Dan Roberts
Die Angst der Einsamen Apache Cochise Band Nr. 9 Version 1.0
Prolog Als die weißen Amerikaner Mitte des ...
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Dan Roberts
Die Angst der Einsamen Apache Cochise Band Nr. 9 Version 1.0
Prolog Als die weißen Amerikaner Mitte des 19. Jahrhunderts den Südwesten der USA zu besiedeln begannen, stießen sie auf ein indianisches Volk, das bereits die Spanier und Mexikaner hatte teuer dafür bezahlen lassen, daß sie unbefugt in ihre Jagdgründe eingedrungen waren. Die etwa ein Dutzend umfassenden Apachen-Gruppen und Großsippen, am gefürchtetsten die Chiricahua-Apachen, widersetzten sich der Niederwerfung durch die Weißen mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln. Sie überfielen zunächst Postkutschen, Frachtwagenzüge, Armeepatrouillen, Farmen, abseits gelegene Ranches und kehrten anschließend wieder zu ihren Stützpunkten in den Bergen zurück, den sogenannten »Apacherias«, die bei den Weißen der damaligen Zeit als uneinnehmbar galten. Der Widerstand flammte zum blutigsten und grausamsten Grenzkrieg der Indianergeschichte auf, als Cochise von Mangas Colorados die Führung der Stämme übernahm. Cochises Weitblick ließ ihn letztlich erkennen, daß der Untergang der roten Rasse eine von den Weißen beschlossene Sache war, die Anspruch erhoben auf alles Land zwischen den Dragoon Mountains im Südosten, dem Mogollon-Rim im Westen und der Gran Desierto im Süden. Cochises Chiricahuas, die Kerntruppe seiner Streitmacht, blieb im Angesicht der unaufhaltsamen Flut weißer Siedler, Goldgräber und Desperados nur noch eine Devise: Raube, ohne erwischt zu werden, töte, ohne getötet zu werden. Ein Kampf ohne Erbarmen entflammte in den Canyons, Tälern und Wüsten. Ein Kampf, dessen Schilderung in dieser Serie nicht die ganze Brutalität wiedergeben kann, wie sie uns die Geschichte überliefert hat.
1871 gelang es Cochise, die meisten Stämme der Apachen zu einer einzigen Widerstandsfront gegen die Eindringlinge aus Nord und Süd, Weiße und Mexikaner, zu vereinen. Die blutigsten Massaker auf beiden Seiten waren die Folge. Auf ihren flinken Ponys überfielen die Krieger in kleinen Gruppen Wagenzüge und Posthaltereien im Norden, um am nächsten Tag schon Farmer und Goldgräber im Süden oder eine Patrouille der Army im Westen anzugreifen. Militär und Siedler waren macht- und hilflos und ohne eine Möglichkeit gezielten Widerstandes den ständigen Apachenangriffen ausgesetzt. Wenn 1870 General Sherman nach Washington schrieb: »Wir führten einen Krieg gegen Mexiko, um Arizona zu bekommen, wir sollten jetzt einen Krieg führen, um dieses Land wieder loszuwerden«, so kennzeichnen diese Worte die verzweifelte Hilflosigkeit des Militärs. Diese nach authentischen Überlieferungen verfaßte Serie soll dem größten aller indianischen Führer ein Denkmal setzen: Cochise. Dem Wirken dieses Mannes und seinem Weitblick für politische Veränderungen ist es zu verdanken, daß diese Story mit ihrer ganzen Dramatik wahrheitsnah niedergeschrieben werden kann. Unsere Autoren fühlen sich verpflichtet, neben der Herausstellung der abenteuerlichen Charaktere, die in jener Zeit Geschichte machten, auch der historischen Wahrheit die Ehre zu geben. Nichts soll verschwiegen, nichts hinzugefügt oder entstellt werden. Ihr Martin Kelter Verlag
*** Slim Jackson rutschte nervös auf dem harten Sitzbrett der Kutsche hin und her. Der Begleiter fingerte an der Winchester herum, spannte den Hahn, ließ ihn wieder zurückgleiten und sah sich immer wieder unruhig um. Slims Haltung erinnerte an eine gespannte Bogensehne. Er war auf alles vorbereitet und wartete wohl nur darauf, daß es losging. »Was beißt dich, Partner?« fragte Biff Kelford grinsend. »Hast du dir in Lorrys Haus der roten Laterne Flöhe geholt?« Jackson schnaubte verächtlich. Allmählich reichten ihm die Anspielungen. Ein einziges Mal war er bei Lorry gewesen. Aber er hatte sich keines der Girls ausgesucht, um sich damit im Zimmer zu amüsieren. Nein, Biff wußte, daß es bei Lorry immer etwas zu essen gab. Doch sooft er seinen Bekannten erklärte, daß er nur wegen eines Stews dorthin gegangen war, weil die anderen Speisehäuser schon alle geschlossen waren, brachen die verdammten Kerle in brüllendes Gelächter aus. »Gestern habe ich bei McMurray gegessen«, sagte Slim wütend. »Und wenn sich Flöhe auf mir tummeln, dann stammen sie von dir, Mensch.« Biff merkte, daß sein Wächter keine Lust hatte, auf den Spaß einzugehen. »Was hast du denn?« fragte der Fahrer. »Indianer«, antwortete Jackson. »Ich spüre sie, Mann. Sie sind in der Nähe, Biff. Verdammt, wenn ich sie doch nur sehen könnte.« Kelford fuhr sich mit der flachen Hand über das stoppelige Kinn. »Du weißt ja«, sagte er, »wenn du 'nen Apachen siehst, rollt dir im nächsten Moment auch schon der Kopf vor die Füße. Die roten Brüder verstehen was von Tarnung.«
»Du machst mir richtig Mut«, sagte Jackson mißmutig. »Ich ahne, daß sie uns beobachten, und du redest von rollenden Köpfen.« »Wir haben nur noch die Steigung vor uns«, sagte Biff Kelford gelassen. »In einer halben Stunde stehen wir an Jeffords' Station. Thomas und seine Leute halten die Augen offen. Wenn Apachen angreifen, bekommen wir Hilfe.« Slim schwieg sich aus. Er beobachtete die Umgebung, musterte die Ausläufer der Chiricahua Mountains und glaubte, hinter jedem Felsbrocken Dutzende von Apachen zu sehen. Kelford hob die Peitsche. Das Schnurende knallte zwischen den beiden vorderen Deichseltieren. Sofort legten sich die Pferde stärker in die Geschirre. Die Concord rumpelte und ächzte. Noch verlief die Steigung sanft, und jeder Schwung erleichterte den Tieren den Weg nach oben. »Da sind sie!« stieß Jackson aufgeregt hervor und riß die Winchester an die Schulter. Biff fuhr herum und fluchte. Slim hatte recht. Zwischen den Felsbrocken und Geröllhalden galoppierten mindestens zehn Pferde heraus. »Fahr langsamer, dann erwische ich zwei oder drei«, sagte Slim. Aber Biff dachte nicht daran, die Geschwindigkeit zu verringern. Jede Wagenlänge mehr zur Paßstation brachte sie der Sicherheit und Hilfe näher. Ein Schrei drang aus der Kutsche. »Verdammt, sie haben die Burschen gesehen«, sagte Biff. »Indianer!« kreischte eine Frau. »Sie verfolgen uns. Wir werden alle sterben. Mein Gott…« »Halt den Mund!« rief Jackson. »Dreh bloß nicht durch, du dämliche alte Schachtel.« Das Geschrei steigerte sich zu einer wahren Flut von Schimpfworten, die selbst einen abgebrühten Maultiertreiber verblüfft hätten.
»Ich kann verstehen, daß der Kerl sich in die Büsche geschlagen hat«, sagte Biff leise zu Jackson. »Wenn diese Frau richtig loslegt, macht sie ganz allein eine harte Mannschaft fertig.« Die nicht mehr junge Frau war vor zwei Wochen nach Tombstone gekommen, weil sie ihren Mann suchte. Sie wußte nur, daß er irgendwo Gold schürfen wollte. Da sie von ihrem besten Stück schon seit einem halben Jahr nichts mehr gehört hatte, wollte sie selbst nach ihm sehen. Wie ein Ungewitter war die resolute Dame über Tombstone hereingebrochen. Sie hatte einen Riesenwirbel gemacht, aber irgendein wohlmeinender Zeitgenosse hatte ihrem Mann einen Tip gegeben. Der hielt sich wohlweislich in der Wildnis versteckt und wartete darauf, daß seine bessere Hälfte die Suche aufgab. Und nun transportierten Biff Kelford und Slim Jackson die streitbare, schwergewichtige Frau zurück nach Osten. »Sie halten den Abstand«, meldete Slim verwundert. »Was bedeutet das?« »Vielleicht wollen die Krieger uns erst kurz vor der Station die Haut abziehen«, antwortete Biff so laut, daß die Passagiere seine Worte hören mußten. Grinsend wartete Kelford auf die Reaktion aus dem Kasten. »Kutscher!« kreischte die Frau. »Ich verlange, daß Sie sofort etwas unternehmen! Ich habe meine Fahrkarte bezahlt. Sie sind dafür verantwortlich, daß ich heil und gesund ankomme.« »Wir schmeißen sie einfach raus, wenn die Apachen näher kommen«, schlug Slim vor. »Sie schafft bestimmt acht Krieger allein mit ihrem Mundwerk.« Kelford zog eine verächtliche Miene. Er hatte genug damit zu tun, die sechs Zugpferde so zu lenken, daß sie in den Kurven der Paßstraße keine Kraft verschwendeten. »Ich glaube, es sind Chiricahuas«, sagte Slim. »Verstehst du das, Partner? Hat der große Häuptling angeordnet, daß jede
Kutsche überwacht wird?« »Keine Ahnung«, erwiderte Biff Kelford. Er dachte daran, daß Cochise und seine Krieger erst vor wenigen Tagen eine Concord der Butterfield Line vor einem Schwarm Tonto-Apachen gerettet hatten. »Wie weit liegen sie zurück?« fragte der Fahrer. »Sie halten den Abstand«, antwortete Slim. »Ich glaube nicht mehr, daß sie es auf uns abgesehen haben. Sieht wirklich wie 'ne Eskorte aus. Hoffentlich kann uns Jeffords erklären, was das bedeutet.« Jackson kniete auf dem Sitzbrett. Die Winchester lag auf den Gepäckstücken der Passagiere und tanzte im schwankenden Rhythmus der Kutsche. Es war unmöglich, auch nur einen Apachen zu verwunden, wenn Biff diese Geschwindigkeit beibehielt. Aber Slim Jackson brauchte sich nicht auf einen Kampf vorzubereiten. Inzwischen glaubte er selbst nicht mehr an einen Überfall, sondern eher an Begleitschutz durch die Krieger. Der Weg stieg steiler an. Immer langsamer wurden die Pferde. Nach weiteren 120 Yards fielen sie in Schritt zurück. Gespannt blickte Slim zu den Verfolgern. Sie trieben gerade ihre Ponys an. Slim preßte die Lippen zusammen und atmete tief durch. Nun entschied sich, ob sie weiterleben durften oder kämpfend sterben mußten. »Noch fünf Minuten ungefähr«, sagte Biff. Seine Finger krampften sich um die Zügel. Immer wieder hob er die Peitsche. Aber es war sinnlos, auf die Pferde einzuschlagen. Schneller konnten sie nicht werden. »He, Kutscher, wann holt ihr endlich ein paar der roten Stinker von den Pferden?« fragte ein Mann aus dem Wagenkasten. »Wenn sie angreifen«, erwiderte Jackson mit stahlhartem Unterton in der Stimme, »und keinen Moment früher, Mister.
Und wenn Sie feuern, ziehe ich Ihnen den Scheitel mit dem Coltlauf nach, kapiert?« »Ihr seid wahrhaftig verrückt«, rief der Mann. »In wenigen Minuten haben uns die Kerle eingeholt, und dann haben wir keine Chance mehr.« Slim kniff die Lider etwas zusammen. Der vorderste Reiter machte eine weit ausholende Handbewegung. »Cochise!« rief Jackson erleichtert. »Biff, der Jefe ist hinter uns. Fahr zur Seite, er will vorbei.« Sekunden später trabten die zähen Ponys neben der Concord. Der Häuptling hob kurz die Rechte. Biff und Slim legten die Hände an die Krempen ihrer Stetsons. Nur an den funkelnden Augen erkannten die beiden Männer auf dem Bock, daß der Jefe die furchtsamen Blicke der Passagiere genoß, als er mit seinem Sohn Naiche und zehn Kriegern vorbeizog. Jackson entspannte das Gewehr und stellte es in die Halterung zurück. »Mann, Mann«, seufzte der Wächter, »der große Chief hat 'ne merkwürdige Ansicht von Humor. Er muß doch gewußt haben, daß uns allen die Kopfhaut juckte, als er die Verfolgung begann.« »Das wollte er sicher«, sagte Biff. »Er will zeigen, daß er immer noch der Boß in diesem Land ist, daß er uns Weiße nur duldet, Slim. Glaub mir, wenn er es will, lebt im Südwesten innerhalb von drei Tagen nicht mal mehr 'ne weiße Katze.« Slim krauste seine Stirn. Er wußte, daß Kelford recht hatte. Aber er wußte auch, daß Cochise inzwischen die Macht der Weißen kannte. Es war sinnlos, in einem großen Schlag alle Eindringlinge zu vernichten. Die Armee war in der Übermacht, und der Kampf flammte dann so heftig auf, daß er sich zu einem wilden Feuerbrand ausbreiten mußte, der alle Apachen in die ewigen Jagdgründe schickte. Cochise verhielt sein Pferd auf dem freien Platz vor der
Station. Thomas Jeffords ging auf den Häuptling zu. Walker und Kelly, die beiden Posthelfer, blickten den Chief mißtrauisch an. Sie musterten die Krieger, die mit ausdruckslosen Gesichtern auf den Pferden saßen. Die zehn Kämpfer bildeten die Ehrengarde des Jefe. »Hellauge, heute ist der Tag, an dem wir reiten werden«, sagte der Häuptling zu Jeffords. »Ja, Jefe«, sagte Thomas, »ich bin bereit. Vorher möchte ich nur gern die Kutsche noch abfertigen. War es nötig, den Leuten Angst zu machen?« Für Sekunden umspielte ein stolzes Lächeln die Lippen des Häuptlings. »Warum fürchten sie sich vor ein paar Apachen?« fragte Cochise. »Die Männer in der Kutsche besitzen doch Gewehre, die viele Male den Tod hintereinander ausspucken. Sie haben Revolver, die sechs Krieger töten können.« Jeffords hörte den Spott aus diesen Worten heraus, aber er war so klug, nicht darauf zu reagieren. Er ließ dem Jefe die kleine Genugtuung, daß die meisten Bleichgesichter vor der Macht der Apachen zitterten. Aber gerade diese Einstellung schürte immer wieder die Auseinandersetzungen zwischen den beiden Rassen. Mittlerweile war es so, daß die meisten Weißen sofort feuerten, sobald sie auch nur ein Stückchen roter Haut entdeckten. Die Concord rollte an den Indianern vorbei. Gleichmütig starrten die auf den Wagen. »Ladies and Gentlemen«, rief Biff lauthals, »Apache-PassStation! Sie können sich die Füße vertreten, Kaffee oder härtere Sachen trinken und etwas essen.« »Ich bin doch nicht verrückt«, rief die Frau. »Da stehen die Rothäute. Sie warten doch nur darauf, daß wir rauskommen. Die ziehen uns sofort den Skalp ab. O nein, ich bleibe in der Kutsche.«
Thomas verdrehte die Augen und hob beide Hände halb hoch. So was fehlte ihm gerade noch, ausgerechnet in Gegenwart von Cochise. Aber der Jefe grinste nur. Sicher genoß er die Angst der Frau. »Madam, rücken Sie bitte ein wenig zur Seite«, sagte ein Mann. »Ich möchte raus und einen Kaffee trinken.« Die Concord schwankte leicht, aber schließlich öffnete sich die Tür, und ein schlanker Typ stieg aus. Er schaute sich nur kurz um, ehe er zum Stationsgebäude ging. Die anderen vier Passagiere stiegen ebenfalls aus. Und dann blickte die verängstigte Lady aus der Türöffnung. Thomas zwang sich, woanders hinzusehen, denn dieses weibliche Wesen wog sicher mehr als 200 Pfund und schien nicht größer als fünfeinhalb Fuß zu sein. Ächzend machte sich die letzte Passagierin daran, auszusteigen. Irgendwie ging das schief. Sie blieb mit den flammend roten Haaren an der Türklinke des Wagenschlags hängen und stieß einen spitzen Schrei aus. In der nächsten Sekunde vergaßen die Apachen ihren zur Schau gestellten Gleichmut. Verblüfft starrten sie auf die rote Perücke, die an der Klinke hing. Der Kopf der dicken Lady schimmerte wie eine polierte Kugel. Nur einige graue, dünne Haarsträhnen zierten das Haupt. Mit beiden Händen riß die Frau ihre Perücke an sich, stülpte sie auf den Schädel und rannte japsend zum Gebäude. »Welch ein Skalp«, sagte Cochise beeindruckt. Er sagte es auf Englisch und wußte genau, daß die Frau ihn hörte. Sie schrie, hüpfte wie ein Gummiball ins Haus und schmetterte die Tür hinter sich zu. * Thomas Jeffords blickte den Chief lächelnd an und sagte:
»Reiten wir alle? Oder bleiben wir beide allein, Jefe?« Cochise löste seinen Blick von der Tür des Stationshauses und antwortete: »Wir reiten allein, Hellauge. Nur Naiche weiß, worum es geht. Er wird die Krieger während meiner Abwesenheit führen.« Cochises Sohn war seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten. Wie der Häuptling besaß der zu dieser Zeit Achtzehnjährige einen mächtigen Oberkörper und die dunklen, funkelnden Augen und die Adlernase, die kühn vorsprang. Wie Cochise war Naiche groß, ein wahrer Riese unter den Apachenkriegern. Der Sohn des Jefe preßte seinem Pony die Fersen in die Seiten. Das Pferd kam bis auf einen Schritt an Jeffords heran. Thomas hielt dem ernsten, prüfenden Blick des jungen Mannes stand. Der Postmeister wußte, daß Naiche seinen Vater liebte und sich um ihn sorgte. Vielleicht war es ihm gar nicht recht, daß der Führer der Chiricahuas, der Oberhäuptling aller Apachenstämme, allein mit einem Bleichgesicht in die Wildnis der Dragoon Mountains eindringen wollte. Aber Naiche hatte schon mehrmals in der Vergangenheit bewiesen, daß er fair und gerecht war. »Ich wünsche mir, daß ihr dieses Gerücht aus der Welt schaffen könnt«, sagte der junge Krieger. »Unser Stamm wird sich gegen alle weißen Eindringlinge zur Wehr setzen. Kein Bleichgesicht hat in den Bergen der Chiricahuas etwas zu suchen. Der weiße Soldatenhäuptling gab sein Wort. Vergiß nicht dieses Wort, Thomas Jeffords.« Nach kurzem Überlegen entgegnete der Postmeister: »Genau darum reiten dein Vater und ich, Naiche. Ich will helfen, die Kämpfe zwischen unseren beiden Völkern zu beenden. Du weißt, daß ich eure Lebensweise respektiere. Aber leider denken nicht alle Weißen so.« Freimütig hatte Jeffords zugegeben, daß auch unter den Eindringlingen unterschiedliche Meinungen herrschten.
Genauso war es bei den Apachen. Victorio, der Anführer der Mimbrenjos, wollte gnadenlos jeden Weißen töten. Für ihn waren die Bleichgesichter nichts als Ungeziefer, das den Apachen Land und Nahrung stahl, das Wasser der Flüsse umleitete und so den wandernden Sippen die Lebensgrundlage entzog. Victorio war der wildeste Anführer aller Stämme. Er begriff nicht, daß die Zeit des freien Umherschweifens vorbei war. Er klammerte sich erbittert an die hergebrachte Lebensweise und brachte den Bleichgesichtern Brand und Tod, nur Unheil. Naiche blickte seinen Vater an. Cochise nickte und sagte in der Sprache der Chiricahuas: »Geht zurück, reitet voraus, wir folgen euch! Doch unser Weg ist nicht der eure.« Die Indianer zogen an den Zügeln, drehten ihre Pferde und ritten an. In langer Reihe verließen die Apachen den Paß der Quellen. Als letzter drückte Naiche seinem Pferd die Hacken in die Weichen. Thomas spürte, daß der junge Krieger mit dem Entschluß seines Vaters nicht einverstanden war. Fragend sah der Postmeister den Jefe an. Lächelnd sagte Cochise: »Naiche hat heißes Blut, Hellauge. Er ist wie alle jungen Männer. Zudem ist er mein Sohn und weiß, wie ich denke. Er kennt meine Entschlüsse und Vorstellungen. Er möchte mit uns reiten und die Taten eines Kriegers vollbringen.« Jeffords nickte. Er verstand, was in dem jungen Apachen vorging. Aber bei diesem Unternehmen waren Besonnenheit und Überlegung mehr wert als jeder kämpferische Einsatz. Es ging darum, die Legende über eine riesige Goldader, eine richtige Bonanza, zu zerstören. Denn diese Ader sollte mitten in den Dragoon Mountains liegen. Und dort lebten Cochise und seine Chiricahuas in ihrer Apacheria. Jeffords kannte die Gier der meisten Menschen nach dem gelben Metall. Er wußte, daß bei vielen von ihnen das
vernünftige Denken aussetzte, wenn es um Gold ging. Ein Run auf die Dragoons mußte in den Auseinandersetzungen im Südwesten wie eine Kanne Kerosin in einem Feuer wirken: explosiv. Norbert Walker, der Posthelfer, führte die Schimmelstute am Zügel heran. Er hielt respektvollen Abstand vom Maul des Tieres, achtete nicht auf Cochise und Jeffords, doch dafür blickte Norbert immer wieder zu den gelben, kräftigen Zähnen der Stute. Er kannte dieses Teufelsbiest inzwischen ganz gut. Vor dem Gebiß der Stute war kaum ein Kleidungsfetzen sicher. Sie fraß genußvoll Hemden, Armeeunterwäsche, Stetsons und sogar verschwitzte Halstücher. Biff Kelford und Slim Jackson bugsierten die letzten beiden Zugpferde vor die Kutsche und spannten sie in die Geschirre. Die beiden Fahrer hatten von Norbert gehört, daß Jeffords mit Cochise zu einem gefährlichen Abenteuer aufbrach und kümmerten sich selbst um den Pferdewechsel. Burt Kelly versorgte die Passagiere in der Station. Walker hoffte nur, daß die zahlenden Kunden der Butterfield Line erst dann Magenkrämpfe bekamen, wenn sie schon drei oder vier Wechselstationen weiter waren. Norbert hielt nicht viel von Kellys Kochkünsten und behauptete, Burt könnte sogar Wasser beim Kochen anbrennen lassen. Aber das war maßlos übertrieben. Doch die Tatsache blieb bestehen, daß Kelly einmal eine Kanne Kaffee auf die eiserne Herdplatte gesetzt und vergessen hatte. Die Schweinerei war groß gewesen. Die ganze Platte war mit verschmortem Kaffeemehl bedeckt gewesen, und der Gestank hatte sich erst nach tagelangem Lüften verflüchtigt. »Alle Passagiere einsteigen!« brüllte Biff Kelford und kletterte auf den Kutschbock. »Wir fahren in einer Minute.« Es dauerte nicht lange, bis die Reisenden aus dem Stationsgebäude kamen. Die sogenannten Gentlemen
benahmen sich wie vorher beim Aussteigen. Sie ließen der dicken Lady keine Chance. Und das beschwor die Katastrophe herauf. Schnaufend walzte die korpulente Frau auf die Concord zu. Sie starrte geradeaus. Cochises Mundwinkel zuckten, als er interessiert die flammend roten Haare beäugte, die inzwischen wieder den Kopf der Dicken bedeckten. Jeffords schwang sich in den Sattel. Norbert Walker reichte seinem Boß die Zügel, und für eine Sekunde spürte die Schimmelstute nicht den hemmenden Druck der Trense in den Winkeln ihres Maules. Sofort ging das Tier an, legte den Kopf schief und zog die Lippen zurück. Der Häuptling stieß einen lauten Ruf aus, aber da war es schon geschehen. Blitzschnell schnappte das Pferd zu und erwischte die roten Haare, zog den Kopf zurück und schlenkerte ihn hin und her. Das Gezeter der Lady schien das Tier überhaupt nicht zu kümmern. Und als die schwergewichtige Frau mit beiden Fäusten auf den Kopf der Schimmelstute einhieb, verschwanden gerade die letzten feurig schimmernden Reste der Perücke hinter den gelben Zähnen des Pferdes. »Los, wir reiten!« rief Jeffords und trieb die Stute mit lauten Zurufen an. Cochise folgte seinem weißen Freund sofort. »He, Boß, was sollen wir jetzt machen?« rief Walker und wich der Frau aus, die wild um sich schlug. »Gebt ihr ein Kopftuch«, antwortete Jeffords, »ersetzt den Schaden, zahlt, was sie verlangt. Klar?« »Okay, Thomas.« Jeffords atmete auf, als sein Pferd die erste Biegung der Paßstraße erreichte. Der Postmeister wandte sich im Sattel um. Von der Station konnte er nichts mehr erkennen. Dafür sah er Cochises breites Grinsen. »Hellauge, dein Pferd ist ein großer Skalpjäger«, sagte der
Häuptling und lachte amüsiert. »Warum trägt die weiße Frau fremde Haare auf ihrem Kopf, mein Freund?« Thomas tat sich einigermaßen schwer mit seiner Erklärung. Aber auch bei den Apachensquaws gab es vereinzelt Fälle von Eitelkeit, so daß Cochise die Antworten seines Freundes begriff. Bald hatten die Reiter die Paßstraße hinter sich gebracht. Der Weg führte durch flaches Land, das von der Sonne ausgetrocknet war. Der Wind trieb Staubwolken hoch und nach Südwesten. Vereinzelt wucherten Mesquitebüsche und Ocotillos, die ihre Blätter schon abgeworfen hatten. Seit dem letzten Regen waren Wochen vergangen. Diese Büsche warfen die Blätter ab, aber sie überlebten. Endlich erreichten Cochise und Jeffords die Dragoon Mountains. Der Jefe übernahm die Führung. Er ritt eine andere Strecke als Thomas vor kurzer Zeit. Links und rechts ragten brüchige Gesteinssäulen auf. Geröllberge versperrten wie massive Felswände den Trail, doch immer wieder fand Cochise einen Pfad hindurch. Nach mehr als einer Stunde zügelte der Häuptling sein Pferd und blickte zu einer Hochebene hinüber, die von zahllosen Gesteinstrümmern übersät war. Jeffords parierte seinen Schimmel neben Cochises Pony und kniff die Lider zusammen. Die Sonne blendete den Postmeister, trotzdem entdeckte er die vier Reiter, die quer über das Plateau kamen. »Ihre Pferde sind müde«, sagte Cochise. »Am Rand der Mesa gibt es Wasser. Selbst wenn die Männer die Quelle nicht finden, die Tiere wittern sie. Sie werden rasten, Hellauge.« Der Häuptling funkelte Thomas an und fragte: »Kommst du mit? Ich will hören, was die Bleichgesichter in meinem Land suchen.« Jeffords runzelte die Stirn. Er hielt Cochises Vorschlag für ein unnötiges Risiko. Ihr Weg lag doch klar vor ihnen, genauso
klar wie die Aufgabe, die sie sich selbst gestellt hatten. »Warum zögerst du, Hellauge?« fragte der Jefe mit Spott in der Stimme. »Ich zeige dir, wie sich ein Apache anschleicht. Du brauchst mir nur zu folgen und dich so zu bewegen wie ich.« Jeffords wiegte seinen Kopf. »Ich komme mit«, antwortete er schließlich, »aber ich halte es trotzdem für gefährlich.« Cochise winkte verächtlich ab und sagte: »Dies ist mein Land, dies sind meine Berge, und kein Bleichgesicht darf hier ohne meine Erlaubnis umherziehen.« Wenn ich dabei bin, und wir werden entdeckt, dachte Thomas, kann ich vielleicht das Schlimmste verhindern. Denn wenn die Weißen einen Indianer allein erwischen, fließt Blut. Zwei Pferde drängten nach links. Die Reiter ließen den Tieren ihren Willen. Wenig später warfen die beiden Männer ihre Hüte hoch in die Luft und sprangen aus den Sätteln, die anderen Weißen kurz darauf. Einige große Felsen, die wie die Fingereiner Hand in die Luft zeigten, versperrten Cochise und Jeffords die Sicht. »Sie haben das Wasser gefunden«, stellte der Häuptling fest. Er glitt vom Pferd und führte es am Zügel. Thomas saß ebenfalls ab und folgte dem Jefe. Hinter einer flachen Anhäufung von Steinen tat sich ein fast runder Kessel auf. Eine Rampe, gerade so breit, daß ein Pferd darauf gehen konnte, war dem Loch zugeneigt. Nach wenigen Minuten standen Cochise und Jeffords wieder auf der Mesa. »Binde deinen Revolver fest«, forderte der Jefe. Thomas legte die Lederschlaufe um den Hahn. Die Waffe saß unverrückbar im Halfter. Cochise duckte sich. Wie ein geschmeidiges Raubtier glitt er vorwärts. Thomas wartete, bis der Häuptling hinter einem Felskegel verharrte. Nachdenklich blickte der Postmeister auf seine Reiterstiefel. Die hohen Absätze, die den Füßen in den
Steigbügeln Halt gaben, behinderten ihn diesmal. Entschlossen zog Thomas die Stiefel aus und legte sie neben eine flache Gesteinsplatte an den Rand des Kessels. Erst danach folgte Jeffords dem Chief der Chiricahuas. »Du solltest Klapperschlangen aus dem Weg gehen«, riet Cochise und deutete auf die Socken des Postmeisters. Der verzog das Gesicht und winkte ab. »Los, geh schon. Mit den Stiefeln hätte ich uns verraten.« Der Jefe glitt wieder vor. Nach ungefähr 100 Yards lagen die Deckungen weiter voneinander entfernt. Cochise machte sich flach. Geschickt wie eine Schlange wand er sich voran. Thomas blickte ihm nach. Der Rücken des Häuptlings ragte zwei Inches über den schützenden Stein hinaus. Aber das hirschlederne Hemd besaß fast die gleiche graue Farbe wie der Fels. Nur ein Indianer hätte den Unterschied bemerkt. Langsam folgte Thomas dem Häuptling. Cochise legte zwei Finger auf die Lippen, als der Weiße neben ihm zu Boden ging. Jeffords nickte. Er spürte den Gluthauch im Nacken. Sie durften nicht einmal mehr flüstern, denn der Wind trug jedes Geräusch mit sich zum Rand der Mesa, dorthin, wo die vier Weißen lagerten. Stück für Stück arbeiteten sich Jeffords und Cochise an die Gruppe heran. Sie waren den Männern schon so nahe gekommen, daß sie die Stimmen unterscheiden konnten. Aber noch vernahmen Thomas und der Häuptling die Worte der Fremden nur als verschwommene Geräusche. Cochise kroch zur Seite und winkte mit der Hand. Lautlos schob sich Thomas an seine Seite. Er begriff sofort, was der Apache erklären wollte. Ein schmales, ausgetrocknetes Bachbett gabelte sich ungefähr drei Längen vor ihnen. Cochise deutete auf Jeffords und auf den rechten Arroyo. Vorsichtig kroch Thomas weiter, tastete mit den Fingerspitzen den Boden vor sich ab und warf etwas Staub auf. Fasziniert sah Thomas zu, wie der Wind den pulverfeinen
Dreck mitnahm und als graue Fahne vor sich hertrieb. Jeffords wandte den Kopf, aber der Jefe war bereits verschwunden. Thomas holte tief Luft und bewegte sich nur ganz langsam vorwärts. Es gelang ihm, kaum Staub aufzuwirbeln. Heiß brannte die Sonne auf seinen Rücken. Schweiß rann ihm vom ungeschützten Nacken zu beiden Seiten des Halses herab, und das Hemd klebte ihm am Leib. Aber Thomas Jeffords gab nicht auf. Er arbeitete sich robbend weiter. Aber plötzlich blieb er reglos liegen und starrte die Spuren im Sand vor sich an. Im Bruchteil einer Sekunde blitzte der richtige Gedanke in seinem Kopf auf. Ohne lange zu überlegen wußte Thomas, was die spiralförmigen Spuren bedeuteten. Hier hatten sich Klapperschlangen gesonnt. Im heißen Sand ließen sie die Wärme auf sich einwirken und harrten der Beute. Unwillkürlich verstärkte sich Jeffords Schweißausbruch. Zögernd fingerte Thomas nach dem Colt. Mit einem Seufzer löste er die Hand vom Griff der Waffe. Ein Schuß hätte ihn und Cochise unweigerlich verraten. Hoffentlich kommt das Biest nicht gerade jetzt zurück, dachte Jeffords besorgt und setzte sich wieder in Bewegung. Doch als er mit dem Oberkörper auf der Spur lag, hörte er das durchdringende Rasseln der Klapperschlange. Wie erstarrt blieb Thomas liegen. Behutsam wandte er den Kopf. Links von ihm glitt das Reptil heran, richtete sich etwas auf und ließ die gespaltene Zunge im Wind spielen. Eine einzige Bewegung genügte, und die Schlange konnte ihren armdicken Leib nach vorn schnellen und zustoßen. Schweiß perlte Thomas in die Augen, brannte und ließ ihn blinzeln. Er hoffte, daß der Schlange die winzigen Bewegungen entgingen. Da, was war das? Der Kopf des Tieres zuckte herum, pendelte heftiger, und das Rasseln verstärkte sich noch.
