ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam
Nr. 123 (143)
Die Kämpfer von Karagam
von H. G. Francis
Tsopan, der Plan...
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ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam
Nr. 123 (143)
Die Kämpfer von Karagam
von H. G. Francis
Tsopan, der Planet der Bewußtseins-Forscher, der im Jahre 10 497 v. A., also zur Blüte zeit des arkonidischen Imperiums, die etwa dem 9. Jahrtausend vor Christi Geburt ent spricht, eine wichtige Rolle spielte, ist längst untergegangen. Die Nachfolger der skinischen Wissenschaftler, die seinerzeit das Bewußtsein des jungen Kristallprinzen Atlan speicherten und konservierten, um es zu studieren, gingen in ihrem Forschungsdrang zu weit, als sie Experimente mit Antimaterie anstellten. Die Skinen star ben, weil sie die Gewalten, mit denen sie spielten, nicht bändigen konnten. Zwar verging der Planet Tsopan mitsamt seinen Bewohnern, aber ein kleiner Teil des Er bes der Skinen konnte der Nachwelt dennoch überliefert werden – in Form des Wanderers aus der Vergangenheit. Dieser »Wanderer« ist nichts anderes als das vor Jahrtausenden gespeicherte Bewußt sein des jungen Kristallprinzen, das im Körper eines Galaktischen Händlers eine neue Bleibe gefunden und die ursprüngliche Persönlichkeit völlig verdrängt hat. Jetzt, im April des Jahres 2843 irdischer Zeitrechnung, ist Lordadmiral Atlan um des Über lebens willen gezwungen, seinem jüngeren Ich, das ihm den Zellaktivator geraubt hat, nachzujagen und den Rivalen so schnell wie möglich zu stellen. Dies geschieht auf einer unbedeutenden Kolonialwelt. Atlan und sein anderes Ich werden DIE KÄMPFER VON KARAGAM ...
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ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam
Die Hauptpersonen des Romans: Mneylat und Kourla – Politiker des Plane
ten Karagam.
Harker Marg – USO-Agent auf Karagam.
Atlan – Der Lordadmiral jagt den Dieb
seines Zellaktivators.
Broomer/Atlan – Atlans jüngeres Ich.
Radman und Ela Pam – Zwei Waffen
schmuggler.
Grek-1 – Verhandlungsführer einer
Maahk-Delegation.
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ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam 1.
weigerte sich daher auch, noch zusätzliche Leistungen für die Maahks zu erbringen. Die se wären nur durch Abstriche am Sozialpro gramm zu finanzieren gewesen. Gerade das aber glaubte die MF, sich nicht erlauben zu können. Heigol Mneylat, der Chef der Liberalen, war anderer Meinung. Er wollte alle Differen zen mit den Maahks vermeiden. Die Maahks hatten das Effnoy-System als erste besiedelt. Für sie kam nur der vierte Planet, eine Was serstoff-Methan-Welt kleinsten Typs, in Fra ge. Der zweite Planet konnte sie nicht interes sieren. Sie hatten daher auch keine Einwände erhoben, als diese von Terranern besiedelt wurden. Auch gab es eine vertraglich fixierte Vereinbarung mit dem Solaren Imperium, in dem die restlichen Bedingungen bei einer derartigen Erschließung eines Sonnensystems festgelegt worden waren. Danach waren beide Parteien im Effnoy-System vollkommen gleichberechtigt. Keine verfügte über mehr Rechte als die andere. Dennoch gab es so et was wie das moralische Recht des Ersten. Die Maahks waren nun einmal die ersten gewe sen. Präsident Kourla und die MF hielten sich streng an die Texte der Vereinbarungen mit den Maahks, während die Liberalen mehr Verständnis für die moralischen Gegebenhei ten zeigten. Die Maahks konnten die Terraner nicht wegen des bei ihnen angerichteten Schadens aus dem Effnoy-System vertreiben, aber sie konnten ihnen Schwierigkeiten ma chen. Diese bedrohten den Lebensnerv von Karagam, wenn es nicht gelang, zu einer für alle Seiten akzeptablen Lösung zu kommen. »Härte«, sagte Kourla, als sie sich in den Regierungsgleiter setzten und zum Raumha fen starteten, »Härte ist etwas, was allemal bei politischen Verhandlungen erfolgreich ist. Natürlich war es unser Fehler, daß wir unsere Raumschiffe nicht durch ausreichende Versi cherungen gegen derartige Schadensfälle ge deckt haben.« »Weil Sie glaubten, das Geld könne man sparen.« »Dieser Ansicht bin ich auch heute noch, und ich werde auch in Zukunft nicht davon abweichen. Sie werden sehen, daß wir den Maahks am Ende kaum etwas zu zahlen ha
Als Heigol Mneylat das Arbeitszimmer von Präsident Kourla betrat, ahnte keiner von die sen beiden Männern, daß der Hauptstadt des Planeten und ihren fünfzigtausend Einwoh nern eine Katastrophe drohte. Ein Raumschiff näherte sich ihr mit weit überhöhter Geschwindigkeit. In ihm saß ein Mann, der sich verzweifelt bemühte, das Schiff unter Kontrolle zu bringen. Er mußte landen, weil die Sauerstoffvorräte an Bord zu Ende gingen. Weil er jedoch noch nie zuvor einen derartigen Raumer geflogen hatte, wuß te er auch nicht, wie er ihn heil auf den Raumhafen von Karagamia herunterbringen konnte. »Es ist soweit«, sagte Mneylat. »Die Maahks sind da.« »Ich weiß«, erwiderte Kourla und erhob sich. Er kam dem Oppositionspolitiker entge gen, um ihn zu begrüßen. »Sie sind pünkt lich.« Eine Sekretärin kam herein und brachte ihm seinen Mantel. »Hoffen wir, daß wir uns einigen können«, sagte er. »Es wäre ein schöner Beweis für unsere planetarische Eigeninitiative und unser kosmisches Verständnis, wenn es uns gelän ge, diese unangenehme Sache aus der Welt zu schaffen.« »Wir werden zahlen müssen, wenn wir den Schaden wirklich beheben wollen, der bei den Maahks entstanden ist.« »Das wird sich zeigen«, antwortete der Prä sident knapp. Mneylat war fest davon überzeugt, daß die Maahks finanzielle Entschädigungen erwarte ten. Vor sieben Tagen war ein havariertes Raumschiff auf Broosei, dem vierten Planeten des Effnoy-Systems, zu dem auch Karagam gehörte, abgestürzt. Es war beim Aufschlag explodiert und hatte an einem ehrgeizigen Erschließungsprojekt der Methans beträchtli chen Schaden angerichtet. Für die Kolonisten von Karagam, die nur über drei kleine Raum schiffe verfügten, war der Absturz ein schwe rer Verlust gewesen. Sie fühlten sich nicht verantwortlich, vor allem nicht die Regie rungskoalition der Modern-Fortschrittlichen unter der Führung von Präsident Kourla. Sie 4
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam ben werden. Von den eingesparten Prämien können wir ein neues, moderneres und größe res Schiff beschaffen.« »Ihren Optimismus in Ehren – ich bin ande rer Meinung.« »Das ist die Opposition immer.« Heigol Mneylat lachte leise. »Ich wäre wirklich überrascht gewesen, wenn Sie nicht versucht hätten, mit mir zu polemisieren.« Die beiden Männer bestiegen einen Gleiter auf dem Parkdach und schweb ten zum Raumhafen hinüber. Sie überflogen eine weitläufige angelegte Stadt, in der es ausschließlich einstöckige Häuser gab. Heigol Mneylat blickte nach vorn. Er konn te das walzenförmige Raumschiff der Maahks bereits erkennen. Es war etwa zweihundert Meter lang, gehörte also eigentlich mehr zur Klasse der Beiboote. Auch Broosei war eben keine Großkolonie, sondern eine relativ be scheidene Niederlassung.
strahlendes Material. Der Zellaktivator, der Lordadmiral Atlan entwendet worden war? Marg schlug den Kragen seines Mantels hoch und rieb die Handflächen fröstelnd an einander. Es war kalt. Er schätzte, daß die Temperaturen nur knapp über dem Gefrier punkt lagen. Das war für diese Jahreszeit un gewöhnlich kalt. Seit Wochen warteten die Siedler schon auf die warmen Südwinde, die den Frühling einleiten sollten. Harker Marg ging entschlossen auf das Haus zu. Er schob die rechte Hand so unter den Mantel, daß er jederzeit nach seiner Waf fe greifen konnte. Die Eingangstür war verschlossen. Marg legte die Hand auf die Signaltaste, als die Tür von innen aufgerissen wurde. Ein untersetzter Mann sprang ihn an und versuchte ihn nieder zuschlagen. Der USO-Spezialist wich gedan kenschnell aus und parierte den Angriff. Doch jetzt stürzte sich ein zweiter Mann auf ihn. Ihm gelang es, ihn zu Boden zu werfen. Marg rollte sich zur Seite, geriet zwischen die beiden Männer, packte sie an den Auf schlägen ihrer Hemdblusen und riß sie mit einem mächtigen Ruck an sich. Er trat zurück, und die beiden Angreifer prallten gegenein ander. Da der Spezialist ihnen gleichzeitig die Handkanten ins Genick schlug, war der Kampf bereits in diesem Moment entschie den. Er legte ihnen unzerreißbare Bänder um die Handgelenke und fesselte sie lose an einen Baum. Sie konnten sich frei bewegen, aber sie konnten nicht weglaufen. Er betrat das Haus und durchsuchte es. Schon bald fand er, was ihn angelockt hatte. Im Keller des Hauses stand eine Bleiplas tikkiste, die zur Hälfte mit einem strahlenden Material gefüllt war. Mit Hilfe eines mitge führten Instruments identifizierte er es als eine Howalgoniumlegierung mittlerer Qualität. Enttäuscht verließ er das Haus. Er war auf zwei illegale Prospektoren hereingefallen. Seine Hoffnung, den Zellaktivator zu finden, hatte sich nicht erfüllt.
* Harker Marg landete mit seinem kleinen Gleiter auf einer Parkinsel, die zwischen sechs bungalowartigen Häusern lag. Zwei Maschinen standen hier. Der USO-Spezialist blickte hinein und stellte fest, daß sie nicht gegen Diebstahl gesichert worden waren. Das Chronometer zeigte die elfte Tages stunde an. Er mußte sich beeilen. Er kehrte zu seinem Flugzeug zurück und nahm ein faust großes Gerät heraus, schaltete es ein und rich tete es auf die Gebäude. Wie erwartet, blinkte ein blaues Licht im Sucherfeld auf, als ein Haus ins Tasterfeld geriet, das recht verwahr lost aussah. Obwohl es nur wenige Jahre alt sein konnte, hatten sich schon einige Risse in den Außenwänden gebildet. Das zeugte da von, daß sich die Bewohner nicht um die Kriit-Ameisen gekümmert hatten, die im Frühjahr gehäuft auftraten und sich wichtige Aufbaustoffe aus dem Kunststoffmaterial der Häuser herauslösten. Harker Marg legte das Gerät zurück und griff nach seinem Kombistrahler, den er ver steckt unter dem Mantel trug. Jetzt mußte sich zeigen, ob seine Recher chen erfolgreich abgeschlossen werden konn ten. In dem Haus befand sich fünfdimensional
* Die beiden Männer standen neben dem 5
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam Baum und zerrten wütend an ihren Fesseln. »He, du«, rief einer von ihnen. »Willst du uns nicht losbinden?« Harker Marg kümmerte sich nicht um sie. Er würde den örtlichen Polizeibehörden einen Hinweis geben. Ansonsten ging ihn der Fall nichts mehr an. Er kehrte zu seinem Gleiter zurück, gab die Meldung durch und startete zum Raumhafen. Vielleicht ergab sich dort etwas Ungewöhnliches. Er rechnete nicht da mit, obwohl er die Meinungsverschiedenhei ten zwischen den Siedlern von Karagam und den Maahks keineswegs unterschätzte. Bei den bevorstehenden Gesprächen aber ging es um Probleme, die ihn nicht direkt tangierten. Als er sich dem Raumhafen näherte, be merkte er zahlreiche Gleiter, die sich eben falls dorthin bewegten. Aber das ließ ihn kalt. Was ihn erregte, war die Unruhe, die in der Funk- und Ortungszentrale des Raumhafen gebäudes plötzlich entstand. Das Spezialgerät, das er in seinem Flugzeug installiert hatte, gab ihm darüber Auskunft. Er hörte die Stimmen der Männer, die immer wieder die Besatzung eines Raumschiffs anriefen, das offenbar zur Landung ansetzte, dabei aber mit viel zu hoher Geschwindigkeit flog. Suchend spähte er in den fahlblauen Him mel hinauf, bis er einen hellen Punkt entdeck te, der sich rasch vergrößerte. Er beschleunig te, um schneller ans Ziel zu kommen. Den Gleiter parkte er am Rande des Raumhafens, wo er ihn schnell wieder erreichen konnte, falls er gezwungen sein sollte, überstürzt auf zubrechen. Er eilte um das Raumhafengebäu de herum auf die Aussichtsterrasse, auf der sich schon viele Bewohner der Hauptstadt eingefunden hatten. Harker Marg sah, daß die Maahks ihr Raumschiff verließen. Sieben mächtige Ges talten schritten auf Präsident Kourla und sein Kabinett zu. Der Spezialist bemerkte, daß Heigol Mneylat, den er persönlich höher ein schätzte als Kourla, ebenfalls unter diesen Männern war. Sie warteten etwa zwanzig Me ter von der Terrasse entfernt auf die Delegati on von Broosei. Sie schienen ahnungslos zu sein. Harker Marg löste sich aus der Menge. Er sprang über die Brüstung. »Ich muß zu Kour la«, sagte er einigen Polizisten, die sich ihm
entgegenstellten. »Das geht jetzt nicht. Das müssen Sie doch einsehen.« »Irgend jemand muß die Maahks warnen. Meine Güte, sehen Sie denn nicht, daß sich hier eine Katastrophe anbahnt? Dieser Ver rückte wird sie alle umbringen.« Die Beamten ließen ihn dennoch nicht durch. Sie hielten ihn fest und blickten starr zu dem Raumschiff hoch, das heulend und pfeifend herabstürzte. Weißglühende Luft massen umgaben es. Endlich begriffen auch die Maahks, daß dieser Empfang ganz anders verlief, als sie es sich vorgestellt hatten. Aber sie erkannten auch, daß sie nicht unmittelbar bedroht waren. Sie blieben stehen und beobachteten das Ge schehen. Unerwartet verringerte sich die rasende Ge schwindigkeit der Space-Jet, deren Außen wände zu glühen schienen. Dennoch kam sie noch immer viel zu schnell herab. Für einen kurzen Moment sah es so aus, als würde der Raumer sich in einer Entfernung von etwa vier Kilometern in den Boden bohren, doch dann stieg er wieder leicht an. Er glich einem Kiesel, der flach über das Wasser geworfen wird und von der glatten Oberfläche abprallt. »Der Mann muß wahnsinnig sein«, sagte Harker Marg. »Es sieht vielmehr so aus, als habe er noch nie so ein Ding geflogen«, entgegnete einer der Polizisten. Mit ohrenbetäubendem Lärm berührte die Space-Jet die Betonplastikbahn des Raumha fens. Glühende Fetzen der Außenwände wir belten davon. Der USO-Spezialist glaubte feststellen zu können, daß der Pilot des Raumschiffs alle Antriebsaggregate abgeschaltet hatte. Offen sichtlich wollte er die Jet über die Piste rut schen lassen, um sie durch die Reibung abzu bremsen. Das gelang ihm auch, obgleich es zunächst schien, als würde die Maschine ohne die geringste Verzögerung über das Landefeld hinausgleiten. Der Lärm wurde unerträglich. Marg preßte die Hände gegen die Ohren und wandte sich halb ab. Harker Marg erschien es, als sei ein Ende in Feuer und Flammen unvermeidlich, denn die Jet bewegte sich genau auf das Raumschiff 6
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam der Maahks zu. Dieses aber war nicht nur größer, sondern verfügte auch über eine be trächtliche umfangreiche Masse. Kein Zwei fel. Die Jet mußte daran zerschellen! Das diskusförmige Raumschiff begann, sich unter der Wucht der darauf einwirkenden Kräfte zu drehen. Nur noch hundert Meter trennten die Jet von dem Maahk-Schiff. Noch immer war sie wenigstens einhundert Stundenkilometer schnell. Die Katastrophe erschien unaus weichlich. Sollte sie explodieren, dann würde sie dabei auch die Außenhülle des MaahkSchiffes aufreißen. Dieses war mit einer Me thangasatmosphäre gefüllt. Harker Marg sah, daß mehr und mehr Männer flohen. Er selbst spürte die Panik in sich aufsteigen. Die beiden Polizisten, die ihn festgehalten hatten, rannten davon. Es drängte ihn, ihnen zu folgen, aber er blieb. Sollte das Schiff der Methanatmer explodieren, dann war in zehn Kilometern Entfernung noch niemand vor der Auswirkung sicher. Präsident Kourla und einige seiner Minister warfen sich zu Boden. Glühende Metallfetzen wirbelten zu ihnen hinüber. Marg hielt den Atem an. Die Jet war noch immer viel zu schnell, aber sie verlor zugleich immer mehr an Geschwindigkeit. Dennoch krachte sie mit ganz beträchtlicher Wucht gegen die Tele skoplandebeine unter dem Bug und zer schmetterten sie. Das Walzenraumschiff neig te sich zur Seite und zerquetschte eine Hälfte der Jet, aus der die Flammen hervorschlugen. Harker Marg erwartete nicht, daß irgend jemand von der Besatzung diesen Aufprall überlebt hatte. Deshalb war er außerordentlich überrascht, als ein Mann aus der Boden schleuse der Jet herauskroch. Der Pilot des Raumers kam taumelnd auf die Beine, lief einige Schritte, stürzte wieder zu Boden und raffte sich erneut auf. Die Maahks waren ihm am nächsten. Sie wandten sich ihm zu und liefen auf ihn zu, um ihm zu helfen. Sie hatten sofort begriffen, daß hier eine echte Notlandung vorlag und keine böse Absicht der Regierung von Karagam. Auch Harker Marg setzte sich in Bewe gung. Er erkannte, daß es sich bei dem Ver letzten um einen Arkoniden handeln mußte. Der Mann bemerkte die Methanatmer.
Bevor irgend jemand es verhindern konnte, zog er einen Energiestrahler aus dem Gürtel und richtete ihn auf die Maahks. »Was tun Sie denn?« schrie Harker Marg. Der Fremde schoß. Der Energiestrahl glitt pfeifend über die Köpfe der Maahks hinweg. Der USO-Spezialist blieb stehen. Er konnte sich den Vorfall nicht erklären. Weder Terra ner noch Arkoniden waren den Methanatmern feindlich gesinnt. Längst hatte man erkannt, daß man sich in seinen gegenseitigen Interes sen nicht beeinträchtigte, weil keine der bei den Parteien ohne Hilfsmittel auf den Plane ten der anderen leben konnte. Die Methanatmer schienen an einen Schock zu glauben. Sie ließen sich nicht abschrecken, sondern liefen in ihrem Hilfsbemühen weiter. Da feuerte der Arkonide erneut. Der Energie strahl fuhr einem Maahks mitten in die Brust. Der Besucher vom Planeten Broosei explo dierte. Harker Marg warf sich zu Boden. In diesem Moment konnte er das Gesicht des Fremden zum erstenmal deutlich sehen. Er war wie gelähmt, denn er identifizierte den anderen sofort als Lordadmiral Atlan! * Atlan wußte nicht, wie er aus der zerstörten Maschine herausgekommen war. Er sah sich plötzlich auf dem Landefeld des Raumhafens und begriff lediglich, daß er noch lebte. Er rannte von der Jet weg, die unter dem Maahkraumer gelandet war. In seinen Innern tobte es, denn er konnte sich nicht erklären, was es zu bedeuten hatten, daß die Todfeinde des Großen Imperiums sich auf diesem Plane ten befanden. Zunächst wollte er sich in Sicherheit brin gen. Dabei dachte er nur daran, daß die Jet explodieren könnte. Er versuchte sich einzu reden, daß der Maahkraumer lediglich ein Beutestück war. Dann aber entdeckte er die mächtigen Gestalten, die auf ihn zuliefen. Der Schreck fuhr ihm in die Glieder. Was trieben die verhaßten Methanatmer hier? War es ihnen gelungen, diesen Planeten zu erobern? Wer waren die Männer und Frauen, die am Raumhafengebäude auf die Me thanatmer warteten? Waren es Verräter, die 7
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam mit dem Todfeind zusammenarbeiteten, um ihre eigene Haut zu retten? Zu dem Schock, der durch die Bruchlan dung verursacht worden war, kam die Panik. Atlan zog den Energiestrahler und gab einen Warnschuß ab. Seltsamerweise beeindruckte er die Metha natmer überhaupt nicht. Sie kamen näher. Atlan feuerte gezielt auf einen der Methanat mer und tötete ihn. Er war überzeugt, daß er nun nur noch wenige Atemzüge lang zu leben hatte, denn er wußte, wie grausam und konse quent dieser Feind zuschlagen konnte. Er wollte sein Leben so teuer wie möglich ver kaufen. In diesem Moment explodierte etwas in der Jet. Eine weiße Stichflamme schoß aus der Maschine hervor, und eine Druckwelle warf sowohl Atlan als auch die Methanatmer zu Boden. Der Arkonide reagierte schneller als sie. Er sprang wieder auf und rannte auf einen Gleiter zu, der am Rande des Raumhafens parkte. Immer wieder blickte er sich um. Er sah, daß die Methanatmer ihn verfolgten. Dann aber zerriß eine erneute Explosion die Space-Jet. Die Delegation von Broosei ent schied sich für das eigene Schiff. Die mächti gen Gestalten kehrten zu ihrem Raumer zu rück. Mehrere Maahks schleusten robotische Löschmaschinen aus, mit denen sie weitere Zerstörungen verhindern wollten. Niemand kümmerte sich um Atlan, der mit dem Gleiter startete.
