Kommissar X - Die Killer-Company von Peter Norman ISBN: 3-8328-1311-X
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Wenn man von San Antonio oder Dallas kommt, bleibt man am besten bis zum Houston Coliseum auf dem North Freeway und biegt dann zum Civic Center ab. Von da sind es nur noch vier Blocks bis zum Market Square Park, und da liegt das Grand Marmite, nicht das größte, aber eines der luxuriösesten Hotels von Houston, Texas.
Der Abend des 7. September war einigermaßen angenehm im Vergleich zu den heißen Tagen der letzten Woche. Von See her wehte eine leichte Brise, die ein wenig Kühle mühelos über die fünfzig Meilen vom Golf von Mexiko herbrachte. Das schlaffe, müde Laub an den Bäumen des Market Square Park machte sie nicht wieder frisch, aber sie vermittelte doch den Eindruck, als wäre demnächst mit der übelsten Sommerhitze Schluß. Die breiten Türen, die aus dem Bankettsaal des Grand Marmite auf die Terrasse führten, standen offen. Dahinter wehten duftige, bodenlange Gardinen, die den Einblick in den Saal verwehrten. Es hätte sich ohnedies kein Unbefugter darum kümmern können, wer da im Bankettsaal tagte und was darin vor sich ging, denn an den Aufgängen der Terrasse, in regelmäßigen Abständen hinter der steinernen Brüstung und neben den Terrassentüren, standen schlicht Uniformierte in schwarzem Lederdreß mit leichten Schnellfeuergewehren unter dem Arm. In dem kleinen Park hinter dem Hotel patrouillierten zwei gelangweilte Hundeführer mit großen Doggen an den kurzen Leinen. Die waffenstarrenden Männer der State Police blickten manchmal zum Himmel hinauf, der sich jetzt, gegen Abend, leicht bezog und einen grauen Farbton annahm. Wenn es regnen würde, wäre manches für die Polizisten einfacher geworden. Es war nicht anzunehmen, daß die Mitglieder des Senatsausschusses nach ihrer langen und anstrengenden Sitzung viel Lust hatten, im Regen spazieren zu gehen. Blieb das Wetter aber stabil, würden sie als eine kompakte Masse von V.I.P.'s gleich hinausströmen und gierig nach Luft schnappen. Die vielleicht ein bißchen besser als im Bankettsaal war, aber keineswegs irgendwie besser als sonstwo in der abendlichen 1,3-Millionen-Stadt. Lieutenant Delheye trug als einziger keine Maschinenpistole und lehnte an der Terrassenbrüstung. Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete er drei weißgekleidete Kellner mit dick geflochtenen Schulterstücken auf den Jacken, die in einer Ecke der Terrasse ein kleines Champagnerbuffet deckten. Sie hatten einige Tische zusammengeschoben und blütenweiß eingedeckt. Lange Reihen von Sektkelchen standen bereit. Champagnerkübel mit Eis hatten die Magnumflaschen aufgenommen. Jetzt verteilten sie gerade einige Schalen mit Snacks, Cashewnüssen und gesalzenen Mandeln. Delheye wußte, daß er bei weitem nicht so elegant aussah wie diese drei Lohndiener. Seine Rocktasche wurde von dem Sprechfunkgerät ausgebeult, die Pistole im Halfter trug auch nur wenig zu einer guten Figur bei, und sein Anzug war mittlerweile in drei Jahren Dienst ergraut. Aber man hatte den Lieutenant auch nicht wegen seiner blendenden Erscheinung oder gesellschaftlichen Fähigkeiten damit betraut, für die Sicherheit eines ganzen Senatsausschusses samt Damen und Schoßtieren zu sorgen. Mehr deswegen, weil man der Ansicht war, daß er vielleicht die größten Chancen hatte, mit dem politischen Society-Trubel von mehr als 150 sehr wichtigen Persönlichkeiten fertig zu werden, ohne daß hernach allzu viele Beschwerden ins Büro des State-Police-Chiefs regneten. Das Funkgerät piepte. Delheye nahm es aus der Tasche, hielt es ans Ohr und drückte die Taste. "Ja?" "Hemley hier." Das war der Beamte, der im Bankettsaal postiert war. "Die Sitzung wird gerade beendet, Lieutenant. Gleich kommen sie raus!" Generiert für:
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"Roger." Delheye schob das Gerät wieder in die Tasche, pfiff leise durch die Zähne und hob den Daumen. Jeder sah es. Die Sheriffs mit den Maschinenpistolen zogen sich von den Türen zurück. Einige gingen in die Hocke und kauerten sich hinter die Brüstung, um durch ihren martialischen Anblick den Blick ins Grüne nicht zu sehr zu stören. Delheye sah aufseufzend zum Himmel. Keine Aussicht auf einen schnellen Regenguß, einen Platzregen, der ihm die Dinge etwas vereinfacht hätte. Die Hundeführer spazierten durch den Park. Was er hatte tun können, war getan worden. Mochten die V.I.P.'s kommen! Sie drängten ins Freie, als wäre hinter ihnen ein Zimmerbrand ausgebrochen. Lebhaft plaudernd, die Herren durchweg in dunklen Anzügen, die Damen noch im Nachmittagskleid, angeregt durch die Diskussionen und Streitgespräche, von denen nur manchmal eine besonders laute Stimme oder die Klingel des Vorsitzenden herausgedrungen war, ermüdet von der Sitzung, andere aber auch fasziniert von der Aussicht, nach all' dem Kaffee und Mineralwasser endlich ein Glas Champagner zu bekommen ... Delheye grinste, als er sah, wie sich schnell die allgemeine Vorwärtsbewegung in Richtung auf die Sektbar änderte. Er war nicht in Uniform, deshalb fischte er sich eine Pall Mall aus der Packung und steckte sie an. Viele rauchten, und im Licht der stilvollen Kandelaber stieg schon eine bläuliche Wolke von der Terrasse empor, in der lauen Luft des Abends. Delheye wandte sich um, weil er seinen Leuten hinter der Bar ein Zeichen geben wollte, daß sie sich etwas weiter zurückzogen. Ins Stimmengewirr, ins gelegentliche Gläserklirren hinein platzte ein Laut, der nicht hierhergehörte. Kaum jemand vernahm ihn, aber Delheyes geschultes Ohr registrierte den schwachen Knall. Für eine Sekunde tauchte vor seinen Augen die Szene in den Catskill-Bergen auf. Voriges Jahr, an einem dunstigen, kühlen Morgen - da hatte es genauso geknallt, und dann war ein prächtiger Bock in langen Fluchten aus dem Gehölz gebrochen, hatte den Kopf mit dem ragenden Geweih hochgeworfen und plötzlich, mitten im Sprung, sein Leben in einem dumpfen Zusammenbruch beendet. Sofort wurde Delheyes Blick wieder klar. Er umfaßte die Szene an der Terrassentür. Drei Männer waren herausgetreten. Der weißhaarige, große und füllige, imposant aussehende Mann in der Mitte stand noch da, mit aufgerissenen Augen. Seine Hand tastete langsam über die Brust, zum Herzen hin. Der Mund war halb geöffnet. Die beiden anderen wußten offensichtlich nicht, was überhaupt passiert war; einer beugte sich vor und wollte etwas sagen, da knickte der in der Mitte langsam in die Knie. Sein Unterkiefer sank herunter, er wollte sich mit der Linken abstützen, aber dann schlug er der Länge nach auf die Steinplatten, und Delheye wußte, daß er das Geräusch, mit dem Senator Jacksons Schädel auf den Boden prallte, nie vergessen würde. Er brauchte nicht auf die Lache zu blicken, die sich jetzt unter Jacksons Oberkörper ausbreitete. Mit einem Gewehrschuß in die Herzgegend hatte der Senator vermutlich kaum Überlebens-Chancen. Aber Delheye riß das Sprechfunkgerät an den Mund. "Mayday! Mayday! Mayday!" sagte er, nicht allzu laut, aber er war sicher, daß er überall an den Empfängern verstanden wurde. "Notarzt auf die Terrasse. Das Klinomobil am besten durch den rückwärtigen Eingang in den Park. So nah wie möglich an die Terrasse heranfahren. Achtung an alle Wagen: Riegeln Sie den Block Main Street, Preston und Congress Street hinter dem Grand Marmite ab! Irgendwo ist da ein Schütze mit einem Gewehr und Zielfernrohr unterwegs, vermutlich in einem der Häuser. Bringen Sie Verstärkungen her! Ende." Erst jetzt konnte er sich wieder auf die Szene konzentrieren. Die beiden Männer, die mit Jackson aus dem Bankettsaal gekommen waren, knieten jetzt neben ihm. Zwei der Polizisten waren hinzugekommen; sie hatten ihre Maschinenpistolen in Griffweite auf den Boden gelegt und kümmerten sich um den Senator. Noch einmal nahm Delheye sein Sprechgerät. "Gruppe A - auf die Terrasse, absperren um den Senator. Die anderen bleiben auf ihrem Posten. Hicks und Melvey öffnen den Parkeingang für das Klinomobil! Ende!" Er war mit ein paar schnellen Schritten bei der kleinen Gruppe. Noch hatte kaum jemand von den anderen Gästen etwas gemerkt. Sie drängten sich um das Champagnerbuffet. Delheye kniete neben dem Senator nieder. Einer der Polizisten hatte ein Verbandpäckchen herausgerissen und versuchte, es dem Senator unters Hemd auf die Wunde zu schieben. Jacksons Gesicht war weiß wie seine Haare. "Mehr Verbandstoff!" Generiert für:
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"Nichts mehr da, Lieutenant! Was wir bei uns hatten, habe ich schon auf die Wunde gepreßt." Delheye zwang sich zur Ruhe. Er konnte überhaupt nichts tun, bis der alarmierte Notarzt eintraf. Im Geist zählte er langsam vor sich hin. Zweiundzwanzig, dreiundzwanzig, vierundzwanzig - das war sein erprobtes Mittel, nicht die Nerven zu verlieren. "Lassen Sie mich bitte ran!" sagte eine glatte Stimme. Ein Mann in Weiß hockte sich neben Delheye. "Fassen Sie mit an! An der Kleidung! Wir müssen ihn herumdrehen!" Vorsichtig legten sie den Senator auf den Rücken. "Das hätten Sie auch schon selber tun können!" knurrte der Arzt. "Soll er vielleicht leerlaufen wie ein leckes Faß?" Mit einem Ruck riß der Arzt Jacksons Hemd auf und warf nur einen Blick auf die Wunde. Dann griff er ohne hinzusehen in seine Tasche, nahm ganze Packen von Verbandstoff und drückte sie auf die Wunde. "Wo bleibt der Wagen, verdammt?" Hinter ihnen entstand Bewegung. Delheye wandte sich um. Die Polizisten hatten eine Absperrung gebildet, hinter der sich nun die Leute auf die Zehenspitzen stellten, um etwas mitzukriegen. Durch die Gasse kamen eilig zwei Träger mit einer Bahre. Der Arzt erhob sich und griff nach seiner Tasche. "Schnell, auf den Tisch! Vielleicht ist noch etwas zu machen!" Der Senator wurde auf die Trage gehoben, und im Laufschritt brachte ihn die Mannschaft über die Terrasse, die breite Treppe hinunter und in das Klinomobil, das mit offenen Türen auf dem Rasen stand. Auch Delheye stand auf. Er war erleichtert, daß sich der Senator jetzt in offenbar fachkundigen Händen befand. Aber in dieses Gefühl mischte sich die Einsicht, daß jetzt erst seine Arbeit begann. Und er hatte keine Ahnung, was er unternehmen sollte ...
* Schon die Spätausgaben der Abendzeitungen brachten die Nachricht vom Mordanschlag auf Senator Jackson groß auf den Titelseiten. Die Fernsehsender unterbrachen ihre Programme, sendeten Augenzeugenberichte von Leuten, die im Grunde nichts gesehen hatten. Sie schalteten live zur Klinik, wo die Reporter vor dem Eingang standen und nicht mehr zeigen konnten als die Fassade des Gebäudes und die erleuchteten Fenster der Operationsräume, wo es um das Leben des Senators ging. In den Redaktionen wurden schon die Nachrufe auf den Senator fertiggemacht, wie das so üblich und wahrscheinlich auch nötig ist. Die Polizei hatte sich angesichts der fast schon überstaatlichen Katastrophe mit dem FBI zusammengetan und beriet auf höchster Ebene, nachdem die Absperrung des Viertels um das Grand Marmite, die Lieutenant Delheye gleich angeordnet hatte, ergebnislos verlaufen war. Immerhin durchkämmte eine Hundertschaft noch alle benachbarten Gebäude, und damit würde sie vor Morgengrauen kaum fertigwerden, da es sich durchweg um große Geschäftshäuser und belebte Hotels handelte. Am Tatort arbeitete die Spurensicherung mit Scheinwerfern; sie versuchte, die ungefähre Schußrichtung zu rekonstruieren und daraus Schlüsse auf den Standort des Schützen zu ziehen. Aber ohne genaue Kenntnis des Schußkanals im Körper des Senators war das fast aussichtslos, und die Ärzte hatten mitteilen lassen, daß sie Wichtigeres zu tun hätten, als im zerrissenen Fleisch und Muskelgewebe in der Brust des Senators komplizierte Winkelberechnungen anzustellen ... Um halb eins in der Nacht schob der Chefarzt der chirurgischen Abteilung seinen grünen Mundschutz herunter und sah seinen Kollegen Langley fragend an. Der berühmteste Kardiologe der Südstaaten, den die Air Force mit einem Hubschrauber hergeflogen hatte, hob die Schultern. Auch er machte sich die Bänder seiner Maske hinter den Ohrmuscheln los und ließ sie achtlos zu Boden fallen. "Probieren wir's?" Generiert für:
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Langley streifte die Handschuhe ab. "Wenn die Reste der Vorhofsmuskulatur auf die Reizströme der Maschine ansprechen, haben wir eine Chance, daß wir ihn über die nächsten Stunden bringen", sagte er. "Wenn nicht ... der Spielraum, den das Herz nach Anlegen unserer Nähte hat, ist verdammt gering. Wir können gar nichts anderes machen, als es darauf ankommen zu lassen." Er nickte der Ärztin an der komplizierten Apparatur zu, und die bewegte einige Schalter. Gebannt starrten sie auf den Bildschirm, auf dem sich die Herzfunktionen in laufenden, grün leuchtenden Kurven darstellten. Eine der Linien, die regelmäßige Zacken aufwies, wurde auf einmal flach. "Noch mal anregen?" Langley reagierte mit einem Schulterzucken. "Ich fürchte, schaden kann es nun auch nicht mehr." Die Linie geriet wieder in Bewegung, zeigte ein paar schwache Ausbuchtungen, die von rechts nach links über den Schirm liefen. Dann flachte die Kurve wieder ab, blieb regelmäßig, wurde zu einem geraden Strich. "Das macht überhaupt nichts!" behauptete der Chirurg, als müsse er sich gegen die unausgesprochene Meinung seines ganzen Teams verteidigen. "Unter normalen Bedingungen nicht", bestätigte Langley. "Aber wir haben den Schock durch den initialen Blutverlust noch nicht unter Kontrolle. Sehen Sie sich doch mal die Hirnstrommessungen an, Kollege!" Ein zweiter Bildschirm zeigte noch weniger Leben. "Der erste Aussetzer", murmelte die Ärztin. Im Raum war drückende Stille, nur von den leisen, regelmäßigen Geräuschen der Maschine begleitet. "Der zweite!" "Verdammt, ja ... ich seh's doch selber!" explodierte Langley. Vom eigentlichen Gegenstand ihrer verzweifelten Bemühungen, dem Senator, war nichts zu sehen. Er lag unter den grünen Tüchern, unter denen auch die Zuleitungen, Schläuche und Kabel verschwanden. Das Operationsfeld war jetzt wieder abgedeckt. Wenn sie Erfolg hatten, mochte einer der Assistenten die Wunde schließen. Im anderen Fall übrigens auch ... "Wieder einer!" Die Ärztin biß sich auf die Lippen. Sie hatte den Hinweis auf die Veränderungen der Kurven nicht unterdrücken können. Langley sagte nichts. Er atmete regelmäßig, hätte sich eigentlich räuspern müssen, weil er immer noch zuviel rauchte und in seiner Kehle etwas sehr rauh geworden war, aber er ließ den Bildschirm nicht aus den Augen. Minutenlang starrte er auf die grünen, laufenden Linien. Sie wurden flacher, verloren ihre charakteristischen Ausbuchtungen, die anzeigten, wieviel Leben noch im zerstörten Herzen des Patienten war. Nur die Kurve des Schrittmachers blieb unverändert stark. Langley sah auf die Uhr und dann den Chirurgen an. Der verzog den Mund. Die Linien auf dem Schirm waren jetzt gerade, bis auf eine, wie bei einer Bildstörung im Fernsehen, standen sie ruhig. "Null Uhr zweiundfünfzig", sagte Langley vernehmlich, damit es deutlich auf das Band im Aufnahmegerät des Protokollführers kam. "Wir schalten ab." Die Ärztin bewegte einen Schalter. Jetzt erlosch auch die letzte bewegte Kurve. Langley wartete noch ein paar Sekunden, als wollte er sicher sein, daß nicht noch ein Wunder geschähe. Dann sagte er knapp in Richtung des Mikrophons: "Exitus. Null Uhr dreiundfünfzig." Er wandte sich ab und legte dem Chirurgen die Hand auf die Schulter. "Wenn man bedenkt", sagte er, während sie hinausgingen, "was man unter anderen Umständen vielleicht noch hätte tun können ... außer dem Herzen war ja kaum etwas in Mitleidenschaft gezogen." "Sie denken an eine Transplantation?" "Theoretisch möglich, immerhin. Wir sind heute schon ganz schön weit beim Einbau von Ersatzteilen in den menschlichen Körper. Vorausgesetzt, sie stehen zur Verfügung, wenn man sie braucht. Mit einem physiologisch verträglichen Spenderherzen und einer etwas Generiert für:
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besseren Ausrüstung als hier wäre eventuell noch ein Versuch möglich gewesen." Der Chirurg nickte. Er nahm die Anspielung auf die Ausrüstung der Klinik nicht krumm. Er wußte, was in einer Transplantationsklinik vorhanden sein muß, damit die Operationen eine Chance auf Erfolg haben. In einem modernen Krankenhaus, und sei es noch so modern eingerichtet, kann das einfach nicht vorhanden sein. Schon aus Kostengründen ... "Aber der Schock hätte die Sache nicht leicht gemacht", gab er noch zu bedenken. Langley hob die Arme, und eine Schwester knöpfte ihm den Kittel auf. "Mit dem Schock wären wir fertiggeworden. Wenn ich genug Blutkonserven habe und die Leute am Wiederbelebungsgerät nicht einschlafen, werde ich fast mit jeder hämodynamischen Krise fertig. Aber was reden wir herum! Jackson können wir nicht mehr helfen. Ist jemand von den Angehörigen draußen?" "Ich glaube, seine Tochter. Wollen Sie ... ?" Langley nickte. "Ich dränge mich nicht gerade danach, aber es muß wohl sein. Ich habe die Behandlung geleitet und sollte wohl auch erklären, daß wir am Ende unserer Möglichkeiten waren. Wenn Sie dafür die Herren der Regierung auf sich nehmen? Ich fürchte, Jacksons Tod wird ein Politikum ersten Ranges!" "Das dürfte jetzt schon feststehen." Der Chirurg trocknete sich die Hände ab und blickte in den Spiegel. Die fast vierstündige Operation hatte auch in seinem Gesicht Spuren hinterlassen. "Ich rufe den Gouverneur an. Der kann dann die Meldung weitergeben und eine Pressekonferenz abhalten, wenn es ihm Spaß macht." Langley war schon an der Tür. "In diesem Wahljahr ist das kaum anzunehmen!" er grinste. "Ich sehe Sie morgen früh noch, ja? Hab' keine Lust, heute nacht noch zurückzufliegen." Er ging hinaus, und als er im Warteraum die junge Frau erblickte, legte sich seine Miene automatisch in ernste Falten. Lizzy Jackson stand auf und strich sich über den Rock ihres dunkelblauen Kostüms. Sie war auch zu dieser Nachtstunde perfekt frisiert und trug ein dezentes Make-up. "Miß Jackson ... " Er trat noch zwei Schritte auf sie zu. "ich bin Langley aus Dallas. Man hat mich hinzugezogen, aber leider ... " "Mein Vater ist tot?" fragte sie mit klarer Stimme. Langley nickte. "Wir haben alles versucht. Es war nichts mehr zu machen." Sie nickte ein paarmal in Gedanken. Dann sah sie zu ihm auf. "Ich danke Ihnen, Professor Langley. Wenn Sie das sagen, glaube ich, daß wirklich nicht mehr getan werden konnte. Kann ... ich ihn sehen? "Sicher. Ich nehme an, morgen früh, Miß Jackson. Im Augenblick liegt er noch in der Chirurgie. Der Coroner muß seinen Spruch fällen, und dann wird man ihn aufbahren." "Ist er noch einmal zu Bewußtsein gekommen?" "Nein. Durch den hohen Blutverlust schon auf der Terrasse des Hotels hat er einen physiologischen Schock erlitten, aus dem er nicht mehr aufgewacht ist." Lizzy Jackson senkte die Lider und starrte auf den Boden. Dann kam sie wohl zu einem Entschluß. Langley bemerkte, wie sie ihre Schultern straffte. Als sie ihn wieder anblickte, war aber auch nicht die Spur einer Träne in ihren blaugrauen Augen. "Ich werde morgen früh von meinem Vater Abschied nehmen", gab sie bekannt. "Sehe ich Sie noch, Professor Langley?" "Ich fürchte, nein. Eigentlich sollte ich noch in dieser Nacht zurückfliegen, aber ich habe das auf morgen früh verschoben. Meine Patienten in Dallas warten ... Sie verstehen!" "Natürlich. Dann also noch einmal meinen Dank für alles!"
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Professor Langley verbeugte sich kurz und ging hinaus. Erleichtert, daß Lizzy Jackson offensichtlich die Nerven behalten und keine Szene gemacht hatte. Langley haßte emotionelle Ausbrüche, hauptsächlich bei weiblichen Patienten und weiblichen Angehörigen. Er kam sich dabei immer sehr hilflos vor und wußte meist nicht, was er sagen sollte.
* Jo landete am frühen Vormittag in Houston Intercontinental. Er hatte in den Spätnachrichten von dem Mord an Senator Jackson gehört; der Anruf Lizzy Jacksons war zwei Stunden vor Morgengrauen gekommen, und er hatte es mit knapper Not noch geschafft, die erste Maschine zu erreichen. "Bye, Mister Walker!" lächelte ihm die Stewardeß zu. Sie war eine New Yorkerin und hatte ihn wiedererkannt, kaum daß er in seinem Sessel Platz genommen hatte wahrscheinlich von irgendeinem Zeitungsfoto her, die sich nicht immer vermeiden ließen. In diesem Fall hatte ihm die Publicity, die er an sich scheute, eine ausgezeichnete Bedienung während des Fluges eingebracht. Obwohl er Economy Class flog, hatte er einen Service genossen, wie er in der ersten Klasse selten war ... Er nickte dem hübschen Mädchen am Ausgang zu. "Vielleicht sehen wir uns wieder beim Rückflug?" machte er ihr Hoffnung, und sie strahlte ihn an. Jo nahm sich ein Taxi und nannte das Grand Marmite als Adresse. Der Taxi-Driver musterte ihn neugierig. "Sie wissen, was da gestern abend passiert ist, Mister?" "Deshalb bin ich ja hier", gab Jo kurz zurück und machte dann eine so verschlossene Miene, daß der Fahrer davon absah, noch einmal ein Gespräch mit ihm zu beginnen. Statt dessen rauschte er über den Freeway, als gäbe es keine Polizei und keine Geschwindigkeitsbegrenzungen. Vielleicht hielt er Jo für einen Regierungsvertreter, der von Washington hergeeilt war und eventuelle Geldstrafen aus dem Steueraufkommen der Nation begleichen würde. Im Hotel war nicht zu merken, daß am Abend zuvor ein dramatischer Mordfall passiert war. In der Halle herrschte Betrieb wie an allen Tagen. Die Background Musik, die alle Flure, Restaurants und Nebenräume halbwegs dezent überflutete, war keineswegs auf traurige Klassik geschaltet. ,,Jo Walker", meldete er sich am Counter. "Miß Jackson erwartet mich hier." Der Clerk sah in einer Liste nach. Vermutlich hatte sich Lizzy Jackson gegen unerwünschte Besucher abgesichert. "Würden Sie sich bitte ausweisen, Sir? Sie verstehen es haben allerhand Leute versucht, Miß Jackson unter irgendeinem Vorwand zu sprechen!" Jo legte seinen Paß auf den Tisch. Er wurde nicht nur oberflächlich geprüft, ehe er ihn wieder zurückbekam. "Thanks, Sir." Der Clerk füllte einen Zettel aus. "Zimmer 120 im ersten Stock. Sie werden vermutlich noch einmal überprüft, Sir, aber mit diesem Zettel dürfte das nur noch eine Formalität sein!" Jo nahm seine Reisetasche, fuhr in den ersten Stock hinauf und fand Zimmer 120 deshalb so schnell, weil auf einem Stühlchen neben der Tür ein Uniformierter saß. Er schien zu einem privaten Bewachungsunternehmen zu gehören. Er sah sich den Zettel sehr genau an, klopfte dann an die Tür und meldete Jo Walker an. "Bitte", murmelte er dann und hielt Jo die Tür auf. Lizzy Jackson trug natürlich Schwarz. Es ließ sie wie eine Dame der ersten Gesellschaft aussehen, die sie schließlich auch war. Aber es stand ihr nicht, fand Jo. Jeans, ein kariertes Hemd und Cowboystiefel hätten besser zu ihrem Typ gepaßt. Blaugraue Augen, dunkelbraunes Haar, im Sonnenlicht fast kastanienfarben. Die Nase war ein paar Millimeter Generiert für:
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zu lang und nicht ganz ebenmäßig. Von den Nasenflügeln zogen sich zwei kleine Linien zu den Mundwinkeln ... und das alles machte sie nur noch reizvoller. "Jo Walker. Sie wollten mich so schnell wie möglich hier haben." Lizzy Jackson lächelte. "Wie ich sehe, hat es geklappt. Danke, daß Sie gekommen sind. Ich sag' einfach Jo; wir werden wohl soviel miteinander zu tun bekommen, daß es bequemer ist. Und daß ich Lizzy heiße, haben Sie wohl schon gehört." Sie führte ihn zu einem kleinen Tisch am Fenster. Zwei Stühle standen sich gegenüber. Jo nahm Platz und wollte sein Beileidssprüchlein loswerden, aber Lizzy schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab. "Lassen wir bitte all' das sein. Nehmen Sie auch keine Rücksichten auf meine ganz persönliche Trauer und auf meine Gefühle. Ich selbst versuche das einstweilen auszuschalten, bis ... Sie biß sich auf die Lippen. Was sie so forsch und sachlich gesagt hatte, machte ihr doch wohl mehr Schwierigkeiten, als sie zugeben wollte. "Bis?" "Bis der oder die Mörder meines Vaters verurteilt sind." Das kam wieder hart und kompromißlos. Jo nickte. "Wie weit ist die Polizei?" "Sie haben festgestellt, daß mein Vater erschossen wurde. Mit einem Gewehr. Aus einem der Häuser hinter dem Park an der Rückseite dieses Hotels. Das ist alles." "Vermutlich hat man die Kugel untersucht?" "Sicher. Aber ich weiß nicht, was dabei herausgekommen ist. Ich verstehe davon nichts und habe mich deshalb auch nicht darum gekümmert." "Warum wurde er Ihrer Meinung nach erschossen?" Lizzy Jackson setzte sich kerzengerade auf. "Weil er ein aufrechter Mann war und keine faulen Kompromisse einging. Schon gar nicht aus irgendwelchen politischen Rücksichten. Wenn er sich einmal eine Meinung gebildet hatte und zu einem Entschluß gekommen war, gab es nichts, was ihn davon abbringen konnte. Keine Rücksichten auf seine Partei, keinen Fraktionszwang, keine persönlichen Rücksichten." "Haben Sie über diese grundsätzliche Bemerkung hinaus einen Hinweis, um was es in diesem aktuellen Fall gehen könnte?" "Natürlich. Ich bin sicher, daß sein Tod in engem Zusammenhang mit dem Senatsausschuß steht, der hier gerade tagt und in dem er den Vorsitz führt. Führte ... es geht um ein Multimillionen-Projekt, an dem einflußreiche Industriekreise stark interessiert sind. Die Regierung soll erhebliche Mittel bereitstehen. Mein Vater war dagegen, und das hat wohl einigen Leuten nicht gepaßt." "Aber deshalb einen kaltblütigen Mord an einem so hochgestellten Politiker?" Lizzy beugte sich etwas vor und blickte Jo eindringlich in die Augen. "Was ist ein Mensch wert, Jo? Eine Million, zehn, hundert?" "Kommt darauf an. Ich habe erlebt, daß jemand wegen fünf Dollar umgebracht wurde. Aber in diesem Fall." "Er hat die Sache mit mir gründlich durchgesprochen. Es sieht so aus, daß verschiedene Firmen schon sehr viel investiert haben. Jetzt geht ihnen allesamt langsam die Luft aus. Wenn die Regierung nicht einspringt, stehen etliche Riesenunternehmen vor Verlusten, die ans Mark und vor allem an die Börsenkurse gehen. Sie müssen einfach weitermachen. Mein Vater war nicht der Ansicht, daß die Regierung mit Steuergeldern privatwirtschaftliche Interessen unterstützen sollte, ohne Einfluß auf die Geschäfte selbst zu haben. Deshalb war er dagegen. Und es stand zu befürchten, daß er heute mit seiner grundsätzlichen Rede viel Generiert für:
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Stimmung gegen das Projekt gemacht hätte." "Wie denkt der Ausschuß darüber?" Lizzy machte eine wegwerfende Handbewegung. "Der Ausschuß denkt überhaupt nicht. Der einzige, der da eine eigene Meinung hat, ist Senator Humphries. Und der ist ebenso strikt dagegen, wie es mein Vater war. Nur wird er es jetzt nicht leicht haben, seine Meinung durchzusetzen. Ich nehme an, daß Senator Mills oder Merryman den Vorsitz übernimmt. Und die dürften sehr viel Verständnis für das Anliegen der Industrie haben. Die hauptbeteiligten Firmen sitzen in ihren Wahlkreisen ... " "Ich kann mir immer noch nicht vorstellen, daß man in der amerikanischen Politik mit solchen Mitteln arbeitet", sagte Jo mit gefurchter Stirn. "Aber wenn es so ist, dann dürfte auch Senator Humphris in Gefahr sein!" Lizzy stand auf, ging zum Telefon und wählte. Es dauerte, bis sich jemand meldete. "Ist der Senator jetzt da?" fragte sie. Anscheinend war er nicht da, denn ihre Miene veränderte sich, als tauchten an einem ohnehin bedeckten Himmel auch noch Regenwolken auf. "Danke", sagte sie knapp, legte auf und kam zu dem kleinen Tisch zurück. Sie blieb stehen und trommelte leise mit den Fingern auf die Platte. "Senator Humphries ist verschwunden, teilt mir sein Büro mit. Ich meine, sein Sekretariat, das für die Ausschußsitzungen hier im Hotel eingerichtet ist." "Was heißt ,verschwunden?" Lizzy Jackson kaute auf ihrer schmalen, ein kleinwenig vorstehenden Unterlippe. "Madge ... das ist seine Sekretärin, mit der ich befreundet bin - sagt, daß er offensichtlich in großer Eile weggefahren ist. Er hat ihr nur eine hingekritzelte Notiz hinterlassen, daß er die nächsten Tage nicht zu erreichen ist. Von seinen Sachen hat er nur mitgenommen, was er wohl am nötigsten brauchte." "Was ist das?" Lizzy verstand nicht gleich. Jo erklärte es ihr: "Aus dem, was er mitgenommen hat, könnte man schließen, wohin er gefahren ist. Ich fürchte, er hat über dem Mord an Ihrem Vater die Nerven verloren. Vielleicht auch Angst gekriegt, daß er jetzt in Gefahr schwebt, und sich irgendwohin zurückgezogen." Lizzy telefonierte noch einmal und sagte dann: "Wäsche und das, was er auf Reisen im Wagen meist trägt. Die offiziellen Anzüge hängen alle im Schrank. Und sein Wagen steht unten in der Tiefgarage." Auch Jo stand jetzt auf und ging ein wenig im Zimmer hin und her, während er überlegte. "Die Frage ist: brauchen wir den Senator? Oder können wir annehmen, daß er sich zuverlässig in Sicherheit gebracht hat?" Lizzy bewies, daß auch sie logisch denken konnte. "Gegenfrage, Jo. Wenn wir ihn suchen und finden, dann kann ihn theoretisch auch jeder finden, der ihm nach dem Leben trachtet." Jo lächelte dünn. "Finden wir ihn aber als erste, können wir ihn vielleicht beschützen." "Und das wird er verdammt nötig haben", Lizzy nickte. "Humphries besitzt einige Unterlagen, aus denen klar hervorgeht, daß dieses Projekt gar nicht so sehr den Interessen der amerikanischen Industrie wie vielmehr denen einzelner Leute dient, die da unten in Indonesien ihr schnelles Geld machen wollen. Er hatte nicht vor, das Material in der Diskussion zu benutzen. Auch er muß irgendwie Rücksichten nehmen. Aber wenn es hart auf hart gegangen wäre, dann hätte er diese Beweismittel hervorgeholt." "Hatte Ihr Vater auch solche Zahlen parat?" Generiert für:
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"Die Strategie war festgelegt. Mein Vater und Senator Humphries hatten ihr Vorgehen abgesprochen. Mein Vater wollte die Argumente bringen, die aus den Analysen der Wirtschaftsinstitute hervorgehen. Humphries sollte mit dem Hintergrundmaterial arbeiten. Damit hätten sie den Ausschuß überzeugt, daß jede finanzielle Unterstützung des Projekts unsinnig ist und gegen eine ganze Reihe unserer Gesetze verstößt. Außerdem war mein Vater natürlich im Besitz von Druckmitteln gegen einzelne Ausschußmitglieder. Wie das in der Politik so üblich ist." Sie lächelte nicht, als sie das sagte. "Also brauchen wir Senator Humphries, und ich fürchte, er braucht uns noch viel mehr", schloß Jo. "Ich schlage vor: Sie bereden mit Madge, Ihrer Freundin, wohin er sich mit einiger Wahrscheinlichkeit gewandt haben kann. Ich kümmere mich um etwaige Spuren, die er bei seiner überstürzten Abreise hinterlassen hat. Taxi, Mietwagen, Flugtickets oder so. Zum Essen treffen wir uns wieder, ja?" Lizzy nahm seinen Arm und brachte ihn zur Tür. "Ich sage dem Mann auf dem Flur Bescheid, daß Sie jederzeit hereinkönnen." "Hat die Polizei Angst, daß auch Sie ... ?" Lizzy hatte schmale Augen, als sie ihn anblickte. "In diesem Zimmer liegt Material genug, um nicht nur den ganzen Ausschuß, sondern eine halbe Abteilung unseres Wirtschaftsministeriums hochgehen zu lassen. Oh, Jo - wie es manchmal in der Politik zugeht, müssen Sie scheinbar noch lernen!"
* Jo hatte sich in seinem Zimmer, das Lizzy Jackson für ihn hatte reservieren lassen, frisch gemacht und sich die Zeitungen der letzten beiden Tage besorgt, dazu die laufenden Wochenzeitschriften. In
fand er einen Kommentar zu der Ausschußsitzung in Houston und dazu ein Bild von Senator Humphries, das seinen Zwecken genügte. Er riß es heraus, warf den ganzen übrigen Papierkram in den Abfallkorb und ging hinunter in die Halle, um die Spur des Senators aufzunehmen. Im Reservierungsbüro war Humphries nicht gesehen worden. "Aber es hat schon jemand nach ihm gefragt", sagte das Mädchen hinter dem Counter. Jo merkte auf. "Wer? Wie sah er aus?" Sie musterte ihn. "Ungefähr wie Sie, Sir. Die Hautfarbe vielleicht etwas dunkler, die Augen tiefbraun. Dunkles Oberhemd, ich glaube auch braun, und ein gelber Schlips. Das war's, was mir aufgefallen ist." "Und wann?" "Vor ungefähr einer Stunde." "Thanks!" Jo begab sich hinaus auf die Straße und machte sich an den Portier heran. Ein Geldschein eröffnete die Verhandlungen, ohne daß etwas dazu gesagt werden mußte. Der betreßte Türhüter steckte ihn ein und sah Jo nur fragend an. Der zauberte das Zeitungsbild von Senator Humphries hervor. "Ich nehme an, er ist heute früh mit einem Taxi weggefahren. Viel Gepäck dürfte er nicht bei sich gehabt haben." "Der Mann, der vor einer Stunde schon danach gefragt hat, sprach von einer Reisetasche." "Möglich. Und was haben Sie ihm gesagt?" Der Portier grinste.
