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Seewölfe 120 1
Roy Palmer 1.
Benommen richtete sich der Seewolf von den Decksplanken der „Santa Ana“ auf. Im Donnern der Geschütze und Schreien der Männer war ihm ein Stück Holz gegen den Kopf gewirbelt. Der Schlag hatte ihm fast die Besinnung geraubt. „Allmächtiger“, sagte er im ersten Schreck. „Das darf doch nicht wahr sein.“ Sie hatten die „Santa Ana“, die sagenhafte Manila-Galeone, gekapert und ihren Geleitschutz vernichtet –und jetzt dies! Im Steuerbordschanzkleid der „Santa Ana“ klafften drei splittrige Lücken. Die Fünfundzwanziger-Kugeln des schwarzen Schiffes hatten sie hineingetrieben, die Geschosse des eigenen Verbündeten! Eine vierte Kugel war flach über die Kuhl gerast und hätte Batuti, Dan O'Flynn, Sam Roskill und einige andere von der „Isabella“-Crew dahingerafft, wenn Thorfin Njal nicht so geistesgegenwärtig gehandelt hätte. Kaum aus dem Vordeck zurückgekehrt, wo die gefangenen Spanier eingesperrt worden waren, hatte er das Unheil nahen sehen. Mit dem schwarzen Schiff stimmte etwas nicht, und der Wikinger hatte Alarm geschlagen. Dann, beim Loskrachen der Geschütze, hatte er nur noch die Arme ausbreiten und Dan und die anderen mit sich niederreißen können. Das hatte ihnen das Leben gerettet. Hasard, der gerade aus den Frachträumen der Galeone heraufgestiegen war, hatte Siri-Tong mit seinem Körper geschützt. Sie löste sich jetzt von ihm, unverletzt, und erhob sich. Überall auf Deck rappelten sich die Gestalten von Männern auf. Sie schrien und fluchten durcheinander. „An die Geschützte!“ rief der Seewolf. „Ed, Ben — Feuer frei auf den schwarzen Segler!“ „Aye, Sir!“ brüllte Carberry zurück. „Vorwärts, geben wir es diesen Halunken!“ Gegen wen sich ihr Widerstand richtete, war immer noch ungelöst. Durch den blakenden Pulverrauch, der sich nur träge
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verzog, konnten sie das schwarze Schiff sehen, wie es von der Bordwand der Manila-Galeone und von der an Backbord vertäut liegenden „Isabella“ fortdümpelte, ein majestätisch erhabener Schatten im verblassenden Tageslicht. Ben Brighton hetzte an Hasard vorbei nach Backbord, sprang wie von tausend Teufeln gejagt auf die Kuhl der „Isabella“ hinüber und mobilisierte Jeff Bowie und Bob Grey, die drüben als Deckswachen eingeteilt waren. „Auf die Back!“ rief Ben. „Los, schnell — an die Drehbassen!“ Der Seewolf war auf den Beinen und taumelte neben Siri-Tong her. Es war grotesk, reiner Aberwitz —und doch bittere Wahrheit: Jemand hatte drüben auf „Eiliger Drache über den Wassern“ die Leinen gelöst, als die beiden versammelten Crews voll mit. der Festnahme der besiegten Spanier und mit der Inspektion der Laderäume auf der „Santa Ana“ beschäftigt gewesen waren. Jetzt nahm das Drama seinen Lauf und war nicht mehr aufzuhalten. „Stör!“ rief Siri-Tong. „Missjöh Buveur — Allmächtiger, wie konnte das nur passieren?“ Sie stieß den Namen der beiden Wachtposten drüben auf dem schwarzen Schiff noch einmal aus, obwohl der Wikinger und der Franzose sie schon nicht mehr hören konnten. Wieder krachten auf dem schwarzen Viermaster Geschütze. Hasard und SiriTong ließen sich fallen. Dicht neben ihnen warfen sich auch die anderen hin. Sie fluchten, hörten die Kugeln heranorgeln und schützten die Köpfe mit den Händen. Vier Eisenkugeln waren es. Sie heulten schräg über das Oberdeck der ManilaGaleone, weil sie zu hoch angesetzt waren. Nur ganz knapp verfehlten sie jedoch das Heck der „Isabella“. „O, ihr Kanaillen!“ tobte Hasards Profos. „Ihr Ratten, ihr stinkenden Rübenschweine, ihr Teufel! Wenn ich euch zu fassen kriege! Ich brech' euch die Knochen, ich schwör's euch, ihr Bastarde!“ Das ganze Gefluche nutzte aber nichts. Sie mußten das Feuer des Viermasters so
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schnell wie möglich erwidern, aber das stieß auf Schwierigkeiten. Die „Isabella“ mußte erst von der „Santa Ana“ abgelöst werden und ein Stück voraussegeln, um eine Breitseite abgeben zu können. Vorläufig ließen sich von dort aus nur die beiden Bassen auf dem Vordeck einsetzen. Und auf der Manila-Galeone funktionierte irgendetwas nicht. Al Conroy, Matt Davies und andere Männer aus beiden Crews hantierten wüst schimpfend an den Kanonen. Der Wind hatte auf Osten gedreht. SiriTongs Schiff luvte langsam nach Norden an und nahm mehr Fahrt auf. Die Rauchschwaden, die die neue Salve erzeugt hatte, flossen auseinander. Ein paar Seewölfe und. Siri-Tong-Piraten feuerten von der Back der „Santa Ana“ aus mit Musketen und Arkebusen hinter dem Flüchtling her, aber, das hatte bereits keinen Zweck mehr. Der Abstand war für sicher gezielte Flintenschüsse bereits zu groß. Alles hatte sich zu schnell, zu überstürzt abgespielt. Der Gegner hatte das Überraschungsmoment auf seiner Seite. Siri-Tong war wieder aufgesprungen und stand am zerschmetterten Schanzkleid. In einer Mischung aus Entsetzen und ohnmächtiger Wut schaute sie ihrem Schiff nach. Hasard stellte sich neben sie und zog rasch das Spektiv auseinander. Er hob es ans Auge, spähte mit verkniffener Miene durch die Optik und gewahrte die Gestalten, die drüben in aller Eile sämtliche schwarzen Segel setzten, die das Schiff zur Verfügung hatte. Vorher hatte „Eiliger Drache“ nur das Großsegel und die Fock gesetzt gehabt. Jetzt rauschte er unter Vollzeug dahin. „Männer mit Lendenschürzen“, sagte Hasard. „Polynesier.“ „Ich kann es nicht fassen“, erwiderte die Rote Korsarin. „So haben Zegú, der König von Hawaii, und Thomas Federmann uns also hereingelegt ...“ „Warte - nein, das sind nicht Zegús Leute“, unterbrach Hasard. „Sondern? Etwa ...“
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„Ja. Krieger von Oahu.“ Sie keuchte vor Fassungslosigkeit. „Dann ist ihnen also der Ausbruch gelungen. Mein Gott. Und de Galantes und seine spanischen Spießgesellen?“ „Sie sind mit von der Partie“, entgegnete der Seewolf erbittert. „Ich kann sie in den Wanten erkennen, wie sie abentern. Sie haben sich alle als Eingeborene kostümiert. Und de Galantes, das sehe ich gerade noch, steht auf dem Achterdeck.“ Auf der „Isabella“ blafften die vorderen Drehbassen auf. Weißer Qualm puffte hoch, die Kugeln rasten dem schwarzen Segler nach und ereilten ihn auch noch. Aber de Galantes und seine acht Halunken lagen längst hinter dem Schanzkleid in Deckung. Und Schaden richteten die kleinen Hinterladerkugeln nicht an, denn „Eiliger Drache“ war aus erlesenen Harthölzern gebaut. Al Conroy fluchte laut und ungeniert herum, Carberry versuchte ihn durch sein Gebrüll zu übertrumpfen. Die 17-Pfünder der „Santa Ana“ waren kaum noch zu gebrauchen. Die spanischen Geschützführer hatten sie in ihrer Panik während des Gefechts zuletzt äußerst nachlässig versorgt - jetzt mußten sie von Hasards und Siri-Tongs Männern erst mit Kellen und Wischern von innen gesäubert Werden. In dem allgemeinen Durcheinander fiel auch das Laden schwer, Pulver, Kabelgarn und Geschosse mußten erst mühsam zusammengesucht werden. Das alles raubte ihnen kostbare Minuten Zeit, in der das schwarze Schiff immer mehr an Distanz gewann. „Da ist etwas“, sagte Siri-Tong mit gepreßter Stimme. „An Steuerbord des schwarzen Seglers. Zwei Auslegerboote. Sie dümpeln zur Seite weg.“ Hasard beobachtete wieder durch das Spektiv. In Gedanken überschlug er rasch, wie das alles. gelaufen sein mochte: De Galantes und seine acht Kerle hatten sich aus der Hütte auf Hawaii befreit, die Wächter überwältigt, sich rasch verkleidet, waren zum Strand gelaufen und hatten die Boote flottgemacht.
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Aber da schien noch mehr zu sein. Der Seewolf wurde den Verdacht nicht los, daß die Piraten noch eine andere Schandtat verübt hatten, etwas Ungeheuerliches. „In den Booten liegen Gestalten“, sagte er. „Reglos. Ich glaube, sie sind beide schwer verletzt.“ „Der Stör und der Franzose“, hauchte SiriTong. „Sie haben sie brutal niedergemetzelt, diese elenden Hunde. O, de Galantes, das wirst du mir büßen! Männer, warum schießt ihr denn nicht endlich?“ Die letzten beiden Sätze schrie sie heraus. Al Conroy und die anderen hatten es geschafft. Sie senkten die glimmenden Lunten auf die Bodenstücke der Kanonen. Die Glut fraß sich durch die Zündkanäle, und dann rollten die Geschütze unter Donnergrollen auf ihren Hartholzrädern zurück. Brooktaue bremsten den Rücklauf. Der Tod raste dem schwarzen Schiff sechsfach nach, aber nur noch-zwei Kugeln erreichten das Heck und prallten dagegen, ohne etwas zu beschädigen. Der Rest klatschte. ins Kielwasser „Ein Beiboot abfieren!“ rief der Seewolf. „Wir holen den Stör und Missjöh Buveur!“ „Und dann jagen Wir dem Bastard de Galantes nach!“ rief Siri-Tong. Sie hielt die Hände in maßlosem Zorn geballt. * Sechs Seewölfe unter der Führung von Edwin Carberry nahmen die reglosen, schlaffen Gestalten des Störs und des Franzosen von den zwei Auslegerbooten in die Jolle der „Isabella“ über. Dann kehrten sie zu den Schiffen zurück. Vorsichtig wurden die beiden armen Teufel auf die Kuhl der „Isabella“ gehievt. Der Kutscher untersuchte sie eingehend. Seine Finger färbten sich rot vom Blut der beiden Männer. „Messerstiche“, murmelte er. „Sie glaubten wohl, die Insulaner kämen, um uns zu beglückwünschen. Nur deshalb haben Sie sich überrumpeln lassen.“ „Kutscher“, sagte Siri-Tong. „Sind sie ...“ „Tot? Nein, ihre Herzen schlagen noch.“
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„Wie lange noch?“ Der Kutscher begann, die Blessuren des Wikingers und Missjöh Buveurs zu verbinden, und dabei stellte er fortlaufend weitere Untersuchungen an. „Auf diese Frage kann ich nicht antworten“, sagte er sehr leise. „Noch nicht.“ Hasard war auf die Back seines Schiffes gestiegen und blickte zum wiederholten Mal dem schwarzen Schiff nach. Es nahm jetzt Kurs nach Nordwesten. „Der Hundesohn haut ab!“ rief Dan O'Flynn aus dem Großmars. „Wir segeln ihm nach“, sagte der Seewolf. „Smoky, Jeff Bowie und Sam Roskill, ihr bleibt als Notbesatzung auf der ,Santa .Ana` zurück.“ Er wandte sich um. „SiriTong, du teilst der Manila-Galeone am besten auch drei Leute zu.“ Sie antwortete nicht und schaute nur zu Thorfin Njal. Der Wikinger hatte seine Wahl rasch getroffen. „Eike, Arne, Oleg“, sagte er. Die drei wären lieber bei ihrem sterbenswunden Landsmann geblieben, aber sie wußten auch, daß die Lage keine Widerworte zuließ. Sie folgten also Smoky, Jeff und Sam auf die „Nao de China“ zurück und begannen, die Festmacherleinen zu lösen. Alle anderen Besatzungsmitglieder waren inzwischen bereits auf die „Isabella“ übergewechselt und nahmen ihre Plätze ein. Die große Galeone war im Gefecht ramponiert worden, aber auch in diesem Zustand war sie noch manövrierfähig, seetüchtig und durchaus imstande, eine neue Schlacht zu schlagen. Den sechs auf der „Santa Ana“ rief Hasard zu: „Ihr gebt auf die Gefangenen acht, hütet unsere Beute und sammelt die überlebenden Dons ein, die noch in der See schwimmen oder sich mit Booten absetzen wollen.“ „Aye, aye, Sir!“ rief Smoky zurück. „Die Polynesier sollen euch dabei unterstützen!“ „Da sind sie!“ schrie Dan. Richtig, vom Westufer der Insel hatten sich mehrere schlanke Wasserfahrzeuge gelöst.
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Es waren die Auslegerboote der Eingeborenen. Sie glitten auf die Schiffe zu. Noch einmal schaute Hasard mit dem Spektiv nach Nordwesten. Die Konturen des schwarzen Seglers schrumpften und drohten mit dein grauen Schleier der Abenddämmerung zu verwachsen. Nordwesten — laut Thomas Federmann befanden sich dort die kleineren Inseln des Archipels, De Galantes würde wohl nicht so dumm sein, nach Oahu zu seinem alten Schlupfwinkel zu segeln, wo seine Feinde ihn mit Leichtigkeit aufstöbern konnten. Wahrscheinlich suchte er sich eins der entfernter liegenden kleinen Eilande aus, verholte sich dort in ein Versteck und hoffte darauf, daß der Gegner ihn aus den Augen verlor. Du gemeiner Lump, dachte Hasard, und wenn ich dich Tage, Wochen hetzen muß, ich kriege dich zu fassen. Abrupt wandte er sich wieder zur Kuhl um. Er trat an die Schmuckbalustrade, schaute in die besorgten Mienen seiner Männer und sah Siri-Tongs Gefährten ratlos und bedrückt dastehen. Die Rote Korsarin selbst war in diesem Augenblick nur noch ein Schatten ihrer selbst. Der Stör und Missjöh Buveur — gewiß, sie waren nur ganz einfache Decksleute auf dem schwarzen Schiff, nicht mit Thorfin Njal, Juan oder dem Boston-Mann auf eine Stufe zu stellen. Sie waren kleine Lichter, wenn man so wollte. Aber die Rangfolge hatte keine Bedeutung: Diese beiden waren Siri-Tong ans Herz gewachsen wie die meisten anderen aus der Crew, und sie bangte um ihr Leben. Thorfin Njal kniete bei den Verletzten, gleich neben dem Kutscher. Er atmete auf, als der Kutscher mit seiner Arbeit fertig war und endlich wieder aufschaute. „Nun rede doch schon“, drängte der Wikinger. Der Kutscher sah in die Runde. „Soviel kann ich sagen: Sie haben gewaltiges Glück gehabt, alle beide. Jeder hat nur einen Messerstich empfangen, wären es mehr gewesen, hätten sie keine Überlebenschance gehabt. Lebenswichtige
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Organe sind nicht getroffen, soweit ich feststellen kann.“ „Dann ist ja alles in Butter“, sagte Cookie, der Koch der Siri-Tong-Mannschaf t. „Tragen wir sie in ihre Hängematten. Genügend Schlaf und eine kräftige Verpflegung bringen sie in wenigen Tagen wieder auf die Beine.“ Die Rote Korsarin schüttelte den Kopf. „Ganz so rosig würde ich das nicht sehen. Wenn ich den Kutscher richtig verstanden habe, ist noch alles in der Schwebe. Der Stör und Missjöh Buveur sind noch nicht außer Lebensgefahr, nicht wahr, Kutscher?“ „Richtig, Madame.“ „Werden sie es schaffen?“ „Das steht noch in den Sternen. Ich will ganz ehrlich sein. Es hängt vor allen Dingen von ihrer körperlichen Verfassung ab, ob die Genesung in den nächsten Stunden voranschreitet oder nicht“, erwiderte der Kutscher. Pedro Ortiz, der Portugiese, blickte auf den Franzosen, kratzte sich am Hinterkopf und sagte: „Mensch, Buveur, hättest du doch bloß nicht immer so viel gesoffen.“ „Schnaps ist die beste Medizin“, wandte Mike Kaibuk ein. „Siri-Tong!“ rief der Seewolf. „Wir müssen dem schwarzen Schiff nach. Sofort - wenn wir es überhaupt noch stellen wollen. Wir haben schon zu viel Zeit verloren. Die beiden Schwerverletzten können wir auf der ‚Santa Ana` oder auf der Insel zurücklassen. Wir können sie aber auch mitnehmen. Die Entscheidung liegt bei dir, denn es sind ja deine Männer.“ Die Korsarin sah zum Kutscher. „Ich würde sie gern auf der ‚Isabella! behalten, während wir de Galantes und seine Schufte jagen. Ich finde, wir können die beiden hier an Bord besser überwachen und versorgen. Oder riskieren wir, daß sich ihr Zustand verschlimmert?“ Der Kutscher lächelte schwach. „Einem salzgewässerten Rauhbein setzen die Schiffsschwankungen wohl nicht zu, auch nicht, wenn er sterbenskrank ist. Und ich hoffe nicht, daß wir Sturm kriegen.“
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Hasard war den Niedergang hinuntergestiegen und trat auf sie zu. „Gut, dann bringen wir sie am besten in eine Kammer es Achterkastells. Einverstanden?“ „Ja“, sagte Siri-Tong. Sie winkte Thorfin Njal und ein paar anderen zu. „Aber geht behutsam mit ihnen um.“ „Kutscher, du bleibst bei ihnen in der Kammer“, ordnete Hasard an. „Wenn du etwas benötigst oder mal kurz abgelöst werden willst, wendest du dich durch die Achterdeckswache an mich, verstanden?“ „Aye, Sir.“ Sie hoben den Stör und Missjöh Buveur auf und trugen sie weg. Hasard wollte jetzt endlich aufbrechen, aber es gibt wieder eine kurze Verzögerung, weil die Auslegerboote der Insulaner eingetroffen waren. Sie gingen längsseits der „Santa Ana“, und kurze Zeit darauf waren Thomas Federmann und der Häuptling Zegú an der Spitze eines rund zwanzigköpfigen, aufgeregten Trupps Männer über die Jakobsleiter aufgeentert. Sie liefen über die Kuhl der spanischen Galeone, und Thomas Federmann rief Hasard, Siri-Tong und den anderen auf der „Isabella“ auf englisch zu: „Ciro de Galantes und seine Piraten haben einen Wächter auf der Insel getötet und vier verletzt.“ „Der Teufel soll diese Hunde holen“, entgegnete der Seewolf. „Bleibt auf der Manila-Galeone, Thomas! Wir legen ab' und segeln dem schwarzen Schiff nach. De Galantes hat es an sich gerissen.“ „Das haben wir von Land aus verfolgt. Ich meine, wir - wir haben es uns zumindest gedacht, daß es de Galantes war, der auf euch feuerte.“ Federmann verhaspelte sich beim Sprechen und gestikulierte, er war völlig aus der Fassung. Zegú schüttelte die Faust. „Pele, die feuerspeiende Göttin, wird sich an den Unholden rächen!“ rief er auf spanisch. „Noch etwas!“ schrie der Deutsche. „Die Piraten haben vier Mädchen aus dem Dorf entführt - Alewa, Waialae und zwei
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andere, die eine kranke alte Frau pflegten. Wir dürfen sie nicht gefährden!“ „Himmel“, sagte Hasard. „Ich habe es mir doch fast gedacht, daß de Galantes noch eine andere Teufelei ausgeheckt hat.“ „Das darf uns nicht hindern, ihm nachzujagen“, erklärte die Rote Korsarin hart. „Nein, auf keinen Fall. Wir müssen einen Weg finden, das schwarze Schiff zurückzuerobern und auch die vier Mädchen zu befreien. Wir müssen.“ Hasards Miene war von steinerner Härte. „Thomas, Zegú!“ rief er. „Unterstützt unsere Leute auf der ,Santa Ana`. Und folgt uns, sobald ihr könnt. Unser Kurs ist Nordwesten. Wir tun alles, was in unseren Kräften steht — für die Mädchen!“ Smoky, Jeff, Sam und die drei Wikinger Eike, Arne und Oleg hatten die Festmacherleinen gelöst. Allmählich verlor die „Isabella VIII.“ die Berührung mit der Manila-Galeone. „Großsegel und Fock!“ brüllte Carberry. „Und wenn wir aus der Abdeckung der verdammten Galeone heraus sind, setzen wir alles, was wir an Fetzen an Bord haben, verstanden, ihr gepökelten Heringe? Auch dein Hemd, Matt Davies!“ Matt grinste. Er hatte sich das Hemd ausgezogen, weil er einen Eisensplitter in den linken Arm erhalten hatte und der Kutscher ihn so besser hatte verarzten können. Außer Matt war im Gefecht mit den Spaniern des Manila-Verbandes nur Smoky verletzt worden; er hatte eine blutige Streifwunde auf der Schulter. Doch die war auch nicht weiter der Rede wert. „Ich begleite euch!“ schrie Thomas Federmann noch von der „Santa Ana“ herüber. Hasard schüttelte den Kopf. „Du wirst bei deinen Leuten gebraucht. Mach dir keine Sorgen, wir sehen uns bald wieder.“ Federmann, Zegú und alle anderen auf dem spanischen Schatzschiff winkten ihnen nach. Die „Isabella“ glitt aus dem Windschatten des „Nao de China“, luvte an und segelte schneller werdend mit Steuerbord- halsen und auf Backbordbug liegend aus der Gefechtszone.
