Atlan - Das grosse SF-Abenteuer Nr. 753 EVOLO
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Atlan - Das grosse SF-Abenteuer Nr. 753 EVOLO
Die Konzilsjäger von Arndt Ellmer Die Daila räumen auf Zur Jahreswende 3819/20 beginnt sich die Machtkonstellation in der Galaxis Manam-Turu drastisch zu verändern. Atlans Hauptgegner, der Erleuchtete, der vor Jahresfrist Alkordoom verließ, um hier, an seinem Ursprungsort, sein Kunstgeschöpf EVOLO zu vollenden, ist nicht mehr. Vergalo – so lautet der ursprüngliche Name des Erleuchteten – hielt sich in seiner Hybris für unschlagbar, und diese Einstellung, gepaart mit sträflichem Fehlverhalten, führte letztlich dazu, daß EVOLO seinen Schöpfer vernichtete. Auch wenn Atlans größter Gegner nicht mehr existiert, die Lage in ManamTuru ist deswegen noch lange nicht bereinigt. EVOLO ist nun stärker denn je, und was dieses mächtige Psi-Geschöpf nach seinem Sieg über den Erleuchteten unternehmen mag, wird sicher nicht zum allgemeinen Wohl dienen. Abgesehen davon, hat das Neue Konzil, bestehend aus Hyptons und Ligriden, seine Eroberungspläne längst nicht aufgegeben. Aber die Gegenkräfte schlafen nicht. Da sind zum Beispiel die Daila, die nach wie vor gegen ihre Unterdrücker kämpfen. Jetzt finden sich Mutanten und »normale« Daila auf Aklard zu Gruppen zusammen und beginnen, die Geheimstützpunkte der Besatzer systematisch auszuheben. Die Daila, die diese Mission erfüllen, sind DIE KONZILSJÄGER …
Die Hauptpersonen des Romans: Yukan und Opala - Zwei Konzilsjäger. Aksuum und Urlysh - Oberste Räte von Aklard. Susu - Ein Hypton vom Kern der Quellenplaner. Atlan - Er bricht mit der STERNSCHNUPPE nach Aklard durch. Weißwert - Ein Unbekannter, der die Hyptons auf Aklard retten will.
1. Yukan blinzelte. Es konnte nur noch wenige Augenblicke dauern, bis es soweit war. Er kniff die Augen zu ganz engen Schlitzen zusammen, so daß von den Augäpfeln überhaupt nichts mehr zu sehen war. Ein wenig zog er die Schultern hoch, und die beiden Daila in seiner Begleitung bewegten sich unruhig. »Was …«, begann der eine, der den völlig undailanischen Namen Correg trug, der »Kriegerische«. »Sch …«, machte Yukan nur. Er hob die rechte Hand und steckte den Daumen zwischen Zeigefinger und Mittelfinger hindurch. Die Fingernägel leuchteten in der sternenhellen Nacht wie kleine, entfernt stehende Lampen. Das Zeichen bedeutete, daß alles auf des Messers Schneide stand, oder, wie die Daila es ausdrückten, zwischen Glut und Asche mitten im aufsteigenden Rauch. Mana! dachte Yukan deshalb auch. Wenn du die Zeichen der Zeit steuerst und all das vorausgesehen hast, dann weißt du, wie unser Kampf ausgehen wird. Er stockte ein wenig bei der gedanklichen Verwendung des Begriffes Kampf. Die Daila lebten seit vielen Generationen in Frieden, und sie entfernten alles von ihrer Welt, was diesem Frieden hinderlich sein konnte. Aber sie hatten keine andere Möglichkeit als den Kampf gehabt, um sich den Zugriffen der Ligriden und ihrer Helfer zu entledigen. Nach und nach hatten sie eingesehen, daß es um mehr ging als um den Frieden Aklards. Es ging um den Frieden Manam-Turus, des Rauchstreifens vom
verlöschenden Feuer. Und Aksuum hatte vor langer Zeit gesagt, daß dieser Rauchstreifen die Daila ersticken würde, wenn sie nicht handelten. Ein leichter Schimmer begann am östlichen Horizont zu glimmen. Er wurde zu einem Lichtstreifen, der sich über einen Teil der Hügelkämme ausbreitete. In der Mitte des Streifens blähte sich ein halbkreisförmiges Licht auf. Es stieg über den Horizont. Fahnder, der leuchtende Mond der nördlichen Hemisphäre, ging auf und wurde zu einem vollen Ball. Der Zeitpunkt war da. Yukan richtete sich auf. Er streifte die Feuchtigkeit von den Unterarmen, mit denen er sich bisher im Gras abgestützt hatte. »Los!« zischte er. Correg und Dennar folgten ihm lautlos. Sie hielten die kurzläufigen Strahlwaffen umklammert, als handle es sich dabei um heiße Eisen. Für einen Augenblick beleuchtete Fahnder ihre Gesichter. Sie wirkten verbissen und entschlossen. Allein Mana konnte sagen, welche Gedanken in ihrem Innern entstanden. Sie gehörten nicht zu den Draufgängern, aber wie alle Daila hatten sie begriffen, daß es ums Ganze ging. Und wenn sich Daila einmal zu etwas durchgerungen hatten, dann taten sie es richtig. Die drei Männer huschten zwischen den niedrigen Felsen entlang. Sie nutzten jede Deckung aus, die sich ihnen bot. Sie hielten die Richtung nach Norden ein. Yukan zählte die Schritte. Kurz blitzten seine Augen auf. Im Dunkel der Nacht, das von den Sternen hoch am Firmament ein wenig erhellt und nun von Fahnder durchstrahlt wurde, leuchteten die bläulichen Augäpfel wie zwei Edelsteine. Es waren Augen, die einen leicht verraten konnten, wenn man sich auf einem Weg wie diesem befand. Der Daila kniff die Augenlider fest zusammen. Im Licht des einen Mondes erspähte er die Umrisse der Warnenden Senke, fünf wie mahnende Finger in den Himmel ragende Felsnadeln, vom Wind
und vom Regen ausgewaschen und durchfurcht. Yukan blieb abrupt stehen. Er duckte sich hinter einen verkrüppelten Busch. Hier in der Nähe mußte es sein. Hier hatten die Rebellen gegen die Ligriden immer wieder in den vergangenen Monaten ihre Beobachtungen gemacht. Correg und Dennar ließen sich neben ihm nieder. Sie waren erhitzt von dem anstrengenden und schnellen Marsch. Die drei Daila atmeten keuchend. Yukan machte eine fahrige Bewegung von links nach rechts. Dort unten verlief der Pfad durch das spröde und spärliche Gras der Senke. Wenn die Beobachtungen zutrafen, dann mußte es bald geschehen. Noch in dieser Nacht, aber nicht, bevor Fahnder aufgegangen war. Zu spät konnten sie also nicht sein. Die Daila warteten. Yukans Gedanken schweiften zurück in den vergangenen Tag. Sie waren nach Bajukkan gerufen worden, der Hauptstadt des nördlichen Kontinents Akjunth. In der alten Residenz des Obersten Rates waren sie empfangen worden. Aus dem Mund von Urlysh hatten sie die neuesten Informationen empfangen. Urlysh war einer der ersten Rebellen gegen die Ligriden gewesen, und er genoß das höchste Ansehen unter den Bewohnern Aklards. Aber auch zu den anderen Dailawelten war sein Ruf hinausgeeilt. Urlysh hatte das bekräftigt, was Daila wie Yukan bereits wußten. Die Aufgabe war noch nicht zu Ende. Die Raumflotte der Ligriden war vertrieben worden, und es hielten sich keine mehr auf der Oberfläche des Planeten auf. Die Daila hatten Zeit erhalten, Luft zu holen und sich ihrer wiedergewonnenen Freiheit und Selbständigkeit zu erfreuen. Beobachtungen und Einschätzungen waren zusammengetragen worden, und sie hatten dazu geführt, daß eine Einsatztruppe ins Leben gerufen worden war. Ihr einziges Ziel war es, endgültig aufzuräumen.
Yukan, Correg und Dennar befanden sich hier, um zum wiederholten Mal zu diesem Ziel beizutragen. Der kaum spürbare Wind trug einen Laut an die Ohren der Daila. Ihre Sinne waren geschärft. Es handelte sich nicht um ein Geräusch der Natur, sondern um einen Laut, der von einem intelligenten Wesen ausgestoßen worden war. Die Daila faßten die Waffen fester und lauschten intensiver. Das Geräusch wiederholte sich nicht. Statt dessen blitzte es irgendwo hinter den Felsnadeln kurz auf. Das verbotene Signal. Dort drüben also waren sie. Es war unverantwortlich, ein solches Zeichen zu geben. Dennoch hatte sie es gewagt. Yukan verzog ärgerlich den Mund. Wieder einmal sah er Schwierigkeiten auf sich zukommen, auf sich und alle Mitglieder der Einsatzgruppe. Es bestand die Gefahr, daß der Gegner das Lichtsignal entdeckt hatte. »Sie weiß nicht, was sie tut«, flüsterte Correg ergrimmt. Yukan hielt ihm die Hand vor den Mund und brachte ihn so zum Schweigen. Er zog die Hand rasch zurück. Siedendheiß überlief es ihn. Er begann unmerklich zu zittern. Wieder einmal hatte er sich und seine Begleiter dabei erwischt, daß sie vergessen hatten, wer sie eigentlich war. Noch immer war es für Daila ungewöhnlich, ihr von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen und dauernd daran zu denken, daß sie fremdartig war. Aber war es wirklich eine so große Fremdartigkeit? War der Abgrund zwischen ihnen unüberbrückbar? Ein leises Schaben klang auf. Es kam von Westen aus den Hügeln. Das Gelände war nicht übersehbar, und Yukan machte sich hinter dem verkrüppelten Busch ein wenig größer. Jetzt kam es darauf an. Diesmal war es alles andere als einfach. Der Gegner konnte sich zwischen den Felsnadeln verschanzen. Außerdem wußten sie seine genaue Anzahl nicht. Im nachhinein mochte es sich als Fehler herausstellen, daß sie nicht in einer größeren Gruppe aufgebrochen waren.
Hoffentlich hatten sie Glück und hatten es mit Dienern des Gward zu tun, nicht mit den total kriegerisch veranlagten Dienern des Gwyn. Schatten tauchten auf. Sie waren klein wie von Ligriden, die am Boden entlangrobbten. Seltsam. Yukan zauderte. Er wischte sich die Augen. Die Schatten wurden deutlicher. Sie bewegten sich den Pfad entlang auf die Lichtfläche zu, die Fahnder zwischen den Felsen erzeugte. »Nein!« Yukan schluckte schwer. Er bewegte sich auf die andere Seite des Busches. Er vergaß seine Vorsicht gänzlich und wurde von seinen Begleitern zurückgerissen. »Bist du übergeschnappt?« zischte Correg. Yukan ächzte. Sein Kehlkopf knackte. Wieder starrte er hinab auf das Schauspiel, das sich ihm bot. Ligriden waren das keine, oder er war kurzsichtig geworden, ohne es zu merken. Stumm deutete er auf den Zug kleiner Wesen, die sich den Pfad entlangbewegten. Nichts war zu hören außer dem Schaben, das sie auf dem Untergrund erzeugten. »Schoofils«, raunte Dennar. »Es sind Schoofils!« Bei den cherokähnlichen Tieren handelte es sich um hundegroße Tiere, die ursprünglich auf dem südlichen Kontinent Akbarry beheimatet waren. Sie bewegten sich auf vier Beinen und zwei verkümmerten Hilfsbeinen vorwärts, die dicht vor dem Stummelschwanzansatz am Becken saßen und den schweren Hinterleib zusätzlich stützten. Etwa zwanzig dieser Wesen waren es, die sich in ihrem arttypischen Gang den Pfad entlangbewegten, das vorderste mit der Schnauze am Boden, die folgenden hocherhobenen Hauptes. Sie trabten im Cherokmarsch, eines hinter dem anderen. Sie taten nicht, als befänden sich Ligriden oder überhaupt andere Wesen in der Nähe, die Witterung von sich gaben.
»Tolle Braten!« Correg vergaß die gebotene Vorsicht. »Sollen wir uns ein paar holen?« Yukan winkte hastig ab. Er traute dem Frieden nicht. Er schielte nach links hinüber, ob nicht doch noch eine Gruppe von Ligriden auftauchte. Das Verhalten. der Schoofils bewies jedoch, daß es weit und breit keinen Gegner gab. Ein Ruf von der anderen Seite der Senke ließ ihn endgültig an ihrem Verstand zweifeln. »Auf sie mit Gebrüll!« klang die Stimme einer weiblichen Daila auf. Lichter flammten auf und näherten sich, durchquerten die Zwischenräume an den Felsnadeln und stürmten dem Pfad entgegen. »Halt!« schrie Yukan laut. Er hatte sich endgültig aufgerichtet und rannte mit langen Schritten hinab in die Senke. Fast vergaß er dabei, den Strahler festzuhalten. Er glitt ihm aus der Hand, und er fing ihn dicht über dem Boden auf. Ein Stein fiel ihm vom Herzen. Bei diesen Waffen konnte man nie wissen. Keuchend gelangte er unten an und stand ihr gegenüber. Nur die Reihe der marschierenden Schoofils trennte sie. »Was ist mit unserem Auftrag!« herrschte Yukan die Frau an, die sich Opala nannte. »Haben wir Urlysh nicht versichert, daß wir …« Die Frau blitzte ihn aus ihren dunklen Augen an. Sie war eine Daila, wie sie sich Yukan nicht anmutiger vorstellen konnte. Ihre Augen besaßen neben dem blaßblauen Schimmer einen leicht grünlichen Unterton, der mehr intuitiv als optisch feststellbar war. Das Gesicht der Frau war ebenmäßig und schön. Das dichte, an Watte erinnernde Haar und dessen pechschwarzer Glanz verliehen ihr das Flair eines außeraklardischen Wesens. »Mach deine Augen auf, Yukan«, sagte sie mit nachsichtig klingender Stimme. »Ihnen darfst du trauen, anderen Dingen nicht.« Yukan senkte fassungslos den Kopf. Zwischen ihnen marschierte die Kette der Schoofils entlang, ohne Notiz zu nehmen. Im Normalfall hätten die Tiere ihr instinktgesteuertes Fluchtverhalten gezeigt und
wären wie ein Blitz zwischen den Felsnadeln verschwunden. »Was ist das?« brachte er hervor. »Wir werden es gleich sehen«, sagte Opala. »Erschieße eines von den Dingern!« Verwirrt hob Yukan den Lauf seiner Waffe und entsicherte sie. Er betätigte den Auslöser, und ein scharfer, stark gebündelter Energiestrahl traf eines der Tiere und suchte sich den Weg in sein Inneres. Es gab einen dumpfen Knall. Gestank von Kunststoff und Metall breitete sich aus. Die Kolonne der Schoofils kam zum Stillstand. Irgendwo krachte es. Die Daila warfen sich instinktiv zurück und entgingen so dem Inferno, das sich ausbreitete. Die Schoofils explodierten nacheinander. Aus ihrem Innern wurden Würfel und Rechtecke davongeschleudert, die nach Proviantpaketen aussahen. Yukan wartete in der Deckung eines kleinen Felsbrockens, bis sich nichts mehr rührte. Dann trat er neben Opala an die Trümmer der Tiere. »Maschinen«, sagte die Daila geringschätzig. »Simple Maschinen. Sie haben Proviant und Ausrüstung transportiert. Der Ausfall einer einzigen von ihnen hat zur Vernichtung aller geführt.« Yukan, Correg und Dennar suchten nach Worten. Besonders Yukan wollte nicht glauben, was er sah. »Roboter also«, stieß er hervor. »Das ist Beweis genug, daß es noch immer geheime Stützpunkte auf unserem Planeten gibt. Der Trick mit den Schoofils ist so simpel, daß wir nie daraufgekommen wären.« Er wandte den Kopf und blickte Opala aus großen Augen an. Ohne es zu merken, rückte er zwei, drei Schritte von ihr ab. »Wie hast du es erkannt?« hauchte er. »Die Tiere besaßen keine Hirnwellenmuster«, erklärte Opala, als sei es das Gewöhnlichste auf der Welt. »Als Orterin empfange ich die Muster eines jeden lebenden Wesens. Auch wenn es nicht intelligent ist, strahlt es eine spezifische Komponente ab, die auf Gehirntätigkeit hinweist. Es war nicht der Fall, also mußte es sich
um Roboter handeln.« Sie bemerkte, daß Yukan sie immer noch wie einen Geist anstarrte. Sie drehte unschlüssig die Hände hin und her, wobei sie die Finger gespreizt hielt. »Beim Großen Feuer und bei Aklard, unser aller Heimat«, fuhr sie fort. »Es ist nun mal so. Wir Mutanten können unsere Fähigkeiten nicht einfach vergessen. Ihr nehmt uns das doch hoffentlich nicht mehr übel, oder?« Ihre Stimme klang bei den letzten Worten leicht aggressiv. »Nein, nein, natürlich nicht«, versicherten die Daila der beiden Gruppen hastig. Und Yukan fügte hinzu: »Es ist nur … ungewohnt. Und es war ein Fehler, die Schoofils anzugreifen. Zumindest von dir, die du die Wahrheit kanntest.« »Warum, Yukan?« »Sie hätten uns zum Versteck der Ligriden führen können, Opala. Deshalb!« »Bei Manam-Turu, du hast recht«, gestand die Mutantin zerknirscht. »Wo habe ich nur meine Gedanken gehabt?« Bei deiner verdammten Orterfähigkeit, wollte Yukan antworten, aber er verbiß die Worte zwischen den Lippen. Er schloß die Augen und wartete, bis die in ihm aufkeimenden Gefühle der Aggression abgeklungen waren.
* Noch immer stand alles zwischen Glut und Asche mitten im aufsteigenden Rauch. Suuma hatte ihre jährliche Bahn über den Himmel zur Hälfte vollendet und stand in ihrer größten Hitze, die mit den längsten Tagen auf der Nordhalbkugel identisch war. Der große Feierzyklus im Tal Rhyikeinym hatte sich vollendet und würde in wenigen Tagen mit den Pulverfesten neu beginnen. Die Pulverfeste stellten ein Nachvollziehen der alten Überlieferung dar.
In der hereinbrechenden Nacht des ersten Tages eilten die Läufer mit den Gefäßen nach allen Richtungen davon. Sie verließen das Tal und eilten in die Ebene hinein bis zum Anbruch des Morgens. Dort warteten sie fastend auf den erneuten Einbruch der Nacht, um dann ihre Pulvergefäße zu zünden. Manche erreichten in ihrer Laufnacht das Ufer des Meeres oder die Ausläufer der Berge im Westen. Es handelte sich meist um Tempeldiener aus dem Tal der Heilenden Quellen, aber unter den Läufern befanden sich auch genesene Kranke, die es sich nicht nehmen ließen, ihr wiedergefundenes Wohlbefinden unter Beweis zu stellen. In der zweiten Nacht leuchteten dann die Pulverflammen weithin und symbolisierten den Ring der Vulkane, der den kleinen und kalten Kontinent Uschriin säumte. Die Flammen waren aber auch ein Zeichen für die vielen kleinen Feuer, die nachts am Himmel zu sehen waren, wenn das Wetter es zuließ. Einst war das Große Feuer in viele kleine Feuer zerfallen, weil Diebe sich hinter dem Rücken der Wächter herangeschlichen hatten, um von ihm zu nehmen. Eifersüchtige Götter und Dämonen waren es gewesen, von denen jeder ein eigenes Feuer für sich beansprucht hatte. Yukan warf einen heimlichen Blick auf Opala. Noch immer verharrten die Daila hinter den Felsen. Sie lagerten schweigend und in einer einzigen Gruppe, und zwei saßen ein wenig erhöht hinter den Felsnadeln und hielten Ausschau. Suuma hatte den Zenit bereits überschritten, aber noch nichts hatte sich gerührt. Es tauchten keine Ligriden auf, um nach den zerstörten Maschinen zu sehen. Die Schoofils rauchten noch immer teilweise, und kurz vor Mittag hatte es eine Nachzüglerexplosion gegeben. Die Felstrümmer waren bis hart an die Lagernden herangeflogen, ohne jedoch gefährlich zu werden. Corregs Detektoren meldeten, daß keine Strahlungsgefahr bestand. Yukan dachte an Rhyikeinym und an viele andere Dinge. Gegen Morgen hatten sie durch einen kodierten Funkspruch erfahren, daß Aksuum zurückgekehrt war. Er brachte wichtige Neuigkeiten, die
die Entwicklung auf und um Aklard entscheidend beschleunigen konnten. Was es im einzelnen war, das hatten sie nicht erfahren, denn der Funkspruch war kurz gewesen. Opala hatte zusätzlich das einzige tragbare Funkgerät ihrer Gruppe abgeschaltet, um dem Gegner keine Möglichkeit zu geben, den Standort zwischen den Felsen anzupeilen. Ihr da! dachte Yukan und nahm die Augen noch immer nicht vom Rücken der Mutantin. Ihr besitzt unheimliche Fähigkeiten. Jeder von euch unterliegt der Verlockung, sich mit Hilfe dieser Fähigkeiten Macht zu verschaffen. Wie sieht es mit eurer Anwesenheit auf Aklard aus? Zu Tausenden seid ihr gekommen. Seit Elyl und Aksuum diesen Plan schmiedeten, den zuvor schon Atlan im Sinn gehabt hatte, habt ihr euch um eure Heimat gekümmert. Ist es wirklich nur die Sehnsucht, die euch treibt? Habt ihr die Bindung an den Ursprungsplaneten unseres Volkes nicht längst verloren? Was habt ihr mit Aklard und uns Normalen vor, wenn alles vorbei ist? Wie viele von euch werden noch kommen? Er räusperte sich und wandte den Blick ab. Opala bewegte den Oberkörper. Sie drehte sich und musterte ihn so lange, bis er sie wieder ansah. »Es steht in deinem Gesicht geschrieben«, sagte sie unvermittelt. »Du kannst einfach nicht über deinen Schatten springen, Yukan!« »Ich verstehe dich nicht. Was meinst du?« »Deine Gedanken, meine ich. Du fragst dich, warum wir Mutanten nach Aklard gekommen sind!« »Dann kennst du auch alle anderen Gedanken, die ich denke?« Entsetzt sprang Yukan auf. »Alle?« Er schrie es hinaus. Opala wehrte ab. »Ich kenne deine Gedanken nicht, ich kann sie mir nur denken!« »Du liest in ihnen wie in einer offenen Positronik!« Sie drehte die Hände verneinend hin und her. »Ich kann keine Gedanken lesen«, sagte sie. »Wie oft muß ich das noch erklären! Ich erkenne Hirnwellenmuster und kann
entscheiden, ob lebende Wesen in der Nähe sind und zu welcher Kategorie sie gehören. Ich kann nicht deine Gedanken lesen, falls du das meinst!« »Beweise!« rief Yukan viel zu laut. »Gib uns Beweise!« Opala ließ resignierend die Schultern sinken. Sie war die einzige Mutantin der gesamten Einsatzgruppe. Jeder Daila wußte nur zu genau, daß es schwierig war, den Beweis anzutreten. »Du weißt, daß das nicht geht. Wenn ich sage, ich weiß nicht, woran du gerade denkst, dann wirst du glauben, ich lüge. Es hat keinen Sinn, darüber zu reden!« Sie erhob sich ebenfalls und schritt dicht an Yukan vorbei zum Rand des Verstecks. Gebückt verschwand sie zwischen den Felsen und suchte einen Pfad durch das Geröll, den sie begehen konnte, ohne verräterischen Lärm zu machen. Sie blieb stehen und sah sich eine Weile unschlüssig um. Sie entschied sich für einen Einschnitt, der nach Nordosten führte. Opala war zutiefst aufgerüttelt. Wie alle Mutanten hatte sie sich ihren Aufenthalt auf Aklard ein wenig anders vorgestellt. Sicher, sie war vorgewarnt worden. Alle waren vorgewarnt worden, und kein einziger der Verbannten konnte vergessen, daß der Exodus der Mutanten von ihrer Heimatwelt ein mehr oder minder erzwungener war. Die normalen Daila befanden sich in der Überzahl, die Mutanten waren eine verschwindend kleine Minderheit gewesen. Doch immer wieder war der Planet gesäubert worden, weil die übernatürlichen Fähigkeiten von ein paar wenigen den Frieden in den Städten und Dörfern gefährdeten. Die Mutanten waren schweren Herzens gegangen, und sie hatten sich ihre Sehnsucht nach Aklard über viele Generationen hinweg bewahrt. Sie hatten die Entwicklung um die Ligriden und Hyptons mitverfolgt und waren Elyls Ruf gefolgt, der sie nach Pultar zur Konferenz gerufen hatte. Es hatte Mißverständnisse und Verwicklungen gegeben, aber auch die letzten Mutanten hatten daraus ihre Schlüsse gezogen. Von diesem Zeitpunkt an waren von allen von Daila besiedelten Welten
Mutanten ausgezogen, um Aklard gegen die Ligriden zu helfen und den Planeten zu befreien. Und kurz vor dem entscheidenden Schlag waren die fremden Schiffe gekommen und hatten den Mutanten buchstäblich die Show gestohlen. War es ein Wunder, daß es in den Städten bereits wieder Stimmen gab, die alle Mutanten zum Verlassen des Planeten aufforderten und sich damit gegen die offizielle Politik stellten, die vom Obersten Rat betrieben wurde? Opala ließ die Felsen hinter sich und schritt eine Vertiefung zwischen zwei Bodenwellen entlang. Der Dank des Vaterlands blieb aus, und die Geschichte lehrte, daß dies immer so war. Die, die die Dreckarbeit machten, waren zu unauffällig, um sich aus der breiten Masse herauszuheben. Die kleinen, gefahrvollen Einsätze zählten nicht, und doch waren sie es, die bewirkten, daß die großen Dinge die vorgesehene Richtung erhielten. Sollen sie ihren Dreck allein machen, dachte die Frau erbost. Wir gehen, und wir lassen uns nicht nachsagen, daß wir etwas schuldig geblieben sind. Wir werden für die Gastfreundschaft und für den Aufenthalt zahlen, wie jeder andere Tourist auch. Aber wir werden daheim erzählen, wie es gewesen ist. Daran wird auch Elyl nichts ändern können. Er sieht sowieso alles durch eine rosarote Brille. Er und Aksuum! Nein, sie mußte ihre Gedanken korrigieren. Sie waren aus der Frustration heraus entstanden, an der Yukan schuld war. Es war anders. Es gab durchaus tolerante Daila, die die Mutanten wie ihresgleichen aufnahmen und für die seltsamen Fähigkeiten Verständnis zeigten oder bewußt die Augen verschlossen. Überall auf den drei Kontinenten hatte es Zeichen der Dankbarkeit und der Zustimmung gegeben, die nicht übersehen werden durften. Wie hatte Elyl einmal gesagt? »Und wenn es nur ein Dutzend Daila sind, die euch willkommen heißen, dann helft Aklard um dieses Dutzends willen!«
Sie hatten sich daran gehalten, und es waren mehr gewesen. Hunderttausende und Millionen Daila, die sie unterstützt hatten. Die meisten hatten mit ihnen um Erfolge im Kampf gegen die Unterdrücker gewetteifert. Und da gab es lustige Geschichten von einem Käsehändler, der den Ligriden mitsamt seinem Weichkäse buchstäblich um die Helme und andere Kopfbedeckungen gelaufen war. Opala verzog das Gesicht. Das Ganze hatte Sonnen- und Schattenseiten, und welche letztendlich überwogen, war noch nicht heraus. Es konnte erst gesagt werden, wenn alle Probleme beseitigt waren. Von der Bodenwelle zu ihrer Linken löste sich eine kleine Sandwächte und rutschte langsam herab. Der Boden unter ihren Füßen dröhnte, und die Mutantin blieb stehen und faßte nach dem Strahler an ihrem Gürtel. Weiterer Sand rutschte nach, und zwischen Bodenwelle und Vertiefung bildete sich ein dunkler Riß. Opala warf sich zur Seite. Sie eilte in wenigen Sätzen die gegenüberliegende Welle hinauf und sank an ihrem Kamm zu Boden. Vorsichtig spähte sie hinab. Fast gleichzeitig verschwand irgendeine Abschirmung, und sie konnte die Hirnwellenmuster von zwanzig intelligenten Wesen erkennen. Es waren Ligriden. Sie stiegen aus einer Öffnung, die sich im Sand gebildet hatte. Sie waren bis an die Zähne bewaffnet, und sie machten sich auf den Weg. Hinter ihnen schloß sich der geheime Eingang wieder und wurde von weiter nachrutschendem Sand zugedeckt. Die Ligriden machten sich schweigend Zeichen und setzten sich in Richtung der Warnenden Senke in Bewegung. Sie achteten nicht auf die Fußspuren, die die Mutantin im weichen Sand hinterlassen hatte. Aber sie würden aufmerksam werden, sobald sie die Menge von Spuren rund um die Felsnadeln und die umgebenden Steinbrocken entdeckten. Opala wartete, bis der letzte der Helme hinter der Bodenwelle verschwunden war. Sie erhob sich und folgte den Fremden auf
parallelem Weg. Sie hielt ab und zu Ausschau, und als die Felsnadeln in ihrem Sichtfeld auftauchten, entsicherte sie ihre Waffe und schlich näher an die Ligriden heran, die sich lautlos fortbewegten. Die Mutantin mußte noch leiser sein als sie. Aufgrund ihrer Begabung konnte sie die Gruppe sehr leicht lokalisieren und verfolgte ihre Taktik. Sie teilte sich auf. Immer zwei bezogen einen Posten, die übrigen schlichen weiter. Sie kreisten die Senke ein. Die Daila in ihrem Versteck schienen noch nichts bemerkt zu haben. Opala handelte. Ihr Paralysator begann zu singen. Nach und nach schaltete sie die Zweiergruppen aus. Als die letzte in Position gegangen war und der Anführer das vereinbarte Signal gab, da geschah gar nichts. Keine Ligriden tauchten auf der gegenüberliegenden Seite der Senke auf, und das Signalgerät glitt dem plötzlich Gelähmten aus der Hand und zersprang auf dem kahlen Felsboden in mehrere Stücke. Auch der letzte Ligride wurde von der Mutantin ins Reich der Lähmung geschickt, dann steckte sie die Waffe ein und kehrte in das Versteck zurück, ohne sich um die getroffenen Sicherheitsvorkehrungen zu kümmern. Yukan empfing sie. »Es tut mir leid«, erklärte er. »Ich habe das nicht so gemeint.« Opala sah ihn aus großen Augen an. »So!« dehnte sie. »Bitte, du mußt mir glauben«, sagte er. »Und du hast wieder einmal fahrlässig gehandelt. Wenn die Ligriden dich entdeckt …« »Nicht mehr möglich, Yukan. Es war umgekehrt. Helft mir, sie einzusammeln.« Sie winkte und schritt davon. Die Daila folgten ihr fassungslos. Yukan kam als letzter. Als er die Gelähmten erblickte, verschlug es ihm die Sprache. »Es war eine rein optische Beobachtung, die dazu führte, daß ich ihre Absicht erkannte und ihr Versteck kenne«, sagte die Mutantin. »Ich hoffe, du weißt, was ich damit sagen will.« Yukans Augen wurden klein. Er fischte nach dem Funkgerät an ihrem Gürtel und zog es heraus. Hastig nahm er es an sich und
schaltete es ein. »Hier Yukan«, meldete er sich. »Ich rufe Bajukkan!« Die Verbindung kam zustande, und der Daila gab die Erfolgsmeldung durch. Danach händigte er der Mutantin das Gerät wieder aus. »Yukan heimst den Ruhm ein, nicht wahr?« sagte Opala spitz. »Du bist es gewesen. Dir ist das alles zu verdanken!« »Führe uns zu dem Versteck«, gab er zur Antwort. »Wir wollen sehen, was die Ligriden zurückgelassen haben!« »Vergiß nicht den Schwur der Konzilsjäger, den wir geleistet haben«, erinnerte Opala ihn. »Es halten sich mindestens noch zwei Ligriden in dem Stützpunkt auf. Es ist deine Aufgabe, Yukan, sie gefangenzunehmen und das Versteck zu erobern. Ich werde dir nicht helfen!«
* Sie benötigten fast eine Stunde, bis sie den Eingang freigelegt hatten. Die Ligriden hatten sie unter zwei Mann Bewachung in der Warnenden Senke zurückgelassen. Die Fremden hatten genug Dinge mit sich geführt, mit denen ihnen die Hände und Füße zusammengebunden worden waren. Angesichts der drohenden Strahlwaffen zogen es die Diener des Gward und Gwyn vor, sich in Schweigen zu hüllen. Eine flüchtige Untersuchung des Proviants der »Schoofils« hatte ergeben, daß es sich ausschließlich um für Ligriden geeignete Lebensmittel und kleinere Mengen Batterien für Funkgeräte sowie um Gebrauchsgüter des täglichen Lebens handelte. Nach der Untersuchung war man aufgebrochen. Jetzt richtete Yukan sich auf. Er hatte mit den Händen gearbeitet, und sie waren rot von der ständigen Reibung, die der Sand verursacht hatte.
