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Der Mann, der finster und drohend auf dem Achterdeck der „Isabella IX.“ stand, war vom ...
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Fred McMason 1.
Der Mann, der finster und drohend auf dem Achterdeck der „Isabella IX.“ stand, war vom Typ her unverkennbar ein Abenteurer der übleren Sorte. Sein Haar war blond und kurz geschnitten, das Gesicht von kleinen Narben durchzogen, die Lippen schmal, und in seinem Kinn befand sich, wie mit dem Beil hineingehauen, eine Kerbe. Seine Nase war etwas knochig und leicht gebogen, und darüber blickten zwei blaue Augen finster auf das Quarterdeck. Dieser Mann war der Finne Matti Hakulinen, Kapitän und augenblicklicher Besitzer der „Isabella“, jenem Schiff also, das sie den Seewölfen im Handstreich und mit einem lausigen Trick abgenommen hatten. Ein Prachtschiff war das, eine Galeone, wie sie besser nicht gebaut werden konnte, ein stark armiertes Schiff und ein Hartläufer, mit dem man dem Teufel wahrhaftig ein Ohr absegeln konnte. Das hatte Hakulinen auch vor, denn seine Überlegungen gingen dahin, daß er mit diesem Schiff praktisch unschlagbar war. Deshalb erschien es ihm auch nicht mehr angebracht, Holzladungen von Finnland nach Deutschland zu verfrachten, wie er das vorher mit seiner jetzt ausgebrannten Galeone getan hatte. Mit diesem Prachtstück konnte man wesentlich leichter und schneller sein Geld verdienen, wenn man sich ein bißchen auf die Seeräuberei verlegte. Das brachte wesentlich mehr ein als die ewige Handelsfahrerei, wo um jedes Brett und jede Planke gefeilscht wurde. Bei der Seeräuberei entfiel dieses kleine Übel. Da wurde nicht gefeilscht, da gab es eins auf die Rübe, da sprachen die Kanonen, und schon war man sich handelseinig, zumindest einseitig. Hakulinen juckte es schon mächtig, dieses Schiff auszuprobieren. Die Sache hatte aber noch einen kleinen Haken: Er hatte nur zwanzig Kerle. Immerhin harte und verwegene Kerle, die den Teufel am
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Schwanz zwackten, doch sie waren zu wenige, wenn es in ein Gefecht ging. Da waren gleichzeitig Segel zu bedienen, Kanonen abzufeuern, nachzuladen, Pulver und Kugeln zu mannen, und was der Dinge mehr waren. Ein paar Leute .brauchte er noch, und die konnte er in Wisby anheuern. Deshalb nahmen sie an diesem Morgen des 3. März 1593 Kurs auf den Hafen Wisby auf Gotland. Vorher aber wollte Hakulinen noch etwas erledigen, was ihm seit zwei Stunden auf der Seele brannte Der Koch Mäkilä hatte heute morgen ein Frühstück serviert, das ihnen noch allen wie Wackersteine im Magen hing. Graupen und Stockfisch hatte es gegeben, und das hatte dieser Dreckspatz von einem Koch so zusammengemantscht, daß es aussah wie die Ausscheidungen der Grönlandwale. So ähnlich roch es auch, nach fauligem Tang, toten Quallen und vergammeltem Fisch. „Schick mir den verfluchten Koch aufs Achterdeck!“ befahl der finnische Kapitän dem Bootsmann Pulkila. „Aber gern“, sagte der Bootsmann erfreut, weil er ahnte, was den „verfluchten Koch“ diesmal erwartete. Hakulinen hatte ihm schon gestern Prügel angedroht, falls sich an dem Fraß nichts ändern würde. Es vergingen nur ein paar Augenblicke, dann erschien Mäkilä auf dem Achterdeck der „Isabella“. Er versuchte anbiedernd zu grinsen, doch bei Hakulinen war das fehl am Platz. „Du siehst nicht nur aus wie ein Steinzeitmensch“, sagte er höhnisch, „du bist auch genauso dämlich. Mit Feuer kannst du nicht umgehen, das hast du bewiesen, als durch deine Schuld die 'Katkorapu` verbrannte und unterging. Dein übler Fraß ist noch schlimmer geworden, du Mistkoch, du verdammter. Von deinen Versprechen hast du kein einziges gehalten.“ Er sah den Koch ärgerlich und drohend an, der ungeschlacht und gebückt dastand, mit den überlangen Armen eines Affen, kleinen tückischen Augen und niedriger
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fliehender Stirn. Zu allem Übel hatte er auch noch eine platte Nase und aufgeworfene wulstige Lippen, die das Bild vom Steinzeitmenschen fast perfekt abrundeten. „Ich - ich bin nun mal kein guter Koch, Kapitän“, sagte er heiser vor Angst, denn er kannte die Gewalttätigkeit des Kapitäns, der gleich rigoros zuschlug, wenn ihm etwas nicht paßte. Diesmal schien Hakulinen zur Erleichterung des Kochs aber nicht zuzuschlagen. Vielleicht beließ er es bei seinem triefenden Hohn. „Du bist nicht nur ein mieser Koch“, sagte Hakulinen verächtlich; „du bist ein Smutt, ein Schmierlappen, ein fetttriefendes Kombüsenschwein. Aber vielleicht kannst du besser mit Farbe und Pinsel umgehen.“ „Ganz sicher, Kapitän“, sagte der Koch erleichtert. „Was habe ich zu tun?“ „Du wirst den Namen am Heckspiegel überstreichen, damit man den Namen „Isabella' nicht mehr. sieht. Farbe gibt es auf diesem Schiff genug. Fang sofort damit an und verschwinde aus meinen Augen, sonst setze ich dir noch die Faust in deine Urmenschen-Schnauze.“ „Sofort, Kapitän.“ Der schmierige Koch dienerte. Als er sich noch einmal hündisch verbeugte, beförderte ihn ein harter Tritt vom Achterdeck, und Mäkilä sauste hart über die Stufen des Niederganges aufs Quarterdeck. Etwas später erschien er humpelnd mit einem Fäßchen schwarzer Farbe und einem Pinsel auf dem Achterdeck. Dort sah er sich ziemlich ratlos um und wußte nicht, wie er es bewerkstelligen sollte, an jene Stelle zu gelangen, wo der Name „Isabella“ stand. „Äh - man sollte so eine Art Stelling vielleicht achtern anbringen, damit ich darauf sitzen kann“, wandte er sich verlegen an den Bootsmann Pulkila, der ebenfalls auf dem Achterdeck stand und sich durch einen grinsenden Blick mit Hakulinen verständigte. „Bau ihm eine Stelling, Bootsmann“, sagte der Kapitän.
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Pulkila nickte und griff nach einem Tau, das er sich schon zurecht gelegt hatte. Seelenruhig begann er, es dem verdutzten Koch um das linke Bein zu knoten. Um zu prüfen, ob der Knoten auch fest saß, riß der Bootsmann einmal heftig daran. Der Koch verlor die Balance und fiel mit einem dumpfen Ächzlaut auf die Planken. „Sitzt fest“, sagte Pulkila fachmännisch. „Dann über Bord mit der Stelling“, befahl Hakulinen. Der Koch jammerte, doch das half ihm nicht. Vier rohe Fäuste, die des Kapitäns und die des Bootsmannes, hievten ihn hoch und gleich noch weiter. Der schreiende Koch hing jetzt kopfvoran, das linke Bein nach oben, an dein Tau und wurde abgefiert. Dicht über dem rauschenden Kielwasser pendelte er an der Bordwand hin und her. Er schrie jetzt zum Gotterbarmen, weil er nicht wußte, was die Kerle mit ihm vorhatten. Daß sie ihm eine Lektion für den schlechten Fraß erteilen wollten, war ihm klar. Er wußte nur nicht, wie es weiterging. Von oben hörte er rauhes Gelächter. Die anderen Finnen waren jetzt alle versammelt und freuten sich, daß der Koch nur an einem Bein hing und außenbords über der See baumelte. An einer Leine wurde der Farbtopf mit dem Pinsel abgefiert. „Fang an!“ brüllte der Kapitän. „Und wenn du es nicht ordentlich tust, lassen wir dich bis in den Hafen hängen.“ Mäkilä jammerte weiter, daß ihm das Blut zu Kopf stiege und er kaum noch etwas sehen könne. „Fang endlich an!“ rief Hakulinen drohend. „Sonst wirst du nie wieder etwas sehen können.“ Mäkilä heulte seine Angst weiter ins Kielwasser und erwartete jeden Augenblick, daß oben an Deck einer auf die Idee verfiel, das Tau weiter abzufieren oder gar durchzuschneiden. In der unmöglichen Stellung, in der er hing, griff er nach dem Pinsel, tauchte ihn in die schwarze Farbe und pönte drauflos. Jedes Mal, wenn der Pinsel die Bordwand
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berührte, versetzte es Mäkilä in leichten Schwung, und er begann wie ein riesiges Pendel achtern am Schiff zu schwingen. „Den Schwung mußt du ausnutzen“, riet eine Stimme hoch über ihm. „Steck dir doch den Pinsel ins Maul, dann ziehen wir dich immer am Heck entlang.“ Mäkilä pinselte weiter, bis der Name „Isabella“ immer mehr verschwand und schließlich von der schwarzen Farbe ganz aufgesogen wurde. Zu dem Zeitpunkt war ihm das Blut schon so in den Kopf gestiegen, daß er fast bewußtlos war und nur noch rote tanzende Nebelschleier erkennen konnte. Dann hievten sie erst den Pott mit Pinsel und Farbe hoch, weil der ihrer Ansicht nach wichtiger war. Doch schließlich zogen ihn kräftige Fäuste an Bord, wo er benommen auf dem Achterdeck hockte. Zwei andere hatten inzwischen provisorisch eine Stelling gezimmert und außenbords gefiert. Der Zimmermann Kuhmo enterte bereits ab, um den neuen Namen „Katkorapu“ mit Goldfarbe an den Spiegel zu malen. „Ist noch was von der schwarzen Farbe übrig?“ fragte der Kapitän. Pulkila sah in den Topf und nickte. Hakulinen räusperte sich, sah dann nachdenklich auf den stumpfsinnigen Koch und nickte ebenfalls. „So ein bißchen schwarze Farbe verändert viel“, sagte er. „Vielleicht kann man damit auch aus dem stinkenden Koch einen besseren Koch machen, einen, der nicht mehr so dreckig und fettig aussieht und schön gleichmäßig glänzt.“ „Ich werde mich um das Essen kümmern“, sagte der Koch heiser vor Angst, weil ihm bereits etwas schwante. Doch Hakulinen schüttelte nur freundlich den Kopf. Er zeigte flüchtig auf die Kuhl und winkte zwei weitere Leute auf das Achterdeck, Abromeit und den Profos Alavus. „Bleib hier“, sagte er mit der gleichen falschen Freundlichkeit. „Um das Essen werden sich andere kümmern. Für dich ist heute Feiertag, du erhältst einen neuen Anstrich.“
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Die Männer grölten schadenfroh und schnitten Mäkilä gleich den Weg ab. damit er nicht türmen konnte. „Das tut nicht weh und ist besser als Schläge“, sagte Hakulinen. „Und es wird dir auch verdammt lange in Erinnerung bleiben. Packt ihn jetzt, zieht ihm die dreckigen Klamotten aus und streicht den Kerl schwarz an!“ Auf einen solchen Befehl hatten sie alle nur gewartet, und schon stürzte sich die Meute auf den hysterisch kreischenden Koch und riß ihm die Plünnen herunter. Zum Schluß trug er noch eine dreckige Unterhose und seine Stiefel. Die Unterhose sah aus wie ein bei schwerem Wetter aus dem Liek gefetztes Segel. Sie war ziemlich zerrissen. Der Koch hieb in seiner Angst um sich und brüllte seine Furcht lauthals gegen den Wind. Für die anderen war das Anlaß genug, sich nur noch mehr zu beeilen. Deftige Witze wurden gerissen, und jeder erbot sich freiwillig, den „verfluchten Koch“ anzustreichen. Der erste Pinsel schwarzer Farbe klatschte ihm auf den Kopf und verklebte seine Haare zu einem schmierigen Teppich. Dann ging es zügig weiter. Der Rücken kam an die Reihe, dann das Stück zwischen Oberschenkel und Stiefeln. und nach einer Weile sah der schreiende Koch in des Wortes doppelter Bedeutung recht finster aus. Das hohnvolle Gelächter begleitete ihn, und er fühlte sich so gedemütigt wie noch nie in seinem Leben. Aber schön gleichmäßig schwarz sah er aus, wie die anderen unter tosendem Gelächter anerkennend feststellten. Gar nicht wieder zu erkennen war er in seiner glänzenden Pracht, und von der Unterhose abwärts sah es aus, als steckten da zwei schwarzglänzende Ofenrohre in einem Paar Stiefel. Hakulinen grinste ihn freundlich „Bisher haben wir uns alle über dich nur sagte er, „jetzt bereitest du uns auch mal eine Freude, und jeder hat Gefallen an dir. Aber diese Freude wollen wir noch ein wenig genießen. Deshalb wirst du jetzt
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immer in aller Pracht und Herrlichkeit von vorn bis achtern laufen, auf und ab. als wenn du Wache gehst. Und jetzt setz dich in Marsch. Brust raus, Kopf hoch. die Arme angewinkelt.“ Mäkilä konnte weder fluchen noch schreien, noch die Kerle alle lauthals verdammen_ denn die Farbe trocknete verdammt schnell an der frischen Luft. Das zog ihm aber gleichzeitig die Haut so zusammen, daß er kaum noch die Lippen auseinanderkriegte. Selbst seine Arme pappten schon am Körper an. An Leib und Seele gebrochen. begann er von achtern über das Quarterdeck zu gehen, dann durchquerte er die Kuhl, Brust raus und den Kopf hoch, die Arme angewinkelt, und enterte die Back. Dort mußte er eine zackige, überaus lächerlich wirkende Kehrtwendung beschreiben und die Strecke wieder zurückgehen. Jedesmal wenn er an einem vorbeikam. wurde er untertänigst gegrüßt. und alle verbeugten sich vor ihm. Dabei fühlte er sich selbst immer kleiner werden und zusammenschrumpfen. Auch sah er immer schlimmer aus, nach Hakulinens Ansicht wie ein frisch geteerter Affe aus grauer Vorzeit. So wanderte der Koch rastlos wie Ahasverus über die Decks, erbärmlich anzusehen, und auf jeder seiner Wanderungen begleitete ihn eine Lachsalve aus tränenden Gesichtern. Inzwischen stand der Name „Katkorapu“, was soviel wie Krabbe hieß, am Spiegel des Schiffes. Diesen Namen hatte auch die Galeone Hakulinens gehabt, die durch die Hauptschuld des Kochs verbrannt war. Als sie endlich in Wisby einliefen, stand der Koch immer noch frierend und schnatternd an Deck, und der Profos zwang ihn dazu, zur Begrüßung das alte finnische Lied von dem bösen schwarzen Walfisch anzustimmen. Aus Angst vor weiteren Schikanen oder Prügel stand der Koch dann wenig später auf der Kuhl und sang zum Ergötzen aller in voller Lautstärke das Lied vorn Walfisch.
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Zwei Männern fiel das Schiff schon auf, noch bevor es in den Hafen einlief. Der eine dieser Männer war sehnig, stark, groß und von wilder Geschmeidigkeit, mit wehenden blonden Haaren und durchdringend blickenden eisblauen Augen. Arne von Manteuffel, ein Vetter des Seewolfs Philip Hasard Killigrew, eine Zweitausgabe des Seewolfs, nur eben heller als der schwarzhaarige Killigrew. Sein Schiff, die „Wappen von Kolberg“ lag noch immer an der Pier, weil Arne von Manteuffel auf eine bereits avisierte Pelzladung aus Wiborg wartete. Der andere Mann war der Hafenmeister, der aus schmalen Augen auf die anlegende prächtige Galeone blickte, und seiner Verwunderung dadurch Ausdruck gab, daß er sich verblüfft den Schädel kratzte. Verdammt, das Schiff kannte er doch, allerdings nichts als „Katkorapu“, sondern als „Isabella“. Er hätte jeden Eid darauf geleistet, daß es die „Isabella“ war, aber sie hieß anders, obwohl das Schiff sozusagen ein Solitär unter den Schiffen war. Er musterte die Kerle mit gerunzelter Stirn und starrte reichlich verblüfft auf den singenden Neger an Deck, der nur in Stiefeln und Unterhosen dastand und heiser seinen Gesang in die Welt brüllte. Auf dem anderen Schiff hatte es auch einen Neger gegeben, überlegte er, aber der war viel größer und breiter und hatte wollige Haare. Dieser Neger jedoch war sozusagen viel frischer und glänzte noch, als .sei er gerade frisch aus den Windeln gestiegen. Ein merkwürdiger Mensch war das, fand der Hafenmeister erstaunt und verwundert. Als das Schiff jetzt anlegte, wunderte er sich noch mehr, stellte aber vorerst keine Fragen, als er die Gesichter der wilden Gesellen sah. Die sahen alle so aus, als sei mit ihnen nicht gut Salz lecken, besonders dieser Kapitän nicht, der eine schroffe und ablehnende Art zu haben schien.
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Also konzentrierte er seine Blicke wieder auf den merkwürdigen Mann, der in seiner seltsamen Kleidung von vorn nach achtern ging und dabei immer laut sang, allerdings sehr krächzend und so, als hätte er ganz verdammte Angst. Aus der Nähe stellte sich dann auch heraus, daß es gar kein Neger war. Da hatten die doch glatt einen Kerl angestrichen, dem die Farbe noch auf dem Körper und im Gesicht antrocknete. Vielleicht war das so eine Art neumodischer Kram, dachte der Hafenmeister, oder die Kerle waren ein bißchen verrückt. Vielleicht war der Angepönte aber auch besoffen, oder der Kapitän schätzte es ganz besonders, immer einen angestrichenen Kerl auf dem Schiff zu haben, der fragwürdige Lieder sang. Der Hafenmeister blieb noch ein wenig stehen und wartete ab, denn schließlich war es üblich, daß der Kapitän sich bei ihm meldete. Aber nichts dergleichen geschah. Der Blonde mit dem stark eingekerbten Kinn kümmerte sich nicht um den Hafenmeister und ging auf die Kuhl des Schiffes. Der Hafenmeister, den die Neugier immer stärker plagte, trat bis dicht an das Schiff heran, grüßte freundlich und stellte sich vor. Der Kapitän schenkte ihm nur einen frostigen abweisenden Blick. „Ein herrliches Schiff“, sagte der Hafenmeister anerkennend nickend, „eine Prachtgaleone. So was sieht man selten.“ „Ja, aber hin und wieder doch“, sagte Hakulinen schroff. „So eins sah ich schon mal“, sagte der Hafenmeister. „Wollen Sie Ladung übernehmen, oder bleiben Sie länger?“ Die Antwort war wieder knapp und abweisend. Der Kapitän war fraglos ein ungehobelter Flegel. „Ich brauche ein paar Leute, falls Sie nichts dagegen haben.“ „Da werden Sie hier gut ....“ Hakulinen reagierte gar nicht darauf, ihn interessierte nicht, was der Hafenmeister sagte, und so wandte er ihm unhöflich den
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Rücken und unterhielt sich mit einem anderen. Üble Gesellen, taxierte der Hafenmeister verärgert. Aber er wollte sich keine zweite Abfuhr holen, und so stellte er auch keine weiteren Fragen mehr. Schließlich hieß das Schiff ja auch nicht „Isabella“. Auf der „Wappen von Kolberg“ erregte die Galeone ebenfalls großes Interesse, ganz besonders bei Arne von Manteuffel, der sie von vorn bis achtern' musterte und ein paarmal den Kopf schüttelte. Neben ihm stand der ebenfalls hochgewachsene und schlanke Erste Offizier Renke Eggens. Auch er blickte gebannt zu der Galeone hin. „Das gibt es doch nicht, Renke“, sagte Arne verwundert. „Das Schiff gehört meinem Vetter Hasard, ich kenne es ganz genau, ich kann mich nicht so täuschen. Ich würde meinen Kopf dafür hinlegen, daß es die ‚Isabella' ist. Es kann von diesem Schiff gar keine Zweitausgabe mehr geben, die Galeone ist einmalig und erregt überall Aufsehen. Sie ist unverwechselbar.“ Renke Eggens nickte bekräftigend. „Ja, sie ist unverwechselbar“, erwiderte er, „aber sie scheint es doch nicht zu sein. Ihr Name lautet: ,Katkorapu`, so steht es in breiten Lettern auf dem Heck.“ „Was ist schon ein Name?“ fragte der blonde Hüne. „Man nimmt einen Pott Farbe, übermalt ihn und setzt einen anderen an die Stelle. Und schon heißt das Schiff ganz anders -wie Krabbe zum Beispiel. Die meisten stutzen, weil sie den Anblick dieses Prachtschiffes kennen, lesen dann aber den anderen Namen und lassen die Angelegenheit auf sich beruhen.“ „Und was willst du unternehmen, Arne?“ Der Blonde mit den eisblauen Augen und dem männlichen kantigen Gesicht stieß sich von der Schmuckbalustrade des Achterdecks ab und stand federnd auf den Beinen. „Ich werde der Angelegenheit auf den Grund gehen, denn ich kann mich nicht so irren“, sagte er hart. „Es ist die ‚Isabella' meines Vetters, daran besteht kein Zweifel.
