Die Logik mechanismischer Erklarungen

Michael Schmid Die Logil< meclnanismisclner Erl...

Author: Michael Schmid

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Michael Schmid Die Logil< meclnanismisclner Erl
Michael Schmid

Die Logik meclianismisclier Erklarungen

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VSVERLAG FUR SOZIALWISSENSCHAFTEN

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothel< verzeichnet diese Publil abrufbar.

I.AuflageJuli 2006 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag fiJr Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Frank Engelhardt Der VS Verlag fiJr Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Sphnger Science+Business Media. www.vs-verlag.de DasWerk einschlieBlich aller seiner Telle ist urheberrechtlichgeschiJtzt.Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fiJr Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden durften. Umschlaggestaltung: KunkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Krips b.v, Meppel Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN-10 3-531-14896-6 ISBN-13 978-3-531-14896-0

Inhalt 1

Die Logik soziologischer Erklarungen

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Philosophische Grundlagen einer erklarenden Soziologie

2.1 Mechanismen und die „Theorie komplexer Phanomene": Friedrich A. von Hayek 2.2 Kausalitat, soziale Systeme und „mechanismische Erklarungen": Mario Bunge 2.3 Mikrofundierung und „kausale Mechanismen": Daniel Little

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Mechanismen in der soziologischen Theorie

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Individuelle Entscheidung und „strukturelle Selektion": Robert K. Merton Individuelle Rationalitat und die „Interdependenz von Handlungen": James S. Coleman „Bruckenannahmen" und das „Problem der Transformation": Siegwart Lindenberg und Reinhard Wippler Makrosoziale Phanomene und „Rationalite situee": Raymond Boudon „Generativer Strukturalismus" und „generative Mechanismen": Thomas J. Fararo „Soziale Mechanismen" und die Theorie „rationaler" Entscheidung: Peter Hedstrom und Richard Swedberg Prozessmechanismen und deren „kausale Rekonstruktion": RenateMayntz „Generative Mechanismen" und „strukturelle Modelle": HartmutEsser

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Die Forschungsheuristik mechanismischer Erklarungen

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3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 3.8

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Literatur

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Vorwort

Die Beantwortung der beiden Fragen, ob die Sozialwissenschaften im Allgemeinen und die Soziologie im Besonderen wissenschaftslogisch verteidigungsfahige Erklarungen zu liefem vermogen und welcher Logik entsprechende Argumente folgen sollten, ist noch immer offen und umstritten. Nicht erst seit Beginn der (neueren) Debatte, die nachhaltig durch die Erklarungstheorien von Karl R. Popper und (vor allem) Carl G. Hempel bestimmt wurde, hatten sich Einwande angesammelt, die es den Sozialwissenschaften (und zumal der Soziologie) nahe legten, auf die Etablierung eines Erklarungsprogramms (etwa zugunsten typologisch-deskriptiver oder hermeneutisch-narrativer Verfahren, wenn nicht sogar normativ-zeitdiagnostischer Analysen) zu verzichten. Nattirlich kann man nicht behaupten, dass alle diese Kritiken gegenstandslos gewesen seien, auf der anderen Seite aber lasst sich das PopperHempel-Schema der deduktiv-nomologischen Erklarung durchaus verbessem und ausbauen, so dass skeptische oder gar resignative Losungen des sozialwissenschaftlichen Erklarungsproblems (im Grundsatz wenigstens) vermeidbar sind. Um dies zu zeigen, verteidigt die vorliegenden Abhandlung die These, dass die sozialwissenschaftliche Erklarungspraxis renoviert und auf eine haltbare Grundlage gestellt werden kann, wenn sie sich zur Vermeidung der zugestandenen Fehlentwicklungen und Mangel des iiberkommenen, orthodoxen Erklarungsprogramms auf eine Erklarungsform besinnt, die die Erforschung handlungsbasierter Abstimmungsmechanismen und deren rekursiver Folgen in der Vordergrund stellt. Zu diesem Zweck mochte ich zum einen die mogliche „Logik" derartiger - wie ich sie nennen werde - „mechanismischer Erklarungsargumente" verdeutlichen und zum anderen fur die heuristische Fruchtbarkeit eines darauf aufl^auenden Erklarungsverfahrens pladieren; letzteres in der Hoffiiung, dass sich ganz unterschiedliche handlungstheoretische „Lager" (oder „Paradigmata") dazu bewegen lassen, an der Entwicklung eines ebenso facherubergreifenden wie realistischen, und d.h. auf seine Widerlegungsund Revisionsoffenheit bedachten Forschungsprogramms mitzuwirken, dessen erfolgreiche Bewaltigung dem Diktum von James Coleman gerecht werden sollte, wonach „there is, of course, only one social science". Ich danke Andrea Maurer, Hartmut Esser, Uwe Schimank, Peter Hedstrom, Daniel Little, Thomas Fararo und Andreas Pickel fur ihre Hilfe (bei der Recherche wichtiger Details) und fur den Zuspruch, den sie meinem Vorhaben haben zukommen lassen. Mein Dank gilt auch Herm Engelhardt vom Verlag fur Sozialwissenschaften, der ohne erkennbares Zogem der Veroffentlichung dieser Arbeit seinen Segen erteilt hat. Wie immer ertibrigt sich die Beteuerung, dass alle Unzulanglichkeiten und (vor allem die) Fehldeutungen der besprochenen Autoren (und Positionen) ausschlieBlich zulasten meines Kontos verbucht werden miissen.

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Vorwort

Das in Kurze erscheinende Buch von Udo Kelle zur „Integration qualitativer und quantitativer Methoden in der empirischen Sozialwissenschaft. Theoretische Grundlagen und methodologische Konzepte", in dem er vollig zutreffend auf die Mangel der sozialwissenschaftlichen Kausalanalyse hinweist, solange man auf deren handlungstheoretische Fundierung im Rahmen „generativer Prozesse" verzichtet, konnte ich bedauerlicherweise nicht mehr berucksichtigen.

Miinchen/Augsburg, Mai 2006

"A theory of furnishing many-level explanations will have a greater explanatory power than one restricted to single-level explanations: the former will supply interpretations of both facts and generalizations, whereas the latter will yield subsumptive explanations only" (Bunge 1967a, S. 51). "To be a science a discourse must attempt to make progress towards providing objective accounts of structural mechanisms" (Lloyd 1986, S. 313). "Will man in der Soziologie Mechanismen angeben, dann muB man zwangslaufig auf individuelle Propositionen zuruckgreifen" (Lindenberg 1977, S. 81).

1 Die Logik soziologischer Erklarungen

Obgleich einige bekannte Einfuhrungen in die Philosophie der Sozialwissenschaften augenscheinlich den gegenteiligen Eindruck erwecken^, ist es noch immer eine offene Frage, ob und inwieweit die Soziologie als eine erklarende Wissenschaft betrieben werden kann^; dagegen sprechen nicht nur die seit Jahrzehnten vorgetragenen Einwande aus dem Bereich der „philosophy of history"^ oder der „philosophy of action""^, der Phanomenologie und der sozialwissenschaftlichen Verstehensleh1 2 3 4

Vgl. Brodbeck (ed.) 1969, Martin/Mclntyre (eds) 1994 Vgl. als Problemiiberblick Giesen/Schmid 1975; fur die Kritik gegenteiliger Meinungen Albert 1987, Albert 1994, Albert 1998 und als einen neueren Beitrag zu dieser (endlosen) Debatte Schimank/Greshoff (Hrsg.) 2005 Vgl. fur die Vorgeschichte und Ausgangslage der neueren Diskussion um die Bedingungen sozial- oder geschichtswissenschaftlicher (und d.h. in letzter Instanz: handlungstheoretischer) Erklarungen Gardiner (ed.) 1959, Giesen/Schmid (Hrsg.) 1975 und Manicas 1987 Vgl. fur einige wichtige Texte zu diesem Thema Beckermann (Hrsg.) 1977. Die „Ordinary language"-Ausrichtung dieser „Philosophie" hatte nur den Effekt, eh schon bestehende Frontlinien zu zementieren; derzeit hat sie - so weit ich sehe - jeden wirklichen Schwung verloren.

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Individuelles Handeln und soziale Mechanismen

re^; vielmehr wird ihre zustimmende Beantwortung nicht zuletzt auch dadurch erschwert, dass selbst die Verteidiger einer soziologischen Erklarungspraxis mittlerweile bezweifeln, ob deren Orientierung am Idealbild einer deduktiv-nomologischen Erklarung, wie sie seinerzeit von Carl Hempel und Paul Oppenheim (aber auch von Karl Popper und Rudolf Carnap^) vorgeschlagen worden war^, zu einem heuristisch fruchtbaren Forschungsprogramm gefiihrt hat. Wie erinnerlich hatte sich (zumal) Hempel um die Ausarbeitung eines Katalogs (von ihm) sogenannter „Adaquatheitsbedingungen" bemiiht, der es erlauben sollte, erklarende Argumente von „Pseudoerklarungen" abzuheben, und zu diesem Zweck in verschiedenen Arbeiten vorgeschlagen, von einer gelungenen „Erklarung" eines (einzelnen) Sachverhaltes (nur) dann zu sprechen, wenn ein ihn beschreibendes Explanandum aus Fur die (noch heute interessante) Debatte um die Bedeutsamkeit eines phanomenologischen Zugangs zu Handlungserklarungen, die zwisclien Schiitz, Nagel und Hempel gefiihrt wurde, vgl. die Textzusammenstellung in Natanson (ed.) 1963, S. 183ff; fur die an von Wright 1971 anschlieBende Debatte um das Verhaltnis von „Verstehen" und „Erklaren" vgl. Schmid 1979a. Der Versuch, dem Max Weberschen Vorschlag, wonach die Soziologie aufgefordert sei, jedes Handeln aus seinem „Sinnzusammenhang" (heraus) zu erklaren, einen verbindlichen Sinn abzuringen (vgl. Weber 1972^, S. 4), ist bedauerlicherweise nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit verlaufen, vgl. zur Beurteilung des Weberschen Forschungsprogramms Schmid 2004b. Vgl. (umfangreich) Hempel 1965, (als Kurzversion) Hempel 1967, Popperl966^ S. 3Iff, Popper 2002, S. 153ff, Camap 1969, S. llff Die Literatur zu diesem Vorschlag ist nicht zu uberblicken. Fiir die Erklarungstheorie Poppers vgl. aber die sorgsame Rekonstruktion von Keuth 2000. Vgl. Hempel 1963, Hempel 1965, S. 245ff, Popper 1966^ S. 31. Zu den (wichtigsten logischen) Implikationen dieses Erklarungsschemas, das auf John St. Mill zuriickgeht (vgl. Schumacher 1994, S. 80), gehOren die folgenden Eigenheiten (vgl. Hempel 1965, S. 213ff, 367ff): a) Das Explanans darf keine analytischen oder tautologischen Bestandteile besitzen, um Be-griindungszirkularitaten zu vermeiden, b) Erklarungen, Prognosen und Retrodiktionen sind logisch gesehen strukturgleich, c) Gesetze mtissen als „universal conditionals" (Hempel 1965, S. 232) verstanden werden, was bedeutet, dass ihr Wertbereich unendlich ist und die verwendeten theoretischen Pradikate logisch allgemein sein miissen, d) vermittels derartiger Gesetze erhalten ihre Anwendungsbedingungen den Charakter von (konkreten) „Ursachen". Hempels (alternatives) Modell der induktiv-statistischen Erklarung (vgl. Hempel 1962, Hempel 1965, S. 38Iff), das seine Entsprechung in Camaps Theorie der Wahrscheinlichkeitsbewahrung gefunden hatte (vgl. Camap 1962), bespreche ich nicht, da es kaum Soziologen gibt, die dem sozialen Geschehen (objektiv deutbare) „Wahrscheinlichkeiten" unterstellen. Vielleicht glaubt Bourdieu an eine „Wahrscheinlichkeitslogik sozialer Gesetze" (Bourdieu 1979, S. 226), sicher bin ich mir - mangels naherer Erlauterungen - aber nicht; in anderen Fallen wird das Zutrauen in die Stochastik des sozialen Geschehens durch die (formale) Voraussetzung der Verfahren provoziert, die man zu seiner Analyse verwendet, wahrend in weiteren Fallen, wenn es z.B. darum geht, einen modellierten Prozess mit Varianzen zu versehen, deren genaue Herkunft niemanden interessiert, jeder weiB, das entsprechende Unterstellungen an den Tatsachen vorbeigehen. Damit ware auch das langst bekannte Faktum erklart, dass die numerischen Werte (angeblicher) soziologischer „Wahrscheinlichkeitsgesetze" de facto nie angegeben werden (vgl. Lessnoff 1974, S. 54); auch sollte klar sein, dass aus statistisch deutbaren Verteilungsdaten nicht auf das Wirken eines stochastischen Prozesses geschlossen werden kann, solange man den betreffenden generativen Mechanismus nicht kennt, vgl. Railton 1981. Von den nachfolgend besprochenen Autoren gehen vor alleine Hedstrom und Swedberg auf das Hempel-Modell statistischer Erklarungen ein - und lehnen es als (ontologisch unangemessen) ab.

Die Logik soziologischer Erklarungen

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einem Explanans, bestehend aus (gehaltvollen und) allgemeinen, (moglichst) wahren Gesetzesaussagen und Annahmen uber deren Anwendungsbedingungen, logisch abgeleitet und unabhangig vom Explanans empirisch geprtift werden kann^. Aus Sicht der Sozialwissenschaften^, die sich vornehmlich um die Erklarung (relativ dauerhafter, tiberindividueller) „struktureller Verhaltnisse" bzw. „gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen" und die dazu relevanten „Theorien der Gesellschaft"^^ ktimmern woUen und weniger um die Erklarung (oder Beschreibung) singularer Handlungsereignisse oder einmaliger „historischer Handlungskonstellationen", spielten bei der abschlagigen Beurteilung dieses Vorschlags unter anderem zwei Hinweise eine tragende Rolle. Zum einen haben sich Bedenken angesammelt, ob es erklarungstaugliche „Gesetze" geben konne, die man ohne weitere Qualifikationen zur Erklarung sozialer Sachverhalte heranziehen sollte^\ Das gilt zunachst flir die nomologischen Grundannahmen individualistischer Handlungserklarungen, die zwar die psychischen Prozesse oder „Mechanismen"^^ benennen konnen, die 8

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Vgl. Hempel 1963, Hempel 1965, S. 247ff, 335ff, Hempel 1974, S. 69ff. Daran hatte sich eine umfangreiche Debatte uber die Moglichkeit und Voraussetzungen empirischer Bestatigung angeschlossen (vgl. fur einen kurzen Uberblick zur Thematik Scheffler 1963, S. 225ff und flir einen immer noch gultigen Problembericht iiber die Fallstricke des induktiven Denkens Lakatos 1978, S. 128ff). Wie sich iiberdies zeigte, war auch der Begriff des „Gesetzes" klarungsbediirftig, vgl. fur einen Problemiiberblick Achinstein 1971. Zum Schicksal des Hempelschen Programms (insgesamt) vgl. Salmon 1989 und Psillos 2002. Die Frage, wie „Gesetze" (ihrerseits) erklart werden sollen, behandele ich, aus Griinden, die noch einsichtig werden, nicht. Vgl. dazu Schmid 1998, S. 12ff, Schmid 2005, Schmid 2005a. Fur die Rezeption des am Vorbild der Naturwissenschaften geschulten Erklarungsideals in den Sozialwissenschaften und die dabei angefallene Kritik vgl. Bayertz 1980. Vgl. zu dieser Titulatur Parsons et al. (eds) 1961 Die wichtigsten Argumente diskutiert Porpora (1983 und 1987). Der Autor schlagt vor, das DN-Ideal der Erklarung, wie es vor allem der von ihm kritisierte Strukturalismus Blauscher und Mayhewscher Pragung verfolgt, zugunsten einer „narrativen" Erklarungspraxis aufzugeben, die erlaubt, auf die Annahme einer Determination des individuellen Handelns durch Verteilungsstrukturen zu verzichten, und statt dessen die „unique agential responses of individuals to (those) structural arrangements" (Porpora 1987, S. 103) in den Mittelpunkt der theoretischen Erorterungen ruckt. Die Erklarungsbedeutsamkeit von „Mechanismen" spielt dabei keine Rolle, weshalb ich auf diesen Autor nicht naher eingehe. Uberdies musste geklart werden, wie sich seine (nicht kausale) Theorie der „kreativen Einsicht" mit der nachfolgend verteidigten Theorie des individuellen Entscheidungshandelns vereinbaren lasst, wobei die Einwande jener zu berucksichtigen waren, die (wahrhaft) kreative Handlungen fiir unerklarbar halten, vgl. Mantzavinos 2006, S. lOOf bzw. die Identifikation jener „generativen Prinzipien" einfordem, nach denen eine Idee (eigentlich) als unmoglich eingestuft werden musste, vgl. Boden 1992, S. 57. Vor allem Jon Elster (1989 und 1999) hat bestritten, dass derartige Mechanismen Gesetzescharakter haben. Ich werde - aus Grunden, die noch klar werden sollen, - Elsters Versuch, kausale und intentionale Handlungserklarungen zu trennen (vgl. Elster 1979), nicht kommentieren. Immerhin gibt es eine Tradition, die daran festhalt, Erklarungen individuellen Handelns mit Hilfe einer nomologischen Theorie zu verfertigen, die im Hempelschen Sinne systematisierbar ist und (dennoch) nicht zu leugnen braucht, dass Handeln intentional und absichtsgeleitet (oder zielorientiert) verlauft, vgl. dazu Bhaskar 1979, Schmid 1979, Tuomela 1984, Gadenne 1984, Coleman 1990, Esser 1993 u.a. Diese Einsicht bestatigen auch philosophische Analysen, denen zufolge der Handlungsbegriff den Kausalitatsbegriff voraus-

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Individuelles Handeln und soziale Mechanismen

das menschliche Handeln „in Gang setzen" und ihm eine angebbare Richtung verleihen, aber weder Informationen iiber die situativen und historisch hochst variablen Umstande des Einzelhandelns noch uber die kollektiven, aus dem Handeln mehrerer oder vieler Akteure resultierenden Beziehungsformen bzw. „Kontaktstrukturen"^^ und deren nachgelagerten Kollektivfolgen zu liefern vermogen^"^. Darunter leiden besonders psychologisch-reduktionistische Forschungsprogramme^^, die zwar individuelle und auch interaktiv organisierte Handlungen (relativ) problemlos erklaren konnen, denen es aber nicht gelingen will, tragfahige forschungsleitende Vorstellungen dariiber zu entwickeln, wie man die Existenz tiberindividueller Handlungseffekte und Verteilungsstrukturen als ein zumeist nicht-intendiertes „Produkt" des Handelns verschiedener Einzelakteure erklaren kann und wie diese Effekte und Strukturen als Restriktions- und Randbedingungen auf deren weiteres Handlungsschicksal zuriickwirken^^. Daneben haben sich aber auch alle Hoffnungen zerschlagen, derartige strukturelle Randbedingungen individueller Handlungen mit Hilfe durkheimscher „Strukturgesetze"^^ bzw. in Form „sozialer Bewegungsgesetze" theoriefahig zu machen, wie dies im Rahmen der Marxschen bzw. Darwinschen Weltauffassung ublich geworden war^^; und auch der parallele

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setzt, vgl. Griinbaum 1953, Heidelberger 1997 u.a. Wirklich erschopfende Erklarungen von Handlungsereignissen sind indessen ebenso wenig zu erwarten wie „vollstandige" soziologische Erklarungen, well uns die Vielzahl psychischer Mechanismen, die dem Handeln zugrunde liegen, nicht bekannt ist, vgl. Mantzavinos 2006, S. 99ff. Mayntz2002, S. 32 Vgl. Jackson/Pettit 1992, die aus der Sicht der Psychologic fiir die Erklarungsrelevanz von strukturellen Kontexten pladieren. Vgl. fiiir einen intentionalistischen Ansatz Tuomela 1984 und (fur die verhaltenstheoretisch orientierte Soziologie vor allem) Homans 1968, Homans 1972, Opp 1972, Hummell/Opp 1971. Man wird nicht behaupten woUen, dass Homans das Problem der individualistischen Erklarung makroskopischer Verteilungsstrukturen nicht gesehen hatte (vgl. Homans 1967, Homans 1984, 333ff) - er fand nur keine haltbare Losung fur das Problem, wie ein Erklarungsargument auszusehen habe, dass diesen Strukturen gerecht wird. Vgl. die Kritik an Homans Reduktionismus bei Lenk 1986, S. 18Iff. Homans Verhaltensunterstellungen sind (schon vor geraumer Zeit) als unzureichend kritisiert worden, vgl. Deutsch 1971, S. 85ff; einen Uberblick uber die damalige Anti-Homans-Debatte gibt Gluck 1979, S. 92ff In Deutschland hat vor allem Rene Konig (1961) fur das Durkheimsche Programm und zugunsten der Eigenmachtigkeit „sozialer Tatsachen" pladiert. Ftlr die USA konnen sowohl Parsons als auch Merton als Stammvater einer derartigen Problemsicht gelten; eine Radikalisierung der Auffassung seines Lehrers Merton hat Peter Blau zu verantworten. Die franzosische Soziologie war (anfanglich) durchweg durkheimianisch angelegt; Levi-Strauss hat die letzten (nicht-individualistischen) Konsequenzen aus diesem „Ansatz" gezogen, was die nachfolgende Generation (vertreten etwa durch Boudon (1973a) und Bourdieu (1993, S. 70ff)) aus einer handlungstheoretischen Sicht heftig kritisierte; vgl. fur eine Ubersicht uber die derzeitigen Veranderungen in der franzosischen Soziologie Moebius/Peter 2004. Vgl. fiir eine allgemeine Kennzeichnung der Sachlage Rosenberg 1988, S. 10; fiir eine Kritik Marxscher (und anderer) „Geschichtsgesetze" vgl. Barth 1915, Popper 1961 und Sanderson 1990. Versuche, auf Darwinscher Grundlage eigenstandige („morphogenetische") Entwicklungsgesetze zu identifizieren, sind - soweit ich sehe - zugunsten entwicklungsoffener „Mechanismen" der Selbsttransformation sozialer Systeme eingesteUt worden (vgl. etwa Giesen 1980, S. 59ff, Hallpike 1988, Luhmann 1997, S. 427ff, Schmid 2003), denen (Handlungs-) Gesetze zugrunde liegen mogen, die aber nicht selbst „gesetzmaBig" verlau-

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Versuch, derartige makroskopische Struktur- oder Entwicklungsgesetze, die als Pramissen soziologischer Erklarungen taugen konnten, unter induktiver Anleitung kausalstatistischer Verfahren zu finden, ist ohne greifbares Ergebnis versandet^^. Infolge dieses doppelten Scheiterns beginnt sich langsam die Einsicht durchzusetzen, dass die vorgeschlagenen Makrozusammenhange mit steter RegelmaBigkeit fehlerhaft konzipiert sind^^ und die entsprechenden Thesen deshalb als falsch zurlickgewiesen, wenn nicht verworfen werden mussen^^ Die Griinde flir dieses

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fen. Die Details dieser Auffassung bespreche ich spater. Fiir die ergebnislos verlaufene Geschichte dieser Suche nach „social laws" vgl. zusatzlich Brown 1984. Es hatte bereits zu Beginn der (neueren) Debatte auffallen konnen, dass Ernest Nagel (1961, S. 447), ohne dass er den Sozialwissenschaften empfahl auf Kausalerklarungen zu verzichten (S. 457), feststellen musste, dass sie iiber erklarungs- und vorhersagefahige (nomologische) Theorien, wie sie die Naturwissenschaften kennen, offenbar nicht verfugen. Dieser Beurteilung folgt auch Bhaskar (1979, S. 160), wenn er meint, dass alle in den Sozialwissenschaften kursierenden Gesetzesvorschlage entweder (ohne Berechtigung) den Naturwissenschaften entnommen, falsch Oder analytisch seien. Man kann diese Meinung teilen, ohne seinerseits an die Moglichkeit zu glauben, dass Einzelhandlungen nomologisch erklart werden konnen, vgl. Louch 1966, S. 14ff und passim, Krimerman 1969, S. vii, Dixon 1973, Ruben 2003 u.v.a. Vgl. fiir entsprechende - aus verschiedenen Quellen stammende - Bedenken und Kritiken Smelser 1976, S. 208ff, Hoppe 1983, Giddens 1984, S. 334, Sayer 1992^ S. 190ff, Esser 1996, Esser 1998, Esser 2004, S. 19ff. Im Vorgriff auf die nachfolgende Diskussion muss ich bereits an dieser Stelle Michael Hechter (1998, S. 288) zitieren, der in Zusammenfassung der bisherigen Diskussion zu Recht auf die „Hybris" der kausalanalytischen Soziologie hinweist, auch dann Erklarung glaubt vorlegen zu konnen, wenn sie gar keine theoriegeleitete Auskunft daruber zu geben vermag, auf welchem Weg die statistisch erhobenen Daten zuallererst „produziert" werden; in die gleiche Richtung argumentieren Hedstrom/Swedberg 1998a und alle ixbrigen der noch zu behandelnden Autoren. Ich erspare es mir, im Detail zu verdeutlichen, dass die kausalanalytische Forschungspraxis bestandig mit dem Problem zu kampfen hat, die behaupteten Zusammenhange nur hochst unvoUstdndig erfassen zu konnen, was den Verdacht nahe legt, dass sie fehlerhaft konzipiert wurden, und uberdies mangels theoretischer Voriiberlegungen nicht wissen kann, wie sie ihre fehlerhaften Befimde gezielt zu verbessem hatte. Die statt dessen iiblichen Ad-hoc-Veranderungen des Hypothesenbestands taugen nur unter unkontrollierbaren Umstanden zur Formulierung eines „progressiven Forschungsprogramms" und geben in der Folge offenbar keinen Anlass, die verwendete „Kausalmethode" zu uberdenken, die fiir den bedenklichen Zustand der Forschung verantwortlich zu machen sind. Fiir die Soziologie vgl. Esser 2002, fur die Geschichtswissenschaft Kiser/Hechter 1991, fiir die politische Wissenschaft Bates et al. 1998, Tilly 2001 und Bennett 2003, fiir die Okonomie Hirschman 1974 und Cowen 1998 und ubergreifend fiir alle Sozialwissenschaften Udehn 2001, S. 356. Alle diese Autoren wollen die (vergebliche) Suche nach (Verallgemeinerbarkeiten und) Gesetzen durch das Aufspiiren (erklarungsrelevanter) Mechanismen ersetzen, von denen noch ausgiebig die Rede sein wird. Vor allem die (interaktionistisch orientierte) „Mikrosoziologie" befiirchtet, dass die Nichtbeachtung der (storungsanfalligen, mit Unabwagbarkeiten verbundenen) „Innenwelt von Interaktionen" dazu fiihrt, „vorschnell universale ,Gesetze' des Gruppenlebens aufzustellen" (Schulein 1983, S. 9), deren Begrenztheit und Falschheit nur schwer zu tibersehen ist. Gleichlautende Vorbehalte werden phanomenologische Milieuforschungen (vgl. Grathoff 1989) und systemtheoretisch orientierte Interaktionsstudien (vgl. Kieserling 1999) formulieren wollen. Zuende gedacht, lauft diese Haltung auf eine Negierung der Moglichkeit hinaus, eine (nomologisch angelegte) Theorie der „Gesellschaft" (oder eine nomologische „Makrosoziologie") zu entwerfen. Ich denke, dass die genannten Autoren nicht vollig unrecht haben.

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Individuelles Handeln und soziale Mechanismen

Scheitern werden in erster Linie im Versagen der makrosoziologischen Leitidee vermutet, wonach das Handeln der Akteure durch ihre gesellschaftliche Lokalisierung „verursacht" (oder „determiniert") sei und die (diese „Determinationsverhaltnisse" erfassenden) „sozialen Gesetze" die daraus resultierenden (Positions- oder Rollen-)„Strukturen" (und deren Veranderung) zu erklaren hatten^^. Abhilfe gegen dieses Fehlurteil, das die Akteure zu hilflosen Marionetten ihrer Beziehungsverhaltnisse macht, ist nur moglich, wenn eine Erklarungsform geflinden werden kann, die den Handlungs- und Entscheidungsfreiheiten der Akteure Rechnung tragt und die (zu diesem Zweck) zugleich zeigt, dass und inwiefern die tiberkommene „makrosoziologische" Erklarungspraxis durch mikrofundierende Schritte ergdnzt und (damit zugleich) korrigiert werden kann^^. In den Augen der Kritiker des iiberkommenen, makrosoziologischen (bzw. „strukturalistischen") Erklarungsprogramms sind solche „Mikrofundierungen" trotz der erwartbaren Revisionskosten^"^ unabwendbar, weil anders nicht zu zeigen ist, wie makroskopisch-emergente^^, „distributionale" ^^ oder „kollektive Phanomene"^^ (wie z.B. Verteilungsstrukturen verschiedenster Art, Organisationen, Institutionen oder generell: „Handlungssysteme"^^ und deren Folgen) bzw. die zwischen unterschiedlichen Makrozustanden vermuteten Beziehungen aufgrund der zumeist unbeabsichtigten Kollektivfolgen des individuellen Handelns einer Mehrzahl von vernetzten Akteuren entstehen, sich erhalten oder verandern. Erst wenn dieser mehrschichtige Nachweis gelingt und wenn mithin gezeigt werden kann, wie der untersuchungswurdige Strukturzusammenhang in den (letztlich eigenwilligen) Handlungen der ihn generierenden Akteure „grundet", kann er in den Augen jener, die der uberkommenen makrosoziologischen Leitlinie nicht langer folgen wollen, als „erklart" gelten^^. Bei der Losung des nachgelagerten Problems wiederum, wie derartige (erklarungstauglichen) „Mikrofundierungen" vorgenommen werden sollten, wurde der 22 23

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Vgl. fiir einen fruhen Problembericht Vanberg 1975 und Coleman 1990, Esser 2004, S. 21ff Vgl. Mouzelis 1991, S. 146ff, besonders 155, 170 u.a. Diesem Autor ist es wichtig, einen falsch verstandenen Reduktionismus ebenso zu vermeiden wie die „Reifikation" sozialer Strukturen und Beziehungsverhaltnisse. Die weiteren Einzelheiten dieser Auffassung schildere ich im Rahmen meiner Rekonstruktion der Esserschen Position in Abschnitt 3.8. So weist Wimsatt 1986, S. 301 zu Recht darauf bin, dass solche Schritte mit einer „Neudefinition" des bislang verwendeten (makro-)theoretischen Vokabulars verbunden sein konnen. Der Emergenzbegriff ist trotz seiner langen Geschichte vieldeutig, wenn nicht unklar, vgl. fiir die „life-sciences" Holland 1998, fur die Psychologic Gadenne 2004 und fur die Sozialwissenschaften Sawyer 2004 bzw. Sawyer 2005 und (mit engem Kontakt zu diesem zuletzt genannten Autor) Heintz 2004 und Albert 2005. Ich denke, dass das nachfolgend verteidigte Erklarungsprogramm sich um die Eigenheiten von „Emergenzeffekten" nachhaltiger kummern muss, als ich es tun kann. Layder 1994, S. 215 Dieser Begriffsvorschlag geht m.W. auf Popper 1958, S. 124 zuriick und wurde von Wippler/ Lindenberg 1987 popularisiert. Vgl. fiir diese geistesmachtige Tradition Parsons 1951, Luhmann 1984, Coleman 1991, Fararo 2001 u.a. Hans Albert wird seit uber vier Jahrzehnten zugunsten einer derartigen Vorgehensweise vorstellig, vgl. Albert 1967, Albert 1998, Albert 1999.

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zweite Hinweis bedeutsam, demzufolge soziologische Erklarungen den logischen Vorgaben des Hempel-Oppenheim-Schemas (in spezifischer Weise) nicht entsprechen konnen, was zu dessen Aus- und Umbau zwingt^^. Angesichts der geschilderten Problemlage bietet sich eine derartige Revision der iiberkommenen „Erklarungslogik" in zweierlei, sich erganzender Hinsicht an. Zum einen wird die sozialtheoretische Erklarungspraxis - wie gezeigt - darauf verzichten miissen, („autonome") Makrogesetze finden zu wollen, die als Pramissen eines deduktiv-nomologischen Erklarungsarguments Hempelschen Zuschnitts verwendet werden konnen und (damit) erlauben wtirden, ein auf der selben Analyseebene liegendes, erklarungsbedurfliges „Kollektivphanomen" direkt abzuleiten; andererseits aber kann es (auch) nicht sehr sinnvoll sein, darauf zu beharren, makroskopische oder strukturelle Explananda, in Form einer unvermittelten, einstufigen Ableitung aus einem Satz von verhaltensnomologisch erklarten Einzelhandlungen deduzieren zu wollen, solange der Verdacht besteht, dass man zu diesem Zweck zu erortern hat, wie und auf welchem Wege diese einzelnen Handlungen „kombiniert" oder miteinander in ein Verhaltnis gesetzt werden konnen, um die erklarungsbedurftigen „Strukturen" und „Verhaltnisse" zuallererst zu generieren. Offensichtlich fehlt an dieser Stelle ein erklarungsnotwendiger Schritt, weshalb soziologische Erklarungen, wenn es ihnen darum gehen soil, das Vorhandensein makroskopischer Phanomene unter Verweis auf die Handlungen (oder Entscheidungen) einzelner Akteure („mikrofundierend") zu erklaren^^ (konsequenterweise) als (indirekte bzw.) mehrstufige Erkldrungsargumente^^ angelegt werden miissen. 30

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Darauf, dass die sozialwissenschaftliche Erklarungspraxis im Rahmen der „Popper-Hempel theory of explanation" nicht (angemessen) entwickeit werden kann, hat bereits Bhaskar 1979, S. 164 aufmerksam gemacht, vgl. auch Porpora 1983, S. 244ff, Udehn 2001, S. 356 und Sawyer 2004, S. 261. Zur Uberwindung dieser Schwierigkeit werde ich wie Tilly (2001a, S. 596) „nomologische", „dispositionale", „systemische" und „mechanismische" Bestandteile von Erklarungen - wenigstens implizit - unterscheiden, sie im Gegensatz zu ihm aber nicht additiv nebeneinander stellen, sondem versuchen, diese Erweiterungen in das (allerdings) revisionsbedurftige Ausgangsmodell der Hempelschen „Covering-LawErklarung" zu integrieren. Vgl. filr diese Bestimmung die immer wieder zitierte Stelle bei Elster 1989, S. 13: „To explain social institutions and social change is to show how they arise as the result of the action and interaction of individuals". Elster kann allerdings nur unter der Bedingung als ein Vertreter eines mikrofundierenden Erklarungsprogramms der von mir verteidigten Art betrachtet werden, dass die Beschreibungen jener „Interaktionen" auf die Handlungsausstattung der Akteure nicht zuriickfiihrbare Bestandteile enthalten. Dass dies seine Position sei, wurde bestritten, vgl. Udehn 2001, S. 31 Iff Vgl. fiir die Grundzuge dieser Erklarungsauffassung Opp 2004, Opp 1995, S. 90ff und Schmid 2006a. Diese Uberlegungen sind (selbstverstandlich) nicht wirklich neu; der Sache nach behandelten bereits Marx und die grundervaterliche Debatte um das Verhaltnis von „Individuum und Gruppe" das Thema (vgl. Hemes 2001, Sawyer 2005, S. 5ff), und vor Jahrzehnten wurde die Mehrebenenproblematik unter den Stichworten „Kontexterklarung" (vgl. Eberlein 1971), „explanatorische Emergenz" (vgl. Brodbeck 1975, Addis 1975), „Strukturemergenz" (Bhaskar 1975), „Mikromotive und Makroverhalten" (Schelling 1978) und „Methodologischer Individualismus" (bzw. „Methodologischer Holismus") (vgl. Schmid 1996, S. 20ff, Hollis 1994, S. 109fO diskutiert; auch die Aufarbeitung des (verschiedenartig gestalteten) „micro-macro link(s)" hat den Weg fiir die nachfolgenden Uber-

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Die Frage ist dann, wie ein dergestaltiges Erklarungsargument aufgebaut sein muss, um die eingeforderte Erklarungslast tragen zu konnen. Ich unterstelle, dass eine vorlaufige und vorsichtige Antwort moglich ist, wenn man dem Hinweis folgt, dass sich ein solches mehrschichtiges Argument in vier Einzelschritte zerlegen lassen sollte. Wie sich ergeben wird, bewegt sicii jeder dieser Schritte auf einer gesonderten sachlichen (oder: „ontischen") „Ebene" - weshalb auch verschiedentlich von „Mehrebenenerklarungen" bzw. von „Mehrebenenanalysen" die Rede ist^^ und kann mit Hilfe (jeweils) zusdtzlicher Annahmen und Hypothesen auf der nachsten, nachgelagerten Ebene unter fortschreitender Erweiterung der dort fur die weiteren Deduktionen benotigten, ebenenspezifischen Pramissen fortgefiihrt und zugleich prazisiert werden. Da wir auf der Suche nach einem handlungstheoretisch-mikrofundierenden Erklarungsargument sind, wird es sich empfehlen, in einem ersten Schritt (nomologisch) zu erklaren, wie einzelne Akteure ihr Handeln „projektieren" oder planen und durchfuhren (konnen). Dazu sind zwei Teilfragen zu beantworten: Zum ersten sollte identifiziert werden, mit Hilfe welcher (allgemeinen) Theorie des individuellen Handelns dies moglich erscheint; eine solche Theorie sollte mehrere Erklarungsleistungen vorweisen: Zunachst muss sie bestimmen konnen, auf welche Weise die Akteure ihre Handlungssituation wahrnehmen und bewerten und, in Konsequenz dessen, welche Erwartungen und Zielvorstellungen (oder „beliefs" and „desires" ^^) sie ausbilden und aktivieren und damit zu welcher (handlungssteuernden) „Definition der Situation"^^ und ihres „Selbst"^^ sie gelangen konnen. Das wird nur

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legungen geebnet (vgl. Alexander u.a. (eds) 1987, Bohman 1991, S. 146ff). Fiir einen umfassenden Versuch, die „dynamics of mediating mechanisms of structuration" (Kontopoulos 1993, S. 334) zu entwickeln, hat sich Kyriakos Kontopoulos (1993) eingesetzt. Seit geraumer Zeit beschaftigt sich auch die Netzwerkanalyse und die in ihrem Rahmen betriebenen Forschungen zum sozialen Tausch, zu Macht, Status und zur Verteilungsgerechtigkeit mit dem Mikro-Makro-Problem und empfiehlt dazu eine mikrofundierende Mehrebenenanalyse (vgl. fiir einen Uberblick Lawler/Ridgeway/Markovsky 1993). Mit ahnlichen erklarungslogischen Implikationen versucht Uwe Schimank das Luhmannsche Theorieprogramm akteurtheoretisch zu untermauem, vgl. Schimank 2000, Schimank 2005a. Im letzten Jahrzehnt hat sich die Sozionik und die Simulation von Multi-Agentensystemen der Thematik angenommen (vgl. Sawyer 2004, S. 262ff, Kron 2005, S. 144ff, Sawyer 2005, S. 145ff, Hedstrom 2005 und die von diesen Autoren zitierte umfangreiche Literatur), aber auch die selektionistisch orientierte Evolutionstheorie, vgl. Kliiver 2000, Kappelhoff 2002, Chattoe 2002. Auf den moglichen Ertrag von Simulationsmodellen hat vor geraumer Zeit bereits Renate Mayntz aufmerksam gemacht, vgl. Mayntz 1967, S. 23ff Vgl. Coleman 1987, S. 155, Mayntz/Scharpf 1995, S. 50, Esser 1999, S. 435ff, Hedstrom 2005, S. 35 u.a. Vgl. Murphey 1994, S. 135ff, Hedstrom 2005, S. 38ff Vgl. Popper 1958, S. 123, Lindenberg 2001a, S. 652ff, Esser 2004, S. 109ff Vgl. fur die entscheidungstheoretische Bedeutung dieser Festlegung Akerlof/Kranton 2000, Erlei 2006 u.a. Die soziologische Diskussion emuchtert - wenigstens bisweilen - durch ihren Unwillen, die Vieldeutigkeit des Identitatsbegriffs einzugrenzen und ihm einen angemessenen Platz im Rahmen einer entscheidungstheoretischen Handlungsauffassung zu verschaffen (vgl. dagegen Wildavsky 1998, S. 240), wozu die zumeist rein analytische Gleichsetzung des „Selbst" mit den Bedingungen seiner „sozialen Konstruktion" ebenso beitragt wie die Vorstellung, „Identitaten" entstunden durch hintergrundig verlaufende Pragungs-

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moglich sein, wenn man zu Recht unterstellen kann, dass die Akteure liber eine (wie es derzeit aussieht: unabschlieBbare, jedenfalls offene) Reihe kognitiver^^, emotionaler^^ und sprachlicher Kapazitaten^^ (oder Kompetenzen) verfiigen, welche in hochst undurchsichtiger und deshalb erforschungsbediirftiger Weise miteinander verflochten sind und auf die sie zuruckgreifen konnen, um ihre jeweiligen

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vorgange, denen die ihnen unterworfenen Akteure wenig entgegen zu setzen wtissten, wobei die Existenz solcher (entscheidungsfreien) Pragungen nicht das eigentliche Problem darstellt, sondem deren ungeklarten Auswirkungen auf das Entscheidungshandeln. Oftmals behindert auch die normative, um nicht zu sagen: ideologische Aufladung des Konzepts eine angemessene Einschatzung seiner Erklarungskraft und -reichweite. Dass die Unabwagbarkeiten der Informationsbeschaffung und -verarbeitung. zu „begrenzten" Rationalitaten Anlass gibt, wird seit Jahrzelinten intensiv beforscht, vgl. fur viele Simon 1983, Tietzel 1985, Molho 1997. Fiir Fahigkeit der Akteure, Informationen auf der Basis von die (evolutionar entstandenen) „Programmen" zu verarbeiten, vgl. in Ubernahme von Ergebnissen der „evolutionistischen Psychologie" Vanberg 2000. Zu diesem Themenkreis gehoren auch Forschungen zum menschlichen Erinnerungsvermogen und zur daraus resultierenden „Erinnerungskultur", vgl. die paradigmatische Untersuchung von Fried 2004 und die dort zitierte (umfangreiche) Literatur; fur die Geschichte der Gedachtnisforschung vgl. Kandel 2006. Dieser Bereich an Hintergrundskapazitaten ist in Entscheidungstheorien nur schwerlich zu integrieren, vgl. dazu die Problemubersicht bei Schimank 2000, S. 107ff und fiir einen vorsichtige Annaherungsvorschlag Esser 2005 und Esser 2006. Frank 1988 behandelt Emotionen als ein letztlich durch Entscheidungen nicht erreichbares Phanomen; ahnlich hatte bereits Danto 1973, S. 163 argumentiert: Emotionen treten spontan auf, allenfalls ihren Ausdruck kann der Akteur entscheidend beeinflussen. Ich werde in der vorliegenden Arbeit keinen Versuch unternehmen, die damit zusammenhangenden Fragen zu beantworten, vgl. als Problemaufriss de Sousa 1987 und naturlich die einflussreiche Forschung von Damasio 1995 und Damasio 2000, der auf die Bedeutsamkeit von Gefiihlserfahrungen, die als Bestandteil eines „automatischen Uberlebensmechanismus" (Damasio 1995, S. 176) verstanden werden, fiir die Selbstbewertung wie die Bewertung von Handlungsalternativen aufmerksam macht; die Zahl der daran anschliefiende Kommentare nimmt bestandig zu. Fur das soziologischen Emotionsverstandnis und den damit verbundenen Versuch, Abstand zur Entscheidungstheorie zu halten vgl. Collins 1993, Barbalet 1998, S. 29ff und Flam 2000. Vgl. fiir eine (wahrscheinlich unvollstandige) Liste solcher Kapazitaten Runciman 1998, S. 163f Der symbolische Interaktionismus, die Phanomenologie, die Ethnomethodologie und die Konversationsanalyse, aber (auch) die kommunikationstheoretische Systemtheorie haben die Existenz solcher Fahigkeiten immer vorausgesetzt (vgl. fur eine informative Darstellung dieser Stromungen Schneider 2002, Schneider 2002a, Schneider 2004); folgt man Sawyer 2005, S. 170ff, dann sind allerdings analytisch-formale Untersuchungen iiber deren Art und Inhalt jungeren Datums. Uber einige Thesen daruber, wie solche Fahigkeiten evolutionar entstanden sein konnten, informieren beispielsweise Cosmides/Tooby 1987 und Richerson/Boyd 2001. Ohne eine handlungsrelevante Theorie uber diese Fahigkeiten konnen „soziale Einflusse" nicht berucksichtigt werden (vgl. Whitmeyer 1994, S. 157), was vor allem dort dringlich ist, wo sich Akteure aufgrund beschrankter Informationen keine „eigene Meinung" bilden konnen; die Auswahl sogenannter „credence goods" (vgl. Darby/Kami 1973), die auch bei religiosen Zielsetzungen eine Rolle spielen (vgl. etwa Ellison 1995, Hardin 1997), ware sonst kaum zu bewerkstelligen. Wie die von Balint (2005) emeut ins Spiel gebrachte „Knappheitssoziologie" zeigt, ist auch der Einfluss extemer Ressourcen nur dann zu modellieren, wenn man die Akteure fiir fahig halt, entsprechende Mangel abzuschatzen und auf sie zu reagieren, oder strenger: Ohne (ubergroBe) Nachfrage gibt es keine Knappheiten.

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„Definitionsprobleme" zu bearbeiten"^^. Ein Gutteil des Hypothesenbestands einer derartigen Handlungstheorie wird zu klaren haben, wie sie dies tun. Die gesuchte Handlungstheorie muss zweitens aber vor allem auch angeben konnen, wie sich die von ihm erarbeitete Situationsdefmition darauf auswirkt, fur welche seiner moglichen Handlungsoptionen sich der Akteur zur Bewaltigung seiner (subjektiv erhobenen) Problemiage entscheidet und wie er diese Entscheidung in eine Handlung „ubersetzt". Um dies zu leisten, sind die „psychischen Mechanismen""^^ zu benennen und handlungstheoretisch aufzubereiten"^^, aufgrund derer ein Akteur sein Handeln (aus einer Mehrzahl von zugangHchen bzw. in Betracht gezogenen Handlungsalternativen) wahlt oder „selegiert"'^^, und vermittels derer er sich zur Durchfuhrung einer ausgewahlten Handlung motiviert"^"^. Diese Handlungswahl und ihre (wenn man so will: performative) „Umsetzung" (oder Realisierung) sind auch dann als eine „aktive, selbstgesteuerte und selbstuberwachte""^^ und damit hochst eigensinnige und eigeninteressierte Leistung eines jeden Akteurs zu erklaren"^^, wenn die Prozes40 41 42

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Dass diese Kompetenzen eine evolutionar entstandene Grundlage besitzen, sollte auch in der Soziologie mittlerweile unstrittig sein, vgl. Maryanski/Turner 1992, Lopreato/Crippen 1999, Meyer 2000, Sanderson 2001. Vgl. Elster 1989, Elster 1998, Elster 1999 Ich wende mich (bis auf weiteres) gegen jede neurowissenschaftliche Reduktion der Handlungstheorie. Als Beleg dafur, dass diese Abwehr uberzogener Anspruche verniinftig sein konnte, nenne ich das (im ubrigen lesenswerte) Buch von Pascal Boyer (2004), in dem er eine neurowissenschaftliche Begrundung des menschlichen Gottesglaubens geben mochte. Dass phantasiebegabte Menschen aufgrund ihrer irdischen Leidausgesetztheit dazu neigen, sich jenseitige, und d.h. verldssliche Hilfe zu erhoffen, hatte man natiirlich auch ohne Blick in die „Evolution des Geistes" wissen konnen, deren „Mechanik" im ubrigen gar nicht erortert wird; ein korrespondierender Mangel ware auch bei Damasio 1995 zu kritisieren, der dazu neigt, die unterschiedliche Ertraglichkeit gesellschaftlicher Verhaltnisse direkt (d.h. ohne deren sozialstrukturelle Vermittlung zu beachten) von den Eigenschaften des menschlichen Bewusstseins abhangig zu sehen. Vgl. Esser 1993 u.a. Dass man mil Hilfe einer solchen Auswahlregel alleine keine sozialen Phanomene erklaren kann (vgl. fur eine solche „Kritik" vor allem an der Maximierungsthese der Werterwartungstheorie Chaves 1995, S. 99f), ist trivialerweise richtig, aber nicht deshalb, weil sie tautologisch ware (vgl. gegen diese Auffassung Opp 2004, S. 49f), sondern weil die Beurteilung ihrer Erklarungskraft - wie Chaves selbst bemerkt - auf die Geltung zusdtzlicher, das Auswahlpro^/ew (der Akteure) beschreibender Annahmen angewiesen ist. Die Querverbindungen der Handlungstheorie zur Motivationstheorie haben sich in letzter Zeit gelockert; noch Parsons wollte seine systemtheoretischen Untersuchungen „motivationstheoretisch" ftindieren, vgl. fiir eine Diskussion dieses letztlich enttauschend verlaufenden Entwurfs Schwanenberg 1970. Harre/Secord 1972, S. 297; vgl. der Sache nach auch Murphey 1994, S. 163. Zur Kritik gegenteiliger Auffassungen vgl. Manicas 1987, S. 266ff und passim. Dem stimmen auch die Vertreter(innen) des sogenannten „Agency-Ansatzes" wie etwa Margret Archer zu, die ich im weiteren deshalb nicht berucksichtige, weil sie auf die Ausarbeitung von Abstimmungsmechanismen keinen gesteigerten Wert legt (vgl. Archer 2000, Archer/Tritter (eds) 2000), obgleich sie zumindest an einer Stelle die Beschaftigung mit „conditional and generative mechanisms operation between structure and agency" empfiehlt (vgl. Archer 1995, S. 16). Vgl. fiir diese Beurteilung auch Pawson 2000, dem zufolge sich der „kritische Realismus" - wie sich diese Denkrichtung selbst klassifiziert - weniger mit der empirischen Erforschung solcher „Mechanismen" beschaftigt als mit dem Problem der „Transzendentalkonstitution" von Akteurskapazitaten und mit „normativen" Fragen der (i-

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se der Situationswahrnehmung und der Entscheidungsfindung gesetzmaBig und in vielen ihrer Effekte hintergrlindig (oder „unbewusst" bzw. „automatisch") verlaufen und wenn der Akteur - wie anschlieBend zu zeigen ist - dazu gezwungen ist, in Handlungssituationen zu agieren, die er weder zur Ganze liberblickt noch kontrolliert und die seine Erwartungen und Bestrebungen zum eventuellen Scheitern verurteilen. Mit diesem (zuletzt genannten) Hinweis ist angedeutet, dass sich (alleine) im Rahmen einer solchen Theorie individueller Handlungsentscheidung nicht festlegen lasst, welche dieser^ituativen Erfolgsbedingungen (in welcher Auspragung) vorliegen werden, weshalb zusatzliche Hypothesen (in jiingster Zeit als „Bruckenhypothesen" bezeichnet"^^) dariiber benotigt werden, welchen („objektiven") Restriktionen und Opportunitdten sich ein Akteur gegentiber sieht, die sein Handeln (vermittelt liber sein „Wissen", seine „Zieie" und seine „Motivation" bzw. seine durch diese Faktoren beeinflussten Wahrnehmungen und „Deutungen") in unterschiedlichem MaB behindern oder fordern konnen"^^. Dazu benotigen wir ein sogenanntes „(Situations-)Modell" der entscheidungs- oder wahlrelevanten EinflussgroBen"^^. Bei der

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dentitatsstiftenden) Handlungsorientierung (vgl. Archer 2003). Auch bin ich - wie HedstrOm 2005, S. 70ff- nicht uberzeugt davon, dass es, woran Archer und viele ihrer Mitstreiter festhalten, (auf der emergenten Ebene sozialer „Verhaltnisse") „autonome" soziale Gesetze gibt, deren handlungstheoretische Mikrofundierung entbehrlich sei. Ich komme auf diese (hochst verbreitete) Fehleinschatzung zuruck. Vgl. Lindenberg 1996a, Esser 1998, Esser 1999, S. 15f, 76f, 261ff, 399ff, 403ff u.a. Vgl. Healy 1998, S. 518 und passim; man kann entsprechend davon reden, dass die HandlungsmOglichkeiten der Akteure eine „macrostructural foundation" besitzen (Lawler/Ridgeway/Markovsky 1993, S. 286). Ich will offen lassen, ob dieser doppelte strukturelle Einfluss durch die Ubernahme der in der „Philosophy of Mind" gelaufigen Vorstellung von der „Supervenienz" angemessen beschrieben werden kann. Ich bin mit einer solchen Deutung nur dann einverstanden, wenn sie die Existenz von „autonomen" Makrogesetzen ausschlieBt. Wichtiger ist mir aber die Einsicht, derzufolge die Erklarungsnotwendigkeit situativer Bedingungen impliziert, dass Mikrofundierungen unter keinen Umstande als (eliminative) „Reduktion" verstanden werden konnen, vgl. Mouzelis 1991, Schmid 1996, S. 3Iff und Udehn 2001,8.336. Vgl. flir eine Liste von relevanten Faktoren Giesen 1987, S. 348ff, Giesen 1991, S. 173ff Ich mochte an dieser Stelle anmerken, dass ich einen Unterschied zwischen „Theorien" und „Modellen" mache (vgl. Schmid 2005a): „Theorien" benennen die ein Geschehen „energetisierenden" Faktoren - in der Tradition des 19. Jhs sprach man (auch) von „Kraften"; Modelle hingegen bezeichnen in meinem Verstandnis die (kontingenten) Umstande (oder Gegebenheiten), in deren Rahmen sich Prozesse abspielen, die durch jene „Krafte" vorangetrieben werden, vgl. Morrison/Morgan 1999, S. 19. Gesetze (liber die Funktionsweise dieser „Krafle") gibt es nur im Rahmen von Theorien. Ich brauche nicht hinzuzufiigen, dass sich dieser Modellbegriff von einigen seiner ublichen Bestimmungen unterscheidet: Weder sind „Modelle" „empirische Interpretationen" (abstrakter) Theorien (Nagel 1961, S. 95f), noch dienen sie als (heuristisch fruchtbare) „Vorbilder" (oder „Analogien") zur (induktiven) Konstruktion von Theorien (vgl. Nagel 1961, S. 114, Stegmuller 1969, S. 135f, Hesse 1970), noch ist an die Isomorphic theoretisch-deduktiver Systeme gedacht, die erlauben wiirde, die Formalstruktur einer Theorie T als „Moder' fur die Formalstruktur einer inhaltlich ganz anders gelagerten Theorie T' zu verstehen (vgl. Brodbeck 1969, S. 579f). Auch unterscheiden sich (in meinem Defmitionsverstandnis) „Modelle" von Theorien nicht dadurch, dass sie („absichtlich") bestimmte Faktoren unbeachtet lassen (vgl. Brodbeck 1969, S. 586), wie wenig ich unter „ModeH" die mathematische (oder anders formalisierte) „Reprasentation"

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naheren Bestimmung dieser das Handeln „kanalisierender"^^ (oder „leitender und begrenzender"^^) Faktoren spielen zwei gesonderte Tatbestande eine Rolle: Zum einen steht fest, dass sich jeder Akteur darauf einrichten muss, dass er in einer „sozialen" oder „interdependenten" bzw. „strategischen Situation" agiert^^, in der die Durchfuhrungschancen und die Ertrage seiner Handlung vom Verhalten seiner Mitakteure abhangen^^; zum anderen muss er beachten, dass der erfolgsichernde Verlauf und Abschluss seines Handelns auch durch den Zugriff auf handlungsdienliche (nicht-soziale oder „materiale") Ressourcen bedingt ist^"^, deren Beschaffiing und

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von Theorien zu verstehen vorschlage (vgl. dazu Brodbeck 1969, S. 587ff, 595ff); und zu guter Letzt mochte ich den Begriff auch nicht zur Benennung datenabgehobener und empirisch ungeprtifter Wissensbestande verwendet wissen (vgl. dazu Hesse 1974, S. 58 u.a.). Gegen epistemologische Definitionen des Modellbegriffs, wonach formale Modelle darauf aus sind, mit Hilfe moglichst simpler Theorien „ein HochstmaB an Aufklarung" zu erwirtschaften (vgl. Esser 1993, S. 119), hatte bereits Stegmuller (1969, S. 13 If) Stellung bezogen - allerdings zugunsten der Vorstellung, Modelle stellten auf eine „nomologischen Isomorphic" (S. 135) zwischen zwei Theorien ab, was - wie angedcutct - mein Definitionsvorschlag nicht im Auge hat. Stegmullers spateres (leicht abgewandeltes) Modellverstandnis (vgl. Stegmuller 1980, S. 9f u.a.) berucksichtigt allerdings das Mikro-Makroproblem nicht, weshalb auch sein „strukturalistisches Theorienkonzept" meine Intentionen nicht (wirklich) trifft. Seine Idee allerdings, wonach „Modelle" in alien Fallen mit der (empirisch zu kontrollierenden) „Anwendung" eines Theoriekems zu tun haben, mochte ich iibernehmen. Vgl. Albert 1976, S. 22 Vgl.Bourdieu 1992, S. 135 Im Rahmen solcher Uberlegungen macht es keinen Sinn, diesen Umstand dadurch zu berucksichtigen, dass man die Bedingungen des (individuellen wie kollektiven) Handlungserfolgs in den Handlungsbegriff „hineindefmiert"; die Tautologisierung des darauf aufbauenden Thesenbestands ist dann nicht zu vermeiden, vgl. zur Kritik dieser „Begriffsstrategie" Campbell 1996. Besser ist es - wie Bourdieu vorschlagt - Handeln (defmitorisch) als Ausfluss von „sehr allgemeinen Optimierungsstrategien" (Bourdieu 1993, S. 96, ahnlich Bourdieu 1992, S. 117) zu betrachten, und die Frage, unter welchen (situativen) Bedingungen diese zu reproduzierbaren strukturellen Verteilungsergebnissen fuhren (oder nicht), der empirisch-theoretischen Forschung zu uberlassen. Dieser Tatbestand lauft auf die grundsatzliche und unvermeidbare „Indeterminiertheit" des „sozialen Handelns" hinaus, vgl. Koons 1992, Bicchieri 1993 und Hardin 2003. Und gerade deshalb sind die Akteure zur Bewaltigung ihrer Probleme darauf angewiesen, sich auf eine Handlungsstrategie (glaubhaft) festlegen zu konnen, die dem Mitakteur die Chance eroffnet, seine eigenen Erwartungen an das, was ihm bliihen konnte, „anzupassen"; die Gefahr, hintergangen zu werden bzw. Missverstandnissen ausgesetzt zu sein, ist den daraus resultierenden Verhaltnissen selbstverstandlich inharent (vgl. Malho 1997). Die Beantwortung der Frage, wie angesichts solcher (und ahnlich gelagerter) Gefahrdungen ein Erwartungsausgleich gleichwohl erreichbar ist, gehort (spatestens) seit Max Weber zur Ausgangsanforderung jeder handlungstheoretischen Fundierung der Gesellschaftswissenschaften (vgl. Weber 1956^ S. 97ff); vor allem die neuere Vertrauens-Literatur widmet sich diesem Thema mit Nachdruck, vgl. fiir einen Uberblick Baurmann 1996, S. 409ff, Ripperger 1998, Lahno 2002. Die handlungseinschrankende Bedeutung von Ressourcen ist immer wieder zum Gegenstand eigenstandiger Erklarungsbemilhungen gemacht worden, vgl. Moldaschl/Diefenbach 2003, Balint 2005. Hier findet sich auch die weiterflihrende Literatur. Der Strategiecharakter der Handlungssituation lasst sich dann mit der Frage der Ressourcenausstattung verbinden, wenn - wie dies vor allem Coleman vorsieht - die (verschiedenartigen) Zuwendungen anderer zu den eigenen Ressourcen zahlen. In diesem Fall ware anzuraten, zwischen „sozialen" und „nicht-sozialen Ressourcen" zu unterscheiden.

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Verwertung Kosten verursacht und deren Mangel und Unzulanglichkeiten - ebenso wie die Interventionen seiner Mitakteure - sein Handeln mit erwartbarer RegelmaBigkeit beengen oder gar zum Scheitern verurteilen konnen^^. Unabhangig vom Erfolgsschicksal eines Handelns aber gilt, dass eine individuelle Handlung zu erklaren zu zeigen heifit, wie sich der sie beschreibende Satz aus den handlungstheoretischen Annahmen und den (kontingenten) Thesen liber das Vorliegen spezifischer Struktur- oder Situationsbedingungen logisch ableiten lasst. Allerdings ist auf diesem Wege nicht zu klaren, womit wir rechnen miissen, wenn mehrere derart disponierter Akteure aufeinander treffen; vor allem dtirfte strittig sein, ob sie regelmdfiig zu einer zufriedenstellenden oder auch nur storungsfreien Zusammenarbeit kommen konnen. Damit ist jedenfalls kaum vorbehaltlos zu rechnen, solange deren Gelingen von den Zuleistungen (grundsatzlich: eigenwilliger) Koakteure abhangt, weshalb die Vermutung realitatsnaher sein dtirfte, dass ein Interessensabgleich nur unter gesonderten Bedingungen moglich ist. Der (nahere) Grund hierftir liegt darin, dass die Akteure bei jeder Kontaktaufnahme vor ganz unterschiedlich gravierenden Abstimmungsproblemen stehen und oftmals keinesfalls ausgemacht ist, ob ein Interessengleichklang zu tragfahigen Koordinationen fiihrt, ob ein problemloses Teilen der eventuellen Kooperationsertrage moglich ist oder wer seine Interessen angesichts welcher Beschaffungs- und Verteilungsbedingungen auch gegen die Ansprliche seiner Konkurrenten zur Geltung bringen und durchsetzen kann, wenn das „Poolen" der Anstrengungen bzw. das „Teilen" des Kooperationsgewinns auBer Reichweite liegt^^. Zwar ist es grundsatzlich moglich, dass sich die abstimmungsbedlirftigen Akteure auf Regeln „einigen"^^, deren gemeinsame Einhaltung darauf hinwirkt, dass Interessensminderungen und -einbuBen unterbleiben, so dass die entsprechenden Ertragsverluste die fiir die Aufrechterhaltung der Beziehungsverhaltnisse benotigte Beteiligungsmotivation nicht zu gefahrden brauchen; auf der anderen Seite aber sind derartige beziehungssichernden Abstimmungsregeln nicht immer durchzusetzen bzw. zu tiberwachen, weshalb sie bestandig dazu tendieren, sich aufzulosen, zumal sie Anreize zu opportunistischem Ver-

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Ich stimme deshalb Sawyer (2003, S. 217) zu, wenn er meint, dass sich „social properties" nicht nur dann auf den Handlungserfolg auswirken, wenn diese von den Akteuren wahrgenommen, interpretiert oder internalisiert wurden. Derartige Einfliisse konnen subkutan, „hinter dem Rucken" der Betroffenen und „unbewusst" ebenso von statten gehen, wie als materiale „Unmoglichkeit", eine bestimmte Handlung durchzufiihren. Die Unterbewusstheit vieler Einflussgrofien legt nahe, die Psychoanalyse auch dann bei der Ausgestaltung der handlungstheoretischen Grundlagen sozialwissenschaftlicher Erklarungen zu berucksichtigen, wenn deren Zulassigkeit und Reichweite noch nicht abschlieBend ausgeleuchtet sind, vgl. Sherwood 1969, Schulein 1999. Prisoner's Dilemma-Situationen, Koordinationsdilemmata und Konflikte stellen die ublichen Abstimmungsprobleme dar, vgi. Ullmann-Margalit 1977, Knight 1995, Schmid 1998, Esser 2000a, S. 55ff, Schmid 2004, S. 247ff. Man kann die unterschiedliche Dilemmatrachtigkeit sozialer Verhaltnisse auch danach unterscheiden, ob die Ziele der Akteure kompatibel sind und damit entweder „gemeinsame" bzw. „komplementare" Ziele darstellen, oder ob sie unvereinbar und d.h. konflikttrachtig oder mit (ein- oder wechselseitigen) Schadigungen verbunden sind, vgl. Schmid 1998, S. 153f. Vgl. dazu Ullmann-Margalit 1977

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halten oder zur Ausbeutung von Vorleistungen geben bzw. die selbstkontrollierte Einsicht in die - als legitim zu akzeptierenden - Unvermeidbarkeit von Verlusten einfordern, die nicht jedem zur Verfiigung stelit^^. Man muss demnach in einem zweiten und zusatzliclien Erkldrungsschritt (erneut in der Form eines „Modells"^^) nach einer Antwort auf die Frage suchen, unter welclien (hypothetischen) Voraussetzungen es den eigenwilligen Akteuren gelingt, ihre Einzelhandlungen so zu „kombinieren", zu „aggregieren"^° oder miteinander zu „verknupfen"^\ dass sie schadigungsminimierende Regulierungen fmden und stabilisieren konnen. Der Nachweis einer derartigen „Verknupfung", die die betreffenden Akteure selbstverstandlich keinesfalls kostenfrei und ohne Leistungsabstriche herstellen und aufrecht erhalten konnen, ist gleichzusetzen mit der Aufgabe, einen handlungstheoretisch fundierten Mechanismus^^ (oder wie ein Autor ihn bezeichnet: einen „micro mechanism"^^) der Handlungsabstimmung ausfmdig zu machen. Das Vorliegen eines derartigen Mechanismus kann als erklart gelten, wenn es gelingt die Umstande ausfmdig zu machen, angesichts derer es eigeninteressierten Akteure moglich ist, Regeln zuzustimmen und sich zu deren Einhaltung zu motivieren. Viele Sozialtheoretiker denken (deshalb), dass es moglich und sinnvoll ist, solche Mechanismen mit der (wenigstens zeitweilig durchsetzbaren) Existenz eines entscheidungspragenden Regelsystems bzw. mit der Tatsache gleich zu setzen, das es den Akteuren vergonnt ist, eine (formale oder informelle) „Institution" zu bilden und zu erhalten^"^. Die Kenntnis der Funktionsweise eines derartigen Mechanismus, seiner (dafur wichtigen) Handlungskonstellationen und (geregelten) Verlaufs- und Organisationsformen muss aber nicht bedeuten, dass man die Verteilungsresultate der betreffenden Abstimmungsbemlihungen kennt, weshalb wir zur ihrer Identifikation einen weiteren Erkldrungsschritt benotigen, den wir mit Hilfe kontingenter Hypothesen dariiber bewaltigen konnen, dass und wie sich derartige Kollektivkonsequenzen als beabsichtigte bzw. unbeabsichtigte, zukunfts- oder eher erfahrungsorientierte^^, erwtinschte oder unerwunschte, funktionale oder dysflinktionale Nah- oder Fernfolge des gemeinsamen, mechanismusgesteuerten Handelns aller beteiligten Akteure er58 59 60 61 62

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Vgl. fur die Durchsetzungsmoglichkeiten derartiger Regulierungen Vanberg 1994, Baurmann 1996, Schmid 1998, Hardin 2003, Schmid 2004, Bayertz 2005 u.z.a. In diesem Fall suchen wir nicht nach einem „SituationsmodeH", sondem eher - wie sich gleich zeigen wird - nach einem „mechanismischen Prozessmodell". Vgl. Coleman 1990, S. 11. Diese Bezeichnung hat sich insoweit als hinderlich erwiesen, als viele „kollektiven Effekte" auch als „nicht-aggregative" entstehen, vgl. Sawyer 2005, S. 95f. Vgl. Hedstrom/Swedberg 1996, S. 200 Ich hoffe, dass es nicht notig ist, diesen Begriff des „Mechanismus" gegen den Vorwurf zu verteidigen, er konne „absichtsgeleitetes Handeln" und „Informationsverarbeitung" nicht beriicksichtigen und sei deshalb nur metaphorisch verwendbar, vgl. dazu Hodgson 1993, S. 21ff. Mouzelis 1991, S. 155 Vgl. paradigmatisch North 1988 und in dessen Gefolge Mantzavinos 2001. Auf diesem Weg kann ein GroBteil der Literatur zur Instititionensoziologie und -okonomik fiir ein mikrofundierendes Forschungsprogramm fruchtbar gemacht werden. Renate Mayntz (2004, S. 250) weist zu Recht darauf hin, dass es variable Grade der Institutionalisierung sozialer Beziehungsformen geben wird. Vgl. zu dieser Unterscheidung Macy 1993 und Hedstrom 2005, S. 41

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geben, und dariiber hinaus, welche formierende Rolle dabei beziehungs- bzw. mechanismusexterne Umweltgegebenheiten (oder „Parameter") spielen mogen^^. In Kenntnis solcher Hypothesen wird es moglich sein, ein „Modell kollektiver Handlungsfolg en"^' zu entwerfen, innerhalb dessen - unter (stillschweigender) Zugrundelegung von theoriegeleiteten Annahmen iiber die Situationssicht und die Beweggrunde jedes der Akteure und unter Benennung der handlungsvermittelten und handlungsvermittelnden Wirkungsweise eines (funktionsfahigen) Mechanismus' der Satz, der dessen Verteilungsfolgen beschreibt, logisch abgeleitet werden kann^^. Fiir den Fall, dass man seine Aufinerksamkeit darauf beschranken will herauszufinden, wie spezifische (Konstellationen von) Kollektivfolgen aus einem bestimmten Abstimmungsmechanismus resultieren, kann man die Erforschung der interdependenten Beziehungsverhaltnisse an dieser Stelle abbrechen. Sobald man freilich an der Reproduktion bzw. der Evolution oder Transformation von Abstimmungsmechanismen interessiert ist, wird man sich mit Hilfe eines vierten Erkldrungsschritts darum bemlihen mussen klarzulegen, welche Reaktionen die unvermeidlichen Kollektiv- und Verteilungsfolgen des gemeinsamen, vermittels Mechanismen gebtindelten Handelns auslosen konnen und damit in welcher Richtung und in welchem Umfang die einmal entstandenen Strukturfolgen auf die weiteren Handlungsbedingungen (bzw. die darauf bezogenen Situationsdefmitionen und Motivationen) der Akteure zurlickwirken, so dass zur (bislang nicht gestellten) Frage werden muss, ob die Akteure angesichts dessen, was sie angerichtet haben, an ihren bisherigen Handlungsstrategien festhalten konnen (aber auch mussen) oder ob sie sich dazu gezwungen sehen, sie zu wechseln oder sich nach bislang unbedachten („innovativen" oder „kreativen") Alternativen^^ umzusehen, wenn sie es nicht vorziehen bzw. dazu gedrangt werden, das betreffende Handlungsfeld ganzlich zu

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Zur Analyse dieser Folgen wird man die (schwankende) Wirksamkeit derartiger extemer Parameter nicht unbedingt berucksichtigen wollen. Als „Eingangsgroi3en" muss man sie aber dann modellieren, wenn sie sich eigenmachtig verandern und sich in Form „externer Schocks" und der damit verbundenen „Katastrophen" auszuwirken beginnen, vgl. dazu Clausen 1994. Jene, die die „Bundelung" der individuellen Handlungsfolgen vermittels eines institutionalisierten Abstimmungsmechanismus nicht eigens modellieren, sprechen an dieser Stelle zumeist von „Aggregierungsmechanismen"; ich vermeide diesen Begriff, um zu betonen, dass man die Regulierungsbedurftigkeit des kollektiven Handelns berucksichtigen muss, wenn man es „mechanismisch" erklaren mochte. Dass Poppers Erklarungstheorie dies nicht leistet, zeigt Sayer 1992^, S. 17If; die analoge Defizienz des Hempel-Modells behaupten Miller 1987, Salmon 1989 und Cartwrigt 1983 bzw. - fur die Sozialwissenschaften im engeren Sinne - Secord 1986, Bhaskar 1979, Bhaskar 1989 und Bennett 2003. Zugleich ist damit gesagt, dass die „Konsistenz" (Barnes 1995, S. 87) bzw. die „Komplementaritat" (Schmid 1982, S. 210ff) der Annahmen uber die Mikro- und Makroebene zur erklarungslogischen Charakterisierung ihres Wechselverhaltnisses deutlich nicht hinreicht. In jungerer Zeit hat sich vor allem die sog. „pragmatische" Handlungstheorie auf die Behandlung dieses Teilproblems der Handlungserklarung spezialisiert, vgl. Joas 1992, Joas 1997, Joas/Beckert 2001. Aber auch das RREEMM-Modell des Handelns, dessen rationalistische Neigungen Joas und Beckert wahrscheinlich kritisieren wtirden, berucksichtigt den innovativen Umgang der Akteure mit ihren Situationsbedingungen, vgl. Lindenberg 2001a.

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raumen. Die Berticksichtigung derartiger „Ruckwirkungen" hat einen doppelten Vorteil: Zum einen gelingt es auf diese Weise, die Modellbildung zu dynamisieren und infolgedessen (auch) „Strukturwandel" (bzw. den Wandel der bisherigen Handlungsbedingungen) zu erfassen, womit zugleich gesagt ist, dass man die Modellierung sozialer Prozesse nicht auf die Analyse statischer oder auch repetitiver Gleichgewichtszustande festschreiben muss^^; und zum anderen schliefit die Beachtung „rekursiver Effekte" die (mikroflindierende) Argumentation, indem sie (die flir den weiteren Fortgang der Erklarung notwendigen) Informationen dariiber zur Verfligung stellt, dass und in welchem AusmaB sich - (letztlich) infolge ihres gemeinsamen Handelns - die Situation der untersuchten Akteure geandert hat, an die sie sich mit Hilfe ihrer weiteren „Situationsdefmitionen" bzw. „Zielsetzungen" und (ihrer darauf aufbauenden) Handlungsentscheidungen werden anpassen miissen. Damit kann man die Ausgangsfrage erneut aufgreifen, wie und mit welchen weiteren Folgen es individuellen Akteuren gelingt, angesichts obwaltender Situationsumstande eine (fur sie sinnvolle und d.h. mit moglichst erwarteten und erwunschten Effekten verbundene) Handlungsentscheidung zu treffen^^ Zu den logische Implikationen eines solchen „vollstandigen" mikrofundierenden Argumentationsgangs, um dies als Zwischenergebnis festzuhalten, gehort demnach, dass jede Konstruktion einer erfolgversprechenden soziologischen Erklarung (zumindest vier) verschiedene „Ebenen"^^ unterscheiden muss: Zum ersten benotigen wir eine (nomologische) Theorie individuellen Handelns, die angibt, wie sich Akteure angesichts ihrer (prinzipiell variablen) „objektiven" Handlungssituation (d.h. ihrer sozialen und nicht-sozialen Restriktionen und Opportunitaten) entscheiden, sodann Modelle und Hypothesen uber die Entstehungs- und Funktionsbedingungen wechselwirksamer und zugleich handlungsregulierender bzw. -kanalisierender Mechanismen, mit deren Hilfe eigenwillige Akteure ihre unvermeidlichen Abstimmungsprobleme zu losen suchen; dariiber hinaus sind aber auch eigenstandige Thesen uber die Kollektivfolgen dieser zumeist unsicheren und risikobehafteten Bemuhungen erforderlich und endlich zusatzliche Annahmen uber die Riickwirkungen dieser Folgen auf die weiteren Handlungen der beteiligten Akteure. Jede (auf Vollstandigkeit abzielende und nur dann als „dynamisch" zu bewertende) Erklarung eines „sozialen Phanomens" wird diesen Vorgaben und Erfordernissen Rechnung tragen miissen. Derartig vierstufig angelegte Erklarungsargumente haben - neben den anfanglich genannten Merkmalen, weder auf sozial-strukturelle Gesetze zuriickgreifen, noch kollektive Explananda unvermittelt aus individuellen Handlungsgesetzen ab70

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Die theoretische Debatte uber die „Dynamik sozialer Systeme" war iiber Jahrzehnte durch die Uberzeugung in eine falsche Richtung gelenkt worden, dass „Gleichgewichtstheorien" einer anderen „Logik" folgen als „Theorien des Wandels", vgl. fiir diesen Sachstand beispielhaft Appelbaum 1970, Gait/Smith 1976 u.a. Die Modellierung dieser „rekursiven Effekte" - wie man sie nennen konnte - miindet demnach aus in die emeute Suche nach - dieses mal aber veranderten - „Situationsmodellen". Welche ontologischen, epistemologischen und methodologischen Implikationen man sich mit dieser Bezeichnung einhandelt, werde ich im Verlauf der nachfolgenden Darstellung wenn auch nur auszugsweise - behandeln.

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leiten zu konnen - zumindest zwei (weitere) Eigenheiten^^, die sie von (einfachen) Subsumptionserklamngen Hempelschen Zuschnitts (bzw. deren Adaquatheitsbedingungen) unterscheiden: Zum einen geben sie sich nicht mit einer (ebenenspezifischen) Aufzahlung von „Faktoren" zufrieden, die ein (bestimmtes) Struktur- oder Kollektivphanomen „verursachen", wie das von - wie wir sahen: nichtexistenten (makroskopischen) Gesetzen oder (sogenannten) „sozial-strukturellen Kausalanalysen"^"* verlangt zu werden pflegt; vielmehr sind sie als Tiefenerkldrung'^ angeiegt, die ein „makroskopisches Phanomen"''^ (start dessen) unter Verweis auf handlungstheoretisch zu entschllisselnde Mikroprozesse''^ erklaren, die ihrerseits verschiedene Makrosachverhalte (erst) „produzieren" bzw. miteinander in „eine Beziehung setzen". Die erklarungstaugliche Aufbereitung dieses „prozessualen Mikrobereichs"^^ muss - wie angedeutet - demonstrieren konnen, dass und wie entscheidungsbegabte und -fahige Akteure ihr Handeln unter variablen Situationsumstanden so aufeinander abstimmen konnen, dass sie von den daraus resultierenden, zumeist unvorhersagbaren und vielgestaltigen Kollektivfolgen ihrer Bemlihungen nicht unangenehm betroffen sind. Da alle diese variaten Resultate - wie gezeigt - in letzter Instanz durch situativ „eingebettete"^^ Handlungen bzw. (ganz regelmaBig) in Form und unter Berlicksichtigung von (unterschiedlich dicht und umfangreich regulierten) Abstimmungsmechanismen „produziert" oder „hervorgebracht" werden, kann man (auch) davon sprechen, dass wir mit Hilfe und im Rahmen der besprochenen Mehrebenargumente nach „generativen"^^ bzw. „mechanistischen"^^ oder besser: „mechanismischen Erklarungen"^^ „kollektiver" oder „sozialer Phanomene" suchen^l 73 74 75

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Vgl. zum Argument dieses Abschnitts ausfuhrlicher Schmid 2006a Vgl. Skocpol 1994, S. 3ff, 99ff u.a. Vgl. dazu Esser 1991, S. 40ff und Glennan 1996, S. 62. Papineau (1978, S. 117) spricht mit ahnlicher Zielsetzung - von der Notwendigkeit, durch Rekurs auf das Handeln einzelner Akteure ein „tieferes Verstandnis" einer betreffenden „Makroverallgemeinerung" zu erlangen. Dass diese Fixierung auf „Verallgemeinerungen" (allerdings in spezifischer Weise) am Ziel, ein haltbares Verstandnis mechanismischer Erklarungen zu entwickeln, vorbeifiihrt, werde ich noch zeigen. Boudon 1980, S. 99 Vgl. Mayntz 2004, S. 240f Mayntz 1997, S. 20 Vgl. fur diesen (auf Karl Polanyi zuriickgehenden) Begriff Granovetter 2000 Vgl. Bhaskar 1975, S. 14, 47, 48ff, Fararo 1989, S. 39ff Hedstrom (2005, S. 110) spricht von „generativen Modellen" (solcher Mechanismen). Rios 2004. Ich verwende diesen Begriff, wegen der Gefahr, dass man ihn mit dem gleichsetzt, was die (festkorperphysikalische) „Mechanik" treibt, nicht. Vgl. Bunge 1996, S. 138ff, Bunge 2004 u.a. Zur Sammelbezeichnung verschiedener Vorschlage verwendet Sawyer (2004 und 2005, S. 93f) den (in meinen Augen durchaus brauchbaren) Begriff des „Emergenzmechanismus". Man sollte dann aber (zumindest) zwei Emergenzebenen auseinander halten: Eine erste „Emergenz" erwartet uns dort, wo Akteure mit Hilfe von Mechanismen ihr Handeln aufeinander abstimmen - in diesem Sinne halt Coleman die daftir benotigen „Normen" fur eine „Konstruktion der Makroebene" (Coleman 1991, S. 315); andererseits werden bisweilen auch nur die „Kollektiveffekte" gemeinsam situierten und/oder geregelten Handelns einer Mehrzahl von Akteure so bezeichnet (vgl. Boudon 1980, S. 83ff, Esser 2002). Ubertragen

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Die zweite Eigenheit dieser Erklarungsform, die sie nachhaltig von den Adaquatheitsvorgaben des Hempelschen DN-Modells der Erklamng abhebt, liegt darin, dass diese („generativen") Mikroprozesse und ihre Effekte zwar durch das gesetzmaBig verlaufende Wahlhandeln der Akteure „verursacht"^'^ (oder am Leben erhalten und/oder verandert) werden, selbst aber keinen nomologischen Charakter haben; in keinem Fall beschreiben sie „regelmaBige", konstante oder „deterministische" oder („notwendige") Verhaltnisse und Entwicklungen^^, sondern treten - in Abhangigkeit von den jeweils gefallten Handlungsentscheidungen einer Mehrzahl von (unterschiedlich situierten) Akteuren, deren (Einzel-) Handeln (indessen, wie behauptet, in Kenntnis der betreffenden Voraussetzungen der jeweiligen Individualentscheidungen) sehr wohl nomologisch erklarbar ist - in hochst vielfaltiger Form auf, sind zudem von historisch kontingenten Parametern bzv^. variablen, aus der Sicht der betreffenden Akteur kaum antizipierbaren Rand- und Anfangsbedingungen abhangig, und konnen gerade wegen ihrer schwankenden Funktionsvorgaben (in aller Kegel) nicht als Grundlage fur Prognosen historisch aktueller Sachverhalte oder Ereignisse benutzt werden^^. D.h. aber nicht, dass ihre, tiber die angegebenen Stufen hinweg verlaufenden Modellierungen keine logischen Implikationen enthalten, die man dazu nutzen kann, die (jeweils) unterlegten Modellhypothesen (oder „Annahmen") tiber die situativen Bedingungen und die entscheidungsabhangige „Genese" des Handelns bzw. tiber dessen (mechanismischen) „Konfigurationen" und deren weiteren Wirkungsfolgen (empirisch) zu prufen.