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Schwelende Wrackteile der drei Kriegsgaleonen trieben noch im Wasser und blieben als Zeugen des Kampfes hinter ihnen zurück. Zwei Beiboote mit überlebenden Gegnern steuerten auf die Insel zu, die die Polynesier Maui nannten. Sie lag nördlich von Hawaii. Smoky und seine Helfer würden aber keine Schwierigkeiten haben, diese Männer auf zufischen. Hasards Blick zurück zur „Santa Ana“ und nach Hawaii hinüber war düster. „Verdammt“, sagte er. „Thomas Federmann ist ein Kämpfer für die Gewaltlosigkeit. Er predigt den Frieden in diesem Paradies und hat ihn erhalten.“ „Du vergißt, daß wir ihn und seine Freunde vor einem Angriff der Piraten bewahrt haben“, sagte Siri-Tong. „Das ja, aber jetzt haben wir ihnen neuen Verdruß gebracht. Wir müssen das unbedingt wieder ausbügeln. Erst dann ist das Gleichgewicht in diesem Gebiet wiederhergestellt.“ Thorfin Njal, der sich inzwischen wieder zu ihnen gesellt hatte, sagte: „Bei Odin, hoffen wir, daß wir das schwarze Schiff überhaupt noch wiedersehen.“ Seine Skepsis war begründet. Der Viermaster war am dunklen nordwestlichen Horizont verschwunden. 2. Ciro de Galantes stemmte die Fäuste in die Seiten, lehnte sich mit dem Oberkörper zurück und stieß ein wildes, triumphierendes Lachen aus. Er war ein großer, wuchtig gebauter Mann mit vollem schwarzem Haar und dichtem Vollbart. Allein sein Äußeres flößte jedem seiner Untergebenen nicht nur Respekt, sondern sogar Furcht ein. Pariert hatten sie immer vor ihm — das war schon damals so gewesen, als er noch Bootsmann auf einem spanischen Schiff gewesen war. Er hatte gedacht, meutern und das Schiff an sich reißen zu können, aber das Unternehmen war gescheitert. Die zweite große Niederlage seines Lebens hatte er erlitten, als der Seewolf seine
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Piraten-Galeone zusammengeschossen hatte. Die Schmach hätte nicht größer sein können. Und dann hatten diese englischen Hundesöhne ihn und acht seiner Männer auch noch aus der See gefischt und auf Hawaii in eine Hütte gesperrt. Aber das war jetzt vergessen und gehörte der Vergangenheit an. Die alte Überlegenheit und Selbstsicherheit waren in de Galantes zurückgekehrt. Er hatte wieder volles Vertrauen in sich und seine verbrecherischen Fähigkeiten. Seine Laune hatte sich gradmäßig mit jeder Meile Abstand gebessert, die sie zwischen sich und die Feinde gelegt hatten. Irgendetwas hatte den Seewolf und die Rote Korsarin aufgehalten -zu seinem, de Galantes, unschätzbaren Vorteil. Jetzt senkte sich die Nacht über das Meer und hüllte das schwarze Schiff in vollkommener Tarnung ein. Nie hatte de Galantes den Einbruch der Dunkelheit so begrüßt wie an diesem Abend. Er ging zu dem Landsmann am Kolderstock. „Raimondo, wir haben sie abgehängt. Sie können uns nicht mehr erwischen.“ Raimondo atmete auf und grinste. Er war ein sehniger Mann von etwas gekrümmter Statur. Sein Gesicht war glatt, ebenmäßig und fast ein bißchen einfältig, nur der Ausdruck seiner Augen gab wieder, welche Verschlagenheit in ihm steckte. „Das ist schon viel wert“, erwiderte er. „Aber wir haben noch eine harte Nacht vor uns.“ „Ja. Mit nur acht Mann ist es nicht leicht, dieses Schiff zu manövrieren.“ Sich selbst zählte de Galantes nicht mit. Er war der Kapitän, er kommandierte. Niedrige Decksarbeit zu leisten, fiel ihm auch in dieser Situation nicht ein. „Deshalb steuern wir eine der weiter westlich liegenden Inseln an, um uns dort zu verschnaufen. Morgen im Laufe des Tages erreichen wir sie. Das könnt ihr Burschen schaffen.“ „Welche Insel meinst du?“ fragte Raimondo. „Die vorletzte der westlichen Ausläufer in dieser Gruppe.“ „Und die Position?“
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„Die brauchen wir nicht.“ „Wir haben keine Karten“, sagte Raimondo besorgt. „Wir brauchen auch keine“, erklärte Ciro de Galantes barsch. „Ich habe die Karte der Inseln im Kopf, merk dir das. Und ich weiß auch, daß wie uns auf jenem Eiland großartig verstecken können. Die Seewölfe mögen uns von mir aus tagelang suchen sie entdecken uns nicht.“ „Mag sein.“ De Galantes stellte sich sehr dicht vor den Mann hin und schaute ihm kalt in die Augen. „Wie meinst du das, Raimondo? Was . ist das überhaupt für ein Ton?“ „Ich - ich bitte um Verzeihung.“ „Wenn ich dir das nächste Mal etwas über meine Pläne mitteile, dann antwortest du ,Si, Senor' oder ,Si, Senor Capitan', wie es sich gehört, verstanden?“ „Si, Senor.“ „Gut. Und jetzt paß gefälligst auf, daß du Kurs hältst. Wenn der Wind weiter so handig bläst und nicht umspringt, laufen wir gute Fahrt und haben in der Beziehung weiter keine Probleme.“ Mit diesen Worten verließ de Galantes das Achterdeck. Er hütete sich aber, dem Rudergänger voll den Rücken zuzudrehen. Er zog es vor, zum Backbordniedergang zu schreiten und dabei mit einem Blick die Stellung des Großsegels zu prüfen. Auf diese Weise konnte er Raimondo aus den Augenwinkeln immer noch sehen. Falls es diesem etwas aufsässigen Burschen einfiel, das Messer zu zücken und zu schleudern, so wußte de Galantes darauf zu reagieren. Aber Raimondo wagte es nicht. Zum Meuterer fehlte ihm doch das Zeug. Und es gehörte eine Menge Schneid dazu, einen Ciro de Galantes auszubooten — mehr, als er aufbrachte. De Galantes' Erfolg als Piratenführer beruhte nicht nur auf seinem Mut, sondern auch auf seiner persönlichen Ausstrahlung. Die Männer kuschten vor ihm, obwohl sie ihn nicht leiden konnten und die totale Anarchie an Bord des Schiffes seiner eisernen Hand vorgezogen hätten. Mehr noch, sie haßten ihn.
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Als er nach unten auf die Kuhl schritt, blickte er zu den anderen, die die Segel bedienten. Vier Spanier und drei Eingeborene von Oahu waren es. Sie trugen alle die gleichen Lendenschürzen, denn die waren ja für die Spanier die Tarnung gewesen, mit der sie sich von Hawaii fortgestohlen hatten. Auch Raimondo und selbst de Galantes waren noch mit diesen dürftigen Fetzen angetan. Seit der Flucht hatte es noch keine Gelegenheit gegeben, das Achterschiff zu durchstöbern und nach Kleidung zu suchen. Die Piraten hätten das jetzt gern getan. Sie hätten sich auch gern mit den vier Mädchen befaßt und mit den Dingen, die im Schiffsbauch lagerten, aber falls sie glaubten, de Galantes würde es ihnen gestatten, hatten sie sich getäuscht. „Mehr anbrassen“, fuhr er sie an. „Seht ihr nicht, wie miserabel das verdammte Großsegel getrimmt ist? Paßt auf, ihr Hunde, oder ich peitsche euch aus!“ Kein Wort des Dankes, des Lobes — nichts. Ciro de Galantes sah es ausschließlich als sein persönliches Verdienst an, daß der Ausbruch aus dem Gefängnis und die Flucht von der Insel gelungen waren.. Er betrat das Achterkastell. Zunächst spielte er ernsthaft mit dem Gedanken, gleich zu den Mädchen zu gehen. Er hatte die vier in eine Kammer des Achterdecks gesperrt. Grinsend schritt er auf die Tür zu, blieb stehen und lauschte. Sie verhielten sich mucksmäuschenstill. „Natürlich habt ihr mich gehört, meine Täubchen“, sagte er. „Aber ihr stellt euch schlafend. Oder bewußtlos. Tut, was ihr wollt, aber mich könnt ihr nicht täuschen. Ich weiß auch, daß ihr meine Sprache versteht. Der idiotische Deutsche, den ihr bei euch auf der Insel habt, hat euch genug davon beigebracht.“ Er lehnte sich mit dem Rücken gegen die Tür, grinste und rieb die Handflächen aneinander. „Fein. Wir können uns also unterhalten. Wir werden noch eine Menge Spaß miteinander haben, das versichere ich euch.“
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Er wollte sich umdrehen und die Tür aufstoßen, aber dann verwarf er den Gedanken plötzlich. Die acht Kerle auf Oberdeck! Vielleicht rotteten sie sich zusammen und rebellierten gegen ihn. Er mußte darauf vorbereitet sein. Jetzt, da er nicht mehr unter ihnen weilte, konnten sie ein Komplott schmieden. Waren sie alle einer Meinung, mußte er sich in acht nehmen, denn Einigkeit machte bekanntlich stark. Er tastete sich bis zur Kapitänskammer vor, betrat sie, zündete eine Öllampe an und blickte sich um. Die Einrichtung war so ungewöhnlich wie das ganze Schiff. Hier wirkte alles mysteriös, unerklärlich und fremdländisch. Für kurze Zeit beschlich den Spanier ein Gefühl der Beklemmung. Er verdrängte es aber rasch wieder. Systematisch durchforschte er sämtliche Schränke, stieß schließlich auf ein kleines Arsenal von Pistolen, Flinten, Säbeln, Degen und Messern und steckte sich einiges davon zu. Zwei geladene, reich verzierte Radschloßpistolen schob er sich vorn in den Lendenschurz. Jetzt fühlte er sich sicherer. Er grinste wieder und schaute sich weiter um. Seine Suche nach passender Kleidung wurde enttäuscht. Es gab zwar Hemden und Hosen in den Schränken, aber die waren alle auf bedeutend kleinere, schlankere Staturen zugeschnitten. Als er auf einige Dessous in verschiedenen Farben stieß, entsann er sich wieder der Tatsache, daß dieses Schiff ja von der .Roten Korsarin geführt führt worden war. Ihre Kammer war das also! Er bedachte sie mit ein paar unflätigen Ausdrücken, beschloß, vorerst weiter als halbnackter Insulaner herumzuwandeln, und dann befaßte er sich näher mit den Schatullen, die er in den Schränken aufgestöbert hatte. Sie enthielten Schmuck von unvorstellbarer Kostbarkeit. Gold, Silber, funkelnde Diamanten, zu Reifen und Ringen, Diademen und Ketten geschmiedete Arbeiten, Figürchen und
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Statuetten aus purem Gold, die von der hohen Kultur der Inkas und Azteken zu zeugen schienen. Besonders angetan war Ciro de Galantes von einigen smaragdbesetzten Kleinodien. „Esmeraldas“ nannten die Spanier die grünen Zweikaräter. Es gab nur wenige Fundstellen in der Neuen Welt, dadurch waren die Steine so besonders wertvoll. Dem Vernehmen nach wußte de Galantes, daß seine Landsleute einige Minen in NeuGranada, an den Hängen der Cordilleras, ausbeuteten. Und ausgerechnet der Seewolf und seine Verbündeten schienen auf diese Minen gestoßen zu sein. „Aber es hat euch nichts genutzt“, flüsterte er. „Ihr habt euren Meister gefunden. Ich bin stärker, gerissener als ihr.“ Er hängte sich eine schwere Goldkette mit darin eingelassenen Smaragden um, trat an einen hohen Schrank der Kammer und entnahm ihm eine Flasche mit schwerem, dunkelrotem Wein und einen gläsernen Kelch. „Das muß begossen werden“, murmelte er. Er schenkte sich von dem Wein ein, setzte sich und trank. Der Wein war herb, aber trotzdem süffig, er schmeckte so ähnlich wie der Riojo, der im fernen Kastilien getrunken wurde. De Galantes schnalzte mit der Zunge. „Ich werde mein neues Schiff ausreichend bemannen“, fuhr er im Selbstgespräch fort. „Und dann jage ich dir auch die ‚Isabella' ab, Seewolf, und die Manila-Galeone mit ihren zwei Millionen Piastern an Bord. Du wirst schon sehen, was du dir eingebrockt hast, als du es wagtest, dich mit mir anzulegen.“ Er trank den gläsernen Kelch ganz leer. Dann stand er auf, nahm die Öllampe in die Hand und trat auf den Gang des Achterkastells hinaus. Ihm fiel ein, daß er mit dem Licht eine großartige Zielscheibe abgab. Die acht Kerle konnten ihn mit Leichtigkeit ausschalten. Nur einer von ihnen brauchte das auf die Kuhl führende Schott zu öffnen.
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An Schußwaffen hatten sie zwar nur die schweren Kanonen. Die konnten sie unmöglich auf ihn in Anschlag bringen, es wäre ein zu aufwendiges Manöver geworden. Aber sie hatten von ihren Bewachern auf Hawaii Messer erbeutet, und sie verstanden damit umzugehen. Jeder von ihnen warf es auf zwanzig, dreißig Schritten Entfernung sicher in ein beliebiges Ziel. De Galantes zog sich rasch in einen Quergang zurück. Dann suchte er nach einer Abstiegsmöglichkeit in den unteren Schiffsbereich. Wenn in der Kapitänskammer Reichtümer lagern, sagte er sich, was muß dann erst in den Frachträumen liegen! Er entdeckte einen schmalen Niedergang und begab sich tiefer, immer tiefer hinunter. Die Flamme der Öllampe begann heftig zu flackern und drohte zu erlöschen. Wieder nahm ihn eine unheimliche Aura gefangen, und er hatte plötzlich das Gefühl, nicht mehr allein zu sein. „Al diablo“, zischte de Galantes. „Zum Teufel mit diesem Schiff und seinen Erbauern.“ Knacken und Knistern in den Schiffsverbänden waren die Antwort. Bald glaubte de Galantes schlurfende Schritte zu hören. Er drehte sich immer wieder um, konnte hinter sich aber niemanden entdecken. Stöhnte da jemand? Die Dunkelheit und das Alleinsein rieten auf dem schwarzen Segler mehr als deprimierende Fragen hervor. Eine Faust schien sich um das Herz des Piraten zu schließen. Er verdammte sich selbst. Ärgerlich verscheuchte er alle finsteren Gedanken. Als er schließlich den großen Frachtraum betrat und sah, was dort an Schatzkisten und Truhen festgezurrt stand, waren alle Bedenken mit einem Schlag ausgeräumt. Es war doch richtig gewesen, hier hinunterzusteigen! Er begann, die Behältnisse zu öffnen. *
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Alewa, Waialae, Mara und Hauula hießen die Mädchen. Sie waren in der finsteren Kammer eng zusammengerückt und sprachen sich gegenseitig Mut zu. Maras Hand ruhte auf Alewas schlankem Unterarm. „Vielleicht legt er sich schlafen, dieser Spanier“, raunte sie. „Vielleicht läßt er uns in Ruhe.“ „Ja. Du solltest schlafen“, erwiderte die ruhige, besonnene Alewa. Natürlich glaubte sie nicht daran, daß der Kapitän der Seeräuber von ihnen abließ. Er war weggegangen, aber seine scharrenden Schritte würden zurückkehren. „Wie kann man in einer solchen Lage ans Schlafen denken?“ sagte Waialae in der weichen, melodiösen Sprache ihres Stammes. „Wir müssen es versuchen“, sagte Alewa. „Wenn sich die Gelegenheit. zur Flucht bietet, müssen wir frisch und ausgeruht sein.“ „Wir schaffen es nicht“, wisperte Mara. „Ich habe Angst, furchtbare Angst“, sagte Hauula, die jüngste von allen. Maras Hand krampfte sich plötzlich um Alewas Arm zusammen. „Da! Da ist er wieder!“ Es stimmte, die Schritte waren auf Deck und tappten dicht vor dem Querabschluß des Achterkastells auf und ab. Ciro de Galantes' rauhe Stimme war zu vernehmen. „Er gibt seinen Männern Befehle“, hauchte Waialae. „Und jetzt kommt er“, stieß Mara hervor. Ihre Finger klammerten sich so fest um Alewas Arm zusammen, daß es weh tat. Die Schritte polterten heran, waren im Mittelgang der Hütte, ein heiseres Lachen ertönte, dann öffnete sich die Tür, und de Galantes stand mit der Lampe in der Hand in der Füllung. Grinsend betrachtete er seine vier Gefangenen. Sie krochen in sich zusammen. „Angst?“ Er lachte auf. „Unsinn. Ihr könnt sie vergessen. Ich bin kein Rohling im Umgang mit Frauenzimmern. Ich bin ein liebenswürdiger, sanfter Mensch mit allen Qualitäten eines spanischen Kavaliers und Edelmannes.“ Er tat noch einen Schritt auf
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sie zu. „Dieser Segler ist ein Schatzschiff. Eine goldene Kuh, die Mit Gold, Silber und Juwelen schwanger geht. Soviel hätte ich nicht erwartet. Nun, meine Täubchen, meine Entdeckung muß gefeiert werden.“ Waialae blickte Alewa an. „Wir sind zu viert. Wir können ihn überwältigen“, sagte sie leise im Dialekt der Polynesier. „Er steht zu weit entfernt. Und er hat Pistolen im Gurt.“ „Trotzdem ...“ „Es ist zu gefährlich'', sagte Alewa so ruhig wie möglich. „Vergiß nicht, daß ich noch das Pulver bei mir trage. Verlassen wir uns lieber darauf, statt eine Torheit zu begehen.“ „Ihr zwei“, sagte de Galantes. „Seid still. Wenn ihr sprechen wollt, dann gefälligst nur spanisch.“ Alewa fiel ein Stein vom Herzen. Dieser grausame Kerl hatte also nichts verstanden. Sie entgegnete auf spanisch: „Ja, Herr. Ich habe nur zu meinen Freundinnen gesagt, es hat keinen Zweck, wenn wir Widerstand leisten.“ Er stand breitbeinig vor ihnen und empfand sich als Sieger, Eroberer, Potentat. „Sehr gut. Das hört sich schon besser an. Im übrigen weiß ich, daß ihr eingeborenen Weibsbilder euch wie läufige Katzen benehmt, wenn ihr euch mit einem Weißen einlassen könnt.“ Er grinste und wies mit dem Finger auf Alewa und Waialae. „Du und du. Ihr begleitet mich als erste in meine Kammer.“ Mit dem Daumen hob er die GoldSmaragd-Kette ein wenig an. „Ihr werdet staunen, was es dort alles gibt. Wenn ihr euch so verhaltet, wie es mir gefällt, belohne ich euch fürstlich. Überlegt es euch.“ Alewa erhob sich. Mara wollte sie zurückhalten, aber sie riß sich einfach los. „Komm“, sagte Alewa zu Waialae. Mara und Hauula hockten wie versteinert da. De Galantes ließ ihre Stammesschwestern an sich vorbeischlüpfen, trat dann selbst in den Gang zurück und schloß die Tür. Er riegelte sie zu.
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„Keine Tricks“, sagte er zu Alewa und Waialae. „Geht vor mir her bis zur Kapitänskammer. Die Tür steht offen.“ Schweigend schritten die beiden voran. Die Art, wie sie sich auf ihren nackten Füßen dahinbewegten und in den Hüften wiegten, brachte sein Blut in Wallung. * In der Kapitänskammer bedeutete er ihnen, auf der Koje Platz zu nehmen. Nachdem er die Tür zugedrückt und von innen verschlossen hatte, legte er die Radschloßpistolen aufs Pult - so, daß sie immer in Reichweite blieben. Er holte noch zwei gläserne Kelche aus dem einen Schrank, stellte sie zu dem ersten und füllte dann alle drei mit dem schweren dunkelroten Wein. Er setzte die Flasche hart ab und wandte sich ruckartig um. Lauernd blickte er die Mädchen an. „Versucht bloß nicht, mir in den Rücken zu fallen.“ „Das tun wir nicht“, versicherte Alewa. „Eure Verwandten und Freunde von Hawaii, der Seewolf und sein Lumpenpack — ich habe sie abgehängt. Alle. Ihr braucht nicht mehr darauf zu hoffen, daß sie euch heraushauen.“ „Das wissen wir, Herr“, erwiderte Waialae. „Ich warne euch“, sagte er leise und eindringlich. „Ich lasse mich durch eure übertriebene Untertänigkeit nicht aufs Kreuz legen.“ Waialae streckte sich auf der Koje aus. „Du täuschst dich in uns“, sagte Alewa weich. „Das Leben auf der Insel war langweilig genug. Kannst du dir nicht vorstellen, daß wir auf einen großen, starken Mann wie dich gewartet haben?“ Er vergaß den Wein und trat auf die beiden zu. „ich hab's ja immer gewußt“, sagte er heiser. „Ihr Polynesierinnen seid die tollsten Huren. Auf Oahu haben sich die Weiber ganz schön geziert, als wir sie uns genommen haben. Aber das war nur Schauspielerei. Ihr zwei, ihr tut gut daran, euch gar nicht erst darauf zu verlegen.“ Alewa fühlte den Haß siedendheiß in sieh aufsteigen. Sie wäre de Galantes am
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liebsten mit gespreizten Fingern ins Gesicht gesprungen, aber sie bezwang sich. Er setzte sich zu ihnen und fing an, Waialaes vollendet geformten Körper zu betasten. „Hol uns den Wein“, sagte er dabei zu Alewa. Alewa stand auf und ging mit schwingendem Schritt auf den Tisch mit den Gläsern und der Flasche zu. Dabei konnte sie mit der Hand unter das Tuch greifen, das ihre Lenden bedeckte. Geschickt zog sie einen kleinen Lederbeutel hervor. Er enthielt das Pulver. Beim Dunkelwerden hatten sie es der alten kranken Frau verabreichen sollen, die sie zu viert im Dorf gepflegt hatten — damit die alte Frau wenigstens die Nacht über tief und ungestört schlief. Alewa griff nach zwei Glaskelchen und ließ das Pülverchen dabei in den einen hineinrieseln. Den winzigen Lederbeutel verbarg sie unter dem Handballen. Ciro de Galantes drehte sich zu ihr um. „Wieso dauert das so lange? Bildest du dir ein, die Pistolen schnappen zu können? Laß dir das ja nicht einfallen!“ „Du täuschst dich in Alewa, Herr“, sagte sie, drehte sich um und näherte sich der Koje mit den beiden Kelchen in den Händen. Sie brachte ein Lächeln zustande. Er nahm seinen Kelch entgegen. Den anderen reichte er Waialae. „Alewa“, murmelte er mit einem durchdringenden Blick auf das stehende Mädchen. „Das klingt gut. Hol dir das dritte Glas!“ Sie kehrte noch einmal zu dem. Tisch zurück, und der Spanier wandte sich unterdessen wieder an das Mädchen auf seiner Koje. „Und du? Wie heißt du?“ „Waialae.“ Er nahm einen tiefen Zug aus seinem Kelch. „Hört sich auch gut an. Ihr Inselweiber habt alle phantastische Namen. Und nicht nur das. Ihr seid für die Liebe geschaffen. Jeder Mann wünscht sich, Sklavinnen wie euch zu haben.“ Waialae trank, und auch Alewa hatte jetzt den Kelch angesetzt und nippte daran. De Galantes fand, daß der Rotwein diesmal
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ein bißchen bitter schmeckte, aber er dachte nicht weiter darüber nach. „Gebt euch keinen Hoffnungen hin“, schwadronierte er weiter. „Der Seewolf und diese elende Korsarin werden keinen Versuch mehr anstellen, uns zu finden. Sie müssen ja um euch bangen und damit rechnen, daß wir euch die Gurgeln durchschneiden, falls man uns zu Leibe rückt.“ Alewa ließ sich neben ihm auf dem Kojenrand nieder. „Das leuchtet uns ein, Herr. Deshalb fügen wir uns in unser Schicksal.“ „Klug von euch.“ Merkwürdig, seine Zunge war schwer geworden, er lallte fast. Köpfte der Wein so sehr? Er konnte es sich nicht vorstellen. Er wollte mit der Hand nach Waialae greifen. Doch sein Arm war auch von bleierner Schwere. Träge ließ er ihn wieder sinken. Sein müder Blick richtete sich auf Alewa. Sie lächelte und prostete ihm mit dem Kelch zu. „Auf dein Wohl, Herr!“ Kurze Zeit später war er eingeschlafen. * „Ehre sei Pele, der feuerspeienden Göttin”, raunte Alewa. „Sie hat uns geholfen. Ihre schützenden Arme sind über uns.“ Waialae hatte die Beine von der Koje geschwungen, stand auf und sagte: „Gehen wir jetzt, um Mara und Hauula zu befreien. Diesen Hund hier brauchen wir nicht zu fesseln, er schläft tief bis zum Morgengrauen.“ Sie wies voll Verachtung auf den Spanier. Es fehlte nicht viel, und sie hätte ihn angespuckt. Sie griffen sich die Pistolen und schlichen auf den Mittelgang des Achterkastells zurück. Ungehindert erreichten sie die Tür, hinter der ihre Freundinnen eingesperrt waren. Sie benötigten keinen Schlüssel, um die Tür zu öffnen. Aber sie mußten sich mächtig in acht nehmen, als sie die Riegel zurückschoben, denn sie knarrten und quietschten.
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Auf Oberdeck war Bewegung. Dort mühten sich die Kumpane des schwarzbärtigen Spaniers mit den Segelmanövern und der Steuerung des Schiffes ab. Es war aber nicht ausgeschlossen, daß der eine oder andere überraschend auftauchte, um nach dem Rechten zu sehen. Alewa und Waialae standen Heidenängste durch. Endlich waren die Riegel offen, sie konnten die Tür spaltbreit öffnen und zu den Stammesschwestern schlüpfen. Wenig später huschten alle vier zurück in die Kapitänskammer. Sie verschlossen die Tür von innen. Ciro de Galantes lag in unveränderter Haltung auf der Koje. Er hatte den Mund halb geöffnet und schnarchte in regelmäßigen Abständen. Das Licht der Öllampe fiel leicht zuckend auf seine große Gestalt. Es reichte aber auch bis zu dem Waffenschrank von Siri-Tong, in dem sich außer den Schußwaffen Messer, Säbel und Degen befanden. Mara wollte sich ein Messer nehmen. „Ich töte diese Bestie“, zischte sie. „Ich räche den Tod unseres Bruders, den sie vor der Hütte im Dorf umgebracht haben.“ Alewa hielt sie zurück. „Nein, das steht uns nicht zu. Pele wird diesen Hund strafen.“ „Wer sagt dir das?“ fragte Mara verdutzt. „Mein Gespür“, antwortete Alewa. „Wir dürfen den Göttern nicht vorgreifen. Kommt jetzt, wir müssen fliehen, bevor einer der anderen acht Kerle stutzig wird und seinen Kapitän sucht.“ Sie pirschten von der Kapitänskammer aus auf die Heckgalerie des schwarzen Schiffes. Von hier oben sprangen sie in die Tiefe - eine nach der anderen. Sie tauchten mit ausgestreckten Armen wie Pfeile ins Wasser und verursachten kaum Geräusche. Die Fluten nahmen sie auf. Die Mädchen von Hawaii entfernten sich in südlicher Richtung von dem Schiff. Sie waren ausgezeichnete Schwimmerinnen, und sie hatten ihre Flucht so geschickt abgewickelt, daß die acht Piraten ihr Verschwinden erst später, sehr viel später bemerkten.