Schluchten, Grotten und Halden überaus zahl reiche Verstecke boten. Margs Hoffnung, den Fremden vor den ersten Bergen einzuholen, schien sich nicht zu erfüllen. Der Spezialist hatte einen ganz kurzen Moment nicht aufge paßt. Plötzlich war der Gleiter vor ihm ver schwunden. So etwas war ihm noch nie pas siert. Unter sich hatte er ein mit Büschen und Gesteinsbrocken überdecktes Gelände. Dahin ter lag eine tief abfallende Schlucht, hinter der sich die Berge erhoben. Sollte der Arkonide sich hier irgendwo ver borgen haben? Vorsichtig schwebte er an den Felsspalt heran. Er wollte nicht überrascht werden – und steckte doch schon in der Falle. Zwischen einigen haushohen Felsen hervor schoß ein Energiestrahl. Er durchbohrte die Karosserie und traf die Positronik. Der Gleiter sackte ab wie ein Stein, wurde aber von einem NotAntigravkissen aufgefangen, bevor er auf schlagen konnte. Dennoch erfolgte der Ab sturz so abrupt, daß Harker Marg keine Zeit für eine Gegenaktion blieb. Als er die Ma schine endlich verlassen hatte und mit seinem Energiestrahler auf den anderen Gleiter zielen konnte, befand dieser sich bereits außer Schußweite. Fluchend machte Marg sich daran, seinen Gleiter zu untersuchen. Er stellte bald fest, daß er allein den Schaden nicht beheben konnte. Er setzte sich hinter das Steuer und schalte te das Funkgerät ein, um den Wartungsdienst zu rufen. Dabei blickte er zum Raumhafen zurück. Eine tiefdunkle Rauchwolke stand über dem Maahk-Schiff. Eine halbe Stunde verstrich, bis die Trans portmaschine der Werkstatt kam und Marg aufnahm. »Du hast dir viel Zeit gelassen, Erbs«, sagte der Spezialist vorwurfsvoll. Der Mechaniker zuckte mit den Schultern. »In der Stadt ist der Teufel los, Harker«, entgegnete er. »Die Maahks toben, und Kour la weiß offenbar nicht, wie er sie beruhigen soll. Aber das war ja auch zu erwarten.« »So, war es das? Warum hast du ihn dann gewählt?« »Hab ich doch nicht, Mensch.« »Irgend jemand muß ihn ja gewählt haben.«
* Harker Marg erholte sich als erster von dem Schock. Er rannte um das Raumhafengebäude her um und sprang in seinen Gleiter. Als die Ma schine eine ausreichende Höhe gewonnen hatte, erkannte er, daß er eine reelle Chance hatte, den Flüchtigen einzuholen, obwohl die ser mittlerweile einen Vorsprung von mehre ren Kilometern hatte. Marg verfügte über einen Höchstleistungs gleiter, der mit verborgenen Leistungsreser ven ausgestattet war. Rasch holte er auf. Der Arkonide flog auf die Ajot-Berge im Norden zu, die nur mäßig bewaldet waren, aber wegen der zahlreichen 8
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam Der Mechaniker stemmte empört die Hände in die Seiten. »Also, was willst du eigentlich? Willst du von mir abgeschleppt werden oder willst du mit mir politisieren?« »Ich will zur Stadt und zwar möglichst bald.« »Dann halt den Mund ein paar Minuten lang geschlossen.« »Wenn's unbedingt sein muß!« Harker Marg setzte sich mürrisch auf den Nebensitz des Transporters und sah zu, wie der Mechaniker die beschädigte Maschine mit Hilfe eines Antigravprojektors auf die Lande plattform hob. Er schwieg auch noch, als sie in Richtung Karagamia flogen. »Ich möchte wissen, wer dieser Verrückte gewesen ist«, sagte der Mechaniker. »Keine Ahnung.« Er seufzte. »Wieso wird Kourla nicht mit den Methanatmern fertig?« »Sie haben ihn angebrüllt wie einen dum men Jungen. Dann haben sie sich in ihr Schiff zurückgezogen und jede Hilfe abgelehnt. Als dennoch ein Löschfahrzeug kam, haben sie die Besatzung paralysiert.« Harker Marg verfiel wieder in Schweigen. Er sagte erst wieder etwas, als er die Stadt erreichte. Er ließ sich in der Nähe der örtli chen Televisionszentrale absetzen und er schien wenig später beim Chefredakteur. »Ich muß sofort mit Ihnen sprechen«, er klärte er. »Ich habe keine Zeit. Kommen Sie später wieder.« Harker Marg wies sich als USO-Spezialist aus. »Das ist natürlich etwas anderes«, sagte Jao Peire zögernd. »Was wollen Sie?« »Ich bin davon überzeugt, daß Sie Auf nahmen von den Vorfällen haben. Die möchte ich sofort sehen.« Der Chefredakteur wollte ausweichen, doch Mark ließ keine Zweifel daran aufkommen, daß er sich mit allen Mitteln durchsetzen würde. »Also gut, kommen Sie mit.« Peire führte den Spezialisten in einen Vor führraum und rief den Film ab. »Es ist der Rohstreifen«, sagte er entschul digend. »Es sind noch ziemlich viel Mängel darin.«
Harker Marg antwortete nicht. Er blickte schweigend auf die Bilder, die durch die Tri videowürfel liefen. Als die Kamera nahe an den Arkoniden he ranfuhr, befahl er, den Film zu stoppen. »Können Sie eine Ausschnittsvergrößerung machen?« »Das ist kein Problem.« Jao Peire drehte an einem Knopf am Wür fel. Das Gesicht des Arkoniden erschien ver größert und gestochen scharf in der Projekti onseinheit. »Das ist doch ...«, sagte der Chefredakteur betroffen. »Ganz recht«, unterbrach ihn der USOSpezialist. »Das ist Lordadmiral Atlan. Das ist alles, was ich wissen wollte.« »Nein«, erwiderte Peire. »Das ist nicht At lan. Das muß sein Sohn sein.« »Wenn Sie meinen«, entgegnete Marg und verließ den Raum. Schon fünf Minuten später betrat er einen geheimen Kellerraum in seinem Bungalow. Und wiederum zwei Minuten darauf ging ein Hyperkomspruch hinaus. Harker Marg war sich darüber klar, daß er die vielleicht wichtigste Botschaft seit Jahren nach Quinto-Center gefunkt hatte. Er konnte sich keinen Reim darauf machen, was dort geschehen war und was sich auf Karagam wirklich ereignet hatte, aber er wußte eines: Wer auch immer der Arkonide war, der ihn abgeschossen hatte, es war ganz sicherlich nicht Atlan. 2. Quinto-Center. 29.4.2843 Lordadmiral Atlan saß an seinem Arbeits tisch, als sein Stellvertreter Ronald Tekener zu ihm kam. Der Oberst beobachtete den Ar koniden mit wachen Augen. »Die Zeit ist bereits überschritten«, stellte er fest. Atlan nickte nur. Das brauchte ihm nie mand zu sagen. Er wußte, daß der Peilsender in der Space-Jet, mit der sein Doppelgänger geflohen war, längst ein Zeichen hätte senden müssen. Er war an die Sauerstoffversorgung angeschlossen worden und mußte in dem Moment ein Hyperfunksignal abgeben, in 9
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam dem die Vorräte unter eine bestimmte Marke sanken. Das mußte bereits der Fall sein. »Ich kann mir nicht denken, daß sie diesen Sender auch gefunden haben«, sagte Tekener und setzte sich. »Die einzige Erklärung wäre, daß sie auf einem Sauerstoffplaneten gelandet sind und die Schleusen geöffnet haben.« Er blickte Atlan an. Nur noch knapp vierzig Stunden blieben dem Lordadmiral. Länger konnte er ohne den lebenserhaltenden Zellak tivator nicht auskommen. Gelang es ihm nicht, das Gerät bis dahin zurückzugewinnen, dann würde ein rapider Zellverfall einsetzen und ein mehr als zehntausendjähriges Leben beenden. Noch blieb eine Chance. Atlan hatte den Befehl an alle Planeten gegeben, die von dem Raumschiff unter den gegebenen Umständen angeflogen werden konnten, jeden ungewöhn lichen Vorfall nach Quinto-Center zu melden. Auf jeder dieser Welten lebte wenigstens ein USO-Spezialist. »Tek«, sagte Atlan, »ich habe hier eine Lis te der Arbeiten zusammengestellt, die auf jeden Fall erledigt werden müssen, wenn ich ...« »Ich hatte vor, Sie zu begleiten«, unter brach ihn der Oberst. »Davon sprach ich nicht«, erwiderte der Arkonide. Er kam nicht mehr weiter, denn in diesem Augenblick erhellte sich einer der Bildschir me auf seinem Arbeitstisch. »Sir, hier liegt eine Meldung von dem Pla neten Karagam im Effnoy-System vor. Ihr Doppelgänger scheint dort aufgetaucht zu sein.« Das Bild wechselte. Der Text der Nachricht erschien im Trivideowürfel. »Das ist es«, sagte Atlan. Er sprang auf und eilte zur Tür. Ronald Tekener folgte ihm. »Tek, es ist besser, wenn Sie hier bleiben.« »Sir, die Frist könnte überschritten werden, dann habe ich den Zellaktivator dabei, der Ihnen helfen könnte, einige weitere Stunden zu gewinnen.« Atlan blieb stehen. Er wußte das Angebot des Obersten zu schätzen. »Gut«, stimmte er zu. »Kommen Sie mit.« Die beiden Männer eilten zu einem Hangar, in dem eine schnelle Korvette startbereit auf
sie wartete. Das Raumschiff startete und beschleunigte mit Höchstwerten, kaum, daß Tekener und Atlan die Schleuse betreten hatten. Die Jagd nach dem Zellaktivator begann. * Broomer-Atlan war sich darüber klar, daß er einen verhängnisvollen Fehler gemacht hatte, als er sich von seinem Haß gegen die Methanatmer hatte überwältigen lassen. So etwas hätte ihm nicht passieren dürfen. Er befürchtete, daß jener Mann, der seinen Kör per übernommen hatte, überall über Spione und Kontaktleute verfügte. So auch auf dieser Welt. Mit seinem unüberlegten Schüssen auf die Methanatmer hatte er ihn vielleicht auf seine Spur gebracht. Er blickte zurück. Niemand folgte ihm. Das hat nichts zu bedeuten, meldete sein Extrasinn. Natürlich nicht. Sobald sich die Aufregung am Raumhafen gelegt hatte, würde man ein Suchkommando zusammenstellen, das ihn hetzte. Er wußte aber, daß er nicht mehr lange durchhalten mußte. Wenn die Informationen richtig waren, die er erhalten hatte, dann wür de sein Doppelgänger tot sein, sobald eine bestimmte Frist verstrichen war. Danach wür de alles anders aussehen. Vielleicht war man dann bereit, vernünftig mit ihm zu verhan deln. Nur noch er selbst war danach Atlan, niemand sonst. Sie werden bald kommen, warnte der Lo giksektor. Sie können den Zellaktivator orten. Atlan II tastete nach seiner Waffe. Er zog sie aus dem Gürtel und untersuchte sie. Dabei stelle er wieder einmal fest, daß es solche Konstruktionen wie diese in jener Zeit, an die er sich erinnerte, nicht gegeben hatte. Er war allein mit dem Gleiter in dem kar gen Bergland. Braun und rot zogen sich die Berge bis zum Horizont hin. In den Tälern grünten Moos, Flechten und niedriges Ge büsch. Selten zog sich der Pflanzengürtel bis zu den Spitzen der Berge hinauf. Ihm schien jedoch, daß die Vegetation immer mehr zu nahm, je weiter er nach Norden kam. Dieser Planet bot ihm nicht sehr viele Mög 10
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam lichkeiten. Er würde ihn bald wieder verlassen müssen. Von den Siedlern erwartete er keine Hilfe. Sie hatten sich offensichtlich den Me thanatmern unterworfen, die seit Jahren einen erbitterten und gnadenlosen Krieg gegen das Große Imperium führten. Seit Jahren? Atlan stutzte. Er befand sich in einer anderen Zeit. Daran zweifelte er nun nicht mehr. Dies war nicht mehr das Jahrhundert Orbanaschols. Wie lan ge dauerte der Krieg schon? Wie verliefen die Fronten? Befand er sich im Grenzgebiet, oder war er einem Kommandounternehmen begeg net, das tief in den Bereich Arkons einge drungen war? Er machte sich Vorwürfe, weil er in Quin to-Center die Gelegenheit nicht genutzt hatte, sich Auskünfte über den Krieg geben zu las sen. Atlan verdrängte diese Gedanken. Er mußte sich auf wichtigere Fragen kon zentrieren. Er mußte sich irgendwo verste cken, wo er die nächsten Tage überstehen konnte. Während der Gleiter mit automati scher Steuerung weiterflog, untersuchte Broomer-Atlan die einzelnen Fächer im In nern. Er hoffte, etwas zu Essen zu finden, doch er wurde enttäuscht. Außer ein paar Sü ßigkeiten war nichts vorhanden. Seine rechte Hand legte sich um den Zel laktivator auf seiner Brust. Er fragte sich, ob die Impulse auch ihn in so schreckliche Weise verändern würden wie Kalib Broltan, den Springer. Du bist Atlan, signalisierte der Logiksektor. Damit konnte er noch nicht allzu viel an fangen. Er wußte, daß er Atlan war, aber er glaubte noch immer daran, daß sein Gehirn in den Körper eines Springers transplantiert worden war. Bildeten Körper und Gehirn schon jetzt eine so unlösbare Einheit, daß die Impulse des Zellaktivators beide aktivierte und am Leben erhielt? Er hielt es nicht mehr aus. Nervös knöpfte er sich seine Bluse auf und schob sie über die Schultern zurück. Kalib Broltan hatte ihn zweimal mit einem Strahl stab an der Schulter getroffen. Bis jetzt hatte er keine Zeit gehabt, sich um die Wunden zu kümmern.
Er atmete heftiger, als er sah, daß die Wun den nicht mehr bluteten. Sie hatten sich fast geschlossen und harte Krusten gebildet. Was ihn jedoch beunruhigte, war die bläuliche Färbung der Haut rings um die Einstiche, die auf eine Infektion schließen ließ. Er zog die Bluse wieder zu. Seine Hand krampfte sich um den Zellaktivator. Mit sei ner Hilfe war der Heilungsprozeß beschleu nigt worden. Der Zustand der Wunden war ein eindeutiger Beweis für diese Annahme. Doch die Infektion konnte gefährlich sein. Er ließ den Gleiter in eine langgestreckte Schlucht sinken, die in nordwestlicher Rich tung verlief. Sie war erstaunlich stark bewal det im Vergleich zu anderen, die er gesehen hatte. Ein kleiner Fluß schlängelte sich hin durch und weitete sich an mehreren Stellen zu Seen. Hier entdeckte Atlan II die ersten Vö gel. Es waren grüne Hautflügler, die nach kleinen Fischen jagten. Als das Flugzeug einen tiefen Einschnitt er reichte, fiel Atlan ein Berg auf, der wie ein gigantischer Ameisenhügel aussah. Zwischen verdorrtem Laub und Gehölz waren überall Höhlungen und Öffnungen zu erkennen. Er lenkte die Maschine zu diesem Berg, weil er ihn interessierte. Er war überrascht, als er ein kleines Feuer zwischen den Felsen brennen sah. Er flog mit dem Gleiter darüber hinweg und blickte nach unten. Einige Aus rüstungs- und Arbeitsgeräte lagen neben dem Feuer. Sie ließen nicht eindeutig darauf schließen, was die Besitzer der Geräte hier in den Bergen trieben. Atlan vermutete, daß es sich um Prospektoren handelte. Er setzte den Gleiter in der Nähe des Feuers ab, stieg aus und legte den Kombistrahler de monstrativ auf den Pilotensitz. Er wirkte äußerst gelassen, als er sich an das Feuer setzte und die Hände über die Flammen hielt, um sie zu wärmen. Eine geraume Zeit verging, bis er ein Ge räusch hinter sich hörte. Er drehte sich um. Ein bärtiger Mann stand an seinem Gleiter und nahm den Kombistrahler vom Sitz. Er betrachtete die Waffe, prüfte die Energie kammer und legte sie schließlich wieder zu rück. Er ließ die Tür zufallen. Er tat, als habe er den weißhaarigen Mann am Feuer erst jetzt entdeckt. Grüßend nickte 11
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam er ihm zu. Broomer-Atlan musterte den Prospektor. Er trug einfache, auffallend saubere Kleider. Sein Gesicht wirkte trotz des Bartes klein. Die grauen Augen begegneten dem Blick Atlans. Sie waren kalt und scharf. »Nun?« »Was – nun?« fragte der junge Mann. Der Prospektor ging zu einem Felsbrocken und nahm etwas auf, was dort im Gras lag. Als er zum Feuer kam, sah Atlan, daß es ein angebratenes Stück Fleisch war. Der Fremde spießte es auf einen Ast und hielt es ins Feuer, wo er es langsam drehte. »Nun? Das heißt, ich will wissen, was ich von diesem Besuch zu halten habe, Junior.« »Ich bin hier zufällig vorbeigekommen. Ich will weiter nach Norden.« Der Prospektor nickte. »So etwas habe ich mir gedacht. Dringende Geschäfte, wie?« Er blickte Atlan drohend an. »Für was hältst du uns? Im Norden ist nichts als Einöde. Da gibt es nichts zu finden. Außerdem ist der Gleiter leer. Was macht ein Mann ohne Ausrüstung im Norden?« »Das würde mich auch interessieren«, er klärte ein Mann mit tiefer Stimme, der lautlos von hinten an ihn herangetreten war. Atlan drehte sich herum, als sei er nicht im geringsten überrascht. »Hallo«, sagte er und hob grüßend einen Arm. Der zweite Prospektor reichte ihm die Hand und setzte sich ebenfalls ans Feuer. »Mein Name ist Radman.« Er war unge wöhnlich groß und schwer. Atlan schätzte, daß er ihn um wenigstens zwei Köpfe über ragte. Das fleischige Gesicht mit den pech schwarzen Augen und der langen Nase mach te einen gutmütigen Eindruck. »Mein Name ist Cheray«, erwiderte Atlan II. »Cheray?« wiederholte der andere. »Cheray Atlan? Ich habe nicht gewußt, daß der Lord admiral einen Sohn namens Cheray hat.« »Ich bin nicht sein Sohn, ich bin Atlan«, antwortete der Kristallprinz zornig. »Ich bin der Sohn Gonozals.« »Das glaubst du vielleicht, Junior«, sagte Radman abfällig lächelnd. »Mir scheint aber,
daß dieser mir unbekannte Herr nur dein Pa pier-Papa gewesen ist, während der leibliche Erzeuger der Arkonide war.« Atlan II richtete sich ruckartig auf. »Wie können Sie es wagen, so etwas zu sa gen?« herrschte er den Prospektor an. Radman verzog die Lippen. »Soll ich dich fragen, Junior, wie du dazu kommst, uns hier dreiste Märchen aufzuti schen? Das haben Ela Pam und ich nicht so gern.« »Ich bin auf der Flucht«, erwiderte der Weißhaarige. »Ich werde von einem Mann bedroht, der sich für Atlan hält. Außerdem kam es bei meiner Landung auf dem Raumha fen zu einem unangenehmen Zwischenfall. Die Methanatmer haben die Stadt erobert. Als sie mich angriffen, habe ich einen von ihnen erschossen.« »Die Methanatmer?« fragte Radman ver wirrt. »Du willst damit sagen, daß die Maahks Karagamia übernommen haben?« »Ich möchte Sie bitten, die Formen zu wah ren«, erklärte Atlan II steif. »Bitte, verzichten Sie auf die vertrauliche Anrede.« »Ich habe nie gehört, daß Atlan hochnäsig ist«, sagte Radman. »Ist dir unsere Gesell schaft nicht fein genug, mein Junge? Dann kannst du ja weiterfliegen.« »Darum geht es nicht. Sie scheinen jedoch nicht zu begreifen, was ich gesagt habe. Eine vertrauliche Anrede stört mich nicht. Mir mißfällt es jedoch, wenn jemand meint, sich über mich lustig machen zu können.« »Das ist ein starkes Stück«, entgegnete Ela Pam. »Du kommst hierher und erzählst uns allerlei Unsinn. Dann aber verlangst du, daß wir das alles für bare Münze nehmen sollen.« »Ich habe die Wahrheit gesagt. Was hätte ich davon, Sie zu belügen?« »Du hast also einen Maahks erschossen?« »Allerdings. Ich bedauere, daß meine Bordkanonen nicht funktionierten, sonst hätte ich dem Spuk sehr schnell ein Ende bereitet.« »Die Bordkanonen?« fragte Radman er schrocken. »Du hättest damit auf die Metha natmer geschossen?« »Selbstverständlich. Wenngleich die Stadt offenbar nicht zum Großen Imperium von Arkon gehört, muß sie doch auf unserer Seite stehen, denn die Methanatmer sind ihre Fein 12
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam de.« Ela Pam schnitt ein Stück von dem Fleisch ab und reichte es Atlan. »Komm, Junge, iß etwas, damit du wenigs tens für ein paar Minuten still bist.« Atlan II nahm das Fleisch und verzehrte es. Die Worte der beiden Männer machten ihn stutzig. Er wußte nicht, was er davon halten sollte. War er zwei Schwachsinnigen begeg net? Er glaubte mittlerweile, daß er einen Sprung durch die Zeit gemacht hatte, aber ein klares Bild seiner Situation hatte er immer noch nicht gewonnen. Nach wie vor war er so sehr von dem Bestand des Großen Imperiums überzeugt, daß er noch nicht einmal daran dachte, es in Frage zu stellen. Der Krieg mit den Maahks wurde mit aller Härte geführt, wobei sich ein Ende noch lange nicht ab zeichnete. Atlan II war sich dessen sicher, daß er die Vorgänge am Raumhafen richtig verstanden und korrekt wiedergegeben hatte. Wenn Radman und Ela Pam ihm nicht glaubten, dann konnte das nur daran liegen, daß sie psychisch krank waren. Vielleicht hatten sie deshalb den ganzen Berg durchwühlt? Wo war das Mineral, was sie aus dem Gestein geholt hatten? Atlan II nahm sich vor, vorsichtig zu sein. Er mußte so schnell wie möglich weiter, so bald er etwas gegessen hatte. »Wonach suchen Sie hier?« fragte er und deutete auf den Berg. »Haben Sie das Gestein so durchwühlt?« Radman schüttelte den Kopf. »Nein, das waren Insekten.« Er antwortete nicht auf die erste Frage. Er und Ela Pam blickten sich an. Atlan fühlte sich unbehag lich. Er spürte, daß es ein Fehler gewesen war, hier zu landen. Wenn die Prospektoren etwas Wertvolles gefunden hatten, dann fürchteten sie, es durch ihn zu verlieren. Viel leicht hatten sie auch Angst davor, daß er von ihren Erfolgen berichtete und damit weitere Glücksritter dazu verleitete, hier ebenfalls zu suchen. »Ich werde weiterfliegen«, erklärte Atlan. »Nach Norden?« fragte Radman spöttisch. »Ich muß mich irgendwo verstecken«, gab der Weißhaarige zu. »In ein oder zwei Tagen
sieht alles anders aus.« »Du hast keinen Grund, dich zu verkrie chen, Junior«, sagte Ela Pam. »Es sei denn, daß du ein Verbrechen begangen hast – aber danach siehst du mir eigentlich nicht aus. Es wäre besser, wenn du nach Karagamia zu rückkehrst, um dort reinen Tisch zu machen.« »Reinen Tisch? Das verstehe ich nicht.« »Du hast einen Maahk ermordet«, antwor tete Ela Pam kalt. »Du solltest den Leuten aus der Stadt erzählen, warum du das getan hast.« Atlan II erwiderte nichts darauf. Der Rat, den der Prospektor ihm erteilte, bestärkte ihn jedoch in der Ansicht, daß er es mit Schwach sinnigen zu tun hatte. »Willst du?« fragte Radman. »Was?« »Zur Stadt zurückfliegen?« »Ich denke nicht daran.« Ela Pam erhob sich. »Ich komme gleich wieder.« Atlan II blickte ihm nach, bis ihm aufging, daß der Prospektor ein Visiphongespräch mit der Stadt führen wollte. »Hiergeblieben«, rief er und sprang auf. Ela Pam drehte sich um. Seine Augen blitz ten spöttisch. »Was gibt's denn?« Auch Radman stand auf. »Ich bin nicht damit einverstanden, daß Sie mit den Leuten von Karagamia sprechen – jedenfalls nicht, wenn ich nicht dabei bin.« »Das wirst du kaum verhindern können, Junior.« »Ich warne Sie, Ela Pam.« Radman legte ihm die Hand auf die Schul ter. Seine Fingerspitzen gruben sich ihm ins Fleisch. Atlan II fuhr herum, und sein Ellen bogen bohrte sich dem Prospektor in die Herzgrube. Radman beugte sich keuchend nach vorn, warf sich dann jedoch überra schend gegen Atlan und schleuderte ihn zu Boden. Sein Gesicht verfärbte sich vor Zorn, als er ausholte, um dem jungen Mann mit einem Faustschlag Respekt beizubringen. Doch der Arkonide entglitt ihm mühelos. Er zog sich an ihm hoch und hieb ihm blitz schnell von beiden Seiten die Handkanten gegen den Hals. Radman hatte damit gerechnet, denn er krümmte sich und nahm dem Angriff die vol 13
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam le Wirkung. Dennoch war er für kurze Zeit kampfunfähig. Atlan II rannte auf Ela Pam zu, der noch immer an der gleichen Stelle stand und dem Kampf interessiert zugesehen hatte. Jetzt zog er einen Energiestrahler und richtete ihn auf den Doppelgänger des Lordadmirals. Atlan II schnellte sich mit einem mächtigen Satz auf ihn und schlug die Waffe zur Seite. Der nadelfeine Energiestrahl fuhr nur einen Fingerbreit an seiner Schläfe vorbei. Damit war klar, daß Ela Pam nicht scherzte. Er war bereit, den unwillkommenen Besucher zu töten. Die harte Reaktion des Prospektors zwang Atlan schnelle und nicht weniger konsequente Gegenmaßnahmen auf. So setzte er einen le bensgefährlichen Angriff an, mit dem er Pam das Genick brechen konnte, falls dieser nicht augenblicklich mitging. Ela Pam begriff so fort. Er sträubte sich nicht gegen den Zug, sondern gab nach. Er überschlug sich, stürzte zu Boden und verlor das Bewußtsein. Atlan II drehte sich sofort um, da er fürch tete, von Radman erschossen zu werden. Er wollte zu diesem zurückkehren, aber es war schon zu spät. Sein eben noch kampfunfähi ger Gegner stand vor ihm und hieb ihm einen Wasserbehälter über den Kopf. Der Arkonide stürzte auf die Felsen und blieb reglos liegen. Radman schleuderte den Tank zur Seite und kniete bei Atlan II nieder. Dabei sah er, daß Ela Pam sich bewegte. Das zeigte ihm, daß auch dieser den Kampf überstanden hatte. Er legte seine Finger an die Halsschlag adern des Ohnmächtigen. »Verrückt oder nicht, Junior«, sagte er, »ei nes muß man dir lassen. Kämpfen kannst du.«
