Ren Dhark 72 Die Planeten-Bombe KURT BRAND Ren Dhark und seine Welt Im Jahre 2050 ist die politische Lage auf der Erde ...
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Ren Dhark 72 Die Planeten-Bombe KURT BRAND Ren Dhark und seine Welt Im Jahre 2050 ist die politische Lage auf der Erde ausgeglichen, jedoch die Erde ist überbevölkert. Da startet der erste Kolonistenraumer „Galaxis“ mit 50 000 Kolonisten an Bord zur Fahrt in den Weltraum, um neue Siedlungsräume zu suchen. Durch einen Defekt im Antrieb geraten die Kolonisten in einen unbekannten Teil der Milchstraße und wissen nicht mehr, wo sich die Erde befindet. Sie gelangen zu einem bewohnbaren Planeten, den sie „Hope“ nennen, gründen hier die Stadt „Cattan“ und entdecken auf einer großen Insel Spuren einer hochentwickelten Kultur. Die Insel wird „Deluge“ genannt. Ren Dhark, den man zum Stadtpräsidenten gewählt hat, findet in einer riesigen Höhle auf Deluge ein Raumschiff der Ureinwohner, das von ihm den Namen „Point Of“ erhält. Es gelingt Ren Dhark, die Point Of startklar zu machen, und er bricht auf, um die Erde wiederzufinden. Die Suche führt schließlich zum Erfolg. Jedoch die Menschen auf der Erde sind von einer Invasorenrasse, den „Giants“, überfallen und geistig versklavt worden. Ren Dhark versucht, sie zu befreien. Es gelingt ihm, nach einem mentalen Kampf die Führungsspitze der Eindringlinge, „Cal“ genannt, festzunehmen. Sie wird erst wieder freigelassen, nachdem sie das Geheimnis verraten hat, wie man die Menschen wieder zu normalen Erdbewohnern machen kann. Es geschieht mit Hilfe eines Gehirnwellensenders durch Bestrahlung. Die Menschen wachen aus ihrem Trancezustand auf, und die Giants verschwinden von der Erde. Im Brana-Tal befindet sich die „Cyborg“-Station. Dort sind die Wissenschaftler unermüdlich cm Werk. Man unternimmt interessante Experimente auf dem Gebiet der Cyborg-Forschung. Die ersten Cyborgs haben bereits ihre Feuerprobe bestanden. Ren Dhark findet auf einem Planeten des Blue Stars-System einen zerstörten Ringraumer, der ihm viele Rätsel aufgibt. Zur gleichen Zeit geschieht in der Riesenhöhle auf Deluge etwas Unerwartetes: Die Mammut-Aggregate und der Groß-Transmitter beginnen zu arbeiten! Ein Kugelraumer, der Sonnensysteme der Galaxis zu katalogisieren hat, scheint auf die Heimatwelt der Mysterious gestoßen zu sein. Bevor jedoch die Besatzung die Erde ausführlich benachrichtigen kann, wird der Kugelraumer zerstört, und eine riesige Flotte von 20 000 Ringraumern nimmt Kurs auf Terra. Ren Dhark dringt mit Arc Doorn in den Kommandoraumer dieser Flotte ein und kann durch Ausbauen des Gigant-Senders, der die Befehle an die anderen Ringraumer weitergab, die Erde vor der Zerstörung durch diese Roboter-Schiffe bewahren.
Während die TF 3972 Ringraumer, die im freien Fall über Terra stehen, erbeutet, macht sich Ren Dhark mit der Point Of auf den Weg zur vermutlichen Heimatwelt der Mysterious. Personenverzeichnis: Ren Dhark Dan Riker Henner Trawisheim Marschall Bulton Arc Doorn Tino Grappa Jens Lionel Monty Bell Bernd Eylers Jos Aachten van Haag Major Bir Vandelljuo
Commander der Planeten Freund und Mitarbeiter Ren Dharks Ren Dharks Stellvertreter auf Terra stellvertretender Chef der TF der draufgängerische Sibirier Ortungsspezialist der POINT OF Bordastronom der POINT OF Astrophysiker, wissenschaftlicher Leiter des Forschungszentrums Alamo Gordo Chef der Galaktischen Sicherheits-Organisation (GSO) Agent der GSO Raumer-Kommandant ***
Der große schwarzhaarige Mann saß bewegungslos im Pilotsessel.
Sein leicht vorspringendes Kinn zeigte einen roten Fleck.
An Dan Riker das unverkennbare Zeichen, wenn er stark erregt war.
Bis zum letzten Offizier in der POINT OF fieberte jeder vor nervenzerreißender
Spannung.
Die Verbindung zur Gruppe Ren Dhark war abgerissen!
Mitten im Wort!
Im gleichen Moment hatte Tino Grappa den pulsierenden Fleck, der etwas über
achthundert Kilometer östlich mitten in der roten Wüste lag, wieder mit seiner
Energieortung erfaßt.
Alle seine Ortungen arbeiteten. Auch die der Distanz und Massen zeigten
Höchstwerte an.
In der Funk-Z schwitzten Morris, Brugg und Yogan. Riker hatte ihnen den
Auftrag erteilt, unter allen Umständen wieder Vipho-Verbindung zu Ren Dhark
herzustellen.
Im Hyperfunk war nur ein leichtes Rauschen zu hören. Die Frequenz, auf der
das Bildsprechgerät des Commanders arbeitete, zeigte nicht den kümmerlichsten
Blip.
Dan Riker beugte sich langsam zu den Instrumenten vor. Seine dunklen,
buschigen Augenbrauen krausten sich. Mit jeder Sekunde warf das Chrono einen
neuen Wert aus.
Die Sekunden rasten dahin. Aus Sekunden wurden Minuten. Vor vierundsiebzig
Minuten war die Verbindung mit dem Commander in der Ruinenstadt
abgerissen. Das Chrono zeigte die fünfundsiebzigste Minute an. Seit einer Stunde saß Rul Warren im Flash 003 in Sitzbereitschaft. Als er Dan Rikers Einsatzbefehl hörte, sagte er nur: „Okay!“ Der Flash 003 flog aus. Richtung Ruinenstadt. Rul Warrens Auftrag lautete, Dhark und seine Männer zu finden, mit ihnen Kontakt aufzunehmen und über den Sender des Blitzes die Funkverbindung mit der POINT OF wiederherzustellen. Niemand machte sich Gedanken über das Intervallfeld, das um die Ruinenstadt aufgebaut war. Auch Rul Warren nicht, der gelassen in seinem Flash saß, die kalte Stummelpfeife zwischen den Zähnen und in niedriger Höhe der Ausfallstraße zuflog, die der Commander mit seinen Männern auch benutzt hatte. Die Entfernung zum Intervallfeld schmolz zusammen. Nach wie vor arbeitete die Bildfunkverbindung mit der POINT OF einwandfrei. Warren war mit Dan Riker ohne Zwischenschaltung verbunden. Da wurde die Flash 003 aus dem Kurs gerissen. Als ob sie gegen ein Hindernis geprallt sei, das ihre Fahrtrichtung radikal ablenkte. Der Andrucksgleicher eliminierte diesen abrupten Kurswechsel. Der Blitz nahm seine platte Nase hoch und stieg senkrecht in den grünblauen Himmel. Vor Überraschung rutschte Warren beinahe seine Stummelpfeife aus dem Mund. Sein rundes Gesicht rötete sich leicht; seine grauen Augen waren zu Schlitzen geworden. Über seine Lippen kam ein bösartiges Grunzen. Was er danach sagte, war nicht zu verstehen. Aber Dan Riker im Leitstand des Flaggschiffes war aufmerksam geworden. „Was gibt es, Warren?“ „Das Intervall der Stadt läßt mich nicht durch. Ich versuche es noch einmal.“ Auf seinem kleinen Bildschirm erkannte er, welche Überraschung und Bestürzung seine Meldung ausgelöst hatte. Dann hörte er über Funk Tino Grappas Stimme, der Riker aufgeregt etwas zurief. Rul Warren hatte in der Zwischenzeit seinen Flash auf Gegenkurs genommen, schwenkte die 003 wieder herum und ging gleichzeitig mit der Leistung des Sle höher. Erneuter Anflug auf das Intervallum der Ruinenstadt. Seine Geschwindigkeit lag bei fünfhundertzwanzig Stundenkilometern, als er abermals mit seinem Blitz nicht durchkam und wiederum senkrecht in den grünblauen Himmel stieg. „Geben Sie es auf, Warren“, hörte er Sekunden später Dan Rikers Stimme, die vor Erregung klirrte. „Sie kommen niemals durch. Das Intervall der Ruinenstadt unterscheidet sich in seinem Konstantenaufbau von dem der POINT OF und der Flash sehr stark!“ „Wie war das?“ fragte Rul Warren überrascht zurück und nahm dabei seine Pfeife aus dem Mund. Riker wiederholte seine Angaben nicht. „Kommen Sie zurück. Es hat keinen Zweck!“
Warren zuckte mit den Schultern. „Okay, ich fliege wieder ein.“ Als sein Flash wieder im Depot der POINT OF lag und er den Ausstieg auf gestoßen hatte, wartete er auf neue Anweisungen aus der Kommandozentrale. Aber ihn erreichte kein Anruf. Da nahm er seine Pfeife wieder hervor, stopfte sie umständlich und setzte den goldgelben Tabak in Brand. Nur rauchte er nicht lange. Die Pfeife schmeckte ihm nicht, und noch weniger schmeckte es ihm, daß Dan Riker ihn so schnell zurückgerufen hatte. Es mußte doch einen Weg geben, der in die Stadt führte. Man konnte den Commander mit seinen Leuten doch nicht einfach im Stich lassen! Das gleiche dachte auch Riker, als er hinter Grappa stand und die Instrumente der Energieortung kontrollierte. Das Amplitudenbild des Intervalls um die Stadt unterschied sich in drei charakteristischen Schwingungsweiten von dem der POINT OF, dabei war die Differenz zwischen den einzelnen Weiten nicht besonders groß. In diesem Fall jedoch war schon die kleinste Abweichung ein unüberwindbares Hindernis. Nachdenklich nahm Riker wieder im Pilotsessel Platz. Er rief Miles Congollon, den Chef-Ingenieur der POINT OF, an. „Was machen unsere M-Konverter?“ Der manchmal melancholisch wirkende Eurasier zuckte mit den Schultern. Die dreiundzwanzig Energieerzeuger der POINT OF, die gleichmäßig auf Deck 4 und 5 verteilt waren, hatten schon mehrfach zu Sorgen Anlaß gegeben. Einige waren ertobit geworden; mit anderen Worten, sie hatten plötzlich keine Energie mehr geliefert, obwohl sie nach Aussage einer Mentcap in der Lage sein sollten, für hundertundacht Jahre den maximalen Energiebedarf des Ringraumers zu liefern. Kugeltankförmig und vollkommen geschlossen gaben sie in ihrer Unitallverkleidung nicht preis, wie sie arbeiteten. Durch seine Anfrage wollte Riker sichergehen, ob er einen gefährlichen Plan in die Tat umsetzen konnte. „Riker, was sollen unsere M-Konverter schon machen? Sie arbeiten alle wieder einwandfrei, nachdem die ertobiten von dem fremden Ringschiff in Ordnung gebracht wurden. Warum machen Ihnen diese Aggregate Sorgen?“ „Danke, Congollon.“ Riker war der Frage des Ingenieurs ausgewichen und tastete die Verbindung zum Triebwerksraum aus. Auf seinem Kinn war immer noch der rote Fleck deutlich zu sehen. Er preßte die Lippen seines etwas zu breit geratenen Mundes aufeinander. Jetzt trug er die gesamte Verantwortung, und es fiel ihm schwer, eine Entscheidung zu treffen. Er hatte nicht vergessen, daß Dhark einmal vor einem ähnlichen Problem gestanden hatte; damals, als aufgrund schwerer Störungen des galaktischen Magnetfeldes der gesamte Kontinent Deluge auf dem Planeten Hope durch ein Intervallfeld abgeschirmt wurde. Ren Dhark hatte es seinerzeit durch konzentrierten Nadelstrahl-Beschuß an einer Stelle zum Zusammenbruch gebracht. Und nun hatte Riker vor, den Mini-Weltraum um die Ruinenstadt auf die gleiche Weise zu öffnen. In der WS-Ost horchte Jean Rochard auf; in der WS-West Bud Clifton. Beide
nickten Zustimmung zu Rikers Auslassungen. „Okay, Riker, wir schalten alle Antennen auf Nadel um!“ erklärte Rochard gelassen. „Nur, was passiert mit dem Commander und seinen Männern, wenn sie sich hinter dem Intervall im Bereich unserer Nadelstrahlen aufhalten?“ Schwer, jedes Wort betonend, erwiderte Riker: „Glauben Sie, daran hätte ich nicht gedacht?“ Bud Clifton, der Mann mit dem Kindergesicht, beteiligte sich an dem Gespräch. „Ich möchte von dem Versuch abraten. Diese Spukstadt ist mir nicht geheuer. Erklären kann ich es nicht. Es kommt aus dem Gefühl heraus.“ Das war genau das gleiche gewesen, über das sich Riker nicht hatte klarwerden können. Spukstadt hatte Clifton die gigantische Gebäudeansammlung genannt. Und sie hatte auch etwas Spukhaftes an sich. Woher waren die angreifenden Panzer gekommen? Wer hatte sie in Marsch gesetzt? Und warum hatte sich die Stadt, in der es nach den Angaben des Commanders keine Lebewesen gab, erst so spät durch den Aufbau eines Intervallfeldes abgesichert? Warum auch erst so spät Pressorstrahlen eingesetzt, um einen Teil der angreifenden Panzer wie Papierfetzen in den Himmel zu jagen? Über diese Fragen hatte sich Riker den Kopf zerbrochen, aber sie waren alle mehr oder weniger von zweitrangiger Bedeutung. Was hätte er darum gegeben zu wissen, weshalb der Funkkontakt mit Dhark plötzlich abgerissen war. Dhark hatte doch in seinem Bericht ein paar Sätze vorher unmißverständlich betont, daß es in der Stadt vollkommen ruhig geworden sei und sie sich bis auf zwanzig Meter dem großen Wolkenkratzer genähert hätten. In dem Gebäude, dessen Mittelteil bis auf die Grundmauern zerstört sei, vermuteten sie eine der Hauptzentralen, und die wollte man sich unter allen Umständen etwas näher ansehen. Bud Clifton, Chef der Waffensteuerung West, deutete Dan Rikers Schweigen als Unsicherheit. Er riet noch einmal ab, den Versuch zu wagen, das fremde Intervallfeld durch Nadelstrahl-Beschuß zu öffnen. „Geben Sie mir einen anderen Rat'', gab Riker offen zu. „Wenn wir das Intervallfeld in zehntausend Metern Höhe anfliegen und unter Strahlbeschuß nehmen, dann verringert sich die Gefahr für den Commander und seine Gruppe.“ Jetzt setzte auch Jean Rochard ein unzufriedenes Gesicht auf. Grappa unterbrach das Gespräch. Gleichzeitig meldete sich Elis Yogan aus der Funk-Z. Der strahlende Fleck in der Wüste hatte seine Pulsationszeit von 30,6 Sekunden auf 21,03 Sekunden verändert, und im Maximum sollte seine Farbe nicht mehr Orange, sondern Blauweiß sein. Yogans Meldung hatte sensationellen Charakter. „Wir hatten den Standort des starken Hyper-Senders lokalisiert, bevor uns das Intervall die Arbeit schwermachte. Jetzt aber arbeiten im Innern des Planeten
fünf ebenso starke Sender, deren Aufgabe es wohl ist, die Sendung des ersten zu stören. Und das schaffen sie hundertprozentig! Nach unseren Messungen kann kein gerichteter Spruch mehr nach dem Spiralarm II/a hinausgehen. Der wird am Antennenausgang schon zur Unkenntlichkeit verstümmelt!“ Riker strich über sein Haar und stöhnte dabei unterdrückt. Diese neuen Meldungen verwirrten das Bild noch mehr. Viel lieber hätte er eine Meldung über Ren Dhark gehört. Er warf dem Chrono wieder einen Blick zu. Seit 2 Stunden und 12 Minuten Normzeit war kein Lebenszeichen mehr vom Commander und seiner Gruppe gekommen. Er warf einen Blick auf die Bildschirme über seinem Instrumentenpult. Drei zeigten ihm die Silhouette der Ruinenstadt mit ihren zerstörten Wolkenkratzer-Spitzen. Darüber wölbte sich der fast wolkenlose Himmel, an dem eine weiße Sonne stand. Um die POINT OF herum lagen Vegetation und Wüste im Kampf. Das gesamte Bild vermittelte den Eindruck, daß es in diesem Bereich des Planeten seit vielen Jahrhunderten kein intelligentes Leben mehr gab. Aber warum waren dann hundert bis zweihundert Ringraumer in der Nähe dieser Stadt gelandet und nach kurzem Aufenthalt wieder gestartet? Was hatten hier robotisch geflogene Schiffe zu suchen? Diese Fragen wirbelten hinter Dan Rikers Stirn, und er fühlte, wie sie ihn verwirrten. Diese stärker werdende Verwirrung gab ihm aber auch die Kraft zu einem endgültigen Entschluß. „Wir fliegen das Intervall in einer Höhe von zwölftausend Metern an und nehmen es unter Beschuß. Vorher aber drehen wir drei Kreise über dem Komplex. Wenn der Commander die POINT OF sieht - und er muß das Schiff sehen, falls ihm nichts zugestoßen ist -, dann wird er ahnen, was wir vorhaben, und versuchen, Deckung zu finden.“ Jean Rochard und Bud Clifton warnten jetzt nicht mehr vor diesem Einsatz. „Wir schalten alle Antennen auf Nadel“, erklärte der Chef des WS-West, und damit wurde die Bordverständigung zu den beiden Waffensteuerungen ausgeschaltet. Als schwache A-Gravkräfte den Ringraumer sanft vom Boden lösten und die fünfundvierzig Paar Teleskopbeine mit ihren breiten Auslegern in die Unitallhaut eingefahren wurden, erinnerte sich Riker seines Flashpiloten Warren. Der meldete sich sofort. Er hatte seine Sitzwache in der 003 nicht aufgegeben. Riker informierte ihn über seinen Plan. „Halten Sie sich bereit, daß Sie auf ein Stichwort sofort ausfliegen und in die Ruinenstadt einfliegen können, Warren.“ Auf den Mann mit den abstehenden Ohren und dem Bürstenhaarschnitt war Verlaß. Neben Pjetr Wonzeff und Mike Doraner gehörte er zu den zuverlässigsten Flash-Piloten. In zweitausend Meter Höhe schaltete Riker den Sle ein. Der Brennkreis ließ die blauschimmernde Ringröhre von hundertachtzig Meter Durchmesser so elegant
und leicht wie einen Ballon steigen.
Für Dan Riker waren Starts längst Routine geworden.
Er flog die POINT OF nach den Instrumenten. Die Ortungen lieferten ihm mit
ihren exakten Angaben alle Daten, die er für die Ausführung seines Planes
benötigte.
Der Abstand zum Intervall veränderte sich kaum. Das Flaggschiff der TF stieg
senkrecht hoch. Aus den beiden Waffensteuerungen kamen die letzten
Klarmeldungen. Auch Rul Warren hatte sich noch einmal gemeldet. Er war
bereit, zu jeder Sekunde auszufliegen.
Da zuckte Dan Riker zusammen. Seinem Kopiloten erging es nicht anders. Im
Leitstand wurde kein Wort mehr gesprochen.
Die POINT OF zitterte.
Der Ringraumer lag nicht mehr ruhig. Er schwankte leicht, pendelte nach
Schleuse 4 und kam zurück, um bei der Schleuse 2 durchzusacken!
Und das Zittern, das durch das Schiff lief, wurde stärker!
Es kam aus dem Boden, aus den Wänden und Decken. Es war überall.
Riker straffte sich.
Ein Blick auf die Belastungsanzeige der Intervallfelder!
Dort war alles in Ordnung.
Da hörte er die Gedankensteuerung, eine der unheimlichsten Einrichtungen der
Mysterious in diesem Ringraumer.
Habe Schiff übernommen! Im gleichen Moment waren sämtliche Steuerschalter blockiert. Die terranische Besatzung wurde geflogen; sie konnte über ihr Schiff nicht mehr bestimmen. „Riker“, klang Grappas erregt klingende Stimme auf, „der pulsierende Fleck ist zu einer super-dimensionalen Ortungsanlage geworden. Ich möchte sagen, daß er die POINT OF buchstäblich auseinandernimmt. Als ob jemand genau wissen wollte, mit wem er es zu tun hat!“ „Sie sind verrückt!“ platzte es Riker unkontrolliert über die Lippen. Was Grappa ihm gerade erzählt hatte, gehörte ins Reich der Utopie. „Das wär' schön“, erwiderte Grappa schlagfertig. Die neuen Ereignisse verschlossen ihm den Mund. Wie ein Lift ging die POINT OF herunter. Die Gedankensteuerung verfuhr nicht besonders behutsam mit dem Ringraumer. Aber sie landete ihn an der alten Stelle butterweich. Dann emittierten die Flächenprojektoren auf der inneren Außenseite des Flaggschiffes keine Energie mehr. Die M-Konverter waren auf Null geschaltet, und Dan Riker war wieder in der Lage, seine Steuerschalter zu betätigen. Im Moment der Landung hatten fünf Bildschirme wieder die Bildkugel über dem Instrumentenpult abgelöst, und in unverändertem Aussehen war die Ruinenstadt zu sehen, die hinter dem undurchdringlichen Schutz eines Intervallfeldes lag. Doch die Vipho-Frequenz, auf der das Gerät des Commanders arbeitete, zeigte keinen einzigen Blip.
Langsam drehte sich Riker im Pilotsessel, sah der Reihe nach seine Offiziere im
Leitstand an, und einer wie der andere wich entweder seinem fragenden Blick
aus oder zuckte hilflos mit den Schultern.
Niemand konnte sagen, wie es jetzt weitergehen sollte.