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Da muß etwas passiert sein. Sieh dir einmal diese Kerle an, Renke. Sieh sie dir genau an. Da sind ein paar Visagen dabei, die nach allem anderen, nur nicht nach ehrlichen Handelsfahrern aussehen. Und was soll überhaupt dieser schwarz angemalte Kerl darstellen? Die scheinen alle ein wenig übergeschnappt zu sein.“ „Den Hafenkapitän behandeln sie auch wie den letzten Dreck“, stellte der Erste fest. „Der Blonde gibt ihm nicht einmal eine Antwort und dreht sich bei einer Frage einfach um.“ „Das ist sehr merkwürdig“, sagte Arne von Manteuffel. Erst vor ganz kurzer Zeit hatte er seinen Vetter Philip Hasard Killigrew durch Zufall kennengelernt und ihm hier in Wisby auch gleich aus der Patsche geholfen. Danach war Hasard weiter ins Baltische Meer gesegelt, wollte aber auf der Rückfahrt noch einmal in Wisby „reinschauen“. Jetzt lief sein Schiff ein, aber von der Crew war keiner mehr an Bord, was Arne mit immer größerer Sorge erfüllte. „Was können wir unternehmen, Arne?“ wollte der Erste wissen. „Vorerst mal das Schiff beobachten“, sagte der Mann, der so aussah, daß er fast als Zwillingsbruder Hasards durchgegangen wäre, hätte er ebenfalls schwarze Haare gehabt. „Wenn der Kapitän es verläßt, werde ich ihm folgen und herausfinden, was er hier treibt. Du übernimmst das Kommando über das Schiff, solange ich weg bin. Ich werde mit dem Bootsmann dann später an Land gehen.“ „Bist du dir ganz sicher, daß es die ‚Isabella' ist?“ „Absolut sicher“, erwiderte Arne überzeugt. „Ich wüßte auch nicht, daß die Finnen solche Galeonen haben. Solche Schiffe werden erst in einigen Jahren gebaut, und daher ist es unverwechselbar.“ Bei dem Ersten blieb noch ein winziger Unsicherheitsfaktor. Seinen Kopf wollte er dafür nicht hinhalten, denn er dachte daran, daß das Schiff keinerlei Beschädigungen aufwies, er andererseits sich aber nicht
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vorstellen konnte, daß solche Kerle wie die Seewölfe einfach und kampflos ihr Schiff aufgaben. Zumindest hätte es eine Menge Kleinholz an Bord geben müssen. Das sagte er Arne aber nicht, denn der hatte sich jetzt in die Sache verbissen und ging sie mit der ihm eigenen Zähigkeit und Gründlichkeit an. Etwas später gesellte sich auch der Bootsmann zu ihnen, Hein Ropers, ein urwüchsiger harter und verläßlicher Mann, den es von der Niederelbe aus Stade an die Ostsee verschlagen hatte. Hein Ropers fuhr jetzt seit acht Jahren bei Arne von Manteuffel und ging mit ihm durch dick und dünn. Ropers hatte den Braten ebenfalls gerochen, für ihn war das Schiff so unverwechselbar wie für Arne auch. „Die haben den Namen überpönt“, erklärte er. „Dafür lasse ich mich untermangeln. Aber wo sind die anderen geblieben? Die haben ihr Schiff doch nicht kampflos aufgegeben.“ „Darüber grübele ich schon die ganze Zeit“, erwiderte Arne. „Nur zu einem brauchbaren Ergebnis hat es noch nicht gelangt. Scheint so, als steckt da eine ganz dicke Teufelei dahinter.“ „An Bord sind sie jedenfalls nicht gefangen“, meinte der Bootsmann, „sonst hätten sich die Eisenkerle durch die Planken gefressen und die Finnen zum Frühstück verspeist. Diese rund zwanzig Kerle waren wohl auch kaum in der Lage, dreißig Männer umzubringen, schon gar nicht diese Männer.“ Arne von Manteuffel nickte. Das Rätsel um das Schiff wurde immer größer, und damit das Problem um seinen verschwundenen Vetter und die anderen Männer. „Du gehst nachher mit, Hein, so- bald sich da drüben etwas rührt. Ich will wissen, welche Suppe da gekocht wird.“ „Egal, wie sie schmeckt, wir löffeln mit“, versprach Hein Ropers grimmig. „Auch wenn sie angebrannt ist.“ Mehr als eine halbe Stunde verging. Es war jetzt schon Nachmittag, und immer noch verließ niemand das Schiff. An Deck
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tummelten sich lediglich ein paar Gestalten herum. Die einzige Abwechslung war die, daß sie den schwarz angemalten Kerl in einen Waschzuber steckten und mit Scheuersand abschrubbten. Dabei wurde gegrölt und herumgebrüllt, und einer der Kerle brachte einen Holystone an und zog ihn dem brüllenden Kerl kräftig über das Kreuz. Der sprang nach einer Weile quiekend aus dem Zuber und rannte über alle Decks, verfolgt von einer grölenden Meute, der es Spaß bereitete, den Mann wieder einzufangen, um ihn erneut der derben Prozedur zu unterziehen. Auch ein paar Neugierige fanden sich ein, die an der Pier standen und grinsend zusahen. Doch der Kapitän mit der Kerbe im Kinn scheuchte sie unfreundlich weg und drohte einem der Männer gleich noch Prügel an, als der nicht schleunigst verschwand. Der Nachmittag verging, und es wurde Abend, ehe sich auf der Galeone etwas rührte. Arne von Manteuffel war gerade in seiner Kammer, als Hein Ropers anklopfte und eintrat. „Fünf Kerle gehen an Land“, sagte er. „Vier ziemlich harte Knochen und der Kapitän.“ Der riesenhafte Blonde sprang auf. Sein knappes Lächeln war hart. „Na, endlich“, sagte er, „ich dachte schon, die wollen sich für den nächsten Winter hier einfrieren lassen. Gehen wir sofort hinterher. Renke Eggens weiß Bescheid.“ Arne verließ die Kammer des Achterdecks und folgte dem Bootsmann, der es ziemlich eilig hatte. Am Hafen. sahen sie gerade noch die fünf Gestalten im Dämmerlicht, die in eine kleine Gasse einbogen. „Ich kann mir schon denken, in welche Kneipe sie gehen“, sagte Arne unterwegs. „Und da werden sie irgendwelchen dunklen Geschäften nachhängen, oder aber sie brauchen Leute, denn mit zwanzig Mann können sie auf der ‚Isabella' nicht viel anfangen.“
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„Das wäre eine Möglichkeit“, sagte Hein Ropers. „Denen traue ich aber eher ein paar undurchsichtige Geschäfte zu.“ Die fünf Kerle drehten sich nicht ein einziges Mal um. Sie bemerkten ihre Verfolger nicht und verfielen auch gar nicht auf die Idee, verfolgt zu werden. Es ging durch eine Gasse, dicht an der alten Stadtmauer mit den vielen Türmen vorbei, dann leicht einen Hang hinauf. Von See her briste es auf, und kühler Wind strich über Wisby. Der Mond über dem Wasser war nur ein kleiner Strich, der hin und wieder zwischen Wolken verschwand. Vor der Kneipe hing eine Sturmlaterne, die ein Holzschild mit der Aufschrift „Zur Räucherkate“ flackernd beleuchtete. Die schwere Bohlentür ging auf, und die fünf Finnen verschwanden in milchigem Lichtschein. Arne von Manteuffel und Hein Ropers warteten noch ein paar Augenblicke, dann gingen sie hinterher. 3. Als sie eintraten, war die Luft in der Kneipe dick und verräuchert. Es roch auch nach geräuchertem Fisch und Fleisch, was der Kneipe den Namen zu Recht eintrug. Dänen, Schweden und Finnen hielten sich hier auf. Zwei dicke Schankknechte bedienten und schleppten Krüge herbei. Stimmenwirrwarr herrschte, etliche Männer redeten erregt durcheinander. In der „Räucherkate“,. trafen sich meist die Seeleute, aber auch Fischer und Knechte waren hier. Arne steuerte vor Hein Ropers einen Tisch an, an dem ein Betrunkener mit schwankendem Oberkörper in einen halbvollen Krug stierte, als könne er nicht fassen, daß der Krug noch halb voll oder schon wieder halb leer war, je nachdem, wie man das sah. Der erregte Disput einiger Dänen ließ ihr Eintreten fast unbemerkt zu, und auch die Finnen, die mit dem Rücken zu ihnen saßen, schenkten ihnen keine Aufmerksamkeit und drehten sich nicht um.
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Arne von Manteuffel war das nur recht, und so nahmen sie unbemerkt Platz. Der Betrunkene starrte sie aus blicklosen Augen an, nickte dann und stierte wieder in seinen Krug. Die Welt um ihn herum verschwamm im Nebel gestörter Gehirnfunktionen, und so langte es nur hin und wieder zu einem tiefen Rülpsen. Arne blickte zu dem finnischen Kapitän hinüber, der ihm sein breites Kreuz zuwandte, und mit zwei blondhaarigen Schweden verhandelte. Das Gespräch konnte er einwandfrei mithören, denn die Dänen hatten ihren Disput beendet, langten sich von dem Tresen eine Kruke „Wasser des Lebens“ und zogen ab an einen anderen Tisch, wo sie den Akvavit wie Wasser in sich hineingossen. „... kann immer tüchtige Leute gebrauchen“, sagte der finnische Kapitän gerade. „Wenn ihr heuern wollt, dann schlagt ein.“ Gleichzeitig streckte er seine Hand über den Tisch. Aber die beiden Schweden waren noch nicht so ohne weiteres dazu bereit. Vielleicht hatten sie auch langjährige üble Erfahrungen hinter sich, und so versuchten sie, den Kapitän erst ein wenig auszuholen. „Wie ist die Heuer?“ fragte der ei- ne. Diesmal antwortete nicht der Kapitän, sondern ein anderer. „Mehr als reichlich“, versprach er großzügig. „Was wird gezahlt?“ „Englisch oder schwedisch Geld, wie ihr wollt.“ „Und die Behandlung?“ „Jeden Tag dreimal Besanschot an. Und der Kapitän ist der beste Kerl, den ihr euch nur vorstellen könnt.“ „Hört sich gut an“, sagte der eine Schwede etwas zögernd. „Aber Versprechungen werden ja heutzutage immer viel gemacht, und am Ende weiß man ja, wie das dann so ausgeht.“ „Nicht bei uns“, versicherte ein dritter Finne treuherzig. „Das gilt nur für Halsabschneider. Bei uns sind alles ehrliche Kerle an Bord, und ihr werdet ein
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Leben führen, um das euch jeder andere Seemann beneidet.“ Sie lügen den beiden das Blaue vom Himmel runter, dachte Arne von Manteuffel schaudernd. Die beiden Kerle fielen auch prompt auf die großzügigen Versprechungen herein. Nur der eine hatte immer noch leichte Bedenken. „Wenn es bei euch an Bord so gut ist“, sagte er, „wieso braucht ihr dann Männer? Jeder wäre doch froh, wenn er ...“ Hakulinen wischte den Einwand einfach durch eine schnelle Handbewegung fort. „Ich habe Seeleute geheuert“, sagte er, „aber das waren bestenfalls Schankknechte, und die wurden mir dauernd seekrank. Deshalb habe ich sie hier an Land gesetzt, weil ich mit ihnen nichts anfangen konnte.“ „Ah, so ist das.“ Arne von Manteuffel verzog leicht die Lippen. Diese faustdicken Lügen kamen dem Finnen schnell und leicht über die Lippen, und nun waren die beiden Schweden einverstanden. Sie kriegten ja auch sofort eine scheinbar plausible Erklärung. Der eine schlug in die ausgestreckte Hand ein, dann gleich darauf der andere. „Gut“, sagte der Finnen-Kapitän. „Ihr werdet es nicht bereuen. Abromeit wird euch gleich an Bord bringen. Die Bezahlung erledige ich.“ Einer der Finnen erhob sich, ließ die Schweden schnell noch austrinken und ging anschließend mit ihnen hinaus. Gleich darauf waren sie verschwunden. „Wollen doch mal sehen, ob sie nicht noch mehr Seeleute brauchen“, flüsterte Arne seinem Bootsmann zu. „Auf die Reaktion bin ich sehr gespannt.“ Die Reaktion fiel allerdings sehr verblüffend aus, als Arne von Manteuffel sich dem Finnen-Kapitän direkt zuwandte. Der hatte gerade grinsend seinen Humpen an die Lippen gesetzt, als von Manteuffel ihm voll ins Gesicht blickte. Der hartgesichtige Finne verschluckte sich fast, zuckte deutlich sichtbar zusammen und starrte den Blonden völlig verblüfft an.
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Noch einmal schluckte er. ehe er langsam den Humpen absetzte. Arne schien es, als hätte jemand dem Finnen plötzlich und heftig eins übergezogen, so groß war dessen Erschrecken. Auch die drei anderen Finnen waren sprachlos und stierten Arne an, als sei ihnen gerade ein Geist begegnet. Von Manteuffel ließ sich nichts anmerken und gab sich weiterhin betont harmlos. Aber diese verblüffende Reaktion sagte ihm mehr als alle Worte. Klar, da war die verblüffende Ähnlichkeit zwischen ihm und Hasard, und das erkannten die Kerle natürlich. Nur war die eine Ausgabe schwarzhaarig und die andere blond. Kein Zweifel also. daß sie seinen Vetter gut kannten. Ihr Erschrecken bewies, daß sie ein schlechtes Gewissen hatten und da etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Auch Hein Ropers war diese erstaunliche Reaktion nicht entgangen. Der FinnenKapitän sah so aus, als sei er dem Leibhaftigen begegnet. Er versuchte, sein heftiges Erschrecken zu verbergen, was ihm nur sehr mühsam gelang. Arne behielt sein freundliches Lächeln bei und tat so, als hätte er nichts bemerkt. Er wünschte den Finnen sogar noch einen Guten Abend. „Sie werden verzeihen, Kapitän“, sagte er, „aber ich habe eben ungewollt Ihr Gespräch mitgehört und erfahren, daß Sie tüchtige Seeleute suchen. Sie scheinen sehr großzügig zu sein. Falls Sie noch weitere Decksleute suchen, möchten wir Sie um eine Heuer auf Ihrem Schiff bitten.“ Hakulinen starrte den Blonden immer noch wie einen Geist an. Aber sein Gesicht verschloß sich immer mehr und wurde zusehends finsterer. Dennoch musterte er jeden Zug im Gesicht des Blonden. „Wer bist du?“ fragte er hart und kalt. „Ich bin Deutscher, Kapitän“, erwiderte Arne, scheinbar etwas verstört über die schroffe Art des Finnen. „Das ist mein Macker Gottlieb Böttcher, ich bin Hein Kruse, beide aus Deutschland.“ Wieder erfolgte diese genaue Musterung, aber Arne erkannte dahinter auch gleichzeitig die eisige Ablehnung.
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„Deutsche seid ihr? Kommt nicht in Frage. Ich will keine Deutschen an Bord, die skandinavischen Seeleute sind mir lieber.“ „Wir fahren schon lange zur See“, sagte Arne, „und wir verstehen unser Handwerk.“ „Ich habe gesagt, ihr kommt nicht in Frage“, brauste Hakulinen auf. „Und wenn ich das einmal sage, dann meine ich das auch so und wiederhole mich nicht gern, verstanden?“ „Schon gut, Kapitän“, sagte Arne beschwichtigend. „Wir suchen eine Heuer, und da wird das Fragen ja wohl erlaubt sein.“ „Sucht eure Heuer, wo ihr wollt, aber nicht bei mir.“ Arne von Manteuffel grinste sich eins, griff zu seinem Humpen und nahm einen tiefen Zug. Der Finne wandte ihnen wieder den Rücken zu, und auch die drei anderen in seiner Begleitung taten so, als seien die beiden Deutschen nicht mehr vorhanden. Als der Finne ausgetrunken hatte, stellte er seinen Humpen hart auf den Tisch zurück und erhob sich. Dem Schankknecht warf er ein Geldstück zu und fuhr die anderen hart an. „Beeilt euch gefälligst. Es wird Zeit, an Bord zu gehen.“ Arne betrachtete ihn, als er an ihnen vorbeiging. Von der Seite her sah er das harte Gesicht des Finnen und die kalten Augen. Auch die Kerbe, die sein Kinn in zwei Teile spaltete, war deutlich zu sehen. Die Finnen gönnten ihnen keinen Blick mehr und stapften grußlos und mit schweren Schritten aus der „Räucherkate“. Hinter ihnen knallte die schwere Bohlentür zu. „Der hat uns aber hart abgeschmettert“, meinte Hein Ropers, als die Finnen gegangen waren. „Die Blicke von den Kerlen waren allerdings eindeutig.“ „Ja, das waren sie. Für mich besteht kein Zweifel mehr, daß er Hasard kennt und eine Menge Dreck am Stecken hat.“ „Vielleicht hielt er dich für seinen Bruder.“ „Möglich“, sann Arne. „Was, zum Teufel, mag aus den anderen geworden sein?“
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Da Hein darauf ebenso wenig eine Antwort wußte, zuckte er nur mit den Schultern. „Bleiben wir noch hier?“ fragte Hein. „Wir trinken erst einmal in aller Ruhe aus“, sagte Arne. „Ich überlege mir gerade etwas.“ „Du läßt nicht locker. Das finde ich richtig.“ „Ich habe Gründe genug, um nachzuhaken“, versicherte Arne. „Wir werden uns nachher die finnische Galeone aus der Nähe ansehen, vielleicht führt das weiter. Nur etwas vorsichtig müssen wir dabei sein, denn die Kerle sind unberechenbar, ganz besonders dieser finnische Kapitän.“ Langsam begann sich die Kneipe zu leeren. In einer halben Stunde war es Mitternacht und so erhoben sie sich schließlich, nachdem die Humpen geleert waren. Arne bezahlte an der Theke, nickte dem Wirt noch einmal zu, und ging dann mit Hein Ropers hinaus. Sie nahmen denselben Weg, den sie gekommen waren, an der Stadtmauer entlang, durch die enge Gasse in Richtung Hafen. Es war jetzt so finster, daß sie ihren Weg mehr ahnten als sahen. Vor der schmalen Mondsichel zogen wieder dunkle Wolkenbänke auf. „Viel zu sehen gibt es ja nicht“, sagte Hein Ropers gerade, „da werden wir bei den Kerlen ...“ Arne von Manteuffel, der auf den Rest des Satzes wartete, wirbelte herum. Er vernahm ein lautes Ächzen, dann einen schweren Fall. Instinktiv schlug er zu, mitten in die Schwärze hinein. Doch noch während seine Faust vorschoß, krachte ihm etwas auf den Schädel. Den nächsten Schlag spürte er auch noch schmerzhaft, er konnte sich aber nicht mehr zur Wehr setzen, denn gleich darauf begann ein blutroter Reigen vor seinen Augen, und vor seinem Kopf stoben bunte Funken in allen Richtungen davon. Noch während er fiel, erlosch sein Bewußtsein in einer finsteren Wolke. „Hoch mit den Kerlen und an Bord mit ihnen“, sagte Hakulinen. „Jetzt können sie anmustern. Bringt sie aufs Schiff, paßt gut
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auf sie auf, wir werden gleich nach Mitternacht auslaufen.“ „Ging ja verdammt einfach“, sagte der eine Finne überrascht. „Ich wette, die haben uns nicht einmal gesehen.“ „Haben sie auch nicht. Vor allem haben sie damit auch nicht gerechnet“, sagte Hakulinen lachend. „Bei Tageslicht werden wir uns die beiden Vögel mal etwas genauer ansehen.“ Kräftige Fäuste, die hartes Zupacken gewöhnt waren, zerrten die beiden bewußtlosen Männer hoch. Einer warf sich Hein Ropers über die Schulter und trug ihn fort. Arne von Manteuffel, der wegen seiner beachtlichen Größe etwas schwerer war, wurde an Schultern und Stiefel gepackt, und dann ging es ab zum Hafen. „Wen bringt ihr denn da?“ fragte die Wache. „Halt's Maul, und frag nicht dumm“, fuhr Hakulinen ihn an. „Purr die anderen Kerle hoch. wir laufen aus. Und paßt auf diese beiden Kerle besonders gut auf.“ Die immer noch bewußtlosen Deutschen wurden vorerst auf die Kuhlplanken der „Isabella“ gelegt. Gleich darauf wurden die ersten Segel gesetzt, und die ranke Galeone legte langsam von der Pier ab. Sie verließ den Hafen von Wisby in südlicher Richtung. * Auch dieses Manöver war nicht unbeachtet geblieben. Auf dem Schiff Arne von Manteuffels, der Handelsgaleone „Wappen von Kolberg“. beobachtete der wachegehende Posten, was dort drüben geschah. Er sah die Gestalten zwar nur undeutlich. aber er bemerkte sie und sah auch. daß die Segel gesetzt wurden. Mitternacht war jetzt vorüber. Der Posten hielt das Auslaufen des Schiffes für wichtig genug, um dem Ersten Offizier Renke Eggens darüber Meldung zu erstatten. Der Erste schlief noch nicht. Er saß auf der Koje in seiner Kammer und studierte in
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einem dicken ledergebundenen Buch mit großen schwarzen Buchstaben. „Was gibt es, ist der Kapitän zurück?“ „Nein, bisher noch nicht. Aber die finnische Galeone geht gerade in See mit Kurs Süden. Ich meine. das Schiff, das der Kapitän für die ‚Isabella' hält.“ Eggens sah den Posten an und nickte. „Naja, so ganz sicher ist das nicht, ob es wirklich die ‚Isabella' ist. Aber ich kann sie nicht aufhalten. Gibt es sonst noch etwas?“ „Eigentlich nicht“, druckste der Posten verlegen. „Ich wollte das nur melden, weil es ja wichtig sein könnte. Sie haben auch noch zwei Männer an Bord geschleppt, offenbar *raren die betrunken.“ Renke Eggens lachte leise. „Bei den Finnen ist das kein Wunder“, sagte er, „die sind in jedem Hafen besoffen und nutzen die erstbeste Gelegenheit, um sich den Hals zu begießen. Bei uns soll so was ja auch schon passiert sein“, sagte er anzüglich mit einem durchdringenden Blick auf den Posten, der verlegen grinste, denn vor zwei Tagen hatten sie ihn selbst abschleppen müssen, weil die Beine unter ihm ständig vom vielen „Wasser des Lebens“ nachgaben. „Trotzdem vielen Dank für die Meldung. Wenn was sein sollte, ich bin noch eine Weile auf, denn ich warte auf die Rückkehr der beiden.“ Der Posten verschwand wieder an Deck, während sich Renke Eggens bequem auf die Koje hockte und weiter in dem Buch schmökerte. Hin und wieder blickte er auf, und dann stellte er fest, daß es doch schon wieder eine Stunde später war. Er fand es merkwürdig, daß Arne noch nicht da war. Solange blieb der sonst nie in den Kneipen hocken. Zwei Stunden nach Mitternacht fand er es nicht mehr merkwürdig, sondern war tief beunruhigt und ging an Deck, wo die Posten inzwischen gewechselt hatten. „Ich gehe mal nachsehen“, sagte er, „es ist ungewöhnlich, daß Kapitän und Bootsmann so lange ausbleiben.“ Drei Kneipen kamen nur in Frage, Mehr gab es in Hafennähe nicht.