Thomas sah eine verwischte Bewegung, eine Fächer aus Federn, der plötzlich in die Luft steilte und erkannte, was da heransauste: ein Rennkuckuck. Und der aufgestellte Schwanz diente als Bremse. Dicht neben dem Kopf der Klapperschlange kam der Vogel zum Stehen. Als das Reptil vorschnellen wollte, hieb der Rennkuckuck mit seinem starken Schnabel zu. Die Klapperschlange war tot, lag zusammengerollt vor ihrem Feind, der sich über seine Beute hermachte. Argwöhnisch hob der Vogel den Kopf hoch, legte ihn schräg und beobachtete den Menschen, der in kurzer Entfernung weiterkroch. Erst als Thomas mehr als drei Längen zwischen sich und das Tier gebracht hatte, setzte es seine Mahlzeit fort. Es kam Jeffords so vor, als wäre die Luft feuchter geworden. Flach atmete er dicht über dem Boden ein, bohrte einen Finger in den Sand und stellte fest, daß er nicht mehr aufstob. Jeffords war in die Nähe der Quelle gelangt. Nun unterschied er auch die Stimmen der Goldsucher. »Hoffentlich finden wir das Tal«, sagte ein Mann mit altem, brüchig klingendem Organ. »Ich ziehe seit über zehn Jahren durch diese Wildnis, aber von dem Canyon habe ich nie zuvor was gehört.« »Mann, Old Smoky«, sagte ein anderer, »du kannst doch nicht jeden Stein kennen. Glaubst du, daß die Geschichte nicht stimmt?« »Es wird viel erzählt, wenn es um Gold geht«, antwortete der Alte. »Und es wird auch 'ne Menge Gold und Silber im Südwesten gefunden«, mischte sich ein dritter Mann ein. »Wir müssen nur aufpassen, daß uns niemand folgt. Sobald wir das versteckte Tal gefunden haben, müssen zwei nach Tombstone reiten und die Claims anmelden. Die beiden anderen bewachen das Gebiet.« »Du hast ja große Pläne«, sagte der vierte Mann, »noch
wissen wir nicht, ob das Ganze nicht doch nur ein Sattelgerücht ist. Warum hat der alte Trapper denn niemals Gold eingetauscht, he? Alle kennen ihn nur mit seinen Fellen. Da stimmt doch was nicht.« »Mike, der Schwarzseher«, spottete die helle Stimme eines jungen Mannes. »Ich wette, du glaubst selbst dann nicht daran, wenn wir den gelben Reichtum in den Händen halten.« »Kannst schon recht haben, Kleiner. Immerhin müssen wir anschließend noch heil und gesund nach Tombstone kommen, um das Gold in Dollars zu verwandeln. Dabei kann uns 'ne Menge zustoßen.« »Indianer?« fragte ein anderer nach einer Weile. »Die auch, aber ich denke eher an weißes Gesindel. Sobald die Brüder Gold riechen, heften sie sich an unsere Fersen. Und das bringt die Besitzer dieses Landes auf die Pferde. Dies hier ist Apachenland, Freunde, vergeßt das nicht.« Einen Moment schwiegen die Männer. »Haben wir bisher nur Glück gehabt«, fragte der Oldtimer, »oder sitzen uns die Rothäute schon im Nacken?« »Das weiß kein Aas«, sagte der Bedächtige. »Soviel ich von Apachen verstehe, können sie uns jetzt schon umzingelt haben und warten nur darauf, uns die Skalps abzuziehen.« Drei Revolver- oder Gewehrhähne klickten. »Ihr Narren«, sagte der Mann, der vor Apachen gewarnt hatte, »das nutzt euch einen feuchten Dreck. Einen Apachen seht ihr erst, wenn er sich sehen lassen will. Und dann habt ihr nicht viel Zeit, ihn zu studieren, denn in der nächsten Sekunde seid ihr mausetot.« »Verdammt, du machst uns richtig Mut«, höhnte der jüngere Mann mit nervösem Unterton in der Stimme. »Ich sehe überhaupt nichts, nur Steine und wabernde Hitzeschleier über der Mesa. Warum sollten ausgerechnet hierher Apachen kommen?« »Wasser«, antwortete der erfahrene Goldsucher. »In dieser
Gegend ist das nasse Zeug sehr knapp. Und wo es Wasser gibt, tauchen über kurz oder lang auch Apachen auf. Wir sollten hier möglichst schnell abhauen. Laßt die Pferde noch mal trinken und füllt alle Flaschen und Schläuche.« Thomas hörte unterschiedliche Geräusche. Es dauerte nicht lange, bis die Goldsucher zum Aufbruch bereit waren. »Wohin jetzt?« fragte jemand. »Wir halten uns westlich«, antwortete der Anführer der Gruppe. »Dort durchziehen viele Canyons die Berge. Wir können jahrelang suchen, so viele Schluchten gibt's hier. Warum habe ich mich bloß auf diesen verrückten Ritt eingelassen?« Die Pferde gingen an. Deutlich hörte Thomas das Klirren der Hufeisen auf dem Gestein. Er riskierte es und richtete sich etwas auf. Die vier Reiter waren schon ungefähr 15 Yards entfernt. Ihre Pferde sahen kräftig und zäh aus, und die Ausrüstung war die von erfahrenen Goldsuchern. Langsam sank Jeffords in das trockene Bachbett zurück und drehte sich vorsichtig um. Verblüfft blickte er in Cochises dunkle Augen. Thomas hatte nicht das Kommen gehört. Der Apachenhäuptling stand auf und setzte sich auf den Rand des Bachbetts. »Sie suchen das Tal, Hellauge«, sagte der Jefe. »Ich glaube nicht, daß sie es finden. Und wenn, so ist uns eigentlich geholfen. Denn es gibt dort sicher kein Gold.« Nun war es der Chief, der den Freund ermahnte: »Hast du nicht selbst gesagt, daß ein Gerücht genügt, um die Gier der Weißen anzustacheln? Wir müssen dorthin und suchen, Hellauge. Wir müssen uns davon überzeugen, daß da kein gelbes Metall zu finden ist. Erst dann kannst du diese Bleichgesichter davon überzeugen. Wenn du erzählst, du habest mit eigenen Augen gesehen, daß es kein Gold gibt,
glauben sie dir.« »Ja, du hast recht, Cochise«, sagte Thomas. »Wir müssen zu den Pferden zurück und weiterreiten. Wann erreichen wir den Canyon der Seufzer?« Der Jefe blickte zur Sonne und antwortete: »In zwei Stunden, mein Freund. Und in noch einmal zwei Stunden wird es dunkel.« Cochise schritt aufrecht zu dem Felskessel, in dem ihre Pferde standen. Wenige Minuten später saßen die Männer auf den Tieren und ritten zur Quelle. Es war ein dünnes Rinnsal, das in ein wannenförmiges Felsbecken mündete. Von dort floß das Wasser langsam ab und sickerte dicht am Rand der Mesa in den Boden. Thomas beugte sich vor und sah saftige Kräuter und das weißrindige Fettholz. »Wir folgen einem anderen Weg«, sagte Cochise und deutete nach Süden. »Dort zweigt ein Felsenpfad ab, der uns direkt in den Canyon der Seufzer führt.« Die Pferde trabten an. Der Häuptling warf einen Blick auf die Überreste der toten Klapperschlange und schaute zu Jeffords. Zufrieden registrierte der Jefe, daß der Postmeister keine Miene verzog. * Jeffords saß entspannt im Sattel. Die Schimmelstute folgte Cochises Hengst mit kleinen Schritten. Obwohl der Feisenpfad schmal war, setzte das Pferd die Hufe traumwandlerisch sicher. Thomas ließ die grandiose Umgebung auf sich einwirken. Zahllose winzige, enge Schluchten, die kaum einem Menschen Raum boten, durchzogen die Felsen der Dragoon Mountains. Hier und da wucherten Kakteen, und zähe Büsche klammerten sich mit ihren Wurzeln in Spalten fest, in die der Wind Erde geweht hatte.
Gesteinssäulen ragten himmelhoch auf, warfen ihre Schatten weit in die Schluchten und wirkten wie drohende, mahnende Finger. Endlich erreichten Cochise und Jeffords den Canyon der Seufzer. Thomas lenkte sein Pferd neben das des Jefe. Forschend blickte Jeffords den Häuptling der Chiricahuas an. Er wirkte auffallend ernst. Cochise sah zur Seite und sagte: »Es klingt in meiner Seele, Freund Hellauge. Dieses Tal ist nicht gut für mich.« Thomas dachte an die beiden Jesuitenpadres, die vor mehr als 100 Jahren hier von Cochises Vorfahren grausam zu Tode gemartert worden waren. Jeffords spürte, wie ihn Unbehagen beschlich. Er wandte den Kopf, musterte jeden Felsen, jeden Einschnitt und jeden Quadratyard des Bodens und rief sich energisch zur Ordnung. Er durfte sich nicht vom Aberglauben der Apachen anstecken lassen. Selbst Cochise kämpfte gegen die mysteriösen Kräfte seines Innern an, die auch in dem weitsichtigen, klardenkenden Häuptling alles beherrschten, was mit dem Tod und dem jenseitigen Reich zu tun hatte. Cochise zügelte seinen Hengst vor der steilen Granitwand, die Thomas bereits kannte und sprang zu Boden. Verwundert sah der Jefe seinen weißen Freund an und fragte: »Warum willst du gehen? Bleib im Sattel, der Hohlweg bietet Raum genug.« Stirnrunzelnd beobachtete Jeffords, wie sich Cochise etwas nach vorn beugte und sein Pferd in den engen Spalt lenkte, der links hinter der Felswand in das versteckte Tal führte. Thomas saß wieder auf und klopfte der Stute den Hals. Sie schnaubte leise und ging los. Instinktiv zog Thomas den Kopf ein, als er durch den Hohlweg ritt. Aber Cochise hatte recht. Es war nicht nötig, zu Fuß zu gehen. Der Jefe erreichte den Ausgang und lenkte den Hengst zur Seite. Thomas verhielt seinen Schimmel und blickte in das Tal.
»Wir sind allein«, sagte Cochise. »Reiten wir zur Hütte. Ich kam von dort, als ich den Trapper fand.« Der Häuptling deutete nach Nordwesten. »Ich nahm den kürzesten Weg zu meinem Volk«, fuhr er fort. »Aber ich stieß auf Bü, den Boten der Götterwelt. Und zugleich vernahm ich das Klagen und Wimmern, mein Freund.« Cochise saß ruhig auf seinem Pferd. Aber Thomas spürte deutlich, daß der Apache innerlich stark bewegt war. »Ich entdeckte etwas Helles. Als ich näher gekommen war, sah ich, daß dort ein Weißer lag. Seine Arme und Beine waren weit zu den Seiten hin ausgestreckt. Hände und Füße des Weißen hatten seine Feinde an Pflöcken befestigt. Ich befreite den Mann und gab ihm Wasser. Er kam zu sich und sagte, daß ihn fünf Mimbrenjos überfallen hatten. Ich brachte ihm aus seiner Hütte Kleidung, aber er war zu schwach. Der Fallensteller kannte mich. Sein Name ist Bill Mader. Er sagte, die Mimbrenjos hätten mich kommen sehen und die Flucht ergriffen. Sie fürchteten meinen Zorn, weil sie in meinen Bergen gejagt hatten. Ich brachte Bill Mader in seine Hütte, erlaubte ihm, weiterhin hier Fallen zu stellen. Als ich davonritt, lebte er noch.« Jeffords nickte bedächtig. Er glaubte Cochise, hatte keinen Grund, an dessen Worten zu zweifeln. Und doch hatten Thomas und der Rote Elch nur ein Skelett gefunden. Weder an den Knochen noch am Schädel waren Verletzungen zu erkennen gewesen. »Wer hat ihn getötet?« fragte Jeffords. »Sind die Mimbrenjos vielleicht zurückgekommen?« Cochise schüttelte den Kopf und antwortete: »Bestimmt nicht. Sie wußten, daß ich in der Nähe war.« »Dann ist der Trapper an seinen Verletzungen gestorben«, sagte Thomas. Abermals schüttelte der Jefe den Kopf.
»Er war verletzt und geschwächt«, sagte Cochise. »Doch er hätte es schaffen müssen, Hellauge. Ich glaube nicht, daß er an den Verletzungen durch die Pflöcke starb.« Thomas sah den Chief nachdenklich an und sagte: »Natürlich, du hast recht. Nach dir hat der Alte noch mehr Besuch gehabt. Wie sonst konnte es zu dem Gerücht der großen Bonanza kommen?« Der Häuptling überlegte und fragte: »Du glaubst, Weiße haben Bill Mader gemartert, bis er von Gold redete?« Jeffords lächelte grimmig. Seine hellen Augen wirkten auf einmal kalt und hart. »Weiße sind zu allem fähig, wenn sie Gold wittern«, erwiderte er verächtlich. »Sie benehmen sich schlimmer als wilde Tiere. Sie sehen nur noch den gelben Dreck, die ganz große Chance vor sich, Cochise. Und nichts, gar nichts soll sie von ihrem Ziel abhalten.« »Suchen wir das Tal ab«, schlug der Apache vor. »Vielleicht finden wir noch eine Spur.« Der Anführer der Chiricahuas ritt nach links. Er ließ seinen ungesattelten Hengst im Schritt weite Bögen gehen und suchte den Boden ab. Jeffords nahm sich die rechte Hälfte des fruchtbaren Tales vor. Aber als sie wieder bei der Hütte zusammentrafen, hatten sie nichts entdeckt. »Merkwürdig«, überlegte Thomas laut, »als ich hier war, fand ich noch eine Menge Felle. Sie lagen zum Abtransport bereit. Warum haben die Kerle, die Bill Mader ermordeten, diese Beute nicht mitgehen lassen?« Cochise wußte keine Antwort. Er musterte die Felswände und überlegte, wo es hier das begehrte Metall geben konnte. »Suchen wir die Goldader«, sagte der Jefe dann. »Vielleicht hatte der Fallensteller wirklich Glück, Hellauge.« Jeffords war skeptisch. Soviel er von der Sache verstand, gab es hier kein Geld. Die Felsenüberhänge sahen anders als die
Formationen aus, in denen Gold geschürft wurde. Aber Thomas ritt seine Seite des Tales langsam ab und suchte aufmerksam nach Spuren von Hämmern, Meißeln oder Sprengungen. »Nichts«, sagte er zu Cochise, als sie nach einer halben Stunde wieder die Hütte erreichten. »Überhaupt nichts, Cochise. Hier gibt es weder Gold noch Schürfspuren. Die Legende von der reichen Ader ist wirklich nur eine Legende.« Der Häuptling runzelte die Stirn. »Aber dieses Gerücht lockt die Weißen an«, sagte er. »Sie streifen durch meine Berge, Hellauge. Wie begegnen wir den Eindringlingen?« Thomas lächelte und antwortete: »Ich setze ein weiteres Gerücht in die Welt. Das heißt, ich sage die Wahrheit. Ich verbreite, daß ich den sagenhaften Canyon gefunden habe, was ja auch stimmt. Und ich erzähle haargenau, was ich hier fand: ein Skelett, eine halb verfallene Hütte mit kärglicher Einrichtung und ein paar Stapel Felle und Fangeisen. Aber keine Spur von Gold. Du wirst sehen, in zwei, drei Wochen läßt das Interesse der goldhungrigen Weißen an diesem Tal nach.« »Hoffentlich«, sagte Cochise, »vielleicht glauben dir die Männer nicht. Du sagst selbst, daß sie nicht mehr klar denken können, wenn Gold im Spiel ist. Vielleicht wollen sie sich selbst davon überzeugen, daß hier wirklich nichts ist.« Thomas blickte den Jefe lange an. »Das ist dein Land, Häuptling«, sagte der Postmeister, »das Gebiet der Chiricahuas. General Howard hat euch garantiert, daß ihr hier unbehelligt bleibt und nach der Art eurer Vorfahren leben dürft.« Mehr sagte Thomas nicht. Er wußte, daß Cochise ihn verstand. Und Jeffords wußte auch, daß die Krieger jeden Eindringling töten würden. »Reiten wir zurück, Hellauge«, sagte der Häuptling. »Hier
finden wir nichts.« Sie lenkten ihre Pferde in den Hohlweg und gelangten in das Tal der Seufzer. Der große Canyon bot zahllose Verstecke und Schlupfwinkel, denn das Gestein war verwittert und zerklüftet. Plötzlich zügelte Cochise seinen Hengst. Sofort parierte auch Jeffords seinen Schimmel und lauschte. Hufschlag näherte sich. »Wir sind weit genug weg vom kleinen Tal«, sagte Thomas. »Außerdem gibt es hier viele Wege, die hinein und hinaus führen. Was soll's also?« Im Schritt ließen sie die Pferde weitergehen. Sie ritten genau in der Mitte des Weges, der nach etwa 40 Yards eine Biegung beschrieb. Thomas tastete nach seinem Revolver und löste die Schlinge vom Hahnsporn. Der Hufschlag wurde lauter. Fünf Reiter rissen zugleich an den Zügeln, als sie den Weißen und den Indianer sahen. Auch Jeffords und Cochise verhielten ihre Pferde. Die beiden Gruppen standen sich nicht mehr als zehn Yards gegenüber. * Die Fremden wirkten nicht vertrauenerweckend. Sie waren unrasiert, und ihre Kleidung hatte schon bessere Zeiten gesehen. Thomas blickte unauffällig zu den Waffen. Soweit er feststellen konnte, waren Revolver und Gewehre gut gepflegt. Aber auch das war noch kein Beweis dafür, daß die fünf Männer auf der anderen Seite des Zaunes standen. Denn dies war Apachenland, und jeder hielt seine Waffen in Ordnung. Sie konnten ihm das Leben retten. Wasser diente zuerst für Mensch und Tier als Durstlöscher. Ungepflegtes Äußeres war in der Wildnis die Regel. Doch Jeffords gefielen die Visagen der fünf nicht. Die Kerle
blickten sich an, schienen sich wortlos zu verständigen und fingerten an den Colts herum. »Na so was«, sagte einer von ihnen nach langen Sekunden des Schweigens, »da denkt man, man ist ganz allein, und schon trifft man einen Reiter.« »He, Mister«, fragte ein untersetzter Typ heiser, »hast du Schwierigkeiten mit der Rothaut? Hat er dich in der Klemme? Ein Wort genügt, verstehst du?« Jeffords drängte den Zorn, der plötzlich in ihm aufstieg, zurück. Er zwang sich zu einem Lächeln, als er antwortete: »Hallo, Gentlemen, ich bin genauso überrascht wie Sie. Mein Fährtensucher scheint 'nen schlechten Tag zu haben. Wir bekamen rein gar nichts vor die Mündung. Das Wild scheint uns gewittert zu haben.« »Ah, auf der Jagd?« fragte einer der fünf. »Ja, Sie nicht?« antwortete Thomas gleichmütig. Abermals sahen sich die Burschen an, als verständigten sie sich. »Sicher, Mann, sicher«, sagte der Stämmige. »Habt ihr wirklich nichts gefunden?« »Leider nicht«, erwiderte Jeffords. Er bemerkte deutlich die mißtrauischen Blicke, die dem Apachen Cochise galten. »Vielleicht haben wir mehr Glück«, sagte einer der Rauhbeinigen. »Wenn wir uns auch keine Rothaut als Fährtensucher erlauben können, so sind wir doch entschlossen, Beute zu machen.« »He, Big Sloop«, rief der Reiter, der ganz links auf einem Rappen saß, »was ist mit dem Indsman? Sieht mir verdammt nach Apache aus. Aber er ist zu groß, denke ich. Machen wir uns 'nen Spaß?« Jeffords umklammerte den Griff seines Revolvers. »Was soll das heißen?« fragte er lauernd. Der Rothaarige kicherte. »Nur ein toter Indianer ist ein guter
Indianer. Kennst du den Spruch nicht?« Aus den Augenwinkeln beobachtete Thomas den Jefe. Kein Muskel regte sich in Cochises Gesicht. Er verstand die Sprache der Weißen genausogut, wie er Spanisch und die Stammessprache beherrschte. »Mann, laßt meinen Scout in Ruhe«, sagte Thomas. »So einen finde ich so schnell nicht wieder. Er kennt eine Menge Wasserstellen. Der Mann ist nicht mit Gold aufzuwiegen.« Drei der Fremden lachten laut und gemein auf. »Mann?« echote einer. »Mister, das sind doch Tiere, rote Stinker, für die 'ne Kugel schon zu teuer ist.« »Tim, das ist nicht unsere Sache«, wies der Anführer der Gruppe den Großmäuligen zurecht. »Wenn der Mister Spaß daran hat, sich 'ne Rothaut zu halten, so ist das seine Sache, klar?« Die anderen nickten und machten verdrossene Gesichter. Wahrscheinlich stand ein Indianer bei ihnen noch unter einem Chinesen. Sie gehörten zu jener Sorte, die nur weiße Haut akzeptierten, gleichgültig wie schlecht oder verdorben sie war. »Bleiben Sie in der Gegend?« fragte der Anführer der Gruppe etwas zu gleichgültig, wie Thomas fand. »Wenn wir eine gute Fährte finden, vielleicht«, antwortete der Postmeister. »Aber wahrscheinlich ist das Wild auf und davon.« Der Rothaarige ließ sein Pferd einen Schritt weitergehen. Zornig starrte er Jeffords an. »Willst du damit sagen, daß wir das Wild verjagt haben?« fragte der Kerl wütend. Thomas kannte die Sorte, zu der dieser Bursche gehörte. Er war auf einen Streit aus. Und wenn er sich genügend in Rage gebracht hatte, hielt ihn nicht mal mehr sein Anführer zurück. Dann knallte es, dann floß Blut. Und das alles nur, weil dieser rothaarige Narr verrückt nach einem Kampf war. Jeffords schüttelte den Kopf und zwang sich ein Lächeln ab.
