Die Gezähmten
scanned by: Crazy2001
corrected by: Larentia
@ Juli 2003
Kurz nach dem Bürgerkrieg in den sechziger ...
14 downloads
389 Views
841KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Die Gezähmten
scanned by: Crazy2001
corrected by: Larentia
@ Juli 2003
Kurz nach dem Bürgerkrieg in den sechziger Jahren brach für viele Texaner irgendwie die Welt zusammen. Sie waren plötzlich ohne Ziel und ohne jeden Halt. Viele von ihnen waren noch sehr jung. Im Krieg aber hatten sie das Töten gelernt und vielerlei Maßstäbe verloren. Sie gerieten auf verlorene Wege und waren schließlich geächtet. Auch Jim, Bill und Cole Lamm waren wilde Jungen wie so viele andere damals. Auch sie gehörten zu den Entwurzelten. Aber sie besaßen einen großen Bruder. Das war ihr Glück.
- 1 -
Als Emmet Lamm die verwitterten Holzhäuser von Tonto sieht, verhält er sein struppiges Pferd und späht auf seiner Fährte zurück nach Osten. Er ist ein großer hagerer Mann, mit blauschwarzen Haaren, kühlen grauen Augen und einem ruhigen Gesicht. Es ist ein dunkelbraunes Gesicht mit einigen kleinen Narben und dunklen Linien darin. Emmet Lamm späht nochmals nach Osten, und seine Lippen pressen sich zusammen. Er atmet scharf durch die Nase aus. Dann schlägt er seine kräftige Hand klatschend auf den Oberschenkel. Dieser Schlag ist gewissermaßen ein Abschluß. Der Krieg, das ständige Reiten, die vielen Kämpfe, Not und der Kummer und all jene Dinge, die in den vergangenen fünf Jahren geschahen, sollen für ihn nun vorbei sein. Er ist entschlossen, das alles tief in sich zu verbergen, abzuschließen und eines Tages gänzlich zu vergessen. Er wendet sich wieder nach Westen und atmet tief ein. Vor ihm liegt Tonto. Und dort beginnt seine Heimatweide. Er ist heimgekommen. Ein neuer Abschnitt in seinem Leben soll beginnen, und er verspürt den Wunsch nach Frieden in sich. Er denkt an die Ranch seines Vaters und an seine drei jungen Brüder. Der Vater ist tot, aber seine drei Brüder leben noch und müssen nun inzwischen Männer geworden sein. Er hat sie fünf Jahre nicht gesehen. Indes er auf die kleine Rinderstadt zureitet, verspürt er immer mehr Freude. Als Emmet Lamm zwischen den ersten Häusern in den Ort reitet, sieht er nirgendwo einen Menschen. - 2 -
Er sieht einige Hühner, zwei Hunde, abgestellte Fahrzeuge und einige Sattelpferde. Aus einigen Schornsteinen quillt Rauch, und in einem der Häuser weint ein kleines Kind. Aber kein Mensch ist zu sehen. Das ändert sich jedoch, als er um die Biegung der Straße auf den Platz der Stadt reitet. Dieser Platz wird von vier großen Gebäuden umgeben. Es sind: Pete Parkers großer Store mit der Waffen- und Eisenwarenhandlung. Pete Parkers »Tonto«-Saloon, Pete Parkers »Tonto«-Hotel und das Stadthaus. Das Stadthaus gehörte Pete Parker allerdings nicht. Es enthält den Gemeindesaal, das Marshal Office, das Gefängnis und die Wohnung des Marshals. Überall auf dem Platz sind Wagen und Sattelpferde abgestellt. Und vor dem Haupteingang des Stadthauses drängen sich Menschen, die im Gemeindesaal keinen Platz mehr finden. Sie lauschen durch die offene Tür und die geöffneten Fenster in das Haus hinein. Es sind aber zumeist nur Frauen, alte Männer und Kinder. Emmet Lamm reitet langsam hinüber. Er rutscht aus dem Sattel und läßt sein Pferd einfach stehen. Mit langsamen Schritten geht er hinüber, und er wirkt jetzt noch größer als zuvor im Sattel. Neben einem alten Mann, der sich gerade einen Berg Schnupftabak auf den Handrücken schüttet und dann in die Nase saugt, hält er an. Er kennt diesen Alten. »Joe«, sagt Emmet, »was ist da drinnen los? Ich sehe an den Pferden die Brandzeichen des ganzen Landes. Und der Gemeindesaal war noch nie so voll, daß ...« Er kommt nicht weiter, denn inzwischen hat Joe Britt sich ihm zugewandt und ihn lange genug betrachten können. Und als er ihn erkannt hatte, weicht er drei - 3 -
Schritte zurück. Nun ruft er heiser: »Du lieber Himmel, das ist ja Emmet Lamm!« Sofort wenden sich einige andere Männer und auch einige Frauen um. Sie alle starren Emmet Lamm an. Viele kennen ihn. Und ein halbwüchsiger Bengel ruft impulsiv: »Emmet Lamm! Captain Emmet Lamm, der beste Kämpfer der Texas-Brigade!« Dann verstummt der Junge fast erschrocken und beißt die Zähne zusammen. Aber seine Augen leuchten, denn für viele Jungens und Männer in diesem Teil von Texas ist Emmet Lamm während des Krieges eine Art Held gewesen, dessen Taten man sich immer wieder erzählte. Nun starren ihn die Menschen hier vorm Stadthaus seltsam an. Niemand sagt etwas. Aber dann fährt der sommersprossige Bengel mit schriller Stimme fort: »Captain, gehen Sie schnell hinein! Man hält Gericht ab über Ihre drei Brüder. Man wird Jim, Bill und Cole aus dem Land jagen, wenn Sie den großen Ranchern drinnen nicht ganz schnell klarmachen, daß man mit den Brüdern des berühmten Captain Lamm nicht so umspringen kann. « Nach diesen Worten weichen die Menschen vor dem Eingang zur Seite. Eine Gasse bildet sich. Und weil es nun wieder still ist, hört Emmet Lamm aus dem Saal die Worte: »Die Geschworenen ziehen sich zur Beratung zurück.« Er schreitet vorwärts, nimmt die drei Stufen mit einem Schritt und ist mit drei weiteren Schritten im Saal. Männer, die dicht beieinander im Gang zwischen den - 4 -
Bankreihen stehen, versperren ihm den Weg. Er legt einem dieser Männer die Hand auf die Schulter und sagt ruhig: »Lassen Sie mich mal durch, Freund! « Es liegt aber dennoch eine Menge Schärfe in seiner ruhigen Stimme. Der Mann, ein großer Cowboy, wendet sich knurrend um. »Hier kann keiner mehr ...«, beginnt er, aber dann weiß er auch schon, mit wem er spricht. Die Jahre haben in Emmet Lamms Gesicht zwar tiefe und dunkle Linien entstehen lassen, aber alle, die ihn früher kannten, erkennen ihn auch jetzt sofort wieder. »Heiliger Rauch!« ruft der Cowboy, mit dem Emmet Lamm früher zur Sonntagsschule ging. »Oha, das ist ja Emmet. « Seine Worte werden im ganzen Raum gehört. Es wird still. Hundert Köpfe wenden sich Emmet Lamm zu. Und eine Gasse bildet sich, durch die er vorgehen kann. Vor dem Richtertisch ist ein freier Platz. Dahinter hängen die Flaggen der Union. und der Lonestar von Texas an der Wand. Vor den Flaggen und hinter dem erhöhten Tisch aber sitzt Pete Parker, ein fleischiger, glatzköpfiger Mann mit einem Walroßbart und hellen scharfen Augen. Seitlich auf einer Bank sitzen die großen Rancher des Landes. Ja, die drei mächtigen Rinderkönige sind da. Ihre Vormänner sitzen hinter ihnen. Sie alle starren Emmet Lamm an. Pete Parker kaut an seinem Walroßbart und beginnt zu husten. Aber für das alles hat Emmet Lamm keinen Blick. Er sieht seine Brüder an, die auf der anderen Seite auf einer Bank sitzen. Ihre Handgelenke sind gefesselt. Doch dies ist für Emmet Lamm jetzt nicht wichtig. Wichtig ist, daß er nun nach fünf Jahren wieder seine - 5 -
Brüder sieht. Jim war damals dreizehn, Bill vierzehn und Cole fünfzehn. Ja, damals waren sie noch Jungens. Jetzt sind sie Männer. Cole ist so dunkel und fast so groß wie Emmet. Er ist Emmet sehr ähnlich. Bill ist rothaarig und wird eines Tages ein schwergewichtiger Riese sein. Und Jim hat blonde Locken, ist mittelgroß, gut gewachsen und hübsch. Sie sehen jedoch abgerissen, ziemlich hohlwangig und ungepflegt aus, sie wirken wie gefangene Wölfe. Es geht ein Strom von Wildheit, Verwegenheit, Leichtsinn und Trotz von ihnen aus. Emmet Lamm begreift nach einem Blick, daß seine drei jungen Brüder so sehr verwildert sind, wie es verwegene junge Texaner, denen eine feste und lenkende Hand fehlt, nur werden können. Er erinnert sich bitter daran, daß ihr Vater vor drei Jahren starb und daß er, ihr großer Bruder, fünf Jahre fort war. Sie betrachten ihn. Und plötzlich grinsen sie voll wilder Freude. »Hoi, der Große ist da«, sagt Jim. »Emmet, du kommst noch zur rechten Zeit. Sage diesen dreizehn Meter hohen Halbgöttern, daß sie jetzt aufhören müssen. Sage ihnen, daß sie auf diese Art die Lamms nicht von der Weide jagen können. Spucke ihnen nur richtig vor die Füße, Bruder!« In seiner Stimme klangen Wildheit und heiße Wut. Bill fällt sofort ein: »Yeah, Emmet, man will uns hier richtig die Haut abziehen. Aber jetzt wird es niemand dieser Großmogule mehr wagen, nicht wahr? Sage ihnen nur gleich richtig, daß du dir ihre Skalps holen wirst, - 6 -
wenn sie nicht ihre Zähne aus unserem Fell nehmen.« Und als Bill verstummt, spricht auch Cole. Er wirkt noch indianerhafter als Emmet. Seine Augen funkeln. »Wir freuen uns mächtig über deine Heimkehr, Großer. Denn jetzt wird es sich endlich mal herausstellen, wie groß diese drei Schufte dort eigentlich sind.« Er deutet bei seinen Worten mit einer Kopfbewegung zu den drei Ranchern hinüber, die grimmig und schweigend auf der Bank sitzen und Emmet Lamm scharf betrachten, studieren und abschätzen. Emmet streift sie mit einem kühlen Blick. Er betrachtet die drei Vormänner, und er kennt auch sie. Ben Bow. der für Wyatt Keene reitet, trägt noch die alten Uniformhosen der Südstaaten-Kavallerie. Und Dave Allison, der Terry Roods Vormann ist, hat noch seinen Armeehut auf dem Kopf. Nur Cal Broker, der Hiob Chisholms Mannschaft führt, ist in dunkles Leder gekleidet, aber auch von ihm weiß, Emmet, daß er während des Krieges in der Armee war. Sie sind alle drei etwas älter als er. Und sie kamen früher heim und haben ihren Posten als Vormänner wieder übernommen. Alle betrachten ihn aufmerksam. Nur Cal Broker nickt ihm leicht zu. Er und Cal hatten sich früher gut verstanden und so manchen Spaß miteinander gehabt. Aber die alten Zeiten sind anscheinend vergessen. Cal Broker sagt unpersönlich kühl: »Tut mir leid, Emmet, daß wir zu deinen Brüdern rauh sein müssen. Aber wer läßt sich schon von drei verwilderten Bengels ständig gute Rinder stehlen? Wir haben genug von ihnen und jagen sie ganz einfach zum - 7 -
Teufel!« »Das entscheidet die Jury«, sagt Pete Parker ruhig und klopft auf den Tisch. »Das entscheidet die Jury, denn hier geht alles nach Recht und Gesetz.« Als er ausgesprochen hat, öffnet sich die Tür des Nebenraumes. Der Sprecher der Geschworenen steckt seinen Kopf heraus, erblickt Emmet und stößt die Tür weiter auf. Er nickt Emmet Lamm zu und wendet sich dann in das Nebenzimmer zurück. »Es stimmt wirklich, Männer«, sagt er. »Emmet Lamm ist heimgekommen. Und ich glaube, wir müssen jetzt noch einmal beraten. Die ganze Sache sieht nun etwas anders aus.« Er verschwindet wieder und zieht die Tür hinter sich zu. »Jetzt haben sie schon mächtig Angst«, kichert Jim laut genug, so daß fast alle Zuschauer und auch die Rancher diese Worte hören können. Und die drei Rinderkönige haben auch in den letzten Minuten immer rötere Köpfe bekommen. Sie haben bis jetzt noch kein Wort gesprochen und sich eisern beherrscht. Aber der spitzbärtige Wyatt Keene, der sehr an einen rastlosen Terrier erinnert, schlägt sich plötzlich die Faust auf das Knie und grollt: »Richter, wenn Sie den Bengels nicht ihr freches Maul verbieten, dann werde ich sie von meinen Reitern endlich mal zurechtstutzen lassen. Ich habe mir jetzt in der letzten Stunde schon mehr anhören müssen, als ich vertragen kann. Haben Sie mich gehört, Parker?« Der blinzelt nur mit seinen schlaffen Augenlidern, wendet sich aber an Emmet und murmelt: »Sie sind der - 8 -
große Bruder. Sie sollten ihnen klarmachen, daß sich ihre Situation nur verschlechtert, wenn sie sich selbst hier vor Gericht so herausfordernd benehmen. Emmet, euer Vater war ein prächtiger Mann, ein großer Mann, dem dieses Land hier westlich des Pecos River viel zu verdanken hat. Dem großen Hogan Lamm zuliebe haben wir hier lange Zeit Geduld mit seinen Söhnen gehabt und immer wieder beide Augen zugedrückt. Aber das war vielleicht falsch, denn diese drei Burschen sind voller Gift und wurden immer schlimmer. Jetzt ist Schluß damit! Wenn die Jury sie für schuldig halten wird, werde ich ein Urteil sprechen. Und es wird ein hartes Urteil sein, weil die Langmut aller rechtlich denkenden Männer in diesem Land nun endgültig erschöpft ist.« Es bleibt nach diesen Worten still im Saal. Die Zuschauer halten ihren Atem an. Aber sie beobachten Emmet Lamm. Wenn dieses Land während des Krieges auf etwas stolz war, dann auf Captain Emmet Lamm, von dessen Kämpfen und kühnen Unternehmungen während des Krieges immer wieder neue Berichte und Nachrichten nach Hause kamen. Die Menschen im Saal wollen nun hören, was er zu erwidern hat. Aber Emmet Lamm schweigt. Er betrachtet Pete Parker nur ruhig, wirft einen Blick auf seine drei grinsenden Brüder und sieht dann die drei Rinderkönige an. Für diese Rancher muß es jetzt so sein, als wäre Big Hogan Lamm wiederauferstanden. Und das macht ihnen wenig Freude. Emmet blickt Wyatt Keene an. Der ist einen ganzen Kopf kleiner als Terry Rood und Hiob Chisholm. Wyatt Keene ist kein Riese, aber er wirkt dennoch größer als - 9 -
seine beiden Nachbarn. Dieser spitzbärtige, gedrungene und mit rastloser Energie angefüllte Mann ist einer von jener Sorte, deren Willenskraft stets und immer auf jeden anderen Mann einhämmert. Es gab früher nur einen einzigen Mann im Land, gegen den auch er klein und unscheinbar wirkte. Das war Hogan Lamm. Aber der ist schon drei Jahre tot. »Wir werden den Spruch der Jury abwarten, nicht wahr?« murmelt Emmet Lamm ruhig. Er blickt zu einem kleinen, drahtigen und grauköpfigen Mann hinüber, der ruhig in der Ecke steht, die Arme auf der Brust verschränkt hält und in dessen Asketengesicht sich nichts bewegt. Auch dieser Mann ist ein Oldtimer dieses Landes. Es ist Marshal Reb Sharp - ein äußerlich fast unscheinbarer Mann, aber ein Mann mit Ruhm und vielen Legenden. Die hellen, kühlen und ausdruckslosen Augen des Marshals betrachten Emmet fest. Aber er gibt keinerlei Zeichen. Es zeigt sich nichts in seinen Augen. Emmet Lamm fragt sich, ob Marshal Reb Sharp immer noch der einsame und unabhängige Mann ist, der er immer war. Die Tür des Geschworenen-Zimmers öffnet sich. Die Männer der Jury kommen in den Saal. Sie nehmen ihre Plätze ein. Ihr Vormann bleibt stehen und blickt den Richter Pete Parker an. »Pete«, sagt er nach einer Weile, »wir haben die Sache gründlich durchgesprochen. Und weil Emmet Lamm heimgekommen ist, kamen wir zu dem Schluß, den Jungens noch einmal eine Chance zu geben. Ihr großer Bruder ist jetzt bei ihnen. Und das ändert die Sache - 10 -
gewaltig.« »Zum Teufel«, meldet sich Wyatt Keenes Stimme, und sie klirrt nur so vor Willensstärke und unduldsamer Härte. »Zum Teufel«, wiederholt er, »sie sind schuldig! Sie haben Vieh gestohlen! Wir haben sie dabei erwischt, wie sie fremde Rinder in die Hügel trieben. Sie sind schuldig! Und es gibt keine Chance für sie, verstanden?« Der Sprecher der Jury zieht etwas den Kopf ein. Es ist ein kleiner Rancher vom Cottonwood Creek, einer jener Burschen, die von Anfang an im Schatten der Großen leben mußten. Aber dann sieht er Emmet Lamm an, und er richtet sich wieder auf. »Vielleicht sind sie schuldig«, sagt er. »Aber was sind schon einige Rinder, wenn es darum geht, ob drei junge Burschen in die Hölle geschickt werden sollen. Dieses Land ist dem alten Hogan Lamm noch etwas schuldig. Und Emmet Lamm ist heimgekommen und wird nun seine drei wilden Brüder bändigen können. Er wird sie genauso gut zähmen und in den Zügeln halten können, wie es Hogan Lamm selbst vermocht haben würde. Die Mehrzahl der Geschworenen hält die drei Logans deshalb für unschuldig. Wir geben den Verhältnissen jetzt nach dem Krieg und der Tatsache, daß diese wilden Jungens ohne Vater und festen Halt waren, die Schuld.« »Das werdet ihr noch büßen«, grollt Wyatt Keene und springt von seinem Sitz. Auch seine beiden Nachbarn erheben sich. »Ich habe gleich gesagt«, knurrt Terry Rood, »daß sich in dieser Jury zu viele Zehn-Kühe-Rancher befinden, die ja selbst Vieh stehlen und deshalb ...« »Ruhe!« unterbricht Pete Parker trocken und knallt mit einem Holzhammer auf den Tisch. - 11 -
Er blickt Emmet Lamm an. »Ich kann kein Urteil aussprechen, wenn die Geschworenen sie nicht für schuldig halten«, sagt er noch trockener. »Bringen Sie Ihre Brüder aus der Stadt, Emmet. Vielleicht sind sie klug genug, um die ihnen jetzt gegebene Chance wahrzunehmen. Und vielleicht können Sie, Emmet, diese Giftpilze sogar zähmen. Auf jeden Fall haben Jim, Bill und Cole Lamm jedoch Stadtverbot. Das soll keine Schikane sein, sondern nur verhindern, daß sie hier in unseren Saloons Streit mit den Cowboys der großen Ranches bekommen. Mister, ich lasse jeden Ihrer Brüder wegen Stadtfriedensbruch einsperren, wenn er auch nur seine Nase über die Stadtgrenze schieben sollte. Die Verhandlung ist beendet!« Er knallt seinen Hammer auf den Tisch, erhebt sich und verläßt den Raum durch die Seitentür. Der Marshal tritt wortlos aus der Ecke und nimmt den drei Brüdern die Handschellen ab. Im Raum bewegt sich sonst nichts. Alles ist still. Man weiß, daß die Sache noch nicht beendet ist. Emmet nickt seinen Brüdern zu und deutet auf den Gang. »Gehen wir«, sagt er ruhig. »Ich habe ja gewußt«, kichert Bill, »daß diese Bande es nicht wagen würde, uns auch nur ein Härchen zu krümmen. Emmet, als du plötzlich auftauchtest, wurden sie alle klein.« »Halte deinen Mund, Bill!« murmelt Emmet bitter. Die drei jungen Brüder grinsen herausfordernd. Sie blicken sich um und zeigen allen Zuschauern eine verwegene Herausforderung. Sie wirken sehr großspurig und wild. »Das war ein prächtiger Spaß«, sagt Jim laut. - 12 -
Und Cole lacht wild und herausfordernd auf. Aber sie gehen nun den Gang entlang und zum Ausgang zu. Emmet Lamm will ihnen folgen. Aber da hält ihn Wyatt Keenes Stimme auf. »Moment, Emmet Lamm«, sagt diese Stimme. Emmet wendet sich um. »Mister«, sagt er ruhig, »fangen Sie jetzt nicht mit Drohungen an! Sie haben gehört, daß die Jury meinen Brüdern eine Chance geben möchte und darauf vertraut, daß ich die Jungens zähmen und unter Kontrolle halten kann. Das werde ich auch, Mister! Ich verspreche Ihnen, daß niemand auf dieser Weide einen neuen Grund zur Klage bekommen wird.« Er sieht Wyatt Keene und die beiden anderen Rancher hart an. Wyatt Keene steht zwischen Rood und Chisholm. »Lamm«, sagt er, »diese Weide wimmelt von Viehdieben. Wir großen Rancher verlieren jede Nacht ganze Rinderherden. Und in Zukunft bringen wir Viehdiebe nicht mehr in diese Stadt vor eine Jury. In Zukunft hängen wir jeden auf frischer Tat ertappten Viehdieb draußen auf der Weide an einen Baum. Passen Sie nur auf, Emmet Lamm, daß Ihre Brüder ...« »Genug, Mister Keene!« unterbricht ihn Emmet. Er wendet sich ab und folgt seinen Brüdern. Hinter ihm wird es laut. Nun erst murmeln die Stimmen der Zuschauer durcheinander. Jetzt erst erheben sich die Menschen von den Plätzen. Als Emmet auf den Gehsteig tritt, sieht er Jim, Bill und Cole vor dem Marshal Office warten. Reb Sharp kommt hinter Emmet heraus, tritt neben ihn und sagt: »Sie bekommen noch ihre Sachen, Emmet. Sorge - 13 -
dann dafür, daß sie so bald wie nur möglich die Stadt verlassen. Keene, Rood und Chisholm haben eine Menge scharfer Burschen mitgebracht. Und deine Brüder werden jede Herausforderung annehmen. Du wirst es ziemlich schwer haben, mein Junge. Sie waren in den letzten Monaten des Krieges fort und ritten in Quantrills Guerilla-Truppe. Sie waren schon schlimm, als sie fortritten. Aber sie kehrten als wilde Tiger wieder heim. Du wirst es schwer haben, sie zu zähmen.« »Es sind meine Brüder«, murmelt Emmet. Indes haben sie das Marshal Office erreicht. Sie treten ein. Jim, Bill und Cole stehen drinnen schon vor dem Regal und nehmen die in einzelnen Fächern verwahrten Habseligkeiten an sich. Emmet beobachtet sie aufmerksam. Er sieht, wie sie zuerst ihre Waffengürtel umlegen, die Colts überprüfen und laden. Jim wirbelt seine Waffe sogar großspurig und eitel um den Zeigefinger. »Jetzt fühle ich mich wieder wohler«, knurrt er. »Yeah, jetzt soll es mal jemand mit uns versuchen!« ruft Bill. »Jetzt ist unser Großer bei uns! Jetzt sind wir ihnen allen gewachsen«, erklärt Cole und zieht die alte Uhr des Vaters auf. Er steckt sie in die Tasche seiner ärmellosen Lederjacke und blickt Emmet mit funkelnden Augen an. »Die großen Tiger wollten uns zum Teufel jagen. Das taten sie gemeinsam. Aber nachher hätten sie gegeneinander um unsere Weide und unsere Wasserlöcher gekämpft! Nun, der Spaß des Lebens geht weiter! Und wir werden noch allen großen Burschen in diesem Land unser Zeichen aufdrücken. Unser Vater war größer als alle anderen. Und wir sind es ebenfalls. Reiten wir!« - 14 -
»Eure Pferde stehen im Mietstall«, murmelt der Marshal und sieht Emmet ernst an. Er tritt dann hinter ihnen auf den Gehsteig hinaus und blickt ihnen nach - drei wilde Jungens und ein reifer Mann. Wenig später reiten die vier Brüder aus der Stadt. Als sie in Höhe des Tonto-Saloons sind, zügeln Jim, Bill und Cole ihre Pferde. Auf der Veranda stehen die Vorleute der drei großen Ranches, und sie haben einige Reiter ihrer Mannschaften bei sich. Jim, Bill und Cole grinsen herausfordernd, großspurig, wild und verwegen. Dann ruft Bill: »Hoi, Brüder! Trinken wir zum Abschied noch einen guten Whisky aus Pete Parkers Privatflasche!« Er hat kaum ausgesprochen, da erklingt Cal Brokers kalte Stimme: »Reitet weiter und steigt hier nicht ab! Reitet weiter!« Hiob Chisholms pantherhafter Vormann starrt Emmet Lamm dabei an. Jim, Bill und Cole lenken sofort ihre Pferde herum, so als hätten sie nur auf diese Herausforderung gewartet. »Das werden wir gleich ausprobieren, ob ihr groß genug seid, um uns den Weg zur Whiskytränke zu versperren. Los, Brüder! Finden wir mal heraus, wer hier blufft!« Jim ruft es. Und seine Stimme jauchzt regelrecht vor wilder Freude. Sie wollen sich aus den Sätteln werfen. Aber Emmet sagt scharf: »Vorwärts! Wir reiten aus der Stadt! Vorwärts! Zum Teufel, ihr verrückten Dummköpfe! Vorwärts!« Sie wenden sich in den Sätteln um und starren ihn an. - 15 -
Und sie sehen in sein hartes Gesicht und seine kalten Augen. Sein Wille hämmert auf sie ein. »Wir sind Hogan Lamms Söhne«, keucht Bill schließlich. »Wir lassen uns nicht von einigen Pulveraffen fortjagen. Zur Hölle, das war eben eine Herausforderung, Großer! Das können wir doch nicht...« »Vorwärts!« schnappt Emmet scharf. Und hinter ihm erklingt die Stimme des Marshals: »Bringe sie nur aus der Stadt! Wenn sie absteigen, sperre ich sie ein.« Emmet blickt zurück. Und er ist Reb Sharp dankbar, als er ihn mit einem Gewehr drüben vor dem Office stehen sieht. Mit diesem Gewehr beherrscht Reb Sharp nun die Szene. Er selbst befindet sich außer Reichweite der Colts. »Vorwärts, ihr Narren!« befiehlt Emmet nochmals. Und nun gehorchen sie widerwillig. Sie benehmen sich wie wütende Hunde, die jemand an einer Leine fortzerrt. *** Indes hat Pete Parker seine Privatwohnung im Hotel betreten. Aber heute hat er keinen Blick für die prächtige Einrichtung, die er für viel Geld aus dem Osten heranschaffen ließ. Er knallt die Tür zu, und während er das große Zimmer durchquert, richtet sich sein Blick fest auf den geraden Rücken einer Frau, die am Fenster steht und auf die Straße und auf den Platz späht. Es ist eine herrlich gewachsene Frau in einem roten Kleid. Ihr Mauschwarzes Haar glänzt wie das Gefieder eines Raben. - 16 -
Er tritt neben sie und schnauft grimmig. Immer verspürt er die Furcht, daß Ysabel sich eines Tages von ihm abwenden und ihn verlassen könnte. Denn er weiß, daß er äußerlich nicht ein Mann ist, der eine schöne Frau begeistern kann. Und immer, wenn sie ihm sagt, daß sie nicht das Äußere, sondern die Stärke, Kraft und Persönlichkeit eines Mannes liebt, hat er Furcht, er könnte nicht groß genug für sie sein. Aus dieser Furcht entstand ein unnatürlicher Ehrgeiz, den er auch jetzt wieder spürt, zusammen mit dem heißen Zorn einer Niederlage. Sie sieht ihn kurz an und deutet dann mit einer Kopfbewegung zum Fenster hinaus. »Ich sah einen richtigen Mann kommen«, sagt sie mit ihrer dunklen und etwas kehligen Stimme. »Ich sah diesen Mann in den Gerichtssaal gehen und dann mit den drei Lamms herauskommen. Es ist der berühmte Emmet Lamm, nicht wahr? Er brauchte nur wenige Minuten, um deine Pläne zu zerstören. Welch ein Mann! Er gefällt mir sehr! Schon als er auf seinem narbigen Pferd auf den Platz geritten kam und absaß, da wußte ich, daß da ein Mann angekommen ist, dem ihr alle nicht gewachsen seid.« Pete Parker schnappt nach Luft. »Du brauchst mich nicht noch anzustacheln, Ysabel«, knurrt er heftig. -»Ich weiß genau, daß ich auch diesem Emmet Lamm gewachsen bin. Ich bin allen großen Burschen in unserem Land gewachsen. Und ich werde dir auch noch beweisen, wie ich diesen Dummköpfen das Fell über die Ohren ziehen kann. Aber reize mich nicht, Ysabel! Du weißt, ich vertrage es nicht, wenn dir ein anderer Mann gefällt, denn du bist meine Frau.« Sie sieht ihn seltsam an. - 17 -