»Zwei Mann bleiben draußen«, sagte der Daila. Er bestimmte die beiden mit den Augen und untersuchte den Mechanismus. Der Eingang war in Art einer Schleuse angelegt, wie Yukan sie von Raumschiffen kannte. Eine runde Platte verschloß den Durchgang nach außen. Eine kleine Leiste, die sich an ihr entlangbog, enthielt die Sensoren für den Öffnungsmechanismus. Yukan drückte die gelbe Stelle. Er hatte Glück. Es war der Öffner, und wenige Augenblicke darauf schob sich die Platte nach außen und schwang an noch nicht sichtbaren Gelenken zur Seite. Gleichzeitig fauchte ein heißer Energiestrahl durch die Öffnung. Der Daila hechtete sich zur Seite. Er machte Dennar und Correg Platz, die ihre Waffen aktivierten und das Feuer erwiderten. Mehrere Minuten lang schossen sie Dauerfeuer in die Öffnung hinein. Sie hörten erregtes Geflüster, das von drinnen kam. »Ergebt euch!« rief Yukan und beugte sich vorsichtig über die Öffnung. Diesmal wurde nicht geschossen, und die Laute erweckten den Eindruck, als handle es sich um das Gejammer eines Verwundeten. Es kam keine Antwort, und der Daila gab das Zeichen. Allen voran stürzte er in die Schleuse. Das Innenschott stand offen. Entweder hatte es sich mit der Außenplatte geöffnet, oder es war nicht geschlossen gewesen. Ein leichter Sandbelag am Boden zeugte davon, daß der Ausgang ab und zu benutzt wurde. Die Schoofils! durchzuckte es Yukan. Sie versorgen den Stützpunkt regelmäßig. Damit war es jetzt vorbei. Der Korridor hinter der Schleuse war leer. Die Ligriden waren nicht zu sehen. Das Flüstern war erstorben. Yukan blinzelte. Das helle Licht in dem unterirdischen Versteck blendete ihn. Er war das ruhige Licht der rötlich-gelben Suuma gewohnt, nicht dieses grelle Weiß der Höcker, die in unregelmäßigen Abständen aus den senkrechten Wänden ragten. Die Daila folgten ihm mit Ausnahme der beiden, die draußen
Wache standen. Nach etwa dreißig Schritten gelangten sie an eine Tür. Sie war halb so breit wie der Korridor, so daß sich den Daila beim Öffnen genügend Möglichkeit zur Deckung bot. Dennar langte nach dem Griff und zog die Tür auf. Sie quietschte in den Angeln, ein deutliches Zeichen, daß hier die Wartungsmöglichkeiten der technischen Einrichtungen nicht ausreichend waren. Außerdem wies die altertümliche Konstruktion auf den Notbehelf hin, den die Station darstellte. Die Ligriden mußten sich hier im letzten Augenblick verkrochen haben, und wahrscheinlich hatten sie das Versteck aus Teilen errichtet, die sie aus einem Raumschiff entfernt hatten. Hinter der Tür befand sich eine Halle. Yukan schätzte sie mit den Augen ab. Er sah es aufblitzen und zog reflexartig den Kopf zurück. Etwas schlug hinter ihm in die Decke ein und blieb dort stecken. Es war ein Projektilgeschoß. »Gebt mir Deckungsfeuer!« zischte er. Correg und Dennar gingen links und rechts neben der Tür in Stellung. Sie knieten nieder und aktivierten ihre Strahlwaffen. Correg schoß leicht nach oben, während Dennar den Lauf nach unten hielt. Zwischen den beiden Energiebahnen hindurch hechtete sich Yukan in die Halle hinein. Mit einem Blick erfaßte der Daila die Lage. Die Halle war durch halbhohe Trennwände in mehrere Abteilungen unterteilt. Von den Ligriden war nichts zu sehen. Sie nutzten die Deckungsmöglichkeiten aus, die sich ihnen boten. Yukan rollte sich zur Seite ab. Er kam vor einem Schrank zu liegen. Er hörte heftiges Atmen, konnte jedoch die Richtung nicht bestimmen, aus der es an seine Ohren drang. Irgendwo hinter seinem Rücken schlug ein Projektil in die Wand. »Ergebt euch!« schrie der Daila zum zweiten Mal. Gleichzeitig wechselte er von dem Schrank hinter eine Säule, die in zwei Metern Entfernung aufragte. Der Schrank wurde nicht unter Beschuß genommen, und das wunderte ihn. »Wir denken nicht daran«, kam die Antwort. Der Ligride sprach
das Aklardische nur gebrochen, und Yukan hörte an der Betonung des Wortes »nicht«, daß der Sprecher offensichtlich längere Zeit auf Uschriin stationiert gewesen war. »Ich weiß, was ihr denkt!« fuhr Yukan fort. »Aber eure Kameraden sind gefangen. Sie kehren nicht zurück!« Ein Querschläger traf die Säule und jaulte davon. Irgendwo knirschte es, dann brach aus einer Versorgungsleitung eine braunschwarze Flüssigkeit und ergoß sich auf den Boden. Sie breitete sich rasch nach allen Seiten aus und umfloß die Trennwände oder sickerte unter ihnen hindurch. Yukan richtete die Waffe nach links und beschoß die Leitung, die endgültig auseinanderbrach. Ein körperdicker Strahl schoß aus der Höhe herab, offensichtlich aus einem Tank, der über dem Versteck angebracht war. Es begann extrem süßlich zu riechen, und die Flüssigkeit hatte die Eigenschaft, daß sie Dämpfe bildete, die als Schwaden vom Boden aufstiegen und sich über die gesamte Halle ausbreiteten. Wieder jaulte ein Projektil heran. Diesmal schoß Yukan in die Richtung zurück, aus der das Geschoß gekommen war. Es wurde ruhig in der Halle, aber das Singen eines Strahlers belehrte den Daila, daß irgendwo im Hintergrund etwas vor sich ging. Er rollte sich vor den Schrank zurück. »Kommt heraus«, versuchte er es nochmals. »Wenn ihr euer Leben retten wollt, müßt ihr es sofort tun. Wir werden das Versteck sprengen!« Die Schranktür klatschte mit großer Wucht auf. Sie schlug Yukan gegen den Kopf, und er taumelte benommen zur Seite. Ein Ligride warf sich auf ihn. Der Angreifer war mit einem messerähnlichen Gegenstand bewaffnet. Sein erster Hieb ging fehl, der zweite aber mußte sitzen. Yukan spürte, wie ihm die Sinne schwanden. Er konnte sich nicht mehr rechtzeitig zur Seite werfen, und unmittelbar neben seinen Beinen schlug ein Projektil in den Boden. Der Ligride befand sich jetzt über ihm. Yukan sah aus
verschleierten Augen, wie das Gesicht des Fremden zu einer Fratze des Schmerzes und des ungläubigen Staunens wurde. Es erstarrte und hielt die Angst und den Schmerz unwiderruflich fest. Der Ligride sackte zusammen und stürzte auf den Daila. Das Messer fuhr neben Yukans Kopf in den Belag und blieb dort stecken. Hände griffen nach ihm und zerrten ihn unter dem Fremden hervor. Er schüttelte benommen den Kopf. Auf seiner Stirn bildete sich eine breite Schwellung. »Was ist …«, brachte er hervor. Kurzfristig sah er das Gesicht Corregs über sich. Das Lodern von Flammen drang an seine Ohren. »Das Zeug hat Feuer gefangen«, vernahm er Dennars Stimme. »Los, reiß dich zusammen. Wir müssen hier raus!« Langsam wurde Yukans Blick wieder klar. Er spürte die Hitze, die ihn umfing. Augenblicklich riß er sich zusammen und ließ sich zum Ausgang ziehen. In den Räumen der Halle war es still geworden. Der Daila spürte die Kühle des Korridors und ließ sich zu Boden sinken. Dankbar sah er seine Kameraden an. »Ich hörte ein Atmen, dessen Herkunft ich nicht bestimmen konnte«, ächzte er. »Und ich wunderte mich, daß die Ligriden den Schrank nicht beschossen und ihn einfach zerfetzten.« Einer der Ihren hatte sich darin versteckt gehalten, und er wäre Yukan beinahe zum Verhängnis geworden. Jetzt war der Ligride tot, und zwei Daila zerrten die Leiche aus den Flammen heraus. Dumpfes Gepolter klang auf, aus dem Qualm und dem Rauch schälten sich drei massige Gestalten. Sie kamen ohne Waffen und mit erhobenen Armen, und deutlich war ihnen die Erleichterung anzusehen. »Ihr seid Kriegsgefangene«, empfing Yukan sie. »Dort liegt euer Artgenosse. Es war unnötig, daß er sterben mußte.« Sie fesselten die Fremden und machten, daß sie hinaus zwischen die Bodenwellen kamen. Sie entfernten sich rasch von dem Versteck. Zwei Minuten später explodierte es, und die metallenen Trümmer flogen bis zu zwanzig Meter in die Höhe.
Yukan war noch etwas weich in den Knien. Er deutete auf den Gleiter, der von Süden heranschwebte. Er ließ sich in den Sand sinken. »Wer war es, der mir das Leben gerettet hat?« wollte er wissen. Dennar meldete sich, und Yukan bedankte sich bei ihm. Der Gleiter landete. Opala stieg aus, ein Daila in Pilotenuniform folgte ihr. Die Gefangenen wurden in die Maschine zu den anderen gebracht, die Opala bereits aufgelesen hatte. Die Mutantin beugte sich über den Toten. Sie betrachtete ihn von allen Seiten, dann zog sie an seinem linken Arm und öffnete die verkrampfte Hand. Sie nahm etwas heraus und brachte es Yukan. »Er hat es umklammert gehalten. Er muß darauf bedacht gewesen sein, daß niemand es entdeckte. Oder es ist eine Art Talisman.« Yukan betrachtete den Gegenstand. Er war etwas größer als einer seiner Finger. Er war aus Horn. Er war grauschwarz und leicht gekrümmt, vorne spitz zulaufend und am anderen Ende splitterig abgebrochen. Yukan legte den Kopf schief und dachte nach. Das Ding erinnerte ihn an die Kralle eines Vogels. Es mußte von einem großen Jagdvogel stammen. Er suchte, aber er kannte keinen so großen Vogel, zu dem die Kralle gepaßt hätte. Und es war nur ein Teil davon. »Chkur azzay yumud«, fluchte er leise. »Der Schinder soll dich holen!« Plötzlich sprang Yukan auf. Er streckte Opala das Ding entgegen. »Gib den Funkruf nach Bajukkan durch!« rief er aus. »Es ist dein Verdienst! Wir haben den Beweis gefunden!« Die Daila umringten ihn augenblicklich, und in Opalas Augen glomm so etwas wie Verstehen auf. »Es ist der Beweis. Sie sind noch da. Sie befinden sich irgendwo auf diesem Planeten oder sogar auf diesem Kontinent. Urlysh vermutet es seit langem. Nur mit ihrer Hilfe konnten sich die Ligriden so lange verstecken. Das Ding da muß ein Krallenstück von
einem Hypton sein!«
2. »Im Augenblick sind keinerlei Aktivitäten festzustellen!« Urlysh ließ seine Augen schweifen. Er fuhr sich über das wattedichte Haar. Es war grau geworden in all den Monaten, in denen er aus dem Untergrund gegen die Ligriden gekämpft hatte. An mehreren Stellen durchzogen weiße Strähnen den ausladenden Schopf. Das Große Feuer mochte wissen, wie lange er schon keinen Haardrapisten mehr gesehen hatte. »Es ist die Ruhe vor dem Sturm«, hob Dratelon seine Stimme. »Wann trifft Aksuum endlich ein?« »Er befindet sich bereits in Bajukkan«, erwiderte Urlysh. »Aber es ist verständlich, daß er nach der Rückkehr erst einmal seine Familie aufsucht. Sie ist heilfroh, daß er überhaupt noch am Leben ist.« »Aksuum ist ein Held«, fügte Harmon hinzu. »Er hat etwas gewagt, wozu niemand sonst den Mut gehabt hätte. Er hat es geschafft!« Urlysh schwieg. Seine Hände verschwanden in den weiten Ärmeln seines Ratsgewands und nestelten dort an den Bändern und Knöpfen. Er hatte ein Funkgespräch mit Aksuum geführt und wußte in groben Zügen Bescheid, was der Daila draußen im Raum erlebt hatte. Es war ein Wunder, daß er zurückgekehrt war. Aksuum hatte Andeutungen gemacht. Urlysh hatte nicht genau verstanden, was der Oberste Rat meinte. Nur soviel hatte er begriffen. Es hatte mit den Mutanten zu tun. Der Daila wandte den Kopf zur Seite und blickte hinüber zur Bildwand. Sie zeigte die Umgebung des Planeten. Sie war leergefegt. Weit draußen, jenseits der vier Planetenbahnen, waren ein paar winzige Echos festzustellen. Dort hatten ein paar Dutzend Schiffe der Ligriden Stellung bezogen.
Urlysh wußte, daß der Kampf noch nicht zu Ende war. Sie hatten einen ersten großen Erfolg errungen, als es ihnen gelungen war, die fremden Invasoren von Aklard zu vertreiben. Auch ein paar Stationen auf den drei anderen Planeten Illard, Ris und Rim waren zerstört worden, ihre Besatzungen hatten die Flucht ergriffen. Zumindest sichtbar hielt sich auf keiner der Welten noch ein Ligride auf. Aber dennoch waren sie da. Aklard war das beste Beispiel dafür. Fünf unterirdische Verstecke hatten die Konzilsjäger bisher entdeckt, und die neuesten Meldungen aus dem Norden Akjunths verhießen nichts Gutes. Draußen, außerhalb des Systems, lauerten die restlichen Verbände und warteten auf neue Anweisungen oder Verstärkung. Urlysh sah auch die Echos der aklardischen Schiffe. Sie patrouillierten zwischen den Planeten und bildeten eine Art Netz, das sich in ständiger Bewegung befand. Es machte den Eindruck, als lebte dieses Netz. Die Schiffskommandanten verfuhren nach einem streng geheimen Plan, der zum Ziel hatte, die Ligriden zu verwirren und gleichzeitig ständige Wachsamkeit zu demonstrieren. Der Oberste Rat hatte die Anweisung ausgegeben, daß kein ligridisches Schiff in das System einfliegen durfte. Wenn sich eines zu nahe heranwagte, dann wurde es ohne Vorwarnung unter Beschuß genommen. Der Daila wünschte, daß sein Ratskollege Aksuum bald eintreffen würde. Mit Sicherheit konnte er ein paar Fragen der Zurückgebliebenen beantworten. Urlysh drehte seinen Körper und starrte zu dem Fenster hinaus, das nach Westen wies und zwischen den Türmen und Fassaden einen Blick auf die Küste ermöglichte. Bajukkan lag an der Westküste des Kontinents und das Wasser draußen leuchtete hellblau und ohne einen Rotstich durch das Sonnenlicht. Die rotgelbe Suuma stand noch im Osten und schickte sich an, das Firmament für den täglichen Lauf zu erklimmen.
Suuma, das Kleine Feuer, dessen Tage in Rhyikeinym gefeiert wurden. Rhyikeinym, damit hatte eigentlich alles angefangen. Aksuum war unter dem Vorwand einer Krankheit nach Rhyikeinym geflogen. In der Oase, die sich Tal der Heilenden Quellen nannte, war er mit Elyl zusammengetroffen. Elyl war als Gesandter von Trysh nach Aklard gekommen, und er hatte sich mit Geschick durch die Reihen der Ligriden geschlichen. Es war ihm gelungen, bis in das Tal vorzustoßen. Und dort hatte er nicht nur Aksuum entdeckt, den einzigen unter den Verantwortlichen, der zu diesem Zeitpunkt nicht aus dem Untergrund heraus wirkte. Elyl hatte auch das Geheimnis Rhyikeinyms kennengelernt, das bis zu diesem Zeitpunkt keinem Daila bekannt gewesen war außer den Priestern selbst. Und auch jetzt gab es keine Eingeweihten unter den normalen Daila. Aksuum hatte nur Urlysh allein ins Vertrauen gezogen. Er wußte, was es mit den heilenden Kräften der Priester in diesem Tal und in anderen Oasen des kalten Kontinents Uschriin auf sich hatte. Und die Mutanten wußten es. Unter ihnen gab es welche, die konnten das Geheimnis der Priester bereits auf weite Entfernung hin erkennen. Aber sie schwiegen, denn sie hatten keinen Grund, ihren Artgenossen in den Rücken zu fallen. Eine Meldung aus dem interstellaren Raum ging ein. Sie kam vom Planeten Barys, der sich rund zwanzig Lichtjahre von Aklard entfernt um die große weiße Sonne Clerk drehte. Auf Barys waren ebenfalls mehrere Verstecke der Ligriden ausgehoben worden. Ähnliche Meldungen waren vor Tagen von anderen Welten innerhalb der Hundert-Lichtjahre-Kugel eingetroffen, die als Einflußbereich der Daila galt. Innerhalb dieses Gebiets gab es noch viele unerforschte Systeme und Planeten, aber die Daila bemühten sich, sie nach und nach zu erschließen und Handelsbeziehungen zu vorhandenen Kulturen aufzubauen. Daß die meisten Völker von der fortgeschrittenen und friedlichen Kultur dieses Volkes profitierten, verstand sich von selbst.
