KLEINE
BIBLIOTHEK
DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
KULTURKUNDLICHE HEFTE
GEORG STEINBACHER
Die großen Räube...
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KLEINE
BIBLIOTHEK
DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
KULTURKUNDLICHE HEFTE
GEORG STEINBACHER
Die großen Räuber LÖWEN, TIGER UND ANDERE GROSSKATZEN
VERLAG
SEBASTIAN
LUX
MURNAU - M Ü N C H E N . . I N N S B R U C K . Ö L T E N
Löwen und ihre Vettern
S
chon im Käfig erscheint uns der Löwe als wahrer König der Tiere. Seine Gestalt ist wuchtig und doch elegant, das mächtige Haupt achtunggebietend, das starke Gebiß furchteinflößend. Wer fährt nicht vor Schreck zusammen, wenn seine Stimme dröhnend ertönt. Wir können uns eines tiefen Eindrucks nicht erwehren, wenn wir ihn betrachten, obwohl er hinter dem Gitter oder dem breiten Graben der Freianlage sicher verwahrt ist. Wie muß den .Menschen der Vergangenheit zumute gewesen sein, wenn sie ohne diese Sicherung, nur mit Speer und Pfeil, Schwert und Dolch bewaffnet, dem König der Tiere gegenüberstanden? Doch selbst die Jagd mit den Feuerwaffen der Gegenwart erfordert noch immer persönlichsten Einsatz. Löwen und ihre Vettern, die anderen Großkatzen, allen voran Tiger, Leopard und Jaguar, sind aber nicht nur Zielscheiben der Jagd. Sie alle spielen im Haushalt der Natur eine gewichtige Rolle, denn sie sorgen dafür, daß die Zahl der Friedtiere, der Antilopen und Zebras, Wildrinder und Schweine, Hirsche und Affen nicht zu groß, die Pflanzendecke nicht zu stark abgeweidet, die Nahrung nicht zu sehr genutzt wird. Sie merzen kranke Tiere aus, die ihnen besonders leicht zum Opfer fallen, und verhindern auf diese Weise Seuchen in der Tierwelt der Wildnis. Leider lernen sie nicht, zwischen den Haustieren und dem Wild zu unterscheiden. Deshalb können die großen Räuber in dicht besiedelten Ländern nicht geduldet werden; doch versuchen überall auf der Welt einsichtige Menschen, den herrlichen Mitgeschöpfen sichere Rückzugsgebiete zu schaffen, in denen sie auch in Zukunft fortbestehen können.
Simba - der Herr der Steppe Dunkel ist die tropische Nacht, langsam erlischt das Feuer, um das sich eine Schar müder Wanderer, Neger aus entlegenen Eingeborenendörfern, gelagert hat. In ihren ersten Schlaf tönt von fern ein dumpfhallender, dröhnender Laut und läßt die Schlummernden jäh auffahren. Unter dem Schreckensruf: Simba — der Löwe! springen sie zur Feuerstelle, schüren die Glut, bis der Brand hell emporflackert. Langsam kommt das Brüllen näher, ein zweiter Löwe antwortet, ein dritter fällt ein, das Rudel zieht zur Jagd. Die Herren der Steppe umkreisen das Lager, immer näher kommend, so nahe, daß die erschreckten Menschen die Augen der Raubtiere grünlich in der Finsternis rings um den Feuerplatz aufleuchten sehen — dann ziehen die Löwen weiter in die Steppe hinaus, um Beute zu machen. Unsichtbar, unhörbar trotz seiner Größe, schleicht das mächtige jagende Raubtier an sein Opfer heran. Ein weitausgreifender Satz: der Löwe springt seinem Gegner auf den Rücken, krallt sich an ihm fest, packt seinen Kopf mit den Vorderpranken, reißt ihn herum und bricht so das Genick. Oder er faßt den Hals mit dem Rachen und zermalmt ihn mit dem furchtbaren Gebiß. Schrecklich schlagen seine Krallen zu. Schauen wir die Krallen der Hauskatze an, die wie der Löwe fünf im Vorderfuß, vier im Hinterfuß besitzt, stellen wir uns vor, wie empfindlich und schmerzhaft sie schon verletzen, können, und wir begreifen, welch grausige Waffen die vielmals größeren Löwenkrallen sein müssen. Beim Angriff fahren die Krallen aus den Schutztaschen hervor, in denen sie ruhen, damit sie vor der Abnützung beim Laufen geschützt bleiben. Das furchtbarste Werkzeug zum Töten und Zerstückeln der Beute aber ist das Gebiß des Löwen. Die Eckzähne sind zu gewaltigen Dolchen geworden, die der Räuber tief in sein Opfer einschlägt; sie halten es unentrinnbar fest. Zum Zubeißen kann das Maul unglaublich weit geöffnet werden. Der letzte Vorbackenzahn im Oberkiefer, der vorderste Backenzahn im Unterkiefer tragen große, scharfe Schneiden, die wie die Arme einer Schere gegeneinander wirken. Mit ihrer Hilfe durchtrennt der Löwe das Fleisch seines Opfers, um es dann zu verschlingen. Er zerschneidet mit ihnen aber auch die Kehle 3
des Wildes oder zermalmt seine Wirbelsäule, nachdem er es angesprungen und am Halse gepackt hat. Früher gab es überall in den offenen Landstrichen Afrikas und Vorderasiens Löwen. In der Eiszeit bewohnten sie auch die Steppengebiete Europas und Innerasiens, bevor diese Landzonen Waldländer wurden. Mit Feuerbränden und steinernen Werkzeugen mußten sich die Ureinwohner der riesigen Katzen erwehren. Seit langem aber ist der Löwe nicht nur in Europa, sondern auch in Asien ausgerottet, nur auf der Halbinsel Kathiawar in der indischen Bombayprovinz leben noch einige Exemplare. Der Norden Afrikas und der äußerste Süden des schwarzen Kontinents wurden erst Ende des letzten Jahrhunderts vom König der Tiere geräumt. Sein heutiger Lebensraum sind die riesigen Savannen Mittelafrikas, in denen rund 150 000 Löwen leben. Sie finden sich in besonders großer Zahl in den Wildschutzreservaten, wo sie nicht verfolgt werden und wo sie mithelfen, den Wildbestand zu regulieren. In einem dieser Schutzgebiete, im Krüger-Nationalpark im Norden der Südafrikanischen Union, sind sie so vertraut geworden, daß man sie dicht neben, ja auf den Straßen beobachten kann, die dieses Tierparadies durchziehen. Wo die Touristen vorbeifahren, halten Löwen sich besonders gerne auf und warten auf Fleisch; denn viele Naturfreunde bringen ihnen ganze Rinderviertel mit, um sie beim Fressen aus dem Autofenster heraus mit Muße photographieren zu können. Die Tiere haben sieh daran gewöhnt, auf diese Art gefüttert zu werden; doch dürfen die Autofahrer nicht aussteigen, denn die Löwen könnten glauben, das fressen zu dürfen, was aus dem Auto kommt: sie würden allzuleicht Spender und Spende verwechseln! Die Lieblingsbeute der Löwen sind Zebras und große Antilopen, nur selten greifen sie Giraffen, junge Elefanten oder junge Nashörner an. Sie jagen meistens nachts, und das Wild weiß genau, wann es seinen furchtbaren Feind meiden muß. Satte Löwen bummeln gelegentlich zwischen den Wildherden hindurch, ohne besonders beachtet zu werden. Ganz anders aber ist das Bild, wenn ein Löwenrudel Hunger verspürt und auf Raub auszieht. Dann spitzen die Zebras ängstlich die Ohren, blähen schnaubend die Nüstern, um den Feind zu erlauschen oder zu wittern, und ständig sind sie auf dem Sprung, davonzustürmen und sich zu retten.