»Du bist mein dritter Mann«, sagt sie heiser. »Deine beiden Vorgänger waren Bluffer und nicht groß genug für mich. Vielleicht bist auch du nur ein Bluffer, Pete.« »Das wirst du herausfinden«, brummt dieser. »Ich habe dir damals versprochen, daß ich der größte Mann westlich des Pecos River sein werde. Und das wirst du erleben.« »Emmet Lamm ist früher heimgekommen, als du dachtest«, sagt sie. »Um so besser«, knurrt er. »Auch die Rancher haben eine Niederlage erlitten. Sie werden auf seine Brüder losgehen, und er wird diese beschützen müssen. Ich komme schon noch ans Ziel. Und ich werde schon noch dafür sorgen, daß sich die großen Burschen auf dieser Weide alle gegenseitig zur Hölle schicken. Und sobald sie sich um die Wasserstellen und das Weideland der Lamms zu streiten beginnen, wird meine Zeit schon noch kommen.« »Und das Gesetz? Du nennst dich doch Richter? Und Marshal Reb Sharp?« »Westlich des Pecos River gibt es noch kein Gesetz«, murmelt er. »Das wirkliche Gesetz wird erst in zehn oder in zwanzig Jahren kommen. Wir werden hier noch richtige Weidekriege erleben. Ich bin ja kein wirklicher Richter. Ich habe keinen Eid geleistet. Die Leute hier lassen mich Recht sprechen, weil ich ein Gesetzbuch besitze, angesehen bin und als ein neutraler Mann gelte. Wenn die Regierung eines Tages auf die Idee kommt, einen wirklichen Richter über den Pecos zu schicken, habe ich gar nichts mehr zu sagen.« Sie lächelt ihn seltsam an. »Auf der Weide draußen mag es kein Gesetz geben. - 18 -
Aber wir hier in der Stadt haben einen Marshal.« »Er ist von der Bürgerschaft angeworben«, grinst Pete Parker. »Er ist kein Sheriff, und seine Befugnisse reichen nicht über die Stadtgrenze hinaus. Ich aber bin der Vorsitzende des Stadtrates. Reb Sharp muß immer tun, was ich haben will. Er ist alt geworden. Und ein alter Mann verliert nicht gerne seinen Posten. Nun, ich werde dir schon bald zeigen, Ysabel, wie ich mit den großen Burschen auf der Weide umspringen werde. Eines Tages wird man mich den König im Westen des Pecos nennen.« »Vielleicht schaffst du das«, murmelt sie und betrachtet ihn sorgfältig. »Aber warte nicht zu lange damit. - Pete, ich habe dir gesagt, daß ich ehrgeizig bin und eine Königin werden möchte. Ich bin schön und stolz. Niemand kann mir ansehen, daß ich in einem Trödlerkarren geboren wurde und dann ...« Sie verstummt und macht eine heftige Bewegung. »Ich bin schön. Ich beanspruche Macht, Reichtum und den ersten Platz in einem großen Land. Lege mir nur ein Reich zu Füßen, Pete«, sagt sie ruhig. »Dann wirst du für mich sicher der große Mann sein, dem ich das Glück der ganzen Welt schenken will.« Sie lehnt sich plötzlich gegen ihn und küßt ihn. »Ich bin doch deine Frau, Pete«, flüstert sie. »Ich will dich groß und mächtig sehen. Ja, ich stachle deinen Ehrgeiz an. Aber das ist doch nur richtig. Eine Frau sollte immer bemüht sein, ihren Mann zu großen Leistungen anzustacheln. Viele Männer auf dieser Welt sind durch ihre Frauen über sich hinausgewachsen und groß geworden. Was ist falsch daran?« Sie küßt ihn nochmals und schmiegt sich an ihn. »Vielleicht ist das alles richtig«, sagt er heiser. »Und ich spüre ja selbst, daß ich mehr bin als all diese - 19 -
Dummköpfe hier im Lande. Ysabel, du wirst deine Chips nicht nutzlos auf mich gesetzt haben. Ich bin richtig für dich. Du wirst es sehen.« *** Indes reitet Emmet Lamm mit seinen drei Brüdern über die Heimatweide. Der Weg zur Ranch ist weit, denn es ist ein Land mit endlosen Weiden, Hügelketten, weiten Senken, Bodenfurchen und Waldinseln. Die Brüder reiten nun schon über zwei Stunden und haben kein Wort gewechselt. Der schmale Pfad führt sie über den Sattel eines langen Hügelkammes hinweg. Emmet Lamm hält an. Seine Brüder drängen ihre Pferde dichter zu ihm heran. Und für eine volle Minute bilden die vier eine schweigende Gruppe in der Nacht. Nur ihr Sattelzeug knarrt, die Pferde schnauben. Rechts von ihnen, tiefer in der Senke, brennt ein gelbes Licht in der Nacht. Der Wild Horse Creek fließt dort unten in einen kleinen See. Jim knurrt plötzlich verwegen. Man kann deutlich spüren, wie sehr er in den letzten Stunden mit aller Energie seinen ungestümen Zorn bezwungen hat. Aber jetzt bricht er los. »Zum Teufel«, knirscht er, »wir haben eine Menge schlucken müssen, Brüder! Wir sind Hogan Lamms Söhne, und die großen Burschen haben uns wie Unge ziefer behandelt.« »Das wird ihnen noch mächtig leid tun«, knurrt Bill. Und Cole sagt klirrend: »Wir sind zwar freigekommen und können wieder über die Weide reiten, aber die ganze Sache fängt jetzt - 20 -
erst an. Keene, Rood und Chisholm wollten unsere Skalps. Sie erlitten eine Niederlage. Es ist ganz klar, daß sie jetzt erst richtig anfangen werden.« »Darauf sollten wir nicht warten, sondern selbst richtig anfangen«, meint Jim. Er deutet auf das Licht in der Senke. »Das wäre ein Anfang«, sagt er drängend. »Dort ist eine Weidehütte von Wyatt Keenes >Hut-Ranch<. Drei seiner Feuerfresser sind dort stationiert. Wir sollten ihnen unsere Zeichen einbrennen und sie zum Teufel jagen. Es wäre für den großmächtigen Wyatt Keene nur ein kleiner Nadelstich, aber doch die erste Lektion!« Bill brummt sofort zufrieden. »Sicher«, knurrt er. »Schlappohr-Frank ist dort unten. Und gerade auf diesen Heldensohn bin ich besonders scharf.« »Ihr habt was Vergessen, Jungens«, sagt Cole. »Ihr beachtet nicht, daß unser Großer jetzt bei uns ist. Ich bin jetzt nur der zweite Mann in unserer Sippe. Emmet ist da!« Im Sternenlicht starren sie Emmet an. Er spürt fast körperlich ihren wilden Zorn. Ihr Stolz ist verletzt. Sie halten sich für kühne und verwegene Männer und möchten, daß man sie fürchtet und ihnen aus dem Weg geht. Aber man hat sie in Tonto wie dumme Bengels behandelt. Und nun möchten sie in ihrer Wut etwas zerstören. Sie möchten den großen Ranchern und deren Reitern zeigen, wie wenig sie sich fürchten und wie sehr sie die ganze Welt herausfordern. Oh, Emmet versteht sie gut. »Yeah«, erwidert er ruhig, »ich bin bei euch. Cole führt euch nicht mehr an. Und weil ich jetzt wieder bei euch bin, werdet ihr euch nicht mehr wie närrische - 21 -
Dummköpfe benehmen. Damit ist jetzt Schluß! Vorwärts, wir reiten weiter!« Sie knurren nun wie gereizte Jungwölfe. »Das ist nun der große und tollkühne Captain Emmet Lamm von der berühmten Texas-Brigade!« keucht Jim. »Das ist der wilde Captain, der allein und nur mit zwei Colts eine Geschützbedienung der Nordarmee angriff, die Yankees zusammenschoß und die Kanone umdrehte, um mitten in die Yankee-Kavallerie hineinzuschießen. « »Yeah«, sagt auch Bill schrill, »das ist also der große Kämpfer, auf den seine drei kleinen Brüderchen so mächtig stolz waren und dem sie nacheiferten. He, Emmet, stimmt es wirklich, daß du einmal mit sieben Reitern gegen eine zehnfache Übermacht gekämpft hast? Stimmt das wirklich?« »Vielleicht ist er nur müde und ausgebrannt«, meint Cole. Unwillkürlich seufzt Emmet. »Der Krieg ist beendet«, murmelt er. »Ein Mann sollte in Frieden reiten und weder Verdruß noch Kämpfe suchen. Ihr möchtet große Burschen sein, denen alle anderen Männer aus dem Weg gehen und sich mächtig klein und unbedeutend fühlen.« »Wir hatten einen mächtigen Vater und haben einen berühmten Bruder«, erwidert Cole heiser.»Und auch wir sind richtige Lamms! Und wir werden stolz durch die Welt reiten. Wir sind aus einem besonderen Stoff gemacht. Oh, ich erinnere mich noch gut daran, wie bescheiden und höflich auch die wildesten Burschen gegenüber unserem Vater auftraten und wie sehr Hogan Lamms Wort in diesem Land Gesetz war.« Emmet schüttelt im Sternenlicht den Kopf. »Bei Gott«, Sagt er, »ich bin noch rechtzeitig - 22 -
heimgekommen. Reiten wir.« Er treibt sein Tier wieder vorwärts. Sie folgen ihm. Als sie den kleinen See unten in der Senke erreichen und die Pferde trinken lassen, verlischt das Licht in der kleinen Weidehütte. Eine Tür knarrt in ihren Lederangeln. Und eine scharfe Stimme ruft herüber: »Wer ist da am See?« Jim und Bill stoßen sofort ein herausforderndes Lachen aus. Und Cole ruft: »Dreimal darfst du raten, Schlappohr-Frank! Und wenn du einen prächtigen Spaß erleben möchtest, dann fangt nur an damit!« Als seine herausfordernde und wilde Stimme verstummt, ruft drüben eine andere Stimme halblaut und sehr überrascht: »Zum Teufel, das sind ja diese drei Giftpilze! He, ihr Lamms! Wir wissen noch nicht, warum ihr nun wieder frei über die Weide reiten könnt. Aber eines wissen wir: Wenn ihr nicht sofort weiterreitet, dann werden wir euch Beine machen! An diesem See dort tränkt kein Viehdieb seinen Gaul! Hier nicht!« Zugleich hört Emmet Lamm, wie drüben im Schatten der Hütte drei Gewehre durchgeladen werden. Er kann auch undeutlich die schattenhaften Gestalten dreier Männer erkennen. Seine Brüder aber wollen die Herausforderung schon wieder annehmen. Sie schnappen nach den Colts und wollen sich zugleich aus den Sätteln werfen. Emmet ruft scharf: »Schluß damit! Jungens, ich werde jetzt mächtig rauh zu euch, wenn ihr nicht sofort wieder sanft und ruhig werdet! Los! Vorwärts! Jim, Bill, Cole! Vorwärts! Wir reiten weiter! Oh, ich schlage euch was um die Löffel, - 23 -
wenn ihr jetzt nicht endlich aufhört, die wilden Tiere zu spielen!« Seine Stimme verrät nun einen wilden Zorn. Auch die drei jüngeren Brüder spüren seine eiserne Härte. Sie sagen kein Wort mehr. Sie folgen Emmet. Aber drüben bei der Hütte sagt eine verwunderte Stimme: »Ist es denn möglich, daß diese giftigen Goldjungens von einem Menschen gebändigt werden können? Hast du gehört, Frank? Sie gehorchen diesem Mister wortlos! Sie reiten wahrhaftig weiter, ohne nach einem Kampf zu brüllen wie hungrige Löwen!« Und der andere Mann sagte gepreßt: »Jungens, das ist Emmet Lamm. Er ist nach Hause gekommen. Die Lamms sind wieder frei und reiten zu ihrer Ranch zurück. Und Emmet, der große Emmet Lamm, ist heimgekommen! Was wird das nur für Zeiten bringen?« Aber diese Worte hören die Brüder nicht. Sie reiten nämlich jetzt schneller. Und ihr Hufschlag hallt vor ihnen als Echo voraus und verstummt nur langsam hinter ihnen in der Nacht. Als sie später aus einem Canyon kommen und über eine nur leicht gewellte Weide blicken, hält Emmet an. Hinter ihm verhalten auch die Brüder ihre Tiere. Sie lauschen. Und sie hören dann deutlich im Osten das Brüllen einiger Rinder. Dazwischen knallen Bullenpeitschen. Für jeden erfahrenen Rindermann ist es sofort klar, daß dort im Osten eine kleine Rinderherde rauh und schnell durch die Hügel getrieben wird. Er kann sich nur um Viehdiebe handeln. Emmet wendet sich nach seinen Brüdern um. »Haben wir Rinder auf diesem Teil der Weide? Dies ist doch - 24 -
schon Weideland unserer Sporenrad-Ranch, nicht wahr?« Und wieder knurren seine Brüder, wie es ihre Art ist. Dann sagt Bill trocken: »Wir besitzen keine Rinder mehr, Bruder. Du warst im Krieg, nicht wahr? Und auch wir hielten es nicht hier aus und ritten nach Kansas zu Oberst Quantrill. Wir gehörten einige Monate zu seiner Guerilla-Truppe. Die Nordarmee erwischte Oberst Quantrill, und wir alle, die für ihn geritten waren, zerstreuten uns in alle Himmelsrichtungen. Wir kamen heim. Aber unsere prächtigen Nachbarn hatten während unserer Abwesenheit unsere Rinder gestohlen. Es waren nur noch kleine Rudel vorhanden. Aber wenn du auf die Weide von Wyatt Keene, Terry Rood und Hiob Chisholm reitest, dann findest du immer wieder Rinder mit unserem Brandzeichen. Sie haben Kälber geboren, denen man jedoch nicht den Brand ihrer Mütter einbrannte. Emmet, unsere Nachbarn haben uns bestohlen. Und sie haben alle Kälber, die unsere Kühe warfen, für sich gebrandet. Vielleicht dachten diese Burschen, daß von den Lamms niemand mehr heimkommen würde. Sie haben uns ausgeplündert.« Er verstummt grimmig. Aber Bill spricht sofort weiter: »Wir holten uns natürlich von den Rindern zurück, was wir bekommen konnten. Und wir sahen dabei auch nicht auf die Brandzeichen. Für uns war eine Kuh genauso eine Kuh wie für die großen Burschen. Wir holten uns nur einen Teil von dem zurück, was sie uns gestohlen hatten. Wir mußten schließlich leben und etwas Spaß haben. Aber für die drei mächtigen Gentlemen war es ein großer Unterschied, ob sie unsere Rinder stahlen oder ob wir uns was davon zurückholten. Sie konnten Jim überrumpeln. - 25 -
Als sie ihn hatten, mußten wir uns ihnen ergeben. Aber sie hätten uns sicherlich nur aus dem Lande gejagt. Und dann Wären wir bestimmt zurückgekommen. Und wenn es in Tonto ernstlich um unsere Hälse gegangen wäre, hätte uns Faro Jenkins mit seinen Jungens schon herausgeholt.« »Faro Jenkins?« fragt Emmet langsam, denn er hat diesen Namen schon einige Male gehört. »Er ist unser Freund«, erklärt Jim stolz. »Er ist ein richtiger Kämpfer so wie du, Großer. Und ich glaube, daß selbst du ihn nicht mit dem Colt schlagen könntest. Er baut sich an unserer Nordgrenze eine Ranch auf und hat ein Dutzend prächtiger Burschen bei sich. Er weiß auch genau, daß er eines Tages mit den drei >Großen< des Landes, also mit Keene, Rood und Chisholm, zusammengeraten wird. Aber er wird sie zurechtstutzen. Er und wir, wir werden uns eines Tages dieses Land in die Hosentaschen stecken. Er ist unser Freund. Wir helfen uns gegenseitig. Und er hat eine Menge Betriebskapital. Er wird dir schon gefallen, Bruder.« Emmet sagt eine Weile nichts. Dann fragt er sanft: »Er hat viel Geld? Hat er euch Geld gegeben?« »Wir ließen uns nichts schenken«, erklärte Bill. »Aber wir besorgten ihm einige Rinderherden. Er bezahlte sie gut. Wenn wir uns auf diese Art genügend Betriebskapital besorgt haben, bauen wir auch unsere Ranch wieder auf.« »Aha«, brummt Emmet. Und nach einer langen Pause fügt er hinzu: »Nun, wir werden ja sehen. Dieser Faro Jenkins interessiert mich sehr.« »Er bewundert dich«, sagt Cole schnell. »Er weiß viel über dich und sagte uns mehr als einmal, daß er dich für - 26 -
einen mächtig großen Burschen hält, dessen Freund er gerne werden möchte. Er hat auch gute Ideen im Kopf.« »Sicherlich«, murmelt Emmet. Dann reitet er wieder an. Er hat es eilig, nun endlich die Ranch zu erreichen. *** Die Ranch liegt geschützt zwischen sanften und bewaldeten Hügelkämmen. Indes sie sich nähern, kann Emmet im Mondlicht erkennen, wie sehr alles in Unordnung ist. Emmet begreift, daß seit dem Tode seines Vaters nichts mehr für die Ranch getan worden ist. Er verspürt wieder einen kalten Zorn. Und wenn er nicht wüßte, daß es grundfalsch wäre, würde er seine Brüder jetzt der Reihe nach verprügeln. Als sie vor der dunklen Veranda des Ranchhauses absitzen, sagt von dort eine ruhige und lässige Stimme: »Das ging ja alles mächtig glatt und gut, Jungens! Ich brauchte gar nicht einzugreifen. Ist das euer großer Bruder Emmet, der da bei euch ist? Aber wer sollte denn auch sonst mit euch gekommen sein. Willkommen in der Heimat, Emmet Lamm! Ich freue mich, daß Sie nun wieder auf der Heimatweide sind. Ihre Brüder werden Ihnen sicherlich schon von mir erzählt haben. Ich bin Faro Jenkins!« Der Mann tritt aus dem Schatten hervor und bleibt dicht vor der Verandabrüstung stehen, die verwittert im Mondlicht gut zu erkennen ist. Und man erkennt auch den Mann gut. Es ist ein großer, hagerer und grobknochiger Mann, mit einem langen Gesicht und hohlen Wangen. Er hat seinen alten - 27 -
Hut weit aus der Stirn geschoben. Es ist eine sehr hohe Stirn. Selbst im Mondlicht, in dem doch alle Dinge weicher und abgemilderter erscheinen, wirkt dieser Mann hart und gefährlich. Bei seinem Anblick wird man an einen hageren, gefährlichen und schlauen Wüstenwolf erinnert. Und er ist sicherlich auch sehr selbstbewußt, besitzt bestimmt einen unerschütterlichen Glauben an sich selbst. Überdies hat er in einigen Staaten einen berüchtigten Ruf als Revolvermann. Emmet wendet sich an seine Brüder: »Jim, ihr versorgt die Pferde. Cole, mache Licht im Haus! Sind Vorräte in der Küche?« »Etwas wird wohl noch vorhanden sein, denn wir haben hier nicht schlecht gelebt«, murmelt Cole. Dann entfernen sich die Brüder. Emmet tritt langsam auf die Veranda und Faro Jenkins gegenüber. Er bleibt einen Schritt vor diesem stehen und sieht ihn an. Auch Faro Jenkins betrachtet ihn. Sie sind von gleicher Größe, doch der Revolvermann wirkt hagerer und knochiger. Sie mustern sich sehr eingehend. Und binnen zwei Sekunden ist jedem von ihnen klar, daß sie sich zumindest werden respektieren müssen. Aber wird das genügen? Freunde werden sie bestimmt nicht sein können. Das spüren sie deutlich. »Nun, Sie haben prächtige Brüder, Emmet«, murmelt Faro Jenkins lässig. »Aber sie sind schwer zu lenken. Ich denke, daß es nur gut ist, daß Sie heimgekommen sind. Und ich denke auch, daß wir zusammenhalten werden, denn diese Weide wird noch mächtig rauh. Ich werde morgen oder übermorgen noch mal zu Besuch kommen. - 28 -
Wenn Sie Hilfe brauchen, so ...« »Ich glaube nicht, daß ich Hilfe benötigen werde«, unterbricht ihn Emmet sanft. »Wir sind also Nachbarn. Und Sie kaufen Rinder auf und fragen nicht nach deren Herkunft?« »Der Starke fragt nicht«, grinst Faro Jenkins. »Und mit den Rindern ist es auf dieser Weide sehr durcheinander. Überhaupt ist alles sehr durcheinander! Ich baue eine große Ranch auf, Mister. Und ich bin groß genug, um es auf meine Art zu tun.« »Wir werden uns in den nächsten Tagen noch genauer kennenlernen«, murmelt Emmet. »Sicher«, erwidert Jenkins. Er hebt leicht die Hand und geht von der Veranda. Er verschwindet um die Hausecke und kommt nach kurzer Zeit auf einem großen Pferd wieder zum Vorschein. »Wir sollten gute Nachbarschaft halten«, murmelt er trocken und reitet in die helle Nacht hinaus. Drüben im Küchenhaus brennt Licht, und der Kamin raucht. Cole kommt mit einem Eimer zum Brunnen, um Wasser zu holen. Aber er läßt dann den gefüllten Eimer stehen und kommt zu Emmet herüber. Jim und Bill tauchen von den Corrals her auf und treten hinzu. Sie bilden nun gemeinsam eine Gruppe. Emmet spürt die erwartungsvollen Augen der Brüder auf sich gerichtet. Und weil er nichts sagt, sondern sie gleichfalls nur betrachtet, fragt Cole heftig: »Gefällt er dir, Großer? Gefällt dir Faro Jenkins? Er ist ein toller Bursche, und wir zählen zu seinen Freunden. Wir würden uns freuen, Emmet, wenn er dir gefiele.« »Was gefällt euch denn so sehr an ihm?« fragt Emmet langsam. - 29 -
»Er ist ein Kämpfer«, sagt Jim schnell. »Er kennt keine Furcht und wird eines Tages hier in diesem Lande ein sehr großer Mann sein«, erklärt Bill fast feierlich. »Er ist von unserer Sorte«, murmelt Cole. »Und wie ist unsere Sorte?« fragt Emmet sanft. Sie starren ihn an, und sie überlegen dabei. Schließlich sagt Jim hastig: »Zum Teufel, das ist doch ganz einfach, nicht wahr? Wir reiten unseren Weg und stoßen alle Hindernisse zur Seite. Wir machen alles auf unsere Art, und wem es nicht paßt, dem treten wir auf die Zehen.« Er sagt es wild und trotzig. Emmet seufzt. Und dann wiederholt er jene Worte, die er schon einmal sprach: »Bei Gott, es ist gut, daß ich heimgekommen bin.« Sie warten auf weitere Worte. Aber er bleibt stumm. Sie starren ihn an. Doch er wendet sich plötzlich ab und geht ins Ranchhaus hinein. Drinnen findet er die alte Lampe am alten Platz. Er zündet sie an und nimmt sie in die Hand. Langsam wandert er durch das Haus. Sein Vater hat es damals wie eine Burg errichtet. Emmet geht durch die Räume, und dabei wächst seine Bitterkeit von Sekunde zu Sekunde. Die meisten Zimmer sind leer. Während der Abwesenheit der Brüder ist hier sicherlich viel gestohlen worden. Die alten Möbel, die der Vater für die Mutter auf langen und beschwerlichen Wegen aus dem Osten kommen ließ, sind fort. Es ist nur noch Gerümpel vorhanden, Trümmer von der ehemaligen Einrichtung, Schmutz und allerlei Unrat. Es gibt keine heilen Fensterscheiben mehr, dafür aber überall leere Flaschen, - 30 -
Konservenbüchsen und Zigarettenstummel. Emmet bringt die Lampe in die Wohnhalle zurück und löscht sie. Er tritt auf die Veranda hinaus und spürt seinen kalten Zorn nun stärker als zuvor. Jim und Bill hocken drüben vor dem Küchenhaus auf der zusammengebrochenen Bank. Dann tritt Cole in die Tür und ruft: »Ich habe das Essen fertig! Kommt her und holt es euch!« Emmet geht hinüber. Als er in die Küche tritt, folgen ihm Jim und Bill langsam. Auf dem Tisch stehen dampfende Teller. Cole hat aus Büchsengemüse und Kartoffeln eine dicke Suppe gekocht und viel Fleisch hineingetan. Sie nehmen Platz und beginnen zu essen. Sie sprechen eine lange Zeit kein Wort, aber Emmet spürt immer wieder die Blicke seiner Brüder. Dann stellt Cole den Kaffeetopf und vier Tassen auf den Tisch. Emmet trinkt und dreht sich dann eine Zigarette. Als er sie halb geraucht hat, fragt er ruhig: »Unsere Eltern sind oben auf dem Hügel begraben, nicht wahr?« »Yeah«, nickt Cole. »Wir haben Dad neben Mama gelegt.« Emmet nickt. »Sie liegen also dort oben«, sagt er, »genau über der Ranch. Unser Vater war ein stolzer Mann. Und diese Ranch war immer ein Teil seines Stolzes. Man erkennt einen großen und tüchtigen Mann immer an seinem Werk. Dad konnte auf sein Werk immer und zu jeder Zeit stolz sein. Aber jetzt ist diese Ranch ein Dreckhaufen. Und deshalb frage ich euch, Brüder: Auf was seid ihr denn eigentlich so stolz? Was habt ihr getan? Was habt ihr vollbracht? Was habt ihr - 31 -
geleistet? Auf was seid ihr denn eigentlich stolz?« Sie knurren sofort. Aber er läßt sie gar nicht zu Wort kommen und sagt noch schärfer und kälter: »Morgen fangen wir an, Jungens! Ab morgen arbeiten wir hart!« »He«, murmelt Cole, »wir müssen doch Geld verdienen. Ohne Geld können wir nichts aufbauen. Erst muß man Geld haben, dann kann man sich Helfer anwerben und ...« »Wir sind vier gesunde Männer und brauchen keine Helfer«, sagt Emmet fest. »Aber wir brauchen dennoch Geld«, schnappt Jim. »Faro Jenkins hat welches, und er kauft Rinder. Er hat uns schon eine Menge Geld für Rinder gegeben und...« »Wo habt ihr dieses Geld?« fragt Emmet schon wieder. »Wir wollten etwas vom Leben haben«, murmelt Cole. »Wir hatten vor nicht allzu langer Zeit mal mehr als dreitausend Dollar. Aber Bill hielt im Tonto-Saloon eines Tages einen Flush in der Hand. Einer von Pete Parkers Spielern trieb den Pott in die Höhe. Bill mußte mithalten können. Und ...« »Dann hatte der Spieler einen besseren Flush«, unterbricht ihn Emmet trocken. »Und ihr wart euer Geld wieder los. Nun, ich habe euch gesagt, daß wir morgen mit der Arbeit beginnen.« Er erhebt sich und tritt in den Hof hinaus. Sein Sattel liegt neben der Tür. Er löst die Deckenrolle, legt diese über die Schulter und geht zum nahen Wald hinüber. Hier auf der Ranch ist es ihm zu schmutzig. *** - 32 -
Faro Jenkins hat indes sein zähes und schnelles Pferd nicht geschont. Etwa gegen Mitternacht läßt er es am Fuß eines steilen. Hanges stehen, sitzt ab und zieht sein Gewehr aus dem Sattelschuh. Dann arbeitet er sich den Hang hinauf. Er ist eine mühsame und sehr beschwerliche Kletterei. Aber er findet überall Halt an Bäumen und Büschen. Als er oben auf dem Kamm ist, bleibt er am Boden und kriecht vorwärts. Hier oben im Mondlicht ist es sehr hell. Man könnte ohne jede Anstrengung eine Zeitung lesen. Faro Jenkins kriecht zwischen einige Büsche und bleibt dann regungslos liegen. Er beobachtet die Wachhütte, die nun unter ihm dort in der Senke am Wild-Horse-See liegt. Nochmals überlegt er kurz. Und er denkt dabei an Emmet Lamm. »Nun gut«, murmelt er und lädt sein Gewehr durch. Sein erster Schuß durchbricht die Stille der hellen Mondnacht wie ein gewaltiger Donnerschlag. Unten im Corral aber bricht das erste Pferd wie vom Blitz gefällt zusammen. Er schießt weiter, und sein Gewehr kracht unwahrscheinlich schnell. Seine Kugeln treffen die armen und unschuldigen Tiere dort unten im Corral. Faro Jenkins knurrt bei jedem Schuß, und wer ihn jetzt beobachten könnte, der würde wissen, welch ein gefühlsroher Bursche er ist. Für jeden Beobachter wäre Faro Jenkins kein Rätsel mehr. Als die Waffe leer ist, verändert er schnell seinen Standort und findet eine andere Deckung. Er holt eine Handvoll Patronen aus der Hosentasche, lädt sein - 33 -
Gewehr neu und wartet dann einige Sekunden. Aber die Männer in der Hütte lassen sich nicht blicken. Nur das Fenster blinkt nicht mehr im Mondlicht. Es ist geöffnet worden. Faro Jenkins erkennt undeutlich das matte Funkeln eines Gewehrlaufes. Wieder grinst er auf seine mitleidlose Art. Dann beginnt er abermals zu schießen. Schuß auf Schuß jagt er durch das Fenster in die Hütte hinein. Einige Male werden seine Schüsse nun aus diesem Fenster erwidert. Aber dann hört er einen leisen Schrei. Er feuert weiter und kann hören, wie seine Kugeln in der Hütte vom eisernen Ofen abprallen, irgendwelches Geschirr treffen und als Querschläger im Raum umherprellen. Als er seine Waffe abermals lädt, hört er eine bittere Stimme heiser fluchen und dann die Worte: »Wir erwischen dich schon noch, du Schuft! Wir erwischen dich ganz bestimmt noch!« Dann wird es still. Faro Jenkins will sich zurückziehen, aber er verhält nun doch noch einen kurzen Moment, denn aus der Ferne, dort, wo die Stadt Tonto liegt, erklingt jetzt der Huf schlag einer scharf und rauh reitenden Mannschaft. »Oha«, murmelt Faro Jenkins, »das entwickelt sich ja alles noch viel besser, als ich dachte! Wyatt Keene und alle die Burschen waren noch in der Stadt und sind jetzt auf dem Heimweg. Das wird ja prächtig!« Er verläßt nun den Kamm, und dann rutscht, gleitet und springt er den steilen Hang hinunter. Sein Abstieg dauert nur wenige Minuten. Und als er sich in den Sattel schwingt, ist er ohne Sorge. Denn der steile Grat, von dem aus er schoß, ist viele - 34 -
