „Magnolia" reitet General Braddok inmitten der Offiziere seines Stabes. Goldene Fangschnüre fallen über ordengeschmückte Uniformen, Federn kräuseln sich auf Dreispitzhüten, die gepuderten Haare der Engländer sind durch winzige Lacklederschleifchen gerafft und im Nacken zu Zöpfehen geflochten. Prunkdegen klirren an den silberbeschlagenen Sätteln der Pferde. Bei der Ehre des britischen Weltreichs! Welch ein Marsch liegt hinter den Truppen Seiner Majestät! Sie sind im Frühjahr von England herübergekommen, um dem Franzosenspuk im Rücken der britischen Küstenkolonien ein Ende zu machen; nach rauschenden Festen auf den Plantagen der Großgrundbesitzer Virginias haben die Regimenter sich aufgemacht, dieses vertrackte Fort Duquesne am Ohio auszuheben, das die französischen Waldläufer aus Kanada gegen die Briten gegründet haben. Bei Gott und König Georg! — welch ein Land ist das! Als die letzten Tabakplantagen Virginias zurückgeblieben sind, gibt es keine Straßen, keine Dörfer und Städte mehr; nur unwegsame Gebirge, unendliche Wälder und Dickichte und hie und da das grobe Blockhaus eines Jägers. Sie wären um ein Haar auf den Höhen der Allegheny-Berge verhungert, hätte sich nicht ein gewisser Benjamin Franklin aus Philadelphia mit einer Karrenkolonne und Packpferden eingefunden und den Truppen Maisbrot, Mehl und andere Vorräte zugeführt. Mit Haumesser und Axt haben sie den 2
Weg für die Planwagen, die Geschütze und die Truppe freigemacht. Aber jetzt — dem Kriegsgott sei gedankt! — hat das Heer das Gebirge hinter sich, der heiße Juni findet sie angesichts des Monongahela-Flusses und im Vorfeld von Fort Duquesne. Die Franzmänner aus Kanada werden Augen machen, wenn ihnen die in Flandern und am Rhein erprobten Truppen General Braddoks entgegentreten. Lange kann der Spuk der Kanadier nicht mehr dauern. Zur Unterstützung der Streitmacht des Generals ist eine Hilfstruppe aus Virginia eingetroffen. Der alte Waddel führt den Havifen. „Alle Welt nochmal!" denkt General Braddok, „was haben mir diese Viiginier da für ein Gelichter hergesandt! Scheußlidi ist der Anblick dieser Burschen für ein Soldatenauge!" Es sind struppige, bärtige Kerle mit Biberfellmützen, indianischen Mokassins, mit gefransten Hirschlederhosen und langen Messern in den Ledergürteln. Sie lehnen auf den Büchsen, haben die Pulverhörner und Provianttaschen umgehängt, kauen Tabak und spucken ihn respektlos vor sich hin: Waldläufer, Jäger, Fallensteller, Pfadfinder, Grenzer aus den Wäldern — lauter Leute, die von sich behaupten, daß sie die Kriegsführung der Kanadier und der Indianer besser durdischauten als ein bewährter Offizier Seiner Majestät. Es ist zum Ladien! Der junge, erst einundzwanzigjährige „Oberst" der Hilfstruppe, George Washington, tritt vor und bittet um Gehör, als hätte er etwas von Bedeutung zu sagen. Aber der Bursche ist Sproß einer alteingesessenen virginischen Pflanzerfamilie und Adjutant des Gouverneurs, darum muß man ihn anstandshalber anhören. Auch soll er zusammen mit dem legendären Pfadfinder Simon Girty allerhand Abenteuer in den Wäldern bestanden haben; sicher ist nur, daß er sich vergangenes Jahr als Anführer einer Schar Virginier bereits einmal über die Berge gewagt und vergeblich versucht hat, den Franzosen in Fort Duquesne die Hölle heiß zu machen. Statt daß er die Franzosenmänner aushob, haben ihn diese in seinem Schlupfwinkel überrumpelt und eine Zeitlang gefangengesetzt. Das ist keine Empfehlung für die militärischen Eigenschaften dieses jungen Mannes. Nur widerwillig gewährt ihm der General die gewünschte Unterredung. Was Washington vorzubringen hat? Nun, er meint, es sei gefährlich, in voller Marschordnung, in leuchtend bunten Uniformen, mit klingendem Spiel durch das Indianerterritorium zu marschieren. Man müsse mit Überfall und Angriff rechnen! — Als wenn acht3
zehnhundert sdilachterprobte britische Soldaten die Begegnung mit ein paar Wilden und einer Handvoll Kanadier fürchteten! Sollen sie nur kommen, um so eher wird der Feldzug entschieden sein! Als der General den virginischen Obersten mit einigen nichtssagenden Worten abgefertigt hat, trabt der Stab wieder an und folgt den Regimentern, die mit wehenden Fahnen nun in die kleine Talebene und zu einer Furt einschwenken. Noch immer spielt die Musik und die Soldaten singen. Der Generalstreitmacht folgen die virginischen Waldläufer, und hinter ihnen drängt sich der Troß mit Karren und Packpferden. George Washington winkt aus dem Trupp der Waldläufer einige Männer zu sich: den alten Jäger Finley und den jungen Virginier Daniel Boone und einige andere — alles „Ledermänner" von der Grenze, die Bescheid wissen mit Wald und Indianerlisten. Ihnen gibt Washington vorsorgliche Befehle, und bald setzt sich ein Trupp als Vorhut in Marsch, andere schwärmen nach den Seiten aus und durchpirschen das Dickicht. Inzwischen hat der Übergang der Truppen über den Fluß begonnen. Der General läßt die Einheiten an sich vorbeimarschieren und hält eine Ansprache, in der er den Leuten nochmals ins Gedächtnis ruft, daß Seine Majestät König Georg für jeden Skalp eines Indianers oder Franzosen fünf Pfund gewährt. Das ist viel mehr, als die Franzosen geben, die nur ein Quart Branntwein für eine feindliche Kopfhaut spendieren. Jenseits des Monongahela-Flusses formieren sich Truppe, Troß und Waldläuferschar neu und nehmen den Marsch in Richtung Ohio wieder auf. Entgegen dem dringenden Rat des alten Waddel und George Washingtons ziehen sie mit entrollten Bannern, klingender Musik und ohne Flankensicherung durch die Waldschneise westwärts. Am Nachmittag des 17. Juni 1755 gesdiieht es, daß die Vorhut aus Waldläufern plötzlich auf Verhaue stößt. Gleichzeitig setzt wohlgezieltes Flintenfeuer ein, und als die Pfadfinder sich eilends auf die Hauptmacht zurückziehen, erhebt sich mit einem Schlage aus dem undurchdringlichen Gestrüpp, aus den Felstrümmern und Waldkulissen rechts und links der Schneise ein höllisches Kriegsgeheul, als wären hunderttausend Teufel entfesselt. Die erschreckten Truppen schwenken auf das Kommando ihrer Offiziere wie auf dem Exerzierfeld zur Feuerlinie aus und beginnen blindlings Salvenfeuer in den Wald zu geben. Doch aus dem Dickicht schwirren nur die lautlosen Pfeile und Wurfbeile der Indianer heran, die Verluste
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der Engländer sind von Anfang an hoch. Eine erbitterte Schlacht entbrennt gegen einen Gegner, den man nicht zu sehen bekommt. General Braddok bleibt auch jetzt starrsinnig. Obwohl ihn die Führer der Virginier anflehen, seine Truppen in Deckung gehen zu lassen, die scharlachrote Linie aufzulösen und seine Leute als Jäger gegen Jäger kämpfen zu lassen, donnert er mit lauter Kommandostimme in die Reihen, hält die Truppe streng in der gewohnten Formation und will nach den Kampfmethoden vorgehen, die ihn in Flandern so oft zum Sieger gemacht haben. Schon beginnen die Soldaten zu weichen, fluten zurück, Hunderte von Toten bedecken die Wiesen. Der General und sein Stab harren aus, schlagen mit flachen Klingen auf die Flüchtenden ein, Braddok schießt einige der Fliehenden nieder. In diesem Augenblick trifft ihn ein Schuß aus nächster Nähe. Schwerverwundet wird Braddok von seinem Burschen Bishop gerettet. George Washington, Waddel und der junge Daniel Boone verhüten das Schlimmste, decken den Rückzug und sammeln die fliehende Armee hinter dem Monongahella. Von den 1800 Soldaten sind mehr als 700 gefallen. Zu spät erkennt Braddok, daß der Krieg im amerikanischen Urwald andere Gesetze hat, als die militärischen Lehrer in Europa ihm beigebracht haben. Er stirbt in seinem Zelt. George Washington führt die Reste der Truppe über die Gebirge nach Virginien zurück. Dieses Blutbad von Fort Duquesne am Ohio ist gleichsam der Auftakt zur Eroberung der Mitte und des Westens Amerikas, eines Kampfes, der zunächst zwischen den beiden großen Kolonialmächten England und Frankreich ausgetragen wird.