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Angst hatten die Mädchen jetzt nur noch vor einem Gegner, der in den Tiefen der See lauerte - vor Haien. 3. Die Nacht war sternklar, der Mond eine milchige volle Scheibe am Firmament. Dan O'Flynn hatte seinen altgewohnten Posten im Großmars der „Isabella VIII.“ bezogen und spähte aufmerksam voraus und rundum. Es war kurz vor Mitternacht, da stieß er einen leisen Pfiff aus und sagte: „Träume ich, oder spinne ich, Arwenack?“ Der Affe Arwenack hockte neben ihm auf der umrandeten Plattform. Er hatte sich mit dem beschäftigt, was die Zweibeiner Körperpflege nannten, aber jetzt schaute auch er auf und blickte mit gefurchter Stirn voraus. Erkennen konnte er natürlich nichts. Dan nahm das Spektiv zu Hilfe, konnte damit aber auch nicht mehr sehen als mit bloßen Augen - wie erwartet. „Der Kieker taugt im Dunkeln nichts“, sagte er. „Sie müssen erst noch einen erfinden, der so große und helle Linsen hat, daß du damit durch die Finsternis peilen kannst. Aber jetzt sehe ich es ganz deutlich - da schwimmt jemand in der See!“ Er beugte sich über die Segeltuchverkleidung. „Deck, ho! Hölle und Teufel, Deck! Ja, pennt ihr denn alle?“ rief er. „Ich zieh dir die Haut in Streifen ab, wenn du das noch mal sagst“, ertönte die Stimme des Profos' zurück. „Was ist los?“ „Schwimmer voraus“, meldete der junge O'Flynn aufgeregt. „Vier! Wir haben sie an Steuerbord, wenn wir Kurs halten!“ Im Nu war alles auf den Beinen. Kommandos hallten durch die Nacht, der Seewolf und die Rote Korsarin stürzten nach vorn auf die Back der „Isabella“. Und dann ertönte auch schon Dans gellende Stimme: „Ich glaube, das sind die vier Mädchen!“ „Anluven!“ schrie Hasard. Er ließ in den Wind drehen und die Segel aufgeien, bevor sie zu killen anfangen
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konnten. Kurze Zeit darauf glitt die „Isabella“ in eleganter Schleife auf die winkenden Mädchen zu und übernahm sie in Lee. „Pele ist uns wohlgesonnen“, sagte, Alewa als erstes, als sie auf die Kuhl kletterte. Sie sprach spanisch, damit alle sie verstehen konnten. „Sie, die Göttin der Vulkane, hat uns vor den Zähnen der Tiburones, der Haie, bewahrt.“ Sie begann zu berichten. Bill, der Schiffsjunge, brachte Decken. Alewa, Waialae, Mara und Hauula hüllten sich darin ein. Alewa blickte den Seewolf an. „Lobo del Mar, Pele hilft den Guten, die Schlechten zu finden und sie zu vernichten. Ich weise dir die Richtung, in der die Piraten mit eurem schwarzen Schiff davongesegelt sind.“ Hasard lächelte. „Ich bin heilfroh, daß euch die Flucht gelungen ist. Jetzt können wir uns den ,Eiligen Drachen' wiederholen, ohne uns um euch sorgen zu müssen. Wie lange ist es her, daß ihr de Galantes überlistet habt?“ Alewa gab eine umständliche Erklärung ab, der Hasard entnehmen konnte, daß sie bereits über vier Glasen, also zwei Stunden, im Meer geschwommen hatten. Er prüfte die Windrichtung und sagte: „Wenn wir weiter Glück mit dem Wind haben und segeln, was das Zeug hält, dann haben wir den schwarzen Segler bei Tagesanbruch eingeholt.“ * Wütend drehte Raimondo das Stundenglas auf dem Achterdeck des schwarzen Seglers um. „Acht Glasen nach Mitternacht“, sagte er. „Es wird bald hell, und wir haben die verfluchte Insel immer noch nicht vor uns.“ Er fühlte sich matt und abgekämpft. Die Gefangenschaft hatte ihn wie die anderen nicht gerade gestärkt, und er dachte nur an das eine: Ablösung, Schlaf, Ankern. Er winkte einem der Polynesier zu, der gerade auf dem Achterdeck erschien, um ein loses Fall zu klarieren. „Übernimm mal
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kurz den Kolderstock“, sagte er zu ihm. „Ich gehe zu de Galantes und frage, wie lange dieser verdammte Törn noch dauern muß.“ „Er will aber nicht gestört werden“, erwiderte der Eingeborene in seinem holprigen Spanisch. Raimondo schnitt eine Grimasse. „Ja, das hat er sich ausdrücklich ausgebeten. Aber ich pfeife jetzt darauf, verstehst du? Es schert mich einen Dreck, was er sagt, wenn ich ...“ Er brach ab, denn einer der spanischen Landsleute war von der anderen Schiffsseite her aufs Achterdeck getreten. Sein Name war Danilo. Raimondo traute ihm zwar, aber er wußte nicht, wie der Mann das Treue- und Gehorsamsverhältnis zu ihrem Anführer sah. Dieser Zweifel wurde er jetzt unvermittelt enthoben. „Ich habe gehört, was du gesagt hast“, erklärte Danilo. „Ich finde, wir könnten auch auf de Galantes selbst pfeifen. Er hat uns lange genug schikaniert.“ „Still“, flüsterte Raimondo. „Willst du, daß er's hört?“ „Er vergnügt sich mit den Mädchen. Er wäre leicht zu überrumpeln. Vielleicht schläft er sogar“, sagte Danilo. Der Polynesier musterte sie aus schmalen Augen. „Wenn ihr de Galantes ausbooten wollt - ich bin dabei.“ „Dieser Leuteschinder.“ Raimondo gab den Kolderstock an den Eingeborenen ab und wandte sich zum Gehen. „Danilo, ich will hoffen, daß du wirklich ernst meinst, was du eben gesagt hast.“ „Ich schwöre es dir.“ „Dann sprich auch mit den anderen darüber.“ „Sie sind genauso überzeugt wie wir, daß wir auch allein zurechtkommen.“ Ohne weitere Worte zu verlieren, begab sich Raimondo den Backbordniedergang des schwarzen Schiffes hinunter. Er trat durchs Schott in das dunkle Achterkastell, schob sich an der Tür zur Kammer der Mädchen vorbei, witterte aber keinen Verdruß, weil die Tür ordnungsgemäß verschlossen war.
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Die Planken knarrten unter seinen Schritten. De Galantes, das hielt er sich vor Augen, würde fuchsteufelswild werden. Er, Raimondo, handelte gegen den Befehl, aber das nahm er jetzt in Kauf. Er wollte endlich wissen, woran er war. Hatte Ciro de Galantes sich verrechnet? Waren sie vom Kurs abgekommen? War es nicht an der Zeit, nach einem Jakobsstab und einem Astrolab zu suchen und die Position zu errechnen? Raimondo hatte die Tür der Kapitänskammer fast erreicht. Plötzlich vernahm er Geräusche. Sie drangen aus der Kammer. Da war ein Poltern, ein Knirschen, und dann fluchte eine Männerstimme. Jemand näherte sich der Tür. „Capitan?“ fragte Raimondo. Die Tür wurde von innen aufgerissen. Ein taumelnder, trunken wirkender Ciro de Galantes zeigte sich da, und sein Gesicht war eine fürchterliche Fratze. Die Öllampe war erloschen, aber es drang genügend Mondlicht durch die Bleiglasfenster im Heck, so daß Raimondo alle Details mühelos erkennen konnte. „Ja, ich“, stieß er hervor. „Wer denn sonst, du Narr?“ „Was ist geschehen, Capitan?“ „Was ist geschehen“, äffte de Galantes ihn nach, dann griff er sich an die Stirn und stöhnte. „Por Dios, ich -mein Kopf - es ist alles so verworren - wo sind die Mädchen?“ Er wirbelte herum und stierte aus blutunterlaufenen Augen in die Kammer. „Wo sind sie?“ „Doch wohl in der Kammer weiter vorn“, erwiderte Raimondo. De Galantes fuhr zu ihm herum. „Dann sieh nach, du Sohn einer Hure, vergewissere dich, auf was wartest du noch?“ Er wankte rückwärts und stieß einen Tisch in der Kammer um. Nur mühsam hielt er die Balance. Wie durch ein Wunder gelangte er doch an das Kapitänspult und hob die beiden Radschloßpistolen auf. Raimondo zog sich ein Stück in den Mittelgang zurück, drehte sich um und
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begann zu laufen. Dieser Bastard, dachte er, jetzt fängt er an, völlig verrückt zu spielen. Raimondo verharrte vor der Tür der Gefängniskammer, schob die Riegel auf, drückte die Tür nach innen und stürmte in den Raum. Vergeblich suchte er nach den Mädchen. „Sie sind nicht mehr da“, sagte er verblüfft. De Galantes war heran. Er verhielt in der Tür und hatte die Worte seines Kumpanen gehört. Wild fuchtelte er mit den Pistolen herum. „Verrat! Sie sind entwischt, diese elenden Kanaillen!“ brüllte er. „Das ist eure Schuld! Ihr hättet besser aufpassen sollen!“ Raimondo glaubte, der Schwarzbart würde tatsächlich auf ihn feuern. Da er sich nicht wehren konnte - er hatte nur ein auf Hawaii erbeutetes Messer bei sich -, wich er bis an die Kammerwand zurück. „Das wirst du mir büßen“, zischte de Galantes. „Senor Capitan“, erwiderte Raimondo mit äußerster Beherrschung. Am liebsten hätte er sich auf ihn geworfen. „Ich weiß nicht, wie das passieren konnte, aber wir sollten das Schiff durchsuchen, bevor wir erklären, die Mädchen seien geflohen.“ Danilo und ein anderer Spanier liefen in den Gang. „Was ist denn hier los?“ rief Danilo. Ciro de Galantes fuhr herum und schrie ihn an, daß es durch die Schiffsräume gellte. Seine Stimme überschlug sich fast. „Durchsucht das Schiff! Laßt keinen Winkel aus! Holt mir diese vier Teufelsweiber wieder und bindet sie auf die Kuhlgräting. Ich will sie auspeitschen!“ Die Männer setzten sich in Bewegung. Raimondo schloß sich Danilo an, er war heilfroh, aus de Galantes' Nähe zu verschwinden. Einige Zeit später, als sich der Himmel schon grau färbte, hatten sie ihre Fahndung abgeschlossen. Raimondo und Danilo gingen in die Kapitänskammer, in die sich de Galantes inzwischen wieder zurückgezogen hatte. „Keine Spur von den vier Polynesierinnen“, gab Danilo das Ergebnis
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bekannt. „Sie müssen in die See gesprungen sein. Vielleicht haben die Haie sie bereits gefressen.“ „Vielleicht, vielleicht“, sagte Ciro de Galantes. Er sah so zerrüttet aus wie ein sechzig Jahre alter Mann, der alle möglichen Laster hatte. Sein Gesicht war immer noch eine abscheuliche Fratze. „Was Besseres fällt euch wohl nicht ein, wie? Was tun wir jetzt? Was ist, wenn der Seewolf diese Weibsbilder auffischt?“ „Darauf weiß ich keine Antwort“, erwiderte Raimondo. „Aber ich frage mich etwas anderes. Wie konnten die Mädchen aus der Kammer entwischen?“ „Ihr habt sie nicht genügend bewacht.“ „Wir hatten nicht den Befehl dazu“, begehrte Raimondo auf. „Außerdem war die Kammer so fest verriegelt; daß sie aus eigener Kraft unmöglich herauskonnten.“ De Galantes stand plötzlich geduckt da. Er legte die Hände auf die Griffe der Radschloßpistolen, die er sich wieder in den Gurt geschoben hatte. „Wie soll ich das verstehen?“ Danilo sagte kalt: „Ganz einfach. Wir nehmen an, daß Sie sich ein bißchen mit den Frauenzimmern beschäftigt haben, Senor Capitan. Und dabei wurden Sie übertölpelt.“ „Wie denn wohl?“ De Galantes sagte es so leise, daß es kaum zu verstehen war. Sein Oberkörper pendelte leicht hin und her. Danilo trat an ihm vorbei und inspizierte die gläsernen Kelche. Er war ein mit allen Wassern gewaschener, abgebrühter Typ noch hartgesottener als Raimondo. Ohne sich weiter um den Schwarzbärtigen zu kümmern, roch er an den Gläsern. „Hier, eins riecht etwas bitter“, stellte er beinahe gleichgültig fest. „Möglich, daß eins der Mädchen eine Kräuteressenz oder ein Pulver bei sich gehabt hat, ein Schlafmittel. Ich könnte es mir jedenfalls gut vorstellen. Haben die vier auf Hawaii nicht eine alte Frau betreut? Na also. Der Zauberer des Stammes hatte ihnen bestimmt irgendwelche Mittelchen dagelassen, man kennt ja die Vorliebe dieser Wilden für solches Zeug.“ Er wandte sich um und musterte den wie vom
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Donner gerührt dastehenden de Galantes. „Haben Sie sich das nicht auch gesagt, Capitan? Haben Sie die Mädchen nicht genau durchsucht?“ Er trat auf ihn zu und fuhr fort: „Ich will dir sagen, wie es gewesen ist, Ciro de Galantes. Sie haben dich eingeschläfert wie einen Narren, als du sie vernaschen wolltest. Jetzt willst du uns die Schuld in die Schuhe schieben.“ „Ach?“ De Galantes sagte nur dieses eine Wort, dann riß er die beiden Radschloßpistolen heraus, sprang zurück und spannte dabei die Hähne. Reimondo und Danilo trafen Anstalten, sich auf ihn zu stürzen, aber er richtete die Waffen auf sie. „Zurück!“ brüllte er. „Kein Stück weiter, oder ich schieße euch nieder wie tolle Hunde!“ „Du hast verspielt“, sagte Danilo. „Gib auf. Wir übernehmen jetzt das Kommando hier.“ „Das wollt ihr also - meutern!“ „Wir haben es schon immer vorgehabt“, erklärte Raimondo leidenschaftslos. „Aber erst heute nacht hast du endgültig bewiesen, wie unfähig du bist. Du hast kein Recht, uns herumzukommandieren.“ De Galantes zielte mit der rechten Pistole auf seine Stirn. „So? Wir werden ja sehen. Geht vor mir her, ihr beiden. Wir treten jetzt alle drei auf die Kuhl, gehen dann aufs Achterdeck, und dort halte ich Bordgericht über euch. Mit Meuterern mache ich kurzen Prozeß.“ „Das wagst du nicht“, sagte Raimondo erblassend. „Geh!“ schrie der Schwarzbart. Und die beiden Verschwörer schritten vor ihm her durch den Mittelgang der Poop auf die Kuhl zu -direkt zu ihrer Hinrichtung. Draußen angelangt, blieb Danilo jedoch plötzlich stehen, drehte sich um und wies anklagend mit dem Finger auf de Galantes. „Er hat die Schuld, daß die Geiseln das Schiff verlassen haben!“ rief er. „Seht ihn euch an, Männer. Sie haben ihn betäubt. Die Spuren trägt er deutlich im Gesicht. Jetzt will er uns dafür bestrafen. Das dürft ihr nicht zulassen!“
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„Greift euch die Waffen!“ schrie Raimondo. „Nehmt ihn gefangen, diesen Hundesohn, dann gehört das Schiff uns mit all den Reichtümern, die wir bei der Suche nach den Mädchen unten in den Frachträumen entdeckt ...“ Weiter gelangte er nicht. Ciro de Galantes hatte wutentbrannt die rechte Pistole auf seinen Kopf angelegt. Er drückte ab. Das Rad schnurrte los, der Schwefelkies schlug Funken. Krachend brach der Schuß. Raimondo stolperte vorwärts, als habe ihm jemand in den Rücken getreten. Er hob die Arme, bewegte sie auf grotesk wirkende Weise, prallte gegen eine Nagelbank, wollte sich festhalten, rutschte jedoch ab. Blutüberströmt sank er an Deck. Danilo hatte sich geistesgegenwärtig fallen lassen. De Galantes Schuß aus der zweiten Pistole brannte heiß über seinen Rücken weg, traf aber nicht. Die Kugel bohrte sich in die Planken der Kuhl. „Tötet ihn!“ schrie Danilo. Auf Kuhl, Achterdeck und Back richteten sich die Gestalten der Piraten hoch auf. Raimondo und Danilo hatten vorher in einem Raum des Vordecks Feuerwaffen entdeckt. Das wußte de Galantes nicht, er hatte es nicht einmal geahnt, und das wurde ihm jetzt zum Verhängnis. , Er sah, wie sich die Läufe von Musketen und Arkebusen, gedrungenen Tromblons und Pistolen auf ihn richteten. „Nein!“ Er schleuderte die leergefeuerten Radschloßpistolen von sich und hob entsetzt die Arme. „Das dürft ihr nicht! Hört nicht auf Danilo, diesen räudigen Hund! Er will das Schiff und den Schatz für sich ganz allein. Er wird auch euch erledigen!“ Sechs grellgelbe Blitze stachen in das Grau des erwachenden Tages. Das Krachen der Waffen erfolgte fast wie ein einziger, heftiger Schlag. Ciro de Galantes fühlte den Gluthauch des Todes auf sich zurasen. Dann glaubte er, hochgehoben und in der Luft zerfetzt zu werden, und das letzte, was er wahrzunehmen meinte, war der Himmel, der plötzlich aufklaffte und eine blutrote Sonne von ungeheurer Größe freigab.
