Die Praxis der Herrscherverehrung in Rom und seinen Provinzen herausgegeben von
Hubert Cancik und Konrad Hitzl
Mohr Sieb eck
HUBERT CANOK, geboren 1937; Studium der Klassischen Philologie^ Orien^mik und Theologe in Berlin, Münster, Manchester und Tübingen; 1965 Promotion; 1970 Habilita tion; Professor für Klassische Philologie in Tübingen. KDNRAD HITZL, geboren 1953; Studium der Klassischen Archäologie, Alten Geschichte und Ägyptologie in Mainz und Heidelberg; 1982 Promotion in Klassischer Archäologie; 1993 Habilitation; zur Zeit Privatdozent an der Universität Tübingen.
ISBN 3-16-147895-9 Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiblio graphie; detaillierte bibliographische Daten "sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ©2003 J. C.B.Mohr (Paul Siebeck) Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Emspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Syste men. Das Buch wurde von swiss edit Dr. Wolfram Schneider-Lastin in Zürich gesetzt, von Guide-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges- Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Held in Rotcenburg gebunden.
Vorwort 1. Der Band, der hier vorgelegt wird, dokumentiert die Ergebnisse einer Tagung über die »Praxis der Herrscherverehxung in Rom und seinen Pro vinzen«, die im April 2002 im Rahmen des Schwerpunktprogramms »Römische Reichs- und Provinzialreligion« der Deutschen Forschungs gemeinschaft stattfand.1 Die Begriffe >Herrscherverehrung, Reichs- und Provinzialreligion< er wiesen sich, wie zu erwarten war, als mehrdeutig. Die Anwendung des Begriffs >Priester< oder gar >Mitder< auf die römische Religion ist natürlich immer umstritten und höchst problematisch. Nicht jeder Herrscher, dar über immerhin bestand Einvernehmen, ist Kaiser, nicht jede Form von Pietät, Verehrung, Loyalität ist religiöser Kult im strikten Sinne. Die Ver ehrung des lebenden ist von der des verstorbenen und konsekrierten (»vergöttlichten«) Herrschers, die Gebete und Opfer für (pro) das Wohl des Kaisers und seines Hauses sind von Anbetung, Anrufung, Beopferung des Herrschers oder seines Bildes zu scheiden. Die Herrscherverehrung ist reichsweit verbreitet, de facto und im Bewußtsein der Bevölkerung: in sofern eine >Reichsreligion<. Sie ist ein Indiz für die relative religiöse Ho mogenität des Imperium, ist aber, wie alle antiken Religionen, nach Art und Intensität (Sprache, Häufigkeit, Dichte, >Substrate< und Kontexte) lokal und regional verschieden - nur so kann sie ja in die örtlichen Reli gionssysteme eingelagert werden. 2. Die Praxis der Herrscherverehrung ist das Thema, also Handlungen, Rituale, Liturgie, Organisation. Was wurde wirklich gemacht, wo, wie oft, von wem, aus welchen Anlässen? Welche Bindung, Emotionalität, Loya lität erzeugte die religiöse Praxis? Welche Bedeutung hat die praktizierte 1 Zu diesem Forschungsschwerpunkt vgl. HUBERT CANCIK/JÖRG RÜ?KE (Hrsg.), Römische Reichs- und ProvinzialreHgion, Tübingen 1997; WOLFGANG
SPICKERMANN (in Verbindung mit H. CANCIK und J. ROTKE) (Hrsg.)» Religion in
den germanischen Provinzen Roms, Tübingen 2001; NICOLE BELAYCHE, IudaeaPalaestina. The Pagan Cults in Roman Palestine (Second to Fourth Century), Tübingen 200 t (Religion der römischen Provinzen, Bd. 1); W. SPICKERMANN, Germaniae I, Tübingen 2003 (Religion der römischen Provinzen, Bd. 2).
VI
Vorwort
Herrscherverehrung für die Romanisierung und Integration des römischen Imperium? Eine fremde, abschätzige, feindselige Wahrnehmung der grie chisch-römischen Herrscher Verehrung, jenseits anspielungsreicher My thologie, rhetorisch raffiniertem Herrscherlob, kennerischem Kunstgenuß finden wir in jüdischen Quellen der Kaiserzeit.2 Hier lernen wir, was in keinem Panegyricus steht, daß zum Advent des Kaisers in der Provinz stadt (medinab) die Straßen gefegt und aufgespritzt werden. Die Stadt wird mit Kränzen und Tüchern aus Byssos und Purpur geschmückt; Lich ter werden angezündet; die Kinder am Straßenrand aufgestellt, Altäre und Bilder; Fackeln werden getragen, Lob Sprüche gesprochen. Das Bild des 'Kaisers steht überall, am Eingang des Palastes, in Zirkus und Theater, nicht in den öffentlichen Latrinen. Hillel der Ältere sagt:3 »Wenn die Bil der der Könige, die man in den Theater- und Zirkusgebäuden aufzustellen pflegt, derjenige, der dazu bestellt ist, poliert und abspült, wofür man ihm seinen Unterhalt reicht und der, damit nicht genug, auch noch zu den Gro ßen des Reiches gezählt wird, um wieviel mehr (muß ich mich im Badehause waschen), der ich geschaffen worden bin in Sein Bild und Gleichnis?« Die Statue repräsentiert den Kaiser und die Majestät des Imperium, sie macht Herrschaft sichtbar, individualisierbar, benennbar. Sie ist zerstörbar und begrenzt so die Macht, die sie zeigt. Allmacht ist grenzenlos und unsichtbar.4 Das Bild ist aus Gold, aber Vögel setzen sich darauf; man darf keinen Stein'werfen, nicht nach ihnen schießen - das könnte mißdeutet werden; so beschmutzen sie das Bild.5 Man muß es abspülen und polieren. Das sind kostbare Nachrichten und, wichtiger, ein fremder Blick, von außen und von unten. 3. Der Kaiserkult ist, im Westen des Imperium, eine >neue< Religion. Was ist >neu Die öffentliche Meinung in Rom sagt zu den neuen Ehren für den Divus Augustus:6 »Nichts (ist) für die Ehren der Götter übrig geblie2 Zentral ist der Traktat Aboda zara (»Fremder Dienst«); weitere Texte aus Tal mud und Midrasch bei SAMUEL KRAUSS, Monumenta Talmudica, Bd. V Geschichte, l.Teil: Griechen und Römer, Wien-Leipzig 1914 (Ndr. 1972), bes. Kap.F: »Kaiserverehrung«. 3 KRAUSS, nr. 186. - Die Worte für Bild (eikon, andrids, tabula), Theater, Zirkus sind häufig gebrauchte griechische/lateinische Lehnworte in den jüdischen Texten. 4 MOSHE BARASH, Das Bild des Unsichtbaren. Zu den frühen Christusbildern, in: JACOB TAUBES (Hrsg.), Gnosis und Politik, Paderborn 1984 (Religionstheorie und Politische Theologie, Bd. 2), 185-197; M. BARASH, Gott als Herrscher. Zur Ikonographie der Theokrane, in: J. TAUBES (Hrsg.), Theokraue, Paderborn 1987 (Religionstheorie und Politische Theologie, Bd. 3), 248-265. 5
6
KRAUSS, nr. 188; nr. 209.
Tac ann. 1,10,6: Nihil deorum honoribus relictum, cum se templis et effigie numinum per flamines et sacerdotes coli vellet.
Vorwort
VII
ben, weil er (Augustus) Kult für sich wollte mit Tempeln und mit der Gestalt von Göttern durch Flamines und Priester«. Der römische Kaiserkult hängt sich in die bestehenden Götterkulte ein, verknüpft sich im griechischen Osten mit der hellenistischen Herrscher verehrung. Aus dieser Tradition heraus gilt die Bereitschaft zur Verehrung im Osten, anders als in der Zentrale oder im Westen, in erster Linie dem lebenden Herrscher. Die Bezeichnung des Kaisers zu seinen Lebzeiten als Gott (tbeds) bereitet keine mentalen Probleme. Dennoch gibt es kein spe zifisches Ritual, Fest, Kerygma des Kaiserkultes, keine besonderen Kult anlagen, wie andere Religionen sie sich erdachten. Insofern also nicht »neue« Religion. Aber der Kaiserkult ist kein Heroenkult - nie erscheinen die Divi als Nothelfer in einer Schlacht; kein genr.ilizischer Ahnenkult, kein chthonischer, aber auch kein strikt olympischer Götcerkult: denn die Kaiser blieben »gemachte« Götter; sie sind nicht von Ewigkeit her. Von den neuen, sogenannten graeco- orientalischen Religionen unterscheidet sich der Kaiserkult durch das Fehlen eines eigenen Kerygma und Dogma. Die vergöttlichten Kaiser sind Divi^ aber sie geben kein Orakel, begründen keine Mysterien; man richtet keine Bitten an sie um gute Seefahrt, Ernte, Nachwuchs. Insofern eine neue, eine dezidiert politische Religion. 4.' Unser Verständnis der antiken Herrscherverehrung wird belastet und stimuliert durch zeitgenössische Erfahrungen und die eigene religiöse So zialisation. Die Ablehnung jeglichen Bilderdienstes im Judentum schließt Herrscherkult im klassischen Sinne aus. Die Verweigerung des »Kaiserop fers« in so vielen christlichen Martyrologien hat allerdings eine spezifisch christliche Kaiserverehrung nicht verhindert. Zwar werden heute, nach dem kläglichen Ende des ersten und zweiten deutschen Kaiserreiches, we nige nur »die hohe Wonne ganz« in der einstigen Königs-, dann Kaiser hymne erfühlen:7 Heil dir im Siegerkranz! . Herrscher des Vaterlands! Heil König/Kaiser Dir! Fühl' in des Thrones Glanz die hohe Wonne ganz: Liebling des Volks zu sein! Heil Herrscher Dir! 7 Text: BALTHASAR GERHARD SCHU(H)MACHER (geb. 1755; publiziert in Spenersche Zeitung 1793); zitiert nach: AJDOLF SCHOTTMÜLLER, Preußens Ehrenspiegel. Eine Sammlung vaterländischer Gedichte, 21863, S. 277. Melodie wie: »God save the King/Queen«.
VIII
Vorwort
Doch der Führer- und Personenkult von einst, der junge Kult um eine verunglückte Prinzessin, die Feiern zum 300. Gründungstag des preußi schen Königtums (2001) lehren, daß für undurchschaubare, abstrakte, komplexe ökonomische und politische Strukturen und Probleme immer wieder einfache Namen und Lösungen gesucht werden, besonders gern in vertrauten Leit- und Referenzfiguren, Vater- und Muttergestalten, familialen Konstellationen. Der hier vorgelegte Band soll auch zur Beantwortung der Frage beitragen, wo die Grenzen zwischen Politik und Religion zu ziehen sind, wie die Fetischisierung von Staatszielen, die Personalisierung von Politik beschränkt werden kann. 5. Die insgesamt dreizehn Beiträge können nicht alle Bereiche der Kai serkultpraxis abdecken, sondern konzentrieren sich auf Schwerpunkte. »Die Herrscherverehrung als reichsweite Religion« steht im Mittelpunkt der Untersuchungen von Angelos Chaniotis, Hubert Cancik, Peter Herz, Matthias Peppel und Konrad HitzL »Die Stadt Rom« wird in den Artikeln von Jörg Rüpke, Ruth Stepper und Babett Edelmann fokussiert. »Regio nale Studien« bilden das Arbeitsfeld von Kaja Harter-Uibopuu, Heike Kunz und Jürgen Süß. »Christentum und Spätantike« werden durch die Aufsätze von Christoph Auffarth und Pedro Barcelo einbezogen 6. Wir danken den Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus dem For schungsschwerpunkt, und besonders den Gästen aus Heidelberg und Wien, für kontroverse, kooperative, kreative Arbeit, Die Deutsche For schungsgemeinschaft hat diese Fachtagung im Rahmen des Projektes »Rö mische Reichs- und Provinzialreligion« gefördert Die Gastgeber im Ta gungshaus der Universität Tübingen (Heinrich-Fabri-Institut, Blaub euren, Alb) hab'en uns kompetent und freundlich betreut. Die Herren Matthias Osthof und Dr. Wolfram Schneider-Lastin haben Disketten und Manu skripte mit mehr Geduld und Mühe bearbeitet, als anfänglich benötigt zu werden schienen Der Verlag Mohr Siebeck hat den Band bereitwillig in sein religionswissenschaftliches Programm aufgenommen. Ihnen allen gilt unser Dank. Tübingen und Lustnau im Oktober 2002 Hubert Cancik
Konrad Hitzl
Inhaltsverzeichnis Vorwort
. . *
V
Die Herrscherverehrung als reichsweite Religion ANGELOS CHANIOTIS
Der Kaiserkult im Osten des Römischen Reiches im Kontext der zeitgenössischen Ritualpraxis
3
HUBERT CANCIK
Der Kaiser-Eid Zur Praxis der römischen Herrscherverehrung
29
PETER H E R 2
Neue Forschungen zum Festkalender der römischen Kaiserzeit
47
MATTHIAS PEPPEL
Gott oder Mensch? Kaiserverehrung und Herrschaftskontrolle
69
KONRAD HITZL
Kultstätten und Praxis des Kaiserkults anhand von Fallbeispielen
97
Die Stadt Rom JÖRG RÜPKE
Kaiserliche Religionspolitik und priesterliche Rekrutierungs mechanismen. Überlegungen zur Elitenformation am Beispiel der Sodalitäten des Herrscherkultes in Antoninianischer Zeit
.
131
RUTH STEPPER
Der Kaiser als Priester: Schwerpunkte und Reichweite seines oberpontifikalen Handelns
157
Inhaltsverzeichnis
X BABETT EDELMANN
Arvalbrüder und Kaiserkult. Zur Topographie des römischen Kaiserkultes
.
189
Regionale Studien KAJA HARTER-UIBOPUU
Kaiserkult und Kais erver ehrung in den Koina des griechischen Mutterlandes
209
HEIKE KUNZ
Kais erver ehrung und Kaiserkult in der Provinz Sicilia. Traditionen - Formen - Organisation
233
JÜRGEN SÜSS
Kaiserkult und Urbanistik Kultbezirke für römische Kaiser in kleinasiatischen Städten
249
Christentum und Spätantike CHRISTOPH AUEFARTH
Herrscherkult und Christuskult
.
' 283
PEDRO BARCELÖ
Beobachtungen zur Verehrung des christlichen Kaisers in der Spätantike
319
Register Topographisches Register Personen- und Götternamen Begriffs- und Sachregister
341 341 346 353
Adressenliste der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
361
Kurzbiographien der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
365
Die Herrscherverehrung als reichsweite Religion
Der Kaiserkult im Osten des Römischen Reiches im Kontext der zeitgenössischen Ritualpraxis von ANGELOS CHANIOTIS
1. Ritualtransfer und Rekursivität von Ritualen im Kaiserkult Kurz vor der Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. kam ein gewisser Alexandros in seine Heimatstadt zurück, das kleine und völlig bedeutungslose Städtchen der südlichen Schwarzmeerküste Abonouteichos. Mit Hilfe ei nes Orakelspruches überzeugte er seine Mitbürger, einen Tempel zu er richten, in dessen Baugrube Glykon, 'der neue Asklepios, in Gestalt einer Schlange in Erscheinung treten sollte. Das neue Heiligtum wurde Sitz eines Orakels, einer Heilstätte und eines Mysterienkultes. Alexander bot somit in einem Paket, was die Gläubigen bislang oft in mehreren Heilig tümern suchen mußten. Eine ganze Reihe von Elementen im Kult des Glykon sind eindeutig als Übernahmen aus anderen zeitgenössischen Kul ten zu erkennen: Die Art der Befragung des Schlangengottes erinnert an die Orakelbefragung Apollons in Korope, des Amphilochos in Mällos und eines Kultes in Thyatteira; die Bezeichnungen für das Kultpersonal (exegetes, keryx, theologos, hypophetes usw.) entsprechen genau jenen anderer Heiligtümer, vor allem von Mysterienkulten; auch das Singen von Hym nen spielte wie in vielen anderen Kultzentren eine zentrale Rolle; und die Mysterien des Glykon, mit Hierophanten und Dadouchos, mit dem Ritual der Prorrhesis, der Ausweisung der Gegner des Kultes, und dem Dromenon - einem sakralen Schauspiel, in dem eine heilige Hochzeit und die Geburt eines göttlichen Kindes dargestellt wurden, erweist sich als ein plumpes Abbild der eleusinischen Mysterien. Die Kultgründung Alexan ders des falschen Propheten stellt, zumindest in der Form, in der Lukian (Alexander oder der falsche Prophet) sie beschreibt, ein Paradebeispiel für zwei zentrale Aspekte der Entwicklung von Ritualen dar: für den Ritual-
Angelos Chaniotis
4
transfer und für die Rekursivität von Ritualen.1 Der Begriff des Ritual transfers bezeichnet die Übertragung alttradierter Rituale in einen neuen kultischen, ideologischen, sozialen und z. T. räumlichen Kontext - in die sem Fall werden z. B. rituelle Praktiken des eleusinischen Kultes aus ihrem Kontext gerissen und an einen anderen Ort, aber auch in einen anderen kultischen Kontext verlagert. Die Rekursivität von Ritualen bezeichnet die selektive Übernahme einzelner Handlungen, Handlungssequenzen oder Äußerlichkeiten (z. B. Kleider, Bilder usw,)7 die eigentlich in anderen, z. Tganz andersartigen Kulten ihren Platz haben, durch einen neu gegründeten oder neu gestalteten Kult. Der Gründer oder Neugestalter des Kultes er findet in der Regel keine neuen Rituale, sondern rekurriert auf bereits vorhandene Rituale und verbindet sie in ein neues Ganzes. Und dieses neue Ganze verdankt seine Besonderheit nicht der Eigenart jedes einzel nen Rituals, sondern der eigenartigen Kombination. Alexanders Unter nehmen war lange Zeit erfolgreich. Zu diesem Erfolg verhalf ihm die Tat sache, daß einzelne Elemente seines Kultes den Kultteilnehmern vertraut waren, zum Teil aber auch die Tatsache, daß die geschickte und einzigar tige Verbindung heterogener Elemente seinem Kult ein besonderes Profil gab und ihn - bei allen Ähnlichkeiten - von allen anderen zeitgenössischen Kulten unterschied. Die Begriffe von Ritualtransfer und Rekursivität von Ritualen sind bis zu einem gewissen Grade dafür geeignet, auch die Gestaltung, Aufnahme, Rezeption und Praktizierung des Kaiserkultes in den östlichen Provinzen des Reiches, mit denen ich mich hier ausschließlich befassen werde, zu verstehen. Die Betonung liegt aber auf dem Zusatz »bis zu einem gewissen Grad«. Denn die Beschäftigung mit dem Transfer und der Rekursivität von Ritualen ist gezwungenermaßen eine einseitige Beschäftigung mit der Rolle von Akteuren, mit der Rolle jener Männer (wir müssen davon aus gehen, daß es sich in der Regel um Männer handelt), die aktiv die Initiative für die Gestaltung des Kaiserkultes ergriffen; sie kann nur eine Beschäf tigung mit Ritaalexperten sein, mit Mitgliedern der Elite einer Stadt oder einer Provinz - denn auch dies muß man stillschweigend voraussetzen, daß nämlich die Rituale als standardisierte und demnach normierte und inszenierte Handlungssequenzen das Produkt der Tätigkeit von Personen sind, die Nonnen einführen und vermitteln,2 Der Kaiserkult hatte aber 1 Unter den wichtigsten Arbeiten der letzten Zeit zu Alexander voii Abounoteichos sind zu nennen: MIRON 1996; SFAMENI GASPAÄRO 1996 und 1999; VICTOR 1997. Zum Ritualtransfer und zur Rekursivität von Ritualen im Kult des Glykon
s. CHANIOTIS 2002a. 2
Hierzu s. CHANIOTIS 2002b und 2003a.
Der Kaiserkult im Osten des Römischen Reiches
5
nicht nur seine Akteure und Regisseure, sondern auch seine Zuschauer und Rezeptoren; um ihn als ein Phänomen der zeitgenössischen Ritual praxis richtig zu verstehen, muß man auch die Rezeptoren des Kaiserkul tes berücksichtigen. Dies ist außerordentlich schwierig, Wir haben zwar normative Texte (Regelungen des Kultes), uns fehlen aber performative Ritualtexte (Hymnen und Gebete) und vor allem deskriptive Texte (Be schreibungen des Vollzugs von Ritualen, wie etwa Kallixenos' Beschrei bung der Pompe der Ptolemaia in Alexandrien). Wir kennen einige Nor men des Kaiserkultes, aber über ihre Durchführung und ihre Wahrneh mung lassen uns die Quellen im Stich, Erst über Umwege können wir diese Aspekte - und dann nur unzureichend - studieren. Wir können z. B. nach Hinweisen auf Spannungen, auf ein mangelndes Interesse an oder sogar auf Ablehnung der Rituale des Kaiserkultes suchen, die Strafan drohungen bei nicht Vollzug der Rituale, wie im Falle des hieros nomos von Gytheion (SEG XI 923 Z. 30-32, 40-41) sind wohl als Hinweise auf solche Spannungen zu deuten. Ich folge einem anderen Umweg: Ich möchte die Rituale des Kaiserkultes vor dem Hintergrund der kaiserzeit lichen Ritualpraxis bei der Götterverehrung untersuchen, um so Konver genzen und Unterschiede festzustellen, die vielleicht Einblicke in die Stel lung des Kaiserkultes im religiösen Leben im Osten des Reiches geben. Regionale Untersuchungen des Kaiserkultes sind gewiß nützlich; ihre mi kroskopische und möglichst kontextnahe Analyse von Phänomenen ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Rekonstruktion des großen Bil des; aber auch dieses große Bild muß man von einer gewissen Distanz betrachten, um es überhaupt vollständig wahrnehmen zu können. Ich wer de hier versuchen, die Konvergenzen zwischen den rituellen und zere moniellen Praktiken des Kaiserkultes im östlichen Teil des Römischen Reiches und den zeitgenössischen Ritualen der Götterverehrung an we nigen ausgewählten Beispielen aufzuzeigen, dabei werde ich aber stets auch auf die methodischen Probleme unserer Beschäftigung mit den Quel len hinweisen - vor allem mit epigraphischen Quellen. ■ Die rituellen und zeremoniellen Praktiken des Kaiserkultes weisen be kanntlich viele Gemeinsamkeiten zum hellenistischen~Herrscherkult auf3 Wie der Herrscherkult so besteht auch der Kult des Kaisers aus einem Triptychon von Handlungen: der Prozession, dem Opfer und dem Wett3
S. z. B. PRICE 1984a, 23f.; Price (ebenda, 88-91) unterstreicht zu Recht auch die Übernahme römischer Praktiken; für die römischen Rituale s. CLAUSS 1999. Die Bibliographie zum hellenistischen Herrscherkult ist sehr umfangreich. Zu den Ri tualen s. ecwa HABICHT 1970,139-144,147-153; LANCIEKS 1993; THOMPSON 2000; CHANIOTIS 2003b.
Angelos Chaniotis
6
kämpf. Dieses Triptychon macht ein Fest aus; der Ausdruck pompe kai thysia kai agon ist gewissermaßen ein Synonym des Wortes heorte. Alle Untersuchungen des hellenistischen Herrscherkultes betonen die Tatsa che, daß der hellenistische Herrscherkult eine starke Parallelität zur kul tischen Verehrung der Götter aufweist,4 und so überrascht es auch nicht, wenn sich der Kaiserkult in seiner äußeren Form und im Vokabular der Verehrung vom Kult der Götter nur wenig unterscheidet. Dies läßt sich in zahllosen Einzelheiten feststellen, und es war sicher beabsichtigt. In einer Kultregelung aus Mytilene wird z. B. die lex sacra über den Kult des Zeus {Diakos nomos) ausdrücklich als das Vorbild genannt, dem die Rituale der Geburtstagsfeier für Augustus folgen sollte.5 Ich werde mich im folgenden etwas ausführlicher mit solchen Einzelheiten befassen, weil sie für Trans fer und Rekursivität von Ritualen im Kaiserkult von zentraler Bedeutung sind.
2. Die Inszenierung und die Rituale des Kaiserfestes 2.1.
Geburtstag
Fangen wir mit dem Anlaß für das Feiern des Festes für den Kaiser an. In der Regel handelt es sich um den Geburtstag des Kaisers.6 Ebenso wurden wichtige Götterfeste am Geburtstag von Göttern gefeiert, z. B. die Thargelia am Geburtstag Apollons (7. Thargelion), die Panathenaia am Ge burtstag Athenas (28, Hekatombaion), das Fest der Artemis in Ephesos am Geburtstag der Göttin (6. Thargelion). 7 Diese Praxis stellt man auch bei den meisten Festen für hellenistische Herrscher 8 sowie bei den Feiern (eponymoi bemerai) für andere Sterbliche fest.9 Diese Praxis war so weit verbreitet, daß ich mich hier auf wenige Belege beschränken kann. Der Geburtstag des Augustus in Athen wurde nach dem Vorbild der Geburts tagsfeier für Apollon gestaltet.10 Eine Inschrift aus Lyttos auf Kreta be richtet von der Weihung einer Statue an Trajan; dies wurde mit Geld fi4
S. z. B. HABICHT 1970, 195-200.
5
IGRIV 39 A Z. 7-4: Agon; A Z. 19-20: Opfer. 1984a, 103-105, 118, 218- S. auch CHANIOTIS -
*PRICE
RETHEMIOTAKIS
1992,
32; HOFF 1992, 230f. 7
Apollon: DEUBNER 1966, 179 Athena: ebenda, 23; Artemis: LEphesos 27. S. z. B. HABICHT 1970, 148, 156; GAUTHIER 1989, 64-67. ♦ Z. B. IscrCos ED 263; LEphesos 2223a; LTralles 220; J. BINGEN 1990 (Antinoos). 10 SEG XVII 34; vgl. hierzu MAVROJANNIS 1995, 92-94. 8
Der Kaiserkult im Osten des Römischen Reiches
7
nanziert, das eigentlich für Schaustellungen anläßlich des Geburtstags des Kaisers bestimmt war, aber nicht vollständig ausgegeben worden war.11 Das Geld, das für einen sakralen Zweck bestimmt war, aber nicht voll ständig ausgegeben wurde, durfte nicht »zweckentfremdet« an die Stadt kasse zurückfließen, sondern wurde für eine weitere Weihung an den Kai ser, also weiterhin für einen sakralen Zweck, verwendet.12 Die nächsten Parallelen liefern uns zwei Inschriften aus Stratonikeia, die nicht den Kai serkult, sondern ein städtisches Fest betreffen. Die Stadt weihte Jahr für Jahr Statuen des Wohltäters Flavianus Hekatodoros vom Restbetrag des Geldes, das er für Spektakel vermacht hatte. 13 Wie im Falle des Götter kultes, bei dem monatliche Opfer immer am gleichen Tag (z. B. dem 7. Tag fürApollon) stattfanden, so wurde auch der Geburtstag des Kaisers häufig nicht nur einmal im Jahr gefeiert, sondern jeden Monat am gleichen Tag, so z. B. in Pergamon.14 2.2. Inszenierung Weitere Übereinstimmungen des Kaiserkultes mit der Verehrung der Göt ter treten zu Tage, wenn wir das Fest des Kaisers betrachten. Eine Heorte bestand aus drei Teilen: Prozession, Opfer mit Bankett und Agon. Die Prozession war seit der frühesten Zeit ein Ritual, das ohne Inszenierung gar nicht stattfinden konnte: Man mußte den Ausgangsort und den Zeit punkt des Beginns der Prozession bestimmen, die Route, die Reihenfolge der Teilnehmer, ihre Kleidung, die musikalische Begleitung, möglicher weise die Stationen. Seit der hellenistischen Zeit beobachtet man ein ge steigertes Interesse an der Inszenierung der Prozession. Die einschlägigen Kultregelungen befassen sich immer weniger mit rein rituellen Aspekten, wie mit der Farbe und dem Geschlecht des Opfertieres, und immer mehr mit der Kleidung der Teilnehmer, ihrer Anordnung nach organisatorischen Prinzipien und hierarchischen Strukturen, mit Ordnung, mit dem Glanz der Prozession durch die Teilnahme von Reitern, Musikern und beliebten 11 I.Cret. Ipcviü 23: »vom Restbetrag der Schaustellungen (tbeoria) für den Ge burtstag des Dominus«; zu diesem Text s. H.W. PLEKETS Kommentar in SEG XLin 724. 12 Zu diesem Phänomen s. z. B. IG X 2.2.1, 300 und mit meinem Kommentar in EBGR 1999 [2002], Nr. 73 und 131. 13 SEG XLIII 724-725: ek pleonasmatos hon apelipe theorion. Vgl. hierzu H.W. PiXKrrs Kommentar in SEG XLIII 724 und meinen Kommentar inEBGR 1993/94 [1997], 311 Nr. 255. 14 IGRIV 35: emmenos genesios ton Sebastou; s. auch PRICE 1984a, 118.
Angelos Chaniotis
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Athleten, durch das Tragen von Kränzen und prächtigen Kleidern, mit der Schönheit und Größe der Opfertiere, mit dem Tragen von Kultgegenstän den durch Spondophoren, Hieraphoren, Kalathephoren, Skeptrophoren, Pyrphoren, Kanephoren, Athlophoren, Lampadophoren, Kleidophoren usw. ls Auch in der Kaiserzeit befassen sich die normativen Texte mit der Inszenierung des Rituals. Die Kultregelung über den täglichen Dienst des Priesters im Asklepieion von Epidauros läßt trotz des sehr fragmentari schen Erhaltungszustandes des Textes doch das Interesse an einer Insze nierung erkennen. Dies spiegelt sich in den sehr detaillierten Anweisungen an den Priester wider, die exakt festlegen, wo, wann und wie er die Rituale durchführen soll. Der Ort wird genau angegeben (z. B. »im Inneren des Gebäudes, im Metroion,« »im Kultbau Aphrodites,« »vor der vorderen Tür«), die Türen werden genau angegeben, durch welche der Priester ein zelne sakrale Räume betreten soll, der Zeitpunkt jeder Handlung wird bestimmt (z. B. »in der ersten Stunde«), ja sogar der für einzelne Kultfunkrionäre vorgesehene Platz (»der Priester legt sich in der Mitte hin«, »der Pyrphoros setzt sich auf einen Thron«).16 All dies werden wir in den Texten, die den Kaiserkult betreffen, wie derfinden. Das Interesse für die Kleidung der offiziellen Teilnehmer er kennen wir z. B. in der Stiftungsurkunde der Demostheneia in Oinoanda:17 Demosthenes stiftete eine goldene Krone mit getriebenen Portraits von Hadrian und Apollon, die vom Agonothetes getragen werden sollte. Sol che Kronen sind fester Bestandteil der Kleidung der Kaiserpriester.lg Der artige Priesterkronen haben eine lange Tradition im griechischen Kult. Eine solche Krone - für den Kult des Sarapis bestimmt - fand man im ägyptischen Kysis;19 es handelt sich um eine goldene Krone, die eine Sta tuette des Sarapis stützt. Auch der Ausdruck stephanos tou theou (»Krone des Gottes«) bezeichnet wahrscheinlich mit dem Bild des Gottes verzierte Kronen.20 Die Inschrift aus Oinoanda ordnet an, daß der Agonothet die 15
Ausführlich zu diesem Thema s. CHANIOTIS 1995 und 1997a, 245-243. S. auch
KÖHLER 1996 (vgl. CHANIOTIS 1997b). 16
LSCG Suppl. 25 A 2, 4-5, 8, 10-12, B 19, 22, C 23.
17
WÖRRLE 1938 (SEG XXXVIII 1462); vgl. ROGEFS 1991.
18
RUMSCHEID 2000, 8-11, 39, nimmt zwar in dieser sehr verdienstvollen Arbeit an, daß diese Kronen nur für Agonotheten bestimmt waren und von Priestern des Kaiserkultes nur in ihrer Eigenschaft als Agonotheten getragen wurden. Diese Mei nung kann ich nicht teilen, wie ich an anderer Stelle (EBGR 2000 [2003]) ausführen werde. 19 REDDE 1989, 431-433, 440f. 20 Z. B. in Syll.3 708 Z. 29 (btros, ca. 100 v. Chr.) und SEG XLIII 773 IX. 23f. (Ephesos, 2. Jh. v. Chr.). Hierzu s. ROBERT 1960a, 459 mit Anm-2; vgl. auch den Ausdruck ho para tou theou stephanos-. RIGSBY 1999.
Der Kaiserkult im Osten des Römischen Reiches
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vorhin genannte goldene Krone und ein Purpurgewand tragen sollte (SEG XXXVIII 1462 Z. 56-57). Ähnlich ordnet eine koische Kultregelung an, daß der Nike-Priester einen purpurnen Chiton, goldene Ringe und einen Kranz aus jungen Zweigen tragen soll; der Priester des Dionysos in Skep sis trug einen goldenen Kninz, ein purpurnes Gewand und die zum Ge wand passenden Schuhe.21 Die Kleiderordnung ist auch sonst Gegenstand der Urkunde aus Oinoanda: Die zehn Sebastophoroi sollen mit weißem Gewand und Selleriekranz die Kaiserbilder u n d das Bild Apollons tragen (Z. 62-63). 23.
Tragen von Statuen
Auch das Tragen von Götterstatuen, das in Oinoanda am Agon des Kai sers eine so wichtige Rolle spielt, gehört zu den beliebten Ritualen des Götterkultes, vor allem seit der hellenistischen Zeit.22 An der Spitze der Prozession für Zeus Sosipolis in Magnesia am Mäander trug z. B. der Stephanephoros die hölzernen und schön bekleideten Statuetten der 12 Götter (LSAM 32). Seit der hellenistischen Zeit begegnet uns auch der Ausdruck agalma pompikon als Bezeichnung solcher in Prozessionen ge tragener Statuen.23 Im hellenistischen Herrscherkult ist dies eine Rand erscheinung,24 aber das Tragen des Bildes des Kaisers wird zu einem der wichtigsten Rituale des Kaiserkultes.25 Dieses Ritual ist sowohl direkt als auch indirekt durch die Bezeichnungen sebastopboros> eikonophoros und komistes theion protomon belegt 26 Von der Inschrift aus Oinoanda war bereits die Rede (SEG XXXVIII 1462 Z. 62: propompeusousin tos sebastikas eikonas). Ein bekanntes Reskript von Antoninus Pius aus Ephesos betrifft die Erhaltung und Pflege der silbernen Kaiserbilder;27 eine Steuer für die Pflege von Kaiserstatuen, die nicht als Kultstatuen dienten, sondern in Prozessionen getragen wurden, ist uns durch eine Gruppe von Ostraka in Ägypten belegt, die zuletzt von D . Fishwick studiert worden sind.23 Eine vor wenigen Jahren veröffentlichte Inschrift belegt darüber hinaus die 21
LSCG 163 Z. 3-12; SEG XXVI 1334 Z. 11-12. BÖMER 1952,1900-1994; CHANIOTIS 1995, 153 mit Anm. 94. 25 ROBERT 1931, 530t Z. B. TAM III136. 24 Bilder der Herrscher werden in der Prozession der Ptolemaia in Alexandrien mitgeführc; s. RICE 1983, 102-110. 22
25
26
PRICE 1984a, 189-190; CIAUSS 1999, 304.
Sebastopboros: z.B. SEG XXXIX 1462 Z.61; XLIV 1187; eikonophoros-.MAMA IX 131; komistes theion protomon: P.Oxy. 519 und 1265 Z.9. 27
LEphesos 25 = OLIVER 1989, Nr. 9.
28
FISHWICK 1989.
Angelos Chaniotis
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Existenz eines Vereins in Alexandrien, der der Pflege der Ikonen der Kaiser und dem Kult von Faustina Pharia Sosistolos gewidmet war.29 Die Häufung von Zeugnissen in Ägypten ist natürlich nicht zufällig und hängt sicher mit der lokalen Tradition zusammen, Götterstatuen am Fest zu tragen. 2A.
Opfer und Bankett
Der Höhepunkt der Prozession ist das Erreichen des Altars und das an schließende Opfer. Opfertiere wurden sowohl für das Wohlergehen des Kaisers als auch an den Kaiser geopfert,30 und dabei wird das für das olympische Opfer charakteristische Wort tbysia (nicht etwa, enagismos) verwendet. Das Ehrendekret für den Wohltäter Epameinondas von Akraiphia beschreibt seine Tätigkeit mit folgenden Worten (IG VII 2712 Z. 22-31): »Am Fest, nachdem er dem Hermes, dem Herakles und den Augusti einen Stier geopfert hatte, veranstaltete er einen Agon; ... er op ferte den Augusti einen Stier und bot der Stadt einen Tag lang ein Ban kett.« Beim Opfer für den Kaiser wurden auch die traditionellen Bräuche beachtet, wie die Prüfung der Opfertiere,31 die Bekränzung der Teilneh mer, das Singen von Hymnen (s. u.), das Darbringen von Opferkuchen, das Brennen von Weihrauch, und das Anzünden von Lampen. Eine be kannte Kultregelung aus Pergamon liefert ein anschauliches Beispiel (IGR IV 292): Der Eukosmos (der für schöne Ordnung sorgende Kultbeamte) sollte an der monatlichen Geburtstagsfeier für Augustus und an den an deren Geburtstagsfeiern der Kaiser Kränze für die Sänger der Hymnen, ferner Opferkuchen (popanon)y Weihrauch (libanon) und Lampen (lycbnous) für Augustus zur Verfügung stellen. Zum Opferritual gehört auch das anschließende Bankett.32 Es ist in die sem Zusammenhang zu betonen, daß dem Bankett (demothoinia^ euocbia) als sehr kostspieliger Angelegenheit auch in den Texten, welche die Göt terverehrung betreffen, eine besondere Rolle zugeschrieben wird. 33 Der 29
BERNAND - BERNAND 1998, 97-101 (SEG XLVIII 1960): hoi apo sysseitiou Sebaston eikonon kai Fausteznes Pharias Sosistolou Neas Sebastes. 30 Zu dieser Unterscheidung s. PRICE 1984a, 210-220. Zum Opfer an den Kaiser s. auch CLAUSS 1999, 316-318. 31 S. vor allem die Kultregelung aus Myxilene (IGR IV 39 A; vgl. PRICE 1984a, 217-219). Die Klausel über das Aufziehen der Opfertiere (A 21-29) läßt sich jetzt mit der entsprechenden Klausel eines Kultgesetzes aus Bargylia, das das Opfer an Artemis Kindyas betrifft, vergleichen (SEG XLV 1508); zum Text aus Bargylia s. jetzt auch ZiMMEKMAisnsr 2000. 32 S. z. B. IG VII 2172; SEG XLIII 717-718. Zum Bankett in der hellenistischen Zeit s. SCHMITT PANTEL 1981, 85-99 und 1992, 415-418. 33 S. z.B. die Initiative des Damas in Milet: HERJRMANN 1997, Nr. 134.
Der Kaiserkult im Osten des Römischen Reiches
H
Text von Akraiphia ist ein gutes Beispiel für die Verflechtung von Kaiserund Götterverehrung (IG VII 2712 Z. 55-90): Der Agon der Ptoia zu Ehren Äpollons haue seit 30 Jahren nicht mehr stattgefunden, als Epameinondas das Amt des Agonothetes freiwillig und mit großem Eifer übernahm. Er erneuerte den Agon, kombinierte ihn aber auch mit der Verehrung der Kaiser {Ptoia kai Kaisar eia). Als die Zeit des Agons kam, verteilte er Brot und Wein an Bürger und ansässige Fremde gleicherma ßen;34 er veranstaltete in großem Stil die von den Vätern überlieferten Prozessionen und führte in gottesfürchtiger Haltung den traditionellen Reigentanz durch, brachte den Göttern und den Augusti Stieropfer dar, verteilte das Opferfleisch und organisierte Frühstück, Süßweinempfang und Abendessen zehn Tage lang; seine Frau lud die Frauen und Kinder sowie die erwachsenen Sklaven und Sklavinnen zum Bankett ein. Er war der erste, der auch die Skenetrien nicht vergaß. Und bei den Schaustellun gen der thymelischen Agone bot er im Theater süßen Wein, so daß seine Großzügigkeit auch in den Nachbarstädten berühmt wurde. 2J. Weihungen Eine Gruppe von Inschriften übertrifft in ihrer Zahl alle anderen Zeug nisse für den Kaiserkult: die an Mitglieder des Kaiserhauses adressierten Weihinschriften. Nicht jede Inschrift auf einer Statuenbasis, die einen Kai ser nennt, ist allerdings eine Weihinschrift an einen Kaiser; leider werden gelegentlich Texte, in denen der Kaiser im Akkusativ genannt wird, als Weihinschriften mißverstanden, obwohl sie eigentlich nur die Errichtung einer Kaiserstatue belegen, nicht die Weihung einer Statue an den Kaiser. Aber auch nicht alle Inschriften, in denen der Name des Kaisers im Dativ steht, sind unbedingt als religiöse Weihungen an den Kaiser zu deuten und noch weniger belegen sie eine göttliche Verehrung des Kaisers. 1999 ver öffentlichte Hasan Malay eine späthellenistische Inschrift aus dem Muse um £esme mit folgendem Inhalt:35 »Euxenos, Sohn des Euxenos, nachdem . er von den'ihn bedrohenden Gefahren gerettet worden ist, (>weihte<) als Geschenk der Dankbarkeit (cbaristerion) an Apollon Nisyrites Soter und an Artemis Epiphanes und an Hermogenes, Sohn des Timokrates, der ihn mit Wohlwollen behandelt hat«. Der Name des Hermogenes steht genau wie die Namen von Apollon und Artemis im Dativ. Auch er ist als Emp■
M
Zu Brot und Wein bei solchen Festen s. zuletzt JONES 1999, 8-17. 1999, Nr. 118. S. auch meinen Kommentar in EBGR 1999 [2002], Nr. 148. 35
MALAY
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fänger des Geschenkes genannt, m, E. weil er als Arzt Euxenos behandelt hatte. Daß Hermogenes von Euxenos kultisch verehrt wurde, ist ebenso wenig aus diesem Text zu schließen wie aus vielen anderen ähnlich for mulierten Inschriften für Ärzte, die zusammen mit Göttern genannt sind. Ähnlich darf man im Falle von »Weibinscbriften« an den Kaiser aus einem Dativ nicht unbedingt eine kultische Verehrung erschließen. Ein charak teristisches Beispiel hierfür ist eine Inschrift trajanischer Zeit aus Pbüadelpheia (SEG XL 1059, 116/117 n. Chr.). »Für Imperator Nerva Traianus Caesar Augustus Germanicus Dacicus Parchicus Optimus und die Katoikia hat Neoptolemos Markos, Sohn des Diodotos, Sieger an den Nemea von eigenem Geld die Statue des Zeus Soter aufgestellt«. Auf den ersten Blick würde man meinen, daß es sich hier um eine Weihung der Statue eines Gottes (Zeus) an einen anderen Gott (Trajan) handelt - also um einen »visiting Gott«; aber auch das Wort katoikia (Dorfgemeinde) steht im Dativ, obwohl die Katoikia kein Empfänger kultischer Ehren war (vgl. unten § 4). Die Sache läßt sich m. E. nicht eindeutig entscheiden, und das Vermeiden eines Verbes {anatithemi^ aphieroo^ kathieroo) macht die Entscheidung nicht gerade leichter. Es scheint mir aber wahrscheinlich, daß der Dativ hier und in ähnlichen Fällen eher als Hinweis auf ein Ge schenk denn als Hinweis auf kultische Verehrung zu verstehen ist Es gibt aber ganz eindeutige Fälle, in denen wir es mit einer Weihung zu tun haben, ja sogar mit dem Vollzug von Weiheritualen, die in der Regel leider nicht näher erläutert werden. Daß die Aufstellung von Statuen mit Bitaalen verbunden war, zeigt eine Inschrift aus Iasos (SEG XLHI 718, frühes 3, Jh. n. Chr.). Der Kaiserpriester M. Aurelius Daphnous Kataplous weihte im frühen 3. Jh. Sutuen (andriantes^ sicher keine Kultsutuen); ihre Aufstellung war mit einem Opfer (ygL Z. 18/19: tois syntbysasi) und einem Bankett verbunden, in dem der großzügige Priester alten Wein spendete. Selbst in christlicher Zeit führten die letzten Heiden Weiherituale im Zu sammenhang mit der Aufstellung von Sutuen durch. So stellte der Prätorianerpraefekt Flavius Eutolrnius um 390 in Aphrodisias »nach Vollzug der traditionellen Weiherituale« eine Sutue von Honorius auf.36
2.6.
Hymnen
Der Kaiserkult ist jedoch nicht allein ein Fall von Ritualtransfer, d. h, vom Übertragen alttradierter Rituale in einen neuen kultischen, ideologischen, * ROOTCH£ 1989, Nr. 25. Für das Verb kathieroo in diesem Kontext vgl. LPerge 56, 60-61, 65.
Der Kaiserkuk im Osten des Römischen Reiches
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sozialen und z. X räumlichen Kontext, noch wird er nur von älteren Tra ditionen gespeist; er ist vielmehr auch das Ergebnis aktueller Entwicklun gen in der Ritaalpraxis. Diese Konvergenz stellt man nur durch einen Vergleich mit Entwicklungen in den kaiserzeitlichen Ritualen fest, etwa in der immer wichtigeren Rolle des Singens von Hymnen im zeitgenössi schen Kult. Alexander von Abonouteichos liefert hierfür ein gutes Bei spiel 37 Er forderte die Städte von Paphlagonien und Pontos auf, Knaben chöre zu entsenden, um für den Gott lobende Hymnen zu singen. Die Knaben stammten aus den besten Familien und sollen von besonderer Schönheit gewesen sein. Das Singen von Paianen ist bekanntlich mit dem Kult des Asklepios aufs engste verbunden, und so wäre es an sich nicht erstaunlich, wenn die Hymnoidie auch im Kult Glykons, des Neuen As klepios, eine so herausragende Stellung eingenommen hätte. Die regel mäßige Entsendung der Chöre läßt sich aber nicht nur so erklären; sie ist auch nicht nur-Teil der Strategie Alexanders, die Eliten der Nachbarstädte institutionell mit seinem Heiligtum zu verbinden oder seinen aus schönen Knaben bestehenden Harem zu vergrößern, wie Lukian behauptet. In der Kaiserzeit beobachten, wir eine wachsende Bedeutung der Hymnodie, die auch mit einer Verinnerlichung des Rituals zusammenhängt, mit dem Be dürfnis, die Götter mit Worten, nicht mit Taten zu ehren, mit einer Ten denz, das Interesse vom mechanischen Vollzug des Rituals auf das Lob der Macht und der Güte des Gottes (aretalogia, eulogia^ hypsosis) zu verla gern.38 Ein Orakelspruch Apollons in Didyma bringt dies deutlich zum A u s d r u c k t »Ihr Unseligen, was sollen mir wohlgenährte Hekatomben von Schafen, glänzende Statuen aus reichem Gold oder Standbilder, die aus Silber oder Erz kunstvoll hergestellt sind? Die Götter sind keines Besitzes bedürftig, sondern dessen, was alter Brauch ist - daran haben sie ihre Freude. Immer ist es fromm, wenn die Knaben wie früher bei meinem Tempel Hymnen singen, zu dem Augenblick, wenn die sich drehende Tür angel im Begriff steht, den Orakelspruch aus dem unbetretbaren Inneren zu offenbaren. Ich habe Freude an jedem Gesang, selbst wenn es ein mo~, derner ist; sehr aber, wenn er alt ist; am meisten aber, wenn er uralt ist, denn so ist es am besten. Für frommen Sinn gegen Gott wird es immer unverkürzten Dank geben. Mit Hymnen habe ich einst zum erstenmal die 37
LTJTCIAN,
Alexander 41. Diskussion bei
VICTOR
1997, 49-50, 159-160;
CHA-
NIOTIS 2002a, 76-77. \ n
Zu Aretalogien s. MEKKELBACH 1995, 214-224. Für eulogeo und hypsoo s. die zahlreichen Belege in den Beichnnschriften: PETZL 1994, Nr. 16, 20, 33, 34, 36, 37, 44, 54, 59, 60, 62-64^68, 69, 80, 96, 97,101. 39 I.Didyma 217; Übersetzung bei MERKELBACH - STAUBER 1998, 76-77.
Angelos Chaniotis
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vielschadenden Krankheiten vertrieben, indem ich die Leid bringenden, vei-wünschten Fäden der Moiren erweicht habe.« Auch eine aus dieser Zeit, dem 2. Jh. n. Chr., stammende Inschrift von Stratonikeia ist auf schlußreich. Sosandros, Sekretär des Rates und Möchtegerndichter, stellte den Antrag, 30 Knaben auszuwählen, die jeden Tag in einer Prozession zu den Statuen des Zeus und der Hekate vor das Rathaus ziehen und einen von ihm verfaßten Hymnus singen sollten.40 Die Begründung interessiert uns hier »Es ist angemessen, daß wir unsere Eusebeia gegenüber den Göt tern auch mit der prosodos (Bitte) und mit der tbreskeia (Religiosität) zei gen, die durch das Singen von Hymnen zum Ausdruck kommt.« Ein Ora kel, das in Ephesos gefunden -wurde, aber Koloe oder Sardeis betrifft (ca. 165 n. Chr.), empfahl als Mittel gegen die Pest, eine Statue der Artemis zu holen, und schloß mit den folgenden Worten: »Wenn ihr meine Befehle für die Göttin ausgeführt habt, dann verehrt sie, die Pfeile schleudernde, un bezwingbare, weithin treffende, vielgerühmte, scharfblickende Jungfrau, mit Hymnen und Opfern, und bei Reigen und festlichem Schmause sollen die Mädchen und die Knaben die Jungfrau preisen ...«41 Wenn wir auch im Kaiserkult eine starke Präsenz von Hymnoden beobachten42 oder nach dem Vorbild der tbeologoi und aretalogoi auch sebastologoi für die Lob preisung der Kaiser eigeführt wurden,43 so ist dies auch Folge der zeitge nössischen Tendenzen. 27. Ästbetisierung des Rituals Auch wenn man epigraphisch überlieferte Regelungen, die den Kult des Kaisers betreffen, mit zeitgenössischen Kultgesetzen vergleicht, zeigen sich viele Parallelitäten, so in der Verwendung verschiedener Kultparaphernalia (wie tragbare Statuen, Weihrauchbrenner, Bankettische u. ä.) so wie in der starken Einbeziehung der Jugend (z.B. SEG XXXVIII 1462 Z. 65-67). Eine Konvergenz mit der zeitgenössischen Ritualpraxis ist aber vor allem in der Ästhetisierung des Rituals zu beobachten. Seit der helle nistischen Zeit häufen sich die Kultregelungen, die auf die Schönheit der Prozession, der Teilnehmer und der Opfertiere Wert legen und das Ritual 40
1.Stratonikeia 1101; LSAM 69. Diskussion und weitere Beispiele bei CHANIO TIS 2003a. 41 SEG XLI 981; Übersetzung von H. Engelmann bei MEKKELBACH - STAUBER 1998, 296-297. 42
S. zuletzt HALPMANN 1990, 21-26 (zu SEG XL 1128); für Rom s. PALMER 1993. Vgl. PRICE 1984a, 70, 88 mit Anm. 43, 90, 105, 118, 209, 247 Anm. 44. 4J
Zu sebastologos s. ROBERT 1960b, 321.
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vor allem als Prachtentfaltung und schönes Spektakel erscheinen lassen wollen.44 Die Dekrete, die Prozessionen betreffen, befassen sich fast aus schließlich mit der Schönheit (kalos), der Ordnung (eutaxia), der Majestät (epipbaneia) und den ästhetischen Aspekten der Prozession (charis). Die verantwortlichen: Magistrate wurden geehrt, weil sie ein schönes Spektakel (theo) angeboten hatten. Auch die Lektüre der zeitgenössischen Quellen verrät eine Transformation der Feste von Kulthandlungen zu Objekten ästhetischen Genusses. In einem Gedicht Theokrits (15, 21-24) bittet eine Frau ihre Freundin, zum Palast mitzukommen, um sich Adonis anzu schauen (tbasomenai). Sie hätte gehört, daß die Königin in jenem Jahr etwas ganz Beeindruckendes vorbereitet hätte. Diese Frauen gingen nicht als Teilnehmer zum Fest, sondern als Zuschauerinnen eines von der Kö nigin inszenierten Spektakels. Das Gedicht Theokrits entwickelt sich dann in eine Ekphrasis, eine Beschreibung dessen, was die Frauen mit staunen den Augen sehen: »Schau mal diese bunten Kleider, wie fein und elegant sie sind, als ob von Göttern genäht.«45 Im 4. Mimos des Herodas wird der Besuch des Asklepiosheiligcums in Kos durch zwei andere Frauen als ein ästhetisches Erlebnis dargestellt und die reiche Ausstattung des Heiligtums mit Skulpturen hervorgehoben. , Diese Tendenz setzt sich ohne Unterbrechung bis in die Kaiserzeit fort. Der bereits erwähnte Antrag des Sosandros von Stratonikeia (s. o. Anm. 40) hat eine sehr deutliche ästhetische Komponente. Sein Antrag betrifft eigentlich das Singen eines Hymnus, die Abfassung eines performativen Ritualtextes. Sosandros' Dekret betrifft aber auch die Inszenie rung der Performanz dieses Texts. Der Hymnus sollte jeden Morgen ge sungen werden. 30 Knaben, alle weiß gekleidet, mit Kränzen auf dem Haupt und Zweigen in den Händen, sollten in einer Prozession, geführt vom Paidonomos und den Paidophylakes, durch die Straßen von Strato nikeia zum Rathaus ziehen. Dort sollten sie vor den Statuen des Zeus und der Hekate Platz nehmen. Ein Herold sollte sie begleiten, offenbar, um mit lauter Stimme um Stille zu bitten und das Gebet zu sprechen. Ein Kitharaspieler sorgte für die musikalische Begleitung.
44 Zum folgenden s. CHANIOTIS 1995 und 1997a, 245-248 (mit weiterer Litera tur). Vgl PRICE 1984a, 110-112. 45 Vgl. GOLDHILL 1994, 216-223. Zur Ansicht, es handele sich hier um die Dar stellung von »women's superficial religiosity« (LAMBERT 2001), gelangt man nur, wenn man dieses Gedicht Theokrits isoliert und nicht vor dem Hintergrund des hellenistischen Materials betrachtet.
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Das Ehrendekret für den Kaiserpriester Apollonios von Kalindoia (1 n. Chr.) ist ein weiteres gutes Beispiel für das gleiche Interesse in der Kais;erzeit/6 Apollonios hatte freiwillig das Amt des Priesters von Zeus, Roma und Augustus angenommen und mit besonderer Prunkentfaltung durchgeführt, »Er hat kein Übermaß an Ausgaben für die Götter und das Vaterland versäumt, indem er die Opfer, die über das ganze Jahr hinweg jeden Monat dem Zeus und Caesar Augustus dargebracht wurden, mit eigenen Mitteln dargeboten hat; er hat den Göttern prachtvolle Ehren (teimas polyteleis) dargebracht, für die Bürger ein üppiges Bankett und Trinkgelage angeboten (bestiasin kai euocbian megalomere\ indem er dem ganzen Volk (pandemei) in volksfreündlicher Art und Weise {ledkos) ein Abendmahl und ein Triclinium anbot, und er hat die Prozession am Tag der Panegyris bunt und sehenswürdig gestaltet (pompen poikilen kai axiotbeaton)\ er veranstaltete extravagante Spiele (agonas polyteleis), die dieser Götter würdig sind.« Der Mann wird ferner für die glanzvollen Leistun gen (epidoseis lamprotatas) gelobt, für die Schaustellungen (tbea kai apate) und das Vergnügen (diacbysis psycbes). Die Inschrift von Oinoanda spricht eine ähnliche Sprache. .Im Abschnitt über die Prozession heißt es z.B. (SEG XXXVIII 1462 Z. 62-65): »Es sollen 10 Sebastophoroi gewählt werden, die, bekleidet mit einem weißen Gewand und einem Selleriekranz, die Kaiserbilder und das Bild des Gottes unserer Ahnen, Apollon, und den vorgenannten heiligen Altar tragen und ziehen und bei den Prozessionen geleiten sollen; ebenso sollen vom Agonothet gewählt werden 20 Mastigophoroi, die in weißen Gewändern ohne Unterkleid und mit Schilden und Peitschen vorangehen und für die Ord nung bei den Veranstaltungen im Theater sorgen sollen.« Es handelt sich nicht nur um Schaustellungen im Theater (Z. 68-69): »Es sollen die Pro zessionen durch das Theater führen und gemeinsam an den Tagen des Festes opfern« (Übers. M. Wörrle). Prozessionen im Theater sind seit der spätklassischen Zeit immer häufiger belegt.47 Solche Prozessionen sind an erster Stelle Spektakel.
46
SEG XXXV 744. CHANIOTIS 1997a, 248 mit Anm. 149. Auch in Gytheion spielt das Theater eine zentrale Rolle im Kaiserkult; s. SEG XI 923 und PRICE 1984a, 109. 47
Der Kaiserkult im Osten des Römischen Reiches
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3. Die Organisation des Kaiserkultes 31. Priester Auch die Organisation der Rituale des Kaiserkultes weist Merkmale auf, die man in der gleichen historischen Periode in der Organisation der Ri tuale des öffentlichen Götterkultes findet. Die Besetzung des Priesteram tes des Archiereus und der Archiereia durch ein Ehepaar (oder ein männ liches und ein weibliches Mitglied der gleichen Familie) sollte m. E. als sicher gelten - auch wenn immer wieder Stimmen gegen diese Annahme erhoben werden.48 Dies scheint auf den ersten Blick eine Besonderheit des Kaiserkultes zu sein, eine Folge der politischen Bedeutung und vor allem der gesellschaftlichen Bedeutung dieses Amtes für die Mitglieder der lo kalen Elite. Es ist aber keinesfalls so. Ähnliches läßt sich auch in Götter kulten - wenn auch nicht sehr oft - feststellen. In Ormelai dienten ein Mann und seine Frau als Priester und Priesterin des Zeus Sabazios, in der Nähe von Thyatteira stellen wir dies im Kult der Thea Hekate Soteira fest.49 Umgekehrt ist die lebenslängliche Besetzung des Amtes des Kaiser priesters,50 ja selbst sein Verkauf belegt.51 Eine Inschrift aus Kos registriert z. B. den Kauf des Priesteramtes des Asklepios und des Augustus durch eine Person für den Betrag von 10.000 Drachmen (IscrCos ED 266). Die Geldstrafen, die Grabschändern auferlegt wurden, waren nicht nur für die Finanzierung von Heiligtümern,52 sondern manchmal auch für den Kai serkult gedacht.53 Private Kultvereine waren nicht nur dem Kult von Göt tern, sondern auch der Kaiserverehrung gewidmet.54
48
S. zuletzt CAMPANILE 1994, 22-25. Ormelai: IGR IV 889; Thyatteira: MAI^Y 1999, Nr. 36. 50 Z. B. IGR III115; LArykanda 38. Die Besetzung eines Priesteramtes dia biou ist im Götterkult ofc belegt; s. z. B. IscrCos 177 Z. 6; LAlexandreia/Troas 9; LAdramytteion 23; I.Knidos 59; LSelge 15 und 20. S. auch WÖRJRLE 1990, 43f. 51 Allgemein zum Verkauf von Priesterämtem s. DEBOKD 1982, 63-75; vgl. WöRJRLE 1990, 44-47. 52 Z. B. STTUJBBE 1991, 34f. und 1997, 364-366 (Index); IPLIK^IOGLU 1991, 20. 53 Z. B. I.Ephesos 3214; TAM V 2,1281; MAMA VIII 552. VgL PKICE 1984a, 85 und 119. 54 PRICE 1984a, 84. VgL die Existenz privater Stiftungen für die Finanzierung von Banketts am Geburtstag des Kaisers (z. B. I.Ephesos 3245). 4$
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18 3.2. Persönliche Initiativen
Ferner spielen auch persönliche Initiativen bei der Gestaltung von Ritua len im Kaiserkult eine ebenso große Rolle wie in der Götterverehrung. Für den Kaiserkult verweise ich auf die Initiativen von Apollonios in Kalindoia (s. o. Anm. 46), des Demosthenes in Oinoanda, des Potens und des Daphnos in Iasos (SEG XLIII 717-718). Auch bei der Götter Verehrung wurden die Regelungen oft aufgrund der Initiative von Individuen geändert.55 Das gleiche gilt in bezug auf Verhandlungen innerhalb einer Gemeinde für die Gestaltung des Kaiserkultes. Bei unseren normativen Texten handelt es sich um Beschlüsse aufgrund von Anträgen, die von Magistraten (seltener von Privatpersonen) gestellt und dann im Rat und in der Volksversammlung besprochen, kritisiere, ergänzt, geändert, abgelehnt oder angenommen wurden. Wir besitzen heute nur das Endergebnis eines Diskussionsprozesses. In. den meisten Fällen können wir aber gar nicht wissen, ob es Widerstand oder Kritik gab, und wir werden auch niemals erfahren, wie viele Anträge über Rituale tatsächlich abgelehnt wurden. Selbst wenn die Anträge von der Volksversammlung angenommen wur den, läßt sich der Grad der Akzeptanz nicht bestimmen. Oppositionen sind schwer zu erahnen. Und in der Regel fehlen uns Hinweise darauf, ob die Mitglieder der Elite nur die Ansichten einer schweigenden Mehrheit artikulierten oder eigene Ideen präsentierten. Ein gutes Beispiel ist die mehrfach erwähnte Stiftungsinschrift der Demostheneia in Oinoanda (SEG XXXVIII 1462). Die ursprüngliche Epangeleia des Demosthenes erwähnt mit keinem Wort den Kaiser; erst der von der Gemeinde geneh migte Text spricht von der Krone mit dem Bild des Kaisers und von der Einbeziehung des Kaisers in das Fest.56 4. Divergenzen zwischen Ritualen des Götter- und des Kaiserkultes Bei allen Konvergenzen fällt aber vor allem der Unterschied zu einer deut lichen kaiserzeitlichen Tendenz in Richtung einer Verinnerlichung der Re ligion auf, die sich in vielen Formen äußerte, z. B. im Singen von Hymnen, in Aretalogien (Lobpreisungen der Götter), in Gebeten, in der Einwei hung in Mysterien, in der persönlichen Frömmigkeit der Weihung, vor allem aber in der Forderung nach einem reinen Herzen. Vereinzelt finden auch im Kaiserkult diese Tendenzen ihren Niederschlag, etwa in der be reits erwähnten Rolle der Hymnen. 55 56
CHANIOTIS 2002b und ROGERS 1991.
2003a.
Der Kaiserkult im Osten des Römischen Reiches
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Eine weitere Tendenz ist die Suche nach einem persönlichen Kontakt zwischen Menschen und Gott. Dies wäre durch eine private Verehrung des lebenden oder des toten Kaisers zu erreichen (Gebete, Gelübde, Weihun gen), aber dies scheint im Osteh des Reiches nur eine geringe Bedeutung besessen zu haben, 57 und dies unterscheidet den Kaiserkult etwa vom pri vaten Herrscherkult des Hellenismus, z. B. vom sehr weit verbreiteten privaten Kult Arsinoes.58 Und doch hat jüngst F. Richard Epitheta wie apobaterios, embaterios und epibaterios mit dem Schutz, den der lebende Kaiser den Seeleuten gewähren sollte, in Verbindung gebracht.59 Das Wohlergehen des Kaisers wurde zumindest indirekt mit dem Wohlergehen der Menschen assoziiert;60 Mitglieder der Kaiserfamilie waren mit Eigen schaften belegt, die auch im privaten Bereich das Leben der Menschen positiv beeinflußten (z. B. Kindersegen).61 Auch Weihungen von Gegen ständen an den lebenden Kaiser sind belegt, etwa in Pessinous, wo ein anonymer Kaiser einem Mann erlaubte, ihm einen kleinen aus Gold und Edelsteinen bestehenden Schatz zu weihen.62 Die Person der Kaiser wurde ferner anscheinend in Mysterienkulten mit einbezogen. Die Mitglieder ei nes dionysischen Mystenvereins in Ephesos weihten eine Statue des Kai sers Hadrian, der als Synthronos des Dionysos bezeichnet wird (SEG XXVI 1272). Der Terminus Sebastopbantes impliziert auch die Existenz von Mysterien des Kaisers.63 In bezug auf das Gebet und das Gelübde kann man wohl nicht mehr A. D. Nocks Ansicht folgen, daß Gebete (auch Opfer, Gelübde und Wei hungen) keinen Bestandteil des Kaiserkultes darstellten64 - eine Ansicht, die jüngst wieder von D. Fishwick vertreten wurde. 65 Von Gebeten und Opfern spricht in eindeutiger Weise eine Inschrift aus Thyatteira.66 Die 57
Vgl. PRICE 1984a, 118-121. Für den Westen s. CLAUSS 1999, 413-419. Für die private Verehrung der hellenistischen Herrscher s. CHANIOTIS 2003b. Speziell zu Arsinoe s. z. B. MAIAISE 1994; ANASTASSIADES 1998. Für private Opfer während der Prozessionen des Kaiserkultes s. PRICE 1984a, 112. 59 RICHARD 1989. Zu diesen Epitheta s, z. B. OGIS 309; IG IV 701; I.Erythrai 60, 207. 60 S. z. B. die Weihung eines Altars an Zeus in Firanlar (Bithynien) für das Wohl ergehen eines Kaisers (Elagabal?), aber auch für gute Ernte: SEG XXXVIII 1273. 61 S.z.B. HABICHT 1996, 51-54; CLAUSS 199,9, 342-353. 62 DEVREKER 1992, 25-26 (SEG XLII 1164, ca. 100 n. Chr.). 63 ROBERT 1960b, 321-322; PLEKET 1965; HERRMANN 1996, 340f.; CLAUSS 1999, 339-341. " . N O C K 1930, 14. S. aber PRICE 1984b, 91-93. 58
65
66
FISIIWICK 1990.
IG R IV 1273 Z. 11-13: pasas tos eis ton tbeofn fori] eis tous kyrious autokraftoras] euchas kai thysias. Anders FISHWICK 1990,130.
Angelos Chaniotis
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Deutung zweier weiterer Zeugnisse ist problematischer. Eine Weihin schrift aus Aizanoi berichtet von der Weihung eines Altars an Zeus Ana dotes, die Sebastoi Theoi und den Demos. 67 Die Weihung wird mit dem Verb kathieroo zum Ausdruck gebracht und als euche? Gelübde oder Er füllung von Gelübde, für das Wohlergehen des Zeuspriesters Ti. Claudius Menogenes und seiner Familie bezeichnet. Wie in einem vorhin bespro chenen Text (s. o. Anm. 35) läßt sich hier nicht eindeutig sagen, ob das Gelübde sowohl an Zeus Anadotes als auch an die Augusti adressiert war oder ob nur Zeus der Adressat des Gelübdes war, die Augusti (und der Demos) nur als Empfänger eines Geschenkes verstanden werden sollen; daß die Augusti im Gelübde und dem Opfer eingeschlossen waren, scheint zwar wahrscheinlicher, sicher ist es nicht. Problematisch ist auch ein Text aus Pednelissos (SEG II 718, 2.Jh. n.Chr.). Ein Priester des Zeus und Prothytes der Augusti weihte zusammen mit seiner Frau Hadrian und dem Demos 200 denarii als euche. Da auch in diesem Fall der Empfänger der Demos und der Kaiser ist, hat vielleicht hier das Wort euche nicht die Bedeutung »Gelübde«, sondern bezeichnet möglicherweise eine Epangelia - das Versprechen eines Geschenkes - , vielleicht als summa bonoraria für die Bekleidung des Priesteramtes.68 Auch wenn letztere Zeugnisse als Gelübde an die vergöttlichten Kaiser verstanden werden sollten, sind sie nicht zahlreich und scheinen eher eine Randerscheinung im Kaiserkult widerzuspiegeln. Ein anderer wichtiger Bestandteil der Rituale für die Götter, der in der Kaiserzeit nicht an Be deutung verloren hatte, war die kultische Reinheit, wie dies aus zahlrei chen Kultgesetzen hervorgeht. Die kultische Reinheit scheint jedoch für den Kaiserkult ebenso völlig bedeutungslos gewesen zu sein wie die For derung nach einem reinen Sinn.69
5. Eine weitere »inconsistency in Greek and Roman religion« Wenn man den Kaiserkult in seine einzelnen Bestandteile zerlegt und sie separat betrachtet, stellt man mit wenigen Ausnahmen fest, daß er zum Teil traditionelle Rituale übernahm (Prozession, Opfer, Agon), zum Teil den kaiserzeitlichen Tendenzen der Gestaltung von Ritualen entsprach 67 68
69
Wöiuux 1995, 68-75 (SEG XLV 1719): efujcben.. kathierosanton... anetheken. Vgl FISHWICK 1990,
123.
Zur Verbreitung der Idee einer Reinheit des Sinnes vor allem in der Kaiser zeit
s. CHANIOTIS 1997C.
Der Kaiserkult im Osten des Römischen Reiches
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(Ästhetisierung, Rolle für die Akkulturation der Jugend, wachsende Be deutung der performativen Ritualtexte). Auch das einschlägige Vokabular der Kaiserverehrung weist Ähnlichkeiten zum geläufigen Vokabular der griechischen Rituale und des griechischen Götterglaubens auf (etwa Be griffe wie tbysia^ bomos^ eusebeia usw.).70 Ein wichtiger Aspekt des ideo logischen Hintergrunds des Kaiserkultes - das Prinzip des do ut des findet man sowohl in der griechischen Weihungspraxis als auch im helle nistischen Herrscherkult wieder.71 Schließlich wird die enge Verwandt schaft des Kaiserkultes mit den religiösen Traditionen der Göttervereh rung auch durch die Assimilation von Mitgliedern der kaiserlichen Familie an einzelne Götter betont (z. B. des Augustus an Zeus Eleutherios, Zeus Patroos und Apollon, des Caius Caesar an Ares, des Claudius an Zeus Megistos, des Nero an Apollon, der Agrippina an Demeter Karpophoros, des Hadrian an Zeus Dodonaios, Zeus Olympios Soter Ktistes, des Antoninus Pius an Zeus Eleutherios usw.). Macht all dies die Rituale des Kaiserkultes zu Bestandteilen von Reli gion? Ist die eusebeia gegenüber dem Kaiser mit der Frömmigkeit gegen über den traditionellen Göttern und der Gottesfurcht identisch, nur weil das gleiche Wort verwendet wird? Hier sind Verallgemeinerungen nicht zulässig. Die ambivalente Haltung gegenüber dem Kaiserkult im griechi schen Osten wird vielleicht am besten durch eine vor kurzem veröffent lichte Inschrift aus loulis verdeutlicht:72 Es handelt sich um eine Weihung an die olympischen Götter und an die Theoi Sebastoi (d. h. Augustus und Livia) für das Wohlergehen des Augustus. Augustus erscheint hier also als jener der zugleich beschützt werden und (als Empfänger der Weihung) beschützen soll. Dies ist für uns befremdend. Befremdend ist auch, daß ein Tieropfer mal an einen Kaiser und mal (eigentlich viel öfter) für einen Kaiser dargebracht wird (s. o. Anm. 3Q. All dies erweckt den Eindruck, daß bei aller äußeren Ähnlichkeit und Parallelität der Götterkult und die Verehrung der Kaiser nichts miteinander zu tun haben. Und doch wäre dieser Eindruck m. E. falsch. Es ist' irreführend, wenn wir uns auf die Diskrepanzen innerhalb des Kaiserkultes konzentrieren, ohne die Dis krepanzen innerhalb des griechischen Kultes zur Kenntnis zu nehmen. Ich gebe nur wenige Beispiele. Zahllose Menschen sprachen ein Gelübde und flehten die Götter um Hilfe an, offenbar, weil sie an ihre Macht glaubten. 70 71
S. z.B. PRICE 1984b. Weihungspraxis: GROTTANELLI 1991; hellenistischer Herrscherkult: CHANIOTIS 2003 b; Kaiserkult: PRICE 1984a, 65-77 (»a system of exchange«). S. auch STE VENSON 1996. 72 ZOUMBAKI - MENDONI
1998 (SEG XLVIII1129).
Angelos Chaaioris
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Und doch erfahren wir aus den Heiluiigswundern von Epidauros oder aus vielen Beichtinschriften, daß viele von ihnen gerade nach der Erfüllung ihres Wunsches das versprochene Weihgeschenk nicht darbrachten, also die Macht der Götter geringschätzten.73 Menschen erbauten Gräber für die Verstorbenen und brachten Totenspenden dar, und doch schrieben viele auf die Grabsteine Texte, in denen sie dem Toten eine jede Existenz nach dem Tod verneinende Äußerung in den Mund legten/4 Diskrepanzen und manchmal gezielte Viel- und Zweideutigkeiten sind keine Exklusivität des Kaiserkultes. Sie sind Aspekte einer nicht gestifteten, auf der lokalen Ebene praktizierten und vom Mangel einheitlicher Normen charakterisier ten Religion. Henk Versnel hat vielfach auf dieses Phänomen hingewie sen/5 Auch das Paradoxon der. sterblichen Göttlichkeit gehört zu den Diskrepanzen, mit denen uns die griechische Kultpraxis konfrontiert.
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Der Kaiser-Eid Zur Praxis der römischen Herrscherverehrung von HUBERT CANCIK
§ 1 iurandae arae: von Horaz zu Lucan Im Jahre 14 oder 13 v. Chn schickt Horaz eine poetische Epistel an den Kaiser Augustus. Darin schreibt er:1 Praesenti tibi maturos largimur honores Iurandasque tuum per numen ponimus aras, Nil oriturum alias, nil ortum tale fatentes. Das soll bedeuten: >Reichlich und rechtzeitig erweisen wir dir Ehrungen, während du noch auf Erden gegenwärtig bist, nicht erst nach deinem Tode, wie es für Romulus, Liber, Castor und Pollux getan wurde.2 Und wir stellen Altäre auf, an denen man bei deinem Namen schwören kann (muß). Dabei ..bekennen wir öffentlich, daß nichts (Derartiges wie dein Numen) niemals und nirgends aufgehen wird, nichts Derartiges aufgegangen ist.< Drei kultische Akte nennt der Dichter: (a) die Markierung des sakralen Raumes und die Bereitstellung des Kult geräts (Altar); (b) einen Ritus am Altar (Schwur); (c) das Bekenntnis zu dem Einzigartigen. Der Ritus, den Horaz heraushebt, ist nicht Gebet, Gelübde oder Opfer, sondern Schwören bei dem Numen des Augustus. Die genaue Bezeich nung des Schwurgottes war gewiß auf dem Altar eingeschrieben; eine Sta tue beim Altar ist möglich, aber nicht notwendig. 1 2
HORAZ, epist. 2,1,15-17. Diese Beispiele sind genannt in 2,1,5.
Hubert Cancik
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So hat das Volk von Rom nach der Ermordung Caesars, des Diktators, auf dem Forum eine Säule errichtet und darauf Parenti Patriae geschrie ben. Bei dieser Säule, berichtet Sueton, hat das Volk geopfert, Gelübde abgelegt und »gewisse Streitigkeiten geschlichtet, wobei der Eid >bei Cae sar geleistet wurde«. 3 Der Kaisereid gehört also zur Praxis des Herr scherkultes. Weshalb beschränkt Horaz sich auf den Schwur? Warum schwört er bei dem Numen und nicht bei dem Genius oder der Salus des Princeps? Wel che Altäre meint Horaz? Was bedeutet das Bekenntnis? a) Den frühesten Altar für das Numen Augusti, der mir bekannt ist, hat Tiberius in Rom aufgestellt, zwischen 5 und 10 n. Chr. 4 Auf dem Forum zu Narbo wird 12/13 n. Chr. eine Ära Numinis Augusti aufgestellt.5 Beides ist ohne Verbindung zu Horaz- Doch ist numen bei Horaz viel leicht nicht Kultname stricto sensu, sondern eine gehobene Bezeichnung für >götcliches Wesen und Wirken<. Dann könnte man an die Ära Pacis Augustae denken, die im Sommer 13 v. Chr. beschlossen wurde, 6 und an den Compital-Kult, den Augustus im Jahre 12 v. Chr., in seinem ersten Jahr als pontifex maximus, eingeführt hat.7 Mehrere Altäre für Laren und Genius des Kaisers sind erhalten/ Falls die Abfassung der horazischen Epistel auf 14/13 sicher datiert ist, dürfte, man sie als Zeugnis für die Planung des Compitalkultes werten. 9 3
SUETON, Iulius 85: postea (plebs) solidam columnam [...Jinforo statuit inscripsitque >parenti patriae<. apud eam longo tempore saaificare, vota suscipere, controversias quasdam interposito per Caesarem iure iurando distrahere perseveravit. 4 Die Fasti Praenestini datieren die Weihung der ara numinis Augusti auf den 17. Januar des Jahres 7 n. Chr. (EHRENBERG-JONES, 1976,46), der Text ist allerdings stark ergänzt:... immolant nfumini Augusti ad ajram quam dedicaverat TL Caesar. s ILS 112 (EHRENBERG-JONES, 1976, 85 f.), beschlossen am 10. August 7 n. Chr. Die Dedikationsformel nennt ausdrücklich das numen Augusti. 6 AUGUSTUS, Monumentum Ancyranum cap. 12; Einweihung: 9 v. Chr. VgL HORAZ, C 4,15. 7 G. NIEBLING,
Laribus Augusus magistri primi. Der Beginn des Compitalkultes der Lares und des Genius Augusti, in: Historia 5 (1956) 303-331; zur Datierung von Hör. ep. 2,1: 330 f. 8 Rom, Vatikan. Museen: HELBIG I nr.255; nr. 83: Lares Augusti und Genii Caesarum. 9 Die Datierung beruht auf 2,1,253 f. (Unterwerfung der Alpenvölker durch Drusus und Tiberius, 15-14 v. Chr.); vgl. Anm. 7. - Bei HERSMANN, 1968, ist die Horazstelle nicht behandelt. Wohl auszuschließen sind private Altäre, wie sie bei HORAZ, c. 4,5,34 f. genannt sind: ... et Laribus tuum miscet numen. Die Annahme von WEINSTOCK (1971, 213), Horaz bezeuge einen tatsächlichen »Versuch«, einen offiziellen Titel »Numen AuzustU zu schaffen, scheint mir nicht bewiesen.
Der Kaisereid
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b) Zur Ehre der Altäre wird Augustus erhoben, aber auch die Aufnah me unter die Schwurgötcer ist eine hohe Ehre. Augustus wird Zeuge, Bür ge, Richter der Verpflichtung, die der Schwörende übernimmt, und Voll strecker des Fluches, den der Meineidige über sich bringt. Die Götter schwören bei der Styx, denn sie ist »das Älteste und Teuerste«.10 Kaiser Claudius schätzte die Kaiserin Livia, seine Großmutter, so hoch, daß er den Frauen gebot, ihren Namen als Eid zu nehmen.11 Die Juden in Alexandrien dagegen ehrten den Kaiser Caius Caligula weder durch Stand bilder noch dadurch, daß sie seinen Namen im Schwur gebrauchten.12 Sol che Leute werden bestraft:13 quod numquam per genium suum deierassent. Der öffentliche Schwur enthält ein >Bekenntnis< zu dem Kaiser und kann als Mittel zur Kontrolle gebraucht werden. c) Horaz legt in oder nach seinem Schwur ein überwältigendes >Bekenntnis< ab. Er muß die Einzigartigkeit des Numen Augusti anerkennen und öffentlich bekannt machen (fateri).1* Dazu hilft ihm ein Polyptoton, die asyndetische Gemination und das Hysteron-Proteron - alles in einem Vers. Weder nach Qualität (tale) noch in Raum oder Zeit (alias) kommt irgendetwas diesem Numen gleich. Nur an die Gestirne soll man denken ihre Größe, Höhe, ihren Glanz, an die Sonne zumal. Weil sie alles sieht, wird sie so oft als Schwurgottheit angerufen. Die Sonne ist auch Bild des allsehenden Herrschers.15 Sein Amtsantritt am Jahresanfang ist wie der Aufgang der Sonne. Der Herrscher strahlt zusammen mit dem großen Gestirn. Er glänzt sogar noch heller als dieses und ist größer am Himmel als das frühe Morgenrot:16
10
ARISTOTELES, Metaphysik 1,3, 983b ff.; vgl. HESIOO, Theogonie 385 ff.; SER-
VIUS, ad Aen. 6,134; vgl. HIRZEL, 1902, 15. 11
CASSIUS DIO 60,5. Vgl. SUETON, Claudius 11,2:... ins iurandum neque sanctias sibi neque crebnus instituit quam per Augustum. Vgl. CANCIK, 1996. 12 JOSEPHUS, antiquitates Iudaicae 18,8,1. ' 13 SUETON, Caligula "27,3: Caligula selbst schwört bei dem numen Drusillae, sei ner Schwester (SUFH Cal. 24,2). 14 fateor häufig in der Gerichtssprache, auch das erzwungene Geständnis; vgl. ÖJIOAO^SIV, öiioXoyixx. 15
A. A U Ö I D I , Die monarchische Repräsentation im römischen Kaiserreiche. (1934; 1935), 31970, 257ff. (zur Strahleakrone). 16 STATTJS, Silve 4,1,3 U vgl. 1,1,103; vgl. VERGIL, Aeneis 12,162 ff. (König Latinus); HORAZ, c. 4,5,5 ff.; MARTIAL 4,1,4. Statius benutzt die Topik des Herrscher lobes und Herrscherkultes; eine direkte Abhängigkeit von Horaz (FR. VOIOLWER, z. St.) ist nicht anzunehmen. Hier besteht ein religiöses Konnnuum, keine litera rische Abhängigkeit.
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atque orimr cum sole novo, cum grandibus astris, clarius ipse nitens et primo maior Eöo. Die abundierende Bildersprache dieser Verse verrät einen schwächeren Dichter und meint einen schlechteren Kaiser. Horaz ist knapp und meint Augustus. Aber das Bild von der Sonne und die Hyperbolik der >AU<- und >Einzig<-Prädikationen sind gleich. Die republikanische Opposition in Rom hat, lange vor den Chrisdanern, dieses Ritual und seine Bildersprache durchschaut; noch zur Zeit Neros wagt sie zu bekennen:17 >Die Bürgerkriege sind es, welche die vergöttlichten Herrscher den Himmlischen gleichstellen werden. Roma wird die Manen (der verstorbenen Herrscher) mit Blitzen ausstaffieren, mit (Sonnen-)Strahlen und Sternen, in den Tempeln der Götter wird Roma bei den Schatten (der toten Kaiser) schwören.< Bella pares superis facient civilia divos: fulminibus Manes radiisque ornabit et astris inque deum templis iurabit Roma per umbras. Auch Lucan nennt nur den Schwur als Ritual: offenbar ist der Kaisereid ein besonders signifikanter Kultakt im römischen Herrscherkult. Einige nicht-literarische Beispiele mögen diese kultische Praxis erhellen. Dabei werden Antworten gesucht auf die folgenden Fragen: Welche Be deutung haben die Schwüre von Bürgern und Beamten bei, für, auf den Kaiser in der Praxis des Herrscherkults? Sind es nur äußerliche »Loyali tätsakte« (Wissowa)? Wie verband sich der Kaiser eid mit anderen Riten und Göttern? Welche Emotionen, welche >Bindung<> welches >Band< (vinculum) zwischen Herrscher und Bürgern (Untertanen) erzeugte oder ver stärkte der Kaisereid?
§ 2 »das ganze Leben« § 2J Der Eid von Pbazimon-Gangra 6. 3. 3 v. Chr.
(Papblagonia/Galatia),
1. Der früheste vollständig erhaltene Treue-Eid für Augustus stammt aus Gangra in Paphlagonien, dem nördlichen Distrikt der Provinz Galatia.18 17
LUCAN 7,457-459. - VgL den Eid, den Laelius, der Primipilus, seinem Caesar bei Lucan leistet (1,373-386): Verwandtenmord, Zerstörung von Tempeln, ja Zer störung von Rom verspricht er seinem Feldherrn (Hinweis von M. Peppel). l * Text EHMNBERG-JONES, 1976, nr. 315; HEKÄMANN, 1968,95 ff. Die Datierung des Eides von Samos ist unsicher (6,5 oder 2 v. Chr.); der Wortlaut des Eides selbst ist nicht erhalten.
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Diese Provinz wurde 25 v.Chr. eingerichtet; das ehemalige Königreich Paphlagonien wurde wohl 6/5 v. Chr. hinzugefügt.19 Diese Verwaltungs maßnahme war wohl der Anlaß für die Vereidigung der Bevölkerung. Das Datum der Vereidigung ist in der Inschrift sorgfältig dokumentiert: vom 12. Consulatsjahr des Augustus (1. Januar - 31. Dezember 5 v. Chr.) ab, im dritten Jahr der lokalen paphlagonischen, nicht der galatischen Ära, »am Tag vor den märzlichen Nonen«. Die Wahl des Tages und die latini sierende Datumsangabe zeigen einen Kenner des römischen Kalenders in Paphlagonien. Am 6. März des Jahres 12 v. Chr. war Augustus zum pontifex maximus gewählt worden. Mehrere Ferialia erinnern an diesen Tag.20 Das Zeitmuster der Datierung aus römischem Consulat, paphlagonischer Ära und römischem Feriale ist ein Indikator für die religionsgeschichtliche Situation des Textes und des Ereignisses, das er berichtet. Der Eid wird abgenommen beim Altar des Sebastos und zwar in speziellen Kaiserkult stätten, den Sebasteia der Stadt und - erstaunlicherweise - in den Sebasteien der (Unter-)Bezirke des Distrikts. 21 Ein Bild des Sebastos, und sei es nur gemalt, wird man bei dem Altar erwarten dürfen. Die anderen Schwurgötter - Himmel, Erde, Sonne - sind allgemein praesent und be dürfen keiner bildlichen Darstellung. Eine supplicatio ture acvino wird auf dem Altar verrichtet worden sein. »Alle«, so wird betont, wurden erfaßt, und alle schworen denselben Eid; ob einzeln, in Gruppen oder durch Repraesentanten, wird nicht gesagt. Dieser Vorgang lehrt, wie schnell, wie breit, wie umfassend Kaiserkult auch in erst neu erworbenen Gebieten eingeführt werden konnte, und zwar nicht .spontan, lokal, durch ungeplante Diffusion, sondern offensichtlich zentral gelenkt.22 Wurden auch andere römische Neuerwerbungen in dieser Form vereidigt? Blieb der 6. März >Nationa]feiertag< von Paphlagonien, ggf. mit jährlicher Erneue rung des Eides? 2. Geschworen wird bei den traditionellen Eidgöttern: Zeus, Erde, Son ne, bei allen männlichen und weiblichen Gottheiten und bei dem Sebastos selbst. Er steht zwar als letzter, aber ohne jede Unterscheidung bei den 19
Zur Geschichte der schon aus hethitischen Texten bekannten Region (heth, Pala) vgL C H . MAEZK, Stadt, Ära und Territorium in Pontus-Bithynia und NordGalatia, 1993. 20 Feriale Maffeianurriy Cumanum, Praenestinum; fastz Cuprenses. In Praeneste machen die duoviri ein Opfer, das Volk ist bekränzt und hat/eräe; vgl OVID, fast. 3,419 ff. 21 Diese Ortsangaben sind stark ergänzt Die Angabe der Präambel (»in Gangra auf [der] A[goraj«) ist ebenfalls stark ergänzt. ' 22 Welche Zentrale(n) an der Ausrichtung der Eidesleistung beteiligt war(en), ist in der Inschrift nicht angegeben.
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großen Gottheiten. Die Paphlagonier und die daselbst tätigen Römer ver sprechen eunoia (>guten Sinn, Wohlwollen, Zuneigung<) dem Kaiser und seinen Nachkommen: der dynastische Gedanke ist also bereits fest. Sie verfluchen sich selbst für den Fall des Eidbruchs: ihren Körper, die Seele, das eigene Leben und das ihrer Kinder und ihres ganzen Geschlechtes, Sippenhaft also. Die verbale Inszenierung von Versprechen und Verfluchen ist formal und semantisch sehr stark Durch Reihenbildung oder polare Doppelung wird Lückenlosigkeit, Unentrinnbarkeit, Intensität, Steigerung vermittelt: (a) verfolgen und abwehren, mit Waffen und mit Eisen, über Land und Meer; (b) treu sein mit Wort, Werk, Gedanken; mit Leib und Seele; selbst und Kinder und Nachkommen; (c) einschreiten gegen den, der feindlich spricht, plant oder handelt. Variierende Wiederholung klingt wie Schadenszauber: £^6Xa.av KOCI 7tocv62iSiocv - »Vernichtung und Ganzvernichtung bis zu meiner ganzen Nachfolgerschaft und allen von mir«, ruft der Schwörende auf sich herab. Der Schwur erfaßt Äußeres und Inneres, auch die Seele, den Logos, die Einsicht, eben >Alles<. Hier wird mehr verlangt als nur äußere Konformität und Loyalität; verlangt wird >Hingabe< der ganzen Person, existentielle Bindung<, und dies »auf jede Art und Weise« und für »das gesamte Le ben«, Elfmal wird in diesem kurzen Text das Wörtchen iz<xc/n(xv ge braucht. Der Kaisereid verlangt von allen alles auf jegliche Weise, und dies nicht etwa in einer Notsituation, in großer Gefahr und kriegerischer Be drängnis, sondern mitten im augusteischen Frieden. Ist das Loyalitätsre ligion? Welcher antike Gott verlangt so viel commitment?23 $2.2 Der Eid von Aritium (Lusitania, 37 n. Chr.) 1. Die Einschwörung ganzer Provinzen wurde vereinzelt in der späten Republik insbesondere in militärischer Notlage vorgenommen,24 in gro ßem Stil zum ersten Mal von Octavian im Jahre 32 v. Chr., als der Konflikt mit Antonius unbeherrschbar wurde:25 25 Die nächsten Parallelen stehen in Texten der Zauberer, dionysischer Religio sität, orientalischer Religionen, etwa in den Hymnen und Gebeten bei APULEIUS, Met. XI. Totale oder weitgehende >Hingabe< in einem religiösen Dienst gibt es im Kult der Kybele oder der Vesta. 24 CAESAR, BG 7,1; BCiv. 2,18,5; 3,102,2. 25 AUGUSTUS, Mon. Ancyr. cap.25; auch die griechische Fassung ist erhalten. VgL SUETON, Aug. 17,2; CASSIUS DIO 50,6,6. Nach dem Sieg von Actium wurden auch die östlichen Provinzen vereidigt HERRMANN, 1968, 7S ff.
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iuravit in mea verba tota Italia sponte sua ... iuraverunt in eadem verba proviociae Galliae, Hispaoiae, Africa, Sicilia, Sardinia. Dieser Eid wurde, so der Konsens der Forschung, normalisiert zum Treu eid aller Bürger bei jeder Accession eines neuen Kaisers. Ob dieser Eid jährlich nur von allen Beamten oder auch von den Senatoren, den Militärs und (Teilen) der Bevölkerung erneuert wurde, ist unklar.26 Nach dem Tode des Augustus schwören als erste die Consuln in verba Tiberii^ so Tacitus, dann die Praefekten der Praetorianer und der Annona, »bald darauf Senat und Militär und das Volk<e27 Später beantragt Messalla, »den Eid auf den Namen Tiberius jährlich zu erneuern«:28 per annos renovandztm sacramentum in nomen Tiberiü Dieser allgemeine Kaisereid zur Accession und, möglicherweise, zum jährlichen Gedächtnis ist literarisch und epigraphisch nur selten belegt. Ein vollständiges Formular ist m. W. nur für die Thronbesteigung des C. Caesar Germanicus (Caligula; 18. 3. 37) bekannt, und zwar erfreuli cherweise aus dem Westen und aus dem Osten des Imperium, in einer lateinischen Fassung aus Aritium (Lusitania) und einer griechischen aus Assos (Asia). Die beiden Fassungen zeigen einen einheitlichen Kern und deutliche lokale Differenzierungen, also Reichsreligion mit provinziellen Variationen. Auch die Stadt Akraiphiai (Boiotien) hat diesen Eid abgelegt, und zwar durch einen Repräsentanten vor der Versammlung des Koinon der Achaier, Boioter, Lokrer, Euboier und Phoker. Dabei war der römi sche Statthalter anwesend.29 Offenbar haben zuvor die Bürger von Akrai phiai den Eid in Anwesenheit ihres Repraesentanten Epaminondas abge legt 2. Die Bürger von Aritium im fernen Lusitanien schwören bereits am 11. 5. 37, also weniger als zwei Monate nach dem Regierungsantritt des Kaisers Caligula.30 Der Vorgang ist nach Zeit, Ort und beteiligten Amts personen dokumentiert Der Legat Caligulas, der das Verfahren wohl für die ganze Provinz organisiert haben dürfte, ist genannt und zwei lokale magistri^ die in Aritium tätig wurden. Die Bürger, offenbar alles Römer *
HERRMANN, 1968, 107-110. TACITUS, ann. 1,7,2. VgL 1,34,1: Germanicus schwört die ävitates Belgicae auf Tiberius ein. 28 TAC. ann. 8,4. 29 IG VII 2711,3 ff.; HERRMANN, 1968, 106. Für Hinweise zu dieser Stelle danke ich Dr. Aonette Hupfloher. 50 Text CIL II 172; HERRMANN, 1968, 122. Einen Grund für die Wahl dieses Tages habe ich nicht gefunden; vgl. die Notizen über die begeisterte Reaktion der Provinzen auf Caligulas Regierungsantritt: SUETON, Caligula 13-15. 27
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lateinischer Zunge, schwören nicht bei Himmel, Sonne, Erde, sondern bei ihrem Staatsgott und dem Gründer der Dynastie, also bei Iuppiter Optimus Maximus, Divus Augustus und »allen übrigen Göttern«. Eine lokale Gottheit ist nicht beteiligt, die Lokalität nur allgemein angegeben: »in der alten Stadt«. Die Bürger versprechen, die Feinde des Kaisers zu verfolgen »zu Land und Meer«, auch die feindliche Gesinnung ist verboten. Was im Eid von Gangra ein umfassendes Wohlwollen (swoia) hieß, wird im For mular von Aritium umschrieben: »und nicht werde ich mich oder meine Kinder für lieber/teurer halten als das Heil des Kaisers« neque me neque liberos meos eius salute cariores babebo. Der Fluch soll den Meineidigen treffen und seine Kinder. Dieser Teil der Schwurformel ist sogar literarisch überliefert. Caligula hat, so Sueton, die Nafnen seiner Schwestern in alle Eide eingefügt; der Schwur sollte lauten:31 neque me liberosque meos cariores babebo quam Gaium babeo et sorores eius »und nicht werde ich mich und meine Kinder lieber haben als Gaius und seine Schwestern«. Diese Fassung von Sippenhaft und Geschlechterfluch zeigt deutlicher als der Eid von Gangra, wie der Kaisereid menschliche Basistriebe, Selbstlie be, Kinderliebe, Selbsterhaltungstrieb, auf den Herrscher >überträgt<. Die familialen Beziehungen werden umgepolt und dienen der psychischen Bindung an den Herrscher als >XJbervater<. Der Schwur ist die religiöse, explizite Form dieser >Übertragung<. § 23 Der Eid von A$$o$ (Asia, 37 n. Chr.) Ein dritter Text - von wieviel hunderten? - bezeugt den Bürgereid zum Herrschaftsantritt Caligulas für eine dritte Provinz. Die Bürgerschaft von Assos in der Provinz Asia schwört an einem nicht genannten Tag des Jahres 37 n. Chr.32 dem Kaiser und seinem Hause >gute Gesinnung< und die rechte Unterscheidung von Freund und Feind. Schwurgötter sind Zeus 31 SOTTON, Caligula 15,3: de sororibus auctor ftdt, ut Omnibus sacramentis adicerentur. - In der Inschrift von Aritium ist das zweite neque ergänzt; liberosque wäre leichter. - Die Einbeziehung von Kindern, Nachkommen und Sippschaft in den Eid ist früh und oft bezeugt: Pythisches Orakel bei HERODOT 6,86 (Horkos kommt aus der Unterwelt und vertilgt das ganze Geschlecht und das ganze Haus des Meineidigen); Lrvius 10,38 (Eid der samnitischen legio Imteata mit exsecratio capitis famüiaeque et stirpis); Lrv, 22,53,19 (Scipio nach Cannae, 216 v. Chr.). 32 Texc HERRMANN, 1968, 123.
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Soter, Caesar Augustus und Athene, »die väterliche, reine Parthenos«. Der Eid ist kürzer als die von Gangra und Aritium. Die Nennung der Stadt göttin unter den Schwurgöttern zeigt städtisches Selbstbewußtsein. Keine Sippenhaftung, kein Geschlechterfluch, sogar das Wort >Fluch< ist gemie den: »Wenn wir gut schwören, soll es uns gut sein, wenn wir aber mein eidig werden, das Gegenteil«. Alle fromme Erregung ist verlagert in einen Beschluß des Rates und Volkes von Assos und der daselbst tätigen Römer. Der Beschluß ist zu sammen mit dem Eid dokumentiert: >Da der von allen Menschen erhoffte Regierungsantritt des Gaius jetzt vermeldet wurde, da der Kosmos darob kein Maß für seine Freude gefunden hat, da jetzt jede Stadt und jedes Volk zur Anschauung des (neuen) Gottes nach Rom geeilt ist, wurde beschlossen, eine Gesandtschaft der ersten und besten der Römer und Hellenen nach Rom zu entsenden; sie soll dort die Freude der Stadt kundtun und den Kaiser an den Besuch erinnern, den er mit seinem Vater Germanicus einst der Stadt Assos abgestattet, und an die Versprechungen, die damals abge geben wurden.«*33 Viele Emotionen werden geweckt, die Ttöcv-Formeln zeigen die universale, ja kosmische Bedeutung des Regierungswechsels in Rom: aller Menschen Gebet und Hoffnung wird jetzt erfüllt; jede Stadt, jedes Volk macht sich auf, den neuen Gott zu sehen,34 ein sü&es Leben beginnt für die ganze Menschheit; der Kosmos kann die übergroße Freude nicht fassen. Natürlich ist das rhetorisch, übertrieben, selbst ohne Maß. Dennoch sind diese Formeln nicht ohne Wirkung auf die Einstellung, das Gemüt, die Phantasie der Untertanen. Welcher andere Kult hat in dieser Weise Emotionen geweckt, formiert, in symbolische Handlungen umgesetzt?35 Der Tag wurde wahrscheinlich als Jahresfest eingerichtet, dessen religiöser Kern die renovatio sacramenti gewesen sein könnte. Jedenfalls feiert in der Nachbarprovinz Bithynia der proconsularische Legat Plinius Secundus am 28. Januar öffentlich den dies imperii seines Kaisers Traian, wohl im Jahre
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Der Besuch fand während der Tätigkeit des Germanicus im Osten statt, 1. Ja nuar 18 bis 10. Oktober 19. Der Bezug auf dieses Ereignis ist ein weiteres Indiz für das Selbstbewußtsein dieser uralten Stadt. 34 VgL die Erzählung von den drei >Weisen aus dem Morgenlande«: Mt 2 und die Liturgie des Festes Epiphanie; vgl. auch die Prophezeiungen von der Wallfahrt aller Völker zum Zion. 35 VgL im Rahmen des Herrscherkultes u. a. die Dokumente aus Priene, Apamea, Eumeneia, Dorvlaeum zu einer neuen »Ordnung der Zeit« in der Provinz Asü, 9 v. Chr. (OGIS 458; EHRENBERG-JONES, 1976, nr. 98). Für die graeco-orientalischen Kulte sei wiederum auf APULEIUS, Met. XI verwiesen.
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112 n. Chr., also immerhin noch ca. 15 Jahre nach dem Herrschaftsantritt des Kaisers (28. 1. 98). Er meldet den Vollzug nach Rom:36 »Den Tag, Herr, an dem du das Imperium dadurch gerettet hast, daß du es übernommen hast, haben wir mit so großer Freude gefeiert, wie du es verdienst. Wir haben zu den Göttern gebetet, daß sie dich dem Menschengeschlecht, des sen Schutz und, Sicherheit auf deinem Heil beruht, unversehrt und in Blüte erhalten. Ich habe auch den Kommilitonen den Eid nach feierlicher Sitce vorge sprochen, wobei die Provinzialen voll Eifer mit derselben Frömmigkeit den Eid schworen.« Der Kaiser bedankt sich mit einem Satze klassischen Lateins und schließt so den Kreislauf zwischen Zentrale und Peripherie; er schreibt: »Gern, mein liebster (Plinius) Secundus, habe ich aus deinem Schreiben erkannt, mit wie großer Religion und Freude die Kommilitonen zusammen mit den Pro vinzialen unter deiner Anleitung meinen dies imperii gefeiert haben.« Plinius: Diem, domine, quo servasti imperium, dum suscipis, quanta mereris laetitia celebravimus, precati deos ut te generi humano, cuius tutela et securitas saluti tuae innisa est, incolumem, florentem praestarent. Praeivimus et commiKtonibus ius iurandum more solenini eadem provincialibus certatim pietate iurantibus. Traian: Quanta religione et laetitia commilitones cum provincialibus te praeeunte diem imperii mei celebraverint, Kbenter, mi Secunde carissime, agnovi Etteris tuis. Auch hier dürfte der Herrschaftsantritt des Kaisers und der erste Schwur auf seine Person von den Einwohnern der Provinz und den damals dort tätigen Kommilitonen erinnert worden sein. Ebenso wie der Notenwech sel zwischen Traian und seinem Legaten in Bithynien realisiert die Wall fahrt der Assier nach Rom die ideelle Verbindung von Peripherie und Zentrale durch das Medium der Religion. Die Dokumentation dieser Wallfahrt durch eine Inschrift in Assos signalisiert und erinnert diesen Austausch lapidar, in dauerhafter Form. Die Gesandtschaft hat »im Na men der Stadt« Assos in Rom zum kapitolinischen Zeus gebetet und ihm geopfert, vielleicht sogar in der area Capitolina; vielleicht hat sie ihre Tä tigkeit auch durch eine Inschrift auf dem Capitol dokumentiert.37 Es fällt auf, daß die Assier nichts von der erhofften Audienz und dem Anblick des neuen Gottes berichten. 36
PLDSTOS, epist. 10,52 und 53 (wohl 112 n. Chr.). Der Tag ist durch das Feriale Duranum gesichert. Auch epist. 10,102 und 103 dokumentieren die Feier des dies imperii (wohl 113 n. Chr.) mit Freude und Kult, aber ohne Eid. 37 Eine >Wa)lf ahrt< nach Rom wurde auch von dem boiotischen Koinon anläßlich des Regierungsantritcs des neuen Gottes Augustus Germanicus beschlossen: IG IV 27711 (Akraiphiai), Z. 51-77, s. o. §2.2.
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Das Verhältnis von Eid und Psephisma der Bürgerschaft von Assos ist in der Inschrift nicht angegeben, auch nicht der Tag, der Ort, das Ritual des Schwurs. Man möchte annehmen, daß beides bei derselben Gelegen heit stattfand, vielleicht - da die Stadt anscheinend kein Sebasteion einge.richtet hat - beim Tempel der einheimischen Parthenos/38 Soviel zum Kaisereid als Teil des Herrscherkultes und Teil der römi schen Reichsreligion, der für Römer und HeJlenen verbindlich war, ver hältnismäßig oft durchgeführt wurde, der die Praesenz der Provinzialen verlangte und ein hohes commitment Die Zeremonie hat einen festen Kern, erlaubt aber viele Variationen. Konnten Christianer daran teilneh men?
§ 3 sed et iuramus - »aber auch wir schwören« § 3J Der Eid bei Tertullian »Auch wir schwören«, schreibt Tertullian von Karthago und bekennt da mit seine Treue zu dem Kaiser und zu der römischen Gesellschaft. Die Christianer in der Provinz Africa proconsularis um 200 n. Chr. beten für den Kaiser und für den Bestand des Reiches.39 All dies - Schwören, Kaiser, Reichstreue - ist keineswegs selbstverständlich, schon gar nicht für einen Rigoristen, Fanatiker, satirischen Polemiker wie TercuUian. Hatte doch der neue Moses in der Bergpredigt das neue Gesetz gegeben:40 »Ich aber sage euch: Ihr sollt überhaupt nicht schwören, weder beim Himmel, ..., noch bei der Erde, ... noch bei Jerusalem,..., noch bei deinem Haupte ...« Die christliche Naherwarcung hatte den baldigen Untergang des verhaßten Babylon - Edom - Roma geweissagü »Herr, komm schnell«, lautet der Schlußsatz der Offenbarung des Johannes.41 Ein Jahrhunden danach schreibt Tertullian:42 38 Zur Topographie von Assos s. E. SCHWERTHEIM, Art. Assos, in: DNP 2,1997, Sp. 112-113. • 39 TERTULLIAN, Apologeucum 32,2 und 30,3-4. 40 MT ; 5,33-37: »Wiederum habt ihr gehört, daß den Alten gesagt worden ist: >Du sollst nicht falsch schwören« ... Ich aber sage euch: ^f| öjiöacu ökcoc,«. VgL JAK. 5,12. - Weniger rigoros: PAULUS, Gal. 1,20; Rom. 1,9;. 9.1; Hebr. 6,16. 4l *Vgl. JOH. Apk. 13 (Das Tier aus dem Meere, aus der Erde); 17 (Babylon):h 22,20. - Vgl. Thess. 2,7. ' 4 * TERTULLIAN. Apologeticum 32; zum Zusammenhang von Eid und Ehrung s. o. § 1. - Einige Cbristianer zur Zeit TemiUians scheuen sich jedoch nicht, beim genius
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»... indem wir darum beten, daß (das Ende der Welt) aufgeschoben wird, fördern wir die Dauer Roms. Aber wir schwören auch, zwar nicht bei den Genien der Caesaren, so doch bei ihrem Heil, das erhabener ist als alle Genien. Wißt ihr nicht, daß die Genien >Daemonen< genannt werden ...? ... Daemonen übrigens, das heißt die Genien, pflegen wir zu beschwören, auf daß wir sie von den Men schen austreiben, nicht bei ihnen zu schwören, daß wir ihnen die Ehre einer Gottheit übertragen«. Tercullian folgt also in der Eschatologie und in der Frage des Eides einer gemäßigten, romfreundlichen Richtung der Chrisnaner. Der Schwur bei dem genius des Kaisers war den Römern um 200 eine konventionelle und respektierte Form:43 citrus denique apud vos per omnes deos quam per unum genium Caesaris peieratur. Aber auch der Schwur per salutem Augusti(-am) ist seit augusteischer Zeit unter den Römern bekannt:44 hier gab es also eine erfreuliche Überein stimmung. Trotz dieser grundsätzlichen Übereinstimmung gibt es in an deren Schriften Tertullians aber immer noch erhebliche Bedenken gegen den Soldateneid und den Beamteneid.45 Es fällt auf, daß Tercullian nirgends den allgemeinen Bürgereid oder Kaisereid bespricht, dem sich die Chri stianer doch viel weniger entziehen konnten als dem Beamten- oder Mi litäreid. § 32 Die Herrscherverehrung der Christianer Die Christianer in der Provinz Africa schwören also bei der Salus Cae saris, sie beten für den Bestand des imperium Romanum. Sie lehnen jedoch die Praxis römischer Herrscherverehrung ab. Tercullian beschreibt sie, wie folgt: Schwören bei dem Genius und Opfern für die Salus Caesaris: der Schwur ist auch hier signifikanter Teil der Verehrung;46 Weihrauchköraer für einen As; zwei Tropfen Wein; das Blut eines lebensmüden Rindes, das bei der Opferschau von den Priestern als fehlerhaft zurückgewiesen werzu schwören; Acta Scilitanorum 3: et iuramus per genium Domini nostri et pro salute eius swppUcamus. 43 TERT. Apol. 28,4. Vorstufen: TERT. ad nationes 1,10,33; 1,17; 2,9,14. 44
45
WEINSTOCK, 1971, 172 ff. TERTUIXIAN, de Corona 11:
das göttliche sacramentum in der Taufe steht im Widerspruch zu dem humanum sacramentum und zum Fluch auf Vater, Mutter und die Nächsten, die der Christ doch lieben soll. - TERT. de idololatna 17,3; 20,5; 21: luppiter tibi sit irazus. Der Christ soll antworten: immo tibi. 46 TERT. Apol. 28,4; 32,2; 35,10.
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den müßte;47 an Kaiserfesttagen die Türpfosten mit frischem Lorbeer um winden; helle Lichter in den Hauseingang stellen; Feiern auf dem Forum.48 Das alles machen die Christianer nicht mit. Aber feiern wollen sie den Kaiser auch, allerdings nur unter sich, im Hause und in Reinheit, Nüch ternheit und Anstand (casti, sobrü, probi)^ Sie rufen nicht: »Iuppiter meh re deine Jahre zu Lasten der unseren«.50 Sie befragen nicht Astrologen, Haruspices, Auguren, Magier nach dem Leben des Kaisers.51 Sondern sie beten für ihn: barhäuptig, die Arme ausgebreitet, den Blick nach oben gerichtet, ohne einen Vorsprecher. Sie beten nicht nur an den offiziellen Festen, sondern sind »immer« im »Gebet für alle Kaiser«. Sie erbitcen:52 »langes Leben, ungefährdetes Imperium, sicheres Haus, starke Heere, treuen Senat, braves Volk, ruhigen Erdkreis.« Das Gebet »für alle Kaiser« enthält eine »Litanei« von sieben Bitten, je weils zweigliedrig (Bikola), verständig, umfassend, in vernünftiger Anord nung. Es klingt wie ein offiziöser Text der Gemeinde von Karthago. Tercullians Gebet für den Kaiser, sein Schwur bei der salus Caesaris (»Kaiser-Heil«), sein Bekenntnis zur Dauer des Reiches zeigt Diese Chri stianer sind die besseren Untertanen und die besseren Römer. Hier läßt 47
TERT. ApoL 30,5-6. Das Blut des Rindes weist auf ein besonderes Ritual. - Die Opfermetaphorik, mit der im NT das Jüdische Opfer allegorisierc wird (Hebräer brief) wird hier auf römische Opfer angewandt. In beiden Fällen wird die Opfer terminologie zur spirituellen Überbietung des Tieropfers benutzt. Systematisch durchgeführt bei Augustin, vgl. H. CANCIK-LINDEMAIER, Opfer. Religionswissenschafdiche Bemerkungen zur Nutzbarkeit eines religiösen Ausdrucks, in: H.-J. ALTHLAUS / H. CANCIK-LINDEMAIER / K. HOFPMANN-CURTIUS / U. RJEBSTOCK (Hrsg.), Der Krieg in den Köpfen (Untersuchungen des Ludwig-Uhland-
Instituts der Universität Tübingen 73), Tübingen 1989, 109-120. Zu der Verknüp fung von Opfer und Gesinnung des Opfernden vgl. H. CANCIK-LINDEMAIER, Tun und Geben. Zum Ort des sogenannten Opfers in der römischen Kultur, in: R JANOWSKI / M. WELKER (Hrsg.), Opfer. Theologische und kulturelle Kontexte, Frankfurt am Main 2000, 58-85. 48 TERT. Apol. 35,4 und 11.. Auch an diesen sollemnitates publicae ist »Freude« die leitende Affektation (s. o. § 2.3): gaudia publica, gaudia Caesar um. 49 50
TERT. Apol. 35,4. TERT. Apol. 35,7.
^ TERT. Apol. 35,12. 52
TERT. Apol. 30,4.
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sich erkennen, wie und warum gerade diese Religion im Verlaufe des nächsten Jahrhunderts sich zur dominanten Reichsreligion entwickelt hat.