Der rote und der weiße Mann Das große Spiel hatte bald nach der Entdeckung der Neuen Welt durch Kolumbus begonnen. Im Jahre 1498 hatte von England aus der Seefahrer John Cabot Neufundland und das nordamerikanische Festland erreicht, jedoch nicht Fuß fassen können. 1536 war der Franzose Jacques Cartier den Lorenzostrom hinaufgefahren, und 1541 brachte er französische Kolonisten in das Land — das nunmehr „Kanada" genannt wurde. Seither setzte am Lorenzostrom und entlang der „Großen Seen" eine rege französische Kolonialtätigkeit ein. 1584 ging der britische Seefahrer Sir Walther Raleigh in Virginia anLand, und auch die Engländer versuchten dieGründung einer Kolonie, die aber erst seit 1607 — als die Auswandererschiffe eines 6
Farm englischer Kolonisten im 18. Jahrhundert gewissen John Smith eintrafen — Gestalt annehmen konnte. Inzwischen hatten sich Holländer auf der Halbinsel Manhattan festgesetzt und 1614 Neu-Amsterdam gegründet, das einige Jahrzehnte später zu New York und zur englischen Kolonie werden sollte; 1620 kamen auf dem Schiff Maynower vertriebene Puritaner aus England und Holland nach Massachusetts und gründeten Boston und andere Kolonien. Da aber die Franzosen angefangen hatten, Quebec (1608) und Montreal (1619) zu bauen und von Kanada aus ihr Kolonialreich ausbreiteten, gab es bald Reibereien zwischen den „Neu-Engländern" und den Franzosen. Beide suchten ihren Landbesitz ins Ohio- und Mississippital auszudehnen: die Engländer von der Atlantikküste her, die Franzosen vom Lorenzostrom und von Norden her nach Süden. Ost-West-Zug der Briten und Nord-Süd-Streben der Franzosen mußten sich auf dem amerikanischen Kontinent über kurz oder lang überschneiden. Der Kampf der französischen KanadaKolonie gegen die englischen Kolonien begann. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts waren längs der Atlantikküste dreizehn britische Kolonien fest begründet; sie lagen alle im Osten des Gebirgszuges der Appalachen und Allegheny-Berge und in der Küstenebene am Atlantischen Ozean. Im Süden waren die großen Plantagen mit ihren Negersklaven vorherrschend, im Norden gab es
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mehr Kleinfarmer, Handwerker, Händler, Werftbesitzer und Kaufleute. Um die Zeit, als Braddok gegen Fort Duquesne zog, lebten rund eineinhalb Millionen Neu-Engländer in den „Staaten" und hatten das Land fest in ihre Hände gebracht. Im französischen Kanada war das anders. Hier gab es nur etwa 80 000 weiße Untertanen des Königs von Frankreich; sie waren fast ausschließlich Pelzjäger, Trapper, Händler und Waldläufer. Kanada lebte von seinem Reichtum an Pelztieren, Fischen, Hölzern und Harzen — es war und blieb ein riesiges Waldgebiet mit Seen, Strömen und Bergen. Da Frankreich katholisch war, hatten die Jesuiten hier ihre Missionen eingerichtet und im Jahre 1636 in Quebec sogar ein Indianerseminar und ein Missionskolleg gegründet. Sie wagten sich weit ins Innere des Landes: Pater Marquette erforschte als erster den Mississippi, andere Jesuiten lebten am Huronsee und wurden zu Freunden und Vätern der indianischen Völker. Die Händler aus den britischen Kolonien, die den Pelzhandel mit den „Rothäuten" gern an sich gezogen hätten, sahen dieses gute Verhältnis der Franzosen zu den Indianern nur mit Mißgunst. Sie gaben den Roten billigen Schnaps und ließen sich ihn mit kostbaren Fellen bezahlen. Obschon die Neu-Engländer in ihren Gebieten sehr übel mit den ansässigen Indianern umgingen, war es ihnen doch gelungen, die sechs verbündeten Volksstämme der Irokesen auf ihre Seite zu ziehen. Die großen Indianervölker des Nordens und Westens aber — die Leni Lenape, Algonkin, Shawannoos, Miamis, Delawaren, Creeks und Huronen — neigten auf die Seite der Franzosen. Für die roten Leute waren die Franzosen — die „Flentschli" — nicht so gefährlich wie die Engländer, waren sie doch vor allem Jäger und Händler — Menschen also, die nicht das Land fortnahmen und die für die Pelze der Indianer etwas gaben. Der „Agalaschimi" — wie die Roten den Engländer nannten — riß das Land an sich, rodete es, verjagte den indianischen Jäger aus den Revieren und den roten Bauern von der Scholle. Der gefährlichste von allen „Agalaschimi" aber war der „Yengee" oder „Yankee" — der Grenzer mit dem langen Messer —, der als der Mann der Vorhut in die Wohn- und Jagdgebiete der roten Leute eindrang, um die Bahn freizumachen für die nachziehenden Farmer und Viehzüditer. Darum erkannten viele der Indianerhäuptlinge, daß der Franzose der natürliche Verbündete im Kampf gegen die Engländer und Yankees sei — der eine nahm die Erde, der andere nur die Pelze, die einen waren zahlreich, die anderen traten meist nur als einzelne Waldläufer auf. Die Indianer waren von der Ankunft der Weißen auf einer Kul8
turstufe überrascht worden, die sich noch nicht allzu weit von der „Jüngeren Steinzeit" entfernt hatte. Der Gebrauch der Metalle war verhältnismäßig jung; Waffen und Geräte bestanden aus Holz, Sehnen, Knochen, Stein und Kupfer; aber Religion und Sitte hatten sich hoch entwickelt. — Was den roten Völkern freilich allgemein mangelte, war die zentrale und weitreichende Organisation, war der staatliche Zusammenschluß. Sie lebten in Sippen, Teilstämmen und Stämmen, die sich nur bei großen Kämpfen oder allgemeinen Nöten zu „Nationen" unter einem Rat der Alten zusammenschlössen. Ihre Sprachen und Dialekte unterschieden sie voneinander, alte Feindschaften schwelten — kurz, sie waren etwa in der Lage der Germanen zu Zeiten der Römer. Die Europäer, die nun in ihr Land eindrangen, hatten eineinhalb Jahrtausende Kulturentfaltung voraus. Sie kamen mit der Macht großer, wohlorganisierter Staaten hinter sich, und sie kamen zumeist mit Pulver, Blei, Kanonen und Pflügen. Die roten Menschen waren vornehmlich Jäger, Fallensteller, Fischer und Fleischmacher — aber rings um viele indianischen Dörfer gab es auch ausgedehnte Felder mit dem „Indianerkorn" — dem Mais —, mit Zwiebeln, Gemüse, Süßkartoffeln und Rüben. Da die Sippen und Stämme alles gemeinsam bewirtschafteten und die Ernten teilten, gab es kaum Privatbesitz, keine Landvermessung und keine Grundbücher — irgendein trunksüchtiger, alter Häuptling konnte in der Schenke jederzeit den Gemeindegrund, die Jagdreviere, ja ganze Länder „verkaufen". Die Weißen ließen ihn sein „Totem" — sein Schutzgeistzeichen — auf ein Fell oder ein Stück Papier malen, gaben ihm ein Fäßehen Branntwein, wie etwa jenem Häuptling von Manhattan, der den gesamten Grund des späteren New York dafür verschacherte, und nahmen das „gekaufte" Land in Besitz.
Ein Weltkrieg um Kolonien Denn es kamen in all diesen Jahrzehnten immer mehr Auswanderer aus dem von religiösen und politischen Unruhen und Verfolgungen erfüllten Europa: Iren, Schotten, Engländer kamen aus Gewissensnot ins neue Land, wo Freiheit und ein gewisses Maß von Selbstregierung zu erwarten waren; Franzosen trieb zumeist die Abenteurerlust, die Deutschen kamen, weil ihr Land arm, durch Kriege verwüstet und von bezopften Beamten tyrannisiert war. Aber es gingen auch deportierte Verbrecher, durchgebrannte Diebe und 9
Betrüger, gescheiterte Existenzen und Gewalttäter an Land, es wurden von Westindien und Afrika her ganze Schiffsladungen von Negersklaven — vor allem an die Plantagen der Südstaaten — verkauft. Bald war das Land an der Atlantikküste — die „Altfelder" — zu eng. Freiheitssucher, Grenzbauern, Jäger und Pfadfinder, aber auch Spekulanten, begannen nach Westen vorzudringen. Um 1680 hatten die Neu-Englandstaaten und die Virginier die Grenzmauer der Berge erreicht. Der Zug nach dem Westen hielt an, langsam sickerten nun die Siedler ins Gebirge, überschritten es und fanden jenseits der Bergwelt die herrlichen, fruchtbaren Stromtäler: den Ohio, Wabash, Tennessee und den urgewaltigen Mississippi. In den sechziger Jahren des 17. Jahrhunderts hatten reiche Grundherren aus Pennsylvanien und Virginia eine „Kompanie vom Ohio" gegründet, um die fetten Ländereien am Ohio-Strom zu erschließen. Aber längst waren um diese Zeit die französischen Kolonisten von Kanada herab über den Ohio hinweg bis zum Golf von Mexiko vorgestoßen und hatten begonnen, von den Großen Seen her die Kette ihrer Forts in den Rücken der englischen Kolonien zu legen. Eines davon war jenes Fort Duquesne am Ohio, gegen das George Washinton und später General Braddok so unglücklich ausgezogen waren. Es war klar: der Marsch nach dem „Wilden Westen" — dieses Wort bezeichnete um die Zeit 1750 noch das Gebiet jenseits der AlleghenyBerge — mußte zunächst einen Krieg zwischen Frankreich und England um die Vorherrschaft auf dem nordamerikanischen Festland, ja in der Welt heraufführen.