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Alt« Löwen werden oft zu Menschenfressern
Klein ist die Deckung, hinter der sich der Löwe zu verbergen versteht. Mit unglaublich langsamen, gleitenden, kaum erkennbaren Bewegungen schiebt er sich, im gelben Fell vom gelben Steppengras gar nicht zu unterscheiden, an das Wild heran. Dann springt er an! Ein berühmter portugiesischer Jäger erzählte dem Verfasser, er habe einen Löwen sich mit drei Sprüngen — jeder von 12 Meter Länge — auf sein Opfer stürzen sehen. Meist jagt das Löwenrudel gemeinsam und frißt sich auch gemeinsam unter Knurren und Fauchen, Prankenschlägen und Bissen am Raube satt; denn futterneidisch sind alle großen Katzen. Erst fressen sich die stärksten Tiere voll, dann kommen die schwächeren an die Reihe. Bei einer Mahlzeit vermag ein Löwe 60 Pfund Fleisch zu verschlingen, danach aber ruht und verdaut er mehrere Tage, bis er wieder hungrig wird. So gesellig sie sonst sind: zur Brunftzeit kämpfen die Löwenmänner heftig um den Besitz der Weibchen. Dann dient ihnen die königliche Mähne als Fechtmaske — zum Schutz vor schweren Verletzungen. In einem Versteck, in einer Höhle, im dichten Gestrüpp wirft die Löwin nach etwa 110 Tagen Tragzeit eins bis sechs Junge, die nur halb so groß wie eine Katze sind; sie lernen erst im zweiten Monat laufen. Noch sind sie aljerliebste wollige Wesen, die jeder gern in den Arm nehmen möchte. Aber bald knurren und fauchen sie schon wie die Alten. Sie tragen eigenartige dunkle Flecken im gelben Fell, die sich langsam verlieren, wenn sie älter werden. Die erste Zeit verläßt die Mutter sie nur, um ihren eigenen, ärgsten Hunger zu stillen. Später folgen sie ihr auf der Jagd und schließen sich dann dem Rudel an. Mit vier Jahren sind sie ausgewachsen. Älter als siebzehn, achtzehn Jahre werden Löwen nur selten. Wenn die Löwen nur Wild jagen würden, könnte man sie dulden. Aber sie stellen auch den Herden der Haustiere nach. An dieser bequemen Beule kann kein Löwe vorbeigehen. Allabendlich treiben darum die Neger ihr Vieh in die Krale, die sie mit hohen Wällen aus dornigen Zweigen umzäunt haben. Aber die Löwen überspringen oder durchbrechen immer wieder die schützende Absperrung, um sich ihr Opfer zu holen. Sie reißen und schleppen es davon und tragen dabei erstaunliche Gewichte. Ein Löwe vermag mit einem Strauß von 75 Kilogramm Gewicht im Maul über das mehrere Meter 6
hohe Tor einer Straußenfarm zu setzen. Rinder, die mehrere Zentner schwer sind, werden mit gleicher Selbstverständlichkeit fortgeschafft. Das sind um so beachtlichere Leistungen, weil ein starker Löwe selten über vier Zentner wiegt und wenig über ein Meter Schulterhöhe hat. Werden die Großkatzen zu lästig, so rufen die Neger meist die Hilfe weißer Jäger herbei, damit sie die schlimmsten Schädlinge abschießen; aber noch immer jagen die Massai, die besten Viehzüchter Ostafrikas, die Löwen allein mit dem Speer. Sind die Viehräuber nachts in die Hürde eingedrungen, dann sezten sich morgens fünfzehn bis zwanzig der jungen Massaikrieger auf ihre Fährten. Sie brauchen meist nicht lange zu suchen, bis sie im Busch die vollgefressenen Feinde in ihrem Versteck aufspüren. Unter lautem Geschrei treiben sie die Löwen ins offene Land und kreisen hier einen von ihnen ein. Gedeckt hinter dem hohen Schild, den Speer zum Stoß erhoben, laufen sie gleichzeitig von allen Seiten auf den verwirrten Löwen los. Wenn er den ersten Krieger anspringt, fährt ihm die blinkende Waffe durch den Körper; der Massai aber läßt sich blitzschnell fallen und deckt sich mit dem Schild. Der Löwe schießt über den liegenden Mann in der Wucht des Sprunges hinweg und wird in Sekundenschnelle von den Speeren der anderen durchbohrt. Das klingt recht einfach, aber viele Massai tragen an ihren Körpern schreckliche Narben von Verletzungen, die ihnen der König der Steppe im Großkampf zufügte, wenn der ersteSpeer nichtsofort tödlich getroffen hat. Denn verwundete Löwen sind furchtbare Gegner. Ein gesundes Tier greift nur selten Menschen an; wird aber ein Löwe auf der Jagd verletzt, dann bedarf es eines geistesgegenwärtigen, kaltblütigen Schützen. Ereignet sich solch ein Zwischenfall im hohen Pflanzenwuchs, so ist der Jäger fast wehrlos, denn er wird den anschleichenden oder anspringenden Löwen erst im letzten Augenblick sehen und auf ihn anlegen können. Gefährlich ist es auch, einem Weibchen mit kleinen Jungen zu begegnen, die nicht ausreißen können. Entsetzlich aber ist es, wenn ein Löwe oder gar ein ganzes Rudel zu Menschenfressern wird. Das kommt nur selten vor, und vielfach sind die Menschen selbst schuld daran. Meist sind solche Tiere angeschossen, aber nicht zur Strecke gebracht worden, und ihre Wunde macht es ihnen unmöglich, Wild oder Vieh zu schlagen. Wenn dann der Hunger all-
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zusehr plagt, stürzen sie sich auf das erste Lebewesen, das sich ihnen nähert. So kann der Löwe zum Menschenfresser., zum man-eater, werden; denn er lernt schnell erfassen, wie leicht es ist, Menschen zu jagen, die längst nicht so vorsichtig und mit gleich scharfen Sinnen begabt sind wie das Wild. Auch dort, wo große Menschenmengen plötzlich in einer zuvor einsamen Landschaft erscheinen., das Wild vertreiben und dem Wild die natürliche Nahrung nehmen, können Löwen zu Menschenfressern werden. Als die Uganda-Eisenbahn von der Küste Ostafrikas ins Landesinnere hinein gebaut wurde, kamen tausende Arbeiter in Landstriche, die bis dahin unbewohnt gewesen waren. Über Tag legten die Männer den Gleiskörper an, nachts schliefen sie in riesigen Lagern. Immer wieder drangen Löwenrudel in die durch Dörnverhaue geschützten Schlafstätten ein und holten sich ihre Beute. Die weißen Ingenieure versuchten alles, um ihre Arbeiter, Neger und Inder, vor Überfällen zu schützen, doch waren sie lange Zeit machtlos. Man stellte endlich fest, daß mehrere der blutgierigen Raubtiere jeden Abend aus einem kleinen Tal seitlich der Bahnlinie kamen. Man ließ einen kleinen Wohnwaggon an die erkundete Stelle schieben; drei weiße Jäger pirschten am Nachmittag die Gegend ab und erwarteten nachts im Mondenschein geduldig auf der Plattform des Eisenbahnwagens die Großkatzen. Als die Löwen sich nicht sehen ließen, legten sich die Jäger im Wageninneren zur Ruhe und lehnten zur besseren Lüftung die Tür nur an. Mitten in der Nacht erwachte einer der Männer durch ein knirschendes Geräusch und sah im hellen Licht des Mondes, wie neben ihm ein mächtiger Löwe auf seinem eben getöteten Kameraden lag. Ein gellender Hilferuf! Der Löwe packte den Toten, sprang durch die Fensterscheibe und verschwand mit seinem Opfer in der Dunkelheit. Auch diese Begebenheit beweist, wie geräuschlos der König der Steppe sich nähert, wie leise er seine Beute umbringt.