Meilen lang. Die Reiter auf der anderen Seite können ihn zu Pferd nicht bezwingen, sondern müssen ihn umreiten. Faro Jenkins' Vorsprung ist mehr als drei Meilen groß. Und er reitet auf seiner eigenen Spur zurück, biegt aber dann, als er in die Nähe der Sporenrad-Ranch der Lamms kommt, zu einem Bogen aus. Er reitet schnell und schont sein Pferd nicht. Noch vor Anbruch des Tages erreicht er einen Canyon, in dessen Mündung eine Blockhütte und einige Corrals liegen. Eine scharfe Stimme ruft ihn an: »Bist du es, Boß?« »Bringe die Jungens in die Sättel, Jack«, erwidert er scharf. »Wir brechen in zwei Minuten auf. Bringe sie in die Sättel und beeile dich mächtig.« Und dann gleitet er vom Pferd und mit einem Lasso in den Corral hinein, um sich ein frisches Tier einzufangen. Er legt diesem Tier gerade erst den Sattel auf, als auch schon seine Männer von der Hütte herüber angelaufen kommen. Es sind fünf Mann. Und an der Art, wie sie ihre Pferde fangen und die Sättel auflegen, erkennt man, welch schnelle und erfahrene Männer für Faro Jenkins reiten. Er sitzt ruhig im Sattel und wartet, bis sie fertig sind. Jack Flynn, sein Vormann, kommt zu ihm geritten. »Wohin reiten wir, Faro?« Er grinst blitzend. »Es wird ein netter Spaß werden«, sagt er. »Die Gebrüder Lamm bekommen unerfreulichen Besuch. Wenn ich mich nicht sehr täusche, so sind Wyatt Keene und dessen Nachbarn vor einer Weile mächtig wütend geworden. Vorwärts! Wir reiten! Habt ihr die Gewehre bei euch?« Aber diese Frage ist eigentlich überflüssig. Auf dieser Weide reitet niemand mehr ohne Gewehr. - 35 -
Und Faro Jenkins' Reiter würden eher ihre Hosen als ihre Gewehre vergessen. Als Faro Jenkins mit seinen Reitern einige Meilen zurückgelegt hat, schießen im Osten die ersten Sonnenpfeile gen Himmel. Und als er mit seinen Reitern auf einem Hügelrücken kurz verhält, um zu lauschen, ja, da hört er das Krachen von Schüssen. Da weiß er, daß Emmet Lamm und seine drei Brüder schon mitten im Verdruß stecken. *** Emmet Lamm erwacht, als er den jagenden Hufschlag eines Reiters vernimmt, der verwegen in den Ranchhof reitet. Unter dem Busch, der ihn vor dem Morgentau etwas schützen sollte, richtet Emmet sich schnell auf und zieht sich die Stiefel an. Dabei lauscht er zur Ranch hinüber und hört sofort die Stimme seines jüngsten Bruders rufen: »Wacht auf und nehmt die Gewehre! Brüder, wacht auf! Wyatt Keene kommt mit einem Rudel zu Besuch! Wacht auf und begrüßt ihn würdig!« Und zugleich weiß er, daß Jim sich während der Nacht mit einem Pferd von der Ranch entfernt haben muß. Jim war fortgeritten und kommt nun zurück, um die Brüder vor einer Gefahr zu warnen. Emmet läuft über das kleine Stück Wiese und kommt zwischen den Ställen hindurch auf den Ranchhof. Emmet erreicht die Brüder, bevor diese noch weitere Worte wechseln können. Er faßt Jim an der Schulter und reißt ihn herum. »Wo warst du? Warum hast du die Ranch verlassen? - 36 -
Was ...?« Jim reißt sich knurrend los. Er weicht zurück, bis er zwischen Bill und Cole steht. Und alle drei stehen nun Emmet gegenüber. »Ich kann reiten, wann ich will und wohin ich will, zu jeder Tages- und Nachtzeit«, sagt Jim wild. »Und es war nur gut, daß ich ein wenig herumgeritten bin, denn sonst...« Er verstummt, denn nun kann man den Hufschlag einer starken Mannschaft hören. »Es wird einen Kampf geben!« ruft Jim. Er hält sein Gewehr in der Hand. »Wenn sie in den Hof reiten«, ruft Cole, »dann nehmen wir sie in unser Kreuzfeuer. Jim, du gehst ins Küchenhaus! Bill, du schießt vom MannschaftsSchlafhaus aus! Und ich ...« Auch Cole verstummt. Er starrt Emmet an. »He«, knurrt er, »sie kommen bestimmt nicht, um freundliche Worte zu wechseln. Sie kommen, um sich unsere Skalps zu holen.« Und der Hufschlag in der Ferne wird immer lauter. Emmet betrachtet Jim. »Was ist geschehen, Jim?« »Zum Teufel, wir sollten keine langen Reden halten. Ich weiß nicht, was passiert ist. Aber ich hörte vom Wild-Horse-See Gewehrfeuer. Wahrscheinlich hat jemand dort den Versuch gemacht, die Wachhütte der Hut-Ranch in Stücke zu schießen. Und Wyatt Keene, der vor der Stadt auf dem Heimritt war, hat es gehört, ist wild geworden und auf die Idee gekommen, daß wir uns diesen Spaß erlaubt hätten.« Emmet stößt einen grimmigen Laut aus, als er das hört. »Jim«, sagt er hart, »hast du es getan?« »Ich wollte es, aber jemand war schon vor mir da«, - 37 -
grinst Jim. »Und es ist mir nur recht! Wir werden Wyatt Keene ...« »Geht ins Ranchhaus«, sagt Emmet scharf. »Geht ins Haus, sage ich! Und ihr werdet nicht schießen! Habt ihr verstanden? Ihr werdet keinen Schuß abgeben oder ich werde euch Stück für Stück auseinandernehmen und wieder so zusammensetzen, wie ich meine Brüder haben möchte. Ins Haus mit euch!« Nun ist es eine wirkliche Machtprobe. Seine Stimme klirrt vor Härte. Und sein Wille geht wie ein spürbarer Strom von ihm aus. Die drei jungen Burschen sind angespannt und zittern regelrecht vor Erregung. Der Hufschlag der anreitenden Mannschaft ist nun sehr nahe und laut. Es kann nur noch eine Minute dauern, dann werden die Reiter die Corrals der Ranch erreicht haben. Cole atmet langsam aus. »Nun gut, Bruder«, sagt er. »Wir können immer noch nicht glauben, daß du ein Narr bist. Wir werden ja sehen und dann entsprechend handeln. Kommt, lassen wir ihn mal machen. Er wird schon erkennen, daß die Meute unsere Skalps haben will und sich nicht auf gute Worte einlassen wird. Und wir werden unsere Finger an den Abzügen halten.« Er geht nach diesen Worten ins Haus. Seine Bewegungen sind gleitend und geschmeidig. Er ist der indianerhafteste der Brüder. Emmet stellt sich an den Rand der Verandatreppe und lehnt eine Schulter gegen den Stützpfosten des Daches. So wartet er. Und ,er muß nicht mehr lange warten. Der trommelnde Hufschlag der nun ankommenden Mannschaft verstummt bei den Corrals. In einem dieser - 38 -
Corrals stehen die Pferde der Brüder. Nur Jims Tier steht drüben beim Brunnen auf dem Hof. Eine Stimme ertönt. Wyatt Keenes zornige Stimme ruft: »Lamm! Emmet Lamm!« »Ich bin hier auf der Veranda und warte!« ruft Emmet ruhig zurück. Und dann bewundert er den Mut der drei Rancher. Sie sind zwar abgesessen, führen ihre Pferde und benutzen diese als Deckung, aber sie kommen in den Hof. Sie halten ihre Waffen schußbereit. Wyatt Keene ruft laut: »Emmet, halte deine Brüder ruhig! Sonst wird es für euch alle schlimm!« »Hier wird nicht geschossen! Männer, ich will ja selbst in aller Ruhe und Vernunft mit euch reden!« So ruft Emmet mit klarer und ruhiger Stimme zurück. Indes die drei Rancher über den Hof und bis vor die Veranda kommen, tauchen überall ihre Reiter auf. Sie kommen von den Corrals, zwischen den Ställen und Schuppen hervor und um das lange Schlafhaus herum auf den inneren Hof. Sie sind zumindest ein Dutzend Mann stark. Als Wyatt Keene erkennt, wie ruhig Emmet Lamm auf der Veranda wartet, richtet auch er sich auf und kommt hinter dem Pferd hervor. Er hält sich kerzengerade und wirkt wahrhaftig größer, als er ist. Seine Stimme ist heiser vor Zorn. »Einer von euch tat es!« stößt er heftig hervor. »Emmet, ich weiß, daß du es bestimmt nicht gewesen bist. Aber einer von deinen Brüdern war es. Ich sehe dort ein schwitzendes Pferd auf dem Hof stehen. Emmet Lamm, wir wollen den Burschen haben, der auf diesem Pferd dort kurz vor uns die Ranch erreichte. Wir wollen - 39 -
ihn haben!« »Warum?« fragt Emmet. »Jemand schoß vom Kamm des Long Fellow Hill in meine Hütte am Wild-Horse-See«, knirscht Wyatt Keene. »Er erschoß alle Pferde im Corral und dann immer wieder durch das Nordfenster in die Hütte hinein. Er verwundete Schlappohr-Frank ziemlich schwer und richtete eine Menge Schaden an. Emmet, ich möchte den Schuft sofort haben, der sechs unschuldige Pferde erschoß. Emmet, wenn ich einen Bruder hätte, der seine wilde Zerstörungswut an Tieren austobt, dann würde ich diesen Schuft zum Teufel jagen. Er wäre nicht mehr mein Bruder. Pferde sind doch unsere besten Kameraden! Ein gutes und treues Pferd ist ein Geschenk des Himmels für jeden Cowboy! Und solch ein schurkischer Lump, dessen Fährte hier zur Ranch führt, hat sie einfach erschossen und getötet wie Ratten. Oh ...« Wyatt Keenes Stimme ist immer heiserer geworden. Nun versagt sie ihm vor wildem Zorn. Er schnappt nach Luft und ruft dann klirrend: »Heute hängen wir einen Pferde-Mörder, Emmet Lamm! Und wenn ihr ihn nicht herausgebt, dann könnt ihr selbst neben ihm baumeln! Wer war es? « Bevor Emmet antworten kann, sagt einer der Cowboys von der Stallecke her, hinter der er halb verborgen mit einem schußbereiten Gewehr in Deckung steht: »Boß, dies ist Jim Lamms Pinto. Es muß Jim Lamm gewesen sein!« »Also gebt ihn heraus!« krächzt Wyatt Keene heiser und legt seine Hand auf den Colt. Aus dem Fenster des Ranchhauses aber sagt Jim mit wilder Stimme: »Zur Hölle mit Ihnen, Keene! Ich war es nicht! Aber - 40 -
vielleicht haben Sie einen von Ihren Burschen dafür bezahlt, damit er einige Pferde erschießt! Vielleicht taten Sie es, um einen Grund zu haben, hier rauh werden zu können! Ich war es nicht! Ich bin nur herumgeritten! Scheren Sie sich zum Teufel, Keene! Und nehmen Sie die ganze Horde mit!« Terry Rood und Hiob Chisholm, die links und rechts von Wyatt Keene stehen, beginnen bitter zu fluchen und gleiten schnell hinter ihre Pferde. Aber Wyatt Keene scheint noch größer zu werden. Er bleibt stehen und starrt nur zu Emmet Lamm hinauf. »Captain«, sagt er, »ich will dich hören. Ich will den berühmten Captain Lamm von der stolzen Texas-Brigade hören. Los, Emmet! Sag' mir was!« »Jim war es nicht. Er ist ziemlich wild, aber er schießt nicht auf Pferde. Jim war es nicht! Es muß ein anderer Mann gewesen sein. Wyatt, ich mache dir einen Vorschlag: Ich setze mich auf Jims Pferd. Dann reiten wir zurück und vergleichen die Hufabdrücke.« Wyatt Keene überlegt kurz. Er sieht sich um. Und er sieht, daß seine Reiter die Ranch besetzt haben. Er nickt, wendet sich seinem Pferd zu und schwingt sich in den Sattel. »Dann komm, Emmet!« sagt er rauh. Der geht zu Jims Pferd hinüber. Auch Terry Rood und Hiob Chisholm sitzen auf. Sie reiten langsam an. Jims Stimme ruft ihnen nach. »Emmet, du Narr, jetzt haben sie dich in ihrer Hand! Komm zurück, Emmet! Keiner von euch verläßt den Hof!« Die Stimme klingt immer schriller. »Los, vorwärts! Um die Stallecke!« Emmet stößt es scharf hervor. Die Rancher geben ihren Tieren plötzlich die Sporen, aber eine Kugel reißt Wyatt Keene den Hut - 41 -
vom Kopf. Sofort krachen überall die Gewehre. Hinter der Stallecke beruhigen die Rancher und Emmet Lamm ihre Tiere. »Zum Teufel, sie haben zu schießen begonnen«, keucht Terry Rood. Hiob Chisholm zieht seinen Colt und richtet ihn auf Emmet, der jedoch keine Bewegung macht. Wyatt Keene aber ruft scharf: »Die Waffe weg, Hiob! Du Narr, hast du noch nicht begriffen, daß Emmet Lamm uns die Chance gab, vom Hof kommen zu können? Er hat zumindest Jim überrumpelt, als er sagte, er wolle mit mir die Hufspuren vergleichen.« Nach diesen Worten steckt Wyatt Keene zwei Finger in den Mund und stößt drei schrille Pfiffe aus. Das Gewehrfeuer verstummt. Und Keene ruft: »Schießt nicht weiter, Boys! Haltet jedoch das Ranchhaus umzingelt. Wartet ab!« Als er verstummt, beginnt ein einzelnes Gewehr zu schießen. Dazwischen hört man Jims wilde Stimme Herausforderungen brüllen. Der wilde Junge ist anscheinend wie von Sinnen. Aber dann verstummen die Schüsse. Emmet vermutet, daß Jim nun von Cole zur Ruhe gebracht worden ist. Er nickt Wyatt Keene zu und murmelt: »Also reiten wir und sehen endlich nach.« »Gib mir deinen Colt, Emmet«, brummt Hiob Chisholm. Emmet grinst ihn an. »Nein«, sagt er trocken. Als Chisholm aufbegehren will, winkt Wyatt Keene ab und betrachtet Emmet dabei nachdenklich. Ganz plötzlich sagt er: »Ich habe Comanche-Logan noch dort draußen, denn - 42 -
als wir herausfanden, daß die Fährte zu euch zu führen schien, ritten wir schneller und nahmen den kürzesten Weg. Comanche-Logan aber folgt der Fährte.« »Reiten wir ihm entgegen«, nickt Emmet und treibt Jims Pferd, auf dem er ja sitzt, an. Die Rancher folgen ihm, und Wyatt Keene ruft beim Abreiten noch einige Befehle. Emmet und die drei Rancher brauchen jedoch nicht sehr weit zu reiten. Schon nach einer halben Meile sehen sie rechts von sich das Halbblut Comanche-Logan auftauchen. Logan ist ein alter Bursche, dessen Haar schon weiß ist. Seit vielen Jahren reitet er schon für Wyatt Keene, und seine Tochter, die eine Viertelindianerin ist, geht Keenes Frau auf der Ranch zur Hand. Seine Treue zu Wyatt Keene ist über jeden Zweifel erhaben. Er sieht Emmet Lamm an und nickt ihm zu. Dann sagt er zu dem Rancher: »Boß, es war gut, daß ich auf der Fährte blieb. Sie führt nämlich nicht auf die Ranch, sondern dicht daran vorbei weiter nach Norden.« Emmet sitzt ab und nickte Logan zu. »War es dieses Pferd?« fragt er. »Sieh dir die Hufe an, Logan!« Aber der sitzt nicht einmal ab, sondern wirft nur einen Blick auf die Hufe des Pintos. »Das ist Jims Pferd«, sagt er. »Es dreht den Hinterhuf etwas nach außen. Ich kenne diese Spur. Ich habe sie auch heute schon gesehen, dort in den Hügeln. Aber es war nicht die Spur, der wir folgten. Es war eine andere Fährte.« Und damit ist alles gesagt. Selbst die Rancher zweifeln nicht an Logans Urteil. Sie wissen zu genau, daß sich dieser Mann in bezug auf Fährten niemals irrt. Emmet sitzt wieder auf. Er sieht Wyatt Keene und die - 43 -
beiden anderen Rancher fest an. »Also, Männer«, sagt er knapp, »dann schafft eure Reiter fort. Und wenn es euch nicht zu schwerfällt, dann denkt mal darüber nach, wer uns gegeneinander in einen Kampf hetzen möchte. Denkt darüber nach, wer es gern hätte, daß wir uns gegenseitig das Leben schwer machen.« Chisholm und Rood knurren mißtrauisch. Aber Wyatt Keene starrt Emmet mit einem seltsamen Blick an. Dann reiten sie schweigend zur Ranch zurück. Und sofort ruft Wyatt Keene scharfe Befehle. Die Mannschaft sammelt sich. Und jeder der Männer starrt Emmet Lamm an. »Ich werde nachdenken, und ich brauche meinen Kopf nicht rauchen zu lassen«, grollt Wyatt Keene. Er will sein Pferd antreiben und hebt schon seinen Arm, um den Reitern das Zeichen zum Abreiten zu geben. Aber Emmet hält ihn auf. »Moment«, sagt er, »ich hätte noch eine Bitte.« »Yeah?« fragt Wyatt Keene. »Die Rinder mit dem Sporenrad-Brand sind im ganzen Land verstreut, Keene«, murmelt Emmet. »In den nächsten Tagen möchte ich über eure Weide reiten und nach unseren Rindern Ausschau halten. Ich werde nur Rinder mit unserem Brand sammeln, keine ungebrannten Kälber. Werdet ihr mir Schwierigkeiten machen?« Er starrt nun die Rancher nacheinander an. Hiob Chisholm grollt. Terry Rood zerbeißt einen Fluch und murmelt etwas Undeutliches. Wyatt Keene aber sagt: »All right! Aber halte deine drei Brüderchen fest, Emmet! Wir wissen schon lange, - 44 -
welchen Mannes Freund sie sind. Dieser Bursche kommt noch an die Reihe. Haltet euch nur heraus. Zähme deine Brüder, Emmet. Du siehst, ich habe schon etwas nachgedacht. Und den ersten Viehdieb, den wir erwischen, hängen wir. Wenn ihr nach euren Rindern suchen wollt, dann laßt es mich vorher wissen. Ich gebe euch einige Begleiter mit.« Nach diesen Worten reitet er davon. Das Rudel folgt ihm. Emmet reitet in den Hof der Ranch. Seine Brüder stehen mit schußbereiten Gewehren auf der Veranda und sehen sehr verwundert aus. Der Hufschlag der abreitenden Mannschaft verklingt. Aber von Norden her klingt nun der Hufschlag einer anderen Mannschaft auf. Und dann kommt dieses Rudel über eine Bodenwelle und den leichten Hang herunter in den Ranchhof geritten. Es sind Faro Jenkins und seine fünf hartgesottenen Revolvermänner. *** Sie sitzen ab, und sie wirken sehr selbstsicher dabei. Faro Jenkins lächelt blitzend und tritt Emmet Lamm gegenüber. Heute, bei Tageslicht, betrachten sie sich noch einmal sehr genau und eingehender als gestern bei Mondlicht in der Nacht. Sie schätzen einander nochmals ab. Faro Jenkins macht eine leichte Handbewegung. »Ich wollte mit meiner Mannschaft in die Stadt«, sagt er. »Und da hörten wir Gewehrfeuer. Wir dachten, daß wir euch aus einem Verdruß helfen müßten. Aber weil die Schüsse dann verstummten, warteten wir hinter dem - 45 -
Kamm dort. Sie scheinen mit dem Kummer auch ohne meine Hilfe zurechtgekommen zu sein, Emmet.« Die letzten Worte sagt er fast lauernd, und in seinen hellen Augen erscheint für einen kurzen Moment der schwache Ausdruck einer Beunruhigung. Emmet blickt zu Jenkins' Pferd hinüber, aber dieses Pferd sieht nicht so aus, als ob es mehr als zehn Meilen geritten worden wäre. Doch das hat für Emmet nicht viel zu bedeuten. »Willkommen, Faro«, sagt Jim indes hinter ihm. »Man wollte sich unsere Skalps holen. Es sah nach einem prächtigen Kampf aus. Es hätte mir besser gefallen, wenn unser Großer keinen vorläufigen Frieden hätte schließen können. Dann hättest du eingreifen können, Faro. Und wir hätten alles hier an diesem Ort ausgekämpft.« »Yeah, ich hätte bestimmt eingegriffen«, murmelt Faro Jenkins. Er sieht Emmet scharf an. »Haben Sie Waffenstillstand oder Frieden geschlossen, Emmet?« Der gibt keine Antwort auf diese Frage. Aber er sagt: »Faro, ich möchte nicht, daß Sie mir irgendwie und irgendwann mal zu Hilfe kommen.« »Stolz ist eine schöne Sache, Emmet Lamm.« »Ich will es Ihnen genauer erklären, Faro Jenkins.« »Prächtig! Gefalle ich Ihnen nicht, Emmet Lamm?« »Ihr Spiel ist schlau, Jenkins.« »Lassen Sie hören, Lamm!« »Meine Brüder sind verwildert. Sie sind mehr als leichtsinnig und halten nicht mehr viel von ehrlicher Arbeit. Sie aber besitzen eine Menge Geld und bauen dort im Norden eine große Ranch auf. Sie kaufen Rinder.« »Warum nicht?« - 46 -
»Sie fühlen sich so mächtig groß, daß Sie nicht darauf achten, welche Brandzeichen diese Rinder besitzen. Meine Brüder haben Ihnen einige Rudel zugetrieben und bekamen Geld dafür. Dann aber wurden sie festgenommen und als Viehdiebe vor eine Jury gestellt.« »Richtig«, grinst Faro Jenkins. »Aber ich hätte sie schon nicht vergessen. Ich hätte sie zu mir geholt, und dann wären wir gemeinsam losgeritten und hätten uns ein mächtiges Stück Weide erobert. Auch die Stadt Tonto hätten wir uns in die Taschen gesteckt.« »Sie lügen, Jenkins«-, sagt Emmet hart. Und während er diese Worte spricht, senkt sich seine Hand zum Revolverkolben nieder. Er ist bereit, dafür einzustehen, Faro Jenkins einen Lügner genannt zu haben. In dessen hellen Augen tanzen für einen Moment die Funken eines kalten Zorns. Seine Rechte, die ebenfalls hinter dem Kolben der Waffe hängt, bewegt sich unmerklich. Die gespreizten Finger zucken und vibrieren. Aber dann lockert sich sein angespannter Körper wieder. Sein breiter Mund verzerrt sich zu einem blitzenden Grinsen. »Nun gut«, murmelt er. »Machen wir erst mal mit Worten weiter.« »Sie lügen, Jenkins!« wiederholt Emmet ruhig. »Ich habe das ganze Spiel schon durchschaut. Man sollte meine Brüder als Viehdiebe erwischen und erledigen. Dann hätten sich die drei großen Rancher um unsere Weide gestritten. Sie wären untereinander uneinig und mißtrauisch geworden. Denn jeder von ihnen möchte der größte Bursche werden. Und vielleicht hätten Sie sich mit einem verbündet, um die beiden anderen zu schlagen. - 47 -
Den letzten Narren hätten Sie dann auch noch zerbrochen, Mister, dieses Spiel sollte nach einem Schema verlaufen, das ich schon kenne. Mit solchen Tricks und Intrigen hat sich schon mancher heute riesengroße Bursche ein riesiges Stück Weide erobert.« Er verstummt und blickt Faro Jenkins fest an. Der grinst nur und blickt zu Emmets Brüdern hinüber, die stumm, starr und staunend verharren und all die gehörten Dinge noch verarbeiten müssen. »Glaubt ihr das von mir?« fragt er. »He, Cole! Bill! Jim! Glaubt ihr das wirklich von Faro Jenkins?« »Nein!« ruft Jim impulsiv. »Emmet, beleidige doch nicht unseren Freund!« grollt Bill. Und Cole knurrt: »Er und wir sind Partner, Großer.« Aber Emmet achtet nicht auf diese Worte. Er hält seinen Blick fest auf Faro gerichtet. »Jemand hat in dieser Nacht einen Überfall auf Wyatt Keenes Wachhütte am Wild-Horse-See gemacht.« »Jeder große Bursche verschafft sich auf seinem Weg Feinde«, murmelt Faro Jenkins. »Es gibt auf dieser Weide bestimmt viele Männer, die ...« »Vielleicht, Jenkins. Aber der Überfall wurde veranstaltet, damit Jack Keene und dessen Nachbarn wild werden. Jemand hat sich ausgerechnet, daß sie sofort an uns Lamms denken und zu uns kommen würden. Jemand hat gedacht, daß es keine Verhandlungen, sondern sofort einen heißen Kampf geben würde. Jemand, der meine Brüder gut kennt, hat sich ausgerechnet, daß diese sofort schießen würden.« »Was soll das?« fragt Faro Jenkins langsam. »Und Sie waren mit Ihren Reitern nur zufällig in der Nähe«, sagt Emmet trocken. - 48 -
»Mister«, sagt Faro Jenkins kalt, »jetzt habe ich genug schlucken müssen. Sie haben mich einen Lügner genannt und beschuldigen mich, daß ich die Rancher auf euch Lamms hetzen will, um zum Schluß der lachende Dritte zu sein. Aber Sie sind ganz einfach verrückt, Emmet Lamm! Sie sind verrückt, verstehen Sie? Ihre Brüder sind meine Freunde. Ich habe mir immer Brüder gewünscht. Ich habe Cole, Bill und Jim mächtig gern. Niemals würde ich mit Absicht jemanden auf sie hetzen, um daraus Gewinn zu schlagen. Gewiß, sie sind ein wenig wild. Aber das waren wir in diesen Jahren alle mal. Die drei Rancher haben euch einfach beraubt. Es gibt kaum noch Rinder auf eurer Weide. Und man will euch jetzt noch von der Weide treiben. Ich aber will mir eine Ranch aufbauen und brauche gute Freunde. Ich bin meinen Freunden treu, verlasse sie nicht in der Not und biete echte Partnerschaft an. Emmet, Sie sind ein Narr! Und wenn Sie nicht der Bruder meiner Freunde wären, so würde ich Sie jetzt zurechtstutzen, weil Sie mich einen Lügner nannten und mich verdächtigten, ein falsches Spiel zu betreiben. Gehen Sie doch mal zu Keene, Rood oder Chisholm und versuchen Sie, von deren Weide Ihre Rinder zurückzuholen! Versuchen Sie das doch mal! Dann werden Sie herausfinden, daß Sie es auf die Art Ihrer Brüder machen müssen. Und dann wird man Sie als Viehdieb erschießen.« »Das wird nicht geschehen, Jenkins. Ich habe schon Wyatt Keenes Zusage und wenn meine Brüder nicht so wild, herausfordernd und hitzköpfig gewesen wären, hätten auch sie sich mit den Nachbarn einigen können. Und jetzt machen Sie die Ohren richtig auf: Sie haben hier auf der Ranch und auf unserer Weide nichts mehr zu suchen. Halten Sie sich nur fern. Und versuchen Sie nicht - 49 -
mehr, uns mit Hilfe von schmutzigen Tricks für Ihre Zwecke zu mißbrauchen. Unsere Nordgrenze kennen Sie sicher. Respektieren Sie die Grenze nur! Das ist eine Warnung! Nach Süden zu sind Ihnen alle Wege versperrt. Ich will mit meinen Brüdern in Frieden leben und mit Keene, Rood und Chisholm gute Nachbarschaft halten. Ist das klar?« Faro Jenkins gibt nicht gleich Antwort. Er sieht an Emmet vorbei und zu dessen Brüdern. »Zum Teufel, Faro«, knirscht Jim, »Emmet ist wirklich verrückt! Aber nimm es ihm nicht übel. Wir sind immer noch Freunde und halten zu dir. Wir werden die drei großen Burschen schon zum Teufel jagen. Auch ohne den großen Emmet Lamm, der ...« »Halt deinen Mund, Jim«, ruft Emmet über die Schulter. »Du Narr«, erwidert Jim schrill. »Du willst nicht erkennen, daß wir mit Faro gegen die drei alten Tiger um die Weide kämpfen müssen. Darum kommen wir nicht herum, weil sie zu lange im Schatten unseres Vaters leben mußten und jeder von ihnen schon seit Jahren den Wunsch hat, der größte Bursche hier im Land werden zu können. Du hirnverbrannter Narr, Emmet, wir brauchen einen Freund, der uns hilft und später nicht in den Rücken fallen wird.« Jim nähert sich bei seinen Worten Emmet. Und jetzt greift er in dessen Hemdbrust und will ihn in wilder Erregung durchrütteln. Da schlägt Emmet zu. Seine Faust kommt kurz und trocken. Jim taumelt bis zur Veranda zurück und fängt sich dort. »Du hast mich geschlagen«, keucht er. »Du hast mich geschlagen, mich, Jim Lamm!« - 50 -
Er richtet sich auf. »Faro«, sagt er, »ich bin hier fertig und reite mit dir. Ich bin.. .« »Du bleibst!« sagt Emmet kalt. Dann sieht er Faro Jenkins an und sagt knapp: »Reitet und kommt nicht wieder! - Reitet!« Faro Jenkins zögert. In seinen Augen tanzen wieder jene Funken der Wut. Seine Fingerspitzen berühren einmal den Kolben seiner tiefgeschnallten Waffe. Aber seine Hand zuckt zurück. »Nun gut«, sagt er schwer, wendet sich um, geht zu seinem Pferd und sitzt mit einer gleitenden Bewegung auf. Vom Sattel aus sagt er zu Jim hinüber: »Er ist dein Bruder. Bleibe nur bei ihm. Er ist dein Bruder. Eines Tages wird er seinen Irrtum erkennen. Und weil er euer Bruder ist, kann ich auch Beleidigungen vergessen. Ich bin immer noch euer Freund.« Er zieht sein Pferd herum und reitet davon. Seine fünf Reiter folgen ihm. In ihren Gesichtern regt sich nichts. Als ihr Huf schlag verklingt, atmet Emmet tief ein. »Ich hätte dich nicht schlagen dürfen, Jim«, murmelt er gepreßt. »Aber nenne mich nie wieder einen Narren, hörst du. Ich weiß sehr genau, was ich tue und was gut für uns ist.« Er hebt die Hand und deutet auf Jim. »Du reinigst das Ranchhaus, mein Junge! Wir Lamms sind doch stolz und wohnen nicht in einem Schweinestall. Mache nur richtig sauber und stelle die noch brauchbaren Möbel auf, damit wir wie richtige Menschen in unserem Elternhaus wohnen können.« Er wendet sich an Bill. »Und du kümmerst dich um das Mannschafts-Schlafhaus! Cole, du beginnst bei den Corrals! In einer Woche möchte ich diese Ranch wieder in Ordnung haben. Und dann beginnen wir auf der Weide - 51 -