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auf meine Rekonstruktion mechanismischer Erklarungsargumente heiBt dies, dass Emergenzen Siuf verschiedenen Erkldrungsebenen auftauchen. Daruber, ob man (auch) die Ruckwirkungsmachtigkeit kollektiver Handlungsfolgen auf die nachgelagerten Entscheidungen der einzelnen Akteure als einen „Emergenzeffekt" beschreiben sollte, bin ich mir nicht im Klaren, weshalb ich mich darauf beschranke, deren Restriktionswirkung zu betonen. Vgl. die Bemerkungen in Abschnitt 4, wo ich versuche, etwas Klarheit in den „kausalistischen" Sprachgebrauch der Sozialwissenschaften zu bringen. Vgl. fiir diese auf David Hume zuriickreichende Auffassung Psillos 2002. Das aber ist kein Grund, auf eine nomologische Mikrofundierung derartige Makrozusammenhange zu verzichten und Handlungsgesetze, die nicht selbst Bestandteil makroskopischer Erklarungen sein durfen, ausschliefilich zu deren „Beschreibung" zu verwenden, wie Ruben (1990) meint. Akzeptabel hingegen fmde ich seine Vorstellung, dass jene zur „Beschreibung" benotigten Gesetze dazu dienen, den „Mechanismus" zu erhellen, der einem erklarungsbedurftigen Sachverhalt zugrunde liegt (vgl. Ruben 1990, S. 111). Weshalb man diese Gesetze aber nicht nutzen darf, um ihn zu erklaren, habe ich nicht verstanden. Vgl. Bhaskar 1989, S. 83. So ist es unangemessen, den Erfolg mechanismischer Erklarungen darin zu sehen, dass sie etwa den Zusammenbruch der DDR „vorherzusagen" erlauben, vgl. dazu Schmid 2004, S. 299ff Auch Boudon und Renate Mayntz lehnen diese Anforderung - wie wir sehen werden - ab. Solche Erklarungen konkreter historischer Ereignisse sind - genau besehen - aus drei (bereits besprochenen bzw. denkbaren) Grunden unmoglich: Zum einen gibt es hierflir keine Gesetze und zum anderen kann niemand die (externen und zumeist veranderlichen) „Randbedingungen" kennen, die (mit-)verantwortlich dafiir sind, dass die betreffenden Ereignisse auftreten; zudem kennen wir (in aller Regel) auch die Mechanismen (bzw. deren Kombinatorik) nicht zur Geniige, d\Q sie „hervorbringen". Hempels These, dass die logische Struktur von Erklarungen und Vorhersagen gleich sei (vgl. Hempel 1965, S. 174, 234) und sich beide „Verfahren" nur „pragmatisch" unterscheiden (vgl. Hempel 1965, S. 249), ist damit nicht widersprochen.

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Obgleich die Notwendigkeit eines derartigen Vorgehens langsam einsichtig wird^^, herrscht doch noch weitgehend Uneinigkeit liber dessen Details. Deren Bestimmung und Beurteilung wird vor allem dadurch erschwert, dass sich drei Sachfragen bislang nicht abschlieBend haben beantworten lassen: Zum einen ist durchaus strittig, welche der verschiedenen marktgangigen Handlungstheorien^^ zur Mikrofundierung soziologischer Erklarungen Verwendung fmden sollte^^. Die Beantwortung dieser Frage ist indessen unaufschiebbar, weil davon (in einem logisch zu nennenden Sinn) die Bildung von Hypothesen dariiber abhangt, welche Sachverhalte die Akteure bei der Wahl ihres Handelns berucksichtigen, (vor allem) welche Handlungsprobleme sie identifizieren und bearbeiten wollen (oder mlissen) und infolgedessen, unter welchen Voraussetzungen die wechselwirksame (und d.h. sozial organisierte bzw. regulierte) Abstimmung ihres Handelns modelliert werden kann, die zur Entstehung bestimmter, rekursiv wirksamer Handlungsfolgen fuhren soil. D.h. ohne eine solche Handlungstheorie wird es den die sozialen Verhaltnisse beobachtenden Theoretikern weder moglich sein, die Problemsicht der Akteure und die daran gekniipfte „Sinnhaftigkeif' ihres Handelns zu verstehen^^, noch die psy87

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Vgl. neben den anschlieCend behandelten Autoren auch Hechter 1997, Muller 2001, S. 48ff, Hechter/Home 2003, S. 15ff, Sawyer 2004, Balog/Cyba 2004, Pickel 2004, Meleghy 2004 u.a. Eine Liste von (vornehmlich anglo-amerikanischen) Autoren, die sich um Mechanismen bemiihen, haben Mahoney 2001, S. 579f und (in kurzerer Form) HedstrOm 2005, S. 25 zusammengestellt; ahnliche (noch kiirzere) „Ahnentafeln" finden sich in Mayntz 1997, S. 25ffundEsser2002, S. 130ff. Vgl. fur einen Angebotsuberbiick Bohman 1991, Schmid 2004, S. 61ff, Munch 2003. Die zur Giitebeurteilungen erforderlichen „Theorienvergleiche" werden allerdings nur selten angestrebt (vgl. Schmid 2004, S. 23ff, Schmid 2006); stattdessen behauptet man die „Multiparadigmatik" der Sozialwissenschaften (oder zumindest der Soziologie, vgl. dafur Ritzer 1975) bzw. die (relativ) problemlose „Komplementaritat" verschiedener „Ansatze" und „Paradigmen" (vgl. zu dieser These und den mit ihr verbundenen methodologischen Empfehlungen Schurz 1998). Vgl. zur Diskussion des Problems Whitmeyer 1994 und Schmid 2004, S. 61ff. Eine Aufzahlung der moglichen Kandidaten miisste zumindest die Werterwartungstheorie, die Theorien (unterschiedlich) rationalen Handelns, die (unterschiedlichen) Lerntheorien, die Dissonanztheorie, die Prospekttheorie, die Theorie des selektiven Framing, die pragmatische Werttheorie, das sogenannte „normative" (oder „interpretative") Paradigma, aber auch Labeling-, Einstellungs- und Motivationstheorien umfassen. Wie diese Theorien (logisch) „zusammenhangen", wird nur selten, und wenn, dann mit schwankendem Ergebnis untersucht, vgl. aber Malewski 1967, Schmid 1993, Mark 2001 und Wolf 2005. Alle nachfolgend besprochenen Versionen mechanismischer Erklarungen gehen davon aus, dass das Handeln der Akteure aufgrund seines intentionalen, nicht notwendig seines „rationalen" Charakters „verstanden" werden kann, was seinerseits Voraussetzung seiner Erklarung ist (vgl. Pom 1977, S. 113, Albert 1994, S. 110). Dass Verstehensprozesse ihrerseits erklarbar sein mussen, scheint mir desgleichen unstrittig zu sein (vgl. Albert 1994, S. 95ff, Mantzavinos 2006, S. 72ff). Ich halte mich aber nicht damit auf, die genauen Zusammenhange zwischen „Erklaren" und „Verstehen" zu erlautern, sondem begnuge mich damit, die Uberzeugung zu registrieren, dass der jahrelang heiB debattierte „Gegensatz" zwischen den beiden (erkenntniskritischen oder methodischen) Verfahren mittlerweile als grundsatzlich uberbruckbar und damit als inaktuell angesehen wird, vgl. fur wissenschaftstheoretisch informierte Losungsversuche Schurz (Hrsg.) 1988, Schneider 1991, Schneider 2004 und Mantzavinos 2006. Fiir die Einordnung des „Verstehens" als einer (der Organisation seines Handelns zugrunde liegenden) Fdhigkeit des Akteurs vgl. Albert 1994 und fur eine Diskus-

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chischen Mechanismen der Situationseinschatzung^^ der Praferenzbildung^^ bzw. der Handlungsselektion^^ zu identifizieren, noch die sozialen Mechanismen^"^ (bzw. „Interdependenz-" oder „Interaktionsmechanismen"^^) selbst und deren riickwirkungsmachtigen Kollektivfolgen zu bestimmen. Die beachtenswerte Implikation dieses Tatbestands wird sein, dass - in Abhangigkeit von der jeweiligen Theoriewahl - ganz unterschiedliche Aspekte des Handelns, seiner mechanismischen Organisation und deren Kollektivfolgen ins Auge fallen werden, was die erkenntnisfbrderliche Gegentiberstellung handlungstheoretisch unterschiedlich fundierter Modellierungen nicht erleichtert und vermutlich fur manche Scheindebatte tiber den Leistungsvergleich verschieden gelagerter Erklarungsversuche verantwortlich gemacht werden muss. Daneben haben sich die Vertreter einer derartigen mikrofundierenden Erklarungspraxis auch noch nicht darauf einigen konnen, welche logische Form ihr zentrales Erklarungsargument haben kann, wobei zwei Aspekte Probleme auiwerfen: Zum einen scheint die Anzahl der zu berticksichtigenden „Erklarungsebenen" unklar zu sein und damit, wo genau man die erklarungstrachtigen „Mechanismen" lokalisieren sollte und wie und inwieweit verschiedene solcher Mechanismen ineinander greifen, und zum anderen wird immer wieder die Frage

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sion revisionsoffener Rationalitatsunterstellungen fiir die verstehenden Deutung des menschlichen Handelns Scholz 2001^. Implikation meiner Einschatzung der Sachlage ist allerdings, dass ich den von Weberianem iiblicherweise vertretenen Glauben, Handel sei binreichend damit erfasst, dass man dessen „Sinn" (mit Hilfe motivationaler Zuschreibungen als ein zweck-, wertrationales, gewohnheitshaftes oder affektuelles Handeln) verstanden babe, nicht telle. Dieser Handlungstypifizierung fehlt die Dimension der problemorientierten und zumal der strategischen Entscheidung (vgl. Norkus 2001, S. 240ff). Die von Weberianem immer wieder mit Misstrauen betrachtete Rationaltheorie des Handelns hat demgegeniiber - auch unabhangig davon, ob sie in einem strenge Sinne wahr ist - den Vorteil, einen entscheidungskonturierenden Optimanten anzugeben, der dazu dient, die Handlungsprobleme der Akteure zu definieren und der sie in die Lage versetzt, deren eventuelle Losung zu bewerten. Zu den Kosten dieser Problemsicht gehort allerdings, dass wegen der Tatsache, dass jede (entscheidungstheoretische) Nutzenflinktion beides: „Erwartungen" wie „Wertungen" berucksichtigt, dem Unterschied zwischen Zweck- und Wertrationalitat nicht die (kategoriale) Gewichtigkeit beizumessen ist, an die sich die Webertradition gewohnt hat, und dass die Verteidiger der Weberschen Sichtweise zudem zu zeigen batten, wie sich die Affektualitat der Akteure auf deren Handlungsentscheidungen (und nicht nur auf ihre Motive) auswirkt. Hartmut Esser hat sich aufgemacht, die falligen Korrekturen der Weberposition vorzuschlagen, vgl. Esser 2003, Esser 2006. Vgl. Esser 1999, S.29ff Vgl. Schmid 2004, S.76ff Vgl. vornehmlich Esser 1993, S. 94ff, Esser 1999, S. 16ff, 241ff, 258ff u.a. Nicht immer wird zwischen „psychischen" und „sozialen" Mechanismen (genau) unterschieden, wie Lloyd (1993) zu Recht einfordert. So ebnet beispielsweise die Aufsatzsammlung, die Hedstrom und Swedberg (1998) zusammengesteUt haben, diesen Unterschied geradezu systematisch ein. Nach Sawyer (2005) behindert diese weit verbreitete Unzulanglichkeit die genaue Analyse dessen, was man unter „sozialer Emergenz" verstehen sollte, erheblich. Sawyer 2005, S. 197, Mayntz 1997, S. 323. Das betont bereits Homans 1984, S. 342, wenn er darauf hinweist, dass ohne Rekurs auf „psychologische Annahmen" unklar bleibt, wie sich Strukturen auf das Handeln der Akteure auswirken, bzw. dass „structures do not act on individuals automatically".

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aufgeworfen, ob zur reputablen Ausarbeitung eines gtiltigen Erklarungsarguments (tatsachlich) alle seine Ebenen beriicksichtigt (oder durchlaufen) werden miissen. Und in letzter Instanz finden wir auch noch keine einheitliche Auffassung damber, welche erkenntnistheoretische Interpretation die Anhanger mechanismischer Erklarungen ihren Handlungstheorien und Modellanalysen zu geben bereit sind; auch in diesem Zusammenhang sind (vor allem) zwei Fragen offen geblieben: Zum einen ist zu klaren, ob die Theorie- oder Modellbildung in erkenntnisrealistischer Haltung vorgenommen wird oder nicht, und zum anderen, in wie weit bzw. in welchem Sinne man individuelle Handlungserklarungen bzw. aggregationswirksame „mechanismische Erklarungen" als „Kausalerklarungen" einstufen kann. Auf der anderen Seite liegen die bislang vorgetragenen Auffassungen nicht so weit auseinander, dass es sich nicht lohnen kann, die verschiedenen Verfahrensvorschlage systematisierend miteinander zu vergleichen. Ich werde deshalb im Nachfolgenden einige davon - wenn es sich ergibt^^, mit einem Blick auf die (zuletzt) genannten Sachfragen - , aber vor allem mit dem Ziel, die bisherigen Vorschlage logisch und inhaltlich zu vereinheitlichen, sichten und (vor dem Hintergrund des bisherigen Problemaufrisses - und dessen Implikationen - auch kritisch) bewerten. Dabei werde ich mich - um die Darstellung nicht zu uberfrachten - auf die zunehmende Bedeutung von „sozialen Mechanismen" flir die Erklarung sozialer Sachverhalte konzentrieren^^ und psychische Mechanismen nur insoweit ansprechen, als dies zur Kennzeichnung der unterschiedlichen Handlungstheorien, mit deren Hilfe die vorgeschlagenen Abstimmungsmechanismen mikrofundiert werden sollen, unabdingbar ist. Im Ergebnis sollten sich - wenigstens im Groben - die Umrisse eines einheitlichen (sozialwissenschaftlichen) Forschungsprogramms abzeichnen, das eine greifbare und - wie ich zu belegen hoffe - trag- und ausbaufahige Heuristik besitzt und iiberdies zu identifizieren erlaubt, an welchen Stellen Erweiterungen 96 97

D.h. nicht alle der behandelten Autoren auBem sich zu den entsprechenden Fragen so deutlich, dass eine Bewertung der vorgetragenen Uberlegungen ohne Unterstellungen auskommen kann, die ich in jedem Fall vermeiden mochte. Ich gehe deshalb auf die einflussreichen Thesen von Jon Elster nicht naher ein. Zum einen behandelt er in erster Linie „psychische Mechanismen" (vgl. Elster 1993, Elster 1998, Elster 1999 u.a.) und zum anderen hat er sich zu einer „formalen Definition" dessen, was er unter einem „Mechanismus" verstehen will, bislang - soweit ich sehe - nicht durchringen konnen (vgl. zu dieser Einschatzung auch Hedstrom/Swedberg 1996, S. 284; ahnliche Bedenken auBern Balog 2001, S. 285ff und Balog/Cyba 2004). Andererseits sind Elsters Beurteilung, dass der Fortschritt der Sozialtheorie von der Identifikation von Mechanismen (und nicht von der Suche nach Gesetzen - wie Hempel fordert - oder von der Verfertigung von Beschreibungen) abhinge (vgl. Elster 1989, S. 173), und seine Beobachtung, dass kausale Erklarungen von Korrelationen zu unterscheiden seien, keine Notwendigkeitsbehauptungen implizieren, nicht mit dem Erzahlen von Geschichten zu identifizieren sind und in der Kegel keine Vorhersagen erlauben (vgl. Elster 1989, S. 4ff), sicher zustimmungswiirdig; allerdings informiert er uns nur ungenau dariiber, in welchem Sinne mechanismische Erklarungen Kausalerklarungen sein konnen, und ich weiB auch nicht, wie man verallgemeinerte und empirisch prufbare Modelle von Mechanismen entwickeln kann, solange richtig ist, dass Mechanismen unter „generell unbekannten Bedingungen und mit unbestimmten Folgen" funktionieren (vgl. Elster 1999, S. 1). Wenn Elster damit sagen mochte, dass Mechanismen keine „Gesetze" darstellen, muss ich ihm allerdings Recht geben.

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und Anschlusse (der unterlegten Handlungstheorie bzw. der jeweiligen Modellierungen der zu untersuchenden Problemsituationen und -losungen) erforderlich, moglich und sinnvoU sind^^. Ich unterstelle dabei - ohne die immer noch umlaufenden Einwande gegen diese Sichtweise eigens zu diskutieren - , dass die Beurteilung der Leistungskraft eines solchen integrativ angelegten Forschungsprogramms im Rahmen einer erfahrungswissenschaftlichen Methodologie moglich ist, die der „Fehlbarkeit der Vernunft" ebenso Rechnung tragt wie der Nachbesserungs- und Revisionsbedtirftigkeit unseres theoretischen (und empirischen) Wissens^^ bzw. unserer jeweiligen Modellierungen der erklarungsbediirftigen sozialen Verhaltnisse. Dabei spekuliere ich darauf, dass sich wenigstens einige der wichtigen Fragen, die mit der Ausarbeitung eines derartigen Forschungsprogramms verbunden sind, mit Hilfe einer Rekonstruktion der Auffassungen von Friedrich A. von Hayek, Mario Bunge und Daniel Little, die ich als philosophische Gewahrsleute konsultieren mochte, und mit Blick auf eine Reihe - wie ich denke reprasentativer^^^ - soziologischer Theoretiker wie Robert K. Merton, der sehr wahrscheinlich als (soziologi98 99

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Vgl. unten Abschnitt 4 Vgl. dazu Albert 1982, Albert 1989, Albert 2000; fur die wiinschenswerte Entwicklung einer „comprehensive theory of social action", die die „Konstrukte" etwa der okonomischen Handlungstheorie als „theoretische Idealisierungen" behandeln kann, vgl. Hempel 1964, S. 206f und daran anschliefiend - in Verallgemeinerung dieses Arguments - Schmid 1994, Schmid 1996, S. 265ff, Schmid 2004, S. 23ff. Man muss es mir nachsehen, wenn ich nicht alle Vertreter und Vertreterinnen einer an „generativen Mechanismen" interessierten Soziologie berucksichtige und vor allem jene unbeachtet lasse, die in der soziologischen Theoriedebatte zwar einen klangvollen Namen haben (wie Marx, Weber, Simmel, Simon, Foucault, Giddens, Archer (die sich beide Bhaskars Position anschlieBen, vgl. Giddens 1984, S. 344f, Archer 1995), Bourdieu, Parsons, Habermas (vgl. zu den beiden zuletzt genannten Autoren Schwinn 2001), Luhmann und Runciman (vgl. fiir diese beiden Autoren Schmidt-Wellenburg 2005)), welche die Erklarungsbedeutsamkeit sozialer Mechanismen und deren handlungssteuerader Selektionswirkung indessen nicht mit abschlieBender Deutlichkeit herausstellen und vor allem zur Aufklarung der Logik mechanismischer Erklarungen nur sehr wenig beitragen. Das gilt auch fiir Layder und Sztompka, die die Beschaftigung mit „sociar' oder „self-generating mechanisms" (Sztompka 1991, S. 98) bzw. „generative mechanisms" (Layder 1981, S. 3) ausdriicklich einfordem, Oder auch fiir Elias, der schon vor geraumer Zeit das „blinde Spiel der Verflechtungsmechanismen" zu erforschen empfahl (vgl. Elias 1969^, S. 316; wie Elias in das nachfolgend skizzierte Forschungsprogramm - wenn auch vermutlich gegen sein Selbstverstandnis - eingegliedert werden kann, zeigt Esser 1984 und Esser 1988). In jiingerer Zeit haben sich auch Vertreter des Collective-Action-Programms (vgl. Kuran 1995, Kuran 1997), der „neuen" Wirtschaftssoziologie (vgl. Granovetter 1990) und des (okonomischen) Neoinstitutionalismus (vgl. Knight 1995) der Erforschung von Mechanismen und einer darauf ausgerichteten Auffassung iiber die Erklarungsaufgabe der Sozialwissenschaften verschrieben. Weiterhin begannen verschiedene Okonomen, die sich einen Blick uber ihre Fachgrenzen zutrauen, wie Thomas Schelling, den Hedstrom (2005, S. If) gerne in die Ahnenreihe des mechanismischen Erklarungsprogramms aufgenommen sahe, oder A.O. Hirschman (vgl. Schmid 2006b, Maurer 2006), sich um diQ Erforschung von Mechanismen zu kummern. Anregungen zur Modellkonstruktion mechanismischer Prozesse, aber keine eigenstandige Vorschlage zur Behandlung des Problems mechanismischer Erklarungen lassen sich endlich auch der durch die Forschungen des Santa Fe-Instituts angeregten „Komplexitatstheorie" entnehmen, vgl. iiberblicksartig Marion 1999 und aufbereitet fiir gesellschaftspolitische Anwendungen Byrne 1998.

Die Logik soziologischer Erklarungen

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scher) „Grundervater" eines erklarungstauglichen, mechanismischen Erklarungsprogramms gelten darf, James S. Coleman, Siegwart Lindenberg und Reinhard Wippler, Raymond Boudon, Thomas J. Fararo, Peter Hedstrom und Richard Swedberg, Renate Mayntz und endlich Hartmut Esser beantworten lassen.

2 Philosophische Grundlagen einer erklarenden Soziologie

2.1 Mechanismen und die „Theorie komplexer Phanomene": Friedrich A. von Hayek Zu den ersten, die sich darum bemuhten, die moglichen Leitlinien eines mechanismischen Erklarungsprogramms zu entwickeln, gehorte Friedrich von Hayek, auf dessen Vorarbeiten sich einige der nachfolgend zu besprechenden Autoren wenigstens gelegenthch beziehen^°\ Die Problemlage, die von Hayek zu seinen tjberlegungen veranlasste, lasst sich anhand mehrerer Punkte charakterisieren: Zum einen erschien ihm die uberkommene, sich auf Nagel, Hempel und auch auf Popper berufende Theorie der nomologischen Ereigniserklarung ungeeignet daflir, jene „komplexen Phanomene" zu behandeln, denen sich die Sozialwissenschaflen (in seinen Augen) zu widmen haben. Die „Gesetze" der „nomothetischen" oder „Gesetzeswissenschaften"^^^ eignen sich hierfiir insoweit nicht, als sie allenfalls zur Bearbeitung von „2- oder 3-Variablen-Probleme(n)"^^^ taugen und somit kaum mehr als „einfache Theorien" zulassen, die sich durch einseitig gerichtete, (relativ) anspruchslose Kausalverhaltnisse auszeichnen, die nicht mehr als einzelne Ursachen mit einzelnen Wirkungen in Verbindung bringen konnen, und im tjbrigen nur dann gelten werden, wenn eine letztlich unbenennbare Menge von Hintergrundsvariablen oder „Parametern" den behaupteten Zusammenhang nicht storend in Frage stellt. Derartige „Gesetze" sind mithin nichts anderes als ^^ceteris-paribus-Annahmen, nach deren vollstandiger Formulierung die Theorie jedoch nicht mehr einfach ware''^^"^. Wenn es zudem richtig ist, dass die Sozialwissenschaflen nicht an (subsumptiven) Erklarungen von Einzelhandlungen interessiert sind^^^, sondern von strukturierten, „ganzheitlichen" Konstellationen^^^ und deren „persistent structure of relationsj^jpguio?^ so benotigen sie zu diesem Zweck „komplexe Theorien", die zum einen die zahllosen Bedingungen, die auf das Handeln der Akteure Einfluss gewinnen konnen, zu behandeln erlauben, andererseits aber auch den - wie wir heute sagen wiirden: „transintentionalen" und zugleich nicht-linearen - Wechselwirkungen zwischen einer Vielzahl von Handlungen und deren richtungsoffenem Verlauf gerecht werden konnen. Angesichts dessen sind mehrere der Forderungen, an denen die uberkommene Theorie der Erklarung festhalten wollte, unerfullbar^^^: Weder eignen sich derartige Theorien komplexer Phanomene dazu, singulare Handlungen zu

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Vgl. Boudon 1991, Mayntz 1997, Mayntz 2002 oder Esser 2002 u.a. Hayek 1972, S. 36 Hayek 1972, S. 36 Hayek 1972, S. 16 Vgl. Hayek 1955, S. 39 Vgl. Hayek 1955, S. 36ff Hayekl955, S. 81 Vgl. Hayek 1972, S.25ff

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prognostizieren, noch besteht (infolgedessen) die Aussicht, die globalen Verteilungseffekte ihrer Wechselwirkungen gezielt kontrollieren zu konnen. Auf der anderen Seite verbietet sich aber auch jede Zuversicht, man konne vermittels (ausschlieBlich) statistischer Verfahren^^^, welche numerische Haufigkeiten von Faktoren und Elementen, ohne deren internen Beziehungen anzusprechen, miteinander korrelieren, die Informationen beschaffen, die man dazu benotigt, um die undurchsichtige Art und Weise kenntlich zu machen, „wie die Elemente (eines komplexen Systems^ ^^) miteinander verkniipft sind"^^^ In summarischer Konsequenz dieser Vorhaltungen stellt Hayek kategorisch in Abrede, dass die Sozialwissenschaften iiberhaupt ein „einziges Gesetz im ublichen Sinne des Wortes kennen, dem diese Art (komplexer) Phanomene gehorcht"^^^. Die Richtung der Hayekschen Kritik lasst sich verdeutlichen, wenn man sich seine Einwande gegen die (zu seiner Zeit vorherrschende) Gleichgewichtstheorie des Marktes naher anschaut. In Hayeks Verstandnis ist die Markttheorie vornehmlich deshalb keine Theorie im technischen Sinne des Wortes, weil sie keinen Prozess Oder „Mechanismus"^^^ anbietet, in dessen Gefolge sich die theoretisch postulierten Gleichgewichtszustande einstellen und beobachten lassen. Markttheoretische Gleichgewichtsanalysen bieten zwar eine Art Existenzbeweis, demzufolge es in der Tat Bedingungskonstellationen geben mag, unter denen sich ein (defmitorisch bekannter) Allokations- oder Raumungsgleichgewicht einstellt, halten aber keine Informationen daruber bereit, welches der gleichgewichtserforderliche Wirkungsmechanismus sein wird^^"^; zulassig ware allenfalls die These, wonach die Beobachtbarkeit von Marktgleichgewichten darauf schhefien lasst, dass sie als faktische und regelmaOige Folge eines wiederholt wirksamen Mechanismus' (oder einer in dieselbe Richtung wirkenden „dauerhaften Struktur"^^^) zustande gekommen sind, was die Modellbildung indessen wenig weit fiihrt, solange Gleichgewichtszustande de facto gar nicht auftreten. Zugleich besteht auch im vorliegenden Fall keine Aussicht darauf, den aggregierten VerteilungsgroBen, die ublicherweise dazu dienen, die Voraussetzungen und kollektiven Verteilungsfolgen des Marktgeschehens zu beschreiben, einen Hinweis auf die Art und Wirkungsweise derartiger Mechanismen entnehmen zu konnen, wie wenig zu erwarten ist, dass auf dieser makroskopischen Beschreibungsebene systemrelevante („generische" oder „produktive") Kausalbeziehungen zu entdecken waren^^^. In der Tat halt Hayek - seine Vorbehalte gegen die „Allgemeine Theorie des Marktgleichgewichts" verallgemeinernd - alle okonomischen Makromodelle unmissverstandlich fur „falsch"^^^. 109 110 111 112 113 114 115 116 117

Vgl. Hayek 1972, S. 27 Meine Erganzung Hayek 1972, S. 19. Induktion als Hypothesengewinnungsverfahren lehnt von Hayek ab, vgl. Hayek 1972, S. 25 und allgemein Hayek 1952. Hayek 1972, S. 37 Vgl. Hayek 1955, S. 48, Hayek 1972, S. 22 Vgl. Hayek 1969a, S. 95, Hayek 1976^ S. 65, Hayek 1983^ S. 30 Hayek 1972, S. 15 Vgl. Hayek 1976^ S. 119, Hayek 1969a, S. 92, 252 Hayek 1969, S. 94

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Wenn wir, um diesem bedauerlichen und untragbaren Zustand abzuhelfen, ein Verstandnis des Marktsystems und dessen Zustandsabfolgen anstreben, das der Wahrheit naher kommt, dann sollten wir das Problem bewaltigen konnen, wie ein marktbildender und -stabilisierender Mechanismus entstehen und seine Verteilungswirksamkeit entfalten kann. Zu diesem Zweck aber mtissen wir - wie das auch flir die historische Forschung zu fordern ist^^^ - die ausschlieBlich „kollektive" Beschreibungsebene^^^ verlassen und die mikroskopisclie Ebene der Akteure und deren Handelns betreten^^^. Zutreffende Erklarungen von „structural connection(s)"^^^ konnen entsprechend nicht auf (allgemeine oder verallgemeinerte) „Gesetze" rekurrieren, die wir der „Beobachtung des Verhaltens kollektivistischer Ganzheiten"^^^ entnehmen konnten; vielmehr sind sie darauf angewiesen zu demonstrieren, wie sich die beobachtbaren Makroverteilungen des Marktes aus dem unabhangigen^^^, aber situationsorientierten Verhalten der Akteure, und d.h. einesteils aus den „assumptions about the kind of circumstances that can produce certain effects"^^"^, und anderenteils aus Annahmen Uber die „subjektiven" Dispositionen und Ziele, Erwartungen und (die in jedem Fall unvollstandigen und unzureichenden) Informationen^^^ der Akteure, ihren Deutungen und Wertvorstellungen und dergleichen ergeben oder genauer: wie jeder einzelne Akteur in seinem (hochst individuellen) Bestreben, „to seek for himself what seems to him the best path"^^^, dazu beitragt, „zusammenhangende Strukturen ... (hervorzubringen)"^^^. Die Verteilungseffekte des Marktes ergeben sich demnach ausnahmslos als ein nicht-intendiertes, „gemeinsames Resultat"^^^ bzw. als „necessary effcts of the combination of such actions"^^^. Der Sozialtheoretiker ist infolgedessen darauf angewiesen, jede aus derartigen „Kombinationen" resultierende „Ordnung" als (eine selektive) Konsequenz jener wechselwirksamen Handlungsweisen der Akteure zu „rekonstruieren" - wie Renate Mayntz sich ausdriicken wlirde - , aus denen sich das betreffende „komplexe Phanomen zusammensetzt"^^^. Es liegt deshalb nahe, dass Hayek den Sozialwissenschaften empfiehlt, ihre theoretischen Analysen mit Hilfe der von ihm sogenannten „kompositiven Methode" voranzutreiben^^^ die den Forderungen des „Me-

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Vgl. Hayek 1955, S. 64ff Vgl. Hayek 1955, S. 53ff Vgl. Hayek 1996, S. 31 If Hayek 1955, S. 82 Hayek 1955, S. 53 Vgl. Hayek 1955, S. 40 Hayek 1955,8.41 Hayek hat die (neoklassische) These von der „vollstandigen Information" der Akteure immer fur eine "fatal conceit" (Hayek 1988) gehalten, die - politisch gewendet - nur zur „groBen Illusion" fehlgeleiteter AllokationsmaBnahmen flihren kann (vgl. Hayek 1991). Hayek 1955, S. 40 Vgl. Hayek 1972, S. 15 Hayekl996, S. 310 Hayek 1955, S. 41 Hayek 1955, S. 39. An vielen Stellen bestimmte von Hayek dieses Wechselverhaltnisse als einen „SelektionsprozeB" (Hayek 1975, S. 9 u.a.) Vgl. Hayek 1955, S. 36ff

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thodologischen Individualismus" insoweit entspricht, als sie darauf verzichtet, „kollektive Phanomene" als eigengesetzliche und nicht weiter auflosbare „Fakten" zu behandeln^^^, wie es die sich an Durkheim (oder Marx) anlehnende Sozialtheorie seit jeher empfiehlt, und statt dessen darauf aus ist, Handlungen und Institutionen in Riickgriff darauf zu erklaren, was die Akteure uber sie denken^^^. Soweit ich sehe, hat von Hayek keine (wirklich) systematische Behandlung der Frage vorgelegt, wie eine entsprechende Theorie des individuellen Handelns auszusehen hat, die dazu in der Lage ist, die selektionswirksamen Kombinationsmechanismen des Marktes und dessen nicht-intendierten Verteilungsfolgen angemessen zu erklaren^^'^; deutlich aber ist, dass er zu diesem Zweck nicht wie viele, die sich seiner Erklarungstheorie - wenn auch zumeist impHzit - angeschlossen haben, eine orthodoxe, der okonomisch-theoretischen „Neoklassik" entlehnte (strenge) Rationaltheorie des Handelns favorisiert, die jedem Akteur unterstellt, dass seine Zielfunktionen konsistent geordnet seien und dass er seine Handlungslage vollstandig iiberblicke; die tJbernahme einer solchen Vorstellung verhindert alleine schon seine unerschutterliche tJberzeugung, dass die Akteure (prinzipiell) in mangelnder Voraussicht ihres Handlungserfolgs agieren miissen. Stattdessen flihlt er sich in die Richtung einer Wahltheorie des Handelns^^^ gedrangt, die mit lern-, imitations- oder adaptionstheoretischer Zusatzen und Einschrankungen zu versehen ist und dabei die Sinnhaftigkeit des „subjektiven" Handelns ebenso wenig ubersehen mochte^^^ wie dessen Regelgeleitetheit^^^. In jedem Fall bleibt zu vermerken, dass von Hayek der Idee keinen weiteren Kredit einraumt, wonach es eine (axiomatisch systematisierbare) Theorie des Handelns geben konne, die alle dessen Bestimmungsfaktoren kennen und entsprechend dazu genutzt werden konnte, erschopfende kausal-deterministische Erklarungen (im Sinne einer objektivierenden Naturwissenschaft) vorzulegen^^^, was zur logischen Folge hat, dass in seinem Verstandnis der Sachlage jede Handlungserklarung unvollstandig sein muss. Hayek sieht dabei deutlich, dass eine derart angelegte individuelle Theorie des Handelns, in deren Zentrum die These von der Unzulanglichkeit des menschlichen Erkennens und Denkens steht, nicht angeben kann, unter welchen situativen Bedingungen Akteure ihr Verhalten erfolgreich aufeinander abstimmen konnen und wie sie dies tun. Seinem Vorschlag folgend werden sie ihre Kurzsichtigkeit indessen liberwinden konnen, wenn sie Organisation und Planung ihres Handelns durch den Ruckgriff auf konstante und unstrittige Handlungsrechte zu bewaltigen lernen^^^. Auf Tauschmarkte angewendet heil3t dies, dass, sofern derartige (marktforderli132 133 134 135 136 137 138 139

Vgl. dazu Hayek 1955, S. 38 Vgl. Hayek 1955, S. 33 Vgl. aber Hayek 1969a, S. 144ff Vgl. Hayek 1955, S. 30 Vgl. Hayek 1955,8.31 Vgl. Hayek 1969a, S. 32ff, 144ff, 161ff, Hayek 1975, S. 4u.a. Vgl. Hayek 1972, S. 29 Vgl. Hayek 1969a, S. 151, Hayek 1982. Hayek betont wiederholt, dass die soziale Evolution der Entdeckung und Stabilisierung derartiger Regeln und der auf ihnen aufbauenden „Handelnsordnungen" dienlich sei, vgl. Hayek 1969a, Hayek 1982,1 S. 74ff, III S. 154ff.

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chen) Rechte existieren, die dazu geeignet sind, die Interdependenzen der Akteure schadigungsfrei zu regulieren, man das marktgesteuerte „Zusammenwirken von Menschen"^"^^ und dessen Verteilungsergebnisse als eine empirische Folge der Tatsache erklaren kann, dass jeder von ihnen sich auf eigene Kosten und mit durchweg subjektiven (und entsprechend unausformulierten bzw. beschrankten) Ziel- und Erfolgsvorstellungen an den fur alle zuganglichen Informationen orientiert, die ein durch Fehlregulationen und Monopole unverstellter, preisgesteuerter Marktwettbewerb zur Verfugung stellt^'^^ Damit lasst sich der Marktmechanismus und seine Effekte verstehen als Konsequenz des regelgebundenen und zugleich dezentral organisierten Handelns einer Mehrzahl eigensinniger Akteure, wobei das Explanandum eines entsprechenden Erklarungsarguments nicht aus der Aufzahlung einer tendenziell unendlichen Menge von Einzelhandlungen besteht, sondern in der These, dass sich das Marktgeschehen (aufgrund des obwaltenden, rechtlich organisierten Mechanismus' der wettbewerblichen Verhaltensabstimmung) als eine „dauerhafte Ganzheit" darstellt, die charakteristische „allgemeine Muster" bildet^"^^. Diese These kann auf alle „mechanisms of society"^"^^ angewendet werden und impliziert, dass Annahmen liber deren Wirkungsweise entsprechend dann eine hinreichende Erklarungskraft gewinnen, wenn der Theoretiker mit ihrer Hilfe zeigen kann, wie sich aus einer unbestimmten Vielzahl von singularen individuellen Handlungen immer wieder dann ein bestimmtes Verteilungsmuster ergibt, wenn und solange der Mechanismus, der dem „Zusammenwirken der individuellen Handlungen"^"^"^ zugrunde liegt, unter handlungstheoretisch rekonstruierbaren Situationsbedingungen - auch hinter dem Riicken der Akteure und unabhangig von ihren Intentionen und Wlinschen - in gleichbleibender allokativer Richtung flinktioniert. Dieser Ruckgriff auf das individuelle Handeln der Akteure ist nicht ins Belieben des Sozialtheoretikers gestellt, sondern unabdingbar erforderlich, um das makroskopische Verteilungs- und Selektionsgeschehen - wie wir heute sagen wurden einer „Mikrofundierung" zu unterziehen; und erst auf diesem handlungstheoretisch entschlusselten Wege sind „generische Erklarungen"^"^^ sozialer Institutionen und deren „spontaner Ordnungsbildung"^"^^ (nebst der damit verbundenen „Musterbildung") - wenigstens im Prinzip - moglich und gultig. Damit hat von Hayek ein Erklarungsmodell entwickelt, das die folgenden - wie ich denke durchaus akzeptablen - Besonderheiten aufvv^eist. Zum einen macht er das Gelingen solcher sogenannter „Mustererklarungen" davon abhangig, dass man unter Angabe eines handlungstheoretisch erklarbaren Abstimmungsmechanismus das Mikro-Makroproblem losen kann. Die „generischen Erklarungen" der Sozialwissenschaften mtissen (demnach) die Bedingungen von Mehrebenen- bzw. Tiefen-

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Hayek 1976^ S. 120 Vgl. Hayek 1969a, S. 249ff Vgl. Hayek 1972, S. 28f u.a. Hayek 1955, S. 48 Hayek 1976^ S. 16 Hayek 1969, S. 7 Vgl. dazu Hayek 1969a, S. 144ff, 161ff, Hayek 1975, S. 13, Hayek 1996, S. 45ff, 76ff, 102

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erklarungen erfullen, denen zufolge man ein „kollektives Phanomen" nur dann erklart hat, wenn man aus einem Verbund von Handlungs- und Situationsannahmen logisch ableiten kann, wie es aus den Handlungen individueller Akteure „generiert" wird. Zum anderen konnen derartige Mustererklarungen dazu dienen, hypothetische, bei Konstanz der Hintergrundsannahmen empirisch durchaus priifbare^"^^ „Prognosen"^'^^ bzw. genauer: jjlVlustervorhersagen"^"^^ dartiber zu formulieren, wie sich unter den angebbaren Umstanden ihres (erfolgreich geregelten und somit Abweichungen selegierenden) Wechselhandelns der „allgemeine Charakter einer Ordnung"^^° auch dann theoriegeleitet erwarten lasst, wenn das Verhalten der Akteure im Einzelfall nur unzureichend erklarbar ist. Hayek halt seine Mustererklarungen (ordnungsbildender Handlungseffekte) entsprechend flir falsifizierbar^^^ und damit fur korrigierbar und (gegebenenfalls) verbesserungsfahig. Obgleich Hayek den „subjektiven Charakter der Sozialwissenschaften"^^^ verteidigt, was nahe legen konnte, ihn infolgedessen fur einen epistemologischen Subjektivisten (oder Konstruktivisten) zu halten^^^, wird man, insofern er hypothetische Annahmen ftir revisionsoffen und anhand gegenlaufiger Erfahrungen flir hinfallig einstuft, akzeptieren konnen, dass er tatsachlich ein durchweg realistisches Theorieprogramm der „korrigierenden Erklarung"^^"^ verfolgt. Und endlich gewinnt dieses Forschungsprogramm zur Erklarung „komplexer Phanomene" - obgleich Hayek (infolge seiner „Marktversessenheit") selbst wenig dazu getan hat, es in dieser Richtung zu erweitern und fortzuflihren - sein vereinheitlichendes Profil dadurch, dass es eine letztlich unbestimmte Vielzahl von Mechanismen und „Verteilungsmustern" mit Hilfe eines gleich-gelagerten (handlungs-)theoretischen Arguments zu erklaren gestattet; d.h. auch in den Fallen, in denen nicht-marktliche Abstimmungsmechanismen ins Zentrum der Forschung riicken, erfordert das Gelingen einer Mustererklarung nur, dass man logisch-deduktiv begreiflich machen kann, wie sich verschiedenartige Verteilungseffekte als „Ergebnisse des menschlichen Handelns, aber nicht menschlichen Entwurfs"^^^ ergeben. Folgerichtig kann Hayek darauf verzichten, hinter jeder Modellierung eines bestimmten mustergenerierenden Mechanismus eine gesonderte GesetzmaBigkeit zu vermuten^^^, und damit (zugleich) vermeiden, der Fehldeutung Vorschub zu leisten, die Sozialwissenschaften lieBen sich als ein Konvolut unterschiedlicher, eigenrechtlich argumentierender „Paradigmen" verstehen. Obgleich es voreilig ware, Hayeks Oberlegungen zur Notwendigkeit sozialwissenschaftlicher „Mustererklarungen" fiir abgeschlossen und nicht weiter korrektur-

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So verstehe ich Hayek 1996, S. 4ff, Hayek 1972, S. 17f Vgl. Hayek 1969, S. 16 Hayek 1972, S. 7ff, 15ff u.a. Hayek 1972, S. 28 Vgl. Hayek 1969, S. 17, Hayek 1996, S. 12 Hayek 1955, S. 25ff Das tut z.B. Mario Bunge 1996, S. 330. So lautet der Bezeichnungsvorschlag von Albert 1982, S. 22. Hayek 1969a, S. 97ff Vgl. Hayek 1972, S. 35ff

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bedurftig zu halten^^^, wird man nicht (ibersehen konnen, dass sein Entwurf einer „Theorie komplexer Phanomene" nahezu alle Argumente benennt, die in der nachfolgenden Diskussion um die „Logik mechanismischer Erklarungen" eine Rolle spielen werden; zum einen hat er - soweit ich blicken kann - als einer der ersten das Ausgangsproblem flir die nachfolgende Debatte definiert, demzufolge es - aus der Sicht einer sozialwissenschaftlichen (im Unterschied zu einer psychologischen) Erklarungstheorie - keinen Sinn macht, einer Hempel-Popperschen Erklarungslogik zu folgen, die ausschHeBlich darauf ausgelegt ist, Einzelereignisse zu erklaren^^^, wie wenig den Sozialwissenschaften andererseits angeraten werden kann, nach „globalen" Geschichtsgesetzen zu suchen^^^ bzw. darauf zu spekuHeren, aus statistischen Korrelationen erklarungstaughche Kausalhypothesen induzieren zu konnen; korrespondierend dazu und in positiver Wendung hat Hayek die Nachfolgediskussion aber auch dadurch nachhaltig gepragt und mit einer zielforderHchen Richtung versehen, dass er zur Charakterisierung einer moglichen Erklarungsalternative die Parole ausgab, die Sozialwissenschaften hatten sich um eine mehrschichtige Erklarung „komplexer Musterbildung" zu bemlihen, die deshalb nicht darin bestehen kann, „einfache Relationen zwischen nur wenigen beobachtbaren Phanomenen"^^^ herzustellen, sondern die nach der Entdeckung mikroftmdierter „Typen von Mechanismen"^^^ streben muss, die deren Verteilungsmuster als Konsequenzen des regulierten bzw. regelgeleiteten Handelns von Akteuren verstehbar machen, die tiber die kollektiven Effekte bzw. uber die „transindividuellen" Erfolgsbedingungen ihres gemeinsamen Handelns in keiner Weise informiert sein konnen.

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Vgl. den kritischen Kommentar etwa bei Graf 1978. Vor allem werden jene, die an Gesellschaftsplanungen interessiert sind, mit dem Hayekschen Erklarungsvorschlag unzufrieden sein, wenn sie horen, dass „Ordnungen" ausschHeBlich evolutionar einstehen, vgl. zu dieser Frage Vanberg 1986. Auch bin ich mir im Unklaren, ob Hayek das „Problem der gesellschaftlichen Kausalitat" folgerichtig durchdacht hat; ich denke aber, dass jene „musterbildenden Krafte" (Hayek 1972, S. 24) und die einen Mechanismus „determinierenden Prinzipien" (Hayek 1972, S. 29) jederzeit handlungstheoretisch zu entschlusseln sind und dass Hayek zudem die Existenz von Makrogesetzen nachweislich nicht vorsieht. Dass er nicht zwischen der „Theorie" des Handelns und den generativen „Modellen" der Ordnungsbildung unterscheidet, sollte zu beheben sein und der Akzeptierung seines Systematisierungsvorschlags nicht im Wege stehen. Vgl. Hayek 1972, S. 38. Anklange an das Hume-Hempelsche Gesetzesverstandnis fmden sich allerdings insoweit, als Mustererklarungen „Regelma6igkeiten" (Hayek 1972, S. 37) Oder wiederkehrende „Muster bestimmter Art" (Hayek 1972, S. 34) erklaren sollen. Darin dokumentiert sich ein offenbar noch heute unvermeidbares, beengtes Verstandnis mechanismischer Erklarungen, denn naturlich kann es auch (etwa chaotisch funktionierende) Mechanismen geben, die (regelmaBig) „UnregelmaBigkeiten" produzieren. In dieser Frage hat sich von Hayek der Auffassung von Popper 1961 angeschlossen, die Hayek seit den vierziger Jahren (des zwanzigsten Jahrhunderts) kannte. Hayek 1972, S. 25 Vgl. Hayek 2003, S. 12

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2.2 Kausalitat, soziale Systeme und „mechanismische Erklarungen": Mario Bunge Es ist unwahrscheinlich, dass Mario Bunges Erklarungstheorie sich von den (im letzten Abschnitt behandelten) Hayekschen Uberlegungen hat inspirieren lassen^^^; gleichwohl kann man Bunges bis in die jungste Zeit reichenden Bemuhungen, den Sozialwissenschaften ein „mechanismisches" Erklarungsmodell nahe zu legen, ohne Schwierigkeiten wenn nicht als „Fortfuhrung", so doch als nachhaltige Explikation und Vertiefling der Hayekschen Uberlegungen verstehen. Soweit ich sehe, beziehen sich nur wenige Soziologen (bzw. Sozialwissenschaftler), die sich an einer (iiber die Vorgaben des Hempelmodells hinausreichenden) Neubearbeitung des soziologischen Erklarungsproblems interessiert zeigen, auf Mario Bunge^^^; ich wurde ihm demgegenuber gerne das Verdienst zuweisen, einen brauchbaren und beachtenswerten Vorschlag dartiber ausgearbeitet zu haben, wie eine erklarungstaugliche Soziologie aufgebaut werden kann, der sich als Bezugspunkt fur die nachfolgende Beurteilung zumal der Entwlirfe, die sich seit Ende der 70er Jahre anzusammeln begannen, gut eignet^^"^. Diese Einordnung stiitzt auch Robert K. Merton^^^, dessen Uberlegungen noch zu besprechen sein werden, wenn er Bunges Ablehnung des Reduktionismus belobigt^^^ bzw. dessen Buch „Finding Philosophy in Social Science" (1996) als einen beachtenswerten Nachfolger von Ernst Nagels „Structure of Science" (1961) wtirdigt^^^, in dem Letzterer - unter an162

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Bunges Kausalitatsbuch (Bunge 1987), das bereits 1959 in erster Auflage erschienen war, nimmt auf Hayek keinen Bezug, und auch Hayeks Arbeit von 1972, deren originale Version in der von Bunge edierten Popper-Festschrift von 1964 erschienen war (vgl. Hayek 1964), hat er meines Wissens nie zitiert. In der Tat tut Bunge so, als verdanke er Hayek wenig, wenn er ihn in erster Linie als konservativen Okonomen, als epistemologischen Subjektivisten und als einen radikal-ontologischen Individualisten wahmimmt (und verurteilt). Hayek seinerseits ging, soweit ich dies nachvollziehen kann, weder auf Bunges Friihwerk, noch auf seiner spateren Schriften zur Logik der Soziawissenschaften, soweit er sie noch kennen konnte, ein. Zu den Ausnahmen gehoren z.B. Boudon 1999a, Mackert 2004, Pickel 2004, SchmidtWellenburg 2005 und Kron 2005. Dem eiligen Leser sei die kurze Zusammenfassung seiner Ideen in Bunge 2001, S. 99-137 empfohlen. Aus philosophischer Sicht haben neben Bunge vor allem Rom Harre und Roy Bhaskar - letzterer mit Bezug auf Bunges Kausalitatsverstandnis - zur Klarung der Frage beigetragen, ob es sich auszahlt, wenn sich die Sozialwissenschaften auf Erklarungen mit Hilfe von Mechanismen einlassen (vgl. Harre 1979, Bhaskar 1975); diese Forschungen haben ihrerseits Nancy Cartwrights an den Naturwissenschaften und der mathematischen Okonomie geschulte Erklarungstheorie beeinflusst, die desgleichen vorschlagt, Gesetze durch Mechanismen zu ersetzen, wobei die Erklarung eines Systemgeschehens auf die jeweils unter andersartigen Umstanden verschieden sich aktualisierenden „capacities" der Systemeinheiten (oder sozialwissenschaftlich: auf die Handlungsfahigkeiten von Akteuren) zuruck greift. Vgl. fur diese Einflusslinie, die die Soziologie bislang kaum erreicht hat, Schmid 2005 und Schmid 2005a. Pickel 2004, S. 172ff halt Merton - wie ich denke: zu Recht - fiir einen Vorlaufer Bunges, wenngleich Bunge Merton in seinem Kausalitatsbuch noch nicht zitiert. Vgl. Merton/Barber 2001, S. 258; gemeint sind Bunge 1991, Bunge 1999 und Bunge 2001. Vgl. Bunge 1996, letzte Umschlagseite

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derem in kritisch-positiver Auseinandersetzung mit Mertons Werk - das Idealbild einer erklarenden Soziologie verteidigt hatte^^^. Urn Bunges Vorstellung zur Logik soziologischer Erklarungen aus seinem erschreckend umfangreichen Werk^^^ herauszudestillieren, ist es hilfreich, sich vor Augen zu fiihren, dass sich seine Erklarungstheorie aus drei zusammenflieBenden Quellen speist: aus seiner Theorie der Kausalitat, seiner systemtheoretischen Ontologie und seiner Ablehnung des Hempel-Oppenheimschen Erklarungsschemas. Bereits in seiner frtihen, mittlerweile als „Klassiker" eingestuften Studie zum „Problem der Kausalitat" pladiert Bunge fur die Notwendigkeit, den Begriff der „Kausalitat" als eine Form der „Aktivitat" und des „Hervorbringens"^'^^ und damit im Rahmen (bzw. in der Form) eines „genetischen Prinzips"^^^ zu explizieren. Kausalitat ist nur insofern der Erkenntnis zuganglich und damit fur ein empirisches, an der Erfahrung orientiertes Wissenschaftsverstandnis tauglich, als es gelingt, einen „Mechanismus des Werdens"^^^ bzw. einen „Mechanismus der Veranderung"^^^ zu entdecken. Wenn man eine kausale Erklarung derartiger Veranderungen geben mochte, dann sind theorielose Aufzahlungen von Einzelursachen zu vermeiden zugunsten der Erhellung der „inneren Mechanismen"^^"^ eines interdependenten, systemisch zu beschreibenden Geschehens, das zugleich als extern verursachter und als „sich selbsterhaltender Prozess" verstanden werden kann^^^. Solche Mechanismen mtissen entsprechend „extrinsische Ausloser" ebenso beriicksichtigen wie die „innere Struktur, Wechselwirkung und Selbstbewegung"^^^ eines durch derartige genetische Prinzipien vorangetriebenen Systemprozesses, wobei die rekursiven Folgen des Systemverlaufs flir das regelhafte „Muster des Geschehens" nicht iibersehen werden dlirfen.

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Vgl. Nagel 1961, S. 449f und passim. Bunge seinerseits zeigt sich dadurch erkenntlich, dass er Mertons „Struktursoziologie" wiederholt als beispielgebend fur sein eigenes Soziologieverstandnis zitiert, vgl. Bunge 1998, Bunge 1999. Einer sicherlich nicht mehr aktuellen Zahlung folgend hat Bunge etwa 80 zum Teil mehrbandige Biicher (allerdings inklusive deren Ubersetzungen) und rund 400 Artikel veroffentlicht. Bunge 1987, S. 10 Bunge 1987, S. 27 Bunge 1987, S. 149 Bunge 1987, S. 82. Man beachte, dass „Kausalitat" (jedenfalls defmitorisch) nicht mit der Identifikationsmoglichkeit von (induktiven) „Verallgemeinerungen" gleichgesetzt wird, obgleich deren (immer fraglich bleibendes) Wirken offenbar nur anhand von „regelmaBigen Mustem" entdeckt werden kann. Bunge 1987, S.176 Bunge 1987, S. 217. Damit makuliert Bunge - wie auch Daniel Little es tun wird - die an der Kausalmethodologie Mills orientierte „Philosophy of History"; vgl. zu den wichtigsten Eigenheiten dieser „Methode" Mandelbaum 1977, S. 80ff Bunge 1987, S. 221 Vgl. Bunge 1987,8.221 Bunge 1987, S. 176

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Solche Regelhafligkeiten des Geschehens und die damit verbundenen (allerdings immer fraglich bleibenden^^^) Anzeichen dafur, dass den Abfolgen von Systemereignissen „Gesetze" zugrunde liegen^^^, wird man - zumal in den Sozialwissenschaften^^^ - allerdings nur dann entdecken konnen, wenn man (idealisierende bzw. es gegenuber - jederzeit mogliche - StorgroBen „isolierende"^^^) „theoretische Modelle" dieses Systemgeschehens erstellt, die sich nicht in der Erfassung statistischer Korrelationen von Makrovariablen erschopfen diirfen, sondern durch „eine Analyse der inneren Mechanismen der sozialen Entwicklung"^^^ zu erganzen sind, die ihrerseits erklaren, wie diese „statistischen Ergebnisse (hervorgebracht werden)"^^"^. Dabei soUte der Sozialtheoretiker nicht aus den Augen verlieren, dass seine Modellbildung^^^ an der „Hervorbringung realer Ereignisse"^^^ interessiert bleiben muss, da eine nicht-realistische Interpretation des Kausalitatsprinzips keinen erkenntnislogischen Sinn ergibt^^^. Damit wendet sich Bunge - auch vor dem Hintergrund der These, dass politische und praktische Interventionen auf realistische (und entsprechend wahre) Theorien angewiesen sind^^^ - nachdrucklich und mit einer iiber die Jahrzehnte unverminderten Verve gegen jede anti-realistische Auffassung des Erkenntnisprozesses^^^. 179

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Diese Fraglichkeit resultiert aus „Coumoteffekten" (Bunge 1987, S. 308), der „Dialektik" sozialgeschichtlicher Vorgange (Bunge 1987, S. 305) und der Planungsunbestimmtheit und Ergebnisoffenheit menschlichen Handelns (Bunge 1987, S. 306f), nicht aber aufgrund (echter) stochastischer Prozesse; von solchen kann nur die Rede sein, solange man den generativen Mechanismus kennt, der mit der Wahrscheinlichkeit p x „hervorbringt" und mit der Wahrscheinlichkeit 1-p nicht-x(vgl. Railton 1981). Ich fiirchte, dass ich Bunge (wie zuvor Hayek) den Vorwurf nicht ersparen kann, dass diese epistemologische These von der Erkennbarkeit von Gesetzen anhand der durch sie „hervorgebrachten" RegelmaBigkeiten, noch jenem Humeschen Gesetzesverstandnis verhaftet bleibt, das einem angemessenen Verstandnis der Erklarungsbedeutsamkeit von Mechanismen insofem im Wege steht, als wir uns darauf gefasst machen mussen, dass Mechanismen auch so wirken konnen, dass sich Regelhafligkeiten des von ihnen „verursachten" Geschehens nicht werden beobachten lassen. Der daraus resultierenden Nachfi-age, woran w^ir dann den nomologischen Charakter von Mechanismen erkennen konnen, gehe ich dadurch aus dem Weg, dass ich - offenbar in Gegensatz zu Bunge - weder die Nomozitat von Mechanismen noch deren „Kausalitat" behaupte. Vgl. dazu Bunge 1987, S. 304ff Vgl. Bunge 1987, S. 144ff Bungel987, S. 310 Bunge 1987, S. 310. Damit wendet sich Bunge wie spaterhin andere (z.B. Little, Coleman, Esser, Mayntz, Hedstrom und Swedberg oder Mahoney) deutlich gegen die sogenannte „Variablensoziologie", in der faktoranalytisch fundierte „KausaImodelle" mit Hilfe und auf der ausschlieBlichen Ebene statistisch erhobener Verteilungs- oder Makromerkmale verfertigt werden, vgl. Bunge 1998, S. 141, Bunge 1999, S. 28, 64 u.a. Vgl. zu deren Rahmenbedingungen Bunge 1987, S. 39, 144f, 372ff Bunge 1987, S. 313 (meine Sperrung) Vgl. Bunge 1987, S. 65, 150, 172, 268, 278. Zum unausweichlichen Realismus (jeder) wissenschaftlichen Theoriebildung vgl. Bunge 1967a, S. 157ff, 291ff, 488ff; zum Realismusproblem in den Sozialwissenschaften vgl. Bunge 1993 und die (verstreuten) Bemerkungen in Bunge 1996 und Bunge 1999. Bunge 1998, S. 297 Vgl. Bunge 1967, S. 291ff

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Wie angedeutet, klingt bereits in seinem Frtihwerk die Notwendigkeit an, realistische und theoriefahige Modellanalysen als Systemanalysen zu betreiben. Bunge hat diesen Gedanken spaterhin zu einer globalen Ontologie bzw. einem „systemic worldview"^^^ ausgearbeitet, die auch die Ausformung einer Theorie der Gesellschaft - inhaltlich wie methodologisch - anleiten sollen^^\ wobei er auch in diesem Fall nicht mlide wird, die realistischen Grundzuge dieses Vorhabens gegen jede Form des hermeneutisch-phanomenologischen Subjektivismus^^^ bzw. des wissenssoziologischen Konstruktivismus^^"^ zu verteidigen. Bunge unterteilt zum Zweck einer derartig anlegten soziologischen Theoriearbeit - ganz im Sinne der gangigen soziologischen Systemtheorie^^"^ - das Gesellschaftssystem in verschiedene „Subsysteme" (Okonomie, Kultur und Politik), denen jeweils eigenstandige Formen von Sozialbeziehungen zugrunde liegen, die im Rahmen einer an Mertonsche Vorgaben angelehnten Sozialstrukturanalyse konzeptualisiert und beschrieben werden soilten^ ^^, wobei er die schwankende Stabilitat bzw. die Wandlungsanfalligkeit und Evolutionsfahigkeit der solchen Strukturen zugrunde liegenden „social bonds" zum zentralen Erklarungsproblem (der Soziologie) deklariert^^^. Zur naheren Analyse der Transformationsbedingungen „sozialer Systeme" ist es ratsam, sie als Beziehungsformen zu betrachten, die durch ein systemtheoretisch abgeleitetes Faktorenbundel, bestehend aus: „Gruppenmitgliedschaft" (von Akteuren), „Umwelt" (oder Kontext), „Beziehungsstruktur" und „the mechanism or the process that make it (das Sozialsystem) tick"^^^, defmiert werden konnen, wobei die Kennzeichnung derartiger Mechanismen jede reduktionistische Ubertreibung, zu der seiner Auffassung nach der Methodologische Individualismus neigt^^^, ebenso meiden sollte wie den holistischen Fehlgriff, Struktur- und Verteilungsverhaltnisse als „autonomous social forces"^^^ misszuverstehen^^^. Bunge betont die notwendige Suche nach solchen Mechanismen vor allem deshalb, weil deren Bearbeitung - wie in seinem Kausalitatsbuch bereits angedeutet - im Zentrum seiner Erklarungsauffassung steht^°^ Entsprechend apodiktisch behauptet er, „to explain a fact is to exhibit its

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Vgl. Bunge 1979, S. 245ff Vgl. Bunge 1979, S. 186ff, Bunge 1979a, Bunge 1996, S. 264ff Vgl. Bunge 1993, Bunge 1996, S. 326ff Vgl. Bunge 1999, S. 173ff Vgl. zu dieser Denkrichtung Schimank 1996, Schimank 2005a; kritisch dazu verhalt sich Schwinn2001. Bunge verwendet dabei Begriffe wie „Klasse", „Status", „Rolle" und „Norm" (Bunge 1998, S. 66ff), freilich ohne das Niveau einer gehaltvollen (und prufbaren) Modellbildung zu erreichen. Vgl. Bunge 1979, S. 235ff Bunge 1998, S. 61, 105 So noch jiingst Bunge 2001, S. 99ff Bunge 1998, S. 65 Vgl. im Zusammenhang Bunge 1979a, Bunge 1996, S. 24Iff Wichtig ist ihm auch die zutreffende Einsicht, die ich hier nicht weiter diskutiere, dass man in das soziale Geschehen nur dann kontrolliert und entsprechend verantwortlich eingreifen kann, wenn man die ihm zugrunde liegenden Mechanismen kennt, vgl. Bunge 1998, S. 439ff, Bunge 1999, S. 24 u.a.

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underlying mechanism(s)"^°^; d.h. auch, dass jede „Verallgemeinerung" fur ihn nur insoweit explikative Kraft hat, als die Existenz eines Mechanismus vorausgesetzt werden kann, der mit hinreichender Genauigkeit beschreibt^^^, wie er sie „produziert". Diese These, die in alien Bereichen wissenschaftlicher Erklarungen Gtiltigkeit beansprucht, hat zwei StoBrichtungen: Zum einen richtet sie sich gegen die vereinfachende Sicht des Hempel-Oppenheim-Schemas, wonach ein Ereignis zu erklaren heiBen mtisse, es aus einer nomologischen Verallgemeinerung abzuleiten^^"^. Dem halt Bunge entgegen, dass nicht jeder Verallgemeinerung ein nomologischer Charakter zukomme, in welchen Fallen sich ein Explanandum allenfalls unter sie „subsumieren", nicht aber mit ihrer Hilfe erklaren lasst^^^. Erklarungskraft und damit Gesetzescharakter gewinnen Verallgemeinerungen nur dann, wenn sie einen zumeist „versteckten"^°^ Mechanismus und d.h. im Fall sozialwissenschaftlicher Erklarungen: einen hintergriindigen oder subkutanen „social mechanism"^^^ beschreiben, dessen „modus operandi"^^^ verstandlich macht, auf welchem kausalen Weg das erklarungsbediirftige soziale Phanomen entsteht, besteht oder vergeht. D.h. Mechanismen zeigen, wie ein Explanandumsachverhalt realiter „bewirkt" wird oder wie er sich „gesetzmaBig" und (infolge eines „change mechanism"^^^) empirisch nachweisbar umgestaltet oder transformiert^^^. Derartige „mechanismischen Erklarungen"^^ ^ erhellen phanomenologisch oder statistisch-korrelativ (und damit nur oberflachlich) gegebene Zusammenhange und helfen so bei der Erklarung, „how things work"^^^. Zugleich verftigen sie in dem Sinne uber „Tiefe"^^^, als sie die (grundsatzlich) verdeckte „Verfassung" und jjStruktur"^^"^ bzw. den „internen Prozess"^^^ des beobachtbaren Geschehens (und dessen Verteilungsfolgen) angeben. Mechanismische Erklarungen sind mithin informativer und bestimmter als mechanismusfreie Verallgemeinerungen, kurz: Sie stellen deren informations- und gehalt202 203 204 205 206

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Bunge 1996,S.137 Bunge 1998, S. 75 Vgl. Bunge 1964, 1967 II, S. 17ff; fiir die Soziologie vgl. Bunge 1996, S. 143f, Bunge 1998, S. 74f, Bunge 1999, S. 18ff Vgl. Bunge 1999, S.49ff Vgl. Bunge 1964, Bunge 1999, S. 27ff. Mechanismen werden (mit Hilfe kuhner Hypothesen) entdeckt und nicht aus Beobachtungen induziert, weshalb der iiberkommene Empirizismus derartige mechanismischen Erklarungen zugunsten von „Black box"-Analysen abzulehnen pflegt, vgl. Bunge 1964, Bunge 1999, S. 28f. Zugleich gibt es Bunges Meinung folgend mehrere Durchleuchtungsgrade solcher „schwarzer Schachteln", vgl. Bunge 1964, S. 235 u.a., Bunge 1967a, S. 508ff. Bunge 1996, S. 138, Bunge 1999, S. 19, 55ff Bunge 1999, S. 18 Bunge 1996, S. 142 Vgl. fur diese dreifache Forderung nach „Konkretheit", „Gesetzmafiigkeit" und „empirischerNachweisbarkeit" Bunge 1996, S. 138 und Bunge 1999, S. 47. Bunge 1996, S. 144, 1999, S. 19 Bunge 1967a, S. 513 Vgl. dazu Bunge 1967a, S. 506ff Bunge 1964, S. 236, 240 Bunge 1964, S. 236

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reichere Tiefenerklarung bereit, indem sie zur Erklarung einer Regelhaftigkeit auf den mikroskopischen Prozess verweisen, als dessen Resultat diese als eine emergente, makroskopische Struktur identifiziert und verstanden werden kann^^^. In logischer Folge hiervon sind mechanismische Theorien als „Multi level"-Theorien^^^ zu verstehen, die in Kontrast zu phanomenologischen Einebenentheorien zumindest zwei ontologisch getrennte Ebenen mit Hilfe zumindest eines Mechanismus miteinander verkniipfen^^^. Im Kontext des systemischen Denkens, das Bunge seiner Weltsicht zugrunde legt, betont er andererseits aber auch die umgekehrte Notwendigkeit, das mikroskopische Geschehen unter Angabe der Grenzen und Voraussetzungen zu erklaren, die ihm durch „strukturelle Merkmale"^^^ bzw. „social constraints"^^^ gesetzt sind. Entsprechend unterscheidet er „bottom-up-explanations" von „Top-down-Erklarungen"^^^ Diese Unterscheidung ist fur die soziologisciie Erklarungspraxis insbesondere deshalb von Relevanz, weil sich mit ihrer Hilfe das ebenso altehrwurdige wie mit zahlreichen Missverstandnissen verbundene Mikro-Makro-Problem behandeln lasst. Bunge halt zu dessen Losung zwei Gesichtspunkte fest: Zum einen sollte man jedes „soziale Faktum" (und damit a fortiori auch jedes „soziale System") in letzter Instanz als ein (emergentes und kollektives) Resultat der Handlungen individueller Akteure betrachten^^^, wahrend umgekehrt diese Handlungen (auch) durch die strukturellen Vorgaben oder sozialen Restriktionen verursacht werden. Handlungsgenerierende Ursachen fmden sich demnach auf beiden Ebenen der Systemanalyse, „causes are of the micro, as well as of the macro kind"^^^. 216 217 218

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Vgl. allgemein Bunge 1967a, S. 34ff und - auf die Soziologie gemiinzt - Bunge 1996, S. 44ff, Bunge 1998, S. 72ff, Bunge 1999, S. 24; fur den Zusammenhang zwischen Erklaren und Verstehen vgl. Bunge 1996, S. 150ff Bungel999, S. 38 Bunge wird an dieser Stelle Hempel nicht gerecht, da auch Hempel darauf besteht, dass jede Erklarungslogik „verschiedene Ebenen" unterscheiden und darauf bestehen muss, „the inner mechanism of the phenomenon" zu durchleuchten (vgl. Hempel 1965, S. 259), so dass Bunges These, Hempels Schema sehe nur (einfache) „Subsumptionserklarungen" vor, unrichtig ist. Dieser Einwand wird auch dadurch nicht treffender, dass viele - auch der nachfolgend behandelten Autoren - ihn ubemommen haben. Natiirlich muss man festhalten, dass Hempel seine Einsicht nicht verfeinert (oder vertieft) und seine Erklarungslogik daraufhin (auch) nicht revidiert hat. Bungel998, S. 73 Bungel998, S. 76 Vgl. Bunge 1996, S. 145ff, Bunge 1998, S. 72ff, Bunge 1999, S. 48f Bunge lasst im Unklaren, wie sich seine Unterscheidung zweier „Kausalmechanismen", die einmal auf der Basis von Energietransfers und zum anderen vermittels „triggering signals" funktionieren (vgl. Bunge 1999, S. 27), mit diesen beiden Erklarungsformen in Beziehung setzten lasst. Unstrittig ist nur, dass Mechanismen „lawfur' sein mussen (vgl. Bunge 1996, S. 138), was allerdings nicht abschliefiend klart, ob sie Gesetze „darstellen" oder aber - wie ich es geme sahe - „enthalten", vgl. fiir Details Schmid 2005a, Schmid 2006a und den vierten Abschnitt der vorliegenden Arbeit. Vgl. Bunge 1996, S. 145, Bunge 1999, S. 62 Bunge 1996, S. 145. Den mittlerweile auflauchenden Hinweisen, wonach es sich lohnt, zwischen einer „energetisierenden" Kausalitat (des motivierten Handelns) und einer „restringierenden" Kausalitat, die das Handeln in bestimmte Richtungen kanalisiert (oder „lenkt"), oh-

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Damit aber entsteht die Frage, wie man sich deren Verhaltnis vorzustellen hat. Bottom-up-Erklarungen sind offenbar darauf ausgelegt, das „Entstehen" emergenter Strukturen aus dem individuellen Handeln der Akteure zu erklaren, wohingegen strukturelle Beschrankungen erklaren, weshalb den Akteuren bei der Planung und Durchfuhrung ihres Handlungsvorhabens nicht alle Moglichkeiten offen stehen^^"^. Bunge besteht (zugestandenermaBen zu Recht) darauf, dass diese beiden Erklarungsschritte parallel vorgenommen werden (mussen) und einander wechselseitig 225

erganzen . Aber gibt es auch Verbindungen zwischen Wirkfaktoren, die man ausschlieBlich auf der Makroebene lokalisieren kann bzw. ursachliche Verkniipflingen zwischen Ereignissen auf der Mikroebene? Bunges Antwort auf die erste Frage ist eindeutig und im Rahmen seiner eigenen Voraussetzungen letztlich unproblematisch; ganz unmissverstandlich verwirft er die Meinung vieler Strukturtheoretiker^^^, dass es haltbare Makrogesetze, d.h. empirisch bestatigungsfahige Annahmen tiber nomologische Zusammenhange zwischen Makrofaktoren (oder Verteilungsstrukturen) geben konne. Vielmehr halt er entsprechende Behauptungen allenfalls fiir (rein phanomenologische oder kinematische) „Beschreibungen"^^^, die nachgerade keinen Mechanismus ansprechen und denen insoweit keine explanatorische Bedeutung zukommt. Uneindeutiger hingegen fallt sein Urteil tiber die Moglichkeit nomologischer Zusammenhange auf der Mikroebene aus. Zum einen mochte er - solange die Mikroebene durch das Handeln der Akteure defmiert ist - die Bearbeitung von Mikro-Mikro-Beziehungen der Psychologic uberlassen^^^, zum anderen vermeidet er es augenscheinlich, sich darauf festzulegen, dass alle makroskopischen Zusammenhange handlungstheoretisch aufzuklaren sind, bzw. er lasst auf der erklarungsnotwendigen Tiefen- oder Mikroebene Beschreibungen zu, die aus der Sicht einer (konsequent) mikrofundierenden Handlungstheorie als makroskopische Faktoren betrachtet werden mlissten^^^, was beides dann zu Deutungsschwierigkeiten fuhrt, wenn man (wie er selbst betont) daran festhalten mochte, dass jede Erklarung von Strukturphanomenen (wenigstens in letzter Instanz) auch dann auf das Handeln der Akteure zurtickgreifen muss, wenn dieses durch Makrofaktoren beschrankt oder gepragt bzw. in bestimmte Richtungen kanalisiert wird. Ich denke, dass man zur Klarung der Sachlage die - von Bunge selbst angesprochene^^^ - Regel einfuhren kann, derzufolge eine Mikrofundierung nur insofern als abgeschlossen (oder „vollstandig") gilt, als auch die makroskopischen Zusammenhange handlungstheoretisch

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ne es „anzuschieben" oder zu „determinieren" (vgl. Lloyd 1993), geht Bunge, soweit ich sehe, nicht nach. Ich werde auf diese Frage noch zuriickkommen (mussen). Vgl. Bunge 1996, S. 146f, Bunge 1999, S. 54 Vgl. Bunge 1996, S. 147, Bunge 1998, S. 73 Ein prominentes Beispiel fiir diese Sichtweise in der Sozialtheorie gibt Blau 1977 und Blau 1994. Bunge 1996, S. 149 Vgl. Bunge 1996, S. 145 Vgl. Bunge 1999, S. 62f Vgl. Bunge 1998, S. 77

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„mikroreduziert"^^^ worden sind, die man, um den behaupteten Zusammenhang als eine plausible „systemic explanation"^^^ verstehen und bewerten zu konnen, nicht unbedingt und in alien Einzelheiten auf die Handlungen einzelner Akteure und deren Kombinationen zuriickverfolgen musste^"^^ Vielleicht hat Bunge auf die ausgiebige Verteidigung (und Vertiefung) einer solchen Kegel auch deshalb verzichtet, weil er sich zur Frage, welche Handlungstheorie er zur Mikrofiindierung benutzen mochte, nur undeutlich auBern kann. Auffallend ist nur die Vehemenz^^"^, mit der er sich gegen einige der vorliegenden Vorschlage wendet: So kritisiert er wiederholt die Neigung soziologischer Erklarungen, einseitig subjektivistisch-idealistisch oder vornehmlich materialistisch zu verfahren^^^, und mochte diese nur augenscheinlich auseinander laufenden Aspekte der Sozialanalyse in einer Theorie der „menschlichen Gesellschaft" integriert wissen, die den Akteur (zugleich) als zielgeleiteten „homo faber" und planungsbewussten „Manager" betrachtet, der sich mit Hilfe sozialer Beziehungen die Ressourcen seines tJberlebens zu beschaffen weiB^^^. Daneben sind ihm aber auch Mikrofimdierungen mit Hilfe der Rational Choice-Theorie bzw. einer allgemeinen Entscheidungstheorie hochst verdachtig^^^. Tatsachlich halt er beide fur diesen Zweck alleine deshalb fur untauglich, weil er sie als empirisch falsch, formal pratentios, ja pseudowissenschaftlich, sozialstrukturell unterkomplex und, indem sie „Gefuhle" und „Lernen" unberiicksichtigt lassen, als unvollstandig und entsprechend unzulanglich einstuft. Aber auch der Spieltheorie, die sich bemliht, (zumindest die Logik oder die Opportunitatsstruktur von) Handlungsinterdependenzen zu modellieren, 231

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Vgl. Bunge 1996, wo er (mehrfach) den Begriff der „Mikroreduktion" verwendet. Diese Begriffswahl ist ungliicklich, da Bunge aus der Perspektive seiner (emergentistischen) Systemontologie „Reduktionen" grundsatzlich skeptisch gegentiberstehen miisste; tatsachlich lehnt er etwa Homans Reduktionsprogramm, das darauf zahlt, alle moglichen Struktureffekte mit Hilfe weniger Verhaltensthesen erklaren zu wollen, als einen unrealistischen „Traum" ab, vgl. Bunge 1996, S. 243ff Bunge 1996,S.150 Nach Coleman 1979 ist das dann der Fall, wenn Kollektive Trager von Rechten sind, und Mayntz (1997, S. 168ff) verteidigt die - wie ich noch zeigen werde, nicht immer unproblematische - These, dass man dann auf Mikroflindierungen (ganzlich) verzichten kann, wenn Korporationen als homogene Entscheider aufgefasst werden kOnnen. Mit den Anforderungen eines strengen Methodologischen Individualismus ist ein solches Vorgehen sicher nicht vereinbar, was Bunge aber gleichgultig sein kann, weil er diese Lehre verwirft. So verweigert er diesen Ansatzen jede Chance, sich als „idealisierende Modelle" zu verstehen, die sich bewusst auf die Vemachlassigung bestimmter Faktoren einlassen, um die daraus resultierenden Effekte um so besser im Auge behalten zu konnen. Insbesondere Beckers „okonomische Theorie des Verhaltens" fmdet keinerlei Gnade, vgl. Bunge 1998, S. 83ff Die Grtlnde dafiiir scheinen, wenn ich Bunges Eifer richtig einordne, mit dem er seine Position bezieht und verteidigt, eher sozialpolitische als methodologische zu sein, denn tatsachlich halt er die Konstruktion „idealisierter Modelle" bisweilen fur durchaus „typisch" fiir das wissenschaftliche Vorgehen, vgl. Bunge 1998a, S. 78. Vgl. Bunge 1996, S. 282ff. Weitere Frontlinien eroffnet Bunge gegen den gangigen sozialwissenschaftlichen Intuitionismus, Empirizismus und Pragmatismus (verschiedener Herkunft). vgl. Bunge 1996, S. 305ff. Vgl. Bunge 1979, S. 188ff Vgl. Bunge 1996, S. 359ff, Bunge 1998, 79ff, S. 315ff, Bunge 1999, S. 87ff

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findet kein Erbarmen; auch ihr wirft er vor, sie sei unrealistisch, aus ahnlich gelagerten Griinden wie die Rational- und Entscheidungstheorien unvoUstandig und ohne Erklarungskraft, pseudomathematisch, und am Ende unmoralisch, weil sie den Akteuren allenfalls eigensuchtige Motive unterstellen konne^^^. Dem gegeniiber neigt Bunge zu einer Alternative^^^, die leider unausgearbeitet bleibt, wie er selbst zugesteht^"^^, und die deshalb nicht abschliefiend beurteilt werden kann. Da er an der Entwicklung einer planungsrelevanten bzw. interventionstragfahigen „Praxeologie" interessiert ist, modelliert er den Akteur - wie dies auch Hayek vorschlug - als eine intentionale, absichts- und erwartungsgeleitete und durch ihr Handeln kausal wirkmachtige, memorierungs- und lernfahige und zugleich begrenzt informierte „Person"^'^\ die den nicht-intendierten Folgen ihres Handelns und damit dem moglichen Scheitern ihrer Vorhaben ebenso ausgesetzt ist wie den opportunistischen Nachstellungen ihrer Mitakteure und dem orientierungsund verhaltenspragenden Einfluss festgefiigter Traditionen und Normen bzw. den materiellen Beschrankungen ihrer Handlungssituation. Bunge investiert zwar einigen Aufwand in die Definition der Grundbegriffe seiner „Akteurtheorie", wird aber kaum behaupten wollen, dass derartige Formalisierungen empirisch eindeutiger interpretiert werden konnten als die zugegeben vagen, wenn nicht zwielichtigen Wahrscheinlichkeitsunterstellungen und Nutzenargumente der Rationaltheorie; bedauerlich, ja erkenntnishinderlich - infolge seiner Fundamentalkritik an Rationaltheorien aber vielleicht verstandlich - ist auch, dass er auf jede nahere Bestimmung der „Produktionsftinktion" des individuellen Handelns verzichtet und damit versaumt, dem Handeln seiner „Personen" eine optimierbare Richtung zu unterlegen; von gleich zweifelhaflem Wert diirfte sein Liebaugeln mit neurophysiologischen Mikroerklarungen sein^"^^, mit deren Hilfe er zur „Alltagspsychologic" und zur mentalistischen Interpretation der soziologischen Handlungstheorie gleichermaBen Abstand halten will. Offenbar halt er beide Traditionen fiir vorwissenschaftlich, wogegen sich andere Autoren mit einigem Recht wehren^"^^. Ich kann diesen Streit im vorliegenden Zusammenhang (selbstverstandlich) nicht schlichten und beschranke mich stattdessen auf den Hinweis, dass Bunges Entwurf einer „Theorie der Person" gleichzeitig zu unvoUstandig und zu ambitios ist, in unzureichender Weise zu viele und zu komplexe Faktoren und Zusammenhange kontroUieren

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Vgl. Bunge 1989, Bunge 1998, S. 176ff, 389f Vgl. Bunge 1979, S. 161ff, 170ff, Bunge 1998, S. 306ff Bungel998, S. 315 Bunge 1998, S. 464 Vgl. Bunge 1967, S. 249, Bunge 1979, S. 125ff, Bunge 1996, S. 139 u.a. Vgl. zur Verteidigung der „folkpsychology" Jackson/Pettit 1990 und zur Berechtigung einer mentalistischen Theorie des „Geistes" und damit zur Grundlegung eines auch fur die soziologische Handlungstheorie verwertbaren „Mentalismus" Gadenne 1996, S. 90, Gadenne 2004; dort S. 92 direkt gegen Bunge gewendet.

