Gruselspannung pur!
Die Bestie aus dem Bayerwald
von C.W. Bach Dämonenjäger
Mark Hellmann Burg Dießenstein, Bayerisc...
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Gruselspannung pur!
Die Bestie aus dem Bayerwald
von C.W. Bach Dämonenjäger
Mark Hellmann Burg Dießenstein, Bayerischer Wald. Als die beiden Kids der merkwürdigen Bronzepfeife die ersten Töne entlockten, ahnten sie nicht, daß sie damit einen Dämon beschworen, der Angst und Schrecken verbreitete. In den Wolken über der Burg begann es bereits zu rauschen! Das Geisterheer der Panduren erschien, angeführt von einem wüst aussehenden Haudegen, der mordlüstern den schweren Säbel schwang! Mark Hellmann - die Gruselserie, die Maßstäbe setzt! Spät am Abend, als die Dämmerung Burg Dießenstein in düsteres Licht tauchte, schlichen Petra und Martin in die alten Gemäuer. Im Tal krochen schon die ersten Nebelschleier über den Boden und
sorgten für geisterhaftes Licht. Die Kids, beide sechzehn Jahre alt und von der Schule in Weimar her befreundet, sahen sich noch einmal sorgfältig um, ob sie auch niemand beobachtete. Dann verschwanden sie hinter einem alten Torbogen. Martin leuchtete mit der Taschenlampe den Boden ab, bis er die markierte Stelle fand. Dort hatte gestern schon der Metallsucher ausgeschlagen, aber sie waren gestört worden, als eine Gruppe Besucher die Burg besichtigte. »Wenn sie uns erwischen, setzt es eine empfindliche Strafe«, sagte Petra fröstelnd. »Ich hab irgendwie so ein komisches Gefühl bei der Sache, so, als ob etwas schiefgeht.« Martin Klinger, einen Kopf größer als Petra Steinbach, wischte den Einwand grinsend beiseite. »Hier geht nichts schief«, versicherte er. »Aber wenn wir hier einen Topf alter Münzen finden, kann mir die Penne mitsamt dem Abi gestohlen bleiben. Dann steige ich aus und hole alles das nach, was wir bei Old Erich nicht durften. Du warst doch erst auch Feuer und Flamme dafür.« Martin hatte inzwischen den kleinen handlichen Detektor zusammengebaut, was nur drei Handgriffe erforderte, und bewegte ihn vorsichtig über den Boden. Einen Klappspaten hatte er auch dabei, und das alles war unauffällig in einem kleinen Rucksack verstaut. Ein leiser Piepton unterbrach Petras weitere Einwände. Gleichzeitig leuchtete ein gelbes Licht auf. Der Piepton wurde lauter. »Hier ist es«, sagte er heiser vor Aufregung. »Das Ding zeigt Bunt- oder Edelmetall an. Halt mal die Lampe.« Inzwischen war es dunkel geworden. Wolkenbänke jagten wie düstere Reiterscharen über die Burg. Die Silhouette wirkte bedrohlich, und als irgendwo auch noch ein Steinkauz seinen geisterhaften Schrei ausstieß, zuckte Petra zusammen.
Martin ließ sich nicht stören. Er blieb cool, begann nur, mit dem Spaten den Boden aufzuwerfen. Aber das Fieber der Schatzsucher hatte ihn jetzt gepackt und ließ ihn nicht mehr los. Nach vierzig Zentimetern hielt er inne und grub nur noch sehr vorsichtig weiter. Da wurde der Schein der kleinen Lampe auch schon schwächer. Für den Fall hatten sie wohlweislich noch eine zweite Lampe dabei. Je näher er dem merkwürdigen Ding im Boden kam, desto mehr begann sich der Nebel um sie herum zu verdichten. Es war ein eisiger, trockener und kalter Nebel, der seltsame Gestalten bildete. Petra Steinbach spürte, wie es ihr eiskalt über den Rücken lief. Ständig hatte sie das Gefühl, als würden spinnenartige Arme aus der weißlichen Substanz nach ihr greifen. Mitunter streifte sie auch ein Hauch im Nacken, der sich wie der kalte Kuß einer Leiche anfühlte. Jedenfalls fiel ihr kein besserer Vergleich ein. Martins unterdrückter Schrei durchbrach die unheimliche Stille. »Ich hab was. Es leuchtet ganz schwach. O Gott, was ist das?« Stumm betrachteten sie den Gegenstand, den Martin vorsichtig aus dem Schutt gekratzt hatte. Das Ding war handlang, breit wie zwei Finger und aus Metall, das auf eine merkwürdig kalte Art fluoreszierte. Enttäuscht und etwas ratlos hielt er das Ding in der Hand. »Ist das alles?« fragte Petra im Flüsterton. »Sieht wie eine alte vergammelte Pulverflasche aus.« Ein hallender Donnerschlag ließ beide zusammenfahren. Gleichzeitig wurde ein gezackter Blitz sichtbar, dessen grelles Licht sich erstaunlich lange hielt. Wie in Zeitlupe verschwand er in einer der dicken Mauern. Martin hatte sonst immer coole Sprüche drauf, doch jetzt würgte er erst mal einen dicken Kloß hinunter. »Der hätte uns treffen können!« hauchte Petra entsetzt. Martin fand erst jetzt in seine gewohnte
Schnoddrigkeit zurück. »Mich nicht, bin gut geerdet. Mein Lümmel ist aus Eisen.« »Du mit deinen blöden Sprüchen. Laß uns hier verschwinden. Es wird immer unheimlicher.« Martin fand das auch, gab es aber nicht zu. Irgendwie hatte sich alles verändert, als befänden sie sich ganz allein auf der Welt. Hastig schraubte er den Detektor auseinander, klappte den Spaten zusammen und verstaute alles. Das merkwürdige Gebilde, das immer noch schwach leuchtete, steckte er ebenfalls in den Rucksack. Später konnten sie es sich in aller Ruhe ansehen. Jetzt wollte er so schnell wie möglich weg von diesem Ort. Inzwischen war der Nebel so dicht geworden, daß sie sich mit ausgestreckten Händen blind vorantasten mußten. Einmal griff Petra in eine weiche und wabbelige Masse hinein und stieß einen Schrei aus, als aus der Masse ein hämisches Gekicher erklang. »Hier sind Geister«, würgte sie, heiser vor Angst, mühsam hervor. »Gib mir deine Hand, Martin! Ich habe furchtbare Angst.« »Halb so wild«, wollte Martin laut rufen, doch seine Stimme klang wie das Krächzen eines alten Raben. Wieder hämisches Kichern, das aus der Unendlichkeit kam, hohl und gehässig klang, als würde sich jemand über ihre Angst lustig machen. Das Kichern steckte in den alten Mauern und im Boden. Immer wieder stolperten sie, bis sie sich nach endlosen Ewigkeiten in einem angrenzenden Waldstück wiederfanden. Hier hörte der Nebel auf. Die Luft war kühl und trocken. Aber die Burg war von dickem Nebel umspannt wie von einem Kokon. »Gott sei Dank«, stieß Petra hervor. »Solche Angst habe ich noch nie im Leben verspürt. Mir ist jetzt noch ganz schlecht.« »Wir sind bald in der Waldlaterne«, meinte Martin. »Noch eine Viertelstunde, dann haben wir es
geschafft.« Waldlaterne wurde die Jugendherberge der Burg Saldenburg genannt, in der sie mit etlichen anderen kampierten. Von dort aus waren jeweils Tagesausflüge in die Umgebung organisiert worden, um die alten Burgen und ihre Sagen kennenzulernen. Martin Klinger aber hatte dabei vordringlich die Schatzsuche im Sinn und sich entsprechend heimlich ausgerüstet, um irgendwann einmal fündig zu werden. In der Ex-DDR war so etwas unmöglich gewesen. Eine Viertelstunde später kam ihnen das alles nur noch wie ein Spuk vor, als sie ihr Domizil erreichten. Im Aufenthaltsraum befand sich niemand mehr. Die meisten Kids waren in eine nahe Disco abgewandert und würden kaum vor Mitternacht zurückkehren. Martin verstaute seinen Detektor und begann sich intensiv mit dem rätselhaften Fund zu beschäftigen. Das kaum sichtbare Glimmen war verschwunden oder bei dieser Beleuchtung nicht zu erkennen. Mit dem Schweizermesser kratzte er vorsichtig den jahrealten Dreck ab, bis der eigentliche Gegenstand immer deutlicher hervortrat. »Was ist das?« fragte Petra aufgeregt. »Da scheinen Schriftzeichen drauf zu stehen.« »Ja, sieht ganz danach aus. Scheint eine Pfeife oder Flöte zu sein. Jedenfalls handelt es sich um Bronze, das steht fest. Hier befindet sich ein kleines Mundstück, dort drüben ein kleines Loch.« Nach weiterer emsiger Arbeit und Kratzerei trat die Inschrift immer klarer und deutlicher hervor. »Lateinisch«, sagte Martin Klinger und entzifferte mühsam weiter. »Qui est iste qui venit, steht da drauf.« Alle beide waren keine großen Leuchten in Latein, aber die Übersetzung gelang ihnen schließlich doch. »Das heißt«, sagte Petra nach langem überlegen. »Wer ist es, der da kommt?« »Stimmt. So heißt es. Aber was mag das zu bedeuten haben?« Während sie noch darüber rätselten, erschien der
Herbergsvater. Martin ließ die Bronzepfeife schnell verschwinden, um gar nicht erst unangenehme Fragen zu provozieren. Etwas später erschienen auch die anderen, und alle begaben sich in die Schlafsäle. Sie hatten noch nicht die geringste Ahnung, was der Fund der Bronzepfeife alles bewirken würde, sonst hätte Martin sie längst fortgeworfen. * Gegen Mittag des anderen Tages herrschte auf Burg Saldenburg Hochbetrieb. Touristen waren gekommen, und eine lärmende Schulklasse trieb sich auf der Holzbrücke über dem alten Burggraben herum. Etliche andere Touristen bevölkerten den ehemaligen Rittersaal, der jetzt als Speisesaal für hundert Personen diente. Martin hatte die Bronzeflöte inzwischen so gut poliert, daß sie im Sonnenlicht funkelte und die Inschrift deutlich zu sehen war. Er und Petra hielten sich an der Ostseite auf, wo sie ziemlich allein und unbeobachtet waren. »Ich will das Ding mal ausprobieren«, sagte Martin. »Es bezweckt etwas, sonst würde dieser komische Spruch nicht darauf stehen.« Petra dachte an den gestrigen Abend und den damit verbundenen Schrecken, an den plötzlichen Nebel und das teuflische Gekicher. Auch der unheimliche Blitz fiel ihr wieder ein. »Hoffentlich beschwören wir damit kein Unheil herauf, Martin.« »Unheil?« Martin lachte verächtlich. »Vermutlich kommt eine Fee, und wir haben drei Wünsche frei.« »Oder ein Dämon, der uns in die Hölle zieht.« »Der muß erst noch geboren werden. Ich habe heute mein starkes Hemd an und nehme es mit jedem auf.« Petra kannte die Sprüche. Wenn es aber erst einmal zur Sache ging, dann sah Martins starkes Hemd meist
ziemlich zerknittert aus. Er setzte das Mundstück an und blies hinein. Ein feiner Nebel, zart wie eine winzige Wolke, erschien aus dem Loch der Flöte. »Staub«, vermutete Martin. »Obwohl ich das Ding ein paarmal ausgewaschen habe.« Er versuchte es erneut, blies diesmal kräftiger. Der Erfolg verblüffte alle beide, als er mit vollen Wangen blies. Ein zitternder Ton hing in der Luft. Erst leise, dann anschwellend, steigerte er sich zu einem grellen Pfiff, der wie das Singen einer anlaufenden Turbine klang. Die Luft war plötzlich erfüllt von einem unnatürlich hohlen Brausen, das sich endlos fortzusetzen schien. Verstört ließ Martin das Instrument sinken und steckte es dann hastig in die Tasche. Gleichzeitig sahen sich beide gehetzt um. Das Szenario begann sich auf eine seltsame Art zu verändern und wurde ausgesprochen beängstigend. Von der anderen Burgseite und der Brücke klangen Schreie herüber, als sei dort eine Panik ausgebrochen. Fassungslos sahen sie, wie sich der vormals strahlendblaue Himmel zusehends verdüsterte. Wie aus dem Nichts erschienen dunkle, schnell dahinjagende Wolken, begleitet von donnerartigen Geräuschen, die über die Saldenburg zogen. Immer finsterer wurde es. Blitze zuckten aus dem Himmel, stachen auf die Saldenburg herunter. Wie gestern wieder in Zeitlupe, gleich blanken Schwertern, die in das Mauergestein stießen. Eine der Quadern brach mit lautem Getöse auseinander. Petra begann in ihrer Angst zu rennen. Panik hatte sie erfaßt. Sie rannte hinüber zu den anderen, gefolgt von Martin, der erst jetzt begriff, daß sie etwas ausgelöst hatten, was sie nicht mehr unter Kontrolle kriegten. Als sie bei den anderen ankamen, wurde alles nur noch schlimmer. Etliche der Touristen starrten fassungslos in den Himmel. Ein paar andere waren
einfach davongerannt. Auch die Schulklasse hatte sich vor Angst zerstreut. Einige hatten Zuflucht unter der Holzbrücke gesucht, andere waren in den Rittersaal gelaufen. Die schnell dahinjagenden Wolken veränderten sich. Köpfe wurden sichtbar, dann ganze Leiber, schließlich Pferde, die mit einem Höllenlärm hoch über Saldenburg durch die Luft ritten. Jetzt waren auch erstmals donnernder Huf schlag und wildes Gebrüll zu hören. Immer kräftiger zeichnete sich das Geisterheer ab, immer lebendiger wurde es. Über die Saldenburg ritt der Teufel persönlich mit seinen unheilvollen Heerscharen und bösartigen Gestalten. Dem Geisterheer voran ritt ein wüst aussehender Haudegen auf einem schweren Gaul. Seine Blicke waren mordlüstern auf die entsetzten Zuschauer gerichtet. In der Rechten hielt er einen schweren Säbel, mit dem er, gebückt auf dem Pferd sitzend, nach allen Seiten Hiebe austeilte und mit Donnerstimme etwas brüllte, das kein Mensch verstand. »Mein Gott, das sind ja Panduren«, schrie ein Mann mit schütteren Haaren. »Gestern habe ich meiner Klasse noch von den Panduren erzählt, aber die sind doch seit zweihundert Jahren…« Er schrie entsetzt auf, als mehrere der uniformierten Reiter brennende Fackeln aus dem Himmel warfen. Andere richteten musketenartige Büchsen nach unten und feuerten lange Blitze aus den trichterförmigen Rohren. Petra Steinbach rüttelte den wie erstarrt dastehenden Martin an der Schulter und riß ihn herum. Sie standen jetzt unter einem alten Torbogen und klapperten vor Angst mit den Zähnen. »Da siehst du, was du heraufbeschworen hast«, schrie Petra. »Mach dem Spuk ein Ende, sonst holt uns der Teufel. Die Kerle scheinen wirklich echt zu sein. Das ist deine Schuld.« »Wie denn?« fragte Martin kläglich. »Ich wußte doch
nicht…« Hilflos brach er ab, als dicht neben ihnen eine brennende Fackel zu Boden fiel und ihnen die Funken um die Ohren stierten. »Nimm deine verdammte Tröte und stoße einen Pfiff aus. Vielleicht verschwinden die Geister dann wieder, die du gerufen hast.« Inzwischen war das Gebrüll noch lauter geworden. Immer mehr Fackeln fielen herab. An einer Stelle der Burg flackerte ein Brand auf. Das Geisterheer der längst toten Panduren überzog alles mit Rauch, Feuer und Musketenschüssen. Ein Mann, von einer Kugel getroffen, brach schreiend zusammen. Aus seiner Brust floß Blut. Martin fand endlich zu sich selbst zurück. Mit zitternden Fingern zog er die Bronzeflöte hervor. Er warf noch schnell einen Blick nach oben, doch jetzt hatte sich die Szene abermals verändert. Jetzt sah das Szenario aus, als würde es aus einem 3-D-Film stammen. Rosse und Reiter fegten jetzt fast waagrecht heran. Und es wurden immer mehr, die gegen die Saldenburg anstürmten und Tod und Verderben brachten. Ihr riesiger Anführer, der immer noch wild den Säbel schwang, schien allerdings etwas aus dem Konzept geraten zu sein. Seine finstere, drohende und blutrünstige Miene veränderte sich. Unglauben, fast Erschrecken zeigte sich in dem Gesicht des Pandurenführers, als er die seltsam gekleideten Gestalten voller Panik herumrennen sah. Auch die Gebilde irritierten ihn, in die ein paar Menschen voller Angst hineinsprangen und wie durch Zauberei davonrollten, als würden Geister sie bewegen. Sie stießen eine kleine Rauchwolke aus, und schon bewegten sie sich zehnmal schneller als ein Pferd davon. Er ritt einem dieser kleinen Ungeheuer aus Metall nach, bevor es sich richtig in Bewegung setzen konnte, und schlug mit dem Säbel zu. Es gab einen dumpfen, hallenden Schlag und eine Beule. Dann
produzierte das Ding einen Ton, grell und durchdringend, daß der Pandurenführer zusammenzuckte. In genau diesem Augenblick blies Martin mit aller Kraft in die Bronzepfeife hinein. Es war wie ein Alptraum, als ob er alle Dämonen der Finsternis durch diesen Pfiff beschworen hätte. Von einer Sekunde zur anderen begann das Geisterheer zu verblassen. Nebelartige Schleier verzerrten die wilden Gestalten, die langsam in den Konturen verschwammen, bis auf einen. Der löste sich nicht auf. Er ritt weiter, bis zu dem fünfgeschossigen Herrenhaus, und prallte mit dem Pferd dagegen. Laut und deutlich war der Aufprall zu hören, als der Reiter aus dem Sattel geschleudert wurde. Mit einem Wiehern stürzte das Pferd zur Seite, den Reiter halb unter sich begrabend. »Rache!« erklang ein Schrei aus dem wolkigen Nebel, ehe das Geisterheer verblaßte. Martin, der am ganzen Körper zitterte, stieß tief die Luft aus. »Glück gehabt«, krächzte er. »Mann, das hätte aber ins Auge gehen können.« Er starrte nur das Mädchen an, das mit offenem Mund neben ihm stand und sich ungläubig umschaute. Es war wie ein Erwachen in einer anderen Welt. Das Zwitschern der Vögel war verstummt. Kein Windhauch regte sich. Besucher, Schulklasse und Geisterheer waren verschwunden, als hätte es sie nie gegeben. Die Luft war lind und würzig, aber um sie herum herrschte eine beängstigende Totenstille. »Wo sind wir, was ist passiert?« fragte Petra. Sie zeigte keine Angst, nur Verwunderung und Erstaunen. »Vielleicht ist alles nur ein Traum«, meinte Martin. »So was Verrücktes gibt es doch gar nicht. Ich habe das Gefühl, als seien wir in einer ganz anderen Welt, auf einem anderen Planeten.« »Ein Traum?« wiederholte Petra nachdenklich. »Dann ist es ein sehr bizarrer Traum. Sieh mal da hinüber«, flüsterte sie.