§ 4 Zusammenfassung und Fragen §4,1 Zusammenfassung 4.1.1 In diesem Beitrag wurden einige Eide verschiedenen Inhalts bei, auf und für den Kaiser vorgestellt. Die Beispiele stammen aus Rom und den Provinzen Galaria, Lusitania, Asia, Africa von 14 v. Chr. (Horaz) bis zur severischen Dynastie (Tertullian). 4.1.2 a) Der Eid ist - wie Gelübde, Gebet, Segen/Fluch, Opfer, einfache Divinarion - ein allen Religionen des Imperium Romanum gemeinsamer Ritus, auch der sogenannten monotheistischen Religionen. b) Der Eid der Bürger bei, für und auf den Kaiser ist ein festes, signi fikantes Ritual des Herrscherkultes, neben den vota, den Opfern für den Kaiser (und sein Haus) und ähnlichen Ehrungen wie der Einrichtung einer neuen Ära, der Umbenennung von Monaten, Städten, Gebäuden. c) Die Eidesleistung schafft durch ihre juristischen Folgen, die kultische und verbale Inszenierung eine Bindung (vinculum) zwischen Kaiser und Bürgern, der Bürger untereinander, im Osten des Reiches besonders zwi schen Hellenen und Römern, die denselben Eid schwören. Der Kaisereid ist also ein Ritual der römischen >Reichsreligion<. 4.1.3 Angesichts der Frequenz und der Massen von Teilnehmern, die man für den Bürgereid auf den Kaiser annehmen muß, ist seine Bezeugung gering, vielleicht darf man sagen: erstaunlich gering. 4.1.4 Im Vergleich zu anderen religiösen Texten der griechischen und römischen Antike ist mir das starke persönliche commitment auffällig, das in den Kaisereiden gefordert wird. Die Eigenliebe {conservatio sui\ die Kinderliebe, die Bindung an die Sippe werden ausgerichtet auf den Caesar. Durch den Eid soll ein Band erzeugt oder verstärkt werden, das so fest ist wie der Lebenswille des Menschen überhaupt. Wieweit das damals gelang, ist mir unklar. Die Übertragung familialer Beziehungen auf die Beziehung Kaiser Bürger wird auch durch andere religiöse Maßnahmen betrieben; nur drei Beispiele: (a) die Aufnahme des genius Augusti in den privaten Hauskult und in den stadtrömischen Compitalkult,53 (b) den Schwur bei dem genius 53 Vgl. WEINSTOCK, 1971, 215 ff. - Kaiserstatuetten haben sich jedoch in den pompeianischen Lararien nur selten gefunden; ob unter den gemalten drei Genien
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des Kaisers analog dem beim genius des pater familias> (c) die >Vater<-Titel der Caesaren: pater patriae, parens patriae. In dieser Hinsicht wird es auffällig, daß die Ikonographie der Kaiser und Divi nicht an die Ikonographie der hellenistischen Vatergottheiten an knüpft.54 §4.2 Fragen 4.2.1 Umfang und Frequenz des obligatorischen >Kaisereides< der Bürger: (a) Sind bei der Einrichtung von Provinzen und Distrikten (provinciae STtap/ioa; conventus - w a p / i a i ) immer alle Bürger/Einwohner vereidigt worden? (b) Sind alle Bürger/Einwohner bei jedem Thronwechsel auf den neuen Herrscher vereidigt worden? (c) Bei welchen Gelegenheiten wurde dieser bzw. ein analoger Eid >erneuert Sicher gab es hierfür beim dies imperii eine Gelegenheit: war sie aber zwingend, und für welchen Kreis?55 (d) Haben die .Christianer diesen allgemeinen Kaisereid (Treue-Eid)S6 geschworen oder nicht? 4.2.2 Wie läßt sich die Bindekraft des Herrscherkults erfassen, die vis vinctionis des vinculurrti Welche Quellen und Methoden gibt es zur Un tersuchung der Psychologie des Herrscherkultes? 4.2.3 KURT LATTE hat in seiner Geschichte der römischen Religion das Kapitel über die Kaiserzeit unter den religionssoziologischen Begriff »Loyalitätsreligion« gebracht57 Er umschreibt sie mit folgenden Ausdrükken: sie sei »keine eigentliche Religion«, sie sei Anerkennung der politi schen Wirklichkeit, »nicht religiöses Bekenntnis«; es gebe zwar ein spon tanes Gefühl hinter ,dem Kult des Kaisers: »nur fällt es aus dem Bereich des spezifisch Religiösen heraus«.58 Die Beteuerung der Loyalität in der Kaiserzeit zeige kein »stärkeres religiöses Empfinden der Beteiligten«;59 der mittlere den Kaiser meint, ist unsicher. - Zu den literarischen Quellen; HORAZ c 4,5,34; PETRON, Satiricon 60; CASSIUS DIO 51,19,7. 54 Hinweis von Dr. K. Hitzl. 55
56
Vgl o. § 2.3 zu PLINTUS d. J.
»Allgemein« im Unterschied zum Eid der Beamten {in acta, in verba, in lege$\ der Richter, der Zeugen; der Berufsstände (Ärzte, Soldaten) etc. 57 Der Ausdruck »Loyalitätsreligion« wird als Titel und Kategorie benutzt von K. LATTE, Römische Religionsgeschichte. München (1960), 21967, S. 312 ff. 58 59
LATTE, 308; 309. LATTE, 313.
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Hubert Cancik
»die äußeren Formen der Loyalitätsreligion steigern sich mit der Zeit, ohne daß ihnen eine größere Intensität des Empfindens entspräche«.60 Er faßt der Ausdruck »Loyalitätsreligion« die Religiosität der Kaisereide, Praxis und Konzept von römischer Herrscherverehrung und Kaiserkult?
Bibliographie H. CANCIK 1996. »Nichts blieb übrig für die Verehrung der Götter«. Hi storische Reflexion über Herrscherverehrung bei Tacitus, in: Geschichte - Tradition - Reflexion. Festschrift für Martin Hengel zum 70. Geburts tag, hrsg. v. H CANCIK / H. LICHTENBERGER / P. SCHAUER, 3 Bde., Tübingen; Bd. 2: Griechische und römische Religion, hrsg. v. H. CAN CIK, 305-322. V. EHRENBERG/A- H. M. JONXS 21976. Documents Illustrating the Reigns of Augustus and Tiberius, Oxford. JULIAN GONZALEZ 1988. The first Oath pro salute Augusti Found in Baetica, in: ZPE 72, 113-127. P. HERRMANN 1968. Der römische Kaisereid. Untersuchungen zu seiner Herkunft und Entwicklung, Göttingen. P. HERRMANN 1989. Ein Tempel für Caligula in Milet?, in: MD AI (Istan bul) 39, 191-196. P- HERZ 1975. Untersuchungen zum Festkalender der römischen Kaiser zeit, 2 Bde. R, HIRZEL 1902. Der Eid. Ein Beitrag zu seiner Geschichte, Leipzig (Ndr. 1979). M. KRAUS/H. D. SPENGLER 1998. Iusiurandum, in: Hist. Wörterb. d. Rhe torik, 4, 692-712. Z. M. PACKMAN, Notes on Papyrus Texts with the Roman Imperial Oath, in: ZPE 89 (1991) 91-102. PAOLO PRODI 1992. Il sacramento del potere. Il giuramento politico nella storia costituzionale dell'occidente, Bologna. L. ROBERT 1949. Le eulte de Caligula à Milet et* la Province d'Asie, in: Hellenica 7, 206-238. F. RODRIGUEZ ADRADOS, La>Fides< iberica, in: Emerita 14 (1946) 128-209.
60
LATTE, 325.
Der Kaisereid
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2001. Sakrament, in: Handb. religionswissenschaftlicher Grundbegriffe , Bd. V, Stuttgart 2001, 21-25. JÖRG RÜPKE 1990- Domi militiae. Die religiöse Konstruktion des Krieges in Rom, Stuttgart, 70-91 (coniuratio, sacramentum im Militär). ER^WTN SEIDL 1933. Der Eid im römisch-ägyptischen Provinzialrecht, München (Münchner Beiträge zur Papyrusforschung, H. 17). CARL FRIEDRICH STÄUDLIN, Geschichte der Vorstellungen und Lehren vom Eide, Tübingen 1824. S. WEINSTOCK 1971. Divus Iulius, Oxford. JÖRG RÜPKE
Neue Forschungen zum Festkalender der römischen Kaiserzeit von PETER H E R Z
Wenn ich im folgenden den Begriff Festkalender verwende, dann sind die folgenden Prämissen zu bedenken.1 Es gab nicht den Festkalender, son dern man muß davon ausgehen, daß in jeder Periode der römischen Kai serzeit eine Vielzahl von Festkalendern nebeneinander existierte. Diese Kalender hatten zwar eine gewisse Schnittmenge an allgemein verbindli chen Festen miteinander gemeinsam, stellten aber ansonsten jeweils die Feste als beachtenswert heraus, die man nach sehr unterschiedlichen reli giösen, sozialen und eventuell lokalen Gesichtspunkten als relevant und daher feiernswert feststellte.2 Um diese Feststellung an einigen Beispielen zu verdeutlichen: der Ge burtstag eines Kaisers und der Tag seines offiziellen Herrschaftsbeginns waren natürlich Daten von allgemeiner Bedeutung und dürften daher in allen Festkalendern seiner Regierungszeit registriert und gefeiert worden sein. Der Tag hingegen, an dem dieser Kaiser eine bestimmte Stadt in 1
Lit. zu den Festkalendern: J. Rüpke, Kalender und Öffentlichkeit. Die Ge schichte der Repräsentation und religiösen Qualifikation von Zeit in Rom, Berlin, New York 1995 (RW 40) bietet ein aktuellen Überblick über die Forschung bis Mitte der 90er Jahre, die auf der großen Materialsammlung von A. Degrassi, Inscriptiones Italiae XIII, 2. Fasti anni Numani et Iuliani, accedunt ferialia, menologia rustica, parapegmata, Roma 1963 [im folgenden: Degrassi, Fasti •+• p.] aufbaut. 2 Sehr ernüchternd ist in diesem Zusammenhang das Bild, das das Haushalts buch des Soknopaios-Heiligmms (= P.Louvre I Nr. 4) bietet, das jetzt in einer Neuedition durch A.Jördens (Hrsg.), Griechische Papyri aus Soknopaiu Nesos (P.Louvre I), Bonn 1998 vorgelegt wurde. Unter einer Vielzahl von völlig auf den einheimischen Kult ausgerichteten.Festen findet sich ein einziger Termin des Kai serkultes erwähnt. Vgl, auch A. Grimm, Die altägyptischen Festkalender in den Tempeln der griechisch-römischen Epoche, Wiesbaden 1994 (Ägypten und Altes Testament 15) u. Sh. El-Sabban, Temple festival calenders of ancient Egypt, Liver pool 2000.
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einem feierlichen adventus betreten hatte, konnte von dieser speziellen Stadt natürlich auch später noch als Fest gefeiert werden, war aber bereits für die Nachbarstadt oder gar die Stadt Rom vollkommen irrelevant und für diese daher nicht feiernswert.3 Der Tag, an dem die römischen Veteranen ins Zivilleben entlassen wur den oder an dem eine bestimmte Einheit ihre Feldzeichen erhalten hatte und damit ins Leben gerufen worden war, konnte im gesamten römischen Heer bzw. in dieser speziellen Einheit als Fest begangen werden,4 lieferte aber für die Zivilbevölkerung kaum einen Anlaß, diesen Tag zu feiern. Eine Aufweichung dieser Regel kann man lediglich in Fällen vermuten, in denen die Einheit inmitten einer Stadt garnisonierte. Die einzige Ausnahme von dieser topographischen Regel stellt die Stadt Rom dar, denn wir können durchaus feststellen, daß einige Feste, die ur sprünglich mit Ereignissen verknüpft waren, die nur für Rom von Belang waren, in einer späteren Phase eine überregionale Bedeutung erhielten. Dies ist aber vor allem unter dem Gesichtspunkt zu verstehen, daß durch die enge Beziehung zwischen dem jeweiligen Kaiser und der Hauptstadt diese zunächst rein lokalen Feste aufgewertet wurden und auf diesem Wege überregionale Relevanz gewannen. Eine ganz entscheidende Rolle kommt dabei der römischen Armee zu, die als Träger einer reichseinheit lichen Tradition für eine Verbreitung ursprünglich stadtrömisch-italischer Vorstellungen sorgte. Denn selbst als nur noch ein sehr geringer Teil der Soldaten italischer Provenienz war, hielt man unbeirrt an der Vorstellung fest, der exeratus Romanus sei identisch mit dem exercitus populi Romani der alten Zeit und tradierte daher auch durchaus typisch römische Feste wie Neptunalia, Vestalia usw.5
3 Vgl. zu den lokalen Epibaterios-Kulten von Kaisern: H. Halfmann, Itmera principum. Geschichte und Typologie der Kaiserreisen im römischen Reich, Stutt gart 1986, 112 f. 4 Zum Fahnenkult vgl. neben Th. Pekary, Das Opfer vor dem Kaiserbild, BJb 186, 1986, 91-103 vor allem O. StoU, Die Fahnenwache in der römischen Armee, ZPE 108,1995,107-118 = Römisches Heer und Gesellschaft. Gesammelte Beiträge 1991-1999, Stutegan 2001, 47-58 u. dens-, Excubatio ad signa. Fahnenwache, mi litärische Symbolik und Kulturgeschichte, St. Katharinen 1995. 5 Vgl. dazu P. Herz, Sacrifice and sacrificial ceremonies in the Roman army of the imperial period, in: A. I. Baumgarten (Ed.), Sacrifice in religious experience, Leiden, Boston, Köln 2002 (Numen 93), 81-100 und vor allem O. StoU, Zwischen Integration und Abgrenzung. Die Religion des römischen Heeres im Nahen Osten. Studien zum Verhältnis von Armee und Zivilbevölkerung im römischen Syrien und den Nachbargebieten, St. Katharinen 2001 (Mainzer Althistorische Studien 3).
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Bei zwei Festterminen, dem römischen Jahresanfang am 1. Januar des julianischen Kalenders und dem 3. Januar, dem Tag der nunatpatio votorum, ist daneben eine gesonderte Traditionslinie zu berücksichtigen. Die Kalendae Ianuariae zogen ihre Bedeutung ursprünglich lediglich aus der Tatsache, daß an diesem Tag seit der späten Republik in Rom die consules ordinarii in einer feierlichen Zeremonie ihr Amt antraten.6 In einer ersten Stufe wurde dieser Termin auch in die Festverzeichnisse in' Gebieten auf genommen, die wie die Provinz Asia oder Aegyptus einen völlig anderen Kalender besaßen/ So finden wir für die Provinz Asia neben dem 23. Sep tember, dem Neujahrstag des asianischen Kalenders und zugleich Ge burtstag des Augustus auch die Feier der Januarkaienden registriert.8 Ähn liches läßt sich auch für Aegyptus nachweisen, wo der Januartermin zusätzlich zu dem offiziellen Jahresbeginn am 1. Thoth = 29. August be achtet wurde.9 Dabei scheint sich auch der ehemals feierliche und getra gene Charakter des ursprünglich stadtrömischen Festes gründlich verän dert zu haben, denn einige christliche Autoren registrierten mit Abscheu die allgemeinen Lustbarkeiten, die in ihrer Zeit mit diesem Anlaß ver knüpft waren.10 Bei den uns vorliegenden Festkalendern, die Informationen zu Feier lichkeiten des Kaiserkultes liefern können, lassen sich zwei grundsätzlich zu unterscheidende Typen feststellen. 1. Nonnale Jahreskalender, bei denen die Feste des Kaiserkultes in das übliche Kalenderjahr mit seinen Festen integriert sind. Dazu kann man die Fasti Praenesuni aus der frühen Kaiser zeit,11 aber auch die sogenannten 6
Vgl. F. Graf, Kalendae Ianuariae, in: F. Graf (Hrsg.), Ansichten griechischer Rituale. Geburcstags-Symposion für Walter Burkert. Castelen bei Basel 15. bis 18. März 1996, Stuttgart, Leipzig 1998,199-216. Leider ist der Tag der mtncupatio votorum noch nicht entsprechend gut aufgearbeitet worden. 7 Dazu vgl. F. Perpillou-Thomas, Fetes d'figypte ptolemaique et romaine d'apres la documentation papyrologique grecque, Louvain 1993 (Studia Hellenistica 31), 100 ff. mit weiterem (vor allem papyrologischem) Material. 8 Vgl. die Vereinsordnung der Hymnoden von Pergamon: Altertümer von Pergamon VIII 2, Berlin 1895, Nr. 374. * Vgl. neben Perpillou-Thomas, Fetes auch J. R. Rea, On the Greek Calends, in: Proceedings of the XVIII International Congress of Papyrology II, Athen 1988, 203-208. 10 VgL neben den Hinweisen bei Perpillou-Thomas, Fetes und Graf, Kalendae auch das Material bei D. Baudy, Strenarum commercium. Über Geschenke und Glückwünsche zum römischen Neujahrsfest, RhM 130, 1987, 1-28 und M. Meslin, La fete des kalends de janvier dans Fempire romain, Bruxelles 1970. 11 Degrassi, Fasri p. 107 ff. zu den Fasti Praenestim.
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Kalendaria des Furius Philocalus aus dem 4. Jh. und des Polemius Silvius aus dem 5-Jh. zählen.12 2. Auswahlsammlungen, die bevorzugt Feierlichkeiten des Kaiserkultes verzeichnen, während die übrigen Feste des Kalenderjahres nur in redu zierter Zahl (Feriale Duranum) 13 erscheinen oder gänzlich fehlen (Feriale Cumanum). 14 Als 3. Variante und in ihrer speziellen Form praktisch als eine singulare Quelle sind die Commentarii der Fratres Arvales anzusehen, die jetzt in einer neuen Edition vorliegen.15 Hier werden eine ganze Reihe von Festen, des frühen Kaiserkultes registriert, allerdings nicht nur als reine Datums oder Festangabe, sondern in Verbindung mit den dazu anfallenden Opfern und teilweise mit den dazugehörigen Gebets- oder Votatexten. Leider muß man feststellen, daß die einschlägigen Quellen die mehr als vier Jahrhunderte umfassende Periode, in der man im strengen Sinne von Kaiserkult reden kann, sehr ungleichgewichtig bedenken. Während wir für die frühe Kaiserzeit durch eine Vielzahl an Quellen informiert werden, beginnt mit der flavischen Dynastie (69-96) eine ausgesprochene Durst strecke, d. h. wir können im Gegensatz zur ersten römischen Dynastie nur eine Mindestprogramm an Festen für die jeweiligen Kaiser nennen. Vor allem ist der weitgehende Ausfall der Arvalakten zu nennen, die zwar in substantiellen Partien erhalten sind, aber aus nicht näher bekannten Grün den seit dem Ende der julisch-claudischen Dynastie weitgehend darauf verzichteten, die Feste des Kaiserkultes zu verzeichnen. Diese partielle Aporie gilt auch mit gewissen Modifikationen für die beiden folgenden Dynastien der Antonine und der Severer (96-235). Wir müssen daher für diese beiden Dynastien unsere Informationen aus einer Mehrzahl an Quellen sehr unterschiedlicher Qualität zusammenstückeln, die sehr zufällig auf uns gekommen sind. Das Feriale Duranum, ein für den Dienstgebrauch einer Hilfstruppeneinheit im mesopotamischen Dura-Europos bestimmtes Verzeichnis auf Papyrus, informiert uns allerdings 12 Degrassi, Fasä p- 237 ff. zu den Kaiendarien des Philocalus bz^r. p. 263 ff, des Polemhis Silvius. Daneben auch M. R. Salzman, On Roman Time. The codex-calender of 354 and the rhythms of urban lif e in late antiquity, Berkeley, Los Angeles 1990. 13 Zum Feriale Duranum vgl. immer noch die erste Gesamtedition von R. O. Fink, A. S. Hoey, W. F. Snyder, The Feriale Duranum, YCSt 7,1940,1-221 [zitiert als F.D.]. 14 Zum Feriale Cumanum: Degrassi, Fasti p. 27S ff. :5 J. Scheid, Recherches archeologiques a la Magliana. Commentarii fratrum arvalium qui supersunt. Les copies epigraphiques des protocoles annuels de la confrerie arvale (21 av. J.-C. - 304.ap. J--C), Paris 199S. Zitiert als CFA ed. Scheid
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sehr ungleichgewichtig vor allem über Festtermine der antoninischen und severischen Kaiser. Ergänzt wird diese Quelle durch drei andere Papyri (P.Oslo 77, BGU 362, P.Oxy. 2553), die aber nur punktuelle Informatio nen liefern und noch nicht abschließend kommentiert sind. Einiges soll im zweiten Teil meines Beitrages angesprochen werden. Daß in der Realität ursprünglich wesentlich mehr an Feiern und auch Informationen vorhanden gewesen sein muß, zeigt eher zufällig die Historia Augusta. Wenn der unbekannte Autor es nicht für nötig befunden hätte, in der Vita des Commodus Nachweise für die durch diesen Kaiser vorgenommenen Änderungen der Monatsnamen zu liefern und zusammen mit den entsprechenden Festeerminen zu belegen, würden wir nicht viel mehr als das Datum seines Geburtstages und seines Regierungsantritts besitzen.16 Nach dem halben Jahrhundert der Reichskrise können wir erst mit dem Beginn der tetrarchischen Zeit wieder davon sprechen, daß sich ein über eine längere Periode konstanter Festkalender ausbilden konnte. Doch sieht man einmal von den Feierlichkeiten für Constantius Chlorus ab, der als Vater des späteren Kaisers Constantinus naturgemäß eine Sonderstellung einnimmt, so sind von den eigentlich tetrarchischen Feierlichkeiten ledig lich der Regierungsantritt und der Geburtstag des Diocletianus mit abso luter Sicherheit überliefert. Mit welchen Festen oder Festtypen können wir rechnen? Wenn man einen Mindestbestand an Festlichkeiten umschreiben möchte, dann um faßte er auf jeden Fall den Geburtstag (dies natalis) des Kaisers bzw, der Kaiserin und das offizielle Datum seines Regierungsantritts (dies imperii). Daneben verfügte man, vor allem wenn es um politisch motivierte Fest lichkeiten ging, über ein ganzes Spektrum von Möglichkeiten, um Feste aufzuwerten und ihre Bedeutung für die Öffentlichkeit zu verdeutlichen. Dazu ein kurzer Überblick der Methoden, die in ihrer Gesamtheit noch nicht untersucht sind. 1. Man dehnte das Fest, das ursprünglich auf einen einzigen Tag kon zentriert war* über mehrere Tage aus, wobei nicht festgelegt war, ob diese Eiweiterungstage vorgeschaltet wurden, also auf den eigentlichen Festter min hinführten, oder ihm folgten. Die Konzeption, daß die zeitliche Aus dehnung eines Festes zugleich eine Maßeinheit für seine Bedeutung sein könne, hatte sich bereits in der römischen Republik ausgebildet, wobei die 16
SHA Comm. 11,13-12,9, vgl. für den historischen Wert dieser Nachricht die Ausführung von H. Nesselhauf, Die vita Commodi und die acta urbis, Bonner Historia-Augusta-Colloquhim 1964/65, Bonn 1966,127-13$.
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Anzahl der für supplicationes bestimmten Termine bei Caesar oder die Länge der ludi victoriae recht aufschlußreich sind. Das beste Beispiel ist der dies natalis des Augustus am 23. September, dessen Feiern bereits zu seinen Lebzeiten auf den 24. September ausgedehnt wurden. 17 2. Ein Prozeß der Doppelung von Festanlässen. Dabei nahm man be reits als Fest etablierte Daten und legte mit voller Absicht neue Feste auf diese Tage. Man verstärkte also auf diese Weise zum einen die bereits vorhandene Festeigenschaft und hob zum anderen das neue Fest in seiner religiösen bzw. ideologischen Wertigkeit besonders hervor. Dazu als Bei spiel der Tag des Triumphes, den Kaiser Lucius Verus am Ende seines siegreichen Feldzuges über die Parther feierte. Man wählte dazu den 12. Oktober, den Tag der Augustalia, die an die Rückkehr des Augustus im J. 19 v. Chr. erinnerten. Augustus hatte damals nach einem längeren Aufenthalt im Osten des Imperiums in der Nacht vom 11. zum 12. Ok tober wieder die Stadt betreten und dabei wahrscheinlich die von den Parthern zurückgegebenen Feldzeichen mitgebracht.18 Lucius Verus knüpfte damit also direkt an das inzwischen fast kano nisch gewordene Vorbild des Augustus an. Bei den Antoninen nutzte man diesen Termin aber noch zusätzlich, indem man am Tag der Triumphf eiern die beiden noch minderjährigen Söhne des Marcus Aurelius mit dem Titel Caesar auszeichnete und so die künftige Kontinuität und Sieghafdgkeit der Dynastie für die Öffentlichkeit unterstrich. 19 Die Sieghafdgkeit der Dynastie spielte wahrscheinlich auch eine Rolle bei der Auswahl eines Datums für die Erhebung des Commodus zum Augustus, d. h. zum gleichberechtigten Mitherrscher seines Vaters. Denn der für Commodus zu vermutende Tag der Erhebung zum Augustus, der 27. November, war in den Kontext des sannatischen Triumphes des J. 176 eingebettet.20 3, Verlagerung von Festterminen. Besonders gerne griff man zu diesem Instrument, wenn es sich um die Feier des offiziellen Regierungsantritts handelte. Dabei sind die Belege vor allem für die Dynastie der Severer 17 Dazu I. König, Der doppelte Geburtstag des Augustus, 23. und 24. September (Suet. Aug. 51,1), Epigraphica 24, 1972, 3-15. 18 Vgl. dazu die Fasti Armterni (Degrassi, Fasu p. 194 f.): Fer(iae) ex s(enatus) c(onsulto) / q(uod) e(o) d(ie) Imp. Caes. Aug. ex transmarin(i$) provznc(zis) / urbem intravit araq(ue) Fort(unae) Reducz constzt(uta). 19 SHA Comm. 11,13: Nominatus inter Caesares: quartum zduum Octobrzum, quas Herculeas postea nomznavzt, Pudente et PolUone conss. (12.10. 166). 20 SHA Comm-12,4: Cumpatre appellatus Imperator: VKaL Exsuperatorias PolUone herum et Apro >iterum< consulzbus (176) und SHA Comm. 12,5: Triumphavit: X kal laru zsdem consulibus (176).
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besonders aufschlußreich, da sie auch etwas über die jeweils zu Grunde liegenden Motivationen aussagen.21 Septimius Severus feierte lediglich den Tag seiner .Usurpation am 9. April, wahrend die offizielle Anerkennung durch den Senat sich 1. nur grob datieren läßt und 2. sicherlich niemals offiziell gefeiert wurde. Seve rus verkürzte damit die Regierungszeit des von ihm gestürzten Rivalen Didius Iulianus auf wenige Wochen und unterstrich damit, daß seine ei gene Regierung von Anfang an identisch mit der rechtmäßigen Regierung in der Nachfolge des Helvius Pertinax gewesen war. Ähnlich verfuhr sein Nachkomme Severus Alexander, in dessen Herr schaftszeit der 26. Juni, an dem ihn sein Cousin Heliogabalus im J. 221 zum Caesar und Mitregent gemacht hatte, als der eigentliche dies imperii betrachtet wurde Der 13./14, März 222, an dem die Praetorianer Elagabal ermordeten und Severus Alexander am nächsten Tag mit den Kompeten zen seines Amtes durch den Senat ausgestattet wurde, konnte sich in der Realität niemals durchsetzen, obwohl dieses Datum im Feriale Duranum genannt wird.22 Macrianus hingegen, der im J. 217 von der Position des praefectus praetorio zum Kaiser aufstieg, wählte als seinen offiziellen Regierungsbeginn den 11. April, den dies natalis des Septimius Severus. Zum einen versuchte er damit, sich in die Tradition eines inzwischen allgemein geschätzten Herrschers zu stellen, zum anderen trennte er seinen eigenen Regierungs beginn damit vermeintlich öffentlichkeitswirksam von der Ermordung sei nes Vorgängers Caracalla, der am 8. April auf der Straße nach Karrhai ermordet worden war. 4. Anlagerung von neuen Festen an bereits bestehende Konzentratio nen von Feierlichkeiten. Betrachtet man den Festkalender des gesamten Jahres, so stellt man unschwer gewisse Tagesgruppen fest, an denen sich die für den Kaiserkult wichtigen Termine ballen. Einige dieser Konzen trationen sind sicherlich eher zufällig entstanden, was etwa für die Abfolge der Kaisergeburtstage im September gilt.23 Anders sieht dies bei einer Festkonzentration zu Beginn des Monats Mai aus, die sich über einen Zeitraum von mehreren Jahrhunderten ent wickelte. Ausgangspunkt ist der 12. Mai, der seine Bedeutung durch die ludi Martiales bzw. Martialici erhalten hatte, die an die dedicatio der aedis 21 22
P. Herz, Der dies imperii unter den Severern, ZPE 31, 1978, 285-290. D. Fishwick, Dated inscripuons and the Feriale Duranum, Syria 65,1988,349361 = The imperial cuk in the Latin West 11,1, Leiden 1991, 593-608. 23 Trajan (18. September), Antoninus Pius (19. September), Augustus (23. Sep tember).
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Mortis Ultoris im' J. 2 v. Chr. erinnerten.24 Da der Mars Ultor Tempel an die Dominanz Roms über die Parther erinnerte, lagerte man zu einem leider noch nicht genauer zu bestimmenden Termin die ludi Persici^ die mit dem 13. Mai begannen, an dieses Datum an. Man stellte sich damit sowohl in die Tradition des ersten princeps, machte aber gleichzeitig durch die zeitliche Ausdehnung des Festes bis zum 17- Mai deutlich, daß man an sich der Meinung war, mit dem eigenen Erfolg Augustus übertroffen zu haben. Die Spezifizierung >Persfci< verweist dabei auf ein Ereignis nach der Ab lösung der parthischen Herrscher durch die neupersischen Sasaniden. Dieses >Spielen< mit dem bestehenden Festkalender läßt sich bis auf den ersten princeps zurückführen, der bereits entsprechend agierte. So wählte Augustus den 30. Januar als Datum für die dedicatio der ara Pacis Augustae, wodurch der Geburtstag seiner Ehefrau Livia indirekt aufgewertet wurde, 25 Später wählte Claudius, ein Enkel der Livia, den 17. Januar, den Tag, an dem Livia den späteren Augustus geheiratet hatte und in die gens Julia übergegangen war, als Datum für ihre feierliche consecratio.26
Neue Ergebnisse Anfang der 80er Jahre haben unabhängig voneinander die beiden ameri kanischen Kolleginnen L Levine und. M. R. Salzman die ursprüngliche Datierung des damals neugefundenen Freskokalenders von Santa Maria Maggiore ins 4. Jh. korrigieren können und mit sehr gewichtigen Gründen ein Abfassungsdatum dieses wichtigen Zeugnisses in der Zeit nach den Antoninen und vor der Periode der Tetrarchen wahrscheinlich gemacht.27 Daher scheint es angemessen, sich dem Kalender des Furius Philocalus 24 P. Herz, Zum Tempel des Mars Ultor, in: J. Ganzen, Der Tempel des Mars Ultor auf dem Form Augusti, Roma 1996 (Beiheft der Römischen Mitteilungen 11), 265-281 mit der Festlegung des 1. August 3 v. Chr. für die Dedikaton des Forum Augusti und des 12. Mai 2 v. Chr. für die Einweihung des Mars-Ultor-Tempels. 25 Vgl die Eintragung der Fasti Praenestini (Degrassi, Fasti p. 117: Feriae ex $.c. quo[d eoj die ara Pacis Augustaje in campoj / Martio dedicata [ejst ...) zusammen mit CFA 12 b 8 ff. und c 1 ff. ecL Scheid; natali Iulzae Augptstae. 26 CFA 17,16 ff. ed. Scheid: [ob consecrjationem divae Aug(H$tae) ... 27 I. Levine, A reconsideration of the date of the Esquiline Calendar and of its polirical fesrivals, AJA 86, 1982, 429-435; M R. Salzman, New evidence for the dating of the Calendar of Santa Maria Maggiore in Rome, TAPhA 111, 1981, 215-227. Erstpublikauon: F. Magi, II calendario dipinto sotto Santa Maria Maggio re, con appendici sui graf&i del vano XVI a cura di P- Castren, Roma 1972, 23 ff:; bei Rüpke, Kalender 86-90 als fasti porticus bezeichnet
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von 354 und dem späteren Werk des Silvius aus dem 5. Jh. zuzuwenden, um einige durch diese Neudatierung aufgeworfene Fragen anzusprechen. Durch die Untersuchungen von Levine und Salzman konnten die vor her recht rätselhaften ludi Sarmatiä, die vom 25. November bis 1. Dezem ber (Philocalus) bzw. am 27. November (Silvius) gefeiert wurden, von bei den Autorinnen mit überzeugenden Argumenten auf die Feier der großen ludi triumphales Mark Aureis zurückgeführt werden.28 Gleichzeitig dürfte diese Feier am 27. November auch mit den in einem Papyrus gemeldeten Siegesfeiern des vergöttlichten Mark Aurel identisch sein (... J £mviKi(Dv eso-ö A\>pri?Lioa) AvTCov[iav>]).29 Der 27. November ist auch wahrschein lich identisch mit dem dies imperii des Commodus, da die Historia Augusta für dieses Datum die Notiz Cum patre appellatus imperator: V Kai Exsuperatorias Polhone iterum et Apro consulibus bewahrt hat.30 Dies er klärt auch auf überzeugende Weise, warum der dies imperii divi Commodi nicht in den uns erhaltenen Partien des severerzeitlichen Feriale Duranum erscheint. Denn man hat in der Forschung meist zu Unrecht den Regie rungsantritt des Commodus rrüt der Übernahme seiner Alleinherrschaft nach dem Tod seines Vaters Marcus Aurelius am 19. März 180 gleichsetzen wollen und dabei völlig vergessen, daß Commodus bereits seit dem 27. November 176 den Titel eines Augustus trug, d. h. seine Erhebung zu diesem Rang gehört in den Kontext der großen Triumphalspiele des Mar cus Aurelius gegen Ende des J. 176.3i Allerdings hat dieser erste erfolgreiche Einbruch in die bis zu diesem Zeitpunkt fast als kanonisch geltende Meinung, daß die beiden späteren Kaiendarien des Philocalus bzw. des Silvius lediglich Feste der tetrarchischen bzw. konstantinischen Zeit registrieren, keine erkennbaren Auswir kungen auf die anschließende Forschung gehabt. Ich hingegen möchte jetzt ganz konsequent vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis die Frage stellen, ob diese Weiterführung früherer Spieltermine aus antoninischer Zeit in Festverzeichnissen des 4. und 5. Jh. lediglich ein Einzelfall ist oder ob man die hier gewonnenen Einsichten auch auf andere Festtermine 25
Für die historischen Umstände vgl. A. Birley, Marcus Aurelius. A Biography, revised edition London 1987, 195 ff., der beide Termine, 27. November (dies imperii Commodi) und den 23. Dezember (Tag des Triumphes), berücksichtigt, ohne allerdings zu tief in die Problematik der Überlieferung einzudringen. 29 P. Oxy. 2553 Z. 6-8. 30 SHA Comm. 12,2. 31 D. Kienast, Römische Kaisertabelle. Grundzüge einer römischen Kaiserchro nologie, 2. durchgesehene u. erweiterte Aufl. Dannstadt 1996, 147. Die Probleme nüt der komplizierten Nachrichtenlage der Historia Augusta,-sollen in anderem Zusammenhang ausführlicher behandelt werden.
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übertragen kann. Mit anderen Worten, in welchem Umfang berücksichti gen diese stadtrömischen Kalender des 4. Jhs. in ihrem ansonsten weitge hend auf die konstantinische Dynastie zugeschnittenen Festkanon die Pe riode der >klassischen< Kaiserzeit? Ein solches Unterfangen ist nicht nur unter dem Aspekt angemessen, daß man damit etwas in der Deutung die ser Zeugnisse voranschreiten kann, sondern diese Festkalender sind ja auch als lebendige Dokumente der historischen Traditionen, denen sich das Imperium Romanum auch während des 4. und 5. Jh. immer noch verpflichtet fühlte, nicht gerade unerheblich. Nachdem bereits die vorher in ihrer Deutung höchst umstrittenen ludi Sarmatia als die alten Siegesfeiern Mark Aureis entlarvt worden sind, ist die Suche nach weiteren potentiellen Ansätzen für solche Siegesfeiern aus früheren Zeiten, die auch noch im 4. und 5. Jh. fortlebten, durchaus sinn voll zu nennen. Im folgenden die jetzt zu prüfenden Termine, die man global der Kategorie der Siegesspiele zuordnen darf, wobei die typische Form dieser spätantiken ludi victoriae aus 5 Tagen ludi bestand, die durch einen Tag, den insgesamt 6. des Zyklos, mit ludi circenses beschlossen wurden.32 Generell läßt sich für das jüngere Festsrerzeichnis des Silvius feststellen, daß die bei Philocalus noch extensiv gefeierten ludi jetzt in ihrem Umfang deutlich reduziert worden sind, wobei es den Anschein hat, man habe sich vor allem auf die Kerntage konzentriert, also das eigentlich wichtige Da tum dieser ludi. Einige dieser Daten sind aus historisch-politischen Grün den höchst verdächtig, nachdem erst einmal die vorher fast als unumstöß lich geltende Regel, daß mit diesen Festen nur Feiern der konstantinischen oder höchstens der tetrarchischen Periode gemeint sein könnten, ins Wan ken geraten ist.33 32
Eine gewisse Sonderstellung nehmen bei PHlocalus. zwei kleinere, d. h. in die sem Fall eintägige, Siegesfeiern am 27. und 30. Juli ein, die >ob Victorias Sarmaticas< bzw. >ob Victorias Marcomanniats< gefeiert wurden. Sie sind bisher praktisch un kommentiert geblieben, obwohl m. E. ihre Bedeutung für die historische Entwick lung, die wir im Pbilocalus-Kalender fassen können, noch nicht recht verstanden wird. Interessant ist auf jeden Fall, daß die Möglichkeit besteht, daß der Kalender von Santa Maria Maggiore am Ende der Liste für den Monat Juli >[circ(en$e$) Marcomarvnt\s vict(i$) / m(issus) XXIlI[iy gelesen werden kann. Während die Lesung durch Magi, Calendario. 24 tragfähig ist, ist seine damalige Deutung auf ein Ereignis der tetrarchischen Periode durch die Forschung überholt. M Es ist in diesem Zusammenhang doch etwas überraschend, wenn Salzman, On Roman Time 137, nachdem sie selbst zusammen mit Levine durch ihren Beitrag von 1981 den entscheidenden Impuls geliefert hat, diese orthodoxe Meinung auf zubrechen, später feststellen kann: »Nine imperial military victories, taking up
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Als erstes möchte ich mich jetzt der bei Silvius überlieferten Festnotiz Adiabenicis victis zuwenden, für die im Zeitraum vom 28. Januar bis zum 1. Februar ein Festzyklos registriert wurde, wobei man für diese Feiern bisher einen Sieg der tetrarchischen Periode in Betracht zog.34 Dabei muß man zunächst feststellen, daß die ludi Adiabenici einen gewissen Sonderfall in der Überlieferung darstellen, da sie nur bei Silvius notiert sind, während sie bei Philocalus fehlen. Die Meinung, daß sie bei Philocalus durch einen Irrtum ausgefallen sind, dürfte wahrscheinlich der Realität sehr nahe kom men. Denn der übliche Weg der Tradition war, daß die ursprünglich bei Philocalus registrierten Festtermine bei Silvius nur noch in reduzierter Form erscheinen. Wenn die ludi Adiabenici aber bei Silvius registriert wer den, dann müssen sie 1. bereits zur Zeit des Philocalus gefeien worden sein^ und 2. damals eine wesentlich längere Dauer als im 5. Jh. besessen haben. Wenn also Polemius Silvius für den 31, Januar >Circenses Adiabenis victis< meldet, dann kann man analog zu den meisten anderen Eintragun gen für die Zeit des Philocalus fünf Tage mit den üblichen ludi vermuten, also eine wahrscheinliche Dauer vom 26. bis 30. Januar mit den ludi circenses am 31. Januar. Zum einen umschließen die Feierlichkeiten den 28. Januar, also genau den Tag, an dem im J. 98 n. Chr. Trajan die Alleinherrschaft antrat, der Kaiser also, der in den oftmals ermüdenden offiziellen Genealogien der späteren Antonine oder der Severer stets mit dem Epitheton Partbicus ausgezeichnet wird. Zum anderen wissen wir durch das Feriale Duranum mit ausreichender Sicherheit, daß dieser 28. Januar auch der offizielle dies imperii des jugendlichen Augustus Caracalla war und gleichzeitig mit die ser Erhebung die offizielle Verkündigung des Sieges über die Parther im J. 198 verknüpft war. Bei der hohen Wertschätzung, die sich für Trajans Person und seine militärischen Leistungen auch noch im 4. und 5. Jh. fest stellen läßt, und dem gleichzeitig immer noch großen Druck, den der gro ße Rivale an den östlichen Grenzen Roms ausübte, wäre eine Fortführung von solchen Spielen auch aus politischen Gründen nicht undenkbar.35
some fifcy days, are recorded in the Calendar of 354; all but one can be securely identified with the Constantlnan dynasty«. Die von ihr zugelassene Ausnahme (Anm. 32) der ludi Francici interpretiert sie nach Degrassi, Fasti p. 483 als Sieg, der alternativ von Maximian, Constantin oder Constantius IL errungen worden sein könnte. M Sakman, On Roman Time 138 mit der älteren Literatur. 35 Für die Siegestitel vgl. generell P. Kneißl, Die Siegestitulatur der römischen Kaiser, Götdngen 1969.
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Ich möchte daher im folgenden vermuten, daß diese ludi Adiabeniciy die in ihrer Terminologie deutliche Anknüpfungen an die offizielle severische Siegestenninologie mit dem Siegernamen Parthicus Adiabemcus zeigen, wirklich auf die severische Zeit zurückgehen. Zwar führt die von T. D. Barnes zusammengestellte Liste der Siegesbeinamen der Tetrarchen auch einen Adiabemcus und einen Sarmaticus auf,36 doch scheint mir dies nicht auszureichen, um deswegen uneingeschränkt ein tetrarchisches Datum für die ursprüngliche Einrichtung dieser ludi zu postulieren, ohne dabei Al ternativen zu bedenken. Im Gegenteil scheint die Fortführung dieser alten ludi victoriae> zu denen auch die bereits angesprochenen ludi Sarmatici gehören, ein bewußter politischer Akt gewesen zu sein, durch den sich die späteren Herrscher in die historische Tradition der >vorbildlichen< Kaiser der alten Zeit einordneten. Weniger eindeutig einem bestimmten Kaiser oder einer Dynastie zu zuordnen sind hingegen die bereits angesprochenen ludi Persici, die nach dem Zeugnis des Philocalus vom 13. bis zum 17. Mai dauerten. Doch auch bei diesen ludi scheint vorab eine Beobachtung höchst auffällig. Denn diese Spiele schließen unmittelbar an die alten ludi Martialici oder ludi Martides des 12. Mai an, die seit der Regierungszeit des Augustus gefeiert wurden (vgl. in diesem Sinne auch das Zeugnis des Peride Duranumf7 und wahrscheinlich an einen seiner größten politischen Triumphe erinner ten, die Rückgabe der verlorenen Feldzeichen durch die Parther.3* Dane ben repräsentiert der 12. Mai auch das Datum, an dem im J.'2 v. Chr. der große Tempel des Mars Ultor auf dem Forum Augusti eingeweiht wurde.39 Persische Siegesf eiern, die sich'durch die zeitliche Abfolge vom 13. bis 17. Mai mit voller Absicht ganz an die Tradition des alten augusteischen Festes anschließen, scheinen daher sehr wohl möglich zu sein. Sie wären zugleich eine politische Aussage von höchster Qualität für den triumphie renden Herrscher, der sich als Sieger über den Gegner an der Ostgrenze des römischen Reiches auch zugleich als ein würdiger Nachfolger des Au gustus präsentieren konnte. Durch die zeitliche Ausdehnung der Feiern auf mehrere Tage wurde aber gleichzeitig der Öffentlichkeit unmißver ständlich klar gemacht, daß dieser Kaiser an sich ein noch größerer Sieger über die Feinde im Osten war als der allseits verehrte Begründer des Prin36
T. D. Barnes, Imperial campaigns, A.D. 285-311, Phoenix 30, 1976, 174-193, vgl Kienast, Kaisertabelle 268. 37 F.D. 11,9. 38 Literatur zu dieser Frage bei D. Kienast, Augustus. Prinzeps und Monarch, Darmstadt 19993 (durchgesehene und erweiterte Auflage), 342 ff. 39 Herz, Mars Ultor 275 ff.
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zipates. Das bekannte spätantike Akklamarionsinotto >felicior Augustoy melior Traiano< läßt an dieser Stelle ebenso grüßen wie die später fast inflationären Serien von Siegestiteln des Types >Persicus Maximus, Adiabenicus Maximus usw.<.40 Leider läßt sich unseren Quellen kein gesicherter Hinweis entnehmen, welchem Herrscher man denn diese spezielle Augustus-Zratatt'o bei der Einfügung der ludi Persici im Festkalender konkret zuzuschreiben hat. Mein Diskussionsvorschlag, hier eventuell an die Siegesfeiern nach dem triumphalen Sieg des Caesar Galerius über den sasanidischen Großkönig Nerses bei Nisibis im Frühjahr des J. 298 zu denken, erhebt daher keinen Anspruch auf unbedingte Sicherheit, vor allem, da sich der PhilocalusKalender ansonsten durch eine recht weitgehende Mißachtung der nicht auf die konstantinische Familie ausgerichteten Daten der tetrarchischen Zeit auszeichnet.41 Das geschickte Handhaben des offiziellen Festkalenders unter Diocletian, dem Spiritus rector dieser Zeit, ist zwar durch neuere Studien hin reichend herausgestellt worden, hat aber in den uns erhaltenen Quellen vergleichsweise geringen Widerhall gefunden/ 2 Eher durch Zufallsfunde wissen wir, daß dies imperii und dies natalis Diocletians mit größeren Festlichkeiten begangen wurden.43 Von den eventuell denkbaren Siegesfeiern, die vielleicht unter Constantius IL im Verlauf seiner recht wechselhaften Kriege gegen die Sasaniden anfallen konnten, wissen wir leider viel zu wenig, um hier eine fundierte Aussage wagen zu dürfen.44 Zumindest müssen wir uns aber, wie es mir scheint, in diesem Fall etwas von der irrigen Vorstellung freimachen, über das im Kalender registrierte Datum dieser ludi in jedem Fall den exakten 40
Neben Kneißl, Siegestitiilatiir vgl. die Zusammenstellungen bei Kienast, Kai sertabelle zu den jeweiligen Herrschern. 41 Zur diokletianischen Ostpolitik vgl. zuletzt R. G Blockley, East Roman For eign Policy. Formation and Conduct from Diocletian to Anastasius, Leeds 1992, 7 ff.; M. H. Dodgeon, S. N. C. Lieu (Edd.), The Roman Eastern Frontier and the Persian Wars AD 226-363. A documentary history, London, New York 1991, 125ff. E.Winter, Die sasanidisch-römischen Friedensverträge des ,3. Jahrhunderts n. Chr. - ein Beitrag zum Verständnis der außenpolitischen Beziehungen zwischen den beiden Großmächten, Frankfurt/M., Bern 1988, 152 ff. A. D. Lee, Information and frontiers. Roman foreign relations in late antiquity, Cambridge 1993. 42 F. Kolb, Diocletian und die erste Tetrarchie. Improvisation und Experiment in der Organisation monarchischer Herrschaft?, Berlin, New York 1987, 115 ff. 43 P. Beatty Panopolis 2, 162 {dies imperii am 20. November) und 2, 164 (dies natalis am 22. Dezember). 44 Hierzu zuletzt Dodgeon, Lieu, Roman Eastern Frontier 164 ff.
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Tag eines entscheidenden« Sieges bestimmen zu können. In diesem Fall, also dem Anschluß an die ludi Martialici^ waren das historisch vorgege bene Datum und die damit verknüpfte ideologische Ausrichtung an Au gustus für die Auswahl des Festtermins entscheidend, nicht unbedingt das aktuelle Datum des Tages, an dem der persische' Sieg innerhalb eines Ka lenderjahres errungen wurde. Schließlich zu einem letzten Fest, den enigmatischen ludi triumphales-, die laut Philocalus vom 18. bis 22. September gefeiert wurden. Diese ludi triumphales fallen zunächst einmal durch die Zahl von 48 für den 18. Sep tember registrierten Rennen deutlich aus dem üblichen Rahmen der Feiern heraus, die üblicherweise nur 24 Starts für Festage mit ludi circenses fest legen. M. K Salzman erkannte hier ganz zu Recht, daß ein Teil dieser Rennen durch die Feierlichkeiten für den dies natalis Trajans motiviert waren,45 womit sie ohne Zweifel eine zutreffende Erklärung gefunden hat. Allein welcher spezielle triumphus denn hier gemeint sein könnte, das scheint bisher nicht recht geklärt zu sein oder, um die Situation etwas zutreffender zu beschreiben, diese Frage ist noch nicht recht als Problem erkannt worden.46 Anstößig ist auf jeden Fall das völlige Fehlen eines Hinweises, über welchen Feind des Reiches man denn bei dieser Gelegenheit überhaupt * triumphieren wollte. Die durch die Übereinstimmung im Datum zunächst naheliegendste Erklärung wäre ohne Zweifel der entscheidende Sieg Constantins über seinen Rivalen Licinius bei Chrysopolis am 18. September 324,47 was auf den ersten flüchtigen Blick durch den vergleichbaren Ein trag bei Philocalus -für den 3. Juli (Sieg Constantins in der Schlacht von Hadrianopolis) gestützt werden könnte.48 Es gibt allerdings einige gewich tige Indizien, die in diesem Zusammenhang etwas beunruhigend wirken und daher zur Suche nach Alternativen anregen sollten. Abgesehen vom Abweichen von der alten, aber inzwischen etwas ob solet gewordenen Praxis, Siege in Bürgerkriegen nicht unbedingt durch einen Triumphus zu feiern, lassen sich gegen eine solche Vermutung auch einige Indizien aus dem Philocalus-Kalender selbst beibringen. Der Re45
Salzman, On Roman Time 137 Anm. 44. Auch Salzman, On Roman Time hält sich in diesem Fall bedeckt. 47 Chron. Min. I p.*232. Chron. Pasch, ad annum 325 mit richtigem Tagesdatum und falschem Jahr (vgl. Chronikon Paschale 284-628 A.D., translated with notes by M. Whitby and M. Whitby, Liverpool 1989, 13). 48 In diesem Sinne etwa auch M. McConnick, Eternal Victory. Triumphal rulership in late anüquity, Byzantium, and the early medieval West, Cambridge, Paris 1986, 37f. 46
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dakteur des Kalenders hatte sich weder bei der Notiz für den Sieg Constantins von Hadrianopolis (Fugato Licinio arcenses) noch beim 28. Ok tober, dem Datum seines entscheidenden Sieges über Maxentius aus dem J. 312, gescheut, den politischen Anlaß für diese Feiern (evictio vyranni) im Kalender eindeutig anzusprechen.49 Hier liegt die Betonung der Notiz aber gerade nicht auf dem Erringen des Sieges über den Gegner, sondern auf der Durchführung des Triumphes, dessen Feier ja nicht zwingend mit dem Tagesdatum zusammenfallen mußte, an dem man den dazu notwen digen Sieg errungen hatte!50 Daher dürfte es vermutlich wesentlich sinnvoller sein, wenn man die eigentlichen Feiern für den Sieg Constantins über Licinius mit der Ernen nung seines Sohnes Constaritius IL zum Caesar am 8- November und der formalen Entscheidung des Herrschers, Byzanz zur neuen Hauptstadt Konstantinopolis zu erheben, verbindet (Them. 4,58 b) und daher um ei nige Monate verschiebt.51 Man hat allerdings bei all diesen Überlegungen in der Regel fast völlig übersehen, daß auch im J. 335 der 18. September von Constantin wohl sehr absichtsvoll gewählt worden war, um seinen Verwandten Delmatius zum Caesar für die Diözesen Thracia et Macedonia zu ernennen. Mögli cherweise wurde bei dieser Gelegenheit auch Hannibalianus zum rex regum mit weitgehenden Verantwortungen im Bereich der Ostgrenze er hoben.52 Hier scheint ein ideologischer Bezug auf die Person des großen Kaisers Trajan wesentlich wahrscheinlicher zu sein als der Hinweis auf A9
Degrassi, Fasti p. 257. Eine solche Verknüpfung aus ideologischen Gründen wäre beim panhischen Triumph des Lucius Verus und der Caesar-Erhebung des Commodus am 12. Ok tober denkbar, vgl. P. Herz, Gedanken zu den Spielen der Provinz Asia in Kyzikos, Nikephoros 11, 1998 [1999], 171-182. 51 In diesem Sinne G. Dagron, Naissance d'une capitale. Constantinople et ses institutions de 330 a. 451, Paris 1974, 32 ff. mit einer ausführlichen Diskussion der Belege. 52 G. Wirth, Hannibalian. Anmerkungen zur Geschichte eines überflüssigen Kö nigs, BJb 190, 1990, 201-232. Es wird zwar nur Dalmatius ausdrücklich mit diesem Datum verbunden, doch die gesamtpolitische Lage (vgl. dazu Wirth a.a.O.) spricht m. E. nicht gegen ein Zusammenfallen beider Ernennungen. Das Datum für Del matius wird durch Chron. min. I 235. (vgl. O. Seeck, Geschichte des Untergangs der antiken Welt, Stuttgart 1922 [ND. 1966] IV 384) gesichert, zu Hannibalianus vgl. Chron. Pasch. 335 (Whitby, Whitby, Chronikon Paschale 20 f.), das als nach Hydatius korrigierbares Datum den 24. September nennt. Für die Ernennung des Hannibalianus zum rex wird zwar kein ausdrückliches Datum genannt, doch der gesamte Kontext z. B. des Chron. Pasch, legt eine gemeinsame Aktion am selben Tage nahe. In diesem Sinne auch Kienast, Kaisertabelle 300 mit Fragezeichen. 50
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einen in der Erinnerung der Zeitgenossen zwar noch recht frischen Sieg, aber immerhin einen, der in einem blutigen Bürgerkrieg errungen worden war. Da die Ernennungen für Dalmatius und Hannibalianus am Vorabend eines von Constantin geplanten Perserkrieges vorgenommen wurden, kann die erste Version (also der Hinweis auf das ideologische Vorbild Trajan) einige gewichtige Argumente für sich buchen. Alle anderen bisher in unserer Diskussion angesprochenen Spiele sind wahrscheinlich das Resultat von ehemaligen Siegesfeiern gewesen, was sich noch unschwer an den Namen der besiegten Völker ablesen läßt, warum wird aber hier das triumphale Moment dieser ludi so betont, nicht die Nation, über die man den Sieg errungen hatte? Waren die anderen ludi etwa nicht durch politische Ereignisse motiviert worden, die einen Anlaß zum Triumphieren boten? Die in diesem Fall wohl ansprechendste Lösung findet sich wahrscheinlich am ersten Tag dieser ludi7 also dem 18. Septem ber, der bekanntlich zur gleichen Zeit der dies natalis des divus Träianus war. Trajan allein hatte einen postumen Triumph gefeiert, der gleichzeitig mit der feierlichen Überführung seiner sterblichen Überreste aus seinem Sterbeort Selinous in Kleinasien in die Stadt und seiner anschließenden Beisetzung im Sockel der Trajanssäule verbunden war.53 Die Entscheidung, eine solche Feier (Feiern für seinen dies natalis und seinen parthischen Triumph) demonstrativ an seinem Geburtstag stattfin den zu lassen und dann auch noch durch die Einrichtung der entspre chenden Spiele für die Nachwelt zu perpetuieren, wäre demnach durchaus sinnvoll zu nennen. Dies gilt vor allem, wenn man bedenkt, daß nach dem Ende dieser triumphales ludi fast bruchlos die großen Spiele für den Ge burtstag des Augustus begannen, des anderen trendsetzenden Herrschers der Kaiserzeit. Zeitlich wäre ein solches bewußtes Zusammenfallenlassen der Termine im J. 118 durchaus möglich, da sich Kaiser Hadrian nach dem Zeugnis der Arvalakten seit dem 9. Juli 118 in Rom aufhielt und ihm auch eine solche politisch-ideologische Symbolik durchaus zuzutrauen ist.54 Er verstand es durchaus, in einem solchen Moment geschickt hinter eine ber reits verstorbene Person zurückzutreten und ihr diese Ehrungen zukom men zu lassen.55 Die angespannte innenpolitische Situation, ich erwähne 53
Vgl dazu auch die Ausführungen von J. Bennett, Trajan oprimus princeps. A life and ames, London, New York 1997, 203 f. VgL auch W. den Boer, Trajan's deificauon and Hadrian's succession, AncSoc 6, 1975, 203-212. 54 H. Halfmann, Irinera principum. Geschichte und Typologie der Kaiserreisen im Römischen Reich, Stuttgart 1986 (HABES 2), 190 zu diesem Datum. CFA 68 II 23 ff. Scheid (a. 118). 55 Vgl. sein pietätvolles Vorgehen bei der völligen Restaurierung des Pantheons
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nur die recht dubiosen Begleitumstände seiner Adoption und die Hinrich tung der vier Konsulare, der sich Hadrian in diesem Moment gegenüber sah, soll dabei nur am Rande erwähnt werden.56 Der Vorschlag des Autors wäre daher, bei den enigmatischen ludi triumphales einen Hinweis auf das Darum des postumen Triumphs Trajans aus dem J. 118 zu erkennen. Für Hadrian wäre eine zeitliche Kombinie rung des postumen Triumphes seines Vorgängers mit dessen dies natalis eine ausgezeichnete Gelegenheit gewesen, öffentlichkeitswirksam seine pietas zu demonstrieren, was unter den besonderen innenpolitischen Um ständen dieser Zeit (s. o.) durchaus angebracht sein konnte. Ein Fortleben dieses Festanlasses erhält bei der hohen ideologischen Aussagekraft, die Trajan für alle seine Nachfolger als Parthicus par excellence zukam, eine durchaus bedenkenswerte Bedeutung. Man darf in diesem Zusammenhang auch daran erinnern, daß durch Constantin und Licinius auch das trajanische Denkmal von Tropaeum Traiani wiederaufgebaut wurde. Eine bis heute nicht eindeutig geklärte Frage betrifft das Datum für den offiziellen Geburtstag der neuen Reichshauptstadt Konstantinopolis, den 11. Mai. So befinden wir uns in der seltsamen Situation, daß uns zwar das Zeremonienbuch des Kaisers Konstantinos Porphyrogennetos die offizi ellen Vorschriften für die Feier dieses Festes liefert,57 wir allerdings kei nerlei Informationen besitzen, die uns hinsichtlich der Gründe für die Tages wähl klüger machen würden. Denn dies können wir auf jeden Fall vermuten: es war mit hoher Wahrscheinlichkeit ein mit Absicht ausge wähltes Datum, das weder wie die Geburtstage des Kaiserhauses noch wie die Termine von Siegen dem Zufall' unterworfen war. Zunächst müssen wir konstatieren, daß der 11. Mai selbst zur Gruppe der Tagesdaten gehört, die vor der Regierungszeit Constantins über keine bekannte politische und/oder religiöse Bedeutung verfügten. Man könnte fast sagen, es handelte sich um einen fast jungfräulichen Tag. Doch dies dürfte kaum als Erklärung ausreichen, um die Entscheidung des Kaisers für gerade diesen Tag zu erklären. Warum wählte Constantin z. B. nicht des Vipsanius Agrippa. Trajan, der nicht umsonst den Spitznamen der Mauerpflan ze trug, wäre in einem solchen Fall weniger von Zurückhaltung geprägt gewesen. Vgl M. T. Boatwright, Hadrian and che City of Rom, Princeton/N J . 1988, 43. 56 Vgl dazu A. Birley, Hadrian. The restless emperor, London, New York 1997, 77 ff. Zur Rückkehr nach Rom: 93 ff. 57 Konst. De cerem 1,79 ed. Vogt (p. 143 ff.). Ausführlich behandelt bei C Heucke, Circus und Hippodrom als politischer Raum. Untersuchungen zum großen Hippodrom von Konstanonopel und zu entsprechenden Anlagen in spätantiken Kaiserresidenzen, Hildesheim, Zürich, New York 1994, 80 ff.
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seinen eigenen Geburtstag am 27. Februar» um die nach ihm benannte Stadt offiziell zu begründen?58 Dies hätte u. a. garantiert, daß die Feier seines Geburtstages bis fast in alle Ewigkeit gesichert gewesen wäre. Doch genau dies machte Constantin nicht. Eine für eine weitere Diskussion tragfähige Lösung findet sich am ehe sten, wenn wir einmal das Umfeld des neuen Festtages genauer prüfen. Denn es hat sich schon des öfteren gezeigt, daß man durch eine absichts volle Plazierung eines Festes in einen bedeutungsmäßig vorgeprägten Kontext eine politisch-ideologische Aussage machen konnte. Und genau hier werden wir sehr schnell fündig, den sowohl der 10. Mai als auch der 12. Mai, also die beiden Tage, die den Geburtstag der neuen Hauptstadt einrahmten» waren bereits etablierte Festtage und zwar vor allem solche Tage, die mit der Familie des Kaisers auf das engste verbunden waren. Der 10. Mai war identisch mit dem dies natalis des divus Claudius Gothicus (268-270 n. Chr.)-59 Claudius Gothicus gehörte aber nicht nur zu der il lustren Gruppe der großen Herrscherpersönlichkeiten des 3. Jh., die selbst nach ihrem Tode noch zu den vorbildlichen Herrschern gezählt wurden und deren Gedächtnis nicht einer postumen damnatio zum Opfer fiel. Dies ist auf den ersten Blick sehr interessant, würde aber als Argument nicht ganz ausreichen, denn unter den Namen der Kaiser, die auch im Philocalus-Kalender und sogar noch bei Silvius zu den positiven Herr schern gezählt wurden, findet sich auch Gordianus III.,60 der wahrschein lich einen liebenswerten Charakter besaß, den man aber heute nicht mehr unbedingt zu den Glanzlichtern der römischen Geschichte rechnen würde. Der entscheidende Hinweis findet sich in der sogenannten Origo Con stantini, die nachdrücklich herausstellt, daß der große Gotensieger Clau dius der Vater des Constantius Chlorus und damit Großvater Constantins war.61 Während die Origo Constantini (1,1) Constantius lediglich als >divi Claudi optimi principis nepos ex patre< bezeichnet,62 beginnt sehr schnell die Konstruktion einer direkten Abstammung. Wie König hervorhebt, be ginnt die gezielte Adaption Constantins an Claudius mit dem Panegyricus 58
Kienast, Kaisertabelle 298 ff. für die einschlägigen Daten. Für das Zeremoniell bei der offiziellen Begründung der neuen Stadt vgl. die ausführliche Darstellung bei Dagron, Naissance 32 ff. 59 Vgl Kienast, Kaisertabelle 231 mit den Quellenhinweisen, u. a- auf die Natales Caesarum bei Philocalus, vgL Salzman, On Roman Time 28 ff. 60 Degrassi, Fasti p. 239 u. 264. 61 VgL L König, Origo Constantini. Anonymus Valesianus L Text und Kommen tar, Trier 1987 (Trierer Historische Forschungen 11). 62 VgL auch SHA Claud. 13,2 f.
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von 310 (6[7],2,2: Ab Mo enim divo Claudio manat in te avita cognatio) und liegt dann im Panegyricus von 312 schon fast voll ausgearbeitet vor (5[8],2,5: diviim Claudmm parentern tuum)^ Claudius IL war gewisser maßen in ein ganzes Netzwerk von fiktiven Verwandtschaften einbezogen, neben der Vaterschaft für Constantius I. Chlorus (SHA Claud. 13,1-3) existierte auch die Legende, daß Gordianus III. sein Vater gewesen sei (Epit. de Caes. 34,1). Ob diese dynastische >Legende< letztendlich dafür verantwortlich war, daß dieser sicherlich sehr liebenswerte, aber ansonsten nicht gerade bedeutende Kaiser noch bei Philocalus (s. o.) mit seinem dies natalis genannt wurde, vermag ich nicht abschließend zu entscheiden, es würde aber durchaus Sinn machen. Daß Claudius IL Gothicus in der Tat eine besondere Stellung in der historischen Tradition einnahm, zeigen die Festkalender des 4. und 5. Jh. recht eindeutig. Während er sich im Kalen der des Philocalus noch in der Gesellschaft vieler Kaiser der vorkonstantinischen Periode findet - von den großen Herrschern der Reichskrise finden sich auch noch die dies natales des Aurelianus (9. September) und des Probus (19. August) als offizielle Festtage aufgeführt -, ist im Kaiendarium des Silvius sein Geburtstag als einziger übrig geblieben. Nachdem unsere Vermutung in diesem Punkt durchaus bestätigt wurde, müssen wir unsere Aufmerksamkeit dem an den Geburtstag Konstanti nopels anschließenden Festtag zuwenden: dem 12. Mai. Auch hierbei han delt es sich um einen Festtag mit einer eindeutigen politischen Botschaft, denn dieser Tag ist identisch mit der Feier der ludi Martiaüci oder Martiales. Dieses Fest, dessen Begründung in die Regierungszeit des ersten Kaiser zurückreichte, war aber, wie wir bereits gesehen haben, identisch mit dem Einweihungsdatum der aedis des Mars Ultor, die im J. 2 v. Chr. auf dem Forum Augusti mitten im Stadtzentrum von Rom eingeweiht wurde.64 Durch die Aufnahme in den Festkalender der römischen Armee ist gesichert, daß dieses an sich stadtrömische Fest eine reichsweite Ver breitung besaß. Mit diesen Festen hatte sich bereits eine Abfolge von ideo logisch und dynastisch aussagekräftigen Anlässen in der ersten Hälfte des Mai ausgebildet, lediglich ein einziger Tag, nämlich der 11. Mai, war in dieser Konstruktion noch ohne Festtermin geblieben. Und genau diesen Termin wählte Constantin, um an diesem Tag seine neue Reichshauptstadt, Konstantuiopolis, offiziell einzuweihen. Er hatte also die Feier zu Ehren seiner Stadt in einen Festzyklos integriert, der vom 10. Mai bis zum 17. Mai reichte. 63
König, Origo 55 f. Vgl. auch CIL XI9 = ILS 699 (divi Claudi nepott)y ILS 702 {divz Claudi nepoti), CIL HI 3705 = ILS 732 (dzvz Constantzm optimi maximique principis, dhorum Maximiani et Constanti nepos> divi Claudi pronepos). 64 VgL P. Herz, Mars Ultor 275 ff.
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Anhang Tabelle I Siegesspiele bei Furius Philocalus und Silvius (Daten bei Silvius jeweils in [ ] vermerkt) 4.-7.2. 4.-9. 5. 13.-17. 5. 15.-20. 7. 27. 7. 30. 7. 18.-22. 9. 5.-10. 10. 25.11.-1.12. 12.12.-18.12.
[28.1.-1.2. Adiabenicis victis] ludi Gottici ludi Maximati [4.-8. 5.: ludi ohne Spezifizierung] ludi Perski [13.-14. 5.] ludi Francici ob Victorias Sarmaticas ob Victorias Marcomannas ludi triumphales [20. 9.] ludi Alamannici [6.-7.10.] ludi Sarmatici [27. 11.] ludi Lancionici
Tabelle II Fasü Furii Filocali (Insltal XIII,2 p. 247) Mensis Maius Habet dies XXXI 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16.
kal. Mai. VI non. V IV III pridie non. VIII idus VII VI V
im in
pridie idib(us) XVII kal. Iun.
Senatus legitimus Ludi Florialici c. m, XXIUL Dies Aegypt. Ludi Maximati Ludi Ludi Ludi Ludi Maximati c. m. XXIIII N(ataUs) CLmdi c m. XXIIII >N(atalis) urbis Constantmopolis< Martialici. c m. XXIIII Ludi Persici Ludi Ludi N(atalis) Mercuri. Senatus leg. Ludi
Neue Forschungen zum Festkalender 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31.
XVI XV XIIII XIII XII XI X IX •
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Persici c m. XXIUI N(aZaLis) annonae Zenzarius Sol Geminis Macellus rosa(m) sumat
vra
VII VI V
im
m
pridie
Ludl Honor et Virtus. \ Ludi Ludi
Der mit >..♦< gekennzeichnete Eintrag zum 11. Mai findet sich nicht bei Pbilocalus, sondern wurde vom Autor eingesetzt.
Gott oder Mensch? Kaiserverehrung und Herrschaftskontrolle von MATTHIAS PEPPEL
1 Einleitung1 Ist der römische Kaiser zu Lebzeiten ein Gott? - Sucht man ein Prädikat, das den Status des Herrschers beschreibt, so findet man in verschiedenen Texten, welche die Herrschaft des Princeps legitimieren und glorifizieren, folgende Aussagen: Der Kaiser ist Gott; er ist Epiphanie eines Gottes; er ist Stellvertreter eines Gottes; er ist Bild eines Gottes; er ist wie ein Gott oder einem Gott ähnlich. Um die Bedeutung solcher und ähnlicher Aus sagen zu verstehen, ist nach der Eigenart und dem Kontext des jeweiligen göttlichen Prädikates zu fragen. Zu bestimmen sind die Teilnehmer und die Regeln des spezifischen Diskurses, in dem Aussagen über den göttli chen Status des Herrschers getroffen werden.2 Nur wenn einzelne Äuße rungen in den Kontext gesellschaftlicher Praxis gestellt werden, wenn also, mit den Worten WITTGENSTEINS, Sprache als »Teil einer Tätigkeit, oder einer Lebensform«3 aufgefaßt wird, kann man eine sinnvolle Antwort auf die eingangs gestellte Frage nach der >Göttlichkeit< des Kaisers erwarten.
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Für die Durchsicht des Manuskripts danke ich herzlich Sebastian GengnageL geht über die Unterschiede hinweg, weun er schreibt: »Der römische Kaiser war Gottheit. Er war dies von Anfang an, seit Caesar und Augustus, er war es zu Lebzeiten, er war es auch im Westen des römischen Reiches, in Italien, in Rom« (CLAUSS 1999, 17; vgl ebd. 418 und öfter). 3 WITTGENSTEIN 1990, 110 f. (Philosophische Untersuchungen § 23); die Bedeu tung eines Wortes bestiinmt sich nach WITTGENSTEIN aus dessen Gebrauch in der jeweiligen Sprache. 2
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Grundlegend für das Verständnis der Herrscherverehrung im frühen Prinzipat ist, so soll gezeigt werden, die ambige Stellung des lebenden Princeps zwischen den Kategorien »Gott«' und »Mensch«. Beispiele vor allem aus der literarischen Tradition - die Auswahl reicht zeitlich von Augustus bis Trajan - sollen exemplarisch demonstrieren, wie diese Ambiguität in je verschiedener "Weise und mit je unterschiedlichem Interesse von denjenigen, die den Kaiser verehren, >konjugiert<4 wird. Zwei Diskur se dienen als Grundlage der Untersuchung: 1) Der Senat entscheidet nach dem Tod des Kaisers über dessen gött lichen Status. Aus der Perspektive der Divinisierung muß der Kaiser zu Lebzeiten seine Göttlichkeit erst unter Beweis stellen. 2) Zentrale Argumente und Topoi der philosophischen und theologi schen Herrschaftslegitimation nutzen den vorgöttlichen und gottahnlichen Status des lebenden Herrschers dazu, normative Erwartungen an den Kai ser zu formulieren.
2 Herrscherverehrung: Der Kaiser als potentieller Gott 2 J Die Institution der Divinisierung Selbst wenn der Herrscher von vielen, auch in Rom, bereits zu Lebzeiten als Gott angesehen und wie ein Gott verehrt werden konnte und wurde, und selbst wenn er seine Person gerne als Gott inszenierte wie Caligula, Nero oder Domitian - zu einem nach öffentlichem Sakralrecht anerkann ten Gott wird er erst durch seine Entrückung nach dem Tod. Denn gemäß der offiziellen und institutionalisierten Sprachregelung in.Rom können der Princeps und andere Mitglieder der Herrscherfamilie erst nach ihrem Tode als divus bzw. diva bezeichnet und als >Staatsgottheiten<5 verehrt werden, eine Regel, an die sich auch Nero, der sich gerne als Sol-Apollo präsen tierte,6 hielt: Als ihm nach der Pisonischen Verschwörung 65 n. Chr. von einem Senator mit einem Tempel die Ehren eines divus angetragen wur den, lehnte er ab.7 4 SAHLINS bestimmt eine »konjunkrurale Struktur« als »die praktische Realisie rung der kulturellen Kategorien in einem spezifischen historischen'Kontext, so wie sie im interessegeleiteten Handeln der historischen Subjekte zum Ausdruck
kommt« (SAHLINS 1992, 14). 5
S.2J.
* Vgl BERGMANN 1998,133-230. 7 Laut Tac. arm. 15,74,3 nicht aus Selbstbescheidung oder politischer Zurück haltung, sondern aufgrund des Aberglaubens, daß die Divinisierung sich zu einem
Gott oder Mensch?
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Die Entrückung oder Himmelfahrt des Verstorbenen wurde, wie KIERgezeigt hat, von Augustus bis Drusilla noch durch einen Augen zeugen beschworen, der aussagte, er habe den Herrscher bzw. seine Seele zum Himmel auffahren sehen; in diesen Fällen findet die Divinisierung nach dem Modell eines Prodigiums statt, das in seiner Gültigkeit erst vom Senat bestätigt werden muß; die Gottwerdung wird historisch zunächst als von den Göttern gesandtes. Zeichen in die flexible Syntax der tradierten religiösen Struktur eingefügt. Nach Brasilias Konsekration hat der Schwurbericht über die Himmelfahrt wohl keine Rolle mehr gespielt, seit der Apotheose des Claudius beschließt der Senat bereits vor dem Staats begräbnis über die Divinisierung.9 Im weiteren Verlauf der historischen Entwicklung wird die Divinisie rung zu einer selbstverständlichen Ehrung: Im Unterschied zur Anfangs zeit - im ersten nachchristlichen Jahrhundert werden nur fünf Kaiser konsekriert - erklärt der Senat von Vespasian bis Marc Aurel mit Ausnahme Domirians alle Kaiser zu divi. Der Machtkampf des Antoninus Pius mit dem Senat um die Konsekration Hadrians zeigt, daß der Senat auch noch im zweiten Jahrhundert eine Kontrollfunktion ausübte.10 Die Entschei dungsfreiheit geht im Laufe des zweiten Jahrhunderts jedoch weitgehend verloren.11
DOKJF8
22 Der divus als gleichberechtigter Gott In welcher Hinsicht beeinflußt die institutionelle Form der Divinisierung den Bedeutungsgehalt von divus} Wie andere neu eingeführte Staatsgötter gilt auch der divinisierte Kaiser als ein gleichberechtigter Gott. Die Praxis des Kultes für den verstorbenen Kaiser - Kultpriester, blutige und un blutige Opfer, Gebete - unterscheidet sich nicht wesentlich von der Ver ehrung eines anderen Gottes.12 Auch der Sprachgebrauch unterstreicht die Omen für seinen Tod wenden könnte (aufgenommen von Tertullian apoL 34,4: maledictwn est ante apotheosin deum Caesarem mtncupari\ Diese negative Zeich nung Neros muß nicht der historischen Realität entsprechen; sie könnte sich aus den moralischen Grundannahmen erklären, die Tacitus in seiner »maximischen« Darstellungsweise leiten (FLAIG 1992, 14-25). 8
9
KIERDORF 1986a.
Spätestens seit Beginn des zweiten Jahrhunderts wird, in einer vierten Phase, die Verbrennung auf dem Scheiterhaufen am Ende des Staatsbegräbnisses zu einem wesentlichen Bestandteil der Konsekration (KrjERDOR? 1986a, 68). 10 Cass. Dio 70,1,2. 11 12
PRICE 1987, 92f. Vgl FISHVICK 1991,
589.
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gleichberechtigte Stellung der kaiserlichen Gottheit:13 Die Formel des Ei des von Aritium etwa fügt den divus Augustus zwischen Iuppiter Optimus Maximus und »alle übrigen Göttern« ein.14 In spätrepublikanischer Zeit gelten deus und divus als Synonyme, wobei das Wort divus stärker das individuelle Wirken einer Gottheit bezeichnet und seltener - vor allem in poetischer Sprache ~ gebraucht w i r d Nach dem Zeugnis des Servius wollten die Autoren Varro und Ateius (Praetextatus oder Capito) sogar den Sprachgebrauch entgegen der späteren Ver wendung normieren.15 Seit Caesars Vergottung wird divus - wohl auf grund seines vornehmeren Klangs16. - durch eine Bedeutungsverengung zu einem Terminus, welcher denjenigen verstorbenen Herrscher bezeichnet, der vom Senat staatlicher göttlicher Ehren für wert befunden wurde, be zeichnet divus also einen Menschen, der nach seinem Tod zu einem Gott erhöht wird. In der Dichtersprache wird divus weiterhin gleichberechtigt neben deus für die Götter verwandt, in nichtoffizieller Sprache kann deus für den lebenden und den verstorbenen 17 Princeps verwandt werden. 23 Die Divinisierung als institutionelle Kontrolle Der divus ist also ein vollwertiger deus, divus kann demnach als eine Teil menge des Gattungsbegriffes deus gelten.18 Im Unterschied zu einer an deren neu eingeführten >Staatsgottheit<19 verbindet sich mit der Divinisie13
SCHWERING 1914/1915 weist nach, daß divus/diva nicht »göttlich« meint, son dern (in der nichtchristlichen Literatur) stets substantivisch aufzufassen ist (vgl.
CLAUSS 1999, 356f.). 14
IVPPITER OPT1MVS MAXIMVS AC DIWS AVGVSTUS CETERI(QVE) OMNES DI IMMORTALES (ILS 190 DESSAU; zum Kaisereid vgl den Beitrag von CANCIK); in einer Inschrift aus Isernia ist vom Divus Iulius die Rede, den »Senat und Volk von Rom unter die Götter gerechnet haben«: QVEM SENATVS POPVLVSQVE ROMANVS IN DEORVM NVMERVM RETTVLIT (CIL IX 2628). 15 Serv. Aen. 5,45: >Divum< et >deorum< indifferenter plerumque ponit poeta, quamquamsit dücretio, ut deos perpetuos dicamusy divosex bominibus factos, quasi qui diem obierint; unde divos etiam imperatores vocamus. sed Varro (fr. 424 GRF FUNAIOLI) et Ateius (fr. 12 bzw. 15 GRF FUNAIOLI) contra sentiunt> dicentes divos perpetuos, deos, qui propter sui consecrationem timentur, ut sunt dii manes (vgl. Varro 1mg. fr. 2 GOETZ-SCHOELL). 16 SCHVEKING 1914/1915, 24. 17 TLL V 1 (1934) s.v. deus I B 3d ß, col. 891, 53ff. (GUDEMAN). * PRICE 1984, 83 n. 40.
19
D. h. einer Gottheit, deren Verehrung unter die staatlich organisierten und finanzierten Sacra publica aufgenommen wird (vgl CLAUSS 1999, 356f.).
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rung jedoch nicht nur eine sakralrechtliche Entscheidung über die staatlich geregelte Verehrung eines Gottes, vielmehr steht bei der Divinisierung die Göttlichkeit des Verstorbenen als solche zur Disposition. Wie bei einer Heiligsprechung 20 wird eine Aussage über das von äußeren Urteilsakten unabhängige Wesen des verstorbenen Herrschers getroffen. Denn »Tu gend macht«, wie Cassius Dio betont, »viele gottgleich, aber noch nie mand ist aufgrund einer Abstimmung Gott geworden«.21 In dieser dem Maecenas in den Mund gelegten Mahnung an Octavian wird nicht etwa die Praxis der Herrscherverehrung als solche kritisiert,22 vielmehr wird der substantielle Charakter der Göttlichkeit betont, der nach dem Verständnis eines Senators an das gute Verhalten des Herrschers geknüpft ist. Idealiter wird mit der Divinisierung nur die Göttlichkeit des Princeps bestätigt, die dieser durch sein tugendhaftes Verhalten erwiesen hat. Die Divinisierung hat folglich eine konstative und eine performative Komponente: Zum einen wird mit der Senatsentscheidung (der Divinisie rung im engeren Sinne) eine feststellende Aussage über den Status des Verstorbenen getroffen; zum anderen wird der Divinisierte erst durch den auf die Senatsentscheidung folgenden Akt der Konsekration 23 verbindlich zu einer Gottheit erklärt,24 ähnlich wie bei der performativen Äußerung der Trauformel die Eheleute zu Mann und Frau erklärt werden. Für den Diskurs der politischen Führung sind die institutionellen Kon notationen der >Göttlichkeit< des Kaisers zentral; denn mit diesen verbin det die politische Elite ihrem Selbstverständnis nach den symbolischen Anspruch auf politische Überlegenheit gegenüber Volk und Kaiser.25 In sofern wird die Divinisierung, darauf verweist der offizielle Sprachge brauch, als letzte Ehrung des verstorbenen Princeps aufgefaßt.26 Der Senat 20
21
Vgl PKICE 1984,
83.
Cass. Dio 52,35,5: dpern j*tev yäp uyoGsovg noXkoüc, TCOISI, xsipo^ovryzöc, 5' oi>5ev(; 7cdwoT£ Qtöq s^Eveto. 22 Wie FISHWICK 1990 nachweist, lehnt Cassius Dio in seinem dem Maecenas in den Mund gelegten Fürstenspiegel nicht den Kaiserkult ab, er wünscht sich viel mehr eine Rückkehr zu den gemäßigten .Formen der Herrscherverehrung, wie sie zu Augustus' Zeiten praktiziert wurden. Hervorgehoben wird von Cassius Dio besonders die Beteiligung des Senats am politischen Entscheidungsprozeß. 23 Zur Unterscheidung von Divinisierung (im engeren Sinne) als dem »Senatsbescbluß, der die Divinisierung legitimiert« und der consecraüo als der »Realisie rung in der Kultpraxis« KIEKDORF 1986b, 154 sowie KIERDORP 1986a pass. 24 CLAUSS 1999, 359; der Fall des Kaisers Decius und seines Sohnes Herennius scheint der einzige zu sein, in dem ein bereits divinisieiter (aber wohl nicht konsekrierter!) Kaiser der damnatio memoriae (s, 2,4) anheimfiel (CIL VI 36760; KIENAST 1996,204). 25
26
PRICE 1987, 91.
Vgl die Fasten von Amkernum (CIL I2 1, 15, p. 244,17): DIVO AVGVSTO
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kann diese Ehrung auf Antrag (meist des Nachfolgers) beschließen, aber auch verweigern, so geschehen im Falle des Tiberius und des Hadrian. 27 Abhängig ist die Entscheidung vom Legitimationsbedarf des Nachfol gers,28 aber auch von der Bewertung der Herrschaft des verstorbenen Princeps,29 wie der aus Alexandria stammende Historiker und spätere Procurator Augusti Appian im zweiten Jahrhundert bestätigt, als die Divinisierung bereits zum Regelfall geworden ist: »Dieser [sc. gottgleicher] Ehren«, so Appian, »halten die Römer auch jetzt noch, seit jenem ersten Mal [sc. der Vergöttlichung Caesars durch Octavian], den jeweiligen Inhaber der Regierung nach seinem Tode für würdig, wenn er nicht gerade tyrannisch oder tadelnswert gewesen war, sie, die es zuvor nicht einmal über sich brachten, jene zu Lebzeiten Könige zu nennen.« 30 Die Divinisierung läßt sich demnach als ein Akt auffassen, in welchem der Senat seinen Konsens sowohl mit dem verstorbenen Kaiser und seiner Herrschaft als vor allem auch mit dem vom Verstorbenen ausgewählten Nachfolger demonstriert In diesem ritualisierten Konsensakt zeigt sich besonders deutlich, daß der Prinzipat, wie FLAIG in seiner Arbeit zur Usurpation betont, auf einem gesellschaftlichen »Akzeptanz-System« 31 beruht. HONORES CAELESTES Ä SENATV DECRETI (vgl. Tac. anru' 12,69,3: caelestesque honores Claudio decermmtur; arm. 15,74,3; 16,21,2). 27 Glaubt man dem Bericht des Cassius Dio, so vertagte der Senat die Entschei dung über den Antrag Caligulas, Tiberius zu divinisieren, bis auf die Ankunft und Anhörung Caligulas; der Antrag wurde nicht weiter verfolgt (Cass. Dio 59,3,7); die Divinisierung Hadrians setzte Antoninus Pius beim Senat mit dem Argument durch, anderenfalls sei seine Adoption hinfällig (Cass. Dio 70,1,2). 28 Plin. pari, 11 (3: certissima divinitatis fides est bonus successor) läßt dies erken nen; ähnlich Herodian 4,2,1: »Die Römer sind gewohnt, die Kaiser zu Göttern zu erheben, die bei ihrem Tode einen Sohn hinterließen, deribre Nachfolge antreten konnte«; zur Divinisierung Hadrians vgl. Anm. o. (vgl. GESCHE 1978). 29 BICKERMANN 1929, 121 spricht von einer »Ethisierung der KonsekrationsVorstellungen«. 30 Appian BC 2,148,618: cov 5f| KOI vüv, e£ exavou icpdytou, Tö^icdoi TÖV £K6OT0TE TT]V apXTW vf\vde apxovxa, TIV jaxi TÜXIITOPOCWIKÖC;r\ s7ajLEfi3rto<;, &7to8avövta ä^io'öaiv, 01 rcpötspov o\>SeTCepiövxca;avuoix; £q>epov KOCXEVV ßaatXeaq. ~ Tatsächlich wird die Divinisierung im Laufe des zweiten Jahrhunderts zum Normalfall (s. 2.1). Die von Appian ausgesprochene Aporie ist verständlich für einen Autor, der die Ptolemäer immer noch als »meine Könige« {Prooim. 10,39) bezeichnet; in Ägypten hatte die kultische Verehrung des Pharaos bereits zu Leb zeiten eine lange Tradition. 51 Daß der Prinzipat »wahr schein Jich das ausgeprägteste [Akzeptanz-System] unter allen Großreichen der Weltgeschichte« (FI,AIG 1992, 12) ist, wäre allerdings erst noch zu beweisen. - Es ist möglich, daß die Bedeutung der Akzeptanz für andere Großreiche bei weitem unterschätzt wird (vgl zu Ägypten ASSMANN 2000;
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Aus Sicht der politischen Elite wird die Senatssitzung gleichsam zu ei nem politischen »Totengericht«32 über die moralische Qualität des ver storbenen Herrschers und seiner Herrschaft, ganz so, wie es Seneca in der Apocolocyntosis schildert, der menippeischen Satire, welche die entschei dende Senatssitzung auf den Olymp projiziert. In diesem Text soll weniger die Divinisierung als solche kritisiert als dem zukünftigen Herrscher vor Augen gestellt werden, daß sein Vorgänger sich nicht eines divus würdig verhalten hat.33 Der panegyrische Vergleich Neros mit Sol-Apollo in der Apocolocyntosis drückt die Erwartungen aus, die in den jungen Princeps und seine Herrschaft gesetzt werden.34 2A Der lebende Kaiser Für das Verständnis des Durchschnittsbürgers dürften die politisch-legis lativen Implikationen der Göttlichkeit des Kaisers nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Denn erstens gilt der divus als vollwertiger Gott, zweitens sind die feinen Nuancierungen, die etwa die Verehrung des kai serlichen Numens zu Lebzeiten von der des verstorbenen Kaisers als ei genständiger Gottheit unterscheiden, sicher nicht für alle erkennbar ge wesen und sollten es auch nicht für alle sein,35 und drittens wurde der Kaiser von vielen bereits zu Lebzeiten als Gott angesehen und verehrt.36 zum griechischen Königtum und seinen altorientalischen "Wurzeln AUFFARTH 1991, v. a. 154-199). 32 MOMMSEN 1887, 1134 hat die mit diesem Begriff verbundenen juristischen Konnotationen überbewertet und die Konsekration als den Freispruch in einem postumen Krinnnalverfahren aufgefaßt, in dem weder die volle (damnatio memoriae) noch die mildere Strafe (rescissio actoritm) ausgesprochen wird- Diese Auffas sung kritisiert bereits VITTINGHOFF 1937,90 und 101-105, der zu Recht betont, daß die Divinisierung die politische Beurteilung der Piincipatsführung betrifft (vgl. BICXERMAJNN 1929,120). 33
34
PBICE 1987, 87-91.
Sen. apocoL 4,1,27-31; richtig SCHOVAXTER 1989, 114 Anm. 63. Dies gilt vor allem für die Aufstellung von Bildnissen, etwa wenn eine Kolos salstatue des Kaisers in der Bübnenwand des Theaters in einem Register mit Göt terstatuen stand (z. B. in Orange, Arles und Dougga); FISHWICK 1987, I> 1, 23 hebt hervor, daß bereits im griechischen Bereich der Unterschied zwischen einer Kult statue und einer Ehrenstatue nicht immer klar sei (vgl. den Beitrag von HrrZL). 36 Ein fiühes literarisches Beispiel inoffizieller privater Verehrung bietet Vergils erste Ekloge, in der der Hirt Tityrus seinem persönlichen Rettergott Octavian einen spontanen Privatkult einrichtet (vgl. DXJQÜESNAY>, ähnlich spricht ein Decurio in einer Inschrift aus Nola aus Dankbarkeit für seine Beförderung Caesar als Gott an: M. Salvio Q./. Venusto decurioni beneficio dei Caesaris (ILS 6343 DES 35
SAU).
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Die Differenz der Diskurse von Volk und Senat wird bei der damnatio memoriae> die auf eine Usurpation folgen kann, virulent. Denn in diesem Falle wurde der beseitigte Kaiser postum zum Staatsfeind erklärt. Dabei wurde nicht nur sein Name aus allen verfügbaren Inscbriften getilgt, auch kultische Praxis, d. h. Opfer, Feste und Priesterschaften, wie sie außerhalb Roms v. a. im Osten des Reichs existierten, mußte eingestellt werden.37 Welche Wirkung solch ein Vorgang auf Untertanen hatte, die den Herr scher aus dankbarer Überzeugung als Gott verehrten, darüber kann man nur spekulieren.38 Die damnatio unterstreicht, daß die Führungsschicht in Rom dem Kai ser zu Lebzeiten keine öffentlich anerkannte Göttlichkeit zugesteht.39 Vielmehr dient die Ambiguität des lebenden "Kaisers zwischen Gott und Mensch, seine potentielle Göttlichkeit, dazu, diesen auf ein ideales Ver halten zu verpflichten; das Denkschema lautet daher Der Kaiser wird als Gott verehrt werden, falls er sich gemäß den an ihn gestellten Erwartun gen verhält. Durch die postume Divinisierung wird das Leben des Kaisers aus Sicht der politischen Elite zu einem schwebenden Verfahren, in dem der Princeps zuerst Beweise dafür zu erbringen hat, daß er ein Gott ist.40 Alle Aussagen, die den Herrscher zu Lebzeiten als Gott ansprechen oder mit Gott vergleichen, stehen unter dem Vorbehalt einer postumen Beurteilung. Gottgleiche Ehren zu Lebzeiten, z. B. die Verehrung des kaiserlichen Numens, sind aus Sicht der Führungsschicht nur Vorschußlorbeeren, die den Herrscher auf ein ideales Verhalten verpflichten. Dies wird an einer Stelle bei Tacitus deutlich ausgesprochen: Daß Tiberius für sich alle gött lichen Ehren zu Lebzeiten und nach dem Tode ablehnt, wurde laut Tacitus unter anderem als:41 37
Zu sehen ist dies z. B. an der Inschrift von Akraiphia aus Böotien (ILS 8794 die Nero als »Neue Sonne« Griechenlands feierce, weil dieser der Provinz Achaia auf seiner Griechenlandreise 66 oder 67 n, Chr, die Autonomie verliehen hatte; aus Dank wurde in Akraiphia der Altar des Zeus Soter dem Zeus Eleutherios Nero (um)geweiht (Z 48ff.)- Zur Datierung BERGMANN 1998, 202. 38 Für die Bindung an die Zentralmacht spielte sicher auch die Kontinuität der Kaiserverehrung als solcher eine zentrale Rolle, 39 In diesem Punkt zeigt sich deutlich, daß CLAUSS* These von der Göttlichkeit des amtierenden Kaisers (z. B, 418) nicht überzeugen kann (ebd, 385: »Domitian war ja quasi durch die nicht erfolgte Divinisierung nur noch Mensch«; Hervorhe bung VI). DESSAU),
40
41
VgL PRICE 1987,
89.
Tac arm, 4,38: quod ... quidam ut degeneris animi interpretabantur. optumos quippe mortalucm altissima cupere; sie Herculem et Liberum apud Graecos, Qui-
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»Zeichen entarteter Gesinnung [gedeutet]. Die besten unter den Menschen hät ten doch den Drang nach dem Höchsten; so seien Herakles und Dionysos bei den Griechen, Quirinus bei uns unter die Götter gezählt worden. Besser habe es Augustus gemacht, der darauf gehofft habe. Alles übrige stehe den Fürsten so fort zu Gebote: nur auf eines müßten sie unablässig bedacht sein, daß man sich in beglückender Weise ihrer erinnere; denn ein Verzicht auf Nachruhm bedeute den Verzicht auf tüchtige Leistungen.« Tacitus gibt hier eine Denkweise wieder, die für das Selbstverständnis der politischen Elite zentral ist: Durch die Erhöhung des Kaisers zum Gott wird dieser bestimmten Erwartungen seiner Untertanen ausgesetzt. Aus dieser Sicht ist die Kaiserverehrung weniger ein Mittel der Propaganda, das den Herrscher in seinen Machtbefugnissen gegen Kritik und Kontrolle immunisiert, als umgekehrt ein Mittel der gesteigerten Kontrolle einer übermenschlichen Machtfülle. Die Göttlichkeit wird funktionalisiert, um individuelle Erwartungen an den Kaiser zu formulieren.42 Aus Sicht der politischen Elite wird die Divinisierung zu einem Anreiz für den Princeps. Diese Haltung wurde - glaubt man Sueton - von Augustus internalisiert. In einem Brief an Tiberius begründete Augustus seine kostspielige Frei gebigkeit damit, daß sie ihn zu himmlichem Ruhm erhöhen werde. 43
3 Herrschaftstheologie: Göttlichkeit als N o r m 3 J Der performative
Charakter der Göttlichkeit
Theologisch ausdifferenziert wird die von Sueton überlieferte Aussage des Augustus bei Plinius dem Älteren, welcher in der Theologie seiner Na turgeschichte schreibt: »Gott heißt für einen Sterblichen, einem Sterbli chen zu helfen, und dies ist ein Weg-zu ewigem Ruhm«, ein Weg, den nach
rinum apttd nos deum numero additos. melius Augustum, qui speraveriL cetera principibus statim adesse: unum insatiahiliter parandum, prosperam sui memoriam; nam contemptu famae contemni virtutes (Übersetzung E. HEIXER). 42 Auch die gottähnlichen Tugenden des Herrschers sind, wie WAIIACEHADRILL 1981 (v, a, 318) gezeigt hat, als ein Mittel der vom Kaiser gesteuerten >Propaganda< mißverstanden; sie müssen vielmehr als ein Medium aufgefaßt wer den, über das Erwartungen einer gesellschaftlichen Gruppe an den Kaiser formu liert werden. 43 Suet. Aug. 71,5: benignitas ... mea me ad caelestem gloriam efferet.
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den Vorfahren auch Vespasian mit seinen Kindern beschreite.44 Hinter die ser Aussage steht eine funktionalistische Auffassung von Göttlichkeit. Gott-Sein wird als ein bestimmtes Handeln aufgefaßt Analog zu dem Sprichwort »Ein Freund in der Not ist ein wahrer Freund« konstituiert sich die Bedeutung durch ein bestimmtes Verhalten. Denn »es ist sicherer, daß die Beziehung durch die Tat geschaffen wird, als daß die Tat durch die Beziehung garantiert ist.«45 Doch der verbale oder perf ormative Charakter des menschlichen Gottes hängt nicht nur von dessen Verhalten ab (Performanz als das >Auffuhren< einer bestimmten sozialen Rolle46), sondern auch vom Handeln der sozia len Mitspieler, die dem entsprechenden Subjekt Göttlichkeit oder Gott ähnlichkeit zusprechen (im Sinne eines performäriven Sprechaktes). Ver bindlich geschieht dies erst im postumen Akt der Konsekration als einem Akt der Dankbarkeit für emfangene Wohltaten, wie auch Plinius im An schluß an seine Definition des menschlichen Gottes hervorhebt. 47 Als ein funktionales Äquivalent zur Divinisierung kann die philoso phische und theologische Herrschaftslegitimation gelten. Wie jene soll sie den amtierenden Kaiser auf ein bestimmtes Verhalten verpflichten. Wäh rend im politischen Akt der Konsekration dem toten Herrscher Göttlich keit jedoch verbindlich zugesprochen wird, gesteht der legitimatorische Diskurs dem lebenden Kaiser einen göttlichen Status nur vorläufig und 44
Plin. nat. 2,lSf.: Deus est mortali iuvare mortalem, et baec ad aetemam gloriam via. bacproceres iere Romani, bac nunc caelestipassu cum liberis suis vadit maximus omnis aevi rector Vespasianus Augustus fessis rebus subveniens. bic est vetustissimus referendi bene merentibus gratiam mos, ut tales numinibus adscribant. quippe et aliorum nomina deorum et quae supra retuli siderum ex bominum nata sunt meritis (ähnlich Ov. Pont 2,9,35f.). 45 SAHLINS 1992, 41; an der Begegnung des Entdeckers Captain Cook mit den Hawaianern> die den Besucher anfänglich für einen Gott hielten (ebd. 105-131) und am Ende töteten, demonstriert SAHLINS eindrucksvoll, wie kulturelle Bedeutung in »performativen Strukturen« (ebd. 13-15; 40-45) durch soziales Handeln erzeugt und transformiert wird. 46 In diesem Sinne sozialer Performance wurde der Begriff im Verlaufe des cultural turn verwendet (z. B. in VICTOR TURNERS Theorie des Rituals als social drama\ zur Entwicklung und den verschiedenen Aspekten des Performanzbegriffes ygL WIRTH 2002. - Den inszenatorisch-theatralischen Charakter gesellschaftlichen Handelns reflektiert bereits die stoische Theorie von den vierpersonae (»Masken«)> die der Mensch im Laufe seines Lebens trägt; eine der >gespielten< Rollen konsti tuiert sich durch die Lebensentscheidungen, die vom Individuum und anderen für es getroffen werden (Cic. off. 1,107-118). 47 Die Verehrer »schreiben solche Menschen den Göttern zu« (adsaibant; s, Anm. 44).
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gewissermaßen auf Probe zu. Die entsprechenden Aussagen sind als ein Akt autoritativen oder präskriptiven Sprechens aufzufassen- Denn die Er füllung der normativen Erwartungen wird zur Voraussetzung dafür, daß der Herrscher in den Augen seiner Verehrer Gott ist - dadurch, daß er gottgemäß handelt. Das sprachpragmatische Wechselspiel von normativem Anspruch und dem die Norm performierendem Verhalten ist mit der Struktur vergleich bar, die nach JUDITH BUTLER der sozialen Konstitution der weiblichen Geschlechterrolle zugmndeliegt.4S Im Unterschied zum autoritativen Sprechakt, der dem Mädchen ein bestimmtes Geschlechterverhalten zu spricht,49 bleibt den legitimatorischen Texten, welche den Kaiser als Gott adressieren, ihr peif ormativer Charakter jedoch nicht verborgen. Im Ge genteil: Dadurch, daß die Gleichnishaftigkeit der geforderten Göttlichkeit durch vergleichende Aussagen betont und in argumentativen Kontexten reflektiert wird, bleibt dem Diskurs die soziale Kontrolle über den >Gott auf Probe< erhalten. Besonders deutlich wird der perf ormative Charakter der göttlichen Prä dikation in Senecas De dementia, dem Fürstenspiegel, in dem sich der stoische Philosoph und Prinzenerzieher von Nero an seinen Zögling rich tet. Die Schrift ist, wie TRAUTE ADAM gezeigt hat, von neupythagoreischen Schriften zur Königstheologie beeinflußt.50 Im Vergleich dieser Texte mit Seneca zeigt sich besonders deutlich, inwiefern sich eine performative und eine eher substanzialistisch geprägte Auffassung des göttlichen Herrschers unterscheiden. 3.2 Neupythagoreische Schriften »Über das Königtum« In der spätantiken Blütenlese des Stobaios sind Exzerpte aus drei neupy thagoreischen Schriften mit dem Titel >Über das Königtum< (Tlepi ß a c v teiaq)51 von uns sonst unbekannten Autoren erhalten, welche wohl aus 48 BUTLER 1993, 318: »In dem Maße, wie das Benennen des >Mädchens< transitiv ist, das heißt den Prozeß initiiert, mit dem ein bestimmtes >Zum-Mädchen-Werden< erzwungen wird, regiert der Begriff oder vielmehr dessen symbolische Macht die Formierung einer körperlich gesetzten Weiblichkeit, die die Norm niemals ganz erreicht Dabei handelt es sich jedoch um ein >Mädchen<, das gezwungen wird, die Norm zu >ziueren<> um sich als lebensfähiges Subjekt zu qualifizieren und ein solches zu bleiben«. 49 Ebd. 308. 50
ADAM 1970, 40-62.
51
Grundlegend GOODENOUGH 1928 (mit englischer Übersetzung); griechisch-
französischer Text bei DELATTE 1942.
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dem dritten oder zweiten vorchristlichen Jahrhundert stammen.52 In der Schrift des sonst unbekannten 53 Ekphantos heißt es:54 »Auf der Erde und bei uns ist das von Natur aus Allerbeste der Mensch, das Göttlichste aber der König, der in der gemeinsamen Natur mehr Anteil am Besseren hat; er ist zwar, was sein Gehäuse betrifft, den übrigen gleich, will sagen, er ist aus derselben Materie entstanden, aber von einem besseren Schöpfer gearbeitet, der ihn nach dem Modell seiner selbst gefertigt hat; seiner Einrich tung nach ist demnach einzig und alleine der König gleichsam eine Form des oberen Königs, immer seinem Schöpfer verwandt, den Untertanen aber durch sein Königtum wie in einem Licht erscheinend.« Die exzeptionelle Stellung des Königs wird hier mit seiner Gotteben bildlichkeit begründet. Diese wird als eine innere Wesensverwandtschaft mit dem Gott aufgefaßt, der den König nach seinem Urbild geschaffen hat. Wie aus anderen Stellen deutlich wird, begründet sich diese Verwandt schaft aus der Analogie der Herrschaftsstellung von Gott und König:55 52
Die Datierungsversuche bewegen sich zwischen dem 3. vorchristlichen und dem 2. nachchristlichen Jahrhundert. Über die Autoren Diotogenes und Sthenidas von Lokroi weiß man nur, daß sie Pythagoreer gewesen sein sollen. Die communis opinio geht daher davon aus, daß es sich um Pseudepigrapha handelt. Nach THESLEFF 1961 beruht der Dialekt der Texte auf einem süditalischen Dialekt des Dori schen, ähnlich dem des Pythagoreers Archytas von Tarent (4. Jh. v. Chr.); dieser Dialekt verselbständigt sich im dritten Jahrhundert zu einer literarischen Konven tion, die bewußt Archaismen verwendet. Die Texte zeigen weder Ähnlichkeit mit älteren pythagoreischen Texten noch finden sich Einflüsse, wie sie für den römi schen Neupythagoreismus des 1. vorchristlichen Jahrhunderts prägend sind. Daher datiert THESLEEP sie, ähnlich wie BURKERT 1961, auf die Mitte des dritten Jahr hunderts v. Chr, so daß Einfluß auf Seneca möglich ist. - Ebenfalls für eine frühe Datierung spricht die Vielzahl ähnlicher Werke aus dem dritten und zweiten Jahr hundert v. Chr, v. a. aus der Feder von Stoikern (Sphairos, Kleanthes, Persaios), die uns größtenteils leider nur dem Titel nach aus Werkübersichten bekannt sind (vgl. ADAM 1970, 12-18). 53 Der einzige namentlich bekannte Autor Ekphantos lebte im 4 J h . v. Chr. und schrieb Attisch; er kann daher nicht mit dem Autor des Stobaios-Textes identisch sein (s. o.)54 Ekphantos ap. Stob, eci 4,7,64 p. 272 WACHSMUTH: EV $e tQ.y<£ KCCIrcccp*djiiv dpiGTO<jn)£cn;ccxov nev ccvOpcörcoq, OEIOTOTOV 5? 6 ßaenteü; EV T&J KOIVO; «pticsi 9cXE0veKtä>v iä> Kpecaovoq, TO jafcv oKävo«; xou; Xoixoiq öu-otog, oia Tsyovcbq £K xaq ama<;ftX&q,x>%ö TEXVVTCC S' eipvaa^svcK; XCJXJTCD, öq exExvixE-üaev OCÜTÖV dp^erurce^ xpßjasvoc; eoanßr KataGKEi3aau.a dr\ &v 6 ßaoiXetic; £v Kai uovov evtl oia T\)7CCK; T<£> dvoox^pco ßactA&oc, t® |iivrceTtoiTjKÖxi7v6pija,ov dsi, xot<; 5* dpxouivoiq ä>q EV epeati T$ ß a a t ^ a ßteftoM^vov (vgl. 4,6,22 p. 245 W.). 55 Diotogenes ap. Stob. ecL 4,7,61 p. 265 W.: e^si 5e Kai GÖ<; OEÖC, Ttoti Koajiov ßccoiA^uc; Ttori ;c6Xiv- KCCI cb<;rc6\t<;roxiKOCU.OV ßaciXeuq TOT! 8e6v. d JOEV vdp KÖXxq EK TOXX&V KCd 8ux
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»Es verhält sich [...] der König zur Polis wie Gott zum Kosmos; und wie die Polis zum Kosmos verhält sich der König zu Gott. Denn insofern die Polis aus vielem Unterschiedlichem vereinigt ist, ahmt sie die Zusammenstellung und Harmonie des Kosmos nach, insofern andererseits der König eine nicht rechen schaftspflichtige Herrschaft hat und insofern er selbst ein belebtes Gesetz ist, hat er die Gestalt eines Gottes unter Menschen.« Der schon in der Vorsokratik begründeten Analogie zwischem dem Mi krokosmos >Polis< und dem Makrokosmos entspricht in der Proportion das Verhältnis zwischen dem über den Kosmos herrschenden Gott und dem über die Menschen herrschenden König. Durch seine Stellung ist der König aller Kritik enthoben, er ist nicht rechenschaftspflichtig56 und ver körpert als lebendes Gesetz57 die Normen, denen seine Herrschaft ver pflichtet ist. Auch wenn in den neupythagoreischen Überlegungen zum Königtum immer wieder betont wird, daß der König die göttliche Herr schaft nur nachahmt, 58 wird mit der Gottebenbildlicbkeit die qualitative Andersartigkeit des Königs betont, die ihn von allen anderen Menschen unterscheidet und ihn in überirdischem, sonnengleichem Glanz erstrahlen läßt. Im Unterschied zu römischen Quellen haben wir leider nicht die Möglichkeit, den kulturellen Kontext dieser Texte näher zu bestimmen; man könnte etwa an die Ptolemäer denken, die im Anschluß an ägyptische Traditionen als »lebendes Bild Gottes« aufgefaßt wurden. 59 33 Senecas Fürsten-Spiegel Seneca betont in De dementia ebenfalls, daß der Herrscher durch die Überfülle seiner Macht eine gottgleiche Stellung einnimmt: Er vermag »dasselbe wie die Götter, durch deren Wohltat wir ans Licht gelangen, gute wie schlechte«, allerdings nur, wenn er sich deren dem Wohl der Menschen dienende Gesinnung aneignet.60 Die gottähnliche Stellung bejuoviav i^jLtijuaTai» 6 5£ ßaoiteti<; äp^öcv £x^ v öVurcetiOvvov, Kai CCUTÖ<; a>v vöj-toc; £iL\\roxoc,y Ozöq sv öcv8p<&7tox<; TtapEaxajuoVaaxau 56 Auch Dio Chrysostomos or. 3,43 definiert die Königsherrschaft als »nicht rechenschaftspflichtige Regierungsform« (&vi)7t£ü9'üvo<; öcpxfl)57 Dazu CHESNOT 1978. 58 Diotogenes etwa bezeichnet die Königsherrschaft als »Gott nachahmende Sa che« (eeöixijiov TtpäTjiCX: Diotog. ap. Stob. ed. 4,7,61 p. 270 W., 10f.)59 S. 3.4. Nur aus dem konkreten Kontext könnte man. genauer bestimmen, -wie stark der König hier auf ein Programm idealer Normen verpflichtet wird oder wie weit er in seiner Machtfülle über alle Kritik hinaus legitimiert werden soll. 60 Clem. 1,5,7: Servare proprium est exceüentis fortunae, quae numquam magis suspici debet, quam cum Uli contigit idem posse quod dis, quorum benefido in hcem edimur tarn boni quam malL Deorum itaque sibi animum adserens princeps ...
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gründet im Unterschied zu den von Stobaios überlieferten Texten keine qualitative Exzeptionalität des Kaisers, sie stellt vielmehr eine besondere Veipflichtung eines Menschen dar, dem ein Übermaß an Macht gegeben ist, und nicht nur eine besondere Verpflichtung, sondern auch eine beson ders große Gefährdung. In De dementia beschreibt Seneca auch, wie der Mißbrauch seiner Macht den Herrscher von der Höhe der Gottähnlichkeit unter das Niveau der Tiere herabsinken läßt.61 Nach Senecas Einschätzung wird der Kaiser also durch seine dem göttlichen Schicksal62 ähnliche Stel lung nicht von vornherein gerechtfertigt, diese Stellung wird vielmehr als eine Aufgabe aufgefaßt, die über menschliches Maß hinausreicht. Zwar betonen auch die neupythagoreischen Quellen, daß der Herrscher durch ein tugendhaftes Verhalten Gott nachahmt, stellen dies aber als Fol ge seines Wesens dar, so etwa Ekphantos: 63 »Ich meine also, daß der König auf Erden in keiner Tugend dem König im Himmel nachstehen kann; sondern so, wie er eine ausländische und fremde Sa che ist, welche von dort [sc. vom Himmel] zu den Menschen gekommen ist, dürfte einer zu der Auffassung gelangen, daß seine Tugenden Gottes Werke sind und durch jenen [sc. Gott] seine Werke sind.« Der König wird hier so weit der menschlichen Sphäre entrückt, daß er als etwas Fremdes, als ein Himmelsgeschenk, erscheint. Bei Seneca dagegen heißt es, daß die Bürgerschaft »ihren Lenker nicht anderen Sinnes ansieht als wir die unsterblichen Götter in Ehrfurcht und Verehrung ansehen wollten, wenn sie uns Gelegenheit gäben, sie zu sehen«.64 Die Wirkung eines guten Kaisers auf die Wahrnehmung der Menschen wird hier mit der Wirkung einer Götter-Epiphanie verglichen, aber eben nur verglichen, gleich im anschließenden Satz wird betont, daß »der, welcher sich gemäß dem Wesen der Götter verhält, den ihnen nächsten« - und nicht den glei61 62
Clem. l,26,3f. Clem. 1,1,2: quid cuique mortalium fortuna datum velit, meo ore pronuntiat
(vgl. ROLLER 2001, 240. 273 Anm. 63
101).