Die Mutanten hatten sich in erster Linie außerhalb dieser Sphäre angesiedelt. Sie hatten keine Motive, sich weiter als nötig von der ersehnten Heimatwelt zu entfernen, aber sie respektierten den Anspruch der nicht psionisch begabten Daila auf einen eigenen Lebensraum. Viele Mutanten lebten dennoch innerhalb der Hundert-Lichtjahre-Kugel und hatten sich auf den noch unerforschten Planeten niedergelassen, um Aklard so nahe wie möglich zu sein. Es war beschämend, das wußte Urlysh. Er selbst hatte sich früher nie mit dem Problem der Verbannten auseinandergesetzt. Er hatte sich nie gefragt, warum die meisten ohne Murren gegangen waren, nachdem sie das Erwachsenenalter erreicht hatten. Erst jetzt, angesichts der Hilfe dieser Daila, waren ihm die Augen aufgegangen. Aus dem zornigen Rebellen gegen die Ligriden war ein verständiger Freund und Berater der Mutanten geworden. Aksuum hatte das Seinige dazu beigetragen, und Urlysh fragte sich, ob es wirklich nötig gewesen war, was in der Vergangenheit in regelmäßigen Abständen geschehen war. Hatte wirklich zuerst ein mächtiger, nicht besiegbar erscheinender Gegner auftauchen müssen, um die Bewohner Aklards auf den Gedanken zu bringen, daß sie draußen Freunde hatten, die viele Planeten bewohnten und deren Zahl das Vielfache der Einwohnerzahl Aklards betrug? Vielleicht traf es tatsächlich zu. Vielleicht hatte es so kommen müssen, und Mana hatte alles so gelenkt, um den Daila einen schicksalhaften Wink zu geben. Aus den Augenwinkeln heraus erkannte Urlysh ein Luftfahrzeug, das zwischen den Gebäuden hervorglitt und das Dach des Ratsgebäudes ansteuerte. Minuten später betrat Aksuum den Saal und lächelte seinen Amtskollegen verschmitzt zu. Sie gaben das Lächeln zurück. »Muuska ist wieder da!« rief Harmon heiter. Eine Gruppe von zwölf Räten lachte. Die anderen schwiegen gespannt. »Muuska, ja«, griff Urlysh den Faden auf. Er trat Aksuum
entgegen und legte ihm zur Begrüßung die Hände auf die Schultern. Mit Daumen und Zeigefinger drückte er leicht gegen die Schlüsselbeine, ein Zeichen der Hochachtung und Freundschaft. »Die Ligriden sind mit Dummheit gestraft. Bis zuletzt haben sie nicht begriffen, wer dieser Muuska eigentlich ist. Sie dachten an einen Wilden aus den Bergen.« Er lachte laut. »Auch jetzt wissen sie es noch nicht. Und sie werden es wohl nie erfahren.« »Wie es aussieht, haben sie alles andere zu tun«, bestätigte Aksuum. »Die Verbände fremder Schiffe haben sich zwar überall zurückgezogen, soweit das beobachtet werden konnte. Der Grund liegt darin, daß weit entfernt irgendwo in Manam-Turu etwas vergangen ist, das die so plötzlich aufgetauchten Gegner des Neuen Konzils steuerte und ihnen den Auftrag gab, gegen die Ligridenschiffe zu kämpfen. Fragt mich nicht, woher ich es weiß. Es steht mit einem Erlebnis in Zusammenhang, von dem ich später noch reden möchte. Wir dürfen nicht mehr auf Unterstützung jener fremden Schiffe rechnen.« Urlysh senkte zustimmend den Kopf. Noch war es ihm in guter Erinnerung, wie die Traykon-Schiffe plötzlich auf Aklard gelandet waren. Sie hatten regelrechte Treibjagden auf die Ligriden veranstaltet und waren erst verschwunden, nachdem sich kein Ligride mehr auf der Oberfläche des Planeten aufgehalten hatte. »Wir müssen uns selbst helfen. Deshalb haben wir auch die Institution der Konzilsjäger ins Leben gerufen«, sagte Dratelon. »Sie bestehen aus gemischten Gruppen, Normale und Mutanten zusammen. Überall suchen sie nach Verstecken von Ligriden. Sie haben bereits fünfmal Erfolg gehabt, das sechste Versteck wird soeben ausgehoben!« »Die Konzilsjäger sind eine kleine Gruppe«, bestätigte Aksuum. »Ich bin bereits im Bilde. Können sie auch gegen jene Ligridenschiffe bestehen, die sich draußen außerhalb unseres Sonnensystems formieren? Wenn wir uns selbst helfen müssen und nicht auf ein Wunder hoffen können, werden unsere Kräfte dann ausreichen?
Sind die Mutanten stark genug?« Er hatte bei seinen Worten etwas unter dem Umhang hervorgezogen und hielt es ihnen entgegen. Urlysh betrachtete es. »Selbst vereint sind sie nicht stark genug«, antwortete er. »Und der Stein da, was willst du mit ihm aussagen, Aksuum? Was bewirkt er?« »Es ist für unser Volk vielleicht der Stein der Weisen!« erwiderte Aksuum mit schwerer Stimme. »Es ist der Schlüssel zur endgültigen Befreiung unseres Volkes!« Ausführlich berichtete er nun von seinem Flug und den Ereignissen auf dem Planeten Tirspun. Er war hinter Toldens Geheimnis gekommen und hatte den Glücksstein an sich genommen, als Tolden ihn weggeworfen hatte. Er hatte plötzlich Kräfte in sich entdeckt, die ihn erschreckten. Er hatte Stimmen gehört, Gegenstände hatten sich ohne erkennbaren Grund bewegt. Er hatte erkannt, daß die Steine ihm jene Fähigkeiten vermittelten, deretwegen man die Mutanten von Aklard verbannt hatte. Und jetzt besaß er selbst solche Fähigkeiten, verliehen von einem Stein. Aksuum hatte in abgeschwächter Form jenen Schock miterlebt, der die Besatzung des gegnerischen Schiffes in jenem Augenblick gelähmt hatte, als deren Auftraggeber plötzlich nicht mehr existiert hatte. Auch Aksuum hatte den Stein von sich geworfen, aber im Unterschied zu Tolden hatte er ihn wieder an sich genommen. Er hatte ihn mit nach Aklard gebracht. »Das will ich damit sagen«, erklärte der Oberste Rat. »Ich kenne die Abneigung so manches Daila gegen die Mutantenfähigkeiten. Für ihn muß es wie ein Weltuntergang sein, wenn die Mutanten ihre Fähigkeiten mit Hilfe der Glückssteine noch steigern können. Aber es hilft uns, die Ligriden endgültig zu vertreiben. Sie haben in der Hundert-Lichtjahre-Raumkugel nichts zu suchen und sollen dorthin gehen, wo sie herkommen. Für die Hyptons und die Naldrynnen
gilt dasselbe.« Geraune entstand unter den anwesenden Obersten Räten. Sie tuschelten miteinander, bis Harmon schließlich sagte: »Wir sollten das Volk nicht informieren. Es wird sich früh genug herumsprechen.« »Ihr seid also dafür?« Aksuum atmete auf. Er hatte nicht damit gerechnet, so rasch auf Zustimmung zu stoßen. »Wir haben keine andere Wahl«, bestätigte Urlysh. »Die Konzilsjäger sind um jede Unterstützung froh. Je schneller wir die Ligriden in die Flucht schlagen, desto besser ist es für uns. Sie müssen ebenfalls wissen, daß ihr unheimlicher Gegner keine Zeit für sie hat.« »Ihr Zögern weist eher darauf hin, daß sie es nicht wissen«, sagte Aksuum. »Aber wir brauchen schnell Glückssteine. So viele wie möglich!« »Woher nehmen und nicht stehlen?« erkundigte sich Harmon. »Wir müssen einen Hyperfunkspruch aussenden. Jeder, der einen Glücksstein besitzt, soll ihn auf dem schnellsten Weg nach Aklard bringen. Es müssen Korridore geschaffen werden, die den Ankömmlingen einen sicheren Anflug ermöglichen. Versprecht den Daila, was ihr wollt. Aber schafft die Steine herbei. Wagen die Ligriden erst einmal einen neuen Vorstoß gegen unseren Planeten, dann ist es zu spät. Wir wollen den Krieg von Aklard fernhalten. Mit allen Mitteln. Selbst wenn es Glückssteine sind, die den meisten Angst und Furcht einjagen, die damit in Kontakt kommen.« Aksuum schwieg. Die Augen seiner Amtskollegen ruhten teils skeptisch, teils zustimmend auf ihm. Aksuum überragte die meisten um fast einen Kopf, und schon aufgrund seiner Größe bildete er eine nicht zu übersehende Autorität. Und seit er sich wieder bewegen konnte, ohne daß seine Bewegungen von den Ligriden überwacht wurden, ging Aksuum auch wieder aufrecht wie in alten Zeiten. »Dein Wort sei ein Teil Manas«, sagte Urlysh nach einer kurzen Pause. »Wir werden deinem Rat folgen. Und wir hoffen, daß unser
Volk endlich seinen Frieden findet!« Aksuum senkte die Augenlider zum Zeichen der Zustimmung. Die Glückssteine besaßen noch einen zweiten Vorteil, aber darüber sprach er nicht. Je mehr unbegabte Daila mit ihnen in Berührung kommen würden, desto größer würden Verständnis und Einblick werden. Die Glückssteine konnten zu Vermittlern zwischen den Bewohnern Aklards und den Mutanten werden. Und das, fand der Oberste Rat, war fast noch wichtiger als der Erfolg gegen die Ligriden.
* Die GHYLTIROON stand auf der Bahn des von einem Eispanzer umhüllten Ris auf der dem derzeitigen Aufenthaltsort des Planeten gegenüberliegenden Seite des Sonnensystems. Sie war kein Kriegsschiff und deshalb nur leicht bewaffnet. Sie hatte ursprünglich dazu dienen sollen, zu weit entfernten Planeten zu fliegen und neue Handelsbeziehungen anzuknüpfen. Die Ankunft der Ligriden hatte das verhindert, und einige Zeit später hatte sie dazu gedient, Atlan von Aklard wegzubringen. Nach den Ereignissen auf dem einzigen Planeten der Sonne Gyd war das Schiff mit seiner Stammbesatzung nach Aklard zurückgekehrt und von den Ligriden mit einem Startverbot belegt worden. Von diesem Zeitpunkt an hatte die GHYLTIROON als Nachrichtenzentrale für die Rebellen gedient. Im Rahmen der ausbrechenden Kämpfe hatte das Schiff an mehreren Stellen des Planeten eingegriffen, bis die fremden Raumer aufgetaucht waren und die Ligriden und Hyptons vertrieben hatten. Jetzt diente es als Koordinator für die Schiffe, die die ligridischen Restverbände außerhalb des Systems beobachteten. Bisher war alles ruhig geblieben, und Trom räkelte sich in seinem Sessel. Zusammen mit Ganno und Mallosh bildete er ein
eingespieltes Team, das nichts so leicht erschüttern konnte. Unter dem Kommando von Norgis hatten sie so manchen Einsatz hinter sich gebracht. Inzwischen war Norgis abgelöst und den Bodentruppen zugeteilt worden. Doppohl hieß der neue Kommandant, und er fiel vor allem durch seine geringe Körpergröße auf. Bei seinem Einzug ins Schiff hatten sich die Daila gewundert, warum er eine große Kiste mit sich schleppte. Inzwischen wußten sie, daß darin eine Unzahl von Holzschemeln verstaut gewesen war. Doppohl hatte an allen möglichen und unmöglichen Stellen Holzschemel aufgestellt, auf die er sich postierte, um einen Kopf größer zu sein und damit die Durchschnittsgröße aller Daila zu erreichen. Am schlimmsten war es in der Zentrale der GHYLTIROON, die ganz oben in dem neunzig Meter durchmessenden Kugelraumschiff lag. Dort bildeten die groben Schemel ohne irgendwelche Verzierungen ein unregelmäßiges Muster zwischen den Steueranlagen, den Sesseln und dem Eingang. Bei erstem Hinsehen wirkten sie wie Stümpfe abgesägter Bäume. Jedem Besucher des Schiffes entlockten sie ein Stirnrunzeln und so manchen Gedanken, ob er es bei der Besatzung des Schiffes nicht mit einer Horde Verrückter zu tun hatte. Doppohl gelang es relativ schnell, diesen Eindruck zur Wahrheit werden zu lassen, aber zum Glück hatte die GHYLTIROON seit einigen Tagen keinen Besuch mehr erhalten. »Es ist mir zu ruhig«, knurrte Ganno. Er hieb mit der Faust auf die Lehne eines Sessels. »Sie hecken etwas aus, da bin ich mir sicher. Aber sie sollen nur kommen. Lassen wir sie ruhig heran. Sie werden ihr letztes Wunder erleben. Das Große Feuer wird sie verschlucken!« »Zyniker!« rief Doppohl aus. »Du bist ein elender Zyniker. Natürlich werden sie einen Denkzettel bekommen. Schließlich kann es höchstens ein paar Tage dauern, bis die ersten Daila mit weiteren Glückssteinen nach Aklard kommen. Solange werden wir …«
»Nichts werden wir!« fuhr Ganno dazwischen. »Das ist alles unnützes Geschwätz. Wer sagt denn, daß die Kerle da draußen warten, he? Was ist, wenn sie jetzt zuschlagen? So ganz plötzlich? Was wird aus deinen Befehlen, die du als Leiter der Koordination auszugeben hast?« Er hatte sich von dem Sessel wegbewegt und trat vor Doppohl. Der Kommandant stand auf einem Schemel. Dennoch mußte er zu dem Bordtechniker aufschauen. »Sie können in diesem Augenblick angreifen«, fuhr Ganno fort. »Und ich halte nicht viel von den Versprechungen, die Aksuum gemacht hat. Wer weiß, welcher Haken bei den Glückssteinen dran ist. Noch gibt es nur wenige auf Aklard. Vielleicht bringen sie uns den endgültigen Untergang. Vielleicht sind sie eine Geheimwaffe der Hyptons, die nur darauf warten, ihren Artgenossen in dem aklardischen Versteck zu Hilfe zu eilen. Ja, so muß es sein. Je mehr Verstecke auffliegen, desto unruhiger werden die Schiffe dort draußen. Es fehlt nur ein winziger Anstoß, und sie greifen unseren Heimatplaneten an.« »Du übertreibst«, mahnte Mallosh. Er war der ruhigste der Crew, und er war immer um Ausgleich bemüht. Manchmal fiel es ihm bei dem Hitzkopf Ganno schwer, aber ab und zu mischte auch Trom sich ein und rettete mit Schläue und Witz die Situation. Seit Doppohl an Bord war, hielt er sich jedoch auffallend zurück. Norgis in seiner wortkargen und brummigen Art fehlte eben, und Trom hatte auf die Art des alten Kommandanten besonders angesprochen. »Wie immer übertreibt er«, sagte Trom jetzt. »Aber ein riesiger Felsbrocken Wahrheit steckt dahinter. Zumindest mehr als das sprichwörtliche Körnchen. Die Ligriden sind verwirrt, aber wenn sich kein Gegner mehr blicken läßt, werden sie den ersten Funkspruch der Hyptons dazu benutzen, unsere Heimat anzugreifen. Und diesmal werden sie sich nicht damit begnügen, einfach zu landen und unsere Welt in Besitz zu nehmen. Sie werden die Schiffe angreifen, auch unseres. Ade schöne GHYLTIROON!«
»Spart euch das Geschwätz«, sagte Doppohl laut. »Seht lieber auf eure Geräte. Ganno, warum schläfst du? Die Ortung hat sich verändert!« Augenblicklich richteten die Daila ihre Aufmerksamkeit auf die Anzeigen der Geräte. Von draußen aus dem Leerraum näherte sich ein kleineres Schiff. Es flog auf einem irrationalen Kurs mit ständig wechselnden Vektoren. Es erweckte den Eindruck, als wolle es die Ligriden an der Nase herumführen. Doppohl sprang von seinem Schemel herunter und eilte zum nächsten, den er hastig bestieg. »Kommandant an alle Einheiten. Hier spricht die Koordination. Dem einfliegenden Schiff ist freie Fahrt zu gestatten. Kontrollanruf absetzen!« Er rieb sich vergnügt die Hände, und Ganno machte ein finsteres Gesicht. »Unfug«, murrte er. »Haltet das Ding auf!« ' Doppohl fuhr herum. Seine Augen blitzten auf, die Arme sanken herab. »Unhold!« fauchte der Kommandant. »Warum willst du mir mein Späßchen verderben? Natürlich halten wir das Schiff auf, aber nicht dort draußen, sondern hier bei der GHYLTIROON. Es wäre doch gelacht, wenn wir die Wirkung eines Glückssteins nicht selbst ausprobieren könnten.« Mallosh rollte mit den Augen, ein deutliches Zeichen, daß er Doppohl jetzt für endgültig übergeschnappt hielt. Die Daila hatten im Lauf der Zeit einiges über die Glückssteine erfahren. Vieles mochte übertrieben sein, aber die Steine stellten zweifellos eine Gefahr für jeden dar, der nicht in der Lage war, sie zu kontrollieren. Und jetzt wollte Doppohl … Mallosh sah die stolze GHYLTIROON bereits auf einem der Schrottberge des Staubplaneten Rim. Sie beobachteten, wie das Schiff sich einer Lücke zwischen den ligridischen Verbänden näherte. Es vollführte Kapriolen, und es besaß Würfelform. »Seltsam«, meinte Trom halblaut. »Die Ligriden müssen sehr
verwirrt sein. Sie haben Aksuums Funkspruch schließlich empfangen und können sich denken, wer da kommt. Sie müssen den Fremden im eigenen Interesse davon abhalten, daß er sich Aklard nähert. Noch mehr, sie müssen es verhindern, und sei es mit Gewalt.« Der Würfel durchquerte die Linien der kleinen Verbände, ohne daß ein Schuß fiel oder sonst etwas unternommen wurde. Die Ligriden stellten sich taub und blind. Und die Schiffe der Daila hielten sich an die Anweisung der GHYLTIROON, wenn sie diese auch nicht recht einsehen mochten. »Mallosh!« sagte Doppohl. »Einen Funkspruch absetzen. Wir heißen die Ankömmlinge willkommen!« Der Funker und Waffenmeister des Schiffes tat, was der Kommandant wünschte. Noch immer ging kein Lebenszeichen aus dem Schiff ein. Hatten die Glückssteine bereits ihre Opfer gefordert? Doppohl setzte sich in den Kommandantensessel und beugte sich über die Steuerung. Er mußte den kurzen Oberkörper weit nach vorn lehnen, um die einzelnen Bedienungselemente zu erreichen. Die GHYLTIROON erwachte zu brummender Aktivität und verließ ihren Standort. Sie flog dem Würfel entgegen und würde dessen Kurs kreuzen. Die Computer errechneten den ungefähren Treffpunkt. »So ein Glücksstein«, murmelte der Kommandant. »Wieviel mag er wert sein? Kann man sich davon ein eigenes Schiff kaufen?« »Verräter!«, zischte Ganno. »Du denkst nur an deinen Vorteil. Du bist fast so schlimm wie die …« Es fiel ihm der Name nicht ein, und er schwieg. Das Würfelschiff hatte den Bereich der Waffen in den Ligridenschiffen längst verlassen. Noch immer meldete es sich nicht, und Mallosh setzte einen dringlichen Ruf ab. Die Antwort kam in Form eines Energiestrahls. Er raste herbei und hätte die GHYLTIROON getroffen, wenn nicht Doppohl gerade einen Schlenker geflogen wäre. Der Kommandant ließ einen Fluch
hören. Er versetzte das Schiff in eine Trudelbewegung, während Mallosh die Bordwaffen schußbereit machte. Er hatte es geahnt. Der Würfel war kein Schiff der Mutanten. In ihm befand sich mit Sicherheit kein Glücksstein. Das Schiff hatte ein anderes Ziel. Der Würfel war klein, viel kleiner als die ligridischen Schiffe. Auch seine Bewaffnung war nicht sonderlich stark, und das gab den Ausschlag, daß die GHYLTIROON nicht vernichtet wurde. Sie unterflog das Feuer, und Mallosh landete nach kurzem und verbissenem Kampf einen Treffer, der den Würfel außer Gefecht setzte. An seiner der GHYLTIROON zugewandten Front begann es zu qualmen. »Absetzen!« verlangte der Funker, aber Doppohl schien ihn nicht zu hören. Der Kommandant lenkte das Kugelschiff bis nahe an den Würfel heran, von dem sich ein kleiner Zylinder löste und rasch in Richtung des interstellaren Raumes driftete, wo sich die Ligriden aufhielten. Diese versuchten sofort, dem kleinen Schiff zu Hilfe zu kommen, aber da bewährte sich das alternierende System der aklardischen Schiffe. Sie zogen sich zu einem dichten Schwarm zusammen und legten sich zwischen die Ligriden und das Beiboot. Die GHYLTIROON schickte einen Suchstrahl aus, der sein Ziel fand. Ganno änderte die Konsistenz des Strahls, machte einen Zugstrahl daraus. Langsam zog er das Boot auf das Schiff zu und holte es in den Hangar neben der Hauptschleuse. Trom und Ganno befanden sich bereits auf dem Weg, um das Boot in Augenschein zu nehmen und die Insassen herauszuholen. Während Mallosh wartete, verließ Doppohl seinen Sessel und steuerte den Schemel an, der mitten in der Zentrale stand. Er bestieg ihn und verschränkte die Arme. Zehn Minuten später verriet der aufkommende Lärm, daß die beiden Daila Erfolg gehabt hatten. Die Tür öffnete sich, und unter großem Gezeter ließ sich eine Horde von Naldrynnen hereinschieben. Es handelte sich um den Piloten des Würfelschiffs und seine Familie. Sie drängte sich an der Wand entlang, während
der Sippenchef sich in die Brust warf und auf Doppohl zusteuerte, den er automatisch als Kommandanten erkannte. »Ich protestiere!« pfiff der Naldrynne erregt. »Ich befinde mich auf einer friedlichen Mission. An Bord des Robotschiffs befinden sich Waren, die ich dem stolzen Volk von Aklard zum Tausch anbieten will!« Mit einem Schrei warf er sich zur Seite und starrte den Bildschirm an. Dort verging der Würfel soeben in einer grellen Explosion. Die Ligridenschiffe hatten sich wieder zurückgezogen und kamen außerhalb des Suuma-Systems zum Stillstand. Sie warteten weiter ab. »Es müssen wichtige Waren gewesen sein«, erkannte Doppohl. Er wirkte jetzt gar nicht überspannt. Er stieg von seinem Schemel herab und musterte den Naldrynnen von oben herab. Naldrynnen waren zwischen sechzig und hundert Zentimetern groß und fast ebenso breit. Sie waren überall mit einem langen, dichten Pelz bedeckt, der olivgrün leuchtete. Sie besaßen vier kurze, dicke Beine und zwei kurze, dehnbare Arme mit hornigen Krallenhänden, an denen jeweils sieben dürre Hornfinger saßen. Der Kopf ruhte auf einem beweglichen Gelenk, ein Hals war nicht erkennbar, was an der dichten Behaarung lag. Aus dem etwas kurzhaarigeren Gesichtspelz schauten zwei große, kohlrabenschwarze Augen, darunter saß ein vom Fell teilweise verdeckter kleiner, dreieckiger Mund, dessen Spitze nach unten zeigte. Nase und Ohren konnten bei Naldrynnen nur vermutet werden, aber diese Wesen verfügten über einen guten Gehör- und Geruchssinn. Sie waren als skrupellose Geschäftsleute bekannt, die vor offenem Betrug und Gewaltanwendung nicht zurückschreckten. Diesmal war nur ein kleines Schiff mit einer einzigen Familie gekommen. Naldrynnen trennten sich nie von ihren Angehörigen und schleppten immer die ganze Familie mit sich herum. Sie waren richtige Zigeuner, und sie stammten aus einem der finstersten Winkel Manam-Turus.