Martin drehte sich langsam um. Sie befanden sich jetzt auf unerklärliche Weise am alten Burggraben, dicht unter der Brücke. Auf einem Mauerstein neben dem Graben saß eine Frau, die in Weiß gekleidet war, wie es der Mode des Mittelalters entsprach. Sie hatte die Hände vors Gesicht geschlagen und schluchzte leise vor sich hin. Martin und Petra sahen sich beklommen an. * »Er ist wirklich tot«, sagte eine ausdruckslose Stimme. »Schiebt ihn endlich in den Ofen, damit er einen Vorgeschmack vom Fegefeuer bekommt. Beeilt euch!« »Ich bin nicht tot!« schrie ich, doch kein Ton kam über meine Lippen. Ich war in jene Starre zwischen Tod und Leben verfallen, in der man sich nicht bewegen konnte. Ich sah und hörte alles, war aber nicht in der Lage, etwas zu tun. Hinter mir hörte ich das Fauchen der Brenner. Vor mir sah ich meine Pflegeeltern Ulrich und Lydia Hellmann mit gesenkten Köpfen stehen. »Ich bin nicht tot«, wiederholte ich schreiend. Doch niemand reagierte. Sie standen nur mit tränenden Augen da, stumm, die Hände gefaltet und unendlich traurig. »Ich werde ihn begleiten«, sagte ein hochgewachsener Mann tröstend, und dann lachte er auf eine schreckliche, lautlose Art. Als er sich rittlings auf den offenen Sarg setzte, lief das Stahlband an, das meinen Sarg auf Rollen in das brüllende Höllenfeuer schob. Eine Klappe öffnete sich. Grell wabernde Hitze nahm mich auf. Gleichzeitig wurde das Fauchen zu einem wilden Brüllen, als meterlange Flammen mich umschlossen und der Sarg Feuer fing. Kaum war die eiserne Tür geschlossen, verwandelte
sich der hochgewachsene Mann. Seine Kleidung brannte, sein Bart stand in hellen Flammen, und aus den Augen schossen feurige Blitze. Hohnlachend sah er mich an, wobei aus seinem Schädel zwei Teufelshörner wuchsen. Eine Wolke von stinkendem Schwefel breitete sich in der Hitze aus. »Du bist mir schon ein paarmal entkommen, Mark Hellmann«, schrie er mit einer Stimme, die selbst das wilde Fauchen mühelos übertönte. »Du hast Dracomar vernichtet, und du hast gegen den Tod persönlich gekämpft. Weißt du, was ich von dir will, damit meine Macht unendlich wird?« Mephisto betrachtete mich mit glühenden Augen und spie mir eine gelbe Schwefelwolke ins Gesicht. »Du willst den Ring, du Ausgeburt der Hölle!« »Richtig. Und diesmal werde ich ihn kriegen.« Seine rechte Klaue, mit scharfen, spitzen Krallen, schoß vor, packte meine Hand und streifte mit einem Ruck den Ring ab, der auf dämonische Aktivitäten mit einem Glimmen und Wärme reagierte. Als Mephisto ihn jetzt in seinen Krallen hielt, strahlte der Ring in blutrotem Feuer. »Wir sehen uns noch«, versprach Mephir Tofel höhnisch. »Geh schon voran und mach dich mit den Qualen vertraut. Fahr zur Hölle!« schrie er triumphierend. Brüllend heiße Flammen verzehrten meinen Leib. Und inmitten dieser über tausend Grad heißen Hölle des Krematoriums stand Mephisto gelassen da, betrachtete den Ring und ergötzte sich daran. Während das Fleisch von meinen Knochen gebrannt wurde, und ich buchstäblich Höllenqualen durchlitt, winkte er mir noch einmal zu, bevor er wie eine feurige Blase zerplatzte. Kaum war er verschwunden, hörte ich das Krachen meiner berstenden Knochen, die in der Gluthitze zerplatzten. Merkwürdig war nur, daß ich alles bei klarem Verstand erfaßte, als sei mein Denken immun gegen das glosende Feuer. Nach und nach wurden die Flammen schwächer. Ich
spürte, wie etwas aus dem erlöschenden Feuer hervorsprang und sich auf meine Überreste stürzte. Es war ein kleiner Teufel, der mit einem Dreizack wütend meine Knochen zerstieß und sich dann wollüstig in der groben Asche herumwälzte. Obwohl nun nicht mehr viel von mir übrig war, bedrückte mich die Last ungemein und wurde schließlich schwer wie Blei. Ich schlug die Augen auf und war übergangslos woanders. Einer der übelsten Alpträume hatte mich wieder geplagt, doch meine Erinnerung daran war schlagartig verflogen. Wie immer. Nur eine drückende Last war noch in meinem Gedächtnis geblieben. Diese Last ruhte immer noch auf mir, und zwar in der Gestalt eines hübschen Mädchens namens Tessa Hayden, Polizistin im Weimarer Außendienst, dreißig Jahre alt, burschikos, mit modischer brauner Kurzhaarfrisur. Sie saß genau auf meinem Brustkasten, hatte die Hände auf meine Schultern gestützt und blickte mich kopfschüttelnd an. »Du machst deinem Namen auch nicht mehr alle Ehre«, spottete sie. »Ich wollte mit dir mal das Markus-Evangelium durchbeten, aber was finde ich vor? Eine schlafende Markussäule. Du hättest ruhig mit mir zusammen stöhnen können, anstatt allein. Im Fernsehen lief gerade >Liebe Sünde<, da hat diese kleine Asiatin vorgeführt, wie der Drache mit dem Jadestab die Jungfrau betört, bis sie vor Lust vergeht. Und da dachte ich…« »…weckst den Drachen und besorgst ihm eine Jungfrau«, fiel ich ihr ins Wort. »Aber woher nehmen?« »Du bist gemein, Markus Nikolaus Hellmann«, zischte sie, beugte sich herab und biß mir ins Ohr. »Wo warst du in deinem Traum? Bist du wieder fremdgegangen? Du hast dauernd leise gestöhnt.« »Ich war in Hamburg, am Jungfernstieg. Da war nur noch der Stieg da, aber keine Jungfern mehr.« Tessa trug heute ihre grünen Kontaktlinsen über ihren naturbraunen Augen, und sie wußte, daß ich
eine Schwäche für heiße Blicke aus grünen Augen hatte. Jetzt brannte sich dieser grünliche Blick etwas verschleiert in meine Augen, und da konnte ich nicht mehr cool bleiben. Sie drückte sich fester auf mich mit ihrem heißen Körper, aber irgend etwas zwang mich, den silbernen Ring an meiner Hand noch einmal zu betrachten. Sie merkte es und glaubte, ich würde auf die Armbanduhr blicken. Ich hatte befürchtet, der Ring sei verschwunden, aber er saß noch fest an meinem Finger. Merkwürdig, aber ich konnte mich an den Traum nicht mehr erinnern. Er hatte aber etwas mit dem Ring zu tun. »Du bist heute überhaupt nicht bei der Sache«, beklagte sich Tessa schmollend. »Das wird sich gleich ändern«, versprach ich. »Ich muß erst einmal unter die Dusche.« Tessa beschloß, mit unter die Dusche zu gehen. Vielleicht hatte sie Angst, daß ich ertrinken würde, wenn ich allein duschte. Im Spiegel leuchtete mir das fünfmarkstückgroße, siebenzackige Mal entgegen, das meine linke Brustseite zierte. Woher es stammte, war mir nicht bekannt. Ich wußte sowieso nicht viel über mich. Im Jahre 1980 hatte mich der damalige Kripobeamte Ulrich Hellmann in der Walpurgisnacht in der Weimarer Altstadt gefunden. Splitternackt, lediglich mit einem ledernen Band um den Hals, an dem ein kleiner silberner Ring hing. Ihn zierten ein stilisiertes Drachenwappen und die altertümlich verschlungenen Buchstaben M und N. Zehn Jahre war ich damals alt, ziemlich groß, kräftig, aber völlig verstört. Das Ehepaar Hellmann hatte mich danach adoptiert und großgezogen. Wer meine leiblichen Eltern waren und woher ich stammte, wußte ich nicht. Nach den Buchstaben auf dem Siegelring hatten mir meine Adoptiveltern den Namen Markus Nikolaus gegeben – und ihren Familiennamen natürlich. Dann studierte ich an der Jenaer Uni Völkerkunde,
Geschichte und Vorgeschichte und machte mein Staatsexamen. Den Job als Wissenschaftlicher Assistent warf ich bald hin und stand dann vorübergehend auf der Straße, weil ich mich nicht in eine Schablone pressen lassen wollte. In der Ex-DDR hatte ich wegen meiner Eigenwilligkeit auch schon Probleme gehabt, doch dann kam endlich die Wende, und vieles wurde anders. In einer Sportkompanie leistete ich meinen Wehrdienst ab und trainierte fleißig für den Zehnkampf. Mit zwanzig Jahren erhielt ich von meinem Vater den Siegelring, der sich auf geheimnisvolle Weise erwärmte und Licht aussandte, wenn übernatürliche Kräfte am Werk waren. Dieser Ring schien noch viele Geheimnisse in sich zu bergen, die ich nach und nach ergründen wollte. Ich versuchte mich nach der Kündigung beim Völkermuseum als Fotoreporter und schließlich als freier Journalist, immer angetörnt von einer gewissen Unrast und Ruhelosigkeit. Ich suchte etwas, ohne definieren zu können, was ich suchte, bis die Schreckenstage von Weimar begannen und der Teufel persönlich auf einem Blitz über die Stadt geritten war. Dann war Dracomar erschienen, ein dämonischer Vampir und Blutdruide, der die Stadt heimsuchte und fünf Menschen umgebracht hatte. Buchstäblich in letzter Minute, bevor Dracomar und seine zu Vampiren gewordenen Getreuen noch mehr Unheil anrichten konnten, hatte ich ihm den Holzpflock ins Herz gestoßen. Weimar war wieder frei, und die Bürger atmeten auf! Aber ich hatte mich mit Mephisto persönlich angelegt, und diese Tatsache bestimmte von jetzt ab mein weiteres Leben. Seine drohenden Worte: »Diesmal kriege ich dich, Mark Hellmann!« klangen mir oft in den Ohren. Es gab keinen Zweifel, daß er mich belauerte, denn hin und wieder prickelte der Silberring, und ein schwacher Geruch nach Pech und Schwefel drang mir in die Nase.
Tessa ließ mir keine Zeit zu weiteren Überlegungen. Sie hatte sich inzwischen ausgezogen und umarmte mich unter der Dusche mit einer Heftigkeit, die mir den Atem nahm. Und das wirkte natürlich ansteckend. Wir liebten uns, während unablässig das lauwarme Wasser aus der Dusche auf unsere Körper prasselte. Bald war Tessa so erschöpft, daß sie tropfnaß die Dusche verließ und sich auf das breite Bett legte. Ich drehte noch einmal kalt auf und hob die Arme, als der Ring urplötzlich zu prickeln begann. Gleichzeitig glomm ein schwaches Licht auf! Unwillkürlich spannte ich alle Muskeln an und sah mich um. Von einem Augenblick zum anderen färbte sich das Wasser aus der Dusche blutrot und wurde so heiß, daß es mich fast verbrühte. Nur mühsam unterdrückte ich einen Schrei. Immer mehr Blut strömte aus der Dusche, klebrig, süßlich riechend und kochend heiß. Mein Körper war über und über rot. Unten bildete das Blut eine riesige Lache. Nur ganz langsam floß es schmatzend und gurgelnd ab. Mein Griff nach dem Wasserhahn war zwecklos. Er ließ sich nicht bewegen, obwohl ich alle Kraft aufwandte. Auch meine Flucht aus der Dusche wurde verhindert. Die leichte Kunststofftür ließ sich nicht mehr zur Seite schieben. Sie war wie eine Stahlwand, wie ein Tresor, der mich umschloß. Während mein Körper wie Feuer brannte, warf ich mich mit aller Kraft gegen die Tür und verursachte dabei einen Höllenlärm. Tessa mußte mich doch hören, doch sie schlief wie eine Tote. So plötzlich wie der heiße Blutregen eingesetzt hatte, so plötzlich hörte er auch auf. Das Wasser wurde wieder klar, wusch das Blut von meinem gepeinigten Körper und floß ab. Auch die Tür ließ sich wieder öffnen, und ich wankte wie erschlagen hinaus. Mein Blick fiel in den Spiegel, der leicht beschlagen war. Aber mein Gesicht war nicht zu sehen, überhaupt
nichts von mir. Wie bei einem Vampir, der kein Spiegelbild wirft. Dafür starrten mich zwei rotglühende Augen an, und ein dämonisches Maul verzog sich zu einem höhnischen Lachen. Links neben Mephisto erschien ein Schlangenkopf mit weit aufgerissenem Rachen, aus dem spitz die Giftzähne hervorstachen. »Du erbärmlicher Wurm«, sagte Mephisto grollend. »Ich wollte dir nur zeigen, daß ich dir überallhin folge, selbst durch die Jahrhunderte, wenn ich es will. Du wirst noch von mir hören.« Bevor das Spiegelbild mit den beiden häßlichen Kreaturen verschwand, spie Mephisto eine glühende Feuersäule in meine Richtung. Das kobraähnliche Scheusal fauchte und spie Gift und Galle. Gleich darauf war alles wieder normal, bis auf meinen Körper, der wie Feuer brannte. Ich war so erschlagen, daß ich mich mit letzter Kraft neben Tessa auf das Bett warf. Mein Körper schien von innen her aus glühendem Feuer zu bestehen. Tessa öffnete die Augen und sah mich von der Seite her an. »Na, dich hat der Quickie aber ganz schön mitgenommen«, meinte sie erstaunt und etwas spöttisch. »Ja, ich wollte schon immer auf dem Altar der Liebe verbrennen«, erwiderte ich keuchend. »Du bist einfach die Größte.« »Bist du noch ganz bei dir, Mark?« fragte sie zweifelnd. »Aber sicher. Mens Sana in Campari Soda – oder so ähnlich. Ich fühle mich wieder topfit.« »Herrlich, obwohl du nicht so aussiehst. Dann können wir noch mal…« »Nein, wir können nicht, jedenfalls jetzt nicht.« »Na gut«, lenkte sie ein. »Dann warten wir eben fünf Minuten. Inzwischen werde ich dir eine Story vom Bayerischen Wald erzählen, und was sich da zugetragen hat. Deshalb bin ich eigentlich auch gekommen. Zwei Kids aus Weimar sind spurlos
verschwunden. Über einer Burg tauchte urplötzlich ein Geisterheer auf.« Immer noch atemlos hörte ich zu, was Tessa erfahren hatte. * Martin sah, daß die Erscheinung nicht richtig auf dem Mauerstein saß. Sie schien eine Handbreit darüber zu schweben. Auch war die Frau auf eine merkwürdige Art durchsichtig, als sei sie in einen dünnen Tüllschleier gehüllt. Aber offenbar drohte keine Gefahr von ihr. Weder Petra noch Martin fanden sich in dieser eigenartigen Welt zurecht. Die absolute Stille war es, die sie mehr bedrückte als die Erscheinung der weißen Frau, die jetzt zu schluchzen aufhörte und sie aus tränenverschleierten Augen anblickte. »Wo sind wir bloß?« hauchte Petra so leise, daß Martin die Worte kaum verstand. »Irgendwo in einer fantastischen Welt vermutlich. Oder es ist doch nur ein Traum.« »Wirf diese verdammte Pfeife weg, Martin. Ich habe das Gefühl, als würde unser Leben davon abhängen. Sie wird uns den Tod bringen.« Martin schüttelte energisch den Kopf. »Ohne sie kommen wir nie wieder in unsere Welt zurück. Ich will…« Er sprach nicht weiter, als die Frau sie jetzt neugierig anblickte. Sie schwebte immer dicht über dem Stein, war aber auf eine seltsame Art existent und stofflich stabil. »Wer sind Sie?« fragte Martin in die entsetzliche Stille. Seine geflüsterten Worte setzten sich als leises Echo fort, das um den gesamten Burggraben lief, bis es nur noch ein Raunen war. Die Frau hatte ein ebenmäßiges Gesicht mit einer geraden Nase und verschleierten blauen Augen. Ihr Gewand schien um den pulsierenden Astralkörper zu
fließen und sich dauernd zu verändern. Ihre Stimme klang so geisterhaft hohl, als käme sie aus unendlicher Ferne. »Ich bin die Gräfin Wecklin von Rammelsberg«, sagte die Erscheinung. »Und weil ich zu Lebzeiten immer sehr hartherzig war, wurde ich nach meinem Tod dazu verdammt, mit den Schweinen von der Burg aus einem Trog zu essen. Das muß ich bis in alle Ewigkeit tun.« Petra und Martin sahen sich beklommen an und musterten die Erscheinung voller Scheu. »Und weshalb sind Sie hier?« wollte Petra wissen, die jetzt nicht mehr so viel Angst empfand wie vorhin. In der Stimme der Frau klang jetzt Haß mit wie eine giftige Wolke. Gleichzeitig breitete sich ein milchiger Nebel um sie aus, der sie noch geisterhafter erscheinen ließ. »Ich will meine Rache«, stieß sie hervor. »Rache an dem Panduren-Oberst von der Trenck, der damals das Schloß meines Bruders verwüstete und ihn dabei tötete. Als ich ihn fast erreicht hatte, traf mich der Bannstrahl eines alten Eremiten, der über magische Kräfte verfügte. Er verbannte mich an den Rachelsee, für immer und ewig. Ich habe das Böse beschworen, um den Oberst zu töten, aber er steht selbst mit dem Teufel im Bunde, und seine Macht ist größer.« »Aber das hier ist nicht der Rachelsee«, wandte Martin ein, der zum ersten Mal in seinem Leben mit Geistern und Dämonen in Kontakt gekommen war. Auch Petra Steinbach hatte eine derartige Situation noch nie erlebt. »Nein, das hier ist die Saldenburg. Alle hundert Jahre kann ich mich für einen Tag aus der Verbannung befreien, um Rache an dem Freiherrn von der Trenck zu nehmen. Man sagt, er sei in Brunn begraben, ich aber weiß, daß er hier irgendwo in einer Gruft ruht, und mit ihm sein schreckliches Gefolge. Vielleicht liegt er auch unter der Burg Dießenstein begraben. Das muß ich herausfinden. Hätte ich ein ganz bestimmtes Amulett, könnte ich ihn daran hindern, hin und wieder
hier zu erscheinen, um seine Massaker zu wiederholen.« Martin schluckte hart. Es überstieg seinen Verstand, daß die Gräfin von Rammelsberg längst tot und vermodert war, und der mysteriöse Freiherr von der Trenck ebenfalls. Und doch waren sie aus ihren Gräbern wieder auferstanden, um sich gegenseitig zu bekämpfen. »Sind wir hier in einer anderen Zeit?« fragte Martin schüchtern. »Wir sind in der richtigen Zeit«, lautete die rätselhafte Antwort der Gräfin. »Siebzehnhundertzweiundvierzig.« Martin verstand gar nichts mehr. Hier war alles unwirklich, verzerrt verrückt und außer Kontrolle geraten. Oder er hatte ganz einfach den Verstand verloren. Martin wollte der jetzt immer durchsichtiger werdenden Gestalt erklären, daß sie sich im 20. Jahrhundert befanden, doch das war wohl zwecklos. Die Gräfin würde es nicht begreifen, und er verstand es ebenfalls nicht. Daher unterdrückte er die Worte. »Was für ein Amulett ist es, das den Freiherrn bannt?« fragte er statt dessen. Die Antwort kam ganz leise und wie aus weiter Ferne. »Eine Bronzepfeife mit einem magischen Spruch.« Martins Magen krampfte sich zusammen, als er an die Pfeife dachte, die er in der Tasche hatte. »Gib sie ihr«, flüsterte Petra ihm zu. »Schnell, sonst verschwindet sie. Vielleicht wird dann für uns alles wieder normal, und wir kehren in die andere Zeit zurück.« Im ersten Impuls wollte Martin der Aufforderung folgen, doch dann zuckte seine Hand wieder zurück, als er die Augen der Gräfin sah. Sie waren drohend und haßerfüllt auf ihn gerichtet. Ein tückischer Ausdruck lag darin. »Wer hat das Amulett?« fragte sie. Ihre Stimme war jetzt schon sehr weit weg und
kaum noch verständlich. Sie klang wie durch einen dichten, verzerrenden Nebel. »Meine Zeit ist um«, hauchte sie noch, bevor mit ihr eine entsetzliche Verwandlung vorging. Unfähig, sich zu rühren, starrten die beiden Kids sie an. Der Körper der Gräfin Wecklin von Rammelsberg begann von innen heraus zu glühen, als würde eine Magnesiumfackel entzündet. Immer wilder und glosender wurde die Glut, bis sich die brennende Gräfin vom Boden löste und senkrecht in die Luft stieg. Fünfzig Meter über den entsetzten Kids barst die brennende Fackel in einer lautlosen Explosion auseinander. Funken wie bei einem Feuerwerk regneten langsam herab. Doch noch bevor sie den Boden berührten, wurden sie zu Staub. Innerhalb weniger Sekunden war der ganze Spuk vorbei. Der Boden saugte gierig die Aschereste auf. Zurück blieb nichts mehr. Nur die unheimliche Stille umgab sie. Sie brauchten lange, um sich von dem schrecklichen Anblick lösen zu können, obwohl ihnen nichts passiert war. Minutenlang standen sie wie unter einem Schock, bis sie wieder einigermaßen klar denken konnten. Martin blieb vor einem Holunderbusch stehen und guckte immer noch auf die Stelle, wo die Gräfin gesessen hatte. Er blickte auf eine Blaumeise, die reglos und dicht vor ihm auf dem Ast saß. Eine zweite hockte mit gespreizten Flügeln etwas höher auf einem Zweig. Beide sahen ihn aus kalten Augen unbeteiligt an. Wie unter einem Zwang streckte er die Hand aus. Er war nicht erstaunt, als die Meise sitzen blieb. Sie fühlte sich steif und kühl an, hart wie Glas. »Hier ist alles wie in einen Dornröschenschlaf gefallen«, murmelte er. »Nichts rührt sich, nichts bewegt sich, alles ist wie tot.« »Als wäre die Zeit stehengeblieben«, pflichtete Petra
bei. Sie zog fröstelnd die Schultern hoch. »Vielleicht verfallen wir auch in diese merkwürdige Starre, wenn wir nicht ganz schnell von hier verschwinden, Martin.« »Ja, das Gefühl habe ich auch. Ich bin nur froh, daß ich die Pfeife nicht hergegeben habe, sonst gäbe es für uns kein Zurück mehr.« »Was sollen wir tun?« Petra sah sich immer wieder scheu nach allen Seiten um. Sie wurde das Gefühl nicht los, sich in einer Fantasywelt zu befinden, die ihre eigenen Gesetze hatte, in der alles anders war, fremd, unwirklich und auf eine eigene Art und Weise schrecklich. Die Angst vor der Zukunft wurde übermächtig in ihr. Alle beide zweifelten nicht daran, daß sie sich in einer anderen Zeit befanden. Es war kein Traum und auch keine Illusion, es war alles so, wie sie es sahen und erlebten. Bei Martin war die Neugier größer als die Angst. Es war schon abenteuerlich, was sie hier vorfanden, und eine solche Gelegenheit, eine fremde Dimension zu erkunden, würde sich so schnell nicht mehr ergeben. »Wir gehen mal zum Herrenhaus hinüber«, entschied Martin. »Mal sehen, ob der Reiter noch da ist, oder ob es Spuren gibt.« »Und dann?« Martin holte die Bronzeflöte aus der Tasche und spielte damit herum. »Das Ding funktioniert fast wie eine Zeitmaschine«, meinte er versonnen. »So, wie ich das schon in Romanen gelesen habe. Leider weiß ich nicht, wie man damit umgehen muß. Und das macht das Ding so gefährlich.« Inzwischen waren sie beim Herrenhaus angekommen. Von Roß und Reiter war keine Spur zu entdecken. Alles mußte sich auf einer anderen Zeitebene abgespielt haben. Es war auch niemand zu sehen. Bei ihrem weiteren Streifzug trafen sie auf keine Menschenseele. »Egal, was jetzt passiert«, sagte Martin, »aber wir müssen zurück! Nur der Teufel mag wissen, wo wir