Ekphantos ap. Stob. ecL 4,7,64 p. 274f. W.: eycb usv cov wcoXaußävco Kai xöv 8jci xäc; yQc, ßacnAsa 5waa6ai jn/nöeM*© tav apexav ekaxro'öcOca xä> KCXT- cbpavov ßaoiÄitoc;- 6<XKy c&orcsp a v t 6 ; ä:cöSajxöv u evxi XPIftia Kai £svov &K£I8£V äcpvyjiivov npöc, öcvOp&Tcctx;, Kai TOCC, ape-tac; av TU; a w ö zpya \nrokäßoi Tä> 8efl> Kai 5r £K£ivov avxG). 64 Clem. 1,19,8f.: quis ab hoc non, si possit, fortunam quoque avertere velit, sub quo iustitia, pax, pudidtia, securitas, dignitasflorent, sub quo opulenta civitas copia bonorum omnium abundat nee alio animo rectorem suum intuetur, quam si di immortales potestatem visendi suifaciant, intueamur venerantes colentesquef Quid autemf Non proxumum Ulis locum tenet is, qui se ex deorum natura gerit, beneficus ac Lirgus et in melius potens?
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chen - »Platz einnimmt«. Jede Annäherung an die göttliche Sphäre wird bei Seneca zum einen an die Bedingung eines bestimmten Verhaltens ge knüpft, zum anderen wird der Vergleich in seinem komparativen Charak ter betont. Der Princeps wird nicht, wie bei Diotogenes, als das wesenhafte Bild Gottes aufgefaßt, das nach dessen Modell geschaffen ist,65 vielmehr wird dem Herrscher wie in einem Spiegel66 ein Bild vor Augen gestellt, wie er sich verhalten soll, um eine gottgleiche Herrschaft zu verwirklichen. Se neca will Nero eher zeigen, wie er - in Zukunft - »zur größten Freude aller Menschen werden wird«. Wenn man berücksichtigt, daß antike Spie gel einfache polierte Metalischeiben waren67 und daher in ihrer Abbil dungstreue nicht mit modernen Spiegeln verglichen werden können, dann wird Senecas Aussage plausibler: Die Reflexion eines antiken Spiegels ist von solcher Qualität, daß der Betrachter in seiner Interpretation eines unklaren und verzerrten Bildes mehr gefordert war als er dies bei einem Spiegel ist, wie wir ihn kennen. Daher nimmt Seneca die Rolle eines spre chenden Spiegels ein, der das unklare Spiegelbild zum Bild des idealen Herrschers im Sinne des gottgleichen stoischen Weisen ausdeutet. Letzt lich ist es der Philosoph Seneca, der als Vorbild für den jungen Herrscher Nero dienen soll.68 Müssen wir aus all den zurückhaltenden Äußerungen Senecas folgern, daß dieser die Göttlichkeit des Kaisers für ausgeschlossen hielt? Vor dem Hintergrund stoischer Anthropologie »wohnt in jedem guten Menschen welcher Gott, ist ungewiß - ein Gott«,69 so ein Zitat aus Senecas Epistulae morales. Die göttliche Natur ist für den Menschen eine Norm, die er auf dem Wege sittlichen Fortschritts erreichen soll - und auch erreichen kann. Sie ist kein Privileg des Herrschers, sondern, ähnlich wie bei Plinius d. Ä.,70 eine Eigenschaft, die jedem »guten« Menschen zukommt. Königs-
65
S. Anm. 55. Clem. 1,1,1: Scribere de dementia, Nero Caesars institui, ut quodam modo speculi vice jüngerer et te tibi ostenderem perventurum ad voluptatem maximam omnium; auch Plinius vergleicht seine Lobrede auf Trajan mit einem Spiegel, in dem zukünftige Herrscher den idealen Herrscher erkennen können (ep* 3,18f.), zugleich betont er seine paränetische Absicht (vgl. MOLES 1990, 303-305). 67 HARRISON 1992, 1 zum Gleichnis des Spiegelbildes in Augustinus Trin. 15,14 (der Mensch als Spiegelbild Gottes). 66
« So auch ADAM 1970, 18f. 69
Sen. ep. 41,2: In unoquoque virorum bonorum - quis deus incertum est - habitat deus (vgl. Verg. Aen. 8,352). 70 S.3.J.
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und Deszendenztheologie werden bei Seneca durch einen anthropolo gisch-moralischen Diskurs ersetzt und dadurch gewissermaßen demokra tisiert. Für einen Herrscher, der größeren Versuchungen als ein Normal sterblicher ausgesetzt ist, ist das moralische Ziel sogar besonders schwer zu erreichen, was nicht heißt, daß es unmöglich ist; die Erziehung des jungen Nero könnte dem Philosophen Anlaß zur Hoffnung gegeben ha ben.71 Eventuell sah Seneca in Augustus trotz seiner anfänglichen Veifehlungen einen Herrscher, der im Laufe eines sittlichen Fortschritts das Ideal des gottgleichen Weisen erreicht hatte.72 So ist es m. E. keine reine Rhe torik, wenn Seneca sagt: »daß Augustus ein Gott ist, glauben wir nicht, als sei es uns befohlen«73 und dies anschließend mit der moralischen Qualität seiner Herrschaft begründet. Als Äußerungen von Schmeichelei sind daher die Äußerungen, die den jungen Herrscher Nero in göttliche Nähe rücken, mißverstanden.74 Das Beispiel Senecas kann vielmehr zeigen, daß der gött liche Status des Kaisers auch im Weltbild eines Gebildeten der senatori schen Elite Platz haben konnte. Zentral für dieses Verständnis ist jedoch, daß die Göttlichkeit zu einer Norm für den Herrscher funktionalisiert wird Die Ambiguität des Herrschers zwischen Mensch und Gott wird im theoretischen Kontext des Fürstenspiegels in Form von konkreten Ver haltensanweisungen75 operationalisierc; nur wenn der Herrscher diese vor gegebenen Normen erfüllt, wird er seiner Ähnlichkeit mit Gott gerecht. Wesentlich ist der präskriptive Charakter der Schrift, welche dem Kaiser göttliche Eigenschaften als zu erfüllende Normen zuspricht. 3A Der Herrscher ab »Bild Gottes« im jüdisch-christlichen Kontext Die Denkform, daß der ideale Herrscher ein Bild Gottes ist oder sein soll, findet sich auch an anderer, unerwarteter Stelle. Sie läßt sich für das jü dische Denken im frühen Prinzipat nachweisen. In der Sapientia Salomonis, der Schrift eines alexandrinischen, griechisch schreibenden Juden 71
72
So bereits ALTMAN 1938, 202.
Zum Verhältnis von Weisem und Kaiser bei Seneca ADAM 1970, 72-81. Clem. 1,10,3: Deum esse {sc. AugttstumJ non tamquam tussi credimus. 74 Seneca selbst veranschaulicht seine Abneigung gegenüber jeder Art von Schmeichelei gegenüber dem Herrscher besonders drastisch in der Anekdote von König Kambyses und dessen Höfling Praexaspes (ira 3,14,1-2; vgl. ROLLER 2001, 3-5. 108-124). 75 Zum Verhältnis von moralischer Selbstbewertung und gemeinschaftsorientierter externer Evaluation bei Seneca vgl. ROLLER 2001, 64-126. 73
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aus der Frühzeit des Prinzipats/ 6 wird von der Gottebenbildlichkeit der Könige gesprochen. Die »Weisheit Salomons< präsentiert sich als eine Mahnschrift an die »Könige, Richter der Erde, Herrscher über die Men ge«77 und fordert diese zu einer gerechten Herrschaft auf. Der Maßstab, an dem sich die Herrscher dabei orientieren sollen, ist das »Bild« Gottes, da »Gott den Menschen zur Unvergänglichkeit erschaffen und ihn zum Bild seines eigenen Wesens gemacht hat«/ s Durch die Gottebenbildlichkeit des Menschen soll hier nicht etwa der anthropomorphe Charakter Gottes betont werden, sondern der Auftrag an die Könige zu einer gerechten Herrschaft, denn durch Gerechtigkeit verdienen diese sich, wie der weitere Text zeigt, die göttliche Qualität derEwigkeit.79 Unvergänglichkeit ist eine, Folge gerechten Verhaltens, das so mit Bedingung für die Bildähnlichkeit des Herrschers mit Gott ist. Die Ähnlichkeit wird damit, wie bei Seneca, zur moralischen Aufgabe, und zwar für alle Menschen; sie gewinnt als zugesprochene Verhaltensnorm performativen Charakter. Dies gilt bereits für die Priesterschrift, auf die SapSal wörtlich zurück greift.80 Die Gottebenbildlichkeit wird hier mit dem Herrschaftsauftrag Gottes an den Menschen verbunden und ist somit als eine Funktionsaus sage aufzufassen/1 als ein autoritativer Sprechakt, der vom Menschen ein bestimmtes Verhalten, nämlich eine gerechte Herrschaft über die Erde, fordert. Die auf alle Menschen bezogene Vorstellung des Menschen als Kopie Gottes in der Priestersclirift geht wohl auf ägyptische Königstheo76
ENGEL 1998, 33-36 datiert die Schrift zwischen die Schlacht von Actium (SapSal 6,3 dürfte die Machtergreifung Octavians in Alexandrien und Ägypten 31 v.Chr. voraussetzen) und den Brief des Claudius an die Alexandriner von 41 n. Chr.,- die scharfe Polemik gegen den Bilderkult zur Verehrung eines entfernten Herrschers (SapSal 14,16-20) könnte eine Reaktion auf den Versuch Caligulas sein, seine Kultstatue im Tempel von Jerusalem zu installieren. 77 SapSal 6,lf. (vgl. ebd. 1,1); als »subtile indirekte Werbeform« (ENGEL 1998, 28) dürfte SapSal sich tatsächlich an junge, griechischsprachige Juden gerichtet haben. 78 SapSal 2,23f.: ö n ö Osöq SiCTiaEv TÖV ävOpowtov in* öccpOccpatqc | Koct sücöva Tfjq iSiccq ISIÖTTITOC; [die älteste und am besten bezeugte Lesart neben cciSiö'CTytoq und öfxoiöTnxoq] ercoincsv ccfrcov. 79 SapSal57\5: Aucccioi S£ aq töv ociövoc £6>ow, | KCCI£v Kopicp ö u.io8oq CC-ÜTÖW (vgl. 9,2f. 6,19. 1,15; ENGEL 1998, 77).
80 Gen l,26f.: IIovnccDusv ävOpoewtov KOCI' eiKÖva fiuS't&pav Kai KaO* öjiotcöaiv (vgl. Sir 17,3-9; JANOVSKI 2000). 81 »Der Mensch ist [...] Bild Gottes, insofern er sich verantwortlich handelnd zu seinem Lebensraum samt den Lebewesen darin [...] verhält« (GROSS 1981, 260f.); konkretisiert wird der Herrschaftsauf cräg in der Noahgeschichte (BAUMGART 1999, 267-272).
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logie82 zurück.83 Gemäß dieser wird noch Ptolemaios Epiphanes auf dem Stein von Rosette als »lebendes Bild des Zeus«84 angesprochen. Eventuell hat die ägyptische Königsvorstellung Einfluß auf die gesamte Levante aus geübt.85 Unabhängig von Rezeptionszusammenhängen liegt die Denkform eines Abbildverhältnisses von Mensch und Gott, ähnlich wie die Vorstel. lung der Gottessohnschaft,86 aufgrund seiner Anschaulichkeit und funk tionalen Evidenz nahe.87 Ein anderer sichtbarer Repräsentant Gottes auf Erden konkurriert mit dem Kaiser, und zwar Jesus Christus. Denn auch dieser wird, in der paulinischen Literatur, mehrfach als eiKC&v xoij ÖeoO,88 als sichtbares »Bild des unsichtbaren Gottes«89 bezeichnet.90 Möglicherweise ist die strukturelle Analogie von Königstheologie und Christologie91 mit ein Grund für den Konflikt von Kaiser- und Christuskult. 92 Im wahrsten Sinne des Wortes sichtbar wird dieser Konflikt in der spätantiken Konkurrenz von Kaiserund Christusbild.93 Nicht nur als Bild, sondern auch als Sohn eines Gottes 82
Ab der zweiten" Zwischenzeit wird der König als Bild Gottes bezeichnet; Ähn lichkeit wird mit dem Gedanken der sichtbaren Vertretung Gottes durch den Kö nig verbunden (OCKINGA 1984, 127f. 135ff.; zum Gedanken der Repräsentation ASSMANN 2000, 37-45). 83 Für KAISER 1998, 305f. ist »die Annahme der Abhängigkeit der priesterlichen von der ägyptischen Vorstellung unabweisbar. Was in Ägypten dem König vor behalten war, wird in Israel auf alle Menschen bezogen und damit demousiert« (vgl. OCKINGA 1984, 153). 84 OGIS 90,3: £LK6VO<; C,&Kjr\$ TOO 85
Aiöq, mo13 w o *Hliou
GROSS 1998,305; AUGSTERSTORFER 1997 zu den mesopotamischen Belegen aus
der Hof spräche; laut Plutarch Them. 27 verehrten auch die Perser ihren König cbg £VK6VCC Bso'u TOS T&rcöVraC6^OVTCK; (vgl. HULTGÄRD 1979). 86 In der ägyptischen Königstheologie häufig mit der Gottäbnlichkeit verknüpft (OCKINGA 1984, 129f.). 87 Die Herrschaftsvorstellungen anderer Hochkulturen wie der chinesischen wä ren zu vergleichen. 83 2 Kor 4,4, 89 Kol 1,15: eücäv xo-ö eso-ö to/ü aopdxo^. 90 Für den Menschen potenziert sich das Abbildverhältnis, insofern er nach dem Bild des sichtbaren Gottes Christus erneuert werden soll (Kol 3,10; %vgl. MARKSCHIES 2000), die Gottebenbildlicbkeit wird in diesem Falle, anders als beim Got tessohn, nicht wesensinhärent, sondern ebenfalls performativ, als moralischer Auf trag, aufgefaßt 91
92
VgL den Beitrag von AÜFP ARTH.
Bereits Paulus kritisiert die Personenverehrung, welche »die Herrlichkeit Got tes gegen die Nachbildung eines vergänglichen Menschen in einem Bild [ein tauscht]« (Rom 1,23). * BELTING 1991,18£. und 117-130; vgl. auch CANCIK 1975.
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nimmt Christus eine dem Kaiser vergleichbare Stellung ein; denn meist ist auch derprinceps, von Beginn seiner Herrschaft an, als Sohn eines Gottes, nämlich des divus, legitimiert. Wiederholende und unter Vorbehalt stehen de94 göttliche Verwandtschaft des Kaisers und einmalige sowie wesensin härente Genealogie Christi stehen einander gegenüber. 3 J Der Herrseber als Sonne In Plutarchs Fürstenspiegel, der sich, so der Titel, »an den ungebildeten König« richtet, wird die Gottähnlichkeit des Herrschers mit der Metapher der Sonne verknüpft:95 »So wie die Sonne am Himmel als das wunderschöne Spiegelbild seiner [sc. Gottes] und als ein Abbild denen erscheint, welche ihn [sc. Gott] in ihm sehen körinen, so hat er [sc. der Gott] den Glanz der Wohlgerechtigkeit in den Städten gleichsam als Bild der Vernunft, die ihn umgibt, entstehen lassen.-« Plutarch erweitert hier das platonische Sonnengleichnis um eine Königs theologie, die den Herrscher zum sonnengleichen Vertreter göttlicher Ge rechtigkeit und Vernunft auf Erden macht, 96 Ähnlich wie bei Seneca fällt hier die Häufung von Spiegel-, Abbild- und Ähnlichkeitsverhältnissen97 auf, in denen die Stellung des Herrschers mit der Gottes verglichen wird. Durch die Potenzierung von solch vergleichenden Aussagen98 wird die Göttlichkeit des Herrschers für normative Vorgaben verfügbar gemacht und auf diese Weise symbolisch kontrolliert. Der metaphorische Charak94
Der Herrscher muß sich erst als seiner Herkunft würdig erweisen. Plut. adprinc. ineruditum, mor. 5,781F: oiov 5' iftioq EV oupccvQ jj.(jjTi|iaTÖ TtspiKcAAsq aürot) [sc. TOÜ 0so-ö] öY EGÖTTCpou Koct ci5coÄ.ov ceva<paiv£'cca xoxr; &KE1VOV evopäv 5t* awoü SuvccToxg, afrtco xö £v Ttöteoi eperyoe; stöudccq [KCCI] 95
^0701) TO-Ö 7C£pi CCbtOV COOT£p SlKOVCC KCCC£GTr|G£V. 96 Vgl. CHESNOT 1978, 1321-1324; nachweislich kannte Plutarch die persische Verehrung des Königs als Bild des höchsten Gottes Ahura Mazda (vgl. Anm. 85), als dessen Sohn das Feuer galt (HULTGÄRD 1979, 115). Philo verknüpft ebenfalls Gottebenbildlichkeit und ko-yos-Spekulation (SpecLeg 1,81; vgl. CHESNUT 1978, 1325-1327); vgl. SapSal 7,25-29 (göttliche Weisheit und Sonne), Sen. dem. 1,3,5. 1,4,1 (der Herrscher als vernünftiger Weltodem; vgl. CHESNUT 1978, 1325f.) und Carmen Einsidlense 1,27 KORZENIEWSKI (Nero als imago solis). 97 Zur Verwendung von Bildern bei Plutarch vgl. HIRSCH-LXJIPOLD 2002. 98 Als Analogon zu den Texten kann die theomorphe Herrscherdarstellung ge sehen werden, deren metaphorischen Charakter BERGMANN 1998, 38 hervorhebt: »metaphorisch [...] im präzisen Sinn eines Vergleichs oder Gleichnisses«; ausge drückt wird »nicht eine Identität von Gott und Herrscher, sondern eine Ähnlich keit von Kräften, Wirkungsweisen und Kompetenzbereichen des Herrschers mit denen der Gottheiten, deren Attribute er trägt« (ebd.).
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ter der Gottähnlichkeit ist bereits für die ägyptische Königstheologie be legt, in der der Pharao vor allem mit dem Sonnengott Re verglichen ~wird." Die funktionale Analogie von Gott und Herrscher wird nicht nur von Plutarch, sondern auch an vielen anderen Stellen durch die Metapher der Sonne oder den Vergleich mit dem Sonnengott100 ausgedrückt. Der Ver gleich von Kaiser und Sol-Helios und dem häufig mit ihm gleichgesetzten Apoll101 im Kontext von Herrscherlob und Herrscherlegitimation läßt eine funktionale Semantik erkennen, in der wichtige Aufgaben der Herrschaft hervorgehoben werden. Hintergrund des Vergleichs bilden Philosopheme verschiedener Schulen und die sinnliche Evidenz des Zentralgestirns: Nach Dion von Prusa gibt es »kein offensichtlicheres und schöneres Beispiel [sc. für die Herrschaft des Kaisers] als .die Führung, des Alls, die unter Kon trolle des ersten und besten Gottes steht«.102 Zu diesem Zweck mußten nur die stoischen Aussagen über das vernünftige, die Weltgeschicke len kende Zentralgestini »Sol« umgekehrt werden, das laut Cicero »der Füh rer und Fürst und Lenker der übrigen Himmelslichter, der Verstand und das ordnende Prinzip«103 ist, und schon konnte man die universale Herr schaft des Kaisers bestens illustrieren. In der dritten der Königsreden, die der Stoiker Dion von Prusa an Trajan gerichtet hat,104 findet sich die wohl umfangreichste Sammlung der Vergleichspunkte von Kaiser und Sonne. Durchmustert man den Abschnitt bei Dion105 und die vor allem in neronischer Zeit häufigen Vergleiche und Metaphern mit Sol,106 so ergeben sich folgende Hauptfunktionen: 99
OCKINGA 1984,128f.; nicht zufällig ägyptische Seeleute preisen Augustus kurz vor seinem Tod mit den Worten: per illum se vivere, per illum navigare, übertäte atque fortunis per illum frui (Suet. Aug. 98,2). 100 Die Homonymie Sonne/Sonnengott ist aufgrund der fehlenden Distinktion durch Groß- und Kleinschreibung nicht immer klar zu differenzieren und verbleibt zum Teil auch beabsichtige in der Zweideutigkeit 101 Schon im 5. Jh. (AiscL Hie. 212-214). 102 Dio on 3,50: o\> uf|v cpccvsp
nö T $ rtpärcp xs Kai dpiGxcg> 9s$. 103 Cic. rep. 6,17,17: Sol [...J, dux etprineeps et moderator luminum reliquorum, mens mundi et temperatioy tanta magnitudine ut cuncta sua luce lustret et compleat (nach REINHART 1926, 121-128 Poseidonische Lehre; vgl. SV Fl 499; Cic. natdeor. 2,40-50; Plin. not. 2,4,12f.: bunc [sc. solem) principale naturae regimen ac numen credere decet opera eius aestimantes). 104
105
MOLES 1990, 350-360.
Dio or. 3,73-85. Sen. apoeol 4,1,27-31. dem. 1,8,4; Luc. 1,48-50; Carm. Eins. 1,15-35 KORZENIEWSKI; Anthologie Graeca 9,178 (zusammen mit den epigraphischen, numisma tischen und archäologischen Zeugnissen bei BERGMANN 1998, 134-230). 106
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-das Spenden von Leben im weitesten Sinne; Ähnlich wie die Sonne schenkt der Kaiser den Menschen Leben und Wohlergehen; - Zentralität107: die Sonne wie der Herrscher sind Ausgangspunkt allen Lichts und Lebens, auf die Sonne wie auf den Herrscher ist die Wahr nehmung aller zentriert; - Ordnung: Die Sonne verursacht Tag und Nacht und die Jahreszeiten, sie sorgt im Wechsel für die nötige Helligkeit und Dunkelheit, Hitze und Kälte, sie ist für die geordnete Bewegung der Gestirne verantwortlich entsprechend hat der Kaiser für die jeweiligen Bedürfnisse seiner Unter tanen zu sorgen;103 - Regelmäßigkeit: Die Sonne ist in ihrer Bewegung absolut und rational berechenbar - auf ähnliche Weise soll das Tun des Kaisers nachvollziehund vorhersehbar sein; - Einheit in der Pluralität: Nach pythagoreischer Vorstellung verursacht die Sonne die Sphärenharmonie, die aus einer Vielzahl individueller Teile eine, geordnete Einheit erzeugt,:09 ohne daß die Teile ihre Individualität verlieren - gerade diese Funktion gilt auch für den Kaiser, der ein he terogenes Reich durch Ordnung zu einer Einheit formen muß; - Universalität: Die Sonne ist für alles Leben verantwortlich, sie lenkt als Zentralgestirn alle anderen Planeten; die Sonne sieht und hört alles und wird umgekehrt von allen gesehen und gehört - besonders der letzte Aspekt wird an verschiedenen Stellen hervorgehoben, um auszudrücken, daß der Kaiser ständiger Aufmerksamkeit und symbolischer Kontrolle ausgesetzt ist.110 Im Kontext des Fürstenspiegels und verwandter Texte wird der Vergleich mit der Sonne eingesetzt, um die gottgleiche Überlegenheit des Kaisers über die Menschen zu illustrieren, aber vor allem, um dem Herrscher vor Augen zu führen, daß seine Herrschaft strengen normativen Kriterien und totaler Aufmerksamkeit unterworfen ist, daß sie, ein gängiger Topos, eine 107 Nicht zu verwechseln mit dem von Aristarch von Samos vertretenen astrolo gischen Heliozentrismus, der nach dem Zeugnis Plutarchs von dem Stoiker Kleanthes scharf bekämpft wurde (SVF I 500) und sich nicht durchsetzen konnte
(NOACK 1992, 108
3-8).
Dio or. 3,78-81. 109 Diotogenes ap. Stob. ecL 4,7,61 (Anm. 55); Carm. Eins. 1,29-31 KORZENIEWSKi: talis divina potestas, / quae genuit mundum septemque intexuit orbis / arüßcis zonas et toto miscet amore. 110 Besonders anschaulich Sen. clem, 1,8,4f.: tibi non magis quam soll latere contingit. Multa contra [: circa LIPSIUS] te lux esty omnium in istam conversi oculi sunt; prodire te putes, oreris. Loqui non potes, nisi ut vocem tuam, quae ubique sunty gentes excipiant.
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»ruhmvolle Knechtschaft« (sv5o£o<; So'üJieia)111 darstellt. Auch wenn die Sonne ihre Bahn eigentlich nicht verlassen kann, so bietet Phaeton dem Dio Chrysostomos das mythische Exempel, um zu zeigen, daß eine Herr schaft, die nicht idealen Vorgaben genügt, die Welt in Chaos und Vernich tung zu stürzen vermag.112 Die sonnengleiche Stellung enthebt den Kaiser nicht der Kritik und Kontrolle,113 sie stellt für ihn vielmehr eine besondere Verantwortung und Gefährdung zugleich dar. -
4 Ergebnisse: Kontrolle, Perf ormanz und Ambiguität In den vorgestellten Diskursen der Divinisierun^ und der theologisch©
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philosophischen Herrschaftslegitimation, die sich - in paränetischer oder panegyrischer Absicht - an den Kaiser richtet, ist die Göttlichkeit ein Medium gesellschaftlicher Kommunikation, mittels dessen über Wesen und Aufgaben des Herrschers reflektiert wird. Hierin zeigt sich deutlich »the invention of the socially contextualized and integrated ruler [as] a dialogical process«.114 Was Cicero mit seinem Ideal autonomer, von externer Bewertung un abhängiger Selbstvergottung noch ablehnt,115 wird im Prinzipat zum Kern eines konsensualisierten Herrschaftsverständnisses:116 In der diskursiven Praxis geht es weniger darum, ob der Kaiser ein Gott ist, als darum, ob er sich wie ein Gott verhält. Die performativ aufgefaßte Göttlichkeit läßt sich nicht nur - wie in den vorgestellten Diskursen - mit allgemein normativen, sondern auch mit partikularen und persönlichen Erwartungen aufladen und über deren Erfüllung Kontrollieren«?.117 Formen der Verehrung, in deren Logik der Herrscher (postum) verehrt wird, falls er sich erwartungs111
So bezeichnete Antigonos Gonatas die Königsherrschaft (Aelian VH 2,20); die Sonne ist für Dion das Beispiel für eine besonders harte Knechtschaft (or. 3,75). 112 Dio or. 1,46. 113 Diesem Zweck dient der Versuch verschiedener Herrscher, sich und ihr Re giment über Sol-Apoll zu legitimieren; s. u. zu Augustus und Nero. 114 ROLLER 2001, 6 für die julisch-claudische Epoche. 115 Laut dem Somnium Scipionis ist die Vergöttlichung derer, welche sich um den Staat verdient gemacht haben, unabhängig von der Meinung der Menschen, in de ren Andenken man sowieso vergessen werde (rep. 6,25; vgl. leg. 2,11,27: einge schränkte Verehrimg der vergötdichten Toten im Rahmen der Sacra privata). 116
117
Vgl ROLLER 2001,
10.
Z. B. Ovids Bitten um die Erleichterung seines Exils (Pont. 2,8. 2,9) oder Horazens Erwartung militärisch-politischer Erfolge (c 3,5).
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konform verhält, steht die kultische Praxis gegenüber, in welcher der le bende Kaiser als Gott verehrt wird, damit11* er sich so verhält.119 Vom Verehrten selbst kann der göttliche Status als Legitimationsstütze genutzt werden: Ziel ist es, die eigene Göttlichkeit als genealogisch gesi chert zu suggerieren. Neben der regelmäßigen Berufung auf den väterli chen divus wäre beispielsweise die Wohngemeinschaft des Augustus mit dem Sonnengott Apoll auf dem Palatin120 zu nennen, die durch eine aben teuerliche Zeugungs-121 und Kindheitsgeschichte122 ergänzt wurde. Zu of fensiv durfte der Kaiser seinen göttlichen Status gegenüber dem Senat je doch nicht propagieren. Nicht zufällig scheiterten im ersten Jahrhundert drei Kaiser, die ihre Selbstdarstellung als Gott sehr weit trieben und sich so der Kontrolle entzogen: Caligula, Nero123 und Domitian.124 So richtig es ist, im Zusammenhang mit dem Kaiserkult zu betonen, daß die antike Auffassung ein Kontinuum zwischen Mensch und Gott kennt,125 so trifft dies nicht den Kern der vorgestellten Diskurse. Denn in deren binärer Logik geht es nicht um ein Mehr oder Weniger oder eine »Wer tigkeit«126 der Göttlichkeit, es geht vielmehr um eine Entscheidung, ob der Kaiser sich als Gott oder ob er sich nur als ein schwacher Mensch erweist, der die Erwartungen in seine Herrschaft enttäuscht oder gar seine Macht mißbraucht. In diesem Sinne kann man eine Anekdote umformulieren, die bereits über Demetrios Poliorketes, aber auch über Kaiser Hadrian berich tet wird: Als eine alte Frau mit ihren Bitten vom Herrscher nicht angehört wird, spricht sie zu ihm: »Dann sei auch nicht Kaiser (bzw. König).«127 In der performativen Logik der hier vorgestellten Diskurse müßte sie sagen: »Dann sei auch nicht Gott!« 118
So CHANIOTIS in seinem Diskussionsbeitrag. Den Diskurs des »damit« praktiziert vor allem der Osten, aber auch ein großer Teil der Bevölkerung im Westen, in Italien und auch in Rom (vgl. Anm 117). u0 Weiteres Material zu Augustus* Anknüpfung an Apoll bei LAMBRECHTS 1953. 121 Suet. Aug. 94,4: Apoll wohnt Augustus' Mutter Ana in Schlangengestalt bei m Suet. Aug. 94,6: Der nicht aufzufindende Säugling blickt auf einem Turm Rich tung Sonnenaufgang; (vgl. ebd. 79,2: der sonnengleiche Blick des Herrschers); im selben Bedeutungszusammenhang steht die Sonnenuhr, das Horologium Augusti, mit dem Obelisken aus der ägytischen »Sonnenstadt« (Heliopolis). 12J Vgl Anm. 37; zur »Verschiebung der Sprachebenen«, bei der Elemente des inoffiziellen Herrscherlobes in die offizielle Selbstdarstellung als Sol übernommen werden, BERGMANN 1998, 226f. 124 Nero und Domitian verfielen der damnatio memoriae, Caligula entging ihr wohl nur durch die Intervention des Claudius. l2$ Vgl. etwa BEABD 1994, 750: »[TJhere was no simple polarity, but a continuous specmim, between the human and the divine«. 119
m
127
So CIAXJSS 1999,
301.
»Kai |IT^ ßacOsue« (Plut Dem. 42,3f.; Cass. Dio 59,6,3).
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Kultstätten und Praxis des Kaiserkults anhand von Fallbeispielen von KONRAD HITZL
Der folgende Aufsatz beschäftigt sich mit drei einzelnen Themen zum römischen Kaiserkult und möchte einen Beitrag zur antiken Praxis dieser Religion leisten.1 Die Themen lauten: 1. Römisches Verständnis von Kultstätten und Statuen des Kaisers Anhand der Quellen zu sakralen Gebäuden in Rom soll herausgearbeitet werden, warum nach römischem Verständnis für Kaiserkultstätten fast ausschließlich das Wort templum Verwendung findet. Ferner wird die Fra ge behandelt, ob man mit einer einfachen Trennung in Kult- und Ehren statuen der Semantik von Kaiserbildnissen gerecht werden kann. Als Kon sequenz aus dieser Diskussion wird die Einführung einer dritten Katego rie, der Verehrungsstatue, vorgeschlagen. 2. Der Kaiserkult für Tiberius in Kyrene Im Apollon-Heiligtum von Kyrene wurde ein spätklassisches Schatzhaus zu einer Kaiserkultstätte für Tiberius umgewandelt. Diskutiert werden sollen der Zeitpunkt der Umwandlung, die Datierung der erhaltenen Sta tue und des Porträtkopfes sowie die Dauer des Tiberiuskultes in Kyrene. 1
Mein Dank für Anregungen und konstruktive Kritik gilt allen Teilnehmern der Tagung »Die Praxis der Herrscherverehrung in Rom und seinen Provinzen«, die vom 4. bis zum 6. April 2002 in Blaubeuren statefand. Namentlich danken möchte ich H. CANCIK, A. CHANIOTIS, P. HERZ, A. HUPFLOHER, S. LEHMANN, B. NOACK und M. PEPPEL. Antike Autoren werden zitiert nach DNP 1 (1996) XXXIXtf.
Neben den in der Bibliographie genannten Abkürzungen werden außerdem ver wendet: AvP = Altertümer von Pergamon DNP = Der Neue Pauly OGIS = W. DnTENBERGER 1903. Orientis Graeci inscriptiones selectae I. SEG = Supplementum epigraphicum Graecum
Konrad Hitzl
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3. Hadrian im Asklepieion von Pergamon In der Bibliothek des pergamenischen Asklepieions wurde eine Statue des Kaisers Hadrian mit ihrer beschrifteten Basis gefunden. Das in früheren Publikationen als Kultstatue interpretierte Standbild wird wegen der Auf stellung in einer Bibliothek seit längerem nur als Ehrenstatue angesehen. Diese Auffassung wird unter Berücksichtigung einer kultischen Konzep tion für das römische Asklepieion überprüft;
1. Römisches Verständnis von Kultstätten und Statuen des Kaisers Die römische Sprache verfügte über mehrere Begriffe, um Kultanlagen bezeichnen zu können. Nach ULRIKE EGELHAAF-GAJSER wären aedes, casa, delubrum^ domus, fanum^ mansio, monumentum^ sacrarium, sacrum, sanctuarium, sedes und templum als Bezeichnung für Kultstätten denkbar.2 Für Anlagen des Kaiserkults engt sich diese Wortwahl in der römischen Sakralterminologie deutlich ein, und nur »die Dreiergruppe aedes, templum und fanum«? sowie delubrum scheinen in Frage zu kommen Doch wie HEIDI HÄNLEIN-SCHÄJER zeigen konnte, werden Bauwerke zur kul tischen Verehrung des Augustus fast ausschließlich entweder templwn oder aedes genannt;4 delubrum kommt nur einmal vor,5 fanum nie.6 2
EGELHAAP-GAISER 2000, 503ff.
3
EGELHAAF-GAISER 2000, 152.
4
HANLEIN-SCHAFER 1985,
5
5ff.
Tac. ann. IV 37. . / 6 In seinen Briefen an Atticus erwähnt Cicero mehrfach Gärten, die er bei Rom jenseits des Tiber kaufen wolle, um für seine verstorbene Tochter Tullia ein fanüm zur privaten Vergöttlichung einzurichten (Cic. Att. XII19.22-25.27-33. 35-40. 42. 44. 46.; XIII 1. 3-5. Die Zählung richtet sich nach der Tusculum-Ausgabe von H. KARTEN 1998. Marcus Tullius Cicero, Atricus-Briefe. 5. Auflage. Düsseldorf Zürich). Nach WREDE 1978, 28f. 80f. 91 soll dieses farntm den Grabbau für Tullia' bezeichnen. Dies ist ganz unwahrscheinlich, zumal sich Ciceros Pläne für das fanum gut fünf Monate nach Tullias Tod, die bis dahin keine angemessene Grabstätte bekommen haue, zerschlugen. Vielmehr dürfte sich das sepulcrum für Tullia bei Arpinum, dem Stammsitz der Familie Ciceros, befunden haben (diese Meinung wurde zuerst von H. CANCIK im Tübinger Colloquium geäußert). Das fanum hin gegen sollte ausschließlich der (5wto6scüoi£ dienen (Cic. Att. XII 22. 38) und war zunächst bei Arpinum und dann bei Rom jenseits des Tiber geplant (Cic. Att. XII 19. 22). Cicero schreibt: Sepulcri similitudinem effugere non tarn propter poenam legis studeo, quam ut maxime adsequar «SOTOBECÖCIV (Cic. Att. XII 38), Die Ähn lichkeit des fanum mit einem sepulcrum sollte bewußt veimieden werden, denn zum einen mußten vermutlich auch für Kenotaphe Abgaben bezahlt werden und
Kultstätten und Praxis des Kaiserkults
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HÄNLEIN-SCHÄPER und EGELHAAF-GAISER sind sich prinzipiell darüber einig, daß der Begriff ternplum eher den »gesamten Kultbezirk, also den Tempel mit dem umgebenden Areal, bezeichnet«/ während aedes »nur das Kultgebäude als solches« meint.8 Grundsätzlich ist festzustellen, daß je nach Intention bewußt oder im täglichen Sprachgebrauch auch unwissent lich »ternplum und aedes in gewissem Maße als Synonyme«9 benutzt wur den- Fast jedes sakrale Gebäude in Rom wird in den Quellen sowohl aedes als auch ternplum genannt, wobei sich aber meistens Schwerpunkte fest stellen lassen. Die Kultanlagen für die divinisierten Kaiser werden seit Augustus vornehmlich mit dem Begriff ternplum bezeichnet.10 Lediglich der Tempel des vergöttlichten Caesar heißt offiziell aedes divi lulii11 Dies verwundert nicht, weil auch die übrigen sakralen Bauten des Forum Romanum, mit Ausnahme der Kaiserkulttempel, aedes sind: aedes Saturni, aedes Concordiae und aedes Castorum.12 Das gleiche Bild bietet das Kapitol mit der aedes Iovis Optimi Maximi, der aedes Opis sowie der aedes FideL Wenn das störende Beispiel des Tempels für den Divus Iulius nicht wäre, könnte man versucht sein, das hohe Gründungsalter der übrigen Bauten mit dem aedes-üt%iitt zu verbinden, doch dies ist nicht möglich. Daher läßt sich eher vermuten, daß die Bereiche des Kapitols und des Forum Romanum insgesamt sakraler Natur waren und mit ihren ganzen Flächen als templa galten, in denen die einzelnen aedes standen. Dagegen dürfte für den noch nicht ergrabenen Tempel des Divus Augustus südlich der basilica lulia ein eigenes ternplum eingerichtet worden sein, wie es für das südlich des flavischen Amphitheaters gelegene ternplum divi Claudii gesichert ist. Diese Benennungspraxis erhielt sich mindestens bis in das späte 2. Jh. n. Chr. Auch der auf dem Forum Romanum unmittelbar neben der aedes Concordiae errichtete Tempel des Divus Vespasianus wird in den Quellen häufiger ternplum als aedes genannt.13
zum anderen bot die Form des Grabmals für Cicero keine Möglichkeit einer op timalen Apotheose. Nach WKEDE haue dagegen Cicero bewußt vermieden, das Grabmal seiner Tochter wie ein Grabmal aussehen 2U lassen (WREDE 1978, 80). 7
EGELKAAT-GAISER 2000, 153.
8
HANLEIN-SCHAFER 1985, 8. * HÄNI-EIN-SCHÄIER 1985, 8. 10 STEINBY 2000, 73f. Zu den Bezeichnungen
für den Tempel des Divus Augustus
s. HANLEIN-SCHAFER 1985, 113ff. 11
12
STEINBY 1996, 116ff.; HANLEIN-SCHAFER 1985, 255ff. Vgl Plan und Legende in: DNP 10 (2001) 1093f. s. v. Roma IE. Topographie
und Archäologie (M. HEINZELMANN). 13
Der Tempel des Divus Vespasianus wird ebenda 1093f. Nr. 61 als »Aedes Divi Vespasiani« ausgewiesen; die Bezeichnung Ternplum wäre korrekter gewesen.
100
Konrad Hitzl
In seiner Tiberius-Vita schreibt Sueton über den Kaiser Templa, flaminesy sacerdotes decerni sibi prohibuit, etiam statuas atque imagines nisi permittente se poni; permisitque ea sola condicione, ne inter simulacra deorwm sed inter ornamenta aedium ponerentur.u Übersetzung: »Daß für ihn Tempel, Eigenpriester und Kultgemeinschaf ten beschlossen wurden, ver bot er, auch daß Statuen und Bildnisse aufgestellt wurden, außer er hätte es erlaubt; und er erlaubte es unter der einen Bedingung, daß sie nicht zwi schen den Götterbildern, sondern zwischen den Gebäudeausstattungen aufgestellt wurden«. 15 Tiberius bzw. Sueton bringen klar zum Ausdruck, was einen Kaiserkult unverkennbar macht. Im personellen Bereich sind es die dauerhafte Einsetzung eines für den Kult zuständigen Funktionärs, eines Flamen, sowie die Bildung von Kultgemeinschaften, Sacerdotes, wozu wohl in erster Linie die Augustalen zu zählen sind. Im repräsenta tiven Bereich ist es vor allem die Errichtung von templa, d. h. auf einem eigenen Grundstück neu gebauten Tempelanlagen. Aufgrund der eingangs aufgestellten Unterscheidungskriterien zwischen templwn und aedes ist es völlig klar, daß ab der frühen Kaiserzeit nicht die aedes, sondern nur das templwn einen würdigen Kaiserkultbau bezeichnen konnte. So verwun dert es nicht, daß Tacitus fast nur über templa in Zusammenhang mit dem Kaiserkult schreibt.16 Die einmalige Verwendung von aedes und delubrum läßt sich erklären.17 Im Gegensatz zu Tempeln, Priestern und Kultgemeinschaften macht Tiberius in bezug auf seine kultische Verehrung bei statuae und imagines 14
Suet. Tib. 26. Übersetzung K. HITZL nach H MARTXNFT 1997. C. Suetonius Tranquillus, Die Kaiserviten / de vita Caesarum - Berühmte Männer / de viris ilhistribus. Düssel dorf - Zürich. 365. 16 Tac. ann. I 7$; IV 15. 55-57; XIV 31; XV 74, 3. Ebenso Suet. Aug. 52 und natürlich Tib. 26. 17 In Tac. anru IV 55 ist die aedes Augusto in Pergamon wohl als sprachliche Variation zu werten (Pergamenos - ... - aede Augusto ibi sita satis adeptos creditum)y da nur ein Satz vorher bereits das Won tempti steht. In Tac ano. IV 37 wird berichtet, daß die Provinz Hispania ulterior, gemeint ist die Baetica, im Jahr 25 eine Gesandtschaft an den Senat schickte, um nach dem Vorbild von Asia ein Heiligtum für Tiberius und seine Mutter - delubrwn Tiberio matrique eins - zu errichten. Tiberius lehnte dies in einer Rede vor dem Senat ab. Tacitus dürfce sich in dieser Passage für den Begriff delubrum entschieden haben, weil er bewußt klarstellen oder unbewußt signalisieren wollte, daß über die architektonische Gestaltung des gewünschten Heiligtums nichts bekannt sei. Zur neutralen Übersetzung »Heilig tum« für delubrwn s. EGEIHAAP-GAISER 2000, 518. Die von EGELHAA?-GAISER 2000, 336f. herausgearbeitete Definition antiquarischer Autoren als »Heiligtum mit eigener Wasserquelle« hat für Tacitus keine Relevanz. 15
Kultstätten und Praxis des Kaiserkults
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Zugeständnisse, Unter einer statua ist das vollständige Standbild des Dar gestellten im Rahmen einer vorhandenen Typenbreite zu verstehen. Dem gegenüber könnte imago ganz im Sinne des deutschen Wortes »Bildnis« eine Doppelfunkrion erfüllen. Zum einen könnte die auf das Porträt re duzierte Plastik, meist in Form einer.Büste, gemeint sein, und zum an deren das gemalte Bild als Figur, Büste oder Kopf. Klar ist jedenfalls, daß Tiberius bzw. Sueton mit statuas atque imagines die Gesamtheit aller kai serlichen Darstellungen erfassen wollten. Sie durften nur inter orn&menta aedium und nicht inter sirrmlacra deorum aufgestellt werden. Diese Un terscheidung deckt sich auf den ersten Blick mit unserem Verständnis von römischen Kult- und Ehrenstatuen. Der Ausdruck inter simuLacra deorum scheint auf eine gängige Praxis hinzuweisen, die aber gerade für die frübe Kaiserzeit nicht belegt ist.18 Divinisierte Herrscher erhielten ohnehin einen eigenen Tempel mit ihrer einzelnen Kultstatue. Entweder wird auf Prak tiken in den Provinzen angespielt, die jedoch archäologisch kaum nach weisbar sind,19 oder Sueton verrät hier den Geist seiner Zeit, man denke an eine gängige Interpretation des Pantheons in Rom. 20 In jedem Fall will 18 Für Caesar errichtete man schon zu Lebzeiten, im Jahr 45 v. Chr., im Tempel des Jupiter auf dem Kapitol eine seiner unzähligen Statuen mit einer Inschrift, die ihn als Halbgott (f mi9eoq) bezeichnet haben soll (JEHNE 1997,103). Nach Tac anru XV 74, 3 wurde der Antrag des designierten Konsuls Cerialis Anicius, dem divo Neroni bereits zu Lebzeiten einen Tempel in Rom zu errichten, von Nero persön lich abgelehnt. Allerdings hatte schon einige Jahre zuvor der Senat beschlossen, eine Statue des Kaisers in gleicher Größe wie das Kultbild im Tempel des Mars Ultor aufzustellen (Tac ann. XIII 8, 1: ..., effigiemque eins pari magnitudine ac Martis Ultoris eodem in templo censuere. Augustus dagegen hatte sich gerade in Rom zurückhaltend gegeben; vgl. u. Anm. 20. 19 Eine Inschrift aus Lugdunum, in der ein Freigelassener namens Marens Herenmus Albanus zwei Götterbilder zusammen mit einem Bildnis des Tiberius in einer aedes wohl gemeinsam aufstellte, zitiert CLAUSS 1999,295 unter Berufung auf CIL XIII 1769 c. 20 CLAKIDGE 1998, 206: »... but it is possible that the Pantheon provided a setring - not a temple in the conventional sense - in which the living emperor would appear in Company with the gods (including bis own deified predecessors)«. Schon im von Agrippa errichteten Vorgangerbau sollte nach Cass. Dio 53, 27, 2-4 eine Statue des Augustus aufgestellt und der Bau nach dem Kaiser benannt werden, doch Augustus lehnte beides ab; dazu HÄNLEIN-SCHAFER 1985, 19f. In diesen Zu sammenhang gehört auch der Christenbrief des jüngeren Plinius (Plin. epist X 96). Dort heißt es: Qui negabant esse se Christianos autfuisse, cum praeeunte me deos appelUrent et imagini tuaey quam propter hoc iusseram tum simulacris numinum adferri) ture ac vvno supp&carent, ..., dimittendos esse putavi. Übersetzung nach H. KASTEN 1995. Gaius Plinius Caecilius Secundus, Briefe / epistularum libri decem. 7. Auflage. Zürich. 643: »Diejenigen, die leugneten, Christen zu sein oder
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Konrad Hitzl
Tiberius nach dem Zeugnis Suetons mit den Göttern bildlich und damit auch hierarchisch nicht auf eine Stufe gestellt werden. Neben anderen ernamenta aedium sind Bildnisse des Kaisers, wenngleich erst nach dessen persönlicher Erlaubnis, jedoch denkbar. Das Wort aedium kann nur eine sprachliche Variante zu den vorausgegangenen templa sein, denn es muß sich dem Sinn nach auf vollständige Tempelanlagen mit umgebenden Por tiken, die reich mit ornamenta ausgestattet waren, beziehen. Diese ornamenta konnten Bauschmuck, Wandverkleidungen, Gärten, Wasseranlagen, aber auch Statuen sein. Somit scheinen Tiberius und/oder Sueton zwischen einer Kultstatue und einer Ehrenstatue klar zu differenzieren. Die soeben erörterte Passage im 26. Kapitel der Tiberius-Vita Suetons könnte eine Grundlage für die Diskussion um die Wertigkeit von Kultund Ehrenstatuen bei den Römern bilden. MANFKED CLAUSS lehnt den Begriff der Ehrenstatue für Kaiserbildnisse kategorisch ab: »Eine Gottheit ist eine Gottheit, gleichgültig wie man sie darstellt. Wahrscheinlich besa ßen manche Kultgegenstände eine höhere Feierlichkeit, aber so wenig es Ehrenstatuen für Gottheiten gab, so wenig gab es solche für die Kaiser um einmal die Gegenposition zu formulieren«.21 ANNETTE HUPFLOHER behauptet: »Kaiserstatuen sind potentiell Kultobjekte«.22 Aber schon in griechischen Heiligtümern gab es zahlreiche Götterstatuen als Weihge schenke, man denke an die Zeusstatuen in der Altis von Olympia,23 denen sicher nicht geopfert wurde. Andererseits ist CLAUSS zuzustimmen, daß es nach unserer Fachterminologie keine Ehrenstatuen für Götter geben kann. Es ist wohl auch richtig, daß eine sogenannte kaiserliche Ehrenstatue nicht auf eine Stufe mit den Ehrenstatuen verdienter Bürgerinnen und Bürger in den Städten des römischen Reiches gestellt wurde. Aber nicht alle Bild nisse von Göttern und Kaisern waren Kultstatuen, sonst würde die von gewesen zu sein, glaubte ich freilassen zu müssen, da sie nach einer von mir vor gesprochenen Formel unsre Götter anriefen und vor Deinem Bilde, das ich zu diesem Zweck zusammen mit den Statuen der Götter hatte bringen lassen, mit Weihrauch und Wein opferten.« Die alleinige imagp des Kaisers genügte Plinius anscheinend nicht, um Christen zu überfuhren, sondern es mußte das kaiserliche Bildnis^ zusammen mit den simulacra nu.minu.rn verehrt werden. Erst das Abbild des Kaisers im Verein mit anderen Gottheiten ließ keinen Zweifel daran, daß die Darbringung von Weihrauch und Wein keine Ehrung, sondern ein rituelles Opfer für einen Gott war, das überzeugte Christen ablehnen mußten. Diese Beispiele scheinen zu bestätigen, daß Suetons Formulierung inter simulacra deoj-um vom Geist seiner Zeit geprägt ist. 21
22 23
CLAUSS 1999, 305. HUPFLOHER 2000,
156. Paus. V 21, 1-24,11.
Kultstätten und Praxis des Kaiserkults
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Sueton Kaiser Tiberius zugeschriebene Unterscheidung keinen Sinn erge ben.24 Gerade im Hinblick auf die Sueton-Passage stellt CLAUSS die Frage: »Wäre die Büste25 durch das Aufstellen zwischen den Götterbildern zu einem Götterbild geworden? Oder war sie es an sich, weil der Kaiser Gottheit war?«. Die Antwort fällt folgendermaßen aus: »An der göttlichen und/oder menschlichen Qualität des Kaisers kann sich durch den Auf stellungsort seiner Büste nichts geändert haben.... Der Aufstellungsort der Büste des Tiberius macht aus dem Dargestellten weder Gottheit noch Mensch, sondern beeinflußt allenfalls die >Werugkeit< seiner Göttlich keit«.26 Dies mag zutreffend sein, aber Göttlichkeit hat nicht automatisch eine durch Menschen vollzogene kultische Handlung zur Folge. Man wird wohl behaupten dürfen, daß die nicht kultischen Statuen von Göttern und Kaisern sowohl Ausdruck eines religiösen Empfindens als auch einer stän digen sichtbaren Verehrung waren und sich dadurch von den üblichen römischen Ehrenstatuen, die eine ephemere und profane Würdigung dar stellten,27 unterschieden. Sollte diese Feststellung zutreffend sein, so wäre in der Terminologie eine neue Kategorie zwischen Kult- und Ehrenstatue einzuführen: die Verehrungsstatue. Diejenigen Bildnisse von Göttern und Kaisern, vor denen keine kultischen Handlungen stattfanden28 und die dennoch nicht mit den Ehrenstatuen verdienter Bürgerinnen und Bürger auf einer Stufe standen, könnte man als Verehrungsstatuen bezeichnen, um ihre eigenständige Wertigkeit terminologisch abzugrenzen. In der Retro spektive mag es erlaubt sein, kaiserliche Verehrungsstatuen als potentielle Kultobjekte anzusprechen, 29 .doch damit ist nicht geklärt, wie diese Frage 24
Vgl. WITSCHEL 1995, 253ff. mit Aom. 1. 58. CIAUSS 1999, 295 definiert eine imago als »ein bewegliches Bildnis, meist in Form einer Büste«, die er von einer »unverrückbaren statua« unterscheidet. Auf den folgenden Seiten übersetzt CIAUSS imago stets als Büste. 25
26
27
CLAXJSS 1999, 301.
Ein anderes Verständnis unterstellt Cicero den Griechen; Cic. Verr. 2, 2,158: Non crederem hoc de Statuts nisi iacentis revulsasque vidissem, propterea quod apud omnis Graecos hie mos est, ut honorem hominibus habitum in monumentis eins modi non mdla religione deorum consecrari arbitrentur. 28 CI-AUSS 1999, 35f. benennt die Kriterien, die seiner Meinung nach Menschen zu Gottheiten machen- Die bloße Aufstellung einer StatQe gehört nicht zu diesen Kriterien. 29 Es gibt derzeit keine Methode, um die ursprüngliche Funktion einer erhaltenen Kaiserstatue zu bestimmen, denn weder Typus noch Größe noch Material sind einwandfreie Kriterien. Lediglich wenn der genaue Aufstellungsort bekannt ist und sich die Inschrift auf der Basis erhalten hat, wie im Fall der noch zu besprechenden Hadriansstatue aus dem Asklepieion von Pergamon, kann der Versuch einer au thentischen Rekonstruktion und Interpretation erfolgreich sein.
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Konrad Hitzl
in der antiken Praxis beurteilt wurde. Kaiserstatuen waren Auftragsarbei ten30 und ihre Verwendung war von Anfang an festgelegt. In Verbindung mit dem Aufstellungsort und der Inschrift war die Funktion einer Statue unverkennbar und wurde dementsprechend beachtet. N u r in Ausnahme fällen dürfte eine Verehrungsstatue zu einem Kultbild avanciert sein. 2- Der Kaiserkult für Tiberius in Kyrene Wie Tacitus berichtet, erlaubte Tiberius zwar der Provinz Asia, in Smyrna einen Tempel für sich, seine Mutter und den Senat zu errichten, doch der Provinz Hispania ulterior versagte er den Bau eines weiteren Tempels für sich und seine Mutter, 31 Dagegen wurde ein Tempel für den verstorbenen Augustus in Tarraco als Vorbild für alle Provinzen hingestellt.32 Diese Nachrichten können nicht bedeuten, daß der Kaiserkult für Tiberius voll ständig untersagt war.33 Das Verbot zur Errichtung von Tempelanlagen ließ andere Möglichkeiten der Kaiserverehrung um so opportuner er scheinen. Man konnte dem Nachfolger des Augustus, in den meisten Fäl len sicher ohne Rücksprache mit dem Kaiserhaus, lediglich Altäre errich ten oder ihm bestimmte Teile von Gebäudeanlagen, vor allem Portiken, weihen.*4 Auffällig sind auch die erstmals unter Tiberius einsetzenden sta tuarischen Familiengruppen, die einerseits der sichtbaren Legitimation des Kaisers und seiner potentiellen Nachfolger dienten, andererseits aber wohl auch eine neue Variante der Herrscherverehrung darstellten.35 Eine weitere 30 Kaiserliche Bildnisse wurden nicht auf Vorrat gearbeitet, wie wir dies - ver ständlicherweise vor einem völlig anderen Hintergrund - aus der Sepulkralkunst, z. B. bei apulischen Grabvasen oder römischen Sarkophagen, kennen. Es konnte jedoch sein, daß Statuen und Porträts von Herrschern, die nach ihrem Tod geächtet worden waren, auch für längere Zeit magaziniert wurden. Zu diesem Phänomen Go£TTE / HITZL 1987, 283ff.; bes. 292 mit Anxn. 55-57. 31 Tac ann. IV 15. 37. 55-56. 32 Tac ann. I 78: Templum ut in colonia Tarmconensi strueretur Augusto petentibus Hispanis permissum, datumque in omnes provindas exemplum. 33 Die Belege für den Kult des Tiberius führt CLAUSS 1999, 76ff. 507ff. an. 34 Zur Bedeutung von Portiken für die Kaiserverehrung generell PRICE 1984, 140ff. Die sog. Porticus des Tiberius in Aphrodisias (zur Lage im Stadtbild: SMITH / RATT£ 1995, Pläne nach S. 45; zu Architektur und Funktion: DE CHAISEMARTIN / LEMAIRE 1996, 149ff.) ist durch eine Inschrift auf der als Stoa bezeich neten Nordkolonnade als private Weihung eines Diogenes und eines Menandros für Aphrodite, Divus Augustus als Zeus Patroos, Tiberius als Sohn des Divus Augustus, Livia als Iulia Augusta und den Demos ausgewiesen (JACOPI 1939, 81ff.
bes. 87f.; CREMA 1939, 289f. Abb. 52). 35
Die Zahl der erhaltenen tiberischen Familiengruppen ist geringer als die der
Kultstätten und Praxis des Kaiserkults
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Möglichkeit, für Kaiser Tiberius einen Kult einzurichten, bestand darin, ein vorhandenes Gebäude, möglichst in einem heiligen Bezirk, umzufunk tionieren, also eine aedes innerhalb eines templum neu zu weihen. Ein solcher Fall ist im nordafrikanischen Kyrene nachweisbar. Das Apollon-Heiligtum von Kyrene liegt innerhalb der Mauern im nordwestlichen Stadtbereich (Abb. 1). An der Sädmauer des Heiligtums befindet sich ein kleines Gebäude (Abh,-t-Nrr22), dessen Architektur sich so vollständig erhalten hatte, daß eine Restaurierung möglich war.36 Der sicher als Schatzhaus37 anzusprechende, dorische Bau besitzt einen recht eckigen Grundriß von 11,855 m Lange und 7,236 m Breite ohne Vorhalle.38 Das Gebäude wird in der Fachliteratur als Strategeion bezeichnet und in die Mitte des 4. Jh. v. Chr. datiert; die Bezeichnung rührt von drei Stra tegen her, deren erhaltene Namen auf drei Metopen über dem Eingang eingemeißelt wurden.39 Die Inschrift auf dem Architrav darunter soll be sagen, daß das Schatzhaus dem Apollon aus dem zehnten Teil einer Kriegsbeute errichtet worden ist.40 Wohl in tiberischer Zeit wurde das Strategeion wiederverwendet. Eine zweizeilige Inschrift auf dem Türsturz lautet in Abschrift und vollständiger Lesung:41 statuarischen Gzuppen claudischer Zeit, was nach Ansicht des Verf. auch daran liegen könnte, daß alle tiberischen Gruppen vor 23 n. Chr., dem Todesjahr des Drusus minor, entstanden sind. Spättiberische Gruppen dürfte es nicht gegeben haben, doch soll diese Frage hier nicht weiter vertieft werden. Sichere oder wahr scheinliche tiberische Gruppen wurden in Beziers, Korinth, Samos und Leptis Magna gefunden. Dagegen weist die von der Forschung im Kern für tiberisch erachtete Gruppe aus Veleia - heute im Museum von Parma - nach Meinung des Verf. keine Statuen aus der Zeit des Tiberius auf. Generell zum Thema der julischclaudischen Statuengruppen BÖSCHUNG 2002. 36
GISMONDI 1951,
7ff.
37
GOODCHILD 1971, 113f. spricht fälschlich von einem kleinen Tempel.
38
Zu den Maßen GISMONDI 1951, 12ff.
39
OUVEBIO 1930, 203f. mit Abb. 59. 61; SEG IX (1944) Nr. 89. 90. Aus Grün den der Symmetrie könnte auf der rechts anschließenden und verlorenen Metope der Name eines vierten Strategen eingemeißelt gewesen sein. 40 Publiziezt wurde, soweit ich sehe, bisher nur ein Fragment über der rechten Türwange mit den Buchstaben AEMIO (OLIVERIO 1930, 204 Abb. 60), was sich problemlos zu riO]AEMIO[N ergänzen ließe (vgl. SEG IX [1944] Nr. 76). Da sich der Architrav an der Eingangsseite so gut wie vollständig erhalten hat (GISMONDI 1951, 8 Abb. 1; 21 Abb. 18), müßte auch der große Rest der Inschrift gut lesbar sein, s. dazu auch u. Appendix. Warum wurde sie nicht vollständig veröffentlicht? 41 Der Türsturz ist abgebildet bei OLIVERIO 1930,198 Abb. 56; in der Abschrift wurde COS vergessen. Die korrekte Abschrift mit richtiger Lesung findet sich bei POLACCO 1955, 49. Nur OLIVERIO 1930, 198 weist darauf hin, daß für die Inschrift auf dem Türsturz eine ältere Inschrift entfernt worden sein soll: »Le lettere, alte
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Konrad Hitzl TI CAESAR! [AUGU]STI F COS IMP TRIB POT SU[FENAS PR]OCULUS F C
Ti(berio) Caesari [Augu]sti f(ilio) co(n)s(uli) imp(eratori) trib(unicia) pot(estate) Su[fenas Pr]oculus f(aciendum) c(uravit) Der Name Tiberius Caesar Augusti ftlms ist wicht vor der Adoption des Tiberius durch Augustus 4 n. Chr., als Tiberius den Namen Tiberius Iulius Caesar erhielt, denkbar.42 Andererseits hieß der Nachfolger des Augustus ab 14 n. Chr. offiziell Tiberius Caesar Augustus** und der verstorbene Kaiser war zum Dvvus Augustus geworden, wodurch eine Datierung der Inschrift des Strategeion in die Jahre 4 bis 14 n. Chr. nahegelegt wird und zumeist auch akzeptiert ist.44 Mit dieser Datierung stimmen aber weder der erste Konsulat noch die erste iinperatorische Akklamation noch die erste tribunzda potestas übereiuu45 Wenn aber der zweite Teil der Inschrift keine chronologische Zuweisung erlaubt, wäre es methodisch falsch, den Namen Tiberius Caefar Augusti filius als Beweis für eine sichere Datie rung werten zu wollen.46 Da aus historischen Gründen eine kultische Verm. 0.09 ed alquanto accurate, risaltano bene sulla faccia, che pare sia stata attentamente scalpellata per fare scomparire q akiasi traccia di una iscrizione preesistente«; ebenso OLTVHUO 1931, 31: »L'architrave monumentale di una porta, iscritto per la seconda volta e dedicato alTimperatore Tiberio da $u\fena] Proculo, il quäle aveva curato la costruzione o piuttosto la trasformazione dell'edificio sulla cui porta poggiava«. 42 43
44
KIENAST 1990, 77, KIENAST 1990, 77.
POLACCO 1955, 50: »quindi tra il 4 d. C e il 14 d. C«; POLACCO 1955, 55: »ma
non ancora Augusto e perciö avanti il 14 d. C«; BÖSCHUNG 1993,57: »der zu einer inschrifrlich als Tiberius bezeichneten Statue gehört und in die Jahre 4-14 n. Chr. datiert werden kann«. Noch enger datie BÖSCHUNG 2002,174: »In den Jahren 4-7 n. Chr. wurde der Bau durch eine Inschrift über der Tür dem Tiberius zugeeignet«. 45 Nach KIENAST 1990, 78 war Tiberius 13 v. Chr. zum ersten Mal Konsul, erhielt im Jahr 10 oder 9 v. Chr. seine erste imperatorische Akklamation und bekam am 26. Juni 6 v. Chr. seine erste tribumcia potestas. 46 Der Name Sufenas Proctdus begegnet in Kyrene nach GASPERTNI 1971, 5f. auf vier Inschriften. Neben den beiden Inschriften des Strategeion läßt ein überarbei teter und wiederverwendeter Marmorblock von der Agora noch die Buchstaben I IULIUS AUG / DIVI NEPOS CAE / M SUFENAS M F P / COH LUSITANORU erkennen; der Block ist beschrieben und abgebildet bei STXJCCHI 1965, 327 Taf. 59,8.. GASPERINI 1971, 20f. Anm. 21 ergänzt die Inschrift folgendermaßen: [T]I IULIUS AUG[USTI FILIUS] / DIVI NEPOS CAE[SAR ] / M SUFENAS M F PCROCULUS ] / COH LUSITANORU[M ]. Der Name des Tiberius im Nominativ als Sohn des Augustus und Enkel des vergöttlichten Caesar weist auf eine Datierung vor 14 n. Chr. hin- Auf dem Architrav der Außenseite des südlichen Propylons zum Kaisareion in Kyrene findet sich die Inschrift M SU-
Kultstätten und Praxis des Kaiserkults
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ehrung des Tiberius eher nach als vor dem Tod des Augustus denkbar erscheint,47 bleiben nur zwei Erklärungsmöglichkeiten. Entweder hatte nun in Kyrene zum Zeitpunkt der Umwidmung des Strategeion keine genaue Kenntnis von der korrekten Titulatur des Tiberius und begnügte sich mit allgemeinen, sicher richtigen Angaben oder man hatte in der In schrift bewußt auf alle Zählungen verzichtet, vielleicht um den Zeitpunkt der Einführung des Kultes für Tiberius zu verschleiern. Im Inneren des Strategeion steht vor der Rückwand eine Basis, auf der vierteilig die In schrift des Türsturzes wiederholt wird:48 TI CAESARI AUGUSTI F COSIMPTRIBPOT SUFENAS PROGULUS FC Diese vollständige Inschrift bestätigt die Ergänzung der Inschrift über dem Türsturz und macht klar, daß die Auslassung von Zählungen für Konsulat, imperatorische Akklamation und tribunicia potestas nicht ver sehentlich erfolgt sein kann. Die Eixiführung eines Kultes für Tiberius in Kyrene könnte sehr bald nach dem Tod des Augustus stattgefunden ha ben, auf jeden Fall aber zu Lebzeiten seines Nachfolgers. Bei der Freilegung des Strategeion wurden im Cellainneren der Torso einer marmornen Gewandstatue, zwei marmorne Arme, ein Marmorkopf und eine bronzene Kugel entdeckt.49 Da keine Fragmente weiterer Stand bilder zutage kamen,50 ist es mehr als wahrscheinlich, daß alle Teile zu FENAS PROCULUS REF CUR, die sich mühelos zu Mfarats) Sufenas Proadus ref(iciendwn) acr(avit) auflösen laßt; GASPERINI 1971, 4 Abb. 1. 5f. mit Abb. 3. Zwei korrespondierende Inschriften auf dem äußeren und inneren Architrav des Ostpropylons erwähnen dagegen eine Restaurierung durch einen C Rubeliius Blandnsy die vor dem Jahr 18 n. Chr., eventuell zeitgleich mit der Restaurierung durch Sufenas Procains, erfolgt sein dürfte; dazu s. HÄKLEIN-SCHAFER 1985, 223ff. Alle Belege zusammen scheinen für eine Datierung der Aktivitäten des Sufenas Procidus um das Jahr 14 n. Chr. herum zu sprechen, 47 Die historischen Quellen lassen in keiner Weise erkennen, daß Augustus zu Propagandazwecken oder aus familienpolitischen Gründen an einer kultischen Verehrung des Tiberius interessiert gewesen wäre; warum hätte gerade Kyrene eine Ausnahme bilden sollen? 48 Die Abschrift findet sich bei POLACCO 1955, 55. Die Inschrift selber läßt sich bei POLACCO 1955, Taf.4,2 sowie bei STUCCHI 1960, Taf 30,1 mit einiger Mühe erkennen. 49 Zur Fundsituauon POLACCO 1955, 51 mit Taf. 4,1; STUCCHI 1960, 71 mit Taf. 23,2. 50 Nach GOOPCHILD 1971, 114 stand in der Mitte des Fußbodens »eine runde Basis, die einem Dreifuß oder einem Altar als Unterlage gedient haben könnte«. In
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einer einzigen, mittlerweile wieder zusammengesetzten Statue gehörten51 (Abb. 2. 3). Der Dargestellte müßte Tiberius sein> der somit im Strategeion einen Kult erhalten hätte. Aufgrund seines ungewöhnlichen Aussehens erfuhr der Kopf mehrfach Beachtung 52 (Abb. 4). Einige Forscher sahen ihn als ein zu Lebzeiten des Tiberius entstandenes Porträt des Kaisers an.53 Andere erkannten einen unbenennbaren frühkaiserzeitlichen KopfS4 oder sogar ein spätantikes Bildnis.55 SAJSTDRO STUCCHI hatte nämlich zeigen können, daß der Porträtkopf auf einer ehemals weiblichen Gewandstatue saß, die in Zweitverwendung umgearbeitet worden war.56 Auch der Kopf wurde nach STUCCHI umgearbeitet; ursprünglich sollte er Tiberius und in Zweitverwendung einen spätantiken Kaiser darstellen.57 Die Umarbeitun gen sollen im 4. oder 5, Jh. n. Chr. stattgefunden haben.58
Wirklichkeit handelt es sich bei der sog. runden Basis um rechteckige, übereinan- dergelegte Blöcke (darunter eine Triglyphe), die als Spolien vom alten ApollonTempel stammten, der im 4. Jh. v. Chr. erneuert worden war. Der oberste Block, vielleicht ehemals eine Metope, läßt auf seiner Oberseite eine flache kreisrunde Erhöhung erkennen (GOODCHILDS »runde Basis«), auf der das originale Weihgeschenk gestanden haben dürfte. Zu den Spolien im Strategeion s. PERNIER 1935, 40ff. mit Abb. 37-41. Nach PERNIER 1935, 43 liegt der römische Fußboden gut einen Meter über dem ursprünglichen Niveau des Strategeion. Dazu schreibt PoLACCO 1955, 50: »B pavimento del sacello era semplicemente battuto e al centro si alzava il dono votivo degli strateghi ad Apollo«. Dieses Weingeschenk war in ti berischer Zeit sicher nicht mehr vorhanden. BÖSCHUNG 2002, 174 übernimmt un kritisch die Meinung von GOODCHILD. 51 Den restaurierten Zustand zeigen POLACCO 1955, Taf. 4,2 und STUCCHI 1960, Tai. 25. Das Standbild soll nach STUCCHI 1960, 71 Anm. 1 eine Höhe von 2,03 m aufweisen, eine für Kaiserstatuen normale Größe. 52 POLACCO 1955, 49ff. Taf. 4-6; GROSS 1959, 521f.; STUCCHI 1960, 71ff. Taf. 23-34; ROSENBAUM 1960, 43ff. Nr. 17 Taf. 15,3-4; POULSEN 1968, 18 mit Anm- 32; GOODCHILD 1971,114 Taf. 55; BÖSCHUNG 1993,57; FUTSCHEN / ZANKER 1994,11 Nr. 24; BÖSCHUNG 2002,174. 53 POLACCO 1955, 54 (mit spätaugusteischer Datierung); GROSS 1959, 521f.; POULSEN 1968, 18; BÖSCHUNG 1993, 57; FITTSCHEN / ZANKER 1994, 11 Nr. 24; BÖSCHUNG 2002, 174. 54 ROSENBAUM 1960, 43: »Statue of a young man«. 55 STUCCHI 1960, 71ff. Gründe gegen eine Deutung als Tiberius-Porträt und für eine spätantike Datierung faßt R. G. GOODCHILD in: ROSENBAUM 1960, 44f. in
einer Miszelle zusammen. 56 STUCCHI 1960, 73ff. Taf. 26-30 mit Datierung des Originals der Statue in die erste Hälfte des 4. Jh. v. Cbr. 57 STUCCHI 1960, 80ff. 58 STUCCHI 1960, 7%. 90. Der Meinung von STUCCHI folgt GOODCHILD 1971,114 vollständig.
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Die beiden genannten Datierungsvorschläge - frühkaiserzeitlich oder spätantik - scheinen sich auf den ersten Blick diametral gegenüberzuste hen. Wertet man jedoch alle Fakten ohne vorgefaßte Meinung aus, so kommt man zu dem Schluß, daß beide Seiten recht und unrecht zugleich haben. Zunächst einmal ist es undenkbar, daß in der frühen Kaiserzeit eine Statue des Tiberius aus einem Porträtkopf und dem Torso einer ehemals weiblichen Gewandf igur zusammengesetzt worden sein soll.59 Ferner wird von den Verfechtern einer frühen Datierung ein Parallelfall unterschlagen. Ein auf der Agora von Kyrene gefundenes Porträt des Marc Aurel war ebenfalls einer umgearbeiteten weiblichen Gewandstatue des gleichen Typs wie im Strategeion aufgesetzt worden,60 Derartige Figuren sind kein Kennzeichen einer skurilen kyrenischen Tradition, sondern einer aus der Not heraus geborenen Praxis, wie sie unumgänglich war, wenn man zum Beispiel nach einem schweren Erdbeben möglichst schnell wieder einen Normalzustand herstellen wollte. Ein solches schweres Erdbeben ist in Kyrene für das Jahr 365 n. Chr, bezeugt.61 Da es keiner Frage bedarf, daß Kaiserstatuen das Bild römischer Städte wesentlich prägten, muß die Wie deraufrichtung umgestürzter kaiserlicher Standbilder zu den ersten Re staurierungsmaßnahmen nach einer Naturkatastrophe gehört haben. Zur Not mußten Torsen und Portatköpfe auch ersetzt werden. Der Kopf der Statue aus dem Strategeion bietet ebenfalls einige Pro bleme (Abb. 4). Wie zuletzt PAUL ZANKER feststellte, ist die Porträtkunst Kyrenes eng mit derjenigen Griechenlands verbunden, das heißt auf einem hohen Niveau, 62 In dieses Bild paßt der Kopf aus dem Strategeion nicht. Die glatten leeren Gesichtsflächen sowie die übergroßen mandelförmigen Augen finden keine Parallelen in der Porträtplastik der ersten drei Jahr hunderte nach Christus. 63 Wie STUCCHI richtig erkannt hat, wnrde der Kopf aus dem Strategeion in einer Art und Weise überarbeitet, die ihre engsten Parallelen erst im späteren 4. oder frühen 5. Jahrhundert n. Chr, findet,64 Doch das spätantike Porträt sollte keine spätantike Person dar stellen. Die Porträtforschung hat richtig gesehen, daß die Anlage der Fri sur einem Schema folgt, wenn auch »grotesk vergröbert«, 65 das für eine 59
Umstand nicht Zum Typus der weiblichen Gewandstatuen vgl. die nicht überarbeiteten Exemplare bei ROSENBAUM 1960, Taf. 71,1-4. 60
61 ö
63
BÖSCHUNG 2002, 174 stört dieser STUCCHI 1965, 316f. Taf. 56,3-4. GOODCHILD 1971, ZANKER 1983, 26.
46f.
Ein Vergleich des Kopfes aus dem Strategeion mit den Tafeln bei ZANKER 1983 bestätigt diese Aussage. 64 STUCCHI 1960, 78ff. 65 BÖSCHUNG 2002, 174.
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Reihe von frühen Tiberiusporträts verbindlich ist und als »Adoptionstypus«, »1. Bildnistypus« oder »Typus Kopenhagen 623« bezeichnet wird.6* Das ungewöhnliche Aussehen des kyrenischen Kopfes läßt sich damit er klären, daß mit stilistischen Mitteln der Spätantike versucht wurde, ein individuelles Porträt der frühen Kaiserzeit nachzubilden, ein bisher an scheinend singulärer Fall.67 Die Summe der Erkenntisse läßt nur einen Schluß zu. Entweder in den Jahren 4 bis 14 n. Chr. oder unmittelbar nach dem Tod des Augustus wurde das Strategeion in Kyrene zu einem Kaiserkultgebäude umgewan delt. Der Türsturz sowie eine Basis vor der Rückwand erhielten identische Inschriften. Auf der Basis stand eine marmorne Statue des Tiberius im 1. Bildnistypus mit einem bronzenen Globus wohl in der rechten Hand. Im Jahr 365 n. Chr. erschütterte ein schweres Erdbeben Kyrene. Vermut lich fügte dieses Erdbeben der originalen Statue mitsamt ihrem Porträt kopf so starke Schäden zu, daß an eine Neuaufstellung nicht mehr zu denken war. So wurde, vermutlich noch im 4. Jh. n. Chr., eine gut erhal tene weibliche Gewandstatue zu einer männlichen Figur umgearbeitet; der bronzene Globus wurde der nach vorne gestreckten, senkrecht gehaltenen rechten Hand aufgesetzt68 (Abb. 2. 3). Auch ein unbeschädigt gebliebener Kopf wurde überarbeitet und zu einem Einsatzkopf des Tiberius im 1. Bildnistypus in spätantiker Manier umgewandelt. Der Kult für Tiberius wurde im Strategeion von Kyrene offensichtlich dreieinhalb Jahrhunderte kontinuierlich gepflegt. Selbst das schwere Erd beben des Jahres 365 zog keinen Abbruch nach sich, sondern man ver suchte mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln, den Kult fortzusetzen. Dies ist für das spätere 4. Jh. n. Chr. keineswegs selbstverständlich, erst recht nicht bei einem Kult für Tiberius, der im Urteil der Nachwelt nicht gut abschnitt und auch nicht divinisiert worden war. Erst das Christentum dürfte die kultische Verehrung für Tiberius unterbunden haben. Auffällig 66
Zum Typus BÖSCHUNG 1993, 57; FUTSCHEN / ZANKER 1994, lOff. Die Schaf fung dieses Bildnistypus anläßlich der Adoption des Tiberius durch Augustus ist Hypothese. 67 Im Gegensatz zum Kopf aus dem Strategeion handelt es sich bei dem Porträt des Marc Aurel auf einer umgearbeiteten weiblichen- Gewandstatue (vgl. o. Ajiro. 60) um einen originalen Kopf des 2. Jh. n. Chr. ** Globen werden naturgemäß in einer waagerecht ausgestreckten Hand gehalten und nicht einer senkrechten Hand aufgesetzt. Vgl. ROSENBAUM 1960,44: »Another anomaly is a bronze sphere which was found near the statue and wbich, as PoLACCO has pointed out correaly, cannot originally have belonged to it: the right hand of the statue was not made to hold a sphere«. Der bronzene Globus im Strategeion muß bereits zur ersten Tiberiusstatue gehört haben.
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ist, daß die spätantike Ersatzstatue des Tiberius im Strategeion bei den Ausgrabungen auf dem Rücken liegend vor ihrer Basis, mit den Füßen zum Eingang zeigend, gefunden wurde.69 Sie kann folglich weder von Menschenhand noch durch Naturgewalt von der Basis gestürzt worden sein.70 Anscheinend wurde sie bewußt auf dem Fußboden deponiert, als der Kaiserkult in Kyrene endgültig eingestellt wurde, 3. Hadrian im Asklepieion von Pergamon Die Ursprünge des unterhalb des Burgbergs von Pergamon in der Ebene gelegenen Asklepieions gehen mindestens bis in das 4. Jh. v. Chr. zurück.71 Eine erste Blüte erfuhr das Heiligtum im Hellenismus unter den pergamenischen Königen (Abb. 5). Kern der Anlage war der alte Asklepiostempel im Westen des Geländes auf einem ehemals leichten Höhenrücken, an dessen Fuß drei Quellen entsprangen, die als Badebrunnen (Norden), Felsbrunnen (Westen) und Schöpfbrunnen (Osten) bezeichnet werden. Hallenanlagen im Süden, Osten und Westen sowie Inkubationsbauten ver vollständigten den hellenistischen Komplex.72 Während der Regierungszeit Attalos* IIL, des letzten pergamenischen Königs (138-133 v. Chr.), wurde eine Panzerstatue des Herrschers im Tempel des Asklepios aufgestellt, um den König zum atiwctoq des Gottes zu machen.73 Bis in das 2. Jh. n. Chr. blieb das Asklepios-Heiligtum im wesentlichen unverändert. 69
70
POLACCO 1*55, Taf. 4,1; STUCCHI 1960, Tat 23,2.
Für R. G. GOODCHILD in: ROSENBAUM i960, 44, der ein weiteres Erdbeben für die endgültige Zerstörung des Strategeion annimmt, ist die Fundsituation ein klarer Beweis, daß die Statue nicht auf der rückwärtigen Basis gestanden haben kann. 71
RADT 1999, 220.
71
Zum hellenistischen Asklepieion ZIEGENAUS / D E LUCA 1968 NAUS / D E LUCA 1975. 73 FRÄNKEL 1890, Nr. 246; FKÄNKEL 1895, S. 510; OGIS Nr. 332.
sowie
ZIEGE
Abschrift nach OGIS Nr. 332 Z. S-10: ..., Ka6i£pG>aca Se auto-ü KOCI ayoX\xa "KZVT&7U>\%V xeOcopaKtoMivov KOCI ßeßriKdc, erci: cnri&xöv sv tä>i vaßt xcrö Zc&z1\poc, XcncPi-nmoö, iva f\[i] owvaoq tfl>i Ge&i, tlbersetzung K. HTTZL:
..., und eine Statue von ihm [seil. Attalos IIL] zu weihen, fünf Ellen groß, gepanzert und auf den Beutewaffen stehend, im Tempel des Asklepios Soter, damit er dem Gott ein Kultparmer sei. Gefunden wurde die Inschrift 1871 als Türsch welle eines Hauses in Klisseköi in der Umgebung von Elaia, der Hafenstadt Pergamons (BEAN 1976, 295 s. v. ELAIA). Aus diesem Grund wird bei FRÄNKEL 1890, 153ff. unterstellt, daß die Inschrift »ein Volksdecret der Stadt Elaia« sei. Dies ist völlig unwahrscheinlich. Der in der In-
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Eine Erweiterung und prachtvolle Ausgestaltung erfuhr das pergamenische Asklepieion in hadrianischer Zeit74 (Abb. 5). Zwar wurde auf dem Burgberg noch das sog. Trajaneum, der von Kaiser Trajan gestattete zweite Neokorietempel, fertiggestellt und zu den Kultstatuen des Zeus Philios und des Trajan kam noch eine des Hadrian hinzu/ 5 doch die eigentliche Bautätigkeit fand in der Ebene statt. Vielleicht schon in vorhadrianischer Zeit war die Strecke von der Unterstadt in das Asklepieion auf etwa einem Kilometer Länge als überdachter Wandelweg, die sog. via tecta, angelegt worden. Die letzten 130 m bis zum Eingang in das Heiligtum nahm eine offene Hallenstraße ein, über deren hadrianische Datierung Einigkeit herrscht76 (Abb. 5 Nr. 7). Das römische Asklepieion ummantelte die älte ren Bauten, die vielfach abgerissen wurden.77 Im Süden, Westen und Nor den rahmten lange Portiken auf einer Länge von 120 m und einer Breite von 90 m das Gelände ein (Abb. 5 Nr. 2-4); hinter der Nordstoa entstand an der Westseite ein Theater (Abb. 5 Nr. 1). Besonders prunkvoll war die Ostseite des Asklepieions konzipiert.78 Ein hofartiges Propylon verband den inneren Bereich mit der Hallenstraße (Abb. 5 Nr. 6); daneben entstand der sog. obere Rundbau (Abb. 5 Nr. 8). Das rechteckige Gebäude in der Nordostecke kann mit großer Sicherheit als Bibliothek gedeutet werden (Abb. 5 Nr. 5). Der sog. untere Rundbau in der Südostecke, der über eine Kryptoporticus direkt mit dem inneren Bereich verbunden war, entstand erst in nachhadrianischer Zeit79 (Abb. 5 Nr. 9). Die Kosten für den Ausbau des Asklepieions scheint »ausschließlich die pergamenische Oberschicht« übernommen zu haben.80 Der obere Rund bau wurde von L. Cuspius Pactumeius Rufinus finanziert.81 Das Gebäude von 24 m Innendurchmesser lehnt sich architektonisch und inhaltlich an schrift aufgeführte Umfang der bleibenden und einmaligen Ehrungen für König Attalos (für Hilfe bei der Übersetzung des gesamten Textes habe ich BEATE NOACK sehr zu danken) läßt sich nur mit der Hauptstadt Pergamon erklären, so auch HABICHT 1969, 3 und RADT 1999, 223. Sehr wahrscheinlich wurde das pergame nische Dekret in allen bedeutenderen Städten des Reiches, darunter auch Elaia, durch Abschriften auf Stelen bekannt gemacht. 74 Zusammenfassend zuletzt HALEMANN 2001, 55ff. 75
76
RADT 1999, 209ff.
DE LUCA 1984 mit weiterer Literatur. In der jüngeren Forschung wird der Begriff »HaUenstraße« durch »Säulenstraße« ersetzt. 77
RADT 1999, 223ff.
78
ZIEGENAUS 1981. 79 RADT 1999, 228. 80 HALFMANN 2001, 56. 81 HALPMANN 2001, 56f.
mit Anm. 188-190 zur Person des Rufinus.
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das Pantheon in Rom mit 42 m innerem Durchmesser an. Es ist wohl zweifelsfrei als Rundtempel des Zeus-Asklepios-Soter zu identifizieren, einer aus dem geistigen Umfeld der hadrianischen Epoche stammenden universalen Gotteskonstruktion. 82 Die Kultstatue des Gottes stand in der dem Eingang gegenüberliegenden Ostnische.83 Das neben dem Tempel des Zeus-Asklepios liegende Propylon stiftete A Claudius Cbarax** Nördlich davon enichtete Flavia Melitine einen Bibliotheksbau,85 der vielleicht nicht zur ursprünglichen Konzeption gehörte.86 Zuvor war die nördliche Stoa auf Kosten eines [—Jus Pollio und seiner Gattin [—Jope erbaut und laut Inschrift den anderen Göttern, dem Asklepios Soter, Kaiser Hadrian und der Vaterstadt geweiht worden. 87 Auch das Theater war eine private Stiftung.88 Die Bibliothek des Asklepieions bestand aus einem ehemals wohl flach gedeckten Raum von 18,50 m Länge und 16,52 m Breite, dessen Fußboden und Wände reich mit verschiedenen Marmorsorten inkrustiere waren. 89 An der Westseite befanden sich zwei Eingänge, von denen der nördliche in die Nordhalle und der südliche auf den freien Platz führten. Die beiden Sei tenwände im Süden und im Norden sowie die östliche Rückwand links und rechts einer größeren Halbrundnische enthielten rechteckige Bücher nischen, die erst 1,75 m über dem Bodenniveau begannen. Während unklar ist, welchem Zweck die Nische in der Mitte der Westwund diente, kann es an der Funktion der Mittelnische in der rückwärtigen Ostwand, »eine mit 82 HABICHT 1969, llff.; KRANZ 1990, 134ff.; RADT. 1999, 231; HALSMANN 2001, 57. Eine Weihung für Zeus Soter Asklepios bei HABICHT 1969, Nr. 63. 83
ZIEGENAUS 1981, 45.
8
* Zur Person des Cbarax HABICHT 1969, Nr. 8. 141; HABICHT 1959/60, 109ff.; HALSMANN 2001, 57f. Zum Bauwerk ZIEGENAUS 1981, 5ff.; RADT 1999, 232. 85 "Über Fkcvia Melitine ist nur wenig bekannt, dazu HALFMANN 2001, 58 mit Anm. 194. 195. Eine im Asklepieion gefundene Statuenbasis ehrt sie laut Inschrift für die Erbauung einer Bibliothek im Heiligtum; HABICHT 1969, Nr. 38 Z. 10-12: KaTaaKE-üdaaoav rf|v ev xföi ieptöi totf Xarcfjpoc; ÄcncÄ/rpcicri) ßißyUoOfiKrjv. Nach Lage der Dinge komme dafür nur der rechteckige Bau in der Nordost-Ecke des Asklepieions in Frage, zumal dort die noch zu besprechende Statue des Hadrian gefunden wurde, die ebenfalls von Ffovict Melitine gestiftet worden war. Zur Typologie antiker Bibliotheken s. CALLMER 1944,145ff. Einen Zusammenhang zwischen einem Umbau der oberen Terrasse des Gynmasions in Pergamon und dem Bau des Bibliothekssaals im Asklepieion sieht MIELSCH 1995, 772. 86 87
88
89
RADT 1999, 232. HABICHT 1969, Nr. 64; RADT 1999, 231; HALSMANN 2001, 58 mit Anm,
196.
RADT 1999, 233f.
Beschreibungen bei WEEGAND 1932,10f.; DEUBNER 1938, 40ff.; CALLMER 1944, 175f.; RADT 1999, 232f.
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feinen Mosaikwürfeln ausgelegte Konche«,50 keinen Zweifel geben. Vor ihr fand sich auf dem Fußboden eine 108,5 cm breite, 91 cm tiefe und 54 cm hohe marmorne Statuenbasis mit einer zweizeiligen Inschrift auf der Vor derseite:91 0EONAAPIANON OA MEATTTNH Auch die zugehörige Statue hatte sich erhalten (Abb. 6). »Das überlebens große Marmorstandbild des Kaisers in heroischer Nacktheit, in der Linken das Schwert haltend, rechts zu Füßen den Panzer, fand sich, in mehrere Teile zerschlagen, in der Gegend der nördlichen Saaltür, unweit eines by zantinischen Kalkofens«.92 Die restaurierte Statue befindet sich auf ihrer Basis heute im Museum von Bergama93 (Abb. 6). Da die von Flavia Melitine gestiftete Statue Kaiser Hädrian darstellen soll, das Porträt der gefundenen Statue eindeutig Hadrian wiedergibt und innerhalb der Bibliothek keine Fragmente anderer Statuen zutage kamen, kann es als sicher gelten, daß die 2,30 m hohe Figur des Kaisers in' der mittleren Nische der Ostwand stand.94 Rechnet man den Beginn der Ni sche in 1,75 m Höhe sowie die Höhe der Basis von 54 cm hinzu, so lag die Scheitelhöhe bei ungefähr 4,60 m. Das Standbild Hadrians muß innerhalb der Bibliothek dominierend gewesen sein. Es herrscht in der Forschung Einigkeit darüber, daß die Statue bereits zu Lebzeiten Hadrians errichtet wurdfe, eventuell anläßlich eines Besuches in Pergamon im Jahr 124 (ge sichert) oder 129 n. Chr. (ungesichert).93 Somit erhebt sich die Frage, wie das Standbild Hadrians in der Bibliothek des Asklepieions zu bewerten ist. Während THEODOR WIEGAND und ERICH BOEHRINGER aufgrund der ge90
1932,10. Die Inschrift wurde von WIEGAND 1932, 51 Nr. 2 und HABICHT 1969, Nr. 6 publiziert. 92 WIEGAND 1932,10. Den ersten Hinweis auf diese Starue verdanke ich ANNET 91
WIEGAND
TE HUPFLOHER. 93
Die einzige, bis heute voUständige Aufnahme von Basis und Statue findet sich bei DEUBNER 1938, 41 Abb. 32. Abbildungen der Statue: WEGNER 1956, Taf. 14b; ELSNER 1998, 200 Abb. 131. Abbildungen des Kopfes: BOEHRTNGER 1959, 157 Abb. 25; HÖRN / BOEHRENGER 1966, 477 Abb. 57. Eine hervorragende Aufnahme nur der Basis findet sich in der Publikation von HABICHT 1969, Taf- 2 Nr. 6. 94 Angaben zur Statuengröße nur bei ELSNER 1998, 200. 95 WIEGAND 1932, 51; HABICHT 1969, 29; RADT 1999, 212. Wie schon WIEGAND 1932, 51 bemerkte, setzt die Anrede €>EOX in Pergamon keine Konsekration des Kaisers voraus. Bereits 118 n. Chr. wird Hadrian in Pergamon inschrifdich Ösöq ASpiccvög genannt: HABICHT 1969, Nr. 21. bes. Z. 36; weitere Beispiele führt HA BICHT 1969, 29 Anm. 1 an.
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fundenen Statue den Raum als »Kaiser saal« bezeichneten,96 war seit der Deutung des Traktes als Bibliothek durch OTTRIED DEUBNER eine Inter pretation des Standbildes als Ehrenstatue selbstverständlich geworden.97 Es gibt jedoch Gründe, die für eine Kultstatue sprechen: 1. Der Typus des unbekleideten Standbildes, die Bezeichnung als Theos und die hohe Aufstellung würden eine Interpretation als Kultstatue un terstützen. Es ist durchaus möglich, daß die Bibliothek der Flavia Melitine nicht zum sog. hadrianischen Bauprogramm gehörte. Die Stifterin wäre somit kaum an eventuelle Absprachen bezüglich der Kaiserverehrung ge bunden gewesen und hätte ihre eigenen Vorstellungen verwirklichen kön nen. 2. Die Weihinschrift der nördlichen Stoa setzt Hadrian bereits auf eine Stufe mit Asklepios und den anderen Göttern. 3. In einer pergamenischen Inschrift wird Hadrian ausdrücklich als NE]OS AXKAHIIIOX bezeichnet.98 4. Die Position der Statue in der Mittelnische der Ostwand entspricht der Aufstellung der Kultstatue des Zeus-Asklepios im Rundtempel. 5. Im alten Asklepiostempel stand noch die Panzerstatue Attalos' IIL, die zusammen mit dem Standbild des Gottes als Synnaos Theos kultisch verehrt wurde." Das Standbild Hadrians muß der Statue des Attalos min destens ebenbürtig gewesen sein.100 96
WIEGAND 1932, 10. 51. Plan vor Taf. 1. Taf .2; BOEHRINGER 1959, 158. DEUBNER 1938, 43: »Man mag seine [seil. Hadrians] Statue als die eines Schüt zers und Förderers der Studien hier hergestellt haben«. Von HABICHT 1969,26.28f. 97
wird die Basis unter »Ehreninschriften - Für Angehörige des Kaiserhauses« einge ordnet. 98
99
FRÄNKEL 1895, Nr. 365.
Vgl. oben Anm. 73. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, daß die Panzerstatue des letzten pergamenischen Königs bewußt entfernt worden wäre, und die letzte Plünderung des Asklepieions war im Jahr 155 v. Chr. (HABICHT 1969, 3; RADT 1999, 222f.) erfolgt 100 In diesem Zusammenhang ist die Feststellung wichtig, daß gerade zur Zeit Hadrians die Attaliden wieder zu Ehren kamen. VIRGILIO 1993,108: »La memoria degli Attalidi riemerge con marcato significato ideologico e culturale nel clima deirimpero di Adriano«; VIRGILIO 1993, 114: »I/imperatore e Perede degli Atta lidi, in senso giuridico - per l'antico testamento di Attalo III - e ideale. La rievocazione della memoria degli Attalidi e anche un omaggio alla dinastia che contribui non poco alla formazione delHmpero di Roma«. Auf dem Burgberg von Pergamon wurden vor der Nordhalle des sog. Trajaneums zwei hellenistische Exedren in Zweitverwendung aufgebaut. Die westliche Exedra war laut Inschrift eine Weihung des späteren Königs Attalos II. Nach KAUT 1999, 215 »wird man wohl zu Recht annehmen können, daß beide Denkmäler ursprünglich etwas mit dem Königskult
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Die Summe aller Argumente spricht nach Meinung des Verf. für eine Interpretation der Figur des Hadrian in der Mittelnische der Bibliothek des Asklepieions als Kultstatue.101 Flavia Melitine hatte wohl nicht nur die Bibliothek und das Standbild gestiftet, sondern auch für Hadrian einen £.ult in der Nische der Bibliotheksrückwand eingerichtet. Sollte diese Theorie stimmen, dann müssen regelmäßige kultische Handlungen, durch Kultpersonal vollzogen, vor der Statue stattgefunden haben, anderenfalls wäre das Standbild nur als Verehrungsstatue anzusprechen. Kaiserkult wurde sicher nicht nur in Tempeln oder besonderen Räumen praktiziert, auch separierte Kompartimente innerhalb geschlossener Anlagen konnten zur kultischen Verehrung eines kaiserlichen Bildnisses genutzt werden. In den meisten Fällen können derartige Kultnischen nur vermutet werden, ein präziser Nachweis ist kaum möglich. Die Bibliothek des Asklepieions in Pergamon könnte eine Ausnahme bilden und ein Licht auf die Praxis des Kaiserkults unterhalb der staatlich-städtischen Ebene werfen. Appendix Aussagen zur Weibinscbrift auf dem Architrav des Strategeion in Kyrene 1)
1931. Scavi di Cirene. Bergamo. 31f.: »Due triglifi appartenenti ad un edificio del III secolo a. C. con sopra iscritti i nomi di Aristide f. di Bakal, Autobio di Aniocho, Aristofane di Paraibata; - un frammento di architrave dorico con sopra scritto a let tere più grandi delle altre: [dai] nemi[o]. E siccome Aristofane di Pa raibata è ricordato in un'altra iscrizione come comandante di trecento giovani (triacatùirca), l'analogia con altre iscrizioni mi ha indotto a pro spettare la ipotesi che i tre personaggi suddetti facciano parte degli ar tefici della Vittoria, per eternare la quale fu inalzato forse il monumento stesso, a spese dei nemici e verisimilmente con i loro trofei.«
2)
1935. Il tempio e l'altare di Apollo a Cirene. Bergamo. 43: »Altre iscrizioni sulla facciata di quello dicono che strateghi cirenei, dei quali le metope conservano tre nomi: Aristophanes di Paraibata, . Aristis di Bakalo, Autobios di Aniocho, - dedicarono ad Apollo (l'edi ficio stesso) come decima' (della preda) sui nemici.«
GASPARE OLIVEBIO
LUIGI PERNIER
zu tun hatten und daß man sie ins Trajaneum übernahm, um hier eine Kontinuität des alten Herrscherkults auch im Kaiserkult zu demonstrieren«. 101 Derselben Meinung ist auch VIRGILIO 1993, 114: »Flavia Melitine è onorata per avere ristrutturato la Biblioteca dell'Asklepieion di Pergamo- Ella stessa aveva dedicato una statua di culto di Adriano nelTAsklepieion.«
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3) ITALO GISMONDI 1951. Il restauro dello Strategheion di Cirene. In: Quaderni di Archeologia della Libia 2. 7: »Da alcune iscrizioni incise suirarchitrave e sulle metope dell'edificio risulta che questo fu dedicato ad Apollo dagli strateghi di Cirene dell'anno X (metà circa del 4° secolo a. C); il nome di tre di essi: Aristophanes di Paraibata, Aristis di Bakalo, Antobios di Aniocho è ri cordato nell'iscrizione delle metope, mentre quella dell'architrave in forma che il monumento fu dedicato ad Apollo come decima del bot tino tolto ai nemici« 4) LUIGI POLACCO 1955. Il volto di Tiberio. Rom. 49: »Nell'estate del 1929, durante gli scavi italiani del santuario di Apollo a Cirene, vennero alla luce i resti di un edificio, a S dei Propilei romani. Si trattava di un sacello da alcuni strateghi cirenei dedicato ad Apollo ancora nel IV sec. a. C, e che un funzionario romano ebbe a restaurare e a ridedicare, questa volta a Tiberio.« 5) SANDRO STUCCHI 1960. La statua dello Strategheion di Cirene. In: Ar cheologia Classica 12. 71: »Nella campagna estiva del 1929 fu scoperto completamente nella zona del santuario di Apollo a Cirene un piccolo edificio, che fu riconosciuto per un dono fatto dagli strateghi cirenei ad Apollo nel IV sec. a. C. L'architettura del piccolo edificio è stata studiata con ogni cura dall'ar chitetto Italo Gismondi che ne attuò poi la ricostruzione.« 6) RICHARD GEORGE GOODCHILD 1971. Kyrene und Apollonia. Zürich. 113f.: »An der. entgegengesetzten Seite der antiken Straße steht als auffal lendstes Monument das völlig restaurierte und wieder eingedeckte STRATEGHEION - ein kleiner Tempel, der ursprünglich im 4. Jahr hundert v. Chr. von drei Generälen (strategboi) aus Kyrene erbaut wor den war. Er war Apollon gewidmet als ein Teil des diesem Gott zu kommenden «Zehnten» aus der Kriegsbeute eines Feldzugs gegen die Macaeer und Nasamoner (libysche Stämme, die in der unfruchtbaren Syrte ansässig waren).«
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Abbildungsnachweise Abb. 1: Reproduktion nach R. G. GOODCHILD 1971. Kyrene und Apol lonia. Zürich. Plan nach S. 200. Abb. 2: Reproduktion nach L. POLACCO 1955. Il volto di Tiberio. Rom. Taf. IV 2. Abb. 3: Reproduktion nach S. STUCCHI 1960. La statua dello Strategheion di Cirene. In: Archeologia Classica 12. Taf. XXV. Abb. 4: Reproduktion nach S. STUCCHI 1960. La statua dello Strategheion di Cirene. In: Archeologia Classica 12. Taf. XXIV. Abb. 5: Reproduktion nach O. DEUBNER 1938. Das Asklepieion von Pergamon. Kurze vorläufige Beschreibung. Berlin. Plan L Abb. 6: Reproduktion nach O. DEUBNER 1938. Das Asklepieion von Pergamon. Kurze vorläufige Beschreibung. Berlin. 41 Abb. 32.
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Abb, 3 Pergamon, topographischer Plan des Asklepieions, Nr. 5 = Bibliothek
Kultstätten und Praxis des Kaiserkülts
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Abb. 6 Pergamon, Museum, Statue des Hadrian mit Basis aus der Bibliothek des Asklepieions
Die Stadt Rom
Kaiserliche Religionspolitik und priesterliche Rekrutierungsmechanismen Überlegungen zur Elitenformation am Beispiel der Sodalitäten des Herrscherkultes in Antoninianischer Zeit1 von JÖRG RÜPKE
1 Das Material und die Fragestellung Die großen Priesterschaften der stadtröroischen religiösen Infrastruktur sind mehrfach zum Gegenstand prosopographischer Analysen geworden. Trotz aller Unterschiede in der römischen Konzeption von magistratus und sacerdotium1 hatte die Aufarbeitung der inschrifdichen Hinterlassen schaft der Antike im Corpus Inscriptionum Latinarum und in vergleich baren Unternehmungen gezeigt, daß - wie es von der stärker aus litera rischen Quellen zu rekonstruierenden Geschichte der republikanischen Priesterschaften her auch gar nicht anders zu erwarten war - die Mitglied schaft in den prestigereichen priesterlichen Kollegien eng mit dem Anse hen der Familien und dem Fortkommen im cursus bonorum korreliert war.3 Mit der Zusammenstellung von GEORGE HOWE von 1904 - einer bei GEORG WISSOWA geschriebenen, Hallenser Dissertation.-, die große Teile des Personals der kaiserzeitlichen sacra publica erstmals in übersichtlicher und, soweit möglich, chronologisch geordneter Form vorstellte,4 war das unübersehbar geworden. 1 Dieser Beitrag entstand im Wintersemester 2001/02 im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierten Forschungsaufenthaltes am Deut schen Archäologischen Institut in Rom Für die dort gewährte Gastfreundschaft möchte ich mich herzlich bedanken. 2 Dazu SCHEID 1985. 3 Vgl. schon die Bemerkungen VOHBARDT (1871) im Vorwort zu seiner Prosopographie der großen republikanischen collegia und Einzelpriester. 4 Howx 1904.
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Jörg Rüpke
Auf dieser Arbeit wie auch auf den prosopographischen Artikeln der WissowAschen Realenzyklopädie und der Prosopograpbza imperii Romani von - zunächst - EDMUND GROAG und ARTHUR STEIN konnten verschie dene althistorische Dissertationen seit den 1950er Jahren aufbauen, die sich jeweils auf einzelne Priesterschafcen oder Epochen konzentrierten und diese prosopographisch detailreich aufarbeiteten und analysierten.5 Im Gegensatz zur Arbeit von Howx war die Auswahl der Priesterschaften stark eingeschränkt und ganz auf die senatorische Schicht konzentriere; erst jüngst ist mit dem umfangreichen, allerdings in der Betrachtung der einzelnen Personen sehr knappen Aufsatz von JOHN SCHEID und MARIA GRAZIA GRANENO CECER.E die Breite der Untersuchung HOWES wieder annähernd erreicht worden.6 Es versteht sich fast von selbst, daß Frauen in priesterlichen Funktionen, denen ja auch keine magistratischen Ämter of fenstanden, selbst die Virgines Vestales, von diesen Untersuchungen aus geschlossen waren - allein die Arbeit von Frau HOFPMAN LEWIS macht hier eine Ausnalune. Faßt man die Ergebnisse dieser Arbeiten zusammen, muß man sich auf wenige Bemerkungen beschränken; die Gewinne liegen vor allem in De tails. Festhalten kann man eine die gesamte Prinzipatszeit über andauernde unterschiedliche Wertigkeit des Prestiges der großen Kollegien: Die Pontifices und die Auguren standen durchgehend an der Spitze, mit deutli chem Abstand gefolgt von den Quindecimviri sacris faciundis und den Septemviri epulonum. Der hochrangigen Besetzung der Fratres Arvales Zeugnisse, die die Außenwirkung dieses Sachverhalts beträfen, besitzen wir ja nicht - des ersten Jahrhunderts n. Chr. schien die Situation seit Flavischer Zeit nicht mehr zu entsprechen; SCHEID konnte aber durch die komplette prosopographische Aufarbeitung dieser Priesterschaft zeigen, daß die Unterschiede zu den anderen Priesterschaften der Zeit der Fla vier und Adoptivkaiser nicht signifikant waren/ Eine durch leges annales oder vergleichbaren Usus geregelte präzise Einordnung der Priesterschaften in den Cursus honorum gab es nicht, dazu standen bei den auf Lebenszeit vergebenen und entsprechend selten zu besetzenden Ämtern dieser Priesterschafcen auch gar nicht genug Plät ze zur Verfügung. Andererseits zeichneten sich doch bestimmte und im 5
HOFFMAN LEWIS 1955; PISTOR 1965; SIMON 1973; HOUSTON 1971; SCHUMA CHER 1973; HARRISON 1974; SCHEID 1975 und 1990a. Für die Republik erneut SZEMLER 1972. 6 SCHEID, GRANINO CECERE 1999. Leider ist die Benutzbarkeit durch zahlreiche
Satzfehler stark eingeschränkt. 7 SCHEID 1990a, 155-200.
Kaiserliche Religionspolitik
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Verlaufe der Zeit schwankende Muster ab: Die zahlreichen Kooptationen erst nach dem Konsulat während des ersten Jahrhunderts, die insbeson dere für Plebejer galten, gingen unter den Antoninen deutlich zurück.8 Die klare Bevorzugung von Patriziern und den immer wieder neu in den Pa trizierstand Erhobenen ging mit der sinkenden Bedeutung der Unter scheidung zwischen Patriziern und Plebejern allmählich verloren.9 Von besonderem Interesse ist die geographische Rekrutierung: Auch hier, bei diesen funktionell doch im wesentlichen auf die Stadt Rom be zogenen Ämtern, spiegelt sich die Ausdehnung und Ausbildung einer aus dem ganzen römischen Imperium rekrutierten Oberschicht wider. Ver gleicht man die oft ungesicherten Herkunftsorte der Amtsinhaber und ihre Verteilung mit den Herkunfsorten der Mitglieder des Senats oder ihre Verteilung unter den Konsuln und höchsten Magistraten, so ist allenfalls eine leichte Verzögerung dieses Prozesses bei den Priesterschaften festzu stellen.10 Bei all diesen Untersuchungen wie ihrer Rezeption besteht große Ei nigkeit darüber, daß in der jeweiligen Zusammensetzung dieser Gruppen kaiserliche Politik - bei der Gleichförmigkeit der Prozesse und der Iden tität der Personen ist es kaum sinnvoll, von einer eigenen Religionspolitik zu sprechen - ihren Widerhall fand.11 Das ist auf einer ganz oberflächli chen Ebene auch gar nicht zu bestreiten, aber es ist dann doch zu fragen, wie dieser Prozeß im einzelnen aussah. Kann man den Kaiser bei solchen Aussagen als Projektionsfläche eines Laissez-faire-Prozesses verstehen oder eher als Triebfeder eines höchst komplexen Uhrwerks? Die Frage nach der Realität kaiserlichen politischen Handelns, die FERGUS MILLAR gestellt hat,12 ist in einem viel bescheideneren Rahmen - und mit ent sprechend beschränkteren Ergebnissen ~ auch für den religiösen Bereich und die Besetzung der Priesterschaf cen zu stellen.13 Diese Aufgabe soll im folgenden in zwei Schritten unternommen wer den. Zunächst möchte ich die Geschichte der Priesterschaften des Herr scherkults in der Zeit von Marc Aurel und Commodus rekonstruieren und dabei auf einige bisher übersehene Details aufmerksam machen. Im zwei ten Scbritc sollen die erhobenen Befunde in den größeren Zusammenhang *9 SCHUMACHER 1978, 785k; vgl ALEÖLDY 1977, 84f, 106f. VgL noch PISTOR 1965. 10 Siehe SCHUMACHER 1978, 807f. 11 Kurz etwa SCHUMACHER 1982. 12
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MILIAR 1977.
Vgl für eine grundsätzlich andere Position in dieser Frage den Beitrag von RUTH STEPPER in diesem Band.
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der Rekrutierungsmechanismen eingeordnet werden. Auch wenn die be handelten Priesterschaften selbst ihre Aufgaben im wesentlichen in der Stadt Rom oder im latinischen Umland fanden, so rekrutierten sie sich doch zunehmend aus dem gesamten Imperium; ihre Selbstdarstellung oder Ehrung auf Inschriften, die einen, ja den wesentlichen Beitrag zur Kennt nis der Besetzung dieser Positionen leisten, ist ein im ganzen Mittelmeer raum verbreitetes Phänomen. Zumindest jene religiösen Spezialisten, die der im ganzen euromediterranen Raum agierenden Führungsschicht ange hörten, sind mit ihren »stadtrömischen« Ämtern oft allein aus Basen von Ehrenstatuen, Ehrendekreten oder auch Grabinschriften bekannt, die sich in Nordostspanien, Dakien, Palmyra, dem nordafrikanischen Thysdrus oder gar in der Germania superior finden. Daß diese Ämter aufgeführt, als religiöse Ämter verstanden oder erläutert beziehungsweise unterdrückt wurden, bildet auch einen Teil dessen, worüber im Rahmen von »Reichs religion« gesprochen werden muß.
2 Sodales Antoniniani Am 7. März 161 n. Chr. starb wieder ein Augustus, wie seit mehr als zwei Generationen jetzt üblich, eines natürlichen Todes. Sein Name war Im perator Caesar Titas Aelius Hadrianus Antoninus Augustus Pius, kurz:. Antoninus Pius. Er wurde konsekriert, der neue Gott hieß Divus (Au gustus Pius) Antoninus Pius. Was im Fall der Konsekration passierte, kennt man zur Genüge; seit Augustus war das so üblich. In der Historia Augusta hat es stereotype Wiederholung gefunden: Der Gott bekommt einen Flamen und Sodales, Festtage mit Wagenrennen, einen Tempel. Auch im Fall des Divus Antoninus Pius scheint der Senatsbeschluß nicht we sentlich anders ausgesehen zu haben.14 Die Sodales Antoniniani waren ge schaffen. Die erste Besetzung Folgende Personen lassen sich mit hoher Wahrscheinlichkeit der ersten Generation von Sodales Antoniniani zuordnen:
u
SHA Ant. Pius 13 Ji.