Löwen als gute Freunde So furchterregend der Löwe in freier Wildbahn auch sein mag, so liebenswürdig kann er als Pflegling im Tiergarten sein. Die meisten Löwen in den Zoos stammen nicht mehr aus der Freiheit,
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sondern sind wie ihre Eltern und Großeltern im Zoo geboren. Löwen bekommen leicht Nachwuchs, und die Jungen sind hart und ausdauernd und keineswegs anfällig. Heute werden in den Tierparks weit mehr Jungtiere geboren, als man für die eigenen Gehege braucht. Man gibt sie darum an Zirkusse, Dresseure oder an Zoos im Ausland ab. Besonders berühmt ist von jeher die Löwenzucht des Leipziger Zoos gewesen, in dem vor dem Kriege alljährlich etwa hundert Jungtiere aufgezogen wurden. Löwinnen sind im allgemeinen sehr gute Mütter, aber manche nehmen die Jungen nach der Geburt nicht an. Dann kann man die Kleinen mit Hilfe einer Hundeamme großbringen. Man wählt eine Hündin, die etwa gleichzeitig mit der Löwin Nachwuchs bekommen hat, beläßt ihr aber nur eines oder keines ihrer eigenen Kinder. Die kleinen Löwen werden, bevor man sie anlegt, mit Hunde-Urin eingerieben, damit sie wie ein Hündchen riechen. Bei einiger Vorsicht und großer Wachsamkeit gelingt es meist, die Hündin zur Annahme der Fremdlinge zu bewegen. Solche Jungtiere werden dann ebenso zahm wie junge Hunde, man kann sie in der Wohnung halten. Es sind rechte Schmeichelkatzen, die immer mit dem Menschen mitlaufen wollen und glücklich sind, wenn man sich mit ihnen befaßt. Wenn sie aber erst sieben oder acht Monate alt geworden sind, fangen sie an, beim Spiel die Wohnungseinrichtung zu beschädigen. Später werden sie leicht unzuverlässig gegen Fremde, die nicht wissen, wie sie sich einem Löwen gegenüber benehmen müssen. Dann gibt man sie besser in den Zoo. Auch ältere Löwen können sehr zutraulich sein. Im Tiergarten bleiben viele Löwen bis ins Alter brave, gute Freunde des Wärters und sind froh, wenn er ihren Käfig betritt und sie streichelt. Sie kennen ihn genau an Aussehen, Stimme und Schritt. Auch viele der dressierten Löwen, die wir im Zirkus sehen und die hier furchtbar fauchend mit der Pranke nach dem Dompteur schlagen, sind freundliche, friedliche Tiere, die sich gleich nach ihrer Programmnummer liebkosen lassen. Ein sich wütend gebärdender Löwe gehört nun einmal in eine gute Dressurnummer, und so spielt er seine Bolle, wie sie verlangt wird. Wenn die Zeitungen einmal berichten, daß ein Dompteur von seinen Großkatzen angefallen wurde, so handelt es sich meist um 9
eine aus männlichen und weiblichen Tieren gemischte Gruppe. Wird nämlich ein Männchen brunftig, dann will es sich um die Weibchen kümmern und macht nicht mehr bei der Vorführung mit. Es wehrt vor allem den Menschen vom Weibchen ab, und dabei kann es zu Verletzungen oder selbst zu tödlichen Zwischenfällen kommen. Manches Mal ist auch Leichtsinn an einem Unfall schuld. In einer Silvesternacht wollte ein Wärter in angeheiterter Stimmung seinen Freunden zeigen, wie schön er eine Gruppe junger Löwen dressiert habe. Die ganze Gesellschaft ging heimlich in den Zoo und in das Raubtierhaus, der Wärter betrat den Käfig und hatte das Pech, nach einigen Schritten auszurutschen und hinzufallen. Ein liegender Mensch aber war den jugendlichen Großkatzen fremd. Sie rollten ihn sehr neugierig mit den Krallen hin und her und verletzten ihn ohne eigentlich böse Absicht. Als er sich schließlich aus dem Käfig retten konnte, hatte er unzählige Kratzwunden davongetragen, die lebensgefährlich wurden.
Herrscher in den Wäldern Der Löwe liebt die offene, sonnendurchflutete Steppe, der Tiger das schattige Blättermeer des Waldes. Diese gestreifte Großkatze war früher in allen Waldgebieten Asiens heimisch, vom Kaukasus bis nach Korea, von Südsibirien bis nach Java und Bali. Anders als der Löwe ist der Tiger Einzelgänger. Nur zur Paarungszeit schließen sich Männchen und Weibchen für eine kurze Zeitspanne zusammen. Jeder Tiger bejagt ein weites Gebiet, das er mit anderen Artgenossen teilt. Innerhalb des Jagdreviers aber hat er seine bevorzugten RastundRuheplätze,von denen er nach Möglichkeit andere Tiger vertreibt. Die meisten Tiger leben in tropischen und subtropischen Gebieten und sind einem warmen Klima angepaßt; ihre Vettern aus den nördlichen Landschaften Asiens aber sind kältegewohnt, groß, ausdauernd und weit stärker als die Tiger des Südens. Der Südsibirier ist besonders stattlich, er hat ein dichtes warmes Fell mit weicher Unterwolle als Schutz gegen das kalte Klima seiner Heimat. Er erreicht über einen Meter Schulterhöhe und wird über vier Zentner schwer. Seine Lieblingsbeute sind die mächtigen sibirischen Wildschweine, deren Keiler über fünf Zentner Gewicht haben können. Die Tiger 10
folgen vor allem im Winter den Wildschweinrotten und bringen ihnen große Verluste bei, sie jagen aber auch verschiedene Hirscharten. Diese nordischen Tiger würden auch in Europa leben können, denn es ist in ihrer Heimat kälter als bei uns, und Wildschweine gibt es auch bei uns in großer Zahl. Uns scheint das bunte Kleid des Tigers mit seiner kontrastreichen Zeichnung, den schwarzen und rostgelben Bändern und der weißen Färbung der Bauchseite besonders auffällig zu sein. Man könnte meinen, sein Besitzer müsse in freier Wildbahn schon von weitem erkannt werden. Das kann der Fall sein, wenn ein Tiger über ein Stück offenes Land wechselt und sich dann vom dunkeln Hintergrund abhebt; im Schatten des Waldes, unter den Pflanzen aber verschwimmt diese Zeichnung so mit der Umgebung, daß gerade diese auffällig erscheinende Musterung das mächtige Tier vor dem Entdecktwerden bewahrt. Dem Tiger fehlt zudem als Einzelgänger das Brüllen des im Rudel lebenden Löwen. Er hat zwar auch laute, katzenartige Schreie, doch sind sie bei weitem nicht so durchdringend und verräterisch wie die Stimme des Löwen. Tiger rufen vor allem zur Paarungszeit, wenn sich Männchen und Weibchen suchen. Wie der Löwe einst das Jagdwild der Pharaonen Ägyptens und der Herrscher Babylons war, so ist der Tiger bis in die jüngste Zeit die begehrteste Beute der Fürsten im fernen Wunderland Indien gewesen. Ihnen ist es zu danken, daß sich dort in weiten Gebieten trotz der Millionen Einwohner immer ein guter Bestand an Tigern wie auch an anderen Wildarten erhalten hat. Mancher Maharadscha bot zur Tigerjagd Hunderte von Elefanten, Tausende von Helfern auf. Das war ein unerhört glanzvolles Schauspiel. Eine Zeltstadt beherbergte mitten im Dschungel den Jagdherrn und seine hohen Gäste. Zahllose Diener sorgten für ihre Bequemlichkeit. Zum Treiben erschien die Heerschar der Gehilfen und umstellte die Waldungen, in denen Tiger sich aufhielten. Die Jäger bestiegen die prunkvoll geschmückten Elefanten und ließen sich von ihnen an die Wechsel tragen, welche die fliehenden Großkatzen vermutlich annehmen würden. Mit viel Geschrei und Lärm trieb dann das Aufgebot der Fußgänger das Wild auf die Schützen zu, die es vom hohen Sitz aus erlegten. Auf den Elefanten waren sie vor Angriffen sicher. 11