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* Die Schlacht um Fort Duquesne ist nur eine Einleitung zu dem Kampf der beiden großen Kolonialreiche Englands und Frankreichs, der schon bald zu einem Krieg auf drei Erdteilen und auf allen Meeren werden soll. Im Jahre 1756 setzt das Ringen gleichzeitig in Europa, Indien, Amerika und auf den Ozeanen ein. Der europäische Abschnitt dieser Kämpfe spielt sich im Verlaufe des „Siebenjährigen Krieges" ab, als Friedrich der Große von Preußen mit finanzieller Unterstützung Englands eine französische Armee bei Roßbach und später bei Minden schlägt. In Indien ist es Lord Clive, der die Franzosen und die mit ihnen verbündeten Inderfürsten bei Plassey be- 1 siegt; die größten Siege aber erkämpft die britische Flotte auf den Meeren, um die Nachschubtätigkeit der Franzosen zu lähmen. Die Herrschaft über die Meere entscheidet auch den Feldzug in Amerika. 1758 nimmt ein englischer General, unterstützt von denvirginischen 10
Empfang des Präsidenten Washington vor New York, der ersten Hauptstadt der USA Hilfstruppen George Washingtons, Fort Duquesne, das zu Ehren des amtierenden Ministers William Pitt in „Pittsburg" umbenannt wird. Im Jahre darauf rücken die Truppen General Wolfes in das erstürmte kanadische Quebec ein. Kanada ist englisch geworden. 1763 wird der Pariser Friede geschlossen, in dem Frankreich fast sein gesamtes Kolonialreich verliert. Für die Indianervölker aber, die nun ihren einzigen Verbündeten verloren haben, der sie vor dem ungestümen Drang der Engländer und Yankees hätte beschützen können, bedeutet diese Entscheidung eine Katastrophe, die nicht geringer ist als die Katastrophe, von der Frankreich betroffen wird. Schon nach 1758 ziehen die landsuchenden Bauern, die Grenzer und Pelzjäger, die Händler und Schankwirte mit ihren planenbespannten Karren über die Ziehwege der Gebirge ins Monongahelaund Ohiotal hinab. Immer mehr „Yankees" tauchen an den Ufern des „schönen Flusses" auf, Blockhütten und ausgeholzte Lichtungen entstehen, Forts werden gebaut und mit Palisadenzäunen, Erdwällen und Gräben umgeben. In den Urwäldern, in denen seit unvordenklichen Zeiten der rote Mann seine Biberfallen stellte, seine Schlingen für Gazellen und Wapitihirsche legte und flüchtende Rehe mit Pfeil und Bogen jagte, knallen nun die Büchsen, dröhnt der Schlag der 11
Äxte. Durch Waldbrände schaffen die Farmer Platz für Äcker und pflügen — die Gewehre auf dem Rücken — jungfräuliche Erde. Es geht um die Heimat der Indianervölker der Shawannoos, Delawaren, Huronen, Miamis und Creeks. Immer mächtiger steigt die Flut der weißen Pioniere über die Kämme der Allegheny-Berge. In dieser Stunde ersteht den roten Nationen ein großer Mann — der ein Staatsmann genannt werden darf. Es ist der Häuptling der Miamis: Pontiac . . .
Der Indianerfürst Pontiac Der Oberhäuptling der verbündeten Shawannoos und Miamis, die den Truppen General Braddoks Anno 1755 die Niederlage am Monongahela-Fluß beigebracht haben, ist Pontiac gewesen. Schon früh hat er erkannt, daß die Franzosen das geringere Übel seien, und ist mit seinen Kriegern auf die Seite der kanadischen Waldläufer getreten. Aber seine Pläne gehen viel weiter. Er denkt an einen großen Bund der roten Völker, an einen wohlvorbereiteten Freiheitskampf der Indianer und an ein entschiedenes Halt, das der rote Mann dem weißen zurufen müsse, wenn er weiterexistieren wolle. So geht Pontiac zusammen mit seinen erfahrenen Kriegsgefährten und seinen jüngeren Freunden, dem Shawannooindianer Cornstalk und dem Knaben Tecumseh, zu den freien und großen Stämmen, die am Nord- und Westufer der Großen Seen wohnen. Cornstalk ist Häuptling der Shawannoos, sein Sitz ist die Indianersiedlung Chillicothe, die einen Bergvorsprung am Sciotto —• einem Nebenfluß des Ohio — beherrscht. Auf diesen weiten Reisen fährt auch Paquita, die schöne Tochter Pontiacs, mit. Sie bedient wie ein Mann das Paddel des Kanus, sie geht im Wolfstrott der Indianer lautlos die verschlungenen Waldpfade und hilft die Rindenboote über Wasserscheiden ziehen, um sie jenseits von Wald und Berg wieder zu neuen Seeufern und Flüssen herabzuschaffen. Pontiac spricht, eingehüllt in den bemalten und mit bunten Riemen geschmückten Kriegsmantel aus Büffelleder, an den Rastfeuern der Ottawa-, Pottawotomi-, Wendat- und Winnebagostämmen. Er fordert die „Söhne des großen Manitou" auf, sich zu einigen, das schwarze Wampoon des Krieges umzugürten und das Kriegsbeil auszugraben, um zusammen mit Miamis und Shawannoos an einem bestimmten Tage gemeinsam über die Palisadenforts der „Langen Messer" herzufallen. Der große Bund kommt zustande, und Pontiacs Gesandtschaft 12
kehrt nach Chillicothe zurück. Diese Siedlung der Shawannoos besteht aus kugeligen und tonnenförmigen Rinden- und Astwerkhütten, die im Schatten gewaltiger Platanen liegen. Dazwischen stehen die Reihen der Lederzelte und bemalte Totempfähle mit den Wappenzeichen der Sippen. Rings um das ausgedehnte Dorf zieht ein hoher Pfahlzaun, in der Bucht zu Füßen des Berges schaukeln zahlreiche Rindenkanus. Die Ebene am Sciotto ist weithin von Maisfeldern bedeckt, auf denen die indianischen Frauen arbeiten. Als die Häuptlinge zurückkehren, beginnen die großen Beratungen. Die Medizinmänner führen in schaurigen Masken und Verkleidungen die Kriegstänze an, die jungen Krieger schärfen Pfeile und spannen Bogen; Tag und Nacht lärmt der Berg von Chillicothe vom Schwall der zusammenströmenden Kriegsscharen. Um seine Leute besonders gut zu rüsten, hat Pontiac beschlossen, sich für den großen Kampf europäische Waffen zu beschaffen. Wohl gibt es bereits Gewehre, die von schnapsverkaufenden Händlern gegen Bündel kostbarer Zobel-, Fuchs- oder Biberpelze geliefert werden. Aber es sind zu wenige und zu schlechte Waffen. Pontiac schickt seine Leute in die englischen Forts, wo die wandernden Händler und die Magazinvorwalter gern Geschäfte machen. Mit hochbeladenen Kolonnen von Trägern kommen die Felle nach Fort Detroit oder Fort Michilli-Mackinac. Wenn die Vorräte zu Ende gehen, bezahlen die Indianer mit „Scheks". Das sind kleine Birkentäfelchen mit dem Handzeichen Pontiacs oder Cornstalks, auf denen eine gewisse Zahl Biber- oder Fuchsfelle aufgezeichnet sind. Die
Fort am Ufer des Missouri, Handelsplatz für die Indianer 13
englischen Kaufleute, die das Ansehen und die Ehrenhaftigkeit der roten Häuptlinge kennen, nehmen die Täfelchen ebenso gern in Zahlung wie die Bündel mit den Pelzen. Die schöne Paquita ist mit einer Gruppe Miamis nach Fort Detroit gegangen, um die Stärke, Bewaffnung und Befestigung der Siedlung auszukundschaften und um Waffen zu kaufen. Bei diesem Unternehmen fällt sie einem Waldläufer auf, der aus dem Indianergebiet kommt und die Unruhe, die Rauchzeichen, die vielen über die Flüsse hastenden Kanus und die Kriegsbemalung der Roten gesehen und in den Nächten das dumpfe Trommeln, das Stampfen der Tanzenden und die Gesänge der jungen Krieger gehört hat. Dieser Pfadfinder heißt Daniel Boone — sein indianischer Name ist „Lederstrumpf". Boone beobachtet Paquita. Ihm gefällt es nicht, daß die Indianer so viele Gewehre kaufen, daß sie es ablehnen — ganz gegen ihre sonstige Gewohnheit — Feuerwasser zu trinken. So veranlaßt er die Festnahme Paquitas. Das Mädchen wird von Soldaten dem Kommandanten von Detroit vorgeführt. Major Gladwyn ist ein romantischer junger Mann. Die schöne, junge Indianerin in ihrem perlenbestickten, mit farbigen Lederbändern geschmückten Hirsehfellrock gefallt ihm. Er lacht über die Befürchtungen Daniel Boones und entläßt Paquita mit freundlichen Worten. Aber auch in Paquita ist jener unberechenbare Funke aufgesprungen, der schon so manchen Brand über Völker und Staaten gebracht hat und an dessen Flamme nun auch die Pläne des großen Pontiac verbrennen werden. Es ist die Nacht zum 15. Mai 1763, als auf einen einzigen Schlag neun Forts der Engländer in die Hände der verbündeten Indianer fallen. Jetzt gibt es nur noch zwei große und starke Bollwerke der Weißen im Wilden Westen: Fort Michilli-Mackinac und Fort Detroit. Sind auch diese Stützpunkte gefallen, so kann sich der Vormarsch der roten Völker gegen die „Altfelder" am Atlantik fortsetzen. Zuerst greift Pontiac Fort Michilli-Mackinac zwischen Michiganund Huronsee an. Er gebraucht eine Liste, lagert mit einigen hundert Kriegern — anscheinend unbewaffnet — vor den Gräben und Palisaden, verkauft Felle und allerhand indianischen Tand. Dann beginnen die roten Männer ein Ballspiel, das dem englischen Tennis verwandt ist. Wie erwartet, strömen die Soldaten aus dem Fort, um zuzuschauen. Als Pontiac die Besatzung auf diese Weise in Sicherheit gewiegt hat, schlägt er den Ball absichtlich über die Palisaden. Hilfsbereit laufen einige junge Indianer durch das offene Tor, 14