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Eggens ging zu der Pinte, die am dichtesten am Hafen lag. Dort herrschte absolute Stille, wie er feststellte. Auch in der zweiten war alles geschlossen und dicht. Blieb noch die „Räucherkate“, in die es den Kapitän manchmal zog. In den beiden anderen ließ er sich ohnehin nur sehr selten sehen. Eggens ging durch das schlafende Wisby und begegnete keinem einzigen Menschen. Irgendwo jaulte ein Köter, zwei unsichtbare Katzen balgten sich, und am anderen Ende von Wisby ging vermutlich der Nachtwächter seine Runden. Die „Räucherkate“ hätte längst geschlossen, und als Eggens ein paarmal mit der Faust an die Bohlentür hämmerte, erfolgte keine Reaktion. Verdammt merkwürdig war das. Wo konnten von Manteuffel und Hein um diese Zeit noch stecken? Er fand keine Antwort auf die Frage, aber er konnte auch nicht die Leute aus den Häusern klopfen. Entmutigt und immer unruhiger kehrte er nach einer Weile wieder an Bord zurück. Er fand auch keinen Schlaf mehr, döste nur ein wenig vor sich hin und wartete ungeduldig ab, bis es hell wurde. Dann suchte er noch einmal die „Räucherkate“ auf und hämmerte an die Tür. Nach einer Weile wurde über ihm ein Fenster geöffnet, und der verschlafene Wirt blickte hinaus. Er trug eine graue Zipfelmütze mit einem buschigen Trottel daran, der ihm ständig ins Gesicht fiel. Eggens kannte den Wirt, und der kannte die Männer von der „Wappen von Kolberg“ auch alle. „War Kapitän von Manteuffel gestern da, Wirt? Der Bootsmann Ropers muß in seiner Begleitung gewesen sein.“ Der Wirt gähnte ausgiebig, während er gleichzeitig nickte. „Ja, die waren da, alle beide.“ Infolgedessen war auch der finnische Kapitän hier gewesen, überlegte Eggens. „Und wann sind sie gegangen, Mann? Himmel, laß dir doch nicht jedes Wort einzeln abkaufen.“
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Der Wirt überlegte und blies sich den Trottel von der Zipfelmütze aus dem Gesicht. „Es war noch vor Mitternacht, als sie aufbrachen, der Nachtwächter hatte die Zeit noch nicht ausgerufen. Ich sah auch noch, daß sich der Kapitän mit dem Finnen unterhielt, aber ich weiß nicht, was sie miteinander besprachen. Die beiden blieben dann noch ein wenig, aber die Finnen gingen schon vor ihnen los. Sie wollten Seeleute anheuern, und zwei Schweden kriegten sie auch. Die sind gleich mit einem der Finnen losgezogen.“ „Dieser finnische Kapitän“, fragte Eggens, „was ist das für ein Kerl, kennst du ihn näher?“ Das dritte Gähnen und Nicken erfolgte. Diesmal blieb der Zipfelmützentrottel über dem Ohr hängen. „Hakulinen heißt er, Matti Hakulinen“, sagte der Wirt, „Er war schon öfter bei mir. Er ist, nun ...“ Der Wirt wiegte bedächtig den Schädel und' drückte sich sehr vorsichtig aus. „Sagen wir mal, er ist ein. bißchen gewalttätig. Nicht gerade unberechenbar, aber - äh - eben ein harter Kerl.“ Ein bißchen gewalttätig, dachte Eggens, da wollte der Wirt sicher seine Gäste nicht verunglimpfen, denn in klarer Sprache hieß diese vorsichtige Ausdrucksweise nichts anderes, daß Hakulinen ein übler, gewalttätiger und eben unberechenbarer Kerl war. „Ist der Kapitän denn nicht an Bord?“ fragte der Wirt naiv, obwohl er sich das an den Fingern abzählen konnte. „Nein, noch nicht. Vielen Dank für die Auskunft.“ Der Wirt nickte, wollte vielleicht sagen: „Nichts zu danken“, aber da flog ihm das Trottelchen in den Mund, und er würgte nur etwas hervor, was Eggens nicht mehr verstand. Der Erste kehrte wieder an Bord zurück, tief besorgt über das merkwürdige Verschwinden der beiden Männer. Hakulinen war also mit seinen Leuten vor den beiden aufgebrochen, überlegte er, nachdem sie kurz miteinander gesprochen
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hatten. Erst danach waren Arne und der Bootsmann gefolgt. Das ergab überhaupt keinen vernünftigen Sinn, falls er dem Finnen wirklich etwas anhängen wollte. Jedenfalls war etwas passiert, die Spur der beiden Männer verlor sich ziemlich übergangslos, und jetzt waren sie, einfach weg. Der Erste wußte nicht, was er tun sollte, und so kehrte er ratlos an Bord der „Wappen von Kolberg“ zurück und unterrichtete die anderen. 4. Seit die Seewölfe ihre neue „Isabella“ nicht mehr hatten, herrschte zwar keine Weltuntergangsstimmung, aber sie alle waren immer noch ganz schön „in Braß“ und geladen. Ganz besonders traf das auf den Profos und Mac Pellew zu, die der Finne Hakulinen im Laderaum gefangen und zum Saufen gezwungen hatte, bis ihnen der Akvavit zu den Ohren herauslief. Dann wurden sie als Geiseln festgehalten und die anderen dazu gezwungen, auf der lausigen Insel Gotska Sandö „auszusteigen“. Erst als alle Seewölfe auf der Insel waren, ließ Hakulinen den vor Tut berstenden Profos und Mac Pellew wieder frei. Auf Gotska Sandö hausten in verwitterten Katen ein paar recht üble Gesellen, bärtige Wüteriche, die des Nachts die Seewölfe überfallen hatten, dann aber fürchterlich verprügelt worden waren. Die Lage war jetzt so, daß die Seewölfe zwei der auf der Insel liegenden Schaluppen „requiriert“ hatten und nunmehr Kurs Wisby anlagen. Bewaffnet waren sie mit Musketen und vier Flaschenbomben, die Ferris Tucker noch heimlich eingesackt hatte, bevor sie ihre „Isabella“ verlassen hatten. Auch die Bordkasse war in ihrem Besitz, ebenso wie Perlen, Edelsteine und Goldstücke, die sie in ihren damals von Will Thorne genähten breiten Ledergürteln trugen. Die Mannschaft war auf die beiden Schaluppen verteilt worden. Der Aracangapapagei befand sich auf der einen Schaluppe, die unter Ben Brightons
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Kommando segelte, während Arwenack in der Schaluppe kauerte, die der Seewolf befehligte. An diesem dritten März waren sie in aller Herrgottsfrühe um drei Uhr morgens aufgebrochen und mußten bei südwestlichen Winden aufkreuzen. Dennoch rechneten alle fest damit, daß sie Wisby am Abend desselben Tages erreichen würden. Aber ein Unglück kommt selten allein, und so war gleich noch etwas passiert, was sie erneut vor Wut kochen ließ. Die Pechsträhne riß nicht ab, denn noch während der Dunkelheit brummte die Schaluppe unter Hasards Kommando südwestlich von Gotska Sandö auf ein nicht sichtbares Riff. Und da hing sie nun fest, aufgedonnert bis fast zur Schiffsmitte. Jetzt platzte dem Profos, der in Hasards Schaluppe mit überaus grimmigem Gesicht hockte, endgültig der Kragen, und er versprach der Welt lauthals und mit wilder Stimme wieder mal allerlei Übles. Ganz besonders aber dem Finnen Hakulinen. „Hölle und Satan!“ brüllte er mit puterrotem Schädel. „Laßt mich nur noch einmal diesem kalfaterten finnischen Elchbullen begegnen, dieser vollgesoffenen Vorpiek-Kakerlake, diesem triefäugigen Akvavitarsch, mehr verlange ich als bescheidener Mann bestimmt nicht vom Leben, aber den schlag ich aus der Decke wie ein maulund klauenverseuchtes Rentier. Und seine Knochen hebe ich auf, um mir damit auf der Schlangen-Insel Kokosnüsse aus den Palmen zu werfen.“ Die anderen lauschten andächtig den wüsten Drohungen Carberrys, dessen Zorn immer größer und wilder wurde. Und so hörten sie weiterhin geduldig zu, was Hakulinen alles widerfahren würde, hatte ihn der Profos erst einmal am Kragen. Aus dem Rest seiner Knochen würde er höchstpersönlich Kleiderbügel für alle schnitzen, jawohl, und aus der Haut von seinem karierten Affenarsch, die er ihm selbstverständlich abziehen würde, müsse
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Will Thorne ein großes Sonnensegel nähen. Hakulinen wurde vom Profos so großzügig verwertet, daß von ihm nichts, aber auch gar nichts mehr übrigblieb. Hasard, der dem wilden Ausbruch ebenfalls schweigend, aber doch leicht grinsend lauschte, beendete schließlich Carberrys fluchenden Monolog. Klar, sollte der Profos sich abreagieren, dachte er, jeder Mann brauchte das, und Ed hatte es nun mal ganz besonders erwischt, aber jetzt fing er wieder davon an, was er noch alles tun würde, und das alles sei noch viel zu wenig. „Das kannst du alles tun, sobald wir ihn haben“, sagte der Seewolf freundlich, „leider haben wir ihn nicht, und es wird noch eine Weile vergehen, bis wir ihn kriegen, es kann auch sein, daß wir ihn nie kriegen,“ Carberry war immer noch nicht zu bremsen. „Und wenn ich diese Pißrinne von Ostsee in alle Himmelsrichtungen durchschwimme, auch ohne Boot versteht sich, aber den kriegen wir, Sir. Sonst sollen mir doch glatt die Narben im Gesicht wieder zuwachsen, bis ich glatt wie ein Kinderpopo bin.“ „Schon gut“, sagte Hasard, der ebenfalls erbittert über diese Niederlage durch die finnischen Halunken war, sich das aber kaum anmerken ließ. „Augenblicklich hängen wir auf einem Riff, und da wollen wir erst einmal wieder hinunter.“ „Der Kahn suppt“, sagte Ferris Tucker in die Stille hinein. Es war jetzt dämmerig geworden. Immer noch blies der Wind aus Südwest. Die Schaluppe von Ben Brighton war gleich nach dem Aufbrummen vor Treibanker gegangen und lag jetzt in unmittelbarer Nähe. Schuld an dem Unglück hatte keiner, denn die verdammten unbe- kannten kleinen Riffs waren in den Karten nicht verzeichnet, und zudem war es zur Zeit des Auflaufens stockfinster gewesen. Jetzt aber suppte der Kahn tatsächlich. Alle hörten es gluckern und sahen sich
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betroffen an, denn es gluckerte ziemlich schnell und laut. Ferris Tucker strich sich mit der Hand über seine brandroten Haare und lauschte nach unten. Rötliche Bartstoppeln standen in seinem Gesicht, und ließen seinen Blick ziemlich wild erscheinen. Gleich darauf erblickten sie ein feines schmales Rinnsal, das gemütlich durch die Ritzen in den Bodenbrettern quoll und nach oben drängte. „Verdammt noch mal“, sagte Ferris, „da scheint eine Planke mächtig angeknackst zu sein. Schnappt euch mal die Pützen, ich werde versuchen, das Leck zu finden.“ „Wenn ich diesen verlausten finnischen Elchbock mal ...“, sagte der Profos gerade mit halb erstickter Stimme, aber da traf ihn ein warnender Blick Hasards, und so schluckte er seine Wut schweigend und mit verbissenem Gesicht herunter. Gleich darauf suppte der Kahn noch mehr, und das Wasser strömte stärker in die Schaluppe. Die Männer pützten, während Ferris und Dan sich auf der Schaluppe nach Werkzeug umsahen. Dan brachte schließlich eine kleine Eisenstange, die der Schiffszimmermann zwischen die Fugen schob und so das erste dicke Brett heraushebelte. Darunter stand ein viertel Yard Wasser, dunkle Brühe, die ständig nachströmte. Hasard kniete sich auf den Boden und tastete mit der Hand das Holz nach Beschädigungen ab. „Pützt weiter“, sagte er, „aber pützt soweit wie möglich das Wasser achtern. Ferris wird noch ein Brett freilegen. Dann können wir einen Teil unseres eigenen Gewichtes von der Bruchstelle verlagern.“ Wie die Wilden pützten sie jetzt. Carberry versicherte, vor lauter Wut würde er das eindringende Wasser am liebsten in einem gewaltigen Schluck saufen, aber das tat er dann doch nicht, sondern pützte ebenso wie die anderen. Ferris hebelte noch weitere Bretter heraus und warf aus den Augenwinkeln einen Blick auf Bens Schaluppe. Hilfe war von den anderen Kameraden augenblicklich
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nicht zu erwarten, die Schaluppe konnte nicht näher heran, ohne ebenfalls auf das Riff zu laufen. Zuerst einmal das Leck, dachte er, alles weitere wird sich dann schon finden. Der Zimmermann tastete mit beiden Händen in der Brühe herum. Handbreit um Handbreit fühlte er das Holz unter sich ab, bis er einen spürbaren Sog feststellte. Direkt unter einer Querducht strömte das Wasser unaufhaltsam herein. „Mist, verdammter“, sagte er kurz aufblickend zu Hasard. „Da ist tatsächlich eine Planke angeknackst. Ziemlich stark sogar. Sie hat einen tüchtigen Knacks weg.“ Hasard tastete ebenfalls die Stelle ab und nickte dann. „Zum Glück verläuft darüber eine Querducht. Sehen wir mal nach, was wir auf diesem Kahn alles haben. Irgendwie müßte das Leck abzudichten sein.“ „Ich gehe nachsehen“, erbot sich Ferris. Matt Davies und Dan erhoben sich ebenfalls, um nach Werkzeug oder Holzteilen zu suchen. Sie wußten noch nicht genau, was sich an Bord der Schaluppe alles befand, dazu war ihr Aufbruch zu hastig erfolgt. Während die anderen weiterhin Wasser pützten, stöberten Dan und Matt achtern und im kleinen Stauraum herum. Ferris Tucker nahm sich die ebenfalls kleine Vorpiek vor, in der er Tampen, Fässer, Töpfe und zwei Ersatzplanken entdeckte. Auch Werkzeug lag dort herum, verrostet, schmierig, aber noch zu gebrauchen. ' Gerade als er wieder gehen wollte, fand er einen umgestürzten Holzeimer. Er drehte ihn um und grinste erleichtert, als sich herausstellte, daß der Holzeimer Pech enthielt. Genau das konnten sie gut brauchen. Er schnappte sich den Eimer und kehrte an Deck zurück. „Wir haben Pech“, sagte er. Doch der grimmige und erbitterte Profos kriegte das schon wieder in den falschen Hals. „Das haben wir mittlerweile auch schon gemerkt, du halbgelenzter Wasserfrosch. Wir haben dauernd Pech.“
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Ferris hob grinsend den Eimer hoch, worauf der Profos etwas knurrte, sich dann aber doch den Eimer schnappte und ihn in die Kombüse trug. Den Pott drückte er Mac Pellew in die Hand und raunzte ihn an: „Hier, das ist heute unser Frühstück. Kratz das Zeug raus und erhitze es.“ Mac Pellew schnupperte daran, stieß dann sein Messer in den Pott und löste die ersten Brocken heraus. „Das ist Pech, falls du das nicht weißt“, sagte der Profos. „Ich weiß es aber“, knurrte Mac zurück. „Und du brauchst hier auch nicht so biestig rumzustänkern. Mir stinkt auch alles, und mir dröhnt immer noch der Schädel von dem Scheiß-Akvavit, den wir mit Gewalt saufen mußten.“ Immer noch wurde gelenzt. Tucker schnitt mit einer alten rostigen Säge mühsam ein Brettchen von der gefundenen Planke ab, sägte einen provisorischen Keil dazu, drückte ein Stück Segeltuch unter das Brettchen und knallte es, die Querducht als Widerlager benutzend, mit zwei Hammerschlägen fest. „Wenn das hält, freß ich das vergammelte Focksegel“, motzte Ed. Er motzte überhaupt ständig herum, seit sie ihr Schiff verloren hatten. Der Profos war so richtig verbiestert und wartete nur noch auf den Tag, an dem ihm Hakulinen über den Weg lief. „Das hält auch nicht, verdammt“, brummte Ferris zurück. „Das ist nur provisorisch, bis das Pech heiß ist. Aber inzwischen haben wir den Kahn gelenzt und können es richtig anfangen, Mister Carberry.“ „Trotzdem ist das alles Scheiß, Mister Tucker“. brummte Ed. Jetzt geht das wieder mit „Mister Carberry“ und „Mister Tucker“ los, dachte Hasard, und daran erhitzten sich dann wieder mal die Gemüter. bis ins Uferlose. „Wenn du jetzt nicht gleich die Luke hältst, Mister Carberry“, brüllte der Seewolf plötzlich, „dann werde ich dir mit dem erhitzten Pech höchstpersönlich deinen Affenarsch kalfatern.“
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Der Profos zuckte entsetzt zusammen, schluckte, schluckte noch einmal und sah seinen Kapitän verstört an. Diese Sprache verstand er, und sogleich wurde er äußerst friedfertig und tat so, als sei alles wieder mal ein kleines Späßchen gewesen. Unter dem drohenden Blick aus Hasards eisblauen Augen verwandelte sich der verbiesterte und grummelnde Profos auf recht wundersame Art und Weise. Er wurde lammfromm und blickte fast demütig zum morgendlichen Himmel. Ogott, dachte Hasard. Dieser entsagungsvolle fromme Blick. Jetzt fehlte dem Profos nur noch ein Heiligenschein und fertig war ein bußfreudiger, reuiger und demütiger Pilger, der sein Martyrium stillschweigend und vom Herrn als auferlegt mit sich herumtrug. Von da an lief auch alles viel besser, was die anderen heimlich grinsend zur Kenntnis nahmen. Als Mac Pellew das fast kochende Pech brachte, war die Bilge zwar nicht trocken, aber doch so weit gelenzt, daß das Leck mit einigem Geschick abgedichtet werden konnte. Ferris hatte alles zurechtgelegt, was er brauchte. Zunächst goß er etwas von der schwarzen Masse um das Leck herum, schlug die provisorische Abdichtung weg und goß weiter nach. Auf das Pech kam eine Lage Segeltuch, darüber wieder Pech. Ein weiteres Brettchen preßte er dagegen, ein anderes unter die Querducht. Der Rest war für den geschickten Schiffszimmermann nur roch Routine. Er verkeilte das Ganze sorgfältig und prüfte dann die Querducht, die als Widerlager diente. Einen winzigen Keil schlug er noch nach, dann betrachtete er kritisch sein Werk. „Kein Tropfen mehr“, sagte Hasard anerkennend. „Das sitzt wirklich bombenfest.“ Alle Augen starrten auf die Stelle, in der Erwartung, daß doch noch Wasser eindrang. Aber was Ferris reparierte, selbst mit nur notdürftigem Zubehör, das hielt
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auch. Kein einziger Tropfen Wasser drang mehr durch die angeknackste Planke. Die Bodenbretter wurden wieder darüber gelegt, und damit war das Leck abgedichtet. „Ein Problem ist beseitigt“, sagte Hasard, „jetzt werden wir uns mit dem anderen beschäftigen, und das dürfte etwas schwieriger werden. Wir Sitzen fast bis zur Schiffsmitte auf.“ Er sah sich um. Der Tag war angebrochen, der Himmel ähnelte einer riesigen Kumme voller zähem Haferbrei, und der. Wind blies immer roch aus Südwest. Die See dünte leicht, in der sich die Schaluppe unter Bens Kommando auf und ab bewegte. Sie selbst merkten von der Dünung nichts. nur die Wellen schlugen immer wieder klatschend gegen den Rumpf, und wo sich die Riffs befanden, kräuselte sich das Wasser in kleinen tückischen Strudeln. „Wir sind fertig!“ rief Hasard zu der anderen Schaluppe hinüber. Das Leck ist abgedichtet. Ihr könnt den Anker jetzt ausbringen.“ „Verstanden!“ rief Ben Brighton zurück. Den Anker hatten sie schon zur Hälfte abgefiert und warteten ungeduldig. An Leine hatten sie alles gesteckt, was auf der Schaluppe zu finden war. Es war mehr als genug, um die Distanz zu überwinden. Auf der Schaluppe wurde die Fock gesetzt. Ben Brighton bewegte das Schiff äußerst vorsichtig an das gefährliche Riff heran. Dann näherten sie sich langsam dem Heck der anderen Schaluppe. Der Anker wurde von Smoky, Shane, Blacky und Batuti Hand über Hand weggefiert, bis er Grund faßte. An der Ankertrosse war eine Wurfleine angesteckt, die Smoky jetzt mit weitausholendem Schwung Dan O'Flynn zuwarf. Während drüben die Trosse ausrauschte, wurde sie von Carberry und Paddy Rogers wieder eingeholt und ums Bratspill genommen. Hasards Männer wollten versuchen, mit Hilfe des Ankers ihre Schaluppe vom Riff zu ziehen.