diesmal landen. Soll ich?« »Haben wir denn eine andere Wahl? Ich will jedenfalls nicht hierbleiben. Versuche es, und gib mir deine Hand, damit wir nicht getrennt werden. – Ich habe furchtbare Angst.« »Ich bin mehr neugierig als ängstlich. Schiß habe ich natürlich auch.« Petras Hand schob sich in die seine. Mit der Rechten führte er die geheimnisvolle Flöte an die Lippen und blies kurzentschlossen kräftig hinein. Augenblicke später begann die Burg zu flimmern und in ihren Konturen zu verschwimmen. Langgestreckte Wellen durchzogen die Landschaft wie in einer Unterwasserwelt. Um sie herum begann alles transparent zu werden. Gleichzeitig erfüllte ein leises Sirren die Luft. Aus dem Nichts klang seltsam hohl und geisterhaft eine Stimme. »Wer ist es, der da kommt. Wer stört meine Ruhe?« Ein wirbelnder Sog riß die beiden fort ins Nichts. Das letzte, was sie vernahmen, war das Klirren von Waffen. Fast übergangslos befanden sie sich in einem Heerlager. * »Von wem hast du das erfahren?« fragte ich, als Tessa mir alles erzählt hatte, was sie wußte. »Von einer Kollegin aus Passau. Unsere Dienststelle in Weimar wird vermutlich überregional in den Fall eingeschaltet. Bisher liegt noch kein Verbrechen vor, nur ein Verdacht. Pit weiß sicher noch mehr darüber, nehme ich an.« Pit, das war Peter Langenbach, Hauptkommissar bei der Weimarer Polizei und eng mit mir befreundet. Pit war vierunddreißig, dunkelhaarig und trug einen beachtlichen Schnauzbart, unter dem hin und wieder ein Zigarillo herausragte. Pit war genauso groß wie
ich, einsneunzig, und sehr kräftig. Er war mit der blonden Susanne Langenbach verheiratet und hatte mit ihr eine achtjährige Tochter, die ich aus den Klauen eines Dämons befreit hatte, als die Schreckenstage von Weimar endlich vorüber waren. »Das interessiert mich brennend«, sagte ich. »Ich werde Pit gleich mal anrufen.« Als ich zum Hörer greifen wollte, legte mir Tessa die Hand auf den Arm und warf mir einen ihrer heißen Blicke zu. »Pit hat erst in einer Stunde dienstfrei«, schnurrte sie. »Aber um noch einmal auf die Sendung >Liebe Sünde< zurückzukommen: Was weißt du über das Tao?« »Uralte, schon vor Konfuzius bestehende Idee im Sinne des Himmelsweges, den der Mensch gehen muß, um in Einklang und Harmonie mit den ewigen Weltgesetzen zu leben.« »Sehr gut«, meinte sie schulmeisterlich. »Aber es gibt noch das Tao der Liebe und Erotik. Eine der reizvollsten Positionen überhaupt. Sie nennt sich Bergziege am Baum.« Ich kapitulierte. Tessa sah sich schon mal im Fernsehen diese Art Lehrfilme an oder stöberte in erotischer Fachliteratur herum. Vor einiger Zeit hatten wir die altindische Liebeskunst trainiert, wobei ich gerade noch ohne ernsthafte Verletzungen davongekommen war. Zehnkampf war dagegen nur halb so anstrengend. Diese >Positionen<, wie Tessa sie bezeichnete, hatten nun wirklich Namen, unter denen sich ein normal Sterblicher kaum etwas vorstellen konnte. Deshalb konnte ich mir auch das Lachen nicht verkneifen. »Bambusschatten hinter dem Vorhang, Bergziege am Baum«, zählte ich auf. »Hoffentlich meckerst du hinterher nicht. Vielleicht gibt’s ja auch noch Elefant im Porzellanladen.« Wir fielen uns lachend in die Arme. Für Augenblicke waren Mephisto und das Blutbad vergessen, einfach
verdrängt. Die >Bergziege am Baum< hinterließ bei mir jedenfalls einen guten Eindruck, wenn sie sich auch als sehr verfressen erwies. Naja, und der Baum war schließlich auch nicht umgekippt. Tessa mußte in einer knappen Stunde ihren Dienst antreten, was sie sehr bedauerte. »Was wirst du jetzt tun?« fragte sie, bevor sie sich verabschiedete. »Erst einmal abwarten und mit Pit sprechen. Mal hören, was der inzwischen herausgefunden hat. Ich rufe dich an, wenn ich mehr weiß.« »Unternimm nichts ohne mich«, glaubte sie mich warnen zu müssen. »Ich bin selbst gespannt, wie es weitergeht.« »Versprochen.« »Und sieh dir nachher Lady Chatterley im Fernsehen an.« »Was ist die schon gegen dich! Ein kalter Vamp.« »Oh, bist du süß.« Und draußen war sie, nachdem sie mir noch die Zunge rausgestreckt hatte. Im Haus war es ruhig, fast unheimlich still. Meine Adoptiveltern waren nach Apolda gefahren, um Verwandte zu besuchen. Sie würden erst morgen nachmittag wieder zurück sein. Eine halbe Bierflasche später kam Pit. Er trug Zivil, blaue Jeans, hellblaues Hemd und Jeansjacke. Er grinste so niederträchtig wie Paul Newman in seinen besten Jahren. »Hey, Mark Twain«, grüßte er flapsig. »Wohin fliegt ein schwuler Adler?« »Zu seinem Horst natürlich. Ist doch uralt.« »Du kennst aber auch jeden Witz«, protestierte er. Ich deutete mit dem Daumen zum Kühlschrank. Er nickte und holte sich eine Flasche Bier. Dabei ließ es sich immer gemütlicher plaudern. Er kramte einen Zigarillo hervor, den er in Brand setzte. »Nur noch drei am Tag«, sagte er. »In den nächsten Tagen gebe ich es ganz auf.« Im Hintergrund sang Andrea Bocelli >Time to say
Goodbye<. Das paßte prima, den Zigarillos Goodbye zu sagen, denn Pit wollte sich die Qualmerei schon seit Jahren abgewöhnen. Nach dem ersten Schluck Bier erzählte er mir die Story etwas ausführlicher, als Tessa sie kannte. »Es ist alles sehr rätselhaft, und natürlich wird es wieder einmal vertuscht, verniedlicht oder geheimgehalten wie die Sache hier in Weimar mit Dracomar, oder der Fall mit dem Araber in Berlin. Die Informationen sickern nur ganz spärlich durch. Fakt ist aber, daß aus dem Nichts heraus über der Saldenburg ein dämonisches Geisterheer erschien, das für Angst und Schrecken unter den Besuchern sorgte. Mit dabei waren zwei junge Leute aus Weimar, Martin Klinger und Petra Steinbach. Seither sind sie spurlos verschwunden. In der Burg selbst befinden sich noch ein paar rätselhafte Überreste dieser Erscheinung. Man hat die Burg unter einem Vorwand vorübergehend für Besucher und Ausflügler gesperrt.« »Und niemand hat eine Erklärung für die Vorfälle?« »Natürlich nicht. Der Burgverwalter glaubt an einen Spuk, an Tote, die wieder aus ihren jahrhundertealten Gräbern gestiegen sind, um Rache zu nehmen. Ich kenne leider das Motiv nicht. Aber du bist genau der Mann, um das herauszufinden.« »Mein Ring hat sich bereits gemeldet, Pit. Ich weiß nur noch nicht, ob da ein Zusammenhang besteht. Es kann sein, daß Mephisto selbst oder einer seiner höllischen Knechte mich dorthin locken will.« Ich berichtete Pit kurz von dem, was mir unter der Dusche passiert war, und daß Mephisto aus dem Spiegel zu mir gesprochen hatte. »Natürlich kann es eine Falle sein«, meinte er nachdenklich. »Gerade, weil alles so schön zusammenpaßt. Die Kripo von Weimar schaltet sich natürlich ein, seit die Vermißtenanzeige vorliegt. Aber du könntest dort als Experte auftreten. Schließlich hat niemand eine Erklärung für die Vorfälle. Kostet mich nur einen Anruf, dann können wir losbrettern.« Ich war schon Feuer und Flamme. Das Geisterheer
aus dem Nichts beschäftigte meine Fantasie und ließ mir keine Ruhe mehr. »Du kommst mit?« fragte ich freudig überrascht. »Ich habe noch Überstunden abzufeiern. Mindestens vier Tage. Für Tessa ist allerdings nichts drin. Sie hat übers Wochenende Außendienst.« »Weißt du noch ein paar Kleinigkeiten über den Vorfall? Vielleicht einige Dinge, die für andere belanglos erscheinen.« Pit Langenbach überlegte, schließlich nickte er. »Ja, da gibt es noch einen Hinweis. Eine Schulklasse war dort, als die Erscheinung auftauchte. Ein Lehrer behauptete, es seien Panduren gewesen, die da aus dem Nichts auftauchten. Allen voran ein wüster Haudegen mit Säbel, der anscheinend selbst etwas verwirrt war, als er Fahrzeuge sah, die für ihn einfach Hexerei oder Teufelswerk sein mußten. Ihm erging es vermutlich ähnlich wie unserem Araber Nasreddin, als er sich mit moderner Technik konfrontiert sah. Jedenfalls verfolgte er einen der Wagen und schlug ihm eine Delle ins Blech. Außerdem wurde ein Mann durch einen Musketenschuß schwer verletzt. Viel ist mir über die Panduren aber nicht bekannt. Das fällt doch in dein Sachgebiet. Du hast Völkerkunde studiert. Also, dann laß mal ein paar markante Sprüche ab. Ich höre dich so gern klugscheißern.« »Soll ich dozieren?« »Lieber nicht, sonst bricht noch dein Zeigefinger ab. Sag es lieber im Plauderton, bei Bier und Tabakrauch.« »Die Panduren waren eine österreichische, irreguläre Kavallerie-Einheit von etwa fünftausend Mann. Die Einheit wurde später in ein Infanterieregiment umgewandelt, war in Ungarn aufgestellt worden und führte ziemlich grausame Kleinkriege im österreichischen Erbfolgekrieg von 1741 bis ‘45.« »Und der Haudegen war ihr Boß?« »Franz Freiherr von der Trenck, hieß er. Muß ein ziemlich übler Bursche gewesen sein, der viele Burgen im Bayerischen Wald schleifen ließ. Wegen
Greueltaten seiner Truppe verurteilte man ihn 1746 zum Tode, begnadigte ihn dann später aber zu langer Haft.« »Sehr aufschlußreich. Und wo liegt dieser Freiherr begraben, falls ich dich damit nicht überfordere?« »Angeblich in Brunn, in Südmähren. Aber sicher ist das nicht. Manche behaupten, er liege unter einer Burg begraben, und mit ihm noch viele seines Gefolges.« Pit wurde nachdenklich und hörte mit seiner üblichen Flachserei auf. »Das liegt jetzt rund zweihundertfünfzig Jahre zurück«, meinte er. »Und jetzt taucht dieses Geisterheer aus der Vergangenheit wieder auf und beginnt erneut mit seinen Greueltaten. Wer mag sie in diese Zeitebene zurückgeholt haben?« »Ich weiß es nicht. Der Oberst will seine Rache haben für etwas, das man ihm angetan hat. Möglicherweise seine Verurteilung. Irgendein höllisches Wesen muß ihn erweckt haben. Wir werden es vor Ort herausfinden«, gab ich mich optimistisch. »Und wenn wir morgen früh losdüsen, schaue ich noch einmal in der Bibliothek vorbei. Kann sein, daß es dort noch einige Informationen gibt, die uns weiterhelfen.« Wir beließen es bei zwei Flaschen Bier. Als Pit gegangen war, legte ich mich auf mein Futon-Bett und dachte intensiv an den Panduren-Oberst, der wieder von den Toten auferstanden war. Dabei betrachtete ich immer wieder meinen Ring. Doch der sah ganz normal aus, zeigte kein Leuchten und prickelte auch nicht, sosehr ich mich auch auf den Freiherrn von der Trenck konzentrierte. Etwas später rief ich Tessa an, die lebhaft bedauerte, sich vom Dienst nicht befreien zu können. Sie gab mir sehr besorgte Ratschläge, und daß ich auf mich aufpassen solle. Aber wer paßte nicht auf sich selbst auf! *
Mein stahlblaues BMW-Coupe hatte ich vor der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek geparkt. Dort hatte ich auch genügend Stoff über das ältere Runenalphabet gefunden, um die Wirkung meines Ringes besser kennenzulernen und die Runen richtig zu deuten. Innerhalb kürzester Zeit hatten Pit und ich gefunden, was wir suchten. Es war ein Buch über Burgen, Schlösser und Ruinen im Bayerischen Wald mit etlichen Abbildungen. Die Geschichte erzählte von der Burg Dießenstein, die ein Baron von Schrenck gegen den berüchtigten Haudegen Freiherr von der Trenck verteidigte. Dabei wurde Trenck selbst verletzt. Er hatte das Geschehen mit eigenen Worten kommentiert. Ich bekam ein Corps von Panduren und Slavoniern mit zunächst fünfhundert Freiwilligen nebst vier zwölfpfündigen Kanonen, zvoey Mörsern, das Schloß Dießenstein zu erobern, worin sich das Schützen-Gesindel unter Commando des Baron Schrenck hineingeworfen. Das Schloß ließ ich einen Tag und eine Nacht pausenlos beschießen und zwang es so zur Übergabe. Mit vier Officiers ging ich hinein, um alles ordentlich zu übernehmen. Endlich führten sie mich in einen Keller. Ich erblickte eine von Stroh gemachte Tür und fragte den Schrenck, was das für eine Tür sey. Er gab mir ganz erschrocken zur Antwort, das sey eine Art Gefängnis. Ich öffnete die Tür und sah fünf Fässel. Ich sagte dem Schrenck, ich wolle doch nicht hoffen, daß sie noch Pulver versteckt hätten. Er schwur mir hoch und heilig, daß er alles getreu offenbart hätte. Ich verlangte ein Licht, und man brachte mir einen brennenden Kienscheit, mit welchem ich hinunterleuchtete. Dann, als ich sagte, es ist Pulver, so ging alles in die Luft, mit einem solchen Knall, als wenn das ganze Schloß mir schon auf dem Kopf läge. Es warf mich zum Keller hinaus, und wenn ich nicht die andere Tür gefunden hätte, so hätte mich der Rauch erstickte. Pit, der über meine Schulter
mitgelesen hatte, grinste ein wenig. »Ein harter Knochen, dieser Obrist. Waren noch eiserne Kerle.« Es ging noch ein Stückchen weiter. Trenck hatte Verbrennungen an den Händen, den Armen und im Gesicht erlitten. Er wurde nach Passau gebracht, wo er zehn Tage lang zwischen Tod und Leben lag. Er war damals im >Zur Goldenen Waage< untergebracht, und ein Straßenname, der Pandurenweg, erinnert noch an diese Zeit. Sein letzter Satz lautete: >Ich hatte fünf Doctores, die mich warteten, allein ein Weib hat mir die besten Dienste mit lauter Hausmitteln gethan.< »Nun wissen wir einiges mehr über den alten Haudegen«, sagte ich und wollte das Buch gerade zuklappen, als mein Blick auf den Namen Rammelsberg fiel. Pit sah das natürlich auch, und diesmal grinste er bis an die Ohren. »Rammelsberg – da muß ja was los sein!« meinte er voller Begeisterung. »Scheint eine fruchtbare Gegend zu sein.« Ich wollte gerade in sein Grinsen einstimmen, als der Ring plötzlich zu prickeln begann. Ein kaum sichtbares Leuchten breitete sich sekundenlang aus, dann war es auch schon verschwunden. Pit hatte es bemerkt. Er schluckte nur, sagte aber nichts. Meine Neugier war jetzt unbezähmbar geworden. Und als ich zu lesen begann, verspürte ich wieder das leise Prickeln, diesmal ohne Leuchten. Kein Zweifel, daß es sich um ein dämonisches Szenario handelte, dessen Quelle ich jedoch nicht ergründen konnte. Wahrscheinlich hing es mit dieser Gräfin von Rammelsberg zusammen. >Die Gräfin Wecklin lebte auf Rammelsberg. Sie war wegen ihrer Schönheit, aber auch wegen ihres Neides und ihrer Hartherzigkeit bekannt. Wenn die Armen zu ihrer Tafel kamen und um Überreste baten, wies ihnen die Gräfin die Tür und ließ die Speisereste den Schweinen zum Fraß vorwerfen. Da wurde die Gräfin krank und starb nach wenigen Tagen. Sie wurde in der
Ahnengruft beigesetzt. Wie aber erschraken am anderen Tag die Mägde, als die Verstorbene im Stall bei den Schweinen saß und aus einem Trog hungrig zehrte. Als der Graf davon hörte und die Mär bestätigt fand, ließ er einen kostbaren Trog anfertigen, ihn im Schweinestall aufstellen und mit köstlichem Essen füllen. Aber die Gräfin saß immer wieder unter den Schweinen. Nun rief der Graf nach einem alten Einsiedler, der die Gräfin an den Rachelsee verbannte. Seither wurde die Gräfin oftmals am Rachelsee, aber auch an den Burggräben der alten Schlösser gesehen, wo sie schluchzend am Burggraben sitzt.< »Da besteht ein Zusammenhang zwischen dem Oberst und der Gräfin«, murmelte ich. »Der Ring spricht ganz schwach auf beide an.« »Ja, ich habe es gesehen. Aber da steht noch etwas«, sagte Pit. Der letzte Absatz kam, den ich halblaut vorlas. »Daß die Wecklin eine Hexe war und mit dem Teufel im Bunde stand, erwies sich haarklar nach ihrem Tode. Als man den Sarg mit ihrer Leiche zum Schloßtor hinaustrug, um sie in Schönberg zu begraben, wurde die Tote so schwer wie Blei, so daß die sechs Leichenträger den Sarg kaum weiterschleppen konnten. Als der Leichenzug an jene große Linde kam, die noch heute am Weg nach Schönberg steht, stürzten sich aus ihren Ästen häßlich kreischende Raben herab und ließen sich auf dem Sarg nieder. Und siehe da! Auf einmal war der Sarg hupferlleicht, daß die Träger meinten, er sei leer. Und das Volk hält fest an dem Glauben, damals sei wirklich eine leere Totentruhe begraben und der tote Leib der Gräfin vom Teufel geholt worden.« »Das ist ja sehr interessant«, ließ sich Pit vernehmen. »Ich bin gespannt, wie das weitergeht.« »In ein paar Stunden werden wir es hoffentlich erfahren.« »Ich habe uns schon telefonisch avisiert. Der jetzige Burgverwalter und ein paar Honoratioren sind stark daran interessiert, um die Vorgänge aufzuklären. Wir
werden also nicht auf Schwierigkeiten stoßen.« »Dann brettern wir los«, entschied ich. »Bis gegen Mittag könnten wir in der Nähe von Passau sein.« Wir nahmen die Autobahn Richtung Nürnberg und stellten unterwegs alle möglichen Theorien auf. Das Jagdfieber hatte mich jetzt richtig gepackt, und ich fuhr schneller als sonst, um ja nichts zu versäumen. Wir ließen Regensburg hinter uns und düsten weiter nach Straubing. Ich wollte gerade etwas Gas wegnehmen, obwohl wenig Verkehr herrschte, als von der Ausfahrt Lerchenhaid unvermittelt ein Mann auf die Fahrbahn taumelte. Er kam so plötzlich, daß es zum Bremsen zu spät war. Weder Pit noch ich hatten ihn vorher gesehen. Ich riß das Steuer nach links, trat gleichzeitig auf Bremse und Kupplung und versuchte verzweifelt gegenzusteuern. Aber es war wie verhext. Der Kerl stand plötzlich weiter links, als ich bei dem Tempo angenommen hatte. Ein Knall wie eine überlaute Explosion, als hätte eine Bombe vor uns eingeschlagen. Blech kreischte, ein brüllender Schlag, ein durch die Luft fliegender Körper, der auf der Fahrbahn landete, sich wie wild überschlug, rollte, sich abermals überschlug und dann reglos auf dem Grünstreifen liegenblieb. Mit blutverschmierter Windschutzscheibe schlitterte das Coupe mit qualmenden Reifen weiter. Ich konnte es gerade noch abfangen, wurde im Gurt hart nach vorn gerissen und brachte den Wagen nach mehr als hundert Metern auf der Standspur zum Stehen. Während Pit erschreckend blaß geworden war, zitterte ich plötzlich wie Espenlaub an allen Gliedern. »Fahr noch zwanzig Meter weiter«, sagte Pit mit brüchiger Stimme. »Da ist ein kleiner Parkplatz, damit wir nicht die anderen gefährden.« Wir stiegen wie benommen aus. Meine Knie wackelten, als wir zurück zur Unfallstelle gingen. Da sahen wir den Mann. Er lag hinter der Leitplanke auf einer kleinen freien Fläche, die von Büschen
umgeben war. Der Anblick drehte mir fast den Magen um. Über und über mit Blut besudelt lag der Mann da, mit zerschmetterten Gesicht, seltsam verrenkten Gliedern und zerfetzter Kleidung. Jeder Knochen mußte ihm im Leib gebrochen sein nach dem furchtbaren Anprall. Er war so tot, wie nur jemand tot sein konnte. »Ich werde die Kollegen benachrichtigen«, sagte Pit in die entsetzliche Stille hinein. »Dich trifft keine Schuld. Mach dir jetzt also keine Vorwürfe.« Ich bückte mich nach dem Toten, in der irrsinnigen Hoffnung, ihm doch noch irgendwie helfen zu können, obwohl das illusorisch war. Pit nahm inzwischen sein Handy, um die Autobahnpolizei zu informieren. Damit war unsere Reise wohl beendet, denn jetzt würde es erst einmal Protokolle und viele Fragen geben. Das Ganze lief vielleicht etwas glimpflicher ab, weil Pit Langenbach selbst Polizist war. Als ich den Mann an seiner Kleidung berührte, öffnete sich sein Mund, und eine gespaltene Zunge fuhr heraus. Sie war grünlich, wie mit Moder bedeckt. Gleichzeitig fauchte mir eine nach Schwefel stinkende Wolke entgegen, die so ätzend roch, daß sich mir der Magen umdrehte. Mehr im Unterbewußtsein nahm ich wahr, daß sich der Ring mit einem intensiven Leuchten meldete und heftig zu prickeln begann. In der Aufregung war mir das total entgangen. Mit dem Schädel des Toten ging eine schreckliche Verwandlung vor. Schnell verwandelte sich das zerquetschte Gesicht des Mannes in einen blaugrünen Echsenschädel mit langen, grauenhaften Zähnen, die nach meiner Hand schnappten, an der ich den Ring trug. Gelblicher Qualm drang jetzt aus dem offenen Maul, und aus den Armen des toten Mannes wurden kräftige Echsenbeine. Dabei pumpte sich das Monster regelrecht auf. Anfangs war mir so etwas völlig fremd, aber inzwischen hatte ich bereits üble Erfahrungen mit Dämonen hinter mir.
Noch bevor mir diese häßliche Ausgeburt der Hölle die Hand abbeißen konnte, drehte ich mich halb zur Seite und packte mit aller Kraft zu. Es war mir klar, daß es diesem widerlichen Dämon einzig und allein um den Ring ging. Er war einer von Mephistos zahlreichen Helfern, die sich in jede Gestalt verwandeln konnten. Pit Langenbach reagierte ebenfalls sofort. Er steckte das Handy ein, bückte sich blitzschnell und packte eins der Echsenbeine. Inzwischen hatte ich den Dämon seitlich am schuppigen Hals gepackt, damit er nicht zubeißen konnte. In diesem Augenblick traf ein greller Blitz meine Augen. Die Luft knisterte, und ein Feuer wie von tausend Sonnen flog mir entgegen. Ein schreckliches Fauchen und Knurren war zu hören, als sich die Dämonenechse zu winden begann und aus ihrem Rachen jetzt lange Flammen züngelten. Es wurde so heiß, daß ich zurückfuhr. Außerdem war ich durch den grellen Blitz geblendet und sah nur noch schwarzrote Kreise vor den Augen, die explosionsartig nach allen Seiten strebten. Auch Pit mußte loslassen, als die Echse von innen heraus zu glühen schien und unerträgliche Hitze verbreitete. Schwefeldämpfe legten sich uns ätzend auf die Lungen. Wir kriegten kaum noch Luft. Mit zwei schnellen Sätzen befreite sich die Echse aus unserem Griff. Eingehüllt in eine schwefelgelbe Wolke starrte sie uns, und ganz besonders mich, aus ihren mordgierigen Augen an. Aus dem aufgerissenen Maul drang eine Stimme, seltsam tief und heiser. »Dein Leben ist verwirkt, Mark Hellmann. Ich werde dich kriegen, um meinem Herrn und Meister einen Dienst zu erweisen. Er wird mich dafür reichlich belohnen.« Der Basilisk richtete sich jetzt noch drohender auf und stemmte seine schuppigen Säulenbeine hart in den Boden. Die Krallen waren lang und so scharf wie Skalpelle. »Gib mir den Ring«, fauchte es aus dem Maul.