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mochte, auf deren empirische Aufarbeitung wir nicht warten konnen, wenn uns die (erklarungsbedurftige) Wirkweise „sozialer Mechanismen" interessiert^'^'^. Tatsachlich kann man zu diesem Zweck einen besser ausgeleuchteten und gangbareren Weg einschlagen, der in die Richtung fuhrt, die Daniel Little ausgeschildert hat.

2.3 Mikrofundierung und „kausale Mechanismen": Daniel Little Daniel Little ist hauptamtlich als Philosoph und Wissenschaftstheoretiker beschaftigt, verfugt allerdings uber den uberaus seltenen Vorteil, sich auch als Experte fiir Fragen der sozialwissenschaftlichen Theoriebildung profiliert zu haben^"^^. Er hat seine tJberlegungen zu den „verschiedenartigen Formen sozialer Erklarung"^"^^ zwar offenbar unabhangig, um nicht zu sagen: in Unkenntnis von Bunges Vorschlagen entwickelt, dabei aber eine Position bezogen, die man als eine zusammenfassende Prazisierung und punktuelle Korrektur Bungescher Ideen - zumal zur „sozialen Kausalitat" - verstehen kann, die in besonderem und fruchtbringendem MaBe auf sozialwissenschaftliche Erklarungsprobleme zugeschnitten ist^"^^. Dass er damit zumindest das Interesse Bunges hat gewinnen konnen, zeigt der Tatbestand, dass Little eine Auswahlsammlung seiner wesentlichen Arbeiten zur Logik der mikrofundierenden Sozialwissenschaften in einer von Bunge betreuten Reihe hat erscheinen lassen konnen^"^^, was man sicher als eine Art der Lizenzierung seines Vorhabens durch den „Meister" verstehen darf. Littles LFberlegungen nehmen ihren Ausgang in der Frage, in wie weit die „human sciences" zu Recht als „wissenschaftlich" gelten konnen^"^^ und konzentrieren sich auf die Vermutung, dass eine tragfahige Antwort vor allem davon abhangen wird, ob sie liber eine angemessene Theorie der Erklarung verfugen. Trotz der offenkundigen Vielfalt entsprechender Verfahrensvorschlage^^^ hofft Little zeigen zu konnen, dass alien sozialwissenschaftlichen Forschungsprogrammen ein „cluster" gemeinsamer Erklarungsprobleme zugrunde liegt, deren Ausarbeitung zu ihrer Vereinheitlichung beitragen konnte. Wie nicht anders zu erwarten, beginnt der Autor seine Analyse der sozialwissenschaftlichen Erklarungsproblematik mit einer kurzen Rekapitulation der Hempelschen Erklarungstheorie^^^ die er nur insoweit akzep244 245 246 247 248 249 250 251

Ich furchte, dass wir - so berechtigt der Vorschlag sein mag - auch nicht warten konnen, bis alle soziologischen Theorien formalisiert sind, vgl. zu dieser Forderung, der sich viele Vertreter eines mechanismischen Erklarungsideals anschlieBen, Bunge 1970. Vgl. Little 1986, Little 1989; jUngst hat sich Little Fragen der okonomischen Entwicklung und ethischen Problemen der intemationalen Verteilungspolitik zugewandt, vgl. Little 2003. Vgl. den Titel von Little 1991 Das gilt auch fur die Geschichtsschreibung, vgl. Little 2000. Vgl. Little 1998 Vgl. Little 1991, S. 1 Little (1991, S. 1) spricht von der "methodological cacophony". Vgl. Little 1991, S.3ff

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tiert, als sich die von Hempel als unabdingbar fiir eine gelingende Erklarung eingestuften nomologischen Verallgemeinerungen (oder Gesetze) als Aussagen daruber verstehen lassen, dass die im Explanandum eines Erklarungsarguments beschriebenen singularen Ereignisse oder Regelhaftigkeiten als die empirische Konsequenz „of the underlying structure or mechanisms"^^^ gedeutet werden konnen. D.h. Little erkennt an, dass die Sozialwissenschaften wie alle empirisch-theoretischen Wissenschaften nur dann Erklarungen liefern, wenn sie auf Gesetze zurtickgreifen konnen, halt aber zugleich fest, dass diese nur erklarungstauglich sind, sofern sie sich nicht auf die Benennung von „induktiven Regelhaftigkeiten"^^^ beschranken, sondern dabei helfen, den Mechanismus ausfindig zu machen, der die betreffende Regelhaftigkeit hervorbringt (oder ^produziQvt'^^'^). Damit wendet er sich gegen zwei Verfahren, die die sozialwissenschaftliche Theoriebildung tiber Jahrzehnte hinweg dominiert, aber - wie auch andere mit steigendem Missfallen vermerken^^^ - zu keinem erkennbaren Ergebnis gefiihrt haben: Zum einen kritisiert er die Gleichsetzung von Erklarungen mit komparativen Kausalanalysen, wie sie im Gefolge der methodologischen Ratschlage von John St. Mill betrieben wurden (und noch immer werden), wobei das Hauptaugenmerk eines der Millschen Analysetechnik verpflichteten Erklarungstheoretikers auf den Nachweis der relativen Bedeutsamkeit von notwendigen und/oder hinreichenden Bedingungen (eines zu erklarenden, singularen Sachverhalts) gerichtet ist^^^. Allerdings hat sich gezeigt, dass diese vergleichende Suche nach der Kausalwirksamkeit unterschiedlicher „Faktoren" bedauerlicherweise nur dann zu einem Abschluss ftihrt, wenn man zum einen alle Ursachen kennt, was in den Sozialwissenschaften nicht unterstellt werden kann, und wenn zugleich eine Theorie zu Rate gezogen werden kann, die tiber die Erkldrungsrelevanz bestimmter Kausalfaktoren informiert, woriiber Sozialwissenschaftler (vor allem Historiker), die sich der Millschen Methode anvertrauen, (in aller Regel) nicht verfugen^^^. Folgt man demgegenuber Little, dann kann man Ursachen nur insoweit identifizieren, als (wie sich noch zeigen wird: handlungs-) theoretisch aufgeschltisselte Mechanismen bekannt sind, die angeben, welche der das Handeln bestimmende Faktoren welche (individuellen und/oder kollektiven) Konsequenzen nach sich ziehen^^^. Aber auch der verbreitete Versuch, die Mangel der Millschen Methode durch die Entwicklung korrelationsstatistisch gestiitzter Kausalmodelle zu beheben, fmdet keinesfalls Littles Zustim-

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Little 1991, S. 7 Little 1991,8.25 Little 1991, S. 14 Vgl. zum ersten Verfahren etwa Mandelbaum 1977, S. 101 und Kiser/Hechter 1998, zum zweiten Hoppe 1983, Esser 1996, Esser 2004, S. 19ff und Hedstrom/Swedberg 1996 Vgl. Little 1991, S. 25ff Vgl. Little 1998, S. 191ff, 215ff. Dafiir, dass dies der Fall ist, sprechen zwei Tatbestande: Zum einen soil die Millsche Methode in vielen Fallen dazu dienen, die giiltige Theorie erst zu entdecken, und zum anderen wird man keine Wirkursachen identifizieren konnen, wenn man zu diesem Zweck nicht-existente Makrogesetze konsultiert. Little 1991,8.21

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mung^^^. Das Argument gegen solche Verfahren ist auch ihren Verteidigern bekannt: Statistisch und damit induktiv gewonnene Korrelationen enthalten keine zwingenden Informationen uber das Vorliegen von Ursachen bzw. GesetzmaBigkeiten. Zwar kann man solche Verfahren zum Test von (unabhangig von ihnen gewonnenen) (Gesetzes-)Hypothesen verwenden^^^; gelungene Erklarungen korrelativ gesicherter Zusammenhange aber sind an den Nachweis gebunden, dass sie durch Hypothesen liber den ihnen zugrunde liegenden Mechanismus, aufgrund dessen sie entstehen und bestehen, zumindest erganzt werden konnen^^^ Oder anders: das statistische Erklarungsverstandnis, wonach die Erklarung eines (sozialen) Phanomens heiBt, dass sein Vorkommen (im Rahmen und unter der Voraussetzung beobachtbarer Randbedingungen) als Anwendungsfall einer unterlegten statistischen Regelhaftigkeit gelten kann, ist fehlerhaft und muss zugunsten der Auffassung zurticktreten, dass Erklarungen nur auf der Grundlage theoriegeleiteter Annahmen tiber die (handlungsvermittelte) Wirksamkeit allgemeiner und „generativer" Mechanismen gegeben werden konnen^^^. Dass derartige Mechanismen als testbare und korrekturfahige allgemeine Hypothesen, wenn auch nicht als aus Einzelbeobachtungen induzierte „Generalisierungen" im Hempelschen Sinne angeboten v^erden, bedarf im Rahmen des von Little verteidigten und an Poppers Falsifikationslehre geschulten Wissenschaftsverstandnisses keiner gesonderten Erwahnung^^^. Welche Konsequenzen ergeben sich aus dieser Kritik fiir die Erklarungsaufgabe der Sozialwissenschaflen? Soweit ich sehe, geht Daniel Little von den folgenden Pramissen aus: Zunachst legt er sich darauf fest, dass das primare Erklarungsziel der Sozialwissenschaflen darin besteht, nicht einzelne Handlungsereignisse, sondern die Genese und Veranderung von „macrostates"^^'^ bzw. „social phenomena" zu erklaren^^^. Das damit verbundene Problem besteht darin, dass sich eine „pure social causation from macrostate to macrostate" nicht nachweisen lasst^^^, d.h. reine „macroexplanations" existieren (demnach) nicht^^^. Der Grund dafur liegt darin, dass „there are no processes of social causation that are autonomous from regularities of individual action"^^^. Oder anders: Es ist nicht richtig, dass es „soziologische Gesetze" in dem Sinne, in dem wir von „Naturgesetzen" sprechen, gebe^^^; in logischer Konsequenz dieser tjberzeugung kann das Hempelsche Modell subsumptiver Erklarung in den Sozialwissenschaften keine sehr weitreichende Bedeutung besitzen^^°. Auch wird man diesen Mangel nicht durch die Etablierung frmktionalisti259 260 261 262 263 264 265 266 267 268 269 270

Vgl. Little 1991, S. 159ff Vgl. Little 1991, S. 173 Vgl. Little 1991, S. 175 Vgl. Little 1991, S. 172 Vgl. Little 1991, S. 22. Auch Renate Mayntz und Hartmut Esser werden diesen Gesichtspunkt der „Verallgemeinerungsfahigkeit" von mechanismischen Modellierungen betonen. Little 1998, S. 198 Little 1991, S. 16 Little 1998, S. 198 Little 1991, S. 183, 196 Little 1991, S. 19 Vgl. Little 1998, S. 210 Vgl. Little 1998, S. 238

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scher Erklarungen kompensieren wollen, denn derartige Erklarungen sind nur in dem Umfang gultig, in dem sie zeigen konnen, dass die erklarungsrelevanten Funktionen durch einen Kausalmechanismus „created and reproduced" werden^^^ - sei es infolge eines Selektions- oder eines Gleichgewichtsprozesses^^^, wobei vorausgesetzt bleibt, dass auch solche Prozesse nur erklarungsdienlich sind, wenn man die ihnen zugrunde liegenden, handlungsbasierten Produktions- und Verteilungsmechanismen kennt; die Suche nach diesen „causal mechanisms" durch (induktive) Beobachtungsverallgemeinerungen oder „dichte Beschreibungen" zu ersetzen, sieht Little - wie here its angedeutet - nicht vor^^^. In Konsequenz dieser Festlegungen verteidigt Little seine zentrale These, „that macroexplanations in social science require mircofoundation. This doctrine maintains that macroexplanations of social phenomena must be supported by an account of the mechanisms at individual level through which the postulated social process, work"^^"^. Diese These von der Notwendigkeit handlungstheoretisch fundierter Erklarungen von Struktureffekten unter Rekurs auf „social mechanisms"^^^ impliziert die Akzeptanz eines richtig verstandenen - und d.h. auch: eines von den Bungeschen Missverstandnissen unbehelligten - Methodologischen Individualismus', der die „Autonomie des Sozialen"^^^ beachtet und in der Folge auf jede (begriffliche oder theoretische) Reduktion „sozialer Phanomene" zugunsten einer Analyse der (mechanismisch geordneten) Wege verzichtet^^^, auf denen individuelle Akteure darauf hinwirken, dass bestimmte Makrozustande, die sich umgangssprachlich als „kollektives Handeln", als „Verteilungsstrukturen", „Sozialsysteme" oder „Institutionen"^^^ aber auch als „Produktions-" oder „Beziehungsverhaltnisse" kennzeichnen lassen^^^, entstehen, sich verandern oder sich auflosen. Diese „These der Mikroflindierung"^^^ erfordert drei Erlauterungen: Zunachst soUte man sich darum ktimmern, mit Hilfe welcher Theorie das einen Mechanismus pragende, individuelle Handeln erklart werden soil, sodann ist zu klaren, welche logische Form ein mikroflindierendes Erklarungsargument haben muss, und endlich ist das Problem zu bearbeiten, welche epistemologische (oder besser: erkenntniskritische) Deutung man einem solchen Argument geben kann. Die erste Frage beantwortet der Autor (ganz) eindeutig: Ihm scheint eine Entscheidungstheorie geeignet, die Last der Mikrofundierung zu tragen, die er als Theorie einer „broadened practical rationality" einfiihrt^^^ Eine solche Theorie ahnelt

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Little 1991, S. 99, vgl. auch S. 5ff Vgl. Little 1998,8.208 Vgl. Little 1998, S. 237 Little 1998, S. 10 Little 1998, S. 59ff Little 1991, S. 195 Vgl. Little 1991, S. 189, Little 1998, S. 12 Vgl. Little 1991, S. 183 Vgl. Little 1998, S. 3ff, 29ff, 81ff, 103ff, 203 u.a. Vgl. Little 1998, S. 3ff, 125f u.a. Little 1998, S. 92ff

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der Simonschen Theorie „begrenzter Rationalitat"^^^ bzw. der Senschen „Volitional choice"-Theorie^^^, d.h. sie lehnt sich an die umfangliche Tradition der Rational Choice-Theorie an^^"^, vermeidet aber deren - zumal in der neoorthodoxen Okonomie gebrauchlichen - Ubertreibungen, indem sie darauf verzichtet, den Akteuren vollstandige Informiertheit oder die ungetrubte Fahigkeit, Nutzenwerte zu vergleichen, zu unterstellen; auch behauptet Littles „thin theory of action"^^^ nicht die moralische Insensibilitat der Akteure und meidet damit die (immer wieder zu Recht kritisierte) These, die Akteure seien unfahig, die Nutzeniiberlegungen anderer in ihre Handlungsplanung einzubeziehen, oder gar dazu gezwungen, in alien Lebenslagen ihren maximalen Nutzen zu Lasten anderer zu verfolgen. Sie halt aber daran fest, dass sich Akteure auf der Basis von Nutzen- und Kostenerwagungen entscheiden miissen, welcher ihrer (immer) moglichen und beachtenswerten Handlungsalternativen sie den Vorzug geben wollen, und dass dieses individuelle Entscheidungsverhalten (nomologischen) „regularities"^^^ folgt. Zu diesem Zweck werden Akteure als Agenten modelliert, deren Handlungswahlen durch ihre Ziele („goals"), ihre Uberzeugungen („beliefs") und ihre Fahigkeiten („powers") bzw. durch eine diese GroBen verbindende Handlungsflinktion bestimmt sind^^^, deren aktuelle Auspragung ihrerseits durch die Opportunitaten und Restriktionen der jeweiligen OSS

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Entscheidungssituation mitgestaltet wird ; dabei scheint die Klasse der Phanomene, die auf die Handlungsentscheidungen der Akteure einwirken konnen, (auch flir zuktinftige Forschungen) relativ offen zu sein^^^. Diese Form der Entscheidungstheorie hat einen doppelten Vorteil. Zum einen enthalt sie Hinweise darauf, wie das Wahlhandeln der Akteure durch die Situation, in der sie agieren miissen, beeinflussbar ist^^\ und zum anderen zwingt sie (den Theoretiker) zu solchen Situationsbeschreibungen, die ihre Anwendbarkeit sicherstellen^^^. Darin liegt keine Beschrankung, sondern auf diesem Weg eroffnet sich die Moglichkeit, einen „formal account of the structure of rational decisionma282 283 284 285 286 287

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Vgl. Little 1998, S. 101 fiir eine kurze Sichtung des Simonschen Vorschlags Vgl. Sen 2002, S. 158ff Vgl. dazu unmissverstandlich Little 1991, S. 39ff, Little 1998, S. 81ff u.a. Little 1998, S. 83 Little 1991, S. 19 u.a. Vgl. Little 1998, S. 245f. An anderer Stelle mochte Little "incentives, opportunities, powers (and) information" berucksichtigt wissen (vgl. Little 1998, S. 206) bzw. "goals, beliefs (and) rules of choice" (Little 1991, S. 45); es sollte moglich sein, diese Listen zu vereinheitlichen. Vgl. Little 1998, S. 84 Damit sind materielle wie kulturelle Faktoren angesprochen, was heifit, dass nicht alle Handlungszusammenhange das „Verstehen" semantisch-kultureller Handlungsvorgaben erfordern (vgl. Little 1991, S. 68ff). Little sieht zugleich weder, dass die Verstehensproblematik die sozialwissenschaftliche Hypothesenbildung behindem muss (vgl. Little 1991, S. 7Iff), noch ergeben sich flir ihn - was ich zustimmend registriere - aus der Kulturgebundenheit menschlicher Weltsichten erkenntnisrelativistische Konsequenzen (vgl. Little 1991, S. 202ff). Vgl. Little 1991, S. 16 Vgl. Little 1998, S. 246 Vgl. Little 1991, S. 44

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king"^^^ zu geben, der die ansonsten unkontroUierte Vielzahl der Interdependenzverhdltnisse klaren kann, innerhalb derer die Akteure ihr Handeln derart aufeinander abstimmen mlissen, dass die handlungssteuernden „sozialen Mechanismen" sich bilden und ihre Wirksamkeit entfalten, und in deren Gefolge sich die Makrozustande produzieren und reproduzieren, die den Theoretiker interessieren. Diese Uberlegungen erleichtern die Beantwortung der zweiten Frage (nach der logischen Form mikrofundierender Erklarungen) deuthch: Die Logik des mikrofundierenden Erklarungsarguments muss - wie auch Hayek und Bunge anregen komplexer angelegt sein als das „Covering-Law-Modell" der Erklarung suggeriert. Sicher wird man den Komplexitatsgrad einer Erklarung nicht abstrakt und d.h. unabhangig davon bestimmen konnen, wie und unter welchen Voraussetzungen reale „Mikromechanismen"^^'^ wirken, wohl aber ist herleitbar, dass, um ihre Wirkungsweise zu erhellen, zwei Teilprozesse bekannt sein mtissen^^^: Zum einen benotigen wir Wissen darliber, angesichts welcher „lokaler Umstande" die Akteure sich zu handeln entscheiden, und zugleich, welcher „Aggregierungsprozess" ihre verschieden Handlungen so miteinander in Beziehung setzt, dass der zu erklarende Makroeffekt realisiert werden kann. Sofern die Akteure in einem sozial geregelten Zusammenhang agieren, muss zu diesem Zweck (tiberdies) zum einen die „logic of institution"^^^ geklart werden, die die Akteure gerade dadurch herstellen und reproduzieren, dass sie ihren eigenen Zielen in interdependenten, aber genormten Zusammenhangen nachgehen (mussen)^^^; es kann deshalb nicht Wunder nehmen, dass sich der Theoretiker dazu gezwungen sieht, sich die dabei wirkmachtige „social causation" als einen zirkularen Prozess vorzustellen^^^, in dessen Verlauf sich die handlungsleitenden Normen im Gefolge des an ihnen orientierten Handelns (differenziell) reproduzieren. Zum anderen aber muss er auch eine Vorstellung dartiber entwickeln, wie aufgrund der eben dadurch bestehenden Beziehungsformen jene Makrozustande als Kollektivfolge des (interdependent geregelten) Entscheidungshandels einer Vielzahl von Akteuren entstehen (oder produziert werden konnen). Jede mikroflindierende Erklarung zerfallt demnach in zwei Teilerkldrungen: In eine Erklarung der Tatsache, dass Akteure ihre Ziele in Abhangigkeit voneinander und von ihrer jeweiligen (normativ geregelten) Handlungssituation verfolgen mtissen, und eine - wie sie Little nennt - : „Aggregierungserklarung"^^^ der daraufhin erwartbaren Kollektivfolgen des (gemeinsamen) Handelns, wobei der Autor - wie gezeigt - daran festhalt, dass diese beiden Erklarungsschritte durch die Applikation einer (moderierten, die Fallstricke der okonomischen Neoklassik vermeidenden) Rational Choice-Erklarung des Handelns der Akteure - und damit durch einen drit293 294 295 296 297 298 299

Little 1991, S. 44 Little 1998, S. 245 Vgl. Little 1998, S. 10 Little 1998, S. 42 Nicht zu Unrecht halt Little - ganz im Gegenteil zu Bunge - die Spieltheorie fur ein geeignetes Analyseinstrument fur derartige Interdependenzrelationen, vgl. Little 1991, S. 5Iff. Wie wir sehen werden, sind auch Boudon, Lindenberg, Mayntz und Esser dieser Meinung. Little 1998, S. 204 Little 1991, S. 40ff

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ten Erklarungsschritt - verbunden oder aufeinander bezogen werden mussen. Es diirfte deshalb nicht abwegig sein, ihm eine Auffassung vom logischen Aufbau eines sozialwissenschaftlichen Erklarungsarguments zu unterschieben, die sich von dem, was - wie wir noch sehen werden - James Coleman vorschwebt^^^, nicht wesentlich unterscheidet. Ihr Inhalt jedenfalls ist unzweideutig: „The mechanisms through which social causation is mediated turn on the structured circumstances of choice of intentional agents, and nothing else''^^^. Die erklarungsnotwendigen „sozialen Mechanismen" konnen in der Folge nur dann als „Kausalmechanismen"^^^ aufgefasst werden, wenn „the mechanism that links cause and effect are typically grounded in the meaningfiil, intentional behavior of individuals"^^^. Die Kausalitat des Vermittlungsmechanismus hangt demnach auch dann von der (nomologisch gesteuerten) Kausalwirkung des zielgerichteten Handelns der Akteure ab, wenn er durch externe, materielle Umstande angestoBen oder durch Verteilungszustande und „macrostates" (aktuell oder ruckwirkend) mitgestaltet oder kanalisiert wird, und wenn man, um von der anfanglichen Handlungs- bzw. Akteurskonstellation zum interessierenden „Endeffekt" zu gelangen, mehrere solcher Argumente (biindeln oder) aneinander anschlieBen muss. Damit bekennt sich Little zu der wissenschaftslogischen These, dass mechanismische Erklarungen dazu in der Lage sein mussen, das beachtungswurdige kollektive Explanandum (auch liber mehrere Stufen hinweg) aus dem Handeln der Akteure heraus zu erklaren, wobei alle erforderlichen Erklarungsschritte dieser, wie Bunge sie nennen wtirde: „Tiefenerklarung" die Form eines (iibergreifenden logischen) Arguments annehmen mtissen, das erlaubt, die Satze uber die jeweils interessierende Makrozustande als eine logische Folge von verschiedenen Handlungspramissen und jenen Struktur- bzw. Situationsbeschreibungen (auch iiber ihre mechanismisch geregelten Interdependenzen) zu betrachten, welche die situationsspezifische Anwendung der betreffenden Handlungsannahmen sicherstellen^^"^. Auch bei der Beantwortung der dritten Frage (nach dem Realismus der sozialwissenschaftlichen Erklarungspraxis) mochte der Autor keine Zweifel aufkommen lassen. Epistemologische Pramisse jeder handlungstheoretisch geleiteten Untersuchung der Wirkung und Funktionsweise sozialer Mechanismen (und deren Makroeffekte) ist die Anerkennung der Tatsache, dass reale und theoretisch nachweisbare „causal powers"^^^ identifiziert werden konnen. Dabei verteidigt Little ein disposi-

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Vgl. zur „Dreierschritterklarung" Coleman 1986a, Coleman 1987 und Coleman 1990, S. Iff; auch Esser schlieBt sich ihr an. Little 1998, S. 203 (meine Sperrung) Vgl. Little 1991, S. 15ff Little 1991, S. 16 Vgl. Little 1998, S. 206ff Ich glaube, aus Little herauslesen zu konnen, dass er zwei Arten der Kausalitat unterscheidet: Eine „schwache" Kausalitatsform, die den Einfluss der Handlungssituation auf die Ziele, Uberzeugungen und Handlungschancen der Akteure beschreibt (vgl. Little 1998, S. 203 f), und eine „starke", die betont, dass die Akteure iiber die „powers" und „capacities" verftigen, ihre Situation zu pragen, zu gestalten und zu verandern. In der zitierten Definition flieBen diese beiden Bedeutungsaspekte (leider) ineinander. Es miisste geklart werden, ob

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tionales Kausalitatsverstandnis, wenn er schreibt: „To have a causal power is to have a capacity to produce a certain kind of outcome in the presence of appropriate antecedent conditions"^^^. Vor dem Hintergrund der oben diskutieren Auffassung Littles daruber, was als ein „sozialer Kausalmechanismus" gelten kann, muss dies heiBen, dass die „causal powers" in den (mit einiger Sicherheit durch soziale Beziehungen und die materialen Umstande der Handlungssituation ebenso mitgestalteten wie aktualisierten) Handlungsfahigkeiten intentionaler Akteure zu suchen sind^^^. Zwar werden, aufgrund des dispositionalen Charakters derartiger „Kapazitaten", die sie pragenden Mechanismen zumeist verdeckt und hintergriindig^^^ agieren; d.h. aber nicht, dass man auf eine realistische Interpretation ihrer Wirkmachtigkeit verzichten konnte^^^. Man kann - wie bereits Bunge betont hatte - keine Thesen liber die „Effektivitat" kausaler Zusammenhange behaupten und diese zugleich als „ideale Konstruktionen" verstehen wollen, die mit der Wirklichkeit, die sie zu beschreiben vorgeben, nichts zu tun haben, und die nicht vor dem Hintergrund entsprechender GesetzmaBigkeiten „sichtbar" gemacht werden konnen^^^, weshalb sich Little auch vehement dafiir einsetzt, die Suche nach Mechanismen als Beleg fur den Sinn eines „causal realism" werten zu diirfen^^\ Damit bindet der Autor die sozialwissenschaftliche Theoriebildung an eine objektivistische und realistische Methodologie^^^, die davon ausgeht, dass unsere Theorien wahrheitsfahige^^^ Aussagen darstellen, die man anhand ihrer logischen Implikationen (empirisch) priifen kann^^^. Wegen der Vielzahl kausaler Zusammenhange freilich wird es aussichtslos sein, eine „single unifying theory"^ ^^ anzustreben, die alien Bildungs- und Wandlungsvorgangen zugleich gerecht wird; stattdessen diirfte - wofiir auch (vor allem) Renate Mayntz, aber auch Hartmut Esser argumentieren (werden)

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und wie sich diese These von den zwei Kausalitaten mit der Unterscheidung der beiden Wirkgrofien zur Deckung bringen lasst, die Lloyd (1986 und 1996) verteidigt. Little 1998, S. 205 Vgl. Little 1991, S. 18 Little 1998, S. 46 Vgl. Little 1998, S. 197ff Damit nehme ich einen Einwand vorweg, der von Psillos (2002, S. 196) gegenuber der Auffassung von Nancy Cartwright formuliert wurde. Ich glaube, dass sich weder Little noch Cart-wright oder - wie wir noch sehen werden - Fararo mit der Berucksichtigung von dispositionalen Kapazitatserklarungen auBerhalb einer erkenntnisrealistischen Position stellen. Dazu gehort auch das Zugestandnis, dass eine naturalistische, mikrofundierende Erklarung, wie solche Kapazitaten (bio- oder neurologisch) zustande kommen und ihrerseits ihre Wirkung entfalten, nicht ausgeschlossen werden darf (vgl. Gadenne 1996, Psillos 2002, S. 192ff; Mantzavinos 2006). AUerdings kann sich das hier und nachfolgend skizzierte Erklarungsprogramm darauf beschranken, von der nicht weiter zu problematisierenden Existenz entsprechender Handlungsfahigkeiten auszugehen. Dass die handlungstheoretischen Grundterme eine dispositional „basis property" besitzen, ist immer wieder behauptet worden, vgl. Tuomela 1977, S. 103ff Little 1998, S. 197ff,245 Vgl. Little 1998, S. 173ff, besonders S. 178 Nach Little 1998, S. 249 haben sie „a true theory of the underlying causal mechanism" im Auge. Little 1998, S. 187 Little 1998, S. 198

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- die „eklektische" Modellierung einzelner, lokal wirksamer Interdependenzmechanismen einen grofieren Erkenntnisertrag versprechen; oder aber das Interesse eines Beobachters richtet sich - wie Boudon anregte - auf „historische Partikularitaten"^^^, zu deren Erklarung ggf. eine Mehrzahl ganz heterogener Mechanismen Verwendung finden kann. Daniel Littles dem epistemologischen Realismus und einer Methodologie kritischer Priifling verpflichtete Systematisierung der wesentlichen Grundzuge einer „mechanismischen Erklarung", hat - im Gegensatz zu den Bemtihungen von Friedrich von Hayek und Mario Bunge - zumal die deutsche Soziologie bislang offenbar nicht erreicht. Das ist insoweit bedauerlich, als ich das bei Little sichtbare Problembewusstsein - trotz des (in FuBnote 305 angesprochenen) Vorbehalts gegen ein Detail seiner Kausalauffassung und trotz seiner (wenigstens begrifflich) unzulanglichen Unterscheidung zwischen der erklarungsnotwendigen Theorie des Handelns und deren AmNQndMngsmodellen - gerne voraussetzen mochte, um in einem ersten Schritt den Beitrag zu durchleuchten, den Robert K. Merton zur Begriindung des „mechanismischen Denkens" in der Soziologie vorgelegt hat, auf das sich letztlich alle der nachfolgend zu besprechenden Autoren zur Begriindung und Erlauterung ihrer eigenen Vorschlage zur mechanismischen Erklarungslogik beziehen^^^.

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Vgl. Little 1991, S. 227 So vor allem Coleman, Boudon, Hedstrom und Swedberg und in weit engeren Grenzen Lindenberg, Fararo, Esser und Mayntz.

3 Mechanismen in der soziologischen Theorie

3.1 Individuelle Entscheidung und „strukturelle Selektion": Robert K. Merton Anfanglich schwankte die Deutung von Mertons Beitrag zur Theoriegeschichte der Sozialwissenschaften vornehmlich zwischen zwei Polen: Wahrend die einen jede einheitliche Theorienperspektive vermissten^^^, sahen andere in ihm die groBe Synthese klassischer soziologischer Themen und Theorien^^^. Dass Robert K. Merton ein Theorieprogramm verteidigt, das sich - wie er selbst betont - eng (zumal) an die (Bungeschen) Vorstellungen einer mechanismischen Erklarungsheuristik anlehnen kann, ist hingegen erst in jiingerer Zeit bemerkt worden, nachdem sich einige seiner Aniianger und Schiller der Klarung der Frage zuwandten, wie eine methodisch vertretbare und fruchtbringende soziologische Erklarungspraxis auszusehen habe^^^. Im Verlauf dieser veranderten Rezeptionsperspektive trat immer deutlicher zu Tage, dass sich dem Mertonschen Werk die folgenden Leitlinien entnehmen lassen^^^: Mertons Forschungsprogramm nimmt seinen Ausgang in einer einfachen (mentalistischen) Handlungstheorie, die auf jeden behavioristischen und naturlich aus der Zeit ihrer Entstehung heraus verstandlich - neurophysiologischen Reduktionismus verzichtet und darauf zahlt, dass sich das Handeln eines Akteurs mit Hilfe intentionalistischer Pramissen als „verstandlicher Sinnzusammenhang"^^^ beschreiben und erklaren lasst^^^. Diesen Vorgaben zufolge gilt ein Akteur als zielgerichteter Entscheider, der absichtsvoll und durch seine Erfolgsaussichten motiviert eine seiner wahrgenommenen Handlungsalternativen auswahlt. Vollstandig informiert iiber seine Handlungssituation und die Folgen seines Tuns ist der Akteur nicht, weshalb ihm auch nicht zu Bewusstsein kommen muss, dass er zwischen einer grundsatzlich beschrankten Anzahl von Handlungsalternativen wahlen muss. Diese

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Vgl. Bierstedt 1981, S. 487ff Vgl. Sztompka 1986, S. 258 Vgl. Stinchcombe 1993, Hedstrom/Swedberg 1996a. Davon unten mehr. Vgl. die Rekonstruktion in Schmid 1998, S. 71ff, Pawson 2000 und Mackert 2004. Fur die (verschiedenen) Bestandteile der Mertonschen Handlungstheorie vgl. Merton 1976, S. 109ff und 145ff. Stinchcombe (1975, S. 28) behauptet, sie (wenigstens) implizit entdecken zu konnen, wahrend Coleman (2000, S. 71) vermerkt, Merton habe versaumt, sie „explizit in die Sozialtheorie wieder einzufiihren", und sich statt dessen zu sehr auf strukturelle Zusammenhange und deren Wiederholbarkeit kapriziert, die ohne eine handlungstheoretisch grundierte Absicherung vermittels eines entsprechenden Mechanismus keineswegs verstandlich ist. Merton 1976, S. 148 (von Merton deutsch zitiert) Dass solche Erklarungen individuellen Handelns aus situativ beschrankten oder (sozial) gepragten Intentionen und Absichten einen (nomologischen oder) Kausalcharakter haben konnen, kann man Merton unterstellen; Bunge 1999, S. 46 gesteht dies ebenso zu wie Little, Esser, Lindenberg und andere Vertreter eines mechanismischen Erklarungsprogramms. Ausgearbeitet hat Merton seine Theorievorstellung bedauerlicherweise nie, weshalb naturlich Zweifel moglich bleiben.

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Beschrankungen resultieren zu einem Gutteil daraus, dass seine moglichen Ziele kulturell vorgepragt sind; daruber hinaus wird sein Handlungserfolg regelmaBig aber auch dadurch behindert, dass er nicht in alien Fallen iiber die zieldienlichen Ressourcen (oder „opportunities") verfugt. Derart mangelhaft ausgestattet, sehen sich die Akteure iiberdies dem Problem gegeniiber, ihren Handlungserfolg im Rahmen vorgegebener, normativ regulierter und nur fallweise beeinflussbarer sozialer Beziehungen suchen zu mtissen, womit der Spielraum ihrer Wahlen zusatzlich eingegrenzt ist. Erklarbar ist diese Begrenzung durch die Tatsache, dass diese Beziehungen (ihrerseits) eine „soziale Struktur" defmieren, in der die Akteure bestimmte, normgeregelte Positionen einnehmen^^"^, welche ihr Handeln liber Rtickkoppelungen und wechselwirksame Externalitaten derart miteinander verzahnen, dass die eigenen Handlungsmoglichkeiten wie die der ubrigen Akteure zugleich kanalisiert und beschrankt werden. Ihr strukturvermitteltes, gemeinsames Handeln unterliegt demnach in alien Fallen einem unausweichlichen Interdependenzdruck. Das Erklarungsproblem, dem Merton mit Hilfe einer derartigen Theorie des begrenzt rationalen und Strukturzwangen ausgesetzten Handelns nachgeht, ist infolge dieser wechselseitigen Abhangigkeiten nicht (ausschlieBlich) durch eine Rekonstruktion individueller Entscheidungsprozesse der einzelnen Akteure zu losen; vielmehr erfordert es die Beantwortung die Frage, wie und in welchem Umfang angesichts verschiedenartig gelagerter Beziehungs- bzw. Strukturformen Handlungsarten und -raten variieren bzw. angesichts welcher struktureller Mechanismen „Regelhaftigkeiten des Verhaltens"^^^ zu beobachten sind. D.h. Merton unterstellt, dass sich die Akteure fur ein bestimmtes Handeln entscheiden mlissen, und mochte untersuchen, mit welchen Haufigkeiten sie bestimmte Handlungsformen auswahlen, wenn sie dies unter angebbaren strukturellen Zwangen tun mtissen, bzw. welche kollektiven Verteilungsstrukturen sich einstellen, wenn eine (in der Regel unbestimmte) Vielzahl von Akteuren sich unter wechselseitig interdependenten Umstanden auf eine kennzeichnungsfahige Handlung festlegt, oder wie Arthur L. Stinchcombe formulierte: „The core process that Merton conceives as central to social structure is the (individual)^^^ choice between socially structured alternatiAllerdings endet Mertons Argument an dieser Stelle noch nicht: Dass die Akteure sich unter strukturellen Restriktionen entscheiden, hat zur zwingenden Folge, dass sie spezifische Handlungsverteilungen und kollektive Externalitaten produzie324 325 326 327

Vgl. Merton 1967 Merton 1964^ S. 60 Meine Erganzung Stinchcombe 1975, S. 12; Merton hat diesen Satz mehrfach zustimmend zitiert, vgl. z.B. Merton 1976, S. 124. Stinchcombe weist (an derselben Stelle) iiberdies darauf hin, dass sich Mertons Sicht von der Zugangsvv^eise der okonomischen Handlungstheorie ebenso unterscheide wie von den Grundannahmen der Lemtheorie - d.h. die Mertonsche Theorie besteht nicht darauf, dass soziales oder kollektives Handeln vollstandig informiert oder „effektiv" verlauft, wie wenig sie daran interessiert ist, es unter Verweis auf die verstarkungswirksamen „Stimuli" der Handlungssituation zu erklaren; es muss jedenfalls auffallen, dass Merton Homans an keiner Stelle seines Werkes behandelt.

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ren, die sich im nachsten Schritt erneut als kanalisierungswirksame Einschrankungen ihrer Handlungswahlen auswirken werden. Ob sich diese Verteilungsstrukturen in der Zeit verschieben oder gleich bleiben, ist abhangig davon, in welchen Beziehungen die Akteure zueinander stehen und welche Abstimmungsprozesse zwischen ihnen infolgedessen moglich sind. Mit Blick auf die Repetitivitat der sozialen Verhaltnisse beschreibt Merton diese Abstimmungsmechanismen bisweilen als Prozesse der „soziaien Kontrolle"^^^. Ich glaube, dass man berechtigt ist, diese Kontrollen als „Mechanismen der Handlungsselektion"^^^ zu betrachten, die daflir sorgen, dass sich infolge der Restriktionswirkung einer vorliegenden Sozialbeziehung (und der damit verbundenen Ausstattung der Akteure) nur bestimmte Handlungswahlen ergeben bzw. dass iiber die Zeit und auf unbestimmte Dauer betrachtet, an sich mogliche Entscheidungen unterbleiben; d.h. Abstimmungsmechanismen selegieren bestimmte Handlungen (bzw. deren Haufigkeiten) in differenzieller Weise und eroffnen und verbauen damit zugleich weitere Handlungsmoglichkeiten, was seinerseits richtungsbestimmend auf das nachgelagerte Selektionsgeschehen zurtickwirkt. Die auf der Mikroebene analysierbaren Handlungswahlen einer Vielzahl strukturell unterschiedlich lokalisierter und (liber die wechselweise Zumutung von Externalitaten) zugleich interdependenter Akteure schlagen sich auf der Makroebene entsprechend als „social distribution (i.e. concentration and dispersion) of authority, power, influence, and prestige" nieder, die infolge von (differenziellen) „processes of accumulation of advantage and disadvantage accruing to people occupying different positions in that structure"^^^ zustande kommen oder sich verandern^^\ Wie und mit welchen Verteilungsergebnissen diese Selektionsmechanismen verlaufen, hangt davon ab, welche Ziele die Akteure verfolgen, welche (institutionalisierten) Regeln den unterschiedlichen Selektionsprozessen zu Grunde liegen und davon, welche nur teilweise antizipierbaren Folgewirkungen daflir sorgen, ob ein eingespielter Mechanismus sich erhalt oder unter Veranderungsdruck gerat. Merton variiert diese drei Faktoren zwar nicht mit hinreichender Folgerichtigkeit und Systematik, kann aber eine Reihe ebenso beispielhafter wie plausibler Analysen dariiber vorlegen, wie Handlungsentscheidungen, Abstimmungsmechanismen und deren funktionalen bzw. dysflinktionalen KoUektivfolgen selektiv zusammenwirken. Die ohne Zweifel beriihmteste dieser Analysen diirfte seine Anomie-Studie^^^ darstellen, die sich indessen durch seine ubrigen Untersuchungen unschwer 328 329

330 331 332

Vgl. Merton 1976, S. 124, Merton 1964^ S. 157, Merton 1964^ S. 180 u.a. Merton verwendet den Begriff „Mechanismus" spatestens in seiner Studie zur „funktionalen Analyse" (vgl. Merton 1964^, S. 19ff) und in seiner Referenzgruppentheorie (vgl. Merton 1964^ S. 371 und Merton 1967, S. 43, wo von „social mechanisms" die Rede ist). „Selektion" hingegen bezeichnet einen strukturellen Mikroprozess, der die situativen Bedingungen nennt, unter denen Akteure eine bestimmte Handlung (erfolgreich) durchfuhren konnen und an den sie sich durch die Ausbildung unterschiedlicher Dispositionen „anpassen". Hartmut Esser hingegen spricht spaterhin von „Selektion", um den innerpsychischen Entscheidungsprozess zu bezeichnen. Dass beide Prozesse durch Strukturmodelle verknupfl werden milssen, habe ich (im ersten Abschnitt) erwahnt. Merton 1976, S. 124 Vgl. Merton 1976, S. 125 Vgl. Merton 1964^ S. 13 Iff

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erganzen und erweitern lasst. Seine Modelliiberlegungen gehen in alien Fallen von der Tatsache aus, dass die zu untersuchenden Akteure meinen, das kulturell vermittelte und durch wechselseitigen Zuspruch legitimierte Ziel verfolgen zu sollen, nach Reichtum und Geld zu streben oder wahlweise nach „authority, power, influence and prestige"^"^"^, aber auch nach Liebe und Heiratschancen^^"^, Fortkommen und Karriere^^^ oder nach dem Ruhm, als wissenschaftlicher Erstentdecker gelten zu dtirfen^^^ u.a. Tatsachlich resultiert aus diesen Zielvorgaben insoweit ein Problem fur die Akteure, als sie offensichtlich den Erwerb von sogenannten Positionsgutern"^^ im Auge haben, die sich dadurch auszeichnen, dass jeder Einzelne sie (optimal) nur erwerben und genieBen kann, wenn andere sich ihrer nicht oder - falls es sich um teilbare Gtiter handelt - nur in geringerem Umfang (oder in minderem Wertmass) erfreuen konnen, was wiederum zur zwingenden Folge hat, dass die Rivalitat ihres Konsums zumal solange zunimmt, als die Menge der „Kontestanten" steigt^^^. Eine Gesellschaft, die derartige Ziele flir erstrebenswert halt, wird sich erwartbarerweise durch vielgestaltige Verteilungskonflikte^^^ ebenso auszeichnen wie durch die unausrottbare Neigung ihrer Akteure, sich zur Durchsetzung ihrer Erwerbs- und Erfolgsinteressen illegitime Vorteile zu verschaffen^'*^. Merton beschreibt diese Verteilungsproblematik deutlich als Resultat von „discrepancies between culturally induced personal aspirations and patterned differentials in access to the opportunity structure"^'^^ die vermittels Konkurrenz-, Kampf- und Ausscheidungsprozessen oder durch macht- und institutionengestutzte Redistributions- bzw. Belohungs- und Zuweisungssysteme wenigstens auszugsweise kontroUiert und reguliert werden mtissen, wenn die „competitive order"^"^^ erhalten bleiben soil, welche die gesellschaftliche Verteilung der Positionsgliter (selbstverstandlich keinesfalls immer und uberall erfolgreich) in geregelten und damit legitimen Bahnen halt. In unabwendbarer Folge derartiger (mit unterschiedlichem Nachdruck geregelter) Verteilungsmechanismen kann nicht verhindert werden, dass es Verlierer und „Entfremdete" gibt^"^^, wie wenig sich die Sieger des Verteilungskampfes (bei gegebenen Freiheiten, tiber ihren Gewinn verfiigen zu dlirfen) daran werden hindern lassen, die gewonnenen Pramien in den weiteren Ausbau ihrer herausragenden Position zu investieren, womit sich ihre Wettbewerbschancen auf die Dauer und im Durchschnitt verbessern und die verteilungsbediirftigen Guter (bei weiterhin ungestorter Distributionsdynamik) in den Handen (immer) weniger Akteure akkumulie-

333 334 335 336 337 338 339 340 341 342 343

So seine eigene Aufzahlung, vgl. Merton 1976, S. 124 Vgl. Merton 1976, S. 217ff Vgl. Merton 1964^ S. 195ff Vgl. Merton 1973, S. 439ff, Merton/Barber 2001 Unter diesem Rubrum diskutiert Merton seinen Untersuchungsgegenstand bedauerlicherweise nicht, vgl. dazu vor allem Hirsch 1980 und neuerdings Frank/Cook 1995. Vgl. Frank/Cook 1995, S. lOlff Vgl. Mertonl976, S. 124 Vgl. Merton 1976, S. 125 Merton 1976, S. 125 Merton 1964^, S. 153 Vgl. Merton 1964^ S. 153

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ren^"^"^. D.h. jede Verteilung von Positionsgtitern tendiert zu ihrer eigenen Verstarkung und Erhaltung und kann nur unter hohem kollektivem Aufwand verhindert Oder zuriickgenommen werden. Auf der anderen Seite neigen die potenziell benachteiligten Wettbewerber, wenn sie nicht einer dauerhaften jjOemoralisierung"^"^^ verfallen, dazu, Ausweichstrategien auszubilden und zu ergreifen, die es ihnen erlauben, sich an die Unbilligkeiten ihrer Verteilungssituation „anzupassen"^'^^, wenn sie es nicht vorziehen, gegen ihre sich abzeichnende Dauerbenachteiligung zu rebellieren^"^^ oder abzuwandern und sich an Referenzgruppen zu orientieren, deren Mitgliedschaftsbedingungen sie - ohne gesonderte Verteilungsnachteile zu erleiden glauben erfullen zu konnen^"^^; oder aber die Akteure verbleiben vor Ort und kampfen um ihre Ansprliche, weshalb sie sich zweckvollerweise dazu zwingen sollten, in erhohtem Umfang jene Fahigkeiten zu entwickeln und zu pflegen, denen sie Wettbewerbsvorteile glauben zuschreiben zu konnen^"^^. Keine dieser Reaktionsformen ist (auf der individuellen Ebene) im Ernst vorhersehbar, dagegen spricht schon der durchweg „ambivalente" Einfluss der Handlungssituation auf die Akteure^^^, und keine von ihnen kann im Vorhinein daraufhin abgeschatzt werden, ob ihre gehaufte Verbreitung der Aufrechterhaltung des betreffenden Verteilungs- und Selektionsmechanismus dienlich ist oder ob mit Dysfunktionalitaten fiir dessen Weiterbestand gerechnet werden muss^^^ Entspricht Mertons Erklarungsprogramm den im Eingangskapitel diskutierten Vorgaben? Ich glaube in der Tat, dass es ihnen auch dann nahe kommt, wenn man die letzte Prazisierung des Mechanismusbegriffs - zumal eine eindeutige Vorstellung daruber, was unter einem „sozialen Mechanismus"^^^ zu verstehen ist - vermissen mag^^^. Relativ fraglos besteht Mertons Erklarungsproblem in der Identifikation von Abstimmungsmechanismen, deren selektiven Charakter er durchweg und zu Recht betont. Solche Mechanismen verschaffen den Entscheidungshandlungen einzelner Akteure eine ganz unterschiedHche Wiederholungs- und Durchsetzungschance, indem sie zu kollektiven Verteilungseffekten flihren, die auf die Wahrscheinlichkeiten zurtickwirken, mit der die Akteure weiterhin erfolgreich entscheiden und handeln konnen. Diese - wie wir sie neuerdings nennen: „rekursiven" - Effekte ergeben sich als faktische Folge eines einmal etablierten Mechanismus, der zugleich den Rahmen aufspannt, innerhalb dessen die Akteure die Frage losen 344 345 346 347 348 349 350 351 352 353

Der von Merton analysierte, sogenannte „Matthaus-Effekt" diirfte das bekannteste seiner Beispiel hierfur sein, vgl. Merton 1973, S. 439ff, Merton 1988. Merton 1964^, S. 136 Vgl. Merton 1964^ S. 139ff Vgl. Merton 1964^ S. 155ff Vgl. Merton 1964^, S. 225ff Vgl. hierzu Mertons Untersuchung iiber die Reproduktionsbedingungen des „burokratischen Charakters" in Merton 1964^ S. 195ff Vgl. Merton 1976, S. 3ff Merton hat solche Verhaltnisse unter dem Stichwort der „self-fulfilling prophecy" (vgl. Merton 1964^ S. 42Iff, Merton 1976, S. 124) und im Rahmen seiner Uberlegungen zur „Funktionalen Analyse" untersucht (vgl. Merton 1964^, S. 19ff). Merton 1964^ S. 52 Vgl. Hedstrom/Swedberg 1996, S. 300f

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miissen, fur welche ihrer (beschrankten) Handlungsalternativen sie sich entscheiden mochten. Zur Erklarung der Funktionsweise derartiger Mechanismen kann Merton auf seine (kausal interpretierbare) Handlungstheorie zuriickgreifen, die Handeln als zielorientiertes Wahlhandeln zu erklaren erlaubt, und mit deren Hilfe es ihm gelingt, die Bedeutung der Verteilungsmechanismen flir den entscheidungsbasierten Handlungserfolg bzw. die Generierung von ^Verteilungsmustern"^^"^ abzuschatzen und damit wenigstens in Grundzugen herauszuarbeiten, in welcher Weise und mit welchen Folgen die wechselseitige Abstimmung der Handlungsvorhaben ein Problem flir die Akteure darstellen muss, dem sie sich nur durch (regelabweichende) „Innovation", durch Rebellion, Ritualisierung (bzw. Resignation) oder Abwanderung entziehen konnen. Diese Denkfigur erlaubt es Merton das Verdienst zuzuschreiben, als einer der ersten Soziologen und in erheblich fruchtbarerer Weise als dies seinem groBen Konkurrenten Talcott Parsons vergonnt war, die Logik soziologischer Erklarungen mit der eventuellen Losung des Mikro-Makro-Problems verbunden zu haben^^^; oder anders: Robert K. Merton hat zeigen konnen, dass sich die Erklarungskraft der soziologischen (Handlungs-)Theorie nach dem Grad bemessen lassen muss, in dem sie durch die Benennung und Erforschung „sozialer Mechanismen" zur Verkniipfung der Handlungs- und der Systemebene beitragt, und dass an eine tJberbruckung dieses Hiatus' mit Hilfe rein begrifflich-defmitorischer Mittel oder „analytischer Gesetze" des Makrogeschehens nicht zu denken ist^^^. Merton hat sich nur kursorisch zu den erkenntnistheoretischen Grundlagen seines Theorieentwurfs geauBert^^^; es dtirfte aber logisch zwingend sein, dass seine wiederholte Betonung der Notwendigkeit, vorgeschlagene Hypothesen (in intersubjektiv verbindlicher Weise) zu testen und zu bestatigen und sie nur unter dieser Bedingung zur Grundlage politischer Interventionen zu machen, ohne eine realistische Einschatzung ihrer Erklarungs- und Vorhersagekraft unschllissig bliebe. Globale Theorieentwurfe hingegen sind diesem Zweck wenig dienlich, zumal in ihrem Rahmen empirisch haltbare „Gesetze" nicht aufzuspuren sind^^^. Theoriearbeit sollte zugleich auch weniger darauf gerichtet sein, allumfassende konzeptionelle Systeme^^^ vorzuschlagen oder theorieblinde „statistical materials" anzuhaufen^^^, sondern sich darauf konzentrieren, empirisch fundierte Ergebnisse zu verallgemeinern 354 355 356

357 358 359 360

Wie Hayek bezeichnet auch Merton derartige Handlungsverteilungen wiederholt als „Muster". Vgl. Merton 1976, S. 123 Vgl. zur Methodologie Parsons Schmid 1989, S. 19ff Fararo (2001, S. 101) meint, dass Parsons seine Theoriekonstruktionsstrategie von der Suche nach „analytischen Gesetzen" auf die „specification of explanatory mechanisms" umgestellt habe, was meiner (damaligen) Deutung offenkundig widerspricht; ich bin aber zu Verhandlungen bereit, vgl. Schmid 2004, S. 76ff. In wie weit man die Veranderung von Parsons Problemsicht auf die Mertonsche Kritik zuruckfuhren kann, ist mir nicht bekannt. Vgl. Merton 1967, S. Iff, 39ff, Merton 1964^ S. 85ff, 102ff Vgl. Merton 1964^ S. 95f Merton 1967, S. 45ff Mit Sicherheit denkt Merton dabei an das handlungstheoretisch unterkomplexe AGIL-Schema, das Parsons seit Beginn der 50er Jahre offensiv propagierte. Merton 1976, S. 222

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bzw. theoretische „Konsolidierung en"^^^ zur kontroUierten Ableitung von testbaren Hypothesen anzustreben, um deren Ad-hoc-Charakter zu meiden. In jedem Fall soil dabei ein Verallgemeinerungsgrad solcher („konsolidierenden") Systematisierungen erreicht werden, der es dem Soziologen erspart, sich zwischen historisch konkreten Beschreibungen singularer Ereigniskonstellationen und „the absolutizing of (a) paradigm"^^^ entscheiden zu mtissen. Dass solche konsolidierten Hypothesen auf die Erhellung jener „social mechanisms" gerichtet sein mtissen, betont Merton zwar nicht eigens, durfte aber die zwingende Konsequenz seines oben geschilderten „strukturalistischen" Erklarungsprogramms darstellen. AUerdings weist die Mertonsche Forschungsprogrammatik auch einige Lucken und Unzulanglichkeiten auf. Zum einen wird die Genese der Verteilungs- und Selektionsmechanismen nicht eigens und ausdrucklich erklart; stattdessen setzt Merton deren Existenz und Wirkungsweise voraus - allerdings ohne diesen Schritt mit der Behauptung zu verbinden, man konne ihr Zustandkommen nicht erklaren. Dass sie sich infolge der unerwarteten und zugleich dysfunktionalen Externalitaten des gemeinsamen Handelns verandern konnen bzw. zu deren Meidung aktiv umgestaltet werden mtissen, gesteht Merton eindeutig zu. Man kann daraus die Folgerung Ziehen, dass er an der Notwendigkeit festhalt, die Reproduktions- und Transformationsbedingungen sozialer Prozesse im Handeln der daran beteiligten Akteure zu suchen, womit er sich im Grundzug darauf festlegt, dass sein (vordergrtindig) strukturalistisches „Paradigma" methodologisch-individualistisch und d.h. theorietechnisch: mikrofundierend verfahrt. In welchem Umfang die dabei zu untersuchenden Mikro-Makro- bzw. Makro-Mikro-Zusammenhange als ein Kausalgeschehen konzipiert werden mtissen, hat Merton aber genau besehen nicht abschlieOend klaren konnen^^^. Dass und wie (genau) Mikrofundierungen mit Hilfe von handlungskausal fundierten Mechanismen vorgenommen werden sollten, wie Hayek, Bunge und Little fordern, hat entsprechend erst die Schiiler- und Nachfolgegeneration Mertons mit hinreichender Prazision und Folgerichtigkeit diskutiert. Zum weiteren erleichtert sich Merton die Modellierungsarbeit dadurch, dass er die Akteure als singulare, atomistische Entscheider einflihrt, die alleine fur sich und auf eigene Rechnung und 361 362 363

Merton 1967, S. 51, Merton 1976, S. 129. Ich habe die Logik dieses Verfahrens (leider) nie begriffen. Merton 1967, S. 72 Vgl. Merton 1967, S. 68, wo er behauptet, seine „middle range theories" wiirden den Hiatus zwischen Mikro- und Makroebene iiberwinden, zugleich aber unklar bleibt, welchen Sachverhalt er ansprechen mochte (und ob er mit seinen Auffassungen „richtig liegt"): Einesteils vermutet Merton (1976, S. 146, 148), dass die Zurechnung von (unintendierten) Folgewirkungen des individuellen Handelns ein „problem of causal imputation" aufwerfe, woraus man schlieften kann, dass er kausale Erklarungen des Mikro-Makro-Zusammenhangs zu geben beabsichtigte. Den Makro-Mikrozusammenhang andererseits modelliert er ganz im Sinne von Durkheim (und Marx) als strukturelle Pragung des Handelns, was den Verdacht nahe legt, dass Merton den Tatbestand, dass sich Akteure auch dann fiir ein Handeln entscheiden mussen, wenn sie strukturellen Beengungen (oder eben: Pragungen) unterliegen, nicht beriicksichtigen kann. Coleman hat diese Kurzsichtigkeiten spaterhin bedauert, wahrend Lindenberg und Esser dieses Erbe der Durkheimschen Sozialtheorie zugunsten einer unmissverstandlichen handlungstheoretischen Mikrofundierungsthese ausschlagen werden.

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Verantwortung handeln, wobei ihnen in der Kegel - und, well Merton in erster Linie Verteilungsprozesse und deren Effekte modelliert, auch verstandlicherweise gleichartige, homogene Zielfunktionen unterstellt werden, was erlaubt, die (beobachtbaren) Differenzen von Verteilungseffekten auf die (ungleichen) Restriktionen der Akteure zurtickzufuhren; und in einem ahnlich gelagerten Idealisierungsschritt rechnet Merton alle Folgewirkungen des kollektiven Handelns (in aller Kegel) den einzelnen Akteuren zu. D.h. inhomogene Gemengelagen von Zielvorstellungen einerseits und Absprachen, Vertrage, Koalitionen und andere Formen von Kollektiventscheidungen und deren eventuelle Externalitaten flir AuBenstehende andererseits werden ebenso wenig berucksichtigt wie die (damit verbundenen) Dynamiken und Formen des kollektiven Handelns, was moglicherweise einem Kest an funktionalistischem Denken geschuldet ist, das Merton dazu verfuhrt, vor allem die Entlastungsfunktion geregelter sozialer Verhaltnisse zu betonen und die Organisiertheit des sozialen Lebens als fraglosen Zielpunkt jeder Sozialanalyse zu akzeptieren^^"^. Und endlich weisen Mertons Uberlegungen auch insoweit eine einseitige Ausrichtung auf, als seine auffallendsten Beispiele die Verteilung von (flingiblen wie nichtfungiblen) Positionsgutern behandeln, kaum aber die Kollektivgutproblematik, die viele seiner Kolleginnen und Kollegen in den Vordergrund ihrer theoretischen Ordnungsvorstellungen riicken, und ebenso wenig Tauschmarkte flir private und beliebig teilbare Outer, deren Verteilungswirkungen ihn eigentlich batten interessieren miissen, die zu bearbeiten Merton aber offenkundig der Okonomie vorbehalt (oder uberlasst). Insoweit besitzt die Theorie Mertons nur deshalb ein eigenstandiges Profil, weil er darauf verzichtet der Vermutung nachzugehen, dass die Forschungsthemen (mancher) der Nachbarwissenschaften dann dem eigenen Forschungsprogramm angeschlossen werden konnten, wenn es gelange, die Herstellung und Bereithaltung von offentlichen oder teiloffentlichen Giitern wie die Durchsetzung von Markten in zwangloser Erweiterung des eigenen Kernmodells desgleichen als ein Produkt der Funktionsweise von selektionswirksamen Verteilungsmechanismen zu verstehen. Ich glaube, dass Kobert Merton die theorieintegrierende Kraft bzw. die Erweiterungsbediirftigkeit seiner Modellierungsvorschlage aus zwei Griinden unterschatzt hat^^^: Zum einen hat er sich nie in dem Umfang um die Logik sozialwissenschaftlicher Erklarungen gekiimmert, der hatte sichtbar machen konnen, dass die Vereinheitlichung der soziologischen Forschungspraxis nicht nur mit Hilfe der theoretischen „Konsolidierung" bereichspezifischer Hypothesen^^^, sondern auch unter dem Einsatz von Mikrofimdierungstechniken, wie sie Mario Bunge und Daniel Little favorisieren, hatte vorangetrieben werden konnen^^^; zum anderen hat er sich in 364 365 366 367

Vor diesem Hintergrund wird der Aufruhr leicht verstandlich, den Mancur Olsons „Logik des kollektiven Verhaltens" (1968) hervorgerufen hatte. Dass solche Anschliisse moglich sind, sieht Merton durchaus, vgl. Merton 1976, S. 119. Hedstrom (2005, S. 9) beurteilt Mertons Theorienstrategie deshalb zu Recht als „eklektizistisch". Wie wir sehen werden, woUen Hartmut Esser und (in Grenzen) Renate Mayntz diese beiden Systematisierungstechniken in der Form einer bereichspezifischen Zusammenfassung mikrofundierender Erklarungsargumente vereinen. Auf diese Weise lassen sich dann auch die

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Reaktion auf die wissenschaftstheoretischen Debatten seiner Zeit, und vor allem zur Abwehr der Feyerabendschen Anarchismus-Rhetorik, der Kuhnschen Paradigmalehre angeschlossen und, ohne deren relativistischen Konsequenzen zu bedenken, die „pluraiistische kognitive Struktur der Soziologie"^^^ verteidigt. Obwohl eine solche Sichtweise des Erkenntniszustandes der Soziologie seiner Idee einer theoretischen Konsolidierung in letzter Instanz widersprach, schien ihm eine derartige Position der Bescheidenheit nicht zuletzt auch mit einem sorgenvollen Seitenblick auf die wenig entwickelte Lage der theoretischen Soziologie und auf die in seinen Augen allzu vollmundigen Integrationsanspruche seines Kollegen Talcott Parsons^^^ unvermeidbar gewesen zu sein^^^. Allerdings waren nicht alle seiner Nachfolger und Adepten, die der Erforschung handlungstheoretisch ftindierter Abstimmungsmechanismen das Wort reden wollten, bereit, sich dieser zurtickhaltenden Parole von der „Pluralitat theoretischer Orientierungen"^''^ anzuschlieOen. Das gilt vor allem fur James S. Coleman nicht^^^, der das Mertonsche Programm unter der selbstbewussten Anktindigung fortfiihren wollte, dass „there is, of course, only one social science"^^^, und der zu diesem Zweck Mertons Theoriekonstruktionsstrategie - wie sich zeigen wird - einer mehr als grundlichen Revision unterzog^^"^.

3.2 Individuelle Rationalitat und die „Interdependenz von Handlungen": James S. Coleman Man konnte bestreiten, dass James Coleman sich um die Herausarbeitung einer Theorie mechanismischer Erklarungen verdient gemacht hat, zumal er den Begriff „Mechanismus" - soweit ich sehe - nur selten verwendet^^^. Tatsachlich aber taucht

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„Besonderheiten der fUnktionalistischen Analyse" tilgen, die Merton mit seinen Zeitgenossen teilte (vgl. Coleman 2000, S. 57). Merton 1976, S. 129ff. Gegen Parsons hatte sich Merton (ausdrticklich) erst relativ spat in seiner Karriere gewehrt, vgl. Merton 1948 und den veranderten Nachdruck dieser Arbeit in Merton 1967, S. 39ff Vgl. Merton 1976, S. 129ff, Merton 1981 Merton 1976, S. 129 Das trifft auch fur Stinchcombe 1975 und Sztompka 1986 zu, die beide in dieser Frage eine offensivere Position vertreten als Merton. Coleman 1992, S. 119 Vgl. Coleman 1976, S. 85 Vgl. Coleman 1991, S. 11, Coleman 1992a, S. 189, Coleman 2000, S. 76. Stinchcombe (1993, S. 23) behauptet indessen, dass Coleman (vor allem) am Gebrauch von Mechanismen im Rahmen von politischen Beratungsprozessen interessiert (gewesen) sei, und Thomas Fararo (2001, S. 260) reklamiert Colemans Theorie als Unterstutzung seiner eigenen Bemiihungen, den „inner mechanism of the systems of actors, (and) not an inner mechanism of the individual actor" zu identifizieren, vgl. mit ahnlicher Implikation auch Rios 2004, S. 80f

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er als „Interdependenz"^^^, (als organisatorische) „Verknupfiing"^^^ oder als „structural connectedness"^^^ auf, und zudem sollte man Colemans Theoriesicht im vorliegenden Zusammenhang alleine deshalb besprechen, well er auf die nachfolgende Diskussion insbesondere dadurch Einfluss gewann, dass er dem soziologischmechanismischen Erklarungsschema eine Darstellungsform verschafft hat, derer sich (fast) alle bedient haben, die sich dariiber Gedanken machen, wie man die Regeln der soziologische Erklarungsmethode in einem der Explikation von Abstimmungsmechanismen dienlichen Sinn systematisieren kann. Ausgangspunkt seiner Neubestimmung der „Grundlagen" der soziologischen Erklarungspraxis^^^ ist dabei zunachst die These, dass es nicht nur darauf ankomme, „Muster" und „soziale Regelmafiigkeiten" des positionalen Wettbewerbs zu erklaren, worauf sich Merton beschranken wollte; vielmehr sucht Coleman - durchaus in Ubereinstimmung, mit der Bungeschen Systemphilosophie - die verallgemeinerte Sicht zu verteidigen, wonach „ein zentrales Problem der (und d.h. allerf^^ Sozialwissenschaften darin besteht, zu erklaren, wie ein soziales System funktioniert"^^^ wobei er die disziplinaren Grenzziehungen, die verschiedene Sozialwissenschaften voneinander trennen, zu ignorieren vorschlug^^^ bzw. Konvergenzen in die Richtung auf ein einheitliches Erklarungsideal aller Sozialwissenschaften entdeckte^^^. Natlirlich hat Coleman nicht libersehen, dass verschiedene Disziplinen unterschiedliche Themen und Sachgebiete zu bearbeiten pflegen; dies war ihm aber kein hinreichender Grund dafur auBer Acht zu lassen, dass die Logik sozialwissenschaftlicher Erkldrungen derartige thematischen Unterschiede nicht widerspiegelt^^"^. Seiner Auffassung folgend sind alle sozialwissenschaftlichen Disziplinen in gleicher Weise darauf angewiesen, Interdependenz- bzw. Interaktionssysteme (oder „Handlungssysteme" - wie Coleman beide Systemformen summarisch nennt^^^) zu erforschen, wozu sie - wie er argumentiert: notwendigerweise - auf eine Handlungstheorie zuriickgreifen mtissen, mit deren Hilfe sie die Systemdynamik erklaren konnen. Derartige Systemerklarungen mtissen demnach dazu in der Lage sein, den Zusammenhang zwischen der Handlungsebene und der Systemebene zu bearbeiten und d.h. das Mikro-Makro-Problem zu losen, wobei das Explanandum solcher Sys-

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Vgl. Coleman 1991, S. 25ff. In Winship/Rosen (eds) 1988, S. 267 wird Colemans Forschungsinteresse als "development of sociological theory based on rational action of interdependent actors" beschrieben. Vgl. Coleman 1991, S. 54 u.a. Coleman 1964, S.444f Fur deren Rekonstruktion vgl. Schmid 2004a Mein Einschub Coleman 1991, S. 1 Vgl. Coleman 1992, S.119f Vgl. Coleman 1976, S. 77ff Vgl. Coleman 1976, S. 79ff, Coleman 2000, S. 55 Man vgl. den Untertitel von Coleman 1991, wo von „Handlungen und Handlungssystemen" die Rede ist. Boudon (1980) wird spaterhin zwischen Interdependenz- und Interaktionssystemen unterscheiden, um die Eigenart der ihnen zugrunde liegenden Mechanismen sichtbar zu machen.

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temerklamngen „Phanomene der Makroebene"^^^ beschreibt. Tatsachlich glaubte Coleman weder daran, dass es empirisch haltbare Kausalbeziehungen zwischen Makrozustanden geben konne^^^ - weshalb sich die Suche nach verallgemeinerungsinduzierten „sozialen Gesetzen"^^^ und der Riickgriff auf eine Hempelianischen Erklarungspraxis, die auf deren Existenz angewiesen ist, kaum lohnen kann; noch hielt er es flir moglich, den „Motor"^^^ der Systementstehung und des Systemwandels ohne erklarenden Rekurs auf das informierte und zielgerichtete Handeln individueller Akteure zu entdecken und zu verstehen. Entsprechend ging es Coleman um die Entwicklung eines Erklarungsarguments, das dazu in der Lage sein sollte, zwei entscheidende Probleme (zugleich) zu losen, namlich einmal, „wie sich die zweckgerichteten Handlungen der Akteure zu Systemverhalten verknupfen" und umgekehrt, „wie diese (Handlungen) durch die aus dem Systemverhalten resultierenden Zwange geformt werden"^^^. Zur Explikation der Logik eines derartigen Erklarungsarguments schlug Coleman ein „dreigeteiltes Paradigma"^^^ vor, das seither unter der Bezeichnung „Colemansche Badewanne"^^^ zum Markenzeichen seines Systematisierungsvorschlags geworden ist^^^ Kernpunkt dieser Modellfigur ist die Beobachtung, dass „das Hauptproblem bei der Erklarung von Systemverhalten"^^"^ dessen Zerlegung in drei getrennte Schritte erfordert. In einem ersten Schritt muss gezeigt werden konnen, vor welchem Problem die Akteure stehen bzw. wie sich bestimmte Eigenheiten ihrer sozialen Situation auf ihr Handeln (restriktiv) auswirken, kurz: welcher „Anreizstruktur"^^^ sie sich ausgesetzt sehen; sodann muss ein Argument vorgelegt werden, das den tJbergang von der Handlungssituation zur Handlung selbst erlaubt; und endlich sollte in einem dritten Schritt der Nachweis gefiihrt werden konnen, dass und wie sich die Handlungen der Akteure bzw. deren Konsequenzen so „verknupfen" oder „kombinieren" lassen, dass der erklarungsbediirftige soziale Sachverhalt „spontan" und

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Coleman 1991,8.24 Vgl. Coleman 1986, S.85, Coleman 1991, S. 27 Vgl. Coleman 1964, S. 9, 26 Coleman 1992b, S. 147, Coleman 2000, S. 56 Coleman 2000, S. 58f Coleman 1991, S. 24. An anderer Stelle (1987, S. 155) spricht er von „multilevel systems of propositions". Vgl. Coleman 1987, Coleman 1991, S. 7ff Vgl. Norkus 2000, S. 260. Die Colemansche Darstellungsform haben viele andere Autoren - allerdings ohne in alien Fallen auf die Passgenauigkeit ihrer Entlehnung zu achten - iibernommen. Bunge bezeichnet diese Modellfigur an mehreren Stellen (auch Coleman zu Ehren, dessen Rationaltheorie des Handelns er - wie besprochen - ansonsten nicht sehr schatzt, vgl. Bunge 1998, S. 79ff) als „Boudon-Coleman-Diagramm", vgl. Bunge 1996, S. 149, 280f, Bunge 1998, S. 77f, 146 u.a. Man sollte aber nicht verschweigen, dass (offenbar unabhangig von Coleman und unbemerkt von dessen Anhangem) Bhaskar 1989, S. 92ff einen (fast) gleichlautenden Formalisierungsvorschlag unterbreitet hat. Coleman 1991,8.7 Coleman 1991,8,25

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zumeist unvorhersehbarerweise entsteht^^^. Dieser zuletzt genannte Mikro-Makrotjbergang ist fiir Coleman deshalb besonders problematisch, weil in seinen Augen und anders als dies dann Lindenberg und Esser sehen wollten - zu seiner Konstruktion eine formal-mathematische „Aggregierung" nicht ausreicht, sondern „some form of interdependence" modelliert werden muss^^^; d.h. die Modellierung des Zusammenhangs zwischen Handlungs- und Systemeben sollte den (faktischen) Einfluss von beziehungsstiftenden Netzwerken berucksichtigen, deren Handlungsbedeutsamkeit Coleman bisweilen unter dem Gesichtspunkt ihrer Regulierungsbedlirftigkeit^^^ und ihres Sozialkapitalcharakters analysiert^^^. Und umgekehrt ist die Existenz solcher Interdependenzen, die das Handeln der einzelnen Akteure und dessen Folgen zu benennbaren Kollektiveffekten auf eine zum Teil hochst undurchsichtige Weise „verdichten", zugleich der Grund dafiir, dass man auf deren mikrofundierende Erkldrung^^^ nicht verzichten kann'^^^ Zum Beleg dieser Auffassung argumentiert Coleman auf zwei eng zusammenhangenden Ebenen: Einer metatheoretischen und einer vornehmlich substanziellen. Zunachst sucht er Anschluss an einen richtig verstandenen Methodologischen Individualismus"^^^, der weder darauf abstellt, reduktionistisch zu verfahren, noch ein Systemverhalten einzig unter Verweis auf die direkte und unvermittelte Aggregierbarkeit „individueller Handlungen und Einstellungen" erklaren mochte, sondern in 396 397

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Vgl. Coleman 1992, S. 127. Coleman schiebt also meinen zweiten und dritten Erklarungsschritt zusammen und lasst - wie wir noch sehen werden - den vierten unbehandelt. Das gilt auch fiir viele, die Colemans Systematisierung folgen. Coleman 1987, S. 157, Coleman 2000, S. 68. Coleman (1987, S. 157ff und Coleman 1991, S. 25ff) nennt eine lose Reihe solcher „Verknupfungen", die allesamt als „Interdependenzmechanismen" bezeichnet werden konnen: Exteme Effekte, bilateraler Tausch, kollektive Entscheidungen, formale Organisation, Rechts- und Normbildung. Vgl. Coleman 1990, S. 31 Iff Vgl. Coleman 1990, S. 389ff Coleman 1986a und Coleman 1987 fuhren den Begriff der „Mikrofundierung" zwar im Titel, er kummert sich aber nicht um dessen Bedeutung bzw. um eine genauere Explikation der Logik mikrofundierender Erklarungs verfahren. Vgl. Coleman 1994a, S. 165f Dass Coleman sich auf letztlich undurchfuhrbare, formalrechnerische Verfahren zur Aggregation individueller Handlungen habe beschranken mtissen, wie ihm Mouzelis 1995, S. 40 vorwirft, kann ich nicht sehen (vgl. Coleman 1964, S. 4Iff, 522ff), vielmehr hangen exteme Effekte immer auch von den rechtsgeregelten Verhdltnissen (und den daraus resultierenden Interdependenzen) der Akteure ab, die fiir meine Begriffe im Zentrum seiner Theoriebemuhungen stehen, vgl. Coleman 1994, S. 153ff; in gleicher Weise halt Renate Mayntz Coleman zunachst vor, er wolle die Aggregationseffekte „directly from individual action" (d.h. ohne Vermittlungsmechanismus) entstehen lassen, um diesen Vorwurf an anderer Stelle aber zuruckzunehmen (vgl. Mayntz 2004, S. 252); Coleman hatte aber in der Tat wenig zur genauen Kennzeichnung solcher Wechselverhaltnisse anzubieten und wollte sich diese offensichtlich auch deshalb ersparen, weil er sich zur Erlauterung der von ihm untersuchten „reinen Tauschgeschafte" dazu berechtigt fiihlte, diQ Bedingungen des betreffenden „Interdependenzmechanismus" (i.e. gesicherte Eigentumsrechte, freier „Marktzugang", Nulltransaktionskosten, vollstandige Information, keine tauschhinderliche Intervention Dritter etc.) vorauszusetzen. Vgl. Coleman 1991, S. 6f, Coleman 1994a, S. 165f Den Colemanschen Methodologischen Individualismus behandelt Udehn 2001, S. 292ff ausftihrlicher als ich es an dieser Stelle tun kann.