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Jeder nahm seinen Platz an der Spillspake ein und wartete auf das Kommando vom Seewolf. „Hool weg, hool weg!“ erklang es. Kräftige Arme stemmten sich gegen die Spillspaken. Das Spill begann zu knarren und zu ächzen, die Leine war zum Brechen gespannt und jeder lauschte auf das zu erwartende Geräusch, wenn der Kahn sich achteraus absetzte. „Hool weg, hool weg!“ Das Geräusch blieb aus. Die Arwenacks legten sich noch mehr ins Zeug, doch die Schaluppe blieb wie festgenagelt sitzen. „Das soll doch der Teufel holen“, fluchte Carberry los, doch er verbesserte sich gleich darauf. „Ich meine natürlich, die Englein sollen das bezwitschern.“ Die Gesichter wurden rot vor Anstrengung, das Spill ächzte noch lauter, der Kahn blieb störrisch wie ein alter Esel auf dem Riff sitzen. „Noch einmal von vorn“, sagte Hasard. Dann ging es weiter mit „Hauruck“ und „Hool weg“. Nach ein paar schweißtreibenden Minuten sah jeder ein, daß sie nun wirklich ein echtes Problem am Hals hatten, das gar nicht so einfach zu lösen war. Drüben sahen auch die anderen, daß es nicht klappte. „Ich schicke sechs Mann zur Verstärkung!“ rief Ben. „Dann wird es schon gehen.“ Hasard zeigte Einverstanden. „Oder das Bratspill fliegt uns um die Ohren“, meinte Matt Davies. „Wir sind ja ganz schön hart aufgebrummt. Da können wir jetzt gleich einmal sehen, wie das Riff hier verläuft.“ Matt haute seinen Eisenhaken, der ihm die rechte Hand ersetzte, in das Deck und lehnte sich dann weit über Bord hinaus. Dicht unter ihm zeichneten sich Felsen ab, scharf gezackte üble Dinger, die einen Halbkreis bildeten. Auch Hasard sah sich genau den Verlauf des Riffs an, das wie ein tückisch aufgerissenes Maul eines Hais wirkte. „Mitten hinein, wie in eine Falle. Aber dort drüben, wo die Schaluppe liegt, setzte das
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Riff sich fort. Ben kann nicht mehr weiter heran.“ Ben Brighton, ohnehin immer ein sehr vorsichtiger Mann, der jedes Risiko sorgfältig abwog, hatte das ebenfalls bemerkt, und so war es nur natürlich, daß er nicht weiter heransegelte. Ein Beiboot aber hatten sie nicht, und so sprangen die sechs Arwenacks einfach ins Wasser und schwammen zu der anderen Gruppe hinüber. Einer nach dem anderen enterte auf, Shane, Roger Brighton, Gary Andrews, Luke Morgan, Al Conroy und als letzter Pete Ballie, der Rudergänger. „So, jetzt werden wir das Bratspill ausreißen, oder der Kahn schwimmt frei“, versicherte Al Conroy. Er schüttelte sich das Wasser aus den Haaren und ging ans Spill. Als auch die anderen die Spaken ergriffen, erklang von der anderen Schaluppe plötzlich ein Ruf. „Wahrschau! Fischerboote aus Nordost. Sie halten auf uns zu!“ Die Arme sackten ruckartig nach unten. Jeder blickte in die angegebene Richtung, aus der jetzt winzige Boote auftauchten und Kurs auf die beiden Schaluppen hatten. „Zurück“, sagte Hasard. „Tut mir leid, aber ihr müßt euch noch einmal in den Bach stürzen. Das sind diese bärtigen Witzbolde von Gotska Sandö. Denen hat die eine Tracht Prügel heute nacht offenbar nicht gelangt, sie wollen eine zweite. Und verständlicherweise wollen sie ihre Schaluppen zurück haben.“ Die sechs Arwenacks hechteten wieder ins Wasser. Auch der Profos nahm schon Anlauf. „Wo willst du denn hin?“ fragte Hasard sanft. „Äh - zur Verteidigung beitragen, Sir“, stammelte Ed, der seinen Anlauf gerade noch bremsen konnte. „Dann meldet man sich wenigstens vorher ab. Mister Carberry, oder fragt um Erlaubnis. Aber man geht nicht einfach sang- und klanglos über Bord wie ein tobsüchtiger Bulle.“
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„Aye, aye, Sir“, murmelte Ed kleinlaut. Innerlich jedoch war er schon wieder voll aufgebraßt und lief unter vollem Preß. „Darf ich um die Erlaubnis bitten, Sir, mich an der Verteidigung - äh -zu beteiligen?“ Hasard sah ein, daß sich der aufgebraßte Profos abreagieren mußte. Wenn er Hakulinen schon nicht in die Finger kriegte, dann wollte er es wenigstens diesen Wüterichen von der Insel zeigen. Vielleicht hob das seine Laune und somit die allgemeine Stimmung. „Einverstanden“, sagte der Seewolf. „Aber knall nicht gleich mit dem Schädel auf die Riffs, sonst hast du ein Leck im Hemd.“ Die Männer sahen noch ein sattes, sehr zufriedenes Grinsen in einem wüsten Narbengesicht. Dann sprang der Profos über Bord. Daß er die schweren Stiefel anbehielt, war für ihn selbstverständlich, denn nach seiner Meinung war das Baltische Meer so flach, daß man ohne weiteres darin stehen konnte. Man mußte nur einen zwanzig Yards langen Hals haben, mit den Beinen war das kein Problem. Die anderen sahen sich besorgt an. Sie konnten nicht viel tun. Ben mußte diesmal agieren. aber sie wußten auch, daß sie sich auf ihn verlassen konnten. Acht Fischerboote waren es, die jetzt heransegelten. 5. Ben Brighton blieb die Ruhe selbst, als die sieben Arwenacks aufenterten, und die Fischerboote gleichzeitig auszuschwärmen begannen, um sie in die Zange zu nehmen. Er grinste, als er den triefenden Profos sah, dem jegliche Art von Feindseligkeiten gerade recht waren, um sich auszutoben. „Diesmal greifen wir an und übernehmen die Initiative“, sagte Ben bedächtig. „Ich bin von diesen bärtigen Gesellen bedient. die uns so schlecht behandelt haben. Also nichts wie drauf auf die Kerle, ehe sie uns umzingelt haben.“
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„Ganz meine Meinung“, sagte Ed, „gerben wir diesen Inselknochen mal ordentlich das Fell.“ Musketen waren schon geladen, weil sie immer wieder auf Überraschungen gefaßt sein mußten. Und so schnappte sich jeder eine mit Pulverhörnern, Ladestöcken und weiteren Bleistücken und suchte sich einen günstigen Platz. „Heiß vor Fock und Großsegel!“ rief Ben. Die beiden Segel wurden gesetzt, und die Schaluppe nahm langsam Fahrt auf. Auf Hasard Boot waren sie allerdings auch nicht untätig geblieben. Dort wurden ebenfalls Musketen und Pulver bereitgelegt, falls die Inselkerle von der anderen Seite her angriffen. Vorsichtig manövrierte Ben jetzt an den Riffs vorbei. Die Boote zogen sich noch weiter auseinander, auf einigen wurde zusätzlich noch gepullt. „Wir segeln durch die Phalanx mitten hindurch“, erläuterte Ben den Männern. „Die haben gerade so eine prächtige Lücke, daß wir zwei von den Torfkähnen gleichzeitig an Backbord und Steuerbord unter Feuer nehmen können. Haltet immer in die Wasserlinie, stanzt ihnen dort schöne Löcher hinein, bis sie in der Brühe schwimmen.“ „Auf dem Weg durch die Dingslanx“, sagte Ed. „könnten wir doch den ersten Äppelkahn gleich ein bißchen rammen. Ich meine den, der sich so weit vorgetraut hat. Wir laufen mit achterlichem Wind, die Wüteriche müssen aufkreuzen, der erste Vorteil liegt folglich auf unserer Seite.“ Das Fischerboot, von dem der Profos sprach, lag weit vor den anderen. Vier bärtige Gesellen waren darin zu sehen. Bewaffnet Waren sie mit zwei Musketen und langen Schiffshauern. Große kräftige Kerle waren das, Raufbolde, Fremdenhasser, die ihre nächtliche Niederlage nicht überwunden hatten und es jetzt noch einmal ganz genau wissen wollten. „Den schnappen wir uns als ersten“, sagte Ben. „Aber wir gehen erst im letzten
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Augenblick in den Wind und tun so, als wollten wir uns die anderen rauspicken.“ Pete Ballie, bewährt in zahllosen Gefechten, hatte die Ruderpinne der Schaluppe übernommen und steuerte sie geschickt und voller Gefühl nach Bens Anweisungen. Al Conroy, für Waffen und Stücke auf der „Isabella“ verantwortlich und ein hervorragender Kanonier, brachte zwei Flaschenbomben an Deck - für alle üblen Fälle, wie er sagte. Vier dieser höllischen Überraschungskrepierer hatten sie heimlich von der „Isabella“ noch mitnehmen können. Zwei befanden sich an Bord von Hasards Schaluppe, die beiden anderen hatte Al Conroy in Verwahrung genommen. „Aber wirklich nur im Notfall“, sagte Ben. „Wenn wir es mit den Musketen schaffen, ist mir das lieber. Wir wissen nicht, was uns an Überraschungen noch bevorsteht.“ Sie segelten jetzt platt vorm Laken auf Kurs Nordost. Die Schaluppe lief gute Fahrt. Für die Wüteriche entstand der Eindruck, daß die Schaluppe auf den Backbord segelnden Zipfel der Fischerboote zuhielt, und daher änderten zwei Boote ein wenig den Kurs. Die bärtigen Naturburschen von Gotska Sandö rissen die Arme hoch und die bärtigen Mäuler auf und brüllten einen urigen Kampfschrei über das Wasser. Zwei drohten mit den Schiffshauern, während die beiden anderen mit ihren Musketen Maß nahmen. Auch die Arwenacks waren bereit, kauerten, knieten oder standen mit angeschlagenen Musketen da und warteten auf Bens Befehl zum Feuern. Ben Brighton aber ließ sich noch Zeit. In einer für den Profos fast unverständlichen, äußerst bedächtigen Bierruhe segelte er stur weiter und wartete offenbar darauf, daß die bärtigen Nachfahren der Wikinger angriffen. Die Kerle im ersten Boot taten das auch. Eine der Musketen entlud sich krachend, Pulverrauch wölkte auf, und vor der Schaluppe spritzte Wasser hoch.
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Der andere Bartträger traf noch schlechter. Nicht einmal die kleine. Fontäne war im Wasser zu sehen. Als die beiden ihre Musketen nachluden, änderte Ben blitzschnell den -Kurs und hielt auf sie zu. Der Kerl an der Pinne wollte abdrehen, sah dann aber ein, daß es zu lange dauern würde, schnappte sich seinen Schiffshauer, lehnte sich mit der Hüfte an die Ruderpinne und brüllte etwas. Daraufhin nahmen die beiden anderen ebenfalls Schiffshauer zur Hand. „Feuer auf den Kahn an Steuerbord!“ befahl Ben. Vier Musketen krachten gleichzeitig und hieben ihr Blei in das andere Boot. Dreimal stiebte es direkt an der Wasserlinie auf, der vierte Schuß ging ins Leere. Die Bleibrocken pfiffen durch die dünnen Bordwände und verursachten handtellergroße Lecks. Gleich darauf erfolgte auf der anderen Seite der Rammstoß. Die Schaluppe krachte mit dem Bug in das Fischerboot, das durch die Ramming so stark krängte, daß es Wasser übernahm. Drei Kerle flogen brüllend durcheinander, als ihnen die eigenen Planken entgegenwirbelten. Der vierte hielt sich fest und sprang mit einem gewaltigen Satz und wildem Geheul auf die Schaluppe. Dort schwang er brüllend den Schiffshauer. Luke Morgan ging gerade noch rechtzeitig in die Knie, und so pfiff das Ding haarscharf über seinen Schädel weg. Zur selben Zeit kenterte auch das Boot, dessen Rumpf tief aufgerissen war. Da war der Profos heran. Er unterlief den Bärtigen, umklammerte ihn und gab ihm den „dänischen Kuß“, weil der gerade noch einmal mit dem Piekser nach ihm stechen wollte. Mut haben diese Kerle ja, dachte der Profos. Doch der Dänenkuß ließ selbst diesen harten Knochen wie einen getretenen Hund aufjaulen. Das Wasser schoß ihm sturzbachartig aus den Augen. als Carberrys eisenharte Stirn seine Nase traf. Heulend hielt er beide Hände vors Gesicht,
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„Na, dann werden wir dieses bärtige Rübenschwein erst mal ein bißchen warmklopfen. ehe es wieder in den Bach geht“, sagte Ed, ließ seinem verwirrten Gegner aber soviel Zeit, wenigstens die Hände vorn Gesicht zu nehmen. Erst dann schoß seine Rechte vor, wieder auf die Stelle, auf die er gerade eben so hart eine draufgekriegt hatte. Der bärtige Raufbold konnte sich nicht mehr wehren. Erneut hob er die Hände, um den Schmerz zu lindern. Der Dampf hinter Carberrys Schlag beförderte ihn jedoch zurück. Sofort setzte der Profos hart nach. Diesmal grub sich seine Rechte durch die Fellkleidung in die Magenpartie des Bärtigen, und dieser Schlag beförderte ihn dann endgültig und ziemlich rasant von Deck. Laut aufklatschend landete er im Wasser, ein paar Yards hinter seinen brüllenden Kumpanen, die sich an ihr kieloben treibendes Wrack klammerten und unverständliche Flüche übers Wasser brüllten. Die Schaluppe segelte weiter, dem nächsten Boot entgegen. Als Old O'Flynn sich einmal umdrehte, um nach dem Boot zu sehen, das die drei Treffer abgekriegt hatte, krümmte er sich zusammen und lachte trotz der verdammten ernsten Situation. Entweder sind diese fünf Elchbullen im Fischerboot verrückt, dachte er, oder sie merken in ihrem heillosen Zorn nicht mehr, was um sie vorgeht. Oder sie sind so stur wie die Büffel und riskieren es trotzdem noch einmal. Auch der Profos lachte laut auf, während er nach einer Muskete griff, um auf das dritte Boot anzulegen Die fünf Kerle pullten jetzt in einem absuppenden Boot. Zwei rucksten wie die Wilden .an Steuerbord, die beiden anderen an Backbord. Der fünfte umklammerte die Pinne. Das Dollbord allerdings ragte nur noch eine Handbreite aus dem Wasser, und die Kerle saßen bis an den Hüften im kalten Wasser. Trotzdem pullten sie wie besessen und ruderten ihr Boot direkt auf Tiefe.
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Voran ging es nicht mehr, sie konnten nur noch in den Keller pullen, und das taten sie jetzt, begleitet von Old O'Flynns unbändigem Gelächter. Der Faszination des Augenblicks vermochte sich selbst der sonst so kühle Ben Brighton nicht zu entziehen. Zuerst verzogen sich seine Lippen ein wenig, dann zuckte es in seinem Gesicht und schließlich lachte er ebenfalls. Die anderen Wildbärte waren entsetzt und starrten zu jener Stelle hin. „Das kann nur ein schlechter Witz sein!“ brüllte Donegal. „Die pullen tatsächlich auf Tiefe, diese sturen Tranbeutel.“ Die Riemen waren jetzt waagrecht mit Dollbord und Wasseroberfläche. Von den Kerlen sah man nur noch Schulter und Köpfe. Dann war der Kahn unter ihnen weg, und eine Gestalt nach der anderen löste sich und trieb wieder nach oben. Da paddelten sie jetzt, mit zornig funkelnden Augen und triefend nassen Bärten. Zwei Boote und neun Kerle waren jetzt aus dem Rennen. Blieben noch sechs, überlegte Ben, und die waren nicht zu unterschätzen, denn sie kämpften verbissen und stur und waren durch die bereits erlittenen Verluste auch nicht zu entmutigen. Sie gaben den Kampf um Hasards Schaluppe vorerst auf und konzentrierten sich auf ihren wendigen Gegner, um ihn zuerst zu erledigen. Diejenigen, die auf dem Riff saßen, waren dann eine leichtere Beute. Vier Boote schossen auf die Schaluppe zu. Musketen wurden abgefeuert, doch die Bärtigen verstanden es besser, mit Blankwaffen und Fäusten umzugehen, zudem schaukelten die Fischerboote zu stark, um ein genaues Zielen zu ermöglichen. „Mitten hinein, Pete!“ rief Ben Brighton. Aus dem anfänglichen Konzept wurde nichts mehr, seit die Kerle von Gotska Sandö ihre Strategie änderten. Sie sahen ein, daß es so nicht ging, also versuchten sie, die Schaluppe zu entern. Wilde, bärtige und laut brüllende Gestalten erhoben sich von den Duchten,
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klammerten sich an der vorbeisegelnden Schaluppe fest, die jetzt mitten hinein donnerte und zogen sich von allen Seiten auf das Deck. Zwei weitere Fischerboote krachten zusammen, als die Schaluppe sie traf. Sie segelte wie durch Treibeis. Holz splitterte und krachte, die kleinen Masten brachen, und die Segel sorgten für zusätzliche Wuhling. An den Einsatz von Musketen war jetzt nicht mehr zu denken. Dafür saßen sie sich zu dicht auf der Pelle. Im Wasser trieben brüllende Kerle, die mit einer Hand paddelten und in der anderen Entermesser oder Schiffshauer schwangen. Die beiden beschädigten Boote trieben leer davon, eins legte sich auf die Seite, das zweite wurde kopflastig und streckte den Achtersteven wie eine gründelnde Ente aus dem Wasser. Sieben oder acht Kerle schafften es, an Bord zu entern, während aus den beiden anderen Booten noch einmal drei furchterregende. brüllende Männer an Deck sprangen und sofort wild um sich hieben. Al Conroy griff zur ersten Flaschenbombe, zündete die Lunte an und ließ sie in das Boot kollern, das neben einem anderen nicht weit vor der Schaluppe hing. Die Flasche rollte gerade unter die Ducht. da bückte .sich einer der Burschen danach, streckte die Hand aus und wollte sie neugierig hochheben. Dann sah er, daß am Flaschenhals etwas knisterte und Funken sich nach innen fraßen. Wahrscheinlich hatte er noch nie in seinem Leben etwas Ähnliches gesehen, doch er begriff anscheinend den Sinn der Sache. Dieses Ei konnte nur der Teufel gelegt haben, mit dem stimmte etwas nicht. Er stieß einen lauten Schrei aus, um die anderen zu warnen. Gleichzeitig mit dem lauten Gebrüll sprang er ins Wasser. Die anderen fuhren herum, entsetzt und verstört. Einer rannte nach diesem Warnschrei verwirrt über die Schaluppe und landete direkt vor Ben Brighton. Ben hatte eine Spillspake vom Bratspill in der Hand und stand neben der Ruderpinne.
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Als der nach Tran stinkende Kerl ihn anstarrte, schlug Ben Brighton zu. Der Schlag klang dumpf und hohl, als er die Fellmütze traf. Der Trankerl kriegte glasige Augen und kippte nach achtern weg. Schwer krachte er auf die Planken. Old O'Flynn, der nicht ausstehen konnte, wenn etwas an Deck herumlag, worüber er mit seinem Holzbein stolpern konnte, bückte sich nach dem Kerl, rümpfte empört die Nase und stellte angewidert fest: „So stinkt nicht mal ein toter Wal! Hölle und Teufel.“ Er zerrte de n Kerl nach Steuerbord und ließ ihn abkippen. „Damit nichts herumliegt!“ Dann erfolgte der schmetternde Schlag, ein Knall, der allen überlaut in den Ohren dröhnte. Die Flaschenbombe hatte diesmal reichlich lange gebraucht, bis sie krepierte. Dafür tat sie es dann umso gründlicher. Die Steuerbordseite des Fischerbootes flog heraus. Der Druck war so stark, daß es auch den Rumpf des zweiten Bootes an der Wasserlinie yardlang aufriß. Die Holzsplitter flogen bis auf das Deck der Schaluppe, die Eisenstücke, die sich in der Flasche befanden, töteten einen der Nordmänner. Damit waren auch zwei weitere Boote nicht mehr zu gebrauchen. Nur noch zwei waren übrig und intakt. An Deck aber gingen Kampf und Tumult weiter und erreichten ihren Höhepunkt. Big Old Shane. der Exschmied der Feste Arwenack, zeigte wieder einmal, was in ihm steckte. Der Profos Edwin Carberry, ohnehin immer noch geladen bis an die Halskrause, stand dem graubärtigen Schmied in nichts nach und prügelte sich die Wut auf alles, was sie angriff, aus den Knochen. Auch Old O'Flynn ließ sich nicht lumpen, ganz zu schweigen von dem immer gleich cholerisch reagierenden Luke Morgan, der schon rot sah, wenn ihn einer nur schief anschaute. Jetzt blickte ihn einer an und hob die Faust. Luke war wesentlich schneller, brüllte etwas von tranigem Rübenschwein und ließ die Fäuste fliegen.
