Julian und Max sind im Urlaub gemeinsam mit Nele und ihren Schwestern Orangendieben auf der Spur. Listenreich überrumpel...
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Julian und Max sind im Urlaub gemeinsam mit Nele und ihren Schwestern Orangendieben auf der Spur. Listenreich überrumpeln sie die Ganoven und sie sind dabei viel geschickter als die Polizei.
Die Orangen-Diebe Thomas B. Morgenstern
Thomas B. Morgenstern ist Schriftsteller und BioBauer. Seit 1981 bewirtschaften er und seine Frau mit einer anderen Familie gemeinsam einen biologischdynamischen Demeter-Bauernhof in der Nähe von Stade an der Unterelbe. Für seine Söhne schrieb der Autor im Portugal-Urlaub diesen spannenden Krimi.
Thomas B. Morgenstern
Die OrangenDiebe
Illustrationen von Gisela Könemund
Für Lasse, Moritz, Delia, Luzia und Klara
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Morgenstern, Thomas B. Die Orangendiebe : [ein Krimi für junge Leser zwischen 8 und 11] / Thomas B. Morgenstern. [Mit Ill. von Gisela Könemund]. – 1. Aufl. – Buxtehude : Hannah, 1998 ISBN 3-931735-03-6
Das Werk einschließlich aller Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Insbesondere gilt dies für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und das Einspeichern und Verarbeiten in elektronischen Medien.
1. Auflage März 1998 Copyright ©1998 by Hannah Verlagsgesellschaft mbH Buxtehude und Thomas B. Morgenstern Satz und Einbandgestaltung: Hannah Verlag Titelillustration: Gisela Könemund Druck und Bindung: Clausen & Bosse, Leck Printed in Germany ISBN 3-931735-03-6
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Inhalt
Vorwort............................................................Seite 4 1. Kapitel ..................................................Seite 7 2. Kapitel ..................................................Seite 13 3. Kapitel ..................................................Seite 23 4. Kapitel ..................................................Seite 33 5. Kapitel ..................................................Seite 41 6. Kapitel ..................................................Seite 49 7. Kapitel ..................................................Seite 63 8. Kapitel ..................................................Seite 73 9. Kapitel ..................................................Seite 81 10. Kapitel ..................................................Seite 86 Nachwort.........................................................Seite 98
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Vorwort Ein gutes Buch braucht ein Vorwort! – hat Erich Kästner einmal geschrieben, und hat vor jedes Buch ein Vorwort gestellt. So sitze ich hier spätabends und kaue auf meinem Bleistift, um Euch auch ein schönes Vorwort zu schreiben. Gerade habe ich versucht, meine beiden Söhne ohne Streit ins Bett zu bringen (was mir gelungen ist!) und das weiße Blatt Papier erinnert mich nun unerbittlich an das Versprechen, das ich ihnen geben mußte: Ich bekam den Auftrag, einen Krimi für Kinder zu schreiben und meine Söhne sollen darin die Hauptrolle spielen! Ich habe nur ein großes Problem: Ich weiß überhaupt nicht, wie man so etwas anfängt, geschweige denn, es zu Ende bringt. Ich habe nämlich einen ganz anderen Beruf. Ich kann Kühe melken, Trecker fahren, pflügen und säen. Aber ein Buch schreiben? Gibt es überhaupt Bauern, die das können? Normalerweise hat ein Bauer für solche Sachen doch gar keine Zeit. Oder doch? Also gut! Ich versuch’s. Ihr wißt jetzt, daß ich eigentlich Bauer bin. Damit sind wir auch schon mitten in der Geschichte. Oder zumindest fast. Unser Hof liegt in Norddeutschland, in dem weiten Land zwischen Elbe und Weser,
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aber zur Zeit sind wir gar nicht zu Hause, sondern im Urlaub. Und das ganz weit weg von unserem Hof. Im südlichsten Portugal! Und wo fahren Bauern hin, wenn sie nun schon mal im Urlaub sind? In den 23. Stock der Ferienwohnanlage in Portimao? Falsch! Oder in den exklusiven Alphabetagamma-Club mit Golfplatz und Schwimmbad? Auch falsch! Da paßt beim besten Willen kein Bauer hin. Also, es ist doch ganz einfach: Wir fahren natürlich auf einen Bauernhof! Und gleich konnte ich in der ersten Nacht nicht schlafen, weil Egon, das vier Wochen alte Bullenkalb so Sehnsucht nach seiner Mutter hatte... Drei Stunden hat Egon mitleiderregend gerufen und geblökt. Und Schnuffi, der Hofhund hat ihn dabei kräftig unterstützt. Ich weiß zwar nicht, ob Kühe bellende Hunde verstehen können, aber Schnuffi wußte das auch nicht. Erst nach drei Stunden war ihm klar, daß ihm niemand antwortete. Da war er dann endlich ruhig, und ich stand morgens unausgeschlafen auf. Ich wollte den Schlaf gerne nachholen, aber es war so heiß, daß man tagsüber nicht einmal dösen konnte, auch nicht in der Hängematte zwischen den Zitronenbäumen. Außerdem hielten meine Kinder mich auf Trab. Nach ein paar Tagen war der Lesestoff alle, ob-
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wohl ich mir gar nicht vorstellen konnte, wann die Kinder die ganzen Bücher gelesen haben wollten, die wir mühsam nach Portugal geschleppt hatten. „Du sagst doch immer: selbermachen“, sagte Julian, der Lausebengel. „Dann schreib’ du uns doch mal ein Buch!“ „Wieso ich?“ fragte ich zurück. „Du brauchst doch Lesestoff!“ „Aber ich kann mir doch nicht ein Buch schreiben, das dann spannend sein soll, wenn ich es lese, Papa! Das mußt du doch verstehen. Du mußt uns ein Buch schreiben.“ Und so ließ ich mich erweichen und versprach’s! Und weil man halten muß, was man einmal versprochen hat (das sagte schon der König zu seiner schönen Tochter, der Prinzessin, im Froschkönig), fange ich sofort an. Ehrlich! Ehrenwort! Aber bloß wie? In zwei Wochen geht schon das Flugzeug zurück. Bis dahin muß das Buch nicht nur geschrieben, sondern auch gelesen sein!! Vielleicht sollte ich doch nicht…? Nein. Ich versuch’s! Ihr könnt mir dann ja sagen, ob sich die Mühe gelohnt hat … Euer Thomas B. Morgenstern
1. Kapitel
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Im ersten Kapitel wird erzählt, wer überhaupt in diesem Buch mitspielt.
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Erstmal sind da die Hauptpersonen: Christoph Nagel, Alter 41. Beruf: Bauer. Kennzeichen: schütteres Haar (ha, ha, höre ich da die Familie lachen. Halbglatze mit ausbreitender Tendenz sagen sie dazu. Aber das trifft Christoph Nagel überhaupt nicht).
Renate ist die Ehefrau von Christoph. Sie heißt auch Nagel mit Nachnamen. Sie ist 37 Jahre alt. Kennzeichen: Renate hat den Überblick.
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Julian Nagel ist 11. Er ist Schüler und seine wichtigste Eigenschaft ist: schnelles und gründliches Denken. Er sagt immer „Witzig!“ wenn er etwas überhaupt nicht lustig findet.
Max Nagel ist sein jüngerer Bruder. Max ist 9 Jahre alt. Seine wichtigste Fähigkeit ist: gründliches und schnelles Denken (tja, auf die Reihenfolge kommt’s an).
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Weitere Hauptpersonen sind: Nele Becker. Sie ist 12 Jahre alt und lebt in Portugal auf dem Bauernhof ihrer Eltern, die aus Deutschland hierher ausgewandert sind. Nele ist das Patenkind von Renate. Beide mögen sich sehr, sehen sich aber leider nur selten.
Anna Becker, 8 Jahre. Sie ist die jüngere Schwester von Nele.
Katharina Becker, 7 Jahre, die noch jüngere Schwester von Nele.
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Außerdem spielen noch mit:
Das Ehepaar Becker, sie sind die Eltern von Nele, Anna und Katharina;
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Und außerdem:
José Sagaldo, der Nachbar; Polizisten, die nicht so schnell wie die Kinder sind; Wildhüter, die sich nachts auf die Lauer legen; Wilderer, die im Auto einschlafen; Diebe, die immer dreister werden; ein Moped, das scheinbar geklaut wird; eine leerstehende Halle, die gerammelt voll ist; Orangen, die wirklich geklaut werden; Tinte, die gespritzt wird; und Gips, der auf den Boden gegossen wird.
2. Kapitel
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Im zweiten Kapitel wird erzählt von einem fast verpaßten Flug und wie es gleich zum ersten Kriminalfall kam.
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Wer schon einmal geflogen ist (natürlich nicht von der Schule, sondern mit dem Flugzeug), der weiß, daß man immer eine Stunde früher da sein muß. Da wird das Gepäck abgeliefert, die Pässe werden kontrolliert und die Tickets geprüft. Nagels Flugzeug startete schon um 6 Uhr morgens. Um eine Stunde früher da zu sein, mußten sie im Stockfinstern um halb vier von zu Hause losfahren. Sie hatten sich am Abend davor von allen, die auf dem Hof zurückblieben, verabschiedet, das Auto gepackt, die Tickets und die Pässe bereitgelegt, das Geld und die Filme eingesteckt und die Angeln verpackt. Ja, wir werden allen eine Karte schreiben. Ja, wir rufen sofort an, wenn etwas Schlimmes passiert (Was die Daheimgebliebenen bloß für Sorgen haben!). Die Kinder waren sofort wach, als morgens um halb drei Frau Nagel in die Kinderzimmer kam und sie weckte. Als hätten sie es lange geübt, sprangen sie in ihre Kleider, machten die Betten, schnappten sich ihre Rucksäcke und saßen ein paar Minuten später aufgeregt am Frühstückstisch, der diesmal seinen Namen wirklich verdiente, so früh war es. „Hast du an alles gedacht?“ fragte Julian und sah dabei seinen Vater forschend an. „Selbstverständlich! Ich denke immer an alles!“ Herr Nagel sagte es todernst. Julian zwinkerte Max zu, der aber noch viel zu verschlafen war, um es zu
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bemerken. Max stellte gerade verwundert fest, daß er zuwenig geschlafen hatte. Endlich fuhr das Auto los. Nach drei Kilometern sagte Herr Nagel leise zu seiner Frau: „Ich glaube, ich habe meine Ersatzbrille vergessen!“ Von der Rückbank kam ein Aufschrei: „Papa!!“ Herr Nagel wendete in der nächsten Hofeinfahrt und fuhr zurück. Schon beim Abbiegen zu seinem Hof kamen ihm erste Zweifel. Als dann gesucht wurde, war weit und breit keine Brille zu finden, nicht in der Küche, im Schlafzimmer auch nicht… Kleinlaut schlich Bauer Nagel zum Auto zurück: „Die Brille ist wohl im Koffer.“ „Papa, beeil’ dich!“ Julian warf sich geräuschvoll zurück an die Lehne des Rücksitzes, um seine Verachtung auszudrücken. „Wir kommen zu spät!“ „Das reicht noch dicke. Es ist doch erst vier.“ Aber Herr Nagel war selbst nicht mehr so überzeugt, daß die Zeit noch reichen würde… Er fuhr also besonders schnell und sie hatten Glück. Schon um zwei Minuten vor fünf schleppten sie ihr Gepäck durch die Eingangshalle des Hamburger Flughafens. Nur drei Stunden Flug und sie waren ganz im Südwesten von Europa. Sie landeten in Faro und
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nahmen am Flughafen ein Taxi zum Bahnhof. Knapp eine Stunde später hob der uniformierte Bahnhofsvorsteher seine Kelle, pfiff und der Eisenbahnzug setzte sich langsam in Bewegung. Er hielt an jeder Station und machte einen kleinen Umweg durchs Hinterland. Ab und zu konnten sie zwischen ein paar Hügeln hindurch das Meer sehen. „Was sind das denn für Früchte?“ fragte Max, als sie durch eine kleine Obstplantage fuhren. „Das sind Orangen und dazwischen stehen ein paar Zitronenbäume“, erklärte ihre Mutter. „So sehen Orangenbäume aus?“ staunten die Kinder. *** Orangen werden in dieser Geschichte noch eine besondere Rolle spielen, aber das ahnte in diesem Moment noch niemand. „Da kommt mir eine gute Idee“, sagte Frau Nagel und zauberte aus ihrer großen Reisetasche zwei Orangen hervor. Product of Portugal stand auf den kleinen, bunten Aufklebern. Sie hatten die Orangen zu Hause gekauft und nun waren sie zurück in ihrem Ursprungsland… Aber trotz der weiten Reise waren die beiden Früchte ein guter Vorgeschmack auf die Orangenfreuden, die sie hier erwarten sollten. Nachmittags um drei Uhr kam der Zug in Lagos,
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der Stadt, in der sie aussteigen sollten, an. Das war einfach. Es war die Endstation. Sie hatten mit der Familie, die sie besuchen wollten, ausgemacht, daß sie vom Bahnhof aus anrufen sollten. Sie würden dann abgeholt werden. Habt Ihr schon einmal in einem fremden Land telefoniert? Die Menschen fliegen zum Mond und tauchen in die tiefsten Tiefen der Südsee, aber ein Telefon zu konstruieren, das auf Anhieb jeder kapiert und das vor allen Dingen immer funktioniert, das hat wohl noch keiner geschafft (Vielleicht ist das ja ein Geheimtip für die Berufswahl: Telefonkonstrukteur…). Aber selbst wenn das Telefon in der Telefonzelle funktioniert hätte, wäre die Ankunft nicht reibungslos vonstatten gegangen. Herr Nagel hatte zwar nicht die Ersatzbrille, dafür aber den Zettel mit der Telefonnummer der Gastgeber vergessen. Aber es gibt überall auf der Welt freundliche Menschen, die hilflosen Touristen aus der Patsche helfen. So auch in Portugal. Schließlich klappte sogar der Anruf und eine halbe Stunde später kam Hubert Becker mit seinem alten Jeep angefahren. *** Um fünf Uhr waren Nagels endlich in ihrem Ferienhaus auf dem Hof der Familie Becker. Vor drei Jahren waren sie das letzte Mal hier gewesen. Alles wurde bestaunt. Wie groß die Bäume geworden waren und die Kinder!