»Mister, wir sind schon seit Tagesanbruch unterwegs. Bisher haben wir nicht mal 'ne Klapperschlange zu sehen bekommen.« »Red, zurück!« befahl der Stämmige scharf. »Wir sind nicht hier, um Ärger zu suchen. Das weißt du genau.« Thomas war klar, daß die fünf Kerle den Jefe nicht erkannten. Vielleicht war das gut so. Denn Burschen von ihrer Art hätten bestimmt zu den Colts gegriffen, wenn sie gewußt hätten, daß sie vor Cochise standen. »Walt, mir gefallen die beiden nicht«, hetzte Red. »Wie kann sich ein weißer Mann nur mit 'ne Rothaut abgeben? Da stimmt doch was nicht. Ich will wissen, woher sie kommen, was sie hier suchen.« Cochises dunkle Augen funkelten zornig. Thomas erkannte, daß der Stolz des Jefe bald stärker als die Beherrschung wurde. In der Sprache der Chiricahuas sagte Thomas leise: »Ich bitte dich, laß dich zu nichts hinreißen, Freund. Ich möchte feststellen, was die Kerle hier suchen.« Der Häuptling nickte. Er verstand, was Jeffords wollte. »He, Red, hör zu«, sagte der Postmeister mit einem harten Unterton in der Stimme, »es geht dich einen Dreck an, was ich hier mache. Es geht dich noch weniger an, warum ich den Indianer bei mir habe. Begreifst du das, Freundchen?« Der Rothaarige grinste breit. In seinem Gesicht stand die Genugtuung geschrieben, daß er nun einen Grund hatte, diesen fremden Kerl herauszufordern. Aber bevor der Schießer loslegen konnte, drängte der Stämmige sein Pferd hinüber. Als Red zum Revolver griff, packte der Anführer des Rudels blitzschnell zu. »Verdammt, Big Sloop, was soll das? Glaubst du, ich ließe mich von 'nem hergelaufenen Indianerfreund beleidigen? Nimm die Hand weg, los! Ich verpasse dem Kerl 'ne Kugel.« Thomas zog ganz gemächlich seinen Revolver und spannte den Hahn. »In Ordnung, Mister, laß ihn nur los«, sagte Jeffords kalt.
»Na, wo ist dein großes Maul jetzt, Red?« Der Rothaarige kochte vor Wut. Aber er hatte den Hahn noch nicht gespannt, und zum anderen hielt Big Sloop Reds Handgelenk in eisernem Griff. Der Stämmige sagte zu Thomas: »Mister, er ist ziemlich hitzig. Wir sind schon 'ne ganze Weile unterwegs, und Red ist immer sehr nervös, wenn ihm was begegnet, mit dem er nicht gerechnet hat. Ich möchte keinen Ärger, wahrhaftig nicht, und ich will Ihnen auch keinen Befehl geben. Aber ich denke, Sie sollten jetzt besser weiterreiten. Sie verstehen mich?« Jefford nickte. O ja, er verstand sehr gut. Er begriff sogar mehr, als der Stämmige ahnte. Denn diese fünf Burschen hatten einen besonderen Auftrag, sonst hätten sie sich nicht so benommen. Und wenn es kein Auftrag war, so folgten sie doch einem bestimmten Plan. Der Anführer wollte keinen Stunk. Sicher dachte er an den Indianer. Wenn der entkam, konnte es für die fünf Weißen schlimm werden. »Sie sollten ihn am kurzen Zügel halten«, sagte Jeffords. »Sonst stopft ihm eines Tages jemand sein großes Maul mit Blei.« Thomas preßte seiner Stute die Hacken in die Flanken. Cochises Hengst ging zur gleichen Zeit an. Die beiden Pferde fielen in Trab. Jeffords spürte, daß Schweiß in seinen Nacken lief. Der Postmeister wartete auf das Krachen eines Schusses, doch nichts geschah. Die Fremden ließen ihn und Cochise ungehindert weiterreiten. Sie erreichten die Biegung, umrundeten sie und blickten kurz zurück. Kein Reiter folgte ihnen. Aber die fünf Männer hatten ihren Tieren ebenfalls die Zügel freigegeben. »Ich möchte wissen, wohin die Halunken wollen«, sagte Thomas zu Cochise. »Am liebsten würde ich sie verfolgen.« Der Jefe lächelte und wiegte den Kopf: »Du glaubst, daß sie Bill Maders Mörder sind?« »Ja.«
»Du willst wissen, ob sie das kleine Tal kennen«, sagte Cochise. »Gut, folge mir, Hellauge. Der Canyon der Seufzer hat viele Verstecke. Wir können die Pferde nicht mitnehmen.« Der Jefe lenkte seinen Hengst zwischen halbhohe Felsklippen und war wie vom Erboden verschwunden. Thomas zupfte am Zügel. Die Stute folgte willig. Nach etwa 20 Yards parierte der Postmeister den Schimmel, denn Cochise war abgesessen. »Wir müssen die Pferde führen«, erklärte der Häuptling. »Wir bringen sie in ein Versteck, das nur die Apachen kennen.« Cochise sah Thomas ernst an. »Ich respektiere eure Geheimnisse«, sagte Jeffords. »Ich werde sie nur ausnutzen, wenn es nicht anders geht. Das verspreche ich dir.« Der Jefe nickte, setzte sich in Bewegung und hielt seinen Hengst kurz am Zügel. Der Pfad war so schmal, daß eigentlich nur Bergziegen sicheren Halt finden konnten. Thomas blickte nicht nach rechts. Dort gähnte der Abgrund. Ein einziger Fehltritt des Pferdes, und es war um das Tier geschehen. Und dann riß es auch seinen Herrn mit in die Tiefe. Doch die Schimmelstute setzte sicher Huf vor Huf. Cochise bog auf einmal scharf nach links ab. Beinahe wäre Thomas weitergegangen, denn die Felsspalte war kaum zu sehen. Er führte sein Pferd hinein. Die Luft war feucht. Im Halbdunkel schimmerte ein Teich. Tropfen fielen von der Decke der Höhle, und an der Rückwand rann Wasser herab. »Hier sind die Tiere sicher«, sagte Cochise. »Sie haben genug zu trinken. Allein werden sie nicht hinausgehen. Komm, Hellauge, ich führe dich durch den Canyon der Seufzer, aber auf den Pfaden der Chiricahuas. Laß dein Gewehr hier. Es behindert dich nur.« Thomas klopfte seiner Stute den Hals, warf ihr die Zügel über den Kopf und folgte Cochise, der lautlos zum Ausgang
glitt. * Der Häuptling ging den Felspfad weiter bergauf, der vor mehr als einer mannshohen Geröllbarriere kaum fußbreit endete. Zweifelnd blickte Thomas den Jefe an, als der zielsicher auf die Sperre zuging. Nach dem ersten Schritt rutscht das Gestein nach und verschüttet uns, dachte Jeffords. Cochise kletterte ohne Zögern über die Halde, und nicht mal ein Felssplitter löste sich unter seinen Füßen. Als der Jefe auf dem Kamm stehenblieb und zurückblickte, lächelte er über Jeffords verblüfften Gesichtsausdruck. »Komm, Hellauge, aber weiche nicht von dem Weg ab, den ich nahm«, sagte der Häuptling. Nur unwillig kam Thomas der Aufforderung nach. Einmal wankte ein Stein unter ihm, aber als der Postmeister behutsam sein Gewicht verlagerte, gewann er festen Halt. »Das ist unglaublich«, sagte er, als er auf der Kuppe der Barriere neben Cochise war. »Niemand vermutet einen sicheren Weg in diesem steinigen Gelände. Für einen Verfolger verschwindest du spurlos, wenn du einen kleinen Vorsprung hast.« Cochise lächelte, als er sagte: »Wir nutzen nur das aus, was die Natur geschaffen hat. Aber die Bleichgesichter sind blind und taub, die meisten wenigstens. Mein Freund Falke sieht mehr als die übrigen Bleichgesichter, aber auch er ist noch lange kein Apache.« Falke – so nannte Cochise den Scout John Haggerty. General Oliver O. Howard hatte ihn zum Lieutenant gemacht und neben Al Sieber zum Chiefscout ernannt. Nur Haggerty war es zu verdanken gewesen, daß Cochise in einer elftägigen Verhandlung mit Howard sechs Monate Frieden zugesichert
hatte. Aber obwohl der große Jefe als oberster Führer aller Apachen galt, hielten sich doch nur seine Chiricahuas an die Befehle. Die anderen Jefes, Victorio von den Mimbrenjos und Santana von den Tontos, blieben erbitterte Feinde aller Weißen im Südwesten. Zudem war Victorio der größte Rivale im Machtkampf um die Oberherrschaft. Cochises Vorgänger Mangas Coloradas war ein Mimbrenjo gewesen. Und Victorio vertrat die Ansicht, daß wieder ein Mimbrenjo alle Stämme führen sollte. Aber Cochise kannte die Macht der Weißen. Ihm war längst klargeworden, daß die Apachen einen verzweifelten Kampf führten. Er ahnte, daß der Untergang seines Volkes nur noch eine Frage der Zeit war. Oft sagte Cochise: »Wir töten hundert Bleichgesichter, aber tausend folgen ihnen in dieses Land, das uns gehört.« Die angestammte Lebensweise der Apachen war dem Untergang geweiht. Cochise wollte nur, daß die Stämme mit möglichst wenig Verlusten diese Vertreibung überstanden. Vielleicht träumte er davon, daß der Große Geist eines Tages alle Weißen hinwegfegte und das weite Land seinen roten Kindern zurückgab. Wer wußte das schon. »Siehst du den Pfad?« fragte der Jefe. Jeffords kniff die Lider etwas zusammen. Sie standen hoch in den zerklüfteten Randfelsen des Canyons. Wie ein gewaltiger Buckel wölbte sich ein blanker Felsrücken und versperrte die Sicht in das Tal der Seufzer. Thomas deutete zu diesem Rücken und sagte: »Dort, am Fuße der Wölbung, denke ich.« Cochise nickte zufrieden. Auch Hellauge gehörte zu den Weißen, die mit offenen Augen durch die Welt zogen. Mit federnden Schritten ging der Häuptling voran. Als er plötzlich verschwand, runzelte Jeffords die Stirn. Aber er
kannte inzwischen die Tricks und hielt nach einer Felsspalte Ausschau. Er fand eine glatte, wie poliert wirkende Rinne, die sich durch den gewölbten Gesteinsrücken wie eine tiefe Furche zog. Cochise lag auf dem Bauch und wartete. Als er hörte, daß sein weißer Freund hinter ihm zu Boden ging, kroch der Jefe los. Er bewegte sich geschmeidig wie eine Schlange voran und hob sich nie so weit vom Boden, daß Kopf oder Schultern über die Ränder der Rinne ragten. Thomas' Muskeln verkrampften sich, als er die halbe Strecke zurückgelegt hatte. Er zischelte. Sofort blieb Cochise reglos liegen. »Du kannst sprechen, aber leise«, raunte er. »Ich muß ein paar Minuten warten«, sagte Jeffords und verwünschte seine Schwäche. Aber es war nicht jedermanns Sache, sich wie eine Schlange oder Schildkröte kriechend zu bewegen. Cochise gab Thomas etwa fünf Minuten, ehe er weiterglitt. Thomas holte tief Luft und folgte dem Häuptling. Endlich hatten sie das Felsengebiet durchquert und gelangten in eine Steinformation, die unüberwindlich schien. Nadelscharfe Felsspitzen ragten wie die Splitter einer Flasche dicht nebeneinander auf. Einzelne Kegel erreichten die Höhe eines ausgewachsenen Mannes. Cochise wartete, bis Thomas hinter ihm stehenblieb und sagte: »Du mußt deine Füße genau in meine Spur setzen, Hellauge, sonst bist du verloren.« Langsam ging der Apache voran. Jeffords war froh, nicht mehr auf dem Bauch kriechen zu müssen. Er blieb dicht hinter Cochise. Obwohl er sich bemühte, genau auf dieselben Stellen wie der Jefe zu treten, spürte er doch ab und zu, daß sich die scharfen Spitzen in seine Stiefelsohlen bohrten. »Jetzt wird es leichter«, raunte der Häuptling, als sie das Hindernis hinter sich gebracht hatten. Vorbei an hausgroßen Felsen arbeiteten sich die beiden
Männer weiter vor. Thomas wandte sich um und erkannte, daß sie dicht am Rand des Tales sein mußten. »Dort hinten, siehst du die drei Steinsäulen?« fragte Cochise und wies mit der Hand auf eine Gruppe hoch aufragender Felsen. »Dort ist das Ende des Tales.« Minuten später sank der Jefe zu Boden und schob sich dicht an den Rand des Abgrundes. Thomas rutschte neben Cochise und hielt sekundenlang den Atem an. Von seinem Standort aus überblickte er fast das ganze letzte Drittel des Canyons der Seufzer. Die steile Felsplatte, die scheinbar den Abschluß des Tales bildete, schien zum Greifen nahe zusein. »Die Bleichgesichter sind noch nicht vorbeigeritten«, sagte Cochise. Sie brauchten nicht lange zu warten. Nach wenigen Minuten hörten sie Hufschlag. Im Schritt gingen die Pferde der fünf Kerle genau in der Mitte des Tales. »Ich denke, das sind die Mörder des Trappers«, flüsterte Thomas Cochise zu. »Was suchen die Burschen hier?« Der Jefe antwortete nicht. Gespannt beobachteten er und Jeffords, wie die Reiter ihre Pferde auf die linke Seite der Felsspalte zulenkten und in dem Hohlweg verschwanden, der im kleineren Tal des Trappers endete. »Du hast recht, Hellauge«, sagte Cochise. »Komm, folgen wir den Männern. Oder willst du nicht wissen, was sie zu finden hoffen?« Thomas runzelte die Stirn und sah sich um. Nirgendwo entdeckte er einen gangbaren Weg, über den sie in das fruchtbare Tal hätten gelangen können. Aber der Jefe glitt bereits im rechten Winkel vom Rand des Canyons und kletterte zwischen den Felsen umher. Als Thomas ihn eingeholt hatte, fragte er: »Ich denke, der Hohlweg ist der einzige Zugang, mein Freund?« »Der einzige, der Platz genug für ein Pferd bietet«,
antwortete der Häuptling. »Für einen Apachen gibt es zahllose andere Wege.« Hoffentlich vergißt er nicht, daß ich kein Apache bin, dachte Thomas besorgt und fürchtete ein erneutes Kriechen. Aber Cochise führte seinen weißen Freund über halbwegs gute Pfade zum Ziel. Als der Jefe irgendwann stehenblieb, deutete er mit der Rechten nach unten und fragte: »Noch näher, Hellauge?« Thomas schob sich vor und blickte in das grüne Tal hinab, das Bill Maders Heimat gewesen war. »Wir sollten versuchen, runterzukommen«, sagte Jeffords nachdenklich. »Die Halunken haben den Eingang gekannt, Cochise. Sie sind schnurstracks hinter die Felsplatte geritten. Ich möchte rausfinden, was sie hier suchen.« Der Häuptling winkte kurz und ging auf eine Kerbe im Gestein zu. Als Thomas neben den Jefe trat, bekam er unwillkürlich eine Gänsehaut. Die Kerbe war eine schmale und sehr tiefe Spalte. Beinahe senkrecht fielen die Wände bis fast zum Talgrund ab. Cochise lächelte, als er in den Schacht kletterte. Der Apache stemmte sich mit Rücken und Füßen gegen die Wände und arbeitete sich so langsam abwärts. Jeffords ließ Cochise genügend Vorsprung, bis er selbst auf die gleiche Art hinterher kletterte. Unten schlich der Jefe lautlos zur Seite. Thomas folgte ihm und gelangte in eine Höhle, die so groß wie ein Tanzsaal in Tombstone war. Unbehagen befiel Thomas Jeffords, als er sich aufrichten wollte und mit dem Kopf an die Decke stieß. Durch einen Spalt fiel so viel Licht in die Höhle, daß Thomas den gewachsenen Fels erkennen konnte. Er kämpfte seine Platzangst nieder und ging dicht neben dem Jefe zu Boden. Sie konnten das ganze Tal übersehen. Die fünf Reiter stiegen neben der halb verfallenen Blockhütte aus den Sätteln und lösten die Gurte. Kurz darauf brannte ein
rauchloses Feuer. Einer der Männer holte Wasser von der Quelle hinter dem Haus, ein anderer stapelte Steine im offenen Viereck und setzte die Pfanne über die Flammen. Kein Zweifel, die Leute kannten sich aus. »Bill Mader starb nicht an den Folgen der Folterung«, sagte Thomas zu Cochise. »Da siehst du seine Mörder, Jefe. Ich muß feststellen, was sie hier wollen. Sobald es dunkel genug ist, schleiche ich mich an und werde sie belauschen. Vielleicht erfahre ich genug, um handeln zu können.« Der Apachen-Häuptling legte Jeffords eine Hand auf den Unterarm und lächelte: »Laß mich gehen, Hellauge. Ich kenne mich aus. Du begibst dich in unnötige Gefahr.« Thomas winkte ab. »Nein, Freund, das ist meine Sache. Wenn die Sache schiefgeht und du geschnappt wirst, schneiden die Lumpen dir die Kehle durch. Vergiß nicht, du bist für sie nur ein Indianer. Du hast doch vorhin gemerkt, wie sie darauf reagieren. Ich dagegen kann mich rausreden, wenn sie mich erwischen.« Cochise schwieg. Er hatte seinen Vorschlag gemacht und drang nicht weiter in Jeffords, obwohl er eine böse Vorahnung hatte. Doch er akzeptierte die Entscheidung seines Freundes. * Die Sonne versank im Westen. Für Minuten tauchte sie den Rand des kleinen Tales in rotgoldenes Licht. Zwielicht verzerrte im Canyon alle Dinge zu grotesken Gebilden. Die Flammen in der Feuerstelle loderten höher auf. Unbekümmert lagen die Kerle im hellen Schein, als gäbe es keine Apachen. Die fünf fühlten sich sicher. Thomas machte sich bereit. Lautlos kroch er durch die Spalte, glitt die zwei Yards über die schräge Steinfläche und gelangte in das saftige Gras, das kniehoch wuchs. Unendlich vorsichtig arbeitete sich Thomas
vor. Während seiner Zeit als Scout im Bürgerkrieg hatte er gelernt, wie man sich einem Feind nähert. Immer wieder verharrte er und lauschte. Die Stimmen wurden deutlicher, aber noch konnte Thomas die Worte nicht unterscheiden. Er mußte näher heran. Ein dicht wucherndes Gebüsch war sein nächstes Ziel. Ungesehen erreichte er die belaubten Zweige und wartete. Ab und zu verstand Jeffords Bruchstücke, einen halben Satz. Nicht genug, um Zusammenhänge herauszufinden. Thomas schaute zum Himmel. Der Widerschein der Sonne tauchte das weite Firmament in ein Rotgold. Schaudernd dachte Jeffords, daß dieser Schein ein Omen sein konnte. Er umrundete den Busch, kroch weg von der Feuerstelle und näherte sich in weitem Bogen dem zerfallenen Blockhaus. Links von der Hütte, neben dem Pfad, der zur Quelle führte, blieb Thomas liegen. »Hoffentlich kommt der Boß bald«, sagte einer der Männer. »Er kommt, verlaß dich drauf«, behauptete Big Sloop mit rauher Stimme. »He, hat keiner 'nen Schluck Whisky?« fragte ein anderer. Jeffords erkannte den Rothaarigen an der Stimme. »Laß das Saufen, Red«, sagte jemand. »Wer weiß, was uns heute nacht noch bevorsteht. Du solltest einen klaren Kopf behalten. Vergiß nicht, wir sind mitten im Apachenland.« »Pah, rote Stinker«, entgegnete Red verächtlich, »laß sie nur kommen. Wir schicken sie mit blutigen Köpfen zurück. Und ich schieße mit Whisky im Bauch immer noch besser als ihr nüchtern.« Die Kumpane lachten lauthals, und einer rief: »Dein Maul müssen wir noch extra totschlagen, wenn du mal zur Hölle fährst, Red. Ich wette, du machst des Teufels Großmutter mit deinem Gequatsche besoffen.« »Mann, hör auf«, sagte Red, »rück lieber 'ne Flasche raus.« »Okay, okay, aber dafür holst du Wasser. Ich habe Durst auf
Kaffee.« »Pfui Teufel! Das Zeug kann ich nur trinken, wenn es mit Schnaps gemixt ist.« Zwei Männer standen auf. Ihre Konturen hoben sich deutlich im Feuerschein vom dunklen Hintergrund des Tales ab. Einer der Kerle ging zu den Pferden, die etwas abseits standen. Als er zurückkam, schimmerte das Glas einer flachen Flasche im Licht der Flammen. Sekunden später hörte Jeffords, wie der Korken gezogen wurde und sah, wie Red die Flasche an die Lippen setzte. »He, wie ist das mit meinem Wasser?« fragte der andere Bursche. »Okay, ich gehe ja schon«, murrte Red und verschloß die Flasche sorgfältig. Er nahm die Kanne und latschte zum Blockhaus. Jeffords duckte sich tiefer, schmiegte sich ins Gras und hoffte, von Red nicht gesehen zu werden. Doch entweder war es der Whisky oder der Instinkt des Revolverhelden, denn der Kerl blieb genau neben Thomas stehen. Nach unendlich lang erscheinenden Sekunden rülpste Red gewaltig. Der Alkohol wirkte schon. Als der Bursche sich wieder in Bewegung setzte, trat er vom Weg nach links und stolperte über Jeffords. »He, verdammt, was ist das denn?« entfuhr es Red. Thomas schnellte hoch, riß den Revolver aus dem Halfter und schlug zu. Katzengewandt drehte sich der Rothaarige zur Seite, pendelte vor und ließ von unten die Blechkanne hochsausen. Sie traf mit hellem, metallischen Klang den Colt. »Was ist los?« rief einer seiner Kumpane. Jeffords' Chance war so dünn wie die eines Schneeballes in der Hölle. Er sprang zurück, zielte, wollte abdrücken, aber Red schnellte sich panthergleich vor, ließ die Kanne fallen, umklammerte Jeffords mit beiden Armen und riß ihn zu Boden.
Schmerzhaft prallte Thomas mit dem Handgelenk auf einen Stein und ließ den Revolvergriff los. Red schickte einen Schwinger auf die Reise. Im letzten Moment drehte der Postmeister den Kopf zur Seite. Aber der Schlag erwischte ihn doch noch an der Schläfe und ließ tausend bunte Sterne vor seinen Augen explodieren. Undeutlich vernahm Thomas Schritte, fühlte sich hochgerissen und davongezerrt. Die züngelnden Flammen tanzten zwischen den bunten Lichtem, und ein dumpfer Schmerz breitete sich von der Schläfe her über den ganzen Kopf aus. »Na so was, der Jäger«, höhnte ein Mann. »Hast du uns etwa mit 'nem fetten Bock verwechselt?« »Oder denkst du, wir wären ein Rudel Wölfe?« fragte ein anderer. »Da könntest du nämlich richtig liegen, Mister.« »Schluß damit!« fauchte der untersetzte Big Sloop. »Fesselt ihn, aber richtig! Hände auf den Rücken, Beine binden und ein Strick zu den Füßen. Zieht ihn so straff an, daß er krumm liegt und keinen Unsinn machen kann.« Jeffords wurde herumgedreht, und das Mühlrad in seinem Kopf knirschte und dröhnte immer unerträglicher. Ein jäher Schmerz zuckte von seinen Rippen quer durch den Leib, als ihn die Halunken unweit vom Feuer zu Boden warfen. »Laß ihn mir, Big Sloop«, rief Red aufgeregt, »ich mache ihn fertig. Darauf habe ich die ganze Zeit gewartet. Dieser großmäulige Hundesohn, ich zahle ihm seine Beleidigungen heim.« »Mann, was suchst du hier?« fragte Big Sloop, der turmhoch neben dem Gefangenen aufragte. »Warum bist du uns gefolgt, he?« Jeffords preßte die Lippen zusammen und schwieg. Er stöhnte qualvoll, als ihn die Stiefelspitze des Halunken in die Seite traf. »Los, mach das Maul auf, wir können auch anders!« drohte
Big Sloop. »Verdammt, ich wollte nur wissen, was ihr hier sucht«, stieß Thomas mühsam hervor, »weiter nichts.« »Neugierig bist du gar nicht, wie?« fragte einer von ihnen spöttisch. »Wolltest du sehen, ob wir mehr Glück auf der Jagd haben als du?« Seine Gefährten lachten gemein und scheppernd. »Wo hast du denn deine Rothaut gelassen?« wollte Big Sloop wissen. »Hockt der Bastard irgendwo in der Nähe? Hat er uns vor dem Lauf? Los, rück schon mit der Sprache raus!« Jeffords sagte kein Wort. Er ging gegen den Schmerz an, und abermals traf ihn ein Tritt zwischen die Rippen. »Mann, spiel nur nicht den Helden«, krächzte Red. »Wir holen alles aus dir raus, was wir wissen wollen. Wir können genauso freundlich wie die Apachen sein.« Thomas preßte die Zähne zusammen, daß sie schmerzten. Cochise war seine einzige Hoffnung. Der Jefe befreite ihn bestimmt, sobald sich eine günstige Gelegenheit ergab, dessen war sich Thomas sicher. Aber wenn er verriet, daß der Apache in der Nähe war, mußte Thomas mit dem Schlimmsten rechnen. »Was ist das überhaupt für ein Wesen?« wollte Red wissen. »Für 'nen Apachen ist der Kerl doch zu groß. Wie kommt es, daß ihn die Rothäute nicht schon erwischt haben?« »Hat keinen Sinn«, sagte einer der anderen, »der Bursche hält sich für besonders hart. Nimm ihn dir richtig vor, Big Sloop.« »He, ich will mir endlich mal wieder 'nen Spaß gönnen«, maulte Red. »Nein, du nicht«, rief der andere, »du schlägst ihn tot. Dann erfahren wir nichts mehr. Big Sloop weiß, wann er aufhören muß.« Thomas blinzelte und sah hoch. Der stämmige Typ grinste satanisch. In seinem Gesicht stand die Vorfreude, und er ließ
Jeffords wieder die Stiefelspitze spüren. Er stöhnte laut und versuchte, sich herumzuwälzen, aber die Stricke ließen keine Bewegungen seines gekrümmten Körpers zu. »Sieh mal, wie ein Skorpion im Feuerring«, hetzte einer der Halunken. »Er krümmt sich gleich noch mehr«, versprach Big Sloop. Langsam beugte sich der Untersetzte hinab, zeigte Jeffords die mächtigen Hände und spreizte die Finger. »Es macht mir überhaupt nichts aus, dir den Hals zuzuhalten«, drohte der Bandit mit gleichmütiger Stimme. »Ich kann dir auch die Zähne einzeln herausholen, bis du wie eine Memme aussiehst. Und da gibt es noch ein paar feine Sachen, die ich mit deinen Armen und Beinen anstellen kann. Na, wie ist es, willst du nicht doch lieber reden?« »Was habe ich davon?« fragte Thomas zurück und kämpfte gegen die Übelkeit an. »Ihr bringt mich so oder so um. Warum sollte ich vorher reden?« Big Sloop lachte verkrampft. »Dann lasse ich dich vielleicht schneller zur Hölle fahren, Mensch. Du bekommst 'ne Kugel in den Wanst und hast deine Ruhe.« Jeffords antwortete nicht. Er schloß die Augen, sehnte die Ohnmacht herbei, aber instinktiv kämpfte er gleichzeitig dagegen an. Abermals bekam er einen Tritt in die Seite. Trotz der Fesseln bäumte sich Thomas auf, während er den nächsten Tritt spürte und übergab sich würgend. »So ein Schwein«, meckerte einer der Halunken, »kotzt unser Lager voll.« »Sei ruhig, Elmer«, sagte Big Sloop, »ich wische den Dreck mit dem Kerl auf, wenn ich fertig bin.« Thomas atmete ganz flach. Von seiner linken Niere aus jagte der peinigende Schmerz in Wellen durch seinen Leib. Auf einmal roch Jeffords Alkohol. Er öffnete die Augen und sah Reds Visage über sich.