*** Ren Dhark sah die Bildscheibe seines Viphos grau werden. Die Funkverbindung zur POINT OF war abgerissen. Am Gerät konnte es nicht liegen. Als er die Kontrollen drückte, kam jedesmal Grün. „Keinen Kontakt mehr“, murmelte er verblüfft, drehte sich zur Seite und sagte seinem Nebenmann: „Geben Sie mir Ihr Vipho.“ Auch damit war die POINT OF nicht mehr zu erreichen. „Schöne Aussichten“, meinte er mit sarkastischem Unterton in der Stimme. Er warf dem Hochhaus, dessen Mitteltrakt bis auf die Grundmauern zerstört war, einen mißtrauischen Blick zu. Seine Männer schauten ihn fragend an. Er zuckte die Schultern. „Wenn ich eine Ahnung hätte . . .“, sagte er und ersparte es sich, den Rest des Satzes zu sagen. „Aber wir lassen uns trotzdem nicht aufhalten.“ Im Gegensatz zu allen anderen Gebäuden der riesigen Stadt - soweit sie es übersehen konnten - trug dieser Bau eine andere Farbe. In einem einheitlichen Blau war seine Außenfront gehalten. Gleich zwei Türmen, in ihrem Aussehen stark unterschiedlich, ragten die beiden Seitentrakte in den Himmel hinein. Zerrissene, zerschmolzene Decken, die stellenweise noch Zwischenwände trugen, verbanden diese immer noch imposant aussehenden Gebäudeteile. Dhark und seinen Männern war es unerklärlich, wie man ein Bauwerk auf diese Weise zerstören konnte, ohne dabei die aufragenden Außenteile, wenn man von deren oberen Etagen absah, auch zu vernichten. Are Doorn hängte die tragbare Ortungsanlage wieder über seine Schulter. „Die tut's auch nicht mehr!“ knurrte er und blieb auf Dharks fragenden Blick die Antwort schuldig. Langsam setzte sich die Gruppe wieder in Bewegung. Die Freifläche vor dem Hochhaus war, wie überall die Straßen in dieser Stadt, mit Trümmern übersät, sonst jedoch so sauber, als ob sie gerade wieder geduscht worden wäre. Sie näherten sich der breiten Treppe, die in niedrigen Stufen zum halbkreisförmigen, dunkel schimmernden Portal führte, das weit geöffnet war. „Commander, wird man sich auf der POINT OF keine Sorgen machen, wenn wir uns über Funk in der nächsten Stunde nicht melden?“ fragte ein Sergeant. „Hoffentlich nicht“, gab Dhark zur Antwort, und dann dachte er schon nicht mehr an diese Möglichkeit. Die Treppen waren aus schallschluckendem Material gefertigt. Lautlos stiegen die Männer nach oben. Immer wieder kontrollierten sie dabei ihre Umgebung. Aber wo vor knapp einer Stunde noch eine Panzerschlacht abgelaufen war, wo aus den halb zerstörten obersten Etagen Energiebahnen den angreifenden feindlichen Fahrzeugen entgegengeschlagen waren - jetzt war alles so still, daß
es hin und wieder einem Mann der kleinen Gruppe unheimlich wurde. Auf der obersten Stufe, die zugleich der Anfang einer breiten Plattform war, blieben alle stehen. Ihr Blick glitt über den weiten Platz, betrachtete die Front der gegenüberstehenden Hochhäuser, und unwillkürlich verglich jeder diese Bauten mit Gebäuden auf Terra. „Hier allein in dieser Stadt könnten ein paar hundert Millionen Menschen wohnen“, sagte ein Offizier. „Dieses Objekt würde dem Plan, fremde Planeten zu kolonisieren, eine große Hilfe sein.“ Nachdenklich sah Dhark den Mann an. Er war verwundert, daß man so leichtsinnig sein konnte. Dennoch klang in seiner Stimme kein Vorwurf mit, als er erwiderte: „Mein Lieber, wer von uns weiß denn, aus welchem Grund diese Stadt von ihren Bewohnern aufgegeben worden ist? Haben Sie sich alles genau angesehen? Haben Sie einen einzigen Hinweis entdeckt, daß diese Stadt ganz langsam entvölkert wurde?“ „Weder das eine noch das andere, Commander!“ gab der Leutnant erstaunt zur Antwort. „Dann haben Sie schlecht aufgepaßt und Ihr Gehirn nicht angestrengt. Ich möchte beschwören, daß diese Stadt innerhalb kürzester Frist von ihren Bewohnern verlassen wurde, und sie keine Zeit mehr fanden die technischen Einrichtungen mitzunehmen. Überall im Universum kostet der Aufbau von Städten Geld. Überall hat man das Bestreben, das Aufgebaute auch zu behalten. Sie haben vorhin doch Doorns Bericht gehört. Und wir haben uns in einigen anderen Hochhäusern überzeugen lassen müssen. Nicht einmal die Wohnungseinrichtungen sind mitgenommen worden. Das alles deutet auf überstürzte Flucht hin. Und dann diese Panzerschlacht, die wir erlebt haben Maschinen, die sich allein aufgrund ihrer Programme bis zur Vernichtung bekämpfen. Glauben Sie, diese Panzer seien von selbst auf die Idee gekommen, hier Krieg zu führen? Mein Lieber, ich würde diesen Planeten nicht zur Besiedlung durch Terraner freigeben, solange nicht geklärt ist, weshalb die Bewohner diese Millionenstadt verlassen haben.“ Die Plattform, die sich im Halbkreis vor dem Portal erstreckte, war ebenfalls aus schallschluckendem Material gebaut. Langsam näherten sich die Männer dem Eingang. Unterwegs warf Doorn einen Blick auf die Instrumente seiner Ortung und schüttelte dann unzufrieden den Kopf. Sie arbeitete nicht mehr. Wie ihre Viphos. „Vorsicht!“ warnte Ren Dhark seine Männer, als sie vor dem geöffneten Portal standen. Der hohe, weitgezogene Innenraum war beleuchtet. Sie konnten bis in die letzte Ecke sehen. „Wie die Eingangshalle der Terranischen Bank in Alamo Gordo!“ sagte jemand überrascht und bestürzt zugleich. Auch Ren Dhark hatte diesen Eindruck. Es fiel ihm schwer, nicht die Hände zu einem Trichter geformt vor den Mund zu legen und laut zu rufen: Hallo! Unwillkürlich drängte sich jedem der Eindruck auf, jemand müsse gleich auf sie
zukommen, eine höfliche Verbeugung machen und freundlich nach ihren Wünschen fragen. Aber es kam niemand. Und in der Eingangshalle klang ihr Schritt dumpf und laut, je tiefer sie sich hin einbegaben. Rechts und links zwei lange Reihen, die an Schalter erinnerten. Der Boden im leichten Rotton war staubfrei. Die Luft in der Halle frisch und kühl. Das Licht kam aus den hohen Wänden und war leicht blau gefärbt. Wie im Industrie-Dom auf dem Kontinent Deluge des Planeten Hope. Man unterhielt sich halblaut. Die Unsicherheit aus den Augen der Männer ver schwand, je näher sie dem Ende der Halle kamen, wo drei große Türen abermals weit offenstanden. „Doorn?“ Der wußte, was der Commander gern hören wollte Er konnte ihm den Gefallen nicht tun. „Die Ortung rührt sich nicht. Als ob wir absolut abgeschirmt wären.“ „Das vermute ich schon von dem Moment an, als mein Vipho aussetzte.“ Der Leutnant neben ihm stellte brummig fest: „Das wird ein langwieriges Suchen nach der Quelle zum Intervallfeld.“ Die drei großen Türen entpuppten sich als Eingang zu A-Gravliften. Der mittlere führte nach unten, die beiden äußeren nach oben. Aber nirgendwo war ein Hinweis zu sehen, ob sie noch arbeiteten. Doorn dauerte das alles zu lange. Bevor man ihn daran hindern konnte, betrat er den rechten Liftschacht, und langsam sahen ihn die anderen nach oben schweben und verschwinden. Der Sergeant neben Dhark glaubte das Beispiel des Sibiriers nachahmen zu müssen. „Stopp!“ schrie Dhark hinter dem jungen Mann her, aber da gellte auch schon dessen Aufschrei aus dem Schacht, in dem er wie ein Stein, der in die Tiefe fällt, verschwand. Sein Schrei war noch ein paar Sekunden lang zu hören. Er wurde dabei immer schwächer, bis er abrupt endete. Der dumpfe Aufprall eines Körpers in der Tiefe kam nicht nach oben. Die Ruinenstadt hatte ihr erstes Opfer gefordert! Are Doorn hatte unterwegs die Sphäre gewechselt und kam auf der Minusseite langsam wieder herunter. Bestürzt vernahm er von dem Zwischenfall. Wortlos nahm er Ren Dharks Vorwürfe hin. Durch sein Beispiel hatte er den Sergeanten veranlaßt, den risikoreichen Versuch zu unternehmen. Der Weg nach unten war versperrt. Nach einer halben Stunde gaben sie die Suche nach einer Treppe auf. Doorn konnte den Schaltkontakt zum abwärtsführenden Schacht nicht finden. Ren Dhark ließ sich von seinem Gefühl beherrschen, daß sie hier nichts erreichen würden. Er ging ein Stück in die Halle zurück, betrachtete die lange Schalterreihe und blieb wie angewurzelt stehen, als er in der Frontfläche eines Schalters, schattenhaft dargestellt, das Emblem einer Galaxis-Spirale zu sehen
glaubte. Die Mysterious, schoß es ihm durch den Kopf. Das hier ist eine Stadt der Geheimnisvollen gewesen! „Commander!“ gellte da die Stimme des Sibiriers durch die Halle. „Ich habe den Schalter gefunden!“ Dhark mußte zurück. Später konnte er seine Entdeckung genauer untersuchen. Herauszufinden, wo die ehemaligen Bewohner die Anlage zur Erstellung eines Intervallfeldes aufgebaut hatten, war wichtiger als alles andere. Vielleicht ergaben sich bei näheren Untersuchungen Fingerzeige, wie ein Intervallum entwickelt wurde und in welcher Konstanten es sich vom normalen Raum-Zeitgefüge unterschied. „Da!“ rief Doorn ihm zu und warf sein tragbares Ortungsgerät in den nach unten führenden A-Gravschacht. Langsam verschwand das Aggregat. Wortlos deutete der Sibirier auf die leicht ornamentierte Säule zwischen dem linken und mittleren Schacht. Wie gebannt verhielt Ren Dhark den Schritt. „Doorn, haben Sie nicht erkannt . . . ?“ „Doch“, unterbrach ihn dieser gelassen. „Leider zu spät. Ich habe schon oft die Mysterious verwünscht, aber hier haben sie mit ihrer Geheimniskrämerei den Vogel abgeschossen. Der Teufel soll diese Galaxis-Spirale holen. Da . . .“ Er nahm Dharks Hand, dessen Zeigefinger und ließ ihn mitten im Ornament die winzige Erhebung fühlen. „Und so wird die Sache ausgeschaltet. . . Oh, verdammt, mein Ortungsgerät!“ Blitzschnell hatte er reagiert, und sich dabei Dharks Fingerkuppe bedient. Die kleine Erhöhung war kaum nach rechts gewandert, als sie durch Gegendruck auch schon wieder in ihrer alten Lage war. „Hoffentlich ist jetzt mein Aggregat nicht Schrott“, murmelte Are Doorn und schloß mit der Frage: „Wollen wir nach unten fahren?“ Die Benutzung des A-Gravliftes stellte nun kein Risiko mehr dar. Langsam schwebten die Männer nach unten. Ein paar Meter unter ihnen flammte es in den Wänden auf, um die Röhre zu beleuchten, und ein paar Meter hinter dem letzten Mann wurde über dessen Kopf alles wieder dunkel. Dhark und Doorn befanden sich dicht nebeneinander. Ihrem Blick entging nichts, aber der Schacht zeigte ihnen nur seine fugenlose graue Wandung. Sie wußten nicht, in welcher Tiefe sie sich befanden, als sie unter sich das Ende des Liftschachtes erkannten - und die Leiche des Sergeanten sahen. Er mußte sofort tot gewesen sein. Dharks Scheinwerfer flammte auf. Da schlug ihm der Sibirier mit aller Kraft auf die Finger, und der Rotkopf brüllte: „Ausschalten!“ Das hatte er mit seinem Zuschlagen schon besorgt. Nur war es zu spät gewesen. Man hatte die Fremden erkannt! Man . . . Und aus den sieben breiten wie hohen Gängen, die strahlenförmig nach allen Seiten führten, kam eine kaltfluoreszierende Wand heran, die sich vereinigte, kaum daß sie den Schacht erreicht hatte. Dahinter aber stand vor jedem Ganganfang eine zweite, rotstrahlende Energiemauer.
Alle Eingänge waren vor dem Eindringen Unbefugter doppelt abgesichert. „Jetzt wird's gefährlich“, knurrte der Sibirier in seiner eiskalten Art, über dessen Schulter wieder das tragbare Ortungsgerät hing. Von allen Seiten, wie ein Ring, der immer enger wird, näherte sich ihnen die fluoreszierende Wand, die alle Farben eines Regenbogens widerspiegelte. Sie ließ sich Zeit. Darin sah Ren Dhark ihre einzige Chance, dem Verderben zu entkommen. „Die Plussphäre benutzen!“ Über den A-Gravlift wollten sie nach oben verschwinden! Der Lift arbeitete nicht mehr! Der Ring aus einer energetischen Mauer wurde enger. Im Durchmesser maß er keine drei Meter mehr. Schulter an Schulter, Rücken an Rücken standen die Männer zusammen. Mit der Mauer war das Grauen zu ihnen gekommen. Da berührte ein kleiner Teil der geschlossenen Energiewand den toten Sergeanten. Sie stoppte ab. Rundherum. Nahm sie nur den Toten wahr, aber nicht die Männer, deren Herz bis zum Hals hinauf klopfte? Um den toten Mann herum wurde etwas lebendig, das sie an Elmsfeuer erinnerte. Sie liefen über ihn hinweg, sie verschwanden unter seinem verdrehten Arm, tauchten auf der anderen Seite wieder auf und stiegen dann in das Innere des Raumanzuges hinein, dessen Raumhelm zurückgeklappt und zusammengefaltet war. Ein Toter wurde aufgelöst. Ein Vorgang, der gar nichts Schreckliches an sich hatte, weil die Leiche überall weniger wurde, dabei aber das Aussehen einer Leiche sofort verlor. Sein Begräbnis, dachte Ren Dhark, und gleich auch unser Begräbnis? Da erinnerte er sich, vor wenigen Sekunden doch auch gesehen zu haben, wie diese spannenlangen, aber kaum daumendicken Elmsfeuer zuerst etwas ratlos über den Raumanzug gelaufen waren, bis sie den Weg in das Innere gefunden hatten, um dabei auf den Toten zu stoßen. „Männer“, flüsterte er, aus der unbewußten Angst heraus, die fluoreszierende Wand könne sein Sprechen hören, „sofort den Raumhelm schließen, und unter keinen Umständen den Helmfunk einschalten!“ Ihnen war in dieser aussichtslosen Lage jeder Strohhalm recht. Sie griffen danach. Sie schlössen ihre M-Raumanzüge, und es blieb ihnen wieder nichts anderes übrig, als zuzusehen, wie ihr abgestürzter und toter Kamerad verging. Dann holte die Ringwand ihre Elmsfeuer wieder zurück, und lautlos setzte sie sich erneut in Bewegung - auf die Menschen zu. Das Fluoreszieren erreichte sie und traf auf die Raumanzüge, die alle aus dem großen Depot in der Ringraumerhöhle im Kontinent Deluge auf dem Planeten Hope stammten. Um sie herum flammte es auf. Elmsfeuer krochen über die Anzüge hin und her. Sie suchten und suchten, kehrten zur Energiemauer zurück und wurden wieder von ihr ausgeschickt. Die Männer glaubten von unnatürlich goldgelbem Licht abgetastet zu werden, aber sie fühlten nichts; nicht einmal den leisesten Druck.
Aber sie sahen genug. Vor ihrem Gesicht die spannenlangen goldgelben Strahlen, daumendick, die sich so schnell und ebenso auch so langsam bewegen konnten, und sie sahen sie immer öfter wieder in der Mauer aus Energie und Fluoreszieren verschwinden. Hin und wieder hatte einer den Eindruck, daß die goldgelben Elmsfeuer nur der sichtbare Teil einer langen und dünnen Strahlbahn sei, denn einige Male war ein schwaches irisierendes Leuchten zu sehen, das in der Energiemauer endete. Arc Doorn hielt den Atem an. Ein Dutzend Feuer interessierten sich für sein tragbares Ortungsgerät, und drei oder vier davon verschwanden hinter der Ver kleidung, um an ganz anderen Stellen als von ihm erwartet wieder hervorzukommen. Niemand bewegte sich. Jeder stand steif und starr; jeder versuchte so flach wie möglich zu atmen. Auch Ren Dhark. Sein Blick ging nach rechts und links, nach oben und unten und landete dazwischen immer wieder an der Mauer aus Energie, die nicht mehr näher gekommen war. Wurden sie identifiziert? Versuchte man sie zu erkennen? Er wußte es nicht. Nur aus einer Ahnung heraus hatte er den Befehl gegeben, den Raumhelm zu schließen. Da sah er den allgemeinen Rückzug der goldgelben, kalten Feuer, Sie verschwanden in der Energiewand, aus der sie gekommen waren. Dhark erkannte, daß er seine Hände geballt hatte. Die nächsten Sekunden und Minuten entschieden, ob der Angriff der Mauer auf sie fortgeführt werden würde. Sie wich zurück. Der Durchmesser ihres Kreises wurde immer größer. Sie erreichte die Wandung und teilte sich dort auf. Im gleichen Moment verschwand die rotstrahlende Sperre, die vor jedem Ganganfang errichtet worden war. Dann war alles vorbei. Ein paar Schritte neben ihnen lag der leere MRaumanzug, in dem der zerschmetterte Körper des Sergeanten gesteckt hatte. Dhark erlebte diesen Vorgang noch einmal mit. Je länger er darüber nachdachte, um so größer wurde sein Grauen. Er hatte sich nur die Frage gestellt: Ist die Bevölkerung dieser Hundert-Millionenstadt ein Opfer dieser goldgelben, kalten Feuer geworden? Die Beleuchtung flammte wieder auf. Dhark wurde wie aus einem Traum wach. Jemand bückte sich nach dem am Boden liegenden leeren Raumanzug. Er drehte ihn hin und her, und durch die Klarsicht seines Helmes war deutlich zu erkennen, daß er bestürzt den Kopf schüttelte. Dann legte er sich den leichten Anzug über den Arm und warf dem Commander einen fragenden Blick zu. Der wagte noch nicht, den Helmfunk anzuschalten. Die fluoreszierende Ringmauer konnte doch jeden Augenblick wieder zurückkommen. Aber ebenso konnten sie hier noch stundenlang stehen und abwarten. Er dachte an Dan Riker und dessen Unruhe. Vielleicht hatte der Freund schon die Geduld verloren und versuchte mit der POINT OF durch das Intervallfeld in die Ruinenstadt einzufliegen.
Bewegung kam in die immer noch dicht zusammenstehende Männergruppe.
Are Doorn machte sich bemerkbar. Der deutete mit unmißverständlicher Geste
auf sein Ortungsgerät. Es arbeitete wieder.
Es zeigte exakt an, in welcher Richtung der Kelleranlage des Hochhauses die
stärksten energetischen Quellen lagen.
Noch einmal einen Kontrollblick nach allen Seiten, dann gab der Commander
das Zeichen, den Helmfunk einzuschalten.
„Aber sofort wieder ausschalten, wenn wir Schwierigkeiten bekommen!“
Es ereignete sich nichts mehr. Daß der A-Gravlift auch wieder arbeitete,
wunderte keinen mehr.
„Unter keinen Umständen den Raumhelm öffnen!“ ordnete Dhark an. Die
Männer nickten. Sie hatten nicht vergessen, wie die Leiche ihres Kameraden
buchstäblich aufgelöst worden war.
Noch nie hatte ein Mensch ein Begräbnis dieser Art erhalten.
Der Gang, den sie benutzten, hatte das gleiche Aussehen wie der Liftschacht und
das gleiche Beleuchtungssystem. Er war nicht besonders lang. Ein dunkles,
metallenes Schott stoppte die Männer. Sie beachteten es kaum.
Rechts an der Wand, einen halben Meter vor dem Schott, in Augenhöhe,
leuchteten drei Zahlensymbole der Mysterious! Plus! Minus! Neutral!
„Also doch!“ stieß Ren Dhark überrascht aus, und in seinen braunen Augen
leuchtete es kurz auf.
Wir sind in einer Stadt der Mysterious! Endlich haben wir eine Spur von dieser
Rasse gefunden, auf der man weitergehen kann. Die uns vielleicht hinter diesem
Schott zeigt, wie ein Mysterious aussieht.
Er lachte Doorn an, und dieser grinste vergnügt und breit. „Soll ich?“ fragte er
und legte seine durch den hauchdünnen Raumanzug geschützte Daumenkuppe
auf das Plussymbol.
Dhark nickte. Er mußte an ihre Flucht vor Roccos Verfolgern denken - damals
auf dem Planeten Hope im Höhlensystem des Kontinents Deluge. Dort, lange
vor Entdeckung der gigantischen Maschinenanlagen, waren sie erstmals mit den
Symbolen der Mysterious konfrontiert worden. Dort hatten sie aber auch zum
erstenmal Bekanntschaft mit einer Trennwand gemacht, die aus Energie bestand.
Die Außenmikrophone der Raumanzüge übermittelten das krachende
Aufspringen des Schotts.
Blaues Licht sprang ihnen entgegen!
Wie im Industrie-Dom auf Deluge!
„Achtung, Strahlkontrolle!“ warnte sie Doorn über Funk und deutete erregt auf
sein Ortungsgerät.
Die Kontrolle kam aus dem großen Maschinensaal, an dessen Eingang sie
standen.
Unitallverkleidete niedrige, aber langgestreckte Aggregate! Klein im Verhältnis
zu den Mammuts im Industrie-Dom.
„Schwacher Tast-Strahl wandert nach links!“ meldete Doorn schon nach ein
paar Sekunden, in denen kein Mann gewagt hatte, sich zu bewegen. Und dann
kam die Abschluß-Meldung: „Kontrolle beendet. Aber was das für ein TastStrahl war, mag der Himmel wissen.“ Vier Maschinenstraßen, keine länger als fünfzig Meter, lagen vor ihnen. In sieben oder acht Metern Höhe befand sich die leichtgewölbte Decke, die blaues Licht emittierte. Diese Anlage hatte keine Ähnlichkeit mit den Aggregaten auf Deluge oder in der POINT OF. „Lassen Sie einmal sehen“, forderte Dhark den Sibirier auf und ließ sich das Or tungsgerät reichen. In diesem Saal liefen Konverter mit höchster Leistung. Doch die stärkste Quelle lag am anderen Ende. Die Gruppe blieb zusammen. Aufmerksam und angespannt durchschritt man die Maschinenstraße. Fugenlos, fast alle gleich hoch und sich in ihrer Verkleidung ähnelnd, sahen die Aggregate aus. Nirgendwo war ein Instrument zu sehen. Nirgendwo ergaben sich Ähnlichkeiten mit Einrichtungen in den Höhlen von Deluge. Obwohl ihnen das blaue Schimmern des Unitalls vertraut war, bewegten sie sich in einer vollkommen fremden Umgebung. Ren Dhark war enttäuscht. Er hatte etwas anderes erwartet: Hinweise auf die Mysterious. Aber waren die in einem Maschinenzentrum zu finden? Sie erreichten die andere Seite, aber nicht das Ende des Saales. Senkrecht fiel vor ihnen der Boden in die Tiefe. Über zwanzig Meter. Und gut dreißig Meter weit war die Wand von ihnen entfernt . . . „Sessel!“ stieß ein Offizier überrascht aus. „Sessel und eine Bildkugel. Wie in der POINT OF!“ Die Sessel waren leer. Alle fünf. Im Halbkreis waren sie um die riesige Bildkugel aufgebaut, die einen Durchmesser von über zehn Metern hatte. Und neben der Bildkugel, rechts und links, viele meterlange Instrumentenwände ! „Wie kommen wir nach unten?“ fragte Ren Dhark leicht deprimiert, der sich die Augen nach einer Treppe aussah. Er lag mit seinen Männern Schulter an Schulter, und sie alle streckten den Kopf so weit vor, wie es die Sicherheit erlaubte, jeder wollte mit einem Blick so viel von dem technischen Wunder in der Tiefe sehen, wie es möglich war. Doorn hockte sich nieder, legte das Ortungsgerät in seinen Schoß und aktivierte die Feinmessung. „Hm“, brummte er, „wenn Grappas Angaben stimmen, dann befinden wir uns an der Stelle, wo das Intervallfeld für die Stadt erstellt und abgestrahlt wird.“ Seine Angaben wurden von der Wiedergabe in der Bildkugel unterstrichen. Sie zeigte die Ruinenstadt in ihrer gesamten Ausdehnung. Sie zeigte aber auch das kugelförmige Intervallfeld, das alles umschloß. Jetzt richtete sich auch Dhark auf. „Doorn, wir beide müssen nach unten kom men. Alle anderen bleiben hier. Wer übernimmt das Ortungsgerät?“ Ein junger Leutnant meldete sich. Der Commander und der Sibirier gingen nach rechts hinüber. Sie wechselten kein Wort. Plötzlich lachte Doorn verärgert auf. „Dhark, erinnern Sie sich, wie wir einmal im Industrie-Dom verzweifelt nach
einem Ausgang suchten, weil manche von uns schon vor Durst durchdrehten?“ „Daran habe ich die ganze Zeit gedacht. Auch daß wir trotz allem immer noch in alten Maßstäben denken. Wir haben eine Treppe gesucht, die nach unten führt wir sollten lieber nach einem A-Gravlift Ausschau . . .“ Der Boden unter ihren Füßen existierte nicht mehr. Ein dunkles Loch hatte sich im Unitallboden aufgetan, und sie schwebten mit gleichbleibender Geschwindigkeit nach unten. Drei Meter von der Kante entfernt befand sich der Lift, der sie an das Ziel ihrer Wünsche brachte. Sie sahen sich nur an und schüttelten den Kopf. Die Mysterious mit ihrer Technik überraschten sie immer wieder; dabei waren sie im terranischen Bereich die einzigen Männer, die von sich behaupten konnten, am besten über Mysterious-Technik Bescheid zu wissen. Als sie auf die Sesselreihe zugingen, winkte Dhark seinen oben zurückgebliebenen Be gleitern einmal kurz zu. Er nahm im mittleren Sessel Platz; Doorn setzte sich rechts neben ihn. Vor ihnen schwebte die grandiose Bildkugel; dagegen wirkte die Ausgabe in der Zentrale der POINT OF mit einem Durchmesser von 2,68 Metern wie ein Spielzeug. Dhark und Doorn sahen von ihren Sesseln aus die Wiedergabe der Bildkugel nicht besser als ihre Männer, die oben an der Kante lagen und zu ihnen herabblickten. Noch kein Experte hatte dieses Phänomen, von allen Standpunkten aus genausogut zu sehen, erklären können. Sie blickten auf die Stadt; sie erkannten die undeutliche Begrenzung durch das Intervallfeld, unter dessen Schutz alles lag. Dhark schaute nach rechts zu den Instrumenten hinüber und richtete sich vor Überraschung unwillkürlich auf. Ein Teil der Zahlensymbole war ihm fremd! Hatten sie es hier mit Zeichen einer Hyper-Mathematik zu tun, über die ihnen die Mentcaps aus dem Archiv der Ringraumerhöhle keine Auskunft gegeben hatten? In diesem Moment fragte der Sibirier in seiner brummigen Art: „Ich möchte gern wissen, was die Anlage in dieser Zentrale hier soll?“ Er war im Begriff, sich zu erheben, als der Commander ihn festhielt. Er hatte das Transmitterzeichen entdeckt! Zwei Blips, die im Winkel von neunzig Grad zueinander standen. Als er sie Doorn zeigte, machte der ein Gesicht wie ein Kind, das zum erstenmal Licht erkennt und eine zuckende Flamme bewundert. „Nein“, stieß er beinahe fassungslos aus. „Nein, das ist kein Transmitterzeichen, Dhark. Das ist was anderes. Ich trau' dem nicht! Nur weiß ich nicht, warum mir das so unheimlich ist. Sehen Sie denn nicht, daß die waagerecht liegende Amplitude kaum angedeutet ist?“ Das Zeichen leuchtete gelb. Bei der Groß-Transmitteranlage in der Maschinenhöhle von Deluge strahlte es an der Instrumentenwand in sanftem Blau. Was hatte Gelb als Signalfarbe zu bedeuten? Beide Männer hatten sich erhoben. Langsam gingen sie an der
Instrumentenwand entlang. Vieles war ihnen vertraut, aber noch mehr ein Buch mit sieben Siegeln. „Unheimlich!“ gab der Sibirier zu. „Ich würde mich nicht trauen, hier etwas zu schalten.“ Spöttisch musterte Ren Dhark seinen Begleiter. Von dieser zurückhaltenden Seite kannte er Doorn nicht. Aber dessen Worte gaben ihm doch zu denken. Doorns Einfühlungsvermögen zu fremden Techniken war zwar nicht zu begreifen, aber schon oft durch ihn bewiesen worden. „Vielleicht bringt es uns auf der anderen Seite weiter, Doorn.“ Sie kontrollierten den zweiten Teil der langen Instrumentenwand mit ihren vielen Steuerschaltern, die wie Zweitausgaben auf der POINT OF aussahen. „Durften wir etwas anderes erwarten?“ fragte Doorn, als sie beide ziemlich hilflos ihren Kontrollgang beendet hatten. „Wir haben doch bis heute keine Ahnung, wie unsere POINT OF ihre beiden Intervalle erstellt. Und hier wollen wir mit dem kleinen Finger der linken Hand das Rätsel lösen oder mit dem Intervall über der Ruinenstadt manipulieren?“ Eine lange Rede für den sonst so wortkargen, gedrungenen Mann. Dhark schüttelte leicht ungehalten den Kopf. Seine Gedanken bewegten sich in eine andere Richtung. Es wäre ihm im Traum nicht eingefallen, blindlings hier zu schalten, aber diese Zentrale mit ihren fünf Sesseln, der überdimensionalen Bildkugel und den vielen Steuerschaltern mußte doch einen speziellen Zweck haben. „Doorn, versuchen Sie, ob wir jetzt nicht wieder Verbindung mit der POINT OF bekommen.“ „Und wenn das den hier spukenden Ortungen nicht angenehm ist?“ warnte der andere. „Wir müssen das Risiko schon eingehen. Ich glaube, daß unsere Raumanzüge ein hundertprozentiger Schutz sind. Bitte!“ Er achtete nicht auf Doorns Bemühungen, Funkkontakt mit dem Flaggschiff zu bekommen. Ihn faszinierte ein zwei Meter breiter Teil der Instrumentenwand. Er war ihm mit all ihren Instrumenten und Steuerschaltern vertraut, obwohl es diese Anlage weder auf der POINT OF noch im Höhlensystem von Deluge gab. Sollte ihm sein Wissen, das er jetzt nicht wach bekam, seinerzeit von einer Mentcap übermittelt worden sein? Wieder kontrollierte sein fragender, suchender Blick die Geräte, als er entdeckte, daß mehr als die Hälfte andere Werte anzeigte. Gleichzeitig flammten Kontrollen in verschiedenen Farben auf, erloschen wieder, um an anderer Stelle aufzuleuchten. „Doorn, sehen Sie nach, was die Bildkugel zeigt!“ rief er seinem Begleiter zu, obwohl er selbst diese Aufgabe hätte übernehmen können. Ein Blick zur Bildkugel hätte ihm gezeigt, ob ihre Wiedergabe eine andere Darstellung auswarf. Doorn, von Dharks erregt klingender Stimme aufgeschreckt, riß sich auf der Stelle herum, und dann öffnete sich sein Mund wohl, aber er bekam keinen Laut
über die Lippen.
Er sah die POINT OF! Er sah eine schwankende POINT OF! Und dann sah er
die POINT OF auf senkrechtem Kurs zur Landung ansetzen!
Und nur diese letzte Phase erlebte der endlich von Doorn alarmierte Commander
mit.