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"Ich konnte ihm nichts sagen. Der Taxifahrer, der ihn aufgenommen hatte, war noch nicht wieder zurück." "Und jetzt?" "Jetzt steht er da hinten. Der dicke Iwan. Dritter Wagen von hinten in der Reihe!" Wieder bedankte sich Jo. Er fand, daß das Geld gut angelegt war. Der dicke Iwan döste bei offenem Fenster hinter dem Steuer. Russisch sah er übrigens nicht aus, und was auf dem Aufschlag seiner Lederweste blinkte, war keineswegs der Leninorden, sondern das Abzeichen eines Fan-Clubs von einem örtlichen Motorradclub. "Ich gäbe etwas dafür, wenn ich wüßte, wohin Sie heute früh Senator Humphries gefahren haben", sagte Jo. Der Taxifahrer horchte auf. "So?" murmelte er. "Wieviel gäben Sie denn dafür, Mister?" Jo zauberte wieder einen Geldschein hervor. Eine Hand kam aus dem Fenster und schnappte danach. "Zum Flugplatz", gab der Fahrer heraus. "William P. Hobby Airport. Um es genau zu sagen: zum Commercial Trade Center. Das ist links von Departure International. Wo die kleineren Jets der Geschäftsleute abfliegen und die Sportflieger und so Leute." Der Mann war so gesprächig, daß Jo fast schon fürchtete, zu viel Geld ausgegeben zu haben. "Wurde er da erwartet?" "Nö. Nicht, daß ich was gesehen hätte. Er nahm seine Reisetasche und ging hinein. Und ich nahm mein Geld und fuhr wieder zur Stadt." Jo überlegte. Wenn Humphries vom Commercial abgeflogen war, dann mußte sich seine Spur auch in der Luft verfolgen lassen. Nur konnte er das nicht tun, einem Privatdetektiv gibt die Luftaufsicht nur selten Auskünfte. Oder nur auf teuren und zeitraubenden Umwegen. Dem Büro des Senators gegenüber war man vielleicht aufgeschlossener. Und mit der Sekretärin des Büros war Lizzy Jackson befreundet. Was sollte er sich da noch große Gedanken machen? Er nickte dem Taxifahrer zu und ging ins Hotel zurück. Von der Halle aus rief er in Lizzys Apartment an, aber sie war nicht mehr dort. Auch in Senator Humphries' Büro wußte man nichts von ihr, und Madge war nicht zu erreichen. Jo schlenderte nach einem Blick auf die große Uhr beim Empfang ins Restaurant ... und da saßen die beiden jungen Frauen und löffelten je eine Grapefruit, die mit je einer kandierten, knallroten Kirsche verziert war. "Setzen Sie sich zu uns, Jo", winkte Lizzy. Sie machte ihn mit Madge bekannt. Madge verkörperte den Typ der smarten, jungen Lady höchster Kreise noch deutlicher als Lizzy. Ihr dunkelblaues Kostüm mit dem feinen Nadelstreifen saß perfekt. Die Seidenbluse sah so aus, als werde sie alle Stunde spätestens gewechselt, und das Make-up war bestimmt nicht älter als die Frisur, an die offensichtlich vor kurzer Zeit ein begnadeter Coiffeur letzte Hand angelegt hatte. Sie betrachtete Jo aufmerksam. "Sie sind Kommissar X, nicht wahr?" fragte sie mit klarer, ein wenig kalt klingender Stimme. "Manche nennen mich so", gab Jo zurück und schlug die Speisekarte auf "Ein <nom de guerre>, an dem ich schuldlos bin." "Na, so ganz wohl doch nicht!" Madge lachte kurz auf. "Ich möchte wetten; Sie haben schon eine Spur von Mister Humphries!" "Eine Spur?" Jo blickte durch sie hindurch, weil er die drängende Entscheidung zwischen Chicken a la Mexicana und Steak Virginia fällen mußte. "Virginia", sagte er. Madge sah ihn verblüfft an. "Was soll der Senator in Virginia?" "Oh, Entschuldigung! Ich dachte an mein Mittagessen. Steak Virginia. Mit dem Senator hat das nichts zu tun. Der ist heute früh mit einem kleinen Privatjet weggeflogen. Könnten Sie als seine Sekretärin nicht versuchen, bei der Luftaufsicht etwas über seinen Flugplan zu Generiert für: [email protected]
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erfahren?" Madge und Lizzy wechselten einen schnellen Blick. "Natürlich kann ich das. Zumal die Maschine, mit der er geflogen ist, ihm wahrscheinlich gehört. Wir sind mit seinem Lear Jet hergekommen. Er blieb auf dem Hobby-Airport." "Von da ist er auch abgeflogen." Madge tupfte sich die Lippen mit der Serviette ab und stand auf. "Bin gleich wieder da!" versprach sie. Jo blickte ihr nach. "Sehr fähige Kraft, wie?" fragte er Lizzy, und die nickte. "Sie managt Senator Humphries' Büro fast allein. Mit allem, was dazugehört." ,,Jo versuchte, den Sinn dieser Bemerkung zu deuten, aber Lizzy gab ihm keine weitere Hilfe. Also ließ er es bleiben. Der Kellner kam und nahm Walkers Bestellung auf, brachte wenig später ein mexikanisches Pfeffersüppchen für Lizzy Jackson, und erst, als er den Teller wieder abräumte, kehrte Madge zurück. "Der Ausschuß hat sich angesichts der Ereignisse vertagt", sagte sie. "Ich habe es eben erfahren. Das war eine gute Entscheidung. Aber für den Senator ändert sie wohl nichts. Er ist in der Frühe in Richtung Atlanta gestartet, mit seiner Maschine und Hawkins, dem Piloten." "Atlanta?" Madge warf Jo einen schnellen Blick zu, dann schüttelte sie den Kopf - und ihre Frisur geriet nicht ein bißchen in Unordnung. Die neuen Haarsprays sind schon gut ... "Der Flugplan war nur bis Atlanta eingereicht. Aber ich nehme an, daß er weiterfliegt." "Geht das?" "Natürlich geht das bei einem Senator der Vereinigten Staaten. Humphries hat ein Chalet, ein Ferienhaus weiter nördlich in den Appalachen, in den Smoky Mountains. Ich nehme an, daß er sich dorthin zurückziehen will, bis sich die Szene hier etwas beruhigt hat." Madge setzte sich hin und hielt nach ihrer Vorspeise Ausschau. Sie kam zusammen mit Jo Walkers Steak Virginia. Madge schnupperte. "Das hätte ich vielleicht auch besser bestellt als dieses unglaublich gesunde Zeug aus Magerquark und Kräutern und Vitaminen", murmelte sie, griff aber doch zu ihrem Löffel. "Kann man den Senator dort telefonisch oder über Funk erreichen?" fragte Jo nach den ersten Bissen. Madge schluckte einen weiteren Löffel voll Magerquark, Mineralstoffen und Spurenelementen und schüttelte den Kopf. "Dafür hat er sich das Haus ja gerade gebaut, daß er mal Ruhe hat. Um diese Jahreszeit kann es ihm dort sogar passieren, daß er morgens aufwacht und sich durch ein paar verfrühte Schneewehen von der Welt abgeschnitten findet." "Teufel, ja - das macht man sich in dieser Bruthitze am Golf von Mexiko nicht klar." "Ich nehme sogar an, daß Humphries damit rechnet. Es würde ihm den besten Schutz bieten." "Und wie kommt er hin?" "Über Asheville, North Carolina. Die haben eine Landepiste. Von dort durch die Cherokee Reservation, auf dem berühmten Blue Ridge Parkway. Bei Oconaluftee hat Humphries einen geländegängigen Wagen stehen, mit dem er zu seiner Lodge hinauffahren kann. Vorausgesetzt, der Regen hat die Straße nicht weggeschwemmt, oder der Schnee liegt zu hoch." Jo führte die Gabel mit dem letzten Bissen Steak zum Mund und widmete den restlichen gebackenen Kartoffeln und Gemüsen nur einen mißbilligenden Blick. "Klingt ganz danach, als wollte Humphries da oben allein sein", sagte er, als das Steak nun mit Recht als bewältigt gelten konnte. "Trotzdem muß ich wohl versuchen, ihn aufzustöbern. Wenn wir uns darüber einig sind, daß der Mordanschlag auf Senator Jackson mit dem Fall Generiert für: [email protected]
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zusammenhängt, den der Ausschuß gerade behandelt, ist er meine einzige Spur. Und die Polizei hat auch keine bessere, abgesehen von einem dunkelhäutigen Mann meines Alters, der auch ungefähr so aussieht wie ich und herumrennt und sich nach Humphries' Abreise erkundigt." Madge blickte erstaunt von ihrem leeren Quarktellerchen hoch. "Jemand hat sich danach erkundigt?" "Ja. Ich bin nicht der Einzige, den das interessiert. Das macht mir Sorgen. Der Bursche hat zwar nicht soviel herausbekommen wie ich, aber mit etwas Glück und genügend Schmiergeld dürfte ihm das noch gelingen. Humphries ist in Gefahr, fürchte ich." "Um Gottes willen!" stieß Madge hervor. Sie ließ den Löffel, den sie immer noch in der Hand hielt, klirrend auf den Teller fallen. "Wie können wir ihm dann helfen? Soll ich die Polizei in Oconaluftee alarmieren? Während der Touristensaison ist der Posten besetzt und erreichbar!" "Vermutlich sitzt da so ein braver Park Ranger, nicht wahr? Den lassen wir lieber in Ruhe. Ich möchte den Senator schließlich nicht nur warnen, sondern ihm auch einige Fragen stellen. Ich chartere eine kleine Maschine und fliege hin. Was dagegen, Lizzy?" Lizzy Jackson hatte heftig den Kopf geschüttelt. "Nur insofern, als ich die Maschine chartere und wir hinfliegen. Ich kenne ungefähr den Weg. Humphries hat meinen Vater einmal in das Chalet eingeladen, und ich bin mitgefahren. Wann können wir starten, Jo?" Jo blickte auf dem Tisch umher. "Sobald wir das Dinner bezahlt haben, denke ich." "Unsinn! Die Rechnung geht über die Büros." Lizzy stand auf, beugte sich zu ihrer Freundin Madge und hauchte ihr einen schwesterlichen Kuß auf die Wange. Jo überlegte kurz, ob so etwas vielleicht auch von ihm erwartet würde, aber da hatte Lizzy schon seine Hand gepackt und zog ihn mit sich fort. Er konnte der verblüfften Madge nur noch mit der Linken zuwinken. Von der Tür her sah er, wie der Kellner vor ihr zwei überdimensionale Salatplatten aufbaute, hinter denen sie fast verschwand.
* Durch die geriffelte Glasscheibe beobachtete Jo seine attraktive und hübsche Auftraggeberin, die im Büro der Charterfluggesellschaft irgend etwas unterschrieb. Dann blickte er in die kleine Halle des Abfertigungsgebäudes. Der Mann, der sich da auf einem der Sessel halb hinter einer Zeitung versteckte, trug ein braunfarbenes Hemd mit gelber Krawatte. Er hatte eine etwas getönte Hautfarbe. Ob seine Augen dunkelbraun waren, konnte Jo von seinem Platz aus nicht genau feststellen. Aber der Mann war ungefähr so groß wie er, hatte auch seine Figur und saß schon dort als sie angekommen waren. Die Blicke, mit denen er Lizzy Jackson verfolgt hatte, als sie im Büro der Charterfluggesellschaft verschwunden war, konnten ihrer blendenden Erscheinung zuzuschreiben sein. Aber Lizzy war durchaus nicht die einzige sehenswerte junge Frau in dieser Halle des Airports, wo laufend top-Businessmen ankamen und abflogen. In der Mehrzahl aller Fälle von erstaunlichen Weiblichkeiten verabschiedet, begleitet oder empfangen ... Lizzy erschien in der Tür des Office. Jo fing ihren Blick auf und schüttelte langsam den Kopf. Dann blickte er nach rechts und wieder zu ihr. Ob sie das verstehen würde? Lizzy verstand. Jo fand, daß diese Mischung von außergewöhnlich gutem Aussehen und schneller Intelligenz sehr reizvoll war. Die junge Frau nahm ihre Tasche und schlenderte zum Gate III, wo sie scheinbar unschlüssig stehenblieb. Der Mann in dem Sessel hatte sie nicht aus den Augen gelassen. Jetzt stand auch er auf, ging quer durch die Halle und zu demselben Büro, wo Lizzy eben ihre Maschine gechartert Generiert für: [email protected]
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hatte. Höflich klopfte er an, trat ein und drückte die Tür hinter sich ins Schloß. Jo hatte nichts anderes erwartet. Er ging zu Lizzy hinüber und schob sie hinaus auf die Rampe. "Der Bursche hat uns beobachtet. Ich nehme an, daß er sich jetzt nach unserem Reiseziel erkundigt. Möglicherweise mietet er sich auch einen Flieger, um uns zu folgen." Lizzy ließ eine kleine Falte zwischen ihren Augenbrauen erscheinen und wieder verschwinden. "In dem Fall hätte ich vielleicht besser einen Abfangjäger gechartert?" stellte sie trocken fest. "Noch haben wir keinen Beweis seiner unlauteren Absichten. Wir wollen sehen, was er tatsächlich anstellt. Wenn er uns folgt, werden wir ihn zum richtigen Zeitpunkt ausschalten." "Klingt vernünftig", Lizzy nickte und schwenkte ihre Reisetasche.
* Der Flug in dem schnellen, kleinen Lear Jet nach Asheville war ohne Komplikationen verlaufen. Unterwegs hatte ihnen der Pilot mitgeteilt, daß auf derselben Route noch jemand unterwegs war, mit einer knappen Stunde Abstand. Und dann hatte er es fertiggebracht, auf der kleinen Piste von Asheville zu landen, ohne das Ende der Rollbahn in die Wiese zu fahren oder das gelbschwarz angemalte Wetterhäuschen zu rammen. Als sie in das Flugplatzgebäude eintraten, überließ Jo alles Weitere seiner Gefährtin. Die machte keinerlei Umstände, erledigte die Formalitäten und mietete vom Platz weg einen Chevrolet Corvette. Sie warf Jo die Schlüssel zu und schleuderte ihre Reisetasche auf den Rücksitz, bevor sie einstieg. "Die Route durchs Cherokee-Gebiet ist gekennzeichnet", sagte sie. "In Oconaluftee werden wir sehen, wie's weitergeht. Ich fürchte, wir müssen uns auch etwas Ausrüstung zulegen, ehe wir in die Berge hinauffahren können. Aber das hat Zeit bis wir da sind!" Jo startete den Motor und hatte den Eindruck, daß sich mit Lizzy Jackson bemerkenswert problemlos reisen ließ. Aber das war ihm schon öfter so vorgekommen, wenn er mit Leuten unterwegs war, die auf den Dollar nicht zu achten brauchten. Er ließ den Wagen langsam die Zufahrt zum Flugplatz hinunterrollen, gewann dann eine gut ausgebaute Straße, kitzelte den Motor ein paarmal hoch, bis er mit ihm vertraut war, und bog nach etlichen Meilen in den Parkway ein. Lizzy Jackson hatte sich in ihren Sitz gekuschelt und die Augen geschlossen. "Ob unser Verfolger schon gelandet ist und unsere Spur aufgenommen hat?" fragte Jo. Lizzy maunzte verschlafen. Dann sagte sie: "Der Mietwagenverleiher hat zwanzig Dollar bekommen, damit er den Mund hält. Und als Fahrtziel habe ich Gatlinburg angegeben. Vielleicht ist er dämlich genug, darauf hereinzufallen. Andernfalls haben wir in Okonaluftee Zeit genug, ihn zu erwarten." Mit dieser endgültigen Stellungnahme zu dem Problem zog sie die schlanken Beine auf den Sitz, schob sich die Hände in die weiten Ärmel ihrer Jacke und schlief wirklich ein. Die Sonne hatte inzwischen die letzten Nebelschwaden aus den Tälern gesaugt, und da die Bäume sich schon in den höheren Lagen verfärbten, war die Gegend von verführerischer Schönheit ... vor allem wohl für jemanden, der hier ein paar Tage Urlaub zu machen gedachte. Jo hätte nichts dagegen gehabt, das attraktive Mädchen auf dem Nebensitz dazu zu überreden. Aber da ihr Vater in der vergangenen Nacht ermordet worden war und sie hinter einem Senator herhetzten, dem man möglicherweise dasselbe Schicksal zugedacht hatte, konnte er daran leider nicht denken. Außerdem war sie es, die bisher das ganze Unternehmen finanziert hatte, und Jo hielt grundsätzlich nichts davon, auf Kosten seiner Gefährtinnen sein Vergnügen zu suchen. Immerhin merkte er sich die Gegend vor, für den Fall, daß irgendwann einmal verschiedene gute Gelegenheiten zusammenkommen würden ... Als sie in Okonaluftee ankamen, lenkte er die Corvette vor das Visitor Center am Pioniermuseum, stellte den Motor ab und zog die Handbremse an. Lizzy öffnete zögernd die Generiert für: [email protected]
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Augen, sah sich um, drehte das Fenster herunter und sog die frische Luft ein. "Ah", meinte sie, "das ist doch etwas anderes als dieser verdammte Smog in Houston!" "Was geschieht mit diesem Wagen?" "Den lassen wir hier stehen. Für die Weiterfahrt brauchen wir etwas Geländegängiges." Sie öffnete die Tür, stieg aus, nahm ihre Tasche über die Schulter und ging mit sicheren Schritten die Stufen zu dem Büro der Parkverwaltung hinauf. Jo folgte ihr, nicht ohne den Wagen sorgsam abzuschließen. Drinnen verhandelte sie schon mit einem Clerk, der sich sehr beflissen bemühte, ihr alle Wünsche von den Augen abzulesen. Natürlich - wenn man so aussah wie Lizzy Jackson und außerdem die Tochter einer so hochgestellten Persönlichkeit war ... Lizzy unterschrieb wieder irgendwelche Formulare und einen Scheck und schob die Papiere über die Theke. Sie bekam einen Autoschlüssel und wandte sich an Jo: "Wir nehmen einen Jeep der Parkverwaltung. In Ausnahmefällen stellt sie einen zur Verfügung. Ganz oben soll es heute nacht schon geschneit haben!" "Und das ist ein Ausnahmefall?" "Nein, sicher nicht. Aber Senator Humphries ist einer!" Sie lächelte ihn an und schob ihn hinaus. "So, wie wir jetzt aussehen, können wir nicht losfahren. Da drüben ist ein Store, der alles Nötige hat!" Jo folgte ihr über den Platz und in das Geschäft hinein, in dem man von der Ski-Ausrüstung über Bergsteigerzubehör bis zum Boot und Segeldrachen alles bekommen konnte, was man in den Smokies braucht. Lizzy brachte es in zwei Minuten fertig, das verschlafene Personal aufzuwecken und insgesamt fünf Leute mit ihren Wünschen zu beschäftigen. Ein paarmal verschwand sie in einer Umkleidekabine. Schließlich hatte sie, was ihr gefiel, und posierte vor Jo mit einer Stiefelhose aus dunkelgrauem Wildleder, modischen, aber zuverlässigen Stulpenstiefeln, einer Fellweste über dem bunten Baumwollhemd und einem regendichten Parka. "Na? Sieht das einigermaßen brauchbar aus?" fragte sie. "Nicht nur brauchbar, sondern ausgezeichnet. In habe ich neulich etwas Ähnliches gesehen!" Lizzy nahm das Kompliment lächelnd an und wandte sich zu dem obersten der Verkäufer. "Ich muß mir noch ein paar Kleinigkeiten zusammensuchen, Handschuhe und so. Sehen Sie mal zu, daß Sie dem Gentleman hier eine ähnliche Ausrüstung verkaufen!" Jo wurde in die Herrenabteilung komplimentiert, und als er wieder herauskam, zog Lizzy die Augenbrauen hoch. "Todschick! Wollte immer schon mal mit jemandem in die Berge, der so aussieht!" "Ich fürchte, ich habe Ihr Konto ein wenig überzogen", murmelte Jo, griff in die Tasche seiner Wetterjacke und zog eine schwarz glänzende Luger heraus. "Die habe ich auf meine Lizenz noch dazu erworben, weil ich natürlich nicht mit meiner Kanone nach Houston geflogen bin. Dachte, daß wir so etwas vielleicht brauchen. Wir können sie natürlich übers Honorar verrechnen." "Wieviel Schuß Munition?" fragte Lizzy sachlich. "Vier Magazine, sicherheitshalber." "Das müßte reichen. Okay - die Ausrüstung geht voll auf meine Rechnung", bedeutete sie dem Verkäufer und ging zur Kasse. Jo fühlte sich noch nicht ganz wohl in den neuen Sachen und trat von einem Fuß auf den anderen, um die Stiefel auszuprobieren. Der Verkäufer brachte noch einen Packsack an, wasserdicht und tropentauglich, wie ein aufgenähtes Schild verkündete. "Ich dachte, es ist Blödsinn, mit Köfferchen und Reisetasche in die Berge zu fahren", erklärte Lizzy. Sie verstauten ihr Gepäck in dem Sack. Jo schulterte ihn, und sie verließen den Store und überquerten wieder den Platz vor dem Visitors Bureau. Der Jeep war ein neueres Modell Generiert für: [email protected]
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und stand schon bereit. "Was klappert denn in dem Sack?" erkundigte sich Jo, als er ihn auf den Rücksitz warf und festzurrte. "Ich habe etwas zu essen eingekauft. Wo der Senator seine Lodge hat, gibt es keine Imbißbuden und Hütten. Und falls wir aufgehalten werden, wollen wir doch wenigstens nicht Hunger leiden!" "Fehlt nur noch ein Zelt mit Spirituskocher", murmelte Jo. "Ich hatte auch daran gedacht, aber wenn alles gut geht, sind wir in zwei Stunden oben." "Sie schwang sich auf den Beifahrersitz und machte ihren Gurt fest. Jo, der sich zum zweitenmal in wenigen Stunden in einem fremden Fahrzeug am Lenker fand, probierte die Vierradschaltung aus und das Sperrdifferential. Er ließ die Kupplung kommen, und der Jeep schoß auf den Platz hinaus. "Damit fahren wir notfalls jedes Kirchendach hoch!" stellte er anerkennend fest. "Wohin jetzt?" "Den Trail da entlang!" Der Weg war mit einem roten Kreis gekennzeichnet. "Der Wegmarke folgen wir bis kurz vor die Abzweigung nach Cosby. Dann geht es links hinauf." Jo fuhr los. Der Weg war nicht asphaltiert, wurde aber wohl häufig benutzt und war gut zu fahren. Er wand sich in Serpentinen den Berg hinauf. In halber Höhe war eine Aussichtsplattform, wo die Straße eine enge Kehre machte. Jo fuhr bis nahe an den ungesicherten Rand und stellte den Motor ab. "Was jetzt?" fragte Lizzy. Hier oben wehte schon ein ziemlich kühler Wind, und sie stopfte ihre langen, dunklen Haare unter die Kapuze. Jo wies hinunter auf Okonaluftee und die Straße. "Wenn sich unser Verfolger nicht hat irremachen lassen und auch nicht gebummelt hat, müßte er bald auftauchen. Soviel ich gesehen habe, vermieten die Leute in Asheville nur Chevys. Daran können wir ihn vielleicht erkennen! Hier fährt kein Mensch einen Chevy!" Lizzy nickte. Aus ihrem Parka holte sie einen Feldstecher, den sie anscheinend auch neu angeschafft hatte, und richtete ihn hinab auf die Zufahrtsstraße. "Ausgezeichnetes Glas", murmelte sie. "Am Straßenrand sitzt ein Kaninchen." Jo steckte sich eine Pall Mall an. Der Wind riß ihm den Rauch von den Lippen. "Da kommt ein Wagen!" sagte er. Lizzy Jackson riß sich vom Anblick des Kaninchens im Straßengraben los und suchte die Straße ab. "82er Ford. Eine ganze Familie mit ein, zwei ... drei Kindern und Hund." "Was für ein Hund?" "Na ... Setter, denke ich." Der Ford verschwand aus dem Blickfeld, als er in Okonaluftee einfuhr. Statt dessen näherte sich von fern ein roter Chevy mit ziemlich hoher Geschwindigkeit. "Das könnte er sein, wie?" Lizzy hatte ihn schon im Okular. Sie nickte. "Wenn mich nicht alles täuscht ... das Kennzeichen ist von Asheville. Er hat eine Sonnenbrille auf ... aber die Krawatte, das Hemd ... er ist es, Jo!" Sie schob das Glas in die Seitentasche des Parka. "Wollen wir ihn hier erwarten?" Jo schüttelte den Kopf und warf die Zigarette in den Aschenbecher. "Warum? Er wird da unten sehr schnell erfahren, wohin wir wollen. Und ich zähle auf seine Unkenntnis der hiesigen Wegeverhältnisse. Wenn er mit dem Chevy heraufkommt, können wir ihn vielleicht auf eine schlechte Wegstrecke locken, wo er dann festsitzt!"
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"Sehr gute Idee! Hinter der Abzweigung nach Cosby wird es ziemlich unwegsam. Da brauchen wir auch keine Zuschauer zu befürchten. Los, Jo! Wir wollen unseren Vorsprung erhalten!" Jo gab Gas und lenkte auf den Trail zurück. Wo der Boden feucht war, hinterließ der Jeep charakteristische Reifenspuren. Das mußte den Verfolger auf ihrer Spur halten. Allmählich wurde der Trail halsbrecherisch, wo er sich in sehr engen Kurven um Felsvorsprünge wand. Tief unter ihnen rauschten die Bäume; manchmal sah es so aus, als würden sie direkt in die heraufragenden Wipfel hineinfahren. Der Jeep marschierte, und sein Motor brummte wie eine Nähmaschine. Ein Wegweiser kam in Sicht und zeigte die Abzweigung nach Cosby an. Ein Warnzeichen versprach da, wo der Trail weiterführte, Steinschlag und gelegentliche Überschwemmungen. Jo bemerkte es mit Genugtuung. Der Jeep hatte eine verstärkte Stoßstange, mit der man schon einen Felsbrocken zur Seite räumen konnte; er fuhr auf hohen Rädern und war spritzwassergeschützt, so daß er notfalls auch durch einen kleinen Bach kam. Der Chevy, der jetzt schon hinter ihnen sein mußte, war mehr für glatte Asphaltstraßen konzipiert ... "Wie weit noch?" Lizzy hob die schmalen Schultern. "Ich war ja auch erst einmal hier. Nach meiner Erinnerung wird es bald etwas wild. Zur Bergseite zweigen kleine Waldwege ab, auf denen die Park Ranger und die Forstleute ihr Revier unter Aufsicht halten. Vielleicht können wir einen davon benutzen. Aber wir sollten ruhig noch ein bißchen weiterfahren. Um so geringer wird die Aussicht, daß wir von herumstreunenden Touristen bemerkt werden." "Ich habe die ganze Zeit keinen gesehen." Jo schaltete zurück, weil es jetzt ziemlich steil bergauf ging. Hier mochte der Chevy schon erste Schwierigkeiten bekommen. Hinter einer scharfen Rechtskurve trat er plötzlich auf die Bremse. Der Jeep rutschte ein Stück auf dem Geröll und kam dicht vor einigen Steinbrocken zum Stehen, die vom Abhang heruntergepoltert waren. Lizzy packte den Rahmen der Windschutzscheibe, zog sich hoch und blickte umher. "Die kriegten wir natürlich weg. Aber da rechts geht es auf einem Pfad den Berg hinauf. Versuch' das mal!" Vorsichtshalber ging Jo in den Allradantrieb. Dazu schaltete er den Geländegang ein. Der Motor lief mit viel höherer Drehzahl als bisher und gab den vier Rädern, die sich nun langsamer drehten, mehr Kraft. Der Pfad war etwas schmaler als der Jeep. Die Reifen drückten sich rechts und links in den weichen Untergrund. Sie kamen stetig vorwärts. Vor ihnen mußte irgendwann ein anderes Fahrzeug gefahren sein. Die Spuren waren nicht zu übersehen. Also führte der Weg auch irgendwohin ... "Da ist eine Weggabelung!" Lizzy hatte zwischen den Bäumen die Stelle erspäht, wo sich der Weg verzweigte. Geradeaus führte er weiter den Berg hinan, und nach links senkte er sich wieder, vielleicht zur Straße zurück. Jo schlug das Steuer hart nach links ein. Der Jeep senkte seine Nase. Lizzy stemmte beide Füße gegen das Spritzblech und hielt sich fest. Die Räder holperten über hervorstehende Wurzeln, stießen an halb verborgene Felsen. Sie wurden gründlich durchgeschüttelt. Unter ihnen kam der Trail wieder in Sicht. Mit einer scharfen Rechtswendung führte der Weg darauf zu. "Stop!" kommandierte Lizzy. Jo hielt den Jeep an und schaltete den Motor aus. "Horch' mal!" Da war Motorengeräusch. Es schien von der anderen Bergseite zu kommen. Dann wurde es auf einmal deutlicher, lauter. Es näherte sich, verstummte dann plötzlich fast. "Jetzt hält er vor den Felsbrocken", sagte Jo. "Er sieht sich um. Jetzt hat er unsere Spur den Berg hinauf bemerkt. Der Chevy hat eine etwas breitere Spur, aber es müßte zu schaffen sein, denkt er. Er meint ja immer noch, wir würden den Weg kennen. Also dreht er das Steuer herum und ... " Generiert für: [email protected]
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Der Verfolger war tatsächlich zu demselben Schluß gekommen und gab Gas. Jo und Lizzy sahen sich an und lachten lautlos. "Warte ab!" Der Motor des Chevy brummte auf. Das Geräusch schwoll ab, dann gab der Fahrer wohl wieder Gas ... "Automatic fährt er auch noch!" belustigte sich Jo. "Aber irgendwie schafft er's!" wunderte sich Lizzy. Sie hatte sich halb aus dem offenen Jeep herausgelehnt, als könnte sie dadurch noch mehr hören. Anscheinend drehten jetzt bei dem Chevy die Räder durch. Der Motor sang in den höchsten Tönen. "Er kriegt die Kurve nicht, wo rechts der Felsen ist!" Jo hatte die Stelle in guter Erinnerung. In das Motorengeräusch mischte sich ein anderes, ein Knacken und Schleifen. Dann gab es einen Krach, und auf einmal war der Motor unwirklich laut. "Der Auspuff", stellte Lizzy fest. "Er hat sich den Auspuff abgerissen!" Das Geräusch erstarb. "Der Teilnehmer gibt auf", kommentierte Jo wie bei einem Querfeldeinrennen. "Sehen wir uns das mal an?" "Natürlich. Nimm die Luger mit! Wer weiß, was der alles bei sich hat!" Sie stiegen aus und begannen den Aufstieg. Nach ein paar Schritten wandte sich Jo nach rechts, und Lizzy folgte ihm den steilen Abhang hinauf. Sie mußten sich an Zweigen und Büschen festhalten. Vor ihnen schlug ein Kofferraumdeckel zu, und Werkzeug klirrte. Jo setzte seinen Aufstieg unbeirrt fort. Dann hob er auf einmal die Hand. Lizzy tat noch zwei lange Schritte und stand neben ihm. Er wies zwischen den Bäumen hindurch nach unten. Der Chevy hatte sich nicht nur den Auspuff abgerissen, sondern war ein Stück Hohlweg zurückgerutscht und nun in halber Querlage zwischen den steilen Abhängen verkeilt. "Da kriegt er ihn ohne Hilfe nicht mehr heraus", raunte Jo. Sie sahen den jungen Mann, der seine Jacke abgelegt hatte, in braunem Oberhemd und mit gelber Krawatte mit dem Wagenheber hantieren. Er setzte ihn hinten links unter das Wagenheck, wo er es abheben und eventuell zur Seite auf den Weg zurückdrücken konnte. Aber der Untergrund bestand entweder aus weichem Waldboden oder aus Felsbrocken, und auf bei dem fand der Wagenheber keinen Halt. "Ich würde mir da nicht so viel Mühe machen", sagte Jo" laut und deutlich, daß es durch den Wald hallte. "Allein kriegen Sie den Wagen nicht flott." Der Mann fuhr herum, ließ den Wagenheber fallen und starrte zu Jo und Lizzy herauf. Natürlich erkannte er sie sofort, aber er wußte nicht, ob sie ihn als ihren Verfolger identifiziert hatten. Wohl deshalb versuchte er es auf die naive Tour. "Können Sie mir nicht helfen?" fragte er. "Vielleicht schaffen wir's zu dritt?" "Möglich", bestätigte Jo. "Aber warum sollten wir? Sie haben es ja von Houston aus geschafft, uns auf den Fersen zu bleiben. Da sollten Sie es auch weiter aus eigener Kraft versuchen!" Jetzt waren die Fronten klar. Und der junge Mann reagierte ohne zu zögern. Er blickte zu dem Wagenheber hinunter und bückte sich, als wollte er ihn aufheben. Als er plötzlich wieder hochschnellte, hatte er eine Pistole in der Hand. Jo gab Lizzy einen Stoß, daß sie zur Seite flog. Er warf sich zu Boden, als der erste Schuß knallte und gut gezielt neben ihm einen kleinen Ast vom Baum fegte. Der zweite Schuß, der augenblicklich folgte, schlug dicht vor seiner Nase in den Boden und warf ihm Erde und Tannennadeln ins Gesicht. Jo robbte ein wenig zurück und drehte sich auf die Seite, um an die Lager in seiner Jackentasche heranzukommen. Lizzy, die sich inzwischen von ihrer Überraschung erholt hatte, war zur anderen Seite gerollt. Sie packte ein junges Akazienstämmchen und rüttelte daran. Die kleine Baumkrone rauschte. Sofort knallte es unten auf dem Weg. Die Kugel ratschte dicht über den Boden und schlug in Kniehöhe ein. Generiert für: [email protected]
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"Schießen kann er!" murmelte Lizzy, strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und preßte sich eng an den Boden. Jo hatte endlich die Waffe in der Hand. Er schob sich vorsichtig auf den schmalen Hügelkamm hinauf. Hier vermutete ihn der Bursche wohl nicht ... es blitzte unten auf, knallte, und die Kugel saß vielleicht zwei Handbreit neben Jo Walkers neugierig erhobenem Kopf in einem modernden Baumstumpf. "Was soll denn das!" murrte er. "Im Nationalpark herumknallen! Als ob das erlaubt wäre!" Er krümmte den Finger. Die Luger machte einen Heidenkrach, und der junge Mann warf sich wohl mehr vor Überraschung und Schreck als aus taktischen Überlegungen zur Seite. Er landete in dichtem Farn, der fast über ihm zusammenschlug. Jo zielte auf den Vorderreifen, schoß und zerfetzte ihn. Dann nahm er sich den Hinterreifen vor, schoß wieder und ruinierte auch den. Da auch ein Chevy nur ein Reserverad hat, waren damit dem weiteren Fortkommen des Verfolgers sehr enge Grenzen gesetzt. Aber Jo hatte sich nach dem zweiten Schuß gerade noch rechtzeitig in Deckung gerollt. Zwischen den Farnwedeln hervor blitzte es schon wieder. Die Kugel schlug mit dumpfem Laut da in den Boden, wo Jo eben noch gelegen hatte. "Lieber Himmel", sagte Jo, "ich kann den Kerl doch nicht erschießen, nur weil er neugierig hinter uns herspioniert!" Lizzy war zurückgekrochen und stand jetzt breitbeinig, die Hände in den schräg geschnittenen Taschen ihrer Parka, zwischen den Bäumen in guter Deckung. "Laß ihn doch! Wenn er so gut zu Fuß ist, wie er schießt, kann er ja nachkommen!" Sie wandte sich um und begann den Abstieg. Jo blinzelte noch einmal aus seiner Deckung heraus. Der Kerl mußte Augen wie ein Falke haben! Sofort schoß er, und diesmal traf er einen Stein, der Jo mit einem Hagel winziger Felstrümmer übersäte. Jo wischte sich den Dreck aus den Augen, rollte ein Stückchen abwärts und kam dann auf die Beine. Mit ein paar Sprüngen war er beim Jeep. Lizzy saß schon auf ihrem Platz. Er drückte ihr die Luger in die Hand. "Sieh zu, daß uns dieser verdammte Dschungelkämpfer nicht noch die Abreise versaut!" Lizzy drehte sich herum und schob die Sicherung der schweren Pistole zurück, während Jo den Jeep startete und ihn vorsichtig den steilen Weg hinunter zur Straße lenkte. Es dröhnte höllisch in seinen Ohren, als Lizzy gerade in dem Moment schoß, als sie den Trail erreichten. "Ich meinte, da oben eine Bewegung zwischen den Bäumen gesehen zu haben!" erklärte sie. "Hoffentlich hast du nicht versehentlich ein Wapiti erlegt", sagte Jo grimmig. "Das wird nämlich streng bestraft!" Er gab Gas, und sie donnerten um die nächste Ecke. "Ein munterer Knabe, nicht wahr?" stellte Lizzy fest. "Reaktionsschnell und skrupellos", Jo nickte. ."Findet man heute selten im Wald. Hoffentlich kann er nicht ebensogut laufen!" Lizzy betrachtete die Gegend. "Wir haben noch eine knappe Stunde hinauf. Und wenn wir oben bei Senator Humphries sind, können wir uns ja darauf einrichten, daß er eventuell auftaucht!" Jo sah den Fall nicht ganz so einfach, aber er hütete sich, Lizzy ihre unbekümmerte Sicht der Dinge vorzeitig zu nehmen ...