»Mach's Maul auf, du sollst einen Schluck haben«, sagte der Rothaarige. »Laß das«, befahl Big Sloop, »er wird blau und spürt nichts mehr.« »Ach was, er ist so kaputt, daß ihn der Whisky richtig fertigmacht. Laß mich nur, ich bringe ihn schon zum Reden.« Thomas drehte den Kopf weg, aber Red packte seine Haare, riß den Kopf wieder herum und drückte Jeffords den Flaschenhals zwischen Lippen und Zähne. Er schluckte schnell und fühlte, wie der scharfe Schnaps seinen leeren Magen zu verbrennen schien. Big Sloop hat recht, dachte Thomas verschwommen. Ich habe lange nichts mehr gegessen. Noch zwei Schluck, und ich bin sternhagelvoll. Sein geschwächter Körper reagierte sofort auf den Alkohol. Jeffords merkte nicht mehr, daß ihm der Whisky aus den Mundwinkeln rann, als er die Augen schloß und in eine tiefe Ohnmacht versank. »Du verdammter Narr«, brüllte Big Sloop. »Du und dein Scheißwhisky!« Er riß Red die Flasche aus der Hand und warf sie im hohen Bogen in die Dunkelheit. Irgendwo zerklirrte das Glas, und Red schlich aus dem Lichtkreis des Feuers. »Du hältst Wache. Verstanden?« herrschte Big Sloop ihn an. »Die ganze Nacht. Und wenn du in Zukunft meine Befehle wieder nicht befolgst, prügele ich dich durch. Bis der Boß da ist, hört ihr auf mich.« Red murmelte etwas Unverständliches, zog seine Winchester aus dem Scabbard und baute sich seitlich vom Blockhaus auf. Allmählich wurden die Banditen müde. Sie hatten das Erscheinen des Fremden durchgesprochen und keine Erklärung gefunden. Sie konnten nur abwarten, bis der wieder zu sich kam.
* Cochises Gesicht war unbewegt, als er die Mißhandlungen sah. Für einen Chiricahua gehörten Schmerz und Selbstbeherrschung zum Dasein. Natürlich bedauerte der Jefe, Hellauge in der Gewalt der fünf Outlaws zu wissen. Andererseits waren nun die Fronten geklärt. Die Banditen kannten dieses Tal. Ein ganz bestimmter Grund hatte sie hergeführt. Und sie fürchteten, daß Thomas Jeffords diesen Grund ebenfalls kannte. Der Häuptling wartete mit der Geduld, die seiner Rasse zu eigen war. Aufmerksam beobachtete er die Männer, die ihre Decken ausbreiteten und dicht an das verglommene Lagerfeuer heranrückten. Eine Schnapsflasche machte die Runde. Ab und zu kam der Rothaarige heran und blickte neidvoll seine Kumpane an, wenn sie tranken. Stunden vergingen. Thomas Jeffords lag noch immer reglos am Boden. Die Kerle zogen sich die Decken fester um die Schultern und benutzten die Sättel als Kopfstütze. Zwei Banditen schnarchten laut. Cochise beobachtete seinen Freund, der noch immer reglos dalag. Der Jefe wartete auf ein Lebenszeichen, denn es war sinnlos, Jeffords zu befreien, wenn er ihn tragen mußte. Der Rothaarige marschierte in unregelmäßigen Abständen um das Feuer, die Pferde und die Hütte. Anschließend lehnte er sich jeweils an die Seitenwand des Blockhauses und rauchte. Cochise staunte über so viel Unvernunft und Leichtsinn. Jeder Apache konnte sich allein am Tabakrauch orientieren und den sogenannten Wächter ausfindig machen. Endlich bewegte sich Jeffords. Er wälzte sich etwas herum, ließ sich jedoch sofort wieder in die alte Stellung sinken, als er die Schritte des Postens hörte. Red beugte sich über den Gefangenen und musterte ihn. Cochise glitt wie eine Schlange aus dem Felsspalt. Yard für
Yard näherte er sich seinem gefesselten Freund. Geschickt nutzte der Häuptling jeden Schatten, jedes Grasbüschel und jeden Strauch als Deckung aus. Als er nur noch vier Yards von Thomas entfernt war, begann Red seine nächste Runde. Cochise robbte weiter, erreichte die Hüttenwand und erhob sich lautlos, drängte sich dicht an die Balken. Red kam zurück, stellte die Winchester gegen die Wand und zog ein Päckchen Tabak aus der Tasche. Diesen Moment nutzte Cochise. Mit einem einzigen Hieb gegen die Schläfe schickte er den Banditen ins Land der Träume. Als Red zusammenbrach, packte der Jefe zu und fing ihn auf. Behutsam ließ der den schweren Körper zu Boden gleiten. Sekunden später holte der Apache die leere Whiskyflasche, die zwischen den Schläfern am Feuer lag. Der Jefe drehte sich um. Jeffords blickte ihn grinsend an. Cochise huschte wie ein Schatten zur Quelle und füllte die Flasche, denn sicherlich hatte Thomas nach seinem unfreiwilligen Rausch großen Durst. Einer der Outlaws murmelte im Schlaf, fuchtelte mit den Händen in der Luft herum und rief gepreßt: »Dolores, nein, nicht zu ihm.« Cochise kauerte neben Jeffords. Der Apache war bereit, im Bruchteil einer Sekunde aufzuspringen und den Kerl ins Jenseits zu befördern. Aber der beruhigte sich wieder. Er drehte sich zur Seite und stimmte in das Schnarchkonzert der anderen mit ein. Der Häuptling der Chiricahuas zerschnitt die Stricke. Thomas preßte die Lippen zusammen, als das Blut wieder in die bisher abgeschnürten Glieder schoß und wie tausend Feuer brannte. Er rieb sich die Handgelenke und die Füße und stand taumelnd auf. Cochise packte zu, sonst wäre sein Freund gefallen.
»Geht schon«, hauchte Thomas dicht am Ohr des Jefe. Cochise nahm die Flasche auf und wartete, bis sich Jeffords in Bewegung setzte. Mit jedem Schritt ging es besser. Als er die halbe Strecke zum Versteck geschafft hatte, lief Thomas wieder sicher und lautlos. Er schlüpfte in die Höhle, rollte sich herum und blieb flach ausgestreckt auf dem Rücken liegen. »Schmerzen, Hellauge?« fragte Cochise leise, als er ebenfalls ins Versteck glitt. »Ein wenig«, antwortete Thomas, »aber mein Hals ist wie ein Reibeisen. Das war kein Whisky, sondern Klapperschlangengift, das reinste Lampenöl.« Der Jefe drückte seinem weißen Freund die Flasche in die Hand. Thomas trank einen Schluck, füllte den Mund und ließ die kühle Feuchtigkeit überall eindringen. Wenig später war das Gefühl der Trockenheit fast völlig geschwunden, und Thomas trank in langen Zügen. »Schaffst du den Aufstieg?« fragte Cochise. »Sonst warten wir noch, wenn du dich zu schwach fühlst.« Mit einem Ruck richtete sich Thomas auf, knallte mit dem Kopf an die Höhlendecke und fluchte unterdrückt. »Bist du verrückt?« fragte er Cochise. »Wir bleiben hier. Ich möchte wissen, was die Lumpen wirklich suchen. Ich will ihren Boß sehen.« »Was nützt es?« fragte der Häuptling. »Wir wissen, daß es hier kein Gold gibt. Du streust die entsprechenden Gerüchte aus, und alles erledigt sich von selbst.« »O nein, so geht das nicht«, wehrte Jeffords ab. »Freund, die Kerle sind Halunken der übelsten Sorte. Sie gehören zum Grenzgesindel. Ich wette, in den letzten Jahren hat keiner dieser Brüder auch nur eine Stunde ehrliche Arbeit geleistet. Das ist der Abschaum der Menschheit, Jefe.« »Und was kümmert das die Chiricahuas?« fragte der Chief neugierig.
Jeffords seufzte. »Mann, sie rauben und morden, begehen Überfälle, und alles wird auf das Konto der Apachen gerechnet. Die Dreckskerle schmuggeln, machen jede Art von dunklem Geschäft, und die Indianer sind wieder mal schuld. Was passiert? Die Feindschaft zwischen Weißen und Roten wird erneut angeheizt, und jeder Weiße macht Jagd auf euch. Ihr setzt euch zur Wehr, und dann ist der Krieg da.« Cochise wußte, daß sein Freund recht hatte. Aber wenige Minuten nach der Rückkehr des Jefe in die Apacheria konnten sich Krieger auf den Weg machen, um die Halunken in die Hölle zu schicken. Doch der Häuptling wußte, daß Thomas nicht viel von dieser Art hielt. Da Weiße – wenn auch Gesindel – mit im Spiel waren, hätte der Postmeister nicht aufgegeben. »Gut, wir bleiben«, entschied der Jefe. »Sie finden uns nicht. Wir haben keine Spuren hinterlassen.« »Wie tief ist die Höhle?« fragte Thomas. »Sie führt weit in den Berg hinein«, antwortete der Chief. »Wenn die Männer reinkommen, ziehen wir uns zurück. Sie geben schnell auf. Denn auch hier finden sie keine Spuren.« Jeffords war zufrieden. Er kroch zum Ausgang und legte sich auf den Bauch, denn er wollte um keinen Preis versäumen, wenn der Rothaarige erwachte. Wenige Minuten später war es soweit. Lautes Stöhnen, gefolgt von einem wüsten Fluch. Red taumelte auf die Feuerstelle zu. Er hielt sich den Kopf mit beiden Händen. Der Bandit stolperte über einen der Schläfer, fiel und prallte auf zwei andere. Innerhalb von zwei Sekunden entwickelte sich eine Schlägerei. »Aufhören, verdammt, ich bin's, Red.« Die Männer ließen voneinander ab. Sie standen auf, hielten die Revolver in den Händen und sahen sich um. »Verdammt, der Kerl ist weg!« brüllte Big Sloop und rannte
zu den zerschnittenen Stricken. »Red, du bist ja ein schöner Posten. Verdammt, bald reicht es mir.« »Hör bloß auf«, wehrte der Rothaarige ab. »Irgend jemand hat mich niedergeschlagen. Ich wette, der verdammte Indianer war in der Nähe und hat den Hurensohn rausgeholt.« Die Banditen liefen hin und her. Einer fachte das Feuer an, daß die Flammen hochschlugen und prasselten. »Bist du übergeschnappt?« fauchte Big Sloop. »Tim, weg vom Licht. Wir stehen wie die Zielscheiben hier.« »Reg dich doch nicht auf. Wenn der Indianer sich anschleichen konnte, hätte er uns auch die Hälse abschneiden können.« Der Anführer des wilden Rudels knurrte etwas Unverständliches. Gereizt sagte er: »Wir bleiben wach. Jeder bezieht woanders Posten. Beim geringsten Geräusch schießt ihr, klar? Und sobald es hell ist, suchen wir das Tal ab. Der Kerl kann doch nicht verschwunden sein.« »Sind unsere Gäule alle da?« fragte Tim Wheeler. Sofort rannte Big Sloop hinter die Hütte und lachte zufrieden, als er ihre Pferde vollzählig sah. »Okay, einer geht zum Hohlweg«, befahl der Untersetzte und teilte die anderen ein. Cochise und Thomas behielten die Banditen im Auge. In der Nähe des Felsspalts ließ sich niemand sehen. »Ich schlafe eine Runde«, sagte Jeffords und rollte sich zusammen. Der Häuptling lehnte sich in der Nähe der Höhlenmündung an die Wand und schloß die Augen. Das geringste fremde Geräusch hätte ihn hellwach gemacht. Er war eben ein Mann der Wildnis. *
Als im Osten der graue Schein der Dämmerung über die Berge zog, versammelten sich die fünf Banditen an der Feuerstelle. »Okay, wir suchen das ganze Tal ab, jeden einzelnen Quadradyard. Die Kerle können sich nicht in Luft aufgelöst haben. Laßt sie nicht entwischen, wenn ihr sie seht. Kapiert?« Die Burschen sattelten, und Big Sloop bezog Posten nahe dem Zugang zum großen Canyon. Seine Männer ritten kreuz und quer durch das Tal. Die Pferde trampelten Grasbüschel, Sträucher und kleine Bäume nieder. Die Reiter beugten sich aus den Sätteln, krochen unter vorragende Felsplatten und kletterten in Spalten hinein. Aber sie fanden keine Spur von ihrem Gefangenen und seinem Befreier. Cochise und Jeffords sahen interessiert zu. »Sie sind blind wie eine Eule am Tag«, sagte der Jefe verwundert. »Keiner von ihnen ist auch nur in die Nähe dieser Höhle gekommen.« Thomas sagte lächelnd: »Der Spalt liegt dicht über dem Boden. Da keine Fährte vorhanden ist, glauben die Männer einfach nicht daran, daß hier zwei Menschen reingekrochen sind.« »Da«, sagte Cochise und deutete auf Big Sloop. Der Anführer der Banditen trieb sein Pferd zur Seite, verhielt es neben der Mündung des Hohlweges und hob die Rechte mit dem Colt. Matt schimmerte das Metall der Waffe im Schein der ersten Sonnenstrahlen. »Der Boß kommt«, flüsterte Thomas. Er fieberte vor Erwartung, obwohl er den eigentlichen Anführer der Halunken doch sicher nicht kannte. Aber als der Mann den Stollen verlassen hatte und im hellen Licht sein Pferd zügelte, stieß Jeffords den Atem aus. Unwillkürlich hatte er die Luft angehalten. »Claude Atkins!« stieß der Postmeister hervor, »der Mörder, der während der Fiesta in Tombstone aus dem Jail geflohen
ist.« Cochise musterte den Killer gelassen. Für den Apachen war Atkins nur ein weiterer weißer Halunke. »He, Boß, endlich!« rief Big Sloop und steckte seine Waffe weg. »Was ist los?« fragte Atkins scharf. »Was treibt ihr für Spielchen?« Big Sloop verzog das Gesicht und sah an dem Revolverheld vorbei. »Boß, wir erwischten einen Kerl, der uns belauschte«, sagte der Untersetzte. »Am Nachmittag trafen wir den Burschen im großen Canyon. Er hatte einen Indianer bei sich, einen großen Typ mit 'nem Brustkasten, so mächtig wie ein Faß. Der Bursche erzählte, daß er auf der Jagd gewesen wäre, aber nichts geschossen hätte.« »Moment«, sagte Atkins und hob die Rechte. »Wie sah der Weiße aus?« »Vielleicht knapp sechs Fuß groß, kräftig, stämmig, Boß«, antwortete Big Sloop, »blonde Haare und blaue Augen.« »Jeffords!« entfuhr es Atkins. »Dieser verfluchte Bastard von einem Briefträger treibt sich hier rum. Und wenn er 'nen riesigen Apachen mit 'ner Adlernase bei sich hatte, war das Cochise. Und ihr Idioten habt den Dreckskerl laufen lassen. Ich könnte euch zur Hölle schicken, ihr verdammten Narren.« Thomas überlegte sich, wie Atkins in dieses Tal gekommen war. Woher wußte der Outlaw überhaupt von der Existenz des Canyons? Sorgfältig rief sich Thomas ins Gedächtnis zurück, was er in der Paßstation gesagt hatte, als er Atkins in der Kutsche entdeckt hatte. Vielleicht war es dem Mörder gelungen, Jeffords und den Roten Elch zu belauschen, als sie über das Tal und den Skelettfund gesprochen hatten. Thomas schüttelte den Kopf. Nein, das war nicht möglich. Denn nachdem er Atkins erkannt hatte, war er überhaupt nicht mehr mit dem Ute zusammengetroffen. Außerdem war der
Trapper schon lange tot gewesen, als Atkins im Südwesten aufgetaucht war. Aber es konnte sein, daß er nur wegen dieses Tales in diese Gegend gekommen war. »Los, sucht noch mal!« befahl der Mörder. »Dreht jeden Stein um, nehmt euch Fackeln, leuchtet in jeden Felsspalt, und wenn ihr das Ende nicht sehen könnt, werft den Feuerbrand hinein. Ich will Jeffords. Und wenn wir noch Cochise erwischen, gehört das Land uns, Leute.« Die Banditen ritten zum Feuer, warfen harzige Äste in die Glut und warteten, bis sie aufflammten. Mit den lodernden Fackeln galoppierten die Kerle los. Zuerst suchten sie die Einschnitte und Risse in den Felsen auf, leuchteten in die Spalten hinein und warfen die brennenden Äste mit aller Kraft, als sie nichts entdeckten. »Zurück, Hellauge!« sagte der Jefe. »Dieser Mann übersieht den Spalt nicht. Wir gehen bis hinter den Riß, der nach oben führt. Dort zieht der Rauch der Fackel ab, und wir bekommen Luft genug.« Atkins trieb sein Pferd an, lenkte es direkt auf die Öffnung zu, die zu Cochise und Jeffords führte. »Was ist hiermit?« rief der Killer laut. »Wo bleibt eine Fackel? Der Spalt ist für einen Menschen groß genug.« »Boß, das ist was für Kaninchen«, gab Big Sloop zurück, aber er eilte zum Feuer und brachte zwei brennende Äste. Atkins stieg ab, ging geschmeidig auf den Spalt zu, zog den Revolver, streckte die Linke aus, und Big Sloop legte ihm die erste Fackel in die Hand. Der Mörder ließ sich auf die Knie nieder. Sorgfältig leuchtete er den Boden ab. Aber da es weder Staub noch lose Steine gab, entdeckte er keine Spur. »Die Flasche«, raunte Thomas entsetzt in Cochises Ohr. »Wir haben die Whiskyflasche mit dem Rest Wasser vergessen!«
Der Apache drückte ihm das Glas in die Finger. Erleichtert atmete Jeffords auf. Cochises Umsicht hatte sie vor der unmittelbaren Entdeckung gerettet. Die Fackel loderte auf, als Atkins sie weit in die Höhle schleuderte. »Das ist ein verdammt tiefes Loch«, klang seine Stimme dumpf auf. »Ich möchte wissen, ob es irgendwo einen zweiten Ausgang gibt.« Aber als die zweite Fackel weit hinter der ersten aufprallte und mit ruhiger Flamme abbrannte, zog sich Atkins zurück. Cochise und Thomas warteten, bis auch der letzte Rauch verweht und das Glimmen erloschen war, ehe sie vorsichtig zurückkrochen. Der Häuptling schob sich Stück für Stück vor. Langsam hob er den Kopf und blickte ins Tal. Die Banditen hockten am Feuer. Eine Blechkanne stand in der Glut, und einer der Burschen hantierte mit der Pfanne. Mit knurrendem Magen sah Jeffords zu, wie die Burschen aßen und Kaffee tranken. »Ich hole Proviant«, sagte der Apache nach einer Weile. »Warte hier und beobachtete. Laß dich nicht wieder erwischen, Hellauge.« Bevor Thomas antworten konnte, war der Jefe verschwunden. Erbost dachte Jeffords an Cochises Spott, mußte aber schließlich grinsen. Denn der Apache hatte eigentlich recht. Es war dumm von Thomas gewesen, sich so nahe an die Kerle heranzuschleichen. In angemessener Entfernung hätte er genausoviel erfahren. Nachdem die Banditen gegessen hatten, teilte Atkins seine fünf Leute ein. Auch Big Sloop mußte ein Stück des Tales absuchen. Kopfschüttelnd verfolgte Jeffords die erneute Aktion. Plötzlich ging ihm ein Licht auf. Sie achteten nicht auf Spuren, sondern nahmen das Gestein unter die Lupe und hieben hier und da mit den Revolvergriffen lockere Brocken aus den Felswänden.