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„Deine Glatze ist ja auch nicht kleiner geworden“, gab eine erboste Nele zurück. Sie konnte es nicht ausstehen, wenn ihr immer gesagt wurde, wie groß sie geworden sei. Beckers hatten einen riesigen Hof, aber das meiste Land ist im Süden von Portugal nicht sehr fruchtbar. Ein paar Korkeichen und viele Cistrosen, die niemand gebrauchen kann, wachsen dort. Wenn man nicht aufpaßt, überwuchern diese Pflanzen das ganze Land. Cistrosen spielen eine kleine Rolle in unserer Geschichte. *** Was an diesem Tag noch passierte, muß man nicht erzählen. Jeder, der schon einmal in die Ferien gefahren ist, weiß, daß man nach der Ankunft so müde ist, daß man am liebsten nicht einmal mehr die Koffer auspacken möchte. Bald lagen also alle im Bett und schliefen. *** Der nächste Tag war ein schöner Frühlingstag. Es waren die Osterferien der Kinder und in Deutschland hatte es nachts noch gefroren. Hier blühte schon viel und es war mittags so warm, daß man baden konnte. Schon an diesem ersten Tag waren die Kinder mittendrin in ihrem Abenteuer und wußten es noch gar nicht. „Julian und Max!“ rief Frau Nagel ins Kinderzim-
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mer. „Aufstehen, wir wollen frühstücken. Kommt auf die Terrasse.“ Herr Nagel hatte gerade den Kaffee gekocht, als die beiden auf die Terrasse stürzten. „Baguette“, schrien sie. „Das gab es vor drei Jahren noch nicht.“ „Nele ist heute morgen extra ins Dorf geradelt und hat die Baguettes zur Begrüßung geholt“, erklärte ihr Vater. „Ist das nicht nett?“ Aber die Kinder hörten gar nicht mehr zu. Sie waren schon mit der Planung des Tages beschäftigt. „Jetzt wollen wir gleich zum Stausee, baden. Danach Angeln. Und dann fahren wir alle nach Lagos und danach gleich ans Meer.“ Die Eltern sahen sich verwundert an. „In Ordnung! Und was wollen wir am Nachmittag machen?“ fragte Frau Nagel spöttisch. „Also, erstmal werden jetzt die Koffer ausgepackt und die Wäsche wird in den Schränken verstaut.“ „Oh, Mann“, maulten die Kinder und gaben nicht nach. „Nichts darf man bei euch.“ Da sprang ihnen ihr Vater bei: „Ihr habt mein volles Verständnis. Ich hatte auch Eltern, die mir nie etwas erlaubten. Solche Eltern sind furchtbar!“ „Genau!“ rief Julian. „Und weil wir nicht furchtbar sind, dürft ihr zum Baden gehen und wir räumen die Koffer aus.“ „Toll, Papa! Manchmal lernen sogar Erwachsene aus ihrer Vergangenheit.“ Die Jungen waren wieder
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versöhnt. Schnell hatten sie Badehosen und Handtücher aus den Koffern gezogen und waren in zehn Minuten zum Stausee gelaufen. Im Südwesten Portugals, dort, wo unsere Geschichte spielt, hat jeder Hof so einen kleinen See, der zum Bewässern der Obstplantagen und Gärten dient. Keine halbe Stunde später standen die Jungs wieder auf der Terrasse. „Angeln holen?“ fragte Herr Nagel. „Den zweiten Programmpunkt abhaken?“ „Nö“, sagte Julian. „Uns ist kalt. Wir hatten keine Pullis dabei.“ „Auf dem Nachbarhof gibt es keine Kinder.“ Max wechselte das Thema. „Nur komische Leute, die sich vor uns verstecken.“ Und auf Frau Nagels überraschtes: „Wieso?“ antwortete er: „Die haben sich versteckt, als wir badeten. Als ob sie Angst hätten. Komische Bauern.“ „Allerdings.“ stimmte ihm seine Mutter zu. Sie fuhren an diesem Tag tatsächlich noch nach Lagos und auch im Meer wurde noch gebadet. Abends fielen die Kinder müde ins Bett. Ihre Eltern und Hubert und Margit Becker trafen sich noch auf der Terrasse. Beckers waren schon seit zehn Jahren in Portugal. „In Deutschland werden es immer weniger Bauern“, erzählte Herr Nagel.
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„Das ist hier nicht anders.“ Hubert Becker war nachdenklich. „Als wir anfingen, brauchten wir nur zu einem der Nachbarn gehen, wenn wir mal eine Maschine ausleihen wollten oder Hilfe brauchten. Heute geht das nicht mehr. Wir sind die letzten Bauern, die hier geblieben sind. Die anderen Höfe sind alle verlassen.“ Frau Nagel stutzte : „Ihr seid die letzten, sagtest du?“ „Ja“, nickte Herr Becker. „Vor einem Jahr hat auch José Sagaldo, der Bauer, dessen Hof an unserem Stausee liegt, aufgehört und ist ins Dorf gezogen. Er bewirtschaftet seine Orangen nur noch nebenbei.“ „Kommt er oft auf seinen alten Hof?“ Frau Nagel wollte es nun genau wissen. Hubert Becker war etwas verwundert über die hartnäckige Neugier seiner Feriengäste: „Kennst du ihn, oder weshalb fragst du so danach?“ „Max war heute morgen am Stausee und hat sich gewundert, warum die Leute auf dem Hof Angst vor Kindern haben. Sie haben sich angeblich hinter den Cistrosen versteckt, als die Jungs gebadet haben. Aber die haben auch manchmal eine blühende Phantasie.“ „Also das ist doch die Höhe!“ Hubert Becker schrie so laut, daß Nagels zusammenzuckten. Sie sahen ihn verständnislos an. „Dann stimmt, was Sagaldo sagt! Er behauptet,
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ihm werden kistenweise die Orangen aus der Plantage gestohlen.“ „Dann haben unsere Kinder die Diebe gesehen?“ Frau Nagel war erschrocken. Hubert Becker nickte: „Unglaublich, wie dreist die vorgehen. Ich bin doch auch andauernd am Stausee. Die Zuleitung zur Bewässerung ist öfter mal leck. Sie müssen mich auch schon bemerkt haben, ich sie aber noch nie. Ich habe das Gejammere von Sagaldo immer für reinen Unsinn gehalten. Ich dachte, er verkauft seine Ware heimlich, um zu Hause nichts abliefern zu müssen.“ Er lehnte sich nachdenklich zurück und nippte an seinem Weinglas. „Und was gedenkst du nun zu tun?“ fragte seine Frau. „Ich muß Sagaldo anrufen.“ Er sah auf die Uhr. „Aber es ist heute schon zu spät. Er geht immer früh zu Bett, er arbeitet in Lagos in der Konservenfabrik, in der Frühschicht.“ Als Nagels im Bett lagen, sagte Renate Nagel zu ihrem Mann: „Mir ist die ganze Geschichte nicht geheuer.“ „Ich schlaf’ schon“, brummte ihr Mann. So machte er es immer, wenn er nicht mehr gestört werden wollte.
3. Kapitel
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Im dritten Kapitel wird erzählt, wie die Kinder die Spur der Diebe aufnehmen.
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Frau Nagel sah besorgt hinter ihren Jungs her, als sie mit Nele, Anna und Katharina am nächsten Morgen gleich nach dem Frühstück zum Baden an den Stausee aufbrachen. Sie hatte ihnen eingeschärft, auf gar keinen Fall auf den Nachbarhof zu gehen. „Wieso?“ war natürlich Julians erste Frage. Frau Nagel kam ins Schwitzen. „Es sind keine freundlichen Leute“, log sie. Ihr war sofort klar, daß sie einen Fehler gemacht hatte. Natürlich galt nun die ganze Aufmerksamkeit der Kinder dem Hof. Sie hätte sich auf die Zunge beißen können! Sie wußte, wie schlecht sie ihren Kindern etwas vorspielen konnte. „Ich denke, die meisten Leute sind freundlich, wenn man freundlich zu ihnen ist?“ „Ich denke, sie haben schon zu oft neugierige Touristen auf ihren Feldern rumstiefeln gehabt!“ Das war die richtige Antwort. Jetzt fühlte sie sich wohler. „Aber deshalb muß man sich doch nicht am hellichten Tag verstecken!“ sagte Julian. „Tschüs Mama, ich muß jetzt los. Die anderen sind schon weit.“ Julian hatte schon die Hälfte der Strecke hinter sich, als ihm einfiel, daß er die Frisbeescheibe und seine Flossen vergessen hatte. Rasch kehrte er um und verschwand noch einmal im Ferienhaus. „Das ist wie mit der Ersatzbrille“, sagte sein Vater. „Wir werden einfach alle älter.“ „Witzig!“ Julian verstand heute keinen Spaß.
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„Ich finde es toll, wenn Kinder ihre Väter witzig finden“, rief Herr Nagel lachend hinter Julian her. Der fand das äußerst unpassend und kam mit einer üblen Laune am Stausee an. Das Wasser war kälter als am Tag vorher, und die Kinder standen unschlüssig am Rande des Sees. „Was ist?“ fragte Julian. „Kannst ja reingehen“, erwiderte Nele knapp. „Feiglinge!“ meinte Julian und stand schon in der Badehose bereit. „Probier doch mal.“ Nele wollte nicht. Ihr war das Wasser einfach zu kalt. „Hast du das Frisbee dabei? Dann laß uns erst ein bißchen spielen. Da wird uns wärmer. Okay?“ *** Frisbee spielen war Neles Leidenschaft. So oft sie konnte, hielt sie damit ihren Vater von der Arbeit ab. Die Kinder spielten lange. Oft landete die Scheibe direkt am Ufer und einmal verzog Nele einen Wurf ganz gewaltig und die Frisbeescheibe segelte auf den See und schwamm weit vom Ufer entfernt auf dem Wasser. Betreten sah Nele der Scheibe nach. „Ich hole sie!“ Julian sprang ins Wasser und schwamm zu der dahindümpelnden Scheibe. „Wirf sie her“, rief Nele und Julian holte aus. Es gelang ihm ein schöner Wurf. Hoch und glatt stieg die Scheibe, sie drehte sich so schnell in der Luft, daß man meinte, sie stünde still. Dann beschrieb sie
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einen eleganten Bogen und senkte sich langsam hinter den großen Korkeichen – direkt in den Orangengarten von José Sagaldo. „Bravo!“ rief Nele. „Witzig“, murmelte Julian. „Und nun?“ fragten die Kinder, als er wieder am Ufer stand. „Die holen wir uns wieder, oder habt ihr etwa Angst?“ Nele sah sich um. Alle schüttelten den Kopf. Sie kämpften sich durch die dicht stehenden Cistrosen, bogen den Stacheldraht auseinander und kletterten in den Orangenhain des Nachbarn. Weit und breit war niemand zu sehen. *** „Das ist ja komisch“, sagte Nele überrascht. „Was ist komisch?“ flüsterte Max. „Die Kisten!“ „Wieso, Orangen kommen doch immer in Kisten.“ Max wußte nicht, was daran erstaunlich sein sollte. „Wir packen unsere Äpfel auch in Kisten.“ „Das schon, aber der Hof ist unbewohnt. Sagaldo hat immer nur am Wochenende Zeit. Und heute ist…“ „Donnerstag, 17. März“, ergänzte Julian. „Es ist jetzt genau…“ Er wollte gerade noch die Uhrzeit bekanntgeben (seine Uhr war niegelnagelneu und mit allen Mätzchen ausgestattet), als Max ihn unterbrach.
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„Ich habe hier gestern Leute gesehen.“ Max war stolz, etwas Außergewöhnliches berichten zu können. „Gestern? Leute? Einen Leut oder mehrere Leute?“ bohrte Nele nach. „Drei oder vier waren es“, Max wurde kleinlaut, weil Nele ihn so ausforschte. „Mysteriös, mysteriös. Wißt ihr, was ich glaube?“ fragte sie in die Runde. Die vier Kinder umstanden Nele und sagten kein Wort. „Dämmert es euch nicht? Sagaldo erzählt doch jedem, der es hören oder nicht hören will, daß er bestohlen wird und keiner glaubt es ihm. Und doch ist es so. Hier ist der Beweis!“ Sie zeigte mit der Hand auf die Kisten. Die Kinder bekamen es mit der Angst zu tun. „Und wenn die Diebe jetzt kommen?“ Katharina, der jüngsten war es unheimlich. „Wir müssen es Mama und Papa sagen.“ „Untersteh dich!“ fuhr Nele sie an. „Wehe, du sagst ein Wort! Das ist unser Kriminalfall, den lösen wir! Oder traut sich einer nicht?“ Sie blickte in die Runde. Ihr Blick war so streng, daß keiner zu widersprechen wagte. Den Kleinen klopfte das Herz gewaltig, aber schließlich waren alle einverstanden. „Nehmen wir die Kisten jetzt mit? Ich lauf los, die Schubkarre holen.“ Und schon war Anna losgelaufen.