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dessen Rahmen ein Systemgeschehen als emergentes Phanomen'^^^ berticksichtigt werden kann, dessen Existenz von den Akteuren, die es hervorbringen, weder beabsichtigt, noch geplant gewesen sein muss, und dessen (strukturelle) Eigenart jederzeit auf die weiteren Handlungsmoglichkeiten der betreffenden Akteure zurlickwirkt. Damit distanziert sich Coleman von vier gewiciitigen sozialtheoretischen Traditionen gleichermaBen. Zum einen wird er gegen die Parsonssche Systemtheorie vorstellig, die Systemanalysen mittels Gleichgewichtsmodellen betreiben wollte, ohne die dabei auftretenden Dynamiken mit den Handlungen zielorientierter Individuen in Verbindung bringen zu konnen'^^'^; zum anderen wendet sich Coleman aber auch gegen George C. Homans, der dazu tendiert hatte, Strukturemergenzen in individuelles Handeln aufzulosen, das er seinerseits nicht als zielorientiert und entscheidungsgepragt, sondern als operant konditioniert verstanden hatte, was Coleman gelinde gesagt: absurd vorkam"^^^; verdachtig ist Coleman zudem auch jeder Versuch, das Systemgeschehen ausschlieBlich mit Hilfe theoretisch uninterpretierter, statistischer Korrelationen zu erfassen, wozu die sogenannte „Variablensoziologie""^^^ neigt, und endlich wehrt sich Coleman unausgesetzt und hartnackig gegen den Versuch, Handeln ausschlieBlich unter Verweis auf seine „deterministischen" Strukturbedingungen zu erklaren, wozu ihn ebenso insistent die emphatischen Vertreter einer soziologischen Strukturtheorie tiberreden woUten"^^^. Coleman erganzt und stiitzt diese methodologische Verteidigung seines Forschungsprogramms durch wiederholte Betrachtungen daruber, welcher der moglichen Handlungstheorien die Mikroflindierung emergenter Phanomene anvertraut werden kann. Ohne sich allerdings auf einen aufwendigen und detailgerechten Theorienvergleich einzulassen, vertritt er die These, dass sich alle jene Theorien wenig zur Mikroflindierung „sozialer Phanomene" eignen, die zum einen jedes Handeln unter Verweis auf „auBere Zwange und unbewusste innere Impulse"'^^^ erklaren, ohne dem Akteur die Fahigkeit und Notwendigkeit, sich zu entscheiden, zuzugestehen, und/oder die zum anderen zu zeigen versaumen, dass sich die KoUektivfolgen des Handelns der Akteure nur ausbilden, weil sie sich in Interdependenzsituationen

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Coleman erweist sich damit als ein idealtypischer Vertreter dessen, was Sawyer 2001, S. 552 als einen „individualistic emergentist" bezeichnet hat. Coleman 1990, Coleman 2000, S. 56f Vgl. Coleman 2000, S. 57. Dem Homansschen Versuch einer Reduktion soziologischer Explananda auf psychologische „generalization" stand Coleman (bereits fruh und wahrscheinlich infolge der Beurteilungen seines Lehrers Merton) mehr als distanziert gegeniiber, vgl. Coleman 1964, S. 31, 103f. Der Grund liegt auch darin, dass sich Coleman eine freiheitsverbiirgende politische Philosophic auf der Basis eines Skinnerschen Handlungsverstandnisses, das darauf verzichten muss, „die Handlung so zu betrachten, dass sie aus der Sicht des Akteurs als rational erscheint" (Coleman 1991, S. 22 - meine Ubersetzung), schlicht nicht vorstellen kann. Auch durfte, solange das Herstellen von Theorien eine Handlung darstellt, nur schwer verstandlich zu machen sein, wie die Theorienproduktion eines operant funktionierenden Theoretikers aussehen soil (vgl. Coleman 1991, S. 20). Vgl. Coleman 2000, S. 57 Hier ist vor allem Peter M. Blau (1977) zu erwahnen, der sich verschiedentlich gegen das Colemansche Erklarungsprogramm ausgesprochen hat, vgl. Blau 1993. Coleman 1991, S. 21

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befmden, die ihre Entscheidungen miteinander verkniipfen'^^^. Entsprechend schlagt Coleman vor, eine fiir die erforderlichen Mikroflindiemngsschritte taugliche Theorie'*^^ zum einen als Wahl- bzw. Entscheidungstheorie anzulegen; und er mochte zum anderen bemcksichtigt wissen, dass die Akteure interdependent nur solange handeln miissen und konnen, als sie angebbare Ressourcen kontrollieren, an denen sie und andere ein Interesse haben, und durch deren Verausgabung sie zum einen ihre Interessen bedienen, zum anderen aber auch Macht ubereinander gewinnen konnen. In diesem Zusammenhang wehrt sich Coleman gegen die - immer wieder vorgetragene - Unterstellung, die von ihm ins Auge gefasste Handlungstheorie sei nicht dazu in der Lage, der eventuellen Normorientierung der Akteure gerecht zu werden"^^^; vielmehr weiB er sehr wohl, dass Akteure ihre Verkehrsverhaltnisse nur dann friedfertig, ausbeutungsfrei und ohne unertragliche Schadigungseffekte zu provozieren zu steuern und zu regeln vermogen, wenn sie sich darauf einigen, bestimmte Rechte in Anspruch nehmen zu diirfen bzw. Normen beachten zu wollen, mit deren Hilfe sie ihr Handeln wechselwirksam kontrollieren und organisieren"^^^. Man hat Colemans Pladoyer, hierfur eine Rationaltheorie des Entscheidens vorzusehen, immer wieder und teilweise mit weltanschaulicher Aufgeregtheit kritisiert"^^^. Tatsachlich gesteht er zu, dass eine solche Theorie die Entstehungsbedingungen der Praferenzen, die dem Handeln des Einzelnen zugrunde liegen, unerortert lasst und zahlreiche „Anomalien" aufweist"^^"^; auf der anderen Seite stellt eine solche Theorie des ziel- und absichtsgeleiteten Entscheidens trotz ihrer Unvollstandigkeit bzw. Korrekturbedurftigkeit und -offenheit"^^^ in seinen Augen die einzige erklarende (und nicht nur beschreibende)"^^^, umfassende und vorhersagekraftige"^^^ und zudem einfache Theorie"^^^ dar, die einesteils hinreicht, um dem basalen Tatbestand gerecht zu werden, dass „each actor will act so as to best satisfy his interest, given his resources""^^^, und die andernteils trotz ihrer Vereinfachungen dazu taugt, das Zustandekommen auch komplexer „struktureller Konfigurationen""^^^ zu beschreiben und zu erklaren'^^^ weil sie zulasst, das Handeln der Akteure in Abhangigkeit von ihren Bewertungen und Erwartungen bezuglich dessen zu erfassen, was 409 410 411 412

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Colemans Dokumentationsbeispiel sind Theorien, die die Entsteliung von Revolutionen direkt - und d.h. ohne das Problem der „collective action" zu losen - auf die psychischen Befmdlichkeiten von einzelnen Akteuren zuriickfiihren wollen, vgl. Coleman 1990, S. 12f. Vgl. Coleman 1991, Coleman 1992, Coleman 1992b, Coleman 1994 u.a. Vgl. Alexander 1992 Dass soziale Systeme auf der Basis von Verteilungen von Handlungsrechten organisiert werden mussen, hat Coleman immer wieder betont, vgl. Coleman 1986, Coleman 1990a, Coleman 1991, Coleman 1992, Coleman 1993; er hat sich nur geweigert, die Existenz solcher Normierungen als „gegeben" vorauszusetzen, vgl. Coleman 1991, S. 311. Vgl. fur einen kurzen Uberblick uber diese Kritik Miiller/Schmid 1998, S. 17ff Vgl. Coleman 1991, S. 17f, Coleman 1992, S. 120 Vgl. Coleman 1976, S. 91, Coleman 1992, S. 124 Vgl. Coleman 1976, S. 80, Coleman 1992, S. 124 Vgl. Coleman 1992, S. 120 Vgl. Coleman 1991, S.23f Coleman 1974, S. 150 Coleman 1976, S. 81 Vgl. Coleman 1991,8.24

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die jeweiligen Mitakteure absehbarerweise tun"^^^. Coleman kommt es in diesem Zusammenhang weniger auf die (durchaus strittige) Wahrheit der Rationaltheorie (und deren Nutzenmaximierungsthese'^^^) als darauf an, tiber eine wenigstens „bisweilen wahre Theorie"'^^'^ zu verfiigen, die im Grundsatz zu zeigen erlaubt, wie sich Handlungssysteme aus den voluntaristischen Handlungen der Akteure herstellen und aufrechterhalten, die aber auch eine in Politikberatung ausmundende, „rationale Rekonstruktion der Gesellschaft""^^^ erlaubt, die sich ihrerseits - um jeden Paternalismus zu vermeiden - an den Effizienz- und Bewertungskriterien orientieren kann, welche die sie betreffenden Akteure selbst als relevant und verbindlich einstufen^'^ Auch wenn Coleman in letzter Instanz alleine deshalb nicht zu einer (vollstandigen) Theorie dynamischer sozialer Handlungssysteme durchgedrungen ist, weil seine Modellbildung die Riickwirkungen der Handlungsfolgen auf die Interessen und Machtausstattungen der Akteure nicht systematisch einbezieht"^^^, und der Geltungsbereich seiner Uberlegungen uberdies infolge ihrer Beschrankung auf (freiwillige) Tauschprozesse den vielleicht erwunschten Allgemeinheitsgrad nicht hat erreichen konnen"^^^, so kann sein Theorievorschlag doch die folgenden Positiva verbuchen: Zum einen lasst er an der Notwendigkeit, soziale Phanomene mikroflindierend zu erklaren, keinen Zweifel aufkommen; dass zu diesem Zweck eine formalisierbare Handlungstheorie vonnoten ist und entwickelt werden kann, die die „Logik der Selektion" - wie sie Hartmut Esser nennen wird - so genau wie moglich erfasst, fmdet in ihm einen nachhaltigen FUrsprecher"^^^. Ebenso eindeutig ist sein Pladoyer zugunsten einer ausbaufahigen Modellheuristik, die darauf abzielt, die hochst variablen situativen Umstande, unter denen Akteure agieren mussen, einesteils mit Hilfe der unterstellten Rationaltheorie zu erschlieBen und auch jenseits der zunachst modellierten Merkmale (namlich „institutionelle Regeln und Normen bzw. distributive Eigenschaften""^^^ von Handlungssystemen) zu untersuchen; auf der anderen Seite erlaubt die von Coleman verteidigte Modelltheorie aber auch, die unterschiedlichen strukturellen Anwendungsszenarien der Rationaltheorie dazu zu nutzen, diese (selbst) empirisch zu kontrollieren und gegebenenfalls zu revidieren'^^^ obgleich er nicht sah, dass sich der Sozialforscher einen Gefallen damit tut, die zur Erklarung (verschiedenartiger Makroeffekte) herangezogene Rational- oder Handlungstheorie bei jeder gescheiterten Anwendung einer ernsthaften und grundlichen

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Vgl. Coleman 1991, S. 16ff Diese These von der Maximierung des individuellen Nutzens akzeptierte Coleman nur aus berechnungstechnischen Griinden (vgl. Coleman 1991, S. 23), nicht weil er sie fiir empirisch wahr gehalten hatte. Coleman (1964, S. 516ff) hatte von sogenannten „sometimes-true theories" gesprochen. Vgl. Coleman 1993 Vgl. Coleman 1976, S. 91ff, Coleman 1990a Vgl. Braun 1996, Bunge 1998, S. 79ff, Fararo 1996, S. 280ff und Fararo 2001, S. 273ff Vgl. Bunge 1998, S. 79ff Vgl. Coleman 1964, Coleman 1994 Coleman 1994, S. 10 Vgl. Coleman 1994a, S. 169

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Revision zu unterziehen"^^^, solange sich ihre Anwendungsbedingungen systematisch korrigieren und variieren bzw. erweitern und damit zusatzliche (und entsprechendfruchtbare)Themenfelder finden lassen. Es ist sicher nicht schwer, Colemans Theorie der Modellbildung infolge dieser (zuletzt genannten) Empfehlung einen gewissen Instrumentalismus zu testieren. Ich denke indessen, dass man ihm dies nachsehen kann, wenn man vermerkt, dass er bereits frtih in seiner Karriere - zeitlich parallel zu korrespondierenden Einsichten, die sich bei Hayek und Bunge fmden - eine gdnzlich andere Theorieauffassung favorisiert hatte als jene, auch von seinem Lehrer Merton geteilte Vorstellung, wonach die unabdingbare Voraussetzung fur eine sozialwissenschaftliche Erklarung darin zu sehen sei, dass der Theoretiker auf Pramissen zuruckgreifen kann, die er aus positiv getesteten, induktiv verallgemeinernden Hypothesen gewonnen hat"^^^. Entgegen dieser Deutung sind Theorien (oder deren Gesetze) flir Coleman keine Verallgemeinerungen und sie behaupten keine (empirischen) Regelhaftigkeiten; da alle derartigen Verallgemeinerungen auf bruchigen induktiven Fundamenten beruhen und immerzu mit fehlerhaften empirischen Implikationen verbunden sind, macht es seiner Auffassung folgend keinen Sinn, Erklarungsargumente unter der Voraussetzung anzubieten, dass bestimmte Generalisierungen wahr sind, wenn man zugleich weiB, dass dies nicht der Fall sein kann; stattdessen ist es in seinen Augen sehr viel verniinftiger, Regelhaftigkeiten des Sozialgeschehens als einen (seinerseits) erklarungsbedtirftigen Sachverhalt aufzufassen, dessen Beschreibung als Explanandum einer („synthetischen"'^^'^) „Theorie" deduziert werden kann, die die Bedingungen angibt, unter denen die betreffenden Regelhaftigkeiten zu erwarten sind oder eben gerade nicht. Eine derartige „synthetische Theorie", die dies leistet, rechnet mit dem Auftauchen von Regelhaftigkeiten offenbar nur unter spezifischen Bedingungen, und es ist Aufgabe der („synthetisierenden") (Modell-)Analyse, diese Bedingungen und ihre Konsequenzen ftir die zwischenmenschlichen Abstimmungsverhaltnisse zu identifizieren. Dass diese (jeder derartigen Modellbildung) „underlying theory""^^^ eine Handlungstheorie sein muss, die die Intentionalitat und Ressourcengebundenheit des menschlichen Handelns behauptet, konnen wir angesichts der spateren Schriften Colemans voraussetzen"^^^. Damit aber drangt sich die folgende Folgerung auf: Zwar wendet sich Coleman - soweit ich sehe - nicht direkt

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Vgl. Coleman 1964, S. 517. In Laktosscher Manier bezeichnet er sie als „festen Kern", an dem man festhalten kann, solange mit seiner Hilfe klargestellt werden kann, wie „soziale Phanomene" in Abhangigkeit zur variierenden „sozialen Kontexten ... erwachsen" (Coleman 1991, S. 13). Wir werden sehen, das sich (zumal) Lindenberg und Esser diesem Methodenverstandnis anschliefien werden. Vgl. Coleman 1964, S. 522ff Vgl. Coleman 1964, S. 41ff, Coleman 1994, S. 9. „Synthetische Theorien" sind in meinem Wortgebrauch (hochst unterschiedlich) „formalisierte Strukturmodelle" (iiber hochst unterschiedliche Prozesse wie: Diffusion, Tauschheiraten, Interaktionshaufigkeiten u.a.), die zeigen, wie mit Hilfe (bestimmter) individueller Propositionen „deductions on the group level" (Coleman 1964, S. 41) moglich werden. Coleman 1964,8.523 Vgl. Coleman 1991,8.25

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gegen Hempel, den er ihn offenbar nur als Messtheoretiker wahrnimmt '^^^; es kann aber nicht verborgen bleiben, dass sich seine an den Erfordernissen einer Losung des (sozialwissenschaftlichen) Mikro-Makroproblems geschulte Sicht der sozialwissenschaftlichen Erklarungsaufgabe nicht mit der Logik der Hempelschen Erklarungslogik zur Deckung bringen lasst, sondern in eine Richtung weist, die zu deren Revision auffordert; (makrosoziale) Verallgemeinerungen sind keine Gesetze, die eine deduktiv-nomologische Erklarung (sozialer Verhaltnisse) in ihren Pramissen zu benennen hatte, sondern (allenfalls) die Konsequenz eines nur unter hochst einzigartigen Bedingungskonstellationen sich ergebenden, handlungstheoretisch zu entschliisselnden Mechanismus' (oder - wie Coleman sagt - eines „sozialen Prozesses""^^^), dessen Auswirkungen sich eventuell und unter den genannten gesonderten Umstanden in beobachtbaren „Regelhaftigkeiten des Verhaltens", aller Erwartung nach und in der Regel aber auch in anderen Trajektorien des Systemverlaufs niederschlagen (konnen und werden). Mit diesem sozialwissenschaftlichen Theorie- und Erklarungsverstandnis hatte sich Coleman vermutlich sehr viel weiter von seinem Mentor Robert K. Merton entfernt, als sich beide eingestehen konnten. In der Tat kann man konstatieren, dass sich seine Auffassung uber die Logik mikroftindierender Erklarungen mittlerweile gegentiber der seines Mentors durchzusetzen scheint, was sich nicht zuletzt auch darin dokumentiert, dass nicht Mertons entscheidungsftmdiertes „Strukturparadigma", sondern sein „Ansatz" vermehrt als lehrbuchtauglicher und „paradigmatischer" Beitrag der „Rationaltheorie" zur soziologischen Theoriegeschichte gehandelt wird"^"^^, und das Ratselraten daruber, was Robert K. Merton unter „middle range theories" verstanden wissen wollte, vor allem dort ein Ende fmdet, wo man sich dazu durchringt, derartige „Theorien mittlerer Reichweite" mit der von Coleman verteidigten Modelllogik gleichzusetzen"^"^^. In jedem Fall kann man festhalten, dass die nachfolgende Debatte, sofern sie sich nichtfi'ontalgegen jede Form einer individualistischen und erklarenden Theorietradition stellt'^'^^ nicht hinter Colemans zentralen Thesen zuruckgefallen ist, dass die Sozialtheorie das Mikro-Makro-Problem losen muss, indem sie mikrofimdierende Analysen von Interdependenzprozessen vorzulegen und zu diesem Zweck eine Handlungstheorie zu akzeptieren hat, die den Akteur als eine absichtsgeleitete, ziel- und ressourcenbewusste Person auffasst, die von sich (wenigstens in den meisten Fallen) glauben kann, „rational" (und d.h. „zielgerecht" und an den eigenen Interessen orientiert) zu agieren.

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Vgl. Coleman 1964,8.58 Vgl. Coleman 1964, S. 516ff Vgl. z.B. Biischges/Abraham/Funk 1995, Munch 2003, S. 89ff Vgl. Hedstrom/Swedberg 1998, Esser 2002 Wie Theoriebeitrage, die auf eine solche Frontstellung verzichten, mit seiner „Logik" mikrofundierender Erklarungen verbunden werden konnen, hat Coleman bisweilen demonstriert, vgl. Coleman 1986a.

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3.3 „Bruckenannahmen" und das „Problem der Transformation": Siegwart Lindenberg und Reinhard Wippler In engem Austausch mit James Coleman (aber auch mit Raymond Boudon"^"^^, auf den ich noch zu sprechen komme, und nattirlich in Anschluss an das bei Robert Merton erreichte Analyseniveau) hat sich eine Forschergruppe in Holland, die sich um Siegwart Lindenberg und Reinhard Wippler geschart hatte, um die Klarung der Frage bemiiht, wie eine angemessene soziologische Erklarung auszusehen habe'^'^^ Der Problemhintergrund der Bemtihungen dieser Gruppe war - wie man (inzwischen) erahnen kann - ein doppelter: Zum einen konnte (auch) sie nicht leugnen, dass es „allgemeine soziologische Gesetze"'^'^'^, die man als Erklarungspramissen eines Hempel-Arguments akzeptieren konnte, nicht gibt"^"^^; zum anderen bestand in ihren Augen das Problem soziologischer Erklarung (oder des „soziologischen Minimalprogramms""^"^^, wie sie es nannten) nicht nur darin zu zeigen, dass, sondern wie soziale Bedingungen soziale Effekte nach sich ziehen'^'^'' bzw. wie die „Ursachen" entsprechender (erklarungsbedurftiger) „sozialer RegelmaBigkeiten" entdeckt werden konnen"^"^^. Dies ist nicht moglich, solange der Theoretiker sich darauf beschrankt, Makrovariablen kausalanalytisch zu korrelieren'^'^^; vielmehr muss er zei442 443

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Um Boudons Rezeption im deutschen Sprachraum hat sich friih Reinhard Wippler verdient gemacht, vgl. Wippler 1979; vgl. auch den kritischen Beitrag zu Boudons Theorie der situierten Rationalitat bei Lindenberg 2000. Vgl. zu diesem Erklarungsanspruch Lindenberg 1977, LindenbergAVippler 1978, Wippler 1978. Lindenberg 1977 (vor allem) kommt der in dieser Arbeit behandelten Fragestellung in einem doppelten Sinn entgegen: Zum einen behandelt er sein Thema (zumindest anfanglich) vor dem Hintergrund der Hempel-Oppenheimschen Erklarungstheorie, zum anderen meint er (deutlicher als seine Mitstreiter), dass die zentrale Aufgabe der soziologischen Erklarung in der Entdeckung und heuristischen Nutzung von „Mechanismen" bestehe (vgl. Lindenberg 1977, S. 48 und 50). Verwandte Formulierungen des Programms fmden sich aber auch bei Wippler 1978, Wippler 1978a, Wippler 1981, RaubA^oss 1981 und Raub 1984. An der Entwicklung wichtiger Grundannahmen - vor allem, was die Kritik an gegnerischen Forschungsprogrammen angeht - haben sich auch Opp und Hummell beteiligt (vgl. Hummell/Opp 1971, Opp/Hummell 1973); allerdings hat die Idee dieser beiden Autoren, man konne makroskopische Pradikate mit Hilfe individualistischer Begriffe gewissermafien „reduktiv defmieren", nicht die Zustimmung der hollandischen Gruppe gefiinden. Als mittlerweile vollzogene Annaherung der Positionen kann man Opp 1995, S. 90ff und Opp 2004 verstehen, obgleich ich mir unsicher bin, ob Opp die Unterschiede eigens bewertet, die ich zwischen seiner an Popper geschulten Wissenschaftslehre und der (jedenfalls neuerdings) eher den StegmuUerschen Uberzeugungen zuneigenden Auffassung von Lindenberg bemerke (vgl. Fufinote 498). Wippler/Lindenberg 1987, S. 149 Vgl. Lindenberg 1977, S. 48 Lindenberg 1977, S. 47, Wippler/Lindenberg 1987, S. 137ff Vgl. Wippler/Lindenberg 1987, S. 137 Lindenbergl977, S. 46 Vgl. Wippler 1987, S. 187, Lindenberg 1996a, S. 126. Solche Kausalmodelle sind regelmaBig unvollstandig, ohne dass der Modelleur angeben kann, weshalb. Wippler kannte die mangelhafte Reichweite derartiger Forschungen aus eigener Erfahrung, was ihm die Kritik von Seiten der (hollandischen) Eliasschule aber nicht erspart hat, vgl. Goudsblom 1977, S. 57f. Wie Esser (1984 und 1988) zeigt, ist das Eliassche Forschungsprogramm desgleichen

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gen, vermoge welches „Mechanismus" das eine soziale Phanomen das andere (indirekt und auf Umwegen) „verursacht"'^^^, wozu man wiederum eine Theorie individuellen Handelns benotigt, mit deren Hilfe man angeben kann, weshalb sich Akteure auf bestimmte, mechanismusrelevante Handlungen tiberhaupt einlassen. Zu Recht hatte Lindenberg deshalb zur Skizzierung eines moglichen Wegs zur Beantwortung der Frage, wie eine brauchbares soziologisches Erklarungsargument auszusehen habe, von Beginn darauf bestanden, dass „wo immer Soziologen versuchen einen (solchen) Mechanismus anzugeben, der erklart, wie ein sozialer Tatbestand einen bestimmten anderen zur Folge hat, sie explizit oder implizit auf individualistische Propositionen zuruckgreifen"^^\ Allerdings sahen sich auch Wippler und Lindenberg bei ihrem Versuch, ihre Fragestellung plausibel zu machen und mit einer haltbaren Antwort zu versehen, mit mittlerweile nur zu vertrauten Schwierigkeiten konfrontiert. So hatten sie - wie alle ubrigen Verfechter eines mechanismischen Forschungsprogramms - zum einen damit zu kampfen, dass im Gefolge der Arbeiten von George C. Romans (und seiner auch in Deutschland riihrigen Anhanger) flir lange Zeit die These popularisiert worden war, alle Aussagen uber „soziale" bzw. „kollektive Phanomene""^^^ mussten auf Aussagen tiber individuelles Lernverhalten (zumal logisch-defmitorisch) „zuruckgefuhrt" werden"^^^, wahrend sie es andernteils mit unerschutterlichen Soziologen zu tun bekamen, die diese Position zwar wie sei selbst als „reduktionistisch" ablehnten, gleichzeitig aber, womit sie keinesfalls einverstanden waren, daran festhalten wollten, dass die Eigenheiten individuellen Handelns der Akteure aus ihrer „sozialen Lage" oder unter Verweis auf dessen strukturellen Determinanten zu erklaren seien"^^"^. In Konsequenz dieser Gegentiberstellung sahen sich die beiden Autoren mit dem Dilemma konfrontiert, dass sich im einen Fall die erklarungsbediirftigen sozialen Sachverhalte aufzulosen drohten, wahrend im anderen unverstanden blieb, unter welchen Umstanden die zu erklarenden „kollektiven Phanomene" aus dem Handeln der Akteure entstehen und sich verandern. Offensichtlich war zunachst nur, dass sich hinter der projektierten Suche nach „Mechanismen", deren erfolgreicher Verlauf das geschilderten Dilemmas vermeiden, wenn nicht auflosen sollte, eine doppelte Frage verbarg: Zum ersten war zu klaren, wie die Mechanismen genauer zu kennzeichnen waren, die „individuelle Tatbestande" (d.h. die Einzelhandlungen der Akteure) mit „kollektiven Tatbestan-

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mechanismisch angelegt; in Holland kam es m.W. aber zu keiner „Vereinigung" der Anstrengungen. Vgl. Wippler 1978a, S. 143 Lindenberg 1977,8.48 Lindenberg 1977, S. 49, Wippler/Lindenberg 1987 passim Diese These hatten - wie in FuBnote 443 angesprochen - Hummell/Opp 1971 vertreten. Lindenbergs Dauergegner in dieser Frage sind (natiirlich) - Hartmut Esser bezieht im Ubrigen dieselbe Front - Durkheim und Parsons, soweit sich dieser auf die Rezeption Durkheimscher Gedanken eingelassen hatte, vgl. Lindenberg 1975, Lindenberg 1983. Ich glaube mich auch an einen nicht sehr freundlichen (miindlichen) Kommentar der Blauschen Strukturtheorie zu erinnem.

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den" verbinden konnten'^^^, woran sich die nachgelagerte Frage anschloss, wie das Argument aussehen sollte, mit dessen Hilfe die Wirkungsweise derartiger mechanismischer Verbindungen zu erklaren war. Diese Fragen wurden durch die weitgehend unstrittige Beobachtung provoziert, dass zur Identifikation der gesuchten Verbindung der ausschlieBliche Riickgriff auf allgemeine „empirische Hypothesen iiber die individuellen Ursachen kollektiver Folgen""^^^ nicht ausreichen kann, weil derartige Hypothesen den hochst variablen „Bedingungskonstellationen"'^^^ nicht gerecht werden konnen, unter denen die Akteure agieren miissen. In einem ersten Anlauf entschied sich Lindenberg dafur, die Verbindungen zwischen individuellen und koUektiven Aussagen mit Hilfe von - wie er sie nannte - „Transformationsregeln""^^^ herzustellen, die er als eine analytische Implikationsaussage verstanden wissen wollte"^^^; damit handelte er sich indessen das Problem ein, wie er die soziologische Erklarungspraxis in Ubereinstimmung mit den Anforderungen der - von ihm (wenigstens) anfangs noch akzeptierten - Hempelschen Erklarungstheorie bringen wollte, der zufolge das Explanans eines gultigen Erklarungsarguments keine analytischen Bestandteile enthalten darf^^^. Spaterhin analysiert Lindenberg assistiert von Reinhard Wippler - den Ubergang zwischen individuellen Handlungen und kollektiven Phanomenen als ein „theoretisches Problem""^^^, dessen Losung keine analytischen Schritte erfordert, sondern die (von den ubrigen Erklarungspramissen unabhangig prlifbare) Angabe von „constellations of social conditions under which certain actions do or not do result in a particular collective effect""^^^. Entsprechende Thesen haben demnach die logische Form einer (synthetisch-empirischen) Implikation, derzufolge dann, wenn eine Reihe von Akteuren unter bestimmten („strukturellen") Bedingungen handelt, der erklarungsbedurftige Kollektiveffekt (de facto) entstehen wird. Gleichviel aber, ob diese Implikation als analytische Transformationsregel oder als empirische Hypothese verstanden wird, in beiden Fallen kann eine soziologische Erklarung, die mit ihrer Hilfe vorgenommen werden soil, nicht vermittels eines einzigen Erklarungsschritts konstruiert werden; stattdessen bedarf es einer „du-

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Lindenberg 1977, S. 52 Lindenberg 1977, S. 52 Lindenberg 1977, S. 51. Diese Einschatzung ist offenbar der Tatsache geschuldet, dass Lindenberg davon ausgeht, dass diese „Verknupfiingsthesen" einen eigenstdndigen (nomologischen oder) Theoriecharakter haben (vgl. Lindenberg 1981, Lindenberg 1983, Lindenberg 1996a); die Grunde, weshalb ich daran nicht glaube, lege ich u.a. in FuBnote 469 und Abschnitt 4 dar. Lindenberg 1977, S. 52 Lindenberg 1977, S. 65 Vgl. Lindenberg 1977, S. 5Iff. Ich fiirchte, dass dieses (noch bei Hartmut Esser nachklingende) analytische Verstandnis von Transformationsregeln eine Fehleinschatzung war, die Lindenberg zu langatmigen Umwegen und missverstandlichen Erlauterungen gezwungen hat, die - soweit ich mich richtig erinnere - zunachst auf wenig Zuspruch stieBen. Wippler/Lindenberg 1987, S. 146 Wippler/Lindenberg 1987, S. 147

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al structure of explanation""^^^, die die folgende Gestalt hat: In einem ersten Schritt ist das Auftreten sogenannter „individueller Effekte" zu erklaren, womit die Aufgabe angesprochen ist, das Handeln aller in einem identifizierbaren sozialen Kontext agierender Akteure gleichermaBen unter Riickgriff auf ihre jeweiligen Ziel- und Lageeinschatzung und unter Berucksichtigung der faktischen Restriktionswirkung ihrer Situation zu erklaren. Die Pramissen einer solchen Erklarung rekurrieren dabei auf allgemeine individualistische Propositionen und deren Anfangsbedingungen, wobei vorausgesetzt wird, dass sich dieser Erklarungsschritt auf jeden einzelnen Akteur anwenden lasst"^^"^. Sind diese individuellen Effekte daraufhin bekannt, kann man mit Hilfe einer neuerlichen Anwendung des unterlegten Hempel-Oppenheimschen Erklarungsschemas"^^^ zu zeigen versuchen, dass sich unter angebbaren situativen Bedingungskonstellationen und angesichts (weiterer) Randbedingungen, die nicht als individuelle Effekte erklart werden mussen (und d.h. als Hypothesen uber den parametrischen Einfluss zusatzlicher Faktoren behandelt werden diirfen), der gesuchte kollektive Effekt (logisch zwingend) ergibt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass man „individuelle Effekte braucht, wenn man Mechanismen angeben will""^^^, die ihrerseits - wie auch Coleman meinte - darauf aufmerksam machen, dass die genannten Bedingungskonstellationen (mogliche) „Interdependenzen""^^^ bezeichnen - wie etwa die bilaterale Kontrolle des Handelns, wechselwirksame Externalitaten, die zu Konflikten oder zu Kooperationen Anlass sind, oder aber sogenannte „Koorientierungen", worunter Lindenberg eine Art „Konvention""^^^ versteht, welche die Situationseinschatzungen der verschiedenen beteiligten Akteure „vereinheitlicht", und endlich Organisationen oder - wie sie Coleman nennt - „korporative Akteure", die das Handeln der Akteure auf der Basis einer Verfassung (und damit einer Kollektiventscheidung) miteinander in Beziehung setzen. Erst diese Interdependenzen wirken - bei gegebenen individualistischen Pramissen und individuellen Effekten - daraufhin, dass die gesuchten Kollektiveffekte erwartbar sind. Nachfolgende Uberlegungen haben dazu gefuhrt, die verschiedenen Formen von Interdependenzen unter dem Gesichtspunkt zu verallgemeinern und zugleich zu systematisieren, dass sie infolge ganz unterschiedlicher (Handlungs-) Regeln zustande kommen"^^^. Diese Vorgehensweise setzt Mechanismen mit regula463 464 465 466 467 468

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Vgl. Lindenberg 1977, S. 54, Lindenberg/Wippler 1978, Wippler/Lindenberg 1987, S. 148f, Lindenberg 1992, S. 3 Zu Erleichterung dieses Schritts ist es angebracht, den Akteuren eine homogene Nutzenfiinktionen zu unterschieben, vgl. Wippler 1982, S. 45. Lindenberg (1977, S. 54) bestimmt dieses Schema in der Form: „Allgemeine Aussagen + Anfangsbedingungen => Erklarter Effekt". Lindenberg 1977, S. 56 Lindenberg 1977, S. 60ff Vgl. Lindenberg 1977, S. 61f, Lindenberg 2000, S. 247. Lindenberg versteht unter Koorientierungen als eine Art „Konvention" im Sinne von Lewis 1975, was aber nicht heifien kann, dass alle Erwartungsabstimmungen den freundlichen Charakter von Koordinationsspielen haben werden. Vgl. Lindenberg 1977, S. 63f, Wippler/Lindenberg 1987, S. 146ff. Ursprunglich bemuhte sich Lindenberg zu zeigen, dass die verschiedenen „Mechanismen", die an die Stelle von analytischen Transformationsregeln zu treten haben, unterschiedliche Grade an Invarianz

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tionswirksamen Institutionen gleich und definiert eine brauchbare Forschungsleitlinie, die im Falle von Fehlprognosen zum einen erlaubt, - ausgehend von bestimmten, ausgearbeiteten „Bausteinen von Bedingungskonstellationen fiir komplexere kollektive Phanomene""^^^ - nach Zusatzbedingungen zu fahnden, unter denen ein bestimmtes Explanandum zu erwarten ist; auf der anderen Seite aber kann der Forscher auch die betreffenden Bedingungskonstellationen selbst als kollektiven Effekt eines anderweitigen Mechanismus behandeln und auf diesem Wege dazu libergehen, sich zu fragen, wie verschiedene Mechanismen miteinander verkoppelt, aneinander angeschlossen oder wechselseitig zur Voraussetzung gemacht werden konGleichwohl blieb zunachst eine Frage offen. Lindenberg bemerkt sehr wohl, dass die Herleitung und Synthese individueller Effekte aus allgemeinen Verhaltensannahmen und deren Anwendungsbedingungen nur solange problemlos moglich sein wird, als unterstellt werden darf, dass zu deren Identifikation die jeweiligen Verhaltensabhangigkeiten als eine vernachlassigungsfahige EinflussgroBe betrachtet werden konnen. Allerdings dtirfte dies eine nicht immer realitatsgerechte Idealisierung darstellen"^^^, die man zumal dann aufgeben muss, wenn die Frage auftaucht, wie der kollektive Effekt des ersten Erklarungsschritts mit den GesetzmaBigkeiten und deren Anwendungsbedingungen, die das Handeln der einzelnen Akteure (im nachsten Schritt) erklaren sollen, dann verbunden werden kann, wenn sich infolge dieses Effekts die (handlungssteuernden) Interdependenzkonstellationen

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bzw. „Nomozitat" besitzen, wahrend die nicht-erklarten, ad hoc eingefuhrten Randbedingungen historisch variabel und wahrscheinlich anomologisch sind. Ich glaube nicht, dass diese These die Sachlage richtig wieder gibt. Wie Lindenberg (1977, S. 70) durchaus zutreffend bemerkt, konnen wir auf Gesetze letztlich nur dort stoBen, wo wir sicher sein konnen, es mit Fragen der Regelmafiigkeiten der „menschlichen Natur" zu tun zu haben. Eine solche Sichtweise impliziert aber, dass nicht nur die Randbedingungen individuellen Handelns demgegenUber kontingent sind, sondern auch die Transformationsmechanismen selbst. Das muss uns nicht daran hindern, - wie Mayntz und Esser vorschlagen - nach (verschieden) allgemeinen Beschreibungen solcher Mechanismen zu suchen oder nach unterschiedlichen Graden ihrer Invarianz; beides enthalt aber keinen validen Hinweis darauf, dass wir auf „nomologische Gesetze" (bezuglich solcher Mechanismen) gestoBen sind. Diese kann es zumindest im Gefolge des Popperschen Gesetzesverstandnisses (vgl. Popper 1966^, S. 389) - alleine deshalb nicht geben, weil sie wegen der standig sich verandemden Handlungen der Akteure gerade nicht „invariant" (und damit auch nicht: „notwendig" (vgl. Rescher 1970, S. lOff)) sind; invariant sind nur die Selektionsalgorithmen des individuellen Handelns (vgl. unten Abschnitt 4 fur die weitere Begriindung dieser Einschatzung). Lindenberg 1977, S. 61 Vgl. Wippler/Lindenberg 1987, S. 148 Ich verstehe den anfanglich zogerlichen Umgang mit diesem Problem so, dass das Paradigma des Lindenbergschen Modellierungsversuchs das Marktverhalten der Akteure darstellte. Marktmodelle glauben sich in der Tat dazu berechtigt, die im Hintergrund stehenden Institutionen auszublenden und damit auch den Tatbestand, dass die Allokationseffekte des Marktes nur dann zustande kommen, wenn die Akteure sich an die betreffenden institutionellen Regeln halten. Vergisst man dies, dann erscheinen sie leicht als „atomistische" Entscheider, die auf eigene Rechnung ihren Vorteil suchen, woraus naheliegenderweise gefolgert wird, dass die Kollektiveffekte ihres Handelns sich aufgrund einer analytischen Operation ergeben mogen. Wirklich „anomische" Interdependenzen durfte es aufierhalb von (zudem anarchischen) Gewaltszenarien (zwischen total Fremden) (indessen) nur selten geben.

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umgestalten und verandern. Lindenberg bezeichnet das sich abzeichnende Problem zunachst als „Korrespondenzproblem"'^^^ und vermerkt deutlich, dass seine eventuelle Losung „Art und Gute der individualistischen Erklarung in hohem Mafie (beeinflusst)"'^^'*, musste zunachst aber auf die theoriegeleitete Kennzeichnung solcher Interdependenzen verzichten, weil noch unklar war, mit Hilfe welcher Handlungstheorie das angesprochene Problem zu bewaltigen sei"^^^. Spaterhin und fortan wird das Problem als „Bruckenproblem" thematisiert"^^^ und mit dem Vorschlag gelost, dass sich Annahmen iiber die Beweggriinde der Individuen und Hypothesen Uber die darauf einwirkenden Bedingungen ihrer sozialen Handlungssituation bzw. iiber die dort obwaltenden Beziehungsverhaltnisse vorzugsweise im Rahmen einer Theorie der rationalen Wahl (und deren Verwandten und Abkommlingen)"^^^ miteinander verbinden lassen. Dies gelingt ihr, weil eine solche Theorie hinreichend einfach

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Lindenberg 1977, S. 79ff. Diese Terminologie erinnert an die „standard conception" wissenschaftlicher Theorien, die einen (partial-)analytischen Zusammenhang zwischen theoretischen und empirischen Begriffen herzustellen hoffte (vgl. zur Kritik Hempel 1970, S. 158f). Aber darum geht es Wippler und Lindenberg in der Tat gerade nicht. Lindenbergl977, S. 79 Anfanglich glaubte Lindenberg sich die Beantwortung der Frage ersparen zu konnen, welcher Theorie er diese „Propositionen" wtirde entnehmen konnen, vgl. Lindenberg 1977, S. 53. Vgl. Wippler/Lindenberg 1987, S. 145ff, Lindenberg 1996a. Dieser Begriff rekurriert offenbar auf Hempels „bridge principles" (Hempel 1970, S. 161), die einen deutlich synthetischen Charakter besitzen. Vgl. Wippler/Lindenberg 1987, Lindenberg 1983, Lindenberg 1984, Lindenberg 1985, Lindenberg 1986, Lindenberg 1986a, Lindenberg 1989, Lindenberg 1990, Lindenberg 1990a, Lindenberg 1991, Lindenberg 1992, Lindenberg 1995, Lindenberg 2000, Lindenberg 2001, Lindenberg 2001a u.a. Diese Aufzahlung dokumentiert den Versuch Lindenbergs, (aus meiner Sicher: leider) unter zunehmender Vemachlassigung der Behandlung sozialer Mechanismen verschiedene Handlungstheorien daraufhin zu befragen, ob und in welchem Umfang sie als Basis mikrofimdierender Erklarungen dienen konnen, und umfasst die Prospekttheorie von Kahnemann und Tversky ebenso wie Mecklings RREEMM-Theorie, Whites „complex constraint"-Ansatz oder Gary S. Beckers Idee konstanter Praferenzen bzw. eigene Weiterfuhrungsvorschlage. Die Grundidee des (neueren) Lindenbergschen Systematisierungsversuchs besteht darin, dass alle Akteure bestimmte Grundbediirfnisse befriedigen miissen, zu deren Erfiillung sie situations- und umstandsspezifische Zwischenziele zu erreichen suchen. Verhaltensvariationen mochte Lindenberg demzufolge in erster Linie durch Verweis auf die divergierenden Ausstattungen der Akteure erklaren, wozu die extemen Ressourcen ebenso gehoren wie interne Kapazitaten. Um der Tatsache gerecht zu werden, dass Akteure nur uber restringierte Fahigkeiten verfiigen, postuliert Lindenberg, dass sie sich ihre Entscheidung erleichtem konnen, indem sie jeweils nur ein Ziel verfolgen und sich zu diesem Zweck auf siXudiXionsspezifisch aktivierte Zielfiinktionen konzentrieren, wobei „Gewinnorientierung", „Normorientierung" und „Verlustvermeidung" die gewichtigste Rolle bei der (jeweiligen) „Rahmung" der Handlungsentscheidung zu spielen scheinen. Die mit diesen Festlegungen verbundenen Verkurzungen und die Unterschiede zu altemativen Theorieangeboten diskutiert Wolf 2005, dort zu Lindenberg direkt S. 208ff Wippler seinerseits scheint sich von der Rationaltheorie entfemt zu haben; jedenfalls spielt die „Nutzentheorie" bei seinem Versuch, die Frage, welche Handlungstheorie zu bevorzugen sei, anhand paarweiser Theorienvergleiche zu beantworten, keine VorreiterroUe mehr, vgl. Opp/Tazelaar/ Wippler 1990, S. 34f

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und zugleich prazise ist"^^^; sie umfasst vornehmlich „Wunsche", „subjektive (Erwartungs-)Wahrscheinlichkeiten" und „Handlungsaltemativen" (und deren Kosten)"^^^, die es jederzeit erlauben, erklarungsdienliche Zusatzannahmen (oder eben: „Bruckenhypothesen") dartiber zu formulieren, wie sich die sozialen Interdependenzen auf diese handlungsbestimmenden Faktoren auswirken und unter welchen Umstdnden sie den Akteur - zur Losung seiner Handlungsprobleme - initiativ werden lassen. D.h. eine Rationaltheorie des Handelns lasst eine verschiedengradig genaue und ausbaufahige Festlegung der jeweiligen „Produktionsfunktion"'^^^ des individuellen Handelns zu und gestattet zugleich, es mit der Handlungssituation der Koakteure in eine Beziehung zu setzen, die Aufschluss dartiber gibt, mit welchen Abstimmungsproblemen die Akteure rechnen mussen, wenn sich ihre Wege kreuzen. Und zudem erlaubt ein solcher theoretischer Zugriff, den Unterschied zwischen intendierten, erwarteten und erwunschten bzw. nicht-intendierten, unerwarteten und unerwunschten Handlungsfolgen festzuhalten und zur Kennzeichnung der Eigenarten unterschiedlicher „Transformationen" zu nutzen'^^^ In ihrer Funktion als Konstruktionsanleitung dergestaltiger „Bruckenannahmen" tragt eine solche Rationaltheorie (des individuellen Handelns) somit dazu bei, „(to) explain individual behavior as social behavior in two senses: (a) as socially constrained behavior and (b) to what extend resourceful behavior is made possible by certain social conditions"^^l Damit gelangt die hollandische Forschergruppe in letzter Instanz zum selben Ergebnis wie James Coleman (und eine Reihe noch zu besprechender Theoretiker), wenn sie es nicht gar vorwegnahm: Ein vollstandiges soziologisches Erklarungsargument soil den durch Mechanismen vermittelten Zusammenhang zwischen Makrovariablen erklaren, muss dazu aber den mikrofundierenden Umweg iiber die absichts- und ressourcengeleiteten Handlungen der beteiligten Akteure gehen"^^^. Zu diesem Zweck ist jedes, das Mikro-Makro-Problem losende Erklarungsargument in (zumindest) drei (und nicht, wie bis in jungerer Zeit vermutet, in zwei) Telle zu zerlegen. 1) Variable Brlickenannahmen zeigen, wie sich die vorfmdliche Handlungssituation auf die Uberlegungen und Entscheidungen der Akteure auswirkt; 2) jede dieser Entscheidungen ist ihrerseits als eine rationale (interessensorientierte) Entscheidung (unter zahlreichen, aber identifizierbaren Vorgaben und Restriktionen) zu erklaren; und 3) die Handlungen einer Viel- oder Mehrzahl von Akteuren verkniipfen sich uber mindestens einen zumeist institutionell vorgegebenen (und d.h. normativ und/oder durch Rechte geregelten) Interdependenzmechanismus zu einem zumeist (oder wenigstens teilweise) nicht-intendierten koUektiven Resultat"^^"^, das die Handlungssituation der Akteure riickwirkend und in einem Umfang beeinflus478 479 480 481 482 483 484

Wie erinnerlich war das auch Colemans Argument, das Stinchcombe 1993 und Esser 1996 wiederholen. Wippler/Lindenberg 1987, S. 145 Vgl. Lindenberg 1996c, Lindenberg 2001a, S. 646f u.a. Vgl. Wippler 1978, Wippler 1981 Wippler/Lindenberg 1987, S. 146 Vgl. Lindenberg 1991, S. 51ff, Lindenberg 1992, S. 7 Vgl. Wippler 1978, Wippler 1981

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sen kann, der sie - wenigstens bisweilen - zu neuerlichen Uberlegungen zwingt"^^^. In Ruckanwendung und Weiterfuhrung dieser Erklamngsfigur kann man auch darauf hoffen, die Entstehung und den Bestand der genannten Mechanismen, wiederum auf dem Weg ihrer handlungstheoretisch angeleiteten Mikrofundierung, zu erklaren. Dabei konnen alle Pramissen: die unterlegte Handlungstheorie ebenso wie die jeweiligen Konstellationsanalysen und die Mechanismen selbst und deren Aggregationsfolgen, jederzeit und solange verbessert und korrigiert werden"^^^, als feststeht, dass das soziologische Forschungsinteresse zwar den Existenz- und Umgestaltungsbedingungen sozialer Phanomene gilt, gtiltige Erklarungen solcher Kollektivsachverhalte aber nur im Gefolge einer Theorie ausreichend und gliltig sind, die der Kernbedingung des Methodologischen IndividuaHsmus und damit dem Erklarungsprimat einer Individualtheorie des Handelns geniigt, die zeigen kann, wie sich fmdige, restriktions- und erwartungsgesteuerte, ziel- und wertorientierte und zugleich ihren (maximalen) Nutzen anstrebende Akteure in ihrer sozialen Situation zurechtfmden und ihr Handeln mit Hilfe sozialer Mechanismen in einem ertraglichen Umfang, wenn auch mit unkontrollierbaren Kollektivkonsequenzen aufeinander beziehen und aneinander ausrichten konnen"^^^. Zu den keinesfalls unerwunschten Effekten dieser Vorgehensweise wird zu rechnen sein, dass sich auf diese Weise ein „einheitliches Menschenmodell" entwickeln lasst, das dem sozialwissenschaftlichen Forschungsgang eine gleichformige theoretische Farbung und eine unmissverstandlich interdisziplinare Richtung verschafft"^^^. Es fallt auf, dass sich die tJberzeugungskraft dieser Modelllogik mit Sicherheit nicht langer der Tatsache verdankt, dass sie die Adaquatheitsbedingungen der Hempel-Oppenheimschen Erklarungslogik erflillt. Tatsachlich hat Lindenberg dieses Erbe mittlerweile ausgeschlagen und verteidigt seine neue Sichtweise als „Me-

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Dies miisste in meiner Systematisierung auf einen vierten Erklarungsschritt hinauslaufen, der allerdings in den ersten des nachstfolgenden (dynamischen) Arguments ausmiinden muss. Fur das solchen Korrekturen zugrunde gelegte Verfahren „der abnehmenden Abstraktion" vgl. Lindenberg 1991, Lindenberg 1992, S. 3ff. Eine wichtige Korrektur hat Lindenberg z.B. insoweit vorgenommen, als er die anfangliche Idealisierung eines auf eigene Rechung agierenden Akteurs zugunsten dessen „sozialer Rationalitat" revidiert hat, vgl. Lindenberg 2000, Lindenberg 2001a. Damit lassen sich die Lindenberg seit geraumer Zeit interessierenden (sozialen) Realisierungsbedingungen (individueller) Wohlfahrts- und Zielfunktionen realitatsnaher modellieren. Die methodologische Pointe dieser Korrektur des anfanglichen Modells der abnehmenden Abstraktion durch ein „Prinzip der hinreichenden Komplexitat" besteht darin, dass zu simple Handlungspramissen die Explananda gar nicht zu formulieren erlauben, an denen der Forscher interessiert ist (vgl. Lindenberg 1996d, Lindenberg 2001a, S. 64If), bzw. dass aufgrund zu einfacher Annahmen „wrong mechanisms" unterstellt werden (Lindendberg 2000, S. 241). Vgl. Lindenberg 1985a fur dieses RREEMM-Modell des rationalen Handelns. In jiingster Zeit behandelt Lindenberg verschiedene Rationaltheorien des individuellen Handelns (z.B. die mikrookonomische Rationaltheorie, Herbert Simons „Satisficing"-Modell, die SEUTheorie oder die Theorie „sozialer Rationalitat") als Varianten dieses RREEMM-Modells, das zu diesem Zweck gegenuber der Ausgangsversion um eine „Meaning"-Komponente erweitert wurde, vgl. Lindenberg 2000, S. 245, 249, Lindenberg 2001a, S. 636ff Vgl. Lindenberg 1996c, Lindenberg 2001

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thode der abnehmenden Abstraktion""^^^. Die von ihm favorisierte Version der Nutzentheorie hat demzufolge nicht (langer) den Charakter psychologischer Verallgemeinerungen, sondern bezeichnet eine Menge von entscheidungs- und handlungsrelevanten (mentalen) Kapazitaten bzw. Restriktionen der Akteure, die sich auf die Bildung und Eigenart ihre Praferenzen bzw. - wie es seit einiger Zeit in Anschluss an Gary S. Becker heiBt - auf ihre jjProduktionsfunktion""^^^ auswirken. Der Ausbau einer solchen „core theory""^^^ aber ist kein Selbstzweck. Die soziologische Hauptaufgabe ist vielmehr die Analyse sozialer Systeme, und ausschlieBlich die Widrigkeiten und Problemlasten dieser Aufgabe bestimmen den notwendigen Ausbaugrad der unterlegten Theorie intentionalen Handelns. Daraus resultiert - um das Analyseniveau der Sozialwissenschaften zu erreichen - die Forderung, die betreffende Handlungstheorie so anzulegen, dass sie dazu in der Lage ist, nicht nur die Ausstattung mit materialen Handlungsressourcen, sondern auch die Restriktionswirkungen von Mitakteuren zu beriicksichtigen, die iiber den eigenen Handlungserfolg mitentscheiden"^^^. Verschiedene soziologische Modelle lassen sich dann danach ordnen, ob sie die betreffenden Wechselwirkungen der Handlungen aufgrund voUig unbestrittener Handlungsrechte ohne Externalitaten, verhandlungsbediirftiger und zugleich schadigungsschwangerer Interdependenzen oder aber infolge enger und voraussetzungsreicher (personlicher) Interaktionen entstanden wissen wollen'^^^ In alien Fallen aber gilt, dass das Einzelhandeln der Akteure iiber (theoriegeleitete) Briickenannahmen mit ihrer Handlungssituation und den dort vorherrschenden, vor.- bzw. nachgelagerten Bedingungen in Verbindung zu setzen ist, unter denen die jeweiligen Abstimmungsmechanismen funktionieren. Von der „abnehmenden Abstraktion" dieser Modellierungstechnik kann deshalb die Rede sein, well die Konstruktion von Modellen solcher Interdependenzsituationen und Mechanismen von simplen Akteur- und Briickenannahmen ausgehen sollte, um dann schrittweise kompliziertere Annahmen einzufuhren, wenn veranderte Problemlagen und umfangreichere Situations- und Akteurskonstellationen zu modellieren sind. Die Jewells zu fallende Auswahl der Annahmen iiber die Handlungskapazitaten der Akteure, ihre Situation und die Art und Reichweite der Abstimmungsmechanismen sollte sich deshalb einmal nach den logischen Erfordernissen der Ableitbarkeit des interessierenden kollektiven Explanandums richten"^^"^, zum andern aber auch an der Regel orientieren: „Choose among the many possible assumptions the one that leaves least uncertainty about further development of assumptions""^^^, wobei diese 489 490 491 492 493 494 495

Vgl. Lindenberg 1991, Lindenberg 1992 und Lindenberg 1996b, Lindenberg 1998. Die ersten Anzeichen einer veranderten Problemsicht gehen nachweisbar auf den Anfang der 80er Jahre zuruck, vgl. Lindenberg 1981 und Lindenberg 1982. Vgl. Lindenberg 1991, S. 59f, Lindenberg 1996, Lindenberg 2001a, S. 646f u.a. Lindenberg 1991, S. 51, Lindenberg 1992, S. 6 Vgl. Lindenberg 1996b, Lindenberg 1996c. Die Identifikation der betreffenden Faktoren muss im Lichte einer Handlungstheorie erfolgen und damit dem unkontrollierten „Reich einer Schattenmethodologie" (Lindenberg 1996a, S. 131) entrissen werden. Vgl. Lindenberg 1977, S. 60ff Vgl. Lindenberg 2001a, S. 642 Lindenberg 1992, S. 19

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„Weiterentwicklung" vor allem dann eingefordert werden muss, wenn sich die Modellimplikationen (und damit die bislang verwendeten, ebenenspezifischen Modellierungspramissen) empirisch nicht bewahren. „Theorien" - so die Lindenbergsche Sprachregelung (ich wurde aus bereits angesprochenen Griinden vorzugsweise von „Forschungsprogrammen" sprechen) - bezeichnen dann (korrigierte) „Sequenzen von Modellen""^^^, die dadurch auseinander hervorgehen, dass der Modellbauer im Verlauf seiner tjberprufungsarbeit dazu gezwungen ist, zur Losung neuerlicher Erklarungsprobleme realistischere Festlegungen der Modellannahmen (und d.h. fur Lindenberg: sowohl der handlungstheoretischen Pramissen als auch der situativen Konstellationsanalysen) zu akzeptieren und auf weitere Fehler bin zu testen"^^^. Mit dem uberkommenen - auf Hempel und Popper zurtickgehenden - Idealbild einer geordneten Axiomatik empirisch gestutzter und induktiv verallgemeinerter „Gesetze", die sodann gezielten Bestatigungs- bzw. Widerlegungsversuchen zu unterziehen sind, hat diese Modelltheorie offenbar nur wenig zu tun"^^^. Damit akzeptiert Lindenberg - wenigstens im Nachhinein - die Problemdefmition von Hayeks, die der Suche nach mechanismischen Erklarungen ihre anfangliche Schubkraft gegeben hatte und die - wie wir anschliefiend sehen werden - auch Raymond Boudon dazu angeregt hat, die ausgetretenen Pfade der Durkheim-Parsonsschen Makrosoziologie mit ihrer vergeblichen Suche nach „nomologischen sozialen Zusammenhangen" und deren „analytischen Gesetzen" zu verlassen.

3.4 Makrosoziale Phanomene und „Rationalite situee": Raymond Boudon Raymond Boudon hat mit Paul Lazarsfeld, dem engen KoUegen von Robert Merton, zusammengearbeitet"^^^ und ist infolgedessen mit dem Mertonschen Forschungsprogramm und dem seiner zahlreichen Schiiler (darunter auch James Coleman^^^) gut bekannt^^^ Wie Mario Bunge engagiert sich Boudon dafur, dass sich 496 497

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Lindenberg 1996b, S. 306 Ich hoffe darauf, dass die Autoren ihre anfangliche, offenbar an Merton und Hempel orientierte These, wonach diese Probleme in der Aufdeckung der (ursachlichen) Bedingungen von „Regelma6igkeiten" bestunden und die auch bei der Kennzeichnung von „Bruckenhypothesen" eine gewisse Rolle zu spielen scheint, mittlerweile haben fallen lassen. Sie ahnelt weniger der Popper-Hempel-Theorie der Erklarung als der Stegmiillerschen Modelltheorie (vgl. Stegmuller 1980) bzw. Lakatos „Methodologie wissenschaftlicher Forschungsprogramme" (vgl. Lakatos 1970). Sofem Kuipers (2000, S. 11 Iff, 167ff) Recht hat, wenn er seine „Theorie der Wahrheitsannaherung" in die Tradition des Lakatosschen Denkens stellt, ware zu prufen, ob und in wie weit man Lindenbergs „Methodologie der abnehmenden Abstraktion" auch mit den Ideen von Theo Kuipers verbinden konnte. Hinderlich ist allenfalls, dass Kuipers seine Uberlegungen nicht auf die Sozialwissenschaflen anwenden mochte (Kuipers 2000, S. 141), weil es dort keine menschen-unabhangige Realitat gebe, und dass - soweit ich sehe, besteht hierin das relevantere Problem - Kuipers Methodologie das Mehrebenenproblem nicht bzw. nur im Zusammenhang mit seiner Testtheorie berucksichtigt (vgl. Kuipers 2000, S. 95ff). Vgl. Boudon 1980a, S. 78ff Vgl. Boudons Beitrag zur Festschrift von James Coleman, Boudon 1993

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die Soziologie einer einheitlichen, mit der Wissenschaflsauffassung der Naturwissenschaften vergleichbaren Forschungstechnik anschlieBt, derzufolge sie ihr wissenschaftliches Profil nicht dadurch gewinnt, dass sie einer eigenstandigen, sie „defmierenden" (inhaltlichen) Themenstellung folgt, sondern indem sie sich einem „Verfahren" verschreibt, mit dessen Hilfe sie sich auf die Erforschung von Ratselhaftigkeiten und Paradoxien der gesellschaftlichen Entwicklung spezialisieren kann: „Establishing sociology as a scientific discipline, i.e., as a discipline following the same objectives and procedures as the natural sciences: Solving puzzles, preferably important and interesting ones, with the help of internally and externally valid generative models"^^^. Im Zentrum dieses Verfahrensvorschlags steht demnach der Auftrag, „generative Modelle"^^^ zu entwickeln, welche die eng umgrenzte Funktion haben, derartige „Ratsel", die zumeist darin bestehen, dass ein vorliegendes Makroereignis^^"^ (oder „makroskopisches Phanomen"^^^) dem interessierten Beobachter auf den ersten Zugriff unverstandlich bleibt, dadurch zu losen, dass sie dessen „ultimate causes" zu identifizieren sucht, die - wie noch naher zu dokumentieren ist - in alien Fallen in den „individual decisions" von handlungskompetenten Akteuren zu suchen sind^°^, die sich „im Kontext eines Interdependenzsystems"^^^ bzw. im Rahmen des „Interaktionssystems, dem sie angehoren"^^^, flir spezifische Handlungsentwtirfe entscheiden (mussen). D.h. in deutlichem Gegensatz zu Mario Bunge verpflichtet sich Boudon nicht einer Systemtheorie^^^, sondern einem strengen Methodologischen Individualismus^^^, der - ohne dabei in die Falle eines reduktionistischen Forschungsprogramms zu geraten - das soziologische Erklarungsinteresse darauf festlegt, (auffallige und verbliiffende) soziale Phanomene und Prozesse mit den aggregierten Folgen des Handelns einzelner Akteure gleichzusetzen, das diese unter bestimmbaren „sozialen Bedingungen"^^^ an den Tag legen. 501 502 503

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Fur einen auch die Erklarungslogik berucksichtigenden Werkuberblick vgl. Cherkaoui 2000, Maurer/Schmid 2004 Boudon 1993a, S. 38. Implikation dieser Festlegung durfte sein, dass Boudon den disziplinaren Differenzen innerhalb der Geschichts- und Sozialwissenschaften keine erklarungslogische Bedeutung beimisst. Wie Coleman - und Fararo, Mayntz und Esser - hat sich auch Boudon schon in der Friihzeit seiner Karriere um die formalen Bedingungen der Modellbildung intensiv gekiimmert und seine Position, wonach dabei mehrebenenubergreifende Mikroflindierungen einer tragende Rolle spielen, immer wieder bestatigt, vgl. Boudon 1967, Boudon 1973, Boudon 1974a, Boudon 1979a, Boudon 1980a, S. 205ff, Boudon 1998, S. 195. Vgl. Boudon 1979, S. 88, Boudon 1988, S. 99 Boudon 1980, S. 99 Boudon 1999a, S. xiv Boudon 1980, S. 88 Boudon 1980, S. 49 Besser gesagt, er vereinnahmt Bunges „systemism" als „contextual methodological individualism" (Boudon 1999a, S. xv), w^as diesem genau besehen nicht recht sein kann. Vgl. Boudon 1977, Boudon 1979, S. 88, Boudon 1980, S. 49, Boudon 1987. Zur Rekonstruktion des Methodologischen Individualismus Boudonscher Pragung vgl. Udehn 2001, S. 396ff. Vgl. Boudon 1980, S. 88, Boudon 1986, S. 29ff, Boudon 1988a, S. 753; schon frlih hat Boudon derartige Zusammenhange als „mecanismes sociaux" beschrieben, vgl. Boudon/Davidovitch (1964).

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Eine solche Erklarungspraxis enthalt allerdings eine doppelte Schwierigkeit, deren Losung den Ausgangspunkt des Boudonschen Erklamngsmodells bildet. Zum einen kann Boudon nicht akzeptieren, dass man die angesprochene Erklarungsfigur mit Hilfe sogenannter „Kausalmodelle" unterwandert, die einfordern, Erklarungen von Makrostrukturen (und ahnlicher „sozialer Phanomene") unter Verweis auf die statistisch belegbare „Assoziation" zwischen Verteilungsdaten zu erklaren, ohne die „Ursachen" angeben zu konnen, „die fiir ein gegebenes soziales Phanomen verantwortlich sind"^^^, und die Boudon regelmaBig in der „Struktur des Interaktionssystems" zu suchen bereit ist, innerhalb dessen die fraglichen Phanomene auftreten^^^, bzw. in den „Entscheidungsschemata", mit deren Hilfe ein Akteur innerhalb seines Interaktions- bzw. Interdependenzsystems den einen oder anderen „Orientierungstypus" fiir sein Handeln auswahlt^^"^. Boudon hat sich - wie viele seiner Mitstreiter - immer gegen diese Form der „Variablensoziologie"^^^ gewendet und darauf bestanden, dass zur Erklarung von Makrophanomenen die Kenntnis individueller Handlungsentscheidungen und deren sozialstruktureller Verkoppelung unentbehrlich ist^^^ Die Suche nach erklarungstauglichen Argumenten wird aber noch durch ein weiteres methodologisches Postulat erschwert. Dem Hempelschen Verstandnis dessen folgend, was als eine giiltige Erklarung eines individuellen Sachverhalts zu bewerten ist, muss man - wie mehrfach erwahnt - auf mindestens einen allgemeinen, nomologischen Zusammenhang - ein „Gesetz" mithin - zuriickgreifen konnen. Boudon aber kann sich nicht dazu durchringen, die Existenz erklarungstauglicher soziologischer Gesetze zu erkennen^^^ oder an die Wahrheit vorgeschlagener Gesetzesformulierungen zu glauben^^^; entsprechend rat er der soziologischen Theoriebildung an, die Fahndung noch derartigen „Gesetzen" einzustellen und stattdessen nach formalen und abstrakten Modellen^^^ zu suchen, die auf der Basis einer „verallgemeinerten Handlungstheorie"^^^ die „sozialen"^^^ bzw. „generativen Mechanismen"^^^ zu identifizieren erlauben, mit deren Hilfe Akteure ihre Handlungen aufeinander abstimmen und die zu denfragwurdigenbzw. erklarungsbedurftigen „sozialen Phanomenen" flihren^^^. Im Normalfall werden sich Modellkonstruktionen darauf konzentrieren, derartige Mechanismen in einer „idealen" oder „formalen" Weise und d.h. unter Bedingungen vorzuschlagen, die in der Realitat nicht oh512 513 514 515 516 517 518 519 520 521 522 523

Boudon 1998, S. 172; vgl. Boudon 1976a, Boudon 1976b und Boudon 1979, S. 18f fur eine friihe Problembeschreibung Boudon 1980,8.30 Vgl. Boudon 1980, S. 181. Diese Idee wird spater von Esser ausgearbeitet. Vgl. Esser 1996 Vgl. paradigmatisch Boudon 1974 Vgl. Boudon 1983, Boudon 1983a, Boudon 1986, S. 9ff Vgl. Boudon 1983a, S. 14, Boudon 1986, S. 88 Vgl. Boudon 1967, Boudon 1976 Boudon 1980, S. 28 Vgl. Boudon 1998 Vgl. dazu Boudon 1993a, S. 38, Boudon 1993b, S. 15 Vgl. Boudon 1998, S. 172. Das „Paradigma" einer derart angelegten Forschung findet sich in Boudon 1974.

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ne Weiteres beobachtet werden konnen^^"^. Gleichwohl kann die Existenz eines erklarungstauglichen Mechanismus behauptet werden, wenn die folgenden (mehrschichtigen) Bedingungen erfuUt sind: Zum einen muss sich das zu erklarende makrosoziale Phanomen M (d.h. fiir Boudon zumeist eine Verteilungsstruktur oder ein Beziehungsverhaltnis) in Abhangigkeit zu einer Vielzahl individueller Handlungen nii als eine Funktion M(m/) behandeln lassen; zum anderen sollten diese Handlungen ihrerseits als Funktion mi{S^ der Situation Sj beschreibbar sein, in der sich die Akteure jeweils befmden (oder zu befmden glauben), wobei zugleich vorausgesetzt wird, dass St durch eine zeitlich vorgelagerte Struktur oder Beziehungsform M' bestimmt ist; es gilt also: M{m[S(M')]}^^^. Daraus folgt zum einen, dass M sich als eine kollektive Folge oder als „Kompositionseffekt" des situationsabhangigen Handelns einer Mehrzahl von Akteuren verstehen lasst^^^, den die Akteure aufgrund ihrer systematischen Ignoranz der Bedingungen und Folgen ihres Handelns und ihrer mangelnden Schlussfolgerungsfahigkeiten^^^ in der Kegel (vorweg) nicht kennen oder auch nur erahnen werden. Da sich ein solcher unvorhergesehener bzw. nichtintendierter Kompositionseffekt aus dem Verbund von rrii und St (bzw. aufgrund der Funktion mi{S)) ergeben muss, benotigt man eine „verallgemeinerte" bzw. eine (hinreichend) „komplexe" Theorie des individuellen Handelns^^^, die die Anreizund Steuerungswirkungen der Handlungssituation beriicksichtigen kann, in der die Akteure agieren mussen, und die zugleich - wenigstens im Grundsatz - sichtbar machen kann, inwieweit und in welchem Sinne ein entstehender Kompositionseffekt den (individuellen) Intentionen der von ihm betroffenen Akteure nicht entsprach. Das leistet in den Augen Boudons nur eine Theorie des individuellen Wahl- oder Entscheidungshandelns, die Annahmen liber die Beweggrunde der Akteure mit solchen uber ihre Handlungssituation zu verkniipfen erlaubt. Nur aufgrund einer gleichzeitigen Identifikation individueller Motive und situativer Erfolgsbedingungen kann ein Handeln tiberhaupt verstanden werden^^^. Zu den unterlegten Handlungsannahmen zahlt zum einen, dass die Akteure absichtsgeleitet und zielorientiert handeln. Zur Festlegung solcher Ziele und deren Erfolgsausichten benotigt man wiederum Postulate uber die „Wert-"^^^ bzw. „Glaubensuberzeugungen"^^^ der Akteure. Zwar kennen diese - wie angedeutet - die Herkunft, Geltungsbedingungen und Folgewirkungen ihrer Uberzeugungen in der Kegel nicht; dass sie Uber sie verfiigen und sie als „plausibel" einstufen konnen, reicht indessen (zumeist) hin, um 524 525 526 527 528 529 530 531

Vgl. Boudon 1986, S. 202f Boudon 1986, S. 30, Boudon 1987, S. 46. Diese funktionsanalytische Sprache geht dem Problem der Kausalitat zunachst aus dem Weg; ich werde in Abschnitt 4 einiges dazu sagen. Vgl. Boudon 1977, S. 271, Boudon 1980, Boudon 1986, S. 56ff Vgl. dazu Boudon 1988, Boudon 1994, Boudon 2003 u.a. Vgl. Boudon 1980, S. 27f, 118 Vgl. Boudon 1980, S. 28 u.a. ... und nur als verstandenes ist es Gegenstand der soziologischen Theoriebildung. Vgl. Boudon 1999 Vgl. Boudon 1994, Boudon 1995, S. 189ff

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sie auch dann mit „guten Griinden" flir eine entsprechende Handlungsentscheidung zu versehen, wenn ein unbefangener Beobachter sie verwerfen wurde^^^. Auch kann ein Akteur angesichts seiner mangelnden Einsicht in die Erfolgsvoraussetzungen seiner Handlungsvorhaben nicht darauf hoffen, seinen maximalen Nutzen zu realisieren; gleichwohl wird er sicli bemiihen, seine Entscheidungen - nach subjektiven Erfolgskriterien bemessen - „optimal" zu gestalten^^^. Situationsannahmen (andererseits) spielen bei solchen Entscheidungen insoweit eine Rolle, als sie die „Zwange"^^"^ und Restriktionen beschreiben, denen das Handeln des Akteurs ausgesetzt ist, wozu seine begrenzten Kalkulations- und Handlungsfahigkeiten ebenso rechnen wie die externen Hindernisse, die aus dem Mangel an zieldienlichen Ressourcen und/oder aus der Tatsache resultieren, dass er ein „strategisches Interaktionsfeld"^^^ betritt, auf dem er zusehen muss, dass Mitakteure seine Zielsetzungen nicht erschweren oder gar ganzlich durchkreuzen. Es gilt also: „Die Akteure versuchen, ihre Vorteile innerhalb der Grenzen auszuschopfen, die ihnen die Zwange (so wie sie diese perzipieren) des Interaktionssystems, dem sie angehoren, auferlegen"^^^. Aufgrund ihrer situativ beschrankten Fahigkeiten und Moglichkeiten spricht Boudon - wie mit Ausnahme Colemans alle hier besprochenen Autoren - den Akteuren seiner Modelle allenfalls eine „rationalite situee"^^^, d.h. eine durchweg kontextabhangige, „lokale" und damit „begrenzte Rationalitat" zu^^^. Die ratselhaften Kompositionseffekte erklaren sich also als Folge der beschrankt rationalen Anpassungsleistungen^^^ der Akteure an die Restriktionen ihrer Handlungssituation, deren Interaktion- bzw. Interdependenzverhaltnisse^'^^ durch eine Reihe „grundlegender Mechanismen"^"^^ gekennzeichnet werden konnen, die die Entscheidungen der verschiedenen Akteure in eine hochst selektive^"^^, mit unvermeidbaren KoUektivfolgen verbundene Beziehung zueinander setzen bzw. aneinander koppeln. Diese Auffassung impliziert unvermeidlicherweise die These, dass sich bei konstant gehaltenen Handlungsannahmen je nach Situationskonstellation und Mechanismus verschiedenartige Kompositionseffekte ergeben^"^^, woraus folgt, dass sich unterschiedliche Modelle danach unterscheiden lassen, welchen Situationsvorgaben und welchen Mechanismen sie bei konstanter Festlegung der Rationalitatsvoraussetzungen (der Akteure) Rechnung tragen wollen^"^"^. 532 533 534 535 536 537 538 539 540 541 542 543 544

Vgl. Boudon 1993b, Boudon 1996, Boudon 2003 Vgl. Boudon 1980, S. 25, 49 u.a. Boudon 1980, S. 30 Boudon 1980, S. 92 Boudonl980, S. 61 Boudon 1988b, S. 242 Vgl. Boudon 1986, S. 45ff, Boudon 1987, S. 83ff Vgl. Boudon 1986, S. 55 Fur diese Unterscheidung vgl. Boudon 1980 Boudon 1980, S. 22 Vgl. Boudon 1980, S. 178 Vgl. die Beispiele in Boudon 1980 Wie erinnerlich hatte sich Coleman - wie spaterhin auch Lindenberg und Esser - einer ganz ahnlichen Analysetechnik verschrieben, die sich auch im vorliegenden Fall leicht mit der Lakatosschen „Methodologie wissenschaftlicher Forschungsprogramme" zur Deckung brin-

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Solche Modelle mussen sich nicht auf die Losung einzelner Ratsel oder die Erklarung historisch einmaliger Struktureffekte und damit statischer Effekte beschranken, vielmehr konnen sie auch dazu dienen, die Dynamik des sozialen Geschehens zu erfassen, unabhangig davon, ob dabei rekursiv wirksame Gleichgewichtsbedingungen der interessierenden Emergenz- und Kompositionseffekte oder durch jjRuckwirkungseffekte"^'^^ provozierte Wandlungen der Interaktions- oder Interdependenzstrukturen zu erklaren sind. Im Rahmen der Boudonschen Modellierungstechnik bedeutet dies, dass sich wiederholte Gleichgewichte dann einstellen werden, wenn (in aufeinander folgenden Episoden ihrer Beziehungen) keiner der Akteure aufgrund der Wechselwirksamkeit des Handelns und dessen Folgen einen Anlass sieht oder eine Chance hat, sein Handeln, flir das er sich in der Hoffnung auf Optimierungsgewinne entschieden hatte, zu andern^"^^; wahrend die verschiedenen Formen des „sozialen Wandels"^'*^ - je nach Art des unterlegten Mechanismus - als Abfolge sich verandernder Kompositionseffekte erklart werden konnen, die unter Umstanden auch auf den Zusammenbruch bzw. die Umgestaltung eines etablierten Abstimmungsmechanismus (bzw. des ihm zugrundHegenden Beziehungsgefuges) hinauslaufen. Tatsachlich sind Gleichgewichte (und die sie dokumentierenden „Regelhaftigkeiten") rare und (zugleich) keinesfalls notwendigerweise optimale Zustande^"^^; und d.h. dass nicht-lineare, ergebnisoffene, zufallsgesteuerte Effekte^"^^ ebenso erwartet werden mtissen wie letztlich durch die Akteure unkontrollierbare „kaskadenartige Veranderungen"^^^, deren globale Effektivitat keinesfalls feststeht. In diesem Sinne sollte sich jede brauchbare soziologische Erklarungspraxis dazu durchringen, der „Unordnung einen angemessenen Platz" zu belassen^^^ Die heuristischen Moglichkeiten dieser Erklarungspraxis liegen auf der Hand: Auf der Basis relativ einfacher Annahmen uber die „situative Rationalitat" der Akteure, lasst sich eine Vielzahl von Bedingungs- und Situationskonstellationen daraufhin untersuchen, wie sich diese auf ihr Bemiihen auswirken, Abstimmungsmechanismen zu etablieren und aufrechtzuerhalten, mit deren Hilfe sie ihre (interaktiven wie interdependenten) Beziehungsformen reproduzieren oder (gegebenenfalls) umgestalten konnen^^^. Die Dynamik der Veranderungen solcher Verkehrsformen lasst sich (mithin) im Rahmen der selben Modelllogik behandeln wie - die bisweilen als „statisch" eingestuften - Prozesse ihrer Reproduktion, solange man akzep-

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gen lasst. Ob Boudon seine Modelltheorie (wissenschaftstheoretisch und erkenntniskritisch) angemessen interpretiert, werde ich noch klaren. Boudon 1980, S. 149 Boudon 1986, S. 164 bezeichnet solche Situationen wechselseitiger Immobilitat als „forcedchoice-situations". Boudon (1980, S. 139ff) unterscheidet: Zyklen, sich selbstverstarkende Kumulationen und Transformationsprozesse, die Umweltanderungen hervorrufen, die ihrerseits die Akteure zu Innovationen zwingen (vgl. auch Boudon 1986, S. 166). Vgl. Boudon 1986, S. 113 Vgl. Boudon 1986, S. 156f, 175 Boudon 1980, S. 164 Boudon 1986, S. 180ff. ... so der Originaltitel des Boudonschen „Klassikers", vgl. Boudon 1985. Vgl. Boudon/Bourricaud 1992

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tiert, dass sich die Auspragungsverschiebung von Verteilungsstrukturen wie deren Aufrechterhaltung ebenso wie der Funktionserhalt oder am Ende die Umgestaltung von Abstimmungsmechanismen als Kollektivfolge oder Kompositionseffekt des gemeinsamen Handelns vieler erklaren lassen. Modelle struktureller „Reproduktion" unterscheiden sich von solchen der „Transformation"^^^ demnach nur in Art und Umfang der jeweiligen Rtickkoppelungsmechanismen. Auf der anderen Seite bestehen auch keine Verbote, die unterstellte Theorie selektiver RationaHtat bei Bedarf auszubauen und durch Hinweise auf die Besonderheiten bestimmter handlungsrelevanter Bedingungskonstellationen zu korrigieren^^"^, deren Effekte immer auch in adaptive oder kreative Lernprozesse ausmtinden konnen. Aus der unleugbaren Tatsache, dass die Handlungstheorie wie die mit ihrer Hilfe konstruierten Strukturmodelle jeweils fiir sich und unvermeidbarerweise unvoUstandig sind^^^ und dass es zudem immer externe Wirkfaktoren gibt, die zu parametrisieren sich jeder Modellkonstrukteur das Recht nehmen muss, wenn die untersuchten Zusammenhange nicht zu uniibersichtlich werden sollen, folgt demnach - wie bereits Lindenberg klarstellt - eine fest umrissene Methode der Theorieentwicklung: Die Soziologie kann in all den Fallen, in denen die Prlifling der unterlegten Handlungs- bzw. Situationsannahmen zu fehlerhaften Frognosen flihrt, nach Zusatzfaktoren zu suchen beginnen, die die anfanglichen Erklarungsargumente ubersehen hatten, wobei sich diese Fehler dann am leichtesten identifizieren lassen, wenn man die Korrektur der Handlungs- und Entscheidungstheorie angesichts konstanter Situationsbedingungen vornimmt bzw. zur Revision der Konstellations- bzw. Restriktionsanalysen die jeweiligen Handlungsannahme(n) invariant setzt. Angesichts dessen macht es keinen Sinn, Einzelfallerklarungen nur deshalb den Status eines eigenstandigen „Paradigmas" zu verleihen, well sie einen Bedingungskontext untersuchen, an dem andere Modellierungen kein Interesse zeigen; die Soziologie verfahrt also - entgegen gangiger Selbstbeschreibungen - nicht multiparadigmatisch, sondern kann eine handlungstheoretisch vereinheitlichte Erklarung einer Unzahl verschiedener Strukturverteilungen und Bedingungskonstellationen vorlegen, die durch ganz mannigfaltige, aber handlungstheoretisch jederzeit rekonstruierbare Abstimmungsmechanismen hervorgebracht und aufrechterhalten werden und die, je nach Umstanden, mit hochst heterogenen - die bestehenden Interaktions- und Abhangigkeitsbeziehungen stabilisierenden wie destabilisierenden - Externalitaten verbunden sein werden. Als Fazit bleibt festzuhalten: Auch Boudon reagiert auf die Einsicht, dass es keine soziologischen Gesetze gibt, mit Vorschlagen zur Revision des Hempelschen Erklarungsmodells; auch er verteidigt eine mehrstufige, mikrofundierende Erklarungspraxis, die das Mikro-Makroproblem nicht anders lost als die zuvor besprochenen Autoren. Auch Boudon will zur Klarung der logischen Struktur mikrofundierender Erklarungen einen richtig verstandenen Methodologischen Individualismus verteidigt sehen, der die Emergenz und Eigenstandigkeit von Kompositionseffekten und Beziehungsformen nicht leugnet, sondern sie „aus den Konsequenzen 553 554 555

Vgl. zu dieser Terminologie Hemes 1995, S. 102ff Vgl. Boudon 1988, Boudon 1994, Boudon 2003 Vgl. Boudon 1986, S. 208 iiber „Partialmodelle"

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der Handlungen" zu erklaren sucht, „die von den Agenten des betrachteten Systems ausgefuhrt werden"^^^, ohne diesen Makroeffekten deshalb - wie dies spatestens seit Marx und Durkheim (und noch heute verbreitet^^^) iiblich ist - einen „autonomen (nomologischen) Charakter zuzumessen. KoroUar dieser Sichtweise ist, dass man mit Hilfe von Kausal- oder Faktorenanalysen keine Erklarungen geben kann, sondern allenfalls makroskopische Beschreibungen; statistische Erhebungen dienen folglich nicht der Identifikation von „Gesetzen", die als Erklarungspramissen taugen konnten, sondern im besten Fall der empirischen Kontrolle von (makroskopischen bzw. verteilungsstrukturellen) „SchluBfolgerungen"^^^ aus handlungstheoretisch flindierten Interdependenz- und Interaktionsmodellen^^^. Und wie bei Merton, Coleman und Lindenberg (und spaterhin bei Esser) lasst sich auch Boudons beharrliche Apologie der individualistischen Theorientradition als eine Antwort auf die Fehlentwicklungen verstehen, die durch den methodologischen Holismus Durkheimscher Pragung im Allgemeinen und durch Parsons Hinwendung zur Systemtheorie im Besonderen entstanden waren. Nur in einer Frage bin ich unsicher, ob man Boudon zustimmen sollte. An verschiedenen Stellen vertritt er - vermutlich in Anlehnung an Auffassungen, die er bei Jon Elster gefunden hat - die Meinung, (formale und ideale) Modelle konnten nicht in dem Sinne wahr sein wie „Gesetze" Hempelscher Pragung^^^, eigneten sich (somit) nicht zur Prognose aktueller Ereignisse^^^ und provozierten die Frage, ob die modellbasierende Handlungstheorie falsifizierbar sein konne^^^, woraus er folgert, dass man Modelle nicht „in a realistic manner" interpretieren sollte^^^. Das hinter dieser Position stehende Problem scheint das Folgende zu sein: Tatsachlich kann man die mikrofundierende Handlungstheorie, ohne sie in (faktischen) sozialen Situationen anzuwenden, nicht widerlegen, denn sie selbst enthalt - wie jede Theorie ihrer Art - keine Informationen iiber die (sozialstrukturellen) Bedingungen ihrer Applikation. Richtig ist auch, dass man Modelle als „Konstruktionen"^^'^ behandeln kann, deren Parameter an die Situation anzupassen sind, die man (zumal im historischen Ruckblick) erklaren mochte^^^, und zutreffend ist auch die Beobachtung, dass man Modelle nicht zu Vorhersagen verwenden kann, solange sich die vorherzusagenden Ereignisse unter Bedingungen ergeben, die ein aktuelles Modell gar nicht behandelt oder behandeln kann - unter anderem deshalb, well der Forscher nichts iiber die Umstande weiB (oder wissen kann), die das prognosewurdige Ereignis

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Boudon 1980, S. 182 Archer 1995, S. 14ff und Sawyer 2002, Sawyer 2002a, Sawyer 2004 bzw. Sawyer 2005 scheinen eine solche Auffassung noch heute zu vertreten. Boudon 1980, S. 182 Vgl. Boudon 1980, S. 183 und Boudon/Bourricaud 1992 fur die Zugestandnisse an die Poppersche Wissenschaftstheorie Vgl. Boudon 1986, S. 206 Vgl. Boudon 1986, S. 226 Vgl. Boudon 1986, S. 213f Boudon 1986, S. 227 Vgl. Boudon 1986, S. 227 Boudon 1996, S. 219

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„produzieren". Gleichwohl folgt aus diesen Zugestandnissen keine nicht-realistische Deutung des epistemologischen Status von Modellen. Boudon konnte seine anti-realistische Position raumen, wenn er einer Spur folgt, die er selbst auslegt: Zum einen sieht er deutlich, dass (alle) Modelle (und d.h. Aussagen uber handlungstheoretisch mikroflindierte Mechanismen und deren Konsequenzen und Riickwirkungen) Implikationen enthalten, die man empirisch priifen kanrf'^^. Naturlich mtissen dazu die im Modell genannten Voraussetzungen erflillt sein, was nicht immer leicht abzusichern ist; wenn aber die Modellvoraussetzungen kontroUiert und d.h. als „gegeben" angenommen werden konnen und die daraufhin moglichen Folgerungen den empirischen Daten, die zu erheben Boudon nicht fur unmoglich halt^^^, nicht standhalten, dann ist zwingend darauf zu schlieBen, dass das unterlegte Modell unvollstdndig und damit genau besehen falsch ist. Nun unterscheiden sich derartige Modelle beztiglich der Wahrscheinlichkeit, dass sie unvollstandig sind und d.h. nicht alle Wirkfaktoren beriicksichtigen, nicht von Hempelschen Gesetzen, sodass die hierauf basierende Konfrontation von „Modell" und „Gesetz" in die falsche Richtung weist. Der Kernpunkt jeder methodologischen Wiirdigung der „Logik der Modellbildung" scheint mir deshalb darin zu liegen, dass es keinen zu antirealistischen Folgerungen zwingenden Fehler darstellt, wenn Modelle „ideale Mechanismen"^^^ diskutieren und insofern eine Art „ideales Modell"^^^ darstellen. Bin derartiges Vorgehen muss (im Lichte einer an der empirischen Priifung von Modellierungen interessierten Methodologie) solange akzeptabel sein, als man (auch und gerade unvollstandige) Modelle angesichts ihrer fehlerhaften Implikationen durch eine Korrektur oder Erweiterung ihrer (individuellen wie situativen) Pramissen (also nicht durch Ad-hoc-MaBnahmen belastet) revidieren kann^^^, Diese testoffene Umgestaltungs- und Erweiterungsmoglichkeiten von Modellen, und d.h. einmal die denkbare Prufung der Frage, ob bestehende Daten dann besser erklart werden konnen, wenn man die erklarenden Pramissen verandert, oder aber, ob die Veranderung dieser Pramissen zu Folgerungen fuhrt, die man bislang nicht kannte und die insoweit das Lakatossche Kriterium des bewahrungsrelevanten tjberschussgehalts erflillen, reichen hin, um die Modellbildung als ein erkenntnisrealistisches (und zugleich fortschrittsfahiges) Unterfangen betrachten zu konnen^^^

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Vgl. Boudon 1986, S. 224 Vgl. Boudon 1996, S. 212. Das in diesem Zusammenhang diskutierte Problem, dass vorliegende Daten durch mehr als eine Theorie erklart werden konnten, so dass man zwischen ihnen nur „subjektiv" entscheiden konne, ist - falls es wirklich existiert - in meinen Augen (objektiv) losbar, solange Prufungen der Konkurrentinnen moglich sind, die der Logik von Kreuzexperimenten folgen. Etwas mehr Vertrauen in die Reichweite und Belastbarkeit der (falsifikatorisch inspirierten) „Bewahrungstheorie" ware am Platze, vgl. Gadenne 1998, Gadenne 2002. Boudon 1986, S. 207 Boudonl986, S. 211 Flir diese Thesen vgl. Schmid 2004, S. 23ff An anderen Stellen (z.B. Boudon 1994, S. 225f) halt Boudon die erkenntnissteigemde Korrektur unseres theoretischen Wissens durchaus fiir moglich, weshalb ich furchte, dass seine Position nicht ganz koharent ist.