Sie suchen die Goldader, dachte Thomas. Aber sosehr die Banditen auch jedes Stück Felsen musterten und den Boden umwühlten, ihre Suche war ergebnislos. Atkins redete auf die Kumpane ein, gestikulierte wild und zeigte auf die Gesteinsschichten in halber Höhe. Zögernd machten sich seine Leute an die Arbeit. Sie fertigten aus Seilen Strickleitern und kletterten in die Felsen. Hammerschläge dröhnten durch das kleine Tal, als die Burschen Haken im Gestein verankerten und wie übergroße Käfer oder Spinnen mit Hilfe der Seile die Steilwände und Überhänge absuchten. Jeffords drehte sich um und kroch zurück, als zwei der Kerle vor der Felsspalte stehenblieben und sich unterhielten. »Mensch, Elmer, der Boß spinnt wohl«, sagte einer der Banditen. »Jagt uns die Wände hoch, als wären wir Eidechsen.« »Tim, wenn es wirklich 'ne große Ader gibt, haben wir für alle Zeiten ausgesorgt«, gab Elmer zu bedenken. »Wir stopfen uns die Taschen voll, beladen die Gäule und verschwinden. Irgendwo in Kalifornien oder Montana gibt es auch für uns 'ne Chance, ein vernünftiges Leben anzufangen.« Elmer lachte spöttisch und fragte: »Sag bloß, dort hängen deine Steckbriefe noch nicht aus?« Tim Wheeler antwortete mit einem Fluch, lachte dann ebenfalls und erwiderte: »Dann eben Kanada, was soll's. Mit einem Haufen Dollars in den Taschen sind wir sicher. Kein Hahn kräht danach, daß wir irgendwo gesucht werden.« Elmer hämmerte einen Haken ins Gestein, schnaufte und sagte: »Ich kenne mich doch. In ein paar Monaten habe ich den ganzen Reichtum auf den Kopf gehauen. Mensch, Tim, weißt du überhaupt, wie langweilig so ein ordentliches Leben ist? Am Ende heiratest du noch und gehst jeden Sonntag in die Kirche.« »Man muß alles mal ausprobieren«, sagte Tim gelassen. »Wenn's mir nicht paßt, reite ich wieder auf dem rauchigen
Trail.« Thomas kroch vorsichtig rückwärts. Als er den senkrechten Schacht erreichte, hörte er die Stimmen der zwei Banditen nur noch als schwaches Gemurmel. Er blickte nach oben und blinzelte. Die grellblaue Helligkeit des Himmels stach in seine ans Dämmerlicht gewöhnten Augen. Aber Thomas hatte Cochise gesehen, der sich langsam herabarbeitete. Als er unten ankam, reichte er seinem Freund getrocknetes Fleisch und eine Wasserflasche. Jeffords berichtete über die Suche der Kerle nach einer Goldader, während er langsam das Fleisch kaute und mit einem Schluck aus der Canteen nachspülte. »Gut, warten wir hier, bis es dunkel ist«, sagte Cochise. »Und dann belausche ich die weißen Halunken. Vergiß nicht, mich loszuschneiden, wenn sie mich fangen, Hellauge.« Thomas unterdrückte eine bissige Antwort und sagte: »Ich glaube nicht, daß Atkins und dessen Strolche einen Apachen fangen. Deshalb werde ich ganz ruhig schlafen, wenn du unterwegs bist.« Cochise und Jeffords schlossen die Augen und schliefen. Als die Abenddämmerung über das Land glitt, erwachten die Freunde und krochen wieder zum Ausgang der Höhle. »Noch nicht«, sagte der Häuptling. »Atkins hat zwei Wächter eingeteilt.« Die beiden gingen ihre Runden um das Lager. Dicht neben der Hüttenwand brannte ein Feuer. Atkins saß im Lichtschein. Er ließ sich von den Kumpanen bedienen und nahm einen Blechteller und einen Löffel an. »Etwas später, wenn sie Kaffee und Whisky trinken«, sagte der Jefe, »schleiche ich hinaus. Sie sind müde, haben den ganzen Tag gearbeitet und achten nicht mehr auf ihre Umgebung, wenn sie satt am Feuer liegen.« Es dauerte noch eine halbe Stunde, bis auch die Posten
abgelöst waren und gegessen hatten. Atkins genehmigte eine Flasche Whisky und schenkte sich zuerst die Blechtasse voll. Aufmerksam beobachtete Jeffords die Szenerie. Die Banditen gaben sich entspannt und sicher, als hockten sie in Tombstone im Saloon und nicht inmitten der Dragoon Mountains, dem Stammesgebiet der Chiricahuas. Als Thomas zur Seite sah, war Cochise bereits weg. Vollkommen lautlos hatte sich der Häuptling entfernt. * Cochise schmiegte sich dicht an den Boden. Da Cochise nicht auf einen langsamen Weißen wie Jeffords warten mußte, glitt er schnell wie eine von der Sonne aufgewärmte Klapperschlange voran. Der Häuptling blieb weit genug vom Feuer weg und beobachtete die beiden Wächter. Sie patrouillierten in zwei Kreisen um ein unterschiedlich großes Gebiet. Aber beide Männer umrundeten jeweils die Hütte, das Feuer und die Quelle hinter dem Blockhaus. Der Kerl, der den Innenkreis abging, hielt ungefähr zehn Yards Abstand von der Hütte. Cochise wartete, bis der Mann drei Längen entfernt war, und schob sich zwischen das Wasser und die Rückwand des halb zusammengefallenen Hauses. Nun hörte der Apache jedes Wort, das am Feuer fiel. »Wo ist Walt O'Nions?« fragte Atkins. »Er geht die äußere Runde«, antwortete Elmer. »Lös ihn ab«, befahl Atkins, »ich will mit ihm reden.« Widerwillig latschte der Bandit davon. Wenig später kam Walt zum Camp, setzte sich nach Cowboyart auf die Hacken und fragte: »Was ist los, Claude?« »Wir haben den ganzen verdammten Tag nach der Goldader gesucht«, antwortete Atkins, »und nichts entdeckt. Walt, ich
will, daß du mir Wort für Wort wiederholst, was der alte Knacker erzählte, als du ihn gefunden hattest. Vielleicht hast du was vergessen, einen Hinweis, einen Tip. Wie bist du überhaupt hierhergekommen? Fang doch noch mal ganz am Anfang an.« Cochise ließ sich kein Wort entgehen. Nun konnte er erfahren, was Thomas Jeffords in der letzten Nacht mißlungen war. »Na ja, Boß, ich sah aus der Ferne den Indianer«, begann Walt O'Nions. »Er schien aus dem Nichts gekommen zu sein. Ich wartete, bis der Kerl verschwunden war und folgte seiner Spur. So kam ich an die Felsplatte. Es ging nicht weiter, anscheinend, aber als ich absaß und suchte, fand ich den Tunnel.« »Hier, schmier dir die Kehle«, sagte Atkins und reichte Walt die Whiskyflasche. »Danke, das tut gut«, sagte Walt, als er getrunken hatte. »Hm, ich packte meinen Gaul am Zügel und kroch in das Loch. Denn wo eine Rothaut durchpaßte, war auch für mich Platz genug. So kam ich in das Tal. Ich fand die Hütte nicht gleich. Aber als ich lange genug gesucht hatte, stand ich plötzlich davor. Ich hörte jemanden stöhnen. Natürlich dachte ich, daß die Rothaut einen skalpiert hätte, doch dann fand ich die angespitzten Pflöcke, und da wurde mir alles klar. Mit gezogenem Colt schlich ich in die Hütte. Der Kerl auf dem Fellhaufen konnte mir nicht gefährlich werden. Er hatte Fieber. Der Schweiß rann ihm die Stirn runter. Und seine Hände und Füße waren ziemlich übel zugerichtet. Die Indianer hatten ihn mit den Pflöcken am Boden befestigt. Warum der andere Indsman ihn befreit hatte, weiß ich nicht. Auf jeden Fall redete ich mit dem alten Knacker.« »Langsam«, warf Atkins ein, »jetzt kommt's drauf an, Walt. Jedes Wort kann wichtig sein. Wer redete zuerst, du oder der Alte?«
»Ich«, antwortete O'Nions. »Ich fragte ihn, was er den Indsmen denn getan hätte. >Nichts<, stöhnte er, >sie kamen wie die Teufel über mich, Mister. Es waren fünf Mimbrenjos. Aber Cochise hat mich befreit. Ich kann hier weiter Fallen stellen. Der Jefe hat's versprochenen<. Mann, du lebst doch nicht vom Fallenstellen, sagte ich. Davon wirst du doch nicht reich. >Ich komme aus<, antwortete der Alte. Er beobachtete mich mißtrauisch, aber ich blieb ruhig neben seinem Lager stehen und sah, daß ihn das Fieber immer stärker packte. >Wasser, Mister, gib mir Wassers< sagte er. >Wenn du mir Wasser holst, verrate ich dir ein Geheimnis.< Ich war natürlich neugierig und holte ihm in einem Topf Wasser. Er trank wie ein Muli, das vier Wochen durch den Llano geirrt war. >Gut, Mann, danke<, sagte er, >ich habe die Ader gesehen. Es ist 'ne mächtige, eine richtige Bonanza, verstehst du. Wenn ich wieder auf den Beinen bin, zeige sich sie dir. Du siehst sie nur, wenn am Morgen die Sonne draufscheint, wenn sie gerade im Osten über die Berge kommt. Fünf Minuten später ist es wieder vorbei.<« Walt O'Nions nahm noch einen Schluck aus der Whiskyflasche und fuhr fort: »Okay, ich hatte also einiges erfahren. Viele Möglichkeiten blieben ja nicht. Die Ader konnte nur im Westen liegen. Also schleifte ich den Alten raus, mitten zwischen die Büsche. Als er am Boden lag, merkte ich, daß er seinen Geist aufgegeben hatte.« Die Männer am Feuer grinsten hämisch. Sie gehörten nun mal nicht zur Sorte, die zart besaitet war. »Weiter, Walt! Wie lange hast du gesucht?« wollte Atkins wissen. »Vier lange Tage, Boß«, antwortete O'Nions, »aber ich fand keine verdammte Spur von dieser Ader. Jeden Morgen stierte ich mir die Augen aus dem Kopf. Es war noch dunkel, da stand
ich schon auf dem Posten. Mit dem Fernglas suchte ich alles ab, ohne Erfolg. Den Rest weißt du. Ich gab dir Nachricht, und du schicktest die Jungs voraus. Dich schnappte der dämliche Postmeister. Aber jetzt bist du frei und es geht richtig zur Sache.« Walt trank noch einen Schluck und stellte die Flasche zu Boden, um sich eine Zigarette zu drehen. »Wäre der Alte nur am Leben geblieben«, sagte Tim Wheeler. »Mit ihm hättest du nur durch zwei zu teilen brauchen. Jetzt sieht es anders aus. Oder glaubst du, wir geben uns mit 'nem Cowboylohn zufrieden?« Walt lachte und antwortete: »Das ist doch schon ausgemacht, Leute. Claude und ich bekommen je zwei Teile, und ihr jeder einen. Wenn das wirklich 'ne armdicke Ader ist, haben wir bis an unser Lebensende ausgesorgt.« Claude Atkins räusperte sich, nahm die Flasche und trank. Nachdenklich blickte der Boß der Bande Walt O'Nions an. »Glaubst du«, fragte Atkins, »daß der Alte nur im Fieber geschwafelt oder es ernst gemeint hat?« »Dafür sprach er mir zu sicher«, warf Walt sofort ein. »Ja, das Fieber hatte ihn ordentlich gepackt, aber er wußte, was er sagte, meine ich.« »Da sind 'ne Menge Kerle unterwegs, die nach einem versteckten Tal mit einer mächtigen Goldader suchen«, sagte Atkins nachdenklich. »Vielleicht beweist das etwas. Möglicherweise hat der Alte auch noch zu anderen von seinem Fund gesprochen.« »Kann genausogut sein, daß mich jemand belauscht hat, als ich mit Tim darüber redete«, sagte Walt. »Ist auch drin, daß irgend jemand meinen Brief an dich aufgemacht und gelesen hat. Du weißt selbst, wie schnell sich Gerüchte um Gold bilden, und plötzlich weiß es jeder.« Atkins überlegte eine Weile und kam zu dem Schluß, daß sie mit ihren Mitteln versagen mußten.
»Vielleicht ist irgendwo 'ne Felsplatte abgerutscht und verdeckt die Ader«, sagte er. »Wir brauchen Dynamit, Leute. Dann sprengen wir Stück für Stück die Überhänge. Und es müßte doch mit dem Teufel zugehen, wenn wir das Gold nicht finden.« »Mann, Boß, das zieht uns die lausigen Apachen auf den Pelz«, wandte Big Sloop ein. »Die Sprengungen sind meilenweit zu hören. Und 'ne Stunde später wimmelt es hier von Rothäuten.« »Dann empfangen wir sie mit heißem Blei«, sagte Atkins gepreßt. »Meinst du, mich interessieren ein paar Dutzend rote Stinker, wenn es um Hunderttausende, vielleicht sogar Millionen geht? Wir schmeißen ein paar Stangen Dynamit zwischen sie. Du wirst sehen, wie die Kerle laufen werden, Big Sloop.« Die Banditen lachten gezwungen. Sicher, mit ihren modernen Waffen bildeten sie sich ein, den primitiven Apachen überlegen zu sein. Und gegen Sprengstoff kamen die Indsmen nicht an. Trotzdem blieb ein Rest Unbehagen bei den Outlaws zurück. Sie hatten zuviel über die Apachen gehört, um die Gefahr so leicht wie Atkins zu nehmen. »Okay, Boys, Elmer Slade und Tim Wheeler machen sich im Morgengrauen auf den Weg. Ihr reitet nach Santa Magdalena und besorgt Dynamit und Proviant. Kommt nicht auf den Gedanken, einen Abstecher nach Tombstone zu machen. Die Stadt ist für uns im Moment zu heiß. Und noch was: bezahlt den Kram, den ihr kauft, klar? Ich will nicht, daß euch hundert goldhungrige Kerle oder ein wütender Storehalter folgen. Dies hier ist unser Job.« Der Häuptling hatte genug gehört. Lautlos kroch er im rechten Winkel von der Hüttenwand weg, blieb reglos liegen, um den Wächter passieren zu lassen, und glitt weiter. Keiner der sechs Banditen ahnte, daß all ihre Pläne verraten waren und Cochise, der Herr der Chiricahua Mountains, ihren
Tod beschlossen hatte. * Der Apache nutzte jeden Strauch, jeden Felsbrocken als Deckung. Inzwischen stand der Mond hoch am Himmel und beleuchtete schwach das kleine Tal. Wie ein Schatten glitt der Jefe in die Stollenmündung, schob sich weiter und huschte gebückt in die Finsternis. »Du warst lange weg«, sagte Thomas Jeffords. »Hast du mehr Erfolg als ich gestern gehabt?« Cochise sog tief die Luft ein und stellte so fest, wo der Weiße saß. Sekunden später hockte sich der Chief neben seinen Freund, den er Hellauge nannte. »Ein Mann Walt O'Nions hat den Fallensteller wahrscheinlich umgebracht«, begann der Häuptling seinen Bericht. Er wiederholte alles, was er gehört hatte. Jeffords wünschte Atkins und den Handlangern die Pest an den Hals. Aber dieser unfromme Wunsch änderte nichts an der Lage. Ehe Thomas einen Vorschlag machen konnte, sprach Cochise. »Ich gehe, Hellauge«, sagte der Jefe ernst. »Morgen töten meine Krieger die beiden Lumpen, die nach Santa Magdalena reiten. In der Abenddämmerung werden die Bleichgesichter hier im Tal sterben. Niemand wird sie finden. Meine Krieger verbergen die Toten.« Thomas schüttelte verzweifelt den Kopf und sagte: »Nein, nein, Cochise, das ist der falsche Weg. Wie stehst du vor deinen Männern, wenn du heute den Tod aller Weißen in deinen Bergen befiehlst und morgen andere Weiße ziehen läßt?« »Ich bin Cochise«, entgegnete der Häuptling. »Mein Wort ist
Gesetz bei den Chiricahuas.« »Es ist falsch«, beharrte Thomas auf seinem Standpunkt. »Du hast auf der einen Seite recht: die Dragoons müssen frei von Weißen bleiben. Nur solche, die deine Erlaubnis besitzen, dürfen hier leben oder durchziehen. Aber andererseits gibst du wieder die Jagd auf Menschen meiner Hautfarbe frei. Es kommt zum großen Krieg, Cochise. Und du ahnst, du weißt, daß du ihn verlieren wirst.« »Wenn wir jedes Bleichgesicht töten, das unser Gebiet betritt, ziehen die anderen bald weit entfernt vorbei«, sagte der Jefe. Thomas überlegte, wie er dem Häuptling das Denken der Weißen verständlich machen konnte. Aber es fiel ihm schwer, ein Beispiel zu finden. Doch plötzlich wußte er die Lösung. »Hör mir zu, Jefe«, begann er. »Wenn deine Krieger von einem Dutzend wunderschöner Pferde weit unten im Süden hören, während sie das Land durchstreifen, was tun sie dann?« Cochise lachte leise und erwiderte: »Sie reiten zu diesem Ort, wo die Pferde sein sollen und suchen sie.« »Gut, die Krieger finden die Pferde dort. Wie geht es weiter?« »Sie versuchen, sie zu stehlen«, antwortete der Häuptling, »und sie werden es schaffen.« »Wenn Weiße von Gold hören, daß in den Dragoon Mountains zu finden sein soll, handeln sie wie deine Krieger, die von ausgezeichneten Pferden erfahren, Cochise. Und verlaß dich drauf, daß mehr goldgierige Weiße kommen, als es Apachen gibt.« »Wir töten sie alle«, versprach der Jefe grimmig. »Dann holen sich die Goldsucher Hilfe«, sagte Thomas. »Sie rufen nach der Armee, und General Howard kann sein Wort dir gegenüber nicht mehr halten. Denn sein Befehl lautet, für Ruhe und Ordnung in diesem Land zu sorgen. Er muß gegen dich und dein Land marschieren, auch wenn er sein Wort gab, dies
nicht zu tun.« Cochise lächelte. Sicher stellte er sich vor, wie die schwitzenden Pferdesoldaten durch das karge Land ritten und ihren General verfluchten. »Wir töten auch die Soldaten, Hellauge«, erklärte der Chief. »Dies ist unser Land, und es bleibt unser Land.« »Es gibt eine Waffe, die hat sechs Gewehrläufe«, fuhr Jeffords fort. »Ein Mann dreht an einer Kurbel, und diese sechs Läufe spucken heißes Blei aus, solange der Mann dreht. Was richten deine Pfeile gegen ein Dutzend solcher Gatling Guns aus? Die Soldaten brauchen nicht mal zu zielen. Es genügt, wenn sie einen Bleiregen auf euch niedergehen lassen, Jefe.« »Wah«, sagte der Häuptling ungläubig, »so eine Maschine muß sehr groß und schwer sein. Wie wollen die Pferdesoldaten sie in die Dragoons tragen?« »Es genügt, wenn sie hier sind«, antwortete Thomas Jeffords, »an einem halben Dutzend Orte aufgebaut, ersetzen diese Dinger ganze Schwadronen. Aber das will ich nicht, Cochise. Ich will nicht, daß Chiricahuas sterben müssen. Ich will nicht, daß Weiße umgebracht werden. Es ist wichtig, daß euer Heimatgebiet frei von weißen Herumtreibern bleibt. Und das gelingt nur, wenn es kein großes Gerede um das angebliche Gold hier gibt. Denn wenn alle Weißen sterben, die herkommen, glauben die anderen, daß an den Gerüchten etwas Wahres ist und machen sich zu Tausenden auf den Weg.« »Laß mich nachdenken, Hellauge«, bat Cochise. »Du überfällst mich mit einem Schwall von Worten. Ich fühle deine Besorgnis. Und ich glaube dir, daß du uns helfen willst. Aber ich muß erst über deine Worte nachdenken.« Thomas verdrängte seine Erregung. Die Apachen kannten seit uralten Zeiten nur ein Mittel, um sich zu wehren, Eindringlinge zu vertreiben: deren Tod. Doch die U.S.Soldaten waren andere Gegner als Mexikaner, Desperados oder gar die Ritter der Spanischen Krone in der Vergangenheit.
Jeffords sah genau vor sich, wie der Krieg ablaufen würde, wenn der Jefe wirklich jeden Weißen mit Gewalt aus seinen Bergen vertreiben wollte: es mußte mit einer vernichtenden Niederlage der Apachen enden. Und dann waren sie nicht mehr in der Lage, gleichberechtigt zu verhandeln. Cochise wußte genau, daß er gegenüber Victorio an Boden verlor, wenn die Chiricahuas die sechs Banditen im kleinen Tal umbrachten. Der Häuptling der Mimbrenjos würde den Jefe beschuldigen, mit zwei Zungen zu sprechen und flammende Reden gegen alle Weißen halten. Hellauge hatte recht, der Krieg war dann unvermeidlich. Es blieb nur ein Ausweg. »Wir müssen dafür sorgen, daß die Lage des Tals nicht bekannt wird«, sagte Cochise. »Du und ich, Hellauge. Eines Tages spricht niemand mehr von dem angeblichen Gold, und die übrigen Weißen ziehen sich zurück.« Erleichtert atmete Thomas auf. Der Jefe hatte die richtige Schlußfolgerung gezogen. Allerdings war dem Postmeister nicht ganz wohl bei der Sache. Immerhin waren es doch Weiße, gegen die er kämpfen mußte. Doch er sagte sich, daß solche Typen alle vom Gesetz gesucht wurden. Es waren Banditen. Sie brachten für Dollars Menschen um und verfluchten die Toten, weil sie nicht mehr Geld bei sich gehabt hatten. Thomas sah sich gezwungen, das Gesetz des Handelns in die eigenen Hände zu nehmen, und das behagte ihm nicht. Denn entkam einer der Hundesöhne, trieb er sofort andere Kumpane auf, um erneut die geheimnisvolle Goldader zu suchen, die überhaupt nicht existierte. »Du hast richtig entschieden, Cochise«, sagte Jeffords. »Warten wir, bis die beiden Männer nach Santa Magdalena geritten sind?« fragte der Jefe. Aber Thomas hatte eine andere Idee.
»Warten wir, bis die Kerle wieder zurück sind«, sagte er. »Vielleicht hantieren sie so leichtfertig mit dem Dynamit, daß sie sich selbst in die Luft jagen.« Er ahnte nicht, wie nahe er mit seinem Wunsch dem tatsächlichen Ende der Bande gekommen war. Cochise war einverstanden. Er spürte Jeffords aufrichtigen Wunsch, den Apachen zu helfen und für Frieden, für lang andauernden Frieden, zu sorgen. Aber der Häuptling ahnte, daß all diese Versuche zum Scheitern verurteilt waren. Denn auf Männer wie Thomas Jeffords und John Haggerty, die das Leben, die Riten und Sitten der Apachen respektierten, kamen zehntausend andere, die in den Ureinwohnern nur lästige Kreaturen sahen. Unter den verschiedenen Stämmen war es genauso. Nicht nur bei den Weißen gab es gute und böse Menschen, sondern auch bei den Indianern. So war Victorio, Cochises ewiger Gegenspieler, ein erbarmungsloser Weißenhasser. Immer wieder umging der Chief der Mimbrenjos die ausgehandelten Verträge und ließ Weiße grausam martern und töten. Cochise starrte in die Dunkelheit der Höhle. Er sah das Ende vor seinem geistigen Auge. Die Apachen würden zusammengepfercht in einer Reservation leben, die schlechte Nahrung der Weißen essen und all die überlieferten Tugenden vergessen. Der Häuptling zweifelte daran, daß es in zwei oder drei Generationen noch frei herumschweifende Apachen geben würde. Und deshalb kämpfte er um so zäher um seine Heimat, die Dragoon-Berge. Denn hier konnten die Kinder noch lernen, was ein Apache zu wissen und zu können hatte. Vielleicht fiel gerade mit dieser Generation die Entscheidung, wer wußte das schon. Thomas legte sich auf den Felsboden und fiel in unruhigen Schlaf. Er träumte vom Ende allen Streites. Er sah im Traum,
daß nur noch solche Menschen in den Südwesten durften, die John Haggerty und er ausgewählt hatten. Aber das waren eben nur Träume. * Als die Morgendämmerung die Schwärze der Nacht zerfaserte, sattelten Tim Wheeler und Elmer Slade bereits ihre Pferde. Die Männer tranken heißen, starken Kaffee, den Big Sloop ihnen gekocht hatte. »Macht's gut, Jungs«, sagte der massige Unterführer der Horde, »und laßt in Santa Magdalena die Finger von den Girls. Wir warten auf euch, vergeßt das nicht.« Tim und Elmer saßen auf, rückten sich die Waffengurte zurecht und gaben ihren Pferden die Zügel frei. Sie trabten zum Tunnel, der in den großen Canyon, ins Tal der Seufzer, führte. »Hoffentlich denken die Burschen an ein paar Hacken und Schaufeln«, sagte Big Sloop. »Es ist verdammt mühselig, gesprengtes Geröll mit den Händen wegzuschaffen.« Doch er brauchte sich keine Sorgen zu machen. Tim und Elrner wußten, was nötig war. Vor allem dachten sie an Whisky, der ganz oben auf ihrer Proviantliste stand. Nachdem die beiden Reiter den Tunnel hinter sich gelassen hatten, ließen sie die Pferde durch das große Tal galoppieren. Sie ritten in Richtung Westen, auf den San Pedro River zu, an dessen Ufer die Minenstadt Santa Magdalena lag. Die Siedlung bot den schwer schuftenden Bergarbeitern jede nur erdenkliche Abwechslung. Und wie überall in ähnlichen Situationen, machten die Saloonbesitzer und Kartenhaie das meiste Geld. Sie lockten den zumeist simplen Gemütern mit schlechtem Schnaps, Falschspiel und raffinierten Flittergirls die letzten Cents aus den Taschen. Kurz bevor die Sonne ihren höchsten Stand erreichte, ritten die Banditen in Santa Magdalena ein. Sie saßen vorgebeugt in
den Sätteln, als wären sie wochenlang unterwegs gewesen. Aber ein erfahrener Mann erkannte am Zustand der Pferde, daß sie höchstens vier oder fünf Stunden in normalem Tempo geritten worden waren. Aus zwei Saloons drang lautes Gelächter, das sogar die schrillen Töne der Orchestrions übertönte. »He, nehmen wir 'nen Drink, Partner?« fragte Elmer. »Später vielleicht«, antwortete Tim, »erst sollten wir zum Store und einkaufen. Unsere Pferde stellen wir dann neben den Saloon in den Schatten. So sehen wir gleich, ob sich jemand für uns interessiert.« »Was machen wir mit dem?« fragte Elmer Slade. Tim Wheeler lachte hämisch und antwortete: »Du kannst aber dämliche Fragen stellen.« Elmer war zufrieden. Er hatte sich nur vergewissern wollen. Denn immerhin befanden sie sich hier in einer richtigen Stadt. Und vielleicht gab es sogar einen Sternträger. Die Outlaws zügelten ihre Pferde vor dem Brettergebäude, vor dessen Gehsteigdach ein Schild mit der Aufschrift »General Store« pendelte. Die Bretter des Hauses waren irgendwann mal weiß gestrichen gewesen. Doch im Laufe der Zeit hatte die gnadenlose Hitze das Holz ausgedörrt, und die Farbschicht war abgeblättert. Vereinzelt zogen sich noch unregelmäßige Streifen weißer Farbe über die rissigen Planken. »Leer«, stellte Tim lächelnd fest, als er über die Pendeltür in den Laden blickte. »Also los, Partner.« Wheeler stieß eine Türhälfte auf, machte einen Schritt vor – und zuckte zusammen, als mit metallischem Scheppern ein kleiner Stapel leerer Konservendosen umfiel. »Großer Jason, was soll das denn?« fragte er entsetzt. »Hihihi«, kicherte ein runzelgesichtiger Oldtimer, der zwischen den Regalen auftauchte, »feine Sache, was? Ich lege mich hin und schlafe 'ne Runde, wenn nichts los ist. Bei dem Radau komme ich sofort auf die Beine, wenn sich ein Kunde in
den Laden verirrt.« Elmer kreiselte mit dem Zeigefinger in der Nähe seiner Stirn und sah Wheeler grinsend an. »Nein, du junger Hüpfer«, krächzte der Alte entrüstet, »ich bin noch lange nicht übergeschnappt.« »Mann, du mußt doch jedesmal die Dosen wieder aufbauen«, sagte Elmer. »Oder läßt du das deine Kunden machen, die deine Ruhe zu stören wagten?« Wieder kicherte der kauzige Alte. »Das dauert keine fünf Sekunden. Paßt mal auf, ihr Grünschnäbel.« Der Oldtimer zog an einem Seil. Auf einmal schwebten die Dosen in der Luft. Sie waren alle mit Schnüren an diesem Seil befestigt. Drei, vier Sekunden pendelten sie, und dann ließ der Alte mit einem Ruck los. Die merkwürdige »Ladenklingel« stand für den nächsten Kunden bereit. »Das geht natürlich nur, wenn die Dosen nicht ganz leer sind«, setzte der Alte zu einer weitschweifenden Erklärung an, aber Tim unterbrach ihn. »Schon gut, Mann, aber wir wollen dir deine Idee bestimmt nicht abkaufen. Wo wir herkommen, können wir so was nicht brauchen. Die Apachen fallen auf solche Dinge nicht herein.« »Was soll's denn sein, Mister?« fragte der Alte und blinzelte seine Kunden listig an. »Zwei Kisten Dynamit, eine Rolle Zündschnur, ein Paket Schwefelhölzer und fünf Schaufeln mit kurzen Stielen. Du weißt schon, welche ich meine. Die, die man hinter den Sattel schnallen kann. Dazu drei Pickel, wie sie die Bergleute benutzen.« Staunend blickte der Alte die beiden an und fragte: »Und das alles soll gegen die Apachen gut sein?« »Kommt drauf an, wie ihr hier über die Rothäute denkt«, antwortete Tim. »Uns machen sie das Leben zur Hölle, Mister. Wir haben inzwischen drei ihrer Verstecke gefunden. Die sprengen wir zu.«
Der Alte schlurfte zwischen seine Regale und schleppte die gewünschten Dinge ächzend zum Tresen. Mißtrauisch blickte der Oldtimer auf die tief geschnallten Revolver. Sicher fragte er sich, ob die Kerle mit Dollars oder Blei zahlten. Sie gehörten nämlich zur ganz harten, zur falkengesichtigen Sorte, wie der Storekeeper feststellte. »So, jetzt Proviant«, sagte Tim. »Wir nehmen für acht Leute Futter mit. Dazu fünf Pfund Kaffee und zehn Flaschen Whisky, aber keine Pumaspucke, und zehn Päckchen Bull Durham Tabak und genug Papier.« Ein ansehnlicher Berg türmte sich auf dem Tresen. Von dem kleinwüchsigen Alten war nichts mehr zu sehen. »Alles, Gentlemen?« fragte er mit seiner kratzenden Stimme. »Alles, Mister«, antwortete Tim. »Du kannst zusammenrechnen, während mein Partner die Sachen schon mal rausbringt.« Ohne zu zögern zahlte Wheeler und nahm die 30 Cents Wechselgeld in Empfang. Der zerknitterte Storekeeper atmete erst auf, als die beiden hartgesichtigen Fremden ihre Waren auf den Pferden verstaut hatten und davonritten. Ha, Apachen in die Luft sprengen, dachte der Oldtimer. Ich wette, ihr habt 'ne Goldader entdeckt und rückt ihr nun mit Dynamit zu Leibe. Aber mir soll's egal sein. Ich bin zu alt für solche Spielchen. Er war jedenfalls vorsichtiger als zwei andere Bürger der Town. * Tim und Elmer lehnten im Saloon an der rechten Seite des Tresens. Von hier aus hielten sie den gesamten Raum, den Eingang und ihre Pferde unter Beobachtung, die sie durch ein kleines Seitenfenster sahen.