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Flüssiges Feuer löste sich aus ihr, rann auf ihn nieder und begrub ihn unter sich. 4. Das Krachen der Schüsse war an Bord der „Isabella VIII“. wie feines, peitschenähnliches Schnalzen zu vernehmen. Alewa hatte nicht vom Achterdeck weichen wollen. Sie raffte die Decke, die Bill ihr beschafft hatte, über den Schultern zusammen, hob stolz den Kopf und sagte: „Das ist Peles Rache.“ Siri-Tong, der dieser Götter-Kult allmählich auf die Nerven ging, entgegnete: „Pele oder nicht, die Schußlaute erklangen im Nordwesten und könnten vom schwarzen Schiff stammen.“ „Das sind aber keine Kanonen“, sagte Thorfin Njal. „Das klingt eher nach Pistolen und Gewehren.“ „Was immer dort vor sich geht“, erklärte der Seewolf, „seien wir auf alles gefaßt. Ed — Schiff klar zum Gefecht!“ Der Profos zeigte klar und begann mit seiner üblichen Litanei aus Ordern und Flüchen. Nur mit den Kraftausdrücken hielt er sich diesmal ein wenig zurück, weil sich die Rote Korsarin an Bord befand. Wenig später mischte sich Dan O'Flynns Stimme in das Gewetter: „Mastspitzen, ho! Wir haben einen Viermaster vor uns, und ich freß eine Qualle, wenn das nicht das schwarze Schiff ist!“ „Brauchst du nicht“, sagte sein Vater, der neben Ben Brighton auf dem Achterdeck stand. „Hast ja doch mal wieder den Nagel auf den Kopf getroffen.“ Big Old Shane lachte. „Der Teufel mag wissen, wie unser Dan den Kahn bei dem miesen Licht und auf diese Entfernung entdeckt hat.“ „Vielleicht hat ja Pele dabei mitgeholfen“, meinte Siri-Tong mit einem raschen Seitenblick auf Alewa. Dann trat sie etwas vor, legte die Hände auf die Five-Rail und rief ihren Männern zu: „Wir werden alles daransetzen, uns unser Eigentum zurückzuholen. Zeigen wir es diesem Hund de Galantes !“
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„Jawohl!“ schrie Juan. „Ein dreifaches Hurra für die Rote Korsarin!“ „Hurra!“ riefen die Männer vom schwarzen Segler. Auch die Seewölfe fielen mit ein. Selbst Sir John, der karmesinrote Papagei, hüpfte auf Carberrys Schulter herum und krächzte: „Hurra, hurra!“ Hasard lächelte. „Na bitte, sie liegen dir alle zu Füßen, Siri-Tong. Was willst du mehr?“ Eine Antwort gab sie nicht darauf, sie erwiderte nur sein Lächeln. Gemeinsam eilten sie auf die Back und versuchten, das voraus segelnde Schiff mit den Fernrohren zu erkennen. Das Morgengrau ging fließend in weißlichmattes Licht über, und bald gelang es ihnen: Die Silhouette des schwarzen Viermasters hob sich im Nordwesten von der Kimm ab. Klar ließ sich das Schiff identifizieren, es gab nicht den leisesten Zweifel daran. Hasard ging zurück und stand an der Querbalustrade, die das Vordeck zur Kuhl hin abschloß. „Männer“, sagte er. „Lassen wir uns nicht dazu verleiten, unvorsichtig zu sein. Wir haben es nur mit neun Piraten zu tun, aber wir haben ja erlebt, wie bissig diese Hunde sein können. Daran hat sich auch in der Zwischenzeit nichts geändert. Und wenn sie sich in die Enge getrieben sehen, werden sie bis zum äußersten kämpfen.“ „Ob sie wohl die bronzenen Gestelle entdeckt haben, von denen wir die Brandsätze abfeuern?“ rief Juan. „Entdeckt sicher“, erwiderte Siri-Tong. „Aber sie können nicht damit umgehen. Sie werden sich ausschließlich auf die 25Pfünder verlassen.“ „Und damit können sie uns gehörig einheizen“, sagte Carberry grinsend. „Vielleicht denken sie auch, wir wagen es nicht, kräftig zu ihnen 'rüberzulangen, aus Angst, das schwarze Schiff zu ramponieren. Die wissen ja nicht, daß es aus Eisenholz gebaut ist.“ „Darauf können wir uns nicht verlassen“, entgegnete der Seewolf. „Wir müssen auf jeden Fall taktisch vorgehen und dürfen
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nicht ausschließlich auf unsere zahlenmäßige Überlegenheit bauen.“ Er blickte zum Kutscher, der gerade aus dem Achterdecksschott trat. Alle Augen richteten sich jetzt auf den etwas schmalbrüstigen Mann. Aber der Kutscher lachte. „Ich wollte nur melden — der Stör und Missjöh Buveur sind über den Berg, Sir.“ Er schaute zu Siri-Tong. „Noch ein paar Tage Pflege, und die beiden stehen, wieder sicher auf den Beinen, Madame.“ „Danke“, antwortete sie. „Jetzt ist mir bedeutend wohler.“ Cookie — der etwas schmierige Koch des schwarzen Seglers, der mit richtigem Namen Rod Bennet hieß, vierzig Jahre alt war und aus England stammte —, Cookie saß gerade auf dem vorderen Rand der Kuhlgräting und hieb sich vergnügt mit der Hand auf den dicken Oberschenkel. „Ich hab's ja gewußt, daß die zwei Burschen die nötige Kondition haben. Und was den Franzosen betrifft: Schnaps ist doch eine gute Medizin, wie Mike Kaibuk gesagt hat.“ Thorfin Njal rückte drohend auf ihn zu. „Das mit der guten körperlichen Verfassung — du willst doch wohl nicht behaupten, das sei dein Verdienst, was?“ „Ich — nein, Sir.“ „Und wenn wir das schwarze Schiff zurückerobert haben, sorgst du für gute, kräftige Hausmannskost, und der Stör und Missjöh Buveur kriegen das beste davon, verstanden?“ Die Stimme des Wikingers klang so grollend und tief wie nordischer Gewitterdonner. Cookie zuckte ein bißchen zusammen, leckte sich über die Lippen und sagte: „Äh — natürlich, Sir. Werde mir Mühe geben, ehrlich.“ Die Aufmerksamkeit der schwarzhaarigen Frau und der Männer richtete sich wieder auf das schwarze Schiff. Die „Isabella“ hatte beträchtlich aufgeholt. Der Abstand zwischen beiden Seglern schien von Sekunde zu Sekunde zu schrumpfen. „Da stimmt was nicht!“ rief Dan. „Das Schiff läuft den Kerlen ja fast aus dem Ruder!“
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„Die Schüsse“, murmelte der Seewolf. „Hat es vielleicht eine Auseinandersetzung zwischen de Galantes und seinen Männern gegeben? Anders weiß ich mir die Schüsse nicht zu deuten. Na, wir werden ja sehen.“ Es gelang ihm, die „Isabella“ bei jetzt raumem Wind schräg von achtern an das schwarze Schiff heranzusteuern. Die Piraten hatten sie endlich gesichtet, fielen mit dem Viermaster ab — und eröffneten das Feuer. Doch die Schüsse waren schlecht gezielt. Hasard und Siri-Tong sahen von ihren Deckungen auf der Back aus, wie die Wasserfontänen rauschend aufstiegen. Gut zwanzig Yards vor dem Vorsteven der „Isabella“ standen sie. „Gut so“, sagte Hasard. „Und jetzt versuchen wir, die langen Rohre unserer Culverinen auszunutzen. Ben, Pete Ballie, Ed — wir fallen ab und begrüßen die Schufte mit unserer Steuerbordbreitseite!“ Kurze Zeit darauf lag die „Isabella“ wie ein großer Schwan vor dem Wind. Ihre acht Steuerbord-Culverinen brüllten los. Die Kugeln stoben auf das schwarze Schiff zu. Nein, die Seewölfe hatten keine Angst, es zu zertrümmern. Sie wußten, was das Eisenholz aushielt. Den Einschlag der Kugeln drüben quittierten Hasards und Siri-Tongs Männer mit wüstem Gejohle. Schreie wehten vom schwarzen Segler herüber. „Treffer über Treffer“, verkündete Dan aus dem Großmars. „Hey, bei den Hunden herrscht größter Zustand!“ „Anluven“, befahl der Seewolf. „Wir nehmen wieder Kurs auf das schwarze Schiff!“ Wenig später ließ er auch die Backbordkanonen auf „Eiliger Drache über den Wassern“, abfeuern. Shane und Batuti waren zu diesem Zeitpunkt bereits mit Pfeil und Bogen in den Wanten hochgeklommen. Nötigenfalls sollten sie Brandpfeile hinüberschicken. Aber soweit kam es nicht mehr. Plötzlich trat eine Wende ein, die keiner erwartet hatte. „Weiße Flagge im Großtopp“, meldete Dan O'Flynn. „Die wollen verhandeln!“
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„Oder kapitulieren“, sagte Hasard. Aus wachen Augen blickte er zum schwarzen Schiff. Er ließ wieder direkten Kurs darauf nehmen. Wollten ihn die Piraten mit einem Trick aufs Kreuz legen? * Nein, sie schienen es aufrichtig zu meinen. Als die „Isabella“ sich ihrem Partnerschiff auf Rufweite genähert hatte, enterte drüben ein Mann im Lendenschurz in die Leewanten des Großmastes, verharrte und legte die Hände als Sprachrohr an den Mund. „Mein Name ist Danilo!“ rief er. „Ciro de Galantes, Raimondo, ein weiterer spanischer Companero und zwei Eingeborene — sie sind alle tot. Wir geben auf, wenn ihr uns verschont!“ „Ihr seid unsere Gefangenen!“ rief Hasard zurück. Er stand ganz vorn an der Schmuckbalustrade der Back. „Werdet ihr Gericht über uns halten?“ „Wir werden euch auf einer Insel aussetzen!“ „Wer bist du — der Seewolf?“ „Ja.“ „Wenn du so bist, wie wir annehmen, dann hältst du dein Wort!“ schrie Danilo, der spanische Pirat. „Wir selbst haben uns gegen de Galantes aufgelehnt, das solltet ihr uns zugute halten.“ Hasard blickte Siri-Tong an. Sie hatte sich umgedreht und schaute zu Alewa, die neben Waialae, Mara und Hauula auf dem Achterdeck der „Isabella“ stand und wissend lächelte. Sie hatte jedes Wort verstanden, denn das Gespräch von Schiff zu Schiff war ja auf spanisch geführt worden. „Peles Rache“, sagte Hasard. „Na schön. Die Piraten haben zwar nicht gegen de Galantes gemeutert, um uns einen Gefallen zu tun, aber ich bin trotzdem bereit, es ihnen als Pluspunkt anzurechnen. Du auch?“ „Ja“, erwiderte sie. „Was haben wir davon, wenn wir die vier Überlebenden töten? Nichts. Außerdem wäre ein solches
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Handeln alles andere als ehrenhaft. Wer sich ergibt, der soll auch eine Chance zum Weiterleben haben.“ „Werft die Handwaffen weg!“ rief Hasard den Gegnern zu. „Wir krümmen euch kein Haar!“ Knappe zehn Minuten später lag die „Isabella“ längsseits des schwarzen Schiffes, und Männer beider Crews begaben sich unter Hasards und Siri-Tongs Führung auf den Viermaster hinüber. Widerstandslos ließen sich Danilo und die drei anderen Freibeuter festnehmen. Sie hielten sich an den Kapitulations-Pakt. Der Seewolf blickte auf die Leiche von Ciro de Galantes. Merkwürdig, er glaubte das dumpfe Grollen der feuerspeienden Berge zu vernehmen, die sie auf Hawaii angetroffen hatten. War denn an der Mythologie der Polynesier wirklich etwas dran? * Die vier Gefangenen waren gefesselt worden. Hasard und die Rote Korsarin überlegten noch, ob sie auf das Eintreffen der „Santa Ana“ warten oder ihr lieber entgegensegeln sollten, da meldete sich Dan O'Flynn erneut aus dem Hauptmars. „Mastspitzen an der südlichen Kimm!“ Wirklich, es war die Manila-Galeone. Der Seewolf ließ ihr signalisieren, sobald er sicher war, daß Smoky und die anderen die „Isabella“ sehen konnten. Etwas später lagen dann die drei Schiffe wieder nebeneinander wie vor Hawaii. Mit dem einzigen Unterschied, daß diesmal die „Isabella“ und die „Santa Ana“ das schwarze Schiff in die Mitte nahmen. Der Kutscher bereitete eine kräftige heiße Mahlzeit zu, Hasard ließ eine Extraration Rum an die Männerausteilen. Und so feierten sie in bescheidenem Rahmen den erfolgreichen Abschluß der düsteren DeGalantes-Episode. „Ich würde gern mit euch fahren“, sagte Thomas Federmann, als er zu Hasard trat. „Aber ich glaube, der Zauber von Hawaii ist doch stärker.“
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„Pele übt also eine Art von sanfter Macht auf Sie aus, ' Thomas“, sagte Siri-Tong. „Im übrigen dürfte Ihr Drang, das Leben der Eingeborenen auch weiterhin zu studieren und auf Ihren wunderbaren Bildern festzuhalten, wohl übergroß sein. Und nicht zuletzt — Sie haben doch auch Frau und Kinder auf der Insel, nicht wahr?“ „Ich sagte doch schon ...“ „Ach, richtig“, erwiderte sie. „Auf Hawaii seid ihr alle eine große, glückliche Familie. Das hatte ich schon fast wieder vergessen.“ Er war ernst geworden. „Tut mir leid, daß Sie sich darüber anscheinend amüsieren, Madame. Aber Sie müßten wohl mehr Zeit als nur ein paar Tage bei uns verbringen, um diese Art von Geisteshaltung und Moralkodex zu begreifen.“ „Augenblick“, sagte sie beschwichtigend. „Jetzt haben Sie mich falsch verstanden, Thomas. Ich wollte Sie nicht verletzen. Nur finde ich das, was Sie mir über das Stammesleben erzählt haben, auf erfrischende Weise — pikant.“ Federmann riß die Augen weit auf, er war überrascht. Carberry, der nicht weit entfernt stand, rammte Shane den Ellenbogen in die Seite und fragte: „Pikant — was meint sie damit?“ „Scharf gewürzt, oder?“ „Quatsch, was haben denn die Sitten der Insulaner mit Essen zu tun“, brummelte der wackere Profos. Zegú, der Häuptling der Polynesier und König von Hawaii, hielt eine Ansprache, in der er sich noch einmal für die Hilfe der neugewonnenen weißen Freunde bedankte. Zum Abschluß erklärte er: „Und Alewa, Waialae, Mara und Hauula, die ohne euch den Haien zum Opfer gefallen wären, sollen auf ihren Wunsch bei euch bleiben.“ Alewa verneigte sich vor Hasard. „Ich bin deine Dienerin“, sagte sie in fehlerfreiem Spanisch. Hasard mußte lachen, als er Siri-Tongs Blick wahrnahm. Die Korsarin war natürlich eifersüchtig. Wahrscheinlich verspürte sie Lust, wie ein Pumaweibchen auf die Polynesierin loszugehen und ihr die Augen auszukratzen.
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Er legte dem braunhäutigen Mädchen die Hand auf die Schulter. „Das ehrt mich. Und ich weiß dein Anerbieten zu schätzen. Aber ihr könnt nicht auf der ‚Isabella' mitreisen. Die Borddisziplin und die ungeschriebenen Gesetze der Seefahrer dulden es nicht, daß Frauen an Bord eines Segelschiffes weilen.“ Alewa schaute auf und wies auf Siri-Tong. „Aber die schöne schwarzhaarige Frau darf auch bei euch sein.“ „Das ist etwas anderes. Erstens ist sie nur kurze Zeit auf der ‚Isabella' mitgefahren, weil Ciro de Galantes ihr Schiff entführt hatte ...“ „…und zweitens bin ich der Kapitän des schwarzen Seglers“, vervollständigte die Korsarin den Satz. Alewas Augen waren groß, dunkel und traurig. „Ich wünschte, ich könnte auch ein Kapitän sein“, sagte sie so leise, daß nur der Seewolf es vernehmen konnte. „Dann hättest du mich sicher angenommen. Adios, lebe wohl.“ Sie hauchte ihm einen Kuß auf die Wange, dann drehte sie sich um und stieg mit ihren drei Freundinnen vom Achterdeck auf die Kuhl hinunter. Sie kletterten auf die Manila-Galeone hinüber, ohne sich noch einmal umzudrehen. Hasard tat es leid, sie wegschicken zu müssen, aber er mußte hart sein –auch vor sich selbst. „Sie gehören zu euch, und der Mythos von Hawaii darf nicht gebrochen werden“, sagte er zu Thomas Federmann und Zegú. „Hört mir jetzt gut zu. Die Insel, die de Galantes anlaufen wollte, ist nach Danilos Aussage nicht mehr fern. Aber es scheint noch eine andere, weiter im Westen liegende zu geben, die zu dem Archipel gehört.“ Thomas bestätigte: „Das stimmt. Sie ist nicht besonders groß und trägt keinen Namen.“ „Dorthin bringt ihr die spanischen Gefangenen“, sagte Hasard. „Anschließen kehrt ihr mit der ,Santa Ana` nach Hawaii zurück und versenkt sie. Es dürfen keine Spuren zurückbleiben. Was ihr übrigens mit dem letzten Oahu-Krieger aus de
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Galantes' Mannschaft macht, ist eure Sache.“ „Wir vergeben ihm, was er getan hat“, entgegnete Zegú voll Würde. „Er darf auf seine Insel zurück, und der Stamm von Oahu wird wieder sein normales Dasein aufnehmen.” „Ja, die Leute dürften geläutert sein“, meinte nun auch Siri-Tong. „Letztlich sind sie ja auch von de Galantes' Schnaps dazu gebracht worden, sich ihm anzuschließen.“ „Noch etwas“, sagte Hasard. „Auf der Fahrt hierher haben sich Smoky, Jeff, Sam und die drei Wikinger auf der ManilaGaleone beim Zählen der Beute abgelöst.“ „Ja!“ rief Smoky. „Und es sind tatsächlich zwei Millionen ,Pieces of eight, Männer!“ Ein einziger Jubelruf der beiden Crews war die Antwort darauf. Hasard lachte und wandte sich an Thomas Federmann. „Ein Drittel dieses Schatzes steht euch Polynesiern rechtmäßig zu. Nein, keine Widerrede. Ihr nehmt die Piaster mit und vergrabt sie irgendwo auf eurer Insel. Ich weiß, ich weiß, ihr braucht kein Geld, Thomas. Ihr seid auch so glücklich und zufrieden. Aber eines Tages könnten die Münzen euch doch nützlich sein.“ Er sah zu Ben Brighton. „Ben, du sorgst dafür, daß die Piaster zu gleichen Teilen auf die drei Schiffe verteilt werden. Danach brechen wir wieder auf.“ Eine Stunde später segelten die „Isabella“ und das schwarze Schiff nach Westen davon. Vor dem frisch aus Osten blasenden Wind liefen sie gute Fahrt, und ihre Silhouetten wurden sehr rasch vor dem flirrenden Strich der Kimm kleiner. Die auf der „Santa Ana“ Zurückgebliebenen winkten den Seewölfen und Siri-Tongs Crew schweigend nach. Alewa, Waialae, Mara und Hauula hatten Tränen in den Augen. „Warten wir auf den Tag, an dem sie zurückkehren“, sagte Alewa. „Pele, die allmächtige Göttin der Feuerseen, wird dafür sorgen, daß sie uns noch einmal besuchen.“ 5.
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Während der Überfahrt zum fernen, geheimnisvollen Kontinent der Zopfmänner und Mandarine zehrten die Seewölfe noch lange von den Erlebnissen auf Hawaii. Die Gefechtsschäden am Schiff mußten ausgebessert werden. Dann gab es zweimal unliebsame Überraschungen durch rasch über sie hereinbrechende Stürme, die sie abreiten mußten —an Abwechslung fehlte es diesmal weiß Gott nicht, und so verging die Zeit schnell. In den ruhigen Stunden befaßte sich Hasard noch einmal mit allen geheimen Dokumenten, die er in der letzten Zeit Spaniern abgenommen hatte. Da waren die Schriftstücke, die den unfreiwilligen Nachlaß des Kommandanten Sabreras bildeten. Sie boten nichts Neues mehr. Der letzte brauchbare Hinweis, den sie geliefert hatten, hatte die Manila-Galeone betroffen. Wie würden die Spanier auf den Philippinen jetzt staunen, wenn ihre „Nao de China“ nach Ablauf der regulären Frist nicht zurückkehrte! Noch keinem Freibeuter war es gelungen, dieses legendäre Schiff aufzubringen — nicht einmal Francis Drake! Er, Philip Hasard Killigrew, war der erste, der dem mächtigen Feind Spanien diese empfindliche Niederlage beigebracht hatte. Philipp II selbst hatte die Route des Schatzschiffes jedes Jahr neu festgelegt und zuletzt, als auch der Pazifik kein sicheres Gewässer mehr war, Geleitschutz für die „Nao“ angeordnet. Er würde toben, wenn er von diesem Verlust erfuhr. Hasard versuchte sich auszumalen, wie er in den riesigen Hallen des Escorial auf und ab schritt und wutentbrannt die Depesche zerknüllte, die man ihm soeben überbracht hatte. Der Raid wäre Hasard aber wohl kaum gelungen, wenn er nicht Siri-Tongs Beistand in dem Gefecht gehabt hätte. Das vergaß er natürlich keinen Augenblick. Und noch etwas war von entscheidender Bedeutung gewesen: Ciro de Galantes' Tagebuch. Hasard holte dieses Bündel lieblos zusammengehefteter, verknickter
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Blätter jetzt wieder aus der Schublade seines Pultes und las darin. Das, was de Galantes aus Geheimdokumenten über den Kurs der Manila-Galeone abgeschrieben hatte, konnte er überfliegen. Diesmal befaßte er sich mit den Seiten, die er noch nicht studiert hatte. Hasard glättete das vergilbte Papier mit der Hand. Auf den ersten Blick schienen die Aufzeichnungen nichts Besonderes herzugeben. Dann aber stellte er fest, daß de Galantes von dem Original-Logbuch abgeschrieben hatte, das der Kapitän jener Galeone geführt hatte, auf der er Bootsmann gewesen war. Warum? Die Galeone war von den Philippinen aus in die Neue Welt gesegelt. De Galantes schien in seinen Tagebuch-Kopien die interessantesten Begebenheiten dieser Reise wiederzugeben. Eine fesselte Hasard ganz besonders. Sie stammte aus der letzten Aprilwoche des Jahres 1583. „Zur Proviantaufnahme und Trinkwasserbeschaffung Inseln angelaufen“, las er. „Der Name Ladronen, wie dieser Archipel von unseren Landsleuten geheißen wurde, hat sich bewahrheitet. In dieser Nacht sind wir auf das schmählichste überrascht und bestohlen worden.“ Das spanische Wort Ladron bedeutete Dieb. Diebesinseln. Hasard nahm eine Karte zur Hand und folgte mit der Kuppe des Zeigefingers dem westlichen Verlauf des 20. Grades nördlicher Breite. Er war seine Orientierungsmarke auf der Reise nach China — und tatsächlich, wenn man der Genauigkeit der Karte glauben durfte, mußten sich die Diebesinseln nur wenig südlich vom 20. Breitengrad befinden. „Eine ganze Lieferung seltener Waffen ist uns auf diese Art abhanden gekommen“, las er in dem knittrigen Heft weiter. „Geschenke des Gouverneurs von Manila an den Vizekönig von Peru. Ich weiß noch nicht, wie ich mich für diese Ungeheuerlichkeit rechtfertigen soll.“
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Hasard zog langsam die Augenbrauen hoch. O ja, er konnte sich gut in die Lage dieses fremden spanischen Kapitäns versetzen. Ein wertvoller Teil der Ladung ging ihm verloren, später meuterte unter de Galantes' Führung auch noch ein Teil der Besatzung — wie mußten die Befehlshaber in Panama ihm bei seiner Ankunft drüben in der Neuen Welt dann die Hölle heiß gemacht haben! Vielleicht hatten sie ihn sogar vor ein Gericht gestellt und degradiert. Wie auch immer, Hasards Sorge brauchte es nicht zu sein. Wieder senkte er den Blick auf das seltsame Dokument. De Galantes' Handschrift wurde jetzt krakelig, offenbar hatte er seinerzeit Eile gehabt, mit dem Abschreiben fertig zu werden. Er hatte ja ständig befürchten müssen, ertappt zu werden. Es war gar nicht so einfach, den weiteren Text zu entziffern. „Einige wirkliche Prunkstücke“, murmelte der Seewolf. „Von den Portugiesen —in China hergestellt — Radschloß-Drehling — Schnapphahn-Revolverstutzen — wir haben die ganze Insel abgesucht, haben aber diese elenden Wilden nicht mehr finden können —wie vom Erdboden verschluckt ...“ Die Schrift wurde für kurze Zeit wieder etwas leserlicher. Ein ganzer Abschnitt entpuppte sich als ziemlich genaue Beschreibung der Insel. Mit ein bißchen Geschick mußte sie zu finden sein. Die nun folgenden Eintragungen befaßten sich mit einer anderen Etappe der bewegten Reise. Hasard stellte noch immer Berechnungen an, stand dann auf und verließ seine Kammer. Es war ein sonniger Nachmittag. Er kniff unwillkürlich die Augen zusammen, als er auf Deck trat und von dem hellen Licht für Sekunden geblendet wurde. Er blieb auf der Kuhl stehen, balancierte mit leicht gespreizten Beinen die Schiffsbewegungen aus und schaute sich um. Sämtliche Männer waren auf ihren Posten, die Segel standen hervorragend. Die
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Ausbesserungsarbeiten waren abgeschlossen. Jetzt war die „Isabella“ wieder der schmucke Dreimaster, wie Hasard und seine Crew ihn von Englands bestem Schiffbauer gekauft hatten. Dank Ferris Tuckern Künsten sah man die Stellen, an denen die gegnerischen Kanonenkugeln eingeschlagen hatten, kaum noch. Hasard blickte zum schwarzen Schiff hinüber. Es segelte an Steuerbord der „Isabella“. Dort drüben schienen die Dinge auch in bester Ordnung zu sein. Der Stör und Missjöh Buveur waren genesen. Keilereien hatte es bei der Mannschaft in den letzten Tagen nicht gegeben - und das wollte bei einer Crew wie der von SiriTong eine Menge heißen. „Na, ist ja großartig“, sagte Hasard lächelnd. Ben Brighton stand an der Five-Rail und schaute auf ihn hinunter. „Was ist großartig?“ „Daß wir fromme und gottesfürchtige Korsaren der Lissy sind, die weder Tod noch Teufel fürchten“, sagte der Seewolf. Er lächelte immer noch, aber der Klang seiner Stimme hatte sich verändert. Überrascht ließ Ben die Handleiste der Five-Rail los und wanderte nach rechts, zum Niedergang der Steuerbordseite. Er stieg auf die Kuhl und hielt auf seinen Kapitän zu. Dabei ließ er ihn nicht mehr aus den Augen. Hasard winkte seinen Männern zu. Von allen Seiten traten sie jetzt auf ihn zu. Holla, dachte Ben Brighton, es ist mal wieder soweit - der Seewolf hat einen Plan. Wirklich, in Hasards Augen tanzten jene tausend Teufel, die durch ihr Funkeln schon immer angekündigt hatten, wenn er dreimal kräftig gegen den Wind zu spucken oder dem Teufel ein Ohr abzusegeln gedachte. „Ed“, sagte er. „Sag mir, was ein Radschloß-Drehling ist.“ Carberry blieb dicht vor Hasard stehen. Falten bildeten sich auf seiner Stirn. Er war kein Dummkopf, ganz und gar nicht, aber er hatte eine berechtigte Voreingenommenheit. Der Seewolf stellte