Kaiserliche Religionspolitik 1) 2) 3) 4) 5) 6) 7) 8) 9) 10) 11) 12) 13) 14) 15)
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M. Pontius M. f. Laelianus Larcius Sabinus L. Venuleius Apronianus Octavius L. Octavius Cornelius P. Salvius P. £ Iulianus Aemilianus Q. Pompeius Q. f. Sosius Priscus L. Dasumius P. f. Tulüus Tuscus T. Pomponius Proculus Vitrasius Pollio C. Bruttius C. f. Praesens M. Nonius M. f. Macrinus C. Aufidius C. £ Victorinus M. Vettulenus Sex. £ Civica Barbaras Anonymus [ ] Fidus A[ ] Gallus Pacciahus M. Didius M. £ Severus Iulianus Q. Pompeius Q. £ Senecio Fuscus Saxa Vryntianus Sosius Priscus Kalator: C. Aelius P. £ Domitianus Gaurus
Die Personen dieser Liste seien im folgenden kurz vorgestellt. Ich kon zentriere mich dabei auf die Priesterämter und den Versuch einer mög lichst präzisen chronologischen Einordnung. M. Pontius M, f. Laelianus Larcius Sabinus15 Anfang 2. Jh.—180 n. Chr. oder kurz zuvor.16 Wohl in dieser Reihenfolge17 Fetiale, Pontifex und schließlich, wohl als Gründungsmitglied, Sodalis AntoDinianus. Die Ämter lassen*sich nur hypothetisch in die mit dem Militärtribunat um 122 begonnene Karriere einordnen. Suffektkonsul war Pontius im Jahr 144, vermutlich war er schon deutlich früher, etwa im Umkreis der Prätur Mitte der 130er Jahre, Fetiale geworden; Pontifex wurde er dagegen wahrscheinlich erst nach den kaiserlichen Statthalter schaften in Pannonia superior und Syria, also Mitte der 150er Jahre.18 Comes beider Augusti in den 160er und 170er Jahren.19 PIR 2 P806. Terminus ante quem ist der Tod des Marc Aurel, der sich in der Titulatur der Sodalität widergespiegelt hätte; einen Terminus post quem bilden die erst 175 ver liehenen Beinamen Germanicus Sarmaticus des Kaisers. 17 Die Inschrift nennt die Fetialität an letzter Stelle; in allen Inschriften, in denen dieselbe Person das Amt des Fetialen und ein anderes Priesteramt bekleidet, wird letzteres an erster Stelle genannt. Da diese Inschriften allesamt rückläufig sind oder keine Cursus aufweisen, ist eine chronologische Interpretation ausgeschlossen: Die Fetialität wird durchweg als niederrangiger betrachtet und dürfte auch so verliehen worden sein. Es sind im übrigen durchweg Plebejer, die sie (und ein anderes Prie steramt) besitzen. 18 SCHUMACHER 1973, 25 denkt eher an die 140er Jabre. 19 Belege für die Priesterämter: CIL 3,774 = 3,6182; CIL 6,1497 mit 6,1549 = ILS 1094 mit 1100 = CIL 6,41146 '(Ehreninschrift mit vollständigem Cursus). Zur Per 15
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son PFLAUM 1966,
4-8.
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L. Venuleius Aprorianus Octavius 20 Patrizier. Anfang 110er ~ nach 168 n. Chr. Nach dem streng21 chronolo gischen Cursus der Ehreninschriften war er seit Mitte der 130er Jahre Augur, nach dem Konsulat, vermutlich in den 150er Jahren, auch Sodalis Hadrianalis.22 Schließlich Sodalis Antoninianus, sicher als Gründungsmit glied seit dem Jahr 161. Das Augurat wurde noch vor der Quästur (die er suo anno, im Jahr 137, erreicht haben dürfte) verliehen. Suffektkonsul wahrscheinlich 145,23 wurde Venuleius Consul Ordinarius des Jahres 168.24 L. Octavius Cornelius P. Salvius P. f. Iulianus Aemilianus25 Anfang 2. Jh.~nach 168 n. Chr. Pontifex, Sodalis Hadrianalis und Sodalis Antoninianus. Consul Ordinarius des Jahres 148 und Curator aedium sacrarum im Jahr 150 - zwischen diesen beiden Ämtern werden in der afri kanischen Ehreninschrift seine Priesterschaften eingeordnet.26 Zuletzt war er Prokonsul von Africa, wohl 167/168. Es handelt sich um den berühm ten Juristen der sabinianischen Schule, Salvius Iulianus, den Verfasser von Digestae in 90 Büchern und Redakteur des edictum perpetuum.27 Q. Pompeius Q. f. Sosius Priscus28 Patrizier. Etwa 117-180 n. Chr. 29 Pontif ex, Sodalis Hadrianalis und Sodalis Antoninianus; die erste Priesterschaft dürfte er (so der chronologische Cursus für die ersten beiden) zwischen Quästur und Prätur erlangt ha20
P1R'V253. Eine Ausnahme bilden die - jeweils zusammengefaßten - Iterationen und die beiden Sodalitäten (zu beiden PFIAUM wie Anm. 24). 22 Da für die auf Konsulat und Sodalität folgende spanische Statthalterschaft nur ein Terminus ante quem von 161 festgestellt werden kann (THOMASSON 1984, 16), gibt es auch für das Priesteramt keinen früheren sicheren Terminus ante quem. Für die nach dem Tod Hadrians (138) gegründete Sodalität kann man erst für die 150er Jahre großen Ersatzbedarf vermuten. 21
23
24
ALFÖLDY 1977,
150f.
Beleg für die Priesterämter: CIL ll,1432f. = Inscr. IL 7,1,16f. (jeweils einander ergänzend). Zur Person PFIAUM 1966, 14-19. 25 PIR 'S 102/XS 103. 26 Vermutlich trifft der Zeitpunkt nur auf das früheste Amt zu, wahrscheinlich auf das Ponrifikat. Dann folgte die erste Sodalität in den 150er Jahren (anders PFLAUM 1967, 200, der die Sodalität ebenfalls zwischen 148 und 150 n. Chr. an setzt). 27 Siehe HLL § 414. - Belege für die Priesterämter: CIL 8,24094 = ILS 8973. Zur Person PFIAUM 1966, 8-12; KOLB 1993, 206f. 28 PIR 2P 656. 29 Er starb im Alter von 62 Jahren: CIL 6,1490 = ILS 1106 (Epitaph des Ur enkels).
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ben,30 vielleicht kam er aber erst als Consul Ordinarius (des Jahres 149) in die erste Sodalität.31 L. Dasumius P. f. Tullius Tuscus*2 110er - n a c h 166 n. Chr.33 Vermutlich schon relativ früh unter Antoninus Pius Augur;34 noch unter demselben Kaiser35 Sodalis Hadrianalis und ~ wohl unmittelbar ~ nach dessen Tod Sodalis Antoninianus. Die Karriere begann als kaiserlicher Kandidat für das Quästorenamt (nach 138) und führte über das Suffektkonsulat 152 zur Kuratur operum publicorum und den Statthalterschaften pro praetore in Germania superior und Pannonia (162-166).3* T. Pomponius Proculus Vitrasius Pollio37 Patrizier. Späte 110er - nach 184 n. Chr. Pontifex vielleicht seit Anfang der 150er Jahre, wurde der über die Ehefrau Vitrasia Faustina mit Marc Aurel verwandte Pollio wahrscheinlich schon bei der Gründung des Kollegi ums38 161 Sodalis Antoninianus. Im Album des ordo der Sacerdotes domus Augustae Palatinae, dem er seit Beginn der 170er Jahre angehört ha ben dürfte, für (wahrscheinlich)39 das Jahr 182 unter den clarissimi viri 30
In Anbetracht des Alters ergibt sich damit das vermutliche Jahr der Prätur (147 n. Chr.) als sicherer Terminus ante quem. Für den Cursus kann durch das Fehlen des Prokonsulats in Verbindung mit dem Fehlen der zweiten Sodalität das Jahr 164 als Terminus ante quem bestimmt werden. 31 Diese Mitgliedschaft ging jedenfalls dem Prokonsulat Mitte der 160er Jahre voraus. PHJ^UM (1967, 200) weist in seiner Gesamttendenz auch Pompeius bereits Anfang der 140er Jahre (vor 147) den Sodales Hadrianales zu. - Belege für die Priesterämter: AE 1966,115 (absteigender Cursus; Pon., Hadr.); CIL 6,31753 (er halten ist Antocinianus). Zur Person PFLAUM 1966, 12-14; SCHUMACHER 1973, 256f. 32 Zur verwandtschafdichen Beziehung mit P. Tullius Varronis f. Varro s. TORELU1969, 3\5.-nK2D\(>. 33 Letzte Erwähnung als Statthalter in Pannonia, CIL 3,4117, 34 Die Ehreninschrift der Lugdunensis nennt noch nicht das Konsulat. Mögli cherweise wurde er als Nachfolger seines Verwandten oder gar leiblichen Vaters P. Tullius Varronis f. Varro kooptiert. Die dichte Nachfolge im Augurat gilt es für die Bestimmung des familiären Verhältnisses jedenfalls zu berücksichtigen. 35 PFI.AUM (1967, 200) rechnet Dasumius bereits zu den Gründungsmitgliedern der Sodales Hadrianales im Jahr 138 n. Chr. 36 Belege für die Priesterämter: CIL 6,1526 = 6,41107 (Augur); 11,3365 = ILS 1081 (Sodalitates). Zur Person PFLAUM 1966,19-21. 37 Gegen HOWE nicht mit dem Salier *** Pollio identisch. - P1R ! P 55S. 38 Erst der Tod des Marc Aurel darf allerdings als sicherer Terminus ante quem gelten; genannt ist das Amt erst in einer Inschrift, die nach 176 errichtet wurde. 39 S. u., S. 143.
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aufgeführt. Das Pontifikat scheint nach dem Ausweis der Inschriften dem Suffektkonsulat um 151 gefolgt zu sein. Nach Statthalterschaften in Moesia und Hispania und dem Prokonsulat von Asia (167/8) erneut Konsul im Jahr 176.40 C. Bruttius C. f. Praesens41 Patrizier (durch adlectio). Kurz vor 120-nach 180 n. Ghr.42 Sodalis Hadrianalis und Sodalis Antoninianus (später Antoninianus Verianus Marcianus). Consul I im Jahr 153, II im Jahr 180.43 Prokonsul von Asia oder Af rica wohl kurz vorher.44 M. Nonius M. f. Macrinus45 Anfang 1. V. 2. Jh.~nach 171 n. Chr. Der Quindecimvir s. f. (wohl seit der Jahrhundertmitte) wurde sicher 161 Sodalis Antoninianus (später Anto ninianus Verianus). Die erste Kooptation könnte noch vor der Prätur (etwa 1474*), sehr wahrscheinlich aber spätestens während der ersten pannonischen (Pannonia inferior) Statthalterschaft (die wahrscheinlich ein Suffektkonsulat in absentia des Jahres 154 einschloß) geschehen sein.47 Zuletzt Prokonsul von Asia 170/171.48
40
Belege für die Piiesterämter: CIL 10,4635 = ILS 1115 = CCCA 4,82 sowie CIL 12,361 = IIS 1114 und CIL 2,5679 = ILS 1113 (Pon-); CIL 6,1540 = 6,31675 = 6,41145 = ILS 1112 (Cursus; Sod.,,in Ergänzung: Pont.); CIL 6,2010a,19 (Sacerdos dorn. Aug.). Zur Person PFLAUM 1966, 23-32. 41 Wohl seit 178 Schwiegervater des Commodus durch seine Tochter Crispina. PIR2B165. 42 Letzte Erwähnung als Konsul; dieser Terminus post quem wird bestätigt durch den Titel »Verianus« (s. PFLAUM; zum Geburtsjahr ebd., 34). 43 Die Priesterschaften sind in der Inschrift nicht chronologisch eingeordnet; die Aufnahme unter die Hadrianales ist seit Mitte der 140er Jahre denkbar, für Anfang der 150er Jahre wahrscheinlich. PFLAUM (1967, 200) wählt dagegen das Konsulat als Terminus post quem, 44 Beleg für die Priesterämten CIL 10,408 = ILS 1117. Zur Person PFLAUM 1966, 32-37. 45 Der Vater des Quindecimviro M. Nonius Anius Mucianus (nach SCHUMA CHER 1973, 160, gegen die communis opinio, die ihn für den Großvater hält) und der Sohn des Quindecimvirn M. Nonius M. f. Mucianus. - PIR *N 140. 46
47
SCHUMACHER 1973,
82.
Die Reihenfolge in den Ehreninschriften für den Konsul schwankt, sie ist nicht sicher zu interpretieren, da die Dedikanten vor allem ihre Beziehung zu den pannonischen Aktivitäten des Macrinus herausstellen wollten. 48 Belege für die Priesterämten CIL 5,4343f. (XVWr); AE 1907,180 = ILS 8830. Zur Person PFLAUM 1966, 38-41.
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C. Aufidius C. f. Victorinus 49 110er- etwa 186 n. Chr.50 Vermutlich zunächst Fetiale,51 dann Quindecimvir s. f. und Sodalis Antoninianus (später Antoninianus Verianus Marcianus) 52 Das Quindecimvirat dürfte im Umkreis des ersten Konsulats (155) erreicht worden sein. Consul II Ordinarius im Jahr 183 nach einer wohl vorangegangenen Praef eaura urbis. Aufidius war auch Prokonsul von Africa.55 M. Vetrulenus Sex. f. Civica Barbarus54 Anfang 120er~nach 169 n. Chr. 55 Sodalis Antoninianus wohl seit 161. Vier Jahre zuvor (157) war er Konsul gewesen.56 Anonymus 57 Ende I.V. 2.Jh.-etwa 168 n.Chr. 58 Sodalis Antoninianus, höchstwahr scheinlich seit 161, das hieße zum Zeitpunkt eines zu postulierenden Kon sulates (160 oder 161), das der aufgeführten Funktion eines Curator aedium sacrarum, die Anfang 162 zu datieren wäre, unmittelbar voraus ging-5' 49 ALFÖLDY (1977, 361-365) folgend identifiziere ich Aufidius nicht mit dem unbekannten Sodalen von CIL 6,1546 = 6,41134. - PIR 2A 1393 (s. a. 2A 1374). 50 Dio 72,ll,lf.: Selbstmord 51 Die in der Inschrift gegebene Reihenfolge der Priesterämter, aber auch ihre Stellung in der Ämterliste insgesamt sind nicht chronologisch auszuwerten. 52 Aufgiiind der Platzverhältnisse in der Inschrift schlägt ALFÖLDY, CIL, sicher richtig die Ergänzung als Sodalis Hadrianalis Antoninianus Verianus Marcianus vor. 53 Beleg für die Priesterämter: AE 1957,121 = 1934,155 = CIL 6,41140. Zur Per
son PFLAUM 1966, 41-48. 54
Zu den verwandtschaftlichen Verhältnissen mit dem Kaiserhaus s. PFLAUM und RE 14,843f. (Stemma). - RE SuppL 14,845 = Vettulenus 2. 55 Der Terminus post quem der Inschrift, die vom divinisierten Verus spricht, während Vettulenus allerdings noch - gegen PFLAUMS (1966) Theorie - von Antoninianus spricht (iepet Ävreövswiavßi); möglicherweise war Verus noch nicht* lange verstorben. 56 Beleg für die Priesterämter: AE 1958,15. Zur Person PFI-AUM 1966, 48-50. 57 Zu allen Identifizierungsversuchen ausführlich ALFÖLDY; ihm folgte zuletzt l KOLB 1993, 216f. - PIR Inc 38. 5 * Die Sodalität, die aller Wahrscheinlichkeit nach in die Zeit vor 169, als die Sodales Antoniniani zu Antoniniani Veriani wurden, gehört, legt die weitere Er gänzung der Inschrift (s. ALFÖLDY 1977, 363) nahe und ermöglicht die Rekon struktion des Cursus. Der Anonymus scheint noch am Germanenfeldzug von 168 als Comes teilgenommen zu haben. 59 Belege für die Priesterämter: CIL 6,1546 = 6,41134. Zur Person ALFÖLDY 1977, 361-365.
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[—] Fidus A[ ] Gallus Paccianus60 Vermutlich schon I.V. 2-Jh.-kurz vor 169 n.Chr.61 Vermutlich in der angegebenen Reihenfolge62 Epulone, Sodalis Hadrianalis schon vor 161 und seit 161 Sodalis Antoninianus.- Diese Funktionen lassen sich nicht chronologisch sicher in die nur mit den senatorischen und kaiserlichen Statthalterschaften (Greta et Cyrenaica sowie Aquitania) am Ende des Cursus schließende Karriere einordnen.63 M. Didius M. £ Severus Iulianus, der spätere Kaiser Imp. Caesar M. Didius Severus Iulianus Augustus64 30. Januar 133-2. Juni 193 n. Chr. Die extrem frühe Förderung des Didius durch Marc Aurel (Quästur vor dem gesetzlichen Mindestalter) läßt ver muten, daß er schon zu den Gründungsmitgliedern der Sodales Antoniniani gehörte. Mit seiner Erhebung zum Augustus am 28. März 193 wurde er auch Pontifex maximus; für eine Kooptation in »alle (großen) Kolle gien« gibt es keinerlei Beleg.65 Suffektkonsul etwa im Jahr 175; Legatus 60 Ich identifiziere im folgenden mit dieser Person den anonymen Empfänger der Ebreninschrift CIL 6,1568. Die Argumente dafür sind a) die Zeitstellung, b) das gemeinsame Amt des Legatus Augusti pro praetore provinciae Aquitanicae, c) die Ehrung durch eine civitas dieser Provinz (Lemvices, Cadurci) an einem Ort au ßerhalb der Provinz - Lyon vielleicht als Geburtsort, Rom als Reichshauptstadt und d) die Tatsache, daß auf einer Inschrift die Mitgliedschaft bei den Sodales Hadrianales, auf einer anderen die bei den Aritoniniani erhalten ist (und sich die jeweils andere problemlos ergänzen ließe): Es zeigt sich, daß im übrigen alle be kannten, im Jahr 161 lebenden Sodales Hadrianales als Antoniniani berufen wur den. ALFÖLDY (1977, 175, Anm. 152) erwägt unter Ergänzung einer Konsulats angabe (die für die in Frage kommenden Provinzen untypisch wäre) in der In schrift eine Identifizierung des Statthalters in 6,1568 mit M. Censorius Paullus. PIR2F153. 61 Der Terminus ante quem ergibt sich aus der Bezeichnung als Sodalis Antoni nianus (und noch nicht Antoninianus. Verianus, dazu ausführlich PFLAUM 1966, passim). Da zum einen nach der zweiten Statthalterschaft keine weiteren Ämter sicher zu erwarten sind (es also kein argumentum e silentio für ein jüngeres Alter gibt) und zum anderen die Kooptation in die Sodalität einen schon länger koop tierten Epulonen erwarten läßt, könnte Paccianus in schon vorgerücktem Alter gestorben sein. 62 Die Ehreninschriften nennen die Priesterämter geschlossen am Ende und sind daher chronologisch nicht weiter auszuwerten. 63 Belege für die Priesterämter: CIL 13,1803; 6,1568(0/L 6,1568) = 6,41135.(0/1 6,41135) 64 PIR 2D 77. 65 Ein solcher fehlt epigraphisch auch für das Oberponnfikat; CIL 6,32396 = AA 97d,4, eine Notiz für den 1. oder 13. Juni 193, ist nach der Rekonstruktion durch SCHEID auf Pemnax zu beziehen.
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Augusti pro praetore von Pontus et Bithynia (zwischen 183 und 186); Prokonsul von Africa (189/190).66 Q. Pompeius Q. f. Senecio Fuscus Saxa Vryntianus Sosius Priscus67 Patrizier. Um 135-nach 169 n. Chr. Salius CoUinus und wohl noch .unter Antoninus Pius Sodalis Hadrianalis,68 dann, vielleicht noch als Grün dungsmitglied, Sodalis Antoninianus Verianus. Darüber hinaus ist er auch noch als Pontifex nachgewiesen. Pompeius war Quaestor kandidatus wohl um 162 und Consul Ordinarius des Jahres 169 n. Chr. Er war als Prokon sul für Asia bestimmt.69 C. Aelius P. f. Domitianus Gaurus Ritter, der durch Antoninus Pius mit einem equus publicus beschenkt wurde. I.V. 2.Jh.-nach 161 n. Chr.70 D e r - vielleicht durch seine juristi schen Leistungen als scriba prominente - Aufsteiger in den Riteerstand unter Antoninus Pius wurde Sacerdos Laurentium Lavinatium und schon als Ritter - Kalator der Sodales Marciani Antoniniani. Nach meh reren Schreiber-Positionen ritterlicher Praefectus cohortis und Praefectus fabrum. Eventuell Jurist.71 Beobachtungen Auf den ersten Blick weist die hier zusammengestellte Personengruppe keine Überraschungen auf: In Hinblick auf den sozialen Status, die zum Zeitpunkt der Aufnahme abgeleisteten Ämter und das Alter dürften die zeitgenössischen Kollegien der Pontifices, der Auguren, vermutlich auch der Quindecimviri sacris faciundis oder der Arvalbrüder nicht deutlich anders ausgesehen haben. Dennoch gibt es eine überraschende Gemein samkeit: Für die Hälfte der Sodales läßt sich die gleichzeitige Mitglied schaft in der nach dem Tode des vorangegangenen Augustus, des Hadrian, errichteten Priesterschaft nachweisen. Das Kollegium der Sodales Hadrianales besaß im Jahr 161 n. Chr. vermutlich folgende Mitglieder (nicht völlig gesicherte Mitgliedschaft in diesem Jahr ist durch Kursive markiert): 66 Belege für die Priesterämter: CIL 6,1401 = ILS 412 (nur Sodalis); Cohen2 3, Didius $-13 (Pont. max.). Zur Person PFLAUM 1966, 60-71; KIENAST 1990, 154f. 67 PIR 1 P492. 68 Nach PFIAUM (1967, 200) vor 161 n. Cbr. Hadrianalis. 69 Belege für die Priesterämter: CIL 14,3609 = ILS 1104 = Inscrlt. 4,1,126; CIL 10,3724. 70 Die Inschrift, die Antoninus »Pius« nennt, muß nach DESSAU, ILS, nach dessen Tod und vor dem Tod des Verus 169 aufgestellt worden sein. 71 Dig. 8,2,10. Belege für die Priesterämter: Epk ep. 8,368 = ILS 2748.
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L. Venuleius Apronianus Octavius Q. Pompeius Q. / Sosius Priscus C. Brutiius C.f. Praesens ,[—] Fidus A[—] Gallus Paccianus *G Popilius Cf. Carus Pedo L. Ocuvius Cornelius P, Salvius P, f. lulianus Aemilianus L. Dasumius P. f. Tullius Tuscus *C. Septimius Severus Q. Pompeius Q. f. Senecio Fuscus Saxa Vryncianus Sosius Priscus C. Aufidius C. f. Victorinus Nur für die beiden mit Sternen markierten Personen ist eine gleichzeitige oder spätere Zugehörigkeit zu den Sodales Antoniniani nicht wahrschein lich zu machen.72 Umgekehrt läßt sich nicht ausschließen, daß noch wei tere Mitgliedschaften bei den Sodales Hadrianales nur keine erhaltene Be zeugung gefunden haben. So bleibt der Eindruck, daß die Besetzung der neugegründeten Priesterschaft der Sodales Antoniniani weitestgehend die zur Verfügung stehenden Sodales Hadrianales berücksichtigte. Was als neues Kollegium erschien, war faktisch durch weitgehende Personalunion nur eine Variante eines schon vorhandenen. Dieser Eindruck wird durch die Kooptationen der Folgezeit verstärkt: Sowohl Q. Pompeius Q. f. Senecio Sosius Priscus73 als auch T. Flavius T. f. Sulpicianus74 wurden Mitte der 160er Jahre sowohl Hadrianales wie Antoniiiiani. So etwas wie eine Religionspolitik ist für Marc Aurel bislang nicht be schrieben worden. Die beobachtete Entwicklung der beiden Sodalitäten fügt sich immerhin in das sich herausbildende Verfahren ein, den Kreis der Führungsschicht nicht beliebig auszudehnen und gerade Patrizierfamilien in der Ämterbesetzung angemessen zu berücksichtigen.75 Die Aufmerk samkeit ist an dieser Stelle auch auf den Kalator zu lenken: Wahrend wir in dieser Position in Flavisch-Trajanischer Zeit ausschließlich Freigelassene kennen, erscheint nun ein Ritter, und zwar Ritter zum Zeitpunkt der Gründung des Kollegiums, in dieser Funktion. Hier deutet sich eine Ent wicklung an, die wir zwanzig Jahre spater in anderer Form fassen können. 72
In beiden Fällen liegen Inschriften aus der Zeit nach 161 n. Chr. vor, die keinen Raum für die Ergänzung dieser zweiten Sodalität bieten. Das ist kein Ausschluß kriterium, es bleibt aber eine Begrenzung der im folgenden entwickelten Annahme. 73 Der Sohn des mehrfachen Priesters und (ebenfalls schon) polyonymen Konsuls von 149, s. o., CIL 10,3724 (vor dem Tode Verus*?); Inscr, Ii 4,1,126 « CIL 14,3609 = ILS 1104 (ausführlichster Cursus), 74 CIL 6,31712 =AE 1981,762. 75 Siehe ALSÖLDY 1977, 85.
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3 Der O r d o sacerdotuin domus Augustae Unter den stadtrömischen Inschriften, die im CIL 6 veröffentlicht wur den, befindet sich unter Nummer 2010 ein Album einer Priesterschaft, die sich selbst als Ordo sacerdotum domus Augustae bezeichnet. Unter der Annahme, daß der in dieser Liste genannte Aelius Saoterus mit jenem Saoterus von Nikomedeia identisch ist, der Kämmerer des Commodus war,76 läßt sich die Liste auf etwa 182 n. Chr. datieren. Saoterus selbst wurde im Jahr 183 n. Chr. auf Veranlassung seines Nachfolgers M. Aurejius Cleander und des Prätorianerpräfekten Tarrutenius Patermis bei der Rückkehr von einem Kultakt ermordet.77 Die sicher nach Kooptations daten geordnete Liste nennt unter den clarissimi vhi Saoterus an vorletzter Stelle. Eine Aufnahme in die Priesterschaft ist erst nach der Erringung der Alleinherrschaft durch Commodus (17. März 180) vorstellbar; die Liste muß seinem Tod vorausgegangen sein, möglicherweise war er sogar für ihre Entstehung mitverantwortlich - er ist der prominentere der beiden Aelii der Liste und könnte demnach in der verstümmelten Anfangszeile gemeint sein (a,l: ap/probata?)Besonderes Interesse gewinnen diese Liste und der Ordo durch die komplexe Struktur. Neben direkten Führungspositionen zweier Magistri wird eine Gruppe von decemprimi genannt - eine übliche Form der Her aushebung von Personen besonderen Prestiges und besonderer Funktio nen in größeren Gruppen, wie etwa bei Dekurionen. Sodann folgen zwei Listen mit vhi clarissimi und einfachen Mitgliedern, dem ordo, dem auch die decem primi zuzurechnen sind. Die Clarissimi viri stehen entsprechend neben der eigentlichen Struktur, Mögliche Identifizierungen von einzelnen Clarissimi stützen die Datierung in die Zeit des Commodus und zeigen die - in diesem Teil - hohe soziale Ansiedlung. Auf der Basis dieser Personen und ihrer Reihung käme man auf Ein trittsdaten zurück, die nicht deutlich vor 170 n.Chr. liegen. Genau in diesem Jahr wird eines der senatorischen Mitglieder, L. Annius L, f. Ravus, bei den Saliern exauguriert. Da es nicht das im Laufe des folgenden 76
Dazu HEER 1904, 42, 46f. S. bes. Dio 72,12 und SHA Comm. 4,5. Die reihende bzw. bei Dio rückblikkende Darstellung erlaubt keine präzise Chronologie der Ereignisse; die Ver schwörung der Lucilla (frühestens in der zweiten Hälfte von 181) und - spätestens - der Tod des Perennis (185 n. Chr.) bilden die Rahmendaten, das Jahr 183 bildet den wahrscheinlichsten Zeitpunkt (so auch RE). Während des Triumphzuges des Commodus im Herbst 180 hielt er, auf dem Wagen mitfahrend, den Goldkranz über den Kopf des Triumphators: SHA Ccmm. 3,6. 77
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Jahrzehnts übernommene Pontifikat ist, das als Grund für das Ausschei den angegeben wird (wie es in den Koopations- und Exaugurationslisten sonst üblich ist), kann gerade dieses Datum mit der Gründung des ordo und eines damit im Zusammenhang stehenden Ausscheidens in Verbin dung gebracht werden. Die Gründung des ordo muß, so läßt sich zusam menfassen, noch und erst unter Marc Aurel erfolgt sein, vielleicht im Jahr 170, ein Jahr nach dem Tod des Mit-Augustus Verus. Mehrere Ernennun gen zu Flamines im selben Jahr - möglicherweise durch Pestverluste not wendig geworden - , die sich ebenfalls in den Sukzessionslisten der Salier (CIL 6,1978) niedergeschlagen haben, zeigen, dass gerade zu diesem Zeit punkt eine Restrukturierung von Priesterschaften erfolgte. Der konsekretierte Veras kann nicht primäres Objekt der Tätigkeit des Ordo gewesen sein: Die Erweiterung des Namens der Sodales Antoniniani zu Sodales Antoniniani Veriani noch zu Lebzeiten Marc Aureis, die 78 PFLAUM ausführlich nachgewiesen hat, stellt außer Frage, daß die beste hende Sodalität den neuen Divus in ihren Kult mit einbezog. Der Name der domus Augusta weist auch in eine andere Richtung: Es ist die lebende Kaiserfamilie, die damit angesprochen wird; Weihungen pro salute domus Augustae oder domus divinae zeigen das zur Genüge.79 Damit soll keine Konsekration der Familie insgesamt behauptet werden, aber es ist nicht zu übersehen, daß der Name mehr an die auch die Lebenden umfassende kaiserliche Familie als Bereich von Kult denken läßt, denn als Genirivus rei die im Bereich der domus Augusta Tätigen zusammenfaßt.80 Das deckt sich nun mit weiteren Nachrichten über göttliche Ehren für verstorbene Fa milienmitglieder in der fraglichen Zeit. Wie Lucius Verus war auch der jüngste Sohn des Kaisers im Jahr 169 verstorben; wenn auch über keine Konsekration berichtet wird, so wurde sein Name doch in das Salierlied aufgenommen und eine goldene Büste bei den zur selben Zeit stattfinden den ludi Romani in der pompa circensis mitgefuhrt.sl Die ebenfalls der Historie Augusta entstammende Nachricht, Marc Aurel habe auch seine 78
79 80
PFLAUM 1966.
BENorr 1966. Eine Behandlung des ordo fehlt im Artikel »Kaiserpriester« des RAC
(GÜN
THER GOTTLIEB). 81
SHA M. Aurel. 21,5. Diese und die folgenden Daten auch bei CLAUSS 1999, 147, ohne den Versuch einer weiteren Einordnung. Die Aufnahme des Namens ins Carmen saliare wurde im Jahr 29 v. Chr. für Oktavian beschlossen (Dio 51,20,1August, gest. 10); in der Folgezeit wird diese Ehre verstorbenen Prinzen zugebil ligt zunächst Germanicus: Tac. arm, 2,83; Tai. Siar. 2,18-20. Die Angabe von SHA Carac 11,6 am Ende der Biographie, Caracalla »habe Salier«, die sich wohl nur als Aufnahme ins Salierlied verstehen laßt (so CLRILLI 1913,114), bleibt somit isoliert.
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(leiblichen) Eltern konsekriert und deren verstorbene Freunde durch Sta tuen geehrt,82 läßt sich zeitlich nicht präzisieren, sie weist aber in dieselbe Richtung eines kollektiven Kultes, in dem die scharfen Umrisse in der Unterscheidung zwischen Götter- und Totenkult in der Öffentlichen Re präsentation verschwimmen. 33 Das greift zeitgenössische Entwicklungen auf, die auch in der Titulatur divinisierter Kaiser in provinzialen Inschrif ten zu greifen sind: Die Verehrung des lebenden Herrschers uiid des konsekrierten toten verlieren an Distanz. 84 Nach dem Tod und der Konse kration Faustinas der Jüngeren, der Gemahlin des Kaisers, beschloß der Senat, beiden, Faustina wie dem lebenden Kaiser, silberne Kultbilder im monumentalen Tempel der Venus und Roma in der Stadtmitte Roms zu errichten, samt einem Altar, vor dem alle in der Stadt heiratenden Bräute samt Bräutigamen opfern sollten.85 Die unmittelbar weitere Entwicklung - wiederum sind wir auf Hypo thesen angewiesen - läßt den spezifischen Charakter deutlicher werden. In einer Inschrift wohl aus dem Regierungsbeginn des CaracallaS6 wird das schon erwähnte Mitglied des Ordo, L. Annius L, f. Ravus, »wegen seiner Verdienste als Patron« von den Sodales Herculani geehrt.87 Im Lichte wei terer stadtrÖmischer Inschriften dieser Sodalität erscheint es unnötig, diese Gruppierung auf Tibur zu beziehen. Es erscheint dann naheliegend, wenn auch nicht zwingend, die Herkules-Sodalität auf den Ordo zu beziehen, als eine neue oder inoffizielle Bezeichnung.88 Noch einmal, diese Verbin dung ist hypothetisch. Sie paßt aber in das Bild der religiösen Präferenzen des Commodus, dessen Hercules-Verehrung und eigene Identifizierung mit Hercules immer stärkere Formen annahm.89
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SHA M. AureL 29,8. Zur Differenz im Ritaal SCHEID 1993. 84 CLAUSS 1999, 146 mit Verweis auf ÄE 1942/43,18 und CIL 2,5232 = ILS 6898. 85 Dio 72,31,1. 86 Die genaue Datierung ist problematisch, da der Geehrte im Jahr 183 exiliert wurde, es ist entweder ein Zeitpunkt zuvor oder aber die Rückkehr aus dem Exil zu unterstellen. Die Chronologie der Hercules-Verehrung des Caracalla bleibt un klar, es gibt aber keinen Grund gegen einen sehr frühen Einsatz. 87 CIL 6,1339 = ILS 1121. 88 VgL SHA Commod. 17,11: Schaffung eines Flamen Herculanus Commodianus; cf. 8,9. 89 Kurz CLAUSS 1999, 148-150; ausführlich GROSSO 1964. 83
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Wie ließe sich diese Neuorientierung in das Bild der spätantoninianischen Religionspolitik seit Marc Aurel einordnen? Der Umgang mit den Sodalitäten zeigt die Bemühungen um eine personelle .Konzentration jener Priesterschaf cen, die sich aus der Oberschicht rekrutierten; mit der Über nahme auch des Kultes des Marc Aurel, des Commodus und weiterer Kaiser durch die Sodales Marciani Antoniniani Commodiani Helviani Severiani Antoniniani,90 also durch dieselbe Gruppe, wird diese Linie bestätigt. Als Generalisierung läßt sich auch die Schaffung des ordo sacerdotum domus divinae deuten, nun bezogen auf die gesamte Herrscher familie. Gegenüber den sodales wurde hier eine deutliche Ausweitung der Rekrutierungsbasis in sozialer Hinsicht vorgenommen, allerdings nicht unter Absehung, sondern unter interner hierarchischer Verfestigung der Unterschiede. In Anbetracht der massiven Verluste der Nobilität, auch durch Seuchen und Kriege, in der Zeit des Marc Aurel erscheinen diese Maßnahmen plausibel. 'Sie erlaubten zugleich eine Zunahme an Kontrolle im Bereich religiöser Institutionen. Die mögliche Umorientierung des Ordo auf den Hercules-Kult bezie hungsweise den mit dem Hercules-Symbol arbeitenden Kult des lebenden Herrschers ließe sich als Ergebnis gesteigerter Kontrolle verstehen: Nicht durch eine Proliferation neuer Institutionen, sondern durch die bewußte Umorientierung bestehender Priesterschaften wurden neue religiöse Ori entierungen ins Werk gesetzt. Der Kaiser war Herr des Verfahrens. ■
5 Kaiserliche Kooptation Die Suche nach dem gemeinsamen Nenner darf den scharfen Kontrast, der gerade unter dem Stichwort »Kontrolle«91 besteht, nicht verdecken. Wäh rend der Ordo größere Gestaltungsspielräume zu gewähren schien, waren die Handlungsmöglichkeiten bei den Sodalitates eng begrenzt: Keine sodalitas wurde abgeschafft, die Umgestaltung erfolgte vielmehr allein über Kooptationen, die zu Personalunionen führten, und über Aufgabenerwei terungen bestehender Einrichtungen. Das entsprach schon republikani6
4 1
=
9 5
1 2 4
1929 158
Zuf Be
2 7 7 ^ ; ?L ^rr ' ' " ^ h n u n g *• PPIAÜM 1 9 8 l , 277f Vgl. d* Gedicht CIL 13,8007= = ILS 1195: cUvum soddk 0116 aU§emeineS s Rf^lSr * * Beschrdbuagsrasier für religiöse Spezialisten
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scher Praxis und Zurückhaltung im Umgang mit priesterlicheri Institutio nen. Das beste Beispiel bietet die sogenannte92 Lex Ogulnia, jene Rege lung, die die Plebejer am Kollegium der Pontifices und Augures beteiligte. Diese grundlegende Reform des Jahres 300 v. Chr. wurde, soweit die an nalistische Überlieferung zuverlässig ist, nicht als Umgestaltung der Kol- legien konzipiert. Vielmehr legt Livius nahe, daß der Antrag einfach lau tete, ut IV pontif ices, V augures de flehe adlegerentury daß also vier plebeische pontifices und fünf plebeische augures hinzugewählt wurden, was eine Gesamtzahl von neun Auguren und acht Pontifices, zu denen man den Pontifex maximus wohl hinzurechnen muß, ergab.93 Diese Regelung stellte eine einmalige Angelegenheit dar; in der Folge zeit sorgte die Selbstergänzung der Kollegien, die Kooptation, für das Aufrechterhalten der Sollziffern. Noch im dritten Jahrhundert v. Chr. drangen Elemente der Volkswahl durch die Beteiligung von gerade weni ger als der Hälfte der Tribus, siebzehn von fünfunddreißig, in das Beset zungsverfahren ein, dauerhaft für den Pontifex maximus,94 wenigstens kurzzeitig nach der lex Domitia des Jahres 104 v. Chr. und der lex Atza des Labienus' im Jahr 63 v. Chr. auch für die übrigen Pontifices und die Augures. Auch dieses Verfahren stellte sich formal lediglich als eine Komplizierung der Kooptation dar: Das Kollegium präsentierte die Kan didatenliste und kooptierte den Wahlsieger. Es Hegt nahe, dieses als grund legend ausgewiesene Verfahren der Kooptation auch für die übrigen Prie sterschaften zu unterstellen, auch wenn etwa für die Decemviri bezie hungsweise Quindecimviri sacris faciundis, die für das Einsehen und Interpretieren der Sibyllinischen Bücher zuständig waren, jedes explizite Zeugnis dafür fehlt. Wie stellten sich die Besetzungsverfahren in der Kaiserzeit dar? Es herrscht Einigkeit darüber, daß im Laufe des ersten Jahrhunderts n. Chr. Wahlakte in den Komitien weitestgehend verschwanden, die Empfehlung durch den Kaiser ersetzte den Wahlerfolg. Inwiefern galt das auch für die Priesterschaf cen? T H E O D O R MOMMSEN hat nicht nur die Details, sondern auch das Wesentliche in seinem Römischen Staatsrecht schon formuliert; JOHN SCHEID hat, ausgehend von den Notizen der Arvalakten, das Pro92
Technisch handelt es sich um ein plebhcitum, s. HÖLKESKAMP 1988, 52, ABITL 3 mit weiterer Literatur. 93 Liv. 10,6,3-8 (ähnlich 10,8,3); die Annahme des Gesetzes und erneut die End zahlen in 10,9,lf. S. 10,6,6: Rogationem ergo promulgarttnt ut} cum qu.attu.or augmeS) quattuor pontifices ea tempestate essent placeretque augeri sacerdotum numerum> quattuor ponüfices> quinque augures^ de plebe omnes> adlegerentur. 94 Siehe TAYLOR 1942; BEAKD; NORTH; PRICE 1998, 134-137; RÜPKE 2001, 211.
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blem noch einmal aufgerollt.95 Das erlaubt mir, eine eher summarische Beweisführung vorzulegen, eine Wiederholung, die vor allem dem Ziel dient, in Erinnerung zu rufen, wie selten die Fälle sind, in denen ein Ein griff des Kaisers in das Besetzungsverfahren überhaupt greifbar wird. Mei ne Zusammenfassung wird allerdings den Akzent der MoMMSENschen Darlegung verschieben: Wo MOMMSEN das Gewicht auf die freiwillige Selbstbeschränkung des Kaisers legt und aus der kaiserlichen Perspektive heraus das Verfahren darstellt, möchte ich gerade den Ausnahmecharakter des kaiserlichen Eingriffs und das »Normalverfahren« betonen. Erst damit wird das zu Beginn vorgeführte Interpretationsmuster kaiserlicher Reli gionspolitik in das rechte Licht gerückt. Zunächst einmal ist zu differenzieren. Als Pontifex maximus hatte der Kaiser, so die communis opinio, das Recht und die Pflicht, die Positionen der Virgines Vestales, des Rex sacrorum und des Flamen Dialis zu beset zen. Das erstgenannte Recht wurde durch die noch republikanische Lex Papia modifiziert, nach der der Pontifex maximus eine Liste von Kandi datinnen zusammenstellte, aus der die Vestales per Losentscheid (sortiüo) ermittelt wurden.96 Eine prinzipielle-Rücknahme dieser Komplizierung für die Kaiserzeit ist nicht belegt; wenn Gellius für seine eigene Zeit das Ver fahren durch einen Senatsbeschluß ersetzt sieht, so liegt nach ihm darin gerade nicht die Ermächtigung des Pontifex maximus - das Gegenteil ist ja der Fall -, sondern eine Reaktion auf einen Mangel an Kandidatinnen.97 Im Falle des Flamen Dialis wird in der Forschung eine Geltung des Rechtes zur »Ergreifung« (captio) auch für die beiden anderen Flamines maiores, den Martialis und den Quirinalis,98 oder gar - »unbedenklich« für alle Flamines angenommen.99 Aber auch das widerspricht der Haupt quelle Gellius, der zwar vom Gebrauch des Begriffes capere beziehungs weise der Passivform capi in bezug auf den Flamen Dialis (und nur diesen) sowie die Augures und Pontif ices berichtet, aber auf die explizite Kritik an diesem Sprachgebrauch von antiquarischer Seite verweist.100 Allein in der 95
MOMMSEN 1887, 1102-1113; SCHEID 1990, 201-214.
96
Gell. 1,12,11. Die Belege bei WISSOWA 1912, 510. 97 Gell. 1,12,11-12: Sed Papiam legem mvenimus, qua caveretur, ut pontißcis maximi arbitrato virgines e populo viginti legantur sortitioque in contione ex eo numero fiat ety cuius virginis ducta erit, ut eam ponüfex maximus capiat eaque Vestae fiat. (12) sed ea sortitio ex lege Papia non necessaria nunc videri solet. nam si quis honesto loco natus adeat pontificem maximum atque ofjerat ad sacerdotium filiam suam, cuius dumtaxat salvis reügionum observationibus ratio haberi possit, gratia Papiae legis per senatum fit. 98 99
100
So MOMMSEN 1887, 1113. WISSOWA 1912, 510, Anm. 3; ähnlich SCHEID 1990,
Gell. l,12,15f.
213.
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Erzählung von der Konfrontation zwischen dem plebeischen Pontifex maximus P. Licinius Crassus und dem Patrizier C. Valerius Flaccus, der Flamen Dialis werden soll,101 erscheint der Oberpontifex als autonom Agierender; die weiteren Quellen, die den Flamen Dialis oder Rex sacrorum betreffen, lassen gerade ein kompliziertes Wahlverfahren, in das das Pontifikalkollegium eingebunden war, erkennen.102 Faßt man das zusammen, kommt man zu dem Ergebnis, daß sich selbst theoretisch das Recht des Oberpontifex zur autonomen Nachfolgerbe stimmung auf die Vestalischen Jungfrauen beschränkte, ein in historischer Zeit faktisch nicht ausgeübtes Recht, das keinerlei Basis zur Postulierung weitreichender Ernennungsrechte für andere Priester liefert. In diesem Punkt ist MOMMSENS Ausdehnung auf die Salier, Pontif ices minores und verschiedene latinische Priesterschaften103 zu bestreiten. In bezug auf die großen, politisch in der Republik zentralen Priester schaften formuliert MARTHA HOFFMAN LEVIS eine andere communis opinio: »I believe that, in order to give the appearance of free elecrions, Augustus allowed the priests to continue the republican practice of nominating candidates ■for the tribes to elect. But since both he and later emperors, as members of all four Colleges, could make nominarions, it is obvious that the new elected priests met with their approval, and that the actual method of elecrion had litde importance.«104 In der weiteren Argumentation der verdienstvollen prosopographischen Untersuchung für die Julisch-Claudische Zeit ist der Kaiser das logische Subjekt - verfahrensrechtliche Feinheiten spielen keine Rolle mehr. Auch gegenüber dieser Position gilt es, die begonnene Differenzierung fortzu setzen. So ist zunächst festzuhalten, daß das gesamte Wahlverfahren sicher nur die Ponrifices und Auguren betroffen hatte; die Ausdehnung auf die Quindecimviri sacris f aciundis und die Septemviri epulonum, also auf alle kaiserzeitlichen amplissima collegia, ist möglich, aber nicht belegt. Inner halb dieses Kreises konzentrierten sich die Kooptationen von Mitgliedern des Kaiserhauses und präsumptiven Nachfolgern ganz auf die beiden erst genannten Kollegien. Als Verfahren für diese Kollegien hat SCHEID folgenden Ablauf wahr scheinlich gemacht: Wohl vor dem Senat105 wurden unter der eidlichen Erklärung, die Kandidaten seien der Priesterschaften würdig, die nomi101 102 10J
104 105
Liv. 27,8. Liv. 40,42; Tac. ann. 4,16. MOMMSEN 1887, 1113. HOFFMAN LEWIS 1955,16. SCHEID 1990, 208, Anm. 43.
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nationes, die Benennung der Kandidaten, vorgenommen. Es ist unklar, wer hier tätig werden konnte; vermutlich benannten Priester Kandidaten für freie Positionen im jeweils eigenen Kollegium,106 Der Senat erstellte daraus die Kandidatenliste; an dieser Stelle dürfte der Kaiser über sein Vorschlagsrecht hinaus das Recht gehabt haben, als erster die Stimme ab zugeben (prima sententia). Das von Dio beschriebene umfassende Ernen nungsrecht des Kaisers107 dürfte sich hierauf beziehen. Die eigentliche »Wahl« erfolgte auch in der Kaiserzeit vor den comitia tributa unter Her anziehung von siebzehn Tribus; eine Beeinflussung durch den Wahlakt dürfte nicht stattgefunden haben.108 Die so Gewählten wurden dann von den Kollegien förmlich kooptiert, gegebenfalls auch inauguriert. Die für die Publikation bestimmten Briefe des Plinius machen deutlich, daß auf die kaiserliche Empfehlung großer Wert gelegt wurde, ein Ein greifen des Kaisers aber nur gelegentlich vorkam, da sonst die Bemühun gen anderer, Kandidaten zu benennen, wie etwa von Seiten des Frontinus, völlig leere Gesten gewesen wären.109 Wenn sich Plinius an den Kaiser mit der Bitte um eine Priesterschaft wendet, so nennt er hier vermutlich die Kollegien, für die er bereits anderweitig nominiert worden war, nämlich die Auguren und die Septemviri, bei denen Vakanzen vorlagen.110 Ein Ant wortschreiben des Kaisers folgte nicht, wurde auch nicht erkennbar er wartet. Das iudicium des Kaisers hatte sichtlich empfehlenden, nicht bin denden Charakter.111 Der Verweis auf die Vakanzen zeigt zudem, daß kei ne Erwartung bestand, supernumeräre Plätze einzurichten.112 Dem kaiserlichen Agieren im Senat ist das Agieren in jenen Kollegien, die das Kooptationsverfahren völlig intern durchführten,113 an die Seite zu 106 Die ebd., 206f. angenommene allgemeine Nominierung scheint mir dagegen unwahrscheinlich. 107 Dio 53,17. 108 Siehe JACQUES; SCHEID 1990, 49-52. 109 Plin. epist. 2,1,8: Verginius Rufus; 4,8: Iulius Frontinus. m Plin. epist. 10,13. Die Priesterschaft des Verginius Rufus ist nicht bekannt; daß Plinius das Kollegium, für das er vorgeschlagen wurde, hier nicht nennt - anders als bei den Auguren - , dürfte nicht daran liegen, daß die Kandidatennennung für ein beliebiges Kollegium* erfolgte, sondern dürfte dem zurückgesetzten Prestige des Kollegiums geschuldet sein. Diese Annahme bleibt aber eine Hypothese, andern falls trüge die Argumentation zirkulären Charakter. 111 Plin. epist. 4,8,1: quod gravissimi prindps iudicium in minoribus etiam rebus consequi pidchmm est... 112 MOMMSEN 1887, 1110, Anm.4. 113 Den Unterschied betont SCHEID 1990, 213. MOMMSEN (1887, 1105) weist dar auf hin, daß selbst für die Einrichtung supemumerärer Positionen bei den Arvalen jede Andeutung für eine Beteiligung des Senates fehlt.
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stellen. Wie die Arvalakten zeigen, konnte der Kaiser - ähnlich wie ein abwesender Magister114 - eine »Briefwahl« vornehmen, das heißt, sein ei genes Votum - mea sententia coopto - zustellen. Das Verfahren ist mehr mals, in besonderer Ausführlichkeit unter Hadrian beschrieben worden. So heißt es für den 25. Februar 118 n. Chr.: Isdem co(n)s(ulibus) {ante diem quartum) k(alendas) Mart(ias) in pronao aedis Concordiae habita sollemni precfationej per M. Valerium Trebicium D[ec]ianum mag(istrum) in locum [PJ Metili Nepotis L Iulium Catum ex Utteris Imp(eratoris) C[aesaris] Traiani Hadriani Augusti fratrem arualeni cooptauerunt et ad safcrja uocauerunt, ibique tabulae apertafe sijgno [signatae, quodj exprimit kaput Augusti, [in quibus] scriptum firit:] Impferator) Caesar Traianus [Hadrianus] Augfustus) fra[tribus arualjibus collegis suis [salutem. In locum P. MeJ6U Nepotis col{legajm nobis med sentenftia coopto L] Iulium Catum. [Adjfuerunt in collegiö M.- Vfalerius Trebßcius Decianus magfister), TL Julius Candidus Caecfilius Simplex,] TL IulfiusJ Candidus, TL Iulius Alexander [Iulianus, L. lulijus Catus.™ Dieses Votum wurde zu Beginn des Wahlverfahrens verlesen und dürfte wohl unwidersprochen geblieben sein; selbstverständlich dokumentieren die inschrifdichen commentarii der Arvalen immer eine damit überein stimmende Kooptation. Angesichts der schwankenden Ausführlichkeit der acta verbietet sich eine statistische Auswertung; die Pliniusbriefe spre chen für eine nur gelegentliche kaiserliche Stimmabgabe. Unklar bleibt aber auch in diesen Fällen die eigentliche Triebfeder hinter dem Votum: Zwar hätte der Kaiser mit einem solchen Verfahren Kandidaten gegen den Mehrheitswillen des Kollegiums durchsetzen können - gerade die Form der Stimmabgabe ließ einen schriftlichen Widerspruch nicht zu, Abwesen heit erhöhte »die Chance, Gehorsam zu finden« -, aber das kaiserliche Mit stimmen könnte auch auf Betreiben von Mitgliedern des Kollegiums, ihren Kandidaten durchzusetzen, zurückgehen. Dio dehnt das Ernennungsrecht auch auf solche Kollegien aus, in denen der Kaiser nicht Mitglied war. Die Nichtmitgliedschaft des Kaisers trifft für die meisten Kollegien zu; jenseits der Pontifices und Auguren ist eine Mitgliedschaft nur beim Vorliegen expliziter Zeugnisse anzunehmen, für die Arvalen ist die Mitgliedschaft des Kaisers wahrscheinlich, für die So dales Augustales durch supernumeräre Dekurien gelegentlich bezeugt. Die "* AAIS^-S'
e b BriC£ CineS P r 0 m a s i s t e r s b e i d e r
Bestallung eines pubScus.
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Kooptation in omnia collegia tritt erst ab Titus auf; der Kreis -der damit umschlossenen Gruppen ist unbestimmt. Wie hier auch nur Vakanzen dem Kaiser mitgeteilt worden wären, ist gänzlich unbekannt. Die oben for mulierte Hypothese, die Aussage Dios auf die im Senat verhandelten Prie sterschaften zu beschränken, besitzt hohe Wahrscheinlichkeit. Wir wissen nichts über die Besetzungsmodalitäten etwa der sogenannten, in sich durchaus heterogenen latinischen Priesterrümer,116 aber ein zentraler Ein griff ist die am wenigsten plausible Annahme. Die Konjektur in CIL 11,3103, die einen Sacerdos Caeninensis von den Pontifices gewählt sein läßt,117 ist ohne jede Parallele, auch in der Formulierung. 6 Schlußfolgerungen Faßt man die Ergebnisse des vorangegangenen Abschnitts zusammen, so ist festzuhalten, daß sichere Eingriffsmöglichkeiten des Kaisers auf die großen Kollegien und priesterliche Kreationen im Umfeld des Hofes be schränkt waren. Diese Eingriffe konzentrierten sich auf die Besetzung von vakanten Stellen; die Nutzung dieser Gelegenheit erfolgte mit hoher Zu rückhaltung. Gerade dort, wo durch die Neuschaffung von Kollegien eine größere Anzahl von Positionen zu vergeben gewesen wäre, begaben sich die Kaiser dieser Möglichkeit: Tiberius besetzte die neugeschaffenen So dales Augustales durch Los,118 Marc Aurel besetzte die Sodales Antoniniani durch die Herstellung von Personalunion mit den Sodales Hadrianales. Das Ergebnis ist nicht verwunderlich. Detaillierte Untersuchungen zur. Besetzung von Magistraturen und hohen militärischen Positionen wie etwa die Arbeit von GEZA ALFÖLDY zur Antoninenzeit haben deutlich gemacht, daß Karrieren von Personen aus senatorischen oder gar konsularen Familien einen hohen Automatismus aufwiesen, der eigene Befähi gung nicht ausschloß, sie aber nicht zu einem erkennbaren Kriterium machte.119 Gilt ähnliches für die Priesterschaften? Antwort auf diese Frage könnte nur eine prosopographische Studie ge ben, die weit über die prestigeträchtigsten Kollegien hinaus Karrieren un tersuchte. Die vorliegenden Teiluntersuchungen zeigen durchaus eine Ent116
Siehe SCHEID, GRANINO CECEKE 1999. / — Sacerdos] Caeninensis apon[üficibu$ creautsy XVvir / stLicibJus iudicandis, trib(umt$) l[aticla(viu$) ... 118 Tac. arm. 1,54,1: sorte ducti e-prirnjoribuscivitatis. m Siehe ALFÖLDY 1977. 117
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sprechung der priesterlichen zu den magistratischen Mustern, wenn erstere auch viel mehr Variabilität - bedingt durch die insgesamt viel kleinere Anzahl von Positionen und deren lebenslange Besetzung - bieten. Die hier vorgelegte Untersuchung legt aber nahe, eine weitergehende Antwort zu formulieren und zu diesem Zweck auf die Ausgangsfrage nach den kaiserlichen Gestaltungsspielräumen zurückzukommen. Diese Aus gangsfrage muß angesichts der begrenzten Handlungsmöglichkeiten und des noch viel begrenzteren Handlungswillens des Ponrifex maxhnus um formuliert werden: Welchen Beitrag leisteten die Priesterschaften zur Ent lastung kaiserlicher Entscheidungen? Unter dieser Perspektive erscheinen die Kollegien auf allen Ebenen als Mechanismen einer Elitebildung innerhalb der jeweils eigenen sozialen Gruppe, sei es als Empfehlung von Kandidaten für einen weiteren Auf stieg, sei es als Bestätigung und Überhöhung des durch die magistratische Karriere längst erworbenen Prestiges. Das galt für den schon als Quästor kooptierten Augur ebenso wie für den latinischen Priester mit bis dahin lediglich centenaren ritterlichen Positionen. Es waren nicht der Kaiser oder ein von ihm straff organisiertes Spitzelsystem, die allerorten auf Ta lentsuche gewesen wären. Es war vielmehr eine Fülle von unverbundenen Gruppen auf unterschiedlichen Ebenen sowie konkurrierenden Gruppen auf gleichen Ebenen, die ein Bild ihres eigenen Ansehens und ihrer eigenen Aufgabe entwarfen und sich entsprechend ergänzten. Auch hier hatte der Kaiser Möglichkeiten direkter Einflußnahme, aber es gibt keinen Beleg dafür, daß er sie extensiv nutzte. 120 Und selbst dieses Agieren blieb im Rahmen der vorhandenen Vakanzen; man wird MOMMSEN zustimmen, daß die Schaffung supernumerärer Plätze für die Mitglieder der kaiserli chen Familie gerade auf die Initiative des Senates oder der Kollegien zu rückgehen dürfte.121 Auch die Beschränkung auf die Vakanzen darf nicht unterschätzt werden: Unter den etwa vierzig Kalatoren der Pontifices und Flamines der Inschriften von 101 und 102 n. Chr.122 befindet sich der Frei gelassene des Kaisers Trajan an fünfunddreißigster Position; alle vorange120
Vgl. - trotz der kaiserzentrienen Schlußbemerkungen (82) - SCHAFER 2000, 62-69, die die Bandbreite relevanter Patronagebeziehungen für provinziale Auf steiger vorfuhrt. m MOMMSEN 1887, lllOf. Vgl. den Kommentar von KÖSTEFMANN ZU Tac arm. 3,19,1: Auch hier dürfte es sich um zusätzliche Plätze handeln. Das von Dio 51,20,3 beschriebene kaiserliche Recht zur Schaffung solcher Positionen impliziert gerade das Recht des Senates (als verleihende Körperschaft) zu diesem Schritt und dürfte, wie SCHEID (1978) plausibel gemacht hat, auch nur so und begrenzt genutzt wor den sein. 122 CIL 6,31034 (102); CIL 6,32445 (101).
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stellten Kalatoren dienten priesterlichen Patronen, die zum Teil schon mehr als zwei Jahrzehnte im Amt waren; manche der jüngeren Besetzung standen auch in der fast zwanzigjährigen Regierungszeit nicht zur Neubesetzung an. Religionspolitik war in dieser Perspektive nicht mehr länger bloßes Mittel kaiserlicher Sozialpolitik. Vielmehr erscheint in der hier gewählten (und notwendig engen) Perspektive der Bereich religiöser Spezialisten als Qin Indikator und Beschleuniger sozialer Prozesse der Elitenbüdung und internen gesellschaftlichen Schichtung, die jenen breiten Unterbau lieferte, auf dem die Herrschaftsform des Prinzipats ihre Wirkung entfalten konn te. Zentrale Steuerung ist nur die Spitze des Eisberges gesellschaftlicher Selbstorganisation.
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SCHEID, JOHN
Der Kaiser als Priester: Schwerpunkte und Reichweite seines oberpontifikalen Handelns von RUTH STEPPER
1. Einleitung An der Titulatur des römischen Kaisers kann man unschwer erkennen, welche Fülle von Aufgaben und Ämtern in seiner Person vereinigt war. Neben magistratischen Funktionen und Titeln, die ausschließlich ihm vor behalten waren, findet sich in seiner Titulatur ein Amt, das von der ersten Generation an zum römischen Kaisertum gehörte: der Oberpontifikat. Durch die Bekleidung dieses Amtes war der Kaiser Inhaber der höchsten Priesterwürde, die es in Rom gab. Er war pontifex maximus. Während seine Rolle als höchster militärischer Befehlshaber, Richter oder Gesetz geber klare Vorstellungen über die damit verbundenen Tätigkeiten und Aufgaben vermittelt, fällt dies schwerer, wenn man den Kaiser in seiner Funktion als Priester in den Blick zu nehmen versucht. Wie hat man sich das Priestertum eines römischen Kaisers vorzustellen? Bei der Suche nach einer Antwort auf diese Frage wird bald deutlich, daß vieles, was im Sinne der christlichen Erfahrungswelt selbstverständlich erscheint, auf einen rö mischen Priester nicht ohne weiteres zutrifft.1 Am ehesten wird der op1 Die Kritik am Gebrauch des Priesterbegriffes teile ich nicht. So bezeichnet ihn Rüpke aufgrund seiner Assoziationen (Vermittler, Theologe, persönliche Heilig keit) als irreführend und verwendet statt dessen den Ausdruck »religiöse Speziali sten«, vgl RÜPKE 2001, 209. M. E. können die römischen pontifices oder die An gehörigen anderer Priesterkollegien bzw. Priesterschaften im antiken Rom ohne Probleme als Priester verstanden werden. Da sie als die Mittler zwischen den Göt tern und Menschen verstanden wurden, die für eine möglichst störungsfreie Kom munikation mit den göttlichen Mächten zu sorgen hatten, ist eine Charakterisie rung ihrer Tätigkeiten bzw. Aufgaben, mögen sie auch noch so formal und juris-
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fernde, gottesdienstliche Handlungen verrichtende Kaiser der landläufigen Vorstellung von einem Priester gerecht Dabei ist der Kontext des Voll zugs von religiösen Ritualen bei weitem nicht der dominierende Aktions rahmen. Abhängig von den einzelnen in seiner Person vereinigten Priesterämtern - der Oberpontifikat war zwar das wichtigste, aber keineswegs das einzige kaiserliche sacerdotmm - fungierte der Kaiser vor allem als Entscheidungsträger in sakralen und rechtlichen Belangen. Auf dieser Ebene tritt er uns eindringlich in den antiken Quellen entgegen. Beide Rollen, so unterschiedlich sie auch sein mögen, gehören nach römischem Verständnis jedoch eng zusammen. Sie machen das Bild eines sacerdos pMicus vollständig. Welche Priestertümer der Kaiser im einzelnen bekleidete, gibt Augustus in seinen Res Gestae an: Pontifex maximus, augur, XV virum sacris faciundi% VII virum epulonumy frater arvalis, sodalis Titius, feüalis fui? Die hier aufgelisteten priesterlichen Funktionen hat Augustus sukzessive er worben und zum Standard für die ihm nachfolgenden römischen Kaiser gemacht. Darüber hinaus kamen in der Folgezeit Mitgliedschaften in den Sodalitäten für divinisierte Vorgänger hinzu.3 Entscheidend ist die Ku mulation all dieser Priesterwürden. Der römische Kaiser war damit Prie ster für unterschiedliche Kultbereiche. Er hat alle staatlich maßgeblichen Kulte im römischen Reich mittels seiner sacerdotia repräsentiert. Kein anderer Römer neben ihm war Mitglied in so vielen bedeutsamen Priester kollegien und dies in führender Position. Lediglich der zum Caesar er hobene Nachfolger konnte seit Nero in der Regel ähnlich viele Priester würden aufweisen. Doch einen entscheidenden Unterschied gab es, den Oberpontifikat. Pontifex maximus konnte nur der römische Kaiser sein. Eine Doppelbesetzung der höchsten sakralen Würde wurde erst dann ein geführt, als es zwei gleichberechtigte Augusti gab (238 n. Chr.). Der Ober pontifikat ist demnach sowohl ein Distinktivum als auch die in der Kai sertitulatur faßbare Formel für das kaiserliche Priestertum schlechthin.4 In der Forschung gibt es unterschiedliche Meinungen hinsichtlich Kom petenz und Bedeutung des Oberpontifikats. BLEICKXN hat die seit MOMMSEN behaupteten magistratischen Befugnisse des pontifex maximus als dem diktionell ausgerichtet gewesen sein, als die von Priestern ohne Probleme möglich und angebracht. 2 RG7. 3
Im einzelnen waren dies die sodales Augustales, CLzudiales, Flaviales, Hadrianales und Antoniräani. 4 Von allen Priesterwürden des römischen princeps hat nur der Oberpontifikat Aufnahme in die Kaiserntulatur gefunden» vgl. PEKRET 1929, 48.
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römischen Staatsrecht zuwiderlaufend zu Recht zurückgewiesen und ihm jede beamtengleiche Gewalt abgesprochen.5 Demnach konnte ein pontifex maximus hinsichtlich seiner Befugnisse schwerlich in Konkurrenz zu ei nem hohen römischen Magistrat treten.6 BLEICKENS Ablehnung dieser Per spektive ist für die Zeit der römischen Republik berechtigt. In der Kai serzeit jedoch muß dem Versitzenden des Pontifikalkollegiums, dem Kai ser, eine andere Position eingeräumt werden. Auch wenn sich formalrecht lich kaum etwas an dem Amt des ponüfex maximus geändert hat, muß man seinem kaiserlichen Inhaber eine andere Autorität zusprechen als dem republikanischen Vorgänger. Die sehr zügig unter Augustus erfolgende Integration des höchsten Priesteramtes in die kaiserliche Titulatur ließ in der Forschung Zweifel daran aufkommen, ob mit diesem Amt noch konkrete Befugnisse verbun den gewesen seien/ gerade so, als würde der titulare Rang des Oberpontifikats die Wahrnehmung priesterlicher Aufgaben ausschließen. Es steht jedoch außer Frage, daß dem Amt des ponüfex maximus bis zu seiner endgültigen Zurückweisung durch Gratian und Theodosius spezifische Rechte und Pflichten erhalten blieben.8 Irreführend ist es, den Oberpontifikat lediglich als funktionslose Hülse des römischen Kaisertums zu be greifen.9
5
BLEICHEN 1957, 346ff. In der Tradition MOMMSENS stehen J. MARQUARDT und
G. WISSOWA. Eine von BLEICHEN abweichende Position hat CALONOE 1968, der im Oberpontifikat eine Mischform aus Magistratur und sacerdotium sieht. Nach CALONOE ist der pontifex maximus im Besitz verschiedener magistratischer Befugnisse (Recht zur coercitio, iurisdictio, ins edicendi, ins agendi cum populo für die comitia acriata und in bestimmten Fällen für die comiüa tributa). 6 Besonderes Gewicht erlangte der Oberpontifikat, wenn sein Inhaber gleich zeitig eine hohe Magistratur bekleidete. 7 PABST 1997, 176 stellt etwas erstaunt fest, »daß dem Amt Aufgaben erhalten bleiben«. 8 Dies machte es auch schließlich unumgänglich, den Oberpontifikat doppelt zu besetzen, als es zwei gleichberechtigt herrschende Augusti im römischen Reich gab. Unter Pupienus und Balbinus geschah dies zum ersten Mal. Die Existenz zweier pontifices maximi wertet PABST 1997, 176 als »contradictio in adiecto«. Da man den Oberpontifikat jedoch funktional zu begreifen hat, würde die Weigerung, die Be setzung des Oberpontifikats an die Zahl gleichberechtigt herrschender Augusti an zupassen, dem Verständnis des römischen Kaisertums zuwiderlaufen. Es ist dem nach folgerichtig, wenn es so viele pontifices maximi wie Kaiser gab. 9 Diesen Versuch unternimmt PABST 1997, 177: »Die Qualität des ponüfex maximus, die dem Kaiser qua Kaiser seit dem 3. Jh. selbstredend eignet, fordert nicht essentiell, daß er als solcher tätig wird.«
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Der Umgang mit dem Oberpontifikat zeigt, daß er für Interpretationen einen breiten Raum bot. Zu Zwecken der Selbstdarstellung war er bisher noch gar nicht benutzt worden.10 Amt und Titel konnten aufgrund ihrer Verankerung in. der religiösen Tradition der Römer einen charismatischen Wert zugesprochen bekommen.11 Dieses Potential hat Caesar als erster genutzt, um seiner Person eine besondere Weihe zu verleihen.12 Während Ross TAYLOR den Oberpontifikat als eine Qualifikation für »divine rulership« ansieht,15 wendet TA£GER dagegen ein, daß man damit die Bedeutung der charismatischen Elemente dieses Priestertums überschätzen würde, wo doch das Augenmerk auf dessen politischer und gesellschaftlicher Seite liegen müsse.14 Ein gleichlautendes Urteil fällt dieser über den Oberpon tifikat des. Augustus15 sowie über die Bedeutung der vier amplissima collegia in der ausgehenden Republik.16 Die historische Praxis, ablesbar vor allem an Münzen und Inschriften, gibt jedoch Ross TAYLOR recht. Au ßerdem darf man nicht vergessen, daß die pontifices - und allen voran der pontifex maximus - bei den zahlreichen regelmäßigen Kulthandlungen in Rom eine bedeutende Rolle spielten und in eindrucksvoller Weise wahr nehmbar waren 17 Art, Kontext und Häufigkeit seiner Präsenz in der Öf fentlichkeit sind für das Ansehen und den Stellenwert eines Priesters von zentraler Bedeutung- Daraus läßt sich schließen, daß nicht allein politische Zwecke, sondern auch charismatisch intexpretierbare Rollenzuweisungen die Bedeutung des Oberpontifikats ungeheuer steigerten, noch bevor ihn die Kaiser monopolisierten. Die exklusive Zugehörigkeit des Kaisers zu den vier höchsten römi schen Priesterkollegien und die Monopolisierung des Oberponrifikats, der fortwährend seit Augustus in der Kaisertitulatur geführt wurde, legen na he, daß die Position des Kaisers als Priester von eminenter Bedeutung für 10
11
DEININGER 1972,
991.
Bei einem Blick in Ovids Fasti findet man Hinweise, wie der Oberpontifikat seinen Inhaber Augustus dem Göttlichen näherbringt, vgl. Ov. fast. 3, 415-428; 4, 949-954. 12 Dazu STEPPER 1999, 174-177. 13 Ross TAYLOR 1931, 59f. Auch BERLINGER 1935, 73 (gestützt auf LINK 1910, 55ff.) sieht einen Grund für die Heiligkeit des römischen Kaisers in seinem Amt als pontifex maximtcs: »Der Kaiser war das heilige Oberhaupt der römischen Reichs kirche. Da die Priester sancti sind, waren es auch die römischen Kaiser in ihrem Pries teramte.« 14 15 16
17
TAEGER 1960, 59 Anm. TAEGER 1960, 123f. TAEGER 1960, 113t
42.
VgL etwa Hör. carm. 3, 30, 7ff. .
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die Definition des Kaisertums war. Um so mehr mag es auf den ersten Blick verwundern, daß, wie ALFÖLDI bemerkt, »die priesterlichen Oblie genheiten des Kaisers politisch nicht so folgenschwer [waren], daß sie der Kaisertracht eine eigene Note aufprägen hätten können. Auch die sakralen Gerätschaften der großen Priesterkollegien waren, von Privaten ständig gehandhabt, wenig dazu geeignet, zu Abzeichen der Herrschaft zu wer den.«18 Welche Erklärung gibt es dafür? Hinsichtlich der Kleidung ist zu bedenken, daß der Kaiser, wenn er als pontifex maximus in Erscheinung trat, kein besonderes Gewand trug- Die traditionelle Kleidung des höch sten römischen Priesters war die toga praetexta}9 Am Gewand ließ sich der Oberpontifikat nicht festmachen. Daher war es auch kaum geeignet, zeichenhafte Bedeutung zu erlangen. Anders verhält es sich mit den em blemartigen Priestergeräten simpulum, Utuus, tripus und patera. Insbeson dere auf Münzen läßt sich seit der späten römischen Republik in ihrer isolierten Darstellung die Entwicklung zu einer zeichenhaften Verwen dung dieser Geräte nachweisen.20 Ein wichtiger Grund, warum jedoch kei nes dieser Geräte eine konstant dominante Rolle in der Versinnbildlichung der kaiserlichen Priesterwürde spielte, dürfte darin zu finden sein, daß sich die stabile Komposition aller vier Geräte als Abbild der quattuor amplissima collegia durchgesetzt hat, in denen der Kaiser viele andere Kollegen neben sich hatte. Einzig und allein der Obeipontifikat war exklusiv ihm vorbehalten. Doch dafür hat sich kein eindeutiges Emblem etabliert.21 Letztlich liegt die fehlende Ausbildung einer speziellen Tracht oder Insignie für das kaiserliche Priestertum darin begründet, daß es in der antiken Welt nicht die uns geläufige Trennung von Herrschertum und Priestertum gegeben hat. 18
ALFÖLDI 21977, 142. Er weist darauf hin, daß der Krummstab der Auguren gewissermaßen eine Ausnahme darstellt, jedoch auch nur für eine bestimmte Zeit. Von Sulla bis Augustus spielen Augurat und lituus eine prominente Rolle, was sich auf Münzen und in der bildenden Kunst niedergeschlagen hat. Schon bald aber büßt der Krummstab seine üisignienhafte Bedeutung ein und reiht sich wieder unter die anderen Priestergeräte ein, ALPÖLDI 21977, 142f. 19 Mit einem expliziten Hinweis darauf HA Alex. Sev. 40, 9. 20 Vgl. dazu die gut dokumentierte Studie von SIEBERT 1999, 117-136. Danach läßt sich die Schöpfkelle den pontifice^ der Krummstab den Auguren, der Dreifuß den Quindecimviri und die Öpferschale den Septemviri zuordnen. 21 SIEBERT 1999, 133 nennt das aspergillum als Zeichen für die Würde des pon tifex maximtts. Ebd., 172 wird jedoch auf eine weitere Möglichkeit verwiesen, wo nach auch die Kombination von lituus und simpulum als Amtsabzeichen des pon tifex maximus gelten kann. Daraus ist der Schluß zu ziehen, daß es kein klar de finierbares und exklusives Emblem für den pontifex maximus gab.
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Den Obeipontifikat des römischen Kaisers ak stadtrömischen Posten 2 U bewerten, der in der Kaisertitulatur »mitgeschleppt* wurde, wird we der seiner Bedeutung noch seiner Entwicklung gerecht. Aus welchem Grund sollte ein Amt, das angesichts seiner lokalen Beschränkung für das Reichsganze von höchstens sekundärer Bedeutung gewesen sein könnte, so dauerhaft und ohne Unterbrechung in einer Kaisertitulatur propagiert werden, die durch die übrigen dort aufgeführten Titel und Befugnisse eine über die Stadt Rom hinausgehende bzw. reichsweite Geltung signalisiere? Dieses Amt, das zweifellos ein integraler Bestandteil des römischen Kai sertums war, läßt sich meines Erachtens nur dann adäquat deuten, wenn man von einer reichsweiten Zuständigkeit ausgeht Wie sollte man außer dem die in der Spätantike von der Kirche in Gang gesetzte Auseinander setzung um das kaiserliche Priestertum verstehen, wenn es sich lediglich um ein stadtrömisches Amt gehandelt haben soll? Die reichsweite Geltung wird unter Kaiser Julian am signifikantesten erkennbar. Doch Julian kann diese nicht erst ins Leben gerufen haben, da er unter dem Druck der nun dominierenden christlichen Kirche auf vorhandene Strukturen zurückge griffen hat und diese nicht erst schaffen konnte- Neu ist seine Interpreta tion des Oberpontifikats, den er zu einer Waffe im Kampf für den alten Glauben und gegen das Christentum umfunktionierteWahrend in der römischen Republik die einzelnen Kollegien weitge hend nebeneinander bestanden, ohne in ihrer Gesamtheit bei öffentlichen Auftritten zum Zwecke gemeinsamer Handlungen präsent zu sein, änderte sich dies an deren Ende grundlegend.22 Durch die Einbindung der staat lichen Priester Roms in den Dienst des neuen Systems seit Augustus wer den diese als Gesamtheit wahrnehmbar. Bei Prozessionen und Opfern tre ten sie nun gemeinsam auf.23 Die Trennung ihrer unterschiedlichen Funk tionen oder Zuständigkeiten verliert an Bedeutung, da sie in der Person des prineeps einen gemeinsamen Träger gefunden haben. Der sich bildende Prinzipat geht mit einer Vereinheitlichung und Hierarchisierung religiöser Institutionen einher. Erst ab dem dritten Jahrhundert zeichnet sich eine Wende ab. Während in der Phase der Soldatenkaiser die Erhebung des Thronnacbfolgers zum Caesar mit dessen Aufnahme in die quattuor am■plissima collegia verbunden bleibt,24 was sich anhand von Münzemissionen 22
Dazu RÜPKE 2001, 231. Anschauliches Beispiel sind die Friese der Ära Paris Augustae. 4 Noch Carus (282-283) setzt diese Tradition bei der Caesaxenernennung seiner beiden Sohne Carinus und Numerianus fort Auch Terricus I. (271-274) und dessen Sohn Terricus IL, die Vertreter des Gallischen Sonderreiches, propagieren die Zu gehörigkeit zu den qxattuor amplissima collegia, obgleich mit ziemlicher Sicherheit 23
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mit der Darstellung standardisierter Priestergeräte nachweisen läßt, ändert sich dies mit der Regierungsübernahme Diokletians. Von nun an vermißt man die in Form der Priestergeräte symbolisierten Hinweise auf die Auf nahme der Caesares in die angesehensten Priesterkollegien Roms. Unver zichtbar hingegen bleibt der Oberpontifikat, auch wenn er unter den Tetrarchen nicht besonders betont propagiert wird-25 Bei dem Versuch ei ner heidnischen Restauration unter Kaiser Julian spielen die einzelnen rö mischen sacerdotia keine Rolle mehr. Er berufe sich bei seinen Erneue rungsversuchen des alten Götterglaubens ausschließlich auf den Oberpon tifikat, auch wenn seine Auffassung von diesem Amt nicht sehr viel mit dem traditionellen Aufgabenbereich eines pontifex maximvts zu tun hat. Julians Ideologisierung des Obeipontif ikats im Widerstreit mit dem Chri stentum hat schließlich den Ausschlag gegeben, warum Gratian als christ licher Kaiser dieses Amt zurückgewiesen hat, ja zurückweisen mußte. Ju lian hatte mit dem Oberpontifikat ein persönliches Glaubensbekenntnis verbunden. Aus dem höchsten kaiserlichen Priesteramt wurde so eine Be kenntnisfalle- N u n erst und nicht seit der konstantinischen Wende stellte sich zwangsläufig die Frage, ob es einem christlichen Kaiser erlaubt sei, das Amt des pontifex maximus zu besorgen. Die Antwort war ein ent schiedenes Nein. 26 Doch welche Aufgaben hatte der Kaiser als pontifex maximus zu erfül len? Gab es bevorzugte oder auffallend wichtige Bereiche, in denen er als höchster Priester Roms ein besonderes Engagement zeigte oder zeigen konnte? Lassen sich individuelle Unterschiede in der Amtsführung bzw. in dem sich darin widerspiegelnden Selbstverständnis ausmachen? Wenn im folgenden von'bestimmten Schwerpunkten oberpontifikalen Handelns ausgeschlossen werden kann, daß sie tatsächlich in die Priesterkollegien aufgenom men wurden. Tetricus und seine Vorgänger Postumus und Victorinus führen auch den pontifex 772aximus-Tizd, um damit ihren Anspruch auf die Herrschaft über das gesamte Imperium zu signalisieren, ohne tatsächlich im Besitz dieses Amtes zu sein. Wollten sie als römische Kaiser wahrgenommen werden, war der Oberpontifikat obligatorisch. 25 Münzen, die Diokletian und Maximian als pontifices maximi ausweisen, sind nicht sehr häufig- Der pontifex maximzcs-Tizel findet sich in der Münzprägung für Diokletian ganz vereinzelt im Zeitraum der Jahre 290-292, für Maximian in einem ähnlichen Zeitraum (290-293). Die Inschriften hingegen beinhalten, sooft die kai serlichen Ämter und Befugnisse aufgelistet werden, meist auch den Oberponöfikat, so etwa TLS 615-618 (darunter ein Meilenstein, ansonsten handelt es sich um Dedikationen aus dem zivilen und militärischen Bereich, darunter die Inschrift eines Statthalters). u Vgl dazu STEPPER 2002 (im Druck).
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die Rede ist, soll nicht bestritten werden, daß es über die hier getroffene Auswahl hinaus andere wichtige Entscheidungs- und Tätigkeitsfelder der römischen Kaiser gab, in denen sie als pontifices maximi aktiv wurden. Doch nicht in allen Bereichen lassen sich die principe* als höchste Priester Roms gleichermaßen gut oder angemessen erfassen. Insbesondere das Dar bringen von Opfern oder die Beteiligung an der Dedikation von Tempeln sind so selbstverständlich mit ihrer Rolle als pontifex maximus verbun den,27 daß in den Quellen nicht eigens oder lediglich punktuell darauf eingegangen wird. Andererseits gestatten nicht alle durch Quellen hinrei chend erschließbaren Bereiche, in denen die Kaiser fortgesetzt Entschei dungen trafen, aussagekräftige Rückschlüsse auf die kaiserliche Amtsfüh rung.28 Der hier unternommene Versuch einer Schwerpunktbestimmung in der oberpontifikalen Praxis des Kaisers erscheint hingegen vor allem dann sinnvoll, wenn sich mögliche Entwicklungslinien, Konstanten oder Brüche hinsichtlich der Tradition aufzeigen lassen. Von diesem Thema läßt sich die Erörterung der Frage, ob die Autorität bzw. Zuständigkeit des Kaisers als pontifex maximus reichsweit Geltung hatte, nicht trennen- Für die Beur teilung des kaiserlichen Priesterstatus ist sie zentral und bisher keineswegs eindeutig beantwortet. U m so wichtiger erscheint es, zur Klärung dieses Sachverhalts in "dem hier vorgestellten Kontext beizutragen. 2. Regeln und Spielräume bei der Interpretation der Tabuvorschriften des flamen Dialis Während des 1. nachchristlichen Jahrhunderts setzten sich die Kaiser wie derholt mit der Frage nach Regeln und Spielräumen bei der Interpretation der Tabuvorschriften des flamen Dialis auseinander.29 Der Jupiterpriester 17
Bei jeder Neugründung eines Tempels mußten die römischen pontißces neue Kultsatzungen aufstellen, vgl. ROHDE 1936, S. 125. 28 Eine in den Zuständigkeitsbereich der ponäfices fallende, überaus bedeutsame Angelegenheit, die das Erb- und Familienrecht betraf, waren die in Form der ar~ rogatio vollzogenen Adoptionen, die eines ponofikalen Gutachtens bedurften. Auf eine Behandlung der kaiserzeitlichen Praxis in dieser Frage wird hier verzichtet. Zum Thema Adoption bereitet CHRISTIANE KUNST, Universität Potsdam, eine um fassende Untersuchung vor. Ein nicht zu vernachlässigender, in der Forschung hinreichend erschlossener Bereich war die Personalp olirik innerhalb der Priesterkollegien, deren Gestaltung dem Kaiser als höchstem Priester durch ein exklusives Empfehlungsrecht bei der Wiederbesetzung vakanter Priesterstellen vorbehalten war. Vgl dazu die prosopographischen Studien von HOFFMAN LETPIS 1955; SCHEID 1978; SIMON 1973; HARKISON 1974; SCHUMACHER 1973; SCHUMACHER 1978. 29
Zu diesem Priestertum vgl. SIMON 1996.
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unterstand traditionell der Aufsicht des pontifex maximus. Augustus sorg te kurz nach seiner Wahl zum höchsten römischen Priester (6-März 12 v. Chr.) 30 für die Wiederbesetzung der Stelle des flamen Dialis (11 v. Chr.), nachdem dieses Amt-seit dem Tod des L. Cornelius Merula (87 v. Chr.) unbesetzt geblieben war.31 Augustus ernannte Servius Cornelius Lentulus Maluginensis, consul suffectus des Jahres 10 n. Chr., der sich jedoch nicht allein mit seinem angesehenen Priesteramt zufrieden geben wollte. Als Consular hatte Servius Maluginensis Aussicht auf die Verwaltung der Pro vinz Asia und versuchte beim Nachfolger des Augustus, Tiberius, eine Lockerung seiner Amtsbeschränkungen, die ihm eine längere Abwesenheit von Italien verboten, zu erreichen (22 n- Chr.). Tiberius untersagte dem Antragsteller jedoch die angestrebte Übernahme einer Provinzverwal tung. 32 Das Amt des flamen Dialis verwehrte auch weiterhin seinem In haber eine aussichtsreiche politische Karriere, im Gegensatz zu den an deren flamines maiores?* Schon kurze Zeit später, nach dem Tod des Ser vius Maluginensis, mußte Tiberius aber einräumen, welcher akute Reform bedarf für den Posten dtsflamen Dialis bestand.34 Im Jahre 23 wurde über einen Gesetzesvorschlag beraten, der dem Kandidatenmangel bei der Be stimmung des Jupiterpriesters abhelfen sollte. Bemerkenswert an dieser Beratung ist, daß Tiberius Gründe für die drastische Abnahme von Kan didaten zur Sprache bringt. Der Kreis möglicher Bewerber sei bereits da durch erheblich beschränkt, weil die ftir den flamen Dialis obligatorische Eheschließung in Form der confarreatio nur noch selten praktiziert würde. Außerdem bringe dieses Priestertum für seinen Inhaber und dessen Frau, die an den priesterlichen Aufgaben Anteil Habe, einen veränderten Rechts status mit sich, da der Jupiterpriester aus der väterlichen Gewalt in die des pondfex maximus überwechsle. Darin lagen für Tiberius die wichtigsten 30 31
RG 10.
1999,14 widerspricht der von WISSOWA 21912, 71 vertretenen Ansicht, daß die so lange Zeit unterlassene Wiederbesetzung des Jupiterpriestertums auf die Schwierigkeit zurückzuführen sei, geeignete Kandidaten ausfindig zu machen. Scheid nimmt an, daß Augustus durch seinen konkurrenzlosen Einfluß auf das Ponüßkalkollegium und den Senat die einer captio vorausgehende nominatio von drei Kandidaten verhinderte, um dem mit ihm verfeindeten, jedoch als pondfex maximus bis 13 v. Chr. amtierenden Lepidus keine Gelegenheit für öffentliche Auf tritte zu geben: »Et sans cette nominatio, le grand pontife ne pouvait pas agir.« 32 Tac. ann. 3, 58 und 3, 71, 2 f. 33 Daraufweist Servius Maluginensis bei seiner Antragsbegründung hin, vgl Tac ann. 3, 58, 1: [.-] neque aliud ms suum quam Martialium Quirznaliumque flaminum: porro, si hi duxissent provincia$> cur DiaUbus ict vetitum? 34 Tac. ann. 4, 16. SCHEID
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Hindernisse für einen breiteren Bewerberkreis. Da der Beschluß auf eine Verbesserung der rechtlichen Stellung der flaminica Dialis abzielte,35 läßt sich ermessen, daß wohl oft genug die Ehefrauen möglicher Kandidaten vor dieser Aufgabe zurückschreckten und eine Kandidatur ihrer Männer für ein Priesteramt, das sie selbst gleichermaßen in die Pflicht nahm, ver hinderten. Die Bereitschaft zu weitreichenderen Reformen war jedoch ge ring, was daran erkennbar wird, daß man nichts an den Amtspflichten und Beschränkungen dieses Priestertums änderte.3* Andererseits wurden durchaus Abweichungen von den Tabuvorschrif ten des flamen Dicdis unter Tiberius akzeptiert. Als Caligula im Jahre 39 seinen zweiten Consulat antrat, hinderte er den Jupiterpriester daran, den Eid abzulegen,37 da für diesen Priester die Ableistung eines Eides generell als nefas galt.38 Tiberius jedoch hatte dies so praktiziert.39 Unter Domitian tritt der Jupiterpriester noch einmal in den Mittelpunkt des Interesses. Der flamen Dialis konnte sich nicht von seiner Ehefrau scheiden lassen, da die Ausübung seines Priesteramtes an die kultisch zwingend notwendige eheliche Gemeinschaft mit der flaminica Dialis ge bunden war. Domitian hat dieses Verbot nicht aufgehoben, die Scheidung nach einer entsprechenden Anfrage in einem konkreten Fall jedoch ge stattet.40 Der Akt der Scheidung wurde unter Anwesenheit der Priester (oi ispsic;), damit sind wohl die pontifices gemeint, und Vollzug vieler schau derhafter und merkwürdiger Riten durchgeführt. Obgleich der Kaiser da mit eine Abweichung von der gesetzlichen Norm zugelassen hat, wurden die Vorschriften und Tabus für den Priester des höchsten römischen Staatsgottes als grundsätzlich unumstößlich betrachtet, so daß Reformen nahezu ausgeschlossen waren. Bei der von Domitian erlaubten Scheidung 35
Die Verfügungsgewalt des Jupiterpriesters über seine Frau sollte sich auf die Verrichtung ihrer priesterlichen Pflichten beschränken. In allen anderen Angele genheiten sollte die flaminica weiterhin der Gewalt ihres Vaters unterstehen. Tac. ann. 4, 16, 3. 36 Tac ann, 4, 16, 3: igitxr tractatis reügionibus pladtxm instituto flamimtm nihil demutarz; 37 Cass. Dio 59, 13, 1. Zum Thema Kaisereid siehe den in diesem Band abge druckten Beitrag von H. CANCIK. 38 Gell. 10,15, 31; Plut. Quaest Rom. 44; Liv. 31, 50, 7. 39 Cass. Dio 59,13,1: neroc 5s TO-ÜIO waxeOaotq CCÜGK; XÖV fxev w o Aio<; iepea exrötoasv ev i§ crove5piQ ojmöaai (i5i<* 70p Kcri töte, c6o7cep iiti xoö Tißepiou, xdv öpKOv ercoiofivro) [...]. 40 Plut QuaesL Rom. 50: [...] ö ispCL>q w o Aiöq, [...] ööev ovdy &7i07i^yaaeca icpx~ Beiq Aoji£Tiocv6<;. oi 5* iepei^rcocpevevöVTöTQ TO*5 y&yuov ÖiccXtiosi, icoAXcc 9piK(b$ri Kai dXXÖKOxa KCCI GK\>6pco7ta Spftvteg.
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handelt es sich um eine Ausnahme und nicht u m eine Aufhebung der Regel. Es ist gänzlich unwahrscheinlich, daß der geschiedene flamen Dialis sein Priestertum behalten konnte. Einen Bruch mit den Vorschriften über das äußere Erscheinungsbild des Jupiterpriesters nahm Domitian in Kauf, als er sich bei den von ihm gestifteten Capitolia, Wettkämpfen zu Ehren der kapitolinischen Göttertrias, in Begleitung des flamen Dialis zeigte, der jedoch nicht in seiner üblichen Kleidung, sondern in griechischer Auf machung 41 mit Krone 42 , die mit den Bildern des Kaisers und der drei ka pitolinischen Gottheiten geschmückt war, erschien.43 Dafür mußte er seine obligatorische Kopfbedeckung, galerus mit apex, ablegen, die er laut Vor schrift jedoch ununterbrochen zu tragen hatte/ 4 Domitian hob dis pontifex maxirmts diese Regel auf und ordnete sie seinem eigenen herrscherlichen Interesse unter. Der Kaiser definierte die Gültigkeit von Vorschriftea Was können die hier vorgestellten Begebenheiten über den Kaiser als pontifex maximus aussagen? Einerseits zeigt sich, daß die für das Priester tum des flamen Dialis als substantiell anzusehenden Bestimmungen wie seine räumliche Bindung an Italien oder die eheliche Gemeinschaft mit der flaminica sehr stabil waren und sich gegenüber Reformen als unzugänglich erwiesen. Die Praxis der Vertretung durch die pontifices bei einer fortdau ernden Vakanz, die in der späten römischen Republik zu einer festen In stitution gedieh, war für den Kaiser und pontifex maxirrms nicht akzep tabel. Wenn es einen Jupiterpriester gab, und für dessen Nachwahl sorgte der Kaiser, dann mußte er auch vor Ort sein, um seinen Priesterdienst in angemessener Weise verrichten zu können. Andere Vorschriften, die seine Kleidung oder bestimmte Handlungen wie die Eidesleistung betrafen, wurden hingegen1 keineswegs als unumstößlich betrachtet. Man gewinnt den Eindruck, daß die Kaiser Abweichungen von der Norm gestatteten, wenn sie selbst die Nutznießer davon waren. In solchen Fällen erscheint der flamen Dialis mitunter als willfähriges Objekt in der Hand des Kai sers, der als pontifex maxirrms die Verfügungsgewalt über ihn hat. Ange sichts der herausragenden Bedeutung Jupiters für den römischen Staat und 41
Sueton spricht von Sandalen und einer griechisch geschnittenen Purpurtoga. 2
ALFÖLDI 1977, 269 geht von einem Pallium aus. 42 2 AUPÖLDI 1977, 269 charakterisiert diese Kronen
als hellenistische Priester kränze. 43 Suet Dom. 4, 4: Certamini praesedit crepidatus px?pureaque amictus toga Graecamcoy capite gestans coronam amream cum effigie levis ac Innonis Minervaeque> adsidentibus Diali sacerdote et collegio Flavialium pari babitu, nisi quod iÜorum coronis inerat et ipsius imago* Zur Deutung dieser Kronen als Büstenkronen von Agonotheten siehe RUMSCHEID 2000, 9f. 44 Gell. 10, 15, 17: sine apice sub divo esse liptum non est.
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Staatskult kann es nicht verwundern, daß der flamen Dialis in einer be sonderen, geradezu exklusiven Verbindung zum Kaiser erscheinen sollte. Viel eindringlicher als in der literarischen Überlieferung läßt sich die Nähe zwischen Kaiser und flamen Dialis in der Ikonographie nachweisen. Ein prominentes Beispiel dafür ist der Südfries der Ära Pacis Augustaey auf dem uns der flamen Dialis wie auch die anderen flamines maiores {flamen Martialis und Quirinalis sowie der flamen Julialis) in der unmittelbaren Nachbarschaft des ersten Mannes Roms begegnen.45 Wie stabil diese per sonelle Nähe zwischen Kaiser und Priester des höchsten römischen Staats gottes war, demonstriert ein Relief aus späterer Zeit, das Marc Aurel vor dem Tempel des Jupiter Capitolinus nach dem Ende der Markomannen kriege beim Opfer zeigt. Direkt neben ihm im Hintergrund steht der flamen Dialis mit galervis und apexf*
3. Verfahrensweisen bei der Aufsicht über die Vestalinnen Ein weiteres wichtiges Handlungsfeld des Kaisers als pontifex maximus war die Aufsicht über die Vestalinnen und deren Kultobliegenheiten. Die ser Bereich war sehr sensibel und läßt unterschiedliche Ansätze bzw. Ab sichten der Kaiser erkennen. Augustus, bekannt als Initiator zahlreicher Reformen zur Wiederbelebung der religio Romana, hat sich in verschie dener Weise für die Vestalinnen und deren Priestertum eingesetzt. Um anhaltende Nachwuchsprobleme bei den Priesterinnen Vestas zu lösen, hat Augustus die Qualifikationsschwelle für Bewerberinnen drastisch herab gesetzt. Seit 5 n. Chr. wurden auch die Töchter Freigelassener zugelassen.47 Wenig Sinn für die kultischen Traditionen bewies er jedoch, als er wenige Jahre vorher, etwa eineinhalb Monate nach seiner Wahl zum pontifex maximus, die traditionell in der aedes Vestae aufbewahrten pignora imperii, die das Wohl und die Dauerhaftigkeit des römischen Staates verbürgten, kurzerhand in die domus'Augusta auf den Palatin brachte. 48 Mit seiner späteren oberpontifikalen Fürsorge gegenüber den Vestalin nen verträgt sich sein Verhalten während des Bürgerkrieges jedoch ganz und gar nicht. Octavian scheute sich nicht, das bei den Vestalinnen de ponierte Testament seines Gegners Marc Anton gewaltsam in seinen Besitz 45
Dazu KOEPPEL 1987. Siehe KOEPPEL 1986, 9ff. Kar. 25, Abb. 29. 47 Cass. Dio 55, 22, 5. 48 Ov. fast. 3, 422 46
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zu bringen.49 Die Priesterinnen der Vesta verweigerten pflichtgemäß die Herausgabe. Plutarch spricht vom Widerstand der Vestalinnen, als Octavian unter Anwendung von Gewalt in das Heiligtum der Vesta eindrang. Diesem gravierenden Vergehen gegen das römische Sakralrecht50 folgte eine weitere Straftat, als er das Dokument aus dem Vestaheiligtum raubte. Eines dritten Vergehens machte er sich mit der Veröffentlichung des Te staments angesichts des noch lebenden Testators schuldig.51 In einer neu eren Untersuchung wird unter Hinweis auf die Aussagen der fasti Ovids die These aufgestellt, daß Octavian das strenge KeuschJbteitsgebot der Ve stalinnen verletzt hätte.52 Damit sind sexuelle Übergriffe Octavians auf die Priesterinnen Vestas gemeint, die sich anhand der Quellen jedoch nicht belegen lassen. Auch wenn man dieser These eine gewisse Logik nicht absprechen kann, muß man sich dennoch fragen, aus welchem Grund Octavian sich an den Vestalinnen vergangen haben soll. Die nachweisbaren Vergehen Octavians im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des Te staments seines Rivalen hatten handfeste, politisch kalkulierte Gründe. Welchen Vorteil jedoch hätte ihm der von KOKTEN angenommene Inzest gebracht? Keines seiner Verbrechen im Zusammenhang mit der gesetzeswidrigen Veröffentlichung des fremden Testaments wurde strafrechtlich verfolgt, da der dafür zuständige pontifex maximus Lepidus, der für den Schutz der Vestalinnen verantwortlich war, in der Verbannung lebte und folglich nicht eingreifen konnte. Seine Kollegen, die das in seiner Vertretung hätten veranlassen müssen, unterließen dies entweder aus Gründen der Selbster haltung oder sahen als Parteigänger Octavians, der selbst seit 48 v. Chr. zu den pontifices zählte, darüber hinweg. Wir wissen, daß Octavian beim öffentlichen Verlesen des geraubten Testaments bei den meisten Senatoren Mißfallen erntete,53 geahndet jedoch wurde es nicht. Die gesamte Kaiserzeit hindurch ist erkennbar, daß insbesondere die Aufsicht über die Vestalinnen ein in verschiedener Hinsicht heikles Thema war. Wie Augustus bemühte sich auch Tiberius darum, den Dienst einer 49
Plut. Arn. 58, 3; Cass. Dio 50, 3, 4. Die böswillige Schändung des Vestatempels durch das Eindringen eines Man nes bedeutete eine Stöi-ung der öffentlichen Ordnung und verlangte eine strafrecht liche Verfolgung. Zu diesem Delikt vgl. Ov. fast. 6, 450-452; Lact. inst. 3, 20, 3-4; Serv. Aen. 9, 4, 23-26. 51 Nach der lex Cornelia, defalsis vom Jahre 81 v. Chr. galt die Veröffentlichung eines Testaments zu Lebzeiten des Testators als ein Kapitalverbrechen, Dig. 48, 1, 1-2 sowie 48, 10, 1-2 und 5. 52 KÖRTEN 1992, 66ff. 5> Plut. Aat. 58, 3-4. 50
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Vestapriesterin attraktiver zu machen. Sueton überliefert, daß er den Vestalinnen testamentarisch ein Legat ausgesetzt habe.*4 Als im Jahre 19 n. Chr. zwei Väter ihre Töchter für den Vestadienst anboten, entschädigte Tiberius die abgewiesene Kandidatin mit einer größeren Geldsumme.55 Ähnlich belohnte er die Vestalin Cornelia im Jahre 23 für ihren Eintritt in die Priesterschaft der virgines Vestae.56 Die Besetzung vakanter Stellen, die der pontif ex maximus in Form der captio vorzunehmen hatte, wird uns für mehrere Kaiser überliefert.57 Zur Ausübung der patria potestas gegenüber den Vestalinnen gehölte auch die Bestrafung einer Vestalin, die gegen ihr Keuschheitsgelübde ver stoßen hat. Aber selten zeigten die Kaiser so viel Eifer wie Domitian, der in zwei Gerichtsverfahren (83 und 90 n. Chr.) vier Vestalinnen, darunter die vestalis maximay mit dem Tode bestrafte.58 Wie wir von Sueton erfah ren, sind weder Vespasian noch Titus, obgleich ihnen diese Fälle bekannt waren, dagegen vorgegangen.59 Domitian hingegen erwarb sich mit seinem hartnäckigen Vorgehen den Ruf eines strengen Sittenwächters. Nachdem die Obervestalin bei dem ersten Verfahren 83 n. Chr. freigesprochen wor den war, wurde einige Jahre später ein zweites Verfahren angestrengt, das mit ihrer Verurteilung endete. Sie wurde daraufhin lebendig begraben. Auch die mitangeklagten und überführten Verführer wurden mit dem Tode bestraft. Lediglich ein Verdächtiger, dessen Schuld nicht nachgewie sen werden konnte, kam mit seinem Leben davon. Er wurde in die Ver bannung geschickt.60 Zum Vorgehen Domitians ist zu sagen, daß die Hin richtung einer unkeuschen Vestalin rechtlich möglich war. Allerdings war diese Praxis bereits in den Zeiten der römischen Republik außer Gebrauch gekommen. Was jedoch die Zeitgenossen an der Vorgehensweise Domiti ans besonders störte, war eine Reihe von Verfahrensfehlern, die sich ein ebenso streng wie korrekt verfahrender pontif ex maximus nicht leisten durfte. So sah er von einer Vorladung der angeklagten Obervestalin Cor nelia ab, die damit keine Gelegenheit hatte, sich zu verteidigen und even tuell einen Freispruch zu erwirken. Dies wog um so schwerer, als sich der M
Suet. Tib. 76. Tac. am. 2, 86. . 56 Tac. ann. 4, 16, 4. 57 Neben Tiberius auch für Nero, Tac. ann 15, 22, 2, sowie Trajan, Relief in Terracina mit Trajan capite velato und einem Mädchen, an dem er gerade die captio 55
vollzieht, vgl. SIMON 1990, 231. 58
Darüber berichten Suet. Dom. 8 und Plin. episL 4, 11. Zu den Vestalinnen vgl.
STAPLES 1998 und CANCIK-LINDEMAIER 1996. 59
60
Suet. Dom. 8, 3 f. Suet. Dom. 8, 4.
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rechtliche Status einer Vestalin von dem anderer römischer Frauen unter schied, da sie das Recht besaß, vor Gericht als Zeugin aufzutreten.61 Au ßerdem nahm Domitian keine Rücksicht auf das Meinungsbild im ver handlungsführenden Pontifikalkollegium.62 Mit der Urteilsvollstreckung beauftragte er schließlich seine Kollegen, um einem öffentlichen Auftritt angesichts der, wenn wir den Berichterstattern Glauben schenken dürfen, emotional aufgeladenen Stimmung in Rom zu entgehen: »Sofort wurden die ponüfices ausgeschickt, um sie vergraben und töten zu lassen« (Plin. epist. 4, 11, 7). Alle diese Verfahrensfehler nahm Domitian in Kauf, um das Urteil rasch vollstrecken zu können. Es zeigt sich, daß dieser recht nega tive Eindruck von Domitian nicht allein dem Zerrbild der darüber berich tenden Autoren zuzuschreiben ist. Auch Statius, der sich mit mehreren Gedichten panegyrischen Charakters an Kaiser Domitian hervorgetan hat, spricht von der auffallenden Wachsamkeit Domitians, um verborgene Ge fahren aufzudecken.63 Zu einer weiteren Serie von Hinrichtungen mehrerer Vestalinnen kam es unter Caracallay worüber Cassius Dio berichtet.64 Die näheren Umstände, die den Kaiser zur Anwendung seiner patria potestas gegenüber den virgines Vestae veranlaßten, sind nicht ganz klar. Offensichtlich gerieten die Priester innen in den Verdacht, das Keuschheitsgebot verletzt zu haben, was für einen Fall expressis verbis mitgeteilt wird. Cassius Dio kennt auch die Namen der beschuldigten Vestalinnen.65 Ungewöhnlich an diesen Vor fällen ist, daß von mitangeklagten Verführern keine Rede ist. Statt dessen ist Cassius Dio davon überzeugt, daß Caracalla selbst eine der vier Ve stalinnen geschändet hat.66 Als Schändung einer Vestapriesterin empfanden die Zeitgenossen zwei fellos Kaiser Elagabals Hochzeit mit Aquilia Severa, die sogar vestalis maxima gewesen war.67 Auch Cassius Dio ist empört darüber und rügt, daß Elagabal sich mit diesem Verbrechen gebrüstet habe, wofür er doch auf dem Forum ausgepeitscht, ins Gefängnis geworfen und hingerichtet hätte 61
Gell. 7, 7, 2. Tacitus spricht von einer alten Sitte (vetus mos\ Vestalinnen auf dem Forum und vor Gericht zu verhören, vgl Tac. arm. 2, 34, 4. 62 Davon zeugt der als ohnmächtige Reaktion auf Domitians Vorgehen gedeutete plötzliche Tod eines pontifex, Helvius Agrippa, im Sitzungsraum des Senats, vgl. Cass. Dio 67, 3, 32 (Angaben nach der Ausgabe von F OSTER / CAJRY, LCL). 63 VgL Stat. silv. 1, 1, 35f. und 5, 3, 178: fach explorator opertae. 64 Cass. Dio 78, 16, 1 - 3 . 65 Aurelia Severa, Pomponia Rufina, Cannutia Crescentia, die der Vollstreckung des Urteils durch Selbstmord zuvorkam, und Clodia Laeta. 66 Cass. Dio 78, 16, 1. 67 Cass. Dio 80, 9, 3.
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werden sollen.68 Obgleich sich Elagabal bald nur noch als Priester für den syrischen Sonnengott Elagabal sah69 und diesem alles andere unterordnete, blieb er pontifex maximus und hatte von Amts wegen die Aufsicht über die Vestalinnen. Er hat nicht nur aufs gröbste gegen römisches Sakralrecht verstoßen, als er sich mit der Vestalin verheiratete, da er sich aus dieser Verbindung göttliche Kinder erhoffte,70 sondern auch seine Aufsichts pflicht ignoriert. Auch wenn Elagabal auf Druck der Öffentlichkeit diese Ehe wieder - zumindest für einige Zeit - löste,71 gab es keine Interventi onsmöglichkeiten für das Kollegium, einen derartigen Schritt zu verhin dern oder zu ahnden. Das kaiserzeitliche System mußte auch einen pon tifex maximus ertragen, der gegen die Regeln verstieß. Fübrungslos und damit handlungsunfähig wurde die römische Religion, als es keinen Kaiser mehr gab, der das Amt des pontifex maximus ausübte. Wer sollte dessen traditionelle Rechte und Pflichten ausüben? Symmachus hatte sich in zwei Briefen darum bemüht, herauszufinden, wer eine des Inzests überführte Vestalin, aus Alba samt ihrem Verführer ihrer gerechten Strafe zuzuführen berechtigt ist, um damit dem Urteilsspruch des zustän digen Kollegiums der pontifices von Rom zu entsprechen.72 Symmachus war selbst Mitglied im römischen Pontifikal kollegium und insofern mit verantwortlich für die Ahndung von Verstößen gegen die sakralen Vor schriften. Wann genau sich dieser Vorfall ereignete, ist nicht überliefert. Die betreffenden Briefe stammen jedoch aus der letzten Dekade des vier ten Jahrhunderts. Zu dieser Zeit war der römische Kaiser bereits nicht mehr pontifex maximus und damit auch nicht länger mit der Aufsicht über die römische Religion befaßt. Symmachus wandte sich, auf der Suche nach einem Ersatz für den nicht mehr zur Verfügung stehenden pontifex ma ximus, vergeblich an den praefectus urbU die Urteilsvollstreckung vorzu nehmen. Ob er mit seinem zweiten Schreiben an den praefectus praetorio Italiae Erfolg hatte, ist nicht überliefert. Solange der Kaiser den Oberpontifikat innehatte, kam den Vestapriesterinnen eine außerordentlich große Bedeutung innerhalb des römischen Kultwesens zu. Nicht nur die Ahndung von Verstößen gegen das Keusch heitsgelübde, sondern auch das kaiserliche Engagement zur Stärkung die68
Cass. Dio 80, 9, 4.
69
Er wurde als sacerdos amplissimus dei invicti solis Elagabali bezeichnet, vgl. ILS 9058 (Militärdiplom aus dem Jahr 222). In der Münzprägung erscheint er als summus sacerdos Aug., so etwa BMC Emp. V 565, 230-233; 585, 333. 70
71
Cass. Dio 80, 9, 3.
Cass. Dio 80, 9, 4 mit dem Verweis, daß er sie später wieder zurückholte. 71 Symm. epist. 9, 147f.
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ses Priestertums lassen eine besondere Nähe zwischen dem verantwortli chen pontifex maximus und den Dienerinnen Vestas, ähnlich wie beim flamen Dialis, erkennen. In der Öffentlicbkeit wurde sie bei zahlreichen gemeinsamen Auftritten wahrnehmbar. Anlässe dafür waren nicht nur Opferhandlungen oder Prozessionen, sondern auch Spiele,, selbst wenn deren Rahmen nicht immer passend war. So hat Nero ungeachtet eines seit Augustus bestehenden Verbots73 die Priesterinnen Vestas sogar zu Wett kämpfen von Athleten eingeladen.74 Es wird allerdings auch deutlich, daß gerade jene Kaiser, denen man sexuelle Ausschweifungen unterstellte, in Verdacht gerieten, sich obendrein an Vestalinnen vergangen zu haben/ 5 Diese Anschuldigungen beruhen nicht unbedingt auf tatsächlichen Vor fällen, sondern entsprechen häufig auch den in der kaiserzeitlichen Ge schichtsschreibung greifbaren stereotypen Verhaltensmustern eines schlechten Kaisers. Die seit Augustus vom Kaiser angestrebte enge Bin dung der Dienerinnen Vestas an seine Person ist allerdings die Vorausset zung dafür, daß ihr Schicksal so unauflöslich mit dem seinigen verknüpft war. 4. Die Kontrolle über das Begräbniswesen Über Personalfragen hinaus hatten die pontifices auch konkrete kultische Angelegenheiten zu regeln. Einer ihrer bevorzugten Tätigkeitsbereiche war das Begräbniswesen, das sie zu beaufsichtigen hatten. Es gibt zabJreiche Anhaltspunkte für Reglementierungen in diesem Bereich, die zeigen, daß man recht sorgfältig und beharrlich auf die Einhaltung der Begräbnis oder Umbettungsvorschriften achtete. Neben alltäglichen Genehmigungen für die Anlage von Grabstätten, die kaum das persönliche Interesse des pontifex maximns gefunden haben werden, gab es auch Fälle, in denen eine besondere Initiative des Kaisers gefragt war. So versprach sich Domitian gewiß eine abschreckende Wir kung von seiner Straf aktion gegen einen Freigelassenen, dessen Grabmal er niederreißen ließ, als sich herausstellte, daß dafür Steine verwendet wor den waren, die für den Jupitertempel bestimmt gewesen waren.. Gebeine und Aschenreste des dort bestatteten Sohnes landeten im Meer.76 Obgleich 73 Laut Suet. Aug. 44, 3 hat Augustus anläßlich der Spiele, die zu Ehren seiner Übernahme des Oberponrifikats gefeiert wurden, ein Verbot für alle Frauen erlas sen, den Wertkämpfen der nackt auftretenden Athleten beizuwohnen. 74 Suet. Nero 12, 4. 75 So bei Nero, Caracalla und Elagabal. 76 Suet. Dom. 8, 5.