Zwei abgerissen wirkende Typen gingen auf die Pferde zu. Die beiden Zerlumpten berührten die Tiere nicht, aber sie musterten eingehend die Lasten, die hinter den Sätteln aufgeschnallt waren. Deutlich sahen Elmer und Tim, daß die Burschen sich grinsend zunickten und davongingen. Wheeler knallte das Geld für die Drinks auf die Theke und eilte mit langen Schritten zur Tür. Elmer folgte Sekunden später. Er hatte nicht nur sein, sondern auch noch Tims Glas ausgetrunken. Wheeler deutete mit dem Kinn zur anderen Straßenseite. Sofort stapfte Slade vom Gehsteig in den fußtiefen Staub und überquerte das, was Santa Magdalenas Bürger stolz die Main Street nannten. Die beiden Zerlumpten wollten ganz schlau sein. Sie hatten ihre Mulis nicht im Mietstall untergebracht, sondern auf einer trockenen Weide am Nordostende der Ansiedlung. Die zwei Maultiere waren angepflockt. Sie bockten, als ihre Reiter die Sättel auflegten, doch nach einigen Flüchen und Hieben auf die Kruppen wurden die Biester friedlich. Slade und Wheeler blickten sich um. Das nächste Haus lag weit hinter ihnen. Eine halb zusammengefallene Hütte stand links von der dürren Weide. Tim hatte eine großartige Idee. »Hallo, Mister!« rief er und winkte. Die beiden zerlumpten Kerle wirbelten herum und griffen zu den Colts. »Mann, seid ihr aber schreckhaft«, rief Elmer, »wir haben nur 'ne Frage.« Nun war Elmer Slade am Ende. Tim mußte wieder übernehmen. Er äugte über die Schulter zurück, als wollte er sich vergewissern, daß ihnen niemand gefolgt war. »Diese Hütte da«, fragte Wheeler leise, »wissen Sie vielleicht, wem sie gehört?«
Die zerlumpten Pilger sahen sich an und wandten zugleich ihre Gesichter den Fremden zu. »Warum?« fragte einer von ihnen zurück und zeigte schwarzgelb verfärbte Zahnstummel. »Wir brauchen für einige Tage einen Unterschlupf«, antwortete Wheeler. »Das geht in Ordnung«, sagte der andere Zerlumpte. »Die Hütte gehört uns. Wir haben sie selbst gebaut. Für zwei Dollar pro Mann und Tag, dann können Sie bleiben. Das ist nicht zuviel, wenn Sie daran denken, daß Sie ungestört sind.« »Mensch, Elmer, da haben wir aber mal Schwein gehabt«, sagte Tim mit gespielter Begeisterung. »Komm, sehen wir uns den Palast an.« Wheeler wandte den Kopf und fragte: »Gehen Sie mit? Sie haben doch sicher ein paar Sachen, die Sie wegräumen wollen, oder?« Es wirkte alles ganz natürlich. Die zerlumpten Typen gingen grinsend hinter den dämlichen Fremden her, die für eine Art Hühnerstall vier Dollar pro Tag ausgeben wollten und sicher waren, eine Glücksträhne erwischt zu haben. Nun brauchten sie nur noch den beiden Männern zu folgen, denen die schwer bepackten Pferde am Saloon gehörten. He, sie würden es schon schaffen, wieder zu Dollars zu kommen. Tim marschierte mit eingezogenem Kopf unter dem schief hängenden Türbalken durch und trat sofort zur Seite. Elmer ließ den Besitzern dieses Stalles den Vortritt. Aber das hatte weniger mit Höflichkeit zu tun, als mit seiner Absicht, den zweiten Mann sofort und wirkungsvoll unschädlich zu machen. Tim hielt den Revolver in der Rechten und schlug zu. Slade schickte den zweiten Mann mit dem Messer ins Jenseits. »Das habt ihr euch so gedacht«, zischelte Wheeler böse. »Hinter uns herreiten und abstauben oder uns die verdammten Apachen auf den Hals hetzen.«
Elmer säuberte sein Messer, warf einen Blick auf den Toten und fühlte nach dem Puls des anderen Mannes. »Du hast fest zugeschlagen, Tim«, sagte er, »der Kerl atmet nicht mehr.« »Egal, los, hauen wir ab«, brummte Wheeler und steckte den Kopf um den Türpfosten. Alles lag genauso leer vor ihnen wie vor wenigen Sekunden. Die beiden Mörder gingen, als wäre nichts geschehen, zu ihren Pferden zurück und saßen auf. Um weitere Beobachter irrezuführen, ritten sie genau südwärts. Immer wieder verhielten die beiden Banditen ihre Pferde und blickten lange auf die eigene Spur zurück. Am späten Nachmittag waren sie sicher, daß ihnen niemand folgte und bogen nach Osten ab. An diesem Tag erreichten sie die Dragoon Mountains nicht mehr. Aber am folgenden Nachmittag waren sie vermutlich wieder bei ihren Kumpanen im kleinen Tal und konnten die ersten Sprengungen vorbereiten. Es mußte doch mit dem Teufel zugehen, wenn sie nicht endlich die Goldader fanden, von der Walt erfahren hatte. Etwa eine Stunde vor der Dämmerung parierte Elmer Slade sein Pferd auf einer mit Sträuchern überwucherten Kuppe. »Lagern wir?« fragte er seinen Partner. Tim Wheeler nickte und stieg aus dem Sattel. Steifbeinig führte der Bandit sein Pferd zwischen die Büsche und musterte die Umgebung. Der Lagerplatz war ideal. Niemand entdeckte sie hier, wenn sie kein Feuer machten, und kein Mensch hörte sie, wenn nicht gerade ein Apache unterwegs war. Wenig später hatten Tim und Slade abgesattelt. Sie wollten auch den Pferden Erleichterung gönnen. Denn es lag noch eine lange Strecke vor ihnen. Eine halbe Stunde später lagen die Outlaws im Gras, rauchten und blickten zum Himmel. Sie waren sicher, bald in Gold und Dollars baden zu können. Denn sie hatten alles bei sich, was sie im Tal brauchten.
Die Männer starrten auf die sinkende Sonne und dachten darüber nach, was sie mit ihrem Reichtum anfangen konnten. Um so unangenehmer wirkte das Knacken zweier Revolverhähne, die metallisch einschnappten. Jäh zuckten Tim Wheeler und Elmer Slade zusammen. Sie griffen zu den Colts, aber jemand sagte in hart klingedem Englisch: »Amigos, ihr werdet doch nicht so dumm sein, oder?« * »Oh, verdammter Mist«, flüsterte Elmer voller Wut, während er die Rechte vom Revolver löste. Auch Wheeler hielt die Hände sorgfältig von seiner Waffe weg. Gegen zwei Gegner, die in den Büschen hockten, hatten die Outlaws keine Chance. »Ihr seid brave Americanos«, lobte der Mexikaner. Die Büsche rauschten. Ein mittelgroßer, pockennarbiger Typ trat auf die Lichtung. Ein gewaltiger schwarzer Schnauzbart verdeckte die Lippen des Desperados. Auf dem Kopf trug der Mann einen Sombrero, der die Ausmaße eines Wagenrades zu haben schien. »Pepe, Jose, kommt raus!« rief der Anführer der drei Wegelagerer mit seinem selbstgefälligen Unterton in der Stimme. Elmer und Tim wandten die Köpfe. Sie hatten es also mit drei Gegnern zu tun, nicht nur mit zweien. »Fesselt sie!« befahl der Schnauzbart. »Sie sollen nicht auf dumme Gedanken kommen. Nehmt ihnen die Colts ab! Sie brauchen keine Waffen mehr. Wir beschützen unsere zwei Freunde vor allem, was ihnen zustoßen könnte.« Pepe und Jose lachten roh. Geschickt traten sie hinter Slade und Wheeler und zogen die Revolver aus den Halftern. »Hände nach hinten«, sagte Pepe, »und keine Tricks, sonst
ziehe ich euch den Colt über den Schädel!« Elmer verfügte über kräftige Unterarme und Gelenke. Er spannte seine Muskeln mit aller Kraft an und drängte sich vor, um als erster gefesselt zu werden. Hoffentlich entdecken sie nicht mein Messer im Stiefelschaft, dachte er. Aber er hatte Pech. Als auch Tims Handgelenke zusammengeschnürt waren, durchsuchten die Mexikaner ihre Gefangenen gründlich und förderten die beiden Messer zutage. »Na so was«, sagte der Pockennarbige erstaunt. »Was macht ihr denn mit diesen Dingern, Amigos?« Die Banditen antworteten nicht. Es hatte keinen Sinn, sich mit diesen wilden Pistoleros zu streiten. Gefesselt und unbewaffnet zogen die Gefangenen auf jeden Fall den kürzeren. Der Boß der Bande betrachtete die Vorräte, pfiff schrill durch die Zähne, als er die Schaufeln, das Dynamit und die Hacken sah, und wandte sich grinsend seinen Gefangenen zu. »Jose hatte die besten Augen«, sagte er. »Er sah euch und erzählte uns, was ihr für schöne Sachen hinter die Sättel geschnallt habt. Das sieht ja ganz so aus, als wolltet ihr Gold suchen. Stimmt das, Amigo?« Der Pockennarbige stand einen halben Schritt von Slade entfernt. Der starrte auf seine Stiefelspitzen. Ansatzlos schlug der Mexikaner zu. Slade wurde völlig von dem Hieb überrascht und verlor das Gleichgewicht. Schwer prallte er zu Boden. »Steh auf!« herrschte der Pistolero seinen Gefangenen an. »Sieh mich an und antworte, wenn ich dich was frage, Capito?« Elmer rappelte sich hoch und sagte etwas, das nur äußerst selten als Aufforderung verstanden wurde. Aber dafür kassierte Slade einen zweiten Schlag. Diesmal war der Mörder vorbereitet und pendelte mit dem Oberkörper die Wirkung des
Hiebes etwas aus. »Paßt mal auf, ihr beiden Spaßmacher«, sagte der Pockennarbige zischelnd. »Ich bin Alvarez, und so redet ihr mich auch an. Klar? Wir holen schon aus euch raus, wo die Goldmine liegt. So eine Bonanza kommt uns gerade recht.« Wheeler sah Alvarez tückisch an. »Du glaubst es wohl nicht, Amigo?« fragte der Kerl beinahe sanft. »Du irrst dich. Jose, sieh ihn dir genau an. Er ist das Andenken an einen Yaqui-Überfall auf ein mexikanisches Dorf. Als er vier war, holten ihn die Yaquis in die Berge. Erst mit vierzehn gelang ihm die Flucht. Aber da war er schon versaut. Er kennt eine Menge feiner Tricks, die euch um Erbarmen winseln lassen. Ihr werdet froh sein, wenn ich euch zu sprechen erlaube. Glaubt mir ruhig, aber ihr könnt euch das ersparen. Na, wie ist es?« Elmer und Tim antworteten nicht. Alvarez hob beide Arme zum Himmel und rief: »Die Heiligen sind meine Zeugen, daß ich alles versucht habe. Aber jetzt will ich erst essen. Euer Geschrei verdirbt mir sonst den Appetit. Ihr bekommt keine weitere Chance von Alvarez.« Eilfertig liefen Pepe und Jose zwischen die Büsche. Wenig später kamen die Mexikaner mit drei unbeschlagenen Pferden zurück, die prächtige, reich mit Silber verzierte Sättel trugen. Den Outlaws quollen fast die Augen aus den Höhlen, als Pepe und Jose ein helles Tuch auf dem Gras ausbreiteten und aus den Satteltaschen drei Porzellanteller nahmen. Kalter Braten, gekochte Eier, drei Stücke Kuchen und eine Flasche Wein waren eine großartige Mahlzeit. »Ihr habt eben keine Lebensart«, behauptete Alvarez. »Ihr Americanos seid Barbaren, weiter nichts. Warum soll ich in der Wildnis nicht die guten Seiten der Zivilisation genießen? Die schlechten habe ich oft genug kennengelernt.« Während der Anführer der Mexikaner genüßlich schmatzte und sich das ehemals weiße Hemd mit Rotwein bespritzte, kam
er auf Jose zurück. »Erzähl uns doch von deinen Künsten, Amigo«, sagte er. Der Halbindianer blickte die Weißen aus kohlschwarzen Augen an. Sie wirkten kalt und erbarmungslos. »Ich fange mit den einfachen Sachen an«, sagte Jose gelassen. »Zuerst schiebe ich euch angespitzte Holzspäne unter die Fingernägel. Wahrscheinlich redet ihr dann schon. Kaum ein Gringo hält das aus.« Jose schwieg sekundenlang und studierte die Wirkung seiner Worte auf die Americanos. Er registrierte zufrieden ihr Zusammenzucken. »Nutzt das nichts, mache ich mit den Ameisen weiter«, fuhr das Halbblut fort. »Ich binde euch die Hosenbeine in der Mitte der Oberschenkel fest zu und schütte ein paar Hände voll Ameisen hinein. Allerdings werde ich euch vorher knebeln, denn das Geschrei könnte ungebetene Zuschauer anlocken, meine entfernten Vettern, die Chiricahuas.« Tim lief es bei dem Gedanken daran kalt über den Rücken. Er fragte lauernd: »Welche andere Möglichkeit haben wir?« Erstaunt blickte Alvarez auf und antwortete: »Keine, ich habe das doch schon gesagt.« »Wir kannten Ihr ganzes Angebot aber noch nicht«, protestierte Elmer wütend. »Das ist mein Erfolgsgeheimnis«, prahlte der Boß. »Nur so kommen wir zu etwas. Mach weiter, Jose!« »Nutzt das mit den Ameisen auch nichts, bringen wir euch Hautschnitte bei und reiben Salz hinein. Anschließend breche ich ein paar Patronen auf, streue das Pulver über die Wunden und zünde es an. Aber das erlebt ihr schon nicht mehr. Ihr seid Americanos. Ihr schreit schon bei den angespitzten Holzstäbchen euer Geheimnis hinaus.« Alvarez lachte gemein und sagte: »Hoffentlich nicht, Jose. Ich möchte wirklich sehen, wie sie sich über den Boden wälzen, wenn ihnen die Ameisen …«
»Reden könnt ihr schwingen«, unterbrach Elmer Slade ihn. »Wann fangt ihr endlich an?« Verblüfft fixierten die Mexikaner den Gefangenen. Alvarez sah zu Tim und fragte: »Sag mal, ist dein Freund nicht ganz richtig im Kopf?« Wheeler grinste, als er erwiderte: »Das nicht, aber er mag Ameisen.« »Schluß, ihr Narren!« fauchte der Anführer der Mexikaner. »Jose, Pepe, knebelt sie und bindet ihnen die Fußgelenke zusammen! Ich will heute nacht meine Ruhe haben. Und ihr schlaft auch. Sobald die Sonne aufgeht, macht sich Jose an die Arbeit.« Wenige Minuten später lagen Tim und Elmer kunstgerecht verschnürt und geknebelt weit voneinander entfernt. Die Mexikaner lagen schnarchend mit den Köpfen auf ihren Sätteln und dachten überhaupt nicht daran, einen Mann auf Wache zu schicken. Elmer dehnte mit aller Kraft die Stricke, die locker um seine Gelenke hingen. Nach einem halben Dutzend Versuchen rutschten die Fesseln weiter, so daß Slade mit den Fingerspitzen den Knoten erreichte. Er brach sich die Fingernägel ab, aber er schaffte es und löste den Knoten. Behutsam schnürte Elmer die Beinfesseln auf und zog den Knebel aus dem Mund. Lautlos erhob sich der Bandit, machte einen Schritt, verharrte und sank wieder zu Boden. Sekunden später hatte er die Stiefel von den Füßen gezogen und schlich auf seinen löcherigen Socken zu den Mexen hinüber. Jose trug einen unterarmlangen Dolch in einer Lederscheide. Ganz vorsichtig zog Slade das Messer heraus und führte die Klinge auf den Hals des Schlafenden zu. Wenige Sekunden später befreite Elmer seinen Kumpan und flüsterte: »Glück gehabt, was, Tim? Mach die Pferde fertig. Ich durchsuche mal die Taschen und das Gepäck der Lumpenhunde.«
Tim Wheeler machte sich an die Arbeit. Als beide Tiere gesattelt und bepackt waren, kam Slade mit drei Leinenbeuteln, in denen es verheißungsvoll klimperte. Staunend betrachteten die Banditen die goldenen Pesos, bevor sie teilten und anschließend aufsaßen. »Wir müssen weiter«, sagte Tim, »und wenn wir über Apachen fallen. Aber ich hoffe, sie kümmern sich zuerst um die leichte Beute hier. Drei erstklassige Pferde, Sättel, Silber und Waffen das ist doch schon was für eine Kriegerhorde. Los, komm, Elmer!« Die Banditen ritten an. Der Mond erhellte die Nacht mit seinem kalten Licht und beleuchtete den Weg zu den Dragoon Mountains. * Ab und zu segelte eine Eule als fast lautloser Schatten am Nachthimmel vorbei. Tiere der Dunkelheit huschten zwischen den Steinen hin und her und verursachten leise Geräusche, die den beiden Weißen den Angstschweiß auf die Stirn trieben. Sie vermuteten hinter jedem Busch, hinter jedem Felsbrocken einen Apachen, der nur auf sie wartete. Tatsächlich beobachtete ein Späher die zwei Weißen. Er verhielt sein Pony schräg neben dem Weg der Pferde. Die beschlagenen Hufe der anderen Tiere verursachten für die Ohren des Indianers einen Heidenlärm in der Nacht. Er hielt etwa 20 Yards Abstand und ritt parallel zu den Bleichgesichtern, die es offensichtlich sehr eilig hatten. Also besaßen die Hellaugen etwas, das wertvoll war, schloß der Apache, denn sonst wären sie nicht derart durch die Nacht gejagt. Aber ob die Beute für einen Indianer einen Wert besaß, wußte der Tonto noch nicht. Doch zwei gute Pferde, die Ausrüstung und Waffen der Bleichgesichter waren schon eine
beachtliche Beute für einen einzelnen Krieger. Der Tonto hatte keinerlei Bedenken, die Weißen allein anzugreifen. Denn er befand sich in seinem Element und im Gebiet der Apachen. Er kannte hier jeden Stein, jeden Strauch und jede Wasserstelle. Wie sollten ihm die Bleichgesichter entkommen? Der Krieger beugte sich vor, flüsterte seinem Pferd etwas in die aufgestellten Ohren, und es fiel plötzlich in Galopp. Mit weit ausgreifenden Sätzen flog es förmlich dahin. Sanft korrigierte der Tonto die Richtung, näherte sich dem Ort, an dem er sich in den Hinterhalt legen wollte, und brachte sein Pony zum Stehen. Geschmeidig wie ein Raubtier glitt der Indianer vom Pferderücken. Sekundenlang stand er reglos und lauschte. In der Ferne klangen die metallbeschlagenen Hufe der Pferde auf, die von den Bleichgesichtern geritten wurden. Der Tonto lächelte, als er das alte Schrotgewehr aus den Lederschlaufen löste. Die Flinte war seine erste Beute als Krieger gewesen. Immer hatte er dafür gesorgt, daß genügend Patronen für die alte Donnerbüchse vorhanden waren. Diesmal sollte sie ihm zu weitaus größerer Beute verhelfen. Geschickt wie ein Wiesel kletterte der Apache einen steil aufragenden Felsen hoch. Seine Finger krallten sich in winzige Spalten, und die Zehen in den geschmeidigen kniehohen Mokassins stützten sich an kleinsten Vorsprüngen ab. Mit dem letzten Schwung gelangte der Krieger auf das brettflache Oberteil der mehr als mannshohen Säule. Er schob die Flinte vor und spannte beide Hähne. Nun brauchten die Bleichgesichter nur noch zu kommen. Es genügte, wenn er sie aus den Sätteln holte. Die Pferde sollten nicht verwundet werden. Hatten sie erst einmal die Metalleisen verloren, konnte der Krieger vielleicht zwei gute Squaw-Pferde aus ihnen machen. Immer lauter tackten die metallenen Hufe auf dem Gestein
des Weges. Gelassen hob der Tonto die Flinte etwas an. Er ahnte nicht, daß er damit seinen Tod besiegelte. Denn Elmer Slade und Tim Wheeler hatten jenen Zustand der erregten Aufmerksamkeit erreicht, in dem sie eine Schnecke hätten husten hören können. Jetzt! Der Indianer zielte bedächtig. Er wußte, daß er nach dem ersten harten Schlag gegen seine Schulter erneut zielen mußte. Der linke Reiter war voll im Ziel. Langsam krümmte der Tonto den Finger. Zwei Feuerblumen blühten vor ihm orangerot auf. Zwei harte Schläge warfen den Apachen zurück. Heiße Glut schien seinen Oberkörper zu durchströmen. Er riß beide Abzüge durch. Donnernd entlud sich die Flinte. Die Schrote jagten beinahe senkrecht in den Nachthimmel, als sollten sie Mond und Sterne vom Firmament holen. »Wir haben ihn erwischt!« stieß Elmer begeistert hervor. »Mann, Tim, jetzt kann uns nichts mehr passieren. Wir haben einen verdammten Apachen zu Manitu geschickt.« Wheeler hob die Linke. Mit der anderen Hand zügelte er das Pferd. Eine Weile lauschte er. Schließlich nickte Tim und sagte: »Er scheint in die Apachenhölle gefahren zu sein. Machen wir, daß wir wegkommen, ehe seine Freunde auftauchen und uns das Fell über die Ohren ziehen, Elmer.« Ernüchtert lud Slade den Colt auf und rammte ihn ins Halfter. Anschließend preschten die beiden Banditen davon. Sie blickten nicht zurück, entdeckten nicht den Krieger, der sich mit beiden Händen aufstützte und seinen Todfeinden nachsah. Schwer fiel der Tonto auf den Felsen. In seiner Brust wühlte ein wilder Schmerz, fraß sich weiter, tiefer, drohte das Leben zu verscheuchen. Der Krieger mußte seine Stammesbrüder auf die Fährte der
Bleichgesichter hetzen. Sie sollten sterben, die tausend Tode erleiden, die Apachen für ihre Feinde bereithielten. Der Tonto mißachtete den glühenden Schmerz, als er sich zur Kante der Steinsäule schob. Er berührte das Gewehr. Verächtlich stieß er die Waffe der Weißen, deren metallisches Blinken ihn verraten hatte, über den Rand. Der Kolben der Flinte zersplitterte, als die Waffe aufschlug. Nur noch eine Chance sah der Krieger. Mit Todesverachtung ließ er sich ebenfalls hinabfallen. Er schlug schwer auf und verlor die Besinnung. Als er wieder zu sich kam, streifte warmer Atem sein Gesicht. Das Pony war zu seinem Herrn gekommen und betastete ihn mit dem Maul. Mit der flachen Hand wischte sich der Indianer über die blutfeuchte Brust und verteilte sein verrinnendes Leben im Fell des Pferdes. Der Tonto wollte sprechen, aber nur ein heiseres Flüstern kam über seine Lippen. Noch einmal nahm er alle Kraft zusammen. Wie ein letzter Ausbruch gellte das Wort heraus. Für eine Sekunde stand das Pony reglos wie aus Stein gehauen. Aber dann warf es sich herum und jagte davon. Der Tonto lächelte zufrieden. Das Pferd würde zu den Stammesbrüdern galoppieren, und sie rochen den Tod in seinem Haar. Plötzlich fühlte sich der Apache leicht wie eine Feder. Der Schmerz hatte auf wunderbare Weise nachgelassen. Langsam holte der Indianer tief Luft. Klar und deutlich klangen die Worte seines Sterbegesanges durch die Nacht. Nach den letzten Worten brach der Krieger zusammen. Er war tot. Aber er hatte bis zur letzten Sekunde seines Lebens für den Stamm, für die Sache der Apachen gekämpft. *
Takona richtete sich neben dem borkigen Stamm auf und blickte in die Nacht. Seine Krieger lagen in guter Deckung. Takona war ein erfahrener Unterführer der Tontos. Er machte sich Hoffnungen, eines Tages vom Rat der Alten zum Unterhäuptling gewählt zu werden. Wenn es nach seinen Erfolgen bei den Kriegszügen ging, hätte er schon längst Jefe sein müssen. Aber die Vertreter Santanas vergötterten den Anführer der Tontos. Und Santana hörte zumeist auf Victorio, den Mimbrenjo. Er war ein unversöhnlicher Weißenhasser und hätte die Bleichgesichter am liebsten ausgerottet. Zudem versuchte er ständig, Cochises Einfluß bei den Stämmen zu untergraben. Das brachte ihm viele Sympathien ein, denn den Kriegern ging es um Kampf und Beute. Der Ruf eine Wüstenspottdrossel klang durch die Nacht. Aufmerksam horchte Takona. Sekunden später wiederholte sich der imitierte Ruf. Nur jeweils einmal schrie der Tagvogel, also näherte sich ein Pferd. Die Wüstenspottdrossel schlief nachts in ihren Verstecken. Aber ihr Schrei war das Zeichen der Tontos, mit dem sie sich verständigten. Takona antwortete mit dem heiseren Fauchen des Rotluchses. Der Tonto trat drei Schritte vor. Er wollte sehen, wie seine Männer mit dem Fremden fertig wurden. Dann kam Hufschlag auf. Takona runzelte die Stirn. Das Pferd schien keinen Reiter zu tragen. Plötzlich ritten unterhalb des Anführers der Rotte vier Krieger aus schmalen Einschnitten, die sich wie Kerben durch die Felsenwildnis zogen. Die Apachen fingen den Mustang ab. »Ein Apachenpony!« rief einer der Krieger. »Es gehört Ratana«, sagte ein anderer. »Es riecht nach Blut, Takona.« Der Jefe der Gruppe kletterte geschickt wie ein Wiesel hinab. Als er neben dem Mustang stand, sog Takona tief die Luft ein.