*** In Alamo Gordo und Cent Field machte man sich kaum Sorgen, weil die Funkverbindung zur POINT OF abgerissen war. Die physikalischen Verhältnisse im Bereich der Milchstraße waren derart gestört, daß nur noch unter Schwierigkeiten im solaren System To-Funk aufrechterhalten werden konnte. Aus diesem Grund wurde das Schweigen des Flaggschiffes als etwas Normales angesehen. Im Stab der TF hatte man alle Hände voll zu tun. 3782 Ringraumer zur Erde zu bringen und sie auf den verschiedenen Häfen zu landen, war eine Arbeit, die ein Höchstmaß an Regie verlangte. Cent Field, einmal das Non plus ultra aller Raumhäfen, erwies sich plötzlich als zu klein. Kurzentschlossen setzte sich Marschall Bulton mit der Regierung in Alamo Gordo in Verbindung, erreichte über Vipho den Minister für den Verkehr und stellte energisch den Antrag, Cent Field auf Richtung des Otero Basins hin um das Doppelte zu vergrößern. Der Verkehrsminister zeigte ihm die berühmte kalte Schulter und verwies auf sein Budget. Dafür hatte der Marschall kein Verständnis. Er unterbrach das fruchtlose Gespräch und nahm Verbindung mit Henner Trawisheim, Ren Dharks Stellvertreter, auf. „Bulton“, wich dieser der Forderung des Marschalls aus, „wir haben im Augenblick größere Sorgen. Ihnen sind die vertraulichen Berichte des astrophysikalischen Gremiums doch auch bekannt. Wenn die Störungen des galaktischen Magnetfeldes in der derzeitigen Stärke weiterhin unvermindert anhalten . . .“ Davon wollte Bulton nichts hören. „Ich weiß, wir alle sind in Gefahr, aber das ändert nichts an der Tatsache, daß Cent Field zu klein sein wird, wenn wir alle Ringraumer unten haben. Sagen Sie mal, wie stellen Sie sich das eigentlich vor alle Ringraumer in einem Einsatz klar für die TF zu machen?“ Henner Trawisheim, der einzige Cyborg auf geistiger Basis, hatte sich mit diesem Problem auch schon befaßt. Die technischen Schwierigkeiten, alle Beuteschiffe in einem Vorgang für die Anforderungen der TF umzubauen, damit die Ringraumer auch von Terranern geflogen werden konnten, waren allein schon von der Tatsache her unüberwindlich, daß es immer noch keine Methode gab, Unitall zu bearbeiten. Unitall besaß eine hochkomprimierte Molekularstruktur und war ein Produkt, das in der Natur nicht vorkam, sondern von den Mysterious erzeugt worden war.
Sein Schmelzpunkt lag mit 143 750 Grad Celsius ungewöhnlich hoch. Aber an diesem Kunstmetall war eben alles ungewöhnlich. Bisher hatte es noch jedem Vibrationstest widerstanden. Eine Hypothese behauptete, daß es nur im Intervallum verarbeitet werden könnte. Leider war Terra bisher nicht in der Lage, ein Intervall zu erstellen. Wenn auch jedes der erbeuteten Ringschiffe in einem doppelten Intervall flog - wie die POINT OF -, so war es ein Rätsel geblieben, wie diese physikalische Tatsache geschaffen wurde. Unitall unter Strahlbeschuß genommen, zeigte auch hier ungewöhnliche Eigenschaften. Es wurde dabei in seiner Struktur noch kompakter und brachte die energiereichste, härteste Strahlung in sechzehn Zentimeter Tiefe zum Stillstand. Nur unter einem konzentrierten Nadelstrahl-Beschuß, der aber länger als zweihundertzehn Sekunden die gleiche Stelle treffen mußte, konnte es zerstört werden. Der Umwandlungsprozeß in Energie verlief dann in einem spektakulären kurzen Vorgang. Der schlanke, dunkelhaarige Trawisheim, mit sechsundzwanzig Jahren einer der erfolgreichsten Männer Terras, unterstrich Buttons Hinweise durch sein Nicken. „Echri Ezbal hat uns einen Weg gewiesen . . . „Ezbal?“ unterbrach ihn Bulton mit spöttischem Unterton. „Soweit ich unterrichtet bin, baut Ezbal Cyborgs. Seit wann beschäftigt er sich mit Metallurgie?“ Trawisheim ließ sich auch nicht vom cholerischen Marschall Bulton aus der Ruhe bringen. „Sein Interesse an Raumschiffen ist nicht besonders groß, um so größer sein Wissen über Adhäsive.“ „Über Kleber? Klebstoffe?“ Bultons Lachen klang verärgert. Mißtrauisch war er auch. Ihm war ein Spaßvogel mit Namen Trawisheim unbekannt. „Bulton, vielleicht erzähle ich Ihnen etwas Neues. Seit gut hundert Jahren werden in der terranischen Industrie Kleber aller Arten benutzt, wie auch im medizinischen Bereich. Und im Fall der Ringraumer können wir nur mit Adhäsiven arbeiten, wenn wir Installationen vornehmen wollen, die unbedingt erforderlich sind. Als wir - das heißt, die Experten - soweit mit unseren Über legungen gekommen waren, zeigte sich die nächste Schwierigkeit. Es gibt noch keinen Kleber, der den Anforderungen der Ingenieure entspricht.“ „Aber auf der POINT OF hat man doch schon . . .“ „Moment“, unterbrach ihn Trawisheim. „Ja, man hat! Aber als in der POINT OF zusätzlich Installationen vorgenommen wurden, liefen diese Anlagen nie Gefahr, besonders hoch belastet zu werden. Bitte, stellen Sie sich einen großen Suprasensor vor, der angeklebt in der Zentrale eines Ringraumers steht, und dieses Schiff macht durch einen Zwischenfall eine Notlandung bei Ausfall aller Andruckausgleicher. Was glauben Sie, was mit den Männern im Leitstand passiert? Sie werden von dem Suprasensor, der bei der Notlandung durch die Gegend fliegt, zerquetscht.“ Erst jetzt stellte Bulton überrascht fest, wie geschickt ihn Trawisheim auf ein an deres Thema gelockt hatte.
Er hatte ihn angerufen, um eine Vergrößerung des Raumhafens von Cent Field durchzudrücken, und Trawisheim sprach mit ihm über Kleber. Darum ging er in seiner Antwort nicht auf dessen Frage ein. „Trawisheim, in dieser Stunde wird der achthundertste Ringraumer gelandet. Über zweitausendneunhundert sind noch oben, und schon stöhnt jede Raumhafenverwaltung, nicht zu wissen, wohin mit dem überreichlichen Segen, der noch zu erwarten ist. Und ich weiß auch nicht, wo wir die Schiffe landen sollen. Vielleicht im Otero Basin? Dann macht uns der Landwirtschaftsminister das Leben zur Hölle. Trawisheim, Sie haben die Vollmachten, eine Entscheidung zu treffen. Die TF hat die Maschinenparks, um binnen zwei Wochen den Raumhafen auf die doppelte Größe bringen zu können. Geben Sie grünes Licht, und ich . . .“ Marschall Bulton wurde in seinem Büro unterbrochen. Über ein anderes Vipho verlangte ihn der Einsatzleiter des Bergungsstabes zu sprechen. „Was gibt's denn?“ fauchte er ungehalten über die Störung. „Marschall, vor wenigen Sekunden ist Schiff 793 in den Atlantik gestürzt!“ „Einer dieser Ringraumer?“ fragte Bulton im Brüllton. „Einer dieser Ringraumer?“ fragte auch Henner Trawisheim aus seinem Arbeitszimmer in Alamo Gordo. „Ja, der Ringraumer mit der Bergungsnummer 793, Marschall!“ „Und?“ Bulton fühlte sich gefoltert. „Wir wissen nichts“, erklärte der Einsatz leiter, ein schon etwas grauhaariger Colonel, „weil Minuten vorher jeder Funkkontakt mit dem Schiff abriß. Wir führten es auf diese ominösen Störungen aus der Milchstraße zurück, aber als dann unsere Massenortung Alarm gab, war es für jedes Eingreifen schon zu spät. Sekunden darauf schlug das Schiff 374 Kilometer nordwestlich von Grönland in den Atlantik.“ „Unter welchem Kommando flog das Schiff?“ „Unter Major Vandelljuo, Marschall.“ „Danke“, sagte Bulton und hatte dann auch Trawisheim vergessen, zu dem die Vipho-Verbindung noch stand. „Ein erfahrener Mann, dieser Major Vandelljuo?“ fragte Dharks Stellvertreter. „Ja“, erwiderte Bulton, „ein erfahrener Mann. Leider verfügte er nicht immer über das richtige Gespür, Gefahren gut einzuschätzen. Darin hatte er Ähnlichkeit mit meinem Stiefbruder.“ Trawisheim war bekannt, daß die FO III mit Captain Jon Bradock vermißt wurde. Er, der nie etwas vergaß, was er einmal gehört, gesehen oder gelesen hatte, erinnerte sich sofort an Bradock. „Immer noch keine Nachrichten von der FO III Bulton?“ „Nein, und ich habe auch keine Hoffnung mehr, daß wir das Schiff noch einmal wiedersehen. Das aber ist meine persönliche Meinung. Nach wie vor wird die FO III in der Liste der vermißten Schiffe weitergeführt. Hoffentlich müssen wir in den nächsten Tagen nicht auch den Ringraumer 793 darin eintragen. Aber jetzt will ich mich selbst erkundigen, welche Bergungsmaßnahmen getroffen worden sind. Ich rufe Sie später noch einmal an.“
***
Bir Vandelljuo war mit achtundzwanzig Jahren einer der jungen Majore der terranischen Flotte. Unter seinem Kommando hatte er einen Raumer der HunterKlasse, den zweihundert Meter durchmessenden Jäger BUZZARD, in vielen Einsätzen sicher wieder nach Terra gebracht. Niemals hatte in seinen sensorischen Bordaufzeichnungen etwas über einen Zwischenfall an Bord ge standen, mit dem er nicht fertig geworden war. Er gehörte zu den besonders begnadeten Menschen, die in gefahrvollen Situationen aus dem Gefühl heraus das Richtige tun. Er war nicht überrascht gewesen, als der Stab ihn abkommandierte und ihn nach drei Einsätzen mit einem der Bergungskommandos den Auftrag gab, nun in eigener Regie und mit einer kleinen Notbesatzung die Ringraumer zur Erde zu holen. Die 793 war das fünfte Schiff, das er aber diesmal nicht in Europa, sondern auf Cent Field landen sollte. Die letzte Kontrolle verlief glatt. Schwierigkeiten machte nur der Funkverkehr. Aber daran hatte sich auch Vandelljuo gewöhnt. Dann kam das Triebwerk, und sofort wurde der Sle wirksam. Die 793 ging aus dem freien Fall über Terra auf Kurs. „Alles klar“, meldete der Ingenieur über Vipho aus dem Triebwerksraum. Nur die Funk-Z-Besatzung war mit ihrem Empfang nicht zufrieden. „Wir kriegen die Hyperfunkstation unwahrscheinlich schwach herein, Major.“ Er konnte daran nichts ändern. Vor sieben Stunden, mit der 766, war es nicht viel besser gewesen. Die Steuerschalter machten Vandelljuo noch zu schaffen. Aber seine Kollegen hatten mit diesem Ungewohnten ebenso zu kämpfen wie er. Das beruhigte ihn etwas. Erschreckt stellte er bei einem Kontrollblick über die Instrumente fest, daß er versehentlich die Intervallfelder ausgeschaltet haben mußte. Er streckte den linken Arm aus, berührte mit dem Mittelfinger den betreffenden Steuerschalter und konnte ihn nicht mehr bewegen! Neben ihm fluchte sein Kopilot Leutnant Gisu unterdrückt. „Major, der Jektor ist gesperrt!“ „Ruhe bewahren“, sagte ihm Vandelljuo leise, aber ihm selbst fiel es schwer, ruhig zu bleiben. Seine 793 wurde schneller und schneller. Der Sle ließ sich nicht mehr regulieren. Die Emissionen der Flächenprojektoren waren nicht mehr zu steuern. Da meldete die Funk-Z: „Verbindung mit allen Stationen abgerissen. Auch von den anderen Schiffen nichts mehr zu hören.“ Verzweifelt versuchte Major Vandelljuo den Steuerschalter für die Intervallfelder zu bewegen. Mit aller Kraft drückte er darauf, um ihn nach links zu kippen. Der Schalter widerstand dem Druck seines Fingers.
Über Vipho, die einzige Verbindungsmöglichkeit im Schiff, fragte der Ingenieur aus dem Triebwerksraum besorgt an, warum der Major das Schiff mit auf Vollast laufendem Sie flöge. Vandelljuo konnte ihm darauf keine Antwort geben. Aber durch die Anfrage vom Triebwerk her war Unruhe unter die Männer in der Kommandozentrale gekommen. „Alle Ortungen abgerissen!“ meldete Corporal Yxküll, der hinter seinem kleinen Gerät hockte und wieder und wieder die Kontrolltasten drückte, um die Fehlerquelle aufzuspüren. Man hatte Major Vandelljuo die Nottaste gezeigt. Man hatte ihn aber auch davor gewarnt, sie bei einem Landemanöver zu betätigen. „Tun Sie es dennoch, dann wird aus Ihrem Ringraumer ein Stein, der zu Boden kracht. Wie weit Ihnen da die beiden Intervallfelder helfen, weiß niemand, weil es noch keinen Narren gegeben hat, der so etwas unbedingt mal ausprobieren wollte!“ Diese salopp gesprochene Erklärung klang ihm jetzt wieder in den Ohren. Er dachte noch nicht daran, die Nottaste zu drücken. Er konnte es nicht wagen, weil um seine 793 keines der beiden Intervallfelder stand. „Major“, stöhnte Leutnant Gisu verzweifelt, „wir sind ja viel zu schnell!“ Das wußte er doch auch. Überhastet war sein Anruf an die Funk-Z: „Immer noch keine Verbindung mit einer Station?“ „Keine!“ Corporal Yxküll hinter seinem tragbaren Ortungsgerät gab auf. „Major, von mir haben Sie nichts mehr zu erwarten. Ortungsaggregat irreparabel!“ Und eine Bildkugel-Anlage besaß die 793 nicht, wie alle anderen Beuteschiffe auch. Vandelljuo erkannte, daß der Absturz seines Schiffes nicht mehr aufzuhalten war. Seine Hoffnung, daß die Andrucksabsorber den furchtbaren Aufprall mit seinen titanischen Zerstörungskräften eliminieren könnten, war nur noch gering. Als er Gisu ansah, war dessen Gesicht kalkweiß. „Arbeiten die Andruckausgleicher einwandfrei, Gisu?“ Der konnte nur noch nicken. Vandelljuo riß seinen Arm hoch, hielt sein Vipho vor den Mund und rief hinein: „Raumanzüge sofort schließen. Schiff ist nicht mehr steuerbar. Wir stürzen ab!“ Dann drückte er die Nottaste! Die nicht mehr steuerbaren Flächenprojektoren konnten dem Brennkreis des Sle keine Energien mehr zuführen. Die 793 war antriebslos! Major Vandelljuo war seinem eigenen Befehl nicht nachgekommen. Er hatte den Klarsichthelm nicht über den Kopf gezogen. Lässig stand er am langgestreckten Instrumentenpult, hielt die Augen halb geschlossen und rauchte. Leutnant Gisu, der erst vor einem Monat geheiratet hatte, tat ihm leid. Die anderen auch. Ihm selbst kam es unglaublich vor, daß in wenigen Sekunden auch sein Leben zu Ende sein sollte. Die Zigarette schmeckte ihm doch noch. Und Angst verspürte er keine - diese Angst vor dem Sterben.
Dabei gab es keine Hoffnung mehr. Der Absturz hatte sich im ersten Drittel des gesamten Anfluges zur Erde hinunter entwickelt. Irgendwo mußte die 793 aufschlagen. Und bei der Geschwindigkeit, die das Schiff hatte, war es gleichgültig, ob es gegen einen Fels krachte oder in einem Ozean aufschlug. Es müßte in diesem Fall der Atlantik sein, überlegte Vandelljuo und betrachtete die Glut seiner Zigarette. Er fühlte die Blicke, die auf seinem Rücken brannten. Langsam drehte er sich um. Vier Männer starrten ihn schweigend an. Vier Männer, die ihre Angst zu unterdrücken versuchten. „Major, stehen wirklich nicht die beiden Intervalle um das Schiff?“ fragte Corporal Yxküll mit zitternder Stimme. Er sah noch einmal auf seine Instrumente, vergewisserte sich und brauchte dann seinem Corporal keine Antwort mehr zu geben. Die Sekunden rasten dahin. Wieder eine, die vergangen war. „Kommt denn das Sterben überhaupt nicht?“ schrie Leutnant Gisu verzweifelt. Auch Major Vandelljuo gehörte zu den Männern, die ihn jetzt aus weitaufgerissenen Augen anstarrten. Wann kam denn der alles vernichtende Aufprall, der sie gegen eine Wand ihres Ringschiffes schleuderte? „Großer Himmel, meine Zigarette!“ stieß der Major aus, und als ob die anderen noch nie eine Zigarette gesehen hätten, so zeigte er jedem das halb aufgerauchte Stäbchen. Zwei Mann, darunter auch Gisu, sahen weg; zwei andere ließen ihren Blick zwi schen Zigarette und Major hin und her pendeln. Seine Hand zitterte, als er das Mundstück zwischen seine Lippen schob und den nächsten Zug tief inhalierte. Lang und weiß war die Asche vor der Glut! Sie fiel nicht ab, trotz des Zitterns seiner Hand. Und dann zeigte das Chrono, daß schon wieder eine Minute vorbei war. Die wievielte Minute seit Beginn des Absturzes? Und die wievielte, nachdem Vandelljuo die Nottaste gedrückt hatte? Er tat noch einen Zug, und dann drückte er den Stummel aus. Sein Mund zeigte Lachen. In seinen Augen stand ein fieberndes Leuchten, aber das wußte er nicht. „Ich glaube, wir haben es vorläufig geschafft . . .“ Das Schott zur Zentrale flog krachend auf. Der Ingenieur aus dem Triebwerksraum stürzte herein. Er schrie etwas, das nicht zu verstehen war. Nach ihm kamen die anderen. Zuletzt die beiden Sergeanten aus der Funk-Z. „Ja“, sagte Major Vandelljuo zum drittenmal, „wir müssen doch mit eingeschalteten Intervallen abgestürzt sein, aber das zeigten mir die Instrumente nicht mehr.“ Jeder auf Terra hatte schon von den unheimlichen Eigenschaften der Intervallfelder gehört. In einem Fernsehbericht war eine Sendung über alle TVStationen der Erde gegangen, und aber Milliarden atemlos zuschauender
Menschen hatten den Flug eines Flash miterlebt, der zuerst ein leerstehendes Haus durchflog, als ob es gar nicht vorhanden wäre. Nur ein fußbreites und nicht besonders hohes Loch hatten Einflug- und Ausflugpunkt markiert. Unter der Wirkung des Sle war das Baumaterial geschmolzen, und im Innern des Hauses deuteten die Löcher in den Wänden darauf hin, daß der Flash auch sie durchflogen hatte. Dann war umgeblendet worden. Ein Flash flog durch Berge! Er durchflog in siebenhundert Meter Höhe die Rocky Mountains, ohne sich um Berge oder Täler zu kümmern. Und am Ende der Sendung setzte der gleiche Flash zur Landung im Depot der POINT OF an, und er durchflog diesmal die blauschimmernde Unitallwand des Ringraumers, ohne in diesem Fall die kleinste Spur zu hinterlassen. Auch diese Männer hatten den Fernsehfilm gesehen. Sie wußten, welchen Schutz ein Intervallfeld schaffen konnte, und jetzt fiel es ihnen so schwer, zu glauben, daß sie den beiden Mini-Welträumen ihr Leben zu verdanken hatten. „Wenn wir nicht in den Atlantik gestürzt sind, dann irgendwo auf Europa oder Amerika. Aber was spielt das schon für eine Rolle.“ Major Vandelljuo hatte Mühe, seine Männer zu überzeugen, daß sie sich in relativer Sicherheit befanden. Langsam gewann bei ihnen die ruhige Überlegung wieder die Überhand. Wo befinden wir uns? lautete ihre wichtigste Frage. Wie tief steckte die 793 in der Erdrinde? Leutnant Gisu war charakterlich der schwächste der gesamten Bergungsmannschaft. Er befürchtete immer noch, daß der alles vernichtende Aufprall kommen würde. „Unser Absturz ist noch nicht zu Ende. Wir sind aus viel größeren Höhen auf Sturzkurs gegangen als vermutet wird. Wir können gar nicht in der Erdrinde stecken; oder hat einer von euch den kleinsten Stoß festgestellt?“ Corporal Yxküll war auch als Sanitäter ausgebildet. Der Major blinzelte ihm verstohlen zu. Yxküll verstand dieses Zeichen. Als er Gisu den Rücken zukehrte, ahnte dieser nicht, was ihm bevorstand. Der Corporal riß die Erste-Hilfe-Packung auf, zog die Injektionspistole heraus, suchte unter einem Satz Ampullen eine bestimmte und schob sie in den Kolben des medizinischen Instrumentes. Gelassen erhob er sich, bat seinen Nebenmann um eine Zigarette, drehte das Mundstück zwischen den Lippen und rauchte sie. Es sah harmlos aus, als er neben Gisu trat. Der schrie auf, als der Strahl aus der Injektionspistole zischte und seinen Hals traf. Mit einem Fluch auf den Lippen wollte er sich auf den Corporal stürzen, doch da begann das injizierte Medi kament schon im Lähmungsbereich zu wirken. Gisu bekam zuerst nicht mehr den rechten Arm hoch, dann auch nicht mehr den anderen, und dann waren es die Arme des Majors, die den langsam bewußtlos werdenden Mann auffingen. „So“, sagte der Kommandant des Beuteschiffes, „Gisu macht uns vorläufig keine Schwierigkeiten mehr. Schade, der Junge ist auf einem Raumschiff fehl am Platz.“ Die anderen stimmten dem Major zu. Männer mit schwachen Nerven hatten auf
der Erde zu bleiben. Dort gab es für sie übergenug Arbeit. Auf ein Raumschiff gehörten Männer, die auch eine Sekunde vor dem Sterben nicht von panischer Angst geschüttelt wurden, sondern ihre Pflicht taten. „Ich habe noch drei Ampullen“, sagte der Corporal, als er seine Injektionspistole wieder in das Erste-Hilfe-Päckchen schob. Befreiendes Lachen löste die Spannung in der Zentrale. Und das Lachen steigerte sich noch, als der Major den Sanitäter fragte, ob er nicht irgendwo eine Flasche Kognak liegen habe. Vandelljuo war es, der plötzlich ernst wurde. „Männer“, sagte er, „wir haben keinen Tropfen Wasser an Bord und keine Nah rungsmittel. Wenn es uns nicht gelingt, mit eigener Kraft an die Oberfläche zu kommen oder man uns nicht zeitig genug birgt, dann verdursten wir.“ Der Tod stand schon wieder neben dem Bergungsschiff 793. Dann kam es Schlag auf Schlag. Yxkülls tragbare Ortungsanlage zeigte auf allen Sektoren nichts an. Die beiden Männer in der Funk-Z konnten nach wie vor mit keiner einzigen Station Verbindung bekommen. Vandelljuo mußte sich zusammenreißen, um nicht zu zeigen, wie mutlos ihn diese Hiobsmeldungen gemacht hatten. Dazu kam die Stimme in seinem Innern, die vorwurfsvoll behauptete, aufgrund seiner Steuerfehler sei der Ringraumer abgestürzt. In Gedanken ging er noch einmal durch, welche Schaltungen er vorgenommen hatte, um die 793 aus dem freien Fall über Kurs Cent Field zu bringen. Er konnte an seiner Arbeit keinen Fehler entdecken. Ratlos wandte er sich vom Steuerpult ab. Dem fragenden Blick seiner Männer wollte er im ersten Moment ausweichen, doch dann sah er sie an. „Wir können den Versuch machen - wenn die Flächenprojektoren sich schalten lassen -, aus eigener Kraft zur Oberfläche zu kommen. Nur haben wir bei diesem Experiment keine Kontrolle, ob wir uns tatsächlich nach oben bewegen. Was geschieht mit den Intervallen, wenn der Ringraumer in eine Magma-Nische einbricht? Halten die Felder dem Daueransturm von aber Tausenden Hitzegraden stand? Dabei darf nicht vergessen werden, daß der Druck auf unsere Mini-Welträume mit jedem Meter, den wir eventuell tiefer kommen . . .“ Er hielt sich den Mund zu. Er schüttelte den Kopf. Prüfend betrachtete er seine drei Männer im Leitstand; ihnen war sein Denkfehler gar nicht aufgefallen. „Männer, ich habe in der letzten Minute viel Unsinn geredet. Selbst wenn wir mit dem Schiff in eine Magma-Nische einbrechen, können uns weder Hitze noch Druck gefährlich werden. Für unsere Mini-Welträume sind sie nicht existent. Aber es ist schwer, sich diese Tatsachen immer vor Augen zu halten. Man denkt und lebt noch zu sehr in der alten Vorstellungswelt. Salo, übernehmen Sie die Aufgabe des Kopiloten, und Sie, meine Herren, müssen sehen, wie Sie zurechtkommen.“ Über Vipho gab er durch, daß er versuchen würde, zur Oberfläche der Erde durchzukommen. Er versäumte dabei nicht, seine Männer auf das physikalische
Verhalten der Intervalle hinzuweisen. Die Nottaste rutschte aus der Sperre. Alle Steuerschalter, die bei der Betätigung des Alarm-Schalters auf Null gesprungen waren, ließen sich jetzt wieder durch Fingerdruck leicht in andere Positionen bringen. Vandelljuo ging bei seiner Kontrolle systematisch vor. Immer noch quälte ihn das Gefühl, den Absturz der 793 durch einen Fehler herbeigeführt zu haben. Flüchtig drehte er sich nach Corporal Yxküll um. „Fällt Ihnen keine Methode ein, mit der wir feststellen können, in welcher Lage wir zur Erdoberfläche stehen?“ Bedauernd deutete Yxküll auf sein gestörtes Ortungsgerät. „Major, ich kann Ihnen nicht helfen, aber wenn die Intervalle so stabil sind, wie Sie es uns erklärt haben, warum riskieren wir keinen Versuch?“ Vandelljuo gab es auf, den Corporal zu verbessern, der von stabilen Intervallfeldern gesprochen hatte. Anfrage an den Ingenieur im Triebwerksraum: „Können wir überprüfen, ob die Emission der Flächenprojektoren wieder steuerbar ist?“ Er erhielt Grunzen als Antwort, dann die unwirsch ausgesprochene Bemerkung zu hören: „Major, das können Sie vielleicht von Congollon oder Doorn verlangen, aber nicht von mir. Tut mir leid, daß ich Sie enttäuschen muß.“ In Vandelljuo wurde gesunde Wut wach. Jeder im Schiff konnte ihm nicht helfen. Jedem tat es leid. Aber jeder erwartete von ihm das große Wunder. Und er traute sich einfach nicht, den Flächenprojektoren Energie zukommen zu lassen, um im Brennkreis den Sle zu erzeugen, der allein die 793 nach oben bringen konnte. Leutnant Salo stand auch ziemlich hilflos neben ihm. Er fühlte sich der Aufgabe als Kopilot nicht gewachsen. Dieser Ringraumer unterschied sich in allen Anlagen grundlegend von den Kugelschiffen der terranischen Flotte. Und je länger er die fremdartig anzusehenden Instrumente betrachtete, um so unsicherer wurde er. Was sagte dieses Instrument mit den drei kreisenden Farbflächen aus? Er konnte sich nicht erinnern, daß man ihm bei den vorhergegangenen Bergungsflügen, als er mit seinen Kameraden an Ringraumern ausgebildet wurde, darüber Aufklärung gegeben hatten. „Major“, sagte er unsicher und deutete auf das Mysterious-Instrument. Der riß die Augen weit auf. Beide Hände preßte er gegen seine Schläfen. Die anderen wurden auf ihn aufmerksam. „Das kann doch nicht sein!“ flüsterte er mit blutleeren Lippen, und das Rauschen in seinen Ohren klang dröhnender. „Was?“ fragte Salo. „Was zeigt dieses Gerät an?“ Bir Vandelljuo stieß ihn zur Seite. Er stand genau vor dem Instrument mit den kreisenden Farbfeldern. Rot im Plus-Bereich! Schwache Abweichungen auf Grün! In den Schläfen des Majors pulste stark das Blut durch die Adern. So stark, daß es zu schmerzen begann. Noch schlimmer sah es hinter seiner Stirn aus. Seine Gedanken streikten. Er war nicht mehr in der Lage, eine Überlegung zu Ende zu denken. Immer wieder kam ein Kurzschluß dazwischen. Immer
wieder die Behauptung, daß alles Unsinn sei, was er gerade gedacht habe.