»Das geht dich nichts an«, keifte der Naldrynne. Am liebsten hätte er sich auf den Daila gestürzt und ihn zerrissen, aber die glühenden Mündungen der Waffen, die auf seine Familie gerichtet waren, hielten ihn davon ab. Mallosh hatte inzwischen eine Konferenzschaltung mit allen Schiffen des Heimatsystems hergestellt, so daß die Daila mitverfolgen konnten, was sich an Bord der GHYLTIROON abspielte. »Ich kann es mir denken, was dein Auftrag war«, beharrte Doppohl. »Es gibt noch Ligriden auf Aklard. Mit ihrer Versorgung steht es nicht zum Besten. Da schickt man kurz ein kleines Schiff hinab auf die Oberfläche und nimmt ein paar künstliche Schoofils zum Transport. Daraus wird nichts.« »Ich habe nichts Unrechtes getan und es auch nicht vor«, sagte der Naldrynne rasch, viel zu rasch, um nicht die Absicht erkennen zu lassen. »Ihr dürft mich nicht festhalten. Ich habe eine große Familie zu versorgen!« »Raus!« donnerte Ganno, doch Doppohl winkte ihm. »Einen Augenblick noch«, erklärte er. »Wir haben kein Interesse, euch festzuhalten. Ihr verschlingt nur Unmengen von Nahrung und bereitet uns Ungelegenheiten. Ihr dürft mit eurem Boot ein Ligridenschiff ansteuern. Zuvor aber will ich euch etwas sagen. Komm her, du Wicht!« Er wartete, bis der Naldrynne dicht vor ihm stand. Er beugte sich zu ihm hinunter und flüsterte etwas, was die Daila nicht verstehen konnten. Der Naldrynne fuhr mit einem Aufschrei zurück und brachte sich bei seiner Familie in Sicherheit. »Und jetzt geht!« sagte Doppohl zum Schluß. Er sah zu, wie Ganno und Trom die Familie zurück zum Beiboot brachten. Als das letzte der pelzigen Wesen darin verschwunden war, wandte er sich vom Monitor ab. Er machte einen Luftsprung. »Na, wie war ich?« rief er und sprang auf den nächstbesten Schemel. »Das war ein Spaß!«
Kurz darauf kehrten Ganno und Trom zurück. Das Beiboot hatte den Hangar verlassen und steuerte einen Ligridenpulk weit draußen an. Es würde etliche Stunden dauern, bis es das Ziel erreicht haben würde. »Was hast du ihm gesagt?« wollten die drei Daila wissen. »Oh, nichts Besonderes!« Doppohl machte es spannend. »Ich meinte nur, daß ich verläßliche Nachrichten aus dem finstersten Winkel unserer Galaxis besäße. Dort seien die letzten Sonnen erloschen, weil Mana die kleinen Feuer einzusammeln beginnt. Alles ist dort kalt und von Eis überzogen. Natürlich stimmt das nicht oder tritt erst in fernster Zukunft ein. Aber der Gauner war so geschockt, daß er die Fassung verlor. Er kehrt bestimmt nicht zurück. Darauf könnt ihr euch verlassen.« »Und was tun wir jetzt?« wollte Mallosh wissen. »Nichts. Wir warten. Und wir hören die Nachrichten, die uns von Aklard geschickt werden. Die Konzilsjäger haben eine heiße Spur gefunden!«
3. Die bereits gedämpften Lampen waren zusätzlich abgedunkelt worden. Ein diffuses, kaltes Leuchten kam von den Wänden und tauchte den aus Metall bestehenden Raum in tiefe Dämmernis. Bis auf die drei Haltestangen an der Decke besaß er keinerlei Einrichtung. Es war kühl in diesem Raum. Wer die Temperaturen der Planetenoberfläche gewohnt war oder die an Bord eines Raumschiffs, der begann unwillkürlich zu frösteln, wenn er diesen Raum betrat. Es kam nicht mehr alle Wochen vor, daß ein Fremder Zutritt nahm. Ein Rascheln und Klatschen wurde hörbar. Die Traube an der Decke hatte sich bewegt. Ihr unterstes Mitglied wanderte zur Seite
und an der Traube empor. Mit wuchtigen Flügelschlägen arbeitete es sich zur Seite und griff mit den Klauen an die zweite Haltestange. Nun setzten sich auch andere in Bewegung. Kurzzeitig erfüllte ein Flattern den Raum, dann hatte sich die Traube in drei Trauben gespalten, um einen Dialog zu führen. Zwei der Trauben setzten sich aus dreizehn Leibern zusammen, die dritte aus zwölf. Von den zwölfen sonderte sich ein Hypton ab und suchte außerhalb der Traube einen Halt. »Langsam ist das nicht mehr schön, was hier geschieht«, erklärte er. »Wie lauten eure Namen?« »Sieg!« sagte die eine Traube. »Licht!« teilte die andere mit. Und die, neben der der einzelne Hypton hing, meinte: »Unser Name ist Verdammnis!« »Ich bin Susu«, erklärte der einzelne Hypton. »Wie angenehm. Eure Namen passen so gut zusammen. Sie umrunden das Thema unserer Diskussion!« »Der Boden Aklards wird zu heiß für uns«, begann Verdammnis mit der Diskussion. »Unser Kontakt zu den übrigen Quellenplanern ist abgebrochen. Keiner unserer Artgenossen weiß, ob es uns noch gibt!« »Das ist die richtige Verdammnis«, kreischte Susu. »Wenn der Boden zu heiß wird, hängt man sich einfach an die Decke. Der Quellenbunker ist nicht ausreichend ausgerüstet. Warum gibt es hier nur Haltestangen und keine Geflecht, in das man sich viel besser einklammern kann?« »Eine Frage, die an die Ligriden zu stellen wäre«, fiel Licht ein. »Sie haben den Bunker nach unseren Anweisungen gebaut. Er entstand bald, nachdem die Ligriden Aklard eingenommen hatten. Nur so ist es zu erklären, daß er von den Einheimischen bisher nicht entdeckt wurde.« »Auch die Ligriden sind unter der Oberfläche sicher«, stellte Sieg fest. »Wir werden es bald erfahren, wenn Onwein eintrifft. Er hat uns noch immer nicht gesagt, was aus Ghorza geworden ist!«
»Schweig über diesen Unseligen«, rief der Sprecher der Verdammnis-Traube. Die Sprecher hingen immer zuunterst. Sie klammerten sich nicht an der Stange oder dem Geflecht, sondern an ihren Artgenossen fest. »Es war ein Fehler, ihn zum Kommandanten über das Suuma-System zu machen.« »Ach«, warf Susu ein. »Wer hat den Fehler denn begangen? Wir vom Kern der Quellenplaner? Oder waren es andere? Haben wir nicht den Auftrag ohne Einbeziehung eines Namens erteilt?« »Richtig!« Sieg sprach. »Ein Ligride ist wie der andere. Sie sind beliebig austauschbar.« »Der Überzeugung scheinen sie selbst auch zu sein!« rief Susu. »Aber es nützt uns nichts. Wir sind am Ende!« Die Worte des Hyptons, der als Störfaktor diente und die Diskussion anheizen sollte, riefen heftigsten Widerspruch bei allen drei Trauben hervor. Doch Susu ließ sich davon nicht beeindrucken. »Die Mission auf Aklard ist gescheitert«, fuhr er fort. »Hyptons und Ligriden haben nirgendwo in der Hundert-Lichtjahre-Kugel Erfolg gehabt. Daila und Daila-Mutanten arbeiten Hand in Hand. Wir haben die Sehnsucht der Verbannten unterschätzt. Ihre Bindung an Aklard ist zu groß. Unsere Maßnahmen wurden unterlaufen. Unser Einfluß auf Aklard und seine Umgebung ist auf Null gesunken. Was besagen die neuesten Meldungen?« »Noch ist nichts verloren«, murrte Sieg. »Nein? Kochen nicht die Ligriden ihr eigenes Süppchen? Müssen wir nicht immer wieder feststellen, daß sie unsere Befehle eigenwillig umändern? Und welchen Grund hätten sie, uns zu mißtrauen?« »Das ist lachhaft.« Die Licht-Traube raschelte. »Jeder weiß, daß die Ligriden nach der Vorherrschaft streben. Ein weiterer Dämpfer kann nicht schaden!« »So ist es recht«, sprach Verdammnis. »Wir sind der Kern der Quellenplaner. Wir begehen nicht die Fehler der anderen!« Sie alle wußten, daß die Koordination der einzelnen Aktionen
nicht mehr klappte. Überall ging es drunter und drüber, denn die Hilfstruppen des Erleuchteten schlugen überall blindlings zu, wo sie die Schergen der Hyptons trafen. »Wir wissen zu wenig. Wir brauchen eine Verbindung mit anderen Trauben. Ein Treffen aller Quellenplaner einschließlich der Quellenmeister müßte herbeigeführt werden«, sagte Sieg. »Die Ligriden müssen uns von Aklard wegbringen.« »Wie denn?« Susu geriet jetzt so richtig in Fahrt. Er riß an der Haltestange, daß die Traube neben ihm gefährlich wackelte. »Sollen wir Aklard einfach aufgeben? Es kann doch nicht so schwer sein, diese Galaxis in den Griff zu bekommen.« Es war schwer. Schwerer, als sie es sich vorgestellt hatten. Die Probleme mit den Daila nahmen ihre ganze Kraft in Anspruch, und auch das Problem Cairon war noch nicht gelöst. Die Bathrer entzogen sich der Beeinflussung nach wie vor. »Wir geben Aklard nicht auf!« bekräftigten Sieg, Licht und Verdammnis. Sie nahmen die Veränderung außerhalb des Raumes wahr und schwiegen. Sie vereinigten sich zu einer einzigen Traube, und Susu verschwand zwischen ihnen. Einer der ältesten Hyptons nahm die Position als Sprecher ein. Fast geräuschlos glitt eine Tür in die Wand. Helles, rötliches Licht flutete vom angrenzenden Raum herein. Zwei Stahlmänner blieben unter dem Eingang stehen, sie brachten einen Ligriden. »Tritt ein, Onwein«, sagte der Hypton-Sprecher. Der Ligride kam der Aufforderung nach. Hinter ihm schloß sich die Tür. Er war von fast vollkommener Dunkelheit umgeben, ein Zeichen für das Bewußtsein der Hyptons, daß sie hier in einem Versteck lebten. Die Stahlmänner blieben draußen zurück. »Zwei volle Stunden habe ich gewartet«, beschwerte sich der Diener des Gwyn. »Muß das sein?« »Was ist das schon?« fragten die Hyptons über ihren Sprecher. »Wir haben deinen Weg hierher tagelang beobachtet. Unsere Anlagen ließen es zu. Wir konnten dich erst rufen, als wir sicher
waren, daß du nicht beobachtet würdest.« »Ich weiß es.« »Berichte. Wie sieht es aus!« »Schlimm. Sechs unserer Verstecke sind bereits entdeckt worden. Die Daila haben eine Gruppe ins Leben gerufen, die sich Konzilsjäger nennt. Sie tun alles, um uns zu finden. Unsere Nachschubwege sind unterbrochen. Mehr als ein paar Tage können wir nicht mehr durchhalten.« »Es muß einen Ausweg geben. Der Quellenbunker darf nicht entdeckt werden. Die Versorgung muß gewährleistet bleiben.« »Bei allem Respekt, aber wir kommen nicht mehr an das Proviantlager heran. Alle Schoofils-Roboter sind zerstört worden. Wir müssen eigene Kommandos zusammenstellen, die jedoch keine Chance haben, jemals ihr Ziel zu erreichen. Gegen die Mutanten sind wir machtlos.« »Wenn es nicht anders geht, werden wir euch einen Weg zeigen. Ligriden sind nicht besonders ausdauernd!« »Das ist eine Unterstellung!« begehrte Onwein auf. »Warum habt ihr euch denn uns ausgesucht …« »Eine gute Frage. Wir werden sie bedenken. Es hat sowieso den Anschein, als müßten wir auf mächtigere Helfer zurückgreifen. Wir müßten jene unterrichten, damit sie uns …« »Wer sind sie?« rief Onwein. »Ich erkenne schon wieder diese Verzögerungstaktik. Ihr könnt handeln. Ihr besitzt die Fähigkeiten. Wendet sie an. Wir Ligriden schlagen los. Wir nehmen Aklard erneut im Handstreich, wenn wir eure Rückendeckung gegen die Mutanten haben!« »Viele Fragen auf einmal«, sagte der Hypton-Sprecher. »Die Lage ist zu unklar. Wir wissen nicht, was das Eingreifen des Erleuchteten zu bedeuten hat. Es ist eine Kriegserklärung an uns, und doch steckt mehr dahinter. Und warum haben sich die Traykon-Schiffe so plötzlich zurückgezogen, ohne die Niederlage eurer Verbände vollständig zu machen?«
»Wir wissen es nicht.« »Siehst du!« Die Traube raschelte nervös. »Wir sind beide unwissend. Zunächst werden wir abwarten und mehr Informationen einholen. Und wir werden zusehen, wie wir dich ungesehen aus der Nähe des Quellenbunkers entfernen können. Und vergiß nicht, Onwein, in drei Tagen dieses Planeten erwarten wir die nächste Nachschublieferung. Sonst sehen wir uns gezwungen, unseren Wünschen ein wenig mehr Nachdruck zu verleihen!« Der Ligride schwieg, und die Hyptons weideten sich an seiner Ratlosigkeit. Sie lasen in seinen Stimmungen wie in einem offenen Buch. Onwein ärgerte sich und fürchtete sich auch ein wenig. Die Ligriden verfolgten Ziele, die es ratsam erscheinen ließen, nach wie vor als Helfer der Hyptons zu fungieren. Und die Ligriden waren ein großes Volk, und die Hyptons traten nicht besonders zahlreich auf. »Wer ist dieses Volk oder diese Macht, die als möglicher Helfer in Betracht kommt?« wollte er wissen. »Geh jetzt!« wiesen die Hyptons ihn an. »Es ist besser so!« Sie bewegten sich rascher, und ein eisiger Wind strich über Onweins Gesicht. Er machte, daß er davonkam. Stahlmänner führten ihn zu einer der Schleusen, und Stahlmänner sicherten seinen Weg und ließen ihn erst dann gehen, als feststand, daß im Umkreis von zwanzig Kilometern keine Daila unterwegs waren. Onwein verschwand aus der Nähe des Bunkers und beeilte sich, seinen eigenen Unterschlupf zu erreichen. Er bebte vor Zorn und stieß mehr als einmal einen Fluch gegen die Hyptons aus. Inzwischen hatte sich die Traube in zwei Teile geteilt. Wieder füllte Susu das Amt des Agitators aus. Er hängte sich an die freie Stange. »Bedarf es eines deutlicheren Beweises?« schrie er. »Die Ligriden würden uns verhungern lassen, wenn sie keine Rache unserer Brüder zu fürchten hätten. Sie lügen. Ich bin überzeugt, daß sie noch
genug Vorräte haben.« »Wir werden es sehen«, erklärte Sonnenstrahl. Und Überwindung fügte hinzu: »Bei Chmazy-Pzan, sobald der Erleuchtete besiegt ist, sieht alles ganz anders aus.« »Viel schlimmer«, äffte Susu den Tonfall des ÜberwindungSprechers nach. »Es kostet mich Überwindung, zu glauben, daß wir diese Macht überwinden. Wenn ich euch Versager vor mir sehe …« Seine Worte gingen in undeutliches Gemurmel über, und das Schweigen der beiden Trauben zeigte, daß die Diskussion beendet war.
* Der Gleiter hielt sich in einer Höhe von zehn Kilometern. An Stelle der bequemen Sitze gab es lediglich zwei Notbänke links und rechts hinter dem Piloten. Auf ihnen harrten die Daila aus. Der Rest des Gleiters war von Meßgeräten und komplizierten Mechanismen erfüllt. »Wo sind wir jetzt?« Yukan wurde ungeduldig. »Müssen wir ständig kreisen? Das macht mich ganz krank!« Der Pilot gab keine Antwort. Yukan warf einen schiefen Blick auf die beiden Daila, die die Geräte beobachteten. »Nichts und wieder nichts«, ließ Sopdan sich vernehmen. Er war einer der Mutanten, und Yukan fragte sich heimlich, ob er nicht die Geräte manipulierte, um ihnen etwas vorzugaukeln. Befand sich da unten etwa eine geheime Station der Verbannten? Der Daila verscheuchte den Gedanken. Er war unzufrieden und nervös, und sah schon Gespenster. Und mit einem bitteren Geschmack im Mund dachte er daran, daß das Lob aus Bajukkan für die Aushebung des Ligridenstützpunktes Opala gegolten hatte und nicht ihm, obwohl er den entscheidenden ersten Funkspruch durchgegeben hatte.
Sie hatten es sich in den Kopf gesetzt, den Ausgangsort der künstlichen Schoofils ausfindig zu machen. Dort, wußten sie, würden sie auf das Proviantlager der Ligriden treffen und damit auf den wichtigsten Stützpunkt überhaupt. Sie hatten versucht, die Richtung zu rekonstruieren, aus der die Roboter gekommen waren. Sie hatten die Spuren verfolgt, aber nach einer Weile hatten diese sich im kurzen Gras der Ebene verloren. Es waren etliche Stunden verstrichen, und der Transport der gefangenen Ligriden nach Bajukkan war wichtiger gewesen. Sie konnten nur vermuten, daß das Versteck in südwestlicher Richtung von der Warnenden Senke lag, bestimmt einige Stunden entfernt. Yukan betastete die Schwellung an seiner Stirn. Sie hatte sich zu einem deutlich sichtbaren Bluterguß ausgewachsen. Sie zeichnete ihn, und manchmal erwischte er Correg und Dennar, daß sie sich darüber lustig machten. Opalas Blicke waren mehr mitleidig als schadenfroh, und gerade das machte Yukan wütend und reizte ihn noch mehr. »Wir haben eine winzige Metallkonzentration da unten«, sagte Sopdan nach einer Weile. »Eine liegengelassene Dose oder etwas Ähnliches!« »Landen!« sagte Yukan sofort und warf seinen beiden engsten Gefährten einen vielsagenden Blick zu. Der Pilot reagierte und zog den Gleiter in einer engen Schleife hinab. Er setzte ihn in der Nähe des georteten Gegenstands ab. Yukan zerrte ungeduldig am Sicherungshebel der Tür. Es war wie bei anderen Verkehrsmitteln auch. Er ließ sich erst bewegen, nachdem der Gleiter zum Stillstand gekommen war. Yukan sprang hinaus, über das kleine Treppchen hinweg, das sich ausfuhr. Er umrundete den Gleiter und blickte sich um. Nichts war zu sehen, und er mußte warten, bis Sopdan mit dem tragbaren Tastgerät herbeigekommen war. Der Zeiger schlug aus, der Mutant deutete hinüber. »Dort irgendwo!«
Das Gerät tickte, das Ticken wurde bei jedem Schritt lauter. Sie lokalisierten die Stelle, und Yukan begann wie wild mit den Händen zu graben. Er wühlte den Boden auf und zerrte an den Grasbüscheln. Die Daila beobachteten ihn belustigt. Keiner half, und Yukan richtete sich schnaufend auf. »Was wollt ihr eigentlich?« schrie er. »Beim Großen Feuer, wer hat euch die Fäulnis in eure Gehirne geschickt?« Seine Finger stießen an einen Widerstand. Er griff zu und zog einen spitzen Gegenstand aus dem Boden. Er besaß die Form eines Messers, hatte jedoch mehrere Kerben und am einen Ende einen Buckel. Mehrere Bohrungen wiesen darauf hin, daß der Gegenstand zu etwas gehörte. »Kein Produkt aklardischer Technik«, sagte Opala. Es war das erste Mal seit dem Start von Bajukkan, daß sie überhaupt den Mund auftat. »Also hat es mit den Ligriden zu tun!« »Oder mit den Hyptons!« Yukan stand auf und schob die Erde mit einem Fuß in das Loch zurück. Er tastete nach der Brusttasche seiner Jacke, in der er das Stück der Kralle verstaut hatte. Opala blickte ihn an. Sie lachte auf. »Wenn es nur kein Hirngespinst ist, was du dir da in den Kopf gesetzt hast«, mahnte sie. »Der Ligride war nicht dazu zu bewegen, über die Herkunft der Kralle Auskunft zu geben. Es kann sein, daß er sie als Souvenir mit sich herumschleppt. Daß sie gar nicht von Aklard stammt. Dann suchen wir nach einem Phantom und vernachlässigen unsere eigentliche Aufgabe!« »Unsinn!« brummte Yukan düster. Er blickte Sopdan und zwei andere Daila an. Sie alle waren Mutanten, und sie gehörten zu den Konzilsjägern, die für Akjunth eingeteilt waren. Er fragte sich, ob wohl einer darunter war, der tatsächlich in den Gedanken anderer Daila oder gar anderer Wesen lesen konnte. Er ekelte sich vor diesem Gedanken, und er wandte sich wortlos ab und ging mit dem Gegenstand in den Gleiter zurück. Die Konzilsjäger folgten ihm
langsam. »Wir befinden uns etwa in der Mitte zwischen Lamarkan und Vleberken«, stellte er nach einem Blick auf die Kartenprojektion fest. Lamarkan war eine Stadt im Innern des Kontinents, Vleberken lag an der Nordküste und bildete einen der Haupthäfen für die Meeresschifffahrt zwischen Akjunth und Uschriin. »Die Gegend ist unwirtlich. Sie eignet sich besonders für einen Stützpunkt größeren Ausmaßes.« »Es sind nirgends Hirnwellenmuster intelligenter Wesen zu erkennen«, antwortete Opala. »Mit Ausnahme unserer eigenen!« Die Worte jagte ihm einen Schauder über den Rücken. Yukan dachte nach. Er rekapitulierte ihren Bericht über das Versteck zwischen den Bodenwellen. Opala hatte davon gesprochen, daß sie die Hirnwellenmuster der Ligriden erst entdeckt hatte, nachdem sich die Schleuse geöffnet hatte. Es hatte eine Abschirmung gegeben. So mußte es auch hier sein und überall in den geheimen Verstecken des Gegners. Nur eine Abschirmung konnte vor der Entdeckung durch die Mutanten schützen und machte die Suche nach den Ligriden so schwer. Der Pilot hob den Gleiter ab und flog den bisherigen Kurs weiter. Suuma stand hoch am Himmel, und der Boden reflektierte das rötlichgelbe Licht. Es brannte in die Augen der Daila. Vor allem den Mutanten machte es zu schaffen, die von ihren Welten andere Gegebenheiten gewohnt waren. Eine Stunde nach der anderen verging. Bald würden sie nach Bajukkan zurückkehren müssen, um neue Energiereserven für den Gleiter aufzunehmen. Der Pilot machte es Yukan und Opala begreiflich. »Wir harren noch aus«, beharrte Yukan. »Irgendwo müssen wir doch eine Spur finden!« Langsam stumpfte die Lichtflut die Augen ab, machte sie unempfindlich für Details. Der Gleiter überflog das Hindernis, ohne daß jemand den Ausschlag der Metallanzeige entdeckte. Es krachte nur plötzlich, dann flog der hintere Teil des Gleiters mitsamt dem
Antrieb weg. Es knirschte, und der vordere Teil senkte sich abrupt nach unten. Die Daila konnten von Glück reden, daß sie diesmal in geringer Höhe geflogen waren. Unter mehrmaligem Aufbäumen sackte das Wrack die fünfzig Meter durch und krachte in ein Gebüsch. Die Daila wurden durcheinandergewirbelt. Yukan prallte mit dem Kopf gegen die Wand und verlor für kurze Zeit das Bewußtsein. Als er wieder zu sich kam, zerrten Hände an seinem Körper. Eine weitere Hand klatschte ihm ins Gesicht, immer wieder. Er riß die Augen auf. Opala hatte sich über ihn gebeugt. »Los!« zischte sie. »Raus aus der Maschine. Wer weiß, was auf uns zukommt!« Er kam taumelnd auf und stieg hinaus. Im Eilschritt entfernte sich die Gruppe vom Vorderteil des Gleiters. Zwei Kilometer entfernt schoß eine Stichflamme in die Höhe und markierte die Stelle, an der der Triebwerksteil aufgeschlagen war. Die Daila hatten ihre Waffen gezogen und sicherten nach allen Himmelsrichtungen ab. »Der Schuß muß von Süden gekommen sein«, rief Sopdan. »Ich habe das Ende des Blitzes gesehen!« Sie wandten sich nach Westen, weg von der Absturzstelle. Das Flimmern vor Yukans Augen legte sich, und der Daila erhielt seinen Gleichgewichtssinn zurück. Er musterte die Männer und Frauen. Keiner von ihnen war ernstlich verletzt worden. Es war mit ein paar Prellungen und blauen Flecken abgegangen. Sie hatten endlich die Spur gefunden. Der Gegner hatte sich verraten, und die Kompromißlosigkeit, mit der er den Gleiter abgeschossen hatte, wies auf den Zwang hin, unter dem er handelte. Es gab keinen Zweifel, den Ligriden stand die sprichwörtliche Asche bis zum Scheitel. Die vielen kleinen Feuer hatten sie durchlöchert, so daß sie die Nerven verloren. Und mit einem entnervten Gegner war nicht gut Vulkane ersteigen. Eine gute Stunde eilten sie durch das kurze, gelbbraune Gras. Sie benutzten jedes Gebüsch als Deckung. Die Rauchsäule hinter ihnen
war in sich zusammengesunken und bot keinen Orientierungspunkt mehr. Hinter einer Bodenerhebung machten sie Halt. »Seht ihr den dunklen Fleck?« fragte Correg. »Dort muß sich die Öffnung befinden, aus der geschossen wurde!« Langsam schlichen sie sich heran, auf jede Einzelheit des Bodens und ihrer Umgebung achtend. Der dunkle Fleck war verbrannte Erde, vom Mündungsfeuer einer Waffe in Brand gesetztes Gras. Sie erkannten die Bodenklappe in der Mitte. Opala winkte, und sie zogen sich zurück. »Wir haben den tragbaren Taster im Gleiter liegen lassen«, stellte sie fest. »Es wird schwierig sein, den Eingang zu finden. Ich schlage vor, zwei von uns kehren zum Gleiter zurück und prüfen nach, ob der Taster noch funktioniert.« Correg und Dennar erklärten sich bereit. Unter Anwendung aller Vorsichtsmaßnahmen gingen sie den direkten Weg. Nach einer halben Stunde kehrten sie mit dem Gerät zurück. Es funktionierte mit Unterbrechungen, aber es reichte immerhin aus, den Boden abzusuchen. Sie fanden den Eingang, der in einem Gebüsch versteckt lag. »Vorsicht!« sagte Opala. »Ich öffne die Bodenklappe. Rechnet damit, daß ihr sofort beschossen werdet!« Die Daila richteten ihre zusammengekniffenen Augen auf den Boden. Das Gras zwischen den Büschen war künstlich, es deckte den Eingang zu. Eine winzige Wölbung markierte den Mechanismus, mit dem er geöffnet werden konnte. Knarrend verschwand der Deckel zur Seite. Die Daila hielten den Atem an. Nichts geschah. Kein Energiestrahl fauchte aus der Öffnung, und Opala riß verwundert die Augen auf. »Keine Muster!« flüsterte sie. »Es ist, als hätten die Ligriden den Stützpunkt verlassen. Aber womit? Wir haben keine Fahrzeuge gesehen!« Ein Verdacht stieg in ihr auf. Besaß der Gegner ein unterirdisches