* Es wurde dämmerig und dann dunkel, ehe sie am Ziel waren. Der Himmel hatte sich schon seit einiger Zeit bezogen, und ein kalter Wind wehte aus den Tälern herauf. Der Weg war immer schmaler geworden, seit sie die letzte Abzweigung hinter sich gelassen hatten. In der anderen Richtung war noch eine Hütte angezeigt gewesen, aber ihren holprigen und matschigen Fahrweg hatte nur ein Sperrschild geziert. Generiert für: [email protected]
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Plötzlich sah die Welt vor ihnen diesig aus, und auf der Windschutzscheibe machten sich Regentropfen breit, die mit Schneeflocken vermischt waren. "Dieser Nationalpark ist tatsächlich reich an Überraschungen!" sagte Jo sarkastisch. Lizzy band ihre Kapuze unterm Kinn zusammen. "Ich glaube nicht, daß dies noch zum Park gehört", wandte sie ein. "Dann trifft die Parkverwaltung auch keine Schuld am schlechten Wetter." Jo schaltete die Scheinwerfer ein. Das Fernlicht stach gegen eine milchige Wand. Jo hätte sich denken können, daß der Wettersturz auch Nebel brachte. Zumindest hier oben. Sie mochten wohl schon knapp 6000 ft hoch sein, und das ist weit mehr als die Flughöhe mancher Regenwolke ... Mit Standlicht kamen sie noch am besten vorwärts, wenn Jo sehr langsam fuhr. "Vor kurzem war hier noch jemand unterwegs!" "Natürlich. Wie sollte Humphries sonst auch in seine Lodge gekommen sein?" gab Lizzy zurück. "Wie weit noch?" "Keine Ahnung. Voriges Mal kam mir die Strecke kürzer vor." Aus dem Regen wurde Schnee. Der stark aufgefrischte Wind trieb ihnen die dichten Flocken fast waagerecht entgegen und pfiff in den Baumwipfeln, die hier längst nicht mehr so hoch und so stark waren wie weiter unten. Warum mochte sich der Senator sein Rabennest ausgerechnet in eine so unwirtliche Gegend gebaut haben? Er war ja sicherlich nicht mehr in den Jahren, wo man wie eine Gemse zu seinem Vergnügen in großen Höhen zwischen den Felsen herumspringt! Mittlerweile war das Schneetreiben zusammen mit dem Nebel so dicht, daß Jo mehr nach Gefühl als nach Sicht fuhr. Lizzy stand auf, hielt sich an der Windschutzscheibe und blickte darüber hinweg nach vorn. So bekam sie den Schnee zwar aus erster Hand ins Gesicht, aber sie sah auch etwas mehr und dirigierte Jo mit Handzeichen. Dann rief sie plötzlich: "Stop!" Jo rammte seinen Fuß auf die Bremse und schaltete das Abblendlicht ein. Die beiden weißen Lichtfinger erfaßten einen Jeep, der am Straßenrand halb auf der Seite lag. "Ich glaube, wir sind da!" "Aha?" "Ja. Humphries parkt seinen Wagen immer so. Er fährt ihn irgendwo gegen und läßt ihn so stehen. Du wirst sehen - er ist einer der letzten Büffel in freier Wildbahn!" Sie stieg aus. Jo stellte den Motor ab und steckte den Schlüssel ein. Er schnürte den Packsack los und warf sich den Tragegurt über die Schulter. "Wenn du den Hoteleingang gefunden hast, sag' mir Bescheid!" Lizzy winkte ihn zur Seite. "Man kann nicht weiter hinauffahren. Aber hier sind Stufen." Jo sah sie vor sich leichtfüßig eine Treppe emporklimmen, die aus rohen Holzbohlen in den Abhang gebaut worden war. Er folgte unter der Last des Gepäcks etwas langsamer. Auf halber Höhe begann ein Geländer, an dem er sich halten konnte. Und dann stand er auf einer ebenen Fläche, die an schöneren Tagen vielleicht so etwas wie eine Terrasse sein mochte. Im Augenblick ähnelte sie mehr dem Prüfstand eines Windkanals, auf den Unwetter unter extremen Bedingungen simuliert werden sollten. Jo drehte sich um, damit ihn der Wind wenigstens nur von hinten traf. Lizzys Gesicht war dicht vor ihm. "Komisch! Nirgendwo ist Licht!" Jo blickte sich in den weißlichen Wirbeln um und konnte auch keinen tröstlichen Lampenschein entdecken. Lizzy zog ihn am Ärmel mit sich aufs Haus zu, das er erst erkannte, als er dicht davorstand. Sie rüttelte an einer Tür, die keinen Millimeter nachgab. Generiert für: [email protected]
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"Vielleicht hat er abgeschlossen! An der Seite ist noch eine Tür, die in die Küche führt!" Jo tappte blindlings hinter ihr her und überlegte, warum wohl die Küchentür auf sein sollte, wenn der Haupteingang verschlossen war. Aber er mußte erleben, daß Lizzys Frauenlogik recht behielt. Die Brettertür zur Küche war zwar verschlossen, aber auf dem Balken lag ein Schlüssel, wie oft in solch einsamen Gegenden, wo die Leute aufeinander angewiesen sind und sich vertrauen. Lizzy schloß auf, ging hinein. Drinnen zuckte ein Licht auf, wahrscheinlich von ihrem Feuerzeug. Dann wurde es heller, als sie eine Kerze gefunden hatte, und Jo trat ebenfalls ein und zog die Tür hinter sich zu. Blinzelnd sah er sich um. In seinen Augenbrauen hing noch der Schnee, und es tropfte von seiner Windjacke auf den Steinfußboden. Dies war eine Küche wie in alten Pionierzeiten. Aus kräftigem Naturholz gefügte Möbel, ein Rauchfang über dem Herd, und auf Wandborden bunte Teller, Tonschüsseln, Keramikkrüge und Kupferpfannen. "Schön!" nickte er. "Aber wo ist der Senator?" Er ließ den Packsack zu Boden gleiten und schnupperte. Es roch nach Holzrauch. Der Herd mußte vor kurzem noch geheizt worden sein. Oder kam der Geruch aus dem offenen Rauchfang? Lizzy nahm die Kerze, und sie stiegen die drei Stufen hinauf, die zu einer Tür ins Innere des Hauses führten. Sie knarrte wie in einem alten Western, als Lizzy sie aufstieß. Aus der großen Diele wehte es ihnen kalt entgegen. Das Haus machte einen völlig unbewohnten Eindruck, und doch war da etwas, das sie an Humphries' Anwesenheit glauben ließ. "Mister Humphries?" rief Lizzy ins Dunkel hinein, das von der Kerzenflamme kaum erhellt wurde. "Senator Humphries? Hier ist Lizzy Jackson! Wo sind Sie?" "Gibt es hier denn kein Licht?" fragte Jo nervös. "Doch. Such' mal den Schalter! Im Keller ist ein Generator, und der lädt eine Batterie auf. Vielleicht ist noch Strom darin!" Jo tastete sich an der Wand entlang, geriet an einen Garderobenständer, an dem ein feuchter Mantel hing ... "Irgend jemand ist hier, denn ich habe eben einen feuchten Mantel gefunden!" gab er bekannt. Dann tastete er weiter und fand neben der verschlossenen Eingangstür den Lichtschalter. Er drehte ihn, und an der Decke glomm eine Lampe mit weniger als der halben Leistung auf. Die Diele war verhältnismäßig weiträumig; Ledersessel standen vor dem Kamin, und an den Wänden hingen prächtige Geweihe. Lizzy marschierte auf die Wohnzimmertür zu, die sie von ihrem ersten Besuch noch kannte und stieß sie auf. "Mister Humphries?" Jo hörte den unterdrückten Schmerzenslaut genau wie Lizzy, und so war er zur selben Zeit im Zimmer und neben der im Sessel zusammengesunkenen, mächtigen Gestalt des alten Senators. Lizzy hatte auch hier das Licht angeschaltet, aber das schien den fast leeren Akku im Keller zu überfordern. Die Lampe brannte trüb, flackerte, ging aus und brannte dann wieder, aber so schwach, daß man den Glühfaden in der Birne rötlich leuchten sah. "Er ist kalt wie ein Toter, aber er lebt noch!" flüsterte Lizzy. Routiniert fühlte sie seinen Puls, hob die geschlossenen Augenlider an und prüfte irgendwelche Reflexe, von denen Jo keine Ahnung hatte. "Ich glaube, er hat einen Herzanfall gehabt, aber schon vor ein paar Stunden. Falls das nicht zum erstenmal passiert ist, hat er sicher irgendwo Medikamente für solche Fälle. Ich muß einfach danach suchen. Kannst du nicht in den Keller gehen und dich um den Generator kümmern? Was wir vor allen Dingen brauchen, ist Licht und etwas Wärme " Jo nickte, warf noch einen Blick auf die leblose Gestalt im Sessel und suchte sich dann seinen Weg durch die dämmerige Diele zur Kellertreppe. Mehr tastend als sehend kam er die feuchten Stufen hinunter. Was er unter seinen Fingern fühlte, schien gewachsener Fels zu sein. Hatten sie den Keller in den Berg gesprengt? Unten leuchtete ein rotes Lämpchen. Jo folgte dem Hinweis und fand ein Armaturenbrett hinter der Glasscheibe eines Wandschranks. Er ließ sein Feuerzeug aufschnappen und erkannte den Starter des Generators. Aber als er den Schalter drückte, passierte gar nichts. Wahrscheinlich dienten Generiert für: [email protected]
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die Akkumulatoren auch als Starterbatterie und konnten nichts mehr leisten - leer, wie sie waren. "Wenn der Erbauer dieser Anlage halbwegs bei Trost war, dann hat er eine Anlasserkurbel vorgesehen!" murmelte Jo und setzte zögernd einen Fuß vor den anderen, bis er an den Betonsockel des Generators stieß. Er fuhr mit beiden Händen über die Maschine. Tatsächlich ragte am vorderen Ende eine Kurbel aus dem Gehäuse. Die Zündung hatte er eingeschaltet gelassen. Er beugte sich hinunter, ergriff die Kurbel und drehte sie gegen den Widerstand der Kolben in ihren Zylindern. Nach der vierten Umdrehung begann der Motor zu husten. "Na, komm' schon!" drängte Jo und warf sich auf die Kurbel. Im Auspuffrohr, das irgendwohin ins Freie führte, knallte es. Dann kam der Generator. Stotternd lief er an, und als er drehte, ging ringsum die Beleuchtung an: eine Deckenlampe aus Milchglas, die Lichter der Schalttafel und eine Treppenleuchte. Jo betrachtete die Anzeigeinstrumente und sah, daß der Generator nicht nur Strom in die Hausleitungen schickte, sondern auch nach Kräften bemüht war, die Akkumulatorenbatterie aufzuladen. Befriedigt stieg er die Treppe hinauf. Das Haus war jetzt hell erleuchtet. Im Wohnzimmer fand er Lizzy, die neben Senator Humphries' Sessel hockte und seinen Puls hielt. Der Senator hatte die Augen offen und sah Jo aufmerksam an. "Das ist Jo Walker, Senator", sagte Lizzy. "Er hat mich hergebracht und wird uns helfen!" Es war nicht mehr als eine sehr matte Handbewegung, die Humphries zur Begrüßung zustandebrachte. Lizzy stand auf, ließ sein Handgelenk los und trat neben Jo. "Er hat tatsächlich einen Herzanfall gehabt. In seiner Handtasche habe ich Nitrodragees gefunden und ihm gleich zwei gegeben. Davon ist er aufgewacht. Aber jetzt ist nur noch eine übrig." Sie blickten sich bedeutsam an, sagten aber nichts. "Telefon?" "Ich habe in der Diele einen Apparat gesehen. Humphries hat mir damals erzählt, daß es eine Leitung gibt, quer durch den Wald zu dem Beobachtungsturm der Waldrandwacht drüben auf dem Berg. Versuchs mal!" Jo ging zu dem Wandapparat und hob den Hörer ab. Die Leitung war tot. Sie war nicht etwa unbesetzt, sondern tot. Da gab es nicht das leiseste Summen im Hörer. Langsam legte Jo wieder auf. Natürlich konnte so eine Leitung im Wald gestört werden, durch Bäume im Windbruch oder Vögel, die der Sturm dagegen trieb. Aber es war auch nicht unmöglich, daß sich ihr Verfolger auf den Weg gemacht und dabei die Leitung entdeckt hatte. So entschlossen und tatkräftig, wie sie ihn erlebt hatten, wäre er bestimmt am nächsten Mast hinaufgeklettert und hätte den Draht abgerissen! Jo ging in die Küche, wo Lizzy sich mit der Kaffeemaschine zu schaffen machte. "Kein Telefon mehr", sagte er knapp. Sie fuhr herum. "Gar nichts?" "Absolut gestört." "Meinst du, daß unser Dschungelkämpfer ... ?" "Möglich ist es." Jo ging zur Außentür und schloß sie von innen ab. "Mir will nicht in den Kopf, daß ein Senator der Vereinigten Staaten ohne jede Notverbindung zur Außenwelt durchs Land fährt. Gibt es da kein Funkgerät oder so etwas?" "Ich weiß es nicht. Muß den Senator fragen!" Sie eilte hinaus, und Jo folgte ihr wie ein Hündchen. Er kam gerade zurecht, um den Senator mit leiser Stimme etwas murmeln zu hören. Lizzy fuhr herum. "Im Wagen, unten! Im Wagen ist ein Sprechfunkgerät, das wenigstens bis nach Gatlinburg reicht! Da ist die Zentrale der Park Rangers!" Jo nickte. Er knöpfte sich die Jacke zu.
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"Nimm die Luger mit!" sagte sie leise. Er spürte sie in seiner Tasche. Lizzy brachte ihn zur Vordertür, schloß sie auf und ließ ihn hinaus. Der Nebel war so dicht geworden, daß er überhaupt nichts mehr in der Dunkelheit sehen konnte. Am liebsten wäre er auf allen Vieren gekrochen, um nicht irgendwo ins Bodendose zu stürzen. Ganz langsam erreichte er den Rand der Terrasse, schlich sich daran entlang bis zu der Treppe, die er auch nur ahnen konnte. Seine Hand faßte das Geländer und ließ es nicht mehr los, bis es zu Ende war. Die letzten Stufen mußte er ohne Hilfe einer Stütze schaffen. Der Schnee trieb immer noch in Wolken vom Himmel, und als er Humphries' Jeep erreichte und erst einmal Licht machte, sah er, daß ihre Spuren längst zugeweht waren. Weiter als zwei, drei Yards reichten die Lichtstrahlen nicht. Knurrend hievte er sich auf den Fahrersitz und tastete nach dem Funkgerät. Es war hinter einer Klappe rechts am Armaturenbrett untergebracht. Er nahm den Hörer, schaltete es ein und drückte den Rufknopf. Es rauschte im Hörer, und Störungen knatterten unablässig. Ob das Rufzeichen hinausging, konnte er nicht feststellen. Jedenfalls kam keine Antwort. Er merkte sich den Kanal, wählte einen anderen und probierte es da, mit dem selben schlechten Ergebnis. Das Gerät hatte neun Kanäle. Jo probierte sie der Reihe nach durch. Auf zweien bekam er einen sehr weit entfernten Sprechverkehr mit. Auf gut Glück setzte er seinen Notruf ab, aber er hatte wenig Hoffnung, daß er irgendwo aufgefangen würde. Dann drehte er auf den ursprünglichen Kanal zurück, bekam aber auch da keine Verbindung. Wahrscheinlich hatte der Wettersturz die Atmosphäre so durcheinandergebracht, daß der Funkverkehr hier oben gestört war. Im Handschuhfach fand Jo eine Stablampe, und die war noch in Ordnung. So konnte er seinen Rückweg etwas leichter und schneller bewältigen. Lizzy sah ihn nur fragend an. Als er den Kopf schüttelte, preßte sie die Lippen zusammen. "Es geht ihm nicht besser, Jo. Wenn wir hier oben ohne Hilfe bleiben, und wenn er noch einen Anfall kriegt, können wir nichts mehr für ihn tun!" "Was hast du ihm gegeben?" "Nun, die beiden Dragees und jetzt eben eine Tasse Kaffee. Sie hat ihm gutgetan, aber ein wirksames Medikament ist die natürlich nicht." "Sollte er sich nicht besser hinlegen?" Lizzy schüttelte den Kopf. "Er will sich nicht hinlegen. Ich habe gehört, daß man nach solchen Anfällen meist Beklemmungen und Angstgefühle hat. Die sind im Liegen noch stärker. Ich habe ihn in Decken eingewickelt und die Heizung voll aufgedreht. Er spricht kaum etwas." "Weiß er wenigstens, was geschehen ist?" "Ich denke schon. Er hat mir die Hand gedrückt und so etwas wie <armes Kind!> geflüstert." Jo biß sich auf die Lippen. Er machte sich keine Illusionen darüber, daß ihr Verfolger noch unterwegs war. Vielleicht kauerte er gerade jetzt in einer Schneewächte und wartete darauf, daß das Schneetreiben nachließ und der Nebel abzog. Aber aufgeben würde der nicht - nach allem, was er bisher schon von seiner Entschlossenheit gezeigt hatte. "Meinst du, wir können fahren, wenn es morgen früh hell wird?" "Wenn es sein müßte, würde ich auch jetzt fahren", antwortete Jo. "Aber wenn wir durch den Nebel und den Schnee kommen und auch den Weg nicht verfehlen, laufen wir immer noch Gefahr, daß unser Verfolger irgendwo lauert und seine Pistole inzwischen nachgeladen hat. Und das Risiko möchte ich nicht eingehen." "Verdammt, ja. Du hast recht. Wir müssen abwarten, wie es dem Senator geht." Zusammen gingen sie ins Wohnzimmer. Der Senator hatte seine Lage nicht verändert. Er lag in den Decken, Lizzy Jackson hatte ihm die Füße auf einem Schemel hochgelagert und in ein Fell gewickelt. "Was mir aufgefallen ist", raunte Lizzy, "er hat nicht versucht, die rechte Hand zu bewegen. Vielleicht war es ein Schlaganfall, und er ist teilweise gelähmt? Das würde auch erklären, warum er nicht versucht hat, Hilfe herbeizuholen oder sich auch nur irgendwie bemerkbar zu machen!" Generiert für: [email protected]
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"Möglich. Aber wie sollen wir das feststellen?" Lizzy zuckte mit den Schultern. "Halten wir eben Wache. Ich weck' dich, wenn du dran bist! Im nächsten Zimmer steht eine Couch, Decken. sind genug da - sieh' zu, daß du für morgen fit bist!" Jo sah ein, daß er im Augenblick nichts tun konnte. Er nahm die Luger aus der Jackentasche und legte sie auf den Tisch. Lizzy verzog den Mund zu einem traurigen Lächeln, als die Tür hinter Jo zuging.
* Der Verfolger kam gegen sechs am nächsten Morgen. Er hatte damit eine Stunde länger gebraucht, als Jo sich ausgerechnet hatte. Er mußte die Leistung anerkennen, die darin bestand, in Nebel und Schnee den halb verwehten Spuren eines Wagens in unwegsamem Gelände zu folgen - bei Nacht außerdem und äußerst widerwärtigen Witterungsbedingungen wie Kälte und Sturm. Es hatte aufgeklart, als Jo gegen halb fünf einmal hinausgesehen hatte. Im Haus war es still; vom Generator im Keller war nicht mehr als ein leises Summen zu hören, und der Senator schlief. Jo vernahm das erste Geräusch, auf das er gewartet hatte, von der Eingangstür. Daß die Klinke leicht knirschte, wenn man sie hinunterdrückte, wußte er. Und es war genau dieses Knirschen, das ihn um genau sechs Uhr aufschreckte. Er machte die Stablampe an, leuchtete hinüber zur Tür und sah, wie die Klinke langsam wieder hochging. Dann war Stille. Natürlich - der Mann hatte festgestellt, daß die Tür abgeschlossen war und er nicht ohne Geräusch daran hantieren konnte. Jetzt würde er sich eine andere Möglichkeit suchen, ins Haus zu kommen. Die Fensterläden waren sämtlich zugezogen und verriegelt. Vermutlich würde er an die Küchentür gelangen, durch die auch Jo und Lizzy hereingekommen waren. Nur lag der Schlüssel jetzt natürlich nicht mehr oben auf dem Balken ... Jo stand auf und ging lautlos in die Küche hinunter. Dicht neben der Tür nach draußen blieb er stehen. Und da war auf der anderen Seite auch schon der Verfolger. Die Klinke senkte sich, es knackte, als der Mann von außen gegen die Tür drückte. Ganz sicher würde ihm dieses Schloß als geeignet erscheinen. Jo beugte sich hinunter. Da war ein leises Klirren und Schaben. Hatte der Mann etwa gar ein ganzes Sortiment Einbrecherwerkzeug dabei? Etwas stocherte im Schloß. Jo konnte sich lebhaft vorstellen, wie der Haken jetzt nach den Zuhaltungen suchte. Er ließ den Mann gewähren. In der einen Hand hielt Jo die entsicherte Luger, und in der anderen die Stablampe. Eine der Zuhaltungen klickte und wurde aufgedrückt. Mehr als zwei hatte dieses primitive Schloß sicher nicht. Auch die zweite setzte den Bemühungen des Einbrechers keinen langen Widerstand entgegen. Jetzt war das Schloß offen. Der Eindringling wußte es auch. Wieder wurde die Klinke herabgedrückt. Dann knarrte die Tür, als sie millimeterweise aufging, in die Küche hinein. Als er sie halb offen hatte, sicherte der Mann. Jo konnte sein Atmen hören und hielt an sich, um sich nicht zu verraten. Wieder knarrte die Tür. Jo streckte den Arm weit nach links aus, und dann schob er den Knopf auf der Stablampe nach vorn. Er tat es vielleicht ein paar Sekunden zu früh - das Licht traf den Eindringling voll im Gesicht. Trotzdem brachte der es fertig, im selben Moment zu ziehen und zu schießen. Die Kugel verfehlte die Lampe nur um wenige Zentimeter und schlug in den Küchenschrank. Der Mann fuhr zurück, wollte die Tür wieder zuwerfen, aber Jo hatte schon den Fuß dazwischen: Er wußte, daß er den Gegner diesmal nicht entkommen lassen durfte. Er mußte die Gefahr abwenden, daß der Mann ihnen bei der mühevollen und gefährlichen Fahrt hinunter in den Park auflauern konnte.
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Der Lichtstrahl erfaßte den Mann, als er sich etwa zehn, zwölf Yards entfernt draußen herumwarf und abermals die Waffe hob. Jo hielt tief und zog durch. Im selben Augenblick schoß auch der andere. Die Kugel zog Jo einen heißen Streifen über die Hand, mit der er die Lampe hielt, und er ließ sie im momentanen Schrecken fallen. Sie polterte auf die Steine und ging aus. Jo sah eine Bewegung, noch weiter entfernt, und er zog noch mal durch. Das Echo seines Schusses brach sich an den Felswänden. Steine lösten sich irgendwo und schlugen auf: Dann plötzlich ein gurgelnder Laut, ein merkwürdiges, unerklärliches Geräusch, und dann ein gellender Schrei, der sich scheinbar entfernte und dann abbrach. Jo wartete, einen Moment. Alles war still. War das eine Finte, mit der ihn der Gegner herauslocken wollte? Aber der Schrei hatte zu echt geklungen. Jo bückte sich und nahm die Lampe auf. Als er sie einschaltete, brannte sie wieder. Der Lichtstrahl wanderte über den Boden. Hell glänzte in einiger Entfernung eine Pistole, silbrig der Lauf, und Perlmutter am Griffstück. Jo ging langsam in derselben Richtung weiter ... und dann leuchtete die Lampe auf einmal ins Bodenlose! Jo achtete darauf, daß seine Füße einen sicheren Stand hatten, und beugte sich vor. Ein Abbruch, eine Schlucht tat sich vor ihm auf. Niemand hätte so etwas dicht am Haus vermutet, und auch der Eindringling natürlich nicht. Nachdem er seine Pistole verloren hatte und sich wohl erst einmal in Deckung bringen wollte, mußte er da hinuntergestürzt sein. "Hallo!" rief Jo hinunter. Keine Antwort, nicht einmal ein schwaches Echo. Im Haus wurde die Küchentür weit aufgestoßen, und Licht fiel heraus. "Was ist los, Jo?" fragte Lizzy. Er ging langsam zurück, auf sie zu. Sie stand in Strümpfen auf der Schwelle, hatte sich eine Decke umgehängt. In der Hand hielt sie ein schweres, gefährlich schimmerndes Schüreisen. "Unser Mann ist gekommen. An der Küchentür wollte ich ihn stellen. Und als er fliehen wollte, ist er anscheinend in eine Schlucht gestürzt." "Um Gottes willen! Ins Chattawoo Hole?" "Wenn es das Loch da drüben ist ... ja. Was ist das?" "Eine ... Kluft. Ein breiter Felsspalt. Es muß ihn schon zur Indianerzeit gegeben haben. Daher ist sein Name überliefert. Angeblich grundlos. Man kann nicht hinabsteigen, heißt es. Humphries hat es uns gezeigt, als wir hier waren, und uns gewarnt, allzu nahe heranzugehen." "Hm. Ich wußte es nicht, und er wußte es nicht. Ich nehme an, das hat ihm sein Genick gebrochen. Bei Tag werden wir nachsehen müssen. Vielleicht gibt es doch eine Möglichkeit, hinabzusteigen." Er schob sie in die Küche und schloß die Tür hinter sich ab. Es war zwar mehr als unwahrscheinlich, daß sich noch jemand hier herumtreiben würde, aber Jo wollte jetzt seine Ruhe haben. Lizzy heftete ihren Blick auf die Pistole, die er noch in der Hand hielt, und er legte sie auf den Küchentisch. "Ein ausgesprochenes Sammlerstück. Aber er konnte damit umgehen." Lizzy betrachtete die Waffe nachdenklich. "Ob er es auch war, der meinen Vater erschossen hat?" sagte sie leise. Jo hob die Schultern. "Ich glaube es nicht. Er war mit der Pistole so gut; daß er als ausgesprochener Spezialist gelten mußte. Dein Vater wurde mit einem Gewehr erschossen, auf große Distanz und ebenfalls präzise. Das muß ein anderer Schütze sein. Es ist sehr selten, daß jemand mit beiden Waffen so trainiert ist." Sie nickte langsam. "Ich habe eigentlich auch nicht angenommen, daß damit unsere Jagd schon zu Ende ist. Sieh bitte einmal nach Humphries. Ich werde inzwischen Kaffee kochen. Es wird schon hell draußen."
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* Es hatte sich tatsächlich als unmöglich erwiesen, in das Chattawoo Hole hinabzusteigen. Tief unten in den Felsschründen konnte Jo einen hellen Schimmer erkennen - das mochte der Tote sein, aber er sah keine Chance, ihn heraufzuholen. Wenigstens nicht ohne eine kräftige Seilwinde und bergsteigerisch geübte Leute. Der Senator hatte zugestimmt, mit ihnen nach Gatlinburg hinunterzufahren. Da gab es bessere medizinische Fürsorge als in Oconaluftee. Auf einer kleinen Piste konnte da notfalls auch ein Flugzeug landen, wenn es sich als nötig erweisen sollte, ihn in eine größere Klinik zu bringen. Vor allem hatten sie von Gatlinburg aus alle Funk- und Fernschreibverbindungen, die der Senator möglicherweise brauchte. Er machte einen sehr unsicheren Eindruck, als er sich mit Lizzys Hilfe aus dem Lehnstuhl erhob, in dem er die ganze Nacht zugebracht hatte. Dabei war deutlich zu merken, daß Humphries zumindest am Oberkörper halbseitig gelähmt war. Lizzy, die ihn näher kannte, glaubte auch eine leichte Lähmung der rechten Gesichtshälfte festzustellen. Als sie den Senator fragte, ob er sich die Fahrt auch wirklich zutraue, wurde er fast grob und behauptete, es ginge ihm gut. Mit stockenden Schritten brachten sie ihn hinaus auf die Terrasse, die jetzt im hellen Sonnenschein lag. Schneereste in den Gräben und im Schatten des Hauses erinnerten daran, was in der vergangenen Nacht passiert war, aber jetzt war der Himmel klar und blau. Jo schloß hinter ihnen ab und brachte das Gepäck hinunter. Lizzy hatte ihre Not mit dem großen, schweren Mann; er hielt sich mit der Linken am Geländer, auf der rechten Seite stützte sie ihn, aber nach jeder Stufe mußte er eine Pause einlegen. Jo hätte ihm gern angeboten, ihn hinunterzutragen, aber er wagte es nicht. Der Alte glich in der Tat einem der letzten Bisons ... allerdings einem waidwunden Bullen, dessen Ende nicht mehr weit ist. "Nimmst du den Jeep von Mister Humphries, Lizzy? Ich komme mit unserem und dem Gepäck nach!" Sie nickte, und gemeinsam bugsierten sie den Senator auf den Nebensitz seines Jeeps. Jo griff ins Handschuhfach und probierte das Sprechfunkgerät. Humphries wehrte ab. "Sinnlos. Keine Antenne. Und leere Batterien!" Jetzt erst fiel Jo auf, daß den Jeep keine der üblichen langen Funkantennen zierte. In der dunklen Sturmnacht hatte er das nicht bemerkt. Kein Wunder, daß das Funkgerät nur verwehtes Rauschen und ferne Stimmen brachte! Er schlug die Klappe zu und befestigte den Gurt um den Senator, der es knurrend geschehen ließ. Lizzy legte ihm noch zwei Decken um und band sie kurzerhand mit einem Riemen fest. Lizzy schwang sich auf den Fahrersitz und probierte den Anlasser. Er jaulte einmal auf und schwieg dann. "Hab doch gesagt, Batterien leer!" schnaubte Humphries. "Nur nicht aufregen!" beschwichtigte ihn die junge Frau. "Ich laß ihn anrollen, dann springt er bestimmt an. Der Senator sah schrecklich aus. Kalkweiß im Gesicht, und die Wangenknochen standen hervor. Sein weißes Haar wirkte auf einmal schütter. Jo machte sich Sorgen. Er kannte solche Veränderungen im Gesicht von Schwerkranken. In vielen Fällen hatten sie das nahende Ende angekündigt. "Fahr' zu, so schnell es geht!" raunte er Lizzy ins Ohr. "Herausfallen kann er nicht, und je eher er einem Arzt auf den Tisch kommt, desto größer sind seine Chancen!" Sie nickte nur, löste die Bremse und ließ den Jeep bergab rollen. Dann nahm sie die Kupplung langsam zurück, der Motor spuckte ein paar blaue Rauchwolken aus dem Auspuffrohr und sprang dann an. Jo warf sich in seinen Jeep und folgte ihr. Jetzt erst sah er, was sie in der vergangenen Nacht geleistet hatten. Der Weg war stellenweise nicht breiter als der Jeep. Er führte über hervorstehende Felsen; starke Generiert für: [email protected]
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Baumwurzeln teilten ihn mitunter, und mehr als einmal schlug überhängendes Gezweig hart gegen die Windschutzscheibe. Es ging in scharfen Kurven zu Tal, manchmal sehr steil. Aber Lizzy fuhr wie der Teufel. Jo sah, wie der Senator in seinen Gurten hin- und hergeschleudert wurde. Der alte Mann tat ihm leid, aber es gab keine andere Möglichkeit, ihm vielleicht noch zu helfen. Lizzy donnerte mit ihrem Jeep über ein behelfsmäßiges Brückchen, das aus rohen Holzprügeln zusammengefügt war und über den tiefen Einschnitt eines Wildbachs führte. Dann trat sie plötzlich auf die Bremse, daß der hochrädrige Wagen rutschte und erst zum Halten kam, als er sich schräg stellte. Jo hatte seine Not, ihn nicht noch zu rammen. Lizzy war schon neben ihm, ehe er zum Stillstand kam. Sie riß den Packsack auf und kramte in ihrer Reisetasche. "Ich muß ihm das letzte Nitro-Dragee geben. Er hat wieder ganz blaue Lippen und ist nicht mehr ansprechbar! Hoffentlich versteht er noch, was los ist, und zerbeißt die Kapsel. Sonst hilft sie nämlich nicht!" Auch Jo stieg aus. Er hielt den wachsbleichen Kopf des alten Mannes, während ihm Lizzy die Kapsel zwischen die Zähne schob. Humphries biß instinktiv zu. "Wir müssen warten, bis er wieder zu sich kommt. Sonst bringen wir einen Toten nach Gatlinburg." "Wie weit ist es noch bis zur Abzweigung?" "Vielleicht zwei Meilen. Dann wird der Weg besser, und wir können schneller fahren." Humphries' Augenlider flatterten. Sein Mund war deutlich nach rechts verzogen. Hatte er eben einen zweiten Schlaganfall erlitten? Irgendwie mußte er jetzt wohl selber fühlen, wie es um ihn stand. Er stemmte die Ellbogen ein und versuchte, sich aufzurichten. "Bleiben Sie so, wie Sie sind, Senator!" sagte Jo. "Was Sie sich jetzt überhaupt nicht leisten können, sind körperliche Anstrengungen irgendwelcher Art. Ich fürchte, Sie haben einen Schlaganfall gehabt." Er hielt es für das Beste, dem alten Haudegen die Wahrheit beizubringen. Vielleicht nützte es ihm etwas. Humphries nickte. Anscheinend tat die Kapsel ihre Wirkung. "Spür' ich selber, Mann!" sagte er leise und mit rauher Stimme. "Vielleicht schaff' ich's noch mal." "Sicher doch!" "Vielleicht auch nicht", fuhr Humphries unbeirrt fort. "Dann müßt Ihr wissen, wer Jackson ... " Ein Krampf schien ihn zu befallen, und er preßte die Lippen zusammen und hielt den Atem an. Dann ging es scheinbar wieder. Aber seine Stimme war noch leiser geworden. "Das Indonesiengeschäft steckt dahinter. Madge soll euch die Akten aus Fach C im Safe geben. Steht alles drin! Und die Leute ... die Mörder ... " Er schloß die Augen für einen Moment und blickte sich dann suchend um. Lizzy beugte sich vor, damit er sie sehen und vielleicht noch einmal erkennen konnte. "Ah, da bist du ja! Holt sie euch, die ... Killer-Company!" Jo und Lizzy blickten sich fragend an. "Wo, Mister Humphries? Wo finden wir die Killer?" Er machte eine matte Handbewegung, dann fiel die Hand schlaff auf die Decken, in die er eingehüllt war. Noch einmal schien er alle Kraft zusammenzunehmen. "Palembang", flüsterte er. "Minas Surangaya ... " Er sank zurück. Lizzy blickte auf. "Jetzt wird's Zeit! Los!" Sie kletterte auf den Fahrersitz, legte den Rückwärtsgang ein und lenkte den Jeep gerade. Dann fuhr sie los; der Jeep machte einen Sprung vorwärts, und kleine Steinchen prasselten Jo gegen die Windschutzscheibe. Er folgte ihr in geringem Abstand. Humphries schien wieder ohne Bewußtsein. Sein Kopf hing vornüber und wurde hin- und hergeworfen. Generiert für: [email protected]
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Fünf Minuten später erreichten sie die Abzweigung nach Gatlinburg, und Lizzy drehte noch mehr auf. Auch hier war kein Verkehr. Wahrscheinlich hatten die Touristen die Nase voll vom Wetterumschwung in der vergangenen Nacht und blieben unten, wo es schließlich auch Wildlehrpfade, Reitwege und andere Unterhaltung gab. Sie nahmen die Kurven wie bei einem Bergrennen. Anscheinend vertraute Lizzy darauf, daß ihnen niemand entgegenkam; nur an sehr gefährlichen Stellen drückte sie vorbeugend auf die Hupe. Je tiefer sie kamen, desto wärmer wurde es, und aus den Seitentälern wehte es fast stickig auf die Fahrbahn. Lizzy fuhr um so verwegener, desto besser die Straße wurde. Kurz vor Gatlinburg brachte sie einen voll beladenen Familien-Caravan zu einem überstürzten Ausweichmanöver, das ihn auf der Wiese neben der Fahrbahn landen ließ. Dann donnerten sie unter Mißachtung jeglicher Geschwindigkeitsbegrenzungen durch die kleine Stadt zum Hospital und dort bis vor das Portal der Notaufnahme. Als ihr Jeep stand, fiel Lizzy erschöpft über das Steuerrad. Humphries hing im Gurt und gab kein Lebenszeichen von sich. Jo war mit ein paar Schritten im Office und scheuchte die Krankenträger hoch. "Schnell! Draußen ist Senator Humphries! Herzanfall und schwerste Durchblutungsstörungen! Holen Sie ihn herein. Alarmieren Sie den Notarzt und einen Spezialisten, wenn es hier einen gibt!" Augenblicklich begann die Maschinerie der medizinischen Notfallhilfe zu laufen. Zwei Träger rannten mit einer fahrbaren Trage hinaus, eine Schwester folgte mit einem Infusionsgerät. Irgendwo im Haus schrillten Klingeln und gingen Lichtsignale an. Die Aufnahmeschwester sprach mit unerschütterlicher Ruhe in die Rufanlage. Jo sah ein, daß er hier getan hatte, was er tun konnte, und ging hinaus. Senator Humphries lag schon auf der Bahre, und die Schwester hielt die Tropfflasche des Infusionsapparats hoch. Lizzy hockte auf dem Kotflügel des Jeeps und betrachtete sorgenvoll die Szene. Ein Arzt im grünen Operationskittel kam herausgestürmt und beugte sich über den Senator. Dann wies er auf die offene Tür. Jo und Lizzy verstanden nur etwas wie "OP" und "Dr. Masters", dann setzten die Träger ihre Bahre in Bewegung. Der Arzt kam auf Lizzy zu. "Sie haben ihn hergebracht?" Lizzy nickte. "Ich muß Ihnen sagen, daß das unverantwortlich war. Warum haben Sie keinen Krankenwagen angefordert, oder notfalls sogar einen Hubschrauber?" Jo trat einen Schritt vor. "Weil wir den Senator oben in den Smokies gefunden haben, wo es kein Telefon gibt. Weil das Funkgerät in seinem Wagen kaputt ist, und weil es auch nicht Wasser genug gab, daß wir eine Flaschenpost losschicken konnten, großer weißer Medizinmann!" sagte Jo grob. "Vor die Wahl gestellt, ob wir ihn oben auf seinem Berg sterben lassen sollten oder ihn doch noch in Ihre Hände lieferten, haben wir uns zu dem Abtransport entschlossen." Der Doktor zwinkerte verwirrt. "Sie ... haben ihn ... von dort heruntergebracht?" fragte er fassungslos und sah zu den waldigen Höhen empor, die hinter dem Städtchen aufstiegen und teilweise schon wieder in Nebeln lagen. "Was blieb uns übrig? Als wir ihn gestern abend fanden, hatte er wohl schon einen ersten Herzanfall gehabt. Miß Jackson hat ihm zwei Kapseln Nitro gegeben. Vorhin auf dem Weg die dritte und letzte. Mehr hatten wir nicht." Kopfschüttelnd drehte sich der Arzt herum und verschwand eilig im Krankenhaus.