zu arbeiten. Ich selbst reite jetzt nach Tonto und besorge Material und Proviant.« Er blickt die Brüder der Reihe nach an. Er zögert unmerklich. Aber dann murmelt er: »Vielleicht denkt ihr ab und zu mal daran, daß dort oben auf dem Hügel Mam und Dad ihre letzte Ruhestätte haben. Wenn sie plötzlich aufstünden, könnten sie auf euch niedersehen und beobachten, was wir hier tun. Als ich noch klein war, arbeitete unsere Mutter jeden Tag sechzehn Stunden wie ein Mann. Und als ich noch keine zehn Jahre alt war, arbeitete ich auch schon wie ein Mann. Und als fünfjähriger Knabe habe ich meinem Vater oft die Lampe halten müssen, wenn er nach der Weidearbeit hier auf der Ranch bis in die späte Nacht hinein noch an den Gebäuden arbeitete. Ich lasse dieses mit viel Mühe und Schweiß errichtete Werk nicht verkommen. « Er wendet sich um und geht davon. Wenig später ist er, frisch rasiert, auf dem Weg nach Tonto. Er benutzt aber nicht den Weg, der über Wyatt Keenes Weide am Wild-Horse-See vorbei nach Tonto führt. Er nimmt den etwas längeren Weg durch die sanften Sunshine Hills. Und er denkt dabei an Hester Moore. Ja, er denkt an das Mädchen, das ihn vor fünf Jahren zum Abschied küßte. Ihr Bruder ritt damals mit ihm in den Krieg, und sie waren damals beide jung und verwegen und dachten, daß in wenigen Monaten alles beendet wäre. Emmet reitet mehr als zehn Meilen und erreicht den Sunshine Creek, der schon immer die Grenze der Sporenrad-Ranch bildete. Er reitet um einige flache Hügel und über einen tiefen Sattel hinweg. - 52 -
Hier stößt er auf die Fährte eines einzelnen Reiters, der vom Wege, der nach Tonto führt, herübergekommen sein muß. Und dann erreicht Emmet den Rand einer weiten Senke. Er sieht die Moore-Ranch unter sich liegen. Die Ranch wirkt anders als vor fast fünf Jahren. In den Corrals bewegen sich nur zwei Pferde, eine Milchkuh und zwei Kälber. Rings um die Ranch, vom nahen Creek gut bewässert, sind Gemüsefelder angelegt. Und im Hof laufen Hühner herum. Vor dem Blockhaus aber steht ein Pferd. Es ist Faro Jenkins' Pferd. Emmet erkennt es sofort wieder. Von Jenkins ist jedoch nichts zu sehen. Auch Hester Moore ist hier nirgendwo zu erblicken. Emmet ist sich darüber klar, daß Jenkins seine Reiter allein zur Stadt vorausgeschickt haben muß, vom Hauptweg abbog und zu dieser Ranch ritt. Er hinterließ die Fährte, die Emmet fand. Er zögert, aber weil er von Hester viele Briefe erhalten hat, reitet er doch weiter. Er läßt sein Pferd langsam und vorsichtig gehen. Das haben sie oft geübt. »Rebell« bewegt sich nicht lauter als ein Indianermustang. Und so kommen sie an das hintere Tor der Scheune. Hier hält Emmet an und lauscht. Er hört Geräusche und dann die keuchende Stimme einer Frau: »Sie gemeiner Schuft! Scheren Sie sich mit Ihren Anträgen zum Teufel! Loslassen! Loslassen!« Emmet schwingt sich mit einem leisen Knurren aus dem Sattel. Und indes er an der Scheune entlang zum vorderen Tor gleitet, hört er Faro Jenkins' heisere Stimme sagen: - 53 -
»Zur Hölle! Ich mache dir schon lange genug den Hof. Und ich habe dir immer wieder gesagt, daß ich dich haben will. Ich bin besser und größer als all die anderen Burschen in diesem Land. Ich baue mir eine große Ranch auf und brauche eine Frau. Du aber bist genau die Frau, die ich mir immer gewünscht habe.« Er lacht seltsam auf. »Und jetzt nehme ich mir den ersten Kuß und werde dich zähmen, du wilde Katze!« Emmet Lamm gleitet nun leise in die Scheune hinein. Faro Jenkins steht mit dem Rücken zu Emmet und hält die sich wehrende Hester Moore an den Oberarmen gefaßt. Das Mädchen dreht den Kopf zur Seite, und da sieht sie Emmet auftauchen. Sie stößt einen Schrei aus. Faro Jenkins wirbelt knurrend herum, denn nun spürt er die Gefahr. Aber er bekommt die Waffe nicht heraus. Emmets Faust trifft ihn. Faro Jenkins' Oberkörper kippt nach vorn, und Emmet zieht einen Aufwärtshaken hoch, in den er seine ganze, jäh explodierende Kraft legt. Das ist auch für einen harten und zähen Mann wie Faro Jenkins ziemlich viel. Er geht auf den Absätzen rückwärts, rudert mit den Armen durch die Luft, fällt über die große Futterkiste und wirft die Beine hoch. Er fällt hinter der Kiste auf den Boden und wird für einige Sekunden unsichtbar. Er hat dabei seinen Colt verloren, den er schon halb aus der Halfter gezogen hatte. Emmet Lamm gleitet vorwärts und tritt die Waffe in die Ecke der Scheune, wo sie zwischen Stroh verschwindet. Das Mädchen ruft: »Emmet! Oh, Emmet Lamm! Mach nicht weiter, Emmet! Hör auf damit! Laß diesen - 54 -
Menschen gehen.« Aber er hört nicht darauf. Er atmet scharf, löst seinen Waffengurt und hängt ihn an einen Nagel, an dem ein altes Lasso an der Wand hängt. Er wendet sich zu Faro Jenkins um, der sich keuchend hinter der Futterkiste aufrichtet und sich einige Sekunden lang daraufstützt. So starren sie sich an. »Jenkins«, knurrt Emmet, »für diese Sache mußt du jetzt eine Lektion hinnehmen. Diesmal gibt es nicht den kleinsten Zweifel daran, daß du ein Schuft bist.« Faro Jenkins atmet langsam aus. Dabei überwindet er seine Benommenheit. Sein scharfes, hageres Gesicht verzerrt sich. Und dann sagt er hart: »Nun gut, kämpfen wir es aus. Aber ich sage dir jetzt schon, daß ich dir auf dieser Welt nichts mehr lassen werde. Ich werde dir deine drei Brüder nehmen. Du wirst sie verlieren. Ich werde dafür sorgen, daß sie dich verlassen. Und ich werde dir auch alle anderen Dinge nehmen, die dir wert und teuer sind. Auch dieses Mädchen werde ich dir wegnehmen. Was ich haben will, das nehme ich mir, Mister, ich bin ein richtiger Wolf! Und das werde ich jetzt beweisen. Jetzt geht es los!« Er kommt langsam um die Futterkiste herum. Er gehört zu den wenigen Revolvermännern, die auch mit den Fäusten kämpfen können. Und er haßt Emmet Lamm. Aus vielerlei Gründen haßt er ihn jetzt. »Hört auf! Hört auf!« ruft Hester Moore. Sie will sich zwischen die Männer werfen, aber Faro Jenkins macht eine heftige Armbewegung und schleudert sie zur Seite. Emmet Lamm stößt einen grimmigen Laut aus und greift ihn an. Er trifft ihn rechts und links, aber Faro - 55 -
Jenkins schlägt sofort beidhändig zurück. Sie stehen Fuß bei Fuß und kämpfen gegeneinander mit aller Härte und in einem wilden Zorn. Er ist die erste Kraftprobe. Es geht hier nicht nur um Sieg oder Niederlage in einer Schlägerei. Es liegt mehr in diesem Kampf, viel mehr! Hester Moore blickt wie erstarrt auf das wilde Geschehen. Sie hört die klatschenden Schläge, das Knurren und Keuchen. Und als die Männer zu Boden gehen, sich umklammern, umeinanderwälzen und sich immer wieder mitleidlos schlagen, da stößt sie plötzlich einen wilden Schrei aus. Sie wirbelt herum, springt einige Schritte weit und ergreift einen Spaten. Emmet Lamm schleudert Faro Jenkins gerade von sich herunter. Sie rollen auseinander und wollen aufspringen, um abermals gegeneinanderzustürmen. Aber das Mädchen läuft mit dem erhobenen Spaten hinter Faro Jenkins. Mit einem Aufschrei schlägt Hester zu. Faro Jenkins bekommt das Spatenblatt flach auf den Kopf. Er kniet noch eine Sekunde, dann fällt er vornüber auf das Gesicht und breitet die Arme aus. Er bewegt sich nicht mehr. Hester stößt einen seltsamen Laut aus. Der Spaten entfällt ihr. Sie starrt über Faro Jenkins hinweg auf Emmet Lamm und sagt tonlos: »Ich konnte nicht zusehen, wie ihr euch einander mit den bloßen Fäusten tötet. Ich mußte diesen Kampf beenden. Emmet, dieser Mann hat mich zwar beleidigt und benahm sich wie ein Schuft, aber ich will nicht, daß ich euch ...« »Es geht nicht nur um sein gemeines Verhalten dir - 56 -
gegenüber«, keucht Emmet und wischt sich das Blut von den Lippen. »Es geht um alles zwischen ihm und mir.« Sie starrt ihn an. Dann schluckt sie mühsam und nickt. »Ich weiß«, murmelt sie, »deine Brüder sind seine Freunde. Sie stehen unter seinem Einfluß. Und vielleicht mißbraucht er sie für seine Zwecke.« »Siehst du, Hester«, murmelt Emmet und lehnt sich keuchend an einen Pfosten. Der Kampf hat ihn sehr erschöpft. Er kann gar nicht genug Luft bekommen. Er spürt am ganzen Körper die Schmerzen von Faro Jenkins' harten Schlägen. Obwohl er also körperlich ziemlich in Not ist, vergißt er einige Sekunden alles und betrachtet das Mädchen. Damals war Hester Moore achtzehn Jahre, ein junges, geschmeidiges und sehr hübsches Mädchen mit roten Haaren und großen, blauen Augen. Ihre Briefe in all den langen Jahren waren gut und ließen ihn immer wieder erkennen, daß daheim ein prächtiges Mädchen auf ihn wartet, dessen Bruder sein Freund war. Ja, war ... denn Ollie Moore fiel bei Gettysburg. Aber Emmet Lamm hatte alle die Jahre das schlanke, rotköpfige und etwas knabenhafte Mädel im Gedächtnis. Jetzt aber sieht er eine fast vollerblühte Frau. Er ist etwas überrascht. Hester ist etwas größer und auch voller geworden. Oh, sie ist zwar immer noch schlank und geschmeidig, aber sie wirkt nun sehr fraulich. Sie ist auf eine etwas herbe Art schön. Daran können ihre Sommersprossen und der kecke Schwung ihrer Nase nichts ändern. Sie macht eine Bewegung, als wollte sie in seine Arme eilen. Aber dann werden sie beide wieder durch Faro Jenkins' Stöhnen in die Wirklichkeit zurückgeholt. - 57 -
Sie blicken zu Boden und sehen ihn dort zwischen sich liegen. Sie beobachten, wie er sich aufsetzt und abermals stöhnt. Plötzlich sieht er auf, knirscht mit den Zähnen und erhebt sich nach dem dritten Versuch endlich mühsam. Er schwankt und keucht, ist noch sehr benommen, bekommt aber sichtlich rasch wieder einen klaren Kopf und begreift alles, was geschah. »Sie hat dich beschützt«, grinst er. »Sie hat mir was auf den Kopf gegeben, damit ich dich nicht in Stücke reißen kann. Aber wir können weitermachen, Mister.« Emmet Lamm schüttelt den Kopf. »Steig auf dein Pferd und reite fort«, sagt er. »Und bleibe in Zukunft auch dieser Ranch fern. Auch hier hast du nie mehr etwas zu suchen.« »Wieder eine Grenze für mich? Oha, du kommst heim und ziehst eine Menge Grenzen. Aber es nützt dir nichts. Du kannst Grenzen ziehen, soviel du nur magst. Ich lasse mich dadurch nicht aufhalten. Lamm, ich hole dir die Brüder fort. Und ich werde dir auch dieses Mädchen wegnehmen. Ich kann das!« Er blickt sich um. »Wo ist mein Colt? Ich möchte ihn haben!« »Geh!« sagt Emmet Lamm scharf. Und da wirft sich Faro Jenkins nochmals knurrend gegen ihn. Aber er wirft sich in Emmet Lamms Faust hinein. Da er sofort auf die Knie fällt und sich dann auf die Seite legt, war er wohl doch bis ins Mark hinein erschöpft. Emmet tritt zu ihm, zerrt ihn hoch und schleift ihn hinaus. Draußen legt er ihn quer über den Sattel, bindet das Tier los und gibt ihm einen leichten Schlag. - 58 -
Es trägt den über dem Sattel liegenden Mann im Schritt davon. Nach etwa hundert Schritten hält das Tier an. Faro Jenkins rutscht mit den Füßen zuerst auf den Boden. Aber er hält sich am Pferd fest und steht so eine Weile da. Emmet Lamm beobachtet ihn vom Haus aus regungslos. Als er sieht, daß Faro Jenkins nach dem Gewehr in der Sattelhalfter des Pferdes greift, gleitet auch Emmet zu seinem Tier und reißt das Gewehr heraus. Als er sich wieder nach Jenkins umwendet, schiebt dieser das halb herausgezogene Gewehr wieder zurück. Er starrt einige Sekunden zur Ranch hinüber. Dann sitzt Jenkins mühsam auf. Er reitet langsam davon, ein großer, harter und gefährlicher Mann, der zurechtgestutzt wurde, sich aber dennoch nicht besiegt fühlt. Hester Moore tritt neben Emmet. Ihre Hand schiebt sich in die seine. Beide spähen sie Faro Jenkins nach. Und nach einer Weile murmelt Emmet bitter und unzufrieden: »Warum hast du ihn niedergeschlagen, Hester? Nun ist alles nur aufgeschoben. Er wird sich erst zufriedengeben, wenn ich ihn einwandfrei und richtig geschlagen habe. Er hat immer noch Einfluß auf meine Brüder. Er wird mich daran hindern, diese zu zähmen. Er wird sie mir stehlen.« Weil sie keine Antwort gibt, blickt er auf sie nieder. Ihre Augen sind groß und ernst. Er erkennt, daß sie gar nicht mehr an Faro Jenkins denkt. »Emmet«, flüstert sie, »Emmet, endlich bist du heimgekommen. Ich habe eine Ewigkeit auf diesen Tag - 59 -
gewartet.« Sie kommt in seine Arme. *** Eine Weile stehen sie so. Ihr Gesicht preßt sich gegen seine Schulter. Er hat seine Arme um sie gelegt, und eine seiner Hände streicht über ihr Haar. Er spürt den sauberen Duft, der von diesem Mädchen ausgeht. Er spürt auch, wie ihr Puls schlägt. All seine Härte und die Bitterkeit lösen sich in ihm. Aus seinem innersten Kern strömt jetzt ein warmes und gutes Gefühl. In ihren Augen leuchtet Freude. »Willkommen!« lächelt sie. »Und sage mir gleich, ob ich meine Zeit nutzlos mit dir verschwendet habe. Ich habe mich etwas verändert, nicht wahr? Vielleicht gefalle ich dir gar nicht mehr?« »Du bist schöner geworden«, murmelt er. »Älter«, lächelt sie. »Ich leiste fast Männerarbeit. Ich bin seit fast zwei Jahren allein. Auch Dad ist gestorben. Ich konnte die Einsamkeit hier manchmal kaum noch ertragen.« Er nickt. »Es war schwer und hart«, murmelt er. »Hester, ich bringe die Ranch wieder in Ordnung und zähme meine Brüder. Dann wirst du meine Frau. Und das wird der schönste Tag meines Lebens sein.« »Es ist aber rings um uns vieles anders geworden«, murmelt sie. »Auch dein Vater starb. Andere Männer wollen seinen Platz einnehmen. Deine Brüder sind verwildert und...» »Ich bringe alles in Ordnung«, sagt er, »Was ist mit Faro Jenkins? Ich stoße überall auf ihn.« - 60 -
Hester Moore erschauert leicht. »Jenkins ist ein Wolf«, murmelt sie gepreßt. »Er kam in dieses Land und will es erobern. Und vom ersten Tag an, da ihn sein Weg zufällig hier vorbeiführte, stellte er mir nach. Zuerst benahm er sich wie ein Gentleman, aber dann wurde er von Mal zu Mal schlimmer. Ich begann mich zu fürchten. Er ist ein Wolf, der sich einfach nimmt, was ihm gefällt.« »Yeah«, nickt Emmet, »es war verrückt von dir, hier allein zu leben. Jetzt nach dem Krieg reiten tausend Schufte durch diesen Teil von Texas. Ein Mädchen kann nicht zehn Meilen von der Stadt entfernt einsam in den Hügeln leben.« »Was sollte ich denn tun?« fragt sie. »Ich bin kein Cowboy. Ich schaffte mir Hühner und Milchkühe an. Ich legte Gemüsefelder an. Zweimal in der Woche fahre ich mit dem Wagen in die Stadt und verkaufe Eier, Butter, Gemüse und Geflügel. Ich konnte so meinen Lebens unterhalt verdienen und sogar etwas sparen. Was sollte ich denn sonst tun?« Er nickt, und er begreift, wie tapfer und mutig dieses Mädchen ist. Am liebsten möchte er sie jetzt sofort mit in die Stadt nehmen, sie dort heiraten und dann bei sich behalten. Er möchte sie nicht mehr allein lassen. Kann er in seiner derzeitigen Lage ein Mädchen an sich binden? Ein Mann kann mitunter sehr schnell sterben. Hester Moore kann seine Gedanken wohl in seinen Augen erkennen, denn sie sagt schnell: »Es macht nichts aus, ob ich deine Frau oder deine Braut bin, Emmet. Wenn dir etwas zustößt, trifft es mich gleich hart.« Er begreift, daß sie auf jeden Fall sein Partner auf - 61 -
allen Wegen sein wird. Da entschließt er sich. »Ich nehme dich mit in die Stadt«, sagt er. »Wir lassen uns sofort trauen. Und auf dem Rückweg nehme ich dich mit deiner ganzen Habe zur Lamm-Ranch mit. - Willst du es so haben, Hester?« »Genau«, sagt sie ernst. »Ein Mädchen wie ich, das eine Ewigkeit warten mußte, hat keine Zeit mehr zu verlieren. Wenn du es mit mir wagen möchtest, nun, ich bin bereit.« Sie lächeln sich an. Und dann reiten sie in die Stadt, um sich dort trauen zu lassen. *** Am Eingang der Stadt liegt die Schmiede. Der eisgraue Marshal Reb Sharp kommt aus dem Hof und blickt das junge Paar an. Er lächelt flüchtig und zieht vor Hester den Hut. Sie verhalten bei ihm die Pferde. Emmet grinst. »Reb! Wir wollen heiraten, Hester und ich, wir wollen jetzt, hier und sofort heiraten. Wir brauchen zwei Trauzeugen. Aber es wird keinen Hochzeitsbraten und auch keine Feier geben.« Reb Sharp betrachtet erst Emmet und dann Hester prüfend. In seinen scharfen Augen erscheint ein milder Ausdruck. »Schaden kann das wohl auf keinen Fall, wenn ihr ein Paar werdet«, sagt er dann ruhig. »Emmet, deine Mutter kam damals vor vielen Jahren an der Seite deines Vaters als erste weiße Frau in dieses Land. Und in der ersten - 62 -
Nacht am Campfeuer mußte sie zwei Indianer erschießen. Dein Vater tötete sieben und wurde verwundet. Und du selbst warst zwei Jahre alt. Ohne deine Mutter wärest du und wäre auch dein Vater nicht am Leben geblieben. Deine Mutter war eine richtige Frau, aber sie konnte auch kämpfen. Sie hatte auch einen prächtigen Mann zum Gatten. Seltsam, wie sich doch immer wieder alles wiederholt im Leben.« Der alte Marshal betrachtet das Mädchen zufrieden. Er nickt ihr zu und sie weiß, daß er sie gern mag. Dann sagt er: »Ich bin gerne euer Trauzeuge. Es ist mir eine Ehre und macht mir Vergnügen. Reitet nur voraus. Ich komme nach.« Das tun Hester und Emmet. Sie kommen zu einem Store. Es ist ein kleiner Laden, nicht halb so groß wie Parkers Store. Ein Mann steht vor der Tür auf dem Plankengehsteig. Es ist der Storehalter Lester Webbs. Auch dieser Mann war früher Cowboy bei Big Hogan Lamm. Aber als er von einem wilden Stier zum Krüppel gemacht wurde, bekam er von Emmets Vater einen Kredit und eröffnete vor vielen Jahren diesen Store. Als Emmet und Hester ihre Pferde verhalten, hebt Lester Webbs die Hand. »Gestern hattest du andere Sorgen, Emmet«, sagt er. »Aber heute vergißt du die alten Freunde nicht. Ich freue mich, Junge, dich im Sattel zu sehen. Aber wenn du es warst, dessentwegen Faro Jenkins heute den Doc aufsuchen mußte, dann...» »Schon gut, Lester«, grinst Emmet. »Wir reiten zur Kirche und wollen ein Paar werden. Dort kommt Reb Sharp. Und wir brauchen noch einen zweiten Trauzeugen.« - 63 -
»Gemacht!« ruft Lester Webbs, bindet seine Schürze ab und wirft sie in den Laden hinein. »Rosa, ich gehe zur Hochzeit!« ruft er. Emmet und Hester lachen. Als Emmet und das Mädchen vor der kleinen Kirche anhalten und aus den Sätteln gleiten, tritt ein Padre heraus. Sein weißes Haar betont den Frieden seines dunklen Gesichtes noch. »Wir wollen vor Gott Mann und Frau werden«, sagt Emmet sanft. Die klugen Augen des Padres prüfen. Dann nickt er und sagt: »ER wird Wohlgefallen an euch haben. Tretet ein! Ich bin SEIN Diener.« Er führt sie in seine kleine, armselige Kirche. Und er sagt nichts darüber, daß dieses Mädchen abgenutzte Arbeitskleidung trägt und darin Hochzeit halten will. Reb Sharp und Lester Webbs kommen schnaufend herbei und treten ebenfalls ein. Und in den nächsten Minuten wird Hester Moore die Frau jenes" Mannes sein, auf den sie fast fünf Jahre wertete und dem all ihre Gedanken galten, einen ganzen Krieg lang. Indes betritt Pete Parker seinen Saloon. Faro Jenkins Männer sind im Raum verteilt. Zwei spielen an einem Billardtisch. Und sein Vormann Jack Flynn sitzt mit einem der Berufsspieler zusammen und würfelt immer um zwei Dollar Einsatz. Faro Jenkins sitzt ganz in der Ecke, halb unter der Treppe verborgen, die hinauf zur Galerie führt. Pete Parker läßt sich von seinem Barkeeper einen doppelten Whisky geben, schüttet ihn hinunter und geht dann zur Treppe. Er zögert dort und tritt dann an Faro - 64 -
Jenkins' Tisch. Es sieht aus, als plaudere ein Saloonwirt mit einem bevorzugten Gast. »Faro«, sagt er bitter, »es wäre eine Dummheit, wenn du jetzt hier in der Stadt...« Der Revolvermann blickt auf. In seinen hellen Augen brennt jäh ein wilder Zorn. »Schon gut, Pete«, murmelt er und knirscht dann mit den Zähnen. »Ich kann warten. Ich hole mir seinen Skalp an einem anderen Ort. Mach dir nur keine Sorgen! Erst schiebe ich ihn noch als Figur eine Weile zu unserem Nutzen auf dem Schachbrett herum. Keine Sorge, ich kann warten.« »All right«, murmelt Pete Parker zurück und geht dann die Treppe hinauf. Seine Sorgen sind jedoch nicht kleiner geworden, obwohl er nun weiß, daß Faro Jenkins hier in der Stadt keinen Kampf anfangen wird. Er macht sich jetzt über eine andere Sache Sorgen, die er jetzt vor wenigen Sekunden richtig erkannt hat, indes er in Faro Jenkins' Augen blickte. Denn was er sah, hat ihn erschreckt. Deshalb fragt er sich, was sein wird, wenn Jenkins mit seinem, Pete Parkers Geld, die Aufgabe erfüllt hat, für die Pete Parker ihn angeworben hat. Pete Parker denkt erschrocken darüber nach, was sein wird, wenn Faro Jenkins das große Ziel erreicht hat und dann der Tag kommt, an dem er auf den zweiten Platz zurücktreten muß, um seinem Boß Pete Parker den ersten Platz einzuräumen. Wird Faro Jenkins das tun? Mit diesen Sorgen tritt Pete Parker zu seiner Frau ins Zimmer. Und weil diese Sorgen sehr groß sind, fragt er sofort heftig, nachdem er die Tür geschlossen hat: - 65 -
»Bist du sicher, daß Faro Jenkins nur für gutes Geld mein Handlanger ist und niemals auf die Idee kommen wird, den großen Bissen für sich selbst zu behalten?« Ysabel lächelt seltsam. »Er wird sein Wort halten! Er ist mir sehr verpflichtet. Er verdankt mir sein Leben. Ich halte dich immer noch für groß genug, daß du mit ihm fertig wirst, wenn er nicht mehr benötigt wird und die schmutzige Arbeit getan ist.« Sie lächelt ihn an. »Wenn du mich fürs Leben behalten willst, Pete, dann mußt du Format zeigen.« Sie sagt es mit jäher Härte. Dann deutet sie zum Fenster. »Ich sah Einmet Lamm mit einem Mädchen zur Kirche reiten. Und dann stolperten der Marshal und dieser kleine Storehalter hinterher. Was ist das?« »Eine Hochzeit«, grinst Pete Parker. »Ein Kriegsheld kehrt heim, und ein Mädel hatte all die Jahre auf ihn gewartet. Dieser Narr hält Hochzeit.« »Es wäre gut, wenn du etwas von seinem starken Glauben an sich selbst besitzen würdest, Pete«, sagt sie wieder hart. »Er ist ein Mann, auf den ein stolzes Mädchen eine Ewigkeit warten konnte. Und vielleicht ist er größer als Faro Jenkins.« »Er hat aber drei wilde Brüder«, lacht Pete Parker. »Und diese wird er nicht zähmen können. Sie werden ihm Unglück bringen.« Sie betrachtet ihn unter ihren langen, schwarzen Wimpern hervor und lehnt sich an ihn. »Erobere mir ein Königreich!« flüstert sie. »Und du wirst es niemals in deinem Leben zu bereuen haben, Pete.« *** - 66 -
Es ist schon fast Mitternacht, als Emmet und Hester auf der Lamm-Ranch eintreffen. Hester fährt den großen Wagen, in dem sich all ihre Habe befindet. Und in den Drahtkäfigen gackern ihre Hühner unruhig. Emmet treibt die Milchkühe und die beiden Kälber. Es sind keine wilden Weidekühe und deshalb kamen sie nur langsam voran. Auf der Ranch ist alles dunkel. Emmet ruft die Namen seiner Brüder. Aber er erhält keine Antwort. Er treibt die Kühe zu den Corrals hinüber und sieht dort, daß die Pferde seiner Brüder fehlen. Jim, Bill und Cole sind also fortgeritten. Emmet reitet auf den Hof zurück. Hester sitzt noch wartend auf dem Fahrersitz des Wagens. Er gleitet aus dem Sattel und sagt bitter: »Sie sind fort. Und gewiß haben sie den ganzen Tag keinen Handschlag für diese Ranch getan.« Er geht in das Ranchhaus hinein, findet dort die Lampe und zündet sie an. Als er sich umsieht, findet er nichts verändert. Unordnung und Schmutz sind immer noch vorhanden. Hester kommt herein. Sie sieht sich um und nagt einige Sekunden lang an ihrer Unterlippe. Ihre Augen blitzen seltsam. Er sieht sie an und murmelt: »Ich hatte ihnen gesagt, daß sie Ordnung schaffen sollten. Aber ...« Sie hat sich indes gerade aufgerichtet. Ihre Schultern sind sehr gerade, und sie hat ihr Kinn hoch erhoben. »Mister Lamm«, sagt sie, »dies ist unsere Hochzeitsnacht, nicht wahr? Bereiten wir uns also ein Heim. Unter dem Wagensitz sind noch zwei Lampen. Also mach Licht, viel Licht, großer Mann! Wir machen - 67 -
jetzt sauber! Deine Mutter mußte hier am ersten Tag mit wilden Indianern kämpfen. Ich habe es bedeutend besser. Vorwärts, Mister Lamm! Deine Frau ist ein Putzteufel!« Sie lächelt.
Und da atmet er tief ein und sagt:
»Ich liebe dich, Hester. Weißt du das?«
»Warum würde ich sonst wohl dieses Haus mitten in
der Nacht in Ordnung bringen wollen«, lächelt sie, »warum wohl, Mister?« Wenig später arbeiten sie beide. Bald darauf beginnt sie sogar zu singen: »Es war ein armer Cowboy,
Der nahm sich eine Frau.
Er war groß, und sie war klein!
Er führt sie in sein Schloß hinein!«
Emmet grinst und leert zwei Eimer Wasser auf dem Dielenfußboden aus. Dann beginnt er zu schrubben und hört sich plötzlich singen: »Es war ein schönes Mädchen,
Das nahm sich einen Mann!
Er war faul, und sie war fein!