angeblich um den Ball zu holen — aber sie stürmen, ehe die Engländer es begreifen, das Fort. Unter den Lederumhängen tragen sie abgesägte Flinten. Der Schlag ist gelungen, und Pontiac wirft sofort seine Scharen durch die Wälder zum Nordwestufer des Eriesees, wo Fort Detroit — die letzte Bastion der Engländer — liegt. Wieder i9t eine List geplant. Eine Abordnung von Kriegshäuptlingen soll in den weiten, farbigen Büffelmänteln das Fort betreten und verborgene Gewehre mitführen, während einige tausend rote Krieger rings um die Lichtung bereit zum Ansturm lagern werden. Es wird viele blutige Skalpe geben. Doch da geschieht das Unberechenbare und Nichtvorherzusehende: Paquita, die getreue Helferin und Tochter Pontiacs, liebt diesen Major Gladwyn. In der Nacht vor dem Angriff steigt das Mädchen über die Palisaden und verrät dem Engländer den Anschlag. Die Kriegslist der roten Männer mißlingt, sie finden das Fort bereit, die Wälle besetzt, die Männer auf Posten. Verzweifelt, aber vergebens versuchen sie den Sturm a*uf das Fort. Paquita, die Verräterin ihres Volkes, wird von Frauen der Miamis in einen Ledersack genäht und mit Steinen beschwert im Scioto versenkt. Pontiac, ihr Vater, zieht alle Krieger an sich und beginnt die Umzingelung von Detroit. Wochenlang tobt der wilde Kampf in der Einsamkeit von Wald und See. Es ist der Waldläufer Daniel Boone — derLederstrumpf—, dem es gelingt, die indianischen Linien zu durchbrechen, mit fliegendem Kanu nach Osten zu eilen und Nachricht in die großen, englischen Garnisonen an der Küste zu bringen. Mit Schonern und Flachbooten kommen die Truppen zu Hilfe und sprengen den Ring um Detroit. Pontiac geht als Geschlagener in die Wälder zurück. Er gibt den Kampf um das Leben seiner Rasse nicht auf, fährt unermüdlich von Stamm zu Stamm und wirbt um die indianische Einheit. Aber überall, wo einstmals das weiße Lilienbanner der Franzosen über den Forts wehte, flattert jetzt das blau-rote Banner Englands. Die Todfeinde der roten Menschen sind Herren des Landes. Immer noch fährt Pontiac über die Flüsse und Ströme, und die Engländer wissen, daß keine Ruhe an der Grenze sein wird, solange der Alte lebt. Sie dingen einen roten Trunkenbold für ein Fäßchen Rum, daß er die Sache zu Ende bringe. Als Pontiac zusammen mit seinem Freunde Cornstalk am Ratsfeuer zu Illinois spricht, trifft ihn der Dolch des Meuchelmörders. Sterbend überträgt der rote Held seinem Freunde sein Erbe und seine Aufgabe. Britisdie Soldaten tragen den großen Indianer in Fort Chartres zu Grabe. 15
Die blutigen Gründe . . . „0-ho! Wir fahren über den Ohio . . . o-ho", so singen die wetterharten Männer, die auf Flößen den „schönen F l u ß " herab von Fort Pittsburg gen Westen treideln. Tiefer im Süden poltern über die Allegheny-Berge die Planwagen der Siedler ins neue, gute Land jenseits der Waldgebirge. Es sind meist kleine Farmer mit Weibern und Kindern. Sie treiben ein wenig Vieh, sie führen Saatgut und Geräte mit sich und beginnen mit Feuer und Axt Lichtungen zu roden. Sie rammen Pfähle in die lockere Erde, kerben Querbalken ein, decken die Blockhütten — die fast ohne Nagel und Eisenklammern gebaut sind — mit Schilf, Rindenstücken und Laubwerk; dann brechen sie die dampfende Erde um und säen, das Gewehr in greifbarer Nähe. Wie in den ersten Tagen der Kolonisation spielen sich zahllose vergessene Tragödien in den Wäldern ab. Frauen verteidigen allein mit Büchse und Beil die Hütten gegen indianische Überfälle, Männer sterben verloren in grüner Wildnis, stumm und verhissen wird der Kampf auf beiden Seiten geführt. Die reichen Leute in den Staaten an der Atlantikküste, in Pennsylvanien und Virginia spekulieren mit Grund und Boden und sichern sich große Ländereien. Die kleinen Bauern von der Küste und mit ihnen Auswanderer aus Europa — Deutsche, Engländer, Schweden und Finnen — ziehen hinüber ins freie Indianerland; die armen Nachbarn der Großplantagen auf den „Altfeldern" wandern westwärts, Leute, denen die Ungebundenheit und Unabhängigkeit mehr als alles bedeutet, denen der Osten mit seinen Städten und Gesetzen zu eng geworden ist. Aber es gibt auch viele unter ihnen, denen es nur darum geht, schnell reich zu werden und denen Menschlichkeit, Recht oder Sitte unbekannte Tugenden sind. Schankwirte eröffnen ihre Kneipen. Hier treffen sich am Kreuzungspunkt alter Indianerpfade, am Zusammenfluß zweier WasserStraßen die Pelzhändler, die wandernden Kaufleute, die roten Leute, die ihre Jagdbeute anbieten, die Grenzer, die Trapper und Jäger. Und was Überredung und Drohung nicht erreichen, das schafft immer der Schnaps, der Rum, das verderbliche Feuerwasser, dessen Einwirkungen der rote Mensch wehrlos erliegt. Niemand ist imstande, die Gier der Wirte und Händler zu zähmen. Sie verkaufen alles — Schnaps, Gewehre, Munition, Skalpe und ihre Seelen. In diesen Jahren geschieht es, daß Daniel Boone, der berühmte Pfadfinder, und Lederstrumpf, zusammen mit einem anderen Jäger in das sagenhafte Land südlich des Ohio eindringt, das die roten 16
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Männer „Kentucky" — Land des grünen Rohrs — nennen. Dieses weite und wunderschöne Gebiet gilt seit alters als gemeinsames Revier aller umliegenden Stämme. Kein Stamm hat das Recht, sich hier für dauernd niederzulassen; aber alle holen ihre Wintervorräte an Pelzen, Fleisch und Sehnen aus den Savannen, Wäldern und Wiesentälern des Paradieses zwischen Ohio und Tennessee. Kentucky ist Gemeingut der roten Völker. Als Daniel Boone die erste Kunde von diesem unerschlossenen, herrlichen Lande bringt, erwacht die Begierde der weißen Siedler. Es kommt zu höchst zweifelhaften Geschäften. In Fort Stanwix verkaufen Irokesen — Angehörige eines weitentfernten Volkes, das gar keinen Anteil an Kentucky besitzt — das Land an General Lewis und Doktor Walker, einen Freund George Washingtons. Andere Irokesen schließen dasselbe Geschäft für 500 Pfund mit Kapitän Donaldson ab, und schließlieh verkaufen Tschirokee-Häuptlinge im März 1775 Kentucky für 6000 Pfund an einen gewissen Henderson, einen Freund Daniel Boones. Da der Preis in Waren bezahlt werden soll und der gesamte Unterstamm eines der Tschirokee-Häuptlinge angetreten ist, den erwarteten Reichtum in Empfang zu nehmen, gibt es für die Indianer eine gewaltige Enttäuschung. Erst in diesem Augenblick merken sie, daß jeder einzelne von ihnen nur sehr wenig erhalten wird. „Was ihr mir da gebt", erklärt der Häuptling, „hätte ich allein mit einem einzigen Schuß in Kentucky selber verdienen können!" Aber der Vertrag ist unterzeichnet, Kentucky ist verkauft. Grollend ziehen sich die Tschirokee-Indianer zurück. Was aber sollen all die anderen Stämme, deren gemeinsamer Besitz das „Land des grünen Rohrs" bisher gewesen ist, zu solchen Verträgen sagen? DieShawannoos, Wendat, LeniLenape, die Miamis, Osagen und Kickapoos? Sie weigern dem Verkauf ihre Zustimmung und verteidigen die alten Reviere mit Leidenschaft. Die Savannen Kentuckys werden zu den „Bloody grounds"— zum Land des grausamen Kleinkrieges zwischen weißen Pionieren und roten Jägern. Über Kentucky hängt das Kriegsbeil, jedes Blockhaus ist eine gefährdete Festung, jeder Gang durch den Wald ein Abenteuer. Aber die weißen Leute sind zäh und hart. Wieder geht an der Grenze ein böses Wort um, das aus den Tagen stammt, als die roten Völker noch jenseits der Berge ihr Land mit Beil und Messer, Pfeil und Wurfsdilinge verteidigt haben und als die Kopf jagd auf Indianer für die erbitterten ersten weißen Siedler gleichsam zur Tagesarbeit gehört hat. Dieses Wort besagt: „Every 17
Indian is a bad Indian, the best Indian is the dead Indian" — Jeder Indianer ist ein schlechter Indianer, der beste Indianer ist der tote Indianer...