Aber nach der Anzeige des Instrumentes stieg die 793!
Sie stürzte nicht mehr! Sie stieg! Sie stieg!
Aber wer, zum Teufel, hatte die 793 auf Gegenkurs gebracht?
Der Sle lag still Die Flächenprojektoren auch. Alle M-Konverter, bis auf einen,
der die Energie für die beiden Intervallfelder liefern mußte.
„Major, nun sagen Sie doch endlich was!“ stieß Salo hervor. Ihm war der
Kommandant unheimlich geworden. Auch die anderen hatten ihre Plätze
verlassen und waren herangekommen. Doch sie hatten von der Bedeutung dieses
Instrumentes mit den kreisenden Farbflächen ebenfalls keine Ahnung.
Langsam ließ Vandelljuo die Hände sinken. Ununterbrochen schüttelte er den
Kopf.
„Ich kann's nicht begreifen! Ich kann's einfach nicht verstehen! Wir steigen! Wir
stürzen nicht mehr. Das Schiff ist auf Gegenkurs gegangen. Oder dieses
Instrument hier spielt verrückt. Oder es muß defekt sein.“
Stoßartig hatte er diese Erklärung über die Lippen gebracht und mehrfach mit
den Schultern gezuckt.
Da meldete sich die Funk-Z über Vipho.
„Major, wie haben wieder Empfang. Wir bekommen die Station A-107 klar
herein. Die fragen an, warum wir unseren Flug Richtung Mond nicht gemeldet
hätten!“
„Idiotisch!“ stieß Salo aus. „Die in der Funk-Z sehen auch schon weiße Mäuse!“
Sie steckten mit der 793 tief in der Erdrinde, und die beiden Männer in der
Funk-Z leisteten sich mit ihnen einen makabren Scherz.
Wieder war die gleiche Stimme aus Vandelljuos Vipho zu hören und auf der
kleinen Bildscheibe das Gesicht zu sehen.
„Major, jetzt fragt A-253 an, warum wir unseren Flug Kurs Luna nicht gemeldet
hätten. Man verlangt, daß wir unser Erkennungszeichen abstrahlen. Hat die 793
überhaupt eins?“
War dieser Mann in der Funk-Z irrsinnig geworden?
Stationen mit dem Anfangszeichen A lagen alle auf dem asiatischen Kontinent,
waren über Direktkontakt mit der Hyperfunk-Station in Cent Field verbunden.
„Major! Großer Himmel, was ist da los? Stimmt es tatsächlich? Stecken wir
nicht mehr in der Erde, sondern haben Kurs auf den Mond genommen?“ Die
Stimme des Mannes in der Funk-Z überschlug sich fast.
Bir Vandelljuo ließ den Kopf hängen. Sein Kinn berührte die Brust.
„Es muß stimmen“, sagte er wie ein Mensch, der an seinem eigenen Verstand
zweifelt. „Es muß stimmen, denn dieses Instrument behauptet es auch. Wir
steigen. Wir steigen ununterbrochen! Wir stecken nicht mehr in der Erde!“
Er wagte seine Männer nicht anzusehen. Sie mußten glauben, daß er den
Verstand verloren hatte.
***
Marschall Bulton hatte über Transmitter die Ortungszentrale erreicht. Hier
erfuhr er aus erster Hand, was aus der abgestürzten 793 geworden war. Er
stürmte in den großen Saal, in dem es auffallend still war. Neun Offiziere
machten hier Dienst. Drei große Spurasensoren verarbeiteten die Daten, die die
verschiedenen Tastanlagen erfaßt hatten.
In der rechten Ecke saß ein Mann hinter einem Steuerpult und kontrollierte, ob
die ausgeworfenen Endberechnungen der Suprasensoren auch störungsfrei an
die wichtigsten Zentralen des Stabes weitergeleitet wurden.
Grönland lag in der Verbindung.
Drei Kugelraumer der 200-Meter-Klasse auch.
Von Alaska und Sibirien waren sieben weitere Raumschiffe im Anflug auf die
Absturzstelle.
Die 793 war nicht zu erfassen.
Das hatte Grönland auch schon gemeldet. Die Stationen im sibirischen Bereich
schwiegen. Die aus Island hatte nur ihren Einsatz bekanntgegeben. Von keiner
Seite lief ein Resultat ein.
Die 793 blieb verschwunden!
Der Leutnant hinter der Energieortung verzweifelte. Auf die Anwesenheit des
Marschalls nahm er keine Rücksicht.
„Der Kerl, der die 793 fliegt, muß ein Vollidiot sein! Der hat doch alles in
seinem Kahn abgeschaltet. Alles! Der Teufel soll ihn holen. Und das galaktische
Magnetfeld auch!“
Die Null-Amplitude kam und ging auf dem großen Oszillo.
Ununterbrochen!
Der Offizier hinter dem Aggregat setzte sein Gerät aufs Spiel, als er die
Hauptsicherung blockte, drei Phasen quer legte und dann den ersten Stromhebel
über die Sperre drückte. Irgendwo in den Tiefen des Tasters knackte es.
Die Scheibe des Oszillos wurde schlagartig heller und die Null-Amplitude noch
scharfer in ihren Umrissen. Aber nach wie vor von der 793 keine Spur.
Drei Rot-Kontrollen flammten auf. Die Energieortung drohte durchzubrennen.
Bulton, der dem Leutnant über die Schulter sah, sagte kein Wort. Er an der
Stelle des jungen Offiziers hätte genauso gehandelt. Ohne Rücksicht auf den
aber Millionen Dollar teuren Energieorter.
Menschenleben waren wichtiger als die größte Geldsumme.
„Aus!“ stieß der Leutnant hervor und riß den ersten Stromhebel wieder zurück.
„Wenn Grönland sie nicht erwischt, wie sollen wir sie finden?“
Da machte sich Bulton bemerkbar. „Suchen Sie weiter. Wir müssen den
Ringraumer finden, wenn er nicht . . . Hm . . .“
Der Leutnant dachte das gleiche.
Alle Männer in der Ortungszentrale. In der 793 konnte kein Mann mehr leben.
Sie hatten von ihrem Sterben nicht viel gemerkt. Die Andruckkräfte mußten wie
ein Blitz über sie gekommen sein. Die Regler im Schiff waren bestimmt nicht in
der Lage gewesen, sie zu absorbieren. Tausend Gravos und mehr waren dann ein
gnädiger, schneller Tod gewesen. Und wahrscheinlich hatte die Unitallhülle
diesen Aufprall auf den Atlantik auch nicht überstanden. Bulton las, ohne sich seiner Tätigkeit richtig bewußt zu werden: Aufschlagwinkel 21 Grad. Wassertiefe an der Unfallstelle . . . „Nein“, hörte er sich da sprechen, „auch dieser spitze Aufschlagwinkel hat ihnen nicht helfen können. Bei der Geschwindigkeit, mit der die 793 aufschlug . . .“ Der Leutnant hinter dem Energietaster drehte sich nicht einmal nach seinem Marschall um. Er nickte bloß. Bulton sah nach rechts zur Massen- und Distanzortung hinüber. Dort hatte man die Suche nach der 793 aufgegeben. Seitdem die Werte des gestörten galaktischen Magnetfeldes diese katastrophale Höhe erreicht hatten, war es überhaupt schwierig geworden, einwandfreie Taster-Resultate herein zubekommen, gleichgültig, um welche Ortung es sich handelte. Diese paar tausend Kilometer Distanz zur Unfallstelle machten sich sehr störend in der Ortungszentrale bemerkbar. Ein Funkspruch kam durch. Ein Kugelraumer stand dicht über der Unfallstelle und meldete, daß auch er mit seinen Ortungen keine Spur von der 793 entdecken könnte. Colonel Ensam trat neben den Marschall. „Sollen wir mit dieser Intensität weitersuchen, Marschall? Wir haben die Bergungsmanöver der anderen Ringraumer gestoppt. Verlangen wir nicht zuviel von den Kommandanten, die doch mehr schlecht als recht an den Beuteschiffen ausgebildet sind?“ In seinen Worten lag ein Vorwurf. Der Absturz der 793 wäre wahrscheinlich nicht erfolgt, wenn Major Vandelljuo an einem Ringraumer so ausgebildet worden wäre wie seinerzeit an einem Kugelschiff Und man hatte jedem Kommandanten erst dann einen Kugelraumer anvertraut, nachdem sie bewiesen hatten, daß sie den Schiffstyp tatsächlich in- und auswendig kannten. Bulton schluckte den Vorwurf. Sein cholerisches Temperament kam diesmal nicht zum Durchbruch. „Veranlassen Sie, daß die Bergungsmanöver . . .“ Aus dem Lautsprecher brüllte es: „A-107 hat einen Ringraumer erfaßt, der Kurs Luna fliegt!“ Bulton lief rot an. „Der eine läßt seinen Kahn abstürzen, und der andere macht Spazierflüge damit! An A-107: Schiff anrufen! Schiff auffordern, sofort auf Gegenkurs Terra zu gehen und befohlenen Raumhafen anfliegen! An Einsatzreserve: Drei Raumer sofort Kurs auf noch nicht identifiziertes Beuteschiff aufnehmen! Eskortieren!“ Auf dem Raumhafen Cent Field und in der großen Hyperfunkstation gab es kei nen Mann, der nicht Marschall Bultons Stimme kannte, wenn sein cholerisches Temperament mit ihm durchging. Wieder dröhnte es aus dem Lautsprecher: „Auch A-253 hat inzwischen das nicht identifizierte Ringschiff erfaßt. Es. . . Moment!“ Aus dem Lautsprecher kam ein Überraschungsruf. Sogar das Schlucken des Sprecher war zu hören. Dann sein Murmeln: „Das ist doch nicht zu fassen . . . Neue Meldung: Raumüberwachung behauptet, daß kein einziger Beuteraumer, der sich auf Kurs Terra befand, in den letzten Minuten seine Position verlassen hat!“
Bulton stützte sich schwer gegen eine Verkleidung. Diese 3782 Ringraumer waren Robot-Schiffe. Sie hatten zu der unheimlich großen Flotte der Mysterious gehört, die die Erde in die Zange genommen hatte. Erst durch den waghalsigen Einsatz des Commanders, unterstützt durch Are Doorn, hatte der Angriffsflug der anderen gestoppt werden können; das Gros der Flotte war in einer gewaltigen Strukturerschütterung wieder aus dem Sol-System verschwunden. Warum die 3782 Ringraumer diesen Rückzug nicht mitgemacht hatten, mußte noch geklärt werden. Aber war jetzt eins der Robot-Schiffe aktiv geworden? Hatte man übersehen, auf einem der Schiffe die Arbeiter- und Reparaturroboter zu zerstören? Anders konnte es doch nicht sein, wenn die Behauptung der Raumüberwachung stimmte. Die Einsatzreserve meldete: „Drei Jäger zum befohlenen Einsatz gestartet. Erwarten weitere Befehle.“ Bulton lief es kalt über den Rücken. Er erinnerte sich sehr gut, was geschehen war, als sich Schiffe seiner TF der heranrasenden Ringraumerflotte entgegengestellt hatten. Sie waren vernichtet worden - in einem einzigen Strahlangriff! Und das gleiche Schicksal konnte den Besatzungen der drei Jäger blühen, wenn er nicht sofort den Befehl erteilte, daß der Ringraumer unter keinen Umständen anzugreifen sei. Aber die sich überstürzenden Ereignisse gaben ihm einfach keine Zeit, seine Order an die Einsatzreserve weiterzugeben. Die Hyperfunkstation meldete sich wieder, und die Stimme des Sprechers über schlug sich: „Unbekannter Ringraumer auf Kurs Luna hat sich gemeldet. Behauptet, Schiff 793 zu sein!“ Erneute Durchsage aus der Hyperfunkstation: „AU-3 hat einwandfreien Kontakt mit Ringraumer. Achtung, Sendung kommt herein!“ AU-3 lag in Australien. Im Orter-Saal flammte der große Bildschirm auf. Aus zusammengekniffenen Augen starrte der Marschall ihn an. Er war auf alles vorbereitet, aber nicht darauf, das markante Gesicht des Majors Bir Vandelljuo zu sehen. Und Bir Vandelljuo hatte den Auftrag gehabt, mit seiner Besatzung den Ringraumer 793 nach Cent Field zu bringen. Aber wie kam das Schiff, das vor Grönland in den Atlantik gestürzt war, jetzt auf diesen Kurs? Wie war es überhaupt in den freien Raum gekommen? „Verstehen Sie das, Ensam?“ Der Colonel verstand auch nichts. In der nächsten Meldung teilte AU-44 mit, daß man den Ringraumer einwandfrei als 793 identifiziert habe.
„Kunststück“, knurrte Bulton, „wenn man Major Vandelljuo kennt. Aber wie
kommt der Raumer . . . ?“ Er ließ Colonel Ensam stehen und rannte zur
Energieortung. „Mann, jetzt müssen Sie doch den Kahn getastet haben?!“
Der junge Leutnant deutete wortlos auf die Null-Amplitude seines Oszillos.
Bultons Stimme wurde wieder bedrohlich laut.
„Wollen Sie mir freundlicherweise einmal erklären, warum Sie die 793 nicht
orten können, Leutnant?“
„Störungen durch das galaktische Magnetfeld, die aus dem Hyperspace einbre
chen, Marschall!“
„Wofür das Magnetfeld plötzlich alles herhalten muß!“ Bultons Stimme klang
wie das bedrohliche Knurren einer gereizten Dogge.
Der Leutnant drehte sich nun nach ihm um.
„Marschall, die Energieortung kann die 793 nicht erfassen, weil sie aller
Wahrscheinlichkeit nach den Sle nicht eingeschaltet hat, aber auch keinen A-
Grav!“
Schwer legte ihm der Marschall die Hand auf die Schulter.
„Junger Mann“, und seine Stimme orgelte, „wollen Sie mir allen Ernstes weis
machen . . .“
Zucken lief durch seinen Körper. Seine Augen wurden unnatürlich groß.
„Lassen Sie mich noch einmal lesen!“ Und er las, mit welcher Geschwindigkeit
die 793 in den Atlantik gestürzt war.
Und knapp eine Minute später verzweifelten in AU-44 und anderen
australischen Stationen und im Stab der TF einige hundert Menschen an ihrem
eigenen Verstand. Die Geschwindigkeit der 793 mit Kurs auf den Mond war
ebenso groß wie jene Geschwindigkeit, mit der sie vor Grönland in den Atlantik
gestürzt war!
Wieder war die Hyperfunkstation da. „AU-3 legt auf alle Zentralen des Stabes
um. Direktverbindung mit Major Vandelljuo!“
Bulton eilte zum großen Bildschirm. Wie ein mißtrauischer Detektiv studierte er
das Gesicht Zug um Zug. Es war Bir Vandelljuo! Und Bir Vandelljuo erklärte,
daß er nicht mehr wage, einen Steuerschalter zu betätigen.
„Mir muß ein gravierender Steuerfehler unterlaufen sein, aber ich kann ihn nicht
entdecken. Wir benötigen dringend einen Experten, der in der Lage ist, mir
präzise Anweisungen zu geben, wie ich die 793 zu fliegen habe.“
Bulton brauchte sich darum nicht zu kümmern, denn in allen Zentralen seines
Stabes wurde jetzt die Sendung von der 793 auch empfangen.
„Warten Sie, Major. Colonel Larsen trifft in wenigen Minuten ein und wird Sie
und Ihre Männer sicher herunterholen“, sagte aus irgendeiner Zentrale eine
sonore Männerstimme, die Ruhe ausstrahlte. „Major, beantworten Sie mir in der
Zwischenzeit einige Fragen.“
„Bitte“, sagte Vandelljuo und nickte leicht mit dem Kopf.
„Wann haben Sie den Sie abgeschaltet? Warum haben Sie nicht versucht, den
Absturz durch Anti-Gravitationskräfte zu stoppen?“
„Ich mußte Sie abschalten, weil sich die 793 plötzlich nicht mehr steuern ließ.
Alle Schalter waren blockiert. Alle, und das bedeutete, daß ich auch A-Grav nicht mehr benutzen konnte.“ Die Stimme des Fragers klang leicht verärgert. „Major, Ihre Ausführungen sind nicht exakt. Sie müssen doch noch einmal Sle benutzt haben, um aus der Erdrinde in den freien Raum zu kommen. Erinnern Sie sich vielleicht dieser Handlung nicht mehr?“ Bir Vandelljuos Gesicht auf dem Bildschirm wurde zur Maske. „Ich bin nicht verrückt“, erwiderte er scharf, „und ich war auch nicht vorüberge hend geistesgestört. Als für mich feststand, daß die 793 auf Terra stürzen würde und der laufende Sle den Absturz nur noch beschleunigen würde, habe ich die Nottaste gedrückt. Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Schiff in schätzungsweise Zehn- bis zwölftausend Kilometer Höhe. Ich erkläre noch einmal, daß ich danach keine einzige Steuerschaltung mehr vorgenommen habe.“ „Aber das ist doch Nonsens, Major!“ bellte jetzt die Stimme, die vorher soviel Ruhe ausgestrahlt hatte. „Sie müssen den Sle doch noch einmal eingeschaltet haben. Sie konnten sonst doch gar nicht aus dem Atlantik wieder herauskommen!“ Bulton stutzte, als er die Andeutung eines Lächelns auf Vandelljuos Gesicht entdeckte. „Nein?“ fragte der Major jetzt spöttisch. „Aber Sie haben recht. Wir sind gar nicht wieder aus dem Atlantik gestiegen. Das wäre nur Energieverschwendung gewesen. Dank der mir inzwischen bekanntgewordenen Positionsangaben und Bedingungen, unter welchen mein Schiff in den Atlantik gestürzt ist, kann ich Ihnen erklären, daß wir durch die oberen Schichten der Erdrinde geflogen sind, um irgendwo in Asien wieder in den freien Raum aufzusteigen. Wir . . .“ Er wurde unterbrochen. Schneidend scharf klang die Stimme, die ihm erklärte: „Diesen Unsinn, können Sie vor einer Untersuchungskommission wiederholen, Major. Nach der Landung haben Sie sich zur Verfügung zu halten. Mit anderen Worten: Sie stehen unter Arrest!“ „Bitte!“ erwiderte Bir Vandelljuo ungerührt. „Bitte, wenn Sie sich mit aller Macht blamieren wollen. Ich kann Sie nicht daran hindern und . . .“ Da mischte sich Bulton ein. Er hatte den Kontakt gedrückt. „Hier Bulton. Vandelljuo, ich habe den Eindruck, daß das Gespräch den sachlichen Bereich verlassen hat. Wie erklären Sie Ihre Behauptungen?“ Staunen stand in den Augen des Majors, der sich in der Funk-Z seiner 793 aufhielt. „Marschall, das ist doch sehr leicht zu erklären. Mein Schiff ist in einem spitzen Winkel von 21 Grad in den Atlantik gestürzt. Der Ozean konnte den Ringraumer nicht aufhalten. Auch nicht die Erdrinde. Wir durchflogen sie ohne Antrieb, nur kraft der Eigengeschwindigkeit, und wir sind irgendwo in Asien wieder an die Oberfläche gekommen und weiter kraft unserer Eigengeschwindigkeit in den Raum gestiegen. Marschall, darf ich mir erlauben, daran zu erinnern, daß auch jetzt noch die 793 im Schutz ihrer beiden
Intervallfelder fliegt? Der Atlantik, die Erdrinde, das alles war um den Ringraumer in diesem Intervallfeldschutz gar nicht existent! Ist in einer Fernsehsendung nicht einmal gezeigt worden, wie ein Flash die Rocky Mountains durchfliegt?“ „Mahlzeit!“ platzte der Marschall heraus, der in diesem Augenblick keinen besonders intelligenten Eindruck machte. „Die Intervalle . . . Ja . . . ! Schön und gut das alles, aber es fällt einem doch verflixt schwer, sich das plastisch vorzustellen. Abstürzen, und es passiert einem dabei gar nichts. Man merkt noch nicht einmal etwas vom Aufprall, weil das nicht mehr da ist, was gerade noch vorhanden war. Kein Ozean. Keine. Erdrinde. Nur Intervalle - ein privater, kleiner Weltraum mit eigenen Naturgesetzen. Und wenn so ein Schiff vorbeigerast ist, durch die Erde, dann ist bei ihr alles wieder so, als ob sich nie etwas ereignet habe. Großer Himmel, Major, habe ich mich richtig aus gedrückt?“ „Ja, Marschall“, sagte der Major, „so kann man es sich vorstellen. Aber wir hier an Bord haben auch lange gebraucht, bis wir entdeckten, warum wir immer noch lebten.“ Lachen stand auf dem Gesicht des Marschalls. „Sie haben auch lange gebraucht, Vandelljuo? Das ist tröstlich für uns alle. Hier im Stab ist nämlich auch keiner auf den Gedanken gekommen, die Intervallfelder Ihres Schiffes in Rechnung zu stellen.“ Er konnte sich nicht länger mit Vandelljuo unterhalten. Colonel Ralf Larsen war in einer Zentrale des Stabes eingetroffen. Die Verbindung wurde nach dorthin geschaltet. Und dann gab Larsen einem aufmerksam lauschenden Major die ersten Anweisungen. Knapp eine Stunde später setzte die 793 in Cent Field auf Platz H-68 auf. Als die Bergungsmannschaft den Ringraumer verließ, mußte Leutnant Gisu hinausgetragen werden. Er schlief immer noch. Einige Männer der Besatzung aber betrachteten verwundert die blauviolett schimmernde Hülle ihres Schiffes und versuchten vergeblich, darauf einen Kratzer zu finden. Es fiel ihnen jetzt noch schwerer, sich vorzustellen, daß sie mit ihrem Schiff ein paar tausend Kilometer weit durch die Erdrinde dieses Planeten geflogen waren. Als Major Vandelljuo sich zum Arrestantritt meldete, entschuldigte sich ein Colonel bei ihm, dessen Stimme große Ruhe ausstrahlte. Vandelljuo war kritischer. „Mir hätte dieser Fehler an den Steuerschaltern nie unterlaufen dürfen, Colonel . . .“ Der ließ ihn nicht ausreden. „Das zählt nicht mehr, Major. Durch Ihren Fehler ist die TF um eine wichtige Erfahrung reicher geworden. Hoffentlich kommt in Zukunft niemals ein Kommandant auf den Gedanken, einmal durch eine Sonne zu fliegen.“ „Lieber nicht!“ wehrte Bir Vandelljuo ab, der inzwischen Platz genommen hatte. „Alles hat sein Maximum an Belastungswerten. Auch ein Intervall, und das wird wohl jeder Kommandant wissen, der in Zukunft einen Ringraumer fliegen wird. Nein, ich glaube nicht, daß die TF jemals auf diese Weise ein Schiff verlieren
wird.“ ***
Nachdenklich sagte Dan Riker: „Wir sind von der Gedankensteuerung regelrecht überfahren worden. Ob zu unseren Gunsten oder zu unserem Nachteil, bleibt offen. Der Flash ist nicht in der Lage, das Intervall über der Ruinenstadt zu durchfliegen. Der Funkkontakt zum Commander ist abgerissen. Frage: Was ist jetzt zu tun?“ „Nicht zu vergessen der strahlende Fleck in der Wüste, der seine Pulsationszeit verändert hat“, erklärte Grappa. „Und die Störsender, die den gerichteten Hyperimpuls nach II/a zerhacken. Übrigens, ein Verfahren, das wir nicht beherrschen“, warf Glenn Morris ein. „Doch!“ widersprach Dan Riker energisch. „Wir können das auch. Neben der Schleuse eins, in einer verschlossenen Kabine, steht ein Störsender. Doorn kann wie kein zweiter mit dem Ding umgehen. Ob die Mysterious seinerzeit vergessen haben, ihn in der Funk-Z einzubauen - die Mentcaps haben darüber nie Auskunft gegeben. Und soweit man die Verschachtelung der POINT OF kennt, steht dieser Störsender mit keinem anderen Gerät im Schiff in Verbindung. Er hat seinen eigenen Konverter und ist nicht auf andere Energieversorgung angewiesen.“ Leicht irritiert blickte Riker dem Ortungsspezialisten nach, der wieder einmal seinen Platz verlassen hatte, um sein Aggregat zu kontrollieren. „Grappa, Sie sind wirklich mit dem Taster-Gerät verheiratet!“ bemerkte er spöt tisch, um dann aber aufzumerken. Grappa hatte hinter den Ortungen wieder Platz genommen. Sein Kamerad, der ihn seit zwei Stunden abgelöst hatte, mußte zur Seite rutschen. „Riker, dieser Planet wird immer aktiver. In ihm tut sich einiges! Wollen Sie sich das einmal ansehen?!“ Alle sahen es sich an. Grappa brauchte ihnen nichts zu erklären. „Was ist nur unter dieser Wüste los?“ murmelte Dan Riker. „Und in der Stadt. Genauer gesagt: unter der Stadt!“ Grappa deutete auf den Energie-Oszillo. Der wies zwei starke energetische Quellen auf. Eine mitten in der Wüste, in mehr als 3000 Metern Tiefe, in der Nähe des pulsierenden Punktes; die zweite jene Stelle überlagernd, die er als den Erstellungsort des Intervalls ausgemacht hatte, unter dessen Schutz die Stadt lag. Auf der Massenortung bewegten sich viele mehrfarbige Punkte. Relativ kleine Gewichtseinheiten. Keine einzige über 1000 Tonnen schwer. Sie befanden sich ebenfalls in mehr als 3000 Meter Tiefe. „Sie könnten Kurs auf uns haben“, sagte Glenn Morris arglos. Riker befragte den Checkmaster. Von ihm wollte er wissen, ob Morris' Behauptung stimmen konnte. Verblüfft lasen die Männer die Antwort des Bordgehirns. Mit 89,57 Prozent Wahrscheinlichkeit ist mit einem Angriff auf die POINT OF
zu rechnen!