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Ich wurde deshalb vorschlagen, die Antwort auf die Frage, ob eine realistische und falsifikatorische Deutung der sozialwissenschaiftlichen Modellheuristik moglich und verteidigungsfahig ist, eher bei Bunge und Lindenberg zu suchen als bei Boudon^^l

3.5 „Generativer Strukturalismus" und „generative Mechanismen": Thomas J. Fararo Von seinen potenziellen Mitstreitern (weitgehend) unbemerkt, aber - wie sich leicht verdeutlichen lasst - durchaus in deren Sinne, hat sich auch Thomas J. Fararo um eine Neuordnung der soziologischen Erklarungstheorie bemtiht. Diese Bestrebungen sind eingelassen in eine umfangreiche, ja gewaltige Aufgabe^^^: Er mochte dem verbreiteten Eindruck, die soziologische Theorie leide an einer unvermeidHchen „fragmentation of the fieid"^^"^ mit der These entgegentreten, dass ihre augenscheinlich ganz unterschiedHch angelegten Forschungsprogramme auf metawissenschafllicher wie inhaltlicher Ebene vereinheitlicht bzw. „integriert"^^^ werden konnen. Um diesen „Geist der Vereinheitlichung"^^^ mit Leben zu erfullen, vertraut sich Fararo der Prozessphilosophie von Alfred N. Whitehead^^^ an, von der er annimmt, dass sie der allgemeinen Soziologie eine haltbare ontologische und epistemologische (in jedem Fall: prozessdynamische) Basis fiir den weiteren Ausbau eines harmonisierten Theoriengebaudes verschaffen kann^^^. Vor diesem Hintergrund pladiert er - wie die meisten Befiirworter eines auf Modellbildung ausgerichteten Untersuchungsprogramms - fur eine moglichst nichtverbale^''^, formalaxiomatische bzw. modell- und erklarungslogisch kontrollierte Aufarbeitung der theoretischen Uberlieferung^^^, wobei er darauf zahlt, holistische Ansatze, die auf der Emergenz von Strukturen und Mechanismen bestehen, mit individualistischen und d.h. handlungstheoretischen Argumentationsstrangen derart miteinander zu versohnen^^^ 572 573 574 575 576 577 578 579 580

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Ich denke, dass diese Kritik iiberflussig gewesen ware, hatte Boudon seine anfangliche Uberzeugung beibehalten, dass jede Strukturanalyse von einem „realistischen Standpunkt" aus zu erfolgen hat, vgl. Boudon 1973a, S. 130. Vgl. neben zahlreichen Vor- und Begleitarbeiten vor allem Fararo 1989a und Fararo 2001 Fararo 2001, S. 7 Vgl. Fararo/Butts 1999, Fararo/Skvoretz 1997, Fararo/Skvoretz 2002 Vgl. Fararo 1989a Vgl. Fararo 1976, Fararo 1987, Fararo 2004 Vgl. Fararo 1987, S. 80, Fararo 1989, S. 53 Vgl. Fararo 1989, S. 102 Vgl. Fararo 1989, Fararo 2002. Die Grundlagen dafiir hat Fararo friih gelegt, vgl. Fararo 1969, S. 79ff, 84ff, Fararo 1973. Fararo scheint „Theorie" und „Modeir' (etwas) anders zu unterscheiden als ich es vorschlage; fiir ihn sind alle abstrakt-systemischen Prozesse theoretischer Natur, wahrend „Modeir' ausschliefilich deren symbolisch-formale (mathematische Oder geometrische) Reprasentation meint. Vgl. Fararo 1989, S. 146. Eine Reihe seiner „unification efforts" beschrankt sich allerdings auf die formale Integration „struktureller" Theorien, vgl. Fararo/Skvoretz 1984, Fararo/Skvoretz 1987, Skvoretz/Fararol986, Fararo/Skvoretz 2002, S. 307ff

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dass er auch jene Autoren, die in den Augen ihrer jeweiligen Gegner fiir den desolaten Zustand der soziologischen Theoriebildung verantwortlich sind^^^, als Vorlaufer und Initiatoren einer umfassenden „Theorie sozialer Handlungssysteme" miteinander ins Gesprach bringen kann. Diese Bemtihungen sollten zugleich - und ahnlich wie bei Bunge, Little, Boudon und spaterhin Esser - begleitet sein von dem Versuch einer „Synthese" zwischen „naturalistischen" und „interpretativen Positionen"^^^, deren jeweiligen Eigenheiten eine modellogisch formalisierte Behandlung des iiberkommenen Theorienbestandes nicht behindern miissen^^"^. Fararo halt demnach daran fest, dass die „allgemeine Soziologie als eine umfassende Forschungstradition"^^^ zu verstehen ist, deren nur augenscheinlich divergierende „frameworks" als durchaus miteinander verfiigbare Partialmodelle zu verstehen sind^^^. Wie Bunge, den er beilaufig, aber zustimmend konsultiert^^^, verteidigt er zum Zweck der Demonstration dieser Moglichkeit eine (relativ abstrakte, vorweg inhaltlich noch uninterpretierte) systemische Denkweise^^^ bzw. eine verallgemeinerte Theorie dynamischer Systeme^^^, die - modelltechnisch libersetzt - erlauben soil, Mikro- und Makroerklarungen in Form von dynamischen Mehrstufenanalysen zusammenzuflihren^^^, in deren Verlauf (wiederum) gezeigt werden kann, wie Strukturen und Verteilungen aus den „activities" der Systemeinheiten oder -elementen mit Hilfe und in der Form „generativer Mechanismen^^^ - entstehen. Zwar kann die Forschung die Wirksamkeit solcher Mechanismen anhand der Beobachtung ihrer regelmaBig auftretenden Kollektiveffekte (leichter) erkennen; das darf sie aber nicht zu dem Fehlschluss verleiten, diese sich wiederholenden Verteilungsmuster 582 583 584

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So neben einer Reihe von Klassikern (Marx, Weber, Durkheim, Simmel) vor allem Homans, der fiir den Reduktionismus, und Parsons, der fiir Funktionalismus und normativen Determinismus (gerade) stehen muss. Fararo 1987, S. 79 Vgl. Fararo 2002, S. 171 und passim. Allerdings unterscheidet der Autor zwischen (naturalistisch-kausalen) Modellen, die den Systemgenerator mit Hilfe von Differenzialgleichungen erfassen, und „soziologischen" Modellierungen auf der Basis von „production rules functions" (Fararo 2002, S. 177), die er indessen erklarungs/og/^c/z fiir aquivalent halt. Ob und wie sich diese Unterscheidung auf den Kausalcharakter von Handlungserklarungen auswirkt, erortert er - soweit ich sehe - nicht. Fararo 1989, S. 10 Vgl. Fararo 1989, Fararo 1989a, Fararo 2001, Fararo/Skvoretz 2002. Den Grad der Uberschneidung dieses Vorhabens mit den Vorschlagen von Renate Mayntz und Hartmut Esser miisste man noch klaren. Vgl. Fararo 1989, S. 57f Vgl. Fararo 1989, S. 65ff Vgl. Fararo 1989, S. 87ff, 106ff und Fararo 2004, S. 8. Systeme sind (definitorisch-formal) gekennzeichnet durch a) einen „Zustandsraum", in dem sich die Systemereignisse (mit Hilfe von Trajektorien) abbilden lassen, b) einen „Parameterraum", der die systemextemen Bestands- und Reproduktionsbedingungen benennt, c) eine „Zeitdimension", derzufolge das Systemgeschehen diskret oder kontinuierlich verlauft und d) einen „Generator", d.h. einen (stochastisch oder deterministischfimktionierenden)Mechanismus. Dass stochastische Prozesse fiir die Soziologie relevant sind, haben Hedstrom/Swedberg 1996, S. 287 und Hedstrom 2005, S. 19 - wie ich denke zu Recht - bestritten. Vgl. Fararo/Butts 1999 Vgl. Fararo 1989, S. 39ff, 106, Fararo 2001, S. 101 u.a.

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stellten eigenstandige (ontologisch letztinstanzliche bzw. gesetzmaBige oder „eigengesetzliche") Erscheinungen oder Zusammenhange dar; vielmehr verdanken sie ihre Existenz der ausschlieBlichen Tatsache, dass ein angebbarer, spezifisch strukturierter Mechanismus sie infolge der wiederholten Realisierung seiner Funktionsbedingungen und zugleich unbehelligt von den Wechselhaftigkeiten und Storwirkungen externer Parameter (immer wieder) produziert^^^. Werden hingegen die (internen wie externen) „Inputs" des generativen Mechanismus, etwa infolge des veranderten Verhaltens der Systemelemente und/oder weil sich die „generativen Prozesses"^^^ storende AuBeneinflussen nicht abwehren lassen, erratisch, resultieren sich verandernde distributive Konsequenzen^^"^. In letzter Instanz erlauben Modelle generativer Mechanismen demnach die Erklarung des Zustandekommens von repetitiven Gleichgewichten, die als Erreichung kennzeichnungsfahiger „Attraktoren" verstanden werden konnen^^^, ebenso wie die Darstellung von Destabilisierungsprozessen und Selbstauflosungen^^^ oder von Phanomenen des Strukturwandels^^^; d.h. „...the deductive elaboration of the model consists in deriving the family of all possible trajectories"^^^. Angesichts der dabei zu gewartigenden Nichtlinearitaten^^^, Pfadabhangigkeiten und Entwicklungsoffenheiten erweist sich die Gleichgewichtsorientierung (etwa des Parsonsschen Denkens) als dogmatisch und einseitig und muss entsprechend uberwunden (bzw. durch die Beriicksichtigung von Ungleichgewichtsdynamiken erweitert) werden^^^. Dieses (systemontologisch und prozessdynamisch) basierte Programm eines wie ihn Fararo nennt - „generativen Strukturalismus"^^^ lasst sich mit einem Blick auf die vom Autor identifizierten „Schltisselprobleme und Voraussetzungen der soziologischen Theorie"^^^ verdeutlichen und prazisieren. Tatsachlich haben alle bislang diskutierten Probleme der soziologischen Theoriebildung in Fararos Augen mit (zumindest drei) Fragen zu tun, die sich in alien theoretischen Lagern stellen: 1) Wie soziale Strukturen entstehen und welche Form sie dabei annehmen; 2) unter welchen Bedingungen sie stabil bleiben; bzw. 3) ob und wie (d.h. abrupt oder sanft) sich derartige Strukturen verandern, wenn die gegebenen Reproduktionsbedingungen sich aufzulosen oder umzugestalten beginnen. Hinter diesen Fragen verbirgt sich - unschwer erkennbar - das altehrwtirdige sozialtheoretische „Ordnungsproblem", demzufolge „the key problems of general theoretical sociology relate to the

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Auch Fararo erfullt demnach die von Sawyer 2001 identifizierten Bedingungen eines „individualistic emergentist". Fararo 1989, S. 43 Fararo 1989, S. 39 Vgl. Fararo 1989, S. 336, Fararo 1993, S. 293f Vgl. Fararo 1989, S. 77f Vgl. Fararo 1989, S. 108 Fararo 1989, S. 71 Vgl. Fararo 1978, Fararo 1989, S. 114, 129 u.a. Vgl. Fararo 2001, S.98ff Vgl. Fararo 1987a, Fararo 1989, S. x, Fararo 2001, S. 4, 101, 282ff, Fararo/Butts 1999, Fararo/Skvoretz 2002 u.a Vgl. Fararo/Skvoretz 1993, S. 425ff, Fararo 2001, S. 19ff

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emergence, stability, comparison and change of social structures"^^^ - d.h. das zentrale und relevanteste Explanandum jeder soziologisch-theoretischen Erklarung liegt auf der (sozial-strukturellen) Makroebene. Wenn man die Frage beantworten mochte, wie die Existenz und Eigenheiten der dort lokalisierbaren „Phanomene" erklart werden so lien, dann wird man - wie angedeutet - gut tun, das von Fararo entwickelte dynamische Forschungsprogramm als einen Losungsvorschlag flir das Mikro-Makroproblem zu betrachten^^"^. Diese Anregung beginnt trotz der formalen Moglichkeit, das makrosoziale Geschehen als „a pure macrosocial dynamical system" zu modellieren^^^, mit dem Zugestandnis, dass die „Generativitat" des „social action system" erst sichtbar wird, wenn man dessen Strukturdynamik als das kollektive Resultat des Handelns informierter und wissensgesteuerter Akteure^^^ verstehen kann, die - auf der Basis einer festumschriebenen, letztlich in der biosozialen Evolution des Menschen begriindeten^^^ „constant potentiality"^^^ oder „capacity"^°^ - ihr Handeln in Mckgriff auf „cultural categories and templates" organisieren, die sie im Rahmen von bestimmbaren „social settings"^^^ erwerben und zu aktivieren verstehen. D.h. solchermaBen ausgestattete Akteure agieren innerhalb von in spezifischer Weise organisierten Verkehrs- oder Beziehungsverhaltnissen, wobei die diesen Verhaltnissen zugrunde liegenden (Abhangigkeits- und Beeinflussungs-)„Strukturen" (immer und zugleich) als ein „generativer Mechanismus" flinktionieren, der die erklarungsbediirftigen Kollektivphanomene hervorbringt (oder eben: generiert), wann immer die - handlungs-theoretisch zu entschltisselnden - Bedingungen seines Funktionierens erfuUt sind^^^ Dabei bleibt unterstellt, dass sich die strukturdynamischen Eigenschaften dieser „social mechanisms"^^^ aus den Akteur- und Handlungseigenschaften nicht logisch ableiten lassen^^^, wenngleich sie ohne Rekurs auf das „generative" Handeln bzw. den diesem Handeln zugrunde liegenden „capabilities of the actor"^^"^ nicht erklarbar sein werden^^^. Modelltheoretisch bedeutet dies, dass jede Analyse der sozialen „Generativitat" mit einem „model of the single actor entering into in-

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Fararo 2001, S. 282, ahnlich Fararo 1989, S. 62 und 94 Colemans Versuch bespricht Fararo (2001, S. 257ff) mit Verstandnis und bewertet ihn als eine Parallele zu den eigenen Bemuhungen um die Verbesserung und Integration der theoretischen Soziologie. Fararo 2001,8.282 Die soziologische Theorie setzt als „acting units" (natlirlich) Akteure ein, vgl. Fararo 2001, S.20. Vgl. Fararo 1989, S. 204f, 357 Fararo 2002, S. 171 Fararo 2002, S. 176 Fararo 2001,8.282 Vgl. Fararo 1989, 8. 39ff, Fararo 1989a, 8. 182f, Fararo 2001, 8. 101, Fararo/8kvoretz 2002, 8.296 Fararo 1989, 8. 62 Vgl. Fararo 1989, 8. 149, Fararo/8kvoretz 2002, 8. 296 Fararo/8kvoretz 1993, 8. 449 Vgl. Fararo/8kvoretz 1993, 8. 426. Die Autoren betonen an dieser 8telle, dass ihre Uberlegungen denen von Wippler/Lindenberg (1987) und Coleman (1987) sehr nahe kommen.

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teraction" beginnen^^^ und dann in einem weiteren Modellierungsschritt dazu ubergehen muss zu klaren, auf der Basis welches „generative rule system"^^^ bzw. welcher „production rules"^^^ welche „fundamental mechanisms of the social system" entstehen konnen^^^; hernach ist dann dem Problem nachzugehen, welche „complex outcomes"^^^ daraufhin zu erwarten sind, die ihrerseits endlich auf die Ruckwirkungen^^^ hin durchgesehen werden sollten, die sie fiir die gegebenen Mechanismen bzw. fur das (regelgeleitete) Handeln der Akteure haben, aus dem diese Mechanismen (anfanglich) hervorgehen^^^. Wie jeder noch so kurze Blick auf die Vielfalt des soziologischen Theorienangebots zeigt, kann dieser Zusammenhang zwischen den Akteuren und ihren Interaktionen und deren riickwirkenden Kollektivfolgen auf ganz verschiedene Weise modelliert werden^^^. Fararos eigener Versuch^^"^ betont zum einen den „kybernetischen" Charakter des Akteur-Struktur-Verhaltnisses^^^ bzw. dessen vermittels „negativer feedbacks" gesteuerten KontroUfunktionen^^^, in deren Gefolge Organisation und Verlauf des Handelns der Akteure als eine Adaption an die Restriktionserfordernisse ihrer Handlungssituation zu verstehen sind^^^, und zum anderen die Erwartungsabhangigkeit der Situationsdeutung der Akteure^^^. Damit gerat deren Fahigkeit, Informationen zu prozessieren und in Erwartungen zu tibersetzen, ins Zentrum der theoretischen Betrachtung^^^. Logischerweise muss sich der „soziale Mechanismus"^^^, vermittels dessen sich verschiedene Akteure aneinander orientieren, flir die gegenseitige Regeneration oder aber die Veranderlichkeit der betreffenden Erwartungszustande interessieren. Wie es im Rahmen eines Systems sozialer Handlungsabstimmung nahe liegen muss, erfolgt die Reproduktion bzw. die eventuelle 616 617

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Vgl. Fararo 1989, S. 255 Vgl. Fararo 1987, Fararo 1989, S, 42, Fararo 2002, S. 171, Skvoretz/Fararo 1980 und Fararo 2004, S. 13f, wo von „Strukturen als Produktionsregeln" die Rede ist; derartige „Produktionsregeln" liegen auch Institutionen zugrunde, vgl. Fararo/Skvoretz 1984a. Fararos Beschreibung der Funktionsweise solcher Regeln ist der Chomskyschen „generativen Grammatik" entlehnt. Wenn es urn die Analyse von Strukturveranderungen geht, fiihrt Fararo auch den Begriff der „transition rules" ein, vgl. Fararo/Skvoretz 2002, S. 305. Fararo 1989, S. 250 Vgl. Fararo 1989, S. 144ff Fararo 1989, S. 45 Fararo 1989, S. 214 spricht deshalb von der "recursive generativity of action". Vgl. flir die Verallgemeinerung dieser mehrgliedrigen Modellerklarung Fararo 1989, S. 39ff und Fararo 2001, S. 118. Da die Zitate dieses Absatzes unterschiedlichen Kontexten entnommen sind, ist nicht mit letzter Eindeutigkeit zu klaren, ob Fararo drei oder vier Analyseebenen unterscheidet. Fararos Sicht findet sich in Fararo 1989 und Fararo 2001 dokumentiert. Vgl. Fararo 1989a, S. 185f, Fararo 2001, S. 281ff, Fararo/Skvoretz 1986 Vgl. Fararo/Skvoretz 1986a Vgl. Fararo 1989, S. 249. Um eine handlungstheoretische Fundierung dieser KontroUe bemuht sich Fararo 1989, S. 156f, 159ff. Vgl. Fararo 1989, S. 107f u.a., Skvoretz/Fararo 1989, Fararo/Skvoretz 1993, Fararo/Skvoretz 2002 Vgl. Fararo/Skvoretz 1986 u.a. Vgl. Fararo 2002, S. 177 Fararo 1989, S. 107

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Umstrukturierung solcher Erwartungszustande innerhalb geordneter bzw. geregelter Interaktionsprozesse. In erweiterter Interpretation heiBt dies, dass zur Analyse der Funktions- und Wirkungsweise sozialer Abstimmungsmechanismen kulturell codierte, institutionalisierbare^^^ Regeln angegeben werden miissen, auf deren Basis sich die Erwartungen der Akteure (tiber Interaktionen und/oder die Beobachtung ihrer Mitakteure^^^) wechselseitig so beeinflussen, dass sich - mit Hilfe von Matrizen formalisierbare - Erwartungszustande (bzw. Abfolgen von entsprechenden Zustandsverteilungen und d.h. sog. „e-states") bilden, mit der Folge, dass "the corresponding social behaviors of the actors are evolving in the situation under the control of these states that, in turn, are coevolving (recursively)^^^ in that situation"^^'*. Diese verteilungsstrukturellen Matrizen konnen dabei als Ausdruck (oder ein Abbild) von (sozialen) Netzwerken^^^ verstanden werden, innerhalb derer sich die erwartungsgesteuerten Beziehungen der Akteure bzw. ihre wechselwirksame Orientierung an einer gemeinsamen, handlungsgenerierenden „Grammatik" stabilisieren^^^ oder aber verandern - denn „Fortdauer ist problematisch"^^^. Fararo sucht den Nachweis zu fuhren, den ich hier nicht bewerten kann, dass sich sein Erwartungsstrukturmodell mit anderen Modellierungsvorschlagen (von Parsons, Homans und Bourdieu, bis zu Coleman und Emerson) logisch verbinden und damit die programmatisch immer wieder eingeforderte Integration der allgemeinen Soziologie vorantreiben lasst^^^. Ob Thomas Fararos Unifikationsprogramm einen abschlieBenden Erfolg haben wird, bleibt abzuwarten; in jedem Fall aber wtirde ich ihm die folgenden Verdienste nur ungern absprechen: Zunachst hat Fararo mehr als deutlich werden lassen, dass die von ihm favorisierte Modellierungstechnik die Modifikation, wenn nicht die Aufgabe der Hempelschen Erklarungstheorie erzwingt; die Modellierung von Mechanismen ist nicht gleichzusetzen mit der Suche nach „covering laws", deren „phanomenologischer Charakter" vielmehr durch die Erkundung der generierenden Tiefenprozesse des Systemgeschehens erst aufgeklart und unter Verweis auf die zwar strukturkanalisierten, gleichwohl eigenmachtig wirkenden „Kapazitaten" von Akteuren und damit - im Sprachgebrauch von Bunge und Little: „mikrofundierend" - erklart werden muss^^^. Die (statistisch) noch so aufwendig vorangetriebene Suche nach „causal relations among variables" kann diese Aufgabe weder Ubernehmen^"^^ noch allgemeine und zudem wahre „soziale Gesetze" zu Tage fordern wol631 632 633 634 635 636 637 638 639 640

Vgl. Fararo 2004, S. 16, Fararo/Skvoretz 1984a Vgl. dazu paradigmatisch Fararo 1989, S. 323ff und in Kurzversion Fararo 2002, S. 173ff Vgl. Fararo 2001, S. 295 (meine Erganzung) Fararo 2001,8.284 Vgl. Fararo/Skvoretz 1986 Vgl. Fararo 1989, S. 107 Fararo2004, S. 6 Vgl. Fararo/Skvoretz 1993, Fararo/Butts 1999, Fararo 2001, S. 255ff Vgl. Fararo 1989a, S. 182. Idealisierende Modelle (uber Mechanismen) "function in the explanation of phenomena by representing the generativity through which phenomena are produced" (Fararo 1989, S. 55). Vgl. Fararo 1989, S. 134f. Wie Lindenberg und Esser macht auch Fararo Durkheim fiir die Popularisierung dieser „Variablensoziologie" verantwortlich.

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len, die als Pramissen Hempelscher Erklarungsargumente dienen konnten^'^\ Umgekehrt bedeutet die Tatsache, dass wir die generative Wirksamkeit von Mechanismen darauf zuriickfnhren, dass Akteure ihr Handeln auf der Basis ihrer beziehungsdienlichen „capacities" organisieren, unter keinen Umstanden, dass sie dies unter alien Bedingungen in gleicher Weise oder mit regelmafiig zu erwartenden Konsequenzen tun miissten^"^^. Zugleich muss man die Moglichkeit, Modelle in axiomatisierender Absicht zu „konstruieren", nicht mit einem Verzicht auf ihren „Reprasentationscharakter"^'^^ erkaufen; die Bildung von Modellen ist jederzeit mit ihrer erkenntnisrealistischen Deutung vereinbar^"^"^, solange diese auf die Prazisierung des theoretischen Sprachgebrauchs und die Moglichkeit eindeutiger Deduktionen hinwirken, die empirisch prufbar und - im Falle ihrer Widerlegung - zur Revision fehlerhafter Axiome verwendbar sind^"^^; tatsachlich kann man - worauf bereits Bunge hingewiesen hatte - ohne eine realistische Interpretation ihrer Ausgangsannahmen nicht darauf hoffen, dass Modelle die Kausalitat des Systemgeschehens erfassen konnen^"^^. Zum anderen ist es in meinen Augen verstandlich, wenn Fararo fest darauf vertraut, die von ihm erstrebte Theorieintegration mit Hilfe seiner systemtheoretisch inspirierten Modelltheorie vorantreiben zu konnen; in der Tat erlauben seine als dynamische Mehrebenenanalyse angelegten Modellierungsvorschlage die Punkte zu benennen, an welchen die in der Soziologie bislang vorgelegten (reduktionistischen, interaktionistischen und strukturalistischen) Teiltheorien zu einer „comprehensive theory"^"^^ miteinander verkntipft werden konnen^'*^, bzw. dem Problem nachzugehen, welche Teilfragen einer (idealen und d.h.) vollstandigen Modellierung sie (jeweils) beantworten konnen. Vor allem aber regt diese Modelllogik dazu an, die Konstanz von (impliziten gelassenen) Annahmen bzw. die Pramissen, unter denen ein modellierter Effekt zu erwarten ist, zu verdeutlichen und damit die jeweiligen Voraussetzungen aufzudecken, die man im Interesse der empirisch-prognostischen Kontrolle der Modellkonstruktionen kennen sollte. Auf diese Weise kann Fararo die Grundzuge einer Theorienheuristik vorschlagen, wel-

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Vgl. Fararo 1989, S. 136 Durchgangig betont Fararo den „realistischen" Charakter seiner Modellbildung, vgl. Fararo 1989, S. 54ff. Vgl. Fararo 1989, S. 182 Vgl. Fararo 1989, S. 37 Vgl. Fararo 1969, S. 80f, Fararo 1989, S. 57, Fararo 2002, Fararo/Skvoretz 1993, S. 423, Fararo/Skvoretz 2002, S. 300f, 307 u.a. Die „positivistische" Idee der erklarenden Deduktion lasst sich so mit der von Fararo postulierten Modelllogik vereinen. Schon fruh und vollig zutreffend hat Fararo (formale) Modelle als falsifizierbare Idealisierungen charakterisiert, die angesichts widerspriichlicher empirischer Befunde korrigiert und verbessert werden miissen, vgl. Fararo 1973, S. 600. Vgl. Fararo 2000, Fararo 2002, S. 171 Fararo 1989, S. 58 Gelingt Fararos Vorhaben, dann ware der unglUckliche „Kampf der Schulen" (Parsons 1948, S. 157) zwischen Homans, den „Chicagoians" und Parsons uberwunden, der die Theorienlandschaft der 50er bis 70er Jahre so nachhaltig gepragt hatte, und angesichts dessen „Schlachtenlarms" Mertons (1964^) und spaterhin Buckleys (1967) Durchbruch fast unbeachtet geblieben war.

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che die „intutitiv logics"^"^^ vieler theoretischer Agendas deutlich hinter sich lasst, die die empirisch kontrollierte Ausarbeitung theoretischer EntwUrfe ebenso behindert hatten wie deren Vereinheitlichung. Dass diese Systematisierungsversuche zu einer „single all-embracing social theory"^^^ fiihren konnten, wagt Fararo - wie viele andere, an einer Neuorientierung der sozialtheoretischen Erklarungspraxis interessierte Autoren - allerdings nicht zu unterstellen, wohl aber, dass sich die Beitrage aller soziologischer Lager als „Bausteine" einer (umfassenden wie dynamischen) gesellschaftlichen Ordnungstheorie verstehen lassen sollten^^^ die in der Tat und nach alien Kegel der wissenschaftstheoretischen Kunst (handlungstheoretischmikrofundierend) „erklaren" kann, wie sich diese Ordnung oder ihre Veranderung und eventuelle Auflosung aus dem kultur- und sprachvermittelten und zugleich regelorientierten (und damit mechanismusvermittelten) Handeln einer Mehrzahl individueller Akteure ergibt. Auf der anderen Seite nahert sich Fararo nur muhsam der Einsicht, dass Mikrofundierungen dieses Zuschnitts mit der einseitigen Hilfe von erwartungs- oder regelgeleiteten „Produktionsfunktionen" nicht abschliefiend zu behandeln sind, sondern eine (realistisch interpretierbare) intentionale und voluntaristische Entscheidungstheorie erfordern, die wenigsten im Grundsatz Abstand halt von der realitatsfernen Vorstellung, dass die individuellen Anpassungsleistungen der Akteure notwendigerweise zu einer reibungsfreien sozialen Ordnung fiihren miissten^^^. Naturlich kennt Fararo die entscheidungstheoretische Tradition und er akzeptiert sie wenigstens seit Kurzem - als eine willkommene Erganzung seiner eigenen Systematisierungsbemuhungen^^^; er sieht aber erst in jungster Zeit und auch nur kursorisch, dass eine solche Theorie des individuellen Entscheidens schlechterdings unabdingbar ist^^"^, well nur in deren Rahmen die Probleme identifiziert werden konnen, die die Akteure miteinander haben, wenn sie sich auf den miihsamen Weg begeben, vermittels einer erfolgreichen Etablierung von (institutionell geregelten) Abstimmungsmechanismen „the integrative core of human societies"^^^ sicherzustellen. Seine E-State-Theorie kann diese Problemidentifikation in der Tat nicht (oder allenfalls durch Post-hoc-Erweiterungen) leisten; und zugleich erklaren sich manche der Umwege, die Fararo sich und seinen Lesern zumutet, aus der Tatsache, dass er sich darum bemtiht, die (iberkommene soziologische Theorietradition auch dort zur Grundlage seiner unifikatorischen Bemtihungen zu machen, wo diese das Gelingen sozialer Ordnungsbildung in erster Linie davon abhangig sieht, dass die Ak649 650 651 652 653 654

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Fararo/Skvoretz 1993, S. 449 Fararo/Skvoretz 2002, S. 307 Vgl. Fararo 1989, S. ix Man vgl. den Tenor der Argumentation in Fararo 1987 und Fararo 1987a Vgl. Fararo 1989, S. 221ff, 253f, Fararo 2001, S. 255ff, Fararo/Skvoretz 1997, S. 386 u.a. Vgl. Fararo 1992. Wenn ich Fararo nicht falsch verstehe, so neigt er zu einer solchen Unabdingbarkeitsthese in erster Line deshalb, weil die Bildung dynamischer Modelle, ohne einen „Maximanden" oder „Optimanden" anzugeben, (logisch) nicht moglich ist. Bin unzweideutiges Bekenntnis zu der These, dass jede Mikrofundierung den Rekurs auf das Entscheidungshandeln der systembestimmenden Akteure erfordert, findet sich vorerst nicht. Fararo 1987, S. llOff

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teure (gerade) keine andere Wahl haben, als sich zu deren Gunsten beeinflussen oder pragen zu lassen^^^. Gezeigt zu haben, dass diese Losung des Ordnungsproblems einseitig ist und zu kurz greifl, dtirfte auch dann ein Verdienst der entscheidungs- und rationaltheoretischen Mikrofundierung soziologischer Strukturtheorien bleiben, wenn Fararo - wie auch Bunge, Little und Boudon (und den noch zu behandelnden Autoren) - selbstverstandlich und vollig zu Recht nicht verborgen gebUeben ist, dass manche Versuche in dieser Richtung interpretations- und erganzungsbediirftig bzw. genau genommen/a/^c/z sind^^^.

3.6 „Soziale Mechanismen" und die Theorie „rationaler" Entscheidung: Peter Hedstrom und Richard Swedberg Es gehort zu den unleugbaren Verdiensten von Peter Hedstrom und Richard Swedberg durch die Veroffentlichung eines (vielzitierten) Tagungsbands die neuere Diskussion um die explanatorische Bedeutsamkeit sozialer Mechanismen nachhaltig angestoBen und vorangetrieben zu haben^^^. Bewusst stellen sie sich dabei u.a. in die Tradition von Merton und Coleman^^^, aber auch von Boudon, und suchen deren Beitrage zum Thema zu systematisieren und weiterzufuhren^^^. Ausgangspunkt (auch) ihres Pladoyers zugunsten der ModelHerung sozialer Mechanismen ist zum einen die von alien bislang besprochenen Autoren (und wie wir sehen werden, auch von Renate Mayntz und Hartmut Esser) geteilte Beobachtung, dass die jahrzehntelangen Versuche, mit Hilfe korrelationsstatistischer Verfahren Kausalmodelle zur Erklarung von Zusammenhangen zwischen Makrovariablen zu entwickeln, keinen bleibenden Erfolg verbuchen konnten^^^ Ohne Zweifel eignen sich derartige Verfahren dazu, komplexe Beziehungen zu beschreiben und gegebenenfalls vorliegende H3^othesen uber soziale Zusammenhange zu testen, kaum aber dazu, theoriefundierte Erklarungen fur die Existenz der beobachteten Beziehungen zu liefern^^^, Oder zu demonstrieren, wie statistisch beschriebene Aggregate das Handeln einzelner Akteure „determinieren" konnen^^^. Auf der anderen Seite hat sich in ihren Au656

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Natiirlich kommt die (formale) ModelHerung der Effekte regulierter Handlungssysteme nicht umhin, die Geltung der betreffenden Regeln vorauszusetzen (vgl. etwa Fararo 1989, S. 328ff); man soUte aber nach Coleman nicht vergessen, dass diese Voraussetzung unrealistisch sein konnte. Vgl. zur Unvollstandigkeit zumal der Colemanschen Version der Rationaltheorie Fararo 1996, S. 280ff und Fararo 2001, S. 273ff. Vgl. Hedstrom/Swedberg (eds) 1998 Vgl. Hedstrom/Swedberg 1996, S. 28, Swedberg 1996 und neuerdings auch in die von Jon Elster und Thomas Schelling, vgl. Hedstrom 2005, S. 6ff. In seiner neusten Veroffentlichung zieht Hedstrom daruber hinaus Verbindungslinien zu Mayntz, Bunge und Little (und ganz am Rande zu Lindenberg). Hedstrom/Swedberg 1996, S. 291ff, Hedstrom/Swedberg 1996a, S. 135ff, Hedstrom 2005, S. 19 Vgl. Hedstrom 2005, S. lOlff Vgl. Hedstroms (2005, S. 15f) Kritik an Hempels probabilistischen Erklarungen

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gen aber auch die Suche nach allgemeinen - im Sinn eines deduktiv-nomologischen Erklarungsschemas erklarungstauglichen - soziologischen Makrogesetzen als ein hoffnungsloses Unterfangen erwiesen^^"^, weshalb die verbreitete Akzeptanz der Hempelschen Erklarungslogik, soweit sie die Existenz solcher makroskopischer Gesetze voraussetzt, als eine Fehlinvestition gelten muss; in Ubereinstimmung mit Mario Bunge (und Thomas Fararo bzw. Raymond Boudon) stellen die Autoren vielmehr fest, dass Covering-Law-Erklarungen in letzter Instanz nur „Black-boxErklarungen" bereitstellen konnen, aber keine mikrofundierenden (und insoweit erklarungsdienlichen) Mechanismen angeben, welche die beobachteten Beziehungen generieren und fur deren eventuellen Regelhaftigkeiten verantwortlich gemacht werden konnen^^^; in gleicher Weise greifen - ihrer Auffassung folgend - die Befurworter der Hempelschen Erklarungstheorie aber auch dort ins Leere, wo sie - in Anlehnung an sein Modell induktiv-statistischer Erklarungen - stochastische, auf Zufalligkeitswirkungen abstellende Annahmen liber den Zusammenhang zwischen Verteilungsstrukturen und der Wiederauftrittwahrscheinlichkeit von Handlungen formulieren wollen, ohne sicherstellen zu konnen, dass die mit ihrer Hilfe erfasste soziale Realitat sich dieser Deutung gemaB verhalt^^^. Unter der Voraussetzung, dass die Soziologie eine erklarende Wissenschaft sein und nicht nur konzeptionelle Schemata, Typologien und Beschreibungen erstellen Oder „Diskurse" betreiben mochte^^^ und zugleich weder allgemeine Gesetze noch theoriegenerierende Kausalmodellierungen in Sicht sind, bleibt - so argumentieren die Autoren - nur der Rtickriff auf (Mertonsche) „Theorien mittlerer Reichweite", die es sich zum Ziel setzen, beobachtbare RegelmaBigkeiten auf die Wirksamkeit zumeist verdeckter^^^ generativer Mechanismen zurtickzufiihren^^^, deren unuberschaubare Komplexitat ohne den Einsatz formaler Verfahren, die zu „generativen Modellen" flihren soUten, nicht behandelt werden kann^^^. Dahinter steht die doppelte These, dass die Soziologie in erster Linie daran interessiert ist, „aggregate social systems" zu erklaren und nicht etwa das Handeln einzelner Personen oder Akteure^^\ und dass sie zu diesem Zweck nicht darauf verzichten kann, „mechanisms

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Hedstrom/Swedberg 1996, S. 298, Hedstrom 2005, S. 15ff Vgl. Hedstrom/Swedberg 1996, S. 287f, Hedstrom/Swedberg 1996a, S. 135, Hedstrom 2005, S. 15ff Hedstrom/Swedberg 1996, S. 287, Hedstrom 2005, S. 31, lOlff. Auch in diesem Fall miisste man einen Mechanismus angeben, als dessen Konsequenz Verteilungswirkungen stochastisch entstehen, vgl. Railton 1981; Hempels induktiv-statistisches Erklarungsmodell berucksichtigt diese Forderung (in der Kegel) nicht. Vgl. Hedstrom/Swedberg 1996, S. 281f, Hedstrom/Swedberg 1996a, S. 127, Hedstrom 2005, S. 12f Vgl. Hedstrom/Swedberg 1996, S. 290 Vgl. Hedstrom 2005, S. 24ff Vgl. Hedstrom 2005, S. 75, UOf und passim. Diese Modellbildung soil zur abstraktionsgeleiteten Prdzisierung der behaupteten Zusammenhange beitragen, woran (nach Hedstroms Einschatzung) sich viele Soziologen par tout nicht gewohnen wollen (vgl. Hedstrom 2005, S.2ff). Hedstrom/Swedberg 1996a, S. 129

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of some generality"^^^ ausfindig zu machen, um der Gefahr zu entgehen, fiir jede zufallig zu identifizierende MakroregelmaBigkeit einen eigenen Mechanismus unterstellen zu miissen, bzw. um (eventuell) zeigen zu konnen, wie sich bestimmte (gleichbleibende wie veranderliche) Verteilungsfolgen aufgrund ein und desselben (sozialen) Mechanismus immer wieder ergeben^^^. Zur naheren Aufschltisselung der Funktionsweise derart (verallgemeinerter) Mechanismen kann man aber nicht auf den Nachweis verzichten, dass und wie sich deren Verteilungseffekte (bzw. deren Abfolgen) - in letzter Instanz - aus dem Handeln bewusst agierender Akteure ergeben, weshalb entsprechende Erklarungen notwendigerweise einen Hinweis auf das kapazitatsgesteuerte Handeln der Akteure und dessen effektgenerierenden Verknupftmgen enthalten mussen^^"^. Vor diesem Hintergrund bestimmt sich das basale soziologische Erklarungsproblem als die Frage danach, wie sich „systematic relationships between two entities"^^^ und d.h. annahmegemafi zwischen (mindestens zwei) makroskopischen Verteilungszustanden als Resultante eines „sozialen Mechanismus'"^^^ erklaren lassen, der seinerseits wesentlich auf das selektive Handeln von Akteuren Bezug nehmen muss und dessen storanfallige Wechselwirkung sich in spezifischen, ganz verschiedengestaltigen „strukturellen Konfigurationen"^^^ niederschlagt. Zur Absicherung dieses Problemaufrisses ist indessen die Beantwortung von drei Fragen erforderlich; zum einen: Mit Hilfe welcher Handlungstheorie soil das betreffende (individuelle) Handeln erklart werden?; zum anderen: Wie entstehen und wirken soziale Mechanismen infolge des Handelns von Akteuren?; und endlich: Wie lautet die Logik eines entsprechenden Erklarungsarguments? Die erste Frage beantworten die Autoren mit dem unmissverstandlichen Hinweis darauf, dass zum Zweck der Erklarung des individuellen Handelns eine Theorie der intentional-rationalen Handlungsentscheidung favorisiert werden muss. Eine solche Theorie hat mehrere Vorteile: Zum einen enthalt sie einen relativ einfachen Algorithmus, der sich auf das wechselwirksame Verhaltnis von drei Kernfaktoren: Interessen (oder „Wunschen"), Glaubensvorstellungen oder tJberzeugungen („beliefs") und Opportunitaten beschrankt^^^, die kausal auf die Entscheidungen (bzw. 672 673 674 675 676 677

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Hedstrom/Swedberg 1996, S. 289. Die Verallgemeinerbarkeit von mechanismischen Modellierungen fordem - wie noch zu zeigen ist - auch Renate Mayntz und Hartmut Esser. Vgl. Hedstrom/Swedberg 1996, S. 293ff Hedstrom/Swedberg 1996, S. 290 Hedstrom/Swedberg 1996, S. 286 Vgl. zu dieser Begriffswahl Hedstrom 2005, S. 1 Iff Hedstrom 2005, S. 149. Folgt man Swedberg 2001, dann mochten sich die Autoren - wie dies auch Renate Mayntz und Hartmut Esser anraten - anhand der Spieltheorie einen Uberblick uber die verschiedenartigen „Abstimmungsprobleme" (bzw. deren „situativer Logiken") verschaffen, die dann daraufhin befragt werden konnen, welche „motivationalen", „strukturellen" oder „verhandlungsstrategischen" Losungen den Akteuren offen stehen. Vgl. Hedstrom/Swedberg 1996, S. 297, Hedstrom/Swedberg 1996a, S. 128, Hedstrom 2005, S. 38ff. Anfanglich hatten die Autoren nur „belief-formation mechanisms" im Auge (vgl. Hedstrom/Swedberg 1996, S. 296), bemerkten aber wenig spater, dass die Rationaltheorie auch Handlungschancen und Zielvorstellungen (oder Interessen) zu erfassen erlaubt (vgl. Hedstrom/ Swedberg 1996a, S. 134f). Dieser Tage hat Swedberg (2005) eine eigenstandige

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auf die Generierung eines entscheidungsgesteuerten Handelns) einwirken^^^. Nur auf der Basis derartiger Vereinfachungen lassen sich ideale (oder abstrakte, vom tatsachlich-empirischen Einfluss einer Vielzahl von konterkarierenden „StorgroBen" absehende^^^) Modelle sozialer Prozesse konstruieren, deren Konsequenzen dann schrittweise geprtift werden konnen - es geht den Autoren also um die Technik der Modellbildung und -verbesserung, nicht um die Moglichkeit, empirischaktuelle, lebensvoile und detailreiche Konstellationen zu beschreiben, wozu sich keine der unterschiedlichen Version einer Theorie individuellen Entscheidens eignet^^^ Zum zweiten stellt eine derartige Theorie des Entscheidens klar, welchem (wiederum: einfachen) Handlungsprinzip die Akteure folgen, indem sie voraussagt, „that actors, when faced with a choice between different courses of action, will choose the course of action that is best with respect to the actors interest"^^^. Und endlich gilt, dass nur eine Entscheidungstheorie in eindeutiger Weise den Platz benennt, an welchem „externe", nicht zu ihren Kernvariablen gehorige Bedingungen und WirkgroBen in welchem Umfang und mit welchen Reproduktionsfolgen auf das Wahlhandeln des einzelnen Akteurs Einfluss gewinnen, und die man kennen muss, um sie in den Fallen, in denen man ihre Wirkung unbeachtet lassen mochte, als konstante Modellparameter behandeln zu konnen. Damit ist zugleich - auch ohne dass die Autoren dies eigens hervorkehren - gesagt, dass man Verhaltensanderungen als Folge der Tatsache erklaren kann, dass sich derartige Konstanzannahmen als fehlerhaft erweisen. Die zweite Frage beantworten die Autoren mit der These, dass sich die Entscheidungstheorie des Handelns in idealer Weise dazu eignet, soziale Mechanismen mit Hilfe der Tatsache zu konstruieren, dass die Akteure sich in ihrem Entscheidungshandeln wechselseitig beeinflussen und beeintrachtigen^^"^, weshalb sie in be-

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Analyse des Interessensbegriffs vorgelegt, wahrend Hedstrom 2005 von der (strengen) Rationaltheorie mit ihrer Forderung nach vollstandiger Information und feststehenden Zielvorgaben abruckt, sich aber um den Nachweis bemiiht, dass sie als ein Spezialfall der von ihm favorisierten DOB-Theorie, die auf die Erklarungskraft von „afesires", „^eliefs" und „opportunities" hofft, bestehen kann (vgl. Hedstrom 2005, S. 41, 60ff). Parallel dazu interpretiert er auch die Lemtheorie und die Theorie kognitiver Dissonanz als Grenzfalle seines Theorievorschlags. Ich akzeptiere, dass Hedstrom auf diese Weise daran festhalten mochte, individuelle Handlungen nomologisch zu erklaren, und wiirde geme seinem Hinweis folgen (vgl. Hedstrom 2005, S. 46, 64 u.a.), wonach er bereit ist, die DOB-Theorie (und damit auch deren Spezialversionen) als Variante einer Wahl- oder Entscheidungstheorie anzusehen, was woran mir gelegen ware - deren Vergleich mit den anderen in dieser Arbeit diskutierten Mikrofundierungsvorschlagen nachdriicklich erleichtert. Vgl. Hedstrom/Swedberg 1996a, S. 132, HedstrOm 2005, S. 38ff Vgl. Hedstrom 2005, S. 2f, 31 u.a. Hedstrom/Swedberg 1996a, S. 132 Hedstrom/Swedberg 1996a, S. 128. Die Ahnlichkeit dieser Formulierung mit der von Hayekschen muss auffallen. Da Hedstrom - wie angedeutet - neuerdings vorschlagt, diese Rationaltheorie, aber auch die Lemtheorie und die Theorie kognitiver Dissonanz als Spezialfalle einer allgemeineren Theorie des intentionalen Handelns zu betrachten, kann er mehrere Selektionsregeln modellieren und anschlieBend untersuchen, wie sich verschiedenartige soziale Mechanismen auf die Zusammensetzung der unterschiedenen Entscheidungsstrategien auswirken (vgl. Hedstrom 2005, S. 76ff). Vgl. Hedstrom 2005, S. 42ff

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sonderem Umfang dazu taugt, „to explicate mechanisms that make individual action sociar^^^; d.h. aber, ohne Rekurs auf eine Theorie individuellen Entscheidungshandelns lasst sich die Entstehung „sozialen" und damit „interdependenten Handelns" (und dessen nicht-intendierter Folgen^^^) nicht verstandlich machen^^^. Damit lenkt die Entscheidungstheorie die Aufinerksamkeit des soziologischen Theoretikers zwangsweise auf die Behandlung jener Probleme, die sich aus der Tatsache ergeben, dass derart interdependente Akteure zur Durchsetzung ihrer „Interessen" strategisch und d.h. auf der Basis von wechselbeeinflussten Zielsetzungen, Erwartungen und Restriktionen agieren mtissen^^^. Zur Beantwortung der dritten Frage schlieBen sich die Autoren erneut Coleman an, dessen „Badewanne" sie zur Darstellung ihrer Uberzeugung verwenden, dass jede soziologische Analyse „is to start with a given macro-structure, to examine how changes in this structure are likely to alter the actions of the individuals populating the structure, and then to deduce how (meine Sperrung) these new patterns of behaviour are likely to influence the same macro-structure at a later point of time"^^^. Dieses „wie" kennzeichnet dann die Stelle, an welcher zumindest einer der oben beschriebenen sozialen Interdependenzmechanismen genannt werden muss, der das Handeln der Akteure wechselseitig so miteinander verzahnt, dass der spaterhin beobachtbare Makrozustand als eine kollektive Verteilungskonsequenz des situativ bestimmten Wechselhandelns aller verstanden werden kann. „Makromechanismen", die einen direkten, handlungsunvermittelten Zusammenhang zwischen „macrostates" herzustellen vermogen, existieren demgegenuber nicht^^^ und d.h. „macro-level entities or events are linked to one another (mit Little ware zu erganzen: only^^°) via combinations of situational, individual action"^^^ und somit unter Angabe jener sozialen Mechanismen, die die Akteure und ihr Handeln in einen wechselwirksamen Zusammenhang bringen, der seinerseits die RegelmaBigkeit erklart, mit der die genannten Kollektivphanomene „hervorgebracht werden"^^^. Implikation wie Voraussetzung dieses Vorschlags ist die unter Riickgriff auf Max Weber gerechtfertigte^^^, methodologisch-individualistische These^^"^, „that all social institutions can, in principle, only be explained by the intended and unintended

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HedstrOm/Swedberg 1996a, S. 134 (Sperrung der Autoren) Vgl. Hedstrom2005, S. 5 Hedstrom/Swedberg 1996a, S. 134, 141 Vgl. Hedstrom 2005, S. 42ff HedstrOm/Swedberg 1996a, S. 131 HedstrOm/Swedberg 1996, S. 299 Mein Einschub HedstrOm/Swedberg 1996, S. 299 Vgl. Hedstrom 2005, S. 1 Iff, 24f u.a. Vgl. Hedstrom 2005, S. 153 u.a. Fur ihr Bekenntnis zu dieser Lehre vgl. HedstrOm/Swedberg 1996, S. 299 und HedstrOm 2005, S. 5. HedstrOm betont an dieser (letzteren) Stelle, dass er keine „extreme Form des Methodologischen Individualismus" vertrete, die auf die Anerkennung der „explanatorischen Bedeutsamkeit" von Sozialstrukturen verzichten musste. Damit sollte auch er Sawyers Zustimmung fmden.

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consequences of individual's actions"^^^. Die methodologischen Konsequenzen diese Auffassung, die Hedstrom jungst bestatigt^^^, sind in meinen Augen die folgenden: Mechanismische Erklarungen gleichen den Hempelschen Vorstellungen (wenigstens) insoweit als sie als deduktive Erklarungsargumente formuliert sind, die gehaltvolle, wenn auch in der Regeln unvollstandige Pramissen^^^ benutzen, um testbare und auch technologisch verwertbare Prognosen zu erstellen^^^, womit den Idealen einer realistischen und erfahrungsgeleiteten Forschungsprogrammatik Geniige getan ist. „Gesetze" - so sollte man erganzen durfen - enthalten solche Argumente nur in der Form von Annahmen tiber die (unter variablen situativen Restriktionen wirksamen) Entscheidungsgrunde individueller Akteure. Zum Abschluss ihrer tJberlegungen verwenden die Autoren die Colemansche Badewanne als Leitfaden zur Spezifizierung unterschiedlicher Erklarungsschritte, die im Zusammenhang mit der von ihnen verteidigten soziologischen Erklarungsempfehlung eine Rolle spielen^^^. Dabei unterscheiden sie - ahnlich wie es auch Little, Lindenberg und Esser tun und in erklarter Anlehnung an die Erklarungsschritte des Colemanmodells - drei verschiedene Arten von Mechanismen: Zum einen solche, die den Ubergang von einer als gegeben angenommenen Makrostruktur zur individuellen Mikroebene bewerkstelligen. Sie bezeichnen diesen Typus (mit Stinchcombe^^^) als „situational mechanism", und riicken diesen - wie dies auch Esser anrat^^^ - in die Nahe dessen, was Popper als „Situationslogik" in die Diskussion eingeflihrt hatte^^^, sofern diese Angaben dartiber macht, in welcher Weise eine vorgegebene Handlungssituation die „Praferenzbildung" (also die Ziel- oder Interessensformierung) bzw. die tJberzeugungen (und Erwartungen) der Akteure beeinflusst (oder pragt), aber auch Art und Verteilung von Handlungschancen mehr

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Hedstr5m/Swedberg 1996a, S. 131 Vgl. Hedstrom 2005, S. 30ff Diese Unvollstandigkeit kann, wenn ich Hedstrom richtig lese, zum einen daraus resultieren, dass die unterlegte Handlungstheorie falsch ist (vgl. HedstrOm 2005, S. 42), zum anderen aber gibt es - worauf auch Boudon, Renate Mayntz und Hartmut Esser verweisen Coumoteffekte zwischen verschiedenen Mechanismen (und deren Folgen), sodass die im jeweiligen Anwendungsmodell vorausgesetzten Bedingungen durch StorgroBen auch dann beeinflusst werden, wenn sie (zufalligerweise und zur Ganze) realisiert sind (vgl. Hedstrom 2005, S. 31f). Hedstrom 2005, S. 34, 42 u.a. Vgl. Hedstrom/Swedberg 1996, S. 296ff Vgl. Stinchcombe 1993, S. 28ff Vgl. Esser 1999, S. 387ff; vgl. auch Meleghy 2004 Vgl. Hedstrom/Swedberg 1996a, S. 132ff. Die Ausfuhrungen dieser Stelle beziehen sich auf Popper 1994, S. 154ff. Andemorts revidieren sie dieses Urteil allerdings; zwar sind sie bereit, Popper als Mitbegriinder einer sozialwissenschaftlichen Rational Choice-Tradition einzustufen (vgl. Hedstrom/SwedbergAJdehn 1998, S. 339), kommen aber nicht umhin, seinen Beitrag zu relativieren, weil Popper es versaumt habe, Interaktionsmechanismen zum Gegenstand seiner Erkenntnisbemuhungen zu machen und dabei besonders das Aggregationsproblem vollig ubersehen habe (vgl. Hedstrom/Swedberg/Udehn 1998, S. 354). Ich halte diese Vorhaltung ftir zutreffend. Gorton 2006, S. 72 hat - offenbar in Reaktion auf die Kritik dieser Forschergruppe - mittlerweile begonnen, Poppers Situationsanalysen mit den Interdependenzbedingungen kollektiven Handelns zu verbinden.

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Oder minder nachhaltig festschreibt^^^ Der zweite Mechanismentypus wird als „individual action mechanism"^^"^ bezeichnet und behandelt die Frage, wie „beliefs", „interests" und „opportunities" die (jeweilige) Einzelhandlung „generieren" (oder mit Esser gesprochen: „selegieren"). Auf dieser Ebene entdecken Hedstrom und Swedberg eine (in meinen Augen ungeordnete) „Pluralitat psychologischer und sozialpsychologischer Mechanismen"^^^, die allerdings, wenn sie im Rahmen einer Wahltheorie des Handelns verbleiben wollen, alle in einen (kennzeichnungsfahigen) Zusammenhang mit den dort behandelten individuellen Handlungsentscheidungen zu bringen waren^^^. Und endlich identifizieren sie einen Mechanismustypus, den sie - offenbar in Unkenntnis des Lindenberg-Wipplerschen Bezeichnungsvorschlags, aber wahrscheinlich in Anlehnung an Raymond Boudon - „Transformationsmechanismus"^^^ nennen, der den Mikro-Makroiibergang erklart. Die Liste solcher Transformationsmechanismen ist augenscheinlich offen; vorausgesetzt aber bleibt, dass sie alle als koUektive Verteilungsfolgen von Interaktions- bzw. Verkniipfungsmechanismen verstanden werden konnen bzw. zu zeigen in der Lage sind, wie sich eine Mehrzahl aufeinander bezogener, individueller Handlungen in ein „collective outcome, sometimes intended, sometimes unintended and unexpected by all actors"^^^ verwandelt (oder eben: „transformieren" lasst). Hedstroms und Swedbergs Arbeit verdient Beachtung, weil sie zum einen Mertons apokryphe Bestimmung dessen, was eine „Theorie mittlerer Reichweite" sein kann, - wie sich dies bereits bei Coleman andeutet und spaterhin durch Esser bestatigt werden wird - im Sinne einer „Logik mechanismischer Erklarungen" prazisieren^°^, weil sie zudem - sehr im Unterschied zu einigen der Beitrage in ihrem Tagungsband - auf einer klaren Unterscheidung zwischen „psychologischen" und „sozialen Mechanismen" bestehen und uberdies sowohl die zur Mikrofundierung von Makrozusammenhangen empfohlene Wahl- bzw. Entscheidungstheorie als auch die (von Coleman Ubernommene und durch die wissenschaflsphilosophische Systematisierungsarbeit von Hayek, Bunge und Little zuvor prazisierte) Logik eines mikrofundierenden Erklarungsarguments - freilich ohne es so zu nennen - dazu nutzen konnen, verschiedenartige, auf unterschiedlichen „levels" gelagerte Mecha-

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Vgl. dazu die Zusammenstellung der betreffenden Mechanismen in Hedstrom 2005, S. 43ff Vgl. Hedstrom/Swedberg 1996, S. 297. Anderenorts spricht Hedstrom (2005, S. 145) von „intra-actor mechanisms". Hedstrom/Swedberg 1996, S. 297 Essers These, dass an dieser Stelle {ausschliefilich) „Selektionsprozesse" zu behandeln sind, iiberzeugt mich eher als der (globale) Appell an die Intentionalitat des Handelns, soweit damit offengelassen wird, ob sich diese Intentionen in Entscheidungen niederschlagen. Wie angedeutet, kommt HedstrOm 2005 diesem Bedenken insoweit entgegen, als er den anfanglich ungeordneten Katalog moglicher „action mechanisms" im Lichte seiner DBO-Theorie, die als Entscheidungstheorie „durchgehen" kann, (neu) bestimmt. Hedstrom/Swedberg 1998, S. 23 Hedstrom/Swedberg 1996, S. 298 Vgl. Hedstrom 2005, S. 145; vgl. zur Prazisierungsnotwendigkeit auch die in gleiche Richtung weisenden Vorschlage von Boudon 1991, S. 519, Esser 2002, Rios 2004, S. 81, Mackert2004.

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nismen von einander zu trennen^^^, wodurch die unabdingbare Mehrstufigkeit eines mechanismischen Erklarungsarguments deutlich wird. Im Ubrigen schatze ich nachdriicklich Hedstroms erneute Stellungnahme zugunsten einer (abstrakten oder „idealisierenden", in jedem Fall aber) realistischen und entsprechend revisionsoffenen Theorie- und Modellbildung^^^ Auch muss man zugestehen, dass sich besonders Hedstrom mittlerweile daran gemacht hat, der anfangs durchaus als ungelost eingestuften Frage nachzugehen^^^, wie die Aggregierungs- bzw. Transformationsverfahren lauten konnten, die zur einer eindeutigen Ableitung kollektiver Effekte fuhren sollen^^^.

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Zur Frage, welche ontologische, epistemologische oder (allgemein) emergenztheoretische Deutung sie diesen „levels" geben mochten, auBem sich die Autoren zunachst nicht. Wichtig ist ihnen nur, dass die Datenerhebung und -interpretation auf diese Ebenen Bezug nehmen muss. Mittlerweile indessen bekennt sich Hedstrom (2005, S. 71ff) zu einem Emergenzverstandnis, das jede infolge von Makro- oder Strukturgesetzten erwartbare „downward causation" und jeden „ontologischen KoUektivismus" ablehnt, aber die Supervenienz-These gelten lasst, wonach Handlungen fiiir das Auftreten kollektiver Phanomene zwar notwendig, wenn auch keinesfalls hinreichend sind; das bedeutet dann umgekehrt, dass aus den aggregierten Verteilungsstrukturen nicht auf die sie generierenden „micro-level processes" (oder „micro-level mechanisms" (Hedstrom 2005, S. 29)) geschlossen werden kann. Dass eine kollektiv generierte Verteilungsstruktur sich ihrerseits als lokal wirksame Opportunitat oder Restriktion (des Handelns) auswirkt, sieht sein Erklarungsvorschlag vor. Seiner eigenen Handlungstheorie gesteht er keinen Schutz vor Widerlegungen zu, vgl. Hedstrom 2005, S. 42. Entsprechend ware seine Kritik am „Instrumentalismus" der Rational Choice-Theorie (vgl. Hedstrom 2005, S. 3, 60ff) nur dann wirklich berechtigt, wenn sie sich gegen die nachweisliche Weigerung richten konnte, offensichtlich falsche Theorien (unter keinen Umstanden) zu revidieren. So gewendet, trifft der Vorwurf vielleicht Milton Friedman, Karl Popper, Imre Lakatos oder Gary Becker, kaum aber Coleman, Lindenberg, Boudon, Esser oder Fararo. Vgl. Hedstrom/Swedberg 1996, S. 293ff, Hedstrom 2005, S. 99 Hedstrom 1998 und Hedstrom 2005 kann man entnehmen, dass diese Transformationen durch Simulationen sichtbar werden. Offenbar mochte Hedstrom Transformationsmechanismen als eine Losung der Frage verstehen, wie sich die Verteilungsfolgen des Handelns aller aus den interaktionsvermittelten Veranderungen der lokalen Handlungs- und Entscheidungsvoraussetzungen als rechnerische Folge des jeweiligen Simulationsalgorithmus und formal darstellbar als Matrix oder Kurventrajektorie ergeben. Ich weiB nicht, ob sich dadurch Abbott veranlasst sieht, seinen Vorwurf zuriickzunehmen, wonach Hedstrom und Swedberg Strukturen nur als aggregierte Effekte isolierter Einzelhandlungen behandeln konnten (vgl. Abbott 1996). Demgegenuber erklart Abbott nicht den einzelnen Akteur zum Ausgangspunkt der Sozialtheorie, sondern seine sozialen Beziehungen; zudem will er die Konstanzsetzung menschlicher Handlungsfahigkeiten vermeiden, um die Entstehung des „Selbst" thematisieren zu konnen, und endlich sollte Handeln nicht (nur) als erfolgsorientiert betrachtet werden, sondern (auch) als Ausdruck des Versuchs der Akteure, eine „Identitat" zu entwickeln. Konsequenterweise lehnt es Abbott ab, Mechanismen mit Hilf einer Rational Choice-Theorie zu erklaren, was bei Hedstrom und Swedberg (seinerzeit) offenbar auf wenig Verstandnis stieB. Da Hedstroms anfangliche Begeisterung fur die Rational Choice-Theorie mittlerweile verblasst ist (vgl. Hedstrom 2005, S. 36f, 60ff) und Swedberg die Weberschen Vorbehalte gegen ein einseitig instrumentalistisches Rationalverstandnis emst zu nehmen bereit scheint (vgl. Swedberg 1998), konnte eine Neuberwertung wenigstens eines Teils von Abbotts Einwand moglich sein, zumal Hedstrom Abbotts Kritik der CoveringLaw-Tradition und der Variablensoziologie unterstiitzt (vgl. Hedstrom 2005, S. 1,33).

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Auf der anderen Seite bleibt im Rahmen ihres bisherigen Programmangebots ganz unausgeleuchtet, ob die Autoren der Frage nachgehen wollen, auf welche Art und Weise sich eine Verteilungsstruktur auf der Basis von „Regulierungen" (oder Institutionen bzw. der Verteilung von Handlungsrechten) ergeben konnte, die liber die formale Aggregierung der Handlungseffekte solitar agierender Akteure hinausweist^^"^; es ware sehr bedauerlich, wenn Hedstroms Versuch, einer „analytischen Soziologie"^^^ Colemanschen Zuschnitts Leben einzuhauchen, auf eine Bearbeitung dieser - fiir Colemans Theorienwurf zentrale - Thematik verzichten miisste. Kritikwurdig diirfte auch sein Pladoyer zugunsten der ausschlieBlichen Beachtung von interaktiven Mechanismen sein^^^, da eine solche Sichtweise zur Vernachlassigung der Tatsache neigt, dass es - worauf Coleman, Lindenberg und Boudon hingewiesen haben - daneben auch „Interdependenzmechanismen" geben kann, in deren Gefolge entscheidungsrelevante Externalitaten des gemeinsamen Handelns auftreten konnen, ohne dass die Akteure sich interaktiv erreichen oder auch nur kennen miissten^^^. Auch sollte man mit einem Seitenblick auf die Chaostheorie und andere Ungleichgewichtsdynamiken von der (offenbar Merton geschuldeten) These abrlicken, dass Mechanismen nur dort zu erwarten sind, wo wir es mit (makroskopischen) „regularities"^^^ zu tun haben; erneut ist daran zu erinnern, dass auch „UnregelmaBigkeiten" das Produkt eines Mechanismus sein mussen. Zudem beschwort eine solche Verengung der Problemsicht zu leicht die Gefahr herauf, dass man mechanismische Argumente auf Gleichgewichtsanalysen beschrankt, wofiir spatestens seit Thomas Fararos Festlegung des Aufgabenkatalogs soziologischer Erklarungen kein zwingender Grund mehr besteht^^^. Als unzulanglich muss endlich auch verbucht werden, dass die beiden Autoren die modelllogischen Konsequenzen der von ihnen entworfenen Systematisierung mikrofundierender Erklarungen sozialer Me-

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Hedstrom/Swedberg 1998, S. 23 nennen zwar Beispiele (wie die „Tragodie der Allmende" oder die okonomische Markttheorie), denen wenigstens ein impliziter Hinweis auf die Regulationsbedurftigkeit der ihnen unterliegenden Mechanismen entnommen werden konnte; sie behandeln die Institutionalisierungsnotwendigkeit sozialer Interdependenzen aber nicht als eigens erklarungsbediirftig. Auch die Simulationsforschungen von Hedstrom 2005 erwahnen dieses Thema nicht. Mit beidem diirften weder Coleman oder Lindenberg, noch Esser und Renate Mayntz einverstanden sein. Vgl. den Untertitel in Hedstrom 2005 Vgl. Hedstrom 2005, S. 17, 42ff Die in HedstrOm 2005, S. 55f dargestellten „opportunity-mediated interactions" lassen diesen Einwand als ungerecht erscheinen; ich habe aber Schwierigkeiten zu verstehen, weshalb die angegebenen Beispiele aus der Opportunity Chain-Forschung als „Interaktionen" gelten sollen und nicht als „Interdependenzen", als welche sie Hedstrom (S. 56) selbst bezeichnet. Solange man - worauf Boudon hingewiesen hat - damit rechnen muss, dass sich Interaktions- und Interdependenzmechanismen in wesentlichen Punkten unterscheiden, kann es keinen erkenntnisforderlichen Sinn machen, diese Unterscheidung unbeachtet zu lassen. Vgl. Hedstrom 2005, S. 24. Ich gebe zu, dass der Begriff „Regelhaftigkeit" auch meinen kann, dass immer wieder ein neuer Zustand zu erwarten ist bzw. dass ein bestehender Mechanismus (unter gleichbleibenden Umstanden) seine Effekte regelmdfiig produziert, wie Hedstrom an anderen Stellen betont (vgl. Hedstrom 2005, S. 25, 26 u.a.). Naturlich hat dieses Argument zugunsten der Modellierung von Ungleichgewichten eine Geschichte, die hinter Fararo zuruckreicht, vgl. Buhl 1990.

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chanismen nicht mit letzter Schlussigkeit Ziehen, weshalb sie beispielsweise tibersehen, dass der Reichweitenmangel bestimmter Modelliemngen nichts ist, wofiir sie sich zu entschuldigen hatten^^^ - tatsachlich verdankt das von ihnen skizzierte Erklarungs- und Forschungsprogramm seine Universalitat nicht der (im Einzelfall nicht sehr weit gesteckten) Verallgemeinerbarkeit einzelner, zumal relativ (historisch Oder situativ) konkret argumentierender Modelliemngen, sondern der Tatsache, dass alien denkmoglichen Modellkonstruktionen die gleiche Handlungstheorie (bzw. die gleiche Form der handlungstheoretischen Mikroflindierung) zugrunde liegt und sie deshalb als beispielhafte Falle eines einheitlich-kompakten, vielfaltig anwendbaren theoretischen Kerns gelten konnen^^^ Nachgerade darauf beruht wie ich noch zeigen mochte - der heuristische Wert der Hedstrom-Swedbergschen Uberlegungen und damit - zumal Hedstrom sieht es in jtingster Zeit deutlich - die Chance, den (unleugbar) fragmentarischen Charakter der soziologischen Theoriebildung zu iiberwinden^^^.

3.7 Prozessmechanismen und deren „kausale Rekonstruktion": Renate Mayntz Dass die unkontrollierte Vielzahl soziologischer Paradigmen (und die mit ihr verbundene, „orthodoxe" Erklarungspraxis Hempelschen Zuschnitts) ein methodologisches wie auch inhaltlich-theoretisches Problem aufwerfen muss, hat auch Renate Mayntz betont^^^ und sie dazu veranlasst, in systematischer Weise nach der „Theoriefahigkeit makrosozialer Analysen"^^"^ zu fragen. Hintergrund dieser Frage ist, dass sich Renate Mayntz als langjahrige Kodirektorin eines Forschungsinstituts, das sich vorrangig mit Problemen der Politik- und Institutionenberatung zu beschaftigen hat, weder auf die - von Boudon zeitweise popularisierte - These einlassen konnte, dass sich eine derartige Aufgabe ausschlieBlich mit Hilfe einer riickblickenden Analyse einmaliger Vorkommnisse wtirde losen lassen^^^, noch darauf vertrauen woUte, dass die (orthodoxe, strukturorientierte) soziologische Theorie jene „allgemeine(n) Aussagen uber soziale Sachverhalte"^^^ zur Verfligung halt, die die Herleitung jener Prognosen erlauben^^^, auf die eine (seriose und verantwortungskontrollierte) politische Beratung zuriickgreifen muss; dieser Mangel wird noch verstarkt durch die unzulangliche Formalisierung des vorherrschenden Theoriean720 721 722 723 724 725 726 727

Vgl. Hedstrom/Swedberg 1996, S. 298f In der gleichen Weise kommentiere ich im nachsten Abschnitt auch Renate Mayntz. Um die modelltheoretischen Konsequenzen dieser „Korrektur" hat sich dann Hartmut Esser bemiiht, vgl. unten Abschnitt 3.8. Vgl. Hedstrom 2005, S. 28 Vgl. Mayntz 1997, S. 19 Vgl Mayntz 2002 Vgl. Mayntz/Scharpf 1995, S. 66 Mayntz 2002, S. 8 Vgl. Mayntz 2000, S. 104

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gebots, was - wie auch Bunge, Boudon und Fararo meinen - die Beurteilung dessen „logischer Stmktur" erheblich erschwert^^^. In der Tat steht die soziologische Theoriebildung unter einem mehrschichtigen, zumal wissenschaftstheoretischen Einfluss, der eine beratungsangemessene Theoriebildung a limine verhindert. Werden - wie das im Rahmen des uberkommenen DN-Modells der Erklarung iiblich ist - „Gesetze", die als mogliche „Trager" des verallgemeinerten Theoriewissens in Frage kommen, als Wenn-Dann-Aussagen konzipiert, dann sind - wie schon von Hayek vermutete - nur einfache kausale Beziehungen abbildbar, die der Multikausalitat, der Nichtlinearititat, der Interferenz und den Pfadabhangigkeiten verschiedener Teilprozesse des sozialen Geschehens und dessen „ofl undurchschaubarer Dynamik"^^^ nicht gerecht werden^^^. Aber selbst wenn man diesen Einwand hintan stellt und, um den Adaquatheitsbedingungen von Covering-Law-Erklarungen zu geniigen, damit beginnt, nach aufwendiger formulierten Gesetzen liber den kausal-deterministischen Zusammenhang zwischen „Makrophanomenen"^^^ zu suchen, enden die Schwierigkeiten insofern nicht, als man den Befund kaum wird ignorieren konnen, dass es derartige (in einem Durkheimschen Sinne: „autonome") „allgemeine nomologischen Hypothesen" bzw. „soziale Gesetze"^^^ offenbar nicht gibt^^^, sei es, well sich die dazu benotigte Konstanz der gesellschaftlichen Verhaltnisse nicht beobachten lasst, sei es, well entsprechende Vorschlage empirisch unhaltbar sind oder zu fragwtirdigen entwicklungsgesetzlichen Spekulationen auffordern^^"^. Dieses Unvermogen, „sozialen Gesetze" zur Erklarungen „sozialer Makrophanomene"^^^ zu fmden, hat seine guten Grunde. Wie alle Sozialwissenschaften steht auch die Soziologie vor der charakteristischen Schwierigkeit, dass „diese (sie in erster Linie interessierenden Makrophanomene) in der Kegel kontingent, prozesshaft, historisch gepragt und, sofern es sich um soziale Systeme handelt, strukturell komplex (sind)"^^^. Diese Beschwernisse erhohen sich noch zusatzlich dadurch, dass sich - anders als es viele, von Hayek bis Merton und dessen Schtilern, iiblicherweise wissen wollten - die eventuelle Beobachtung „wiederholter Zusammenhange"^^^ bzw. von „RegelmaBigkeiten des Verhaltens"^^^, „rekurrenten Prozessen"^^^ und regelhaften „Mustern"^'^^ nicht als Verallgemeinerungsbasis nutzen lasst. Der Grund dafur ist in den „ontologischen Merkmalen" des sozialwissenschaftlichen Gegenstandsbereichs^"^^ zu suchen: 728 729 730 731 732 733 734 735 736 737 738 739 740 741

Vgl. Mayntz 1967, S. 13 Mayntz 1997, S. 12 Vgl. Mayntz 1985, S. 41f, Mayntz 1997, S. 330ff, Mayntz 2002, S. 21ff Mayntz 1997, S. 23, 319 Vgl. Mayntz 1997, S. 305f Vgl. Mayntz 1985, S. 46ff, Mayntz 1997, S. 304f, Mayntz 2004, S. 240 Vgl. Mayntz 2002, S. 30 Mayntz 2002, S. 20 Mayntz 2002, S. 20 Mayntz 2002, S. 18 Mayntz 1997, S. 296 Mayntz 2004, S. 241 ' So argumentiert Mayntz (1997, S. 306) mit Bezug auf Hayek 1964. Vgl. Mayntz 2002, S. 20

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So kann man sich die Entstehung und das Uberdauern makrosozialer Zusammenhange (sicherlich) nicht ohne die Mitwirkung der „menschlichen Fahigkeit zum intentionalen Handeln" denken , muss aber zugleich festhalten, dass Akteure auf der Basis hochst variabler „kognitiver Orientierungen"^"^"^, ganz vielgestaltiger „Auswahlgesichtspunkte bei der Wahl zwischen Handlungsoptionen"^"^^ bzw. unterschiedlichster „Interessen"^'^^, Ressourcenausstattungen^"^^, jjdentitaten"^"^^ und „normativer Erwartungen"^"^^ agieren, wobei ganz heterogene, ja gegenlaufige Situationseinflusse eine handlungspragende Rolle spielen mogen^^^. Renate Mayntz ist entsprechend nicht darauf vorbereitet, dass die unter diesen schwankenden Voraussetzungen modellierbaren „sozialen Sachverhalte"^^^ - iiber alle denkbaren Anwendungsfalle entsprechender Modelle hinweg - beobachtbare repetitive oder konstante Merkmalsauspragungen aufweisen werden^^^. Das ist zusatzlich auch deshalb unwahrscheinlich, weil sich die Veranderung von modellierungswichtigen Parameterwerten - wenn man sie uberhaupt kennt - ebenso wenig vorhersagen lasst wie die Art und Weise, wie, was und mit welchen Erfolgschancen die Akteure angesichts neuer und ungewohnter Problemlagen zu lernen beginnen'^^"^, weshalb sich der Theoretiker immer wieder dazu gedrangt sieht, der Vielzahl derartiger (prognostisch) nicht weiter berticksichtigungsfahiger Einfltisse und WirkgroBen durch „unspecified ceteris paribus clauses" gerecht werden zu mussen^^"^, was wiederum

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Mayntz 2002, S. 19 Man muss festhalten, dass Renate Mayntz (bislang wenigstens) keine Theorie, sondern allenfalls einen „begrifflichen Bezugsrahmen" (Mayntz 1997, S. 302) vorgelegt hat, ohne die genaue Handlungs- oder Produktionsfiinktion zu benennen, die das Entscheidungsverhalten der Akteure erfiillen sollte; vgl. aber Mayntz 2001, wo die Autorin verschiedene nichtreduzible, aber die wahren Zusammenhange jeweils vereinfachende „Handlungsorientierungen" unterscheidet und vorschlagt, dem jeweiligen Modellierungszusammenhang entsprechend, Erklarungen mit Hilfe verschiedener Orientierungskombinatoriken vorzunehmen; eine synthetisierte Handlungstheorie strebt Renate Mayntz offenbar nicht an. Fiir eine Kritik dieser Unterlassung siehe den Schlussabschnitt dieses Abschnitts. Mayntz/Scharpf 1995, S. 53 Mayntz/Scharpf 1995, S. 54 Mayntz/Scharpf 1995, S. 54 Mayntz/Scharpf 1995, S. 59 Mayntz/Scharpf 1995, S. 56 Mayntz/Scharpf 1995, S. 56 Mayntz/Scharpf 1995, S. 57f Mayntz2002, S. 8 Vgl. Mayntz 2002, S. 21 Vgl. Mayntz 1997, S. 323. Dieser Darstellung darf man entnehmen, dass sich Renate Mayntz - anders als James Coleman - mit der Beengtheit einer strikten Rational ChoiceTheorie nicht zufrieden geben mochte. Ich bin allerdings unsicher, ob man alle ihre Einwande gegen diese Theorie beriicksichtigen kann; man vgl. Mayntz/Scharpf 1995, S. 52, wo die These vertreten wird, die Rational Choice-Theorie konne Normen nur als Restriktionen behandeln. Ich wurde diese These mit Verweis auf Coleman 1991, S. 31 Iff und Opp 2001 geme bestreiten. Scharpf 2000 scheint die Erklarungsleistung der Rational Choice-Theorie (mittlerweile) freundlicher einzuschatzen. Mayntz 1985, S. 48, Mayntz 2004, S. 245

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durch die Wissenschaftstheorie nicht abgedeckt und - recht besehen - zu vermeiden ist^^^ Auf der anderen Seite sind aber auch alle Versuche gescheitert, auf die empirische Haltlosigkeit globaler Makro- und Strukturgesetze mit der intensiven Beforschung von statistisch aufbereiteten Kovarianzen zwischen verschiedenen Makrovariablen zu reagieren^^^. So technisch anspruchsvoll und deskriptiv verdienstvoll solche Verfahren auch sind, sie lassen - wie fast alle Vertreter eines mechanismischen Erklarungsprogramms vermuten - die Frage jederzeit offen, wie sie die genetische „Tiefenstruktur" des die Sozialforschung interessierenden Systemgeschehens erhellen wollen, auf welche Weise sie dessen (zumeist unbekannten) Parameter kontrollieren konnen und vor allem: in welchem Umfang sie erlauben, von den erhobenen Korrelationen auf Kausalverhaltnisse zu schlieBen^^^; d.h. auch flir Renate Mayntz ist offensichtlich, dass jedes noch so eifrige Sammeln und Korrelieren von Kausalfaktoren die (inhaltlich-theoretische) Analyse der sie verbindenden Verknupfungsprozesse nicht ersetzen kann^^^. Urn diesen (beiden) Beschrankungen zu entgehen, wirbt Renate Mayntz offensiv fur einen „eigenstandigen Prozess der Theorieentwicklung"^^^, der jede Orientierung an den Idealen der Hempelschen Erklarungslogik aufgibt^^^ und den sie in jungster Zeit unter der Bezeichnung „kausale Rekonstruktion"^^^ naher zu umreiBen sucht. Ausgangspunkt dieses Bemiihens ist eine Doppelthese: Zum einen mochte die Autorin (sozialwissenschaftliche) Erklarungen - wie bereits angedeutet - nur dann als gtiltig betrachten, wenn man auf theoriefahige (oder zumindest theoriegeleitete) Verallgemeinerungen iiber makrosoziale Phanomene zuriickgreifen kann^^^, und als Korollar gilt zum anderen, dass die „zentrale Voraussetzung flir die Moglichkeit theoretischer Verallgemeinerungen die Existenz von Kausalitat ist"^^^. Im Zentrum dieses Vorschlags steht die Idee, dass sich diese Vorgaben mit Hilfe der „Identifikation der an dem Zustandekommen (eines fraglichen Makrophanomens)

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Vgl. Mayntz 2002, S. 22. Renate Mayntz konnte sich freilich zur (wenigstens teilweisen) Stijtzung ihrer Auffassung auf die Arbeiten von Nancy Cartwright berufen, vgl. z.B. Cartwright 2001. Vgl. Mayntz 1997, S. 307, Mayntz 2004, S. 240 Vgl. Mayntz 1985, S. 49 Vgl. Mayntz 2004, S. 241 Mayntzl997, S. 317 Vgl. Mayntz 1997, S. 306. Fiir den Fall, dass es um die Erklarung individueller Handlungen geht, liegen die Dinge anders. So will die Autorin - wie die meisten der in dieser Arbeit besprochenen Autoren - nicht ausschlieBen, dass es haltbare Verallgemeinerungen iiber psychischen Bedingungen des individuellen Entscheidens und Handelns gibt, die in die Pramissen eines Hempelschen Erklarungsarguments Eingang fmden konnen, vgl. Mayntz 1985, S. 46. Mittlerweile scheint (zwar) die Gleichschaltung von „Gesetz" und „Verallgemeinerung" an Uberzeugungskraft (zu Recht) verloren zu haben (vgl. Mayntz 1997, S. 337); ich hoffe aber nach wie vor, dass Renate Mayntz an der nomologischen Erklarbarkeit individueller Handlungen festhalt. Vgl. Mayntz 2002, Mayntz 2004, S. 252ff Vgl. Mayntz 2002, S.7f Mayntz 2002, S. 18