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Die nordischen Riesenlümmel verstanden sich hervorragend auf den Faustkampf, aber sie verließen sich dabei mehr auf ihre Bärenkräfte und hieben wahllos zu. Sie waren nicht halb so flink wie die in zahlreichen Schlachten bewährten Arwenacks, und so benahmen sie sich klobig und klotzig, hauten zu und wunderten sich, wenn sie nur die Luft ausbeulten. Luke sah den riesigen Hammer schon auf sich zufliegen, doch sein Kopf pendelte blitzschnell zur Seite, und der Schlag des bärtigen Riesen ging vorbei. Luke knallte ihm zwei brettharte Fäuste in den Heuhaufen, der sein Gesicht zierte, und diese beiden Schläge erschütterten den in Felle gekleideten Kerl bis in die Knochen. Noch einmal holte er aus, diesmal mit einem hilflosen Schrei der Wut auf den Lippen. Sein Bart klaffte wie ein Urwald auseinander. Ein Hauch von Wal- und Robbenspeck umwehte Luke, der dem brüllenden Riesen noch einmal die Faust in die aufgerissene Futterluke schlug. Ächzend ging der Nordmann in die Knie. Und damit er nicht herumlag“, sorgte Old O'Flynn auf seine bewährte Weise wieder für ein kühles Bad und feuerte den Kerl zwischen die Trümmer der Boote. Donegal beteiligte sich an der Holzerei mehr als Abräumer und Ausputzer, denn bei der jetzt etwas höher gehenden Dünung fand er nur schlecht Halt auf der tanzenden Schaluppe. Shane, breit und wuchtig wie die Nordmänner selbst, genauso bärtig und wild, holte mit beiden Armen mächtig aus, schickte zwei Kerle auf die Planken und nickte dem „Aufklarer“ Old O'Flynn zu, der wieder für klar Schiff sorgte. Einer nach dem anderen ging bei der Holzerei über Bord. Doch auch die Arwenacks kriegten harte Fäuste zu spüren. Aus einem der Boote wurde mit Musketen gefeuert, doch das Feuer wurde gleich darauf eingestellt, weil die Kerle Angst hatten, ihre eigenen Kumpane zu treffen. Vorerst begnügten sie sich damit, ihre laut um Hilfe brüllenden Leute aus dem Wasser
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zu fischen, was zur Folge hatte, daß eins der Boote gleich wieder überladen war. Ein besonders breiter Riese, ein „Transtinker“ wie Ed höhnisch sagte, setzte dem Profos gerade zu. Es befanden sich nur noch drei Kämpfer an Deck, einer gegen Roger Brighton, der trotz zweier harter Schläge standhaft auf den Beinen blieb, einer gegen Al Conroy und der dritte gegen den Profos, der das sichtlich genoß und den Kampf ein wenig in die Länge zog. Keiner der anderen griff ein. Sie hatten lediglich Musketen in den Händen, um die Kerle in Schach zu halten, die vielleicht das Feuer wieder eröffnen wollten. Carberry packte den Transtinker an seinem Fellhemd, überstand den Schlag gegen seine breite Brust mit unerschütterlicher Ruhe und drückte den Bärtigen an den Mast der Schaluppe, der unter dem Gewicht hart erzitterte. Dann schlug er ihm die linke Faust fast sanft in den Magen und vergaß nicht auch den nächsten Schlag mit freundlichen Worten zu würzen. „Nur weiter, du räudiger Polarfuchs!“ rief er und ließ ihn los. Der Bärtige stürmte sofort vor, den Kopf gesenkt wie ein Bulle, aus den Augen schräg nach oben blickend. Er schüttelte seinen Schädel und schlug wild zu, einmal, gleich noch einmal. Beide Schläge gingen knapp vorbei, weil Ed blitzschnell zur Seite trat. „Hierher, du Transack“, sagte er und zeigte auf sein linkes Auge. Als der Nordmann kurz Maß nahm und schnaufend herumfuhr, war das Auge schon wieder weg, das er als Ziel anvisiert hatte. Dafür knallte Ed ihm ein eisenhartes Ding auf die rechte Klüse. Die Klüse schwoll naturgemäß gleich darauf an, und der Nordmann wurde noch wilder. Jetzt schlug er mit beiden Fäusten wild und halbblind vor Wut drauflos, den Kopf leicht gesenkt, seine Arme wie riesige Schaufeln benutzend. Einem tobenden Ungeheuer gleich rannte er über das Deck, und es war ihm verdammt egal,
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was oder wen er traf, die Hauptsache, seine Fäuste stießen auf Widerstand. Carberry, der insgesamt zwei schwere Schläge eingesteckt hatte, trat wiederum elegant zur Seite. und ließ den nordischen Unhold an sich vorbeitoben. Dann wartete er ab, nahm genau Maß und ließ seine Rechte von unten her heraufzucken. Den Schlag vermochte auch der mächtige Bart des Kerls nicht mehr zu dämpfen. Es war der berühmte Schlag auf jene Stelle, die einen ausgewachsenen Stier fällt, ein Punkt, an dem die wichtigsten Nerven zusammenlaufen. Die wurden jetzt jäh unterbrochen und schalteten den Denkprozeß des Nordmannes endgültig ab. Damit erlosch nicht nur sein Kampfgeist, sondern auch gleich das Interesse an seiner Umwelt. Wie von einem riesigen Hammer getroffen, brach der Bärtige stöhnend in die Knie. Seine Beine zuckten noch einmal, dann lag er still. Old O'Flynn klatschte Beifall und lachte laut und meckernd, vor Schadenfreude. „Das war der Kerl, der mir eins überbraten wollte“, sagte er. „Sauber hast du den gefällt, Ed. Der fiel um wie eine nordische Eiche nach dem letzten Axtschlag. Soll ich ihn gleich abräumen?“ Carberry sah sich grinsend um. Seine miese Laune verschwand, als er sich den Knöchel rieb. Erstaunt nahm er zur Kenntnis, daß auch die beiden anderen ebenfalls abgeräumt waren. An Deck. befand sich nur noch dieser gewaltige schlafende Fleischberg, der an einen dösenden Wal erinnerte. „Klar, räum ihn ab, Donegal“, sagte Ed strahlend. „Dann verschwindet auch der Gestank endlich von Deck. Das ist ja kaum auszuhalten mit diesen nordischen Tranfunzeln.“ Die Gegner waren geschlagen, sie hatten ihre Lektion jetzt anscheinend endlich gelernt und sich erneut die Zähne an den Seewölfen ausgebissen. Old O'Flynn strengte sich mächtig an, um den gefällten Elchbullen abzuschleppen. Als er ihn über Bord stieß, waren die anderen im Wasser treibenden Kerle recht
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kleinlaut. Eine riesige Traube der bärtigen Wüstlinge und Schläger hing verbissen an den beiden noch übriggebliebenen Booten. „Eigentlich“, sagte Ed, „sollten wir uns noch ein paar von diesen Bullen aus dem Wasser fischen und ihnen den Trangestank aus den Wänsten klopfen. Wir müssen es ihnen so besorgen, daß sie nicht einmal mehr davon zu träumen wagen, uns anzugreifen.“ „Die sind erledigt“, sagte Ben, „die haben alle blaue Flecken, und ihre Kähne sind sie ebenfalls los. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie es noch einmal versuchen werden. Lassen wir sie nach Gotska Sandö zurück schwimmen, pullen oder segeln, die sind wirklich bedient. Wir haben noch ein anderes Problem am Hals.“ „Schade“, meinte Ed enttäuscht. „Immer wenn man sich so schön warmprügelt, gibt’s 'ne lausige Unterbrechung.“ „Meist mangels Masse“, stimmte der Kutscher zu, der ebenfalls kräftig mitgemischt hatte. Ben Brighton blickte auf die leise fluchenden, im Wasser treibenden bärtigen Gesichter und verglich sie mit alten Elchen, die gerade eine etwas breite Wasserfurt überquerten. Auf dem einen Boot gab es fast eine Prügelei um die Plätze, das andere war so voll, daß es gerade noch schwamm. Dazwischen trieben Holzplanken, Bretter, Segelfetzen und zersplitterte Riemen. Vier Boote konnten die Nordmänner als Totalverluste abbuchen. Zwei andere eigneten sich noch hervorragend zum Feuer entzünden. wenn sie das Treibgut sorgfältig aus dem Wasser fischten. Die beiden restlichen waren hoffnungslos überladen, und bis zu der Insel war es noch ein weiter Weg. Sie war mit bloßem Auge gerade noch am diesigen Horizont zu erkennen. „He, ihr lausigen Elchbullen!“ brüllte Ed, als sie an den geschlagenen Kerlen vorbeisegelten. „Habt ihr jetzt endlich genug, ihr Pißrinnenplanscher ? Oder sollen wir noch ein paar aus dem Bach holen und durchkneten, was, wie?“
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Triefende Wassermänner blickten sie an. In manchen nordischen Blauaugen stand kalte Wut, in anderen war Angst zu erkennen, auch wenn sie nicht verstanden, was der Narbenmann da brüllte. Nein, sie wollten nichts mehr. Die Kerle hatten sechs ihrer Boote zertrümmert und sie selbst in die Flucht geschlagen. Eine dritte Niederlage wünschte keiner. „Dann laßt uns mal unseren Schlachtruf anstimmen“, meinte Ed. Drei lauthals und wild gebrüllte „Arwenack“ donnerten über die See. Der alte Schlachtruf wurde von der zweiten Schaluppe begeistert mitgebrüllt. Noch einmal zuckten die Unholde von Gatsko Sandö verstört zusammen, dann war die Schaluppe vorbei. Auch vor den Musketen war nichts mehr zu befürchten. Die paar, die sie noch besaßen, waren naß, und niemand konnte sie abfeuern. So ließen sie die geschlagenen Kerle zurück und kümmerten sich wieder um die aufgebrummte Gruppe. Ben manövrierte die Schaluppe vorsichtig bis an die Riffs heran, schickte aus Vorsicht aber noch zwei Mann zum Wahrschauen nach vorn, damit sie nicht ebenfalls aufliefen. Anschließend wurden die Segel weggenommen und wieder der Treibanker gesetzt. „Ihr müßt noch einmal schwimmen“, sagte Ben Brighton. „Näher will ich an die Riffs nicht herangehen, denn wenn wir ebenfalls aufbrummen, haben wir die Nordbärte möglicherweise wieder am Hals.“ Von Hasards Schaluppe tönten Bravorufe herüber. Dort freute man sich, daß Ben so schnell und geschickt aufgeräumt hatte. Wieder gingen dieselben Leute hinüber wie zuvor. Mit dem Profos waren es jetzt sieben Mann, denen begeistert auf die Schultern geklopft wurde. „Melde mich wieder an Bord zurück, Sir“, sagte Ed und grinste bis über beide Ohren. „Ihr habt euch prächtig geschlagen“, sagte Hasard anerkennend. „Die Halunken sind wir los, die haben restlos genug. Und deine Laune scheint sich ja merklich gebessert zu
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haben“, sagte er anzüglich zu dem grinsenden Carberry. „Hauptsächlich, weil ich nicht bis nach Gotska Sandö schwimmen muß“, erwiderte Ed. „Dann wäre meine Laune wieder mit Sicherheit umgeschlagen.“ „Wollt ihr euch ein paar trockene Plünnen anziehen?“ fragte Mac Pellew griesgrämig. „Allerdings habe ich nur drei alte Hosen an Bord gefunden, und die stinken nach Tran.“ „Behalt sie“, sagte Ed, „und koch aus dem Tran eine Suppe. Was sollen wir wohl für sieben Mann mit drei Hosen, du sauer eingelegter Knurrhahn, was, wie? Sollen wir die vielleicht abwechselnd tragen?“ „Weiß nicht“, sagte Mac, „darüber habe ich mir noch keine großen Gedanken gemacht.“ „Dann tu das doch“, riet Ed. „Oder zieh sie selbst an.“ „Ich hab ja 'ne trockene Hose an“, knurrte Mac. „So, jetzt versuchen wir es noch einmal gemeinsam“, sagte Hasard. Er warf noch einen Blick auf die nordischen Knechte, die immer noch an den beiden Booten hingen, und wandte sich dann der bevorstehenden Plackerei zu, das Schiff freizukriegen. „Hool weg!“ erklang es wieder. „Hool weg!“ Das Spill ächzte und knarrte. Die Männer standen dicht bei dicht und setzten ihre letzten Kräfte ein. Trotz der nassen Plünnen lief ihnen schon bald wieder der Schweiß über die Gesichter. „Eben hat was geknackt“, sagte der Schwede Stenmark. „Da war ein winziger Ruck.“ „Vielleicht ist deine Hose geplatzt“, erklärte Ed, „ich hab jedenfalls nichts gehört.“ „Du hast ja auch noch Wasser in den Ohren“, sagte Sten keuchend. Es knackte noch einmal, und jetzt verspürte jeder den fast unmerklichen Ruck, und das spornte sie nur noch mehr an. „Hool weg, hool weg, hool weg!“ rief der Seewolf, der sich selbst in die Spaken am
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Bratspill stemmte. Unter der Gewalt dieser Kräfte erbebte die ganze Schaluppe. Sie zitterte, wurde bockig und slippte, deutlich hörbar diesmal, über scharfe unsichtbare Grate. „Gleich springt die Tante!“ schrie Paddy Rogers. Zwischen den Männern bewegten sich an den noch freien Stellen der Spillspaken zwei kleinere Gestalten. Hasard und Philip, die Söhne des Seewolfs, setzten ebenfalls ihre ganze Kraft ein und drückten die Spaken mit verbissenen Gesichtern. Dann glaubte jeder, die Ankertrosse sei gebrochen, so heftig war der Ruck. Doch der Anker, der zwischen den Kliffs hing, hatte sich in den Zacken verfangen, und die Trosse hielt. Über den Achtersteven ging es weiter, noch ein Schlurfen, ein Ruck und ein Zittern im Schiffskörper, dann glitt sie langsam in tieferes Wasser zurück. „Die Tante ist frei!“ brüllten die Zwillinge. Ja, sie war frei und schwamm wieder auf, zur großen Erleichterung der Arwenacks. Ferris Tucker sah gleich nach, ob sie wieder suppte, ob sich ein neues Leck beim Abslippen gebildet hatte oder wieder eine Planke durch den Ruck angeknackst war. Etwas später erstattete er Hasard Meldung: „Alles in Ordnung, Sir. Das alte Leck suppt nicht, und wir haben unter dem Rumpf wahrscheinlich nur ein paar bedeutungslose Schrammen.“ „Prächtig“, sagte Hasard. „Dann können wir ja endlich wieder auf den alten Kurs gehen.“ Zuvor aber, es war jetzt bereits Nachmittag und der Himmel immer noch grau und verhangen, verholten sie an Bens Schaluppe, damit die sechs Männer wieder übersteigen konnten. Der Anker wurde wieder aufgenommen, und die Männer schlangen hastig ein paar Bissen herunter. „Alles in Ordnung bei euch?“ fragte Ben. „Ja, alles bestens, Ben. Wir nehmen wieder Kurs auf Gotland.“
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„Dann können wir bei dem anhaltenden Südwest frühestens morgen früh da sein“, rechnete Ben. „So schätze ich auch. Morgen früh in Wisby, da werden wir weitersehen. Wir segeln immer in Sichtweite.“ „Aye, aye, Sir“, sagte Ben. Ein Blick auf die Nordmänner zeigte ihnen, daß die Kerle es noch nicht weit geschafft hatten. Deutlich waren sie noch mit bloßem Auge zu erkennen, wie sie sich in der See abstrampelten und an den beiden Booten hingen. Immer noch war alles mit Trümmern übersät. Vor Anbruch der Dunkelheit würden es die Kerle nicht schaffen, überlegte Hasard. Doch das ging ihn nichts mehr an. Die bärtigen Hundesöhne hatten es ja nicht anders gewollt. „Heiß vor Fock und Großsegel!“ rief er. „Wir gehen wieder auf den alten Kurs zurück.“ Das hieß, sie mußten wieder aufkreuzen, und die beiden Schaluppen segelten hoch am Wind nicht gerade hervorragend. Aber das war das geringste Problem. Sie wollten ihre „Isabella“ wiederhaben, und das ging nur, wenn sie den Halunken Matti Hakulinen fanden. Wo der aber steckte, das mochte der Teufel wissen. Sie segelten los, in den späten Nachmittag und dann in die einsetzende Dämmerung hinein. 6. Am Morgen des vierten März tauchte Wisby auf. Der Anblick von See her auf diese gotländische Hafenstadt war immer wieder beeindruckend. Viele der Gebäude stammten noch aus der Blütezeit der Hanse. In Wisby hatten sich Dänen, Norweger, Schweden und Deutsche angesiedelt, auch die Finnen und Holländer trieben hier Handel. Gotland lag mit an der sogenannten Bernsteinstraße, dem Handelsweg von der norddeutschen Küste bei Samland, der sich bis zum Mittelmeer erstreckte. Die gewaltige Stadtmauer mit den vielen Türmen war jetzt deutlich zu erkennen.
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„Da liegt die ‚Wappen von Kolberg`, Sir“, sagte Dan O'Flynn, der mit seinen scharfen Augen wieder mehr sah als alle anderen. ..Es sieht so aus, als gehen die gerade seeklar. Ein paar Mann sind schon aufgeentert.“ „Vielleicht hat Arne seine Pelzladung gekriegt“, meinte Hasard, „und geht jetzt in See.“ Dan nickte. „Dein Vetter wird dich heute ganz gewiß nicht erwarten, schon gar nicht mit diesem lausigen Torfkahn.“ „Das ist allerdings richtig, Dan.“ Es lag noch nicht lange zurück, daß Hasard hier mit Arne von Manteuffel zusammengetroffen war und sie gemeinsam den spanischen Kapitän Juan de Gravina zur Strecke gebracht hatten. Sie waren schon Waffengefährten gewesen und verstanden sich prächtig. Arne, der Hasard erst nach dessen Rückkehr aus den baltischen Ländern erwartete, würde jetzt mächtig erstaunt sein, seinen Vetter ohne die „Isabella“ einlaufen zu sehen. Beschämend war das, fand Hasard, verdammt peinlich. Dan O'Flynn begann zu winken, dann hoben auch die anderen die Hände und winkten den Männern auf der kleinen Galeone zu. Nichts rührte sich, doch dann erschien einer auf der Kuhl mit dem Spektiv und schaute hindurch. Daraufhin herrschte auf der „Wappen von Kolberg“ offenbar erst einmal ratlose Verblüffung, doch dann hoben sich die Hände, und die Männer winkten zurück. Gleichzeitig enterten auch die Leute wieder ab, die gerade Segel setzen wollten. Sie hatten die Seewölfe auf den beiden Schaluppen erkannt und wunderten sich über deren seltsamen Aufzug. „Wir gehen gleich neben ihnen an die Pier'', sagte Hasard zu Pete Ballie, „dort ist noch genügend Platz.“ Etwas weiter achteraus lag ein Holländer, einer von den niederländischen Kaufleuten; die hier in den Tuchhandel eingestiegen waren. Die beiden Schaluppen legten an und wurden vertäut. Einen Augenblick
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wunderte sich Hasard, daß der Erste Offizier Renke Eggens zur Begrüßung erschien, und noch mehr erstaunte ihn, daß der Mann etwas zerfahren, und überhastet wirkte. Hasard lud ihn mit einer Handbewegung ein, auf die Schaluppe zu steigen. Eggens sprang hinüber und schüttelte den umstehenden Männern die Hand. Nils Larsen, der gut Deutsch sprach und dolmetschen mußte, war auch sofort zur Stelle. „Ist etwas passiert?“ fragte Hasard, weil der Mann immer noch so fahrig und bestürzt wirkte. „Allerdings, Sir. Es ist eine Menge passiert“, berichtete Eggens, „aber ich erzähle wohl besser von Anfang an.“ Während er sprach, übersetzte Nils Larsen flüssig und ohne jede Schwierigkeiten. „Gestern lief ein Schiff mit dem Namen ,Katkorapu` hier ein. Wir alle haben uns sehr gewundert, denn es war zweifelsfrei Ihre Galeone, und man hat den Namen wahrscheinlich überpönt. Ich selbst hegte anfangs leichte Zweifel, aber Arne war sich seiner Sache ganz sicher, und ich bin es auch längst.“ Hasard starrte verblüfft und fast sprachlos auf den Ersten. Die Seewölfe sahen sich mit langen Gesichtern an, aber niemand sagte etwas oder unterbrach Renke Eggens, der über Nils Larsen zu ihnen sprach. „Arne ging der Sache auf den Grund, er ließ nicht locker und beobachtete das Schiff den ganzen Tag bis zum Abend. Dann verließen fünf Mann das Schiff und begaben sich zur ,Alten Räucherkate', um dort, wie ich später vom Wirt erfuhr, ein paar Mann anzuheuern. Arne und der Bootsmann Hein Ropers mußten in unmittelbarer Nähe der Kerle gesessen haben und hörten vermutlich alles mit. Aber die Einzelheiten erfuhr ich nicht. Seither sind Arne und der Bootsmann spurlos verschwunden.“ Hasard war immer noch fassungslos, ebenso die Arwenacks. „Wie sahen die Kerle aus?“ fragte der Seewolf heiser.
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„Es waren Finnen, und von den fünf, die an Land gingen, war einer vermutlich der Kapitän. Breitschultrig, blaue Augen, kurze blonde Haare und eine Kerbe im Kinn.“ „Dann war es Hakulinen mit unserer ‚Isabella'. Daran besteht nicht der geringste Zweifel. Er war gestern also hier, und wann lief er wieder aus?“ „Heute nacht“, erwiderte Eggens verzweifelt. „Wir konnten noch beobachten, daß sie zwei offenbar betrunkene Männer an Bord brachten, danach hatten sie es ziemlich eilig, zu verschwinden.“ „Arne und der Bootsmann sind verschwunden“, sagte Hasard leise. „Dann besteht für mich auch kein Zweifel daran, daß diese beiden angeblich Betrunkenen Arne und der Bootsmann waren. Die Finnen haben ihnen irgendwo aufgelauert und sie geshanghait, Den Grund dafür kenne ich nicht, aber Arne hat bestimmt herausgefunden, was mit den Kerlen eigentlich los ist.“ Eggens wies auf die Planken der Schaluppe. „Ich verstehe das alles nicht“, sagte er verwirrt. „Weshalb hat dieser Finne Ihr Schiff, und - äh - warum sind Sie jetzt mit zwei Schaluppen hier? Das ist mir unbegreiflich.“ „Es ist eine verdammte Situation für uns“, sagte der Seewolf...Ich werde Ihnen das kurz erklären. Mister Eggens: Als wir von Wisby ausliefen, entdeckten wir unterwegs ein brennendes Schiff. Die Galeone hieß ,Katkorapu'. Wir halfen beim Löschen des Feuers, aber es war zu spät. Das Schiff versank, und wir nahmen die Schiffbrüchigen an Bord. Das war unser Fehler, und darüber sind wir verständlicherweise immer noch sehr erbittert, denn die Halunken besoffen sich im Laderaum an unserem Akvavit. Schon gut, Ed“, sagte er mit einem schnellen Seitenblick auf Carberry, der empört und verbiestert tief Luft holte und sich gleich wieder aufregte. „Sie betranken sich also heimlich, und als mein Profos die Brüder zur Räson bringen
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wollte, schnappten sie ihn und danach unseren Zweitkoch als Geiseln und drohten, sie umzubringen. Wir nahmen Kurs auf Gotska Sandö, weil die Kerle uns dazu zwangen. Dort mußten wir das Schiff verlassen. Wir hatten keine andere Möglichkeit, denn sie ließen die Geiseln erst frei, als wir alle auf der Insel waren.. Dann verschwanden sie mit unserem Schiff. Nachts wurden wir auf der Insel von übelwollenden Wüterichen überfallen, die wir kräftig vermöbelten. Die Halunken haben gestern ihre zweite Abreibung erhalten, als wir einmal festsaßen.“ „Und die beiden Schaluppen?“ fragte Eggens, der von dem Gehörten restlos bestürzt wirkte. „Die haben wir den Waldschrats abgenommen, zum Dank dafür, daß sie sozusagen Schiffbrüchige ausplündern wollten und überfielen. Die können sie sich gelegentlich hier abholen.“ „Das ist ja ein starkes Stück“, sagte Eggens. „Ihre Wut auf den Finnen kann ich mir gut vorstellen. Ich habe auch eine mächtige Wut im Bauch und bin davon überzeugt, daß Arne und Hein auf dem Schiff sind, es gibt keine andere Möglichkeit.“ Stimmen sprachen durcheinander. Ben Brighton war inzwischen mit einigen Seewölfen ebenfalls erschienen, und jeder brannte darauf, es den Finnen kräftig zu besorgen. Hasard hatte da auch schon eine Idee. „Mit welchem Kurs ist unser Schiff ausgelaufen?“ „Kurs Süden“. erwiderte Eggens. „Dann wird ihr Vorsprung sicher nicht sehr groß sein“, meinte der Seewolf. „Sie haben auch zu wenige Leute an Bord, um die ‚Isabella' voll auszusegeln. Was halten Sie davon, Mister Eggens, wenn ich mit meiner Crew zu Ihnen auf die ‚Wappen von Kotberg` überwechsle? Dazu gibt es zwei gute Gründe: Einmal möchte ich meinen Vetter Arne nicht im Stich lassen. und zum zweiten will ich unbedingt mein Schiff wiederhaben und diesen Finnen einen harten Denkzettel verpassen. Die gehen mit der ‚Isabella' doch jetzt auf
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Räuberei und Piraterie. wie ich Hakulinen kenne. Er hat ein gutes. schnelles und schwer armiertes Schiff, damit ist er jedem anderen Weit überlegen.“ Renke Eggens blickte den Seewolf an. In seinen Augen leuchtete es freudig auf, und er streckte Hasard spontan die Hand hin. „Das ist ein sehr guter Gedanke, Sir“, sagte er ehrlich. „Wir wollten ohnehin gerade auslaufen und die Verfolgung aufnehmen. Aber wir sind ebenfalls zahlenmäßig recht schwach. Mit Ihnen und Ihren Männern aber kann gar nichts mehr schiefgehen. Sie verstehen es, wie die Löwen zu kämpfen. Mir fällt ein Stein vom Herzen, Sir, wenn Sie mit Ihrer Mannschaft hinter mir stehen.“ „Und mir fallen ganze Berge Felsgestein vom Herzen, wenn ich diesen Affenarsch Hakulinen kriege. Übersetz ihm das, Nils“, sagte der Profos. „Wenn es dich erleichtert, gern.“ Als Nils Larsen auch das übersetzte, sah Eggens den Narbenmann an und mußte grinsen. Ja, jetzt hatten sie ein Ziel vor Augen, und sie waren auch genau die richtigen Kerle, um es diesen Affen zu zeigen. „Dann sollten wir jetzt keine Zeit verlieren“, meinte Hasard. „Vergeßt Arwenack und Sir John nicht, und nehmt von den Schaluppen alles mit, was uns gehört. Ich werde inzwischen mit dem Hafenmeister reden. Die Wasserschrats können sich ihre Kähne später ja mal hier abholen.“ „Ist das nicht ein bißchen voreilig, Sir?“ fragte Shane. „Wenn wir erfolglos zurückkehren, haben wir nicht mal mehr einen Nachttopf zum Segeln unter dem Achtersteven.“ „Mein lieber guter Shane“, sagte Hasard mit hartem Lächeln. „Daß wir erfolglos zurückkehren, das gibt es gar nicht. Wir werden die Finnen so lange jagen, bis wir Arne und Hein befreit haben und die ‚Isabella' wieder uns gehört, Und wenn mir dabei ein Bart zu den Stiefeln wächst.“ „Bravo!“ schrie Jack Finnegan. „Die kriegen wir.“
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„Klar kriegen wir die“, versicherte auch sein Freund Paddy Rogers, der die Dinge gern aus möglichst engem Blickwinkel betrachtete, weil das Denken viel zu sehr anstrengte. „Und wie!“ fügte er hinzu. „Dann steht hier nicht rum“, motzte Ed, „und beeilt euch gefälligst. Ich habe Hummeln im Hintern und mag nicht mehr darauf warten, daß dieser finnische Stinkelch uns das Schiff freiwillig zurückbringt.“ Als Hasard an Land ging, begann auch sogleich der Umzug, und die ersten Arwenacks stiegen auf die „Wappen von Kolberg“ über, wo sie mit lautem Hallo von den Deutschen begrüßte wurden. Den Hafenmeister fand Hasard schließlich in der Nähe der holländischen Frachtgaleone. Als der Mann ihn sah, klappte ihm der Unterkiefer vor Verblüffung herab. Er kratzte sich nervös den Schädel. „Sie hier, Sir?“ fragte er fassungslos. „Gestern war noch Ihr Schiff hier im Hafen. Ich erkannte es sofort, auch wenn es einen anderen Namen trug. Ich stellte den Kerlen ein paar höfliche Fragen, aber das sind alles grobe Klötze und sture Ochsen. Die beantworteten meine Fragen nicht.“ „Ja, das ist typisch für die Kerle.“ Er setzte den immer noch staunenden Hafenmeister mit kurzen Worten ins Bild und berichtete ihm, was geschehen war, seit sie Wisby verlassen hatten. Zum Schluß sagte er: „Wir sind gerade mit zwei Schaluppen in den Hafen gesegelt, und jetzt steigen wir auf die ,Wappen von Kolberg` um. Ich möchte, daß Sie die Schaluppen ein wenig im Auge behalten, sie gehören mir nicht, ich habe sie nur in Gotska Sandö ausgeliehen, sozusagen“, fügte Hasard mit einem kleinen Lächeln hinzu. Doch der Hafenmeister schüttelte entschieden den Kopf. „Die Kerle verleihen keine Schaluppen, Sir. Die hätten Ihnen bestenfalls den Hals durchgeschnitten.“ „Das hatten sie auch vor“, erklärte Hasard. „Sie überfielen uns nachts und wollten uns
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ausplündern. Da haben wir den Burschen kräftig was auf die Bärte gegeben.“ Der Hafenmeister lachte laut. „Das freut mich von Herzen“, sagte er schadenfroh, „das freut mich wirklich, Sir. Wenn diese Unholde, Trunkenbolde und Schläger mal hier auftauchen, dann zittert ganz Wisby vor ihnen. Die hauen immer alles kurz und klein und klauen wie die Raben. Und denen haben Sie die Schaluppen einfach weggenommen?“ Er rieb sich so zufrieden die Hände, als hätte er ein gutes Geschäft getätigt und einen anderen dabei kräftig über den Löffel barbiert. „Ganz einfach“, sagte Hasard. „Wir haben ihre verlausten Katen umstellt und kräftig draufgehauen, sobald wir von einem dieser Seeschrats auch nur die Nasenspitze sahen. Gestern früh haben sie uns noch einmal angegriffen, um sich ihre Schaluppen zurückzuholen. Dabei haben Sie die zweite Niederlage erlitten, verloren sechs Fischerboote und mußten nach Gotska Sandö zurück schwimmen.“ Der Hafenmeister führte auf den Katzenköpfen fast ein kleines Freudentänzchen auf, so froh benahm er sich. Schadenfreude ist doch die beste Freude, dachte Hasard, aber das bewies nur, daß diese Trunkenbolde eben doch sehr gefürchtet waren und sich keiner gern mit ihnen anlegte. Kein Wunder also, daß das für den Hafenmeister eine besonders gute Nachricht war. „Das war mal längst fällig, Sir“, sagte er. „Dafür sollte man Ihnen einen Orden verleihen. Das werde ich überall erzählen, daß die verdammten Strandräuber eingesackt worden sind, und jeder brave Bürger in Wisby wird sich darüber freuen.“ „Ich muß an Bord“, sagte Hasard, „wir wollen keine Zeit mehr verlieren. Denken Sie an die Schaluppen, ja?“ „Sie können sich ganz auf mich verlassen, Sir“, versprach der Hafenmeister strahlend. Hasard kehrte zurück und stellte fest, daß die Arwenacks bereits fluchtartig die beiden Schaluppen geräumt hatten. Und sie hatten auch nichts vergessen.