Ja, es roch nach Tod, nach Blut. Sorgfältig untersuchten die Krieger das Pony, aber sie fanden keine Verletzungen. »Wir folgen seiner Fährte zurück«, befahl der Anführer. »Ratana ist im Land der endlosen Jagd. Und wir holen uns seine Mörder.« In diesem Augenblick löste sich vom höchsten Felsen eine große Eule. Mit weit ausgebreiteten Schwingen segelte das Tier über die Schlucht. Bü, die Eule, war der Bote der Götter, der die Seelen der Verstorbenen in die Ewigen Jagdgründe geleitete. In der abergläubischen Vorstellungswelt der Apachen nahm dieser Vogel einen ganz besonderen Platz ein. Takona stieß dreimal den Pfiff einer Taschenratte aus. Innerhalb weniger Sekunden versammelten sich die 30 Krieger hinter ihrem Anführer. Einer brachte Takonas Pony. Er saß auf und ritt voraus. Im silbrigen Licht des Mondes folgte er der Fährte, die für seine Augen deutlich vor ihm lag. Nach einer Weile bog die Spur in einen breiteren Weg ein. Ungeduldig drängte das blutbefleckte Pony an Takona vorbei und trabte zu einer Steinsäule, vor der es verharrte. Die Krieger rochen das Blut. Sie saßen ab, fanden Retanas Leichnam und trugen ihn zu einer hochgelegenen Felsspalte. Vorsichtig betteten sie ihren toten Stammesbruder in die Öffnung und machten sich daran, sie mit Steinen und Geröll fest zu verschließen. Dumpfer Gesang schwang durch die Nacht, und einer der Tontos hämmerte mit den Handballen auf eine kleine Trommel, die mit der Haut getöteter Tiere bespannt war. Als die Riten erfüllt waren, suchten vier Apachen den Boden ab. Wenig später kamen sie zu Takona und meldeten: »Zwei Reiter mit beschlagenen Pferden kamen von dort und ritten im breiten Tal weiter. Die Mustangs trugen schwere Last.«
Takona überlegte. Schließlich entschied er: »Wir folgen der Spur in die Richtung, aus der die Bleichgesichter kamen.« Sofort sprangen die Indianer auf die ungesattelten Ponys. Sie wunderten sich nicht über diesen Befehl. Takona war der Anführer. Er mußte wissen, was er tat. In Wirklichkeit hatte der Apache nur ein vages Gefühl. Er verließ sich auf seine Instinkte, die in langen Jahren immer ausgeprägter geworden waren. Er witterte förmlich, daß sie Beute finden würden. Und die beiden Bleichgesichter liefen ihnen nicht davon. Denn sie hielten auf den Canyon der Seufzer zu. Und die Tontos kannten andere Wege, die sie in der halben Zeit in das weite Tal brachten. Nach einer Weile zügelte Takona sein Pony und lauschte in die Nacht. »Pferde«, sagte er. »Sie sind unruhig. Dort, wir kreisen sie ein.« Der Tonto deutete mit der Hand nach links. Er wartete, bis sich seine Krieger verteilt hatten und ließ ihnen einen Vorsprung, bevor er selbst seinem Pony die Hacken in die Flanken preßte. Wenig später parierte Takona sein Pferd vor den Büschen. Er kannte die Stelle und wußte von der Lichtung. Takona schnupperte. Auch hier roch es nach Blut und Tod. Ohne auf das Rauschen der Sträucher zu achten, trieb er seinen Mustang hindurch. Das Mondlicht blinkte auf den Silberbeschlägen der Sättel. Die Pferde standen weit von den drei Toten entfernt. »Gelbhäutige«, sagte Takona und glitt von seinem Pony. Er ging dicht an den Büschen vorbei und betrachtete aufmerksam den Boden. Immer näher kam der Apache den Toten und dem erloschenen Feuer. Als er neben den Mexikanern stehenblieb, wußte er, was geschehen war. Zwei andere Männer waren von den Gelbhäutigen gefangengenommen worden. Aber diese beiden konnten sich
befreien und die Mexikaner umbringen. Und diese zwei waren jene, die Retana getötet hatten. »Akina, du bringst die Beute zu Santana!« befahl Takona. »Nimm auch die Sättel mit. Im San Carlos-Reservat zahlen die Bleichgesichter blankes Metall für einen solchen Sattel. Wir anderen folgen den Weißen.« Takona lenkte seinen Mustang herum, richtete sich steil auf und rief plötzlich: »Zastee! Tötet!« »Zastee!« gellten hinter ihm die Stimmen seiner Krieger. Neidisch blickte Akina seinen Stammesbrüdern nach. Sie folgten den Weißen, die ihre Pferde schwer bepackt hatten. Vielleicht brachten sie Proviant zu anderen Bleichgesichtern. Dies mußte für die Tontos unter Takona eine gute Nacht werden, dachte Akina. Die Ponys der anderen brachen durch die Büsche. Im Galopp trieben die Krieger ihre Mustangs hinter den Feinden her. * Cochise und Thomas Jeffords schliefen unruhig. Die Pferde der Atkins-Bande waren nervös und wieherten und zerrten an den Halteseilen. »Irgendwas geht vor«, flüsterte Thomas. »Ich möchte nur wissen, was.« Der Apachen-Häuptling kroch zum Ausgang der Höhle und spähte zum Feuer der Banditen hinüber. Holz zerplatzte knackend in der Glut, als einer der Kerle neue Äste ins Feuer schob. Die Flammen schlugen hoch. »Was ist los, Walt?« fragte Atkins. Er lag neben der Hüttenwand in seine Decke gewickelt. »Keine Ahnung, Boß«, antwortete der Kumpan, »aber ich fühle mich verdammt unwohl in meiner Haut. Und ich habe gelernt, daß ich mich auf dieses Gefühl verlassen kann.« »Mach dir nicht in die Hose«, sagte der Revolverschwinger
spöttisch. »Was kann uns hier schon passieren? Das Tal ist wie 'ne Festung. Der einzige Zugang ist der Tunnel. Und den können wir abriegeln. Dann kommt keine Maus mehr rein.« Walt O'Nions schien Zweifel zu haben. »Vielleicht kennen die Apachen noch einen anderen Weg«, sagte er stirnrunzelnd. »Ich habe keine Lust, meinen Skalp an die Rothäute zu verlieren.« »Nur nicht nervös werden«, riet der Boß, »das Warten macht dich verrückt. Ich wette, daß du dauernd an das Dynamit denkst und daran, daß wir morgen die Goldader finden. Ist es nicht so?« Walt grinste und erwiderte: »Das wird's sein, Claude. Ich kann es kaum erwarten, das gelbe Glitzern zu sehen.« »Hol dir 'ne Flasche, Partner«, sagte Atkins großzügig, »trink einen ordentlichen Schluck, dann wird dir besser.« Cochise tippte an den Arm seines Freundes. Sie krochen zurück, weit genug, daß ihre Worte in der stillen Nacht nicht im Tal zu hören waren. »Sie sind unruhig«, sagte der Jefe, »und spüren, daß es bald zu Ende ist. Hellauge, wie gehen wir vor, wenn die anderen beiden Männer wieder hier sind? Warum greifen wir nicht im Morgengrauen an? Jetzt stehen wir nur vier Feinden gegenüber. Kommen die anderen zurück, sind es sechs.« Thomas schwieg. Er konnte dem Jefe einfach nicht begreiflich machen, daß die Halunken eine Chance verdienten. Sicher, sie waren gemeine Mörder. Sie gehörten zum Abschaum der Menschheit, doch Thomas konnte sich nicht dazu entschließen, sie einfach niederzuknallen. Er war zu anständig, zu ehrenhaft und hatte das Gefühl, nicht besser als die Killer zu sein, wenn er einfach drauflosfeuerte. Außerdem wäre es Lynchjustiz gewesen. Der Häuptling verstand den Weißen. Auch Cochise wußte, daß kein Mensch aus seiner Haut konnte und respektierte die Einstellung seines Freundes.
Natürlich erwartete er von Jeffords, daß auch er sich mit den Sitten der Apachen abfand, mochten sie ihm noch so grausam erscheinen. »Ich kann nicht mehr schlafen«, sagte Thomas nach einer Weile. »Ich lege mich vorn hin und beobachte.« »Ich klettere hinauf und hole die Gewehre«, raunte Cochise. »Wenn wir kämpfen, sind wir den Banditen sonst unterlegen.« Thomas war einverstanden. Bis zur Dämmerung vergingen noch zwei Stunden. Diese Zeit konnten sie nutzen. »Ich gehe mit«, sagte er entschlossen. »Etwas Bewegung tut mir gut. Ich bin schon steif vom Liegen und Hocken in der Höhle.« Cochise ließ seinem Freund den Vortritt. Der Postmeister stemmte Rücken und Füße gegen die Wandung des Schachtes und arbeitete sich in die Höhe. Es ging besser, als Thomas gedacht hatte. Aber er hatte sich ja auch lange genug ausgeruht. Erleichtert schwang er sich über die Kante und rollte zur Seite. Cochise folgte wenige Sekunden später. Geschmeidig sprang er auf die Füße und lief mit federnden Schritten los. Jeffords folgte dem Häuptling und atmete tief durch. Nach kurzer Zeit bog der Apache vom schmalen Felsweg ab und huschte zwischen eine Ansammlung aus Steinsäulen und einer fast senkrechten Felsplatte durch. Thomas wurde schneller, holte den Jefe ein und fragte: »Das ist doch nicht der richtige Weg, Cochise. Unsere Pferde stehen viel weiter weg.« Der Häuptling der Chiricahuas blieb stehen und sah Thomas lächelnd an. »Du kennst nicht alle Geheimnisse meiner Berge«, sagte Cochise. »Ich habe die Pferde hierher gebracht, als ich die Wasserflaschen holte.« Verwundert sah sich Thomas um. Im silbernen Mondschein sah er nur zerklüftete Gesteinsformationen, aufgetürmtes Geröll und keinen Pfad, der Pferdehufen Halt gegeben hätte.
Cochise lächelte wieder. »Du findest den Pfad jetzt nicht, Hellauge. Wenn wir reiten, wirst du ihn sehen. Er führt nicht in den Canyon der Seufzer, sondern quer durch die Dragoons nach Osten.« Nach 30 Yards hörte Thomas Jeffords die Tiere. Sie witterten die Menschen und schnaubten. Ein dünnes Rinnsal floß vor den Pferden aus einer Steinspalte und versickerte kurz darauf im Boden. Ein Grasfleck von ungefähr vier Yards Durchmesser, durchsetzt mit Bergkräutern, bot den Pferden genügend Nahrung. Cochise nahm seinen Bogen, den Köcher, die Schleuder und sein modernes Winchestergewehr. Thomas zog seine Büchse aus dem Scabbard und holte aus der Satteltasche ein Päckchen Patronen. »Das reicht für einen Krieg«, sagte Cochise lächelnd. »Wenn wir feuern, Hellauge, dann um zu treffen und zu töten. Oder willst du, daß einer der weißen Banditen entkommt und die Geschichte von der Goldader weiter verbreitet? Willst du, daß er mit neuen Bleichgesichtern zurückkommt und wieder Unruhe in meine Berge bringt?« Ehe Jeffords antworten konnte, wandte der Häuptling den Kopf. Lange lauschte er in die Dunkelheit. Als er Thomas wieder ansah, war das Gesicht des Apachen ernst. »Was ist?« fragte Jeffords. »Ich habe nichts gehört.« »Der Ruf einer Wüstenspottdrossel«, erklärte Cochise. »Apachen sind unterwegs. Komm, Hellauge, wir legen uns auf die Lauer! Ich glaube, sie kommen durch den Canyon der Seufzer.« Thomas Jeffords wußte nicht, was er davon halten sollte. Warum interessierte sich der Jefe plötzlich für seine Stammesbrüder, die durch die Nacht ritten? Jeffords fielen dann plötzlich die beiden Banditen ein, die aus Santa Magdalena Vorräte und Sprengstoff holen sollten, und nannte sich innerlich einen Narren. Wenn den Kerlen eine
Rotte Krieger auf den Fersen war, änderte sich alles. Denn Jeffords wollte abwarten, wie die Outlaws mit dem Dynamit umgingen. Einmal interessierte ihn, ob sie wirklich eine Goldader fanden. Zum anderen hoffte er immer noch, nicht töten zu müssen, hoffte, daß sich die Banditen beim Hantieren mit dem Sprengstoff selbst in die Hölle beförderten. Cochise war schon 20 Yards entfernt, als Thomas ihm folgte. Lautlos wie zwei Pumas liefen die beiden Männer über Kanten und Abhänge an der Seite des großen Canyons. Der Jefe blieb stehen, als sie ungefähr eine Meile zurückgelegt hatten. »Hier ist der beste Platz«, sagte Cochise und deutete über eine Art natürliche Brustwehr, die wie die Zinnen einer Burg wirkten. Die Lücken waren breit genug, daß die Beobachter ihre Köpfe hindurchstecken konnten. Fast eine Stunde warteten der Jefe und sein weißer Freund. Im Osten kroch ein grauer Streifen über den Horizont, wurde allmählich heller und tauchte die Ränder des Canyons in Zwielicht. Aber bald schob sich die Sonnenscheibe hoch. Die Gipfel der Dragoon Mountains lagen im Schein des Morgens. Der Canyon der Seufzer lag wie ein langer, dunkler Streifen unter den Beobachtern. »Hufschlag.« Cochise zeigte nach links. »Zwei Pferde mit Eisen kommen näher.« Sekunden später flüsterte der Jefe: »Sie werden verfolgt. Mehr als zwanzig Indianerponys sind hinter ihnen. Aber noch halten die Krieger ihre Tiere zurück.« Thomas konnte sich vorstellen, wie die Apachen dachten. Sie kannten den Canyon der Seufzer und wußten, daß er an der großen Felsplatte endete. Dort wollten sie ihr Wild stellen, den Bleichgesichtern zeigen, daß sie in der Falle saßen und zuschlagen. Die Dunkelheit im Tal lichtete sich allmählich. Lauter klang der Hufschlag zum Rand des Canyons hinauf.
Deutlich erkannte Jeffords die zwei Banditen Slade und Wheeler. Die hatten bemerkt, daß ihnen Apachen auf den Fersen waren. Sie hieben ihren Pferden die Sporen in die Seiten. Grell wieherten die Tiere auf, wollten dem peinigenden Schmerz entkommen und galoppierten. Elmer und Tim rissen die Revolver aus den Halftern. Hinter den Weißen hämmerten die Hufe der Apachenmustangs auf den steinigen Boden. Und dann bog der Schwarm um die Kurve. »Mindestens dreißig«, sagte Thomas Jeffords. »Die beiden haben kaum eine Chance.« »Tontos!« stieß Cochise hervor. Seine schwarzen Augen glommen in zornigem Feuer, und das Gesicht des Jefe wirkte wie aus Stein gemeißelt. Die Tontos wagten es, im Herzen von Cochises Gebiet, Weiße zu jagen. Thomas blickte seinen Freund von der Seite her an und schwieg. Er wußte, daß diese Sache ein Nachspiel haben würde, doch das war nicht seine Angelegenheit. Dieses Problem mußten die Apachen unter sich lösen. Die Krieger stießen schrille Schreie aus, als sie ihre Beute so nahe vor sich sahen. Drei, vier Tontos richteten sich steil auf und schwangen die Ulmenholzbogen hoch. Als die Pfeile von den Sehnen schnellten, wandten sich Slade und Wheeler gerade um. Sofort rissen sie an den Zügeln. Die Pferde stürmten nach rechts und links. Die Pfeile schwirrten ins Leere, rutschten über den Fels. Revolverschüsse wummerten dumpf im Canyon. Die Detonationen brachen sich an den Steinwänden und hallten als Echos zurück. Es hörte sich an, als feuerte dort unten eine halbe Schwadron. Es war verdammt schwierig, vom Sattel eines galoppierenden Pferdes aus bewegliche Ziele zu treffen. Aber der dichte Pulk der Tontos machte es den Banditen leicht.
Drei Apachen schwankten auf ihren Mustangs. Sofort brach die Formation der Indianer auseinander. Sie lenkten ihre Pferde zu den Seiten, und die restlichen Kugeln prallten auf Gestein und jaulten davon. Die kurze Atempause hatte den Banditen genügt. Sie zügelten ihre Pferde vor der Felsplatte. Tim lenkte sein Pferd nach links, zum Rand des großen Steins. Triumphierend brüllten die Tontos auf. Sie sahen ihr »Wild« in der perfekten Falle. Aber Elmer hielt seine Winchester in der Hand und jagte Kugel um Kugel aus dem Lauf. Ihm kam es nicht darauf an, die Rothäute zu erwischen, er wollte sie wohl nur ein paar Sekunden zurückdrängen. Sein Pferd ging an, verschwand hinter der Platte, und die Tontos saßen wie erstarrt auf ihren Ponys. Wutschreie waren zu hören. Ein halbes Dutzend Krieger trieb die Mustangs an. Ungeachtet der Gefahr sprangen die Apachen von den Pferden, rollten sich dicht an die linke Seite der Felsplatte und schnellten hoch. Krachende Gewehrschüsse schlug die Krieger zurück. Sie liefen zu ihren Mustangs, saßen auf und galoppierten zu ihren Gefährten. Ein langes Palaver begann. »Komm, Hellauge«, sagte Cochise, »ich muß unsere Pferde in Sicherheit bringen. Die Tontos geben nicht auf. Sie ahnen, daß hinter der Sperre noch mehr Skalps zu erbeuten sind. Sie werden wie wir durch die Berge laufen und angreifen. Aber zuerst dürften sie versuchen, den Tunnel als Eingang zu benutzen.« Thomas lief hinter dem Häuptling her. Als sie die Pferde erreicht hatten, gab Cochise seinem weißen Freund die Waffen und führte die Tiere an den Zügeln weg. Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis er zurückkam. »Die Tontos werden unsere Pferde auf jeden Fall finden«,
sagte Thomas düster. »Und wir marschieren dann zu Fuß durch die Dragoons, wenn alles vorbei ist.« »Nein, dieses Versteck betreten sie nicht«, entgegnete Cochise. »Es ist ein heiliger Ort, der den Jefes und Medizinmännern vorbehalten ist. Auch du darfst ihn nicht sehen oder kennen, Hellauge. Doch komm jetzt. Wir klettern in unser Versteck.« Die Sonne brannte schon heiß am Himmel, als Thomas und der Apache endlich den Schacht hinabstiegen und die niedrige Höhle wieder erreichten. Vorsichtig krochen sie zum Ausgang und blickten auf die wild durcheinanderbrüllenden Banditen. * »Big Sloop«, schrie Atkins, »schnapp dir 'ne Winchester und bau dich am Tunnel auf! Knall jede Rothaut ab, die du siehst! Los, lauf schon!« »Boß, hier sind sechs Mann«, rief der Untersetzte. »Warum soll ich allein die Stellung halten?« »Weil ein Mann dafür genügt, du Trottel«, antwortete Atkins. »Du kannst den Tunnel gegen 'ne ganze Armee halten, wenn du genug Patronen hast.« Big Sloop lief los. Er suchte sich eine Position 15 Yards von der Mündung des Stollens entfernt und warf sich hinter ein Büschel kniehohen Grases. Die Winchester legte er schußbereit zwischen die Halme. Die Mündung deutete auf das Loch in den Felsen. Elmer Slade und Tim Wheeler luden ab, was sie in Santa Magdalena eingekauft hatten. Atkins sah ihnen zu. Er schaute auf die flachen Kisten mit den Dynamitpatronen, auf die Rolle Zündschnur und grinste hämisch. Der Banditenboß glaubte plötzlich die rettende Idee zu haben. Auf einmal brüllte Big Sloop entsetzt. Er sah ein helles Etwas im Stollen, das sich rasend schnell näherte.
Ein weißer Mustang preschte heran. Die Hufe hämmerten über das glatte Gestein. Big Sloop schlug sein Gewehr an und zielte zwei Handbreit über den Kopf des Pferdes. Aber kein Indianer hockte auf dem Rücken des Tieres. Verblüfft richtete sich der Bandit etwas auf. Ein brauner Schatten schwang sich hoch, krallte sich an der Mähne des Pferdes fest und stieß einen gellenden Kriegsschrei aus. Der Tonto hatte sich am Schweif seines Mustangs durch den Stollen schleifen lassen und war mit einem gewaltigen Satz auf den Pferderücken gesprungen, als er das Tal sah. Big Sloop feuerte. Der Apache wurde wie von einer gewaltigen Faust nach hinten gestoßen und landete tot am Boden. Der Mustang steilte, wieherte grell und ließ die Vorderhufe wirbeln. Big Sloop drückte ab. Er traf das Tier tödlich. Wie vom Blitz gefällt brach es zusammen. Aber der Bandit hatte keine Zeit, sich über seinen Erfolg zu freuen. Die Apachen griffen an. Sie wußten, daß am Ende des Stollens weiße Skalps zu erbeuten waren. Und die Tontos wollten diese Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen. Ein zweites Pferd galoppierte heran. Big Sloop begriff, was auf ihn zukam. Ruhig zielte und feuerte er. Zehn Yards vom Eingang des Tunnels entfernt lagen Mustang und Krieger tot am Boden. Atkins lief zu seinem Kumpan und rief: »Denen werden wir's geben.« Big Sloop lachte laut und gemein. »Das ist wie beim Militär, wenn sie den Rekruten das Schießen beibringen. Ich brauche nicht mal hinzusehen. Es genügt, wenn ich abdrücke.« »Laß noch zwei oder drei Rothäute durch«, befahl Atkins. »Den nächsten mußt du dann im Tunnel erwischen. Die Kerle machen uns zuviel Ärger. Wenn ein toter Gaul den Stollen blockiert, kommen sie nicht mehr durch.« Big Sloop riß die Augen weit auf. Donnerwetter, Atkins
besaß eine Menge Gehirnschmalz. Auf diese Weise schnitten sie den Indianern den Zugang ab. Aber die Tontos opferten keinen Mann mehr. Sie hatten eingesehen, daß sie auf diese Weise nicht in das Tal gelangten. Enttäuscht lag der Bandit hinter dem Grasbüschel und preßte Patronen in die Ladeklappe der Winchester. Er sah erst auf, als Atkins, Walt und Red ihn passierten. »He, wollt ihr raus?« fragte Big Sloop und lachte verkrampft. »Paßt nur schön auf eure Skalps auf. Da draußen lauern nämlich zwei Dutzend Apachen.« Atkins hob die Linke. Erstaunt blickte der Untersetzte auf das Bündel Dynamitpatronen, das der Boß trug. Bald darauf wurde Big Sloop einiges klar, und er lachte glucksend. »Das wird ihnen den Appetit auf uns verderben«, sagte er. »Ha, wenn Atkins den Zugang sprengt, werden die Rothäute vor Wut platzen.« Red und Walt O'Nions legten die Lunte aus. Atkins verband die Dynamitstangen mit der Zündschnur und rollte sie bis zu Big Sloop. »Hast du ein Streichholz?« fragte der Boß grinsend seinen Unterführer. Sloop fingerte eins aus der Tasche, riß es am Gewehrlauf an und hielt die kleine Flamme an die Lunte. Knisternd brannte die mit Schwarzpulver durchsetzte Baumwolle ab. »Lauf, sonst bekommst du 'ne Ladung Gestein auf den Schädel!« rief Atkins und rannte los. Big Sloop sprang wie von einer Tarantel gebissen auf und sauste hinter seinem Boß her. Red und Walt standen bereits bei den Pferden. Gespannt starrten die Halunken zum Tunnel hinüber. »Und wie kommen wir wieder raus?« wollte Elmer Slade wissen. Ehe Atkins antworten konnte, krachte es ohrenbetäubend. Es donnerte, als drohte der Himmel einzustürzen. Eine mächtige
Staubwolke und Gesteinssplitter wurden aus dem Stollen geschleudert. Ein Riß bildete sich im Felsen über der Tunnelmündung, verbreiterte sich, klaffte schließlich weiter auseinander und dann schien die Welt unterzugehen. Unter gewaltigem Krachen und Getose rutschte ein Teil der Steilwand nach hinten in das Tal. Fasziniert verfolgte Big Sloop, wie sich eine mannshohe Platte löste und über das Grasbüschel glitt, hinter dem Sloop vor Minuten noch gelegen hatte. Die letzte Sprengstoffpatrone detonierte inmitten der rutschenden Felsen. Die Wolke, die zum Himmel aufwallte, erinnerte an einen Vulkanausbruch. Sekunden später regnete es Staub und Steine. »Ich wünsche mir nur«, sagte Elmer Slade, »daß die verdammten Rothäute zur Hölle gefahren sind.« »Wenn sie nahe genug am anderen Ende des Stollens gestanden haben, sind sie hin«, sagte Atkins. »Stell dir doch mal vor, wie die Felsplatte auf der anderen Seite jetzt aussieht.« Aber der Bandenboß hatte Pech. Die Explosion hatte das ganze Gefüge der Felsformation erschüttert und verändert. Minuten nachdem sich der Staub gelegt hatte, grollte es abermals. »Was ist das?« fragte Tim. »Haben die Apachen auch Dynamit?« Niemand antwortete, aber alle starrten dorthin, wo vor kurzer Zeit noch der Tunnel den einzigen Zugang zum Tal gebildet hatte. Felsbrocken rutschten, verschwanden auf einmal, als wären sie vom Erdboden verschlungen worden, und die Barriere aus massivem Gestein veränderte sich zu einem sanft verlaufenden Hang. Deutlich hörten die Banditen die gellenden Schreie der Tontos. Da erreichten auch schon die ersten Ponys die Kuppe
der Sperre. Ohne die Tiere zu verhalten, oder das Gelände zu betrachten, trieben die Apachen ihre Mustangs in das kleine Tal. Sekunden später bildeten die Angreifer einen weiten Halbkreis und trieben die halbwilden Pferde auf die Banditen zu. »Nehmt das Dynamit!« brüllte Atkins. »Kurze Lunten. Anzünden, los, macht schon! Mit den Gewehren halten wir sie nie auf.« In fieberhafter Eile fingerten die Männer an dem Sprengstoff herum. Zündhölzer flammten auf, und dann flogen die ersten Stangen durch die Luft. Mitten zwischen den Pferden der Angreifer detonierten die Dynamitpatronen und warfen gewaltige Dreckfontänen hoch, die beiden Parteien die Sicht versperrte. »Zurück, zum Ende des Tals!« schrie Atkins. Er bückte sich, raffte Sprengstoff, Lunten und Vorräte zusammen und schnürte alles mit schnellen Bewegungen hinter den Sattel seines Pferdes. Er war schon aufgesessen, als die anderen erst begriffen, was er gerufen hatte. Sie waren abgebrühte, eiskalte Typen und wußten, daß ihr Boß recht hatte. Hier, mitten im freien Tal, waren ihre Chancen gegen die Apachen so groß wie die eines Fisches in der Sandwüste. Aber die Dreckwolken senkten sich bereits. In wenigen Sekunden hatten die Krieger wieder freie Sicht. Atkins schnitt mit dem Messer kurze Stücke von der Zündschnur ab und preßte sie in ein paar Dynamitstangen. Eine weitere lange Lunte klemmte er zwischen die Zähne und zündete sie an. Mit den Schenkeln dirigierte er sein Pferd genau auf die Apachen zu. Als er die ersten Krieger sah, brannte er das kurze Schnurstück einer Patrone an dem Ende an, das zwischen seinen Zähnen sprühte, und warf den Sprengstoff. Wie ein rasender Teufel jagte Atkins an der Linie der Tontos
vorbei und warf Dynamit. Abermals nahm der aufgewirbelte Staub den Kriegern die Sicht. Sie zögerten, in die Wolke hineinzureiten, denn sie erwarteten wohl, hinter der Sperre erneut mit Sprengstoff aufgehalten zu werden. Aber Atkins und seine Kumpane trieben die Pferde an und galoppierten davon. An der linken Seite des Tales boten einige Felsspalten ausreichend Deckung. Auch die Pferde waren dort in Sicherheit. Dutzende von großen Felstrümmern waren irgendwann einmal aus der überhängenden Wand gebrochen und bildeten eine Art natürliche Sperre gegen jeden Angreifer. Zwei Einschnitte, die dicht nebeneinander lagen, nahmen die Banditen auf. Die Tontos zogen sich zum anderen Ende des Tales zurück und hielten ein Palaver ab. Sicher überlegten sie, wie sie die weißen Halunken überraschen konnten, ohne selbst allzu große Verluste zu erleiden. Der Lage nach blieb den Apachen nur der Frontalangriff. Aber dann gerieten sie in das mörderische Feuer von sechs Winchestergewehren. In der Hand eines geübten Schützen verwandelte sich ein solcher Unterhebelrepetierer in eine kleine Todesfabrik, die pausenlos heißes Blei ausspuckte. »Was nun, Boß?« fragte Big Sloop, der zusammen mit Atkins und Walt in der linken Felsspalte hockte. »Abwarten, mir fällt schon was ein«, antwortete Atkins. »Erst muß ich wissen, was die Rothäute unternehmen. Danach richtet sich alles andere.« * Cochise blickte angestrengt zum Eingang des kleinen Tales. »Jetzt haben die weißen Hunde leichtes Spiel«, sagte der Jefe grollend. »Jeder, der die Barriere sieht, reitet hinauf. Und von oben entdeckt er das fruchtbare Tal.« Thomas lächelte. »Laß sie doch. Dann sehen sie sich hier um und stellen fest, daß es kein Gold gibt. Nach kurzer Zeit läßt
sich kein Mensch mehr hier blicken.« Jeffords war mit der Situation ganz zufrieden. Bisher hatte er auf keinen der Banditen zu feuern brauchen. Und vielleicht nahmen ihm die Tontos sogar die ganze Arbeit ab. Cochise seufzte und sagte: »Ich weiß doch, wie verrückt die Bleichgesichter sind. Eines Tages kommt ein Mann hierher, schaut sich um, und es gefällt ihm. Er holt seine Squaw, einen großen Karren voll unnützen Krempel und baut das Blockhaus wieder auf.« »Mitten in deinen Bergen?« fragte Thomas ungläubig. »Jefe, so verrückt ist nicht mal ein Weißer. Jedem in Arizona ist bekannt, daß die Dragoons Chriricahua-Gebiet sind. Niemand wird es wagen, hier zu siedeln.« Der Häuptling wies mit einer Hand auf die Tontos. »Sie wissen es ganz genau«, sagte er, »und trotzdem jagen sie hier. Ich werde Santana zum Zweikampf herausfordern, wenn er seine Krieger nicht im Zaum hält.« Thomas zweifelte keinen Moment daran, daß Cochise der Sieger eines solchen Kampfes bleiben würde, aber er hielt trotzdem nichts von diesem Einfall. »Wenn bekannt wird, daß sich die Apachen untereinander nicht einig sind«, sagte er, »so geht ihr innerhalb der nächsten zwei Jahre vollkommen unter. Immer mehr Menschen kommen in dieses Land. Sie vertrauen darauf, daß ihr gegeneinander Krieg führt. Und vergiß nicht, daß Victorio in diesem Moment die Macht an sich reißen würde. Wenn die anderen Stämme auf den Mimbrenjo hören, dann brennt Arizona.« Cochise schwieg, schob sich ein kleines Stück weiter vor. »Die Tontos greifen an«, sagte er dann gelassen. »Sie holen sich blutige Köpfe, Hellauge.« Sekunden später kamen die Mustangs herangeprescht. Geduckt hockten die Krieger auf den Pferden, um ein möglichst kleines Ziel zu bieten. Als die Pferde die Mitte des Tales erreicht hatten, schossen
die Banditen aus allen Rohren. Sechs Angreifer rissen ihre Ponys nach rechts. Die übrigen verteilten sich, trieben die Pferde kreuz und quer durch den Talkessel und stürmten urplötzlich wieder zurück. Die sechs Krieger, die zur Seite hin ausgebrochen waren, erreichten unverletzt das Blockhaus und brachten ihre Mustangs hinter den Balkenwänden in Sicherheit. Grinsend sah Cochise seinen weißen Freund an und sagte: »Sie haben die einzige Wasserstelle im Tal besetzt. Entweder verdursten die Weißen, oder sie kämpfen um das Wasser, Hellauge.« Jeffords war beeindruckt. Mit einer einfachen Aktion, die Atkins und seinen Lumpen nur Munition gekostet hatte, brachten die Apachen die Banditen in die Klemme. »Jetzt ist der Killer am Zug«, murmelte Thomas Jeffords. »Ich möchte wissen, was er vorhat. Hoffentlich spielt er nicht zuviel mit dem Sprengstoff herum.« »Warum nicht?« fragte der Häuptling. »Wenn die Mörder sich selbst töten, ist unser Problem gelöst.« »Du siehst die Felsspalten, in denen die Halunken hocken?« fragte Jeffords. Cochise nickte. »Schau nach oben«, sagte Thomas, »die Felsen hängen weit über das Tal. Eine Sprengung löst wahrscheinlich eine Katastrophe aus. Die vorspringende Platte sitzt in einer Gesteinsschlucht, die nicht fest miteinander verbunden ist. Du siehst die unterschiedlichen Farben. Jede Farbe bedeutet, daß dieses Stück weicher oder härter als das andere ist. Und wenn der Überhang abbricht, reißt er mindestens vier oder fünf Yards der lockeren Schichten mit. Bei einer starken Explosion rutscht der gesamte Hang in die Tiefe.« Verwundert betrachtete Cochise das unterschiedlich gefärbte Gestein und fragte nach einer Weile: »Woher weißt du das, Hellauge? Lernt man das in den Schulen der Weißen?« »Dort nicht gerade, aber wenn ein Junge gut in der Schule
war, kann er weiterlernen, in einer Universität. Dort werden begabte Menschen zu Ärzten und Ingenieuren ausgebildet.« Beide Berufe kannte der Apachen-Häuptling und konnte sich etwas darunter vorstellen. »Und manche lernen, wie man Felsen unterscheidet?« fragte der Jefe. »Warum das, Hellauge? Welchen Nutzen, welchen Sinn hat dies?« Thomas überlegte, wie er es dem indianischen Freund erklären sollte. Schließlich hatte er einen Einfall und sagte: »Du kennst die Ingenieure, die Eisenbahnen bauen. Nun will jemand die Schienen über eine bestimmte Strecke im Gebirge führen oder muß eine Brücke über eine Schlucht bauen. Aber der Geologe, so heißt der Mann, der alles vom Gestein und dem Boden weiß, sagt nein. Denn er kann nachweisen, daß der Untergrund nicht fest genug ist und die Schienen oder Brücke zerstört würden.« »Wah«, stieß Cochise hervor, »die Bleichgesichter beschäftigen sich mit Dingen, die keinen Wert haben. Wenn du deinen Fuß auf lockeres Gestein setzt, spürst du, wie es nachgibt, und springst zurück. Warum mußt du dafür lange Jahre lernen?« »Auch ein Apachenkind muß dies erst lernen«, erwiderte Jeffords gelassen. »Wenn es laufen kann, und der Boden gibt über ihm nach, wird das Kind dies für ein Spiel halten. Ist es so?« Cochise gab Thomas recht, war aber nicht von der Nutzlosigkeit einer Brücke abzubringen. »Du kannst so lange gehen oder reiten«, sagte er, »bis du die Schlucht hinter dir hast. Danach wendest du dein Pferd und reitest dorthin, wohin du wolltest. Warum eine Brücke? Warum Eisenbahnen? Unsere Brüder im Norden klagen, daß die Bisonherden von Weißen aus den Waggons abgeschossen werden. Die Kadaver verpesten die Luft, und in zwei oder drei Wintern haben unsere Brüder im Norden keine Nahrung mehr.