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beteiligten Prozesse und Interdependenzen" erfullen lassen^^"^. Mit fortschreitender Prazisierung dieser Uberlegungen wird klar, dass eine Erklarung makroskopischer Ereignisse und deren Abfolgen anzustreben in alien Fallen heiBt, den „generierenden Mechanismus"^^^ und damit den („internen") Prozess^^^ angeben zu konnen, vermittels dessen „komplexe Interdependenzen"^^^ zwischen relativ frei und strategisch agierenden Akteuren zustande kommen, aus denen wiederum (auffallige, in jedem Fall erklarungsbediirftige) Effekte resultieren - oder anders: Es geht um „das Entstehen von Makrophanomenen aus der (strukturvermittelten) Verflechtung und Summierung motivierten Handelns"^^^ bzw. um die Erforschung der Kollektivkonsequenzen in „Situationen strategischer Interdependenz"^^^. Das betreffende („genetische") Argument verbindet demnach Aussagen tiber die Handlungen einer in angebbaren Wechselbeziehungen^^^ bzw. „structural arrangements"^^^ zueinander stehenden Mehrzahl von Akteuren mit den Entstehungsbedingungen von emergenten'^^^ makroskopischen bzw. strukturellen Verteilungsmerkmalen, die sich in der Form von „Kompositionseffekten"^^^ aus der Wirksamkeit entsprechender Verflechtungsmechanismen (kausal) ergeben^^"^. Mechanismen bezeichnen somit die „links"^^^ und d.h. die prozesshaft organisierten „VerknUpfungen" zwischen den strukturellen Ausgangsbedingungen des Handelns der Akteure und dessen kollektiven „outcomes". Zur erganzenden (oder zur vervollstandigenden) Behandlung solcher Verhaltnisse muss man uberdies und zugleich immer auch die „Riickwirkungen dynamischer Vorgange auf Strukturen" im Auge behalten, die sich „uber die Systemeffekte (des) individuellen Handelns"^^^ ergeben, und damit die „dynamischen Konsequenzen bestimmter struktureller Konfigurationen"^^^. An anderer 764 765

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Mayntz 2002, S. 13 Mayntz 2002, S. 27. Im Gegensatz zu parallel verlaufenden Versuchen um eine Klarung der soziologischen Modellierungslogik, die ganz der uberkommenen Kausalanalytik verhaftet blieb (vgl. Abell 1971, S. vf), hat Renate Mayntz, die Idee, dass die sozialwissenschaftliche Modellbildung auf die Identifikation „sozialer Mechanismen" aus sein musse, schon friih verteidigt, vgl. Mayntz 1967, S. 25. Mayntz 1985, S. 49. In Mayntz 2004 fmdet sich eine umfangliche Analyse der (erkenntnislogischen) Voraussetzungen und (methodologischen) Regeln derartiger Prozessanalysen. Mayntz 1997, S. 309 Mayntz 1997, S. 24 Mayntz 1997, S. 324 Vgl. zu deren Systematisierung Mayntz/Scharpf 1995, Mayntz 1997, S. 33ff Mayntz 2004,8.252 Vgl. Mayntz 2000, S. 95ff Vgl. in Anschluss an Boudons Bezeichnung Mayntz 1997, S. 32 Mayntz 1997, S. 24 nutzt zur Kennzeichnung dieser Verbindung den von Wippler und Lindenberg ins Spiel gebrachten Begriff der „Transformation" und betont wie diese beiden Autoren, aber auch wie Coleman, dass man zwischen rein rechnerisch gewonnenen Aggregationen und Aggregierungen mit Hilfe „organisierter sozialer Systeme", Institutionen und dergleichen unterscheiden muss, vgl. Mayntz 1985, S. 48. Meine Bedenken gegen die Verwendung formaler (oder analytischer) Transformationsannahmen habe ich bereits formuliert; in Abschnitt 4 komme ich darauf nochmals zu sprechen. Mayntz 2004, S. 241 u.a. Mayntz 1997, S. 28 Mayntz 1997, S. 30

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Stelle verschafft Renate Mayntz ihrem Erklarungsvorschlag zusatzliche Tiefenscharfe, indem sie die Bedeutung von Abstimmungsregeln hervorhebt, an denen sich die Akteure zur Moderation ihrer wechselseitigen Zumutungen - wenn auch mit unbestimmtem Ertragserfolg - orientieren konnen^^^. Mechanismische Erklarungen (in den Sozialwissenschaften^^^) - so kann man diese beiden Gedankelinien zusammenfiihren - sollten demnach den Forscher dazu anregen, „Konstellationen strategischer Interdependenz"^^^ bzw. die Kausalwirksamkeit direkter und indirekter, in unterschiedlichem MaB regulierter „Abhangigkeitsbeziehungen"^^^ und „Verfiechtungszusammenhange"^^^ zu modellieren, innerhalb derer Akteure ihr Handeln „koordinieren"^^^ mlissen. Dabei muss wegen ihrer bisweilen unversohnlichen Zielsetzungen, ihrer differenziellen Ressourcenausstattung oder aufgrund ihres unzulanglichen Wissens um die erfolgsbedingenden Voraussetzungen und koUektiven Effekte ihrer Bemtihungen und deren dynamischen Ruckkoppelungen offen bleiben, ob diese Mechanismen ihre „Koordinationsfunktion" zufriedenstellend erflillen konnen; ihre Anstrengungen um eine erfolgreiche Abstimmung ihres Handelns konnen auch scheitern, was impliziert, dass sie sich auf die Notwendigkeit, ihre Beziehungsformen gegen „Desorganisationsphanomene"^^'^ und Storungen abzusichern und sich bisweilen „Anpassungsveranderungen"^^^ zu unterwerfen, ebenso einstellen mlissen wie auf den eventuellen Zusammenbruch ihrer Verkehrsformen. Die soziologische Theoriebildung tut deshalb gut daran, Mechanismen „diskontinuierlicher Wandlungsvorgange"^^^, der „Storungsverhinderung" und „Storungskompensation", oder aber „Mechanismen drohender Zusammenbrtiche"^^^ auch dann im Augen zu behalten, wenn sie nicht darauf rechnen sollte, partikulare Entwicklungen und „die Kontingenz historischer Prozesse"^^^ vorhersagen zu konnen. Letzteres zu fordern verkennt, dass die soziologische Theoriebildung die Erstellung konkreter Prognosen im Prinzip nicht erlaubt^^^. Dies verhindern die Unabsehbarkeit kollektiver Handlungsfolgen^^^ und die „Fernwirkungen indirekter Abhangigkeitsbeziehungen"^^^ ebenso wie das ungeahnte Auftreten externer „Schocks"^^^ und die damit verbundenen Pfadabhangigkeiten^^^, aber auch der Tat-

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Vgl. Mayntz/Scharpf 1995 Vgl. zur Frage der naturwissenschaftlichen Anleihen der Sozialwissenschaften Mayntz 1997, S. 312ff und Mayntz 2004 Mayntz 1997, S. 324, Mayntz 2002, S. 32 Mayntz 1997, S. 30 Mayntz 1997, S. 30 Mayntz/Scharpf 1995, S. 560ff Mayntz 1997, S. 122 Mayntz 1997, S. 133 Mayntz 1997,8.317 Mayntz 1997, S. 118 Mayntz 1997, S. 337 Vgl. Mayntz 1997, S. 330 Vgl. Mayntz 1997, S. 319 u.a. Mayntz 1997, S. 32 Vgl. Mayntz 2002, S. 37 Vgl. Mayntz 2002, S. 27ff

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bestand, dass die theoretischen Beobachter iiber die Folgen des Ineinandergreifens verschiedener, zugleich wirksamer Mechanismen in der Kegel ebenso wenig wissen (konnen) wie die betroffenen Akteure selbst^^"^. Tatsachlich muss sich die soziologische Theorie in vielen Fallen damit bescheiden, die spezifischen Situationsbedingungen - und d.h. die „Logik der Situation", wie Popper gesagt hatte - zu identifizieren und empirisch zu erheben, unter denen eigensinnige Akteure ihre Ziele verfolgen, woraus angesichts der Kontingenzen des menschlichen Tuns und Lassen zwar nicht gefolgert werden kann, „was geschehen wird, aber doch, was, unter diesen und jenen Umstanden geschehen konnte"^^^. Politische Beratung wird sich auf diese Beschrankung einzustellen haben. Wie es scheint, iibernimmt Renate Mayntz damit (zumindest vordergrundig und in Grtindziigen) den Vorschlag aller bislang besprochener Autoren, die Erklarung sozialstruktureller Phanomene und Prozesse mit Hilfe von handlungsbasierten, „mechanismischen" Argumenten voranzutreiben, und dieser Eindruck verstarkt sich, wenn wir lesen, dass ein erklarendes Argument, insoweit es einen „ebenenubergreifenden Prozess"^^^ behandelt, dazu in der Lage sein muss, das rekursive Funktionieren von „ProzeBmechanismen"^^^ liber mehrere Stufen hin zu verfolgen^^^, woraus man folgern sollte, dass die Autorin den Sozialwissenschaften (und zumal der Soziologie) empfiehlt, (zur Abschatzung politischer Interventionsmoglichkeiten) handlungstheoretisch mikroflindierende Tiefenerklarungen sozialer Tatbestande zu verfertigen. Gleichwohl wird man nicht iibersehen konnen, dass sich die von ihr favorisierte Theorietechnik der „kausalen Rekonstruktionen" in einigen entscheidenden Punkten mit den bislang diskutierten tJberlegungen nicht zur Deckung bringen lasst. Alle diese Punkte scheinen damit zusammenzuhangen, dass Renate Mayntz, gedeckt durch die Bungesche Philosophic kausaler Prozesse, aber in Gegensatz zu Daniel Littles (und offenbar auch zu Hedstroms und - wie noch zu zeigen ist - zu Hartmut Essers^^^) Vorstellungen, daran festhalt, dass „Ursachen und Wirkungen auf verschiedenen Systemebenen lokalisiert sind"^°°. D.h. die Autorin mochte in strikter Ubereinstimmung mit ihrem (oben bereist angesprochenen) Diktum, wonach jede Verallgemeinerung wissenschaftlicher Modellierungen auf die Moglichkeit angewiesen ist, Kausalitaten zu identifizierten, „komplexe Kausalstrukturen als sole he ... erfassen und als Geflecht von Wirkungszusammenhangen (darstellen)"^^^ Die Aufgabe mechanismischer Modelle besteht angesichts dessen

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Vgl. Mayntz 1997, S. 33 Mayntz 1997, S. 339. Die Starke der soziologischen Theorie liegt folglich nicht darin, Makrogesetzlichkeiten angeben zu konnen, sondem - wie sich Esser 1999, S. 387ff ausdruckt die „Logik der Situation" zu analysieren. Mayntz 2000, Mayntz 2002, S. 33 oder wie es bei Mayntz/Scharpf 1995, S. 50 heifit: Sie werden in einer „Mehrebenenperspektive" vorgenommen; ahnlich Mayntz 1997, S. 319. Mayntz 1997, S. 33 Mayntz 1997, S. 320 bezieht sich auf Uberlegungen von Lindenberg 1977. Bei den ubrigen Autoren bin ich unsicher, ob ich sie fur die hier bezogene Position in Anspruch nehmen kann, wtirde es aber voraussetzen wollen. Mayntz2002, S. 31 Mayntz 2002, S. 22; meine Sperrung

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konsequenterweise darin, die (hochst kontingent) auftretenden Wirkursachen und kausalen Konsequenzen von „komplexen Interdependenzen"^^^ in ein „System von Wirkungszusammenhangen"^^^ zu bringen und dabei den Kausalcharakter jener Prozesse zu identifizieren, was uber die (freilich relativ triviale) Notwendigkeit der Tatsache hinaus, dass ohne Handeln jedes soziale Leben abstirbt, zu erklaren hilft, wie ein erklarungsbedurftiger (makroskopischer oder verteilungsstruktureller) Sachverhalt aufgrund der „Struktur" und „Funktionsweise" menschlicher Beziehungsverhaltnisse - oder, wie Renate Mayntz selbst formuliert, aufgrund „der Beschaffenheit der Handlungssituation"^^"^ (und nicht (nur) der Akteure und deren individuellen Merkmale) - zustande kommt^^^. Diese Auffassung hat eine dreifache Folge: Zum einen wird verstandlich, dass „kausale Rekonstruktionen" sich nicht darauf beschranken woUen, Kausalitaten ausschliefilich auf der Ebene der handlungsgenerierenden Prozesse zu identifizieren, die im Rahmen einer (nomologischen) Kausaltheorie des individuellen Handelns behandelt werden mussen; kausale Bedeutung kann daneben auch den „Kontaktstrukturen innerhalb einer PopulatiQj^a806 ^^^ Akteuren, den „Arten ihres interdependenten Zusammenwirkens"^^^ und damit den (nicht-individuellen) Merkmalen der ihr Handeln verkntipfenden Mechanismen zukommen sowie den daraus resultierenden „Verteilungsstrukturen auf der gesellschaftlichen Makroebene"^^^; und dariiber hinaus sollte man auch die (moglichen) Kausaleigenschaften von „Selbstorganisationsprozessen"^^^, „Eigendynamiken"^^^ und Rekursionseffekten^^^ und damit der Prozessformen der untersuchten Mechanismen im Auge behalten. Vor dem Hintergrund dieser These, wonach wir (auch) „oberhalb" der individuellen Handlungsebene mit kausalbedeutsamen „Bedingungskonstellationen"^^^ zu rechnen haben, kann man auch die Nachhaltigkeit und Dringlichkeit verstehen, mit der die Autorin - auch in diesem Fall in deutlichem Unterschied zu den (meisten der) bislang besprochenen Analytikern sozialer Mechanismen - ihre Interesse auf die kausalwirksamen Charakteristika mechanismischer Prozesse (selbst) richtet. So wird sie nicht mtide, auf die „Nichtlinearitat"^^^ der gesuchten „links", auf „abrupte Trendwenden, Oszillationen, zyklische Verlaufe, Auf- und Abwartsspiralen"^^"^ (oder „Eskalationen"^^^ und „Kettenreakti-

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Mayntz2002, S. 23 Mayntz2002, S. 23 Mayntz 1997, S. 26f Vgl. Mayntz 2002, S. 25 Mayntz 2002, S. 32 Mayntz 2002, S. 22 Mayntz2002. S. 25f Mayntz2002, S. 26 Vgl. Mayntz 1997, S. 86ff Vgl. Mayntz 2002, S. 25 Mayntz 2002, S. 32. An anderer Stelle ist von „str .structural (and institutional) features" die Rede, vgl. Mayntz 2004, S. 25If. Vgl. Mayntz 1997, S. 11, 323ff, Mayntz 2002, S. 25 Mayntz 2002. S. 25 Mayntz 1997, S. 33

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onen"^^^) und auf komplexe „Difflisions- und Mobilitatsprozesse"^^^ aufinerksam zu machen, „Pfadabhangigkeiten", „Kreuzungspunkte" (oder „Biftirkationen"^^^ und „Gabelungen"^^^), „Schocks"^^^ und „Fehlpassungen"^^^ „Interferenzen"^^^ „zirkulare Kausalitat" und „koinzidentielle Effekte" zu thematisieren oder auf „Selbsterfullungseffekte"^^^ und „Selbstverstarkungen"^^^, aber auch auf „Zusammenbrtiche"^^^, „Bunierangeffekte"^^^ „kritische Schwellen"^^^ und (diskontinuierliche) „Fluktuationen" und „Sprunge"^^° oder (ganz generell) auf „Multikausalitat, Nichtlinearitat und Interferenz"^^^ der analysebedurftigen Prozesse hinzuweisen. Die Insistenz, mit der Renate Mayntz die „Formalstruktur von (derartigen) Prozessen"^^^ hervorkehrt, die sich auf den unterschiedlichsten Handlungsfeldern nachweisen lassen (mlissten), findet ihren Grund zum einen in der Annahme, dass mit deren Hilfe die zielfiihrende Analyse des soziologischen Mikro-Makro-Problems betrieben werden kann^^^ und zum anderen darin, dass - so wiirde ich ihre Argumentation gerne verstehen - damit auch (und vielleicht wichtiger:) die Verallgemeinerbarkeit von „Prozessmechanismen"^^'^ gewahrleistet werden kann, auf die Renate Mayntz Wert legen muss^^^. Das muss heiBen, dass unsere Modelle iiber die Funktionsweise von Mechanismen auch dann, wenn sie im Rahmen von Einzelfallanalysen entstanden sind, (ihrer analytisch-formalen Struktur nach) als „eine Allgemeinaussage" („groBer Reichweite") betrachtet werden konnen, die infolge ihres wiederholten Einsatzes in ganz multiplen und heterogenen Szenarios „getestet, modifiziert und (weiter)entwickelt" werden kann^^^. Dass Kausalitaten auf alien Analyseebenen eine identifizierbare RoUe spielen, hat aber noch eine weitere Folge, die 816 817 818 819 820 821 822 823 824 825 826 827 828 829 830 831 832 833 834 835

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Mayntz 1997, S. 334 Vgl. Mayntz 1997, S. 124, Mayntz 2002, S. 25 Mayntz 1997, S. 117 Mayntz 2002, S. 28 Vgl. Mayntz 2002, S. 29 Mayntz 2002, S. 34 Vgl. Mayntz 2002, S. 35ff Mayntz 1997, S. lOf Mayntz 2002, S. 36, Mayntz 1997, S. 325 Mayntz 1997, S. 26 Mayntz 1997, S. 128 Mayntz 1997, S. 118 Mayntz 1997, S. 26 Mayntz 1997, S. 127 Vgl. Mayntz 1997, S. 114ff, S. 134 Mayntz 1997, S. 330 Mayntz 1997, S. 315; meine Erganzung Vgl. Mayntz 1997, S. 318ff Mayntz 1997, S. 19 Vgl, Mayntz 2002, S. 25, Mayntz 2004, S. 241, 254 u.a. Dass, um die Existenz eines Mechanismus zu vermuten, eine „Regularitat" beobachtbar sein muss (vgl. Mayntz 2004, S. 253), ist - wie schon mehrfach bemerkt - nicht zwingend, wichtig ist nur, dass Annahmen uber Mechanismen keine Eigennamen, Individualbegriffe oder lokal-zeitlichen Indices enthalten und insofem (vgl. Popper 1966^, S. 35ff) allgemein (oder: „universeH") angewendet werden konnen. Mayntz 2002, S. 35; meine Erganzung

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die Mayntzschen tjberlegungen (fur ein weiteres Mai) in eine anderer Richtung flihren als die Auffassungen vieler ihre Mitstreiter: Kausalanalysen von Prozessmechanismen erfordern eine Mikrofundierung offensichtlich nicht. Oder starker noch: Wir konnen eine bestimmte (modellierbare) Sozialdynamik (unter Verweis auf makrosoziale oder „strukturelle" Kausalkrafte und deren formale Eigenschaften) erklaren, auch ohne sie auf das Handeln (oder gar die Entscheidungen) einzelner Akteure zuruckzuverfolgen. Auch dieser Verzicht bedeutet (erneut), dass das Hauptaugenmerk kausal rekonstruierbarer Prozessmodelle weniger auf die handlungssteuernden Uberzeugungen und Bewertungen der einzelnen Akteure gerichtet ist als auf die Beschaffung von Informationen liber die kausalwirksamen Merkmale ihrer jeweiligen Interdependenzsituation und der dort wirksamen „Verursachungsmechanismen"^^^. Die diese Abkehr von Mikroerklarungen rechtfertigende methodologische Regel verweist darauf, dass man die (logisch strikte) Zuriickfuhrung aller makroskopischer „Emergenzen"^^^ auf das Handeln konkreter Individuen und deren jeweiligen „Produktionsfunktionen" und „Situationsdefinitionen" (vor allem) dort vernachlassigen darf, wo es Griinde dafur gibt, Makroakteuren (oder „korporativen Akteuren") wie Firmen und Organisationen, Verbanden oder staatlichen Dienststellen etc. eine einheitliche Willensbildung bzw. eine gelungene interne Verhaltenskontrolle (und damit eine „institutionelle Nutzenfunktion"^^^) zu unterstellen^^^. Nachdem Renate Mayntz anfanglich noch darauf gehofft zu haben schien, vielleicht sogar eine „erklarungskraftige Gesellschaftstheorie"^'^^ in jedem Fall aber wie das auch Thomas Fararo anstrebt - eine (relativ umfassende oder vereinheitlichte) „Theorie sozialer Dynamik"^"^^ ausfmdig machen zu konnen, die dem „Wechselspiel von Eigendynamik und Steuerungsversuchen" und damit den (ihrem auBeren Erscheinungsbild nach ganz) verschiedenen „prozessualen Mechanismen^"^^", „Kontaktstrukturen"^'^^ und deren „Kombinationseffekten" gerecht werden sollte^"^^, die diesem Wechselspiel zugrunde liegen, stellen sich spaterhin Zweifel ein. Zumal nachdem in ihren Augen das Hempelsche Erklarungsschema infolge der Einsicht, dass es der Sozialforschung nicht darauf ankommen kann, nach (induktiven) „Generalisierungen" zu fahnden,^"^^ an Pragekraft verloren hat, verteidigt sie die zurtickhaltendere These, wonach der sozialwissenschaftlichen Theorieforschung 837 838 839 840

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Mayntz 1997, S. 112 Vgl. Mayntz 1997, S. 318f, Mayntz 2000, S. 97ff Dies ist der, wie ich meine, gluckliche Begriff von Thomas Voss (1985, S. 93); Lindenberg 1981 hatte von „institutionellen Nutzenargumenten" gesprochen. Mayntz/Scharpf 1995, S. 50, Mayntz 1999, Mayntz 2002, S. 38, Mayntz 2004, S. 246ff. Damit schliefit Renate Mayntz an die Colemansche These von der zunehmenden Bedeutsamkeit „korporativer Akteure" fiir die neuere Gesellschaftsentwicklung an (vgl. Coleman 1982, Coleman 1992), die dieser unter ahnlichen Vorbehalten analysieren will. Mayntz 1997, S. 19 Mayntz 1997, S. 34 Mayntz 1997, S. 337 Mayntz2002, S. 32 Vgl. Mayntz 1997,8.34 Vgl. Mayntz 1997, S. 305ff

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mehr als verschiedene, de facto (und regelmaBig) zusammen auftretende Mechanismen zu bereichspezifischen Theorien zu synthetisieren^"^^ bzw. Einzelmechanismen zu „theoretical building blocks"^"^^ (oder jjModulen"^"^^) zusammenzufassen, die fiir aktuelle (und inhaltlich ganz heterogene) Erklarungszwecke beliebig kombinierbar sein sollten, kaum gelingen kann; jede ErfuUung der Forderung nach einem „umfassenderen empirischen Geltungsbereich" theoretischer Systeme wird demgegentiber alleine daran scheitern, dass Theoriebildung ohne Anbindung an historisch konkretisierbare Umstande zu „realitatsfernen Abstraktionen"^^^ fuhren muss bzw. daran, dass sich (empirisch) haltbare Verallgemeinerungen nur unter der Voraussetzung fmden lassen, dass sich die Theoriebildung auf die Erforschung jener Prozesse beschrankt, die unter der (mehr oder minder zufallig richtigen) Annahme der „raumlichen und zeitlichen Invarianz" der Akteurausstattungen modelliert werden konnen^^^ Ein loses „Nebeneinander" bereichsspezifischer Theorien und - daran gekniipft - ein „theoretischer Eklektizismus"^^^ scheinen demnach unvermeidlich zu sein. In positiver Wendung bedeutet dies allerdings, dass man sich daran machen kann, jede „historische Uberraschung"^^^ bzw. jedes - aus den kontingentesten (sozial- oder gesellschaftspolitischen) Grunden - auffallige oder bearbeitungswtirdige makroskopische jjExplanandum"^^"^ mit Hilfe einer spezifischen, den vorliegenden Fall angemessen erfassenden Kombinatorik sozialer Mechanismen (bzw. entsprechender Modelle) zu erklaren^^^, auch wenn sich verschiedene solcher Untersuchungen erwartbarerweise nicht zu einer „generalisierenden Makrotheorie" summieren oder integrieren lassen^^^, wie dies - wenigstens in Grenzen Fararo und - etwas hintergrundiger gedacht - vielleicht auch Coleman vorschwebt(e). Die Verdienste der von Renate Mayntz eingeforderten theoretischen Neubesinnung sind uniibersehbar: Zum einen wird sicher kein Einwand gegen ihre bestandige Untersttitzung jener moglich sein, die wie sie selbst daran festhalten, dass die erklarungstaugliche Konstruktion von „Interaktions-" und „Interdependenzmechanismen" ebenso zur tragenden Thematik und Theorietechnik der Soziologie geho847 848 849 850 851 852 853 854 855 856

Vgl. Mayntz 1997, S. 339 Vgl. Mayntz 2004, S. 252ff Mayntz2002, S. 36 Mayntz 2002, S. 40. Mayntz zeigt sich bereit, die formale Strenge der Modellbildung zu opfern, um durch die Berucksichtigung „lebensvoller" Handlungsannahmen der „(komplexen) Wirklichkeit besser gerecht zu werden" (Mayntz 2001, S. 15). Vgl. Mayntz 1992, Mayntz 1997, S. 322. Wie erinnerlich batten Lindberg und Wippler diese Beschrankung bisweilen verteidigt. Mayntz2002, S. 38ff Mayntz 1997, S. 11 Mayntz 2004, S. 244 Vgl. Mayntz 2004, S. 255 Mayntz 1997, S. 12, vgl. dem Sinn nach auch Mayntz 2002, S. 38ff. Wie Daniel Little (und spaterhin auch Hartmut Esser, aber in deutlichem Gegensatz zu Mario Bunge) meint die Autorin, dass allenfalls die Spieltheorie vereinheitlichende und heuristisch fruchtbare Problemstellungen zur Verfugung stelle, die man zum Ausgangspunkt der Modellierung von Mechanismen machen kann, wohingegen naturlich nicht jede der moglichen Akteur- und Handlungskonstellationen als „Spiel" modelliert werden konne, vgl. Mayntz 2004, S. 255f.

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ren muss^^^ wie die mechanismische Erklarung von Selbstorganisationsphanomenen und „Eigendynamiken"^^^ auf der einen und von interventions- und planungsabhangigen Organisations- und Institutionsentwicklungen auf der anderen Seite^^^. Ebenso beachtenswert fmde ich ihr Pladoyer zugunsten der Bearbeitung von ganz unterschiedlichen Mechanismen und deren (moglichst formalen) Modellierung^^^. Dabei ist hilfreich, dass die Autorin, aufgrund ihrer naturwissenschaftliche Herkunft, den in diesem Zusammenhang regelmaBig empfohlenen Modell- und Theorientransfer von den Natur- in die Sozialwissenschaft kritisch evaluieren und auf dessen - wie zu erwarten - begrenzte Reichweite hin untersuchen kann^^\ wobei sie jederzeit dazu bereit ist, die unvermeidliche Selektivitat jeder Modellbildung - anders als Boudon - nicht als Hinweis auf deren mangelnde Prtifbarkeit auszugeben^^^. Und endlich ist sie jederzeit in der Lage, ihre (Modell-)Betrachtungen mit der empirischen Erfahrung ihrer PoHcy-Studien zu konfrontieren, um auf diese Weise die situationsanalytischen Ausgangsvoraussetzungen und Folgerungen ihres „akteurzentrierten InstitutionaHsmus"^^^ zu erweitern und zu korrigieren und zugleich jenen „ReaHtatsverlust" zu vermeiden, den viele der soziologischen Theoriebildung glauben vorwerfen zu so lien. Gleichwohl scheinen mir zwei (zusammenhangende) Punkte strittig zu bleiben: Zum einen wurde ich gerne darauf dringen, dass sich der „akteurzentrierte Institutionalismus" um die nahere Ausarbeitung der erklarungsnotwendigen Handlungstheorie zu kummern beginnt, da - meiner Auffassung folgend - die Eigenheiten und Ruckwirkungen der untersuchungswurdigen sozialen Mechanismen nur in deren Licht zu erheben sind und ihre (kausalwirksame) „Generativitat" nur dort eindeutig zu beurteilen ist, wo man dazu in der Lage ist, dem sozialen Geschehen mit Hilfe fest umrissener individueller „Produktionsfunktionen" zu Leibe zu rucken. Ich bin in der Tat geneigt, jenen Interessenten an einem mechanismischen Forschungsansatz, die glauben, dass zum Zweck mikrofundierender Erklarungen vornehmlich (rationale, aber auch weniger rationale) Entscheidungstheorien eine geeignete Zugriffsmoglichkeit eroffnen, zuzustimmen, und wiirde deshalb - im Gegensatz zu dem, was Renate Mayntz verschiedentlich andeutet - auf die Rational ChoiceTheorie nur deshalb, weil einige ihrer Vertreter mitfragwurdigenVereinfachungen arbeiten wollen, nur ungern verzichten^^"^, sondern zu prtifen anraten, ob man sie nicht - wie Lindenberg und Esser es vorschlagen und praktizieren - im Rahmen ei857 858 859 860 861 862 863 864

Dabei stellt sich die Autorin bewusst und mit Nachdruck in die in dieser Arbeit geschilderte Tradition, vgl. Mayntz 2004. Vgl. Mayntz 1997, S. 86ff Man beachte dazu die planungsrelevanten Untersuchungen in Mayntz 1997, S. 143ff Vgl. fiir eine an die Mayntzschen Forschungen angelehnte Systematisierung Schimank 2000, S. 207ff, die der Autor unter dem Stichwort der „Konstellationsanalyse" vorgetragen hat. Vgl. Mayntz 1967, Mayntz 1985, Mayntz 1992, Mayntz 1997, S. 312 Vgl. Mayntz 2002, Mayntz 2004 Vgl. Mayntz/Scharpf 1995, S. 39, Mayntz 1997, S. 9 Vgl. Mayntz 1997, S. 20f Nattirlich lassen sich auch Argumente fur die Vereinfachung von modellrelevanten Annahmen vortragen, vgl. Voss 1985, S. 22ff, Lindenberg 1992, Lindenberg 1998 u.a.

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ner methodologisch geordneten Modellarbeit revidieren und verbessern kann^^^. Tatsachlich enthalten Renate Mayntz' lose zusammengestellten handlungstheoretischen Begriffe^^^ die wichtigsten Elemente einer solchen Theorie der rationalen Wahl sehr wohl, und ich sehe nicht, dass sie einen systematischen Grund daftir hat angeben wollen, weshalb deren Ausbau unterlassen werden muss^^^. Der weitere Punkt ist der folgenden: Zwar telle ich die Meinung von Renate Mayntz (und Nancy Cartwright), dass die Gleichsetzung von „Gesetz" und „Kausalitat" fragwurdig ist, sofern „GesetzHchkeit" mit „RegelmaBigkeit" identifiziert werden muss^^^, und dass es (genau deshalb) keine makroskopischen Gesetze gibt, well sich die aufgefundenen makrosozialen RegelmaBigkeiten immer wieder als ephemer erweisen. Allerdings bleibt dann immer noch die Frage offen, woran man das Wirken singularer „kausaler Krafte" erkennen sollte. In der Tat antizipiere ich - offenbar in Gegensatz zu Renate Mayntz - Schwierigkeiten, solche Krafte im variablen Wechselspiel makroskopischer Zusammenhange aufzusptiren, oder strenger: Mit Coleman, Little, Esser, aber auch mit Boudon und Fararo glaube ich nicht an deren Existenz. Wenn man wissen mochte, wie Makro- oder Verteilungsstrukturen aufeinander einwirken, so ist man zur Dokumentation derartiger „links" auf den indirekten Wege ihrer handlungstheoretischen Mikroftindierung angewiesen, auf die man alleine deshalb nicht verzichten kann, well anders nicht gezeigt werden kann, dass Makrofaktoren nur insoweit „kausal wirksam" werden konnen, als sie sich (auf Seiten der Akteure) in der doppelten Form von „Anreiz" und „Restriktion" in Szene setzen^^^; oder wie bereits Little meinte: „reine" Kausalmechanismen (zwischen „macrostates") gibt es nicht. Ich beftirchte deshalb, dass es ohne Mikroftindierung nicht moglich sein wird, „einzelne verallgemeinerungsfahige Kausalzusammenhange"^^^ (liberhaupt) zu entdecken und dass aufierhalb des Geltungsbereichs und ohne Anleitung einer nomologischen Theorie des Handelns die Identifikation und Auswahl von (makrosozialen) Ursachen und (entsprechenden) Effekten ein ganz willktirliches Geschaft bleiben muss, womit wir erneut der - von Little geschilderten - Schwierigkeit der Millschen Methode zum Opfer zu fallen drohen, (kausale bzw.) gesetzmaBige Zusammenhange von kontingenten Bedingungskonstellationen bzw. kausalwirksame von zufalligen, hintergrundigen und indirekt wirksamen Faktoren bedauerlicherweise nicht mit Sicherheit unterscheiden zu kon-

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Man kann Schimank 2000, Schimank 2005 und Kron 2005 sicher als Zeichen dafur lesen, das meine Anregung zu spat kommt. Vgl. Mayntz/Scharpf 1995 Man kann vielmehr die These der Autorin, dass man die strategische Lage der Akteure gut anhand der Spieltheorie erheben kann, wozu unstrittigerweise eine Theorie (des rationalen individuellen) Entscheidens benotigt wird, als Zugestandnis dafur lesen, eine solche Theorieentwicklung zu forcieren. Vgl. Mayntz 1997, S. 337 Vielleicht kann man der Tatsache, dass sich Renate Mayntz noch nicht entschieden hat, ob neben strukturellen, auch psychische „Mechanismen" zu den erklarenden Faktoren gehOren (vgl. Mayntz 2004, S. 254f), entnehmen, dass sie mikrofundierende Erklarungen nicht (durchweg) ablehnt. Vgl. aber auch Mayntz 2001, S. 7f. Mayntz 1997, S. 337

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nen^^^ Ich telle deshalb die Befiirchtungen jener, die nlcht nur Ihren Glauben an das Vorhandenseln „sozlologlscher Gesetze" verloren haben, sondern sich tiberdles nur schwer davon iiberzeugen konnen, dass wlr auf der Ebene makrostruktureller Verhaltnlsse Kausalltaten Identlfizleren konnen. Wlr haben hlerfiir kelne (nomologischen) Theorlen^^^; unser theoretlsches Wlssen iiber die „Antrlebskrafte" (der sozlalen Dynamlk) - und hlerln 1st Mill allerdlngs Recht zu geben^^^ - 1st statt dessen auf die In der (blologlschen bzw. anthropologlschen) „Grundverfassung des Menschen"^^"^ bzw. in den „common features of agency"^^^ lokallsierbaren Orlentlerungs- und Entscheldungsfahlgkelten der Akteure beschrankt. Darzustellen, wie und in welcher vielgestaltlgen Weise diese basalen Fahigkelten sich unter verschiedenen Situationsumstanden auswlrken und welche Rolle dabel unterschiedlich gelagerte, hypothetisch unterstellte „strukturelle Zusammenhange" (oder „Konstellatlonen") spielen, ist dann die Aufgabe von „Modellen". Logische Impllkatlon dleser Festlegungen 1st, dass es weder elne kritische noch elne positive „Theorie der Gesellschaft" - wie sle Renate Mayntz (jedenfalls anfanglich) im Auge hatte^^^ - geben kann. Alles, woruber wlr verfligen - und an dleser Stelle scheine ich mich der (jtingeren) Auffassung von Renate Mayntz wieder zu nahern - , ist elne (vlellelcht tellgeordnete) Menge von (allerdlngs handlungstheoretlsch zu flindierenden) Modellen, deren Verallgemeinerungsfahigkeit - soweit sle tiberhaupt vorhanden ist indessen keln sehr wlchtlges Giitezelchen der Erklarungskraft eines mikrofundle871

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Vgl. Popper 1961, S. 61. Auch furchte ich, dass sich ohne Verabschiedung der Millschen Methode die relativ unkontrollierte Inflation unterschiedlichster (ursachlicher) „Bedingungen" (Zusatzbedingungen, Hintergrundbedingungen, hinreichende und notwendige Bedingungen, Nebenbedingungen, konjunkten und disjunkten, INUS-Bedingungen oder deren Gegenteil, „helfenden" und „konterkarierenden" Bedingungen etc.) nicht beenden lassen wird, wenn sich eine Klarung des Bestimmungsverhaltnisses von „Bedingungen" und „Ursachen" wegen dessen Zirkularitat und Leerheit (vgl. dazu Taylor 1966, S. 39) uberhaupt lohnt. Zwar sieht man mittlerweile, dass viele (empirische) Bedingungskonstellationen ohne die Identifikation von Kausalmechanismen nicht als „kausalrelevant" eingestuft werden konnen (vgl. Mahoney 2003a, S. 363f); ob solche Kausalmechanismen indessen theoretisch fundiert werden sollten, was in diesem Zusammenhang als „Theorie" zu gelten hat und wie man im Rahmen vergleichender „kausaler Ableitungen" zu ihr gelangt, scheint in den Reihen der Verteidiger Millscher Analysemethoden noch immer ungeklart zu sein, vgl. Rueschemeyer 2003, S. 317ff. Entsprechend ist es konsequent, wenn die komparatistische Kausalanalyse handlungstheoretische Festlegungen zugunsten einer „entschieden pluralistischen" (und entsprechend instrumentalistischen) Sichtweise der Theorienlage (Mahoney/ Rueschemeyer 2003, S. 21f) zuriickstellt. Vgl. Rescher 1970, S. 123 fur die Behauptung, dass wir Ursachen nur mit Hilfe „kausaler Gesetze" identifizieren konnen, die ihrerseits auf die „Notwendigkeit" der von ihnen behaupteten Sachverhalte aufmerksam machen. Der Notwendigkeitsbegriff lasst sich allerdings nur schwer bestimmen. Mill halt eine „Wissenschaft der menschlichen Natur", die auf „Gesetzes des Geistes" rekurrieren kann, fur moglich, vgl. Mill 1868 II, S. 452ff, 455ff. Natiirlich wird man seine humegepragte Psychologic nicht fiir den „letzten Schrei" halten wollen. Esser 1993, S. 182, vgl. fiir das gesamte Argument Esser 1993, S. 143ff Little 1998, S. 239 Wenn ich sie richtig verstehe, wollte Renate Mayntz - zunachst wenigstens - das „Ziel einer empirisch fundierten, erklarungskraftigen Gesellschaftstheorie" (Mayntz 1997, S. 19) nicht aus den Augen verlieren.

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renden Erklarungs- und Erkenntnisprogramms darstellt^^^. Oder anders: Der von Renate Mayntz befiirwortete „Eklektizismus"^^^ lasst sich umdeuten und entsprechend anders bewerten, wenn wir erkennen, das sich alle Modellierungen mit Hilfe ein und derselben Handlungstheorie (oder ausgewahlter Teiler einer solchen Theorie) mikroflindieren lassen; und wenn uns dies immer wieder und anlasslich ganz unterschiedlicher Anwendungsszenarios gelingt, haben wir gute Grunde dafiir, unsere Handlungs//zeor/e als bewahrt einzustufen^^^, wozu es mir unerheblich zu sein scheint, ob die auf ihrer Grundlage modelHerten „Strukturzusammenhange" (selbst) einen kausalen Charakter haben oder nicht. Mehr nomologisches und damit kausal relevantes Wissen als in unseren Handlungstheorien inkorporiert ist, benotigen wir nicht, um ein mikrofiindierendes und an der Funktionsweise von sozialen Mechanismen (und deren ruckwirkenden Folgen) interessiertes Forschungsprogramm voranzutreiben.

3.8 „Generative Mechanismen" und „strukturelle Modelle": Hartmut Esser Was die bislang behandelten Autoren in immer nachdrticklicherer Weise zum Ausdruck bringen, wird bei Hartmut Esser, dessen Theorieverstandnis sich bewusst in deren Tradition stellt^^^, zur Gewissheit: Die tiberkommene, an den Durkheimschen „Regeln der Methode"^^^ orientierte Soziologie mit ihrem Anspruch, eine methodisch kontrollierte Makrosoziologie entwickelt zu haben, die dazu in der Lage sei, das Verhalten der Akteure unter Verweis auf ihre strukturelle Position gesetzmaBig zu erklaren, muss in einem mehrschichtigen Sinn als gescheitert eingestuft wer877 878

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Das scheint Renate Mayntz mittlerweile auch so zu sehen, da sie davon spricht, dass die Allgemeinheit mechanismischer Modellierung ebenso variabel sei wie die Menge ihrer Parameter oder die Art ihrer Formalisierung, vgl. Mayntz 2004, S. 24Iff. Vgl. Mayntz 2002, S. 38ff Ich hoffe sehr, dass diese Umdeutung dessen, was man unter "Eklektizismus" verstehen konnte, verteidigt werden kann, weil ich mit Stephen Sanderson (2001, S. 58f) emsthaft ftirchte, dass jeder theoretische Eklektizismus sich im „theoretischen Pluralismus" (Popperscher oder Feyerabendscher Pragung, vgl. Spinner 1974) den falschen Gegner aussucht und iiberdies in Gefahr geraten kann, die Vergleichbarkeit theoretischer Entwurfe fur unmoglich zu halten bzw. zur Beurteilung des relativen Leistungsprofils von Theorien deren logische Konsistenz und die Einfachheit der von ihnen nahegelegten Erklarungen flir irrelevant einzustufen. In keinem Fall sollte man sich dieser Sicht aufgrund aprioristischer Uberlegungen anvertrauen, sondem die Frage, in welchem Grad und Umfang Theorien auf ihre Vertraglichkeit und Ableitbarkeit hin verglichen und eventuell „integriert" werden konnen, der Erfahrung uberlassen. Was Renate Mayntz als „theoretischen Eklektizismus" einstuft, ist in meinen Augen tatsachlich ein (methodologisch ganz unbedenklicher) „Eklektizismus der Modellbildung"; in ahnlicher Weise konnte man die „Theoriepluralismus" von Mahoney/Rueschemeyer 2003 einstufen und damit seines offensiven Instrumentalismus „entscharfen". Esser bezieht sich vor allem und immer wieder auf Lindenberg und Wippler, Boudon (vgl. Esser 2000e) und Coleman (vgl. Esser 1992), aber auch auf Hedstrom und Swedberg und (in Esser 2002) ausdriicklich auf Merton. Vgl. Esser 2004, S. 19ff

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den^^^. So hat sich die Hoffnung in keiner Weise erflillen lassen, (makroskopische) GesetzmaBigkeiten zu finden, die das Handeln von Akteuren, unvermittelt und ohne ihre Handlungsgrlinde und Situationseinschatzungen zu beriicksichtigen, aus ihrer strukturellen Lokalisierung bzw. unter Verweis auf jene Stabilisierungsprozesse erklaren zu konnen, die immer wieder (auch „hinter ihrem Rucken") dafur sorgen, dass sich die handlungsdeterminierenden Strukturverhaltnisse auch gegen den Eigensinn der Akteure durchsetzen; jede gegenteilige Unterstellung fuhrt augenbUcklich dann zu Fehlanalysen, wenn die gesellschaftlichen Verteilungsverhaltnisse und Kontrollprozesse - nachgerade wegen der Eigenwilligkeit der Akteure - an Kraft verlieren, sich zu andern beginnen oder gar auflosen, die zu Zeiten strukturell verfestigter Klassengesellschaften in der Tat fur eine stabile Beziehung zwischen Struktur- und Verhaltensvariablen gesorgt hatten. Da angesichts der fortschreitenden „Individualisierung" und „Globalisierung" mit derartigen Konstellationskonstanzen nicht langer gerechnet werden kann, erweisen sich in logischer Folge die unterstellten „Gesetze" des gesellschaftlichen Lebens und seiner Entwicklung, die etwa einen (empirisch) immer wieder vorfmdbaren Zusammenhang zwischen gesellschaftlicher Differenzierung und Familienform, die Kovarianz zwischen politischer Orientierung und gesellschaftlicher Klassenlage oder zwischen Religionszugehorigkeit und Selbstmordrate^^^ behaupten, als unvollstandige und genau besehen .falsche Verallgemeinerung"^^"^ historisch einmaliger Strukturkonstellationen und Prozessverlaufe. Damit verfestigt sich der Verdacht, dass die bisherigen, zu unverrtickbaren „faits socieaux" deklarierten Verhaltnisse nicht mehr sind als Spezialfalle eines sehr viel allgemeineren Zusammenhangs, der die bislang allenfalls induktiv aufgelesenen „Regelmal3igkeiten" als einen Grenzfall enthalt^^^, und die inft)lgedessen als ein (theoretisch zufalliges) Resultat der kontingenten Stabilitat bestimmter Randbedingungen der koUektiven Handlungssituation verstanden werden mlissen^^^. Angesichts dessen wird jedes Bemtihen, hinter solchen (letztlich unbestandigen) Konstellationen unabanderliche („kausale") soziologische „Struktur-" oder „Bewegungsgesetze" vermuten zu wollen, zum unerftillbaren „Traum"^^^, aus dem man erst erwachen wird, wenn sich die Einsicht verbreitet, dass stabile gesellschaftliche Verhaltnisse kontingente Gleichgewichte darstellen^^^, deren schwankende Dauer sich in letzter Instanz daraus erklart, dass Akteure eigenwillig und eigeninteressiert agieren, ihre Handlungssituation mit ganz unterschiedlichen Deutungen

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Vgl. Esser 1996, S. 159ff, Esser 2004, S. 19ff Vgl. fur diese Aufzahlung Esser 2004, S. 23 Esser 1991, S. 43. Die Sperrung ist von mir. Damit ist auch die statistische Ontologie, wonach die gelegentlich wiederholte Bebachtung struktureller Muster eine Rechtfertigung fiir statistisch-induktive Erhebungs- und Bearbeitungsverfahren bieten konne, als eine vollig fehlgeleitete Metaphysik ausgemacht. Vgl.Esser2004,S.21 Esser 2000, S. 399. Esser 2004, S. 22 fragt (rhetorisch), welche „Gesetze" die Soziologie denn bislang entdeckt habe. Die symbolisch-interaktionistische und ethnomethodologische Kritik hat immer gewusst, dass es nichts zu entdecken gibt, konnte aber kein alternatives Erklarungsargument anbieten. Vgl. Esser 1996, S. 161f

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versehen^^^ und zudem in hochgradig strategischen Interdependenzverhaltnissen ihren Erfolg suchen miissen, in denen sich die unabanderliche Festiegung auf kooperative Handlungsstrategien, wie es das iiberkommene Bild des „homo sociologicus" nahe legt^^^, nicht unter alien Bedingungen lohnen kann. Infolge dieser Mangel muss die soziologische Theoriebildung mit zwei Sachverhalten rechnen, die die weitere Befolgung der Durkheimschen Methodologie zu einem fehleranfalligen Geschaft machen: Mit der Unvorhersehbarkeit der Ergebnisse kollektiver Entscheidungs- und Abstimmungsprozesse und parallel dazu mit der Unabsehbarkeit der Verflechtung verschiedener, zumal ungeplanter „Handlungsketten", welche die gesellschaftliche Entwicklung historisch kontingent und pfadabhangig werden lassen, muss der Gesellschaftsanalytiker immer haufiger damit rechnen, dass seine vorgeblich strukturgesetzlich gewonnenen Prognosen scheitern^^\ Zum anderen ware es angesichts der Tatsache, dass das gesellschaftliche Leben derartigen Kontingenzen und Interdependenzen unterliegt, naiv annehmen zu wollen, die Prozesse gesellschaftlicher Organisation steuerten auf sich reproduzierende „kollektive Zustande"^^^ hin, die sich mit Hilfe einfacher summarischer Aggregierungen - zumal von Individualdaten^^^ - „herausrechnen" lieBen, vielmehr muss man sich - wie bereits Boudon, Fararo und Renate Mayntz deutlich gemacht haben - auf alle moglichen, nicht-linearen und hochst storanfalligen Dynamiken des sozialen Geschehens einstellen^^"^, deren Verlauf von unabschatzbaren Parametern abhangt und uberdies auch deshalb nur schwer zu prognostizieren ist, well wir nicht wissen, wie sich Akteure, die sich mit den Effekten derartiger Unubersichtlichkeiten konfi-ontiert sehen und aus ihnen lernen konnen, zukiinftig verhalten werden. Die iiberkommene „Variablensoziologie"^^^, mit ihrer Fehleinschatzung, sie konne akteurfern konstruierte, strukturelle Variablen als „driving forces of social processes"^^^ betrachten, und mit ihrer daraus resultierenden, vollig vergeblichen Suche „nach ubergreifenden Gesetzen der Gesellschaft, des Wandels oder der Evolution"^^^, muss demnach - so folgert der Autor zu Recht - durch eine andere Theorietechnik ersetzt werden. Aber kann man die Durkheimsche Methode in Frage stellen, ohne damit den Anspruch aufzugeben, die Soziologie solle sich als eine „erklarende Wissenschaft" profilieren?^^^ Hartmut Esser bejaht diese Frage entschieden und macht ihre Be-

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Vgl. Esser 1996, S.162ff Vgl. dessen Wiedergabe bei Esser 1999, S. 82ff, 2000c, S. 1569ff Vgl. Esser 2004, S. 24 Esser 1993, S. 249 Vgl. Esser 1999,8.42Iff Vgl. Esser 2000b, S. 269ff fiir eine Sammlung derartiger Prozesse Vgl. Esser 1996, Esser 1999, S. 402f, 422f Esser 1996, S. 166 Esser 2002, S. 145 Und d.h.: Muss sich die Soziologie statt Erklarungen zu geben, darauf beschranken, (singulare) Beschreibungen, (fiktive) Narrationen, (theoriefeme) Taxonomien, Typologien und Begriffsexegesen zu verfertigen, oder (kulturelle oder normative) „Diskurse", Interpretationen, Analogien und Metaphem oder endlich (relativ inhaltsleere) Orientierungshypothesen

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antwortung von der Realisierbarkeit der folgenden Forderung abhangig. Ausgangspunkt seiner tJberlegung ist die These, dass die Durkheimsche Methode durchaus zu Recht die Erklarungsbedurftigkeit „kollektiver Phanomene"^^^ bzw. von „Strukturen"^^^ in den Mittelpunkt des soziologischen Erklarungsinteresses gertickt hatte^^^; in der Tat geht es der Soziologie nicht (in erster Linie) um das „individuelle Handeln" oder (gar um) die „Psyche der Akteure", sondern um die Erklarung „sozialer Gebilde" (wie Organisationen, Institutionen^^^ oder „korporativen Akteuren") oder von Beziehungsformen und -prozessen wie Hierarchien, Netzwerken oder Markten^^^; in anderen Fallen widmet sie ihre explanatorische Anstrengung der Genese aggregierter Verteilungsstrukturen, die sich aus solchen Prozessen ergeben konnen (wie Verteilungsraten oder auch Deutungs-, Sinn- und Wertstrukturen^^"^), oder aber sie rtickt - wo vorhanden - die Erklarung „allgemeiner RegelmaBigkeiten" des Verhaltens in den Mittelpunkt ihres Erklarungsinteresses, wenn sie es nicht vorzieht, stattdessen historisch singulare Koliektivphanomene^^^ zum Gegenstand ihrer Erklarungsversuche zu machen. In keinem Fall aber kann eine Erklarung derartiger „Kollektiverscheinungen" alleine in den vorgangigen strukturellen Bedingungen (und damit in einem anderen „kollektiven Phanomen") gesucht werden, wie es Durkheim erhofft und verteidigt hatte. Solange es - wovon Esser wie alle ubrigen Mechanismusanalytiker uberzeugt ist - tatsachlich unbestreitbar ist, dass es keine „ubergreifenden Gesetze der Gesellschaft"^^^ oder (makroskopische) „Kausalgesetze"^^^ des menschlichen Zusammenlebens gibt, die einen empirisch haltbaren nomologischen Zusammenhang zwischen kollektiven (Verteilungs-)Gro6en nahe legen, kann erst dann von einer Erklarung makroskopischer Zusammenhange die Rede sein, wenn es gelingt, ein Erklarungsargument zu formulieren, das die Frage beantworten kann, wie sich diese Kollektivphanomene „durch das Handeln der Akteure reproduzieren"^^^. Zugleich muss der Mangel an „reinen" oder autonomen Makrogesetzen auch bedeuten, dass eine soziologische Erklarung nicht darauf hoffen kann, Erklarungsargumente vorzulegen, die es erlauben, die erklarungsbedtirftigen Beschreibungen kollektiver Phanomene mit Hilfe eines „einzigen deduktiven Schritts" herzuleiten, wie das Hempel-Oppenheim-Schema der nomologisch-deduktiven Erklarung anzuraten scheint; tatsachlich „besteht eine soziologische Erklarung aus mindestens drei Schritten"^^^, die „drei ganz unterschiedliche Fragestellungen"^^^ verfolgen. In ei-

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und (empirisch fragwurdige) Vermutungen uber „funktionale" Abhangigkeiten? Vgl. fur diese Liste erklarungsfemer Verfahren Esser 1993, S. 56ff, Esser 2004, S. 32ff. Esser 1993, S. 65 Vgl. Esser 1999, S. 23 Vgl. Esser 1993,8.36 Vgl. hierzu vor allem Esser 2000c Vgl. Esser 2000b, S. 141ff Vgl. Esser 2004a, Esser 2004c Vgl. Esser 1993, S. 85ff Esser 2002, S. 145 Vgl. Esser 1993, S. 65 Esser2004, S. 34 Vgl. Esser 1993, S. 65ff, Esser 2004, S. 34ff, Esser 2002, S. 130ff

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nem ersten Schritt muss geklart werden, in welcher Handlungssituation sich ein Akteur seiner subjektiven Einschatzung folgend befindet, wozu erforderlich ist, dass wir etwas iiber seine „Situationsdefinition"^^^ in Erfahrung bringen konnen. Ein solcher Versuch lauft vornehmlich darauf hinaus, die „subjektiven Einstellungen,, und Situationswertigkeiten (d.h. die jeweilige „Produktionsfunktion" der Akteure) zu erheben, aber auch ihre Ressourcenausstattung, was angesichts der Tatsache, dass der Handlungserfolg eines Akteurs (immer auch) vom Handeln seiner Mitakteure abhangt, bedeutet, dass sich jede Handlungserklarung auf eine „Rekonstruktion der sozialen Situation"^^^ und damit der (sozialen) Probleme einlassen muss, deren mangelhafte Losung sich der Erreichung seines Handlungsziels entgegenstellt; Theorien des Lernens, der Wahrnehmung, der Sozialisation und der sozialen Kontrolle geben wiederum Hinweise darauf, welche Vorstellungen der Akteur zur Deutung seiner Lage mitbringt, wie er die Situation, in der er sich zu befmden glaubt, wahrnimmt oder „konstruiert" und welche Handlungsalternativen ihm offen zu stehen scheinen^^^. Da sich der Akteur diesen situativen EinflussgroBen und Restriktionen nicht entziehen kann, kennzeichnet sie Esser summarisch als „Logik der Situation"^^"^. Im Prinzip muss diese Logik der Situation so erhoben (oder beschrieben) werden, dass sie - wie bereits Lindenberg empfahl - mit Hilfe sogenannter „Bruckenhypothesen" mit dem nachfolgenden Erklarungsschritt verbunden werden kann"^ „Im zweiten Schritt wird dann das individuelle Handeln erklart. Es geht hier um die allgemeinen nomologischen Gesetze, nach denen Akteure eine der Alternativen unter den gegebenen Bedingungen selegieren"^^^. Der Rekurs auf diesen „allgemeinen nomologischen Kern"^'^ (des dreigliedrigen Erklarungsschemas) ist fiir jede handlungstheoretisch fundierte Kollektiverklarung unverzichtbar, weil er die handlungsbestimmenden Prozesse benennt, die einen Zusammenhang zwischen den Wissensvorgaben eines Akteurs, seinen Wertuberzeugungen, seinen normativen Verpflichtungen und Gefiihlen (oder wahlweise auch seinem Erleben) einerseits und seinem Handeln andererseits herstellen^^^. Zu diesem Zweck benotigt man eine 910 911 912 913 914 915

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Esser 1993, S. 97 Vgl. Esser 2004, S. 109ff Esserl993, S. 94 Vgl. ausfuhrlich Esser 1999, S. 387ff Vgl. Esser 1999, S. 4f, 76f, 387ff, 485ff u.a.; ftir diese und die weiteren „Logiken" (der „Selektion" und „Aggregation") vgl. auch Esser 1993, S. 9Iff Vgl. Esser 1993, S. 96, Esser 1998, Esser 1999, S. 15f, 403ff u.a. Ohne Informationen dariiber, wie sich die Handlungssituation auf die Ab- und Einsichten der Akteure auswirkt und damit iiber deren Eigenheit als „consciously acting people" (Esser 1996, S. 163), bleibt ihr Handeln dem Theoretiker (in letzter Instanz) unverstdndlich. Esser hat sich immer dafiir eingesetzt, dass das Anliegen des interpretativen „Paradigmas", wonach individuelles Handeln als verstandliches rekonstruiert werden muss, zu Recht besteht; er hat sich - ahnlich wie Bunge und Little - nur dagegen gewehrt, die Unterscheidung zwischen „Verstehen" und „Erklaren" des Handelns in einen methodologisch relevanten Gegensatz ausmunden zu lassen, vgl. Esser 1991, Esser 2001. Esser 1993, S. 94, vgl. dazu ausfiihrlich Esser 1993, S. 39ff, 65ff, Esserl999, S. 177ff Esser 1993, S. 95, Esser 2004, S. 34 Vgl. Esser 2003, Esser 2004, S. 34, Esser 2005, Esser 2006

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gehaltvolle und moglichst bestatigte oder bewahrte^^^ Theorie des individuellen Handelns bzw. Entscheidens, die ganz in der Tradition des Hempelschen Erklarungsschemas (der „rationalen" Erklarung^^^) steht und dazu in der Lage ist, mit Hilfe allgemeiner Handlungsgesetze singulare Handlungsentscheidungen zu erklaren^^^ Esser hat verschiedene solcher Handlungstheorien zum Teil vergleichend untersucht^^^ bzw. sich intensiv urn die Ausarbeitung einer Handlungstheorie bemiiht, die seinen Vorstellungen dartiber, wie eine soziologische Erklarung verfasst (bzw. fundiert) sein muss, entspricht^^^. In alien Fallen und von Anfang an hat er in diesem Zusammenhang betont^^"^, dass die offen zu legenden Handlungsgesetze die Aufgabe haben, die universalen, bis in die „biologischen und anthropologischen Grundlagen" des menschlichen Handelns^^^ (hinab) reichenden Voraussetzungen der moglichen „Selektion" jener Handlungsalternativen zu benennen, die den allgemeinen und invarianten Hintergrund ausmalen, vor dem sich der Einfluss der „im Prinzip immer wieder neuen und ,einmaHgen' Randbedingungen"^^^ der sozia-

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Vgl. Esser 1993, S.46f,55f Vgl. Hempel 1965, S. 463ff, Hempel 1968; vgl. kommentierend dazu Esser 1999, S. 208ff, Esser 2000, S. 408 Vgl. Esser 1993, S. 40ff Vgl. a) zur Rational Choice-Theorie und zur „subjektivistischen" Rationaltheorie Esser 1996, Esser 1999, S. 69f, 230ff, 309ff., Esser 2000c, S. 16ff, b) zur Wert-Erwartungstheorie, zum „Homo sociologicus" und „Homo oeconomicus" und zu dem auch von Lindenberg bevorzugten RREEMM-Modell Esser 1993 und Esser 1999, S. 82ff, 313ff, Esser 2000c, S. 159ff und c) zur Wert-Erwartungstheorie und Lemtheorie Esser 1999, S. 247ff, 359ff, 377ff, 403 ff. Fur eine - allerdings nicht alle ihre Verzweigungen erfassende - Rekonstruktion der Esserschen Handlungstheorie vgl. Greshoff/Schimank 2006. In den letzten Jahren hat Hartmut Esser - unter Vemachlassigung der Behandlung sozialer Mechanismen - viel Zeit und Aufwand in die Erkundung des Einflusses von sogenannten „Frames" auf die Formierung von Handlungswahlen investiert (vgl. Esser 1999, S. 305ff, 333ff, Esser 2000e, Esser 2001, S. 17ff, 259ff, Esser 2003a, S. 54ff) und untersucht, wie sich das Umschalten von kognitiven auf Wertgesichtspunkte des Handelns erklaren (vgl. Esser 2003) und wie sich Webers Kategorie des „affektuelles Handeln" bzw. die in der soziologischen Handlungstheorie immer wieder verteidigte Idee (vorprogrammierter) normativer Verpflichtungen in das Modell der Frame-Selektion einbauen lasst (vgl. Esser 2003, Esser 2003a, Esser 2005, Esser 2006). Ich erinnere an dieser Stelle daran, dass Esser kein Vertreter einer (strikten) Rational Choice-Theorie Gary Beckerschen Zuschnitts ist, wie ihm immer unterstellt wird (vgl. Esser 1999, S. XVI, Esser 2003a): Nur gelegentlich modellierte Esser unter der - keinesfalls verwerflichen - Annahme konstanter „Produktionsfunktionen" (bzw. „Praferenzen"), und nach wie vor halt er die Akteure weder fur ausreichend uber ihre Lage informiert, noch sind fiir ihn alle Transaktionen Markttauschvorgange; eher steht er - wie das Hans Albert, dessen „Lehrstuhl-Nachfolger" er ist, immer angeregt hat - in der Tradition der Sozialpsychologie, die (nachdrucklich) keinen Wert darauf legt, alle entscheidungsrelevanten Faktoren entscheidungstheoretisch zu endogenisieren, wie „hartgesottene" Rational Choice-Vertreter anraten. Vgl. Esser 1993, S. 141ff Esser 2002, S. 142. Im Rahmen seiner Uberlegungen zur „Logik funktionaler Analysen" und „historisch-genetischer Erklarungen" begann Hempel zwar „Randbedingungen" zu berucksichtigen, schrieb diese aber auf die Aufgabe fest, den bereichsspezifischen Funktionszusammenhang eines Systems gegen Storungen abzusichem, vgl. Hempel 1965, S. 232,

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len Situation (mit Hilfe der bereits benannten Bruckenannahmen) auf die Einzelhandlung der Akteure abzeichnen kann^^^. Dass die Auswahl moglicher Handlungen nach einem festen (nomologischen und dem Akteur regelmaBig nur teilweise bewussten) Schema ablauft, hat Esser zu der Vermutung veranlasst, dass der betreffende Entscheidungsprozess einer „Logik der Selektion" folgt. Dabei ist zu bedenken, dass keine der diskussionswiirdigen Handlungstheorien - auch nicht die von Esser anfanghch bevorzugte Version einer Wert-Erwartungstheorie^^^ oder die von ihm derzeit favorisierte Frametheorie - Auskunft iiber die strukturellen (oder situationsspezifischen) Effekte und Kollektivfolgen gibt, denen sich die Akteure gegenliber sehen, wenn sie den im Ausgang unsicheren, mit unintendierten Begleiterscheinungen^^^ verbundenen Versuch unternehmen, ihr unter subjektiven Gesichtspunkten gewahltes Handeln in Abhangigkeit voneinander erfolgreich zu gestalten. Deshalb muss in einem dritten Schritt, der einem „gesonderten Erklarungs-Argument"^^^ entspricht, dessen logische Struktur dem deduktiven Erklarungsideal zwar ahnelt^^\ das zugleich aber iiber den von Hempel betrachteten Fall hinausgreift^^^, hernach und abschlieBend erklart werden, wie sich aus den Einzelhandlungen „strukturell verbundener" (und d.h. interdependent^^^ handelnder) Akteure (erneut) Verteilungsstrukturen ergeben, und wie sich damit - mit Lindenberg und Wippler gesprochen - das individuelle Handeln einer Vielzahl von Akteuren in emergente „strukturelle Effekte"^^'*, Makroereignisse und -verlaufe „transformiert"^^^. Erst mit Hilfe dieses dritten Schritts lasst sich die Ebene des

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315. Diese Modellstrategie ist fur die Entwicklung soziologischer Erklarungsargumente deutlich zu unterkomplex, wie Esser zeigt. Zur inhaltlichen Kennzeichnung dessen, was die Akteure umtreibt, iibemimmt Esser die von Wippler und Lindenberg (vgl. Lindenberg 1984, Lindenberg 1986, Lindenberg 1992 und iiberblicksartig Lindenberg 1996) in die Debatte geworfene Idee der (sozialen) Produktionsfunktion, derzufolge sich die Akteure auf soziale Untemehmungen einlassen, weil sie damit feststehende und abschlieBende Ziele (wie soziale Wertschatzung und physisches Wohlbefinden) verfolgen, denen die Erreichung anderer Zielsetzungen als „Zwischengilter" zugeordnet werden konnen, vgl. Esser 1999, S. 91ff, Esser 2004, S. 115ff u.a. Damit lasst sich jedes Handeln, wogegen sich viele Soziologen strauben, als Optimierungshandeln deuten (und formalisieren). Auf welchen Wegen sich diese Idee der Produktionsflinktion mit Esser jiingsten Bemuhungen um eine theoretische Aufarbeitung der Weberschen Handlungstypologie vereinbaren lasst, ware noch zu zeigen. Vgl. vorzugsweise Esser 1991, Esser 1993, Esser 2003, Esser 2005 u.a. Vgl. Esser 1999, S. 25, 390f Esser2004, S. 37. Vgl. Esser 2000, S. 19 Vgl. Esser 1993, S. 65, 83 u.a. Vgl. Esser 2000a, S. 8ff u.a. Fur Esser stellen „Interdependenzen" - anders als es die iibrigen der besprochenen Autoren sehen - (neben „Autonomie" und „einseitiger Abhangigkeit") eine Subklasse der von ihm sogenannten „strukturellen Verbundenheit" dar. Wie Coleman und dessen Anhanger rtickt Esser an dieser Stelle die Frage, ob sich jene „Interdependenzen" (bzw. deren Mechanismen) nicht eigens mikrofundierend erklaren lassen soilten, (zunachst) in den Hintergrund, in Esser 2002 fmdet sich die fallige Neubewertung dieser anfdnglichen Auslassung. Vgl. Esser 1999, S. 425f Esser 1993, S. 97 u.a., Esser 2000, S. 13ff. Esser halt die „Transformationsregeln" wie Lindenberg fiir „logische Argumente" (Esser 2000, S. 13), was ich - wie besprochen - nicht fiir

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„kollektiven Explanandums" erreichen^^^ und gilt das sogenannte „Aggregierungsproblem" - wie es spatestens seit Coleman heiBt - , und das darin besteht zu erkldren, wie (und d.h. vermittels welcher Mechanismen) sich ein Kollektivereignis aus den Handlungen einzelner Akteure ergibt, als gelost. Da sich - dieser Losungsidee folgend - das betreffende Explanandum aus den individuellen, aber situativ aufeinander bezogenen und damit interdependenten Handlungen einer variablen Vielzahl von Akteuren zwanglaufig zu ergeben hat, bezeichnet Esser diesen dritten Erklarungsschritt als „Logik der Aggregation"^^^. Dieses „Grundmodell der soziologischen Erklarung"^^^, das Esser im Anschluss an Boudon, Wippler, Lindenberg und Coleman entwickelt^^^ und das deshalb der „Colemanschen Badewanne" - bzw. dem „Boudon-Coleman-Diagramm", wie es bei Bunge heiBt, - natiirlich nicht zufalHg gleicht^"^^, besitzt die folgenden Eigenheiten. Zunachst ist es darauf aus, das Mikro-Makroproblem zu losen, das im Rahmen des von Durkheim beseelten Forschungsprogramms iibersehen worden und letztlich unbehandelt geblieben war, was seinerseits zu der bedenklichen - und nicht erst seit Bunge und Little beklagten - Gegentiberstellung von individualistischen und holistischen Methodologien gefuhrt hatte^"^^ bzw. zu einem Auseinanderfallen „interpretativer" und „kausaler" Bestandteile erfolgreicher Handlungserklarungen^^^. Auf diese Konfrontationen braucht sich Esser infolge seines komplexen Erklarungsmodells nicht einzulassen; vielmehr kann er den „Methodologischen Individualismus"^"^^ und dessen Grundidee, dass alle Kollektivphanomene „in terms of individuals, of their attitudes, expectations, relations"^"^"^ zu erklaren seien, reibungsfrei mit der Erforschung von „Emergenzen und Transformationen" verbinden^"^^. Dies gehngt nicht zuletzt deshalb, weil seiner Auffassung folgend, die von alien Verteidigern des mechanismischen Erklarungsprogramms geteilt wird, sozio-

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iiberzeugend halte, solange damit gemeint ist, dass deren Pramissen analytische Elemente enthalten. Auch Sympathisanten der Esserschen Erklamngsprogrammatik vermissen eine absciilieBende Klarung des „Transformationsproblems", vgl. Greshoffi'Schimank 2006, S. 25. Esser 1999, S. 400 Vgl. Esser 1993, S. 96ff; fiir die Details vgl. Esser 1999, S. Iff, Esser 2000, S. Iff Esser 1993, S. 91ff, Esser 1999, S. 15ff Vgl. Esserl999, S. 14 Vgl. Esser 1993, S. 98ff, Esser 1999, S. 17, Esser 2004, S. 38 Esser behandelt diesen uberflussigen Gegensatz in Esser 1999, S. 26ff, Esser 2000, S. 3ff; zugleich kritisiert Esser jeden Versuch, eine rein makrosoziologische Methodologie mit Hilfe fragwiirdiger erkenntnistheoretischer Uberzeugungen zu etablieren, vgl. Esser 2003b. Vgl. Esser 1993, S. 596ff, Esser/Klenovits/Zehnpfennig 1975a, S. 65ff. Wie erinnerlich, halten Bunge, Little und auch Boudon diesen Hiatus fiir wenig fruchtbar. Damit schlieiien sie sich jenen an, die plausibel zu machen hoffen, dass die Erklarung von individuellen Handlungen durch die Angabe von verstehbaren Handlungsgrunden, eine Form der nomologischen Erklarung sein muss, vgl. dazu Beckermann 1977, Schmid 1979, Abel 1983 u.a. Vgl. Esser 1999, S. 27f Popper 1961, S. 136 Vgl. Esser 2000, S. Iff Auch auf Esser trifft demnach Sawyers Charakterisierung als eines „indivdualistic emergentist" zu.

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logische Erklarungen als „Mehrebenerklarungen"^'^^ verfasst sind, die sich iiberdies dann dynamisieren lassen, wenn man - wie dies Lindenberg und Boudon bereits vorgedacht haben - die Explananda-Sachverhalte des ersten Durchgangs einer soziologischen Erklamng als Ausgangssituation (oder Randbedingung) des weiteren Erklarungsversuchs daflir verbuchen kann, wie sich die Akteure an ihre nunmehr veranderten Umstanden anpassen^"^^; Prozesserklarungen dieser Form werden dann zu Spezialfallen sogenannter „genetischer Erklarungen" im Sinne Hempels^"^^. Durch die Analyse derartiger rekursiver Prozesse lasst sich iiberdies das „Verhalten des Systems" und dessen „Eigendynamiken" modellieren^"^^ und damit eine Makrosoziologie entwickeln, die durch die enge und unabdingbare Rtickbindung des Systemverhaltens an die Handlungsentscheidungen einzelner Akteure nicht im liberlieferten Homansschen Sinne „reduktiv" verfahrt^^^, sondern dessen (handlungstheo946 947 948

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Esser 1999, S. 435ff Vgl. Esser 1993, S. 102ff, 119ff. Dieses Vorgehen entspricht dem vierten Schritt meiner Systematisierung mechanismischer Erklarungsargumente. Vgl. Hempel 1965, S. 447ff und Esser 1993, S. 103ff, Esser 2000, S. 408f. In welchem Sinne dynamische Mehrebenenerklarungen als „Spezialfalle" Hempelscher „genetischer Erklarungen" darstellen, bedarf in meinen Augen der Klarung. Hempel zufolge bestehen solche „genetischen Erklarungen" aus zwei Bestandteilen: Zunachst aus den Faktoren st.i, die im zuvor liegenden Modellierungsschritt t-1 erklart wurden, und daneben aus einer Menge von Zusatzfaktoren A, die Hempel (mitNagel 1961, S. 566) als „brute facts" bezeichnet und die zur Ableitung des Explanandums st des aktuellen Modellierungsschritts / benotigt werden. Ihre nomologische Basis fmden solche (iiber beliebige Schrittfolgen hinweg konstruierbare) Erklarungen in „motivating factors" (Hempel 1965, S. 450), die unterstellen, dass Akteure, die sich in bestimmten Situationen befmden, „genereH" dazu „tendieren", sich in bestimmter Weis zu verhalten (S. 451), womit gesagt ist, dass ihr Verhalten einem Handlungsgesetz folgt. Zumindest drei Sachverhalte bleiben freilich im Dunkeln: Zum einen auBert sich Hempel nicht genau dariiber, ob die „lawlike principles" (S. 450) des individuellen Handelns wahrend aller Erklarungsschritte konstant gehalten werden sollen. Und zum anderen bleibt offen, was es heiBen kann, dass die „Stufen" des untersuchten „genetischen" Prozesses „kausar' auseinander hervorgehen. Zwar lasst sich seiner Systematisierung entnehmen, dass Hempel der gesamten Faktorenkonstellation {st-i plus A) zum Zeitpunkt t-1 eine kausale Wirkung fur die Entstehung der betreffenden Eingangsbedingung st des nachsten Schritts t zuerkennt; diese These lasst aber ungeklart, worin die „Kausalitatswirkung" der betreffenden Faktorkonstellation besteht, solange es keine Gesetze der betreffenden „Schrittfolge" gibt. Ich habe bereits im Zusammenhang mit meiner Kritik der „kausalen Rekonstruktion" meine Bedenken gegen dieses Kausalitatsverstandnis geauBert. Auch bin ich irritiert, dass Hempel das hinter seinem Vorschlag liegende Aggregierungsproblem nicht zu sehen scheint; Hinweise auf Mechanismen enthah das Hempel-Modell genetischer Erklarungen (jedenfalls explizit) nicht, obgleich ihr mehrstufiger Charakter nicht ganzlich ausgeschlossen werden kann. Vgl. Esser 2000, S. 361ff, Esser 2000b, S. 290ff, 327ff, Esser 2002, S. 131 Fiir eine Kritik an einem „allzu einfachen ,individualistischen' Reduktionismus" vgl. Esser 2000, S. 18. Esser weist das Homans-Programm aber nicht wegen dessen „reduktiver Logik" zurtick, sondern weil es die strukturellen Randbedingungen soziologischer Erklarungen nur iiber die „Lembiographien" der untersuchten Akteure berucksichtigt, was zu beschwerlich ist, um elegante soziologische Erklarungen vorzulegen, und zugleich zukunftszugewandtes Handeln unterbelichtet; er zieht deshalb eine entscheidungstheoretische und damit (zugleich) gehaltvoUere Grundierung der soziologischen Erklarungspraxis vor, vgl. Esser 1999, S. 189f. Esser zogert deshalb auch nicht, seinen mikrofiindierenden Ansatz - wenn auch in GansefuBchen - als „reduktiv" zu bezeichnen (Esser 2002, S. 133), wie das im ub-

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retische) „Tiefenerklarung"^^^ erlaubt, die ihrerseits jede Scheinkorrelation vermeidet^^^, aber auch jede Hoffhung verblassen lasst, dass es moglich sei, flir sich selbst sprechende, eigengesetzliche „strukturelle Assoziationen" zu finden, wie dies Peter Blau in Aussicht gestellt hatte^^^. Mit Hilfe dieses Grundmodells soziologischer Erklarung ist es am Ende auch moglich, Modelle tiber die Wirksamkeit von jjMechanismen"^^"^ bzw. genauer: von „generativen Mechanismen"^^^ zu entwickeln und damit uber die spezifischen sozialen Produktions- und Reproduktionsformen^^^, innerhalb derer die Akteure ihre jeweiligen Ziele angesichts der „stummen Macht der Moglichkeiten"^^^ verfolgen miissen und aufgrund derer Gesellschaft als „Resultante" des „menschlichen Handelns" erst entsteht^^^. Derartige Mechanismen lassen sich folglich danach ordnen und unterscheiden, von welchen (empirischen) Bedingungskonstellationen eine bestimmte Klasse von Akteuren den Erfolg ihrer kollektiven Handlungsabstimmung abhangig sieht bzw. danach, wie sich diese Bedingungen objektiverweise auf den jeweiligen Handlungserfolg oder -misserfolg auswirken, und d.h. welche spezifischen, immer wieder beobachtbaren Handlungsprobleme^^^ dabei eine Rolle spielen und welche typischen Kollektivfolgen zu erwarten sind. Vergleichen lassen sich unterschiedliche solcher Mechanismen dann, wenn sie auf der Basis einer konstanten und festumrissenen „allgemeinen nomologischen Grundlage"^^^, die die feststehenden, wenn auch situationsabhangigen und insoweit variablen Reaktionsfahigkeiten der Akteure zu beriicksichtigen erlaubt, formuliert bzw. „modelliert" werden; unter solchen Voraussetzung konnen entsprechende Modelle „allgemeine Mechanismen"^^^ identifizieren, indem sie „uber den Einzelfall hinausgreifen"^^^, ohne

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rigen auch in der Wissenschaftstheorie gebrauchlich ist, vgl. Rott 1991 (und die dort genannte Literatur). Es geht aber auch Esser naturlich nicht darum, Kollektivsachverhalte in Eigenschaften einzelner Akteure (definitorisch) „aufzulosen", sondern sie als eine (emergente) Konsequenz ihres gemeinsamen Handelns zu erkldren; offenbar aber wird dieser Antireduktionismus von manchem Kritiker des von Esser vertretenen Erklarungsprogramms nicht gesehen (vgl. Srubar 1993, Nassehi 2004), was ein angemessenes Verstandnis seiner Vorgehensweise bedauerlicherweise behindert. Vgl. Esser 1999, S. 9, 22, Esser 2000, S. 9ff Vgl. Esser 2002,8.133 Vgl. zur Kritik dieser Position Esser 2000b, S. 343 Esser2004, S. 34 Esser 2002, S. 130ff. In den sechs Banden seines magnus opus verwendet Esser den Begriff „Mechanismus" - soweit ich sehe - nicht (oder nur beilaufig); in seinem erklarungstechnischen Sinn, fur den ich werbe, taucht er aber bereits 1989 auf (vgl. Esser 2004, S. 34). Vgl. umfassend Esser 2000a Esser 2000b, S.269ff Vgl. Esser 1993, S. 543ff Dieses Teilproblem soziologischer Erklarungen hatte die „klassische" Mikrosoziologie in all ihren Schattierungen ubersehen, vgl. Esser 1993, S. 595f Die Spieltheorie kann dabei - wie viele, wenn auch nicht alle Vertreter des Programms „mechanismischer Erklarung" vermuten - eine Art heuristischer Funktion zur Identifikation von Abstimmungsproblemen gewinnen, vgl. Esser 2000a, S. 26ff Wie ich aus einem Gesprach mit Hartmut Esser weifi, mochte er die Subklasse der „Konflikte" noch genauer differenzieren. Esser 2002, S. 132 Esser 1991,8.42

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dass der Verdacht aufkommen muss, sie stellten (induktive) „Verallgemeinerungen" Oder gar „Gesetze" dar. Tatsachlich dienen sie ausschlieOlich dazu, die heterogenen Anwendungskonstellationen soziologischer Erklarungsmodelle zu systematisieren und zu kontrollieren, wobei ihre Verallgemeinerbarkeit strikt davon abhangt, ob und in wie weit sich gleichartige Anwendungsvoraussetzungen anderswo und erneut wiederfinden. Dies wiederum bedeutet zugleich, dass Mechanismen auch klarstellen, unter welclien Bedingungen bestimmte Effekte nicht zu erwarten sind^^^ bzw. wo der „Geltungsbereich" von Nachbarmechanismen beginnen konnXQ^^^. Die systematische Variation (und Kontrolle) von unterschiedlichen Anwendungsbedingungen wiederum kann zur Klarung solcher Abgrenzungs- und Ubergangsprobleme zumindest dienlich sein und auf diesem Wege ein realistisches Forschungsprogramm^^^ in Szene setzten, das daran festhalt, dass jede ,„Intervention' und ,Pravention' in bestimmten Anwendungsfeldern" darauf angewiesen bleibt, dass es der Modellbildung gelungen ist, die dort obwaltenden Bedingungskonstellationen mit der Hilfe von „theoretischen Hypothesen" liber das Handeln der von ihnen betroffenen Akteure zu erheben und darzustellen, „die eine hinreichende externe und interne Validitat aufweisen"^^^ - also den Verdacht erfolgreich abwehren konnen, offensichtiich falsch zu sein. Und in dem Umfang, in dem ein bestimmter verallgemeinerter Mechanismus die „kausalen Verhaltnisse" eines erklarungsbedtirftigen „empirischen Zusammenhangs" im Lichte von „Annahmen iiber das situationsbezogene Handeln" und d.h. dadurch „ausleuchtet", dass er ihn auf eine handlungsnomologische Grundlage stellt, kann man davon sprechen, ihn „kausal" erklart zu haben^^^ Insofern bestimmte Mechanismen wiederholt angewendet werden konnen, weil sich die Akteure immer wieder in gleichgelagerten Problemsituationen bewegen

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Esser2002, S. 132 Vgl. Esser2002, S. 133 Vgl. Esser 2002, S. 142f Fur dessen Moglichkeit hat Esser bereits vor geraumer Zeit argumentiert, vgl. Esser/Klenovits/ Zehnpfennig 1975, S. 174ff; vgl. als beachtenswerte „Nachlieferung" auch seine Kritik des mit antirealistischen Konsequenzen verbundenen „Konstruktivismus" bei Esser2001,S.231ff, 537f. Vgl. Esser 2004, S. 23 Vgl. Esser 2002, S. 132. Wie Little bindet Esser sein Kausalitatsverstandnis an die Moglichkeit, die Wirkungsweise eines Mechanismus aus dem Tatbestand heraus zu erklaren, dass diese (ihrerseits) aufgrund des nomologisch zu erklarenden Handelns von Akteuren zustande kommt. Auf der anderen Seite spielen „Makrokausalitaten" - anders als bei Renate Mayntz -fur Esser keine erklarungsdienliche RoUe, womit er sich auch die Losung der Aufgabe ersparen kann, entsprechende Kausalitaten zu „identifizieren", wie einige seiner Kommentatoren einfordem (vgl. Greshoff/Schimank 2006, S. 26). Ich denke Rainer Greshoff (2006, S. 164f) hat Recht, wenn er in Fortftihrung seiner Uberlegungen zu Essers Theorieprogramm betont, dass die Wirkung von Makrostrukturen nur anhand der Reaktionen einzelner Akteure sichtbar zu machen ist. Man sollte Esser allerdings aufgrund der Tatsache, dass er die zur Erklarung des rekursiven Zusammenhangs zwischen Mikro- und Makroebene konstruierten Erklarungsargumente als DN-Erklarungen (im Sinne Hempels) auffasst, nicht die - wie noch zu klaren: fragwtirdige - Hempelsche Kausalitatsauffassung unterschieben.