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Dann meldete er sich bei Renke Eggens, der ihn vor Freude am liebsten umarmt hätte. Mittlerweile war es kurz vor Mittag. „Ist es Ihnen recht, wenn wir gleich auslaufen, Sir?“ fragte Eggens. „Das bestimmen Sie, aber mir wäre es schon recht. Meine Männer werden gleich kräftig mit zupacken.“ „Sir“, sagte Eggens, „ich möchte vorschlagen, daß Sie das Kommando über das Schiff übernehmen. Sie haben mehr Erfahrung und sind der geeignete Mann dafür.“ Hasard wehrte lächelnd ab. „Tut mir leid, aber Sie sind jetzt der Kapitän. Außerdem möchte ich mich an Deck nicht blicken lassen, falls wir mein Schiff sichten. Wenn .sich Hakulinen auf Piraterie verlegt hat, dann ist es besser, er kriegt keinen von uns zu Gesicht und hält Sie für eine leichte Beute. Aber das werden wir noch in allen Einzelheiten besprechen.“ Eggens sah das ein und nickte. Die Leinen wurden losgeworfen und gleichzeitig die Segel aus dem Gei genommen. Die „Wappen von Kolberg“ nahm Fahrt auf und ging auf Südkurs, auf genau den Kurs, den auch die „Isabella“ gesegelt war. 7. Hasard hatte mit seiner Vermutung recht, daß Hakulinen mit dem schnellen Schiff auf die Piraterie umgestiegen war. Der frühe Morgen des vierten März bewies das. Arne von Manteuffel und Hein Ropers, die mit heftigen Kopfschmerzen erwacht waren, standen an Deck, zwei Deutsche unter einer Finnencrew, die sich aber sprachlich verständigen konnten. Jetzt waren sie also gepreßt, obwohl sie vorher um eine Heuer nachgefragt hatten. Reichlich merkwürdige Kerle sind das, fand Arne. Immer wieder fing er einen Blick des finnischen Kapitän auf, der mit größter
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Selbstverständlichkeit von der „Isabella“ Besitz ergriffen hatte. Von Manteuffel hatte noch keinen festen Plan, aber er nahm sich vor, zusammen mit Hein Ropers das Schiff auf irgendeine Art in seine Gewalt zu bringen. Wie das im einzelnen zu bewerkstelligen war, mußte noch abgewartet werden. Sie durften sich nur nicht feindselig zeigen, damit Hakulinen keinen Verdacht schöpfte, denn der blickte immer wieder mißtrauisch zu den beiden Deutschen hin. Sie liefen an diesem Morgen immer noch auf Südkurs bei leicht bewegter See und verhangenem Himmel. „Was mag der Kerl vorhaben?“ fragte Ropers. „Ich weiß es nicht“, erwiderte Arne, „der sieht mir nicht nach einem ehrlichen Handelsfahrer aus. Der plant ganz sicher ein paar Überfälle. Ich kann mir nicht vorstellen, daß er mit dem geraubten Schiff friedlichen Händel treiben will.“ Mit dieser Vermutung hatte von Manteuffel allerdings recht, und das stellte sich sehr schnell heraus. Hakulinen stand auf dem Achterdeck, hatte ein Spektiv am Auge und beobachtete die See. Gleich darauf ließ er leicht den Kurs ändern. „Daß dieser Mistkerl dieses herrliche Schiff segelt, stinkt mir mächtig“, sagte Ropers gerade. Er wollte noch etwas hinzufügen, doch da erklang Hakulinens Befehl. „Schiff klar zum Gefecht!“ brüllte er. „Stückpforten hoch, Rohre ausrennen, jeder Mann auf seinen Posten.“ „Jetzt werden wir zwangsweise zu Handlangern von Piraten“, sagte von Manteuffel, „aber ich werde keine Hand rühren, Hein.“ „Ich auch nicht“, versicherte Hein Ropers hart. „Damit will ich nichts zu tun haben. Was, zum Teufel, können wir nur unternehmen?“ Um sie her herrschte Gewimmel. Die Stückpforten flogen hoch, die Kanonen waren zum größten Teil geladen, die Finnen rannten wild durcheinander, weil
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sie mit dem neuen Schiff noch nicht so vertraut waren. „Augenblicklich gar nichts“, sagte Arne bitter. „Es muß eine günstige Gelegenheit sein, die ...“ „Steht hier nicht rum“, wurde sie vom Profos Alavus angebrüllt. „Habt ihr nicht gehört, was ihr tun sollt? Los, schert euch da drüben an die Kanone.“ „Wir kennen uns hier noch nicht aus“, sagte Arne, „das braucht alles seine Zeit.“ Der Profos warf ihnen einen drohenden Blick zu, während der Blick des Kapitäns vom Achterdeck wieder auf Arne ruhte. Diese verteufelte Ähnlichkeit mit dem Seewolf ließ ihm anscheinend keine Ruhe. „Gehen wir an die Kanone“, meinte Arne. „Das ist dann schon eine weniger.“ „Was hast du vor?“ fragte Hein. „Ich bin kein Pirat“, sagte Arne ernst, „und ich werde den Schuß vorzeitig lösen, um den armen Hund zu warnen, egal, wer es auch immer sein mag.“ „Das kann dich den Kopf kosten, Arne“, warnte Hein. „Ich kann mich ja ungeschickt anstellen. Außerdem kann ich angeblich nicht mit Kanonen umgehen.“ „Verdammt riskant ist das trotzdem.“ Arne gab keine Antwort. Er blickte auf den riesigen Fünfundzwanzig-Pfünder, dessen Rohr drohend in die See wies. Daneben hing ein Luntenstock, und etwas weiter hatten die Kerle ein Messingbecken mit glimmender Holzkohle aufgestellt. Alle schienen hocherfreut über diese neue Art von Tätigkeit zu sein. Arne sah auch die beiden angeheuerten Schweden, und er fragte sich erneut, warum der Kapitän sie vorher abgelehnt, sie aber dann doch zusammengeschlagen und an Bord verfrachtet hatte. Er führte das auf die Ähnlichkeit zurück. Hakulinen wollte etwas von ihm wissen, er wollte erfahren, ob die beiden Männer zusammengehörten, das hatte allein sein Erschrecken in der Kneipe bewiesen. Jetzt sah er in der Ferne auch das Schiff, das. ihnen entgegensegelte. Genau war es noch nicht zu erkennen, aber es war als
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ahnungsloses Opfer ausersehen, daran bestand kein Zweifel. Hakulinen verließ plötzlich das Achterdeck, ging über das Quarterdeck und dann zur Kuhl. Dicht vor den beiden Deutschen blieb er stehen und grinste hart und gemein_ Gleichzeitig aber ließ er auch nicht den entgegenkommenden Segler aus den Augen, der jedoch hoch weit entfernt war., „Gefällt es euch an Bord?“ fragte er höhnisch. Arne von Manteuffel gab sich keine Blöße, und so erwiderte er den Blick fast freundlich. „Sehr gut“, sagte er auf Finnisch. „Wir wollten ja anheuern, aber Sie haben uns abgelehnt. Das ist ein Punkt, den ich nicht verstehe und mein Macker erst recht nicht. Wir wären ja gern freiwillig mitgegangen. Stattdessen kriegten wir eins über den Schädel.“ „Das hat seinen. guten Grund“, sage Hakulinen. „Wie waren doch noch eure Namen?“ Arne entsann sich, daß sie sich unter fremden Namen vorgestellt hatte. Er wußte sie auch noch. „Ich bin Hein Kruse.“ „Und du?“ „Er heißt ...“ „Verdammt! Er soll selbst sägen, wie er heißt.“ „Gottlieb Böttcher“, sagte Hein Ropers. „Was läuft hier eigentlich?“ fragte er frech. „Wir gehen gefechtsklar, aber wir haben keinen Gegner, ich sehe jedenfalls keinen. Ist das nur eine Übung?“ Hakulinen musterte ihn von oben bis unten, dann spie er verächtlich auf die Planken. „Halt deine vorlaute Schnauze, du Mistkerl!“ brüllte er. „Sonst stopfe ich sie dir gleich persönlich. Du hast das zu tun, was dir befohlen wird, sonst gar nichts. Und ich befehle euch beiden, zu feuern, sobald ich das Kommando dazu gebe. Habt ihr das verstanden, oder braucht ihr eine Lektion?“
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„Schon gut“, lenkte Arne ein, „er meint es nicht so. Wir tun das, was Sie von uns verlangen.“ „Mit dir rede ich später noch“, versprach Hakulinen. „Aber das. hat noch Zeit.“ Nach diesen Worten kehrte er wieder aufs Achterdeck zurück. „Dieser verfluchte Halunke“, sagte Hein. „Wer werden ihm schon noch die Zähne zeigen, Hein. Ich kann mir auch schon denken, was er von mir will.“ Mittlerweile war das Schiff größer geworden und deutlich zu erkennen. Es hielt immer noch denselben Kurs, ohne sich durch die Galeone abschrecken zu lassen. Vielleicht sah man drüben die ausgerannten Kanonen noch nicht. Als Arne von Manteuffel ebenfalls auf das Schiff blickte, durchfuhr ihn ein leichter Schreck, und er stieß Hein Ropers an. „Zum Teufel“, sagte er, „das ist doch die ,Luoti`, das Schiff mit der Pelzladung, die wir erwarten. Oder irre ich mich?“ „Nein“, erwiderte Ropers verstört. „Das ist sie wirklich. Sie lief von Wiborg über Burgsvik. Dort hat sie eine Partie ausgeladen, der Rest ist für uns. Sie segelt jetzt nach Wisby.“ „Und dieser Mistkerl hat vor, sie zu kapern. Das will mir nicht in den Schädel, das sind doch auch Finnen, Landsleute von dem Kerl.“ „Wie der aussieht, ist es ihm wohl egal, wen er ausplündert. Der bringt seine eigene Mutter um, wenn bei ihr noch was zu holen ist.“ Hein Ropers blickte noch einmal in die Richtung, dann nickte er bekräftigend. „Das ist die ,Luoti`, Arne, kein Zweifel. Was jetzt?“ „Sie werden ihm die Masten wegschießen oder die Takelage zerfetzen“, meinte Arne, „und dann wird geentert. Auf dem kleinen Finnen sind nur acht Mann an Bord, soviel ich weiß. Zumindest müssen wir ihn warnen.“ Hein Ropers sagte nichts mehr, aber in ihm stieg eine ebenso kalte Wut auf wie in Arne von Manteuffel. Der bückte sich gerade, nahm den Luntenstock an sich und hielt ihn in das Messingbecken mit der
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Holzkohle. Es fiel gar nicht auf, denn andere hatten die Lunten ebenfalls entzündet. Ein schneller Rundblick überzeugte ihn davon, daß ihm niemand zuschaute. Hakulinen sah auf das Schiff, die Blicke der anderen waren ebenfalls darauf gerichtet. „Geh weiter zurück!“ flüsterte Arne seinem Bootsmann zu. „Dieses Kaliber kracht verdammt hart zurück. Die Lafette saust nachher bis zu den beiden Booten auf der Kuhl.“ Arne drückte den Luntenstock auf den Zündkanal. Der salpetergetränkte Zunderschwamm begann aufzuglühen. Es knisterte, als bewegten sich tausend Ameisen über eine Stelle. Hastig trat er zur Seite und benahm sich so, als wäre er tollpatschig mit der Lunte umgegangen und nur versehentlich an den Zündkanal geraten. Als die Pulverladung losdonnerte, hörte es sich an, als würde die Kuhl bersten und auseinanderfliegen. Ein urweltliches Brüllen erklang, ein riesiger langer Blitz zuckte aus dem Rohr, und vor der Bordwand quoll dunkler Rauch auf. Der Rückstoß trieb die Lafette polternd und rumpelnd auf ihren Rädern zurück, bis sich die schweren Brooktaue spannten und die Wucht des zurückfahrenden Ungetüms bremsten. Die finnischen Schnapphähne zuckten entsetzt zusammen. Köpfe fuhren herum und starrten den blonden Deutschen an, der entschuldigend die Schultern hob. Hakulinen griff in rasender Wut nach seinem Entermesser, nahm es zwischen Daumen und Zeigefinger und schleuderte es voller Jähzorn nach Arne von Manteuffel. „Das wirst du büßen, du Hund!“ brüllte er. Arne sah den Stahl durch die Luft fliegen und ließ sich seitlich von der Kanone auf die Planken fallen. Das Messer flog haarscharf an ihm vorbei und bohrte sich tief ins Schanzkleid. Da war der Profos Alavus heran und richtete eine doppelläufige Pistole auf die beiden.
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„Ihr verfluchten Kerle!“ schrie er. „Los, steigt in das Boot und legt euch flach hin. Wer sich auch nur bewegt, dem jage ich die ganze Ladung in den Schädel.“ „Es war nur ein Versehen“, sagte. Arne, „ich hielt die Lunte zu dicht an die Kanone.“ „Ins Boot mit euch!“ schrie der Profos am Ende seiner Beherrschung. „Ich werde auf euch aufpassen.“ Es blieb ihnen nichts anders übrig, sie mußten ins Boot klettern und sich hinlegen. Der Profos kennte jeden Moment abdrücken. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hätte er es auch am liebsten getan. Von da an waren sie nur noch Zuschauer, bedroht von einer doppelläufigen Radschloßpistole und einem Profos, der sich immer noch überlegte, ob er nicht doch feuern sollte. Die restlichen Finnen wünschten die beiden Deutschen zum Teufel. Hakulinen selbst stand bleich vor Wut auf dem Achterdeck und rief mit wütender Stimme Befehle. Einmal hob er drohend die Faust zu den beiden Männern hin. „Hoffentlich reagiert er'', flüsterte Arne aus den Mundwinkeln. Der brüllende Abschuß war von den Finnen auf der „Luoti“ zwar gehört worden, aber sie konnten nicht mehr reagieren. Die „Isabella“ war schneller als die kleine, tief beladene Galeone. die nur eine winzige Partie ihrer Felle in Burgsvik gelöscht hatte. Als der Finne endlich reagierte, war es schon zu spät, sein überhastetes Ausweichsmanöver klappte nicht mehr. Von Manteuffel und sein Bootsmann hockten erbittert und erzürnt in dem Boot. Sie konnten nichts tun, absolut nichts, sie waren zur Hilflosigkeit. verurteilt. Jetzt klaut uns dieser finnische Hundesohn auch noch die eigene Ladung, dachte Arne. Der entwickelte sich mit erstaunlichem Eifer zum Schnapphahn auf See. Wenn er erst einmal Blut geleckt hatte, dann war es zu spät, dann würde er auch weiterhin räubernd, mordend und plündernd über die Ostsee ziehen.
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Für Hakulinen war es jetzt auch zu spät. Hatte er früher Handel getrieben - wenn auch mitunter recht unehrlichen -, so begann ihm dieses. freie Leben außerordentlich Freude zu bereiten. Gewissensbisse hatte er nicht, Angst kannte er ebenfalls nicht. Er hätte ein herrliches, stark armiertes und schnelles Schiff, und es gab weit und breit keinen Gegner, den er ernsthaft fürchten mußte. So gelangte man schnell zu Ruhm und Ehren und Reichtum, ein zweifelhafter Ruhm zwar, doch das focht den Finnen nicht an. Ein Landsmann von ihm? Das tat der Sache keinen Abbruch, ihm war es egal, an wem er sich bereicherte. Er wollte Beute schlagen, reißen wie ein Wolf, den alle fürchteten. „Feuer!“ schrie er wild. „Haltet in die Takelage und versenkt den Kasten nicht.“ Der andere Finne ging über Stag und versuchte viel zu spät, abzulaufen. Sechs Geschütze brüllten auf. Donner rollte über die See und war bis an die Küsten zu hören. Dieser Kanonendonner war Balsam für Hakulinens Ohren. Das klang nach Macht und Stärke, das spornte an, und so stemmte er sich auf den Handlauf der Schmuckbalustrade und starrte auf die kleine Galeone, der in diesem Augenblick sechs Eisenkugeln in die Takelage knallten. Ein Mast ging splitternd und krachend zu Bruch. Rahen und Stengen knickten weg, zerfetzte Segel sausten an Deck. Sie alle befanden sich jetzt in einer Art Blutrausch und kriegten mordlüsterne gierige Augen. Das hier war immer noch die schnellste und bequemste Art, um reich zu werden, so ähnlich dachte jeder. Was war das für ein Leben! Vormals, ja da waren sie mit lausigen Holzladungen über das Meer gegurkt, und jeder kriegte eine Heuer, die nicht zum Leben und nicht zum Sterben langte. Von nun an war das anders. Je mehr sie aufbrachten, desto größer wurden die Anteile, und so stürzten sie sich geradezu fanatisch auf die Finnen.