vor Marg mit dem Posten hatte sprechen kön nen. »Du kannst hier nicht durchgehen, Harker«, erklärte der Offizier. »Was ist los, Flek? Was soll das alles? Sieht es schon so schlimm aus?« Der Offizier reichte ihm die Hand. Er nick te. »Leider, ja, Harker.« »Was ist passiert?« »Heigol Mneylat hat alles auf eine Karte gesetzt.« »Was hat er angestellt?« »Er ist zu den Methans gegangen, um mit ihnen zu verhandeln.« Harker erschrak. Er erinnerte sich daran, daß die Maahks angekündigt hatten, sie wür den jeden erschießen, der sich ihrem Schiff näherte. Mneylat hatte eine derartige Demonstration gar nicht nötig. Er galt schon jetzt als sicherer Sieger der nächsten planetarischen Wahl. Kourla hatte versagt. Der von ihm propagierte »Fortschritt« hatte sich als Stagnation erwie sen. Wenn Mneylat getötet worden war, dann hatte Karagam seinen fähigsten Politiker ver loren. »Haben Sie ihn umgebracht?« Flek schüttelte den Kopf. »Das nicht. Sie haben ihn geschnappt und als Geisel an Bord genommen.« Marg atmete auf. »Dann ist ja alles nicht so schlimm.« »Vielleicht doch«, entgegnete der Offizier. »Die Maahks sind kühle Rechner. Sie haben sozusagen Bilanz gemacht und halten uns jetzt vor, was wir zu leisten haben, um die entstandenen Schäden auszugleichen. Die Summe ist horrend.« Damit war zu rechnen. Harker Marg war von Anfang an der Meinung gewesen, daß die Karagamer für die auf Broosei entstandenen Schäden voll aufkommen mußten. »Sie erwarten erstens, daß wir die Zerstö rung auf Broosei beheben und das Wrack ab transportieren, obwohl es nur noch ein Trümmerhaufen ist. Zweitens wollen sie, daß wir eines ihrer Reparaturunternehmen nach Karagam einfliegen lassen«, fuhr der Offizier fort. »Es soll den Havaristen hier auf dem Raumhafen wieder in Ordnung bringen. Dazu
3. USO-Spezialist Harker Marg verließ sein Haus, von dem aus er die Hyperfunknachricht abgestrahlt hatte, und flog mit seinem Gleiter zum Raumhafen. Er kam nicht sehr weit, denn die Regierung hatte Sperren eingerichtet, die nicht überschritten werden durften. Marg landete in der Nähe eines Postens und ging zu ihm hinüber. Ein Offizier, den er gut kannte, kam aus einem nahen Haus, noch be 14
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam kommen dann noch Ausgleichsforderungen für Funktionsausfall – was immer sie auch darunter verstehen. Darüber hinaus müssen Zahlungen für Ablaufstörungen, moralische Beeinträchtigung, Gefährdung maahk'schen Lebens und Vernichtung maahk'schen Lebens geleistet werden.« »Das ist eine ganze Menge«, entgegnete Harker Marg, »aber aus ihrer Sicht nicht zu viel verlangt. Kourla hat nun einmal viel Un sinn angerichtet. Leider müssen es nicht nur seine Wähler auslöffeln.« »Ich habe gehört, daß du Steuerprivilegien hast, Harker«, sagte der Offizier argwöhnisch. »Stimmt das?« Der Spezialist lachte ihm ins Gesicht. »Was soll der Blödsinn, Flek? Ich bin Po sitronik-Ingenieur und Hyperfunkmechaniker, mehr nicht. Mit Politik habe ich nichts zu tun. Ich zahle mehr Steuern als du, Staatsdiener sind ja immer besser dran.« »Wirklich? Na, wahrscheinlich verdienst du auch dreimal soviel wie ich. Da kannst du auch mehr zahlen.« Flek lächelte unsicher. »Du kannst dich freuen, Harker. Die Steuern werden noch steigen.« »Das wird sich zeigen.« »Anders kann Karagam die Forderungen der Maahks gar nicht finanzieren.« »So schlimm ist das alles auch wieder nicht.« »Sie haben durch Mneylat mitteilen lassen, daß sie ein Sicherheits- und Abschirmge schwader angefordert haben. Karagam soll für die Kosten dieses Unternehmens aufkommen. Kannst du dir vorstellen, was sie uns in Rech nung stellen werden, wenn hier demnächst einhundert Raumschiffe von jeweils 2000 Metern Länge auftauchen?« »Wenn das der Fall sein sollte, Flek, dann ist Karagam pleite.« »Siehst du, Harker, das hat sich auch Kour la gesagt, und deshalb hat er die Sperren er richten lassen.« Harker Marg blickte den Offizier an und schüttelte den Kopf. »Willst du damit sagen, daß Kourla sich hinter den Sperren verkrochen hat?« Der Offizier lächelte. »Das würde ich niemals behaupten, Harker. Ich stelle nur fest, daß Kourla im Sperring ist,
weil er selbstverständlich in der Nähe der Maahks sein muß, wenn er mit ihnen verhan deln will.« »Jetzt solltest du mich aber durchlassen, Flek.« »Das geht nicht, beim besten Willen nicht.« Der USO-Spezialist überlegte kurz, dann griff er in eine Seitentasche seiner Hose und hielt dem Offizier eine Plastikplakette hin. »Es tut mir leid, daß ich dir das nicht früher sagen konnte«, sagte er. Der Polizist blickte ihn fassungslos an. »Wenn ... wenn du von der USO bist«, fragte er stammelnd, »warum beteiligst du dich dann nicht an der Jagd nach diesem ver rückt gewordenen Atlan?« »Das habe ich bereits getan, Flek, und ich bin zu der Ansicht gekommen, daß meine Anwesenheit am Raumhafen wichtiger ist als die Jagd nach diesem Pseudo-Atlan.« »Pseudo-Atlan?« »Das erkläre ich dir später. Läßt du mich jetzt durch?« »Natürlich, Harker, ich ahnte ja nicht, daß du ...« Der USO-Spezialist kehrte zu seinem Glei ter zurück, startete und überflog die Sperre. Dabei winkte er dem Offizier freundschaftlich zu. Er konnte sich vorstellen, wie überrascht Flek tatsächlich war. Sie waren jahrelang be freundet gewesen. Für Flek mochte es ein Schock sein, daß Harker Marg während der ganzen Jahre eine Doppelrolle gespielt hatte. Der Spezialist machte sich einige Notizen. Die Lage hatte sich rapide verschlechtert. Zweifellos war Präsident Kourla überfordert. Er war nicht viel mehr als ein Kommunalpoli tiker. Den Maahks war er in keiner Weise gewachsen. Marg erwartete in dieser Hinsicht erheblich mehr von der Geisel, die die Me thans in ihr Schiff genommen hatten. Er landete hinter dem Raumhafengebäude, wo zahlreiche Polizisten postiert waren. Sie wollten ihn zurückweisen, doch auch hier bewirkte seine USO-Plakette wahre Wunder. Harker Marg betrat das Raumhafengebäu de. Blitzschnell sprach sich die Neuigkeit herum. Da alle Polizisten mit Funksprechge räten ausgerüstet waren, brauchte er sich nicht mehr auszuweisen. Wohin er auch kam, über all wußte man bereits Bescheid. Selbst Präsi 15
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam dent Kourla war unterrichtet. Als Harker Marg den Kontrollraum betrat, kam ihm der Politiker bereits entgegen. Kourla streckte ihm die Hand hin. »Mein Freund, ich wußte ja gar nicht, daß Sie ...« Harker Marg ergriff die Hand und sagte: »Ich rechne damit, daß Lordadmiral Atlan sehr bald hier eintreffen wird.« Bestürzt blickten ihn Kourla und die ande ren Männer und Frauen im Kontrollraum an. Niemand schien seine Worte zu begreifen. »Der Mann, der für das Chaos auf dem Raumhafen verantwortlich ist, ist natürlich nicht der Lordadmiral, sondern ein Doppel gänger«, erklärte der Spezialist. »Ich bin ü berzeugt davon, daß mein Chef diesen Fall selbst übernehmen wird. Deshalb bitte ich Sie, ihm bei einer Landung jede nur mögliche Hilfe zu gewähren und ihn nicht aufzuhalten. Er weiß genau, was er tut.« Kourla blickte Marg unsicher an. »Lordadmiral Atlan hat in der Tat seine Landung angekündigt. Wir rechnen damit, daß er in drei oder vier Minuten hier sein wird. Wir haben versucht, ihn auf die Situati on aufmerksam zu machen, aber er hat es ab gelehnt, schon jetzt mit uns darüber zu spre chen.« Harker Marg lächelte. Das Erfolgsgefühl belebte ihn. Der jahre lange Verzicht hatte sich gelohnt. Seine Stati onierung auf Karagam erwies sich als sinn voll. »Dann fügen Sie sich«, sagte er zum Präsi denten. »Warten Sie ab, bis Atlan Zeit hat, unsere Angelegenheiten in die Hand zu neh men, aber legen Sie ihm nichts in den Weg.« »Das können wir nicht«, erklärte Kourla. »Die Maahks haben ein Ultimatum überge ben. Grek-1 teilt mit, daß die Sauerstoffzufuhr zu der Kabine von Heigol Mneylat unterbro chen wurde. Er hat nur noch drei Stunden zu leben. Wenn wir nicht innerhalb dieser Zeit vertraglich festlegen, daß wir alle Forderun gen der Maahks erfüllen werden, wird er ster ben.« »Das kann ich mir schwer vorstellen.« »Grek-1 sagt: Leben gegen Leben. Einer von ihnen, einer von uns.« Harker Marg schüttelte den Kopf. Er ging
am Präsidenten vorbei zu dem großen Fenster und blickte auf den Raumhafen hinab. Das Feuer im Maahkraumschiff war gelöscht wor den. Ausgeglüht lag die Space-Jet unter den zusammengebrochenen Landebeinen. »Es entspricht nicht der Mentalität der Maahks, ein Leben so hoch einzuschätzen«, sagte er. »Leben war für sie noch nie ein Problem. Warum sollte es das jetzt sein?« »Atlan kommt«, rief einer der Funker. Harker Marg erkannte einen dunklen Punkt im fahlen Blau des Himmels. Rasch wurde er größer. Er identifizierte das Schiff als eine Korvette. * Lordadmiral Atlan blickte Ronald Tekener an. »Das wär's«, sagte er erleichtert. Auf einem Ortungsschirm leuchteten zwei rote Punkte in raschem Wechsel auf. »Der Zellaktivator ist also auf Karagam«, stimmte der Oberst zu. »Wir haben Glück gehabt.« »Das wird sich zeigen.« Der Arkonide er hob sich. Verstohlen wischte er sich die Trä nen der Erregung aus den Augen. Die unge heure Spannung der letzten Stunden fiel von ihm ab. Bis vor wenigen Sekunden hatte er nicht gewußt, wie groß seine Chancen gewe sen waren, und ob er überhaupt welche hatte. Jetzt aber hatte er die Spur des geflohenen Atlan II wieder aufgenommen. Der Kommandant der Korvette, Oberst Hal Aptor, ein wuchtig gebauter Epsaler, kam zu Atlan. »Der Präsident von Karagam wendet sich an uns Sir«, meldete er. »Sie haben beträchtli che Schwierigkeiten mit den Maahks.« Mit knappen Worten berichtete er, was auf dem Raumhafen geschehen war. »Er bittet Sie nun, die Sache in Ordnung zu bringen«, fuhr er fort. »Er meint, daß dieser Konflikt sozusagen eine Familienangelegen heit für Sie sei.« »Kourla scheint mir ein recht intelligenter Mann zu sein«, entgegnete der Lordadmiral ironisch. Er wandte sich an Tekener: »Tek, das können Sie übernehmen.« Ronald Tekener antwortete nicht. Atlan 16
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam ahnte jedoch auch so, was er sagen wollte. »Falls ich Sie brauche, werde ich Sie rufen. Sie können sich darauf verlassen, daß ich die 62 Stunden nicht aus falschem Stolz über schreiten werde, ohne Ihr Angebot anzuneh men.« »Zwei Stunden vor Ablauf der Frist werde ich Ihnen auf jeden Fall folgen«, erklärte der Oberst. »Gleichgültig, wie es dann auf dem Raumhafen aussieht.« »Einverstanden.« Atlan blickte zum Panoramaschirm. Die Korvette befand sich im Landeanflug auf Ka ragamia. Das havarierte Raumschiff der Maahks war schon zu erkennen. »Wenn mein Doppelgänger eine derartige Bruchlandung gebaut hat«, sagte Atlan, »dann dürfte wohl klar sein, daß Kalib Broltan tot ist.« »Er hat vermutlich den Zellaktivator zuerst angelegt, und er ist ihm nicht bekommen«, fügte Tekener hinzu. »So muß es gewesen sein, denn sonst hätte Broltan die Landung durchführen können. Für ihn wäre sie kein Problem gewesen.« Ein Adjutant reichte Atlan und Tekener Kaffee. »Ich frage mich, ob der Junge den Zellakti vator verträgt, oder ob es auch bei ihm plas matrope Veränderungen gibt«, sagte Tekener. Er und der Arkonide behielten den Panorama schirm im Auge. So konnten sie verfolgen, daß Hal Aptor keine Zeit verschenkte. Schnel ler als üblich senkte er die Korvette auf den Raumhafen hinab. »Ich bin mir darüber nicht klar«, entgegnete Atlan. »Es ist durchaus möglich, daß er den Zellaktivator ebenso gut verträgt wie ich. Dann wird die Situation allerdings schwie rig.« »Das verstehe ich nicht ganz«, wandte sich Tekener ein. »Dadurch ändert sich doch nichts.« »Doch, Tek. Das wäre der Beweis, daß er einen gleichberechtigten Anspruch auf das Gerät hat.« »Verzeihen Sie, aber ich fürchte, ich habe Sie abermals nicht verstanden.« »Doch, das haben Sie. Ich habe gesagt, daß es keinen bevorzugten Atlan mehr gibt, wenn der Zellaktivator auch für Atlan II eine positi
ve Wirkung hat.« »Sie können doch Atlan II nicht den Zellak tivator überlassen. Das würde Ihren Tod be deuten.« »Ich fürchte, Tek, jetzt haben Sie mich nicht richtig verstanden. Wenn ich sterbe, so ist das noch lange nicht mein Tod! Ich lebe weiter – als Atlan der Orbanaschol-IIIPeriode. Vielleicht habe ich schon zu lange gelebt. Zehntausend Jahre sind eine für Sie kaum vorstellbare Zeit. Einmal muß jeder Mensch abtreten. Warum nicht auch ich – zumal ich nicht wirklich sterbe, sondern nur meinem zweiten Ich Platz machen würde?« »Damit bin ich nicht einverstanden.« »Warten Sie ab, bis ich mein zweites Ich getroffen habe, bis ich gesehen habe, wie es auf den Zellaktivator reagiert.« »Sir«, sagte Ronald Tekener beschwörend. »Der Zellaktivator ist Ihnen verliehen wor den. Er ist eine Auszeichnung, wie sie in die ser Form vor Ihnen niemanden zuteil wurde.« »Auch Sie sind Zellaktivatorträger, Tek.« Atlan schien den Argumenten des Obersten überhaupt nicht zugänglich zu sein. Tekener fragte sich besorgt, ob er Arkonide innerlich bereits Abschied von dieser Welt genommen hatte. »Ich habe den Zellaktivator nicht von ES erhalten, sondern aus der Hand Rhodans. Das ist etwas ganz anderes. Über Jahrtausende hinweg hat es niemanden außer Ihnen gege ben, der über ein solches Gerät verfügte. Das ist nicht nur eine Auszeichnung, sondern auch eine Verpflichtung ganz besonderer Art.« »Meinen Sie, das wüßte ich nicht, Ronald? Ich fühle mich verpflichtet, irgendwann auch einmal Verzicht zu leisten.« »Sie ...« Atlan legte ihm besänftigend die Hand an den Arm. »Tek, es gibt Situationen im Leben, in de nen man alles zurückstellen muß. Eigene Wünsche und Vorstellungen gelten dann nicht mehr. Man muß auch einmal gehorchen dür fen und wollen.« »Gehorchen? Wem?« »Ich weiß nicht. Vielleicht ES? Ich erinnere mich nicht mehr an das, was geschehen ist, als ich den Zellaktivator erhielt, aber ich den ke, das Geschenk des ewigen Lebens ist auch 17
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam mit Bescheidenheit und mit Verzicht auf Machtmißbrauch verbunden.« »Es wäre kein Machtmißbrauch, wenn Sie sich das zurückholen, was Ihr Eigentum ist.« Tekener blickte Atlan an. Plötzlich hatte er Angst um ihn. Er spürte, daß auf Karagam eine Entscheidung ganz besonderer Art fallen würde. Nur ein Atlan würde diesen Planeten wieder verlassen. Das war nahezu gewiß. Sollte der Zellaktivator positiv auf Atlan II wirken, dann würde dieser es sein. Ronald Tekener konnte und wollte sich mit einer solchen Lösung nicht abfinden, obwohl er sich sagte, daß Atlan recht hatte. Atlan lächelte unmerklich. »Ich sehe«, sagte er, »daß auch Sie eben entdeckt haben, daß der Körper nichts, der Geist aber alles ist. Denken Sie an Ihren Freund Sinclair Marout Kennon. Auch er hat seinen Körper verloren. Dennoch lebt er. Ich würde meinen Körper nicht verlieren, denn ich habe jetzt zwei. Wenn einer ausfällt, dann ist das keine Katastrophe. Glauben Sie mir Tek, ich werde in dem jüngeren Körper eben so Ihr Freund und der der Terraner sein wie in diesem zehntausendjährigen.« Tekener entging die feine Ironie dieser Worte nicht, aber bei ihm wollte sich nicht die gleiche Unbeschwertheit einstellen wie bei Atlan. Die Korvette setzte auf dem Landefeld auf. »Vielleicht war es sogar ein Fehler von mir, hierher zu kommen«, sagte der Lordadmiral. »Vielleicht hätte ich die letzten Stunden nut zen sollen, um mich auf die Suche nach ES zu machen.« Ronald Tekener antwortete nicht. Er wußte nicht, was er hätte sagen sollen. »Sir, die Maahks schleusen Kampfroboter aus«, meldete der Kommandant. Atlan fuhr herum. Zylinderförmige Roboter von etwa zehn Meter Länge lösten sich von dem Wrack des Maahk-Schiffes. Mit Hilfe ihrer Strahltrieb werke beschleunigten sie scharf. Sie umrun deten die Korvette und umzingelten sie. Atlan ging zu einem Beobachtungsgerät und veränderte die Brennweite der Objekte, bis auf dem Bildschirm ein formatfüllendes Bild eines Roboters erschien. »Das ist nicht mehr als ein Energiestrahler
von beachtlichem Kaliber«, sagte er. »Stellen Sie fest, was das zu bedeuten hat«, sagte Tekener zum Kommandanten. Dieser kam schon wenig später von der Funkleitzent rale zurück. »Der Verhandlungsführer der Maahks, Grek-1, will niemanden von Bord lassen, wenn seine Forderungen an die Regierung von Karagam noch nicht erfüllt sind. Die Maahks werden das Feuer bedingungslos auf uns eröffnen, falls wir zu keiner Regelung in ihrem Sinne kommen.« Atlan runzelte die Stirn. »Was haben wir damit zu tun?« fragte er. »Erkundigen Sie sich bei Präsidenten Kourla, was die Methans eigentlich wollen. Und sa gen Sie ihm gleichzeitig, daß wir uns einen Zeitverlust nicht leisten können.« »Wollen Sie sich von den Maahks erpres sen lassen?« fragte Tekener. Der Oberst blickte Atlan besorgt an. Die Diskussion hatte bei ihm den Eindruck er weckt, als wolle der Arkonide nicht mehr so energisch und konsequent nach seinem Zel laktivator suchen wie ursprünglich vorgese hen. Hatte Atlan bereits aufgegeben? Wollte er dem anderen Atlan bereitwillig das Feld überlassen? Ronald Tekener beschloß, mit allen Mitteln für Atlan zu kämpfen. * Broomer-Atlan erwachte aus seiner Be wußtlosigkeit. Geraume Zeit verging, bis er wieder wußte, wo er war. Während dieser Zeit blieb er ruhig auf dem Rücken liegen. Er stellte fest, daß ihm im Moment keine Gefahr drohte. Er befand sich in einer kleinen Höhle, die von unbekannter Hand aus dem Berg gegra ben worden war. Mechanische Werkzeuge schienen dabei nicht eingesetzt worden zu sein, denn die Zeichen einer chemischen Einflußnahme waren unübersehbar. Die Prospektoren hatten an der Decke eine Leuchtplatte angebracht. Sie spendete spärli ches Licht. Ihre eigenenergetische Ladung schien nahezu erschöpft zu sein. Atlan II hörte Radman und Ela Pam in der Nähe arbeiten. 18
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam Die Geräusche, die sie dabei verursachten, ließen jedoch nicht darauf schließen, womit sie sich beschäftigten. Er richtete sich auf. Seine Hände und Füße waren mit einem dünnen Metallband gefes selt. Er zerrte ein wenig daran und lächelte überrascht, weil das Material sich als so weich erwies, daß er es dehnen konnte. Die beiden Prospektoren hatten sich offensichtlich nicht viel Mühe gegeben, ihren Gefangenen zu sichern. Das mußte einen Grund haben. Atlan II verzichtete darauf, die Fesseln ganz abzustreifen. Er wollte sich das Überra schungsmoment für den Fall bewahren, daß einer der beiden Glückssucher zu ihm in die Höhle kam. Er stemmte sich auf die Füße und hüpfte zur Tür, die aus verschrammter Me tallplastik bestand. Er vermutete, daß sie aus der Hülle eines Raumschiffswracks herausge schnitten worden war. Er lehnte sich gegen den Fels und horchte. Die beiden Männer be fanden sich in seiner unmittelbaren Nähe. Sie sprachen leise miteinander, er konnte sie je doch nicht verstehen. Was hatten sie hier im Berg gefunden? Um was mochte es hier gehen? Er schob seinen Blusenkragen zur Seite und blickte auf die Wunden an seiner Schulter. Sie waren vollkommen verheilt, doch die Narben schimmerten in einem eigenartigen Blau. Er tastete mit den Fingerspitzen darüber hinweg. Das Fleisch fühlte sich hart und zäh an, als ob es sich verdichtet hätte. Atlan II lächelte zufrieden. Die Verhärtung störte ihn nicht. Solche Er scheinungen waren bei Narben durchaus nor mal. Sie konnten sich bald wieder geben. Et was anderes war viel erregender für ihn. Die Wunden waren in unglaublich kurzer Zeit verheilt. Das konnte nur am Zellaktivator lie gen. Unter anderen Umständen wären Tage vergangen, bis das Gewebe sich wieder voll kommen verschlossen hatte. Damit lag für ihn der eindeutige Beweis dafür vor, daß die Im pulse auf ihn belebend, heilend und erneuernd wirkten! Mit dem Zellaktivator würde er unsterblich sein! Ein Gefühl ungeheuren Triumphs durch strömte ihn.
Er war nicht wie Kalib Broltan! Auch seine Zellen wurden durch den Zellaktivator beeinflußt, aber nicht negativ, wie bei dem Springer, sondern positiv, wie bei seinem Doppelgänger, dem Lordadmiral, der den Zellaktivator bisher getragen hatte. Stimmte das überhaupt? Atlan II fragte sich, ob er nicht alles be zweifeln mußte, was er in den letzten Tagen gesehen, gehört und erlebt hatte, wenn er die Wahrheit finden wollte. Vielleicht war er nicht durch die Zeiten geschleudert worden, sondern unterlag nur einer Amnestie? Viel leicht war gar nicht der andere der echte Zel laktivatorträger, sondern er selbst? Er preßte die Hände vor das Gesicht. Das sind Vermutungen, stellte der Extra sinn fest. An Tatsachen ist die Wahrheit zu erkennen, nicht an Spekulationen. Atlan II drehte sich um und schlug mit den Fäusten gegen die Tür. Sie verbeulte sich. Besonders stabil war sie nicht. Er konnte sie wahrscheinlich mit einem Tritt aus den An geln stoßen. Er hörte, daß jemand näher kam. Vorsichtig hüpfte er von der Tür weg und wartete, bis sie geöffnet wurde. Quietschend schwang sie auf und Ela Pam trat ein. Er ziel te mit einem Energiestrahler auf Atlan II. »Na, Junior? Ausgeschlafen?« »Ich verstehe das alles nicht«, sagte der Ge fangene. »Was soll das? Warum laßt ihr mich nicht weiterfliegen?« »Weil wir uns nicht ganz klar darüber sind, was du hier eigentlich willst.« »Können wir vernünftig miteinander reden? Ich will weiter. Lassen Sie mich ziehen, und alles ist in Ordnung.« »Und – wenn nicht?« »Dann können Sie mich auch nicht halten.« Ela Pam hob den Energiestrahler ein wenig höher. »Können wir das nicht?« Atlan II schnellte sich aus dem Stand her aus auf den Prospektor. Dabei sprengte er mit einem Ruck seine Fesseln. Er hatte Ela Pam jedoch unterschätzt. Der Glückssucher machte einen Schritt zur Seite und wich ihm ge schickt aus. Zugleich feuerte er seine Waffe ab, die er auf Paralysestrahlung geschaltet hatte. Der Gefangene brach gelähmt zusam men. 19
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam »He, Radman, komm mal her.« Der Tonfall machte den Gerufenen auf merksam. Er folgte der Aufforderung augen blicklich. »Was ist denn los?« fragte er. Ela Pam zeigte stumm auf Atlan II. »Sieh dir die Fesseln an.« Radman kniete neben dem Bewußtlosen nieder, und betrachtete sich die Beinfesseln. Dann nahm er die zerrissenen Bänder auf, die Atlan II an den Armen getragen hatte. Ver stört drehte er sie in den Händen. »Ich hätte nie geglaubt, daß er damit fertig werden könnte. Ist das Zeug denn schon so alt?« »Das weiß ich nicht. Ich wollte dich fragen, ob du es weißt.« »Tut mir leid. Warte, ich hole einen Draht, der garantiert noch nicht ermüdet ist.« Er verließ die Höhle, während Ela Pam bei Atlan II blieb und sich erneut die Fesseln an sah. Er konnte kaum glauben, was geschehen war. Als Radman zurückkehrte, richtete Pam die Waffe auf den Bewußtlosen. »Was soll das, Ela?« »Ich möchte, daß er noch ein bißchen tiefer schläft.« »Unsinn. Mit diesen Bändern würde noch nicht einmal ein Roboter freikommen.« Er beugte sich über Atlan II und wand den Draht um seine Handgelenke. In diesem Mo ment schlug der Gefangene die Augen auf. »Übertreiben Sie nicht, meine Herren«, sagte er spöttisch. Er drehte seine Arme hin und her, spannte sie, um die Fessel zu prüfen, und lockerte sie dann wieder. »Sie können mich gleich gegen die Felsen schmieden.« Weder Radman noch Pam antworteten. Sie verließen ihn und schlossen die Tür hinter sich ab. Atlan II winkelte die Arme an und untersuchte das Metallband an seinen Hand gelenken. Es war ein helles Metall, das er noch nie zuvor gesehen hatte. Seufzend ließ er die Arme sinken und stütz te den Kopf auf einen faustgroßen Stein, der auf dem Boden lag. Du mußt von hier verschwinden, mahnte der Extrasinn. Atlan ist dir auf den Fersen.