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ihm hin und wieder verzwickte Fangfragen. „Alle Mann an die Brassen!“ krähte der Papagei Sir John auf der Profos-Schulter. „Halt den Rand!“ fuhr Carberry ihn an. „Sir, was ein Radschloß ist, weiß doch jeder Knabe.“ „Dann fragen wir doch mal Bill“, sagte der Seewolf lächelnd. Dieses verdammte Lächeln - was heckte er wieder aus? Bill, der Schiffsjunge, trat vor. Er wurde fast rot im Gesicht, weil Hasard ihn um seine Meinung gebeten hatte. So was passierte nicht alle Tage. „Das Radschloß hat im Waffenbau das Luntenschloß abgelöst, Sir“, sagte er. „Erfunden wurde es vor ungefähr fünfzig Jahren. Beim Radschloß reibt sich ein mit einer Radfeder verbundenes, gezahntes Rädchen an einem Stück Schwefelkies, dadurch entstehen Funken, und die zünden dann die Pulverladung.“ Er holte tief Luft und fuhr fort: „Man spannt das Radschloß mit einem Schlüssel. Wird der Abzug betätigt, gibt eine Feder einen Sperrhebel frei, das Rad dreht sich und reibt sich an dem Schwefelkies, der zwischen den Hahnlippen eingeklemmt ist. In Pistolen und Gewehren werden Radschlösser eingebaut, und die Waffen sind das Beste und Teuerste, das hergestellt wird.“ ' „Du hast deine Lektion gut gelernt“, sagte der Seewolf. „Wer hat dir denn Unterricht gegeben?“ „Al Conroy, Sir.“ „Aha.“ Hasard blickte zu Al, dem Waffenexperten, und der schaute plötzlich verlegen drein. Dieses „Aha“ war nämlich schon soviel wie ein Lob. Dabei weihte Al den Schiffsjungen aus reiner Selbstverständlichkeit in die Geheimnisse der Waffenkunde ein, wie sich auch die anderen der Crew väterlich um Bill bemühten. „Na also“, sagte Carberry. „Das war's. Ich habe also recht gehabt, Sir.“ „Und was ist mit dem Drehling?“ „Drehling - nun, das ist ein Ding, das sich dreht“, sagte der Narbenmann verdattert. „Was für ein Ding denn?“ „Ein ...“
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Aus, ich hab's ja gewußt, dachte Carberry. Wieder 'reingefallen, es ist zum aus der Haut fahren. „Al“, sagte Hasard. „Kannst du uns weiterhelfen?“ Conroy rieb sich mit der Hand das Kinn. „Vielleicht. Dieser Drehling ist meiner Meinung nach eine Revolverwaffe mit Radschloß, wahrscheinlich eine Flinte das heißt, sie hat eine drehbare Trommel mit sechs oder acht Schuß, vielleicht auch mit noch mehr Kammern.“ „Donnerwetter“, entfuhr es dem Profos. „Ich hab keine Ahnung gehabt, daß es so was gibt.“ „Solche Waffen existieren auch noch nicht lange“, erwiderte Al. „Aber ich bin dein Profos - du hättest mir was davon sagen müssen“, fauchte Carberry aufgebracht. Hasard hob die Hand. „Moment. Wenn ich Al richtig verstanden habe, befinden sich solche Drehlinge noch im Versuchsstadium. Man weiß offenbar noch nicht, ob sie dauerhaft funktionieren. Und ich nehme an, daß es sehr aufwendig ist, einen Radschloßmechanismus mit einer drehbaren Trommel in Verbindung zu bringen.“ „Das ist sicher“, sagte Al. „Es kostet eine Menge Geld, solche Dinger zu bauen. Ich selbst habe mal an einem Modell herumgebastelt, es dann aber nicht zu Ende geführt, weil mir die Mittel und das Material fehlten.“ „Eigentlich ist das sehr schade“, meinte Hasard. Sein Gesichtsausdruck war jetzt geradezu verschmitzt. „Man müßte Gelegenheit haben, diese Wunderwaffe auszuprobieren. Al, was ist denn ein Schnapphahn-Revolverstutzen? Doch wohl beinahe das Gleiche, nur mit dem Unterschied, daß die Waffe statt eines Radschlosses ein Schnapphahnschloß hat, oder?“ „Ja.“ „Nun doch die Katze aus dem Sack, Hasard“, drängte Ben Brighton. „Du hast wieder in deinen erbeuteten Papieren geblättert, nicht wahr? Ist darin von
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Radschloß-Drehlingen und Revolverstutzen die Rede?“ „Ja. Und ich weiß, wo wir sie finden. Auf den Diebesinseln.“ „Was? Was für Diebe hausen denn da?“ sagte Carberry. „Wie sie aussehen, weiß ich auch noch nicht“, entgegnete der Seewolf. „Aber wir laufen die Inselgruppe an, dann sehen wir ja bald, mit wem wir es dort, auf den Ladronen, zu tun haben.“ * Hasard ließ Siri-Tong signalisieren. Sie nahmen beide Fahrt aus den Schiffen, staffelten aufeinander zu und verständigten sich, als sie nur noch etwa eine halbe Kabellänge auseinander lagen. Hasard rief ihr zu, was er plante. Wenn sie auch gemeinsam nach China segelten — Siri-Tong war eigenständig und konnte tun und lassen, was sie wollte. Sie konnte also mitsegeln zu den Ladronen, aber genauso gut stand es ihr frei, den Kurs beizubehalten und die Überfahrt vom Seewolf getrennt fortzusetzen. Doch sie war sofort Feuer und Flamme — und ihre Männer auch. „Wir sind mit von der Partie, Hasard!“ rief sie. „Diebesinseln“, ertönte Thorfin Njals dröhnender Baß. „Wollen doch mal sehen, was sich diese Burschen dort alles unter den Nagel gerissen haben!“ Einen Tag darauf standen sie mit der „Isabella“ und dem schwarzen Segler kurz vor den Ladronen. „Jedenfalls, soweit es meine Karten betrifft“, sagte der Seewolf zu den Achterdecksleuten. „Hoffen wir, daß sie nicht alle grundfalsch sind.“ „Deck!“ rief in diesem Augenblick Dan O'Flynn aus dem Großmars. „Mastspitzen Steuerbord voraus!“ Der Seewolf bewaffnete sich mit dem Fernrohr und eilte auf die Back. „Sehen wir uns die Besucher mal an“, sagte er. „Ich schätze, daß es Dons sind.“ Auf dem Backdeck angelangt, hob er das Spektiv ans Auge und suchte an der Kimm
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nach Dans Entdeckung. Weniger später hatte er sie entdeckt. „Wir sind auf dieser Position 1 500 bis 2 000 Meilen von den Philippinen entfernt“, teilte er seinen Männern mit. „Praktisch heißt das, wir müssen auf der Hut sein, weil die Gewässer jetzt zunehmend vom Feind kontrolliert werden.“ Carberry war zu ihm getreten. „Wir könnten uns als Spanier tarnen, die Brüder anrücken lassen und ihnen dann die Jacke vollhauen.“ „Warten wir ab, Ed“, sagte Hasard. „Zuerst will ich sehen, welchen Kurs sie nehmen. Wenn der Abstand geringer geworden ist, haben wir immer noch genug Zeit, unser Schiff klar zum Gefecht zu machen.“ „Aye, Sir.“ Kurze Zeit darauf hatten sie die Schiffe im Westen einwandfrei als Spanier identifiziert. „Vier Kriegssegler“, stellte Hasard nüchtern fest. „Sie kreuzen und halten im Zickzack auf uns zu.“ Er war auf alles gefaßt, auch auf ein Gefecht. Aber etwas später drehte der spanische Verband unverhofft nach Süden ab und zog mit Ostwind davon. „Was soll das denn?“ sagte Edwin Carberry verdutzt. „Sie nehmen an, wir seien Landsleute“, erwiderte Hasard. „Hier sind die Dons offenbar etwas weniger argwöhnisch als in der Neuen Welt. Was mit ihrer ManilaGaleone passiert ist, wissen sie ja noch nicht.“ „Stimmt, hellsehen können sie nicht“, meinte der Profos. Hasard schob das Fernrohr zusammen und sah mit bloßem Auge dem Viererverband nach, wie er hinter der südwestlichen Kimm verschwand. „Bist du wild darauf, dich wieder mit den Spaniern herumzuschlagen, Ed“ „Nicht besonders.“ „Ich dachte, du könntest es kaum erwarten, daß wieder die Fetzen fliegen.“ Sie sahen sich an und grinsten. Schließlich setzte Carberry aber wieder eine ernste Miene auf, kratzte sich an seinem Rammkinn und sagte: „Also schön, die
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Dons haben keinen Verdacht geschöpft, wer wir sind. Aber zurück zu diesen Dieben auf den Inseln. Müssen wir die mit Samthandschuhen anfassen oder können wir dreinhauen, wie wir wollen?“ „Das hängt ganz davon ab, zu welcher Kategorie von Eingeborenen sie zählen“, versetzte der Seewolf. „Vielleicht finden wir so friedliche Menschen wie die von Hawaii vor, vielleicht aber auch nicht. Aber im Prinzip habe ich nicht vor, mit ihnen zu kämpfen. Vielmehr will ich ihnen ein paar von den Waffen abkaufen, die sie den Spaniern geklaut haben.“ „Was — abkaufen?“ „Ed, die Insulaner sind nicht unsere Feinde.“ „Aber sie könnten es werden.“ „Ebenso gut könnten wir uns mit ihnen gegen die Spanier verbünden“, erwiderte Hasard eine Spur schärfer. „Mister Carberry, spar dir deine Rauflust für später auf. Wenn wir erst die Philippinen anlaufen, kannst du dich noch genug austoben. Mehr vielleicht, als dir recht ist.“ Carberry ging davon und murmelte etwas, das wie „So war das doch nicht gemeint“, klang. Am späten Nachmittag hatten die „Isabella“ und das schwarze Schiff die Inselgruppe vor sich. Mit raumem Kurs segelten sie darauf zu. Es handelte sich um viele kleine Inselflecken, die in einer sanft geschwungenen Linie nach Süden hin verstreut in der See lagen — als habe ein Gigant Felsbrocken in die Faust genommen und ins Meer geschleudert. Hasard hatte sich die Beschreibung, die in de Galantes' Tagebuch festgehalten war, genau gemerkt. Während sie an der Ostseite des Archipels entlangsegelten, beobachtete er durch das Spektiv. Als es fast dunkel war, hatte er das Eiland entdeckt, das mit den Schilderungen des Spaniers übereinstimmen konnte — wenigstens was die äußere Beschaffenheit betraf. „Langgestreckt, dicht bewachsen und von einem schmalen Streifen Strand gesäumt“, sagte er. „In ihrem Inneren gibt es ein paar nicht sehr bedeutende Erhebungen. Sie ist
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schätzungsweise so groß wie die Schlangen-Insel, unsere Ladrone. Menschen kann ich nicht entdecken.“ Smoky lachte auf. „Jetzt kann Ed ja wieder mit seiner Unkerei anfangen. Von wegen Kopfjäger, Menschenfresser und so.“ „Hör auf!“ rief der Profos vom Niedergang zur Kuhl. „Wer zuletzt lacht, lacht am besten, das weißt du ja.“ Hasard drehte sich um und trat an den Querabschluß der Back, der zur Kuhl wies. „Wir steuern die Insel an, ankern und gehen an Land. Dann werden wir sehr schnell feststellen, ob sie bewohnt ist oder nicht.“ Die Insel wies zwei Buchten auf, eine im Nordosten und eine im Süden. Die im Süden suchte der Seewolf mit seiner „Isabella“ auf. Er ließ die Tiefe ausloten und befand sie für ausreichend. Wenig später geiten die Männer die Segel auf und ließen die Anker ausrauschen. Inzwischen war auch das schwarze Schiff in der geräumigen, q-förmig geschwungenen Bucht angelangt. Siri-Tongs Befehle schallten herüber. Bei Dunkelheit pullten sie mit den Booten an Land — Hasard, die Rote Korsarin und jeweils acht Mann der beiden Crews. „Bilden wir zwei Trupps“, sagte Hasard, als sie aus den Booten gejumpt waren und sie auf den weichen Sandstrand gezogen hatten. „Ich schlage vor, meine Männer gehen nach Westen um die Insel herum.“ „Gut, dann wenden wir uns nach Osten und anschließend nach Norden“, entgegnete Siri-Tong. „Beeilen wir uns. Zum gründlichen Erforschen der ganzen Insel ist es sowieso schon zu dunkel.“ „Vorwärts!“ rief der Seewolf seinen Männern zu. Sie hasteten am Ufer entlang. Mißtrauisch hielten sie die Augen offen. Carberry hatte da nicht unrecht: Sie waren schon oft heimtückisch angefallen worden. Mit den Bewohnern vieler Inseln war nicht zu spaßen. Hawaii war eine angenehme Überraschung und große Ausnahme gewesen, was dies betraf. Hasard drang ein paarmal in das Gestrüpp ein, gelangte aber nicht weit. Der Urwald
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auf der Insel war an den meisten Stellen undurchdringlich, und in der Finsternis war es ein Ding der Unmöglichkeit, sich hindurchzuhauen. Man war. dabei gefährlichen Tieren und bewaffneten, angriffslustigen Wilden, die überall lauern konnten, wehrlos ausgeliefert. Denn die kannten ihr Territorium ausgezeichnet, und die Nacht war ihr Verbündeter. An der Westseite des Eilands trafen Hasard und seine Begleiter wieder mit Siri-Tong und deren Gruppe zusammen. „Nichts“, sagte sie. „Keine Wilden, keine besonderen Vorkommnisse.“ „Bei uns auch nicht“, erwiderte Hasard. Er lauschte dem Konzert, das in dem dichten, verfilzt wirkenden Busch eingesetzt hatte. „Eine reichhaltige Tierwelt scheint es hier ja zu geben, aber der Rest steht noch in den Sternen. Denn ich bin nicht sicher, ob wir die richtige Insel gefunden haben.“ „Es könnte auch eine der weiter im Süden liegenden sein“, meinte Shane. „Die Beschreibung könnte immerhin nicht nur auf die eine, sondern auf mehrere Inseln passen.“ „Schön, aber wir können nicht bei Nacht weiterforschen“, sagte Thorfin Njal, der zu Siri-Tongs Trupp gehörte. „Wir bleiben hier“, sagte Hasard. „Einverstanden?“ „Zwangsläufig“, entgegnete die Korsarin. „Ich schlage vor, wir stellen lieber Wachtposten an allen wichtigen Punkten der Insel auf. Auf den Schiffen sind wir zwar relativ sicher, aber falls ein Angriff von hier aus erfolgt, hören die Posten es rechtzeitig im Urwald rascheln und warnen uns.“ Hasard nickte. „Für uns empfiehlt es sich auf jeden Fall, keine Vorsichtsmaßnahme zu versäumen.“ So besetzten sie alle wichtigen Punkte der Insel mit Doppelposten, insgesamt acht Mann. Danach zogen Hasard, Siri-Tong und die übrigen Männer sich wieder auf die Schiffe zurück. Vom Achterdeck der „Isabella“ aus schaute der Seewolf dann noch eine Zeitlang zu der Insel hinüber. Im Wald
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regte es sich unaufhörlich, da war kreischendes, schnatterndes Leben. Trotzdem erschien es ziemlich unwahrscheinlich, daß in dem feuchten, parasitenverseuchten Busch Menschen hausten. Nicht einmal die Kuppen der Hügel reichten über die Vegetationsgrenze hinaus. Mit anderen Worten, sie waren genauso dicht bewachsen wie der gesamte Rest der Insel, vom Strand abgesehen. „Ben“, sagte er zu seinem Ersten. „Ich schätze, im Morgengrauen brechen wir wieder auf. Legen wir uns also zeitig schlafen. Dies hier scheint nicht die Insel der Waffendiebe zu sein.“ 6. Im ersten schwachen Tageslicht gab es dann aber doch eine Überraschung. Muddi, der mit Bill the Deadhead zusammen am Nordostkap der Insel Wache geschoben hatte, erschien erregt auf dem Strand der Ankerbucht. Er fuchtelte herum und rief dabei etwas, das keiner verstand. Dann machte er sich an dem Boot zu schaffen, das für die Posten am Ufer zurückgelassen worden war. Er wollte es ins Wasser schieben, aber da stürmte auch Bill the Deadhead heran und brüllte: „Verdammt, warte doch auf mich, du Idiot!“ Hasard war längst auf den Beinen. Vorsichtshalber ließ er ein Beiboot abfieren, enterte mit Ben, Ferris, Shane, Carberry, Smoky, Dan und Blacky ab und nahm Kurs auf das Boot der beiden SiriTong-Männer. Muddi und Bill the Deadhead pullten auf das schwarze Schiff zu. Auf dem Viermaster erschienen jetzt die Gestalten von Siri-Tong und fast der gesamten Mannschaft am Schanzkleid. „Was ist denn los?“ rief die Korsarin. „So redet doch!“ „Habt ihr ein Ungeheuer gesehen?“ schrie Carberry. „Einen Drachen vielleicht?“ „Hör doch auf“, brummte Big Old Shane. „Was wir auf den Galapagos-Inseln an
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Tieren gesehen haben, gibt es hier garantiert nicht.“ „Warum sind die beiden dann so aus dem Häuschen?“ wollte der Profos wissen. „Gekämpft haben sie doch anscheinend mit niemandem. Sie sind jedenfalls unverletzt.“ Beide Boote hielten auf das schwarze Schiff zu und trafen fast gleichzeitig an dessen Bordwand ein. Muddi. war kalkweiß im Gesicht, er enterte als erster an der Jakobsleiter auf. Es folgten Bill the Deadhead und Hasard, dann Ben Brighton und nach ihm die anderen Seewölfe. „Madame“, stieß Muddi hervor, als er oben auf der Kuhl angelangt war. „Sie müssen mir glauben, ich habe keine Schuld daran.“ „Nun reiß dich doch zusammen und sprich Klartext“, fuhr sie ihn an. „Was faselst du da?“ Muddis Augen waren weit aufgerissen, und es flackerte bedenklich darin. Eigentlich hieß er Robinson, zumindest nannte er diesen Namen als seinen rechtmäßigen. Muddi, das fanden die SiriTong-Leute, paßte aber besser zu ihm. Muddi hieß nämlich soviel wie Dreckiger, Schmuddeliger. Und das war dieser Bursche auch - die dreckigste Ratte, die an Bord des schwarzen Schiffes herumlief. Cookie war der Inbegriff der Sauberkeit im Vergleich zu ihm. Muddi wusch sich so gut wie nie, und angeblich war sein Charakter genauso schmierig wie sein Äußeres. Er schlief gewöhnlich allein an Deck, und im übrigen bereitete sich die Crew einen Spaß daraus, ihn von Zeit zu Zeit ins Wasser zu werfen und danach auf Deck sauberzuschrubben. Er hatte fast immer schlechte Laune, trank fast soviel wie Missjöh Buveur und hatte es auf der Lunge. Auf Hawaii wäre er über badende Polynesierinnen hergefallen, wenn Thorfin Njal ihn nicht mit eiserner Hand zurückgehalten hätte. Dies alles hatte Muddi keinesfalls Sympathien eingebracht. Und jetzt stand er da und stammelte herum.
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„Madam“, sagte er. „Lassen Sie mich nicht auspeitschen oder an der Rahnock aufhängen - bitte nicht.“ „Ich lasse es trotzdem tun, wenn du nicht endlich damit herausrückst, was vorgefallen ist!“ „Allmächtiger, steh mir bei“, jammerte Muddi. „Bill!“ schrie die Rote Korsarin. Bill the Deadhead trat einen Schritt vor und wollte zu sprechen beginnen, da stieß Muddi ihn beiseite und rief: „Geister! Es gibt böse Geister auf der Insel. Es spukt!“ „So ein hirnverbrannter Unsinn“, sagte sie verächtlich. „Und deswegen führst du dich so auf? Du solltest mich zur Genüge kennen, Robinson, ich dulde keinen Mummenschanz und keine Bangemacherei an Bord meines Schiffes. Wieviel Schnaps hast du auf Wache getrunken? Du weißt, daß ich dir dafür die Neunschwänzige zu schmecken gebe.“ „Hauch mich an!“ brüllte Thorfin Njal. Muddi tat es, aber der Wikinger schüttelte nur sein behelmtes Haupt. „Stocknüchtern, Siri-Tong. Muddi, willst du jetzt endlich auspacken? Oder muß ich das, was geschehen ist, aus dir herausbeuteln?“ Er griff schon nach Muddi, aber der gab sich jetzt einen Ruck und antwortete: „Nein, nicht nötig. Ich —ich bin ganz ruhig. Die Ruhe in Person. Ich stelle mich — der Wahrheit.“ „Bei Odin.“ „Der macht es vielleicht spannend“, sagte der Stör, der zwar noch ein bißchen käsig im Gesicht war, aber schon wieder normale Decksarbeit leisten konnte. „Meine Muskete, die Pistole und mein Säbel — alles weg“, sagte Muddi. „Einfach verschwunden. Ich weiß nicht, wie. Bill kann es bestätigen. So, jetzt ist es 'raus.“ „Und es ist dir furchtbar „ peinlich, nicht wahr?“ fragte der Seewolf. Muddi wandte ihm das Gesicht zu. Er sah wirklich furchtbar verbiestert aus. „Jawohl. Bei allem Schnaps, bei meinen Schandtaten und dem bißchen Ehre, das ich noch im Leib habe — so was ist mir noch nichtpassiert. Da kann bloß der
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Teufel dahinterstecken. Oder Dämonen. Das geht nicht mit rechten Dingen zu.“ „Bill“, sagte Siri-Tong. „Nun äußere du dich doch auch endlich mal.“ Bill wechselte das Standbein. Er war ein großer und stämmiger, dunkelblonder Mann, der grobschlächtig wirkte und gelegentlich Streit suchte. Um den Hals trug er eine grobe Kette mit einem handtellergroßen Totenkopf aus purem Gold daran, die hatte ihm seinen Beinamen eingebracht. Er war zwar auch kein Engel, aber SiriTong schenkte ihm immer noch mehr Glauben als Muddi, diesem verkommenen Burschen. „Also, das war so“, begann Bill. „Muddi saß nicht weit hinter mir, während ich im Einsetzen des Morgengrauens die Augen zur See hin offenhielt. Plötzlich fing er an zu fluchen. Da habe ich mich umgedreht. Und da waren die Muskete, die Pistole und der Säbel schon weg. Wie vom Boden verschluckt.“ „Ich hatte die Muskete und den Säbel gegen einen Baumstamm gelehnt“, erklärte Muddi. „Die Pistole steckte in meinem Gurt, und zwar in der rechten Körperseite.“ „Du hast gepennt“, sagte Thorfin Njal. „Nein, das habe ich nicht“, entrüstete sich Muddi. „Hat er wirklich nicht“, bestätigte Bill the Deadhead. „Ich sitze da und taste ganz zufällig nach meiner Pistole“, fuhr Muddi in seinem Bericht fort. „Da merke ich. daß sie weg ist. Ich drehe mich um und schaue nach meiner Muskete und dem Säbel, aber die sind mit einem Schlag auch futsch. So war das, ich schwör's.“ „Ein Affe könnte die Waffen geklaut haben“, sagte Ferris Tucker. „Oder mehrere Affen.“ „So große Affen gibt's hier nicht“, erklärte Carberry.. „Und ein Affe kriegt niemals die Pistole aus dem Gurt eines ausgewachsenen Seemannes 'raus“, meinte nun auch Juan. „Das ist einfach nicht drin. Ihr könnt über Muddi herziehen, wie ihr wollt — das würde er merken.“
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„Also waren Gespenster am Werk“, sagte Mike Kaibuk dumpf. „Die Insel ist verwunschen. Wir müssen hier schleunigst weg.“ „Jetzt hört aber auf, ihr Narren!“ rief Thorfin Njal erbost aus. „Verzeihung, SiriTong, aber diese beiden Figuren hier haben mich mächtig in Wut gebracht, Bill the Deadhead, bist du plötzlich stumm geworden, oder was ist los?“ „Wir waren beide hellwach und haben nicht gesoffen“, erwiderte Bill. „Und trotzdem ist das passiert. Ich kann es mir nicht erklären.“ Siri-Tong musterte sie kalt. „Ihr habt beide gepennt, das ist es. Wahrscheinlich haben die Kameraden auf der Insel euch einen Streich gespielt, und jetzt versucht ihr euch herauszureden. Ich lasse euch alle beide auspeitschen, wenn ihr nicht die Wahrheit sagt!“ Hasard trat vor. „Jetzt tust du den beiden aber wirklich unrecht“, sagte er lächelnd. „Merkst du denn wirklich nicht, in welcher Richtung das Ganze läuft?“ „Willst du behaupten ...“ „Ja. Wir haben die Insel der Waffendiebe gefunden. Wir sind nicht die ersten, die wie blutige Anfänger von ihnen überlistet wurden.“ * Hasard, Siri-Tong und dreißig Männer beider Crews begaben sich sofort wieder an Land. Am Strand trafen sie auf Matt Davies und Al Conroy, einen weiteren Doppelposten, der während der Nacht auf der Insel Wache geschoben hatte. Nachdem Hasard über Muddis und Bill the Deadheads Abenteuer berichtet hatte, sagte Al Conroy: „Wir können bestätigen, daß die beiden nicht geschlafen haben. Wir sind Patrouille gegangen und haben sie dabei mehrmals kontrolliert.“ „Das ist doch wirklich ein tolles Ding“, entfuhr es Siri-Tong. „Habt ihr keine Fremden entdeckt?“ fragte Hasard. „Das hätten wir dir doch selbstverständlich sofort gemeldet“, entgegnete Matt Davies.
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„Ja, sicher. Spuren habt ihr auch nicht gesehen?“ „Nein“, sagte Al. „Wir schwärmen aus“, sagte Hasard. „Wir bilden Sechser-Gruppen und kämmen systematisch das Inselinnere ab. Wer Hilfe braucht, gibt einen Schuß in die Luft ab, dann stoßen die anderen Trupps zu ihm. Zwei Schüsse sind das Zeichen für die auf den Schiffen Zurückgebliebenen, daß sie anfangen sollen, die Insel zu runden. Vielleicht brauchen wir ja Feuerschutz.“ „Es müßte doch mit dem Teufel zugehen, wenn wir die verdammten Waffendiebe nicht finden würden“, sagte die Rote Korsarin. * Schwelender Rauch geisterte durch die große Höhle und setzte sich blakend an den Wänden und der Decke fest. Das Feuer, das ihn erzeugte, glomm nur noch. Ein Restschimmer rötlichgelben Lichtes warf zuckende Muster auf das Antlitz von Kunima. Kunima saß, die Beine übereinandergeschlagen, auf einem Felllager und betrachtete seine neuesten Errungenschaften — eine Muskete, eine Pistole und einen Säbel. Zwei mutige Krieger seines kleinen, aber wehrhaften Stammes waren in der Nacht aufgebrochen, um Beute zu machen. Sie hatten es fertiggebracht, einem der weißen Eindringlinge die Waffen zu stehlen, ohne daß er es vorzeitig bemerkt hatte. O ja, sie waren Meister in der Kunst des Anschleichens und in der Fingerfertigkeit, die man brauchte, um einem „Opfer“ die Pistole aus dem Gurt zu ziehen, ohne daß er davon etwas spürte. Kunimas Späher hatten am Abend die Ankunft der zwei Schiffe gemeldet und den Häuptling laufend über die Aktionen der Fremden unterrichtet - daß sie an Land gegangen wären, den Strand rund um die Insel abgesucht und dann Wachen aufgestellt hätten. Kunima hatte nur grimmig darüber gelacht.
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Die Fremdlinge trugen keine Eisenpanzer am Leib und spitze Helme auf den Häuptern. Sie schienen nicht zu dem Stamm der Schwarzbärtigen zu gehören, die früher auf dieser Insel gelandet waren und denen er, Kunima, alle wertvollen Waffen hatte abnehmen lassen. Diese Neuen schienen also mit den Gepanzerten nichts zu tun zu haben. Sie waren nicht hier, um Kunima für das, was vor Monaten vorgefallen war, zu bestrafen. Sie wußten von alledem nichts. So glaubte er, freie Hand zu haben. Kunima war ein wüster Mann mit breitem, fast eckig geschnittenem Gesicht und brutalen Zügen. Seine Lippen waren dünn, seine Nase gedrungen und fleischig. In seinen kleinen braunen Augen funkelten Haß und Tücke. Sein Haar hing ihm wirr vom Kopf und erinnerte an viele dünne schwarze Wurzeln. Seine Kleidung bestand aus einem grauen Fell, das er sich um die Lenden geschlungen hatte. Er drehte und wendete die Beutestücke. Die Muskete, die er Feuerrohr nannte, war im Gegensatz zu den vielen reich verzierten Rohren, die in einer Nebenhöhle lagerten, ein simples Ding. Die Pistole - er bezeichnete sie als Feuerstock - war auch nicht mit Ornamenten und Glitzerkram versehen. Auch der Säbel war nur ein ganz einfaches Schneidemesser, wie Kunima in der Sprache seines Stammes sagte. „Fremde“, murmelte er wütend. „Der Fluch der Götter soll euch treffen. Die Erde soll aufklaffen und euch verschlingen. Zerspringen sollt ihr. Habenichtse. Armes Gesindel -mehr habt ihr nicht angeschleppt?“ Er liebte die Verzierungen der anderen Beutewaffen über alles, fast noch mehr als die üppigen Frauen seines rund hundert Köpfe zählenden Volkes. An diesen glänzenden, ziselierten Schäften und Läufen mit den hübschen Bildern, die vielfach ganze Jagd- und Kriegsszenen darstellten, konnte er sich nicht satt genug sehen. Darüber hinaus hatte er es gelernt, mit den Waffen der Panzermänner umzugehen.