Solange Indien britische Kolonie war, liebten auch die englischen Beamten die Jagd auf die Dschungelkönige. Auch sie benutzten gern Jagdelefanten, aber sie ritten meist auf ihnen vorsichtig durch den Urwald, um die Tiger zu suchen. Die Tiger waren den Anblick der Elefanten gewöhnt, da die grauen Kolosse die gleichen Wälder bewohnten wie die Raubkatzen. Sie ließen die Elefanten nahe an sich herankommen, argwöhnten nichts Böses und konnten so erlegt werden. Heute ist in Indien die Jagd von den Bäumen aus beliebt, und zwar am sogenannten «Kill", an einer gerissenen Beute. Findet man ein vom Tiger getötetes Stück Wild oder Haustier, so baut man in den nächsten Baum in sicherem Abstand von der Erde einen Hochsitz, auf dem der Jäger die Rückkehr des Räubers erwartet, um ihn zu schießen. Oder man bindet Rinder oder Büffel im Wald an solchen Stellen an, an denen Tiger gerne jagen. Dann kontrolliert man täglich nach, füttert die Ködertiere und stellt fest, ob eines von ihnen dem Tiger zum Opfer gefallen ist. Bei dem gerissenen Tier wird dann der hochgelegene Baumsitz des Jägers eingerichtet. Günstig ist es, wenn man nachts bei Vollmond und wolkenlosem Himmel am „Kill" ansitzen kann, um dem Tiger abzupassen und gut zu erkennen, wenn er zum Fraß zurückkehrt. Der Jäger bedient sich heute manchmal auch eines elektrischen Scheinwerfers,, den er vorher auf die Beute einstellt. Hört er, wie der Tiger im Dunkeln die Knochen beim Fressen zertrümmert, so läßt er das Licht aufleuchten und schießt auf das hell bestrahlte Tier, bevor es die Flucht ergreifen kann. Entscheidend ist der zielsichere, tödliche Schuß; denn die Nachsuche auf angeschossene Tiger ist im Dschungel meist noch schwieriger als jene auf Löwen in der Steppe, und die Zahl der Jäger, die hierbei zu Schaden kommen, noch höher. Besonders gefährlich ist die Jagd auf menschenfressende Tiger, hier muß der Schütze besonders vorsichtig und treffsicher sein. Menschenfresser sind unter den Tigern zwar eine seltene Ausnahme, aber sie treten immer wieder auf. Es sind vermutlich Tiere, die aus irgendeinem Grund zur Jagd auf Wild nicht mehr fähig sind oder einige Zeit lang nicht mehr fähig waren. Oft sind sie zuvor angeschossen worden, häufig haben sie sich bei der Jagd auf Stachelschweine verletzt; denn ein angegriffenes Stachelschwein bohrt
Bengalischer Königstiger — rasend vor Zorn
oft seine Stacheln in den übermächtigen Gegner, bevor es stirbt. Leoparden, die ebenfalls gern Jagd auf Stachelschweine machen, scheinen sich von den Stacheln befreien zu können; bei Tigern aber nimmt man an, daß sie die Stacheln abbeißen, wenn sie versuchen, sie mit den Zähnen auszuziehen. Die Stachelreste bleiben dann im Körper stecken. Sie verletzen das Tier zwar nicht lebensgefährlich, schmerzen es aber, sobald es sich bewegt, und behindern es beim Beutemachen. Der bekannte englische Tigerjäger Corbett hat bei vielen der menschenfressenden Tiger, die er schoß, Stachelschweinborsten in der Muskulatur unter der Haut gefunden. Solche Menschenfresser können für ganze Landschaften zur furchtbaren Geißel werden. Tiger bejagen ein verhältnismäßig großes Gebiet, das etwa 50 Kilometer Durchmesser aufweist. Ist das Revier sehr unwegsam, sumpfig oder bergig und mit dichtem Dschungel bestanden, dann ist der Menschenfresser in ihm nur sehr schwer aufzuspüren. Mitunter gelingt es Jahre hindurch nicht, seiner Herr zu werden; dann wagen sich die verängstigten Menschen wochen-, ja monatelang hindurch nicht aus den Häusern. Die Ernte verkommt auf den Feldern, die Haustiere hungern, die Menschen selbst leiden Not. Der Menschenfresser aber verliert alle Scheu; er jagt nicht mehr nachts, wie es seine Artgenossen sonst tun; er streift am hellen Tag umher und sucht nach Beute. Er dringt in die Dörfer ein, versucht die Türen zu öffnen und in die Häuser zu gelangen. Der Menschenfresser von Champawat tötete in seinem Revier in Nepal über 200 Menschen, dann wurde er über die indische Grenze vertrieben. Hier fielen ihm in vier Jahren, von 1920 bis 1924, weitere 234 Menschenleben zum Opfer. Sein Vetter aus Chowgarh riß in viereinviertel Jahren mehr als 64 Menschen. Manche dieser furchtbaren Räuber jagen zuletzt nichts anderes mehr als Menschenbeute. Der Jäger, der sie verfolgt, muß Wald und Dschungel, muß die Warnrufe des Wildes kennen, die es beim Anblick oder der Witterung eines Tigers ausstößt. Größte Wachsamkeit, scharfe Beobachtungsgabe, sehr gute Augen und Ohren, hohe Treffsicherheit müssen ihn schützen, damit er nicht selbst dem Menschenfresser erliegt. Hat er aber den Gegner gestreckt, dann atmen hunderte, ja tausende Mitmenschen auf; denn ein schwerer Alpdruck ist von ihnen genommen. 14
Der Angriff des Menschenfressers erfolgt meist so blitzschnell, daß das Opfer gar nicht zur Besinnung und zur Gegenwehr kommt. So gelingt es nur wenigen, sich zu retten. Nur gelegentlich kommt ein Überfallener mit dem Schrecken davon, wie jener Kosak, der im Amurland bei strenger Kälte im dichten Schafpelz auf Wache stand. Er fühlte sich plötzlich mit furchtbarer Wucht in den tiefen Schnee geschleudert, ergriffen und fortgeschleppt. Der Tiger aber hatte nur den Pelz gepackt, der Mann konnte aus der Umhüllung herausschlüpfen. Der Räuber trug den Pelz davon, der Kosak alarmierte schrekkensbleich seine Kameraden. Der Schaden, den ein menschenfressender Tiger anrichten kann, mag entsetzlich sein; für manche Gebiete Indiens waren die gestreiften Großkatzen dennoch ein notwendiges Übel, weil die Religion dem Hindu das Töten aller Tiere verbietet und er kein Wild jagen darf. Der Hindu darf nicht einmal die Haustiere schlachten, deren er bedarf, um Milch als Nahrung und Hilfe bei der Feldbestellung zu haben. Werden die Hausgefährten zu alt, um ihm noch nützlich zu sein, so schafft er sie nicht ab, sondern gibt ihnen das Gnadenbrot; die Masse der Alttiere frißt nun dem brauchbaren Nachwuchs das Futter fort. So waren viele Bauern froh, wenn die Tiger sich unter dem zu alten Vieh ihren Tribut holten. Manche Ortschaften hatten ihre Haustiger, die den Einwohnern genau bekannt waren. Sie wurden nicht gefürchtet. Trieben sie sich zu nahe bei den Häusern herum, so zog die Dorfjugend aus und verjagte sie mit Steinwürfen. Tiger sind nicht nur ausdauernde Wanderer und gute Springer, sie sind auch tüchtige Schwimmer; im Gegensatz zu den Löwen gehen sie Hecht gern ins Wasser. Selbst breitere Gewätsser bilden keine Schranke für sie, und diese Tatsache kann in sonst tigerfreien Wohngebieten zu unangenehmen Überraschungen führen. So durchquerte eines Tages ein Tiger den Meeresarm, der Singapore vom Festland trennt; gemächlich stieg er an einem Poloplatz an Land — sehr zum Schrecken der Europäer, die sich hier zur abendlichen Erholung eingestellt hatten. Manche altindische Fürsten umgaben ihr Schloß mit einem tiefen Graben, in dem sie Tiger als Wächter hielten. In diesen Gräben veranstalten indische Maharadschas auch heute noch Kämpfe zwischen den Tigern und Büffeln oder Wildschweinen; nicht immer ist der 15
Verärgerte TigeTbabies, sechs Wochen alt
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Vorhang auf! (Die W e l t des Theaters) Ludwig van Beethoven 122 123 Der Kuckuck 124 Leonardo da Vinci 125 Martin Behaim — der Seefahrer 126 Tiefsee 127 Grönland 128 Konfuzius 129 Barlach 130 Suomi - Land der 1000 Seen 131 Eichendorff 132 Kleines T i e r v o l k 133 Die Brooklyn-Brücke 134 Die alte Erde 135 Postmeister der Welt 136 Mode und Tracht 137 Die letzten Biber 138 W a l t W h i t m a n 139 Ludwig Richter 140 Die Karawane 141 Die H ö h l e von Pierre Saint Martin 142 Der Dachs 143 Friedliches A t o m 144 E. T. A. Hoffmann, der Geisterseher 145 Orkane und Taifune 146 Matthias Claudius — Der Wandsbecker Bote 147 Das goldene Byzanz, Aufstieg und Untergang 148 Tönende Leinwand 149 Im ewigen Eis 150 Kanada 151 Nobel. Lebensgeschichte eines Idealisten 152 Familie Specht 153 Indianer 154 Im Zoo 155 Braunkohle 156 Pinguine 157 M o u n t Palomar 158 Pestalozzi - ein Leben f. andere 159 Siemens
L U X - L E S E B O G E N
Nr.