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Es gab einige, die kurz einmal daran dachten, daß sie einen Landsmann vor sich hatten, aber wer Skrupel hatte, kam zu nichts, der wurde nie ein erfolgreicher Schnapphahn. Hakulinen gab auch nichts drauf, daher taten sie's ihm nach. Sogar der Koch Mäkilä, den sie wegen des schlechten Essens schwarz angestrichen hatten, wurde zu seinem großen Erstaunen wieder mit freundlichen Blicken bedacht. Das verstand er zwar nicht, aber die Kerle hatten da eine ganz merkwürdige Logik entwickelt, die mit „wenn“ und „hätte“ endete. Hätte der Koch nicht vergessen. die Ofentür zu schließen, dann wären sie heute noch auf ihrer alten Krabbe“ und würden wieder mit Holz handeln. Also verdankte man die Aussicht, schnellen Reichtum zu ergattern, letzten Endes ihm. Jetzt flogen die ersten Enterhaken zu dem Finnen hinüber, der nicht mehr segeln konnte, weil auf seiner Galeone eine unbeschreibliche Wuhling herrschte. Zwei Männer lagen. reglos unter dem herabgefallenen Segeltuch auf den Planken. Sie waren von den Rahen erschlagen worden. Auf der „Isabella“ herrschte Gebrüll. Die Finnen packten ihre Entermesser, schnappten sich Beile, Äxte und Cutlasse aus den Waffenkammern der Seewölfe und schrien sich die Kehlen heiser. Die ersten sprangen hinüber, Pistolenschüsse krachten, vom Großmars der „Isabella“ feuerte ein Kerl mit einer Muskete aus sicherer Deckung auf die entsetzten Finnen, die sich nur schwach zur Wehr setzten, als fast zwanzig Kerle auf ihrem Schiff herumtobten und jeden niederstachen, der sein Finnmesser gezogen hatte. Der Kapitän der finnischen Handelsgaleone wollte sich ergeben, doch da sprang Hakulinen wie ein Tiger auf das Schiff hinüber und schwang einen Säbel in der Faust. Der Kapitän wich zurück, entsetzt vor diesem wahnsinnig gewordenen Landsmann. Er begriff nicht, daß ihn ein
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Finne in seinen heimatlichen Gewässern aufbrachte und seine Leute rigoros umbringen ließ. „Was ist in euch gefahren?“ rief er entsetzt. „Ihr seid doch unsere Lands ...“ Hakulinen schien nichts zu hören, er hatte seltsam flackernde Augen, in seinem Gesicht zuckte es ständig. Ohne ein Wort zu sagen, stach er den Finnen nieder, sah sich dann wild nach. anderen Gegnern um und entdeckte keine mehr. Seine Leute hatten bereits ganze Arbeit geleistet. Zeugen, die über den überfall berichteten, sollte es nicht geben. Entsetzt sahen Arne und der Bootsmann diesem sinnlosen Gemetzel zu. Von Manteuffel wollte wütend aufspringen, doch die geladene Pistole an seinem Kopf hinderte ihn daran. Außerdem zielte jetzt noch ein anderer mit einer Muskete auf sie. Beide Schiffe trieben auf Südkurs nebeneinander her. Drüben wurden die Laderäume geöffnet, während andere Kerle plündernd durch das Schiff strichen und sich alles schnappten, was überhaupt zu tragen war. Sie räumten die Kapitänskammer aus und benahmen sich schlimmer als die Vandalen. Hatten sie einen Raum verlassen, schlugen sie alles kurz und klein, was nicht des Mitnehmens wert war. Auf den Decks der „Isabella“ häuften sich derweil die Sachen, immer wieder wurden neue herangeschleppt. Dann war die Ladung an der Reihe. Wertvolle Pelze wurden nach oben gebracht und in die Räume der „Isabella“ gestaut. Von Manteuffel mußte auch das in schweigender Wut mit ansehen und die Kommentare der Kerle anhören. „Eine gute Beute“, sagte Hakulinen. „Die Pelze bringen viel Geld. Heute haben wir auf einen Schlag mehr verdient als in den letzten zwei Jahren zusammen. Na, wie gefällt euch das? Ist das nicht das wahre Leben?“ Seine Kerle brüllten begeistert los, als er ihnen lauthals die Vorzüge der Piraterie schilderte. Von den Nachteilen sprach er nicht, vermutlich dachte er nicht einmal
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daran. Denn daß 'sie früher oder später alle am Galgen enden würden, kam ihnen nicht in den Sinn. Heute war heute, morgen gab es wieder einen neuen Raid, und damit war alles in Ordnung. „Alles an Bord?“ vergewisserte er sich. „Drüben gibt es nur noch eingebaute Schapps!“ schrie Pulkila, der Bootsmann. „Aber die sind jetzt leer.“ „Was geschieht mit dem Kahn?“ fragte Abromeit. „Steckt ihn in Brand!“ befahl Hakulinen. „Zündet die Seegrasmatratzen in den Bunks an und gießt Öl an Deck. Streut überall ein bißchen Schießpulver aus.“ „Wir können ihm doch einen in die Wasserlinie braten“, schlug der Zimmermann Kuhmo vor. „Steckt ihn an, habe ich gesagt. Unnötig wird nicht gedonnert. Man hört es bis weit ins Land hinein, und es muß nicht gleich jeder wissen, was hier passiert ist.“ Die Finnen verteilten sich auf der Galeone, legten überall Feuer, kehr ten an Bord zurück und lösten die Leinen. Die „Luoti“ trieb nun langsam achteraus, und aus ihren Decks schlugen kleine Flammen, die rasch Nahrung fanden und immer höher leckten. Bald glich das Schiff einer großen brennenden Fackel, und unter dem grellen Feuer erschien schwarzer Qualm. Immer höher wurde die Feuersäule, dann war ein deutliches Knacken zu hören. Die Galeone brach in der Mitte auseinander. Das Achterschiff brannte weiter auf dem Wasser, das Vorschiff versank zischend in der Tiefe. Nur ein paar Augenblicke später soff auch das Achterschiff ab, und Hakulinen wandte sich grinsend an Arne. „Du kannst abhauen“, sagte er zu Hein Ropers. „Du hast damit nichts zu tun gehabt. Und du“, er wies auf Arne, „wirst in die Vorpiek gesperrt, solange, wie ich es befehle. Später werde ich mir noch eine Strafe ausdenken. Na, wie gefiel dir das?“ fragte er dann. Der Deutsche maß ihn mit einem verächtlichen Blick, der Hakulinen die Röte ins Gesicht trieb. „Eine Heldentat war das“, höhnte er, „ich habe noch nie so tapfere Leute gesehen,
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die sechs hilflose andere Männer einfach umbringen. Darauf kannst du dir was einbilden. Einen wehrlosen unbewaffneten Mann niederstechen, der nichts ...“ „Sei ruhig, du Hundesohn“, fluchte Hakulinen. „Sei ganz still, oder ich gehe mit dir genau so um wie mit dem anderen.“ Er wandte sich an den Profos und zwei andere. „Fesselt ihn und werft ihn in die Vorpiek. Wenn er sich wehrt, dann kitzelt ihn mit dem Messer. bis er sich vor Lachen krümmt. Ab jetzt mit dem Kerl.“ Erst wollte Arne sich zur Wehr setzen, doch dann sah er ein, daß falsches Heldentum hier nicht angebracht war. Wenigstens war Hein Ropers noch in Freiheit, und es würde sich schon eine Gelegenheit bieten, irgendwann. Dann war die Abrechnung fällig, vielleicht, wenn die Kerle sich in ihrem Siegesrausch einmal total besoffen. Widerstandslos ließ er sich in die Piek bringen, Während Hein Ropers mit verkniffenem Gesicht an Deck stand und ihm nachsah. Auch er schwor den Kerlen insgeheim Rache. 8. Hein Ropers hörte das Gespräch mit, das Hakulinen ganz ungeniert führte. Er hatte drei seiner härtesten Kerle um sich auf das Achterdeck befohlen und sprach mit ihnen. „Wir gehen auf Nordkurs, Alavus“, sagte er zu dem Profos. „Jetzt und sofort.“ Der Profos gab den Befehl weiter und scheuchte die Männer übers Deck zu den erforderlichen Manövern. Die „Isabella“ beschrieb einen Halbkreis, der sie von Süd- auf Nordkurs brachte. „Und wohin segeln wir?“ fragte der Profos begierig. „Nach Stora Karlsö, zu der Insel.“ „Aber da gibt es doch nichts zu holen“, wandte der Bootsmann Pulkila enttäuscht ein. „Da leben doch nur ein paar Schafzüchter und Fischer, höchstens drei oder vier Familien. Ich dachte, wir gehen jetzt auf große Fahrt, nachdem alles so gut angefangen hat.“
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Hakulinen grinste die Männer an. „Klar, das hat sich gut angelassen“, sagte er. „Aber wir brauchen einen Stützpunkt, und wenn wir den haben, können wir den gesamten Handel nach Wisby kontrollieren.“ „Wieso sollen wir den Handel kontrollieren?“ fragte der Bootsmann begriffsstutzig. „Geht das nicht in eure dämlichen Holzköpfe hinein, verdammt noch mal? Wir plündern die vorbeifahrenden Schiffe aus, genauso wie eben den guten Freund hier, der uns so eilig über den Weg lief. Die müssen doch alle in der Nähe daran vorbei. Wir bringen sie auf, nehmen ihnen das Zeug ab und versenken sie. Wichtig ist vor allem, daß wir die Insel in unseren Besitz bringen. Da kann uns keiner ans Leder, daraus bauen wir eine Art Festung.“ „Das ist eine gute Idee“, sagte der Bootsmann begeistert. „Das ist wirklich gut. Wir werden verdammt schnell reich werden, glaube ich.“ „Davon bin ich überzeugt“, sagte Hakulinen laut lachend. „Seht doch nur einmal, was diese lausige kleine Galeone bereits gebracht hat. Und es wird noch viel, viel mehr geben. Die Ahnungslosen sterben nicht aus. Wer will gegen dieses Schiff etwas ausrichten? Das schaffen nicht einmal die großen Brocken, und wenn es wirklich einmal heiß wird, dann zeigen wir ihnen die Hacken.“ Das begeisterte die Kerle natürlich, wie Hein Ropers angewidert mithörte. Die Stimmen klangen klar und deutlich zu ihm auf das Quarterdeck. „Da sind aber die Familien auf dieser Insel“, wandte der Profos wieder ein. „Die werden nicht damit einverstanden sein, wenn wir uns dort niederlassen.“ Wieder lachte Hakulinen laut. „Ihr könnt euch wohl noch nicht so richtig an das neue und reiche Leben gewöhnen, was? Wir sind Freibeuter, Piraten, wir werden immer stärker und immer mächtiger. Was fragen wir da nach ein paar Fischern und Schafzüchtern! Wir jagen sie zum Teufel, und weg sind sie. Wir bringen sie um, Tote reden nicht mehr.
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Oder hat plötzlich einer von euch Hemmungen?“ Die Finnen hatten keine Hemmungen, das war ihnen ein Fremdwort. „Man muß sich wirklich umstellen“, sagte Pulkila, „das ist alles noch so neu.“ „Daran gewöhnt man sich schnell“, sagte Hakulinen lässig. „Wenn man Geld will, muß man über Leichen gehen, da .darf man nicht zimperlich sein und keine langen Fragen stellen. Wir segeln also nach Stora Karlsö in die Bucht an der Nordseite, erledigen die Familien und nehmen uns die Insel. Ihr werdet euch bis an die Zähne bewaffnen und mit den beiden Booten an Land pullen. Dann tut ihr das, was ich gesagt habe, und schon ist alles erledigt.“ Einzelheiten, wie man vorgehen wollte, wurden noch besprochen. Dem Bootsmann Hein Ropers, der alles mitgekriegt hatte, sträubten sich die Haare bei dem Gedanken an die Insel. Er kannte die beiden Inseln, die südwestlich von Klinthamn lagen. Die dem Land zugelegene Insel war klein und hieß Lila Karlsö, die andere, größere, war Stora Karlsö, auf der die Familien lebten, die Schafe züchteten oder Fischfang betrieben. Und die wollte dieser gewissenlose Halunke einfach ausrotten, nur damit er einen Stützpunkt hatte. Hein wollte es zuerst nicht glauben, aber er sah in die harten grausamen Gesichter der Finnen und wußte, daß es ihnen verdammt ernst damit war, was sie sagten. Sie brachten unschuldige Menschen um, löschten bedenkenlos ganze Familien mit ihren Kindern aus. Bestialischer konnte man nicht mehr denken und handeln, überlegte Hein. Den Rest von ihren künftigen Heldentaten wollte er nicht mehr hören, er hatte genug und überlegte fieberhaft, wie er das kommende Massaker am besten verhindern konnte. Nach reiflicher Überlegung sah er jedoch keine Möglichkeit dazu. Er konnte nicht allein gegen eine ganze Mannschaft von harten Kerlen antreten. So wartete er ab, ob sich eine Gelegenheit ergab. Mitunter half einem ja auch der Zufall.
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Stora Karlsö war eine karge Insel mit nur wenig Bewuchs und ziemlich weltabgeschieden. Schon beim Einlaufen in die kleine geschützte Bucht auf der Nordseite sah man die Schafe weiden. Möwen kreischten hoch über ihnen, die Wellen liefen leise rauschend gegen den steinigen Strand. Weit auseinandergezogen waren vier Backsteinhäuser zu erkennen, aus deren Schornsteinen leichter Rauch quoll. Die „Isabella“ war kaum in die Bucht eingelaufen, als die paar Bewohner der Insel auch schon zusammenliefen und sich an einem hölzernen Anlegesteg für die Fischerkähne einfanden. Die Inselbewohner winkten sorglos, und die verdammten Finnen winkten ihnen in falscher Freundlichkeit zu. Sie ahnen nicht, daß sie soeben ihre Mörder begrüßten, dachte Hein Ropers schaudernd. Die Segel waren schlecht aufgepackt, der Anker gesetzt, und nun wurden umständlich und hastig die beiden Boote von der Kuhl abgefiert. Ropers sah, daß die Finnen versteckt bewaffnet waren, und sich anschickten, in die Boote abzuentern, immer noch von der harmlos blickenden Inselbevölkerung erwartet. Er wußte nicht, was er tun sollte, und fühlte sich so hilflos wie noch nie in seinem Leben. Doch dann hatte er eine Idee. Er stieg auf die Back, stellte sich ans Schanzkleid und brüllte, so laut er konnte: „Haut ab, Leute Bringt euch in Sicherheit. Das hier ist ein Piratenschiff, die Kerle wollen euch ermorden. Lauft, was ihr könnt, und versteckt euch!“ Vielleicht, so hoffte er, gelang es doch einigen, die kleinen Felsen auf der anderen Seite zu erreichen. Mehr konnte er nicht für sie tun, denn jetzt walzte eine wütende und brüllende Horde auf ihn zu. Hein Ropers schlug um sich, trat wie wild mit den Stiefeln zu, aber er hatte nicht die
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geringste Chance gegen die Übermacht aus zornigen Kerlen. Fäuste trafen ihn, er empfing harte Tritte, und immer wieder droschen sie auf ihn ein, bis er auf den Planken lag und glaubte, er hätte keinen heilen Knochen mehr im Leib. Vor seinen Augen verschwamm alles zu schlierigen Nebeln. „Schmeißt ihn in die Piek zu dem anderen Hundesohn“, vernahm er wie aus weiter Ferne Hakulinens überkippende Stimme. Er spürte noch, daß ihn ruppige Fäuste aufhoben und forttrugen, dann verlor er vorübergehend das Bewußtsein. Hakulinen war außer sich, daß das Manöver, das er sich ausgedacht hatte; verraten worden war, denn jetzt nahmen einige der Bewohner doch ihre Beine in die Hand und rannten los. Ein paar andere standen noch unschlüssig herum, aber als sie sahen, daß der Mann, der sie gewarnt hatte, so erbarmungslos zusammengeschlagen wurde, nahmen auch sie Reißaus. Hakulinen ließ auf die flüchtenden Leute mit Musketen feuern. Zwei brachen schweigend zusammen, ein dritter schrie laut und gellend, und im Nu war auf der friedlichen Insel der Teufel los. Das eine Boot wurde an den Strand gepullt. Hakulinen selbst steuerte es mit verbissenem Gesicht. Kaum waren sie an Land, da rannten sie den Leuten nach, die in ihrer Angst in ihre Häuser flüchteten, um sich zu verbarrikadieren. Der Finne aber hatte jetzt eine solche Wut im Bauch, daß er mit dem Musketenschaft die Türen kurz und klein schlug und wie ein Berserker herumtobte. Jeder noch so geringe Widerstand reizte ihn zu immer größerem Zorn. Was sie nicht wußten, war die Tatsache, daß es einer Familie doch gelungen. war, zu entkommen. Vater, Mutter und Kinder hatten sich in den hohen Klippen auf der Südseite der Insel versteckt und warteten dort voller Angst. Bis auf zwei Mädchen hatten sie jetzt alle umgebracht.
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Der Profos führte sie vor. Die armen Dinger heulten und schluchzten und kauerten sich vor Angst auf den Boden. Zum ersten Male grinste der Finne wieder. Er sah sie an und grinste noch mehr. „Was soll mit den Weibern geschehen?“ fragte der Profos. „Sollen wir sie auch – schhhttlt?“ Seine Hand fuhr zur Kehle, zur typischen Bewegung des Halsdurchschneidens, doch der Finne winkte ab. „Sie bleiben am Leben, Mädchen sind immer gut. Außerdem brauchen Kerle wie wir ein paar weibliche Sklaven. Ich glaube, wir werden noch sehr viel Spaß mit denen haben.“ „Ja, das glaube ich auch“, sagte der Profos genüßlich und betrachtete die beiden jammernden Gestalten mitleidlos. Er stieß sie von sich auf den Boden zurück und lachte roh. Die Finnen hausten auf der Insel schlimmer als die übelsten Marodeure, und als Hakulinen befahl, man möchte doch eine kleine Feier Veranstalten und dazu seien ein paar Schafe notwendig, da begannen die Kerle in die Schafherde wahllos mit Musketen hineinzuballern. Das Chaos war auf der Insel ausgebrochen und nahm seinen weiteren Verlauf in der Form einer wüsten Feier, denn jetzt hatte sie es alle mächtig gepackt, und sie lernten das Leben von einer ganz anderen Seite kennen. „Das ist doch wirklich ein lustiges Leben, das wir von nun an führen“, erklärte der Finnenkapitän. „Wo hat es das denn bei uns schon mal gegeben? Vorher haben wir immer geschuftet wie die Verrückten, und heute brauchen wir uns nur alles das zu holen, was uns gefällt und worauf wir Appetit haben.“ „Gar kein Vergleich!“ schrie der Bootsmann. „Heute sind wir die Könige, morgen die Kaiser und übermorgen die Päpste von der ganzen Welt! Wir werden es denen schon zeigen!“ Inzwischen wurden die abgeknallten Schafe enthäutet. Einer der wilden Kerle zündete ein Feuer an. Dazu nahm er die
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zerschlagenen Türen von den Häusern, die sie aufgebrochen hatten. Mäkilä, der Koch, fand an dieser Art Leben auch seinen besonderen Gefallen und schnitt die Schafe in große Stücke, damit sie sich über dem Feuer leichter braten ließen. Zwei andere kehrten an Bord zurück und brachten Akvavit, den sie aus den Fässern der Seewölfe zapften. Auch Wein vergaßen sie nicht, denn ihr Kapitän hatte ihnen ein zünftiges Besäufnis und eine große Fresserei versprochen. Bevor das Fleisch jedoch gegart war, stand Hakulinen vom Boden auf. „Alles verlief nach Wunsch“, erklärte er, „obwohl diese beiden verdammten Deutschen uns fast alles verpatzt hätten. Bis die Hammel und Lämmer fertig Sind, vergeht noch eine Weile. Zuvor werden wir noch Gericht über die beiden Kerle halten, auch das gehört zu unserer neuen Bordordnung. Außerdem will ich von diesen Kerlen noch etwas wissen.“ „Wir könnten sie noch vor der Feier aufhängen“, schlug der Profos grinsend vor. „Wenn sie dann an der Rah hängen, feiern wir und genießen den Anblick von zwei hängenden Verrätern. Das würde die Stimmung mächtig heben.“ Ein paar andere waren auch gleich fürs Hängen, denn nun hatten sie eine gewisse Hemmschwelle überschritten und gaben sich brutaler als selbst die allerübelsten Kerle. Sie waren in einem Blutrausch befangen und wollten nur noch Untaten aushecken. In ihren Schädeln geisterte alles mögliche herum, nur nichts Vernünftiges mehr. „Hängen“, wiederholte Hakulinen sinnend. „Hm, das wäre eigentlich nicht schlecht. Aber wir sind zu wenige Leute, und wenn man zwei hängt, dann fehlen woanders zwei. Nein, wir werden sie nicht hängen, wir müssen sie nur besonders scharf im Auge behalten, und sie werden an Bord die letzte Drecksarbeit verrichten. Sie bleiben bei uns als Trittarsch an Bord, an denen jeder künftig seine schlechte Laune auslassen kann. Oder paßt das jemandem nicht?“
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„Oh, nein, alles was du tust, ist richtig“, sagten sie, und sie meinten es tatsächlich so, weil Hakulinen sie auf den Weg zu Ruhm und Gold zu führen begann. „Dann los“, sagte er barsch, „an Bord mit euch. Ein paar bleiben hier und passen auf das Fleisch und die beiden Weiber auf.“ Sie pullten zum Schiff zurück und gingen an Bord. Vier Mann gingen in die Piek, um die beiden Deutschen zu holen, die gleich darauf gefesselt an Deck gebracht wurden. Hakulinen ging wie ein mächtiger Imperator vor ihnen auf und ab. Immer wieder blieb er dabei vor Arne von Manteuffel stehen und sah ihn an. „Mit dir stimmt etwas nicht“, sagte er. „Du scheinst nicht der zu sein, für den du dich ausgibst. Ich steige schon noch dahinter. Wer bist du wirklich?“ „Meinen Namen habe ich jetzt bereits zweimal gesagt“, knurrte Arne, dem sein zusammengeschlagener Bootsmann von der neuerlichen Untat schon berichtet hatte. „Na gut, du. bist also Hein Kruse, aber das glaube ich nicht. Kennst du einen gewissen englischen Kapitän namens Killigrew?“ „Killigrew?“ wiederholte Arne. „Nein, nie gehört.“ „Kennst du den Namen?' brüllte Hakulinen den Bootsmann an. „Ich kenne überhaupt keine englischen Kapitäne“, sagte Hein Ropers mühsam und verhielt sich genauso wie sein Kapitän. „Du mußt ihn aber kennen“, sagte Hakulinen wieder zu Arne, doch der schüttelte nur den Kopf. „Hör mal gut zu“, fauchte er. „Laß uns mit deinem Killigrew in Ruhe. Wir wollten auf einem anständigen Schiff anheuern, aber wir wollten nicht bei Mordbuben und Piraten landen, nicht bei Mördern, die sich an Wehrlosen vergreifen und sich nicht scheuen, auch unschuldige Kinder um zu bringen,“ Der Finne lachte laut und höhnisch. „Ihr seid auf einem anständigen Schiff“, sagte er, „und ich hätte nicht übel Lust, euch Halunken an die Rah zu hängen, denn was ihr getan habt, bezeichne ich als
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Meuterei. Und auf Meuterei steht immer noch der Tod.“ „Dann häng uns doch an die Rah und kotz keine großen Töne“, erwiderte Arne kalt. „Wenn ihr mit einer Schlinge um den Hals dasteht, dann ist in wenigen Augenblicken alles vorbei, und ihr habt ausgezappelt. Das ist für Halunken wie. euch nicht gut, ihr sollt auch etwas davon haben. Ich werde euch solange piesacken, bis ihr im Dreck liegt und um euer erbärmliches Leben winselt. Ich breche euch das Rückgrat, ihr Hundesöhne, mein Wort darauf. Ab heute gibt es bis auf weiteres keine Verpflegung und kein Wasser mehr. Zum Ausgleich dafür kriegt ihr jeden Tag zwanzig Hiebe mit der neunschwänzigen Katze. 'Und das solange, bis ihr mir bedingungslosen Gehorsam schwört.“ Auf den schmalen Lippen des Deutschen stand ein verächtliches Lächeln. Nur seine Augen blieben kalt, frostig und ablehnend. „Das schaffst du Hurensohn nie, auch mein Wort darauf. Lieber lasse ich- mich. totschlagen, als einem dreckigen Mörderbastard Gehorsam zu schwören. Und wenn ich nicht gefesselt wäre, dann würde ich dir zeigen. wozu ich meine Fäuste habe, du Dreckskerl. Nämlich zum Draufhauen! Oder um einen Degen damit zu halten und einer Ratte wie dir das Herz zu durchbohr. Aber du bist ja selbst für einen ehrlichen Zweikampf zu feige, du traust dich ja gar nicht, mich loszubinden, du großmäuliger Galgenstrick.“ Hakulinen stand da, als habe man ihn mit Eiswasser übergossen. Er hörte sich den Wutausbruch an und wurde immer wilder, als der Blonde ihn tödlich beleidigte. „Nehmt ihm die Fesseln ab!“ brüllte er. Der Profos löste die Stricke, und als Arne seine Handgelenke reiben wollte, um die Blutzirkulation in Gang zu bringen, da sprang Hakulinen mit einem Wutschrei auf ihn los und schlug mit der rechten Faust erbarmungslos zu. Der Schlag kam vernichtend und knochenbrechend, denn auf Faustkämpfe verstand sich der Finne. Aber seinen Gegner hatte er total unterschätzt, denn der reagierte viel wilder
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und stand dem Seewolf in dieser Beziehung in nichts nach. Er handelte genauso schnell, so hart und kompromißlos. Er ging blitzschnell in die Knie. Die knochige Faust sauste dicht über seinen Haaren so hart vorbei, daß er die. Luft pfeifen hörte. Ebenso blitzschnell erhob sich der Deutsche und schlug noch im Aufspringen mit der rechten Faust zu. Der aus dem Schultergelenk von unten heraufgezogene Schlag, eine brettharte schmetternde Rechte, landete in Hakulinens Visage und hob ihn fast aus den Stiefeln. Ein heftiges Keuchen drang aus seinem Mund, als ihm die Faust aus Stahl und Eisen fast die Knochen zermalmte. Der Schlag war so hart und schwer, daß es den Finnen quer durch die Kuhl trieb. Er taumelte und griff sich mit beiden Händen an den Schädel. Arne von Manteuffel setzte sofort nach, aber bei einem ehrlichen Zweikampf blieb es hier nicht, da hatte er die Halunken schon ganz richtig eingeschätzt. Während er sich voll auf den Finnen konzentrierte und nicht nach rechts oder links sah, stellte ihm einer der Hundesöhne ein Bein, und der Deutsche stolperte, konnte sich nicht mehr halten und landete auf den Planken. Sofort erhob er sich wieder, um sich erneut auf Hakulinen zu stürzen, doch den deckten seine Kerle jetzt ab und griffen in die Prügelei mit ein. Hein Ropers, immer noch gefesselt, sah eine winzige Chance. Er hob die zusammengebundenen Hände wie einen Hammer über dem Kopf und ließ sie voller Wut auf einen finnischen Schädel krachen. Dem Kerl platzten fast die Stiefelsohlen, und er legte sich ächzend auf die Seite. Zwei andere umklammerten den deutschen Bootsmann, um ihn von hinten auszuheben, doch auch das hielt ihn nicht davon ab, sich weiter an der Prügelei zu beteiligen. Er stemmte sich von den Planken ab und knallte einem herannahenden Finnen, der es ihm gerade ordentlich besorgen wollte,
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beide Beine mit den groben Stiefeln vor den, Brustkasten. Der so hart Getroffene brüllte auf, denn mit diesem Angriff hatte er nicht gerechnet. Er sauste in die andere Gruppe zurück und riß zwei fluchende Kerle zu Boden. Während sie sich noch balgten, und wieder aufstanden, nutzte Arne von Manteuffel seine vermeintliche Chance. Er erwischte den Finnen noch einmal voll am Schädel. Hakulinen taumelte jetzt mit glasigen Augen zurück und krachte mit dem Kreuz an den Großmast. Dort tasteten seine Hände nach einem Belegnagel, doch den verlor er gleich wieder, weil er sich nur halb in dieser Welt befand und noch nicht klar durchblickte. Die zwei Schläge hatten ihn schwer durchgeschüttelt und seinen Körper in eine merkwürdige Taubheit versetzt. Seltsamerweise war er fast schmerzlos, und wenn er noch so einen Brocken fing. Das wußte er, dann war er am Boden und endgültig aus dem Rennen, noch bevor er bis drei zählen konnte. Hakulinen brauchte etwas Zeit, um sich zu erholen. Er wollte etwas sagen, doch kein Ton drang über seine Lippen. Dafür handelten seine Leute, die ihm die erforderliche Verschnaufpause verschafften. Zu dritt und viert stürzten sie sich auf den Deutschen, der kräftige Schläge nach allen Seiten austeilte und auch mit mehreren Männer gleichzeitig fertig wurde. Seine Fäuste rissen schmerzhafte Wunden, und ein Finnenauge nach dem anderen schwoll zu. wenn er traf. Und er traf trotz der Übermacht verdammt hart und oft. Die beiden Deutschen legten einen Kampf hin, daß es die schlagfreudigen Finnen zu grausen begann. Fünf oder sechs Finnen lagen jetzt auf den Planken, ein weiterer wurde durch einen gewaltigen Schlag Arnes über Bord katapultiert Sie hingen wie Kletten an ihm, rissen und zerrten an seinen Armen, traten nach ihm, hieben ihm ins Kreuz, und immer noch schafften sie es nicht, ihn auf die Planken zu legen. Der Deutsche verkeilte sich in
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seine Gegner und teilte weitere Schläge aus. Hakulinen kam langsam wieder zu sich. Er war im Gesicht schwer gezeichnet, aus seiner Nase tropfte Blut. Als die prügelnde Meute dicht an ihm vorübertobte, sah er keinen anderen Ausweg mehr, denn der Deutsche war nicht zu bremsen. Er zog die Pistole, hob sie blitzschnell hoch und drückte sie dem Blonden an den Schädel. „Gib auf!“ sagte er keuchend. „Ich drücke sonst ab!“ Gegen geladene Pistolen war auch Arne von Manteuffel machtlos, zudem war er von allen Seiten eingekeilt und sah aus den Augenwinkeln, daß auch auf Hein Ropers eine Pistole zielte. Da erst ließ er die Fäuste sinken und sah schweratmend auf seinen verhaßten Gegner. „Du bist trotzdem ein feiger Hund“, sagte er. „Deine Kerle haben in den Kampf eingegriffen, sonst wärst du jetzt erledigt.“ Die Hand mit der Pistole zitterte leicht, Hakulinens Körper zitterte und seine Augen waren blutunterlaufen. „Halt die Schnauze“. fluchte der Finne. Dann wandte er sich, immer noch schweratmend und nach Luft ringend, an den Profos, dem ebenfalls das linke Auge zuschwoll. „Fessel den Kerl wieder und bring alle beide in die Piek. Die werden noch den Tag ihrer Geburt verfluchten.“ „Du verfluchst ihn ab heute schon“, sagte Arne höhnisch. „Kerle wie du, die gehen schnell unter oder baumeln sehr bald an einem Strick.“ Der Profos trat mit dem Stiefel zu. Dann fesselte er den Blonden und wollte ihn nach vorn bringen. „Halt“, sagte Hakulinen mühsam. „noch nicht. Bring mir erst die Peitsche. Ich werde den Kerl vorher noch so lange durchpeitschen, bis ich die Arme nicht mehr hochkriege.“ „Trotzdem wirst du nichts damit erreichen“, sagte Arne kalt. „Außer, daß du lahme Arme hast.“
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Der Profos brachte die Peitsche und rieb sich erwartungsvoll die Hände. Er war gespannt, wie lange es dauerte, bis Hakulinen die Arme nicht mehr hochkriegte. Da würde der Blonde wohl schon lange vorher zusammenbrechen. Hakulinen, zog die neun Lederstriemen einmal durch die Finger der linken Hand, dann grinste er verzerrt. Im Gesicht des Blonden war allerdings keine Reaktion zu bemerken. „Ein Schiff aus Nord!“ brüllte einer. „Eine kleine Galeone, sie segelt nicht weit vorbei.“ Hakulinen warf dem Profos die Peitsche zu. „Schnell, bring die Kerle nach vorn“, sagte er hastig. „Die Feier verschieben wir auch auf später. Dieses Schiffchen holen wir uns noch, das lassen wir uns nicht entgehen.“ Die beiden Deutschen wurden wieder in die Piek gesperrt, Arne konnte das Schiff nicht mehr sehen. Überhastet und in aller Eile wurden sie eingeschlossen. Die an Land bei dem Feuer hockenden Kerle wurden zurückgepfiffen. Schiet auf den Braten, der lief ihnen nicht davon. Schafe gab es genug auf der Insel, aber die Galeone, die kleiner als die „Isabella“ war, die lief ihnen davon, wenn sie sich nicht beeilten. Die Kerle enterten auf und machten seeklar. Der Anker wurde gehievt, alle waren mit Feuereifer dabei, und dann wurden die Segel aus dem Gei genommen. „Zwei Schiffe an einem Tag“, prahlte Hakulinen, „wenn das keine Heldentat ist! Die Feier ziehen wir danach gleich zwei volle Tage in die Länge. Los jetzt!“ Noch während sie aus der Bucht liefen, wurden die Geschütze ausgerannt und alles gefechtsbereit gemacht. Sie freuten sich auf die nächste Beute. 9. Dan O'Flynn glaubte zu träumen, als er den Kieker vom Auge nahm. „Unsere ‚Isabelle`, sagte er fast andächtig. Sofort herrschte Aufregung an Bord und jeder starrte sich die Augen aus.