Wann? wollte Riker nun wissen.
Angriff erfolgt mit 92,01 Prozent Wahrscheinlichkeit in 2:30 Stunden Normzeit,
falls sich die erste Angabe als richtig herausstellt.
„Wunderbar!“ stöhnte Riker und warf der Leuchtscheibe der Massenortung einen abfälligen Blick zu. „Auf der einen Seite ein bevorstehender Angriff auf die POINT OF und auf der anderen von Dhark und seinen Männern keine Spur. Ich gebe ehrlich zu, daß mir dieser Planet unheimlich wird. Er scheint kein intelligentes Leben mehr zu tragen, aber dafür robotisch gesteuerte Anlagen, die mit einer uns unbegreiflichen Perfektion arbeiten.“ „Kann man etwas anderes von den Mysterious erwarten?“ machte Glenn Morris seine zweite arglose Bemerkung. Verblüfft lehnte sich Riker zurück. „Mann“, stieß er aus, „Sie haben mich jetzt aber mißtrauisch gemacht! Wenn sich das einmal als Tatsache herausstellen sollte, dann haben wir noch allerlei von den robotischen Einrichtungen zu erwarten.“ „Was denn?“ fragte Grappa. Sie verstanden seine Bemerkung nicht. Dan Riker traute seiner Gedankenkombination selbst nicht recht. „Wir haben das Gros der Ringraumerflotte bis in diesen Teil der Galaxis verfolgt - robotisch geflogene Schiffe, wenn nicht doch auf einigen Kähnen Mysterious gesteckt haben. Angenommen, diese Flotte hat die Verfolgung durch die POINT OF bemerkt. Was würden wir an ihrer Stelle tun, um den Verfolger abzulenken? Na?“ Sie verstanden ihn immer noch nicht. „Wir würden einen Köder auslegen. Und uns hat man einen Köder ausgelegt. Ohne klar erkennbaren Grund sind auf diesem Planeten hundert oder zweihundert Ringraumer gelandet und nach kurzem Aufenthalt wieder gestartet. Wir haben diesen Vorfall entdeckt. Wir stehen mit unserem Schiff vor einem unbekannten Sauerstoffplaneten. Wir entdecken diese Ruinenstadt - und wir haben den Köder geschluckt, sind hiergeblieben und sitzen nun fest, weil ein Intervall uns von der Gruppe des Commanders trennt. Wir haben viele Stunden vertrödelt. Die Zerfallszeit der Energiefahnen im Raum hilft dem verschwundenen Flottenverband, seine Spuren zu verwischen, und um uns noch länger hier festzunageln, wird auch noch ein Angriff auf unser Schiff gestartet!“ Er konnte es seinen Männern nicht verbergen, daß sie mit seiner Hypothese nicht einverstanden waren. „Roboter“, sagte Glenn Morris, „und die sollen diese Raffinesse besitzen, Riker? Ziemlich unglaubwürdig.“ „So?“ Der deutete angriffslustig auf den Checkmaster. „Was ist das denn für ein Ding? Irgendwie auf seine Art auch ein Roboter, der auf logistischer Basis arbeitet. Wir trauen ihm fast alles zu, aber anderen Konstruktionen der Mysterious gar nichts. Das ist ein Widerspruch in sich. Oh . . . beinahe hätte ich es vergessen! Waren die Giants nicht auch Roboter? Wir aber hielten sie für eine
humanoide Rasse. Meine Herren, wir müssen uns freimachen und in einem
Roboter nicht nur eine Metallkonstruktion sehen, die ein paar tausend
Verrichtungen laut Programm ausführen kann, sondern in diesen Maschinen ein
Etwas erblicken, das sogar einen gewissen robotischen Intelligenzgrad hat.
Dabei spielt es keine Rolle, ob so ein Roboter die Form unseres Ringraumers
hat.“
Glenn Morris strich über sein Kinn. Es kratzte laut. Ein Zeichen, daß schon
wieder ein halbes Jahr vorüber war und er sich in den nächsten Tagen bei der
Morgentoilette Bartcreme ins Gesicht zu schmieren hatte, die für die nächsten
sechs Monate verhinderte, daß es auch nur einen Bartstoppel aufzuweisen hatte.
„Ein Ringraumer könnte ein Roboter sein?“
Die Frage blieb in der Zentrale der POINT OF unbeantwortet. Aus der Bord
verständigung dröhnte es:
„Wir haben gerade Verbindung mit dem Commander gehabt, aber nach den
ersten Worten ist sie schon wieder abgerissen.“
„Was hat er gesagt?“ wollte Dan Riker wissen, der ein glückliches Gesicht
machte, nachdem er die Gewißheit erhalten hatte, daß sein Freund noch lebte.
Walt Bruggs Auskunft enttäuschte alle.
„Der Commander konnte nur noch drei Worte sagen: Wir sind in . . . und dann
war schon wieder Schluß!“
„Was hat Ren nur sagen wollen?“ murmelte Riker, beugte sich zu den
Sprechrillen vor und rief die Funk-Z an. „Brugg, spielen Sie uns den gesamten
Vorgang in die Zentrale.“
Es knackte irgendwo. Dann flammte die Projektion auf. Ren Dharks entspanntes
Gesicht war zu sehen. Nun bewegte er die Lippen und sagte: Wir sind in . . .
Dann zerflatterte das Bild, und auf der Tonphase wurde es still.
„Brugg, haben Sie schon versucht, herauszufinden, durch welche Störung die
Sendung unterbrochen wurde?“
„Resultat kommt gerade. Ich lasse Doppel an Sie gehen.“
Der Checkmaster schob den Streifen heraus, auf dem in lapidarer Kürze stand:
Gesteuerter Eingriff, und dahinter standen die Koordinaten.
„Das ist doch nicht zu fassen!“ sagte Tino Grappa verblüfft. „Das sind dieselben
Koordinaten, die ich dem Commander durchgegeben habe. An dieser Stelle in
der Stadt wird das Intervallfeld erzeugt!“
„Warum sich da noch wundern?“ knurrte Riker. „Er hat's mal wieder geschafft.
Der kommt immer dorthin, wohin er kommen will. Und wenn Dhark es nicht
fertigbringt, dieses Intervallfeld abzuschalten, dann verpflichte ich mich, in dem
kommenden Jahr nie mehr über ein gutes Mittagessen zu sprechen.“
Das war eine gewagte Behauptung, denn Dan Riker hatte eine Beschäftigung,
die ihm über alles ging: gut zu speisen.
„Hoffentlich trifft der Commander noch vor dem Angriff ein!“ erinnerte Grappa.
Riker trommelte mit den Fingern auf der Verkleidung des Taster-Aggregates.
„Wie können wir rechtzeitig in Erfahrung bringen, was uns angreift?“
„In die Wüste fliegen und über der Stelle, wo sich in dreitausend Meter Tiefe
viel bewegt, mit Dust-Strahlen einen Schacht graben.“ „Zu gewagt!“ erklärte Riker auf Grappas Vorschlag. Er kümmerte sich nicht um die erstaunten Blicke. Ihm war dieser Planet unheimlich. Und seit er den Verdacht hatte, die sich absetzende Flotte hätte ihnen damit einen Köder zu schlucken gegeben, war dieses Gefühl noch stärker geworden. „Möglich“, erwiderte Grappa, der nicht gewillt war, daß man seinen Vorschlag so schnell zur Seite legte, „aber was tun wir, wenn der Angriff auf die POINT OF läuft und der Commander gerade eine Chance gefunden hat, aus der Stadt herauszukommen? Verbauen wir ihm damit nicht den Rückweg?“ „Ich muß es mir überlegen“, wich Riker der Entscheidung aus. Schade, dachte er, daß bei dieser Besprechung nichts Vernünftiges herausgekommen ist. Das krachend sich öffnende Schott der Zentrale schreckte alle Offiziere im Leit stand auf. Jens Lionel, der Bordastronom, trat ein. Seine Augen strahlten, und die Plastikmappe in seinen Händen hatte er so behutsam angefaßt, als ob sie zerbrechlich sei. „Riker, wir haben eine Sternenkarte entziffern können. Bitte!“ „Großer Himmel!“ stieß Riker aus, als Lionel ihm die Folie reichte. Daran hatte er nie mehr gedacht. Das alles lag doch schon so weit zurück! In der Zwischenzeit war so viel anderes passiert. Vor Wochen hatten Dhark und er diese Sternenkarten zusammen mit einem Emblem, das stilisiert eine GalaxisSpirale darstellte, auf dem Planeten Mirac in einem Flash gefunden, der tief in massivem Fels verborgen gewesen war und als einziges Beiboot die Zerstörung seines Mutterschiffes, das nicht weit von seinem Versteck lag, überstanden hatte. „Und welche Region unserer Milchstraße zeigt diese Karte?“ Er fragte aus Höflichkeit, lieber hätte er von Lionel einen Hinweis gehört, wie der Commander mit seinen Männern aus der Stadt zu holen war. „Die Karte zeigt den anderen Rand des Spiralarms II/a, Riker. Aber diese Sternenkarte ist aus einer Perspektive heraus angelegt worden, deren Aufgabe es war, alles zu verschleiern. Erst mit Hilfe der Pry-Positionsformel der Mysterious-Mathematik sind wir in diesem Fall zu einem Resultat gekommen. Riker, Sie halten die entzifferte Karte in den Händen. Meine Kollegen und ich sind aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen, als wir mit der Durchmuste rung begannen. Schauen Sie sich das hier an . . .“ Der Astronom war nicht mehr zu bremsen. Kaum interessiert hörte Dan Riker zu. „. . . Diese Sonne gehört zum Typ S. Starker Lichtwechsel, auffallende Absorptionslinien des Zirkons. Elf Planeten. Nichts Weltbewegendes. Aber dann diese sechs inneren Planeten! Hier können Sie es erkennen. Es sind drei Zwillingspaare! Jedes Paar auf eigener Bahn. Doch jedes Paar umläuft sich in der gleichen Zeit wie die beiden anderen Paare. Und alle drei Paare auf drei verschiedenen Bahnen umlaufen die S-Sonne im gleichen Zeitabschnitt!“ „Das alles haben Sie aus dieser Sternenkarte herausgelesen?“ fragte Riker voller Zweifel. „Noch mehr!“ trumpfte der Astronom auf. „Der Pulsationszyklus der S-Sonne
beträgt 42,06 Stunden Normzeit, die Rotationszeit der drei Zwillinge aber 21,03 Stunden. Das ist ungeheuerlich. Das ist niemals von der Natur geschaffen. Das ist ein Produkt einer alles überragenden Intelligenz, die die Technik bis ins letzte hinein beherrscht!“ Solche Superlative kannte Riker an Jens Lionel nicht. Von dessen Begeisterung ließ er sich nicht anstecken. „Riker, wir haben auch auf der chiffrierten Sternenkarte die Farbzeichen entziffern können. Diese drei Zwillinge sind Sauerstoffplaneten. Ihr Abstand zur Sonne läßt vermuten, daß auf allen Sternkugeln ein für Menschen erträgliches Klima herrscht. Wenn . . .“ „Stopp, Lionel“, unterbrach Dan Riker den Redefluß des Experten, „Sie sind mir nicht böse, wenn ich mißtrauisch bleibe. Das alles wollen Sie mit Ihren Kollegen aus einer einzigen Sternenkarte herausgelesen haben?“ „Viele Zeichen haben wir noch nicht entziffern können, Riker. Unsere Sensor-Mikroskope schaffen es nicht, eine lesbare Vergrößerung zu bringen.“ „Schaffen es nicht? Mein lieber Lionel, hören Sie einmal . . .“ Es klang unlustig, denn an Bord der POINT OF befand sich das modernste Sensor-Mikroskop, und damit waren eine ganze Zahl atomarer Partikel sichtbar zu machen. „Nein, Riker, sie schaffen es nicht. Doch zum Schluß noch eine Überraschung. Sie wissen doch, daß der Forschungsraumer, die FO III, vermißt wird?“ Riker wußte es. „Und?“ Grappa mischte sich ein. Er saß wieder hinter seinen Ortungen, zusammen mit seinem Kollegen, der eigentlich für diese Schicht allein dort tätig sein sollte. „Riker, die Geschwindigkeit der vielen kleinen Gewichtseinheiten in dreitausend Meter Tiefe ist sprungartig verdoppelt worden. Nach wie vor zeigt die Stoßrichtung auf die POINT OF.“ Riker wirkte plötzlich wie ein Mann, der mit Energie geladen ist. „Okay. Dann hätten wir den Angriff in gut einer Stunde zu erwarten.“ Mit einem Blick kontrollierte er den Ersten Offizier, der Sitzwache im Kopilotsessel schob. „Ich bin in einer der beiden Waffensteuerungen zu finden.“ Er sah Jens Lionel bedauernd an und gab ihm die Folie zurück. „Tut mir leid, mein Lieber, aber wie Sie sehen, ich habe jetzt wirklich keine Zeit mehr.“ Das Schott der Zentrale schloß sich hinter ihm mit Krachen. „Was mag Riker in den Waffensteuerungen wollen?“ fragte Glenn Morris, der sich anschickte, seine Funk-Z wieder aufzusuchen. Kein Mann im Kommandoraum konnte ihm darauf eine Antwort geben. *** Arc Doorn blieb bei seiner Behauptung, in der großen Bildkugel die schwankende POINT OF gesehen zu haben. Ren Dhark mußte ihm glauben. Auf die Angaben des Sibiriers konnte man sich verlassen. Unwillkürlich betrachtete er wieder jene Instrumente, die vorher neue Werte angezeigt hatten.
Jetzt rührten sie sich nicht mehr. Verwirrt schüttelte der Commander den Kopf. „Hat zwischen dem Schwanken der POINT OF und ihrer Landung und der Aktivität dieser Geräte ein Zusammenhang bestanden?“ Bewegten sich die Gedanken des Sibiriers in andere Richtung? Er murmelte: „Das alles ist schlimmer als eine kompliziert ausgelegte Schnitzeljagd. Auf einmal treffen wir überall auf Spuren der Mysterious, finden sogar ihre gut erhaltenen Wohnungen, aber von ihnen selbst nicht eine einzige Darstellung.“ Sind sie doch die Grakos gewesen? schoß es Ren Dhark durch den Kopf. Abermals erinnerte er sich des Berichtes, den Colonel Neep vom Planeten Esmaladan nach Terra gebracht hatte. Die Grakos hatten vor tausend und mehr Jahren Ringraumer geflogen. Sie waren die Geißel der Galaxis gewesen, hatten Planeten entvölkert, die intelligenten Rassen entführt, sich aber niemals gezeigt! Nach der Überlieferung der Utaren hatten sie es gar nicht nötig, bei ihren grausamen Eroberungszügen ihre Schiffe zu verlassen. Wenn in diesem utarischen Bericht ein Körnchen Wahrheit steckte, dann schob sich die Frage in den Vordergrund, warum sich die Grakos so verhalten hatten. Normalerweise zeigte sich der Überlegene doch stets dem Besiegten. Warum war es vor tausend und mehr Jahren nie der Fall gewesen? Zu seiner Überraschung fragte Doorn: „Dhark, denken Sie jetzt vielleicht auch an diese komischen Grakos, die mir noch weniger sympathisch sind als die Mysterious mit ihrem unverständlichen Versteckspiel?“ „Ja, Arc. Ich habe an sie gedacht, aber alles Kopfzerbrechen führt doch zu nichts. Was ist das hier? Warum gibt es in einer perfekt automatisch arbeitenden Zentrale diese Steuereinrichtung mit fünf Sesseln? Und was bedeutet dieses Transmitter-Zeichen mit der waagerecht liegenden, schwach ausgedrückten Amplitude? Doorn, wir müssen etwas tun, sonst treten wir bis zum Jüngsten Tag auf der Stelle. Haben Sie denn nirgendwo etwas entdeckt, das Ihnen vertraut vorkam?“ Damit spielte er auf das unerklärliche Können seines Begleiters an. „Das hier, Dhark. Diese sieben Instrumente mit den drei Steuerschaltern.“ Sie waren dem Commander so fremd wie irgend etwas Unbekanntes, das er zum erstenmal sah. „Und was soll das darstellen?“ „Das weiß ich nicht genau. Wenn ich etwas Zeit bekomme, steige ich schon dahinter.“ „Haben wir noch Zeit? Doorn, warum hat die POINT OF den Startversuch ge macht, und warum ist sie unter Schwanken wieder zu Boden gegangen? Das muß doch etwas bedeutet haben.“ Are Doorn beantwortete die Fragen auf seine Art. „Ich versuche noch einmal, Funkkontakt mit dem Schiff zu bekommen. Vielleicht erfahren wir, was Riker zu dem Startversuch . . .“ Er schwieg, weil der Commander ihm die Hand auf die Schulter gelegt hatte. „Doorn, es gibt nur eine Erklärung. Riker hat uns aus der Stadt holen wollen, und dieser Versuch ist fehlgeschlagen!“
„Warum hat er dann vorher nicht den Flash zu uns geschickt? Das wäre doch viel einfacher gewesen.“ „Vielleicht hat er es getan. Und wenn der Flash das Intervallfeld nicht hat durchfliegen können? Doorn, warum ist der Funkkontakt zum Schiff abgerissen? Warum hören wir nicht den starken To-Funksender der POINT OF?“ „Commander, wenn das alles stimmt, was Sie befürchten, dann sieht's nicht gut für uns aus. Aber irgendwie ist diese Geschichte doch verdreht. Da kommen Unitallpanzer aus der Stadt angeschwebt. Da kommen andere von draußen herein. Da fliegen die obersten Stockwerke der Hochhäuser in Fetzen. Da wird geschossen, daß es nur so brummt, und erst nachdem Zerstörungen erfolgt sind, schaltet irgendeine Super-Automatik die Pressorstrahlen ein, schleudert die feindlichen Panzer in die Höhe und man erstellt danach ein Intervallfeld. Commander, können Sie mir die Preisfrage lösen, warum man nicht bei Ortung der fremden Raumer sofort das Intervall eingeschaltet hat? Warum mußten erst ein halbes Hundert Hochhäuser beschädigt werden? Das widerspricht doch jeder robotischen Logik.“ Je länger der Sibirier sprach, der oft zu faul war, drei Sätze hintereinander zu sprechen, um so erregter war er geworden. Zum Schluß hatte er seine Worte mit Arm- und Handbewegungen unterstrichen. Schweigend, aber nachdenklich sah Ren Dhark seinen Begleiter an. Doorn hatte ihn auf einen Gedanken gebracht, der ihm gar nicht so abwegig erschien, je länger er darüber nachdachte. Seine Hand lag noch immer auf der Schulter des anderen. „Doorn, technische Anlagen, die tausend und mehr Jahre ununterbrochen in Betrieb sind, unterliegen dem normalen Verschleiß, wenn man sie nicht ständig wartet. Nehmen wir an, alles dies ist hier der Fall gewesen. Als die Bewohner diese Stadt verließen, nahmen sie die Reparaturroboter mit, weil sie sie an anderer Stelle erneut einsetzen wollten. Hier aber trat im Laufe der Zeit der Verschleiß ein . . .“ „Gut, Commander, und die fremden Panzer, die wir gesehen haben?“ Ren Dhark nickte. Auf diesen Einwand hatte er gewartet. „Die Mysterious sind vor ihrem Verschwinden bestimmt ein mächtiges Volk ge wesen. Jeder Starke hat viele Feinde. Können die schlimmsten Feinde der Geheimnisvollen nicht die Grakos gewesen sein? Und können die Panzer, die in die Stadt einbrachen, um sie zu zerstören, nicht Panzer dieser Grakos gewesen sein? Leider reagierte dann die automatische Abwehr nicht mehr so exakt wie in früheren Zeiten. Ist das keine Erklärung?“ „Nur bringt sie uns nicht wieder zum Schiff, Dhark!“ Der reagierte nicht. Er sah über Doorns Schulter hinweg, weit hinüber zum anderen Ende der Schalterwand. Dort leuchtete auf der blauschimmernden Verkleidung das Transmitter-Zeichen auf: die beiden Blips, die sich um neunzig Grad versetzt kreuzten. Die Amplituden waren groß, über einen Meter lang. Sie wuchsen, und um sie herum zeichnete sich ein leuchtender Kreis in blassem Rot ab. Der Kreis gewann
mehr und mehr an Ausdehnung. „Was haben Sie?“ fragte Doorn, als er den starren Blick des Commanders be merkte. Er drehte sich um. Dharks Hand rutschte von seiner Schulter. Sie griff zum schweren Blaster. Der Commander zog ihn. Instinktiv. Da wurde die Kreisfläche der Unitallverkleidung transparent. Sie existierte nicht mehr. „Keine Aktion, Männer“, flüsterte Dhark über Helmfunk. Die mannshohe Kreisfläche, von einem roten Schimmer begrenzt, wirkte als dunkles Loch. In diesem Loch entstand ein blasses Licht. Etwas schwebte heraus. Zwei Roboter, wie man sie von den erbeuteten Ringraumern und aus dem Transmitter-Raum im Industrie-Dom her kannte. Im gleichen Moment schleuderten sich Dhark und Doorn hinter die Sesselreihe, während dort, wo sie gerade noch gestanden hatten, vier Strahlenbahnen parallel verliefen und weit hinter ihnen gegen die Unitallverkleidung schlugen. Dhark hatte eine der Metallkonstruktionen in der Zielerfassung seines Blasters. Er wußte selbst nicht, wie schnell er reagierte. Als der Abstrahlpol seiner Waffe die Energiebahn losjagte, drückte auch Are Doorn den Kontakt. Der Schuß des Commanders war ein Volltreffer in die Abplattung des zylindrischen Rumpfes. Doorn hatte nicht so genau getroffen. Sein schwebender Gegner, der gerade zwei weitere Metallgliederarme hochriß, hatte nur Schwierigkeiten mit seiner Gleichgewichtssteuerung. Dhark unterstützte seinen Partner, als er seinen Gegner der Länge nach zu Boden stürzen sah. Wieder traf er genau ins Linsensystem hinein. Wieder zerstörte sein Blasterstrahl das wichtige Schaltzentrum der Konstruktion. Während Doorns Energiebahn ein häßliches Loch in den Metallrumpf brannte, flog die abgeplattete Spitze in einem scharfen Knall und in mehreren Energiefontänen auseinander. Ren Dhark richtete sich auf. Doorn folgte ihm. Wortlos nahm der Sibirier die Bemerkung des Commanders hin: „Wenn wir hier heil herauskommen, kommandiere ich Sie zu Zielübungen unter extremen Bedingungen ab!“ Da schimmerte es wieder in dem dunklen Loch. In der Röhre mußte sich in einigen Metern Tiefe die Transmitter-Antenne befinden. Dhark ging kein Risiko mehr ein. Er schoß schon wieder, und er traf ein drittes Mal. Besser als vorher. In der Röhre gab es eine donnernde Explosion, und eine grelle Stichflamme fuhr fauchend aus der Öffnung, die ihnen bis auf halbe Distanz entgegensprang. Dhark ließ den Strahl stehen. Nur wenig bewegte er seine schwere Blasterwaffe. Sein Strahl bewegte sich im Kreis. Langsam. Und er wartete auf ein Ereignis. Das Ereignis mußte sich in der Röhre abspielen. Im Bereich der darin versteckten Transmitter-Antenne.
Und da brüllte es schon auf. Blutrot war die Stichflamme, die in den Maschinensaal fauchte. Ungeheuerlich der Luftdruck, der Dhark und Doorn von den Beinen riß. Dann grollte es, als ob dieser Planet auseinanderreißen wollte, und leichtes Zittern lief durch den Boden. Krampfhaft hielt Dhark die Augen geschlossen. Dennoch sah er durch die Augenlider die Energieblitze aufleuchten. Noch einmal ging ein harter Schlag durch den Boden, dann ließ der Sturm der entfesselten Gewalten schnell nach und Blitze, deren Leuchten durch die abschirmenden Augenlider drang, gab es nicht mehr. Dhark richtete sich wieder auf. In der Röhre schmorte etwas. Rauch wälzte sich heraus. Rauch, der an der Unitallwand hochstieg und von der versteckt angebrachten Entlüftung erfaßt wurde, um abgesaugt zu werden. „Das hätte ins Auge gehen können“, stellte Dhark mit sarkastischem Unterton fest. „Ich möchte nur wissen, woran uns diese Roboter als Fremde erkannt haben.“ „Mußten sie doch, wenn sie ein gutes Programm besaßen. Schließlich haben wir kein drittes Auge auf dem Kopf wie die Mysterious.“ Da setzte tiefes Brummen ein, das langsam anschwoll und lauter wurde. Aufflammende Blaukontrollen an der Instrumentenwand. Ein Fluch des Sibiriers. „Ich hab's! Großer Gott!“ und er schob Ren Dhark zur Seite, stand vor sieben Instrumenten, die über drei Steuerschalter verfügten. „Commander, das muß die Sendeanlage sein. Ich versuche auf die Hauptfrequenz der POINT OF zu kommen. Da . . . verdammt, daß ich das übersehen konnte . . . Die Sprechrillen! Achtung, ich schalte ein!“ Blauschimmernde Unitallverkleidung veränderte sich. Ein Bildschirm, der leicht im Grauton flackerte, wurde sichtbar. Der Commander sah das Gesicht von Walt Brugg in der Funk-Z der POINT OF. Arc Doorn hatte es tatsächlich wieder einmal mit seinen phänomenalen Fähigkeiten geschafft. „Wir sind in der Stadt, und . . .“ Dhark verstummte. Den Bildschirm gab es nicht mehr, nur noch die blauschimmernde Unitallverkleidung. „Blockiert!“ fauchte der Sibirier. „Irgendwer hat daran gedreht. Aus! Alle Instrumente sind auf Null gefallen.“ „Raus! Weg von hier!“ entschied Dhark. „Hoffentlich schaffen wir es noch, ins Freie zu kommen, denn jetzt weiß man, daß Fremde in dieser Zentrale stecken, wenn die Roboter sich nicht schon vorher gefragt haben, was ihren Transmitter hier in die Luft gejagt hat. - Männer, mitgehört?“ Sie hatten mitgehört. Sie warteten nur noch darauf, daß der Commander und Doorn über A-Grav zu ihnen hochkamen. Dhark hetzte zwischen Instrumentenwand und Sesselreihe entlang. Brutal stoppte er seinen Lauf ab. Eins der Instrumente hatte er erkannt. Er stand vor einem Gerät, das die Belastungswerte eines Intervallfeldes anzeigte!