»Dann wird dir nichts geschehen. Aber mit dem Ring stehst du Satan im Wege, und mir, den man Belial nennt. Gib ihn mir sofort! Ich kann in die Zukunft blicken und weiß, daß dein Leben bald verwirkt ist.« Immer noch war das Maul mit den messerscharfen Zähnen weit aufgerissen. An der Seite tropfte schaumiger Geifer auf den Boden. »Gut, du sollst den Ring haben«, sagte ich und tat so, als würde ich ihn vom Finger streifen. Da ich keine andere Waffe hatte als meine bloßen Hände, hob ich blitzschnell einen großen Stein auf, drehte mich halb zur Seite und warf ihn nach dem Echsenschädel. Es war ein Volltreffer, als der Brocken in dem geifernden Maul verschwand und die Kiefer hallend zusammenklappten. Den Augenblick der Verblüffung nutzend, nahm ich eine zweiten Stein, während Belial noch an dem ersten Brocken würgte und wie erstarrt war. Noch bevor ich werfen konnte, kam ein Tanklastzug vorbei. Der Fahrer sah wohl das monströse Ungeheuer und verlor sekundenlang die Herrschaft über den schweren Lastzug. Da löste sich Belial mit einem dumpfen Knall in seine Bestandteile auf, als würde er zerplatzen. Zurück blieb eine übelriechende gelbliche Schwefelwolke, in der sekundenlang ein schwaches Glimmen zu erkennen war. Inzwischen hatte sich der Fahrer wieder gefangen und raste weiter, als sei er dem Teufel begegnet, was ja in gewissem Sinne auch zutraf. Sobald der Wind die Wolke verflüchtigt hatte, erlosch das immer schwächer werdende Glimmen des Ringes. »Das fängt ja gut an«, ließ sich Pit vernehmen und starrte auf die Stelle, an der jetzt nichts mehr zu sehen war. »Dieses Biest hat mich so getäuscht, wie ich es selten erlebt habe. Der tote Mann war doch absolut echt.« »Ja, den Eindruck hatte ich auch. Ich hätte es sogar beschwören können.« Um sich abzureagieren, mußte sich Pit erst mal einen Zigarillo anstecken. In seinem Blick war immer
noch Ungläubigkeit zu lesen. »Du mußt dich verdammt vorsehen, Junge«, brummte Pit nach zwei hastigen Zügen. »Dieser Ring scheint so geheimnisvoll und kostbar zugleich zu sein, daß du in ständiger Gefahr lebst. Sämtliche Höllenhunde sind hinter ihm her. Es ist nicht nur allein die Tatsache, daß du damit durch die Zeit reisen kannst. Es muß noch viel mehr dahinterstecken. Dämonen können schließlich auch durch die Zeit reisen. Das haben wir ja schon erlebt.« »Ich weiß noch zuwenig darüber, Pit. Jedenfalls weiß dieser Belial ganz genau, was ich vorhabe, und das wollte er eben verhindern.« Da sich nichts mehr rührte, gingen wir zum Auto zurück. Da traf mich die zweite Überraschung. Anstatt einen blutbesudelten Wagen mit ein paar kräftigen Dellen vorzufinden, stand das Coupe genauso da wie immer. Unversehrt, nur etwas staubig. Kein Blutspritzer, nichts. »Das war doch keine Illusion?« fragte Pit mißtrauisch. »Nein, es war mit Sicherheit keine. Das Szenario war absolut echt. Ich kann dir aber nicht erklären, weshalb alles wieder normal ist. Es muß etwas mit den verschiedenen Zeitebenen zu tun haben.« »Wir wissen tatsächlich noch zuwenig darüber«, meinte Pit. »Erst durch die Schreckenstage von Weimar habe ich erfahren, daß sich meine Vorstellung von Dämonen und Geschöpfen der Nacht grundlegend geändert hat. Es gibt Dinge, die ich vorher nie für möglich gehalten habe. Diese Dämonen, die in allen möglichen und unmöglichen Gestalten auftreten, sind leider keine fairen Kämpfer.« Pit trat seinen Zigarillo aus und sah mich von der Seite her an. »Versprich mir, daß du mich diesmal mitnimmst, Mark«, sagte er eindringlich. »Ich möchte gern dabeisein, und es wird doch eine Möglichkeit geben, zusammen durch die Zeit zu reisen.« »Du bist schon auf dem Weg, Pit. Ich verspreche es
dir. Vielleicht gelingt es, wenn wir uns an den Händen halten. Jedenfalls werden wir es versuchen, falls eine Reise durch die Zeit erforderlich wird. Aber garantieren kann ich es nicht.« Da niemand zu Schaden gekommen war, bis auf den Schreck des Lastwagenfahrers, setzten wir unsere Fahrt in den Bayerischen Wald fort. Vorerst gab es auch keine weiteren Zwischenfälle. * Infolge ihrer Lage und des markanten Äußeren war die Saldenburg weithin über Täler und Höhen sichtbar. Der Volksmund nannte sie >Waldlaterne<. Heute war eine Jugendherberge darin untergebracht. Diese heute noch so einzigartige und stolze Burg hatte im Jahre 1742 der Panduren-Oberst Trenck heimgesucht und in Brand gesteckt, wie viele andere Burgen in der Umgebung auch. Daran mußte ich jetzt denken, als die Burg vor uns lag. Und natürlich daran, daß dieser oberste Pandure hier erschienen war und die Besucher in Angst und Schrecken versetzt hatte. Der Burgverwalter empfing uns sofort. Er war ein stämmiger, etwas beunruhigt wirkender Mann. Er hieß Xaver Mooshuber und zeigte sich sehr bereitwillig, um uns alles zu erklären und zu zeigen. »Ich bin froh, daß Sie kommen«, sagte er nach der Begrüßung. »Vielleicht gelingt es Ihnen, die geheimnisvollen Vorfälle auf eine normale Art und Weise zu klären und zu erklären. Wir haben die Presse ganz bewußt herausgehalten, um jedes Aufsehen zu vermeiden. Außerdem ist die Burg für Schulklassen und Besucher gesperrt. Sind Sie einverstanden, wenn ich Sie kurz herumführe und Ihnen alles erkläre?« »Gern«, stimmte ich zu. »Wir erhalten dadurch einen besseren Gesamtüberblick.« »Sie können hier auch übernachten, meine Herren. Ich habe einen Raum für Sie reservieren lassen.«
»Vielen Dank. Wird die Burg von vielen Touristen besucht?« »Normalerweise ist Saldenburg nur von außen zu besichtigen. Nur Schulklassen und die Jugendlichen in der Herberge haben Zutritt.« Er führte uns in den Gemäuern herum, die seltsam leer und verlassen wirkten, als sei hier alles Leben ausgestorben. »Einen interessanten Ring haben Sie da«, sagte Moosbauer, als wir über eine Holzbrücke zum Wohngebäude gingen. »Ein Erbstück«, murmelte ich und betrachtete Moosbauer und Ring mit leichtem Argwohn. Doch der Ring gab kein Zeichen von sich, weder Wärme noch Prickeln. Ich hatte schon erwartet, daß der Burgverwalter sich übergangslos in ein glühendes Monster verwandeln würde, doch das war zum Glück nicht der Fall, obwohl Belial keine Schwierigkeiten gehabt hätte, Moosbauers Gestalt anzunehmen. Wir sahen uns die im Erdgeschoß liegenden Wirtschaftsräume und die Küche mit dem Rauchfang an. Dann ging es weiter in den ein Stockwerk höher liegenden Rittersaal, der mit über hundert Plätzen als Speisesaal diente. Das Deckengemälde zeigte den Triumphzug eines Kaisers und andere Dekorationen. Moosbauer erklärte alles ganz genau. Im zweiten Obergeschoß befand sich der gotische Saal mit tiefen Fensternischen und einem Rippengewölbe. Im Burghof sahen wir uns den tiefen Zugbrunnen an und die Reste der Ringmauer, dazu die barocke Schloßkapelle mit dem Altar, neben dem sich die Figuren Johannes des Täufers und Sebastians befanden. »Ich zeige Ihnen jetzt den Ort, wo alles begonnen hat und wo die beiden Jugendlichen verschwanden. Wir vermuten jedenfalls, daß sie an der Stelle verschwanden«, schränkte Mooshauer ein. »Gibt es in der Schloßanlage irgendwo eine Gruft?« fragte ich.
Er schüttelte den Kopf und lächelte flüchtig. »Nein, hier nicht. Sie sprechen sicher auf den Pandurenführer von der Trenck an. Doch der liegt in Brunn begraben, falls sein Grab überhaupt noch existiert. Alles andere sind nur Gerüchte, die sich hartnäckig gehalten haben.« Inzwischen waren wir wieder bei der Holzbrücke angekommen, die über den trockenen Burggraben führte. Das fünfgeschossige Herrenhaus ragte dicht vor uns hoch in den Himmel. Ein großer Quader war geborsten, als hätte jemand einen gewaltigen Keil hineingetrieben. »Hier begann es«, erläuterte Moosbauer. »Plötzlich, von einem Augenblick zum anderen, wurde der blaue Himmel tiefschwarz. Wolken jagten über die Burg, aus denen grelle Blitze zuckten. Ich habe so was noch nie gesehen. Ein Blitz ist bekanntlich sehr schnell, aber diese Blitze kamen sichtbar langsam heran, wie in Zeitlupe. Einer davon schlug in das Mauerwerk und spaltete es mit einem donnernden Schlag, als ginge die Welt unter.« »Das ist wirklich sehr seltsam«, pflichtete ich bei. »Jedenfalls ziemlich ungewöhnlich.« »Danach ging es erst richtig los. Die Leute gerieten in Panik und rannten davon, als sich die Wolken veränderten. Zuerst waren menschliche Köpfe zu sehen, dann Körper, schließlich eine Horde Reiter, die mit Getöse durch die Luft ritten. Es war wie ein Geisterheer, das aus dem Nichts auftauchte und lebendig wurde.« Ich versuchte, mir das Szenario vorzustellen, und war überrascht, daß es mir so leicht gelang. Aber das lag wohl daran, daß ich langsam an Erfahrung gewann und dazulernte. »Sie waren die ganze Zeit dabei und haben alles gesehen?« fragte Pit. »Ja, von Anfang an. Ich glaubte fest an den Teufel persönlich, der über der Saldenburg erschienen war. Dann aber sah ich den Mann, und es gab keinen Zweifel mehr, daß es sich um den Freiherrn von der
Trenck handelte. Drüben hängt ein altes Bild von ihm im Rittersaal. Mit seinem schweren Säbel verteilt er nach allen Seiten Hiebe, als die Reiterschar näher an die Burg kam. Die Panduren und Kroaten schossen mit Musketen auf die Leute und warfen brennende Fackeln auf das Gemäuer, bis ein paar kleine Brände aufflackerten. Sie können sich die Panik kaum vorstellen, Herr Hellmann.« »Es muß schrecklich gewesen sein«, bestätigte ich. »Sind noch irgendwelche Überreste vorhanden?« »Ja, aber nur wenige. Ich werde sie Ihnen gleich zeigen.« Darauf war ich am meisten gespannt. Und natürlich auf den Ort, an dem die Teenies wie vom Erdboden verschwunden waren. Verstohlen betrachtete ich wieder meinen Ring, doch nichts rührte sich. Ich war mir aber sicher, daß hier der Teufel am Werk war, oder daß jemand vielleicht ganz unwissentlich einen Dämon beschworen hatte. Es war möglich, daß die beiden Weimarer Kids damit zu tun hatten, denn ihr Verschwinden war reichlich mysteriös. Während wir weitergingen, zeigte Moosbauer nach links, zur anderen Seite des großen Herrenhauses. Dabei schüttelte er sich, und ein leichtes Grauen stand noch in seinem Gesicht. »Ich glaubte, von irgendwoher einen leisen Pfiff zu hören, das kann aber auch meiner Einbildung entsprungen sein. Jedenfalls löste sich das Geisterheer auf und wurde zu einem nebelartigen Gebilde. Die Panduren verschwanden, bis auf einen, wieder in den Wolken. Der prallte mit seinem Pferd gegen die Mauer und fiel aus dem Sattel. Das Pferd begrub ihn teilweise unter sich. Danach erklang ein wilder Ruf, der sich wie >Rache< anhörte. Und dann war der ganze Spuk vorbei.« »Und dieser Reiter?« fragte ich atemlos. »Der hat sich nicht in wallenden Nebel aufgelöst?« »Nein. Er lag auch dann noch vor der Mauer, als die Leute schreiend in alle Richtungen geflüchtet waren
und die Burg verlassen dalag. Dann, ein paar Stunden später, geschah etwas Grauenhaftes: Der Mann zerfiel vor meinen Augen mitsamt seinem Pferd zuerst bis auf die Knochen. Dann lösten sich auch die Knochen langsam auf. Kommen Sie!« Er führte uns ein Stück weiter, bis wir vor einem umgedrehten Plastikkasten stehenblieben. »Das sind die Überreste von Roß und Reiter«, sagte er, wobei er den Kasten umdrehte. »Ich habe das Ding darübergestülpt, damit der Wind die Reste nicht verweht.« Auf dem Boden lagen Aschereste mit groben Knochen, wie man sie in einer Urne findet. Manche Knochensplitter waren noch fingerlang, andere zu einer grauen Masse zerfallen. Schon der kleinste Lufthauch wirbelte sie durcheinander. Inmitten der Überreste fanden sich metallene, total verrostete Knöpfe, eine Gürtelschnalle und das Bruchstück eines vormals schweren Säbels. Dieser Pandure mußte sich in unserer Zeitebene total materialisiert haben. Der Grund dafür war mir unklar. Es war eines jener Rätsel, die sich nie restlos aufklären ließen. Ich verbarg meinen Ring vor den Blicken des Burgverwalters, denn in genau diesem Augenblick begann er zu leuchten. Ziemlich intensiv sogar, und er erwärmte sich stark. Mit der Erwärmung kam das Prickeln. Pit Langenbach bemerkte das natürlich, aber er ließ sich nichts anmerken, bückte sich und hob eins der Metallstückchen auf. Es war die Gürtelschnalle aus Kupfer, aber inzwischen so korrodiert, daß sie buchstäblich in seinen Händen zerbröselte. »Was halten Sie davon?« fragte Moosbauer ratlos. »Die Panduren stammen doch aus einer anderen Zeit, so um 1740 herum. Weshalb kann ein Kerl, der seit Jahrhunderten tot ist, plötzlich wieder lebendig werden und sich ganz normal bewegen?« »Wir werden versuchen, darauf eine Antwort zu finden«, sagte ich ausweichend. »Dazu benötigen wir
aber mehr Daten und Fakten, die wir nur hier finden können.« Als ich den Plastikdeckel wieder über die Knochenreste legte, waren sie noch weiter zusammengeschrumpft. Schon bald würde, außer ein paar Metallteilen, gar nichts mehr übrig sein. Der Ring hörte auf zu leuchten, hatte aber einwandfrei angezeigt, daß hier Dämonen am Werk waren. Äußerste Vorsicht war geboten, und immer wieder betrachtete ich unauffällig den Burgverwalter. Es stellte sich jedoch bald heraus, daß er absolut harmlos war und den Vorfällen hilflos gegenüberstand. »Sie haben diesen Oberst doch persönlich gesehen«, sagte ich. »Wie war denn seine Reaktion? Schließlich ist doch alles modernisiert worden und für einen Mann wie ihn absolut fremd. Hat er sich irgendwie merkwürdig benommen?« Moosbacher nickte. Dabei lächelte er flüchtig, obwohl ihm gar nicht danach zumute war. »Ja, das war schon etwas merkwürdig«, erinnerte er sich. »Wenn die Lage nicht so ernst gewesen wäre, hätte ich gelacht. Dieser blutrünstige Mensch war total verblüfft, als er die Autos sah. Sie haben ihn offenbar sehr irritiert. Als einige Leute voller Panik in ihre Wagen stiegen, zögerte er anfangs, ritt dann aber einem Mercedes nach und hieb ihm mit dem Säbel eine gewaltige Delle in den Kofferraum. Er war sichtlich erschrocken, als der Fahrer in seiner Angst die Hupe betätigte, deshalb ließ er von dem Wagen ab. Weiß der Teufel, für was er das Ding gehalten hat.« »Ja, weiß der Teufel«, sagte ich doppeldeutig. »Für den Oberst muß das reines Hexenwerk gewesen sein.« »Etwa so, als würde über die Wartburg ein Phantom Jäger hinwegdonnern, während Martin Luther die Bibel übersetzte«, meinte Pit mit einem schiefen Grinsen. »Das hätte den frommen Mann sicher auch sehr erstaunt oder zu Tode erschreckt.« Wir gingen noch ein Stückchen weiter, bis dicht an einem Torbogen der Burggraben mit der Brücke
wieder zu sehen war. »Hier habe ich die beiden jungen Leute zuletzt gesehen«, sagte Moosbacher, in die Nähe des Bogens deutend. »Als das Geisterheer verschwand, waren sie ebenfalls nicht mehr da. Als hätte sie der Pandurenoberst mitgenommen«, setzte er nachdenklich hinzu. »Kann es sein, daß sie in ihrer Angst wegrannten? Das wäre doch immerhin vorstellbar. Vielleicht sind sie mit einem Auto…« »Nein, nein, ausgeschlossen«, unterbrach Moosbauer. »Das Burginnere konnten sie nicht verlassen haben. Das war nur den anderen möglich, die sich außerhalb der Mauern aufhielten. Wir haben bis in den letzten Winkel alles durchsucht. Es scheint, als hätten sie sich in Luft aufgelöst. Es gibt nicht die geringste Spur von ihnen.« Auch hier begann der geheimnisvolle Ring an meiner Hand wieder sein Licht zu verstrahlen. Es blinkte ein paarmal wie Morsezeichen, ehe das Glimmen sanft erlosch. Hier gab es immer noch dämonische Spuren, mal schwächer, mal stärker ausgeprägt. Mir blieb nichts anderes übrig, als weiterzusuchen. »Wenn Sie gestatten, sehen wir uns noch ein bißchen um«, sagte ich zu Moosbauer, der hastig und erleichtert nickte. Man sah ihm an, daß er sich fürchtete und ihm unheimlich zumute war. »Ich bin im Herrenhaus«, sagte er. »Wenn Sie etwas benötigen, lassen Sie es mich wissen. Ich bin dann zur Stelle.« Pit und ich sahen uns in der Burg um, nahmen den Burggraben näher in Augenschein und entdeckten überall schwache Spuren, die Mephisto oder einer seiner Diener zurückgelassen hatten. »Irgendwo müssen wir einen Anfang machen«, sagte ich. »Wir sehen uns noch einmal im Erdgeschoß um, in den Wirtschaftsräumen.« Dort erlebten wir etwas später eine Überraschung. Dicht neben dem alten Rauchfang begann der Ring
aufzuglühen wie ein Laserpointer. Der dünne rote Strahl war auf eine langsam sichtbar werdende Tür gerichtet, die sich in der Wand neben dem Rauchfang abzeichnete. * »Die Tür gab es vorhin noch nicht«, sagte Pit entschieden. »Paß auf, daß wir nicht in eine heimtückische Falle geraten.« Damit rechnete ich natürlich auch. Wenn wir aber wissen wollten, was dahintersteckte, gab es nur einen Weg – nämlich den direkten. Immer klarer zeichnete sich die Tür ab. Sie war aus alter Eiche, stark verwittert und mit rostigen Beschlägen aus Schmiedeeisen versehen. Außerdem war sie einen kleinen Spalt geöffnet, wie einladend. Sobald die Tür existent war, erlosch auch das Leuchten des Ringes. Er war immer wieder für neue Überraschungen gut, von denen mir viele absolut fremd waren. Jedenfalls hatte er einwandfrei auf etwas Dämonisches, Böses, reagiert. Pit und ich sahen uns kurz an, zögerten noch und blickten seitlich durch den Türspalt. Dahinter war es pechschwarz, und es roch muffig, wie der Pesthauch aus offenen Gräbern. Ganz langsam wich die Schwärze einem fahlen Dämmerlicht mit einem grünlichen Stich. Vier Stufen führten hinab in ein uraltes Kraggewölbe. »Gib mir deine Hand«, raunte Pit. »Falls unversehens eine Reise durch die Zeit beginnt, möchte ich gern dabeisein.« »Ich glaube nicht, daß wir einfach so durch die Zeit reisen«, erwiderte ich. »Ich habe noch keine einzige Rune auf den Boden gezeichnet, schon gar nicht das Wort für >Reise<. Aber gib mir trotzdem dein Patschhändchen. Einer muß ja auf dich aufpassen.« Pit sagte etwas wenig Vornehmes, aber wohl nur, um die unheimlich werdende Situation zu entspannen.
Eine Falle! schoß es mir durch den Kopf. Pit hatte ganz recht mit seiner Vermutung. Es konnte nur etwas Tückisches sein, das in der grünlichschwarzen Zwielichtzone auf uns lauerte. Bei diesen Gedanken befanden wir uns bereits auf der ersten der vier Stufen. Nichts geschah, als wir in dem Kraggewölbe standen. Es war etwa fünf Meter lang. Dahinter befand sich offenbar ein großer Keller, der ebenfalls in dieses geisterhafte fahle Licht eingebettet war. Der Ring, mein heimlicher Warner, zeigte nichts an. Auf dem glatten Felsboden drehte ich mich langsam um und warf einen Blick nach oben. Die Tür war noch zu erkennen, doch sie verschwamm in den Konturen, als würde eine Hitzewelle sie verzehren. Rahmen und Wand begannen zu wabern und weiter zu zerfließen. »Schnell zurück!« sagte Pit leise. »Sonst kommen wir hier nicht mehr raus. Die Tür verschwindet.« Selbst wenn ich gewollt hätte – es war schon zu spät. Dort, wo sich eben noch die Tür befunden hatte, war jetzt eine glatte, kalte Mauer zu sehen, mehr nicht. Pit ließ meine Hand los, sprang die vier Stufen wieder hinauf und tastete die Wand ab. Ich sah, wie er hart schluckte. »Weg, einfach verschwunden«, murmelte er. »Verdammt, ich habe es befürchtet. Aber es ist nicht mehr zu ändern.« »Sehen wir uns erst einmal um. Vielleicht gibt’s ja woanders wieder einen Ausgang.« »Du bist verdammt cool, Mark«, sagte Pit anerkennend. »Aber ich muß mich an derart fremde Situationen erst gewöhnen. Also gut, sehen wir uns erst einmal gründlich um.« Langenbach war beileibe kein ängstlicher Mann, ganz im Gegenteil. Aber ihn berührte das Unbegreifliche, Nichtfaßbare und Dämonische doch mehr, weil er sich außerstande sah, diesen unnatürlichen Kräften etwas
Handfestes entgegenzusetzen. Das Kraggewölbe war nach fünf Metern zu Ende. Hinter dem letzten tonnenförmigen Bogen befand sich ein großes quadratisches Kellergewölbe, etwa zehn mal zehn Meter und nur zwei Meter hoch. Es erinnerte an eine große, modrig riechende Gruft, in die jahrelang keine frische Luft mehr gelangt war. Und überall war dieses merkwürdige schwache Licht, das gerade noch die Umrisse erkennen ließ. Schon nach ein paar Augenblicken hatte ich mich an das Dämmerlicht gewöhnt. Pit ebenfalls, denn er stieß einen unterdrückten Ruf aus. Wir befanden uns tatsächlich in einer Gruft und blieben vorerst einmal stocksteif stehen. Der Boden war mit losem Sand bedeckt, der wahllos verstreut worden war und überall kleine Hügel bildete. Dazwischen standen Särge, teilweise zerstört oder zerbrochen, andere noch ganz gut erhalten. Mindestens ein Dutzend Särge zählte ich, wahllos hingeschoben in totaler Unordnung. Aus den Sandhügeln ragten Knochenarme oder skelettierte Hände hervor. Dazwischen waren Schädel und weitere Gebeine zu erkennen. Dieser Keller hier war ein einziger Friedhof, eine Katakombe, in der unzählige Leichen lagen. Der Eindruck einer Katakombe verstärkte sich noch, als wir die Nischen in den vier Wänden sahen. Sie waren roh in das felsige Fundament gehauen und alle besetzt. In den Nischen hockten Knochenmänner mit geisterhaften Totenschädeln. Ich hatte den Eindruck, als würden sie uns überrascht anstarren und die leeren Augenhöhlen jeder unserer Bewegungen folgen. Manche trugen nur dunkle, halbvermoderte Kutten mit Kapuzen, was den unheimlichen Anblick noch verstärkte. Wieder andere waren schon halb zerfallen, und aus den Kutten schauten nur noch bleiche Knochen hervor. In den Nischen der rechten Seite saßen Gestalten wie aus einem Alptraum am Boden. Sie trugen verblichene
Uniformen, die nur noch fetzenweise an ihren dürren Gebeinen hingen. »Ist das nun Blendwerk des Teufels, oder ist alles echt?« fragte Pit Langenbach tonlos. »Das ist ja eine Gruft mit etlichen hundert Toten. Soll das etwa…?« »Die Soldaten des Freiherrn von der Trenck«, erwiderte ich. »Die Gebeine zumindest scheinen echt zu sein.« »Aber Mooshuber hat doch gesagt, es gäbe hier keine Gruft? Denk doch nur mal an die Tür, die aus dem Nichts erschienen ist. Man hat uns ganz bewußt hergelockt.« »Den Eindruck habe ich auch. Ich weiß nur noch nicht, was das alles zu bedeuten hat.« Uns war beiden inmitten dieser längst vermoderten Gesellschaft sehr beklommen zumute, das muß ich ehrlich zugeben. Wir standen da und hatten uns immer noch nicht gerührt. Pit blickte wieder in das tonnenförmige Gewölbe zurück. Doch die Tür war und blieb verschwunden, als hätte es sie nie gegeben. »Siehst du hier irgendwo einen anderen Ausgang?« fragte er. »Nein. Vielleicht hinter einer der Nischen. Ansonsten sind die Wände alle glatt. Ich frage mich nur, ob die beiden Kids auch in dieser Gruft gewesen und dann verschwunden sind. Von hier scheint irgendeine dämonische Macht auszugehen, obwohl der Ring nicht leuchtet.« Ich starrte auf das Chaos der herumstehenden Särge. Ob die Kids unter unbekannten Umständen umgebracht worden waren? Vielleicht waren sie dem Satan persönlich in die Quere gekommen, nachdem sie etwas entdeckt hatten, das nicht für sie bestimmt war? Hier gab es noch viele Ungereimtheiten, die alle der Klärung bedurften. Ich wurde das bedrückende Gefühl nicht los, daß die Kids längst tot waren und in einem der Särge lagen. Sie hatten eine Gefahr heraufbeschworen und dabei den Tod gefunden.