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„Bleib hier“, rief Nele hinter ihr her. „Anna, komm sofort zurück. Wir lassen die Kisten natürlich hier stehen!“ Anna verstand nichts. „Aber dann werden sie doch gestohlen.“ „Wir wollen schließlich gefährliche Diebe fangen. da muß man die paar Apfelsinen schon als Köder riskieren.“ „Da hat Nele recht“, pflichtete ihr Julian bei. „Wir müssen so tun, als ob nichts wäre. Jetzt nehmen wir unser Frisbee und gehen wieder weg. Wie Kinder eben, die sich ihr Frisbee aus Nachbars Garten holen, klar?“ Vorsichtig krochen alle fünf wieder unter dem Zaun zurück. Zum Baden hatte niemand mehr Lust. Und zum Frisbeespielen erst recht nicht. „Laßt uns nach Hause gehen“, schlug Nele vor. „Nach dem Mittagessen treffen wir uns am alten Baum.“ *** Julian und Max konnten es kaum abwarten, bis endlich das Essen auf dem Tisch stand. Freiwillig holten sie das Geschirr aus dem Schrank, halfen in der Küche beim Kartoffeln- und Gemüseputzen und waren im Handumdrehen mit dem Essen fertig und bereit, wieder davonzustürmen. „Wie schön, daß ihr so gut beschäftigt seid“, sagte Herr Nagel, als die beiden schon an der Tür waren. „Euch sieht man ja kaum noch.“ ***
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An einer Ecke des Beckerschen Hofes lag ein alter, umgestürzter Baum, den die Kinder im Laufe der Zeit so ausgehöhlt hatten, daß drei kleine Kinder darin hocken konnten. Nele und Julian saßen davor, von den anderen dreien hörte man nur ihre gedämpften Stimmen. „Auf keinen Fall dürfen unsere Eltern etwas von dem Diebstahl mitbekommen.“ Nele hatte ihre Stimme so gesenkt, daß sie nur ganz leise flüsterte. Die Kinder im Baum protestierten: „Kannst du nicht ein bißchen lauter reden? Wir können hier gar nichts hören!“ Also beugte Nele ihren Kopf in den Baumstamm und wiederholte den Satz noch einmal mit eindringlichem Ton. Sie hatte sich während des Mittagessens alles genau überlegt, während ihre Eltern sich über ihre Schweigsamkeit gewundert hatten. *** Jetzt erklärte sie den anderen ihren Plan: „Wenn Sagaldo erfährt, daß schon wieder Orangen gepflückt wurden, kommt er sofort hierher und die Diebe riechen Lunte. Wir müssen heute Wache schieben. Am Besten an der Wegbiegung, die zu seinem Hof führt. Wir fahren heute abwechselnd mit dem Fahrrad den Weg entlang.“ „Darf ich dann mit deinem neuen Rad fahren?“ Annas Stimme klang bittend und hoffnungsfroh. „Nein!“ Nele war empört. „ Natürlich nicht! Wie
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kommst du denn darauf? Du hast doch dein eigenes Fahrrad!“ „Das hat aber einen Plattfuß.“ „Dann reparier’ es! Detektive fahren auch nicht mit einem kaputten Auto los.“ „Wer fängt an?“ Max war ganz begierig auf das Abenteuer. „Ich“, sagte Nele. „Dann dem Alter nach. Und wenn jemand etwas Verdächtiges bemerkt: Hier ist die Zentrale. Sozusagen das Detektivbüro. Wir legen einen Block und einen Bleistift hier her. Wenn die anderen nicht da sind, kann man eine Nachricht hinterlassen, wenn man zum Beispiel die Diebe verfolgen muß.“ „Verfolgen?“ Anna bekam Angst. „Natürlich verfolgen! Glaubst du, die geben ihre Visitenkarte ab, wo genau draufsteht wo und wann man sie verhaften kann?“ „Eins versteh’ ich nicht“, sagte jetzt Katharina, die die ganze Zeit vor sich hin gegrübelt hatte. „Wenn wir die Diebe verfolgen müssen, haben wir doch keine Zeit mehr, hier einen Zettel zu hinterlassen.“ Nele wurde nachdenklich. Es fiel ihr schwer, das einzugestehen, aber eigentlich hatte Katharina völlig recht. „Das stimmt. Dann nehmen wir jeder Block und Bleistift mit. An jeder Straßenkreuzung legen wir einen Zettel unter einen Stein.“
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Den ganzen Tag hielten sich immer wieder Kinder ganz zufällig an der Abzweigung zu Sagaldos Hof auf. Sie fuhren alle an diesem Tage leidenschaftlich gern Fahrrad. *** „Was habt ihr den ganzen Tag gemacht?“ fragte Herr Nagel seine Söhne, als er sie am Abend zu Bett brachte. „Oh, eigentlich nix. Wir sind den ganzen Tag Fahrrad gefahren.“ „Den ganzen Tag? Aber es sind doch nur drei Fahrräder für die Kinder da.“ „Zwei. Annas ist kaputt. Plattfuß. Aber wir haben uns abgewechselt.“ „Das ist schön, daß ihr euch so gut versteht. Und jetzt schlaft schön. Gute Nacht.“ Ein bißchen erstaunt war Herr Nagel schon, aber er ließ es sich nicht anmerken. Und nach dem Gute-Nacht-Kuß waren Julian und Max allein. „Meinst du, wir kriegen die Diebe?“ flüsterte Max. „Ich will wieder aufstehen, wenn Mama und Papa eingeschlafen sind. Vielleicht kommen die Diebe heute Nacht.“ Julian hatte die Stimme gesenkt und ganz leise gesprochen. Max schauderte: „Allein in die Nacht willst du gehen?“ „Du kommst doch hoffentlich mit, oder?“
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Max antwortete nicht und Julian ärgerte sich ein bißchen. „Was ist jetzt, kommst du mit oder nicht, du Feigling?“ Aber Max war schon eingeschlafen. „Witzig!“ murmelte Julian und war nach fünf Minuten selbst eingeschlafen.
4. Kapitel
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Im vierten Kapitel wird erzählt, wie Gips verbraucht wird, wie dieser Gips aushärtet und eine ganz wichtige Rolle spielt.
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„Guten Morgen, Renate.“ Nele stand schon vor dem Frühstück bei Nagels im Ferienhaus. „Sind Julian und Max schon wach?“ „Guten Morgen, Nele. Ich glaube, sie sind schon draußen.“ Nele lief zum Detektivbüro „Zum Hohlen Baum“. Dort saßen schon Max und Julian und sie begannen gleich mit der Lagebesprechung. „Die Kisten sind weg!“ Julian war noch ganz außer Atem. Er war schon ganz früh am Morgen am Stausee gewesen, hatte sich durch die Cistrosen gerobbt und dann durch den Zaun gesehen. „Viele Reifenspuren!“ „Verdammt!“ sagte Nele. „Wir hätten die Nacht durchwachen sollen!“ „Ich wollte“, sagte Julian, „aber Max war zu feige.“ „Ich war gar nicht feige!“ Max schossen Tränen in die Augen. „Ich hab’ mich nur nicht getraut! Und außerdem bin ich eingeschlafen. Du hättest ja auch alleine gehen können. Aber dazu hattest du wohl keinen Mut!“ „Witzig!“ Julian sprang auf und wollte auf seinen Bruder losgehen. „Hört auf zu streiten! Wenn wir uns in die Haare kriegen, lösen wir den Fall nie.“ Nele begann nachzudenken. Widerwillig setzte sich Julian wieder und drohte seinem Bruder mit der Faust. *** „Wißt ihr noch“, fragte sie nach einer Weile, „was
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das für Kisten waren? Die Kisten und die Reifenabdrücke sind unsere einzigen Spuren.“ „Es waren grüne und blaue Stapelkisten aus Kunststoff. Gibt’s die hier öfter?“ Julian kannte sich mit Kisten aus, er sortierte zu Hause oft die Äpfel. „Eigentlich nicht“, erwiderte Nele, „meistens gibt es hier Holzkisten.“ „Aber dann haben wir doch eine heiße Spur!“ rief Max. „Wir müssen nur nach Apfelsinen in Kunststoffkisten suchen und dann haben wir die Diebe.“ Julian schüttelte den Kopf. „So ein Blödsinn. Wo willst du denn suchen? Vielleicht auf dem Markt alle Händler verhaften lassen, die Orangen in grünen oder blauen Kunststoffkisten anbieten? Da machst du dich doch lächerlich.“ Alle schwiegen betreten. Irgendwie schien die Lösung des Falles in immer weitere Ferne zu rücken. Plötzlich unterbrach Julian die Stille: „Habt ihr Gips auf dem Hof?“ „Wie? Was? Gips? Keine Ahnung.“ Nele wußte nicht, worauf Julian hinaus wollte. „Frag deinen Vater, ob er irgendwo Gips hat!“ Julian war sehr bestimmt. „Sag doch erst mal, was du vorhast.“ „Kommt ihr nicht selbst drauf?“ Julian blickte triumphierend in die kleine Runde. Anna und Katharina waren inzwischen gekommen, sie sollten Nele zum Frühstück holen. Alle zuckten mit den Achseln. „Habt ihr wirklich noch nie einen Detektivroman
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gelesen? Da gehört Gips zur Grundausstattung.“ „Jetzt erzähl’ doch endlich, was du vorhast, du Gipskopf!“ Nele brannte vor Neugierde. „Die Reifenspuren! Wir müssen einen Gipsabdruck machen!“ Julian strahlte vor Stolz über seinen Einfall. „Super! Ich frag’ sofort!“ Nele sprang auf. „Das mit dem Gipskopf nehm’ ich selbstverständlich zurück.“ Nele konnte es kaum erwarten, bis ihr Vater vom Melken kam. Sofort stürzte sie sich auf ihn: „Papa, haben wir Gips?“ „Ein bißchen Grips haben wir alle“, erwiderte ihr Vater. „Ob wir Gips haben, Gips, nicht Grips!“ „Da gab er ihm einen kleinen Stips, und da war’s aus Gips. Ist von Ringelnatz. Keine Ahnung.“ „Wieso keine Ahnung?“ Nele hatte überhaupt nicht verstanden, was ihr Vater da wieder für komisches Zeug gemurmelt hatte. „Ob wir Gips haben?“ Ihr Vater lachte. „Wozu brauchst du denn welchen?“ Nele wurde rot. Damit hatte sie nicht gerechnet. Was sollte sie jetzt antworten? Die Wahrheit konnte sie schlecht sagen. Glücklicherweise hatte sich ihr Vater seine Gedanken gemacht: „Eier in Gips zu tauchen ist nicht sehr nett!“ Auf dem Hof war es zu Ostern Sitte, daß man die
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gefundenen Ostereier gegeneinander schlug. Wessen Ei unversehrt blieb, der bekam das des Verlierers. „Wir wollen es nur ausprobieren!“ Nele setzte ihr freundlichstes Lächeln auf. „Na gut. Nach dem Frühstück sehe ich mal nach.“ Nele fieberte dem Ende des Frühstücks entgegen. Es schien ihr endlos zu dauern, ihr Vater wurde immer wieder ans Telefon gerufen. Als er endlich fertig war, erinnerte ihn Nele: „Der Gips!“ „Ach ja, der Gips!“ Nele folgte ihm in den Schuppen. „Brauchst du viel?“ wollte ihr Vater wissen. „Ich weiß nicht“, zögerte Nele. „Du darfst die Gipssoße nicht zu dick machen. Erstens wird sie zu schnell hart und zweitens wird dein Ei dann steinhart. Das ist dann noch unfairer.“ „Du scheinst aber gut Bescheid zu wissen“, entgegnete Nele. „Hast du das etwa früher auch gemacht?“ Vater Becker grinste. Nele tat es sehr leid, ihren Vater anlügen zu müssen. Aber dies hier war wirklich eine verzwickte Situation. Hier war eine Notlüge sicherlich erlaubt. „Hier ist Gips.“ Ihr Vater zog eine Tüte mit weißem Pulver unter ein paar alten Säcken hervor. „Danke, das ist prima. Ich glaube, das müßte reichen.“
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Nele riß ihm fast die Tüte aus der Hand und schon war sie verschwunden. Ihr Vater sah ihr kopfschüttelnd hinterher. Täuschte er sich, oder hatte Nele sich verändert, seit der Besuch aus Deutschland eingetroffen war? Nele rannte zum Detektivbüro. Keiner da! Und auf den Zetteln waren auch keine Nachrichten. Nele war so aufgeregt, daß sie nicht wußte, was sie jetzt machen sollte. Glücklicherweise bogen Julian und Max um die Ecke. Nele schwenkte die Gipstüte. „Hast du einen Eimer?“ fragte Julian. „Noch nicht, kann ich aber besorgen.“ Sie verschwand. „Wir müssen so schnell wie möglich hier weg“, sagte Julian zu Max. „Sonst schleppen uns unsere Eltern auf einen Ausflug.“ Er schrieb auf den Notizblock: „Wir sind schon los.“ Sie schlichen am Ferienhaus vorbei auf die große Wiese, rannten zum Stausee und warteten atemlos vor Spannung auf Nele. „Eure Eltern suchen euch!“ rief die schon von weitem. Julian beschloß, gar nicht darauf zu reagieren. Als sie ankam, fragte er nur: „Hast du den Eimer dabei?“ Wortlos schwenkte Nele den kleinen blauen Eimer, den Julian dann mit Wasser füllte. Er trug ihn vorsichtig durch die Cistrosen zum Zaun, hangelte sich damit durch den Stacheldraht und lief dann ge-
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bückt durch den Obstgarten, nachdem er sich vergewissert hatte, daß die Luft rein war. Als er bei den Reifenabdrücken angekommen war, mischte er ungefähr die Hälfte des Tüteninhalts mit dem Wasser zu einem zähflüssigen Brei. Vorsichtig ließ er die Masse in die Reifenspuren fließen und achtete darauf, daß alles schön bedeckt war. Die flüssige weiße Fläche erstarrte ganz plötzlich und wurde fest. „Und wie kriegst du das da raus?“ fragte Nele skeptisch. „Kein Problem.“ Julian griff in seine Tasche. „Oder doch! Ich habe mein Taschenmesser vergessen.“ „Max!“ rief er leise zu seinem Bruder hinüber, der aufpaßte, daß niemand in der Nähe war. „Max, hast du dein Messer dabei?“ Max nickte und warf ihm das Taschenmesser zu. Julian klappte es auf und löste vorsichtig die Gipsform aus der Spur. Doch er machte dabei eine ungeschickte Bewegung und zerbrach den Gips in zwei Teile. „Witzig!“ fluchte er. Er sah sich die Form genau an. „Macht aber nix! Man sieht das Reifenprofil auch so noch ganz gut. Das Teil darf nur nicht weiter zerbrechen. Hast du noch mehr Gips als den Rest hier in der Tüte?“ fragte er zu Nele gewandt. Die schüttelte den Kopf. „Dann müssen wir ihn gut und trocken aufbewahren. Vielleicht brauchen wir ihn noch.“
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„Ab nach Hause, würde ich vorschlagen“, sagte Nele und Julian stimmte ihr zu. Schnell waren sie wieder in ihrem Detektivbüro „Zum Hohlen Baum“. Nele besorgte eine Tüte und sie versteckten darin ihr erstes Beweismittel sicher unter einer Decke im hintersten Winkel des hohlen Baumes. „Julian! Max! Wo steckt ihr denn bloß?“ Die beiden Brüder sahen sich erschrocken an. „Hier!“ antworteten sie wie aus einem Munde. „Da seid ihr ja endlich. Wir warten schon eine Ewigkeit auf euch“, rief Herr Nagel ungeduldig, als er sie sah. „Wir wollen doch los! Und Julian hat auch noch seine Hose zerrissen, klar!“ Nun wurde er richtig ärgerlich. „Könnt ihr denn nicht ein bißchen besser aufpassen?“ Julian blickte schuldbewußt an sich hinunter. „Geh’ rein und zieh dich um!“ Schließlich aber saßen die vier Urlauber im alten Jeep der Beckers, der hinten keine richtige Rückbank hatte, sondern zwei Sitzreihen längs zur Fahrtrichtung. Nele hatte versprochen, Sagaldos Hof am Nachmittag weiter im Auge zu behalten und winkte den picknickbepackten Freunden nach, bis der Jeep hinter der ersten Kurve verschwand.