Und dieses Intervall war ungewöhnlich klein. Sein Durchmesser nicht größer als ein paar hundert Meter! Hatte die Automatik diesen Wolkenkratzerblock abgesichert, in dessen Keller sie sich aufhielten? Dhark rief Doorn zurück, der den A-Grav fast schon erreicht hatte. „Arc, haben Sie eine Ahnung, wo der Steuerschalter dafür ist?“ „Nein!“ Auf dem linken Teil der Instrumentenwand wurden Kontrollen lebendig. Es war ein ununterbrochenes Aufleuchten und Erlöschen. Diese Zentrale war zum Leben erwacht! Ging sie zum Angriff gegen die Fremden vor? Wie mit dem Boden verwachsen stand Dhark vor den Instrumenten. Neben ihm, ohne die leichteste Unruhe zu zeigen, Arc Doorn. Sie wußten, daß Sekunden ihr Schicksal entscheiden konnten, aber sie wußten auch, daß sie es in der Hand hatten, ihr Leben zu retten, wenn sie hier den richtigen Steuerschalter fanden und ihn in die richtige Stellung brachten. Hunderte Steuerschalter. Noch mehr Instrumente. Der größte Teil war ihnen fremd. Ein Teil der Zeichen auch. „Hier ist es noch schlimmer als damals in der POINT OF!“ Dhark nickte. Damals, als sie den fast fertiggestellten Ringraumer im Höhlensystem entdeckt hatten, war es jedem Mann schwergefallen, sich vorzustellen, daß man einmal dieses Schiff sicher durch die Galaxis fliegen würde. Aber zu jener Zeit hatte ihnen nicht die Vernichtung auf den Fersen gesessen. Hier aber wurde ihre Vernichtung vorbereitet. Das Aufleuchten und Verlöschen der Kontrollen konnte nicht in einem anderen Sinn gedeutet werden. Die Ruinenstadt hatte sie als Eindringlinge identifiziert! „Commander, wir werden beobachtet!“ rief der Mann, der Doorns tragbares Ortungsgerät übernommen hatte, über Helmfunk. „Infrarot-Strahlen tasten uns ab!“ Das war noch harmlos. Solange sie nicht unter Strahlbeschuß genommen wurden, konnte man auch mit dieser Tatsache fertig werden. Dhark vergaß die Meldung. Seine Blicke suchten nach Instrumenten, deren Bedeutung er kannte. Doch hier befand er sich nicht auf seiner POINT OF, sondern in der Zentrale einer Ruinenstadt, in der es außer Robotern kein intelligentes, humanoide Leben gab. Oder doch? Dhark begriff nicht, daß er in dieser angespannten Lage sich Gedanken darüber machen konnte. Im gleichen Moment zerriß ein Schleier vor seinen Augen. Bevor der aufblickende Doorn einen Ton über die Lippen bringen konnte, hatte Dhark drei Steuerschalter in eine andere Lage gebracht. Neun Kontrollen leuchteten auf. Neunmal in der Farbe, die übersetzt Grün bedeutete! „Großer Himmel, was haben Sie geschaltet, Dhark?“ fragte der Sibirier fassungslos. „Raus hier! Ich erzähle es Ihnen unterwegs! Hoffentlich geht das nur gut!“ Sie jagten ein zweites Mal auf den A-Grav los. Über Helmfunk rief Dhark seiner
Gruppe zu: „Fertigmachen zum fluchtartigen Absetzen!“
Sie erreichten den A-Grav. Viel zu langsam - so glaubten beide - trug sie die
Plussphäre nach oben. Dort wurden sie schon von den anderen erwartet. Vorbei
an den niedrigen, unter Unitall liegenden Maschinen dieser Zentrale. Sie
erreichten den Gang, der sie zum großen Schacht führte, der nur bis zur
Eingangshalle des teilzerstörten Gebäudes reichte.
Keine Energiemauer, die sie aufhielt?
Keine goldgelb zuckenden Strahlen, die an Elmsfeuer erinnerten?
Der Schacht tauchte vor ihnen auf. Die Männer keuchten. Niemand sagte ein
Wort. Ihr Blick war nur nach vorn gerichtet. Auch Ren Dhark drehte sich nicht
um. Dann schwebten sie im A-Grav nach oben. Eng zusammengedrängt; in jeder
Hand einen Blaster. Jeder war bereit, sein Leben zu verteidigen.
„Commander?“
„Später, Doorn“, wehrte Ren Dhark ab.
Innerlich zitterte er, und er hatte Angst, seine Begleiter könnten sein Zittern
bemerken. Er versuchte sich auf das Wissen zu konzentrieren, das er seinerzeit
in der Ringraumerhöhle durch Einnahme der Mentcaps erhalten hatte. Mit aller
Konzentration stürzte er sich in die Hypermathematik der Mysterious. Formeln,
die für den klügsten Mathematiker der Erde unverständlich waren, benutzte er,
um noch einmal alles durchzurechnen.
Es war so einfach, wenn man die Formeln beherrschte.
Es war noch einfacher, die Hypermathematik zu benutzen, wenn man ihren logi
schen Aufbau kannte.
Hoffentlich spricht mich jetzt niemand an, dachte Ren Dhark zweigleisig,
während er die Frutton-4-Sal-Formel benutzte, deren zweite Stufe ausklammerte
und das Resultat unter das Regend der Sal einsetzte.
Es mußte klappen.
Wenigstens für ein paar Minuten.
Aber würden sie in der Zeit, die ihnen zur Verfügung stand, das kleine Intervall
feld erreichen?
Da tauchte vor ihnen die große Empfangshalle des Hochhauses auf.
Auch hier keine Roboter, die ihnen den Weg zu verlegen versuchten. Keine
Strahlbahnen, die sie vernichten wollten. Alles sah so aus wie vorher, als sie die
große Halle zum erstenmal betreten hatten.
„Schneller, Männer!“
Er spurtete wie ein Sprinter. Sein Ruf riß sie mit. Die Gruppe blieb dicht
zusammen. Sie jagten auf das große Portal zu.
Dann sahen sie die weiße Sonne am Himmel. Sie stand tiefer. Das brachte ihnen
zum Bewußtsein, wie lange sie sich in der Zentrale im Keller aufgehalten hatten.
Die Freitreppe hinunter!
„Jetzt aufpassen!“ stieß Ren Dhark aus. Sein Blick suchte vergeblich nach dem
kleinen Intervallfeld.
Existierte es gar nicht? War er ein Opfer seiner Einbildung geworden?
Sie liefen nicht mehr, weil er nur noch tastend vorwärts ging. Mit weit
ausgestreckten Händen. Wie ein Blinder, der jedes Hindernis vor dem
Zusammenstoß fühlen will.
Ein hochenergetisches Intervallfeld war in seinem Grenzbereich wie eine
undurchdringliche, unsichtbare Mauer, die eigenartigerweise so stabil war, daß
damit wracke Raumschiffe aller Größenklassen unbedenklich abgeschleppt
werden konnten.
Plötzlich stieß Dhark gegen ein Hindernis, das niemand sah.
„Stopp!“
Seine Stimme klang erregt.
Kamen sie zu spät?
War alles schon vorüber?
Seine Männer starrten ihn an. Er verstand sie gut. Sie wußten nicht, welches
Experiment er durchgeführt hatte, und er konnte es höchstens einem von ihnen
erklären - Are Doorn, alle anderen würden ihn niemals verstehen, denn keiner
von ihnen beherrschte die Supermathematik der Mysterious.
Er sah Doorns unterdrücktes Grinsen.
Der Sibirier ahnte, was er getan hatte.
Das Grinsen verging ihm. Allen! Auch Dhark.
Dicht vor ihnen flammte es auf. Es rauschte und heulte. Irisierende große Flä
chen, leicht gekrümmt, lösten ein Prasseln und Krächzen aus, das allen unter die
Haut ging.
Dhark verfolgte mit brennendem Blick die turbulente Entwicklung.
Unwillkürlich war auch er immer weiter vor der instabil gewordenen Zone
zurückgewichen, bis er sich bewußt wurde, daß sie alle sich schon viel zu weit
entfernt hatten. Gelang sein Experiment, dann blieben ihnen gleich nur ein paar
Sekunden. Vielleicht gelang es nicht einmal allen, diese kurze Zeitspanne zu
nützen. Und er hatte vergessen, sie darauf vorzubereiten.
Hastig holte er es nach.
„. . .Wenn ich schreie: Los!, dann rennt jeder, so schnell. . .“
Er schrie: „Los!“
Vor ihnen riß eine gekrümmte Fläche, die plötzlich orangerot aufleuchtete, wie
eine Glasscheibe der alten Art in vielen Tausend Bruchstücken auseinander und
versprühte nach allen Seiten.
Die Männer rannten vorwärts! Um sie herum ein Getöse, als ob die Ruinenstadt
zusammenfallen würde. Sie kannte nur eins: Laufen, laufen, laufen!
Diese Stadt war allen unheimlich geworden. Sie begannen sich vor ihr zu
fürchten.
Und sie erhielten noch einmal Grund dazu.
Wieder setzte hinter ihnen Prasseln und Krächzen ein. Um sie herum leuchtete
es auf, und für Sekunden wurde das Licht der weißen Sonne von einem anderen
Feuerwerk übertrumpft. Grell waren diese orangeroten Farbenspiele, die in
einem donnernden Gewitterkrachen urplötzlich zu Ende waren.
„Geschafft!“ keuchte Ren Dhark, und sein Schritt wurde langsamer, bis er
stehenblieb. Er streifte den Klarsichthelm zurück und atmete die frische Luft tief
ein. Lachend sah er Are Doorn an, der nachdenklich den Kopf wiegte. In Dharks braunen Augen war der Schalk zu sehen. Er wußte, daß er gleich mit seiner Bemerkung den Männern viel zumuten würde, aber ihnen konnte er nichts erklären. Doorn sagte nur: „Wenn man in einem Intervallbereich ein zweites, gleich großes aufbaut, brechen beide kurzfristig zusammen, um sich dann, wie es die Formel Tri-Kon der dritten Stufe behauptet, erneut zu einem Intervall zu vereinigen, das durch diese Vereinigung aber nicht doppelt stark geworden ist.“ „Dritte Stufe Tri-Kon?“ Doorn schüttelte den Kopf. „Daran habe ich nicht gedacht. Aber sie hatten das zweite Intervall doch schon eingeschaltet, als wir uns noch in der Zentrale befanden . . .?!“ Jetzt sah der Commander ihn mitleidig an. „Doorn, haben Sie denn die halbe Mysterious-Mathematik vergessen? Erinnern Sie sich doch an Phan-Strich-dritte der Piron!“ Das war chinesisch für alle anderen. Das war schlimmer und unverständlicher als das Schlangenzischen der Giants. Ratlosigkeit war in den Blicken der Männer zu finden. Bestürzung bei einigen zu sehen, nur der Commander und Arc Doorn schienen sich zu verstehen. Und da schlug der Sibirier auch noch seine Hand gegen die Stirn. „Stimmt, danach konnte der kurzfristige Zusammenbruch beider Intervalle erst nach etwa acht bis elf Minuten Normzeit erfolgen!“ „Ja, und diese unsichere Zeitspanne hat mir soviel Kopfzerbrechen gemacht. Ich habe alles auf eine Karte setzen müssen. Entweder wir kamen innerhalb dieser Zeit nach draußen, oder wir hatten verloren.“ „Leider noch nicht die ganze Partie gewonnen!“ behauptete Are Doorn. „Die Ruinenstadt liegt nach wie vor unter dem großen Intervall.“ „Was ich bezweifle, Doorn“, und Ren Dhark erwähnte schon wieder eine Formel, die die anderen nicht verstanden. „Demnach müßten wir wieder mit der POINT OF Kontakt bekommen?“ In dieser kleinen Szene bewies Ren Dhark, daß er aus einem besonderen Holz geschnitzt war. Gelassen erklärte er: „Wir werden mit der POINT OF sprechen können!“ Und die Funk-Z meldete sich. Glenn Morris schaltete zur WS-West durch, wo sich Dan Riker aufhielt. Er ließ Dhark nicht zu Wort kommen. „Auf unser Schiff wird ein Angriff vorbereitet. In dreitausend Meter Tiefe unter der roten Wüste nähern sich mit großer Geschwindigkeit einige Tausend schwere Gewichtseinheiten dem Landeplatz. Mit dem Angriff haben wir in gut einer halben Stunde zu rechnen, wenn die angreifenden Einheiten nicht abermals ihre Geschwindigkeit verdoppeln sollten, wie es vorhin geschehen ist!“ „Gut!“ entschied Dhark. „Wir sind in einer halben Stunde im Schiff. Unter keinen Umständen darf uns ein Flash oder Jett zugeschickt werden. Das könnte irgend etwas veranlassen, erneut ein Intervall um die Stadt zu legen . . .“ Überrascht fragte Riker: „Das Intervall besteht nicht mehr?“ „Wir hoffen es“, erwiderte Dhark und schaltete sein Spezial-Vipho ab.
Dreiundzwanzig Minuten später flogen die beiden Jett in Schleuse 1 und 2 ein.
Eine Minute später betrat Ren Dhark die Kommandozentrale. Grappas Bericht
war kurz, aber alarmierend.
„Wir starten!“ befahl Dhark. „Aber wir kommen wieder, und das bald!“
Er nahm im Pilotsessel Platz, nickte dem Ersten Offizier kurz zu, überflog die
Instrumente seines Pultes, kontrollierte, ob die beiden Schleusen geschlossen
waren, und schaltete dann den A-Grav ein.
Langsam, als ob die blauschimmernde Unitallröhre kein Gramm wiegen würde,
hob sie ab, um schneller und schneller zu werden. Erst in achttausend Meter
Höhe kam der Sle. Dhark fuhr ihn auf volle Leistung an. Wie ein Geschoß stieß
die POINT OF dem freien Raum zu.
„Commander“, rief Grappa warnend aus, „der pulsierende Fleck!“
Dhark winkte mit dem Kopf ab. Er hatte ihn nicht vergessen, auch nichts von
dem, was sie in der Ruinenstadt erlebt hatten.
Schlagartig sprangen im Schiff alle M-Konverter an. Miles Congollon im Trieb
werksraum stöhnte auf: „Auch das noch!“
Er ahnte, was in ein paar Sekunden kommen mußte.
Seine Ahnung betrog ihn nicht.
In ganzen Schiff setzte jenes undefinierbare Pfeifen ein, das jede Transition
ankündigte.
In einem Kurzsprung verließ die POINT OF das unbekannte System, dem die
Astronomen an Bord die Bezeichnung Ika-3 S gegeben hatten.
*** Fünf Kugelraumer der Planet-Klasse - die VIGO, TRIFID, RION, BETEL und LUX - standen weit hinter der Plutobahn im freien Fall und warteten auf die POINT OF. Die vierhundert Meter durchmessenden Kreuzer der Terranischen Flotte, die mit einer Soll-Besatzung von zweihundert Mann geflogen wurden, hatten eine große Gruppe von Wissenschaftlern an Bord. Jeder von ihnen ein Experte auf seinem Gebiet. Die Kommandanten der fünf Kreuzer hatten vom Commander persönlich die Order bekommen, zusammen mit der POINT OF das Ika-3 S System zwischen den beiden Spiralarmen anzufliegen, um einen verlassenen Sauerstoffplaneten gründlich zu durchforschen. Aber Commander Dhark mußte diese Erforschung selbst nicht ganz geheuer sein, denn es war ein Novum, daß ein kleiner, aber relativ starker Flottenverband mit solch einer Unmasse Strahlwaffen an Bord zu einem Forschungsflug gestartet war. Und nun wartete der Verband seit mehr als zwanzig Stunden hinter der Plutobahn auf die Nachricht, daß die POINT OF auch den Raumhafen von Cent Field verlassen habe. ***
Henner Trawisheim, Dharks Stellvertreter, versuchte noch einmal, den Commander von seinem Plan abzubringen. „Ihre Anwesenheit auf Terra ist unbedingt erforderlich. Bitte, hören Sie sich ein mal an, was Astrophysiker Monty Bell über unser liebes galaktisches Magnetfeld zu sagen hat.“ Ren Dhark stand am Fenster seines Arbeitszimmers und sah über Alamo Gordo hinweg, dessen Silhouette durch die phantastischen Stielbauten zum Otero Basin hin ein bizarres Aussehen erhalten hatte. Mit keiner Bewegung gab er zu erkennen, was er dachte. Unbeweglich stehend hörte er Trawisheims Vortrag zu. „. . . Der gemeinsame Umbau aller erbeuteten Ringraumer erfordert einen Mann, der jederzeit mit allen anfallenden Problemen fertig wird . . .“ Da unterbrach Dhark den anderen. Im spöttischen Ton fragte er: „Sagen Sie ein mal, warum ich Sie zu meinem Stellvertreter gemacht habe, Trawisheim? Wenn Sie mir erklären, nicht den Aufgaben gewachsen zu sein, die auf sie zukommen, dann muß ich mich nach einem anderen Mann umsehen, der mir einen Teil der Arbeit abnimmt!“ Damit konnte Ren Dhark den einzigen Cyborg, dessen überragende Fähigkeiten auf geistigem Gebiet lagen, nicht treffen. „Commander, wir weichen dem Kern der Sache aus.“ Da drehte sich Dhark um. Seine braunen Augen zeigten leichtes Funkeln. „Trawisheim, ich bin immer dankbar für gute Tips; ich bin jedem Menschen dankbar, der mich auf Fehler aufmerksam macht, aber ich bin allergisch gegen jeden Versuch, mich von einem Vorhaben abzubringen, das ich als unbedingt notwendig und richtig erkannt habe. Sie sind mein Stellvertreter. Lösen Sie diese Aufgabe. Bleiben Sie nicht immer hinter dem Schreibtisch hocken. Rücken Sie den Menschen auf die Haut. Werden Sie mit den Menschen warm. Das schafft man über den verdammten Bildschirm nie. Glauben Sie, mir wären die Sympathien, die ich auf Terra habe, in den Schoß gefallen? Hin und wieder habe ich dafür etwas tun müssen - etwas mehr, als Reden zu halten. Und wie blutjung war ich, als man mich auf Hope in eine Rolle zwang, die mir nicht besonders gut lag! Aber ich mußte! Und jetzt müssen Sie! Mit oder ohne Schwankungen des galaktischen Magnetfeldes. Sie sind viel klüger als ich. Beweisen Sie Ihre Klugheit. Suchen und finden Sie die leitenden Köpfe, die mit dem Problem fertig werden, fast viertausend Ringraumer auf terranische Bedürfnisse umzurüsten. Aber sagen Sie mal, warum haben Sie nicht schon längst die Finanz und die anderen Ressorts wachgerüttelt? Warum ist nicht schon seit Tagen mit der Vergrößerung aller Raumhäfen begonnen worden?“ Das hat ihm dieser Bulton gesteckt, dachte Henner Trawisheim erbost, mußte aber im nächsten Moment seine Ansicht verbessern, denn Dhark sagte: „Wenn ich Bulton wäre, ich würde Ihnen mit der Forderung nach Vergrößerung aller Raumhäfen Tag und Nacht keine Ruhe lassen. So, und was gibt's noch? Sie wissen, daß fünf Kreuzer auf die POINT OF
warten, und Sie haben mich zu allem Überfluß auch noch aufgehalten.“ Die Tür flog auf. Unangemeldet stürmte Monty Bell herein. Ren Dhark und Bell duzten sich schon seit Jahren. Vor dem Start der GALAXIS waren sie schon gute Freunde gewesen. Und der gute Freund versuchte Ren Dhark von seinem Vorhaben abzubringen, die Erde schon wieder zu verlassen. „Wenn die ersten Mutationen unter den Menschen bekannt werden, Ren, und wir haben auch nach Ansicht von Ezbal stündlich mit dieser Katastrophe zu rechnen, dann bist du der einzige, der mit seinem Einfluß die Bevölkerung beruhigen kann. Dir glaubt man doch. Wenn wir reden, dann sucht man bei uns zunächst nach dem versteckten Pferdefuß!“ „Dann lügt nächstens weniger in euren geschwollenen Reden!“ hielt Dhark seinem Freund ungerührt vor. „Wir . . .“ Dhark winkte ab. „Monty, es war nett von dir, daß du mich mal wieder besucht hast, aber auch für dich habe ich jetzt keine Zeit mehr. Setzen wir uns mal wieder bei einer guten Flasche gemütlich zusammen, wenn ich von Ika-3 S zurück bin?“ „Großer Himmel, was ist denn Ika-3 S?“ fragte der Astrophysiker verwirrt. „Was heißt Kappa-05? Was ist unter Pyro-Kette im C4-Bcreich zu verstehen? Monty, ich habe auch Seufzer der Verzweiflung ausgestoßen, als ich gestern deinen wissenschaftlichen Bericht über die Katastrophe im Magnetfeldbereich lesen mußte.“ Er ging auf seinen Schreibtisch zu, blieb neben dem Standvipho stehen, drückte eine Taste und wartete, bis der Bildschirm stabil wurde. Henner Trawisheim und Monty Bell konnten nicht sehen, wen er anrief. Aber sie erfuhren es durch seine Frage. „Dan, hast du Anja schon den Abschiedskuß gegeben? Nein? Beeile dich damit, die POINT OF startet in zehn Minuten!“ Er tastete wieder aus. Er sah die beiden Männer an. „Sie haben es gehört. In zehn Minuten verläßt die POINT OF Terra.“ Mit dem Mut eines Verzweifelten versuchte Monty Bell zum letztenmal, den Freund umzustimmen. „Ren, du hast mit größten Navigationsschwierigkeiten zu rechnen. Du weißt, daß die Störungen sogar den Hyperspace belasten. Wir messen immer noch Höchstwerte an!“ Dharks Gesicht versteinerte. Jeder hatte versucht, ihm den Plan auszureden, W-4 im Ika-3 S System gewaltsam zu erforschen. Sie hatten keine Ahnung, welche Schätze dort auf Ausbeutung warteten. Aber diese Warner waren seelisch auch nicht so eng mit den Mysterious verbunden wie er und jene Männer, die damals auf der Flucht vor Rocco die Höhlen mit der Technik der Geheimnisvollen entdeckt hatten. Dhark reckte sich unwillkürlich, als er beiden ein schwaches Nicken schenkte, dann an ihnen vorbei zur Tür ging, auf dem Gang nach rechts abbog und den Transmitter-Raum aufsuchte. Auf der Galerie in der Kommandozentrale der POINT OF betrat er sein Schiff. Er hatte noch nicht den Pilotsitz erreicht, als ihm Dan Riker auf dem gleichen
Weg folgte.
Wortlos nahm Riker in seinem Sessel Platz.
Der Streit mit Dhark war in einer offenen Aussprache beigelegt worden.
Der Tower des Raumhafens gab Startfreigabe für 16:45,00 Uhr Normzeit.
Als das Chrono in der Kommandozentrale diese Zeit anzeigte, hob die POINT
OF auf die Sekunde genau ab.
Der Flug zum Planeten W-4 im Ika-3 S System begann.
Noch niemals waren von Terra derartig große Mittel eingesetzt worden, um
einer Ruinenstadt auf einem fernen Planeten ihre Geheimnisse zu entreißen. Und
was sich in Angriffsformationen in dreitausend Meter Tiefe unter der Wüste auf
den Landeplatz des Flaggschiffes einmal zubewegt hatte, wollten die Männer an
Bord des Ringraumers auch endlich wissen.
*** Achtzehn Millionen Kilometer über W-4 kamen die sechs schweren Einheiten der TF aus der Transition heraus. Es war der dritte Sprung gewesen. Dieser Flug in den Zwischenraum der Galaxis war eine astronavigatorische Meisterleistung ersten Ranges geworden. Aber die Männer durften sich nicht allzuviel darauf einbilden. Die Hauptlast aller Berechnungsarbeiten hatte ihnen der Checkmaster der POINT OF abgenommen, und der gleiche Checkmaster beantwortete gerade die Frage, die Dhark ihm gestellt hatte. Die Diagramme weisen auf erhöhte energetische Bereitschaft hin! Größte Vorsicht beim Anflug! In der Bildkugel war der Planet zu sehen, als ob er ein paar tausend Kilometer
vor ihnen im Raum stehen würde. Das grelle Leuchten der weißen Sonne war
durch Filter gedämpft worden. Nur noch ein Zehntel der Lichtmenge fiel in den
Leitstand.
Die Bordverständigung zu den wichtigsten wissenschaftlichen Abteilungen in
allen Raumschiffen arbeitete einwandfrei. Kaum hundert Kilometer voneinander
getrennt flogen die fünf Kugelraumer und die POINT OF W-4 mit 0,1 Licht an.
Im Flaggschiff lief auf Deck 3 die Auswertung.
Ein großer Suprasensor verglich die Filmaufnahmen, die beim ersten Anflug
erstellt worden waren, mit denen, die im Moment gemacht wurden.
Ren Dhark suchte sich die Augen aus. „Dan, findest du ihn?“
„Auch nicht!“ Er drehte sich um. „Grappa, haben Sie den pulsierenden Fleck in
einer Ortung?“
Der mußte auch verneinen. Alarm kam von Deck 3. Von der Auswertungsstelle.
Die Männer darin, alles erfahrene Fachleute, liefen Gefahr, durchzudrehen.
„Commander, der Planet hat sein Aussehen verändert!“
Dhark schob eine Zigarette zwischen die Lippen, drehte das Mundstück und
rauchte. Seine Gelassenheit war Maske, innerlich bebte er.
„Fiktion?“ fragte er über Bordverständigung
„Nein!“ antwortete Tino Grappa ungefragt. „Ich kann wenigstens nichts davon
ertasten!“
Die fünf Raumer hatten auf die POINT OF geschaltet. Als Ren Dhark mit der
Fahrt seines Schiffes herunterging, bremsten auch sie auf die gleichen Werte ab.
Der Abstand der einzelnen Raumer blieb dadurch unverändert.
Drei kleine Kontinente sollten auf W-4 verschwunden sein! Alle drei waren auf
den alten Aufnahmen vor dem Südpol zu sehen. Jetzt glänzte die kleine
Eiskappe in makellosem Weiß.
Die Astrophysiker hatten auch einiges Beunruhigendes zu berichten.
„Commander, wir müssen uns vor einigen Tagen, als wir die ersten Messungen
vornahmen, geirrt haben. Die Schwerkraft von W-4 beträgt nicht 1,201 Gravos,
sondern 1,22 g!“
Fassungslos blickten sich Dhark und Riker an.
„Da stimmt doch was nicht!“ murmelte der Commander, der einfach nicht
glauben wollte, daß seine erfahrenen Astrophysiker sich beim ersten Anflug
geirrt haben sollten. Sie bedienten sich der Meßeinrichtungen, die aus der
Technik der Mysterious stammten, und die waren, im Gegensatz zu Erzeugnis
sen der terranischen Fertigung, pannensicher.
Der Commander hatte sich zu einem Entschluß durchgerungen. „Wir sehen uns
die Sache einmal aus der Nähe an, aber allein. Die Kugelraumer bleiben auf
Warteposition. Morris!“ Er rief zur Funk-Z durch und gab seine Order.
Riker schaltete. Die Checkmaster-Verbindung zu den Kugelraumern wurde
getrennt. Die Kommandoführung hatte die VIRGO unter Colonel Enders
übernommen.
In der POINT OF heulten die Sirenen.
Höchste Alarmstufe.
Alle ohne Ausnahme schlössen die Raumhelme. Das war nicht besonders
angenehm, aber erforderlich.
Ein Planet, der innerhalb von fünf Tagen drei Kontinente verlor, war mit
Vorsicht anzufliegen.
Die Unruhe in Dhark wuchs, je mehr die POINT OF beschleunigte.