Darüber war er sich klar. Aber was sollte er tun? Wenn er aus diesem Berg floh, wohin sollte er sich dann wenden? Sollte er weiter nach Norden in die Einöde flüchten, wo ihn der Lordadmiral mit seinen überlegenen militärischen Mitteln leicht auf spüren und überwältigen konnte? Wo sollte er sich verstecken? Er wußte nicht genau, wieviel Zeit dem an deren noch blieb, aber er schätzte, daß noch etwa zwei Tage nach der Zeitrechnung dieses Planeten vergehen würden, bis das unaus weichliche Ende für den Mann da war, der seine Rolle spielte. Es muß doch eine Möglichkeit geben, diese letzte Frist unbeschadet zu überstehen. Er erhob sich erneut. Dabei fielen die Fuß fesseln ab, ohne daß er es zunächst bemerkte. Als es ihm auffiel, lachte er leise. Die Prospektoren waren rechte Trotteln. Nun konnte wohl kein Zweifel mehr daran bestehen, daß sie schwachsinnig waren, denn sonst hätten sie ihren Gefangenen wohl besser abgesichert. Sie kamen ihm wie Kinder vor, die sich in Abenteuerspiele versuchten, ohne zu wissen, was alles dazu gehört. Mit einem leichten Ruck zerstörte er seine Armfesseln. Er massierte sich die Handgelenke, die etwas schmerzten. Wieder ging er zur Tür. Er war überzeugt davon, daß sie kein Hin dernis für ihn darstellte. Die Frage war nur, ob er danach die beiden Prospektoren schnell genug überwinden konnte. Sie durften nicht dazu kommen, den Paralysator erneut gegen ihn einzusetzen. Er lehnte sich neben der Tür gegen die Wand und horchte. Deutlich spürte er die be lebenden Impulse des Zellaktivators. 4. Lordadmiral Atlan setzte sich vor die Bild funkgeräte und wartete darauf, daß sich Grek 1 melden würde. Ronald Tekener stand hinter ihm. Mehrere Minuten verstrichen ereignis los, bis der massige Kopfwulst des Methans endlich sichtbar wurde. Vier grünschillernde Augen blickten Atlan starr an. Sie hoben sich klar von der fahlblas sen Haut des Maahks ab, der seinen Mund 20
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam leicht geöffnet hielt, so daß Atlan das raub tierähnliche Gebiß sehen konnte. »Wir mußten lange auf eine Antwort war ten«, erklärte der Methanatmer. Er sprach Kraahmak, eine Sprache, die der Arkonide verstand. Dennoch waren positronische Translatoren zwischengeschaltet worden, weil Atlan auf jeden Fall verhindern wollte, daß sich neue Mißverständnisse einschlichen. »Ich bedauere die Vorfälle, zu denen es bei der Landung eines Mannes gekommen ist, der gegen die Gesetze des Solaren Imperiums verstoßen hat«, sagte der Lordadmiral. Er beobachtete den Maahk sorgfältig, konnte jedoch nicht erkennen, ob dieser begriff, was geschehen war. »Schuld an den Ereignissen ist ein Mann, der so aussieht wie ich, und der von mir verfolgt wird. Es ist wichtig für mich, daß wir diesen Mann so schnell wie möglich finden.« »Das interessiert nicht!« entgegnete Grek 1. »Auf Broosei und hier ist uns erheblicher Schaden zugefügt worden. Wir bestehen dar auf, daß sofort eine bindende Entschädi gungszusage gemacht wird.« »Sie kennen mich?« »Ich kenne Sie. Sie sind Lordadmiral Atlan. Wer ist der andere, den Sie verfolgen?« Der Arkonide zögerte. Er wußte, daß Maahks ausgesprochen logisch denkende We sen waren, die bei ihren Überlegungen keine emotionalen Einflüsse kannten. Sollte er ih nen erklären, daß ein Bewußtseinsinhalt über Jahrzehntausende hinweg in die Jetztzeit ge glitten war und von einem Springer Besitz ergriffen hatte? Sollte er ihnen auseinander setzen, daß dieser Springer sich in ein Wesen verwandelt hatte, das sein zweites Ich war? Sollte er ihnen sagen, daß es für ihn emotio nale Verbindungen mit diesem Atlan II gab, die so stark geworden waren, daß er kaum noch zu sagen wußte, wer denn der Atlan mit der größten Lebensberechtigung war? »Der andere Atlan ist ein Dieb. Ich muß ihn innerhalb kürzester Zeit inhaftieren. Davon hängt sehr viel ab.« »Das verstehen wir. Dennoch werden wir nicht erlauben, daß Sie das Raumschiff ver lassen.« »Warum nicht?«
»Weil wir befürchten müssen, daß wir dann
nicht erhalten, was uns zusteht.« »Ich kann Ihnen keine Zusagen machen, da ich nicht über die Finanzen von Karagam ver fügen kann.« »Dann werden Sie an Bord bleiben.« Ronald Tekener spürte, daß Atlan nervös wurde. Das überraschte ihn. Er kannte den Lordadmiral als einen Mann, der so leicht nicht aus der Ruhe zu bringen war. »Ich werde dem Dieb folgen.« »Dann werden die Kanonen sprechen.« »Das kann ich mir nur schwer vorstellen.« »Die bisherigen Ereignisse zwingen uns dazu.« »Sie wissen, was es für die Beziehungen zwischen unseren Völkern bedeutet, wenn Sie mich töten?« »Darüber bin ich mir klar, aber ich habe keine andere Wahl. Sie helfen mir nicht.« »Es ist nie von Vorteil, unter Druck zu ver handeln. Ich schlage Ihnen daher vor, daß wir unser Gespräch verschieben. Geben Sie mir die Erlaubnis, meinem Doppelgänger zu fol gen. Ich verspreche Ihnen, daß ich zurückkeh ren und wieder an Bord gehen werde, so daß die gleichen Bedingungen wie jetzt wieder hergestellt werden.« »Sie geben Ihr Wort?« »Ich gebe mein Wort – unter einer Bedin gung.« »Unter welcher?« »In Ihren Händen befindet sich eine Geisel. Heigol Mneylat. Ich habe erfahren, daß Sie gewillt sind, ihn ersticken zu lassen, falls wir nicht zu einem Abschluß kommen. Die Frist für diesen Mann muß verlängert werden.« »Wir sind einverstanden. Er soll erst ster ben, wenn Sie Ihr Wort nicht halten.« »Sie wissen sehr wohl, was es bedeutet, wenn ich mich für unsere Vereinbarungen verbürge?« »Ich weiß es.« »Ich danke Ihnen.« Der Maahks brach die Verbindung ab. Er schaltete sein Gerät aus. Atlan lehnte sich aufatmend in seinem Sessel zurück. Tekener beobachtete ihn. Er erwartete, daß der Arko nide sich erheben und die Jagd auf seinen Doppelgänger beginnen würde. Der Lordad miral blieb jedoch sitzen. Er blickte mit leeren Augen vor sich hin. Machte sich bei ihm 21
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam durch die lange Trennung von seinem Zellak tivator bereits ein Abbau seiner Kräfte und Energien bemerkbar? Tekener legte ihm die Hand auf die Schul tern. »Wir sollten keine Zeit verschenken.« »Sie haben recht, Tek«, entgegnete der Ar konide und erhob sich. Sein Gesicht straffte sich. Mit einem Schlage schien alle Schwäche von ihm abgefallen zu sein. »Sie bleiben an Bord, Tek. Ich möchte je manden hier wissen, der Krisensituationen gewachsen ist. Das scheint bei den Lokalpoli tikern leider nicht der Fall zu sein.« »Ich wünsche Ihnen viel Glück«, sagte Te kener und reichte Atlan die Hand. Er war sich dessen nicht sicher, ob er ihn wiedersehen würde. Ein Atlan würde mit Sicherheit an Bord kommen, aber niemand konnte sagen, welcher es sein würde. Der eine war ebenso Atlan wie der andere. Der jüngere Atlan wür de ebenfalls der Freund der Menschheit sein wie der ältere. Es würde keine wesentlichen Unterschiede geben. Vielleicht würde sogar von dem Atlan aus der Vergangenheit des Großen Imperiums völlig neue Impulse aus gehen, die einen weiteren, großartigen Auf schwung der menschlichen Kultur und Zivili sation ermöglichen würden. Der Lordadmiral erriet den Gedanken sei nes Stellvertreters, aber er ließ es sich nicht anmerken. Er nickte Tekener zu und eilte aus der Hauptleitzentrale. Wenige Minuten später konnten die Männer auf den Panoramaschirm beobachten, wie er in einem Gleiter nach Norden flog. Die Ortungsgeräte zeigten ihm den Weg zum Zellaktivator.
»Sie haben gut gearbeitet«, erwiderte der Lordadmiral anerkennend. »Ihre präzisen und schnellen Mitteilungen waren von unschätz barem Wert für mich.« »Sir, bisher hat Präsident Kourla sich kaum um den Mann gekümmert, der aussieht wie Sie, und der einen Maahk erschossen hat. Kourla konzentriert sich bis jetzt ausschließ lich auf die Methans. Nachdem Sie aber einen Aufschub erreicht haben, glaubt er, Ihren Doppelgänger fassen zu müssen. Er möchte damit eine Aufwertung von Karagam errei chen.« »Das ist zu verstehen. Was hat er getan?« »Er hat eine weltweite Fahndung nach die sem Mann ausgelöst und unter dem Motto ›lebend oder tot‹ eine Prämie von 10 000 So lar auf seinen Kopf ausgesetzt. Ein Großteil der Bevölkerung von Karagam bricht bereits auf, um sich das Geld zu verdienen. Die meis ten von ihnen sind mit Fernwaffen ausgerüs tet. Man hält diesen Mann für gefährlich und will ihn aus sicherer Distanz erledigen.« »Präsident Kourla scheint ein seltsamer Mann zu sein«, entgegnete Atlan heftig. »Hat er vergessen, daß ich ausdrücklich darum ge beten habe, sich nicht einzumischen.« »Offensichtlich.« Schlimmer hätte es kaum kommen können. Atlan fürchtete mit Recht um den Zellaktiva tor. Das unersetzliche Gerät konnte nur zu leicht von solchen Kopfgeldjägern zerstört werden. »Gehen Sie sofort zu Kourla, und richten Sie ihm von mir aus, daß er die Aktion abbla sen soll. Ich will diesen Mann allein fangen. Sagen Sie Kourla, daß wir ihn bei seinen Ver handlungen mit den Maahks nicht unterstüt zen werden, falls er sich meinen Wünschen nicht beugt.« »Kann ich ihm sagen, daß Sie einen ent sprechenden Befehl erteilt haben?« »Nein, das geht nicht. Kourla ist Präsident der souveränen Welt von Karagam. Es gibt zwar enge Bindungen zur Erde, aber Weisun gen braucht er nicht zu befolgen. Ich fürchte, daß er genau das Gegenteil von dem tun wird, was ich will. Wenn Sie ihn falsch behandeln. Ich verlasse mich auf Sie. Beeilen Sie sich. Ich kann schon einige andere Gleiter sehen. Die Besatzungen sind mir gegenüber erheb
* Ein Blinklicht am Armaturenbrett machte Atlan aufmerksam. Er schaltete den Video würfel ein. Das scharfgeschnittene Gesicht eines ihm unbekannten Mannes erschien im Darstellungsfeld. »Mein Name ist Harker Marg«, sagte der Unbekannte. »Ich bin auf Karagam eingesetzt worden.« Er zeigte seine ID-Karte, so daß Atlan so fort wußte, mit wem er es zu tun hatte. 22
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam lich im Nachteil, weil sie den Mann, den ich suche, nicht orten können; aber es gibt wahr scheinlich nicht viele Möglichkeiten, sich zu verstecken. Früher oder später werden sie ihn finden, wenn Sie nicht schnell genug sind.« »Mit Kourla werde ich fertig, Sir. Sie kön nen sich auf mich verlassen.« »Danke.« Atlan schaltete ab. Besorgt blickte er nach draußen. Sein Gleiter flog exakt in nördlicher Richtung. Die anderen Maschinen suchten die zerklüfteten Berge ab. Er hoffte, daß sich niemand nach ihm orientieren würde, doch war damit auf längere Sicht zu rechnen. Der Gleiter trug militärische Beschriftungen und war als Bordfahrzeug der Korvette gekenn zeichnet. Sobald die anderen das bemerkten, mußten sie wissen, wer mit dieser Maschine flog.
schlug ihm den Blaster aus den Händen. Die Waffe flog gegen den Fels und zerbrach. Aufschreiend fuhren Ela Pam und Radman herum und flohen den Gang entlang. Atlan kniete bei den Kisten nieder. Jetzt sah er, woran die beiden Männer gearbeitet hat ten. Sie hatten die Energiestrahler mit Ener giepatronen geladen. Der Doppelgänger des Lordadmirals nahm ein Gewehr an sich und prüfte es. Er wurde leicht damit fertig, obwohl er eine derartige Konstruktion noch nie zuvor in Händen gehabt hatte. Auf den ersten Blick erschien ihm diese Waffe als besonders gut gelungen. Eine so qualitativ hochstehende Arbeit war ihm noch nicht begegnet. Gerade deshalb verwirrte ihn die eingestanzte Schrift, die besagte, daß diese Waffe »on Terra« her gestellt worden war. Dieser erneute Beweis für die Bedeutung eines Planeten, von dem er noch niemals zuvor etwas gehört hatte, erin nerte ihn schmerzlich daran, daß er noch im mer nicht enträtselt hatte, was mit ihm ge schehen war. Allein die Tatsache, daß es ein so wichtiges Volk wie die Terraner gab, bestätigte, daß außerordentlich viel Zeit vergangen sein muß te. Eine so hochstehende Zivilisation wie die Terras entwickelte sich nicht über Nacht, son dern nahm Jahrhunderte in Anspruch. Wenn aber wirklich soviel Zeit verstrichen war, dann lebte Orbanaschol III tatsächlich nicht mehr. Dann war es seinen politischen Geg nern gelungen, sich zu etablieren und ihn – Atlan – auszuschalten. Vielleicht wußte heute kaum noch jemand in Arkon, wer Gonozal VII, wer Orbanaschol III, und wer Kristall prinz Atlan gewesen war? Unwillkürlich spannte er die Muskeln sei ner Arme, und seine Finger preßten sich um die Waffe. Sie zerbrach unter seinem Griff. Irritiert blickte Atlan II auf seine Hände. Die Gewehre machten einen so guten Ein druck. Wieso ließen sie sich so leicht zerstö ren? Er nahm einen weiteren Energiestrahler heraus, hielt ihn mit beiden Händen und dreh te ihn zusätzlich. Das Material, das so hart aussah, gab nach, wenngleich er sich erheb lich mehr anstrengen mußte als vorher. Wieder betrachtete er seine Hände, nach dem er die zerstörte Waffe fallen gelassen
* Atlan II entschloß sich zum Handeln. Die beiden Prospektoren schienen in seiner unmittelbaren Nähe zu arbeiten. Er drückte die Hände gegen die Tür und riß sie mit einem heftigen Ruck auf. Sie brach krachend aus den Angeln. Mit einem weiten Satz sprang er auf den Gang hinaus, der mit mechanischen Werkzeugen aus dem Fels ge schlagen war. Die beiden Glücksritter hockten auf dem Boden zwischen mehreren Kisten, in denen schwere Energiestrahlgewehre lagen. Hinter ihnen waren weitere Kisten gestapelt. Atlan begriff mit einem Schlag. Diese Männer wa ren keine Prospektoren, sondern Waffenhänd ler, die sich in die Einsamkeit der Berge zu rückgezogen hatten, um hier ihre Geschäfte abzuwickeln. Die geheimen Abnehmer stammten wahrscheinlich aus anderen Son nensystemen und von Welten, auf denen ille gal Waffen benötigt wurden. Die beiden Männer erhoben sich. Sie waren bleich bis in die Lippen geworden. Fassungs los blickten sie den weißhaarigen Mann an, der ohne Fesseln vor ihnen stand. Dann riß Ela Pam das Gewehr hoch, das er gerade in den Händen hielt. Das energetische Projekti onsfeld leuchtete auf. Atlan II schnellte sich mit einem riesigen Satz zu ihm hinüber und 23
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam hatte. Er konnte doch unmöglich so stark ge worden sein, daß er zu solchen Leistungen fähig war, wie er sie vollbracht hatte. Die bei den Waffenhändler waren Betrüger. Sie ver kauften Imitationen von geringem Wert. Er lud ein Gewehr, setzte es an die Schulter und schoß. Ein nadelfeiner Energiestrahl schlug ins Gestein und verwandelte es in flüs sige Glut. Verwirrt drehte Atlan II sich um und ging den Gang in der gleichen Richtung weiter, in die Radman und Pam geflohen waren. Er war ständig darauf gefaßt, von ihnen überfallen zu werden, denn er konnte sich nicht vorstellen, daß sie sich seinetwegen ein großes Geschäft entgehen lassen würden. Dennoch wurde er überrascht, als der Angriff kam. Irgendwie hatten sie es geschafft, hinter ihn zu kommen. Sie kannten sich im Berg aus und hatten ihn auf Seitengängen umrundet. Er hörte ein leises Klicken und warf sich auf den Boden. Ein nadelfeiner Energiestrahl fuhr zischend über ihn hinweg. Geblendet schloß er die Au gen und wälzte sich zur Seite, als ein zweiter Schuß fiel. Auch dieser verfehlte ihn. Er schlug dort in den Boden, wo er eben noch gelegen hatte. Der Doppelgänger des Lordadmirals sprang auf und rettete sich mit einem weiten Sprung von mehreren Metern hinter einen Felsbro cken. Von hier aus feuerte er einen ungeziel ten Schuß aus seiner Waffe ab. Die beiden Männer verständigten sich mit Zurufen. Dabei benutzten sie eine Sprache, die er noch nie gehört hatte. Er schoß in den Gang hinein, doch er er zielte keinen Treffer. Ela Pam lachte höhnisch auf. »Gib's auf, Junior«, schrie er. »Gegen uns kommst du niemals an. Wirf die Waffe weg, oder wir bringen dich um.« Er rannte einige Schritte weiter und entging wiederum nur ganz knapp einem Energie strahl. Die Temperaturen stiegen schnell an, aber ihm machte die Hitze kaum etwas aus. »Eure Geschäfte interessieren mich nicht«, rief er, als er wieder Deckung gefunden hatte. Er kauerte hinter einer Felssäule, in der sich zahlreiche Ablagerungen von Insektenkörpern befanden. »Ich bin wirklich nicht gekommen,
um euch zu stören. Mich interessiert etwas ganz anderes. Deshalb schlage ich vor, daß wir vernünftig miteinander verhandeln.« »Was hast du vor, Junior?« fragte Ela Pam. »Ich will zu meinem Gleiter gehen und ab fliegen.« »Das kommt nicht in Frage. Du wirst uns verpfeifen.« »Davon habe ich nichts. Ihr könnt machen, was ihr wollt. Das geht mich nichts an.« »Wir sind einverstanden. Wirf deine Waffe weg und komm her.« Atlan II lachte. »Für wie dumm haltet ihr mich? Ihr werdet mich einfach abknallen.« Er dachte daran, daß sein Verfolger jeder zeit kommen konnte. Er durfte nicht länger hier bleiben. »Ich schlage euch etwas anderes vor«, sagte er. »Ihr beiden zieht euch zurück, so daß ich ungehindert aus dem Berg gehen kann. Ich verschwinde nach Norden.« Eine geraume Zeit verstrich, bis Radman und Pam sich wieder meldeten. »In Ordnung«, antwortete Ela Pam. »Wir sind einverstanden.« Er hörte, daß sie sich zurückzogen. Vor sichtig kam er aus seinem Versteck heraus. Er spürte, daß sie es nicht ehrlich meinten. Sie konnten das Risiko gar nicht eingehen, ihn ziehen zu lassen. Da sie nicht wußten, wer er wirklich war, konnten sie nicht damit rech nen, daß er auf finanzielle Vorteile verzichten würde. Diese konnte er für sich nutzen, falls er die Regierung von Karagam unterrichtete. Radman und Pam würden vermutlich nie be greifen, daß es ihm darauf gar nicht ankam. Sie werden erneut angreifen. Vorsichtig ging er weiter, bemüht, jegliches Geräusch zu vermeiden. Er hielt die Waffe locker in der Hand, weil er sie nicht zerstören wollte. Dabei fragte er sich, ob Radman und Ela Pam ihn nur deshalb fürchteten, weil sie glaubten, er werde sie verraten, ober ob sie noch einen anderen Grund hatten. Er erreichte ein geschlossenes Schott, das so aussah, als setze es seinem Weg ein Ende. Er kam zunächst gar nicht auf den Gedanken, es gewaltsam aufbrechen zu wollen, sondern versuchte ungeduldig nach einem Kontakt, mit dem es sich öffnen ließ. Die beiden Waf 24
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam fenhändler hatten es jedoch gesichert, so daß er den Kontakt nicht entdeckte. Eher zornig, denn überlegt, warf er sich mit den Schultern gegen die Sperrwand – und stellte verblüfft fest, daß sie durchaus nicht dick und fest war. Sie wies bereits jetzt be trächtliche Einbuchtungen und Beulen auf. Er stemmte die Schultern dagegen und brach den Durchgang auf. Krachend kippte das Schott um und schlug auf den Boden. In dem auf wirbelnden Staub sah Atlan II Radman und Pam, die davonliefen. Sie haben nicht damit gerechnet, daß du es schaffen würdest. Er wartete, bis er ihre Schritte nicht mehr hören konnte, dann ging er vorsichtig weiter, ständig darauf gefaßt, beschossen zu werden. Doch es schien, als hätten die beiden Schmuggler den Kampf aufgegeben. Unvermittelt erreichte Atlan II einen breite ren Gang, der über glatte, sorgfältig bearbeite te Wände verfügte. Er lief schneller, als er das Tageslicht sah. Erst unmittelbar vor dem Ein gang verlangsamte er seine Schritte, wobei er das Strahlengewehr schußbereit in der Arm beuge hielt. Radman und Ela Pam ließen sich nicht se hen. Der Arkonide blieb am Tunnelausgang ste hen. Von hier aus war es nicht mehr weit bis zu seinem Gleiter. Atlan II nutzte die Deckung einiger Felsen, als er sich vorsichtig an das Flugzeug heran schlich. Dabei blickte er sich ständig nach allen Seiten um, ohne die beiden Gegner ent decken zu können. In der Annahme, daß sie sich tief in den Berg zurückgezogen hatten, setzte er sich in die Maschine und startete. In diesem Moment feuerten Radman und Pam auf ihn. Die Energiestrahlen durchschlu gen das Verkleidungsmaterial. Teile des An triebsaggregats explodierten. Der Gleiter stürzte aus einer Höhe von etwa zwei Metern auf den Boden zurück. Atlan stieß die Tür auf und warf sich hinaus. Die beiden Waffen händler schossen auf ihn, aber sie verfehlten ihn, da er sich mit schnellen Sprüngen zwi schen die Felsen rettete. Aus sicherer De ckung heraus blickte er nach oben. Er ent deckte die beiden hinterhältigen Schützen in
den Löchern, die die Insekten in den Berg gegraben hatten. Er konnte nichts gegen sie ausrichten, denn seine Waffe lag in dem brennenden Gleiter. Du mußt dir eine neue Waffe besorgen, stellte der Extrasinn fest. Du mußt erneut in den Berg. Er wußte, daß es keine andere Möglichkeit gab. Nur im Berg konnte er die bevorstehende Auseinandersetzung mit seinem Doppelgän ger überstehen. Nur dort konnte er die Frist verstreichen lassen, denn nur dort war er prak tisch unangreifbar, während er hier draußen hilflos war. Vorsichtig arbeitete er sich voran, näher und näher an die nächste Tunnelöffnung her an. Er hörte, wie Radman und Ela Pam mit einander diskutierten. Sie schienen mit dem Ausgang der Auseinandersetzung nicht sehr zufrieden zu sein. »Radman! Pam!« rief er. »Was ist los, Junior?« fragte Ela Pam. »Seid vernünftig. Ihr habt nichts davon, wenn ihr mich umbringt. Bis jetzt habt ihr noch keinen Mord begangen. Sollte man euch erwischen, kann man euch nicht viel anhän gen. Wenn ihr mich aber umbringt ...« »Dann bekommen wir 10 000 Solar, mein Freund. Wir haben es gerade im Visiphon gehört. Präsident Kourla möchte dich unbe dingt haben, lebend oder tot, das ist ihm gleich. Rate mal, was uns lieber ist!« Atlan II preßte sich an die kühlen Felsen. Damit hatte er nicht gerechnet. Er begriff die Zusammenhänge nicht. Warum setzte der Präsident dieses Planeten eine Kopfprämie auf ihn aus? Er hatte nichts getan, als sich gegen einen Maahks zur Wehr gesetzt. Er hatte gegen einen Todfeind des Imperiums gekämpft. Das war durchaus nicht unehren haft. Du irrst, konstatierte der Logiksektor uner bittlich. Das war nicht möglich. Er konnte sich nicht irren. Der Präsident mußte unter dem Druck der Methans gehandelt haben. Nur so war zu erklären, was er getan hatte. Er glitt lautlos an einem übermannshohen Felsbrocken entlang. Durch einen fingerbrei ten Spalt konnte er Pam und Radman sehen. 25
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam Sie lagen in einer Öffnung hoch über ihm und schienen nicht zu wissen, wo er war. Nur noch etwa zwanzig Meter trennten ihn von einem Höhleneingang, in dem er in Sicherheit vor ihnen sein würde. Auf den letzten Metern aber gab es keinerlei Deckungsmöglichkeiten. Er beobachtete, daß Radman sich erhob. Offenbar wollten die beiden Männer sich trennen. Ela Pam würde dort oben bleiben und Radman decken, während dieser ihn auf zuspüren suchte. Soweit wollte er es nicht kommen lassen. Er schnellte sich aus seiner Deckung heraus und rannte auf den Höhleneingang zu. Radman schrie auf. Ela Pam feuerte, verfehlte ihn jedoch um eine Handbreit. Atlan II fühlte die Glut über seinen Nacken streichen. Der Atem wurde ihm knapp. Er merkte, daß er sich nicht mehr so leicht bewegen konnte. Mit einer verzweifelten Anstrengung überwand er den freien Raum. Er strauchelte und stürzte kopf über in die Höhle. Keuchend blieb er auf dem Boden liegen. Er hörte, daß Radman und Ela Pam sich ihm näherten. Mühsam erhob er sich und schlepp te sich weiter. Die an die Decke der Gänge befestigten Leuchtplatten erhellten seinen Weg. Er wußte nicht mehr, wo er war. Er lief einfach weiter in der Hoffnung, irgendwo auf die Waffenkisten zu stoßen.