Wie in Trance schritt ich zu einem der Särge hinüber und gab acht, daß ich nicht auf die im Sand verborgenen Gebeine trat. Pit Langenbach blickte mich ausdruckslos an, folgte mir aber ein paar Schritte, bevor er wieder reglos stehenblieb. Mit dem Schuh schob ich den Sargdeckel zur Seite, der mit einem dumpfen Poltern auf den Sandboden fiel. Ein Mann in verblichener Uniform lag darin. Ein lederartiges Gesicht starrte mich aus eingetrockneten Augen an. Die Lippen waren zwei dünne und wie höhnisch verkniffene Linien, als würden sie verächtlich grinsen. Die Hände der Mumie schienen aus Leder zu bestehen. »Scheinen tatsächlich Trencks Panduren zu sein«, sagte Pit in die entsetzliche Stille. »Wie erklärt sich dann aber, daß sie gestern die Burg heimsuchten und sehr lebendig wirkten?« »Darauf hätte ich auch gern eine Antwort, Pit. Meine Theorie geht dahin, daß sich hier irgendwo zwei Zeitebenen kreuzen. In der einen sind sie lebendig, in der anderen längst vermodert. Oder sie sind nur für kurze Zeit zum Leben erwacht, in die Gegenwart eingedrungen und wieder in ihre Gräber gesunken.« »Bißchen kompliziert«, meinte Pit. »Das soll ein normaler Mensch begreifen?« »Ich begreife es auch noch nicht ganz, aber ich nehme an, daß die Kinder in irgendeiner Weise die Schlüssel zu dem Geheimnis sind.« »Es gibt noch eine andere Möglichkeit«, wandte Pit ein. »Diese ganzen Geschehnisse sind nur inszeniert worden, um dir den Ring abzunehmen. Es ist der letzte von insgesamt vier Ringen, der Mephisto die absolute Macht verleihen würde, wenn er ihn hätte. Anschläge auf dich hat es genug gegeben. Der Teufel ist dir persönlich in dem brennenden Dachstuhl in Weimar erschienen. Dann hat er versucht, dich im Berliner Polizeipräsidium umzubringen. Jetzt der Vorfall auf der Autobahn in Gestalt einer
Basiliskenechse, und nun finden wir diese Tür, die es nie gab oder gibt. Irgendwann wird dir der Ring zum Verhängnis werden, Mark, denn er ist untrennbar mit dir und deinem Schicksal verbunden. Mephisto oder seine Helfer werden dich erbarmungslos durch alle Zeiten jagen.« »Das ist doch eine nette Herausforderung, oder?« sagte ich trocken, mit einem Schuß Galgenhumor. »Du bist heute ausgesprochen pessimistisch, Pit Langenbach.« »Weil ich nicht weiß, wie es weitergeht. Außerdem mache ich mir ernsthaft Sorgen um dich.« Ich wollte etwas erwidern, doch in diesem Augenblick begann der Ring erneut zu glimmen, diesmal recht schwach, als ich an den nächsten Sarg herantrat. Dort lag ebenfalls eine schrecklich anzusehende Mumie, und ich hatte das Gefühl, als würde sie sich gleich aus ihrem morschen Sarg erheben und aufstehen. Der halbvermoderten Kleidung nach konnte es ein Offizier des Pandurenoberst sein – vielleicht sogar er selbst, denn zwischen zerbrochenen Holzteilen lag eine rostige Muskete neben einer Pulverflasche. Allerdings war das lederartige Gesicht völlig unkenntlich und wie mit feinen Webfäden oder einem weißlichen Pilz überzogen. Mit dem Glimmen des Ringes begann auch der Geruch in der Panduren-Gruft penetranter zu werden, was ich mir anfangs nicht erklären konnte. Es roch jetzt wirklich wie der Pesthauch aus offenen Gräbern, aber nicht nach Schwefel, mit dem sich Mephisto verriet. Es war eher ein Geruch nach Blut, Tod und Verwesung. Pit und ich öffneten auch noch die anderen Särge. Von den Jugendlichen fanden wir keine Spur. Dafür begann der Ring jetzt stärker zu strahlen und schickte ein fast überirdisch wirkendes Licht in die Gruft der Panduren. Wir fuhren unwillkürlich zusammen, als trockene
Geräusche, wie das Knistern von Pergament, zu hören waren. In der Gruft begann sich einiges zu verändern. * Das Knistern kam von dem Sand, der alles bedeckte. Und darunter begann es sich, erst unmerklich, dann immer stärker, zu regen. Im jetzt grünlichen Dämmerlicht sah alles schrecklich und unheimlich aus. Zuerst schob sich eine welke und knochige Hand dicht vor meinen Beinen aus dem Sand. Dann folgte ein dürres Bein. Als es in den morschen Särgen ebenfalls zu rumoren begann, traten Pit und ich bis an das Kraggewölbe zurück, wo wir uns mit dem Rücken gegen die Wand stellten und auf die gespenstische Szene blickten. Aus den Knochen wurden Arme und Beine mit Fleischfetzen daran, die sich innerhalb kurzer Zeit regenerierten. Dabei wurde der Geruch so ätzend, daß es in meinem Magen zu rumoren begann. »Sie werden wieder lebendig«, flüsterte Pit. »Das gibt es doch gar nicht! Sind es Untote?« »Nein, ganz sicher nicht. Trenck hat vermutlich einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, für den es kein Kunststück ist, den Leichen wieder Leben einzutauchen. Aber das kann nur in einer anderen Zeit geschehen.« »Wir sind aber in keiner anderen Zeit.« »Wir nicht, aber wahrscheinlich die Panduren. Wenn sie wieder vollzählig sind, werden sie verschwinden, und wir werden versuchen, ihnen zu folgen, um zweihundertfünfzig Jahre zeitversetzt.« Es war schwer zu begreifen, was hier vor unseren Augen geschah – und wie schnell alles ablief. Nur das Knistern war zu hören, als eine Leiche nach der anderen aus dem Sand kroch. Auch aus den Särgen kamen sie jetzt, klapperdürre Leichname, die langsam feste Gestalt annahmen. Auch ihre Kleidung,
die ihnen in Fetzen vom Körper hing, wurde wieder normal, wobei sich das vermoderte Zeug färbte, straff und fest wurde. Auch in den Nischen bewegten sie sich jetzt, als folgten sie einem unhörbaren Kommando, das sie zum Leben erweckt hatte. Je mehr Fleisch sich auf ihren Knochen bildete, desto schwächer wurde auch der penetrante Geruch, der mir immer noch Übelkeit verursachte und mich kaum atmen ließ. Aus dem Sarg stieg ein Mann mit weiten Bundhosen und einem reichverzierten, hemdähnlichen Oberteil, über das eine Weste geknüpft war. Ein breiter Ledergürtel mit Silberschnallen hielt das alles zusammen. Links hatte er die Hand an einem schweren Säbel, seine Rechte umklammerte die Muskete. Ein gewaltiger Schnauzbart ließ ihn wild und drohend erscheinen. Auch seine kohlschwarzen Augen blickten ausgesprochen unfreundlich und finster. Ich hatte nicht mehr den geringsten Zweifel, daß hier der Pandurenführer Freiherr von der Trenck vor uns stand. Mittlerweile hatten sich so viele Mumien erhoben und regeneriert, daß sie eine kleine Armee bildeten. Weil es in der Gruft eng zu werden begann, zogen wir uns noch weiter zurück bis zu jener Stelle, wo vormals die Tür war. Dabei machten wir eine erstaunliche Entdeckung. Keiner der Panduren und Kroaten schenkte uns auch nur die geringste Beachtung. Einige blickten wohl in unsere Richtung, reagierten aber überhaupt nicht auf unsere Anwesenheit. »Die müssen uns doch sehen«, raunte Pit. »Wir sehen sie schließlich auch. Richtig, du hast ja vorhin gesagt, sie seien in einer anderen Zeit. Ob es damit zusammenhängt?« »Sehr gut möglich. Sie werden in den Krieg ziehen und wieder von vorn damit beginnen, Burgen zu überfallen und zu schleifen.« »Willst du das etwa in der Vergangenheit
verhindern?« »Das kann ich gar nicht, denn die Ereignisse haben bereits stattgefunden und sind Geschichte. Ich würde es auch nicht ändern wollen, wenn ich es könnte. Es würde ein Paradoxon geben. Du kennst es sicher noch, als ich gegen Heinrich von Schwarzenfels kämpfte und wir eine ganz andere Chronik lasen. Da dachte ich auch, die Geschichte ließe sich beeinflussen, was aber nicht der Fall war.« Die zum Leben erwachten Söldner begannen miteinander zu reden. Auch Freiherr von der Trenck sagte etwas zu seinen Streitern. Er bewegte die Lippen, nickte mehrmals, gab offenbar Befehle und hörte zu, wenn ein anderer etwas sagte. Aber es war wie in einem Marionettentheater. Alles bewegte sich, nur war kein noch so leiser Ton zu hören. Wie in einem Stummfilm, dachte ich verblüfft. Und sie sehen uns auch wirklich nicht. Ich wollte es aber nicht darauf ankommen lassen, zu prüfen, ob sie materiell existierten oder ob man durch sie hindurchgreifen konnte. Die Konsequenzen waren mir zu unsicher. Nun geschah etwas, das uns wiederum in Erstaunen versetzte. Auf einen lautlosen Befehl des Pandurenoberst hin machte die ganze Söldnerlegion kehrt. Trenck übernahm die Spitze, und nach einem weiteren lautlosen Befehl marschierten die regenerierten Mumien genau auf das tonnenförmige Kraggewölbe zu. Pit und ich konnten nicht mehr ausweichen. Daher drückten wir uns so eng an die Wand, wie es nur möglich war. Eiseskälte verströmten sie, als sie vorbeigingen. So kalt, daß sich mir die Nackenhaare aufrichteten und eine Gänsehaut über meinen Körper kroch. Es war wie eine Art Nebel aus flüssigem Stickstoff, den sie um sich verbreiteten, wie man ihn manchmal auf Bühnen sieht. Einer nach dem anderen ging durch das Gewölbe.
Vom Boden wallte nun ebenfalls dieser Nebel auf, der dichter, kompakter und kälter wurde und schließlich den ganzen Gang einhüllte. Nach dem letzten Mann wallte der Nebel wie ein Vorhang hoch. Er war kaum vorbei, da zog er die ganze Nebelwolke hinter sich her wie eine Braut die Schleppe. Zum Glück verschwand damit auch der unerträglich kalte Hauch. Pit und ich waren mit einem Satz mitten im Gewölbe, um zu sehen, wohin die Geisterarmee verschwand. Völlig verblüfft blickten wir uns an, starrten dann auf ein kleines weißes Wölkchen an der Felswand, das sich rasch verflüchtigte. Vom Geisterheer war nicht die geringste Spur mehr zu sehen. Sie hatten sich einfach wie Rauch aufgelöst. Pit ging auf die Stelle zu, an der das Gewölbe endete und wo wir die seltsame Tür entdeckt hatten. Jene Felswand war der einzig mögliche Ort, durch den sie gegangen sein konnten. »Alles glatt und kühl«, stellte Pit fest, während wir mit den Händen den Fels abtasteten. »Es gibt aber keinen anderen Weg. Ich habe deutlich gesehen, wie der letzte Kerl kurz vor der Wand verschwand.« »Sie können feste Materie durchdringen, weil sie nicht aus dieser Zeitebene stammen«, sagte ich. »Uns ist das leider nicht möglich.« »Versuchen wir es doch mal«, schlug mein Freund vor. »Ich habe nicht die Absicht, ewig in dieser verdammten Gruft gefangen zu sein.« Da ich seine Meinung teilte, versuchten wir es. Der Erfolg war geradezu überwältigend. Als Pit es versuchte, stieß er mit dem Kopf gegen die Wand und fluchte unterdrückt. Mein Versuch fiel nicht besser aus. Auch er endete abrupt vor der Felswand. Pit zuckte ratlos mit den Schultern. Er wußte nicht mehr weiter. »Du hast vorhin gesagt, wir werden versuchen, ihnen in die Zeit zu folgen«, sagte er. »Du hast doch
den Ring, der uns überall hinbringen kann. Besser in eine andere Zeitebene versetzt zu werden, als in dieser Gruft zu vermodern. Genaugenommen haben wir auch gar keine andere Wahl.« »Ich weiß. Natürlich werden wir es versuchen. Jetzt gleich. Vorher möchte ich mich aber noch einmal in der Gruft umsehen, ob auch wirklich alle verschwunden sind.« An der Felswand hatte der Ring noch schwach geleuchtet. Jetzt aber, als wir zurückgingen, verblaßte er immer mehr. Für mich war das ein Zeichen, daß sich das Dämonische verflüchtigt hatte. Im Gruftgewölbe war nichts mehr zu sehen, bis auf den Sand, der noch zu kleinen Hügeln aufgeworfen war. Kein Gerippe, keine Mumien, auch die Särge waren alle leer. Damit hatte sich das Geisterheer der Mumien verflüchtigt und in eine andere Dimension abgesetzt. Auf dem Rückweg fiel mir wieder auf, daß der Ring stärker leuchtete, je näher wir der Felswand kamen. Das Licht war nicht mehr so hell wie vorher, und es wurde merklich schwächer. Wir mußten uns daher beeilen, wenn wir den >Anschluß< nicht verpassen wollten. Dazu war eine Prozedur erforderlich, die bei mir langsam zur Routine wurde, weil ich sie schon mehrmals praktiziert hatte. »Wir versuchen es jetzt«, entschied ich vor der Felswand. »Aber du nimmst mich mit«, sagte Pit Langenbach fast flehend. »Wir halten wieder Patschhändchen, sonst bleibe ich allein in diesem Verlies zurück.« »Hoffentlich klappt es, Pit. Halte dich an mir fest.« Und wie er sich festhielt. Wie ein Klammeraffe. Er preßte meine Hand so stark, daß es schmerzte. An der Stelle, wo sich das Geisterheer der Panduren entmaterialisiert hatte, schrieb ich mit dem Lichtstrahl des Ringes die Runen für das keltische Wort >Reise<. Das ältere oder gemeingermanische Futhark-Alphabet kannte ich mittlerweile auswendig.
Wie mit einem kleinen Laser schienen sich die Runen in den Fels zu brennen, während ich flüssig das Wort schrieb. Das R ähnelte noch unserem R, doch das E sah schon eher wie ein großes M aus. Pit starrte auf die Runen. Er war aufgeregt, was auch durchaus verständlich war, denn es war schon ein merkwürdiges Gefühl, zu wissen, daß man sich gleich in einer gänzlich anderen Zeit befand. Jetzt, nach dem letzten Buchstaben, folgte das ziehende Gefühl, als der stilisierte Drache auf dem Ring größer wurde, seinen Rachen unheimlich weit aufriß und uns zu verschlingen drohte. »Es klappt«, hörte ich Pit rufen. Irgendwo in der Felswand oder im Maul des Drachen explodierte ein grelles Licht wie Hunderte kleiner Sonnen. Es sog mich auf und verschlang mich in wilder Glut. * Für Pit Langenbach stellte sich alles etwas anders dar. Seine freudigbange Erwartung erhielt einen gehörigen Dämpfer. Als die letzte Rune des Wortes >Reise< auf der Felswand erschien, spürte er Feuer durch seinen Körper rasen. Wie eine glühende Lanze, die ihm die Luft nahm. Fassungslos sah er, wie sich Mark Hellmann einem gähnenden Lichtschacht näherte, und obwohl er sich krampfhaft an ihm festhielt, entfernte sich dieser Schacht in eine andere Dimension immer weiter von ihm fort. Sein Freund verschwand ebenfalls, als raste er in die Unendlichkeit hinein. Er wurde kleiner und kleiner, schließlich nur noch ein glühender Lichtpunkt, der mit irrsinnigem Tempo davonraste. »Mark«, schrie Pit Langenbach voller Entsetzen. Er erhielt einen so starken elektrischen Schlag, daß er wie gelähmt war und keinen Finger mehr rühren konnte. Auch sein Schrei war ungehört in der
Unendlichkeit verhallt. Mit starrem Blick sah er, wie sich der Lichtschacht verkleinerte, zusammenschrumpfte und immer dunkler wurde. Vor ihm wuchs eine Wand auf, und unsichtbare Kräfte trieben seinen Körper hindurch. Als die Lähmung nachließ, fand er total ernüchtert in die Wirklichkeit zurück und konnte es nicht glauben, was er sah. Er lag auf dem Boden neben dem Rauchfang im Erdgeschoß. Halb über ihn gebeugt stand Xaver Moosbauer, den Mund aufgerissen, die Augen ungläubig weit geöffnet. Immer noch fassungslos half er Pit Langenbach auf die Beine. »Woas is?« fragte er vor Schreck in seinem Dialekt. »San’s alliweil aus der Wand kimme?« Pit fühlte noch Schmerzen am ganzen Körper. Er wußte nicht so recht, was er dem Burgverwalter antworten sollte, ohne von dem für verrückt gehalten zu werden. »Ich weiß nicht, was los ist«, erwiderte er. »Bin wohl gegen die Wand gelaufen, weil ich glaubte, da sei eine Tür. Hat jedenfalls so ausgesehen«, setzte er hastig hinzu. Er hörte nur mit halbem Ohr hin, daß Moosbauer erklärte, es gäbe hier keine Tür und hätte nie eine gegeben. Ihn beunruhigte viel mehr die Tatsache, daß alles schiefgegangen war. Aus irgendeinem unbekannten Grund hatte es ihn aus der Zeit geschleudert, obwohl er schon das Licht gesehen hatte. Die zweite Frage, auf die er keine Antwort fand, war, auf welche Weise er die Gruft verlassen hatte. Aber es war müßig, jetzt darüber nachzudenken. Er konnte nicht mal Vermutungen anstellen. Jedenfalls war Mark fort, und ob er jemals zurückkehrte, stand in den Sternen. Das konnte in einer halben Stunde, in einem Jahr oder auch nie mehr der Fall sein. Die verschiedenen Ebenen hatten auch unterschiedliche Zeitgesetze. »Wo ist denn Ihr Begleiter?« fragte Moosbauer, der
Langenbach immer noch mißtrauisch musterte. »Der mußte mal weg, etwas besorgen«, log Pit. »Wird aber bald wieder hier auftauchen.« »Reichlich merkwürdig ist das alles schon«, meinte der Burgmensch zweifelnd. »Erst kommen Sie durch die Wand gegangen, und jetzt ist der andere auch noch weg. Dabei hätte ich ihn doch sehen müssen, denn er mußte ja an mir vorbei. Seltsoame Preißn«, murmelte er leise vor sich hin. »Und woas is noachher?« »Wir müssen noch warten«, erklärte Pit. »Es hängt mit dem Oberst von der Trenck zusammen. Vielleicht können Sie mir inzwischen mal das Zimmer zeigen.« »Und was geschieht mit den Panduren?« »Auch das werden wir herausfinden«, versprach Langenbach. Immer noch taten ihm alle Knochen weh, und er war froh, als Mooshauer ihm endlich den Raum zeigte, in dem sie übernachten konnten. Er legte sich auf das breite Bett und grübelte über den Vorfall nach. Aber nach einer Weile schlief er ermattet ein. * Das Gefühl, mutterseelenallein durch das Universum zu treiben, war mir nicht mehr neu, aber immer wieder ein unvergleichliches Erlebnis. Seltsam strömende Winde erfaßten meinen Körper, der in eine Art gigantischen Lichtschacht fiel. Um mich herum pulsierte alles. Sonnen und Sterne, die zu winzigen Lichtstrichen wurden, rasten an mir vorbei. Ich fiel durch Zeit und Raum, durchkreuzte verschiedene Zeitebenen und überflog Kluften und Abgründe. Es war, als sei die Seele vom Körper gelöst und zeitlos bis in alle Ewigkeit geworden. Es gab aber auch einige unangenehme Dinge, denn ich mußte durch die Welt der Dämonen und das Schattenreich. Gevatter Tod mit seiner Sense, gegen den ich schon
gekämpft und vorübergehend gewonnen hatte, trieb sich mit anderen Gesellen in der finsteren Ebene herum, die Sense geschultert, das beinerne Totengesicht starr nach oben gerichtet, als könnte er mich sehen. Auch mein persönlicher Widersacher, Belial, befand sich mit etlichen anderen scheußlichen Wesen in der Ebene. Er stand als saurierähnliche Echse da und spie lange Flammenstrahlen nach mir. Auch Satan sah ich, der drohend die Faust erhob und ein lautloses Lachen ausstieß. Das ganze Dämonenreich mit all seinen Schrecken mußte ich passieren, und ich war sicher, daß ihnen meine Reise durch Zeit und Raum nicht verborgen blieb. Erst als das Szenario aus Dantes >Inferno< an mir vorüberzog, bemerkte ich, daß Pit Langenbach nicht bei mir war. Noch während ich darüber nachdachte, tauchte die letzte Ebene der Dämonen auf. Es war ein grausiges Geschehen, das sich da abspielte. Es hätte ein Bild von Hieronymus Bosch sein können, in dem sich alle Schreckgestalten der Hölle vereinten. Sie waren damit beschäftigt, arme Seelen zu foltern, zu verbrennen, zu zerstückeln und zu quälen. Das war auch gleichzeitig der Augenblick, der die Reise durch die Dimensionen abrupt beendete. Noch einmal sah ich den Rachen, riesengroß, leuchtend, mit weitaufgerissenem Maul, wie am Beginn der magischen Reise. Irgendwo krachte etwas, ein Tritt ins Kreuz folgte, als ich auf dem Boden landete. Es war zwar heller Tag, aber der Himmel sah aus wie kalter Haferbrei. Die Reise hatte mich so mitgenommen, daß ich wie benommen sitzen blieb und so erschöpft war wie ein Leopard nach erfolgloser Hetzjagd. Ich befand mich jetzt also im Jahr 1742. Es war einfach unvorstellbar, was dieser Ring bewirkte. Da Zeit eine vierdimensionale Energieform ist, befand ich mich zwar in der Realität, aber eben auf einem schmalen zeitenergetischen Band, das von einem
Augenblick zum anderen instabil werden konnte, falls der Ring einmal nicht funktionierte oder verlorenging. Eine Vorstellung, die bei mir einen mittleren Schweißausbruch verursachte. Aus Blödsinn stellte ich mir immer die Frage, was geschehen würde, wenn ich in dieser Zeit blieb, eine Familie gründete und ein paar Gören in die Welt setzte. War ich dann irgendwann auf einer anderen Zeitebene mein eigener Urururgroßvater? Ich sah mich ernüchtert um. Pit war also nicht dabei. Hatte er im entscheidenden Augenblick meine Hand losgelassen oder klappte das zu zweit nicht? Oder nicht immer? Ich wußte es nicht. Er war in >seiner< Zeit zurückgeblieben und würde vor Enttäuschung wohl in übelster Art meine Ahnen beleidigen, und mich natürlich auch. Egal, es war nicht zu ändern. Jetzt galt es, sich der jetzigen Situation voll und ganz anzupassen, denn hier waren auch die Redewendungen ganz anders. Das wußte ich von meinem Studium der Ethnologie. Schlimmer, als eine falsche Redewendung zu gebrauchen, war jedoch die Tatsache, daß ich nackt in jener Zeit gelandet war. In diesem Jahr war Maria Theresia, Kaiserin von Österreich, die treibende Kraft, die alles bewegte. Sie gewann im Erbfolgekrieg Böhmen wieder zurück und besetzte Bayern mit Hilfe der Panduren. Franz Freiherr von der Trenck begann jetzt damit, die stolzen bayerischen Burgen zu schleifen und unvorstellbare Greueltaten zu begehen. Wenn meine Berechnungen stimmten, mußte ich mich in der Nähe des sogenannten Salzweges befinden, einer Handelsstraße, auf der Salz, eines der ältesten Handelsgüter, transportiert wurde. Meine Kräfte kehrten wieder zurück, und inzwischen hatte ich mir, dank meiner Kenntnisse, auch eine nette Geschichte ausgedacht, die ich dem Pandurenoberst unters Chemisettchen jubeln wollte. Eine Aufgabe hatte ich mir dabei selbst gestellt: Ich mußte die beiden Weimarer Kids wieder in ihre Zeit