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Später waren sie nach Oconaluftee gefahren und hatten den Jeep zurückgegeben. Sie hatten auch den Jeep des Senators und den gemieteten Chevy nach Asheville gebracht und dort nicht nur das Flugzeug des Senators, sondern auch seinen Piloten gefunden. Dann waren sie nach einem kurzen Telefonat mit Madge in Houston mit der Maschine gestartet und nach Houston geflogen. Als sie endlich am späten Abend in der Lounge des mit Humphries' Sekretärin zusammensaßen, brachte ein Anruf in Gatlinburg nichts als die Auskunft, daß der Senator noch immer im Koma läge. "Er hat uns noch etwas sagen können", brach Jo das Schweigen. "In Fach C des Safe lägen die Unterlagen, die wir brauchten, um einer Killer-Company auf die Spur zu kommen. Den Killern, die Senator Jackson getötet und es auch auf Humphries abgesehen haben. Wissen Sie darüber Bescheid, Madge?" Die Sekretärin, die auch jetzt wieder aussah, als sollte sie gleich vor die Fernsehkameras treten, bekam runde Kinderaugen. "In Fach C liegen die Subventionsanträge des Konsortiums, das in Indonesien den Bauxit-Abbau und die Verhüttung betreiben will. Zusammen mit einigen Gutachten der dortigen Bergbaubehörde und unserer Handelskammer. Ach, ja - irgendein Schreiben aus dem Pentagon ist auch noch darunter. Soweit ich mich erinnere, betont es die kriegswichtige Bedeutung von Aluminiumeinfuhren." "Wir haben aber doch gar keinen Krieg!" Madge lächelte ihn an. "Im Pentagon denkt man an nichts anderes, als daß es mal einen Krieg geben könnte. Das ist der Job der Leute dort. Und wenn sie meinen, daß man für einen Krieg viel Aluminium braucht, dann bescheinigen sie das wohl auch auf Wunsch." "Aha. Geht aus den Unterlagen etwas darüber hervor, wie der Abbau von Bauxit in Indonesien vorgenommen werden soll? Ich meine, Ort und Namen der Verantwortlichen?" Madge lächelte noch stärker. "Das ist doch alles längst im Gange. Die Fabriken stehen in Minas Surangaya, und jetzt kommt es nur noch darauf an, genügend Geld für den Betrieb aufzutreiben." "Minas Surangaya ... davon hat er gesprochen." "Natürlich. Es gibt kein Problem, was uns in den letzten Wochen mehr beschäftigt hätte." "Warum? Bisher scheint mir der Fall doch nicht außergewöhnlich. Da baut ein amerikanisches Firmenkonsortium in Indonesien Bauxit ab, das man für die Aluminiumherstellung braucht. Das Pentagon bescheinigt, daß wir Aluminium benötigen. Die Firmen hätten gern mehr Geld und bitten den Kongreß um Unterstützung. Es wird ein Senatsausschuß gebildet, der darüber zu beschließen hat. Was ist daran unnormal, Madge?" "So, wie Sie es schildern, nichts, Jo. Aber die Senatoren Jackson und Humphries sind dahintergekommen, daß da unten in Indonesien gründlich in die eigene Tasche gewirtschaftet wird. Ich meine nicht die ganz offenkundigen Bereicherungen auf indonesischer Seite. Das ist in Asien üblich und keineswegs ehrenrührig. Aber unsere eigenen Leute machen da in großem Stil private Gewinne - und das ist der eigentliche Grund dafür, daß die Fabriken nicht laufen und jetzt Subventionen in Millionenhöhe brauchen." "Und Senator Jackson wollte hier vor dem Ausschuß diesen Schwindel aufdecken und den Ausschuß dazu bringen, daß er gegen die Subventionen abstimmt?" Madge nickte. "Er und Humphries. Mit verteilten Rollen. Es wäre ein höchst wirkungsvolles Spektakel geworden ... wenn es dazu gekommen wäre." "Können wir die Akten aus Fach C einsehen?" wurde Jo nun direkt. Madge überlegte. Sie blickte Lizzy Jackson an, die bisher noch kein Wort gesagt hatte. "Ihr habt beide gehört, daß der Senator darauf hingewiesen hat?" Lizzy nickte heftig. Generiert für: [email protected]
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"Und nicht nur das, Madge-Darling. Er hat uns praktisch den Auftrag gegeben, die Killer dort zu suchen und sie ... ach, ich weiß nicht, was wir mit ihnen machen sollen, wenn wir sie finden. Vielleicht den Haifischen vorwerfen oder den Krokodilen, wenn es da welche gibt." Sie griff nach ihrem Whiskyglas und trank es leer. Madge kämpfte noch ein bißchen mit sich und stand dann auf. "Kommt mit", sagte sie. "Ich habe den Schlüssel für den Safe." "Sagen Sie das nicht so laut", warnte Jo. "Warum?" "Senator Humphries sprach von einer Killer-Company. Und wir haben erst einen davon erledigt, und das war mit Sicherheit nicht der Mann, der mit einem Gewehr umgehen kann." Madge verfärbte sich, aber Lizzy Jackson hatte genügend Whisky getrunken, daß ihr Jo Walkers Bemerkung scheinbar nichts mehr ausmachte.
* Weit nach Mitternacht trennten sie sich von Madge. Sie glaubten jetzt genug zu wissen, um ihre nächsten Schritte planen zu können. Soviel war jedenfalls herausgekommen: Auf irgendeine Unterstützung hatten sie nicht zu rechnen. Für internationale Fälle dieser Art sind weder Polizei noch FBI zuständig. Selbst der alte Trick mit der Steuerfahndung würde keinen Erfolg bringen, weil die interessantesten Figuren des ganzen Spiels mittlerweile in Indonesien ansässig waren und dort die Großzügigkeit der Finanzbehörden gegenüber Ausländern, die ihrem Land Gewinn brachten, schätzen gelernt hatten. Jo und Lizzy fuhren mit dem Lift hinunter zur Halle, um in der Bar noch einen letzten Schlaftrunk zu nehmen. Aber im ersten Zwischengeschoß drängte Jo seine Gefährtin aus dem Lift. "Wir sind zu früh ausgestiegen!" "Nein." Jo führte sie durch den Gang zu der Balustrade, von der die große Treppe in die Halle hinunterführt. "Würdest du dich trauen, die Treppe hinunter und zum Desk des Portiers zu gehen und dort irgend etwas zu fragen? Ob eine Nachricht für dich angekommen ist, oder wann der Blumenladen wieder aufmacht oder so?" Lizzy starrte ihn an. "Was soll das?" "Seit wir wieder hier im Hotel sind, taucht immer wieder derselbe Schatten auf. Wir werden beobachtet. Ich möchte dem Kerl eine Falle stellen." "Hast du ihn erkannt?" "Leider nicht. Er läßt sich nicht erwischen. Wenn ich den Kopf wende, sehe ich ihn nur verschwinden." Lizzy hatte auf einmal glänzende Augen. Vermutlich stammte sie in direkter Linie von den Frauen der ersten Siedler ab, die mit dem Gewehr in der Hand ihre Kinder gehütet und es entschlossen mit Indianern wie mit wilden Büffeln aufgenommen hatten, wenn sie ihnen in die Quere kamen. "Mach' ich!" Sie ging mit energischen Schritten zur Treppe, die weitgeschwungen ins Erdgeschoß führte. Jo blieb in guter Deckung eines Pfeilers stehen und folgte ihr mit den Augen. Zugleich ließ er sie umherwandern. Lizzy schritt leichtfüßig die Stufen hinunter. Sie hatte die Halle erreicht, als auf der anderen Seite ein Schatten im Gang auftauchte. Der Mann preßte sich eng an die Wand und schob sich langsam vor, bis er den Kopf um die Ecke strecken und in die Halle hinabblicken konnte. Im ungewissen Licht der zurückgedrehten Nachtbeleuchtung konnte Jo ihn nicht näher betrachten. Seine Bewegungen waren katzenhaft. Das Gesicht über dem dunklen Hemd und Generiert für: [email protected]
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der dunklen Jacke leuchtete nicht besonders hell. Schon wieder ein Sohn der indonesischen Republik? Jetzt war Lizzy am Desk des Nachtportiers. Der Mann glitt um den Pfeiler, war mit zwei Schritten an der Brüstung, duckte sich und spähte zwischen den gedrechselten Holzstäben nach unten. Aus dieser Stellung würde er nicht so schnell hochkommen und verschwinden können. Jo stieß sich ab, federte in langen Sätzen am Treppenabgang vorbei und stürzte sich auf den Mann. Aber es war, als wollte er eine Wildkatze einfangen. Der Bursche machte gar keinen Versuch, hochzukommen. Er ließ sich nach hinten fallen und stieß Jo die Beine entgegen. In vollem Schwung packte Jo die Fußgelenke mit beiden Händen, riß sie zur Seite und warf sich auf den Mann. Eine bessere Entgegnung gibt es auf eine solche Abwehr nicht. So stürzte er wuchtig auf den Gegner. Der versuchte, sich zur Seite zu rollen, und hatte auch Erfolg damit. Um ein Haar wäre Jo aber in eine perfekte Beinschere geraten. Als Ringer das wußte er - taugte er nicht besonders. So stieß er die Rechte vor und bekam die Kehle des Gegners zu packen. Aber ehe er zudrücken konnte, sah er die steif abgespreizten Finger des Mannes auf sich zukommen, auf seine Augen gezielt. Er mußte den Kopf herunternehmen. Wie eine Schlange wand sich der Mann unter ihm, kam frei und schnellte hoch. Ein richtiger Kampf wäre jetzt erst losgegangen. Aber der andere legte wohl mehr Wert darauf, nicht erkannt und vielleicht identifiziert zu werden. Er schnellte herum, versetzte Jo einen Tritt in die Seite und wollte zur Treppe. In dem Moment tauchte Lizzy auf, vom Lärm angelockt. Drohend hob sie die Rechte, in der sie einen silbrig glänzenden Schirmständer hielt. Der Mann reagierte sekundenschnell. Er packte das Geländer der Balustrade, stieß sich ab und flog in einer perfekten Hocke darüber. Jo, der inzwischen auch wieder auf die Beine gekommen war, sah ihn wie ein großes Insekt mit ausgebreiteten Armen und Beinen in die Halle hinabfliegen. Er kam auf allen Vieren zugleich auf. Es knallte richtig, als seine Handflächen und Fußsohlen auf den Boden schlugen. Er rollte über Kopf und Nacken ab, stand für einen Moment aufrecht da und warf sich dann nach vorn. Vielleicht wußte er, daß um diese Stunde das Portal abgeschlossen und nur noch die Drehtür offen war. Jedenfalls nahm er eine der großen Glasscheiben neben dem Eingang, indem er sein Gesicht mit vorgehaltenen Armen schützte. Die Scheibe barst unter seinem Anprall. Splitter klingelten auf den Boden - und weg war er. Jo hielt sich die Seite. "Bist du verletzt?" fragte Lizzy besorgt. "Hab' nur einen Tritt abbekommen. Komm!" Nebeneinander gingen sie in die Halle hinunter. Der Nachtportier stand fassungslos vor der zertrümmerten Glasscheibe und schob die langen Splitter mit dem Fuß zusammen. "Was war denn das?" fragte er kopfschüttelnd. "Jemand hatte es wohl eilig, hinauszukommen. Haben Sie ihn erkannt?" Der Portier biß auf den Enden seines Schnauzbarts herum. "Schien mir einer der Indonesier zu sein. Wir haben eine ganze Delegation von denen im siebten Stock." "Wie viele?" "Vier oder fünf. Ich kann ja mal nachsehen!" Er schlurfte zur Anmeldung und blätterte in den Karten. Jo und Lizzy beugten sich über seine Schultern. "Hier haben wir sie." Lizzy griff sich einen Kugelschreiber und ein Blatt Papier und schrieb die Namen auf. "Was machen Sie denn da?" "Na - irgend etwas muß doch getan werden!" fuhr ihn Lizzy an. "Oder wollen Sie die Scheibe selber bezahlen?" Generiert für: [email protected]
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Jo war zu dem klaffenden Loch in der Wand spaziert und betrachtete die Trümmer. Er beugte sich hinunter und nahm einen gezackten Glassplitter auf. Ganz unbeschädigt war der Kerl nicht hinausgekommen; an dem Glas war Blut. Vielleicht würde er ihn daran wiedererkennen, wenn es zu einer zweiten Begegnung kam. Irgend jemand auf der Straße hatte wohl die Polizei benachrichtigt. Ein Streifenwagen glitt an den Bürgersteig und hielt. Die Polizisten stiegen aus. Einer blieb draußen stehen, und der andere kam durch die Drehtür herein. Er blickte sich um, sah Jo vor der zerborstenen Scheibe und nickte ihm zu. "Alles in Ordnung?" Jo verkniff sich ein Grinsen. Wenn nicht gleich Tote und Verletzte herumlagen, schien der Polizist die Sache nicht tragisch zu nehmen. "Bei uns schon. Der da durchs Fenster gesprungen ist, dürfte ein bißchen bluten." "Hm. Besoffen?" Jo hielt es für das Beste, dem ahnungslosen Polizisten nicht die ganze Geschichte anzubieten. "Wahrscheinlich. Wenn Sie einen blutigen Indonesier treffen, können Sie ihn ja mal fragen, wohin er so eilig wollte." "Indonesier? Die vertragen nur ihren Palmwein und keinen anständigen Bourbon!" gab der Streifenbeamte bekannt. Jo hielt das für ein Vorurteil, sagte aber nichts. "Früher war das hier mal ein ruhiges, solides Hotel", gab der Polizist weiter von sich. "Neuerdings nichts als Aufregungen!" Wenn er damit auf den Mord an Senator Jackson anspielte, drückte er sich noch sehr zurückhaltend aus. "Macht jemand 'ne Anzeige?" fragte er in die Halle hinein. Lizzy schien keine Lust zu haben, aber der Nachtportier wurde lebendig. "Ja, natürlich! Was meinen Sie, was ich morgen früh zu hören kriege! Außerdem muß jemand her, der das Loch da zumacht! Sonst kann ja hier jeder herein!" Jo meinte im stillen, daß ja gerade der Nachtportier dafür angestellt sei, so etwas zu verhindern, aber er sprach auch diesen Gedanken nicht aus. In der Diskussion mit Lizzy und Madge war ihm klargeworden, daß sie völlig auf sich gestellt waren. Jede Einmischung der Behörden würde alles nur komplizieren und verzögern. Lizzy kam auf ihn zu und zog ihn zur Seite. "Wenn wir noch ein paar Stunden Schlaf haben wollen, müssen wir uns verdrücken." "Was hast du vor?" Sie sah ihm gerade in die Augen, und da war auf einmal nichts mehr von den Strapazen der letzten vierundzwanzig Stunden zu merken und nichts von dem Whisky, den sie den Abend über getrunken hatte, um ihre Nerven einigermaßen im Zaum zu halten. "Wir nehmen die erste Maschine nach Los Angeles. Dort bekommen wir noch vor Mittag Anschluß nach Jakarta. Wie es dort weitergeht, werden wir sehen. Aber ich muß dorthin und sehen, was es mit dieser Killer-Company auf sich hat. Mein Vater ist noch nicht unter der Erde. Ich möchte ihn doch nicht begraben müssen, solange seine Mörder noch frei herumlaufen!" "Dann sollten wir uns tatsächlich beeilen", stimmte Jo zu, legte ihr den Arm um die Schulter und schob sie zum Lift.
* Der Flughafen von Jakarta ist ein internationaler Flughafen wie jeder andere. Nur das Klima erinnert daran, daß er ungefähr auf 10 Grad südlicher Breite liegt, also dicht unter dem Generiert für: [email protected]
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Äquator. Jo und Lizzy genossen die angenehme Kühle einer V.I.P.-Lounge, bis ihr Anschlußflug nach Palembang aufgerufen wurde. In einem glühend heißen Zubringerbus fuhren sie zur Maschine, einer alten Boeing 737, in der sie Treibhausluft empfing. "Wenn wir gestartet sind, wird es besser!" tröstete sie die Stewardeß in der ersten Klasse. "Einen Drink, bitte?" Jo entschied sich für ein Tonic Water mit viel Eis, und Lizzy nahm ein Glas Champagner. "Denk' bitte nicht, daß ich mich durch die indonesische Inselwelt saufen will", sagte sie entschuldigend, "und schon gar nicht bei dieser Hitze. Aber ich muß etwas für meinen Kreislauf tun. Die letzten Tage waren ein bißchen zuviel. Inklusive Zeitverschiebungen und Klimawechsel!" Der Flug dauerte eine gute Dreiviertelstunde, dann ging die Maschine in Palembang auf Sumatra nieder, und sie waren soweit, wie sie PanAm und Garuda Indonesia Airlines bringen konnten. An Gepäck hatten sie wieder nur das Nötigste mitgenommen. Als sie in der sonnenflirrenden Luft vor dem Airportgebäude standen, fragte Jo: "Und wohin jetzt?" "Minas Surangaya." "Dritte Querstraße links, wie?" Sie sandte Jo einen spöttischen Blick zu und winkte einem Taxi. "Amerikanisches Konsulat", befahl sie dem Fahrer, als sie in dem Klapperkasten Platz genommen hatten. "Und keine Umwege, bitte. Die Stadt kennen wir schon!" Der Taxifahrer startete, als wäre ihm der Teufel auf den Fersen, und brachte sie auf schnellstem Weg zur Residenz des hiesigen Konsuls der Vereinigten Staaten. Sie erwies sich als ein schmuckloses Bürogebäude in der Innenstadt. Drinnen ging Lizzy mit der gleichen Zielstrebigkeit vor. Sie baute sich vor dem Pförtner auf und sagte: "Ich bin Lizzy Jackson, Tochter des Senators Jackson aus Washington, und möchte sofort den Konsul sprechen!" Diese wenigen Worte genügten, um Leben in die verschlafenen Büros zu bringen. Ein junger Tamile erschien, verbeugte sich außerordentlich höflich und geleitete sie in den Vorraum des Konsuls, wo sie eine halbwegs kultiviert aufgemachte Sekretärin empfing und nach einem kurzen Zwiegespräch über die Sprechanlage ins Allerheiligste seiner diplomatischen Exzellenz führte. Der Konsul war ein gepflegter, älterer Herr undefinierbarer Herkunft, was seine Rasse betraf, aber mit ausgezeichneten Manieren. Er kam ihnen entgegen, nahm Lizzys Hand mit seinen beiden gepflegten und ringgeschmückten Händen und drückte sie. Jo bekam einen freundlichen Gruß ab, und dann führte er sie zu einer Sitzgruppe aus schwellenden Polstersesseln mit einem Tischchen, das eine Platte aus geschliffenem Halbedelstein trug. Er drückte auf einen goldenen Klingelknopf, und ein Diener in weißer Livree brachte Erfrischungen. "Ich kann Ihnen nicht beschreiben, wie mich die Nachricht vom plötzlichen gewaltsamen Hinscheiden Ihres Herrn Vaters betroffen hat", sagte der Konsul. "Lassen Sie mich Ihnen mein aufrichtiges Beileid aussprechen und Ihnen sagen, daß ich Ihnen in allem zur Seite stehen werde, was Sie in diesen schweren Tagen betrifft!" Es war ein Text, wie er ungekürzt in einer diplomatischen Note hätte veröffentlicht werden können. "Danke", nickte Lizzy. "Sie werden sich denken können, warum ich hier bin." Der Konsul wiegte den weißhaarigen Kopf und bewies, daß er nicht nur gedrechselte Reden führen, sondern auch kombinieren konnte. "Eine der letzten, wichtigen Tätigkeiten Ihres Herrn Vaters betraf, soviel ich gehört habe, seine Mitwirkung in einem Ausschuß, der sich mit Subventionen für unsere Minas Surangaya Generiert für: [email protected]
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befaßt. Ist es falsch, daraus eine Verbindung zu Ihrer Anwesenheit zu ziehen?" Er hielt den Kopf schief und sah Lizzy forschend an. "Es ist hundertprozentig richtig", bestätigte sie. "Sie können natürlich nicht die Details der Ermordung meines Vaters kennen, aber es besteht der begründete Verdacht, daß die Täter hier zu suchen sind." Der Konsul blickte sich erschrocken um, als würde gleich ein blutdürstiger Malaye mit dem scharfen Kris zwischen den Lippen zwischen den bodenlangen Vorhängen hervorspringen. Lizzy fiel auf das Schauspiel nicht herein. "Vermutlich nicht hier in Palembang", sagte sie mit leiser Zurechtweisung, "aber bei den Leuten von Minas Surangaya." "Wie schrecklich! Sind Sie wirklich überzeugt, daß man von hier aus ... schwer vorstellbar!" "Mag sein. Aber es ist so." Der Konsul dachte nach. Dann nahm er seine Kaffeetasse, trank ein Schlückchen und setzte sie klirrend nieder. "Wenn Sie es sagen, muß ich es glauben. Aber ich fürchte, daß jegliches Vorgehen in dieser Richtung schlimme Verwicklungen nach sich ziehen wird. Die hiesige Polizei ... nun, wir haben hier eine gut ausgerüstete und modern organisierte Polizeitruppe. Aber ich bezweifele, daß sie in der Lage ist, jemanden des Mordes zu überführen, der in den Vereinigten Staaten begangen wurde. Ganz abgesehen von den rechtlichen Problemen, die dabei auftauchen. Indonesien ist Mitglied der UN, des ASEAN, von OPEC, Colombo-Plan, CIPEC und GATT, aber die internationale Zusammenarbeit mit anderen Polizeibehörden ist noch nicht sehr entwickelt. Und was Minas Surangaya angeht, so hat sich dort ein Zustand entwickelt, den man vielleicht am besten mit halbwegs autonom bezeichnen könnte." "Wie das?" Der Konsul machte eine Handbewegung, in der sich leichte Verzweiflung und Resignation mischten. "Sie kennen Minas Surangaya nicht. Die Abbaugebiete liegen auf den Inseln im Nordosten, wo die Grenze unseres Staatsgebiets einigermaßen schwierig zu bestimmen ist - zwischen Korallenbänken, Atollen und hundert Inselchen. Von dort wird das Bauxit mit firmeneigenen Praus und Schleppkähnen zu den Raffinerien oder Hüttenwerken gebracht. Die liegen bei Ganten und Lebek drüben auf der Insel, wo man die früheren Zinnhütten aufgekauft hat. So etwas ist organisatorisch nur unter straffer Leitung zu bewältigen, und die haben wir eben den Amerikanern überlassen, weil ihnen schließlich das Firmenkonsortium gehört. Inklusive aller gewünschten Sicherheitsmaßnahmen, muß ich hinzufügen. Minas Surangaya hat eine eigene Sicherheitstruppe, eine Art Werkschutz. Wenn es Ihnen gelingt, mit dem zusammenzuarbeiten ... " "Sehen Sie da irgendwelche Schwierigkeiten?" fragte Lizzy gezielt weiter. Der Konsul schüttelte heftig den Kopf. "Oh, nein, Miß Jackson! Absolut nicht. Nur habe ich als Konsul da keinerlei Verbindungen, weil ich meine Tätigkeit strikt auf den Kontakt mit unseren einheimischen Behörden beschränke." "Auf die offiziellen Organe, nicht wahr?" warf Jo ein, und der Konsul nickte zögernd. "Gibt es da vielleicht eine Verbindungsstelle zwischen der indonesischen Polizei und Minas Surangaya? Ich meine, wenn dieser Werkschutz einen Dieb fängt, muß er doch von den hiesigen Behörden abgeurteilt werden!" Das Gesicht des Konsuls hellte sich auf. "Ah, ja! Wie konnte ich das vergessen! Capitano Saboaco! An den müssen Sie sich wenden! Das ist der richtige Mann für Sie! Er kennt sich überall bestens aus und kommandiert unseren Küstenschutz! Ich werde Ihnen sogleich seine Adresse heraussuchen lassen und Ihnen ein Einführungsschreiben mitgeben!" Der Konsul war plötzlich lebhaft geworden. Vermutlich beflügelte ihn die Aussicht, diesen Fall an jemand anders abgeben und damit seine Besucher samt ihren Problemen loszuwerden. Generiert für: [email protected]
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"Dafür wären wir Ihnen außerordentlich dankbar", sagte Jo. Der Konsul drückte wieder auf den goldenen Klingelknopf.
* "Vielleicht habe ich einen Verfolgungswahn", sagte Jo, als sie vor dem Cafe Florio Platz genommen hatten. "Aber seit wir in Palembang angekommen sind, fühle ich mich beobachtet und überwacht." Er orderte bei der Kellnerin sein Tonic Water und für Lizzy ein geeistes Grenadine. "Mir geht es ähnlich. Vielleicht kann uns dieser Capitano Saboaco das erklären." Sie hatten den Capitano angerufen, und nach einigen vorsichtigen Fragen zu Person und Sache war der Kommandant des Küstenschutzes der Meinung gewesen, man träfe sich vielleicht besser in einem Cafe als in seiner Dienststelle. So war die Verabredung im " zustande gekommen. Überdies schien es das einzige Cafe in der Industrie- und Hafenstadt zu sein, das normalen Ansprüchen genügte - soviel hatten sie bei ihrer kurzen Taxifahrt durch die Straßen schon mitbekommen. Jo blickte auf die Uhr. Er konnte nicht beurteilen, wie weit Indonesien zum Orient mit seiner lockeren Einstellung zur Pünktlichkeit zählte, aber da wand sich auch schon ein junger Mann in sauberer Tropenuniform zwischen den Tischen durch, kam auf sie zu, strahlte sie an und sagte: "Miß Jackson? Mister Walker? Ich bin Saboaco." Sie begrüßten sich, und er nahm an ihrem Tischchen Platz, bestellte sich etwas zu trinken und kam sogleich zur Sache. "Der Konsul war vermutlich froh, als er Sie los war. Ihr Problem ist ein bißchen schwierig nicht wahr?" "Das hören wir hier überall", erwiderte Lizzy Jackson leicht gereizt. "Ich finde nichts dabei, wenn sich Amerikaner für die Verhältnisse amerikanischer Firmen in diesem Land interessieren." Saboaco verlor nichts von seiner gewinnenden Freundlichkeit. "Natürlich nicht. Aber worum geht es im einzelnen, Miß Jackson?" Sie zögerte. Wenn ihnen der Capitano wirklich helfen sollte, mußte sie ihn einweihen. Sie beschloß, alles auf eine Karte zu setzen. "Mein Vater, der Senator, ist ermordet worden. Senator Humphries wurde ebenfalls verfolgt und entging demselben Schicksal nur, weil wir den Verfolger ausschalten konnten. Ich selbst wurde im Hotel in Houston unter Beobachtung gehalten; Mister Walker schlug den Mann in die Flucht, und er rannte dabei durch eine Glasscheibe, nachdem er sich mit einem waghalsigen Sprung aus dem ersten Stock hinunter in die Hotelhalle befreit hatte. Und all das geschah vermutlich durch eine Gruppe Indonesier, die der Portier als "indonesische Delegation" bezeichnete und die im gleichen Hotel wohnte. Wir vermuten, daß diese Leute mit den Minas Surangaya zusammenarbeiten." "Warum?" Saboaco war ganz gespannte Aufmerksamkeit. "Weil mein Vater und Senator Humphries einem Senatsausschuß vorstanden, der die Vergabe von staatlichen Zuwendungen an die Minas Surangaya untersuchte. Und sie waren entschlossen, den Antrag zu Fall zu bringen." Saboaco lehnte sich zurück und dachte nach. "Sie sind sehr offen zu mir. Es hätte sein können, daß auch ich für die Interessen der Minas Surangaya arbeite ... " "Das war mein Risiko. Aber Sie tun's nicht?" Jetzt hatte Saboaco alle Freundlichkeit verloren. Generiert für: [email protected]
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"Ich halte meine Landsleute, die das tun, für Schurken. Minas Surangaya beuten unser Land aus. Sie lassen die Reisbauern enteignen, wo sie ihr Bauxit abbauen wollen. Wenn Sie in den Nordosten der Insel gehen, begegnen Ihnen überall die Karren der armen Leute, die ihre natürliche Lebensgrundlage verloren haben, damit Minas Surangaya noch höhere Profite machen können und das Geld in die eigene Tasche stecken. Pardon - das hätte ich vielleicht nicht sagen sollen, denn ich kann es nicht beweisen." "Ich bin froh, daß Sie es ausgesprochen haben, Capitano. Es ist der zweite Grund, warum wir hier sind. Senator Humphries sprach von einer Killer-Company. Wir wissen nicht, was wir darunter verstehen sollen, aber wir glauben, daß es sich um Leute aus dem Werkschutz der Minas Surangaya handelt. Wissen Sie etwas davon?" Jetzt beugte sich der Capitano vor, damit die Umsitzenden nichts von dem, was er sagte, verstehen konnten. Die Killer-Company ist in den Abbaugebieten ein Begriff. Sie terrorisiert die Reisbauern, die nicht verkaufen wollen, und jeden, der sich den Absichten der Minas Surangaya widersetzt." "Und warum tut man nichts dagegen?" Saboaco blickte sie ernst an. "Wer?" fragte er. "Minas Surangaya haben besondere Rechte auf ihrem Gebiet. Die hiesigen Behörden mischen sich nicht ein, zumal aus den Firmengewinnen beträchtliche Summen an unsere Verwaltung fließen." "Aha." "Haben Sie außer der Aussage dieses Senators irgendwelche Hinweise, daß es sich tatsächlich um Indonesier handelt?" Jo nickte. "Vom Aussehen her, und von der Ausbildung. Ausgerochene Dschungelkämpfer. Auf ihrem Gebiet sehr fähige Leute. Wir haben uns mit einem von ihnen in den Bergen herumgeschlagen, der sich als Kunstschütze erwies und Erstaunliches leistete, um uns einzuholen und umzubringen. Außerdem hat Miß Jackson die Namen der sogenannten Delegation." Lizzy zog einen Zettel aus der Tasche, auf dem sie die Namen der Indonesier im Hotel notiert hatte. Saboaco las ihn mit gerunzelter Stirn durch. Zweifellos Indonesier, den Namen nach. Aber ich kenne gerade den Chef des Sicherheitsdienstes der Minas Surangaya, Colonel Wilson. Wie wollen Sie vorgehen?" "Wir müssen an den Sicherheitsdienst herankommen. Wie, ist egal. Gibt es eine Möglichkeit, ohne Aufsehen hinüber auf die Insel zu gelangen?" Saboaco kniff die Augen zusammen. "Dschungelkrieg, wie?" "Wenn es nicht anders geht, auch das." "Hinbringen kann ich Sie. Aber was Sie dann machen, darf mich nichts angehen. Ich bin Capitano beim Küstenschutz und habe meine besonderen Anweisungen für den Umgang mit den Leuten von Minas Surangaya." "Akzeptiert", sagte Jo. "Wann?" "Heute abend. Seien Sie gegen sieben am Pier 3. Und ... ziehen Sie sich etwas anderes an!" "Worauf Sie sich verlassen können!" meinte Lizzy Jackson.