„Grappa, immer noch nichts von dem pulsierenden Fleck festzustellen?“
„Verschwunden! Ich habe schon dreimal kontrolliert, ob ich auch die richtigen
Koordinaten verwendet habe. Kein Fehler. Aber auch kein Punkt, der
energetisch anzumessen wäre.“
„Und mit den anderen Ortungen?“
„Fehlanzeige!“
Ruckartig richtete sich Dan Riker auf. Der Helmfunk übertrug Gespräche, die im
Flüsterton gehalten wurden. Das war ein untragbarer Zustand. Lauter als
erforderlich rief er über sein Gerät:
„Absolute Ruhe, meine Herren, oder, falls mehr als zwei Mann in einem Raum
sind, Sie schalten auf eine andere Frequenz. Unter keinen Umständen auch der
Dritte!“
Die Distanz zu W-4 schmolz zusammen. Als die POINT OF nur noch eine
Million Kilometer entfernt war, schaltete der Commander auf negative
Beschleunigung.
„Bist du heute vorsichtig!“ konnte sich Riker nicht verkneifen zu sagen.
„Morris!“ Der meldete sich aus der Funk-Z. „Was sagt die Echokontrolle? Geht
immer noch ein Hyperimpuls in Richtung II/a ab?“
„Ja. Von Störsendern ist nichts mehr festzustellen.“
Dhark konnte hinterher nicht erklären, wie er zu der nächsten Frage gekommen
war.
„Befindet sich der Sender noch an derselben Stelle, Morris?“
Schweigen im Helmfunk.
Dann die Antwort aus der Funk-Z: „Große Milchstraße, Commander! Der
Sender ist um mehr als anderthalbtausend Kilometer westlich versetzt worden!“
„Vielleicht ist es keine stationäre Anlage, Morris . . .“
Die POINT OF machte die Drehung von W-4 mit. Dadurch stand das
Flaggschiff scheinbar unbeweglich über dem Kontinent, der die Ruinenstadt
barg.
„Grappa, keine Meldung?“
Mein Gott, dachte Riker, was ist mit Ren los? So nervös habe ich ihn selten
erlebt.
„Nichts, Dhark.“
„Okay, dann gehen wir 'runter. Waffensteuerung, klar?“
Auf Rochard und Clifton war Verlaß. Ihr Okay klang sicher.
Der Ringraumer schoß auf den Planeten zu, von dem die POINT OF vor fünf
Tagen geflohen war. Er sah nicht anders aus als andere Sauerstoffwelten. Als die
Stadt immer deutlicher in der Bildkugel zu betrachten war, zeigte sie keine
Veränderungen.
Sie mußten sich beeilen. In spätestens einer Stunde kam die Nacht über diesen
Teil der verlassenen Welt. Die Dunkelheit brachte wohl keine Schwierigkeiten,
aber auch Ren Dhark fühlte sich wohler, wenn er auf Infrarot verzichten konnte.
In den fünf Kugelraumern hatte man alles auf ein langes Warten abgestellt. Die
Schiffe standen im freien Fall, und hinter ihren Geräten dösten mehr oder
weniger kräftig die Männer. Die Funkverbindung zur POINT OF war
ausgezeichnet, und man konnte mithören, was im Ringraumer über Helmfunk
gesagt wurde.
Das war gerade nicht besonders aufregend.
Auch nicht die Tatsache, daß das Flaggschiff sich beeilte zu landen, weil es von
der Nacht nicht überrascht werden wollte.
Da schrien auf allen sechs Schiffen die Männer, die hinter den Ortungen Dienst
verrichteten, auf!
Ihre Energieortungen liefen Gefahr, durchzuschlagen! Die letzten sensorischen
Reservesicherungen verhinderten eine Katastrophe.
Blitzschnell reagierte Ren Dhark, der an einigen Instrumenten erkannt hatte,
welcher Katastrophe die POINT OF um Haaresbreite entgangen war. Daß sich
der gleiche Vorgang auch auf den Kugelraumern abgespielt hatte, war ihm noch
unbekannt.
Er schaltete den Sle auf negative Beschleunigung. Die titanischen Kräfte des
Brennkreises im Leerraum der Ringröhre stoppten das Schiff brutal ab. Im
Ringraumer waren sekundenlang die Andrucksausgleicher trotz der erstklassigen
Schallisolierung zu hören. Die Schwerkraft im Schiff blieb bei 1 Gravos
unverändert konstant.
„Grappa, was war das?“ schrie Dhark zur Ortung hinüber, und hatte vergessen,
daß Gespräche nur über Helmfunk möglich waren und er daher seine Stimmkraft
schonen konnte.
„Ein Angriff über unsere Ortungsfrequenzen, Commander! Man hat sich damit
regelrecht durch das Intervall in die POINT OF eingeschlichen!“
„Art des Angriffes?“ Knapper konnte die Frage nicht formuliert werden.
„Unbekannt. Frage an Checkmaster gegeben.«
Dessen Antwort riß auch Dhark beinahe aus seinem Sessel.
Landung auf W-4 mit größter Gefahr verbunden! Aber keine Auskunft darüber, wie dieser Angriff auf die Ortungen der POINT
OF zustande gekommen war.
Da meldete Elis Yogan aus der Funk-Z, daß auf den Kugelraumern das gleiche
passiert sei. Die Ortungen der VIRGO waren im Bereich der Distanztaster
schwer beschädigt, konnten aber durch bereits angeforderte Reparatursätze
binnen kurzer Zeit wieder in Ordnung gebracht werden.
„Grappa, können Sie an den Diagrammen nicht feststellen, welche Strahlarten
sich ins Schiff geschmuggelt haben?“
„Die Diagramme sind unbrauchbar, Commander.“
Dhark wurde ungeduldig, weil Grappa keine weiteren Angaben machte.
„Zum Donnerwetter, können Sie denn nicht wenigstens erkennen, aus welcher
Richtung der Angriff erfolgt ist? Aus der Wüste? Aus der Ruinenstadt? Oder
woher?“
Grappa konnte ihm nicht helfen.
„Commander, im Moment des Angriffes wurden alle erfaßten Ortungsdaten ver
fälscht.“
Nacheinander rief Dhark die Ortungsoffiziere der Kugelraumer an.
Nacheinander erhielt er den gleichen negativen Bescheid.
„Landen!“ gab sich Dhark selbst den Befehl.
In der Verständigung des Helmfunks gab es im gleichen Moment
Schwierigkeiten.
Dan Riker warnte vor einer Landung. Tino Grappa, Glenn Morris und aus dem
Triebwerksraum auch Arc Doorn und Miles Congollon.
„Unsinn!“ widersprach der Commander. „Wir haben doch den Panzerangriff
miterlebt. Über Superwaffen verfügen diese Roboter auch nicht. Und um einem
zweiten Überfall vorzubeugen, werden wir mit abgeschalteten Ortungen
landen!“
„Ren!“ stieß Dan Riker fassungslos aus. „Ren, das kannst du nicht verantworten.
Großer Himmel, laß dich doch wenigstens in diesem Fall einmal warnen. Wir
dürfen nicht landen, bevor wir nicht herausgefunden haben, mit welchen Waffen wir eben angegriffen worden sind. Jetzt wird mir noch unheimlicher bei dem Gedanken, daß drei Kontinente auf diesem Planeten vermißt werden.“ Dharks Gesicht drückte Verbissenheit aus. Er ging auf die Warnung seines Freundes nicht ein. Seine Fingerkuppen brachten vier Steuerschalter in andere Positionen. Die POINT OF nahm wieder Fahrt auf und ging auf Landekurs. Über der Ruinenstadt lag schon der Abend. Die Hochhäuser warfen lange Schat ten, die immer blasser wurden und von der hereinbrechenden Dämmerung aufgesaugt wurden. Der Augenblick kam, an dem das Flaggschiff der TF seine fünfundvierzig Paar Teleskopbeine mit den breiten Auflegerplatten ausfuhr. Anstelle des Sle traten A-Gravkräfte und übernahmen die letzten Landemanöver. Weich setzte der Ringraumer auf. Der Commander der Planeten hatte eine Meisterleistung vollbracht. Das Schiff unter Verzicht aller Ortungsanlagen zu Boden zu bringen - nur nach den Instrumenten und der Wiedergabe der Bildkugel zu manövrieren - verlangte ein hohes Maß an Können. „Na?“ sagte Dhark und sah seinen Freund herausfordernd an. „Wenn ich nun auf dich gehört hätte, würden wir immer noch über W-4 stehen!“ Er beugte sich leicht vor, streifte den Klarsichthelm zurück, und in Richtung der Sprechrillen gab er der Funk-Z den Auftrag, den fünf Kugelraumern seinen Befehl mitzuteilen, ebenfalls unter Verzicht aller Ortungsanlagen zu landen. Eine Stunde später setzte als letzter Kreuzer die RION in drei Kilometer Entfernung von der POINT OF auf. Die Scheinwerfer der Schiffe strahlten in Richtung der Stadt. Die ersten Häuser an ihrem Rand wurden in der Lichtflut gebadet. Aufmerksam saßen Dhark und Riker vor den fünf Bildschirmen, die mit der Landung des Flaggschiffes anstelle der Bildkugel getreten waren. Sie hatten auf maximale Vergrößerung geschaltet und spähten die Ausfallstraße entlang, die in grelles Licht getaucht war. Langsam verrann die Zeit. Nirgendwo war Bewegung zu sehen. Kein Roboter und kein Panzer, der Unitallblau schimmerte. Nach einer Stunde verließ Dhark seinen Platz, reckte sich, als er neben seinem Sessel stand und dann zu Grappa sagte: „Ich glaube, jetzt können Sie Ihre Anlage wieder einschalten.“ Der junge Spezialist ließ es sich nicht zweimal sagen. Im gleichen Moment knisterte die Spannung im Leitstand. Würde gleich wieder ein Angriff erfolgen? Dhark schaltete auf beide Waffensteuerungen. „Feuerbereitschaft bleibt bestehen!“ Die gleiche Anordnung erging auch an die Kugelraumer. „Nun?“ fragte der Commander, als er hinter Grappa trat und ihm die Hand auf die Schulter legte. „Wie steht die Lage?“ Alle drei Ortungssysteme arbeiteten. „In den vergangenen fünf Tagen ist viel geschehen“, erwiderte Grappa
beunruhigt, „Im gesamten Peripherie-Bereich der Ruinenstadt gibt es jetzt Kraftwerke oder Konverter der Größenordnung 2 bis 3. Aber die erzeugte Energie wird überall nur gespeichert. Ich kann mir noch keinen Vers darauf machen.“ Dhark rief zur Galerie hinauf, auf der zwei Offiziere Dienst machten: „Schalten Sie die große Projektion ein und zeigen Sie den Stadtplan.“ Eine Fläche von drei mal drei Meter stand plötzlich frei in der Zentrale. Darauf erschien der Plan der Ruinenstadt. Die breiten Straßenzüge waren nur als dünne Linien zu erkennen, die verschieden hohen Wolkenkratzer durch Farben gekennzeichnet. Grappa schaltete an seiner Ortung, ohne den Befehl des Commanders abgewartet zu haben. Überall dort, wo seine Energieortung Kon verter festgestellt hatte, flammten auf dem Stadtplan nun rote Leuchtpunkte auf. Dhark mit seinen Offizieren konnte sich jetzt ein Bild von der Lage machen. Aufmerksam studierte er den Fall. In einem Abstand von zwei bis zweieinhalb Kilometern lagen die Konverter voneinander entfernt, aber nicht direkt am Stadtrand, sondern etwa vierhundert Meter tief in der Stadt. Das hellste Rotstrahlen ging von dem Platz aus, wo das Hochhaus mit dem zer störten Mittelteil lag, das auch im Gegensatz zu allen anderen Bauwerken einen leichten Blauanstrich hatte. In seinen Kellern mußten alle verfügbaren Energieerzeuger mit maximaler Leistung laufen. Das Bild hatte etwas Beunruhigendes an sich. Dan Riker hielt mit seiner Meinung nicht zurück. „Ren, ich bin glücklich, wenn ich diesen Planeten ein paar tausend Lichtjahre hinter uns weiß.“ „Ja“, gab Dhark uneingeschränkt zu, „auch mir ist W-4 unheimlich. Doch gerade das reizt mich, es zu erforschen. Wir werden uns morgen, wenn es hell geworden ist, die Stadt etwas genauer ansehen. Ich glaube, wir können auf allen Schiffen die Alarmbereitschaft abblasen. Nur die Geschützantennen bleiben voll besetzt. Bedenken, Dan?“ Der war etwas unsicher geworden. Er hatte mit weiteren Angriffen über die Ortungen gerechnet. Aber nachdem sich nichts mehr ereignet hatte, war seine Unruhe auch kleiner geworden. Ganz verschwunden war sie aber nicht. „Bedenken? Kaum noch, Ren. Aber alle Schiffe sollten die Schutzfelder wieder aufschalten. Das ist unbedingt erforderlich.“ Dhark war damit einverstanden. Er war seit der Landung immer ruhiger geworden. Auch die Veränderungen auf dem Energiesektor in der Ruinenstadt hatten ihn nicht sonderlich aufregen können. Vielleicht war das alles nur eine Auswirkung auf ihr Eindringen vor fünf Tagen. Der Erste Offizier übernahm die POINT OF. Der Commander verließ die Zentrale, um seine Kabine aufzusuchen und zu schlafen. Kopfschüttelnd blickte sein Freund ihm nach, bis das Trennschott wieder zuschlug. Manchmal war es schwer, seinen Freund zu verstehen. Und diese Schwierigkeiten tauchten immer dann auf, wenn sie auf Spuren der Mysterious
trafen. Wie von einer Sucht wurde Ren Dhark jedesmal von dem Ehrgeiz befallen, ihre Geheimnisse zu enträtseln. Doch was war dabei bisher herausgekommen? Aus einem Berg von alten, ungelösten Rätseln war inzwischen ein kleines Gebirge geworden, und das Geheimnis, hinter dem sich die Geheimnisvollen verbargen, schien bis in alle Ewigkeiten ein Geheimnis zu bleiben. Riker verstand den Ehrgeiz seines Freundes, aber er konnte nicht verstehen, daß er gerade in diesen Punkten immer hohe Einsätze wagte. Er, der sonst so vorsichtig war, verlor in den Fällen, in denen es um die Mysterious ging, die Kontrolle, das Risiko niedrig zu halten. Dan Riker nickte den Offizieren zu und verließ dann auch die Zentrale, um sich in einer Kabine auszuruhen. *** Die Unitallwand wurde transparent. Lautlos war dieser Vorgang. Dennoch drehte sich Ren Dhark plötzlich in seinem Sessel um, weil ihn ein unerklärliches Gefühl dazu getrieben hatte. Er sah durch die Unitallwand. Niemand sagte es ihm, aber er wußte, daß er aber Tausende Lichtjahre weit sah. Auf einen Planeten! Auf die Heimatwelt der Mysterious! Auf diese im Smaragdton schimmernde Weltenkugel. Unwillkürlich hielt der Commander den Atem an. Innerlich bereitete er sich auf jede Überraschung vor. Alles hatte er in seinen Spekulationen erwartet, aber niemals diese Demonstration eines unvorstellbaren technischen Könnens. Die Weltenkugel vor dem dunklen Hintergrund des Universums, in dessen Samtschwarz Millionen Sonnen als stecknadelkleine Leuchtpunkte zu sehen waren, begann zu wachsen. Sie schob sich dabei lautlos heran. Sie wurde immer deutlicher, nirgendwo war eine Wolkenbank, die die Sicht auf die Oberfläche versperrte. Drei große, zusammenhängende Kontinente, die von Wasserfluten umgeben waren. Grüne Erdteile mit einem leichten Blaustich. Erdteile mit verschiedenartigem Aussehen wie die Kontinente Terras. Die Kugel wuchs lautlos. Sie sprengte den Rahmen der transparenten Unitallfläche. Ein Erdteil schob sich hervor. Vierfünftel seiner Masse lag im nördlichen Bereich der Weltenkugel. Nur ein kleiner Teil ragte über die Äquatorlinie hinaus. Die Landmasse wuchs fast in Dharks Kabine hinein. Mehr und mehr davon ver schwand hinter dem nicht transparenten Teil der Unitallwand. Zum Schluß blieb eine in westlicher Richtung liegende Halbinsel übrig. Unwillkürlich richtete sich Dhark auf. Das Gefühl, jetzt die größte Überraschung zu erleben, beherrschte ihn völlig. Auch die Halbinsel
verschwand. Er sah eine Stadt! Nein, es war keine Stadt. Es war ein schier unendlicher Park, in dem verstreut kleine halbkugelige Bauten lagen, die in allen möglichen Farben leuchteten. Mitten im herrlichsten Grün, das einen leichten Blauton hatte. Er sah nur Fußpfade, keine einzige Straße. Er sah kein Fahrzeug, weder auf der Erde noch in der Luft. Und dann sah er die ersten Mysterious - einen Mann, eine Frau und drei Kinder. Dharks Blick wurde starr. Er glaubte, in Eiswasser zu stürzen. Kalkweiß und flach waren die Gesichter der Geheimnisvollen. Ihre Nase kaum angedeutet, die Ohren verkümmert, das Kinn selbst bei den Kindern schon eine fette und weiche Fleischmasse, die wie Gallert bei der kleinsten Bewegung hin und her schwankte. „Großer Himmel, nein!“ stöhnte Ren Dhark, in dessen Blick sich Widerwillen und Ekel zeigte. Ein Mund ohne Lippen. Augen ohne Wimpern und Augenbrauen. Augen, so häßlich wäßrig wie die Hautfarbe des Mysterious. Und auf dem haarlosen Kopf des Mannes und der drei Kinder, in einer leichten Mulde, war das dritte Auge zu sehen! Die Haare der Frau waren zu zählen. Gekräuseltes, langes Haar in einem schreienden Grün, und jedes Haar so dick wie ein mittlerer Nagel. Acht an der linken Seite, und elf an der anderen. Sie reichten bis zur Schulter, und die Hände der Frau fuhren jetzt zärtlich streichelnd durch diese Pracht. Ren Dhark, der sich immer mehr entsetzte. Aber sie lieben Farben. Er konnte sich nicht erinnern, selbst auf einem närrischen Fest jemals Kleider in diesen schreienden Farben gesehen zu haben. Nun verstand er auch, warum die halbkugeligen Bungalows diesen scheußlichen Anstrich hatten. Von einem Schnitt der Kleidung konnte man nicht sprechen. Wie Trikots lagen Ober- und Unterteil am Körper. In ihrem Aussehen unterschied sich die Frau vom Mann nur durch ihre wenigen Haare. Langsam bewegten sich die Kinder wie Greise auf Terra, denen das Gehen schwerfällt. Mann und Frau drehten sich um. Er berührte sie an der Schulter. Seine Hand war menschlich. Vier Finger und ein Daumen, aber seine Finger besaßen keine Nägel. Dafür waren die Fingerkuppen schwarz gefärbt. Eine Modetorheit oder Natur? Dhark konnte es nicht feststellen. Die Mysterious waren nicht größer als Terraner. Das hatten ja schon die Raum anzüge verraten, die sie in einem Depot der Ringraumerhöhle gefunden hatten. Langsam gingen Mann und Frau auf das knallgelb angestrichene Kugelhaus zu, das keine Tür besaß. Sie gingen durch die Wand, als ob sie nicht vorhanden sei. Nur noch die drei Kinder befanden sich draußen. Sollte das vielleicht Spielen sein, was sie taten? Einen Gegenstand zu Boden werfen, sich langsam herumdrehen, ihm den Rücken kehren und dann warten, wo die graue Kugel, die sich in den braunen Boden bohrte, vor ihnen wieder auftauchte?
Und dieser stupide Ausdruck der nichtssagenden Gesichter! Nicht den Anflug
eines Lächelns konnte Dhark entdecken. Jetzt tauchte die Kugel vor dem
größten der drei Kinder auf. Es bückte sich, nahm sie an sich, bewegte den
lippenlosen Mund, und die beiden anderen traten zu ihm, sahen zu, wie es jetzt
die Kugel fallen ließ, um dann dem verschwindenden Objekt erneut den Rücken
zu kehren.
Grauenhaft, dachte Ren Dhark, und seine Enttäuschung wuchs ins
Unermeßliche.
Er verglich sie mit terranischen Kindern, ihrem lauten Lachen, ihrem
Herumtollen, ihren kleinen und großen Nöten, und wie sie manchmal weinend
nach ihrer Mutter riefen, oder mit dem Mut der Verzweiflung auf ihren Freund,
mit dem sie gerade Streit bekommen hatten, eindroschen.
Diese drei Mysterious-Kinder bewegten sich kaum; nicht die kleinste
Gemütsbewegung zeigten sie. Sie unterhielten sich auch nicht. Nur ab und zu
wurde eine kurze Bemerkung gemacht, die die anderen widerspruchslos
hinnahmen.
Erschreckend nichtmenschlich wirkten sie, wenn sie den Kopf senkten und ihr
drittes Auge in der kleinen Mulde des Schädeldaches sichtbar wurde.
Eigenartigerweise war diese flache Mulde von einem grellfarbigen,
zentimeterbreiten Ring begrenzt.
Ren Dhark mußte an das Gesicht des Alten denken, das er in der Kreisfläche des
Transmitters gesehen hatte. Sein menschliches Aussehen und die starke
Ausdruckskraft seines Gesichtes hatten alle fasziniert. Diese Gesichter aber
stießen ihn ab.
Da platzte das Bild im transparenten Bereich seiner Unitallwand lautlos
auseinander. Aber in seiner Kabine war es nicht mehr ruhig.
Die Sirene brüllte. Sein Standvipho gab Alarm. Ruckartig richtete sich Ren
Dhark auf. Er saß nicht im Sessel. Er lag auf seinem Bett und hatte geträumt. In
seiner Kabine hatte es niemals eine transparente Unitallwand gegeben.
Er drückte die Taste am Vipho.
Auf dem Schirm erschien das Gesicht des Ersten Offiziers.
„Commander . . . die Stadt . . . der Planet . . .“, stammelte der Mann.
„Ich komme!“ stieß Dhark aus, der nach seinem Raumanzug griff und ihn
schnell aber sicher überstreifte.
Als er über das Deck der Kommandozentrale zujagte, war er nicht der einzige
Mann, der zu seiner Station lief.
Ununterbrochen heulte durch die POINT OF der Alarm.
Höchste Alarmstufe!
Größte Gefahr!
Aber welche?
*** In Alamo Gordo hatte Bernd Eylers, Chef der GSO, drei seiner wichtigsten
Leute zu einer kurzen Besprechung zusammengerufen. Einer dieser Männer war Jos Aachten van Haag. „Sie haben versagt!“ hielt ihnen Eylers vor. „Sie hatten alle Mittel in der Hand, aber aus den Robonen haben Sie nichts herausbekommen. Woher stammt das Raumschiff, das Cyborg Alsop erbeutete? Wie haben die Robonen die Raumüberwachung des solaren Systems unterfliegen können? Ich weise Sie jetzt nicht versteckt darauf hin, nun den dritten Grad bei den Verhören anzuwenden. Bitte, spielen Sie nicht einmal mit diesem Gedanken! Aber bringen Sie endlich Erfolge! Erfolge! Nichts anderes zählt!“ Jos Aachten van Haag, einer der erfolgreichsten Agenten der GSO, verzog keine Miene, als Eylers ihn herausfordernd anblickte. Das ärgerte den Chef der Galaktischen Sicherheitsorganisation. „Sie gehen, wie man mir berichtet hat, jeder Arbeit mal wieder weit aus dem Weg, Jos!“ Er war als notorischer Faulenzer bekannt. Er konnte um jede Arbeit, um jeden Auftrag einen weiten Bogen machen. Aber er konnte auch wie ein Kuli schuften, wenn es ihn gepackt hatte. In diesem Fall hatte es ihn aber nicht gepackt. „Eylers, Ihre lieben Zuträger haben nicht einmal die Unwahrheit gesagt. Und warum sollte ich ununterbrochen wie ein Verrückter arbeiten, schließlich sind in meinem Gehalt auch die Pausen enthalten. Und wenn Sie vergessen haben sollten, daß auch die Mediziner im Brana-Tal bei den nicht umgeschalteten Robonen erfolglos blieben, dann möchte ich Sie jetzt daran erinnern. Sie haben selbst alle Berichte gelesen, wissen, was die Untersuchung des 100-MeterSchiffes ergeben hat, und Sie wissen auch, daß wir die besten Experten auf diese Burschen ansetzten. Bringen Sie einmal eine Auster zum Reden! Die Robonen haben nicht einmal auf unsere hypnotischen Untersuchungsmethoden reagiert. Und wie man aus den beiden Cyborgs Mildan und Dordig Entartete machen konnte, ist uns bis heute noch schleierhaft. Diese Mißerfolge bedeuten aber nicht, daß meine Kollegen und ich die ganze Zeit über gefaulenzt haben. Wir haben eben einen Punkt erreicht, an dem wir mit den üblichen Methoden nicht mehr weiterkommen. Wir müssen uns bei diesen nicht umgeschalteten Robonen etwas Neues einfallen lassen. Bloß was, Eylers? Können Sie uns keinen Tip ge ben? Wir wären Ihnen sehr dankbar!“ Das war Jos Aachten van Haag, der Mann, der aus einer laschen Verteidigung zum Angriff vorging - gegen seinen Chef. Doch Bernd Eylers, der Mann mit dem nichtssagenden Alltagsgesicht, kannte seinen Mitarbeiter van Haag zu gut, um sich von ihm bluffen zu lassen. „Sie verfügen auch über ein gewisses Quantum Gehirnmasse. Setzen Sie diese endlich einmal in Tätigkeit. Vielleicht ist sie noch in der Lage, einen Denkvorgang zu erzeugen!“ Das war grob! Jos verzog keine Miene. Er schenkte sich den fünften Whisky ein. Er konnte unglaubliche Mengen konsumieren, aber noch niemand hatte ihn betrunken oder auch nur angeheitert gesehen.
„Ihrer Leber könnten Sie auch den Gefallen tun, weniger zu trinken!“ machte
Eylers ihm den Vorwurf, als Jos wieder darauf verzichtete, ein Stück Eis ins
Glas zu tun. Der ließ sich nicht trösten, trank das Glas auf einen Zug leer und
setzte es ab.
„Ich glaube“, sagte er auch für seine Kollegen überraschend, „ich hab' eine Idee.
Schade, Eylers, daß Sie mir den Tip nicht gegeben haben. Ich wäre Ihnen
dankbar gewesen.“
„Und?“ fragte der Chef der GSO, der die Spitze in Jos' Worten einfach überhört
hatte.
Jos Aachten van Haag winkte ab. „Ich will erst versuchen, ob mein Tip auch gut
ist. Ich melde mich wieder, wenn ich mit diesen Robonen weitergekommen bin.
Kann ich jetzt gehen?“
Er stand schon. Eylers nickte. Jos brummte etwas und stiefelte dann zur Tür.
Seine Kollegen blickten ihm nach. Zu gern hätten sie gewußt, was Jos jetzt
vorhatte. Sie ahnten, daß er ihnen in diesem Fall wieder einmal den Rang ablief.