»Was sollen wir tun?« fragte Aptor. »Nichts«, entgegnete Tekener. »Wir wer den ihnen nicht den Gefallen tun, uns provo zieren zu lassen.« »Sie versperren uns die Sicht auf die Raumhafengebäude und schneiden uns völlig von der Stadt ab.« »Das soll uns nicht stören, Aptor, schließ lich sind es unsere Freunde, oder nicht?« Der Epsaler verzog die Lippen und wiegte den Kopf zweifelnd hin und her. »Manchmal möchte ich daran zweifeln.« Der Cheffunker kam. »Sir, Präsident Kourla möchte Sie spre chen.« Tekener ging mit ihm. Das Gesicht des Po litikers war auf einem der großen Hauptbild schirme zu sehen. Es war gerötet, und auf der Stirn zeigten sich Schweißtropfen. Kourla machte den Eindruck eines restlos überforder ten Mannes. »Mr. Tekener, es ist gut, daß ich Sie er reicht habe.« Der Stellvertreter Atlans setzte sich. Er blickte zum Panoramaschirm hinüber. Die Maahkschiffe hatten die Landestützen ausge fahren und senkten sich jetzt die letzten Meter herab. Das nächste Schiff war etwa fünfzig Meter von der Korvette entfernt. »Das können wir uns doch nicht bieten las sen«, sagte Kourla. »Wir müssen etwas tun.« »Natürlich«, entgegnete Tekener ruhig. »Sie müssen zahlen.« »Nicht wir, Mr. Tekener. Ihre Organisation muß sich zumindest an den Leistungen betei ligen. Wir kommen nur für den Schaden auf Broosei, nicht aber für den auf, der hier ent standen ist. Mit dem haben wir nichts zu tun, und wir haben ihn auch nicht zu verantwor ten. Ich bestehe darauf, daß Sie das mit den Methans klären, bevor es weitere Schwierig keiten gibt.« »Wir brauchen nicht darüber zu reden. Das ist selbstverständlich. Verzichten Sie darauf, Militär zum Raumhafen zu bringen. Wir wol len alles vermeiden, was die Maahks zu wei teren Machtdemonstrationen veranlassen könnte.« Kourla wollte noch eine Reihe von Belang losigkeiten vorbringen und besprechen, aber Tekener unterbrach ihn.
5. Ronald Tekener duschte in der Hygieneka bine, als der Alarmruf kam. In fliegender Eile kleidete er sich an. Dennoch verstrichen eini ge Minuten, bis er die Hauptleitzentrale betrat. Niemand brauchte ihm zu sagen, was geschehen war. Die Ereignisse zeichneten sich nur zu deutlich auf dem Panoramaschirm ab. Drei Maahkraumer landeten auf dem Raumhafen von Karagam. »Die Methans übertreiben etwas«, sagte Oberst Hal Aptor. Ihm schien diese Demonst ration der Macht nicht beeindrucken zu kön nen. Jedes der drei Raumschiffe war etwa eintausend Meter lang und hatte einen Durchmesser von etwa zweihundert Metern. Die Raumer landeten in einer Dreiecksforma tion, mit der sie die Korvette und das kleine Beiboot der Maahks einschlossen. 26
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam »Ich möchte mit den Maahks reden«, sagte er. »Später werde ich mich wieder bei Ihnen melden.« Er schaltete ab. Der ganze Vorfall hätte ihn wenig interes siert, wenn die Maahks keine Geisel genom men hätten. Die USO mußte für den entstan denen Schaden aufkommen, das war klar. Tekener ließ sich jedoch nicht mit den Me thans verbinden. Er wartete ab, bis sie sich von sich aus meldeten, um die Verhandlungen erneut aufzunehmen. Inzwischen hatte sich an Bord des kleinen Maahkraumers etwas ereignet, wovon nie mand außerhalb des Schiffes etwas ahnte, und was die Lage für die Maahks schlagartig ver änderte.
hatte. Immer wieder blieb er stehen und blick te sich suchend um. Hin und wieder fluchte er leise. Er wird dich töten. Du mußt ihn ausschal ten. Sicherlich erwarteten die beiden Waffen händler irgendwann in der nächsten Zeit ihre Abnehmer. Vielleicht sollten sie schon in den nächsten Stunden kommen. Bis dahin wollten sie natürlich sämtliche Hindernisse aus dem Weg geräumt haben. Atlan II verstand ihr Motiv durchaus. Er war nicht mehr gewillt, das Geschäft der beiden Männer einfach zu ignorieren. Viel leicht hätte er es getan, wenn sie ihn nicht angegriffen hätten. Jetzt fühlte er sich nicht nur herausgefordert, auch sein Gerechtigkeits sinn duldete nicht, daß Radman und Pam ihr illegales Geschäft abwickelten. Hinzu kam, daß Atlan II glaubte, mit diesen Waffen gegen die Maahks kämpfen zu können, falls sich das als notwendig erweisen sollte. Er rechnete damit, daß es auf diesem Planeten so etwas wie eine Widerstandsorganisation gab. Diese konnte die Ausrüstungsgegenstände, die hier lagerten, sicherlich gut gebrauchen. Vielleicht waren sie sogar dringend darauf angewiesen. Atlan II glaubte dagegen nicht, daß die Waffen für sie bestimmt waren. Er war über zeugt davon, daß Radman und Pam sie nicht auf dieser Welt lassen wollten. Auf jeden Fall mußte die Situation ausweg los werden, falls die Abnehmer von Radman und Pam hier eintrafen. Sie würden die Waf fenhändler bei der Jagd nach ihm unterstüt zen. Ela Pam hatte sich ihm bis auf wenige Schritte genähert. Als er sich um sich drehte, richtete Atlan sich langsam auf und schlich auf ihn zu. Er trat auf lockeren Schotter und verursachte ein Geräusch. Ela Pam fuhr her um, doch der Arkonide war schneller. Er hieb ihm den Energiestrahler aus der Hand. Pam schrie gellend auf. Entsetzt wich er von Atlan II zurück, als dieser ihn mit einem Faustschlag niederstrecken wollte. Erst jetzt bemerkte Atlan, daß er seinem Gegner die Hand zerschmettert hatte, als er ihn entwaff net hatte. Er ließ seine Fäuste sinken und blickte be troffen an sich herab. Ela Pam floh. Er war
* Atlan II ließ sich einfach zu Boden fallen, um sich ein wenig zu erholen. Sein Atem ging laut und keuchend. Vor seinen Augen flim merte es. Er kämpfte jedoch nicht gegen die Schwä che, sondern gegen eine aufsteigende Panik an. Die körperlichen Anforderungen waren nicht so hoch gewesen, daß eine derartige Erschöpfung erklärbar war. Sollten sich die Impulse des Zellaktivators doch negativ auf ihn auswirken? Er spürte deutlich, wie das Gerät arbeitete. Es schien wie ein lebendes Wesen auf seiner Brust zu pulsieren. Mit allen Sinnen lauschte er auf diese Beweise der Aktivität. Zugleich merkte er, daß er neue Kräfte gewann. Der Zellaktivator hilft dir! Wenn er schädlich für ihn gewesen wäre, dann hätte er kräftezehrend wirken müssen. Atlan II hörte plötzlich nähernde Schritte. Er wälzte sich zur Seite, bis er in der Deckung eines Abraumhaufens lag. Er wollte seine Hand an den Lebensspender legen, doch ir gend etwas warnte ihn davor. Er hatte plötz lich Angst, daß der Zellaktivator unter seinem Griff zerstört werden könnte. Ela Pam kam hinter einer Gangbiegung hervor. Er hielt die schußbereite Waffe in der Armbeuge und bewegte sich äußerst vorsich tig. Atlan konnte ihm ansehen, daß er Angst 27
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam kreidebleich. Sein Arm hing schlaff an seiner Seite herunter. Du hast dich geirrt. Nicht das Material der Waffen war so weich, sondern dein Zellge webe hat sich verhärtet. Er konnte sich den streng logischen Über legungen des Extrasinns nicht verschließen. Zögernd fast ging er zu der Waffe, die am Boden lag. Er hatte sie zertrümmert. Er nahm sie auf und drehte sie in den Händen, sah, daß sie wertlos für ihn geworden war, und schleu derte sie enttäuscht von sich. Dann nahm er einen faustgroßen Felsbrocken auf und zer drückte ihn mühelos in den Händen. Der Staub rann ihm durch die Finger. Ein Lächeln glitt über seine Lippen. Der Zellaktivator hatte ihn verändert – aber – in welcher Weise! Kalib Broltan war durch ihn vernichtet worden. Bei ihm aber war alles anders. Das Gerät machte ihn nicht nur un sterblich, sondern auch unbesiegbar. Es ver dichtete sein Zellgewebe, so daß es undurch dringlich wurde. Zugleich aber wuchsen seine Kräfte ungeheuerlich an. Der Umwand lungsprozeß schien noch nicht abgeschlossen zu sein. Nur so waren die kleinen Schwäche perioden zu erklären, die sich hin und wieder einstellten. Er fragte sich, wie ein Energiestrahl wohl auf ihn wirken würde. Vielleicht war er auch durch ihn nicht zu verletzen. Atlan II lachte. Das Schicksal hatte ihn auf wunderbare Weise beschenkt. Sollten seine Feinde nur kommen. Sie konnten nichts mehr gegen ihn ausrichten. Sollte jener Mann ihn nur angreifen, der glaubte, einen Anspruch auf den Zellaktivator zu haben. Er war machtlos gegen ihn. Die Feinde des Großen Imperiums sollten sich noch wundern. Jetzt sollten sie den wahren Kristallprinz von Arkon kennenlernen. Er würde ihnen das Fürchten beibringen. Nunmehr war er davon überzeugt, daß der Berg in seiner Hand war. Von Radman erwar tete er keinen entscheidenden Widerstand mehr. Ela Pam würde berichten, was gesche hen war, und dann würden die beiden Männer fliehen. Mit festen Schritten eilte er durch den Gang. Er ging nun entschlossener und ziel
strebiger vor als bisher. Als er einen Ausgang erreicht hatte, blickte er sich um. Er entdeckte eine Bewegung schräg unter sich. Vorsichtig ließ er sich über das Gestein gleiten, bis er Radman und Ela Pam entdeckte. Die beiden Männer arbeiteten an einem Kampfroboter. Sie waren gerade dabei, das Antriebsaggregat einzuschalten und ein Einsatzprogramm einzugeben. Damit hofften sie, ihn doch noch töten zu können. Atlan II lächelte kühl. Er näherte sich den beiden Männern so schnell, daß sie ihn erst bemerkten, als es schon zu spät war. Er riß Radman den Energiestrahler aus dem Gürtel und sprang zurück. Schreckensbleich blickten die beiden Männer ihn an. »Verschwindet von hier«, befahl er. Dabei beobachtete er den Kampfroboter. Er wußte nicht, wie weit die Arbeit der beiden Waffenexperten gediehen war, konnte dann aber feststellen, daß der Roboter noch nicht einsatzfähig war. »Hör zu, Junior«, sagte Radman stockend. »Alles war ein Mißverständnis. Können wir uns nicht vernünftig miteinander unterhal ten?« »Ihr habt gehört, was ich gesagt habe«, er widerte der Arkonide und richtete drohend den Blaster auf Radman. »Warten Sie bitte«, flehte Ela Pam, dem Radman inzwischen die Hand verbunden hat te. »Wir müssen Ihnen noch etwas sagen.« »Ich wüßte nicht, was wir uns noch zu sa gen hätten.« »Sie kommen nicht von der Regierung?« »Das wissen Sie doch.« »Und Sie hatten es auch gar nicht auf die Waffen abgesehen?« »Auch das wissen Sie.« »Ich will Ihnen nicht verschweigen, daß wir die Waffen verkaufen wollten. Unsere Ab nehmer können jeden Moment kommen. Um ehrlich zu sein, sie haben sich sogar schon verspätet. Wenn sie feststellen, daß es Schwierigkeiten mit den Waffen gibt, werden sie kämpfen. Wir kennen sie. Und dann haben Sie keine Chance.« »Das wird sich zeigen.« »Was haben Sie vor, Junior?« fragte Radman. »Wollen sie etwa das Geschäft ma chen?« 28
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam »Es ist wirklich sinnlos, daß wir darüber diskutieren«, entgegnete Atlan II. »Ich werde dafür sorgen, daß die Waffen auf diesem Pla neten bleiben. Hier werden sie gebraucht. Wenn Sie meinen Befehlen nicht folgen, wer de ich Sie töten. Sie zwingen mich dazu.« »Gut«, sagte Radman einlenkend. »Wir nehmen unseren Gleiter und lassen Sie allein. Wir werden uns erlauben, die weiteren Vor gänge aus sicherer Distanz zu beobachten.« Der Arkonide antwortete nicht. Er hob den Energiestrahler nur ein wenig höher, dabei achtete er sorgsam darauf, seine Finger nicht zu fest um die Waffe zu legen. Er wollte sie nicht zerstören. Die beiden Waffenhändler kletterten über die Felsen. Atlan folgte ihnen bis zu einem Gleiter, der zwischen einigen mannshohen Felsbrocken parkte. Er überleg te, ob er ihnen das Flugzeug überlassen oder es lieber für sich selbst behalten sollte. Dann entschied er sich dafür, es ihnen zu geben. Sie sollten sich so schnell wie möglich zurück ziehen. Er durchsuchte die Maschine flüchtig nach Waffen und gab sie frei, als er keine fand. Radman setzte sich hinter die Bedienungs elemente und drückte einige Tasten. Ela Pam kletterte mühsam auf die hintere Sitzbank. Der Gleiter startete, gewann schnell an Höhe und verschwand in südlicher Richtung. Atlan II atmete auf. Er setzte sich auf einen Stein und blickte nach oben. Die Sonne ging unter. Es wurde schnell dunkel.
scheinlichkeit war größer, daß aus diesem Grunde die Ortungsanzeige ausblieb, als daß Atlan II auf ein Material gestoßen war, das isolierend wirkte. Die 62-Stunden-Frist neigte sich ihrem En de zu. Atlan blickte immer wieder auf sein Chro nometer. Nicht mehr als zwanzig Stunden blieben ihm noch. Er glaubte, bereits jetzt einen gewissen Verfall seiner Kräfte feststel len zu können. Ließ nicht schon die geistige Spannkraft nach? Er war weit nach Norden vorgedrungen und schließlich in Bereiche gekommen, in denen sich der wüstenartige Charakter der Landschaft verlor. Niedriges Buschwerk bestimmte das Bild weiter Ebe nen. Zu dieser Zeit stellte Atlan fest, daß er zu weit geflogen war. Plötzlich erfaßte er die Impulse des Zellaktivators wieder. Sie kamen aus südlicher Richtung. Also war er über das Ziel hinausgeschossen. Er wendete. Die Son ne ging unter. Irgendwo vor ihm im kargen Bergland verbarg sich der andere. Wollte er ihn überhaupt finden? Es ist ein Zellaktivator! stellte der Extra sinn fest. Er schaltete die Scheinwerfer an und be schleunigte stärker. Er ist wie ich, dachte er. Das scheint nur so. Was unterscheidet ihn von mir? Er kommt aus einer Welt, die längst unter gegangen ist. Das Große Imperium gehört der Vergangenheit an. Er ist ein Relikt aus dieser Zeit, ein von den Skinen in die Galaxis proji zierter Bewußtseinsinhalt. Atlan wußte, daß gegen die Logik des Ext rasinns nichts einzuwenden war. Es was un bestechlich in seiner von Emotionen freien Überlegung. Doch so nüchtern und distanziert vermochte er das Problem nicht zu sehen. Er kämpfte nicht gegen einen Gegner gewöhnli cher Art, sondern gegen sich selbst. Sollte er gezwungen sein, seinen Doppelgänger im Kampf zu töten, so würde das einem Selbst mord gleichkommen. Einfach nur abzuwarten, wäre zu einfach. Wenn der Logiksektor doch schweigen würde! Atlan blickte auf den Ortungsschirm.
* Lordadmiral Atlan war der Verzweiflung nahe. Etwas Unglaubliches war geschehen. Das Ortungsgerät hatte immer wieder versagt. Bisher hatte er es noch nie erlebt, daß die Im pulse eines Zellaktivators nicht zu orten wa ren. Hier aber hatte sich ereignet, was nicht hätte sein dürfen. Auf den Ortungsschirmen blieben die Zeichen aus, die ihm die Richtung anzeigen sollten, in der das Gerät zu finden war. Atlan hatte Angst. Er fürchtete, daß sein Doppelgänger den Zellaktivator beschädigt hatte. Die Wahr 29
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam Gleichmäßig und ruhig flammte das Zeichen auf, das ihm anzeigte, wo der Zellaktivator sich befand. Draußen war es dunkel. Der Himmel war sternenklar. Plötzlich glaubte er, etwas gesehen zu ha ben, was ungewöhnlich war. Er verringerte die Fahrt des Gleiters und richtete seine ganze Aufmerksamkeit nach oben. Minuten verstri chen, bis er endlich fand, was ihn beunruhigt hatte. Ganz deutlich zeichnete sich ein langge streckter Körper gegen das Licht der Sterne ab. Ein walzenförmiges Raumschiff näherte sich ihm. Es senkte sich langsam auf die Ber ge herab. Die Form war nicht gut genug aus zumachen. Es konnte sich um einen Raumer der Springer oder um einen der Maahks han deln. Atlan änderte seinen Kurs, flog auf einen steil aufragenden Felskegel zu und landete an einem geröllbedeckten Hang. Hier glaubte er, gut genug versteckt zu sein. Er beobachtete, wie das Schiff langsam herabschwebte. Mächtige Scheinwerfer leuchteten auf und erhellten die Berge. Der Raumer sank, von unsichtbaren Antigravfeldern getragen, in eine Schlucht. Atlan schätzte, daß er etwa zweihundert Meter lang und vierzig bis fünf zig Meter dick war. Zu seiner Beunruhigung stellte er fest, daß die Impulse des Zellaktivators aus der Gegend kamen, in der die Unbekannten landeten. Er konnte sich die Vorgänge nicht erklären. In dieser Einöde konnte es nichts geben, was ein derartiges Manöver rechtfertigte – es sei denn, die Aktion galt dem Zellaktivator. Seine Im pulse konnten auch von anderen aufgefangen werden. Auf den meisten Raumschiffen gab es Geräte, die auch für fünfdimensionale Im pulse empfindlich waren. Du irrst dich, stellte der Logiksektor fest. Für den Zellaktivator ist der Aufwand zu groß. Diese Tatsache war nicht zu übersehen. Wer das Gerät jagte, der brauchte nur einige Hilfskräfte mit einer kleinen Landeeinheit auszusetzen. Ein Gleiter hätte bereits genügt. Das Raumschiff war viel zu groß und unbe weglich gegenüber einem Flüchtenden mit einem Gleiter. Der Kriminalist in Atlan erwachte.