zurückbringen und verhindern, daß von der Trenck den ganzen Bayerischen Wald verwüstete und aufgrund seines Paktes mit dem Teufel immer wiederkehrte, um seine Greueltaten auch in der relativen Gegenwart zu begehen. Irgendeine Macht gab es, die ihn wieder verbannte. Welche das war, mußte ich vor Ort herausfinden. Dabei würden die Dämonen, Mephisto und sein Helfer Belial, natürlich nicht untätig zusehen. Ich schmierte mir ein bißchen Erde ins Gesicht, zerkratzte meine Haut an einem Dornenbusch und marschierte los. Ich besaß nur meinen Ring. Alles andere war in der anderen Zeit zurückgeblieben. Was tun? Der Salzweg, an dem ich mich offenbar befand, erwies sich als mieser Feldweg mit tiefen Furchen von Pferde- und Ochsengespannen. In zwei Kilometer Entfernung sah ich einen Kirchturm aus einer kleinen Ortschaft herausragen. Rechts des Dorfes befand sich offenbar eine Herberge oder Schenke, vor der etliche Pferde standen. Ganz weit hinten war das bläuliche Band der Donau zu erkennen. Zu dieser Zeit war sie wirklich noch blau und nicht von industriellem Dreck versaut. Was einem doch in einem anderen Jahrhundert so alles durch den Kopf ging, dachte ich etwas belustigt. Die Grünen hätten sicher ihre helle Freude an dieser Umwelt gehabt, die anderen natürlich auch. Aber auch diese >Goldene Zeit< hatte ihre Tücken und Probleme. Hinter dem Dorf tauchte ein Zeltlager auf, ein Heerlager. Dort lagerte die Söldnertruppe der Panduren und Kroaten. Bunte Uniformen wurden aus der Ferne sichtbar. Ganz schwach drang Lärm herüber. Ich wollte schon versuchen, mir eine Uniform unter den Nagel zu reißen, was sicherlich nicht leicht gewesen wäre, da hörte ich aus dem Unterholz jauchzendes Stöhnen. Ein Pärchen war so intensiv mit sich beschäftigt, da wagte ich es einfach. Und wie es der Zufall wollte, die Klamotten paßten mir. Jetzt aber
nichts wie weg! dachte ich. Die Gäule vor der Schenke waren von der schweren Sorte. Demnach bestand die Söldnertruppe vornehmlich aus Kürassieren mit mächtigen Säbeln und Brustpanzern. Es waren die sogenannten Schweren Kürassiere. Im Prinzip war sie das, was heute die Legion etrangere ist – ein bunt zusammengewürfelter Haufen aus Abenteurern, politischen Flüchtlingen und Kerlen, die jederzeit gegen Lohn zum Kampf bereit waren. Aber motiviert und gut ausgerüstet. In der Schenke hielten sich nur Offiziere auf. Manche trugen Fantasieuniformen, andere die Pandurentracht. Ungefähr ein Dutzend Gäste waren in der verräucherten Schenke versammelt. Bei meinem Eintritt setzten sie ihre Humpen ab und starrten mich verwundert an. Der dicke Schankwirt im Hintergrund stützte die Arme auf den Tresen und starrte ebenfalls. Nur die Bedienung, eine dralle Blondine mit nettem Dekollete, kicherte leise. Ich grüßte zackig in der Art der österreichischen Offiziere, etwas herablassend und eingebildet und leicht schnarrend. »Rittmeister Markus von Hellmann, Kurier im Dienst Ihrer Majestät Maria Theresia. Bittet darum, eiligst Freiherrn von der Trenck vorgeführt zu werden.« Es war, als hätte eine Granate eingeschlagen. Mein Äußeres war nun wirklich total fehl am Platz, aber meine geschnarrten Worte rissen die Herren sofort von ihren Bänken hoch. Sie grüßten voller Hochachtung zurück und nannten ihre Namen. »Androsch Galfi«, stellte sich ein langes Individuum mit einem dunklen Schnauzbart vor. Ein zweiter hieß Imre Röha, ein dritter Sandor Göschi, und so ging es weiter, bis alle durch waren. Da meine Aufmachung nicht ganz stimmte, hatte Androsch Galfi doch noch ein paar Fragen. Er war ein ungarischer Baron und hier der ranghöchste Offizier. »Bei allem schuldigen Respekt, Herr Rittmeister. Ist Er in der Eigenschaft eines Geheimkuriers Ihrer
Majestät unterwegs? Frage nur, weil Herr Rittmeister keine Uniform tragen.« Ich zeigte auf mein Gesicht und die zerkratzten Stellen. »Bin einer Bande marodierender Finsterlinge in die Hände gefallen«, schnarrte ich. »Wurde beraubt und malträtiert. Konnte Beglaubigungsschreiben Ihrer Majestät gerade noch vernichten, bevor Material in falsche Hände geriet.« Das Mißtrauen verschwand sofort. »Stärke Er sich erst einmal«, sagte Galfi. »Hat Er geheime Order für den Freiherrn? Er möge offen reden, Herr Rittmeister.« Ich konnte, durfte und wollte den Lauf der Geschichte nicht beeinflussen, um kein zeitenergetisches Band zu verschieben und ein Paradoxon zu beschwören. Die Panduren würden sich zuerst die Burg Rammelsberg vornehmen und sie schleifen. Danach war Dießenstein an der Reihe, so hatte es die Geschichte gezeigt. »Ihre Majestät schlägt vor, zunächst Rammelsberg anzugreifen, was aber nicht als kaiserlicher Befehl aufzufassen ist. Danach könnte man die Burg Hilgartsberg in Angriff nehmen. Oder auch Dießenstein.« Galfi und seine Mannen nickten erfreut. »Seltsam, daß sich Ihrer Majestät Gedankengänge mit denen des Freiherrn gleichen«, staunte der Baron. »In dieser Reihenfolge war es in etwa beabsichtigt. Ich werde Ihm sofort Ausrüstung und ein gutes Roß beschaffen lassen. Nimmt Er an dem Feldzug teil, oder muß Er wieder nach Österreich zurück?« Ich sagte, ich sei bereit, an dem Feldzug teilzunehmen, was mir große Sympathien einbrachte. Inzwischen hatte mir die großbusige Schönheit einen großen Humpen gebracht. Es war ein stark gewürztes Bier, das die Panduren hier wie Wasser soffen und viel davon vertrugen. »Gestatte mir Hochachtungsschluck«, sagte ich zu den Männern, beugte mich vertraulich nahe zu der
Bedienung heran, riskierte einen genüßlichen Blick auf ihren Busen und grinste so lüstern wie die anderen. »Hat Sie auch an mein leiblich Wohl gedacht, mein schönes Frauenzimmer?« fragte ich. »Euer Gnaden werden gleich bedient«, hauchte sie errötend, warf sich in die Brust und mir dann einen flammenden Blick zu, der mir durch und durch ging. Ein Mordsweib. Alles dran. Und nicht abgeneigt. Wir tranken uns gegenseitig Hochachtung zu. Baron und Rittmeister Galfi hatten großes Vertäuen zu mir gefaßt. Galfi wandte sich an einen der Kürassiere und gab ihm Order. »Bringe Er aus dem Zeltlager Kleidung, Waffen und ein Roß mit, und unterrichte Er den Freiherrn von der Ankunft des Rittmeisters. Bringe Er Order mit, reite Er wie der Teufel und spute Er sich!« Der Kürassier salutierte und ritt davon. Inzwischen kehrte die blonde Schönheit mit einer riesigen Kumme an unseren Tisch zurück. Darin befand sich ein Schweinebraten, schön kroß, mit Kartoffeln und schmalzigem Sauerkraut. Sie schob die Kumme so vor mich hin, daß ihr Busen mein Gesicht streifte und mir dabei ziemlich heiß wurde. Ihre kornblumenblauen Augen strahlten mich an. Die anwesenden Herren hüstelten dezent und verbargen ihr Grinsen hinter betont starren Gesichtern. »Xenia«, antwortete das hübsche Frauenzimmer, als ich sie nach ihrem Namen fragte. Ihr Blick deutete alle Sünden der Welt an, und ich war nun mal kein frommer Pilger, der sich lange zierte. Da konnte sich etwas anbahnen! In jener Zeit war ich solo, Tessa noch längst nicht geboren, also brauchte ich auf sie auch keine Rücksicht zu nehmen. Nach dem Essen wurde weitergetrunken. Davon hielten die Kerle sehr viel, und sie genossen es. Zwischendurch erfuhr ich auch, daß Oberst von der Trenck noch auf Verstärkung wartete, die morgen oder übermorgen eintreffen mußte. Dann sollte es
losgehen. Zwei Stunden später war der Kürassier wieder zurück. Er hatte ein schwarzes Pferd, zwei Uniformen, Säbel, Muskete und zwei plumpe Schießprügel mit daumenstarken Rohren und dicken Holzschäften mit. »Der Herr Oberst läßt Ihm Grüße ausrichten und wäre erfreut, Ihn morgen nachmittag im Kommandozelt zu sehen. Herr Rittmeister mögen heute hier nächtigen und werden nach einem opulenten Frühstücksmahl zum Freiherrn eskortiert.« »Der Wirt wird dafür sorgen, daß Ihm jede Bequemlichkeit zuteil werde«, schaltete sich Baron Galfi ein. »Sonst seien ihm fünfzig Stockhiebe sicher. Hat Er verstanden, Herr Wirt?« Der Dicke dienerte herum und fing das Goldstück auf, das ihm der Baron zuwarf. »Halten zu Diensten, Euer Gnaden«, versicherte er kriecherisch. »Dem Herrn Rittmeister wird nichts mangeln.« Die ganze Liebedienerei, aber auch die Anerkennung und Hochachtung, die ich genoß, gingen darauf zurück, daß ich beiläufig erwähnte, Maria Theresia habe mir den Kommandeur- und Ritterorden mit erblichem Freiherrenstand verliehen. Ich blieb aber so bescheiden, mich nur Rittmeister zu titulieren. Es war erstaunlich, wie leichtgläubig diese Leute waren, wenn man nur selbstbewußt auftrat. Aber daran hatte sich in der anderen Zeitebene auch nichts geändert. Spät am Abend wurde die Tafel aufgehoben. Der Baron und sein Gefolge ritten – mit Verlaub – stockbesoffen zum Heerlager. Und sie hingen auf ihren Gäulen wie die Diebe am Galgen. * Die Herberge war leer, bis auf mich und Xenia, die sich zu mir setzte, als ich sie darum bat. Der Wirt, ihr Onkel, hatte sich diskret zurückgezogen. Vielleicht nahm er an, daß der hochmögende Herr Rittmeister
noch Appetit auf ein Schäferstündchen hatte. Ich war der Sache nicht abgeneigt, zumal Xenia ein ausgesprochen reizvolles Mädchen war. Nett und drall und ungemein anziehend. Bei ihrem Anblick schwoll mir der Kamm! Außerdem strich sie dauernd mit hungrigen Blicken um mich herum und las mir jeden Wunsch von den Augen ab. Wir schmusten ein bißchen herum, und sie drückte sich immer enger an mich, kuschelnd und lustvoll stöhnend. »Ich habe das Zimmer Euer Gnaden schon hergerichtet«, schnurrte sie. »Wünschen Euer Gnaden vielleicht eine Wärmflasche? Es ist noch ziemlich kalt. Ich bringe sie dann rauf.« »Ei der Daus, ein guter Gedanke«, lobte ich. »Bring Sie mir eine Wärmflasche für meinen gepeinigten Körper. Ich werde das zu schätzen wissen, meine Schöne.« Sie gab mir einen leidenschaftlichen Kuß, bevor sie in der Küche verschwand. Das Zimmer im Obergeschoß war klein, aber gemütlich. Ein bequemes Bett, ein kleiner Schrank, Tisch, Hocker und eine Waschschüssel aus Porzellan mit einer Kanne. Neben dem Schrank hing ein Kruzifix, darunter stand eine kleine Schale mit geweihtem Wasser. Ich wußte, daß ich mich in einem strengkatholischen Land befand. Solche Dinge gehörten einfach zum Inventar. Die Kerze auf dem Nachtschrank war bereits entzündet. Ihr warmer Schein warf flackernde Schatten durch die Kammer. Ich lag schon im Bett, als sie kam. Die Wärmflasche hatte sie vergessen, oder sie betrachtete sich selbst als solche. Sie trug nur ein Nachthemd, das ihr bis zu den Knien reichte. Ihr Blondhaar hatte sie aufgelöst. Es hing lang und wellig über ihre Schultern. »Wenn Euer Gnaden gestatten«, hauchte sie, wartete erst gar keine Antwort ab und huschte zu mir unter das Federbett. Heiß und wild, wie sie war, würde ihr lieber Onkel heute wohl eine schlaflose Nacht
verbringen, wenn wir so richtig loslegten. Ihr Körper war heiß und sinnlich, und sie war von solch erregender Wildheit, daß ich den passiven Part übernehmen mußte. Liebend gern sogar. Xenia übernahm einfach die Initiative, hockte sich auf mich und bedeckte mein Gesicht abwechselnd mit heißen Küssen und ihren Brüsten. Es hätte mein Lieblingsspiel werden können, doch da geschah etwas Unglaubliches! Als ich sie näher zu mir heranzog, traf es mich wie ein Bannstrahl aus heiterem Himmel. Hinter ihrem Rücken leuchtete mein Ring fast grell auf, nur eine knappe Sekunde lang wie ein warnendes Menetekel. Ich wollte sie gerade von mir stoßen, doch sie wurde so schwer, daß ich es nicht schaffte. Dann ein Lichtblitz, so grell, wie ich noch nie einen gesehen hatte. Ich kniff sofort die Augen zusammen, und als ich sie Sekunden später öffnete, stand sie vor mir: Xenia, dieses Weib, mit der ich die Nacht hatte verbringen wollen. Und wie sie aussah! Bekleidet mit einer Rüstung, die in eine Handtasche gepaßt hätte. Bewaffnet mit einem Riesenschwert und begleitet von einem fauchenden schwarzen Puma! Mir wurde ganz anders. Die Lust, mit ihr Zusammensein zu wollen, war verflogen. Doch es ging noch weiter mit der Schocktherapie. Xenia wurde nach einem erneuten Lichtblitz zu einem wahren Monster! Noch während sie sich in das schreckliche Monstrum verwandelte, hüllte mich eine Schwefelwolke ein, die mir den Atem nahm. Ihr Gesicht, eben noch hübsch und gierig vor Lust, war jetzt ein Drachenkopf mit dolchartigen Zähnen, die länger als meine Hand waren. Echsenpfoten drückten mich kraftvoll auf das Bett. Kalte Basiliskenaugen blickten mich haßerfüllt an. Aus dem gräßlichen Maul klang die dumpfe, grollende Stimme, begleitet von einer Pestwolke gelben Schwefels und einem Feuerstrahl. »Reingefallen, Mark Hellmann«, fauchte Belial, der Dämon, der in Mephistos Diensten stand. »Du
entkommst nicht mehr. In dieser Zeit habe ich dich endlich erwischt. Mephisto wird mich belohnen.« Hallend schnappten die Kiefer aufeinander, um meinen Hals zu durchbeißen. Messerscharfe Krallen rissen mir die Haut auf. Das untere Bettende flog krachend auseinander, als der mächtige Basiliskenschwanz es wie ein Keulenschlag traf. Gedankenschnell entging ich dem Biß, wälzte mich herum, doch der Körper wurde immer schwerer, wobei er an Umfang noch zunahm. Bevor die Kiefer wieder zuschnappten, sah ich Belial in die glühenden Augen, in denen das Höllenfeuer brannte. »Halt!« rief ich keuchend. »Weshalb mußt du Mephisto einen Dienst erweisen? Bist du ihm verpflichtet?« »Ich habe einen Fehler begangen«, sagte das Höllenwesen, wobei es mir seinen stinkenden Atem ins Gesicht blies. »Ich verlor ein sehr kostbares Amulett und kann es nicht mehr finden. Deshalb versprach ich meinem Herrn, ihm deinen Ring zu bringen. Und das ist jetzt der Fall. Ich werde dich töten.« »Was ist das für ein Amulett?« fragte ich schnell. »Vielleicht kann ich dir helfen.« »Du hast Angst um dein erbärmliches Leben, du Erdenwurm. Es ist eine Bronzepfeife, mit deren Hilfe man die Dimensionen verändern kann.« »Da kann ich dir wirklich helfen«, sagte ich und lenkte damit die Aufmerksamkeit der Basiliske ab, die mich wieder attackieren wollte. »Die Pfeife liegt dort drüben, auf der rechten Seite.« Der Trick war uralt. Damit hatte Noah schon die Esel in die Arche gelockt. Gierig fuhr der fürchterliche Echsenkopf herum, genau zu der Seite, die ich angegeben hatte. Links stand die Schale mit dem geweihten Wasser. Meine Hand schoß vor und ergriff sie blitzschnell. Aus dem Handgelenk schleuderte ich das Weihwasser auf den Höllenkörper. »Ebenfalls reingefallen, du Stinktier«, rief ich und
war mit einem wilden Satz aus dem Bett. Die Ausgeburt der Hölle begann sich in unerträglichem Schmerz zu winden. Auf der Haut erschienen große Blasen, als sei das Monstrum mit Salzsäure Übergossen worden. Schreiend, fauchend und sich windend brüllte es seine Angst in die Nacht. Als sich der Körper zu heller Glut verfärbte, stieß ich Belial noch das Kruzifix ins Maul. Ein Donnerschlag folgte, als würde das Haus bersten. Belial floh in höchster Not in eine andere Dimension, um seine höllischen Wunden zu lecken. Zurück blieb der Gestank nach Schwefel und eine gelbliche Wolke. Ich glaubte immer noch, das Winseln und Schreien der bösartigen Kreatur zu hören. Als alles vorbei war, atmete ich auf, riß das Fenster auf und zog die frische Nachtluft in meine Lungen. Draußen jagten Wolken dahin, Blitze zuckten über den Himmel und spalteten die Dunkelheit. Es donnerte und krachte überlaut. Dann wurde die Tür meiner Kammer aufgerissen. Im Rahmen standen der dicke Wirt und Xenia, die mich beide entsetzt ansahen. »Was ist geschehen, Herr Rittmeister?« fragte der Wirt. Er und Xenia zitterten am ganzen Körper. Ich sah Xenia an, in deren Gestalt Belial geschlüpft war und die keine Ahnung davon hatte. »Ich weiß nicht genau, was los war. Ein Blitz muß wohl ganz in der Nähe eingeschlagen sein«, sagte ich. »Es riecht nämlich sehr stark nach Schwefel.« »Als wäre Satan persönlich erschienen«, pflichtete der Wirt bei. »Darf man Herrn Rittmeister dennoch angenehme Nachtruhe wünschen?« »Ebenfalls, mein Lieber«, meinte ich gönnerhaft mit einer Handbewegung, als wollte ich Hühner verscheuchen. Das Gewitter, mit dem Belial die Dimension gewechselt hatte, ebbte ziemlich schnell ab. Ich malte mir grinsend aus, daß Mephisto dieses Stinktier nicht gerade mit Lob überhäufen würde, denn auch sein
zweiter Anlauf war kläglich gescheitert. Später kam Xenia – diesmal die richtige – um sich nach meinem Wohlergehen zu erkundigen. Und ob der Gnädige Herr Wünsche habe! Da ich meine Rolle als Rittmeister sehr ernst nahm, hatte ich natürlich einen Wunsch, den sie auch umgehend erfüllte. Sie biß und kratzte auch, aber zum Glück spuckte sie kein Feuer. * Zwei Schwere Kürassiere hatten mich gegen Mittag zum Heerlager eskortiert, und etwas später stand ich dem Pandurenoberst Franz Freiherr von der Trenck gegenüber, der mir erfreut die Hand schüttelte und mich begrüßte, als sei ich ein alter Bekannter. Sobald ich in seine Nähe geriet, zeigte der Ring ein ganz schwaches Glimmen, das nur ich wahrnahm. Ein Zeichen, daß Trenck einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hatte. Trenck war fast so groß wie ich, diesmal in eine dunkelblaue Uniform gekleidet, mit engen Hosen und schweren Stiefeln. Er hatte einen gewaltigen Schnauzbart, kalte Augen, die finster drein blickten. Er schien ein Haudegen der übelsten Sorte zu sein. An der Seite hing ein schwerer Säbel. Er war der typische Söldner, der keine Furcht kannte, und er hatte sein Fünftausend-Mann-Heer ganz allein aufgestellt, das Maria Theresia im Erbfolgekrieg unterstützte. »Sei Er herzlich willkommen«, sagte er mit seiner tiefen Baßstimme. »Ich habe schon von Seinem Mißgeschick erfahren. Wenn Er will, kann er am Schleifen der Burgen teilhaben. Als Berater natürlich«, setzte er hinzu. »Die grobe Arbeit verrichtet das Fußvolk. Er hat jedenfalls mein volles Vertrauen.« »Herzlichen Dank, Herr Oberst. Beabsichtigt Er, die Saldenburg morgen anzugreifen, oder zieht Er den
Vorschlag Ihrer Majestät vor?« »Wie empfohlen, Herr Rittmeister. Rammelsberg ist nur eine gute Meile entfernt, was einen Angriff geradezu herausfordert. Erst danach Dießenstein und Hilgartsberg.« Ich nickte zustimmend. Demnach würde die Geschichte also so ablaufen, wie die Chronik sie beschrieb. Trenck schlug mir wohlwollend auf die Schulter. »Sehe Er sich das Heerlager an, Herr Rittmeister, und bewege Er sich, wie es Ihm gefällt. Wenn Er etwas benötigt, werden Ihm die Marketenderinnen helfen. Benötigt Er andere Abwechslung, so möge Er sich zu den Troßhuren begeben. Im Gefolge befinden sich vierzig willige Weibersleut. Zehn davon sind für die Offiziere reserviert.« Er lud mich in das große Kommandozelt ein, wo ich noch anderen ungarischen Panduren vorgestellt wurde. Mein Pferd hatte inzwischen ein Stallbursche genommen, um es zu versorgen. Dort wurden noch einmal Einzelheiten besprochen, und man ging sehr großzügig mit Bier und Wein um. Maria Theresia mußte dafür sicher eine Menge goldener Taler berappen, allein schon für das, was sich diese Kerle in den Hals gossen. Wenn ich um Rat gefragt wurde, gab ich sorgfältig acht, daß sich ja nichts an der Geschichte änderte. Einer der Obristen wollte unbedingt die Gräfin Wecklin von Rammelsberg entführen, um ein hohes Lösegeld zu erpressen, doch das konnte ich ihm nach langer Debatte ausreden. Genaugenommen waren hier nur Wüstlinge, Kriegstreiber, Marodeure und Brandschatzer versammelt, denn sie gingen wirklich grausam vor, waren äußerst schlagkräftig und vor allem rücksichtslos. In unserer Zeit hätte man sie als Chaoten bezeichnet, aber hier war das ganz normal. Später sah ich mich im Heerlager um. Überall standen Zelte, waren Biwake errichtet, trieben sich
Pferde herum. Der Aufwand war gewaltig, denn das Heer mußte versorgt und beköstigt werden. Überall begegneten mir die Kroaten und Panduren mit dem allergrößten Respekt und grüßten zackig. Auf einem großen freien Platz wurde gekocht. Über einem riesigen Spieß drehte sich ein Ochse. Gerüche wehten durcheinander. Lederzeug knarrte, irgendwo sangen ein paar Männer. Es war irgendwie romantisch, wenn ich an meine Zeit dachte. Meine Sorge galt aber vordringlich den beiden Kids, die hoffnungslos in dieser Zeit gefangen waren. Nach einer Weile entdeckte ich sie. Ziemlich abgerissen und leicht verdreckt, aber auch unendlich traurig, hockten sie auf einer im Freien aufgestellten langen Bank und putzten Rüben, die als riesiger Berg vor ihnen lagen. Sie waren die jüngsten von allen im Lager. Ich glaubte, sie schon einmal auf einer Veranstaltung in Weimar gesehen zu haben, konnte mich aber auch täuschen. In ihrer unmittelbaren Nähe begann mein Ring verrückt zu spielen. Er blitzte wie ein Diamant im Sonnenlicht auf, wurde dann ganz dunkel, begann auf einmal rötlich zu strahlen, ehe er erlosch. Dieses merkwürdige Spiel wiederholte sich ständig. Ich hatte nicht die geringste Erklärung dafür. Irgendwo mußte sich ein störender Einfluß bemerkbar machen, dessen Quelle ich nicht kannte. Sie blickten scheu zu mir auf, als ich stehenblieb, duckten sich jedoch gleich wieder, als hätten sie Angst. Offenbar hatten sie hier bei den rauhen Gesellen schon etliche Prügel einstecken müssen. Sie saßen wie zwei Häufchen Elend da, putzten die Rüben noch eifriger, als ich stehenblieb. In meiner Gegenwart schienen sie sich ausgesprochen unwohl zu fühlen. Martin Klinger blickte einmal flüchtig hoch, stutzte, sah mich dann wieder an und senkte den Kopf, den er verwundert schüttelte. Ich wollte ihnen ein bißchen auf den Zahn fühlen und