Röhrenbahnnetz? Es konnte nicht sein. Die Einrichtung einer solchen Anlage erforderte viel Zeit und Aufwand. Dennoch kam es in Betracht, wenn man annahm, daß die Ligriden mit dem Bau begonnen hatten, gleich nachdem sie Aklard überrollt hatten. Die Daila verständigten sich mit Blicken, dann drangen sie vorsichtig in das Versteck ein. Es entpuppte sich tatsächlich als Stützpunkt größeren Ausmaßes. Der Durchmesser der angelegten und ausgerüsteten Kaverne betrug gut hundert Meter. In mehreren Kammern lagerten Waffen und Ersatzteile, und es gab zwei automatisch arbeitende Energiekanonen. Eine davon hatte den Gleiter abgeschossen, offensichtlich weil dieser die kritische Distanz unterschritten hatte. Bei größerer Flughöhe hätte die Automatik nicht reagiert, wäre der Stützpunkt nie entdeckt worden. Sie fanden Spuren von Ligriden, hastig weggelegte Gegenstände und nicht aufgegessene Mahlzeiten. Die Speisen waren eingetrocknet, ein Hinweis darauf, daß sie mindestens seit zwei, drei Tagen unberührt waren. Und genau zu dieser Zeit war es gewesen, daß Yukan mit seinem Schuß die Schoofils vernichtet hatte. »Sie müssen von hier gekommen sein«, sagte Yukan. »Hier war das Depot, das die Lebensmittel an die übrigen Verstecke verteilt hat. Damit ist es jetzt vorbei.« »Es sind keine Spuren zu entdecken, die auf Hyptons hinweisen«, stellte Sopdan fest. Zwar war nach wie vor unklar, woran man Hyptons charakteristisch erkennen konnte, wenn man nicht gerade eine Kralle fand. Die Daila wußten aus der Zeit der Ligridenherrschaft, wie Hyptons aussahen. Was für eine Art Wesen sie darstellten, war jedoch nicht landläufig bekannt. Aber bestimmt gab es einzelne Daila, die mit ihnen ihre Erfahrungen gemacht hatten. Die Daila von Aklard erinnerten sich an einige Vorfälle aus der Zeit der Okkupation. Yukan und seine Begleiter desaktivierten die beiden Kanonen und zerstörten die Abstrahlrohre. Dann machten sie die Nahrungsmittel
und das Waffendepot unbrauchbar. Mit Hilfe einer kleinen Funkanlage riefen sie erneut Bajukkan und gaben ihre Position durch. Wenig später wurden sie abgeholt, nachdem einer der Obersten Räte das Versteck besichtigt hatte. »Ohne ihren Nachschub werden sie bald aus ihren Löchern kommen«, meinte Yukan zuversichtlich, aber der Oberste Rat namens Kerschens war nicht dieser Meinung. »Es dürfte nicht das einzige Depot sein«, machte er den Konzilsjägern begreiflich. »Aber darauf kommt es gar nicht an. Es kommt darauf an, daß ihr möglichst früh ein Bild von den Örtlichkeiten bekommt, in denen die Ligriden sich versteckt halten. Sucht nach einem Muster.« »Du denkst an ein geometrisches Muster oder etwas Ähnliches?« wunderte Yukan sich. »Der Verdacht, daß die Hyptons noch da sind und alles steuern, ist die Ursache für den Gedanken. Dort, wo sich keine ligridischen Verstecke befinden, müssen wir nach den Hyptons suchen!«
4. »Bebebebe …«, machte Doppohl. Er begann auf dem mittlersten Schemel zu schwanken. Er bekam das Übergewicht nach vorn und rettete sich allein dadurch vor einem schweren Sturz, daß er das rechte Bein nach vorn riß und dröhnend auf den Fußboden setzte. Hastig zog er das andere Bein nach und ruderte mit den Armen, um das Gleichgewicht zu halten. Pfeifend stieß er die Luft aus. Er machte zwei Sätze und hieb mit der Faust auf einen Knopf. Alarm schrillte auf, und er alarmierte nicht nur die Besatzung der GHYLTIROON, sondern alle aklardischen Schiffe, die sich im System der Sonne Suuma aufhielten. Nebeneinander stürmten Ganno und Trom in die Zentrale. »Was ist da …« begann Ganno, aber Mallosh brachte ihn zum
Schweigen. »Bebebebe …«, sagte der sonst zurückhaltende Funker. »Das sieht man doch!« Es war, als würde Doppohl von einem starken elektrischen Schlag getroffen. Er warf sich zur Seite und machte Anstalten, sich auf Mallosh zu stürzen. »Tatsächlich!« Trom begriff den Ernst der Lage, konnte es sich jedoch nicht verkneifen, ebenfalls auf den Ton einzugehen. »Das ist wirklich Bebebebe …« »Beta-Alarm!« brachte Doppohl endlich hervor. »Möchte wissen, wo der Kloß in meinem Hals plötzlich herkommt!« »Vermutlich liegt es daran, daß es dein erster Ernstfall ist«, meinte Ganno und strich sich über die Brust. »Wir sind bereit. Norgis an deiner Stelle würde bereits angreifen!« Auf dem Bildschirm verfolgten sie, wie sich die Schiffe formierten. Der Alarm war von langer Hand vorbereitet, die einzelnen Manöver richteten sich exakt nach dem Verhalten der ligridischen Schiffe. Diese hatten sich plötzlich zu einem keilförmigen Pulk zusammengefunden, der sich jetzt in Bewegung setzte. Seine Spitze zielte exakt auf Aklard. Der Bildfunk erwachte zu hektischem Leben. Anfragen gingen bei der GHYLTIROON ein, und Doppohl hüpfte mit einem Wahnsinnssatz auf den Schemel, der dem Mikrofon am nächsten stand. »Der Alarm wird voll durchgezogen«, verkündete er. »Die Absicht des Gegners ist klar. Er will durchbrechen und den Planeten erneut in seine Gewalt bringen. Feuer frei für alle Schiffe. Wir werfen uns den Ligriden mit geballter Macht entgegen!« »Aber der Beta-Plan sieht keine geballte Macht vor«, bemerkte einer der anderen Kommandanten. Seine Augen blitzten von einem Monitor auf Doppohl herab. Der Kleine stellte sich auf die Zehenspitzen. »Das habe ich ja gemeint!« rief er. »Achtung, die Ligriden eröffnen
bald das Feuer!« Doppohl sprang zum Pilotensitz und ließ sich hineinsinken. Die Triebwerke brüllten auf und rissen die GHYLTIROON aus ihrer bisherigen Bahn. Das Handels- und Forschungsschiff wußte gar nicht, wie ihm geschah. Irgendwo flackerten rote und gelbe Lämpchen auf, aber niemand scherte sich darum. Ganno und Mallosh schlossen die Helme ihrer Einsatzanzüge, und Trom nestelte wütend an einem Magnetverschluß am rechten Handschuh, der nicht schließen wollte. Allein Doppohl schien mit keinem Gedanken an seine persönliche Sicherheit zu denken. In seiner bunten Freizeitkleidung saß er da und steuerte die GHYLTIROON der im Plan vorgesehenen Position entgegen. Sie hatten bereits seit Tagen damit gerechnet. Jetzt endlich rangen sich die Ligriden durch. Irgendwie war es verständlich, sie mußten aus dem planetaren Funkverkehr wissen, wie es um ihre Artgenossen in den Verstecken stand. Ihnen wollten sie zu Hilfe kommen und gleichzeitig den Planeten für das neue Konzil zurückerobern. Etwas an dem ligridischen Pulk irritierte Doppohl. Er kniff die Augen zusammen und beobachtete die elektronisch verstärkten Ortungsbilder, die den Pulk in seine Einzelschiffe auflösten. Die Position eines jeden Schiffes war genau erkennbar. Insgesamt waren es siebenundvierzig, acht mehr als die Daila zur Verfügung hatten. Ein Funkspruch ging ein. Er war an keines der Schiffe gerichtet. Er kam von Aklard und eilte hinaus in den interstellaren Raum. Er rief alle dailanischen Schiffe zur Hilfe auf, die sich in der Nähe befanden und den Weg nach Aklard in kürzester Zeit zurücklegen konnten. »Doppohl«, sagte plötzlich eine vertraute Stimme. »Doppohl, es ist Zeit, daß du verrückter Kerl deine Qualitäten ausspielst.« Es war die Stimme von Urlysh, aber es kam keine Bildverbindung zustande. »Doppohl«, murmelte der Kommandant, als habe er gar nicht richtig zugehört. »Laß mich in Ruhe!«
Jetzt erhellte sich der Bildschirm. Urlysh blickte auf Ganno herab und machte mit der Hand ein fragendes Zeichen. Ganno verdrehte die Augen. »Er spinnt«, sagte er möglichst leise. »Ich glaube, der Schlag hat ihn getroffen. Sein Geist verläßt ihn!« »So ist es gut, dann bin ich beruhigt«, erwiderte Urlysh und blendete sich wieder aus dem Bildschirm aus. Die drei Daila blickten sich entsetzt an. Trom hatte endlich seinen Anzug geschlossen, aber jetzt klappte er den Helm zurück. »Sie sind alle verrückt geworden. Ganno, Mallosh! Laß uns auf dem schnellsten Weg von hier verschwinden!« Mallosh verließ seinen Platz an der Funkanlage und trat neben Doppohl. Hitze und Feuchtigkeit schlugen ihm entgegen. Der Kommandant hatte stark zu schwitzen begonnen. Seine Augen waren starr auf die Steueranlagen und den Bildschirm gerichtet. »Doppohl!« sagte der Funker vorsichtig. »Was ist los? Was geht hier vor?« »Weg da!« sagte eine Stimme von oben. Wieder war es Urlysh. »Laßt ihn in Ruhe. Ihr richtet eine Katastrophe an, wenn ihr ihn stört. Greift erst ein, wenn ich es euch sage!« Mallosh zog sich hastig zu den beiden Gefährten zurück, die sich am Ausgang der Zentrale postiert hatten. Schweigend beobachteten sie Doppohl, der krumm auf einem Schemel stand. Die Augen des Kommandanten brannten. Er vergewisserte sich mit einem schnellen Blick, daß der Plan von allen Schiffen eingehalten wurde. Etwas an dem Pulk war nicht in Ordnung, noch immer nicht, wollte er glauben. Sekunden vergingen, bis sichtbar wurde, daß die keilförmige Formation sich aufblähte und dicker wurde. Der Keil stumpfte ab, seine Öffnung ging in die Breite. Doppohls rechte Hand bewegte sich fast mechanisch. Wieder schrillte Alarm auf, diesmal höher und nervtötender. Er ließ die Daila an der Tür zusammenzucken. »Plan 11«, verkündete Doppohl allen Schiffen. »Sofort auf Plan 11
gehen. Vollzugszeit eine halbe Minute!« . Die Starre des Kommandanten schien sich ein wenig zu lösen, aber er hing noch immer mit den Augen an dem Schirm. Ab und zu wandte er den Kopf und las die Ortungsanzeigen ab. Daneben steuerte er das Schiff der neuen Position entgegen, die es laut Plan 11 einzunehmen hatte. Nach achtundzwanzig Sekunden hatte es den Verzögerungssektor erreicht und bremste ab. Während es langsamer wurde, veränderte sich auch das Bild des Keils. Plötzlich bildeten die Ligridenschiffe zwei Keile, die annähernd parallel zueinander flogen. Während des einen Spitze auf die dailanischen Schiffe zeigte, stieß die andere an ihnen vorbei in die Nähe der beiden Monde Aklards. Fahnder und Ittras waren als winzige, leuchtende Scheibchen zu erkennen. Der Plan der Ligriden wäre aufgegangen, wenn Doppohl nicht rechtzeitig reagiert hätte. Die Ligriden sahen sich einer veränderten Abwehrformation gegenüber und mußten erkennen, daß ihr Plan nicht aufging. Im Gegenteil. Sie hatten sich halbiert, und die Guerillataktik der Daila mit einzeln angreifenden Schiffen konnte sich jetzt stärker auswirken. Obwohl das Feuer längst freigegeben war, war noch kein einziger Schuß gefallen. Die ideale Entfernung für eine höchstmögliche Wirkung der Bordwaffen war für die meisten Schiffe noch nicht gegeben. Die Daila gingen davon aus, daß die Ligridenwaffen eine stärkere Reichweite besaßen. Die Auseinandersetzung mußte also immer ungleich sein, egal welche Formation oder welche Taktik die Daila bevorzugten. Vorerst einmal waren die Ligriden verwirrt. »Funkspruch, Mallosh!« murmelte der Kommandant undeutlich. »Ligridenpulk anfunken!« Der Daila eilte zur Funkanlage und rief den Gegner auf den ihm bekannten Frequenzen. Die Ligriden reagierten nicht. Offensichtlich waren sie im Augenblick ratlos. Mallosh zeigte Doppohl die Handflächen zum Zeichen, daß es sinnlos war, es nochmals zu
versuchen. Doppohls Hand fuhr in eine Tasche und brachte einen kleinen Beutel zum Vorschein, den er neben sich auf die Steuerkonsole legte. »Wir müssen Zeit gewinnen«, sagte der Kommandant. Wieder versank Doppohl in Trance, und nach einer Weile griff er nach dem Beutel und preßte ihn an sich. »Weiter Plan 11«, teilte er den aklardischen Schiffen mit. Er wußte, daß die Ligriden seinen Funk abhören konnten. Aber sie wußten nicht, was Plan 11 war. Sie konnten es erst sagen, wenn die Schiffe ihre neuen Positionen eingenommen hatten. Das Warten zehrte an den Nerven der Daila. Eine halbe Stunde verging, ohne daß sich etwas änderte. Doppohls Hemd hatte auf dem Rücken eine nasse Fläche bekommen, und kleine Wassertropfen rannen seinen Hals hinab. Wieder erstarrte er zu vollkommener Unbeweglichkeit, und plötzlich schrie er laut: »An alle Schiffe! Sofort zurückziehen. Formation nach Plan 2!« Ganno schrie auf. Er eilte zu Doppohl und riß ihn an der Schulter. Es war seltsam, aber der kleine Daila reagierte kaum. Es war, als sei er auf seinem Schemel festgewachsen. »Plan 2 bedeutet die Abschottung Aklards!« schrie Ganno. »Was soll das?« »Da!« schrie Trom. »Seht doch!« Sie brachen aus dem Hyperraum. Es waren über zweihundert Echos. Bei ihrem Anblick begriffen die drei Daila, daß Doppohl richtig reagiert hatte. Einer solchen Übermacht hatten sie nichts entgegenzusetzen. Sie konnten nichts anderes mehr tun, als sich um Aklard zu versammeln und die Heimatwelt so gut wie möglich zu verteidigen. Ohne Kampf würden sie Aklard nicht übergeben. »Plan Null«, verkündete Doppohl, während der sonst so leicht aufbrausende Ganno sich erneut bis zur Tür zurückzog. »Mallosh, an die Waffen. Keine Kampfhandlungen. Ligridische Schiffe, die nach Aklard durchbrechen wollen, sind jedoch aufzuhalten!« Er redet wirr, dachten die drei Daila. Jetzt hat er endgültig den
Verstand verloren. Dasselbe mochten auch viele der Daila in den anderen Schiffen denken. Dennoch befolgten sie ohne Ausnahme die Anweisung. Plan Null dezentralisierte die gesamte Streitmacht über den interplanetaren Raum und bildete einen weitmaschigen Vorhang gegen den Pulk der Ligriden, der nun ebenfalls in Auflösung geriet. Aber in was für eine. Trom schrie auf, weil er sah, was sich da draußen abspielte. Gleichzeitig begann der Entzerrer der Funkanlage zu arbeiten. Befehle trafen ein und wurden übersetzt, die einwandfrei von den Neuankömmlingen stammten. Doppohl steckte rasch den Beutel ein und sprang von seinem Schemel. »Ein Handtuch«, verlangte er. Keiner der Daila rührte sich, und so nahm sich der Kommandant die nächstbeste Jacke, die herumhing, und wischte sich damit den Schweiß vom Gesicht. Gannos Protest verhallte ungehört. »Du hast es gewußt«, sagte Trom. »Du hast es immer im voraus gewußt! Was ist in dem Beutel?« Doppohl grinste und holte ihn heraus. Er öffnete ihn und zeigte ihnen den Glücksstein. »Ein Mutant!« stieß Ganno hervor. »Mir wird übel!« »Kein Mutant!« erklärte die ruhige Stimme von Urlysh aus den Lautsprechern. »Aber Doppohl ist einer der ersten normalen Daila, die mit einem Glücksstein umgehen können. Was geschieht draußen im Raum?« »Die Neuankömmlinge greifen die Ligriden an!« stellte Mallosh fest. »Und der Funk hat sie bereits identifiziert. Es sind Schiffe vom Traykon-Typ, der uns bekannt ist!« »Dann hat Aksuum sich geirrt«, sagte Urlysh. »Er vertrat die Ansicht, daß diese Schiffe nicht mehr eingreifen würden, da sie durch einen Vorfall in den Weiten Manam-Turus daran gehindert würden!« Die Ligriden hatten erkannt, welche Übermacht sich auf sie warf.
Sie stoben nach allen Seiten davon, aber die Traykon-Schiffe hatten sie fast vollständig eingekreist. Doppohl fluchte und sagte etwas von einer vollständigen Vernichtung. Von den siebenundvierzig ligridischen Schiffen existierten nach kurzer Zeit nur noch zwölf. Und auch sie befanden sich in großer Bedrängnis. Ihr Ende war abzusehen. Das Schicksal schien jedoch eine gewisse Regelmäßigkeit in seiner Handlungsweise zu besitzen. Plötzlich stellten die Traykon-Schiffe ihre Angriffe ein und formierten sich. Sie verschwanden so überraschend, wie sie gekommen waren. Die Meldung wurde nach Aklard gegeben, wo man ebenfalls die Ortungsgeräte überbeanspruchte. »Hier spricht Aksuum«, vernahmen sie dann die bekannte Stimme des Obersten Rates. »Es gibt für den Vorgang nur eine vorläufig mögliche Erklärung. Die Traykons, die soeben eingegriffen haben, sind Nachzügler, die nichts von den sie betreffenden Vorgängen wußten bis zu dem Zeitpunkt, als sie ebenfalls verschwanden. Es ist ein Wunder geschehen, daß Aklard ein zweites Mal gerettet wurde. Das Große Feuer muß wissen, welche Konsequenzen sich daraus für die Zukunft ergeben!« Er schwieg, und Doppohl nahm den Faden auf und setzte sich mit den sechs noch funktionsfähigen Ligridenschiffen in Verbindung. Er verzichtete darauf, die Kommandanten persönlich zu sehen. Es genügte ihm, wenn sie seine Worte empfingen. »Dies war die letzte Warnung«, sagte er. »Aklard ist kein lohnendes Objekt für euch. Sagt es den Hyptons. Wir werden uns um sie und um eure Artgenossen in den noch verbliebenen Verstecken kümmern. Verschwindet und kehrt nie wieder zurück. Wir Daila wünschen keinen Krieg in unserem Lebensbereich. Wir haben etwas, womit wir alle eure Übergriffe in Zukunft im Keim ersticken können!« Wie ein Triumphator wandte er sich vom Mikrofon ab und maß die drei Anwesenden mit leuchtenden Blicken.
»Norgis wird eines Tages in die GHYLTIROON zurückkehren«, verkündete er. »Dann, wenn alles vorbei ist. Wenn es wirklich keinen einzigen Ligriden mehr in der Hundert-LichtjahreRaumkugel gibt. Das ist mein Wort, und mein Wort ist Gesetz, solange ich das Kommando über unseren Schiffsverband besitze!« »Jawohl, großer Doppohl!« spottete Ganno, und die beiden anderen Daila lachten. Sie verstummten erst, als sie merkten, daß Doppohl mitlachte. Er lachte sogar am lautesten von allen, und er schmunzelte selbst eine Stunde später noch über den gelungenen Scherz. Ganno, Trom und Mallosh verstanden die Welt nicht mehr, denn Doppohl stand nicht auf einem seiner Schemel. Er saß darauf und schnitt sich seine Fingernägel.
* Die drei Tage waren vergangen und noch mehr. Die Ligriden hatten keinen Nachschub gebracht. Aus abgehörten Funksprüchen war hervorgegangen, daß weitere ihrer Verstecke von den Konzilsjägern entdeckt und ausgehoben worden waren. Ein von den Ligriden mit eigener Verantwortung durchgeführter Angriff gegen Aklard war von erneut hinzugekommenen Traykon-Schiffen des Erleuchteten vereitelt worden. Die Lage der Ligriden und Hyptons war dadurch alles andere als rosig. Sie spitzte sich mit jeder Stunde zu. Wieder einmal hatte Susu die Position des Diskussionsführers übernommen. Diesmal hatten sich die Hyptons in vier kleine Trauben gespalten, ein Zeichen für ihre Erregtheit. Sie warteten nicht auf Einwürfe Susus, sondern gaben ihren Gedanken freien Lauf. »Es muß ein Grund vorliegen, daß der Erleuchtete die Schiffe in beiden Fällen so rasch zurückgerufen hat«, sagte der Sprecher der Licht-Traube. »Irgendwo sind wichtige Dinge geschehen, von denen wir mangels Kontakten noch nichts wissen.«
»Oder aber der Erleuchtete befindet sich in Not und benötigt alle Kräfte zu seinem eigenen Schutz«, überlegte die Sieg-Traube. »Wo bleibt die Funkverbindung mit den Ligriden in ihren Stationen?« »Es ist zu gefährlich. Wir würden unseren Aufenthaltsort verraten«, stellte die Verdammnis-Traube fest. Und die kleine, lediglich aus sechs Hyptons bestehende Klarheits-Traube ließ verlauten, daß die eigene Sicherheit noch immer besser war als eine vage Information über einen Gegner. »Und das alles genügt euch?« schrillte Susu. »Der kurze Augenblick des Atemholens reicht? Wie verblendet ihr seid! Wir haben Meldungen abgehört, daß überall in der Hundert-LichtjahreKugel der Daila Ligriden dabei sind, ihre Positionen zu räumen. Nur in wenigen Fällen stellen sie vernichtete Stützpunkte wieder her. Wie lange kann es noch dauern, und die Daila werden ein vollwertiges Hilfsvolk des Erleuchteten sein. Wir haben versagt!« Protest kam auf. Die Hyptons bewegten sich raschelnd, und Susu fuhr fort: »Wir wissen ebenso wie die Ligriden, daß etwas geschehen muß. Wir müssen Stahlmänner auf den Weg schicken. Sie müssen die Ligriden zwingen, sich um uns zu kümmern. Notfalls müssen sie ein auf Aklard stehendes Daila-Schiff kapern, um uns in Sicherheit zu bringen!« »Niemals!« verkündeten alle vier Trauben gemeinsam. »Niemals werden wir Aklard aufgeben!« Eine Tür öffnete sich, Licht fiel in die innerste Kammer des Quellenbunkers. Ein Stahlmann kam und brachte eine Folie, die er in eine dafür vorgesehene Positronik legte. Es knackte und krachte, dann verkündete eine Stimme, daß sie heimlich zu den Hyptons spreche und sich nicht zu erkennen geben dürfe. Sie habe diese Meldung verschlüsselt geschickt, um sie auf einen direkten Funkkontakt vorzubereiten. Die Hyptons rückten zusammen und bildete wieder eine einzige Traube. Der Stahlmann entfernte sich, nachdem er die Positronik auf die Funkanlage des Quellenbunkers einjustiert hatte.
Die Hyptons warteten. Sie vertrieben sich die Zeit mit Diskussionen. Langsam wurden sie von Müdigkeit befallen, die darauf zurückzuführen war, daß sie weniger Rationen zu sich nahmen, als es nötig war. Die Vorräte des Bunkers waren aufgebraucht. Das wenige, was die Stahlmänner irgendwo in den Siedlungen der Daila zusammenstahlen, reichte nicht aus, um ein Überleben über mehrere Wochen hinweg zu gewährleisten. Außerdem waren schon mehrere Dutzend Stahlmänner erwischt und zerstört worden. Zwei weitere aklardische Tage vergingen. Fast schon hielten die Hyptons die Nachricht für einen schlechten Scherz, als die Funkanlage ansprach und sich der Unbekannte meldete. »Wir wissen, wie es um euch steht«, vernahmen sie die wohl absichtlich verzerrte Stimme. »Wir bieten euch unsere Unterstützung an, sowie wichtige Informationen über den Erleuchteten.« »Wer ist ›wir‹?« erkundigte sich der Sprecher der Hyptons. »Wem können wir vertrauen?« »Niemand weiß es. Nennt uns Weißwert. Ich oder wir sind eine Institution, die vieles weiß, was wertvoll ist. Deshalb Weißwert. Wenn ihr auf unser Angebot eingehen wollt, dann tut es uns kund.« »Wir brauchen Bedenkzeit. Wir sind nicht auf fremde Hilfe angewiesen. Wir haben unsere eigenen Mittel, uns zu informieren. Wir werden euer Angebot überdenken!« Weißwert verabschiedete sich, und wieder begann für die Hyptons im Quellenbunker das Warten. Getrieben vom Hunger, dauerte es nicht lange, bis sie sich zu einer Entscheidung durchrangen. Sie beschlossen, das Angebot zunächst einmal anzunehmen, ohne sich festzulegen oder direkte Hilfe zu verlangen. Weißwert war eine völlig unbekannte Größe. Es war nicht herauszufinden, wer dahintersteckte und wo sich diese Institution aufhielt. Der zweite Funkruf kam deshalb um so überraschender für sie.
Weißwert meldete sich. Diesmal sprach er von sich nur in der Einzahl, er sagte »ich«. Dies verwirrte die Hyptons, aber sie nahmen das Angebot an. »Teile uns mit, was du über den Erleuchteten weißt«, sagte ihr Sprecher. Weißwert entschuldigte sich. »Man wird euch entdecken, wenn die Verbindung länger aufrechterhalten bleibt«, verkündete er. »Aber die Tatsache, daß die Ligriden auf und um Aklard so gut wie gelähmt sind, spricht Bände. Ihr werdet von mir hören!« Sie fanden sich damit ab, daß er ihnen seinen Aufenthaltsort nicht verraten wollte. Es bestand sogar die Möglichkeit, daß er sich auf Aklard aufhielt. Wie anders sonst hätte er so genau über die Zustände im System der Sonne Suuma Bescheid wissen können. Die Hyptons ließen nach Onwein schicken. Endlich, nach gut über einer Woche, kam der Ligride mit zwei Begleitern. Sie schleppten Proviant und ein wenig Ausrüstung mit sich, genug, um die Hyptons für zwei, drei Tage zu versorgen. Einige der Nahrungsmittel stammten aus ihren eigenen Lagern und waren für die Wesen aus Chmazy-Pzan nicht genießbar. »Wir haben den Funkruf ebenfalls empfangen«, erklärte Onwein. »Leider ist es uns nicht gelungen, uns einzuschalten. Was habt ihr vor? Warum nehmt ihr das Angebot nicht sofort an? Sind wir erst einmal von Aklard weg, erhalten wir unsere Handlungsfähigkeit zurück!« »Alles muß dreimal überlegt werden«, erhielt der Ligride zur Antwort. »Noch wissen wir nicht, ob es sich nicht um eine Falle des Erleuchteten handelt, mit der er uns endgültig ausschalten will.« »Grund hätte er«, sagte Onwein. »Schließlich sind wir Ligriden es, gegen die er in der Hauptsache seine Truppen schickt. Ihr Hyptons versteckt euch irgendwo und wartet jedesmal, bis der Sturm sich gelegt hat.« »Wir sind nicht in der Lage zu kämpfen«, hielt der HyptonSprecher ihm vor.