Du siehst, daß eine Eisenbahn nicht nur nutzlos, sondern auch gefährlich ist.« Jeffords sagte: »Ja, sicher. Für die Indianer sind solche Dinge vollkommen nutzlos. Aber die Weißen wollen immer weiter, wollen wissen, wie das Land hinter dem nächsten Berg, am anderen Ufer des Flusses aussieht. Und wenn sie das ganze Land kennen, machen sie es urbar, pflanzen und ernten und brauchen die Bahn, um die Ernte verfrachten zu können.« »Warum bauen sie mehr an, als sie essen?« wollte der Jefe wissen. »Im Osten leben viele Menschen«, erklärte Thomas. »Sie leben in Häusern, die größer als hundert Jacales sind. Dort gibt es kaum noch Land, auf dem sie etwas anbauen können. Sie kaufen die Ernten der Menschen im Westen.« Cochise dachte nach und fragte listig: »Womit bezahlen sie die Ernte? Was haben die Weißen im Osten, das die anderen brauchen?« »Gewehre, Munition, Wasserflaschen«, zählte Jeffords auf, »Geräte für die Landarbeit und viele Dinge mehr. Du siehst, die beiden Gruppen sind aufeinander angewiesen.« »Ihr seid ein verrücktes Volk«, sagte der Häuptling. »Die Indianer nehmen das, was die Natur ihnen schenkt. Damit kommen sie aus und leben zufrieden. Ihr dagegen zerstört die Natur und den Boden. Es gibt zu viele von euch. Müßtet ihr euch beschränken wie wir, wäret ihr sicher nicht so zahlreich.« Jeffords schwieg. Es hatte keinen Sinn, dem Häuptling zu erklären, daß eigentlich hinter allem, was die Weißen taten, der Wunsch nach Sicherheit und Geld stand. Daß einzelne so gierig nach Dollars und Macht waren, daß sie an nichts anderes mehr denken konnten. »Da, die Tontos«, stieß Cochise hervor, »jetzt greifen sie wirklich an!« Aber es war nur eine Scheinattacke. Ein Dutzend Krieger jagte die Mustangs bis über die Mitte des Tales und bog sofort
wieder ab. »Sie wollen herausfinden, in welchen Spalten die Banditen hocken«, vermutete Jeffords. »Und das wissen sie jetzt genau, denn aus beiden Deckungen fielen Schüsse.« Das Feuer ließ nicht nach. Die Outlaws schickten Kugel um Kugel zu den wartenden Apachen hinüber. Was hatte Atkins vor? Wenn die Krieger ihre Pferde ständig in Bewegung hielten, konnten sie höchstens durch Zufall getroffen werden. »Also noch mal, paßt auf«, sagte der Anführer der Banditen. »Ich verschwinde in Richtung Hütte und nehme genügend Sprengstoff mit, um die sechs Krieger zur Hölle zu pusten. Sobald es am Haus kracht, stellt ihr das Feuer ein.« »Warum?« wollte Big Sloop wissen. »Damit sie angreifen, du Narr«, antwortete Atkins gereizt. »Sie sollen nachsehen, was passiert ist. Und wenn ihr nicht feuert, wittern sie ihre Chance. Wartet, bis sie ganz nahe sind. Dann werft ihr das Dynamit. Was sich nachher noch rührt, erledigt ihr mit den Gewehren. Ich wette, daß sie aufgeben.« »Wir dürfen keinen entkommen lassen«, sagte Walt O'Nions nervös. »Sonst saust der rote Stinker zu seinem Chief und holt Verstärkung. Das können wir nicht brauchen.« »Ihr müßt eben gut zielen«, sagte Atkins. »Los jetzt! Feuert aus den Läufen, was nur rausgeht.« Er hatte laut genug gesprochen, daß auch die anderen in der zweiten Spalte alles verstanden. Die Schüsse peitschten. Claude Atkins schob sich, flach an den Boden gepreßt, aus der Deckung. »Nur weiter, Boß«, rief Walt, »die Kerle wissen nicht, was sie davon halten sollen. Sie reiten kreuz und quer, um uns das Zielen zu erschweren.« Atkins kroch, erreichte einen dichten Strauch und blieb einen Moment liegen. Vorsichtig richtete er sich etwas auf und bog behutsam die Zweige auseinander. Von hier aus sah er die
Außenwand der Blockhütte, konnte aber weder einen Apachen noch eines der Pferde entdecken. Langsam robbte der Bandit weiter. Er blickte nicht zurück, denn er wußte, daß seine Männer solange feuerten, bis sie die Explosion hörten. Natürlich war es möglich, daß ein Teil der Apachen zur Hütte stürmte, nachdem ihre Brüder in der Hölle gelandet waren, aber für den Fall wollte Atkins ein paar Stangen Dynamit aufbewahren. Yard um Yard gelangte er näher an die grob zugerichteten Balken, die halb zusammengefallen waren. Endlich spürte er das rauhe, ausgedörrte Holz unter seinen Fingerspitzen und richtete sich auf. Das Krachen der Gewehrschüsse übertönte fast jedes andere Geräusch. Atkins zog die zusammengeschnürten fünf Dynamitpatronen aus dem Gürtel und fingerte mit der anderen Hand ein Schwefelholz hervor. Es ratschte, als er den Phosphorkopf über die rauhen Balken rieb. Zischend flammte das Holz auf. Das Feuer fraß sich in die Lunte. Atkins wartete bis zum letzten Moment. Dann holte er aus, beugte sich nach hinten und warf das Bündel mit aller Kraft über das Dach der Hütte. Claude zog den Revolver und behielt den Daumen auf dem Hahnsporn. Wenn einer der Apachen etwas gemerkt hatte, war der Killer bereit, sofort zu feuern. Plötzlich hörte er die erregten Stimmen von der anderen Seite der Blockhütte und spannte den Hahn. Aber in diesem Moment detonierte die Ladung bereits. Ein bronzefarbener Körper flog um die Ecke. Der Krieger prallte hart zu Boden, stemmte sich nach einigen Sekunden mit den Händen hoch und schüttelte den Kopf, als wollte er wieder klar denken können. Er sah den Weißen, öffnete den Mund, doch da flammte es auch schon orangerot vor der Coltmündung auf. Das Geschoß tötete den Tonto sofort.
Der Killer lief mit langen Sätzen durch die Büsche zur Quelle an der Rückseite und sah sich um. In weitem Bogen hastete er um die andere Ecke der Hütte und blieb mit schußbereitem Revolver stehen. Ein gemeines Grinsen verzog das Gesicht des Banditen, als er die fünf toten Apachen sah. Atkins ersetzte die verschossene Patrone, mit der er den sechsten Mann erwischt hatte, und halfterte den Colt. Mit beiden Händen umfaßte er den Rand des halb eingebrochenen Dachs und zog sich hoch. Erst blieb er flach liegen, um kein Ziel zu bieten, aber dann sah er, daß die übrigen Krieger alle zur Felswand starrten. Atkins schaute sich um und entdeckte die Pferde der toten Tontos hinter der Quelle. Zufrieden rutschte er wieder herunter und näherte sich den Tieren. Sie scheuten, wichen zurück vor dem fremden Geruch des weißen Mannes. Aber ihre Reiter hatten sie mit den Zügeln festgebunden. Atkins prüfte die Knoten. Sie waren fest. Als er wieder zur Hütte ging, stieß er mit dem Fuß gegen drei Canteens. Sie ließen sich nur schwer aus dem Weg räumen. Also waren die Blechflaschen mit Wasser gefüllt. Claude Atkins zog sich wieder auf das Dach und bedauerte, daß er keine Winchester bei sich hatte. Von dort aus hätte er den Rothäuten in die Flanke fallen können, wenn sie auf die Felsnischen zustürmten. Hoffentlich kommen sie bald, dachte der Banditenboß und legte sich bequem hin. Nur wenige Sekunden waren vergangen, als die Apachen angriffen. Sie schmiegten sich auf die Rücken ihrer Pferde und stießen das Kriegsgeschrei aus, das auf die meisten Menschen unheimlich wirkte. Aber die Kerle, die Atkins um sich versammelt hatte, waren abgebrühte Burschen. Die hätten selbst dem Teufel die Hörner verbogen, wenn es nötig gewesen wäre. »Wenn nur keiner nervös wird und zu früh schießt«, sagte
der Banditenboß, »dann schaffen wir's nicht. Aber auf jeden Fall haben wir jetzt wieder Wasser.« Er war sich darüber klar, daß ein Mann die Quelle um jeden Preis halten mußte, wenn sein Plan nicht aufging. Doch vorläufig brauchte er sich keine Sorgen zu machen, denn seine Männer warteten noch immer. Die Apachen ließen ihre Pferde in vollem Galopp auf die Felsen zustürmen. Walt richtete sich auf, fuhr mit der Linken über das Gestein, und Atkins bildete sich ein, die kleine Flamme des Schwefelholzes zu sehen. Dann bewegte sich Walt wieder, ging zwei Schritte weiter vor. Verdammt, was macht der Narr? Noch einen halben Schritt, und er steht ohne jede Deckung da. Und Walt O'Nions ging noch weiter. Sicher wollte er genau sehen, wohin er den Sprengstoff werfen mußte. Er holte aus, bog den Oberkörper nach hinten, wollte werfen, aber er kam nicht mehr dazu. Einer der Tontos hatte sich aufgerichtet, den Maulbeerholzbogen gespannt und einen Pfeil von der Sehne schnellen lassen. Entsetzt starrte Big Sloop auf die eiserne Spitze, die aus dem Rücken seines Kumpans ragte. Walt flog zurück. Instinktiv wich Big Sloop aus. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er auf das winzige Stück Lunte, auf den glimmenden Funken, der gerade in der roten Papphülse verschwand. Und das war das letzte, was der stämmige Mörder in seinem Leben wahrnahm. Denn die Dynamitpatrone landete genau in der Kiste, aus der Walt sie vor ein paar Minuten rausgenommen hatte. Eine ungeheure Detonation erschütterte die Felswand des kleinen Tales. Steine flogen wie Kanonenkugeln aus der Spalte. Von den beiden Männern und den Pferden konnte
nichts übriggeblieben sein. Die Tontos rissen ihre Ponys herum und galoppierten zurück. Aus sicherer Entfernung beobachteten sie, wie die trennende Wand zwischen den beiden Spalten zusammenbrach und zersplitterte. Zwei Pferde galoppierten aus der anderen Deckung heraus. Die Männer duckten sich hinter die Hälse der Tiere. Sie wußten, daß sie eine winzige Chance hatten, wenn sie das Blockhaus erreichten. Doch ihre schnelle Reaktion nützte ihnen nichts. Die Tontos brüllten auf und deuteten mit ausgestreckten Armen nach oben. Was Thomas Jeffords befürchtet hatte, trat ein. Die überhängende Felsplatte löste sich. Unendlich langsam löste sie sich aus ihrer Verankerung, neigte sich und rutschte schräg nach unten. Immer schneller glitt das mächtige Stück Gestein herab, polterte über Vorsprünge, zermalmte weiches Gestein und zerquetschte Pflanzen und Kräuter zu schmierigem grünem Brei. Das Schichtgestein an der Oberkante gab nach. Brocken brachen heraus, sausten wie riesige Bälle in das Tal und zerplatzten, als sie gegen härtere Formationen prallten, in tausend Stücke. Schicht um Schicht brach ab. Kurz nach der Explosion rutschte der halbe Hang in die Tiefe und vernichtete alles, was im Weg war. Die beiden Reiter entkamen der mächtigen Felsplatte, aber die Steinlawine holte sie ein, riß die Pferde von den Beinen. Die Angstschreie der beiden Männer klangen dünn und kläglich, obwohl sie sicher mit aller Kraft ihre Todesfurcht herausbrüllten. Claude Atkins lag reglos auf dem Dach des Blockhauses. Er starrte die zerstörte Seitenwand des Tales an und war nun sicher, daß dort keine Goldader zu finden war.
Der Tod seiner Kumpane ließ ihn kalt. Für ihn war es kein Problem, in jeder Stadt des Südwestens beinharte Burschen anzuwerben, die für einen halben Dollar jeden Auftrag bedenkenlos ausführten. Endlich ließ das Donnergrollen nach. Nur vereinzelt polterten noch Steine ins Tal. Atkins sprang vom Dach und ging auf den mächtigen Geröllhaufen zu. »Boß«, röchelte jemand, »hilf mir! Ich sitze fest.« Der Killer sah genauer hin und entdeckte Reds Kopf hinter einem Stein. Das Gesicht des Rothaarigen war eine einzige Grimasse des Schmerzes. Atkins betrachtete den Geröllberg und wußte, daß er mindestens einen Tag wie ein Verrückter schuften mußte, wollte er Red rausholen. Denn wenn der Banditenboß an der falschen Stelle Steine wegnahm, kam der gesamte Haufen wieder ins Rutschen und begrub auch ihn. »Ich kann mich kaum noch bewegen«, jammerte Red. »Die Beine sind ganz taub. Mann, Claude, hol mich raus!« Er hat das Rückgrat gebrochen, dachte Atkins, sonst wären seine Beine nicht taub. Was soll ich mit diesem Krüppel anfangen? »Sicher, ich helfe dir«, sagte Atkins hämisch und ging weiter. Er wollte und konnte dem Mann auch nicht helfen. Außerdem war er dem Tod schon sehr nahe. Atkins war ein vollkommen gefühlloser Mensch. Ein Leben bedeutete ihm nichts. Er musterte das Tal. Die Apachen hatten die Flucht ergriffen. Sie glaubten wohl, die Bleichgesichter hätten den Zorn der Götter heraufbeschworen und wären darum vernichtet worden. Als der Killer mit seinen Blicken die übrige Geröllbarriere absuchte, entdeckte er noch ein Lebenszeichen. Ein Unterarm ragte ein Stück zwischen kleinem Gestein heraus, und die Finger der Hand krümmten sich, als wollten sie etwas packen
und nie wieder loslassen. Aber zwei Sekunden später pendelte die Hand schlaff herab. Glück gehabt, alter Junge, gratulierte sich Claude Atkins. Du mußt doch einen besonderen Schutzengel haben. Erst schaffst du es, in Tombstone aus dem Jail zu verschwinden, dann entkommst du diesem verdammten Postmeister in der Wüste. Und jetzt hast du es wieder mal geschafft. Also, weg von hier. Ich brauche neue Leute. Und dann suche ich Walts Goldader. Atkins lief zu den Indianerpferden und schwang sich auf den Rücken eines starkknochigen Ponys, nachdem er die drei Wasserflaschen vom Boden aufgenommen hatte. Denn Wasser war für ihn nun wichtiger als alles andere. Mit einem Ruck öffnete Atkins den Knoten und drückte dem Mustang die Stiefelabsätze in die Flanken. Das Pferd fiel in Galopp und preschte in wilder Karriere durch das Tal. * »Jetzt!« sagte Cochise und riß das Gewehr an die Schulter. Aber Jeffords schoß eine Sekunde früher. Seine Kugel sirrte über Atkins' Schulter und riß einen Streifen Hemdenstoff ab, der im Reitwind hochwirbelte. Thomas stieß einen Wutschrei aus. Cochise drückte ab, aber da hatte der Bandit das Pferd schon gezwungen, im Zickzack zu laufen. Auch die Kugel des Jefe richtete nur geringen Schaden an. Sie nahm einen Streifen Haare aus dem Fell des Ponys mit. »Hol die anderen Pferde!« sagte Jeffords aufgeregt. »Wir müssen hinter dem Halunken her. Er darf nicht entkommen.« Cochise rutschte aus dem Spalt, kam auf die Beine und rannte zur Hütte. Wenig später galoppierte er auf dem Rücken eines Mustangs zu Jeffords, der mit den Waffen vor der Höhle wartete. Das zweite Pferd scheute, als es den Weißen roch. Es war
kaum zu bändigen. Thomas verfluchte alle Apachenmustangs, aber es half nichts. Er mußte Geduld haben und dem Tier Zeit geben, sich an ihn zu gewöhnen. Eigentlich ging es schnell. Es konnte kaum fünf Minuten gedauert haben, bis das Pony nur noch die Augen wild rollte und zuließ, daß Thomas auf seinen Rükken stieg. Jeffords warf Cochise den Bogen, den Pfeilköcher und das Gewehr zu. »Fertig? Kommst du zurecht ohne Sattel?« fragte der Jefe besorgt. »Ich muß«, antwortete Jeffords. »Los, der Killer darf nicht schon wieder entwischen. Schieß ihn aus dem Sattel, sobald du ihn siehst, Jefe!« Cochise trieb seinen Mustang an, drehte sich etwas und erwiderte grinsend: »Atkins hat auch keinen Sattel, Hellauge.« Thomas fluchte, und seine Verwünschungen steigerten sich noch, als sein Sitzfleisch auf dem Pferderücken im Rhythmus des Galopps hin und her rutschte. Er umklammerte mit den Beinen den Leib des Pferdes, legte seine ganze Kraft in diesen einzigen Halt, doch es war vergebens. Nachdem das Tier die schräge Barriere überwunden hatte, die nunmehr die Sperre zum Canyon der Seufzer bildete, preschte es in voller Karriere durch das Tal. Cochises Vorsprung wurde immer größer. Der Jefe saß wie angeschmiedet auf dem Mustang und machte jede Bewegung des Pferdes mit, um ihm den Galopp zu erleichtern. Jeffords preßte die Zähne zusammen und ließ sein Pferd laufen. Wenn das noch ein paar Meilen so geht, dachte er, kann ich meinen Hintern wegwerfen. Wir könnten Atkins erwischen, wenn die Tontos noch in der Nähe sind, schoß es Thomas durch den Kopf. Aber die Apachen haben sich bestimmt irgendwo verkrochen und zittern
davor, daß ihnen der Himmel auf den Kopf fällt. Das Pony bog so scharf um einen herausragenden Felsen, daß Jeffords die Winchester aus der Hand geschleudert wurde. Er riß mit aller Gewalt an den einfachen Seilzügeln und brachte das Pferd tatsächlich zum Stehen. Nach einigen vergeblichen Versuchen drehte es und ging im Schritt zurück. Thomas saß ab und rieb sich den schmerzenden Allerwertesten. Als er sich bückte, um die Winchester aufzuheben, mußte er die Seilzügel loslassen. Sofort stürmte der Mustang davon. Jeffords rannte hinter dem Pferd her, aber das fiel in Galopp und zeigte dem Weißen die Hufe. Sicherlich war es froh, den Reiter mit dem unangenehmen Geruch endlich los zu sein. Thomas fluchte wie ein Maultierabhäuter und marschierte durch den Canyon der Seufzer. Cochise war nun die einzige Hoffnung des Postmeisters. Wenn der Jefe den Killer nicht erwischte, ging alles wieder von vorn los. Denn Atkins gab sicher nicht auf, solange er noch frei war. Er würde ein neues Halunkenrudel um sich sammeln und sich wieder auf die Suche nach der geheimnisvollen Goldader machen, die wahrscheinlich nur in den Fieberphantasien des verwundeten Trappers bestanden hatte. Denn daß es in dem kleinen Tal hinter dem Canyon der Seufzer Gold gab, erschien Thomas mehr als zweifelhaft. Die Gesteinsschichten, in denen der gelbe Dreck zu finden war, sahen ganz anders aus. Thomas Jeffords blieb stehen und lauschte. Vor ihm klang Hufschlag auf. Blitzschnell blickte sich Thomas um. In gut sechs Fuß Höhe wuchs ein belaubter Strauch auf einem schmalen Felsband. Jeffords warf das Gewehr hinauf und zog sich hoch. Langsam spannte er den Hahn und hielt die Mündung auf die Mitte des Weges gerichtet. Die Biegung war weit entfernt, und Thomas hatte Zeit genug
zum gründlichen Zielen, wenn Atkins dort kommen sollte. Aber es war der Jefe, der seinen Mustang im Schritt gehen ließ. Das Tier hinkte auf der linken Hinterhand und kam nur langsam vorwärts. Unmittelbar unter dem Strauch zügelte Cochise das Pferd, bog den Kopf nach hinten und fragte grinsend: »Wo hast du denn dein Pony versteckt, Hellauge? Auch dort oben? Sag mal, wolltest du wirklich auf mich schießen?« »Oh, verdammt«, stöhnte Thomas und sprang auf den Weg, »das ging aber total daneben.« Der Häuptling sagte nichts. Er erinnerte seinen Freund nicht daran, daß Cochise schon vor zwei Tagen die Banditen töten wollte. Dann hätte das Problem Atkins nicht mehr bestanden. Aber der Chiricahua wußte, daß Hellauge nicht aufgab, wenn es darum ging, dem Stamm die Dragoon Mountains als Heimat zu erhalten. »Ich weise alle Kutscher an, die Augen offenzuhalten«, versprach der Postmeister. »Solange Atkins nicht tot oder geschnappt ist, bleibt das Problem der Weißen in deinen Bergen bestehen, Jefe.« Cochise nickte. »Gehen wir zu unseren Pferden«, sagte er. »Ich zeige dir einen Weg, der dich schnell aus den Dragoons hinausführt.« Forschend sah Jeffords den Apachenführer an und fragte: »Und was machst du, Jefe?« Cochise lächelte freudlos und hart, als er antwortete: »Vergiß nicht, daß ich mit Santana von den Tontos noch etwas zu besprechen habe. Keine Angst, Hellauge, ich fordere ihn nicht zum Zweikampf heraus. Aber er soll noch lange daran denken, daß seine Krieger im Gebiet der Chiricahuas Weiße gejagt haben.« Zwei Stunden später trennten sich die Freunde. Jeffords blickte dem hochgewachsenen Häuptling nach, der sein Pony in eine breite Lücke zwischen zwei Felsen lenkte
und zu seiner Apacheria ritt. Der Postmeister mußte zur Station. Nur der Teufel wußte, was inzwischen alles passiert sein mochte, denn er war länger weggeblieben, als er vorgehabt hatte.
ENDE