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Und er war stolz darauf, wie er den Donner und das Feuer, das aus diesen Rohren spuckte, gezähmt hatte. Nur ein Häuptling wie er konnte die unheimliche Macht der Fremden bezwingen, das hatte er seinen Kriegern immer wieder gesagt. Aber jetzt dies! Die schmucklosen Waffen waren eine Beleidigung. Er fühlte sich in seiner Häuptlingsehre gekränkt. Mit einer wilden Geste schleuderte er die Muskete von sich. Sie polterte auf den Höhlenboden. Die Steinschloßpistole flog gleich hinterher. Sie landete mit einem scheppernden Laut. Aber gleich darauf krachte es, daß alle Höhlenbewohner zusammenfuhren. Kunima hatte den Hahn der geladenen Pistole gespannt gehabt. In seiner Wut hatte er nicht mehr daran gedacht. Ein Feuerblitz stob aus der Waffenmündung, die Pistole rutschte ein Stück unter dem Rückstoß. Die Kugel fuhr in die eine Wand der Kaverne, ohne Schaden anzurichten. Die Krieger wichen zurück, sie glaubten an einen bösen Zauber, der den Schuß ausgelöst hatte. Die stämmigen Frauen brachten sich in Sicherheit und schützten ihre Kinder. Ein Dreijähriger begann zu weinen und mit den Beinen zu strampeln. Sonnenlicht drang durch verborgene Schächte in das Höhlenlabyrinth, und Kunima brauchte kein Feuer mehr, um die Versammlung mit den entsetzten Gesichtern erkennen zu können. Er hieb mit dem Säbel in die Feuerstelle, daß Asche und Funken stoben. Finster starrte er sie an. „Weichlinge und Memmen“, fuhr er sie in der gutturalen Sprache der Mikronesier an. „Ihr könnt euch wie Schlangen durch das Gehölz winden und dem Feind dumme Kinderstreiche spielen, mehr aber auch nicht.“ „Du selbst hast es uns doch befohlen!“ rief einer der älteren Männer. Sein Name war Sadowe. An den nächtlichen Diebeszug hatte er zwar nicht teilgenommen, aber er zählte zu den ganz wenigen, die sich dem
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Häuptling gegenüber ein Widerwort erlauben durften. „Schweig!“ brüllte Kunima aber auch ihn an. „Wenn du so weiterschreist“, sagte Sadowe gedämpft, „lockst du noch die Fremdlinge an.“ Kunima erhob sich von seinem Lager. Er war groß, trotz seiner krummen, häßlichen Beine. In seiner Statur übertrumpfte er so manchen von den weißen Eindringlingen. Mit seinem wüst verzerrten Gesicht und dem Säbel in der Hand war er eine furchterregende Erscheinung. Er rückte auf Sadowe zu. „Still!“ herrschte er ihn an. „Sonst durchbohre ich dich mit meinem Schneidemesser. Du zitterst ja vor mir — und du hast Angst vor diesen weißen Störenfrieden, die auf ihren hölzernen Kästen über das große Wasser herangesegelt sind.“ „Das ist nicht wahr ...“ „Ihr alle“, zischte Kunima, indem er auf die restlichen Krieger wies. „Ihr habt das Kämpfen verlernt. Ihr prahlt mit euren Taten, aber wenn es wirklich ernst wird, greint ihr wie die alten Weiber. Ihr wißt schon gar nicht mehr, was ein Krieg ist. Fressen, trinken, schlafen, faul herumliegen und Kinder machen — das ist alles, was ihr könnt.“ Sadowe trat ein paar Schritte zurück und zeigte mit erhobener Hand auf eine Anzahl scheußlicher Gebilde, die von einer flachen Stelle der Höhlendecke herabbaumelten. Es waren präparierten Köpfe von Kriegern eines feindlichen Stammes, die vor Jahren auf Einbäumen von der Nachbarinsel herübergefahren waren und dieses Stück Land mit seinem weitverzweigten unterirdischen Labyrinth zu erobern versucht hatten. In einigen Nebenhöhlen hingen noch mehr solcher Siegestrophäen. „Hast du das vergessen?“ fragte Sadowe. „Du beleidigst uns, Kunima, und du sprichst nicht davon, daß die älteren von uns wirklich große Heldentaten vollbracht haben.“ Kunima spuckte verächtlich aus. „Das sind alte Geschichten, und dein Gerede erinnert
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mich an das Brabbeln eines zahnlosen Greises.“ „Du selbst schwingst auch nur große Sprüche, nichts weiter“, erwiderte Sadowe. Er wußte, daß er den Häuptling bis zum äußersten reizte, aber darauf ließ er es jetzt ankommen. Kunima holte mit dem Säbel aus und hieb quer durch die Luft. Er hätte Sadowe getroffen, wenn dieser sich nicht rasch geduckt hätte. „Ich werde dir zeigen, was ich kann!“ brüllte der Häuptling. „Ich fürchte die Übermacht der Fremden nicht, ich heule nicht oder klappre nicht mit den Zähnen, wenn sie mit ihren riesengroßen Feuerrohren von den hölzernen Kästen schießen.“ „Ich auch nicht“, brüstete sich Sadowe. Einzelne Krieger erhoben sich. „Wir könnten sie alle auslöschen, wenn wir nur wollten!“ rief einer von ihnen. „Auf was warten wir?“ sagte ein anderer. „Gehen wir hinaus und greifen wir sie an, diese weißen Dummköpfe.“ Plötzlich redeten sie alle aufgeregt durcheinander, schritten auf ihren Häuptling zu und gestikulierten herum. Besonders aggressiv gebärdeten sich die jungen Männer. „Tötet die Eindringlinge!“ „Schlagt ihnen die Schädel ein!“ „Schneidet ihnen die Hälse durch!“ Kunima trieb Muddis Säbel mit einem Ruck in eine weiche Stelle des Höhlenuntergrundes. Er verschränkte die Arme vor der Brust, stand mit hoch erhobenem Haupt da und rollte mit den Augen. Seine Lippen öffneten sich ein wenig und legten sein Raubtiergebiß frei. Ja, jetzt waren sie wieder wie früher, seine Stammesbrüder — eine Horde grausamer, erbarmungsloser Kopfjäger. Die Ladronen gehörten nicht zu Polynesien, dies war nicht mehr die Welt der sanftmütigen, friedliebenden Eingeborenen, hier war Mikronesien mit einem Menschenschlag primitiverer Prägung und mit blutigen Fehden.
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Alle Eindringlinge ausrotten und ihre Besitztümer an sich reißen, das war auch stets Kunimas Devise gewesen. Nur einmal, bei den Spaniern, hatte er sich damit begnügt, heimlich die prunkvollen Feuerwaffen zu entwenden. Doch heute konnte er sich damit nicht mehr zufriedengeben. Demonstrativ trat er noch einmal gegen Muddis Muskete und rief: „Ich will alles haben - die Feuerrohre, die Feuerstöcke und die Messer dieser Fremden. Ihre schwimmenden hölzernen Festungen und alles was darauf ist - und ihre Köpfe!“ Die Krieger schüttelten die Fäuste und stießen Beifallsrufe aus. Kunima gab Sadowe einen Wink. Dieser ließ sämtliche Beutewaffen zusammentragen und mit dem Pulver und den Kugeln laden, die sie ebenfalls in einer Seitenhöhle gehortet hatten. Unterbrochen wurden die Insulaner in ihren Aktivitäten, als ein Späher in die Haupthöhle trat. Er hatte einen der rund zwanzig im Dschungel verborgenen Eingänge benutzt und dann den Weg durch den von Süden auf die Hauptgrotte zuführenden, gewundenen Stollen genommen. Das Höhlenlabyrinth zog sich fast über die gesamte Insel hin und war für einen Uneingeweihten so gut wie überhaupt nicht zu entdecken. ... „Die Weißen sind wieder gelandet“, meldete der Späher. „Sie haben angefangen, das Gehölz abzusuchen.“ „Wie viele sind es?“ fragte Kunima. „Mehr als dreimal soviel, wie Finger an den Händen sind.“ „Haben Sie etwa ihre riesigen Feuerrohre mitgebracht?“ „Nein, das haben sie nicht“, erwiderte der Späher. „Gut, dann können wir sie leicht niedermachen. Die schwimmenden Kästen liegen noch in der Bucht?“ „Ja.“ Kunima stieß einen knurrenden Laut der Zufriedenheit aus. „Gut so. Wir sind genauso viele Männer wie sie, und wir haben auch die feuerspeienden Rohre und
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Stöcke. Wir sind ihnen überlegen. Wir brauchen sie nur noch dicht genug heran zu lassen, dann haben wir sie.“ Sadowe reichte seinem Häuptling eines der wertvollsten Stücke aus dem Waffenarsenal. Es handelte sich um einen Radschloß-Drehling mit fünfzehn Zoll langem, teils oktogonal geformtem, teils rundem Lauf und einem Mündungswulst. Die Trommel trug aufgesetzte, feuervergoldete Verzierungen in Form von Jagdstücken und einem gekrönten Löwen und hatte sechs Schußkammern, die von einem jungen Krieger geladen worden waren. Kolben und Vorderschaft wiesen gravierte Beineinlagen auf. Kunima wog die Waffe in den Fäusten. Er fühlte sich unermeßlich stark - als Bezwinger des Feuers und Herr des Urwaldes. Noch mehr als dreißig kostbare Langwaffen gehörten zu dieser einmaligen Beute. Zwei Schnapphahn-Revolverstutzen und ein Luntenschloß-Revolvergewehr waren dabei, der Rest bestand ausnahmslos aus aufwendig gebauten RadschloßModellen mit komplizierten Mechanismen. Kunima schickte neue Späher aus. Sie sollten ihm melden, ob es den Fremden gelang, sich bis an einen der Höhleneingänge heran zu arbeiten. Davon hing es ab, wie Kunima seine Kriegstaktik einrichtete. Der Häuptling der Ladrones hatte gesprochen. Ein Dschungelkrieg bahnte sich an. 7. Als irgendwo im Urwald ein Schuß fiel, blieb Hasard stehen. Hinter ihm waren Ben Brighton, Shane, Smoky, Blacky, Batuti und Matt Davies. Sie verharrten ebenfalls. Ferris Tucker war auf der „Isabella“ geblieben. Er hatte während ihrer Abwesenheit die Schiffsführung. „Jemand hat eine Pistole abgefeuert, aber nicht in die Luft“, sagte Hasard. „Dazu klang das Geräusch zu dumpf.“ „Ja“, erwiderte Ben. „Es hat sich so angehört, als habe jemand eine kleine
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Pulverladung mächtig verdämmt und in einem Raum gezündet.“ „Hoffentlich ist keiner von unseren Freunden in eine Fallgrube gestürzt.“ Der Seewolf schritt wieder voran. Er hatte vom Schiff einen Cutlass mitgenommen, ein großes Entermesser mit Doppelschneide und breitem Handkorb. Heftig hieb er damit in das Dickicht. So trieb er einen Keil in das dichte Gestrüpp, und die Männer hinter ihm verbreiterten den Pfad. Moskitos umschwärmten sie. Sie hatten willkommene Beute gefunden. Die Sonnenstrahlen verwandelten die Feuchtigkeit des Dschungels in aufsteigenden Dunst. Klebrige Wärme hüllte die Männer ein, Feindseligkeit hockte in den Büschen. Sie fühlten sich wieder unangenehm an die Fieberhölle von Guayana und an die Abenteuer am Amazonas erinnert. Drecksarbeit, dachte Big Old Shane, Scheißmission, was hat uns nur auf diese verdammte Insel getrieben? Und Matt Davies fragte sich immer wieder: Wer hat bloß den Schuß abgegeben? Wirklich einer von unseren Leuten? Oder ist das eine Falle der Waffendiebe? Sie haben ja Muddis Muskete und Pistole. Hasard vergeudete keine Gedanken. Er grübelte nicht über die Richtigkeit oder Sinnlosigkeit dieses Kommandos nach, er konzentrierte sich nur darauf, so schnell wie möglich voran zu gelangen. In manchen Lagen war es angebracht, geradezu stumpfsinnig vorzugehen. Plötzlich raschelte es im Gestrüpp vor ihm. Hasard hielt inne, zückte seine Pistole, spannte beide Hähne mit dem Daumen und stand mit zwei Waffen in den Fäusten bereit, einen möglichen Angreifer abzuwehren. Seine Begleiter duckten sich lauernd und hatten ebenfalls ihre Waffen in Anschlag gebracht. Das, was im Dickicht gesteckt hatte, brach jetzt heraus und blieb auf kurzen dicken Beinen auf dem soeben von Hasard gehauenen Pfad stehen.
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Es war rund und schwarz und nicht größer als ein kleiner Hofhund. Es beschnupperte den Seewolf aus zwei großen Nasenlöchern, beäugte ihn aus Knopfaugen, stieß dann ein ärgerliches Grunzen aus und tauchte wieder in den Busch. „Teufel, was war denn das?“ ächzte Matt Davies. „Das sieht doch ein Blinder“, erklärte Blacky. „Ein Schwein.“ „Schwarzes Erdferkel“, sagte Batuti. Matt schnitt eine wütende Miene. „Das weiß ich auch, ihr Witzbolde. Ich meine nur — woher kommt das Vieh, wem gehört es?“ „Kann sein, daß es wild im Wald 'rumläuft“, versetzte Smoky. „Warum denn nicht?“ Hasard kämpfte sich weiter vor, und auch die sechs fingen wieder an, auf Schlingpflanzen, Schmarotzergewächse und dicke Schachtelhalme einzuschlagen. „Für ein Wildschwein sah mir das Biest zu kultiviert aus“, sagte Matt. „Bist du Fachmann für Schweinekram?“ fragte Blacky und grinste. „Blacky, wenn du Streit suchst, kannst du ihn haben“, zischte Matt Davies. „Mir geht's nur um eins –wenn das Ferkel von den Wilden der Insel hochgezüchtet worden ist, führt es uns vielleicht zu dem Versteck von diesen Strolchen.“ „Kann sein“, meinte Blacky. Er gestand ein, daß Matt mit seinen Vermutungen recht haben konnte, trotzdem ulkte er weiter. „Wir haben es also entweder mit einem gezähmten Wildschwein oder einem wilden Hausschwein zu tun.“ Hasard sah das Tier noch zweimal vor sich im Busch auftauchen und arbeitete sich jedesmal darauf zu. Die Richtung, in der es sich bewegte, schien auf den Platz zuzuführen, an dem der Schuß abgegeben worden war. Das schwarze Schwein war wieder fort, aber Hasard hieb auch weiterhin mit verbissenem Eifer einen Stollen in die feuchtgrüne Wand. Er war nicht auf das Tier angewiesen. Er traute sich auch so zu, zu dem Urheber des Geräusches zu finden,
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obwohl es nicht leicht war, sich im Dschungel zu orientierten. Wenig später trafen sie mit der Gruppe von Siri-Tong zusammen. Thorfin Njal und die anderen vier Wikinger sowie Bill the Deadhead gehörten mit dazu. „Habt ihr geschossen?“ fragte Hasard sofort. „Nein, wir nicht“, erwiderte die Korsarin. „Wir dachten, ihr hättet das Zeichen gegeben.“ „Jetzt sind wir genauso schlau wie vorher“, meinte Ben Brighton. Hasard hob wieder den Cutlass. „Weiter. Wenn wir hier herumstehen und diskutieren, verlieren wir bloß Zeit.“ Nach weiteren zehn Minuten beschwerlichen Weges stießen sie auf Ed Carberry und dessen Gruppe. Das waren außer dem Profos Pete Ballie, Gary Andrews, Al Conroy, Dan O'Flynn, Jeff Bowie und Sam Roskill. „Nein, wir haben nicht geschossen“, sagte Carberry, als der Seewolf ihn danach fragte. „Ich war sicher, einer von euch wäre es gewesen.“ „Mann“, stöhnte Dan O'Flynn. „Da stehen wir wie der Ochse vorm neuen Tor und wissen nicht mehr weiter.“ „Der Schuß ist irgendwo hier in der Nähe abgegeben worden“, stellte Hasard fest. Seine Augen suchten unablässig den dampfenden Blätterwald ab. „Es müßte doch mit dem Teufel zugehen, wenn wir ...“ Er unterbrach sich. Er hatte das schwarze Erdferkel wiederentdeckt. Keine fünf Schritte von ihm entfernt stand es im Busch und kaute an einem großen Blatt. Hasard zwängte sich durch das Gestrüpp und streckte die Hand aus. Mit den Lippen und der Zunge formte er lockende Laute, aber das Schwein schenkte ihm keine Beachtung. „Komm“, sagte er. „Ich hab was für dich.“ „Komm“, raunte Matt Davies. „Wir ziehen dir das Fell über die Ohren, du Schweinebraten.“ Ob das Tier englisch verstand, war fraglich, aber es drehte sich bei diesen Worten um und lief weg. So als habe es
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etwas begriffen. Hasard stellte ihm nach. Er mußte auf allen vieren kriechen, um voranzugelangen, und einen Pfad konnte er nicht hauen, weil das zu lange gedauert hätte und er somit das Schwein aus den Augen verloren hätte. Blätter schlugen ihm ins Gesicht, Stachel rissen seine Kleidung auf, Moskitos plagten ihn. Irgendein größerer Käfer krabbelte ihm über den Arm. Aber das Ferkel befand sich immer noch deutlich sichtbar vor ihm im Busch. Es legte einen ganz gemächlichen Schritt vor. Hasard griff in etwas Weiches, Warmes. Plötzlich verhielt er wie gelähmt. Er hatte eine Schlange angefaßt. Sie war so groß wie die Shushupe, die man im Amazonasgebiet an - trifft, nur war ihre Zeichnung anders. War sie giftig? Er ließ sie los, tastete nach der Pistole und wartete darauf, daß die Schlange den Kopf hob und sich in Angriffshaltung auf ihn zuschob. Aber sie glitt nur träge tiefer in den Urwald. Hasard atmete auf und schlüpfte dem Schwein nach. Du verflixtes Biest, dachte er, wohin führst du mich? Plötzlich war das Borstenvieh weg. Für eine Sekunde war nur noch sein geringelter Schwanz zu sehen, dann war es wie durch Zauber unsichtbar geworden. Hasard wollte es genau wissen. Er robbte zu der Stelle, an der er es zuletzt gesehen hatte. Mit den Händen bog er Zweige und Blätter auseinander. Und dann, endlich, hatte er die Lösung des Rätsels vor sich. Er drehte sich um und winkte Ben Brighton zu. Ben kauerte unter dichtem Gestrüpp und sah nicht sehr glücklich aus. Mann für Mann schob sich der Trupp auf Hasard zu. Ungefähr in der Mitte der eigenartigen Prozession befand sich SiriTong. Als sie beim Seewolf angelangt war, lugte, sie über seine Schulter. Zwischen dem Gesträuch gähnte ein schwarzes Loch. . „Der Eingang einer Höhle“, flüsterte sie. „Da hinein ist das Schweinchen also
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gelaufen — und dort unten hausen vielleicht die Ladrones, die Waffendiebe.“ „Jeff Bowie und Sam Roskill“, sagte Hasard. „Ihr kehrt um, sucht die drei anderen Gruppen und sagt ihnen Bescheid, was wir gefunden haben. Wenn ihr innerhalb der nächsten Viertelstunde nicht auf sie stoßt, gebt ihr einen Schuß ab.“ „Aye, Sir“, erwiderte Jeff. „Und was tut ihr?“ fragte Sam. „Das ist doch klar“, entgegnete Hasard. „Wir steigen in die Höhle.“ * In dem Gang, der ih die Tiefe führte, war es stockfinster. So vorsichtig wie möglich schob sich Hasard hinunter. Fackeln durften sie nicht anzünden, das Licht hätte sie verraten. Und Geräusche mußten sie nach Möglichkeit auch vermeiden. Am besten wäre es gewesen, wenn sie auch das Atmen hätten abstellen können. Denn überall vor ihnen konnten die Wilden lauern. Hasard war nach wie vor entschlossen, mit ihnen zu verhandeln. Aber wie sollte er sich mit ihnen verständigen? Wenn er jetzt rief und Zeichen gab, faßten sie es mit größter Wahrscheinlichkeit falsch auf und schossen auf ihn. Erst mal mußte er sie geortet haben, dann sah er weiter. Er rechnete von Anfang an fest damit, sie hier unten in der Höhle zu finden. Wo sollten sie sich sonst versteckt halten? Immerhin hatten Hasard und seine Männer inzwischen so gut wie drei Viertel der Insel abgesucht. Ausgespart geblieben waren dabei praktisch nur noch die Erhebungen, für die die Bezeichnung Berge zu hochtrabend war. Buckel paßte besser. Unter diesen Buckeln schien sich ein ganzes System von Gängen und Kavernen hinzuziehen. Hasard hatte rasch festgestellt, daß es nicht bei dem einen Stollen blieb. Er tastete seine Umgebung sorgfältig ab und registrierte, daß es Seitenverbindungen nach links und nach rechts gab.