Er führt sie in ein schmutzig Haus
hinein!«
Sie blicken sich nach dieser improvisierten Strophe lachend an. Doch dann singen sie beide schmetternd: »Ihre Hochzeitsnacht war fein! Sie machten ihre Wohnung rein!«
- 68 -
Er stellt den Schrubber an die Wand, geht zu ihr hinüber und nimmt sie in seine Arme. Plötzlich erkennen beide, daß sie nicht mehr allein sind. Emmet wirbelt herum. Es ist Bruder Jim, der in der offenen Tür zum Hof steht und große Augen macht und einen ziemlich dummen Gesichtsausdruck zeigt. Er muß auch das improvisierte Lied gehört haben. Denn er stottert jetzt: »Ist das - seid ihr - stimmt das, seid ihr ...« »Es ist unsere Hochzeitsfeier, Jim«, unterbricht ihn Hester freundlich. »Emmet hat jemanden angeworben, der für ihn und euch sorgt und euch bemuttert. Und damit er keinen Lohn zahlen muß, kam er auf die Idee und Heiratete mich.« Sie lacht, als wäre sie vergnügt, bückt sich, nimmt den nassen Aufnehmer und windet ihn aus. »Jim«, sagt sie dann, »du und deine Brüder, ihr müßt euch noch etwas gedulden, bis hier auf der Ranch alles wieder sauber und ordentlich ist.« Jim kommt zwei Schritte herein. Hinter ihm erscheinen jetzt Bill und Cole. Auch sie wirken wie die Verkörperung des Staunens. Sie sind vollkommen verdattert. Emmet staunt übrigens auch, und zwar über die Art, wie seine junge Frau mit seinen Brüdern umspringt. Und obwohl er wütend auf seine Brüder ist und sie gerne der Reihe nach durchprügeln würde, verspürt er eine starke Freude. Denn er begreift, daß Hester es richtig macht. Sie jagt seinen Brüdern nämlich die Schamröte in die Gesichter, zumal sie jetzt freundlich weiterspricht, so als wäre es selbstverständlich: »Vielleicht legt ihr euch diese Nacht drüben in dem - 69 -
verkommenen Schlafhaus zur Ruhe. Aber ich verspreche euch, daß ihr morgen hier in eurem Elternhaus ordentliche Zimmer habt.« Nach diesen Worten arbeitet sie weiter. Auch Emmet macht weiter und kümmert sich gar nicht mehr um die drei verdatterten Gestalten an der Tür. Cole fragt plötzlich gepreßt: »Können wir - können wir helfen? Wir - wir haben doch nicht gewußt, daß der Große heiraten wird und eine Frau hier auf diese Ranch kommt. Wir hätten doch sonst... .« »Können wir helfen? Was sollen wir tun?« ruft Jim dazwischen. Hester betrachtet Emmets Brüder kritisch. Dann schüttelt sie den Kopf und sagt freundlich: »Das ist nichts für euch! Ihr seid doch wilde Jungens, die sich mit solchen Dingen nicht abgeben sollten. Ihr müßt doch reiten und jagen können. Nein, ihr müßt doch erst noch euer Leben genießen. Das hier ist nichts für euch! Ihr würdet bald die Lust daran verlieren. Fangt lieber erst nicht damit an. Wir machen schon alles. Ihr seid mir hier nur im Wege.« Emmet hält den Besen zum Fenster hinaus und schüttelt ihn aus. Er sagt: »Es ist jetzt etwas ungemütlich hier. Aber geduldet euch nur. Ich hatte euch ja Arbeit aufgetragen, aber ihr seid fortgeritten. Denn für euch prächtige Jungens ist das nichts! Geht lieber irgendwohin und übt Revolverziehen und genaues Schießen. Geht nur, Brüder! Wenn es sich um Dreckarbeit handelt, dann rechne ich nicht mehr auf euch! Edelknaben sind zu gut dafür.« Mit roten Köpfen wenden sie sich um und gehen hinaus. Draußen auf dem Hof bilden sie bald bei ihren - 70 -
Pferden eine Gruppe. Sie starren zu Hesters großem und hochbeladenem Wagen hinüber. Sie hören Hesters Hühner in den Käfigen gackern. In den Corrals muhen die Milchkühe, und es bewegen sich die Pferde. »Zum Teufel«, sagt Cole bitter und spuckt auf den Boden. »Wir zählen nicht mehr für ihn«, grollt Bill. Und mit einem Male fühlen sie sich sehr nutzlos auf dieser Welt. »Hölle«, grollt Jim plötzlich, »ich lasse mich nicht so behandeln! Sie wollen uns beschämen und uns auf diese Art so kleinkriegen, daß wir alles tun, was wir ihnen von den Augen ablesen können. Dieses Mädel ist schlau. Sie will uns zähmen. Und Emmet macht mit. Ich habe eine Riesenwut! Und ich reite jetzt nach Tonto und betrinke mich!« Er schwingt sich in den Sattel. Bill und Cole folgen seinem Beispiel. Aber dann sagt Bill: »Wir haben doch Stadtverbot! Dieser Pete Parker ...« »Er soll zur Hölle gehen!« schnappt Jim. »Wir werden in Tonto Whisky trinken, mit Mädels tanzen und Poker spielen. Und niemand soll es wagen, uns aus der Stadt zu jagen. Ich bin wütend genug, um ganz Tonto in Stücke zu reißen. Reiten wir!« Das tun sie. Als sie den Hof verlassen, kommen Emmet und Hester aus dem Haus gelaufen. Sie lauschen auf den hallenden Hufschlag, der leiser und leiser wird. Dann seufzt Hester; »Oh, ich habe es also falsch gemacht. Sie sind noch wilder und trotziger, als ich dachte. Emmet, ich habe versagt.« »Es war ein Versuch«, sagt Emmet und legt seinen - 71 -
Arm um ihre Schulter. »Um diese drei Trotzknaben zu zähmen, muß man vielleicht noch viele andere Möglichkeiten versuchen. Es war ein Versuch, und ich möchte nicht sagen, daß er nutzlos war. Schämen tun sie sich jetzt bestimmt. Aber vielleicht reiten sie nach Tonto. Dann könnte es allerdings schlimm werden.« Er spürt, wie das Mädchen - nein, es ist ja jetzt seine Frau! - in seinem Arm zusammenzuckt. Und er hört sie dann sofort schnell und drängend sagen: »Laß sie nicht allein, Emmet! Folge ihnen! Verhindere, daß sie in ihrem närrischen Trotz vielleicht. Dinge tun, die nie mehr wiedergutzumachen sind. Emmet, sie brauchen dich jetzt, obwohl sie es niemals zugeben würden.« Er überlegt kurz. »Dann mußt du hier allein bleiben, Hester.« »Was macht das schon aus, Lieber! Es wird bald Tag sein. Ich habe Arbeit! Reite, Emmet, reite ihnen nach!« *** Indes ist es den Menschen in der Stadt Tonto zu einem gewissen Teil klar geworden, warum Faro Jenkins mit seiner Mannschaft in die Stadt gekommen ist und nun schon viele Stunden untätig wartete. Vor Anbruch der Nacht rasselt die Postkutsche aus Wichita in die Stadt. Aus dieser Kutsche klettern sechs hartgesottene Burschen. Sie sind stoppelbärtig, müde von der langen Reise, schmutzig und mürrisch. Diese sechs hartgesottenen Burschen lassen ihre Sättel und ihr Gepäck vom Kutschendach werfen. Ihre Gewehre - 72 -
haben sie bei sich. Als die Kutsche dann zum Wagenhof fährt, bilden die sechs hartgesichtigen Burschen eine abwartende und wachsame Gruppe. Jetzt marschiert Faro Jenkins an der Spitze seiner fünf Männer aus dem Saloon. Es wirkt so, als wäre dies ein sorgfältig vorbereiteter Auftritt. Pete Parker und dessen Frau beobachten den Auftritt vom Fenster ihrer Wohnung aus. Faro Jenkins tritt auf die wartende Gruppe der Hartgesottenen zu, hebt leicht die Hand und sagt: »All right, Jungens! Im Mietstall sind Pferde für euch. Zimmer sind im Hotel reserviert. Jeder bekommt ein warmes Bad. Wenn ihr fertig seid und gegessen habt, zahle ich euch im Saloon das Handgeld aus und spendiere einen Frei-Whisky. Das wäre alles, Jungens! Dir reitet für die Warbow-Ranch, und unser Brandzeichen sieht genau wie ein indianischer Kriegsbogen aus. Wir haben auch keine Freunde in diesem Land. Das wäre alles, Jungens!« Die sechs Neuankömmlinge grinsen. Einer sagt: »All right, Boß!« Im Laufe dieser Nacht erfahren auch Wyatt Keene, Terry Rood und Hiob Chisholm davon. Rood und Chisholm klettern trotz der späten Stunde sofort in die Sättel und reiten noch zu Wyatt Keene. Und der empfängt sie mit den Worten: »Jetzt geht es los, Nachbarn! Jenkins hat seine Mannschaft verstärkt. Und das bedeutet für mich, daß er sich nun nicht mehr sicher fühlt, nachdem wir die LammBrüder erwischt hatten. Wahrscheinlich ließ er diese Burschen kommen, um etwas für die Lamm-Brüder tun zu können. Das, aber braucht er nun nicht mehr, weil - 73 -
Emmet Lamm heimkehrte und die ganze Sache sich anders entwickelte.« l »Und was wird jetzt geschehen?« fragt Terry Rood bittet Hiob Chisholm sagt: »Wir müssen zusammenhalten, nicht wahr? Dieser Faro Jenkins ist ein Wolf! Und wir haben unsere Zeit mit kleinen Halunken verschwendet, zum Beispiel mit den Lamm-Brüdern. Wir hätten es von Anfang an nicht dulden dürfen, daß Jenkins sich in diesem Land festsetzt.« »Er fing bescheiden an«, grollt Terry Rood. Dann starren sie beide auf Wyatt Keene, der schwerfällig aufsteht und durch das große Wohnzimmer der Hut-Ranch geht. Ben Bow, sein Vormann, steht an der Wand und beobachtet nur. Wyatt Keene hält inne. »Jetzt ist Faro Jenkins mächtig stark«, knurrt er. »Es dauerte lange, bis wir uns darüber klar waren, daß die gestohlenen Rinder gar nicht aus dem Land getrieben werden, sondern alle in Faro Jenkins' Canyon verschwanden. Aber er wußte, daß wir dahinterkommen wurden. Und er will stark genug sein, wenn wir unsere Mannschaften in die Sättel bringen und zu ihm reiten.« Wyatt Keene verstummt zornig. Nachdenklicher knurrt er dann: »Wir haben uns mit Kleinigkeiten abgegeben. Er ist unser wirklicher Gegner.« Dann starren sich die drei Rancher an. Jeder überlegt. Aber jeder denkt an die gleiche Sache. An die Lamms und deren Weide! Das ist es. Sie denken darüber nach, was geschehen wäre, wenn sie Jim, Bill und Cole hätten aus dem Lande jagen können. Sie überlegen, was dann passiert wäre. - 74 -
Jeder weiß von sich, daß er Anspruch auf ein tüchtiges Stück Land erhoben hätte. Jeder weiß, daß sie dann untereinander gekämpft hätten, damit keiner von ihnen zu groß geworden wäre. Sie wären Rivalen und wahrscheinlich Feinde geworden. Sie kennen sich und ihren Ehrgeiz zu gut. Und wieder sagt Hiob Chisholm: »Wir müssen zusammenhalten.« Terry Rood nickt grimmig. Und Wyatt Keene stößt seine rechte Faust in den linken Handteller und sagt klirrend: »Also gut, bringen wir unsere Reiter in die Sättel und reiten wir. Morgen abend sammeln wir uns hier. Und dann reiten wir durch den Canyon auf Faro Jenkins' Weide. Ich denke, wir werden dort genügend Rinder mit unseren Brandzeichen finden. Und das, so denke ich, wird uns auch moralisch die Berechtigung geben, ihn und sein Rudel zum Teufel zu jagen. Vermag er uns aber aufzuhalten, dann sind wir geschlagen. Habt ihr verstanden? Wenn er uns aufhalten kann, dann sind wir erledigt.« Sie blicken ihn an. Ja, sie begreifen. Es ist wirklich so. Wenn Faro Jenkins sie daran hindern kann, endlich auf seine Weide zu reiten und dort nach gestohlenen Rindern zu suchen, dann ist er stärker als sie. Und dann haben sie zu lange gewartet und haben verloren. Wenn sie morgen mit ihren Reitern zum Canyon reiten, dann wird es eine Machtprobe werden, ein Messen der Stärke. Und dem Stärkeren werden - weil es kein Gesetz westlich des Pecos gibt - eines Tages bestimmt alle Rinder und das Weideland gehören. - 75 -
*** Indes die drei Rancher beraten und sich zum Angriff entschließen, geht Faro Jenkins zum Hotel hinüber und betritt wenig später sein Zimmer. Sofort wittert er das Parfüm einer Frau. Und er hört auch Ysabel Parkers Stimme von seinem Bett her sagen: »Komm her, Bruder!« Er kann Ysabel nun auf dem Bettrand erkennen. Langsam bewegt er sich zu ihr und setzt sich neben sie. »Was ist, Schwester? Hast du Sorgen? Ich nicht!« »Pete fürchtet sich vor dir«, murmelt sie. »Er hat an dir etwas erkennen können, was ihm jetzt Sorgen bereitet. Er hat irgendwie gewittert, daß du mehr sein könntest als nur ein Handlanger in einem scharfen Spiel. Bis jetzt war er wohl immer davon überzeugt, daß er dich zu jeder Zeit beherrschen und auch zurechtstutzen könnte. Aber jetzt zweifelt er. Er hat Angst, daß du mit seinem Geld ein Rinderreich aufbaust, um es für dich behalten zu können. Er hat dich als Wolf erkannt, der seine Beute niemals teilen wird.« »Hat er das?« fragt Faro Jenkins spöttisch. »Was kümmert es dich aber, Schwester?« »Du willst ihn also wirklich betrügen?« »Wer spricht von Betrug? Ich baue mir eine große Ranch auf. Und er lebt in dem großen Irrtum, ich mache es für ihn.« »Ich habe dich mit ihm bekannt gemacht und dich ihm als den richtigen Mann für solche Dienste empfohlen.« »Das war nett von dir, Schwesterchen. Weiß er immer noch nicht, daß wir Geschwister sind?« »Nein! Das hätte ihn sofort mißtrauisch gemacht. Er - 76 -
hätte dann nicht geglaubt, daß ich nur zu ihm halte.« »Tust du das, Ysa?« Sie erhebt sich. »Du bist mein Bruder«, sagt sie, »aber wenn ich zu ihm halte...« »... bist du sehr bald eine trauernde Witwe«, unterbricht Faro Jenkins sie trocken, »eine trauernde Witwe, die ein Hotel, einen Saloon, einen Store und eine Fracht- und Postlinie erbt. Das sollte doch genug für dich sein, hm?« »Du Schuft«, sagt sie bitter und weicht langsam zurück. Er aber murmelt: »Ich habe hier eine Chance. Ich fand durch dich einen Narren, der mir eine hohe Summe als Betriebskapital zur Verfügung stellte. Was kann ich dafür, daß mich dieser Narr für einen Handlanger hält, den man nach vollbrachter Arbeit fortschicken kann? Nein, ich raube mir dieses Rinderreich für mich selbst zusammen. Ich hasse Feiglinge, die andere Burschen für sich arbeiten lassen. Ysa, dein Mann ist ein Feigling! Sage ihm, daß ich dein Bruder bin und du dich selbst in mir sehr getäuscht hättest. Wenn er klug genug ist, wird er mich zufriedenlassen. Dann bekommt er eines Tages sogar das Geld zurück, das er mir als Betriebskapital gab.« »Du hast es ihm schriftlich gegeben, daß du in seinem Auftrag und für ihn arbeitest.« Faro Jenkins lacht nur leise. »Schwester«, sagt er milde, »er ist nicht der richtige Mann für dich. Du bist wieder einmal an einen Bluffer geraten. Es gibt Frauen, die immer wieder das gleiche Pech haben. Du hättest einen Mann von meiner Sorte finden sollen.« »Du Schuft!« sagt die Frau. Und sie gleitet dann aus - 77 -
dem Zimmer, ohne auch nur noch ein weiteres Wort mehr zu sprechen. Der Gang ist schwach beleuchtet. Es gibt einige dunkle Nischen. Die Frau geht lautlos den Gang entlang und dann die Treppe zum oberen Stockwerk hinauf. Als sie ihr Schlafzimmer betritt, verhält sie still und lauscht. Pete Parker schläft im Nebenzimmer, dessen Tür offensteht. Als Ysabel noch vor wenigen Minuten am Fenster stand und auf den Platz vor dem Hotel blickte, hörte sie Pete Parkers Schnarchen. Aber jetzt hört sie sein Schnarchen nicht mehr. Jäh wird sie von einer Sorge erfaßt. Sie bewegt sich zur Tür und lauscht in das Schlafzimmer ihres Mannes hinein. Sie hält den Atem an. Plötzlich weiß sie, daß Pete Parker nicht mehr in Seinem Bett liegt. Er ist nicht da. Angst und Schrecken erzeugen einen heftigen Schock in ihr. Dann klappt leise eine Tür. Sie hört die Dielen knarren und dann das heftige Atmen Pete Parkers. Durch die Fenster fällt genügend Licht in die Räume. Sie kann plötzlich seine massige Gestalt erkennen. Er kommt genau auf sie zu. »Ysabel«, sagt er schwer, »ich habe euch belauscht. Jedesmal, wenn Faro Jenkins in der Stadt ist und hier im Hotel übernachtet, hattest du dein Zimmer verlassen. Ich dachte, du betrügst mich mit ihm. Und weil ich es genau wissen wollte, bohrte ich schon vor langer Zeit vom Nebenzimmer ein Loch in die Wand. Ich tarnte es gut. Heute habe ich euch belauschen können. Warum hast du mir nie gesagt, daß er dein Bruder ist?« »Hättest du ihn dann angeworben, Pete?« »Wahrscheinlich nicht«, murmelt er. - 78 -
»Und warum nicht?« Er gibt darauf keine Antwort, sondern schnauft nur grimmig. Sie ahnt, daß sein Gesicht jetzt vor Zorn dunkelrot ist und er die Fäuste geballt hat. Sie fürchtet, daß er sie jetzt verprügeln wird. Aber dennoch sagt sie schnell: »Er sollte für dich die schmutzige und rauhe Arbeit tun, nicht wahr? Und dann wolltest du ihn zum Teufel jagen.« »Sicher«, knurrt Pete Parker. »Aber den Bruder seiner eigenen Frau kann ein Mann nicht so ohne weiteres zum Teufel jagen. Er muß immer damit rechnen, daß sich die eigene Frau dann gegen ihn stellt. Nein, ich hätte ihn nicht angeworben, wenn ich gewußt hätte, daß er dein Bruder ist.« »Pete, ich dachte, daß ich meinen Bruder in unserem Sinne lenken und beherrschen könnte. Ich wollte kein Risiko eingehen mit einem Fremden. Aber ich habe mich getäuscht. Er will seine eigene Schwester betrügen. Du hast ja selbst alles gehört.« Pete Parker schnauft erregt. Er löst ihre Arme von seinem Hals und schiebt sie von sich. »Er ist nicht irgendein hartgesottener Revolvermann, sondern dein Bruder«, knurrt er. »Du wolltest wieder einmal zwei Eisen im Feuer haben. Wenn ich versagt hätte, so hieltest du einen Bruder für sicherer als einen hartgesottenen Fremden. Und wenn er versagt hätte, nun dann wäre es für dich nicht sehr schlimm gewesen. Aber er hat auf eine ganz andere Weise versagt. Er will mich betrügen! Damit betrügt er auch dich. Immerhin hat er dir in Aussicht gestellt, dich zu einer wohlhabenden Witwe zu machen, zum Teufel noch mal!« Sie keucht. »Und wenn er zehnmal mein Bruder ist, sage ich dir, daß er dafür bezahlen muß, wenn er uns - 79 -
betrügt. Ich lasse mir auch von einem Bruder nicht ein Königreich vorenthalten. « Er weicht erschrocken zurück. »Oh«, sagt er. »Es würde dir nichts ausmachen! Zum Teufel, er ist also mein Feind. Aber solch eine Schwester wünsche ich nicht mal meinen Feinden. Ysabel, an dir ist nichts, was gut ist!« »Ich bin schön«, sagt sie stolz. »Das ist jetzt nicht mehr genug«, murmelt er heiser. »Es ist nicht mehr genug für mich. Denn eine Familie sollte auch Treue kennen. Aber du kannst niemandem treu sein. Du bist eine Wölfin, die unersättlich ist und für die ein Wolf ständig jagen muß. Kann er dich nicht satt bekommen, so suchst du dir einen anderen Wolf. - Nun, ich lasse mich nicht betrügen! Ich werde mit Faro Jenkins abrechnen, wenn es an der Zeit ist!« Er schiebt sie in das andere Zimmer zurück und knallt hinter ihr die Tür zu. Sie hört, wie er den Riegel zuschiebt. Und da weiß sie, daß sie keine Macht mehr über ihn hat. Sie ist für ihn unwichtig geworden. *** Indes dies alles geschieht, Faro Jenkins einen kurzen Schlaf hält, seine Männer im Saloon nach und nach an den Tischen einschlafen, indes Ysabel Parker nun Pläne macht und Pete Parker in seinem Zimmer umherwandert und mit der größten Enttäuschung seines Lebens zurechtkommen muß, indes die drei großen Rancher dieses Landes sich zum Kampf entschließen, ja, indes dies alles geschieht, reiten Jim, Bill und Cole Lamm durch die Nacht. - 80 -
Als die Sonne aufgeht, reiten sie auf schweißbedeckten Pferden in die Stadt hinein. Sie kommen wie drei wilde Indianer. Vor dem Saloon reißen sie ihre Tiere zurück, schwingen sich aus den Sätteln, rücken großspurig ihre Colts zurecht und blicken sich herausfordernd um. Aber die kleine Rinderstadt ist noch nicht aufgewacht. Die Brüder stoßen die Schwingtür auf und marschieren sporenklirrend in den Saloon. Ein alter Mann fegt aus, hütet sich aber, einige zum Teil noch sehr übernächtigte Männer zu stören, die an den Tischen hocken. In der Ecke ist noch ein Pokerspiel im Gang. Zwei Männer liegen in einer anderen Ecke unter den Tischen. Ein neuer Barkeeper steht hinter dem Schanktisch und putzt Gläser. Er wirft schnell einen Blick unter den Schanktisch und überzeugt sich, ob die Schrotflinte griffbereit liegt. Dann blickt er die drei Lamm-Brüder an, die sich vor ihm aufbauen. »Eine Flasche von der Pumaspucke und drei Gläser!« sagt Jim. »Jungens«, sagt der Barkeeper,, »ihr habt doch Stadtverbot! Verschwindet lieber, bevor ihr Verdruß bekommt.« Sie grinsen ihn an. »Wir sind mächtig scharf auf Verdruß«, sagt Bill. »Willst du welchen mit uns, Mike?« Der Barkeeper schüttelt mürrisch den Kopf. »Der Boß ist hier Richter«, sagt er. »Und er hat euch Stadtverbot gegeben. Es gibt keinen Whisky.« Er hat kaum ausgesprochen, als Jim eine leere Flasche vom Tisch nimmt und diese in den großen Spiegel wirft. Das Klirren des Spiegels macht auch die Schläfer an den - 81 -
Tischen wach. Der Barmann greift unter den Schanktisch. Aber noch bevor er die darunter liegende Schrotflinte berühren kann, zeigt ihm Cole seinen Colt. »Ihr Narren«, knurrt der Barmann, »ihr hirnverbrannten Narren!« »Eine Flasche und drei Gläser«, murmelt Bill. Da gehorcht der Mann. Jack Flynn, Jenkins' Vormann, tritt zu den Brüdern. »Was ist euch für eine Laus über die Leber gelaufen? Ich dachte, ihr säßet jetzt auf der Ranch und feiert mit Bruder und Schwägerin Hochzeit?« »Sie wollen uns dort nicht haben«, knurrt Jim bitter und leert sein Glas. »Sie wollten uns beibringen, wie man sich schämt, voller Reue auf die Knie fällt und um Vergebung bittet. Aber wir machen so etwas nicht mit.« Als er verstummt, ruft Bill: »Trink mit uns, Jack! Wir sind alte Freunde!« Er lacht wild. »Wo ist Faro Jenkins?« fragt Cole dann. Aber bevor jemand antworten kann, öffnet sich die Seitentür. Pete Parker kommt herein. Man sieht ihm an, daß er nicht geschlafen hat. Er bleibt stehen, starrt die Lamm-Brüder an und sagt dann hart: »Raus mit euch! Ich habe euch die Stadt verboten! Und bevor ihr verschwindet, werdet ihr den Spiegel bezahlen. « »Werden wir das?« fragt Jim und prostet ihm zu. »Großer Mann, wir sind heute wilde Wölfe und wollen rohes Fleisch haben. Und niemand kann uns einen Spaß verbieten. Wir haben uns mächtig ärgern müssen und sind gerade in der richtigen Stimmung, um ganz Tonto - 82 -
vor die Füße zu spucken.« Nach diesen Worten wird es still. Dann hört man Pete Parker flüstern: »Also hat euch der große Bruder nicht zähmen können. Nun gut!« Er wendet sich um und will den Saloon wieder verlassen. Aber da ruft Cole scharf: »Hiergeblieben, Parker!« Der wendet sich zurück und kommt bis zur Ecke des Schanktisches. »Ihr Narren«, sagt er. »Hier in meiner Stadt könnt ihr das nicht tun. Es dauert keine fünf Minuten, dann sind all meine Leute hier und reißen euch die Ohren ab. Und dann werdet ihr herausfinden, daß ihr nur kleine Jungens seid, die klein beigeben müssen.« »Probieren wir es aus«, grinst ihn Jim an. Aber Parker beachtet ihn nicht, sondern blickt zur Schwingtür hin. Die wird nämlich jetzt geöffnet. Marshal Reb Sharp kommt herein. Auch er ist noch nicht rasiert. Er muß sehr eilig von seinem Office herübergekommen sein. »Jungens«, sagt er, »ihr habt ja gewußt, daß ich euch einsperren muß, wenn ihr noch mal in die Stadt kommt.« Er macht eine kleine Pause und blickt zu Pete Parker hinüber. »Oder ist das Stadtverbot für diese drei Lümmels aufgehoben?« »Nein«, sagt Parker trocken. »Als Vorsitzender des Stadtrates und als vorläufiger Friedensrichter in diesem Lande sage ich Ihnen, Marshal, daß sie festzunehmen und einzusperren sind. Überdies haben sie den Spiegel zerschlagen.« Reb Sharp nickt bitter. - 83 -
Und dann sagt auch er: »Schade, daß Emmet euch nicht zähmen konnte, ihr Narren! Ich nehme euch mit! Parker, nehmen Sie ihnen die Waffen ab. Ich sperre sie ein!« Pete Parker zögert. Die drei Brüder grinsen nämlich wild. Und Cole hat sich ihm zugewendet. Alle anderen Männer sind zur Seite gewichen. Und Cole sagt hart: »Daraus wird nichts! Reb, gehen Sie fort und lassen Sie uns in Friedet! Parker, wenn Sie die Sache jetzt weiter vorantreiben wollen, dann wird es ziemlich höllisch. Wir lassen uns nicht wie dumme Jungens zurechtstutzen. Wir werden jetzt dafür sorgen, daß man uns respektiert und in aller Zukunft aus dem Weg gehen wird. Es wird rauh, Mister, wenn ihr weiter auf uns losgehen wollt.« »Yeah«, meldet sich auch Jack Flynns Stimme spöttisch. »Man sollte diese prächtigen Jungens wirklich in Frieden lassen.« Parker starrt Faro Jenkins' Vormann seltsam an. Der Barmann seufzt hinter dem Schanktisch. Faro Jenkins' Mannschaft grinst und wartet ab. Wenn die drei Lamm-Brüder mit ihrer Frechheit durchkommen, wird Pete Parkers Einfluß nicht mehr groß sein. Er blickt seinen Barmann an und erkennt in dessen Augen die Bereitschaft. Und da nickt er Reb Sharp zu und sagt: »Ich nehme diesen Lümmeln die Waffen ab. Passen Sie auf, Reb!« »Sicher«, sagt dieser und legt mit dem Daumen den Hammer seines Colts zurück. Pete Parker will den ersten Schritt machen und hebt - 84 -
schon einen Fuß, als draußen ein Pferd herangaloppiert kommt und hart gezügelt wird. Ein Reiter springt ab. Man hört schnelle Schritte. Die Schwingtür wird abermals aufgestoßen. Emmet Lamm ist gekommen. Er wirft einen raschen Blick in die Runde. Dann hat er alles begriffen. »Parker«, sagt er, »es tut mir leid, daß sie mir ausgebrochen sind. Aber überlaßt mir die Sache. Ich nehme sie mit. Ich bringe sie wieder aus der Stadt.« »Der Spiegel kostet hundert Dollar«, murmelt Parker. Und obwohl man es ihm nicht ansehen kann, ist er nun froh über Emmet Lamms Eintreffen. Auch Reb Sharp nickt zufrieden. Der alte Hogan Lamm war sein Freund. Er hätte nicht gerne auf seine Söhne geschossen. Deshalb senkt er die Waffe und murmelt: »Es ist gut, Emmet.« Der sieht die Brüder an. Diese starren wütend zurück. »Großer«, sagt Jim, »euer Trick auf der Ranch hat nicht geklappt, nicht wahr? Wir sind vor euch nicht auf die Knie gefallen. Das hätte euch so gefallen, nicht wahr? Und wir wollten auch deine Zweisamkeit mit der Lady nicht stören. Wir wünschen euch viel Glück. Aber nun gehen wir wieder unsere eigenen Wege! Hast du gehört? Laß uns zufrieden!« »Ihr gehört zu mir«, murmelt Emmet. »Ihr seid meine Brüder! Und ihr gehört auf die Ranch unseres Vaters. Ihr werdet nicht wie junge Wölfe herumstreifen und euch in schlechte Gesellschaft begeben. Dir kommt sofort mit mir!« »Geh zur Hölle, Großer«, knurrt Bill. Emmet seufzt. Dann setzt er sich in Bewegung. Er - 85 -
marschiert genau auf Bill zu. Dieser erkennt zu spät den Zorn in Emmets Augen. Er weicht zu spät zurück. Emmets Faust trifft ihn mit einem Aufwärtshaken, der Bill gegen den Schanktisch wirft, an dem er dann zu Boden rutscht. Aber das alles sieht Emmet nicht mehr. Denn als er Bill schlägt, stößt Jim einen wilden Schrei aus und wirft sich von der Seite her gegen ihn. Er bekommt Jims Faust auf Ohr und Kinnwinkel, und er staunt unwillkürlich darüber, wie der Junge schon zuschlagen kann. Körperlich ist Jim wirklich schon ein Mann. Und Jim hämmert weiter auf ihn ein, so daß er sogar ins Wanken gerät und über Bills Beine stolpert. Dadurch stolpert er in Coles Faust hinein. Cole ist der härteste der drei Jungen. Er trifft Emmet am Kopf und stößt ihm dann die Faust in die Rippen. Emmet fällt auf die Knie. Er ist für einige Sekunden erledigt und erträgt höllische Schmerzen. Die letzten vierundzwanzig Stunden waren wohl doch zuviel für ihn. Er ist mehr als fünfzig Meilen geritten, hat mit Faro Jenkins gekämpft, hat geheiratet, hat langsame Milchkühe getrieben, hat die halbe Nacht gearbeitet. Indes er so kniet und seine Not bekämpft, hört er Cole heiser neben sich sagen: »Du bist nicht groß genug, Bruder, um uns deinen Willen aufzwingen zu können. Unsere Wege trennen sich jetzt. Jim und Bill haben dir schon alles gesagt. Finde dich damit ab. Wir werden für Faro Jenkins reiten. Dort bei ihm sind wir unter Freunden. Dort wird es uns besser gefallen als bei dir und deiner Frau.« Emmet hört es. Er erhebt sich mit einem Ruck. Cole weicht zurück und hebt seine Fäuste zur Deckung. Aber - 86 -