Cornstalk und die Rache für Logan . . . Tagajutah oder „der Späher" ist der Oberhäuptling der Cayuga, einer der sechs irokesischen Nationen. Das Wohngebiet der Irokesen ist seit langem in den englischen Kolonien aufgegangen, und viele der dort siedelnden Indianer haben sich der Taufe gebeugt. Zu diesen „zivilisierten" Rothäuten gehört auch Tagajutah. Er hat den englisch klingenden Namen John Logan angenommen und gilt überall als Freund der weißen Männer. Logan ist Christ und ein gebildeter Mann, der in französischer und englischer Sprache Bücher liest und gewandte Briefe schreibt. Er predigt seinen Stammesfreunden, es gebe für den roten Mann nur eine Rettung: sich mit den weißen Siedlern zu vertragen, als gute Nachbarn zusammenzuleben und sich friedlich dem Ackerbau zu widmen. Wo ein Streit aufflackert, wird John Logan gerufen, damit er Frieden stifte. Er lebt mit seiner Familie an einem kleinen Nebenfluß des Ohio. Als wegen der Vorgänge in Kentucky die Spannung an der Grenze zunimmt und die Erregung der indianischen Völker wegen des Verkaufs dieses Landes gefährlich zu werden droht, setzt sich John Logan für eine friedliche Regelung ein. Zusammen mit den Shawanrioo-Häuptlingen Cornstalk und Tecumseh paddelt er den Ohio hinauf und begibt sich zu Lord Dunmore, um mit ihm als dem Gouverneur die Sache zu besprechen. Aber auch die weißen Leute sind in Unruhe, fürchten sie doch, daß sie ihre Farmen, Häuser und Ansprüche in Kentucky verlieren könnten, wenn die Indianer Recht bekommen sollten. Von Virginia herüber zieht in diesen Tagen ein gewisser Hauptmann Cresap mit einer Schar Freiwilliger, die entschlossen sind, die Angelegenheit auf ihre Weise zu regeln. In Fort Pittsburg knallen sie ohne Grund einen Angehörigen aus dem Stamme der Delawaren nieder, der gekommen ist, seine Felle zu verkaufen. Als sie trunken von Schnaps den Ohio hinabpaddeln, begegnet ihnen ein Kanu mit drei Leni-Lenape-Indianern. Die Männer winken grüßend herüber. Schüsse sind die Antwort. Das Boot kentert, die tödlich Getroffenen stürzen in den Strom, ihre Leichen treiben stromab. Cresaps wilde Bande lacht schallend über den gelungenen Spaß. So kommen sie am mittleren Ohio an jene Stelle, wo Logans Fluß 18
r einmündet und wo auf einer weiten, ausgeholzten Lichtung die Schenke des Wirtes Greathouse steht. Lärmend füllen sie die Kneipe, trinken, gröhlen und ergehen sich in wilden Drohungen gegen alles, was rote Haut trägt. Der Wirt, der auf dem Grund und Boden Logans haust, macht die wüsten Gesellen darauf aufmerksam, daß ganz in der Nähe die Hütten der Familie John Logans stünden. Die Männer kümmern sich nicht um die Warnung, sie schicken einen Boten zu den ahnungslosen Menschen, sie möchten sofort in Greathouses Schenke kommen. Die alte Mutter, die Gattin, ein Bruder und vier Kinder Logans setzen sich in ein großes Kanu und paddeln den Creek hinab. Inzwischen haben die betrunkenen Männer Cresaps, der schwarze Bob Leighton an der Spitze, sich ans Ufer begeben und lauern hier auf die Logan-Familie. Als das Boot mit den Indianern in Sicht kommt, eröffnen sie das Feuer auf die Wehrlosen. Die Frauen verhüllen ihre Gesichter, als der Tod sie überkommt, der Bruder Logans singt ein Freiheitslied, nur der kleine Junge — Logans Jüngster — weint leise. So fallen sie allesamt unter den Kugeln der Mörder. Ein Boot mit Toten treibt den Ohio hinab. John Logan rudert nach seiner Rückkehr von den Verhandlungen mit Lord Dunmore zusammen mit seinem jungen Freunde Tecumseh — dem „Springenden Berglöwen" — den Ohio hinauf. Sie begegnen dem Kanu mit den Ermordeten. Als Logan seine ganze Familie tot wiederfindet, bricht er zusammen und fällt in ein Nervenfieber. Tecumseh aber macht sich sofort an die Verfolgung der Mörder und erledigt noch am gleichen Tage sechs von ihnen; doch Bob Leighton entkommt ihm. Die Mordtat bei Greathouses Schenke aber bedeutet den Krieg. Logan streift nach seiner Genesung wie ein blutgieriger Wolf durch die Wälder und tötet wahllos friedliche Farmer, Kinder und Frauen — alles, was weiße Hautfarbe hat. Den Krieg selber führen Cornstalk und Tecumseh. Noch einmal erheben sich die roten Stämme. Ihr Schlachtruf ist: „Rache für Logan!*' Schrecklich ist das Geschehen der folgenden Jahre. Einzig Tecumseh predigt seinen Kriegern, daß es unwürdig sei, zu skalpieren und zu martern. Er allein kämpft ritterlich und menschlich. Im Frühjahr nach dem Ausbruch des roten Sturmes im Wilden Westen hat in den „Altfeldern" der Unabhängigkeitskampf der amerikanischen Kolonisten gegen die Kolonialherrschaft der Engländer begonnen. Der blutige Krieg im Innern wird überflammt von dem größeren und folgenschweren Krieg in den Küstenstaaten. Und doch 19
finden große Kanuschlachten am Kannawahfluß und Ohio statt, ringen indianische Heere gegen virginische Milizen und Grenzer. Trotz aller Tapferkeit unterliegen die Indianer den überlegenen Waffen, der besseren Organisation, der einheitlichen Führung ihrer Gegner — und der eigenen Uneinigkeit. Lord Dunmores Truppen erscheinen vor Chillicothe, der Stadt am Scioto. Nach kurzer Belagerung fällt die Festung der Shawannoos, die Häuptlinge treten den leidvollen Weg ins Lager des Feindes an, um Friede zu erbitten. In dieser Stunde bietet der junge Häuptling Tecumseh sein Leben als Opfer an, um sein Volk zu retten. Lord Dunmore sieht eine Möglichkeit, die Indianer als Bundesgenossen im Unabhängigkeitskrieg zu gewinnen und bewilligt verhältnismäßig erträgliche Bedingungen. Die roten Völker müssen auf Kentucky endgültig verzichten — dann wird ihnen Gnade gewährt. Wieder schiebt sich die Grenze des weißen Siedlungsraumes der sinkenden Sonne entgegen, der Raum der roten Menschen wird enger. Schon geschieht es jetzt, daß einige Stämme der Dakotas und Sioux über den „Vater der Ströme" — den Mississippi — in die Prärie abwandern und den Ackerbau aufgeben. Dort im endlosen Grasland des Mittelwestens weiden gewaltige Büffelherden. Neben den Büffeln grasen wilde Mustangs — die den spanischen Eroberern in Mexiko entlaufenen Pferde haben sich so sehr vermehrt, daß sie in zahlreichen Trupps das Land bevölkern. Der Indianer lernt Pferde fangen, zähmen und reiten. Er wird vom ackerbautreibenden Waldbewohner und Fischer zum nomadisierenden Steppenjäger. Der weiße Mann hat ihn gezwungen, zum Reiter und zum heimatlosen Zeltmenschen zu werden. John Logan begräbt das Kriegsbeil. Er ist ein gebrochener Mann. An Lord Dunmore schreibt er folgenden Brief: „Ich fordere jeden weißen Mann auf vorzutreten, der jemals Logans Hütte hungrig betrat und sagen könnte, Logan habe ihm nichts zu essen gegeben. Ich fordere jeden Weißen auf vorzutreten, der jemals frierend und nackt zu Logan kam und behaupten dürfte, Logan habe ihn nicht gekleidet. Während des großen Krieges Pontiacs blieb Logan untätig in seiner Hütte und warb für den Frieden. So groß war meine Liebe zu den Weißen, daß meine Stammesgenossen mit Fingern auf mich zeigten und sprachen: Logan ist ein Freund unserer Feinde! Aber die Grausamkeit eines einzigen Menschen zerstörte das alles. Im letzten Frühjahr wurden ohne Ursache auf Hauptmann Cresaps Befehl alle meine Angehörigen grausam ermordet. Es rollt kein Tropfen meines Blutes mehr in den 20
Adern eines lebenden Wesens. Das rief mich zur Rache auf. Ich habe sie gesucht und viele getötet, ich habe meinen Rachedurst gestillt. Um meines Landes willen mache ich Frieden. Aber glaubt nicht, daß dies eine Frucht der Furcht sei! Ich fürchte nichts mehr. Denn warum auch? Wer wäre denn noch am Leben, der um Logan trauern würde .. . ?" Einige Jahre später wird John Logan, als er den Streit zweier betrunkener Weißer schlichten will, erstochen. Heute steht sein Denkmal in der Millionenstadt Chikago — dort wo zu seiner Zeit noch Wälder rauschten, Bäche murmelten und der Wapiti zur Tränke ging. Tragisch ist auch das Schicksal Cornstalks wenige Jahre später. Wieder tanzen die Medizinmänner den Kriegstanz, rollen die Trommeln und werden die Totempfähle rot gestrichen. Da versucht Cornstalk, überzeugt, daß ein neuer Krieg gegen die übermächtigen Weißen nur die Vernichtung der roten Völker bedeuten müsse, Friede zu stiften. Er geht mit einer Gesandtschaft der Häuptlinge nach Fort Pleasant, um mit den Gouverneur zu verhandeln. Dort aber stürmt eine aufgehetzte Menge von Grenzern das Kommandanturgebäude und schießt die Indianer nieder. Cornstalk stirbt mit steinernem Gesicht, in seinen Prunkmantel gehüllt und mit der Friedenspfeife in der Hand. Tecumseh wird sein Nachfolger als Führer der Shawannoos. Über den Ohio aber fahren neue Schiffe stromabwärts, dem Mississippi entgegen, und wieder lärmt das Lied der Pioniere: „O-ho - wir fahren über den Ohio' - o-ho . . . " Der Marsch nach dem Westen geht weiter.