fragte: »Wie heißt du, Junge?« Er stand auf, stocksteif, während das Mädchen weiterputzte. »Martin Klinger, Herr.« »Und dein Name?« Sie sah ängstlich hoch. Ihr hübsches Gesicht war etwas verquollen vom vielen Weinen. »Petra Steinbach«, flüsterte sie mit zuckenden Lippen. »Wie seid ihr in das Lager gekommen?« Beide warfen sich einen schnellen Blick zu. Sie glaubten, daß sie mir gut zweihundertfünfzig Jahre voraus waren, jedenfalls in technischer Hinsicht, und ich war sicher, daß sie mich anlogen. »Mit einer Kutsche aus Regensburg«, log der Bengel. Warum er log, konnte ich noch nicht ergründen, vielleicht aus Angst. Daher beschloß ich, ihm einen Denkzettel zu verpassen. »Lüg mich nicht an, Bursche. Du siehst mit deinen Adidaslatschen aus, als wärst du mit dem Intercity gefahren, als Rucksacktourist.« Ich habe selten jemanden so blaß werden sehen. Alle Farbe wich aus seinem Gesicht. Ihm wurde so schlecht, daß ich fürchtete, er würde gleich sein karges Frühstück hervorwürgen. Richtig grün wurde das Bürschchen. Es überstieg wohl sein Vorstellungsvermögen, daß ein Rittmeister des 18. Jahrhunderts von Intercityzügen sprach und ihn als Rucksacktourist bezeichnete. Das Mädchen war zusammengezuckt, als habe es einen Schlag erhalten. Um noch eins draufzusetzen, sagte ich: »Und natürlich keine Eurocard dabei zum Bezahlen, wie?« Jetzt war er nahe daran, den Verstand zu verlieren. Er schluchzte auf, gluckste heiser. »Ich werde noch verrückt in dieser Scheißwelt«, heulte er. »Hier begreife ich gar nichts mehr. Alles geht drunter und drüber. Mal in dieser Zeit, dann in der verdammten anderen.« Dann änderte sich seine Stimmung, und er wurde
aggressiv. »Sind Sie Hellseher – oder Gottvater persönlich?« »Nun bleib mal schön friedlich, Freundchen. Ich brauche noch einen Stiefelputzer und eine Magd. Ich werde euch beide unter meine Fittiche nehmen. Im übrigen bin ich Mark Hellmann aus Weimar.« Jetzt blickten sie mich an, als hätte ich den Verstand verloren. »Mark Hellmann?« fragte Klinger fassungslos. »Etwa der Zehnkämpfer? Sie wohnen in der Florian-GeyerStraße, stimmt’s?« »Stimmt genau, in Weimar West, in der Nähe des Stadions.« »Mein Gott, dann wird alles gut, Petra«, sagte er zu dem Mädchen, dessen Gesicht sich jetzt aufhellte. »Mark Hellmann«, flüsterte sie. »Aber wie sind Sie hierhergekommen?« »Wichtiger ist die Frage, wie ihr hergekommen seid. Ich werde natürlich versuchen, euch wieder in eure Zeit zu bringen. Aber das wird sehr schwierig werden, falls es überhaupt möglich ist. Wir sind nur ein paar hundert Kilometer von Weimar entfernt. Leider liegen aber ein paar Jahrhunderte dazwischen. Also, noch mal zu meiner Frage. Und wenn ihr nicht die Wahrheit sagt, dann könnt ihr hier bis an euer seliges Ende Rüben putzen.« Im Lager wurde es ausgerechnet in diesem Augenblick lebendig, denn eine neue Truppe traf mit Pferden, Fuhrwerken und zwei zwölfpfündigen Kanonen ein. Es waren ausschließlich Slavonier, und sie sorgten für einen ziemlichen Wirrwarr, denn alles strömte jetzt zusammen. Baron Galfi entdeckte mich, winkte mir zu. In seinem Gefolge befanden sich die Ungarn Röka und Sandor. »Folge Er mir, Herr Rittmeister«, rief er. »Es gibt neue Waffen zu bestaunen. Er wird über die Technik verwundert sein.« Das war ich allerdings, denn ich wußte nicht mal, wie die alten Mörser abgefeuert wurden. Ich hätte ihm aber mühelos erklären können wie eine
Wasserstoffbombe funktionierte. Fragte sich nur, ob der Baron das auch begriffen hätte. »Ich sehe euch wieder«, raunte ich den beiden zu. »Seht zu, daß ihr nicht weiter auffallt. Ich rede mit dem Oberst, damit er euch mir als Bedienung zuteilt.« Die beiden hatten Tränen in den Augen, als ich Galfi und den anderen folgte, um mir das moderne Kriegsmaterial anzusehen. Die beiden Zwölfpfünder erregten allgemeine Aufmerksamkeit und wurden gebührend bestaunt, konnte man doch mit ihnen ohne weiteres eine Festung knacken, und das auf viele hundert Meter Entfernung. Etwas später sprach ich den Baron auf die beiden Kids an. »Sie stammen aus der Nähe meines Heimatortes«, sagte ich. »Ich habe auch noch keinen Burschen.« Er nickte mir großzügig zu. »Verfüge Er nach eigenem Gutdünken über die beiden. Wir haben genug andere Leute.« Aber ich kam nicht mehr dazu, die beiden zu sehen, denn in der Frühe des nächsten Morgens begann der Angriff auf Rammelsberg. * Der Angriff war ein einziger Alptraum, denn Mephistos Helfer standen auf der Seite der Panduren, und so waren die Bayern, die sich den Panduren stellten, nach kurzer Zeit vernichtend zurückgeschlagen. Jetzt lag Rammelsberg ungeschützt da. Zu meinem Entsetzen sah ich, daß aus den Rohren der Mörser und Zwölfpfünder lange Feuerlanzen brachen. Jedes dieser Rohre spie eine glühende Kugel aus, und auf den Kugeln saßen kindergroße Teufel, die einen Feuerstrahl nach sich zogen und die Kugeln ins Ziel lenkten. Hier waren diabolische Kräfte am Werk, denen die
Gräfin Wecklin nichts entgegenzusetzen hatte. Heulend, pfeifend und fauchend ritten die Feuerteufel durch die Luft, beschrieben einen Bogen und schlugen in die Türme ein, deren Mauern krachend barsten und in einem Splitterregen nach allen Seiten flogen. Tod und Verderben brachten sie über die Leute der Burg. Freiherr von der Trenck wartete, bis die Burg sturmreif geschossen war. Er hatte den schweren Säbel gezogen und saß abwartend auf seinem Pferd. »Das Burgtor«, rief er mit seiner Donnerstimme. »Schießt das Burgtor zusammen.« Erneut wurden die Zwölfpfünder geladen, die Lunten entzündet. Unterdessen hatten die Panduren zwei Flanken gebildet, die Rammelsberg von zwei Seiten in die Zange nahmen und nur noch warteten, bis Oberst von der Trenck das Zeichen zum Sturm gab. Diesmal gab ich ganz besonders acht, als das Geschütz Feuer spie. Ich konnte die zwölf Pfund schwere Kugel erkennen, die aus dem Rohr schoß, eine graue Wolke nach sich ziehend. Sobald sie in der Luft war, bildete sich eine Gestalt aus, nicht größer als ein Kind, mit einem feurigen Gesicht und zwei kleinen Hörnern, die wie weiland Münchhausen auf der Kugel ritt und sie ins Ziel lenkte. Der Kindsteufel umkrallte das Geschoß. Er hatte kleine Hufe und einen quastenartigen Schwanz. Ein diabolisches Grinsen verzerrte sein Gesicht. Hier hatte der echsenköpfige Belial seine Hand im Spiel und lenkte die von Mephisto bereitgestellte Armee des Satans. Als das Burgtor in einem Splitterregen auseinanderflog, brüllte das gesamte Heer vor Freude auf. Jetzt hielten sie Musketen, klobige Pistolen oder schwere Säbel in den Fäusten. Oberst Trenck stieß den Säbel in die Luft; das Zeichen zum Sturm. Er gab seinem Pferd die Sporen, verhielt dann aber plötzlich und blickte zur rauchenden Burg.
Dort erschien eine weißgekleidete Gestalt auf einer der Zinnen, eingehüllt in Rauch und Feuer. Es war eine Frau in einem langen, fließenden Gewand, die mit ausgestreckter Hand auf den Oberst deutete. Im Heerlager wurde es totenstill, als ihre Stimme erklang. »Oberst von der Trenck«, rief sie mit geisterhaft hohl klingender Stimme. »Ich verfluche Euch bis an Euer schändliches Ende. Ihr habt die Burg meines Bruders verwüstet und ihn getötet. Dafür sollt Ihr bis in alle Ewigkeit im Höllenfeuer schmoren. Meine Rache wird Euch treffen.« Einen Augenblick schwieg der Oberst, dann lachte er verächtlich. »Ihr könnt mich nicht verfluchen, Gräfin Wecklin«, brüllte er zurück. »Meine Macht ist stärker. Ich werde Euch verbannen lassen.« Trenck wandte sich an einen seiner Obristen. »Bringt mir den Eremiten her. Sein Bannstrahl soll die alte Vettel für immer treffen.« Ein abgezehrtes dürres Individuum mit langen Haaren und eingefallenem Gesicht erschien wenig später, verneigte sich vor dem Oberst und deutete mit seinem dürren Finger auf die weißgekleidete Gestalt. Er murmelte Worte, die ich nicht verstand, doch die Wirkung war mehr als erstaunlich. Nach Beendigung seiner Beschwörungsformel begann die Gestalt der Gräfin Wecklin durchsichtiger zu werden, bis sie in einer feinen Nebelwolke dastand, die sich rasch verbreiterte, bis sie einem feinen Tüllschleier glich. Langsam zerstob der Schleier, löste sich auf und wurde vom Wind verweht, bis nichts mehr übrigblieb. Jetzt loderten an der Stelle nur noch bläuliche Flammen empor und eine kleine Qualmwolke. Sich verneigend verschwand der dürre Eremit wieder in der Menge. Von da an gab es kein Halten mehr. Trencks Söldner ritten mit Gebrüll auf die Burg zu, um ihr fürchterliches Massaker zu beginnen. Ich wollte gerade die Augen schließen, um das
schreckliche Morden nicht mit ansehen zu müssen, als etwas Unfaßbares geschah. Zuerst glaubte ich, daß mir meine Augen einen bösen Streich spielten und meine Linsen sich trübten. Das Heerlager mit den Panduren, die wilden Reiter, die vielen Zelte und alles andere, selbst die Burg, verschwammen vor meinen Augen. Wellenförmiges Flimmern, wie bei einer Fata Morgana, legte sich über die Landschaft. Alles begann in den Konturen zu zerfließen, schwamm immer heftiger und löste sich nach und nach auf. Ebenso verebbte das Kampfgetümmel, die Schreie und Rufe, bis sich eine unheimliche Totenstille über die Landschaft senkte. Fassungslos sah ich, daß alles verschwunden war. Es gab keine Zelte mehr, keine Reiter, selbst die Burg sah ganz anders aus. Von Zerstörung konnte keine Rede mehr sein. Sie lag friedlich da im Sonnenlicht, als hätte nie der Hauch der Verwüstung sie gestreift. Das bläuliche Fähnchen über Rammelsberg stammte aus einem Kamin und zerstob im warmen Wind. Mein Ring meldete sich mit heftigem Prickeln, zuckenden Blitzen und einer ständigen Verfärbung, die ich noch nie an ihm entdeckt hatte. Ich konnte mir nur vorstellen, daß eine überirdische Kraft hier am Werk war, die alles durcheinanderbrachte und ein Chaos verursachte. Den Auslöser kannte ich nicht. Es war, als würden zwei unbekannte Mächte eine Fehde austragen, in der mein Ring eine wichtige Rolle spielte und dabei Kräfte aktivierte, die mir fremd waren. Befand ich mich in einer anderen Zeitebene? Es mußte wohl so sein, denn zweifellos war das zeitenergetische Band instabil geworden und hatte die einzelnen Ebenen verschoben. Ich selbst trug noch meine Rittmeisteruniform und saß mutterseelenallein in weiter Flur auf meinem Pferd. Da entdeckte ich etwa dreihundert Meter weiter doch noch zwei Gestalten, die neben einem Busch auf dem Boden hockten, und die jetzt in meine Richtung
blickten und mir zuwinkten. Ich ritt hinüber und stieg vor ihnen ab. Es waren Martin Klinger und Petra Steinbach, die mich ängstlich und eingeschüchtert ansahen. Natürlich waren auch die Rüben verschwunden und alles, was mit ihrer Arbeit zusammenhing. Auf dem Untergrund waren nicht mal Spuren vom Heerlager zu sehen. »Habt ihr eine Erklärung für den Vorfall?« fragte ich, mit der Hand in die Umgebung deutend. Martin schüttelte nur den stumm den Kopf. Petra zuckte mit den Schultern und begann zu weinen. »Habt ihr das schon einmal erlebt, oder etwas Ähnliches?« forschte ich weiter. Das Gefühl, daß sie etwas vor mir verbargen, wurde ich einfach nicht los. Beide blickten irgendwie schuldbewußt drein. »Es ist schon einmal geschehen, so ähnlich jedenfalls«, stotterte Martin herum. »Kennt ihr die Ursache? Hier ist verdammt viel passiert, und wir können in Teufels Küche geraten, wenn sich ständig die Zeitebenen verschieben. Gerade jetzt ist etwas geschehen, das sich kaum begreifen läßt. Redet endlich, wenn ihr nicht auf immer und ewig hierbleiben wollt. Ihr verbergt doch etwas vor mir.« Martin gab sich einen Ruck. Er schluckte hart. »Es muß mit dieser Pfeife zusammenhängen, glaube ich. Jedenfalls haben wir keine andere Erklärung dafür.« »Was für eine Pfeife?« fragte ich alarmiert. Er brachte aus seiner Hosentasche ein handlanges Instrument aus Bronze hervor, das einer Pfeife ähnelte und ein kleines Loch oberhalb des Mundstückes aufwies. Die Pfeife erinnerte mich an meinen Ring. Auch sie sandte merkwürdig phosphoreszierende Strahlen aus. Es war ein kaltes, fast abweisendes und unangenehmes Licht. Auf der Seite war ein Spruch eingeritzt. >Qui est iste qui venit<, stand darauf. Wer ist es, der da kommt? übersetzte ich automatisch. Belial, mein tödlicher Gegenspieler auf dieser Ebene,
fiel mir sofort ein. Das war zweifellos das Amulett, das er verloren hatte und hinter dem er her war. Ring und Flöte spielten total verrückt, wenn sie nahe beieinander waren. Mein Ring pulsierte und brannte wie Feuer, während sich auf der Bronzeflöte alle Farben einstellten und durcheinanderflossen. Beides vertrug sich also nicht miteinander. »Woher stammt das Ding?« Martin begann jetzt stockend zu erzählen. Woher die Flöte stammte, daß er sie unter dem Schutt der Burg gefunden und auch ausprobiert hatte, und was danach alles an Merkwürdigkeiten und unheimlichen Dingen geschah. Er berichtete auch von der weißen Dame, und daß alles so geschehen war, wie die beiden es schon einmal gesehen hatten. »Und du hast dem Ding jetzt wieder Töne entlockt, gerade eben?« Er nickte schuldbewußt, Petra ebenfalls. »Wir hatten fürchterliche Angst, als geschossen wurde. Wir dachten, das Amulett, oder was es sonst ist, bringt uns wieder in unsere Zeit zurück. Aber es funktionierte alles ganz anders, als wir uns das vorgestellt hatten.« »Martin«, sagte ich erschüttert. »Du bist dir überhaupt nicht darüber im klaren, was für ein Machtinstrument du hier in den Händen hältst und was du alles angerichtet hast. Hinter diesem Ding sind etliche Dämonen her. Furchterregende Horrorgestalten suchen verzweifelt nach diesem Amulett. Du kannst mit Hilfe dieser unheimlichen Flöte ganze Dimensionen verschieben, Zeitebenen instabil oder stabil werden lassen und ein Chaos über die Welt hereinbrechen lassen, das ungeahnte Ausmaße annimmt.« »Das wußte ich nicht«, meinte er kläglich. »Wir wollten ja nur wieder zurück, und deshalb probierte ich verschiedene Töne aus.« Ich steckte das unheilvolle Ding in meine Tasche, damit er nicht wieder in Versuchung geriet, es zu benutzen. »In welcher Zeit mögen wir jetzt sein?« fragte Petra
scheu. »Wir haben wohl alles durcheinandergebracht und Ihnen geschadet.« »Das ist wohl anzunehmen, aber nicht zu ändern. Auf jeden Fall muß das Amulett sorgfältig untersucht werden, denn es erfüllt ganz bestimmte Funktionen und besitzt eine Art Code. Mit jeder Tonfolge kann man vermutlich etwas anderes bewirken.« »Stimmt«, gab Martin kleinlaut zu. »Wir haben verschiedene Töne ausprobiert, und jedesmal geschah etwas anderes. Nur nicht das, was wir wollten. Sonst wurden wir immer versetzt, diesmal die anderen. Wo mögen sie jetzt wohl sein?« »Mein Gott!« Mir fiel gerade etwas ein, das wirklich beunruhigend war. »Wo sie sein mögen? Ich glaube, darauf habe ich eine Antwort. Sie werden dort sein, wo sie schon einmal auftauchten und Angst und Schrecken verbreiteten. Nämlich in unserer relativen Gegenwart. Sie werden über Dießenstein oder einer anderen Burg auftauchen. Das Geisterheer, das aus dem Nichts kommt. Die Tonhöhe hat sie wieder in die Zukunft gebracht.« Sehr viel später erfuhr ich dann, daß meine Theorie durchaus richtig war, denn tatsächlich waren die Panduren im Bayerischen Wald erschienen und hatten die Burgen angegriffen. Dabei hatte es wiederum etliche Verletzte und einen Toten gegeben. Beide hatten schuldbewußt die Köpfe gesenkt und wußten nicht, was sie sagen sollten. »Was können wir jetzt tun?« fragte das Mädchen nach einer Weile. »Können wir das wieder gutmachen? Vielleicht könnten Sie einmal die Pfeife ausprobieren.« »Ich werde mich hüten«, erwiderte ich, und war froh, mir diesmal nicht wieder neue Klamotten suchen zu müssen. »Es ist schon genug Unheil angerichtet worden. Das kommt nicht in Frage. Das Amulett darf in dieser Zeit nicht benutzt werden, sonst gerät vermutlich die ganze Zeit aus den Fugen.« Was jetzt in meiner Tasche steckte, war ein Machtinstrument, ähnlich meinem Ring, aber völlig unbekannt und fürchterlich auf seine Art, wenn man
es beherrschte. Falls es mir gelang, es in unsere Zeit mitzunehmen, mußte es von Spezialisten erst einmal gründlich geprüft werden. Ich stand jetzt ebenfalls so ratlos herum wie die beiden Jugendlichen und wußte nicht, was geschehen würde. Kehrten die Panduren wieder an diesen Ort und damit in diese Zeit zurück, oder hatte man uns in eine andere Dimension versetzt? Oder – und das war noch eine Möglichkeit – kehrte sich alles nach kurzer Zeit wieder um? Letzteres war der Fall, ungefähr zwanzig Minuten später, wie ich schätzte, denn ich hatte ja keine Armbanduhr. Sie war in der anderen Zeit zurückgeblieben. * Unvermittelt, so wie es begonnen hatte, begann die Luft wieder zu flimmern. Trockene Wellen schienen die Landschaft zu durchfluten. Während ich noch abwartend dastand, kam mir in den Sinn, daß an der alten Chronik etwas nicht stimmte. Und zwar hieß es darin, der Graf von Rammelsberg hätte die Gräfin durch einen Eremiten verbannen lassen. Hier war es aber der Pandurenoberst Trenck gewesen. Wieder ein Zeichen, daß in den Chroniken manches nicht richtig aufgeführt war, denn ich hielt letzteres für wahrscheinlicher, weil ich es mit eigenen Augen gesehen hatte. Jetzt aber kehrte sich alles wieder um, als sei nichts geschehen. Das Heer kehrte aus der Zukunft zurück, die Kerle stürmten mit Gebrüll weiter, bis auf den Oberst, der seine Männer wüten ließ. Er ritt zur Seite und kam auf mich zu. Sein gewaltiger Schnauzbart zitterte. Er war erregt, aufgewühlt und fassungslos, als er mich fragend anblickte. »Hat Er derart Merkwürdiges schon mal gesehen, Rittmeister?« fragte er. »Was hält Er davon? Ich bin noch ganz durcheinander.«
»Bedaure, Herr Oberst, ich weiß nicht, von was Er spricht.« »Von diesen merkwürdigen Leuten«, sagte er nachdenklich. »Sie sind so seltsam gekleidet, gar nicht wie Ritter, und sie haben auch nichts mit ihnen gemein. Natürlich, ich habe zwar einen Pakt mit dem Schwarzen geschlossen, aber die Umstände verwirren mich doch sehr. Manchmal habe ich das Gefühl, als würden mich fürchterliche Alpträume plagen. Oder will Mephisto mir etwas vorgaukeln?« Dann beschrieb er mir Autos, die sich auf geheimnisvolle Weise fortbewegten, oder Lichter, die von allein angingen. Von gewaltigen Drachen am Himmel sprach er, die meilenlange, helle Schwänze hinter sich herzogen. »Ähnliches widerfuhr mir auch schon«, gab ich zu. »Aber ich halte es immer noch für Blendwerk, für eine Täuschung oder den Einblick in eine andere Welt.« Er nickte beipflichtend. »Vielleicht will mir Satan mit diesen Eindrücken imponieren, oder mir ganz einfach seine Macht zeigen.« »So sehe ich es auch, Herr Oberst.« Trenck wollte gerade gehen, als sein Blick auf die beiden Jugendlichen fiel, die schuldbewußt dastanden und darüber nachdachten, was sie wohl in ihrer Unwissenheit angerichtet hatten. »Was trägt der Jungmann da für merkwürdiges Schuhwerk an den Beinen?« wollte er wissen. Jetzt geraten die Kids aber in Teufels Küche, dachte ich. Dieses Schuhwerk, nämlich Turnschuhe von Adidas, hatte Trenck vermutlich im anderen Jahrhundert gesehen und erinnerte sich jetzt wieder daran. »Das Schuhwerk fand ich hinter jener Eiche dort«, sagte ich, noch bevor Martin den Mund aufmachen konnte. »Es war zu klein für die Soldaten, daher gab ich es ihnen, damit sie nicht barfuß laufen mußten. Es sieht sehr eigenartig aus, es fiel mir auch gleich auf.« Zum Glück waren die Turnschuhe verdreckt, und
meine Antwort schien den Oberst auch zufriedenzustellen. Außerdem wurde er abgelenkt, weil in der Burg laute Hilfeschreie erklangen und ein paar Leute flüchteten, die allerdings von den Panduren noch während der Flucht gnadenlos niedergemetzelt wurden. Wortlos drehte er sich um und blickte zur Burg hinüber. Ich atmete auf, denn die Sache mit den Schuhen hätte sehr unangenehm ausgehen können. Niemand kümmerte sich jetzt um uns. Jenseits des Burggrabens wurde geplündert, was das Zeug hielt, und auch noch die restlichen Leute umgebracht, die sich im Innern versteckt hatten. Trenck und seine Vasallen kannten keine Gnade. Sie verwüsteten die Burg, raubten, plünderten und steckten sie schließlich in Brand, bis riesige Flammen aus dem Burghof schossen. Danach, so die Chronik und seine eigenen Angaben, war Burg Dießenstein an der Reihe, dann Hilgartsberg und all die anderen Burgen im Bayerischen Wald. Gut, das war unumstößliche Geschichte und nicht mehr zu ändern. Für die relative Gegenwart bestand aber die Gefahr, daß der Oberst immer wieder auftauchte, um seinen Rachefeldzug fortzusetzen. Vermutlich aus dem Grund, weil man ihn zum Tode verurteilt hatte. Diesem Spuk wollte ich ein Ende setzen, nur wußte ich noch nicht, wie ich das beginnen sollte. Die Bronzeflöte mit der seltsamen Inschrift fiel mir wieder ein. Einige Augenblicke überlegte ich, dann kam mir ein Gedanke. Dieses Instrument der Hölle mußte der Schlüssel zu den rätselhaften Vorgängen sein, der Auslöser, der alles in Gang gesetzt hatte. Drüben ging das Kampfgetümmel weiter. Oberst von der Trenck war ebenfalls in die brennende Burg geeilt und verschwand zwischen rauchenden und brennenden Trümmern, bis er nicht mehr zu sehen war. »Wir gehen jetzt zu dem Wäldchen dort«, sagte ich.