Es konnte nur um illegale Geschäfte gehen, in die sein Doppelgänger zufällig verwickelt worden war. Das machte die Sache nur noch gefährlicher. Der Zellaktivator konnte leicht zerstört werden. Atlan beschloß, sich näher an das Schiff heranzupirschen. Da blitzte es sonnenhell zwischen den Ber gen auf. Irgend jemand schoß mit einem Energie strahler. Atlan blickte auf das Ortungsgerät. Es zeigte die Impulse des Zellaktivators nicht mehr an! * Atlan II wurde durch ein leises Rauschen aufmerksam. Er entdeckte das Raumschiff sofort, da es sich nahezu direkt über ihm be fand. Jetzt kam es darauf an. Er würde Radman und Ela Pam das Geschäft gründlich ver derben. Zwischen den Felsen blitzte es auf. Ein E nergiestrahl zuckte auf ihn zu, erreichte ihn jedoch nicht, da die Entfernung zwischen ihm und dem heimtückischen Schützen zu groß war. Er wollte seine Freunde warnen, stellte der Logiksektor fest. Atlan II strich sich mit der Hand über die geblendeten Augen und zog sich in den Berg zurück. Es wurde Zeit, daß er nach den Waf fen suchte. Kurz bevor er eine Gangbiegung erreichte, blickte er noch einmal zurück. Der Raumer schwebte noch immer an der gleichen Stelle. Er hatte die Landung unterbrochen. Jetzt suchten die Insassen vermutlich mit Hilfe von Infrarotgeräten die Umgebung ab. Radman und Ela Pam hatten sich also ent schlossen, hier zu bleiben. Er hätte damit rechnen müssen, daß sie die Waffen nicht so ohne weiteres aufgaben. Nachdenklich blieb er stehen, griff nach dem Zellaktivator und drehte ihn behutsam zwischen den Fingern. Ich sollte das Gerät ablegen, dachte er. Wenn es mich erwischen sollte, kann mein Doppelgänger es sich noch immer holen. Er ist der einzige, der außer mir diesen Zellakti vator tragen kann. 30
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam Er sah sich suchend um, fand jedoch kein geeignetes Versteck. Daher beschloß er, den Zellerneuerer später irgendwo abzulegen, wo er vor Beschädigungen sicher war. Er eilte weiter. Jetzt fühlte er sich frisch und stark. Nichts war mehr von der Erschöpfung zu spü ren, die ihn nach der Flucht aus dem brennen den Gleiter überfallen hatte. Er war überzeugt davon, sich nunmehr ausreichend an den Zel laktivator abgepaßt zu haben. An einem senkrecht nach unten führenden Schacht blieb er stehen. Auch hier spendeten provisorisch montierte Leuchtplatten ausrei chend Licht. So konnte er die Boxen gut er kennen, die in einem tiefer gelegenen Gang abgestellt waren. Er sprang über die Schachtöffnung hinweg und ließ sich an der gegenüberliegenden Seite vorsichtig herab. Als er mit ausgestreckten Armen am Gestein hing, hörte er die Stimmen von Radman und Ela Pam, die etwas in den Berg hineinriefen. Er kümmerte sich nicht darum. Er löste die Hände, stürzte in die Tie fe, kam drei Meter weiter unten auf einem kleinen Vorsprung auf und warf sich nach vorn. Seine Füße rutschten aus, aber er konnte sich an den Containern festhalten. Er zog sich in den Gang, richtete sich auf und ging einige Schritte, bis er sicher war, daß man ihn von oben nicht sehen konnte. Dann öffnete er ei nige Boxen. Wie erwartet, enthielten sie alle Waffen. Dabei handelte es sich vornehmlich um Ener giestrahler schweren Kalibers, wie sie auf Kampfgleiter montiert wurden. Er nahm einen der Blaster heraus und befreite ihn von der Plastikhülle. Rasch prüfte er die noch ungela dene Waffe durch. Bewundernd pfiff er durch die Zähne. Sie ließ eine waffentechnisch au ßerordentlich hochstehende Fertigung erken nen, wie sie in der Zeit des Großen Imperiums von noch keiner Waffenschmiede erreicht worden war. Atlan II zweifelte kaum noch daran, daß er einen gewaltigen Zeitsprung gemacht hatte. Die Beweise dafür waren einfach überwälti gend. Die Technik dieser Zeit befand sich auf einem wesentlich höheren Niveau als jene aus der Zeit Orbanaschols des Dritten. Atlan II brach einige weitere Boxen auf, bis er endlich die Energiepatronen gefunden hat
te, die er suchte. Es dauerte nicht mehr lange, bis er das geeignete Magazin für seine Waffe entdeckt und eingelegt hatte. Jetzt verfügte er über eine Ausrüstung, die sich mit der seiner Gegner messen konnte. Er kehrte zu dem senkrechten Schacht zu rück. Der Gang führte auf der anderen Seite weiter. Er sprang mühelos hinüber. Als er eine schattenhafte Bewegung vor sich ausmachte, hob er das Strahlengewehr an die Schulter und löste es aus. Ein fingerdicker Energiestrahl fuhr fauchend aus dem Projek tionsfeld und verwandelte das Gestein an der nächsten Gangbiegung in flüssige Glut. Irgend jemand schrie gellend auf. Atlan II lachte schallend. »Verschwindet«, schrie er. »Verschwindet, oder ihr lernt eure eigenen Waffen kennen.« Er hörte, daß sich jemand entfernte. Sie sind beeindruckt, stellte der Logiksektor fest, aber nicht von dem Ding, das du in der Hand hältst. Verblüfft blickte Atlan II auf den Energie strahler. Wieder einmal bewährte sich der Extrasinn, der im Rahmen der ARK SUMMIA aktiviert worden war. Radman und Pam wußten nicht, welche Waffen er aufgespürt hatte. Also konnten sie auch nicht ahnen, was er gegen sie einsetzen würde. Es mußten Energiestrah ler von erheblich größerem Kaliber vorhanden sein. Er verzichtete darauf, den Flüchtenden zu verfolgen, und kehrte zum Schacht zurück. Er legte sich davor auf den Bauch und versuchte, in die weiter unten abzweigenden Gänge hi neinzusehen. Es gelang ihm nicht. Er sprang über den Abgrund hinweg und machte sich wieder an den Containern zu schaffen. Alle enthielten Energiestrahler von gleicher Kapazität. Die wirklich schweren Geschütze mußten woanders sein. Vorsichtig schlich er weiter. Sein Weg führte immer tiefer in den Berg hinein. Inzwi schen dachte er nicht mehr daran, daß er den Zellaktivator in Sicherheit bringen wollte. Die Situation erforderte seine ganze Aufmerk samkeit. Er kam an eine Treppe, die in die Tiefe führte. Er folgte ihr, bis er einen abzweigen den Gang erreichte, der bis unter die Decke 31
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam mit Boxen gefüllt war. Die Größe der Behäl ter ließ auf ein beachtliches Format der Waf fen schließen. Atlan II brach sie mühelos auf, obwohl sie mit Metallplastikbändern gesichert waren. Er klappte den Deckel hoch und legte einen E nergiestrahler frei, der als Bordwaffe für klei nere Raumschiffe geeignet war. Die Kanone war auf einer Antigravplatte befestigt, die mit einer einfachen Steuerung versehen war. E nergiemagazine und die Batterie für den An tigrav lagen gesondert daneben. Atlan II lächelte beeindruckt. Er blickte sich um. Niemand hielt sich in seiner Nähe auf. Mit einer derartigen Waffe konnte er sogar das Raumschiff da draußen zerstören. Irgendwo in der Nähe schrie jemand nach ihm. »Junior!« klang es gedehnt auf. »Junior – melde dich!« Er ging bis an den Schachtrand und hob den Kopf. Die Stimme kam von oben, doch er konnte niemanden sehen. »Unsere Freunde haben dir etwas zu sa gen«, ertönte es. Das war die Stimme Radmans. »Was wollt ihr?« fragte der Arkonide. Er erhob seine Stimme nur mäßig. Die Argumen te der beiden Waffenhändler interessierten ihn kaum. »Meine Freunde haben zwei große Desin tegratoren an Bord«, antwortete Radman. »Sie werden den Berg in Schichten abtragen, falls du nicht aufgibst. Sie werden alles zu Staub zerblasen, wenn du nicht vernünftig wirst.« »Dabei werden sie die Waffen zerstören.« »Das ist ihnen egal. Komm heraus, und sie lassen dich leben. Das ist alles, was ich dir zu sagen habe. Überleg's dir, Junior.« Sie bluffen. Atlan II hatte eine Idee. »He, Radman«, rief er. Der Waffenschmuggler reagierte sofort. »Was gibt's?« »Ich werde mit einem großkalibrigen Ener giestrahler senkrecht in den Himmel hinauf schießen. Das Signal wird man bis weit in den Süden hinein sehen können.« Radman antwortete nicht. Das war ein Volltreffer, konstatierte der
Logiksektor. »Den ich mir nicht leisten kann«, ergänzte der Arkonide bei sich. Er war immerhin davon überzeugt, daß am Raumhafen Maahks eingetroffen waren, deren Absicht es war, die Bevölkerung dieses Plane ten zu unterjochen. 6. Lordadmiral Atlan stockte das Herz, als er sah, daß einige Maahks in schweren Rauman zügen vor der Schleuse des gelandeten Schif fes standen. Plötzlich war ihm klar, warum sein Doppelgänger sofort geschossen hatte. Er wähnte sich noch immer im »Methankrieg«, der das Große Imperium vor zehntausend Jah ren so sehr beschäftigt hatte. Das Ortungsgerät schwieg nach wie vor, dennoch glaubte Atlan nicht daran, daß der Zellaktivator zerstört worden war. Atlan II mußte noch leben, denn sonst wären die Maahks und die beiden Terraner, die bei ih nen waren, in den Berg eingedrungen. Der Berg sah vollkommen durchlöchert aus und schien aus einem fremdartigen Material zu bestehen. Dieses mochte die Impulse des Zellaktivators absorbieren oder abschirmen. Der Arkonide war mit seinem Gleiter dicht unter der Spitze eines Berges auf einem Vor sprung gelandet, der gerade groß genug war, das Flugzeug aufzunehmen. Von hier aus war er bis zur Spitze des Berges hochgeklettert, um beobachten zu können, was im Tal vor ging. Die Maahks hatten mehrere Scheinwer fer eingeschaltet, die den ausgehöhlten Berg anstrahlten. Als Atlan sich zu seinem Gleiter umwand te, fielen ihm mehrere Lichter auf, die sich von Süden und Westen näherten. Er stieg in den Gleiter und betätigte die Ortungsinstru mente. Auf den Schirmen zeichneten sich die Reflexe von wenigstens vierzehn Gleitern ab. Die Männer von Karagam dachten gar nicht daran, auf die Jagd nach dem Doppelgänger zu verzichten. Sie wollten sich die Kopfprä mie holen. Atlan rief die Korvette. Oberst Hal Aptor meldete sich augenblicklich. Er schien direkt neben den Funkgeräten gestanden zu haben. »Ich brauche Hilfe«, erklärte Atlan ohne Um 32
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam schweife. »Ich habe meinen Doppelgänger gefunden, aber allein komme ich nicht an ihn heran.« Er beschrieb die Situation. »Unsere Leute dürfen das Schiff noch im mer nicht verlassen«, erwiderte der Oberst. »Verständigen Sie Mr. Tekener. Er soll sich mit Präsident Kourla in Verbindung setzen, damit dieser sofort ein starkes Kommando hierher schickt. Ich warte.« Atlan startete. Er ließ den Gleiter langsam aufsteigen, bis er gerade eben über den Berg hinweg ins Tal sehen konnte. Dort hatte sich inzwischen kaum etwas verändert. Einer die beiden Männer lief aus der Höhe am durchlö cherten Berg herunter. Er ging zu den Me thans und redete auf sie ein. Einer der Maahks kehrte in das Schiff zurück. Atlan sondierte die Umgebung mit Hilfe der Ortungsgeräte. Die Kopfgeldjäger hatten ihre Scheinwerfer ausgeschaltet. Der Epsaler meldete sich wieder. »Sir, Mr. Tekener hat mit Kourla gespro chen. Der Präsident hat Hilfsmaßnahmen zu gesagt. Er meint, es werden jedoch noch eini ge Stunden vergehen, bevor Unterstützung für Sie eintrifft.« »Lassen Sie ihm ausrichten, daß wir ihn in dem Fall allein in der Patsche sitzen lassen werden.« »Das teilt Mr. Tekener ihm gerade mit.« Hal Aptor blickte zur Seite. Er beobachtete den Kosmopsychologen, der mit dem Präsi denten verhandelte. Es vergingen auch nur knapp zwei Minu ten, bis das narbige Gesicht des ›Smilers‹ auf dem Bildschirm erschien. »Alles in Ordnung«, berichtete er. »Kourla hat alle notwendigen Befehle erteilt. Eine Kampfeinheit von einhundert Mann ist mit vierzig Kampfgleitern unterwegs zu ihnen. Wir benötigen noch genauere Angaben zur Position.« »Ich gebe Peilsignale«, erwiderte Atlan. »Ich sende sie über Richtstrahlantenne nach Süden, so daß sie von den Methans nicht ge ortet werden können. Kommen Sie klar?« »Hier hat sich bis jetzt noch nichts ereig net«, antwortete Tekener. »Ich rechne damit, daß Grek-1 sich bei Sonnenaufgang wieder melden wird. Tut er es nicht, werde ich aktiv
werden. Ich will, daß sie Heigol Mneylat frei lassen.« »Glauben Sie, daß ihm Gefahr droht?« »Das nicht, aber ich habe gehört, daß er ge sundheitlich nicht ganz auf der Höhe ist. Des halb werde ich mich als Tausch-Geisel anbie ten, falls sich das als notwendig erweisen soll te.« »Gut, einverstanden.« Atlan schaltete ab. Er wollte das Risiko ei ner zufälligen Ortung so klein wie möglich halten. Die Maahks zogen sich ins Schiff zurück. Die beiden Terraner gingen hinter einigen Felsen in Deckung. Plötzlich blitzte eine der großen Energieka nonen des Maahkschiffes auf. Ein armdicker Energiestrahl zuckte aus dem Projektionsfeld und schlug in die Spitze des Berges ein. Das Gestein wurde augenblicklich glutflüssig und floß an den Hängen herunter. Die Hitze im Berg mußte unerträglich sein. Atlan konnte sekundenlang nichts sehen, weil er geblendet war. Unter den gegebenen Umständen konnte er kaum noch hoffen, sei nen Doppelgänger retten und den Zellaktiva tor bergen zu können. Am liebsten wäre er sofort zu den Maahks geflogen, um ihnen Einhalt zu gebieten, aber er wußte, daß er nichts ausrichten würde. Er überlegte fieberhaft, was er tun konnte, um das unausbleibliche Ende für Atlan II zu verhindern, aber ihm fiel nichts ein. Da sah er eine geschmeidige Gestalt hinter einem schwebenden Energiestrahler aus einer der unteren Öffnungen im Berg hervorkom men. Er schloß die Augen. Dann blitzte es auch schon auf und ein Energiestrahl schlug in die Flanke des Maahkraumers. Bevor die Methans reagieren konnten, verschwand At lan II wieder in der Tiefe des Berges. Jetzt begriff der Lordadmiral. Er erkannte, daß sein Doppelgänger auf ein Waffenarsenal gestoßen war, das die beiden Terraner den Maahks zugedacht hatten. Damit war auch klar, daß er mit den Methanatmern nicht verhandeln konnte, da sie in ein illegales Geschäft verwickelt waren. Der Energiestrahl hatte die äußere der Doppelhülle des Schiffes durchschlagen, aber die Kernzelle nicht erreicht. Ein großes, glü 33
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam hendes Loch klaffte an der Außenseite. Jetzt stürmten zehn Maahks aus dem Schiff hervor. Sie trugen schwere Energiestrahler in den Armen. Entschlossen berannten sie den Berg. Als sie sich den Höhlungen näherten, feuerte Atlan II. Er setzte dabei eine Waffe von relativ kleinem Kaliber ein, erzielte aber dennoch eine erstaunlich gute Wirkung. Drei Maahks explodierten kurz nacheinander. Die anderen feuerten auf die Stelle, von der aus der Doppelgänger des Lordadmirals geschos sen hatte. Sekunden später schon zeigte sich, daß sie zu spät gekommen waren. Atlan II erledigte aus einer anderen, tiefer gelegenen Höhlung heraus zwei weitere Methanatmer. Die ande ren Kolosse flohen den Berg hinunter und suchten hinter mannshohen Felsen Deckung. Während dieser Zeit konnte der Waffenof fizier an Bord des Raumers nicht schießen. Das gab dem Doppelgänger genügend Zeit für seine Flucht. Atlan wischte sich die Tränen der Erregung aus den Augen. Er bewunderte den jungen Mann, der so verwegen und geschickt kämpf te, daß die Maahks ihm trotz ihrer überlege nen Macht nicht beikommen konnten. Den noch stand sein Schicksal nunmehr auf des Messers Schneide. Du mußt ihm helfen, mahnte der Extrasinn. Es ist gleich vorbei. Zunächst wollte er es nicht wahrhaben, aber dann sah er, daß die Methans sich zum Schiff zurückzogen. Die beiden Terraner folgten ihnen und redeten auf sie ein, hatten aber kei nen Erfolg damit. Atlan begann zu ahnen, was sie planten. Sie wollten auf die Waffen verzichten. Das be deutete jedoch nicht, daß sie Atlan II unge schoren davonkommen lassen wollten. Tatsächlich schlossen sich die Schleusen, und der Raumer startete. Langsam stieg er auf. In diesem Augenblick entschloß sich der Lordadmiral zu einer Verzweiflungstat. Er verließ seinen Beobachtungsposten mit dem Gleiter und raste in südlicher Richtung davon. Als er etwa einen Kilometer von dem Schiff entfernt war, stand dieses etwa zweihundert Meter über dem Berg. Atlan betätigte das Funkgerät. Immer wieder rief er die Methans,
bis sich endlich das massige Kopfteil eines Maahks auf seinem Bildschirm abzeichnete. Die grünen Augen blickten ihn starr an. Atlan fiel auf, daß dieser Maahk fast überhaupt kei ne Schuppen am Kopf hatte. Das mächtige Gebiß verfügte über ungewöhnlich lange und spitze Zähne. »Hier spricht Lordadmiral Atlan als Vertre ter des Solaren Imperiums«, erklärte der Ar konide mit harter Stimme. Er wußte, daß er an Bord der Maahks verstanden wurde, und er wußte auch, daß man dort darüber informiert war, wer Lordadmiral Atlan war. Dennoch konnte er keinerlei Reaktionen bei dem Me thanatmer beobachten. »Ich stelle fest, daß Sie an einer militäri schen Aktion auf einem Planeten des Solaren Imperiums beteiligt sind«, fuhr er fort. »Zu diesem Zeitpunkt rücken starke militärische Verbände von Karagamia heran, um den Vor fall zu klären. Ich nehme an, daß Sie das be reits mit Ihren Ortungsgeräten festgestellt haben. Darüber hinaus darf ich Sie darauf hinweisen, daß sich vier Ihrer Raumschiffe auf dem Raumhafen der Hauptstadt befinden. Der Präsident der Regierung dieses Planeten steht in wichtigen Verhandlungen mit einer Delegation aus Ihrem Volk. Ich nehme nicht an, daß man dort viel Verständnis für Ihre eigenmächtige Aktion haben wird.« Der Maahk blickte ihn an, als habe er we der gehört, noch verstanden. Atlan schwieg ebenfalls. Er war sich dessen bewußt, daß er sich in einer äußerst gefährlichen Situation befand. Sein Gleiter konnte von den Bordwaf fen des Maahkraumers vernichtet werden. Sollte man ihn angreifen, blieb ihm keine Abwehrchance. Aber er glaubte nicht, daß sich die Methans dazu hinreißen lassen wür den. In der Umgebung befanden sich zu viele andere Gleiter. Die Fremden konnten nicht wissen, daß sich Kopfgeldjäger an Bord die ser Flugzeuge befanden. Er wartete. Die Maahks mußten in irgendeiner Weise reagieren. * Atlan II war dem Energiebeschuß nur ganz knapp entkommen. 34
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam Der Hitzeschock hätte ihn fast umgebracht. Buchstäblich in letzter Sekunde hatte er die Schaltung der Antigravplattform umkehren können, so daß sie ihn mit der darauf montier ten Energiekanone in den Gang hineingeris sen und somit aus der Gefahrenzone gebracht hatte. Doch glühende Luftmassen waren ihm gefolgt und hatten ihn eingeholt. Für einen kurzen Moment glaubte er, verbrennen zu müssen. Er wunderte sich nur darüber, daß seine Kleider nicht sofort Feuer gefangen hat ten. Offenbar bestanden sie aus einem neuar tigen, schwer entflammbaren Material. Als er sich in Sicherheit wähnte, ließ er sich keuchend auf den Boden sinken. Er suchte eine kalte Stelle im Fels, um sich an ihr zu kühlen. Sein Hals war wie ausgebrannt. Er ließ die Energiekanone, wo sie war, und durchforschte die Kammern, Gänge und Höh len nach etwas Trinkbarem. Er fand eine Fla sche mit einer braunen Flüssigkeit. Er öffnete sie und roch daran. Ohne Zweifel befand sich eine alkoholische Flüssigkeit darin. Er wußte, daß es gefährlich für ihn werden konnte, dieses Getränk zu sich zu nehmen, aber er konnte nicht widerstehen. Er fühlte sich wie ausgedorrt. Er trank. Wie Feuer brannte es in seiner Kehle. Er mußte die Fla sche absetzen, weil es husten mußte. Der Durst ließ nicht nach. Er setzte das Gefäß erneut an die Lippen und entleerte es. Dann ließ er es achtlos auf den Boden fallen. Er machte sich Vorwürfe, aber er hatte nicht wi derstehen können. Eigentlich hätte sein Durst einigermaßen gelöst sein müssen, aber das war nicht der Fall. Der Arkonide suchte weiter, bis er eine an dere Flasche fand, die reines Wasser enthielt. Er trank auch sie bis auf den letzten Tropfen aus. Danach fühlte er sich wohler. Als er zur Energiekanone zurückkehrte, merkte er, daß er sich getäuscht hatte. Tat sächlich hatte er den Flüssigkeitsverlust nicht annähernd ausgleichen können. Er war ledig lich auf einen psychischen Effekt hereingefal len, denn normalerweise hätte nunmehr alles in Ordnung sein müssen. Das aber war nicht der Fall. Betroffen blieb er stehen und horchte in sich hinein. Was war geschehen? Er legte seine Hand
behutsam um den Zellaktivator, dessen bele bende Impulse er deutlich verspürte. Nahm sein Körper die Flüssigkeit nicht auf? Geräusche, die er sich nicht erklären konn te, lenkten ihn ab. Er nahm die Kanone und lenkte sie bis zu dem senkrecht in die Tiefe führenden Schacht. Unter ihm war alles still. Seine Befürchtungen, daß es den Methans gelungen sein könnte, sich in den Berg zu schleichen, bestätigten sich nicht. Er glitt über den Rand des Schachtes, so daß er unter dem Energiestrahler hin und her pendelte. Vorsichtig steuerte er den Antigrav und sank in die Tiefe. Je mehr er das Gerät unter Kontrolle bekam, desto schneller ließ er sich nach unten tragen. Dabei beobachtete er die Tunnelmündungen sehr genau, um nicht im unpassenden Moment überrascht zu wer den. Doch weder die Methans noch Radman und Ela Pam zeigten sich. Sie schienen es aufgegeben zu haben. Als er den Grund des Schachtes erreichte, vermutete er, daß er sich sehr weit unter der Oberfläche befand. Die Wände sahen feucht aus. Auch hier hingen überall Leuchtplatten, die aus einer unbekannten Quelle mit Energie versorgt wurden. Und auch hier standen zahl reiche Kisten, in denen er Waffen vermutete. Er öffnete einige von ihnen. Sie enthielten Waffenteile, die so groß waren, daß sie nur zu Bordkanonen größten Kalibers gehören konn ten. Die Konstruktionen waren ihm teilweise völlig unbekannt. Nachdenklich setzte er sich auf einen der Container. Er konnte sich die Zusammenhän ge nicht mehr erklären. Wie war es möglich, daß die Siedler ihren Feinden, den Maahks, Waffen lieferten? Jetzt bereute er erneut, daß er die Gelegen heit in Quinto-Center nicht besser dazu ge nutzt hatte, sich zu informieren. Er wünschte, er hätte noch einmal Gelegenheit, mit seinem Doppelgänger zu sprechen. Er unterbrach seine Überlegungen und setz te seine Suche fort. Als er dabei tiefer in den Gang eindrang, stieß er schließlich auf einen Gleiter. Es war ein schlankes Fahrzeug, in dem nur zwei hintereinander sitzende Perso nen Platz hatten. Atlan II setzte sich hinter die Steuerungselemente. Nach kurzer Zeit schon hatte er begriffen, wie man diese Maschinen 35
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam fliegen mußte. Er startete sie und lenkte sie vorsichtig den Gang entlang. Als die Reihe der Leuchtplatten an der Decke endeten, schaltete er die Scheinwerfer ein und erhöhte die Geschwindigkeit geringfügig. Er war ü berzeugt, einen Weg gefunden zu haben, der weitab vom Berg ins Freie führte. Einen bes seren Fluchtweg hätte es kaum geben können. Plötzlich wurde der Berg heftig erschüttert. Gesteinsbrocken stürzten von der Decke. Atlan II erschrak. Er erkannte sofort, was geschah, und beschleunigte mit Höchstwer ten. Der Gleiter schoß mit einem Satz vor wärts und raste mit beängstigender Ge schwindigkeit durch den Gang. Immer wieder schlug er seitlich an die Felsen. Die Karosse rie wurde aufgerissen, aber das störte den Ar koniden nicht. Der in den Berg gegrabene Tunnel verlief nahezu geradlinig. Aus diesem Grunde glaubte er, das Geschwindigkeitsrisi ko eingehen zu können. Gern hätte er gewußt, was hinter ihm ge schah, aber er wagte es nicht, sich umzusehen. Schließlich geriet er in eine größere Höhle. Er bremste ab und konnte gerade noch verhin dern, daß der Gleiter an einer Felswand zer schellte. Er drehte das Flugzeug langsam herum, bis er den Ausgang gefunden hatte. Er lenkte es hinüber und hinein. Wieder glitt er durch ei nen Gang, doch jetzt führte dieser schräg nach oben. Schon kurz darauf erreichte Atlan das Ende. Geröll versperrte ihm den Weg. Er stoppte und sprang aus der Kabine. Im Lichtschein der Lampen räumte er eini ge Steine und Schutt zur Seite, bis er die Ster ne sehen konnte. Um sich nicht zu verraten, schaltete er die Scheinwerfer aus. Dann kehrte er an den Tunnelausgang zurück und machte ihn frei. Er kletterte hinaus und blickte um sich. Es war, wie er vermutet hatte. Weit hinter ihm, dort wo der ausgehöhlte Berg gewesen war, glühte das Gestein. Das Maahkschiff war verschwunden. Irgend etwas hatte die Methans vertrieben, und sie hatten sich bei ihrem Rückzug ge rächt. Mit Raketen und Energiestrahlern hat ten sie den Berg zertrümmert und die Reste in Glut verwandelt. Wenn er nicht den Flucht tunnel gefunden hätte, dann wäre es mit ihm
vorbei gewesen. Überall um ihn herum brannten die Lampen von Flugzeugen. Man suchte ihn. Er war noch lange nicht in Sicherheit. Die Maahks waren verschwunden, aber vielleicht waren sie gar nicht die gefährlichsten Feinde gewesen. Du brauchst Informationen, stellte der Ext rasinn fest. Du kannst nicht allein gegen alle kämpfen, ohne zu wissen, weshalb man dich jagt. Es gab nur eine Möglichkeit. Er mußte ver suchen, einen seiner Verfolger zu überwälti gen, um sich die Informationen, die er brauch te, bei ihm zu holen. Du hast zu viele Fehler gemacht. Er versuchte, diese Feststellung zu ignorie ren. In vorsichtiger Schleichfahrt lenkte er den Gleiter durch eine Schlucht. Er flog mit aus geschalteten Scheinwerfern, weil er sich nicht durch den Lichtschein verraten wollte. Nie mand konnte wissen, wer sich in seinem Glei ter verbarg, aber er wollte dennoch kein Risi ko eingehen. Bei Tagesanbruch wollte er so weit wie möglich von dem ausgeglühten Berg entfernt sein. * Lordadmiral Atlan sah das Unheil kommen. Deshalb zog er sich weiter von dem Maahkraumer zurück. Zugleich nahm er Ver bindung mit Ronald Tekener auf. Er schilder te ihm die Lage. »Tek«, sagte er abschließend, »unterrichten Sie die Methans. Ich erwarte, daß wenigstens eines ihrer Schiffe hier eingreift. Es muß schnell gehen.« Er wollte noch mehr sagen, sah aber, daß der Walzenraumer noch höher stieg und be schleunigte. Wieder versuchte er, die Maahks direkt anzusprechen, aber sie reagierten nicht. Zwei Raketen schossen auf den Berg hinab und detonierten an seinen Flanken. Das Tal verwandelte sich in ein Feuermeer. Die bei den Terraner, die zurückgeblieben waren, konnten unmöglich überlebt haben, Atlan zweifelte aber auch daran, daß sein Doppel gänger diesen Angriff unbeschadet überstan den hatte. Den Maahks reichte es noch nicht. Als sie 36
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam eine Höhe von etwa zehn Kilometern erreicht hatten, feuerten sie mit einem Energiestrahler auf den Berg und beseitigten ihn. An seiner Stelle entstand ein See aus flüssiger Glut. Magmamassen schienen aus einem Vulkan hervorgebrochen zu sein. Lordadmiral Atlan lehnte sich stöhnend in seinem Sessel zurück. Sein Gesicht war bleich. Er konnte nicht ahnen, daß der Mann, der seinen Zellaktivator trug, diesen Angriff überlebt hatte. In diesen Minuten war er vielmehr fest da von überzeugt, daß er das große Spiel endgül tig verloren hatte. Er blickte nicht auf sein Chronometer, weil er meinte, Zeit sei bedeu tungslos für ihn geworden. Er lenkte den Gleiter nach Norden und ließ ihn treiben. Ronald Tekener meldete sich. »Grek-1 hat blitzschnell reagiert«, teilte er mit. »Einer der Raumer ist bereits gestartet. Er hat das Schiff geortet, wie mir mitgeteilt wurde. Sir – was ist passiert?« »Nichts, Tek, nichts Ungewöhnliches.« »War Ihr Doppelgänger an Bord des Maahkraumers?« »Nein – warum?« »Atlan, es stimmt doch etwas nicht.« Die Worte veranlaßten ihn, auf den Or tungsschirm zu sehen. Er wollte etwas ant worten, doch kein Laut kam über seine Lip pen, als er die gleichmäßig aufblitzenden Im pulse entdeckte. Sie sagten ihm, daß Atlan II lebte, und daß sein Zellaktivator noch exis tierte. »Wieviel Zeit habe ich noch, Tek?« »Gut acht Stunden.« »Das müßte eigentlich genügen.« Er lächelte. »Sie hören später von mir, Tek, jetzt muß ich mich erst einmal um mein doppeltes Ich kümmern. Nebenbei – der Einfluß von Präsi denten Kourla scheint nicht besonders groß zu sein. Es wimmelt hier von Kopfgeldjägern, denen gegenüber ich allerdings im Vorteil bin, weil ich den Zellaktivator orten kann.« Ronald Tekener zeigte sein berühmt berüchtigtes Lächeln. Er ließ Atlan ahnen, daß Kourla einige unangenehme Stunden bevor standen. »Ich werde den Herren Präsidenten fragen,
Sir, ob Ihnen die Kopfprämie im Erfolgsfalle ebenfalls zusteht.« »Ich werde Sie zu meinem Vermögensbera ter ernennen, Tek.« Atlan schaltete ab. Der Gleiter lag bereits auf dem korrigierten Kurs, der ihn direkt zum Zellaktivator führen sollte. * Bevor Ronald Tekener sich an Präsident Kourla wenden konnten, meldete sich überra schend Grek-1, der Verhandlungsführer der Methans. Der Galaktische Spieler entschied sich dafür, zunächst mit ihm zu sprechen. »Neue Verhandlungen erscheinen mir not wendig«, eröffnete er das Gespräch. »Sie ver halten sich nicht gerade wie Freunde.« »Wir bedauern den Zwischenfall«, antwor tete der Maahk mit gutturaler Stimme. »Jene, die versucht haben, in ungesetzlicher Weise auf Ihrem Planeten tätig zu werden, sind be reits dafür bestraft worden.« Tekener blickte fragend zu Oberst Aptor hinüber. Dieser zeigte wortlos auf einen der Ortungsschirme, auf denen zahlreiche ausei nanderstrebende Reflexe zu erkennen waren. Die erfaßten Objekte waren Bruchteile eines Raumschiffes, das soeben explodiert war. Das genügte Tekener. Die Maahks hatten eine ungeordnete Gruppe von Methans erwischt und bestraft. Wie sie zusammenhingen, würde vermutlich niemals geklärt werden. »Ich sehe, daß Sie sich von jenen distanzie ren, die Lordadmiral Atlan mit Waffengewalt angegriffen haben. Ich danke Ihnen.« Tekener blickte den Maahk kühl an. Er konnte nicht genau erkennen, ob sein Gegenüber wirklich jenes Wesen war, mit dem er auch schon zu vor verhandelt hatte. »Ich denke, wir können nunmehr auch über die finanziellen Schaden ersatzansprüche verhandeln.« »Niemand will Geld«, antwortete der Maahk. »Jedenfalls nicht von Ihnen.« »Wie soll ich das verstehen?« »Jene, die den Lordadmiral gefährdet ha ben, sind bestraft worden. Der Mann, der un ser Raumschiff beschädigt und sein Leben vernichtet hat, soll in gleicher Weise bezah len.« »Ich verstehe nicht«, erwiderte Ronald Te 37
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam kener, der sehr wohl begriffen hatte, was der Methanatmer verlangte. »Übergeben Sie uns den Weißhaarigen.« »Sie haben bereits eine Geisel an Bord.« Eine der beiden mächtigen Hände des Maahks erschien im Bild. Grek-1 spreizte die beiden Daumen und die vier Finger weit ab. Diese abwehrende Geste war für den Kosmo psychologen ohne weiteres verständlich. »Wir werden dieses Wesen herausgeben. Es war schwächlich und hat den Aufenthalt bei uns nicht überstanden.« Tekener erschrak. Er sträubte sich gegen diese Nachricht, weil er wußte, wie die Bür ger von Karagam auf sie reagieren würden. Heigol Mneylat war ein außerordentlich be liebter Mann gewesen. Die Feindseligkeiten gegen die Maahks mußten zwangsläufig zu nehmen, wenn bekannt wurde, daß er den Strapazen der Geiselnahme nicht gewachsen gewesen war. »Ich kann jetzt nicht entscheiden«, sagte er ausweichend. »Wir werden später wieder dar über reden.« Er nickte Grek-1 zu und schaltete ab. »Verbinden Sie mich mit Präsident Kour la«, befahl er dem Funkleitoffizier. »Beeilen Sie sich.« Nachdenklich lehnte er sich zurück. »Wir können ihnen Atlan niemals auslie fern«, bemerkte Oberst Hal Aptor. »Natürlich nicht«, stimmte Tekener zu. »Aber bringen Sie denen das erst einmal bei.« »Sie wollen ihn umbringen?« »Sie wollen Atlans Doppelgänger töten, weil sie meinen, das sei ausgleichende Ge rechtigkeit.« »Präsident Kourla«, meldete der Offizier. Die Gestalt Tekeners straffte sich. Er war entschlossen, Kourla einige unange nehme Dinge zu sagen. Er wollte zumindest erreichen, daß die eingesetzten Militärgleiter Atlan unterstützten und die Kopfgeldjäger vertrieben.