»O ja, das wissen wir nur zu gut. Deshalb hört euch an, was ich zu sagen habe. Wenn ihr nicht binnen drei Tagen auf das Angebot dieses Weißwert eingeht, werden wir aus unseren Verstecken ausbrechen. Wir müssen es tun, wenn wir nicht verhungern wollen. Und wir werden zusehen, wie man eure Kadaver an die Oberfläche zerren wird, um sie den Fischen zum Fraß vorzuwerfen!« Der Ligride hatte sich in Zorn geredet, und er wunderte sich nicht einmal, daß sich plötzlich eiskalte Metallhände um seinen Oberkörper legten und ihn hinaustrugen. Die Stahlmänner setzten Onwein einfach an die Luft, und der Diener des Gwyn machte, daß er irgendwo in der Deckung eines Gebüsches verschwand. »Die Spaltung ist absehbar, der Bruch kommt«, kommentierten die Hyptons den Vorgang. »Wir müssen uns vorsehen. Ligriden verkaufen ihre eigenen Großmütter, wenn es zu ihrem Vorteil ist!« Die sieben Daila an der Kaimauer schrien auf und zogen sich hastig zurück. Bisher hatten sie fasziniert die weiße Jacht betrachtet, die seit dem Morgengrauen an der Reede lag. Sie gehörte einem reichen Mann vom südlichen Kontinent, der zum ersten Mal in seinem Leben den Kontinent Akjunth besuchte. Das gut vierzig Meter lange Schiff richtete sich plötzlich auf. Es hob sich aus dem Wasser, bis der Rumpf völlig in der Luft hing und das Kielschwert sichtbar wurde. Sekunden später hatte die Jacht das Wasser vollständig verlassen und trieb auf die Mauer zu. Die Daila brachten sich zwischen den Häusern des Hafens in Sicherheit. Sie rollten mit den Augen, ihre Lippen bebten. Sie machten Ordnungskräfte auf sich aufmerksam, die mit Fahrzeugen unterwegs waren. Sie schickten sie zur Mauer, aber da war die Jacht bereits verschwunden. Für einen kurzen Augenblick war noch das Kielschwert zwischen zwei Fassaden zu erkennen. Die Männer und Frauen in den Fahrzeugen gaben Alarm. »Es geht nicht mit rechten Dingen zu«, berichteten sie. »Entweder sind die Mutanten verrückt geworden, oder es handelt sich um einen Vorgang, der mit den Hyptons zusammenhängt!«
Für die einfachen Daila war es nicht vorstellbar, daß ein einzelner Mutant so etwas fertigbrachte. Nicht einmal eine Gruppe konnte so etwas bewerkstelligen. Merkwürdigerweise kamen aus dem Sitzungsgebäude des Obersten Rates nur beschwichtigende Antworten. Und es dauerte mehrere Stunden, bis einer der Räte sich herabließ und zur Beruhigung der Öffentlichkeit eine Erklärung abgab. Es hing mit den Glückssteinen zusammen. Die Regierung Aklards hatte allen, die einen Glücksstein brachten, hohe Belohnungen und freien Aufenthalt für sie und ihre Nachkommen versprochen. Einige Daila waren mit solchen Steinen gekommen, aber es waren noch immer zu wenig. Sie konnten keine Garantie für die Sicherheit des Heimatplaneten sein. Wieder wurde ein Funkspruch hinausgeschickt, aber in seiner Folge tauchten zwei kleinere Ligridenverbände auf. Sie funkten ihre Artgenossen an, aber auf Aklard meldete sich niemand. Diejenigen der Okkupatoren, die sich noch in ihren Verstecken befanden, hüteten sich, diese preiszugeben. Die Ligriden ihrerseits hielten die Schiffe in sicherer Entfernung, aber sie kreisten das Suuma-System ein, so daß es für anfliegende Daila-Schiffe schwierig wurde, bis zum Mutterplaneten durchzukommen. »Die Testergebnisse sind positiv«, sagte Urlysh. Er trat neben den an einer Brüstung stehenden Aksuum. »Die Steine verstärken die Kräfte der Mutanten um ein Vielfaches. Und auch der Test mit den normalen Daila ist in neun der zehn Fälle zufriedenstellend verlaufen. Doppohl meldet, daß er keine Nachwirkungen verspürt. Er kann es nicht fassen, daß der Stein in ihm präkognostische Fähigkeiten aktivierte, von denen er zuvor keine Ahnung hatte.« »Es ist etwas, was wir noch nicht kontrollieren können«, erwiderte Aksuum. »Ich mache mir deswegen Sorgen. Die Steine machen auch unbegabte Daila zu Mutanten. Was sagen die Wissenschaftler dazu?« »Die Vertreter der Evolutionslehre haben schon von Beginn an
darauf hingewiesen, daß die Anlagen zur Mutation in uns allen vorhanden sind. Es ist eine zwingende Entwicklung, behaupten sie.« Aksuum schlug die Hände vor den Mund. »Das würde bedeuten, daß es eines Tages überhaupt keine normalen Daila mehr gibt«, flüsterte er. »Das kann ich nicht glauben.« »Auch mir fällt es schwer«, gestand Urlysh. »Aber die Steine lügen nicht. Wer kann schon sagen, welchen Weg unser Volk in den nächsten hundert oder tausend Sonnenläufen geht!« Sie widmeten sich wieder den einlaufenden Meldungen. Drei Schiffe waren innerhalb einer Stunde durch die Sperrender Ligriden geschlüpft und von den Daila-Schiffen identifiziert und durchgelassen worden. Sie brachten insgesamt sieben Glückssteine mit, und diese wurden sofort an verschiedene Mutantengruppen verteilt, die sich in der Nähe der Zubringerboote aufhielten. Die Abwehrmaßnahmen gegen die Ligriden wurden weiter ausgebaut, und Urlysh und Aksuum verfolgten zufrieden, wie die Boote den Landeplatz hinter sich ließen und in die Atmosphäre aufstiegen. Sie suchten sich den schnellsten Weg zu den Schiffen, die sie aufnehmen sollten. »Wir benötigen noch mindestens hundert Glückssteine, um die Kräfte der Begabten so zu verstärken, daß sie jeden Angriff der Ligriden zurückschlagen können«, stellte Urlysh fest. »Das wird jedoch noch eine Weile dauern. Bis dahin müssen die Konzilsjäger ihre Arbeit beendet haben!« Eigentlich gehörten alle Einsatzgruppen zu den Jägern, aber in diesem Fall meinte der Oberste Rat jene Gruppen, die sich bereits auf der Suche befanden und die Oberfläche Aklards absuchten. Er meinte aber auch jene kleinen Expeditionen, die die drei anderen Planeten abkämmten. »Keine neuen Nachrichten von Opala?« wollte Aksuum wissen. Urlysh verneinte. Die Gruppe hatte einen Abstecher nach Uschriin gemacht. Sie hatte sich davon überzeugt, daß die Oasen mit ihren
Patienten unberührt waren. Ligriden oder Hyptons hielten sich dort nicht auf. Die Gruppe machte sich auf den Rückflug und steuerte Bajukkan an. Kurz darauf traf im Regierungsgebäude die Meldung von ihrer Ankunft ein. Aksuum und Urlysh richteten sich für den Empfang der Konzilsjäger her und hießen sie kurz darauf in einem kleinen Nebenraum willkommen. Yukan trug eine langsam abklingende Schwellung zur Schau, und Opala wirkte gar nicht wie eine Mutantin. Sie war eine Schönheit, und die beiden Obersten Räte waren sofort von ihr hingerissen. Urlysh suchte nach Worten und trat einen Schritt zurück. Aksuum stand den Konzilsjägern jetzt am nächsten und mußte etwas sagen. »Ihr seid weit herumgekommen«, begann er. »Bestimmt habt ihr auch Elyl in Rhyikeinym getroffen. Es wird nicht mehr lange dauern, dann wird es keine Ligriden mehr auf unserer Welt geben. Urlysh, willst du …« Er nickte dem Ratskollegen zu, und Urlysh trat an eine Kassette, die mit einem starken Schloß versehen war. Im Augenblick stand der Deckel offen, und der Oberste Rat entnahm ihr zwei Glückssteine. Sie gehörten zu denen, die in den vergangenen Stunden eingetroffen waren. Urlysh reichte sie Opala und Sopdan. »Zwei sind zu wenig, wir wissen es«, sagte er. »Aber ihr müßt euch gedulden. Bald werden es mehr sein!« Opala strahlte, und ein wenig von ihrer guten Laune schien auf alle anderen Daila überzugehen. »Zwei reichen vorläufig. Sie verstärken unsere Kräfte so, daß wir keine Schwierigkeiten mehr haben. Die Stunden der Ligriden sind gezählt!« »Es werden harte Stunden werden«, mahnte Aksuum. »Es ist nicht sicher, ob wir alle sie überleben werden. Aber je schneller wir sind, desto besser wird es für uns sein.« Er machte eine Handbewegung. Sie bedeutete den Konzilsjägern, daß der kurze Empfang vorbei war. Sie entfernten sich, und
Aksuum und Urlysh blieben allein zurück. Zusammen mit den anderen Räten hatten sie bisher alles getan, was sie hatten tun können. Sie hatten die vorhandenen Glückssteine gezielt und schwerpunktmäßig verteilt. Damit war die Grundvoraussetzung dafür gegeben, daß irgendwann auch die Hypton-Station entdeckt würde. Neue Spuren waren keine gefunden worden, aber das Vorhandensein eines solchen Verstecks erschien nach wie vor plausibel. Urlysh trat zu einer Wand in dem kleinen Raum, an der eine Graphik hing. Es war eine Karte Akjunths, und auf ihr, waren alle jene Stellen eingezeichnet, an denen Verstecke der Ligriden gefunden, worden waren. »Hier!« sagte Urlysh. »Sieh dir diese Kreise an!« Die Graphik verdeutlichte bisher nur unvollkommen, was Urlysh meinte. Es gab zwei große Bereiche auf dem Kontinent, die bisher von Kreisen verschont, geblieben waren. Sie stachen jedem aufmerksamen Betrachter in die Augen. »Da oder da«, fuhr Urlysh fort. »In einem der beiden Gebiete müssen sich die Hyptons aufhalten!«
* Sie versuchen es schon wieder, dachte Doppohl und schaltete sich umgehend in die Funkverbindung mit den anderen Schiffen ein. Bisher war jeder Raumer genau kontrolliert worden, ehe man ihm die Weiterreise nach Aklard gestattet hatte. »Ein Diskus«, flüsterte Doppohl leise. Er sah sich um. Im Augenblick hielt er sich allein in der Zentrale der GHYLTIROON auf. Ganno, Trom und Mallosh waren in die Kantine gegangen oder hatten sich für einige Zeit aufs Ohr gelegt. Solange, bis Doppohl sie mit einem Alarm aus ihren Träumen reißen würde. Der kleine Daila lächelte verhalten. Der kleine Diskus – es war
lächerlich. Aber die Erinnerung an das würfelförmige Robotschiff der Naldrynnen war noch zu lebendig in ihm. Ein winziger Diskus, zu klein, um seinetwegen die ganze Besatzung aufzuwecken. Er würde das selbst übernehmen. »An alle!« gab er durch. »Der Diskus ist bis zur GHYLTIROON zu geleiten. Bildet zwischen meinem Schiff und Aklard einen Sperrgürtel, falls er sich erdreistet durchzubrechen!« Seine Anweisung wurde bestätigt, und Doppohl stieg zufrieden von seinem Schemel herunter und suchte den Pilotensessel auf. Er ließ sich hineinsinken. Vom Eingang her war nicht festzustellen, daß überhaupt jemand in dem Sessel saß, und Doppohl konnte so mit mancher Überraschung aufwarten, wenn keiner seine Anwesenheit erwartete. »Komm nur!« lockte er den Diskus. »Komm her!« Er war gespannt, was sich die Ligriden diesmal einfallen lassen würden, um doch noch an ihr Ziel zu kommen, das einwandfrei darin bestand, ein kleines Schiff mit Nachschub auf Aklard abzusetzen. Aber diesen Gefallen wollte der Daila dem verhaßten Gegner nicht tun. Und der Diskus kam. Er näherte sich dem Sonnensystem und erreichte den äußersten Ring, den die ligridischen Verbände um das System gezogen hatten. Und Doppohl sah den ersten Blitz. Er verzog geringschätzig den Mund. »Zu auffällig«, sagte er selbstzufrieden. »Man braucht wirklich keinen Glücksstein, um den Trick zu durchschauen!« Er hatte seinen Stein nach dem Experiment zurückgegeben. Er fand inzwischen anderweitig Verwendung. Und die Ligriden, die zunächst den Naldrynnen durchgelassen hatten, schossen nun aus allen Rohren auf das kleine Schiff, das sich näherte. Aber, und da war sich Doppohl absolut sicher, sie würden es nicht vernichten oder gar beschädigen. Es mußte schließlich sein Ziel erreichen. Nach den ersten Minuten wurde es dem Daila doch ein wenig
seltsam zumute. Die ligridischen Schiffe schossen mit allen verfügbaren Kapazitäten auf den Diskus, und dieser begann sich zu wehren. Er hüllte sich in einen rosafarbenen Schirm, der die Energien zunächst mühelos absorbierte und einen Teil als wabernde Lohen zu den Schiffen zurückschickte. Zwei der gegnerischen Raumer erlitten Energieüberladungen. Ihre eigenen Schirme erloschen, und einer der Raumer platzte auseinander. Die übrigen zauderten, und die Pause nutzte der Diskus, um den äußersten Ring zu durchfliegen. Aber er gab sich nicht damit zufrieden. Er blieb in der Nähe der Ligriden, und Doppohl erkannte, daß sich aus dem interstellaren Raum weitere Schiffe näherten, die einwandfrei als dailanische Schiffe zu erkennen waren. Der Kommandant sprang auf den Schemel der Funkanlage und gab eine Durchsage an alle Verteidiger durch. Sie zogen sich enger in dem Gebiet zusammen, das sich in der Nähe des Kampfplatzes befand. Doppohl sah klar wie noch nie. Da versuchte ein Diskus, den dailanischen Schiffen den Durchflug zu ermöglichen. »Feuer frei auf den Diskus!« befahl er. »Greift in den Kampf ein!« Es gab keinen Zweifel. Irgendwie war es den Ligriden gelungen, Dailaschiffe in ihre Gewalt zu bekommen. Mit diesen wollten sie jetzt auf Aklard landen. Die GHYLTIROON beschleunigte mit Wahnsinnswerten und raste auf den Diskus zu. Die Entfernung von rund zwanzig Millionen Kilometern schrumpfte rasch zusammen. Der Diskus schien zu merken, was sich anbahnte. Er ließ von den Ligriden ab und flog ein Ausweichmanöver. Durch die Gasse, die er geschaffen hatte, jagten mit übertrieben hoher Geschwindigkeit die anderen und suchten ihr Heil innerhalb des Suuma-Systems. Sie flogen direkt in die Arme der Daila. Doppohl bekam am Rande mit, daß reger Funkverkehr entstand. Er kümmerte sich nicht darum. Er hielt die Augen auf den Diskus fixiert. Die schwach bewaffnete GHYLTIROON begann zu schießen,
ohne jedoch dem Diskus etwas anhaben zu können. Doppohl begann zu fluchen und rief die anderen Schiffe um Unterstützung an. »Wer ist dort?« hörte er eine fremde Stimme. Er zuckte zusammen und brachte das Schiff hastig aus einer möglichen Schußbahn des Gegners. Der Diskus jedoch dachte nicht daran, dem Kugelschiff etwas zu tun. Noch immer kam die Stimme aus den Lautsprechern. »Scheint ein Robotschiff zu sein«, hörte Doppohl sie. »Was meinst du, Mrothyr?« Der kleine Daila hörte ein Geräusch hinter sich. Er wandte den Kopf und erkannte Mallosh, der in die Zentrale stürmte. »Bist du wahnsinnig?« schrie der Funker den Kommandanten an. Er schleuderte ihn zur Seite, und Doppohl konnte sich gerade noch an einem Sessel festhalten. Entgeistert beobachtete er, wie Mallosh den Bildschirm aktivierte und ein fremdes Gesicht musterte. Langsam dämmerte es Doppohl, er bekam weiche Knie. Ein Stöhnen quälte sich über seine Lippen. »Atlan!« rief Mallosh aus. »Nimm den Empfang nicht übel. Wir haben hier einen Verrückten. Er leidet unter Wahnvorstellungen. Es tut mir leid, aber er war ohne Aufsicht in der Zentrale!« »Wer ist er denn? Und wo ist Norgis?« fragte der Arkonide. »Er ist Doppohl, unser neuer Kommandant. Norgis ist auf Aklard!« »Danke, Mallosh. Steht unserer Landung etwas im Weg? Wir haben euren Schiffen ein wenig Vorschub geleistet. Sie bringen eine Ladung von euren Glückssteinen!« »Landet! Ich werde die Ratsversammlung benachrichtigen.« »Gut, Mallosh. Aber beeile dich. Wir haben Ligridenschiffe geortet, die sich Suuma nähern. Es sind über fünfzig Stück!« »Dann ist alles verloren!« platzte der Daila heraus. »Doppohl, hörst du das?« »Ich bin krank«, flüsterte der Kommandant. »Ich gehe von Bord!«
Sie waren Dharys und seinen Ligriden gefolgt. Es war der STERNSCHNUPPE gelungen, einen Teil der Unterhaltung aufzufangen, die zwischen Hellenker und den Hyptons stattgefunden hatte. Sie hatten gewußt, daß das Neue Konzil hinter EVOLO her war, aber sie hatten nicht gedacht, daß Dharys auftauchen würde. Die Situation hatte sich zugespitzt. Sie waren Dharys gefolgt und hatten alle Vorgänge miterlebt. Ein Teil der Psiwolke hatte die STERNSCHNUPPE umgeben und die Eigenintelligenz des Schiffes zum Teil überlagert. Von da an hatten sie alles mitbekommen, was in und um EVOLO herum vor sich ging. Sie hatten den mentalen Kampf zwischen dem Erleuchteten und seinem Geschöpf in abgeschwächter Form miterlebt und seinen Ausgang erkannt. Die STERNSCHNUPPE war nach Vergatsynn hinabgezogen worden, EVOLO war in der Oberfläche des Planeten versickert. EVOLO hatte den Erleuchteten absorbiert. Kurz darauf war die STERNSCHNUPPE auf und davon gerast. Ihr Bewußtsein konnte sich am Ende des Irrsinnsflugs an nichts erinnern, seit dem ersten Kontakt mit EVOLO waren keine Aufzeichnungen gemacht worden. Die galaktische Position Vergatsynns war verloren. Atlan und seine Gefährten orientierten sich. Es war ihnen klar, daß EVOLO sich ein neues Versteck suchen würde. Und sie fingen Funknachrichten auf, daß es in der Nähe Aklards zu turbulenten Auseinandersetzungen gekommen war. Damit stand das nächste Ziel fest, und inzwischen hatten sie es erreicht. »Es erscheint mir alles etwas konfus«, brummte Mrothyr. Der Zyrpher wandte kein Auge vom Bildschirm, auf dem der Raumhafen Bajukkans zu erkennen war. Der Hafen war leergefegt. Bis auf ein paar Gleiter befand sich kein Fahrzeug dort. Alle verfügbaren Schiffe hielten sich am Rand des Sonnensystems auf, um sich auf die neue Auseinandersetzung vorzubereiten. »Es ist kein Wunder«, sagte Chipol, der junge Daila. Er konnte es kaum erwarten, seinen Fuß wieder auf den Boden seiner
ursprünglichen Heimat zu setzen. Die Gedanken an seine Familie und an Dharys' Schicksal traten für kurze Zeit in den Hintergrund. »Bei all dem, was vorgefallen ist!« Sie landeten und ließen sich von einem Wagen zum Ratsgebäude bringen. Aksuum erwartete sie bereits, und er empfing sie wie alte Freunde. »Ihr müßt vieles erlebt haben, seit wir uns damals unter der Sonne Gyd trennten«, sagte er. »Aber auch hier hat sich einiges getan. Der Planet untersteht nicht mehr der Kontrolle durch die Ligriden. Es gibt noch Verstecke, aber die werden wir bald ausgehoben haben!« Der Arkonide blickte hinauf zum Himmel. Von den Schiffen, denen er den Einflug in das Suuma-System ermöglicht hatte, war nichts zu sehen. Sie waren draußen geblieben, um die anderen Schiffe zu unterstützen. »Dort kommen Mutanten«, sagte Aksuum weiter und deutete auf einen Nebeneingang. »Sie werden mit den Gleitern hinaufgebracht. Die Glückssteine, die jetzt angekommen sind, können unsere Rettung werden!« Sie betraten das Ratsgebäude, und Aksuum führte sie in den Sitzungssaal. In Urlysh fanden sie ebenfalls einen alten Bekannten, und nachdem die beiden Obersten Räte abwechselnd von den Ereignissen auf und um Aklard berichtet hatten, begann Atlan zu erzählen. Er berichtete vom Untergang des Erleuchteten, der als Gegner nunmehr wegfiel, von der selbständigen Existenz EVOLOS und der Gefahr, die von dem Geschöpf ausging. Und er schnitt behutsam das Schicksal der Familie Sayum an, insbesondere das von Dharys. Mit Rücksicht auf Chipol sagte er nicht viel, aber er dachte einiges dabei. Ein Gedanke ist es wert, weiterverfolgt zu werden, meldete sich sein Extrasinn. Dharys hat dem Erleuchteten gedient. Jetzt ist der Erleuchtete von EVOLO absorbiert worden. Wem dient Dharys nun? Sie konnten es nicht mit Sicherheit sagen, aber es gab Verdachtsmomente, die darauf hinwiesen, daß Dharys auch jetzt
nicht völlig eigenständig handelte. Wäre es so gewesen, hätte er auf Vergatsynn bestimmt versucht, Kontakt zur STERNSCHNUPPE zu finden und um eine Passage nach Aklard zu bitten. Nein, Dharys spielte in irgendwelchen Plänen noch eine Rolle, und es konnten nur die Pläne EVOLOS sein. »Wenn ich dich richtig verstehe, sind die Hyptons und Ligriden die geringere Gefahr«, folgerte Aksuum. »Aber wir sind schwach. Die Traykon-Schiffe haben uns zweimal geholfen. Es ist nicht zu erwarten, daß sie unter den neuen Gegebenheiten nochmals zu unseren Gunsten eingreifen. Wir müssen das Problem mit Hyptons und Ligriden erledigt haben, bevor wir mit diesem EVOLO konfrontiert werden!« »EVOLO ist kein Gegner, gegen den man mit herkömmlichen Mitteln kämpfen kann«, erwiderte Mrothyr. »Es kommt heimlich und zwingt einem seinen Willen auf, ehe man es merkt!« Aksuum wußte es. Alle Daila wußten es. Längst hatten sich die Ereignisse auf Cirgro und in anderen Gegenden Manam-Turus herumgesprochen. Die Bildschirme an der Wand aktivierten sich selbständig. Es wurde Alarm gegeben. Die Ligridenschiffe formierten sich zu einem erneuten Angriff, und diesmal bildeten sie eine Übermacht. Auf ein Dailaschiff kamen drei ligridische Raumer. Aksuum entfernte sich. Er wollte persönlich die Koordination des Abwehrkampfs in die Hand nehmen. Hunderte von Mutanten waren in den letzten Stunden von Aklard hinaus ins All gebracht worden. Sie alle bildeten kleine Gruppen, die sich um jeweils einen Glücksstein scharten. »Wir werden euch unterstützen«, erklärte Atlan. »Die STERNSCHNUPPE ist ein kleines Schiff, aber es kann Schlachten entscheiden!« »Warte ein wenig, Atlan!« Urlysh lächelte fein. »Es geht im Augenblick um mehr. Es geht darum, daß die Mutanten endlich zeigen, wozu sie wirklich fähig sind. Sie sind durch das Eingreifen
der Traykons um ihren Einsatz gebracht worden, und viele normale Daila haben sich in den letzten Tagen gefragt, was die Mutanten noch hier wollen. Wenn du nun mit der STERNSCHNUPPE eingreifst, erweist du dem großen dailanischen Volk keinen Gefallen!« »Du bist ein weiser Mann, Urlysh«, stellte der Arkonide fest. »Ich bin einverstanden. Aber Chipol, Mrothyr und ich wollen nicht die Hände in den Schoß legen. Wir wollen euch unterstützen!« »Ich werde euch zu Yukan und Opala bringen. Sie suchen nach dem Versteck der Hyptons, das sich irgendwo auf diesem Kontinent befinden muß.« Die STERNSCHNUPPE meldete sich. Sie hatte zwei Funksprüche aufgefangen. Der eine war unverschlüsselt und an die Ligridenschiffe gerichtet. Er enthielt einen Notruf und verlangte, daß sofort ein Schiff mit Nahrung nach Aklard geschickt wurde. Der zweite war verschlüsselt. Die STERNSCHNUPPE hatte ihn sinngemäß entschlüsselt. Er kam von einem Unbekannten und war an die Adresse eines gewissen Weißwert gerichtet. Es handelte sich um eine dringende Kontaktaufforderung. »Beide Funksprüche haben ihren Ausgang auf Akjunth«, erklärte das Schiff. »Hast du die Ausgangsorte lokalisiert?« »Es war in beiden Fällen ungefähr möglich. Ich überspiele die Koordinaten!« »Das ist ein Fall für die Konzilsjäger!« rief Urlysh aus. »Hoffen wir, daß der Einsatz dieser Truppe nicht umsonst ist!« »Wir werden die STERNSCHNUPPE in unserer Nähe behalten«, versicherte Atlan. »Damit wir jederzeit starten können!« Etwa zwanzig Daila hatten sich um Yukan und Opala versammelt. Die meisten von ihnen waren normale Bewohner des Planeten. Neun gehörten zu den Mutanten von anderen Planeten, deren Vorfahren einst von Aklard verbannt worden waren. Mit Opala zusammen waren es zehn.