5. Kapitel
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Im fünften Kapitel wird erzählt wie ein harmloser Ausflug die fünf findigen Detektive auf eine ganz heiße Spur bringt.
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„Wohin fahren wir eigentlich?“ fragte Max seine Eltern aufgeregt. Er hätte so gern von dem Abenteuer erzählt, wie sie die Reifenspuren der Diebe gesichert hatten. „Wir haben doch gestern lang und breit darüber gesprochen, daß wir zuerst nach Lagos fahren und uns dann die alte Burg in Silves ansehen wollen.“ Herr Nagel war ziemlich ungehalten. Er mußte sich in diesem Urlaub immer öfter über seine Kinder wundern. Meistens waren sie verschwunden und wenn sie dann mal zu sehen waren, schwiegen sie entweder oder hörten sofort auf miteinander zu sprechen, wenn die Eltern in Hörweite kamen. Ob der Klimawechsel daran schuld war? „Papa, was heißt vende-se? Das steht an vielen Häusern dran“, fragte Julian während der Fahrt. „Keine Ahnung. Wahrscheinlich ,zu verkaufen‘. Oder, was meinst du, Renate?“ Frau Nagel nickte zustimmend: „Das ist ähnlich wie im Französischen.“ Plötzlich rief Julian: „Jetzt kommt doch gleich die Bäckerei? Vor drei Jahren gab’s da wenigstens eine.“ Ein paar Kurven weiter tauchte tatsächlich eine Halle auf, die mitten in die Landschaft gebaut war. Sie war lange Zeit als Bäckerei genutzt worden, jetzt aber stand sie leer. Auch an der Halle war ein Schild mit der Aufschrift „Vende-se“ und dabei stand eine Telefonnummer. Julian blickte desinteressiert aus dem Fenster.
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Auch Max langweilte sich. Ihn interessierte das Schicksal alter Bäckereien ebensowenig wie seinen Bruder. Bis Max plötzlich etwas sah, was ihn hochschnellen ließ: Im Schatten der Halle stapelten sich grüne und blaue Kunststoffkisten, prall gefüllt mit Orangen. Ihm verschlug es die Sprache. Julian hatte nichts mitbekommen und reagierte empört auf die Knuffe, die Max ihm in die Seite gab. „Hör doch mal auf! Was soll das denn?“ Erst als sie in Lagos ausgestiegen waren, konnte Max seinen Bruder beiseite nehmen. „An der alten Bäckerei stehen Orangen in Kunststoffkisten.“ „An welcher Bäckerei?“ Julian war elektrisiert. „Kurz vor Lagos. An der alten Halle, wo früher die Bäckerei drin war!“ „Mensch, warum hast du das denn nicht gleich gesagt?“ „Du schreist ja immer nur ,Hör auf, hör auf‘, wenn man dir was zeigen will. Und sagen konnte ich es schließlich nicht.“ Julian schwieg betreten. *** Während des ganzen Ausflugs setzten die beiden sich immer wieder von den Eltern ab und überlegten ihr weiteres Vorgehen. Eins stand fest: Sie mußten unbedingt die Halle näher untersuchen und sie mußten die Telefonnummer des Verkäufers aufschreiben.
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„Hast du etwas zum Schreiben dabei?“ Julian fragte Max und untersuchte währenddessen auch seine eigenen Taschen. Max schüttelte den Kopf. Julian auch. „Entweder haben Mama oder Papa einen Kuli dabei oder wir müssen einen kaufen.“ „Hast du denn portugiesisches Geld?“ Julian überlegte. Sein Feriengeld hatte er sich noch nicht geben lassen. Das wäre doch die richtige Gelegenheit. Es würde überhaupt nicht auffallen, wenn er in Lagos etwas Geld brauchen würde. Aber eine Untersuchung von Frau Nagels Tasche ergab folgendes Ergebnis: Zwei Kugelschreiber, einen Füllfederhalter, zwei Buntstifte und einen Block. „Das dürfte reichen!“ sagten die Kinder erleichtert. *** Auf der Heimfahrt lief ihr Plan wie am Schnürchen. Man konnte die hellgrün gestrichene Halle schon von weitem leuchten sehen. „Mama. kannst du mir bitte etwas zum Schreiben geben?“ fragte Julian und auf ihren fragenden Blick meinte er: „Ich fange jetzt mit meinem Ferientagebuch an.“ Die Halle kam näher, Herr Nagel fuhr mit dem Jeep langsam durch die kurvenreiche Strecke. Kurz vor der Halle stieß Julian Max ans Bein und der krähte sofort los: „Ich muß mal pinkeln.“ „Dringend?“ fragte der Vater. „Ja, sehr dringend!“ sagte Julian. „Der muß doch
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immer dringend, weil er immer bis zum letzten Moment wartet!“ „Woher weißt du denn, wie dringend Max muß?“ fragte Herr Nagel. „Oder mußt du etwa auch?“ Julian nickte. „Bei den vielen Apfelsinen, die sie gegessen haben!“ Frau Nagel hatte für ihre Söhne Verständnis. „Na gut, wenn es sein muß“, Herr Nagel bremste und bog von der Straße ab. Er hielt genau da, wo es sich seine Söhne gewünscht hatten: auf dem Platz vor der alten Bäckerei. Julian und Max stürzten aus dem Auto. Julian ging links und Max rechts an der Halle entlang. Sie gingen so langsam, daß ihr Vater ihnen nachrief: „Ich denke, ihr müßt so dringend?“ Max entdeckte Reifenspuren. Die Kisten waren weg. Hinter der Halle traf er seinen Bruder. „Alles weg“, sagte er. „Aber vorne sind Reifenspuren.“ „Hier ist ein Fenster. Heb’ mich mal hoch“, forderte Julian seinen Bruder auf. „Das schaff’ ich nicht“, antwortete Max. „Dann laß mich hochklettern.“ Max verschränkte die Hände, Julian kletterte hoch, hielt sich an einem kleinen Fenstervorsprung fest und zog sich, so weit er konnte, nach oben. Als er seine Augen an die Dunkelheit in der Halle gewöhnt hatte, fiel er fast vor Schreck hinunter: Die
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Halle war gestopft voll mit den verschiedensten Dingen. Er sah neue und gebrauchte Waschmaschinen, Radios, Möbel, Autoteile und grüne und blaue Kisten mit Apfelsinen… „Ich kann nicht mehr“, stöhnte unter ihm sein Bruder. „Moment noch!“ „Spring!“ schrie Max und ließ los. Julian fiel herunter. „Witzig!“ Er war total sauer. „Du bist zu schwer!“ maulte Max kleinlaut. „Wo bleibt ihr denn?“ Herrn Nagels dröhnende Stimme ließ nichts Gutes ahnen. „Wir müssen uns noch die Reifenspuren ansehen. Der Schuppen ist gerammelt voll. Garantiert alles geklaut.“ Sie kamen hinter der Halle hervor. „Nun beeilt euch doch mal! Wenn man im Duett pinkelt, braucht man doch nicht länger!“ Nun wollte auch Frau Nagel weiter. Julian kam der rettende Einfall: Er kniete und band sich seine Schnürsenkel neu. Er ließ sich dabei viel Zeit und konnte so die Reifenspuren aufmerksam studieren. Sie entsprachen genau dem Abdruck! Julian überlegte, was jetzt wohl zu tun sei. „Soll ich die Herren auf Händen zum Automobil tragen?“ Der Vater war jetzt ziemlich sauer, das konnte man an seinem Ton deutlich hören. „Wir kommen ja schon!“
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*** Zu Hause angekommen, trafen sich die Kinder im Detektivbüro, um Neuigkeiten auszutauschen. Nele hatte nichts außergewöhnliches bemerkt. Julian und Max erzählten aufgeregt von ihrer Entdeckung in der Halle. „Habt ihr die Telefonnummer?“ Julian sah zu Max: „Hast du die Nummer aufgeschrieben?“ „Du wolltest doch das Tagebuch anfangen, ich sollte pinkeln.“ „Witzig!“ „Also habt ihr sie nicht. Wir brauchen sie aber. Wir müssen rauskriegen, wem die Halle gehört.“ „Wie weit ist das von hier weg?“ Julian war schuldbewußt. Schließlich hatte er vergessen, die Nummer aufzuschreiben. „Ich glaube, sechs oder acht Kilometer sind das sicher.“ Nele wußte es nicht so genau. „Da fahre ich mit dem Fahrrad hin. Zu Hause fahre ich auch mit dem Rad zur Schule.“ „Da sind aber keine Berge“, warf Max ein. „Dafür ist das hier nicht so weit“, erwiderte Julian, der unbedingt heute noch los wollte, am liebsten sofort. „Du kannst gar nicht mehr weg“, sagte Nele, „hörst du nicht, wir werden zum Abendbrot gerufen.“ ***
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So mußten die Kinder ihren Plan auf den nächsten Tag verschieben. „Dürfen wir nach dem Essen noch mal raus?“ fragte Max während des Abendbrotes. „Wir müssen noch gemeinsam abspülen. Wenn danach noch Zeit ist, gerne.“ *** Nach dem Essen trafen sich die Kinder noch einmal am hohlen Baum. Sie schrieben auf einen großen Zettel, was sie bisher alles an Beweisen zusammengetragen hatten. Das war an erster Stelle der Gipsabdruck. Dann die Kunststoffkisten und die Halle, die wahrscheinlich das Diebeslager war. Das war nicht ganz sicher, aber alles deutete darauf hin. „Wir brauchen unbedingt die Telefonnummer.“ Nele war sich ganz sicher, daß sie damit einen großen Schritt in der Aufklärung des Falles weiterkommen würden. Julian beschloß, am nächsten Morgen gleich loszufahren. Sie würden gemeinsam zum Stausee gehen. So könnte sich Julian unbemerkt von den Erwachsenen mit dem Fahrrad auf den Weg machen.
6. Kapitel
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Im sechsten Kapitel wir erzählt, wie Julian allein vor einem verschlossenen Tor steht und wie Nele Ausbrecherin wird und Helme ins Gebüsch fliegen.