Alkohol hatte überraschend keine Wirkung auf ihn erzielt, und der Durst war unerträglich geworden. Er konnte nicht mehr schlucken, und als er versuchte zu sprechen, kamen nur krächzende Laute über seine Lippen. Der Anblick der Landschaft weckte seine Lebensgeister. Wo soviel Vegetation vorhan den war, mußte es auch Wasser geben. Was ser aber bedeutete das Ende seiner Qualen. Er drückte einige Tasten. Der Gleiter be schleunigte. Betroffen blickte er auf die In strumententafel. Er hatte bis zu diesem Zeit punkt nicht bemerkt, daß er mit allzu heftigen Berührungen fast alle Schaltungen zerstört hatte. Unsicher betrachtete er seine Hände. Bis auf einen unmerklich blauen Schimmer sahen sie ganz normal aus. Sie fühlten sich auch nicht ungewöhnlich an. Das Fleisch gab unter dem Druck seiner Finger weich und elastisch nach. Als er jedoch versuchte, die Haut mit einem spitzen Instrument, das er in einem Fach gefunden hatte, zu ritzen, blieb sie un versehrt, aber das Metall wurde stumpf. Er blickte auf. Vor ihm lag ein langge streckter See. Atlan II röchelte. Er griff sich an die Kehle. Sie schmerzte nicht, obwohl sie so trocken war. Eilig steuerte er den Gleiter zum Ufer, wobei er die Tasten so behutsam wie möglich berührte, um nicht noch mehr zu zerbrechen. Kaum war das Flugzeug gelandet, als er auch schon heraussprang und zum Wasser lief. Er sah, daß das Ufer flach abfiel, und er ließ sich einfach ins Wasser fallen. Sein Kör per schien vor Trockenheit zu brennen. Die kühle Flüssigkeit umspülte ihn. Er trank gie rig und schnell, doch das Durstgefühl ver schwand nicht. Erschöpft legte er sich ins Gras, das etwa eine Handbreit hoch wuchs. Das Durstgefühl war so unerträglich wie zuvor. Er blickte in den fahlrötlichen Himmel hin auf und überlegte. Er mußte eine Möglichkeit finden, den Flüssigkeitsverlust, den er erlitten hatte, wieder auszugleichen. Er konnte sich nicht vorstellen, daß sein Körper überhaupt nichts mehr aufnehmen würde. Die osmoti schen Verhältnisse waren offenbar gestört, weil das Zellgewebe sich stark verdichtet hat
7. Atlan II erreichte ein überraschend dicht bewaldetes Tal, als die Sonne im Osten auf ging. Er fühlte sich schwach und ausgelaugt. Der 38
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam te. Dennoch mußte es eine Möglichkeit ge ben, den Wasserhaushalt des Körpers zu regu lieren. Vielleicht mußte er länger im Wasser blei ben? Er erhob sich und ging erneut in den See. Er tauchte mehrmals unter, spülte den Mund mit Wasser aus, trank jedoch nichts. Allmäh lich klärten sich seine Sinne. Er konnte wie der konzentrierter denken. Das Durstgefühl minderte sich, und im gleichen Maße stieg sein Optimismus. Sein Körper hatte sich abgekühlt. Alles schien sich zu normalisieren. Wieder verließ er das Wasser und ging am Ufer einige Schritte auf und ab. Er wunderte sich, daß er kaum Hunger hatte. Er streifte sich die Kleider ab und drückte sie vorsichtig aus. Dennoch waren sie noch feucht, als er sie wieder überstreifte, aber das störte ihn nicht. Kalt und klamm lagen sie auf der Haut, aber er fühlte sich wohl dabei. Auf diese Weise wurde seine Körpertemperatur herabgedrückt. Du solltest etwas essen. Er verzog das Gesicht, sah aber ein, daß er zumindest den Versuch unternehmen mußte, seinem Körper etwas zuzuführen. Er durch suchte den Gleiter und fand schließlich ein kleines Päckchen mit Nahrungskonzentrat, das er in Wasser auflöste und mühsam herun terschlang. Dabei stellte er fest, daß seine Geschmacksnerven nicht mehr funktionierten. Du mußt dich völlig umstellen, erklärte der Extrasinn. Nichts ist mehr so wie früher. Wahrscheinlich mußte er auch eine andere Nahrung für seinen veränderten Metabolis mus finden. Du schaffst es nicht allein. Zu wem konnte er Vertrauen haben? Zu ei nem Arzt? Würde dieser überhaupt begreifen können, was mit seinem Körper geschehen war? Irgend etwas warnte ihn. Das prickelnde Gefühl der Gefahr machte sich bemerkbar. Er blickte sich suchend um. Als er den Mann entdeckte, war es jedoch schon zu spät. Der Kopfgeldjäger kam mit angeschlage nem Energiestrahler hinter einigen Büschen hervor. »Wenn du ganz ruhig bleibst, werde ich
nicht schießen«, sagte der Mann. »Ich verstehe nicht.« »Du wirst gesucht. Ich werde dich nach Ka ragamia bringen und den Behörden überge ben. Einverstanden?« Er hatte längst damit gerechnet, daß man ihn stellen würde. »Ich gehe freiwillig mit«, antwortete er, »wenn Sie mir vorher einige Auskünfte ge ben.« »Einverstanden.« Der Mann war blond. Seine grauen Augen ließen eine gewisse Härte erkennen. Er wirkte eckig und ungelenk. Bei einem direkten Kampf hatte er wahrscheinlich wenig Chan cen. Das schien er zu wissen, denn er hielt sich ständig in einigen Schritten Entfernung. Er trug ein rotes Hemd und eine verwaschene, blaue Hose. »Setz dich.« Die grauen Augen blickten ihn forschend an. »Du siehst aus wie Atlan«, sagte der Frem de. »Darüber sprechen wir später«, entgegnete Atlan II. »Zunächst beantworten Sie mir eini ge Fragen.« »Bitte.« »Warum arbeiten Sie mit den Maahks zu sammen?« »Warum nicht?« »Sind sie nicht unsere Todfeinde?« Der Blonde schüttelte lächelnd den Kopf. »Das ist lange her. Vor vierhundert Jahren schon hat Rhodan einen Beistandspakt mit ihnen gegen die Meister der Insel abgeschlos sen. Sie sind unsere Freunde. Deshalb begrei fen wir nicht, weshalb du einen von ihnen erschossen hast.« Atlan II überhörte die vertrauliche Anrede. Sie störte ihn auch nicht mehr so sehr wie in den ersten Tagen seiner Anwesenheit in dieser Zeit. »Ich hielt die Methanatmer für Todfeinde«, antwortete der Arkonide offen. »Ich wußte nicht, daß der Methankrieg zu Ende ist.« Der Blonde kratzte sich am Kopf und erhob sich. »Komm, Freund«, sagte er. »Ich glaube, ich sollte dich zu einem Arzt bringen.« Atlan II blickte überrascht auf. 39
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam »Wieso? Sie können doch gar nicht wissen ...« Dann erst begriff er, was der Mann mein te. Er hielt ihn für geistesgestört. Atlan II legte die Hände an die Schläfen. »Ich kann Sie sogar verstehen. Manchmal möchte ich selbst glauben, daß ich den Verstand verloren habe, aber ich weiß, daß das nicht der Fall ist. Gut, fliegen wir zur Stadt zurück.« Atlan II ging auf seinen Gleiter zu. Allmäh lich wurde die Lage verständlich für ihn. Wa rum sollte er nicht akzeptieren, daß der Me thankrieg vorbei war? Er hatte einen Sprung durch die Zeit gemacht. Sein Doppelgänger behauptete, daß 10 000 Jahre verstrichen sei en. In dieser Zeit konnte viel geschehen sein. Ging er davon aus, daß inzwischen Frieden herrschte mit den Methanatmern, dann mußte sein Angriff auf diese allerdings die Bevölke rung dieser Welt empören, dann wurde auch die Zusammenarbeiten zwischen den Waffen händlern und den Maahks erklärbar. Wenn er den großen Zeitsprung akzeptierte, dann war auch die Existenz jenes offenbar hochintelli genten und militärisch starken Volkes von Terra nicht mehr ungewöhnlich. In 10 000 Jahren konnten sich die politischen Verhält nisse in der Galaxis vollkommen verändert haben. Nichts brauchte mehr so zu sein, wie es ehemals gewesen war. Selbst das Große Imperium konnte untergegangen sein, obwohl eine solche Entwicklung für Atlan II kaum noch vorstellbar war. Am Gleiter drehte der Umgewandelte sich um. »Sagen Sie mit bitte, von welchem Volk Sie abstammen.« »Ich komme von Terra.« »Terra ist die führende politische Macht in der Galaxis?« »Ich denke schon, Junge. Wenn Atlan dein Vater ist, solltest du doch eigentlich wissen, daß er nicht ganz schuldlos daran ist.« Der Blonde kam bei diesen Worten näher an Atlan II heran als vorher. Blitzschnell schlug der Arkonide nach dem Energiestrah ler. Er traf ihm mit den Fingerspitzen und schmetterte ihn damit aus der Hand des Kopf geldjägers. Dieser fuhr fassungslos zurück. »Versuchen Sie nicht, die Waffe aufzuhe ben«, sagte Atlan II ruhig.
»Greifen Sie mich auch nicht an.« Um dem Blonden begreiflich zu machen, was er meinte, legte er seine Hand um die Kante der Schiebetür des Gleiters und drückte ganz leicht zu. Die superharte Metallplastik legierung gab nach, als sei sie so leicht ver formbar wie eine weiche Knetmasse. »Sie können mich nicht überwältigen. Des halb ist es besser, wenn Sie verschwinden.« Der Mann zögerte. Atlan II reichte ihm die Hand. Er ergriff sie, und sein Gesicht verzerrte sich vor Schmerz. Blind schlug er mit der linken Faust gegen die Schulter des Arkoniden. Er hatte das Gefühl, gegen Stahl angegangen zu sein. Atlan II ließ seine Hand los. »Hoffentlich haben Sie nun begriffen, was ich meinte.« »Sie sind ein Umweltangepaßter?« »Vielleicht. Gehen Sie jetzt und kommen Sie nicht auf den Gedanken, sich wieder se hen zu lassen.« Der Blonde wich langsam zurück. Seine Lippen zuckten. »Da muß ich mich wohl noch bei Ihnen be danken, wie?« fragte er stammelnd. Atlan II lächelte. Er antwortete nicht. Er setzte sich auf den Sitz im Gleiter und blickte dem Kopfgeldjäger nach, als dieser zu seinem Flugzeug zurücklief. * Präsident Kourla fuhr mit einem Regie rungsleiter über das Landefeld des Raumha fens. Er rauchte eine Zigarre und paffte den Rauch dem Geheimdienstoffizier am Steuer wütend ins Genick. Auf dem zweiten Vorder sitz saß ein gleichrangiger Offizier, der gerade Verbindung mit Grek-1 aufgenommen hatte. »Sie sollten wissen«, erklärte er, »daß wir an Bord der Korvette gehen und später wieder zurückkehren werden. Ihre Absperrmaßnah men interessieren uns nicht. Wenn sie keinen bewaffneten Konflikt wollen, dann werden Sie uns nichts in den Weg legen.« Er wartete die Antwort des Maahks nicht erst ab und schaltete aus. »Gut so«, stimmte Kourla zu. »Wir lassen uns doch nicht auf der Nase herumtanzen.« Die Maschine schwebte um einen Walzen 40
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam raumer herum und näherte sich einer der gro ßen Schleusen der Korvette. Dort hatte man sie bereits gesehen. Die Schotte glitten auf, und das Flugzeug konnte ungehindert einflie gen. Präsident Kourla stieg sofort aus, als es im Hangar aufgesetzt hatte. »Führen Sie mich zu Tekener«, befahl er einem der Offiziere, die ihm entgegenkamen, um ihn zu begrüßen. Er blinzelte, weil die noch tief stehende Sonne, die durch die offene Schleuse hereinschien, ihn blendete. »Mr. Tekener erwartet Sie schon in der Zentrale.« Als sie den Hangar verließen, traf eine Meldung ein, daß der Galaktische Spieler sich in eine der Offiziersmessen begeben hatte und dort ein Frühstück für den Präsidenten her richten ließ. Zwei Minuten später standen sich die beiden Männer gegenüber. »Ich freue mich, daß Sie zu uns an Bord gekommen sind.« »Es wird sich zeigen, ob Ihre Freude lange dauern wird.« Kourla setzte sich. Ein Adjutant schenkte Kaffee ein. Der Stellvertreter Atlans ging über die Bemerkung des Besuchers hinweg. Er köpfte ein Ei und ließ sich ebenfalls Kaffee reichen. »Was führt Sie zu mir?« »Die Nachricht, daß Heigol Mneylat von den Maahks ermordet worden ist.« »Das hat niemand behauptet.« »Das dürfte aber eine Tatsache sein.« »Sie kennen Mneylat viel besser als ich, Mr. Kourla. Sollten Sie vergessen haben, daß er gesundheitlich nicht voll auf der Höhe war? Er hatte Schwierigkeiten mit dem Herzen.« »Das ist mir bekannt. Gerade deshalb sehe ich einen Mord. Mneylat konnte unter den Bedingungen, die hier vorlagen, nicht überle ben.« Tekener trank einen Schluck Kaffee. »Das fällt Ihnen reichlich spät ein. Finden Sie nicht auch?« Der Präsident hob ruckartig den Kopf. »Was wollen Sie damit andeuten?« »Nichts, wenn Sie nicht erkannt haben, was ich meine.« Kourla blickte Tekener feindselig an. Er wußte, daß der versteckte Vorwurf zu Recht
bestand. Wenn er energisch genug auf die Befreiung des Oppositionspolitikers gedrängt und eventuell eine Austauschgeisel angeboten hätte, dann wäre Mneylat vielleicht gerettet worden. »Also, was führt Sie zu mir?« fragte Teke ner. »Für den bestehenden Konflikt gibt es nach dem Tode Mneylats nur eine einzige Lö sung.« »Welche?« »Das wissen Sie so gut wie ich. Der Dop pelgänger Atlans muß an die Methans ausge liefert werden. Sie haben diese Bedingung gestellt, und wir werden alles tun, damit sie erfüllt werden kann.« »Mit anderen Worten, Sie halten die Kopf geldjäger nicht auf?« »Nein, und ich habe befohlen, daß die Kommandotruppe die Kopfgeldjäger unter stützt. Sie müssen das verstehen, ich sehe vor allem die Interessen von Karagam.« Ronald Tekener lächelte. Es war ein Lächeln, daß Kourla einen kal ten Schauer über den Rücken jagte. In diesem Moment bereute er, daß er an Bord gekom men war. Eine Visiphonverbindung hätte er an dieser Stelle ohne weiteres unterbrechen können. Dem Stellvertreter Atlans konnte er nicht einfach weglaufen. »Ich kann Sie leider nicht an einer derarti gen Entscheidung hindern, Mr. Kourla«, ent gegnete Tekener, »aber Sie sollen wissen, daß Sie in diesen Minuten die unglücklichste Ent scheidung Ihres Lebens getroffen haben. Die ser Mann, den Sie jagen, darf nicht angegrif fen werden. Er trägt den Zellaktivator, den er gestohlen hat, auf der Brust.« »Das alles haben Sie mir schon einmal be richtet«, unterbrach ihn Kourla. »Mich inte ressiert aber nicht der Zellaktivator Atlans, sondern allein das Wohl meines Planeten.« Ronald Tekener erhob sich. »Ich bedauere, daß ich nicht mehr Zeit für Sie habe«, sagte er kühl. Kourla erhob sich. Er war kreidebleich und seine Unterlippe zitterte. »Ich wünsche Ihnen weiterhin guten Appe tit, Mr. Kourla.« »Ich esse nichts mehr. Ich gehe.« »Bedauere, das werden Sie nicht tun.« 41
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam »Was soll das heißen?« »Das, Mr. Kourla, bedeutet, daß sechs mei ner fähigsten Offiziere mit Ihrem Gleiter von Bord gehen werden. Sie werden Atlan unter stützen und dafür sorgen, daß Ihre Kopfgeld jäger kein Unheil anrichten können.« »Sie werden es nicht wagen, den Präsiden ten von Karagam gegen seinen Willen an Bord festzuhalten.« »Gegen seinen Willen?« Tekener lächelte spöttisch. »Ich bin fest davon überzeugt, daß es Ihr Wille ist, an Bord zu speisen. Und nie mand wird mir das Gegenteil einreden kön nen.« Er wurde ernst. »Sie sind eine Gefahr für Atlan, Sir. Des halb sehe ich mich gezwungen, die Interessen des Solaren Imperiums über die Interessen von Karagam zu stellen. Finden Sie sich da mit ab.« Er verließ die Messe. Einer der beiden Of fiziere, die Kourla begleitet hatten, stand in der Nähe. Er lächelte hämisch. Er schien es dem Präsidenten zu gönnen, daß er so kalt abserviert worden war. Minuten später verließ der Regierungsglei ter die Korvette. Auf den Sitzen saßen drei Männer. Auf dem Boden verbargen sich drei weitere. Sie wurden von den Beobachtungs posten der Maahks nicht entdeckt.