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Individuelles Handeln und soziale Mechanismen

(miissen), kann man sie als „allgemeine Strukturmodelle"^^^ verwenden, die bei der Analyse verschachtelter und empirisch unubersichtlicher Erklarungsaufgaben als „Module" und „Musterlosungen"^^^ herangezogen werden konnen. „Fur ganze Komplexe von Strukturmodellen konnen dann wiederum typische Kombinationen von Strukturmodellen ... zu einer (ibergreifenden ... ,Strukturtheorie' dieses Gegenstandsbereichs zusammengefasst werden .... Die soziologische Theorie besttinde dann letztlich aus nichts anderem als aus einer Anzahl von Strukturmodellen fiir die verschiedenen inhaltlichen Bereiche, der Familie, der Stadt, der ethnischen Beziehungen etwa"^^°, einschlieBlich fiir ihren umfassendsten „Gegenstandsbereich": die „Gesellschaft als soziales System"^^^ „Die Suche nach einer ubergreifenden allgemeinen soziologischen Theorie (im Sinne Durkheims und Parsons^^^) kann damit getrost aufgegeben werden"^^^. Auf der anderen Seite gerat auf diese Weise wie angedeutet - ein verteidigungsfahiges, realistisches Erklarungsverfahren in den Blick und in Reichweite, das alien sozialwissenschaftlichen Untersuchungen zugrunde liegt und insoweit jede Voraussetzung dafur mitbringt, die „Einheit der Gesellschaftswissenschaften"^^'^ plausibel zu machen, was (wiederum) erlaubt, die tiberkommenen und zweifelhaften Dichotomien zwischen Theorie und Geschichte, Holismus und Individualismus, Handeln und Struktur, Verstehen und Erklaren, Interesse und Moral, (okonomischen) Anreizen und (sinnhafler) Kultur zu tiberwinden^^^. Bei Hartmut Esser fmdet die Soziologie im Besonderen und die theoretischen Sozialwissenschaften im Allgemeinen ihre Einheit demnach nicht in einer substanziellen „Gesellschaftstheorie" (zumal Frankfurter Zuschnitts) oder eine hyperabstrakten (Luhmann verpflichteten) „Theorie sozialer Systeme", sondern in einer den Postulaten des erkenntnistheoretischen Realismus verpflichteten „Methodologie des Erklarens", die die innersoziologischen „Paradigma-Streitereien"^^^, aber auch die Grenzziehungen und Grabenkampfe zwischen verschiedenen, letztlich sich in ihren jeweiligen „Einseitigkeiten und Unvollstandigkeiten"^^^ einrichtenden „Disziplinen" zugunsten einer nomologisch mikroflindierten^^^, formalisierten^^^ und empirisch jederzeit kontrollierten Modellbildung^^^ zu tiberwinden erlaubt. 968 969 970 971 972 973 974 975 976 977 978 979 980

Esser 2000, S. 27ff, Esser 2002, S. 144 Esser 2002, S. 149 Esser 2002, S. 146 Vgl. Esser 2000, S.425ff Meine Erganzung Esser 2002, S. 149 Esser2001,S. 531 Vgl. fur diese Liste Esser 2001, S. 534 Esser 1992, S. 131. Fiir Essers Anspruch, so etwas wie eine „general theory of action" vorlegen zu kOnnen, vgl. Esser 2003, S. 70f. Esser 1999, S. XVI, Esser 2002a, S. 26 spricht von paradigmatischen „Spaltungen" und pladiert nochmals fiiir deren tFberwindung. Esser 1993, S. 100 spricht von einer „vertieften soziologischen Erklarung". Esser teilt in dieser Frage durchaus Colemans Position, wamt aber zugleich vor Formalisierungsiibertreibungen, die die Rezeption der von Coleman angeregten Theoriebildung behindem konnten, vgl. Esser 1992, S. 134f. Esser schlieiit sich zur Charakterisierung dieser Modellierungstechnik ganzlich den Vorschlagen von Lindenberg 1985 und Lindenberg 1992 an, vgl. Esser 1993, S. 138ff.

Mechanismen in der soziologischen Theorie

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Ohne Zweifel hat sich Hartout Esser neben James Coleman imd Thomas Fararo auf den umfangreichsten Versuch eingelassen, die iiberkommene (soziologische wie generell sozialwissenschafthche) Theorientradition von ihren Mangehi und Kurzatmigkeiten zu befreien, unter denen sie infolge ihres Durkheim-Parsonsschen Erbes zu leiden hatte. Voraussetzung dafiir war, die sozialwissenschafthche Erklarungspraxis iiber die von Hempel gezogenen Grenzen hinaus zu erweitem und die Erklarung „konektiver Phanomene" als eine dynamisch-prozessuale Mehrebenenanalyse bzw. als mikroftindierende Tiefenerklamng anzulegen und dabei (zunehmend) jene „generativen Mechanismen" - wie sie Esser in (impliziter) Anlehnung an Fararo seit kurzem nennt - zu beriicksichtigen, vermittels derer selbststeuerungsfahige, aktive und kreative, aber gleichwohl auf der Basis nomologischer Gesetze fimktionierende Akteure ihr (problemgenitteltes) Zusammenleben organisieren. Wie viele - wenn auch nicht alle - seiner Vorkampfer und Mitstreiter hat Esser die heuristische Fruchtbarkeit eines derart angelegten Forschungsprogramms und dessen reahstischen und falsifikatorischen Charakter betont, der dazu benutzt werden kann, unter revidierender Korrektur unhaltbarer (Theorie- wie Modell-)Entwurfe, alien Partialtheorien, Einzelparadigmen und „Ansatzen" die Chance zu eroffiien, ein gemeinsames, auf Erkenntnisfortschritt und wechselseitige Integration angelegtes Projekt zu verfolgen^^\ und damit jenen von Grundlagenstreitereien gekennzeichneten, „v6iparadigmatischen" Zustand, den Thomas Kuhn der Soziologie vor geraumer Zeit testierte^^^, ebenso hinter sich zu lassen wie jene „intellektuelle Umweltverschmutzung" zu beseitigen, die Lakatos hinter der unbefragten Dominanz theoriefreier „statistischer Techniken" vermutete^^"^. Ob und in wie weit sich Essers Vorschlag Gehor und Aufinerksamkeit verschaffen kann, bleibt freilich abzuwarten. Vorlaufig ist trotz aller entsprechender Unterstutzung und mancher freundlichen Geste^^"^ zu beftirchten, dass der Widerstand gegen jeden Versuch einer tJberwindung der paradigmatischen Vielgestaltigkeit soziologischer Forschung noch zu lebendig ist, um an eine einspruchslose Ubernahme der Esserschen Integrationsvorschlage zu glauben^^^. Gleichwohl sollte jeder die Esserschen Empfehlungen - wenigstens im Groben und Ganzen - mittragen wollen, der die zu Beginn meiner Problemtibersicht skizzierte Frage, ob die Soziologie (wie alle Sozialwissenschaften) als eine theoretisch informierte, empirisch kontrollierte und vor allem: als eine „integrative und nicht-reduktionistische erklarende Sozialtheorie"^^^ betrieben werden kann, mit einem eindeutigen Ja beantworten mochte.

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Vgl. Esser 1999, S. XVIf, Esser 2003a, S. 70f u.a. Vgl. Kuhn 1967, S. lOf Vgl. Lakatos 1970, S. 176 Vgl. Greshoff 2006a Vgl. fiir eine erste Bewertung des Esserschen Integrationsversuchs GreshofC'Schimank (Hrsg.) 2006 bzw. daraus den Vorabdruck Greshoff/Schimank 2006 Esser 1999a, S. 259; vgl. zu dieser Auffassung auch Esser 2004b.

4 Die Forschungsheuristik mechanismischer Erklarungen

Ich habe zu zeigen versucht, dass soziologische Theoretiker, soweit sie sich fiir Erklarungen sozialer Sachverhalte und nicht fur die Konstruktion theoriefreier Begriffssysteme und Typologien, flir Beschreibungen und Narrationen, definitorische Wesensbestimmungen Oder normative Exkurse (zumal iiber die „geistige Situation der Zeit") interessieren^^^, den Anforderungen der Hempel-Oppenheimschen Erklarungslogik zunehmend, wenn auch in unterschiedlichen Graden, kritisch gegentiberstehen, weil der Versuch, sie zu erfiillen, die soziologische Theoriebildung darauf verpflichtet hatte, nach „sozialen Gesetzen" zu fahnden, die Aufschluss iiber den nomologisch-kausalen Zusammenhang zwischen MakrogroBen und Verteilungsstrukturen geben soUten. Aber obgleich etwa Comte, Spencer, Marx und Durkheim (und noch in entferntem MaBe Parsons) die Existenz einer wahrhaft „wissenschaftlichen" Gesellschaftslehre vom Gelingen dieser Suche abhangig gesehen hatten, verlief bedauerlicherweise weder die Ermittlung entsprechender „Struktur-", „Geschichts-" und „Entwicklungsgesetze" mit einem vorzeigbaren Ergebnis, noch wollten sich die Verteidiger einer strukturalistischen Sozioiogie auf Dauer mit korreiationsstatistischen Surrogaten abspeisen lassen, die - im Gegensatz zu den angesprochenen, zumeist hochst vage und unvollstandig formulierten gesellschaftlichen „Bewegungsgesetzen" - zwar im Grundsatz empirisch Uberprufbar waren, in der Kegel aber ungeklart lieBen, wie die empirisch erhobenen und statistisch belegten Zusammenhange zwischen unterschiedlichen Verteilungs- oder Makrovariablen ihrerseits „generiert" oder (selektiv und differentiell) „reproduziert" werden. Im Verlauf der Umschau nach einer alternativen Erklarungsform hat man sich deshalb immer deutlicher darauf geeinigt, dass die Erklarungsaufgabe der Sozioiogie nicht darin bestehen kann, Beschreibungen singularer Ereignisse, wozu neben Einzelhandlungen strukturell gepragter Akteure auch einmalige (gesellschaftliche) Verteilungszustande (und deren Abfolge) zahlen, aus (letztlich unauffmdbaren) allgemeinen Gesetzen abzuleiten, sondern dass sie sich bemiihen muss, die Genese „sozialer Phanomene" aus den variablen, situativ restringierten Handlungen ebenso entscheidungsfahiger wie eigensinniger Akteure verstandlich zu machen. Dazu benotigt man neben der hermeneutischen Erhebung des jeweiligen Handlungssinns (und d.h. in letzter Instanz der Absichten und Intentionen, aber auch der Erwartungen, Gefiihlslagen und Erlebnisqualitaten der Akteure) bzw. neben der moglichst exakten Angabe der opportunitatsbestimmenden strukturellen Zustande ein (erklarendes) Argument (im logisch technischen Sinne der Hempel-Popperschen Erklarungstheorie), das einen deduktiven Obergang von den individuellen, situativ gepragten Handlungsentscheidungen zu den Makrophanomenen (und zu diesen zu-

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Fur Listen derartiger „Nicht-Erklarungen" vgl. Esser 1993, S. 56ff, Esser 2004, S. 32ff, Schimank 2000, S. 333ff

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Individuelles Handeln und soziale Mechanismen

riick) zu modellieren gestattet und damit das ebenso altehrwiirdige wie facettenreiche Mikro-Makro-Problem^^^ zu losen verspricht. Wie (fast) alle Vertreter einer explanatorischen Soziologie zugestehen, gelingt dies im Rahmen der Vorgaben eines einfachen Hempelschen (deduktiv-nomologischen) Erklarungsmodells nicht, sondern nur mit Hilfe von Mehrebenenmodellen, die davon ausgehen, dass das Handeln der beteiligten Akteure notwendigerweise unter Grundlegung einer (moglichst nomologischen) Handlungs- bzw. Entscheidungstheorie zu erklaren ist, die ihnen eine flinktional einheitliche, wenn auch (inhaltlich) veranderbare Ausstattung zuschreibt^^^, welche es ihnen erlaubt, als „kausale Agenten"^^^ auf die unbestandigen Restriktionen und Gegebenheiten ihrer Handlungssituation (nach eigenen oder subjektiven Gesichtspunkten beurteilt) „angemessen" oder in einem weiteren oder engeren Sinne: „rational" oder „adaptiv" und (kreativ) vorausschauend zu reagieren. Dies vorausgesetzt, konnen sodann die unterschiedlichsten kollektiven Explananda auf sich verandernde oder jeweils verschieden gestaltete Handlungsbedingungen (und d.h. auf unterschiedliche „Arten" von Akteurskonstellationen^^^ und Verkntipfungen zwischen situativen „Faktoren") zuruckgefiihrt werden, woraus sich wiederum in einem weiteren Schritt (und mit der unvermeidlichen Hilfe zusatzlicher Hypothesen) die Vielfalt externer Effekte erklaren lasst, deren moglichen Riickwirkungen (fiir das weitere Entscheidungsverhalten) wenigstens dann zum Gegenstand der Erorterung werden miissen, wenn man seine Aufmerksamkeit auf die multiple Dynamik sozialer Prozesse richten mochte^^^. Da die Akteure ihr Handeln in verschieden ausgepragten Einfluss- und 988

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Vgl. fiir einen theoretischen Problemiiberblick Alexander/Giesen/Munch/Smelser (eds) 1987 und fur die Dokumentation aus eher anwendungsorientierter Sicht Huber (ed.) 1991. In seiner radikalsten Form kommt dieses Problem dem „Durkheim-Dilemma" gleich, das in dem augenscheinlichen Gegensatz zwischen der ontologischen Annahme, dass es nur individuelle Akteure gibt, und der These resultiert, dass die von ihnen produzierten „sozialen Fakten" ihre weiteren Handlungen „pragen" (oder eben: „verursachen"). Sawyer (2002 und 2005, S. lOOff) hat diese Dilemma sorgsam analysiert; ich teile die Implikation seiner Losung, wonach es „emergente strukturelle Gesetze" geben und die Soziologie als „reine Strukturwissenschaft" betrieben werden konne, allerdings nicht. Dass bestehende Strukturen und Opportunitatstopologien das individuelle Handeln - gleichviel, mit welchen Kapazitaten die Akteure ausgestattet sind, - „beschranken" (Sawyer 2005, S. 157ff), ist - wie bereits zugestanden - richtig; um aber festzustellen, dass dem so ist, benotigt man eine Handlungstheorie, so dass die These, wonach Strukturanalysen „need not consider individuals as causal forces" (Sawyer 2005, S. 161) nicht zutrifft, was der Autor an einer Stelle (S. 167) (natUrlich) vermerkt, bedauerlicherweise ohne den daraus resultierenden Widerspruch emst zu nehmen und seine Ausgangsthese zuruckzunehmen. Vgl.Esser2004, S. 39 Vgl. fiir diesen Begriff Bhaskar 1975, S. 45ff, 105ff u.a. Schimank 2000, S. 207ff halt es fur angebracht, zwischen „Konstellationen wechselseitiger Beobachtung", „wechselseitiger Beeinflussung" und „wechselseitiger Verhandlung" zu differenzieren. Spaterhin schlagt der Autor vor, Akteurskonstellationen dem Grad ihrer Institutionalisierung (bzw. Reguliertheit) folgend zu unterscheiden, vgl. Schimank 2002. Ich denke, dass es sich lohnen kann, beide Klassifikationen zu kombinieren. Eine der Konsequenzen dieser Programmatik, die ich im vorliegenden Zusammenhang nicht behandeln kann, ist der (fast) vollige Zusammenbruch des iiberkommenen Versuchs, „sozialen Wandel" zum Gegenstand eigenstdndiger soziologischer Erklarungsbemuhungen zu

Die Forschungsheuristik mechanismischer Erklarungen

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Abhangigkeitsverhaltnissen planen und organisieren und deshalb damit rechnen mlissen, dass ihnen dies alleine der Hindernissen und Beschrankungen wegen, die sie sich wechselseitig zumuten, aber auch infolge ihrer zumeist mangelnden Ressourcenausstattung ohne Reibungsverluste und Erfolgsminderung nicht gelingt, wollen (fast) alle behandelten Autoren den skizzierten Argumentationsgang durch die Modellierung der Mechanismen der Verhaltensabstimmung erganzen, mit deren Hilfe die Akteure ihre unausweichlichen Interdependenz- oder Interaktionsprobleme (wenigstens auszugsweise und bisweilen) losen konnen. Die zumeist unbeabsichtigten und teilweise unerwunschten Struktur-, Verteilungs- und Kollektiveffekte dieser Bemuhungen wirken dann als (neuerliche und veranderte) Eingangs- und Randbedingungen auf das Handeln der betreffenden Akteure - aber auch auf zunachst Unbeteiligte - kanalisierend und „pragend"^^^ zurtick. Die letztendliche

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machen, die mit Gleichgewichtsanalysen nichts zu tun haben durfen (vgl. den Nachruf auf diese Programmatik bei Biihl 1990). Tatsachlich befiirwortet die mechanismische Modelllogik, dass beide: „Reproduktion" wie „Wander' in gleicher Weise als Kollektivprodukt spezifischer sozialer Mechanismen verstanden und erklart werden miissen. Die einseitige Betonung von „Gleichgewichtsanalysen" ist nur noch unter normativen Gesichtspunkten moglich und (naturlich) an die Glaubwurdigkeit der Gleichsetzung von „Gleichgewicht" und „gesellschaftlicher Integration" gebunden (vgl. zu dieser Thematik Peters 1993 und Schwinn 2001). Dass handlungsbasierte Mechanismen zu einer (vorerst) ungeordneten Vielfalt von Strukturdynamiken fiihren, zeigt Kontopoulos 1993. Eine weitere Konsequenz der Modellierung von Strukturdynamiken scheint darin zu bestehen, dass einige Autoren hinter ihnen eine eigenstandige (Struktur- oder Entwicklungs-) „Logik" zu entdecken vermeinen (vgl. Kontopoulos 1993, Sanders 1995, S. 18 u.a.). Ich bin nicht sicher, ob ich diese Begriffswahl ganzlich durchschaue, meine aber, dass von (unterschiedlichen) „Logiken" dann die Rede ist, wenn es darum geht, verschiedenartige (formale) Eigenheiten der jeweils modellierten Prozesse zu kennzeichnen, wobei offenbar unterstellt ist, dass sich die Frage, ob und inwieweit sich unterschiedliche Modelle logisch ineinander iiberftihren oder auseinander ableiten lassen, nicht beantwortet werden muss. Darwinistische Modellierungen, die die differenzielle Verbreitungen „vererbbarer" Eigenschaften thematisieren (vgl. Runciman 2000, Chattoe 2002, S. 821), folgen dann einer „anderen" Logik als etwa Gleichgewichtsoder Selbstorganisationsmodelle (vgl. Miiller-Benedict 2000), „dialektische Prozesse" (Hernes 2001, S. 14226f), zielgesteuerte Prozesse (Wright 1976), Katastrophen- und Schwellenubergange (vgl. Granovetter 1978) oder „chaotische" Prozesse (vgl. Smith 1998) und dergleichen. Vgl. fur diese Begrifflichkeit, die sich durchzusetzen scheint, Schwinn 2001, S. 204 u.a., Schimank 2005a, S. 23, 78f u.a. Ich glaube indessen nicht, dass es Gesetze der Pragung gibt, die zum Vehikel einer strukturellen „downward causation" werden konnten; sofem das Pragegeschehen nomologisch strukturiert ist, erfolgt es nach MaBgabe der Gesetzlichkeiten der auf die Beseitigung von Unsicherheiten und Kontingenzen angelegten Informationsverarbeitung einzelner Akteure (d.h. Imitieren, Lernen, Innovieren etc.). Die wichtigste Implikation dieser Sichtweise ist, dass die gemeinsame „Pragung" einer Vielzahl von Akteuren nicht zu einheitlichen Handlungsreaktionen fiihren muss bzw. dass soziale Mechanismen nicht zwangslaufig auf eine Homogenisierung solcher Prageffekte hinwirken, wie Soziologen, um ihre gesellschaftlichen Ordnungsmodelle nicht zu komplizieren, geme voraussetzen (vgl. Munch 1983, S. 51ff, Munch/Smelser 1987, S. 380f). Ob Erwartungen aufeinander abgestimmt werden konnen, ob die Akteure die gleiche sachliche Sicht ihrer Problemlage „teilen" und ob die Akteure gemeinsame Bewertungen unterstellen konnen, ob in diesem Sinn „Ko-orientierungen" (Lindenberg) und gemeinsame „Deutungsmuster" (Schimank) vorhanden sind, ist immer die Frage, die durch die in aller Regel kontrafaktische Unterstel-

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Individuelles Handeln und soziale Mechanismen

(nomologische) Erklarung dieser verschiedenen Modellierungsschritte ist auch dann auf den (mikrofundierenden) Einsatz einer allgemeinen individualistischen Handlungstheorie angewiesen, wenn es aus forschungsleitenden und modellpragmatischen Grunden moglich und sinnvoll ist, seine Aufmerksamkeit der Frage zu widmen, welche (auch formalen) Makroeigenheiten die Abstimmungsmechanismen der Akteure und die sich daraus ergebenden Verteilungsfolgen besitzen^^"^. Mit dieser Denkfigur, wonach jede Erklarung eines sozialen Makrophanomens, der es um die Beantwortung der Frage geht, auf welchen Wegen die diesen Mechanismen zugrunde liegenden sozialen Prozesse in Gang gesetzt und aufrechterhalten werden, wesentlich das Handeln individueller Akteure berucksichtigen muss^^^, bewegen sich - mit der moglichen Ausnahme von Mario Bunge und Renate Mayntz - alle der oben behandelten Autoren im Rahmen eines Methodologischen Individualismus „klassischer Pragung", der zur Modellierung sozialer Mechanismen immer auch die (zumeist als „emergent" gekennzeichnete) Existenz einschrankender bzw. ermoglichender Voraussetzungen und Effekte der kollektiven Beziehungs- und Entscheidungsstrukturen akzeptiert^^^. Diese Verpflichtung gegeniiber den Postulaten des Methodologischen Individualismus sollte demnach niemanden dazu drangen, zugunsten eines logischen Reduktionismus zu argumentieren, der die Eigenmachtigkeit (oder, die Sache nicht ganz treffend^^^: die „Eigendynamik") sozialer Verhaltnisse und Strukturen leugnen mtisste^^^, sie besagt aber sehr wohl, dass erkla-

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lung homogener Institutionen nur dann prajudiziert werden sollte, wenn die gewahlte Erklarungsaufgabe dies schadensfrei zulasst. Lindberg hat zur Kennzeichnung dieser Notwendigkeit angeraten, zwischen dem „analytischen Primat" der aggregativen Ebene und dem „theoretischen (oder explanatorischen) Primat" zu unterscheiden, das sich auf die individuelle Ebene zu konzentrieren hat, vgl. Lindenberg 1992, S. 7. Oder kiirzer: Alle die Forschung interessierenden makroskopischen Explananda mtissen unter mikrofundierendem Rekurs auf eine individualistischen Handlungstheorie erkldrt werden. Naturlich heifit das nicht, dass der empirische Beweis, dass sich makroskopische Zusammenhange aus den Handlungen einzelner Akteure ergeben, immer leicht zu fiihren ware. Besonders Autoren, die sich „gro6en" Entwicklungen zuwenden und etwa „die" neolithische Revolution, „den" Kapitalismus und dergleichen zu erklaren beabsichtigen, und die sich zu diesem Zweck der Millschen Komparatistik anvertrauen, konnen dies bezeugen, vgl. Sanderson 1995, S. 383. Vgl. Whitmeyer 1994 Vgl. fur eine zusammenfassende Darstellung der Problematik dieser Lehre Schmid 1996, S. 20-103. In jiingster Zeit hat sich Keith Sawyer um eine Charakterisierung des Methodologischen Individualismus bemuht, belastet seine Explikation allerdings durch seine Verwechslung von mikrofundierenden mit reduktiven Erklarungen und seiner Gleichsetzung des Methodologischen Individualismus mit der ontologischen These, wonach es nur Personen gebe. Das verhindert in der Summe die Einordnung des von ihm sogenannten „social mechanistic approach" (Sawyer 2005, S. 190) in das hier entwickelte mechanismische Erklarungsschema. Die Vereinbarkeit von Emergenz und individualistischen Erklarungen gesteht auch Udehn2001zu. Es muss klar sein, dass der Teilausdruck „Dynamik" nicht meinen kann, dass sich Strukturen, ohne von Handlungen hervorgerufen zu sein, „selbst bewegen". Vgl. ftir diese Position Kontopoulos 1993, S. 25ff, Kincaid 1997, S. 48 und passim, Udehn 2001. Die These des zuletzt zitierten Autors, wonach die Konstruktion rational basierter Erklarungen erfordere, die betreffenden Situationsvariablen ausschlieBlich „in terms of individuals" zu beschreiben (S. 356 u.a.), telle ich indessen nicht. Mir scheint diese Auffassung

Die Forschungsheuristik mechanismischer Erklarungen

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rende Kausaltheorien nur in der Form von Theorien des individuellen (Entscheidungs-)Handelns zur Verfugung stehen. Welche Folgerungen konnen wir aus dem Nachweis ziehen, dass die theoretische Soziologie und mit ihr genau besehen die (erklarenden) Sozialwissenschaften insgesamt^^^ - statt nach „sozialen GesetzmaBigkeiten" zu suchen - zunehmend zur Erforschung von „sozialen Mechanismen" ubergehen^^^^, die gesellschaftliche Vorkommnisse oder „soziale Phanomene" „generieren" oder „produzieren"^°^^? Ich denke, dass - neben der schon wiederholt beschriebenen Moglichkeit, auf diesem Weg den Mangeln des Historizismus ebenso zu entgehen wie der Unangemessenheit korrelationsstatistischer „Kausalanalysen" - vor allem eine Erwagungen fiir diese Umorientierung der sozialwissenschafllichen Theorietechnik spricht, der letztlich alle Verfechter eines mechanismischen Erklarungsprogramms zustimmen sollten: „Mechanismische Erklarungen" versehen die Sozialwissenschaften (uber alle Disziplingrenzen hinweg) mit einer einheitlichen und (ich zu sagen wage: auBerordentlich) fruchtbaren Heuristik^ ^^^.

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dadurch bedingt, dass Ud6hn zwischen (individualistischen) Anfangsbedingungen und (strukturellen) Randbedingungen (mechanismischer Erklarungsargumente, die er allerdings nicht behandelt,) nicht hinreichend unterscheidet bzw. dass er - wie ich glaube, zu Unrecht - meint, dass Randbedingungen die Geschlossenheit des untersuchten Systems behaupten miissten, was in den Sozialwissenschaften in der Tat nicht unter alien Bedingungen Sinn macht. Vgl. fiir neuere Standortbestimmungen Pawson 2000, Rios 2004, Bunge 2004, Mackert 2004, Kron 2005 u.a. Die Parallelen zur Diskussion in der Wissenschaftstheorie der Naturwissenschaften diirften mehr als zufallig sein, vgl. McMullin 1978, Railton 1978, Railton 1981, Cartwright 1983, Salmon 1985, Miller 1987, S. 58, 139f u.a., Glennan 1996, Machamer/Dar-den/Craver 2000, Glennan 2002 u.a. Der Frage, in welchem Umfang die dort vorgelegten Ergebnisse auf die sozialwissenschaftliche Theorie mechanismischer Erklarungen iibertragbar sind, muss noch nachgegangen werden, vgl. den Anfang einer Beantwortung bei Pickel 2004, Mayntz 2004 und Bunge 2004. Ich hoffe auf Verstandnis, wenn ich meine Darstellung der Logik mechanismischer Erklarungen nicht mit der Untersuchung der Frage uberfrachtet habe, in wie weit ich den genannten Autoren zustimme. Vgl. Pickel 2004, S. 176, wo es zutreffend heifit: „Mechanismic explanation differs from most standard modes of explanations employed in the social sciences: the neopositivist's „covering law" model of scientific explanation, the interpretative approach of the hermeneutic or Verstehen school, as well as fiinctional and teleological modes of explanations". Ich glaube, dass mechanismische Erklarungen die damit gekennzeichneten Frontlinien auflosen konnen: In welchem Sinn sich mechanismische Erklarungsargumente vom Covering-LawModell unterscheiden, habe ich gezeigt; zum anderen halten Autoren wie Fararo, Esser, Boudon, Bunge, Little u.a. die Hermeneutik erklartermafien fiir kompatibel mit dem Programm einer mikrofiindierend erklarenden Soziologie, und endlich durften sich alle dariiber einig sein, dass fimktionalistische Erklarungen nur als Subtyp einer verallgemeinemden mechanismischen Erklarungspraxis akzeptierbar sind. Damit schlieBen sie an Uberlegungen an, die bereits von Nagel 1956, S. 247ff, Stinchcombe 1968, S. 87ff, van Parijs 1981, Elster 1983 und Faia 1986 vorgetragen wurden. Bhaskar 1989, S. 67, 92ff u.a. hat deshalb vorgeschlagen, nach „Produktionsmechanismen" zu fahnden. Auf diese Aufgabenbestimmung haben sich (fast) alle Diskutanten geeinigt. Vgl. Greshoff 2006, S. 163. Der Begriff „Heuristik" ist nicht sehr gut defmiert und dient bisweilen nur zur Verschleierung fragwurdiger bzw. unexplizierter methodologischer Auffassungen. Ich bin geneigt, Lakatos (1970, S. 132ff) zu folgen, der die methodologische Regel fiir sinnvoll halt, den (theoretischen) „hard core" eines Forschungsprogramms solange

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Dieses Argument hat mehrere Aspekte: Zunachst kann im Rahmen eines mechanismischen Erklamngsmodells (relativ) unzweideutig expliziert werden, was unter einer sozialwissenschaftUchen (und damit per implicationem: einer soziologischen) „Erklarung" verstanden werden kann (und muss). Einer derartigen Auffassung folgend besteht die Erklarung eines sozialen Sachverhalts nicht darin, (nomologisch-kausal deutbare) „Generalisierungen"^^^^ und „Invarianzen"^°°'^ uber ihn ausfindig zu machen, sondern den ihm zugrunde liegenden (prozessualen) Mechanismus zu identifizieren, der die Handlungssituation, innerhalb derer Akteure ihr Handeln organisieren und aufeinander abstimmen miissen, im Licht einer (bestimmten) Handlungstheorie mit seinen „social outcomes" hypothetisch verkniipft. D.h. „the basis structure of hypothesis-making takes the form speculating upon the generative mechanisms that give rise to observable outcome patterns"^°^^. Dass der aktive und intentionsgesteuerte Aufbau und die handlungskanalisierende Wirkungsweise derartiger „generativer Mechanismen" im Zentrum der Modellanalysen einer erklarenden Sozialwissenschaft stehen, bedeutet immer auch, dass man auf ihre handlungstheoretische Fundierung nicht verzichten kann; in diesem (und nur in diesem) Sinne sind mechanismische Erklarungen - wie, mit der (letztlich unsicheren) Ausnahme von Renate Mayntz, alle oben behandelten Autoren zugestehen und einfordern - „reduktive" (wie Bunge und Esser sie nennen) oder - um jede Verwechslung mit dem Homansschen Erklarungsprogramm zu vermeiden - besser: „Tiefenerklarungen", die zeigen, dass die „theoretische Reichweite (der dazu verwendeten

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zu verteidigen, als diese Strategic erlaubt, die Kemtheorie (in unserem Fall die Theorie des individuellen Handelns) so anzuwenden, dass neue „Fakten" entdeckt (S. 119) undzugleich bereits antizipierte Widerlegungen vermieden werden konnen (S. 135), was (allerdings logisch gesehen) nur sinnvoll ist, solange man den „hard core" im gegentciligen Fall dndern kann. Obgleich Lakatos nicht an das Mikro-Makro-Problem denkt, nennt er entsprechende Anwendungen - worin ihm wie bereits Stegmuller die Mehrzahl der oben vorgestellten Autoren folgen wurden - „Modelle" (S. 136f), weshalb man seine zentrale heuristische Regel auch so formulieren kann: Nutze die Kemtheorie zur Formulierung von (auf unterschiedlichen Ebenen platzierten) Modellen, richte die (empirische) Kritik auf deren jeweiligen Implikationen und beachte in der Folge von Uberpriifungen auftauchende „Anomalien" und widersprechende Befunde nur, wenn sie dazu dienen, durch die - ihrerseits zu priifende - Revision der (jeweiligen modellspezifischen) Rand- und Zusatzbedingungen neue Modelle zu erfinden, die diese Anomalien vermeiden und zugleich neue testbaren Ableitungen nahe legen. Diese Sichtweise, der auch Mark Lichbachs Beurteilung des Forschungserfolgs einer revisionsoffenen und ausbaufahigen Rational Choice-Theorie folgt (vgl. Lichbach 2003), hat den Vorteil, dass man den „Kampf der (verschiedenen handlungstheoretischen) Schulen" verstehen kann als eine Auseinandersetzung um die relative Fruchtbarkeit der jeweils verfolgten Forschungsheuristiken. Gleichzeitig aber scheuen sich viele soziologischen Theoretiker - was besonders Fararo, aber auch Esser und Hedstrom bedauem miissen - , diese Lakatossche Regel auch auf die Entwicklung der Handlungstheorie selbst anzuwenden, was die Diskussions- und Problemlage der soziologischen Theorie in erheblichem Umfang dogmatisiert (vgl. fiir einen Klarungsversuch Schmid 1979, Schmid 2004, S. 23ff und neuerdings Schmid 2006). Die (iiberaus einflussreiche) Forderung, dass sozialwissenschaftliche Erklarungen auf (statistischen) Generalisierungen beruhen sollten, hat vor allem Nagel (1961, S. 503ff) erhoben. Vgl. zur Kritik dieser Suche nach „Invarianzen" (auch) Tilly 1995, S. 1597 Pawson 2000, S. 296. Der Sache nach kann man auch die kurze Zusammenfassung der wesentlichen Argumente bei Sayer 1992^, S. 99ff, 103ff konsultieren.

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Handlungstheorie(n)) mehr umfasst als die Masse der schon akzeptierten Verallgemeinerungen auf ihrem (Anwendungs-)Gebiet"^^°^. Zu den wichtigen Implikationen dieser „mechanismischen Erklarungslogik" zahlt, dass die These keinesfalls zwingend ist, wonach „soziale Explananda" ausschliefilich aus „sich wiederholenden Mustern" oder „wiederholt auflretenden Zusammenhangen"^^°^ bestehen mtissten^^^^ - obgleich eine Reihe der hier besprochenen Autoren und manche ihrer Nachfolger^^^^ an einer solchen Einschrankung alleine deshalb festzuhalten geneigt sind, weil anders deren empirische Identifikation und Prtifung erschwert wird; tatsachlich aber sollte diese epistemologisch-methodologische These nicht dariiber hinweg sehen, dass - worauf vor allem Raymond Boudon, aber auch Renate Mayntz und Hartmut Esser bestehen - auch „ratselhafte" historische Einmaligkeiten, unumkehrbare (d.h. „pfadabhangige") Entwicklungen oder singular-chaotische Trajektorien sich als Konsequenz der Wirksamkeit derartiger Mechanismus verstehen lassen mtissen^^^^. Zwar verliert die Soziologie auf diesem Wege - wie dies Parsons und seine „Schule" propagiert hatten - jede Berechtigung, die theoriegeleitete Modellbildung gesellschaftlicher Verhaltnisse auf regelmaBig restabilisierbare Gleichgewichte und damit auf eine (gleichgewichtsorientierte) „Theorie der sozialen Ordnung"^^^^ einzuengen; auf der anderen Seite aber kann sie den Zugewinn verbuchen, dass sich mechanismische Erkiarungsmodelle auch in der System- und Evolutionstheorie^^^^, der (sozialwissenschaftlich engagierten) „Komplexitatstheorie"^^^^ und anderen an der ModeUierung dynamischer Sozialverhaltnisse interessierten Theorielagern (wie der Okonomie und der poHtischen Wissenschaft, aber auch der Anthropologic oder der Archaologie) empfehlen, die sich nicht davon iiberzeugen konnen, dass die Gesellschaftsentwicklung regelmaBig und unter alien Umstanden zu Fliefigleichgewichten, repetitiven Ereignisfolgen und sich wiederholenden System- oder Verteilungszustanden flihren miisste^^^"^. In gleicher Weise halt die Akzeptanz mechanismischer Erklarungen die sozi1006 1007 1008 1009 1010

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Watkins 1992, S. 93. Die Klammerausdrucke wurden von mir erganzt. Mayntz2002, S. 39 Vgi. Spillman 2002, S. 23ff, die - wie ich denke zu Recht - auf die Erklarungskraft von Mechanismen auch in den Fallen hofft, in denen „singular causal relations" (S. 26) zur Debatte stehen. Vgl. z.B. Buschges/Abraham/Funk 1995, S. 24f Vgl. Balog/Cyba 2004, S. 23. Die Diskussion um das Verhaltnis allgemeiner sozialer Gesetze und sogenannten „Quasiverallgemeinerungen" (Albert 1964, S. 40ff) geht deshalb insoweit am Ziel vorbei, als die Frage, wie oft ein Explanandumphanomen beobachtbar ist, nichts mit der Frage zu tun hat, ob und in welchem Sinne der es produzierende Mechanismus „gesetzma6ig" fiinktioniert. Diese Tatsache erspart uns das Nachdenken uber die Frage, ob die ModeUierung von Mechanismen davon abhangt, dass diese (selbst und als solche) „gesetzmaBig" verlaufen. Dies im Uberkommenen Sinne der „Debatte um den Funktionalismus" (vgl. Demerath/Peterson (eds) 1967) und nicht etwa im Sinne von Kaufmann 1993, der besser von „Strukturbildung" reden sollte, wenn ihm an der Vermeidung des genannten Missverstandnisses gelegen ware. Biihl 1990, Schmidt-Wellenburg 2005 Vgl. Jervis 1997 Vgl. den allgemeinen Problemaufriss bei Hemes 1995 und Mayntz 1997

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alwissenschaftlichen Theoriebildung aber auch von alien Fortschrittsideen frei, die sie noch immer, wenigsten hintergrtindig, auf die (hochst einseitige) Modellierung von Steigerungsdynamiken festlegen^^^^. Infolgedessen und zugleich kann die sozialwissenschaftliche Theoriebildung (auch) nicht langer durch die Identifikation eines Satzes von Regelhaftigkeiten oder „Sukzessionsgesetzen"^°^^ markiert werden, wovon die Suche nach ideographischen Beschreibungen (historischer) Einmaligkeiten zu unterscheiden ware^^^^; vielmehr lasst sich die These starken, dass die (unterschiedlichen) Sozial- wie die Geschichtswissenschaft(en) iiber eine gemeinsame Erkldrungspraxis verfligen, die darauf abstellt, nach (handlungstheoretisch fundierten) sozialen Abstimmungsmechanismen zu suchen, die (historisch) variable EingangsgroBen mit (entsprechend veranderlichen) strukturellen Effekten verkniipfen^^^^. Oder verallgemeinert gesprochen: Angesichts der Notwendigkeit, jeden einmaligen oder wiederholt beobachtbaren - Systemzustand einer handlungstheoretischen Mikrofundierung zu unterziehen, sollte mmijede denkbare Trajektorie des Systemsgeschehens erwarten und damit wissen, dass sich Gleichgewichte oder richtungskonstante Entwicklungen nur dann einstellen werden, wenn sich - aus welchen, allerdings klarungsbediirftigen Griinden auch immer - die Handlungen der Akteure wechselseitig derart blockieren, dass keiner von ihnen Abweichungsgewinne anstreben oder Exit-Optionen wahrnehmen kann, wobei zugleich gesehen werden sollte, dass ein derartiger Zustand nicht mit (kollektiv oder individuell) optimalen Verteilungsergebnissen einher gegen oder externe Schocks ausschlieBen mtisste^^^^ bzw. fur alle Zeiten vor endogenen „Innovationen" und veranderungswirksamen Regulierungsvorschlagen geschtitzt ware^^^^. Diese Einsicht in die hochgradige Vielgestaltigkeit und Variabilitat mechanismisch zu erklarender Kollektivsachverhalte sollte auch die folgende Schwache zu vermeiden helfen. Bestarkt vor allem durch die Analysetechnik von James Coleman, erwecken die Anhanger einer mechanismischen Erklarungslogik bisweilen den Eindruck, dass das vordringlichste Erklarungsproblem darin besttinde herauszufinden, dass und wie sich „soziale Phanomene" als das Resultat zwischenmenschlichen Handelns ergeben, dessen Eigenarten man aus den konstanten Handlungs-

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Vgl. neuerlich die Warnungen bei Runciman 1989, S. 38ff und Sanderson 1990 Vgl. Pawson 2000, S. 296; diese Bezeichnung geht auf John St. Mill zuriick; davon zu unterscheiden waren „Koexistenzgesetze", die das gleichzeitige Auftreten von Ursachen und Effekten behaupten. Ich weiB nicht, ob die Soziologie solche Gesetze zu kennen glaubt. Max Webers „Fragestellung" ist auch insoweit tiberholt, vgl. zu deren Bewertung Schmid 2004b. Vgl. Kiser/Hechter 1991, Kiser/Hechter 1998, Bates et al. 1998, Levi 2002, Runciman 2002 u.a. Die uberkommene Kritik an Theorien des sozialen Wandels hatte diese Einsichten vorbereitet, konnte aber keine haltbare Erklarungsaltemative erarbeiten, weil sie sich entweder in die Historische Soziologie zuruckzog oder auf Beschreibungen von Wandlungsvorgangen konzentrierte, deren Mikrofiindierung ganz unklar bleibt, vgl. fur die damalige Weichenstellung Smith 1973. Darauf hat die sogenannte „evolutionare Okonomik" immer wieder verwiesen, vgl. fur eine kurze Darstellung dieser Denkrichtung Schmid 2004, S. 126ff

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orientierungen (oder Praferenzen^^^^) der Akteure und feststehenden Interdependenzstrukturen herzuleiten hat. Ich denke, dass dies eine Einschrankung ist, die kaum unter alien Umstanden fruchtbar sein muss; tatsachlich besteht jedes mechanismische Erklarungsargument - wegen seiner Mehrstufigkeit - aus verschiedenen Bestandteilen, deren jeweils mogliche Variabilitat getrennt untersucht werden kann, was die Menge zulassiger Fragen nicht zwangsweise in die angesprochene Richtung einer statischen Analyse drangen muss. Stattdessen sollte es gegebenenfalls erlaubt und geboten sein, mechanismische Argumente in mehrfacher Hinsicht - und liber die (besonders von Hartmut Esser) angedeuteten „genetischen" Prozessanalysen hinaus - zu dynamisieren: So sollte auch die Veranderung von Beziehungsformen zum theoretischen Problem werden diirfen^^^^, zumal wenn sich die Interessen und Restriktionen der Akteure iiber die Zeit und in Auswirkung der von ihnen selbst verursachten Situationsumstande verandern^^^^; ebenso kann man (wenigstens bisweilen und im Prinzip, wie einige der Propagandisten mechanismischer Erklarungen durchaus zugestehen) die Annahme feststehender Erwartungen und Bewertungen aufgeben und sich den hochst voraussetzungsreichen und mit ganz offenen Ausgangen verbundenen Prozessen zuwenden, mit deren Hilfe Akteure ihre Situation wahrnehmen^^^"^ und bewerten^^^^, oder den komplexen „psychischen Mechanismen", mittels derer Akteure sich entscheiden^^^^; und selbstverstandlich sollte man nicht damit rechnen, dass die Akteure alle ihre Abstimmungsprobleme mit ein und demselben Mechanismen losen konnen bzw. dass es - wie etwa Hayek und vor allem Gary Becker und dessen Anhanger, aber auch die Vertreter einer okonomischen Evolutorik regelmafiig zu glauben scheinen - (unter Ausschluss aller moglicher Alternativen) nur einen modellierungsbediirftigen Mechanismus gebe, namlich den Markt. Unter keinen Umstanden kann es sich lohnen, sich auf die Entwicklung einer „Theorie" des Marktes zu beschranken, um daraufhin - gepeinigt von dem Bestreben, einer allgemeinen (oder „umfassenden"^^^^) Theoriebildung Vorschub zu leisten - deren Leistungsfahigkeit und Reichweite zu uberschatzen^^^^.

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Diese These liegt der von Gary Becker kanonisierten Modellierungstechnik der neoklassischen Okonomie zugrunde (vgl. Becker 1982 und Stigler/Becker 1996), die von den hier besprochenen Vertretem eines mechanismischen Erklarungsprogramms neben Coleman auch Lindenberg (und iiber diesen Esser) beeinflusst hat. ... wie sie etwa Boudon 1980, S. 113ff und Esser 1993 S. 119ff zu behandeln versprechen. Vgl. dazu die paradigmatischen Darlegungen bei Tainter 1988 Vgl. dazu Esser 2004, S. 109ff und die nachfolgende Ausfertigung in Esser 1999 Solche Forschungen stecken (noch) in den Kinderschuhen, vgl. Hechter 1993, Joas 1997, Boudon 2001. Jon Elsters Beitrag ist hier immer noch vorbildlich und auch Hartmut Esser investiert einen Gutteil seiner Energie in die Entwicklung eines integrierenden Modells individueller Entscheidungsselektion. Vgl. fur einen derartigen Anspruch Olson 1991 Eine solche Theoriestrategie fiihrt regelmafiig zu „Imperialismen" und Selbstamputationen der Modellbildung, wie sie Albert Hirschman ausgiebig und nachdrucklich anhand des Theorieprogramms von Gary Becker kritisiert hat, vgl. Hirschman 1989, S. 226ff u.a. Andreas Pickel (2005) fordert erganzend dazu, dass man zur Erklarung bestimmter konkreter Sachverhalte mehrere Mechanismen wird „kombinieren" mussen bzw. umgekehrt dass spezifi-

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D.h. es sollte jederzeit moglich sein, den Katalog moglicher mechanismischer Erklarungen durch die theoretische Untersuchung auch marktferner Mechanismen (wie Diskurse und Verhandlungen, Zwangsherrschaft oder Kriege, Wahlen und andere Formen kollektiver Entscheidungen und des „Konfliktmanagements") zu er1029

weitern Dieses Drangen auf eine Dynamisierung und (thematische) Erweiterungen modellierungsfahiger Zusammenhange sollte freilich nicht das Missverstandnis provozieren, die Konstantsetzung bestimmter EinflussgroBen sei methodologisch anruchig. Tatsachlich wird man im Rahmen eines komplex und mehrstufig angelegten mechanismischen Erklarungsarguments die tFberpriifung der anfallenden Ableitungen kaum bewaltigen konnen, wenn es nicht erlaubt ist, jene Faktoren konstant zu halten, die auf den jeweils anderen „Ebenen" durchaus eine eigenstandige (bzw. eine „eigendynamische") Rolle spielen werden^^^°; ebenso wird man die Einflussrichtung der im Fortgang der Argumentation notwendigen Zusatzhypothesen nur abschatzen konnen, solange die ubrigen Faktoren nicht unkontroUierte variieren^°^\ Obgleich - soweit ich sehe - nur Siegwart Lindenberg ausdrticklich auf die hinter diesem Vorgehen stehende Methode zu sprechen kommt, wiirde ich gerne davon ausgehen, dass alle Vertreter mechanismischer Erklarungsargumente ihr (wenigs-

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sche „kompakte" historische Erklarungen nur getestet werden konnen, wenn es gelingt, sie in unterschiedliche Mechanismen zu „disaggregieren". Betrachtet man die Modellierung von Abstimmungsmechanismen als „Kerngeschaft" soziologischer Erklarungen, dann kann man mit Wolfgang Stegmiiller von der Notwendigkeit Oder Zuiassigkeit von „Kemerweiterungen" sprechen (vgl. Stegmiiller 1980, S. 37). Stegmullers Theorieverstandnis ist allerdings weiter als das meine; ich wiirde als „Theorie" nur die zur Mikrofundierung benotigte Handlungstheorie bezeichnen; eigenstandige Theorien der strukturvermittelten Abstimmung gibt es dieser Sichtweise folgend ebenso wenig wie „Gesetze", die den „Theoriekern" mit seinen Anwendungsbedingungen verbinden. Angewendet auf das soziologische Erklarungsproblem heiBt dies, dass die vieldiskutierten „Briickenhypothesen" nur so weit Gesetzescharakter haben wie die „Logik der (individuellen) Handlungsselektion" reicht; fur alle iibrigen ebenenspezifischen Zusatzhypothesen gilt ein aquivalentes Argument. Zur Logik solcher „vertikaler Reduktionen" vgl. Kuipers 1986, der die Notwendigkeit von ableitungsbestimmenden Hilfshypothesen, die ich - wie gesagt nicht als „Gesetze" behandelt wissen mochte, anhand des Olson-Modells (vgl. Olson 1968) untersucht. Dabei sollte mitbedacht sein, dass wir die zur Mikrofundierung verwendete nomologische Handlungstheorie immer auch zum Test parametrisierter Hypothesen benotigen, da sie uns dort, wo wir aus prufungspragmatischen Griinden auf vollstandige Mikrofundierungen verzichten mussen (oder wollen), die Unbedenklichkeit dieses Schrittes beglaubigen muss; auch statistische Priifverfahren, denen in zahllosen Fallen handlungstheoretisch unbegrtindete Annahmen zugrunde liegen, mussen sich diesen Test gefallen lassen. Darin sehe ich den methodologischen Sinn des Vorschlags von Esser und Lindenberg, den Modellierungen von Mechanismen konstante individuelle Entscheidungsbedingungen zu unterlegen, oder des Vorschlags von Renate Mayntz, dort auf Mikrofundierungen zu verzichten, wo von der Konstanz der koUektiven Entscheidungsbedingungen ausgegangen werden kann usf. Fur eine wissenschaftslogische Begriindung dieses Vorgehens vgl. Gadenne 1984. Ein einsichtiges Beispiel dafiir, wie sich ein Forschungsprogramm durch die systematische Varianz der situationsspezifischen Zusatzhypothesen vorantreiben lasst, fmdet sich bei Brennan/ Pettit 2004.

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tens) im Grundsatz zustimmen konnen^^^^. Wie die im letzten Kapitel besprochenen mechanismischen Erklarungsargumente allerdings dokumentieren, wollen deren Protagonisten unterschiedlich viele (und im Einzelfall auch verschieden charakterisierte) „Ebenen" vorsehen^^^^, was zur Folge haben wird, dass sie in Abhangigkeit davon mit einem verschieden hohen Kontroll- und Prlifiingsaufwand rechnen miissen. Auch sollte man beachten, dass Vergleiche verschiedener Modellierungsvorschlage nur dann sinnvoll sind, wenn man sicherstellen kann, dass die jeweiligen Voraussetzungen gleichartig gewahlt wurden, und zusatzlich muss man sich uberlegen, welches Gewicht man der Tatsache beimessen mochte, dass bestimmte „heroic assumptions"^^^"^ (und nicht andere) zur Fundierung der Modellargumentation gewahlt wurden; in jedem Fall kann als eine „Kritik" entsprechender Idealisierungen nur der Nachweis gelten, dass die Voraussetzungsmenge zu unvollstandig ist, um ein genau spezifiziertes, den Forscher interessierendes Explanandum zureichend zu erklaren^^^^. Nicht jeder marktgangige Einwand gegen die jeweils verwendeten 1032

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Vgl. Lindenberg 1992. Ich kann nicht abschatzen, ob Coleman und Fararo, die den Band herausgegeben haben, in dem Lindenbergs Beitrag abgedruckt wurde, damit ihre Zustimmung zu seinen Vorschlagen zum Ausdruck bringen wollten; die Darstellung des Lindenbergschen Vorhabens, die sie in ihrer Einieitung geben, klingt jedenfalls freundlich (vgl. Coleman/Fararo 1992, S. xiii, xx). Wie erinnerlich waren Bunge, Merton, Lindenberg und Wippler (wenigstens anfanglich) von zwei Ebenen ausgegangen, Coleman, Esser, Hedstrom und Swedberg (und moglicherweise Boudon) sehen drei Ebenen vor, wahrend Fararo und Renate Mayntz die Anzahl der Ebenen offen und unbestimmt gelassen hatten, wahrend ich selbst vorschlage, vier Ebenen vorzusehen, um - was die meisten der behandelten Autoren nicht eigens betonen (und einige auch offensiv ausschlielien) - der Regulierungsbedurftigkeit von Abstimmungsmechanismen gerecht werden zu konnen. Ich bestehe auf diesem Schritt, weil ich die Meinung vertrete, dass jede handlungstheoretisch angelegte Mikrofundierung die Probleme mitbedenken (und entsprechend: mitmodellieren) muss, die aus der (relativen) „Handlungsfreiheit" der Akteure und den damit verbundenen „Schadigungsgefahren" resultieren. In meinen Augen ist es in jedem Fall sinnvoll, wie dies Coleman, Mayntz, Merton u.a. tun, Interdependenz- und Abstimmungsmechanismen (oder „Regelungsmechanismen" wie sie Hondrich einmal nannte, vgl. Hondrich 1982) in den Vordergrund soziologischer Erklarungsbemiihungen zu rucken und die ubrigen (psychischen wie sozialen oder aggregativen) Mechanismen diesem zentralen Erklarungszweck gewissermafien „unterzuordnen". Naturlich kann man das Problem der Regulationsbedurftigkeit des Abstimmungsverhaltens als „gelost" betrachten (und in diesem Sinne konstant setzen und damit „ausklammern"); man sollte dies aber - um unnotige Nachfragen zu vermeiden - vermerken. Da viele Analytiker dies nicht tun, bleibt unerortert, in welchem Umfang sich „Kompositionseffekte" nicht alleine der Tatsache verdanken, dass sie aus dem Handeln der Akteure resultieren, sondern dem (zusatzlichen) Faktum, dass dieses Handeln (institutionalisiert und) „geregelt" verlauft. Die Frage, welche und wie viele Mechanismen im Verlauf eines vollstandigen Erklarungsdurchgangs zu berucksichtigen sind, ist damit aber nicht beantwortet. HedstrOm/Swedberg und Esser mischen (drei teils) psychologische und (teils) soziale Mechanismen, Esser und Lindenberg konzentrieren sich zumeist auf inhaltliche und „logische" Mechanismen (der Aggregierung), Maurer 2006 hingegen bezeichnet die Gesamtheit aller im rekursiven Badewannenmodell berucksichtigten Prozesse als „einen" Mechanismus etc. Welcher dieser „Sprachregelungen" man sich anschliefit, diirfte von sekundarerer Bedeutung sein, solange die Unterschiede verschiedener handlungsrelevanter Prozesse in Erinnerung bleiben. Ellickson 2001,8.63 Vgl. Boyd/Richerson 2005, S. 413

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Modellannahmen - und vor allem gegen die Handlungspramissen - erfuUt diese Bedingung. Vor diesem Hintergrund soUte sich auch eine veranderte Beurteilung der unterstellten Multiparadigmatik innerhalb der Soziologie bzw. des durch grundlegende Missverstandnisse und Fehleinschatzungen belasteten interdisziplinaren Verhaltnisses verschiedener Sozialwissenschaften ergeben^^^^. Unter der selbstverstandlichen Voraussetzung, dass jeder Forscher frei darin ist, die Fragestellung zu wahlen, die ihm der Fortlauf seiner Forschungen diktiert, konnen die wechselseitigen Anspriiche dann kontrolliert bewertet und eventuell abgeglichen werden, wenn man beachtet, dass man zur Analyse der jeweiligen Teilfrage(n) die iibrigen Faktoren (und Zusammenhange) konstant zu setzen hat, was der sozialwissenschaftlichen Modelllogik jenen immer wieder beobachteten „Ceteris paribus"-Charakter verleiht, der zu Reclit dort umstritten ist, wo es nicht zu klaren gelingt, welche der (zahllosen moglichen) Einfluss- und Hintergrundsfaktoren man konstant setzen mochte^^^^. Ich denke aber, dass man die Berechtigung solcher Konstantsetzungen auch im zwischen-paradigmatischen Verkehr nicht zu bestreiten braucht, solange die unter derartigen Kautelen stattfmdende Modellbildung mit uberraschenden, bislang unbedachten Deduktionen einhergeht und solange man diese Ableitungen (oder Prognosen) wenigstens in (statistisch oder experimentell bzw. durch prtifrelevante Dokumente) kontroUierten Fallen testen kann^^^^. In jedem Fall erlaubt die wechselweise Konstantsetzung unterschiedlicher Einflussgrofien, den Deduktionsreichtum aller denkmoglichen Modellierungen oder - uber die Disziplingrenzen hinweg gedacht aller sozialwissenschaftlichen Erklarungsprogramme (in methodisch kontrollierbarer Weise) auszuschopfen^^^^, soweit sie sich im Grundsatz handlungstheoretisch fundieren lassen. Auf diese Weise lasst sich die Existenz verschiedener sozialwissenschaftlicher Disziplinen aus dem Bestreben erklaren, die Modellierungsarbeit zur (modell-)kontrollierteren Bearbeitung (untereinander) „aufzuteilen", und damit zugleich als eine hochst kontingente Form der wissensbeschaffenden Arbeitsteilung verstehen, die - wenigstens aus wissenschaftslogischer Sicht - nicht mit ontologi1036

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Ich verzichte auf eine genauere Darstellung des Wechselverhaltnisses der verschiedenen soziologischen „Ansatze", aber auch der durch Missverstandnisse belasteten Beziehungen zwischen Soziologie und Okonomie, vgl. im Uberblick (fur das erste Thema) Schmid 2004, S. 61ff, lOOff und (fur das zweite) Schmid/Maurer 2003. Vgl. Hempel 1965, S. 166ff Albert 1967, S. 33 Iff hat dieses Vorgehen (vollig zu Recht) als „Modellplatonismus" kritisiert. Verteidiger dieser Sichtweise konnen sich auf Lakatos 1970, S. 110, Hayek 1972, Humphreys 1989, S. 129ff, Secord 1996, S. 207ff und Cartwright 1999, S. 137ff berufen, denen zufolge die Formulierung von Gesetzen derartige Ceterisparibus-Einschrankungen kaum umgehen kann. Der Vorteil dieser Auffassung besteht darin, Gesetze nicht langer als „Verallgemeinerungen" betrachten zu mussen und einer Methodologie idealisierter Modelle Vorschub zu leisten, die antirealistische Anklange (wenigstens im Prinzip) vermeidet, vgl. Schmid 1996, S. 235ff und Morgan/Morrison 1999. Die „traditionelle" (kausalistische oder stochastische) Modelltheorie behandelte solche Ceterisparibus-Bedingungen als „Parameter", die es auch dann zu „schatzen" gilt, wenn man daftir keine vertrauenswtirdige Verfahren kennt, vgl. fiir diese Einschrankung Karlsson 1967, S. 73. Vgl. Boyd/Richerson 2005, S. 404 Fur einige Details vgl. Gadenne 1984, Schmid 2004, S. 61ff

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schen Abschottungsargumenten und forschungs- oder theoriepolitisch motivierten Eigenstandigkeitsideologien verteidigt werden muss^°'*°. Eine wichtige Konsequenz der Moglichkeit, auch Teilmodellierungen prognostisch zu nutzen und anhand ihrer empirischen Konsequenzen zu prufen, besteht darin, dass man zur Entwicklung eines solchen mechanismisch grundierten Forschungsprogramms - darauf haben (auBer einigen der „Mitstreiter" von Hedstrom und Swedberg^^"^^) fast alle der oben behandelten Autoren aufmerksam gemacht auf den erkenntnistheoretischen Realismus und auf eine darauf aufbauende Methodologie der Bewahrung nicht zu verzichten braucht^^"^^. Zwar ist nicht zu libersehen, dass mechanismische Erklarungsmodelle regelmaBig unvollstandig und deshalb genau besehen falsch und uberdies nur unter der (zumeist) unbefragt bleibenden Konstanz verschiedener, im verdunkelten Hintergrund stehender Faktoren priifbar sind^^"^^; aber dieser Tatbestand impliziert nicht, dass sie nicht der empirischen Korrektur und Revision offen stunden^^'^'^; besonders fruchtbar verlaufen derartige Kontrollen dort, wo sie zeigen, dass bestimmte (de facto fehlgeschlagene) Vorhersagen nur dann batten zutreffen konnen, wenn zusatzliche EinflussgroBen beriicksichtigt worden waren. Tragt man solchen Einsichten durch eine spezifizierende UmformuHerung bzw. eine Erweiterung der Ausgangsthesen Rechnung, dann kann man damit - falls sich derartige Erweiterungshypothesen ihrerseits bestatigen lassen - die Giiltigkeitsgrenzen der Ausgangsmodelle - ohne ad hoc zu verfahren^^"^^ - immer wieder erneut abstecken und zugleich der empirischen Forschung den weiteren Weg ausschildern^^"^^. Auf diese Weise lassen sich die mechanismischen Erklarungsprogramme der verschiedenen sozialwissenschaftlichen Disziplinen nach alien Richtungen, wenn auch mit unabsehbaren Folgen fiir den Evolutionsverlauf und den Entwicklungserfolg des jeweiligen Ausgangsprogramms, vervollstandigen und

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Wie wenig allerdings eine modische „Interdisziplmaritat" zu favorisieren ist, die die bestehenden theoretischen Unterschiede in der blindwiitigen Hoffnung auf „Synergieeffekte" einebnet. Eine mehr oder minder konstruktivistische Position hat (aus meiner Sicht bedauerlicherweise) vor allem Hemes 1998 bezogen. Vgl. Gadenne 1998, Gadenne 2001. Nicht alle Beitrage in Hedstrom/Swedberg (eds) 1998 befolgen diesen Ratschlag allerdings; uberdies ist die Literatur uber die Modellbildung - vor allem auf Anraten der Philosophie - voller „Konstruktivismen" und „Konventionalismen", vgl. zur Kritik der damit verbundenen anti-realistischen Konsequenzen neben den einschlagigen Titeln von Mario Bunge vor allem Devitt 1997^. Dieser Tatbestand provoziert das (freilich nicht unlosbare) Duhem-Quine-Problem, vgl. Andersson 1988; auf der anderen Seite weist Chattoe 2002, S. 826 zu Recht darauf hin, dass ohne formalisierte Modellierung die Entdeckung falsifizierbarer Implikationen in aller Kegel nicht gelingen wird. Vgl. fur die Grundziige eines derartigen „methodologischen Revisionismus" Albert 1999, Albert 2001 Vgl. Harre 1976,8.38 Methodologisch beachtenswerte Beispiele fiir diese Vorgehensweise finden sich bei Lindenberg 1977, Kuipers 1984, Pawson 2000 u.a. Wichtig ist mir, dass entsprechende Nachbesserungen nicht zwangsweise in Richtung einer Gehaltsbeschrankung verlaufen miissen, mit der Folge, dass man derart „gerettete" Hypothesen nur in einem verminderten MaB prufen kann.

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gegebenenfalls auch miteinander (logisch kontrolliert) verbinden^^"^^. Zu den nicht zu vernachlassigenden Vorteilen einer derartigen Problembearbeitungsstrategie dtirfte zahlen, dass sich die theoretische Forschung damit die Moglichkeit verschafft, rasch auf neuartige (theoretische wie gesellschaftliche) Problemlagen und Fragestellungen zu reagieren, ohne sich die Belastung zuzumuten, zu diesem Zweck jeweils eine „neue Theorie" entwickeln (oder gar erfinden) zu mtissen. Dass die in der Modellbildung verwendeten Annahmen revisionsoffen zu behandeln sind, sollte auch den (hintergrtindigen wie offen ausgetragenen) Streit dariiber zu entscharfen helfen, welche der vorhandenen Handlungstheorien man zur Mikroflindierung makroskopischer Zusammenhange verwenden sollte, und unter welchen Umstanden die jeweils unterlegte Handlungstheorie verworfen, revidiert oder erweitert werden sollte. Arthur Stinchcombe nennt - in volliger Ubereinstimmung mit der Lakatosschen Heuristikauffassung und im Gleichklang mit einer Regel der von Lindenberg verteidigten Methodologie - das relevante Argument, wenn er davon spricht, dass „the individual level of reasoning" nur dann ausgebaut zu werden verdient, wenn man auf diese Weise zu „new predictions at the structural level" gelangt, die unabhangig prlifbar sind^^"^^. Oder mit Blick auf eine andere Implikation dieser Problemsicht gewendet: Welche der unterschiedlichen Handlungstheorien man verwendet, ist genau betrachtet gleichgiiltig^^"^^, solange man beachtet, dass sich die Situationsfaktoren wie die Beziehungsformen und deren Kollektivfolgen nur im Lichte der jeweiligen Handlungstheorie entdecken und kennzeichnen lassen^^^^. Man wird also diejenige von ihnen auswahlen, die den erklarungswiirdigen mechanismischen Zusammenhang (zwischen den verschiedenen „Logiken" der Situation, Selektion und Aggregation) am problemlosesten herzustellen und zu durchleuchten verspricht^^^^ und die (zugleich) die meisten, bislang unvermuteten Prognosen zu deduzieren erlaubt. Diese methodologische Kegel impliziert, dass der vielfach verteidigte Hinweis, wonach eine der Kandidatinnen zu 1047

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Nochmals: Auf diese Weise lasst sich das Programm mechanismischer Erklarungen - wie Lindenbergs „Methode der abnehmenden Abstraktion" bereits andeutete - (start mit Hempels Erklarungstheorie eher) mit der Lakatosschen „Methodologie wissenschaftlicher Forschungsprogramme" (vgl. Lakatos 1970) bzw. mit Stegmiillers „strukturalistischer Modellogik" in Verbindung setzen, vgl. Stegmtiller 1980. Soweit diese Vorschlage mit antifalsifikationistischen Konsequenzen verbunden werden mussen, wiirde ich allerdings ihre Revision beantragen. Stinchcombe 1993, S. 35 Bisweilen wird - was mir sympathisch ist (vgl. Schmid 2004, S. 6Iff) - darauf hingewiesen, dass auch die unterschiedlichen Handlungstheorien auf einen „mikrotheoretischen Kern" hin konvergieren, vgl. Lindenberg 2001a, Esser 2004, S. 36. Dass sich im Rahmen eines solchen Integrationsversuchs die verschiedentlich beklagten „scholastischen" Vorbelastungen handlungstheoretischer Modellierungen vermeiden lassen, die alle auf den Verzicht hinauslaufen, die menschliche Selbstreflexionsfahigkeit und die daran angeschlossenen Selbstkorrektur des theoretischen Denkens zu beriicksichtigen (vgl. Bourdieu 2001, Schiilein 2002), ist meine beilaufige Hoffnung. Vgl. Whitmeyer 1994, Schmid 2004, S. 15ff Zur einsichtsvollen Dokumentation der durch unterschiedliche Handlungstheorien nahe gelegten Auffassungen iiber die Funktionsweise sozialer Beziehungsformen vgl. Bohman 1991. So argumentiert etwa Schimank 2000.

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bevorzugen sei, well sie mehr oder andere Faktoren beriicksichtigen konne als ihre Konkurrentin, solange wenig iiberzeugend bleibt, als die weniger entwickelte Handlungstheorie in eindeutigerer (und damit uberprlifbarerer) Weise die Bedingungen angeben kann, unter denen sie mit den erklarungsbedurftigen System- und Kompositionseffekten rechnet und dabei zugleich mogliche Einwande vorwegnimmt - und solange sie eventuelle Fehlprognosen nicht zu Ad-hoc-Abschottung ihrer Erklarungspramissen verwendet bzw. deren Revision dadurch aus dem Weg geht, dass sie sich nur fur die Falle zustandig erklart, in denen ihre Voraussetzungen (zufalligerweise) erfiillt sind^^^^. Modelltheoretiker miissen demnach bisweilen ein Optimierungsproblem losen, das sich daraus ergibt, dass zwischen Realitatsnahe und Prognosereichtum kein wirklich zwingender Zusammenhang besteht^^^^. In der Tat fallt auf, dass viele Vertreter einer mechanismischen Erklarungslogik - wie Little, Lindenberg, Coleman, Boudon, Esser oder (jedenfalls zu Beginn der aktuellen Debatte:) Hedstrom und Swedberg und etliche andere^^^"^, allerdings deutlich widersprochen von Bunge und mit Einschrankungen versehen von Renate Mayntz (und jiingst von Hedstrom) - die These verteidigen, wonach sich zur Erhohung der Chance, (auch im historischen Rtickgriff^^^^) bislang unbekannte KoUektiveffekte zu entdecken, eine Theorie der (begrenzt) rationalen Handlungswahl (oder eine ihrer zahllosen Abkommlinge) in besonderem Mal3e eignet, weil sie dazu dient, in methodologisch kontrollierter Weise die das Handeln der beteiligten Akteure steuernden BezugsgroBen ausfmdig zu machen, denen man die Entstehung und Veranderungen emergenter Effekte besonders uberzeugend und plausibel zuordnen kann^^^^, und die zugleich verdeutlicht, weshalb das Handeln anderer flir die dergestalt agierenden Akteure von Interesse sein muss. Dieses Zugestandnis sollte indessen weder einen Grund dafiir liefern, auf die Korrektur und den weiteren Ausbau der {mit Sicherheit falschen bzw. unvollstandig ausformulierten) Entscheidungs- oder Rational Choice-Theorie(n) zu verzichten^^^^, wie einige auch in der

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Diese Zusatzbedingungen sollten verhindem, dass sich die hier verteidigte Methodologie den Vorwurf gefallen lassen muss, sie gleiche dem Betrunkenen, der seinen irgendwo verlorenen Hausschliissel nur unter der Lateme sucht, weil er anderswo nachweislich nichts sieht. Dies gilt auch dann, wenn Milton Friedman glaubt, sich zugunsten der Prognosetrachtigkeit falscher Modellannahmen entscheiden zu miissen, vgl. zur emeuten Kritik Schmid 2004c. Vgl. daruber hinaus Levi 1997, Hechter/Kanasawa 1997, Goldthorpe 1998, Levi 1999, Peterson 1999 Vgl. fur eine solche Demonstration die in Taylor (ed.) 1988 versammelten Arbeiten Vgl. fur diese Urteil auch Withmeyer 1994, S. 162f. Das gih auch fur historische Studien, in deren Rahmen Systemeigenschaften desgleichen handlungstheoretisch gedeutet werden miissen, vgl. Schwinn 2001, S. 136. Vgl. fur die Falschheit zumal der strengen Rationaltheorie (emeut und die liberkommenen Einwande referierend) Mantzavinos 2006, S. 86ff. Dieser Hinweis gilt mit groBer Wahrscheinlichkeit auch fitir die Handlungstheorien der hier besprochenen Autoren, deren Wechselverhaltnis zunehmend auch kritisch untersucht wird (vgl. z.B. Greve 2003, Wolf 2005). Uwe Schimank (2005, S. 18) hat darauf hingewiesen, dass man „saubere" (und d.h. mit einfachen Rationalannahmen arbeitende und deshalb „reibungsfreie" und „prazise", aber eben deshalb falsche) Modellierungen von Mechanismen jederzeit durch die Beriicksichtigung von „Akteure(n) mit einem reichhaltigeren Innenleben" erganzen (oder „aufrusten") kann;

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Soziologie einflussreiche Autoren anraten^^^^, noch die mogliche Vereinheitlichung und Integration der ganz unterschiedlichen handlungstheoretischen Teiltraditionen auszusetzen^^^^, wogegen sich - mit unterschiedlicher Ausgangslage und Zielrichtung - vor allem und zu Recht Thomas J. Fararo und Hartmut Esser aussprechen. Der mit dieser Deutung der Sachlage verbundene Ratschlag, (bewusst vereinfachte) Theorien als (den Aufwand minimierende und die Arbeit vereinfachende) Instrumente der sozialwissenschaftlichen Modellbildung zu behandeln, verfolgt demnach eine deutlich methodologische, keinesfalls aber eine erkenntnisstorende Absicht, weshalb man hinter einer solchen Empfehlung weniger die Gefahr einer „erhohten Immunitat gegen relevante (und d.h. den Befunden widersprechende) Argumen^guio6o ygj-j^y^gji sollte als einen - im Rahmen seiner modelltechnischen Vorgaben durchaus verteidigungsfahigen - „methodologischen Instrumentalismus", der durch die jederzeit mogliche Umgestaltung und Erweiterung der verwendeten Erklarungspramissen aufgewogen bzw. „in Schach gehalten" wird. Auf der anderen Seite kann man die Frage, welche Handlungstheorie man zur Konstruktion mechanismischer Erklarungsargumente um Hilfe bitten mochte, in keinem Fall - wie wenigstens einige der besprochenen Autoren zu meinen scheinen (oder zeitweise zu meinen schienen) - offen lassen wollen; vielmehr gilt: „Some assumptions about actors must always be made"^^^^ Ein entsprechendes Versaumnis fiihrt vor allem dann zu unprazisen Forschungsproblemen, wenn verschiedene Mechanismen genau danach unterschieden und geordnet werden sollen, auf der Ba-

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in dieselbe Richtung argumentiert Kron 2005. Wie vermerkt, geht dieser Vorschlag auf Lindenberg und Stinchcombe zurtlck. Vgl. Friedman 1969, Becker 1982 Auf diese Weise konnen auch soziologische Handlungstheorien, die vornehmlich die Sinnund Deutungskomponenten des Handelns beriicksichtigt wissen wollen, mit Annahmen uber dessen Zweckrationalitat verbunden werden, vgl. paradigmatisch Esser 1991, Hennen/Springer 1996, Esser 2001, Lindenberg 2001a, Reckling 2002 oder Etzrodt 2003. Ich wiirde allerdings - wie dies Norkus (2001) Max Weber zu unterstellen scheint und auch James Coleman mit Nachdruck betont - davon ausgehen, dass eine Theorie des intentionalen und zugleich zweckrationalen Entscheidungshandelns im „Zentrum" eines derartigen Angliederungsversuchs zu stehen hat. Ob ein entsprechender Versuch die soziologischen Theoretiker und Theoretikerinnen indessen iiberzeugt, muss ich offen lassen; die meisten von ihnen halten derartige Integrationsversuche - wie mir immer wieder zugetragen wird weder fiir sinnvoll oder auch nur fiir moglich. Das gilt auch fur Autoren, die dem hier entwickelten Erklarungsprogramm mit prinzipieller Sympathie gegeniiber stehen; so richtet sich etwa Uwe Schimanks Abwehr von Integrationswiinschen - entgegen meinen Vorstellungen - zum einen *gegen die revidierende Konfrontation verschiedener Handlungstheorien (vgl. Schimank 2000, S. 146), aber auch, worin ich ihm folgen wiirde, gegen die Idee, dass „Theorien" sich widersprechen konnen, die ein Mehrstufenmodell der Erklarung unterschiedlichen „Ebenen" zurechnen wird, vgl. Schimank 2005a, S. 143ff. Um diesen Fall auszuschlieBen, hatte ich (in Fufinote 49) vorgeschlagen, „Theorien" von deren „Anwendungsmodellen" zu unterscheiden. Wenn ich ihn richtig verstehe, verfolgt auch Schwinn 2001 eine mikrofundierende Programmatik auf mechanismischer Grundlage; eine gesonderte Behandlung der Logik entsprechender Erklarungen fmdet sich bei ihm aber nicht. Vgl. Albert 1968, S. 94 Hemes 1998, S. 82 und in gleichem Sinne Lindenberg 1992, S. 7. Withmeyer (1994, S. 156) halt „reine Strukturtheorien" aus diesem Grunde fiir „meaningless".

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sis welcher Verhaltensannahmen (bzw. aufgrund welcher der zahllosen mogliclien „Produktionsfunktionen" individuellen Handelns) sich welche Abstimmungsmechanismen und welche Kompositionseffekte erwarten lassen^^^^. So wird man nur dann, wenn man die jeweils zum Einsatz gebrachten Handlungsannahmen eindeutig offen legt^^^^, feststellen konnen, wie sich die jeweilige Ausstattung der Akteure auf ihre Erfolgschancen auswirkt, wenn sie wahlweise unter (anonymen) Marktbedingungen agieren oder in Verhandlungen eintreten mussen^^^"^; nur wenn man die deduktionsleitenden Handlungspramissen kennt, wird man absehen konnen, dass die Akteure zur Bildung moralischer Gemeinschaflen und zur (deshalb) erforderiichen Beschaffung kollektiver Outer andere Praferenzen benotigen und folglich zu anderen Verhaltensstrategien greifen mussen^^^^ als bei der Abwicklung von Schadigungskampfen^^^^, monopoHstischer Konkurrenzen^^^^ oder bei der Zusammenlegung der Einzelkrafte in einer hierarchischen bzw. einer arbeitsteiligen Organisation^^^^; oder verallgemeinert: nur in genauer Kenntnis der obwaltenden Entscheidungs- und Handlungsflinktionen der Akteure wird sich klaren lassen, wie weit sie mit ihrem Wunsch kommen, bestimmten Gruppen beizutreten bzw. in ihnen zu verbleiben, oder ob sie nicht besser daran taten, sie (wieder) zu verlassen^^^^. Andererseits besteht (umgekehrt), solange die zur Charakterisierung der betreffenden Abstimmungsverfahren verwendeten Handlungspramissen im Halbdunkel bleiben, die Gefahr, dass vollig unbestimmt bleiben muss, welche Rekursionseffekte welche handlungssteuernden BezugsgroBen der Akteure beeinflussen, und damit welche der unzahligen Externalitaten ihres (koUektiven) Handelns flir ihre weiteren Entscheidungen wichtig und ausschlaggebend werden konnen^^^^. Da das logische Verhaltnis verschiedenartiger handlungstheoretischer Angebote in der Tat immer noch (weitgehend) ungeklart ist^°^\ verbieten sich vorschnelle Entscheidungen iiber die relativen Reichweiten und Erfolgsaussichten verschiedenartiger „approaches" und „Perspektiven" - was zu klaren sich aber in jedem Fall lohnen muss, solange man am Ausbau eines umfassenden mechanismischen Forschungsprogramms interessiert bleibt. In keinem Fall sollte man die Tatsache, dass 1062 1063 1064 1065 1066 1067 1068 1069 1070

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Vgl. flir eine systematische Zusammenstellung entsprechender Anwendungs- und Problemfelder Ullmann-Margalit 1977, Fiske 1991, Wiesenthal 2000, Schmid 2004, Esser 2005, S. 78 u.a. Vgl. flir die Verallgemeinerung dieser Forderung Whitmeyer 1994, S. 160 Vgl. Scharpf 2000 Vgl. Hechter 1987, Etzioni 1988, Zintl 1993, Baurmann 1996 Vgl. Miinkler 2002 Vgl. Stinchcombe 1998 Vgl. Miller 1992 Vgl. etwa Hirschman 1974, Hechter 1987, Montgomery 1996 Vgl. Pizzomo 1986, Hechter 1992. Solche Zusammenhange lassen sich selbstverstandlich nur thematisieren, solange man die These beiseite lasst, die verwendeten Handlungstheorien seien analytisch (oder tautologisch) formuliert und bedurften ihrer Gehaltlosigkeit wegen keiner Uberprufung. Es sollte klar geworden sein, dass ich diese Uberzeugung unter keinen Umstanden teile. Vgl. flir eine klarungstaugliche Vergleichsmethodologie Schmid 1993, Schmid 2004, S. 23ff, Schmid 2006 und fur den Versuch, deren Reichweite abzustecken, Schmid 2004, S. 61ff

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sich die unterschiedlichen Theorievorschlage - zumeist aus vergessenen philosophiegeschichtlichen, wenn nicht metaphysischen Grunden - dazu entschlossen haben, jeweils nur entsprechend kontingente Aspekte der individuellen (und sozialen) Handlungsorganisation zu betonen, als einen Beleg ftir die Existenz letztlich eigenrechtlich argumentierender Paradigmen deuten, die mit alien ubrigen „Ansatzen" und „Fragestellungen" (in einem logisch-technischen Sinne) unvereinbar (oder „inkommensurabel") seien; vielmehr ware es einer heuristischfruchtbarenForschungslogik dienlicher, wenn sich die Einsicht durchsetzte, dass die (zumeist) nur auf den ersten Blick unvereinbaren Grundannahmen verschiedenartiger Theorielager erlauben und nahe legen, einen losen, in alie Richtungen verfeinerbaren und ausbaufahigen Katalog von Fragen zu definieren^^^^, die sich alle, wenn auch mit unterschiedlicher Blickrichtung und Detailversessenheit, um das fur alle Sozialwissenschaften zentrale Problem drehen, wie es letztHch und unvermeidbarerweise eigensinnigen, und in vielen Fallen geradezu idiosynkratischen und zugleich immer nur beschrankt handlungsfahigen Akteuren (trotz vielfach gegenlaufiger Erfahrungen immer wieder) gelingt, ihr Handeln unter variablen Voraussetzungen und angesichts hochst vielgestaltiger Kollektivfolgen (relativ) storungs- und schadigungsfrei aufeinander abzustimmen^^^^. In Anlehnung an Siegwart Lindenberg, Renate Ma3mtz, Hartmut Esser und (neuerdings) Uwe Schimank sehe ich die heuristische Bedeutung dieser Uberlegungen darin, dass man die Erforschung einzelner sozialer Phanomene - aus ganz unterschiedlichen Richtungen kommend und von ganz partiellen (handlungstheoretischen) Festlegungen ausgehend - dazu benutzen kann, ebenso formal prazise wie typische und beispielgebende Erklarungsargumente auszuarbeiten, die - auf der Basis genau gekennzeichneter Handlungsannahmen und empirisch exakt erhobener Handlungsumstdnde - miteinander in eine logisch kennzeichnungsfahige Beziehung gesetzt und auf diesem Weg zu „bereichsspezifischen Modellen"^^^"^ zusammengebaut werden konnen, auf die man dann, wenn sich in anderen Anwendungsfallen ahnliche (oder sogar: gleichgelagerte) Erklarungsprobleme alleine deshalb stellen, weil die (in bestimmter Weise ausgestatteten) Akteure (erneut und wenigstens teilweise) vor vergleichbaren Problemen stehen, zuruckgreifen kann, um seine Forschungen voranzutreiben. Der Gewinn solcher Ruckgriffe besteht unbezweifelbar darin, dass man - solange man sich auf bereits bewahrte Anwendungen sttitzen kann - darauf verzichten darf, das „Rad" der handlungstheoretisch fiindierten Mo-

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Vgl. fiir die Forderung, moglichst „vollstandige" und vor allem „konsistente" Handlungspramissen einzusetzen Withmeyer 1994. Man muss zugeben, dass auch jungere Aufarbeitungen des soziologischen Theorienbestands die logischen Verkniipfungen der Handlungspramissen nur selten mit der notigen Eindeutigkeit identifizieren und darstellen. Der Vergleich der entsprechenden Forschungsprogramme muss dann folgerichtig entfallen. Mit James Buchanan 1975, James Coleman 1993a, Binmore 1994, Binmore 1998 und Russell Hardin 2003 hoffe ich darauf, dass sich diese Ausgangsthese zur LOsung der Frage, welche (soziale oder politische) Verfassung sich eigensinnige Akteure wiirden geben woUen, auch normativ nutzen lasst. Mayntz2002, S.40

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dellbildung (in jedem Fall) „neu (zu) erfmden"^^^^; stattdessen kann man im Erfolgsfall solche mehrfach verwendbaren Modellierungen mit einigem Recht als „kontingente Generalisierungen"^^^^ betrachten^^'^^, die man (zumindest) als plausible Ausgangsthesen fur die nahere Untersuchung des aktuellen Problemfalls verwenden kann, der seinerseits dazu benutzt werden sollte, die jeweiligen Modellvoraussetzungen zu testen und gegebenenfalls zu erweitern oder revidierend zu prazisieren. Darliber hinaus ist auch nicht auszuschlieBen, dass es - wie dies Mayntz und Esser im Auge haben - gelingt, solche wiederholt einsetzbare und in diesem Sinn „allgemeine Strukturmodelle"^^^^ - in verschiedener, intern kontrollierter Kombinatorik^°^^ - zur Behandlung (mehr oder minder) verwandter Problemfelder tauglich zu machen; und zudem lasst sich spekulieren, ob sich nicht verschiedene solcher Kombinatoriken allgemeiner Strukturmodelle moglicherweise ihrerseits wiederum auf noch tibergreifendere Themenbereiche und Problemfelder anwenden lassen^°^°. Im Idealfall wtirde die Soziologie (bzw. jede andere Sozialwissenschaft) infolgedessen uber einen (nach Gegenstandsumfang und Wertbereichen gestaffelten) „Werkzeugkasten von Musterlosungen"^^^^ und „Mustermodellen"^°^^ (bzw. „Verbtinden" hiervon) verfligen, ohne der - von alien befragten Autoren verabscheuten - Pretention zu verfallen, fiir alle (bisherigen und zukiinftigen) Anwendungen eine einzige, „allumfassende Theorie", die alle (denkbaren) handlungstheoretischen Pra-

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Vgl. Esser 2002, S. 145 Vgl. Scharpf 2002 Man sollte an dieser Stelle allerdings die Frage, in wie vielen Fallen ein vorgegebenes Modell angewendet werden kann, von der ganz anderen unterscheiden, in welchem Teilklassenverhaltnis die jeweils berucksichtigten Bedingungen und Effekte (bzw. die sie bezeichnenden Begriffe) stehen; Gehaltsvergleiche haben (logisch) nichts mit der erst genannten Frage zu tun. Da sich dieses Problem nicht nur fur die Modelle, sondern auch fur die jeweils unterlegte Handlungstheorie stellt, kann es zudem zu gegenlaufigen Beurteilungskriterien bzw. undurchsichtigen Optimierungen kommen. Man muss sich dann entscheiden, woran einem gelegen ist; ich wiirde in solchen Fallen Uwe Schimank (2002, S.174) folgen, der schreibt: „Die Soziologie ist letztlich nicht an Fallen, sondern an Modellen interessiert". Esser 2002, S. 144 Uwe Schimank (2006, S. 28) spricht zur Kennzeichnung dieser heuristischen Grundidee in Ubernahme eines Bezeichnungsvorschlags von Levi-Strauss - von der „bricolage" unterschiedlich miteinander kombinierter Mechanismen, fiir deren Handhabung es keine Regeln gibt. Vgl. Mayntz 1997, S. 339, Esser 2002, S. 146. Zum Beispiel ware die Theorie kollektiven Handelns in meinen Augen ein Kandidat far diese Vorgehensweise (vgl. Olson 1968, Marwell/Oliver 1993, Lichbach 1996) oder die Theorie der vertraglichen Steuerung von „Governance-Regimes" (vgl. Williamson 1990). Williamson (1996, S. 5) spricht sich eindeutig und unter Berufung auf Jon Elster dafiir aus, die dafiir benotigten Institutionen als „mechanisms" zu behandeln. Esser 2002, S. 145 Vgl. zu diesen Metaphem Schimank 2000, S. 333ff, Esser 2002, S. 145, 149; Lindenberg und Fararo sprechen zur Kennzeichnung der selben Idee von theoretischen „Bausteinen" und Renate Mayntz von (funktionsaquivalenten) „Modulen". In der Tat ist eine in diesem Sinne „einheitliche" Theorie- und Modellbildung alleine deshalb (logisch) unmoglich, weil jeder Erklarungsschritt Zusatzhypothesen benotigt, die nicht notwendig ihrerseits einem modelllogisch geordneten Argument entnommen werden konnen.