*
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Sie hatten sich etwas anderes angezogen, und auf diese Weise war Jo zum zweitenmal von Lizzy Jackson neu eingekleidet worden. Sie sahen tatsächlich aus, als wollten sie in den Dschungelkrieg ziehen. Was ihnen fehlte, waren Waffen. Natürlich hätte Jo in dieser Hinsicht etwas besorgen können; es gibt wohl keinen Ort auf der Welt, wo man nicht innerhalb von einer Stunde an eine Pistole kommt, wenn man genug Geld hat, aber da sie sich noch gar nicht über ihr Vorgehen auf der Insel klar waren, hatte er darauf verzichtet. Der Pier lag verlassen da. Ein paar streunende Hunde trieben sich herum, und im Schatten eines aufgegebenen Zollhäuschens döste ein Penner. "Ich möchte wetten, daß ich den Burschen schon mal gesehen habe", sagte Jo. "Für mich sehen die alle gleich aus", antwortete Lizzy, nahm Jo beim Arm und führte ihn ein Stück weiter auf den Pier hinaus. "Und wenn es wirklich einer ist, der hinter uns herschnüffelt - was willst du machen? Am Kragen packen und so lange schütteln, bis er gesteht?" Jo sah ein, daß er sich mit Schnüfflern, Beobachtern und Verfolgern abfinden mußte. "Aber wenn er mit uns aufs Schiff will, schmeiße ich ihn Wasser und pfeife dem nächsten Hai, daß er ihn frißt. Von See her näherte sich ein verkommen aussehendes Boot. Es war wie eine Prau getakelt, hatte aber einen Motor. Am Mast baumelte eine weiße Signallaterne. Das war alles, was an Kennzeichen vorhanden war. Es hielt genau auf sie zu, und als es näherkam, erkannten sie den Capitano, der am Mast lehnte und eine Zigarette rauchte. Er winkte ihnen zu, sprach nach hinten gewandt mit dem Steuermann, und das Boot legte knirschend und knarrend an. In der Kaimauer führte eine steinerne Treppe hinunter. Lizzy hängte sich ihre Tasche um und sprang hinab und auf das Deck; Jo folgte ihr etwas bedachtsamer, denn er hatte den Reisesack mit dem Gepäck, das sie gemeinsam beschlossen und eingekauft hatten. "Hallo!" grüßte Saboaco amerikanisch. "Willkommen an Bord. Das da ist Balik, mein Steuermann. Los!" Balik ließ den Diesel brummen, und das Boot legte ab. Saboaco bot ihnen Deckstühle an. "Dies ist kein Boot der Küstenwache, nicht wahr?" "Dies ist kein Boot der Küstenwache, nicht wahr?" erkundigte sich Lizzy neugierig. Saboaco schmunzelte. "Nicht direkt. Es gehört Balik. Andererseits ist jedes Boot, auf dem ich mich befinde, ein Boot der Küstenwache!" Balik steuerte aus dem Hafen hinaus. "Wir werden Sie auf der anderen Seite der Insel anlanden. Da sind die Hüttenwerke der Minas Surangaya leicht zu erreichen. Sie müssen sich dann nicht durch den Dschungel quälen oder den Bauern die Felder zertrampeln. Zeit genug haben wir ja!" Er ging hinunter und kam mit einer Flasche und drei Gläsern wieder. "Ich habe mir erlaubt, Ihnen zu Ehren den Fonds für besondere Gelegenheiten zu plündern. Der Whisky ist original amerikanisch und angeblich zwölf Jahre alt!" Er schenkte ein, und sie tranken sich zu, während das Boot nach Osten schwenkte und den Kurs beibehielt. "Durchaus glaubhaft", sagte Jo und setzte das Glas ab. Saboaco nahm einen Zettel aus der Brusttasche seiner Uniform. "Ich bin übrigens auf etwas Interessantes gestoßen. Einer der Namen, die Miß Jackson auf ihrem Zettel hatte, kam mir bekannt vor. Im Archiv habe ich ihn dann gefunden. Luang Loa. Vor zwei Jahren habe ich ihn bei einer ziemlich wüsten Messerstecherei am Hafen festgenommen. Er hatte schon einen Mann getötet und zwei weitere schwer verletzt, ehe ich ihn zu fassen kriegte. Er wurde zu zwanzig Jahren verurteilt, kam aber schon nach einem Jahr wieder frei." "Wieso?" Saboaco lächelte dünn. "Er hatte Freunde und Gönner an höherer Stelle. Ich will nicht behaupten, daß es Minas Surangaya waren, aber wenn jemand darauf bestünde, würde ich auch nicht widersprechen. Generiert für: [email protected]
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Ich nehme an, der Mann war für sie wichtig, in irgendeiner Hinsicht." "So etwas gibt's?" "So etwas gibt's hier manchmal", bestätigte Saboaco. Er warf seine Zigarette ins schwärzliche Wasser. Jo blickte zurück auf die Lichter von Palembang. Es war noch nicht ganz dunkel, und so war das ein zauberhaftes Bild. Aber Jo hatte mehr Aufmerksamkeit für ein schnelles Sportboot, das aus dem Hafen kam und jetzt auf ihrem Kurs lag. "Ich hatte schon den ganzen Tag den Verdacht, daß man uns beobachtete", sagte Jo. "Jetzt kommt sogar jemand hinter uns her!" Saboaco griff nach seinem Nachtglas und richtete es übers Kielwasser hinweg auf den Verfolger. ,,Jemand vom Yachtclub. Allerdings sind die Herren von Minas Surangaya da auch Mitglied. Wollen sehen, was das Fahrzeug will." Es folgte ihnen ein ganzes Stück, kam näher, drehte aber ab. "Sie haben gesehen, wohin wir wollen. Das reicht ihnen." "Wenn es nicht doch nur jemand vom Club war, der ein bißchen frische Luft schnappen wollte", warf Jo leichthin ein. Saboaco sagte nichts. Er schenkte noch einmal ein,und sie tranken sich zu. "Wenn Sie drüben an Land sind, kann ich, wie schon gesagt, nichts mehr für Sie tun. Aber ich habe doch noch eines veranlaßt: Wo Sie auf Leute von der Küstenwacht treffen oder auf ein Boot von uns, können Sie sich mit einem Kennwort ausweisen. <Jackson>. Manche unserer Leute sprechen nur Küstenmalayisch, aber dieses Kennwort verstehen sie. Okay?" "Besten Dank. Vielleicht werden wir es brauchen." "Ja", sagte Saboaco, "dafür ist es ja auch eingerichtet. Haben Sie Waffen, zur Selbstverteidigung?" "Außer unseren Händen nichts", mußte Jo eingestehen. "Wenn Sie die gebrauchen können, ist das schon etwas. Ich kann Ihnen leider nichts ausleihen ... " Inzwischen lag ein neuer Kurs an. Das Boot steuerte jetzt an der Ostküste der Insel nach Norden, und in einiger Entfernung wurden die Lichter der Aluminiumhütte sichtbar. Balik steuerte direkt darauf zu, ohne sich um etwaige Untiefen oder dergleichen zu kümmern; anscheinend kannte er sich in diesen Gewässern aus. "Etwas unterhalb des Industriegebiets setzen wir Sie an Land. Ist das recht?" "Natürlich. Es dauerte doch noch ein Viertelstunde, bis sie die richtige Stelle erreicht hatten. Das Boot fuhr dicht bis ans Ufer; zwischen alten, verfilzten Mangroven war hier ein Landesteg, der vielleicht einmal den einheimischen Fischern gedient hatte, ehe sie verjagt wurden. Balik rammte ihn mit der Breitseite und hielt den Diesel langsam am Laufen. "Hier", sagte Saboaco und reichte Jo einige Papphülsen, "viel ist es nicht, aber notfalls ist etwas Feuerwerk besser als gar nichts." Es waren Notraketen, wie sie auf jedem Schiff vorhanden sind, mit Abreißzünder und zum Werfen, nicht zum Schießen. Jo steckte sie ein und sprang mit dem Seesack auf den Steg. Er reichte Lizzy die Hand und zog sie herüber. "Thanks; Saboaco! Und auf Wiedersehen!" Saboaco winkte. Das Boot legte ab und drehte mit schäumendem Kielwasser fast auf der Stelle, um freies Wasser vor den Kiel zu bekommen. "Ich nehme an", sagte Jo, "jetzt gibt es eine ganze Weile nur noch uns, falls wir Hilfe brauchen." Lizzy nickte. "Reicht völlig aus", sagte sie trocken.
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* Sie hatten einen Pfad gefunden, der landeinwärts führte, aber nach ungefähr einer halben Meile nach Norden abbog und sie auf diese Weise an das Hüttenwerk heranbringen mußte. Inzwischen war es Nacht geworden, und sie kamen nicht mehr schnell vorwärts. Der Pfad war zugewuchert, weil ihn vielleicht monatelang niemand benutzt hatte. Ihr Plan war einfach: So nahe wie möglich an das Werk und eine eventuelle Sperrzone heranmarschieren und dann weitersehen. In der Nacht konnten sie ohnehin nichts mehr ausrichten. Es wäre ihnen schwergefallen, irgendwelche Wächter davon zu überzeugen, daß sie auf Schmetterlingsfang wären oder seltene Dschungelpflanzen fotografieren wollten. Ein Schmetterlingsnetz hatte Lizzy zwar kichernd eingekauft, weil sie es gleichzeitig als Moskitonetz im Schlafsack benutzen wollte, aber nachts schlafen auch die Schmetterlinge. Immer wieder gerieten sie in wucherndes Grün und verfingen sich in Lianen, die von den Büschen wie Fallstricke herabhingen. Jo hätte etwas um eine Machete gegeben, aber ausgerechnet daran hatte er nicht gedacht. Rechts und links raschelte es im Wald; Ratten vermutlich und anderes Kleingetier, das sie mit ihren Schritten aufweckten oder das ohnehin auf Beute unterwegs war. "Bißchen unheimlich, wie?" fragte Jo und klatschte mit der flachen Hand ein Moskito auf seiner Wange platt. "Nicht besonders. Ein Eingeborener würde sich um diese Zeit in der Bronx mehr fürchten." Sie stapften weiter. Jo hatte es aufgegeben, die erschlagenen Moskitos und Mücken zu zählen. Lizzy hatte sich mit einem Anti-Insektenmittel eingesprüht und mußte feststellet, daß die Moskitos davon geradezu angezogen wurden. "Dem Hersteller werd' ich vielleicht Bescheid sagen, wenn wir zurück sind!" schimpfte sie. "Ein Fall für Ralph Hader! Die Biester kommen angesurrt, als wäre hier ein brünstiges Moskitoweibchen unterwegs ... " " ... und nicht eine coole Amerikanerin aus Washington!" vollendete Jo. Der Dschungel öffnete sich ein wenig vor ihnen, als sie fast anderthalb Stunden unterwegs gewesen waren. Jo streckte den Arm seitwärts aus, und Lizzy stolperte prompt dagegen. "Hey ... magst du nicht mehr?" "Vor uns sind Lichter. Ich glaube, wir sind da!" "Sieht so aus. Laß uns bis zu der Biegung gehen, dahinter scheint es noch heller!" Nebeneinander legten sie die letzten hundert Yards zurück, dann ließ Jo aufatmend den Reisesack auf den Boden fallen und setzte sich daneben. Er fingerte sich eine Pall Mall aus dem Päckchen und bot Lizzy ebenfalls eine an. "Hier ... rauchen?" "Warum nicht? Dieser feuchte Dschungel fängt bestimmt kein Feuer. Und wenn ein Wachmann in der Nähe ist und ihm der gute Duft in die Nase steigt und er nachsehen kommt - was wollen wir mehr?" Er gab ihr Feuer, und dann saßen sie nebeneinander und betrachteten die Szene. Vor ihnen zog sich ein Zaun aus Maschendraht durch den Dschungel. Dahinter erstreckte sich das Areal eines Hüttenwerks, mit vielen Lichtern und sogar einer roten Signallampe hoch oben an einem der Schornsteine. Hinter den hohen Fenstern eines Gebäudes flackerte es rötlich, und der Wind wehte Gestank herüber. "Sie arbeiten rund um die Uhr. Da drüben wird gerade ein Abstich gemacht." "Was ist das?" fragte Lizzy. "Wenn der Schmelzofen das Aluminium in die Barrenformen gießt." "So sieht das aus?" "Von ferne. Drinnen ist allerhand Funkensprühen und Feuerschein. Und vor allem Hitze. Ich habe mir sagen lassen, daß man mehr als 900 Grad braucht, um Aluminium zu gewinnen." Generiert für: [email protected]
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"Danke. Mir ist es auch hier schon warm genug." Sie blies den Rauch nach vorn und nach rechts und links, um die Moskitos zu ärgern, aber die hatten offenbar nichts gegen amerikanische Zigaretten. "Wie wär's denn, wenn wir hingingen und einfach sagten, wir hätten uns verlaufen?" "Kannst du Küstenmalayisch?" "Kein Wort. Du?" "Ein bißchen. <Eni weitok a chuana> heißt . Aber wem von denen da drüben soll ich das sagen? Und wer von denen Englisch versteht, der weiß inzwischen wohl auch, was wir im Schilde führen. Nach den zahllosen Augen, die uns überall und unablässig gefolgt sind!" "Hm. Dann müssen wir uns hier auf eine Nacht einrichten. Jo hatte schon den Reisesack geöffnet und die Hängematten hervorgezaubert. Im Schein der Lichter, die auch hier das Dunkel etwas aufhellten, suchte er Baumstämme, die im richtigen Abstand nebeneinander standen, und befestigte die Hängematten in Hüfthöhe. Lizzy zerrte die Moskitonetze aus dem Packsack. "Ich werde kein Auge zutun. Was gibt es hier für wilde Tiere?" "Ich habe mal ein Überlebenstraining der Air Force im Dschungel mitgemacht. Da hatten wir es hauptsächlich mit Mücken, Zecken, Moskitos und Wasserratten zu tun." "Und was ist mit Tigern, Krokodilen und Elefanten?" "Wenn du sie nicht ärgerst, tun sie dir nichts." Zögernd schwang sich Lizzy in die Hängematte und zog das Netz über sich. "Ich bin sicher, die stechen auch durch das Netz!" "Natürlich! Wo es auf der Haut aufliegt! Steck' die Hände in die Taschen oder unter die Jacke, und nimm' die Haare ins Gesicht." "Das ist verdammt kompliziert, im Dschungel zu schlafen!" "Warte ab, bis du morgen früh versuchst, ein Frühstück zu machen!"
* Das Kaffeepulver war feucht geworden, Wasser fand sich nur in sehr trübem und bedenklichem Zustand, und was sie an Büchsenbrot, in Folie eingeschweißtem Schinken und Marmelade mitgenommen hatten, stand der völlig zerlaufenen Butter kaum nach. "Zu denken, daß da drüben die Leute vermutlich in einer klimatisierten Kantine frühstücken ... " sagte Lizzy und räumte entschlossen die Überreste des mißglückten Mahls zusammen. "Soweit es sich um die Führungs-Crew der Minas Surangaya handelt, kannst du rechthaben. Die Indonesier, die da vor den Öfen schuften, haben es sicher nicht so bequem." "Trotzdem - ich meine, wir sollten versuchen, unsere nächste Mahlzeit auf der anderen Seite des Zauns einzunehmen." "Einverstanden. Gehen wir?" Die Hängematten und Moskitonetze hatten sie schon verstaut. Jo warf sich den Packsack über die Schulter, und sie marschierten los. Sie hatten es nicht weit bis zum Zaun. Lizzy betrachtete ihn aufmerksam, ehe sie in den Maschendraht griff und hindurchblickte. Ein paar hundert Yards freie Fläche, dann kamen die Gebäude der Aluminiumschmelze mit ihren hohen Schornsteinen, aus denen auch Setzt dichter Rauch quoll. "Warum zäunt man eine Aluminiumhütte ein, Jo?" "Angeblich, um wilde Tiere und neugierige Eingeborene fernzuhalten. Ich könnte mir auch denken, daß dieser Zaun hier auch steht, um Dinge wie Produktionszahlen und Haldenbestände geheimzuhalten. Wenn einer etwas von der Sache versteht, kann er aus Generiert für: [email protected]
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einem Blick auf die Rohstoffvorräte und die Aktivitäten an der Verladerampe leicht schließen, wieviel denn nun am Tag gemacht wird. Und wenn das nicht mit den Zahlen übereinstimmt, die beispielsweise dem Senatsausschuß für Subventionen vorliegen, wird das peinlich für die Herren der Minas Surangaya." "Hm. Leuchtet mir ein. Suchen wir uns ein Loch im Zaun, und sehen wir mal nach. Und wenn sie uns einfangen und in ein finsteres Loch werfen, Jo?" "Das wäre das Beste, was uns passieren könnte. Damit wären wir nämlich da, wo wir hinwollen." "Dann los!" Sie marschierten am Zaun entlang. Ein Trampelpfad war von Gebüsch und nachwachsenden Bäumen freigehalten, was Jo in der Vermutung bestärkte, daß der Zaun doch irgendwie elektrisch gesichert war - vielleicht über Erdschlußanzeiger oder ähnliche Raffinessen. Fast eine halbe Meile waren sie gelaufen und dabei auf die nördliche Seite des Komplexes gekommen, als sich endlich eine Möglichkeit bot, durchzuschlüpfen. Da war ein Wassergraben, der unter dem Drahtzaun hindurchlief, und der schien frei. "Ich probier's mal. Mehr als knietief kann der Graben nicht sein." Jo nahm den Packsack, schwang ihn hin und her und warf ihn hinüber. Dann stieg er ins Wasser und watete vorwärts. Es ging ihm bis knapp unter die Hüfte. Vor dem Zaun untersuchte er noch einmal, ob sich unter Wasser ein Hindernis befände, aber es gab keins. Also holte er Luft, tauchte unter und auf der anderen Seite wieder hoch. "Alles in Ordnung!" sagte er. Lizzy zauderte ein wenig, in die schleimige und mit Wasserpflanzen durchzogene trübe Flut zu steigen, überwand sieh aber schnell. Als sie vor Jo wieder hochkam, sah sie aus wie eine Meerjungfrau mit den grünen Stengeln im Haar. Er sagte es ihr, und sie prustete, um das Wasser aus Mund und Nase zu bekommen. "Wieso eigentlich immer Jungfrau? Gibt es keine erwachsenen Weiber in der See?" fragte sie. Beide troffen sie jetzt; in der feuchten Schwüle würde das Zeug auch nicht schnell trocknen. Jo schulterte den Reisesack und wies wie ein Feldherr auf dem zugehörigen Hügel, zu den Fabrikgebäuden. "Geradewegs drauf zu! Vielleicht kommen sie ja mit einem Wagen und holen uns ab!" Es ging sich nicht besonders gut in den nassen Socken und Schuhen. Dabei brannte die Sonne schon vom Himmel, daß sie bald regelrecht dampften. Als sie ungefähr die halbe Strecke zurückgelegt hatten, kam plötzlich Leben in die öde Szenerie. Von der Gießereihalle her näherten sich zwei Männer, in Khaki gekleidet und mit Maschinenpistolen. Was Jo etwas mehr Sorgen machte, war ein großer Hund, den sie jetzt losließen, und der in langen Fluchten auf Jo und Lizzy zugestürmt kam. Erschrocken packte sie ihn am Arm. "Der Hund! Was ist, wenn er beißt?" "Ruhig. Bleib' hinter mir in Deckung. Ich denke, er wird uns nur stellen. Wenn nicht, gibt es auch gegen Hunde ein Mittel!" Laut bellend kam der Hund heran. Sie waren stehengeblieben und warteten ab, was er tun würde. Ganz dicht vor ihnen blieb er stehen, stemmte die Vorderläufe in den Boden und fing mit einem dumpfen Grollen an, das in hohem, wilden Gekläff endete. Aber er machte keine Anstalten, zuzubeißen, obwohl er durchaus die Zähne dazu hatte. ' "Ruhig!" sagte Jo. "Setz' dich hin und halt's Maul!" Aber der Hund dachte gar nicht daran. Er bellte weiter, daß er blutunterlaufene Augen bekam. Endlich waren die beiden Wachleute heran. Einer nahm die MPi von der Schulter, entsicherte sie und blieb stehen. Der andere näherte sich, hakte den Hund an einer starken Leine fest und musterte Jo und Lizzy. "Haben Sie die Schilder nicht gesehen, die das Betreten des Geländes verbieten?" fragte er der Form halber. Er sprach ein amerikanisches Englisch, aber mit dem Akzent Indonesiens. Eine Antwort wartete er gar nicht ab, sondern wies über seine Schulter zur Fabrik und sagte: Generiert für: [email protected]
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"Sie gehen voraus. Keine Tricks! Los!"Jo und Lizzy setzten sich in Bewegung. Hinter ihnen hechelte der Hund und klangen die Schritte ihrer Bewacher. Keiner sagte ein Wort. Als sie einen zweiten, niederen Zaun erreichten, ertönte es hinter ihnen: "Stopp!" Sie gehorchten. Ein kleines Tor wurde geöffnet. Der Wächter mit dem Hund ging vor und schloß eine Tür des Fabrikgebäudes auf. Jo bekam einen Stoß mit der Maschinenpistole in den Rücken und stolperte vorwärts. Im Haus wurden sie einen langen Gang entlanggetrieben, dann eine Treppe hinunter, und da tat sich vor ihnen ein Raum auf, der alle Merkmale einer Gefängniszelle hatte: ein vergittertes Fenster hoch oben, drei Pritschen, einen Tisch und in der Ecke ein Kübel. Auch Lizzy kriegte einen Stoß mit der MPi ab und flog beinahe auf eine der Pritschen. Dann knallte hinter ihnen die Tür zu. Ein Schlüssel wurde herumgedreht. Schritte entfernten sich, untermalt und begleitet vom wütenden Knurren des Hundes. Lizzy rieb sich ihre Seite. "Na?" fragte sie, und ihre Augen funkelten. "Die Verhaftung war zwar stümperhaft, denn sie haben uns unser Gepäck gelassen, aber jedenfalls sind wir da. Machen wir's uns bequem!" Auf den ersten Blick fehlte dazu alles, aber Lizzy öffnete ihre Tasche und kramte eine Weile darin. Dann brachte sie ein trockenes Handtuch zutage, einen kleinen Spiegel und ihre Schminkutensilien. Sie rubbelte ihr langes, dunkles Haar trocken, bürstete es und erneuerte ihr Make-up. "Besser so?" "Besser als was?" "Als vorher, Dummkopf!" "Natürlich. Vorher sahst du aus wie eine nasse Katze, der man gerade die Jungen weggenommen hat." "Und jetzt?" "Wie eine trockene Katze, die einen nassen Anzug anhat." Sie fuhr noch einmal mit beiden Händen in die Tasche und zog ein zusammen gefaltetes khakifarbenes Kleid im Safari-Look hervor. Sie zog die nasse Jacke aus, das ebenfalls klatschnasse Hemd und stieg aus der noch nasseren Hose. In Slip und BH bot sie den besten Anblick, den Jo überhaupt bisher von ihr gehabt hatte. Aber sie ließ ihn das nicht lange genießen, sondern frottierte sich nur schnell ab und stieg in das Kleid. "Einer von uns beiden muß ja wenigstens so aussehen, als kämen wir tatsächlich aus Washington", bemerkte sie und hängte die nassen Sachen über die oberste Pritsche. "Es sei denn, du hast auch einen Reserveanzug mit?" "Hab' ich nicht. Aber wenn es dich nicht stört, versuche ich meinen Kampfanzug auch wenigstens etwas zu trocknen." "Nur los!" Jo hängte Buschhemd und Hose neben ihre Sachen und stellte seine Stiefel hoch oben aufs Fensterbrett, wo sie etwas Sonne abbekamen. Er fühlte sich beträchtlich besser, als er das nasse Zeug nicht mehr auf der Haut spürte, legte sich aufs Lager und faltete die Hände unter dem Kopf. "Was meinst du, wann jemand kommt?" fragte Lizzy. Sie hatte die Beine angezogen und kauerte neben ihm auf dem Pritschenrand. "Keine Ahnung. Vielleicht lassen sie uns eine Weile schmoren. Ein Gefangener, der Hunger und Durst hat, ist eher bereit, auf Fragen wahrheitsgemäß zu antworten." Lizzy kicherte. "Dann haben sie sich verrechnet. Wir haben noch zwei Büchsen Cola im Packsack und genug zu essen, um bis morgen durchzuhalten. Übrigens - hast du gesehen, daß das Fenster da oben nicht vergittert ist?" Generiert für: [email protected]
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Jo nickte. "Ja. Aber es ist aus Panzerglas. Da können sie sich die Gitter sparen." Sie versanken in Nachdenken. So verging eine Stunde und auch die zweite. Es wurde immer heißer in der Zelle. Endlich stand Jo auf, langte nach seinen Sachen und fand sie halbwegs trocken. Er zog sich wieder an und lieh sich Lizzys Haarbürste. "Eine Dusche wäre zwar besser, aber mit dem Komfort haben sie's hier wohl nicht so'. Was ist mit dem Mittagessen?" "Ich hab's noch nicht ganz fertig", meinte Lizzy. "Aber du kannst ja schon mal in den Keller gehen und den Wein heraufholen." Als hätte jemand Jo Walkers Frage gehört, kamen draußen auf dem Gang Schritte näher. Der Schlüssel klirrte im Schloß, die Tür wurde aufgezogen, und als erstes erschien der Lauf einer MPi. Jo sah es amüsiert. Die Tür ging weiter auf, und ein zweiter Mann trug ein Tablett herein. "Essen", sagte er kurz. Er stellte es auf den Tisch und zog sich zurück. Die Tür fiel ins Schloß und wurde verriegelt. Neugierig beugte sich Lizzy über die Schüssel, aus der zwei Löffel ragten. "Das mag der Teufel wissen, was das ist." Wie sieht es aus?" wollte Jo von der Pritsche her wissen. "Irgendwie schlimm. Komm, und schau's dir selber an!" Jo kam und sah nicht nur, sondern probierte auch. "Nicht übel für jemanden, der's gewöhnt ist. Ich tippe auf Bohnen mit Reis durcheinandergekocht und indonesisch gewürzt. Du darfst ruhig mitessen; ich schaffe es bestimmt nicht allein!" Lizzy ließ sich überreden, aber die Portion war so reichlich, daß sie beide satt wurden und noch etwas übrigließen. Danach steckten sie sich beide eine Zigarette an. Der blaue Rauch stand in der Zelle, in der mittlerweile mehr als fünfunddreißig Grad herrschen mußten. Eine halbe Stunde später kamen die Wächter wieder und holten das Tablett. "Bringen Sie uns etwas zu trinken", sagte Jo, als säße er im besten Restaurant und ließe sich bedienen. Ein Kopfschütteln war die Antwort. "Außerdem möchten wir den Geschäftsführer sprechen oder irgend jemand, der hier etwas zu sagen hat." Wieder ein Kopfschütteln. "Wissen Sie, daß dies hier ein Scheiß-Hotel ist?" fragte Jo. Der Mann mit dem Tablett, schon an der Tür, grinste und schüttelte zum drittenmal den Kopf. Dann knallte die Tür zu. "Was sagst du jetzt?" Lizzy sagte nichts. Sie ging zum Packsack und holte eine Cola-Büchse, riß sie auf und gab sie Jo. "Langsam. Ich denke, sie wollen uns mit Durst reif machen. Deshalb auch das gutgewürzte Essen!" "Natürlich wollen sie das!" sagte Jo wütend und nahm einen Schluck des warmen, süßen Getränks. "Da, nimm' nur! Wir werden bald mehr zu trinken bekommen!" Sie trank und fragte erstaunt: "Wie willst du das anstellen?" "Wir besorgen uns zunächst einmal eine Maschinenpistole." "Hast du Geld genug bei dir?" fragte Lizzy ironisch. "Nein. Hast du gesehen, wie der eine Wächter seinen Schießprügel immer erst durch die Tür steckt, ehe der andere sie weiter aufmacht?" Generiert für: [email protected]
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Lizzy nickte. "Weiß der Himmel, wo er das gelernt hat. Das nächste mal nehme ich ihm das Ding ab. Und zwar machen wir das so: Ich packe sie beim Lauf. Du stehst hinter der Tür und reißt sie mit einem Ruck auf. Dadurch bist du gesichert, falls er den Finger am Abzug hat, und ich bekomme Bewegungsfreiheit." "Klingt nicht schlecht. Und dann?" "Ah - mit einer MPi steht uns die Welt offen." Er legte sich wieder nieder, während Lizzy mit langsamen, regelmäßigen Schritten durch die Zelle wanderte. Vier hin, Wendung, vier zurück ... Aber es wurde fast schon Abend, ehe sie wieder Schritte auf dem Flur vernahmen. Jo sprang auf und bezog Posten. Lizzy, die sich längst wieder niedergesetzt hatte, stellte sich hinter die Tür. Sie kniff Jo ein Auge zu, und der hielt den gestreckten Daumen hoch. Der Schlüssel wurde ins Schloß gestoßen. Er drehte sich. Ein Spalt wurde sichtbar, und der Lauf der MPi erschien. Es war ein verdammt kurzes Stück Lauf, zu wenig, um mit beiden Händen zuzupacken. Jo nickte Lizzy zu, und die zog mit gewaltigem Schwung die Tür auf. Gleichzeitig faßte Jo den Lauf der Maschinenpistole und riß sie hoch. Der Mann am anderen Ende der Waffe war natürlich darauf nicht gefaßt. Seine Hand glitt vom Abzug, aber die andere hing noch an der Schulterstütze. Jo riß an der Waffe. Der Wächter wurde nach vorn gerissen, in die Zelle hinein. Jo ließ den Lauf der MPi los und hieb dem Mann seine Handkante in den ungeschützten Nacken. Der ging prompt zu Boden, schlidderte noch ein Stück weiter und prallte mit dem Kopf gegen die unterste Pritsche. Jetzt erst konnte sich Jo um seine Gefährtin kümmern. Aber die hatte keine Schwierigkeiten. Sie stand an der Tür und starrte auf das Abendessen - der Wächter hatte die Schüssel vor Schreck fallenlassen und war getürmt, ohne daß sie ihn halten konnte. Auf dem Boden lag die umgestürzte Schüssel, und ein bräunlicher Brei war herausgeflossen. Jo und Lizzy blickten sich an. "Du siehst mich an, als sollte ich das auch noch aufwischen!" sagte sie schließlich atemlos. "Was machen wir jetzt? Hinaus auf den Flur, und irgendeine Fluchtmöglichkeit suchen?" Jo schüttelte den Kopf. Er ging zur Tür, zog den Schlüssel aus dem Schloß und machte sie zu. Dann steckte er ihn von innen hinein und schloß ab. "Was sollen wir draußen? Hier haben wir unser Gepäck und eine Geisel, und bewaffnet sind wir auch. Ich habe mich lange nicht so sicher gefühlt wie jetzt." Er beugte sich zu dem bewußtlosen Wächter und untersuchte ihn flüchtig. "Der wird bald aufwachen und ziemliches Kopfweh haben. Aber das wird ihm guttun." "Hoffentlich kommt nicht einer vorher und stört uns!" "Für den Fall werden wir ihn ein bißchen zusammenschnüren, damit er nicht den wilden Mann spielt." Jo nahm dem Wächter den Gürtel ab und band ihm damit die Hände auf dem Rücken zusammen. Dann zog er ihm die Hose halb herunter und verknotete die Hosenbeine. "In Gegenwart einer Dame wird er sich ja nicht bloßstrampeln wollen!" Lizzy hatte sich die MPi vorgenommen. "Ein ganzes Magazin ist drin, und entsichert hatte er es auch!" "Die Brüder haben keine Ahnung, wie man mit Waffen umgeht!" stellte Jo fest. Draußen klangen die Tritte schwerer Stiefel auf dem Boden. Dann hielten sie vor der Tür inne. Eine Faust donnerte dagegen. Jo streckte den Arm aus, und Lizzy gab ihm die Waffe. "Herein!" sagte Jo. "Werden Sie bitte nicht auch noch frech" antwortete draußen jemand in reinstem Amerikanisch. "Ich weiß, daß Sie die MPi des Wächters haben; aber das imponiert mir überhaupt nicht. Machen Sie auf, legen Sie die Waffe in die andere Ecke der Zelle, und nehmen Sie die Hände hoch. Generiert für: [email protected]
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Jo nahm die MPi hoch, stellte sie auf Einzelfeuer ein und zog den Abzug durch. Es knallte überlaut, und hoch oben an der Tür entstand ein Loch. Draußen blieb es ein paar Sekunden lang still. Dann sagte die ärgerliche Stimme: "Das führt doch zu nichts! Lassen Sie den Unfug!" "Ich mache Ihnen einen Gegenvorschlag", meinte Jo. "Sie kommen unbewaffnet herein, und einstweilen bleibt die MPi auf Sie gerichtet, falls da ein Trick dabei sein sollte!" "Sie sind verrückt! Aber wenn Sie wollen ... machen Sie auf! Ich bin allein." Jo nickte Lizzy zu. Sie ging zur Tür und drehte den Schlüssel im Schloß. Die Tür wurde aufgestoßen. Mit einem Schritt stand ein Hüne von einem Kerl in Khakiuniform im Raum. Lizzy schloß hinter ihm wieder ab. Jo musterte den Burschen. Er sah aus, als hätte er früher einmal bei den Ledernacken gelernt. Sein Haar war militärisch kurzgeschnitten, das Gesicht rot von der ständigen Hitze, dem Whisky oder beidem. Aus kalten Augen musterte er Jo. Für Lizzy hatte er keinen Blick. Verächtlich musterte er die MPi, die Jo auf ihn gerichtet hielt. Der Mann war gefährlich. Ob die Abzeichen eines Colonels, die er auf seinem Khakianzug trug, einen echten militärischen Rang dargestellt hatten, als er noch im Dienst der Armee war, oder ob sie eine selbst verliehene Würde repräsentierten, war natürlich nicht zu entscheiden. Jo neigte zu letzterer Ansicht; entlassene Militärs in den Diensten einer fremden Söldnertruppe oder von Putschisten in Südamerika neigten dazu, sich nennen zu lassen. Auf jeden Fall war dies Wilson, der Kommandant der Sicherheitstruppe bei den Minas Surangaya ... und vielleicht der Killer-Company. "Mister Wilson, nehme ich an?" eröffnete Jo das Gespräch auf klassische Weise. Wilson nickte kurz. Jo beobachtete jede Bewegung. Für ihn war es sonnenklar, daß Wilson allein hereingekommen war, um ihnen die MPi wieder abzunehmen. Wahrscheinlich hatten sich die anderen nicht getraut, und da hatte er wild fluchend verkündet, daß er das dann eben selber machen müsse. Diese Typen sind so, und zuzutrauen war es Wilson auch. Deshalb ließ ihn Jo nicht für den Bruchteil einer Sekunde aus den Augen. Was jetzt kommen mußte, war eine Belanglosigkeit, um Jo abzulenken. Und sie kam: "Warum haben Sie den armen Kerl da niedergeschlagen?" Wilson wies mit einer Kopfbewegung auf den immer noch bewußtlosen Wächter, aber Jo hütete sich, seinen Blick von dem Colonel zu lösen. Darauf hätte der nur gewartet. "Er bedrohte uns mit einer Waffe. Wir mochten das nicht", entgegnete er schlicht. Wilson runzelte die Stirn. Jetzt brauchte er eine neue Taktik. "Wer sind Sie überhaupt?" fragte er. "Ach, Wilson ... " sagte Jo gedehnt, "das wissen Sie doch ganz genau! Aber wenn Sie es noch einmal hören wollen: Die Dame in Ihrem Rücken ist die Tochter von Senator Jackson, und sie scheint fest entschlossen, nicht ohne den Mörder ihres Vaters nach den USA zurückzukehren. Und ich kümmere mich im Auftrag von Senator Humphries ein bißchen um diese merkwürdige Firma." "Wieso merkwürdig?" Der Colonel brauchte noch etwas Zeit. Jo sah genau, wie er fast unmerklich die Stellung seiner Füße veränderte. Er wollte so vor Lizzy gelangen, daß Jo nicht wagen durfte, auf ihn zu schießen. "Finden Sie es normal, daß eine Firma mit Mord und Gewalt versucht, aus dem Senatsausschuß Gelder herauszupressen, nur weil ihre Bosse zuviel in die eigene Tasche gewirtschaftet haben?" Auch Lizzy hatte wohl gemerkt, was der Colonel plante. Mit einem eleganten Schritt wich sie zur Seite. Wilson mußte die Bewegung gemerkt haben, aber er deutete sie falsch. Jo sah, wie er die Muskeln anspannte. Jetzt mußte der Angriff kommen. Er saß ganz locker auf der Pritsche, aber er hatte die Mündung der MPi auf den Colonel gerichtet. Natürlich konnte er nicht genau zielen. Es war auch völlig unmöglich, in dem engen Raum ein Serienfeuer zu eröffnen - die Querschläger hätten sie alle drei umgebracht. Aber die Waffe war noch auf Einzelfeuer eingestellt. Dieser eine Schuß nach alter Westernart mußte genügen. Generiert für: [email protected]
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Fast ansatzlos stürzte der Colonel mit ausgestreckten Fäusten auf Jo Walker zu. Lizzy schrie, wollte ihn warnen. Jo zog durch. Auf diese kurze Entfernung war die Wirkung frappant. Wilson bekam die Kugel in den linken Oberschenkel, wurde mitten in seiner Bewegung gestoppt und herumgerissen. Lizzy sah ihn mit ungläubigem Gesichtsausdruck auf sich zutaumeln. Sie hätte ihn auffangen können, aber sie trat noch einen Schritt nach rechts, und so stürzte er da zu Boden, wo sie eben noch gestanden hatte. Jo hatte die MPi auf die Pritsche gelegt und betrachtete den alten Haudegen. Seine Hand tastete über den Boden, zum Gürtel, wo jetzt eine Revolvertasche sichtbar wurde. Gab er wirklich noch nicht auf? Wollte er in dieser Situation nach dem Revolver greifen? Auch Lizzy verfolgte die langsamen Bewegungen des Verwundeten. Er packte den Revolver, zerrte ihn mühsam aus dem Halfter, bekam ihn aber nicht richtig in die Hand. Ein Stöhnen kam aus seiner mächtigen Brust. "Nimm ihm das Ding ab", sagte Jo. Lizzy Jackson nickte. Mit einem Schritt trat sie dem Colonel auf die Hand. Der konnte einen Schmerzenslaut nicht unterdrücken. Er mußte den Revolver loslassen. Lizzy kickte ihn in Richtung auf Jo und trat wieder zurück. Der Colonel hob den Kopf. Dann schlug er mit der gesunden Hand einmal auf den Boden, wie ein Ringer, der aussichtslos im Würgegriff seines Gegners hängt und kapituliert. Der Ellbogen, auf den er sich gestützt hatte, knickte ein, und er fiel mit dem Gesicht auf den Boden.