Doppelgänger nicht töten. Dieser war kein Fremder für ihn, sondern absolut mit dem Atlan identisch, der er selbst mit siebzehn Jahren gewesen war. Die Erregung des Jägers packte ihn. Die Frist lief ab. Es wurde höchste Zeit, daß er diesen Atlan endlich fand. 62 Stunden lang konnte er ohne Zellaktivator existieren, weil er durch ihn energetisch aufgeladen war. Wurde diese Zeitspanne jedoch überschritten, trat ein rapider Zellverfall ein. Danach war er nicht mehr zu retten. Atlan hatte sich längst überlegt, wie die Zukunft aussehen sollte. Er glaubte, eine ver nünftige und für beide akzeptable Lösung gefunden zu haben. Seine Finger senkten sich auf die Steuertas ten, als ein Energiestrahl vor der Frontscheibe vorbei zuckte. Geblendet schloß er die Augen. Für einen kurzen Moment konnte er nichts sehen. Zu überraschend war der Schuß gekommen. Er rieb sich die Augen und versuchte, etwas zu erkennen. Zu spät. Sieben Gleiter schossen wie die Habichte auf ihn herab und schlossen ihn ein. Aus den Fenstern beugten sich zivil gekleidete Männer und Soldaten. Alle zielten mit ihren Energie strahlern auf ihn. Ihm blieb keine Wahl. Er konnte nicht flie hen, so wie er es zunächst gewollt hatte. Er hob die Arme. Dabei blickte er auf den Fern beobachtungsschirm hinab. Sein Doppelgän ger hatte den Blitz bemerkt. Er blickte zu ihm hinauf, konnte aber wahrscheinlich wegen der großen Entfernung keine Einzelheiten ausma chen. Jetzt drehte er sich um, sprang in seinen Gleiter und startete. Atlan stieß die Tür auf und stieg mit hoch erhobenen Händen aus. Er wußte, daß er nichts anderes tun konnte. Deshalb handelte er so, wie sie es erwarteten, und vermied al les, was sie dazu verleiten konnte, auf ihn zu schießen. Er fürchtete vor allem, daß sie ihn paralysieren würde, bevor er etwas sagen konnte. Ein untersetzter Mann in Offiziersuniform kam auf ihn zu. »Die Jagd ist zu Ende«, sagte er. »Ich ver hafte Sie im Namen der Regierung von Kara
* Lordadmiral Atlan setzte seinen Gleiter auf einem Bergrücken ab. Von hier aus hatte er einen guten Ausblick über ein stark bewalde tes Tal mit einem See. Er regelte die Brenn weite der Fernoptik neu und suchte das Ge lände ab. Die noch niedrig stehende Sonne Effnoy blendete ein wenig. Daher dauerte es relativ lange, bis er den Gleiter entdeckte, der am Ufer des Sees parkte. Der Arkonide fuhr die Optik aus, bis er den Mann im Bildausschnitt hatte, der neben der Maschine stand. Er atmete auf. Er hatte gefunden, was er suchte. Der Mann dort unten glich ihm aufs Haar. Er sah nur jünger aus. Atlan nahm den Kombistrahler auf, der neben ihm auf dem Sitz lag, und schaltete ihn auf Paralysewir kung um. Selbstverständlich wollte er seinen 42
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam gam.« »Ich würde Ihnen gern gratulieren«, ent gegnete der Lordadmiral. »Leider kann ich das nicht. Wissen Sie, wer ich bin?« Auch die anderen Männer kamen heran. Sie bildeten einen Kreis um ihn, aus dem er nicht ausbrechen konnte. Der Offizier blickte ihn prüfend an. Er nickte. »Sie sind der Mann, den wir suchen.« »Mein Name ist Atlan. Ich stehe im Rang eines Lordadmirals, und ich gebe Ihnen den Rat, bei Ihrer vorgesetzten Dienststelle nach zufragen, wen Sie wirklich zu fassen haben. Wissen Sie, aus welchem Grunde ich hier bin?« »Ich bin darüber informiert worden, daß Ihr Zellaktivator entwendet worden ist. Ich mei ne, daß Sie selbst ...« Er stockte. Atlan öffnete seine Hemdbluse. »Sehen Sie den Zellaktivator? Sie haben den falschen Mann erwischt. Sie haben mich zu einem Zeitpunkt aufgehalten, als ich jenen Arkoniden aufgespürt hatte, der das Gerät übernommen, und der auf dem Raumhafen von Karagamia einen Methanatmer erschos sen hat.« »Was soll das?« fragte einer der anderen Männer. »Wir paralysieren ihn einfach und schnappen uns danach den anderen. Wenn wir beide haben, dann ist uns die Prämie auf jeden Fall sicher.« »Genau das werden Sie nicht tun«, erwider te der Arkonide scharf. »Wissen Sie nicht, daß der Gesuchte ein junger Mann ist? Er ist etwa zwanzig Jahre jünger als ich.« »Das stimmt«, sagte der Offizier unsicher. »Warten Sie, Sir, ich werde in Karagamia zurückfragen.« Er ging zu seinem Gleiter. »Ich habe Präsident Kourla befohlen, die Jagd abzubrechen«, erklärte Atlan den ande ren. Er blickte einen nach dem anderen an. Die meisten wichen ihm aus. »Wer auf den Gesuchten schießt, kann dabei den Zellaktiva tor zerstören.« »Den würde ich mir schnappen und auf die Prämie verzichten«, rief ein hagerer Mann grinsend. »Was meinen Sie denn?«
»Der Zellaktivator ist auf mich persönlich abgestimmt. Niemand außer mir kann ihn tragen, ohne dabei getötet zu werden.« Der Offizier kehrte zurück. »Mein Vorgesetzter hat den Befehl von Präsident Kourla bestätigt. Die Besatzung aller Gleiter in diesem Gebiet sollen den Doppelgänger suchen. Die Maahks wollen ihn haben. Er soll ihnen ausgeliefert werden.« »Das werde ich niemals zulassen.« Er blickte sich um. Die Männer waren un sicher. Sie wußten nicht, was sie tun sollten. »Ich erwarte, daß Sie mich nicht mehr län ger aufhalten«, sagte der Lordadmiral mit der ganzen Autorität seiner Persönlichkeit. »Ich habe der Regierung meine Hilfe bei den Ver handlungen mit den Maahks zugesagt, und ich bestehe darauf, daß ich von den Bewohnern von Karagam nicht länger behindert werde.« Die Männer schwiegen. Als Atlan den Of fizier ansah, erklärte dieser stockend: »Die Prämie ist auf den Kopf des anderen ausgesetzt. Wir bekommen Schwierigkeiten, Leute, wenn wir nicht vernünftig sind.« »Das will ich meinen«, sagte Atlan, nickte ihm anerkennend zu und ging zu seinem Glei ter. Sie werden dich abknallen! warnte der Ext rasinn. Atlan setzte sich hinter die Steuerelemente. Mit schmalen Augen beobachtete er die Kopfgeldjäger. Keiner von ihnen hatte sich zu seiner Maschine begeben. Sie schienen alle noch unentschlossen zu sein. Er startete und beschleunigte mit allem, was der Antrieb her gab. Einer der Männer war nicht mit dem Ausgang der Auseinandersetzung einverstan den. Er schoß mit seinem Paralysator auf At lan, aber dieser war bereits so weit entfernt, daß er nur noch ein unangenehmes Prickeln im Rücken verspürte. Das störte ihn jedoch kaum noch. Schlimmer war, daß ihm nach einiger Zeit mehrere Gleiter folgten. Die Männer wollten sich an ihn hängen, weil sie von ihm an ehes ten erwarteten, daß er seinen Doppelgänger fand. In dieser Situation wußte Atlan nicht mehr, wie er sich verhalten sollte. Er konnte sich keine Täuschungsmanöver mehr leisten, mit denen er die Kopfgeldjäger hätte abschütteln 43
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam können. Sie hätten zuviel Zeit gekostet.
le, Sie zu erreichen. Wir suchen Sie.« »Wenn Sie wüßten, wie dringend ich Sie benötige«, entgegnete er erleichtert aufat mend. »Ich gebe Ihnen ein Peilzeichen. Holen Sie aus Ihrer Maschine heraus, was immer möglich ist. Eine Horde von Kopfgeldjägern ist hinter mir her. Sie will mir meine Beute streitig machen.« Er setzte den Peilsender in Betrieb und konzentrierte sich voll auf die Jagd nach dem Doppelgänger, ohne das Funkgerät auszu schalten, so daß eine ständige Verbindung aufrechterhalten wurde. Langsam rückte er dem anderen Gleiter näher. Atlan II blickte sich nicht um. Der Lordadmiral zweifelte dennoch nicht daran, daß er dem richtigen Mann folgte. Das weiße Haar, das dem Mann im Gleiter vor ihm bis auf die Schultern herabfiel, besagte alles. Immer wieder drehte Atlan sich um. Die Verfolger fielen zurück. Ihre Maschinen wa ren nicht schnell genug. Doch damit war nicht viel gewonnen. Der Vorsprung betrug noch nicht einmal zwei Minuten, und in so kurzer Zeit konnte er den Doppelgänger niemals ü berwunden haben. Er fragte sich, ob das Bewußtsein von Broomer, dem Springer aus der Sippe Brol tanvors, noch in Atlan II lebendig war, oder ob es vollkommen unterdrückt worden war. Der Bach weitete sich zu einem See. Die Landschaft glich jetzt jener, in der er Atlan II beinahe gestellt hätte. Wieder setzte der Ver folgte zur Landung an. Er war nur noch etwa zwei Kilometer von dem Lordadmiral ent fernt. Jetzt holte dieser ungemein schnell auf. Er wunderte sich darüber, daß Broomer-Atlan sich nicht ein einziges Mal umsah. Er sah, wie er aus seinem Gleiter stieg und stark taumelnd ins Wasser lief, wo er sich mit ausgebreiteten Armen fallen ließ und für Se kunden vollkommen untertauchte. In dieser Zeit war Atlan so weit aufgerückt, daß er ebenfalls verzögern mußte. Er landete neben dem schlanken Gleiter, den Atlan II den Waffenhändlern abgenommen hatte. Als er – mit dem Kombistrahler in der Hand – aus dem Gleiter stieg, kam Atlan II aus dem Was ser. Die beiden Männer blickten sich an. Bei de waren fassungslos. Atlan II, weil er nicht damit gerechnet hatte, plötzlich diesem Ver
8. Atlan nutzte schließlich die einzige Chance, die er hatte – die überlegene Geschwindigkeit seines Gleiters. Er beschleunigte bis auf Höchstwerte. Als er sich umdrehte und zu rückblickte, stellte er fest, daß seine Verfolger zurückfielen. Er blieb nicht direkt auf dem Kurs, den ihm das Ortungsgerät angab, sondern hielt sich weiter nördlich, bis die Leuchtimpulse fast aus dem Bildschirm wanderten, der Doppel gänger sich also südlich von ihm befand. Zu dieser Zeit hatte er einen hochaufragenden Bergkegel passiert. Er ging auf Kurs Südost und wurde durch den Berg gegen den Schwarm der Kopfgeld jäger abgedeckt. Er hoffte, die Männer auf diese Weise abschütteln zu können. Tatsächlich glitt das Fahrzeug nach etwa fünf Kilometern in eine seitwärts abbiegende Schlucht und war von dem Bergkegel aus nicht mehr zu sehen, vor dem Atlan südwärts geflogen war. Er hielt sich ziemlich niedrig, als er einem Bach folgte. Zu beiden Seiten ragten spärlich bewaldete Hänge bis zu einer Höhe von etwa zweitausend Metern auf. Das Tal war etwa dreißig Kilometer lang. Atlan glaubte, einen silbrig schimmernden Punkt vor sich erken nen zu können. Er unterbrach seinen Flug nicht, sondern versuchte, das Objekt trotz der unruhigen Bewegung auf den Bildschirm zu bekommen. Es gelang ihm schon nach kurzer Zeit. Äußerlich war nicht auszumachen, ob der Doppelgänger in dem Gleiter saß. Nur die Ortungsreflexe wiesen darauf hin. Atlan, der etwas mit der Geschwindigkeit herunterge gangen war, beschleunigte wieder voll. Dabei blickte er sich erneut um – und erschrak. Hin ter ihm befand sich ein Rudel von fünf Glei tern. Er konnte sich nicht um sie kümmern. Am Funkgerät leuchtete rhythmisch ein Licht auf. Er schaltete es ein. Das Gesicht eines Offiziers von der Korvette erschien auf dem Schirm. »Sir, wir versuchen schon eine ganze Wei 44
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam folger gegenüberzustehen. Lordadmiral Atlan, weil sein Doppelgänger sich unglaublich ver ändert hatte. Atlan II sah ausgetrocknet und dürr aus. Seine Augen lagen tief und glanzlos in den Höhlen. Die Wangen schienen nur noch aus Haut zu bestehen. Sie hatte zudem eine bläu liche Farbe angenommen. Die Kleider schlotterten lose um Arme und Beine. Die Hemdbluse stand offen, so daß Atlan den Zellaktivator und die ausgemergelte Brust sehen konnte. Er streckte die Hand aus. »Ich weiß jetzt, daß du wirklich der Kris tallprinz Atlan bist«, sagte er leise und er schüttert. »Dennoch hast du kein Anrecht auf den Zellaktivator. Du verträgst ihn auch nicht. Sieh nur deinen Körper an. Er hat auf die Im pulse reagiert, ebenso wie der Körper von Kalib Broltan.« »Was wissen Sie von ihm?« fragte Atlan II gereizt. Seine Stimme war so schwach, daß der Lordadmiral ihn kaum verstehen konnte. »Ich weiß nichts. Ich vermute nur, daß er den Zellaktivator zuerst übernommen hat und dann einen qualvollen Tod gestorben ist.« »Auf mich wirken die Impulse positiv. Ich bin ungeheuer stark geworden, und ich würde niemanden raten, mich anzufassen.« Atlan senkte den Kombistrahler, weil er nicht glaubte, daß dieser junge Mann noch die Kraft hatte, ihn anzugreifen. Er irrte sich. Schattenhaft schnell glitt Atlan II auf ihn zu. Er sprang ihn an und schlug ihm mit ei nem fürchterlichen Hieb die Waffe aus der Hand. Atlans Versuch, sie zu halten, scheiter te. Er wich geschickt zurück. Drei Meter voneinander entfernt standen sich die beiden Männer gegenüber. Sie glei chen einander kaum noch, weil Atlan II mehr wie ein wandelndes Skelett aussah. Er mußte einen ungeheuren Flüssigkeitsverlust erlitten haben. Atlan blickte sich zu seiner Waffe um. Ü berrascht stellte er fest, daß sie zerbeult und unbrauchbar war. Sein Doppelgänger wich bis an den Gleiter zurück. »Sehen Sie her«, forderte er den Lordadmi
ral auf. Er hob die linke Faust und schmetterte sie auf die Fronthaube des Gleiters. Sie fuhr durch die Metallplastikverschalung hindurch. Unverletzt zog er sie wieder heraus. »Vielleicht sind die osmotischen Prozesse in meinem Körper zur Zeit leicht gestört. Das mag sein. Das Zellgewebe hat sich ungeheuer verdichtet. Meine Haut ist fest wie Arkonit. Meine Muskeln sind unglaublich stark ge worden. Es ist, als wäre ich auf einer Welt mir sehr großer Schwerkraft aufgewachsen. Ver stehen Sie, was ich damit sagen will? Nie mand soll mich angreifen, weil ich schon durch leichte Berührungen töten kann.« Er legte die Hand um den Zellaktivator. »Nicht«, rief Atlan besorgt. »Keine Angst«, sagte Atlan II. »Ich zerstö re ihn nicht. Ich habe meine Kräfte unter Kon trolle.« Lordadmiral Atlan bemerkte, daß die Ver folger landeten. Aus den Gleitern sprangen die bewaffneten Männer heraus. Er ging entschlossen auf seinen Doppel gänger zu. »Bleib ganz dicht bei mir, sonst werden sie dich töten. Die Regierung hat eine hohe Kopfprämie auf dich ausgesetzt. Ich bin der einzige, der dich schützen kann.« Die dürre Faust des Jungen fuhr hoch. At lan warf sich zurück, doch sie berührte sein Kinn dennoch. Ihm war, als habe ihn ein Ertruser geschlagen. Er stürzte zu Boden, kam jedoch schnell wieder hoch, weil er wußte, wie wichtig es war, Atlan II vor den anderen zu bewahren. »Wenn du schon nicht vernünftig sein willst, dann wirf wenigstens den Zellaktivator in den Gleiter, damit er nicht zerstört wird.« Der Junge beugte sich leicht vor und horch te in sich hinein. Der Zellaktivator pendelte frei vor seiner Brust. Er nahm ihn, zog die Kette über den Kopf und warf das Gerät auf den Sitz hinter den Steuerelementen. Aus dem Stand heraus schnellte er sich auf den Lord admiral. »Nur einer von uns kann überleben«, rief er keuchend. Atlan wich aus, doch er konnte nicht ver hindern, daß sein Gegner ihm ein Bein unter dem Leib wegriß. So stürzte er zu Boden. Atlan II war ebenfalls gefallen. Er kam 45
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam schneller hoch als der Lordadmiral. Mit weit vorgestreckten Armen und klauenartig geöff neten Händen sprang er den am Boden Lie genden an. Atlan zog die Beine an, stemmte sie dem Jungen unter den Leib und schleuderte ihn mühelos über ihn hinweg. Er war erstaunt, wie leicht Broomer-Atlan war. Geschmeidig erhob er sich und beobachtete, wie geschickt sein Gegner sich abrollte. »Du kämpfst nicht schlecht, alter Mann«, sagte Atlan II und ging nunmehr zu einer ver traulicheren Anrede über, »aber ich komme aus der Kämpferschule von Fartuloon, dem Bauchaufschneider. Erinnerst du dich an ihn? Es gibt keinen besseren Kämpfer.« Atlan wich zurück. Er wußte, daß der Junge ihn nicht umschlingen durfte. Diesen unfaß baren Kräften war er nicht gewachsen. Fie berhaft überlegte er, wie er ihn besiegen konnte. Aus den Augenwinkeln heraus sah er, daß einige Männer mit ihren Paralysatoren auf Atlan II schossen, ohne die geringste Wirkung zu erzielen. Wieder sprang der Junge ihn an, und aber mals konnte er ihm durch eine geschickte Wendung ausweichen. Atlan II stürzte ins Gras, rutschte eine Schräge hinunter und fiel ins Wasser. Er blieb darin liegen. Deutlich war zu sehen, wie er nach Luft rang. Atlan blickte sich um. Ein großer Gleiter kam über den Bergrücken auf sie zu. Er atme te auf. Endlich traf die Unterstützung durch die Offiziere ein. Atlan II kroch aus dem Wasser. »Du bist fertig, Junge«, sagte der Lordad miral, der sorgsam darauf achtete, daß sich die Distanz zwischen ihnen nicht verringerte. »Sei vernünftig und gib den Kampf endlich auf. Ich verspreche dir, daß ich alles tun wer de, um dich zu retten. Du gehörst in ärztliche Behandlung. Vielleicht können wir noch alles in Ordnung bringen.« Atlan II richtete sich auf. Seine Arme hin gen schlaff an den Seiten herab. »Ich habe Durst«, sagte er krächzend. »Ich verdurste.« »Glaube mir. Ich will dir helfen.« Der Lordadmiral ging langsam auf ihn zu. Er war bereit, bei der geringsten Bewegung auszuweichen. Dennoch wurde er überrascht.
Der Angriff kam so schnell, daß er ihm nicht mehr wirksam begegnen konnte. Plötzlich hing der ausgemergelte Junge wie eine Klette an ihm und legte ihm die Hände um den Hals. Die beiden Atlans blickten sich an. »Ich kann dich töten.« »Ich weiß, aber es wäre sinnlos. Ich bin der einzige, der dir noch helfen kann. Wenn du mich umbringst, dann tötest du dich selbst.« Atlan II rang keuchend nach Atem. Er schien in sich zusammenzufallen. Sekunden lang verharrte er in der gleichen Stellung. Der Lordadmiral konnte nichts tun. Er war ihm bedingungslos ausgeliefert. »Hör auf das, was dir dein Logiksektor sagt. Was würde Fartuloon an deiner Stelle tun? Würde er töten?« Der Griff lockerte sich. »Ich kann nicht mehr klar denken«, erklärte Atlan II röchelnd. »Ich vertrockne.« Der Lordadmiral umfaßte ihn und hob ihn auf seine Arme. Er trug ihn zu seinem Gleiter. Die Kopfgeldjäger wichen zurück. Sie moch ten einsehen, daß sie sich die Prämie nicht mehr verdienen konnten, zumal hinter ihnen sechs Offiziere der Korvette standen und ihre schußbereiten Energiestrahler auf sie richte ten. Atlan setzte den Jungen auf den Sitz im Gleiter. Dann ging er zu der Maschine, mit der Atlan II geflohen war, nahm den Zellakti vator auf und legte ihn sich um. Ihm war, als habe er in diesem Moment ei ne Zelldusche erhalten. Das Gerät pulsierte ungemein stark. Neues Leben strömte in sei nen Körper. Die Sorgen der letzten Stunden waren vergessen. Ein ungeheures Glücksge fühl erfaßte den Arkoniden. Er ging zu seinem Gleiter und ließ sich ne ben Atlan II in die Polster sinken. Ihm war, als ob ein Stück von ihm selbst neben ihm saß. Er hörte die röchelnden, müh samen Atemzüge. Sie schnitten ihm ins Herz. Er spürte, daß alles zu spät war. Zuviel Zeit war vergangen. Vielleicht hätte man den jun gen Atlan noch retten können, wenn er den Zellaktivator früher abgelegt hätte. Er war eben doch nicht wirklich sein zweites Ich. Der Individualkode war nicht identisch, denn in Atlan II lebte trotz aller Weiterentwicklung immer noch das Gehirn von Broomer. 46
ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam »Sie wollen mich, also gehe ich.« »Das werde ich nicht zulassen.« Atlan II blickte den Lordadmiral an. Noch einmal zeigte sich in seinen Augen jene un bändige Energie, die den siebzehnjährigen Kämpfer gegen Orbanaschol III erfüllt hatte. »Begleite mich.« Atlan spürte die Kraft, die ihn vorwärts zwang. Er konnte nicht stehenbleiben. Ronald Tekener und Präsident Kourla folg ten den beiden Männern. »Er will wirklich zu den Methans?« fragte der Regierungschef leise. »Das sehen Sie doch.« »Sie werden ihn umbringen.« »Einen Toten kann man nicht töten.« Auf einer Antigravplattform sanken Atlan und sein Doppelgänger nach unten. Ein eis kalter Wind blies ihnen ins Gesicht. Tekener und Kourla blieben in der offenen Schleuse stehen. Sie beobachteten, wie Atlan seinen sterbenden Doppelgänger bis an den beschä digten Maahkraumer brachte. Dort öffnete sich eine Bodenschleuse. Zwei Maahks wur den in ihr sichtbar. Sie brachten die schlaffe Gestalt eines grauhaarigen Mannes heraus. »Heigol Mneylat«, sagte Kourla leise. »Er ist tatsächlich tot.« Atlan und Atlan II reichten sich die Hand. Dann ging der Doppelgänger langsam auf die Maahks zu. Er hielt sich nur noch mühsam aufrecht, aber er brach nicht zusammen. Die Schleuse schloß sich, als er zwischen den beiden Kolossen hindurchgegangen war. »Die Verhandlungen können weitergehen«, sagte Tekener bitter. »Die Maahks haben die Geiseln ausgetauscht. Jetzt sind Sie an der Reihe, Mr. Kourla.« Lordadmiral Atlan stand noch immer auf dem Landefeld. Ein leichter Regen setzte ein. Er drehte sich um und kehrte zur An tigravplattform zurück. Er war bleich, als er die Schleuse wieder betrat. »Ich hätte ihn nicht gehen lassen dürfen, Tek.« »Sie hätten ihn nicht halten können, Sir. Er ist wie Sie. Er mußte es tun.«
* Die Maahks erhoben keine Einwände, als der Gleiter an ihren Schiffen vorbei zur Kor vette flog. In der offenen Schleuse warteten die Bord ärzte. Sie übernahmen Atlan II und brachten ihn in die Bordklinik. Lordadmiral Atlan traf wenig später zusammen mit Ronald Tekener und Präsident Kourla dort ein. Der Stellvertre ter Atlans hatte dafür gesorgt, daß der Regie rungschef keine Gelegenheit hatte, seine Be schwerden anzubringen. Eine kleine, ausgetrocknete Gestalt lag in einem Antigravfeld, als Atlan den Behand lungsraum betrat. »Wie sieht's aus, Doktor?« fragte er. Der Chefarzt schüttelte den Kopf. »Hoffnungslos«, antwortete er. »Wir haben alles versucht. Der Flüssigkeitsverlust müßte ausgeglichen werden, aber wir schaffen es nicht. Die Haut ist undurchdringlich wie Stahl. Das Zellgewebe ist nahezu vollkom men erstarrt. Genau genommen ist es erstaun lich, daß er überhaupt noch lebt.« Atlan ging zum Lager des Sterbenden. Er beugte sich über ihn. Ein Zucken in den Au genwinkeln zeigte ihm an, daß Atlan II ihn sah. »Das wäre nicht notwendig gewesen«, flüs terte der Junge. Seine rötlichen Augen leuch teten auf. »Wenn ich nur auf dich gehört hät te. Hilf mir auf.« Atlan blickte den Arzt an. »Sie können es ruhig tun«, sagte dieser. Der Tonfall verriet Atlan, daß er damit nichts mehr entscheidend verändern würde. Das Skinenbewußtsein, daß durch die Jahrzehn tausende zu ihm gekommen war, starb. Es konnte nicht mehr gerettet werden. Er schob seinen Arm unter die Schultern des Jungen und richtete ihn auf. Atlan II hob seine Beine aus dem Antigravfeld und setzt die Füße auf den Boden. Er stand aufrecht neben dem Lordadmiral. »Ich habe noch einen Wunsch«, erklärte er. »Ich werde ihn dir erfüllen.« »Bringt mich zu den Maahks.« »Warum?«
ENDE
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ATLAN 123 (143) – Die Kämpfer von Karagam
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Die Instinkt-Spezialisten von Hans Kneifel
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