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es sich nicht um einen gewöhnlichen Diebstahl handelte, da das Bauma terial für den Wiederaufbau des Jupitertempels vorgesehen war und damit einem sakralen Zweck diente, erscheint Domitians Vorgehen dennoch ziemlich hart. Es paßt jedoch zu seiner Haltung, die er, wie wir bereits gesehen haben, bei der Ausübung seiner Disziplinargewalt gegenüber den Vestalinnen an den Tag legte. Aus einer Anfrage des Plinius als Statthalter von Bithynien und Pontus an Kaiser Trajan geht hervor, daß auch in den Provinzen die Umbettung von Gebeinen Verstorbener einer Genehmigung bedurfte.77 Die Gründe für ein derartiges Vorhaben konnten verschiedener Natur sein. Plinius gibt an, daß vor allem altersbedingte oder durch Überschwemmungen verur sachte Schäden an den Gräbern eine Umbettung erforderlich machten. Da er jedoch im Zweifel war, ob er eine entsprechende Erlaubnis von sich aus erteilen könnte, wandte er sich an Trajan und bat ihn in seiner Eigenschaft als pontifex maximus um eine verbindliche Auskunft. Im kaiserlichen Re skript73 wurde ihm empfohlen, sich an das Vorbild seiner Amtsvorgänger zu halten, um je nach Lage des Falls eine Erlaubnis zu erteilen oder zu verweigern. Trajan begründete diese Vorgehensweise, die Plinius die Ent scheidung überließ, damit, daß es für die Provinzialen unzumutbar wäre, sich in solchen Fällen eigens an die römischen pontifices zu wenden. Es ist verständlich, daß Trajan bzw. das römische Pontifikalkollegium nicht selbst die Genehmigungsverfahren von Provinzialen in die Hand nehmen wollte. Schon aus arbeitsökonomischen Gründen war es geboten, die Ent scheidungsbefugnis an den jeweiligen Statthalter zu delegieren. Neben den unmittelbaren Umwelt- oder Witterungseinflüssen gab es aber auch an dere Gründe, die zu einer Umbettung der sterblichen Überreste Verstor bener führten. In zwei Grabinschriften wird darauf verwiesen,79 daß die Toten, Freigelassene des Kaiserhauses, fern der Hauptstadt verstorben sind und bestattet wurden, um später nach Rom überführt zu werden.80 Es war durchaus üblich, anderswo verstorbene Angehörige der domus Augusta nach Rom zu überführen.81 Eine entsprechende Genehmigung erteilte der Kaiser oder das Pontif ikalkollegium in Rom.82 Ein besonders gut doku77
Plin. epist. 10, 68. Plin. epist. 10, 69. 79 ILS 1685 und 1792. 80 Bei ILS 1685, datierbar in die Zeit Marc Aureis, ist davon die Rede, daß den Verstorbenen dessen Ehefrau bestattet hat und reüquias eins permissu imp. ipsa pertidit consecravitque £../. In ILS 1792 ist das Todesdatum angegeben (12. August 117) und die Überführung für das Jahr 130 vermerkt. 81 Vgl dazu SCHUMACHER 1976, 136f. mit weiteren Belegen für Überführungen. 82 So auch bei den hier genannten Inschriften: permissu imp, (ILS 1685), ex permissu collegii pontific. (ILS 1792). 78
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mentierter Fall begegnet uns in TL Claudius Zosimus, der das Amt eines Vorkosters bei der kaiserlichen Tafel unter Doroitian bekleidete, in Mainz verstorben ist und dort begraben wurde, was sich inschriftlich belegen läßt,83 Eine weitere Grabinschrift, die auf denselben Zosimus hinweist, gibt es in Rom.84 Demzufolge wurde Zosimus später nach Rom überführt, auch wenn dies auf dem dort von seiner Ehefrau und Tochter aufgestellten Grabstein nicht eigens vermerkt ist:85 Angesichts der Größe des Imperium Romanum darf es nicht verwun dern, daß römische Maßstäbe in der Begräbnispraxis nicht ohne weiteres überall eingehalten wurden. Immer wieder gab es Verstöße gegen geltende Vorschriften. So erließ Kaiser Antoninus Pius ein generelles Bestattungs verbot für Tote innerhalb der Stadtgrenzen: intra urbes sepeliri mortuos vetuit?** Dieses Verbot hatte offensichtlich eine reichsweite Geltung, wofür der Plural urbes spricht. Unter Marc Aurel wurden die Bestattungsvor schriften unter dem Eindruck der Pest verschärft. Insbesondere die eigen mächtige Anlage von Grabstätten auf Landgütern wurde untersagt. Dieses Verbot, das die augenblickliche Situation erforderte, wurde über die Dauer der Seuche hinaus aufrechterhalten. Der Biograph Marc Aureis berichtet, daß es bis zu seiner Zeit in Kraft geblieben sei.87 Derlei Gesetzesinitiativen des Kaisers sind formalrechtlich gesehen nicht unmittelbar mit seinem Amt als pontifex maximus zu begründen, da der höchste Priester Roms traditionell keine gesetzgeberische Gewalt hatte. Dennoch wird erkenn bar, daß er damit die von den pontifices ausgeübte Kontrolle und die an gestrebte Vereinheitlichung des Begräbniswesens aus seiner Verantwor tung als pontifex maximus heraus effektiv gestalten wollte. Die genannten Verbote entspringen damit seiner oberponuf ikalen Fürsorge in einem Be reich, der eine strenge Aufsicht erforderte, da sich in der Praxis Verstöße gegen die geltenden Vorschriften häuften. Davon zeugt eine Reihe kaiser licher Verordnungen, wie sie Constantius IL88 und Julian89 erlassen haben, um der Beschädigung bzw. Zerstörung von Gräbern entgegenzutreten. Julian schließlich beharrte auf einer strikten Trennung der Sphäre des To83
Zu Inschrift und Interpretation SCHUMACHER 1976. CIL VI 9003 = ILS 1796. *3 Eine plausible Begründung für die späte Überfulining des Zosimus nach Rom 84
bietet SCHUMACHER 1976, 141.
* HA Pius 12, 3. 87 HA Marc. Anton. 13, 4: quando quidem caverunt ne quis viHae adfabricaretmr sepidchrum. 88 CTh. 9, 17, 1-4. 89 CTh. % 17, 5.
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des von der Welt der Lebenden bei der Durchführung von Begräbnisfei erlichkeiten. Deshalb ordnete er an, daß die Bestattung eines Toten aus schließlich nachts, nach Sonnenuntergang oder vor Sonnenaufgang, zu er folgen habe.90 Von den Beschlüssen des Pontifikalkollegiums zur Genehmigung einer Bestattung konnte durchaus auch ein Kaiser selbst betroffen sein. Äußerst ungehalten reagierte der Senat, als bekannt wurde, daß Pertinax den toten Commodus in das Mausoleum Hadrians überführe und damit für eine ordnungsgemäße Bestattung gesorgt hatte: senatus adclamavit: >Quo auctöre sepelierunt? parririda sepultus eruatur, trahatur1 Ein Senator mel dete sich zu Wort und stellte fest, daß die Bestattung des ermordeten Commodus gegen den Bescheid der pontifices verstoßen habe und deshalb als unrechtmäßig zu betrachten sei: Iniuste sepultus est. qua ponüfex dico, hoc collegzwn pontificum dick?1 Im Anschluß daran beantragte derselbe Senator und ponüfex, wohl in Übereinstimmung mit dem Kollegium, die damnatio memoriae für den toten Kaiser.93 An diesem Vorfall läßt sich ablesen, wann das Kollegium in der Käiserzeit überhaupt noch unabhängig vom ponüfex maximus agieren konnte. Gerade dann, wenn ein ungeliebter Kaiser den Tod gefunden hat und der neue Kaiser noch nicht sicher im Sattel saß, war der Augenblick gekommen, um sich von kaiserlichen Di rektiven zu befreien. Genutzt hat es allerdings wenig, da Commodus von Septimius Severus dennoch konsekriert wurde.94
5. Die Frage nach der Reichweite des kaiserlichen Oberpontifikats Insbesondere die Wiederbesetzung vakanter Priesterstellen in Rom, die der Kaiser in seiner Eigenschaft als ponüfex maximus veranlaßte, wird mitunter als Indiz dafür gewertet, daß dessen Zuständigkeit an die Stadt Rom gebunden blieb.9S Was jedoch die Reichweite der Kompetenzen des 90
Ebd. HA Comm. 20, 2.f. 92 HA Comm. 20, 3. 93 HA Comm. 20, 4 f. 94 AE 1951, 75. 95 So PABST 1997,176: »Daß noch Constantius IL ohne Bedenken replevit nobilibus sacerdotia, ist für uns hier vor allem deshalb beachtenswert, weil es, wie bei Gratian, anläßlich einer Visite der Hauptstadt geschah, die Aktualisierung des Pontif ex-maximus-Amtes mithin an die mrbs gebunden gedacht wurde.« Ebd., 177 wird betont, daß der Kaiser »aufgrund des Sakralrechts nur in Rom in der Lage wäre«, sein Amt als pontifex maximus auszuüben. 91
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ganzen Kollegiums anbelangt, so blieb diese bereits in republikanischer Zeit nicht auf die Stadt Rom beschränkt. Für die latinischen Nachbarstäd te ist bekannt, daß die dortigen Priesterschaften nach der Eroberung durch Rom nicht aufgelöst, sondern dem römischen Pontifikalkollegium unter stellt wurden,96 was noch am Ende des 4. Jahrhunderts bei der Verurtei lung einer Vestalin aus Alba durch die römischen pontißces gängige Praxis war.97 Einen direkten Hinweis auf die sich weiterentwickelnde Zentrali sierung des Sakralwesens beim Pontifikalkollegium Roms bietet der im zweiten Jahrhundert n. Chr. lebende Sextus Pompeius Festus mit der N o tiz, daß die römischen pontißces die Oberaufsicht über die municipalm sacra hatten.98 In der neuesten Forschung wird betont, daß sich mit der politischen Expansion auch die religiöse Kontrolle Roms räumlich ausdehnte. Unter dem Eindruck des Krieges gegen Hannibal in Italien wurden auch Vor zeichen außerhalb Roms und Italiens zur Kenntnis genommen und ent sühnt.99 Das Auftreten der Prodigien läßt sich in drei geographische Be reiche einteilen: Die Stadt Rom, Italien und Gebiete außerhalb Italiens,100 Im Jahr 218 v. Chr. wurde das zu dieser Zeit noch aus zehn Mitgliedern bestehende Kollegium der quindeämviri aufgrund verschiedener schlech ter Vorzeichen, die bis aus Gallien vermeldet wurden,101 beauftragt, die Sibyllinischen Bücher einzusehen.102 Für das Jahr 203 v. Chr, berichtet Livius von Prodigien aus Antium, Capua, Reate, Anagnia, Frusino und Arpinum, denen man mit hostiae maiores begegnete,103 Das Kollegium der pontißces benannte die Götter, denen geopfert werden sollte.104 Die Praxis 96
Vgl WISSOWA 21912, 519ÖL Später wurden die Priester dieser Gemeinden vom Kaiser als ponafex maxirrms ernannt; vgl. ebd., 489 und 521. 97 Dazu Symm. epist. 9,147f. 98 Vgl. das von ihm epitomierte Werk De sigpificatu verborum, s. v. mwucipalia sacra (p. 146 Lindsay). 99 Zum Prodigien wesen in republikanischer Zeit ROSENBERGER 1998. 100 Je weiter entfernt ein ProcÜgium beobachtet wurde, um so unschärfer wurde die Ortsangabe gehandhabt. Prodigien in Rom wurden durch die Angabe bestimm ter Plätze oder Tempel genau lokalisiert. Für Gebiete in Italien wurde die jeweilige Stadt angegeben, während es für das Vorzeichen aus der Provinz lediglich »in Gallia« heißt. Eine Übersicht über die geographische Verteilung der Prodigien findet sich bei WÜLKER 1903, 94-101; vgl. auch MACBAIN 1982, 107-117. Über Ursachen und Sinn von Prodigien vgl. ROSENBERGER 1998, 25ff. 101 Liv. 21, 62, 1-5. [...] et in Gallia lupum vigili glactittm ex vagina raptum abstulisse. Liv. 21, 62, 5. 102 Liv. 21, 62, 6. 103 Liv. 30, 2, 10-13. 104 Liv. 30, 2,13.
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der römischen Republik beweist damit hinreichend, daß auße r römische Prodigien offiziell anerkannt werden konnten.105 Nachdem das Handeln Roms weit über die eigenen Stadtgrenzen hinausreichte, ist es nur logisch, auch den priesterlichen Aktionsradius an die neuen Gegebenheiten anzu passen. Voraussetzung für diese Entwicklung war die erfolgreiche militärische Expansion Roms. Im vierten, vielleicht sogar erst zu Beginn des dritten Jahrhunderts v. Chr. (Fall von Tarent) nahm Rom den Namen Italien auf und verwendete ihn im Rahmen seiner expansionistischen Propaganda.106 Im juristischen und religiösen Bereich wurde das römische Fallrecht den territorialen Realitäten, die sich aus den Eroberungen ergeben hatten, an gepaßt. Demnach durfte derpontifex maximus die Stadt Rom, nicht jedoch Italien verlassen-107 Auch der von Kaiser Tiberius im Zusammenhang mit der oben behandelten Anfrage, des flamen Dialis zitierte Fall des pontifex maximus L. Metellus, der dem flamen MartiaUs-und Consul des Jahres 242 v. Chr. A. Postumius Albinus verbot, zum bevorstehenden Entschei dungskampf gegen die Karthager nach Sizilien aufzubrechen,108 beweist, daß zu dieser Zeit Italien und keineswegs die Stadt Rom als maßgeblicher Handlungsraum der römischen Priester galt. An den Grenzen Italiens en dete deren Aktionsradius. Den erwähnten Antrag auf Übernahme einer Statthalterschaft begi-ündete der flamen Dialis gegenüber Tiberius damit, daß es keinen hinreichenden Grund gebe, dem Jupiterpriester zu verbie ten, Italien zu verlassen* Diese Beschränkung gab es nach Aussage des politisch ambitionierten flamen Dialis für die Priester des Mars und Quirinus nicht. Ihnen wurde eine Provinzverwaltung zugestanden-109 Im Krieg gegen Karthago hatte diese Vorschrift jedoch noch Bestand, als der flamen Martialis A. Postumius Albinus aus Rücksicht auf seine sakralen Pflichten nicht nach Sizilien ziehen durfte. Man darf davon ausgehen, daß es eine entsprechende Reform gab, die dem flamen Martialis eine größere Bewe gungsfreiheit einräumte. Ein Grund für das Zustandekommen dieser Än derung des Wirkungskreises könnte auch darin liegen, daß man in Rom 105
So auch
RUOFF-VÄÄNÄNEN 1972. CATAIANO 1971, 807. 107 GABBA 1978, 13; vgl. Liv. 28, 38, 106
12: [„] quia sacrorum cura pontificem maximum in Italia retinebat, (205 v. Chr.) 108 Tac ann. 3, 71, 3. 109 Tac ann. 3, 58, 1: frustra.vulgatum di&itans non Heere Dialibus egredi Italia, neque aliud ius suum quam Martüäium Quirinaliumque flaminum: porro, si hi duxissent pravinciaSy cur Dialibus id vetitum? nulia de eo populi scica> non in lihris caerimoniarum reperiri.
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uriter Umständen bei der Definition des priesterlichen Handlungsraumes über Italien hinauszugehen bereit war.110 Im Falle des flamen Dialis, der für den Kult des höchsten römischen Staatsgottes zur Verfügung zu stehen hatte, blieben die Grenzen Italiens jedoch verbindlich. Es gab allerdings eine Zeit, in der auch das Priestertum des flamen Dialis eine Neuinter pretation hinsichtlich seines Amtsbereiches erfuhr. Noch Livius überlie fert die alte Bestimmung: fhzmini Diali noctem unam manere extra urbem nefas est.m Die nicht allein in der Bewahrung des Alten sich erschöpfende Tätigkeit der pontifices läßt sich an diesem Beispiel besonders gut veran schaulichen. Unter Umständen war man bereit, Neues zuzulassen und in das traditionelle Gefüge zu integrieren.112 Die Kaiser jedoch billigten in der Regel Neuerungen nur dann, wenn sie ihren herrschaftspolitischen Interessen oder Vorstellungen entgegenkamen. Die Gleichsetzung bestimmter Städte in den Provinzen mit italischen Gemeinden durch das sogenannte ins Italicumm verschafft Klarheit dar über, auf welchen rechtlichen Grundlagen die Erweiterung der priesterli chen Zuständigkeit Roms über Italien hinaus erfolgen konnte. Dieses rechtliche Verfahren scheint unter Augustus geschaffen worden zu sein, indem man eine alte religiöse Praxis formalisierte, die erlaubte, ein Stück erobertes Land außerhalb der Halbinsel für »italisch« zu erklären, um dort beispielsweise Auspizien vornehmen zu können.114 Mit diesem Privileg 110
Dann würde sich die Frage stellen, ob man tatsächlich vom »kaiserzeitliche[n] Fortleben eines engeren Italienbegriffs« sprechen kann, vgl. TARPIN 2001, 3. 111 Liv. 5, 52, 13. 1X1 ROHDE 1936, 127 spricht diese beiden Seiten der Tätigkeit der pontifices an: »Erst aus dem eigentümlich römischen Verhalten gegenüber dem Alten, das sich bewährt hat, ist dann als Zweites die Entstehung einer Doktrin zu begreifen, die die einzelnen Tatsachen des Kultes miteinander in Zusammenhang brachte und Schlüs se daraus zog, die bei Neuschöpfungen, mochten diese nun in den Bezirk des staatlichen oder des privaten Götcerdienstes gehören, wirksam werden und dem Neuen den Charakter des Althergebrachten zu geben vermochten. Dieses Zweite ist die nonnbildende Tätigkeit der pontifices; sie trat in ihrer äußeren Erscheinung zuiück hinter der ersten vornehmeren, doch ist ihr Einfluß nicht hoch genug an zuschlagen.« Diese »normbildende Tätigkeit« der pondfices war gerade zu einer Zeit gefragt und mehrheitsfähig, in der Rom als überaus erfolgreich expandierende Macht über die Grenzen Italiens hinaus begann, das Mittelmeer zu erobern. Dazu bedurfte es bestimmter Voraussetzungen, ROHDE 1936, 133. 113 Die genaue Bedeutung des italischen Rechts ist umstritten. Die einzig wirklich sichere Komponente des ius Itaticum ist die Identifikation eines Territoriums mit italischem Grund, mit allen Begleiterscheinungen in rechtlicher und sozialer Hin sicht, wie Tacitus (ann. 13, 30, 1) betont. Zu diesem Thema siehe FERENCZY 1982. 114 Serv. Aen. 2, 178; vgl. dazu CATALANO 1978.
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gingen die julisch-claudische Dynastie, die Flavier und die Antonine spar sam, die Severer freigebiger um.115 Im Ergebnis läßt sich festhalten, daß der Zuständigkeitsbereich der römischen pontißces und ihres Vorsitzenden in dem Maße wuchs, in dem sich die außenpolitisch erfolgreiche römische civitas selbst räumlich vergrößerte. Seit der constitutio Antoniniana von 212/13,116 durch die alle freien Reichsbewohner zu römischen Bürgern wurden, waren die römischen pontißces ohnehin reichsweit für bestimmte unter pontifikale Verantwort lichkeit fallende familien- und erbrechtliche Entscheidungen zuständig. Spätestens ab diesem Zeitpunkt muß man von einer für das gesamte Reich geltenden Handlungsbefugnis der römischen pontißces sprechen. In der Praxis hat jedoch häufig der Kaiser die Entscheidungsgewalt über derlei Angelegenheiten monopolisiert.117 Ein untrügliches Indiz dafür, daß der Kaiser als pontifex maximus reichsweite Verantwortung übernahm, bietet die Vorgehensweise Kaiser Julians. Sein Programm einer Erneuerung der alten Götter und Kulte hat er unter Berufung auf seine Stellung als pontifex maximus in die Tat um zusetzen versucht. Rom als Bezugspunkt seines Handelns spielte dabei keine Rolle. Er verstand sich als oberster Priester des gesamten römischen Reiches. Deshalb sah er sich auch berechtigt, allen Priestern in den Pro vinzen Anweisungen und Verhaltensempfehlungen zu geben, wie seine Briefe dokumentieren.118 Es gibt kein vergleichbares Zeugnis aus der frü hen oder hohen Kaiserzeit, in dem der Kaiser in ähnlicher Weise reichs weit aktiv geworden wäre. Bislang haben die Kaiser immer auf eine An frage hin reagiert, um Entscheidungen zu treffen. Julian war der erste Kaiser, der von sich aus in seiner Priesterrolle aktiv wurde und dabei völlig neue Wege ging. Zudem wird nirgendwo erkennbar, daß sich Julian als Vorsitzender eines Kollegiums verstand, mit dem er sich viele Aufgaben teilen konnte. Diese Loslösung von Strukturen, Verfahrensweisen und In halten ermöglichte ihm erst eine Neudefinition seines Oberpriestertums. So gelang es Julian, sich als ein von den Göttern Berufener zu stilisieren,119 der mit seinem Amtskollegen des ersten und zweiten Jahrhunderts kaum noch etwas gemeinsam hatte. Dieses völlig gewandelte Selbstverständnis 115
Dig. 50, 15.
116
Siehe WOLFF 1976.
117
So gab es seit Diokletian die arrogatio per rescriptum principis^ d.h. ein ex klusives Arrogationsrecht des Kaisers. Ein Beispiel dafür bietet CJ & 47 (48). 5. 118 Dazu lul epist. ZZ und 89 b Bidez-Cumont. 119 SoKo-övrd yE avoci diä xobq &zoi>c, äp%isp£oc n£\\crcov [...]. Iul. epist. 89 b Bidez-Cumont, 298 d.
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als pontifex maximus ist ein Ergebnis unterschiedlicher Entwicklungen. Die seit dem dritten Jahrhundert anhaltende Romferne der Kaiser hat den Grund dafür gelegt. Aber auch das Christentum mit seinem Religionsver ständnis hat entscheidend zu Julians Haltung beigetragen* Seine Auffas sung von einer reichsweiten Verantwortung als Priester kann er jedoch nicht erst selbst kreiert haben, da sich der alte Glauben bereits auf dem Rückzug befand. Hier muß Julian auf vorhandene Gegebenheiten zurück gegriffen haben, wie sie sich lange vorher, in trajanischer Zeit, fassen las sen. In der bereits erwähnten Anfrage des Plinius an Kaiser Trajan hin sichtlich von Umbettungsgesuchen der Provinzialen120 gewinnt die auch in den Provinzen anerkannte Autorität des Kaisers als pontifex maximus deutliche Konturen. Plinius ist sich nicht sicher, ob er eine Umbettung von sich aus gestatten könne, da er weiß, daß in solchen Fällen in der Heimat die pontißces zu fragen sind: [...] quia sciebam in urbe nostra ex eins modi causis collegium pontificum adiri solerey te, domine, maximum pontificem consulendum putaviy quid observare me velis- Im Hinblick auf unsere Fragestellung ist von Belang, daß Plinius Trajan ausdrücklich in seiner Funktion als pontifex maximus anspricht. Plinius erhält den Rat, sich an das Vorbild der früheren Statthalter zu halten, um je nach Lage des Falls eine Erlaubnis zu erteilen oder zu verweigern.121 Trajan begründet dies damit, daß es für die Provinzialbevölkerung kaum zumutbar wäre (Durum est iniungere necessitatem provincialibus pontificum adeundorum\ sich in solchen Fällen eigens an die römischen pondfices zu wenden. Er sagt hingegen nicht, daß in der Provinz die römischen Begräbnisvor schriften keine Gültigkeit hätten oder daß er für diese Angelegenheit nicht zuständig wäre* Ganz im Gegenteil, Trajan reagiert ohne Vorbehalte auf diesen Appell an seine priesterliche Autorität und kommt zu einer prak tikablen Lösung, die er Plinius nahelegt. Da der pontifex maximus nicht in allen Fällen dieser Art überall im Reich persönlich eine Genehmigung erteilen kann, muß er diese Aufgabe delegieren. Wenn Plinius nun nach der Maßgabe Trajans Genebmigungen erteilt oder vorenthält, dann tut er dies mit Berufung auf die Autorität des Kaisers als pontifex maximus. Aufschlußreich ist, wie sich die reichsweit geltende Zuständigkeit des Kai sers als pontifex maximus durchsetzte. Nicht der Kaiser hat die Initiative ergriffen oder von sich aus eine Verantwortung reklamiert, sondern der Übereifer mancher Statthalter gab den Anstoß, die oberpontifikale Verant wortung des Kaisers reichsweit zur Geltung zu bringen. Dahinter steckt 120 plin. epist. 10, 68. i2i plin. epist. 10, 69.
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die allgemein verbreitete Vorstellung und Erwartung einer universalen Entscheidungsgewalt des Kaisers, auch in seiner Eigenschaft als oberster Sachwalter der römischen Religion. Deutliche Hinweise, die für die reichsweite Zuständigkeit des kaiserli chen Obeipontifikats sprechen, bieten die Inschriften. Den im Zusam menhang mit der Überführungspraxis im Begräbniswesen bereits erwähn ten Grabinschriften aus dem zweiten Jahrhundert122 ist zu entnehmen, daß die Verstorbenen, in beiden Fällen Freigelassene des Kaiserhauses, fern von Rom bestattet,ni später nach Rom überführt wurden. Für unsere Fra gestellung ist besonders aufschlußreich, daß in beiden Fällen vermerkt wurde, wer die Genehmigung für eine Überführung der sterblichen Über reste der Toten erteilt hat. Während dies in der älteren Inschrift ex permissu collegü ponüfic[um]m geschah, wird in der zeitlich später datierbaren Inschrift der Kaiser genannt {permissu impferatorisj).125 Daraus geht unzweideutig hervor, daß die römischen pontifices bzw. der ponüfex maxirrms reichsweit in Aktion traten. Wenn sie dies nicht immer und überall taten, dann liegt dies daran, daß der Kaiser, wie das Beispiel des trajanisehen Reskripts zeigt, praktikable Alternativen gefunden hat, um seine Kollegen in Rom zu entlasten und um den Provinzialen zeitraubende Ver waltungswege angesichts der gebotenen Eile bei Bestattungen zu ersparen. Daß der kaiserliche Oberpontifikat die Grenzen Roms und Italiens sprengte und reichsweit Gültigkeit erlangte, hängt mit einer Entwicklung zusammen, die sich als Romanisierung des religiösen Systems bezeichnen läßt126 und die Durchdringung des Imperiums und seiner verschiedenen Gemeinschaften mit dem römischen Religionssystem meint. Rom hat sei nen eroberten Gebieten und Völkerschaften auch im Hinblick auf Priestertümer und religiöse Organisation die eigenen, römischen Maßstäbe und Vorstellungen auferlegt.127 Das geschah zweifellos vor allem aus machtpolitischen und herrschaf tserhaltenden Erwägungen heraus. Es hatte jedoch den Nebeneffekt, daß der Kaiser schließlich seine Autorität als 122 ILS 1685 und 1792. Den Hinweis auf diese Inschriften verdanke ich Herrn Professor PETER HERZ (Regensburg). 123 In dem einen Fall (ILS 1792) handelt es sich bei dem Todesort um Selinus (Kilikien), das zweite Beispiel (ILS 1685) nennt Carnuntum. 124 ILS 1792. 125 ILS 1685. 126 GORDON 1990,240ff. spricht von »Romanization of religion«. 127 Dazu gehörte u. a.die Angleichung der sozialen Struktur der örtlichen Prie sterschaften an römische Maßstäbe und die Übernahme römischer Gegebenheiten im Priesterwesen, das grundsätzlich keine Priesterkasten kannte. Beispiele aus ver schiedenen Regionen bietet GORDON 1990.
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pomifex maximus überall im Reich ungehindert zur Geltung bringen konnte. Neben einer geographischen Ausdehnung der Zuständigkeit der römi schen pontißces gab es andere Bestrebungen, die auf eine inhaltliche Kom petenzerweiterung zielten. Die im Jahre 47 den römischen ponüfices über tragene Revision und Pflege der Etrusca disciplina, die Kaiser Claudius veranlaßt hat, ist ein lehrreiches B'eispiel für diese Tendenz.128 Mit derlei Maßnahmen beabsichtigten die Kaiser, die Kontrolle der zunehmend als brisant eingestuften Wahrsagekunst zu zentralisieren und jede davon aus gehende Gefahr für das Herrschaftssystem zu bannen,129 wenngleich Clau dius eine andere Begründung angab: Er wolle damit gewährleisten, daß die Kunst der Haruspices nicht in Vergessenheit gerate. Beide Zielrichtungen, sowohl die geographische wie auch die inhaltliche Ausdehnung der oberpontifikalen Autorität, ergänzen sich. Die Zuständigkeit des pontifex ma ximus sollte konkurrenzlos sein.
6. Ergebnis Wie sich gezeigt hat, war der Kaiser in vielfältiger Weise als pontifex ma ximus tätig und wahrnehmbar. Gerade die Verschiedenheit seiner Aufga benbereiche konnte er nutzen, um im kultischen Bereich unangefochten zu dominieren. Als Inhaber der patria potestas hatte der pontifex maximus eine besonders enge Verbindung zum flamen Dialis und zu den virgines VestaleSy die aufgrund ihrer Priesterämter für Jupiter und Vesta außeror dentlich exponiert waren. Deutlich wurde auch, daß der Kaiser Angele genheiten des Pontifikalkollegiums in zunehmendem Maße monopolisier te. Auch wenn das Kollegium, wie in der Vergangenheit, bei der Verur teilung von Vestalinnen mitwirkte, kam es immer weniger auf die Meinung der priesterlichen Kollegen des Kaisers an. Diese Entwicklung läßt sich nicht ausschließlich mit dem Dominanzanspruch des Kaisers begründen. Die Bevölkerung, aber auch beflissene Statthalter haben diesen Trend be schleunigt, wie bei der Behandlung des Begräbniswesens gezeigt werden konnte. In seiner Funktion als Priester hatte der Kaiser die Möglichkeit, eigene Akzente zu setzen. Er konnte sich, wie Domitian, als strenger Sit128
Tac. ann. 11, 15. Später haben die Kaiser diese Gefahr durch generelle Verbote von Wabrsagerei und Astrologie einzudämmen versucht. Mit diesem Thema befaßt sich eingehend 129
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tenwächter und unnachgiebiger Rächer sakraler Vergehen gebärden. An dere haben sich in der Rolle eines von Strafen absehenden moralischen Vorbildes gefallen, wie zum Beispiel Trajan, in bewußter Abgrenzung von seinem ungeliebten Vorgänger. Im Panegyricus unternimmt Plinius den Versuch, den Oberpontifxkat im Sinne einer ethisch-moralischen Forde rung umzudeuten.130 Die seinem Inhaber zukommende Aufgabe, als Ord ner und Bewahrer des römischen Kultwesens tätig zu werden, blieb un verändert. Auch der eindeutig zum Christentum sich bekennende Constantius IL hat für die Wiederbesetzung vakanter Stellen in den Priester schaften gesorgt.131 Es sollte uns jedoch nicht verwundern, daß sich im Vergleich einzelner Kaiser zum Teil signifikante Unterschiede in der oberpontifikalen Praxis belegen lassen, vor allem in bezug auf deren Selbstver ständnis als höchste Priester Roms. Hier gab es einen Spielraum, den jeder Kaiser für sich nutzte.132 Dies konnte ihm um so wirkungsvoller gelingen, da er als pontif ex maximus für das gesamte Reich zuständig war.
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Seine herausragende Tugend ist die pietas. Vgl. auch die Charakterisierung von Trajans Frau Plotina als geeignete Frau des pontifex maximus, Plin. paneg. 83, 5. 131 Symm. reL 3, 7: replevit nobilibus sacerdoti^. 132 Insofern möchte ich der von RÜPKE in seinem hier abgedruckten Beitrag über »Kaiserliche Religionspolitik und priesterliche Rekmtierungsmechanismen: Über legungen zur Elitenfbrmation am Beispiel der Sodalitaten des Herrscherkultes in Antomnianischer Zeit« vertretenen Ansicht widersprechen, wenn er pauschal von »begrenzten Handlungsmöglichkeiten und [einem] noch viel begrenzteren Hand lungswillen des Pontifex maximus« spricht.
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Arvalb rüder und Kaiserkult Zur Topographie des römischen Kaiserkultes von BABETT EDELMANN
1 Einleitung In seinem Buch Romulus et $e$ freres nennt JOHN SCHEID die Akten der römischen Arvalbruderschaft eine Fundgrube an Informationen über die politische Instrumentalisierung religiöser Systeme in der römischen Kai serzeit.1 Daran anknüpfend, stellt die Autorin im folgenden die Frage, welche religionspolitische Aussagekraft die Akten des Arvalkollegiums in der julisch-claudischen Epoche vor dem Hintergrund kultischer Topo graphie besitzen. Im Mittelpunkt stehen dabei zwei Problemstellungen: Zum ersten soll exemplarisch veranschaulicht werden, in welchem Um fang man von politischer Instrumentalisierung religiöser Zeremonien spre chen kann, und wie sich die jeweilige ideologische Ausrichtung einzelner Kaiser in der rituellen Topographie niederschlug. Zum anderen soll die Untersuchung zeigen, welche relativierenden Informationen sich gewin nen lassen, wenn man die topographischen Informationen der Arvalakten mit den literarischen Quellen kontrastiert. Der eigentlichen Untersuchung werden einige einleitende Bemerkungen zum Kollegium der Arvalbrüder vorangestellt, die in knapper Form die Geschichte der Bruderschaft in republikanischer Zeit, ihre Rolle im Sy stem der augusteischen Reformen und ihre Bedeutung für den Kaiserkult skizzieren. Im Anschluß daran werden Kontinuitäten und Diskontinui täten innerhalb der zeremoniellen Topographie des Kaiserkultes anhand der Beispiele des Iuppiter-Optimus-Maximus- und des Divus-AugustusTempels dargestellt. In einem dritten Punkt wird das Problem der Dis1
SCHEID. 1990,
749f.
190 .
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krepanz zwischen rein literarischen Quellen und den Arvalakten am Bei spiel des Apollo-Palatinus-Tempels und der Ära Providentiae beleuchtet. Den Abschluß der Ausführungen bildet schließlich der Versuch, eine Ant wort auf die Fragen zu geben, warum das augusteische >Großprojekt< des Forum Augusti mit dem Mars-Ultor-Tempel einen lediglich schwachen Niederschlag in den Arvalakten fand und welche Schlüsse man daraus ziehen kann.
2 Das Priesterkollegium der Arvalen Wären die Marmortafeln, in welche die Arvalbrüder* ihre jährlichen Pro tokolle 3 einmeißeln ließen, in den Kalköfen des Mittelalters und der frühen Neuzeit verschwunden, so wären wir auf die äußerst spärlichen literari schen Quellen über diese Priesterschafc angewiesen.4 Der erste Beleg für die Existenz des Kollegiums stammt aus der späten Republik, Varro dis kutiere in seinem Werk De lingua Latina die Etymologie der Bezeichnung fratres Arvales und stellt sie in den Kontext landwirtschaftlicher Kulte. Das dabei von ihm verwendete Präsens faciunt legt die Vermutung nahe, daß die Priesterschafc in den 40er Jahren des ersten vorchristlichen Jahr hunderts noch lebendig war, wenn sie sicherlich auch nicht zu den bedeu tendsten religiösen Gruppen der Republik gehörte. 5 Die Zeremonien der Bruderschaft konzentrierten sich auf die Dea Dia, deren genaue Herkunft und Charakter sich nicht präzisieren lassen. Das Hauptfest der Göttin im Monat Mai hatte eine stark bäuerliche Färbung, was in die Richtung eines Fruchtbarkeitskultes weist.6 1
SCHEID 1990; OLSHAUSEN 1981.
3
Die Protokolle der Arvalpriester liegen in neuester Ausgabe bei SCHEID 1998
vor. 4
Varro 1.1. 5, 85; Plin. nat. 18, 6; Gell. 7, 7, 8; Fulg. myth. 9; Min. FeL 25, 12; Paul. Fest. 5L; Macr. Sat. 3, 5, 7; Pseudo-Philoxenius s. v. Arvales Sodales. 5 Die Arvales fratres werden in der lex Domitia aus dem Jahr 103 v. Chr. nicht unter den Priesterschaften aufgeführt, die sich durch Volkswahl ergänzen (vgl. LAT TE 1967,395f.). Auch die in die Jahre 36 bis 21 v. Chr. datierten Fasten der Arvalbrüder weisen auf eine eher geringe Bedeutung hin (Fasti Arval. [Inscr. It. XIII 2, 30-46]). Generell ist die Geschichte dieses Priesterkollegiums während der Repu blik weitgehend unbekannt. Aufgrund sprachlicher Besonderheiten des von ihnen deklamierten Liedes, welches das Protokoll des Jahres 218 überliefert, kann man allerdings vermuten, daß die Bruderschaft bereits vor dem Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr. aküv und folglich älter als die vier'amplissima collegia war. 6 Das Heiligtum der Göttin befand sich außerhalb Roms am fünften Meilenstein der via Campana rechts des Tiber. Zu den Ausgrabungen vgl BROISE 1987.
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Die augusteische Restauration dieses Kultes, die in die Jahre 29/28 v. Chr. datiert werden m u ß / führte - soviel kann man mit Sicherheit sa g e n - zu entscheidenden Veränderungen sowohl der kultischen Aktivitä ten der Bruderschaft als auch ihrer sozialen Zusammensetzung. Die Arvalen und ihre Riten erscheinen von diesem Zeitpunkt an ganz auf die Regierung und die familiären Angelegenheiten des Kaisers abgestimmt, während der Kult der Dea Dia dahinter zurücktritt Dies darf allerdings nicht zu dem Schluß verleiten, die kultische Tätigkeit der fratres Arvales habe zwei völlig verschiedenen Inhalten gegolten,8 nämlich einerseits dem Fruchtbarkeitskult der Dea Dia und andererseits der Sorge um den gött lichen Segen für das Kaiserhaus. Diese beiden religiösen Konzepte waren vielmehr - wie noch zu zeigen sein wird - eng miteinander verf lochten. Die augusteische Reform des Arvalkollegiums und seine Inanspruch nahme für den Kaiserkult beruhten im wesentlichen auf zwei Aspekten: zum ersten dem Grundgedanken einer archaischen Sodalität und zum zweitön dem zelebrierten Fruchtbarkeitskult, in dessen Mittelpunkt die Dea Dia stand. Daß die Priesterschaft der fratres Arvales mit ihrem Kult der Dea Dia als archaische Sodalität aufgefaßt werden muß, 9 belegen ihr Carmen, ihr kultischer Tanz sowie der rituelle Ausschluß von Eisen aus dem Hain der Göttin. Da die Bruderschaft darüber hinaus aiüologisch in enge Verbin dung zu Romulus gestellt wurde, 10 ist anzunehmen, daß ihr hohes Alter bereits in der Antike geglaubte Realität war bzw. als solche angesehen werden sollte. Innerhalb der augusteischen Religionspolitik ordnete sich die Arvalbruderschafc gemeinsam mit den Titiusbrüdern und den Fetialen in eine Reihe neugestalteter Kultgemeinschaften ein, die archaische Vor bilder imitierten.11 Daneben bot die Kultgemeinschafc einer archaischen Sodalität12 in mehrfacher Hinsicht Anknüpfungspunkte für die augustei7
8
SCHEID 1990, 690-694.
Vgl. OLSHAUSEN 1981, 822, der keinen direkten inneren Zusammenhang zwi schen beiden Kulten sieht. * Ulpian nennt die Gruppe der Arvalbrüder Sodales (überliefert bei Pseudo Philoxenius s. v. Arvales Sodales). Vgl. auch SCHEID 1990, 35-39, 699ff. 10 Vgl Anm. 14. 11 Mon. Anc. 7, An dieser Stelle weist Augustus selbst ausdrücklich darauf hin, daß er neben den vier amplissima collegia auch Mitglied in den Bruderschaften der Arvalen, Titier und Fetialen war. 12 Im Übergang von der Republik zum Prinzipat ist ein allgemeiner Trend bzw. ein Interesse für das Modell archaischer Sodalitäten erkennbar. Erinnert sei bei spielsweise an die Luperci, die Salii, die Augustales oder die Claudiales. Bis ins 3. Jahrhundert finden sich 25 Sodalitäten, die den Kult der verstorbenen Kaiser versahen.
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sehe Reformpolitik. Ein großes Potential lag vermutlich in den traditionell engen Bindungen zwischen Mitgliedern dieser Gemeinschaften, die ver wandtschaftlichen Beziehungen nachgebildet waren. Das kann damit er klärt werden, daß in archaischer Zeit die Sodalitäten bis dahin rein gentilizisch ausgerichtete Kultgemeinschaften ablösten.13 In Übereinstimmung damit beschreibt der - mit großer Wahrscheinlichkeit aus der Kaiserzeit stammende - aitiologische Mythos der Kultgründung die Arvalen als Mit glieder einer Familie. Es heißt, Romulus sei, nachdem seine Nährmutter Acca Larentia einen ihrer zwölf Söhne verloren hatte, selbst an dessen Stelle getreten, und so seien die Milchbrüder zu den Arvalbrüdern ge worden.14 Augustus trat seiner Funktion als erstes Mitglied der vornehmen Bruderschaft entsprechend als neuer Romulus auf.15 Laut Sueton und Cassius Dio strebte Octavian zwischen seinem Sieg bei Actium und dem Jahr 27 v. Chr. eine Assimilation an Romulus an und erwog in dieser Phase sogar die Übernahme des Romulus-Namens. 16 Politisch bedeutsamer er scheint, daß sich im Kreis der Arvalbrüder eine große Zahl früherer Geg ner des Augustus fanden, frühere Proskribierte, unter ihnen Pompeianer und Anhänger des Antonius. 17 Vor diesem Hintergrund sind die Arval brüder als Repräsentanten einer neuen Einigkeit im archaischen Kult zu verstehen. Das Kollegium wurde ein Auffangbecken für ehemalige Feinde und bot Augustus die Möglichkeit, diese Männer durch soziale Auszeich nung an sich und das neue politische System zu binden. Die Reform dieser Sodalität konnte der römischen Elite also nur schmeicheln, unterstrich sie doch die pseudo-familiären Bande zwischen Nobilität und Prinzeps. In der bäuerlichen Ausprägung des Dea-Dia~¥Lulzes liegt das zweite Motiv für seine Instrumentalisierung im Herrscherkult. 18 In der landwirt schaftlichen Komponente spiegelte sich die von Augustus propagierte Er neuerung traditioneller altrömischer Werte, wie sie auch Vergil in seinen Georgica preist, die etwa zeitgleich mit der Reform der Arvalpriesterschaft 13
14
Vgl. WISSOWA 1912, 481.
Diese Erklärung stammt von dem tiberianischen Juristen Masurius Sabmus (Gell. 7, 7, 8, Plin. nat.18, 6). VgL auch SCHEID 1975, 321ff. 15 Zum Versuch einer Assimilation an den mythischen Stadtgründer in der sog. >Romulus-Periode< des Augustus vgl. KORNEMANN 1938, 81-91; ALFÖLDI 1971, 36ff. 16 Suet. Aug. 7; Cass. Dio 53, 16, 5. 17
18
SCHEID 1975, 16-108.
SCHEID 1990, 708ff. Es war also durchaus nicht so, daß die agrarische Dimen sion des Arvalkultes zugunsten des Herrscherkultes zurücktrat. Vielmehr war das Gegenteil der Fall: Sie wurde zu einem entscheidenden Faktor bei der politischen Instrumentalisierung des Dea-Dia-Kulzes.
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im Jahr 29 v. Chr. vollendet wurden. Vergil feiert im zweiten Buch die Rückkehr zum goldenen Zeitalter des bäuerlichen Lebens im alten Rom, das charakterisiert ist durch Frieden und Wohlstand. Parallel dazu weist das Zeremoniell des Maifestes der Dea Dia den Kult der Arvalbrüder als Ritual aus, das auf das Gedeihen der Ernte ausgerichtet war. Die agrari sche Komponente im Kult der Dea Dia fügte sich folglich genau in das politische Programm der Jahre nach Actium ein. Hier wurde das Ideal der Georgica in kultische Dimensionen umgesetzt. Die Vorstellungen, die dem reorganisierten Kult der Dea Dia zugrunde lagen, deckten sich also mit den großen ideologischen Themen der Jahre 29/28 v. Chr.: Pietas in Form von Restauration des Kultes und der Tempel, Romulus-Nachfolge und Pax.
3 Kontinuitäten und Diskontinuitäten Kapitol Augustus rühmt sich in seinem Tatenbericht, er habe den kapitolinischen IupptteT-Hem-pel mit gewaltigem Aufwand wiederherstellen lassen.19 Im Zuge dieser Maßnahme verwandelte er das zentrale Staatsheiligtum Roms zu einem auf Kaiser und Kaiserhaus ausgerichteten Zentrum des neuen Kultes.20 Die Akten des Arvalkollegiums geben ein Bild davon, daß das Kapitol die Kultstätte war, die von den Arvalbrüdern in ihrer Eigenschaft als Priester des Herrscherkultes am häufigsten frequentiert wurde. In der Regel fanden im Tempel des Iuppiter Optimus Maximus jährlich am 3. Januar die vota für das Wohlergehen des Kaisers statt. Ferner op ferten die Arvalbrüder dort am Geburtstag der Kaiser und ihrer lebenden, verstorbenen oder divinisierten Familienmitglieder. Bedeutende Tage für die Regierung der Herrscher wie der dies imperii, die Übernahme von Konsulaten oder der tribunicia potestas, der Einzug in Rom, die Verlei hung des pater-patriae-Titek oder der Tag der Adoption wurden - je nach Herrscher verschieden stark - in die Zeremonien der Arvalbrüder einbe zogen, wenngleich eine deutliche religionspolitische Akzentverschiebung 19
CapitoHum et Pompeium theatrum utrumque opus impensa grandi refed sine väla inscriptione nominis mei. (Mon. Ana 20). 20 Augustus entfernte eine Vielzahl der auf dem Kapitol aufgestellten Ehrensta tuen (Suet. Cal. 34, 1) und nahm eigene Statuenweihungen vor. Zu den wichtigsten Neuerungen baulicher Tätigkeit in der area Capitolina gehörten sicherlich der luppiter-Tonans-Hempd (Cass. Dio 54, 4, 2) und der Rundtempel für Mars Ultor (Cass. Dio 54, 8,3). Beide Bauwerke waren in ihrer Entstehung und Bedeutung mit Person und Politik des Augustus verbunden.
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unter den einzelnen Kaisern zutage tritt, deren Tendenzen im folgenden erläutert werden sollen. Die kultischen Aktivitäten der Arvalen auf dem Kapitol unter Tiberius belegen,21 daß dieser den Herrscherkult eher eng begrenzte. Nur seine wichtigsten Lebensdaten, die seines Vorgängers Augustus und seiner Mut ter Livia wurden mit Opfern gefeiert. Darüber hinaus fanden lediglich aus Anlaß einer Erkrankung kurz vor seinem Tod außerordentliche vota statt.22 Demgegenüber lassen die kultischen Aktivitäten unter Caligula23 ins gesamt eine deutliche quantitative Ausweitung der kapitolinischen Zere monien erkennen. Zwar knüpfte er mit Opfern am Geburtstag des Au gustus und der Livia an tiberianische Gepflogenheiten an, die kaiserliche Familie scheint unter seiner Regentschaft aber eine völlig neue kultische Würdigung erfahren zu haben. Das Kapitol rückte er dabei in den Mit telpunkt der kultischen Verehrung des Kaiserhauses und der Dynastie. Neben seinem Vater Gennanicus und seiner Mutter Agrippina I. wurden seine Großmutter Antonia sowie seine vierte Frau Milonia Caesonia an ihren Geburtstagen mit Opfern geehrt. Auch der Geburtstag des Tiberius wurde als offizieller Festtag beibehalten,24 wenngleich Caligula die Divinisierung seines Vorgängers nicht vollzog.25 Die Vermutung liegt nahe, daß darüber hinaus auch Caligulas Schwester Drusilla - aufgrund der beson deren Beziehung zu ihrem Bruder - an ihrem Geburtstag von den Arvalen geehrt wurde. Auch die Feiern für den Kaiser selbst wurden erheblich ausgeweitet: Der dies imperii, der Einzug in Rom und der Tag der Annahme des paterpatriae-Tnels wurden von den Arvalpriestern jährlich mit Opfern auf dem Kapitol gefeiert. Daß auch tagespolitische Ereignisse im Zeremoniell der Arvalbrüder ihren Niederschlag fanden, zeigt sich in Opfern anläßlich der Aufdeckung der Verschwörung des Lentulus Gaetulicus im Jahr 39. Für die Regierungszeit des Claudius 26 sind Zeremonien auf dem Kapitol lediglich aus Anlaß der Verleihung des pater-patjiae-Tizels und am Ge burtstag des Augustus belegt. Dies ist zum einen auf die äußerst spärliche Fundlage für die Regierungsjahre des Claudius zurückzuführen, auf der anderen Seite muß man annehmen, daß die in den literarischen Quellen 21
22
SCHEID 1998, 7-24.
Ebd., 21; vgl. auch
SCHEID
1990, 312f.
23
SCHEID 1998, 25-42.
24
Cass. Dio 59, 3, 7. Zu Caligulas Vorgehen in der Frage der DivJnisierung des Tiberius vgl. ebd.
25 26
SCHEID 1998, 43-54.
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dokumentierte Zurückhaltung dieses Kaisers in kultischen Angelegenhei ten auch zu einer Reduzierung der arvalischen Aktivitäten führte. Nero 27 hingegen dehnte den Umfang der Opfer wieder beträchtlich aus und stellte vor allem seine Person, weniger seine Familie oder Vorgänger, in den Mittelpunkt. Sein Geburtstag, Gelübde für sein Heil und seine glückliche Rückkehr sowie Amtsübernahmen und Imperien bildeten den Schwerpunkt der Opferzeremonien. Tagespolitische Anlässe spielten zu sätzlich eine besondere Rolle.28 Templum Divi Augusti In der sakralen Hierarchie des Arvalkultes stand das Templum Divi Augusti unmittelbar hinter dem Kapitol. Die Aussage Suetons über das Brükkenprojekt Caligulas29 und die Ortsangabe in Palatio*0 der Arvalakten be stätigen die Lage des Heiligtums in der Talsenke zwischen Kapitol und Palann. Die Daten der Opferzeremonien der Arvalbrüder beziehen sich unter Caligula hauptsächlich auf den vergöttlichten Augustus. Die obligatori schen Zeremonien der Arvalbrüder erfolgten an seinem dies imperii, an läßlich der Konsulatsübernahme und am Tag seines Einzugs in die Stadt nicht nur - wie bereits ei-wähnt - auf dem KapitoL, sondern auch vor dem Heiligtum des vergöttlichten Augustus. Da unter Caligula auch die übri gen in den Arvalakten bezeugten Kultstätten in engem Bezug zu Augustus standen,31 liegt der Schluß nahe, Caligula habe versucht, sich unter Aus klammerung des Tiberius unmittelbar in die Tradition des ersten Prinzeps zu stellen, um dadurch seine Herrschaft zu legitimieren.32 27
Ebd., 55-95. Dazu zählen beispielsweise außerreguläre Gelübde pro saltae et reditu Neronis. 29 [...] super templum Divi Augusti ponte transmisso Palatmm CapitoUwmque coniuxit. (Suet. Cal. 22, 9). 30 HÄNLEIN-SCHÄFER 1985,124 gelang es, plausibel nachzuweisen, daß die in den Ai-valakten bezeichnete Lage des Tempels in Pabuio als Angabe der Region gedeu tet werden muß. Es handelt sich hier um die regio X, Palatiwru, die sich bis in die Talsenke des Forums erstreckte. 31 Als Beispiele seien hier nur die ara Providentiae, die ara Paris oder das Stand bild des Augustus am Marcellustheater erwähnt. 32 Diese enge Bezugnahme auf Augustus wird u. a. durch ein Opfer am 23. April 38 n. Chr. sehr deutlich (SCHEID 1998, 30, Z. 26). Dabei opferten die Arvalbrüder vor einer Statue des Augustus beim Marcellustheater. Der 23. April war der Tag der Dedikation des Kultbildes durch Livia und Tiberius im Jahr 22 n. Chr. (vgl. auch Cass. Dio 59, 3, 7). 28
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In ähnlicher Weise scheint Nero den Bezug zu Augustus gesucht zu haben, dehnte er doch sogar die jährlichen vota auf den Tempel des Divus Augustus aus und feierte ebenso wie Caligula die Jahrestage seines Kon sulates und seines dies imperii nicht nur auf dem Kapitol, sondern auch im Augustustempel. Die Bedeutung der Arvalbrüder für die Inszenierung von Opfern aus aktuellem politischem Anlaß spiegelt sich in einem Opfer am 23. Juni 59. An diesem Tag vollzogen die Ai-valbrüder Opfer auf dem Kapitol, im Augustustempel und auf dem Augustusforum- Grund dieser Opferprozession durch die gesamte Stadt war die Sorge um das Wohl des Kaisers und seine Rückkehr nach Rom, das er nach der Ermordung Agrippinas im März verlassen hatte.33 Vor allem Caligula und Nero nutzten das Prestige, das sich mit dem Augustustempel verband, um ihren Herrschaftsanspruch an bedeutenden Tagen der Dynastie - im besonderen an solchen Tagen, die einen Bezug zu Augustus herzustellen vermochten - durch Opfer zu legitimieren und sich in die Tradition des ersten Prinzeps zu stellen. Die Person des Augustus spielte mithin als Legitimationsargument im Herrscherkult seiner Nach folger eine zentrale Rolle. Die psychologische Komponente öffentlicher Sakralhandlungen, wie sie die Arvalbrüder zelebrierten, darf nicht unterschätzt werden. Das legen auch die Opfer der Arvalen auf dem Kapitol und im Tempel des Divus Augustus anläßlich der Rückkehr Neros nach der Ermordung seiner Mut ter nahe. Die Botschaft, die dadurch vermittelt wurde, lautete: Rechtfer tigung der Tat im Namen des Augustus und Sanktionierung dieser und künftiger Maßnahmen kraft dynastischer Tra
Tac. Ann. 14, 10, 3; 14, 13, 1; vgl. auch SCHEID 1990, 394-400. Erst ab dem Jahr $7 n. Chr. scheint der Tempel der Concordia auf dem Forum Komanum dem Kollegium der Arvales fratres als stadtrömischer Sitz zugewiesen worden zu sein (SCHEID 1998, 146ff.)34
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4 Diskrepanzen zwischen den historischen Quellen und den Arvalakten Aedis Apollims Das erste Beispiel der Aedis Apollinis^ soll den Fall einer Kultstätte auf zeigen, die in den literarischen Quellen als Zentrum des Kaiserkultes dar gestellt ist, in den Arvalakten aber nicht erwähnt wird.36 Die literarischen Quellen zum Tempel des Apollo Palatinos vermitteln den Eindruck, diese Kultstätte sei - vor allem wegen ihres engen Bezuges zum Haus des Au gustus - als eine der zentralen Stätten des Herrscherkultes konzipiert wor den. In den Arvalakten der julisch-claudischen Epoche erscheint der Tem pel des palatinischen Apoll jedoch lediglich ein einziges Mal irn Juni 15 n.Chr. anläßlich der Kooptation eines neuen Mitglieds der Bruderschaft. Im Spiegel der Arvalakten scheint der Apoll-Tempel also keine zentrale Bedeutung für den Kaiserkult der julisch-claudischen Epoche besessen zu haben Eine Erklärung dieser Diskrepanz zwischen literarischen Quellen und Arvalakten könnte in der von Augustus in den Jahren vor und nach Actium präferierten37 hellenistischen Prägung des A^o//-Kultes vermutet werden. Apoll nahm für ihn in dieser Phase eine zentrale Position als der Gott ein, der das neue Zeitalter symbolisierte.3* Das unterstreichen auch die Münzemissionen der Jahre vor 27 v. Chr.,3* die eine Angleichung der Bildnisse von Apoll und Augustus erkennen lassen.40 Daneben verzeichnen 35
Als wichtigste Beispiele seien hier nur Ov. fast. 4, 953f. State Palatvnae laurusy praetextaque queren /stet domus: aetemos tres, habet una deos\ Ascon. tog. cand 80 his temporibus... nobüissima und Vell. 2, 81, 3 ab eo (Augusto) singidari extrttctttm munificentia, est zitiert. VgL auch Mon. Ana 4, 1; Prop. 2, 31, 9f£j Plin. nat 34, 24, 32; Suet. Aug. 29, 3; los. bell. lud. 2, 81; Ov. trist. 3, 1, 60; Serv. Aen. 8, 720; Verg. georg. 3. Der Tempel des palatinischen Apoll war aus Anlaß des Sieges von Naulochos gegen Sex. Pompeius gelobt worden (Cass. Dio 49, 15, 5). Seine Dedikation fand am 9. Oktober 28 v. Chr. statt. (Cass. Dio 53, 1, 3; Fasti Arval. [Inscr. It. XIII 2, 37]). 36
Vgl. CARETTONI 1988; GROS
1993.
37
Die nach dem Muster hellenistischer Palast-Heiligtümer - vor allem dem der pergamenischen Akropolis, die gleichzeitig Wohnsitz der Attaliden und Tempel der Athena war - errichtete Anlage des Apollo-Palatinus-Tempeh unterstreicht diese Annahme (vgl ZANKER 1983). 38 Die Überführung der sibyllinischen Bücher auf den Palatin (Suet. Aug. 31) sowie die Saecularspiele 17 v. Chr. zeugen von dieser Bedeutung des palatmischen Apoll für Augustus. 39 LlEGLE 1991. 40
Vgl. ALFÖLDI 1973, 51; LAMBRECHTS
1988.
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die Fasten der Arvalbrüder einen Festtag am 9. Oktober - also dem Tag der Weihe des Apo//-Tempels ~ eines Jahres vor 21 v. Chr.41 Dieser Festtag belegt, daß die Arvalbrüder zu dieser Zeit als Träger des Kaiserkultes sehr wohl auch dem palatinischen Apoll opferten, diesem Gott also in den 20er Jahren des ersten Jahrhunderts v. Chr. noch eine besondere Rolle im kul tischen Ritual der Arvalbrüder zugedacht war. Danach aber tauchen abgesehen von der Kooptation des Jahres 15 n. Chr. - weder Apoll noch sein palatinischer Tempel in den Akten der Axvalbruderschaft wieder auf. Daher drängt sich der Eindruck auf, Augustus habe ein Seheitern seiner griechisch-hellenistisch geprägten apollinischen Politik der frühen Jahre sowohl auf dem religiösen als auch auf dem politischen Sektor befürchtet und daraufhin den Versuch zugunsten einer formal eher republikanisch konservativen Politik aufgegeben. Das bedeutete, daß in der Folgezeit der Apo//-Kult hellenistischer Ausprägung zumindest im Rahmen der Vereh rung des Prinzeps und seiner Familie traditionell römischen oder neuen augusteischen Göttern weichen mußte. Dieses politische Umdenken des Augustus nach dem Jahr 27 v. Chr. zeigt sich auch im Umgang mit dem Kult des Divus Iulius. Der Bau des Divus-Iulius-Üem'peh auf dem Forum fiel noch in eine Zeit, in der die Anlehnung an das Erbe des vergöttlichten Caesar stark propagiert wurde. Die Errichtung des Augustus-Mausoleums, des Apo//-Tempels und des Pantheons ergeben gemeinsam mit dem Bau dieses neuen Tempels das Bild eines Plans, in dessen Mittelpunkt die Errichtung einer Monarchie nach hellenistischem Modell stand. Nach Actdum und der Überwindung der Gegner, spätestens aber nach dem Januar 27 v. Chr. galt es, eine neue innenpolitische Ordnung zu errichten, die der Sonderstellung des Augu stus eine dauerhafte Basis verlieh. Die neue Machtposition war nicht ohne Kompromisse und Zugeständnisse an Senat und Aristokratie zu halten. Dieser Situation hätte die kultische Verehrung Caesars sowenig entspro chen wie die Einbeziehung des Apoll in den Herrscherkult. Daher spielte der Divus Iulius im Kaiserkult der Arvalen ebensowenig eine Rolle wie der Apollo Palatinus. Ära Providentiae Mit dem Altar der Providentia kehrt sich das bisher vorgegebene Schema um, d. h. hier liegt eine offensichtlich bedeutsame Stätte des Herrscher kultes vor, die uns in den literarischen Quellen nicht begegnet. Die ara 41
Fasti Azval. (Inscr. It. 20D 2, 37).
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Providentiae ist lediglich auf einer Münze aus tiberischer Zeit belegt, auf der vor allern ihre Ähnlichkeit mit der ara Pacis auffallt.42 Für die Zeit Caligulas sind zwei Zeremonien an dieser Ara nachgewie sen,43 die über die Lage des Altars und seine Bedeutung Aufschluß geben können. Vor allem das Datum des 26. Juni, an dem die Arvalen im Jahr 38 n. Chr. ein Opfer an der ara Providentiae darbrachten, rückt dabei in den Mittelpunkt der Erwägungen. Bis vor wenigen Jahren wurde aufgrund der numismatischen Beweise als hypothetisches Jahr der Errichtung bzw. Dedikation des Altars der Providentia das Jahr 29 n. Chr. angenommen, das 25. Jahr nach der Ad option des Tiberius. Diese Vermutung wurde jedoch durch das von WER NER ECK 1996 publizierte senatus consultum über den Prozeß gegen Cn. Calpitrnius Piso aus dem Jahr 20 n. Chr. widerlegt.44 In diesem Senatsbe schluß heißt es, der Name des Piso sei aus dem Titulus einer Statue des Germanicus zu entfernen, welche die sodales Augustales »in campo ad aram Prouidentiae«45 aufgestellt hätten. Der Altar muß folglich spätestens am Todestag des Germanicus, dem 10. Oktober 19 n. Chr., bestanden ha ben. Es stellt sich' daher die Frage nach Zeitpunkt und Grund seiner Er richtung. Die Arvalakten liefern einige Anhaltspunkte für die Beantwor tung, vor allem, wenn man arvalische Kulthandlungen an der ara Providentiae mit jenen an der ara Pacis vergleicht. Am 30. Januar und am 4. Juli 38 n. Chr. fanden Opfer an der ara Pacis statt. Dabei handelte es sich beim 4.Juli um den Jahrestag ihrer Stiftung [dedicatio) im Jahr 13 v.Chr./ 6 wahrend der 30. Januar 9 v. Chr. den Tag ihrer Weihe (constitutio) mar kierte.47 Das Opfer der Arvalen am 26-Juni 38 n. Chr. könnte nun - par allel dazu ~ den Jahrestag der Stiftung der ara Providentiae gefeiert haben. Da wir annehmen können, daß Caiigula den Jahrestag der Adoption seines wenig geliebten Vorgängers, dessen Divinisierung er, wenn nicht verhin dert, so doch zumindest nicht wirklich forciert hat/ 8 nicht zum Anlaß für 42
BMCRomEmp I, 139ff., Nr. 146-450. Am 26. Juni 38 n. Chr. fand ein Opfer in campo Agrippae ad aram Prouidentiae Augustae statt (SCHEID 1998, 30, Z.56), das den Jahrestag der Adoption des Tiberius feiert (4 n. Chr.) (vgl. Vell. 2, 103, 3). Eine zweite Zeremonie wurde zwi schen dem 16. und 25. Oktober 39 n. Chr. ad aram Proaidenüa{e Augustae] ver zeichnet (SCHEID 1998, 37, Z.5). Die Vermutung, der Anlaß habe in Zusammen hang mit der Verschwörung des Lenculus Gaetulicus gestanden, scheint sinnvoll (Cass. Dio 59, 22, 5; Suet. Cl. 9). 44 ECK 1996. 45 Ebd., 45. 46 Fasti Amit. (Inscr. It. XIII 2, 176). 47 Fasn Praen. (Inscr. It. X11I 2, 116f.). 48 Cass. Dio 59, 3, 7. 43
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Opfer gewählt hat, und weil die Providentia Augusta die Voraussicht des ersten Prinzeps für den Erhalt der gesamten Dynastie symbolisierte, .läßt sich die These aufstellen, Tiberius selbst habe die ara Providentuie in Ver bindung zum Tag seiner Adoption gesetzt. In diesem Fall "wurde sie am 26. Juni entweder gestiftet oder geweiht. Nur so erklärt sich, daß Caligula parallel zum Opfer am Stiftuixgstag der ara Paris - auch am Stiftungstag der ara Providentuie ein Opfer von der Ai-valpriesterschaft darbringen ließ. Daraus ergeben sich einige Schlußfolgerungen für die Einbindung der ara Providentuie in den HeiTScherkult. Bei der Verehrung der Providentia handelte es sich um einen Kult der klugen Voraussicht des Augustus, der mit der Regelung seiner Nachfolge für den Staat Sorge getragen hatte. Daß eine Statue des Germamcus bei dem Altar stand, kann nicht verwundern, hatte doch Augustus vorausschauend dafür gesorgt, daß Tiberius - even tuell sogar am selben Tag seiner Adoption durch Augustus, am 26. Juni, Germamcus adoptierte. Die Providentia bezog sich also nicht nur auf die direkte Nachfolge des Augustus, sondern auf den Erhalt der julischen Dynastie überhaupt. Das führt wiederum zu der Frage, wann beschlossen wurde, dieser au gusteischen Eigenschaft einen Kult zu stiften und einen Altar zu errichten. Es ist möglich, daß Adoption und Beschluß über den Bau des Altars in dasselbe Jahr 4 n. Chr. fielen. Nach dem Tod der potentiellen Erben C. und L. Caesar mußte betont werden, daß die Dynastie fortleben werde und die Voraussicht des Augustus nicht versagt hatte.49 Als Standort des Altars wird gemeinhin die der ara Paris gegenüberlie gende Seite der via Flaminia auf dem campus Agrippae angenommen. Es 49
Dagegen argumentiert ECK, es sei angesichts der unglücklichen Nachfolgere gelung 4 n. Chr. für Senat und Prinzeps untypisch gewesen, die hypothetische Nachfolge noch zu Lebzeiten des Augustus mit einem Altar zu ehren. Er hält es für wahrscheinlicher, daß der Altar zwischen Herbst 14 und 17 n. Chr. errichtet wur de. Dafür spräche, so ECK, auch die Nichterwähnung des Baus in den Res Gestae, die zuletzt 13 n. Chr. überarbeitet wurden (ECK 1996, 200). Dem ist jedoch ent gegenzuhalten, daß auch andere gesicherte augusteische Altäre keine Erwähnung in den Res Gestae fanden. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang eine mögliche Ergänzung der Fasti Praenestini, die RÜSSEL SCOTT für den 17. Januar vorschlägt, d. h. den Tag, für den seit MOMMSENS Ergänzung die dedicatio einer ara numinis Augusti angenommen wird (Inscr. It- XIII 2,115). SCOTT geht- anders als MOMMSEN - davon aus, daß es sich hier nicht um den Jahrestag der Dedikation einer ara numinis Augusti handele, sondern um den Tag, an dem im Jahr 6 oder 7 n. Chr. die ara Providentuie von Tiberius geweiht worden sei, was angesichts einer Stiftung am 26L Juni 4 möglich erscheint (SCOTT 1982, 441).
Arvalbrüder und Kaiserkult
201
wird dabei stets von einem engen architektonischen und propagandisti schen Zusammenhang zwischen beiden Bauwerken ausgegangen.50 Die Ausführungen von EDMUND BUCHNER zur ara Pacis haben indes deutlich gemacht, daß dieser Altar in direkter Beziehung zum Horologium des Augustus stand und sogar topographisch in dessen Liniensystem einbe zogen war.51 Darüber hinaus haben bereits die Ausgrabungen 1937 ge zeigt, daß der Altar 35 m von der via Flaminia entfernt lag. Diese Entfer nung ist zu groß, als daß von einem architektonischen Gesamtkonzept von ara Pacis und ara Providentuie auszugehen wäre. Ferner ist kein Sinn darin erkennbar, auf der Rückseite der ara Pacis einen zweiten Altar ähnlicher Bauweise zu errichten. Die Annahme, die ara Providendae sei in die Parkund Gartenanlage des campus Agrippae landschaftlich eingebunden ge wesen, erscheint daher weitaus wahrscheinlicher, zumal die ara Providentiae nur ihren Eigenwert eingebüßt hätte, wäre sie in den topographisch und ideologisch aufeinander abgestimmten Komplex der ara Pacis und der Sonnenuhr eingebunden worden. Die Altäre der Pax Augusta und der Providentia Augusta standen wie kaum ein anderes Bauwerk' für die kultische Verehrung des Augustus zu seinen Lebzeiten. Sie symbolisierten nicht nur den Frieden und die Vor aussicht bzw. eine Are göttlicher Vorsehung, sondern Augustus selbst trat als die Personifikation dieses Friedens und dieser Vorsehung auf. Die Op fer der fratres Arvales unter Caligula an diesen Altären schlugen gleichsam eine Brücke zu Augustus und dienten somit der Legitimation der eigenen Herrschaft. Caliguks Weg zur Apotheose verlief also über die Abstraktio nen, die seine Vorgänger etabliert hatten. Schon darin wird deutlich, daß es nur ein kleiner Schritt vom Kult für Pax und Providentia zum Kult für Augustus selbst war. Daher ist schwer vorstellbar, daß die Masse der Be völkerung die intellektuelle Trennlinie zwischen der Verehrung der Ab straktionen des Kaisers und der kultischen Verehrung des Kaisers selbst vollzog.52 50 51
52
VgL u. a. RODDAZ 1984, 127; TORELLI 1999, BUCHNER 1976.
166.
Außer den Altarbauten für Pax, Providentia und Gens IuUa sind in den über lieferten Fragmenten der Arvalakten keine Altäre als Kult- und Opferstatten belegt. Die großen literarisch und epigraphisch belegten augusteischen Altäre wie die ara Fortuna Reducis oder die ara Cereris Matris et Opis Augustae werden dort nicht als Kultstätten aufgeführt. Sie dürften aber durch ihre auf den ersten Prinzeps zuge schnittene Erscheinung das Gesamtbild des Herrscherkoltes in Rom mitgeprägt und einen entscheidenden Beitrag zur Visualisierung seiner kultischen Sonderstel lung geleistet haben.
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5 fratres Arvales - Priesterschaft mit Sonder Status? Abschließend sollen die Arvalbrüder noch einmal als Träger des Kaiser kultes in den Mittelpunkt rücken und der Frage nachgegangen werden, ob diese stadtrömische Priesterschaft tatsächlich die Sonderstellung besaß, die die einmalige Quellenlage glauben macht. Sind die Akten der Arvalen also überliefert, weil sie tatsächlich eine außergewöhnliche Stellung im römi schen Kaiserkult besaßen, oder verdanken sie ihre heutige Bedeutung nur dem Umstand, daß ihre Akten überliefert sind? Eine Antwort auf diese Frage ergibt sich, wenn man die Rolle des Augustusforums im Zeremo niell der Arvalbrüder beleuchtet. Daß Augustus die Anlage des Forums mit dem Tempel des Mars Ultor als zentrales Projekt betrachtete, entnehmen wir seinen Res GestaeP Da her ist es - wie im Fall des Apollo-Palatinus-Tempels - verwunderlich, daß in den Arvalakten nur zwei Opferzeremonien auf dem Augustusforum verzeichnet sind, die beide in die Sommermonate des Jahres 59 n. Chr. fallen,54 daß also weder Tiberius noch Gaius oder Claudius den Arvalen den Auftrag erteilten, hier zu opfern. Einen Erkläningsansatz bietet eine Inschrift der Salier am Tempel des Mars Ultor, die über die Rolle dieser Priesterschaft im Kult des Mars Auskunft gibt.55 Die Inschrift berichtet davon, daß die Gebäude der palatinischen Salier - Aufbewahrungsorte der heiligen Waffen des Mars von den pontifices der Vesta wiederhergestellt wurden. Diese Nachricht läßt sich so deuten, daß die Waffen in der Kaiserzeit wohl nicht mehr - wie zu republikanischer Zeit - in der regia aufbewahrt wurden, sondern im neu errichteten Tempel des Mars Ultor auf dem Forum. Diese lokale Ver änderung könnte aus einer Neuorganisation des Salierkultes unter Au gustus resultiert haben, der spätestens mit der Übernahme des Oberpontifikats (6. März 12 v. Chr.) die sakralrechtliche Kompetenz für eine derartige Neuerung besessen hätte. Die Neuordnung sah demzufolge eine stärkere Anlehnung des Salierkultes an den Kult des Mars Ultor vor. Daß besonders die in der Inschrift erwähnten palatinischen Salier davon be troffen waren, erklärt sich aus der kultischen Praxis, denn die palatinischen Salier waren gemeinsam mit dem flamen Martialis dem Mars als Priester schaft zugeordnet. Es wäre für Augustus also naheliegend gewesen, gerade dieser hoch angesehenen Priesterschaft die neue Kultstätte zuzuweisen.56 53
Mon. Anc. 21.
54
SCHEID 1998, 71.
55
CIL VI 2158 = ILS 4944; vgl. HERZ 1996.
56
HER2 1996,
268.
Arvalbruder und Kaiserkult
203
Die Nachricht in den Res Gestae von der Aufnahme des Augustusnamens in das Salierlied57 ist ein weiteres Indiz dafür, daß Augustus auch zu dieser SodaKtät enge Verbindungen pflegte und daß möglicherweise auch die palatinischen Salier auf Kaiserkult und Kaiserhaus ausgerichtet wurden. Hat man hier also die- kultische Neuorganisation einer archaischen Priester schaft mit speziellen Funktionen im Kaiserkult nach dem Modell der Ar valbrüder anzunehmen? Betrachtet man die ideologische Gestaltung und Symbolik des Augustusforums, ist es durchaus denkbar, daß die palatinischen Salier mit ihrem Umzug auf das Forum Augustum eine verstärkte Einbindung in den Kaiserkult erfuhren, eventuell unter einem militäri schen Aspekt.58 Trifft diese Hypothese zu, fiele ein relativierendes Licht auf die Arvalbrüder, da anzunehmen wäre, sie seien eine unter vielen auf den Kaiserkult ausgerichteten Priesterschaften und Sodalitäten gewesen, die ihren Sonderstatus heute lediglich dem Umstand verdankt, daß ihre Akten überliefert sind. Die Anzahl der auf den Herrscherkult bezogenen Kulthandlungen müßte entsprechend um ein Vielfaches erweitert und die Frage nach der kultischen Zurückhaltung des Augustus in Rom neu be wertet werden. Vor diesem Hintergrund erscheint es durchaus möglich, daß die kulti sche Topographie des Herrscherkultes in Rom, wie sie uns in den Arvalakten entgegentritt, lediglich einen Bruchteil der Realität vermittelt.
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ALFÖLDI
57
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Regionale Studien
Kaiserkult und Kaiserverehrung in den Koina des griechischen Mutterlandes von KAJA HARTER-UIBOPXTU
Eine der offensichtlichsten Änderungen im öffentlichen Leben der grie chischen Polis in der Kaiserzeit war die Einführung des Kaiserkultes. Epi graphische, literarische und archäologische Quellen geben Auskunft über die Organisation der Feierlichkeiten für die neuen Götter und die Bauten zu deren Ehren. Dieses Phänomen soll hier auch auf der Ebene der Koina untersucht werden, um die Frage erörtern zu können, wie sich diese den Poleis übergeordneten Institutionen verhielten. Zu erwarten sind dabei soviel sei vorweggenommen - die Einführung neuer Priesterämter ebenso wie die Einrichtung von Feierlichkeiten. Genauso sollen die Quellen zur Kaiserverehrung auf genommen werden, wenn denn eine scharfe Trennung dieser beiden Phänomene möglich ist. Ehrenstatuen und Feierlichkeiten, bei denen die göttlichen Kaiser im Mittelpunkt stehen, können - auch wenn Kulthandlungen nicht dezidiert erwähnt sind - Licht auf die Ein stellung der Koina zum Kaiser in Rom werfen. Eine Gegenüberstellung der Quellen zum Kaiserkult mit den Quellen zu anderen Kulten und dem politischen Bereich der Koina soll Aussagen zur Stellung des Kaiserkultes in den einzelnen Koina ermöglichen.1 Im Mittelpunkt meines Beitrages steht damit weniger eine Studie der möglichen Formen und religiösen Aspekte des Kaiserkultes, wie er von den verschiedenen Koina gepflegt wurde, sondern eine Untersuchung der Auswirkung der Einführung des Kaiserkultes auf die Koina. Die Träger des Kultes sind dabei von größerem Interesse als die Geehrten, daher werden auch Fragen nach der Selbstver waltung, Rechtsprechung und ähnlichen öffentlich-rechtlichen Gebieten gestellt. 1 Die Idee zur vorliegenden Studie entstand im Rahmen meines Habilitationsvorhabens »Lokale Autonomie und römische Einflußnahme. Die Verfassung und Verwaltung der Poleis der römischen Provinz Achaia«.
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Kaja Harter-Uibopuu
Zunächst werden die landschaftlichen Organisationen des Mutterlandes anhand dreier Beispiele untersucht: das Koinon der Thessaler, das Koinon der Boioter und das Koinon der Eleutherolakonen.2 Dabei sind vor allem die Stellung der Mitgliedsstädte innerhalb des Koinons und ihr Verhältnis zur Bundesleitung von Interesse, die sich auch in einer interessanten Ge wichtung der Kultaktivitäten widerspiegeln: Neben den Bundesstaaten, die als Vertretung einzelner Poleis auch in der Kaiserzeit weiterlebten, existierten auch überregionale Verbände, in denen Poleis ebenso wie Bun desstaaten zusammengeschlossen waren. So stehen im zweiten Teil der vorliegenden Studie die Panachäer, die Amphiktyonie von Delphi und das Panhellenion im Mittelpunkt. Auch in diesen Organisationen wurde der Kaiserkult eingeführt, im Falle des Panhellenion bildete er sogar den Kern der Bundesaktivitäten. In der gebotenen Kürze soll auch das Problem eines »Provinziallandtages« der Provinz Achaia angesprochen werden. Die meisten anderen Provinzen des römischen Reiches hatten eine Provinzialversammlung, die Hauptträger des Kaiserkultes war und eine Vertretung der Städte gegen über dem Kaiser wahrnahm. Warum läßt sich weder unter den landschaft lichen Organisationen noch unter den überregionalen Verbänden die Vor machtstellung eines einzelnen ausmachen, der als concilium Achaiae ange sprochen werden könnte? Ein kurzer historischer Rückblick und ein Aus blick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse sollen im jeweiligen Fall die möglichen Gründe für den vorherrschenden Pardkularismus verdeutli chen. Die landschaftlichen Organisationen Sowohl auf der Peloponnes als auch in Mittelgriechenland - also dem Kerngebiet der späteren römischen Provinz Achaia - beherrschten wäh rend "des Hellenismus Bundesstaaten das politische Geschehen. Ihr Wei terleben und ihre Entwicklung sind für das 2 und 1.Jh. v.Chr. unter sucht, eine eingehende Studie zu den Koiia in der Kaiserzeit fehlt derzeit noch.3 Für diese Zeit der Eingliederung Griechenlands in das Imperium Romanum stellt sich vor allem die Frage nach den Funktionsweisen der Koina in politischer Abhängigkeit und deren Tätigkeitsbereichen. 2 Das Koinon der Achaer, das in der zu untersuchenden Zeit die meisten Zeug nisse hinterlassen hat und zu den aktivsten Organisationen des Mutterlandes gezählt werden kann, ist Gegenstand einer noch unveröffendichten Studie von
A. HUPFLOHER. 3 MARTIN 1984.
Kaiserkult und Kaiserverehmng
211
Das Thessalische Koinon 197 v. Chr., nach der Niederlage bei Kynoskephalai, mußte Makedonien alle griechischen Gebiete an Rom abtreten, darunter auch Thessalien.4196 v. Chr. wurde das Thessalische Koinon wieder gegründet, wobei es keine direkten Hinweise auf römische Einflußnahme auf die Gestaltung der Bundesverfassung gibt. Interessant ist aber, daß Livius von einem Ein greifen des Flamininus in die Stadtverfassungen in Thessalien berichtet, in denen er den Rat und die Richterstellen nach dem Vermögen besetzte.5 Das Koinon selbst scheint seit dieser Zeit keine primäre Bundesversamm lung mehr besessen zu haben, die Entscheidungen wurden von einem Synedrion von Repräsentanten gefällt, das unter der Leitung eines Strategos stand.6 Beachtlich ist die Sonderstellung, die Thessalien um die Mitte des 2. Jh. v. Chr. innehatte: es behielt die von Flamininus zugesicherte Freiheit auch nach seiner Angliederung an die Provinz Macedonia und wurde 146 v. Chr. nicht aufgelöst.7 31 v. Chr. gelangte Thessalien unter Octavians Kontrolle, der es zum Eckstein seines Griechenlandprogrammes machte. Bereits 27/6 v. Chr. war er selbst Strategos des Koinons (IG EX 2, 415b) und schlug diesem die Gebiete der Ainanen, Oitaier und Doloper zu. Seit dieser Zeit führte das Koinon - um den Kaiser zu ehren - den Namen Sehasteon. Verschiedene Gründe werden für Augustus' Interesse an Thessalien genannt, darunter die Möglichkeit, eine Kontrolle für Makedonien zu haben, der große land wirtschaftliche Reichtum in den Ebenen und die Ressourcen für die Ka vallerie. Darüber hinaus bestanden zumindest seit Flamininus> Eingreifen in die Stadtverfassungen gute Kontakte zwischen der herrschenden Schicht in Thessalien und dem römischen Senat.8 Die Institutionen des Koinons in der Kaiserzeit sind bekannt: die Ent scheidungsfindung oblag dem Bundesrat (Synedrion),9 der unter der Lei tung eines eponymen Strategen stand, welcher durch Inschriften und Münzen gut belegt ist. Dazu findet sich ein Grammateus als stellvertre tender Leiter. Im Hipparchos und im Tarantinarchos haben sich alte mi litärische Ämter erhalten, wenn auch der genaue Aufgabenbereich nicht bekannt ist.10 Weiterhin wurden der Kult der Athena Itonia in Philia 4 5 6
7 6
Pol. 18,44,3; Liv. 33,30,2. Liv. 34,51,4-4. MARTIN 1984, 12-64. LASSEN 1938, 219-220; MARTIN 1984, 38ff. BUKKER 1993, 5ff; HEIJLY 1980, 35; zur weiteren
1987. 9 SEG 37, 492 und 493 10
HELLY 1980, 37ff.
Geschichte siehe
HABICHT
212
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hierbei handelt es sich wohl um das Bundesheiligtum - und des Zeus Eleutherios vom Koinon gepflegt Die Münzprägung Thessaliens in der Kaiserzeit zeigt, daß stets eine Bundesprägung vorgenommen wurde, in der die Münzen nach den Strategen datiert wurden. Neben Münzen mit Kaiseiporträts werden auch Münzen ohne - dieses geprägt, sogenannte pseudoautonome Münzen. Zu Zeiten des Augustus, Tiberius und Clau dius findet sich zusätzlich ein für Griechenland einzigartiger Münztyp, der lediglich das Porträt und die Umschrift Thessalon Sebasteon trägt, ein Zei chen für das Selbstbewußtsein des Koinons.11 Die Tatsache, daß die Bun desprägung bis in die Zeit des Gallienus vorherrschend war, zeigt den engen Zusammenhalt der thessalischen Städte und die relativ starke Stel lung des Koinons. Zu den Aktivitäten des Koinons wird neben der Selbstverwaltung stets die Gerichtsbarkeit angeführt, die durch zwei Textzeugnisse belegt ist. IG IX 2, 261 enthält Regelungen in einem Grenzstreit zwischen den beiden thessalischen Städten Kierion und Metropolis. Sie hatten sich an den rö mischen Legaten C. Poppaeus Sabinus gewandt, der seinerseits dem Grammateus des Synedrions des thessalischen Koinons ein Schreiben zu kommen ließ, in dem er das Synedrion aufforderte, die Angelegenheit al leine zu entscheiden. Daraufhin fand vor dem Synedrion eine Verhandlung statt, deren Ausgang in einer geheimen Abstimmung bestimmt -wurde. Deutlich zeigt der Text, daß in den Augen des römischen Legaten das Koinon selbst für die Verwaltung seiner Gebiete zuständig war, vor ver allgemeinernden Aussagen muß aber gewarnt werden, da im Fall der Strei tigkeiten zwischen Lamia und Hypata der römische Amtsträger, der Proconsul unter Hadrian, den Konflikt selbst entschied und von einer Mit wirkung des Koinons, das zu dieser Zeit sicher noch bestand, nicht ge sprochen werden kann.12 Auch der zweite Text zur Gerichtsbarkeit des Koinons, D 48,6,5,1 (Marcianus libro quarto decimo institutionum) muß mit Vorsicht gelesen werden. In einem Reskript an das Koinon der Thessaler stellt Hadrian fest, daß in Fällen der Anwendung von vis zunächst über diese geurteilt werden mußte, bevor der eigentliche Eigentumsstreit geklärt werden konnte. Daß diese Stelle Gerichtsbarkeit des Koinons be lege,13 scheint überinterpretiert, denn es ist keinesfalls anzunehmen, daß Eigentumsstreitigkeiten aus der Kompetenz der Poleis vor ein Bundesge richt gezogen worden waren. Das hieße nämlich, daß ein Großteil der 11
BURRER 1993, %%.
12
ILS 5947a, contra
13
BURRER 1993, 15.
BURRER
1993, 16.
Kaiserkult und Kaiserverehrung
213
alltäglichen Prozesse um konkurrierende Ansprüche nicht von den nor malen Gerichten der Polis sondern von Bundesgerichten, die aus Abge sandten verschiedener Poleis zusammengesetzt waren und nicht immer tagten, hätten entschieden werden müssen. Das aber ist höchst unwahr scheinlich. Mit großer Sicherheit belegt aber die Quelle einen Fall, in dem die thessalischen Städte in ihrer Anfrage an den römischen Kaiser durch das Koinon vertreten worden waren, eines der Rechte der Provinziallandtage.14 Die Quellen zum Kaiserkult und zur Kaiserverehrung im Thessalischen Koinon sind äußerst spärlich. Es ist nicht bekannt, in welcher Stadt das Zentrum des Kaiserkultes des Koinons beheimatet war, es bieten sich mit Larisa und Hypata zwei Städte an. Larisa - das von Strabon (9,5,3) als bedeutende Stadt bezeichnet wird - war weiterhin Zentrum des Landes und Hauptstadt des Bundes, hier wurde der vom Koinon organisierte Kult des Zeus Eleutherios gefeiert.1S Möglicherweise stehen damit auch die in IG IX 2 614 b erwähnten Kaisareia in Verbindung. Über die Organisation des Agons und des dazugehörenden Festes ist allerdings nichts bekannt, so daß über die Kultpraxis im Rahmen dieses Ereignisses keine Aussagen getroffen werden können. Als sicher hat zu gelten, daß die Bundesämter des Thessalischen Koinons durch die Einführung eines Archiereus erwei tert wurden. Dies belegt SEG 19, 402, eine Ehreninschrift der Amphiktyonie von Delphi für den thessalischen Archiereus Andronikos aus Me tropolis. Im Unterschied zu den kleinasiatischen Koina hatte dieser Arch iereus aber nicht die Leitung des Bundes, die weiterhin beim Strategen verblieb. SEG 19, 402: το κοιν[όν τον] | Αμφικτυ[όνων Άν]δρόνεικο[ν —]οδώρου Θ[εσσαλον] p Μητροπολ[είτην] αρχιερέα τοϋ κ[οινο^ τον Θεσ]σ<χλ<3>ν και άγ[ωνοθέτην τ<3>ν] Πυθίων, τχ\ς [εις αυτούς] [ εύνοιας κ[αι τής προς τον] |10 θεον ειχ7[εβείας και] | τής άλλη [ς αρετής] 3νεκα. vacat16 Die Statuengruppen IG IX 2 606 und 607 zeugen von der Verehrung der Kaiser Claudius, Vespasian und Domitian durch das Thessalische Koinon, wobei allerdings nur die Inschrift für Claudius von einem Gott spricht (IG IX 2, 606 a: [Θεσσαλοί Κλαύ]διον Καίσαρα [Γερμανικον] Σεβαστον θεόν),17 die beiden anderen Inschriften enthalten keine Hinweise auf sicher nicht in Abrede gestellte - Göttlichkeit der Kaiser. 14
1965, I6lff. Die Spiele wurden unter Augustus erneuert: IG IX 2, 531 und 532, u. a. u Das Koinon der Amphiktyonen (ehrt) den Thessaler Andronikos, Sohn des -doros, aus Metropolis, Archiereus des Koinons der Thessaler und Agonothet der Pythien wegen seines Wohlwollens ihnen gegenüber, seiner Frömmigkeit gegen über dem Gott und seiner übrigen Tugend. 17 Die Thessaler (ehren) Claudius Caesar Germanicus Augustus, den Gott. 15
DEINDJGER
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Als zweites mögliches Zentrum des Kaiserkultes wird Hypata genannt, aus dem zahlreiche Archiereis stammen. Betrachtet man diese Inschriften aber genauer, zeigt sich, daß es sich bei den genannten Amtsträgern nicht mit Sicherheit um Archiereis des Koinons handelt, wahrscheinlich hatten sie dieses Amt in der Polis Hypata inne, wo der Kult der Tbeoi Sebastoi im frühen 2. Jh. n. Chr. eingeführt worden war.18 Zusammenfassend läßt sich zu den Verhältnissen in Thessalien sagen, daß der Kaiserkult - obwohl das Koinon selbst in anderen Bereichen sehr aktiv war - nicht gut belegt ist. Es scheint, als ob die Verehrung und der Kult der Kaiser eher Angelegenheit der einzelnen PoKs als des gesamten Koinons war. Untypisch für die Verhältnisse im kaiserzeitlichen Grie chenland waren die weitreichenden Kompetenzen des Koinons. Der Grund dafür wird sicher in der Bevorzugung in augusteischer Zeit aus wirtschaftlichen und militärischen Überlegungen zu suchen sein. Das Boiotiscbe Koinon Im Unterschied zum Thessalischen Koinon wurde das Boiotische Koinon, in dessen Reihen sich stets Widerstand gegen die Machtübernahme durch Rom gefunden hatte, 146 v. Chr. aufgelöst und wahrscheinlich 140 y. Chr. wieder hergestellt.19 Später finden sich keine direkten Beweise für die Exi stenz des Koinons bis in die Zeit der Thronbesteigung Caligulas. Die In schriftengruppe IG VII 2711-2713 aus Akraiphia ist das erste und ausführ lichste Zeugnis zu den Verhältnissen im Boiotischen Koinon im 1. Jh. n. Chr. Gemeinsam mit den anderen Koina Mittel- und Zentralgriechen lands (den Panachäern, vgl. unten) wollte das Boiotische Koinon zur Thronbesteigung Caligulas eine Gesandtschaft nach Rom mit den gebüh renden Glückwünschen für das Wohlergehen des neuen Kaisers entsenden. Allerdings reichten die finanziellen Mittel des Koinons dazu nicht aus und so drohte ihm das Ausscheiden aus dem Dachverband. Dies wurde von Epameinondas, Sohn des Epameinondas, einem Bürger von Akraiphia ver hindert, der die Gesandtschaft auf eigene Kosten unternahm und auch für die Reisekosten seiner Begleiter aufkam. IG VH 2711 enthält eine Samm lung von Dekreten, in denen auf diese Vorgänge Bezug genommen wird. 18
SEKUNDA 1997, 216ff. Vgl. z. B. IG IX 2, 32 und 44. Einen Einblick in die Organisation des städtischen Kaiserkultes gewährt SEG 36, 545 Q eine Freilas sungsinschrift aus Edbinos. Hierin ist vorgesehen, daß die Hälfte der Einkünfte aus den üblichen Freflassungsgebühren an die Priester und Agonotheten der Augusti z u übergeben sei (Z. 4ff.). 19
MARTIN 1984, 178-229; ROESCH 1965, 71f.; SALMON 1994, 229f.
Kaiserkult und Kaiserverehrung
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Darunter findet sich auch ein Ehrendekret des Boiotischen Koinons, das als wertvolle Quelle für die Verhältnisse im Koinon dient und von den Verantwortlichen des Koinons an die Amtsträger von Akraiphia gesandt worden war (Z.51-77). 20 Die entscheidungsf indende Instanz, also den Rat des Koinons, bildeten die Naopoioi, Amtsträger, die in der ausgehenden Klassik und im Helle nismus für den Neubau und den Erhalt von Tempeln im Koinon zuständig gewesen waren.21 Das vorliegende Psephisma wurde in einer Sitzung an läßlich der Pamboiotia erlassen. Auch Pausanias erwähnt, daß die Sitzun gen der Boioter im Heiligtum der Athena Itonia bei Koroneia stattfanden, wo die Pamboiotia traditionellerweise durchgeführt wurden (9,34,1). Der Schreiber des Synedrions, der für die Übergabe des Psephisma an die Akraiphrer mitverantwortlich zeichnete, wird in IG VII 2871 als Grammateus Naopoion bezeichnet und hat gleichzeitig das Amt des Epimeletes der Pamboiotia^ (Z. 2-4). Diese enge Verbindung der Bundesleitung mit den traditionellen Agonen und das Fehlen anderer Nachrichten zum Koi non legen den Schluß nahe, daß die Ausrichtung dieses Festes, neben dem die anderen ehemaligen Bundesfeste wie z. B. die Ptoia zurücktreten muß ten, die primäre Aufgabe des Koinons und somit auch ein Mittel der Iden tifikation der Boioter gewesen war. Direkte Nachrichten zum Kaiserkult im Rahmen dieses Festes sind nicht erhalten. Auch im Boiotischen Koinon wurde aber das Amt eines Kaiserpriesters eingeführt, wie der Grabstein IG VII 3426 (Chaironeia) beweist: öcyaQili TOOTI. ■ vacat Xaßiav Aocveucav TTJV öcpxiepsiocv | Sia ßiou TO13 TE KOIVOS BoicDtcöv Tfjq | Tca>via<; AQilvÄq KOCI xoi3 KOIVOS <J>aficscöv £6voi>; Kai Tf^q 'Ou-ovoiaq xä>v | 'EkXr\va>v Ttapcc T<& Tpcupoüvup, TTJV | öcyvoraTriv iepacpöpov xf\c, ayiac, Eicnj5cx^ iepaav 8iöc ßtot> TfV; ÖCTO £eipi&So<; | EioiSoq6 ßoKöräpxrj«; xo y' KCCI ccpxi£peti<; I10 Siä ßtou TÜÖV Zeßacrcäv KOCL Tfjq ^aji7cpox(dTTj<;) | Xccipcovecöv KÖ\£<ÖC, Xoyicrng IV. Kop. | Ae^irato«; Tf^v 7Ä.DicüTdTr|v jUT^TEpa |avii|fi7]<; ocpiani«; SWEKOC £K rt\$ Kaxöc tcc<; | SiaOfJKaq £vroXfi<;-/o xK^9i^jmxTi) ß(o-ü^fj<;) 5(fi|io'ü).22 20
OLIVER 1971, 22l£f; OLrvER NINGER 1965, 90f. 21 SCHACHTER 1994, 82ff. 22
1989, 69-77 (mit weiterführender Literatur); DEI-
Gutes Glück! Flavia Laneika, Archiereia auf Lebenszeit des Koinons der Boi oter der Itonia Athena und des Koinons des Volkes der Phoker und der Homonoia der Hellenen beim Trophonion, geweihteste Hieraphoros der heiligen Isis, Prie sterin auf Lebenszeit der Isis von Siris. Der Boiotarch zum dritten Mal und Archiereus auf Lebenszeit der Sebastoi und Logistes der berühmten Stadt der Chaironeier Cn. Cornelius Dexippos (für) die süßeste Mutter zum besten Andenken dem Auftrag des Testaments folgend. Auf Beschluß des Rates und des Volkes.
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Während die bestattete Flavia Laneika wohl Oberpriesterin des Kultes der Athena Itonia bei Koroneia war und eine Identifizierung als Kaiserpriesterin nicht als gesichert angenommen werden kann, war ihr Sohn Cn. Cornelius Dexippos Archiereus der Sebastoi auf Lebenszeit - möglicher weise des Koinons - und Logistes der Polis Chaironeia. Darüber hinaus trägt er den Titel Boiotarches. War der Boiotarch früher als Leiter des Koinons hauptsächlich mit militärischen Befugnissen ausgestattet, so scheinen seine Aufgaben nunmehr im kultischen Bereich zu liegen. Da das Amt - ebenso wie das Amt des Phokarchen im phokischen Koinon - erst im 3. Jh. n. Chr. eingeführt wird, könnte hier eine bewußte Nachahmung der anderen griechischen Koina vorliegen, die mit dem Asiarchen, Bithyniarchen, Galatarchen und - geographisch viel näher - Makedoniarchen Kaiserpriester besaßen, deren Titel sofort die Wirkungsstätte erkennen ließ,23 Über diese Nennung von Priesterämtern hinausgehende Quellen zum Kaiserkult finden sich für das boiotische Koinon nicht, ebensowenig können Monumente der Kaiserverehrung festgestellt werden, die vom Koinon geweiht worden waren. Auf der anderen Seite zeigen die einzelnen Poleis Boiotiens sehr rege Kaiserverebrung und einen ausgeprägten Kaiserkult Hier sei in Kürze auf die Inschrift IG VII 2713 verwiesen.24 Epameinondas, inzwischen Archie reus der Augusti (wohl der Polis Akraiphia) auf Lebenszeit, stellte in sei ner Heimatgemeinde den Antrag, Kaiser Nero, der sich durch seine Frei heitserklärung in Korinth um die griechischen Poleis verdient gemacht hatte, göttliche Ehren zuteil werden zu lassen. Ihm sollte ein Altar mit der Aufschrift »Dem Zeus Eleutherios Nero für alle Ewigkeit« geweiht wer den, darüber hinaus sollten Agalmata im Ptoion aufgestellt werden. Auch aus anderen Städten sind zahlreiche Belege für Kaiserkult und Kaiserverebrung erhalten, eine gesonderte Aufstellung würde allerdings den Rah men der vorliegenden Studie sprengen.25 Der Befund, daß die gemeinsamen Aktivitäten des Koinons deutlich hinter den einzelnen Interessen der Poleis zurücktreten, findet sich auch in anderen Bereichen. So prägten die einzelnen boiotischen Städte Bronzemünien, eine Bundesprägung analog zu der des Thessalischen Koinons ist für die Kaiserzeit in Boiotien nicht mehr nachzuweisen. Die Quellen be legen, daß die Poleis direkt mit Rom in Verbindung traten, ohne sich auf 23
IG VII 3426, IG IX 1, 218; IG XII 3, 531 und 53Z DEININGER 1965 zu den
Priestertümem der anderen Koina. 24 Auf das Ehrendekret für Epameinondas IG VII 2712 geht A diesem Band ein. 25
FOSSEY 1991, 97-118.
CHANIOTIS
in
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eine Vermittlung durch das Koinon zu verlassen.26 Einen besonderen Fall stellt die inschriftlich erhaltene Korrespondenz zwischen Hadrian und der Polis Koroneia über Reparaturen am Kopaisdamm dar.27 Deutlich zeigt sich der Parükularismus auch im Verhalten der Städte bei der Suche nach einem Gesandten für die Kommission zu Caligula. Nicht das Koinon in tern berät über eine geeignete Person und .nimmt die Entschuldigung der einzelnen Mitglieder entgegen, die Städte treten vielmehr einzeln beim Dachverband auf und bringen ihre Argumente dort vor. Deutlicher kann die Schwäche des Koinons kaum mehr gezeigt werden. Im Vergleich zu Thessalien zeigt das Boiotische Koinon ein anderes Bild: abgesehen von der Organisation der Pamboiotia lassen sich keine Wirkungsbereiche des Koinons festmachen, Boiotien scheint in der Kai serzeit aus unabhängigen Poleis bestanden zu haben, die auch ihr Verhält nis zu Rom selbst in der Hand hatten. Ein Grund für dieses Verhalten mag in der mangelnden Förderung des Koinons durch Rom liegen, es war geduldet, erhielt aber nicht die Unterstützung, die dem Thessalischen Koi non zugedacht war. Die fehlende Unterstützung des Koinons durch die boiotischen Poleis wird in IG VII 2711 mit der wirtschaftlichen Lage be gründet, dies zeigen zumindest für das 1. Jh. n. Chr. auch andere Quellen. Wo bereits das Geld für den Erhalt der eigenen Polis fehlt, ist an Kon tributionen für ein Koinon nicht zu denken. Ähnlich wie im Thessalischen Koinon ist auch hier der Kaiserkult nicht Angelegenheit des Bundes, auch wenn die Einrichtungen dafür vorhanden waren. Es scheint, als ob der wesentlich lebendigere Kult und die Verehrung der Kaiser vornehmlich in den Poleis zu finden waren. Das Koinon der Eleutherolakonen Einen Sonderfall unter den Koina der Kaiserzeit stellt das Koinon der Eleutherolakonen dar. Nach der Auflösung des Achäischen Koinons 146 v. Chr. erhielt Sparta den Status einer civitas foederata, die lakonischen Küstenstädte aber wurden in einem eigenen KOIVÖV TCÖV AaKEöcajiovicöv zusammengefaßt. 21 v. Chr. reorganisierte Augustus den Bund als Koinon der Eleutherolakonen und galt damit als Garant für die Wiederherstellung der alten Freiheit.28 26
FOSSEY 1979, 554ff.
27
IG VII 2870; (XrvER 1989, 253ff.
28
CHRIMES 1952, 435-441; BOWERSOCK 1965, 91ff. KAHRSTEDT 1954, 203-216:
VgL IG V 1, 1160.
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An der Spitze des Koinons stand ein Strategos, nach dem auch die städ tischen Dekrete von Gytheion datiert waren (vgl IG V 1, 1161 und 1167). Dazu ist aus den Zeiten des Lakedaimonischen Koinons ein Tamias belegt. Pausanias nennt als Versammlung ein Synedrion, das wohl auch hier einen Bundesrat darstellte (Paus. 3,21,7). Eine Bundesversammlung ist nicht be legt. Zumindest für die Zeit des Lakedaimonischen Koinons ist auch eine gemeinsame Bundesprägung belegt, die den engen Zusammenhang der Städte deutlich macht. Gemeinsame Agone wurden beim Heiligtum des Apollon bei Asopos für Artemis Kyparissia gefeiert eventuell auch beim Bundesheiligtum des Poseidon am Tainaron. Weitere Texte über politische oder administrative Tätigkeiten der Eleutherolakonen sind nicht überlie fert. Auch die Nachrichten zur Kaiserverehrung sind spärlich. Der Bund weihte Nerva eine Statue in Gytheion (IG V 1, 1161, vgl. unten), ähnliche Weihungen sind auch aus den einzelnen Poleis bekannt (z. B. IG V 1, 1237). IG V 1, 1161: AütoK[p&Topa] ] Nspowv Kca<7[oc]|[p]a Eeßoccrcöv xö| KOWÖV T<E>V *E^£[\>]p6epo?iaK
Imperator Nerva Caesar Augustus- Das Koinon der Eleutherolakonen unter dem Strategen Epineikidas, Sohn des PKlochareinos. 30 OLIVER 1989, 58-65 mit den maßgeblichen Editionen und weiterführender Literatur.
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daß keinerlei direkte Mitwirkung von. Amtsträgem des Koinons an den Feierlichkeiten festzustellen ist. Die Organisation der Kaisareia hatte der Agoranomos von Gytheion, das Fest selbst dauerte acht Tage und bestand aus Opfern, einem Umzug und Agonen. Von den acht Tagen standen fünf Tage im Zeichen der kai serlichen Familie: Der erste Tag war Augustus, der als Theos Soter Eleutherios angesprochen wird, geweiht (Z. 7f.), der zweite dem Tiberius (Z. 8f.), der für sich in dem Brief SEG 11, 922 göttliche Verehrung ablehnt, der dritte der Livia als Tyche der Stadt und des Koinons (Z. 9f.). Der 4. Tag der Feiern ist der Nike des Germanicus geweiht, der 5. der Aphro dite des Drusus, der 6. dem Flamininus, der die Gebiete der spartanischen Küstenstädte von Sparta losgelöst hatte; dann folgen die Gedenktage für die Familie des Eurykles. Z.27 bis 30 regeln die Opfer, die nach dem Festzug beim Kaisareion für das Wohl der Principes und der Götter abge halten werden sollen. Gerade die vorliegende Inschrift zeigt den engen Zusammenhang zwi schen Kaiserkult und Kaiserverehrung. Natürlich ist sie nicht als direktes Zeugnis für den Kaiserkult sondern für die Kaiserverehrung in Gytheion heranzuziehen, da die Opfer - wie Z. 29 deutlich sagt - nicht den vergöttlichten Kaisern selbst dargebracht werden, sondern für ihr Wohl.31 Den noch sieht Tiberius selbst in den Beschlüssen der Polis durchaus göttliche Ehren für Augustus, wenn er Gytheion mitteilt:32 SEG 11, 922 Z. 17-20: [£]v xpoöTJKSivOTJ.ISTEPOCV nöhiv £^capexo\>^ (piA&oostv TÖR JJSTESSI TÖ)V tot* | £p,oöftcrcpd«;sie, ßbtavxa TÖV KÖCJXOV suspTEOiftv TCCC; Gsou; itpercofoac; | TIJ.I&<^ can:ö<; <5s dpKOtyica xerte; {.letptcotepav; te KCCI &vepe>7isioi,<;.33
31 Z. 29: \)7t£p *cf[$ TÖV I^JXÖVCDV Kai 6sß>v acorrpica; Kai öäövo-o Tf\q r\yzy,oviaq atixßv 5icqxovficj. - Für das Heil der Hegemones und der Götter und die ewige Dauer ihrer Herrschaft. 32 Ob dem einfachen Besucher der Kaisareia in Gytheion ein gradueller Unter schied der Ehren für den Gott Augustus, den Kaiser Tiberius und die Tyche der Livia auffiel und er somit in der Lage war, zwischen Kaiserkult und Kaiservereh rung scharf zu unterscheiden, mag dahingestellt bleiben. 33 Diesbezüglich lobe ich Euch und nehme an, daß es sich ziemt, daß alle Men schen gemeinsam und Eure Stadt insbesondere die den Göttern zukommenden Ehren für die Größe der Wohltaten, die mein Vater der ganzen Welt gegenüber erwiesen hat, uneingeschränkt einhalten. Ich jedoch selbst begnüge mich mit maß volleren und menschlichen Ehren.
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Zwei rechtshistorische Phänomene sollen im Zusammenhang mit der Kai serverehrung hier noch angesprochen werden. Zunächst sind in dem De kret der Polis Strafsanktionen für die mangelhafte Durchführung der Fei erlichkeiten enthalten. Der Agoranomos mußte - wie jeder griechische Amtsträger - Rechenschaft über seine Amtsführung ablegen, dabei stand jedem Bürger von Gytheion eine Popularklage frei, bei deren Einbringung er selbst kein Vermögensrisiko trug. Wenn die Verdingung von Schauspie lern und die Beibringung der heiligen Geräte nicht zur Zufriedenheit der Polis verliefen, standen als Strafen nicht nur Amtsunfähigkeit für die Zu kunft, sondern auch die Konfiskation der Güter aus (Z. 15). Diese Straf androhung erscheint sehr streng, der Regelfall waren doch Geldstrafen, die einen festgesetzten Betrag oder ein Duplum nennen. Derartiges findet sich in den Z. 30-32, in denen dem Agoranomos und den Ephoren eine Strafe von 2000 Drachmen für die heilige Kasse angedroht wird, wenn der Fest zug und die Opfer nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurden. Auf eine ordentliche Durchführung der Kaisareia, die wohl als wichtigstes Fest der Polis Gytheion zu gelten haben, -wurde demnach größter Wert gelegt. Der stark fragmentierte Beginn der Inschrift SEG 11, 922 ist ebenfalls für den Rechtsbistoriker von größtem Interesse: auch hier wird Vermögenseinzug angedroht, dazu Ächtung, Atimie und Straffreiheit für denjenigen, der den Atimos tötet. Als Delikt sind hier sicher nicht mehr Verwaltungsvergehen anzunehmen, wie wir sie in SEG 11, 923 kennengelernt haben. Die Schärfe der Sanktion läßt hier möglicherweise an Tempelraub oder ein ähnliches Vergehen denken, vielleicht steckt auch - wie L. WENGER vermutet - eine griechische Parallele zum crimen maiestatis dahinter, einen Zusammen hang mit der Kaiserverehrung legt jedenfalls der anschließende Brief des Tiberius nahe. Jedenfalls zeigt dieses Zeugnis, daß Plutarchs Bemerkung, die griechischen Poleis hätten in der Kaiserzeit auch das Recht besessen, Atimie zu verhängen, den Tatsachen entspricht, das Fragment zeigt, wie weit die Gerichtsbarkeit der griechischen Polis gehen konnte. Natürlich ist der Erhalt derart detaillierter Texte zur Kaiserverehrung als Glücksfall zu bezeichnen, aber gerade sie zeigen, daß das Verhältnis von Kaiserverehnmg durch das Koinon und durch die einzelnen Poleis deutlich zu Ungunsten des Koinons lag. In Gytheion, der bei weitem mächtigsten Stadt des Koinons, wäre durchaus die Möglichkeit vorhanden gewesen, das Koinon in die Kaisareia einzubinden oder die vorhandenen Mittel für die Durchführung von Spielen des Koinons zu nutzen- Den noch entschied sich die Polis dafür, das Fest alleine durchzuführen und damit auch das Wohlwollen des Kaisers eher auf sie selbst als auf das gesamte Koinon auszudehnen. So zeigt sich auch in den Weihungen, daß
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die einzelnen Poleis bei weitem aktiver waren als das gesamte Koinon, von dem lediglich die Aufstellung einer Statue des Nerva überlief eit ist (IG V 1, 1161, siehe oben).
Zusammenfassung Im ersten Abschnitt meiner Studie habe ich drei sehr verschiedene Koina vorgestellt, die unterschiedlich geprägt und ausgeformt sind. Während die Thessaler als polirisch und administrativ aktiver Bund in der Kaiserzeit auftreten, trifft für die Boioter das Urteil einer Umwandlung eines ehe mals bedeutenden Bundesstaates in ein Koinon zur Erhaltung und Pflege eines Kultes (hier der Athena Itonia) zu. Bei den Eleutherolakonen scheint der Kult eher eine untergeordnete Rolle zu spielen, der Zusammenschluß der Periökenstädte dürfte vor allem wirtschaftlicher und politischer Natur gewesen sein, soviel lassen die wenigen Quellen erkennen. Die Stellung des Kaiserkultes und der Kaiserverehrung ist in allen drei Koina nicht heraus ragend. Vor allem die Thessaler und die Boioter zeigen deutlich, daß der Kaiserkult zwar in den Städten sehr gut ausgebildet ist, das Koinon aber trotz vorhandener Einrichtungen und Ämter - hier keine deutlichen Spu ren hinterlassen hat. Auch die Organisation der Kaisareia in Gytheion zeigt zwar eine Verbindung zum Koinon, die Durchführung bleibt aber allein der Polis überlassen. Keines der drei Koina zeigt Ansätze dazu, über seine natürlichen Grenzen ausgreifen und in irgendeiner Are eine Vertre tung der ganzen Provinz erreichen zu wollen oder den Kaiserkult der Provinz überregional organisieren zu wollen. Derartige Bestrebungen wä ren eher von den überregionalen Organisationen zu erwarten, die nun im zweiten Teil der Studie besprochen werden sollen.
Die überregionalen Organisationen Nachdem sich gezeigt hat, daß keine der landschaftlichen Organisationen den Wunsch oder die Möglichkeit hatte, über ihre Grenzen hinaus zur Vertretung großer Teile oder der ganzen Provinz zu werden, sollen nun drei überregionale Organisationen untersucht werden. Auch in Zeiten der Pax Romana, als die Idee einer Symmachie obsolet geworden war, gab es mehrere interessante Zusanunenschlüsse landschaftlicher Organisationen, deren Ziele hier erläutert werden sollen.