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Am Ende des nach unten führenden Stollens gelangte er in einen kleinen, von der Natur geschaffenen Kessel. Vier Gänge strebten von diesem Kessel fort. In einem mußte auch das Erdschwein davongelaufen sein. Welcher es war, ließ sich unmöglich feststellen. Es war schon schwer genug, sich überhaupt zu orientieren — ohne Licht. „Was tun wir jetzt?“ wisperte Siri-Tong. „Ich finde, wir sollten zusammenbleiben und uns auf keinen Fall trennen.“ „Ganz meine Meinung“, sagte der Seewolf ebenso leise. „Täusche ich mich, oder schimmert am Ende dieses Ganges wirklich Licht?“ Es war der zweite Stollen von rechts. Die Rote Korsarin spähte hinein. Kurz darauf bestätigte sie ihm, daß auch sie den Schein gesehen hatte. Hasard wählte diesen Gang. Er war nicht besonders hoch, sie mußten sich bücken, als sie darin entlangschlichen. Nach hundertundzwanzig Schritten — Hasard hatte sie genau mitgezählt — erreichten sie den ersten Lichtstreifen. Er fiel schräg von oben ein. Hasard blieb stehen, blickte aus zusammengekniffenen Lidern nach oben und sah, daß es einen schmalen Schacht gab, der an die Eroberfläche führte. Von jetzt an entdeckten sie immer mehr solcher Schächte. Das diffuse Sonnenlicht, das auf diese Art von oben ins Labyrinth drang, wurde ihr Wegweiser und erleichterte ihnen das Vorwärtskämmen. Siri-Tong rümpfte die Nase. In den Höhlen roch es nach allem Möglichen. Nach Rauch und kalter Asche, nach Feuchtigkeit, erdigen Substanzen, vielleicht auch nach Schweiß. Aus einem Nebengang drang ein ganz penetranter Geruch. Carberry schlüpfte hinein. Sein klotziger Leib füllte den Gang fast völlig aus. Es gab ein paar Geräusche, die nicht genau einzuordnen waren, danach kehrte der Narbenmann zurück und blickte die Männer groß an. „Ich habe die Schweine gefunden. Es müssen eine Menge sein, mehr als zwei Dutzend. Und, verdammt,
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die Höhle hat einen miserablen Abzug.“ Erst jetzt schnitt er ein angewidertes Gesicht. „Sie können von mir aus stinken wie die Pest“, sagte der Wikinger. „Aber ich kann mir keinen größeren Leckerbissen vorstellen als ein Spanferkel frisch vom Spieß.“ „Sei doch still“, zischte Siri-Tong ihm zu. „Deinen Baß hört man ja Gott weiß wie weit.“ „Behelmter Nordpolaffe“, murmelte Carberry. Thorfin Njal flüsterte: „Was hast du da gesagt?“ „Ich weiß nicht, wie du jetzt ans Futtern denken kannst“, wisperte der Profos. Das Wispern war bei ihm immer noch so laut wie bei anderen Leuten ganz normales Sprechen. Hasard und Siri-Tong führten den Trupp weiter. Die Helligkeit aus den Lichtschächten nahm noch ein wenig zu. Sie hatten das Gefühl, in düsteren Klostergängen zu wandeln, die Atmosphäre war— von den Gerüchen einmal abgesehen — ungefähr die gleiche. Ob die Lichtschächte von Menschen eingerichtet waren? Hasard stellte sich diese Frage, aber er wußte keine Antwort darauf. Möglich war auch, daß eine Laune der Natur die Risse geschaffen hatte. Was immer ihr Ursprung gewesen sein mochte —für die Seewölfe und die Piraten des schwarzen Seglers waren sie von unschätzbarem Vorteil. Rascher schritten sie jetzt voran. Die Menschen, die Hasard zu finden hoffte, ließen sich immer noch nicht blicken. Und nirgends gab es ein Hindernis oder irgendeine Art von Widerstand. Hasard begriff. Der Feind im Verborgenen wollte, daß sie in eine Falle tappten. Diese Falle funktionierte nach einem sehr simplen, aber wirksamen Prinzip. Sie durften in die Höhlen hinein, aber nicht mehr heraus. Hasard war bereit, dieses Risiko einzugehen. Er wollte keineswegs blindlings ins Verderben laufen, aber er
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hatte sich doch vorgenommen, den „Ladrones“ zu zeigen, daß es ihm an Mut nicht mangelte. Und er wollte diesen Burschen endlich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen, um sie beurteilen zu können. Das Versteckspiel mußte ein Ende haben. Lange brauchte er auf diese Wende nicht mehr zu warten. Sie stießen auf einen großen Höhlenraum mit gewölbter Decke. Seine Fläche war ungefähr so groß wie die Kuhl und das Achterdeck der „Isabella“ zusammen. Auf dem Boden waren hier und dort die Reste von Lagerfeuern zu erkennen sowie Schleifspuren, aus denen sich bei näherem Hinschauen schließen ließ, daß jemand irgend etwas hastig zusammen- oder aufgerafft hatte. „Sieht nach überstürztem Aufbruch aus“, raunte Ben Brighton. „Ein paar Kleinigkeiten haben die Brüder vergessen“, sagte der Profos. Er wies auf die einbalsamierten Köpfe, die von der Decke baumelten. „Ach, du meine Güte“, flüsterte Siri-Tong. „Kopfjäger!“ „Also hat Ed mit seinen Ahnungen doch recht gehabt“, meinte Matt Davies. „Dein Profos hat immer recht, merk dir das“, brummelte Carberry. „Kopfjäger, Kannibalen, egal“, radebrechte Batuti. „Kerle sind abgehauen, haben Angst vor uns. Das ist Hauptsache.“ Hasard wandte sich zu ihm um. „Tut mir leid, aber ich glaube, da täuschst du dich ganz gewaltig.“ „Da“, sagte Siri-Tong und griff zu ihrer Pistole. Hasard drehte sich wieder um und erstarrte fast, als er die Gestalt sah, die dort vor der bleigrauen Höhlenwand erschienen war. Aus welchem Schlupfloch sie getreten war, war nicht zu erkennen. Das Labyrinth hatte Hunderte solcher Löcher und Winkel. Aber das hatte auch keine Bedeutung. Alle blickten sie ziemlich entgeistert auf den mit einem Fellschurz bekleideten Mann. Er war groß, stark und wild, und man wußte nicht, was man an ihm am meisten bestaunen sollte: den Haß, den seine Miene
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ausdrückte, die krummen Beine — oder die Waffe in seinen Fäusten. Die Mündung dieser Waffe zielte auf Hasards Brust. Und der wüste Kerl mit dem Fell schrie etwas, das keiner von ihnen verstand. Es klang wie: „Na - heooh - keh !“ „Al“, sagte der Seewolf mit äußerster Beherrschung. „Das da - ob das wohl der Radschloß-Drehling ist?“ „Ich glaube, ja, Sir.“ „Auf was warten wir?“ stieß Carberry aus. „Entwaffnen wir ihn. Dann können wir ja immer noch versuchen, uns mit ihm zu unterhalten. Er muß wahnsinnig sein, uns ganz allein gegenüberzutreten.“ „So? Schau dich doch mal ein bißchen um“, sagte Hasard. Carberry blickte stirnrunzelnd in die Runde. Da sah er die Gewehrläufe, die sich aus vielen winzigen Schießscharten in den Höhlenwänden auf sie richteten. Es waren etwa dreißig oder noch mehr. Die Schützen standen hundertprozentig sicher hinter massivem Gestein. Sie konnten nicht verletzt werden. Der einzige von ihnen, der gefährdet war, war der Fellgekleidete mit dem RadschloßDrehling. „Da haben wir den Salat“, sagte Ben Brighton. „Wir sind umzingelt.“ Hasard atmete ein paarmal tief durch, aber das milderte die Erkenntnis um keinen Deut. Sie saßen in der Falle. 8. Diese Kopfjäger und Waffendiebe waren bei weitem nicht so dumm, wie man angesichts ihres Lebensraums annehmen mochte. Hasard mußte jetzt auch wieder daran denken, wie geschickt sie Muddi die Muskete, die Pistole und den Säbel abgenommen hatten. Hätte er nicht doch vorsichtiger sein müssen? „Na - heook - kehl“ brüllte der Fellmann wieder. Er schüttelte dabei den RadschloßDrehling, es sah wirklich so aus, als würde er jeden Moment abdrücken. Hasard
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spürte, wie das Blut in seinen Adern pulsierte und pochend in die Schläfen aufstieg. „Kunima“, gellte die Stimme des Kerls in der Höhle. Das Echo kehrte von allen Wänden zurück. „Le-kaii, shee na o kan deeh!“ „Ich verstehe kein Wort“, sagte Siri-Tong. „Ich auch nicht“, erwiderte Hasard. „Aber wahrscheinlich will er uns erklären, daß wir keine Chance gegen ihn haben. Angenommen, wir würden versuchen, ihn gefangen zu nehmen - er würde wahrscheinlich losfeuern. Wir würden uns in dem Fall zur Wehr setzen, und das Ergebnis wäre ein Blutbad, bei dem wir alle draufgehen.“ „Aber er würde dabei auch draufgehen.“ „Davon haben wir dann nicht mehr viel.“ „Logisch. Ich meine nur, er hat Mut.“ „Eine Menge sogar“, sagte Hasard. „Wenn er zusätzlich auch noch eine Portion Vernunft und Verhandlungswillen hätte, könnten wir noch etwas ausrichten.“ Er trat einen Schritt vor. Der Wilde mit dem Fell um die Hüften stieß die kostbare Waffe vor, duckte sich ein bißchen und gab einen drohenden, knurrenden Laut von sich. Hasard ließ als erstes den Cutlass fallen, danach auch die sächsische Reiterpistole. Ihm entging nicht, daß der Eingeborene gierig darauf schaute. Er schien eine Schwäche für wertvolle Schießeisen zu haben. Dieses hier war ja auch in der Tat eine Menge Geld wert. Hasard hatte die Doppelläufige einem bretonischen Freibeuter abgenommen, aber der war keineswegs der rechtmäßige Besitzer gewesen. Zweifellos hatte die Pistole vorher einem Adligen oder Fürsten gehört, denn nur solche Leute konnten. sich den Luxus einer derartigen Waffe leisten. Hasard hob die rechte Hand und sagte auf spanisch: „Ich bin dein Freund. Wir wollen nicht gegen euch kämpfen. Wir wollen mit euch sprechen.“ Der Fellmann gab diesmal nur einen Laut von sich, der sich wie ein Grunzen anhörte.
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Seiner Miene nach zu urteilen, hatte er nicht verstanden. Hasard wollte noch einen Schritt auf ihn zu tun, aber der Mann hob das Radschloßgewehr an die Schulter und zielte auf seinen Kopf. Hasard beschrieb mit der Hand ein Zeichen in der Luft. Er hatte es Zegú, dem König von Hawaii, abgeschaut. „Frieden“, sprach er die Bedeutung dazu aus. „Paz.“ „No!“ brüllte der andere. „Le-kaii, shee na!“ Mehr als das Wörtchen „nein“ schien er auf spanisch nicht sagen zu können. Immerhin, er hatte sich verständigt. Er wollte keinen Frieden. Hasard gab nicht auf. Er schlug sich mit der Hand gegen die Brust und sagte: „Ich — Hasard. El Lobo del Mar. Der Seewolf.“ Die Mündung des Radschloß-Drehlings sank um keinen Zoll nach unten, sie war immer noch auf seine Stirn gerichtet. Aus dieser Perspektive wirkte die Waffe keineswegs schön und kostbar. Nur häßlich. Sehr häßlich. „See-wolf ?“ wiederholte der Fellmann. Hasard nickte, hob wieder die Hände und gestikulierte. „Gran Jefe — großer Häuptling.“ Jetzt geschah etwas Unerklärliches. Der Insulaner ließ den Drehling sinken, nahm eine Paust vom Schaft und schlug sich mit dieser vor die Brust, daß es dröhnte. „No! Yo gran jefe — ich großer Häuptling!“ Hasard tat einen Schritt auf ihn zu, hämmerte sich mit beiden Fäusten gegen den Brustkasten und brüllte: „Jefe - yo. Viel Mut, viel Macht!“ Es war ein aberwitziges Schauspiel, aber hierin schien die einzige Chance zu liegen, den wilden Burschen von seinem ursprünglichen Vorhaben abzubringen, nämlich dem, ihnen allen die Köpfe abzuhauen. „Mannomann“, flüsterte Gary Andrews. „Wenn das bloß nicht ins Auge geht.“ „Halt die Luft an“, sagte Dan O'Flynn. „Hauptsache, dieser Knabe kapiert überhaupt ein paar Brocken Spanisch. Jefe und Gran, Macht und Mut, das reicht doch
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schon. Er fühlt sich in seiner Ehre angegriffen — und das ist gut für uns.“ Gary war sonst nicht schwer von Begriff, aber in diesem Fall konnte er Dan wirklich nicht folgen. Die Fakten sprachen dann aber für sich. Hasard trat ziemlich dicht vor den großen Häuptling hin und schrie ihm noch einmal ins Gesicht, was er eben gerade behauptet hatte. Den Wilden schien das zu beeindrucken. Er blinzelte, zog die Augenbrauen hoch und biß sich auf die Unterlippe. Dann hieb er sich erneut gegen den Oberkörper, diesmal mit der flachen Hand. Es klatschte. „Yo - Kunima. Ku-ni-ma. Jefe, Isla.” „Kunima“, sagte Hasard und dachte dabei: So heißt du also, du altes Schlitzohr. Laut fügte er hinzu: „Kunima Jefe Isla — Kunima Häuptling auf Insel. Seewolf Jefe Mar — Seewolf Häuptling auf See.“ Kunima stand einen Augenblick reglos da, dann schüttelte er sich und stieß ein wieherndes Gelächter aus. „Kein Mut!“ brüllte er zwischendurch. Dann richtete er den Radschloß - Drehling einfach auf Hasard und drückte ab. * Donnernd löste sich der erste Schuß. Kunima drehte die Waffentrommel sofort mit der Hand weiter und drückte wieder ab. Rasch hintereinander stoben auch die restlichen fünf Ladungen aus dem Lauf. Carberry und ein paar andere wollten die Schußwaffen hochreißen und auf den Insulaner feuern, aber Siri-Tong hielt sie zurück. Sie hatte begriffen, was für Regeln dieses gefährliche Spiel hatte. „Examen!“ brüllte Kunima nach dem vierten Schuß. „Probe! No animo — kein Mut!“ Hasard stand unbeweglich und äußerlich völlig gelassen da. Die Kugeln schlugen vor und neben seinen Stiefeln in den Höhlenboden und rissen Steinchen und ein bißchen Schmutz hoch. Zielen konnte er, dieser Kunima, das mußte ihm der Neid lassen.
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Keine Kugel traf weiter als einen Zoll von Hasards Stiefeln entfernt auf. Der letzte Schuß war gefallen. Grollend verhallte das Echo. Kunima stierte in Hasards grinsendes Gesicht und ließ den Radschloß-Drehling los. Die Waffe polterte zu Boden. Hasard tat das in der Seele weh, denn er wußte, was für einen verzwickten Mechanismus ein solches Stück bergen mußte. Nur zu leicht konnte er kaputtgehen. Trotzdem grinste er weiter. O ja, es gehörte gewaltiger Schneid dazu, bei einem solchen Zielschießen ruhig dazustehen und auch noch zu lachen. So manchem Mann, der nicht zu den Stubenhockern zählte und sich selbst zu den Hartgesottenen rechnete, hätten in einer derartigen Lage die Beine zu wackeln begonnen. Und wahrscheinlich hätte er auch mit den Zähnen geklappert. Hasard hätte Kunima gern die Faust ins Gesicht geschlagen, daß er sich die Zähne einzeln herauspulen konnte, aber er bezwang sich. „Haw“, sagte Kunima. Es schien in seiner Sprache ein Ausdruck äußerster Überraschung zu sein: Der Häuptling lachte, wurde dann aber sofort wieder ernst und fing an, Hasard mit verschlagenem Blick zu umrunden. War an diesem Fremdling etwas Besonders dran? Trug er einen Panzer? War er ein Zauberer? Nein, Kunima vermochte nichts Außergewöhnliches an ihm zu entdecken. „Sadowe!“ schrie er. Er fügte noch etwas Barsches in seiner gutturalen Sprache hinzu, und der Krieger lief mit dem Säbel herbei, den sie in der Nacht Muddi gestohlen hatten. Er überreichte ihn seinem Häuptling. Auf Kunimas Wink hin ging Sadowe wieder, nicht ohne den weißen Eindringlingen vorher einen haßglühenden Blick zugeworfen zu haben. Hasard stand immer noch genauso unerschüttert wie vorher da. Er hätte jetzt seinen Degen zücken können. Kunima war es augenscheinlich entgangen, daß sein Gegner diese Waffe noch trug. Hasard
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hätte den rüden Burschen also ohne weiteres niederstechen können. Aber das wollte er nicht. Kunima riß den Säbel hoch, brüllte „No“ und ging mit dem Ding auf Hasard los. Drohend fuchtelte er ihm mit der Klinge vor der Nase herum. Auch diesmal bewahrte der Seewolf seine Gelassenheit. Er zwang sich dazu, nicht einmal die Augenlider zu bewegen. Kunima stach mit dem Säbel beängstigend nah an seinem linken Ohr vorbei, zog ihn wieder zurück und senste ihn eine Handspanne vor Hasards Brust nieder. Er brüllte, lachte, warf den Säbel von der rechten in die linke Hand und hackte auf Hasards Haupt ein. Buchstäblich im letzten Moment zog er die Waffe zur Seite weg. Surrend glitt sie durch die Luft. „Also, jetzt hört doch alles auf“, empörte sich Ben Brighton. „Wenn der Kerl so weitermacht, trifft er Hasard noch. So präzise ist im Fechten keiner, daß er es bei dem üblen Schabernack auf die Dauer vermeiden kann.“ „Laß mich mal vor“, sagte Carberry. Siri-Tong bremste ihn wieder. „Edwin, ich bin genau besorgt wie du, aber wir dürfen jetzt nicht zerstören, was Hasard mit Mühe erreicht hat.“ „Was denn, Madame?“ „Daß dieser Kunima Respekt vor ihm kriegt.“ Die Einschüchterungsprozedur fand ihr Ende. Kunima hatte keine Lust mehr, denn ein Gegner, der nicht vor Angst schrie und um Gnade bettelte, gab nicht viel her, was den Spaß betraf. Aber die Sache hatte jetzt einen völlig neuen Aspekt erhalten. Kunima sah Hasard anders als vorher an, es war Achtung in seinen Augen. Und wenig später war es dann mit seiner Fassung ganz vorbei. Hasard zog den Degen aus der Scheide. Er bewegte die Klinge, sie tanzte schimmernd vor Kunimas weit aufgerissenen Augen. Sie glich einem Irrwisch, der wild vor dem Gesicht des Wilden hin und her sprang. Ein feines Zischen war zu vernehmen. Hasard hatte den Degen flach über
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Kunimas Kopf hinweggezogen. Ein ganzes Bündel wirrer, verfilzter Haare löste sich wie eine Garbe Ähren, die ein Schnitter zur Erntezeit mit der Sichel abrasierte. Kunima ächzte, als dieser Teil seines edlen Kopfputzes zu Boden rieselte. Es sirrte wieder, und auch vom linken Bereich seines Hauptes fielen die wurzelgleichen Haare. Als Hasard ihn dann auch noch von der rechten Seite stutzte, entfuhr Kunima ein neues, entsetztes „Haw“. Aber damit nicht genug. Schnell und sicher zuckte die schlanke Klinge durch die Luft, schoß auf Kunimas linke Hüfte zu und bohrte sich dort, wo der Fellschurz zusammengeknüpft war, in das grob gegerbte Kleidungsstück. Ein Ruck, ein Riß und Kunimas einziges Gewand rutschte nach unten weg. Kunima packte mit beiden Händen zu und hielt es fest. Seine Augen waren unnatürlich geweitet, sein Mund aufgesperrt. Sein ganzes Gesicht war ein einziges Fragezeichen. Hasard grinste und steckte den Degen wieder weg. Sadowe brüllte etwas und wollte wohl den Feuerbefehl geben, aber Kunima hob die eine Hand. Mit der anderen mußte er seinen Lendenschurz festhalten. Er rief: „No.“ Seine Krieger regten sich nicht, obwohl es wahrscheinlich in ihren Zeigefingern juckte und sie große Lust verspürten, sie um die Abzüge der Waffen zu krümmen. Kunima stand wie angewurzelt da. Totenstille breitete sich in der großen Höhle aus. Dieses Schweigen und diese Ungewißheit waren beklemmend. Kunima senkte den Kopf und schaute an sich hinunter. Er befingerte sich mit der einen Hand, befühlte seine Hüfte, hielt sich die Hand vor die Augen. „Nein, es ist kein Blut daran“, sagte Hasard ruhig. „Du bist unverletzt, großer Häuptling. Gran Jefe.“ Er wies mit dem Finger auf ihn. Kunimas Miene hellte sich auf. Er begann wie ein Verrückter zu lachen, schlug sich
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mit der Hand auf den Schenkel und verlor dabei fast seinen Fellschurz. „Du — Jefe. Mut. Macht!“ schrie er begeistert. „Puu“, sagte Matt Davies. „Jetzt scheint das Eis ja gebrochen zu sein.“ „Ja, die Vorstellung hat ihm gefallen“, sagte Siri-Tong. „So was kriegt er ja auch wirklich nicht alle Tage geboten.“ Kunima trat zu Hasard und hieb ihm mit voller Wucht auf die Schulter. Hasard verzog keine Miene. Kunima grinste, nickte und schien sehr glücklich zu sein. „Dos gran Jefes“, sagte er. „Zwei große Häuptlinge. Schließen wir Frieden, werden wir Freunde.“ Den letzten Satz hatte er in der Sprache seines Stammes gesagt, aber Hasard verstand auch so, was er meinte. „Gut“, sagte der Seewolf. „Es freut mich, einen Verbündeten wie dich gefunden zu haben.“ * Kunima rief seinen Kriegern etwas zu. Sie traten daraufhin aus ihren Verstecken und ließen die Waffen sinken. Der Häuptling klatschte in die Hände, und wenig später erschienen auch die Frauen, die Kinder und die alten Leute des Stammes. Kunima führte Hasard und seine Begleiter in dem Höhlenlabyrinth herum und zeigte ihnen voll Stolz sein unterirdisches Reich — auch den Schweinekoben, in den Carberry schon geschaut hatte. Anfangs dachten die Seewölfe und die Piraten vom schwarzen Schiff noch, Kunima plane eine Hinterlist. Aber warum sollte er? Er hatte doch vorher die Gelegenheit gehabt, sie alle zu töten. Nein, er meinte es aufrichtig. Der Mut eines Mannes, die Gleichwertigkeit in der großen Probe — diese Dinge beeindruckten ihn zutiefst und überzeugten ihn, daß er über jeden Inselbesatzer herfallen durfte — nur nicht über diesen kühnen, blauäugigen Schwarzhaarigen mit seinen Männern. Über Tage fand auch die Begegnung mit dem Rest der Crews statt. Jeff Bowie und Sam Roskill hatten inzwischen alle
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anderen zusammengetrommelt, und die Männer standen zum Kampf gerüstet im Urwald bereit. Die Schiffe lagen gefechtsklar in der Südbucht. Ferris Tucker und Juan, denen das Kommando oblag, warteten nur auf das Zeichen zum Auslaufen, dann wollten sie die Insel runden und mit Kanonenfeuer belegen, falls es nötig war. „Wir können das alles abblasen“, sagte der Seewolf. „Mein Freund Kunima und ich haben einen Pakt geschlossen. Wir haben zwar Verständigungsschwierigkeiten, aber die lassen sich leicht überwinden. Ich schätze, Kunima und seine Leute werden mich bald nicht nur für einen großen Häuptling, sondern auch für einen Zauberer halten.“ „Wie das?” fragte Matt Davies. „Zeig doch mal deine Prothese vor, Matt.“ Matt begriff, grinste, trat vor die Eingeborenen hin und wies ihnen den Eisenhaken vor, den er anstelle der rechten Hand trug. Auf Hasards Wink hin reckte dann auch Jeff Bowie den linken Arm. Seit er die Hand durch Piranhas verloren hatte, trug ja auch er eine solche Prothese. Kunimas Verwunderung kannte keine Grenzen mehr. Seine Krieger staunten noch mehr als er. Sie bekundeten ihre Überraschung durch Ausrufe wie „Haw“, „Ouh“ und „Oogh“. Matt Davies führte vor, wie scharf der Eisenhaken geschliffen war. Er suchte sich eine dicke, gedrungene Pflanze mit fettig glänzenden Blättern aus, nahm Maß und teilte sie dann von oben bis unten durch. Kunima wedelte mit den Händen. „Urca!“ brüllte er. Matt hielt den Haken hoch, sah den Häuptling grinsend an und sagte auf englisch: „Ich kann damit noch viel mehr anstellen, du rasierter Bär. Ich kann mit diesem Spielzeug Holz hacken, Spundlöcher zudübeln, Leuten den Schädel einschlagen und den Arsch aufreißen.“ Er schaute zu Siri-Tong. „O, Verzeihung, Madame.“ Jeff Bowie angelte sich mit seiner linken Hakenprothese einen sehr langen, tief
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herabhängenden Zweig. An der Spitze trug dieser Zweig eine weiße Blüte. Jeff bog den Zweig zu sich herunter, säbelte in einer blitzschnellen Bewegung mit dem Haken die Blüte ab und ließ sie sich in die gesunde rechte Hand fallen. Mit einer angedeuteten Verbeugung überreichte er der Roten Korsarin das hübsche Gebilde. Siri-Tong lächelte. Der Gesichtsausdruck der Insulaner bildete einen Kontrast zu diesem Lächeln. Sie standen allesamt mit offenen Mündern da. „Große Medizin“, sagte Kunima. Hasard winkte Big Old Shane und Batuti herbei. „Ich hab's ja gesagt, er denkt, wir können zaubern. Führen wir ihm noch etwas vor, dann ist dieser Eindruck nachhaltig.“ . Shane zückte seinen Bogen, legte einen Pfeil an die Sehne und spannte sie so weit, daß es aussah, als müßte sie jeden Augenblick reißen. Er schoß den Pfeil steil nach oben in die Luft. Der Blick, mit dem die Mikronesier der Flugbahn' des Geschosses folgten, war fachmännisch. Außer ihren erbeuteten Feuerwaffen benutzten ja auch sie Pfeil und Bogen, Speer und Blasrohr. Der Pfeil war nur noch ein winziger Punkt in der Luft. Wolkenfetzen trieben vor dem Wind über die Insel, und in einem dieser nebligen Schwaden verschwand der Punkt. Er tauchte nicht wieder auf. Die Flugbahn des Pfeiles war über der kleinen Wolke abgeknickt und hatte dann in steil abfallender Bahn nach Norden weitergeführt. Aber nur Dan O'Flynns scharfe Augen hatten ihn noch kurz über den Baumwipfeln seewärts schwirren sehen. Für die Eingeborenen war auch dies ein mächtiger Zauber – große Medizin. Batuti schoß mit einem Pfeil eine üppige Frucht aus einem Baum. Das war eigentlich nichts Besonderes. Als aber die Frucht genau auf Kunimas Haupt landete und aufbrach, öffneten sich die Münder der Krieger, Frauen und Kinder schon wieder. Süßer Saft rann durch Kunimas gestutzten Kopfputz und über seine Wangen. Hatte
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der Gambia-Neger den Mann nun lächerlich gemacht? Batuti wechselte einen sorgenvollen Blick mit Hasard. Aber der Seewolf lächelte. Kunima fuhr sich mit der Hand über die Wange und leckte dann seine Finger ab. Er lachte. „Gut!“ rief er. Er wandte den Kopf und sagte zu Sadowe und den anderen Männern des Stammes in seiner kehligen Sprache: „Wir wollen mit unseren neuen Freunden ein Fest feiern. Sucht die größten, dicksten Schweine aus und schlachtet sie.“ Um seine Worte zu unterstreichen, fuhr er sich mit zwei Fingern über die Kehle. „Au weia“, sagte Carberry. „Jetzt will er uns doch abmurksen lassen. Ich sag ja immer, trau, schau, wem.“ Er duckte sich schon und griff nach seiner Pistole, aber Hasard legte ihm die Hand auf den Arm. Ein paar Krieger und Frauen des Stammes waren fortgelaufen und kehrten in das Höhlenlabyrinth zurück. Kunima stand grinsend da und klaubte sich die fremdartige Frucht vom Kopf. Er naschte daran, bot dann auch Siri-Tong und Hasard ein Stück davon an, aber sie lehnten beide höflich dankend ab. Kunima verzehrte die reife Frucht schmatzend. Aus den Höhlen ertönte plötzlich das Quieken eines Schweines, und da mußte Carberry lachen. Dem Vierbeiner ging es zwar an den Kragen, aber wenigstens wußte der Profos jetzt, daß die Geste des Häuptlings nicht auf die Seewölfe gemünzt gewesen war. Carberrys plötzliche Heiterkeit war ein Ausdruck der Erleichterung. Nach und nach fielen auch die anderen mit ein. Sie lachten zusammen. 9. Hasard nahm Kunima, Sadowe und ein paar andere Krieger des Stammes mit auf die Schiffe. Er zeigte ihnen, wie diese „hölzernen Kästen“ gebaut waren und ließ sie die Kanonen sowie die anderen Waffen ausgiebig betrachten. Siri-Tong ließ zur Feier des Tages einen Brandsatz abfeuern.