* Jo hatte ihm einfach das Hosenbein abgeschnitten und das Bein oberhalb der Schoßwunde abgebunden. Der Gürtel des Colonels hatte dafür guten Dienst getan. Bei der Gelegenheit war Wilson auch gleich auf weitere Waffen durchsucht worden, aber der Revolver war die einzige Rückversicherung gewesen, die er sich geleistet hatte. Er lag immer noch auf dem Boden, hatte aber schon die normale rötliche Gesichtsfarbe wiedererlangt. "Sie wissen, daß Sie innerhalb einer Stunde mit dem abgebundenen Bein zu einem Arzt auf den Tisch müssen. Sonst stirbt es ab, und Sie tun fortan mit einer Vollprothese Dienst", erläuterte ihm Jo. "Es liegt ganz an Ihnen, ob wir das schaffen." Der gefesselte Wächter war munter geworden und verlangte zu trinken. Es war immer noch abenteuerlich heiß in der Zelle, nur schienen sich Jo und Lizzy inzwischen daran gewöhnt zu haben. Jo wandte sich ihm flüchtig zu und schüttelte freundlich lächelnd den Kopf. "Aber ich komm' um vor Durst!" "Leider wurden keine Getränke zum Abendessen serviert", sagte Jo sarkastisch. "Sie hätten daran denken sollen, lieber Freund!" Dann widmete er sich wieder dem Colonel. "Ich nehme an, hier im Werk gibt es eine Krankenstation. Ich lasse Sie sofort hinbringen, wenn sie wollen." "Und was kostet das?" fragte Wilson aggressiv zurück. "Volle Aufklärung über die im Grand Marmite in Houston. Ein ... Geständnis, wenn Sie so wollen." "Quatsch. Kenne keine Delegation in Houston." "Nein? Es wäre interessant, Ihnen beispielsweise Luang Loa gegenüberzustellen. Aber ich fürchte, ich habe ihn veranlaßt, in den Smokies in einer Felsspalte zu verschwinden und sich dabei den Hals zu brechen." "Haha!" lachte Wilson trocken auf. "Das müßte heute morgen gewesen sein, denn da habe ich noch mit ihm telefoniert!"
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Zu spät sah der Colonel ein, was er damit preisgegeben hatte. Er kniff die Lippen zusammen. Jo zuckte mit den Schultern. "Kann auch ein anderer gewesen sein. Die Namen habe ich mir nicht gemerkt. Weißt du sie noch, Lizzy?" Lizzy,Jackson lächelte. "Ach - irgendeiner von den braunen Kerlen war es. Shi Bin, oder Palang, oder ... was weiß ich!" Jo blickte auf die Uhr. "Wir haben noch eine Dreiviertelstunde Zeit. Es sei denn, Sie hätten sich schon mit dem Verlust Ihres Beins abgefunden. Dabei wäre es durchaus zu retten - soviel ich gesehen habe, ist lediglich das Muskelgewebe zerrissen. Eine einfache Fleischwunde, und der Knochen dürfte zu bewahren sein." Er sah, daß der Colonel grün im Gesicht wurde. Wie viele körperlich kräftige Männer vertrug er anscheinend nicht, daß über seine Innereien und ihre Beschädigungen gesprochen wurde. Jo fuhr mit Behagen fort: "Der Blutverlust läßt sich ausgleichen. Sie haben nicht mehr als einen halben Liter verloren. Der Arzt sticht Ihnen eine lange Nadel in die Armvene und schließt Sie an eine Blutkonserve an. Schon ist alles wieder in Ordnung, falls Sie nicht gerade eine so seltene Blutgruppe haben, daß sie hier nicht vorrätig ist. Dann muß man sie von Palembang oder Jakarta kommen lassen, und die Zeit bis zu ihrem Eintreffen wird mit physiologischer Kochsalzlösung überbrückt. Sie merken kaum etwas davon, zumal Sie wegen der Operation vermutlich sowieso in Betäubung liegen ... " Der Colonel beugte den Kopf zur Seite und erbrach sich. "Bißchen empfindlich, der alte Ledernacken, wie?" frozzelte Jo. "Ich denke, wir bringen Sie jetzt zum Arzt. Wie kommen wir durch die Türen?" Mit einer matten Bewegung deutete der marode Colonel auf seine Brusttasche. Jo griff hinein und brachte eine Magnetkarte zum Vorschein. Sie waren demnach ganz modern eingerichtet. "Paß mal ein bißchen auf die beiden Helden auf, Lizzy! Die MPi ist immer noch auf Einzelfeuer gestellt. Ich seh mich draußen um. Wie viele von Ihren Leuten lungern da noch herum, Wilson?" "Zehn ... " "Na schön." Jo nahm Wilsons Revolver, schloß die Tür der Zelle auf und ging hinaus. Den Gang kannte er schon, und er wußte, daß er an dem einen Ende ins Freie führte. Also mußten die Aufenthaltsräume der Wachen am anderen liegen. Er passierte drei verschlossene Stahltüren, ehe er ans Ende des Ganges kam. Hier war eine Tür ohne Schloß und Klinke, aber mit einem Schlitz. Als er die Plastikkarte einführte, ertönte ein Schnarren, und die Tür ging auf. Der andere Geruch, der diesen Trakt des Gebäudes erfüllte, war unverkennbar. Wenn hier die Wachen waren, dann vertrieben sie sich die Zeit der Untätigkeit ganz offensichtlich mit süßen Träumen. Jo drückte die erste Tür zur Linken auf, hinter der er Stimmen und Musik aus einem Radio hörte. Als er im Türrahmen auftauchte, sprangen zwei Uniformierte erschrocken auf. Ein dritter erhob sich halb von einer Liege und griff hinter sich, wo die Maschinenpistole an der Wand hing. "Hände weg da!" kommandierte Jo scharf. Er hielt die Magnetkarte hoch. "Und Ruhe! Ich komme im Auftrag von Colonel Wilson. Er hat sich verletzt und muß sofort zum Arzt. Ist hier irgendwo eine Trage?" Die Männer sahen sich verblüfft an, und einer nickte. Jo zeigte auf ihn. "Du holst sie und nimmst noch einen mit. Los, es eilt!" Die Beiden trotteten überrumpelt hinaus. In dem dritten Mann erkannte Jo den Essensträger.
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"Nimm Eimer und Lappen und mach' sauber da hinten!" Der Mann machte keine Anstalten, dem Befehl zu folgen. Da dachte Jo an den Colonel und daran, daß der seine Wünsche wahrscheinlich anders formuliert hätte. Er holte Luft. "Beweg' deine faulen Knochen, Mann! Komm schon hoch, sonst reiß ich dir deinen Arsch auseinander! Vorwärts, du Stinktier!" Die Ansprache wirkte wunder. Der Mann flog geradezu zur Tür, und dann verkündete das Klappern von Eimer und Besen, daß er verstanden hatte, was anlag. Die beiden anderen kamen mit der Trage und blickten fragend herein. Jo ging voraus, öffnete die Tür und ließ sie in den Zellentrakt ein. "Weiß der Arzt schon Bescheid?" "Notarzt kommt. Ich habe alarmiert!" der Malaye nickte. "Alles okay!" In der Zelle wurden sie schon sehnsüchtig erwartet. "Ich glaube, er kriegt Fieber", murmelte Lizzy. "Das ist in einem solchen Fall normal. Legt ihn auf die Trage, und dann ab ins Revier!" befahl Jo. Sie gehorchten, ohne zu fragen. "Ich geh' mit", sagte Lizzy leise. "Widme du dich dem Wächter. Er will reden, hat er mir angedeutet." Lizzy schwang sich die MPi am Gurt über die Schulter, als ginge sie täglich mit einer solchen Ausrüstung zur Arbeit, und folgte den Trägern. Jo wartete, bis die Schritte verklungen waren, dann setzte er sich auf den Rand der Pritsche, auf der jetzt der Wachmann lag. "Na, mein Freund?" sagte er einleitend. Der Mann leckte sich die Lippen. "Durst!" stöhnte er. Vielleicht würde ihn gute Behandlung wirklich sprechbereit machen, überlegte Jo. Er holte die zweite und letzte Cola-Büchse aus dem Packsack, machte sie auf und hielt sie dem Gefesselten an den Mund. Der schluckte gierig, verschluckte sich gar, und Jo nahm ihm die Büchse wieder weg. "Den Rest gibt's nachher. Nun erzähl' mir mal was, Freundchen!" "Sie haben nach Killer-Company gefragt, nicht wahr? Und Colonel hat gesagt, er weiß nichts." "So ungefähr war es." "Aber die Miß hat Namen gesagt. Luang Loa, Shi Bin und Palang. Gehören noch zwei dazu: Mehmet Kauion und Sing Li." "Richtig. Fünf waren es." "Sind alle nach Amerika geflogen, wichtigen Mann killen, sonst kein Geld." "Ich weiß. Aber wie kann man ihnen das beweisen, und wo sind sie jetzt?" Über das Gesicht des Malayen ging ein Leuchten. "Habe heute morgen zugehört, wie Colonel hat telefoniert mit Luang Loa. Ein Mann tot, ein anderer verletzt in Amerika. Loa kommt morgen früh mit Flugzeug zurück. Du ihn dann fangen, ja?" "Und die anderen beiden Männer?" "Kommen vielleicht auch mit. Ich weiß nicht." "Ist Luang Loa der Mann mit dem Gewehr? Der Scharfschütze?" "Ja. Luang Loa - Gewehr. Palang besser mit Pistole." "Dann ist Palang tot." Der Wächter machte eine wegwischende Handbewegung "Macht nichts. Palang großes Schwein." Jo unterdrückte ein Grinsen. Generiert für: [email protected]
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"Warum erzählst du mir das alles?" Der Wächter schwieg eine Weile. Jo nahm die Colabüchse und gab sie ihm. Der Mann trank sie in einem Zug leer und warf sie in die Zelle, wo sie scheppernd über den Boden kollerte. "Meine Leute ... sie sind Reisbauern drüben auf den Inseln. Arm, nicht viel zu essen. Deshalb ich zu Minas Surangaya, guter Job, Geld. Auf einmal heißt es: Minas brauchen Land. Land von meinen Leuten. Unter der Erde ist gutes Bauxit, und Minas Surangaya hat Bauxit nötig für Aluminium. Meine Leute sagen: Nein. Wir gehen weg, und was dann? Viele Leute in Palembang ohne Arbeit, Hunger. Also wurden Minas-Soldaten hingeschickt. Alle Leute weggetrieben. Boß von unserem Dorf und Missionspfarrer bleiben da. Wilson schickt Killer-Company. Nichts mehr gehört, alles ruhig. Land gehört jetzt Minas Surangaya, große Bagger unterwegs schon." "Und deine Leute?" Wieder die wegwischende Handbewegung. "Fangen Fisch für große Firma, schlechter Lohn. Die Mädchen ab nach Jakarta, Geld machen. Auch nicht gut. Ich will nicht mehr bei Minas Surangaya Arbeit." "Verständlich. Wie heißt du?" "Arak. Nimmst du mich mit?" Jo biß sich auf die Lippen. Sie würden schon Probleme genug haben, von dieser Insel herunterzukommen, auch wenn Colonel Wilson gegenwärtig im Fieber phantasierte und anschließend eine Zeitlang lahmgelegt war. Konnten sie noch einen Mann mitnehmen? "Wie stellst du dir das vor, Arak?" "Losbinden. Ich zeige Weg aus Fabrik. Kleiner Flugplatz hier, du nimmst Maschine, und ... srrrrrr!" "Das geht nicht. Ich kann keine fremde Maschine entführen. Abgesehen davon, daß ich mich in der Gegend nicht auskenne und den Typ vermutlich auch gar nicht fliegen kann. Können wir nicht ein Boot bekommen?" "Boot? Auch gut. Ich zeige Weg. Motorboot, ja?" "Wem gehört es?" ,,Minas ... Kein Problem, no trouble." Jo fand die Zeit reif für einen schnellen Entschluß. Wenn sie einen Wachmann der Sicherheitstruppe auf ihrer Seite hatten, konnte der Rückzug nur besser vonstatten gehen. Er band Arak die Hände und Füße los. Der stand auf, schüttelte Arme und Beine und fuhr sich durchs dichte, schwarze Haar. "Nimm das Gepäck und komm!" Arak fand es offenbar ganz in Ordnung, daß er jetzt den Packsack und Lizzys Tasche zu tragen hatte. Auf dem Flur wandte sich Jo nach links. Arak berührte ihn am Arm und schüttelte den Kopf. "Die Miß!" erklärte Jo. Er hatte es kaum ausgesprochen, als Lizzy am Ende des Ganges auftauchte, immer noch die MPi umgehängt, und fröhlich pfeifend näher kam. Jo glaubte die amerikanische Nationalhymne zu erkennen, war aber nicht ganz sicher. "Hallo", sagte Jo, "wir haben einen Verbündeten: Das ist Arak, und er wird uns nach Sumatra hinüber begleiten." "Aha? Ausgezeichnet. Hoffentlich kann er schwimmen." "Er weiß, wo ein Boot liegt." "Dann ist er sein Gewicht in Gold wert. Das ganze Gebiet um die Aluminiumhütte ist nämlich gesperrt. Alarmzustand. Ich konnte nicht verhindern, daß Wilson das noch verfügte, ehe er betäubt wurde." "Was hast du dem Arzt erklärt?" Generiert für: [email protected]
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"Na, was man so sagt. Wilson habe sich beim Hantieren mit der Waffe leider ins Bein geschossen. Geglaubt hat das natürlich niemand, aber andererseits hatte ich die MPi ... " Sie lächelte. "Und sie haben dich gehenlassen?" "Wie gesagt: Ich hatte ja die MPi." "Ein überzeugendes Argument. Gehe ich recht in der Annahme, daß wir uns jetzt schleunigst verdrücken sollten?" "Ich habe den Eindruck. Arak - los!" Arak nickte gleichmütig und trabte ihnen voraus den Gang hinunter. Sie folgten ihm durch die Tür, durch die sie auch hereingekommen waren. Dann ging es aber nicht weiter über die freie Fläche, sondern durch eine andere Tür in eine der Werkhallen. Hier verschlug es ihnen fast den Atem. Ein riesiger Drehrohrofen rotierte knirschend, an seinem Ende fauchten meterlange Flammen in eine offene Esse hinein. Ein kreischendes polterndes Transportband brachte laufend neues Material, das in dem Ofen ausgeglüht werden sollte. Arak zog sie hastig mit sich an dem langen Band entlang, irgendwo darunter hindurch und zwischen dicken Rohrleitungen zu einem Gang, der in ein finsteres Lager mündete. Hier brannte nur eine Notbeleuchtung, in deren schwachem Schein sie endlich eine Stahltür fanden, und die brachte sie ins Freie. Schmale Feldbahngeleise zogen sich zum Wasser hinunter. Arak überquerte den Schienenstrang und tauchte in einem dichten Gebüsch unter. "Und ich hatte geglaubt, der Dschungelkrieg wäre zu Ende!" seufzte Lizzy, als ihr wieder die Zweige ins Gesicht schlugen. Der Boden wurde sumpfig. Dornen zerrten an Lizzys Kleid. "Hierher!" rief Arak gedämpft. Sie schlugen sich zu ihm durch. Er stand am Ufer einer Bucht, die sich hier versteckt gegen Sicht von Land her öffnete. Da gab es einen Landungssteg, ein zerfallenes Bootshaus ... und ein Motorboot, das an einer Leine dümpelte. Arak warf den Packsack und Lizzys Tasche ins Boot, dann sprang er hinterher. Jo folgte mit einem großen Satz. Er packte die Leine und zog das Boot näher an Land, so daß Lizzy bequem einsteigen konnte. "Was ist das für ein Boot, Arak?" fragte Jo mißtrauisch. Arak lächelte schlau. "Kontrolle für alle, die hinüber nach Sumatra wollen. Nicht gut, wenn kein Urlaub. Dafür Boot hier! Manche wissen nur, nicht alle." "Ah - und du hast einen Schlüssel?" Arak schüttelte den Kopf. Er bückte sich unter das Armaturenbrett und brachte zwei blanke Drahtenden zum Vorschein. "Mach' Leine los, Mister!" Jo löste die Ankerleine und warf sie ans Ufer. Arak hielt die Drähte zusammen, es funkte, und dann sprang irgendwo im Boot ein Motor an. "Gut, was?" Er nahm das Steuerrad zwischen die Fäuste, schob einen Hebel vor, und schon legten sie ab. Arak hielt auf die offene See hinaus, gewann genügend Abstand zum hell erleuchteten Hüttenwerk am Ufer, und legte dann das Ruder hart nach Steuerbord. "Fahren nach Palembang, ja?" "Palembang, okay", antwortete Jo. Arak blickte mit Luchsaugen umher. "Aufpassen", empfahl er. "Küstenwache - nicht gut!" Jo widersprach. "Küstenwache ist gut, Arak. Hilft uns!" "So?" Arak konnte es nicht so recht glauben. Lizzy hatte inzwischen das Boot untersucht. Als sie den Deckel eines Kastens öffnete, stieß sie einen Laut der Überraschung aus. Sie hob eine Flasche ans schwache Licht des schwindenden Tages. Generiert für: [email protected]
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"Champagner, Klasse! Und hier sind noch ganz andere Sachen!" Arak grinste. "Mögen Champagner, Miß? Genug davon da." "Geschmuggelt?" "Natürlich." So einfach war das also hier. Jo nahm die Flasche und machte sie auf. Der warme Champagner schäumte, und Lizzy bekam mehr davon auf das ohnehin ramponierte Kleid als in den Hals, aber sie stöhnte wohlig nach dem Durst des vergangenen Tages. Arak ließ das Steuer allein und bediente sich ebenfalls aus der Kiste. Soviel Jo sehen konnte, bevorzugte er weißen Rum. Er trank ihn mit ähnlich großen Zügen wie Lizzy den Champagner. Jo sah den Beiden belustigt zu. Wenn es so weiterging, kam er mit einer volltrunkenen Schiffsmannschaft in Palembang an ...
* Arak war tatsächlich einigermaßen blau, als sie in den Hafen einliefen. Lizzy hatte es bei der einen Flasche Champagner bewenden lassen. Da sie keine Lichter führten, mußten sie eigentlich Verdacht erregen. Jo wußte nicht recht, ob Trunkenheit am Ruder hier bestraft würde; er schob Arak zur Seite und übernahm selbst das Rad. Er steuerte den Pier an, von dem sie auch gestartet waren. "Brauchen das Boot noch?" fragte Arak, trank den Rest aus der Flasche und warf sie ins Wasser. "Nein. Außerdem gehört es uns nicht", antwortete Jo. "Okay. Ich nehme Boot." "Wohin willst du?" "Kein Geld von Minas", führte Arak aus. "Also nehme ich Boot. Fahre nach Kalaui. Dort meine Leute, fangen Fisch für große Firma. Können Boot gut brauchen. Okay!" Lizzy lachte. "Okay. Aber, paß auf, daß dich keiner erwischt. Ich wette, für dieses Boot gibt es nicht einmal Papiere. Und für die Ladung schon gar nicht." "Papiere?" fragte Arak verständnislos. Von Papieren jeglicher Art hielt er gar nichts; sie komplizierten alles nur, und außerdem konnte er sie nicht lesen. "Papiere nicht gut. Gasolin besser." Lizzy betrachtete die Tankanzeige und verstand den Wink. Sie nahm ein paar einheimische Geldscheine aus der Tasche und drückte sie Arak in die Hand. Der verbeugte sich ein paarmal, wie er es wohl bei seinen Landsleuten in den größeren Hotels von Palembang gesehen hatte, und wäre vor Dankbarkeit fast ins Hafenwasser gefallen. "Reicht das, Arak?" "Genug, Miß. Kann Gasolin kaufen und auch noch Küstenschutz bezahlen." "Schmieren, meint er wohl", übersetzte Lizzy. "Paß auf Jo - du ruinierst die Hafenmauer!" Jo wirbelte das Rad herum und vermied im letzten Augenblick einen Zusammenstoß mit der Kaimauer. Er rückte den Antrieb aus und ließ das Boot bis an die Treppe treiben. "Bye, Arak! Und danke!" Arak reichte ihm mit funkelnden Augen den Reisesack. Lizzy schlug ihm burschikos auf die Schulter, und kaum, daß sie den Fuß vom Dollbord genommen hatte, legte Arak wieder ab und wendete im engen Hafenbecken. Sie standen auf dem Pier und blickten ihm nach. Generiert für: [email protected]
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"Und was haben wir jetzt vor?" fragte Jo vorsichtig. Lizzy sah sehr attraktiv aus mit ihren langen, dunklen Haaren, die das gut geschnittene Profil umrahmten und auf das zerrissene und fleckige Kleid im Safari-Look fielen. Ihre schlanken Füße steckten in total verdreckten Schuhen - eine Dschungelschönheit, fand Jo. Die Leute in einem der guten Hotels würden anders darüber denken ... und es verlangte ihn sehr nach einem Hotel mit westlichem Komfort. Lizzy sah an sich herunter und verzog den Mund. "Taxi", sagte sie mit größter Selbstverständlichkeit. "Dann ein Kleiderladen, der noch auf hat. Und ein ordentliches Hotel mit gutem Essen und kühlen Getränken." Die Reihenfolge der Wünsche fand Jo sehr vernünftig. Er nahm den Packsack, und sie schlenderten über den verlassenen Pier zur Straße. "Hast du aus Arak noch etwas herausbekommen? Ich meine ... über die Killer-Company?" fragte Lizzy. "Ja. Es gibt sie tatsächlich. Sie besteht in der Hauptsache aus den fünf Leuten, die nach Houston kamen. Arak hat mir erzählt, daß sie bei seinen Leuten daheim jeden Widerstand gegen eine Enteignung mit Gewalt gebrochen haben." Lizzy hielt inne und packte ihn am Arm. "Dann weißt du auch, wer meinen Vater umgebracht hat?" "Ja. Luang Loa ist der Spezialist mit dem Gewehr. Er kommt morgen mit den restlichen beiden anderen zurück." Haß glomm in ihren Augen auf. "Hierher? Nach Palembang?" "Und vermutlich weiter auf die Insel, ins Werk. Da ist die Killer-Company stationiert, unter Colonel Wilsons Kommando." Eiskalte Entschlossenheit spiegelte sich in Lizzys Gesicht. "Er wird die Insel nicht erreichen." "Ganz meine Meinung. Aber was wollen wir machen?" "Hast du Angst, weil sie zu dritt sind?" fauchte sie. Jo schüttelte den Kopf. "Wegen mir können sie zu sechst sein. Das macht mir keine Sorgen. Aber wenn wir sie irgendwo überwältigen wollen, müssen wir uns schon eine recht einsame Stelle aussuchen. Palembang ist eine zivilisierte Stadt, mit viel Verkehr, Polizei und Neugierigen. Da fällt es auf, wenn wir ein Hold up veranstalten." Sie starrte auf einen Punkt irgendwo weit draußen auf See. "Vielleicht hätten wir Arak doch nicht mit dem Boot wegfahren lassen sollen. Auf See wäre alles einfacher, zumal wir ja noch die Maschinenpistole haben." Jo nahm sie bei den Schultern und drehte sie sanft um. "Schlag' dir Seekrieg und Piraterie aus dem Kopf Lizzy. So geht das nicht. Tagsüber ist auf dem Kurs zur Insel hinüber viel zuviel los. Wir müssen uns etwas anderes einfallen lassen. Ich schlage vor, wir kaufen uns jetzt etwas zum Anziehen, suchen uns ein Hotel und besprechen das nach dem Essen in der Bar." "Ein Hotel ist gut", stimmte sie nach kurzem Überlegen zu. "Das beste ... "
* Es war ihnen nicht schwergefallen, aus dem schmalen Angebot an Hotels das beste herauszufinden. Sie sahen wieder so aus, wie man es in aller Welt von reisenden US-Bürgern erwartet, hatten sich frisch gemacht, sehr gut diniert und saßen jetzt in der Bar an einem versteckten Ecktischchen. Jo dachte nicht mehr an die Hängematten im Generiert für: [email protected]
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Dschungel, das mißglückte Frühstück und die miesen anderen Mahlzeiten des vergangenen Tages. "Wir werden übrigens schon wieder beobachtet", murmelte Jo. "Der Bursche in dem beigen Tropenanzug mit dem offenen Hemdkragen. Er tauchte vorhin in der Halle auf. Jetzt sitzt er weiter vorn an einem kleinen Tisch und nuckelt an einem Cola." Lizzy machte keinen Versuch, sich nach ihm umzuschauen. "Im übrigen wundert mich das nicht. Wilsons Anweisungen bleiben natürlich bestehen, auch wenn er mit einem Oberschenkeldurchschuß im Hospital liegt." Lizzy bekam eine kleine Falte zwischen den Augenbrauen. "Trotzdem wird er morgen sehr störend wirken, wenn wir uns mit Luang Lao auseinandersetzen." "Zweifellos. Bis dahin muß er ausgeschaltet sein. Ich denke sogar noch weiter. Er gehört zu Wilsons Sicherheitstruppe. Vielleicht kann er uns einen Tip geben, wie wir Lao und die anderen vom rechten Weg abbringen, ohne daß sie Verdacht schöpfen." "Gute Idee. Und wie?" "Wir werden sehen." Er hob sein Whiskyglas und trank ihr zu. Sie hatte sich für einen Cuba libre entschieden und nippte daran. Das einfache Kostüm aus orangefarbener Rohseide, das sie in einem der lange geöffneten Geschäfte an der Plaza erstanden hatte, machte sie zu einer Attraktion, wo sie sich im Hotel auch sehen ließ. "Sind deine Haare eigentlich schwarz oder sehr dunkelbraun?" fragte Jo auf einmal. "Mal sehen sie so aus und mal anders." "Ich bin ein Chamäleon", antwortete Lizzy belustigt. "Die Farbe wechselt je nach Stimmung. Wenn ich wütend bin, sind sie schwarz." "Stimmt. Heute nachmittag, als wir uns mit Wilson anlegten, waren sie schwarz." "Und jetzt?" glitzerte sie ihn an. Jo trank ihr noch einmal zu. "Sehr braun. Das Braun sehr seltener, wertvoller exotischer Hölzer." "Danke. Trinken wir noch einen? Vielleicht schaffst du mich noch bis ins Tabakbraun!" "Das ist einen Versuch wert." Er winkte dem Kellner, der die erstrebenswerte Tabakfarbe von Natur aus auf seiner Haut trug. "Und dann gehen wir uns den Spitzel holen." "Hm. Muß das sein?" "Ja. Bis morgen früh ist er dann weich." "Gut." Sie bekamen ihre Drinks. "Weißt du schon, wie?" fragte Lizzy und setzte ihr Glas ab. "Ich habe eine Idee. Wir versuchen es gewissermaßen hinten herum. Da ist jetzt kein Betrieb mehr, und es gibt einen Lastenaufzug. Er wird mit einem Vierkantschlüssel bedient, aber dafür kann man auch jede Zigarettenspitze oder die Hülse eines Kugelschreibers benutzen. Ziemlich einfach, das alles, wenn du den Lockvogel spielst." "Das hat mir noch nie jemand zugemutet", meinte Lizzy. "Aber niemand weiß ja, was das Leben noch alles bringt " Und dabei sah sie ihm sehr tief in die Augen. Ihr Haar schimmerte geradezu golden im Licht der intimen Beleuchtung.