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222 Die Panacbäer
Bereits für das Jahr 34/33 v. Chr. ist ein Zusammenschluß von fünf mit telgriechischen Koina erwähnt, die M. Iunius Silanus ehren (IG II 2 4144, Athen). Den Boiotern, Euböern, Lokrern, Phokem und Dorem schließen sich in weiterer Folge die Achäer an, so daß sich der Verband zur Zeit der Thronbesteigung Caligulas in dem Dekret zu Ehren des Epameinondas von Akraiphia und in dem Begleitschreiben des Verbandes an die Amts träger von Akraiphia als Έ λ λ η ν ε ς und Ποΰνέλληνες bezeichnet und damit das Ziel, als Vertretung der Griechen anerkannt zu werden, deutlich macht (IG VII 2711, Ζ. 10-16).34 Im Unterschied zu den vorher genannten landschaftlichen Organisatio nen handelte es sich hier aber nicht um eine Vertretung einzelner Poleis oder ähnlicher Staatswesen, sondern um einen Dachverband von Födera tionen. Das Koinon stand unter Leitung eines Strategos (IG VII 2711, Z. 1), seine Versammlung wird in den Texten als Synedrion oder Synodos bezeichnet (IG VII 2711, Z. 7). Ein weiteres sicher belegtes Amt des Ver bandes ist der Grammateus. Aus Epidauros ist ein Ehrendekret für T. Statilius Timokrates erhalten (IG IV l 2 , 80/81), der sich um das Koinon in schwierigen Zeiten verdient gemacht hatte. In dem Dekret, das in das Jahr 66 n. Chr. datiert wird, wird der immer stärker werdende Einfluß des Achäischen Koinons spürbar: Die Versammlung -wird nun Ποΰναχαϊκον συνέδριον (Ζ. 14) genannt, trägt aber weiterhin den offiziellen Namen »Koinon der Achäer, Boioter, Euböer, Lokrer, Phoker und Dorer«. Nach dem Ende des 1. Jh. n. Chr. sind keine weiteren Nachrichten zu diesem Dachverband erhalten, der Versuch, eine gemeinsame Vertretung eines Großteiles der Provinz mit relativ geringer Institutionalisierung durch zuführen, scheint gescheitert. Auffällig ist, daß von Anfang an einzelne Poleis an dem Synedrion nicht teilnahmen, so fehlen Athen und Sparta, aber auch die Eleutherolakonen oder die Thessaler schlössen sich den Mittelgriechen nicht an, so daß von einer geregelten Vertretung der gesam ten Provinz nicht gesprochen werden kann.35 Ein gemeinsamer Kult des Dachverbandes ist nicht überliefert, dies scheint für die rein administrativ gesehene Institution nicht notwendig gewesen zu sein. Auch zur Kaiserverehrung sind die Quellen dünn gesät: das einzige direkte Zeugnis ist eine Weihung einer Statue des Claudius in Koroneia, die durch den Dach verband erfolgte (IG VII 2878). Aufschluß34
MARTIN 1984, 600-602 und 612-613; DEININGER 1965, 88-90; OLIVER 1971,
221-237; OLIVER 1978 (1), 185-188 35
OLIVER 1978 (1), 188.
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reich ist aber ein in der Inschriftengruppe von Akraiphia erhaltener Brief des Caligula (IG VII 2711, Z. 21-42). Er dankt für die erwiesenen Ehrun gen anläßlich seiner Thronbesteigung und lobt die vorzügliche Einstellung und Frömmigkeit der Griechen. Darüber hinaus ersucht er darum, die Anzahl der für ihn beschlossenen Statuenweihungen zu beschränken und sich mit der Aufstellung von Statuen in den großen panhellenischen Heilig tümern von Olympia, Delphi, Isthmia und Nemea zu begnügen. Allerdings erlaubt der Text keine Aussage darüber, ob es sich nun um Psephismata des Dachverbandes oder seiner einzelnen Mitglieder handelt. Spezielle Kaiser priester scheint das panachäische Koinon nicht besessen zu haben. Die Amphiktyonie von Delphi Nachdem das Heiligtum des Apollon in Delphi den Tiefstand des späten Hellenismus im ausgehenden 1. Jh. v. Chr. überwunden hatte, berichtet Pausanias ausführlich über die Geschichte der Amphiktyonie zu Beginn der Kaiserzeit und die Umgestaltung des Rates (10,8,3-5).36 In zumindest drei Etappen erfolgte dabei die Änderung der Stimmverhältnisse im Rat der Amphiktyonen. Zunächst wurde unter Augustus Nikopolis als neues Mitglied aufgenommen, das 10 Stimmen auf Kosten der Malier, Ainanen, Phthioten, Perrhaiber, Doloper und Magneten erhielt. Auffallend ist, daß er das Stimm Verhältnis innerhalb der bestehenden Regeln änderte und kei ne neuen Ratsstimmen einführte. Sicherlich war es nicht sein Plan, eine Art Provinzialvertretung zu schaffen, vielmehr wird man davon ausgehen müssen, daß er seiner neu gegründeten Stadt Nikopolis auf diese Weise Anerkennung zumindest in Mittelgriechenland verschaffen und ihr Ein fluß auf internationalem Gebiet ermöglichen wollte.37 Die Amphiktyonie selbst blieb weiterhin eine lokale Organisation, die für die Verwaltung der beiden Heiligtümer bei den Thermopylen und in Delphi sowie für die Durchführung der Pythia verantwortlich war. Unter Nero muß es zu ei ner Aufwertung der Stimmen der Thessaler gekommen sein, wie FD III 4, 302 berichtet. Auch dieser Kaiser kannte die Verhältnisse in der Amphik tyonie genau und kontrollierte sie. Gegen diese Aufwertung wurde dann Einspruch erhoben, und so traf Hadrian in einem Brief an die Stadt Delphi Anordnungen über die Aufteilung der Stimmen und die korrekte Abhal tung der Pythien.38 * MARTIN 1984, 647ff. (und Appendix V); DAUX 1975, 348-362; FLACELI£RE 1971, 168-186; SANCHEZ 2001, 426-436 mit ausführlicher Diskussion des For schungsstandes und weiterführender Literatur y7
39
V. a. DAUX 1975, 352-360. OLIVER
1989, 183-190; SANCHEZ 2001, 428^36; FLACELD&RE 1971, 171ff.
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FD III 4, 302, col. II Ζ 1-6: [κα]θ' & μέντοι χρή ιζονεϊν κατά τού[ς] νόμους, [εί]σ[ήνε/καν] | γνώμην εις την λαμπροτάτην σ[ύγ]κλητον εισηγη[σάι.ιε]νρι τας ψήφους ας πλέονας τα>[ν] άλλων έχουσιν Θεσ[σα]λ[οΐ Α]θηαίοις και Λακεδαΐ|ΐοννο[ι]ς διανεμηθήναι και τοα[ς] Ράλ[λαι]ς πόλεσιν, ϊνα η κοινόν πάντ[ω]ν τα>ν Έλλ/r [νων το συνέ|δρ[ι]ον.39 Um die Stimmen der Aitoler und von Nikopolis werde er sich - so ver sprach der Kaiser - persönlich in Delphi kümmern. Damit sprach Hadrian erstmals den Wunsch an, auch die Griechen des Mutterlandes in einem Koinon vereint zu sehen, er wollte dazu - mit Modifikationen - die Amphiktyonie von Delphi als bereits bestehende Institution verwenden. Al lerdings scheint dieser Plan nicht funktioniert zu haben, da in der Amphiktyonie von jeher zu viele griechische Staaten nicht vertreten waren. Auch die uneinheitliche Verteilung der Stimmen war einer gemeinsamen Vertretung abträglich. Darüber hinaus wird zur Zeit der Umwandlung der Amphiktyonie im Jahr 129 n, Chr. bereits das Panhellenion zumindest in Planung gewesen sein, das dann die Rolle der gemeinsamen Vertretung übernehmen sollte.40 O b nun die Umgestaltung, die Hadrian in Angriff nehmen wollxe, auch so durchgeföbxt wurde oder die Zustimmung der Amphiktyonen nicht fand, ist nicht bekannt. Als sicher ist jedenfalls fest zuhalten, daß zu Pausanias' Zeiten die Spartaner nicht mit eigenen Stirn-, men im Rat vertreten waren. Zwar wurde die Gesamtzahl der Amphik tyonen auf 30 angehoben, dafür wurden aber die Makedonier in das Koi non aufgenommen. Sie erhielten ebenso wie die Thessaler und Nikopolis je 6 Stimmen, je zwei Stimmen hatten die Phoker, Delphier, Dorer, Ionier, Boioter und Lokrer. Die Amphiktyonie war zu einer Vertretung Nordund Mittelgriechenlands geworden.41 Natürlich erhielt das prestigereiche Heiligtum in Phokis immer wieder Zuwendungen von Seiten der Kaiser, die dort auch einen idealen Ort der Selbstdarstellung vor einem großen griechischen Publikum vorfanden. Pausanias berichtet von der Aufstellung der Kaiserstatuen in der Marmaria (10,8,6), dort diente, wohl die Tholos als Kaisertempel. Zuständig für den Kaiserkult waren sowohl ein Hiereus oder Archiereus als auch der Epimeletes des Koinons, wobei das Priesteramt neu eingeführt wurde, wäh rend das Amt des Epimeletes als Festbesorger schon vor der Kaiserzeit 39
So wie es notwendig war gemäß den Gesetzen, berichteten sie dem herausra genden Senat, und schlugen vor, daß die überzähligen Stimmen der anderen, die die Thessaler halten, unter den Athenern, den Spartanern und anderen Städten verteilt werden sollten, damit es ein gemeinsames Synedrion aller Hellenen sei. 40 SPAVFORTH 1999, 342ff. 41 DATO 1975, 362; SANCHEZ 2001, 458ff.
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existierte. N u n wurden lediglich die Kompetenzen dieses Amtsträgers er weitert.42 Die beiden Ämter sind z. B. in der Ehreninschrift für Nero be legt: FD III4, 258: [Νέρωνα Κλαύ]δ[ιον] Κλαυδ[ίου Καί][σ]αρρς Σεβαστσϋ και Γερμαν[ι]| [κ]οΌ Καίσαρος έ*ηΌνον7 θεού Σεβασ[[τ]οΌ ά^γονον, Καίσαρα, Σεβα[σ]Ρτόν, Γερμανικόν, αρχιερέα, δη|[μα]ρχικής εξουσίας, αυτο κράτορα, το κοινόν το&ν Αμφικτυόνων. | vacat 0.05m έπι ιερέως τα>ν Σε βαστών και επιμελητού | Αμφικτυόνων ΠοΛίου Μεμμίου Κλεάνδρου.43 Die Inschriften IG IV 590, Ζ. 16 und IG IX 2 44 belegen darüber hinaus die Einführung des Amtes eines Helladarchen, der wohl auch priesterliehe Aufgaben zu erfüllen hatte und parallel zum Helladarchen des Achäischen Koinons existierte.44 IG IX 2, 44, Ζ 1-9 (Hypata): [ή] πόλις Ύπατα | Τ. Φλαουίου Κύλ|λου υίόν Εύβίοτον p τον αρχιερέα [κ]αί άτωνοθέτην το&ν Σεβαστό&ν | Θεό&ν έπι τοις δύο στεφά[νοις και άγο)]νοθέτην το&ν μεγάλων Πυθίων και folium \ έλλαδάρχτ|ν τον εύεργέτην.45 Auch für die Amphiktyonie von Delphi ist man also bei der Rekonstruk tion des Kaiserkultes auf Ämternamen angewiesen, weitere Quellen exi stieren nicht. So verneint denn SANCHEZ die Existenz eines offiziellen Kai serkultes der Amphiktyonie gänzlich und sieht in den erwähnten Hiereis und Archiereis Priesterämter, die in einer Polis ausgeübt wurden..46 Zur relativ guten Kenntnis der Verehrung der Kaiser in Delphi tragen der hohe archäologische Forschungsstand und die gute Erhaltung der epigraphischen Quellen bei. 42
SANCHEZ 2001, 437fL: Die Kompetenzen des Epimeletes lagen vor allem im Bereich der Finanzverwaltung und der Verwaltung des Heiligtums, darüber hinaus vermittelte er auch zwischen der Amphiktyonie und den römischen Amtsträgern. 43 Nero Claudius, Sohn des Claudius Caesar Augustus, Enkel des Germanicus Caesar, Nachfahre des göttlichen Augustus, Caesar Augustus Germanicus, Pontifex, Träger der tribunicia potestas, Imperator. Das Koinon der Ampbiktyonen. Unter dem Priester der Augusa und Epimeletes der Ampbiktyonen Publius Memmius Kleandros. VgL Syll.3 813 Β Ζ. lff. 44
45
VgL OLTVER 1978 (2), lff. und PUECH 1983,
15ff.
Die Polis Hypata (ehrt) T. Flavius Eubiotos, Sohn des T. Flavius Kyllos, den Archiereus und Agonothetes der Divi Augusti bei den zwei Kränzen, Agonothetes der großen Pythien, Epimeletes des Koinons der Ampbiktyonen und Helladarcb, den Euergetes. VgL SEKUNDA 1997, 216. 46 SANCHEZ 2001, 442. Ein eigener Kaiserkult der Ampbiktyonie sei nicht not wendig gewesen, da mit Ausnahme der Tbessaler alle Mitglieder an dem Kult in Acbaia teilgenommen hätten. Er folgt damit der von PUECH 1983 angesprochenen These einer Provinzialversammlung im Rahmen des Achäischen Koinons.
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226 Das Panbeilenion
Nachdem das panhellenische Ideal bereits in Delphi formuliert worden war, wurde 131/2 n. Chr. in Athen ein Heiligtum geweiht, in dem Hadrian mit Zeus Panhellenios verehrt wurde. Dieses wurde von einem Synedrion, den Panhellenen, verwaltet, die aus verschiedenen Bereichen Griechen lands, Kleinasiens und anderer griechischer Gebiete stammten und sowohl Poleis als auch Ethne vertraten. Insgesamt zeugen zumindest 54 epigraphische Texte von dieser Organisation, die provinzübergreifend eine Ver sammlung aller »echten Griechen« sein sollte.47 Allerdings stammen be reits aus den 70er Jahren des 2. Jh. n. Chr. die ersten Nachrichten von finanziellen Schwierigkeiten des Koinons, gegen Ende des Jh. scheint es fast unmöglich, Teilnehmer für die Panhellenia, die penteterischen Spiele des Panhellenions, zu finden. Im 3. Jh. verliert sich dann die Spur dieser groß angelegten Organisation. Heftig diskutiert wird in der Forschung die Frage, auf wessen Idee das Panhellenion gegründet wurde. Während JONES die Meinung vertritt, hier läge eine rein griechische Idee zu Ehren ihres Wohltäters Hadrian vor, nimmt SPA^JORTH an, daß die Initiative vom Kaiser oder dessen Umge bung ausgegangen sein muß. Die Gründung sei dann vor allem von den Griechen an Hadrians Hof betrieben worden, darüber hinaus hätte Athen, das als neues Zentrum des Synedrions aller Griechen ausersehen war, gro ßes Interesse gehabt, da es neben der Ehre auch wirtschaftlichen Auf schwung damit verbunden sah.48 Die Möglichkeit, als Mitglied aufgenommen zu werden, bestand grund sätzlich für alle Griechen, sofern sie in Zweifelsfällen nachweisen konnten, daß sie von griechischen Städten aus dem Mutterland abstammten, wie Inschriften für Kyrene und Magnesia am Mäander belegen.49 Auffallend ist aber, daß z. B. Städte wie Ephesos und Smyrna dem Panhellenion fern blieben. Ob der Grund dafür in Schwierigkeiten mit der Unterordnung unter die Vormachtstellung Athens zu suchen ist oder in der Überlegung, daß eine Teilnahme an dieser Organisation nicht notwendig sei, ist heute nicht mehr zu entscheiden. Jedenfalls scheint die Möglichkeit, am Panhel lenion teilzunehmen, dazu geführt zu haben, daß sich zahlreiche Städte in den Randgebieten der griechischen Welt mit ihren Wurzeln beschäftigten und die in der Diplomatie bereits in früheren Zeiten oft angeführten Ver47
OLIVER 1978 (1), 189fL; SPAVFORTH-WALKER 1985, 78ff.; dies. 1986, 88ff.; WÖRRJLE 1992, 337£f.; JONES 1996, 29ff.; SPAVFORTH 1999, 339ff. 48 JONES 1996, 30ff.; dagegen SPAWORTH 1999, 343f. 49
Kyrene: OLIVER 1989, Nr. 120, 275-278; Magnesia: IG II 2 1091.
Kaiserkult und Kaiserverehrung
227
wandtschaftsverhältnisse erneut erforscht und öffentlich gemacht wurden. Damit war eine neue Identifizierungsmöglichkeit gegeben, die ein Gefühl der Zusammengehörigkeit entstehen lassen sollte.50 Die wichtigste Aufgabe des Panhellenions war die Durchführung des Kaiserkultes- Dazu war das Amt des Hiereus eingeführt, der in den Texten gut bezeugt ist. Gemeinsam mit dem Archon der Panhellenen und dem Agonothetes der großen Panhellenia leitete er das Koinon, wobei der Brief an die Aizaneten belegt, daß die drei Ämter auch in Personalunion von einem Mann gehalten werden konnten.51 OGIS 504, Z. 1-3: 'O ocp^cov xßv nccveXXfivcüv icori iepetic; 6eo-Q ASpiawö n[aveXXriv{o"o] | Kori &ycövo9sTr|<; xtöv jjsyöctaöv naveM,r|vCcöv Tixcx; [OX&ßioq KtiXXoq] Kai oi UCCVZXXT^QC, AiCavEixtöv xf^i ßou&fii KCCI xfl)[i Sfjjacoi xcapav].52 Zunächst wurde der Kult nur für Hadrian Panhellenios durchgeführt, nach seinem Tod wurde sein Nachfolger in den Kult integriert, in weiterer Folge auch die Theoi Sebastoi. Eine Inschrift aus Aizanoi zeigt deutlich die Nähe des Panhellenions zu Eleusis, dessen Mysterien für Hadrian per sönlich große Bedeutung hatten. In Eleusis errichtete das Panhellenion für seinen Gründer zwei Bögen mit Inschriften. Auch zu einem zweiten grie chischen Heiligtum ist ein Naheverhältnis nachzuweisen: dem Heiligtum des Zeus Eleutherios und der Homonoia in Plataiai, wo weiterhin die Eleutheria durchgeführt wurden.53 Das Panhellenion hatte aber auch ei gene Agone, die großen Panhellenia, die erstmals 137 n. Chr. unter der Leitung des Agonothetes ausgetragen wurden. Die Vertreter der Städte trugen den Namen Panhellenes und trugen wie eine Inschrift aus Aizanoi ausweist - wohl Kronen mit Kaiserbüsten, wie sie auch die provinzialen Priester trugen.54 Der Text SEG 29, 127 zeigt, daß zumindest in Athen die Wahl zum Panhellen an bestimmte Voraus setzungen geknüpft war, da er Gerichtsverfahren über die korrekte Aus wahl anspricht. Das Amt wird in Inschriften immer wieder voll Stolz von seinen Trägern genannt und scheint - zumindest zu Beginn - großes Pre50 51
52
JONES 1996, 43ff. SPAVFORTH 1999, 344ff.
Der Archon der Panhellenen und Priester des göttlichen Hadrian Panhellenios und Agonothetes der großen Panhellenia, T. Flavius Kyllos und die Panhellenen großen den Rat und das Volk der Aizainten. VgL SEKUNDA 1997, 213f. 53 Zu Eleusis: SPAWFORTH-WALKER 1985,100-103; JONES 1996, 36ff.; SPAVFORTH 1999, 344ff.; Zum Kult von Plataiai: JONES 1999, 45ff. 54 WÖRKLE 1992, Nr. 4, mit Abb.; der Text der Inschrift ist in eine Krone einge schrieben, die zwei Kaiserbüsten ausweist.
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stige gehabt zu haben. Mit Sicherheit wird man annehmen können, daß hier auch ein neues Betätigungsfeld für die griechische Nobilität geschaf fen worden war.55 Über die kultischen Funktionen des Panhellenions hinaus ist vor allem Selbstverwaltung zu erfassen, der Rat beschäftigte sich mit der Aufnahme neuer Mitglieder und Ratsherren.56 Einmischung in allgemeine politische Belange scheint nicht stattgefunden zu haben, ebensowenig läßt sich ge meinsames Auftreten nach dem großen Erdbeben in Smyrna und Rhodos erkennen, obwohl Rhodos sicher Miglied des Panhellenions war.57 Damit weist das Panhellenion einerseits durch die herausragende Stellung des Kaiserkultes Ähnlichkeit zu den anderen Provinziallandtagen auf, ande rerseits fehlen aber die allgemein-politischen und rechtlichen Belange, die diese Koina auch ausmachten. Der größte Unterschied zu den Provinziallandtagen des griechischen Ostens ist aber bereits in der Grundlage der Mitgliedschaft zu fassen. Das Panhellenion war nicht auf die Provinz Achaia beschränkt, sondern darauf angelegt, die Versammlung aller Griechen zu sein, die Hadrian wohl be reits in seinem Brief an die Delphier angesprochen hatte. Dennoch zeigt sein frühes Scheitern, daß die gebotenen Identifikationsmöglichkeiten nicht Grund genug waren, eine enge Verbindung über einen längeren Zeit raum aufrecht zu erhalten. SPAVFORTH merkt an, daß die Organisation des Panhellenions nicht Griechenland zeige, wie es war, sondern wie Hadrian es gerne sehen wollte.58
Zusammenfassung Der Kaiserkult und die Verehrung der Kaiser waren in Griechenland bedingt durch die Abwesenheit eines Provinziallandtages - anders orga nisiert als in den anderen griechischen Provinzen. Am stärksten durchge staltet erscheint das Koinon in der Provinz Asia. Die Provinzialvertretung war die führende Kraft im Kaiserkult und scheint stets den Vorrang vor den einzelnen Städten gehabt zu haben, die sich ihrerseits bemühen, Pro55
SPAWORTH-WALKER 1986,
104f.
56
Die von OLIVER 1970 veitretene Ansicht, daß das Panhellenion in Athen auch als Gerichtshof für Berufungen fungiert habe, läßt sich nicht halten, da die Quellen nur von Entscheidungen innerhalb des Panhellenions sprechen (vgl. JONES 1996, 38f.). 57
SPAWORTH-WALKER 1986, 90f.; Jones 1996, * SPAVFORTH 1999, 351f.
5
42f.
Käiserkult und Kaiserverehrung
229
vinzialtempel errichten zu dürfen. Ein interessanter Fall ist auch Kreta, das bereits im Hellenismus ein Koinon hatte, das politisch ausgerichtet war. In der Kaiserzeit präsentierte es sich dann genau so wie auch der Landtag in Asien, es stand unter der Leitung eines Archiereus, war mit dem Kaiser kult beschäftigt und hatte auch die Möglichkeit, römische Amtsträger in Rom anzuklagen. Auch in Zypern stand der Kaiserkult im Vordergrund, darüber hinaus sind neben Ehrungen verdienter Mitglieder keine Aktivi täten überliefen. Ahnliches gilt auch für das Koinon der Makedonen-59 In den Gebieten der Provinz Achaia war - soviel ist als Ergebnis der vorliegenden Studie festzuhalten - der Kaiserkult wesentlich mehr auf der Ebene der Polis angesiedelt. Das beste Beispiel dafür ist wahrscheinlich das Koinon der Eleutherolakonen, in dem die mächtigste Stadt Gytheion die Möglichkeit gehabt hätte, das Koinon selbst in seine Kaisareia einzu binden, diese aber - trotz erwiesener Verbindung des Festes zum Koinon alleine durchführte. Die Änderung in der Struktur der Koina durch die Einführung eines neuen Priesteramtes, zumeist eines Archiereus ist zwar greifbar, aber nicht prominent. Insgesamt kann also eine detaillierte Studie zum Kaiserkult in den Koina der Provinz Achaia nicht nur von diesen selbst ausgehen, sondern muß vor allem den Kaiserkult in den Poleis er fassen, um Vergleichsmöglichkeiten zu schaffen und zeigen zu können, wo Zentren oder Lücken vorhanden waren. Der Partikularismus scheint tief verwurzelt zu sein und muß in jedem Einzelfall auf politisch-historischer und wirtschaftlich-sozialer Basis untersucht werden. Nur so wird man die Stellung des Kaiserkultes im griechischen Mutterland richtig bewerten können.
59
Zur Provinz Asia: S. R. F. PKICE, Rituals and Power, Cambridge 1984; zu den anderen Koina immer noch: J. DEINENGER, Die Provinziallandtage der römischen Kaiserzeit.
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Kaiserverehrung und Kaiserkult 1 in der Provinz Sicilia Traditionen - Formen - Organisation von HEIKE KUNZ
1 Hellenistische Traditionen und römische Elemente 1.1 Hellenistische Traditionen Die Kaiserverehrung auf Sizilien knüpfte auf verschiedenen Ebenen an Traditionen der hellenistischen Herrscherverehrung an. Auf der Basis der Quellen lassen sich konkret folgende Bereiche benennen: 1.1.1 Syrakus als Zentrum der Herrscherverehrung Das Reich König Hierons IL umfaßte kein zusammenhängendes Territo rium, sondern neben Syrakus noch die kleineren Städte Agyrion, Akrai, Heloros, Herbessos (?), Kentoripe, Leontinoi, Megara Hyblaia, Neton und Tauromenion. In diesen Städten sind die Spuren für Herrschervereh rung spärlich: So fehlen etwa Ehrenstatuen für den König, deren Existenz man gleichwohl voraussetzen darf, da Hieron wohl mit der dortigen Bau tätigkeit in Verbindung stand.2 Von einer zentralen Verehrung in Syrakus 1
Die Terminologie versteht Kult analog zu der antiken Bezeichnung cultus als offiziellen rituellen Dienst am Kaiser, während Verehrung (veneratio) einen Akt der Ehrbezeigung und Huldigung darstellt, der entweder außerhalb des offiziellen Programms oder aber in Formen mit geringerer religiöser Symbolkraft (vor allem durch die Errichtung von Ehrenstatuen oder Ehreninschriften) stattfindet. Vene ratio kann in antikem Sprachgebrauch jedoch auch den Überbegriff zu beiden Be reichen bilden. 2 In Neton nannten sich die Epheben des Gymnasiums nach Hieron II. (IG XIV 240). In Akrai können das Theater und das Bouleuterion in die Zeit Hierons II. datiert werden (Bauherr oder Geldgeber sind nicht bekannt). Agyrion erfahr eine
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kann daher nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Syrakus aber war Königsresidenz: Hier befand sich der Palast Hierons IL, Hofhaltung und •Repräsentation verliehen seiner Präsenz in Syrakus besonderen Ausdruck; es ist anzunehmen, daß sich dies auf Art und Umfang der Herrscherver ehrung auswirkte. Für die Zeit des Provinzstatthalters C Verres ist die Beleglage hingegen etwas erfreulicher: Verres wurde in Syrakus laut Cicero auf einer Inschrift als patronus und als soter der Insel Sizilien verehrt;3 seine Funktion als Amtsträger der römischen Provinz Sicilia mit Amtssitz in Syrakus ist da mit direkt verknüpft. Ihm zu Ehren wurde in Syrakus auch ein jährliches Fest gefeiert: Syracusanam quidem civitatem ut abs te adfecta est ita in te esse animatam videmns, apud quos etiam Verria illa flagitiosa sublata sunt. Etenim minime conveniebat ei deorüm honores haberi qui simulacra deorüm abstulisset ... .4 »Die Gemeinde Syrakus jedenfalls sehen wir gegen dich gesinnt, wie sie von dir behandelt worden ist, bei welchen auch das schändliche Verres-Fest aufgehoben worden ist. Denn es gehörte sich kei neswegs, jemandem göttliche Ehren zu erweisen, der Götterbilder ent wendet hatte«. Das Verres-Fest war zuerst in Messana aus der Abgabenfreiheit, die C. Verres dieser Gemeinde gewährt hatte, entstanden- In Syrakus wurden die Verria dann auf Anordnung des C. Verres eingeführt und ersetzten dort die Marcellia, ein Fest für M. Claudius Marcellus (den Eroberer von Syrakus 212 v. Chr-). 5 Ein Verres-Fest wurde folglich nicht nur in Syrakus, sondern auch in anderen Städten Siziliens gefeiert; es kann nicht als Beleg für eine zentrale Verehrung in Syrakus gewertet werden. Auch wenn die Gleichsetzung des Verres-Festes mit göttlichen Ehren bei Cicero im Zeichen einer Polemik steht, dürfte das Fest Opfer für den Provinzstatthalter eingeschlossen haben. Als Beispiele für weitere Feste zu Ehren von römischen Provinzstatthaltern führt Cicero nämlich die Mucia und Marcellia an - Feste zu Ehren des Q. Mucius Scaevola, Proconsul von Asia im Jahre 97 v- Chr., sowie des M- Claudius Marcellus zusammen mit Neuausstattung (Diod. 16,83,3). Hieron bemühte sich allgemein um Heiligtümer und Gymnasien, warum also nicht auch um die der kleineren Städte seines Reiches (Moscbion fr. 1,1). 3 Cic. Verr. 2,2,154: haque eum non solum PA3TRONVM illius insuhcey sed eti~ am SOTERA insaiptum vidi Syracusis: »Daher bezeichnet ihn eine Inschrift, die ich in Syrakus gesehen habe, nicht nur als Patronus dieser Insel, sondern auch als Soter.« 4 Cic. Verr. 2,4,151. 5 Verria in Messana (Cic. Verr. 2,4,24; 151: durch C. Verres vom Geld des Heraklios in Syrakus eingeführt).
Kaiserverehrung und Kaiserkult
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dem Geschlecht der Marcelli, unter denen auch Provinzstatthalter von Sicilia waren. Bei den Mucia, die erfreulicherweise auch inschriftlich belegt sind, handelte es sich, wie vermutlich bei den Marcellia und Verria auch, um einen Agon,6 in dessen Verlauf thydai dargebracht wurden; auch an den jährlichen Spielen zu Ehren der Marcelli fanden Opfer (sacra) und Festmähler (epula). statt/ Ob C. Verres jedoch einen Kult mit Priester und Tempel besaß, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Die Verehrung des Provinzstatthalters in der Provinzhauptstadt inner halb eines auf die gesamte Provinz zielenden Kontextes erlaubt vielleicht die Hypothese, daß sich in Syrakus auch das Zentrum des Kaiserkults der Provinz Sicilia mit Kultstätte befand, auch wenn es keine direkten Zeug nisse dafür gibt: Vollzog also der Provinzstatthalter in Syrakus die vota publica am 3. Januar für das Heil des Kaisers, jbei denen im Namen und 6
Die MODKisia (oder Sco^pia Koa Mowfeia auf zwei Statuenbasen in Pergamon; später allgemeiner: Euergesia) sind das erste Fest, das für einen römischen Provinzstatthalter belegt ist (IvOl 327- IGR TV 188; OGIS 439); es handelte sich um thymelische und szenische Spiele, die vermutlich durch ein Dekret des koinon von Asia eingerichtet worden waren und in einem Rotauonsprinzip in mehreren Städten Asiens abgehalten wurden. K. J. RIGSBY, Provincia Asia, in: Transactions and Proceedings of the American Philological Association 118, 123-153, bes. 141149. Weitere Beispiele für die Verehrung römischer Magistrate im 2./1. Jh..v. Chr.: M. Annhis, in Macedonia 117 v. Chr. durch einen Reiterwetckampf geehrt (Syll.3 700); L. Valerius Flaccus, Spiele in Tralles 90 v. Chr. (Cic. Place. 52, 55-56, 59); T. Q. Flamininus, dem »Befreier« von Griechenland, Kult durch Opfer und Prie ster in Chalkis (Plut. Flamininus 12,7; 16,5ff.); Q. Tullius Cicero, Ciceros Bruder, lehnt als Proconsul von Asia einen für ihn vorgesehenen Tempel ab (Cic. ad Q. fr. 1,1,26), ein Ehrendenkmal der Ciceronen (für M. Tullius Cicero und Q. Tullius Cicero) befand sich auf Samos: H. KYKIELEIS, Führer durch das Heraion von Samos, Athen 1981, 96. Eine Inschrift für Q. TuJJius Cicero aus Klaros bei K. TU CHELT, Frühe Denkmäler Roms in Kleinasien, Teil L Roma und Promagistrate, Tübingen 1979, 165. 7 VgL Cic. Veix. 2,2,51: ... ad eum diem quae saais epufosque opus essent... »... was für diesen Tag an Opfern und Festmählern nötig sei...«. Daß Agone als solche in Sizilien bekannt waren, zeigen die folgenden Beispiele: Tauromenion (IG XIV 422; 434: Pythia), Aitne (schol. Pind. O. 6,161: Aitnaia); Syrakus (Diod. 11,71 für Zeus Eleutherios); schol Theok. 7,106: £v C*QX\X£L$ für die Epheben eines Gym nasiums); diese Wettkämpfe ahmten die Großen Spiele in Griechenland nach, nur der Agon ev CTCIXACCK; stellt eine Lokalvariation dar (vgl I. RINGWOOD ARNOLD 1960, 248). Die Agone, die in der Kaiser zeit in Rom (Capitolia) und Italien (z. B. Neapolis: Sebasta/Augustalia bzw. Puteolit Eusebeia) so beliebt wurden, stehen unmittelbar in dieser Tradition; sie haben ihre Vorbilder nicht nur in Griechenland, sondern vor allem auch in Italien und wohl auch Sizilien. Das Programm der Spiele variierte kaum, so daß reichsweit eine gewisse Einheitlichkeit festzustellen ist (s. L RINGWOOD ARNOLD 1960,
251).
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zum Wohle der Provinz ein Opfer gelobt und das letztjährige Gelübde eingelöst wurde? 1.1.2 Urbanistik und Herrsch er Verehrung Die Tradition der Herrscherverehrung im urbanistischen Kontext ist für Sizilien durch die Errichtung von Statuen dokumentiert: In Syrakus weiht das Volk eine Statue des Gelon (des Sohnes von Hieron IL) an Zeus Hellanios;8 sie war vermutlich im Bereich des Heiligtums des Gottes, vielleicht aber auch an einem anderen öffentlichen Platz - wie etwa der Agora aufgestellt. Der Kult des Zeus Hellanios dürfte durch Pyrrhos, den König der Molosser in Epeiros, 278 v. Chr. nach Sizilien gelangt sein.9 Hieron etwa wurde auf Münzen häufig zusammen mit Zeus dargestellt; es ist jedoch weder eine Assoziation mit dem Gott bezeugt noch Herrscherkult durch die Erwähnung eines Priesters oder die Abbildung eines Altars oder Tempels.10 Ob für Hieron IL ein Agon veranstaltet wurde, ist nicht be kannt; als wahrscheinlich kann aber gelten, daß Theaterspiele auch zu sei nen Ehren abgehalten wurden; daß man dort auch für ihn opferte, wäre möglich.11 Eine eherne Statue des M. Claudius Marcellus sowie vergoldete Statuen des CVerres und seines Sohnes sah Cicero im Rathaus von Syrakus;12 Statuen des CVerres befanden sich in ganz Sizilien auf Marktplätzen 8
Syll.2 428: 6 8ccp,o<; TÖ)V ZupaKOaicöv ßaatXscc T^Xcova ßacnXeoc; lepcovoq . Ali 'E^ocvicoi9 P. R. FRANKE, Die antiken Münzen von Epirus, Bd. 1, Wiesbaden 1961, 273; W. GIESECKE, Sicilia Numismatica, Leipzig 1923, 111, 132, 158. 10 Philistis, die Gattin Hierons IL, hingegen ist auf Münzdarstellungen mit De meter assoziiert, trägt gleichzeitig aber die Züge der Königin Arsinoe, der Gattin des Ptolemaios IL Philadelphos (W. GIESECKE, Sicilia Numismatica, Leipzig 1923, 147, Nr. 1-4), Die Installation eines Herrscherkultes durch den Herrscher selbst, wie zeitgleich in Ägypten praktiziert, ist für Hieron IL eher zweifelhaft. Die mi litärischen Erfolge begründeten zwar das Königtum von Hieron IL, mit seinen Niederlagen gegenüber Rom aber büßte er an Machtstellung ein (s. auch H. BERVE 1959, 58-59). Seine Kontakte zu Ägypten regten daher wohl zur Nachahmung bestimmter religiöser Vorstellungen an (Assoziation mit einem Gott; dies allerdings ist nichts Revolutionäres in der griechischen Welt), führten aber wohl oicht wie dort zur Einrichtung eines Kultes mit Kultstätte und Priesterschaft (der Vater von Ptolemaios IL wurde als Theos Soter, der König und die Königin als Theoi Adelphoi, Arsinoe auch als Thea Philadelphos verehrt). n Die Cunei in der Cavea des Theaters von Syrakus waren nämlich nach Hieron, seiner Gattin Philistis, seinem Sohn Gelon, dessen Gattin Nereis sowie bestimmten Göttern (z. B. die Theoi Pantes) und Heroen benannt (Syll.2 429). Diese Tradition setzte sich auf Sizilien auch in der Kaiserzeit fort: Theaterspiele fanden zu Ehren des Kaisers und lokaler Gottheiten statt. 12 Cic. Verr. 2,2,50.
Kaiserverehrung und Kaiserkult
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(z. B. eine Reiterstatue und ein Ehrenbogen in Syrakus13) und in Heilig tümern. 14 Das Verhältnis von Ehrenstatuen und Göttlichkeit wird an der folgen den Textpassage aus der zweiten Verrine Ciceros deutlich: Non crederem hoc de statiris nisi iacentis revulsasque vidissem, propterea quod apud omrds Graecos hie mos est> ut honorem hominibus habitwn in monumentis eius modi non nulla religione deorum consecrati arbitrentur}1 »Ich würde das mit den Statuen nicht glauben, wenn ich sie nicht hätte liegen sehen, zu Boden gestürzt, deshalb nicht, weil bei allen Griechen dieser Brauch herrscht, daß sie meinen, daß die Ehre, die den Menschen durch solche Denkmäler gilt, durch eine gewisse Götterverehrung geweiht sei-«. Ehren statuen konnten nach Cicero von den Griechen als göttlich betrachtet wer den, wenn sich die Menschen gern an die Taten der geehrten Person erin nerten; sie konnten aber auch wieder entfernt werden, wenn sich negative Erfahrungen eingestellt hatten, d. h. die Wahrnehmung der Ehrenstatuen als göttlich und nichtgöttlich oszillierte mit den Verdiensten der betreffen den Person.16 Die Verehrung des Kaisers und der Mitglieder der Kaiserfamilie durch Ehreninschriften und Statuen - gestiftet von Privatpersonen oder von der städtischen Gemeinde - ist für Sizilien auf dem städtischen Forum be zeugt.17 Statuen und Reliefs befanden sich in Theater und Amphitheater; als Beispiel sei hier eine Säulenbasis mit dreiseitigem Relief auf einer Plin13
Cic. Verr. 2,2,154, vgl einen Ehrenbogen für Augustus bei R.J. A. WILSON 1990, 113 Aam. 337. 14 Cic. Verr. 2,2,158:... in aedibus sacris ... Statuen des C. Verres in Heiligtümern könnten die Vorläufer für das örtliche Nebeneinander von Lokalkulten und Kai serkult bzw. Kaiserver ehrung in der Kaiserzeit gebildet haben (s. Kap. 3.1). 15 Cic. Verr. 2,2,158. 16 Auch in Rom kannte man die Ehrung bedeutender Feldherren im Triumphzug sowie die Errichtung von Ehrenstatuen; besonders bedeutende Männer der Ge schichte Roms (wie Romulus) konnten als göttlich betrachtet werden; in Tempeln (wie dem des luppiter Feretrius auf dem Kapitol) wurden etwa die von einem Feldherrn im Zweikampf erbeutenden Waffen geweiht; da dieses Phänomen aber in Widerspruch zu einer strengen republikanischen Haltung stand und in Rom mit gewisser Skepsis betrachtet wurde, schreibt es Cicero hier nur den Griechen zu. 17 Das früheste Beispiel einer Weihinschrift an einer Statuenbasis, gestiftet von der Privatperson P(ublius) M(arcius?) Annieius an ein Mitglied der Kaiserfamilie (G Caesar) stammt vom Forum in Agrigent und ist zwischen 17 v. Chr. und 4 n. Chr. zu daueren: Eine Seite der Basis trägt die Aufschrift G CAESARIAVGVSTI F(üio), die andere VOTVM CAESARIS FILIO: E DE MIRO, UAtüvitä della Soprintendenza archeologica di Agrigento (anni 1980-84), in: Kokalos 30/31, 1984/85, 453-465, hier 464-465.
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the aus Catina vom Ende des 2/Anfang des 3. Jh. n. Chr. genannt, die von der Frontseite der Bühne des Theaters stammt; das Relief nimmt Bezug auf einen militärischen Sieg eines römischen Kaisers über Barbaren: Das Frontbild zeigt eine Trophäe, die von zwei Niken getragen wird, an den Seiten sieht man jeweils männliche und weibliche Gefangene, vermutlich aus einem Triumphzug eines Krieges gegen die Germanen (vielleicht ge führt von Marcus Aurelius gegen die Markomannen oder Caracalla gegen die Alamannen). Im Gymnasium von Agrigent, das Hermes und Herakles geweiht war, weisen Inschriften hochrangigen städtischen Persönlichkei ten Sitzplätze zu; aus einer von ihnen läßt sich wohl entnehmen, daß das Gymnasium zu Ehren des Augustus bestand.18 1.13 »Städtebund« und Herrscherverehrung Die Städte des Reiches von Hieron IL besaßen eine gemeinsame Münz prägung: Dies bezeugt das Ethnikon 2IKEAI&TAN als Münzbeischrift, die den »Sikelioten« die Münzhoheit zuweist. Häufiges Motiv ist das als Demeter verschleierte Haupt der Philistis, der Gattin Hierons II.19 Die Darstellung, die Philistis als Gottheit zeigt, ist der des Portraits der Kö nigin Arsinoe, der Gattin des Königs Ptolemaios II. Philadelphos, ange glichen.20 In der Zeit des Statthalters C. Verres repräsentierte ein commune Siciliae als Vertretung der sizilischen Gemeinwesen die Provinz nach außen; es stiftete vergoldete Ehrenstatuen für C. Verres außerhalb Siziliens (nämlich in Rom) im Namen der Provinz.21 Erst wieder in der Spätantike findet sich das commune Siciliae in einem Brief des Quintus Aurelius Symmachus aus dem Jahr 378/379 n. Chr.; er ist an den praefectus praetorzo Galliens, Ita liens und Afrikas und späteren Konsuln Decimus Magnus Ausonius, den 18
Es handelt sich um zwei Reihen Kalksteinsitze: im nördlichen Sektor, westli che Reihe lautet die Inschrift: vac. 0? [—] Kcricrapa A-ayo-ocrov Kiox> TSTvatioo [A]OX>[KI]O"D ■oio'ö r<xpi[ ]; im südlichen Sektor derselben Reihe vac. [ ] 5a)ä>v <5s <x[v5]pä>v[ J im südlichen Sektor, östliche Reihe: [—] SE^TO-O *E[-]axio*ü [2eJ;|V|o[-o -DioiS T]ofKpox> AOTÖKIOC; [ — ] Q im nördlichen Sek tor derselben Reihe: AOX>KIO-D vio[c,—] o [—7op.vaoiap%o<; xcöv TS e
W. GIESECKE, Sicilia Numismatica, 1923, Leipzig, 147, Nr. .1-4.
20
H. BERVE 1959, 69, 79.
21
Cic. Verr. 2,2,114; 145; 154.
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berühmten Dichter und Lehrer der Rhetorik, gerichtet: Ambrosium de summatibus provincialis fori ad dominos et principes nostros Siciliae commune legarit varis instructum mandatis> quae spectare Visa sunt bonum publicum?1 »Das commune Siciliae entsandte Ambrosius an unsere Herren und Vorgesetzten, einen der wichtigsten Leute des provinzialen Gerichts wesens, und stattete ihn mit verschiedenen Aufträgen aus, die man in bezug zum öffentlichen Wohl zu stehen glaubte.« Das commune Siciliae schickte einen Delegierten, eine herausragende Persönlichkeit des sizilisehen Gerichtswesens, an den kaiserlichen Hof;23 es fungierte demnach ganz offensichtlich als Medium der Kommunikation zwischen Kaiser und Provinz. Funktionen im Bereich des Kaiserkults sind indes nicht belegt. Die in einer kaiserzeitlichen Inschrift erwähnten ceivitates Siciliae, die au ßerhalb der Provinz eine Ehrenstatue stiften,24 sind vielleicht mit dem commune Siciliae identisch. 1J.A Verehrung des Herrschergeschlechts Der Sohn Hierons IL, Gelon, der noch vor seinem Vater 216/215 v. Chr. starb, 25 ist auf Münzen ebenso wie sein Vater mit dem Diadem der helle nistischen Könige dargestellt26 und erhielt Ehrenstatuen. C Claudius Marcellus {praetor des Jahres 80 v, Chr. und Provinzstatt halter von Sicilia 79 v. Chr.) wurde in Syrakus durch ein Fest geehrt, das sich auf das Geschlecht und den Namen der Marcelli, beginnend mit M. Claudius Marcellus, erstreckte;27 in derselben Stadt wurden Statuen für C. Verres, dessen Vater und dessen Sohn errichtet.23 22
Syrom. epist 1,17. F. SARTOFI, II commune Siciliae nel tardo impero, in: Klio 63, 1981,2, 401-409, hier 404. 24 Die ceivitates Siciliae stiften C. Plautius Rufus, legatus pro pr(aetore), in Auximum im Picenum eine Weihinschrift, weil er die Provinz beschützt habe (provincia defensa): ILS 926. 25 Hierons Tod trat im Frühjahr 215 v. Chr. ein. 26 B. V. HEAD, Historia Nummorum. A Manual of Greek Nuniismatics, Oxford 19112, 184. 27 Cic. Verr. 2,2,51:... quem Uli diemfestum cum recentibus beneficiis C Marcelli debitum reddebant, tum generi nommi familiae Marcellorrum maxima voluntate tribuebant. »... diesen Fesnag begingen sie sowohl als Dankesschuld für die jüng sten Wohltaten des C- Marcellus, vor allem aber widmeten sie ihn mit höchster Bereitwilligkeit dem Geschlecht, dem Namen, der Familie der Marceller«. 2S Cic. Verr. 2,2,145: Syracusana civitas, ut eam potissimum nominem, dedit ipsi statuam - est bonos - etpatri- bella haeepietatis et quaestuosa simulatio - etfüio ferri hoc potest, hunc enim puerum non oderant. »Die Gemeinde von Syrakus, damit ich sie zuallererst nenne, gab jenem eine Statue - das ist eine Ehre - und 23
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Während Hieron IL und C Verres auf Sizilien zwar vielleicht Opfer empfingen, jedoch nicht sicher eine feste Kultstätte und Priester besaßen, wurde für Augustus - wie auch im griechischen Osten - schon zu Leb zeiten ein Kult installiert: Eine Münze von Halaesa aus augusteischer Zeit nennt einen flamen Augusti Paccius Maximus.29 Ein weiterer Beleg ist die bereits erwähnte Inschrift vom Gymnasium in Agrigentum: Sie kann zwi schen 2 v. Chr. und 14 n. Chr. datiert werden und erwähnt einen flamen L. Egnatius. Eine Inschrift von Thermae Himeraeae aus augusteischer Zeit bezeugt Kult für Augustus und Livia (nicht Iulia Augusta) und erwähnt zugleich Tiberius als Adoptivsohn: Ära imp(eratori) Cae[s(ari) Aug(usto)]/et Livfiae ...]/ matri [Tib. Caes(aris)] / imp(eratoris) Cae[s(ans) Aug(usti) f(&i)p0 »Ein Altar dem Caesar Augustus und der Livia .., Mut ter des Tiberius Caesar, des Sohnes des Imperator Caesar Augustus.« 12 Römische Elemente Die Lares Augusti und der Genius Augusti wurden mit Reform des La renkultes 7 v. Chr. in Rom auch auf Sizilien verehrt. Dies bezeugt eine Inschrift aus Lipara:31 [Larjibus Augusteis et Genio Caesafris] I [Libjerorumque eins G Publilius [C. l(ibertus)] I [Piljargurus, sevir primus et prior. »Den augusteischen Laren und dem Genius Caesars und seiner Kinder C Publilius Pilargurus, Freigelassener des Gaius, erster sevir zu Beginn des Jahres.« Bei den Kindern muß es sich nicht zwingend um Gaius und Lucius, die Enkel des Kaisers Augustus» handeln, denen 4 n. Chr. in Rom ein Kult eingerichtet wurde; die Rekonstruktion der-Inschrift nimmt je doch ein frühes Datum an. Mit dem Kaiser assoziierte Gottheit auf Sizilien ist Iuppiter: So z. B. bezeugt durch einen männlichen Torso aus Catina, der Teil einer Kaiser statue der iulisch-claudischen Dynastie aus der 1. Hälfte des 1. Jh. n. Chr. (eher Tiberius als Claudius) war; die Statue ahmt die Darstellungsweise des Iuppiter Capitolinus nach und war möglicherweise in einem Gebäude für den Kaiserkult aufgestellt.32 Livia wurde auf Sizilien, z. B. auf einer seinem Vater - das ist eine schöne und einträgliche Vortäuschung von Kindesliebe und dem Sohn - das kann man ertragen, diesen Knaben nämlich haßten sie nicht.« 2$ ABuRNETT, Roman Provindal Coinage, Bd. I, 1992, no. 633; vgl. R.J.A. WILSON 1990, 43 f ig. 32b: Paccius Maximus als duumvir und flamen, auf späteren Münzen nur noch als flamen, 30 CIL X 2,7340. 31 AE, 1939, 346 a. 32 Catania, Castello Ursino, Marmor inv. nr. 146, collezione Biscari, gefanden 1737 auf dem Areal des convento di Sant* Agostino.
Kaiserverehrung und Kaiserkult
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Inschrift aus Gaulus/h. Gozzo (einer kleinen, Malta vorgelagerten Insel), aber auch auf Münzen aus Panhormus 33 ebenso wie in Italien34 und an deren Provinzen des Imperium Romanum 35 mit Ceres assoziiert. Die Fasti Amiterni notieren als Fest am 3. September »Sizilien«. Der Sieg des Augustus bei Naulochos über Sextus Pompeius wurde bis zum Verbot unter Caligula mit einem Fest begangen;36 Münzen aus Panhormus verweisen auf diesen Festtag wohl ebenso wie auf den dies natalis des Augustus. 37 Auf Sizilien hatte es Feiern zu Ehren des Geburtstages eines Herrschers schon lange vor Augustus gegeben: Bereits für die Zeit des Timoleon (seit 345/44 v. Chr. in Sizilien) sind sie den Quellen nach für ganz Sizilien bezeugt.38
2 Die Herrschervorstellung Die Herrschervorstellung variierte nach den jeweiligen Verdiensten bzw. nach den progranunatischen und religionspolitischen Zielsetzungen. Der Selbstdarstellung der Herrschaft Hierons IL etwa wurde durch prächtige Bauten in Syralcus Ausdruck verliehen; darunter sind vor allem die Errich tung des Tempels des Olympischen Zeus und eines riesigen Altars für 33
R. J. A. WILSON 1990, 44 fig.34b: mit Patera und Szepter (Avers), Widder (Revers). 34 Die Münzprägung Roms fertigt 15/16 n. Chr. ähnliche Motive wie das in Anm. 33 für Sizilien genannte: R. J. A. WILSON 1990, 44 fig. 34b. 35 E. BARTMAN, Portraits of Livia: Imaging the Imperial Woman in Augustan Rome, Cambridge 1999, z. B. 107: Lepcis Magna (Statue); 103: Caesaraugusta, Hippo Regius und Cypius (Münzen). 36 Acäacae Siculaeque victoriae: Suet. Cal. 23,1 37 Nach G. MANGANARO, La Sicilia da Sesto Pompeo a Diocleziano, in: ANRW II 11.1, 1988, 3-89; hier 55f., wurde augusteisches aes aus Rom, das bereits zirku liert war, als öffentliche Gabe, in Details verändert, in Sizilien unter Tiberius erneut ausgegeben: Dargestellt waren u. a. ein kleiner (Lorbeer-)Zweig, die Lyra und der Steinbock, die vielleicht auf den dies natalis des Augustus hindeuten; andere Mün zen mit der Darstellung von Schiffsbug und Aphlaston weisen auf die Siege bei Actium und Naulochos. Die Münzen sind auf ca. 21 n. Chr. datier bar und bezeu gen vielleicht die Durchführung von Feierlichkeiten zu Ehren des Divus Augustus auf Sizilien. 38 Nep. Timoleon 4,4: proelia maxima natali suo die feck omnia. Quo factum est, ut eins diem natalem festwn haberet universa Sicilia. »Die größten Schlachten schlug er alle an seinem Geburtstag. Daher kam es, daß ganz Sizilien seinen Ge burtstag zum Fest hatte«; vgl. P. HERZ, Kaiserfeste der Prinzipatszeit, in: ANRW n 16.2, 1978, 1135-1200.
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Zeus Eleutherios zu nennen.59 C Verres wurde in Syrakus als Soter geehrt, weil er sich im Kampf um die Seeräuber verdient gemacht hatte.40 Eine römische Münzserie zwischen 119 und 138 n.Chr. feierte den adventus des Kaisers Hadrian in Sizilien und ehrte ihn als restitutor Siciliae*1
3 Lokale Einbindung des Kaiserkults 3.1 Die municipia Latinae condicionis Centuripae und Halaesa als Beispiele für Kaiserkultstätten in umgebauten hellenistischen Stoai Aus Centuripae stammt ein Gebäudekomplex, der verschiedentlich als edificio degli Augustales, d. L als Augustalgebäude interpretiert worden ist.42 Direkt an das Forum, das nicht im topographischen Zentrum der Stadt lag, grenzt eine Stoa, deren erste Bauphase der hellenistischen Zeit zuzurechnen ist; die heute sichtbaren Reste der'Säulenhalle stammen je doch aus der mittleren Kaiserzeit. In einem Raum hinter den Säulen wur den mehrere Portraits des Kaiserhauses gefunden (von Augusrus, Germanicus, dem jüngeren Drusus und einem unbekannten Prinzen aus iulisch-claudischer Zeit). Eine Inschrift aus dem l.Jh. n.Chr., die einen quattuorvir Augustalis nennt, wurde unmittelbar außerhalb der südlichen Mauer dieses Raums entdeckt.43 Im 2. Jh. n. Chr. wurde der Raum durch eine Mauer nach Norden hin abgeschlossen und in vier kleinere Räume unterteilt: drei lagen zum Forum hin, ein vierter nach Westen dahinter. Im » Z. B. Diod. 16,83,2. «oCic.Verr. 2,4,154. 41 H. MATTTNGLY, Coins of the Roman Empire in the British Museum, Bd. 3, 1966, p. 496; 526. A. HOLM, Geschichte Siziliens im Althermm, Bd. 3, Berlin 1878, Nr. 75: Auf dem Revers Hadrian und die vor ihm stehende personifizierte SiciJia, Schale und Ähren haltend; zwischen ihnen ein brennender girlandenumkranzter Altar mit Opfertier. Hadrian erhebt die rechte Hand zum adventus-GestuSy Sidlia opfert am Altar. VgL J. LEHNEN 1997, 219; neben lokalen Unterschieden reichsweit einheitliches adventus-Zeremoniell: z. B. 195 und passim. 42 R J . A. WILSON 1990,111-113, 297 mit Anm. 91; G. LIBERTINI, Nuove indagini sulle costruzioni presso il mulino Barbagallo, in: Notizie degli Scavi di Anti-* chitä 1953, 353-368. 43 AE, 1955, 193, tiberianisch? [Numim Domus A]ugus[ti] / [sajcrum L. Cdpitfrmjus Apthonetus, Ullvir Ajtgustalis. »Dem Numen des Hauses des Augustus geweiht, Calpurnius Apthonems, Ullvir Augustalis.« Als alternative Ergänzung wird von G. MANGANARO, La Sidlia da Sesto Pompeo a Diocleziano, in: ANRWII 11-1,1988, 3-89; hier 47 vorgeschlagen: [Larib(ns) Ajugxsftis] / [sa]crwn / L. Cdpu[rni]iis Apthonetns, Ullvir Augustalis.
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Norden entstand ein neuer Gebäudeteil, der mehrfach als Podiumtempel interpretiert worden ist, da er durch Stufen im Norden und- zum Forum hin erreichbar war und somit über dem Niveau des Forum lag; diese Deu tung ist nicht zweifelsfrei gesichert; auch eine Büste des Hadrian wird mit diesem Teil der Anlage häufig in Verbindung gebracht; ob zu Recht, ist nicht zu entscheiden. Von der Ausgrabungszone stammen auch Fragmente einer Kaiserstatue mit Brustpanzer, ohne daß die Fundstelle genauer be kannt wäre Die Frage lauter Wurde der Kaiserkult zuerst innerhalb der Stoa praktiziert und später im neu errichteten Podiumtempel? Der ur sprüngliche Kultraum wäre dann zum Wohn- und Versammlungsraum des collegium der quattuorviri Augustales geworden, so zumindest das Votum einiger Archäologen, darunter R. J. A. WILSON. Wenn dies summt, wäre es ein seltenes und kleines Beispiel für ein Augustalgebäude im romischen Reich, das sonst nur für Italien und Dakien44 bezeugt ist. In Halaesa wurde eine L-förmige hellenistische Stoa aus dem 2. Jh. v. Chx. mit rechteckigen Räumen an der Rückseite jedes Flügels entdeckt. Zwischen 50 und 120 n. Chr. wurde ein Raum mit Marmorfußboden aus gestattet, man fand darin den Sockel einer marmornen Statuenbasis. Kleine rechteckige oder runde Basen für Votive und Statuetten in jedem Raum des westlichen Flügels und Weihinschriften machen die Deutung der Räu me als saceüa wahrscheinlich. Eine Inschrift nennt den Kult der Ceres,45 andere erwähnen die Theoi Pantes oder die Concordia Augusti:46 Ein be reits bestehendes sacellum wurde also im 1. Jh. n. Chx. vielleicht dem Kai serkult geweiht. Dies würde auf ein örtliches Nebeneinander von Kaiser kult und traditionellen Killten deuten/ 7 3.2 Fürsorge der lokalen Kaiserkultpriester (Augustales) für andere Lokalkulte Seit 12 v. Chr. wurden die Augustales in vielen Kolonien und Munizipien im Westen des Imperiums für den Kult des Genius Augusti, des Numen Augusti und der Lares Augusti nach dem Vorbild der stadtrömischen magistri vici eingesetzt. Auf Sizilien variierte ihr collegium zwischen vier und sechs Mitgliedern. 44
In Scolaciurb, Misenum, Ostia, Herculaneum, Rosellae, Otricoli, Tivoli (Italia) und Sannizegethusa (Dada) R J . A. WILSON 1990, 297 -mit Anm. 91. 45 AE, 1973, 273. 46 AE, 1973,267; AE, 1973,271: [Concojrdiae Aug(vstae) [sacr(wn)] /[— ZJetbas sevfir Attg.J. . 47 Zur Stoa in Halaesa insgesamt s. R. J. A. WILSON 1990, 46-47.
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Die Augustales engagierten sich auch in lokalen Kulten, dies galt nicht nur für Sizilien, sondern war allgemein übliche Praxis. Ein Beispiel ist die oben genannte Weihinschrift aus Halaesa vom Ende des 2./der 1. Hälfte des 3. Jh. n. Chr. an der Basis einer Statue der Ceres: Cereri $acr(um). Iulius Acilius Her/mes, pro bonor(e) seviratus d(onum) d(edit) d(edicavit).** »Der Ceres geweiht Iulius Acilius Hermes, gab zum Geschenk und weihte dies für die Ehre seines Amtes als sevir.« Die Statue der Ceres, offensichtlich keine Kult-, sondern eine Votivstatue, war in einem der klei nen bereits erwähnten sacella der Stoa an der Westseite der Agora aufge stellt. In Panhormus errichtete ein sevir dem Gott Mercur einen Altar, hier handelte es sich also um die Einrichtung eines Kultes: M- Ulpius Italici lib(ertu$) Eutycbus aram et basim Mercuri, pr(op)ter summam bonoraruim, pro seviratu pecunia sua posuit d(ecurionum) d(ecreto).^ »M. Ulpius Eutychus, Freigelassener des Italicus, errichtete einen Altar und eine Basis für Mercur, wegen einer Ehrenabgabe für sein Amt als sevir50 auf eigene Ko sten und auf Beschluß der Decurionen.« 4 Organisation des Kaiserkults Im Jahre 32 v. Chr. schwor die ganze Provinz Sicilia in einer gemeinsamen, zentral geschaffenen Formel auf Augustus.51 Dieses Datum steht vielleicht in Zusammenhang mit der raschen Verbreitung des Kultes für Augustus auf Sizilien; der Eid dürfte an den entstehenden Kultstätten52 zu bestimm ten Zeitpunkten abgelegt worden sein. •«AE, 1973, 273. 49 CIL X 2,7267. 50 Bei der summa honoraria handelte es sich um Gelder, die ein Augustale bei Amtsantritt entrichtete; vgl. D. LADAGE 1971, 116. 51 Res gestae divi Augusti 25: Iuravit in mea verba tota Italia sponte sua, etme belli quo vici ad Actiwn ducem depoposcit. Iuraverunt in eadem verba provinciae Galliae Hispaniae Africa Sicilia Sardinia. »Ganz Italien schwor freiwillig auf meine Worte, und forderte mich als Führer in dem Krieg, in dem ich bei Actium gesiegt habe. Auf dieselben Worte schworen die gallischen Provinzen, die beiden Hispania, Africa, Sicilia, Sardinia.« 52 Auf Sizilien ist Kaiserkult erst nach der Zeit des Augustus für vici und emporia bezeugt (z. B. CIL X 2,7212, gefunden in Mazara del Vallo, vicus von Lilybaeum, auf der Piazza Grande beim Haus der Chiaximonti; G. MANGANARO, Die Villa von Piazza Armerina, Residenz des kaiserlichen Prokurators, und ein mit ihr verbun denes Emporium von Henna, in: D.PAPENKJSS/V.M. STROCKA [Hrsg.], Palast und Hütte, Mainz 1982, 493-513; hier 504-506, doch ist ein Zusammenhang mit dem Kaiserkult nicht ganz sicher). Träger des Kaiserkults in der Provinz Sicilia
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Die den Augustales übergeordneten Priesterschaften für den Kaiserkult auf Sizilien waren flamen und sacerdos. Diese beiden Ämter jedoch waren einander gleichrangig.53 Das Amt eines flamen oder sacerdos -wurde häufig von Mitgliedern der städtischen Führungsschicht bekleidet, doch auch das Amt eines sevir Augustalis, das meist von Freigelassenen besetzt wurde, galt als Ehrenamt. In der Priestertitulatur lassen sich für Sizilien wie für die anderen west lichen Provinzen lokale Variationen besonders zu Beginn der Kaiserzeit feststellen; Sizilien aber hebt sich dadurch hervor, daß dort der Titel flamen früh verbreitet war.54 Die frühe griechische Inschrift vom Gymnasi um in Agrigent (s. o. Anm. 18) begreift (pTiö^iev gar als lateinisches Lehn wort und übersetzt nicht ins Griechische zurück. Dies steht im Gegensatz zum griechischen Osten des Römischen Reiches, wo flamen meist der Bezeichnung iepeuc; tot> a8ßaarcn3 entspricht.55 Während die Münze aus Halaesa (s. o.) einen flamen Augusti nennt, macht die an anderer Stelle bereits erwähnte Inschrift aus Gaulus/h. Gozzo die lokale Variation gegenüber stadtrömischer Titulatur deutlich: Cereri Iuliae Augustae divi Augu$tiy matri Tiberii Caesaris Augusti, Lutatia C. f(ilia) sacerdos Augustae zmp(eratoris) perpet(ui\ uxor M. Livi M. f(ilii) Qui(nti) Optati flaminis G[a]ul(itanorum) Iuliae Augusti imp(eratoris) perpet(ui) cum vfiro et] liberis s(ua) p(ecunia) consacravit.56 »Der Ceres Iulia Augusta des vergöttlichten Augustus, Mutter des Tiberius Caesar Augustus, weihte Lutatia, Tochter des Gaius, Priesterin der Augusta und des Imperator auf Lebenszeit, Gattin des M. Livius Quintus Optatus, Sohn des Marcus, Flamen der Gaulitaner, der Iulia und des Augustus Im perator auf Lebenszeit dies mit ihrem Mann und ihren Kindern auf eigene Kosten.« Der. Titel Iulia Augusta wurde Livia nach dem Willen des Au gustus verliehen, daher ist die Inschrift zwischen 14 n. Chr. und 42 n. Chr. waren nach den erhaltenen Inschriften und Münzen meist die städtische Elite: So stiftet die ganze Gemeinde, ein Magistrat oder ein Priester auf Beschluß der Decurionen; es kann jedoch davon ausgegangen werden, daß die breite Bevölkerung am Kult beteiligt war (z. B durch den Eid auf den Kaiser, der an den einzelnen Kaiserkultstätten geleistet wurde). '* VgL D. LADAGE 1971, 14, 43. 54 D. LADAGE 1971, 44: In der Baetica
etwa fand sich zunächst nur ein ponüfex Augusti. In Rom war Antonius seit 40 oder 39 v. Chr. flamen divi Iidt\ während Augustus nur durch den Kult der Lares oder des Genius Augusti verehrt wurde. In Sizilien orientierte man sich beim Kult für Augustus vielleicht am Vorbild C- Iulius Caesars und kombinierte es mit dem Augustustitel. * D. LADAGE 1971, 14.
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CIL X 2,7501.
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zu datieren; da Livia hier explizit Mutter des Tiberius Caesar Augustus genannt wird, stammt die Inschrift vermutlich aus tiberianischer Zeit. Die Weihung an Livia (Iulia Augusta), also an ein weibliches Mitglied der Kaiserfamilie, vollzog die Priesterin zusammen mit ihrem Ehemann. Die Ehegatten teilten sich auch das Priesteramt: Beide waren Priester sowohl für Augustus als auch für Iulia Augusta. Ein Unterschied bestand jedoch in der Priestertitulatur: Die Frau war sacerdosy nicht flamimca Gaulitanorumy eine lokale Variante, die für Rom nicht bekannt ist. Der Zusatz eines Ethnikons war hingegen häufig im Imperium Romanum Ebenso fällt auf, daß die weiteren Zusätze hinter dem einfachen Priestertitel nicht ganz analog gebildet sind (sacerdos Augustae vs. flamen Gaulitanorum Iuliae bzw. sacerdos imp(eratoris) perpet{ui) vs. flamen Augusti imp(eratoris) perpet(ui)), vielleicht handelt es sich hierbei um Auslassungen aus Platzgründen. Bei beiden Priestertiteln wurde indes nicht auf die Ergän zung imperator perpetuus verzichtet: Spielten in diesem Kult für Augustus tatsächlich dessen militärische Leistungen eine Rolle oder war der Titel nur ein äußeres Zeichen der Anerkennung für militärische Erfolge, mit der sich die städtische Gemeinde hervortun und die Gunst des amtierenden Kaisers erwerben wollte? Eine Kenntnis der stadtrömischen Titulaturen darf für die Inschrift vorausgesetzt werden: Diese wurden hier wohl be wußt durch einen Zusatz erweitert. Die genaue Zeit, in der Gaulus municipium wurde, läßt sich leider nicht bestimmen.57 Ein Zusammenhang der Inschrift mit dem Wunsch nach einem höheren Status für die Stadt ist hypothetisch. Spätere Inschriften aus Sizilien weisen kaum lokale Besonderheiten auf: Aus Mazara del Vallo, einem vicus von Lilybaeum, ist ein flamen divorum Aitgustorum peipetuus* bekannt, in Messana wird auf einem Grabstein eine flaminica divae Augustae erwähnt.59 Bei aller Vorsicht im Hinblick auf die spärliche Quellenlage darf vielleicht die These gewagt werden, daß die Priestertitulaturen auf Sizilien schneller und stärker stadtrömischem Einfluß unterlagen als in manchen anderen westlichen Provinzen.
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Die Inschriften, die munidpium oder decuriones erwähnen, sind spät: CIL X 2,7502- 7503. 58 CIL X 2,7212. 59 Messiae Przscifil(iae) Crispinaeflaminicaedivae Aug(ustae) ex testamento Messt Modiani patris Modianus frater. CIL X 2,6978, gefunden an der Seite der Pforte des Frauenklosters S. Gregorio.
Kaiserverehiung und Kaiserkult
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5 Zusammenfassung Rom machte in hellenistischer Zeit durch die Ausdehnung seines Herr schaftsgebiets über Italien hinaus zuallererst in Sizilien unmittelbar und nicht zuletzt durch die Verehrung römischer Magistrate - nachhaltig Be kanntschaft mit der Herrscherverehrung. Die Kaiserverehrung auf Sizilien kann in verschiedenen Bereichen auf hellenistische Traditionen zurückverfolgt werden. Kaiserkult und Kaiser verehrung sind auf Sizilien vor allem auf munizipaler Ebene bezeugt. Durch die Einbindung des Kaiserkults in das dortige lokale Traditionsgefüge variierte seine Ausübung im Bereich der Gestaltung von Kultstät ten ebenso wie wohl in weiten Teilen der Kultpraxis. Über die Kultpraxis an reichsweiten Festen für den Kaiser (z. B. dem dies natalis) oder der adventu$-Feier können für Sizilien keine verläßlichen Aussagen gemacht werden; viele Komponenten des adventus-Zeremomells aber waren wohl reichsweit einheitlich. Die Einsetzung von Augustales für den. Kult der Lares Augusti und des Numen Augusti läßt römischen Einfluß erkennen, das Priestercollegium war aber in die lokale städtische Tradition eingebun den. Die Titulatur der kaiserzeitlichen Priesterschaften war nicht einheit lich, orientierte sich aber - von bestimmten Fällen abgesehen - insgesamt stärker an stadtrömischem Vorbild als in manchen anderen westlichen Provinzen. Hinsichtlich der Gestalt von Kaiserstatuen oder der Assozia tion von Mitgliedern des Kaiserhauses mit bestimmten Gottheiten folgte man dem stadtrömischen Muster. Durch die Zentrale vorgegeben und reichsweit verbreitet war der Eid auf den Kaiser. Der Kaiser selbst wurde temporär im Zusammenhang mit der gesamten Provinz erwähnt und gefeiert. Dem Provinzstatthalter kam vielleicht bei Kultakten, die er stellvertretend für die ganze Provinz ausführte, eine be sondere Rolle zu. Vermutlich war der Kaiserkult der einzige Kult in Sizilien, der auf der Ebene der Praxis eine lokale, eine reichsweite und - durch Einbeziehung des Provinzstatthalters und vielleicht des commune Siciliae - eine provinziale Komponente besaß.
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Heike Kunz Bibliographie
H. BERVE 1959. König Hieron IL München. D. LADAGE 1971. Städtische Priester und Kultämter im lateinischen We sten des Imperium Romanum zur Kaiserzeit. Diss. Köln. J. LEHNEN 1997. Adventus principis: Untersuchungen zu Sinngehalt und Zeremoniell der Kaiserankunft in den Städten des Imperium Romanum. Diss. Frankfurt am Main. I. RINGWOOD ARNOLD 1960. Agonistic Festivals in Italy and Sicily. In: AJA 64. 245-251. R.J. A. WILSON 1990. Sicily under the Roman Empire. Warminster. R.J. A. WILSON 1996. Archaeology in Sicily 1988-95. In: Archaeological Reports for 1995-1996. No. 42. 59-123.
Kaiserkult und Urbanistik Kultbezirke für römische Kaiser in kleinasiatischen Städten* von JÜRGEN Süss
In den Städten des Römischen Reichs entstanden zahlreiche Bauwerke zu Ehren römischer Kaiser von ganz unterschiedlicher Form. Wo wurden die Kaiserkultstätten errichtet, in welcher Gestalt wurden sie erbaut und wie veränderten sie das Stadtbild? Gab es signifikante Unterschiede zwischen den Städten oder Gleichförmigkeit? Diesen Fragen wird im Folgenden anhand von städtischen und provinzialen Sebasteia, also Kaiserkultstätcen im öffentlichen Raum nachgegan gen. Diese Studie konzentriert sich auf die römischen Provinzen Asia und Galatia einschließlich der Region Pisidia, die sich durch Dichte an Bei spielen auszeichnen und zugleich Kontraste stärker hervortreten lassen, als es die Beschränkung auf eine einzige Provinz erlauben würde Private Kultstätten oder Kulteinrichtungen von Vereinen werden hier nicht be rücksichtigt, ebenso wenig sog. Kaisersäle in Thermen und Gymnasien.1 Auch eine Betrachtung des Kaiserkultes in den alten Heiligtümern der Götter wird an dieser Stelle ausgespart. Kaiserkultstätten, also Bauwerke zu Ehren römischer Herrscher mit ei ner kultischen Funktion, 2 prägten das Stadtbild von der frühen Kaiserzeit * Für wertvolle Anregungen möchte ich mich ganz besonders bei A. CHANIOTIS und R. STIJPPERICH bedanken. Zu allen bier vorgestellten Beispielen findet sich ausführlich Literatur im Literaturverzeichnis am Ende des Artikels sowie in J. Süss, Kaiserkult und Stadt. Kultstätten römischer Kaiser in Asia und Galatia (Diss. Mün chen 1995), veröffentlicht auf Mikrofiche 1999. 1 Zu Thermen und Gymnasien: Süss 1999, 105 ff. 2 Zum (Kaiser-)KuIt: A. CHANIOTIS in diesem Band; s. auch PRICE 1934 passim; TH. PEKARY, Das römische Kaiserbild in Stadt, Kult und Gesellschaft (= Das rö mische Herrscherbild) (Berlin 1935) und M. CLAUSS, Kaiser und Gotc (StuttgartLeipzig 1999) passim. Zum Kult gehören vor allem an einem Altar dargebrachte Opfer, Priester und Kultstatuen.
Jürgen Süss
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bis mindestens weit ins 3. Jh. hinein. Gilt die Charakterisierung des Sebasteions von Alexandria, welche Philon 40 n. Chr. vornahm, auch für andere Kaiserbezirke? Er schreibt, dass das Sebasteion hoch bzw. an er höhter Stelle erbaut ((istecöpoq i8pi)TOa), am größten QiEyiOTOq) und am sichtbarsten sei (&zi<pave
Phil, leg. ad Gaium 151 f.: Zum Gesamtkomplex zählte ein Tempel des Caesar. Der im Bau befindliche, zunächst Antonius zugedachte Tempel wurde unter Au gustus als Teil des Forum Iulium fertig gestellt und in den späteren Quellen auch als Sebasteion bzw. Kaisareion bezeichnet. Dazu G. ALFÖLDY, SHAW 2, 1990, 43 ff.; s. auch BAITY 1991, 602. Zur Lage: G. HÖLBL, Geschichte des Ptolemäerreiches (Darmstadt 1994) 268 (s. Karte 3). 4 B. BUKRELL, Neokoroi. Greek Cities of the Roman East (Diss. Harvard University 1980). Bei vielen in Frage kommenden Bauwerken für den Kaiserkult er geben sich nicht unerhebliche Schwierigkeiten hinsichtlich der Identifikation, Lokalisation und des Status. Identifikation: Wem genau war ein Tempel geweiht? Kann überhaupt von einem Kaiserkultbau gesprochen werden oder stand die Ver ehrung eines Gottes im Vordergrund? Lokalisation: Der bauliche Kontext der Kai serkultstätten ist aufgrund von Zerstörung und mangelnder Untersuchung oft nicht ausreichend geklärt. Zudem wurden die meisten Kaiserbauten, die durch Münz bilder, antike Literatur oder Inschriften bekannt sind, nicht entdeckt, stehen also für eine urbanistische Untersuchung nicht zur Verfügung. Status: Handelt es sich bei einem Kaiserkultgebäude um einen munizipalen, provinzialen oder privaten Baukomplex? Eine genaue Analyse mittels Survey, Anfertigung von Karten und Plänen sowie Bestandsaufnahme der ausgegrabenen bzw. zugänglichen Reste könnte zumindest teilweise Abhilfe stammen. 5 A. CHANIOTIS in diesem Band. 6 Zum Theaterbezug: CLAUSS 1999, 330: Prozessionen führten über möglichst viele öffentliche Plätze sowie vorbei an zentralen Gebäuden, wofür Gytheion (Achaia) ein besonders guter Beleg ist Dazu: PRICE 1984, 111; HÄNLSTN-SCHÄJER 1985, 160 ff. (mit Lit.). 7
CLAUSS 1999,
331.
Kaiserkult und Urbanistik
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Zusammenhang gesehen werden, um sie historisch richtig beurteilen zu können, 8
1. Agora Die meisten Kaiserkultbauten weisen einen räumlichen Bezug zu einem Marktplatz auf. Man kann drei Gruppen von Bauwerken unterscheiden: Kultraum, Tempel und Altar. Als erstes wird der sog. Kaiserkultraum in einer Agorahalle behandelt. LI Kaiserkultraum in einer Agorahalle In Epbesos lag an der nördlichen Agorahalle, der Basilike Stoa, als östliche Appendix ein großer Saal (Abb. 1). Die überlebensgroßen Sitzstatuen des Augustus und der Livia, die in diesem Raum in einer Grube gefunden wurden und auf dem rückseitigen Podest gestanden haben dürften, die Bauinschrift der Halle mit einer Weihung an Augustus und die kaiserliche Familie sowie die Übereinstimmung mit Beispielen aus dem übrigen Rö mischen Reich können als Indizien für eine Verwendung des Saales als Kultraum gewertet werden. 9 8
Vgl. auch A. CHANIOTIS* Beitrag zur Ritualpraxis des Kaiserkultes im Osten in diesem Band. 9 Zu den in der bilinguen Weihinschrift überlieferten Begriffen »ßactf-ticfi CPXOÖS« bzw. »basilica« und zur Weihung an die Stadtgöttin Artemis sowie an Au gustus und Tiberius: D. KNIBBE - H. ENGELMANN ~B. IPLIK<JIO6LU, ÖJh 62,1993, Hauptbl. 148 f. Nr. 80. Zur Architektur: FOSSEL-PESCHI. 1982. Einen Beweis für die Bestimmung des auch Ostchalcidicum genannten Saales gibt es nicht. Zu Bei spielen für Kulträume aus dem Westen, etwa aus Pompeji, Fanum und Lucus Feroniae: BAITY 1991 passim. Ein Tribunal als Hinweis auf die Gerichtsfunktion ist nur in Rom sicher nachgewiesen. Zum pronaon aedis Augnsü des Vitruv in Fanum vgL auch A. NÜNNEKXCH-ASMÜS, Basilika und Portikus (Köln 1994) 10, 99 ff. Zu den Statuen in Ephesos: P. SCHERKER in: H. Thür (Hrsg.), »... und verschönerte die Stadt...«. Ein ephesischer Priester des Kaiserkultes in seinem Umfeld, SoSchrÖAI 27 (Wien 1997) 94 ff. spricht von einer »Bergegrube«, die beim Umbau in ein byzantinisches Peristylhaus vielleicht im 6. J k angelegt wurde. Auch Basen für die Statuen der beiden Stifter, C. Sextilius PoUio und seine Gattin Ofillia Bassa, hat man im Bereich der Halle ausgegraben. Sie könnten ebenso im Raum der Kaiser bildnisse aufgestellt gewesen sein wie auch in der Haupthalle der Basilike Stoa. SCHERRER vermutet, dass der Raum erst in tiberischer Zeit nach dem schweren Erdbeben an der Westküste Kleinasiens angefügt wurde und die kultische Vereh rung des Tiberius mit einschloss. Somit wäre Augustus erst postum in diesem Saal verehrt worden. BALTY 1991 erwähnt diesen Saal nicht.
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Der Saal in Ephesos war in die dreischiffige Halle vollständig integriert und ganz auf diese ausgerichtet. Die kostbare Ausstattung des großen Raumes wie auch die prächtige Gestaltung der gesamten Halle machten das Beispiel zu einem exponierten Platz der kaiserlichen Verehrung.10 Die Frage, ob Augustus und Livia lediglich aufgrund der Weihung der Stoa an diesem Platz verehrt wurden oder auch aufgrund agoraspezifischer Abläufe (etwa dem Ableisten eines Eides oder dem Durchführen von Kulthandlungen an Feiertagen) oder ob ganz andere Absichten bestanden, kann nicht beantwortet werden. Ein weiteres mögliches Beispiel für einen Kaiserkultsaal gibt es aus dem damals zur Provinz Asia gehörenden Tbera.11 Auch hier stand die einer Inschrift zufolge ebenfalls »Stoa Basilike« (im Sinne von >kaiserliche Stoa<) genannte Halle, die aus dem Hellenismus stammt, an einer prominenten Stelle der Agora (Abb. 2).1? Die Stoa wurde im 2. Jh. n. Chr. während einer ID
Der Saal zeichnet sich aus durch Größe (Breite: 16,30 m, Tiefe: 13,30 m) und großzügige Marmorverkleidung, wie aus Befestigungslöchern hervorgeht. Dazu FOSSEL-PESCHL 1982, 42 ff. 11
Weitere Beispiele sind aus Iasos und Priene überliefert. Zu Iasos: G. PTJGLIESE in: Studi su Iasos di Caria, BdA Suppl. 31-32, 1985, 151 ff. Zu Priene: Süss 1999, 13 ff. (mit Lit.). Hier kommt für den Kaiserkult, der nicht unumstritten ist, die mittlere Exedra der Nordhalle in Frage, die sich u. a- dadurch von den anderen Räumen und Exedren auszeichnet, dass sie eine umlaufende marmorne Bank nied riger Höhe aufweist. Als Funktion ist entweder eine Sitzgelegenheit oder ein Platz für Statuen zu erwägen. Diesen Hinweis verdanke ich A. v. KIENLIN, der die Halle neu untersucht hat. Der Eingang der Exedra wird durch Stirnpfeiler gesäumt. Die Halle wurde im 2. Jh. v. Chr. errichtet. Ein nachweislicher Umbau der Exedra ist nicht datierbar. Aus der Inschrift OGIS 458 aus Priene geht hervor, dass die Ka lenderreform des Augustus auf einer Mannorstele im nicht entdeckten Temenos der Roma und des Augustus in Pergamon, dem Hauptkultort der Provinz Asia, sowie Kopien davon in den Kaisareia der Vororte eines Verwalmngsdistrikts zu veröffentlichen seien (£v TCCCS &<pr[yovpkvcci<; xßv SioiKfjc^GOv 7cöX£Oiv)- Neben Pergamon waren in jener Zeit die Distriktvororte, in denen der Statthalter Gericht hielt, Ephesos, Tralles, Smyma, Sardeis, Mylasa, AJabanda und Adramyttion, nicht aber Priene, das nur eine überregionale Bedeutung als Polis des Panionions inne hatte. Die Abschrift des Kalenderbeschlusses, die in Priene an der fraglichen Exedra entdeckt wurde, zeigt aber, dass dieser auch in anderen Städten publiziert wurde (neben Priene auch in Apameia, Eumeneia und Dorylaia). War die Exedra in Priene also nicht doch ein Kultraum des Augustus oder des divus IHIIHS} ZU den Haupt orten der Verwaltungsbezirke (dwiKticiq/conventHs): R. HAJENSCH, Capita provindämm. Statthaltersitze und Provinzialverwalmng in der römischen Kaiserzeit (Mainz 1997) 298 ff. - In Tiiasos scheint die Verkleidung eines Raumes in einer hellenistischen Stoa mit Marmor mit der Einführung des Augustuskultes eng zu sammenzuhängen. Dazu HÄNXEDNT-SCHÄFER 1985, 155 f. 12 Thera: BALTY 1991, 391 ff. In diesem innen 7,38 m x 10,10 m großen Raum -wurde auch ein Podium für eine oder mehrere Statuen freigelegt.
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umfassenden Umbaumaßnahme um einen Saal ergänzt, welcher der Kai serverehrung diente, ohne den Umfang des Gebäudes zu verändern (Abb. 3).13 Das Ergebnis erinnert an das bereits besprochene frühkaiserzeitliche Beispiel aus Ephesos. Evidente Reste von Kaiserstatuen fanden sich in Thera allerdings nicht. In Thera - insgesamt recht gut erforscht - wurde nirgends ein neu er richtetes Gebäude für den Kaiserkult festgestellt. Nur ein hellenistischer >Dionysos-Tempel< am Marktplatz wurde in der frühen Kaiserzeit zu ei nem Kaisertempel umfunktioniert und später wohl als a[pxaio]v Kccia[öc]p£iov bezeichnet.14 Ein Neubau ist in Thera für den Kaiserkult dagegen offenbar nie errichtet worden. Der römische Kaiserkult scheint folglich nach allem, was wir heute wissen, nicht zu einem tief greifenden Wandel des dortigen Stadtbildes gefühn zu haben. Dies sieht in vielen Städten ganz anders aus, wie an den nächsten Beispielen deutlich wird. 1.2 Tempel Erheblich auffälliger als ein Kultraum erweist sich im Bereich einer Agora ein Herrschertempel. Als Beispiele seien der C. und L. Caesar-Tempel in Eresos und der Markttempel in Ephesos angeführt. Der Tempel für C. und L. Caesar in Eresos stand an der auffälligsten Stelle der dortigen Agora, wie aus einer Inschrift ausdrücklich hervorgeht (sv TO£> £7a9ocvE0xdxcp TOTtcp xaq &TOpa<;). Entdeckt wurde der Tempel bislang jedoch nicht.15 Die ursprüngliche Weihung des Tempels auf der oberen Agora in Ephe sos und seine Datierung sind dagegen umstritten (Abb. 1). Mittlerweile geht man meist von einer Weihung an divus Iulius aus, doch erscheint auch Augustus nach wie vor nicht völlig ausgeschlossen. Jedenfalls dürfte heute 13
BALTY 1991, 598, der vermutet, dass im 2. Jh. in diesem Raum in Thera ein Amtslokal für Gemeinderäte eingerichtet wurde, obwohl es dort bereits ein Rat haus (identisch mit dem Theater) gab. Er begründet dies mit einer von ihm ange nommenen Reduzierung der Rätezahl auf 100 im Osten, so wie dies im Westen des Reiches bezeugt ist (ebenda 393). 14 IG XII 3, 326; WrrscHEL 1997, 29 ff., 45 f. (mit Lit.), während der hier be sprochene Raum in der Stoa wohl als >neues Kaisareion<, veov Kccio&peiov, ver standen worden sein dürfte. 15 IG XII Suppl. 124, ROBERT 1979,180 Nr. 320. In der Inschrift ist die Rede von einem Naos und Temenos für C. und L. Caesar, Adoptivsöhne des Augustus, die .17 v. Chr. von Augustus adoptiert wurden, aber schon 2 bzw. 4 n. Chr. starben. C Caesar war in Eresos zudem 1 o. 2 n. Chr. eponymer Prytane. Zur Topographie
von Eresos s. G. P. SCHAUS - N. SPENCER, AJA 98, 1994, 411.
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seine Funktion als römischer Herrscherkulttempel kaum mehr in Frage zu stellen sein, wurde er früher doch auch als Isis- und Antonius-Tempel interpretiert.1* Wir haben damit eine Variante vor uns, wie wir sie im We sten, so etwa in Pula,. Äugst, Ostia oder Terracina, häufig antreffen, die enge Verbindung von Kaisertempel und Marktplatz. 17 Des Weiteren gab es auch entsprechende Tempel in der Nähe einer Ago ra, was insgesamt den häufigeren Fall darstellt. Zurückgegriffen wird erneut auf ein Beispiel aus Ephesos - auf den D o mitian-Tempel, der in der unmittelbaren Nachbarschaft der oberen Agora errichtet wurde (Abb. 1). Dieser Naos weist einen deutlichen optischen Bezug zur Agora auf - seine Front war nach Osten zum Marktplatz ge wandt - , wenngleich er sich in einem eigenen Bezirk befand und als provinzialer Tempel eine andere Bestimmung hatte als etwa das Beispiel aus Eresos oder der in einen Kaisertempel umgewandelte >Dionysos-Naos< in Thera, die beide dem kommunalen Bereich zuzuordnen sind. Eine Aus nahme würde hingegen der Sakralbau auf der oberen Agora in Ephesos bilden, sofern dessen Deutung als Tempel des divus Julius zuträfe. Denn dieser besaß, wie literarisch bezeugt ist, eine provinziale Aufgabe.18 Die wichtigste Eingangsseite des Domitian-Heiligtums ist statt dessen die Nordseite, die einem Vorplatz an der Kuretenstraße zugekehrt ist. Am bekanntesten von dieser nach Norden weisenden Prachtfassade des Hei ligtums sind die Stützfiguren, welche orientalische Barbaren repräsentie ren.19 16
Zu den unterschiedlichen Deutungen: Süss 1999, 37 ff. Speziell zur Interpre tation als Tempel eines ägyptischen Kultes zuletzt kritisch auch: J. C. WALTERS im H KOESTER (Hrsg.), Ephesos, Metropolis of Asia, Harvard Theological Studies 41 (1995) 293 ff. 17 Die genannten Beispiele mit unterschiedlicher Disposition sind Augustus ge weihte Tempel. Pola: G. FISCHER, Das römische Pola (München 1996) 19. Äugst: M TRUNK, Römische Tempel in den Rhein- und westlichen Donauprovinzen, For schungen in Äugst 14 (Äugst 1991) 153ff.Terracina: HÄNUSIN-SCHÄFER 1985,26 f., 135ff.Ostia: ebenda 27 f., s. auch Kaisertempel in Aventicum (Avenches): M VER ZAG Un temple du culte imperial, Aventicum II (Lausanne 1978) 41. 18 Cass. Dio 51,20,6: Augustus gestattete schon 29 v. Chr. die Einrichtung des provinzialen Heiligtums des conventus civium Romanorum für dea Roma und divus Julius in Ephesos. 19 Süss 1999, 43 ff. Das Heiligtum ist erst nach der damnaäo memoriae Domiti>n? fertig geworden. Um Trajaa und der römischen Öffentlichkeit nicht zu miss fallen, wird man die ideologischen Aussagen am nun den Theoi Sebastoi geweihten Tempel auf Trajan ausgerichtet haben. Zu vermuten ist m. E. eine Deutung von Stiitzfiguren und jetzt im Museum von Selciik aufgestelltem Altar auf Trajan, wohingegen V. M. STROCKA, IstMitt 38, 1988, 294 Anm. 13 für die flavische Zeit plädiert
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1.3 Altäre Auch große Altäre zu Ehren der Kaiser sind in Kleinasien vereinzelt nach gewiesen, etwa im Bereich der Rathäuser.20 Die so genannte Ära Augusti im Rathaushof von Milet, das am häufig sten zitierte Beispiel, lässt sich jedoch nur aufgrund einer Indizienkette mit dem Kaiserkult in Zusammenhang bringen, die an dieser Stelle nicht aus geführt werden kann.21 Wie das Doppelmonument in Ephesos zu rekon struieren und zu deuten ist, das man als Ort eines Kaiseraltars interpretiert hat, lässt sich ohne genaue Bauaufnahme ebenfalls nicht lösen.22 Ergebnis: An den Marktplätzen Kleinasiens finden sich für die Kaiserver ehrung oft Räume in oder an repräsentativen Säulenhallen, seltener auf fällige Tempel und gelegentlich sehr wahrscheinlich auch große Prunkal täre. Die Beispiele sind in der Regel als städtische Anlagen zu bezeichnen. Häufig gibt es auch abgeschlossene Bezirke im Nahbereich einer Agora und damit ebenfalls im politischen Zentrum einer Stadt. Dass ein beste hender Tempel am Hauptplatz einer Stadt auch umgewidmet werden konnte, legt sehr wahrscheinlich das Beispiel aus Thera nahe. Kaisertempel auf der Agora sind in Asia und Galatia gleichwohl selten nachzuweisen. 2. Hauptstraße Der Faktor Hauptstraße wird anhand von Beispielen aus Aphrodisias, Selge und Sagalassos beleuchtet. Aphrodisias weist mit seinem Sebasteion23 einen Kaiserbezirk auf, der im Umkreis der dortigen Agora an der wichtigsten Straße errichtet wurde 20 Beispiele, die hier nicht erörtert werden, liegen vor aus Tralleis, Herakleia am Latmos und Alabanda. Dazu P. SCHERRER in: H. Thür (Hrsg.), »... und verschö nerte die Stadt ♦..«. Ein ephesischer Priester des Kaiserkultes in seinem Umfeld, SoSchrÖAI 27 (Wien 1997) 94. 21 Typologische und epigraphische Argumente sprechen eher für einen Monu mentalaltar (des Augustus, des Apollon Didymeus und der Hestia Boulaia) als für ein Ehrengrab bzw. Heroon: K. TUCHELT, IstMitt 25, 1975, 120 ff. Zu den For schungsmeinungen ausführlich: Süss 1999, 32 (mit Lit.). 22 SCHERRER a-O. 94 präferiert einen Altar für Augustus und Artemis und schlägt vor, das berühmte Amazonenrelief diesem Bezirk und nicht dem Artemision zu zuordnen. Dann ergäbe sich eine Parallele mit Milet, wo der >Altarbau< historisierend-mythologische Darstellungen zeigt (Süss 1999, 205 ff.). Zum Doppelmonu ment als Unterbau für zwei Tempel des divus Iulius und der dea Roma: Etwa GROS 1996, 112. 23 Zur Benennung: J. M. REYNOLDS, Ruler-cult at Aphrodisias in the late Repub-
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(Abb. 4). Der Kaiserbezirk war Aphrodite Prometor (Venus Genetrix), den Theoi Sebastoi (julisch-claudisches Kaiserhaus) und dem Demos von Aphrodisias geweiht. Es handelt sich um eine private Stiftung zweier her ausragender Familien aus Aphrodisias.24 Das Sebasteion war ein abgeschlossener Bezirk. Es bestand aus Propy lon, Seitenhallen mit den berühmten Figurenreliefs, schmalem Hof und Tempel auf hohem Podium als dem wichtigsten Gebäude. Das Heiligtum grenzte nicht nur an die bedeutendste Nord-Südstraße, sondern war auch auf die Agora im Westen mit ihrem Hauptzugang und Vorplatz nahezu exakt axial ausgerichtet. Nicht weit davon entfernt lagen zudem die zweite Agora der Stadt im Südwesten und das Theater im Süden. Die Haupt straße führte im Norden in die Nähe des Hauptheiligtums der Stadt, des Aphrodite-Tempels, und zum nur wenig jüngeren Stadion. Der Kaiserbezirk erstreckte sich damit an einem der zentralsten Punkte des Stadtgebietes im Umkreis der großen öffentlichen Plätze. Er war ver kehrstechnisch und räumlich eng verbunden mit den kommunalen und religiösen Hauptgebäuden der Stadt. Gleichwohl führte das Temenos schräg auf die Hauptstraße und nicht im rechten Winkel wie die meisten anderen Bauten der Stadt.25 Einige Details der Architektur sind in diesem Zusammenhang auf schlussreich: Das Propylon im Westen, das ohne durchgezogene Mauern errichtet wurde, ließ von der Straße aus den Blick auf die Vorderseite des auf einer Terrasse etwas erhöht gebauten Tempels in exzellenter Weise zu. Die Seitenhallen, eigentlich Scheinportiken, erinnern mit ihren drei Etagen Hc andunder the Julio-Claudian emperors, in: A. SMALL (Hrsg.), Ruler and Subject: The cult of the mling power in classical antiquity, JRA Suppl. 17 (1996) 44 mit Verweis auf Inschrift CIG 2839, wohl eine Grabinschrift aus dem 3. Jh., in der ein SsßocoTEiö«; VCCCK; genannt wird. 24 R. R. R. SMITH, JRS 77,1987, SS ff.; ders., JRS 7S, 1988, 50 ff,- REYNOLDS a.O. 43 ff. mit älterer Lit., welche die Stadtgötün Aphrodite im Sebasteion (»processional way«) als »ancestress« der gens Itdia auffasst; R. R. R. SMITH, Britannia 13, 1982, 278 Anm, 8. 25 Für die Schrägstellung des Sebasteions fehlt eine überzeugende Erklärung. Zum >Atriumhaus< aus spätrömischer Zeit, das sich im Norden der Anlage befin den K. T. ERIM in: Ch. Roueche - K. T. Erim (Hrsg.), Aphrodisias Papers, JRA Suppl. 1 (1990) 13, 15 (religiöse, halbreligiöse oder offizielle Funktion); R. R. R. SMITH, JRS 80, 1990, 127. F. HUEBER in: ROUECHS -'ERIM (Hrsg.) a.O. 102 ver mutet für die auffallige Abweichung ein altes Heiligtum in der Nachbarschaft Dagegen R. R.R. SMrrH, AJA 101, 1997, 10 ff. und S. MITCHELL, JHS 119, 1999, ArchRep 1998-99, 162, die vorschlagen, dass sich das Sebasteion in einem älteren Viertel, dem ein anderes Raster zugrunde lag, erhob. Oder sollte die dortige Fels barre geschickt für den Tempel ausgenutzt werden?
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an die Kaiserforen Roms, wobei jedoch kein Kaiserforum mit drei Etagen bekannt ist. Aufgrund der geringen Breite des Platzes zwischen den Scheinportiken und der großen Höhe der Seitenbauten wurde die per spektivische Wirkung, also die Lenkung des Blickes auf den Sakralbau, noch einmal verstärkt Treppen am Eingang trennten das sakrale Areal vom profanen Verkehr an der Hauptstraße und leiteten zum etwas höher gelegenen Pflaster des Kaiserbezirks über. Dass die Nachbarschaft zu einer Agora nicht zwingend war, zeigen die beiden nächsten Beispiele aus Pisidien. In Selge sind die Reste eines inschriftlich als Aelius-Caesar-Tempel identifizierten Naos entdeckt worden (Abb. 5).2* In dieser Stadt bestand zwar ein verkehrstechnischer Bezug des Kultbaus zur oberen Agora mit tels der Prachtstraße, die beide Baukomplexe verband. Doch der Tempel lag am anderen Ende der Trasse, also nicht im unmittelbaren Umkreis der Agora. In der Nachbarschaft des Naos befand sich dagegen ein repräsen tatives Stadttor aus hellenistischer Zeit. Zudem sehen wir an diesem Exempel, dass Kaisertempel nicht immer in einem abgeschlossenen Areal, sei es Agora oder Kaisertemenos, gebaut wurden, sondern auch direkt an einer Straße errichtet sein konnten. Dies kam wiederum der unmittelbaren Wir kung auf die Straße zugute. Die Hauptstraße war indes kein urbanistischer Wert an sich, wie ein Blick auf Sagalassos lehrt (Abb. 6). In dieser Stadt wurde der AntoninusPius-Tempel zwar an der wichtigsten Nord-Südstraße errichtet, aber auf einem Plateau in der Unterstadt, das sich dadurch auszeichnet, dass es eine besonders große Fernwirkung ermöglichte.27 Wir finden hier wie in Aphrodisias wieder einen eigenständigen, abgeschlossenen Kultbezirk vor, im Unterschied zur karischen Polis aber war dieser weniger eingeengt. Ungeachtet dessen führte die Straße, an deren Südteil sich der Bezirk ausdehnte, zur unteren Agora hinauf, wo der Apollon-Tempel, der wich tigste Sakralbau der Stadt in dieser Zeit, sowie das >Odeion<,28 das Nym26 A. MACHATSCHEK - M. SCHWARZ, Bauforschungen in Selge, IK 37 (Bonn 1981) 94 ff. Aelius Caesar wurde 136 zum Prinzen erhoben, starb aber schon knapp zwei Jahre später, was einen Anhaltspunkt für das Baudatum liefert. Vor dem Stadttor erstreckte sich die größte Nekropole der Stadt. 27
PRICE 1984, Nr. 129; M. WAELKENS 1990, AnatSt 40, 190 ff.
28
BAXTY 1991, 523 f. vermutet im sog. Odeion ein Bouleuterion, während sich etwa L. VANDEPUT, Sagalassos IV (1997) 22 f. aufgrund eines in den letzten Jahren an der oberen Agora von Sagalassos ausgegrabenen Gebäudes, das überzeugend als Bouleuterion gedeutet wird, zur Funktion des Baus an der unteren Agora zurück haltend äußert. Zu den Grabungen an der oberen Agora: Sagalassos V (2000) 256 ff. Zur unteren Agora: M. WAELXENS, AnatSt 44,1994,177 ff4 M. WAEIXENS - D . PATJWELS - J. VAN DEN BERGH, Sagalassos III (1995) 27 ff.
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phaion und das prächtigste jemals in Sagalassos errichtete Badegebäude anzutreffen waren. Unweit des Antoninus-Pius-Heiligtums befand sich ähnlich wie in Selge - zudem ein Stadttor,29 vor dem sich eine große Nekropole an den Hängen eines Hügels ausbreitete, was ebenfalls eine Par allele zu Selge darstellt. Die Straße, die in Sagalassos durch das Stadttor f Ohne, endete gewissermaßen in der Nekropole. Sie hatte in erster Linie eine repräsentative Funktion, was sich auch darin zeigt, dass der Weg so steil war, dass an zwei Stellen Treppenstufen eingefügt waren. Die Straße war damit nicht für den Warenverkehr konzipiert. Kann man die untere Agora als >Handelszentrum< bezeichnen, so grup pierte sich das politische Zentrum an der oberen Agora, an welcher das Rathaus platziert war. So großartig die Fernwirkuag des Kaisertempels gewesen sein muss, so ungünstig war der Bauplatz, was Wind und Wetter anbelangt. Aber dieser Nachteil wurde genauso gerne in Kauf genommen 30 wie die Randlaee. -Ö^ Ergebnis: Viele Kaiserkultbauten entstanden in Kleinasien an den Haupt straßen, den Lebensadern der Städte. Einige befanden sich zentral in der Nähe der Agora, andere dezentral am Stadtrand, dann aber mit um so mehr betonter visueller Wirkung. Fast alle Tempel waren von der Straße aus gut zu sehen. Ihre Sichtbarkeit war eminent wichtig. In Selge lag ein Beispiel ohne Temenos vor, so dass sich die architektonische Wirkung auf die Straße unmittelbar entfalten konnte. In Aphrodisias ermöglichte dafür die besondere Architektur des Propylons die nahezu freie Sicht von der Straße auf den Sakralbau.
3. Akropolis Der älteste nachweisliche Kaisertempel, der in Kiemasien auf einem Berg ]*>, ist aus Ankyra in Galauen bekannt. Die Wirkung des dorugenSebasteions, bestehend aus einem pseudodipteralen oktastylen Tempel, >st am ehesten mit den alten Akropolistempeln im Mxttelmeerraurn zu verglei chen. Doch wurde im antiken Ankara nicht der eigentliche Stadtberg als Bauplatz für den Roma und Augustus geweihten Tempel ausgewählt, son29 Dazu Sagalassos IV (1997) 264. Eine Stadtmauer besaß Sagalassos offenbar nicht. 30 Auffällig ist außerdem, dass das in der erhaltenen Gestaltung jüngere Theater genau auf den Kaisertempel ausgerichtet zu sein scheint, was einer näheren Be trachtung Wert wäre. Zum Bezug Kaisertempel und Theater allgemein: s. u. Nr. 4.
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dem eine nicht weit davon entfernte, etwas niedrigere Erhebung, die zur damaligen Zeit offenbar nicht bebaut war.31 Die Front des provinzialen Tempels war nach Südwesten gerichtet, also nicht auf den alten Stadtkern, sondern auf die große Ebene unterhalb der Stadt, was weniger mit kultischen Gründen als vielmehr mit der dadurch stärkeren Fernwirkung erklärt werden dürfte. Es ist gut denkbar, dass der Hügel, der später von einem Stadtviertel bedeckt wurde, bereits in augu steischer Zeit für die Gründung einer römischen Neustadt vorgesehen worden war. Die wenigen bislang ausgegrabenen Reste stammen allerdings erst aus der mittleren Kaiserzeit. Einen räumlichen Zusammenhang könn ten hingegen ein Hippodrom (i7ttc68pO|io<;) samt einem Festplatz (rcocvfiyupi^), die in der am Tempel angebrachten Priesterinschrift erwähnt sind, aufgewiesen haben. Für diese Einrichtungen stellte derselbe Stifter Baugelände zur Verfügung. Festzustellen ist hingegen heute allein ein axia ler Bezug vom Kaisertempel zum Theater an der Akropolis, das etwas jünger, aber wohl noch in die frühe Kaiserzeit zu datieren ist.32 Hervorzuheben ist an dem Beispiel aus Ankyra die räumliche Verbin dung von Kaisertempel und - sehr wahrscheinlich - mehreren Fest spielorten. Auch die frühkaiserzeitliche Anlage in Antiocbeia npoq ntcn,8tQc, einer augusteischen Kolonie im Grenzgebiet von Galatien und Pisidien, die mit hoher Wahrscheinlichkeit dem Kult des Augustus diente, breitete sich auf einem der höchsten Punkte des Stadtgebietes aus.33 Noch deutlicher als in Ankyra befand sich der Bezirk in Antiocheia über der eigentlichen Stadt. Eine Stichstraße, die das Heiligtum mit der wichtigsten Nord-Süd- und West-Oststraße verband und wohl von der Agora ausging, führte genau zum Heiligtum hinauf, wo sie in einen Vorplatz mündete (Abb. 7).34 Ein M
D. KRENCKER - M. SCHEDE, Der Tempel in Ankara (Berlin 1936); HANLEINSCHAFER 19 S5,1S5 ff. A 42. Das berühmte und für die Funktion des Kaisertempels bezeichnende Monumentum Ancyranum erstreckt sich über die Innenseiten der Anten bis zur Außenseite der südlichen Cellawand. Eine Inschrift mit der Aufzäh lung von Kaiserpriestem wurde an der Stirnseite der NW-Ante entdeckt. Zu Akro polis und zum Begriff ctKpavgl. M. WÖRRLE - W. WURSTER, Chiron 27,1997,422. 32 S. u. Nr. 4. 3> K. TUCHELT in: R. M. BOEHMER - H. HAUPTMANN (Hrsg.), Festschrift K. Bittel I (19S3) 501 ff.; HÄNLEIN-SCHAFER 1985, 191 ff. A43; M.TA§LIALAN, Pisidian Antiocheia (Istanbul 1997) 14ff.;F. RUMSCHEID, Untersuchungen zur kleinasiarischen Bauornamentik (Mainz 1994) I 6 f., 150 ff.; II 4 Nr. 13. Eine Weihung an Kybele, Men Askaenos oder die kapitolidsche Trias im Sicne eines Capitoliums ist unwahrscheinlich. Dazu Süss 1999, 70. 34 Nach den inschriftlich überlieferten Namen zweier Straßen oder Plätze
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besonders prächtiges Propylon, das auf einer großen Freitreppe am Ende der Straße emporragte, leitete zum Kaiserbezirk über, der aus einer axial symmetrischen Platzanlage mit zweistöckigen Säulenhallen bestand. In der Mittelachse erhob sich, etwas nach hinten versetzt, der Tempel auf einem Podium. Hervorstechendes und singuläres Merkmal ist die den Tempel umgebende halbrunde Portikus.35 Der Bauplatz dieser Säulenhalle wurde unter großem Aufwand aus dem Fels herausgeschlagen. Verschiedene Ausstattungsdetails und Einrichtungen weisen in Anti ocheia auf die Siegesideologie des Augustus hin: So die Darstellung von besiegten Barbaren und des Capricornus, die zum Propylon des Kaisertemenos zu rechnen sind, ferner Spiele mit dem Namen Actia und eine Victoria am wohl damals neu geschaffenen Kultbild des alten Stadtgottes Men.36 Sichtbarstes Zeugnis der Kaiserverehrung war jedoch der Tempel. Er manifestierte die führende Stellung des Augustus in seiner Doppelfunk tion als Koloniegründer und Herrscher eines Weltreiches. Vielleicht das imposanteste urbanistische Beispiel, das in Kleinasien je mals zu kultischen Ehren römischer Kaiser verwirklicht wurde, ist das Traianeum von Pergamon. Das Heiligtum, das Zeus Philios, Trajan und später auch Hadrian bestimmt war, lag nur wenige Meter unterhalb des Gipfels des 200 m aus der Umgebung ragenden Burgberges.37 Es thronte demzufolge hoch über dem Stadtgebiet. Die Akropolis von Pergamon wird von Aristides in einer Rede auch treffend als »Gipfel der Provinz« bezeichnet.38 Erst die ausgedehnten Substruktionen ermöglichten die Er(flÄOTEia) wird der Voiplatz unterhalb des Heiligtums als »Plateia des Tiberius« gedeutet und der Tempelbezirk als »Plateia des Augustus« (TASLIALAN a.O.). Doch bezeichnet der Begriff plateia meist eine große Straße, wie D. HENNIG, Chiron 30, 2000, 586 gezeigt hat, so da ss die antike Benennung des Tempelbezirks unbekannt bleibt. 35 Die Bauweise einer halbkreisförmigen Halle ist von italischen Cavea-Portiken bereits aus der Republik bekannt. In Verbindung mit einem Tempel gibt es halb runde Portiken nur aus Vernegues (A. GKENIER, Manuel d'archeologie gallo-romaine III1 [Paris 1958] 280 ff.) und Orange (M.-E. BELLET, Orange antique [Paris 1991] 42 ff.), die aber beide jünger datiert werden. In Orange steht der Sakralbezirk im Zusammenhang mit einem Forum. Außerdem ist eine halbrunde Kiyptoporukus aus Köln, vielleicht zum Ubieraltar gehörig, bekannt (M. TRUNK, Römische Tempel in den Rhein- und westlichen Donauprovinzen, Forschungen in Äugst 14 (Äugst 1991)201 K 1 4 . - A n der vermutlichen Agora ist in Antiocheia ein Bouleuterion identifiziert worden. Dazu M. TA§LIALAN, Pisidian Antiocheia (Istanbul 1997). 36 Süss 1999, 241 ff. 37 Zum Beinamen »Philios« des Zeus: HALFMANN 2001, 50. 38 Rede XXIII 13 (Homonoia): »c&orcsp KOIVTI TK; KOp-ucpfj w o £0vau<;«. Diese
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bauung der großen Platzanlage am steil abfallenden Hang. Die vorgeblen dete mächtige Terrassenmauer war weithin sichtbar. Sowohl der Tempel als auch die U-förmig angeordneten Säulenhallen waren der Talseite zugekehrt. Der immense Aufwand für die Errichtung lässt sich nur mit dem Bestreben erklären, eine möglichst große Fernwir kung zu erzielen (Abb. 8).39 Weder das alte. Stadtzentrum an den Hängen des Burgberges noch die römische Neustadt in der Ebene wurden als Bauplatz für das Traianeum ausgewählt. Dafür wurden aber optische Bezüge über große Entfernungen zu verschiedenen öffentlichen Plätzen und Bauwerken hergestellt: Etwa zu den großen Straßen nach Südwesten, wie der Heiligen Straße zum Asklepieion, oder zum Bezirk mit dem kaiserzeitlichen Theater, Amphithea ter und Stadion, des Weiteren zur in der Hauptachse des Tempels gelege nen, heute Büyük Alan genannten Platzanlage und möglicherweise auch zur dritten Agora, die im Bereich der römischen Neustadt vermutet wird.40 Nicht zuletzt bildete der Neokoriebezirk sicher nicht zufällig auch einen räumlichen Zusammenhang mit dem hellenistischen Theater in der Ober stadt.41 Das Traianeum lag somit nicht Im politischen und verkehrstechnischen Zentrum der Polis. Es befand sich sogar so abseits vom Stadtleben, dass die Praxis, wichtige Inschriften dort aufzustellen, nur wenige Jahrzehnte überdauerte und von anderen Heiligtümern wie vor allem dem Asklepieion übernommen wurde. 42 Hinter den vielen Raumbezügen ist in jedem Fall ein sehr durchdachtes urbanistisches Gesamtkonzept zu vermuten. Rede wurde im Rathaus von Pergamon gehalten, als wohl der Landtag der Provinz Asia in der Stadt tagte (CH. A. BEHR, P. Aelius Aristides. The Complete Works 2 [Leiden 1986] 28). 39 »An keinem anderen Ort des Burgberges konnte man mit einer besseren Fern wirkung des Tempelbaus rechnen«, stellte W. RADT, Pergamon. Geschichte und Bauten, Funde und Erforschung einer antiken Metropole (Köln 1988) 243 treffend für das Wahrzeichen des antiken wie touristischen Pergamon fest; s. auch DEKS., Pergamon. Geschichte und Bauten einer antiken Metropole (Darmstadt 1999) 209 f. 40 Die früher Gurnellia, heute Büyük Alan genannte Platzanlage gehört zur Eumenischen Stadt, belegt durch die Zugehörigkeit zum eumenischen Raster, besitzt aber römische Stützgewölbe. Dazu U. WULF, IstMitt 94, 1994,143 f.; RADT a.O. Z7. - Die Existenz einer dritten Agora kann aus einer Inschrift gefolgert werden (CH. HABICHT, AVP VIII 3 [Berlin 1969] Nr. 30), in welcher der Bau eines Propylons genannt wird. Denn an den beiden gut untersuchten hellenistischen Agorai ist kein kaiserzeitliches Propylon nachweisbar. Zur vermutlichen Lage der römischen Ago ra: WULF a. O. 158. 41
S. u. Nr. 4.
42
Süss 1999, 79.