Emmet hat seine Schwäche und die körperliche Not überwunden. Sein Zorn ist jetzt mächtig. Er explodiert nun regelrecht, und von irgendwoher aus seinem Körper holt er Kraft und Härte. Schon seine erste Gerade durchbricht Coles Deckung und trifft das Kinn. Dann trifft er ihn zweimal auf die Rippen und fegt ihn regelrecht mit einem wilden Schwinger von den Beinen. Ja, selbst Cole ist kein Gegner für ihn. Emmet Lamm ist zu mächtig. Ein bitterer Zorn hat ihn erfaßt. Es tut ihm weh, seine Brüder verprügeln zu müssen. Er will sie nun auf die rauhe Art zähmen. Und weil er schon ahnt, daß gerade diese Art verkehrt sein wird, ist sein bitterer Zorn so groß. Aber er weiß nun keinen anderen Ausweg mehr. Sein ganzes Sinnen und Trachten richtet sich im Moment darauf, die drei wilden Brüder unter Kontrolle zu bekommen und mitzunehmen auf die Ranch. Bill und Cole sind nun ausgeschaltet. Sie liegen am Boden. Bill sitzt allerdings mehr, als er liegt, und bewegt sich schon wieder, greift mit einer Hand zur Schanktischkante hoch und will sich so auf die Beine ziehen. Cole ist zwischen Stühle und Tische gerollt. Emmet hört abermals Jims wilden Schrei. Und dann springt ihn Jim von der Seite her an. Wieder trifft er Emmet schmerzvoll. Dieser Junge kann kämpfen, aber gegen den pantherhaften und geschmeidigen Cole ist er nur eine Wildkatze. Emmet wendet sich fast langsam und bedächtig zur Seite. Dann fängt er Jims wilden Schwinger ab und trifft ihn schwer. Jim stolpert über Bills Beine, kracht auf den Rücken, - 87 -
wälzt sich keuchend auf die Seite und bewegt sich dann nicht mehr. Er ist bei Besinnung, aber wie gelähmt. Emmet schnauft bitter. Er sieht sich um. Faro Jenkins' Mannschaft steht unbeweglich und starrt ihn an. Sie haben nun eine ganze Menge an Emmet Lamm erkannt. Und sie wissen jetzt endgültig, daß er wirklich der große Bruder dieser drei wilden Jungens ist, der immer in der Lage sein wird, sie wenigstens auf die rauhe Art unter Kontrolle zu bringen. Bill und Jim erheben sich nun schwankend. Sie wirken wie betrunken. Aber sie hören Emmets scharfe und klirrende Stimme präzise sagen: »Jim! Bill! Holt Cole zwischen den Stühlen hervor! Tragt ihn hinaus und legt ihn über den Sattel! Vorwärts! Ich bringe euch zur Ranch. Ich zähme euch jetzt. Und ihr könnt das alles noch viel rauher haben. Bei Gott, ihr werdet nicht in Jenkins' Mannschaft reiten. Und wenn ich euch jede Stunde am Tage verprügeln muß. Ihr werdet für das Brandzeichen eures Vaters reiten.« »Oh, Großer, geh zur Hölle«, krächzt Bill. Und Jims Hand legt sich an den Coltkolben. »Du gibst mir keine Befehle, Großer«, stößt er wild hervor. »Auch zwischen Brüdern gibt es Grenzen.« Emmet läßt drei Sekunden verstreichen. Als er dann spricht, klingt seine Stimme so, als spürte er die ganze Bitterkeit der Welt in sich. »Jim«, sagt er fast sanft, »unser Vater ist tot. Und ich tue nur, was er getan haben würde. Du kannst dich darauf verlassen, daß ich dich auch als Paket zusammengeschnürt zur Ranch schaffe, wenn du es nicht anders haben willst.« Jim stößt einen zitternden Laut aus. Er blickt zu Bill hinüber, der am Schanktisch lehnt und sich daran - 88 -
festhalten muß. Bills Gesicht ist sehr bleich. Er würgt ständig und bekämpft einen Brechreiz. Cole bewegt sich überhaupt noch nicht. »Vorwärts!« keucht Emmet. Und weil ihn die beiden Brüder anstarren, trifft sie sein Blick. Und weil sie sein Blick trifft, hämmert nun sein stahlharter Wille auf sie ein. »Du wirst bestimmt keinen Spaß an uns haben«, keucht Bill. Er löst sich vom Schanktisch und tritt schwankend zu Cole. Dort tritt er einige Stühle zur Seite und blickt dann auf Cole nieder. »Gleich wacht er auf«, sagt er. Und das geschieht auch. Cole setzt sich plötzlich auf. Er muß schon vorher bei Bewußtsein gewesen sein und zugehört haben. Denn er sagt sofort heiser und fast pfeifend: »Dann verprügle uns also nochmals, Großer! Wir gehen nicht mit dir! Du mußt uns noch ganz anders prügeln, du Narr! Und ich wette, du wirst das nicht fertigbringen!« Nach diesen Worten wird es still. Emmet senkt etwas den Kopf. Ja, er weiß, daß er nicht nochmals auf seine Brüder einschlagen kann. Sein Zorn ist verraucht. Indes er nachdenkt, was er nun tun soll, sagt Reb Sharp hart: »Wenn sie nicht sofort mit dir reiten und die Stadt verlassen, Emmet, geht alles wieder von vorn los. Dann sperre ich sie wegen Stadtfriedensbruchs ein.« »Also kommt«, sagt Emmet bitter. Doch in diesem Moment wird die Schwingtür hinter ihm aufgestoßen. Er wendet den Kopf und blickt über die Schulter. - 89 -
Es ist Faro Jenkins. Und er hält sofort an, blickt schnell und scharf in die Runde und bekommt glitzernde Augen. »Es ist eine richtige Familientragödie, Faro«, sagt sein Vormann Jack Flynn von der Ecke des Schanktisches her. »Die Jungens wollen ihm nicht gehorchen, und er hat sie verprügelt. Aber sie wollen ihm immer noch nicht gehorchen. « »Yeah, wir sind fertig mit ihm«, grollt Jim. »Wir wollen für dich reiten, Faro.« Wieder wird es still. In diese Stille hinein lacht Faro Jenkins heiser. Dabei starrt er Emmet an, der sich ihm zugewandt hat. In seinen Augen sind tanzende Lichter. »Deine Brüder sind fertig mit dir, Mister«, sagt er kalt zu Emmet. »Und weil sie jetzt für mich reiten, stehen sie unter meinem Schutz. Reb, steck deinen Colt weg und verschwinde!« Er verstummt, legt seine Hand um den Colt und starrt Emmet gierig an. »Wenn deine drei prächtigen Brüder nicht meine Freunde wären, würde ich euch nicht davonkommen lassen, Emmet Lamm. Aber ich besuche ganz bestimmt mal deine Frau. Hester wird eines Tages ganz sicher erkennen, daß sie sich den falschen Mann genommen hat. Verstehst du das, Rebellen-Captain?« Emmet Lamm betrachtet seine Hand. Die Knöchel sind zerschlagen. Die Hand schwillt immer noch an. Und er weiß, daß Faro Jenkins mit Absicht von Hester spricht. Jenkins will ihn wieder in Wut versetzen, herausfordern. In Jenkins' Augen entdeckt Emmet den heißen Wunsch nach einem Revolverkampf. Jetzt sagt Jenkins: »Geh, großer Mann! Verschwinde!« - 90 -
Aber Emmet schüttelt den Kopf. Er bewegt seine Rechte und senkt sie zum Colt nieder. »Du kannst deinen Spaß haben, Jenkins. Ich erkenne deine Wünsche in deinen Augen. Und nimm nie wieder den Namen meiner Frau in den Mund, du schuftiger Weidepirat! Vorwärts, Jenkins! Beginne mit der Sache! Wenn meine Brüder für dich reiten und allerlei schmutzige Arbeit verrichten sollen, mußt du erst mit mir um sie kämpfen. Und diese Lösung gefällt mir besser, als daß ich sie ganz und gar zerbrechen muß.« Wieder erscheint ein wildes Verlangen in Faro Jenkins' Augen. Aber dann grinst er und schüttelt den Kopf. »Deine Brüder sind meine guten Freunde. Ich tausche sie nicht gegen einen Kampf mit dir ein. Sie könnten nicht bei mir bleiben, wenn ich ihren Bruder töte. Das könnten sie nicht.« Er blickt nach diesen Worten zu Jim, Bill und Cole hinüber, die bleiche Gesichter bekommen haben. »Ich bringe euch ein großes Opfer«, knurrt er. »Das vergessen wir dir nie«, sagt Cole gepreßt. »Emmet soll uns nur in Frieden lassen. Wir reiten unseren eigenen Weg. Laß uns zufrieden, Emmet, geh!« Emmet atmet langsam aus. Dann sieht er Reb Sharp an. »Ich gebe auf, Reb murmelt er. »Und du solltest ebenfalls aufgeben. Dies hier ist eine Banditenbande. Und diesmal hat sie in dieser Stadt die Leitung in der Hand.« »Parker«, sagt er, »heute hat Faro Jenkins sich auch Ihre Stadt in die Hosentasche gesteckt.« »Nur heute«, sagt Pete Parker sanft und wirft Faro Jenkins einen seltsamen Blick zu. Emmet tritt zum Marshal, legt seine Hand auf dessen magere Schulter und sagt: - 91 -
»Kommen Sie, Reb.« »Yeah, Marshal«, sagt auch Pete Parker ruhig. »Es hat keinen Sinn heute. Aber beim nächsten Male werden wir vorbereitet sein. Ich werde dafür sorgen.« Er starrt Faro Jenkins abermals seltsam an. Reb Sharp und Emmet Lamm gehen langsam hinaus. Draußen sitzt Emmet auf. Vom Sattel aus blickt er auf Reb Sharp nieder. »Es ist besser so, Reb«, sagt er. »Das war eine Machtprobe«, murmelt der alte Kämpfer. »Und Faro Jenkins hat sie gewonnen. Er hat in Pete Parkers Stadt seinen Willen durchsetzen können.« »Yeah«, nickt Emmet. Und dann reitet er aus der Stadt. Er reitet langsam und niedergeschlagen. Er ist mit Bitterkeit angefüllt. Emmet denkt auch daran, daß er mit Hester ganz allein auf der Ranch ist. Seine Brüder sind fort. Er besitzt keine Mannschaft. Und seine Weide liegt genau zwischen Faro Jenkins' Canyon und dem Weideland der drei großen Rancher. *** Es ist schon Mittag, als Emmet die Ranch erreicht. Hester steht auf dem Hof und füttert ihre Hühner. Der Wagen ist zum Teil abgeladen. Hester wirkt sehr müde. Gewiß hat sie bis jetzt pausenlos gearbeitet. »Sie reiten jetzt für Faro Jenkins«, sagt er düster und steigt aus dem Sattel. Er wischt sich müde über die Augen. Sie kommt zu ihm, lehnt sich an ihn und gibt ihm einen Kuß. »Faro Jenkins ist ein Wolf«, erwidert sie. »Eines Tages werden deine wilden und trotzigen Brüder - 92 -
erkennen, daß er nicht mit dir zu vergleichen ist. Und wenn er etwas tut, was ihnen nicht gefällt, werden sie ihn richtig erkennen. Emmet, sie sind doch nicht schlecht! Sie sind nur wild. Wenn sie an Faro Jenkins etwas Schlechtes erkennen, werden sie zu dir kommen.« »Hoffentlich ist es dann nicht zu spät für sie«, murmelt er und streicht über Hesters Haar. Es wird Abend, und sie haben sich inzwischen von den Strapazen der letzten vierundzwanzig Stunden erholt. Sie sitzen beim Essen, da neigt Emmet den Kopf zur Seite und lauscht. Gleich darauf vernimmt auch Hester den Hufschlag vieler Reiter. Er ist noch sehr fern, und es ist auch noch nicht klar, wohin diese Reiter wollen. Aber eines ist klar: Dort draußen auf der Weide reitet eine Mannschaft. »Faro Jenkins?« flüstert Hester fragend, und in ihren Augen, in denen soeben noch das Glück leuchtete, erscheint der Ausdruck banger Sorge. Emmet hebt abwehrend die Hand, und dann lauschen beide. Der Hufschlag wird lauter. Es muß eine sehr starke Mannschaft sein. Plötzlich erhebt sich Emmet und gleitet zur Tür. Er lauscht noch eine kurze Weile, dann greift er nach dem Gewehrständer neben der Tür. Früher, zur Zeit seines Vaters, da standen in diesem Gewehrständer mehr als zwei Dutzend Gewehre. Jetzt stehen nur Emmets Spencer-Karabiner und Hesters Schrotflinte darin. »Lösch die Lampe«, murmelt Emmet sanft. »Wir bekommen Besuch!« Er gleitet hinaus und draußen auf der Veranda entlang. Hester löscht schnell die Lampe und nimmt dann ihre Schrotflinte. Sie stellt sich in die Tür. - 93 -
So warten sie. Der Hufschlag wird immer lauter und hallender. Dann hat die Mannschaft die Corrals erreicht, zügelt die Tiere und kommt dann langsam um das Schlafhaus herum in den Hof geritten. Die Sterne leuchten, und ein Sichelmond schiebt sich immer wieder durch dünne Wolkenschleier. Emmet kann die Silhouetten der Reiter gut erkennen. Es sind mehr als zwanzig. Er weiß sofort, wer sie sind. Deshalb überrascht es ihn nicht, als er nun Wyatt Keenes Stimme präzise sagen hört: »Emmet Lamm!« »Hier!« ruft Emmet halblaut von der Ecke der Veranda zurück. Und mit einem schärferen Unterton fügt er hinzu: »In der Tür dort, das ist meine Frau!« »Hallo, Hester«, sagt Wyatt Keene sanft. »Hallo, Wyatt«, erwidert sie ruhig. Zwei Reiter schieben sich neben Wyatt Keene. Es sind Terry Rood und Hiob Chisholm. Man kann erkennen, daß sie an ihre Hutkrempe greifen. Die anderen Reiter halten sich mehr im Hintergrund, aber sie haben sich auch gut verteilt. Fast sieht es so aus, als hätten sie die Ranch besetzt. »Emmet«, sagt Wyatt dann knapp, »wir sind zu Faro Jenkins unterwegs. Wir reiten durch seinen Canyon und sehen auf seiner Weide nach. Und wenn wir etwas finden, was uns nicht gefällt, dann machen wir es rauh.« Emmet erschrickt nicht besonders, denn er hat das schon geahnt. Aber er denkt jetzt in größter Sorge an seine Brüder. Aber seine Stimme klingt ruhig, als er fragt: - 94 -
»Und warum besucht ihr mich hier?« »Es gibt mehr als einen Grund, Emmet«, murmelt Wyatt Keene bitter. Er treibt sein Pferd noch etwas vor, und die beiden anderen Rancher folgen ihm. Sie sind nun dicht vor der Veranda, nahe bei Emmet. Hester kommt zu ihm. Wyatt Keene fährt fort: »Deine Brüder sind zu Faro Jenkins übergelaufen. Du konntest es nicht verhindern. Wir haben von der Sache im Tonto-Saloon schon gehört. Faro Jenkins hat seine Mannschaft verstärkt. Es sind Revolvermänner, die für ihn reiten. Und er hat in der Stadt seine Stärke demonstriert. Er hat den Marshal, dich und Pete Parker zurechtgestutzt. Ihr konntet nichts machen, nicht wahr?« »Nein«, murmelt Emmet. »Siehst du! Faro Jenkins fühlt sich nun groß und stark genug, um wie ein Wolf aus der Höhle zu kommen. Er besitzt auch eine Menge Bargeld. Das besitzen wir nicht. Denn Texas ist jetzt arm. Wir besitzen Rinder, aber nur wenig Geld. Wir können uns keine Revolvermänner anwerben, weil diese ihren hohen Revolverlohn pünktlich ausgezahlt haben möchten. Und deshalb können wir nicht darauf warten, bis Faro Jenkins sich noch ein weiteres Dutzend hartgesottener Burschen anwirbt und uns zum Teufel jagt. Er ist eine Gefahr, die mit jedem Tag größer wird. Zuerst aber wird er deine Weide besetzen. Deine Grenze endet vor seinem Canyon. Du bist zuerst an der Reihe. Und deine Brüder sind bei ihm.« Er verstummt. Hiob Chisholm sagt neben ihm: »Wir haben schon viel zu lange gewartet und gezögert. Jetzt müssen wir alle zusammenhalten.« Und Terry Rood sagt dann kurz: »Reite mit, Emmet! - 95 -
Wir fordern dich als Nachbarn auf. Oder glaubst du daran, daß Faro Jenkins dich deiner Brüder wegen ungeschoren lassen wird? Dann irrst du dich, denn er ist ein Wolf.« Danach wird es still. Emmet Lamm seufzt unwillkürlich. Zugleich aber wird er sich darüber klar, daß die drei Rancher die wichtigste Sache gar nicht ausgesprochen haben. Aber Hester spricht sie jetzt mutig aus. Sie sagt: »Rette deine Brüder, Emmet! Sie reiten auf der falschen Seite! Dies ist jetzt ganz sicher. Sie reiten für einen Räuber. Und wenn sie für Faro Jenkins erst getötet haben, ist es zu spät. Emmet, diese drei Gentlemen sind im Recht. Gewiß, sie waren all die Jahre hart zu ihren kleinen Nachbarn und ließen keinen hochkommen. Aber darum geht es jetzt nicht. Faro Jenkins will alles. Er fängt mit den Großen an und wird mit den Kleinen aufhören. Deine Brüder wollen ihm dabei helfen. Emmet, irgendwie mußt du sie aus der Sache herausholen. Und vielleicht könnt ihr Faro Jenkins noch aufhalten. Vielleicht ist es noch nicht zu spät.« Emmet bleibt eine Weile still und bewegungslos. Dann fragt er: »Wer ist der Reitboß?« »Du, mein Junge«, sagt Wyatt Keene. »Und wir wollen kein Unrecht tun. Wir wollen erst auf Faro Jenkins' Weide nachsehen. Aber es ist sicher, daß wir ganze Rinderherden mit unseren Brandzeichen finden. Und dann werden wir nichts anderes tun, als einen Räuber zu fangen. Das ist unser gutes Recht. Dein Vater war immer unser Reitboß, wenn wir gemeinsam ritten. Aber wir bitten dich nicht darum. Wir machen dir nur das Angebot. Wir kämen auch ohne dich zurecht. Aber - 96 -
vielleicht ziehen sich deine Brüder aus der Sache zurück, wenn sie erst erkennen, daß du uns führst und sie auf dich schießen müßten.« »Ich verstehe«, murmelt Emmet. Er legt seine Hand auf Hesters Schulter. »Ich reite mit, Hester.« »So ist es richtig, Emmet!« »Du bist eine prächtige Frau«, murmelt er, »du bist der beste Kamerad.« Seine Hand preßt ihre Schulter. Dann geht er von der Veranda. »Ich hole mein Pferd«, sagt er. Wyatt Keene zieht seinen Hut. »Hester«, sagt er, »seine Mutter war wie du. Sie hielt seinen Vater niemals zurück und ließ ihn tun, was er glaubte tun zu müssen. Deshalb war Big Hogan Lamm immer unerschütterlich, hatte nie Zweifel an einer Sache und ritt seinen Weg.« Emmet kommt von den Corrals herüber geritten. Er hat unwahrscheinlich schnell gesattelt. »Reiten wir«, sagt er. »Auf bald, Hester!« »Reitet mit Glück - alle! Und ich mache mir keine Sorgen um dich, Emmet!« So ruft sie klar. Sie gibt ihm das Gefühl mit, bei seinen Entscheidungen nicht an sie denken zu müssen. Ihre Stimme verrät nichts von ihrer Angst und Sorge. Und so führt er die Reiter in die Nacht hinaus, nach Norden zu über die Weide. Sie sind alle wieder vereint, und Emmet Lamm führt sie an. Wie in alten Zeiten, als sein Vater, Hogan Lamm, noch lebte.
- 97 -
***
Sie reiten fünfzehn Meilen durch die Hügel und über die Weide. Dann öffnet sich vor ihnen das große Maul des Canyons. Mondlicht sickert durch Wolkenschleier. Und in der Wachhütte, die mitten im Canyonmaul steht, brennt kein Licht. Emmet hält an. Er wendet sich um. Die Rancher schieben sich neben ihn. »Nun?« sagt Wyatt Keene drängend. »Wir sollten auf den Tag warten und erst die Umgebung absuchen, bevor wir in den Canyon reiten«, murmelt Emmet. »Denn wenn Faro Jenkins die Idee hatte, auf uns zu warten, kann er uns den Rückweg verlegen.« »Wir glauben nicht, daß er uns heute schon erwartet«, knurrt Hiob Chisholm. Emmet zögert immer noch. »Reiten wir«, drängt Wyatt Keene. »Wir müssen überraschend kommen.« »Es gefällt mir nicht, daß diese Wachhütte verlassen ist. Nicht einmal Pferde sind im Corral«, erklärt Emmet. »Dann übernehmen wir die Verantwortung«, grollt Terry Rood. »Und wir können ja auch drei oder vier Reiter in der Hütte zurücklassen, nicht wahr?« »Richtig«, sagt Wyatt Keene. »Reiten wir, damit wir auch noch vor Tag zu seiner Ranch kommen.« Er reitet an. Alle Reiter folgen ihm sofort. Emmet seufzt. Er weiß, daß er sich jetzt mit den Ranchern streiten müßte, und sie würden ihm vorwerfen, übervorsichtig zu sein. Er reitet also mit, denn er verspürt selbst eine drängende Ungeduld. Vor der Wachhütte halten sie an. Wyatt Keene ruft die - 98 -
Namen von drei, Männern. Diese sitzen ab. Zwei durchsuchen die Hütte. »Bleibt also hier«, sagt Emmet dann zu den drei Männern. »Nehmt die Pferde mit in die Hütte hinein, selbst wenn ihr den Eingang zu diesem Zweck vergrößern müßt. Und bleibt immer in Deckung. Rechnet damit, daß ihr angegriffen werden könntet. Ihr müßt uns den Rückweg freihalten. Habt ihr das begriffen?« »Genau«, sagt einer der Männer. Dann führt Emmet die Mannschaft in den Canyon hinein. Er hat die Männer inzwischen gezählt. Mit ihm und den drei Ranchern sind es insgesamt einundzwanzig Mann. Im ersten Morgengrauen erreichen sie das Ende des Canyons. Vor ihnen liegen die Gebäude der Ranch. Es ist eine primitive Arbeitsranch, der man selbst jetzt im trüben Morgenlicht ansehen kann, daß sie nicht das Heim einer Familie, sondern eben nur eine Männerranch ist. In den Corrals bewegen sich Pferde. Sonst liegt alles still. Emmet läßt die Reiter ausschwärmen. Sie reiten dann langsam auf die Ranch zu, umschließen sie und dringen überall ein. Aber sie finden nur eine Katze, einen Hund und etwa fünfzig Pferde in den Corrals. Als die Ranch durchsucht ist, treffen sich Emmet und die Rancher vor der einzeln stehenden Blockhütte. »Niemand da«, knurrt Hiob Chisholm, und er wirkt sehr nervös. »Aber die Ranch ist nicht geräumt«, erklärt Terry Rood und schüttelt sein Löwenhaupt. »All der persönliche Besitz der Reiter ist, vorhanden.« - 99 -
»Faro Jenkins spielt mit uns Katze und Maus«, sagt Emmet ruhig und steigt dann wieder in den Sattel. »Er ist da vorgerannt und hat sich versteckt«, ruft Wyatt Keene und schiebt sein Kinn vor, so daß sein Spitzbart fast waagerecht davon absteht. »Jenkins läuft nicht davon«, erwidert ihm Emmet ruhig und läßt seinen scharfen Blick in die Ferne schweifen. »Er beobachtet von irgendwoher. Und ich denke, wir werden noch eine Menge Verdruß bekommen.« »Zum Teufel, warum auch nicht?« fragt Keene sofort wild. »Wir sind doch hergekommen, um etwas herauszufinden. Und dazu mußten wir erst einmal durch den Canyon und hier auf diese Weide reiten. Los, fangen wir an.« Wenig später reiten sie geschlossen über die Weide. Sie ist reichlich mit Rindern bestückt. Überall grasen die Rudel, und die mit Buschwerk angefüllten Senken mit ihren Wasser- und Schlammlöchern sind voller Rinder. Immer wieder jagen die Reiter Rinder zusammen, kreisen diese ein und betrachten die Brandzeichen. Sie finden fast alle Brandzeichen des Landes, Wyatt Keenes »Hut-Brand«, Terry Roods »Tasse«, Hiob Chisholms »C-im-Zirkel«, den »Spornrad-Brand« der Lamms und auch Brandzeichen vieler kleineren Ranches. Sie finden ältere Kühe, Stiere und Jungtiere. Die vielen Rustlermannschaften, die überall im Land arbeiten, haben wahllos alles auf diese Weide gebracht. Emmet spürt die prüfenden Blicke der Rancher auf sich ruhen. Sie sagen nichts, aber das ist auch gar nicht nötig. Emmet weiß selbst, daß seine drei wilden Brüder zu einem gewissen Teil für diesen Viehdiebstahl verantwortlich sind. - 100 -
»Das ist es also!« sagt Wyatt Keene scharf. Der falkengesichtige Chisholm flucht bitter. Terry Rood schüttelt grimmig sein Löwenhaupt. »Fangen wir an«, sagt er drängend. Und dann blicken sie sich alle um. Sie starren wachsam zu den Hängen, Bergfalten und Hügeln hinüber. Sie fühlen sich nun nicht mehr so sicher. Selbst dem dümmsten und stursten Reiter wird klar, daß Faro Jenkins nun sicherlich lange genug gewartet hat. Und Emmet spricht aus, was sie alle irgendwie denken: »Er hat uns alles sehen lassen«, sagt er. »Er hat uns ungehindert auf seine Weide gelassen und uns nichts in den Weg gelegt. Er war sich vollkommen darüber klar, was wir sehen, erkennen und finden würden. Er hat immer und von Anfang an gewußt, daß es eines Tages so kommen würde, weil er sich gar nicht die Mühe gemacht hat, es zu verbergen oder zu verändern.« Er macht eine Pause und blickt die Rancher fest an. Und dann sagt er pulvertrocken: »Faro Jenkins fühlt sich stärker als wir. Er hat auf den Tag gewartet, an dem ihr zu ihm kommt. Er hat sich auf diesen Tag vorbereitet. Und nun wird er die Sache mit uns austragen. Er wollte, daß wir kommen, und wird uns hier irgendwo angreifen. Wenn er gewinnt, ist er der mächtigste Mann im ganzen Land. Dann gehört ihm alles. Dann hat er sich sein Reich erobert.« »Er wird es nicht schaffen«, knurrt Keene. »Wir suchen ihn ja selbst und werden ihn erwischen.« Terry Rood sieht sich nach seinen sieben Cowboys um und knurrt: »Es ist uns nur recht, wenn er einen Kampf will. Deshalb sind wir ja hergekommen, nicht wahr?« - 101 -
Emmet wendet sein Pferd. »So einfach ist das nicht«, sagt er dabei. »Wir können nur durch diesen Canyon zurück, oder wir müssen einen tagelangen Umweg machen. Probieren wir erst einmal aus, ob der Rückweg nicht abgesperrt ist.« Er reitet schnell auf die Ranch zu, hinter der sich das Canyonmaul öffnet. Die Reiter folgen ihm. Aber als sie dicht an der Ranch vorbeireiten, biegen die drei Rancher ab. Bald darauf brennen die Dächer der Gebäude. Die Pferde werden aus den Corrals getrieben. Emmet wartet mit bitterer Ungeduld, bis die Rancher alles zerstört und angezündet haben. Sie tun es mit einem kalten Zorn, der fast bedächtig wirkt; Ihre Cowboys helfen mit einem tiefen Ernst. Dann sind sie fertig. Rauchsäulen steigen gen Himmel. Die Flammen fressen nun überall. Emmet hat indes eine Zigarette geraucht und die Umgebung beobachtet. Einmal glaubt er, auf einem bewaldeten Hang eine Bewegung erkannt zu haben. Die Rancher kommen nun mit ihren Reitern zu ihm. Er drückt die Zigarette am Sattelhorn aus und zieht das Gewehr aus der Sattelhalfter. Und dann führt er sie in den Canyon hinein und weiß schon jetzt, daß der Kampf nun bald losbrechen wird. Faro Jenkins hat jetzt lange genug gewartet. Emmet Lamm aber weiß erst jetzt richtig, für wie stark sich Faro Jenkins hält. Sie reiten langsam und vorsichtig, beobachten die steilen und zum Teil bewaldeten Hänge. Sie halten ihre Gewehre bereit und verspüren immer mehr die Gewißheit, daß sie bald auf Faro Jenkins stoßen werden. Emmet bereut sehr, daß sie in den Canyon geritten sind. - 102 -
Aber er weiß zugleich auch, daß die Rancher dann ohne ihn geritten wären. Er braucht sich nur umzusehen, um den wilden Zorn in allen Gesichtern erkennen zu können. Sie reiten etwa zwei Meilen und kommen unangegriffen um drei Biegungen herum. Sie befinden sich nun in der schmalsten Einschnürung des Canyons. Vor ihnen liegt eine Felsenbrücke, unter deren natürlichem Bogen sie hindurch müssen. Dahinter biegt der Canyon abermals ab. Und da sieht Emmet das matte Blinken eines Gewehrlaufes. Fast im selben Moment sieht er noch weitere Läufe oben auf der Felsenbrücke und unter ihr überall hinter den Klippen. Er wirft sich mit einem wilden Schrei aus dem Sattel, behält dabei das Gewehr fest in der Hand und rollt sich zwischen einige Felsen. Indes er rollt, hört er das scharfe Knallen von Gewehren. Kugeln reißen rings um ihn den Boden auf. Die meisten Gewehre waren also auf ihn gerichtet, aber sein schnelles Reagieren zwang die Schützen zu einem zu raschen Zielen. Er gelangt unverletzt in Deckung, richtet sich auf und beginnt sofort zu schießen. Er jagt Schuß auf Schuß hinüber, indes er drüben die Mündungsfeuer aufblitzen sieht und die Kugeln manchmal sehr dicht um ihn herum in die Felsen schlagen und als Querschläger umhersummen. Erst als er nachladen muß, Patronen aus der Hosentasche holt und dabei den beißenden Pulverrauch einatmet, sieht er sich um. Was er sieht, ist nicht sehr erfreulich. Hiob Chisholm liegt halb unter seinem Pferd und - 103 -