*** Der Kontrollstand unter der Rano-Kuppel war normal besetzt. An der halbkreis förmigen Instrumentenwand flammten in ununterbrochenem Kommen und Gehen Kontrollen auf, die fast farbloses Licht abstrahlten. Sie schienen in ihrer Funktion etwas Sinnloses darzustellen und waren dennoch die letzte Kontrolle. Fünf Roboter, fest mit dem Boden verbunden, beobachteten aus ihrem Linsensy stem die Anzeige der Instrumente. Fünf zylindrische Metallkörper, die weder Arm- noch Beinglieder besaßen, waren die Kommandanten der Station unter der Rano-Kuppel. Der mittlere war fast doppelt so groß wie die anderen vier und auch breiter und schwerer. Seine Linsenkonstruktion war auf eine ovale, von innen heraus leuchtende gelblich getönte Scheibe gerichtet, die ein sich im Rhythmus bewegendes Gittermuster aufwies. Die Felder der vielen Dreiecke, Vier- und Fünfecke waren mit den verschiedensten Farben ausgefüllt, die sich aber auch ständig veränderten. Unbeirrt kreisten drei Zwillingswelten auf verschiedenen Bahnen bei genau gleichen Umlaufzeiten um ihre S-Sonne. Sie nahmen keine Notiz davon, was auf einer der Zwillingswelten in einer Station geschah, die unter einer Rano-Kuppel lag. Aber auf einem dieser Planeten, tief in seinem Innern, neben einem gewaltigen Hangar, in dem mehr als tausend Ringraumer lagen, die vor Tagen erst von einem langen Flug wieder zurückgekommen waren, liefen in der Anlage gigantische Aggregate an. Tasterstrahlen erreichten über den Hyperspace ein fernes Sonnensystem, das zwischen zwei Spiralarmen im sternenarmen Raum lag. Die Sonne besaß den Typ B und vier Planeten. Nur der vierte auf der äußeren Umlaufbahn war eine Sauerstoffwelt.
Dieses System erschien auf der ovalen Scheibe unter der Rano-Kuppel. Im
Moment seines Erscheinens veränderten sich die Wertangaben auf der
halbkreisförmigen Instrumentenwand. Die Geräte zeigten kurz Null an und
schlugen dann wieder aus.
Alle fünf Roboter waren gleichzeitig auf die neue Aufgabe geschaltet worden.
Drei wechselten auf entsprechende Impulse ihre Programmierungen aus.
Order 563/hh!
Irgendwo tief im Urgestein lief nach vielen Jahrhunderten wieder ein
Hypersender an.
Seine Programmierung war auch auf 563/hh umgeschaltet worden. In der glei
chen Sekunde strahlte er die vorbereiteten Impulse ab.
Das Bild auf der ovalen Scheibe unter der Rano-Kuppel zerriß.
Der leistungsstärkste aller Hypersender auf einer der drei Zwillingswelten wurde
aktiv.
Order 563/hh!
In der Station unter der Rano-Kuppel warteten fünf Roboter in seelenloser
Geduld nach Order 563/hh auf neue Impulsbefehle, die aus der Tiefe des
Raumes kommen mußten.
Sie trafen nie ein.
Im großen Roboter schlossen sich nach einer bestimmten Zeit hundert
Impulskreise. Die vielen Instrumente auf der halbkreisförmigen Schaltwand
fielen auf Null zurück und schlugen wieder bis zu den alten Werten aus, die sie
seit der Rückkehr der Ringraumerflotte ununterbrochen angezeigt hatten.
Die gelblich leuchtende ovale Scheibe brachte wieder das Gittermuster mit
seinen farbigen Drei-, Vier- und Fünfecken.
Das System, dessen Hauptmerkmal die drei Zwillingswelten waren, lag wieder
im Schutz seiner robotischen Hüter.
Ein anderes, fernes System zwischen zwei Spiralarmen der Galaxis war aus
ihrem Schutz entlassen worden. Nach Order 563/hh hatten sie nur auf exakte
Impulse aktiv zu werden. Diese Impulse waren nicht eingetroffen.
Im Programm der Roboter war nicht enthalten, sich Gedanken zu machen.
Im Kontrollstand unter der Rano-Kuppel war wieder alles wie vorher.
*** Ren Dhark preßte die Lippen zusammen. Sein Blick flog über die Instrumente. Neben ihm saß Dan Riker. Kein Laut war von ihm zu hören. Kein Laut in der Kommandozentrale. Die fünf Bildschirme zeigten die Ruinenstadt und einen Teil der rötlichen Wüste. Stadt und Wüste waren unverändert. Doch es war ein trügerisches Bild. In der Stadt waren alle Konverter über eine Ringverbindung, die vom blau angestrichenen Hochhaus ausging, zusammengeschaltet worden. Doch nicht nur in der Stadt allein.
Konverter, hundertmal leistungsstärker als die in der Stadt, waren auf dem gesamten Planeten an mehr als zehntausend Stellen aktiviert worden! Wer benötigte diese unvorstellbar großen Energiemengen? Ren Dhark ahnte es. Er hatte nicht vergessen, daß W-4 einen planetarischen Schutzschirm besaß, hinter dem diese Welt sich verstecken konnte. Sie hatten ihn beim ersten Anflug doch erlebt. Wollte sie der Planet mit dieser Demonstration seiner Macht vor fünf Tagen ge warnt haben, auf ihm zu landen? Aber warum waren dann diese Robot-Ringraumer auf W-4 gelandet, um sich nach kurzem Aufenthalt wieder mit dem Gros der Flotte zu vereinigen, die im Bereich dieses Systems auf die Schiffe gewartet hatte? Hinter Dharks Stirn wurde bohrender Schmerz stärker. Er hatte die Amphis erlebt und ihr unmenschliches Verhalten, die Synties, Giants und Nogks, die Rateken und Utaren, aber noch niemals die Ballung einer technischen Macht wie auf dieser Welt, die bar jedes menschlichen oder intelligenten Lebens war. Was hatte sie vor den Terranern zu verbergen? Warum diese Demonstration? Über der Ruinenstadt stand der wolkenlose grünlichblaue Himmel. Der frühe Morgen ließ die Luft über der roten Wüste flimmern. Die zerstörten oberen Bereiche der Wolkenkratzer wirkten wie eine stumme Drohung. So weit der Blick reichte - es gab kein einziges Hochhaus, dessen höchste Etagen nicht zerstört waren. Da schreckte sie Grappas Ruf auf. „Fremdortung! Großer Himmel, sie kommt aus dem Hyperspace!“ Niemand wußte etwas von einer fernen Station, die unter einer Rano-Kuppel lag und von fünf festmontierten Robotern versorgt wurde. Verzweiflung lag in Grappas Stimme, als der Orter-Spezialist erklärte: „Ich kann die Richtung, aus der die Fremdortung kommt, nicht bestimmen. Diese Störungen des galaktischen Magnetfeldes machen mich noch verrückt!“ Ein gemurmelter Fluch schloß seine Meldung ab. Dhark sah, wie sich sein Freund herüberbeugte. „Ren, sollen wir nicht starten? Noch können wir es.“ Er schüttelte den Kopf, „Jetzt noch nicht.“ „Fremdortung unverändert stark. Unheimlich stark. So etwas habe ich noch nie erlebt.“ Wenn Grappa das sagte, dann entsprach es den Tatsachen. Nachdenklich wiegte Dhark den Kopf. Seiner Meinung nach konnte die unbekannte Ortung ihnen nicht gelten. Seit der Landung war von den Schiffen überhaupt keine Notiz mehr genommen worden. Und das war ebenfalls wieder unerklärlich. „Ren, worauf wartest du denn noch?“ fragte Riker ungeduldig. „Auf die anderen, die bei unserem ersten Besuch die Stadt mit ihren Panzern angegriffen haben. Auf die anderen, die nach dem abgeschlagenen Angriff dann von der Wüste aus, aber unterirdisch, Angriffskeile auf den Landeplatz der
POINT OF vorstießen. Hier gibt es doch zwei sich bis aufs Messer bekämpfende
Parteien. Wir mit unseren paar Schiffen zählen gar nicht!“
„Phantasie hast du“, murmelte Dan Riker keineswegs freundlich. „Aber hast du
dir schon einmal vorgestellt, was mit uns passiert, wenn wir zwischen diese
beiden Parteien geraten?
„Ich hoffe, daß wir uns zeitig genug absetzen können, mein Lieber.“
Das Gespräch zwischen den beiden Freunden war zu Ende.
Da drehte sich plötzlich eine Farbscheibe eines Instrumentes.
Grün - grün - rot - blau! Bei Blau blieb sie stehen!
Blau aus . . . ? Dharks Gedanken rissen ab. Er hörte sich schreien. „Grappa, das
sind doch die Koordinaten des pulsierenden Flecks!“
Sein ausgezeichnetes Zahlengedächtnis hatte ihn nicht im Stich gelassen.
Der pulsierende Fleck in der Wüste war wieder da!
Abermals hatte sich seine Pulsationszeit verändert.
Zwischen den beiden Maxima lagen 4,67 Sekunden konstant!
„Was hat das bloß zu bedeuten?“ fragte Riker, dem dieser Planet immer
unheimlicher wurde.
Dhark hatte keine Zeit, ihm eine Antwort zu geben. Verbindung zu den beiden
Waffensteuerungen. „Versuchen Sie mit einigen auf Nadel geschalteten
Antennen den pulsierenden Fleck in die Zielerfassung zu bekommen. Für alle
Fälle!“
Ihm war warm geworden. Warum, konnte er nicht sagen.
„Ho!“ rief Glenn Morris über die Bordverständigung. „Das darf es gar nicht
geben! Commander, da hat gerade irgendwo in der Milchstraße ein Hypersender
gefunkt, daß uns in der Funk-Z die Sachen fast um die Ohren geflogen sind!“
Nur Captain Jon Bradock, Kommandant des Forschungsraumers FO III, hätte
ihnen verraten können, in welchem Teil der Galaxis es solche Mammut-
Hypersender gab. Aber Captain Bradock und seine Besatzung lebten nicht mehr,
und von der FO III gab es auf einem fernen Sauerstoffplaneten nur noch
Trümmer.
Wieder trugen die schweren Störungen aus dem galaktischen Magnetfeld die
Schuld, daß die Funkortung der POINT OF den fernen Sender nicht lokalisieren
konnte.
Dhark wollte den Pilotsessel verlassen, um sich bei Grappa die verschiedenen
Diagramme und Blips auf den Oszillos anzusehen. Es blieb bei einem Versuch.
Die Wüste riß dicht vor den Landeplätzen der terranischen Raumer auseinander.
Sie öffnete sich, wie Blenden sich öffnen. Roter Staub und Sand wirbelte in
vielen hundert Tonnen durch die Morgenluft und vernebelte alles. Auf zwei
Bildschirmen war nichts mehr zu erkennen. Nur noch der östliche Teil des
Wüstenrandes war sichtbar.
„Massenortung! Energieortung! Distanz . . .“ Es verschlug Grappa die Sprache.
„Commander, erbitten Feuerfreigabe!“ brüllte es über die Bordverständigung
aus der WS-Ost. „Das sind doch wieder Panzer! Panzerungetüme!“
Wie wildgewordene Wespen tauchten die unheimlich massiv wirkenden Panzer
aus der Sandwolke auf, die sich unter einem absolut sicheren Ortungsschutz herangeschoben haben mußten. Zu aber Hunderten! Und es wurden immer mehr. Die Wüste schien sie regelrecht auszuspucken. Unverkennbar ihr Kurs auf die sechs terranischen Schiffe, aber die Hauptmacht sah in dem Ringraumer ihr Ziel. In diesem Moment griff etwas ein, das auch Ren Dhark den Atem verschlug. In den halbzerfetzten höchsten Etagen der Wolkenkratzer blitzte es auf. Strahlbahnen heulten und orgelten durch die Luft. Manche turmdick, andere wieder kaum zwanzig Zentimeter durchmessend. Aber diese energetischen Gewalten hatten sich nicht die heranjagenden Panzer als Ziel ausgesucht - sie fuhren heulend und orgelnd in die Öffnungen der unterirdischen Straßen, aus denen die Kampfwagen in Schwärmen herausgeschossen waren. Sie verglasten und vergasten diese Öffnungen. Hunderttausend Hitzegrade machten aus dem rötlichen Sand atomar verseuchte Gaswolken und ließen an ihren Rändern, wo die Temperaturen nicht mehr so hoch waren, breite Glasflußströme entstehen, die sich träge wie Lava in die immer großer werdenden Öffnungen des Wüstenbodens ergossen. Die Panzer reagierten auf den konzentrierten Strahlangriff der Ruinenstadt nicht. Unbeirrt hielten sie ihren Kurs bei. Die Spitzen der vier Formationen, die sich die POINT OF als Ziel ausgesucht hatten, waren weniger als fünf Kilometer entfernt. Dharks Lippen waren blutleer, so fest preßte er sie zusammen. Sein Blick lag auf dem dritten Bildschirm. Er zeigte ihm die Hauptmasse der Kampfwagen. Seine braunen Augen glühten. Die Muskeln in seinem Gesicht bewegten sich ununterbrochen. Er dachte noch nicht daran, Feuerfreigabe zu befehlen. Er vertraute auf die Intervallfelder, hinter deren Schutz der Ringraumer lag, und die Schutzschirme der Kugelraumer waren auch nicht leicht zum Zusammenbruch zu bringen. „Commander!“ Er sah es auch, aber nicht so deutlich wie Grappa hinter seiner großen Anlage. „Dan, Schiff übernehmen!“ Er sprang auf, raste zu seinem Ortungsspezialisten und nahm neben ihm Platz. W-4 wurde zur Hölle! Der pulsierende Fleck in der Wüste war um das Dreifache in seiner Ausdehnung gewachsen. Seine Pulsationszeit war auf 1,02 Sekunden heruntergegangen. Sein Leuchten hatte das weiße Blau eines funkelnden Diamanten angenommen. Aber damit war die turbulente Entwicklung nicht abgeschlossen. Die an mehr als zehntausend Stellen über W-4 verteilten Konverter flogen rei henweise in die Luft - in ihrer Explosion wie Atombomben, die auf Jahre hinaus die Atmosphäre dieses Sauerstoffplaneten vergifteten. Auf dem Energie-Oszillo nahm das Aufleuchten der grellen Punkte kein Ende. Die Anlage kam kaum noch mit. Der Checkmaster mußte überlastet sein, oder er konnte noch viel mehr leisten, als es der größte Optimist vermutete. Der Angriff der Panzer gegen die POINT OF brach los!
Strahlfeuer aus den schweren Geschützen. Energiekaskaden, die am Intervallschirm abprallten und nach allen Seiten verspritzten. „Belastung nicht nennenswert!“ informierte Riker seinen Freund. Der konnte nicht einmal nicken. Die Experten aus der astrophysikalischen Abteilung schlugen Alarm. Wer schrie, war nicht zu erkennen. Auf dem Schirm der Bordverständigung tauchte kein Gesicht auf. „Commander, dieser höllische pulsierende Fleck hat die Aufgabe, die Atmosphäre von W-4 mit radioaktiven Isotopen zu übersättigen! Wir sind aber noch nicht in der Lage, zu bestimmen, welche Atomgewichte sie haben. Wir kennen diese Isotopen nicht! Aber in einer Stunde ist die gesamte Atmosphäre hochgradig r-aktiv!“ Ren Dharks Rücken wurde krumm, dann streckte sich der Commander, beugte sich zu den Sprechrillen vor, und die beiden Waffensteuerungen erhielten den Befehl, mit konzentriertem Nadelstrahl-Beschuß den pulsierenden Fleck zu vernichten! „Endlich!“ stieß Bud Clifton in der WS-West aus und drückte den Hauptkontakt. Sieben Antennen in der Unitallhaut der POINT OF strahlten Nadel ab. Seine energetischen Kräfte verwandelten jede Materie in Energie. Dadurch wurde härteste r-Strahlung frei, aber wenn der Beschuß nicht zu lange dauerte, dann stand die freigewordene radioaktive Menge in keinem Verhältnis zu der Giftquelle, die den Luftmantel dieses Planeten für aber tausend Jahre verseuchen wollte. Der überlichtschnelle Strahl traf sein Ziel! Mitten hinein in den gleißenden, pulsierenden Punkt! Das Gleißen blieb, wenn auch der rötliche Sand in Energie umgewandelt wurde und atomare Kräfte in bizarren Leuchterscheinungen entfesselt nach allen Seiten jagte! Die Quelle des Punktes lag nicht auf der Oberfläche! Sie lag in der Tiefe von W-4! „Großer Himmel, Feuer einstellen!“ gab sich Bud Clifton selbst den Befehl und wischte sich verzweifelt über das Gesicht, als die sieben Antennen der POINT OF keine Nadelstrahlen mehr emittierten. Gegen die Intervallfelder des Ringraumers, gegen die hochenergetischen Schutz schirme der anderen fünf Kugelraumer prallten die Strahlbahnen der tausend und mehr Tonnen schweren Panzer des unbekannten Gegners. Von allen Seiten griffen sie, Dauerfeuer schießend, an. Sie waren überall. Am Boden, in der Luft und über den Schiffen der TF! Aus der Ruinenstadt fauchten, heulten und orgelten die Energiebahnen aus den Geschützen, die sich in den Spitzen der Hochhäuser befanden. „Verdammt, warum nehmen sie sich nicht diese lästigen Wespen aufs Korn?“ rief Dan Riker erbost aus, der seiner immer größer werdenden Unruhe einfach Luft machen mußte.
Ren Dhark ließ sich von ihm nicht anstecken. Anruf nach WS-West.
„Clifton, wir haben noch damit zu rechnen, daß sich intelligente Wesen in den
Panzern befinden. Vergessen Sie das nicht, aber geben Sie den Burschen einen
ordentlichen Denkzettel!“
Aus drei Strahlantennen schlug die POINT OF zum erstenmal zurück.
Ein Panzer in dreihundert Metern Höhe flog auseinander. Ein zweiter brach wie
eine reife Nuß auseinander. Der dritte war auf diese Weise nicht mehr zu
vernichten.
Alle Panzer hatten sich mit einem hochenergetischen Schutzschirm umgeben, an
denen die Kampfstrahlen der POINT OF abprallten.
„Roboter! Zwei Roboter stürzen heraus!“
Mit drei Sätzen stand Ren Dhark hinter seinem Freund, betrachtete den vierten
Bildschirm der langen Reihe und sah aus dem auseinandergebrochenen und in
die Tiefe stürzenden Panzer zwei Roboter in hohem Bogen durch die Luft
wirbeln und dann zu Boden rasen!
„Das habe ich mir gedacht! Also doch eine Roboterwelt!“
„Waffensteuerungen . . . Nadel auf die Panzer einsetzen!“
Sein zweiter Befehl galt den fünf Kugelraumern. „Panzer vernichten! Aber unter
keinen Umständen eine Strahlbahn in die Stadt jagen!“
Um den Landeplatz der terranischen Schiffe heulte und brüllte es auf. Alles ver
nichtende Energiebahnen preßten die Luftmassen zur Seite, ließen im
engbegrenzten Bereich die Atmosphäre aufflammen, und mitten in diesem
entfesselten Tohuwabohu flogen die angreifenden Panzermonstren in grellen
Stichflammen auseinander.
Doch nur Sekunden hielt der Triumph der Männer hinter den Zielerfassungen
an.
Wieder schlug eine unbekannte Macht zu!
In der LUX, vor dem größten Oszillo, schrien drei Mann in Todesangst auf.
Ihr Oszillo platzte!
Ein Feuerball stürzte über sie herein!
Sie flogen aus ihren Sesseln. Ein Mann krachte auf den Rücken und verlor beim
Aufprall das Bewußtsein. Die beiden anderen versuchten in panischem
Entsetzen aus dem Raum zu kommen, verfolgt von einem Flammenmeer, das
die reinste Hölle war.
Dann war der Spuk so schnell zu Ende, wie er begonnen hatte.
Mit der nackten Angst in den Augen waren die beiden Männer am Schott
stehengeblieben und starrten die Verwüstung an, die sich ihren Blicken bot.
Es roch nach verbrannten Metallen, nach schmorenden Transformern und
schmelzendem Material. Das Knistern war teuflisch in seiner Hinterhältigkeit,
aber nicht schrecklich genug, um die beiden daran zu hindern, ihren
bewußtlosen Kameraden zu bergen. Einer packte ihn über die Schulter.
Dann hielt sie nichts mehr zurück, und sie stürmten durch das Schott aufs Deck.
Den Angriff in gleicher Stärke hatten alle anderen Schiffe auch über sich
ergehen lassen müssen, nur war hier der Schaden nicht so augenfällig wie auf
der LUX. Doch dann stellte sich heraus, daß auf den Kreuzern keine einzige
Ortung mehr funktionierte.
Die 400-Meter-Schiffe waren blind geworden!
In der Kommandozentrale der POINT OF liefen die Hiobsmeldungen ein.
Schweigend nahm Dhark sie hin. Die Anlagen seines Schiffes hatten den
Angriff ohne Schaden überstanden. Wieder einmal zeigte sich darin die
überlegene Technik der Mysterious gegenüber den Schiffen, die ein Produkt
giantischer Technologie waren.
Herausfordernd hatte Dan Riker seinen Freund schon die ganze Zeit angesehen,
aber bewußt hatte Dhark diesen Blick nicht beachtet.
Da meldeten sich abermals die Astrophysiker.
„Commander, dieser pulsierende Fleck muß noch eine andere Eigenschaft
haben, als nur die Atmosphäre von W-4 zu verseuchen. Wir haben soeben zwei
schwache, aber deutliche Gravitationsstöße aus dem Zentrumsbereich des
Planeten beobachtet!“
Da klatschte Dan Riker seine Hand auf die Verkleidung des Instrumentenpultes.
„Ren, warum starten wir nicht? Warum verlassen wir nicht diese unheimliche
Welt? Siehst du denn nicht, daß dieser Planet die Hölle ist?“
Hatte der Planet W-4 seine Frage gehört?
Er schlug zu!
In fünf von sechs Raumschiffen der Terranischen Flotte brüllten die
Andrucksabsorber auf. Im Flaggschiff blieb der Wert von 1 Gravos unverändert,
aber in den fünf Kugelschiffen war er für den Bruchteil einer Sekunde auf letale
Höhe geschnellt.
Wie von einem Blitz getroffen krachten die Männer zu Boden, prallten gegen
Maschinen, flogen gegen Wände. Dann war der Spuk schon vorbei, aber das
Heulen der überlasteten Andruckausgleicher klang noch durch die Schiffe.
Ren Dhark, der über Funk die Katastrophe beobachtet hatte, war blaß geworden.
„Starten! Alarmstart!“
Aber die Funkverbindung zu den Kugelraumern war nicht klar. Die Männer in
den Funk-Z noch nicht wieder in der Lage, aktiv zu sein.
„Warten!“
Aber W-4 und der unheimliche Robotgegner in den Tiefen dieses Planeten war
teten nicht.
Auch nicht die Ruinenstadt, die innerhalb von Sekunden ihr Aussehen verändert
hatte.
Der Schwerkraftstoß hatte schlimmer als jeder Strahlbeschuß vorher in ihr
gehaust! Wohin der Blick fiel, fehlten gerade die allergrößten Hochhäuser.
Staubwolken zeigten sich an den Stellen, wo sie einmal gestanden hatten.
Dhark hatte sein Schiff wieder übernommen. Was interessierte ihn das
Geschmeiß von angreifenden Panzern, die die Intervallfelder und die
Schutzschirme nicht zum Zusammenbruch bringen konnten. Lebensbedrohend
war diese gravitatorische Waffe, die der unbarmherzige Robotgegner einsetzte.
Wer war dieser Gegner?
Er hatte keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Sie mußten starten, so schnell wie möglich. Die Funkverbindungen zu den Kugelraumern mußten aber erst wieder einwandfrei funktionieren. Dhark drehte sich zu den beiden Offizieren um, die am Checkmaster Dienst taten: „Halten Sie alles bereit, um sofort auf die Kugelraumer zu schalten. Der Verband fliegt unter dem Steuerkommando der POINT OF. Vorbereitungen für Not-Transition abschließen!“ Und dann leicht zu den Sprechrillen gebeugt: „Morris, Sie haben mitgehört? Los, Mann, schaffen Sie einwandfreie Funkverbindungen zu den anderen Schiffen. Aber sofort!“ Die Ruinenstadt wehrte sich mit der Verzweiflung eines weidwund geschossenen Tieres. Hatten ihre Roboter erkannt, welches Schicksal drohte? Aber konnten sie mit ihrem Strahlfeuer, das jetzt den fernen, immer noch pulsierenden Punkt als Ziel hatte, etwas am Ausgang der Tragödie ändern? Die Funkverbindungen kamen wieder. „Alarmstart!“ Die Schiffe wurden über den Checkmaster gesteuert. Er wurde mit dieser Aufga be spielend leicht fertig. Mit brüllenden As-Onentriebwerken stießen die 400-Meter durchmessenden Schiffe dem freien Raum zu, in ihrer Mitte die POINT OF. Alle Triebwerke arbeiteten mit maximaler Geschwindigkeit. Die Raumer ließen W-4 immer tiefer hinter sich zurück. Da ging noch einmal ein Schwerkraftstoß durch alle Kugelraumer - ein Stoß, der kein Ende nehmen wollte. Die Leistung der As-Onentriebwerke fiel im gleichen Moment ab, aber sie war immer noch groß genug, die Schiffe weiter zu beschleunigen. Nur eine Not-Transition war nicht mehr möglich. So schnell kamen sie aus dem System Ika-3 S nicht heraus. „Großer Gott!“ stöhnte Dhark auf, der in der Wiedergabe der Bildkugel verfolgte, wie die Ruinenstadt gleich einem Kartenhaus zusammenbrach und unter einer gigantischen Staubwolke verschwand. Doch dann weiteten sich seine Augen vor Entsetzen. Planet W-4 brach auseinander. Zuerst war nur ein dunkler Strich zu sehen gewe sen, der quer durch die rote Wüste verlief. Aus dem Strich war ein Spalt geworden, und nun war der Spalt schon eine viele Kilometer breite, viele Kilometer tiefe und über viele Tausend Kilometer lange Schlucht. „Sie haben die Planetenbombe eingesetzt. Sie zerreißen W-4 mit Gravitations kräften!“ flüsterte Ren Dhark. „Aber wer hat den seelenlosen Robotern diesen Irrsinns-Befehl gegeben?“ In der Kommandozentrale fragte einer der Offiziere mit unsicherer Stimme: „Wie hoch sind wir?“ Dhark hatte Verständnis für seine Nöte. „320 000 Kilometer weit im Raum. Unser Glück. . .“ Er konnte nicht weitersprechen. Planet W-4 mit dem Wunder der Ruinenstadt brach wie ein morscher Stein auseinander! Immer schneller! Unaufhaltsam! Der Untergang war nicht mehr
aufzuhalten. Und dann bestand W-4 plötzlich aus drei ungleichen, formlosen
Teilen, die sich mehr und mehr in Flammen hüllten. Flammen, die aus den
Tiefen der Planet-Brocken herausschlugen und sich im Raum verloren.
Die Andruckabsorber in den Kugelschiffen liefen wieder mit normaler Kraft, die
Leistung der Triebwerke lag wieder bei hundert Prozent. Bei der POINT OF war
dank ihrer Intervalle kein Gravitationsstoß durchgekommen.
Mit rasender Geschwindigkeit entfernten sich sechs Raumschiffe von einem
Planeten, der seine letzte Stunde hinter sich gebracht hatte.
Ein Planet, der gemordet worden war.
„Von wem?“ murmelte Ren Dhark, und unwillkürlich mußte er an die Grakos
denken.
Aber sollten die Grakos nicht identisch sein mit den Mysterious?
— ENDE —