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Ergebnis: Kaiserkultstätten, die auf einer natürlichen Erhebung in der Stadt errichtet wurden, erzielten eine besonders große Fernwirkung, was gelegentlich aber zu Lasten der Zentralität ging. Die überragende Stellung des Kaiserkultes wird auch dadurch deutlich, dass in der Kaiserzeit nur noch wenige Tempel auf einem beherrschenden Hügel in Kleinasien er richtet wurden. Wenn dies allerdings erfolgte, dann handelt es sich meist um ein mit der Verehrung des Kaisers in Verbindung stehendes Bauwerk, so dass man hierbei fast von einem >Privileg< des Kaiserkultes sprechen könnte. 4. Theater, Stadion, Hippodrom und Amphitheater Bereits im Zusammenhang mit dem auf einem Hügel angelegten RomaAugustus-Tempel von Ankyra kam zur Sprache, dass vermutlich ein Fest platz -und ein Hippodrom in der Nähe des Sakralbaus erbaut wurden.43 Dies muss bereits kurz nach der Errichtung des Tempels erfolgt sein. Von beiden Bauwerken fehlt bislang jegliche Spur. Erhalten hat sich hingegen ein etwas jüngeres Theater, das in etwa auf den Tempel ausgerichtet ge wesen zu sein scheint, worauf schon weiter oben hingewiesen wurde.44 Ein Theater aus hellenistischer Zeit, das in enger Verbindung mit einem Kaisertempel stand, wurde dagegen beim Erörtern des Traianeums von Pergamon bereits gestreift. Dieses befand sich nur wenige Meter schräg unterhalb des Kaiserheiligtums und verschmolz aus der Ferne betrachtet zu einer baulichen Einheit mit dem Neokorietempel. Ein Vorbild aus Kleinasien für diese Verknüpfung von hellenistischem Theater und Kaisertempel liegt möglicherweise aus der karischen Stadt Stratonikeia vor (Abb. 9).45 43
Die beiden Bauten werden in der Priesterinschrift des Tempels aufgeführt (OGIS 533), aus der hervorgeht, dass der Kaiserpriester Pylaimenes, Sohn des letz ten galatischen Königs Amyntas, Gelände! dort zur Verfügung gestellt hat, wo der Tempel lag und der Festplatz und das Hippodrom gebaut wurden. Zuletzt etwa H. HALTMANN, Chiron 16, 1986, 39 ff. 44
Zur Datierung: S. MITCHELL, ArchRep 1984-85, in: JHS 105,1985,98. - In der Reisebeschreibung von M. KINNEIR, Reise durch Kleinasien, Armenien und Kur distan in den Jahren 1813 und 1814, aus dem Englischen von F. A UKERT (Weimar 1821) 64 werden in Ankara die Ruinen eines Amphitheaters bei einem Hügel nahe der großen Ebene erwähnt Ob es sich hier nicht auch um aas frühkaiserzeitliche Stadion handeln könnte oder das Stadion in der Nähe dieses Amphitheaters lag, lässt sich heute nicht mehr feststellen, 45 Allgemein zur Stadt: DNP 11 (2001) 1047 s.v. Stratonikeia Nr. 2 {H. KA>LETSCH).
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Die Weihung des Tempels in dieser Polis geht sehr wahrscheinlich aus zwei im unmittelbaren Umkreis des Bauwerks entdeckten Inschriften mit der Nennung eines Kaiserpriesters und einer weiteren mit der Nennung eines Sebasteions hervor.46 Die epigraphischen Quellen sowie die Bauor namentik des Tempels fuhren in die frühe Kaiserzeit.47 Obgleich weniger gut untersucht als andere Städte, lassen sich auch hier wesentliche städtebauliche Giundzüge erkennen. Aus ihnen wird die Be deutung des Faktors Theater besonders deutlich. Der größte bekannte Tempelbezirk innerhalb von Stratonikeia wurde über dem Stadtgebiet, vielleicht auf dem höchsten Punkt des bebauten Teils, unmittelbar ober halb des hellenistischen Theaters an der Akropolis angelegt48 Das Heilig tum weist einen axialen Bezug zu diesem auf. Das Theater bildete dem nach den Übergang vom Sakralbezirk zum eigentlichen Stadtgebiet mit dem kommunalen Zentrum. Weite Teile der Stadt wurden dem von den Wohnvierteln und wichtigsten öffentlichen Gebäuden aus gut sichtbaren Tempel untergeordnet. Dabei führte eine urbanistische Achse von Naos und Theater über die Agora mit dem Rathaus bis zum Haupttor der Stadt im Norden.49 Ein bemerkenswertes Ensemble aus tiberischer Zeit bietet auch Pesrinous in Galatien (Abb. 10). Es besticht durch eine Kombination aus thea terartigen Sitzstufen zu beiden Seiten einer Treppe sowie einem Heiligtum für einen römischen Kaiser (Augustus als Provinzgründer oder Tibeiius), wofür es in Kleinasien bislang keine Parallele gibt.50
44 Die beiden folgenden Inschriften wurden vor dem Tempelfundament im Nor den der Terrasse entdeckt und gehörten wohl einst zu den Tempelanten: IvStratonikeia II2, IK 22^ (Bonn 1990) Nr. 1305a (Archiereus der Kaiser Melas aus Hierakome); IvStratonikeia II 1, IK 22,1 (Bonn 1982) Nr. 1017 (Archiereus der Kaiser). Die Schriftform spricht für die frühe Kaiserzeit: E. VARINLIOGLU, EpigrAnat 12, 1988, 79 ff» Ein Sebasteion wird explizit in der Inschrift IvStratonikeia I, IK 21 (Bonn 1981) Nr. 227 Z. 9 aufgeführt, zu der keine Fundortangabe vorliegt. 47 Zum Tempel: MERT 1999, 24 ff., 261 ff.. Die Auswertung der Ornamentik er gibt eine augusteische Bauzeit. 48 Zum Theater, das wohl aus dem 2. Jh. v. Chr. stammt: MERT 1999, 15, 22; s. auch R. ÖZGAN, Die Skulpturen von Stratonikeia, Asia Minor Studien 32 (Bonn 1999) 10. Es ist zu vermuten, dass während der Errichtung des Tempels auch Teile des Theaters erneuert wurden. 49 VgL MERT 1999, 16, nach dem das Stadttor mit einer großen Brunnenanlage in der überliefeiten Form frühseverisch zu datieren ist. Doch muss an dieser zentralen Stelle, sofern die Stadtmauer älter ist, wohl schon in einer früheren Phase ein Tor angenommen werden. 50 M. WAELKENS, EpigrAnat 7, 1986, 37 ff. (auch zur Weihung).
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Die breite Treppe führte genau zur Tempelvorderseite; Unterhalb der Stufenanlage erstreckte sich ein nur wenig später errichteter Platz, der laut M. WAELKENS, welcher Tempel und Umgebung eingehend untersuchte, als Handelsagora zu deuten ist. Der Platz öffnete sich danach zur wichtigsten Nord-Südstraße am Ufer des kleinen Flusses Gallos.51 Alle vorgestellten Gebäude reihten sich wie in einer Kette auf. Sie wiesen, unterstützt von einem natürlichen Hang, ähnlich wie in Stratonikeia oder Pergamon, eine ausgeprägte Höhenstaffelung auf. Diese reichte von der Handelsagora un ten bis zum Heiligtum oben. Der peripterale Sakralbau wurde zusätzlich noch durch einen mehrstufigen Unterbau, ein weiteres typisch kleinasia tisches Element neben dem Stufenunterbau, aus dem Platzniveau deutlich herausgehoben. Der Tempel erhob sich auf einem der höchsten Punkte des bebauten Stadtgebietes. In der - verglichen mit den Städten an der Westküste Kleinasiens - eher kleinen Stadt Pessinous beherrschte das Ensemble aus theaterartiger Stu fenanlage und Tempel das Siedlungsgebiet eindrucksvoll. Es stand als prächtige Kulisse bei Festspielen wie auch Prozessionen zur Verfügung. Für die Gesamtwirkung wichtig ist, dass der frei, stehende Tempel auf das neue römische Stadtzentrum ausgerichtet war. Es ist zu vermuten, dass Pessinous, Vorort einer großen Region/ 2 mit der Erbauung des Ensembles auf Ankyra, die Hauptstadt Galatiens, mit dem gewaltigen provinzialen Augustus-Tempel reagierte.53 Ergebnis: Nicht selten ist in Kleinasien ein Zusammenspiel von Kaisertem pel und Theater bzw. theaterartiger Anlage sowie Stadion und Hippodrom und in Pergamon auch Amphitheater zu verzeichnen. Gelegentlich wur den sogar mehrere Festbauten in die Planungen mit einbezogen (Ankyra, Pergamon). In einigen Fällen hat sich überdies eine architektonische Ein heit aus Theater und Kultbau herausgebildet, die dadurch eine besonders eindringliche urbanistische Wirkung erzielte. Teils hat man ein bestehen des Theater mit in die Planungen einbezogen (Pergamon, Stratonikeia), teils eine theaterartige Anlage mit dem Tempel gemeinsam konzipiert (Pes sinous). Das Zusammenspiel von Theater und Kaisertempel traf mehr für 51
Zur Topographie: DNP 9 (2000) 658 f. s. v. Pessinus (K. STROBEL). Pessinous war Vorort der Tolistobogier, eines der drei keltischen Stämme Ga latiens. Dazu S. MITCHELL, Anatolia. Land, Men and Gods in Asia Minor II (Ox ford 1993) 20 ff. 53 [IVL Lojllios aus Pessinous, der 32 n. Chr. in Ankyra als provinzialer Kaiser priester amtierte, könnte in Pessinous zu den treibenden gesellschaftlichen Kräften in der Errichtung des Tempelbezirks zu Ehren eines römischen Kaisers gehört haben. Dazu S. MrrcHELL, Chiron 16, 1986, 32 f. 52
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provinziale (Ankyra und Pergamon) und regionale Kultstätten (Pessinous) zu als für städtische (Stratonikeia).54
5. Hafen Der Hafen bzw. ein von der Küste aus gut zu sehender Platz bildete seit jeher einen wichtigen Standort für Tempel. Dies gilt auch für Kultbauten zu Ehren römischer Kaiser. Schon das eingangs erwähnte Sebasteion in Alexandria wurde sicher nicht zufällig am Hafen errichtet.55 Das älteste Beispiel der Provinz Asia für einen Kaiser bau mit Bezug auf die Küste liegt aus Eresos vor, wo ein munizipaler Augustus-Tempel (Naos) errichtet wurde, der in der schon zitierten Inschrift bezeugt ist, ar chäologisch aber noch nicht nachgewiesen werden konnte. Aus der For mulierung »beim Hafenemporion« (ETU TCÖ Ä,i[a£va xcb £jo.[7copt]cp56) lässt sich ein Handelsmarkt in der unmittelbaren Nachbarschaft erschließen, so dass der Hafen nicht als alleiniger Standortfaktor zu gelten hat. Im 2. Jh. entstanden zwei außergewöhnlich große Baukomplexe zu Eh ren des Kaiser/Hadrian in der Nähe eines Hafens in Ephesos wie auch in Kyzikos. Beide Beispiele gehören zu den größten je gebauten Kaiserkult stätten. Zumindest im Fall von Ephesos handelt es sich um einen Neokorietempel. In dieser Polis befand sich der 85 x 57 m große HadrianTempel in der Nähe des Hafens am Rande der Stadt, überdies an einem erst in der Kaiserzeit erschlossenen Stadtviertel (Abb. 11). ÄhnJich verhält es sich in Kyzikos. 57 Ergebnis: Die räumliche oder optische Verbindung von einem Kaisertempel zu einem Hafen, die sich in Asia bislang vor allem in Eresos und Ephesos, aber auch in Kyzikos nachweisen lässt, verfolgte ebenfalls das Ziel, einen entsprechenden Bau effektvoll aus dem Stadtbild herauszuhe ben. Die Wirkung entfaltete sich insbesondere dem, der sich diesen Poleis von See her näherte. ^ 54
CLAUSS 1999,
331.
55
Phil. leg. ad Gaium 151 £.: Das Sebasteion lag »gegenüber den Häfen mit guten Ankerplätzen«. 56
ROBERT 1979, 180 Nr. 320; ROBERT 1980, 5 f. Zu Ephesos: S. KAR WIESE in; SCHERRER (Hrsg.) 1996,177,186. Zur Bedeutung des Hafens von Ephesos allgemein: H. ZABEKLICKY, Preliminary Views o£ the Ephesian Harbor, in: H. KOESTER (Hrsg.), Ephesos, Metropolis o£ Asia, Harvard Theological Studies 41 (1995) 201 ff. - Zu Kyzikos: SCHULZ/WINTER 1990,33 ff. 57
Vermutlich handelt es auch hierbei um einen Neokorietempel (ebenda 50 f,),
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Schlussbetrachtung 1. Topographische Schwerpunkte Die Kaiserkultbauten verteilten sich in Asia und Galatia weit über den öffentlichen Raum. Doch lassen sich (Schwerpunkte erkennen im Bereich der Agora, der Hauptstraßen, der Akropolis, des Theaters oder ähnlicher Festbauten sowie des Hafens. 2, Urbanzstische Prinzipien Sebasteia wurden mit Hilfe ihrer Lage und Gestaltung deutlich aus dem Stadtbild herausgehoben und regelrecht (inszeniert.58 Sie befanden sich meist an einem zentralen Ort. Die Heiligtümer wurden bewusst dort plat ziert, w^jielOfe^cheii^usaiiunenkamen, wo ein Höchstmaß an Öffent lichkeit hergestellt wurde- Anders aüsgeHrückt, man hat sie dort erbaut, wo sich das öffentliche Leben abspielte, wo sich die Bewohner der Poleis aus kultischen, politischen, wirtschaftlichen, festlichen und privaten An lässen trafen. Zu den bevorzugten Mitteln, mit denen die optische Präsenz und In szenierung erreicht wurde, gehörten Axialität, H o h e g s ^ ä ^ g ^ ^ M o g ^ n^jualitar^m Die ausgeprägte Amlität innerhalb der Kaiserkultstätten sowie zwischen Kaiserkultbau und Stadt wurde er zielt durch große Prachtstraßen, Treppen- und Sitzstufenanlagen, Theater, lange Säulenhallen und prachtvolle Eingangstore, Elemente, die auch mit der Funktion der Bezirke bei Kaiserfesten bzw. Festumzügen zu tun ha ben dürften. Die Höhenstaffelung, nicht nur innerhalb des Temenos, sondern auch innerhalb des Stadtgebietes, reichte über Straße, Vorplatz, Tor, Treppe, Hofareal und Altar bis hin zum Tempel, für dessen Heraushebung aus dem Stadtgebiet neben den künstlichen Baumitteln nicht selten auch eine natürliche Erhebung geschickt ausgenutzt wurde. Nicht weniger markante Merkmale sind schließlich die Monumentalität, die der gesamten Anlage wie auch die einzelner Teile, und die prächtige Ausstattung (reichhaltige Ornamentik, Figurenschmuck, Bogenarchitektur, Marmorverkleidung), die hier jedoch nur beiläufig erörtert werden konnten. 58
Bezüglich der Inszenierung ist eine Parallele zur Entwicklung der Feste, ins besondere der Prozessionen (A. CHANIOTIS in diesem Band), zu beobachten.
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3. Formale Vielfalt Eine individuelle Betrachtungsweise von Kultgebäude und Stadt ist unum gänglich, da kaum einheitliche Bautypen und standardisierte Baulösungen festzustellen sind und die" Stiftung der Kaiser kultstätten und ihr Aussehen im Übrigen auch eng mit den Honoratioren vor dem Hintergrund der jeweiligen Stadt- und provinzpolitischen Situation zusammenhing.59 Man könnte die Einflussnahme der Auftraggeber an den Kaiserkultstätten ge nauer zeigen, was in diesem Rahmen aber nicht beabsichtigt war. Nicht nur die Bauwerke, sondern auch die Bauplätze und die Art der Verbindung mit den Nachbargebäuden, ganz zu schweigen von hier nicht vorgeführten Baudetails, fallen trotz gewisser Grundmuster sehr verschie den aus. Aber nicht nur der Vergleich innerhalb einer Provinz, sondern auch der Vergleich zwischen Provinzen ist aufschlussreich, denn es erge ben sich wesentliche UntersdÜjgde. Eine Gegenüberstellung von Asia und Galatia verdeutlicht den Aufwand, den die weniger hellenisierten und fi nanzschwächeren Gebiete am Rande der römischen Welt betrieben, um einen zentralen öffentlichkeitswirksamen Platz im repräsentativen Ge wand zu schaffen. Die Städte Galatiens taten sich zudem gerade in der frühen Kaiserzeit parallel zu einem Urbanisierungsschub in der Errichtung prachtvoller Bauwerke zur Huldigung römischer Herrscher hervor. Auf fällige Unterschiede könnte man auch zu anderen Provinzen auf zeigen. Es sei nur darauf hingewiesen, dass in Pamphylien der Kaiserkult hauptsäch lich in den vorhandenen Göttertempeln praktiziert wurde und das Stadt bild demzufolge nie derart verändert hat wie in Asia und Galatia.60 4. Netz aus Kaiserkultstätten Allmählich überzog antike Städte ein Netz aus sehr unterschiedlich ge stalteten Kaiserkultstätten, die nur in einer Gegenüberstellung historisch richtig beurteilt werden können. Die Wirkung erschließt sich nicht allein aus der Untersuchung der Sebasteia selbst, ihrer Architektur und ihrer Ausstattung, sondern vor allem aus der Untersuchung des gesamten Stadt raumes. Wie wichtig dies ist, ging aus der Inschrift aus Eresos hervor, in der drei Herrscherkulttempel aus gleicher Zeit erwähnt werden, und be stätigte sich in der Erörterung der archäologisch gut überlieferten Seba steia. Dabei ist das Wechselspiel der in den wichtigeren Städten im Laufe 59 Wie auch HALFMANN 2001, 93 in seiner Studie zur allgemeinen Entwicklung von Pergamon und Ephesos festgestellt hat. 60 J. NOLLS, Side im Altertum I, IK 43 (Bonn 1993) 122 ff.
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der Zeit in großer Zahl entstandenen Baukomplexe für den Kaiserkult von besonderer Bedeutung. Erinnert seien nur die vielen Beispiele aus Ephesos. Von einer städtebaulichen ^saintkonzeguon, d. h. der Berechnung der Wirkung von Gebäuden aufeinander, rauss stets ausgegangen werden. ->> / / H JL^&J
p
y Wandel des Stadtbildes Der römische Herrscherkult führte in Asia, Galatia und Pisidia zu einem massiven Wandel des Stadtbildes. Die Errichtung von Kultgebäuden zu Ehren der Kaiser ist mitunter die vorrangigste städtebauliche Aufgabe der Kaiserzeit von Augustus bis ins 2. Jahrhundert. Es vollzog sich eine Ver schiebung im Raumgefüge antiker Städte zugunsten der Bauten zur Ver herrlichung römischer Machthaber. Immer wieder neue und noch präch tigere Bauwerke feierten die Kaiser. Der Kaiserkult führte allerdings nicht in allen Gemeinden zu einer so tiefgreifenden Veränderung des Stadtbildes wie in Pergamon oder Ephesos, Ankyra oder Pessinous und Stratonikeia oder Aphrodisias. In Thera, ähnliches gilt wohl auch für Priene, hat der sonst so präsente Kaiserkult nicht zur Errichtung neuer Gebäude, sondern lediglich zur Umwidmung und Umgestaltung existierender Bauwerke ge führt. Aus dieser Tatsache kann indes keine Zurückhaltung gegenüber dem Kaiserkult gefolgert werden, vielmehr ist sie mit der allgemeinen städte baulichen Stagnation dieser Gemeinden zu erklären. Eine derart umfangreiche Veränderung des Stadtbildes, wie sie in den meisten hier vorgeführten Gemeinden durch die Errichtung von Sebasteia erreicht wurde, ist auch vor dem Hintergrund der gerade für Kleinasien so bezeichnenden Städterivalität, der Frage nach dem ersten Rang in der Pro vinz, der Bewilligung von weiteren Neokoriekulten durch den Kaiser und der weithin geschätzten Lobreden auf die Städte zu sehen. Die Verände rung ist keineswegs nur als Loyalitätsbekundung und Ausdruck der zu nehmenden Romanisierung zu werten, sondern vielmehr als Vehikel für die Glorifizierung der eigenen Stadt. Sie unterstreicht den Glanz und die Einmaligkeit in Abgrenzung von anderen kleinasiatischen Gemeinden, mit denen man im Wettstreit stand. In den Kaiserkultstätten manifestierte sich das tatsächliche oder angestrebte Ansehen einer Stadt innerhalb einer Pro vinz bei unterschiedlichsten Anlässen. Die Wirkung auf die Bewohner und Besucher einer Polis muss weit über Kaiserfeste hinaus gegangen sein.
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1991,
1997, 25, 39; Süss 1999,18 ff. (mit Lit.).
Abbildungsnachweise Abb. 1: nach P R I C E 1984, 139 Abb. 3. Abb. 2: nach W. HOEPFNER (Hrsg.), Das dorische Thera V (Berlin 1997), Faltblatt P l a n l . Abb. 3: nach BALTY 1991, 392 Abb. 194. Abb. 4: R. R. R. SMITH 1995. AJA 99, Taf. 1 nach S. 44. Abb.* 5: N O I X E (Hrsg.)1991, Abb. S. 137. Abb. 6: M: WAELKENS - S. MITCHELL - E. OWENS 1990. AnatSt 40, 186 Abb. 1. Abb. 7: eigene Skizze auf der Grundlage von M. TA§UALAN 1993. In: IVMüze kurtama kazilan semineri, Marmeris 1993, Abb. 1. Abb. 8: nach U . WULF 1994. IstMitt 44, 173 Abb. 7c. Abb. 9: eigene Skizze auf der Grundlage von tX Ö N E N 1986. Karien. Izmir, 54, dessen Plan wiederum in weiten Teilen auf G. E. BEAN 1974. Kleinasien 3. Jenseits des Mäander. Karien mit dem Vilayet Mugla. Stutegart, 95 Abb. 10 (Zeichnung P. TREMAUX) zurückgeht. Auf dem ursprünglichen Plan fehlen Theater und Tempel. Abb. 10: P. LAMBRECHTS 1971. De Brug 4, Faltblatt. Abb. 11: W, OBERLEITNER U. a. 1978. Funde aus Ephesos und Samothrake. Wien, Plan S. 14 f.
1 = Basilikc Stoa, 2 = Kaiserkultraum, 3 - Pry taneion, 4 = Boulcutcrion, 5 = „Doppelmonument", 6 = Agoratempel, 7 = Domitian-Tempel Abk 1 Ephesos, Plan der oberen Agora
Kaiserkult und Urbanistik
Abb. 2 Thera, Plan der Stadt
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(b = hellenistische Phase, c = kaiserzeitliche Phase) Abb. 3 Thera, Grundriss der Basilike Stoa
Kaiserkult und Urbanistik
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1 = Sebasteioa, 2 = Agora mit Bouleuterion, 3 - N-S-Straße, 4 - Aphrodite-Tempel, 5 = zweite Agora, 6 = Theater, 7 = Tetrastoon, 8 = Badeanlage, 9 = „Basilica", 10 = Badeanlage, 11 = Stadion Abb. 4 Aphrodisias, Plan der Stadt^
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A Kesbelion (a zs Zeustempel, b = Antentempel) B ,Klosterberg' C ,Nordkuppe' (a Ä Podiumtempel, b = 3^sil^a% c = Stadttor zum Nordtal) D Stadtmauer E Stadion F Theater G Untere Agora H Nordnekropole beim Theater
I J K L
M N O p
Säulenstraße Stadionthermen Nymphäum Obere Agora (a = Geschäf tsgebaude, b - ,Schräge Stoa', c = Odeion, d - Tychaion, e = Agoranomion) Osmekropole Zollhaus* JBasüica extra murosr im Nordtal Quelle (Kiralsuyu)
Abb. 5 Selge, Plan der Stadt mit Kaisertempel (Ca)
Kaiserkult und Urbanisrife
Abb. 6 Sagalassos, Plan der Stadt
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Jürgen Süss
1. Westliches Stadttor 2. Hauptstraße (Cardo Maximus) 3. Theater 4. Hauptstraße (Decumanus Maximus) 5. Säulenstraße 6. ,liberius-PIatz' 7. Propylon S. ,Au£ustus-Platzf 9. Kaisertempel
10. Nymphaeum 11. Palaestra 12. Badeanlage 13. Rathaus/Odeion (?) 14. Kirche 15. Kirche des Heiligen Paulus 16. Byzantinischer Bau 17. Südliches Stadttor IS. Aquädukt
Abb. 7 Anriocheiapro* Pisidia, Plan der Stadt
Kaiserkult und Urbanistik . Traianeum ,. N.
Abb. 8 Pergamon, Plan der Stadt
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Abb, 9 Stratonikeia, Plan der Stadt
Abb, 10 Pessinous, Rekonstruktion der Tempel-Theateranlage (umbiegende Sitzstufen beiderseits der großen Treppe nicht eingezeichnet)
Kaiserkult und Urbanistik
1 H&WctiW. Hatantor Z tolrtnra» Hafantor 3 SOanohs» Kofe^tor 4 Hafeomagazlnft SAitodiar* 0 0>2>nttnta«rM Sbdtmauar 7 V)erenuj«noou 8 Hafentttorrne 10 V
Hon** Oktogoo Hnrttfiau» 2 HoOChaü» 1 HaiQneusgaase
49 Nympha»um T f * w i 50 Rwdbgu
1? Atrium Hnn-narum Cornttmiananun 12 KptonnadBnvortiof 13 KMttUaM'cao 14 fezatsohoflc*» P«aia 16 Olympiakm (7) 1a ApolW«mp»l (7) 17* i.ynJmactach» Stodtmwjw 1« Heroon (7) 19 v
NQkfopale iDksnmpdi (?) Monwtrort und Nymphaum deft SexilUu» P WssBerschloft de* C. LaettnluD Baeaus
21 Stadion 22 BjaontmlaCtar Statthaft «rpartiBT (7) 23 StPdJOfvnvBB 24 Thofttotfttwwalim 2»Str»ß*Xer 26 TDmier
27 &u<*whau» » RflnMKhar SlBttfiutilMlMt (7) 29 Mtnrvsnrtrtflo 30 Agon» 81 62 69 64 65 66 67 66 60 70
PiV»no»on Twnprf d o r D w flomo und ctoo Olvua k 8ow)wjt«rto(i 8asUfca $09. Vanusbad /sOMon# Stra0Qnbrurinen Sog. UikAsarob 0»fflyrnn
4££. ü Ephesos, Plan der Stadt
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31 32 03 $1 X 30 57 06 30 40
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Herrscherkult und Christuskult* von CHRISTOPH AUFFARTH
1 Selbstvergöttlichung und Monotheismus LI Die Forschung zum Kaiserkult antwortet auf die Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts »Aus der Sicht des frühen Christentums war der scbJimmste Missstand im Römischen Reich der Kaiserkult. Ehrenbezeugungen, die Gott allein zu standen, durften nicht Menschen erwiesen werden.« So beginnt 1980 der Forschungsbericht im ANRW von Donald Jones.1 Das ist, so will ich zeigen, nicht die Sicht des frühen Christentums, sondern die Sicht zu nächst einmal einer Generation von Theologen auf das frühe Christentum, die diese Exklusivität und das Gegeneinander aufmacht: Eine Generation, die die Nürnberger Reichsparteitage vor Augen hatte und die drei Männer im Feuerofen aus Daniel 3 dagegen las. Das geschieht schon in der pro testantischen Bekennenden Kirche mit der Erklärung von Barmen 1934, These 2 und 3. Niemöller hat das auf die Formel gebracht: »Die Herren dieser Welt kommen und gehen. Unser Herr kommt,«2 Und es geschieht aus der Rückschau, indem die Generation, die »politische Religionen«, wie das ein Exilant benannte,3 aus eigener Erfahrung erlebte hatte und nun * Der Beitrag ist Werner Gauer zur Emeritierung gewidmet. Dank an Pascale Kahr für Recherchen und an Alexandra Wisniewski für die Mit arbeit an der Redaktion. 1 JONES 1980,1023: From the perspective of early Christianity, the worst abuse in the Roman Empire was the imperial cult. Honors which should be reserved for God alone could not be bestowed upon men. 1 VgL die knappen Bemerkungen bei KARRER 1998, 341. 3 Begriffsgeschichte bei HUTTKER 1999, der zeigt, dass der Begriff nicht von Erich/Eric Voegelin (Stockholm 1938) erfunden wurde, sondern gleichzeitig von
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Christoph Auffarth
eigene Fehler und Versäumnisse auf das persongewordene Böse projizier te, zur eigenen Entschuldigung die Sakralisierung der Macht behauptete: Ein Tyrann missbrauche die Religion und setze sich an die Stelle von Gott, Verehrung erheischend/ Das sei Pseudo-Religion, Religionsersatz, politi sche Religion, Aber schon in der Zeit des Aufkommens des Nationalso zialismus'gab es die berühmte Kontroverse zwischen Carl Schmitt und Erik Peterson über die von Schmitt so genannte »Politische Theologie«.5 Schmitt,.bald der »Kronjurist« des NS> sieht in der Struktur der katholi schen Kirche mit dem Zentrum der einen Wahrheit eine notwendig mon archische Struktur, die auch in politischen Gebilden trägt: nicht Konsens und Kompromiss, sondern die Entscheidung für oder gegen die Wahrheit bildet den Kern der Politik, ihre Theologie. Der Inhalt der Wahrheit da gegen ist nicht Gegenstand der Struktur. Grob gesagt, die Diktatur ist die angemessene Staatsform, nicht die liberale Demokratie. - Dem setzte sein Freund und gerade zum Katholizismus konvertierte Peterson zwei Auf sätze entgegen über den christlichen Kaiserkult (Augustus und Eusebius/Konstantin), in denen er als christlichen Vorbehalt gegen jede Herrschervergotcung setzt, dass die Herrschaft Gottes in der Eschatologie jede triumphalistische menschliche Herrschaftsauffassung aufhebe. Damit sei die politische Theologie erledigt. Petersons Untersuchungen über den Monotheismus/Kaiserkult bilden das historische Material, mit dem er die strukturelle Verwandtschaft von Katholizismus und Faschismus abwehrt-6 Am historischen Thema des Kaiserkultes werden Positionen in der Zeit geschichte eingenommen. Meine Aufgabe sehe ich darin, - diese Engführung aus den Erfahrungen des frühen 20. Jh. aufzubrechen hin zu einer systematischen Religionswissenschaft, die die scheinbar eindeutige Systematik des jüdischen und von den Christen übernom menen Monotheismus in die antike Diskussion zurückfuhrt (Religions systematik). mehreren, so besonders von Frederick Augustus Voigt, in die Diskussion geworfen wurde. Aktuell ist die Diskussion in apologetischer Absicht erneut initiiert von H. MAIER, so in seinem Büchlein Politische Religion. Freiburg 1995. 4 E. STAUFSER 1964 voller Anspiel gas; etwa S. 304-314 »Der Untergang der Alten Welt und die europäische Sendun gier Kirche«. 5 B . NICHTVEISS 1992. R. HARTMANN 1978, S. 203-221. E. PETERSON. 1933; 1935. C. SCHMITT. Politische Theologie. Berlin 1922. C.SCHMHT 1932; 1970. Grundlegend anders, nämlich als inhaltliche Bearbeitung der europäischen Politi schen Theologie die drei Bände der Berliner Religionswissenschaftler um Jacob Taubes: 1983-1987. 6 Besonders das Büchlein Eiikson 1926, das ihn zum Schülerkreis der Religi onsgeschichtlichen Schule gehörend ausweist.
Herrscherkult und Christuskult
285
- Diese antike Diskussion wird in zwei Fällen besprochen, einem Fall von jüdischem Widerstand (Caligula in Jerusalem) und einem Fall von Selbstdarstellung des Kaisers (Nero in Korinth) und der Stellung der Christen im ersten Jahrhundert zu Anspruch und Gottesbild. - Darauf ist in den einzelnen kultischen Formen die Christologie und der Christuskult zu vergleichen. Ich werde dabei die Frage der salutatio versus adoratio in den Vordergrund stellen. - Für die Bestimmung des Verhältnisses von Herrscherkult und Chri stuskult sind die vielen Gemeinsamkeiten und die Stellen der Konfron tation spezifisch dieser Kultformen zu beobachten.7 Das Thema, das die Organisatoren der Tagung vorgegeben haben, fordert die Frage nach dem Kult. Und hier, in der Tat, erschließt sich das-zentrale Problem. Die Frage ist falsch entwickelt, wenn das Christentum in dieser Frage mit dem Judentum zusammengeworfen wird. Es ist nicht das anikonische Judentum, das in der Bilderverehrung und dazu noch in der kultischen Verehrung eines Menschen sich durch die fremde Religion ver letzt fühlt. Sondern: Das Christentum bildet sich als eine eigene Religion heraus, indem, es den Kult des Christus entwickelt. Kaiserkult und Chri stuskult laufen also von der Religionssemantik und -pragmatik her paral lel; in der Religionssystematik lassen sich Konkurrenzen erkennen, aber auch die Möglichkeit, den Kaiserkult zu harmonisieren mit dem Chri stuskult. Die Konstantinische Wende führt in der Beziehung fort, was schon angelegt war. Diese ausgebaute Stufe der institutionalisierten Inte gration von Kaiserkult und Christuskult seit Konstantin hatte in der Wei marer Republik zu einer - oft gerade nicht den Nationalsozialismus be jahenden - Begeisterung für die geradezu religiöse Anziehung von Macht menschen geführt, so bei Ernst H. Kantorowicz und Andreas Alföldi.8 Sie ist jüngst wieder ausführlich dargestellt worden von dem letzten Assisten ten Alföldis, so dass eine wissenschaftsgeschichtliche Tradition von der Weimarer »Ergriffenheit« durch die medestas bis in die Gegenwart führt.9 1.2 Monotheismus, systematisch und Monotheismus kultisch In der theologischen Fragestellung haben sich zuletzt zwei Diskussions punkte ergeben, die für das hier zu bearbeitende Thema von zentraler Bedeutung sind: Die Frage, wie strikter Monotheismus und die Christo7
Eine Übersicht bei KLAUCK 1996, 62-70. DERS. 1992, 115-143. * KANTOROWICZ 1929-1931; 1998. ALFÖLDI 1934/1935. 9
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logie vereinbar sind, und wie - damit zusammenhängend - das Problem der Gottwerdung eines Menschen gestaltet, begründet und rituell so re präsentiert werden kann, dass es nicht zum Tabubruch wird. Oder gerade zum Tabubruch eingesetzt wird, um eine neue Religion abzutrennen. Das sind zwei Positionen, die in neuen Arbeiten von Samuel Vollen weider und Gerd Theißen vertreten werden.10 Ist die Christologie als konsequent in der Tradition des Judentums zu verstehen (Vollenweider) oder bricht sie mit dieser Tradition (Theißen)? Vollenweider bildet eine Liste von fünf Eckpunkten. Diese - so seine Ausgangsthese - »konstituieren die Einzigkeit Gottes, die meist mit Ho heit, Transzendenz und Heiligkeit einhergeht. Der eine Gott trägt einen heiligen Namen, - er schuf Himmel und Erde, [Gott als Schöpfer] - er thront als Weltenherrscher über allem, [Weltherrschaft] - er schafft Heil für sein Volk, [Gott als Reuer] - und ihm allein gebührt kultische Verehrung und Anbetung {Verehrung und Anbetung]- All dies kommt den vielen Göttern und Göttinnen der Umwelt Israels nicht zu« (S.25). Religionssystematisch wäre der letzte Satz richtig gedacht (weil diese Sätze nur dem einen Gott zukommen); in der Religionssemantik des Kultes erweist er sich als falsch. Vollenweider beschreibt das wissenschaftsgeschichtlich als »Renaissance der Re ligionsgeschichte« in der nunmehr dritten Welle, Dabei greift er nicht zurück auf die religionsgescbichtliche Schule in ihrer Zusammenarbeit zwischen Theologen und Klassischen Philologen, sondern benennt nur einen Exponenten, Rudolf Bultmann, der uflhistorisch ein jo hanneisch es Christentum dem (fünfhundert Jahre älteren klassischen) Griechentum gegenüberstellt und so seine Dialektische Theologie mit historischem Material bestätigt. So erklärt Bultmann die Chri stologie religionsgeschichtlich aus dem gnostischen Urmenschen. Als nächste Stufe benennt Vollenweider die These, dass für die Ausbildung der Christologie die Weisheit die entscheidende Rolle spielt, eingebettet in ein schon vom Hellenismus ergriffenes apokalyptisch geprägtes Judentum des Zweiten Tempels. Dagegen wandte sich die dritte Generation, die für die Christologie das apo kalyptisch-mystische Judentum mit Visionen und Himmelsreisen maßgeblich ansieht, wieHenoch, Qumran 4 und 11, Hekhalot-Literatur. Die Angelologie wird zu einer Größe, aus der sich auch die Christologie speist. »Das Postulat der neueren Religionsgeschichte, wonach die gesamte Chri stologie im Wesentlichen schon im Judentum präexistiert, lässt sich in den Texten verifizieren.« (Vollenweider 33 f.). Hier wird ein Gegeneinander konstruiert, das Textevidenz oder Exegese gegen »die« Religionsgeschichte VOLLENWEIDER
2QQ2;
THEISSEN
2QQQ.
Herrscherkult und Christuskult
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setzt, aber nicht mehr gegeneinander ausspielen will, weil sie von unter schiedlichen Perspektiven das gleiche Ergebnis erreiche. Religionswissen schaft ist gar nicht berücksichtigt; mit Religionsgeschichte ist vielmehr eine Richtung innerhalb der theologischen Exegese gemeint, die eher ver gleichend als philologisch arbeitet. Die theologische Wissenschaft nach Auschwitz entdeckte die jüdische »Wurzel« des Christentums und ver suchte, die Christologie und das Abendmahl folgerichtig aus dem Juden tum abzuleiten und das »Auseinandergehen der Wege« auf eine nachneutestamentliche Zeit zu verschieben. Religionsgeschichte bedeutet aber weniger, die Tradition vom Endpunkt her zu rekonstruieren, sondern syn chrone Entwicklungen der verschiedenen Traditionen miteinander zu ver gleichen und das Gleiche und das Verschiedene zu benennen. Das antike Christentum als antike Religion ist die historische Fragestellung; das anti ke Christentum als Vorstufe zum heutigen Christentum ist ein theologi sches Erkenntnisinteresse, aus dem »das Urchristentum« als eine normie rende und utopische Größe hervorgeht.11 13 Jüdischer Widerstand gegen den Kaiser kult: Caligula in Jej-usalem In der theologis.chen Eröffnung der Fragestellung wird eine historische Situation als die Normalsituation beschrieben, die das Imperium Romanum als Militärdiktatur in den Gegensatz zum jüdischen Widerstand stellt, der religiös motiviert ist. Polirische Herrschaft mit dem Missbrauch reli giöser Symbole steht gegen religiösen Widerstand, der missbräuchlich sich in polirische Bereiche gedrängt hat. Beide Formen sind illegitim, - die messianische Anmaßung der Kaiser - wie der nationale, politische Messianismus der Juden, so dass als einzige legitime Form in dieser Situation der Christus hervor geht, der vor dem römischen Statthalter zwar bekennt, er sei der Juden Könis, aber hinzusetzt: »Mein Reich ist nicht von dieser Welt.«12 11
12
AIXIER 1993.
»Bist Du der Juden König - Du sagst es« Mk 15,2 (synoptische Parallelen Mt 27,12; Lk 23, 3) - Dagegen steht das »Mein Reich ist nicht von dieser Welt« bei Joh 18, 36. Das »Reich« wurde später räumlich verstanden als transzendentes »Him melreich«, während der Wortlaut basileia die Autorisierung der Herrschaft (durch aus auf Erden) im Auge hat. R. BULTMANN: Johannes-Evangelium ([KEK 21C; zu erst 1941) 506-508 [und im Ergänxungsheft die Anmerkung zu S. 506]. Dort schreibt Bultmann: »Aber es liegt für Pilatus doch anders als für die* die Welt vertretenden Juden, deren Vater der Teufel ist, und die deshalb auf Mord und Lüge
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Ein historisches Ereignis zeigt allerdings, dass diese apologetische Deu tung eine Differenz aufbaut, die die entscheidenden Punkte nicht trifft. Es soll als Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen zum Verhältnis von Kaiserkult und Christuskult dienen: Der Versuch des Caligula, im Tempel von Jerusalem ein Bild aufstellen zu lassen, und die Reaktion der Juden auf diesen Versuch. Religionswissenschaft bedeutet, nicht nur die Intentionen der Planer und Macher zu untersuchen, sondern besonders auch die Re zeption der Kultteilnehmer zu beschreiben, die Operationalisierung in Ritualen und die traditionelle religiöse Semantik die sich als widerständig erweist durch die kultische Kompetenz der Rezipienten gegenüber beab sichtigten Brüchen. Im Fall des Caligula in Jerusalem sind folgende Ebe nen zu unterscheiden: - Der Kaiser, - der für die Ausführung zuständige lokale römische Beamte,
aus sind ([so undifferenziert sein Hinweis auf Joh] 8, 44). Zu ihnen gehört Pilatus als Vertreter des Staates nicht, wie sich sofort zeigt (V. [Vers] 38): Er erklärt den Juden, daß er keine Schuld Jesu feststellen kann, die seine Verurteilung begründen könnte. Es gibt also in der Tat [Bukmann fallt wieder aus seiner Rolle als Kom mentator heraus] diese Möglichkeit: der Staat kann sich auf den Standpunkt stellen, daß ihn die Frage nach der aX'fßZMX nichts angeht [Weimarer Verfassung zur Neu tralitätspflicht des Staates in Weltanschauungsfragen]. ... Pilatus hat die Möglichkeit der Anerkennung abgewiesen und die Möglichkeit.der Neutralität gewählt. Wird er sie festhalten? Kann er es? Denn so viel ist klar: wenn Jesu Anspruch den Staat als solchen nicht trifft, wenn seine ßaoiteia auch nicht in Konkurrenz mit weltlichen politischen Bindungen tritt, so läßt sein Anspruch doch, da er jeden Menschen trifft, die Welt nicht zur Ruhe kommen und erregt so die Sphäre, innerhalb deren der Staat seine Ordnung aufrichtet. Denn die ßaoiXsia ist nicht eine gegen die Welt isolierte Sphäre reiner Innerlichkeit, nicht ein privater Bezirk der Pflege re ligiöser Bedürfnisse, der mit der Welt nicht in Konflikt kommen könnte.« Bukmann formuliert auf die Situation seiner Zeit hin: Die Welt (Sünder, Juden) ver sucht den Staat auf ihre Seite zu ziehen. Im NS sei der Staat dieser Versuchung erlegen, selbst religiöse Ansprüche zu erheben und religiöse Bedürfnisse zu befrie digen. Aber es gebe die Möglichkeit der Neutralität des Staates. - Zu »Neutralität« als ideologischer Begriff, bes. bei Carl Schmitt, s. R. Koselleck, HWPh 6(1984), 781 f. S. SCHULZ NTD 412,1972, 229: »Sein Königtum trägt im Unterschied zu den römischen Caesaren keinen weltpolitischen Charakter, stellt also keine Gefahr für Rom dar. Die apologetische Absicht ist deutlich: der römische Staat kann die Chri sten nicht verfolgen, weil ihre Lehre nicht das römische Staatsrecht tangiert«. Diese These hat ihren Hintergrund darin, dass Schulz den Verfasser des Johannes-Evan geliums als »einen gnostisierenden Heidenchristen« versteht, der wie seine Ge meinde der Brüder »der Welt absagen und von ihm [dem Gesandten Gottes] schon jetzt das ewige Leben, das Licht der Welt und die Wahrheit [empfangen]«; S. 12.
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- die Jerusalemer Elite politisch ohne Rechte; sie weiß aber, mit religiösen Rechtstiteln geschickt römische Beamte in Bedrängnis zu fahren und vermag so auch politische Einflüsse geltend zu machen, - eine Reformgruppe in Palästina,13 - die Juden in der Diaspora erklären sich solidarisch und der greise Spre cher der Alexandrinischen Juden, Philo, fuhrt eine Gesandtschaft nach Rom. 14 Der Kaiser Caligula verlangt zunächst von den Juden, dass in Synagogen Bilder von ihm aufgestellt würden als Loyalitätsbeweis ihrer Staatstreue.15 Zwei Gesandtschaften nach Jerusalem im Mai des Jahres 40 führen nicht zur Rücknahme, sondern sogar zur Verschärfung: Caligula will seine dik tatorische Durchsetzungskraft beweisen, indem im Tempel von Jerusalem ein Bild aufgestellt werden soll und der Jerusalemer Tempel umgeweiht werden soll für Zeus Epiphanes Gaius.16 Der legatus Syruie, Petronius, 17 weiß, dass die Maßnahme die explosive Situation verschärfen würde und taktiert verzögernd. Ebenso der König von Iudaea, Agrippa L13 Aber auch in Rom wird die Kritik laut. Folgt man Eusebios" Kirchengeschichte, dann habe der Senat seine ablehnende Hal tung zum Ausdruck gebracht, indem er die jüdische Gesandtschaft ihren Protest vorlesen ließ und in schriftlicher Form öffentlich zugänglich machte.19 Die Jerusalemer Elite macht das Vorhaben öffentlich und dramatisiert es. Das Bild wird »das Gräuel der Verwüstung« genannt:20 Das aktuelle 13
Die Jesusbewegung ist nicht auf den Tempel als religiöses Symbol fixiert, aber auch nicht in dem Maße Tempel-feindlich wie die Essener. VgL Luk. 13, 31-35; Mt 23, 37-24, 2. Umfassend DÖPP 1998. 14 Besonders die Schrift Philo leg. [ή πρεσβεία προς Γάιον], Übersetzung und Kommentar von F. W. KOHNKE: Die Gesandtschaft an Caligula, in: Philo von Alexandreia, Die Werke in deutscher Übersetzung, hrsg. von L. COHN U. a., Band 7, Berlin 1964, 166-266. Der knappe, aber sehr sorgfältige Kommentar ist dankbar benutzt ohne Zitat. 15 Philo, leg. 132-161. 16 Ich verwende der Einfachheit halber als Namen des Kaisers Gaius den spöt tischen Namen Caligula »Stiefelchen«. Zum Caesarenwahnsinn im Kontext des Kampfes des Publizisten Ludwig Quidde gegen Kaiser Wilhelm IL s. KLOFT 2001. 17 Zum Vorgänger L. Vitellius (7c). RE-S 9(1962), 1733-1739, der sich nur retten kann, indem er die Proskynese einführte. P. Petronius RE 19,1(1937), 1199-1201 [Nr. 24, IL HANSLIK]; DNP 9(2000), 671 f. [Nr. 4]. 1$ Philo, leg. 261-329. 19 Eus. Hist.eccl. 2. 18,8. 20 Βδέλυτμα τής έρημώσεως, das bedeutet »das Gräuel, das die Verödung des Heiligtums verursacht« (BAUER/AJLAND [61988] 275 f., dort fälschlich gleich auf den
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Ereignis wird so mit einem anderen historischen Ereignis übereinander gelegt, der makkabäischen Revolution. Wie eine Kopie über ein Original gelegt, behauptet das Wort für das Bild, hier geschehe das gleiche wie damals und es werde auch das gleiche folgen wie damals. Wie in der makkabäischen Krise das Buch Daniel den Aufruf zum Aufstand als hi storische Erzählung vierhundert Jahre zurückverlegte, als der Seleukide Antiochos Epiphanes IV. mit dem berüchtigten Bild des Zeus im Jerusa lemer Tempel im Jahre 167 die Revolution der Makkabäer provozierte. 21 Das ist Aufruf zum Martyrium für die Religion der Väter. Demgegenüber wird in der Jesusbewegung als den »Auserwählten« eine andere Maxime ausgegeben: »Flieht in die Berge!«22 Wartet das Ende ab und kehrt dann wieder zurück in eure Orte! Grundlegende Opposition dagegen macht eine Gruppe, von der man eher Anpassung erwarten könnte: die Diaspora-Juden des hellenistischen Alexandreia, angeführt vom greisen Philosophen Philo. Allerdings sind auch hier die Unterschiede zwischen historischen Ereignissen und Taten wie dem Pogrom gegen die Juden in Alexandreia des Jahres 38 α Chr., der Gesandtschaft nach Rom und der Schrift des Philo quellenkritisch zu be achten. Ich kommentiere hier nur einige der Argumente aus der Schrift. Philo hält dem Kaiser tadelnd vor: (1) Anfangs seiner Regierung erhofften sich alle, er werde »Retter und Wohltäter« (Σωτηρ κοά εύερτέτης leg. 22) sein. Das ist in voller An erkennung der römischen Herrschaft über die Völker gesagt als einer Zeit des Friedens und des Glücks für die gesamte Oikumene (leg. 8-13). Doch dann ändert nach einer Krankheit der Kaiser sich völlig, der Friede wird zur Anarchie (leg. 16-20). (2) Gaius/Caligula will sich selbst zum Gott machen (leg. 76-113; leg. 201; 332; 338 έκθέωσις), 23 erst indem er sich kleidet als Halbgott (78-92), apokalyptischen Antichrist bezogen). Mt 24, 15 »Wenn ihr also das Gräuel der Verwüstung seht, von dem der Prophet Daniel gesagt hat, dass es am heiligen Ort steht, dann sollen die Leser aufpassen.« Der Bezug auf Daniel (Kapitel 9,27; 11,31; 12,11) ist hier im Sinne noch ausstehender Prophetie formuliert, obwohl es dort als Erzählung auftritt. 21 »Gräuel der Verwüstung« wieder 1 Makk 1, 54; 6, 7. 22 Mt. 24, 15-28 mit den Parallelen Mk 13, 14-23; Lk 21, 20-24. Die sogenannte »kleine synoptische Apokalypse« kennt den Bildschatz der Apokalyptischen Be wegung, aber sie lehnt es ab, diesen Fall als das Kommen des Menschensohns zum Weltgericht zu interpretieren, sondern empfiehlt unterzutauchen. »Das Ende« wäre dann das Ende des Kaisers Caligula und seiner Aktion im Jerusalemer Tempel. Grundlegend für dieses Verständnis ist das Kapitel bei THEISSEN 1983, 133-176. 23 Kritisch auch die römischen und griechischen Autoren: Sueton Gai. 22; 33; 52; Dio 59. 26,5-28,8. Josephus ant. 18. 256; 19.4 und 11.
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dann als Götter selbst (93-113). Philo kritisiert das nicht aus dem Ar gument, es gebe nur den einen Gott, sondern bleibt im polytheisti schen Schema. Antbropomorphe Gestaltung Gottes ist möglich, Ab stufungen der Göttlichkeit sind gegeben; aber wer von sich behauptet, er sei Gott, muss es auch durch Leistungen (&p£Tcri 91) und göttliches Verhalten nachweisen. Zu den Attributen, die sich Caligula für seine Ikonographie zulegt, gehört die Strahlenkrone des Apollon (leg. 103, s. u.). (3) Erst als Caligula sich mit dem Gott der Juden misst, indem er sein Bild an die Stelle des bildlosen JHVH in Jerusalem setzen will, kommt das Thema Monotheismus auf. Doch auch hier bleibt Philo im römischen Muster: kein griechischer König, kein römischer Kaiser hat verlangt, dass sein Bild im Tempel aufgestellt werde, erst recht nicht der wahre Wohltäter Augustus (kg- 137-161). Religiöse Polemik wendet Philo nur gegen die »Tiergötter« der Ägypter (leg. 163). (4) Der Monotheismus JHVHS und die Schöpfung der Welt durch ihn: »Allein die Juden glauben dass ein Gott sei, der Vater und der Schöpf er der Welt.« (leg. 115) Der Monotheismus ist aber kein prinzipieller Monotheismus.24 Die Argumentationslinie lässt sich etwa folgender maßen als Klimax erkennen: Herrscher als Hirten bewirken Göttli ches, sie ernten dafür die Unsterblichkeit (leg. 91; 192, 369); Halbgöt ter mit begrenzten Segenswirkungen; richtige Götter; der eine Gott. Seine Prädikate »Vater« und »Schöpfer« sind traditionelle Titel; die »Einzigkeit« behauptet nicht als Negativaussage die Ungöttlicbkeit der anderen Götter. Caligula maßt sich an, den einen Gott zu verdrängen, ist aber nicht einmal der untersten Stufe von Göttlichkeit gewachsen. (5) Überzogen ist des Gaius Anspruch mit der Einfuhrong der Proskynese im Hofzeremoniell (leg. 116). Dieser Ritus widerspreche römischem Freiheitsgefühl.25 Damit gleichzeitig fordert Caligula den Titel des Despoten (SzcmöTr\c/dominus).2* Klaus Wengst hat deutlich gemacht, wie in den neutestamentlichen Schrif ten zwei Haltungen der römischen Herrschaft gegenüber zu finden sind: 24
Zu Schöpfung vertritt Philo eher stoische Ideen von der Ewigkeit der Welt, s. Philo Band 7, 402 f. Erzeugung der Welt in sexueller Vermahlung mit Wissen Phil. ebr. 30 f; 61, vgl Plat. Tim 50 d; 51 a. 25 Vgl. leg. 352. Kritische Berichte über die Proskynese vor Gaius Dio 59. 24,4; 25,8; 29,5; Suet. Gai. 55,1; Sen. benef. 2. 12,1. 26 Caligula verlangt die Anrede leg. 208; 237; Aurel.Vict. 3.9,12, vgl KOHNKE zur Stelle ($.205, Anm.2).
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Fundamentalopposition auf der einen Seite, Zustimmung zur römischen Friedensordnung als Gottes Geschenk auf der anderen Seite. Oder die theologische Kurzformel Apokalypse 13 gegen Römer 13.27 Diese Kurz formel ließe sich auch in die Zeitgeschichte des 20. Jh. übersetzen: Beken nende Kirche gegen Deutsche Christen, Die naive Übertragung der ZweiReiche-Lehre auf die Nationalsozialistische Herrschaft soll hier nicht das Thema sein.28 Die Fehlübersetzung des Herrschaftsanspruchs Jesu vor Pi latus als »Himmelreich«, eine Herrschaft transzendent zu dieser Welt und utopisch, bot die billige Entschuldigung. An dem Fall Caligula im Jeru salemer Tempel muss weiter differenziert werden. »Das frühe Christen tum« ist Teil einer hellenistisch geprägten Kultur, die sich nicht durch eine programmatische Auseinandersetzung mit dem Kaiserkult definiert. Kon flikte zwischen Kaiserkult und Christengemeinden, in denen sich der Kai serkult als ein »harter« erwies, gab es. Aut Christus aut Caesar. Aber das gewöhnliche war der »weiche«, der Kaiserkult, den man harmonisieren zu können glaubte, dem zugunsten man aber entscheidende Elemente der Weltgestaltung aufgab.29 Das frühe Christentum ist eine Vielzahl lokaler Gemeinden, die sich in den verschiedenen Theologien der vier Evangelien, der paulinischen Mis sionsgemeinden, der apokalyptischen Gemeinden mehrerer Richtungen ausbildet, während andere wie die gnosrischen Gemeinden und propheti sche Gemeinden keine Majorität, keine Aufnahme in den Kanon finden. Nach dem extremen Fall in Jerusalem, einem Stück »harten« Kaiserkult, konzentriere ich mich auf eine Stadt, in der der »weiche«, alltägliche Kai serkult auftritt und in die polytheistisch strukturierte Stadt eingeordnet ist, die Reaktion der Juden ist dort nicht zu erkennen, wohl aber die der Römer (die dort keine Untertanen, sondern Bürger sind) und die der Chri sten. Der Fokus auf die lokale Religion erlaubt, die Ausnahmestellung der Monotheisten zu untersuchen.
27
1986; dazu die wichtige Rezension von LÜDEMANN/BOTEFMA^JN. Dokumentiert sind einige Aufsätze der Debatte über das Widerstandsrecht im NS im Nachhinein, also nach dem Zweiten Weltkrieg, aber ohne die zeitgeschicht liche Einordnung, bei SCHREY 1969; WOLF 1972. 19 KLAUCK 1992, 141-143. 28
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2 Korinth - eine lokale Bestandsaufnahme 2.1 Eine römische Stadt, also ohne Kaiserkult? Korinth ist eine zentrale Stadt als Station der meisten Verbindungen von Rom in den Osten und umgekehrt. Caesar lässt die Stadt, die 146 v. Chr. ebenso zerstört worden war wie Karthago als Symbol, dass die römische Herrschaft keine Gegner duldet, 44 neu gründen als eine Colonia für seine Veteranen. Während alles neu und römisch wird, scheint das Ensemble der kultischen Einrichtungen in der Mitte der Stadt dem äußeren Bild und den Namen nach eine Wiederherstellung der griechischen Heiligtümer zu sein (von der Bedeutung her aber eine römische Vereinnahinung).30 Eine Ein richtung für den Kaiserkult fand nicht wie in Athen seine Institution, wo das Tempelchen für Roma et Augustus klein aber unübersehbar auf der Akropolis plaziert wurde, auf der Agora ein Kaisareion stand31 und ein Vestakult eingerichtet wurde.32 In Korinth in der neuen Basilica begegnen alltäglich Statuen der kaiserlichen Familie, die aber nicht sakral aufgestellt sind.33 In einer anderen Arbeit habe ich plausibel zu machen versucht, dass der erste neue Tempel in der römischen Kolonie den Kult der Stadtgöttin Aphrodite aufnimmt, zugleich aber dem Kaiserkult insofern dient, als er einen Kult der besonderen Schutzgöttin der julisch-claudischen Kaiser familie darstellt, den Kult der Venus Genetrix. Eine Münzemission der Duumvirn von Korinth zeigt einen hexastylen Podiumstempel mit der Inschrift auf dem Arcbitrav GENTI IULIAE. 34 Als These daraus formuliert: Die römischen Bürger von Korinth sind in ihrer Aufnahme des Kaiser kultes durchaus nicht so zurückhaltend, wie der erste Anschein vermuten lässt. Kaiserkult erscheint unter einem anderen Namen. Zudem scheint mir eine These von Mary Hoskins Walbank gut begründet zu sein: Wenn man über die Straße vom Lechaion-Hafen die Stadt betrat, richtete die Straße den Blick auf eine große Statue auf dem Forum/Agora: Erhalten sind Reste der Basis, einer Bank von drei Metern im Quadrat, auf der eine runde Trommel die Standfläche in etwa zweieinhalb Metern Höhe für eine Kolossalstatue bot. Die Weihung gilt dem vergöttlichten Augustus von 30
AHFFARTH 2QQ2. HOFF 1994. Guter Überblick bei KANTIRIA 2001. 32 KAJAVA 2001. 33 Exzellent HOSKINS 1996; HOSKINS 1989. BÖSCHUNG 2002, 64-66. 34 AMANDRY mit einem Datum 32/34 n. Chr,, verteidigt bei HOSKINS
31
1996, 204; 213, die die Emission in Verbindung bringt mit den Jubiläen für den zwanzigsten Todestag des Augustus/Regierungsantritt des Tiberius; sechzigstes Jahr der res publica restituta und fünfzigstes der ludi saeadares.
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den Augustalen: [divo A]vGvs[to] SACRVM [avJGvsTALES.35 Diese Statue fängt den Blick und leitet ihn weiter nach Westen in Richtung auf den einzig neuen römischen Tempel E. Wie wäre die Statue zu bezeichnen? Eine Kultstatue wohl nicht, dazu fehlt eine Abgrenzung; die Bank zeigt häufige Benutzung. Doch lässt sich an Kalenderfesten der Kaiserfahulie mit temporären Kulteinrichtungen wie Tragaltar, und Weihrauchständern denken. Mit dem Won SACRVM ist die Statue auch kein »Denkmal«. Die Umlenkung der Blickrichtung36 verweist auf den neuen Tempel, der zur Zeit des Paulus also gerade erst acht Jahre gebaut war. Lange Zeit hatten die römischen Siedler ohne einen Tempel, einen eigentlich »römischen« Tempel gelebt. Die junge christliche Gemeinde würde nie einen Tempel haben.37 Gemeinsam konnten die Menschen dieser Epoche, ob römische Herren oder christliche Untertanen, sich darauf berufen, dass es nicht auf das Gebäude oder den materiellen Aufwand für den Kult ankam, sondern dass das Haus Gottes im Herzen der Menschen sei: die heilige Gemein schaft sei der Tempel Gottes. Das greift griechische Ideen von der Ethisierung der Religion auf, ob bei Seneca ep.mor 41 oder Paulus 1 Kor 3, 16 f.38 Der Kaiserkult war in Korinth eher dezent, aber dennoch prominent. 22 Nero in Korinth Ein Ereignis in Korinth zeigt wieder die Ambiguität von herrscherlicher Freigiebigkeit und Verpflichtung zu kultischer Verehrung. Kaiser Nero 39 hält in Korinth im November 67 eine Rede, die in der Inschrift von Akraiphiai in Boiotien dokumentiert ist:40
35
Corinth VIII3, Nr. 53 (Kent); das Monument Corinth I 3,142-143 (Scranton).
HOSKINS 1996, 210 f. 36
Grundsätzlich methodisch
CAKCIK 1985/86. LANCI 1997. 38 U. BÖRSE: va6q. EWNT 2(1981), 1122-1126 mit weiteren Parallelen. 39 TAEGER 1957/1960, 2, 303-320. JONES 1980, 1029-1032. Zur Reise des Nero nach Griechenland s. HALFMANN 1986, 173-177. 40 ILS 8794 = SIG3 814 = Smallwood Doc 64. M. HOIXEAUX 1888 ; 1889. DEISSMANN (1908) 1923, 301 mit Anm. 8. OUVER 1971 GAIXIVAN 1973. PRICE 1984, 82 f. GRIFFEN 1984, 208-220. BERGMANN, 1998, Text und Übersetzung 140-144; dazu 37
gehörige Münzen für Nero liberator 202-206.
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Αυτοκράτωρ Καίσαρ λέγει: «Τής εις με εύνοι ας τε και ευσέβειας άμείψασθαι θέλων την εύγενεστάτην Ελλάδα κελεύω πλείστους καθ' δ[σ]ο[ν] ενδέχεται έκ ταύτης τής έπαρχείας παρΐναι ις Κόρινθον τη προ τεσσάρων καλανδών Δε κεμβρίων», Συνελθόντων των δχλων εν εκκλησία προσεφώνησεν τα υπογεγραμμένα· «Άπροσδόκητον ύμεϊν, άνδρες Έλληνες, δωρεάν, ει και μηδέν παρά τής έμής μεγοΛοφροσύνης άνέλπιστον, χαρίζομαι, τοσαύτην δσην όύκ έχωρήσατε αίτείσθαι. Πάντες οί την Άχαίαν και τήν £ως νύν Πελοπόννησον κατοικούντες Έλληνες λάβετ' έλευθερίαν άνισφορίαν ην ούδ' εν ,τοίς εύτυχεστάτοις υμών πάντες χρόνοις εσχετε· ή γαρ άλλοτρίοις ή άλλήλοις έδουλεύσατε. Είθε μεν ούν άκμαζούσης τής Ελλάδος παρειχόμην ταύτην τήν δωρεάν, ϊνα μου πλείονες άπολαύωσι τής χάριτος* διό και μέμφομαι τον αιώνα προδαπανήσαντά μου το μέγεθος τής χάριτος. Και νύν δε ού δι* έλεον υμάς, άλλα δι' εΰνοιαν ευερ γετώ, αμείβομαι δε τους θεούς υμών, ών και δια γης και διά θαλάττης αίεί μου προνοουμένων πεπείραμαι, ότι μοι τηλικαύτα εύεργετεϊν παρέσχον. Πόλεις μεν γάρ και άλλοι ήλευθέρωσαν ηγεμόνες, [Νέρων δε μόνος κα]ί έπαρχείαν». Ό άρχιερεύς των Σεβαστών διά βίου και Νέρωνος Κλαυδίου Καίσαρος Σεβαστού Επαμεινώνδας Έπαμεινώνδου είπεν· προβεβουλευμένον έαυτφ είναι προς τε τήν βουλήν και τον δήμον έπιδή ό τού παντός κόσμου κύριος Νέρων αυτο κράτωρ μέγιστος, δημαρχικής εξουσίας το τρις και δέκατον αποδεδειγμένος, πατήρ πατρίδος, νέος 'Ήλιος έπιλάμψας τοις Έλλησιν, προειρημένος εύεργετεϊν τήν Ελλάδα, αμειβόμενος δε και ευσεβών τους θεούς ημών παριστανομένους αύτφ πάντοτε έπι πρόνοια και σωτήριο; τή ν άπο παντός τού αιώνος αύθιγενή και αυτόχθονα έλευ θερίαν πρότερον άφαιρεθεΐσαν τών Ελλήνων έίς και μόνος τών απ' αιώνος αυτοκράτωρ μέγιστος φιλέλλην γενόμενος [Νέρων] Ζευς Ελευθέριος έδωκεν, έχαρίσατο, άποκατέστησεν εις τήν αρχαιό τητα της αυτονομίας και ελευθερίας προσθείς τή μεγάλη και άπροσδοκήτω δωρεφ και άνεισφορίαν, ην ουδείς τών πρότερον Σεβαστών όλοτελή έδωκεν· δι* & δή πάντα δεδογμένον είναι τοις τε άρχουσι και συνέδροις και τφ δήμω καθιερώσαι μεν κα τά το παρόν τον προς τφ Διί τφ Σωτήρι βωμόν, έπι-
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γράφοντας* Διϊ Έλευθερίφ [Νέρων]ι εις αίΦνα, κοα.άτάλμα50 τα εν τφ ναφ τσϋ Απόλλωνος τού Πτωιου ουνκαθειδρύοντας τοχς [ήμον] 7υατρίοις θεοις [Νέρωνος] Διός 'Ελευθερίου κοά θεάς Σεβαστής [Μεσσαλίνης?! ϊνα τούτων οΰτο>ς τελεσθέντων και ή ημετέρα πόλις φοάνηται ΐί&σαν τειμήν και ε-ύσέβειαν έκπεπληρωκυΐα εις τον τοϋ κυρίου Σεβαστοί [Νέρωνος οίκον], είναι δε έν αναγραφή τδ ψήφισμα παρά τε τφ Δύ τφ Σωτήρι έν τϋ άγορό; έν στήλη κοα έν τ φ Ιερφ του 'Α7υόλλο> νος τοΟ Πτωΐου, Neros Evangelium für die Griechen Edikt des Imperator Caesar: In dieser Absicht, dem edlen Hellas das mir erwiesene Wohlwollen und die Pietas(?) zu erwidern, wünsche ich, daß so viele Angehörige dieser Provinz wie möglich am 27. November nach Koiinth kommen. Als die Menge sich versammelt hatte, hielt er [Kaiser Nero] die folgende Rede: »Ein unerwartetes, wenn auch von meiner Großherzigkeit durchaus nicht unerhoffbares Geschenk, Männer von Griechenland, mache ich euch, so groß, dass ihr es nicht zu erbitten wagtet. Ihr Griechen alle, die ihr Achaia und die bisher so genannte Peloponnes bewolint, empfangt Freiheit und Steuerbefreiung, die ibr alle auch in euren glücklichsten Zeiten niemals besessen habt: denn ihr war: immer untenan, sei es gegenüber Fremden, sei es untereinander. Wie gern würde ich dieses Geschenk in einer Zeit der Blüte Hellas anbieten, damit noch mehr Menschen meine Gnade genössen! Daher tadle ich auch die Zeit, die die Größe meiner Gnade vorzeitig beeinträchtigt hat. Aber auch jetzt bin ich nicht aus Mitleid euer Wohl täter, sondern aus Woblgesonnenheit, auch als Dank gegen eure Götter, von denen ich zu Lande und zu Wasser stets Fürsorge erfahren habe, daß sie mir die Möglich keit gegeben haben, in diesem Maße wohltätig zu sein. Denn andere Herrscher haben Städten die Freiheit gegeben, allein Nero jedoch einer ganzen Provinz«. Der lebenslange Oberpriester der Augusti und des Nero Claudius Caesar Augus tus, Epameinondas, Sohn des Epameinondas, sprach: Er habe für den Rat und die Volksversammlung folgende Bescblussvorlage vorbereitet: Weil der Herr der ganzen Welt, Nero Imperator Maximus, designiert [sie] zur 13. tribunicia potestas, pater patriae, der den Griechen als neue Sonne erstrahlt, beschlossen hat, Hellas eine Wohltat zu erweisen, in Erwiderung [der Wohltaten] und in Verehrung, unserer Götter, die ihm immer mit Fürsorge und Schutz zur Seite gestanden haben, und die seit Ewigkeiten ureigene und autochthone Freiheit, die zuvor den Hellenen entrissen worden war, er, der eine und einzige seit Ewigkeit, der größte Imperator und Philhellene, Nero Zeus Eleutherios, gegeben, geschenkt, nein, wiederhergestellt hat in den alten Zustand der Autonomie und Freiheit und dem großen und unerwarteten Geschenk auch die Steuerfreiheit zugefügt hat, die keiner der früheren Augusti vollständig gewährt hat: Deshalb haben Magistrate, Rat und Volk beschlossen» den gegenwärtig dem Zeus Soter geweihten Altar (um-)zuweihen durch die Inschrift: >Dem Zeus Eleutherios Nero in Ewigkeit< und im Tempel des Apollon Ptoios zusammen mit den Bildnis sen unserer heimischen Götter KuJxbilder des Nero Zeus Eleutherios und der Dea Augusta [Messalina?] zu errichten, damit durch diese Einrichtung auch unsere Polis dem Haus des Herrn Nero Augustus jede Ebre und Pietas erweise.
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Dieser Beschluß soll in der Agora auf einer Stele beim Zeus Soter und im Heilig tum des Apollon Ptoios aufgezeichnet werden. Die Inschrift enthält folgende Elemente: Ankündigung des Kaisers, dass er an einem besrimmten Datum den Griechen ein Geschenk machen wolle. Die Rede Neros auf der Versammlung in Korinth (Zeile 10-26). Anrede. Das angekündigte Geschenk: die Freiheit und Steuerbefreiung. Das Geschenk ist nicht aus Mitleid, sondern als Gegengabe dafür anzusehen, dass Eure griechischen Götter mit ihrer Providentia mir, Nero, die Möglichkeit ge geben haben, die gesamte Provinz zu befreien. Der Oberpriester der Augusri und des Nero, Epameinondas f. Epameinondae stell te darauf folgenden Antrag (Zeile 27-53): In Anerkenntnis der Gabe des Kaisers, die er aus Gnade den Menschen, aus Dank den Göttern erweist, möge die Ver sammlung beschließen, einen Altar zu errichten für Zeus, den Retter/Heiland. Auf der Weihinschrift soll stehen: Für Zeus Eleutherios Neron auf immer. "Wei ter sollen Bilder in den Tempel des boiotischen Zentralgottes Apollon Ptoios gestellt werden neben die traditionellen griechischen Götter: des Zeus Eleuthe rios Neron und der Göttin Augusta Messalina. Die Einlösung der Ehre undpietas (53-57) in Form der Aufstellung des Altars und der Bilder soll dokumentiert werden in zwei Inschriften auf der Agora und im Heiligtum des Apollon Ptoios. Der Kaiser hatte, vermutlich bei den Olympischen Spielen (Juli/August) des gleichen Jahres, die Ankündigung veröffentlicht und zur Versamm lung eingeladen. Dass er dazu (gegen die übliche Terminiemng) eine Sonderveranstaltung der Isthmien organisieren ließ, war als Anspielung auf die erste »Befreiung Griechenlands« durch einen Römer gedacht, nämlich die des Titus Flamininus 196 v. Chr., jedenfalls erinnern Sueton41 und Plutarch42 daran. Die Rede lässt in ihren rhythmischen Klauseln das rhetori sche Können des Kaisers aufblitzen,43 ist also wohl Wortlaut des zentralen 41
Zuvor schon auf Rhodos, der Insel des Helios, auf Nero angewendet i j . 53 AnthoLPal 9. 178. BERGMANN, Strahlen 1998 hat dazu s. S. 142 im Register keinen Beleg (außer dem für Caligula S. 127) obwohl er in der Akraiphiai-Inschrift so genannt wird (Bergmann übersetzt »als neue Sonne«) und in einer Inschrift aus Sagalassos in Pamphylien IGR III 345 = Smallwood Docs 146 vorkommt. Rhodos 208-210. 42 Sueton, Nero 24: Decedens deinde provinciam universam libertate donavit simulque iudices civitate Romana et pecunia grandi. Quae benefida e medio stadio Istbniorum die sua ipsa voce pronuntiavit. Dazu KIERTORP 1992, 93. 43 Plutarch, Tirus Flaimninus 12,13 sagt ebenfalls, dass Nero ebenso wie damals Flarnininus in unmittelbarem Anschluss an die Isthmien die Griechen autonom und frei gelassen habe. Nero habe das persönlich auf der Agora von der Bema/Rostra
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Passus. Von der kaiserlichen Kundgebung zu unterscheiden ist der Antrag des griechischen Kaiserpriesters, der teils den kaiserlichen Anspruch zu rücknimmt, in der Wirkung aber diesen noch übertrifft. Einige Elemente seien im Blick auf den Vergleich zum Chxistuskult aufgegriffen: (1) Die Gnade Gottes wird indirekt vermittelt durch den Kaiser: Das Ge schenk ist nicht zu erwarten oder gar selbstverständlich, nicht als Ge gengabe zu einer Leistung, die die Menschen/Griechen dem Kaiser erwiesen hätten. Eine Gegengabe αμείβομαι, also Reziprozität in der Gabenökonoime, ist es gegenüber Gott, Nero sagt höflich: gegenüber »euren« Göttern. Verlangen können es die Menschen nie. Nur emp fangen. (2) Das Geschenk ist reine Charis. (3) Das Geschenk besteht in Entlassung aus der Sklaverei in die Freiheit und Entbindung von der Zahlungspflicht. (4) Die Zeiten sind glücklicher als die glücklichsten Zeiten je. Sie sollen andauernd sein (αιών). (5) Sie stellen eine Rettung dar: wie in einer Schlacht wider Erwarten durch unsichtbares Eingreifen Gottes das Schicksal sich wendet. (6) Als der eine und der einzige übertrifft Nero alles menschlich Mögliche: Εϊς και μόνος. (7) Der menschJiche Retter erweist sich als Gott: und erhält Gottes Na men (Gleichsetzungs-Cbxistologie). (8) Die Institution einer Priesterschaft verstetigt die Verehrung des Gott menschen. 2.3 Christen in der römischen Stadt Korinth Etwa 16 Jahre vor diesem Ereignis hielt sich Paulus in Korinth auf.44 Abgewiesen von der jüdischen Synagogengemeinde richtet er einen Hauskult ein, eine Mahlgemeinschaft mit einem »Opfer«, dessen Empfänger ein vergöttlichter Mensch ist. In seinen Briefen auf die Fragen der Gemeinde zeigt sich, wie die Praxis des Kultes (Religionssemantik), die Lebensfüh rung (Religionspragmatik; jüdisch gesprochen die Halacha) noch keine feste Form erhalten haben. Paulus macht es den Christen in Korinth mögherunter erklärt vor der versammelten Menge sprechend. (Plutarchi Vitae parallelae III 2). 44 3 WILAMOWITZ im Lesebuch II 2 ( 1909), 258 f. zensiert den (wohl doch nicht kaiserlichen) Verfasser, hier dürfe nicht έκχχρχεΟα stehen, sonst wurde die Klausel zerstört, spater rügt er einen falschen Konjunktiv.
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lieh, in der städtischen Gesellschaft zu leben und nicht »aus der Welt auszuwandern« (1 Kor 6,10). Der Kontakt mit >Götzendienern< ist ebenso unvermeidlich wie Teilnahme an Religion. Denn Polytheismus ist Teil der städtischen Öffentlichkeit, dem man nicht ausweichen kann. Das gelingt, indem Paulus Religion neu definiert. Große Teile des alltäglichen Poly theismus werden als nicht zur Religion der Christen gehörig ausgegliedert. Sie haben keine religiöse Bedeutung mehr für die Christen. Es gelten kaum Regeln der Lebensführung, wenn sie nur nicht den wenigen Grundprin zipien der Religionssystematik widersprechen. Von Paulus haben wir die früheste Bezeugung des zentralen Rituals des Abendmahls und der Taufe, die frühesten Glaubensbekenntnisse für den Christuskult. Der Kaiserkult kommt dort nicht vor. Es ist zwar überzo gen, wenn Richard Rothaus die Differenzierung zwischen Christen und Heiden erst in der Phase der Monumentalisierung des christlichen Kultes nach Konstantin zu einer fest definierten Grenze kommen Iässt.45 Denn der »harte« Kaiserkult forderte wohl - zeitlich und lokal begrenzt - zu solchen Abgrenzungen auf. Aber das Leben der Christen in der polythe istisch strukturierten Stadtgesellschaft wie Korinth war (nicht durch »Kompromisse«!) nur durch die Neudefinition dessen möglich, was für Christen Religion sei. In diesem formativen Prozess des Christentums sind die innovativen Elemente methodisch von zentraler Bedeutung, dort wo der theologisch gebildete Jude Paulus die jüdische religiöse Tradition ver lassen mus& Wo er für die Christologie in der Ebene unter den philoso phisch abgeklärten, aber für die Religionspraxis unbrauchbaren Begriff des obersten oder einzigen Gottes kultisch brauchbare Fonnen sucht. Dort ist der Rückgriff auf die Denkfonnen, Sprache, kultischen Titel, rituellen Fonnen der praktizierten Religion, d. h. der polytheistischen »Sprache« zu untersuchen. Dabei wird der Abschnitt über die Mächte, auch eine Aus einandersetzung mit der Ordnungsmacht Rom, in 1 Kor 6, 1-8 bedeut sam.4*
45
MURPHY-O'CONNOR 1996, 28 dauert April 50 bis September 51 n. Chr. Mit Gespür auch für religionswissenschaftliche Fragestellungen die Kapitel über Ko rinth 252-322. 46 ROTHAUS 2000, 93-104 Christiamzing the city.
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Gottestitel für Nero im Vergleich zu cbristologiscben Titeln Die Zahlen der letzten Spalte geben die Häufigkeit dieser Wörter im NT an, die der anderen Spalten die Zeilen der Inschrift.
Religiöses Verhalten
Menschen
Εύερτετεΐν αμείβομαι Χάρις
Δωρεά Μεγαλοφροσύνη Ευτυχία Αιών Ευσέβεια Εύνοια Πρόνοια Σωτηρία
Ελευθερία
Ζευς ελευθέριος Κύριος του κόσμου Νέος ήλιος Εϊς και μόνος Άρχιερεύς Priester
Nero
Götter Im NT
21 24 35 22 . 35 11 12 19 20 nicht έλεος 43 18 44 10
22
4x
23
147x
33x
Nicht menschlich: 14 2 54 gegenüber Neros . Familie (οίκος) 2
40 49 36 21 3747
16 έδουλευσατε
37 Der Altar des Zeus Soter wird Nero ge widmet 48 25f.: Nero tut mehr, als Herrscher können 38 43 41 49 51 31 3448
26 39 £ 27
115x 21x 2x 3x 69x ohne σφζειν 37x sowie Lösegeld Sklaverei
häufig 7x, z.B. Mt 17, 2 häufig v.a. Hebr.
Herrscherkult und Christuskult
301
3 Kult der Kaiser und Kult des Christus 3.1 Anrede Um mit einer Gottheit kommunizieren zu können, ist es nicht nur höchst bedeutsam, ihren Namen zu kennen, sondern auch Anrede und Titel zu wissen und in der korrekten Form zu verwenden.49 Davon strikt zu unterscheiden ist die Ablehnung der Juden, den Namen Gottes zu gebrauchen. Um auch nicht aus Versehen den Namen Gottes zu missbrauchen, sprechen die Juden anstelle des Gottesnamens, auch wenn er in heiligen Schriften notiert als Tetragramm JHWH geschrieben steht, grundsätzlich den Titel »Herr« Adonaj. Ein besonderes Problem stellt dabei die reiche magische Praxis dar, die insbesondere im Judentum Pa lästinas nach dem Untergang des Zweiten Tempels zum Vorschein kommt.50 In der Entwicklung der Vergöttlichung des Jesus zum Christus ist der Aufbau einer Nomenklatur ein wichtiger Schritt. Von der Anrede Rabbi und Rabbuni oder Meister didaskale hebt sich ab, wenn Jesus mit Titeln angesprochen wird, die keinem Menschen zukommen. Ob die Verwen dung dieser Titel immer schon heißt, dass das entsprechende Wort erst »nach Ostern gebildet« wurde, ist eine These und Methode der dialekti schen Theologie. Hoheitstitel wären demnach von der Gemeinde dem be reits vergöttlichten Christus nachträglich in die Überlieferung über* sein Leben eingefügt worden: Die großen Titel, die Ferdinand Hahn in dem Standardwerk bearbeitet hat,51 sind neben »dem Menschensohn« der Titel des »Kyrios«, »Christos«, »Davidsohn«, »Gottessohn«. Die neueren Ar beiten waren in der Tendenz der These gewidmet, die Genese der Titel aus dem Wirken Jesu oder gar aus seinem »Selbstverständnis« abzuleiten, d. h. «ine jüdische Tradition zu rekonstruieren. Die zeitgenössischen Quellen der Essener vom Toten Meer haben seit ihrer Entdeckung und langwieri gen Bearbeitung die Perspektiven der Forschung weitgehend absorbiert und das zu Recht. Neben die diachronen Perspektiven vom vorhelleni stischen Judentum zum rabbinischen Judentum als Verständnishorizont 47
Pronoia/Providentia bes. auf alexandrinischer Münze d.J. 56/57 bis 59/60 1998, 157-164 (mit einer Besprechung der These von J.-P. MARTIN, Providentia 158 ff.) »Fürsorge für Ägypten«.
BERGKANN 43
WENGST1986, 97f.
49
50
.
GLADIGOV 1202-1238.
H.-J. BECKER: in: P. SCHÄFER (Hrsg.): 2002, i. Dr. HAHN 1963; die fünfte Auflage, im Text nahezu unverändert, enthält eine Aus einandersetzung mit der Forschung S.443-488. 51
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einer der jüdischen Reformgruppen des 1. Jh. IL Ζ erschließt sich in ihnen synchron das zeitgenössische Judentum, oder besser eines der Judentümer, sowohl in den Schriften der Essener wie in der Erarbeitung des Jerusalemef Talmuds. Demgegenüber ist die Frage fast abhanden gekommen, wie sich die Hoheitstitel für den Christus zu den Hoheitstiteln für den Caesar verhal ten, mehr noch: wie Modelle der Göttlichkeit von Menschen eine Sprache der mythologischen Erzählung und der bildlichen Darstellung finden, dar unter - die Himmelfahrt;52 - das sidus Iulium und die mikro-makrokosmische Beziehung von Herr scher und. Stern. Adolf Deissmann hatte für die Sprache noch die Breite der Titel als grund legend angesehen, die die religiöse Sprache der Zeit zur Verfügung hat.53 Er nannte: - Θεός, - θεοΌ υιός, - κύριος,54 - βασιλεύς, 55 εξουσία, κράτος, δύναμις, δόξα - σωτήρ (τοΌ κόσμου), 56 - άρχιερεύς, 57 - εύαγ^έλιον,58 - παρουσία; επιφάνεια 59 Dabei hat doch Martin Hengel zeigen können, wie massiv das Judentum auch in Palästina bereits hellenistisch durchtränkt war. Die Ausgrabungen 52 53
BOHNET 2002. DEISSMANN 1923:
Christus und die Caesaren: die Parallelität der technischen Sprache des Christus- und des Cäsarenkultes, 287-324. Etwa gleichzeitig die grundlegende Arbeit des Latinisten EDUARD NORDEN 1913. 54 DEISSMANN 1923,298-310 mit wichtigen Beobachtungen, dass im Westen zwar erst mit dem »Dominat« dieser Titel für die Kaiser zur Standardanrede wird, im Osten aber schon viel früher vorhanden ist, bes. für Nero in Ägypten. 55 DEISSMANN 1923, 310-311. 56 DEISSMANN 1923,311-312. Johannes Ev 4,42; 1 Joh 4,14. Zum Fest der Soteria in Delphi als Initialzündung für eine Rettung und Epiphanie und ihre Rezeption in Augusteischer Klassik, s. AUEFAKTH 1990; die Aufnahme in den hellenistischen Herrscherkult dokumentiert die Inschrift aus Chios ABSA 77(1982), 79-82; S. PRICE 1984, 41. 57 DEISSMANN 1923, 5S
312.
DEISSMANN 1923, 313; 316 f. mit der Kalender-Inschrift aus Priene (9 n.Chr.) OGIS 458. 59 DEISSMANN 1923, 314-321.
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in Israel haben das Mal tun Mal bestärkt. Die Monographie von Belayche über Judaea nach den Aufständen lässt deutlich werden, dass sich die Epo che des jüdischen Krieges und des Bar Kochba-AufStands exzeptionell heraushebt. Für den »Sohn Gottes« ist deutlich geworden, wie das he bräische Wort »Sohn« noch Berufung und Beruf bezeichnen kann und dieses nicht naturalistische Modell in den ältesten Evangelien in der Taufe auch dargestellt ist, während sich die mythologische Metapher der über natürlichen Zeugung bei Lukas an dessen Stelle drängt. Sowohl in der Geburtsgeschichte des Augustus, diejenige Alexanders des Großen imitie rend, wie in der Jesu ist das deutlich, beide sind nachträglich angefügt.60 Kultisch bedeutsam aber ist, dass der Gottestitel auf den Kaiser wie auf den Christus übertragen wird. In der hellenistischen Anthropomorphie nicht so aufregend wie in der jüdischen Tabuisierung des Gottes-Namens. Hengel denkt sich eine geradlinige Entstehung aus Psalm 110,1 (und Prov. 8, 22), ohne dass Mysterienreligionen eine Bedeutung gehabt hätten. Der bloße Titel Ktipioq (absolut, nicht mit Genetiv) für Gott sei eigentlich nicht griechisch,61 eher entspreche er dem syrischen baai62 Aber doch: In den frühen Belegen für die griechische Übersetzung der Thora findet sich als ketiv für den Gottesnamen noch das Tetragramm JHWH. 6 3 Tertullian will dominus lieber auf den religiösen Bereich des Gottestitels beschrän ken, gibt diese Ehre aber dennoch den Kaisern: Augustus, imperii formator, ne dominum quidem, did se volebat. Et hoc enim dei est cognomen. dicam plane imperatoren dominum, sed more communis sed quando non cogor, ut dominum dei vice dicamf* Der Beleg aus Philo zeigt (oben 1.3 § 5), wie umstritten dieser Titel war, wenigstens in Rom.
60
61
HENGEL 1975. AUFFAKTH 1998.
Die Untersuchung müsste noch feiner vorgehen. W. BUKKERT 1996. Die Belege für etwa Asklepios sind nicht unbedeutend. 62 HENGEL 1975, 120-130; zu den Mysterienreligionen die Beleg-Sammlung von W. FOERSTER, ThWNT 3, 1038-1056. Dort 1054 »Es gibt keine Stelle, wo ein auf den Kaiser angewandtes Kupto«; für sich allein den Kaiser als Gott bezeichnet Wenn der Kaiser nicht als Gotc KÜptog ist, so kann er als KÖpiot; Gott sein... [es folgen Belege]«; 63 So J. A. FITZMEYER, EWKT 2(1981), 815 die Belege für Küpio«; als Gott, 816 die LXX hat Kupioq erst in christlichen Handschriften des 4. und 5. Jh.s; Kupio«; auf Jesus, den nachösterlichen Jesus, übertragen 817. 64 Apologeäcum 34, 1. C.BECKER übersetzt »Augustus, der Gestalter des Impe riums, wollte nicht einmal >Herr< genannt werden. Denn das ist ein Beiname Got tes. Ich könnte allerdings den Kaiser >Herr< nennen, aber nur im allgemein üblichen Sinne; nur wenn ich nicht gezwungen werde, ihn Herr an Gottes Statt zu nennen.«
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3.2 Die Einzigkeit Gottes Die Nero-Inschrift zeigt an einer Stelle eine für unsere Fragestellung ent scheidende Aussage über die Exklusivität, die mit einer Aussage im 1 Kor interferiert: Die Aussage von der »Einzigkeit«: Zeile 26 wird unterschie den zwischen den vielen Herren, die schon einmal Freiheit geschenkt ha ben und der Einzigartigkeit des Nero, der alleine in der Lage ist, eine ganze Provinz zu befreien. In der Antwortrede des Priesters 39 f. wird das verstärkt durch »Dieser Eine und er allein« (Sic; KOa \\6voq). Paulus im 1 Kor hat eine ähnliche Aussage in bezug auf den Christus getroffen: »Denn wenn auch Götter angesprochen65 werden, sei es im Himmel oder auf Erden, wie es ja wirklich viele Götter und viele Herren gibt, so ist es für uns (nur der eine Gott, der Vater, aus dem alles ist und wir zu ihm, und der eine Herr, Jesus Christus, durch den alles ist und wir durch ihn« (1 Kor 8, 1-6, hier 5 f.).66 In beiden Fällen steht die Aussage der Einzigkeit im Bewusstsein, dass es auch andere Herren gibt, die den Anspruch erheben könnten, aber dank des Machtbeweises hat sich gezeigt, dass die Macht des Herrn Jesus/Nero ihn als einzig erweist. Und während es in Neros Redeteil noch um eine weltliche Rivalität geht, hat der Priester durch die Gleichsetzungschristologie das (sie; KOCI juövoq) die Identität des Menschen Nero mit dem Gott Zeus Eleutherios aussagen können. Paulus hatte die Aussage durch einen entsprechenden Syllogismus erreicht: Es gibt andere Götter, aber nur einen Gott für uns; es gibt andere Herren, aber für uns nur den einen Herrn, der als Sohn die göttliche Autorität repräsentiert. Das kyrios ist der Begriff, der menschliche Herrscher und göttliche Macht in einem Wort aussagen kann. Die religionsgeschichtliche Untersuchung der »Tradition« dieser Aus sage erschrickt über die Aussage des Paulus. Denn man erwartet von Pau lus und der frühchristlichen Mission anderes: die Aussage des Monothe ismus. Es gibt nur den einen, lebendigen Gott. Paulus verwendet aber nicht einfach die Nichtigkeitsaussage zum Polytheismus, der die Exklu sivitätsaussagen zum sog. Monotheismus jüdischer Gottesprädikte aus zeichnet.67 Wie Paulus in der Frage des Genusses von Fleisch die Existenz 65
Gewöhnlich wirdteryou^vot9eoi übersetzt »sogenannte Götter«. Aber in dem Kontext ist das »angeblich, in Wirklichkeit aber nicht« durch den folgenden Satz »in Wirklichkeit gibt es« unwahrscheinlich. Ich verwende also die Bedeutung bei LSJs.v. X€ryö>ni4. 66 SCHRÄGE 1995, 215-251. WOLFF 1996. KLUMBIES 1992, 128-131; 148-153. 67 Die notwendigen Differenzierungen bei Stob 1996 seien vorausgesetzt. Leider gibt es keinen Nachfolger für die umfassende Untersuchung von PETERSON 1926. Die Arbeit von KLUMBIES 1992 untersucht nur die zeitgenössischen jüdischen Theologen als Vergleichsmaterial zu Paulus.
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anderer Götter toleriert für die Religionspragmatik und- nur wenn aus drücklich die Religionssystematik in Frage steht, den Status conf essionis trifft, so auch in der Aussage der Einzigkeit: Für die Lebenswelt gilt der Polytheismus als Wirklichkeit. Für die Kultgemeinde ist der Gott Ihr Gott, allein und einzig. Im Kult der Isis ist diese »henotheistische« Zu wendung besonders ausgeprägt.68 Angelos Chaniotis, als großer Kenner der Epigraphik, hat auf einen Sitz im Leben für die Formel hingewiesen.69 si<; xai JLI.6VO<; kommt häufig vor, wenn ein Sieger in einem Agon geehrt wird. Es gab viele Wettbewerber alle mit ihrer Chance. Aber durch den Sieg ist der Gewinner einzigartig geworden. Wenn Nero als großer Rennfahrer die Proklamation der Frei heit bei eigens dafür organisierten Isthmien verkündet, dann ist dieser Sitz im Leben gut nachzuvollzieheiL70 Wenn Paulus die Formel benutzt, gerade im Korintherbrief, so war ihm der Sitz im Leben möglicherweise auch geläufig; er verwendet ja auch sonst Metaphern aus dem Sport.71 Es ist jedenfalls keine theologisch-systematische Aussage, sondern aus der Religionspragmarik des städtischen Polytheismus zu verstehen: Übertrump fung, nicht Exklusivität! Von Wortuntersuchungen muss der Weg zur Verwendung im Kult ge hen. Dort aber der praktizierte Kult und nicht (bzw. erst dann) theolo gische Reflexion. Mit der Frage nach der kultischen Verehrung sind wir an dem Punkt, an dem die sprachliche Einkleidung in griechische Sprache und Metaphorik nicht mehr einfach als die jüdische Traditionen, fortführend begriffen wer den kann. Christlicher Kult stellt, so spitzt das Gerd Theißen zu, »Ta bubrüche« dar, die Ekel bei Juden erregen. Die Taufe als symbolischer Selbstmord, das Abendmahl als symbolischer Kanibalismus lassen sich nicht aus jüdischer Tradition erklären.72 Damit ist eine religionshistorisch präzise Frage bestimmt, die über die alte, antikatholisch-protestantische bzw. modernistische These hinausführt, der Kult oder die Sakramente, 68
1990, 1-38. AUTFARTH: Henotheismus. HrwG 3, 1993, 104 f. Diskussionsbeitrag nach dem Vortrag: Die Formel ist im agonischen Kontext belegt. Beispiel IG VII2172, Zeile 24 (1. Jh. n. Chr.) = CHANIOTIS (in diesem Band) Text 6. 70 Die Münzemission der Duoviri von Korinth aus der Zeit des Nero mehrfach adventus und adlocutio Caesaris; bei einem Typ ist Nero im Tempel der Victoria dargestellt (20 A. 147). Sikyon prägt Münzen mit der, Umschrift NE[PON] KAI ZEYE EAEYOEHOX: AMANDRY 1988, 14-26. 71 Bes. 1 Kor 9, 24-27, vgl. G. DAUTZENBERG: &y&v, EWKT s. v. 1(1980), 59-64. Dort 60 f. auch zum Wortfeld. 72 THEISSEN 2000, 171-254. 69
VERSNEL
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griechisch mysteriaP insgesamt sei der grundlegende Sündenfall, in dem sich die Kirche mit ihren Mittlern und als Mittlerin zwischen den Gläu bigen und seinen Gott schob/ 4 Deissmann versuchte noch zu retten mit der Unterscheidung des Christuskultes von der Christusmystik des Pau lus.75 33
Proskynese
Im griechisch-römischen Selbstverständnis ist das Ritual der Unterwerfung/Proskynese ein Zeichen orientalischer Tyrannei. N u r einem konnten die Griechen die Proskynese erweisen, den Göttern. 76 Noch Origenes ver bietet eine Anbetung des Christus. 77 Die Gebete sollten an Gott gerichtet sein, allenfalls im Namen Christi. Das ist als Interpretationsformel für das Neue Testament auch an vielen Stellen so zu verstehen. Aber es gibt auch eindeutige Abweichungen, wo Christus die kultische Verehrung empfängt, die Gott allein zusteht.78 So bei der Himmelfahrt Lk 52: Nachdem der auferstandene Christus in den Himmel aufgenommen worden war, heißt es: »Sie beteten ihn an 7CpocKUvf[CcevT£<; ocutov und kehrten zurück nach Jerusalem mit großer Freude.« Die Untersuchung der Stellen, an denen das Wort TCpooKWStv für Christus verwendet wird,79 ergibt zwei Gruppen, 73
Mysteria u-wcipia als das kirchliche Wort für die »Sakramente« nach KXAUCK 1995, 79f seit dem 4. Jh. in dieser Bedeutung. 74 1907 verbot die Katholische Kirche in der Bulle lamentabili solche moderni stischen Ketzereien und jeder Kleriker musste sich ab 1. Sept. 1910 mit einem Eid verpflichten, solche die Kirche in Frage stellenden Behauptungen nie zu predigen: DENZINGER, Enchiridion 1990, 3401-3466 lamentabili mit den zu verdammenden Sätzen über die Sakramente und die Kirche 3440-57 und dem Eid Sacrorum antistitum 3537-3550. Der Eid wurde erst nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil 1967 aufgehoben. Wesentlich richteten sich die Verdammungsurteile gegen Alfred Loisy, I/fivangile et Tfiglise, Paris 1902. Zu Hamack und Loisy, der wie andere Modernisten Hamack als Vorbild sah, s. WETCIAUFF 2001. 75 DEISSMANN 1923,327 »Grübelnd starrt die Cbristologie in das leere Grab; die Christuskontemplation des Apostels Paulus blickt leuchtenden Auges in die Zu kunft«, weiter oben »Cbristolatrie« und »Christusmystik«. 76 VERSNEL 1995 auf der Grundlage von F. T. VAN STRATEN: Did the Greeks Kneel before their Gods? (1974). 77 Origenes, Ilspi suxflq 15, 1, zit. bei LOHTCNK 176 A / l . 78 In der Apg. 10,25 f. des Lukas verbietet Petrus ausdrücklich, vor ihm nieder zufallen, das gebühre Gotc allein. Oder die berühmte Szene, wo Paulus und Silas als Götter in menschlicher Gestalt angebetet werden Apg. 14, 8-18. LOHFINK 164 sucht nach den Stellen, wo »eine wirkliche Anbetung im latreutischen Sinri, wie sie nur Gott zukommt« nachzuweisen sei. 79 HORST 1932. H GREEVEN ThWNT 6, 759-767; vgl. 10, 1250.
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die der Evangelien sprechen retrospektiv von der Anbetung Christi als er noch auf der Erde weilte, die der Offenbarung und Paulinen proleptisch vom endzeitlichen Gottesdienst für Christus.80 Lohfink kommt zu der Auffassung, dass diese Proskyhese und die Hymnen wenn vielleicht auch nicht direkt die Christolatrie wiedergeben, so doch dieses Ritual der (ei niger) urchristlichen Gemeinden voraussetzen. Theologisch entschärft er: »Die Proskynese vor dem erhöhten Christus (ist) letzten Endes keine iso lierte Anbetung der Person Christi, sondern Anbetung des sich in Chri stus offenbarenden Gottes. «$1 Nur, das gilt eben auch im Wesentlichen für die Formen des Kaiserkultes. 3A Das Opfer Theißen macht »das Überschreiten von Tabuschwellen in den urchristli chen Sakramenten«82 an Taufe und Abendmahl fest. Sicher, es sind sym bolische Handlungen, aber die mitgeführte Bedeutung, also die Deutungsgebung, muss sich in Denkbares einfügen, sonst sprengt die Reform den bisherigen Rahmen, aus der innerjüdischen Reformbewegung wird durch ein eigenes, neues Symbolsystem83 der Schritt zu einer eigenen Religion vollzogen, die die ake Religion zur negativen Identität aufbaut. Das Ritual der Aufnahme unter die Christen, die christliche Taufe, ist in zweifacher Hinsicht auffällig. Einmal sind die Traditionsfäden in die jü dische Tradition sehr dünn. Zum andern ist die berühmte Erzählung von der Taufe Jesu und seine Erwählung zum Gottessohn eingeleitet mit dem Hinweis, dass die Wassertaufe christlich ersetzt würde durch eine Geist taufe. Das geschieht aber nicht: der Aufnahmeritus erfolgt in dem Was serritus. Und als Deutung wird das Ritual noch dazu als Selbstmord dar gestellt. Es gibt nur eine Form der religiös legitimen Selbsttötung, kiddusch ha-schem?A Paulus nennt die Taufe Römer 6,1 ein »Begräbenwerden«. Ausgerechnet von dort, wo die Unreinheit das Leben bedroht, soll das neue Leben der Christen seinen Anfang nehmen! Die Hinrichtung am Kreuz und das Vermodern im Grab, schlimmere Entehrung und Kata strophe kann es nicht geben. * 80 81
LOHHNK 1974. LOHFINK 1974, 178.
82
THEISSEN 2000, 186. .
83
THEISSEN 2000, 173-177. AUFFARTH 2002b, 123-150
84
die Makkabaer. Aus der Zeit Jesu der Märtyrertod des Rabbi Akiba, der mit dem Namen Gotces auf den Lippen (bzw. da der Name j a nicht ausgesprochen werden darf, dehnt er das ahad »ein einziger« so lange, bis er sein Leben aushaucht): LOENHAKDT; OSTEN-SACKEN 1987, 40-65.
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Das Ende des Opfers, des blutigen Opfers, müsste hier anschließen: eine Identitätsaussage, die für die Entzauberung und Ethisierung der Religion ein entscheidendes Datum darzustellen scheint, aber falsch mit dem Chri stentum und mit der Zerstörung des Jerusalemer Tempels 70 n. Chr. in Zusammenhang gebracht wird.85 Die Christen hätten die Spiritualisierung gewollt, die Juden hätten sie gezwungenermaßen aufgenommen. Das ist falsch: Denn irn Judentum war die Ablösung des blutigen Opfers weitgehend schon vor der Zerstörung des Tempels vollzogen. Die Kultzentralisation in Jerusalem reduzierte das Opfern von Tieren auf die Wallfahrten und profanisierte/entsakralisierte die Tiertötung außerhalb Jerusalems - mit religiösen Regeln, aber ohne Priester. Der Synagogen-Gottesdienst rückte an Stelle der sakralen Tiertötung am Altar die Lesung der Thora in die Mitte. Die Akedab (»Isaaks Opferung«) kann den Thora-Schrein schmükken,86 die Synagoge bleibt aber ein Versammlungsraum für die Gemeinde kne$$eth> keine Heilige Stätte und ohne Altar.87 Auch in der »griechischen« und erst recht der »römischen« Religions praxis hatte das blutige Opfer seine Bedeutung eingebüßt. Die Frage der Tempelmetzgereien führt zwar zu einer auffälligen Verbindung von \\&YsXkovlmacellum und Kaiserbildnischen, besonders in Pompeji. Aber sie sind baulich zwar irn gleichen Gebäude, doch gerade nicht aufeinander bezogen.83 In der Gesetzgebung kann man erkennen, wie im Umkreis des 8s
R. GIRARD:, Les choses cachees; dt. Das Ende der Gewalt. H. WENSCHKFWTTZ 1932. Das wieder bei THEXSSEN 2000,193, der die Zerstörung des Jerusalemer Tem pels gleichsetzt mit dem Ziel der Christen, den Kult zu überwinden. Dazu zitiert Theißen das Ebionäer-Evangelium frg. 6 »Ich bin gekommen, das Opfer abzu schaffen, und wenn ihr nicht ablasst zu opfern, wird der Zorn von euch nicht lassen.« und Theißen kommentiert: »Denn vieles spricht dafür, dass der Tod Jesu erst in seiner Deutung als Opfertod das Ende der jahrhundertealten Opferpraxis bewirken konnte.« Die Kontrollfrage müsste lauten: Hat das Judentum ein ver gleichbares Äquivalent zu dem nun nicht mehr möglichen Opferkult geschaffen? Meines Erachtens war das Judentum längst - spätestens seit der Zerstörung des Ersten Tempels und der Unmöglichkeit, in Babel Opfer auszuführen - in der Al ternative des »Sinai« zum »Zion« zu einer Religion geworden, die nicht auf einen heiligen Ort angewiesen ist, sondern in der Schrift potentiell universell. Statt des Altars steht die Schrift im Zentrum! 86 So in der Synagoge von Dura, aber auch sonst oft in Synagogen. Zur kultischen Zuordnung zum Altar in einer typologischen Auslegung analog zum Kreuzestod Jesu, wie sie etwa der Fußboden der Kathedrale von Siena zum Ausdruck bringt, s. F. OHLY 1977, 171-273, hier 217-219. 87 AUFFAXTH 2001,235-257. Zur Synagoge das Handbuch von LEVUSTE 2000. 88
KOCH 1999 beruhend auf der umfassenden Aufarbeitung von C. DE RUYT
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Kaiserkultes und der vom Kaiser praktizierten Religion das blutige Opfer reduziert wird bis hin zum Verbot der blutigen Opfer nicht durch die christlichen Kaiser, sondern bereits vorher! Theologische Opferkritik und Ethisierung treffen allerdings nicht die Opferpraxis; Rituale sind träge. Die Metaphorik des Opfers dagegen blüht. Das Opfer in Form von Wachskerzen, von Geldopfer etwa nimmt dort, wo Rituale durch neue, andere ersetzt werden oder wo sie verboten werden, dessen Stelle ein; das blutige Opfer wird mythisch dazu erzählt als »Bedeutung«. Das Blutopfer der Märtyrer ist bereits in der Apokalypse mit dem himmlischen Altar verknüpft.89 Aber nun das Tabu: Für Juden ist der Genuss von Blut eine ekelerre gende Vorstellung- Fleischnahmng ist nur dann koscher, wenn das ge schlachtete Tier vollständig ausgeblutet ist, d.h das Herz muss noch so lebendig sein, dass es das Blut herauspumpt. Insofern verschieden von anderen antiken Schlachtformen. »Ersticktes«, wie das nicht vollständig ausgeblutete genannt wird, dürfen Nicht-Juden essen.90 Das Blut darf un ter keinen Umständen genossen werden. Wenn Jesus in den Einsetzungs worten, wie es die Überlieferung, auf die sich Paulus in seinem 1. Brief an •die Korinther bereits beruft,91 die Jünger aufforden, den Becher zu trinken mit den Worten »Dies ist mein Blut, nehmet und trinket«, dann ist das der Tabubruch. Die Vorstufen, die der Jude Jesus gesagt haben kann, sind der Blutritus, der mit dem »Blut des Vertrages Gottes mit seinem Volk« be siegelt.92 Dazu kommt als Verweis auf den eigenen Tod der Vergleich zwi1983. Das macellum in Pompeji stellt demnach eher die Ausnahme dar, wenn dort 1, ein eigener Kultraum für den Kaiserkult eingerichtet ist, und 2. im macellum selbst geschlachtet wird. 59 Apk 6,9 mit dem im NT'häufigen Neologismus 8\)oiacnr|piov, der an die Stelle von ßcojiög (im NT nur einmal beim Altar des unbekannten Gottes) tritt, dazu vgl KLAUCK (zuerst 1980) 1994, 239-244. 90 Die anti-jüdische Polemik machte daraus, die Juden hätten Ausländern »Aas« oder »verdorbenes Fleisch« angedreht, CRÜSEMANN 1987. 91 1 Kor. 11,23 »Denn ich habe vom Herrn übernommen, was ich überliefere: >In der Nacht, da ...<-« THEISSEN 2000, 187: »Die Einsetzungsworte kursierten schon im Judenchristentum. Paulus, ein Judenchrist, kennt und tradiert sie.« 92 Ex 24, 5 Moses lässt Stiere schlachten und sammelt das Blut in einer Schüssel. Die Hälfte des Blutes sprengt er an den Altar, die andere Hälfte auf das Volk (das somit zum Heiligtum Gottes wird), nachdem er die Urkunde des Bundes (in den Kapiteln zuvor waren die Zehn Gebote von Gott persönlich aufgeschrieben dem Mose übergeben worden) vorgelesen und das Volk darauf verpflichtet hatte. »Das ist das Blut des Bundes, den der Herr aufgrund aller dieser Worte mit euch ge schlossen hat.« Wichtige Einwände gegen eine Deutung nur aus dem Opfer und speziell dem Blutritus am Hilasterion/Bundeslade, auf das Paulus Römer 3, 25
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sehen dem gebrochenen Brot und dem getöteten Körper, dem Wein und dem Blut des gewaltsamen Todes. Aber das Blut trinken, ist für den Juden Jesus undenkbar! Dies ist mein Blut, übersteigt jüdische Grenzen^ 3 Fazit: Christen, die nicht aus der jüdischen Tradition stammten, haben das Her renmahl im Sinne antiker* Opfervorstellung umgedeutet.
4 Christuskult u n d Kaiserkult (1) Das Ziel dieses Aufsatzes kann nicht das gewaltige Thema in der dif ferenzierten Debatte zweier Wissenschaften ausbreiten. Vielmehr soll ten die Forschungen wieder aufeinander bezogen werden. Die Christologie wird aufgebaut weniger als Widerspruch und Gegensatz zum Kaiserkult, eher in der religiösen »Sprache« dieser revolutionären Kultform. (2) Revolutionär soll besagen, dass man nicht von einer »Übernahme« oder gar Kontinuität des hellenistischen Herrscherkultes sprechen kann, sondern gegen die traditionelle religiöse Sprache der alten Eli ten94 und der kultischen Kompetenz der Kultteilnehmer etablieren die neuen Eliten eine neue Kultsprache. (3) Dabei ist eine Krise der traditionellen Kultsprache- im Hintergrund: Monotheismus ist zwar systematisch denkbar, aber kultpragmatisch verlangt er nach Mittlern. Die Ferne des einen Gottes, die im Helle nismus und der Kaiserzeit beklagt wird, 95 kann sich entwickeln, weil komplementär zwischen den Menschen und dem einen Gott eine ge stufte Mittlerschaft entsteht von Kultgöttern, Halbgöttern, Engeln (mit Archangeloi, himmlischen Heerscharen, Dienerengeln, gefallenen Engeln)96 und Menschen, die dank ihrer Leistung von Gott mit Un sterblichkeit ausgestattet werden. Die zunächst erst mit der Apotheose im Bestattungsritual beginnende kultische Verehrung wird mytholoanspielt (und die bei Stuhlmacher zu einer biblischen Theologie geführt hat), bei BERGER 1998, 66-73. 9
* Das »ist« in dem Satz würde in dem hebräischen/aramäischen Nominalsatz auch nicht vorkommen. Luther in der berüchtigten Szene des Marburger Religi onsgesprächs betont das »ist«, um den nur memorativen Charakter der Zwinglianer zu widersprechen, was ihm den Vorwurf des Kannibalen einbringt. KÖHLER 1929, 106; BRECHT 1986, 315-324. 94
CANCIK 1996.