Titel
160 161 162 163 164 165 166
Raumschiff van Gogh Vogelwelt im Zoo Fabeltiere Johann Peter H e b e l Sieg über die Kälte Der Meister des Barock — Balthasar N e u m a n n 167 Der falsche R e m b r a n d t 168 Seltsame Käuze 169 Gutenberg 170 Der junge Schiller 171 Graue Riesen 172 Alaska •— Zukunftsland im Polarkreis 173 T ü r i l i - die Heidelerche 174 Meister Mathis der Maler 175 Waldheimat 176 Brot für die Menschheit — Justus Liebig 177 Kongo — Zwischen gestern und morgen 178 R i t t e r im Teich — Das seltsame Leben des Stichlings 179 Arabien 180 Das M o o r 181 Baumeister der Vogelwelt 182 Ratsherr Guericke 183 Schichten und Scherben 184 Professor Piccard 135 Chinchon der W u n d e r b a u m 185 Zucker 187 Vom Instinkt der Tiere 188 Die Wikinger 189 D r . Eisenbarth 190 Salzgitter 191 Der große Strom St. Lorenz 192 T i e r e im Winterschlaf 193 H e r m a n n Hesse 194 Tiere hinter G i t t e r n 195 Sturm aus der Steppe 196 Hans Christian Andersen 197 Die großen R ä u b e r 198 Die Stadt am Indus 199 Mauersegler ?nn Hubschrauber
V E R K A U F T
Tiger bei diesen Schaukämpfen Sieger, weil er hier nicht überraschend angreifen kann. Viele der „Naturaufnahmen", die geschäftstüchtige Photographen als Zeugnisse unerhörter Abenteuer im Dschungel in den Handel bringen, sind vom Band solcher Gräben, also vom sehr sicheren Standort aus, aufgenommen worden. Die Tiger für solche Schauvorführungen werden meist auf Treibjagden eingefangen. Man treibt sie in aufgestellte Netzwände, die über ihnen zusammenfallen, wenn sie sich zu retten suchen und dagegenspringen. Hoffnungslos verstricken sie sich in den Netzen. Viele fängt man auch in großen, überdachten Fallen aus kräftigen Stämmen, in
Gefleckte Eleganz Viele Tiergärten zeigen Löwen und Tiger in geräumigen Freianlagen; ein tiefer, breiter Graben trennt die Großkatzen vom Beschauer. Leoparden aber trifft man immer nur in Käfigen, hinter Gittern, an. Obwohl diese gefleckte Großkatze weit kleiner ist als ihre beiden Vettern (starke Leopardenkater erreichen nur selten ein Gewicht von eineinhalb Zentner), ist sie doch ein so eleganter Springer, daß man- es bisher nicht gewagt hat, sie in einer Freianlage zu halten. Während Löwen und Tiger nur schlecht klettern können, ist
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der Leopard zugleich auch Meister in dieser Kunst. Er muß sie beherrschen, denn sein Lieblingswild sind die Affen, denen er nicht allein auf dem Boden, sondern auch im Geäst nachstellt. Leoparden bewohnten früher ganz Afrika und ganz Asien vom Kaukasus und Taurus bis Korea, von der Mongolei bis Java. Heute sind sie aus vielen Landschaften verschwunden, in anderen seltener geworden. Wie Löwe und Tiger, bildet auch der Leopard sehr viele landschaftlich verschiedene Formen. So ist zum Beispiel der nordpersische Leopard besonders groß und licht gefärbt, der Koreaner aber zeichnet sich durch ein sehr dichtes Fell aus. Überall im Verbreitungsgebiet des Leoparden treten schwarzgefärbte Exemplare auf, in manchen Gegenden besonders häufig. In Südostasien, auf Sumatra und Java, sind die Tiere mit dieser Farbabänderung — man nennt sie' schwarze Panther — sogar zahlreicher als die gefleckte Stammform. Aber auch bei einem schwarzen Panther erkennt man bei genauer Betrachtung noch die gefleckte Zeichnung; denn die Flecken erscheinen dunkler als die Grundtönung des Fells. Leoparden leben in Urwald und Steppe, in Savanne und Halbwüste. Sie jagen neben Affen alles andere Wild, sie fallen sogar Büffel und Rinder an. Ihre unglaubliche Gewandtheit läßt sie mit Gegnern fertig werden, die ihnen weit überlegen erscheinen. Besonders merkwürdig ist die Vorliebe der Leoparden für Hundefleisch. Wo die Panther nur können, schlagen sie die vierbeinigen Helfer des Menschen. Sie erweisen sich dabei als Meister im lautlosen Anschleichen. Vor Jahren hatte ein deutscher Jäger seinen Dackel nach Afrika mitgenommen, er ließ ihn auf der Safari nachts in seinem Zelt schlafen und hatte ihm einen Stuhl neben dem Kopfende des Bettes als Ruheplätzchen angewiesen. Da es sehr heiß war, ließ der Jäger das Zelt auf beiden Seiten nicht verschließen. Am nächsten Morgen fehlte der Hund; die Fährte eines starken Leoparden führte von der einen Seite ins Zelt, am Stuhl vorbei und auf der anderen Seite wieder hinaus. Der Räuber hatte den Hund so leise getötet, war so lautlos gekommen und gegangen, daß der schlafende Besitzer nichts gemerkt hatte. In einem andern Falle saß ein Farmer spät abends mit einigen Freunden beim frohen Umtrunk auf der Veranda. Eine Petroleumlampe spendete das nötige Lieht. Die Dogge des Hausherrn lag unter 18
dem Tisch und schlief. Nach einiger Zeit mußte man feststellen, daß der Hund verschwunden war. Die Spuren ergaben, daß sich ein Leopard leise genähert hatte und unter den Tisch gelangt war. Den Hund hatte er, ohne daß einer der Umsitzenden es merkte, getötet und mitgenommen; die Unterhaltung war allerdings recht geräuschvoll gewesen. Trotz solcher Untaten ist der Leopard oft »ehr nützlich. In allen Gebieten, dn denen man die Leoparden rücksichtslos ausgerottet hat, sind die Affen so häufig geworden, daß sie in Ackerbaugebieten die Ernten schwer geschädigt haben. Man sieht heute ein, daß auch in jenen Landschaften, die in Kultur genommen werden, Leoparden solange wie möglich belassen werden sollten, um die Siedlungen und Pflanzungen vor den Verheerungen durch die Affen zu schützen. Den Menschen selbst wird der Leopard nicht allzu gefährlich. Aus Afrika sind nur wenige Fälle bekannt geworden, daß Leoparden zu Menschenfressern wurden. Auch in Indien kommt diese Entartung nur selten vor, aber doch häufiger als in Afrika. Großwildjäger Corbett hat eingehend untersucht, worauf dieser Unterschied zwischen den Leoparden der beiden Kontinente zurückzuführen ist, und er hat eine sehr einleuchtende Erklärung gefunden. In vielen Landschaften Indiens werden die Leichen der Verstorbenen verbrannt und die Asche in einen Fluß gestreut. Bei schweren Epidemien sind die Angehörigen oft nicht in der Lage, die Verbrennung vorzunehmen, weil sie selbst krank sind oder weil es an Brennmaterialien fehlt. Dann legt man, vor allem in abgelegenen Landesteilen, dem Toten als Sinnbild des Verbrennens lediglich ein Stück glühende Kohle in den Mund und überantwortet ihn dem Fluß. Viele dieser Leichen werden später irgendwo an Land gespült. Leoparden gehen, genau wie Löwe und Tiger, gern an solche verwesenden Körper. Werden viele Toten ans Flußufer getrieben, so stellen sich die Tiere auf Menschenfleisch um. Sie sind dann gefährlicher als Tiger, weil sie auch als Menschenfresser nur nachts auf die Jagd gehen und in der Finsternis schwerer zu erlegen sind; zudem verstehen sie es, mit großer Kraft und Gewandtheit in menschliche Behausungen einzudringen, um sich hier ihre Opfer zu holen. Solche Tiere können zu wahren Landplagen werften. So mordete ein Leopard in Seonee fast hundert Menschen, der 19