brüllt. Sein Vormann Cal Broker kniet bei ihm und will das tote Tier von seinem Rancher zerren. Aber dann erwischt es ihn auch schon. Er fällt neben Chisholm nieder. Noch zwei weitere Männer liegen dort zwischen den Pferden. Sie bewegen sich nicht mehr. Fast alle Tiere, deren Reiter sich ja alle aus den Sätteln warfen, laufen davon. Ihr schrilles Gewieher und ihr Hufschlag verklingen. Zwei Verwundete, die noch in Deckung kommen konnten, jammern laut. Faro Jenkins und seine Revolvermänner haben zugeschlagen. Yeah, solche oder ähnliche wilde Kämpfe gab es im damaligen rauhen Westen des heutigen Nordamerika wirklich. Sie sind zum Teil geschichtlich verbürgt. Als Emmet wieder zu schießen beginnen will, kommt Wyatt Keene zu ihm gekrochen. Der Rancher flucht bitter. »Wir müssen zurück«, keucht er. »Unsere Pferde sind fort. Wir müssen wahrhaftig zurück. Emmet, es war unser Fehler. Du wolltest ja nicht in diese Mausefalle und hattest deine Bedenken klar genug ausgedrückt. Wir waren die Narren! Wir hätten auf dich hören sollen!« Er verstummt bitter und gibt einige Schüsse ab. Emmet zielt sorgfältig. Als er dann durchzieht, taumelt drüben auf der Felsbrücke ein Mann hinter seiner Deckung hoch. Zuerst fällt das Gewehr, und dann fällt der Mann in den Canyon herunter. »Endlich hat einer von Jenkins' Revolverhelden bezahlt!« keucht Wyatt Keene. Als er dann sein Gewehr neu aufladen muß, knurrt er bitter: »Heiliger Rauch, er muß sich für mächtig stark halten! - 104 -
Er hat uns angegriffen und will uns vernichten. Er will uns hier restlos zerschmettern.« Er beginnt wieder zu schießen. Auch Emmet und all die anderen Männer feuern aus ihren Gewehren. Ihr Feuer wird erwidert. Einmal schreit ein Mann getroffen auf. Aber nun halten sich beide Parteien in guter Deckung. Bald fallen nur noch einzelne Schüsse. Es tritt eine kleine Pause ein. Terry Rood, Dave Allister und Logan Laredo kommen zu Emmet Lamm hinter die Felsen gekrochen. Sie sind voller Zorn, schwitzen und atmen keuchend. Terry Rood blutet im Gesicht, weil eine Kugel ihm ein Dutzend kleine Steinsplitter hineinjagte. »Hiob Chisholm, Cal Broker und zwei Männer sind tot«, keucht er. »Wir haben schon drei Verwundete. Wir müssen fort von hier, Emmet, wir müssen aus diesem Canyon heraus. Diese Schufte haben auch auf unsere Pferde geschossen. Alle Tiere sind fortgelaufen. Zur Hölle, diese Bande bringt uns noch eine Niederlage bei.« »Und deine Brüder, Emmet, sind sicherlich ebenfalls dort oben und haben mit auf dich geschossen«, knurrt Dave Allister böse. Emmet Lamm wendet seinen Kopf. Er sieht Terry Roods bullenhaften Vormann seltsam an. Dann betrachtet er die anderen Männer prüfend. »Nein«, sagt er dann, »meine Brüder sind nicht dabei. Sie hätten nicht zugelassen, daß die Bande auf mich schießt. Sie hätten mich durch Zuruf gewarnt. Meine Brüder sind nicht dabei, sage ich euch. Sicher, sie konnten nicht voraussehen, daß ich mit euch reiten würde. Aber ich ritt ganz vorn an der Spitze, als die ersten Schüsse kamen. Meine Brüder hätten nicht - 105 -
geduldet, daß man aus dem Hinterhalt auf mich schießt.« »Aber wo sind sie dann?« fragt Wyatt Keene. Emmet Lamm überlegt, und dabei wird in ihm eine bittere Vorahnung zur Gewißheit. »Vielleicht gibt es noch eine zweite Überraschung«, sagt er dann. »Welche?« fragt Wyatt Keene sofort. »Vielleicht können wir gar nicht zurück. Aber das werden wir bald wissen. Versuchen wir es!« Er nickt den Männern zu. Dann beginnt er zu kriechen. Deckung ist hier am Rand der Steilhänge genug vorhanden. Hier unten sind viele Felsen, Klippen, Büsche und einzelne Bäume. Überall liegen die Cowboys in Deckung und schießen dann und wann. »Wir ziehen uns um die Biegung des Canyons zurück!« ruft Emmet. »Nehmt die Verwundeten mit.« So beginnen sie den Rückzug. Es wird eine schlimme Sache, denn manchmal müssen sie doch von Deckung zu Deckung gleiten. Dann suchen die Kugeln nach ihnen. Zwischen den Steilwänden des Canyons hallen die Schüsse. Zwei Männer werden verwundet. Aber dann sind sie alle hinter der Schluchtbiegung für eine kleine Weile in Sicherheit. Emmet lehnt an einem Felsen und betrachtet die oberen Ränder des Canyons. Er weiß, daß Faro Jenkins' Leute bald dort oben auftauchen werden, um abermals hinunterzuschießen. Wenn es dunkel wäre, könnte man den Versuch machen, die Wände hochzuklettern und oben Mann gegen Mann zu kämpfen. Aber jetzt bei Tag ist dies nicht möglich. Die Bande würde jeden Kletterer aus der Wand holen. Emmet weiß jedoch, daß hinter der nächsten Biegung - 106 -
die Wände des Canyons weniger steil sind. Dort gibt es bessere Möglichkeiten, denn dort wird der Canyon breiter, seine Wände sind bewaldete Hänge, die in Terrassen hochsteigen. Aber Emmet Lamm ahnt schon, daß hinter der nächsten Biegung eine weitere Überraschung warten wird. »Weiter«, knurrt er, »weiter!« Sie folgen ihm und schleppen die Verwundeten mit. Dann erreicht Emmet Lamm als erster Mann die Biegung. Er nimmt seinen Hut, setzt diesen auf den Gewehrlauf und hält ihn um die Felsnase herum. Sofort krachen einige Schüsse. Der Hut wird von einigen Kugeln durchlöchert und segelt davon. Hinter Emmet fluchen die Männer. Dann wird es still. Und nach einigen Sekunden ruft eine scharfe und wilde Stimme: »Ihr kommt hier nicht durch! Hier ist die Welt mit Kugelblei abgesperrt! Ergebt euch, ihr Narren! Ihr seid fertig! Und in wenigen Minuten spuckt euch Faro Jenkins mit seinen Jungens auf die Köpfe. Ergebt euch lieber. Gleich sind die Prachtknaben zu beiden Seiten des Canyons über euch und geben euch die Hölle zu spüren. Kommt mit erhobenen Händen zu uns!« Alle hören diese Stimme und verstehen jedes Wort. Sie sitzen in der Falle. Bald werden ihre Gegner über ihnen auf den Kämmen auftauchen und wieder zu schießen beginnen. Es sieht so aus, als wären sie geschlagen. Bis zum Einbruch der Dunkelheit, in der sie eine Chance bekämen, sind sie hier unten sicher zusammengeschossen. - 107 -
Aber da ist noch etwas. Nicht viele der Männer hatten die scharfe Stimme erkannt. Und selbst die wenigen Männer, die sie zu erkennen glaubten, sind im Zweifel. Aber für Emmet Lamm ist es sofort klar, daß es Cole war, der gerufen hatte. »Wir hätten nicht in diesen Canyon reiten, sondern auf dich hören sollen«, murmelt Wyatt Keene nochmals bitter. Emmet zuckt mit den Schultern. »Es war Coles Stimme«, sagt er dann. »Jim und Bill und einige andere Männer werden bei ihm sein. Leute, ich gehe jetzt zu meinen Brüdern. Hört ihr?« »Wir werden wohl alle gehen müssen«, knurrt Keene. »Noch nicht«, brummt Emmet kalt. »Ich gehe jetzt zu meinen Brüdern. Aber nicht, um mich zu ergeben oder überzulaufen. Ich will sie zur Vernunft bringen. Vielleicht gelingt mir das. Es ist ein letzter Versuch. Sie werden nicht' auf mich schießen. Paßt auf hier und handelt im richtigen Moment. Wartet!« Alle starren ihn an. Nun begreifen sie, daß er gar nicht aufgeben und überlaufen will. Sie erkennen, daß er nochmals einen Versuch machen will, die Brüder zu zähmen. »Nein«, grinst Emmet bitter. »Aber sie werden bestimmt nicht auf mich schießen. Sie werden dafür sorgen, daß ich ungehindert zu ihnen kommen kann. Und wenn nicht mehr als zwei andere Burschen bei ihnen sind, dann werde ich schon zurechtkommen. Ich gehe jetzt.« Er legt seine Hand an den Mund und ruft: »Cole, hörst du mich?« »Sicher, Emmet! Und es wird nun Zeit, daß du dich - 108 -
aus dieser Sache raushältst! Zum Teufel, warum bist du mit diesen Narren geritten! Halte dich Jetzt heraus! Wir können sonst für gar nichts garantieren!« »Ich komme zu euch, Cole! Hörst du, ich komme jetzt!« »He, lassen sie dich gehen?« »Ich komme!« Emmet tritt langsam hinter der Fels vor. Er geht bis zum Rand des Creekbettes und marschiert dann ruhig um die Biegung. Wyatt Keene legt sich auf den Bauch und kriecht weit genug, um beobachten zu können. Hinter der Biegung, mitten im Canyon, da liegt eine Felsbarriere, durch die der Creek in mehreren Rinnsalen fließt, die sich hinter der Felsansammlung wieder vereinigen. Zwischen diesen Felsen tauchen jetzt Männer auf. Es sind sechs. Wyatt Keene ächzt bitter, als er das sieht. Er wendet den Kopf und sagt zu den anderen Männern zurück. »Er kann es nicht schaffen, Leute. Außer seinen Brüdern sind noch Jack Flynn und zwei andere Revolverschwinger dort. Er kann es nicht schaffen. Gebt mir mein Gewehr! Vielleicht kann ich ihm helfen! Und bleibt in Deckung. Sonst halten sich seine Brüder vielleicht doch nicht aus der Sache heraus.« Und dann wartet Wyatt Keene. *** Emmet Lamm geht langsam und ruhig auf die sechs Männer zwischen den Felsen zu. Als er nahe genug ist, erkennt er in den Augen seiner Brüder ein heißes Brennen. Ihre Gesichter sind unter der sonnengebräunten - 109 -
Haut merkwürdig bleich. Jack Flynn und die beiden anderen Burschen warten wachsam. Sie beobachten die Felsnase, hinter der Emmet zum Vorschein kam. Doch sie können Wyatt Keene und dessen Gewehrlauf wohl nicht erkennen, weil ein Dornenstrauch diesen gut verbirgt. Dieser kleine Strauch ist nur etwa doppelt so groß wie Keenes Kopf. Cole sagt schwer: »Es ist gut, Bruder, daß du kommst! Wir waren in Sorge, weil wir dich bei diesen Narren wußten. Wir konnten es nicht verhindern, nicht wahr? Hoffentlich hast du jetzt erkannt, daß du auf der falschen Seite warst. Mit Faro Jenkins zusammen werden wir groß. Wer gegen ihn ist, geht unter.« »Er ist ein Bandit, und ihr helft ihm«, murmelt Emmet. Er ist nun dicht genug heran und hält inne. Sein Gewehr hat er zurückgelassen. Und seine Rechte hängt geöffnet hinter dem Coltkolben. Jack Flynn sagt scharf: »Vorsichtig, Emmet Lamm! Versuche keine Dummheiten! Cole, hole dir seine Waffe! Alles andere wird Faro Jenkins entscheiden! Euer Bruder wird sich be dingungslos unterwerfen müssen. Und er hat viel Glück, daß ihr unsere Freunde seid. Sonst...« Er bricht ab und macht eine kurze Handbewegung. Emmet sieht seine Brüder nochmals der Reihe nach an. »Brudermord wäre ja eine schlimme Sache, nicht wahr?« fragt er ruhig. »Ich würde niemals auf euch schießen, Brüder. Und ich laufe auch nicht zu euch über, denn ich stehe auf der richtigen Seite. Auch ihr werdet noch erkennen, was Faro Jenkins in Wirklichkeit ist. Hoffentlich ist es dann nicht zu spät für euch!« Er blickt sie abermals der Reihe nach hart und bitter - 110 -
an. Dabei sieht er im Augenwinkel, daß Jack Flynn zu seinem Colt greift. Emmet wirft sich zu Boden, zieht dabei seinen Colt und schießt, bevor er richtig liegt. Die Männer brüllen auf. Jack Flynn, der seinen Colt schon schußbereit in der Hand hielt, will auf Emmet abdrucken. Aber von der Felsnase her kracht Wyatt Keenes Gewehr. Die Kugel stößt Faro Jenkins' Vormann zurück und gegen einen Felsen. Indes schießt Emmet Lamm auf die beiden anderen Männer, die sein Feuer erwidern. Er trifft sie, aber eine Kugel brennt über sein Schulterblatt und reißt eine tiefe Furche. Er sieht die Burschen fallen und blickt zu Jack Flynn, der getroffen am Felsen lehnt. Er sieht, wie der Revolvermann nochmals seine Waffe hebt. Neben Flynn peitscht eine Gewehrkugel gegen den Felsen. Aber der Revolvermann achtet nicht darauf. Er bringt seinen Colt noch einmal hoch und richtet ihn auf Emmet, der sich etwas am Boden aufgerichtet hat, weil ihn der Schmerz in der Schulter hochriß. Sie schießen beide zur gleichen Zeit. Emmet wird von Flynns Kugel zurückgeworfen. Aber er kann noch erkennen, daß er ebenfalls getroffen hat. Bevor er das Bewußtsein verliert, hört er noch das jähe Aufbellen vieler Gewehre. Er sieht, wie seine Brüder sich in Deckung werfen. Und er weiß, daß alles nutzlos war, weil jetzt Faro Jenkins wieder eingegriffen hat und von den oberen Hängen des Canyons schießen läßt. Er hört nicht mehr, wie Jenkins dann das Feuer einstellen läßt und in den Canyon ruft: »Habt ihr nun genug?« - 111 -
Wyatt Keenes Stimme erwidert dann nach einer Weile heiser: »Wir geben auf! Du schuftiger Bandit hast uns geschlagen. Chisholm ist tot, und Rood und ich wir geben auf, weil wir unsere Männer nicht totschießen lassen wollen.« »Dann geht zum Creek und legt die Waffen ab! Hast du gehört, Keene?« *** Beim ersten Mal wacht Emmet Lamm nicht richtig auf. Er spürt nur einen höllischen Schmerz, der mit dem Pulsschlag durch seinen Körper wallt und bis in seine Finger- und Zehenspitzen reicht. Als er die Augen öffnet, sieht er dichte Nebelschleier und dahinter undeutliche Gestalten. .Dann versinkt er wieder in dunkle Tiefen und spürt den Schmerz nicht mehr. Er weiß nicht, wie lange er in den dunklen Tiefen einer barmherzigen Bewußtlosigkeit zubrachte. Aber schließlich kommt dann doch der Moment, da er sich aus der tiefen Ohnmacht kämpft, wie ein Schwimmer, der vom tiefsten Grunde eines schwarzen Sees hinauf zum Licht will. Diesmal schafft er es. Und dann sieht er seine Frau Hester neben sich auf dem Bettrand sitzen. »He, bist du das?« keucht er, denn es kommt ihm unwirklich vor, daß er in einem Bett liegt. Hester beugt sich zu ihm und wischt ihm mit einem feuchten Tuch das schweißnasse Gesicht ab. Dann küßt sie ihn sanft. - 112 -
»Es ist vorbei, Emmet«, murmelt sie. »Deine Brüder brachten dich zu mir. Du hast viel Blut verloren. Du mußt still liegen. In deiner linken Schulter steckt noch die Kugel. Aber du wirst am Leben bleiben. Nur das ist wichtig, hörst du, Emmet? Ich liebe dich doch! Für mich zählt jetzt nur noch, daß du am Leben bleiben wirst.« »Yeah«, murmelt er mühsam. Und dann verliert er wieder die Besinnung. Die junge Frau seufzt. Emmets Gesicht ist schweißnaß. Ein schlimmes Fieber ist in ihm. Sein Gesicht ist eingefallen, und zwischen seinen Bartstoppeln sind dunkle Linien. Die Tür öffnet sich. Cole, Bill und Jim testen auf den Zehenspitzen ein. »Wir haben euch sprechen gehört«, murmelt Bill. Sie betrachtet die drei jungen Burschen ernst. »Was habt ihr nun davon?« fragt sie hart. »Hier liegt euer Bruder. Faro Jenkins beherrscht nun das ganze Land. Und was habt ihr davon?« »Er ist unser Freund. Emmet wußte, daß wir für ihn reiten. Warum mußte er unbedingt an dieser Sache teilnehmen? Er mußte wissen, daß er nicht nur gegen Jenkins, sondern auch gegen uns reiten würde. Warum hat er es getan und ist nicht daheim geblieben?« Cole spricht diese Worte mit aller Bitterkeit. Und die beiden anderen Brüder nicken. Hester nimmt sich Zeit. Sie wischt erst wieder den Schweiß von Emmets »Er ritt mit, weil er euch retten wollte«, sagt sie dann. »Er glaubte daran, daß ihr nicht gegen euren Bruder kämpfen würdet. Und überdies war er davon überzeugt, daß er für das Recht und gegen einen Raubwolf ritt. - Ja, Faro Jenkins ist ein Wolf, der um so unersättlicher wird, - 113 -
je weiter er kommt. Er hat erkannt, daß Faro Jenkins eure wilde Verwegenheit ausnutzen und für seine Zwecke mißbrauchen wollte. Er wollte euch retten. Und auch ihr werdet noch erkennen, was Faro Jenkins, den ihr euren Freund nennt, in Wirklichkeit ist. Wenn er euch nicht mehr nötig hat, wird er euch zum Teufel jagen. Und er wird euch diese Ranch wegnehmen. Ihr werdet für ihn für Lohn reiten.« Sie verstummt hart und anklagend. Aber die drei wilden Jungens, die immer noch nicht zu überzeugen sind, schütteln nur störrisch die Köpfe. Jim sagt heftig: »Er ist doch unser Freund. Er ist uns mehr ein großer Bruder, als Emmet es war. Du wirst es schon erkennen, Hester. Und er wird Emmet sogar verzeihen können.« »Zum Teufel, was soll er ihm verzeihen?« fragt Hester zornig. »Emmet hat ihn verprügelt, mit deiner Hilfe! Du, Hester, hast ihm wegen Emmet einen Korb gegeben. Und Emmet hat gegen ihn gekämpft. Aber jetzt, wo alles ausgetragen ist und in diesem Land eine neue Ordnung beginnt, weil sich alle Dinge nun verschoben haben, wird Faro Jenkins großzügig sein. - Unsere Ranch wird als einzige bestehen bleiben.« »Er wird sie euch wegnehmen. Aber lassen wir es. Jetzt wird es allerhöchste Zeit, daß jemand von euch den Doc aus der Stadt herbeiholt. Soll Emmet denn eine Blutvergiftung bekommen? Die Kugel muß heraus! Ich kann sie ihm nicht entfernen. Nur der Arzt mit seinen Instrumenten kann das. Habt ihr gehört? Jemand muß den Doc holen! Oder muß ich selbst reiten?« »Ich werde reiten«, brummt Cole. Und dann gehen sie hinaus. - 114 -
Als sie auf die Veranda treten, kommt die Sonne weit im Osten über die Berge. Und einige Männer reiten in den Ranchhof. Es sind Faro Jenkins und vier seiner Leute. Jenkins' Gesicht ist hart und unbeweglich. Immer noch trägt er die Zeichen von Emmet Lamms Fäusten. Langsam steigt Jenkins die drei Verandastufen hinauf und hält vor Jim, Cole und Bill inne. Er betrachtet sie seltsam, und dann grinst er. »Das war es«, sagt er trocken. »Wyatt Keene und Terry Rood haben keine Mannschaften mehr. Ihre Jungens sind in alle Himmelsrichtungen geritten. Und sie kommen bestimmt nicht wieder. Ich bin am Ziel! Das alles«, er macht eine ausholende Armbewegung in die Runde, »gehört jetzt mir! Hunderttausend Rinder und mächtig viel Weide - ein ganzes Rinderreich! Ich hätte nie gedacht, daß es so leicht sein würde, eine kleine Welt zu erobern.« Er betrachtet die drei Lamms fest. In seinen Augen beginnt es zu glitzern. »Ich werde diese Ranch zu meinem Hauptquartier machen. Sie liegt genau im Zentrum meiner Weide. Ich werde sie vergrößern. Bald ...« »Dies ist die Lamm-Ranch - und sie führt den Sporenrad-Brand«, unterbricht ihn Cole heftig. »Sie kann gar nicht dein Hauptquartier werden, nicht wahr, Faro?« Er fragt es irgendwie verstört und verwundert. Jim und Bill aber staunen noch und glauben, daß sie sich verhört haben. Faro Jenkins sieht sie seltsam an. Seine vier Begleiter sind sporenklirrend herangekommen und stehen unterhalb der Veranda. Sie lauschen und warten. »Jungens«, sagt Faro Jenkins milde. »Ihr werdet bei - 115 -
mir gute Posten bekommen. Ich möchte euch wirklich nicht verlieren. Ihr werdet gut verdienen, aber der Boß bin ich, und hier ist mein Hauptquartier.« »Faro, wir sind doch Freunde, und wir haben dir geholfen. Wir waren immer deine Partner. Du willst uns doch wohl nicht diese Ranch nehmen? Dort oben auf dem Hügel liegen die Gräber unserer Eltern. Und unser Vater hat diese Ranch errichtet. Deine Worte sollen doch wohl nicht bedeuten, daß wir unsere Ranch an dich abgeben und gegen ein Arbeitsverhältnis eintauschen sollen?« »Genau das«, nickt Jenkins. »Ihr seid noch ziemlich grüne Bengels, wild, verwegen und auch nicht ganz zuverlässig. Ihr müßt erst noch richtige Männer werden. Und ihr braucht noch eine führende Hand. Ich mag euch ziemlich gut leiden. Es wird euch bei mir nicht schlechtgehen. Aber in diesem Land gebe ich jetzt die Befehle. Ich habe doch immer gut für euch gesorgt. Ich habe euch gestohlene Rinder abgekauft und euch auch so stets Geld für jeden Spaß gegeben. Nein, diese Ranch gehört zu all dem großen Ganzen, das ich in Besitz genommen habe. Es gibt keine Insel in meinem Reich. Aber denkt nur nicht, daß ich undankbar bin für eure Hilfe. Ihr dürft doch hier im Land und hier auf dieser Ranch bleiben. Denkt an Wyatt Keene, Terry Rood und all die anderen Burschen. Die müssen abziehen. Und Chisholm ist tot. Es hat sich also für euch gelohnt, daß ihr zu mir gehalten habt. Ich behalte euch bei mir. Es wird euch gefallen. Nun begreifen die Brüder alles. Sie atmen scharf ein. Und dann weichen sie etwas auseinander und ducken sich ein wenig. Ihre Hände hängen nun geöffnet hinter - 116 -
den Waffen. Sie starren Faro Jenkins und dessen vier Männer an. Dann sagt Cole: »Also doch! Also hast du uns wirklich nur ausnutzen wollen! Emmet hat uns gleich nach seiner Heimkehr gesagt, was du für ein Bursche bist und wie dein Spiel läuft. Aber wir wollten es ihm nicht glauben.« »Und ihr hattet auch keine Lust zu richtiger Arbeit«, sagt Hesters Stimme hinter ihnen. »Ihr dachtet nur an Revolverruhm, an wildes Reiten und ein verwegenes Leben. Ihr wolltet mit diesem Wolf groß werden, und ihr kamt euch wie kühne Piraten vor, die sich ein Stück von dieser Welt erobern. Ihr Narren, er nimmt euch genauso alles weg, wie er Keene, Rood und Chisholm alles nahm. Er war gar nicht euer Freund. Er brauchte nur einige verwegene Jungen.« »Geh ins Haus, Hester«, knirscht Jim. »Wir werden jetzt auch ihm zeigen, daß...« »Nein«, unterbricht ihn Hester. »Ihr werdet nicht die Revolver ziehen. Er hat noch nicht gesagt, was er mit eurem Bruder machen wird. Fragt ihn!« Sie starren ihn an. Aber er beachtet die Brüder gar nicht, sondern blickt auf Hester. »Lady«, sagt er, »ich wette, du fühlst dich noch gar nicht richtig verheiratet. Wie geht es Emmet Lamm?« »Was wollen Sie von ihm, Jenkins? Er ist fast tot! Er hat die Kugel noch in der Schulter.« »Dann braucht er ja einen Doc, nicht wahr? Ich will ihn mir ansehen.« Er setzt sich in Bewegung und geht zwischen Bill und Cole hindurch auf Hester zu. Da sie ihm die Tür nicht freigibt, legt er seine Hand auf ihre Schulter und schiebt - 117 -
sie sachte zur Seite. Hester begeht nicht den Fehler und versucht ihn aufzuhalten. Sie hört auch Emmets Brüder knurren. Da ruft sie: »Laßt ihn!« Er geht hinein. Hester folgt ihm sofort. Als aber die Brüder folgen wollen, ruft einer der vier Revolvermänner: »Ihr bleibt draußen, Jungens!« Sie erzittern vor Wut. Der Mann murmelt kühl: »Es hat mir noch nie gefallen, daß Faro euch Jungens immer wie rohe Eier behandelt hat. Denkt nur nicht, daß ihr schon große Tiger seid. Er hat gesagt, daß er euch eine Chance geben und es euch nicht schlecht bei ihm gehen wird. Das ist genug für drei grüne Jungens.« Vielleicht hätten sie gekämpft. Aber zum ersten Male denken sie nicht wild und verwegen. Zum ersten Male denken sie weiter. Das hält sie zurück. Diesmal nehmen sie keine Herausforderung an. Sie zügeln sich. Denn drinnen liegt der verwundete Bruder. Und sie wissen noch nicht, was Faro Jenkins tun will. Sie warten. Indes steht Faro Jenkins am Fußende von Emmet Lamms Bett. Er starrt auf Emmet Lamm nieder. »Was hast du jetzt von ihm?« fragt er. »Jetzt liegt er dort. Und es hängt ganz von dir ab, ob er die Hilfe eines Arztes erlangen wird. Sein Wundfieber wird von Stunde zu Stunde stärker.« Hester erschaudert unwillkürlich. Ihre Augen öffnen sich weit. »Jenkins, Sie werden doch wohl nicht ein solcher Schurke sein, der die Hilfe eines Arztes verhindert?« - 118 -
Sie fragt es schrill. Die jähe Angst jagt Röte in ihr Gesicht. Sie muß sich an einem Stuhl festhalten. Er betrachtet sie seltsam. »Dich wollte ich immer haben«, murmelt er. »Ich wollte dich in allen Ehren haben, richtig als Frau. Du wärest jetzt eine Königin. Aber dann kam er, Emmet Lamm! Und wenige Stunden später warst du schon seine Frau. Oh, ich bin in meinem ganzen Leben noch nicht so beleidigt worden. Und er hat mich verprügeln können, weil du wie eine Löwin für ihn kämpftest. Hester, was bekomme ich, wenn ich zulasse, daß er gerettet wird und du später mit ihm dieses Land verlassen kannst? Was bekomme ich? Was gibst du mir?« Sie weicht bis zur Tür zurück und streckt abwehrend eine Hand aus. Mit der flachen Hand greift sie sich an den Hals, und sie bekommt kein Wort über die Lippen. Erst nach einer Weile flüstert sie tonlos: »Sie Teufel! Sie gemeiner Schuft! Ist denn gar nichts an Ihnen, was einigermaßen sauber und gut ist?« Er grinst. »Überlege es dir, Hester. Mache mir ein gutes Angebot. Ich werde mir jetzt ein Frühstück zubereiten lassen und zwei Stunden schlafen. Ich habe hier mein Hauptquartier errichtet. Ich bin immer für dich zu sprechen.« Nach diesen Worten geht er auf sie zu. Sie weicht zurück. Er geht an ihr vorbei und wieder zur Veranda hinaus. Dann hält er an, blickt Jim, Bill und Cole an und murmelt: »Nun, wie stehen wir miteinander?« Er steht einen Schritt vor der Tür, die aus dem Haus auf die Veranda führt. Er verdeckt diese Tür fast ganz. Sein Blick, der die Lamm-Brüder betrachtet, ist hart - 119 -
und fordernd. Die Zeiten, da er um die Freundschaft und die Treue dreier wilder Jungens warb, sind vorbei. Nun zeigt er ihnen seine ganze Arroganz und Härte. Die drei jungen Burschen zögern. Und wie immer, wenn es sich um besondere Dinge handelt, überlassen Jim und Bill ihrem älteren Bruder Cole das Reden. Und Cole sagt: »Unser Bruder Emmet konnte uns nicht zähmen, nicht wahr? Aber es sieht so aus, als müßten wir dir jetzt parieren. Sonst jagst du uns zum Teufel.« »Ihr müßt mich verstehen«, murmelt er. »Es kann nur einer der Boß sein.« Er hört ein leises Geräusch hinter sich, und er weiß, daß es Hester sein muß, deren Rock raschelt. Er möchte über die Schulter blicken und Hester ansehen. Aber er wagt es nicht, denn er erkennt die Spannung und Wachsamkeit in den Augen der drei Brüder. Er weiß, daß sie noch nicht gezähmt sind. Er traut ihnen zu, daß sie plötzlich in wilder Wut einen Wirbel entfesseln. Deshalb wendet er keinen Blick von ihnen. Seine vier Revolvermänner stehen wachsam unterhalb der Veranda. In dieser Sekunde bekommt er ein unbehagliches Gefühl. Ein leiser Schreck fährt durch seinen Körper. Und mit einem Mal weiß er, daß er einen Fehler gemacht hat. Irgend etwas hat er nicht beachtet und übersehen. Er hat Hester, die ihm schon einmal mit einem Spaten etwas über den Kopf gab, abermals unterschätzt. Und im selben Moment weiß er auch, was er übersehen hat. Es ist die Schrotflinte in dem Gewehrständer neben der Tür. Nun will er herumwirbeln. Aber es ist schon zu spät. Ein harter Gegenstand stößt zwischen seine - 120 -
Schulterblätter. Hesters Stimme sagt scharf und herb: »Das , ist eine Schrotflinte, Jenkins! Wenn Sie sich bewegen, drücke ich ab!« Alle hören diese scharfen Worte. Und alle wissen sie, was eine Schrotflinte, deren Doppelläufe sich gegen den Rücken eines Mannes pressen, anrichten kann. Zu dieser Erkenntnis kommt noch etwas: Die Stimme der jungen Frau klirrt vor Entschlossenheit. Faro Jenkins zweifelt nicht daran, daß Hester wahrhaftig abdrücken wird. Bevor er etwas sagen kann, erklingt die Stimme der jungen Frau wieder hinter ihm. »Cole«, sagt sie hart, »nimm diesem Wolf die Waffen ab! Dieser Schuft hat drinnen von mir verlangt, daß ich ...« Sie bricht ab, denn vor Abscheu und Verachtung versagt ihre Stimme. »Was hat er denn von dir verlangt, Hester?« fragt Cole schnell. »Mich!« sagt sie klirrend. »Er will mich! Sonst bekommt Emmet nicht die Hilfe eines Arztes. Und jetzt wißt ihr wohl endlich genau Bescheid über ihn.« Die Brüder weichen auseinander. Jim und Bill wenden sich den vier Revolverschwingern zu, die unterhalb der Veranda erstarrt sind und zu keinem Entschluß kommen können. Cole aber zieht seinen Colt, tritt an Faro Jenkins heran und drückt ihm die Mündung gegen den Bauch. Er zieht Jenkins die Colts aus den Halftern und wirft sie durch das Fenster neben der Tür ins Haus hinein. »Boß, was sollen wir tun?« ruft indes einer von Faro Jenkins' Männern. - 121 -