95
FRENSCHKOWSKI 1995/97.
96
AUFPARTH
2002c.
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gisch in die Biographie nickprojiziert. Die kultische Verehrung des Verstorbenen überträgt sich auf die lebenden Träger des Caesartitels, die zugleich als Herrscher menschlicher Kritik ausgesetzt sind, als Caesar aber eine übermenschliche Mittlerfunktion zu erfüllen haben. (4) Marianne Bergmann hat deutlich gemacht, dass Repräsentation im Namen und im Bild nicht einfach als Identität mit Gott verstanden werden darf.97 (5) Die jüdische Kritik des Philo am kaiserlichen Anspruch auf göttliche Vereitlung macht deutlich, dass auch innerhalb des Judentums der Glaube an den einen Gott Israels Mittler und andere Götter nicht ausgeschlossen sind. Dennoch werte ich die Vergöttlichung des Chri stus mit Theißen als Tabubruch, auch wenn Formen und Namen mit jüdischen Präzedenzfällen begiündet werden. Die Christologie und die unterschiedlich gestuften Gottesprädikate und Gleichsetzungschristologie gehen als kultische Realisierung über das Denkbare der Tradition hinaus. Zwischen Mittlerschaft und Identität mit Gott wird nicht mehr . . getrennt. Kyrios Christos, Gott mit dem Beinamen Christus. (6) Der entscheidende Unterschied in der Entwicklung der kultischen Ansprüche.der Menschen im Kaiser- und im Christuskult scheint mir in folgendem zu liegen: In der Christologie ergibt sich eine Trennung von den menschlichen Zügen leichter, weil nicht auf den deifizierten Kaiser ein neuer Kaiser folgt, so dass die Menschlichkeit,und Sterblich keit dauernd in Konflikt steht zu der transpersonalen Entwicklung des »zweiten Körpers« des Kaisers, des divinisierten Kaisers als Gott. Demgegenüber wird aus dem Gruppenmessianismus der ersten Gene ration der Jesusbewegung, in der die Apostel als Gruppe den messianischen Anspruch weiterführen,9S in der Diaspora zunehmend der Kultgott Christus, der in den kultischen Formen den Personenkult der Kaiser aufnimmt, dabei aber ohne die kritischen Einwände gegen einen menschlichen Nachfolger die transzendente Natur des göttlichen Men schen hin zum menschgewordenen Gott behaupten kann.
97
BERGMANN 1998. * THEISSEN 1987.
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DERS.
Beobachtungen zur Verehrung des christlichen Kaisers in der Spätantike von PEDRO BAKCELÖ
I Blickt man mit den Augen des Historikers auf die constantinische Dyna stie, so fällt auf, daß am Anfang und am Ende dieser geschichtsträchtigen Regierungszeit, die- als Synonym für den Siegeszug des Christentums gilt, eine dezidierte Parteinahme für das Heidentum steht.1 Der Dynastiegrün der Constantius L hat in seinem Reichsteil pflichtgemäß die von Diodetian begonnene Verfolgung der Christen mit getragen, und Julian, der letz te Vertreter des Herrscherhauses, hat nach Kräften versucht, durch Hint ansetzung des Christentums die in Bedrängnis geratenen traditionellen heidnischen Kulte zu beleben. Doch so sehr die miteinander konvergie renden Pole dieser Epoche im auffälligen Kontrast zu ihrem Innern ste hen, sind sie für die vorherrschende religionspolitische Atmosphäre der constanrinischen Zeit einerseits symptomarisch. Andererseits belegen sie einen Ausnahmezustand, der den Spannungsbogen dieser religiös äußerst aufgewühlten Epoche beschreibt, die insgesamt durch eine fortschreitende Verchristlichung des römischen Reiches charakterisiert ist. Constantin und seine Nachfolger Constantin II., Constantius IL und Constans haben sich 1
Zur Religionspolirik der constantioischen Dynastie vgl. J. Bleicken, Constantin der Große und die Christen. Überlegungen zur ConstanüDischen Wende, München 1992; S. Corcoran, The Empire of the Tetrachs. Imperial Pronouncements and Government. AD 284-324, Oxford 1996; G. W. Bowersock, Julian the Apostate, London 1978, 79-93; T. D. Barnes, Christians and Pagans in the Reign of Con stantius, in: L'Eglise et I*Empire au IVe siecle (Entreriens Fond. Hardt 34), Genf 1989, 301 ff.; S. N. C. Lieu, D. Montserrat, From Constantine to Julian: Pagan and Byzantbe Views. A Source History, London/New York 1996.
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Pedro Barcelo
durch die bewußte Ablehnung der heidnischen Rituale zur christlichen Lehre bekannt und ihre Integration in die religiös polytheistisch geprägte Landschaft des römischen Reiches ermöglicht. Darüber hinaus haben sie durch die gezielte Begünstigung dieses Glaubens eine Einigung des Rei ches auf dieser Grundlage erstrebt Insbesondere die lange Regierungszeit des Constantius IL, in der sich die Entwicklung zum Staatskirchentum anbahnte, gibt davon Zeugnis.2 Es ist bemerkenswert, daß die divergierenden Parteinahmen in Kultangelegenheiten innerhalb derselben Dynastie eine erstaunlich große Mei nungsdisparität in Glaubensfragen zur.Folge hatten. Jedes Mitglied des constantinischen Hauses verkörperte ein anderes religiöses Bekenntnis. Während Constantius L als Ajahänger des traditionellen Heidentums an gesehen werden kann, vertrat sein ebenfalls heidnischer Enkel Julian eine philosophisch-theurgische Haltung, die sich deutlich von dem Soldaten glauben seines Großvaters unterschied. Pendelte Constantin zwischen nicäanischer Orthodoxie und Arianismus hin und her, so galten seine Söhne Constantin IL und Constans als stramm orthodox, während Constan tius IL eine gemäßigte arianische Position einnahm, die im Kontrast zum extremen Arianismus seines Mitregenten und Cousins Gallus stand. Kann angesichts dieses großen Spektrums religiöser Optionen überhaupt von einer die Dynastie als Ganzes charakterisierenden kultischen Haltung die Rede sein? Die Frage läßt sich nur mit Blick auf den Aufstieg des con stantinischen Hauses in der diocletianischen Ära beantworten,, der von einer ungewöhnlichen religionspolitischen Dynamik erfüllt ist. Damals erlebten Kultangelegenheiten eine bis dahin unbekannte Zuspitzung, die zur Präzisierung des eigenen Standortes zwang und damit scharfen Kon trastierungen Vorschub leistete.3 Anders ausgedrückt: Zu Beginn des 4. Jahrhunderts wird das persönliche religiöse Bekenntnis für die führen den Männer des römischen Reiches zu einer Überlebensfrage. Die Profilierungsmöglichkeiten der römischen Principes waren ohnehin angesichts vielfacher Sachzwänge (Rücksichtnahme auf die Forderungen des Senats, des Heeres, der Provinzen, der stadtrömischen Bevölkerung 2
Zu dieser Thematik vgl. C. Pietri, La politique de Constance II: Un premier »cesaropapisme« ou rimitatio Constantini?, in: I/Eglise et TEmpire au IVe siecle (Entretiens Fondation Hardt 34), Genf 1989, 113-172; P. Barcelo, Constantius IL und seine Zeit. Die Anfänge des Staatskirchentums, Stutegart 2003 (im Druck). 3 Zur religionspolitischen Lag? im römischen Reich zu Beginn des 4. Jahrhun derts immer noch lesenswert H. Gregoire, La >conversion< de Constantin le Grand, RUB 36, 1930/31, 231-272; W. Kuboff, Diokletian und die Epoche der Tetrachie, Frankfurt a. M. u. a. 2001, 246 ff.
Beobachtungen zur Verehrung des christlichen Kaisers
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etc.) eher gering. Hinzu kommt die überaus hohe Erwartungshaltung an die Arbeitskapazität des Staatsoberhaupts, das als Patron, Schlichter, Ver walter, Richter, Feldherr, Repräsentant, Priester u. v. m. auftreten und da bei stets das »Richtige« tun mußte. Wollte ein Kaiser die besondere Note seiner Regierung unterstreichen, so ließ sich dafür das weite Feld der Re ligionspolitik aktivieren. Hier war das Reservoir an Gestaltungsmöglich keiten groß. Anpassung und Unterscheidung sind die Schlagwörter, unter denen sich die einschlägigen Maßnahmen subsumieren lassen. Thronan wärter konnten durch die eine Kontinuität begründende Anknüpfung an ihren Vorgänger ihren eigenen Herrschaftsanspruch legitimieren (Hadrian-Trajan) oder sich als Glied einer neu zu begründenden Tradition darstellen, wie dies etwa Alexander Severus durch eine Abwendung von der Kultpolitik seines unmittelbaren Vorgängers Elagabal tat.4 In der Auswahl der göttlichen Leitbilder und ihrer Instrumentalisierung als Sprachrohr ihres Herrschaftsanspruches hatten die Kaiser weitgehend freie Hand. Es bilden sich unverkennbare Merkmale heraus, die das eigen ständige Profil der Herrscher kennzeichnen.5 Parallel dazu verdeutlichen Alltagsempfindungen, ablesbar etwa an der Ikonographie in der Sarko phagkunst, wo im Gegensatz zu der Betonung des Ornaments in der vorangegangenen Zeit nun die Akzentuierung des Individuums in seinem Bezug zur Göttlichkeit dominiert, daß solche Haltungen in allen Ge sellschaftsschichten Akzeptanz fanden.6 Diese, einen allgemeinen Trend anzeigenden Entwicklungen wurden durch die Handlungsweise der Re gierenden verstärkt. Die vermehrten Gestaltungsmöglichkeiten der kaiser lichen Kultp.olitik wurzelten in den henotheistischen bzw. monotheisti schen Strömungen, die sich ab der Mitte des 3. Jahrhunderts allmählich das Wohlwollen der Führungsschichten erworben hatten und sich nun unauf haltsam ausbreiteten. In ihnen manifestierte sich ein gewandeltes religiöses Gefühl insofern, als einige Kaiser begannen, bestimmte Kulte vehement zu propagieren und den anderen vorzuschreiben. 7 Aurelians Inanspruchnah4
G. H. Halsberghe, Le culte de Deus Sol Invictus a Rome au 3e siecle apres J. C, in: ANRW II 17,4, Berlin/New York 1984, 2193. 5 Zu Commodus als Hercules, bzw. zu Elagabal als Sonnengott von Emessa vgl. P. Barcelo, Die Macht des Kaisers - Die Macht Gottes: Alleinherrschaft und Mo notheismus in der römischen Kaiserzeit, in: P. Barcelo (Hg.), Contra quis ferat arma deos? Vier Augsburger Vorträge zur Religionsgeschichte der römischen Kai serzeit, München 1990, 87-89. 6 K. Fittschen, Marburger Winckelmannsprogramm 1983/4, 129; P. Brown, Per son und Gruppe im Judentum und Frühchristentum, in: P. Aries, G. Duby (Hg.), Geschichte des privaten Lebens I: Vom Römischen Imperium zum Byzantinischen Reich, Frankfurt 1989, 245 ff. 7 Besonders anschaulich in diesem Zusammenhang ist die fiktive Maecenas-
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Pedro Barcelö
me von Sol Invictus als vor allen anderen Gottheiten herausgehobenem Garanten seiner Herrschaft bzw. die Bildung der tetrarchischen Herr scherfamilie der Jovier-Herculier, deren Machtanspruch keine Infragestel lung durch abweichende Kulte (Christentum) duldete, markieren den Ausgangspunkt der religionspolitischen Positionierung der constantinischen Dynastie. Aurelian und Diocletian spielen für die Entwicklung und Ausformung des religionspolitischen Bewußtseins Constantins eine zen trale Rolle. Gemeint sind freilich nicht die individuellen religiösen Über zeugungen der Betroffenen, sondern ihre Kultprogramme und ihr Wunsch, den eigenen Machtanspruch unter das Zeichen einer dem jewei ligen Herrscher nahestehenden Gottheit zu stellen. Es verstärken sich die Bemühungen der Regierungszentrale, eine einheitssriftende Religion zu etablieren. Ihre Funktion war, einerseits die stets legitimationsbedürftige Kaiserherrschaft zu stützen, andererseits die Solidaritätsbande innerhalb der Reichsbevölkerung zu intensivieren. Durch die Einführung eines für die gesamte Bevölkerung des Reiches verbindlichen Gottesdienstes sollte die bedrohte innere Einheit des Imperiums sinnfällig überwunden wer den.3 Der Kaiser als höchste Kultautorität des Reiches spielte dabei den Part einer Gestaltungs- und Kontrollinstanz, in seiner Person liefen aber auch vielschichtige Konvergenzlinien zusammen. Da er selbst als Gott galt und dementsprechend Verehi-ung genoß, bildete er gewissermaßen die Schnittmenge zwischen menschlicher Natur und göttlicher Wirkkraft. 9 Besondere Brisanz erlangte jede vom Kaiser geförderte Gottheit, weil sie einen prominenten Platz im traditionellen Pantheon erhielt, das heißt ein emphatisches Bekenntnis zur amtierenden Regierung abgab. Gleichzeitig galt die Regel: Der göttliche Kaiser, der zugleich Mensch war, verehrte die Götter und wurde gleichzeitig als Gott verehrt. Die doppelte Natur des Herrschers spiegelte sowohl die Reziprozität im Verhältnis von Religion und Staat, als auch das Gleichgewicht zwischen der menschlichen Sphäre und der traditionellen Götterwelt wider. Dieses System der menschlich göttlichen Kompatibilität wurde durch die auf die Ausschließlichkeit ihrer Rede, die Cassius Dio überliefert (52, 36), in welcher der Kaiser aufgefordert wird, den Glauben seiner Untertanen zu normieren. 8 Sehr deutlich kommt dies bei den religionspolitischen Maßnahmen der Tetrar- chen zum Ausdruck, vgl. F. Kolb, L'ideologia tetrarchica e la polirica religiosa di Diocleziano, in: G. Bonamente, A. Nestori (Hg.), I crisriani e Hmpero nel IV secolo. Collloquio sul Cristianesimo nel mondo antico, Macerata 1988, 17 ff.; ders., Herrscher Ideologie in der Spätantike, Berlin 2001, 25 ff. 9 M. Clauss, Kaiser und Gott. Herrscherkult im römischen Reich, Stuttgart 1999, 229 ff.
Beobachtungen zur Verehrung des christlichen Kaisers
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Gottesvorstellung ausgerichteten Kultoptionen negien. Daher, zwang die monotheistische Struktur des christlichen Glaubens dazu, diese jahrhun dertealten Verhaltensparameter zu überdenken. Fragen wir nach den Veränderungen, die das Aufkommen des Christen tums als Leitreligion der Kaiser der constantinischen Dynastie für die Kultpraxis des römischen Reiches bewirkte, so ist zunächst festzuhalten, daß die christlichen Herrscher vor der Notwendigkeit standen, die sakrale Verortung des Kaisertums neu zu definieren. Dies ergab sich aus der Tat sache^ daß der Kaiser in seiner Doppelrolle als Gott und Pontifex Maxi mus stets den zentralen Platz innerhalb der »sacra publica« innehatte. Der christliche Herrscher durfte hingegen keinen göttlichen Rang beanspru chen. Vielmehr hatte er nun darauf zu achten, wie er unter den veränder ten Bedingungen agieren und dabei wahrgenommen werden wollte. Ferner mußte er zu erkennen geben, wie mit ihm umzugehen sei. Damit ist die Frage nach der Relevanz des Kaiserkultes im 4. Jahrhundert aufgeworfen.
II Wegen seiner ungeheuren Machtfülle, die ihn in die Lage versetzte, Wohl fahrt und Frieden zu stiften, Glück oder Verderben über seine Untertanen zu bringen, erfuhr das römische Staatsoberhaupt kultische Verehrung. Seit Caesar galten die an der Spitze des weltumspannenden Imperiums stehen den Herrscher als Götter, da sie ähnlich wie diese, das Schicksal des Rei ches und seiner Bewohner beeinflussen konnten 1 0 Ein Großteil der Be völkerung sah in der Person des Imperators eine auf Erden wandelnde Gottheit (deus praesens), weswegen viele seiner öffentlichen Auftritte wie die Epiphanie eines Gottes gestaltet und mit einem Pomp gefeiert wurden, der an Gottesdienste erinnerte.11 Es wurden ihnen Altäre, Kulte und sa krale Feste geweiht.12 Dankbare Untertanen weihten Ehreninschriften, auf denen die Göttlichkeit des regierenden Kaisers und seiner Vorgänger ge priesen wurde. Mitglieder aller Gesellschaftsschichten (Senatoren, Ritter, Provinzialen, Freigelassene usw.) opferten vor ihren Bildern und erwiesen 10
Vgl. M. Clauss, Kaiser und Gotc, 223. Den Einzug Vespasians in Rom hat Flavius Josephus, Bell. Jud. VII 71, fol gendermaßen beschrieben.-^ 7c6A.iqrix;vs&qfjv p.&T:a>v KOCI Gujiiauotwv. 12 Zur Feier des Kaiserkults in den Städten der Ostprovinzen vgl. P. Herz, Herr scherverehrung und lokale Festkultur im Osten des römischen Reiches (Kai ser/Agone) in: H Cancik/J. Rüpke (Hg.), Römische Reichsreligion und Provinzialreligion, Tübingen 1997, 239-264. 11
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ihnen die gleiche Ehrfurcht wie den unsterblichen Göttern. Nach ihrem Tod erfolgte die Konsekration und damit die Aufnahme in den Staatskult. Im Vollzug des Kaiserkultes erblickte man einen untrüglichen Loyalitätsbeweis gegenüber den maßgeblichen staatserhaltenden Institutionen: Re ligion und Kaisertum. Besonders wichtig war diese Form der öffentlichen Bekundung im Hinblick auf das Militär, das während des 3. Jahrhunderts die zuverlässigste Stütze des zerbröckelnden Reiches bildete. Aus der Per spektive der Führungsschichten war die Erhaltung dieser Nahbeziehung zwischen Kaiser und Heer, die durch den Kaiserkult eine Bestätigung er fuhr, eine unerläßliche Voraussetzung für den Bestand des Reiches.13 Seit Augustus stellte der Kaiserkult auch eine bewährte Form der Kommuni kation zwischen der fernab liegenden kaiserlichen Machtzentrale und den in den Provinzen des Reiches zerstreuten staatstragenden Schichten der Gesellschaft dar. Zugleich bedeutete der Vollzug des Rituals die Anerken nung der Kaiserherrschaft durch die Opfernden. Forderte ein Kaiser, wie etwa Decius, seine Untertanen auf, eine supplicatio zu vollziehen, so tat er dies nicht, wie eine auf die Verfolgung der Christen einseitig fixierte Optik glauben machen möchte, um Dissidenten zu disziplinieren, sondern* er handelte in der Absicht, einen erdrückenden Beweis der Solidarität seitens der Reichsbevölkerung gegenüber der Reichsführung zu erhalten.14 Es ging dabei primär um die Erlangung von Zustimmung, weniger um die Abgrenzung der - nennen wir sie einmal - unloyalen Bürger. Durch eine derartig großangelegte Mobilisierung sollte Konformität mit dem Kaiser demonstriert werden. Der Appell war aus der Sicht des Kaisers notwendig, u m den vielfältigen Krisen (Einfall fremder Völker, wirtschaftliche Pro bleme, Bürgerkrieg etc.), die das römische Weltreich erschütterten, durch einen Akt der innenpolitischen Geschlossenheit zu begegnen. Eine entscheidende Voraussetzung für den Kaiserkult war die Göttlich keit des Princeps. Manche Herrscher vermochten auf divinisierte Ahnen zu verweisen und galten folglich als Nachfahren eines Gottes. Wer sich wie etwa Vespasian, Septimius Severus oder die meisten Herrscher des 3. Jahr hunderts nicht auf einen göttlichen Vater berufen konnte, mußte die eigene Göttlichkeit durch herausragende Taten unter Beweis stellen. Das System beruhte auf einer Kombination von Leistungsfaktoren sowie auf der Filia13
G.Alföldy, Die Krise des römischen Reiches und die Religion Roms, in: W. Eck (Hg.)> Religion und Gesellschaft in der römischen Kaiserzeit, Kolloquium zu Ehren von F. Vittinghoff, Köln/Wien 1989, 53-102. 14 R. Selinger, Die Religionspolitik des Kaisers Decius. Anatomie einer Christen verfolgung, Frankfurt a. M./Berlin 1994; G. Gottlieb, Christentum und Kirche in den ersten drei Jahrhunderten, Heidelberg 1991, 102 ff.
Beobachtungen zur Verehrung des christlichen Kaisers
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tion und auf der Identifikation der Betroffenen mit einer anerkannten Gottheit des römischen Pantheons. Daraus resultierte eine dynamische Wechselbeziehung; Der Kaiser als Gott akzeptierte, förderte und verehrte die anderen Götter, die wiederum die Göttlichkeit des Kaisers nicht in Abrede stellten (pax deorum). Bekannte sich aber ein Kaiser zum Chri stentum, so konnte er schlecht den eigenen Vater dem christlichen Gott als gleichberechtigte Gottheit zur Seite stellen. Dies verbot die monotheisti sche Ausrichtung der christlichen Lehre mit der Unteilbarkeit ihrer Got tesvorstellung, welche die Menschen in einer in dieser Hinsicht unüber brückbaren Distanz zum christlichen Gott sah. Allerdings wird die bald einsetzende Trinitätsdiskussion das Problem zusätzlich verschärfen. Mit der ihnen eigenen Behutsamkeit, die aus der Skepsis der Umwelt gegen über ihrer Glaubensbotschaft resultierte, verbanden die Christen die Ab lehnung der Gottheit des Kaisers stets mit der bedingungslosen Anerken nung seiner Herrschaft. Ihre führenden Köpfe wurden nicht müde, eine Ergebenheitsbezeugung nach der anderen an die Adresse des römischen Kaisers zu richten, wie dies der im 2. Jahrhundert wirkende antiochenische Bischof Theophilos tat: Also will ich lieber den Kaiser (als die Götter) ehren, nicht indem ich ihn anbete, sondern indem ich für ihn bete. Den wirklichen und wahren Gott bete ich an, wohl wissend, daß der Kaiser von ihm bestellt ist. Du fragst mich nun: Waium betest Du nicht den Kaiser an? - Weil er nicht geschaffen wurde, um angebetet zu werden, sondern um mit der ihm rechtmäßig zustehenden Ehre verehrt zu werden. Denn er ist nicht Gott, sondern ein Mensch, der von Gott eingesetzt wurde, nicht um angebetet zu werden, sondern um ein gerechter Herrscher zu sein.15 Die ersten christlichen Kaiser standen vor einer ambivalenten Situation. Sie durften keineswegs außer Acht lassen, daß ihr kaiserliches Amt mit der Pflege des' traditionellen Kultes untrennbar verwoben war. Als Pontifex Maximus oblag ihnen die Fürsorge für die romische Religion.16 Darunter zählte für den Großteil des 4. Jahrhunderts sowohl die heidnische als auch die christliche Kultausübung. Da das Christentum mittlerweile den Status einer religio licita genoß, standen seine Gottesdienste ebenso wie die heid15
PG VI 1040-1041. Weitere Belege bei J. Lehnen, Zwischen Abkehr und Hin wendung. Äußerungen christlicher Autoren des 2. und 3. Jahrhunderts zu Staat und Herrscher, in: R. v. Haehling (Hg.), Rom und das himmlische Jerusalem. Die frühen Christen zwischen Anpassung und Ablehnung, Darmstadt 2000, 15 ff. 16 Vgl. Dazu R. Stepper, Augustus et sacerdos. Untersuchungen zum römischen Kaiser als Priester, Potsdamer Altertumswissenschafcliche Beiträge 6, Stuttgart 2003 (im Druck).
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nischen Bräuche unter dem Schutz des römischen Staates. Daraus erklärt sich die Handlungsweise der christlichen Herrscher, die als pflichtbewußte Supervisoren der heidnischen Kulte agierten, daneben als Förderer und Protektoren der Christen auftraten. Offenbar erregte ein solches Verhalten keinen Widerspruch bei den Zeitgenossen, selbst dann nicht, als bestimmte Kaiser (Constantius IL, Gratian, Theodosius) ihre christlichen Präferenzen immer deutlicher betonten. Die Kraft der Tradition, die Neuheit der Si tuation sowie die Evidenz einer heidnisch gesinnten Bevölkerungsmehr heit ließen keine dramatischen Änderungen der eingespielten Kultprakti ken erwarten. Wie ihre Vorgänger wurden auch die christlichen Kaiser als Götter angesehen, denen gemäß der traditionell bewährten Formen ge huldigt wurde. Dagegen werden die Christen, die ihnen ihre neu gewon nene Freiheit verdankten, schwerlich etwas einzuwenden gehabt haben. Mit der von Galerius in Serdica (311) erwirkten und von Licinius in Nikomedia (313) bestätigten Tolerierung ihrer Religionsausübung waren die Christen ohnehin von der Verpflichtung zum Kaiserkult, da wo sie noch bestand, grundsätzlich befreit. Für diejenigen traditionsbewußten Unter tanen, die an den überlieferten Ritualen festhielten, änderte sich zunächst nichts. Dies bestätigen eine Reihe von epigraphischen Zeugnissen, aus de nen die Göttlichkeit von Constantin, 17 Valentinian18 und Theodosius 19 her vorgeht, sowie zahlreiche Passagen aus den offiziellen Reden des Themistios, in denen die göttlichen Kaiser Constantius IL, Valens und Theodo sius überschwenglich gefeiert werden.20
17
CIL VI 1151=31248=D 707; CIL VIII 7974: NÜMINI | CONSTANTINI SAN | CTISSIMI • ET | INVICTISSIM 18 AE 1987, 435; CIL VIII 10489=11024=D 779: DIVINA STIRPE | PROGENITO | D N VALENTINIA | NO - AUG | FORTISSIMO | PRINCIPI F/1 VIVIVS BENE | DICTVS ». p | PRESES • P • T -NV | MINI MAIESTA | TIQ • EIIVS SEM | PER DEVOTVS 19 CIL VI 1730= D 1277: FLAVIO STILICHONI INLVSTRISSIMO VIRO | MAGISTRO EQVITVM PEDITVMQVE | COMITI DOMESTICORVM TRIBVNO PRAETORIANO | ET AB INEVNTE AETATE PER GRADVS CLARIS | SIMAE MILITIAE AD COLVMEN GLORIAE | SEMPITERNAE ET REGIAE ADFINITATIS EVECTO | PROGENERO DIVI THEODOSI CO MITI DIVI | THEODOSI AVGVSTI IN OMNIBVS BELLIS | ADQVE VIC TORIIS ET AB EO IN ADFINITATEM | REGIAM COOPTATO ITEMQVE SOCERO DN | HONORI AVGVSTI AFRICA CONSILIIS EIVS | ET PROVISIONE LIBERATA | EX SC; vgl. dazu J. Ernesti, Princeps christianus und Kaiser aller Römer. Theodosius der Große im Lichte zeitgenössischer Quellen, Paderborn u. a. 1998, 89 ff. 20 M. Clauss, Kaiser und Gott, 210-212.
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Angesichts der prekären religionspolitischen Verhältnisse, die aus der zunehmenden Verchristlichung des römischen Reiches resultierten, ergab sich das Problem, wie sich der immer mehr als Christ fühlende Herrscher verhalten sollte, um einerseits sein christliches Gewissen zu beruhigen bzw. die Gefühle seiner christlichen Untertanen nicht zu verletzen und andererseits nicht in einen unüberbrückbaren Widerspruch zur heidni schen Bevölkerung zu geraten. Überließ man der Bevölkerung die Initia tive oder erließ der Kaiser neue Verfügungen, um den kultisch-zeremo niellen Umgang mit ihm zu regeln? Für die Klärung der Frage, ob der christlich gewordene Herrscher auf die Anbetung der eigenen Göttlichkeit verzichtet hat, bietet sich die Biographie Constantins geradezu an, weil nirgendwo heidnische und' christliche Anschauungen so unmittelbar auf einander treffen wie hier. Strittig bleibt allerdings, ab wann Constantin als christlicher Herrscher in dem uns hier interessierenden Sinne angespro chen werden kann. Ganz bestimmt war dies nicht im Jahr 312 oder un mittelbar danach der Fall.21 Folgt man den Berichten der christlichen Schriftsteller (Eusebios von Caesarea), so erhält man zwar den Eindruck, die christliche Gesinnung Constantins habe stets seine Rolle als Imperator maßgeblich geprägt, doch gibt es Gegenbeispiele, die eine allzu christenlastige Haltung des Kaisers relativieren. So etwa, als Constantin auf die Anfrage der Stadt Hispellum, ihm und seiner Familie einen Tempel mit dazu gehörigem Kult zu weihen, positiv reagierte: Daß in ihrer (der Stadt) Mitte auch ein Tempel für das Flavische, das heißt unser Geschlecht, wie ihr es wünscht, von großartiger Wirkung errichtet wird, das gestatten wir. Dabei wird zur Auflage gemacht, daß der Tempel, der unserem Namen geweiht ist, nicht durch betrügerische Verbrechen irgendeines Aberglau bens übel befleckt wird." Die Tempeldedikation war die Gegenleistung der umbrischen Stadt Hi spellum dafür, daß Constantin sie im Zuge einer Verwaltungsreform zur Provinzhauptstadt erhoben hatte. Daß die im letzten Absatz des Textes angesprochene Vermeidung von Aberglauben (superstitio) mit einem Ver21
P. Barcelö, Constantins Visionen zwischen Apollo und Christus, in: Huma nitas - Beiträge zur antiken Kulturgeschichte, Festschrift für Günther Gotdieb zum 65. Geburtstag, P, Barcelö/V. Rosenberger (Hg.), München 2001, .5 8 f.; vgl. auch T. G. Elliot, The Christianity of Constantine the Great, Scranton 1996, 61 ff. 22 CIL XI 5265= D 705: [...] IN CVIVS GREMIO | AEDEM QVOQVE FLAVIAE HOC EST NOSTRAE GEN | TIS VT DESIDERATIS MAGNIHCO OPERE PERFICI | VOLVMVS EA OBSERVATIONE PERSCRIPTA NE AE|DIS NOSTRO NOMINI DEDICATA CVIVSQVAM CON|TAGIOSE SUPERSTITIONIS FRAVD1BUS POLLUATUR.
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bot jeglicher Opferpraktiken gleichzusetzen sei, ist unwahrscheinlich. Schauen wir auf die zwischen 306 und 323 vor Constantin gehaltenen Lobreden, die ein zuverlässiges politisches Barometer für die vorherr schende Stimmung bilden, so zeigt sich auch hier keine substanzielle Än derung in der Wahrnehmung des Kaisers durch seine Hofgesellschaft. Für die Heiden blieb Constantin ein Gott, für die Christen eine verehrungs würdige Persönlichkeit, die sich der besonderen Gnade des christlichen Gottes erfreute. In den ersten zwanzig Jahren seiner Regierung gibt es eine beeindruckende Reihe von Stimmen, die ihn als Gott preisen (Inschriften, Bilder, Münzen etc.). Unter diese Stimmen - in unterschiedlichen Bre chungen und Zusammenhängen - sind vornehmlich die der heidnischen Panegyriker zu zählen.23 Außerdem vernehmen wir den Wunsch der Pro vinz Africa, nach Einrichtung einer Priesterschaft samt Kult für das Haus Constantins, wie der zeitgenössische Historiker Aurelius Victor vermerkt: Ferner wurde in Afrika für das Flavische Geschlecht ein Priesteramt eingerichtet und der Stadt Cirta, die infolge der Belagerung durch Alexander verwüstet war, nach ihrer Wiederherstellung und Ausschmückung der Name Constantina ge geben.24 Ebenfalls von Bedeutung für seine Wahrnehmung als Gottkaiser ist die Errichtung einer Kolossalstatue in Rom sowie die auf der Spitze einer Porphyrsäule angebrachte Statue des Stadtgründers von Constanrinopel, die im Zentrum der neuen Residenz stand und mit der Constantin als Gott gefeiert wurde. 25 Allerdings wird ab der Mitte der zwanziger Jahre der diesbezügliche Befund deutlich spärlicher. Die Einweihungsrituale von Constantinopel und die allerdings erst nach seinem Tod erfolgte Konse kration sind die auffälligsten Stationen der heidnischen Rezeption seiner Herrscherpersönlichkeit. Aus diesen Notizen ergibt sich, daß im eindeutig christlich geprägten letzten Dezennium seiner Herrschaft, im Verhältnis . zu den zahlreichen Bekundungen der Zeit davor, weniger tragfähige Zeug nisse vorliegen, die ihn als Gott darstellen. Dies kann kein Zufall sein. Man wird dahinter die kaiserliche Regie vermuten dürfen. Die Erklärung kann nur darin liegen, daß er sich seit 326 primär als Christ empfand und es daher unterließ, vor allem dort, wo er dies selbst bestimmen konnte, die 23 Belege bei M. Clauss, Kaiser und Gott, 196-201; zu Theodosius vgl. J. Eraesti, Princeps cbrisrianus und Kaiser aller Römer, 335 ff. 24 Aurel. Vict. 40, 28: Statuae locis quam celeberrimis, quarum plures ex auro out argenteae sunt; tum per Africam sacerdotium decretum FUviae genti, Cirtaeque oppido, quod ohsidzone Alexandri conciderat, reposito exornatoque nomen Constantina inditunu 25 M. Clauss, Konstantin der Große und seine Zeit, München 1996, 91 f.; 108 f.
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eigene Göttlichkeit hervorzukehren. 26 Auf der anderen Seite ließ er es ge schehen, daß sowohl seine eigene als auch die Göttlichkeit seiner Vorfah ren weiter öffentlich und im ganzen Reich propagiert wurde. Nehmen wir als ein Beispiel dafür den bei Sirmium dem Imperator christianissimus Constantius II. gewidmeten Meilenstein aus den SOiger Jahren des 4. Jahr hunderts: Der Imperator Caesar Flavius Julius Constantius, der Ehrfürchtige, vom Glück Gesegnete, Augustus, Allerhöchster Sieger, immerwährender Triumphator, des Gottes Constantinus, des besten und allerhöchsten Princeps (Sohn), der Götter Maximianus und Constantius Enkel, des Gottes Claudius Großenkel, Pontifex Maximus, Oberster Germanen- und Alamannenbesieger, Oberster Adiabenebesieger, im 32, Jahr der tribtinicia potestas, dreißigmal Imperator, siebenmal Consul, Vater des Vaterlandes, Proconsul, ließ, nach Befestigung der Straßen, Wiederherstellung der Brücken und Rückgewinnung des Staates, Steine setzen alle fünf Meilen quer durch Illyricum. Von Atrans am Flusse Savus 246 Meilen.27 Wir tun gut daran, keine allzu strikten christlich-heidnischen Trenn ungslinien zu ziehen, um die Selbsteinschätzung oder die Außenwahxnehmung des in einer noch mehrheitlich heidnischen Umwelt regierenden christli chen Kaisers zu erfassen. Die bipolare Gegebenheit der Situation verhin derte die Ausprägung von eindeutigen Verhaltensweisen. Ein Beispiel da für wäre die von Porphyrios vollzogene Gleichsetzung der christlichen Engel mit der heidnischen Götterwelt: Denn wenn ihr behauptet, daß Engel bei Gott stehen, leidensunfähige und un sterbliche und in ihrer Natur unzerstörbare Wesen, die wir Götter nennen, weil sie der Göttlichkeit nahestehen, was streitet man sich da um Namen; oder muß man nicht hier lediglich einen Unterschied in der Benennung annehmen? Ob wir diese Wesen nun Götter oder Engel nennen, das macht keinen Unterschied.2* Man war als Christ ein Stück weit Heide und umgekehrt. Dies läßt sich am Vorgehen des christlich erzogenen Kaisers Julian, der danach zum Hei26
Belege bei I. Karayannopolos, Konstantin der Große und der Kaiserkult, in: A. Wlosok (Hg.), Römischer Kaiserkult, WdF 372, Darmstadt 1978, 494ff. 27 CIL III3705: M • P • V | IMP CAES FLA IVL [ CONSTANTTVS PIVS FEL [ AUG VICTOR MAXIMVS | TRIUMFATOR AETERNVS | DIVI CONSTANTINI OPTIMI | MAXIMIQUE PRINCIPIS DIVO|RVM MAXIMIANI ET | CONSTANTI NEPOS DIVI | CLAVDI PRONEPOS PONTI |FEX MAXIMVS GERMANICVS | ALAMANICVS MAXIMVS | GERM MAX GOTHICVS | MA XIMVS ADIABIN MAX | TRIBVNICIAE POTESTATIS | XXXII IMP XXX CONSVLI VII | P P PROCVNSVLI VHS MVNIT|IS PONTIBVS KEFECTI | RECVPERATA KE PVBLICA | QVNARIOS LAPIDES PER IL | LYRICVM FECIT | AB ATRANIE AD FLUMEN | SAVVUM MILIA PASSUS | CCCXLVI. 2 * Fragment 76.
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dentum konvertierte, exemplarisch aufzeigen. Viele seiner in Briefen und Reden benannten heidnischen Positionen sind vom christlichen Gedan kengut inspiriert.29 Zwar entwickeln sich mit der Zeit bezüglich des zeremoniellen Um gangs mit dem Kaiser neue Formen, die den Bedürfnissen eines immer stärker zum Christentum tendierenden Herrschers gerecht zu werden ver suchten, aber diese lassen niemals vergessen, wo sein früherer Platz ge wesen war. In dem Maße wie die kultische Verehrung der kaiserlichen Person nachläßt, wird den Symbolen der kaiserlichen Macht verstärkt ge huldigt (adoratio purpurae). Einen Eindruck davon vermittelt die Hof haltung des Constantius IL30 Von besonderem Interesse ist sein Verhalten gegenüber den Heiden anläßlich seines Romaufenthaltes im Jahre 357, das vorher belastet gewesen war und in dem Verbot der Opferhandlungen im Jahre 356 einen negativen Höhepunkt erreicht hatte.31 Unter dem Ein druck der in Rom sehr lebendigen heidnischen Tradition revidierte der Kaiser seine kurz davor erlassenen antiheidnischen Maßnahmen, Der Hei de Symmachus lobte die tolerante Politik Constantius' IL, die in Kontrast zum rigorosen Vorgehen Gratians gesetzt wird, folgendermaßen: Dieser (Constantius IL) hat den vestaHschen Jungfrauen keines ihrer Privilegien weggenommen, er hat den Senatoren Priesterämter zugewiesen, er hat den rö mischen Kulten ihre Zuschüsse nicht verweigert und er ist durch alle Straßen der Ewigen Stadt hinter den erfreuten Senatoren einhergeschritten... obwohl er selbst einer anderen Religion anhing, hat er die unsere dem Reich erhalten.32
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VgL etwa den an einen unbekannten heidnischen Priester abgesandten Brief (Ep. 48), der als Musterbeispiel für Julians Bestrebungen, christliches Gedankengut in die angestrebte heidnische Reichskirche zu integrieren, gelten kann. 30 Vgl. Amm. Marc. XV 4, 3; CTh. VIII 7,4; vgl. auch C. Pietri, La politique de Constance II, 150. 31 CTh. XVI 10, 6; XVI10, 4. 52 Relatio III 7; Accipiat aeternitas vestra alia eiusdem principis facta> quae in usum dignius trahat Nihil ille decerpsit sacrarum virginum privilegtis, decrevit nobilibus sacerdotia, Romanis caerimoniis non negavit inpensas et per omnes vtas aeternae urbis laetum secutus senatum viditplacido ore delubra> legitinscriptafastigiis deorum nomina, percontatus templorum origines estj miratus est conditores cumque alias religiones ipse sequeretur, has servavit imperio.
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III Die Genese des Kaiserkultes entsprang unterschiedlichen Wurzeln. Die ursprünglichere bediente das Bedürfnis einzelner Städte, Landschaften oder Bevölkerungsgruppen, dem Herrscher, der bestimmte Leistungen für sie erbracht hatte, dafür zu danken. Durch die Stiftung von Tempeln, Kultfeiern u. ä. hielt man die Erinnerung an die erwiesene Wohltat wach und schöpfte zusätzlich Hoffnung, in Zukunft weitere Gunstbeweise zu erhalten. Eine andere Strömung des Kaiserkultes ging von den herrschen den Eliten aus, die dem regierenden Kaiser Akzeptanz, Kontinuität und Erfolg verheißen wollten. Dies äußerte sich in der routinemäßigen Hul digung des Staatsoberhaupts anläßlich seines Regierungsantrittes, seines Geburtstages, seiner errungenen Siege oder sonstiger Feierlichkeiten durch die staatstragenden Gruppen des Reiches: Senatoren, Curialen, Soldaten. Beide Quellen des Kaiserkultes, nennen wir die eine leistungsbezogen, die andere institutionell, spielen noch im 4. Jh. eine Rolle und kommen wäh rend dieser Zeit unterschiedlich zum Tragen. Während Constantin im Fal le von Hispellum die dankbaren Bewohner Umbriens, die ihn als Gott anbeteten, gewähren ließ, versuchte er bei den von ihm selbst veranstal teten offiziellen Anlässen, auf die Bedürfnisse der in Glaubenssachen ge spaltenen Gruppen einzugehen. So ließ er für seine heidnischen Soldaten ein theistisches Gebet verfassen, das von Eusebios 33 tradiert worden ist. Möglicherweise stammt es aber von Lactanz,34 der über eine ähnlich lau tende Anrufung der höchsten Gottheit durch Licinius anläßlich seines Kampfes gegen Maximin (313) berichtet. Nur Dich kennen wir als Gott, Dich erkennen wir als König. Dich rufen wir als Helfer an. Von Dir haben wir unsere Siege erhalten, durch Dich sind wir kräf tiger als die Feinde, Dir wissen wir uns zu Dank verpflichtet für die bereits erwiesenen Wohltaten, auf Dich als den Geber zukünftiger Wohltaten hoffen wir. Wir alle sind Bittsteller vor Dir, wir flehen Dich an: Du mögest unseren Kaiser Constantin und seine gottgeliebten Kinder möglichst lange für uns wohl behalten und siegreich am Leben bewahren. Auffällig ist zunächst der Ort, wo laut kaiserlicher Anweisung das Gebet verrichtet werden sollte »das offene Land vor den Städten«, das heißt, es dürfte nicht im Fahnenheiligtum der Garnison, wo die Götter- und Kai serbildnisse aufbewahrt wurden, gesprochen worden sein. Offenbar wollte man damit den herkömmlichen Kaiserkult umgehen. Angerufen wird eine » Euseb. VC IV 20. H De mort. pers, XLVI 6.
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anonyme höchste Gottheit, die sich durch Sieghaftigkeit auszeichnete. Namentlich erwähnt werden nur Constantin und seine Kinder, die sich der Förderung und Wirkkraft Gottes erfreuen und als Garanten des Er folges gefeiert werden. Das Gebet, das die Nahbeziehung zwischen Gott und Kaiser betont, steht in der Tradition der für Christen und Heiden geltenden religiösen WertvorsteUungen, Ein entsprechender Beleg findet sich bei Lactanz,55 in dem die Identifikation zwischen christlichem Gott und christlichem Kaiser nahezu vollkommen ist: Gott, der ewige Geist, ist in jederlei Hinsicht von perfekter und vollkommener Kraft. Wenn dies wahr ist, so ist es zwingend, daß er ein einziger ist. Denn die Macht oder die absolute Kraft gewährleistet die ihr eigene Festigkeit ... Wer wollte bezweifeln, daß derjenige der allmächtigste König ist, der die Herrschaft über den ganzen Erdkreis besitzt? Möglicherweise ersetzte die von Constantin verordnete Anrufung der höchsten Gottheit die herkömmliche Opferhandlung. Dennoch überwie gen die heidnischen Anspielungen: Gott und Kaiser werden auf eine her vorgehobene Ebene gestellt, was den heidnischen Soldaten, die darin eine traditionelle Kulthandlung erblickt haben dürften, die Akzeptierung der Neuerung erleichterte. Entscheidend aber ist die Mehrdeutigkeit des Ge betsinhalts. Dieser ermöglichte es auch christlichen Soldaten, die in der Gebetsformel eingeschlossene Herrscherverehrung mitzumachen. Neben Gebeten gehörten auch Opfer und Prpskynese zum Vollzug des Herr scherkultes. Für die Christen hatte die Opferhandlung den Beigeschmack der Idolatrie, während die Proskynese als unbedenklich angesehen wurde. Möglicherweise sind die von Constantin und seinen Söhnen erlassenen Opferbeschränkungen ein Zugeständnis an christliche Kreise, die keine Schwierigkeiten sahen, den Kaiser kniefällig zu verehren,36 Selbst zu. der 35
Div. Inst. I 3, 3-5 vgl. dazu M. T. Fögen, Die Enteignung der Wahrsager. Studien zum kaiserlichen Wissensmonopol in der Spätantike, Frankfürt 1993, 216. Div. Inst. II 2-5: nam si deus, qui omnia condidit, et idem dominus et idem pater est, unus necesse est, ut idem sit caput idemque fons rerum [-.] sie in hoc mnndi re publica nisi unus fuisset moderator, qui et conditor, out soluta fuisset omnis haec moles aut ne condi quidem omnino potuisset. 36 Euseb. VC II 44. CTh. XVI 10,4: IDEM AA: AD TAVRUM P(RAEFECTUM) P(RAETORIO). Placuit omnibus locis adque urbibus universis claudi protinus templa et accessu vetito omnibus licentiam delinquendi perditis abnegari. Volumus etiam eunetos saenfieiis abstinere, Quod si quis aliquid forte huiusmodi pei-petraveriL, gladio ultore stematur. Facultates etiam perempti fisco decernimus vindiazri et shmiliter +adfligi+ reaores provinciarum, si faänora vindicare neglexerint. DAT. KAL. DEC: CON~ STANTIO IUI ET CONSTANTE III AA: CONSS.; XVI 10, 6: IDEM A ET
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Zeit, als das Bekenntnis zum Christentum nicht ganz ungefährlich war, bemühten sich die Christen, als beflissene Untertanen des Kaisers zu gel ten. Die Vorstellung einer gottgewollten Kaiserherrschaft wird ein Ver haltensaxiom der frühen Kirche. Tertullian brachte es auf die Formel: Ein Christ ist niemandes Feind, am wenigsten des Kaisers. Da er weiß, daß dieser von Gott eingesetzt wurde, muß er ihn notwendig lieben, fürchten, ehren und seine Erhaltung wünschen.37 Wenn schon der streitbare Kirchenmann von seinen christlichen Mitbrü dern eine solche Respektbezeugung gegenüber einem heidnischen Kaiser verlangte, um wie viel mehr mußte einem christlichen Kaiser Verehrung seitens seiner christlichen Untertanen zukommen? Weil der Kaiser als Gott galt, gebührte ihm nach heidnischer Anschauung kultische Vereh rung, womit das herrschende politische System stabilisiert wurde. Götter kult und Kaiserkult verschmolzen zum Staatskult. Dem christlichen Kai ser gebührte auch aus christlicher Sicht, wenn auch in anderer Form, Ver ehrung, weil er die christliche Gemeinde zusammenführte und zum Voll zug des richtigen Gottesdienstes anwies. Die Herstellung der Einheit des christlichen Kultes war angesichts der in dogmatischen Fragezi tief ge spaltenen Kirche (Donatisten, Arianer etc.) eine Leistung, die höchste An erkennung hervorrief.38 Schlichtete der christliche Kaiser innerhalb der zerstrittenen christlichen Kirche, so verdiente er dafür verehrt zu werden: Auch für den christlichen Kaiser war die ihm zuteil gewordene Huldigung eine Frage der Etikette und zugleich eine Dankbarkeitsbezeugung für er brachte Leistungen im Bereich der Kircheneinheit. Doch daneben sollte nicht übersehen werden, welchen Reiz die arianische Trinitätsdeutung auf einen christlichen Herrscher ausüben konnte. Hatte nicht der Arianer Eu~ sebios von Caesarea den göttlichen Logos und den Kaiser in einem Atem zug genannt und Constantin und seine Söhne als Abbild von Gottvater, Logos und Geist hingestellt?39 Das System des Subordinatdanismus bot sich für Identifikationen an, die gemäß der arianischen Formel eine Posi tionierung des Kaisers auf einer unterhalb von Gottvater befindlichen (etwa vergleichbar mit Christus) Ebene ermöglichten. Wenn Christus weIVLIVANVS CAES. Poena capitis subiugayi praecipimtts eos, quo* operam sacrificiis dare vel colere dmulacra constiterit. DAT XI KALL MART. MED(IOLANO) CONSTANTIO A VIII ET IVUANO CAES. CONSS, 37 Ad Scapulam 2, 6. 3 * H- Leppin, Von Constantin dem Großen zu Theodosius II. Das christliche Kaisertum bei den Kirchenhistorikern Socrates, Sozomenus und Theodore:, Götringen 1996, 42 ff. 39 Euseb. Laus Const. I 7.
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sensähnlich und nicht wesensgleich mit Gottvater war, zudem irgendwann geschaffen, also nicht vor aller Zeit vorhanden gewesen war, dann bekam ein exzeptioneller Mensch - etwa der Kaiser - die Gelegenheit, sich ihm anzugleichen. Constantin und vor allem sein Nachfolger Constantius II., der zum Arianismus neigte, war in einer Familie von Göttern aufgewach sen. Großvater und Vater waren konsekriert worden. Es ist also nur fol gerichtig, wenn sich der Kaiser jener Richtung innerhalb des Christentums anschloß, die ihm den größtmöglichen sakralen Rang verhieß-40 Ab den 30er Jahren des 4. Jahrhunderts koexistierten mehrere miteinan der vielfach verwobene, aber dennoch vom Bewußtsein ihrer spezifischen religiösen Eigenart erfüllten Bevölkerungsgruppen (Heiden, orthodoxe, donatistische, arianische Christen, Manichäer etc.). Die spätantike Welt zeichnete sich durch eine bemerkenswerte Komplexität aus. Über alles Trennende hinweg bildeten Christen und Heiden eine durch kulturelle, soziale, politische, wirtschaftliche und menschliche Bande verbundene und aufeinander angewiesene Gemeinschaft. Wie ähnlich christliche und heid nische Anschauungen sein konnten, läßt sich an der Biographie des Firmicus Matexnus aufzeigen. Trotz seines Konfessionswechsels verzichtete er nicht auf den Großteil seiner Grundüberzeugungen, die jenseits des momentan ausgeübten religiösen Bekenntnisses fortbestanden.41 Auch Synesios von Kyrene ließe sich hier einreihen.42 Der Vielschichtigkeit der Verhältnisse vermochten eindimensionale In itiativen nicht gerecht zu werden. Dies hatten die Verfolgungsedikte des Diocletian und Galerius verdeutlicht, die auch deswegen scheiterten, weil sie mit allzu simplen Methoden versuchten, ein allzu komplexes Problem anzugehen. Der christlich gewordene Constantin mußte folglich mit der Realität eines religiös geteilten Reiches umgehen. Er tat dies, indem er sich auf altbewährte römische Grundsätze besann: Leben und leben lassen, so könnte die Kurzformel der pragmatischen Staatsklugheit der Römer lau ten, wonach die als bürgerfreundKch apostrophierten Principes stets ge handelt hatten. Als Beispiel wäre Trajans gelassene Haltung in der Chri stenfrage zu nennen.43 Es machte wenig Sinn, der heidnischen Bevölke40 K. Groß-Albenhausen, Constantius II, in: M. Gauss (Hg.), Die römischen Kaiser, München 1997, 331; L. W. Baxnard, Athanase et les empereurs Constantin et- Constance, in: G Kannengiesser (Hg.), Politique et theologie chez Athanase dAlexandrie, Paris 1974, I40f. 41 M. T. Fögen, Die Enteignung der Wahrsager, 278 ff. 42 W. Hag), Arcadius Apis Imperator. Synesios von Kyrene und sein Beitrag zum Herrscherideal der Spätantike, Stutegart 1997, 10-20. 43 P. Barcelö, Reflexiones sobre el tratamiento de las minorias por parte del em-
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rung die eigenen christlichen Vorstellungen zu verordnen. Hier agierte Constantin äußerst behutsam, zeigte sich stets bestrebt, einen Konsens zu erzielen. Dies galt insbesondere gegenüber den unterschiedlichen christli chen Gruppierungen, die er mittels Kompromissen zur Einheit verpflich ten wollte. Gegenüber der heidnischen Bevölkerung nahm er das Amt des Pontifex Maximus wahr und ließ die traditionellen Kulte unbehelligt. Gleichzeitig nahm er sich als Person so weit zurück, wie dies, ohne An stoß zu erregen, möglich war. Doch weder er noch seine Nachfolger ver boten den Kaiserkult. Wir besitzen ein aufschlußreiches Zeugnis aus dem Jahr 360, das uns verdeutlicht, wie der römische Kaiser, hier ist es der noch offiziell als Christ geltende Julian, vom alamannischen Klientelkönig Vadomar als »deus« angesprochen wurde. 44 Eine ausdrückliche Einschränkung des Kaiserkultes wurde von Kaiser Theodosius IL erst im Jahr 425 verfügt. Es gab aber Vorboten dazu, etwa die im Jahr 382 von den Kaisern Gratian, Valentinian II. und Theodosius I. an den Dux der Osrhoene Palladius erlassene Verfügung,45 in der festge stellt wird, daß die in den heidnischen Tempeln aufbewahrten Götterbilder (simulacra) auf Grund ihres künstlerischen Wertes, nicht aber nach ihrer göttlichen Wirkkraft beweitet werden sollten. Diesen Faden nahm Theo dosius II. auf, der daraus folgerte: Wenn jemals unsere Statuen und Büsten aufgestellt werden, sei es an Festtagen, wie es Brauch ist, oder an gewöhnlichen Tagen, soll der Statthalter ohne die gunstbeflissene Erhebung der »adoratio« dabei sein, damit der Schmuck für den Tag oder für den Ort und für unsere Erinnerung an ihn beweist, dass die Ge genwart sich genähert hat. Auch die bei den Spielen aufgestellten »Götterbilder« sollen zeigen, daß unsere Gottheit (numen) und die Lobesreden nur in den Herzen und in den geheimen Gedanken der Herbeieilenden weiterleben. Wenn
perador romano: Trajano y los cristianos, in: C. Rabassa/R. Stepper (Hg.), Erstes europäisches Kolloquium der Forschungsgruppe Religion, Macht, Monarchie: Hei lige Herrscher - göttliche Monarchien, Castellön 2002. u Amm. Marc. XXI 3, 5: Iulianum autem assidue per litteras dominum et Augustum appellabat et deum. 45 CTh. XVI 10, 8: IDEM AAA. PALLADIO DVCI OSDROENAE. Aedem olim frequentiae dedicatam cetui et iam populo quoque communem, in qua simulacra feruntur posita artis pretio quam divinitate metienda iugiter patere publici consilii auctoritate decernimus neque huic rei obreptivum officere sinimus oraculum. Ut conventu urbis et frequenti coetu videatur, experientia tua omni votorum celebritate servata auctoritate nostri ita patere templum permittat oraculi, ne illic prohibitorum usus sacrificiorum huius occasione aditus permissus esse credatur. DAT. PRID. KAL. DEC. CONSTANTINOP(OLI) ANTONIO ET SYAGRIO CONSS.
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ein Kult die Würde der Menschen überschreitet, wird er für die überirdische Gottheit (numen) bewahrt.4* Betrachtet man den Wortlaut des einschlägigen Gesetzes, das die kultische Anbetung des römischen Kaisers problematisierte, so gibt dieser unzwei deutig zu verstehen, daß mindestens bis zu diesem Zeitpunkt die religiös aufgeladene Verehrung des Herrschers üblich war. Der kryptische Wort laut gibt dennoch deutlich zu erkennen, daß Statuen, Büsten oder Kaiserportraits bei Festtagen öffentlich aufgestellt und verehrt wurden, woraus sich folgern läßt, daß unbeschadet der Hinwendung der römischen Herr scher zum Christentum der Kaiserkult seine große Bedeutung beibehielt. Was sich jedoch bereits seit Constantin, noch deutlicher aber unter, seinen christlich erzogenen Nachfolgern abzeichnete, war ein Rückzug von der traditionellen Kultpraxis bei gleichzeitiger Intensivierung der Präsenz bei christlichen Veranstaltungen (Gottesdienste, Bischofssynoden, Kirchen einweihungen etc.). Je sichtbarer die Abwesenheit des Kaisers beim Voll zug der heidnischen Rituale wurde, desto mehr verengte sich der Spiel raum f &r den Kaiserkult. Mit dem Verzicht auf die Bekleidung der Würde des Pontifex Maximus durch Gratian und Theodosius war ein Höhepunkt im Prozeß der Distanzierung des Kaisers von der traditionellen Religion erreicht, was einer Fortsetzung des Kaiserkultes letztlich den Boden ent-
IV Man könnte vermuten, daß mit der Beseitigung der Göttlichkeit, des Im perators die Hindernisse für den Vollzug des Kaiserkultes für die Christen entfallen wären Doch so einfach lagen die Dinge nicht. Abgesehen davon, daß die christlichen Herrscher offenbar nicht daran dachten, einen derar* CTlu 15,44 = CJ I 24,2r IM?. THEOD(OSIVS) A. ET VAL(ENTINI)ANVS CAES. AETIO P(RAEFECTO) P(RAETORIO). Si quando nostrae statuae vel imagines eriguntur seit diebtts, ut adsolet, festh sive communibusy adsit index sine adorationis amibitiöSQ fastigio, ut orjuimentum diei vel loco et nostrae recordationi sui probet acessisse praesentiarru j Ludis quoque sbmtlacra proposita tantum in animis concurrentwn mentisque secretis nostrwn numen et laudes vigere demonstrent; excedens adtura homimtm dignitatem svtperno numini reservetur. DAX III NON MAL THEOD(OSIO) A XI ET VAL(ENTINIANO) CAES. CONSS. 47 R. Stepper, Zum Verzicht Kaiser Gratians auf den Oberpontffikat, in: C. Rabassa/R. Stepper (Hg.), Erstes europäisches Kolloquium der Forschungsgruppe Religion, Macht, Monarchie. Heilige Herrscher - götdiche Monarchien, Castellön 2002.
Beobachtungen zur Verehrung des christlichen Kaisers tigen Vorstoß zu unternehmen, ist keineswegs sicher, ob dies auch wirk lich von ihnen erwartet wurde. Wenn wir uns vergegenwärtigen, daß erst Theodosius II. im Jahre 425 mit äußerst unkonkreten Formulierungen zur Beendigung des Kaiserkultes aufforderte, indem er die eigene Gottheit leugnete, so muß man fragen, warum in den zurückliegenden 100 Jahren christlichen Kaisertums nichts dergleichen geschah. Die Antwon darauf kann nur lauten, daß dazu keine Notwendigkeit bestand. Überblickt man die Zeugnisse, die sich mit dem Thema der Kaiservereh rung im 4. Jahrhundert auseinandersetzen, so ergibt sich, daß mit der Re gierungsübernahme christlich gesinnter Herrscher keine radikale Ände rung der überlieferten Formen des Kaiserkultes einherging. Der Geburts tag, der Regierungsantritt, die Siege, die runden Regierungsabschnitte (decennalia, vicennalia, tricennalia) der Herrscher wurden vom Senat, den Curien und den zahllosen Städten des Reiches, von den Militäigarnisonen und von Privatpersonen unter Rückgriff auf die üblichen Zeremonien be gangen. Die Anbetung der Kaiserbildnisse, der Vollzug von Opferhand lungen vor den Göttern und der göttlichen Majestät des regierenden Herr schers, die Darbringung von Gelübden für die Wohlfahrt des Reiches und seines Oberhaupts waren Bestandteile eines eingespielten Rituals. Mochte sich der fernab weilende Herrscher mehr oder weniger prononciert als Christ empfinden, es ist unwahrscheinlich, daß die hundertfachen Zere monien der Beteiligten darauf Rücksicht nahmen, genauer, überhaupt vor der Notwendigkeit standen, darauf Rücksicht nehmen zu müssen. Dies wäre nur dann der Fall gewesen, wenn die Zentralregierung diesbezügliche Direktiven erlassen hätte. Doch darüber schweigen unsere Quellen, wor aus wir folgern können, daß der Kaiser seine Untertanen einfach gewähren ließ. Er schritt gegen die kultische Verehrung seiner Person nicht ein, weil sie nicht als unüberbrückbarer Widerspruch empfunden wurde. Er ließ es auch geschehen, daß auf Meilensteinen und Ehreninschriften seine Gött lichkeit und die seiner Vorfahren verkündet wurde und ebenso ließen die christlichen Nachfolger ihre christlichen Vorgänger nach heidnischem Ri tual konsekrieren. Dabei konnte man ins Feld führen, daß es sich um zwei getrennte religiöse Systeme handelte, mit völlig unterschiedlichen Begrif fen für das Göttliche. Heidnische Götter waren Bestandteile eines über wundenen Geschichtsabschnitts, ihre Verehrung hatte aus christlicher Sicht mit Pietät oder Traditionsbewußtsein, weniger mit- Religion im christlichen Sinne zu tun. Die Huldigung einer Kaiserbüste etwa galt nicht dem Gottkaiser, sondern der Majestät des Herrschers. Christliche Vor denker wie Gregor von Nazianz48 oder Ambrosius von Mailand49 erblick48
Or. IV 81. * Exameron VI 57.
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ten in der Anbetung des Kaisers eine historisch gewachsene Notwendig keit. Sie entschärften ihre für Christen explosive Brisanz, indem sie auf die Äußerlichkeiten des Rituals verwiesen, womit sie die Sprengkraft der gött lichen Natur des Kaisers herunterspielten. Es ist eines der erstaunlichsten religionspolitischen Phänomene des 4. Jahrhunderts, wie am Beispiel des Constantius IL sichtbar wird, daß der seiner Göttlichkeit entsagende, nun christlich gewordene römische Kaiser zwar die Richtlinien der Glaubensausübung bestimmte, aber damit keinen wirksamen Konsens innerhalb der Kirche zu stiften vermochte.50 Seine kultische Leitungsfunktion wird zwar formal anerkannt; tatsächlich aber durch das Verhalten der Bischöfe ausgehöhlt, womit sie dem Herrscher zunehmend aus den Händen gleitet Unter dem Deckmantel von- theolo gischen Streitigkeiten manifestiert sich Dissens zwischen antagonistischen christlichen Gruppierungen, lodert ein Konflikt um brüchig gewordene Loyalitäten. Wir erleben ein Tauziehen um die Beanspruchung der höch sten religiösen Autorität: Stand ein häretischer Kaiser höher als ein Kle riker, der vom Bewußtsein erfüllt war, die richtige Form der Gottesver ehrung zu verkünden? Deutlicher als in der Vergangenheit erlebte die römische Gesellschaft ab der Mitte des 4. Jahrhunderts eine tiefe Kluft zwischen Politikgestaltung und Kultverwaltung. Wenn maßgebliche Bi schöfe ihre Treue zu einer bestimmten dogmatischen Lehrmeinung höher stellten als ihre Gehorsamspflicht gegenüber dem Kaiser, dann zerbrach damit eines der wirksamsten Bande, das Politik und Religion zusammen hielt. Mit der Verbreitung derartiger Kultgewohnheiten entwickeln sich neue Formen religionspolitischen Handelns. Bischöfe und Kaiser wettei fern um die Gunst des einen unteilbaren Gottes. Bestand am Anfang eine Are Äquidistanz, so verkürzen sich die Wege zugunsten der Kirchen repräsentanten. In früheren Zeiten waren die Herrscher hinsichtlich der Monopolisierung der »sacra publica« so gut wie konkurrenzlos. Die An erkennung und Durchsetzung des christlichen Gottes erforderte ein neues Beziehungsgeflecht, aus dessen Zentrum der Kaiser immer mehr verdrängt wurde. Heilige Männer, Bischöfe bzw. theologisch geschulte Experten tra ten als Sprachrohr des göttlichen Willens auf und handelten als unbestrit tene Autoritäten in Kultfragen. Damit war der Kaiser nicht mehr die höchste und unanfechtbare Instanz, sondern eben nur eine Autorität unter anderen. Mit dem Verlust der eigenen Göttlichkeit und der Verdrängung 50
Vgl. Dazu R. Klein, Constantius IL und die christliche Kirche, Darmstadt 1977; P. Just, Imperator et episcopus - Zum Verhältnis von Staatsgewalt und christ licher Kirche zwischen dem ersten Konzil von Nicaea (325) und dem ersten Konzil von Konstantinopel (381), PAwB 8, Stuttgart 2003 (im Druck).
Beobachtungen zur Verehrung des christlichen Kaisers
339
des Kaisers ans dem Zentrum der Kultpolitik ging ihm ein beträchtliches Stück an politischem Gestaltungspotential verloren. Schwindende Macht verringerte die Notwendigkeit der Verehrung ihres Repräsentanten, bis diese schließlich im Westteil des römischen Reiches irrelevant wurde. Be kanntlich ging Byzanz andere Wege und so konnte sich dort die Vereh rung des Kaisers anders gestalten und vor allem länger behaupten.
Register Topographisches Register Abonouteichos 3, 13, Achaia . 76, 210, 225, 228-229. 250. 296. Acrium 34, 85, 192-193, 197-198. 241. 244, Adramytrion 252, Ägyp-ten, -tus 9-10, 49, 74, 85-86, 236, 301-302, Afiica 35, 39^0, 42, 136, 138-139. 141, 238, 244, 328, Agiigent 237-238, 240, 245, Agyrion 233, Aitne 235, Aizanoi 20, 227. Akrai 233, Akraiphia(i) 10-11. 35. 38. 76. 214216, 222-223. 294, 297. Alabanda 252, 255. Alba 172, 177, Alexandri-a, -en 5. 9-10. 31, 74, 85, 250, 265. 290, Caesar-Tempel 250. Forum Iulium 250, Sebasteion 250, 265, Amiternium 73, Anagnia 177, Ankara —> Ankyra Ankyra 258-259. 262, 264-265, 268. Roma-Augustus-Tempel 25&-259, 262, 264, Theater 259.
Antiocheia (Pisidien) 259-260, Agora 259-260, Bouleuterion 260, Kaiserkulttempel 259-260. Plateia des Augustus 260. Plateia des Tiberius 260, Antium 177, Apame(i)a 37. 252, Aphrodisias 12, 104, 255-258, 268, Aphrodite-Tempel 256. Atrium-Haus 256, Sebasteion 255-256, Stadion 256. Aquitania 140, Aritium 34-37, 72, Arles 75. Arpinum 98, 177. Asia / Asien 35-37, 42, 49. 100, 104, 138, 141, 165. 228-229, 234-235. 249, 252, 255, 261, 265-268, Asopos 218, Assos 35-39. Athen 6, 222. 226-228, 293. Roma-Augustus-Tempel 293, Äugst 254, Auximum 239, Avenches -> Aventicum Aventicum 254 Babylon 39,308, Baetica 245.
342
Register
Bargylia 10. Bergama —> Pergamon Beziers 105. Bithyni-a, -en 19. 37-38. 141. 174. Boiotien 76. 216-217. 294. Byzanz 61.339. Caesaraugusta 241. Caesarea 327. 333. Cannae 36. Capua 177. Camuntum 182. Catina 238.240. Centuripae 233. 242. Chaironeia 215-216. Chalkis 235. Chios 302. Chrysopolis 60. Qrta 328. Constantina 328. Constantinopel —> Konstanrinopolis Creta et Cyrenaica 140. Cyprus —> Zypern Dakien 134.243. Delphi 210. 213. 223-226. 302. Marmaria 224. Didyma 13. Dory-laeum, - aia 37. 252. Dougga 75. Dura Europos 50. 308. Echinos 214. Elaia 111-112. Eleusis 227. Emessa 321. Epeiros 236. Ephesos 6. 9. 19. 226. 251-255. 265. 267-268. Artemision 255. BasilikeStoa 251-252. Domirian-Tempel 254. Doppelmonument 255.
Kuretenstraße 254. Markttempel 253. Obere Agora 253-254. Epidauros 8. 22. 222. Eresos 253-254. 265. 267. Augustus-Tempel 265. C und L. Caesar-Tempel 253. Eumeneia 37. 252. Fanum 251. Firanlar 19. Frusino 177. Galari-a, -en / galatisch 32-33. 42. 249. 255. 258-259. 262-264. 266-268. Galli-a, -en 35. 177. 238. 244. Gallos (Fluß) 264. Gangra 32-33.36-37. Gaulus (= Gozzo) 241. 245-246. Germania 134. 137. Gytheion 5. 16. 218-221. 229. 250. Hadrianopolis 60. Halaesa 240.243-245. Hellas 296. Heloros 233. Herakleia am Latmos 255. * Herbessos 233. Herculaneum 243. Hippo Regius 241. Hispania 35. 100. 104. 134. 136. 138. 244. Hispellum 327. 331. Hypata 212-214.225. Iasos 12. 18. 252. Ioulis 21. Isernia 72 Israel 86.286.303.311. Isthmia 223. Itali-a, -en 35. 69. 91. 165. 167. 177179. 182. 235. 238. 241. 243-244. 247.
Topographisches Register Iudaea 289.303. Jerusalem 39. 85. 285. 287-292. 302. 306. 308. Kalindoia 16. 18. Karrhai 53. Karthago 39. 41. 178. 293. Kentoripe -» Centuripae Kierion 212. KiKkien 182. Klaros 235. Köln 260. Ubieraltar 260. Koloe 14. Konstanrinopolis 61. 63. 65-66. 328. Korinth 105. 216. 235. 285. 293-294. 296. 298-299. 305.
Basilica 293. Forum / Agora. 293. Lechaion-Hafen 293. Koroneia 215-217.222. Korope 3. Kos / koisch 9.15. 17. Kreta 6.228. Kynoskephalai 211. Kyrene 97. 104-107. 109-111. 116117. 226. 334. Kysis 8. Kyzikos 265. Lamia 212. Larisa 213. Leontinoi 233. Leptis (Lepcis) Magna 105. 241.. Lipara 240. Lokroi 80. Lucus Feroniae 251. Lugdu-num, -nensis 101. 137. 140. Lusitaai-a, -en 34-35. 42. Lilybaeum 244. 246. Lyon —» Lugdunum Lyttos 6.
343
Magnesia am Mäander 9. 226. Mainz 175. Macedonia / Makedonien 211. 235. Mallos 3. " Malta 241. Megara Hyblaia 233. Messana 234. Metropolis 212-213. Milet 10.255. Ära Augusti 255. Misenum 243. Moesia 138. Myla-sa 252. Mytilene 6. 10. Narbo 30. Naulochos 197.241. Nemea 223. Neton 233. Nikomedeia 143.326. Nikopolis 223-224. Kisibis 59. Nola 75. Oinoanda 8-9. 16. 18. 250. Olymp 75. Olympia 102. 223. Orange 75.260. Ormelai 17. Osrhoene 335. Ostia 243.254. Otricoli 243. Palästina 289. 301-302. Palmyra * 134. Pamphylien 267.297. Panhormus 241.244. Pannonia 135.137-138. Paphlagonien 13.32-33, Parma 105. Pedtaelissos 20. Peloponnes 210. 296,
344
Register
Pergamon 7. 10. 49. 98.100.103.111116. 235. 252. 260-262. 264-265. 267-268. Agorai 261. Asklepieion 98. 103. 111-116. 261. Bouleuterion 261. Eumenische Stadt 261. Roma-Augustus-Temenos 252. Theater 262. Traianeum 260-261. Pessinous 19. 263-265. 268. Phazimon —» Gangra Philadelpheia 12. Philia 211. Phokis 224. Picenum 239. • Pisidi-a, -en 249. 257. 259. 268. Plataiai 227. Pola 254. Pompeji 251.308-309. Pontos / Pontus 13. 141. 174. Praeneste 33. Priene 37. 252. 268. 302. Puteoli 235. Reate 177. Rhodos 228. 297. Rom(a) V-VL VIII. 14. 30. 32. 37-40. 42. 48-49. 54. 62. 65. 69-70. 72. 76. 91. 97-99. 101. 113. 133-134. 140. 145. 157. 160. 162-164. 171-172. 174-182. 184. 190. 193. 196. 201. 203. 211. 214. 216-217. 229. 235238. 240-241. 245-247. 251. 257. 288-290. 293. 301. 303. 330. aedes Vestae 168. aedis Apollinis 197. Apollo Palatinus-Tempel 190. 197-198. 202. Ära Cereris Matris et Opis Augustae 201. Ära Fortunae Reducis 201. Ära Gentis Iuliae 201.
Ära Numinis Augusu 30. 200. Ära Pacis Augustae 30. 54. 162. 168. 195. 199-201. Ära Providentiae 190. 195. 198201. Augustus-Forum 54. 58. 190. 202203. Augustus-Mausoleum 198. campus Agrippae 200-201. Capitol 38. 99. 101. 193-196. 237. Concordia-Tempel 196. Divus Augustus-Tempel 189. 195196. Divus lulius-Tempel 198. Forum Romanum 99. 196. 198. Iuppiter-Tempel 173-174. 193. Iuppiter Feretrius-Tempel 237. Iuppiter Tonans-Tempel 193. Kapitol -» Capitol Marcellustheater 195. Mars Ultor-Tempel 53-54. 58. 65. 101. 190. 193. 202. Palatin 91. 195. 197. Pantheon 62. 101. 113. 198. Regia 202. Rosellae 243. Sagalassos 255. 257-258. 297. Antoninus-Pius-Tempel 257-258. Apollon-Tempel 257. Bouleuterion 257-258. Nymphaion 257-258. sog. Odeion 257. Theater 258. Thermen 258. Samos 32. 105. 235. Sardeis 14.252. Sardinia 35. 244. Sarmizegethusa 243. Scolacium 243. Selin(o)us 62. 182. Selge 255.257-258. Aelius-Caesar-Tempel 257.
Topographisches Register Serdica 326. Siciüa 35.233-247. Siena 308. Sikyon 305. Siris 215. Sirmium 329. Sizilien / sizilisch -» Sicilia Smyrna 104. 226. 228. 252. Spanien / spanisch -» Hispania Sparta 217.219.222. Stratonikeia 7. 14-15. 262-265. 268. Syrakus 233-237. 239. 241-242. Syria 135.
Thasos 252. Thera 252-255.268. Dionysos-Tempel 253-254. Stoa Basilike 252. Thermae Himeraeae 240. Thermopylen 223. Thessalien / thessalisch 211-214. 217. Thyatteira 3. 17. 19. Thysdrus 134. Tibur 145. 243. Tivoli -•» Tibur Tralle(i)s 235. 252. 255. Umbrien / umbrisch 327. 331.
Tainaron 218. Tarent 80.178. Tarraco 104. Tauromenion 233. 235. Terracina 170.254.
345
Veleia 105. Vernegues 260 Zypern 229.
346
Register
Personen- und Götxernamen Acca Laren tia 192. A. Claudius Charax 113. Adonis 15. Aelius Caesar 257. Aelius Saoterus 143. Agrippa -> Vipsanius Agrippa Agrippa I. (Iudaea) 289. Agrippina 21. 194. 196. Ahura Mazda $7. Alexander d. Gr. 303.' Alexander Severus -» Severus Ale xander Alexandros von Abonouteichos 3-4. 13. Ambrosius von Mailand 337. Amphilochos 3. Amyntas (Galatien) 262. Andronikos (von Metropolis) 213. Anonymus 135. 139. Antigonos Gonatas 90. Antiochos IV. Epiphanes 290. Antonia 194. Antonine / antonini(aoi)sch 50. 52. 54-55. 57. 131. 133. 137. 146. 152. 180. Antoninus Pius 9. 21. 53.-71. 74. 134. 137. 141. 175. Antonius —> Marc Anton Aphrodite 8. 104. 219. 256. 293. Aphrodite Prometor 256. Apollo(n) 3. 6-9. 11. 13. 16. 21. 88. 9.1. 97. 105. 108. 116-117. 198. 218. 223. 291. Apollon Didymeus 255. Apollon Nisyrites Soter 11. Apollon Ptoios 29^-297. Apollo Palatinus 197-198. Apollooios von Kalindoia 16. 18. A. Postumius Albinus 178.
Appian 74. Aquilia Severa (= Vestaün) 171. Archytas 80. Ares 21. Aristarch von Samos 89. Aristides 260. Arsinoe 19. 236. 238. Artemis 6. 14. 251. 255. Artemis Epiphanes 11. Artemis Kindyas 10. . Artemis Kyparissia 218. Asklepios 3. 13. 17. 111. 115. 303. Asklepios Soter 111. 113. Ateius 72. Athe-na, -ne 6. 37. 197. Athena Itooia 211. 215-216. 221. Atia 91. Attalos II. 115. Attalos III. 111-112. 115. Atticus 98. Augustin(us) 41. 83, Augustus VI-VH. 6. 10. 16-17. 21. 29-37. 49. 52-55. 58-59. 62. 69-75. 77, 84-85. 88. 90-91. 99. 101. 104. 10^107. 110. 134. 141. 144. 158162. 165. 168-169. 173. 179. 191198. 200-203. 211-213. 217. 219. 223. 237-238. 240-242. 244-246. 251-255. 258-260. 263. 265. 268. 284. 291. 293-294. 303. 324. Augustus Germanicus -> Caius Cae sar Aurelian(us) 65. 321-322. Aurelia Severa (= Vestaün) 171. Aurelius Victor 328. Balbinus
159.
C. Aelius P. f. Domitianus Gaurus 135. 141.
Personen- und Götternamen Caesar 30. 32. 51. 69. 72. 74-75. 99. 101. 106. 160. 198. 245. 250. 252255. 293. 323. Caesar Augustus --> Augustus Caius Caesar 21. 31. 35-38. 70. 74. 85. 91.166. 194-196. 199-202. 214. 217. 222-223. 241. 285. 287-292. 297. Caligula ~» Caius Caesar Cannuüa Crescentia (= Vestalin) 171. Caracalla 53. 57. 144-145. 171. 173. 238. Carinus 162. Carus 162. Cassius Dio 73-74.143.150-152.171. 192. 322. Castor 29. C. Aufidius C. f. Victorinus 135. 139. 142. C. Bruttius C. f. Praesens 135. 138. 142. C. Caesar 200. 237. 240. 253. C Claudius Marcellus 239. Ceres 241.243-245. Cerialis Anicius 101. Christus -» Jesus Christus Cicero 88. 90. 98-99. 103. 234-237. C. Iulius Caesar -> Caesar C. Iulius Eurykles 218-219. C. Iulius Lakon 218. Claudius 21. 31. 54. 71. 85. 91. 183. 194. 202. 212-213. 222. 240. Claudius Gothicus 64-65. Clodia Laeta (= Vestalin) 171. Cn. Calpurnius Piso 199. Cn. Cornelius Dexippos 215-216. Commodus 51-52. 55. 61. 133. 138. 143. 145-146. 176. 321. Constans 31^-320. Constantin(us) / konstantinisch 51. ' 55-57. 59-61. 63-65. 284-285. 300. 319-320. 322-323. 326-328. 331336.
347
Constanün(us) IL 31^-320. Constantius I. Chlorus 51. 64-65. 319-320. Constantius IL 57. 59. 61. 175-176. 184. 319-320. 326. 329-330. 334. 338. Cornelia (= Vestalinnen) 170. C. Plautius Rufus 239. C. Poppaeus Sabinus 212. C. Publilius Pilargurus 240. Crispina 138. C. Rubellius Blandus 107. C Sextilius Pollio 251. C. Valerius Flaccus 149. C. Verres -> Verres Dalmatius -»Delmaüus Damas von Milet 10. Daniel (Prophet) 290. Daphnos 18. Dea Augusta Messalina -» Messalina Dea Dia 190-193. Decimus Magnus Ausonius 238. Decius 73. 324. Delmatius 61. Demeter 236.238. Demeter Karpophoros 21. Demetrios Poliorketes 91. Demosthenes von Oinoanda 8. 18. Didius Iulianus 53. 135. 140. Dio -» Cassius Dio Dio Chrysostomos 81. 90.. Diocletian(us) 51. 59. 163. 180. 319320. 322. 334. Diodotos 12. Diogenes (von Aphrodisias) 104. Diokletian / diokleüanisch —* Diocletian Dion von Prusa 88. 90. Dionysos / dionysisch 19. 34. 77. 253. Diotogenes 80-81. 83. 89. Divus Antoninus Pius -> Antoninus.
Pius
348
Register
Divus Augustus -> Augustus Divus Iulius -» Caesar Divus Vespasianus -» Vespasian 70-71. 76. 91. 166-167. Domitian 170-171. 173-175. 183. 213. 254. Drusilla 31. 71. 194. Drusus 30. 219. Drusus minor 105. 242. Ekphantos 80. 82. Elagabal 19. 53. 171-173. 321. Epam(e)inondas von Akraiphia(i) 1011.214.216.222.296-297. Epineikidas 218. Eusebios / Eusebius 284. 289. 327. 331. 333. Euxenos 11. 12. Faustina die Jüngere 145. Faustina Pharia Sosistolos 10. [-] Fidus A[-] Gallus Paccianus 135. 140. 142. Firmicus Maternus 334. Flamininus 211. 219. 235. 297. Flavia Laneika 215-216. Fla via Meliune 113-116. Flavianus Hekatodoros 7. Flavius Eutolmius 12. Flavius Josephus 323. Frontinus 150. Furius Philocalus 49. 54-60. 64-67. Galerius 59. 326. 334. GalKenus 212. Gallus 320. Gellius 148. Gelon 236.239. Germanicus 35. 37.144.194.199-200. 219. 242. Glykon 3-4. 13. Gordianus III. 64-65.
Gratian 159. 176. 326. 330. 335-336. Gregor von Nazianz 337. Hadrian 8. 19-21. 62-63. 71. 74. 91. 98. 103. 111-116. 136. 141. 151. 176. 212. 217. 223-224. 226-228. 242-243. 260. 265. 321. Hadrian Panhellenios 227. Hannibal 177. Hannibalianus 61. Hekate 14-15. Hekate Soteira 17. Heliogabalus -» Elagabal Helios 297. Helvius Agrippa (= Pontifex) 171. Helvius Pertinax 53. Herakles 10. 77, 238. Heraklios 234. Hercules 145-146. 321. Herennius 73. Hermes 10. 238. Hermogenes 11-12. Herodas 15. Hesua Boulaia 255. Hieron II. 233-234. 236. 238-241.
Hilleid.Ä. VI. Homonoia 227. Honorius 12. Horaz 29-32.42.90. Hydatius 61.
Isis 215.254.305. Iulia Augusta -> Livia Iulius Acilius Hermes 244. 40-41. 101. 164-167. 178. luppiter 183. 189. 240. luppiter Capitolinus 38. 240. luppiter Opumus Maximus 36. 72. 189. 193. Jesus Christus 86-87. 283. 287-290. 292. 298. 301-304. 306-311. 333.
Personen- und GÖtcemamen
349
Julian 162-163. 175. 180-181. 319320. 329-330. 335. Jupiter -> Iuppiter
L. Venuleius Apronianus Octavius 135-136. 142. L.Vitellius 289.
Kallixenos 5. Kambyses (und Praexaspes) 84. Kleanthes 80. 89. Konstantin -» Constantin(us) Konstantinos Porphyrogennetos 63. Kybele 34.259.
Macrianus 53. Maecenas 73. 321. M. Annius 235. Marc Anxon 34. 168. 192. 245. 250. 254. Marcus Aurelius 52. 55-56. 71. 109110. 133. 135. 137. 140. 142. 144146. 152. 168. 174-175. 238. Mark Aurel -» Marcus Aurelius Mars 178. 202. Masurius Sabinus 192. M. Aurelius Cleander 143. M. Aurelius Daphnous Kataplous 12. Maxenrius 60. Maximian 57. 163. Maximin(us) 331. M. Claudius Marcellus 234. 236. 239. M. Didius M. f. Severus Iulianus -» Didius Iulianus Menandros (von Aphrodisias) 104. Men 260. Men Askaenos 259. Mercur 244. Messalina 296-297. Messalla 35. Milonia Caesonia 194. M. Iunius Silanus 222. M. Livius Quintus 245. [MLo]llios 264. M. Nonius M. f. Macrinus 135. 138.
Lactan2 331-332. Laelius 32. L. Annius L. f. Ravus 143. 145. L. Caesar 200. 240. 253. L. Cornelius Merula 165. L. Cuspius Pactumeius Rufinus 112. L. Dasumius P. f. Tullius Tuscus 135. 137. 142. L. Domitius Alexander 328. L. Egnatius 240. Lentulus Gaetulicus 1.94.199. Lepidus 165. 169. Liber 29. Licinius 60-61. 63. 326. 331. Livia 21. 31. 54. 104. 194-195. 218219. 240. 245-246. 251-252. Livius 147. 177. 179. 211. L. Metellus 178. L. Octavius Cornelius P. Salvius P. f. Iulianus Aemilianus 135-136. 142. Lucan 29. 32. Lucilla 143. Lucius Verus 52. 61. 139. 141-142. 144. Lukas 303. 306. Lukian 3. 13. Lutatia -> M. Livius Quintus Luther 310. L. Valerius Flaccus 235.
Moses 39.309.
M. Pontius M. f. Laelianus Larcius Sa binus 135. M. Sufenas Proculus 106-107. M. Tullius Cicero -» Cicero M. Ulpius Eutychus 244. M. Vettulenus Sex. f. Civica Barbaras 135. 139.'
350
Register
Neoptolemos Markos 12. Nereis 236. Nero / neromsdr 21. 32. 70-71. 7576. 79. 83-84. 87-88. 90-91. 101. 158. 170. 173. 195-196. 216. 223. 225. 285. 294. 296-297. 300. 302.
304-305. Nero liberator 294. Nero Zeus Eleutherios Eleutherios Nero Nerses 59. Nerva 218.221. Nike(n) 219-238. Numerianus 162.
-> Zeus
Octavian -»Augustus OfilliaBassa 251. Origenes 306Ovid 90.160. 169. Paccius Maximus 240. Palladius 335. Paulus 86. 294. 298-299. 304-307. 309. Pausanias 215. 218. 223-224. Pax 193.201. Perennis 143. Persaios SO. Pertinax 140.176. Petrus 306. Phaeton 90. Philisns 236.238. Philo(n) 87- 250. 289-291. 303. 311. Philochareinos 218. Pietas 193. PUatus 287-288.292. P. Liciuius Crassus 149. Plinius der Ältere 77-78. 83. Plinius Secundus 37-38. 83. 101-102. 150-151. 174. 181. 184. Plotina 184Plutarch 87-89. 169. 220. 297.
P. M. Annieius 237. Polemius Silvius 49-50. 54-57. 64-66. Pollux 29. Pomponia Roifina (=.VestaIin) 171. Porphyr ios 329. Poseidon 218. Postumus 163. Potens 18. P. Petronius 289. Probus 65. Providentia 200-201. Ptolemaios Epiphanes 86. Ptolemaios IL Philadelphos 236. 238. Publius Memmius Kleandros 225. Pupienus 159. Pylaimenes 262. Pyrrhos 236. Q. Aurelius Symmachus —» Symmachus Q. Mucius Scaevola 234. Q. Pompeius Q. f. Senecio Fuscus Saxa Vryntianus Sosius Priscus 135. 141-142. Q. Pompeius Q. f. Sosius Priscus 135137. 142. *Q. Tullius Cicero 235. Quirinus 77. 178. Re 88. Roma 16. 32. 145. 252. 254-255. 258. Romulus 29. 191-193. 237. Salus 30. 40-41. Sarapis 8. Scipio 36. Seneca 75. 79-85. Sepumius Severus Seivius 72. Servius Cornelius nensis 165. Severus Alexander
87. 294. 53. 176. 324. Lentulus Malugi53. 321.
Personen- und Götternamen Sexxus Pompeius 197. 241. Sextus Pompeius Festus 177. Sextus Kufus 238. Silas 306. Sol 88.91. Sol-Apollo 70. 75. 90-91. Sol-Helios 88. Sol Invictus 322. Sosandros 14-15. Sphairos 80. Starius 31. 171. Sthenidas 80. Stobaios 79-80. 82. Strabon 213. Sueton 30. 36. 77. 100-103. 170. 192. 195. 297. Sulla 161. Symmachus 172. 238. 330. Synesios 334. Tacitus 35. 71. 76-77. 100. 104. 171. 179. Tarrutenius Paternus 143. Tenullian 39-42.303.333. Tetricus I. 162-163. Tetricus IL 162. T. Flavius Eubiotos 225. T. Flavius Kyllos 225. 227. T. Flavius T. f. Sulpicianus s 142. Themisrios 326. Theodosius I. 159. 326. 335-336. Theodosius II. 335. 337. Theokrit 15. Theophilos 325. Tiberius 30. 35. 74. 76-77. 97. 100111. 117. 152. 165-166. 169-170. 178. 194-195. 199-200. 202. 212. 218-220. 240-241. 246. 251. 263. 293. Ti. Claudius Menogenes 20. Ti. Claudius Zosimus 175. Timokrates 11.
351
Timoleon 241. Titus 152. 170. Tityrus 75. T. Pomponius Proculus Vitrasius Pollio 135. 137, T. Q. Flau) minus -» Flamininus Traian / traianisch 6. 12. 37-38. 53. 57^5S. 60-63. 70. 83. SS. 112. 153. 170. 174. 181. 184. 254. 260. 321. 334. Trajan -•». Traian T. Statilius Timokrates 222. Tullia 98. Tyche 218-219. Ulpian
191. ,
Vadomar 335. Valens 326. Valentinkn 326. Valenrinian II. 335. Varro 72.190. Venus 145. Venus Genetrix 256. 293. . Vergil 75. 192-193. Verginius Rufus 150. Verres 234-240.242. Verus —» Lucius Verus Vespasian 71. 78. 99. 170. 213. 323324. Vesta 34. 168-170. 172-173. 183. 202. 293. Victoria 260.305. Victorinus 163. Vipsanius Agrippa 62. 101. Vitruv 251. Zeus 6. 14-16. 20. 86.102. 236. 290. 297. Zeus, kapitolinisch -> Iuppiter Capitolinus Zeus Asklepios Soter 113. 115. Zeus Anadotes 20.
352
Register
Zeus Eleutherios 21. Zeus Epiphanes Gaius 289. Zeus Dodcnaios 21. Zeus Eleutherios 212-213. 227. 235. 242. 304-305. Zeus Eleutherios Nero 76L 216. 296-297.
Zeus Hellanios 236.
Zeus Megistos 21. Zeus Olympios 21. 241. Zeus Panhellenios 226. Zeus Patroos 21. 104. Zeus Philios 112. 260. Zeus Sabazios 17. Zeus Sosipolis 9. Zeus Soter 12. 36-37. 76. 296-297.
Begriffs- und Sachregister
353
Begriffs- und Sachregister Abendmahl 287. 299. 305. 307. Achäer / Achaier 35. 210. 222. Actia 260. Adoptivkaiser 132. adoratio purpurae 330. adventus VI. 47. 242. 247. 305. aedes 98-102. 105. Ägypter / ägyptisch 8. 81. 86-88. 254. 291. Ästhetisierung 14-16. 21. Agon(e) 6-7.10-11.20.213. 215.21&219. 227. 235-236. 305. Agonothet, -en, -es -^ Kultpersonal Agora 236. 244. 250-261. 263-266. 293.297. Agoranomos 219-220. Ainanen 211. 223. Aitnaia 235. Aitoler 224. Aizaneten 227. Akraiphier 215. Akropolis 197. 250. 258-260. 263. 266. 293. Alaman-nen, -nisch 238. 335. Alexandrinisch(e Juden) 289-290. Altar VI. 10. 16. 20. 29-31. 33. 76. 107. 199-201. 216. 241-242. 244. 249. 251. 254-255. 260. 266. 294. 296-297. 308-309. 323. Amphiktyonen 223-225. Amphiktyonie 210. 213. 223-225. Amphitheater 237. 250. 261-262. 264. Annona 35. apex 167-168. Apotheose -»Divinisierung Archiereia 17. 215. Arch-iereis, -iereus 17. 213-216. 224-225. 229. 263. 296-297. 302. Archon 227.
Aretalogien 13.18. Aretalogoi -> Kultpersonal Aria-ner, -nismus, -nistisch 320. 333-334. Arval-akten / -brüder(schaft) -> Fratres Arvales As 40. Asiarch 216. Asklepieion 8. 15. 98. 111-116. 261. aspergillum 161. Athener 224. Athlophoren —> Kultpersonal Atimie / Arimos 220. Atcaliden 115. 197. Augurat / Augur(en) 41. 132. 136137. 141. 147-151. 153. 158. 161. Augustalen -> Sodales Augustales Augustalia 52.235. Augusti / Augustus 10-11. 20. 135. 140. 158-159. 214^ 216. 225. 296297. Auspizien 179. Axial(ität) 256. 259-260. 263. 266. Bankett -> Kulthandlungen Bar Kochba-Aufstand 303. Bild(erkult) 288-291. Bithyniarch 216. Boiotarch(es) 215-216. Boioter / boiotisch 35. 38. 215-216. 221-222 224. 297. Bouleuterion 14-15. 233. 236. 253. 255. 257-258. 260-261. 263. Bundesprägung (etc.) 212. 216. 218. 238. Byssos VI. Byzantinisch 251. Caesar(en) 42-43. 52-53. 61.158.162163.288.292.302.311.
354
Register
Capitoli-a7 -um 167. 235. 259. Christen, -tum) / christlich VIIVIII. 84.101-102.110.157.162-163. 181. 184. 283-288. 292. 294. 298299. 305. 308-310. 319-320. 322330. 332-338. Christianer 32. 39-41. 43. Christolo-gie, -gisch 86. 285-287. 298-300. 306. 310-311. commitinent 34. 39. 42. commune Siciliae 238-239. 247. Compital-Kult 30. 42. Concordia Augusri . 243. coirfarreario 165. constituno Antoniniana 180. Consul, -es, -n 35. 49. 101.133. 136139.141-142. 238. consul suffectus —> Suffektkonsul crimen maiestaris 220. cultus (Terminologie etc.) 10. 21. 233. Curator aedium sacrarium 136. 139. cursus honorum 131-132. Dadouchos —> Kultpersonal damnatio 64. 73. 75-76. 176. 254. Delphier 224.228. delubrum 98. 100. Demos 20.104.256. Demostheneia 8. Diadem 239. dies imperii 37-38. 43. 47. 51. 53. 55. 57. 59. 193-196. 331. 337. dies natalis 6-7. 47. 51-53. 59-60. 62-65. 241. 247. 331. 337. diva / divi / divus VI-VII. 43. 70-72. 75. S7. 91. 134. 144. 225. Divinisierung / divinisien VII. 71-78. 98-99. 110. 114. 134. 144-145. 158. 194. 310-311. 324. 328. 334. 337. Doloper 211.223. Donatisten / donatistisch 333-334.
Dorer 222.224. Dromenon 3. Edom 39. Ehrenstatue (Theorie) —> Kultstatue (Theorie) Eid 29-44. 244-245. 247. 252. Eikonophoros -» Kultpersonal Eleutheria 227. Eleutherolakonen 218. 221-222. Emotionalität .V. 268. 322. Epangel(e)ia 18. Epheben 233.235. Ephoren 218.220. Epimeletes 215.224-225. Epulone 140. Eschatologie 284. Essener. 289.301-302. Etrusca disciplina 183. Euböer / Euboier 35.222. Euergesia 235. Euergetes 218. 225. Eukosmos -> Kultpersonal Eusebeia 235. Exegetes —> Kultpersonal fanum 98. Fasri Amiterni 52. 73. 241. Fasri Praenestini 30. 49. 54. 200. Feierlichkeiten -» Kulthandlungen Feria-le, -lia 33. 38. 50. 53. 55. 57-58. Fernwirkung ' 257-259. 261-263. Fest -•* Kulthandlungen Festplatz 259.262. Fetiale(n) / Feualitat 135. 139. 158. 191. ferialis -» Fetiale Fla-men, -mines -> Kultpersonal flamen Dialis 148-149. 164-168. 173.178-179. 183. flamen IuliaJis 168. flamen Martialis 148.168.178. 202. flamen Quirinalis 148. 168. 178. flaminica Dia]is 166-167.
355
Begriffs- und Sachregister Haminica 246. Kavier / flavisch 132. 180. 254. 327328. Fluch 34.36-37.42. Forum 30. 41. 237.242-243.250. 257. 260. Fratres Arvales 50.132. 141. 147.150151. 158. 189-203.
Hoheitstitel 302-303. Homonoia 215. Horkos 36. Horologium Augusti 91. 201. Hym-ne, -nen, -nos, -nus VII. 3. 5. 10. 12-15. 18-19. 29. 34. 41-42. 71. 306-307. 331-332. Hypöphetes -» Kultpersonal
Galatarch 216. galerus 167-168. Gebet -» Hymnus Geburtstag —> dies natalis Gelübde -> Vota Geni-en, -us (Augusti) 30. 39-40. 42-43. 240. 243. 245. Genslulia 256.293. Gerichts-barkeit, -funktion 212. 251. Germanen 238. Grammateus 211-212. 215. 222. Gymnasi-en, -um 233-235. 238. 240. 245. 249. Gyrheaten 218.
imperator perpetuus Ionier 224. Isthmien 297. 305. ius Italicum 179.
Hafen 250. 265-266. 293. Haruspices 41. 183. Hauptstraße 250. 255-258. 266. Heilstätte 3. Hekatombaion 6. Hekatomben 13. Helladarch 225. Heorte —> Kulthandlungen Heroen VII. 236. Heroon 255. Hethitisch 33. Hieraphoren -» Kultpersonal Hiereis / Hiereus -» Kultpersonal Hierophant -> Kultpersonal hieros nomos 5. Hipparchos 211. Hippodrom 259.262.264. Historia Augusta 51. 55. 134. 145.
245-246.
Jovier-Herculier 322. Juden / jüdisch VI. 31. 84-85. 284285. 287-292. 301-305. 307-311. Judentum VII. 285-287.301-302. 308. 311. Kaisareia (= Spiele) 11. 213. 219-221. 229. Kaisarei-a, -on (= Anlage) 219. 250. 252-253. 293. Kaiserkult im Unterschied zu Kaiser verehrung 219. 221. 319-339. Kalathephoren —> Kultpersonal Kalender 33. 47-67. 252. 294. -> Fasti (...) Kanephoren -> Kultpersonal Kapitolinische Trias 259. Karisch 257.262. Karthager 178. Keltisch 264. Kenotaphe 98. Keryx —> Kultpersonal Kleidophoren -> Kultpersonal * Koi-na, -non 35. 38. 209-229. 235. Koinon der Achaier 35. 210. 217. 222. 225. Koinon der Amphiktyonen 225. Koinon der Boioter 35. 38. 210. 214-217. 221.
356
Register
Koinon der Eleutherolakonen 210. 217. 229. Koinin der Euboier 35. Koinon der Lakedaimonier 218. Koinon der Lokrer 35. Koinon der Makedonen 229. Koinon der Panachäer 223. Koinon der Phoker 35. 216. Koinon der Thessaler 210-211. 213-214. 216-217. 221. Komistes -> Kultpersonal Konsekration —> Divinisierung Konsulat 133. 136-137. 193. 195. Konsuln -> Consuln Kontrolle 69. 71. 77. 79. 90. 146. Kopaisdamm 217. Kranz / Kränze VI. 8-10. 15. 16. 143. 167. 225. Krone(n) 8-9. 18. 167. 227. 291. Kulthandlungen V-VIII. 5-7. 10-12. 14-15. 17. 19-20. 29. 40-42. 71-72. 75-76. 102. 110. 116. 134. 168. 173. 191. 194-196. 198-202. 209. 213. 218-223. 234-236. 240-242. 246247. 249. 252 264. 266. 268. 294. 298-299. 305-310. 323-328. 330333/335-338. Kultpersonal VL 3. 8-11. 14. 16. 20. 100. 134. 137. 141. 144-145. 148149. 152-153. 158. 165. 168. 172. 213-215. 224-225. 227. 240. 245246. Kultstatue (Theorie) 9-10. 12. 75. 97-104. 115-116. 236-237. 249. 294. Lakonisch -> Spartaner Lampadophoren -> Kultpersonal Lararien 42. Laren / Lares (Augusti) 30. 240. 243. 245. 247. Legatus Augusti pro praetore HO HL-
Legatus pro praetore 239. Legatus Syriae 289. leges annales 132. lex sacra 6. lituus 161. Logistes 215-216. Lokrer 35.222.224. Loyalität 32. 34. 43-44. Luperci 191. macellum 308-309. Magneten 223. Makedoniarch 216. Makedonier 224. Makkabäer 290. 307. Malier 223. Manen 32. Manichäer 334. MarceUi 235. 239. Marcellia 234-235. Markomannen 168.238. Marktplatz -> Agora Martialici —» Spiele Mastigophoroi -> Kultpersonal Meineid 31. 36-37. Messianismus 287. 311. Metro(i)on 8. Moiren 14. Molosser 236. Monotheis-mus, -tisch 42. 283-285. 291-292. 304. 310. 321. 323. 325. Mucia 234-235. Mysterien, eleusinisch 3-4. Mysterien (...) VII. 3.18-19. 227. 303. 306. Naopoioi 215. Nemea 12. Neokorie (...) 112. 250. 261-262. 265. 268. Neptunalia 48. Neupythagore-isch, -ismus 79-80.
Begriffs- und Sachregister Numen (Augusti) 247. 335-336.
29-31. 75-76. 243.
Oberpontifi-kal, -kat -* pontif ex maximus Oitaier 211. Olympische Spiele 297.. Opfer -»Kulthandlungen Orakel - VII. 3. Ordo sacerdotum domus Augustae 143-145. Ordo sacerdotum domus divinae 146. Ostraka 9. Paiane 13. Paidonomos 15. Paidophylakes 15. Pamboiotia 215. 217. Panachäer 210. 214. 222. Panathenaia 6. Panhellen 227. • Panhelle-nen, -nion, -nisch 210. 223224.;226r22& Panhellenia 226-227. Panionion. ;:252. Pantes f heoi 236. 243. Pantheon -322 325. Paphlagonier 34. Papy-ri, ~rus 50. 55. Parthenos < 37. 39. Panher / parthkch 52. 54. 57-58. 61-6r~~~' patera 161.241. pater farinlfas 43. pater patme' : 43. 193-194. 238. 296. Patrizier-Öl 136-138. 141-142. 149. Patronus.234. Pax Roman*—221. PerformanzJ;7 performativ 15. 21. 77-79.^ Peripherie -* 38. Perrhaiber 223.
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Perser / persisch 86-87. Pharao 74. 88. Phokarch 216. Phoker 35.215.222.224. Phthioten 223. pietas / Pietät V. 63. 184. 296-297. 337. pignora imperii 168. Pisonisch 70. Platonisch S7. Plebejer / plebeisch 133. 135. 147. 149. Politische Religion 283-284. 338-339. Polycheis-mus, -tisch 291-292. 299. 304-305. 320. Pompe 5-6. Pompeianer 192. Pompeianisch 42. pontifex maximus 30. 33. 140. 147149. 153. 157-165. 167-170. 172177. 180-184. 323. 325. 335-336. Pontifex / Pontifices 132. 135-138. 141. 144. 147-149. 151-153. 157. 160-161. 164. 166-167. 169. 171183. 202. 245. pontifices maximi —> pontifex maxi mus Pontifikat -»Pontifex praefectus cohortis 141. praefectus fabrum 141. praefectus praetorxo Italiae 172. praefectus urbi 172. Prätorianer(präfekt) 12. 35. 53. 143. Primipilus 32. Procurator Augusti 74. Prodigi-en, -um 71. 177-178. Prokonsul(at) 136-139. 141. 212. 235. Prophet 3. Prorrhesis 3. Proskynese 306-307. 332. Prothytes -» Kultpersonal Providentia 297. 301.
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Register
Provinziallandtage 228. Prozession • -> Kulthandlungen Prytane 253. Psephisma(ta) 215. 223. Ptoia 11.215. Ptoion 216. Ptolemäer 74. 81. Ptolemaia 5. 9. Purpurgewand VI. 9. 167. Pyrphoren -» Kultpersonal Pyxhia / Pytbien 213. 223. 225. 235. Pyrhisches Orakel 36. Quattuorvir(i) Augusta-les, -lis 242243. QuindecimvirQ sacris faciundis 132. 138-139. 141. 147. 149. 158. 161. 177. Rathaus -> Bouleuterion Recht 168-171. 176. 179. 220. Regierungsantritt -» dies imperii Reichsreligion -» Zentrale und Zen tralst / zentral / Zentrum Rekursivität von Ritualen -> Ritual(e) Religionstopographie 189-203. 221. 242 249-268. Restitutor 242 Rex sacrorum 148-149. Rhetorik V I 239. Ritter(lich) 141-142. 153. Ritual(e) V. VIL 3-9. 12-14. 17-18. 20-2L 29. 32. 39. 41-42. 288. 291. 299. 306-307. 309-310. 320. 324. 326.328. 336-338. Ritualtransfer -»Ritual(e) Ritus -» Ritual(e) sacel-la, -lum 243. Sacer-dos, -dotes -> Kultpersonal sacerdoti-a, -um 131. 158-159. 163. 176.
sacra publica 7 2 131. 323. 338. Sakralisierung 284. 293-294. 298-299. Sali-er, -i 137. 143-144. 149. 191. 202-203. SaKus Collums 141. Salus Caesaris 40-41. Sasaniden / sasanidisch 54. 59. Schlange(ngott) 3. 91. Sebastei-a, -on 33. 39. 249-250. 255256. 258. 263. 265-268. Sebastoi / Sebastos 33. 215-216. Sebastoi Theoi —» Theo Sebastoi Sebastolo-goi, -gos -* Kultpersonal Sebastopho-roi, -ros -» Kultpersonal Septemviri epulonum 132. 149-150. 158. 161. Severer / severisch 4 2 50. 52.57.180. 263. Sevir Augustalis 244-245. Sibyllinische Bücher 177. 197. Sikelioten 238. simpulum 161. Skenetrien 11. Skeptrophoren -» Kultpersonal Sodales / Sodalität(en) 131. 135-137. 139-140. 144-146. 158. 191-192. Sodales Antoniniani 134-142. 144. 152. 158. Sodalis Antorinianus -» Sodales Antoniniani Sodales Antoniniani Veriani -» So dales Antoniniani Sodales Augustales 100. 151-152. 158. 191. 199. 242-245. 247. 294. Sodales Claudiales 158. 191. Sodales Flaviales 158. Sodales Hadrianales 136-142. 152. 158. Sodalis Hadrianalis -* Sodales Hadrianales Sodales Herculani 145.
Begriffs- und Sachregister Sodales Marciani Antoniiiiani Commodiani Helviani Severiani Antoniniairi 146. Sodales Titü 191. Soknopaios-Heiligtum 47. Sonnengott) 87-91. 172. 321. Soter 234. 241 302. Soteria 302. Spartaner 217. 224. Spiegel 81. 83. Spiele -> Fest ludi Adiabemci 57. 66. ludi Persici 54. 58-59. 66. ludi Martiales 53. 58-59. 65. ludi Martialici -» ludi Martiales ludi Romani 144. ludi saeculares 293. ludi Sarmatici 55-56. 58. 66. Spiritualisierung 13. 41. 308. • Spondophoren -»Kultpersonal Staatskirchentum 320. Stadi-en, -on 250. 256. 261-262. 264. Stephanephoros -> Kultpersonal Strafe 220. Strate-ge(n), -gos 211-213. 218. 222. Styx 31. Suffektkonsul(at) 135-138. 140. 165. Synagogen (...) 289. 298. 308. Synedrion 211-212. 215. 218. 222. 224. 226. Synnaos 111. 115. Synodos 222.
Tamias 218. Tarantinarchos 211. Taufe 299. 303. 305. 307. Temenos 252-253. 256-258. 260. 266. templa / templum 97-100. 102. 105. 195. Tetrar chen / tetrarchisch 51. 54-59. 71. 163. 322.
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Thargelira, -on 6. Thea Philadelphos 236. Theater VI. 16. 75. 233. 236-238. 250. 253. 256. 258-259. 261-264. 266. Theoi Adelphoi 236. Theoi Pantes -» Pantes Theoi Theoi Sebastoi 20-21. 214. 227. 254. 256. Theolo-ge(n), -gie / theologisch 77, 79. 85-87. 284-287. 299. 304-305. 309. 338. Theolo-goi> -gos -» Kultpersonal Theos Soter 236. Theos Soter Eleutherios 219. Thermen 249. Thessaler 221-225. Tholos 224. Thora 303. 308. Thron 8. Thysia(i) 6.10.235. Tiüusbrüder -+ Sodales Tirii toga praetexta 161. Tolistobogier 264. Tribunal 251. rribunicia potestas 193. 225. 296. tripus 161. Tropaeum Traiaoi 63. Trophonion 215. Umbrisch 327. Urbani-stik, -stisch 236. 249-250. 257. 260-261. 263-264. 266-267. veneratio (Terminologie etc.) 10. 21. 233. Verria 234-235. Verwaltung 212. Vestalia 48. Vestalin(nen) 132. 148-149. 168-174. 177. 183. Virgines Vestales -> Vestalinnen
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Register
Vota 42 193-194. 196. 235. 337. Weihinsdbriften (Bedeutung) 11-12. Weihung -»Kulthandlungen Wetckampf -» Kulthandlungen
Zentrale 38. 247. 322. 324. 337. Zentralität / zentral / Zentrum 154. 262 266. 308. 322. 328. 339. Zeusstatuen 14-15. 102. Zwölf götter 9.
Adressenliste der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Prof. Dr. Dr. Christoph Auffarth Universität Bremen Fachbereich 9 / Religionswissenschaft Postfach 330440 D-28334 Bremen E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Pedro Barcelö Lehrstuhl für Geschichte des Altertums der Universität Potsdam Historisches Institut Am Neuen Palais 10 D-14469 Potsdam E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Hubert Cancik Philologisches Seminar der Universität Tübingen Wilhelmstraße 36 D-72074 Tübingen E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Angelos Chaniotis Seminar für Alte Geschichte der Universität Heidelberg Marstallhof 4 D--69117 Heidelberg E-Mail: [email protected] Babett Edelmann Lehrstuhl für Alte Geschichte der Universität Regensburg
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Adressenliste
Postfach 101042 D-93040 Regensburg E-Mail: [email protected] Dr. Kaja Harter-Uibopuu Kommission für Antike Rechtsgeschichte Österreichische Akademie der Wissenschaften Postgasse 7/4 A-1010 Wien E-Mail: [email protected] Prof. Dr. Peter Herz Lehrstuhl für Alte Geschichte der Universität Regensburg Postfach 101042 D-93040 Regensburg E-Mail: [email protected] PD Dr. Konrad Hitzl Institut für Klassische Archäologie der Universität Tübingen Schloß Hohentübingen Burgsteige 11 D-72070 Tübingen E-Mail: [email protected] Heike Kunz Philologisches Seminar der Universität Tübingen Wilhelmstraße 36 D-72074 Tübingen E-Mail: heike,[email protected] Matthias Peppel Philologisches Seminar der Universität Tübingen Wilhelmstraße 36 D-72074 Tübingen E-Mail: [email protected].
Adressenliste Prof. Dr. Jörg Rüpke Professur für Vergleichende Religionswissenschaft/ Chair of Comparative Religion Universität Erfurt Postfach 900221 D-99006 Erfurt E-Mail: [email protected] .Dr. Ruth Stepper Lehrstuhl für Geschichte des Altertums der Universität Potsdam Historisches Institut Am Neuen Palais 10 D-14469 Potsdam E-Mail: [email protected] Dr. Jürgen Süß Wiesenstraße 64 D-68782 Brühl E-Mail: [email protected]