Panther von Rudrapayag in Garhwal riß in den Jahren 1918 bis 1926 über 125 Menschen, bis ihn Corbett schoß. 1300 Quadratkilometer war der Bezirk groß, den der Leopard tyrannisierte, 50 000 Menschen bewohnten ihn. Dieser Räuber holte einmal aus einer in einem offenen Schuppen schlafenden Pilgerschar einen Schläfer heraus., der an der rückwärtigen Wand lag, ohne dabei dessen Kameraden aufzuschrecken. Die Regierung war gezwungen, ein Ausgehverbot für die Zeit der Dunkelheit zu erlassen, um es -dem Leoparden zu erschweren, seine Opfer zu finden. Kann ein Leopard seine Beute nicht sofort verschlingen, so trägt er sie gern auf einen Baum und klemmt sie dort fest. Es ist daher oft schwer, den Mörder zu finden. Der Leopard hat katzenartige, laute Rufe, die er in der Paarungszeit hören läßt. Mit ihrer Hilfe finden sich Männchen und Weibchen. Das Leopardenweibchen bringt nach 93 Tagen Tragzeit bis fünf Junge zur Welt. Kommen die jungen Leoparden frühzeitig in Menschenhand und werden dann richtig behandelt, so werden sie ihr ganzes Leben lang unglaublich zahm und zutraulich. Im Berliner Zoo lebte ein Leopardenweibchen, das sich der alte Oberwärter Olesen als Boa um den Hals legen konnte. Dort gab es auch einen schwarzen Panthermann, der sich schmeichelnd ans Gitter drängte, sobald ein Bekannter erschien, und schließlich sei des herrlichen Persers „Peterchen" gedacht, der die Freundlichkeit und Zuverlässigkeit in Person war. Trotz aller Zutraulichkeit muß man jedoch kleine Kinder selbst vor dem zahmsten Panther schützen. Für diesen Affenjäger ist es anscheinend unmöglich, einen Unterschied zwischen dem Kleinkind und der beliebten Affenbeute zu machen. Alteingefangene Panther bleiben natürlich böse, vor ihnen muß man sich hüten. Sie hauen blitzschnell durch die Gitterstäbe ihres Käfigs und reichen dabei erstaunlich weit. Sie verstehen das viel besser als Tiger und Löwe.
Wuchtige Schwimmer Donnernd trommeln die Hufe auf den vollem Galopp sprengen die Gauchos, die hat nachts ein Maultier gerissen, das in Nun reiten die Hüter der Herden hinaus, 20
harten Steppenboden, in Hirten, dahin. Ein Jaguar der Baumsteppe weidete. ihn zu jagen.
Vier junge Wald-Leoparden
Schon haben sie den Riß erreicht, und nun nehmen die Hunde mit lautem Gebell die Fährte des Räubers auf. Sie folgen ihr in voller Fahrt, erreichen -eine Buschgruppe, queren sie, durchstreifen die nächste; endlich verkündet ihr Lärm, daß sie den Feind in seinem Versteck im Dickicht gefunden haben, in dem er ausruhte und verdaute. Zwei der Kläffer schlägt der Wütende mit wuchtigen Prankenhieben zuschanden. Dann sprengen ihn die andern aus dem schützenden Pflanzenwuchs heraus. Als er hier die Reiter erspäht, strebt er mit langen Sätzen dem nächsten Wäldchen zu. Aber es ist zu spät! Mit hellen Schreien kommen die Verfolger rasch näher, schwingen die Lassos über den Köpfen. Schon fährt eine Schlinge durch die Luft, über den Hals des Jaguars, zieht sich zusammen, würgt ihr Opfer. Der Gaucho treibt das Pferd weiter, der Jaguar wird zu Tod geschleift. Das Leben eines Viehtöters ist ausgelöscht, die Natur ist um eines ihrer schönsten Geschöpfe' ärmer. Ein schwerer, wuchtiger Rumpf, ein mächtiger breiter Schädel, urwüchsige Kraft unterscheiden den Jaguar, die gefleckte Großkatze Amerikas, vom eleganten Leoparden der Alten Welt. Ein starkes Männchen kann die Größe eines kleinen Tigers erreichen. Früher kam diese Großkatze in allen Waldgebieten Südamerikas vor, und in Nordamerika bis hinauf in den Süden der Vereinigten Staaten. Durch rücksichtslose Verfolgung ist sie in vielen Gebieten ausgerottet. Jaguare lieben besonders die Nähe des Wassers. Sie schwimmen sehr geschickt und jagen gern all die Tiere, welche die Gewässer und ihre Ufer bewohnen. Mit kräftigem Prankenschlag werfen sie größere Fische ans Ufer, fangen sogar Kaimane, Hechtalligatoren, und fressen sie. Sie töten Schildkröten und holen geschickt Fleisch und Eingewedde mit den Pfoten aus dem schützenden Panzer heraus. Sie jagen die großen Nager Südamerikas, die Wasserschweine im Dikkicht der Ufer, sie schlagen die bissigen, gefährlichen kleinen Wildschweine der Neuen Welt, die Pekaris. Sie erbeuten auch die Hirsche und alles andere Wild ihrer Heimat. Leider gehen sie auch an die Viehherden, reißen Kälber und junge Rinder, Pferde und Maultiere. Das aber wird ihnen zum Verhängnis: sie werden überall dort ausgerottet, wo man neue Gebiete der Landwirtschaft erschließt. Die Jaguare sind heute bereits in vielen Landschaften in die abgelegensten Winkel zurückgedrängt, und auch hier werden sie noch verfolgt. 22
Denn für viele Südamerikaner ist „el tigre", wie sie den Jaguar nennen, geradezu der Nationalfeind. Solange schlecht bewaffnete Indianer oder Mischlinge die Wälder durchstreifen, kann auch der Jaguar zum Menschenfresser werden. Sobald aber moderne Gewehre in Erscheinung treten, hütet er sich vor dem Menschen. Doch sind angeschossene Jaguare immer gefährlich, viele Jäger sind ihnen zum Opfer gefallen. Sie stürzen mit langen Sätzen auf den Gegner los, richten sich dann vor ihm auf den Hinterbeinen hoch und schlagen mit furchtbaren Prankenhieben auf ihn ein. Deshalb zogen früher Speerträger und Gewehrschützen gemeinsam auf die Jagd; der Speerträger brachte den Jaguar mit einem Speerstoß zur Strecke^ wenn ihn das Tier, vom Schuß verwundet, ansprang und sich zum Nahkampf hochstellte. Jaguare sind Einzelgänger, nur zur Paarungszeit trifft man mehrere zusammen. Fällt ein Jaguar jung in die Hand des Menschen, so wird er ein vertrauter, harmloser Genosse. In Tierparks halten Jaguare lange aus, sie werden etwa 20 Jahre alt. Besonders begehrt für die Zoos ist eine schwarze Abart, die in geringer Zahl überall neben der gefleckten Art vorkommt. Leider kann man dem Jaguar in Gefangenschaft kaum Gelegenheit geben, zu zeigen, daß er ein schlechter Kletterer, dafür ein umso besserer Schwimmer ist.