»Erschreckt nicht!« sagte die Daila. »Versucht, mit offenen Augen das zu akzeptieren, was geschieht. Es hat nichts mit Dämonenspuk oder übernatürlichen Kräften zu tun. Es ist eine natürliche Begabung, und ihr wißt inzwischen aus den Erfahrungen, die normale Daila wie Aksuum und Doppohl aus dem Umgang mit den Glückssteinen gezogen haben, daß die Anlagen zu diesen außergewöhnlichen Fähigkeiten in jedem Daila stecken. Es ist eine Laune des Schicksals, bei wem sie zum Tragen kommen und bei wem nicht!« Gebannt starrten alle auf die Wand. Sie vergaßen, daß Kameras anwesend waren und den Vorgang überall hin übertrugen. In allen Siedlungen des Planeten wurde er mitverfolgt, aber auch in den Raumstationen und den Schiffen, die es überall gab. Einer der Mutanten verwandelte Materie. Er war in der Lage, in begrenztem Umfang molekulare und atomare Strukturen zu verändern. Er löste die Struktur der Wand auf und machte sie durchsichtig. Ein waagerecht liegendes Oval entstand, dessen Längsachse etwa vier Meter durchmaß. Vereinzelte Zwischenrufe klangen auf. Sie beinhalteten Staunen und Unglauben. Ein anderer Mutant griff mit seinen Kräften ein und schuf ein Bild, wie es Kameras nicht deutlicher und gestochener liefern konnten. Aus niedriger Höhe blickten die Daila wie aus einer Luke eines Gleiters auf die Landschaft. »Es gibt keinen Zweifel mehr«, klang Yukans Stimme auf. »Zwölf Verstecke der Ligriden sind enttarnt. Damit ist das Netz endgültig sichtbar geworden. Überall haben sich die Ligriden festgesetzt, nur nicht hier!« Er deutete auf die Ebene, die sich vor ihnen erstreckte. Sie lag zwischen der Nordwestküste und den Harovbergen. Sie hieß Hallanebene, wurde aber auch Ebene der ewigen Bäume genannt, weil es in ihr die ältesten Bäume des Kontinents gab. Sie ragten bis zu sechzig Mannslängen empor, und so mancher von ihnen war unter der Gewalt eines Sturmes gebogen worden. Noch keiner war
jedoch entwurzelt, und der Bestand dieser urwüchsigen Bäume nahm stetig zu. »Es wird Probleme geben, in dieser Gegend nach dem Versteck zu suchen«, sagte Sopdan, nachdem er das projizierte Bild längere Zeit gemustert hatte. »Wir haben die Ortung der STERNSCHNUPPE«, sagte der Mutant, der das Bild schuf. »Achtet auf den dunklen Punkt!« Mitten über der Ebene entstand ein dunkelgraues Kügelchen. Es blieb zitternd in der Luft hängen und beschrieb dann eine Ellipse, wobei es sich dem Boden näherte. Das Schiff Atlans hatte eine Peilung vorgenommen und den Herkunftsort des verschlüsselten Funkspruchs einigermaßen genau bestimmt. »Dort müssen wir suchen. Und damit die Hyptons es nicht zu früh merken, müssen wir versuchen, uns zu tarnen!« Ein Bildschirm hinter den Daila aktivierte sich. Urlysh sprach zu ihnen. Er hatte die Projektion akustisch verfolgt. »Die STERNSCHNUPPE verfügt über entsprechende Tarneinrichtungen«, erläuterte er. »Wenn die Einsatzgruppe an Bord des Schiffes geht, kann sie sich bis in die unmittelbare Nähe des Verstecks begeben!« »Wir nehmen das Angebot des Arkoniden an!« Opala legte bestätigend die Hände zusammen. »Zudem verfügt sein Schiff über Waffen, die wir nicht haben. Die Hyptons werden sich wundern, wie schnell sie Federn lassen müssen!« »Wieso Federn?« wollte einer der normalen Daila wissen, doch er erhielt keine Antwort. Die Projektion erlosch, und die Wand bekam ihre alte Konsistenz zurück. Ein paar Daila traten vor und betasteten sie. Sie konnten keinen Unterschied zur Umgebung der ovalen Projektion feststellen. »Wie viele Glückssteine haben wir?« fragte Opala. Es waren inzwischen vier Stück. Die Mutantin hätte mehr gewünscht, aber alle anderen wurden draußen im Raum benötigt. »Ich glaube, Atlan bringt noch einen Stein an Bord seines Schiffes
mit«, warf Yukan ein. Die Glückssteine vervielfachten die Fähigkeiten der Mutanten, und sie hatten die Abschirmung der Ligridenverstecke unwirksam gemacht. Plötzlich hatten Mutanten wie Opala überall die Hirnwellenmuster der Gegner ausgemacht. Eine Station nach der anderen war enttarnt worden. Inzwischen stand mit Sicherheit fest, daß es auf dem Kontinent Akjunth keinen einzigen Ligriden mehr gab. Auf Akbarry und Uschriin würde es bald ähnlich aussehen. »Dann laßt uns aufbrechen«, verkündete Opala. Die Daila verließen den Raum und das Gebäude. Sie begaben sich hinüber zu einem kleinen Platz. Aus dem Himmel senkte sich der Diskus, der ihnen allen unter dem Namen STERNSCHNUPPE bekannt war. Sie waren jetzt zwei Dutzend Männer und Frauen, die über die Bodenrampe in das Schiff stiegen und von dem Arkoniden und seinen Gefährten begrüßt wurden. »Wir sollten uns beeilen«, drängte Atlan. »Draußen im Raum hat die entscheidende Schlacht begonnen. Die Ligriden greifen auf breiter Front an!« »Dann hat alles keinen Sinn mehr«, erklärte ein Daila. Er war mit Sicherheit kein Mutant. »Nichts kann uns jetzt noch retten. Auch nicht die beeindruckenden Kräfte der Mutanten. Ja, vielleicht wollen die Ligriden Aklard zerstören und nur aus diesem Grund, weil sich Mutanten hier aufhalten!« Da war sie wieder, diese unüberbrückbar erscheinende Kluft zwischen den unbegabten Daila und den begabten. Sie wurzelte in ferner Vergangenheit, und auch die Aufklärungsbemühungen des Rates hatten angesichts der außenpolitischen Probleme nicht die erhoffte Wirkung gezeigt. »Es hat einen Sinn!« rief der Arkonide laut. »Wenn wir die Hyptons als Geiseln besitzen, werden die Ligriden es nicht wagen, deren Leben in Gefahr zu bringen!« Er wußte, daß seine Behauptung nicht unbedingt stimmen mußte. Das Verhältnis zwischen Ligriden und Hyptons war angespannt. Zu
oft ging das Hilfsvolk der Wesen aus Chmazy-Pzan eigene Wege und gebärdete sich gar nicht als ein Volk von Erfüllungsgehilfen. Ab und zu hatte es deutlich den Anschein gehabt, daß die Ligriden sich als das eigentliche Herrschervolk über die Galaxis Manam-Turu betrachteten. »Ich starte jetzt!« verkündete die STERNSCHNUPPE. »Ich fliege die Hallanebene an.« In dem Schiff war nicht zu spüren, daß sich etwas veränderte. Die Andrucksabsorber arbeiteten einwandfrei. Den bodengewohnten Daila schien es, als stünde das Schiff noch immer am selben Fleck, und nur das Bild an der Wand sei durch ein anderes ersetzt worden. Nach wenigen Minuten tauchte die besagte Ebene auf, und sie sah genau so aus, wie die Dailamutanten sie bereits in dem Gebäude an die Wand projiziert hatten. Urwüchsige Bäume ragten in den Himmel, und das Schiff sagte: »Soeben hat uns ein ultrakurzer Tastimpuls gestreift. Sie wissen jetzt, daß wir kommen!« »Tarnen!« wies Atlan das Schiff an. »Danach am Zielpunkt landen!«
* Die Mutanten verteilten sich. In Vierergruppen versammelten sie sich um die Glückssteine, die ihre Kräfte verstärkten. Die STERNSCHNUPPE hing zehn Meter über dem Boden. Sie hatte sich in ihren Antiortungsschirm gehüllt. Sie konnte nicht wahrgenommen werden. Opala hielt die Augen geschlossen. Sie kniff die Augenlider fest zusammen und verschloß alle ihre Sinne vor der Außenwelt. Sie spürte etwas, was ihr fremd war. Es war ein unruhiges Summen, vergleichbar mit dem eines Bienenschwarms. Es lag im psionischen Bereich. Es war nur wahrnehmbar, weil ihre Orterfähigkeiten
verstärkt wurden. »Die Hirnwellenmuster sind völlig fremdartig«, sagte die Mutantin halblaut. Ihre Lippen bewegten sich kaum. »Solche Muster lassen auch auf die Herkunft der Wesen schließen, zu denen sie gehören. Die Hyptons stammen auf keinen Fall aus Manam-Turu. Sie sind nicht aus dem Großen Feuer hervorgegangen!« »Wo halten sie sich auf?« fragte Atlan. »Kannst du sie lokalisieren?« »Nicht genau. Ich habe Schwierigkeiten mit den Mustern. Sie sind irgendwo unter uns im Boden. Nicht direkt unter dem Schiff, aber in der Nähe!« »Dann laßt uns mit der Suche beginnen!« Yukan trat zum Antigrav und blickte die Daila auffordernd an. »Wartet!« Mrothyr deutete auf den Bildschirm. Ein Teil der Landschaft in unmittelbarer Nähe der STERNSCHNUPPE hatte sich verändert. Die Bäume wackelten, die Stämme verfärbten sich an manchen Stellen hell. Es waren Öffnungen, die sich bildeten. Die mächtigen Stämme waren innen hohl. »Stahlmänner!« stieß Chipol hervor. Er hatte sich in eine Ecke begeben, in der ausschließlich normale Daila standen. Wieder einmal brachte er unbewußt seine Distanz zu allem zum Ausdruck, was mit Psi zu tun hatte. Es waren die Roboter der Hyptons, die Atlan und Chipol zum ersten Mal auf Cairon kennengelernt hatten. Sie schwärmten aus, und einer der Mutanten sagte plötzlich: »Die Hyptons können das Schiff nicht wahrnehmen. Aber sie spüren die Anwesenheit von Daila in ihrer Nähe. Deshalb haben sie die Stahlmänner ausgeschickt!« »Ich gehe dicht an die Öffnungen heran!« erklärte das Schiff. Die Bäume wurden größer, die Stämme wuchsen auf dem Bildschirm an. Die Stahlmänner schwärmten nach allen Richtungen aus. Die Öffnungen in den Bäumen blieben.
»Wir dringen ein!« sagte Atlan nach einem letzten Blick in die Runde. Alle Daila waren bewaffnet und machten entschlossene Gesichter. Teilweise wirkten sie kriegerisch, fand der Arkonide. Das war so völlig undailanisch, aber nicht verwunderlich. Die Bewohner Aklards hatten lernen müssen, sich zu wehren. Wie es schien, hatten sie ihre Lektion begriffen. Sie schwangen sich in den Antigrav. Die STERNSCHNUPPE hatte die Bodenschleuse ausgefahren. In Fünfergruppen eilten sie auf die offenen Bäume zu und verschwanden in ihnen. Bei jeder Gruppe hielten sich zwei Mutanten mit einem Glücksstein auf. Die Bäume entpuppten sich als gelungene Imitationen, die im Innern mit hochwertiger Technik ausgestattet waren. Es gab Antigravs, die per Druckknopf umgepolt werden konnten. Es waren große Knöpfe und wohl ursprünglich für die Krallen der Hyptons konstruiert. »Telekineten, aufgepaßt!« kam Opalas Stimme über die kleinen Funkempfänger an den Gürteln. Die Daila waren mit allen wichtigen Dingen ausgestattet worden. Ein Teil der Geräte stammte aus den Beständen der STERNSCHNUPPE. Sie hatten Glück. Niemand schaltete die Antigravs aus und machte sie dadurch zur tödlichen Falle für die Eindringlinge. Offensichtlich waren sich die Hyptons nicht darüber im Klaren, wo genau sich die Daila aufhielten. Und selbst wenn sie es wußten, dann kam ihre Reaktion zu spät. Die Antigravs endeten in einer Halle. Sie war etwa dreimal so groß wie die Zentrale des Diskusschiffs. Atlan wartete, bis alle Daila herabgekommen waren. Gleichzeitig klang das Stampfen und Dröhnen von sich nähernden Robotern auf. »Die Stahlmänner, ich kann sie nicht orten!« rief Opala. Atlan gab ihr einen Wink. »Verteilt euch!« wies er die Konzilsjäger an. »Nehmt auf die Maschinen keine Rücksicht. Laßt sie nicht zum Angriff kommen!« Die Halle besaß vier Zugänge. Sie öffneten sich gleichzeitig, und
die Roboter der Hyptons quollen in die Halle hinein. Die Daila hatten sich hinter Absätze und aufragende Konsolen in Sicherheit gebracht. Die Mutanten aktivierten ihre Kräfte, während die normalen Daila ihre Strahler aktivierten. Übergangslos wurde in der Halle ein Orkan entfesselt, und die Temperatur stieg sprunghaft an. Die Roboter reagierten offensiv. Durch ihre Infrarotortung verfügten sie über eine absolut wirksame Zielerfassung. »Vorsicht!« schrie Atlan. Er hatte gesehen, daß sich ein paar der Maschinen an den Wänden entlang verteilten. Die Mutanten hörten seinen Ruf und griffen ein. Von telekinetischen Kräften getragen, verloren die Stahlmänner den Boden unter den Füßen. Sie purzelten durcheinander, und die Schüsse aus ihren Waffen trafen Decke und Wände. Verflüssigtes Metall tropfte herab und zwang die Daila teilweise dazu, ihren Standort zu wechseln. Unsichtbare Fäuste griffen nach den Roboterpulks und zerquetschten sie zu Blechklumpen, die handlungsunfähig waren. Damit kam der Angriff jedoch nicht zum Erliegen. Noch immer quollen die Stahlmänner aus den Öffnungen. »Dort hinüber!« Atlan winkte. »Die Hyptons werfen uns alles entgegen. Aber wir dürfen keine Zeit verlieren. Ihnen darf die Flucht nicht gelingen!« Die Mutanten konzentrierten ihre Kräfte auf die angegebene Richtung. Ohne den Glücksstein wären sie kaum in der Lage gewesen, sinnvolle telekinetische Kräfte zu entfachen. So aber warfen sie die Stahlmänner mit Vehemenz zurück. Ein paar der Maschinen explodierten. Sie wurden von den Strahlschüssen der Daila getroffen oder vernichteten sich gegenseitig. Aus einem der Eingänge drängten keine Roboter mehr. Atlan hatte sofort gesehen, daß dort der Nachschub unterbrochen war. Geduckt hetzte er hinüber und spähte in den anschließenden Korridor hinein. Hinter seinem Rücken türmte sich ein Haufen unbrauchbaren Metalls empor, der es den Stahlmännern beinahe unmöglich machte,
mit neuen Angriffen zu beginnen. Im Schutz der Trümmer eilten die Daila in den leeren Korridor hinein. »Die Muster der Hyptons sind erloschen«, stellte Opala fest. »Trotz des Glückssteins. Entweder sind sie fort, oder etwas schirmt sie jetzt ab. Es muß eine starke Abschirmung sein.« Chipol schloß zu Atlan auf. Die Haare des jungen Daila waren zerzaust. Er machte ein entschlossenes Gesicht, und die Wangenknochen stachen überdeutlich hervor. »Man sollte sie den Raubtieren zum Fraß vorwerfen«, knirschte er. »Wenn ich daran denke, daß sie sich mit dem Erleuchteten verbündet hatten, um die Macht über Manam-Turu zu bekommen, dann steigt mir die Galle hoch.« »Das muß nicht sein!« Mrothyr sog pfeifend die Luft ein. »Da vorn ist ein Feuer!« Der Korridor erweiterte sich zu einem runden Raum, von dem drei weitere Gänge abzweigten. In einem davon stank und qualmte es. Dort war entweder etwas explodiert, oder es war absichtlich Feuer gelegt worden. »Wir nehmen den linken Gang«, entschied der Arkonide. Sie eilten weiter, die Daila hinter ihnen her. Am Schluß der Gruppe sicherten Bewaffnete den Weg und gaben Rückendeckung. Kein Roboter folgte ihnen, sie hatten sie vorläufig abgeschüttelt. Der Arkonide mußte an die Konsequenzen denken, die ein Erfolg haben würde. Die Reaktion der übrigen Hyptons in Manam-Turu war nicht vorhersehbar. Aber die Daila würden mit ihren Gefangenen ein Druckmittel in der Hand haben, das stärker wirkte, als wenn sie eine Familie Naldrynnen oder eine Kompanie Ligriden in ihre Gewalt brachten. Damit konnten sie erzwingen, daß das Neue Konzil für alle Zukunft die Hände von Aklard und den übrigen Dailawelten ließ. Und wenn das nicht fruchtete, blieben noch immer die Mutanten, die mit Hilfe der Glückssteine die Hyptons das Fürchten lehren konnten. Andererseits bildeten sie durch ihre verstärkten Fähigkeiten
wiederum eine solche Macht, die allen Völkern der Galaxis gefährlich werden konnte, wenn sie in unrechte Hände geriet. Konzentriere dich auf den Augenblick, mahnte der Extrasinn. Du läufst sonst Gefahr, etwas Wichtiges zu übersehen. Mit dem Weg, den ihr geht, muß etwas nicht stimmen. »Was denn?« dachte der Arkonide. Noch weiß ich es nicht. Aber deine Augen haben etwas beobachtet, was du nicht bemerkt hast! Atlan überlegte. Sie hatten die Halle durch den Eingang verlassen, der ganz links lag. Später hatten sie sich nochmals nach links gewandt. Und der Gang machte zusätzlich eine weitere Biegung nach links. »Vorsicht!« warnte der Arkonide. »Das sieht nach einer Falle aus!« Sie sahen eine Tür vor sich, und als sie sie geöffnet hatten, starrten sie in die Halle mit den zerstörten Robotern, in der sie zunächst angekommen waren. »Verflucht!« stieß Yukan hervor. »Bei allen bösen Geistern Manam-Turus. Sie haben uns getäuscht!« Sie hatten wertvolle Zeit verloren. »Es bleibt uns nichts anderes übrig, als uns erneut zu teilen«, rief Atlan. »Wir bilden zwei Gruppen. Die eine nimmt den mittleren Eingang dort, die andere den rechten neben der Säule!« Er selbst, Chipol und Mrothyr setzten sich an die Spitze der einen Gruppe. Die andere wurde von Yukan und Opala angeführt und verschwand in dem angegebenen Korridor. »Was ist mit den Hyptons?« fragte Mrothyr. »Noch immer keine neuen Hirnwellenmuster?« »Ich spüre sie wieder!« hörten sie Opalas Antwort aus dem Korridor, dann verschwanden auch Atlan und seine Begleiter. Die Korridore innerhalb der unterirdischen Hypton-Station sahen alle gleich aus. Die schummerigen Beleuchtungskörper waren überall in denselben Abständen angebracht. Die Wände und die Decke waren aus Metall, der Fußboden aus Metallplastik. Alles
besaß einen grünschwarzen Schimmer. Der Arkonide hielt nach Merkmalen Ausschau. Er wurde den Verdacht nicht los, daß die Stahlmänner ihre Taktik so eingerichtet hatten, daß die Eindringlinge erst einmal im Kreis laufen mußten. Diesmal hatten sie mehr Glück. Der Fußboden des Korridors verlief schräg nach unten, und sie gelangten an eine Tür. Sie war verriegelt, ein Öffnungsmechanismus war nicht zu erkennen. Mrothyr hob den Strahler. »Warte!« Der Arkonide mußte an das denken, was er aus dem Mund des Obersten Rates vernommen hatte. Er wandte sich zu den Mutanten um, die telekinetisch begabt waren. »Öffnet die Tür!« sagte er. Die Daila konzentrierten sich. Sie waren zu zweit, und jeder berührte mit einer Hand den Glücksstein. Täuschte Atlan sich, oder begann der Stein ein wenig zu leuchten? Ein Knittern und Knirschen kam auf. Es krachte, als sich die ersten sichtbaren Risse in dem Metall bildeten. Licht fiel hindurch. Mit einem lauten Knall barst die Tür endgültig. Die Metallfetzen wurden davongewirbelt und schlugen gegen ein paar Stahlmänner, die hinter der Tür gelauert hatten und jetzt das Feuer eröffneten. Hinter Atlan schrie ein Daila. Der Arkonide kam nicht dazu, sich umzublicken. Er warf sich zu Boden. Es war nicht mehr nötig, denn die Roboter wurden weggerissen und davongewirbelt. Sie schlugen irgendwo gegen einen Teil der Wand und rissen Löcher hinein. Atlan sprang auf und sah sich um. Der Daila, der geschrien hatte, lag reglos am Boden. Es war einer der Bewohner Aklards. Ein Schuß hatte ihn mitten in die Brust getroffen. Er war tot. Ohnmächtiger Zorn keimte in dem Arkoniden auf. Er hatte inständig gehofft, daß der Einsatz ohne Opfer ausgehen würde. »Weiter!« sagte er rauh. Er rannte los. »Laßt den Toten liegen!« Die Daila folgten ihm mit verbissenen Gesichtern. Der Gang mündete in einer Maschinenhalle. Es waren Versorgungsanlagen, die da arbeiteten. Sie zu zerstören, bedeutete,
daß der Stützpunkt nicht mehr funktionsfähig war. Atlan löste seinen Strahler aus und brachte die nächstbeste Maschine zur Explosion. Eine Sirene begann zu wimmern, und wieder tauchten aus irgendeinem Winkel die Stahlmänner auf. Und plötzlich sprach eines der tragbaren Funkgeräte an. »Die Hyptons!« rief Mrothyr laut. »Du hast den Abschirmgenerator zerstört. Wir können die Quelle der Funkimpulse anpeilen!« Er rannte plötzlich los, gefolgt von Chipol, der ihm Feuerschutz gab. Mrothyr entfernte sich etwa zwanzig Meter von der Gruppe. Er machte eine Dreieckspeilung und kehrte zu Atlan zurück. »Geradeaus und schräg nach unten«, sagte er. »Schätzungsweise zwanzig Meter von hier!« Jetzt lag das Ziel greifbar nahe vor ihnen.