»Nichts!« knirscht dieser. »Dieses verrückte Weib hinter mir drückt sonst ab. Und wenn ich tot bin, zahlt euch niemand mehr den Lohn. Nichts könnt ihr tun, Jungens!« »Hölle, Boß, dann hat dich also ein Mädel erledigt!« Als er verstummt, schiebt sich Cole wieder neben Jenkins, drückt ihm die Mündung in die Seite und sagt kalt: »Es gibt mehr als drei wichtige Gründe, daß ich dich töten würde, Faro. Mache nur einen winzigen Fehler, und du bist auch schon auf der Rutschbahn zur Hölle. Sage diesen vier Burschen, daß sie die Waffen ablegen sollen. Sage es ihnen! Los!« »Das werden wir nicht tun!« ruft einer der vier Burschen heftig. Eine Stille entsteht. Man hört nur die heftigen Atemzüge der Männer. Die Spannung hängt schwer in der Luft wie beißender Pulverrauch. »Doch«, grollt Cole. »Jim! Bill! Holt euch ihre Waffen! Wenn sie sich bewegen, ist Faro Jenkins tot!« Jim und Bill bücken sich unter dem Verandageländer hindurch und schlagen einen Bogen um die vier Revolvermänner. Diese drehen sich mit ihnen, aber sie wagen es nicht, ihre Colts zu ziehen. Und in diese Spannung hinein sagt Faro Jenkins gepreßt und bitter: »Zieht nicht, zieht nicht, Jungens! Sonst bin ich wahrhaftig erledigt! Wenn die Hölle losbricht, bekomme ich sie zuerst zu spüren!« Jim und Bill hören diese Worte genauso wie die vier Hartgesottenen. Sie ziehen plötzlich wie auf Kommando ihre Colts und nutzen so die Unentschlossenheit der vier Revolverschwinger aus. - 122 -
Diese fluchen, aber es ist nun klar, daß sie verloren haben. Sie werden entwaffnet. Cole aber sagt neben Faro Jenkins: »Das ist es also, großer Mann! Dein Spiel lief gut! Du hast alles schaffen können, was du plantest! Und jetzt bricht dir ein einziger Fehler das Genick.« Cole hebt den Colt und schmettert den langen Lauf quer über Faro Jenkins' Schläfe und Ohr. Hester muß schnell zurücktreten, als Jenkins fällt. »Cole, ist das nötig?« fragt sie scharf. »Sicher«, sagt Cole. »Ich mache keine Fehler und gebe ihm keine Chance. Hole ein Lasso herbei! Nein, alle Lassos, die du finden kannst, brauchen wir! Und wir haben es eilig!« Etwa zwanzig Minuten später ist alles klar und erledigt. Die vier hartgesottenen Revolvermänner liegen gefesselt in einem Schuppen. Hesters Wagen ist angespannt und mit Stroh beladen. In diesem Stroh, so, daß man ihn nicht sehen kann, liegt Faro Jenkins. Er ist gefesselt und geknebelt. Auf dem Stroh aber, gut gebettet, so daß die Fahrt nach der Stadt nicht zu schlimm für ihn werden kann, liegt Emmet Lamm. Die Brüder hatten ihn vorsichtig hinausgetragen. Hester klettert auf den Fahrersitz und fährt vorsichtig an. Jim, Bill und Cole steigen in die Sättel und umgeben den Wagen. So brechen sie nach Tonto auf. Und sie haben Faro Jenkins bei sich. Emmet Lamm schläft, sein Fieber ist sehr stark. Er beginnt sich bald darauf im Stroh zu wälzen. Cole steigt - 123 -
von seinem Pferd auf den Wagen über und hält den Bruder fest. Im Stroh niest Faro Jenkins einmal. Cole ruft grimmig: »Faro, wenn wir unterwegs auf deine Reiter stoßen und du wieder niesen solltest, so bekommst du die erste Kugel.« Aber Jenkins kann ihm keine Antwort geben. Ein Handtuch, das man fest über seinen Mund gebunden hat, hindert ihn daran, auch nur ein Wort sagen zu können. So fahren sie also über die Weide und legen Meile um Meile zurück. Emmet geht es sehr schlecht. Hester fährt mit zusammengebissenen Zähnen und zuckt bei jedem Stoß und Rütteln des Wagens zusammen, als spüre sie die Schmerzen selbst. Aber trotz aller Not ist dennoch etwas geschehen, was gut und wunderbar ist. Emmet Lamms wilde und verwegene und leichtsinnige Brüder sind nun gezähmt. Ihre Augen wurden geöffnet. Sie sind jetzt völlig verwandelt. Sie haben auch schon nachdenken können. Was Emmet Lamm nicht mit Güte, Härte und Bruderliebe vermochte, ist ihm nun auf eine andere Art geglückt. Sicher, er liegt nun verwundet dort im Wagen und ist in Not. Aber er hat den Brüdern zeigen können, wie man einen geraden Weg reitet und sich gegen jedes Unrecht stellt. Sie konnten erkennen, daß er nur immer das Beste wollte. Jetzt sind die Lamms wieder vereint. Drei wilde Jungens haben sich verändert. Und es spricht für sie, daß sie nun den Versuch machen, eine schon fast verlorene - 124 -
Sache zu einer neuen Wende zu bringen. Als sie etwa zehn Meilen mit dem Wagen gefahren sind, tauchen aus den Hügeln drei Reiter auf. Es sind Burschen aus Faro Jenkins' harter Mannschaft. Sie kommen dicht herangeritten, blicken in den Wagen und sehen Emmet Lamm. »Hat Faro euch mit ihm zur Stadt geschickt?« fragt einer. »Was sonst?« fragt Cole zurück. Die hartgesottenen Burschen nicken bedächtig. »Faro ist auf eurer Ranch, nicht wahr? Nun, wir sind unterwegs zu ihm. Wyatt Keene ist mit seiner Frau nach Tonto aufgebrochen. Logan Jaredo und sein Halbblut-Mädel sind bei ihm. Und auch Terry Rood hat seine Familie nach Tonto gebracht. Sie räumen alle! Oha, was sollten sie auch tun? Keiner von den einst so großen und stolzen Burschen hat auch nur einen einzigen Cowboy auf seiner Lohnliste. Faro wird sich freuen.« Nach dieser Erklärung reiten die drei Männer weiter. Und Hester treibt nun das Gespann schneller an. Es ist ja klar, daß Faro Jenkins' Mannschaft bald Bescheid weiß und sich um ihren Boß kümmern wird. Das ganze Rudel wird sich sammeln. Es ist in den letzten Stunden ohnehin bedeutend zahlreicher geworden, weil aus vielen versteckten Camps Reiter kamen, die sich anwerben ließen. Fast alle die kleinen RustlerMannschaften, die in den letzten Wochen Vieh raubten und an Faro Jenkins verkauften, reiten jetzt für ihn. Es könnte sein, daß die kleine Stadt Tonto bald den Besuch einer starken Bande erhält, die ihren Boß zurück haben möchte. Und es wird an den Leuten von Tonto liegen, ob ein gefangener Wolf wieder seine Freiheit erlangt oder zur - 125 -
Strecke gebracht werden kann. Emmets Brüder rechnen auf Pete Parker und all die kleinen Rancher und Siedler. Denn eine starke Gemeinschaft ist die Garantie dafür, daß sich solche Dinge nie mehr wieder ereignen oder wiederholen können. Es gab drei große Rancher. Die hatten versagt und wurden von einem Piraten geschlagen. Aber die Gemeinschaft aller rechtlichen Menschen wäre niemals geschlagen worden. Das haben Emmets Brüder nun erkannt. Und deshalb nehmen sie Faro Jenkins mit nach Tonto. *** In Tonto sind mehr Menschen als sonst. Die Nachricht von dem großen Raub hat sich schnell verbreitet. All die Kleinen Drei-Kühe-Rancher und Heimstättensiedler, die an den Rändern der großen Rinderreiche leben, hatten in den letzten Stunden von dem Weidekrieg gehört. Bald wußte jeder Mann im Land, daß eine gewaltige Veränderung stattgefunden hat. Sie sind nach Tonto gekommen, um Neuigkeiten zu erfahren, um mit Nachbarn zu sprechen und Vermutungen anzustellen, was Faro Jenkins noch alles tun wird. Pete Parker steht vor seinem Hotel, raucht eine Zigarre und beobachtet alles. Er sieht die Gruppen der Siedler und Klein-Rancher, hört Wortfetzen und denkt immer bitterer daran, daß Faro Jenkins es nun geschafft hat und er, Pete Parker, keinen Anteil daran haben soll. Aber dann wird seine Aufmerksamkeit auf einen Wagen gelenkt, der in die Stadt gerollt kommt. Er erkennt Hester und die Lamm-Brüder. Die Menschengruppen auf der Straße werden - 126 -
ebenfalls aufmerksam. Männer kommen aus den Saloons und Geschäften. Die gesamte Einwohnerschaft der Stadt und alle Besucher sind plötzlich auf der Straße. Es ist, als hätte sie ein unsichtbares und unhörbares Signal erreicht. Wyatt Keene und Terry Rood, die ihre Familien und auch Hiob Chisholms Witwe und deren zwei Knaben in die Stadt gebracht haben, treten aus dem Hotel neben Pete Parker. »Zum Teufel, was ist das?« grollt Keene. »Emmet Lamms Brüder wagen sich in die Stadt nachdem sie gegen uns und ihren eigenen Bruder gekämpft haben?« Indes lenkt Hester den Wagen vor das Hotel. Der Arzt, der gestern schon einige verwundete Patienten bekam, tritt hinzu. Und von drüben kommt Marshal Reb Sharp herbei. Als der Wagen vor dem Hotel verhält, sammelt sich ein dichter Halbkreis von Menschen an. Aber niemand sagt etwas. Pete Parker tritt vor und blickt von der Hotelveranda in den Wagen hinein. Er sieht dort Emmet Lamm im Stroh liegen. Cole richtet sich auf. »Er hat noch die Kugel in der Schulter«, sagt er. »He, Doc! Sie müssen sich sofort um ihn kümmern!« Der Arzt tritt hinzu, wirft einen Blick auf Emmet und wendet sich dann an Pete Parker. Der sagt schnell: »Sicher, sicher! Wir legen ihn auf Zimmer fünf! Mein Hotel wird ein Krankenhaus! Tragt ihn nur hinein!« Jim und Bill greifen zu. Hester hilft ihnen. Als sie mit Emmet im Hotel verschwunden sind, steht Cole noch im Wagen. Pete Parker hebt die Hand. »Well, ihr habt euren Bruder zum Doc gebracht und - 127 -
eurer Schwägerin geholfen. Aber für Banditen, die auf Faro Jenkins' Lohnliste stehen, ist kein Platz in meiner Stadt. Hört ihr, es ist meine Stadt! Jenkins konnte sich das Land erobern. Aber diese Stadt leite ich, Pete Parker, immer noch! Verschwindet höllisch schnell!« Cole blickt ernst in die Runde. »Meine Brüder und ich, wir waren Narren«, sagt er bitter. »Wir waren tatsächlich dumme und grüne Bengels. Wir haben das aber jetzt erkannt. Auch Faro Jenkins haben wir als das erkannt, was er in Wirklichkeit ist. Wir sind nicht mehr auf seiner Seite. Er ist so schlimm wie der Teufel selbst. Wir haben das erkannt und bereuen sehr.« »Eure Reue kann die Dinge nun nicht mehr ungeschehen machen«, grollt jetzt Wyatt Keene bitter. »Etwas vielleicht doch«, erwidert Cole ruhig, bückt sich und reißt das Stroh zur Seite. »Wir haben Faro Jenkins nämlich mitgebracht! Hier liegt er, Leute! Ohne ihn taugt sein rauhes Rudel nicht mehr viel, denn es reitet nur für Revolverlohn. Hier habt ihr ihn! Wenn ihr über ihn zu Gericht sitzen wollt, dann werden wir die Kronzeugen sein. Es liegt jetzt an euch, ob ...« Seine weiteren Worte sind nicht mehr verständlich, denn die Menschen rufen nun durcheinander und drängen sich an den Wagen heran. Sie blicken hinein und sehen Faro Jenkins. Der bietet keinen sehr furchterregenden Anblick. Er ist ein zusammengeschnürtes Bündel. Und er niest. Für die Leute wirkt er nun gar nicht wie ein großer Wolf. Und wie es auch gar nicht anders sein kann, wenn eine Menschenmenge, der die Furcht vor der Zukunft in den Knochen saß, plötzlich die Oberhand hat, ruft aus dem - 128 -
Hintergrund auch schon eine wilde Stimme: »Hängt ihn auf! Hiob Chisholm und einige brave Burschen wurden getötet! Im Hotel weint Chisholms Witwe mit ihren Söhnen! Hängt den Schuft auf!« Das Geschrei wird laut. Harte Fäuste zerren Faro Jenkins aus dem Wagen. Aber jetzt kommt Pete Parkers große Stunde. Er, der ja selbst ein Wolf im Schafspelz ist und von dem niemand weiß, daß er Jenkins' Auftraggeber war und nur von ihm betrogen wurde, wirft beide Hände in die Luft und ruft schneidend: »So nicht, Leute! So nicht! Alles muß ordentlich nach Recht, und Gesetz vonstatten gehen! Sonst bekommen wir niemals rechtliche und geordnete Verhältnisse im Lande. Wir wollen heute eine Jury wählen und morgen Gericht halten! Wir wollen kein entfesselter Mob sein, sondern alles nach Recht und Gesetz machen! Bringt ihn ins Stadtgefängnis! Marshal, sperren Sie ihn ein! Und dann wollen wir eine Bürgerwehr zusammenstellen und unsere Stadt bewachen, damit sein wildes Rudel ihn auf keinen Fall befreien kann!« Schon nach seinen ersten Worten wurde die Menschenmenge still. Und nach einer kleinen Atempause erteilt Pete Parker seine Befehle. Jetzt erweist es sich, wie sehr er der Boß in dieser Stadt ist. Ja, hier ist er ein mächtiger Mann. Und Faro Jenkins befindet sich jetzt in seiner Hand. Gewiß, Pete Parkers großer Plan ging nicht auf. Sein angeworbener Handlanger machte sich selbständig und brachte sein eigenes Spiel in Gang, das rauher und rauher wurde. Jetzt aber ist Jenkins in Pete Parkers Hand. - 129 -
Und niemand weiß, daß nun ein Wolf dem anderen die Kehle durchbeißen wird. Faro Jenkins liegt viele Stunden lang bewegungslos auf der harten Pritsche seiner Zelle. Seine Gedanken kreisen ständig um eine einzige Sache. Um den kleinen und winzigen Fehler, den er machte. Er hatte die Macht schon in den Händen. Er hatte den Kampf um Weide und Rinder gewonnen. Seine hartgesottene und gefährliche Mannschaft wurde von Stunde zu Stunde stärker, weil aus allen Himmelsrichtungen jene Nachtreiter geritten kamen, die vorher für ihn Vieh stahlen und sich jetzt von ihm anwerben ließen. Es hätte nur noch wenige Tage gedauert und er hätte fünfzig harte Nummern in die Sättel bringen können. Er wäre dann überhaupt nicht mehr zu schlagen gewesen. Und dann hatte er die Schrotflinte neben der Tür nicht beachtet. Dies war ein winziger, Fehler, der niemals zur Auswirkung gekommen wäre, wenn er anständig zu Hester gewesen wäre und Emmet Lamms Brüdern nicht seinen wahren Charakter gezeigt hätte. Und jetzt ist alles aus für ihn. Jetzt liegt er hier im Gefängnis. Und er Weiß, daß Pete Parker dafür sorgen wird, daß seine Leute ihn nicht befreien können. Er macht sich keine Illusionen über die Treue seiner Mannschaft. Es ist eine Mannschaft, die für Revolverlohn reitet. Aber er, der Mann, der ihnen diesen Lohn zahlen könnte, sitzt im Gefängnis. Jack Flynn ist tot. Es gibt niemanden, der das Rudel führen und beherrschen kann. - 130 -
Seine Männer werden nicht kommen. Sie werden es nicht wagen, diese Stadt zu erobern. Er hat verloren, weil er eine Schrotflinte übersah und nicht daran dachte, was der verzweifelte Mut einer jungen Frau zustande bringen kann. Spät am Abend schiebt ihm Reb Sharps alter Gehilfe einen Blechteller mit Essen durch die Gitterstäbe. Faro Jenkins erhebt sich, nimmt den Teller, betrachtet ihn und schleudert das Essen dann zwischen den Stäben hindurch dem alten Mann ins Gesicht. »Bringe mir nicht nochmals solch einen Fraß!« knurrt er. Der Mann grinst. »Wenn sie dich hängen, Mister«, sagt er und säubert sich dabei mit einem riesigen Taschentuch, »dann bekommst du vorher noch eine prächtige Mahlzeit. Und sie werden dich hängen, verlasse dich darauf.« Er schlurft davon. Faro Jenkins aber legt sich wieder auf die Pritsche. Und er bereut seinen Wutausbruch, denn er erkennt nun, daß er seine Nerven verliert. Er denkt an Pete Parker und an die Möglichkeit, diesen bloßzustellen und bei der Verhandlung zu erzählen, daß Parker ihn angeworben hatte. Aber er verwirft diesen Gedanken, denn er weiß, daß niemand ihm Glauben schenken wird. Und weil er nun schon alle Möglichkeiten erschöpft hat, beginnt er endlich an seine Schwester Ysabel zu denken. Ganz plötzlich grinst er. Denn jetzt wird ihm blitzschnell klar, daß für ihn doch noch eine Hoffnung vorhanden ist. Parker ist mit Ysabel fertig. - 131 -
Also wird Ysabel nicht ertragen können, daß Parker gewinnt. Sie wird Faro Jenkins sicherlich nicht retten wollen, weil er ihr Bruder ist. Aber sie wird bestimmt etwas für ihn tun, um sich an Parker zu rächen. Je länger Jenkins darüber nachdenkt, umso sicherer wird er sich, daß Ysabel etwas tun wird. Und dann vergeht die Nacht. Manchmal schläft Jenkins unruhig. Und einmal hebt er den Kopf und sieht Marshal Reb Sharp an der Gittertür stehen. Aber der alte Marshal wendet sich schweigend ab und geht in seine Kammer. Der Morgen bricht dann an. Draußen auf der Straße wird es lebhaft. Faro Jenkins fängt Worte und Gesprächsfetzen auf. Er hört auf diese Art, daß man eine Jury gewählt hat. Pete Parker hat man wieder einmal zum Richter gewählt. Er wird scheinheilig im Namen der Gemeinschaft aller rechtlichen Menschen nach dem Schuldspruch der Jury das Urteil verkünden. Und bei dieser Erkenntnis wandert Faro Jenkins bald wie ein gereizter Tiger in seiner Zelle umher. Er ist nun auch nicht mehr so sicher, daß Ysabel etwas für ihn tun wird. Zwei Stunden später holt man ihn aus der Zelle. Schwerbewaffnete Männer begleiten ihn. Und überall an den Zugängen der Stadt, auf Hausdächern und in den Gassen stehen Bewaffnete bereit, um einen eventuellen Angriff von Faro Jenkins' Reitern abzuwehren. Der Saal ist zum Bersten voll. Während der Verhandlung sagt Faro Jenkins kein Wort. Er starrt nur immer Pete Parker an, und er weiß, wie dieser Mann triumphiert, obwohl auf Parkers Gesicht keinerlei Ausdruck zu erkennen ist. - 132 -
Jenkins hört den Schuldspruch der Geschworenen. Und so hört er Pete Parker würdig sagen: »Der Angeklagte ist des Mordes, des Landfriedensbruches, Terrors, der Hehlerei und des Viehdiebstahls für schuldig befunden. Für die Zukunft und den Frieden im Lande, die nie mehr wieder in Gefahr gebracht werden dürfen, wird das Gericht ein Exempel statuieren. Wir haben ihn für schuldig befunden. Als der von der Gemeinschaft aller rechtlichen Menschen gewählte Vorsitzende dieses Gerichtes spreche ich die höchste Strafe aus. Faro Jenkins wird morgen bei Sonnenaufgang am Halse aufgehängt.« »Du Schuft!» brüllt Jenkins. Aber einer seiner Bewacher, es ist einer von Pete Parkers Saloonrauswerfem, schlägt ihm sofort die Faust auf den Mund. Als er wieder einigermaßen vernünftig denken kann, liegt er in der Zelle auf einer Pritsche. Harte Männerfäuste hatten ihn zurückgebracht und in die Zelle gestoßen. Und weil er nun seine schäumende Wut bezwungen hat und wieder normal denken kann, spürt er auch den harten Druck eines Gegenstandes unter der Decke, die ihm als Kopfkissen dient. Seine Hand bewegt sich und fühlt einen Colt und einen zusammengefalteten Zettel. Den Zettel holt er hervor und beginnt zu lesen. Er ist nicht größer als sein Handteller, aber eng beschrieben. Und er liest: »Bruder, ich gönne Pete Parker seinen Triumph nicht. Ich hasse Parker zu sehr. Die ganze Meute war im Gerichtssaal. Vielleicht nützt dir die Waffe etwas. Mir wäre es recht, wenn Parker sein Spiel verliert. Wenn du diesen Zettel liest, bin ich schon fort, in einem schnellen - 133 -
Wagen und mit Parkers Bargeld. Ich wünsche dir Glück, weil ich Pete Parker hasse. Ysabel.« Faro Jenkins liest es, grinst und schiebt den Zettel in seine Tasche. Und er weiß, daß Ysabel es leicht hatte, in das Gefängnis zu kommen, weil die Aufmerksamkeit aller Menschen von der Gerichtsverhandlung in Anspruch genommen wurde. Nun hat er einen Colt und wartet. Es ist schon Abend, als Pete Parker ins Gefängnis kommt. Reb Sharp macht gerade seihe Runde durch die Stadt. Sein alter Gehilfe will für den Gefangenen das Essen aus dem Restaurant holen. Pete Parker nickt nur und murmelt: »Geh nur, Oldboy! Ich will mich nur nach Jenkins' letzten Wünschen erkundigen. « Dann tritt Pete Parker dicht an die Zellentür. Sie sind jetzt allein. Und sie blicken sich an. Faro Jenkins hat den Colt hinten im Hosenbund stecken und die Hände hinter dem Rücken gefaltet. Er spürt eine wilde Freude. Aber die verspürt auch Parker, denn er sagt: »Nun, Faro? Habe ich dir nicht gesagt, daß du ohne mich eines Tages erledigt bist? Du bist nur ein kleiner Räuber, der einen Machtrausch bekam und sich für einen Eroberer hielt. Jetzt bist du fertig! Hättest du nur weiter auf meine Befehle gehört und meine Anweisungen befolgt, dann säßest du nicht hier, wir hätten uns ein Land erobert. Du Narr! Ich habe gewußt, daß du an Emmet Lamm zerbrechen würdest, weil der seine Brüder irgendwie doch zähmen würde. Du hast ihm sogar noch dabei - 134 -
geholfen, als du sie erkennen ließest, daß du ein Wolf bist.« Jenkins grinst nur. »Ysabel ist fort«, sagt er. »Sie hat deinen Geldschrank ausgeräumt und ist fort.« »Woher weißt du das?« fragt Parker schnell, und in seinen Augen zeichnet sich blitzschnell eine fürchterliche Ahnung ab. Aber Faro Jenkins ist schneller. Er bringt den Colt zum Vorschein. »Komm her, Parker«, sagt er rauh. »und bringe den Schlüssel vom Haken mit.! Komm zu mir, sage ich!« und Pete Parker erschaudert. Er seufzt schwer. Dann gehorcht er, holt den Schlüssel, tritt an die Zelle und schließt auf. »Wenn du schießt«, krächzt er, »dann kommst du nicht aus dieser Stadt.« »Doch«, grinst Jenkins. »Ich schaffe es schon.« Und dann drückt er ab. Er schenkt Parker keinen Blick mehr und läuft zur Hintertür. Er öffnet diese und gleitet auf den Hof. Es ist schon fast Nacht. Indes er durch die Höfe und Gärten hastet, wird die Stadt laut. Der Schuß wurde gehört. Mehr als ein Dutzend Männer ist schon zum Gefängnis unterwegs. Als Faro Jenkins an der Seitenwand des Hotels entlanghastet, tönt ein Schrei über den Platz: »Parker ist tot! Jenkins ist entkommen!« Und dieser Schrei wird überall gehört, aufgenommen und von vielen Stimmen weitergegeben. Als Jenkins die Ecke des Hotels erreicht, hält er inne. Fünf Meter vor ihm, an der Haltestange, da stehen viele Pferde. Er atmet tief ein und tritt dann ganz ruhig - 135 -
hervor. Er bewegt sich ohne Hast auf die Sattelpferde zu und sucht nach dem besten Tier. Drüben vor dem Gefängnis drängen sich viele Menschen. Aber nun wird die Stimme von Reb Sharp hörbar. Sie ruft scharf. »Vorwärts! Er muß noch in der Stadt sein! Besetzt alle Ausgänge und sucht nach ihm! Vorwärts, Männer, vorwärts! Jenkins ist noch in der Stadt!« Faro Jenkins hört das alles und grinst. Er hat nun das schnellste Pferd in der Reihe entdeckt. Es ist Wyatt Keenes Rappe. Es gibt kein schnelleres Tier in diesem Land. Jenkins tritt ruhig an das Pferd heran. In dem Moment, als er sich in den Sattel schwingt, flammen die Lichter im Hotel auf. Der taubstumme Hausneger hat genau in dieser Sekunde den großen Leuchter in der Hotelhalle angezündet. Das gelbliche Licht fällt durch Tür und Fenster, wirft eine breite Bahn auf den Platz vor dem Hotel. Aber Faro Jenkins behält dennoch die Nerven und wendet ruhig das Tier. Und in diesem Moment wird er aus einem der oberen Fenster angerufen. Es ist eine heisere, gepreßte Stimme. Er starrt hinauf. Das Fenster dort oben ist erleuchtet. Ein Mann, dessen nackter Oberkörper mit Binden umwickelt ist, stützt sich auf die Fensterbank. Es ist Emmet Lamm. Er hält einen Colt in der Hand. Und er ruft zu Faro Jenkins hinunter: »Halte an und steige ab, Mister! Du kommst nicht davon! Ich halte dich auf!« Jenkins starrt zwei volle Sekunden hinauf. - 136 -
Dann hebt er den Colt und schießt. Aber seine hastige Bewegung hat das ohnehin nervöse Pferd erschreckt. Seine Kugel fährt in das Holz des Fensterkreuzes. Und dann sieht er Emmet Lamms Mündungsfeuer. Eine furchtbare Gewalt stößt ihn aus dem Sattel. Er spürt nicht mehr, wie schwer er auf den Boden schlägt. Oben schwankt Emmet Lamm zu seinem Bett zurück und setzt sich erschöpft nieder. Sein Körper ist in Schweiß gebadet. Die Tür wird aufgerissen. Cole und Hester stürzen ins Zimmer. Er blickt sie müde an. »Ich bin aufgewacht«, sagt er. »Und die Schmerzen in meiner Schulter waren zu ertragen. Ich lag da und lauschte. Und ich dachte nach, was wohl geschehen war. Und da hörte ich draußen auf der Straße rufen, daß Faro Jenkins aus dem Gefängnis ausgebrochen sei. Ich weiß nicht genau, wie ich aus dem Bett kam. Ich sah den Colt auf dem Tisch liegen, nahm ihn und trat ans Fenster. Und dann sah ich Faro Jenkins auf einem Pferd.« Als er verstummt, ist Hester bei ihm und hilft ihm, sich auszustrecken. Andere Männer tauchen in der offenen Zimmertür auf. Jim und Bill stürmen herein. Aber das alles sieht Emmet Lamm nicht mehr. Die Schwäche hat ihn schon wieder bewußtlos gemacht. Er erwacht erst am anderen Tage. Hester ist bei ihm. Er erinnert sich und fragt: »Habe ich geträumt oder war das wahr?« »Es ist kein Traum«, sagt sie leise. »Irgendein Signal hatte dich geweckt. Und dann bist du aufgestanden, als hättest du gar nicht anders gekonnt. Es ist alles vorbei, - 137 -
Emmet.« »Und wo sind meine Brüder?« »Sie sind gezähmt, Liebster. Du wirst Freude an ihnen haben. Sie sind ernste Männer geworden. Heute in aller Frühe sind sie aus der Stadt geritten. Der Doc hat gesagt, daß wir dich in einer Woche zur Ranch fahren können. Deine Brüder wollen bis dahin draußen auf der Ranch alles in Ordnung haben. Sie sagten, daß du nichts an der Ranch auszusetzen haben solltest. Ich bin sehr froh, Emmet.« »Ich auch«, murmelt er. Und dann sehen sie sich beide an und wissen, daß nun eine gute Zeit beginnen wird. Es werden natürlich noch viele Jahre vergehen, bis in diesem Land wirklich geordnete Verhältnisse herrschen. Aber ein Anfang ist gemacht, hier im Tonto-County. Und ein Mann wie Emmet Lamm, der eine prächtige Frau und drei nun gezähmte und deshalb prächtige Brüder hat, die einen geraden Weg reiten und zu ihm halten werden, hat eigentlich nichts zu befürchten. Mag kommen, was will, er und seine Sippe werden alles bestehen. Und es war auch so. Später, viel später, als die Zeit der freien Weide vorbei war in Texas, als der große Krieg mit den Viehdieben vorüber war, und die Siedler ins Land strömten, als eine neue Zeit begann, da wurde Emmet Lamm von den Bürgern des Landes in die Gesetzgebende Versammlung gewählt. Er kam zu den höchsten Ehren. Einer der Brüder, es war Cole, machte sich als Treibherdenboß auf dem großen Rinderweg nach Norden einen Namen und sorgte dafür, daß sich die Rinder des Landes in Kansas in blanke Dollars verwandelten, die - 138 -
nach Texas zurückrollten und dem Land zu Reichtum verhalfen. Bill Lamm aber führte bis zu seinem Tod die Ranch. Und Jim Lamm wurde später Sheriff und blieb das fünfundzwanzig Jahre lang im Tonto-County. Und Hester? Nun, sie war glücklich und wurde die erste Lady im County. Sechs Kinder zog sie groß. Einmal reiste sie mit Emmet nach Washington. Und dann saß sie dort bescheiden auf einer Zuhörerbank im Weißen Haus und hörte ihren Mann als Vertreter des Staates Texas sprechen. Sie war sehr stolz. Und das konnte sie mit Recht sein, denn sie hatte ja zum guten Ausgang allen Geschehens tapfer beigetragen.
ENDE
- 139 -