Große Seimurrkatzen Löwe und Tiger, Leopard und Jaguar können nicht schnurren, wie es unsere Hauskatze tut, wenn sie sich besonders wohlfühlt. Zum Schnurren bedarf es einer besonderen Konstruktion des Kehlkopfes. Drei andere Großkatzen, der fast einfarbig graue oder braune Puma der Neuen Welt, der leopardenhaft gezeichnete, aber lichter gefärbte, langhaarige Irbis aus den Hochgebirgen Zentralasiens, der eigenartige Nebelparder aus den Urwäldern Südostasiens besitzen den geeigneten Kehlkopf; sie können schnurren wie eine Mieze und zeigen auch durch ihre Lautgebung, daß sie sehr groß gewordene, nahe Verwandte der Hauskatze sind. Der Puma ist in einer Unzahl verschiedener Rassen von Kanada bis Patagonien verbreitet, er ist ein Waldtier, das gut klettert und vor allem kleinerem Wild, Vögeln und Säugern bis zur Größe eines 23
Schafes, nachstellt. Junge Pumas sehen allerliebst aus; ihr langes, weiches Haar äst auf hellem Grund dunkel gefleckt, die Zeichnung ist der eines Schneeleoparden ähnlich. In Gefangenschaft werden sie sehr zahm und bleiben auch im Alter angenehme Hausgenossen. Wilde Pumas lieben als gute Kletterer den Wald und das Gebirge, in den Steppen findet man sie nur dort, wo dichterer Baum- und Strauchwuchs die Gewässer begleitet. In den Urwäldern Brasiliens verfolgen sie die Affen in den Baumkronen. Den dichten Wald suchen sie auch auf, um vor dem Menschen zu fliehen, indem sie aus einem Wipfel in den nächsten springen. Sie sind verhältnismäßig leicht zu schießen, weil sie vor den Jagdhunden fliehen und aufbäumen. Man kann dann ohne Schwierigkeit einen sicheren Schuß auf sie abgeben. Wenn sie auch so groß sind wie ein Leopard, sie haben nicht seinen Schneid, seine Geschicklichkeit und Kraft im Angriff; aber sie können sich meisterhaft verbergen. In einer Grafschaft der USA beklagten sich die Jäger, es gäbe dort zuviele Pumas; sie schädigten den Bestand der hübschen Weißwedelhirsche, die doch für die Menschen da seien. Die hohe Behörde verfügte den Abschuß der Großkatzen, sie meinte, es handele sich nur um etwa fünf Stück. Mit großer Beharrlichkeit spürte man mit Hunden einen Puma nach dem anderen auf, es waren schließlich insgesamt über vierzig, die zur Strecke kamen. Selbst gute Kenner waren von dem Ergebnis überrascht. Der Irbis oder Schneeleopard ist ein Bewohner Innerasiens, sein dichtes Fell schützt ihn vor dem harten Klima seiner Heimat. Er jagt Vögel, Kleintiere und Wild bis zur Größe der Steinböcke und Wildschafe. Er hält sich wie der Puma gern im Wald und in den Felsen auf. Mongolische Jäger verstehen es, alte Irbise im Eisen zu fangen, sie zu fesseln und mit in ihre Dörfer zu nehmen. Auf diese Weise kommen altgefangene Irbise in den Tierhandel. Sie werden rasch zahm und gewöhnen sich an den Menschen. In den Zoos aber halten sich diese Tiere nicht gut, sie sterben meist nach einiger Zeit. Aus freien Stücken fallen weder Schneeleopard noch Puma in der Freiheit den Menschen an, sie sind zu harmlos und besitzen auch nicht die nötige Kraft. Selbst den sie verfolgenden Hunden werden sie nur selten gefährlich. 24
Der Puma hat Langewelle Ein echter Bewohner der Baumkronen ist der Nebelparder. Auch seine Körperzeichnung ähnelt der des Leoparden; nur ist die Grundfarbe seines Pelzes nicht gelblich, sondern spielt ins Graue. Er ist die kleinste der Großkatzen, «in alter Kater wird nur etwa vierzig Pfund schwer. Der Nebelparder hat «in besonders dichtes Fell, es schützt ihn vor den heftigen Regengüssen seiner Urwaldheimat. Nebelparder kommen nur selten auf den Erdboden herab. Sie jagen 25
ihre Lieblingsbeute, Vögel und Klettertiere, sin den höheren Regionen des Waldes. Jung aufgezogen werden sie reizende Hausgenossen, die nur dadurch lästig fallen, daß sie es sich nicht abgewöhnen können, die Haushühner zu schlagen. Sie spielen gern mit ihren menschlichen Freunden, drängen sich an sie heran und schnurren dann, wenn es ihnen besonders behaglich ist.
Raubtiere als Jagdgenossen Vom blauen Himmel herab brennt unbarmherzig die Sonne auf den Steppenboden des vorderindischen Pandschab, des „Fünfstromlandes". Im niederen Gras weidet ein Rudel Hirschziegenantilopen, ruhig äsen die braunweißen Weibchen und Jungtiere; einige der prachtvollen schwarz-weißen Böcke mit den langen spitzen Hörnern stehen bei ihnen. Keines der Tiere beachtet den Ochsenkarren, der rumpelnd und stoßend in der Ferne daherkommt. Zwei Männer im weißen Turban sitzen auf dem Gefährt, unauffällig beobachten sie das Wild. Hinter den Männern, den Antilopen unsichtbar, liegt auf dem Karren ein leopardengroßes Tier. Das gelbe Fell ist mit schwarzen Tupfen besetzt, der Rumpf ist muskulös, aber schlank, lang und sehnig sind die Beine; die Spitze des langen Schwanzes spielt nervös hin und her und zeigt jede Erregung an. Es ist ein Gepard: kein Pirschjäger des Waldes, sondern ein Tier der offenen Landschaft, ein Raubtier, das seine Beute hetzt und stellt, eine Katze mit der Figur eines Windhundes. Jetzt ist der Karren noch näher an die Antilopen herangekommen. Einer der beiden Männer löst eine schwarze Binde von den Augen des Gepards, macht die Leine los und läßt den Jagdgierigen vom Wagen herabspringen. Schon stürmt der Räuber mit rasender Geschwindigkeit auf das Wildrudel zu; die Antilopen haben sich zur Flucht gewandt. Wie die Bälle springen Jäger und Gejagte über die Unebenheit des Bodens dahin. Der Gepard erreicht einen der schwarz-weißen Böcke, packt ihn mit dem Rachen am Hals und reißt ihn nieder, die Jagd ist aus. Schon in alter Zeit hat diese Großkatze den Völkern des Orients als Jagdgehilfe gedient. Der Großmogul von Delhi soll bis tausend Geparden auf seinen Jagdzügen mitgeführt haben. Die Fürsten von 26
Gepard — der Jagdgehilfe des Menschen Armenien besaßen rund hundert Stück, auch die Herrscher von Abessinien verwandten sie zur Jagd. Heute kaufen indische Fürsten in Ostafrika gefangene Tiere und lassen sie in ihre heimatlichen Jagdgebiete bringen; sie halten die Ostafrikaner für stärker und schneller als die einheimischen. Geparden sind Tiere der baumarmen Steppen und Halbwüsten Afrikas und Vorderasiens bis hinter den Kaspisee und bis zum Pandschab. Hier jagen sie ihre Beute, Gazellen und kleine Antilopen. Sobald sie ihr Opfer erkennen, schleichen sie sich zunächst vorsichtig auf Katzenart heran; sind sie dann nahe genug, so stürmen sie in mächtigen Sätzen los und hinter den Flüchtenden drein. Man sagt, daß sie siebzig Stundenkilometer und noch mehr erreichen, aber sie halten diese Geschwindigkeit nicht lange durch. Haben sie
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die Beute nach 500 bis 600 Meter Hetze nicht eingeholt, so verfolgen sie nicht weiter. Auf größere Entfernung sind sie sogar leicht mit einem guten Reitpferd einzuholen. Geparden sollen paarweise leben und auch jagen, sie haben bestimmte Malbäume, die sie vermutlich immer wieder aufsuchen, um an ihrer Rinde nach Katzenart die Krallen zu wetzen. An diesen Bäumen fängt man sie in Schlingen; aber nur solche Geparden, die voll erwachsen in Menschenhand kommen, werden zur Jagd abgerichtet. Sie gewöhnen sich schnell ein, sind bald zahm und zutraulich. Man hält sie wie Hunde an der Leine, bald lassen sie sich streicheln und liebkosen und schnurren dann wie die Katzen. Die Dressur dauert nicht länger als sechs Monate. Man gewöhnt den Jagdgepard während der Dressur daran, mit einer Lederhaube oder Binde über den Augen an sein Wild herangeführt oder gefahren zu werden. Er läßt sich nach der Jagd wieder greifen und an die Leine nehmen. Im Haus kann man ihn frei umherlaufen lassen, er tut keinem Menschen etwas zuleide, nur mit Hunden gerät er leicht in Streit. Solche Gegner trommelt er mit rasend schnellen Schlägen der Vorderläufe zusammen. Jahr für Jahr werden Geparden vor allem aus Ostafrika nach Europa gebracht; wir sehen sie hier in vielen Tierparks. Leider halten sie bei uns nicht lange aus, denn es fehlt ihnen ausreichende Bewegung. Man müßte ihnen Gelegenheit geben, sich wirklich bei der Hetzjagd auszuarbeiten; die Enge eines Käfiges aber ist nichts für sie, und so leben sie meist nur kurze Zeit. Das ist sehr schade, denn es gibt nur wenige Raubtiere, die sich so eng an den Menschen anschließen und so geeignet sind, in seiner nächsten Nähe zu leben.