7. Sonnenstrahl hatte in einer der Diskussionen gesagt, daß sie es sehen würden. Und Überwindung hatte hinzugefügt, daß alles ganz anders aussehen würde, wenn der Erleuchtete erst besiegt war. Susu hatte dem widersprochen, aber das war seine Aufgabe als Agitator und Anheizer der Diskussionen. In diesem Fall mußte gesagt werden, daß es ihre Aufgabe war, denn jetzt verstand sich Susu als weibliches Wesen. »Ihr habt gesagt, ihr würdet Aklard niemals aufgeben«, schrillte sie. »Ich habe es gehört. Aber es entspricht nicht mehr den Tatsachen. Wir müssen Aklard aufgeben. Der Zeitpunkt ist gekommen!« »Niemals!« sagte die Überwindung-Traube. Die Verdammnis-Traube schwieg. Es waren nurmehr zwei Trauben, die sich für diese Diskussion gebildet hatten. Die Hyptons waren erregt, und in den Trauben
wogte es unruhig. Nur Susu hing wie ein Stein an der Haltestange und nahm den Vorgang anscheinend gelassen zur Kenntnis. Es entsprach ihrer derzeitigen Rolle. Innerlich war sie alles andere als ruhig. »Weißwert muß kommen«, verlangte Überwindung. »Längst ist ein neuer Kontakt zu ihm fällig.« »Überfällig!« kreischte Susu. »Überfällig meinst du. Ich sage, er ist kein Freund unseres Volkes. Er will uns verderben. Sein Kontaktversuch diente allein dem Zweck, unsere Position anzupeilen!« Die Worte riefen Verwirrung und Angst unter den Hyptons hervor. Über ihre technischen Anlagen sowie von einigen ihnen hörigen Daila hatten sie erfahren, daß Atlan mit der STERNSCHNUPPE nach Aklard gekommen war. Sie hatten die Botschaft vom Ende des Erleuchteten vernommen. Zunächst hatte sie diese Meldung in Hochstimmung versetzt, dann jedoch war wieder die Niedergeschlagenheit bei ihnen eingekehrt. EVOLO hatte sich verselbständigt. Das Geschöpf des Erleuchteten hatte den Schöpfer besiegt und stellte nun eine eigenständige Macht dar. »Was ist mit EVOLO? Zeigt er sich endlich?« wollte Verdammnis wissen. »Kennt Weißwert seinen Aufenthalt?« Die Worte dokumentierten, daß die Hyptons noch immer daran interessiert waren, mit EVOLO ins Gespräch zu kommen. Vielleicht konnten sie mit ihm einen Handel schließen. Susu schrie: »Mit einem Gegner trifft man keine Vereinbarungen. Besonders, wenn er stärker ist als man selbst. Was geht es uns an, wo EVOLO steckt!« »In ein bis zwei Tagen sind wir sowieso verhungert«, klagte die Verdammnis-Traube. Sie erinnerte daran, daß keine Ligriden mehr aufgetaucht waren, um den Stützpunkt mit den notwendigen Lebensmitteln zu versorgen. Der Quellenbunker wies nur noch leere Räume auf, und ein Teil von ihnen hatte sich mit defekten
Stahlmännern gefüllt. Die Roboter, die noch funktionierten, stellten nur noch eine kleine Streitmacht dar. »Wir müssen das Risiko eingehen und Weißwert anfunken«, beharrte Überwindung. »Wir dürfen nicht in die Hände der Daila fallen!« Noch immer hofften sie darauf, daß die neuen Verbände der Ligriden endlich einen Erfolg erzielten und rechtzeitig dafür sorgten, daß Atlan aufgeben mußte. Aber je länger die Auseinandersetzung am Rand des Suuma-Systems dauerte, je heftiger die Gefechte zwischen den Schiffen wurden, desto unwahrscheinlicher wurde es. Und befanden sich die Hyptons erst einmal in der Gewalt der Daila, dann mußten sich die Ligriden zurückziehen. Aber auch davon waren die Hyptons nicht überzeugt. Sie wußten zu genau um die Unverläßlichkeit ihrer Verbündeten, und es stellte sich als Nachteil heraus, daß der Kern der Quellenplaner bisher keinen Kontakt zu seinen Artgenossen in den Raumstationen aufgenommen hatte. Es war ein Fehler, daß man aus Angst vor der Entdeckung auf eingehende und aktuelle Informationen verzichtet hatte. »Ein Kontakt zu unseren Brüdern und Schwestern wäre sinnvoller als ein Kontakt zu Weißwert«, sagte Verdammnis. Die beiden Trauben konnten sich nicht einigen, und schließlich gab Susu den Ausschlag. »Weißwert wird uns herausholen, bevor Ligriden oder Hyptons reagieren können«, stellte sie fest. »Also nehmen wir Weißwert!« Susu gab Anweisung an einen der Stahlmänner. Der Kontakt zu Weißwert wurde hergestellt. »Deine Einschätzung war richtig«, teilte Susu mit, als der Unbekannte sich meldete. Während sie die Worte sprach, wurde ihr erst bewußt, wie ungewöhnlich die Situation war. Die beiden Trauben hatten sich nicht vereinigt und auch keinen Sprecher bestimmt. Sie, Susu, war plötzlich der Sprecher. Das war ein Zeichen
dafür, wie mutlos die Hyptons geworden waren, aber auch wie schwach. Sie schoben alle Verantwortung von sich. »Ich verstehe«, antwortete die verzerrte Stimme. »Der Boden Aklards wird euch zu heiß. Der Planet ist für das Neue Konzil verloren. Die Situation im Weltraum entwickelt sich zu Ungunsten der Ligriden. Auf anderen Daila-Welten gibt es ähnliche Vorgänge!« Wieder zeigte Weißwert, daß er alles ganz genau verfolgte. »Ich habe euch meine Hilfe angeboten, und ihr seid nach einigem Zögern darauf eingegangen. Es ist an der Zeit, daß ich die Bedingungen für meine Hilfe stelle. Es ist nicht viel, was ich verlange.« »Sprich!« sagte Susu. Auch ihr Körper begann jetzt zu beben, aber es war wohl mehr ein Ausdruck fiebriger Erwartung als ein Anzeichen von Angst. »Ich verlange als Gegenleistung, daß ich ein mit Hyptons und Ligriden gleichberechtigter Partner des Neuen Konzils werde. Da die Ligriden nicht immer zuverlässig sind, dürfte euch an meiner Mitwirkung gelegen sein.« Schweigen war die Antwort. Die Hyptons hatten mit unverschämten Forderungen gerechnet, aber niemals damit, daß Weißwert so etwas in allem Ernst verlangen würde. Seine Worte zeugten zudem davon, daß er auch über die Verhältnisse innerhalb des Neuen Konzils genau informiert war. Susu wies den Stahlmann an, die Mikrofone abzuschalten. Weißwert sollte nicht hören, was der Kern der Quellenplaner besprach und wie er reagierte. »Es ist zuviel, was er verlangt«, stellte Überwindung fest. »Unsere letzte Hoffnung, wenn wir überleben wollen«, fügte Verdammnis hinzu. »Gibt es einen anderen Ausweg?« »Ihr seid mutlos und feige geworden!« warf Susu den beiden Trauben vor. »Wir sind nicht erpreßbar. Weißwert verlangt zuviel. Er ist nicht besser als die Ligriden, und seine Worte erinnern mich an das Verhalten des Erleuchteten. Gute Worte und schlechte Taten. Wir sollten auf der Hut sein und nichts tun, was unsere eigene
Position in Manam-Turu schmälert.« »Es ist das Todesurteil«, bekräftigte die Verdammnis-Traube. Sie schwiegen wieder, und sie überließen es Susu, die endgültige Entscheidung zu treffen. Susu kämpfte mit sich. Sie konnte es noch immer nicht überwinden, daß es eine Demütigung für sie war, sich von einem Unbekannten helfen zu lassen. Schließlich jedoch siegte die Vernunft. Die Stahlmähner meldeten, daß Atlan und die Daila die Halle mit den Versorgungsanlagen betreten hatten. Kurz darauf fielen die ersten Maschinen aus. Der Vorfall erleichterte Susu die Entscheidung. Sie ließ den Stahlmann die Mikrofone einschalten. »Wir nehmen dein Angebot an, Weißwert«, teilte sie ihm mit und schilderte, in welcher Lage sie sich befanden. »Atlan ist schneller als ich dachte«, erklärte Weißwert. »Mehrmals bereits bin ich mit ihm zusammengetroffen. Er ist die eigentliche Gefahr für Manam-Turu.« »Wann bist du hier? Wann kannst du uns aufnehmen?« Susu schrillte in hohen Tönen. »Wie lange müssen wir uns noch halten?« »Es dauert nicht lange. Ich bin so gut wie da. Ich rette euch gleich!« Susu erschrak. Bedeutete es, daß Weißwert sich auf Aklard aufhielt oder sogar in der Nähe des .Stützpunkts? Sie erhielt keine Antwort auf ihre diesbezügliche Frage. Weißwert sagte nur: »Ich komme. Ihr seid schon fast gerettet!« Dann zeigte ein leiser Summton, daß die Funkverbindung mit dem Unbekannten unterbrochen war. »Weißwert wird trotz allem zu spät kommen«, sagten die beiden Trauben gleichzeitig. »Aber er darf nicht zu spät kommen!« »Er kommt nicht zu spät. Er rettet uns. Und wir werden miterleben, wie vom Born der Ruhe jene Entwicklung ausgeht, die uns endgültig die Macht in Manam-Turu sichert«, bekräftigte Susu. »Wir werden EVOLO mit dem Psionischen Tor einfangen und ihn uns gefügig machen!«
* Eine flüchtige und unbeabsichtigte Berührung am Arm war es nur, die Yukan elektrisierte. Fast wollte er alles vergessen, was um ihn herum war; das Getöse in den Rohrleitungen, das Kreischen der Wände. Er wollte nur noch Augen für Opala haben, die ihn berührt hatte. Da aber klang ihre Stimme neben seinem Ohr auf. Ihre Härte riß ihn sofort in die Wirklichkeit zurück. »Wir sitzen in der Falle!« schrie sie. Die Daila hatten angehalten. Das Tor, durch das sie gekommen waren, hatte sich knallend geschlossen. Eine zusätzliche, blau schimmernde Metallplatte hatte sich darübergeschoben, und jeder Versuch der Mutanten und der Strahlwaffen war gescheitert. Der Rückweg war vorläufig abgeschnitten, und die Daila überlegten, wie sie am besten vorgehen wollten. Es blieb nur der Weg nach vorn. Sie setzten sich in Bewegung. Über ihnen blitzte es auf. Ein tonnenschweres Stück löste sich aus der Decke und stürzte herab. Yukan riß Opala zur Seite. Die übrigen Daila sprangen nach allen Richtungen auseinander. Yukan spürte den Luftsog, den das Stück erzeugte. Dicht neben ihm krachte es zu Boden. Der Schlag war so groß, daß der Daila das Gleichgewicht verlor und daraufstürzte. Opala zog ihn hastig weg. Sie deutete empor. Dort wurde soeben ein weiteres Deckenstück herausgeschnitten. »Die Stahlmänner!« zischte die Orterin. »Ich kann keine Hirnwellenmuster empfangen, also sind es die Roboter!« Die Daila rannten los und gelangten an die Tür, die als einziger Fluchtweg blieb. Sie war unverschlossen, und Opala eilte hindurch, gefolgt von Yukan und den anderen. Sie waren froh, der Hölle entronnen zu sein und achteten weniger auf den Sinn der offenen Tür. Sie merkten es erst, als sich der Fußboden plötzlich abzusenken
begann. »Eine Falle!« schrie einer der Mutanten. Er besaß die Fähigkeit, in den Gedanken anderer Daila zu lesen. »Wir sitzen in der Falle!« Opala schloß die Augen und konzentrierte sich. Ihre Hände spannten sich um den fünften Glücksstein, den sie zur Verstärkung ihrer Fähigkeiten mit sich führte. »Es läuft alles automatisch«, hauchte sie abwesend. »Es sind keine Lebewesen in der Nähe.« »Wo ist Atlan?« fragte Yukan. »Er ist in der Nähe. Irgendwo im Zentrum des Stützpunkts. Ich kann es nicht genau erkennen. Die Hirnwellenmuster der Hyptons überlagern alles andere.« »Was bedeutet es?« »Es kann Panik sein. Oder es ist Freude und Triumph!« »Wir müssen zu Atlan stoßen, koste es, was es wolle«, stieß Yukan hervor. Er hob seine Waffe und brannte ein Loch in die linke Wand. Dahinter war es finster, und als der Daila erneut schoß, drang der Geruch von schmelzendem Gestein in seine Nase. Als Antwort darauf klappte der Korridor um eine unsichtbare Achse. Die eine Hälfte senkte sich, und die Daila purzelten nach unten in eine Öffnung. Ehe Yukan und Opala sich bewegen konnten, waren alle ihre Begleiter verschwunden. Ihre Rufe drangen zu ihnen herauf, während der Boden sich wieder schloß. Yukan wollte etwas sagen, aber im nächsten Augenblick geschah mit der zweiten Korridorhälfte dasselbe. Die beiden Daila stürzten und rutschten mit den Beinen voran nach unten. Sie verloren den Boden unter sich. Es gab einen kurzen, pfeifenden Ton, dann schlugen sie hart auf. Augenblicklich schaltete sich Yukans Brustlampe ein und beleuchtete die Umgebung. Er stellte fest, daß er nicht verletzt war. Er kroch zu Opala und untersuchte sie vorsichtig. Benommen kam die Mutantin auf die Beine. Ein Kratzen und Schaben alarmierte die beiden. Yukan fuhr herum. Die Lampe beleuchtet etwas, was wie ein gefährliches
Monstrum aussah. Es bewegte sich auf sie zu, und an seiner Vorderseite befanden sich rotierende Walzen mit scharfkantigen Metallbolzen. Die Maschine knackte und rasselte, aber sie hielt nicht an. Yukan schoß. Ein Strahl durchzog das Gewölbe und suchte sich den Weg in das Metall. Er zischte und stank, aber das Monstrum rollte weiter. Opala hatte ihre Waffe ebenfalls aktiviert und unterstützte den Artgenossen. Die Sekunden verstrichen, ohne das ein wichtiges Element des Automaten beschädigt wurde, der wie ein Abfallzerkleinerer dailanischer Bauart aussah. Vielleicht war es tatsächlich einer, und die Hyptons hatten ihn von den Stahlmännern umbauen lassen. Mit einem Donnerschlag kam das Monstrum endlich zum Stehen. Es wurde leiser, die Geräusche erstarben nach einem kurzen Winseln. Die beiden Daila konnten von Glück reden, daß es nicht explodierte. In der engen Felskammer, in der sie sich befanden, wäre es ohne erhebliche Verletzungen nicht abgegangen, wenn die Metallteile nach allen Seiten davongespritzt wären. »Das war knapp!« sagte Opala. Sie hielt nach Yukan Ausschau, aber der Daila war verschwunden. Ein Klacken oben an der Decke deutete darauf hin, daß dort etwas vor sich gegangen war. Opala leuchtete hinauf, aber sie sah nur den Metallschimmer. Eine Öffnung war nicht zu erkennen. Die Mutantin suchte die Felskammer ab. Schließlich kletterte sie über das Monstrum hinüber und wandte sich dorthin, wo es hergekommen war. Sie fand eine kleine Luke, die in einen Schacht hinausführte. Sie wurde offensichtlich nur benutzt, wenn Reparaturen ausgeführt werden mußten. Oder der Schacht diente dazu, die von der Maschine zerkleinerten Überbleibsel abzutransportieren. Sprossen waren in dem schrägen Schacht keine angebracht. Opala klemmte sich hinein und arbeitete sich langsam aufwärts. Ausrutschen durfte sie nicht, denn dann geriet sie in Lebensgefahr.
Wenn sie die Talfahrt nicht aus eigenen Kräften stoppen konnte, wußte sie nicht, wo sie am unteren Ende landen und wie sie die Landung überstehen würde. Der Mutantin brach der Schweiß aus. Sie benötigte alle Kräfte, und der Schacht wurde immer steiler. Sie verlor das Zeitgefühl, und in der Zwischenzeit mußte Atlan längst zu den Hyptons vorgestoßen sein. Endlich gelangte sie auf eine Plattform und eilte über sie hinweg. Sie fand Zeit, sich zu konzentrieren. Mit dem Kopf stieß sie fast an die Decke. Opala zuckte zusammen. Die Hirnwellenmuster der Hyptons waren so deutlich wie nie. Sie mußten sich in unmittelbarer Nähe aufhalten. Die Mutantin entfernte sich von der Plattform und betrat einen anschließenden Korridor. Die Muster wurden schwächer, und nach mehreren Versuchen war sie überzeugt, daß sich die Hyptons in einem Raum über der Plattform befanden. Sie entsicherte den Strahler und begann, ein großes Loch in die Decke zu schneiden. Die Hitze strahlte zurück, und sie schwitzte noch mehr. Schließlich schaffte sie es, und ein Metallstück von rund fünf Metern Durchmesser löste sich und krachte auf die Plattform. Ein Teil der Plattform brach ab und stürzte mit dem Deckenstück auf den Schacht. Opala hatte kaum Zeit festzustellen, daß der Schacht sich weitete und die Trümmer gierig verschlang. Sie hörte ein Rauschen und Schlagen von oben. »Holt sie herauf«, verstand sie eine fremdartige Stimme. Stahlmänner schwebten herab und kreisten sie ein. In dieser Situation wurde die Mutantin zu einer eiskalten Kämpferin. Sie schoß um sich, und es gelang ihr, alle Stahlmänner bis auf einen außer Gefecht zu setzen. Diesem trennte sie die Greifarme ab und hielt sich an ihm fest, bis er aus eigenem Antrieb wieder nach oben schwebte. Das alles ereignete sich in wenigen Sekunden, und als Opala mit dem Kopf durch das Loch tauchte,
löste sie sofort wieder ihre Waffe aus. Der Strahl beleuchtete zwei zappelnde Trauben, die an der Decke hingen. »Wir sind friedlich«, vernahm Opala wieder die Stimme. Sie sprach das Aklardische holprig aus. »Wir tun nichts!« Sie ließ den Roboter los und setzte ihn außer Gefecht. Draußen hinter einer Tür hörte sie Kampflärm. Kurz darauf öffnete sich die Tür. Ein Stahlmann flog herein. Er besaß keinen Kopf mehr. »Atlan!« schrie Opala. Der silberne Haarschopf des Arkoniden tauchte in der Halbdämmerung auf. »Opala!« rief er. »Wir haben deine Daila befreit. Wo steckt Yukan?« »Ich weiß es nicht!« stieß sie hervor. Sie drängte an dem Arkoniden vorbei in die Halle, durch die Atlan gekommen war. Hinter ihr dröhnte es. Blendende Helligkeit fiel plötzlich in den Raum. Die Decke hatte sich geöffnet. Eine laute Stimme hallte herab. »Hier ist Weißwert! Ich komme, um euch zu befreien. Vertraut euch mir an!« Die Daila strömten in den Raum hinein. Die Hyptons hingen steif wie Früchte an ihren Haltestangen. Ein Sog faßte nach ihnen. Mehrere der Wesen wurden von herabfallendem Gestein getroffen. Sie ließen los und stürzten aus der Traube in den Abgrund, den Opala geschaffen hatte. Sie verschwanden lautlos. Die Daila wichen zurück. Die Mutanten setzten ihre telekinetischen Kräfte ein, aber das konzentrierte Feld, das von oben kam, war stärker. Sie gaben es auf und verfolgten, was in dem Raum geschah, in dem sich die Hyptons aufhielten. Eine der Haltestangen war durch die Öffnung der Decke beschädigt worden. Sie löste sich ruckartig, und dann stürzte sie. Das Traktorfeld jedoch fing sie auf und riß sie hinauf gegen das Licht. Die Tageshelligkeit wurde von einem Schatten verdunkelt, auf den die Hyptons zuschwebten. Deutlich war zu sehen, daß neben der Traube ein einzelner Hypton hing. Wieder stürzte Geröll herab. Die Decke riß, und ein Teil mit der
zweiten Traube kippte seitlich weg. Die Hyptons reagierten falsch. Statt sich weiter anzuklammern und zu warten, daß das Traktorfeld sie erfaßte, ließen sie die Stange los. Die Traube stürzte abwärts, wurde von dem Feld nur gestreift und verschwand in der Tiefe. Ächzende Laute drangen herauf, dann herrschte Ruhe. Ein Krachen zeigte, daß in der Tiefe niemand überlebt haben konnte. »STERNSCHNUPPE, halte das fremde Schiff auf«, sagte Atlan in sein Funkgerät. Er wandte sich an Opala, die starr unter der Tür stand. »Hier können wir nichts mehr tun!« »Oh, doch!« stieß die Mutantin hervor. Dann verschwand sie. Sie hörte die Antwort der STERNSCHNUPPE nicht mehr. Sie winkte zwei Daila zu sich. Gemeinsam machten sie sich auf die Suche. Yukan war aus der Felsenkammer nach oben gezogen worden, also mußte er sich irgendwo in der Nähe aufhalten. Sie suchten jeden Winkel ab und jede Kammer. Über eine Stunde durchkämmten sie den Stützpunkt. Inzwischen hatten die übrigen Daila längst damit begonnen, die Speicher der Hyptons anzuzapfen und die Informationen in die STERNSCHNUPPE zu überspielen. Was aus den geretteten Hyptons geworden war und wer sie entführt hatte, schien unklar zu sein. Endlich fanden sie Yukan. Die Stahlmänner hatten ihn in eine kleine Kammer gesperrt, die durch die Ereignisse deformiert worden war. Mehrmals schon waren sie daran vorbeigekommen, ohne Yukan zu entdecken. Der Daila war zwischen zwei Metallplatten festgeklemmt, und sie mußten ihn herausschneiden. Opala fing den nach vorn kippenden Körper sanft auf und legte ihn vorsichtig auf den Boden. Sie öffnete seine Jacke und untersuchte ihn. Allem Anschein nach hatte er sich nichts gebrochen. Er war bewußtlos, wahrscheinlich aus Sauerstoffmangel in der engen Kammer. Minuten später kam er zu sich. Er schüttelte verwundert den Kopf und schlug die Augen auf. Seine Lippen bewegten sich, als er Opalas Gesicht blickte. Die Mutantin lächelte.
»Hirnwellenmuster von Bewußtlosen zu erkennen, ist eben auch schwierig«, sagte sie. »Wir haben dich so gefunden!« Mühsam richtete er sich auf. Er betastete sich. Er war heil geblieben. »Du hast mir das Leben gerettet«, stieß er hervor. »Wie kann ich es dir nur danken?« »Auch du hast mir das Leben gerettet«, erwiderte sie. »Als das Deckenstück herunterkam. Erinnerst du dich?« Er nickte fahrig, und sie legte den Arm um seine Schultern und stützte ihn. »Komm, Yukan. Der Kampf ist vorbei. Es hat keine weiteren Toten gegeben mit Ausnahme von Hyptons!« Die Daila um Atlan bestätigten ihre Aussage. Mrothyr war mit einem Antigravgürtel hinab in den Schacht geflogen. Dort unten hatte das Metall die Hyptons zugedeckt und ihnen ein Grab bereitet. Der Schacht wurde zugeschmolzen. Inzwischen wimmelte es über der Ebene der ewigen Bäume von Gleitern und kleineren Raumfahrzeugen. Yukan und Opala suchten die STERNSCHNUPPE auf, und dort empfing Atlan sie mit Neuigkeiten. »Es war die LJAKJAR. Sie tauchte plötzlich über der Ebene auf und nahm einen Teil der Hyptons an Bord. Die Hälfte dieser Wesen wurde geborgen.« »Der Name LJAKJAR bedeutet KETTENHUND«, sagte Yukan. »Wenn wir deinen Erzählungen glauben dürfen, dann ist das Dharys' Schiff. Dann hat ein Daila die Hyptons gerettet!« »Es ist richtig. Dharys muß Weißwert sein«, sagte Atlan. »Und er handelt nicht im Sinn seines Volkes. Er handelt vielleicht noch im Sinn des Erleuchteten. Und in diesem Fall im Sinn des Neuen Konzils. Damit können wir endgültig davon ausgehen, daß er unser Feind bleibt!« Zwei Daila betraten die Zentrale des Diskusschiffs. Es waren Aksuum und Urlysh.
»Es ist vorbei!« verkündeten sie. »Kurz bevor dieser Weiß wert mit seinem Schiff erschien, haben die Überreste der ligridischen Flotte die Flucht ergriffen. Und in den Speichern der Hyptons entdeckten unsere Spezialisten eine Auflistung aller Stützpunkte im SuumaSystem. Die letzten werden in diesen Minuten ausgehoben.« Die Daila brachen in Jubel aus. »Damit ist Aklard wieder im Besitz der Daila. Aber nicht nur Aklard, sondern das ganze System«, sagte Mrothyr. »Ich wollte, es wäre auf Zyrph ebenso.« »Was nicht ist, kann noch werden, Mrothyr«, rief Chipol mit heller Stimme. Sie überschlug sich, und Atlan sah, daß der Junge ungemein bleich wirkte. Es lag an der Erwähnung von Dharys, der sein Vater war. »Wir werden eines nicht vergessen«, meinte Urlysh feierlich. »Daß es die Mutanten unseres Volkes waren, die uns die endgültige Freiheit gebracht haben!«
8. »Da gehen sie hin!« Aksuum deutete auf Yukan und Opala. Die beiden Daila entfernten sich langsam vom Platz der Befreiung. Sie schritten hinüber zum Strand Bajukkans. »Sie sind ein Symbol für die allgemeine Entwicklung!« »Ja, ich weiß«, bestätigte Atlan, der es aus Urlyshs Mund bereits erfahren hatte. »Die normalen Daila haben endlich eingesehen, daß sie es aus eigenen Kräften nie geschafft hätten. Und sie wissen inzwischen auch, daß in jedem Daila die Anlagen zur Begabung stecken. Nur kommen sie in manchen Familien nicht zum Durchbruch.« »Sie sind dankbar, denn sie sind ein reifes Volk«, lächelte Aksuum. »Ich bin froh, daß sich unser Kampf gelohnt hat, zu dem auch du deinen Teil beigetragen hast, Fremder aus einer fremden Galaxis. Es
wird keine Spannungen mehr zwischen Aklard und den Mutanten geben. Und auf den Mutantenwelten wird man auch mehr Verständnis für Wesen wie Chipol aufbringen, die als Unbegabte unter lauter Begabten zu leben haben.« »Das ist in meinen Augen der größte Erfolg für euer Volk«, bestätigte der Arkonide. »Ihr dürft stolz auf euch sein! Und allen anderen Völkern Manam-Turus sollt ihr als Beispiel dienen!« »Ja«, sagte Aksuum schlicht. »Wenn das Große Feuer genügend Nahrung erhält, wird es neu entflammen. Jetzt ist das Große Feuer in jeden Daila zurückgekehrt. Die Aufgabe der Konzilsjäger ist beendet. Aber wir werden überall dort zu Hilfe eilen, wo man uns zu Hilfe ruft!« Wieder blickte er hinüber zu den beiden Daila, die ihre Schuhe auszogen und ein paar Schritte in die Brandung hinauswateten. Aksuum sah, wie Yukan zwei Finger auf seinen Mund legte und die Finger dann hinüberführte, bis sie Opalas Lippen berührten. Es war eine ganz besondere Art von Zärtlichkeit, und Aksuum lächelte unmerklich. Es war nur gut, daß er nicht hören konnte, was die beiden Daila sagten: »Ich habe dich von Anfang an gemocht, Yukan«, hauchte Opala. »Du warst mir sympathisch, aber es gelang dir nicht, deine Vorbehalte mir gegenüber aufzugeben.« »Ich weiß. Ich habe es jetzt geschafft. Und auch du hast es geschafft, mich als normalen Daila zu akzeptieren. Willkommen daheim, Opala!« »Ich wünsche mir viele Kinder«, lächelte die Mutantin. »Die Jungen sollen normal sein und die Mädchen begabt. Wie ihre Eltern!«
ENDE
Soviel fürs erste vom Freiheitskampf der Daila! Im Atlan-Band der nächsten Wochen wenden wir uns wieder der anderen Seite zu, denn da tut sich einiges, wie wir sehen werden. EVOLO, der Sieger über den Erleuchteten, scheint in die Fußstapfen seines Schöpfers zu treten. Welche große Gefahr für ganz Manam-Turu er darstellt, zeigt sich auf der Welt der Kaytaber, denn sie wird der erste Stützpunkt … DER ERSTE STÜTZPUNKT – das ist auch der Titel des nächsten AtlanBandes. Der Roman wurde von Falk-Ingo Klee geschrieben.