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missen und alle bekannten Modelle logisch zu enthalten hatte, vorschlagen zu miisIch flirchte allerdings, dass es - nicht zuletzt aus theoriepolitischen und normativen (oder moralischen) Erwagungen - sehr viel wahrscheinlicher ist, dass unterschiedliche Modelle, eben well man sich in der Kegel - uber die Paradigma- und Disziplingrenzen hinweg - nicht darauf einigen kann, welche Handlungs- und „Nutzenfunktionen" den Modellanalysen zu unterlegen sind^^^"^, unverbunden nebeneinander stehen bleiben, was den immer noch verbreiteten Eindruck vertieft und bestatigt, die Soziologie sei eine durch und durch „multiparadigmatische"^°^^ Veranstaltung. Parallel dazu bin ich auch ganz unsicher, ob auf dem beschriebenen Wege der lose gestaffelten Modellkombinatorik die - von Esser analysierte^^^^ Gefahr tatsachlich gebannt werden kann, dass die Spezialisten verschiedener, zumeist teilprofessionalisierter Anwendungsfelder - die sogenannten „BindestrichSoziologien" - trotz aller Vereinheitlichungsbemiihungen einer mechanismischen Erklarungspraxis am Ende doch dem Glauben verhaftet bleiben, es mit ebenso detailreichen wie undurchschaubaren Sonderverhaltnissen zu tun zu haben, deren unsystematisierbaren Aktualitaten die Suche nach einem eigenen „Ansatz" erforderten und rechtfertigten, womit sie allerdings nicht nur die „multiple Paradigmatase"^^^^ der Soziologie bestarken, sondern noch zusatzlich dazu beitragen, den erkenntnishinderlichen Gegensatz zwischen „Theorie" und „Empirie" bzw. zwischen „akademischer" und „praktischer" (oder „angewandter") Soziologie zu pflegen und fortzuschreiben. Zu guter Letzt mochte ich der - allerdings sehr vagen - Hoffnung nachgehen, dass sich im Windschatten der vereinheitlichten Heuristik eines mechanismischen Erklarungsprogramms auch eine veranderte Theorieauffassung durchsetzen konnte.

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Vgl. zu diesem Vorbehalt Scharpf 2000, S. 41, Esser 2002, Mayntz 2002, Schimank 2000. Welchen Integrationsgrad die Ansammlung verschiedener „Mustermodelle" besitzen kann, wiirde ich freilich gerne der empirischen Erfahrung uberlassen; niemand braucht sich wegen der offensichtlichen Modellvielfalt in seinem Bestreben behindert fiihlen, die einzelnen Modellierungsvorschlage als „idealisierende Modelle" zu betrachten und nach deren „hitherto unappreciated explanatory dependence" (Kitcher 1993, S. 126) zu suchen. Bestaunenswerte Fortschritte sind oftmals dort zu verbuchen, wo es gelingt, eine „Brucke" zwischen augenscheinlich ganz heterogenen Modellierungen zu finden (oder zu bauen) - es kann allerdings dauem, bis die Vertreter etwa des (okonomischen) „Paradigmas" bemerken, dass okonomische Entscheidungen nicht ausschliefilich nach Effektivitatsgesichtspunkten, sondern bisweilen auch nach (anderen) „kulturellen" Vorgaben gefallt werden, und man muss vielleicht sogar Nobelpreistrager sein, um solche (genau besehen nicht wirklich neuen) Einsichten - ohne sich (im eigenen Club) zu blamieren - aussprechen zu durfen, vgl. North 2005. Kitcher 1993 hat zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass derartige (moglicherweise) erkenntnishinderliche Reputationseffekte es lohnend erscheinen lassen, (auch einmal) liber die soziale Organisationsform des Wissenschaftsbetriebs und deren Auswirkungen auf die erwartbaren Forschungserfolge nachzudenken. Ich erspare es mir (und meinen Lesem), derartige theoriepolitischen Schaukampfe mit Beispielen zu belegen. Vgl. fiir diese Sichtweise Ritzer 1975 und Richter 2001 Vgl. Esser 2004, S.28ff Luhmann 1981,8.50

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die wenigstens einige der Streitpunkte moderiert, wenn nicht sogar bereinigt, unter denen die Methodologie der Sozialwissenschaften noch immer leidet. Das Problem, das Anlass zu dieser Uberlegung ist, lasst sich in der folgenden Weise umreifien: Solange die Soziologie - wie genau besehen jede andere theoretische Sozialwissenschaft - sich dem Auftrag gegenliber sah, ihr Erklarungsverstandnis an den Vorgaben des Hempel-Oppenheim-Modells zu schulen, musste sie die Unauffindbarkeit allgemeiner sozialer Gesetze als einen skandalosen, ja „identitatsgefahrdenden" Mangel empfinden. Die Reaktionen auf einen solchen krisenhaften Befund waren letztlich unausweichlich: Entweder hielt man weiterhin und ganz dogmatisch nach derartigen Gesetzen Ausschau, um sich - angesichts der Nebelhaftigkeit der Problemlage und der daraus resultierenden Vergeblichkeit jeder Suche nach „nomischen Verallgemeinerungen" - endlich mit dem Argument zufrieden zu geben, dass es wenigstens keinen Beweis gegen deren Existenz gebe^^^^, oder man verzichtete heroisch - auch gegen die eigene Forschungserfahrung gewendet - auf jeden Erklarungsanspruch, mit der Konsequenz, nurmehr „dichte Beschreibungen"^^^^, theorieunterbestimmte „Fallanalysen"^^^°, kontingente historische „Narrationen"^°^^ oder gar „prosaische Konstruktionen"^^^^ und theoretisch zumeist unterbelichtete oder induktiv iiberbelastete „Gesellschafts-" und „Zeitdiagnosen"^^^^ abliefern zu konnen. Kann ein mechanismisches Erklarungsprogramm diese - aus seiner Sicht gesehen - resignativen Reaktionen vermeiden? Ich bin mir dessen insoweit unsicher, als sich zumal seine (wissenschaftstheoretisch geschulten) Verteidiger und Sympathisanten - bislang wenigstens - in keiner Weise darauf haben einigen konnen, worin genau der Theoriecharakter mechanismischer Erklarungen besteht bzw. welche ihrer logischen Eigenschaften ihre Eigenheit als ein „theoriegeleitetes" Argument de-

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Vgl. Nagel 1961, S. 459ff, Mclntyre 1996. Sawyer 2001 flankiert diese Suche nach sozialen Gesetzen durch philosophische Hoffnungen, mochte vorsichtigerweise die Frage nach deren Existenz aber letztlich auf empirischem Wege entschieden wissen. Im ubrigen gilt: „mea culpa", vgl. Giesen/Schmid 1976. Vgl. Geertz (1973). Auf der anderen Seite hat Geertz 1978 trotz seiner Polemik gegen jede rationaltheoretische Mikrofundierung eine Analyse des marokkanischen Bazarsystems vorgelegt, die sich von den Modellen, wie sie z.B. die neuere Evolutions- und InstitutionenOkonomie benutzt, in keiner Weise unterscheidet. Im Gegensatz zur neoklassischen Okonomie untersucht er allerdings „Informationsasymmetrien" - aber das andert die Logik der Modellanalyse naturlich nicht. Vgl. Rueschemeyer 2003 Vgl. Olafson 1979, S. 133ff Vgl. White 1991 Vgl. ftir einen Uberblick Kneer/Nassehi/Schroer (Hrsg.) 1997, Schimank/Volkmann (Hrsg.) 2000, Volkmann/Schimank (Hrsg.) 2002. In alien diesen Fallen ist nicht von der Hand zu weisen, dass Einzelbefunde zu gesellschaftlichen Wesensbestimmungen „der" Gesellschaft hochstilisiert werden, womit Deutungskonkurrenzen in Szene gesetzt werden, deren unkontroUierbarer Verlauf durch die beschwichtigende Behauptung, solche „Gesellschaftsanalysen" verhielten sich „komplementar" zueinander, mit theoretischem Gewinn nur schwer zu steuern ist.

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finiert^^^^ und welche Rolle (in diesem Zusammenhang) der Vorstellung zukommt, dass theoretische Erklarungen „Kausalerklarungen" zu sein hatten^^^^. Auf unstrittige Antworten auf diese Fragen stoOt man jedenfalls auch dann nicht, wenn man einen Blick in die (neuere) Wissenschaftstheorie wirft^^^^: Zum einen Teil fmden wir Stimmen, die davon sprechen, dass „mechanismische Schemata" die „Rolle" von Theorien ubernehmen, die diese im Hempelmodell innehatten, ohne welche zu sein^^^^, womit freihch wenig Licht auf die Eigenart der mechanismischen Erklarungslogik fallt, wahrend andere den Begriff des „Mechanismus" benutzen, um mit seiner Hilfe jene „Faktoren" und „Beziehungsformen" (defmitorisch) zu kennzeichnen, denen sie (theorierelevante) Kausalwirkungen zuschreiben mochten^^^^; damit erhoffen sie sich eine Klarung des (durchweg undeutlichen) Kausalitatsbegriffs mit Hilfe dessen, was ein „Mechanismus" sein konnte, ohne zu bemerken, dass damit wenig gewonnen ist, solange man nicht weiB, inwiefern und mit welcher Begriindung Mechanismen als „Kausalmechanismen" verstanden werden durfen - klassischer kann man eine petitio principii nicht anlegen. Auf der anderen Seite mochte Bunge nur dort von „Mechanismen" reden, wo der von ihnen geschilderte Zusammenhang als „lawful" gilt^^^^, wobei seiner Meinung folgend in den Sozialwissenschaften der Verweis auf solche „Gesetzeshaftigkeiten" allerdings deshalb nicht hinreiche, um ein Phanomen zu erklaren, well „social facts ... not only law-abiding but also norm-abiding" seien^^^^; dass eine solche (im Letzten unabgeklarte) Unterscheidung zwischen „Gesetzma6igkeit" und „Normorientierung" die Konstruktion von Modellen „institutioneller" Mechanismen deutlich erschwert, wenn nicht verunmoglicht, dlirfte - solange Institutionen als normativ wirksame Regelsysteme betrachtet werden sollen - verstandlich sein^^°^ Diese und ahnlich 1094 1095

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Es fehlt eine (gemeinsame) Liste von Adaquatheitsbedingungen, wie sie seinerzeit Hempel fiir seine Erklarungstheorie vorgelegt hatte. Hempel 1965, S. 352 hatte auch andere Formen der Erklarung zugelassen, weil nicht alle Gesetze Kausalbeziehungen behandeln; seine zentrale (rein syntaktische) Explikation dessen, was ein „Gesetz" ausmacht, kommt sogar ohne Verweis auf Kausalitaten aus, vgl. Hempel 1965, S. 264ff. Diese Auffassung aber - folgt man Psillos 2002 - hat sich nicht durchgesetzt. Das gilt auch ftlr die „philosophy of science", die noch immer keine abschlieBenden oder auch nur „problemfreien" Antworten auf die Frage geben kann, in welchem Verhaltnis „Kausalitat", „Gesetze" und „Erklarungen" stehen, vgl. fiir den neueren Problemstand Psillos 2002. Bereits zur Hochzeit des Hempelschen Erklarungsmodells war es nie gelungen, den Gesetzesbegriff eindeutig zu explizieren, vgl. Stegmuller 1969, S. 90. Vgl. Machamer/Darden/Craver 2000, S. 16. Diese Position entfemt sich denkbar weit von der Idee, die auch mechanismische Erklarungsprogramme anleiten kOnnte, dass die Aufgabe von Theorien darin liege, der Forschung einen moglichst einheitlichen Rahmen mit Hilfe moglichst weniger „theoretical patterns" zu verschaffen, vgl. Kitcher 1989. Vgl. Glennan 1996 Vgl. Bunge 2004, S. 197 Bunge2004, S. 197 Wenn Bunge das normativ orientierte Handeln der Akteure nicht fiir „gesetzmaBig" halt, dann kann es keine handlungsnomologisch fiindierten Modelle iiber die Funktionsweise von Institutionen geben. „Lawfiil" konnen dann nur die sozialen Beziehungen selbst sein; weshalb aber empfiehlt Bunge, nur mikrofiindierenden, mechanismischen Erklarungen Vertrauen zu schenken, die davon ausgehen, dass es keine solchen Makrogesetze gibt?

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gelagerte Ungereimtheiten klaren auch neuere Bemiihungen nicht wirklich auf, Kausalitat auf die Falle zu beschranken, in denen angebbare Bedingungen das im Explanandum eines Erklarungsarguments beschriebene Phanomen (in einem wortlich, aber leider ausschlieBlich physikalisch gemeinten Sinne) „hervorbringen" bzw. „produzieren", solange die Wirkungsform und Wirkungsqualitat solcher „causal productions" nicht abschliefiend zu klaren sind^^^^, weil es auBerhalb der (physikalischen) Theorien, die man auf diese Weise auszeichnen mochte, keine eigenstandigen Hinweise darauf gibt, was „generische Kausalitat" heiBen kann^^^^; die Sozialwissenschaften konnen folglich - falls sie nicht das physikalistische „Unity of Science"-Programm von Carnap und seinen Nachfolgern erneuern mochten - aus dieser Bestimmung kaum etwas lernen. Andere hingegen konstatieren - was einige der Vertreter eines mechanismischen Erklarungsprogramms wie Raymond Boudon Oder Renate Mayntz keinesfalls gelten lassen mochten - , dass konkrete (oder singulare) historische Explananda einer Kausalanalyse nicht unterzogen werden konnen^ ^^"^5 was den Beobachter des gesellschaftlichen Geschehens auch deshalb auf „Erzahlungen" uber dessen Verlauf auszuweichen zwingt, weil ganz unsicher ist, ob und wenn ja, welche singularen Kausalaussagen dabei eine Rolle spielen^^^^ und in 1102

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Diese Idee der „causal production" findet sich in der Philosophic der Naturwissenschaft cbenso (vgl. Salmon 1998, S. 286) wie in der Philosophic der Sozialwisscnschaften (vgl. Little 1991, S. 13ff). Die Hauptschwierigkeit durfte darin liegen, die naturwisscnschaftliche Ontologie eines durch Encrgictransfer oder -emission initiierten Effekts auf die Wirkungsweisc von sozialen Strukturen und deren Verhaltnis zu Akteuren zu iibcrtragen. Ich bin unsicher, ob es eine Losung dieses Problems darstellt, wenn Bunge eine encrgctische und cine informationstheorctische „Kausalitat" untcrscheidet und beide Formen unverbunden nebeneinandcr stehen lasst, vgl. Bunge 1999, S. 27 (cine ahnliche Diffcrenzierung, die zu ahnlichen Frage Anlass gibt, fmdet sich auch bei Fararo, wenn er „kausalc" und „regclabhangige" Mechanismen untcrscheidet, ohne zur klaren, welche Auswirkungen diese Diffcrcnz fiir die Idee einer kausalen Handlungstheoric besitzt, die er offensichtlich im Auge hat). Im Rahmen meiner Uberlegungen ware es sinnvoU, die encrgctische Kausalitat der Handlungsmotivation und die informationstheorctische der Frage zuzuordnen, wie Akteure ihre Handlungssituation wahmchmen (oder „vcrarbeiten"). Dass es zwischen diesen beiden „Kausalstromcn" Zusammcnhangc gibt, untcrstellt ixQiMchjede Handlungstheoric. An dieser Stellc taucht (unvermcidlicherweisc) das seinerzeit von Sneed (1971) analysiertc Problem der t-Theoretizitat theorctischer Begriffe auf Es entstcht dort, wo (ontologisch ultimative, d.h. nicht weiter reduzicrbarc) Theorien ihre Konzepte in cigener Regie defmieren miissen, ohne auf theoricexteme Instanzen (oder - worauf Carnap, Feigl und andere „Empiristen" hofften - theoriefrcic Beobachtungen) zuruckgreifen zu konnen. Soziologen glauben schon langc nicht mehr an die Richtigkcit dieses „Zwcisprachenmodclls", machen sich aber oft der gegcnlaufigcm Ubcrtrcibung schuldig, jeden Bcgriff fiir einen „konstruktiv-thcoretischcn" zu halten, was vor allem dann zu Bedenken Anlass bietet, wenn man den Tatbestand, dass Begriffe „gcbildct" (oder „konstruiert") werden, damit gleichsctzt, dass sich mit ihrer Hilfc nichts (uber die Rcalitat) „behaupten" licBc; gcgen diese (und andere skeptische) Annahmen wendet sich zu Recht Biihlcr 1987. Vgl. Tilly 1995 Die zcntrale Schwicrigkeit derartiger singularer Kausalurteile besteht darin, dass man ohne Rekurs auf allgcmeine GesetzmaBigkeiten (einzclnc) Ursachen nicht idcntifiziercn kann (vgl. Rescher 1970, S. 123ff, Psillos 2002, S. 57ff, besondcrs S. 70). Die historische Soziologie leidet unter diesem Mangel ebenso wie Versuche der „kausalen Rekonstruktion" (cinmaligcr oder scltencr) Strukturkonstellationcn. In Ignoranz dieser Tatsache resulticrcn biswcilcn endlose Strcitereien um die „richtigc Erklarung" makroskopischcr Phanomene; man

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wie weit die geschilderte Ereignisabfolge nicht auch anders hatte „rekonstruiert" werden konnen^^^^. Dahinter steht die doppelte Befiirchtung, die ich in der Tat teile, dass aus singularen Kausalannahmen allgemeine Gesetze zu synthetisieren grundsatzlich (d.h. aus inhaltlichen wie aus „logischen" Griinden) nicht moglich ist, wie wenig man ohne allgemeine Gesetze wissen kann, welche Ereignisse oder Prozesse als Wirkursachen (und deren Effekte) gelten sollen^^^^. Und mit einiger Konsequenz vermuten angesichts der augenscheinlichen Fragwiirdigkeiten solcher Begriffsbestimmungen wieder andere - in „konventionalistischer Wende"^^^^, wenn man so will -, dass auf „Mechanismen" rekurrierende Argumente gar keine kausaltheoretischen Satze enthalten, sondern allgemeine „Beschreibungen" der Regeln darstellen, „that govern the production of the dependent variable"^ ^^^, womit sie allerdings in die Gefahr geraten, Theorien (oder deren Gesetze) als „Ableitungslizenzen" (bzw. „SchluB-Fahrkarten"^^^^) fur Explananda zu betrachten, mit denen in letzter Instanz keinerlei realistischer Erkenntnisanspruch zu verbinden moglich ist. Angesichts der augenscheinlichen Ungeklartheit dessen, was als „Kausalitat" bzw. als eine „Kausalaussage" gelten kann^^^\ bzw. der (anti-realistischen) „Ne-

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erinnere sich nur an die Dauerdebatten um die (kausalen) Entstehungsbedingungen des Kapitalismus (Marx, Sombart, Weber), des „Absolutismus" (Anderson), des „world systems" (Wallerstein) oder von Revolutionen (Scokpol). Der von Davidson (1985 S. 214ff) konzedierte Ausweg, man konne singulare Kausalbehauptungen solange verteidigen, als man auch ohne abschlieBenden Beleg - unterstellen diirfe, dass es ein entsprechendes Gesetz gabe, aus dem sie abgeleitet werden konnen, hilft dann wenig weiter, wenn man solche Gesetze (aus prinzipiellen Griinden) nicht zu kennen glaubt. Und auch der Versuch, singulare Kausalunterstellungen mit Hilfe sogenannter „counterfactuals" abzusichern, muss scheitern, solange sich der Verdacht nicht beruhigt, dass man zur Beurteilung deren Wahrheit auf Gesetzmafiigkeiten nicht verzichten kann (Will 1947, S. 248 - der Ausgang der Debatte war letztlich unbefriedigend, vgl. Schneider 1952, Sosa 1975, S. 14). Auch in diesem Fall untergrabt das Nichtvorhandensein von Gesetzen jede Moglichkeit, singulare Kausalbehauptungen als solche zu testen. Induktiv-statistische bzw. EinzelfaUtests derartiger Behauptungen konnen naturlich mit Hilfe der Uberpriifung ihrer logischen Implikate vorgenommen werden (vgl. fiir eine verallgemeinerungsfahige Darstellung entsprechender „Tests" Mantzavinos 2006, S. lOlff); aber ihr Kausalcharakter lasst sich auf diesem Weg nicht beurteilen (vgl. fur diesen Problembereich Psillos 2002, S. 81ff). Vgl. Gallic 1964, White 1965, S. 219ff Leider hat sich nicht klaren lassen, ob und in welchem erklarungsrelevanten Sinne historischen Narrationen „Gesetze" zugrunde liegen (miissen); White vermutet es, fur Gallic bleiben „causal generalisations" allenfalls im Hintergrund von „Erzahlungen", deren Gelingen nach anderen Gesichtspunkten zu beurteilen ist als diese „kausalen Verallgemeinerungen" selbst. Vgl. zu diesen Fragen Psillos 2002, S. 57ff und passim Vgl. fiir diese Form des Antirealismus Popper 1979, S. 175ff Rios 2004, S. 76; auch Meleghy 2004, S. 148 vermutet, dass Mechanismusbeschreibungen, die man (uberdies) ohne erklarenden Bezug auf menschliches Handeln erfassen kann, „ohne empirischen Gehalt" seien. Vgl. dazu Ryle 1969, S. 159ff Ich fiirchte, dass uns die philosophische Debatte vor die folgende Alternative stellt: Entweder stellen Kausalannahmen nicht mehr dar als meta-theoretische Hinweise auf das Leistungsprofil unseres theoretischen Wissens (vgl. Ludwig 2002), oder wir mussen akzeptieren, dass singulare Kausalsatze „nichts anderes sind als rudimentare Erklarungen" (Posch 1981, S. 16), auch ohne im Einzelfall angeben zu konnen, wie die entsprechenden Erklarungsargumente genau lauten. Beide Positionen laufen zusammen, wenn man sich auf die vielfach

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bentone", die mit manchem der Explikationsversuche verbunden sind, aber auch mit Blick auf die Tatsache, dass sich die von Hempel in Aussicht gestellte Identifikation von „Gesetzen", „Verallgemeinerungen" und „Theorien" offensichtlich nicht hat halten und durchsetzen lassen^^^^, sehe ich in der Tat keine Moglichkeit einer abschlieBenden oder gar zu neuen Einsichten gelangenden Klarung der fraglichen Begriffe. Ich mochte stattdessen zur Losung der Frage, welchen (erklarungslogischen) Status theoretische Aussagen im Rahmen mechanismischer Erklarungsargumente besitzen und worin der Kausalcharakter des mit ihrer Hilfe erklarten Kollektivgeschehens liegen kann, einen Vorschlag aufgreifen, der sich bei Lindenberg angedeutet und bei Little und Esser ausgesprochen fmdet^^^^, die gegeniiber den (im letzten Absatz) zu Wort gekommenen Philosophen den Vorteil haben, (aus eigener Kenntnis der sozialwissenschaftHchen Modellierungstechnik) die Besonderheiten berucksichtigen zu konnen, die mit dem Anspruch des mechanismischen Forschungsprogramms verbunden sind, eine akzeptable (sozialwissenschaftliche) Erklarungsalternative (zu den Hempelschen Vorschlagen) vorgelegt zu haben. Die Uberlegungen dieser Autoren gehen - wie erinnerlich - von der Tatsache aus, dass mechanismische Erklarungen „komplexe", aus zumindest zwei, wenn nicht drei oder mehr einzelnen Schritten zusammengesetzte Mehrebenenerklarungen darstellen. Das ermoglicht „Theorien" (bzw. Gesetze) im iiberkommenen (Hempelschen) Sinne^^^"^ dort zu lokalisieren, wo an die nomologische Erklarung individuellen Handelns (bzw. einzelner Handlungsereignisse) gedacht wird, wobei zwischen der „core theory" (des individuellen Handelns)^ ^^^ bzw. dem handlungstheoretischen „nomologischen Kern"^^^^ einer mechanismischen Erklarung und den Aussagen tiber deren strukturellen oder situativen Anwendungs- und Randbedingungen, die als solche (vermutlich) nicht theoriefahig, in keinem Fall aber (alleine) aus der betreffenden Theorie ableitbar sind, nachdrticklich zu unterscheiden ist^^^^. Ich glaube zwar - wegen der in die gleiche Richtung weisenden Einwande gegen induktive und empirizistische Verfahren - nicht daran, wie manche Anhanger der Hempelschen Erklarungslogik es noch immer zu tun pflegen, dass diese handlungstheoretischen „Gesetze" aus Verallgemeinerungen singularer Beobachtungen (des menschlichen Verhaltens) gewonnen werden konnen, wie wenig ich unterstelle.

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- etwa auch von Fararo - verteidigte metaphysische These einigt, dass es eine erkenntnisunabhangige „causal order of the world" gebe (Psillos 2002, S. 292f). Bedauerlicherweise helfen solche Spekulationen nicht (wirklich) bei der Beantwortung der Frage, welche logische Struktur sozialwissenschaftliche Erklarungsargumente haben konnen (oder miissen). Vgl. vor allem Cartwright 1983, Cartwright 1999. Ich unterschreibe mit dieser Anmerkung selbstverstandlich nicht alle Folgerungen, die Cartwright mit ihrer Kritik am Hempelianismus verbindet. Vgl. Lindenberg 1977, Lindenberg 1992, Little 1991, S. 13ff, Esser 1993, S. 91ff Vgl. Esser 1993, S. 40 Wie erwahnt halt sich Lindenberg an die RREEMM-Theorie (Lindenberg 1992, S. 8f, Lindenberg 2001a), wahrend Esser (zunachst) eine Werterwartungstheorie bevorzugte (vgl. Esser 1991), die er mittlerweile zur Theorie der Frame-Selection ausbaut. Esser 1993, S. 95, Esser 2004, S. 37 Vgl. Lindenberg 1992, S. 6ff, Esser 1993, S. 39ff

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dass sie in Form von Wenn-Dann-Aussagen axiomatisiert werden mtissen^^^^. Unstrittig ist hingegen, dass sie die „sozial-psychologischen Vorgange bei den involvierten Akteuren" erfassen sollten, die sich auf das „Lernen, Verhalten und Handeln beziehen und ihre jeweilige ,Logik der Selektion' bestimmen"^^^^ - und damit auf den allgemeinen Algorithmus ihres (situationsgebundenen) Entscheidens^^^^. In meiner Lesart impliziert dies, dass erklarungstaugliche Handlungsgesetze die individuellen Entscheidungskapazitdten^^^^ der Akteure benennen (oder doch implizieren oder voraussetzen) mussen, die in deren sozio-biologischer Evolution begriindet sind^^^^, und die unabhangig davon, in welchen Situationen sie von ihren Fahigkeiten welchen Gebrauch machen, alien Menschen (mit individuellen Abstrichen und Varianzen) als eine gemeinsame Ausstattung zugeschrieben werden konnen^^^^. Bei dem Versuch, das aufeinander bezogene (oder - wie Esser sagt - „strukturell verbundene") Handeln derart ausgestatteter Akteure und dessen kollektive Folgen und externe Effekte zu erklaren, haben wir aus genau dem Grund, dass Akteure angesichts hochst variabler Umstande und vor dem Hintergrund veranderlicher Uberzeugungen und Einstellungen wahlen (oder entscheiden mussen), welcher Handlungsalternative sie den Zuschlag geben, in der Tat bislang keine allgemeinen sozialstrukturellen Gesetze „sui generis"^ ^^"^ gefunden^^^^; glucklicherweise benotigen wir sie auch nicht, um soziologische Erklarungen zu entwerfen. Es reicht hin, wenn wir zu diesem Zweck „Mechanismen" konstruieren oder modellieren, mit deren Hilfe wir - (zunachst) vollig unabhangig von dessen ontologischen Qualitaten^^^^ 1118 1119 1120 1121 1122

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Vgl. Schmid 2006, Schmid 2006a Esser 2002, S. 148 Das jedenfalls war die Grundidee in Schmid 1979. Fararo halt sich verschiedentlich an Newell/Simon 1972 (vgl. Fararo 1989), andere der hier behandelten Autoren Ziehen es vor, diese Frage offen zu lassen. Vgl. dazu Secord 1986, S. 200ff, 213ff, Schmid 2005 Ich habe deshalb auch keine Einwande, wenn man sich daran macht, die sozio-biologischen (vgl. Lopreato/Crippen 1999, Meyer 2000, Sanderson 2001 und als Gegengewicht Kitcher 1985) oder neurologischen „Grundlagen" des menschlichen Entscheidens und Handelns zu erforschen (vgl. Spitzer 2000, Mantzavinos 2006), zumal der „Gleichklang" von soziobiologischen und entscheidungstheoretischen Erklarungen immer betont wurde (vgl. Wickler/Seibt 1977, Lopreato 1984 u.v.a.), wiirde aber „sozialwissenschaftliche" Erklarungen, die Auskunft uber die Varianz von Beziehungsverhaltnissen geben sollen, nicht damit beginnen, zuerst die biophysischen Voraussetzungen des (sozial induzierten) Entscheidens zu erklaren. Man erfahrt auf diesem Weg buchstablich nichts Uber „soziale Verhaltnisse"; das sollten auch Neurophysiologen beachten, wenn sie sich - aus welchen Grunden auch immer - an ein sozialwissenschaftlich interessiertes Publikum wenden. Vgl. Fararo 1989, S. 204f, 357, Esser 1993, S. 141ff. Es ist klar, dass diese These eine „Idealisierung" darstellt, die die „neurosciences", die Psychopathologie und andere Spezialdisziplinen mit ahnlich gelagerten Fragestellungen gelegentlich auflosen sollten, vgl. dazu beispielsweise Damasio 1995. Wichtig ist mir nur, dass sie ein erhellendes Licht auf die bereits oben verteidigte Absicht wirft, Theorien der intentionalen Zweckrationalitat zum Kern- und Ausgangspunkt handlungstheoretischer Systematisierungs- und Integrationsbemuhungen zu machen. Esser 2002, S. 148 Vgl. Buchanan 1995 Man kann deshalb nur zufallig damit rechnen, solche Mechanismen identifizieren zu konnen, wenn man Theorien vergleichend danach absucht, welche „Grundkategorien des Sozia-

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einen hypothetischen Zusammenhang zwischen den Handlungen der Akteure herstellen, in deren faktischem Gefolge Struktur- oder Kollektiveffekte bestimmter Art zu erwarten sind. Das heiBt, dass die Art der Beziehung und deren Folgen zwar im nomologisch erklarbaren Handeln der einzelnen Akteure „fundiert" sind, sie ihre Existenz mithin den „causal powers"^^^^ motivierter individueller Wahlhandlungen einzelner Akteure verdanken, es aber (kausale) „Naturgesetze" liber derartige Beziehungen, deren Verlauf und Umgestaltung sowenig gibt wie „Naturgesetze" iiber die eventuellen Kollektivfolgen ihres Abstimmungshandelns (und deren Verknupftingen und Gemengelagen), weshalb es durchweg offen bleiben muss, in welchem abschlieBenden Sinn wir Recht und Anlass haben, die genannten („transindividuellen") Zusammenhange als „kausale" oder „gesetzmaBige" zu verstehen. Ich wiirde deshalb (in Konsequenz der bisherigen tJberlegung) vorschlagen, solche Mechanismen nur in dem Umfang als „kausale Mechanismen" zu kennzeichnen, in dem gemeint ist, dass ihnen HandlungsgesetzmaBigkeiten zugrunde liegen^^'^^, d.h. (Modellaussagen iiber die Funktionsweise und Folgen von) Mechanismen „enthalten" (oder „erwahnen") demnach Gesetze, beschreiben aber kein „gesetzmaBiges" Geschehen; es gilt demnach allenfalls wie Little formuliert: „Social causation always and unavoidably works through structured individual action, and causal relations among social phenomena can only be established through analysis of the latter"^ ^^^, wobei derartige Mechanismen nur insoweit „natural causal devices" darstellen, als sie (direkt iiber ihre Funktionsweise oder indirekt iiber ihre Kollektivfolgen) darauf

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len" sie benutzen, wie dies gelegentlich vorgeschlagen wird, vgl. Greshoff 1999. In diesem Zusammenhang muss ich anmerken, dass ich von ontologischen Bestimmungen, die ohne Riickgriff auf entwickelte Theorien auskommen wollen - wozu auch Vertreter des sogenannten „kritischen Realismus" neigen -, wenig halte; statt dessen mochte ich der Quineschen These Glauben schenken, derzufolge unsere Annahmen dariiber, was es gibt, logische Implikate unserer Theorien fur den Fall sind, dass diese wahr sein sollten, vgl. Quine 1961, S. 13f. Infolge dieser Feststellung muss ich auch jeden Versuch als gescheitert einstufen, das „Mikro-Makro-Pro-blem" ohne Hinweise auf eine Theorie losen zu wollen, die die verschiedenen „Ebenen" miteinander (faktisch) verbindet. Dies ist auch das Ergebnis einer Problemiibersicht, die sich bei Wiley 1988 fmdet, der aber den Vorschlag, eine solche „levels theory" (Wiley 1988, S. 259) auf der Basis von Emergenzmechanismen und deren Riickwirkungen zu modellieren, noch nicht aufgegriffen hatte. Vgl. Harre/Madden 1975 Vgl. Little 1991, S. 15f In ahnlicher Weise argumentiert Bhaskar 1975, wenn er „generative mechanisms", „laws" und „causal agency" durch wechselseitige Verweise bestimmt. Little 1991, S. 197. Ich erkenne freilich nicht, ob dies ein ontologisches oder ein epistemologisches Argument darstellt; ersteres ware mir lieber, weil ich mit Lloyd 1993, S. 43 geme zwischen den divergierenden Qualitaten der „structuring power" (der Agenten) und der „constraining power" (von Strukturen) unterscheiden wiirde; fur eine gleichgelagerte Unterscheidung pladiert Layder 1981, S. 93ff. Implikation meiner Auffassung sollte dann sein, dass es - anders als Mahoney 2003 meint - keine „kausalen Agenten" auf der System- oder Organisationsebene geben kann. Gegenlaufige Festlegungen verdanken sich - wie bereits angedeutet - der (zumeist fiktiven) Moglichkeit, eine (homogene) „institutionelle Nutzenfunktion" zu identifizieren.

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hinwirken, dass sich die entscheidungsrelevanten psychischen Eigenheiten der sie tragenden Akteure erneut einstellen (oder aber verandern)^^^^. Dieser Vorschlag impliziert zweierlei: Zum einen miissen wir offenbar die durch die Theorie des individuellen Handelns identifizierten „Wirkursachen" des Systemgeschehens von den situativ vorgegebenen „opportunities and constraints"^ ^^^ bzw. von jenem „Netz der einander uberkreuzenden Zwange" und dem „Raum von Moglichkeiten"^^^^, unter deren Einfluss die Akteure ihre Entscheidungen vorzunehmen haben, nachhaltig unterscheiden; damit ist zum anderen (aber) auch zum Ausdruck gebracht, dass (neben der bio-psychischen Binnenausstattung der Akteure, die ich als die konstant gesetzte Grundlage ihrer Entscheidungsfahigkeit betrachte und entsprechend beiseite lasse) die situativen Umstande und Opportunitatsstrukturen und die aufgrund des interaktiven bzw. interdependenten Handelns der Akteure entstehenden Zusammenhange in diesem Sinne (nachgerade) keine (aktiven oder „generierenden") Ursachen, sondern allenfalls (ihrerseits sicher in Bezug auf bestimmte ihrer „materiellen" Aspekte selbstverstandlich: „naturgesetzlich" geordnete) „Restriktionen" flir ihre Handlungsdurchfuhrung und damit flir ihren Handlungserfolg darstellen^^^^. Selbstredend ist es nicht verboten, die daraus resultierenden kanalisierenden Effekte auf die Handlungsgestaltung der Akteure (desgleichen) als (eine) deren „Ursachen" zu verstehen^^^"^; man muss nur sehen, dass damit eine „Wirkungsweise" gemeint ist, die mit der „Bewegungsenergie"

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Vgl. Mellor 1982, S. 69. Auch dieser Autor pladiert fur die Existenz sozialer Gesetze, die er allerdings auf psychologische Theorien reduziert sehen mochte. Da er aber nicht angibt, welche „Gesetze" er im Auge hat, kann man wenig zu seinem Programm sagen; ich greife aber gerne seinen Vorschlag auf, die Eigenschaften von Gruppen als ein Resultat des (nutzentheoretisch interpretierten) Handelns der Akteure zu deuten und vorzusehen, dass diese Eigenschaften wiederum auf „actions and attitudes" der Akteure zuriickwirken (vgl. Mellor 1982, S. 66). So die Unterscheidung bei Blau 1994, S. 8ff Bourdieu 1998, S. 52, 55 In diesem Sinne bezeichnet sie Little als „weak causal powers", vgl. Little 1998, S. 146. Ich hoffe darauf, dass sich diese Unterscheidung von „schwachen" und „starken" Kausalkraften mit der von Lloyd diskutierten Trennlinie zwischen der „structuring power" (der Agenten) und der „constraining power" (von Strukturen), die ich fiir sinnvoll(er) halte, zur Deckung bringen lasst. In meinen Augen verbucht Lloyd (gegeniiber Little) den Vorteil, seine Unterscheidung nicht mit der Frage zu belasten, was sie mit „Kausalitat" zu tun hat. Die Behauptung, auch die Sozialwissenschaften kennten Formen der „downward causation", mit dem Hinweis auf die Tatsache zu rechtfertigen, diese verdanke sich der Wirkung von eigenstandigen oder autonomen sozialen Gesetzen (vgl. zusammenfassend Sawyer 2002), konnte nur dann zutreffen, wenn es solche Gesetze gibt. Da die Befiirworter mechanismischer Erklarungen diese These nicht teilen, sind sie dazu angehalten, sich den Kausaleinfluss von Strukturen als unmittelbar wirksame, materiale Handlungshindemisse (bzw. „Handlungsfordemisse") und/oder vermittelt uber die Wahrnehmungsleistungen bzw. die Prozesse der Erwartungs- und Zielbildung der einzelnen Akteure vorzustellen oder aber wozu vor allem Phanomenologen neigen - die Eigenmachtigkeit extemer Handlungsumstande ganzlich zu leugnen (oder doch zu vemachlassigen). Letzteres fallt vor allem jenen leicht, die - wie Hayek 1955 - glauben, dass soziale Verteilungsstrukturen allenfalls in den Vorstellungen (den „representations") der Akteure existieren und insoweit als Epiphanomene einzustufen sind.

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(bzw. den „causal powers") motivierter Akteure (in letzter Instanz) niclits zu tun hat^^^l Ich betone dies mit einigem Nachdruck, weil sich (sogenannte) „Strukturtheorien", die die makroskopischen Kausalitaten zwischen Verteilungs- oder Strukturmerkmalen ohne Rekurs auf die Handlungen von Akteuren behaupten und bestimmen mochten, (noch immer) nicht damit abfmden wollen, dass ihre Erklarungen auch dann unvoUstandig und damit falsch sind, wenn unleugbar ist, dass es Situationskonstellationen gibt, die den Entscheidungen der Akteure wenig Spielraum belassen und ihr erwartbares Scheitern einen aus den Struktur- bzw. Verteilungsdaten heraus berechenbaren probabilistischen Wert annimmt^^^^, wie wenig bestritten werden muss, dass Falle auftreten konnen, in denen man sich die Erklarungsaufgabe dadurch erleichtern kann, dass man die Handlungsgrtinde der Akteure konstant (und damit gleichsam vor die Klammer der interessierenden Struktur- oder Funktionsgleichung) setzt (und entsprechend „ausblenden" darf), um daraufhin die Einfliisse und Pragewirkung ihrer Restriktionen auf ihr Entscheidungsverhalten um so deutlich verfolgen zu konnen^ ^^^, ohne zugleich die Frage beantworten zu wollen, wie diese strukturellen Restriktionen aus dem Handeln der Akteure ihrerseits „entstehen"^^^^. Trotz dieser Zugestandnisse halte ich es indessen flir geboten, die Suche nach „strukturellen Parametern"^^^^ und deren Auswirkungen auf das Organisationsgeschick der Akteure nicht mit der Auffassung zu belasten, dass man deren Einfluss unabhangig von den entscheidungsgesteuerten Handlungen der Akteure auch nur identifizieren konnte. Vor allem aber muss man beachten, dass sie keine „generischen Ursachen" - etwa im Sinne des (anfanglichen) Bungeschen Kausalverstandnisses - benennen, was alleine die Ausarbeitung einer eigenstandigen, sie 1135

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Ich wiirde zur Entwirrung des obwaltenden Kausalitatsverstandnisses geme die in der Theorie dynamischer Systeme benutzte Unterscheidung zwischen einem bewegungsverursachenden „Potenziar' und der „Topologie", innerhalb derer sich die betreffende Trajektorie des Systemgeschehens bewegt, fur die sozialwissenschaftliche Theoriebildung fruchtbar machen; vgl. fiir die Unterscheidung zwischen „Potenzgesetzen" und ihren jeweiligen „Landschaften" Kauffman 1996. Vgl. Blau 1994, S. 8f. Vgl. Blau 1970, S. 338 Vgl. Blau 1994, S. 7 u.a. Wenn diese Thesen richtig sind, kann nicht zutreffen, dass die Erklarung eines sozialen Explanandums (regelmaBig) ohne Berucksichtigung individueller Pramissen, alleine aus den Randbedingungen und der „Logik der Situation" bzw. den diese Logik beschreibenden Mechanismen erfolgen kann - wie Tamas Meleghy (2004) meint; vielmehr kann die Rationaltheorie entdecken helfen, dass diese These nur dann gilt, wenn die Griinde des Handelns durch diese Logik der Situation und d.h. ihre entscheidungswirksamen Eigenheiten eindeutig festgelegt sind. Freilich rechnet die Rationaltheorie mit solchen Eindeutigkeiten selbst dann nicht, wenn man sie zu Recht als falsch einstuft bzw. wenn man vermuten darf, dass sie dort nicht angewendet werden kann, wo dem Handeln der Akteure (tatsachlich) keine Entscheidungen, sondern uniiberlegten „Reaktionen", unbewusste Dispositionen oder ein „Habitus" zu Grunde liegen kOnnen. Dass sich die Verteidiger solcher Thesen davon tiberzeugen lassen, dass man derartige Handlungsprogramme moglicherweise mit einer (subkutanen und sehr rasch getroffenen) Entscheidung daniber identifizieren kann, sich nicht (neuerlich) zu entscheiden (vgl. zu dieser Deutung Esser 1991, S. 20, 25, 66), glaube ich nicht. Vgl. Blau 1976, Blau 1977, Blau 1994

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reprasentierenden (Kausal-)Theorie (struktureller Verhaltnisse) bzw. die Behauptung, (eigenmachtige) „strukturelle Gesetze" ausfindig gemacht zu haben, rechtfertigen konnte^^"^^; auf der anderen Seite benotigen wir derartige Strukturparameter nattirlich mit einiger Dringlichkeit, um im Rahmen unserer Bemlihungen um die Konstruktion von „Strukturmodellen" - wie sie Hartmut Esser und Renate Mayntz im Anschluss an Boudon nennen - vor allem die Randbedingungen (und niclit nur die deduktionserforderlichen Anwendungsbedingungen) der verwendeten Handlungstheorie festzulegen, die als eine Theorie tiber die (bio-psychischen) Bedingungen und mentalen Prozesse des menschliclien Entscheidungsverhaltens keinerlei Informationen daruber bereit halt, wann die Akteure mit welchen Arten struktureller Beschrankungen und Moglichkeiten rechnen mtlssen und welche (rtickwirkend handlungsbestimmenden) Folgen ihr Handeln nach sich zieht, denen sie daraufhin gerecht werden mtissen. Mit anderen Worten: Das theoretische Wissen der Sozialwissenschaften bleibt auf die Kenntnis von (individuellen) Handlungsgesetzen beschrankt^^"^^; diese aber miissen wir kennen, um mit ihrer Hilfe die Varianzen und Vielgestaltigkeiten der empirisch zu konstatierenden sozialen Beziehungsformen und deren Folgen in der oben geschilderten Weise zu modellieren und dadurch (und unvermeidlicherweise: indirekt und mikrofundierend) zu erklaren^^"^^. Es gilt demnach, was ich als das "Credo" der (mit Hilfe einer ausgearbeiteten Handlungstheorie) mikrofundierend erklarenden Sozialwissenschaften (und damit a fortiori der erklarenden Soziologie) bezeichnen mochte: "Explanations of social phenomena are unsatisfactory unless they identify the micro-process through which explanandum and explanans are linked together"^ ^"^^j was (zugleich) notwendigerweise impliziert, „that social explanations require microfoundations"^^"^"^. Ich denke, dass die damit formulierte Forderung nach einer (unabdingbaren) handlungstheoretisch mikrofundieren Erkldrung auch ein erhellendes Licht auf die Frage werfen kann, ob diese mechanismisch organisierten Mikroprozesse ihre kol1140

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Dass man derartige „strukturelle Zusammenhange" formal darstellen und sogar axiomatisieren kann, besagt nicht, dass wir eine „Theorie" im hier verteidigten Sinne vor uns haben, wie Peter Blau zu glauben scheint. Jede Theorie lasst sich axiomatisieren, aber nicht jede Axiomatisierung ist eine Theorie. Ich bin auch unsicher, ob etwaige „mathematical regularities" (Kluver 2000, S. 80) in diesem Feld als ein hinreichendes Anzeichen fiir (das Vorhandensein) von (theoriefahigen) „social universals" (Kluver 2000, S. 257) gelten konnen. In keinem Fall geben (auch gelungene) Formalmodelle daruber Aufschluss, wo man Kausalitaten vermuten sollte. Umgekehrt kann man naturlich vorhandene (formal-mathematische) Modellierungstechniken dazu (heuristisch) nutzen, modellierbare Zusammenhange zu fmden, vgl. zu diesem Vorschlag Mtiller-Benedict 2000. Deshalb bleibt es richtig, dass, sofern es um die Erklarung einzelner Handlungsereignisse individueller Akteure geht, diese Handlungsgesetze als „covering laws" entsprechender Erklarungsargumente dienen konnen, vgl. Murphey 1994, S. 169. Der „fruhe" Lindenberg, Renate Mayntz und zumal Hartmut Esser, sicher aber auch Fararo und Boudon werden dieser Lageeinschatzung (wahrscheinlich) zustimmen. Vielleicht ware es, um die Logik dieses Schritts im Auge zu behalten, sinnvoll, zwischen „kausalen Handlungserklarungen" und „handlungstheoretisch fundierten Modellerklarungen" zu unterscheiden. Little 1998, S. 12 Little 1991, S. 181, vgl. auch Little 1998, S. 12f

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lektiven Effekte auf einem „kausal" zu nennenden Weg hervorbringen. Diejenigen, die an eine logische Losung des Aggregations- bzw. Transformationsproblems (mit Hilfe partieller Defmitionen oder analytischer Implikationen) glauben - wie Lindenberg und (teilweise auch) Esser - , gehen dieser Frage tatsachlich, ohne eine handlungstheoretisch einsichtige Alternative vorzuschlagen, aus dem Weg^^"^^, wahrend jene, die von kollektiven Effekten als „Kausaleffekten" sprechen, dies tun, ohne eine (liber die Handlungstheorie hinausreichende, eigenstandige und wie ich denke, in der Tat nicht-existente) nomologische Theorie iiber die Wirkungsweise solcher Mechanismen und die Strukturfolgen des gemeinsamen Handelns angeben zu konnen, was wiederum zu den oben geschilderten Schwierigkeiten fiihrt, „Ursachen" und „Wirkungen" eindeutig zu identifizieren und einander zuzuordnen. Fiir dieses Dilemma eine abstrakt-philosophische Losung fmden zu konnen, halte ich fiir aussichtslos^^"^^. Ich denke aber, dass im Rahmen mechanismischer, und d.h. (notwendigerweise) handlungstheoretisch fundierter Erklarungen die Generierung koUektiver Effekte nur dann als gelungen angesehen werden kann, wenn ein betreffendes Erklarungsargument gezeigt hat oder im Prinzip und d.h. auch mit Hilfe letztlich elliptischer Argumente wenigstens andeuten kann^^"^^, dass und wie handlungsleitende Regeln - und d.h. die verteilten Rechte und Pflichten (oder „Normen"), an denen die Akteure ihr Handeln ausrichten - bzw. regelbasierte Institutionen, die unterschiedlichen Verhaltensabstimmungsmechanismen zugrunde liegen, bestimmte Verteilungsfolgen de facto haben oder hervorbringen^ ^'^^. Dass diese 1145

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Ich fiirchte, dass sie sich das Problem nicht angemessen stellen; es kann ja keine Frage sein, dass (auch) Aggregationsargumente, sofern sie - wie Little und andere fordern - Erklarungen darstellen, erlauben mtissen, das Explanandum logisch aus dem Explanans abzuleiten; das aber muss weder heiBen, dass „Transformationsregeln" einen analytischen Charakter haben, noch dass sie explanatorisch relevante Pramissen eines (Erklarungs-)Arguments darstellen - wie Lindenberg 1977, S. 65 behauptete. Zur Erlauterung: Es ist sicher richtig, dass eine parlamentarischen Sitzverteilung sich den Regeln des jeweils geltenden Wahlsystems folgend errechnet (vgl. Esser 2000, S. 22); handlungstheoretisch erkldrt wird diese Verteilung aber sicher nicht vermittels der logischen Implikationseigenschaft von (rechnerischen) Wahl- und Sitzverteilungsregeln, sondem durch den Hinweis darauf, dass bestimmte Akteure (aus welchen Grunen auch immer) akzeptieren, dass Wahlen und die daraufhin vorzusehende Sitzverteilung nach einem bestimmten Reglement stattfinden, und daruber hinaus bereit sind, die Ergebnisse dieser Regelbefolgung nicht in Frage zu stellen. Die logischen Eigenschaften von Regulationen stellen (hingegen) Parameter der betreffenden Handlungssituation dar, fur die es keine handlungstheoretische Erklarung geben kann. Damit ist selbstverstandlich nicht auszuschlieBen, dass sich Akteure fur ein Wahlsystem entscheiden, weil sie wissen, dass die betreffenden Regeln bestimmte logische Implikationen haben - damit aber andert man das Explanandum. Gert Albert (2005) hat einen weiteren, mit meinen Uberlegungen verbindbaren Mangel der Auffassung identifiziert, dass Transformationsregeln einen analytischen Charakter besaBen, wenn er darauf hinweist, dass unter einem solchen Umstand die „Effekte" des kollektiven Handelns keine Emergenzeigenschaften aufweisen konnen. Jedenfalls hat die seit Jahrhunderten gefiihrte Debatte um diese Fragen bislang keine abschlieBende Antwort gefunden, vgl. die immer noch aufschlussreichen Monographien von Burtt 1949 und Buchdahl 1969. Vgl. fur diese Konzession Hempel 1965, S. 236f u.a. Ich neige also dazu, die von Esser 2000, S. 21f beschriebenen „komplexen Transformationsregeln" fiiir die handlungstheoretisch allein zulassige Erklarungsform zu halten.

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Verteilungen mit Hilfe logischer oder analytischer Verfahren beschrieben (oder „definiert" bzw. „operationalisiert") werden (miissen), hat keinerlei erklarungslogische Relevanz; d.h. analytische Begriffsbestimmungen sind als solche nicht Bestandteil eines mikrofundierenden Erklarungsarguments. Aus handlungstheoretischer Sicht ist alleine ausschlaggebend, dass die wechselseitige Orientierung oder wie sie Lindenberg und Esser nennen - die „Koorientiemng"^^'^^ des Handelns einer Mehrzahl von Akteuren an derartigen Regeln fiir das Auftreten der betreffenden Handlungsfolgen verantwortlich gemacht werden kann, wobei es Grade der gelungenen Koorientierung geben wird, was im einen Extremfall zu normativen oder Erwartungs- oder Ordnungsgleichgewichten^^^^ und im anderen zu iiberdeutlich anomischen Verhaltnissen flihren wird^^^^ Dieser Tatbestand der graduellen, gemeinsamen Regelorientierung, deren Entstehung (oder Ausbleiben) handlungstheoretisch zu erklaren keinesfalls unmogiich ist^^^^, stellt die von alien mechanismischen Erklarungen erwahnten „Interdependenzen" zwischen derart agierenden Akteuren erst dadurch her, dass die erfolgreiche Inanspruchnahme von Rechten - freilich mit schwankendem Erfolg - darauf angewiesen ist, dass die Rechtstrager, um erfolgreich zu agieren, (enttauschungsfrei und zuversichtlich) erwarten konnen, dass ihre Mitakteure ihnen die eingeforderten Rechte tatsachlich gewahren^^^^, und die (verschiedenartigen) Folgen dieser gemeinsamen - wenn in aller Regel auch selektiven und mit Machtdifferenzialen verbundenen - Regelorientierung schlagen sich als (numerisch mit Hilfe ganz divergenter Verfahren berechenbare oder mit bestimmten Kollektivbegriffen beschreibbare) Distribution entsprechender (auch relationaler) Akteurseigenschaften innerhalb einer Population von wechselabhangigen Akteuren nieder. Mehr verbirgt sich nicht hinter dem „Aggregationsproblem". Eine solche - wie ich denke, mit den Regularien eines akzeptablen Methodologischen Individualismus' vertragHche^^^"* - Losung des Aggregierungsproblems sucht 1149 1150 1151 1152 1153 1154

Vgl. Esser 2000, S. 229ff Bin Beispiel waren sich selbst verstarkende „Konventionsgleichgewichte", die nur verlassen werden konnen, wenn die Mehrheit der Koordinationsinteressenten dem zustimmt, vgl. Lewis 1975, Ullmann-Margalit 1977, S. 74ff. Entgegen verbreiteter „funktionalistischer" Hoffnung scheint es derartig anomische (und zugleich stabile) Verhaltnisse durchaus zu geben, vgl. Waldmann 2002. Vgl. u.a. Vanberg 1994, Baurmann 1996, Schmid 2004 und die dort zitierte (reichhaltige) Literatur. Fiir einen jiingeren Uberblick uber gangige Erklarungsprobleme in diesem Bereich vgl. Hechter/Opp 2001. Vgl. Schmid 2004, S. 25Iff. Dass sie das nicht immer tun, erklart wahrscheinlich die Mehrzahl aller Ereignisse in sozialen Systemen. Ich halte im Gegensatz zu Bunge und anderen Systemanalytikern in der Tat daran fest, dass der Methodologische Individualismus - um den Altmeister zu paraphrasieren - kein Fiaker ist, den man beliebig besteigen oder verlassen kann, solange man an der Erkldrung der Verteilungsfolgen des menschlichen Handelns interessiert ist. Entsprechend hatte ich Bedenken anzumelden, wenn Bettina Heintz den von ihr bevorzugten Emergentismus mit der These verteidigt, Makrophanomene seien den sie produzierenden Faktoren gegeniiber „autonom" (Heintz 2004, S. 27) - das wurde ich leugnen, wenn damit mehr gemeint ist als der Tatbestand, dass Verteilungsstrukturen die Spielraume der Akteure in einer „objektiv" zu nennenden Weise und auch gegen ihren Willen abstecken. Da ich (in der Terminologie von Hoyningen-Huene 1994) keine „Makrodetermination" des Handelns durch seine Struktur-

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weder nach - aus handlungstheoretischer Sicht - erklarungsirrelevanten „analytischen" Transformationsregeln noch nach distributionswirksamen (und ihrerseits „autonomen", d.h. eigenen Gesetzen folgenden) „Kausaleffekten", gibt aber den „Logikern" insoweit recht, als solche Verteilungswirkungen zwangsldufig und (hochst regelmaBig) auch gegen die erklarten Absichten der Akteure dann entstehen und wirksam werden, wenn jeder fur sich und mit hochst verschiedenem Engagement den vorgegebenen Regeln folgt; auf der anderen Seite ist den „Kausalisten" dort zuzustimmen, wo sie damit rechnen, die betreffenden Verteilungsfolgen als einen durchaus realen Effekt bestehender Regelorientierungen beschreiben zu konZum Gltick haben diese (letztlich unabschlieBbaren bzw. „metaphysischen") Uberlegungen uber unterschiedliche Formen der Handlungskausalitat, die strittigen Kausalwirkungen regulierter Abstimmungsverfahren und die Losung der Frage, in wie weit Makrozusammenhange eine eigenstandige, vom Handeln der Akteure unabhangig zu bestimmende (nomologische) Kausalitat in Anspruch nehmen konnen, keine Auswirkungen auf die tJberprtifbarkeit von mechanismischen „Strukturmodellen", solange diese prognosetaughch formuliert sind und damit priifbare Implikationen^^^^ enthalten, die daraus resultieren, dass sie iiber die „konkreten Situationen" und strukturellen Randbedingungen informieren, in denen sich die unterlegte Handlungstheorie bewahren muss, und deren Selektionsbedeutung nur in ihrem Lichte zu entdecken ist^^^^. Die (mogliche) Widerlegung dieser Implikationen wiederum richtet sich angesichts der betrachteten Umstande (nattirlich) nicht gegen die (nicht vorhandenen) „sozialen" oder „strukturellen Gesetze", sondern korrigiert (zunachst) nur die hypothetischen (oder - wie Wolfgang Stegmtiller gesagt hatte die „intendierten"^^^^) Bedingungen der Anwendung des jeweils untersuchten Modells eines handlungsfundierten, generativen Mechanismus. Ob und wann der Forscher das eventuelle Scheitern seiner Spezifikationsversuche am Ende nicht langer dem „protective belt" seiner „Briickenprinzipien"^^^^ und Anwendungshypothesen bzw. den Behauptungen iiber Verlaufsformen und Kollektiveffekte des jeweils untersuchten Mechanismus, sondern der zu dessen (mikroflindierenden) Modellierung vorausgesetzten Handlungstheorie selbst zuschreibt, ist eine offene Frage, die sich erst dann zu beantworten lohnt, wenn der Verdacht aufkommt, dass die wider Erwartung beobachtbaren strukturellen Varianzen nicht langer mit ausschlieBlichem Rekurs auf die (zugestandenermaBen und in aller Regel) vereinfachte und al-

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folgen vorsehen mochte, beurteile ich die Blauschen Makrosoziologie auch sehr viel ablehnender als sie es tut; vgl. fur eine ahnliche Position Grafstein 1992 und Kontopoulos 1993. Ich furchte, dass Kausalisten bisweilen iibersehen, dass ein Kollektivexplanandum, auch wenn es sich logisch zwingend aus seinen Pramissen ergibt, nicht zugleich durch einen gesetzesartigen Zusammenhang produziert sein muss. In solchen Fallen verliert man dann keine Informationen, wenn man darauf verzichtet, einen interessierenden Effekt als einen „kausalen" zu bezeichnen. Vgl. Levi 2002, S. 120f Morrison/Morgan 1999, S. 19 Vgl. Stegmuller 1980 Vgl. Lindenberg 1992, S. 6ff

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leine deshalb falsche Handlungstheorie erklart werden konnen^^^^, die man zur Prognose (aktueller) struktureller Effekte verwendet hat. Auf der anderen Seite verspricht es keinen Erkenntnisgewinn, die Modellierung von Abstimmungsmechanismen und deren (rekursiv wirksamen) Kollektiveffekte mit komplexen Handlungsannahmen zu beginnen, solange zugleich feststeht, dass die handlungsbestimmenden Orientierungen der Akteure in einem erkenn- und nachweisbaren Umfang durch ihr Handlungsfeld gepragt (oder doch beeinflusst) sind^^^^ und mit Hilfe entsprechender Homogenitatsunterstellungen problemlos in Anschlag gebracht werden konnen, um die Funktionsweise eines interessierenden Mechanismus zu erklaren. In der Tat kann man erst unter diesen, die Erklarungsaufgabe erheblich simplifizierenden Umstanden^^^^ seine Aufmerksamkeit (mit Gewinn an zusatzlichen Einsichten Oder mit Aussicht auf „Entdeckungen") auf die diesem Mechanismus entstammenden „Widerspruche des sozialen Handelns"^^^^, die „paradoxen Effekte des sozialen Verhaltens"^^^"^ und die unvermeidbaren Suboptimalitaten^^^^ der mechanismisch erzeugten Handlungseffekte, auf die „perversities of social logic"^^^^ eines Handlungsmechanismus und die Unabsehbarkeiten seiner Strukturfolgen^^^^ und deren „perverse Dynamik"^^^^, aber auch auf die (vielleicht erstaunliche, derweil ganz unerwartete) Reibungslosigkeit seines Funktionierens richten^^^^. Die hierin 1160 1161

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Fiir die Logik dieses Verfahrens vgl. Schmid 2004, S. 23ff. An den hierin implizierten „milden" (oder wie ich ihn nenne: „methodologischen") Instrumentalismus wird man sich (wohl) gewohnen konnen, vgl. Esser 1993, S. 53. Auf die Bearbeitung dieses eingeschrankten Falls meinen sich Bourdieu und seine Anhanger konzentrieren zu soUen, vgl. Miiller 2004. Mir scheint, das jede Kultursoziologie (zumindest) ihren Ausgang in einer derartigen Vereinfachung nimmt, vgl. Reckwitz 2000, S. 141 u.a. Die These, dass diese Theorietradition mit den Anforderungen eines mechanismischen Erklarungsprogramms vereinbar sein muss, verteidigt Esser 2001; fiir einen - allerdings mit nur wenig Riicksicht auf das soziologische Selbstverstandnis vorgetragenen, aber ahnlich gelagerten - Vorschlag vgl. Choi 1993 und Chwe 2001. Vgl. fiir die Einfachheitsthese Fararo 1989, S. 207f, Coleman 1991, S. 21, Lindenberg 1992, S. 6, Esser 1993, S. 127f, Esser 1996, S. 164, Hedstrom/Swedberg 1996 u.a. Naturlich darf man nicht aus den Augen verlieren, dass derartige „Vereinfachungen" hochst „restriktiv" sein konnen und zur Erweiterung des theoretischen Fragekatalogs auch aufgegeben werden miissen, vgl. Hechter 1997, S. 152. Boudonl979 Vgl. Diekmann/Mitter (eds), 1986 Vgl. z.B. Hemes 1995, S. 103ff Merton 1964^8.421 Vgl. Wippler 1978, Wippler 1978a lannaccone 1994, S. 1186 Diese Aufzahlung heiBt nicht - wie Balog/Cyba 2004, S. 3 8f meinen - , dass „soziale Sachverhalte", sofem sie ein „Produkt iiberlegter Handlungen" darstellen, ihr Entstehen keinem Mechanismus verdanken. Das konnen sie aus ihrer allgemeinen Definition dessen, was ein „Mechanismus" sei, auch gar nicht herleiten. Oder positiv gewendet: In alien Fallen „strukturierter gegenseitiger Bezogenheit ... von Handlungen" (Balog/Cyba 2004, S. 24) liegen Mechanismen vor, die diese „Bezogenheit" erst herstellen. Die wichtigste Implikation dieses Einwands ist, dass alle sozialwissenschaftlichen Erklarungen mechanismische Erklarungen darstellen oder als solche (im Prinzip) rekonstruierbar sind (vgl. Papineau 1978, S. 116f). Kincaid (1997, S. 111) widerspricht dieser These, weil er glaubt, dass es kausal interpretierbare Makrozusammenhange gibt, die ohne Mikrofiindierung bestdtigt werden konnen. Ich

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implizierte These ware, dass man alle diese „uberraschenden Entdeckungen" nur machen kann, wenn die unterlegte Handlungstheorie einfach genug ist, urn mit ihrer Hilfe diese zumeist verdeckten mechanismischen Funktionalitaten und Dysfunktionalitaten bzw. die Kompositionseffekte der zwischenmenschlichen Beziehungsformen aus dem Verbund individueller und struktureller Modellannahmen logisch zwingend abzuleiten. Damit schlieBt sich der Bogen meiner Uberlegungen: Wir konnen die Beschranktheiten der Hempelschen Erklarungstheorie ebenso uberwinden wie die Mangel des historistischen und des kausalstatistischen Denkens, wenn wir aus den limitierten Voraussetzungen unserer Erkenntnisfahigkeiten eine Konsequenz zu Ziehen bereit sind, auf deren Unvermeidbarkeit uns vor geraumer Zeit bereits Karl Popper aufinerksam gemacht hat, als er auf die Undenkbarkeit einer „theoretischen Geschichte"^^^^ hinwies, die es wegen der (imaginativen) Kreativitat, Entscheidungsoffenheit und Lernfahigkeit menschlicher Akteure nicht geben kann. Akzeptiert man diese These, dann ist es - wie Popper glaubte gezeigt zu haben - logisch sinnlos, nach deterministischen, kausalen Struktur- oder Entwicklungsgesetzen zu suchen. Wenn wir gleichwohl an der Moglichkeit einer erklarenden Sozialwissenschaft festhalten wollen, miissen wir demnach einen anderen Weg einschlagen und die vergebliche Suche nach „sozialen Gesetzen" (und deren Surrogaten) aufgeben zugunsten der Entdeckung handlungstheoretisch fundierter (Mikro-)Prozesse und Mechanismen, vermittels derer die Akteure - wie wir wissen - mit schwankendem Erfolg darum bemuht sind, ihr Handeln - ohne dauerhafte und letztlich unertragliche Schadigungsfolgen zu provozieren - aufeinander abzustimmen. Unter diesen Bedingungen beschrankt sich unser nomologisch-kausales Wissen auf die Algorithmen der individuellen Handlungsentscheidungen und die dort lokalisierten „causal powers"; alle weiteren, zumal uberindividuellen Faktoren stellen das jeweilige Handeln „kanalisierende", nicht aber es verursachende Restriktionen dar, tiber deren Zusammenhange, Verlaufe und Entwicklungen die jeweilige Handlungstheorie alleine und auf sich gestellt keine Auskunft geben kann; entsprechende Informationen miissen folglich zusatzlich und gesondert im Rahmen von „StrukturmodelIgj^ccini bgsci^aff]^ m^(j bereitgestellt werden, die (neben den zumeist konstant ge-

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bestreite letzteres nicht, sehe aber infolge einer Bestatigung keine Berechtigung, auf den Kausalcharakter der betreffenden Annahme zu schlieBen. Auch steht die Erklarungstauglichkeit solcher Makrogesetze in Frage, solange sie ohne Verweis auf (mikrofundierte Mechanismen) auskommen wollen (Kincaid 1996, S. 96, Kincaid 1997, S. 111) - es gelten dieselben Argumente, die ich gegen die Methode der „kausalen Rekonstruktion" vorgetragen hatte. Popper 1961, S.vi Popper 2000, S. 350ff selbst hat die Bildung „situationslogischer Modelle" angeregt und damit eine Methode fiir die Sozialwissenschaft verteidigt, der zu folgen ich wegen ihrer anti-falsifikationistischen Beiklange aber nicht empfehle, vgl. Schmid 1979, S. 16ff, Schmid 1996, S. 118ff Um Milde walten zu lassen: In eine Modelltheorie, dies besagt, dass es zulassig ist, bestimmte „Annahmen" anzunehmen (oder bestimmte „Voraussetzungen" vorauszusetzen), um zu sehen, welche (eventuell prufbaren) Ableitung sich ergeben, konnte Poppers Vorschlag sicher eingeordnet werden. Auf die Forderung aber, die dazu benotigten „Pramissen" mtissten \ox jeder Prufung geschiitzt werden, muss man verzichten, solange

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setzten Handlungsannahmen) moglichst priifbare Hypothesen daruber enthalten miissen, im Rahmen welcher wechselseitiger Abhangigkeitsverhaltnisse sich Akteure angesichts der „opportunities and constraints" ihrer gemeinsamen Handlungssituation und mit welchen Folgen fiir ihre weiteren Handlungsmoglichkeiten entscheiden. Die Leistungsversprechen einer erfahrungsbasierten und -kontrollierten Methode brauchen wir zum Zweck einer solchen Modellbildung - wozu sich z.B. Boudon gedrangt fuhlt - nicht aufs Spiel zu setzen, solange wir unsere Modellhypothesen Uber die entscheidungskanalisierenden Einfliisse struktureller Voraussetzungen bzw. liber den handlungsgenerierten Verlauf und die erwartbaren Effekte der Abstimmungsbemuhungen der untersuchten Akteure anhand ihrer logischen Implikationen auch dann kontrollieren und gegebenenfalls revidieren konnen, wenn sich infolge dieses deutlich inkrementalistischen Vorgehens ein logisch geschlossenes (und d.h. die unterschiedlichen Handlungssituationen und deren Effekte abschlie6end, am Ende axiomatisch systematisiertes) Aussagengebaude nicht wird finden lassen, sondern allenfalls ein (mehr oder minder) lockerer Verband verschiedenartiger Mechanismen (bzw. deren „Strukturmodelle"), die in vielleicht seltenen, aber genau benennbaren Fallen logisch-theoretisch^^^^ miteinander verknlipft werden konnen^^^^. Der Vorteil einer solchen lose gefiigten oder - wie sie Renate Mayntz nennen wurde - „eklektischen" Verbandsstruktur besteht zum einen darin, dass mechanismische Erklarungen prinzipiell an unbeschrankt vielen (aktuellen oder weniger dringlichen, historischen oder zeitgeschichtlichen) Froblemen und Sachfragen erprobt werden konnen, und dass zum weiteren die tJbertragung entsprechender Modelle auf neuartige und andersgestaltige Anwendungsfelder - infolge der einheitlichen, handlungstheoretisch grundierten Modellbildungstechnik - leichter und verbindlicher gelingen kann, als jene glauben, die das Vorhandensein unterschiedlicher Teiltheorien des Handelns als einen zum Teil mit Freiheitsfantasien verteidigten Zustand der paradigmatischen Vielfalt ihrer Disziplin missverstehen, oder die leugnen, dass sich ein Erfahrungsaustausch auch Uber die Grenzen der verschiedenen sozialwissenschaftlichen Facher hinweg lohnen kann; und am Ende sollte sich auch das von vielen als auBerst unbefriedigend eingeschatzte Verhaltnis

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die Sozialwissenschaften real- und erfahrungswissenschaftlich betrieben werden sollen und solange unsicher bleibt, ob die Menge erfolgreich priifbarer Implikationen, der bei unveranderten Pramissen zu erwarten ist, den Informationsertrag tatsachlich iibersteigen wird, den die Verwendung veranderter Pramissen verspricht. Zum einen ist dies uber die „Verzahnung" von Parametem (bzw. der Effekte unterschiedlicher Mechanismen) moglich (vgl. Wippler/Lindenberg 1987, S. 148, Schmidt-Wellburg 2005, S. 157f), zum anderen mit Hilfe von Metamechanismen, vgl. Bunge 2004, S. 185. Vgl. fiir diese Denkfigur Bennett 2003 und - aus wissenschaftsphilosophischer Sicht - vor allem Heelan 1981. Logisch streng isolierte, aber ableitungsstarke Modelle solcher Mechanismen konnten dann in Anschluss an Kuhn 1967 als (eigenstandige) „Paradigmen" interpretiert werden; ob es solche abgeschotteten Paradigmen (oder Modelle) gibt, ist freilich cine empirische (und keine forschungslogische) Frage; denkbare Beispiele fmden sich in FuBnote 1080.

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von Theoriebildung und empirischer Forschung^^^"^ neu ordnen lassen, wobei insbesondere auf die Einebnung des Grabens zwischen „empty theorizing" und „mindless empiricism" (zumal der Datenerhebung) Wert zu legen ware^^^^; dazu miisste sich freilich herumsprechen, dass ernsthafte Modellarbeit zum einen nur dann betrieben werden kann, wenn die Anwendungsbedingungen der Modellhypothesen im Lichte der dazu verwendeten handlungstheoretischen Fundierung empirisch sauber erhoben und die aus den Modellen deduzierten Verteilungsprognosen auf ihre Wahrheit hin kontroUiert werden konnen, wozu - zum anderen - die Empirische Sozialforschung auf die induktive (d.h. weitgehend theorielose) Anhaufling von Daten verzichten sollte, die mit den Fragen, die mit Hilfe der jeweiligen Strukturmodelle beantwortet werden sollen, in vielen Fallen erkenntlicherweise nichts zu tunhaben(wollen)^^'^^ Wenn sich demnach die Soziologie damit beschaftigen sollte, handlungstheoretisch informierte und empirisch abgesicherte Strukturmodelle sozialer Mechanismen oder „mechanismusbasierte Modelle" - wie sie Peter Hedstrom einmal nannte^^^^ - zu entwickeln, dann kann in Konsequenz dieser Aufgabenstellung ihre forschungsleitende Einheit (und die all ihrer Nachbarwissenschaften) weder - wie immer wieder postuliert wird - in ihrem ontologisch eigenmachtigen „Gegenstand" liegen, dem man sich mit Hilfe einer unverbundenen Vielzahl von (zumal makronomologischen) „Theorieansatzen" zu nahern hatte^^^^, noch in der (derzeit freilich rucklaufigen) Auffassung, sie diirfe sich nur dann als (eine „echte") Wissenschaft verstehen, wenn sie dazu in der Lage sei, eine „unverkurzte Theorie des Gesellschaft" und deren „Struktur- und Bewegungsgesetze" zu entwerfen^^^^; ihre Einheit fmdet die Soziologie vielmehr - wie es etwa Hartmut Esser und Siegwart Lindenberg, mit philosophischem Blick aber auch Daniel Little, Mario Bunge und Harold Kincaid^^^^ (mehr oder minder) deutlich aussprechen - in einer handlungstheoretisch fundierten mechanismischen Heuristik, mit deren Hilfe sie unter den unterschiedlichsten situativen Umstanden die strukturellen Effekte und deren vielgestal1174 1175 1176

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Vgl. Lindenberg 1986, S. 22, Hechter/Friedman 1988, Coleman 2000, S. 75ff, Esser 1999, S. 421ff, Hedstrom 2005, S. 107, 109ff, 151ff u.a. Fiir einen erweiterten Uberblick vgl. Blossfeld/Prein(eds)1998. Vgl. Hedstrom/Swedberg 1996, S, 266, vgl. zur Lagebeurteilung auch Hedstrom/Swedberg 1998a Vgl. Hedstrom 2005, S. 109. Auf eine statistisch aufbereitete „Dauerbeobachtung" von aktuellen gesellschaftlichen Zustanden und Veranderungen braucht die Soziologie deshalb alleine aus berufspolitischen Gesichtspunkten - naturlich nicht zu verzichten. Nur sollte man die Theorie- bzw. Modellbedeutsamkeit solcher Erhebungen nicht zwangslaufig voraussetzen. Damit ist auch (nochmals) gesagt, dass diese Erhebungsverfahren nicht in induktive Kausalmodellierungen ausmunden soUten. Hedstrom 1999, S. 2 (zitiert nach Schimank 2005, S. 16), Hedstrom (2005, S. 1 lOf) spricht von der Notwendigkeit, induktiv gewonnene Daten in ein „generatives Modell" einzufuttern, das den unterstellten Kausalmechanismus formal reprasentiert, d.h. Datensammeln plus Regressionsanalyse ergeben kein Erklarungsmodell - erforderlich ist eine „mechanismbased explanatory strategy" (Hedstrom 2005, S. 145). Vgl. Munch 2004, S. 9 Adomo 1969, S. 22 Vgl. Bunge 2001, S. 112,Kincaid 1997, S. 6

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tigen Ruckwirkungen (handlungs-)theoriegeleitet modellieren und empirisch kontrolliert untersuchen kann, die die Akteure in ihrem - wie ich glaube - auf alle Zeiten gleichbleibenden Bemtihen generieren, nicht zum „Deppen"^^^^ ihrer gesellschaftlichen Verhaltnisse zu werden^^^^.

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Vgl. fur diese Formulierung Weise 1995 Das jedenfalls ist die „Produktionsfunktion" (individuellen Handelns), mit deren Hilfe ich die (theoretische) Analyse sozialer Vermittlungs- und Abstimmungsmechanismen betreibe, vgl. Schmid 1998, Schmid 2004. Die (normative) Berechtigung dieser Analyseform entnehme ich der Ideologiekritik meines akademischen Lehrers Ernst Topitsch und (vor allem auch) den Sozialphilosophien von Popper und Hayek; beiden Autoren weisen darauf hin, dass die Bedingungen des „Glucks" nur schwer zu erheben sind, wohl aber die des Leids, das sich Akteure immer wieder zuzufugen, wobei sie auf das Recht, sich vor Ubergriffen geschiitzt zu sehen, in aller Kegel nicht zu verzichten bereit sind; fur die verfassungs- oder ordnungspolitischen Folgen dieser Auffassung vgl. Zintl 1983.

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