Laßt auch die großen Räuber leben! Überall auf der Erde wächst von Jahr zu Jahr die Zahl der Menschen, immer neue Räume werden besiedelt, immer größere Flächen ursprünglichen Landes müssen umgebrochen und nutzbar gemacht werden. Urwälder werden gerodet, Sümpfe trockengelegt, Wüsten durch Stauseen und Kanäle bewässert. Da die modernen Heilmittel heute vor zahlreichen Tropenkrankheiten schützen, gegen die es noch vor wenigen Jahrzehnten keine Hilfe gab, stehen dem Europäer 28
Porträt des Gepards
viele früher verschlossene Landschaften in Übersee zusätzlich offen. Durch das Vorschreiten des Menschen und die Vergrößerung seines Siediungsraumes aber wird den Tieren der Wildnis immer mehr Lebensraum genommen. An ihre Stelle treten in steigendem Maße unsere Haustiere. Es gibt trotzdem auch heute noch viel Platz für wilde Tiere. \or allem braucht man um das Schicksal des afrikanischen Wildes nicht besorgt zu sein; denn hier haben die Kolonialregierungen mustergültige Schongesetze erlassen und ausgedehnte Schutzgebiete geschaffen. In ihnen darf sich kein Mensch niederlassen, die Wildnis muß unberührt bleiben und den Tieren darf der notwendige Lebensraum nicht eingeengt werden. Einsichtsvolle Jagdschutzbehörden überwachen den Tierbestand, sorgen dafür, daß er nicht zu hoch wird, und halten ihre schützende Hand selbst über die großen Räuber. Die Maßnahmen zur Erhaltung der ursprünglichen Tierwelt werden nicht deshalb getroffen, damit auch in Zukunft die Jäger etwas zu schießen haben oder damit Touristen in das Land kommen, um in den Schutzgebieten die vertraut gewordenen Tiere zu bestaunen; sicher spielen diese Gesichtspunkte eine gewisse Rolle. Der Schutz der tierischen Mitgeschöpfe erfolgt vornehmlich um ihrer selbst willen, weil sie das gleiche Recht zu leben haben wie wir selbst. Deshalb ist man bemüht, die Fürsorge für die Tierwelt mit den Bedürfnissen des Menschen in Einklang zu bringen und neben der Kulturlandschaft, die uns Lebensraum gibt, auch die Urlandschaft mit all ihren Lebewesen zu bewahren, soweit es irgendwie möglich ist. Das wäre viel leichter, wenn gerade die Menschen in den hochkultivierten Staaten Europas und Nordamerikas, die das Wort „Tierschutz" so gern im Munde führen, nicht wegen jeder Modetorheit das Todesurteil über viele Tausende schöner und interessanter Tiere sprechen würden. Seitdem Krokodilledertaschen beliebt wurden, müssen Unmassen der Riesenechsen, auch die Angehörigen der ungefährlichen Arten, sterben, weil man zur Verarbeitung ihre Häute braucht. Sie sind in vielen tropischen Flußgebieten seither ganz oder fast ausgerottet worden, selbst in unbesiedelten Landschaften. Der Wunsch, Schlangenhautschuhe zu tragen, hat die großen Schlangenarten verhängnisvoll getroffen. Seitdem man das Fell von Leopard und Jaguar, Gepard und Ozelot in die Mode einbezogen hat, 30
Kein friedliches Hauslcätzchen — sondern junger Ozelot
sind in den Bestand -dieser Tiere große Lücken gerissen; Tausend« werden Jahr für Jahr abgeschossen, nicht weil sie das Leben der Menschen oder das ihrer Haustiere gefährden, sondern nur, weil ihre Pelze Mode sind! Hier sollten die Tierfreunde in der Heimat den Hebel ansetzen und ihren Teil dazu beitragen, die Tiere ferner Länder zu erhalten. In Afrika hat der Tierschutzgedanke die bedrohte Kreatur in die Zukunft hinübergerettet. Leider haben sich die Schutzbestrebungen in anderen Erdteilen noch nicht im gleichen Maße durchgesetzt wie im schwarzen Kontin«nt. In Südamerika zum Beispiel werden Jaguar und Puma noch immer unbarmherzig verfolgt. Wir Europäer sollten dazu beitragen, daß der Naturschutzgedanke sich in der ganzen Welt ausbreitet, indem wir unsere Stimme für die bedrängte Kreatur erheben, vor allem aber, indem wir im eigenen Lande für einen wirkungsvollen Schutz der Tier- und Pflanzenwelt sorgen. Noch vieles gibt es zu hegen und pflegen. Da lebt zum Beispiel in den italienischen Alpen, im Brentamassiv und in der Presanellagruppe, noch ein knappes Dutzend Bären. Sie gehören zu einer kleinen Rasse, die ungefährlich ist und die früher die ganzen Alpen bewohnte. Diese kleinen Bären vergreifen sich nur in seltenen Ausnahmefällen an Weidevieh, sie sind harmlose Pflanzenfresser. Alle Tierfreunde Mitteleuropas sollten mithelfen, diese wenigen Bären in jenen abgeschiedenen Hochgebirgstälern zu erhalten, um den Menschen in den fernen Ländern auch mit dieser Maßnahme zu beweisen, daß man auch im alten Kulturland Europa den Tieren ihr Recht zu geben bereit ist.
Umscblaggestalltung: Karlheinz Dobsky / Fotos: Ullstein L u x - L e s e b o g e n 197 (Naturkunde) H e f t p r e i s 2 5 Pfg. Natur-und kulturkundliche Hefte - Bestellungen (vierteljährl. 6 Hefte DM 1.50) derch jede Buchhandlung und jede Postanstalt — Verlag Sebastian Lux, Murnau, Mönchen, Innsbruck, Ölten — Druck: Buchdruckerei Auer, Donauwörth
Hinaus in die Ferne mit U l t l H ' l J
FICHTEL & SACHS A-G SCHWEINFURT