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Es beeindruckte Kunima ungemein, wie dieses Geschoß aus dem Vorkastell des schwarzen Schiffes fauchte und flach über die See davonjagte. Wieder sprach Kunima von großer Medizin. Er war zutiefst gerührt, als der Seewolf und die Rote Korsarin ihm eine Schatulle mit kostbarem Gold- und Smaragdschmuck aushändigten. Hasard schenkte ihm auch noch eine reich verzierte Radschloßpistole und einen Degen. Es war erstaunlich, Welche Gemütswandlung mit dem vorher so wüsten Kunima vorgegangen war. Sein Blick hatte sich getrübt. Fast kamen ihm die Tränen. Daß Weiße so freundlich und großzügig sein konnten, hatte er nicht gedacht. Er bedankte sich auf seine Art. Das große Festbankett begann etwa eine Stunde später am Sandstrand der Südbucht. Ein Dutzend schwarzer Schweine und anderes Getier wurde über Lagerfeuern zubereitet. Hasard, Siri-Tong und beide Crews mußten an Land kommen und von allem kosten. Anfangs waren sie skeptisch, aber dann stellten sie fest, daß die Eingeborenen ausgezeichnet zu kochen verstanden. Von da an griffen sie kräftig zu. Hasard ließ Wein, Bier und einige Flaschen Rum von der „Isabella“ bringen. Siri-Tong lieferte ihren Beitrag zu dem Mahl, indem sie Cookie und ein paar andere Männer Schinken, Dauerwurst und Speckseiten heranschaffen ließ. Es wurde ein großes Schlemmen. Hasards und Siri-Tongs einzige Sorge war, daß es zu einem Besäufnis ausarten könnte, deshalb gaben sie Carberry und Thorfin Njal die Anweisung, aufzupassen. Die beiden nahmen ihre Aufgabe ernst und hatten ein waches Auge auf die Versammlung - sowohl auf die Seewölfe und Piraten des schwarzen Schiffes als auch auf die Eingeborenen. Muddi kriegte seinen Säbel, die Pistole und die Muskete zurück. Kunima ließ aber auch noch andere Waffen herbeischaffen: den Radschloß-Drehling, zwei
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Schnapphahn-Revolverstutzen und noch zehn andere dieser ausgefallenen Modelle, die er den Spaniern abgenommen hatte. Es war fast die Hälfte seiner Sammlung. Er überreichte sie Hasard und Siri-Tong. „Das ist mein Geschenk an euch“, sagte er in seiner Sprache. „Ich will versuchen, mich an das Wort zu erinnern, das die weißen Männer mit den Panzern und Spitzhelmen dafür haben. Regalo -Geschenk.“ „Das kann ich nicht annehmen“, erwiderte Hasard. Er wollte ihm den Drehling zurückgeben. Kunima schlug sich daraufhin wieder mit der Faust vor die Brust. „Yo Jefe - Ich bin der Häuptling. Beleidige mich nicht. Du hast mir wunderbare Dinge gegeben, die sehr kostbar sein müssen. Das weiß ich zu schätzen. Du bist der Häuptling des großen Wassers, aber ich bin Häuptling auf meiner Insel. Nimm es.“ „Ich verstehe dich zwar nicht“, entgegnete Hasard lächelnd. „Aber ich will mir nicht doch noch deinen Zorn zuziehen. Darum sage ich nur gracias - danke.“ „Siehst du“, sagte Siri-Tong. „So seid ihr also doch handelseinig geworden.“ „Auf eine Art, die ich mir im Traum nicht ausgemalt hätte.“ Sie blickte ihm in die Augen, und ihre Blicke verfingen sich ineinander. „Dieses Fest mit den Mikronesiern ist dein Einstand in einer Welt, die du zum erstenmal in deinem Leben siehst“, sagte sie. „Wir sind jetzt nicht mehr weit vom Land meiner Ahnen entfernt. Hoffen wir, daß unsere Ankunft dort auch so gelungen verläuft.“ „Hast du immer noch Angst?“ „Ich habe keine Angst, Hasard.“ „Nur Bedenken, oder?“ „Ja.“ „Wegen der Spanier und Portugiesen, die sich auch in dieser Ecke Welt niedergelassen haben?“ „Ich kann dir nicht all meine Ahnungen schildern“, erwiderte sie ernst. „Ich will es auch nicht.“ „In Ordnung“, sagte er heiter. „Komm, laß uns die Feier doch nicht verderben. So jung geraten wir nicht wieder zusammen,
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würde Plymson, dieser alte Schurke aus der ,Bloody Mary' in Plymouth, sagen.“ Er hob seinen Kelch und stieß mit Kunima an. „Ein dreifaches Hurra für unsere Freunde, die Ladrones, Männer!“ „Hurra!“ riefen sie Männer. Sie aßen und tranken, und etwas später hatte Hasard auch Gelegenheit, sich seine Geschenke genauer anzusehen. Das schönste Stück war zweifellos der Radschloß-Drehling. Aber auch die Schnapphahnwaffen verblüfften durch ihre aufwendige Technik und die erlesenen Materialien, die zu ihrer Herstellung gedient hatten. Der erste - ein Sechsschüsser - war ein Karabiner, also Stutzer. Der andere, bei dem man die sechsschüssige Trommel mit einem Zylinder mit acht Kammern vertauschen konnte, schien eher ein Zwischentyp zu sein. Al Conroy sagte: „Der sieht mir nach einem sogenannten Petronel aus, Hasard.“ Hasard hatte einmal von Jean Ribault vernommen, daß dieses Wort vom französischen „poitrine“, also Brust, abgeleitet war. „Ich nehme an, die Waffe ist speziell für Reiter hergestellt worden“, entgegnete er. „Sie wird beidhändig aus dem Sattel abgefeuert. Der Schütze stützt dabei den nach unten gebogenen Kolben gegen seinen Brustpanzer ab.“ „Sieh doch mal die gefederten Klinken hier an“, sagte Al. „Sie greifen beim Repetieren in die entsprechenden Trommeleinschnitte, nicht wahr?“ „Und bringen sie in die neue Feuerposition, ja.“ „Und die Pfannendeckel auf dem drehbaren Kammerteil ...“ ... jede Pfanne hat eine Art Schieberdeckelchen“, stellte Conroy staunend fest. „Damit das Zündkraut nicht verschüttet wird. Genial!“ „Aber ein bißchen umständlich zu handhaben“, meinte der Seewolf. „Ja, die Deckelchen müssen vor dem jeweiligen Schuß geöffnet werden, damit der Zündfunke ans Zündkraut springen kann.“
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Hasard hantierte mit der Waffe, dann rekapitulierte er: „Das geht folgendermaßen. Wenn du das Petronel geladen hast, mußt du den Hahn mit der rechten Hand spannen. Die Trommeldrehung erledigst du mit links, dann senkst du den Batteriestahl über die oberste, noch verschlossene Pfanne und öffnest den Pfannenschieber. Bei dem Schnapphahnstutzen ist es genauso.“ „Das muß erst geübt werden“, sagte Al. „Verschieben wir es auf den Nachmittag.“ Als er das sagte, ahnte Hasard nicht, wie rasch er Gelegenheit dazu erhalten sollte, die neuen Waffen auszuprobieren. Eigentlich wäre jetzt, da die Kopfjäger beschwichtigt waren, alles in bester Ordnung gewesen - wenn die Feier nicht plötzlich gestört worden wäre. Dan O'Flynn stieß einen Warnruf aus. Er saß im Großmars der „Isabella“. Hasard hatte den Befehl gegeben, daß er sich mit Blacky und Gary im Turnus von jeweils zwei Glasen ablöste. Die Reihe war gerade an Dan, und das war im Grunde gut so. Denn mit seinen Adleraugen erkannte er die Gefahr, die im Verzug war, rechtzeitig. „Mastspitzen ho!“ schrie er. „Im Süden!“ Hasard stand vom Lagerplatz auf. Kunima erhob sich ebenfalls. Er verstand nicht, was die Männer sich zuriefen, aber Dans Gesten entnahm er doch genug. „Vier Galeonen“, meldete der junge O'Flynn wenig später. „Sie liegen hart am Wind und halten auf unsere Insel zu.“ „Ist das etwa der Verband, dem wir gestern schon begegnet sind?“ rief Hasard zu ihm hoch. „Ich glaube - ja, jetzt erkenne ich das Flaggschiff wieder!“ „Vielleicht haben die Dons etwas gehört, als ich vorhin den Brandsatz abgefeuert habe“, sagte Siri-Tong. „Das Geräusch ist sehr weittragend.“ „Kann sein“, meinte Hasard. „Auf jeden Fall habe ich das untrügliche Gefühl, daß sie uns diesmal kontrollieren wollen. Verstecken können wir uns vor ihnen nicht, die Insel hat keine Bucht, die unsere Schiffe mit ihren Ufern verdecken kann.“
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„Bereiten wir uns auf einen herzlichen Empfang vor.“ Die Korsarin hatte sich jetzt auch erhoben. Sie orderte Thorfin Njal herbei und sagte zu ihm: „Du gehst mit der Hälfte der Mannschaft an Bord und machst gefechtsklar.“ „Und die Restcrew?“ „Bleibt mit mir an Land.“ „Du glaubst, daß die Dons landen?“ fragte er. Hasard hatte mit Kunima gesprochen soweit man ihr Gestikulieren und Radebrechen als Unterhaltung bezeichnen konnte. „Kunima hilft uns gegen die Spanier“, sagte er. „Er ist der Ansicht, daß sie auf der Insel landen - so oder so. Erstens, weil die Ladrones ihnen schon lange ein Dorn im Auge sind und sie unseren Freunden verklaren können, wer hier der Herr ist. Zweitens: Wenn sie erst wissen, wer wir sind, bekämpfen sie uns von See aus, versuchen aber auch, uns von der Insel her in den Rücken zu fallen. Ich teile meine Crew deshalb auch in einen Land- und einen Wassertrupp. Ben, du übernimmst das Kommando auf der ,Isabella`.“ „Ich schlage vor, die Schiffe bleiben vorerst in der Bucht liegen“, sagte SiriTong. „Wenn wir sofort ankerauf gehen und auslaufen, müssen die Spanier ja mißtrauisch werden.“ „Wir tarnen uns als Spanier“, beschloß der Seewolf. „Der Kommandant des Verbandes wird glauben, daß wir hier bereits ein Landeunternehmen gestartet haben und Kunima und seinen Leuten gehörig auf die Finger klopfen.“ Bei der Nennung seines Namens grinste der Häuptling. Er reckte die Faust und schrie in seiner Sprache: „Krieger, greift euch die Feuerrohre, die Feuerstöcke, Schneidemesser, Pfeil und Bogen, Speere und Blasrohre. Jetzt könnt ihr doch noch beweisen, ob ihr Mumm in den Knochen habt!“ * Vier große, hervorragend armierte Kriegsgaleonen! Hasard fluchte im stillen.
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Er lag im dichten Gestrüpp neben SiriTong, Kunima und den anderen Männern, die sich nach den Räumen des Festplatzes mit ihm versteckt hatten. Späher der Mikronesier waren zu allen Seiten der Insel unterwegs. Sie sollten jede Feindbewegung am Nord-, Ost- und Westufer rechtzeitig melden. Es stimmte, der Verband steuerte genau auf die Insel zu. Als er nur noch drei, vier Meilen querab lag, fiel das Flaggschiff als erstes ein wenig ab und richtete seinen Vorsteven auf die Ankerbucht der „Isabella“ und des schwarzen Schiffes. Hasards Hände ruhten auf dem Radschloß - Drehling und dem SchnapphahnRevolverstutzen. Wenn es zum Kampf kam, war das Kräfteverhältnis ungleich, die Spanier waren auf jeden Fall nicht nur in der Überzahl, sondern auch waffenmäßig überlegen. Hasards Blick wanderte zur „Isabella“. Sie hatte die Anker gelichtet wie das schwarze Schiff, um manövrierfähig zu sein. Hinter den geschlossenen Stückpforten standen die geladenen Culverinen zum Schuß bereit. Genauso hatte Ben Brighton die Drehbassen laden lassen. Auf dem schwarzen Schiff warteten die 25-Pfünder darauf, eingesetzt zu werden. Eine weitere Überraschung für die Spanier würden die Brandsätze sein, die aus dem Vor- und Achterkastell abgefeuert werden konnten. In den Toppen der Schiffe flatterten die Fahnen der spanischen Galeonen, die Nationalitätszeichen des feindlichen Staates mit den Wappenzeichen von Kastilien und Aragon. Hasard sah keine Möglichkeit mehr, das drohende Gefecht abzuwenden. Wie denn? Die „Isabella“ würde als echter spanischer Segler durchgehen, wenn die Dons dort eintrafen. Mehrfach hatten die Seewölfe das Täuschungsmanöver erfolgreich exerziert. Aber anders sah es bei dem schwarzen Segler von Siri-Tong aus. Allein von seinem Äußeren her mußte „Eiliger Drache über den Wassern“ schon Argwohn wecken. Er sah wirklich nicht wie eine
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spanische Galeone aus. Und wenn die Dons die Mannschaft aus der Nähe sahen —diesen bunt zusammengewürfelten Haufen von Engländern, Nordmännern, Franzosen, Kreolen, der nur ganz wenig Spanisch beherrschte —dann spätestens flog der Schwindel auf. „Der Einstand in dieser Weltecke verläuft doch nicht so rosig“, sagte Hasard grimmig. „Habt ihr alle euer letztes Gebet gesprochen?“ „Das hört sich ja ziemlich pessimistisch an“, erwiderte Siri-Tong. „So kenne ich dich sonst nicht.“ Er grinste bissig. „Das muß an dem vielen Schweinefleisch liegen. Es ist schwer verdaulich, weißt du? Paß auf, gleich signalisieren die Dons. Das Flaggschiff ist auf eine Meile Abstand heran, und der Kommandant läßt Fahrt aus seinem Schiff nehmen.“ So kam es dann auch. Die Spanier signalisierten mit Fahnen. Ben Brighton ließ eiskalt zurückmelden, er käme aus Manila und habe eine „Expedition“ auf die Insel geschickt. Ob die Dons ihm das abnahmen, blieb dahingestellt. Das Flaggschiff und die Galeone in seinem Kielwasser staffelten auf die Bucht zu. Die beiden anderen Segler fächerten von dem Verband ab. Der eine wandte sich Richtung Osten, der andere nach Westen, immer am Ufer der Insel entlang. „O verdammt!“ zischte Carberry. „Die ahnen schon was.“ „Du merkst aber auch alles, Ed“, erwiderte Hasard. „Hölle, es wäre wohl doch besser gewesen, wenn ich auf der ;Isabella' geblieben wäre.“ „Profos“, sagte der Seewolf. „Wann begreifst du, daß die Crew es auch mal ohne dein Gefluche schafft? Ich brauche dich hier an Land, denn wir kriegen hier gleich ganz gewaltig die Jacke voll.“ Die beiden Galeonen vor der Bucht drehten mit verminderter Segelfläche bei. Sie wurden immer langsamer. Hasard bezweifelte keinen Moment, daß auch sie längst gefechtsklar waren.
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Als er auf Rufweite heran war, wollte der Kommandant des Flaggschiffes wissen, wie der Kapitän der „Isabella“ heiße. Er brüllte es barsch zu Ben Brighton hinüber. „Franco de Gaspares“, log Ben frech und frei von der Leber weg. „Ich kenne keinen Capitan de Gaspares!“ schrie der Kommandant. „Ich komme ja auch aus Manila ...“ „Wir auch!“ brüllte der Spanier. Hasard kniff unwillkürlich die Augen zusammen. So waren sie also voll ins Fettnäpfchen getreten! Ben beteuerte zwar noch, nach dem Auslaufen des Kriegsschiffverbandes auf den Philippinen eingetroffen zu sein und eigentlich aus Kanton zu kommen, aber das kaufte der Don ihm nicht ab. Er verlangte, Ben und die Offiziere sowie die Schiffsführung von „Eiliger Drache“ sollten zur Klärung der Angelegenheit das Flaggschiff aufsuchen. Ben weigerte sich. „Kommen Sie doch herüber, Senor!“ rief er. Daraufhin setzte ihm der Spanier einen Warnschuß vor den Bug. Als das auch noch nichts half, eröffnete er das Gefecht mit einer halben Breitseite. Auf der „Isabella“ und dem schwarzen Segler öffneten sich die Stückpforten. Sekunden darauf erfüllte der Kanonendonner beider Seiten die Bucht und die Insel. Die Schlacht tobte. * Als die Kapitäne der beiden anderen spanischen Galeonen das Wummern der Geschütze vernahmen, ließen sie sofort Beiboote bemannen und landeten am Nordwest- und Nordostufer der Insel. Bis dorthin waren sie noch gelangt. Sie hatten vom Kommandanten vorher klare Anweisungen erhalten und sollten, wie der Seewolf sich ausgerechnet hatte, den vermeintlichen Landsleuten. in den Rücken fallen. Die „Isabella“ und das schwarze Schiff lagen in der Südbucht fest, und der Trupp Dons, der nun über die Insel rückte, hätte eine echte Chance gehabt, bis zu den auf
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dem Strand liegenden Beibooten zu pirschen und sich dann damit an den Feind heranzuschleichen - wenn nicht Hasard, Siri-Tong und die anderen im Gebüsch Lauernden gewesen wären. Hasard ließ sie heran. Die Späher waren da und hatten gemeldet, daß die Dons anmarschierten. Kunima hatte alle Späher wieder zu sich hin abgezogen, im Inneren der Insel hielten sich nur die Frauen, Kinder und alten Leute des Stammes in den Höhlen verborgen. Es tat Hasard und Siri-Tong in der Seele weh, wie auf ihren Schiffen die ersten Treffer landeten. Auf der „Isabella“ gab es Kleinholz und Verwundete, auf dem Viermaster hielt das Eisenholz zwar dem tödlichen Batteriefeuer stand, aber auch dort wurden Männer verletzt. Dann war der Landtrupp Spanier heran. Hasard zählte fünfzig Dons - das war eine Starke Einheit. Sie brachten Musketen und Arkebusen, Tromblons und sogar ein kleines, fahrbares Geschütz mit. Als sie ganz nah an dem Versteck waren, sprang Hasard als erster heraus. Das war gleichzeitig das Zeichen für seine Männer, ebenfalls anzugreifen. Hasard hatte sich den Schnapphahnstutzen mit einem Lederriemen über die Schulter gehängt. Er legte zuerst den Radschloß Drehling auf die Anmarschierenden an. Sechs Schüsse, im Stakkato abgegeben, dann ließ er den Drehling einfach fallen, riß den Stutzen von der Schulter und warf sich hin. Neben ihm waren Siri-Tong, Carberry, Shane, Blacky, Kunima, Sadowe und all die anderen - mehr als vierzig gegen die Schar der Angreifer. Sie feuerten aus den Waffen, die die Ladrones erbeutet hatten, und aus Musketen, Arkebusen und Blunderbüchsen, die Hasard und die Rote Korsarin von den Schiffen hatten holen lassen. Hasard schoß die Achtkammer-Trommel des Stutzens leer. Er hatte ihn vorher nicht ausprobieren können, kam aber gleich auf Anhieb glänzend damit zurecht. Krachend stoben die Schüsse auf die Spanier zu.
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Die Spanier fielen reihenweise und starben wie die Fliegen. Die Überlebenden suchten ihr Heil in der Flucht. Kunimas Krieger stürmten ihnen mit heulendem Kampfruf nach. In diesem Moment hatten auch Ben und Thorfin mit den Schiffen die Partie zu ihren Gunsten entschieden. Sie hatten mit weittragenden Culverinenschüssen, 25-er Ladungen und Brandsätzen Panik an Bord der zwei Galeonen gestiftet. Jetzt flogen auch Ferris Tuckers berühmte Höllenflaschen und Batutis Brandpfeile. Auf dem Flaggschiff der Dons stob die erste Explosion als Feuerblitz himmelan. Kurz darauf standen die Segel in Flammen. Auch die andere Kriegsgaleone blieb trotz erbitterten Gegenfeuern nicht vom Brand verschont. „Vorwärts, zu den Schiffen!“ rief Hasard seinen Männern zu. Er hob den Drehling auf, stürmte los, erreichte als erster ein Beiboot und schob es ins Wasser der Bucht. In aller Eile folgten die Gefährten seinem Beispiel. Gleich darauf pullten sie wie die Verrückten zu ihren Schiffen. Sie erreichten sie unbeschadet und enterten an Bord. Hasard und Siri-Tong übernahmen die Führung der „Isabella“ und des schwarzen Schiffes. Sie steuerten aus der Bucht — die Feindgaleonen wichen zurück. Die Kapitäne der beiden lodernden Galeonen versuchten noch zu fliehen. Aber es gelang ihnen nicht mehr. Auf Deck herrschte Chaos, die brennenden Segelfetzen fielen herab, Männer schrien, beide Schiffe liefen aus dem Ruder. „Versenken“, befahl der Seewolf. Aber die Spanier, die sich von den Galeonen ins Wasser retteten, verschonte er. Schwimmend oder mit rasch abgefierten Booten setzten sie sich zu den beiden anderen Galeonen im Nordosten und Nordwesten ab. Hasard und Siri-Tong rundeten die Insel und wollten das Gefecht mit diesen beiden Schiffen aufnehmen. Aber deren Kapitäne hatten entsetzt den Verlauf der Schlacht verfolgt und gezögert, einzugreifen. Dann
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hatten sie auch die bittere Erkenntnis hinnehmen müssen, daß von ihrem Landtrupp keiner zurückgekehrt war. Sie nahmen noch die Schiffbrüchigen auf, dann traten sie die Flucht an. Hasard ließ sie ziehen. „Bei denen gibt es nichts zu holen“, stellte er fest. „Es sind reine Kriegsschiffe. die Patrouille segeln und das Imperium der Spanier sichern. Sie können meinetwegen ruhig abhauen.“ Ben Brighton stand mit rußgeschwärztem Gesicht neben ihm. „Die werden in Manila was zu berichten haben. Unser Ruf eilt uns mal wieder voraus, Hasard.“ „Ben — haben wir Tote?“ fragte der Seewolf.
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„Nein, zum Glück nicht. Fünf Mann sind verletzt, keiner davon aber lebensgefährlich. Der Kutscher ist dabei, sie zu verarzten.“ Hasard wollte auf die Kuhl gehen, wurde aber durch einen Schrei davon abgehalten, der von Land herübergellte. Drüben stand Kunima auf dem Sandstrand und winkte. „Hasard!“ brüllte er begeistert. „Mächtiger Häuptling — großer Zauberer!“ Hasard grüßte zurück und grinste. „Mach's gut, du alter Halunke“, sagte er. „Eins kann ich dir versichern, du bist wirklich der sagenhafteste Verbündete, den ich je in meinem Leben gehabt habe.“
ENDE