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Nele lag noch lange wach, sie hatte das Licht noch an und versuchte zu lesen. Immer, wenn sie zwei Zeilen gelesen hatte, bemerkte sie, daß sie nicht mehr wußte, was es überhaupt war, was sie gelesen hatte. Ihre Mutter kam leise zur Tür herein und begann ein Gespräch. Aber Nele war mit den Gedanken bei grünen und blauen Apfelsinenkisten. „Du hörst mir überhaupt nicht zu!“ sagte ihre Mutter erbost. „Seit Nagels da sind, bist du so anders geworden.“ „Bitte?“ „Ich sagte… ach laß, es ist schon spät. Nagels und wir wollen morgen abend gemeinsam in einem Restaurant zum Essen gehen. Kannst du dann die Kleinen ins Bett bringen? Eigentlich machen wir so etwas nicht gern“, fügte sie entschuldigend hinzu, „aber wir sehen uns so selten.“ Nele war hellwach. „Morgen abend? Na klar, kein Problem.“ „Ach, was bist du für ein liebes Mädchen“, Frau Becker war wieder versöhnt. Sie streichelte Nele über den Kopf und verließ das Schlafzimmer: „Schlaf gut!“ Nele dachte nach. Das war eine große Chance. „Mama“, rief sie ihrer Mutter nach. „Ja?“ Frau Becker streckte noch einmal den Kopf zur Tür herein. „Fahren wir morgen zum Markt?“
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„Ach ja. Morgen ist ja Samstag. Ich hätte es vor lauter Feriengästen fast vergessen.“ „Kann ich mit?“ „Wenn du willst. Jetzt aber endgültig gute Nacht!“ Sie schloß die Tür. *** Am nächsten Morgen kam Frau Becker zu Nagels. Sie trank eine Tasse Kaffe mit ihren Gästen. „Möchte jemand mit nach Lagos zum Markt fahren?“ fragte sie. „Ich kann euch aber auch etwas mitbringen.“ „Ich!“ rief Julian. „Dann brauche ich nicht…“ Er biß sich auf die Zunge. „Was brauchst du nicht?“ fragte Herr Nagel und sah seinen Sohn scharf von der Seite an. „Ach, nichts. Kann ich mit?“ „Das ist eine gute Idee. Nele wollte auch mit, so könnt ihr mir beim Schleppen helfen“, sagte Frau Becker lächelnd. „Was brauchen wir?“ Julian war begeistert, daß er nicht mehr mit dem Fahrrad die lange Strecke fahren mußte, um die Telefonnummer an der Halle abzuschreiben. „Gemüse und Obst“, sagte seine Mutter. „Margit hilft dir bei der Auswahl. Ich gebe dir noch etwas Geld mit.“ *** „20 73 57“ buchstabierte Nele leise, als sie an der Halle vorbeifuhren. „Hast du sie aufgeschrieben?“
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Julian nickte und steckte seinen Notizblock in die Hosentasche. „Die Nummer ist nicht von hier“, flüsterte Nele. „Ich möchte wetten, die Halle ist verpachtet.“ *** Der Markt war brechend voll. Für die Kinder gab es gleich zu Beginn schmalzgebackene Teigringe, die in Zucker und Zimt gewälzt wurden. Im Geschiebe und Gedränge des Marktes verloren sich die drei. Sie hatten aber verabredet, sich nach einer Stunde am Auto wiederzutreffen. Nele und ihre Mutter mußten lange warten, bis Julian vollbepackt eintraf. Er kaufte sehr gern ein und traute sich sogar zu, auf einem fremden Markt in einer fremden Sprache einzukaufen. „Ich habe ein tolles Marktschauspiel gesehen“, entschuldigte er sich für sein Zuspätkommen. „Ein Mann wollte ein Karnickel kaufen, konnte sich aber mit dem Bauern nicht über den Preis einigen. Sie haben hin und her gefeilscht – ich habe kein Wort verstanden – und dabei ist ein Huhn ausgebüxt, hat als erstes vor lauter Aufregung in die Erbsen gekackt, ist dann in die Erdbeeren des Nachbarn geflogen und hat sie angepickt und schließlich ist es dann davongeflattert. Der halbe Markt war hinter dem Huhn her, aber das Viech ist immer wieder mit Gegacker durch die Beine der Leute abgehauen.“ „Und? Haben sie es gekriegt?“ fragte Nele. „Zum Schluß ja! Hast du irgendwo Orangen in
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Kunststoffkisten gesehen?“ Er senkte die Stimme. „Keine einzige. Ich hatte auch gehofft, wir würden sie hier sehen.“ Sie fuhren schon die große Straße entlang, die aus Lagos hinausführte, als Julian Nele plötzlich anstieß: „Was ist das? Da ist ja noch ein Markt.“ Nele beugte sich vor. „Können wir eben noch auf den Flohmarkt?“ Ihre Mutter sah auf die Uhr. „Nein. Nagels brauchen das Auto.“ „Machen wir schon wieder einen Ausflug?“ Julian war entsetzt. „Ich glaube schon.“ „Dann bleib’ ich zu Hause.“ *** „Schön, daß ihr schon da seid.“ begrüßte sie Herr Nagel, als sie die Taschen aus dem Jeep hievten. „Dann können wir gleich los.“ Herr Nagel hatte den nächsten Ausflug schon vorbereitet. „Kann ich hier bleiben, Papa? Ich habe so dolle Kopfweh.“ „Sag doch gleich, daß du nicht mitwillst.“ Herr Nagel hatte seinen Sohn sofort durchschaut. „Für diese dreiste Lüge müßtest du eigentlich zur Strafe mitfahren. Na ja, von mir aus. Aber mach hier bloß keinen Blödsinn.“ *** Julian schlich sich mit Nele ins Haus und hörte ihr zu, wie sie auf portugiesisch mit dem Besitzer der
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Halle telefonierte. Es fiel ihr schwer, wie eine Erwachsene zu reden, aber Julian fand, sie machte es richtig gut. „Und?“ Er konnte es kaum erwarten, bis sie den Hörer auflegte. „Unglaublich!“ Nele schüttelte den Kopf. „Der Mann sagte mir, daß die Halle seit zwei Jahren leer steht. Ich habe extra nachgefragt, ob sie verpachtet ist. Sie steht leer, sagte er. Und ihr habt gesehen, daß sie voll ist.“ „Hast du ihm das gesagt?“ „Hältst du mich für bekloppt?“ Nele war empört. „Da können wir doch gleich die Polizei anrufen. Nein!“ bekräftigte sie. „Ich habe eine viel bessere Idee. Bist du schon einmal auf einem Moped gefahren?“ „Klar“, log Julian. Er hatte noch nie auf einem Moped gesessen, aber er wollte sich keine Blöße geben. „Unsere Eltern gehen heute abend gemeinsam essen. Wenn sie weg sind, schwingen wir zwei uns aufs Moped und sehen uns die Halle noch einmal an. Einverstanden?“ „Ja aber… du darfst doch noch gar nicht Moped fahren?“ „Egal. Ich kann es aber. Hast du Mut?“ „Na klar. Wann geht’s los?“ Lieber hätte sich Julian die Zunge abgebissen, als zugegeben, daß er ein sehr mulmiges Gefühl hatte
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bei der Vorstellung, mit Nele auf dem Moped über die Landstraße zu fahren. „Sobald die Eltern im Auto sitzen, fahren wir los.“ *** Den Rest des Tages verbrachten die Kinder am Stausee. Sie schwammen, spielten Frisbee und dösten in der Sonne. Plötzlich wurden sie von lauten Stimmen auf Sagaldos Hof aufgeschreckt. Sie krochen durch die Cistrosen und verbargen sich so, daß man sie nicht sehen konnte, sie aber den Hof überblicken konnten. „Wer ist das?“ flüsterte Julian. „Links ist José Sagaldo, der mit dem Schnauzbart. Ich glaube, sie haben den Diebstahl entdeckt.“ Sagaldo fluchte und schrie so sehr, daß Julian es unter dem Busch mit der Angst bekam. Der bestohlene Orangenbauer sah sich um seinen gesamten Jahresertrag gebracht! „Jetzt dürfen wir keine Zeit mehr verlieren“, sagte Nele auf dem Heimweg entschieden. „Sagaldo verständigt doch jetzt ganz sicher die Polizei.“ „Die Reifenspur ist dann nichts mehr wert, Sagaldo ist mit seinem Wagen drüber gefahren.“ Max hatte es genau beobachtet. „Die Polizei weiß weniger als wir.“ Nele nickte. *** Die Eltern waren sehr erstaunt, wie problemlos die Kinder an diesem Abend zu Bett gingen. Sie fuhren
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beruhigt ab und waren sehr froh, schon so große und vernünftige Kinder zu haben. Nele wartete eine Viertelstunde, dann stand sie auf. Sie vergaß nicht, sich warm anzuziehen. Die Nächte in Portugal sind im März noch recht kalt. Max war mit Julian aufgestanden. „Was mache ich, wenn die Mädchen aufwachen?“ Er hatte doppelt Angst. Zum einen um seinen Bruder und Nele und zum anderen, daß Anna und Katharina aufwachen könnten. Sie verabredeten, die beiden auf keinen Fall einzuweihen. Max sollte sagen, daß Nele bei den Kühen im Stall sei. „Nehmt die Sturzhelme mit“, rief er ihnen hinterher. „Habt ihr den Gips?“ Nele drehte sich um, nahm die Tüte und ging in den Schuppen. Sie warf das Moped an und endlich starteten sie und verschwanden knatternd in der Dunkelheit. Julians Herz klopfte, als er seine Arme um Nele schlang, die das Moped im Slalom um die Schlaglöcher steuerte. Er war froh, als das Waldstück zu Ende war und das Dorf auftauchte. Samstags abends war sicher keine Polizei unterwegs, wenigstens von dieser Seite drohte keine Gefahr. Die Fahrt erschien ihnen endlos. Die Lampe des Mopeds war ziemlich schwach, sie sahen nicht weit. Als sie sich der Halle näherten, bemerkten sie Licht!
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Nele hielt in sicherer Entfernung das Moped an. Das Fahrlicht erstarb, als der Motor ausging. „Was tun, sprach Zeus?“ flüsterte Nele nach hinten. „Bin ich Zeus?“ Beide schwiegen. Sie beobachteten, wie ein kleiner Lastwagen an die Halle heranfuhr. Zwei Männer stiegen aus, öffneten das Tor und beluden den Lkw mit zwei Waschmaschinen und ein paar Kisten, deren Inhalt sie aus der Ferne nicht erkennen konnten. Nach kurzer Zeit löschten sie das Licht in der Halle, schlossen die Schiebetür und fuhren los. „Jetzt!“ sagte Nele und warf das Moped an. Sie steuerte auf die Halle zu. Ein paar Meter vor der Einfahrt stiegen die beiden ab und legten das Moped in den Straßengraben. Auf Zehenspitzen schlichen sie zur Halle. „Hast du den Gips und die Taschenlampe?“ fragte Julian leise. Nele nickte. Sie zog den Gips aus der Jackentasche. „Verdammt! Ich habe die Taschenlampe unterwegs verloren!“ „Es geht auch so. Gibt es hier Wasser?“ Sie sahen sich suchend um. An der Wand entdeckten sie einen Wasserhahn. „Wir lassen das Wasser in die Tüte laufen.“ Nele hielt die Tüte mit beiden Händen unter den tröpfelnden Wasserhahn. Als der Gips breiig war, kippten sie den Tüteninhalt in die Reifenspur. Der
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Mond schien auf die beiden Detektive. Julian löste mit dem Taschenmesser die erstarrte Form aus der Spur und trug sie vorsichtig zum Moped. „Wir müssen versuchen, ob wir etwas in der Halle erkennen können“, sagte Nele. Als sie das Schiebetor untersuchten, erschraken sie furchtbar. Das große Tor rollte wie von selbst zur Seite, als sie ein klein wenig daran schoben. Die Diebe hatten vergessen, es abzuschließen. „Mach das Tor wieder zu!“ flüsterte Julian. „Ich geh’ rein und du hältst hier Wache“, erwiderte Nele. „Wenn einer kommt, rufst du wie ein Käuzchen. Das Tor machst du hinter mir zu.“ „Du siehst doch nichts, wenn du in der Halle bist.“ Julian versuchte, sie von der Idee abzubringen, die ihm viel zu gefährlich erschien. „Ach was. Ich habe gute Augen und durch die Fenster fällt genug Licht. Es ist ja fast Vollmond.“ Nele verschwand in der Halle. Julian rollte das Tor wieder zu und starrte angestrengt auf die Straße. Die Minuten vergingen endlos langsam. Sein Herz klopften vor Aufregung. Er hatte Angst um sich und um Nele. Die Straße lag wie ausgestorben vor ihm. Die Kälte zog ihm langsam die Beine hoch. In der Ferne zitterte das Licht eines Autos. Er kniff die Augen zusammen. Sollte er Nele warnen? Da bog das Auto ab. Wieder lag die Straße leer vor ihm. Erneut ein Scheinwerfer in der Ferne. Er tauchte die Landschaft in ein fahles Licht und kam immer
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näher. Als er in die letzte Kurve einbog, rief Julian laut wie ein Käuzchen. Nele reagierte nicht. Das Licht kam näher und Julian trat an das Tor. „Nele!“ schrie er. Nichts rührte sich in der Halle. Das Auto bog in die Einfahrt, Julian konnte sich gerade noch rechtzeitig hinter einem Steinhaufen verstecken. Das Auto fuhr bis zum Tor und hielt an. Julian blieb fast das Herz stehen. Ihm schossen Tränen der Angst in die Augen, als er sah, wie ein Mann ausstieg und auf die Halle zuging. Jetzt erwischen sie Nele, dachte er. Der Mann zog ein Schlüsselbund aus der Tasche und schloß das Tor ab. Nele war gefangen. Das Auto fuhr wieder ab. Die Männer waren nur zurückgekommen, weil ihnen eingefallen war, daß sie vergessen hatten, abzuschließen. Nun begann Julian zu weinen. Er wußte nicht mehr weiter. Nele war in der Halle gefangen, er stand mutterseelenallein mitten in Portugal und konnte noch nicht einmal allein das Moped anwerfen. Was sollte er jetzt bloß tun? Er schluckte. Der Kloß in seinem Hals war so groß, daß er Angst hatte, daran zu ersticken. Seine Eltern würden bald zurückkommen, dachte er. Sie würden hier vorbeifahren. Sollte er sie vielleicht anhalten? Die Angst vor dem Zorn seines
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Vaters ließ ihn diesen Gedanken schnell verwerfen. Er stand auf und schlich zum Tor. Er klopfte . „Nele!“ Noch einmal, jetzt lauter: „Nele!!“ Drinnen hörte er es rumoren. „Sei doch still!“ Es war eine Mischung aus Schreien und Flüstern. „Willst du ganz Lagos aufwecken?“ Sie hatte von der Rückkehr der Männer überhaupt nichts mitbekommen! „Nele, kannst du mich hören?“ „Warte, ich komme raus.“ Julian brachte kein Wort heraus. „Mach das Tor auf, zu Scherzen bin ich jetzt nicht aufgelegt.“ „Das Tor ist abgeschlossen.“ Die Kinder mußten sich durch das Tor hindurch verständigen. Ihre Stimmen klangen dumpf. „Die Männer sind zurückgekommen und haben abgeschlossen.“ Drinnen schwieg Nele. Julian überlegte, ob sie wohl genauso mit den Tränen kämpfte wie er. „Nele!“ rief er. „Nele, so sag doch was.“ Julian trommelte gegen das Tor. „Nele!!“ Er schrie und heulte hemmungslos, er hatte allen Mut fahren lassen und fühlte sich am Ende seiner Kraft. „Schrei nicht so rum!“ sagte eine Stimme leise hinter ihm. Julian fuhr herum und sah Nele vor sich stehen. Er war so verblüfft, daß er sie mit offenem Mund an-
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starrte, als sähe er ein Gespenst. Als sie sich umdrehte, um zum Moped zu gehen, folgte er ihr wortlos. „Wie bist du da rausgekommen?“ fragte er schließlich, als er sich wieder gefaßt hatte. „Ich bin einfach durch das Fenster geklettert. Es ist zwar ziemlich weit oben, aber da drin steht mehr rum als in manchem Supermarkt. Ich mußte nur über drei Waschmaschinen klettern und schon war ich draußen. Das wäre vielleicht ein Beruf für mich: Ausbrecherin!“ „Laß uns jetzt los, unsere Eltern können jeden Moment zurückkommen.“ Julian wollte nur noch nach Hause. „Wieviel Uhr ist es?“ „Kurz vor elf.“ „Nix wie nach Hause!“ *** Julian interessierte sich an diesem Abend überhaupt nicht mehr dafür, was Nele in der Halle wohl gesehen hatte. Er hatte jetzt nur noch einen Wunsch: Er wollte so schnell wie möglich nach Hause und dort auf jeden Fall vor seinen Eltern ankommen. Sie hatten noch die Helme auf dem Kopf, als sie die Scheinwerfer des Autos in der Ferne herannahen sahen. Nele warf ihren Helm ins nächste Gebüsch, Julian warf seinen hinterher. Sie hatten noch genau sechs Minuten Zeit.
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Max war in der Küche von den Beckers, wo er Wache bei den Kleinen gehalten hatte, eingeschlafen. Nele riß ihn unsanft aus dem Schlaf und Julian zerrte seinen Bruder, so schnell es eben ging, mit sich in das Ferienhaus. Sie warfen sich genau in dem Moment in ihre Betten, als die Eltern die Haustür öffneten. Nur ein paar Augenblicke später schaute der Vater ins Kinderzimmer. Christoph Nagel freute sich, daß alles in Ordnung war. Daß die beiden Jungs stocksteif mit den Gesichtern zur Wand lagen, bemerkte er überhaupt nicht.
7. Kapitel
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Im siebten Kapitel wird erzählt, wie Herr Becker wütend wird und wie sich die Kinder plötzlich fürs Wandern begeistern und ein Wilderer in einem Auto schläft.