Tecumseh und der Bund der roten Völker Im Jahre 1783 ist der nordamerikanische Unabhängigkeitskrieg zu Ende und England muß die Selbstbestimmung seiner ehemaligen Kolonien anerkennen. Die USA — zunächst aus 13 Staaten bestehend — treten als jüngste Nation in die Weltgeschichte ein. 1792 kommen Kentucky, 1796 Tennessee und 1803 Ohio als weitere Staaten zur Union. Um die Jahrhundertwende leben bereits an die 200 000 weiße Siedler im Staate Ohio, die Zahl der Indianer in diesem Gebiet ist auf 2 000 zurückgegangen. Aber schon rollen aus Ohio die Planwagen auf den alten Indianerpfaden und Knüppelwegen in das Nachbarterritorium Indiana hinüber, das weiter westlich liegt. Am Waldfluß Wabash wird das alte 21
Franzosenfort Vincennes ausgebaut, wo William Henry Harrison —der anfangs der vierziger Jahre neunter Präsident der USA werden wird — das Amt des Gouverneurs übernimmt. Die westwärts strebenden Pioniere Amerikas stellen sich unter seinen Schutz. In diesen Jahren ist aus dem „Lederstrumpf" Daniel Boone bereits der alte „Wildtöter" — Old Danny — geworden, den die Liebe zur Einsamkeit und Freiheit wiederum weit hinausgeführt hat. Diesmal wagt er sich in die Prärien jenseits des Mississippi, hinab den Strom nach Louisiana und ins Herz der Jagdgebiete der berittenen Indianervölker. Ja, es gibt kühne Vorhuten der Amerikaner, die in monatelanger Wanderung den Kontinent durchqueren und den Spuren folgen, die einzelne Pfadfinder vor Jahr und Tag gezogen sind. Anno 1804 geht die Lewis-Clark-Expedition zum Columbia-River im äußersten Nordwesten der USA. Wenige Jahre später errichtet John Jacob Astor, ein deutscher Auswanderer aus dem badischen Walldorf, Handelsniederlassungen im fernen Oregon südlich des Columbia-Flusses. Wenn jetzt nichts geschieht, ist das Ende der roten Völker abzusehen, ist die Austreibung aus dem Paradies ihrer Heimat unwiderrufliche Tatsache. Aber eben in diesen kritischen Zeiten, da sich eine neue Pionierwelle aus dem Osten erhebt und hinein nach Indiana und schon nach Illinois drängt, steht der größte der roten „Staatsmänner" auf, das Werk zu vollenden, das Pontiac, sein Lehrer, Cornstalk, sein Freund, und Logan, sein Kamerad, vergeblich versucht haben. Es ist Tecumseh, der „Springende Berglöwe", Häuptling des Stammes der Shawannoos. Die Schankwirte und Pelzaufkäufer am Wabash und unteren Ohio melden Gouverneur Harrison, daß sich eine deutliche Veränderung im Verhalten der Rothäute abzeichne. War bisher der Indianer eifriger Schnapskunde, ein Mensch, der für einen Trunk Feuerwassers bereit war, seine Felle, sein Land und seine Ehre zu verkaufen, so erleben die „Westler" nun immer öfter, daß die roten Leute, die zum Markt in die kleinen Siedlungen kommen, sogar den kostenlos spendierten Umtrunk der Wirte ablehnen, daß sie stolz abseits der Kneipen lagern und wieder Wasser trinken wie vor Zeiten. Die Haltung der roten Männer ist stolzer, selbstbewußter, kühner geworden. Die Agenten der Weißen — Waldläufer und halbblütige Burschen, die unter den Roten aufgewachsen sind, deren Sprache sprechen und ihre Sitten kennen — berichten von einer seltsamen Geschäftigkeit am oberen Wabash. Dort, wo der Tippecanoe in den Wabash 22
New York im Jahre 1773 mündet, ist ein großes Dorf von Kugel- und Tonnenhütten und Lederzelten entstanden. Mit Wall und Graben und Verhauen geschützt, liegt die Siedlung auf einer steilen Hügelkuppe zwischen den Wassern. Zu diesem Dorf sind nicht nur die Miamis und Shawannoos, sondern auch zahlreiche Trupps weitentlegener Indianerstämme unterwegs. Lanzenreiter derSioux und Dakotas sind gesehen worden, wie sie mit dem „Mahnseh" — der langen Federschleppe — geschmückt, Reiter hinter Keiter, zum Tippecanoe-Fluß zogen; Kanuflotten der Winnebagos, Chippeways und Pottowatomis wurden beobachtet, wie sie über die spiegelnden Fluten des Michigansees südwärts paddelten, um nach dem Tippecanoe zu gelangen. Jäger berichten von wandernden Horden der Südstämme vom Mississippi. Die Unruhe erstreckt sich weit über die dunklen Wälder. Dort oben am Wabash geht etwas vor sieh, das nichts Gutes für die weißen Pioniere verspricht. Auch die „Landverkäufe" haben aufgehört, die sonst bei einigen Pullen Schnaps in den Kneipen zwischen betrügerischen Spekulanten und betrunkenen Häuptlingen abgeschlossen worden sind. Und immer wieder nennen die Agenten, die Jäger, die Waldläufer und die zu Markt ziehenden Indianer bewundernd oder voller Furcht den Namen des neuen Mannes im roten Land: Tecumseh. Noch ein zweiter Name wird genannt, und er ist wie von Geheimnissen umwittert: Tenskwatawa, das heißt „die offene Tür". Hinter ihm verbirgt sich der Bruder Tecumsehs, ein indianischer Zauberer 23
und Prophet. Tenskwatawa nennt sich auch die Siedlung am Tippecanoe, die das Zentrum der Bewegung zu sein scheint. Nur langsam gewinnt Gouverneur Harrison ein zutreffendes Bild von den Vorgängen im Indianerterritorium. Der Prophet Tenskwatawa, verehrt von allen indianischen Stämmen, ist in Wirklichkeit nur Werkzeug und Sprachrohr seines zielbewußten und kraftvolleren Bruders. Hinter den Wällen der Indianersiedlung Tenskwatawa lodern riesige Feuerstöße, der Mond hängt rot über den schweigenden Wäldern. In solchen Nächten rasseln die Trommeln der Zauberpriester, quieken die Knochennöten und rumoren die dröhnenden Hölzer. Häuptlinge vieler roter Völker, von Tecumseh gerufen und auf weiten Kanureisen aufgesucht und eingeladen, versammeln sich um die lodernden Flammen. Es sind einfache, gespenstergläubige und an ihre uralten Traditionen gebundene Menschen, auf die der Zauber der Medizinmänner seine Wirkung nicht verfehlt. Maskenmänner tanzen in Federmänteln, bemalten Büffelhäuten und mit bizarren Tierhäuptern; der Zauberer Tenskwatawa gibt dunkle Prophezeiungen von sich und peitscht die Erregung der Männer aufs höchste. Doch dann spricht Tecumseh. Er ist es, der die Wege vorzeichnet, die zur Freiheit hinführen. In der bildhaften Sprache, die ihm eigen ist, sagt er seinen roten Brüdern, was zu tun ist. Kein roter Mann wird künftig das verderbliche Feuerwasser der Weißen anrühren! Kein Fußbreit Boden, der das gemeinsame Eigentum aller Indianer und der unveräußerliche Besitz des Volkes ist, darf verkauft werden. Jeder Kauf dieser Art ist ungültig! Tecumseh sagt seinen roten Brüdern, warum die Indianer bisher stets geschlagen worden sind, warum sie Schritt um Schritt aus ihren Jagdgründen, ihren Fischgewässern, von ihren Äckern verjagt werden konnten. Er weist sie darauf hin, daß die „Langen Messer" einig seien, weil die siebzehn Ratsfeuer der siebzehn Staaten in der fernen Stadt Washington zu einer einzigen Flamme zusammenschlügen. Die Weißen hätten einen festen Bund, und sie seien organisiert — die roten Menschen aber lebten Sippe neben Sippe, Stamm neben Stamm, ja sie ließen sich zuweilen sogar zu Kriegen untereinander verleiten, sie seien zersplittert. Uneinigkeit aber bedeute Ohnmacht! Darum schlägt Tecumseh vor, auch die zahllosen Ratsfeuer der indianischen Völker zu einer einzigen Flamme zu vereinen und hier in der Stadt Tenskwatawa einen Mittelpunkt zu schaffen. Künftig werde die weiße Regierung mit der roten Regierung verhandeln müssen — nicht mehr mit dem einzelnen, vielleicht dem Trünke 24