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Sie standen auf und gingen an der Bar vorbei, wo auf den Hockern ein paar dicke Amerikaner und europäische Geschäftsleute mit den Schönheiten des Landes versuchten, noch etwas aus dem Abend zu machen. Den Indonesier im Tropenanzug mit dem offenen Hemdkragen, der immer noch hinter seinem Cola saß, ignorierten sie scheinbar. Aber als sie neben ihm waren, sagte Jo: "Ich besorge den Wagen. Du wartest am Hintereingang, ja?" Lizzy nickte. Sie trennten sich in der Halle. Lizzy nahm ihren Weg in die hinteren Gefilde des Hotels mit selbstsicheren Schritten, während Jo sich zum Ausgang wandte. Jetzt war es die Frage, wem der Spitzel folgen würde. Jo blieb stehen und zündete sich eine Zigarette an. Der Bursche kam aus der Bar. Wahrscheinlich lautete sein Auftrag nicht, ihnen notfalls auch per Taxi zu folgen, denn er kümmerte sich gar nicht um Jo Walker, sondern folgte Lizzy. Jo wartete, bis er im Gang zu den Salons und zur Garderobe untertauchte, dann folgte er ihm. Hier war alles recht dunkel, da an diesem Abend keine Veranstaltungen in den Gesellschaftsräumen stattfanden. Nur die Wandlampen brannten. Lizzy war am Ende des Korridors durch die Glastür ins Freie getreten. Ihr orangefarbenes Kleid schimmerte im Licht der Straßenbeleuchtung. Es mußte den Beobachter geradezu magisch anziehen, denn er achtete auf nichts sonst. Lizzy spazierte ein wenig nach rechts. Der Verfolger legte die Hand auf die Türklinke, wollte anscheinend auch hinaus. Jo war vielleicht noch zehn Schritte hinter ihm. Der Teppichboden machte ihn lautlos, als er auch diese Distanz noch überwand. Jetzt stand er dicht hinter dem Mann: Der merkte noch immer nichts. Seine ganze Aufmerksamkeit galt der Straße, wo Lizzy jetzt wieder im Lichtschein auftauchte. Sie blickte herein, und der Mann zuckte instinktiv zurück, wollte sich zurückziehen. Aber da stand Jo. Blitzartig legte er dem Indonesier den Arm um die Kehle und zog zu. Aber er hatte es nicht mit einem unerfahrenen Gegner zu tun. Der Mann ließ sich in die Knie knicken und vornüberfallen. Zugleich griffen seine Hände nach Walkers Arm. Jo kannte den Trick, der in einem Schulterwurf enden sollte, aber er wußte auch das Gegenmittel. Er stieß sich mit den Zehenspitzen ab und schlang dem Mann beide Beine um die Hüften und drückte zu, als müsse er ein störrisches Pferd parieren. Darauf war der Gegner nicht gefaßt. Er ließ los, um sich .auf dem Boden gegen Walkers Gewicht abzustützen. Der zog die Knie an und preßte sie gegen den Nacken des Mannes unter ihm. Noch leistete der Widerstand, aber seine aufgestützten Arme zitterten schon, brachen dann ein, und er schlug mit dem Gesicht auf den Boden. Das alles war völlig lautlos vor sich gegangen. Jo ließ sich zur Seite abrollen, packte dem Mann ins blauschwarze Haar und riß ihn zu sich herum. Dann sauste seine Handkante hinab, traf ihn, und der Gegner streckte sich und wurde schlaff. Die Glastür wurde aufgestoßen; Lizzy kam mit zwei schnellen Schritten herein. "Du hast auf ihm gesessen wie ein Tiger, der sich eine Antilope holt", flüsterte sie anerkennend. "Wohin jetzt mit ihm?" Jo packte ihn unter den Achseln, und Lizzy faßte wie selbstverständlich zu und nahm die Fußgelenke. Sie trugen den Bewußtlosen zur Tür des Lastenaufzugs, dessen rotes Signallicht in einem Seitenkorridor glomm. Jo legte den Mann nieder, hantierte am Schloß und ließ sie Türen auseinanderfahren. Sie legten ihn hinein, Jo drückte den Knopf für das fünfte Stockwerk. Die Türen ratterten zu, und es ging aufwärts. "Wenn nun oben jemand auf dem Flur ist?" fragte Lizzy besorgt. "Dann bringen wir einen leider betrunkenen guten Freund zu Bett!" "Ah, gut." Sie kamen oben an, die Türen gingen auf. Ein schneller Blick überzeugte Jo, daß sie allein waren. Trotzdem nahm jeder einen Arm des Mannes. Sie zogen ihn hoch und nahmen ihn zwischen sich. Seine Beine schleiften auf dem Teppich, aber das ist nun einmal so, wenn man einen Volltrunkenen abschleppt ... Neben seiner Zimmertür lehnte Jo ihn gegen die Wand. Generiert für: [email protected]
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"Halt' ihn mal fest!" Er schloß auf, machte Licht, und dann trugen sie ihn hinein und warfen ihn aufs Bett. "Uff!" sagte Jo und fuhr sich über die Stirn. "Diese Leute machen einem verdammt viel Arbeit, und das auch noch in diesem Klima!" Er ging zu dem bewährten Packsack, der anscheinend tatsächlich alles Nötige enthielt, und nahm eine Nylonschnur heraus. Damit fesselte er den Mann mit Händen und Füßen an die vier Bettpfosten und leerte ihm die Taschen. "Schau an! Ein Werksausweis der Minas Surangaya! Ein bißchen Lohn für Spitzeldienste. Zigaretten zweifelhafter Füllung ... sehr gut! Da haben wir schon etwas, das er braucht und nicht kriegt. Zwei Schlüssel, wahrscheinlich für seine Bude ... kein besonders fetter Fang!" "Das wird sich zeigen, wenn er aufwacht!" wandte Lizzy ein, und sie hatte recht. Jo nahm ein Handtuch, hielt es unter den Wasserhahn, und schlug es dem Bewußtlosen ein paarmal ins Gesicht. Augenblicklich schlug er die Augen auf. War er schon vorher bei Bewußtsein gewesen? "Hallo, Merak!" begrüßte ihn Jo. "Das ist doch dein Name?" Merak antwortete nicht. Nur seine Augen funkelten. "Daß die Sache in die Hose gegangen ist, siehst du wohl", redete ihm Jo weiter gut zu. "Wir hätten jetzt gern ein paar Auskünfte von dir." Jetzt machte Merak den Mund auf. "Ich sage kein Wort!" zischte er. "Ah ... das ist nur eine Frage der Zeit!" gab Jo zurück. "Du wirst reden, mein Freund. Hier geht es um mehr als um das Leben eines kleinen Spitzels. Wir haben Palang schon erledigt und Shi Bin das Gesicht zerschnitten ... " Lizzy schauerte ein bißchen, als sie Jos Aufschneiderei hörte. Merak wurde fahl im Gesicht. " ... aber es eilt uns durchaus nicht. In meiner Toilettentasche ist eine Rasierklinge, Lizzy. Gibst du die mir bitte einmal?" Die Augen Meraks folgten der jungen Frau, die ins Bad ging und wenig später mit einer Rasierklinge zurückkam. Jo nahm sie vorsichtig zwischen die Finger und setzte sich zu Merak auf den Bettrand. "Du weißt, was eine Schlagader ist?" Merak kniff die Lippen zusammen. "Sicher weißt du das. Nun gibt es verschiedene Schlagadern. Wenn ich sie dir am Handgelenk aufschneide, verblutest du. Hältst du mal bitte seinen rechten Zeigefinger steif, Lizzy?" Lizzy mußte sich sichtlich überwinden, aber sie stellte sich ans Kopfende des Bettes, bog dem Mann seinen Zeigefinger von der gefesselten Hand ab und hielt ihn fest. Jo nahm die Rasierklinge und zog einen kleinen Schnitt in die Haut. An der Klinge blieb ein Blutstropfen, und er hielt sie Merak vor die Augen. "Siehst du? Das ist der erste Tropfen von vielen. Jetzt wollen wir dir noch ein Pflaster über den Mund kleben. Es könnte ja sein, daß du Angst um dein bißchen Leben kriegst und um Hilfe rufen willst. Eine Zeitlang geht das noch, ehe du zu schwach dafür wirst. Das Pflaster, Lizzy!" Lizzy kramte im Packsack und kam mit einem breiten Heftpflaster wieder. Sie zog den Klebestreifen ab. "Ich fürchte, ich habe etwas zu tief geschnitten", sagte Jo. "Aber - was soll's!" Jo nahm Lizzy das Heftpflaster ab und drückte es dem Mann auf die Oberlippe. Als er es auch auf dem Kinn befestigen Wollte, riß Merak den Mund auf und machte den vergeblichen Versuch, sich hochzubäumen. "Nein!" gurgelte er. "Was heißt das?" fragte Jo. Generiert für: [email protected]
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"Nicht ... " "Möchtest du, daß ich das Pflaster lieber auf deinen Finger klebe?" "Jaaa!" Es war ein heiserer Schrei, der die Angst des Mannes ausdrückte. "Na, damit warte ich lieber noch eine Weile. Ich möchte erst etwas von dir hören." "Fragen Sie!" Jo lächelte Lizzy zu, aber die blieb ernst. Wahrscheinlich dachte sie, Jo hätte dem Mann tatsächlich die Fingerschlagader aufgeschnitten und seinen langsamen Tod in Kauf genommen - natürlich war das nur ein völlig ungefährlicher Ritz in der Haut gewesen, aber das wußte nur Jo. "Wer hat dich beauftragt, uns zu beobachten?" "Der Colonel. Mich und zwei andere." "Und wem berichtet ihr?" "Auch dem Colonel. Wenn er nicht da ist, dem Lieutenant." Wie?" "Ich rufe an. Ich habe ein Telefon; mit dem man auf der Insel anrufen kann." "Na gut. Morgen früh kommt Luang Lao mit Sing Li und Mehmet Kaulon zurück. Sie werden auf die Insel wollen. Welche Verbindung nehmen sie?" Merak stockte. Jo, der immer noch die Rasierklinge in der Hand hielt, strich sie über seinen Handballen, als wollte er sie wetzen. "Ich soll sie mit dem Taxi abholen." "Mit dem Taxi?" "Ich arbeite doch als Taxifahrer, wenn ... "Wenn du sonst nichts zu tun hast. Verstehe. Und dann?" "Ich bringe sie nach Sambol. Das ist ein kleiner Flugplatz vom Militär. Da steht ein Hubschrauber der Minas, und mit dem fliegen sie hinüber." Jo hatte sich schon gefragt, ob die Bosse der Minas Surangaya immer die lästige und zeitraubende Bootsfahrt auf sich nähmen, wenn sie in die Stadt wollten. Dies war die Erklärung. Und das Militär machte auch noch mit und hütete und wartete den Firmen-Helikopter! Allmählich bekam Jo ein Gefühl dafür, auf welch' dünnem Eis sie sich hier bewegten. Ohne offiziellen Auftrag, ohne Hilfe und ohne Verbündete - wenn sie von Capitano Saboaco einmal absahen. "Gut. Über alles weitere reden wir morgen früh." Jo drückte ihm mit einer überraschenden Bewegung das Pflaster auf den Mund und strich es sorgsam glatt. Als er Meraks flehende Augen sah, sagte er zu Lizzy: "Gib mir bitte noch ein Pflaster." Sie reichte ihm einen Verbandstreifen, und er klebte ihn auf den Finger des Mannes der längst nicht mehr blutete. Dann stand er auf, nahm Lizzy bei der Schulter und ging mit ihr zur Tür. Er schaltete das Licht aus und schloß hinter ihnen ab; außerdem hängte er das Schild ."Do not disturb. - Bitte nicht stören!" an die Klinke. Draußen atmete Lizzy tief durch. "Mann - darauf brauche ich noch einen Whisky! Mir ist fast übel geworden, als du ihm in den Finger geschnitten hast!" "Hab' ich ja gar nicht. Ein bißchen in den Finger geritzt und ein Blutstropfen ... das hat völlig ausgereicht. Wenn sie ihr eigenes Blut sehen, glauben die härtesten Burschen, daß es ihnen ans Leben geht. Aber das mit dem Whisky ist eine ausgezeichnete Idee!" "Nur - woher kriegen wir jetzt einen?" Jo zeigte auf ihre Zimmertür. Generiert für: [email protected]
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"Der Roomservice ist in einem guten Hotel Tag und Nacht bereit." Sie schloß auf, und sie gingen hinein. Jo telefonierte nach einer Flasche Johnny Walker Black Label, die er seinem Namen schuldig zu sein glaubte. Sie wurde innerhalb von fünf Minuten gebracht. Zusammen mit Eis und Gläsern und Zitrone und Knabberzeug verschiedener Art ... Lizzy kam aus dem Bad. Sie hatte ein bißchen Make-up gemacht und duftete so aufregend, wie ihr Kleid aussah. Jo schenkte ein, und sie ließ sich mit einer fließenden Bewegung neben ihn auf die Couch sinken. "Du hast da heute morgen ... oder war es gestern? Na, egal. Jedenfalls hast du etwas auf Küstenmalayisch zu mir gesagt. Ich komme einfach nicht darauf, wie das war ... " Jo tippte mit seinem Glas gegen ihres. Die Eiswürfel klingelten in dem goldbraunen Whisky, und auf einmal hatte Lizzy fast genau die gleiche Haarfarbe. "Eni weitok a chuana", sagte Jo. "Soll ich's noch mal übersetzen?" Sie schüttelte langsam den Kopf. "Nein", sagte sie mit etwas rauher Stimme. "Ich weiß jetzt wieder, was es bedeutet. Ich wollte es nur noch einmal in der Landessprache hören. Man lernt ja nie aus ... " "Ja", nickte Jo, "vorausgesetzt, man möchte ... "
* Als sie in Jos Zimmer traten, war Merak wach. Die Sonne schien schon gleißend hell durch die Fenster und ihm ins Gesicht. Jo trat an das Bett, das er Merak in der vergangenen Nacht so großzügig überlassen hatte, und riß ihm mit einer einzigen schnellen Bewegung das Pflaster von den Lippen. Ein bißchen Haut ging dabei mit ab, aber dies kümmerte ihn nicht. Dann ging er zu dem Packsack, holte die Maschinenpistole heraus, setzte sich auf Meraks Bettrand und hielt sie ihm vors Gesicht. "Das kennst du, nicht wahr?" Merak nickte stumm. "Zwei Schüsse sind aus dem Magazin heraus. Eine von den Kugeln hat man gestern Colonel Wilson herausoperiert. Ich denke, er hat es überstanden. Alle die anderen sind für dich, Merak, wenn du heute nicht genauso spurst, wie wir es dir jetzt sagen. Ist das auch klar?" Merak nickte noch einmal. Er fuhr sich mit der Zunge über die aufgesprungenen Lippen. "Gib ihm ein Glas Wasser", sagte Jo. "Schließlich wird er mit uns zusammenarbeiten, und wir sollten nett zu ihm sein." Merak trank gierig. "Wo steht dein Taxi?" "Vor ... vor dem Hotel." "Gut. Wann kommt die Maschine mit Luang Lao und seinen Genossen?" "Halb elf. Heute morgen." "Noch besser. Da verlieren wir nicht zuviel Zeit. Paß auf, Merak! Du wirst Luang Loa und die beiden anderen Killer vom Flugplatz abholen. Von da fährst du sie auf der vorgesehenen Route nach Sambol." Merak nickte sorgenvoll. Er ahnte, daß das Problem erst noch kam. "Die Straße führt durch den Wald?" "An der Küste entlang, durch den Wald." "Gut. An einer geeigneten Stelle, etwa vor einer Kurve oder so, hältst du an. Deine Sache, wie du es machst, daß der Motor streikt. Kannst du das?" Generiert für: [email protected]
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"Zum erstenmal seit ungefähr zwölf Stunden erschien wieder ein Lächeln auf Meraks Zügen. "Kann ich. Natürlich. Benzinhahn. Mit dem Fuß." "Dann steigst du aus, klappst die Motorhaube hoch ... und dann rennst du um dein Leben. Dahin, wo der Wald am dichtesten ist." Merak starrte ihn an. "Und dann? Sie werden mich jagen. "Die drei nicht. Dafür garantieren wir dir." "Aber später. Andere. Sie werden mich fangen. Foltern, bis ich alles gesagt habe, und dann mit einer Kette um die Füße in den Hafen werfen. Sie kennen die Killer-Company nicht. Alle haben Angst vor ihnen." "Wenn wir hier fertig sind, gibt es keine Killer-Company mehr. Wilson wird keine Gelegenheit haben, eine neue Truppe aufzustellen. Entscheide dich, Merak: dein Leben gegen Luang Lao." Jo nahm das Messer und schnitt ihm die Handfesseln durch. Merak kam hoch und massierte sich die Arme. Nachdenklich starrte er auf die gegenüberliegende Wand. Jo schob die Maschinenpistole, die er auf den Boden gelegt hatte, mit dem Fuß ein Stück weiter fort. "Ach, ja ... das muß ich auch noch sagen, Merak. Wenn du dich entschlossen hast, mit uns zusammenzuarbeiten, mußt du auch durchhalten. Die Sache ist für uns von so großer Bedeutung, daß wir keine Rücksichten nehmen können. Du bist in deinem Taxi zwar allein und später dann mit den drei Killern unterwegs. Aber wir werden in deiner Nähe dein. Mit zwei Wagen. Und wir haben die MPi schußfertig auf dem Nebensitz liegen. Falls irgend etwas darauf hindeutet, daß du vom rechten Weg nach Sambol abweichst, werden wir dein Taxi stellen und das Verfahren mit der Maschinenpistole abkürzen. Ist dir das klar?" Merak nickte heftig. "Und ... hinterher? Ihr laßt mich einfach laufen?" fragte er zweifelnd. "Wir geben dir unser Wort darauf. Du hast dann etwas für uns getan, und wir tun etwas für dich. Übrigens hat dein Kollege Arak genauso gehandelt. Er ist jetzt ein freier Mann und hat die Minas Surangaya nicht mehr nötig, um leben zu können." Lizzy schob sich an Jos Seite. Sie hatte alles mit angehört und glaubte so halb und halb auch an Meraks guten Willen. Trotzdem hielt sie es für besser, den ganzen Fall für ihn noch etwas attraktiver zu gestalten. "Wenn alles gut ausgegangen ist", sagte sie langsam und mit klarer Stimme, "tausend US-Dollar für dich; auf einem Postamt oder auf einer Bank deiner Wahl abzuholen. Okay?" Wie sehr sie damit das Richtige getroffen hatte, bewies Meraks strahlendes Gesicht. Lizzy gab ihm ihre Karte. "Schreib mir einen Luftpostbrief, wohin du das Geld haben willst. Eine Woche später ist es da." Merak steckte die Karte in seine Hemdtasche, als wäre es ein seligmachendes Heiligenbildchen. Und dann bewies Lizzy noch einmal das Einfühlungsvermögen einer Nation, die niemals eine Kolonialmacht gewesen war, in die Seele anderer Völker, indem sie leichthin sagte: "Mach' dich ein wenig zurecht, und dann gehen wir endlich frühstücken!" Jo schnitt ihm auch die Fußfesseln durch, und Merak verschwand humpelnd im Bad. "Großartig hast du das gemacht", lobte Jo. "Aber da ist noch ein kleines Problem: Wir wollen Luang Lao doch lebendig vor einem US-Gericht haben, wenn es sich machen läßt." "Natürlich." "Wie kriegen wir ihn hin? Freiwillig fliegt er mit uns ja nicht zurück, und betäuben können wir ihn ja auch nicht für die ganze Strecke. Tut in diesen Gewässern nicht irgendeine unserer Flotten augenblicklich Dienst?" Lizzy runzelte die Stirn. Generiert für: [email protected]
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"Soviel ich gehört habe, patrouillieren in der Südsee ein paar Einheiten, falls mal ein Satellit oder der Space Shuttle ins Wasser fällt. Sie üben wohl auch Zielschießen mit Raketen. Genau weiß ich es nicht; es ging im Senat um die Stationierungskosten und darum, wer sie bezahlen sollte - das Pentagon oder die NASA." "Hast du einen heißen Draht zu irgend jemandem, der da mitmischt?" Lizzys Stirnrunzeln wurde noch stärker. Dann nickte sie. "Natürlich! Admiral Hutchinson. Er hat neulich gerade den vierten Stern gekriegt und war zu dem Zweck in Washington. Wir haben die halbe Nacht miteinander getanzt. Und er schien ziemlich wild auf mich zu sein." "Ruf ihn an! Vielleicht kann er einen seiner Dampfer hier in die Nähe schicken. Selbstverständlich außerhalb der Dreimeilenzone. Wenn es darum geht, den Mörder von Senator Jackson an die amerikanischen Gerichte auszuliefern, wird uns die Navy den Gefallen tun!" "Wie ruft man einen Admiral an, der irgendwo in der Südsee herumschwimmt?" stellte Lizzy die sachliche Gegenfrage. "Über Satellit." "Und wie erreicht man einen Satelliten?" "Über das Pentagon, Liebes. Du nimmst den Bus Nr. 16 von der AB & W, fährst zum Underground Concourse Entrance, gehst hinein und zum Information Desk und fragst, ob du mal telefonieren darfst." "Dummkopf. Die Nummer vom Pentagon habe ich natürlich im Kopf." "Auch die Vorwahl von Indonesien nach Washington?" Sie stand auf, zischte Jo an und ging zum Telefon, um ein Interkontinentalgespräch anzumelden.
* Merak war zum Flugplatz vorausgefahren. Jo hatte ihn noch einen Blick auf die Maschinenpistole werfen lassen und gesagt: "Tut mir leid, Merak. Aber dies ist eine Sache im amerikanischen Regierungsinteresse, und für nichts und wieder nichts setzen die nicht eine ganze Flotte in Marsch. Aber vielleicht geht es ja auch gut, und du bist bald ein wohlhabender freier Mann!" Merak hatte beteuert, daß er alles tun werde, was in seinen Kräften stünde, und war in sein Taxi geklettert. Jo und Lizzy hatten ihre Toyotas genommen, die Jo besorgt hatte. Jo hatte ihr den guten Rat gegeben, hauptsächlich mit der Hupe zu arbeiten, wenn es etwas eng auf den Straßen werden würde, und im übrigen auf die Bremsen der anderen Fahrer zu vertrauen. Sie kamen ohne Probleme zum Flughafen hinaus. Merak hatte sein Taxi am internationalen Ausgang geparkt. Die Toyotas standen nicht weit davon auf einem öffentlichen Parkplatz, mit dem Bug zur Ausfahrt und mit vorbezahlten Parktickets an der Windschutzscheibe. Jo und Lizzy hatten die Türen geöffnet, damit wenigstens ein leichter Luftzug das Wageninnere vorm Kochen bewahrte. So konnten sie sich auch unterhalten. "Wenn Hutchinson eine Fregatte oder so etwas herschickt - wie kriegen wir Luang Lao dorthin?" "Capitano Saboaco. Während du mit Merak eine Frühstücksorgie gefeiert hast, habe ich mit ihm telefoniert. Im Interesse des guten internationalen Rufs seines Landes nimmt er es auf sich, den Mörder eines amerikanischen Senators auf einem Boot des Küstenschutzes aus der Dreimeilenzone zu schaffen." "Ein großartiger Bursche." Indonesier. Manche sind so, und manche anders. Generiert für: [email protected]
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Genau wie bei uns." "Und wie bringen wir Luang Lao auf sein Boot?" "Lieber Himmel, Mädchen - noch haben wir ihn ja gar nicht! Und wenn wir ihn haben, laden wir ihn in den Kofferraum und fragen Saboaco, wo wir ihn anliefern können. Augenblick schwebt Lao noch in der Luft, und zwei andere, mit denen wir auch fertigwerden müssen, ebenfalls." Lizzy überlegte eine Weile und blies den Rauch ihrer Zigarette durchs offene Fenster auf den sonnenüberglühten Parkplatz hinaus. "Die machen mir auch noch Sorgen. Wollen wir sie einfach laufen lassen? Beihilfe zum Mord ist ihnen doch zumindest anzulasten!" "Aber kaum zu beweisen." "Sie werden sich wehren, wenn wir Luang Lao einkassieren." "Wahrscheinlich." "Und wir werden sie irgendwie außer Gefecht setzen müssen." "Auch das klingt ziemlich überzeugend." Lizzy wurde wild. "Du machst mich wahnsinnig, Jo Walker! Hast du irgendeine Ahnung, wie du mit drei wildgewordenen Indonesiern fertigwerden willst, von denen jeder vermutlich auf irgendein Mordinstrument spezialisiert ist? An einem Ort, den du noch nicht kennst, und zu einem Zeitpunkt, den du auch nicht bestimmen kannst?" Jo grinste sie entwaffnend an. "Alle Fragen - nein. Aber wir werden sehen. Und dann habe ich ja noch dich!" Sie schüttelte ärgerlich den Kopf. "Ohne irgendwelche Anweisungen kann ich überhaupt nichts machen! Dabei kommen wir uns eventuell sogar in die Quere!" "So lange du nicht auf mich schießt, geht alles in Ordnung. Paß auf - wenn das Taxi startet, fahre ich hinterher, und du folgst mir so, daß du meinen Wagen immer im Blickfeld hast. Wenn meine Bremslichter dreimal aufleuchten, stoppst du. Dann hat nämlich das Taxi auch gehalten. Ich werde es überholen, davor wenden und zurückkommen. Dann nehmen wir es von zwei Seiten, wobei du nur sichern mußt." "Klingt gut", sagte Lizzy, halb gegen ihre Überzeugung. "Da landet übrigens der große Silbervogel!" Die interkontinentale Düsenmaschine schwebte ein. Es war die einzige Maschine, die um diese Zeit ankam, und Lizzy machte sich ganz bewußt klar, daß darin der Mörder ihres Vaters in seine Heimat zurückkehrte. Unbewußt biß sie die Zähne zusammen, daß sich ihre Wangenmuskeln unter der gebräunten Gesichtshaut anspannten. Jo sah es, sagte aber nichts. Auch er hegte keine besonders freundlichen Gefühle gegenüber mindestens drei der Passagiere. "Es dauerte lange, bis die ersten Fluggäste aus dem Gebäude kamen und ihre Wagen und Taxis suchten. Merak, Luang Lao und die anderen waren nicht darunter. Lizzy blickte Jo fragend an. "Luang wird sich um sein Gepäck kümmern müssen. Solche Killer reisen immer mit der eigenen, gewohnten Waffe, und ein Gewehr darf man nun einmal nicht mit in die Kabine nehmen!" "Wie überhaupt kann man es denn im Flugzeug transportieren?" "In einem versiegelten Sack als Luftgepäck mit besonderer Abfertigung. Wahrscheinlich hat er angegeben, Sportschütze zu sein und zu einem internationalen Wettbewerb zu fliegen. Damit geht es." Sie warteten weiter. Generiert für: [email protected]
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Dann fuhr Lizzy wie elektrisiert hoch: Aus dem gläsernen Portal traten vier Männer. Merak, beladen mit Gepäckstücken. Dahinter, wie ein indonesischer Dandy gekleidet, der Mann, der Luang Lao sein mußte. Ihm folgten die beiden minder wichtigen Mitglieder der Killer-Company. Fünf Männer waren es gewesen. Drei galt es noch zu stellen. Jo schob seinen Anschnallgurt in die Verriegelung und zog die Tür zu. Auch Lizzy machte sich startbereit. Aber es dauerte noch, bis das Gepäck im Kofferraum des Taxis verstaut war und die Männer einstiegen. Jo achtete darauf, daß Luang Lao vorn saß, neben Merak, dem Fahrer. Dann startete Jo den Motor seines Toyota. Langsam ließ er ihn anrollen, und als Merak aus der Parkbucht bog, war er schon auf der Straße. Er brauchte wenig Angst zu haben, daß Luang Lao die Verfolgung bemerken würde. Vom Beifahrersitz aus kann man nicht in den Rückspiegel schauen, und Merak würde sich hüten, ein Wort zu sagen. Jo sah, daß auch Lizzy jetzt auf der Straße war. Sie blinkte ihn ganz kurz an, und das sollte wohl den hochgereckten Daumen ersetzen. Die Fahrt ging ein Stück auf der Straße nach Palembang. Hier war schon nicht viel Verkehr, und als sie an einer staubigen Kreuzung nach rechts abbogen, hörte er völlig auf. Diese Straße war nicht einmal asphaltiert und verlief in einem großen Bogen um den internationalen Flugplatz herum. Zur Rechten tauchte immer wieder der Drahtzaun zwischen den Büschen und Bäumen auf. Dann schwenkte der Weg noch näher an die Küste heran, und bald verlief er durch den dschungelartigen Wald, der hier das ganze Land bedeckte und allem Anschein nach, nur für die Trasse dieser Straße, gerodet worden war. Dabei nahm er Rücksicht auf Wassergräben und Löcher, wurde immer kurvenreicher. Die ideale Straße für ein Hold-up. Jo fuhr ein wenig dichter auf, um nicht hinter einer Kurve von dem stehenden Taxi überrascht zu werden. Da leuchteten auch schon die Bremslichter. Das Taxi rollte langsam aus, fuhr rechts heran, soweit das auf der schmalen Straße möglich war, und kam zum Halten. Jo tippte dreimal auf die Bremse, als Lizzy hinter ihm auftauchte und aufrückte. Lizzy war jetzt wohl nervös. Sie vollführte fast eine Notbremsung, die sie ein ganzes Stück auf dem Schotter rutschen ließ, ehe sie in einer Staubwolke zum Stehen kam. Jo gab Gas, lenkte auf den linken Seitenstreifen und überholte das Taxi, als Merak gerade aussteigen wollte. Nach Landessitte drückte Jo ein paarmal auf die Hupe. Auch hinter ihm wallte der Staub hoch, und das verhinderte hoffentlich, daß ihn Luang Lao erkannte. Jo raste bis zur nächsten Kurve. Da stoppte er, setzte in zwei Zügen zurück und wieder vor und gab erneut Gas. Rechts und links undurchdringliches Grün. Merak würde schon eine Lücke finden. Jetzt die Kurve. Da vorn das Taxi. Die Motorklappe hochgereckt, so daß sie den Insassen die Sicht nach vorn versperrte. Von Merak keine Spur mehr. Aber da mühte sich gerade einer, hinten aus dem Taxi zu klettern, zur Straße hin. Die letzten Yards wurden Maßarbeit. Jo bremste so abrupt, daß es den Vermieter des Wagens demnächst wohl neue Reifen kosten würde. Er ließ den Motor laufen, ratschte die Handbremse fest, riß die MPi an sich und warf sich aus dem Wagen. Der erste stand schon auf der Straße, der zweite folgte ihm gerade aus derselben Tür. Sie blickten auf die grüne Mauer des Dschungels, dann zu Jo herüber. Jo stand hinter seinem Wagen in halbwegs guter Deckung. "Hände hoch! Und langsam herkommen!" rief er. Aber die beiden dachten gar nicht daran. Sie rissen ihre Pistolen aus dem Gürtel, und der erste sprang von der Straße in den Graben. Wenn er den Dschungel erreichte, war er für Jo verloren. Also zielte er auf eine Stelle ungefähr einen Yard vor dem Mann und zog durch. Die Schüsse knatterten, und die Kugeln ließen den Schotter aufstauben. In blinder Panik warf sich der Mann herum, wollte zum Wagen zurückfliehen. In einer Art Hechtsprung überquerte er die Straße. Sein Kollege hatte inzwischen den unvermuteten Angreifer anvisiert und schoß. Der andere sprang geradewegs in die Kugel hinein, wurde nach vorn geworfen und schlug auf die Straße, überschlug sich und blieb dann reglos liegen. Generiert für: [email protected]
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"Idiot!" brüllte jemand, anscheinend im Taxi. Das mußte Luang Lao sein, der sich bisher zurückgehalten hatte. Oder führte er etwas anderes im Schilde?" Unbemerkt von den Killern rollte von hinten Lizzys Toyota heran. Sie hielt vielleicht dreißig Yards hinter dem Taxi und stellte ihren Wagen schräg. So hatte sie die Möglichkeit, notfalls aus dem Seitenfenster heraus zu schießen, ohne damit ihre Deckung verlassen zu müssen. "Ich sag' noch einmal: Hände hoch, und langsam herkommen!" wiederholte Jo lautstark. Er machte sich keine Hoffnungen, daß der zweite Mann seine Aufforderung befolgen würde, aber irgendwie meinte er, das sagen zu müssen. "Knall' ihn doch ab, den Kerl!" kam es wieder aus dem Taxi. "Was wartest du noch, du verdammter Trottel?" Tatsächlich hob der Mann jetzt seine Pistole. Er war hinter der offenstehenden hinteren Taxitür nur unvollkommen gedeckt. Jo erwog schon, ihm in die eine zu schießen. Aber mit einer Maschinenpistole, die auf eine solche Entfernung stark streut, war das so eine Sache. Lizzy enthob ihn dieser Sorge. Sie hatte ihre Waffe in der Fensteröffnung aufgelegt, und als sie schoß, war sie so zielgenau wie auf einem Schießstand. Der Schütze nahm noch Maß, als es ihn an der Rechten Schulter erwischte. Lizzy hatte mit Colonel Wilsons Revolver haargenau getroffen. Der Mann flog gegen die offene Tür des Taxis, warf sie durch sein Gewicht zu und fiel der Länge nach auf die Straße. Aber noch gab er nicht auf. Er hob den Kopf, wechselte die Pistole in die andere Hand und zielte auf Jo. "Weg mit der Waffe!" schrie der ihn an. Der Mann reagierte, aber anders, als es Jo erhofft hatte. Er krümmte den Zeigefinger, und mit dem scharfen Knall zugleich schlug die Kugel in die Windschutzscheibe des Toyota, durch das Rückfenster hindurch und verfehlte Jo nur um einen Inch. Was sollte er jetzt machen? Mit der MPI antworten? Das würde den Mann töten. Etwas sperrte sich in Jo dagegen, sich auf diese radikale Weise zu wehren. Aber Lizzy enthob ihn auch dieser Entscheidung. Sie knallte noch einmal mit dem Revolver, und dieser Schuß war tödlich. Er riß dem Mann den Kopf nach vorn, und so blieb er liegen ... "Kommen Sie da raus, Luang Lao!" rief Jo. "Sie haben ,keine Chance mehr!" Lao dachte anders darüber. Der Motor des Taxis brummte auf. Der Gang wurde krachend hineingewürgt, und dann schoß das Taxi los. Mit offener Motorhaube raste es auf Jo und den Toyota los. Jo war einen Moment starr vor Verwunderung. Dann hechtete er zur Seite, kurz ehe sich die Frontpartie des Taxis krachend in die des Toyota bohrte. Der Toyota wurde zurückgeschleudert, kam schräg zum Stehen. Das Taxi setzte zurück, fuhr abermals an und traf den Toyota jetzt so, daß er halb in den Graben geschleudert wurde. Mit einem dritten Anlauf schaffte es Luang Lao, daran vorbeizukommen. Jo lag im Gras, die MPi in der Hand und wartete nur darauf, daß sich das Taxi etwas entfernte. Er hatte keine Lust, mit dem Tank zusammen in die Luft zu fliegen, wenn er den traf. Luang schaltete in den dritten Gang. Jo schob den kleinen Hebel auf Dauerfeuer. Dann legte er an und zog den Abzug durch. Die Salve knatterte krachend aus dem kurzen Rohr. Jo hatte absichtlich tief gehalten. Der rechte Hinterreifen löste sich in Fetzen von der Felge, und das Taxi begann zu schlingern. Jetzt hielt er noch etwas höher. Er sah, wie die Kugeln in den Kotflügel, in den Kofferraum einschlugen. Es wäre ein Wunder gewesen, wenn sie den Tank nicht erwischt hätten, aber Wunder gab es auf dieser Straße nicht. So stieg, noch ehe das Taxi zum Stehen kam, Rauch auf, und dann entzündete sich das ausströmende Benzin-Luft-Gemisch. Die Fahrertür flog auf, und Luang Lao hechtete heraus. Wieder zögerte Jo zu schießen, und das rettete den Killer. Er verschwand im Grün des dichten Dschungels, ehe ihm Jo ein paar Kugeln vor die Nase setzen konnte. Er sicherte die MPi und stand auf. Von rechts kam Lizzys Toyota herangeprescht, bremste, und sie streckte den Kopf aus dem Seitenfenster. "Hinterher?" rief sie atemlos. Jo schüttelte den Kopf. "Er ist im Busch verschwunden. Zwecklos. Wir müssen löschen, damit die Beweismittel nicht verbrennen!" Er hing sich die MPi um, ging zu seinem schräg im Graben liegenden Wagen und nahm den Feuerlöscher heraus. Auch Lizzy hatte ihren schon in der Hand. So liefen sie die kurze Strecke bis zu dem Taxi, das jetzt lichterloh brannte. Zugleich richteten sie die weißen Generiert für: [email protected]
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Schaumstrahlen auf den Kofferraum. Die Klappe war aufgesprungen. Sie sahen einige Gepäckstücke, die auch schon brannten, und beschränkten sich darauf, sie abzulöschen: Das Taxi war ohnehin verloren. "Genug!" sagte Jo. Er warf seinen Feuerlöscher weg, griff in den Kofferraum und brachte ein längliches Lederetui und zwei Reisetaschen heraus. Sie qualmten und stanken. "Luang Laos Gewehr ist das wichtigste! Damit bringen wir ihn auf den elektrischen Stuhl!" keuchte Jo. Lizzy war zurückgelaufen und fuhr jetzt ihren Toyota heran. Jo verstaute das Gepäck darin und warf die MPi obendrauf. "Wohin jetzt? Sollten wir ihn nicht doch verfolgen?" "Nein. Im Dschungel ist das aussichtslos. Aber wir wissen ja, wohin er will. Er muß den Helikopter kriegen und sich auf der Insel in Sicherheit bringen." "Aber wenn das ein Militärflugplatz ist, haben wir wenig Chancen!" "Also müssen wir ihn vorher erwischen. Fahr' los, bis wir an ein Tor oder an den Zaun kommen!" Lizzy schaffte es irgendwie, an dem brennenden Taxi vorbeizukommen. "Wenn es nach mir ginge, würde ich den Busch an allen vier Ecken anzünden!" fauchte sie. Jo grinste. "Leute wie du sind schuld, daß unsere Umwelt langsam zum Teufel geht!" entgegnete er. "Diesen Burschen kriegen wir auch, ohne allzuviel Flurschaden anzurichten!"