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„Nele!“ tönte eine wütende Stimme über den ganzen Hof. „Oh verdammt. Mein Papa. Und ich glaube, ich weiß warum.“ Nele duckte sich und versteckte sich hinter dem hohlen Baum. Sie hatte gerade den Kindern von ihren Erkundungen in der Halle erzählt. „Nele!!!“ „Ich muß da jetzt hin. Ich bin gleich wieder da.“ Sie setzte ihr unschuldigstes Lächeln auf und schlenderte gemächlich zum Schuppen. Herr Becker kochte vor Wut: „Wo steckst du denn? Kannst du nicht wenigstens mal antworten, wenn ich dich rufe? Habt ihr mit den Helmen Fußball gespielt?“ „Nicht direkt Fußball. Wir haben…“ Er wurde immer wütender: „Habt ihr sie in das Gebüsch gepfeffert?“ Nele nickte. Ihr Vater schüttelte den Kopf. „Ich kann es kaum glauben. Ich dachte, ihr seid zivilisierte Menschen, da könnt ihr die Helme doch auch wegräumen. Ich schließe jetzt das Moped weg. Mir wird das allmählich zu bunt. Räum’ du die Helme weg und hilf mir beim Ausmisten! Heute ist Sonntag und ich will nicht so spät fertig werden.“ „ Ja, Papa! Ich komme in zehn Minuten, ist das okay?“ Herr Becker nickte. Seine Wutausbrüche verrauchten Gott sei Dank immer schnell. ***
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Nele rannte zurück zum Detektivbüro um ihren Bericht wenigstens zu beenden. „Also noch mal: Ich glaube, es war dasselbe Auto. In der Halle ist kein Platz mehr frei. Sie ist gestopft voll mit Diebesgut. In einer Ecke stehen Waschmaschinen. Neue und Gebrauchte. Ich habe sie nicht gezählt, aber zwanzig waren es mindestens. Außerdem liegen da ganz viele Autoteile herum, meistens Kotflügel. Auch neue und gebrauchte. Und eine Ecke ist für das Obst reserviert. Die Orangen stehen da immer noch rum. Bis zum nächsten Samstag müssen wir so viele Beweise zusammen haben, daß wir sie schnappen können. Sonst ist es zu spät. Sagaldo erntet alles ab, was irgendwie reif ist, sagt mein Papa.“ Nele sprach schnell, sie wußte, in zehn Minuten mußte sie bei ihrem Vater sein. „Laß uns noch einmal zusammenfassen“, Julian redete wie ein Lehrer: „Erstens, wir haben zwei identische Reifenspuren. Zweitens, die Orangenkisten sind in der Halle. Drittens, die Halle ist voll, obwohl sie an niemanden verpachtet ist. Das ist doch schon ganz schön viel.“ „Viel nennst du das? Die Polizei lacht dich aus. Du kannst doch gar nicht beweisen, daß die Reifenspuren wirklich vom Hof und von der Halle stammen. Wir müssen wissen, wem der Lastwagen gehört. Außerdem könnten die Diebe behaupten, sie hätten die Orangen gekauft. Das sieht man den Früchten nicht an, von welchem Baum sie stammen.
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Schließlich sind sie nicht numeriert wie die Waschmaschinen. Am besten wäre, wir würden sie auf frischer Tat ertappen.“ „Und sie dabei fotografieren“, ergänzte Max. „Das mit dem Fotografieren ist gut!“ „Nele!!!“ „Ich muß gehen, sonst wird mein Vater sauer.“ Im Fortlaufen rief sie noch: „Das Moped hat er schon weggeschlossen.“ „Na und?“ sagte Katharina. *** Die Kinder verbrachten den ganzen Vormittag mit Frisbee spielen. Als Nele und ihr Vater mit dem Stall fertig waren, spielten sie auch mit. Über dem Spiel auf den großen Wiesen rund um das Haus vergaßen sie völlig den Kriminalfall… bis plötzlich ein Polizeiauto den langen Weg zum Hof heruntergefahren kam. Herr Becker sprach mit einem schnauzbärtigen Polizisten, der aus dem Auto ausgestiegen war. Nele stellte sich neben ihren Vater und hörte zu. Nach ein paar Minuten fuhr der Polizist wieder weg. „Was wollte der denn?“ fragte Julian mit unschuldiger Miene. „Er hat nur gefragt, ob uns etwas aufgefallen ist, bei Sagaldo würden laufend Apfelsinen geklaut und im Wald scheinen Wilderer auf Wildschweine zu schießen. Ich habe ihm von Max’ Entdeckung erzählt, aber sonst ist uns nichts aufgefallen.“
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Die Kinder nickten und schwiegen… Sie wollten nicht mehr Frisbee spielen und zogen sich zu ihrem Treffpunkt zurück. Herr Becker war sehr verwundert. „Hast du auch Wild in der Halle entdeckt?“ fragte Julian Nele. „Gesehen habe ich keins, aber in einer Ecke hat es ziemlich gerochen. Vielleicht hing da welches.“ „Wir brauchen jetzt unbedingt die Autonummer“, erklärte Julian bestimmt. Die Kinder stimmten zu. Ihnen war klar, daß sie mit Hilfe der Autonummer die Diebe fangen könnten. „Wo ist denn der Wald, in dem die Wildschweine geschossen werden?“ fragte Max. „Da oben“, Anna und Katharina waren froh, auch mal etwas zur Aufklärung des Falles beitragen zu können. *** Der Hof der Beckers lag in einer Senke. Zwischen dem Tal und dem nächsten Dorf lag ein dichter Wald aus Schopfpinien, Akazien und Eukalyptus. Ein Paradies für Wildschweine – und für Wilderer. Es gab Gegenden, die jahrelang von keinem Menschen betreten wurden. Hier war es leicht, sich auf die Lauer zu legen. Die Förster und Wildhüter waren überfordert. Sie entdeckten den Wilddiebstahl immer nur durch Zufall. Meistens nahmen die Wilderer die Tiere im Licht ihrer Autoscheinwerfer an Ort und Stelle aus und warfen die Überreste achtlos in den nächsten
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Busch. So waren auch diesmal die Förster erneut auf eine Wilderei aufmerksam geworden. Ob es sich bei den Wilderern auch um die Orangendiebe handelte, wußte die Polizei nicht. Sie vermutete es aber. *** „Hast du gehört, wo die Stelle ist, an der die Wilderer das letzte Wildschwein ausgenommen haben?“ fragte Julian. Nele nickte. „Es ist ziemlich weit weg von hier. In die Nähe der Häuser kommen die Wilderer sowieso nicht, man würde ja sonst die Schüsse hören.“ „Was hältst du davon, wenn wir uns die Stelle einmal ansehen? Vielleicht entdecken wir ja wieder Reifenspuren.“ *** Als die Kinder ankündigten, sie wollten wandern gehen, und zwar allein, reagierte Herr Nagel perplex: „Eine Wanderung wollt ihr machen. So richtig laufen und so?“ Wie oft hatte er schon mit den Kindern wandern wollen. Jedesmal hatten seine Jungs entweder einen verstauchten Fuß, Muskelkater vom vielen Sitzen oder Muskelkater vom vielen Laufen, je nachdem. Nie waren die armen Kerle gesund genug, eine Wanderung durchzustehen. Und nun dies: Freiwillig zogen sie los. Und er sollte nicht mit! Die Kinder wollten entweder allein oder gar nicht wandern.
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Komische Ferien waren das. Die Kinder verboten den Eltern das Mitwandern! Er beschloß, dafür richtig gemeine Rache zu nehmen. Er beschloß – genau, das war’s – den Kindern zu verbieten, rechtzeitig zu Bett zu gehen. Das war eine gerechte Strafe, dachte er, als er in der Mittagshitze döste und sanft in der leise schaukelnden Hängematte einschlummerte. *** Die Rucksäcke waren mit Proviant und Getränken gut gefüllt. Sie waren nicht allzu schwer, so daß die Kinder gut vorankamen. Sie sprachen kein Wort. Sie wanderten mehr als zwei Stunden, bis sie schließlich in den einsamen Waldweg einbogen, an dem der Busch lag, worunter die Wildschweinüberreste gefunden worden waren. Es war ein heftiger Wind aufgekommen, der die hohen Eukalyptusbäume bog, unter denen sie entlang gingen. Auf dem Weg waren viele Spuren zu sehen. Auch die Jeeps der Försterei waren hier gewesen und hatten Spuren hinterlassen.. Julian untersuchte jede Spur genau und kroch auf Knien über den Weg. „Hast du Gips dabei?“ fragte er Nele. „Du bist ein Witzbold. An was soll ich denn sonst noch alles denken? Außerdem ist der Gips alle.“ „So ein Mist! Ich glaube, ich habe eine interessante Spur entdeckt.“
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Nele grinste. Sie fummelte in ihren Jackentaschen herum und nestelte triumphierend eine kleine Kamera heraus. „Super!“ Julian war ehrlich begeistert. Nele fotografierte erst die Reifenspur und danach blödelten sie mit der Kamera herum. Sie stellten sich auf und fotografierten sich mit dem Selbstauslöser, knipsten sich mit dem Rücken zur Kamera, streckten dem Objektiv die Zunge heraus und stellten dann fest, daß nur noch zwei Bilder auf dem Film waren. „Die heben wir uns bis zuletzt auf.“ Nele packte die Kamera in ihre Jacke. „Außerdem müssen wir nach Hause. Wieviel Uhr ist es?“ „16 Uhr 23 Minuten und 42 Sekunden. Wir haben heute Sonntag, den…“ „Danke, das genügt“, unterbrach sie Julian. „Ab nach Hause!“ Schnell waren die Proviantreste eingepackt und die Rucksäcke geschultert. Doch als die Kinder auf den großen Waldweg einbogen, prallten sie zurück. Nur knappe zehn Meter von ihnen entfernt stand ein Kleinlaster. Niemand war zu sehen. „Ich glaub’, ich spinne“, sagte Julian halblaut. Nele nickte. Leise zog sie ihren Fotoapparat aus der Tasche und fotografierte den kleinen Lkw. Es war derselbe, den Julian und Nele an der Halle gesehen hatten. Als sie an dem Lkw vorbeigingen, bemerkten sie, daß hinter dem Steuer ein Mann saß und schlief.
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Auf seinem Schoß lag ein Jagdgewehr. Die Kinder bekamen Angst. Auf Zehenspitzen liefen sie am Lkw entlang und mußten sich beherrschen, nicht gleich loszurennen. Hinter der nächsten Biegung rannten sie los und hielten erst an, als sie nicht mehr laufen konnten. Atemlos machten sie eine Pause. „Weißt du, wer der Mann da hinter dem Steuer war?“ Julian sah triumphierend zu Nele und Max. „Das war der Kerl, der mit dem Bauern um den Hasen gefeilscht hat.“ Die anderen verstanden gar nichts. „Gestern habe ich doch auf dem Markt gesehen, wie zwei um einen Hasen gefeilscht haben.“ Nele nickte. „Ich würde mich nicht wundern, wenn das nur ein Ablenkungsmanöver war, um dem Bauern die Kasse zu klauen“, sagte Julian. „Das wird sich zeigen“, stimmte Nele zu. „Aber ich wäre auch nicht erstaunt.“ Der Heimweg erschien ihnen endlos. Wenn heute Nacht wieder gewildert werden würde, wäre das Foto, das sie gemacht hatten, ein unwiderlegbarer Beweis! Die Kinder zogen einen Ring von Beweisen um die Diebe, die nichts davon ahnten. Stolz kehrten sie nach Hause zurück. „Na, wie war’s?“ Schläfrig erhob sich Herr Nagel aus der Hängematte, in der er den ganzen Nachmittag verbracht hatte. „Super! Und so erfolgreich.“ Julian kicherte.
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„Erfolgreich? Wieso? Was meinst du damit?“ Max und Julian sahen sich an. „Wir haben jeder mindestens zwei Blasen…“ Hungrig wie die Löwen verschlangen sie ihr Abendbrot. Das abendliche Treffen am hohlen Baum war diesmal nur kurz. „Hat sich einer die Autonummer gemerkt?“ fragte Nele in die Runde. Alle sahen sich an. „Erstens haben wir sie auf dem Foto“, sagte Julian. „Und zweitens ist sie hier drin gespeichert.“ Er tippte sich an die Stirn. Die Kinder sahen ihn erstaunt an. „53 24 CP.“ Nele schrieb die Nummer auf. „Ich rufe morgen im Rathaus in Lagos an, und versuche den Besitzer des Autos herauszubekommen. Ich habe ja mittlerweile Erfahrung mit schwierigen Telefonaten.“ Damit beendete Nele das Treffen. Die Kinder spürten, daß sie die Diebe fast schon so weit eingekreist hatten, daß sie die Polizei einweihen mußten.
8. Kapitel
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Im achten Kapitel wird erzählt, wie Max eine geniale Idee hat und Tinte dabei eine wichtige Rolle spielt.
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Nele öffnete vorsichtig die Tür und sah ins Büro ihrer Eltern. Es war leer. Die Eltern waren am Stausee, eine Wasserleitung neu verlegen, das wußte sie. Aber in diesem Kriminalfall konnte man nicht vorsichtig genug sein. Hastig suchte sie sich aus dem Telefonbuch die Nummer des Landratsamtes von Lagos heraus. Nach vielen „Moment, ich verbinde“, landete sie bei einer Stelle, die gegen gutes Zureden bereit war, ihr den Halter des Fahrzeugs bekanntzugeben. Nele hatte ihre ganze Überzeugungskunst eingesetzt und von einem Blechschaden erzählt, den sie verursacht hätte, und wie unangenehm es ihr wäre, sie wollte so gern den Schaden ersetzen und so weiter… Sie hatte das Gefühl, sich Fransen an den Mund geredet zu haben, aber schließlich stand die Adresse des Besitzers auf dem Papier, das vor ihr lag. Sie rannte so schnell sie konnte zum hohlen Baum. Niemand war da. Aber auf dem Zettel stand: „Komm sofort zum See!“ So schnell sie ihre Beine trugen, rannte sie zum See. Atemlos lief sie ohne zu Grüßen an ihren Eltern vorbei, die zum Frühstück zurück kamen. „Na, willst du schwimmen?“ Nele nickte nur kurz und verschwand hinter der nächsten Kurve. *** Niemand war am See. Verlassen lag der kleine steinige Badestrand.