»Dort werde ich ein Experiment machen. Drückt mir die Daumen, damit alles klappt.« »Es klappt bestimmt«, versicherte Petra hastig. »Sie haben doch auch in Weimar den Teufel bezwungen, und das hat bis jetzt noch keiner geschaffte.« »Ich dachte, das gelangte nicht an die Öffentlichkeit.« »Aber in Weimar munkelt man hinter vorgehaltener Hand. Es ging in unserer ganzen Schule rum.« »Bezwungen habe ich ihn noch lange nicht, ihm nur einige Schwierigkeiten bereitet. Er hat tausende von Helfern, die in jeder möglichen Gestalt auftauchen. Das macht ihn fast unangreifbar.« Immer noch schenkte uns niemand Beachtung, als wir das Wäldchen erreichten. Hier waren wir vom Heerlager weit genug entfernt, daß uns niemand sehen konnte. Vorsichtig holte ich die Flöte aus der Tasche und betrachtete sie eingehend im Schatten eines Baumes. Den Schatten hatte ich absichtlich gewählt, um die Leuchtreflexe besser erkennen zu können. »Ihr setzt euch am besten ein, zwei Meter entfernt auf den Waldboden«, sagte ich. »Ich weiß nicht, welche Kräfte hier auftreten. Sie könnten gefährlich werden.« Sie gehorchten widerspruchslos und blickten zu mir herüber. Angst und Skepsis standen in ihren Gesichtern. Sobald ich meinen Ring mit dem stilisierten Drachen näher an die Flöte heranbrachte, begann er abermals verrückt zu spielen. Genauso reagierte das andere Instrument, als zwei unbegreifliche Kräfte aufeinanderprallten. Aus dem Ring zuckten rötlich blaue Blitze, als ich die Distanz verkürzte. Er blinkte, als gäbe er Morsezeichen ab, die in immer schnellerer Folge erschienen. Auch die Flöte, eben noch kalt und erloschen, erwachte zum Leben. Ein kaltes Flimmern überzog sie wie ein eisiger Hauch. Sie sandte eine Strahlung aus, die sich mit der
des Ringes kreuzte, und mir war, als würden zwei Unsichtbare einen wilden Kampf austragen. Mein Ringfinger brannte, als würde er glühen. Gleichzeitig gab der Ring elektrische Entladungen ab. Noch dichter führte ich die beiden Gegenstände zueinander, bis die Distanz nur noch Zentimeter betrug. Jetzt blitzte es wild auf beiden Seiten. Strahlen schossen hin und her, bohrten sich in den Ring, der sie zurückschleuderte und ihn in einem überirdischen Licht erglühen ließ. Auf der Flöte wurde die lateinische Inschrift größer und größer. Von jedem einzelnen Buchstaben flogen Blitze herüber, die immer gewaltiger wurden. Aus meiner Hand zuckten zu meinem Entsetzen kleine blaue Flammen wie Elmsfeuer, die knisternd von einem Finger zum anderen sprangen. Aus der Flöte drang feiner Nebel. Erst langsam, dann mit einem Fauchen und Zischen wie bei einem Dampfventil. Petra und Martin wichen erschrocken zurück, als das Getöse lauter wurde, der Nebel dichter und das Pfeifen zu einem schrillen Ton, der durch Mark und Bein drang. Über unseren Köpfen kondensierte der Nebel zu einer trüben Wand aus milchigem Glas. »Hören Sie auf«, schrie Petra entsetzt, als sich eine mächtige Gestalt zu kristallisieren begann. Erst ein kleiner Kopf, dann ein gewaltiger Körper, muskelbepackt, in den Formen noch unscharf. Das Monstrum wogte hin und her, streckte die mächtigen Arme aus und wollte zupacken. Doch die starken Arme stießen ins Leere, als seien sie gegen eine unsichtbare Wand geprallt. Das Wesen, es mochte Belial in einer anderen Gestalt sein, veränderte sich und versuchte kriechend und fließend unter der unsichtbaren Wand durchzutauchen. Jetzt sah ich auch den Echsenkopf mit den langen, spitzen Zähnen, dessen Maul sich öffnete und eine
Wolke aus Schwefel entließ. Dazu erfolgte ein grollender Schrei. Es war tatsächlich Belial, der jetzt zu voller Größe anschwoll, um das Hindernis zu durchstoßen. Sein Schädel rannte mit glühenden Augen voller Wut gegen die Barriere an. War es die Strahlung des Ringes, die ihn hinderte? Es mußte wohl so sein, es gab keine andere Erklärung. Im Wald begann es jetzt zu rauschen, immer wilder, immer brausender. Wie ein Orkan, der mit voller Kraft alles verwirbelte. Und dann kamen sie plötzlich. * Es waren Gestalten wie aus den allerschlimmsten Alpträumen, die sich da anschlichen oder unvermittelt zwischen den Bäumen auftauchten. Schreckgestalten der Hölle, Ausgeburten schizophrener Phantasie, die sich ein Stelldichein gaben und in Mephistos Diensten standen. »Ich will hier raus«, schrie Petra gellend, als sie die Gestalten sah, die uns von allen Seiten einkreisten. »Ich halte das nicht mehr aus, es ist schrecklich.« Auch Martin Klinger sprang auf und suchte verzweifelt nach einem Ausweg, den es nicht gab. »Bleibt sitzen«, rief ich scharf. »Wir sind in diesem Kreis vorerst sicher. Uns trennt eine Zeitbarriere von den Dämonen. Noch können sie nicht herüber.« Dracula lehnte an einem Baum, die Zähne entblößt, von denen das Blut tropfte. Selbst Dracomar glaubte ich zu sehen, obwohl ich ihm den Garaus gemacht hatte. Hexen, Kobolde, glühende Teufel, Schlangen und das unterste Gewürm der Hölle waren erschienen. Sie alle wollten nur den Ring, oder die Bronzeflöte, um ihre Macht zu stärken. Auch der Tod war unter ihnen, gelassen, nicht so wild wie die anderen. Er legte auf Amulette keinen Wert, er wollte uns wahrscheinlich persönlich holen.
Ich sah das höhnische Grinsen in seinem Totenschädel und die Sense, mit der er ausholte. Sie glitt fast durch die unsichtbare Mauer hindurch, und die Spitze fuhr dicht an meinem Schädel vorbei. All diese fürchterlichen und ekelerregenden Wesen begannen jetzt, einen Höllenlärm zu entfachen, der uns zermürben sollte. Sie brüllten, kreischten und heulten wild durcheinander, bis alles in einem schaurigen Konzert der Hölle unterging. Als immer mehr Dämonen erschienen, wurde selbst mir mulmig zumute, denn jetzt begannen sie, systematisch gegen die Wand aus Energie anzurennen. Zu meinem Entsetzen sah ich, daß die Wand jetzt Dellen bekam und immer durchlässiger wurde. »Rückt weiter zur Mitte der Lichtung hin«, rief ich den beiden Kids zu. »Beeilt euch!« Sie gehorchten wieder angstvoll und klammerten sich aneinander. Hinter uns zerplatzten Bäume, begannen Büsche Feuer zu fangen. Auch der Waldboden erwärmte sich immer stärker, bis uns die Hitze wie in einer Glocke umfing. »Sie holen uns«, schrie Petra, die am ganzen Leib zitterte. »Tun Sie doch was dagegen, bitte, bitte!« »Nicht die Nerven verlieren«, versuchte ich sie zu beruhigen. »Ich werde schon einen Ausweg finden. Ihr dürft jetzt nur nicht durchdrehen. Cool bleiben.« Das war leicht dahingesagt, denn selbst mir zitterten alle Glieder wie nach einem Stromstoß. Ich wußte auch nicht, wie ich mich gegen diese Ausgeburten der Hölle zur Wehr setzen wollte. Im Augenblick waren zwei Kräfte am Werk, die sich die Waage hielten. Doch das konnte sich sehr schnell ändern. Der Tod, der sich seiner Beute absolut sicher schien, begann zu grinsen und mit dem Schädel zu wackeln. Erneut holte er mit seiner Sense aus, deren vorderer Teil jetzt mühelos die Barriere durchdrang. Ein häßliches, sirrendes Geräusch des Schnitters zwang mich ebenfalls weiter zur Mitte hin, bis wir dicht nebeneinander saßen.
Als die anderen sahen, daß das Durchdringen der Schranke nur noch eine Frage der Zeit war, heulten sie wild durcheinander und begannen, immer heftiger gegen die Barriere anzurennen. Jetzt saßen wir in einer tödlichen Falle. Mir blieb nichts anderes übrig, als mich zu einem Entschluß durchzuringen, egal, wie es auch ausgehen mochte. Eine der beiden Kräfte würde jetzt überwiegen. Mit einem Ruck stieß ich den Ring gegen die Bronzepfeife. Es gab einen so hallenden Schlag, als würden zwei Güterzüge zusammenstoßen! Rauch wölkte auf, der uns einhüllte. Fasziniert sah ich zu, wie der Ring einen goldfarbenen Blitz schleuderte und wie das bronzene Amulett darauf reagierte. Es verlor von einer Sekunde zur anderen seine Farbe. Ein klagender, jammervoller Ton drang aus der Bronzepfeife, wie der letzte Hauch aus einer armen Seele, die zur Hölle fuhr. Alle Farben erloschen, wurden matt. Schließlich überzog eine wie Grünspan aussehende Farbe das Amulett des Satans. Es aktivierte sich auch nicht mehr, wie es schien, denn jetzt sah es alt und unansehnlich aus, etwa so, wie Martin Klinger es in der Burg gefunden hatte. »He, Mark, sehen Sie sich mal um!« rief Martin. »Was ist denn mit denen plötzlich los? Die sehen ja so merkwürdig aus.« Ich fuhr herum und blickte auf die Kreaturen. Ausnahmslos alle waren erstarrt und sahen jetzt aus wie die leblosen Figuren aus einem Horror-Kabinett. Der Tod stand mit starren Blicken da und konnte die Sense nicht mehr bewegen, die dicht über meinem Kopf hing. Dracula blickte völlig ausdruckslos und rührte sich ebenfalls nicht mehr. Auch die anderen waren wie in einen Dornröschenschlaf gefallen. Nur Belial selbst war es gelungen, am weitesten durch die Barriere zu dringen. Er stand mit den
riesigen Echsenbeinen auf der Lichtung, das Maul aufgerissen. Die Schwefelwolke hing bewegungslos in der Luft, wie festgefroren. »Das ist unsere Chance«, sagte ich. »Sie hängen irgendwo zwischen den Dimensionen und sind hilflos. Entweder hat mein Ring das verursacht, oder die Bronzepfeife hat sie in diese Starre verfallen lassen, als das Feuer in ihr erlosch.« Noch einmal betrachtete ich das fremde Amulett. Es gab keinerlei Zeichen mehr ab, es war kalt und absolut leblos, wenn man einen Gegenstand so bezeichnen wollte. Ich steckte sie ein. Vielleicht materialisierte sie >drüben<, obwohl das unwahrscheinlich war, denn die Dinge, die in Zukunft oder Vergangenheit gehörten, blieben stets zurück. Deshalb war es mir auch nie möglich, auf einer der Reisen eine Waffe mitzunehmen. Aber der Ring strahlte immer noch in einem überirdischen Glanz, und als ich ihn wie zufällig auf Belial richtete, erlebte ich eine Überraschung, mit der ich nicht gerechnet hatte. Der Strahl hatte kaum das Ungeheuer berührt, da fiel es auseinander wie eine Kristallvase. Bruchstücke sanken herab, die Farben der Kreatur verblaßten, und sie sank in tausend Splittern zu Boden. Das war eine einmalige Gelegenheit, dachte ich, auch die anderen Dämonen das Fürchten zu lehren. Doch das war bloßes Wunschdenken, denn keine der anderen Kreaturen reagierte darauf. Sie hingen immer noch zwischen den Dimensionen. Nur Belial hatte sich zu weit vorgewagt und war der Kraft zum Opfer gefallen. »Na, wenn das keine Action war«, sagte Martin Klinger schnoddrig, nachdem seine Angst verflogen war. »Mein lieber Mann, Sie haben aber verdammt was drauf! Ich sah uns schon in der Hölle.« Petra fiel mir stumm um den Hals und schluchzte wieder. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn, denn es
war unerträglich heiß geworden. Die Bäume standen noch in Flammen, doch das Feuer bewegte sich nicht und sah aus, als sei es künstlich. Mein Blick wanderte zur weit entfernten Burg hinüber. Auch dort schien alles in jene rätselhafte Starre gefallen zu sein. Der Vergleich mit Dornröschen fiel mir wieder ein, nur wußte ich nicht, wie lange dieser Zustand anhalten würde. Da der Ring immer noch strahlte, verlor ich keine Zeit mehr. Die Gelegenheit war günstig. »Wir werden jetzt versuchen, wieder in unsere Zeit zurückzukehren«, teilte ich den beiden mit. »Ob es klappt, weiß ich nicht. Ihr faßt mich jetzt links und rechts bei den Schultern. Haltet euch ganz fest, verstanden?« »Verstanden«, murmelten beide. Klingers Schnoddrigkeit war schon wieder verflogen. Seine Augen flackerten. »Und wenn es nicht klappt?« fragte er heiser. »Dann erlebst du in jedem Fall weitere Action«, versprach ich. »Seid jetzt ganz still, vergeßt die Gestalten um uns herum und konzentriert euch ganz auf die Rückkehr.« Mucksmäuschenstill umklammerten sie mich, drängten ihre Körper hart an den meinen und sahen zu, wie ich mich mit dem Ring beschäftigte. Doch da ging es bereits los! Die Rückkehr erfolgte auch in diesem Fall automatisch, denn der Fall war ja bereits gelöst. Das Letzte, was ich sah, war Gevatter Tod mit seinem kalten Grinsen, der starr und unbeweglich dastand. Grelles Licht erschien aus dem Nichts. Eine seltsam klingende Musik war zu hören, und ein gewaltiger Sog riß uns fort. Wie ein Tornado, der alles davonwirbelte. Unsere Gedanken rissen ab. *
Daß man immer so hart aufkam, gefiel mir nicht besonders, weil man nicht darauf vorbereitet war. Ich stieß mir den Schädel an, als ich gegen die Wand knallte und den Sturz gerade noch etwas mildern konnte. Dann sah ich die beiden Kids, und ein riesiger Stein fiel mir von der Seele. Sie waren so verblüfft, daß sie anfangs kaum ein Wort hervorbrachten und sich nur ungläubig umsahen. Etwas Komisches war zumindest an der Situation, denn Pit Langenbach hockte dicht neben der alten Feuerstelle und las in einer Zeitung. Bei unserem Erscheinen erschrak er so sehr, daß er vom Hocker fiel und sich fluchend aufrappelte. »Junge«, sagte er verstört. »Das hat ja einen richtigen Knall gegeben. Ihr habt es also geschafft«, murmelte er dann überrascht. »Ja, mit verdammt viel Glück, Pit. Wie lange waren wir fort?« »Du selbst bist vor knapp vier Stunden verschwunden. Aber diesmal hat sich wohl einiges geändert, was?« Er blickte mich von oben bis unten an und schüttelte den Kopf. »Mann, wir sind hier nicht im Paradies. Zieht euch endlich mal was an!« Er zeigte auf den Haufen mit den Klamotten. Ich zog mir rasch Jeans und Shirt an und reichte die übrigen Sachen weiter. Den beiden Kids war es nicht peinlich, mal kurz nackt herumzuhüpfen. Ihr Glück, denn sie waren wohl freier erzogen worden als die Älteren. »Was gab es?« wollte Pit wissen – traurig, bei diesem Abenteuer nicht an meiner Seite gestanden zu haben. »Ich habe eine Menge zu erzählen, aber gib mir ein paar Minuten Zeit.« »Gehen wir doch zum Moosbauer und klären ihn auf«, sagte Pit. »Ihr werdet wohl auch Durst und Hunger haben, nehme ich an.«
Damit hatte er recht. Hunger und Durst plagten mich schon seit Stunden. Wenig später saßen wir im Speisesaal und hauten kräftig rein. Moosbauer erging sich nach unserer Schilderung ständig mit den Worten: »Joa mei, dös gibts doch net, joa mei!« Er konnte oder wollte es einfach nicht glauben. In der Frühe des nächsten Morgens stopften wir die beiden überglücklichen Kids auf den Notsitz des BMW und brausten los. Gegen Mittag kamen wir endlich in Weimar an. * Ich wollte erst einmal ausruhen und alles überdenken, aber Tessa hatte dafür keine Ader. Sie fiel mir sofort um den Hals. »Ich habe solche Angst um dich gehabt«, schniefte sie. »Aber wie ich sehe, ist dir nicht viel passiert. Wirst du mir gleich alles erzählen, was sich in dem Jahrhundert zugetragen hat?« Ich warf mich auf das Futonbett und nickte. »Natürlich werde ich dir alles erzählen«, versprach ich. »Aber laß mich erst mal zwei, drei Stunden schlafen.« Tessa legte sich zu mir, und ich nahm sie in den Arm. Dabei schnurrte sie wie eine Katze. Meine Freundin hatte mich wieder! Sie war glücklich, und da konnte ich sie nicht verärgern. Die Sache mit Xenia wollte ich für mich behalten, zumal sie heftig in die Hose gegangen war und schon ein paar Jahrhunderte her war. ENDE Nebel hing über dem See, den verkarstete Berge umgaben. Verschwommen war die Mondsichel über den Grampion Mountains zu erkennen. Ich ging am Ufer des Sees entlang, einen derben Knotenstock in der Hand… Plötzlich ertönte ein gräßlicher Schrei. Ich
wirbelte herum und sah sofort den Schädel über dem Wasser schweben! »Du wolltest dem kopflosen Dudelsackspieler begegnen, Mark Hellmann?« rief der Kopf. »Hier bin ich! Der
Earl of Morlich – Schottlands Fluch. Wenn Ihr wissen wollt, was sich diese beiden netten Herren zu sagen haben, warum Mark den kopflosen Dudelsackspieler trifft, dann besorgt Euch nächste Woche für 2,30 DM den Mark Hellmann Band 6. – Lauscht dem geheimnisvollen Fluch und den magischen Tönen!