verfallenen Häuptling —, künftig werde eine Grenze bestimmt werden, hinter der der rote Völkerbund dem weißen Staatenbunde gegenüberstehe, und es werde nicht mehr die Verlorenheit der kleinen Zeltlager und Wigwams geben und nicht mehr die Grenzenlosigkeit von Wald und Savanne. Seien die weißen Völker nicht auch aus vielerlei Stämmen zusammengesetzt? fragt Tecumseh: aus Engländern, Franzosen, Deutschen, Spaniern, Polen und Iren? Weshalb sollten sich nicht auch Shawannoos, Miamis, Dakotas, Osagen und Creeks zusammenfinden können, wenn es um die Erhaltung ihrer Existenz gehe? Das ist der Plan des großen Häuptlings. Er will keinen Krieg, er predigt die Menschlichkeit und den Frieden, er vertritt die Versöhnung der Rassen und rät, die Tatsachen anzuerkennen, keinen Rachekrieg zu führen, sondern durch Verhandlungen zu sichern, was noch zu retten sei. Und all die Köpfe rings um die Feuer: die bürstenähnlich gekämmten Schöpfe der Osagen, die Skalplocken der Creeks, die schwarzen Strähnen der Pottowatomis mit den vereinzelten Adlerfedern, die Federkronen der Dakotas, die mit Zobelschwänzen durchflochtenen Schöpfe der Chippeways nicken Zustimmung. Tecumseh geht noch weiter. Er fordert alle am Ratsfeuer zu Tenskwatawa vereinigten Stämme auf, ihre junge Mannschaft an den Tippecanoe zu senden, um sie nach Art der Weißen militärisch ausbilden zu lassen; denn er denkt daran, neben der in jedem Indianerdorf bestehenden Lagerpolizei — dem „Bund der Hunde" — ein diszipliniertes Milizheer des roten Mannes zu schaffen. Auch diese Forderung wird ihm bewilligt. Der rote Völkerbund scheint Wirklichkeit zu werden. Da geschieht es, daß ein alter, dem Feuerwasser ergebener Häuptling im Trunk einen Vertrag unterschreibt, der das ganze Land am unteren Wabash-Fluß den Weißen ausliefert. Wenige Tage später ist der Häuptling ein toter Mann. In Fort Vincennes fährt eine Kanuflotte ein, wie die überraschten Yankees sie noch nicht gesehen haben: Langboot um Langboot gleitet lautlos um die Flußbiegung, mehr als fünfhundert wohlbewaffnete Krieger ergießen sich an Land. Aber sie kommen nicht, um Gewalt auszuüben, sie geleiten die Abordnung der „roten Regierung" —• Häuptling Tecumseh und seine Männer. Die Garnison von Vincennes, verstärkt durch die Grenzer, die grimmigen Gesichts, auf ihre Büchsen gestützt, den Verhandlungen folgen, sichert den Ort des Zusammentreffens. Gouverneur Harrison 25
empfängt Tecumseh. Da der Häuptling englisch spricht, ist es aussichtslos, die Roten — wie bisher — mit Redensarten und vagen Versprechungen hinzuhalten. Dieser rote Edelmann fordert Recht und Gerechtigkeit für sein Volk und beruft sich darauf, daß er der erwählte Vertreter seiner Rasse sei wie Harrison der Vertreter der seinen. Drohend verkündet Tecumseh, daß er den Landverkauf am unteren Wabash nicht anerkenne. Dem Landhunger der weißen Pioniere müsse Einhalt geboten werden. Aber er verspricht auch den Frieden und das gütliche Nebeneinander. Ohne ein weiteres Wort verläßt er mit seinem Gefolge den Platz unter den Platanen. Kurze Zeit später legt die Kanuflotte los und verschwindet hinter der Flußbiegung. Am Abend dieses Tages schreibt Gouverneur Harrison einen Brief nach Washington, in dem er sich in hohen Lobsprüchen über Tecumseh ergeht: „ . . . Wenn er nicht in unserer Nachbarschaft lebte, würde er vielleicht der Gründer eines Reiches werden, das an Größe mit Mexiko oder Peru wetteifern könnte . . . er ist ein vollendeter Staatsmann und der Erfolg heftet sich an seine Fersen . . . " Aber, kann sich Amerika .im Wabash aufhalten lassen? Kann der Vormarsch nach Westen versickern, soll das „Go ahead to West!" verstummen, weil sielt einige kaum der Steinzeit entronnene Wilde den Pionieren entgegenstellen? Harrison ist einer jener Amerikaner, die schon in diesem Zeitpunkt das Auge auf die wogenden Prärien, auf die fernen, blauen Schatten der Felsengebirge, ja zum unendlichen, azurnen Stillen Ozean richten. Dort drüben in Kalifornien schleppt sich noch die müde Herrschaft der Spanier dahin. Von Alaska aber greift bedrohlich die Faust des Russen nach der Westküste des Kontinents. Erst kürzlich hat man vernommen, daß der Russe Resanow in San Franzisko gelandet sei und daß die Ruskis in der Nähe der Stadt die Kolonie Roß gegründet hätten. Werden die USA oder die Russen den Wettlauf zu den Ufern des Pazifik gewinnen? Darf sich Amerika jetzt noch aufhalten lassen? Spielen Recht und Gerechtigkeit eine Rolle, wenn es um die Zukunft des Kontinents geht? Harrison beschließt, das Werk Tecumsehs zu zerschlagen, ehe es vollendet ist. Er scheut auch vor List und Heimtücke nicht zurück, um sein Ziel zu erreichen. Tecumseh rüstet sich zu einer weiten Fahrt nach dem Süden. Er will den roten Völkerbund bis Florida und bis zu den Indianern am Golf von Mexiko ausdehnen. Er wird lange Zeit abwesend sein. Seinem Bruder, dem Propheten, schärft er ein, Friede zu halten 26
und die Milizen zu üben. Vor seiner Abreise schließt Tecumseh mit Gouverneur Harrison einen Vertrag, der den Frieden garantieren soll. Dann verschwindet er mit kleinem Gefolge in der Unendlichkeit des Kontinents: ein einziger Mann, auf dem das Schicksal seiner Rasse ruht. Harrison sieht seine Stunde gekommen. Die Truppen aus Vincennes verstärkt er durch Grenzer und virginisches Militär, zieht mit ihnen zum Tippecanoe-Fluß und schlägt dicht vor der großen Siedlung sein Lager auf. Der „Prophet" läßt sich fortreißen, hetzt die Häuptlinge auf, bringt die jungen Krieger zur Raserei und eröffnet den Kampf. In einer furchtbaren Schlacht in den neblichten Gründen der Flüsse werden die schlecht vorbereiteten roten Völker vernichtend geschlagen. Der rote Bund zerbricht. Die entfernten Stämme wenden sich enttäuscht von dem falschen Propheten ab. Als Tecumseh im Mai 1811 — wenige Tage nach der Katastrophe am Tippecanoe — zurückkehrt, steht er nicht nur vor den rauchenden Trümmern der Stadt Tenskwatawa, sondern auch vor den Trümmern des indianischen Völkerbundes. Das Spiel ist zu Ende, ehe es richtig begonnen hat. Den großen Häuptling treibt es zur Verzweiflungstat. Mit seinen treugebliebenen Anhängern tritt er auf die Seite der Engländer, die
Indianerzelte vor einem Fort der Grenzer (Anfang 19. Jahrhundert) 27
in Kanada gelandet sind und einen Krieg gegen die Amerikaner eröffnet haben. Ein Jahr später, am 13. Oktober 1813, fällt Tecumseh inmitten der letzten Krieger der Shawannoos in einer Schlacht nahe Detroit. Die südlich wohnenden Stämme besiegt der Gouverneur von Tennessee, General Andrew Jackson, der spätere 7. Präsident der USA. Sie erliegen bei Tallapoosa am Mississippi der Übermacht der Weißen. Es ist der März des Jahres 1814, als das Schicksal der roten Völker besiegelt wird.