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Hasard riß O'Flynn das Spektiv aus der Hand und blickte hindurch. „Tatsächlich“, sagte er erstaunt, als er den Kieker absetzte. „So schnell hätte ich sie nicht erwartet. Hast du das gehört, Ed?“ Der Profos grinste wie eitel Sonnenschein. In seinen Augen lag ein nie gesehener Glanz, und er rieb sich andächtig die Hände. „Sie haben es auf uns abgesehen“, meldete Dan. „Kanonen sind ausgerannt, das Schiff ist gefechtsbereit.“ „Auwei“, meinte Renke Eggens, „da haben wir aber nichts Vergleichbares entgegenzusetzen, Sir. Wie verhalten wir uns jetzt am besten?“ Hasards Entscheidung stand längst fest. „Ganz einfach, Mister Eggens“, sagte er. „Ich möchte nicht, daß Leute verletzt oder die Schiffe beschädigt werden. Sie werden nicht feuern, weil sie uns aufbringen wollen. Sie werden entern. Spielen Sie den Ängstlichen, streichen Sie bei Annäherung sofort die Flagge. Das wird Sie in den Augen der Finnen zwar als Feigling erscheinen lassen, aber denken Sie dabei an Ihren Kapitän, der sich an Bord befindet. Lassen Sie sich auf keinen Kampf ein.“ „Ich werde um Gnade winseln“, versprach der Erste. „Sehr gut“, sagte Hasard. „Tun Sie das. Wir verstecken uns jetzt. Sobald die ersten Kerle an Bord sind, um das Schiff zu entern, tauchen wir auf. Die Halunken werden ihr blaues Wunder erleben.“ „Das finde ich prächtig“, sagte Eggens, „ich werde mein Bestes als Schmierenschauspieler tun.“ „Wie ich mich erst freue“, sagte Carberry, „das ist ja schöner als Geburtstag, Weihnachten und Ostern auf einen Tag. Ich habe nur eine bescheidene Bitte, Sir.“ „Sprich sie ruhig aus.“ „Überlaß mir diesen finnischen Leithammel, Sir, diesen räudigen Hundesohn, diesen vergammelten, denn ich muß ihm unbedingt den Akvavit zurückzahlen.“ „Ich denke, du säufst so gern“, sagte Hasard.
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„Aber nur aus freier Entscheidung. Zum Saufen lasse ich mich nicht zwingen.“ „Er gehört dir“, sagte Hasard, „damit du wieder ein glücklicher Mensch wirst. Aber jetzt müssen wir verschwinden.“ Die ersten waren schon verschwunden, mit grimmigen Gesichtern und Fäusten, in denen es mächtig juckte. Hasard ging zur Kombüse und verschwand mit einigen anderen hinter dem Schott. Einige versteckten sich in den Niedergängen. Überall lauerten Seewölfe darauf, es den Finnen heimzuzahlen. Gleich darauf war das Deck wie leergefegt, nur die Männer von der Stammcrew hielten sich noch oben auf. Als die „Wappen von Kolberg“ an der Insel vorbeisegelte, lief die „Isabella“ gerade aus und nahm Fahrt auf. Renke Eggens spielte seine Rolle wie besprochen, als hinter ihm der Verfolger auftauchte. Vom Achterdeck aus linste er durch den Kieker, als das Schiff parallel zum Kielwasser der „Wappen von Kolberg“ lief. Noch waren nicht alle Segel auf der „Isabella“ gesetzt, aber die Kerle beeilten sich höllisch, noch mehr zu heißen. Renke Eggens, der jetzt den ängstlichen Verfolgten spielte, ließ ebenfalls noch ein Segel setzen, damit auch alles echt wirkte. Jetzt lief die „Wappen von Kolberg“ unter vollem Preß, doch die „Isabella“ holte ziemlich schnell auf, als immer mehr Tuch gesetzt wurde. „Auf einen Kampf mit dem Schiff möchte ich mich weiß Gott nicht einlassen“, sagte Eggens zu dem Rudergänger. „Da wären wir wohl ziemlich schnell verloren.“ „Hoffentlich knallen die uns nicht doch zusammen.“ „Ich glaube nicht, aber ganz sicher ist das nicht.“ Jetzt betrug die Distanz zwischen beiden Schiffen nur noch eine Kabellänge, und .da ließ die Männer ein berstender Knall zusammenfahren. Als Eggens sich umdrehte, sah er Qualm auf der Back der „Isabella“ aufwölken, und gleich darauf stiebte hinter ihrem Heck eine Eisenkugel in die See. Die
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hochgischtende Fontäne fiel mit einem lauten Rauschen gleich darauf in sich zusammen. „Streicht die Flagge, ihr Bastarde!“ brüllte von achtern eine Stimme auf Finnisch. Jetzt ist es also soweit, dachte Eggens. Sie waren noch nie geentert worden, und es war doch ein verdammt mulmiges Gefühl. Aber er wußte die Seewölfe unter sich und grinste sich eins. „Streich die Flagge, Pit!“ befahl er einem Mann, der zum Zeichen der Unterwerfung die Flagge einholte. Gleichzeitig schickte Eggens ein paar Männer in die Takelage. um zum Zeichen des weiteren guten Willens ein paar Segel zu bergen. Hinter ihnen gischtete das Wasser, und eine riesige Wand aus Segeltuch schob sich unaufhaltsam wie ein gigantischer Wolkenturm heran. Eggens bedauerte lebhaft, daß die Seewölfe diesen Anblick nicht genießen konnten, wie der Berg aus Segeln immer näher rückte, wie die Bugwelle schäumte und das Schiff in seiner ganzen majestätischen Schönheit fast wie ein Gott aus dem Meer stieg. Dann war die „Isabella“ heran und Eggens sah mit ängstlichem Gesicht harte Kerle, die Enterhaken in den Fäusten schwangen. Drüben erklangen Befehle. Zwei große Segel wurden aufgetucht, das Schiff lief gleich darauf etwas langsamer. „Gebt auf!“ brüllte ein riesiger Kerl mit einer Kerbe im Kinn laut herüber. „Ihr seid gestellt. Wer sich wehrt, wird auf der Stelle niedergeschossen!“ Eggens hob in verzweifelter Angst die Arme und zuckte erschreckt zusammen, als zwei Enterhaken hinter das Schanzkleid knallten und gleich darauf Leinen herüberflogen. „Wir ergeben uns“, sagte er in gut gespielter Angst. „Wir sind auch nicht bewaffnet. Verschont unser Leben, Herr.“ „Klar, das tun wir“, sagte der bullige Kerl verächtlich grinsend. Er blickte auf die Crew der „Wappen von Kolberg“, die ängstlich zusammenrückte und am Schanzkleid Aufstellung nahm.
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Ein paar rannten voller Angst und ziemlich kopfscheu herum. Noch ein Tampen flog herüber, und dann sprangen sie, als sich die Bordwände berührten und die „Wappen von Kolberg“ von dem Schwung der „Isabella“ mitgerissen wurde. Zehn, fünfzehn, dann fast zwanzig Kerle überfluteten das Schiff. In den Händen hielten sie Enterbeile, Cut-lasse und Äxte. In den Bandelters der meisten steckten Pistolen. Aber sie setzten die Waffen nicht ein. Denn ein paar der Kerle krochen vor Angst auf dem Deck herum, hoben flehend die Hände zum Himmel und winselten laut um Gnade. Der Kerl mit der Kerbe im Kinn krümmte sich vor Lachen. „Ihr seid ja die reinsten Hosenscheißer“, sagte er immer noch lachend. „Bist du Feigling hier der Kapitän?“ fragte er dann und deutete auf den vor Angst scheinbar schlotternden Ersten. „Ja, Herr, wir bitten um Gnade. Schenkt uns unser Leben, und nehmt, was ihr wollt. Wir haben nichts getan.“ Hakulinen stieß den Ersten verächtlich vor die Brust und sah sich schnell um. Auf der „Isabella“ stand jetzt nur noch der Rudergänger, alle anderen hatten das Schiff verlassen. „Fangt an!“ rief Hakulinen. „Mistet den Kahn aus! Was habt ihr geladen?“ fragte er. „Seewölfe“, sagte Eggens zu dem verdutzten Finnen. * Schotten öffneten sich plötzlich, Männer stürmten blitzschnell an Deck. Von überallher tauchten sie scheinbar aus dem Nichts auf. Hakulinen fuhr ratlos herum und wurde bleich. Er sah wildentschlossene Männer von allen Seiten auf sich zurasen, angeführt von dem schwarzhaarigen Teufel, den er so aufs Kreuz gelegt hatte.
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Er stand schluckend und wie zu Stein erstarrt da, als er die bekannten Gesichter sah. Die waren jetzt allerdings grimmig verzogen, denn nun brach die Hölle auf dem Schiff los, und das große Aufräumen begann. Selbst Mac Pellew sah heute gar nicht mehr wie eine sauer eingelegte Seegurke aus. Sein Gesicht war fröhlich, als er die Fäuste fliegen ließ und Hiebe austeilte. Natürlich erwachte jetzt auch die Crew der „Wappen von Kolberg“ zum Leben, und von Angst war nichts mehr zu bemerken. Hasard schnappte sich den nächstbesten Mann, der greifbar war und donnerte ihn vierkant gegen den Großmast. Den zusammensackenden Finnen schleifte er zum Schanzkleid und feuerte ihn kurzerhand ins Wasser. ' Big Old Shane prügelte sich quer durch die Kuhl und räumte dabei kräftig ab. Einige Finnen standen immer noch wie erstarrte Figuren herum, so überwältigt waren sie in des Wortes doppelter Bedeutung von dem wilden Ansturm. Old O'Flynn streckte sein Holzbein vor, ließ einen der Kerle darüber stolpern und drosch ihm dann einen Belegnagel auf den Schädel. Dann spielte er wieder den Aufklarer, zog die Kerle, die bereits mit der Nase auf den Planken lagen, ans' Schanzkleid und hievte sie ab. Dann stand Hakulinen plötzlich vor dem Seewolf. In der Hand hielt er das Finnmesser. Sein Gesicht war vor hilfloser Wut verzerrt, und er starrte Hasard voller Haß an. „Aber Sir“, erklang dicht hinter Hasard eine beleidigte Stimme. „Du hast mir doch dieses kalfaterte Rübenschwein versprochen: „Richtig“, sagte Hasard höflich. „Nimm ihn dir zur Brust. Ed, du hast ihn dir verdient.“ Um sie her wurde geprügelt und geschlagen, und ein Finne nach dem anderen nahm den Weg ins kalte Wasser.
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Hakulinen stand immer noch mit dem Messer da und wartete auf eine günstige Gelegenheit. Und dann gab es beinahe noch Streit zwischen Carberry und Mac Pellew, der den „finnischen Hurenbock“ ebenfalls auf die Hörner nehmen wollte. Doch Ed behielt den Mann für sich. Als sich der Profos diesmal sogar die Ärmel seines Hemdes hochkrempelte, begann Old O'Flynn zu grölen. Die meisten Finnen waren schon abgeräumt, jetzt folgte der lustige Teil der Sache, wie Donegal verkündete. Hakulinen stand immer noch unbeweglich da. Er war kein Feigling, er suchte auch keinen Ausweg, er holte nur immer wieder tief Luft, denn er wußte, was ihm jetzt bevorstand. Er hatte dem Profos alles Übel dieser Welt angetan, und so etwas schluckte ein Mann wie Carberry nicht. „Wirf deinen Piekser weg“, sagte Ed, obwohl ihn Hakulinen nicht verstand, „und dann vergiß alles, was du bisher an Prügeln eingesteckt hast.“ „Jawohl!“ brüllte Old O'Flynn, der mit anderen einen Kreis bildete, der die gesamte Kuhl ausfüllte. „Jetzt singt der ,Isabella'-Bordchor Psalm acht. Heut geht es von Bord ...“ Die meisten waren schon von Bord gegangen, denn diesmal war das Verhältnis umgekehrt gewesen. Da gab es fast dreißig Seewölfe und noch einmal achtzehn Deutsche. Da wurden die zwanzig Finnen sang- und klanglos abgeräumt. Hakulinen schoß jäh vor, hielt das Messer mit halb ausgestrecktem Arm von sich und zog den Schädel ein. Beides gedachte er dem Narbenmann voller Wut in den Bauch zu rennen. Er traf Ed nur seitlich mit dem Schädel, und der donnerte ihm eine krachende Linke hart ans Ohr, daß Hakulinen wie ein Geschoß durch die Reihen der Männer flog. „Gib's ihm!“ brüllte Mac Pellew. „Gib's ihm, Ed! Denk an den verdammten Akvavit!“
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Seewölfe 322 44
Hakulinen verlor sein Messer. Smoky stellte seinen drauf, denn hier sollte ehrlich gekämpft werden und nicht hinterhältig. Der Treffer hatte den Finnen leicht angeschlagen, aber nun wurde er rasend gefährlich und stürmte wieder vor. Mit beiden Fäusten schlug er zu, wild und schnaufend. Er raste genau in einen weiteren Schlag hinein, denn Ed blieb eiskalt stehen.. Seine Muskeln wölbten sich wie Hügel an seinen Oberarmen, als der Finne den Schlag fing. Der Brocken schüttelte ihn durch bis. ins Mark seiner Knochen. Sein Körper zitterte, er schlug ins Leere und spie zwei Zähne auf die Decksplanken der Kuhl. Der nächste Schlag warf Hakulinen an den Niedergang. Er krachte in die Stufen, sprang aber unglaublich zäh und schnell wieder auf die Beine und schlug brüllend zurück. Carberry verzichtete auf jede Deckung. Seine riesigen Fäuste baumelten an der Seite, und sie fuhren so blitzartig von unten hoch, daß es den Finnen jedesmal davontrieb, wenn diese Dinger ihr Ziel trafen. Sein Gesicht war jetzt gezeichnet, er sah zum Fürchten aus, denn vorn fehlten ihm die Zähne. Ein weiterer Schlag trieb ihn fast die Stufen des Niederganges zum Quarterdeck hinauf. Hakulinen taumelte hoch, trat von oben nach dem Profos und hielt sich an der Bordwand fest. Carberry war so in Fahrt, wie ihn die Arwenacks lange nicht mehr gesehen hatte. Er packte den Stiefel, der nach ihm trat, gab dem Bein des Finnen eine halbe Drehung und kippte ihn gleichzeitig nach hinten. Im selben Augenblick war er auch schon über ihm, riß ihn hoch und trieb ihn mit harten Schlägen erbarmungslos vom Quarterdeck aufs Achterdeck hinauf. Hier setzte sich Hakulinen noch einmal schwach zur Wehr. Sein Körper sackte zusammen, aber Eds nächster Schlag ließ ihn sofort wieder strammstehen. Seine Augen waren glasig, er hatte kein Gefühl mehr in den Beinen, und die brettharten hämmernden Schläge zermürbten ihn total.
Die Furchtlosen
Am achteren Flaggenstock ging es dann nicht mehr weiter. Hakulinen hob die Arme zur Abwehr, aber er brachte sie kaum noch hoch. Ed schlug seine Deckung voller Zorn auseinander, setzte dem Finnen eine harte Doublette in den Magen und fing den zusammenbrechenden Mann dann auf. So hielt er ihn fest, holte tief Luft, packte den mehrfachen Mörder am Kragen seines zerfetzten Hemdes und mit der anderen Faust am Hosengürtel. Dann holte er mit dem schweren Mann mühelos aus und ließ ihn achtern über Bord gehen. Ein lautes Platschen war zu hören und gleichzeitig Donegals singende Stimme. „Heut geht es von Bord“, grölte er laut und mit freudiger Stimme, denn jetzt hatten sie ihre „Isabella“ wieder, und die „finnischen Rübenschweine“ waren restlos abgeräumt. Carberry kehrte zurück und rieb sich die Hände. Er schwitzte ein bißchen, aber das war auch alles, was man ihm ansah. „Alles aufgeklart“, sagte er, „jetzt fehlen nur noch dein Vetter Arne und der Bootsmann, Sir.“ Die hatten der Kutscher zusammen mit Blacky jedoch schon gefunden und aus der Vorpiek befreit. Jetzt standen sie an Deck und blinzelten in das Tageslicht. Hasard und etliche andere sprangen hinüber. Die beiden Männer, die sich so ähnlich sahen und auch im Charakter gleich waren, gaben sich lächelnd die Hand. „Es gibt wohl eine Menge zu erzählen, Arne“, sagte der Seewolf. „Aber das hat Zeit, bis wir in Wisby sind.“ „Was ist aus den Halunken geworden?“ fragte Arne. „Wir hörten nur Gebrüll und Geschrei, wußten aber nicht, was jetzt los war.“ „Die lernen schwimmen“, sagte Hasard, „wir haben sie alle restlos abgeräumt.“ „Es waren brutale Mörder und Totschläger“, sagte Arne. „Sie haben unschuldige Leute getötet, auch drüben auf der Insel.“ „Wir sehen gleich nach“, versprach Hasard.
Fred McMason
Seewölfe 322 45
Doch auf der Insel fanden sie etwas später nur noch Tote. Die anderen waren geflüchtet und haben sich versteckt. Aber auch von den Finnen war nur noch vereinzelt ein Schädel weit draußen im Wasser zu sehen. Die paar, die es überlebt hatten, schwammen ins Meer hinaus, von grenzenloser Angst erfüllt. Sie wollten lieber ertrinken, als diesen Seewölfen noch einmal in die Hände zu fallen. Aber insgeheim hofften sie doch, schwimmend Land zu erreichen.
Die Furchtlosen
Die beiden Galeonen wurden aufgeklart, die Seewölfe besetzten wieder ihre „Isabella“. Dann segelten sie zusammen mit der „Wappen von Kolberg“ nach Wisby zurück. Schließlich mußte Arne von Manteuffel ja auch seine Pelzladung zurückerhalten, die noch auf der „Isabella“ lag und acht Menschenleben gefordert hätte…
ENDE