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Verwirrt suchte Nele nach einem Hinweis. Sie fand nichts und stieg dann den kleinen Berg zu Sagaldos Hof hinauf. Vielleicht war der Zettel uralt, überlegte sie, oder der Fall hatte sich ganz plötzlich entwickelt und die anderen hatten sie nicht mehr benachrichtigen können. Und richtig, oben angekommen, streckten sich ihr vier Paar Schuhsohlen unterschiedlicher Größe entgegen: Die Detektive lagen auf der Lauer. Vorsichtig schob sie sich zwischen Max und Julian und flüsterte: „Was gibt’s?“ „Sieh mal da durch.“ Sie spähte durch die Cistrosen. Wieder standen die bekannten Kunststoffkisten, prall mit Orangen gefüllt, in Sagaldos Obsthof. „Die sind vielleicht dreist“, wunderte sich Max. Nele nickte. „Wenn die wüßten, wie dicht wir ihnen auf den Fersen sind.“ „Jetzt müssen wir handeln“, erklärte Julian bestimmt. „Bald sind alle Orangen weg.“ „Laßt uns zum hohlen Baum gehen“, schlug Nele vor. „Wir müssen uns beraten.“ Max begann vorsichtig mit dem Rückzug, die anderen folgten. „Habt ihr nicht gebadet?“ wunderten sich Neles Eltern, als sie zurückkamen. Sie schüttelten den Kopf: „Es war doch noch zu kalt.“ Und schon waren sie verschwunden. ***
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Sie beratschlagten mit leisen Stimmen. Auch ihre Stimmung war gedämpft. Sie hatten das Gefühl in eine Sackgasse geraten zu sein. Ein falscher Schritt und die Diebe rochen Lunte und waren über alle Berge. Viele Vorschläge und Überlegungen wurden besprochen. Keinen Anklang fand Julians Vorschlag, Nägel auf die Hofeinfahrt von Sagaldo zu streuen. Da man nicht wußte, wann die Diebe zum Aufladen kommen würden, war die Gefahr zu groß, daß eventuell Sagaldo selbst Opfer dieser List werden könnte. Und dann würde der Verdacht ganz sicher auf sie fallen. Auch die Idee, jetzt die Polizei einzuschalten, wurde abgelehnt. *** Max hatte die ganze Zeit geschwiegen. Man sah seinem Gesicht an, daß es in seinem Kopf gewaltig rauchte. Gründlich überdachte er seinen Vorschlag. Als alle mit ihrem Latein am Ende waren, puffte ihn Julian in die Seite: „He, sag’ doch auch mal was und sitz’ hier nicht so dumm rum!“ „Von wegen dumm rumsitzen. Ich hab’ doch die ganze Zeit nachgedacht.“ „Und? Zu welchem Ergebnis ist unser Herr Schlaumeier gekommen?“ Max sah in die Runde und man merkte, daß er sich des Erfolges seines Vorschlags sicher war: „Habt ihr alte Spritzen vom Tierarzt?“
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„Meinst du richtig mit Kanüle oder die fürs Euter?“ fragte Nele zurück. „Nein, ich meine, diese zum Unter-die-Haut-spritzen mit diesen Metallnadeln.“ „Kanülen“, verbesserte Nele. „Ich glaube schon. Wieviele brauchst du?“ „Nur eine. Und Tinte.“ „Tinte???“ „Blaue oder schwarze, das ist egal.“ Max lehnte sich zurück. „Und dann?“ Nele und Julian sagten es im Chor. „Ich habe mir folgendes überlegt: Wir können ja schlecht jeden auf dem Markt verhaften lassen, der Orangen in Kunststoffkisten verkauft. Wir müssen irgendwie nachweisen, daß sie von diesem Hof stammen. Und dazu werden wir die Orangen bei Sagaldo mit Tinte vollspritzen.“ Nele sprang auf. „Genial! Super! Ich könnte dich knutschen!“ Sie hüpfte im Kreis und lachte. Als sie sich beruhigt hatte, fragte sie: „Und weiter?“ „Am Freitag gehen wir zur Polizei und weihen sie ein. Dann gehen wir am Samstag zusammen auf den Markt und kaufen bei den Dieben ein.“ „Und wenn sie gar nicht da sind?“ Julian fand den Vorschlag seines Bruders gar nicht so super. „Dann haben wir eben Pech gehabt.“ Max war schon wieder etwas kleinlauter. Nele wischte alle Bedenken beiseite: „Irgendwo
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müssen sie das Zeug ja verscherbeln. Und außerdem glaube ich, daß sie die anderen Sachen auf dem Flohmarkt loswerden wollen. Ich finde die Idee gut.“ „Sollen wir alle Apfelsinen voll Tinte machen?“ Katharina hatte nicht alles begriffen. Man sah ihr an, daß es ihr um die schönen Orangen leid tat. „Nein“, meinte Max. „Aus jeder Kiste nur ein paar.“ „Wir probieren das erst einmal aus.“ Julian konnte sich nicht mit der Idee anfreunden. Nele lief los und kam kurze Zeit später mit den nötigen Utensilien wieder. Fünf Apfelsinen mußten sie opfern, bis sie zufrieden waren. Die Tinte konnte stark verdünnt werden und die Kanüle mußte tief in die Frucht reichen. So war der Effekt am besten. Das Einstichloch war sozusagen am Nordpol der Frucht, direkt in der Blüte. Jetzt war auch Julian Feuer und Flamme. „Wir müssen gleich nach dem Essen los. Die Orangen müssen bis heute Abend fertig sein.“ *** Am Nachmittag badeten die Kinder im Stausee. Niemand wunderte sich über die kleine Plastiktüte, die Max zusätzlich zu seinem Handtuch mitschleppte. Die Erfrischung im See tat an einem heißen Tag, wie diesem doppelt gut: Schließlich galt es, kühlen Kopf zu bewahren. *** Julian warf die Frisbeescheibe mit Schwung in
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Sagaldos Obstgarten. Nele kletterte laut singend durch den Zaun und überprüfte die Lage, bevor sie die Scheibe aufhob. „Alles klar“, rief sie den anderen zu. Julian und Max kamen durch den Zaun geklettert, die Kleinen sahen auf dem Bauch liegend zu. Vorsichtig zog Max mit der Spritze die verdünnte Tinte auf und piekte in eine Orange. In jeder Kiste wurden sechs Früchte präpariert. Nach einer halben Stunde waren sie fertig. Nicht einmal sie selbst konnten erkennen, welche Früchte nun voller Tinte waren. Zu Hause suchte Nele alle Tintenvorräte des Hauses zusammen und ging zu Julian. „Hast du Mut?“ fragte sie ihn . „Na klar habe ich Mut!“ „Heute nacht geht’s noch einmal zur Halle! Wir müssen auch dort die Orangen präparieren!“ „Noch mal zur Halle? Du bist verrückt!“ Julian konnte es nicht fassen. Das hatte er auf keinen Fall vor. Dazu fehlte ihm nun doch der Mut. Er versuchte alles, Nele davon abzuhalten: „Du darfst doch gar nicht mehr mit dem Moped fahren. Außerdem ist die Halle diesmal garantiert abgeschlossen.“ „Das mit dem Moped laß mal meine Sorge sein“, erwiderte sie lässig. „Und das Fenster hab ich so angelehnt, daß man nicht bemerkt, daß es offen ist. Da klettere ich hoch. Also, was ist, machst du mit?“
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„Äußerst ungern! Aber allein kannst du das auch nicht machen.“ „Heute nacht geht’s los. Wir müssen warten, bis unsere Eltern schlafen. Den Weg hier am Hof entlang müssen wir das Moped schieben. Ich bleibe wach, bis alle schlafen. Ich klopfe an dein Fenster, wenn es losgeht.“ Besorgt ging Julian zu Bett. Mehrmals schreckte er aus seinem Halbschlaf auf, weil er glaubte, Nele klopfen gehört zu haben. Es war aber nur das Knarzen seines Bettes. Betrübt sah er zu Max hinüber, der nicht eingeweiht worden war, er hätte sonst sicher auch nicht schlafen können. So lag der kleine Bruder selig schlummernd in den Kissen und ahnte nicht, was heute Nacht geschehen würde.
9. Kapitel
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Im neunten Kapitel wird erzählt, wie die Förster den Wilderern eine Falle stellen und wie wenig Vertrauen manche Eltern in ihre Kinder haben. Außerdem, wie sehr die Detektive hoffen, daß die Diebe es schaffen, die Orangenkisten zu klauen.
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Es war schon Mitternacht vorbei, als Nele klopfte. Schnell zog Julian sich an und kletterte aus dem Fenster. Leise schlichen die beiden über den Hof. Mittlerweile war Vollmond und es war so hell, daß sie auch im Schuppen ohne Lampe etwas sehen konnten. Das Moped stand da und war an einen Ring angekettet, der in die Wand eingelassen war. „Mist“, fluchte Nele. „Irgendwo haben wir einen Bolzenschneider. Hilf mir suchen!“ „Leise!“ zischte Julian, als Nele den Werkzeugkasten durchwühlte. „Hier ist er. Papa sollte mehr Ordnung halten.“ Nele mußte trotz der Anspannung lachen. Sie setzte den Bolzenschneider an ein Kettenglied und drückte zu. Nichts geschah. Sie versuchte es ein zweites Mal. Wieder nichts. „Vielleicht müssen wir die Schneiden schärfen“, überlegte Nele. „Das dauert zu lange“, entgegnete Julian. „Laß es uns zusammen versuchen.“ Nach mehreren Versuchen klappte es schließlich. Sie waren jetzt schon erschöpft und schoben das Moped langsam den Weg hinauf. Hinter der zweiten Kurve versuchten sie, das Moped zu starten. „Wir müssen das Ding den Berg ganz raufschieben“, keuchte Nele. „Dann geht es bergab und wir können das Moped anlaufen lassen.“ Fluchend und schwitzend schoben und schoben
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Julian und Nele. Der Hügel erschien ihnen durch diese Anstrengung so hoch, als wäre es der höchste Berg Europas. Als sie endlich oben angekommen waren, war es schon fast ein Uhr. Nele schwang sich auf den Sattel und Julian schob das Moped an. Knatternd und stinkend sprang es schließlich an. „Spring auf!“ rief Nele und sah nach hinten. Julian packte sie an der Schulter und zeigte erschrocken nach vorne. Durch den Wald fuhr ein Auto! „Mach’ die Kiste aus!“ Nele löschte sofort das Licht. Im Dunkeln standen sie neben ihrem knatternden Moped und ihre Blicke folgten den durch den Wald fahrenden Lichtern. „Die Wilderer?“ Julian beugte sich zu Neles Ohr und flüsterte. „Wahrscheinlich. Vielleicht wollen sie auch die Orangen holen.“ „Aber dann… müssen sie an uns vorbei!“ Nele wollte gerade etwas erwidern, als plötzlich ein weiteres Auto seine Lichter anmachte und dann noch eins und dann ein viertes, ein fünftes. Die Förster hatten sich in dieser Nacht auf die Lauer gelegt und den Wilderern eine Falle gestellt. Man hörte jaulende Motoren und quietschende Reifen. Förster und Wilderer lieferten sich im Wald eine wilde Verfolgungsjagd. „Da kommen wir nicht durch“, erkannte Nele. „Nix wie nach Hause.“
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Julian fiel ein Stein vom Herzen. Nele wendete das Moped und gab Gas. Aber schon nach dreißig Metern fing der Motor an zu blubbern und ging aus. „Was ist los?“ Julian starb fast vor Angst. Hinter ihnen jagten die Autos durch den Wald. „Ich glaube, der Sprit ist alle.“ Nele war sauer. Ein paar Meter rollte das Moped noch den abschüssigen Weg hinab und blieb dann stehen. Wütend schob Nele das Moped in den Graben. Müde machten sich die beiden auf den Heimweg. „Mein Vater hat den Sprit abgelassen.“ Nele war ehrlich empört. „Er vertraut mir wohl gar nicht!“ Julian lachte. Nele sah ihn verständnislos an. „Ich finde das nicht zum Lachen, wenn Väter kein Vertrauen zu ihren Kindern haben.“ Trotzig stampfte sie mit dem Fuß auf. „So wären wir sowieso nicht bis zur Halle gekommen“, versuchte Julian sie zu beruhigen. Schweigend stapften beide nebeneinander her. Unten im Tal lag dunkel und schläfrig der Hof, auf den sie jetzt zusteuerten. „Aber eins mache ich noch!“ sagte Julian plötzlich in die Stille. „Und?“ „Ich sehe nach, ob die Orangen weg sind. Stell’ dir vor, die haben das nicht geschafft, dann ist unser ganzer Plan für die Katz. Wenn Sagaldo die Tintenorangen in die Finger kriegt, denkt er doch sofort, daß wir ihm einen Streich spielen wollten.“
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Nele nickte. Sie war zwar auch müde und freute sich auf ihr Bett, aber sie sah ein, daß der kleine Umweg unbedingt nötig war. Sie gingen den Weg am Stausee entlang, denn auf keinen Fall wollten sie einem wartenden Dieb über den Weg laufen. Leise schlichen sie sich an den Zaun, bogen die Cistrosen beiseite und spähten durch den Zaun. Im hellen Licht des Vollmondes sahen sie, daß die Kisten verschwunden waren. Ein wenig beruhigt schlichen sie zurück nach Hause. Als sie endlich im Bett lagen, war es viertel nach drei.
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10. Kapitel
Im zehnten Kapitel wird erzählt wie drei Kinder einen Polizeipräsidenten begeistern und wie Diebe merken, daß eine Falle zuschnappt. Außerdem kann man erleben, wie Eltern Steine vom Herzen fallen.
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Laut polternd kam Hubert Becker in die Küche gestürzt. „Wo ist die Nummer der Polizei?“ rief er laut. „Wo ist das Telefonbuch? Also, das ist doch die Höhe! So eine Unverschämtheit! So was von dreist!“ Er schimpfte ununterbrochen und konnte sich kaum beruhigen. Als er endlich zum ersten Mal Luft holte, schob ihm seine Frau einen Stuhl in die Kniekehlen und zog ihn auf den Sitz. „Was ist denn überhaupt los?“ „Oder warst du das?“ Hubert Becker drehte sich herum und nagelte Nele mit Blicken fest. „Ich? Was soll ich gewesen sein?“ „Das Moped! Hast du das Moped benutzt?“ Herr Becker sprach mit strenger Stimme. „Hast du mir das verboten oder nicht?“ Nele spielte das Unschuldslamm. „Doch.“ Hubert Becker beruhigte sich etwas. „Entschuldige. Aber das Moped ist weg. Die Kette, mit der ich das Moped angebunden hatte, ist durchgekniffen. Noch nicht einmal ihren eigenen Bolzenschneider mußten die Herrschaften mitbringen. Unserer lag griffbereit daneben.“ „Hattest du das Moped angekettet?“ Margit Becker war überrascht. „Wieso das denn?“ „Ich dachte, sicher ist sicher. Ich hatte es Nele doch verboten.“ „Hast du so wenig Vertrauen in deine Kinder, daß du das Moped anketten mußtest?“ Die Schärfe im Ton von Margit Becker war nicht zu überhören.