* Die letzte Strecke bis zum Flughafen verlief die Straße gerade. Dann war der Dschungel zu Ende - man hatte ihn in einem gewissen Umkreis um den Platz herum gerodet. Lizzy stoppte. "Wohin jetzt?" "Fahr den Wagen hier rechts in die Büsche. So daß er nicht gesehen wird. "Warte, ich steige vorher aus!" Jo nahm die MPi und kletterte ins Freie. Lizzy ratschte den Rückwärtsgang hinein und fuhr den Toyota rücklings in den Wald. Er sank mit den Hinterrädern ein, aber das kümmerte sie jetzt nicht. "Luang Lao muß im Waldgebiet links von der Strecke stecken. Die Straße wird er nicht zu überqueren wagen. Wenn er auftaucht, um über die freie Fläche zu laufen und das Flughafengelände zu erreichen, haben wir ihn!" "Die haben ja nicht einmal einen Zaun", wunderte sich Lizzy. "Um so besser für uns. Komm, wir setzen uns drüben ins Gras und beziehen Posten, Rücken an Rücken. Dann haben wir beide Richtungen unter Kontrolle." Lizzy untersuchte den Boden kritisch, ehe sie sich niederließ. "Ich hebe mal gehört, daß hier Schlangen umherkriechen und die Leute beißen!" "Hier rennen auch Killer herum und schießen auf die Leute!" gab Jo trocken zurück. Er untersuchte seine MPi. Im Magazin waren noch mehr als zwanzig Schuß. Trotz Dauerfeuer auf das Taxi war er sparsam gewesen. Aber er wußte ja auch nicht, was noch kommen würde. "Jo", sagte Lizzy hinter ihm. "Ja? Was ist?" ' "Wenn Luang Lao wieder auftaucht ... und wenn es aussieht, als würde er uns entwischen, sei nicht wieder so rücksichtsvoll. Schieß' ihm die Beine unter dem Leib weg, wenn es sein muß. Ich will ihn haben. Er soll vor ein Gericht der Vereinigten Staaten. Er soll wegen Generiert für: [email protected]
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Mordes an meinem Vater verurteilt werden." "Du hast es gemerkt?" "Natürlich. Ich habe gewartet, daß du schießen würdest, aber nichts kam." "Eine MPi streut sehr stark auf größere Entfernungen. Du kannst damit nicht auf die Beine zielen und sicher sein, daß du nur die Beine triffst." "Ich weiß. Aber wenn du ihm noch andere Teile beschädigst, dann soll er die beste Pflege in einem amerikanischen Krankenhaus haben, bis er wieder gesund ist. Damit er der Verhandlung folgen kann und sein Urteil in vollem Bewußtsein vernimmt und die Vollstreckung auch!" Es überlief Jo Walker kalt bei dem Haß, der aus Lizzy Jacksons Worten sprach. Aber er konnte sie verstehen, und er mußte zugeben, daß sie nichts verlangte als Gerechtigkeit. Luang Lao hatte kaltblütig getötet, und wie Jo annahm, nicht nur einmal. Aber dieses eine Mal in Houston würde genügen, um ihn unter die Gewalt der Gesetze zu beugen. Vielleicht zweihundert Yards entfernt war eine Bewegung in der grünen Mauer des Dschungels. "Dreh dich mal um", sagte Jo leise. Lizzy schwang herum auf seine Seite. "Dahinten, unter dem vorstehenden knorrigen Ast, habe ich eben eine Bewegung gesehen. Schau mal mit hin, ob sie sich wiederholt!" Sie warteten vielleicht zwei Minuten. Da teilte sich das Grün erneut, und ein heller Fleck erschien. "Das ist er." "Gib mir den Revolver, Liz!" "Was hast du vor?" "Wenn er die Nase noch weiter herausstreckt, knallst du ihm eine Salve mit der MPi vor die Füße. Das treibt ihn zurück in den Wald. Und da werde ich dann sein." "Das lockt uns aber auch die Militärpolizei her! Die haben nicht gern, wenn im Umkreis ihres Flugplatzes geschossen wird. "Dann wirf die MPi rechtzeitig weg und erzähle denen eine rührselige Geschichte von einem Überfall auf dein Taxi da hinten!" "Okay. Werd's versuchen. Der Bursche ist übervorsichtig, aber ich glaube, du mußt dich beeilen!" "Ich gehe ja schon!" Jo lief mit dem Revolver in der Hand über die Straße und tauchte in den Busch. Hier, am Rand, war der Dschungel lange nicht so dicht wie im Inneren, und er kam einigermaßen schnell vorwärts. Aber er hatte nach seiner Schätzung noch nicht die halbe Entfernung zurückgelegt, als draußen die MPi losratterte. Lizzy feuerte vielleicht ein Dutzend Schüsse heraus, dann schwieg die Maschinenpistole. Jo hielt inne und horchte auf ein Geräusch im Wald. In der feuchten Schwüle tropfte und raschelte es überall. Aber war da vor ihm nicht ein Knacken und Platschen, als bahnte sich jemand einen Weg durch das verfilzte, nasse Grün? Er arbeitete sich noch ein paar Yards weiter vor, bog dann einen Busch zur Seite, der voller starkduftender gelber Blüten war, und erhaschte für Sekunden den Anblick eines Schattens, der sich etwa vierzig Yard vor ihm bewegte. Jo entsicherte den Revolver. Ohne viel Geräusch kämpfte er sich vorwärts und änderte dabei seine Richtung nach links, um dem Flüchtenden den Weg abzuschneiden. Wieder die Geräusche vor ihm. Sie mußten sich jetzt schon nähergekommen sein. Manchmal, wenn er sich bückte, konnte er eine Bewegung zwischen den wuchernden Pflanzen wahrnehmen. Auf dem glatten Holz eines gestürzten Baumstammes rutschte Jo aus. Er strauchelte und geriet mit dem linken Bein tief ins stehende Wasser einer morastigen Stelle. Fast hätte er Generiert für: [email protected]
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laut geflucht. Er hielt inne. Hatte er sich durch das Geräusch verraten? Der Andere bewegte sich auch nicht. Da erklang vom Flugplatz her plötzlich eine Sirene. Das Gejaule näherte sich schnell, Motorengeräusch kam hinzu. Dann war es hinter ihnen auf der Straße, verklang langsam und erstarb plötzlich. Jo konnte sich denken, daß die Flughafenbesatzung endlich die Rauchwolke des brennenden Taxis entdeckt hatte und die Feuerwehr losschickte, um mal nachzusehen. Warum die allerdings mit heulender Sirene durch den Wald fuhr, war ihm nicht recht klar. Jetzt verstärkten sich vor ihm die Geräusche im sumpfigen Wald. Na, klar - den Leuten vom Flugplatz war Luang Lao bekannt. Wenn er die Feuerwehr erreichte, hatte er automatisch Verbündete. Überdies waren es Landsleute, die zunächst einmal ohne Fragen zusammenhalten würden, wenigstens gegen einen abgerissenen Amerikaner, der mit dem Revolver durch den Busch lief! Jo arbeitete sich weiter vor, versuchte, Luang den Weg zur Straße abzuschneiden. Dies war sein Mann, und Lizzy sollte ihn haben - sonst niemand! Auf einmal sah er ihn vor sich. Luang stand bis in die Knie im Wasser und kämpfte mit dornigen Ranken, die ihn festhielten. Aber mit dem Instinkt eines Eingeborenen mußte Luang die Augen gespürt haben, die auf ihn gerichtet waren. Er blickte hoch und erstarrte in der Bewegung. "Luang Lao", sagte Jo und richtete den Revolver auf ihn. "Ich verhafte Sie wegen Mordes an Senator Jackson! Nehmen Sie die Hände hoch, und kommen Sie da heraus!" Luang brauchte ein paar Sekunden, um mit dieser verblüffenden Anspracht fertigzuwerden. Dann machte er ein klägliches Gesicht und sagte: "Aber ich hänge fest! Holen Sie mich doch aus diesen verdammten Dornen heraus, wenn Sie mich haben wollen!" Das war der erste, plumpe Versuch, Jo in seine Nähe zu locken. Jo wußte, daß noch einige andere Tricks folgen würden, ehe Luang aufgab oder aufgeben mußte. Er gedachte das Verfahren abzukürzen. "Luang - ich werde Sie hier herausbringen und vor einen Richter. Das schwöre ich Ihnen! Und noch eins: Wenn Sie denken, Sie könnten hier oder irgendwo anders Hilfe bekommen, wenn Sie rufen oder mich angreifen oder sich zur Wehr setzen - es kommt mir nicht darauf an, Sie lahm zuschießen, oder Sie sonstwie außer Gefecht zu setzen. Denken Sie jede Sekunde daran, und kommen Sie da endlich heraus! Wenn möglich, mit erhobenen Händen!" Luang riß wie wild an den Dornen, die seinen Anzug zerfetzten, und kam frei. Der nasse Boden schmatzte, und er geriet ins Wanken. Jo sah unbewegt zu. Natürlich konnte der Mann nicht mit den Händen über dem Kopf durch den Dschungel stelzen. Eine Schußwaffe schien er nicht bei sich zu haben. Männer, die Scharfschützen mit dem Gewehr sind, neigen dazu, sich auch aufs Gewehr zu beschränken. Sie schleppen selten andere Waffen mit sich herum. Das konnte auch erklären, warum er im Taxi sitzengeblieben war, als die beiden anderen die Kampfhandlungen mit ihren Pistolen eröffneten ... und daran auch prompt zugrunde gingen. Luang Lao hatte in guter Deckung der aufgeklappten Motorhaube gesessen, weil er nicht an sein Gewehr herankonnte. Aber da er sich jetzt so folgsam auf Jo Walker zu bewegte, mußte er noch eine andere Chance wittern. Die Beschränkung auf das Gewehr als Schußwaffe schloß ja nicht aus, daß er irgendwo ein Messer versteckt hatte. Im ganzen malayischen Archipel waren Dolche, scharf geschliffene Kris und andere Stichwaffen immer schon Tradition gewesen. Wie ein Mann im amerikanischen Westen früher nicht ohne Gewehr denkbar war, gehörte ein Dolch zum erwachsenen Malayen, schon als es Indonesien überhaupt noch nicht gab. Und diese Tradition hatte sich wach gehalten, durch alle politischen Umwälzungen und Veränderungen dieses Jahrhunderts hindurch ... Luang Lao hielt inne. Dann bückte er sich, sein Arm schnellte vor, und er gab einen unterdrückten Schrei von sich. Als er wieder hochkam, hielt er eine kleine Schlange in der Faust. Das Reptil, das ein starkfarbiges Muster auf dunklem Grund trug, wand sich heftig, konnte aber nicht zubeißen, weil Luang es direkt hinter dem Kopf gepackt hielt. Luangs Generiert für: [email protected]
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Augen waren voll Panik. "Sie hat mich gebissen! Ich bin ein toter Mann, Walker! " "Aha?" Jo hatte nur geringes Interesse für diesen Einfall. Wenn er tatsächlich von der Schlange gebissen worden war, dann brauchte er sie nicht zu fangen und zur Schau zu stellen. Was macht man mit einer Schlange, die einen gebissen hat? Zumindest wirft man sie doch so weit weg wie möglich, damit sie nicht noch einmal zubeißt! Luangs Augen verdunkelten sich. "Wissen Sie nicht, was das ist? Eine Korallenviper, Mann! In einer halben Stunde kriege ich die ersten Muskelkrämpfe, und in einer Stunde setzt das Herz aus." "So steht es im Lehrbuch. Das haben Sie gut auswendig gelernt. Werfen Sie das kleine Biest weg, und kommen Sie!" sagte Jo kalt. Jetzt stieg heiße Wut in Luangs Augen. Er hob den Arm, und dann warf er die Viper tatsächlich aber gut gezielt auf Jo! Der wollte ausweichen. Seine Füße waren aber durch das Stehen wie festgesaugt am Boden. Die Schlange segelte auf ihn zu. Er konnte nicht zur Seite springen. Daß es tatsächlich eine der hochgiftigen Korallenschlangen war, hatte er erkannt. Er hob die Hand. Luang grinste ihn satanisch an. Kurz ehe ihn der gekrümmte Schlangenkörper erreichte, ließ er die Handkante niedersausen. Sie traf die Viper und schleuderte sie zu Boden. Wahrscheinlich hatte er ihr das Rückgrat gebrochen. "Sie ist in der Tat eine der giftigsten Schlangen auf der ganzen Welt", sagte Jo bedächtig. Er beugte sich vor, packte mit einem beherzten Griff die Schwanzspitze und hob die Schlange auf. Mit weit ausgestrecktem Arm hielt er sie von sich weg. "Sie gibt nicht auf, bis sie tot ist. Sie bleibt gefährlich bis zu ihrem Ende." Er schwang sie hin und her. "Darf ich sie Ihnen zurückgeben?" Luangs Augen verengten sich vor Angst. Er duckte sich, obwohl ihm das auch nichts half. Jo holte aus. Luang atmete immer schneller, er hechelte fast vor Anspannung. Die Schlange flog waagerecht durch die Luft, aber Jo hielt sie immer noch, und erst als ihr Kopf gegen einen Baumstamm schlug, ließ Jo los. Das Reptil fiel zu Boden und bewegte sich nicht mehr. "Lassen wir diese Albernheiten", sagte Jo hart. "Kommen Sie jetzt!" Luang löste sich aus seiner Erstarrung. Der Schweiß stand ihm in hellen Perlen auf der braunen Stirn und lief ihm in die Augen. Wieder setzte er langsam einen Fuß vor den anderen, direkt auf Jo zu. Als er sich bis auf wenige Yards' genähert hatte, sagte der: "Stop!" Luang blickte verwundert auf. Jo wies mit der Revolvermündung nach rechts. "Da hinüber. Sie sehen meine Fußspuren. Gehen Sie darin weiter. Wenn Sie mir näher als fünf Yards kommen, schieße ich. Ach, ja - Sie haben hier ja das metrische System, glaube ich. Also anderthalb Meter, Luang!" Die Ironie troff fast aus seinen Worten. Luang nahm gehorsam die neue Richtung. Jo folgte ihm in gehörigem Abstand. Rechts von ihnen war wieder Motorengeräusch im Wald. Anscheinend kam die Feuerwehr jetzt zurück, nachdem sie die brennenden Reste des Taxis abgelöscht und sich über die beiden Toten genug gewundert hatte. Als nächstes würde wohl eine Ambulanz kommen und ein Abschleppwagen. Für Jo Walkers Gefühl war zuviel Verkehr in dieser Gegend. Es würde schwierig werden, Luang ungesehen in den Toyota und von hier wegzubringen. "Weiter! Sie brauchen nicht auf Hilfe Ihrer Freunde vom Flugplatz zu rechnen. Selbst wenn es Ihnen gelänge, sie herzuholen - ich würde vorher schießen. Los!" Sie kamen jetzt auf festen Boden. Luang hatte die Hände entgegen der Anweisung nicht hochgenommen. Jo hätte ihn dazu zwingen können, aber er wartete gelassen Luangs nächsten Trick ab. Daß der noch lange nicht aufgegeben hatte, wußte er. Dafür war der Indonesier absolut nicht der Typ. Solche Killer geben nicht auf, so lange ihr unbändiger Wille Generiert für: [email protected]
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vom Gehirn aus noch einen einzigen Muskel steuern kann. Wahrscheinlich vertraute er immer noch auf sein Messer und auf eine Gelegenheit, es hervorziehen zu können! Die Gelegenheit kam, als Jo auf einer Wurzel ausglitt. Luang hörte das Geräusch. Wie der Blitz fuhr er herum. In seiner Hand blitzte ein wellig geschliffener Dolch, der in eine nadelfeine Spitze auslief. Jo hatte sich längst wieder gefangen und hätte einen gezielten Schuß abgeben können. Aber jetzt hatte auch ihn der Ehrgeiz gepackt. Ein Schuß wäre zu billig gewesen. Er mußte Luang mit anderen Mitteln beibringen, daß er verloren hatte. Er mußte ihn demoralisieren, seinen Willen brechen, um alle weiteren Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen. Luang verlor keine Zeit. Die Bewegung kam blitzartig, so schnell, wie man sie nur nach jahrelangem Training erlernt und beherrscht. Der Kris flog auf Jo zu. Er war aufs Herz gezielt. Was Luang nicht hatte abschätzen können, war Jo Walkers Reaktionsfähigkeit. Wer gelernt hat, einer Kugel auszuweichen, ist auch mit einem noch so wuchtig geschleuderten Dolch nicht zu treffen. Eine Drehung, instinktiv und ohne Überlegen ausgeführt, brachte Walkers Oberkörper aus der Flugbahn der Waffe. Sie riß ihm sein Hemd auf und ritzte seine Haut, sauste aber ins Gebüsch und platschte irgendwo ins Wasser. Jo wußte, daß sie hier festen Boden unter den Füßen hatten. Und er sah auch, daß Platz genug zum Kämpfen war. Langsam ging er auf Luang Loa zu. Der wunderte sich immer noch, daß er Jo nicht getroffen hatte. Das war ihm wohl in seiner Killer-Laufbahn noch nicht passiert. "Mit dem Gewehr mag es angehen, aber mit dem Kris sind Sie letzte Klasse. Ein minderwertiger Killer, Luang. Ganz mies!" Luang erwachte aus seiner Erstarrung. Und was Jo gewollt hatte, erreichte er sofort: Blinde Wut stieg in dem Mann hoch und verleitete ihn zu einem unüberlegten Angriff. Mit vorgestreckten Händen sprang er Jo an. Jo ließ ihn kommen. Er ließ den Revolver fallen. Dann schoß seine Rechte vor. Sie stoppte den Angreifer, als wäre er gegen einen Baum gerannt. Die Linke folgte und traf Luang voll unter den Rippen. Der stieß die Luft pfeifend aus. Im Boxen war er offenbar unerfahren, denn er dachte nicht daran, seine Deckung zu besorgen: Walkers zweite rechte Gerade saß noch besser und ließ Luang taumeln. Mit der Linken setzte Jo nach; sie explodierte auf Luangs Solarplexus. Luangs Oberkörper knickte leicht ein, aber mit einem wuchtigen linken Uppercut richtete ihn Jo wieder auf. Luang duckte sich zur Seite weg, wollte sich unter den wuchtigen, hämmernden Schlägen bücken und bekam Walkers Faust aufs Ohr, daß er meinte, der Kopf würde ihm platzen. Ein Konter ging ins Leere, dafür prügelte ihm Jo planmäßig die Luft aus den Lungen, drosch auf den Killer ein und zermürbte ihn langsam und planmäßig. Luang taumelte nur noch herum, wurde von Walkers Schlägen hin und hergeworfen. Als er zu wimmern begann, wurde es Jo leid. Er griff ihm ins volle Haar, riß seinen Kopf herunter und stieß das Knie nach oben. Als er losließ, schlug Luang der Länge nach auf den Boden und regte sich nicht mehr. Jo atmete ein paarmal tief durch. In der schwülen Hitze hatte auch ihm der Kampf einigermaßen zugesetzt. Er troff vor Schweiß, und seine Handknöchel waren aufgesprungen. Er rieb sich die Hände, dann bückte er sich und hob seinen Revolver wieder auf und steckte ihn ein. Er stieß Luang den Fuß in die Seite. "Aufstehen!" bellte er. Luang wälzte sich halb herum, hielt aber die Augen geschlossen. Mißtrauisch trat Jo neben ihn. Markierte der Bursche nur, und sammelte er Kräfte für einen letzten Überraschungsangriff? Jo war gut genug in Karate und anderen Kampfsportarten, um zu wissen, daß auch ein zermürbt am Boden liegender Mann noch Chancen hat, wenn er sie zu nutzen weiß. Aber dagegen läßt sich etwas tun ... Jo setzte ihm den Fuß auf den Hüftknochen und drehte ihn auf den Rücken. Dann löste er ihm mit einer Hand den Gürtel und zog ihn aus den Schlaufen. Er packte ihn an der Schulter und drehte ihn wieder auf den Bauch. Dann riß er ihm die Arme nach hintan, machte aus dem Gürtel eine Schlinge und schnürte die Handgelenke zusammen. Wieder drehte er den Mann herum, und in diesem Moment zog Luang die Beine an und schnellte beide Füße in Generiert für: [email protected]
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Richtung auf Walkers Unterleib vor. Er traf, aber nicht voll. Jo spürte einen brennend heißen Schmerz, der ihm für Sekunden die Luft nahm. Er krümmte sich zusammen, zwang sich, durchzuatmen und kam langsam wieder hoch. Luang hatte die Augen offen und grinste ihn an. Das hatte Jo noch nicht erlebt - daß ein Mann, den er so gründlich zusammengeschlagen hatte, noch in Fesseln um sich trat und den Mut zu einem so gemeinen Trick hat. Wann würde der wohl endlich zu kämpfen aufhören? Der Schmerz ebbte langsam ab., Jo sagte kein Wort mehr. Er machte nur eine kleine Bewegung mit dem Zeigefinger. Luang zögerte. Dann versuchte er aufzustehen. Die Beine versagten ihm den Dienst. Jo wiederholte die kleine Bewegung, aber es war wohl mehr die kalte Wut in seinen Augen, die Luang dazu brachte, irgendwie auf die Beine zu kommen. Alles wäre vielleicht ganz normal weitergegangen, wenn er jetzt nicht gegrinst hätte - ein häßliches Grinsen in dem dreckigen Killergesicht. Jo trat auf ihn zu, und da spie ihm Luang auch noch ins Gesicht! Jo konnte sich nicht erinnern, daß er jemals einen Gefesselten geschlagen hatte. Aber jetzt holte er aus und rammte Luang seine Faust in den Magen, so daß der zusammenklappte und mit einem Schrei umfiel. In Jo Walker waberte die rote Wut, als er sich bückte, ihn beim Kragen packte und hochriß. Luang setzte der Bewegung einen Widerstand entgegen, der nicht aus seinem bewußten Willen kam; der Körper wehrte sich einfach dagegen, gestreckt zu werden. Aber Jo kannte jetzt kein Erbarmen; er marschierte vor und zerrte den Mann hinter sich her, schleifte ihn durch das dichte Gebüsch, durch die schleimigen Wasserpfützen, achtete nicht auf die Zweige, die ihm brennend heiß ins Gesicht schlugen, und auf die Moskitos, die ihn in einer Wolke umtanzten. So erreichte er die Straße, Luang Lao in eisenhartem Griff. Er zerrte ihn durch den Staub. Vor ihm blinkte irgendein Chromteil des Toyota. Die Zweige rauschten, als Lizzy mit der entsicherten Maschinenpistole heraustrat. Fassungslos blickte sie auf Jo Walker und den immer noch zusammengekrümmten Mann, den er hinter sich herzog, mit einer letzten Anstrengung hochriß und vor ihr ins Gras warf. "Großer Gott", sagte sie leise, "was ist das?" "Das war Luang Lao", antwortete Jo mit rauher Stimme. "Ich weiß nicht, ob ich alles aus ihm herausgeprügelt habe, was ihn gefährlich gemacht hat. Aber ich hab's versucht!"
* Sie hatten Luang kunstgerecht mit Nylonschnur gefesselt. Jo lehnte am Heck des Toyota und rauchte eine Zigarette. "Die Feuerwehr ist vorbeigekommen", erzählte Lizzy. "Aber sie haben mich nicht gesehen, und den Wagen auch nicht. Nicht auf der Hinfahrt, und nicht, als sie zurückkamen. Aber ich fürchte, sie werden gleich noch Leute zum Aufräumen schicken. Die beiden toten Killer hatten sie auf dem Wagen, als sie zum Flugplatz zurückfuhren. Wir sollten sehen, daß wir hier wegkommen, Jo!" "Ja, sicher. Ich fürchte nur, die Straße ist von den beiden Wagen blockiert!" "Dann schieben wir sie zur Seite!" Verwundert blickte sie Jo an. Wieso hatte der auf einmal Bedenken, an zwei Autowracks vorbeizukommen? Jo schüttelte den Kopf und lächelte sie an. "Entschuldige. Ich bin noch ein bißchen durcheinander. Luang, aufstehen!" Luang, der kein Wort mehr gesagt hatte, quälte sich hoch. Jo machte den Kofferraum auf und wies mit einer hinladenden Bewegung hinein. "Ich ... kann nicht!" sagte Luang mit zusammengebissenen Zähnen und blickte auf seinegefesselten Füße. "Hüpfen!" befahl Jo knallhart. Luang versuchte es. Er sah mehr als lächerlich aus und spürte es auch. Um Lizzys Mundwinkel zuckte es. Das war der Mörder ihres Vaters, der da wie ein unglücklicher kleiner Junge beim Spielen auf der Straße in kleinen Sätzen auf das Auto Generiert für: [email protected]
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zuhüpfte! Fast wider Willen mußte sie lachen. Auf Luangs Stirn schwoll eine Ader. Er spannte alle Muskeln an, aber die Nylonschnur hielt. "Hinsetzen!" Luang ließ sich auf den Rand des Kofferraums sinken. "Hinein!" Er lehnte sich mit dem Rücken an die hochgestellte Kofferraumklappe, zog die Beine an und schwang sie hinein. Er stützte sich mit den gefesselten Händen ab und brachte es irgendwie fertig, mit dem ganzen Körper im Kofferraum zu verschwinden. "Duck' dich, sonst kriegst du den Deckel auf den Schädel!" Folgsam zog Luang den Kopf ein, und Jo machte den Kofferraum zu. Er ging nach vorn und setzte sich hinters Steuer. Lizzy kuschelte sich neben ihn und warf die MPi auf den Rücksitz. "Leg' sie lieber unter das Gepäck! Wer weiß, wer uns alles in den Wagen sieht und meint, wir wollten die Regierung stürzen!" Lizzy verstaute die Waffe unter dem Packsack und ihrer Reisetasche. "Was hast du mit Saboato verabredet?" "Er hat mir eine Telefonnummer gegeben, wo ich ihn erreichen kann." "Fehlt nur noch ein Telefon!" bemerkte Lizzy und blickte versonnen auf die grüne Wand des Dschungels neben der Straße. Jo startete, wendete auf die Straße hinaus und fuhr los. Hinter der nächsten Kurve kamen sie zu dem ausgebrannten Taxi. Schmutzige Flocken des Löschschaums klebten daran; Es war nicht mehr viel übrig von dem Wagen. Der Toyota lag immer noch halb im Graben und machte auch keinen besonders guten Eindruck. "Wollen wir versuchen, die Karre wieder flott zu kriegen und mit nach Palembang hineinzunehmen?" fragte Lizzy. Jo schüttelte den Kopf und lenkte vorsichtig daran vorbei. "Ich hab' keine Lust, nun auch noch im Schrotthandel tätig zu werden. Die Umerziehung dieses Killers da hinten hat mich genug Nerven gekostet. Soll ihn der Vermieter abschleppen - irgend etwas muß er für das viele Geld ja tun!" Sie blickten nicht zurück, als sie weiterfuhren. Wenig später kamen sie an die Kreuzung, wo es links zum Flughafen und rechts zur Stadt geht. Jo bog nach rechts ein. "Willst du zur Stadt?" "Wohin sonst? Ich denke, daß uns Saboaco im Hafen übernimmt." "Das glaube ich nicht, Jo. Es fällt doch bestimmt auf, wenn da ein gefesselter Mann an Bord gebracht wird. Das Risiko kann Saboaco nicht eingehen." "Wir werden sehen." Jo fuhr weiter, bis er in den Außenbezirken an eine intakte Telefonzelle kam. Da hielt er an, steckte ein bißchen Landeswährung in den Apparat und wählte Saboacos Nummer. "Hallo?" "Jo Walker!" "Ja?" ,,Wir haben ihn." "Großartig. Aber es gibt Probleme, Walker." "Wieso?" "In Palembang läuft eine Fahndung nach Ihnen. Das Hotel, in dem Sie übernachtet haben, ist schon durchsucht worden. Und man hat den Autovermieter gefunden, der Ihnen die beiden Toyotas überlassen hat. Die Polizeistreifen haben Ihre Beschreibung." "Warum das?" Generiert für: [email protected]
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Saboaco lachte freudlos. "Ich fürchte, Sie haben die Herren der Minas Surangaya unterschätzt. Oder ihnen zu sehr auf die Füße getreten. Jedenfalls haben sie über ihre Verbindungen zu unseren höchsten Stellen eine Fahndung nach Ihnen bewirkt." "Auch nach Miß Jackson?" "Das wagen sie vermutlich nicht. Jedenfalls habe ich davon nichts gehört. Na, ist ja auch egal. Wo sind Sie jetzt?" "Sie machen also weiter mit, Saboaco?" "Was haben Sie denn gedacht?" "Ich bin irgendwo in den Vorstädten, aus Richtung Flugplatz." "Beschreiben Sie mir die Gegend, die Straße!" "Zweispurige Straße, häßliche Häuser. Schräg gegenüber ist ein Supermarkt, daneben eine Bar. kann ich lesen." "Danke, das genügt. Sie haben die Toyotas dabei?" "Einen. Der andere ist kurz vor dem Militärflughafen Sambol zum Teufel gegangen." "Aha?" Saboaco überlegte. "Das vereinfacht die Sache vielleicht etwas. Sollen sich unsere Leute erst einmal mit dem Wagen beschäftigten. Sie haben doch nichts darin zurückgelassen?" "Außer meinen Fingerabdrücken nichts." "Ausgezeichnet. Ich gebe einen Hinweis an meine Kollegen, daß Ihr Wagen dort gefunden wurde. Dann wird sich ihre Aufmerksamkeit auf den Wagen beim Sambol konzentrieren. Luang Lao ist in dem anderen Wagen, mit dem Sie unterwegs sind, nicht wahr?" "Ja. Mit Miß Jackson." "Gut. Hören Sie zu: Sie dürfen sich natürlich nicht in der Stadt zeigen. Sagen Sie Miß Jackson Bescheid, daß ich mit einem Polizeifahrzeug komme. Gehen Sie so lange in die Bar Esperanza. Das sind zwar üble Gauner, aber am frühen Abend ist dort noch nicht viel los. Ich hole Sie da heraus, und dann soll Miß Jackson hinter uns herfahren. Wenn ich Sie an Bord habe, sind Sie in Sicherheit. Übrigens haben wir einen Funkspruch eines amerikanischen Kriegsschiffs aufgefangen. Es dampft mit dreimal alle Kraft voraus in unsere Gewässer!" "Das hat Lizzy Jackson bewirkt", bestätigte Jo. "Ich verziehe mich jetzt also in die <Esperanza>. Beeilen Sie sich!" "Ich komme, so schnell es geht." Jo hängte ein, ging hinaus und setzte sich in den Wagen. "Gute Nachrichten?" fragte Lizzy. "Lauter gute Nachrichten. Admiral Hutchinson schickt ein Schiff. Saboaco kommt mit einem Polizeiwagen her. Ich muß dich leider für kurze Zeit verlassen, weil die Minas Surangaya die Polizei nach mir fahnden läßt. Sie vermuten mich mit Recht in einem dunkelblauen Toyota ... " Erschreckt legte Lizzy die Hand auf ihre Lippen. "Keine Panik. Nach dir fahnden sie nicht. Du bleibst also hier im Wagen, während ich drüben in der Bar einen Drink nehme. Saboaco holt mich da raus. Dann fährst du hinter uns her zum Hafen oder wo immer Saboaco sein Boot liegen hat. Klar?" "Okay. Luang Lao rumort übrigens hinten im Kofferraum, als wollte er durch die Rückwand." "Laß' ihn rumoren. Wir können ihn schließlich nicht betäuben." Jo stieg aus und ging über die Straße. Die Sonne stand schon schräg, aber die Hitze hatte noch nicht nachgelassen. Vielleicht wurde es Luang Lao auch nur zu warm im engen Kofferraum. Mochte er schwitzen, er hatte genügend andere Leute kaltgemacht!
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Die trug ihren Namen nicht ganz zu recht. Jo fragte sich vergebens, was es hier noch zu hoffen gäbe. Der Raum war düster, und an der Theke drängten sich Vertreter aller Völkerschaften, die den malayischen Archipel bevölkerten. Jo hatte zwar eine weiße Hautfarbe, aber der Tag war nicht ohne Folgen auf sein Äußeres geblieben. Er sah einfach wüst aus, und das verschaffte ihm zusammen mit ein paar sanften Ellbogenstößen einen Platz an der Bar. Stimmengewirr füllte den Raum, ein Radio brachte einheimischen Rock, und der Barkeeper in seiner schmutzigweißen Jacke starrte ihn an. "Bier", sagte Jo. "Kalt!" Er bekam eine Flasche Bier aus dem Kühlfach, das wunderbarerweise sogar funktionierte. "Glas", sagte er. Er bekam auch ein Glas und zahlte gleich, was die Laune des Mannes hinter der Theke ein bißchen hob. "Neu hier?" "Hm." Bißchen was zu rauchen?" fragte der Kellner mit einem leichten Augenzwinkern, und es war nicht schwierig zu verstehen, was er damit meinte. Jo schüttelte den Kopf. Anscheinend war damit das Angebot des Hauses erschöpft, denn der Barkeeper ließ ihn in Ruhe. Dafür schob sich von Links etwas Weiches, Warmes an Jo heran. Er warf einen kurzen Blick auf das Mädchen, das ein wenig Südseeschönheit mit etwas mehr Verkommenheit und zuviel prallen Formen vereinte. "Hallo, Fremder", sagte sie in einem sehr einheimisch gefärbten Englisch. "Willst du mir nicht ein Glas spendieren?" "Ich würde dich in Champagner baden; Darling", grinste Jo. "Aber ich habe meine letzte Rupiah da unten in dem Spielsalon verloren und den letzten Sen eben für mein Bier bezahlt. Wenn du gratis nett zu mir sein willst, habe ich nichts dagegen!" Sie ließ ihn augenblicklich los. "Stinkender Geizkragen!" schimpfte sie, tauchte weg und verschwand. Der Mann neben ihm rückte wieder etwas näher und nickte ihm zu. "Die Maria solltest du nicht mal gratis nehmen", sagte er auf Englisch. "Die hat von der Lues bis zu AIDS alles, was der Teufel erfunden hat." "Das habe ich auch vermutet. Amerikaner?" fragte Jo. Der andere nickte. "Du auch?" Jo schüttelte den Kopf. "Kanada." "Auch nicht viel besser. Weiß der Henker, warum wir uns in dieser vergammelten Hölle herumtreiben, anstatt zu Haus eine nette Frau und vier dicke Kinderchen zu bewirtschaften!" Er trank sein Whiskyglas leer. "Na, ich weiß es selbst", führte Jo das Gespräch fort. "Zu Haus zahlt mir kein Mensch einen Penny dafür, daß ich Löcher in die Erdkruste bohre und warte, daß Öl herauskommt. Hier findet sich ab und zu wenigstens jemand, der so was braucht." "Aha? Öl? Guter Job, wenn man ihn hat." Der Amerikaner war offenbar zu einer tiefergehenden Unterhaltung aufgelegt., Jo konnte es nur recht sein. Alles, was ihn hier unverdächtig erscheinen ließ, mußte ihm willkommen sein. "Ich mache in Bauxit." "Minas Surangaya?" "Verdammt, ja. Woher weißt du das?" "Ist ja der größte Laden in der Gegend, nicht wahr?" "Ja, das ist wahr. Verflucht ... die Bullen schwärmen heute mal wieder herum wie die Wespen!" unterbrach er sich. Draußen erstarb eine Polizeisirene. In der Bar wurde es auf einmal ruhig. Jo wandte sich nicht um. Er glaubte zu wissen, was jetzt kam ... Eine Hand legte sich auf seine Schulter. Generiert für: [email protected]
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"Mister Walker?" Langsam drehte er sich um. Saboaco blickte ihn an, starr und ohne Augenzwinkern. Neben ihm stand ein Polizist; die Hand an der Pistolentasche. "Ja?" "Bitte, kommen Sie mit. Wir haben einen Haftbefehl." "Kann ich den sehen?" "Hier nicht. Draußen. Bitte!" Achselzuckend nickte Jo seinem geschwätzigen Nachbarn zu. "See you later", sagte er. "Heute scheint was dazwischenzukommen!" Er folgte Saboaco hinaus. Der Polizist hielt ihm den Wagen auf. Dann stieg er hinten ein, während sich Saboaco ans Steuer setzte. "Danke", sagte Jo. Saboaco grinste. "Wenn ein von der Polizei Gesuchter verhaftet ist, dann ist er auch in Sicherheit", sagte er. "Miß Jackson weiß Bescheid?" Jo wies nach hinten; wo Lizzys Toyota schon anrollte. "Ich hoffe, Sie haben Handschellen dabei. Unser Mann im Kofferraum wird unruhig, sagte mir Miß Jackson vorhin." "Die Typen kenne ich. Wenn man ihnen den Schädel einschlägt, kämpfen sie mit den Füßen weiter. Aber auch auf so etwas sind wir eingerichtet, Walker. Wenn es nicht anders geht, hängen wir ihn außenbords und ziehen ihn eine Weile durchs kalte Wasser!" Er gab Gas. Aber die Sirene stellte er diesmal nicht an ...
* Jo Walkers Befürchtungen, daß Saboaco wieder eine nicht ganz seetüchtige Prau organisiert hätte, erwiesen sich als grundlos. Was da im Schatten eines verfallenen Lagerhauses im abgelegenen Teil des Hafens an der brüchigen Kaimauer lag, war ein durchaus moderner Kabinenkreuzer, dessen Lack an einigen Stellen fast noch wie neu aussah. Er stieg aus, vertrat sich etwas die Beine und fragte: "Woher haben Sie denn dieses feine Schiff?" Hinter ihnen rollte Lizzy mit dem Toyota auf den Platz. "Ach ... wenn man bei der Küstenwacht ist, Walker, dann hat man nicht nur viele Feinde; sondern auch ein paar Freunde. Das ist hier vielleicht etwas anders als in Amerika. Man hilft einander, wo man kann, ohne die Gesetze zu verletzen. Es gibt hier ein paar Leute, die gar nicht damit einverstanden sind, daß die Amerikaner mit den Minas Surangaya unser Land ausbeuten. Und sie schätzen es auch nicht, daß ein Mann wie Sie durch einen Haftbefehl behindert wird. Colonel Wilsons Killer-Company hat bei diesen Leuten einen äußerst üblen Ruf. Nur konnten sie nicht so viel dagegen unternehmen wie Sie ... was sie tun konnten, war, uns dieses Boot zur Verfügung zu stellen. Schließlich kann ich nicht mit einem Kreuzer des Küstenschutzes losfahren, um Sie außer Reichweite meines Polizeichefs zu bringen!" Saboaco lachte, dann wandte er sich Lizzy Jackson zu. "Wie schön, Sie wiederzusehen", sagte er galant. Er wies den Polizisten an, das Gepäck aufs Boot zu bringen. Dann ging er mit Jo zu dem Toyota und machte den Kofferraum auf. Luang Lao war in einem erbarmungswürdigen Zustand. Der Nachmittag im engen, heißen Blechkasten hatte ihn anscheinend mehr geschafft als die wüste Schlägerei mit Jo Walker im Dschungel von Sambol. Er war kaum noch fähig, sich zu bewegen. "Komm' 'raus, du Ratte!" sagte Saboaco. Er packte ihn beim Kragen, zerrte ihn aus dem Kofferraum und warf ihn aufs Pflaster. Generiert für: [email protected]
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"Durst!" stammelte Luang Lao. "Die frische Brise draußen auf See wird dir guttun, und Wasser gibt es da auch genug!" fuhr in der Capitano an. Er winkte dem Polizisten. "Schaff' dieses Bündel an Bord! Schließ' ihn im vorderen Raum fest!" Sie blickten dem Polizisten nach, wie er Luang Lao über das Brett schleifte, das als Gangway diente. "Der Polizist ist ... vertrauenswürdig?" erkundigte sich Jo. Saboaco nickte. "Der Sohn meiner Schwester. Absolut vertrauenswürdig. Er hilft mir immer bei ... Sonderaufgaben. Was an mir liegt, so wird er ein guter Polizist und bald befördert!" Lizzy gesellte sich zu ihnen. In der Hand trug sie, die MPi. "Was ist mit diesem Ding hier?" fragte sie unsicher. "Ein paar Schuß sind noch im Magazin, aber ich sehe keine Möglichkeit, sie loszuwerden!" Saboaco betrachtete das gefährlich aussehende Schießding. "Es war die Rede davon, daß Walker mit einer gestohlenen Maschinenpistole bewaffnet sei und nicht zögere, sie auch zu gebrauchen." "Gestohlen?" entrüstete sich Jo. "Ich habe sie einem Burschen von Minas Surangaya abgenommen, der Miß Jackson und mich damit bedrohte! Darf der Werkschutz einer zivilen Firma überhaupt mit Maschinenpistolen herumfuchteln? Bei uns wäre so etwas verboten." "Hier auch, an sich", gab Saboaco zu. "Geben Sie mir das Ding! Wir schaffen es besser aus der Welt, ehe es in unrechte Hände gerät!" Er nahm die MPi und warf sie mit weitem Schwung ins Wasser, wo sie aufklatschend versank. "Noch mehr verdächtige Gegenstände in Ihrem Besitz?" fragte er Lizzy anzüglich. "Wenn Sie damit Waffen meinen, Capitano - ich habe noch meinen Lippenstift!" funkelte sie ihn an. "Ich könnte einen Revolver beisteuern. Den habe ich Colonel Wilson abgenommen", gab Jo bekannt. "Wilson? Wir haben da ein paar ungeklärte Fälle von Schußverletzungen auf dem Gebiet der Minas, und im Polizeiarchiv liegen einige Kugeln, zu denen man noch die Waffe sucht. Vielleicht passen welche davon in diesen Revolver. Geben Sie her, Walker! Ich würde mich freuen, wenn ich sie eines Tages diesem windigen Colonel unter die Nase halten könnte." "Eigentlich wollte ich sie gern als Andenken behalten", sagte Jo. "Aber wenn wir von irgendwo nach Hause fliegen, kriege ich doch nur Schwierigkeiten damit bei der Flughafenkontrolle." Er gab Saboaca den Revolver. Sie gingen auf die behelfsmäßige Gangway zu und an Bord. Am Ruderhaus begrüßte sie ein dicker Chinese in blauer Uniform, indem er die Hand an die goldbetreßte Mütze legte. "Das ist Kapitän Li, der uns im Auftrag des Bootseigners hinausfahren wird." Jo stellte sich und Lizzy vor, und der Kapitän verbeugte sich mit altchinesischer Höflichkeit vor der weißen Lady mit dem schwarzen Haar im orangefarbenen Rohseidenkostüm. Als das Licht aus dem Ruderhaus auf Lizzy Jackson fiel, glänzte ihr Haar goldfarben. Jo sah es mit Vergnügen. "Wie sieht's aus, Li?" "Alles in Ordnung, Mister Saboaco. Seit einer halben Stunde haben wir Sprechfunkverbindung über Grenzwelle mit der ." "Das ist das Schiff, das die Navy in unsere Gewässer schickt", erläuterte Saboaco. Lizzy nickte. "Ich weiß. Ich hatte Admiral Hutchinson um den kleinen Gefallen gebeten." Sie ging nach vorn, öffnete das Schapp und sah in den Bugraum hinein. Luang Laos Augen funkelten sie an, aber er sagte nichts. Er hatte auch nichts mehr zu sagen. Sie knallte die Tür wieder zu. Die Maschine begann zu laufen, und das Boot vibrierte. Kapitän Li legte ab. Generiert für: [email protected]
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"Keine Kontrollen heute draußen?" fragte Li. Saboaco lachte. "Keine Kontrollen. Ich habe meine Leute damit beschäftigt, die Hausboote am River in Augenschein zu nehmen." Er zwinkerte Jo zu. "Was schätzen Sie, Kapitän, wann wir die treffen?" "Nicht vor Morgengrauen. Sie läuft zwar mit aller Kraft auf uns zu, aber ich habe einen Treffpunkt weiter draußen verabredet, wo unsere Luftwaffe sich nicht über See herumtreibt. Ein amerikanisches Kriegsschiff in diesen Gewässern könnte Anlaß zu Mißverständnissen und Spekulationen geben." "Sehr richtig, Kapitän. Wir haben also noch viel Zeit. Gehen wir einen trinken? Für die Benutzung außerhalb der Dreimeilenzone befindet sich eine international bestückte Bar im Salon." "Sind Sie denn nicht im Dienst?" fragte Lizzy anzüglich. Saboaco lachte. "Nein. Sie etwa, Walker?" "Da müßte ich meine Auftraggeberin fragen." Er beugte sich zu ihr. "Wenn ich nach deiner Haarfarbe gehen darf, würde ich meinen, daß ich jetzt ein paar Stunden frei hätte." Sie strich sich eine dunkle, mahagonifarbene schimmernde Locke aus dem Gesicht. "Ein paar Stunden?" sagte sie, und ihre Stimme war auf einmal so dunkel wie ihr Haar.
ENDE
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