Sutter, Buffallo Bill und Sitting Bull Immer weiter westwärts rollen die „Prärieschoner" der Auswanderer durch das mannshohe Gras der riesigen Ebenen. Die Landsucher haben den Mississippi und Missouri überschritten; mit Planwagen und Viehherden, mit Weibern und Kindern, hochbeladen mit Hausrat und Geräten, ziehen sie der sinkenden Sonne entgegen. Unendliches Land öffnet sich dem Blick, einsam ragen die wenigen Wahrzeichen: dürre Bäume, kleine Savannenwälder, bizarre gelbe und rote Felstürme. Ringsum wogt das Gras, schieben sich wie braunschwarze Klippen die Rücken der weidenden Büffel durch die Ebenen. Sie wandern wochenlang dahin, nur in den Nächten machen sie halt und fahren die Wagen zu verketteten Wagenburgen zusammen. Manchmal gibt es wütende Gefechte mit streifenden Indianern. Aber es kommen immer mehr Planwagen, immer längere Kolonnen von Siedlern. Es gibt soviel Wild, daß die Männer nur die Zungen und Lendenstücke der erlegten Büffel nehmen und den Rest den Geiern lassen. Zu Bergen häufen sich die Knochen der hingeschlachteten Tiere. Einer dieser Pioniere, der dem Ruf der Ferne gefolgt ist, ist der aus Europa geflohene Schweizar Johann August Sutter. Man schreibt das Jahr 1838, als er mit einer kleinen Kolonne den Weg nach Westen antritt. Unter unsäglichen Mühen erreichen sie die Felsenberge, zerren die Karren über Pässe und schwindelnde Pfade und wagen sich in wasserlose Wüstenstrecken und in unbetretene Einöden. Aber eines Tages im Oktober erreichen sie Fort Vancouver. Das Land Kalifornien ist inzwischen mexikanisch geworden, aber die neuen Behörden sind lahm und nachlässig. So ist man froh, wenn tatkräftige Leute ins Land kommen und die Dinge in die Hand nehmen. Johann August Sutter erhält die Konzession, sich eine Kolonie aufzubauen, die er „Neu-Helvetien" — Neu-Schweiz — nennt. Nach zehn Jahren großzügiger Arbeit ist Sutter einer der 28
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reichsten Männer der Welt: feste Forts, zahlreiche Mühlen, wogende Weizenäcker, blühende Obstplantagen, Weingärten und .•>."Äcker mit herrlichen Gemüsen gehören ihm. Er legt Straßen und Kanäle an und ist Herrscher über ein Gebiet, das größer ist als manches der kleinen europäischen Fürstentümer. Da geschieht es, daß im Januar 1848 einer seiner Leute, den er zu Ausschachtungsarbeiten an den Sacramentofluß geschickt hat, eine Schaufel voller Goldkörner — Nuggetts — findet. Dieser Fund ändert alles im Fernen Westen. Häuptl Der Schrei ,.GoId in Kalifornien! , gellt über den Kontinent, dringt auch nach Europa. Auf Schiffen rund um Kap Hörn, auf Pferden und Wagen quer durch den Erdteil setzt sich eine wahre Völkerwanderung in Bewegung. Zehntausende von Abenteurern, Gesetzeslosen, Auswanderern, Habenichtsen und Spekulanten strömen nach Kalifornien. Sie reißen die Farmen und Viehpferche Sutters nieder, zertrampeln seine Äcker, rauben seine Werkstätten aus, nehmen die Balken seiner Häuser und Mühlen, um sich Hütten zu bauen oder Wasserrinnen zu verschalen. Die Gefolgschaft Sutters ist in die goldenen Berge entlaufen, allein mit seinen Söhnen verteidigt er sein „Reich". Sie erschlagen seine Jungens und treiben ihn selber in die Wildnis. Die Gesetze des Wilden Westens beherrschen alles Leben. Als 1850 Kalifornien als 31. Staat in die Union aufgenommen wird, kämpft und prozessiert Johann August Sutter noch immer vergeblich um seine Ländereien und sein Recht. Dreißig Jahre später stirbt er verarmt und halb irr als Rechtsuchender auf den Stufen des Capitols zu Washington. Auf seinem Grund und Boden stehen um diese Zeit längst die Städte San Franzisko und Oakland. Immer iät es beim Vormarsch nach dem Wilden Westen so gewesen, daß zuerst die Jäger und Pfadfinder, die Abenteurer, gekommen sind, um den Weg freizumachen für die Siedler. Die ersten, die sich im neuen Lande, in den Tälern Arizonas, in den Prärien des Mittelwestens, in der sonnenflimmernden Steppe von Texas niedergelassen haben, sind Viehzüchter gewesen. Oft stritten die Rinderzüchter mit den Schafhaltern; denn wo Schafe weideten, die das Gras bis auf die Wurzeln abnagen, war keine Rinderweide mehr 29
zu erhoffen. Colt und Winchesterbüchse regierten oft als einziges Gesetz in dem riesigen und menschenarmen Gebiet. Noch während des Bürgerkrieges zwischen den Nord- und Südstaaten wird vom Kongreß im Jabre 1862 das „Heimstätten-Gesetz" beschlossen, nach dem jeder nach Westen wandernde Bauer für sich und jedes Haupt seiner Familie ein bestimmtes Stück Grund und Boden aus dem „freien Regierungsland" abstecken darf. Bewirtschaftet er den Boden eine Reihe von Jahren zur Zufriedenheit, so wird es sein freies Eigentum. Um diese Zeit sind Millionen Europäer nach den USA eingewandert. Farmer ziehen in die gioßen Weidegebiete von Texas, Arkansas und Oklahoma, stecken ihre Felder ab, ziehen Drahtzäune und bauen Gehöfte. Durch die gleichen Gebiete aber sind bisher die riesigen Rinderherden von Texas alljährlich weidend und futtersuchend gewandert, wenn sie quer durch die Prärie zu den Schlachthäusern von Chikago und Omaha getrieben wurden. Wie soll der Viehzüchter bestehen, wenn seine wandernden Herden überall auf Zäune, auf umbrochene Äcker und auf Gehöfte stoßen. Wieder hebt ein verbissenes, erbittertes und oft blutiges Ringen zwischen den Vertretern zweier Kulturepochen an: Rancher mit ihren Cowboys stehen gegen die Farmer und ihre Familien. In den Jahren 1863 bis 1873 beginnt der Bau gewaltiger Bahnnetze. Mehr als 50 000 Kilometer Eisenbahnschienen werden in diesen Jahren verlegt. Die USA verbinden in stürmischem Tempo den „Wilden Westen" durch eiserne Bänder mit dem industriereichen Osten. Nun pfeifen Lokomotiven, wo einst Büffel gegrast haben. Bahnstrecke um Bahnstrecke schiebt sich westwärts vor. Umsonst sind die verzweifelten Angriffe der Indianer, die um ihre letzten Jagdgebiete fürchten, vergeblich ist der Widerstand der großen Rancher, die in der Eisenbahn ihren Feind erblicken. Erst sehr spät erfassen sie, daß ihnen die Eisenbahn schnellere und bequemere Transportmöglichkeiten für ihre Viehherden geschaffen hat. Das große Sterben der Büffel vollendet sich. Männer wie der vielgenannte „Buffalo Bill" rühmen sich, während des Bahnbaus für die Verpflegung der Arbeiter und aus reinem Vergnügen mehrere hunderttausend der urweltlichen Riesen geschossen zu haben. Die letzte Beute der indianischen Jagdgründe schwindet dahin, der Kampf der Eingeborenen geht jetzt um die Erhaltung des nackten Lebens. Noch einmal erhebt sich der rote Mann. Im Jahre 1876 schlägt Häuptling „Sitting Bull" in mehreren blutigen Gefechten die Trup30
pen der Amerikaner. Doch auch diese kurzfristigen Erfolge können das untergehende Volk nicht mehr retten. Es erliegt den schnelleren Verkehrsmitteln, der organisierten Wirtschaftstechnik und der zahlenmäßigen Überlegenheit seiner Gegner. Fortan ist der Indianer auf die ihm zugewiesenen Schutzgebiete — die Reservationen — verwiesen; er geht in der siegreichen Nation auf und verschwindet aus der Geschichte Nordamerikas. Hinter den Viehzüchtern, Bauern und Kleinstädtern wandert die Industrie nach dem Westen. Amerika entdeckt in Texas und NeuMexico Erdöl, in Colorado Metalle, in den Rocky Mountains Kohle. Die Zivilisation hält ihren Einzug, der „Wilde Westen" hat aufgehört zu bestehen. Aber was fortlebt, ist der Geist des „Wilden Westens", das Pionierblut, die Denkart des „Grenzers". Unter den Menschen auf den zahllosen Farmen des Mittelwestens, den Viehweiden von Texas, auf den weltverlorenen Gehöften und in den winzigen Flecken der Felsenberge von Arizona bis Oregon ist immer noch der starke Zusammenhalt zu spüren, der einst Nachbar mit Nachbar, Jäger mit Jäger verband, damit sie an der Grenze bestehen konnten; in diesem ehedem „Wilden Westen" sind noch die Gesinnung der Freiheit und Unabhängigkeit und der kühne Unternehmungsgeist lebendig, den die Pioniere Amerikas beweisen mußten, um aus der Wildnis eine Heimat zu schaffen. So ist die Gegenwart, in der Autobahnen, Schnellzugsstrecken und Fluglinien den Kontinent überspannen, für den Amerikaner immer noch mit seiner „Pionierzeit" verbunden. Aber auch der Heldenkampf und die Tragödie der Indianer, die dem Landhunger der wachsenden Menschheit zum Opfer gefallen sind, dürfen in einer Zeit nicht vergessen werden, in der weiße Völker und Naturvölker erneut um Lebensräume ringen.
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IM FALLE EINES FALLES...