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Nele kam ihrem bedrängten Vater zu Hilfe: „Nun streitet euch nicht wegen solcher Lappalien!“ Sie erntete einen dankbaren Blick von ihrem Vater. Der stand auf und ging zum Telefon. Sein Gespräch mit der Polizei dauerte lange. Sein Gesichtsausdruck wechselte dabei von Erstaunen zu Empörung. Endlich legte er auf. „Wißt ihr, was der Polizist mir erzählt hat?“ Er wischte sich mit dem Taschentuch den Schweiß von der Stirn. „Woher denn? Du hast doch mit ihm telefoniert.“ sagte Nele lachend. „Heute nacht haben sie den Wilderern im Wald aufgelauert und diese Kerle sind trotz der vielen Polizeiautos, die überall im Wald verteilt waren, entkommen. Diese Dorfburschen kennen sich im Wald besser aus, als die Förster! Bei der Verfolgung haben sie unser Moped gefunden.“ Nele stöhnte auf. „Ist was? Ich hatte auch den Sprit abgelassen.“ sagte Herr Becker stolz. Er bemerkte den strafenden Blick seiner Frau nicht. „Sie sind für das bißchen Sprit recht weit gekommen.“ Ein kalter Schauder überlief Neles Rücken. Wenn die Polizei sie nachts auf dem Moped erwischt hätte! Nicht auszudenken! *** „Eigentlich läuft alles nach Plan“, sagte Julian
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beim nächsten Detektivtreffen. „Ich glaube, wir brauchen nicht mehr in die Halle.“ „Die Diebe werden jetzt sehr vorsichtig sein“, sagte Nele. „Die Polizei ist ihnen auf der Spur. Mein Vater hat mir noch erzählt, daß die Nummernschilder der Autos zugeklebt waren. Das wird es noch etwas verzögern, aber im Grunde braucht die Polizei nur noch die Halter solcher Lkws abzuklappern.“ „Zusammenfassung“, sagte Julian kurz und knapp. „Erstens: Die Reifenspuren in der Halle und auf dem Hof und wahrscheinlich auch die der Wilderer sind identisch. Zweitens: Der Halter des Lkw ist uns bekannt. Drittens: Wir wissen, wo das Diebesgut aufbewahrt wird. Viertens: Die Orangen sind gekennzeichnet. Fünftens: Das Auto ist im Wald fotografiert worden. – Was will man noch mehr? Damit können die Kerle verhaftet werden!“ „Die Frage ist, wann schalten wir die Polizei ein?“ wollte Max wissen. „Nicht vor Freitag!“ sagte Nele ganz entschieden. „Und wie machen wir das?“ fragte Julian. „Weihen wir die Eltern ein?“ „Bloß nicht“, wehrte Nele ab. „Mein Vater bekommt, glaube ich, einen Herzinfarkt. Sie erfahren es früh genug.“ „Das finde ich auch“, stimmte ihr Julian zu. „Besser, sie hören davon erst, wenn es vorbei ist. Wir fragen, ob wir am Freitag allein mit dem Bus nach Lagos fahren dürfen. Dann gehen wir zum Rathaus.“
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„Was willst du denn auf dem Rathaus? Du mußt zur Polizei!“ „Dann eben zur Polizei. Weißt du, wo sie ist?“ Julian sah Nele fragend an. Nele nickte. *** Und so kam es, daß drei Tage später drei Kinder mit einem Pappkarton durch die engen Straßen der Altstadt von Lagos liefen und sehr aufgeregt waren. Sie hatten die Gipsabdrücke sorgfältig in Zeitungspapier eingewickelt, damit sie den Transport gut überstanden. Die Polizeistation von Lagos liegt versteckt in einer Seitenstraße und der wachhabende Polizist baute sich vor ihnen auf: „Hier ist kein Kinderspielplatz!“ Nele war empört: „Wir sind nicht zum Spielen gekommen. Wir wollen den Polizeipräsidenten sprechen!“ Der Polizist lachte schallend: „Der wohnt hier nicht. Hier wohnt der Kaiser von Timbuktu.“ Er lachte so laut, daß seine Kollegen aus der Wache kamen, um nachzusehen, was so lustiges passiert sei. Julian und Max standen mit offenen Mündern da, denn sie verstanden von dem ganzen portugiesischen Gespräch kein Wort. „Er will uns nicht reinlassen“, sagte Nele, als sie von Max am Ärmel gezupft wurde. „Sag ihm doch, der Deutsche Konsul käme auch
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gleich, um mit uns zusammen zum Polizeipräsidenten zu gehen“, schlug Julian vor. Nele fand die Idee gut und redete noch einmal auf den Polizisten ein. „Der Deutsche Konsul?“ fragte der ungläubig und wischte sich mit dem Ärmel die Lachtränen vom Gesicht, dabei straffte sich seine Haltung als wollte er strammstehen. „Wenn das so ist… Aber zum Polizeipräsidenten kann ich euch nicht bringen, nur zum Kommissar.“ Nele grinste Julian zu, als sie hinter den Polizisten her in die Wache gingen. „Gute Idee“, sagte sie anerkennend. Sie warteten lange auf einem schmalen Flur, bis sie endlich in das kleine stickige Zimmer eines Kriminalkommissars geführt wurden. Der Beamte schaute mißmutig von seinen Akten auf und erweckte den Eindruck, als bemerkte er die Kinder gar nicht. Schließlich brummte er: „Setzt euch da hin!“ Dann vertiefte er sich wieder in seine Akten. Aber Nele ließ sich nicht einschüchtern. Sie stellte die Beweismittel auf den Tisch und begann einfach zu erzählen. Und nach ein paar Sätzen hellte sich das Gesicht des Kommissars auf. „In der Halle an der Straße nach Lagos?“ fragte er und Nele nickte. „Ihr habt den Wilderer im Auto gesehen?“ Nele nickte wieder. Der Kommissar schüttelte ungläubig
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den Kopf. „Seit Monaten versuchen wir, die Diebe zu überführen. Und nun kommt ihr einfach hier hereinspaziert und legt uns alle nötigen Beweise auf den Tisch!“ Er sprang auf und schüttelte den Kindern die Hand.„Bravo!“ rief er, „Bravo, Bravo!“ Die Kinder strahlten um die Wette. Außer Nele hatte zwar keiner irgendetwas verstanden, aber Julian und Max sahen ja, wie sich die Laune des Kommissars gebessert hatte. „Kommt mit!“ sagte er mit einem Ton, der keinen Widerspruch duldete und er führte sie durch viele Gänge und Flure des riesigen Gebäudes direkt vor die Tür des Polizeipräsidenten. „Wartet einen Moment“, sagte er, klopfte und verschwand in dem Zimmer. Durch die Tür konnte man drinnen ein erregtes Gespräch hören. Dann flog die Tür auf und ein gutgelaunter Polizeipräsident bat die Kinder herein. „Gut gemacht!“ warf er immer ein, wenn Nele ihre hervorsprudelnde Erzählung zum Luftholen unterbrechen mußte. Zufrieden nickte er, als Nele geendet hatte. „Das habt ihr gut gemacht“, sagte er noch einmal. „Und als Belohnung dürft ihr dabei sein, wenn wir die Kerle morgen festnehmen!“ Nele übersetze schnell und die Kinder waren begeistert. Das hatten sie gehofft. Das versprach, spannend zu werden.
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Plötzlich sah Julian auf seine Uhr: „Der Bus fährt ab.“ Der Polizeipräsident sah fragend zu Nele. Sie erklärte ihm, was Julian gemeint hatte. „Das kommt gar nicht in Frage“, sagte er sofort und griff zum Telefonhörer. „Meinen Wagen!“ bellte er ins Telefon. „In fünf Minuten vorm Haupteingang!“ Und an die Kinder gewandt sagte er: „Ich fahre mit. Vielleicht brauchen die tapferen Detektive ein bißchen Unterstützung bei ihren Eltern…“ Er lachte verschmitzt. *** Der Polizeipräsident hatte recht. Beide Elternpaare schauten tatsächlich sehr erstaunt und nicht gerade begeistert, als ihre drei Kinder mit einem großen Polizeiauto auf den Hof der Familie Becker fuhren. Lange blieb der Polizeipräsident von Lagos bei den Eltern, die zuerst hell empört über das nächtliche Treiben ihrer Kinder waren, dann nachträglich vor Angst um sie fast vergingen. Schließlich aber waren sie doch stolz auf ihre Sprößlinge. *** Am Samstag morgen gegen sechs Uhr hielten drei Streifenwagen der Ortspolizei Lagos auf dem Hof und luden zwei besorgte Elternpaare und fünf aufgeregte Kinder ein. Als sie an der Halle vorbeifuhren, begann das Herz von Nele schneller zu schlagen. Der Flohmarkt war zu dieser frühen Zeit noch nicht gut besucht. In den Seitenstraßen hielten sich Streifenwagen und zivile
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Autos der Polizei versteckt und hielten untereinander Funkkontakt. Sie standen bereit, einem fliehenden Auto den Weg abzuschneiden. *** Julian hatte als einziger einen der möglichen Diebe schon gesehen. Als der Markt in vollem Gange war, wurde er losgeschickt. Nach kurzer Zeit kam er zurück und nickte kurz mit dem Kopf. Die Diebe waren da! Sie hatten Orangen in Kisten, ein paar Waschmaschinen, ein paar Autoteile und etlichen Kleinkram vor sich ausgebreitet. Nun begann die Polizei unauffällig das Gelände des Flohmarktes abzusperren. Hätten die Diebe irgendeinen Verdacht gehabt, wären ihnen sicher die vielen Männer aufgefallen, die sich so ungewöhnlich früh für die eleganten Spitzengardinen, Kochlöffel und Herrensocken der verschiedenen Stände zu interessieren begannen. Aber sie waren sich ihrer Sache so sicher, daß sie gutgelaunt vor sich hin pfiffen. Sie standen zu dritt hinter dem Stand und warteten geduldig auf die ersten Kunden, die ihnen die geklauten Orangen abkaufen sollten. Julian hatte im Vorübergehen versucht, zu erkennen, ob eine mit Tinte präparierte Orange zu sehen war, aber er konnte keine erkennen. Zu schnell ging er am Stand der Diebe vorbei. Er war nervös und hatte Herzklopfen. Ein gutgekleideter Herr, das konnten die Kinder
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von ihrem sicheren Versteck im Polizeiauto sehen, ging auf den Stand der Diebe zu und unterhielt sich mit ihnen. Er wollte wohl eine Waschmaschine kaufen, vermuteten sie. „Ein Polizist?“ fragte Nele leise auf portugiesisch den Beamten, der bei ihnen im Auto saß. „No!“ war seine knappe Antwort. Er war ebenso gespannt wie die Kinder. Der Käufer wurde sich mit den Dieben nicht einig und ging langsam weiter. Jetzt begann sich der Polizist neben ihnen gespannt nach vorne zu beugen und stieß die Kinder an. Ein junger Mann, einfach gekleidet und nicht besonders groß, schlenderte über den Markt und hielt bei den Dieben an. Sie unterhielten sich, machten Scherze und dann ließ sich der Mann eine große Tüte Orangen einpacken. Nachdem er gezahlt hatte, holte er ein Taschenmesser aus der Hosentasche, klappte es umständlich auf und schnitt eine Orange auf. Den Kindern blieb vor Aufregung fast das Herz stehen. „Hoffentlich erwischt er eine blaue!“ zischte Julian. Plötzlich hatte der Mann eine Pistole in der einen, die blau verfärbte Orange in der anderen Hand und hielt sie den Dieben unter die Nase. Aber die ließen sich nicht einschüchtern und rea-
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gierten sofort: Blitzschnell warfen sie den Tisch um, auf dem die Orangenkisten gestanden hatten. Der Tisch fiel dem Polizisten so unglücklich auf die Füße, daß er aufjaulte und vor Schmerz auf einem Bein hüpfte. Die Diebe rannten los und rissen bei ihrer Flucht durch das Marktgetümmel andere Marktstände und Sonnenschirme um, unter denen Polizisten, Marktfrauen und Kunden laut fluchende Knäuel bildeten. Aber die Verfolger ließen sich nicht abschütteln. Zu viele Polizisten waren auf dem ganzen Marktplatz verteilt und die ersten beiden Diebe waren schnell überwältigt. Nur dem dritten schien in der allgemeinen Verwirrung die Flucht zu gelingen. Er hatte jedoch nicht mit den scharfen Augen einer alten Gemüsefrau gerechnet, die auf ihre Kiste gekauert am Anfang der langen Reihe von Marktständen saß. Der Dieb rannte an ihr vorüber und sie streckte ihren Stock so geschickt und im richtigen Moment aus, daß sie den Dieb wie ein flüchtendes Schaf am Unterschenkel zu fassen bekam. Er verlor das Gleichgewicht und stürzte kopfüber in die Auslage eines Melonenbauern. Als er seinen Kopf aus den zerplatzten Melonen gehoben hatte, gab er auf: Drei Polizisten standen um ihn herum und warteten, bis er sich die saftigen Melonenreste aus dem Gesicht gewischt hatte. Mit Handschellen gefesselt, stiegen die Diebe in
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ein Polizeiauto. Die Kinder knufften und boxten sich ausgelassen und fielen sich vor Freude um den Hals. Eigentlich hatte alles wie am Schnürchen geklappt!
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Nachwort So, nun ist die Kriminalgeschichte zu Ende. Die Diebe sitzen im Gefängnis, Herr Sagaldo hat seine Orangen wieder (er versucht gerade, die mit der Tinte auszusortieren) und die Polizei räumt die Halle aus. Eigentlich wollte ich noch die großen Artikel der Tageszeitungen zitieren. Sofort nach dem Erfolg auf dem Flohmarkt stürzten sich alle Zeitungen Portugals auf die Kinder. Den ganzen Tag mußten die fünf Rede und Antwort stehen. Nele war zum Schluß ganz heiser vom Reden und Übersetzen. Aber heute ist Sonntag, gestern ist das alles erst passiert und die Artikel kommen erst morgen raus. Und Mittwoch fliegt unser Flugzeug, das uns nach Hause bringt. Die Detektive bekommen übrigens noch eine Belohnung, die auf das Ergreifen der Diebe ausgesetzt war. Die scheinen nämlich ganz schön gefährlich gewesen zu sein. Gut, daß die Kinder das nicht vorher wußten. *** Der nette Polizeipräsident bringt uns persönlich nach Faro zum Flughafen. Im Polizeiauto! Leider kann ich mich nicht mit ihm unterhalten, denn ich kann kaum soviel Portugiesisch, um auf dem Markt Orangen zu kaufen…
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