Atlan Im Auftrag der Kosmokraten Nr. 698
Die Rettung ANIMAS Der Kampf um das lebende Raumschiff
von Hans Kneifel
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Atlan Im Auftrag der Kosmokraten Nr. 698
Die Rettung ANIMAS Der Kampf um das lebende Raumschiff
von Hans Kneifel
Im Jahr 3818 wird Atlan aus seinem Dasein als Orakel von Krandhor herausgerissen. Sein neuer Einsatzort ist die Galaxis Alkordoom, wo eine Entwicklung im Gang ist, die das weitere Bestehen der Mächte der Ordnung in Frage stellt. Bereits die ersten Stunden von Atlans Aufenthalt in Alkordoom, wo man das Jahr 5000 des Erleuchteten schreibt, zeigen auf, wie gefährlich die Situation ist. Der Arkonide hätte längst sein Leben verloren, hätten die Celester, nach Alkordoom entführte Terra-Abkömmlinge, oder ANIMA, das von den Kosmokraten ausgesandte Raumschiff, nicht zugunsten Atlans eingegriffen. In seinem Bestreben, mehr über die Zusammenhänge in Alkordoom zu erfahren, speziell im Hinblick auf die sogenannten Facetten und deren Lenker, den sogenannten Erleuchteten, ist unser Held bereits große Risiken eingegangen, wie seine gewagten Unternehmen beweisen. Kein Wunder daher, daß Atlan immer wieder in Schwierigkeiten gerät, wie etwa in Yog-Mann-Yogs Gefangenschaft oder in den Bann der Plasmaparasiten, aus dem er nur durch die Samariter von Alkordoom befreit werden kann. Als seine Retter selbst in Not geraten, ist Atlan selbstverständlich als Helfer zur Stelle. Anschließend nimmt er mit der VIRGINIA, dem Schiff der Celester, wieder die Suche nach seinem Raumfahrzeug auf. Es geht um DIE RETTUNG ANIMAS…
Die Hauptpersonen des Romans: Atlan – Der Arkonide auf der Suche nach ANIMA. Kalpers und Monter Otoul, Hapet Minorr und Korasch Nyp – Jordobaner der jungen Generation. Der Promaut – Beherrscher der Jordobaner. ANIMA – Das lebende Raumschiff versteckt sich. Dhonat – Insasse ANIMAS.
1. Das gelbleuchtende Panzerwesen hinterließ, als es aus dem grobkörnigen Sand kletterte, einen unregelmäßigen Trichter. -Einzelne Körner fielen zurück in den Mittelpunkt. Die kräftigen Scheren schoben graue Steine zur Seite. Das Wesen kroch durch die Schwärze des Schattens unterhalb einer Basaltwand, drehte sich unschlüssig hin und her und richtete dann die Greifscheren auf die massigen Kanten. Unter den Werkzeugen splitterte der Fels. Ein Loch bildete sich im Basalt. Die Oberflächen-Schwerkraft von Desertstone war weit höher als die gewohnte Norm. Fast überall sah der graue Planet nicht anders aus als an dieser Stelle. Blendend gelbrotes Licht einer fast waagrechten Meteoritenbahn zuckte auf und verbrannte Teile der Giftatmosphäre. Ein Sturmstoß raste heran und wirbelte Unmengen Staub auf. Das fahle Licht der Sonne wurde verdunkelt. Steinsplitter, die aus dem Loch im Basalt rieselten, wurden weggeschleudert. Das Panzerwesen verstärkte das Leuchten seines Körpers, kletterte senkrecht am Stein herunter, durch den Staub und näherte sich dem schweren Raumanzugsstiefel. Ich machte mehrere Schritte geradeaus und sagte mir, daß es wahrscheinlich sinnlos war, hier auf Desertstone nach ANIMA zu suchen. Hier oder an anderen Stellen. Die Chancen sind überall gleich gut oder schlecht, sagte der Logiksektor. Ich war sicher, daß auch ANIMA mich suchte, falls das lebende Raumschiff mit Dhonat und dem Beiboot KORALLE noch existierte. In meinem schweren Schutzanzug, dessen Außenmikrophone das schrille Heulen des Windes ebenso übertrugen wie das Krachen und Knirschen, mit dem jenes gelbleuchtende Tier die Steine zerbrach, als wären es dünne Kristalle. Was hatte uns hierhergebracht? Nicht mehr als ein Gerücht. Neben meinen Ohren knackte es leicht; Ariens Stimme fragte: »Probleme, Atlan?« »Nicht mehr als sonst«, antwortete ich und regulierte die Antigravanlage auf einen angenehmen Wert ein. Der starke Scheinwerfer in meiner Hand flammte auf und durchdrang die Staubschichten. »Kommst du zurecht? Sollen wir nicht doch einen Gleiter ausschleusen?« »Danke, nein. Es ist ein Vergnügen, in einer so angenehmen Natur spazierenzugehen.« Ich wandte mich kurz um. Hinter mir stand unübersehbar groß die VIRGINIA. Wir hatten diese unbedeutende Welt in der Nähe des Doomhirn-Systems angeflogen. Wir wurden gesucht und verfolgt. Unsere Landung war – wir waren wenigstens davon überzeugt – nicht beobachtet worden. Und warum antwortet ANIMA nicht auf Hyperfunkrufe? fragte der Extrasinn. Niemand hatte dafür eine Erklärung, die uns zufriedenstellte. Ich verließ das kleine Plateau, auf dem die VIRGINIA gelandet war, und kletterte einen Abhang hinunter. Der Staubschleier riß auf, vor der Sichtscheibe des Helms lagen die unregelmäßigen Felsgruppierungen. Dahinter sollte sich angeblich ANIMA verbergen. Ich machte größere Schritte. Meine Augen durchforschten die bizarre Landschaft aus dunklen Felsnadeln und noch dunklerem Schatten. Wenn ANIMA tatsächlich hinter den scharfkantigen und löchrigen Felsnadeln lag, dann bedeutete dies, daß sie sich erholen mußte. Auch daß sie inzwischen »gestorben« sein könnte, darüber hatten wir gesprochen. Ich konnte es nicht glauben. Auf alle Fälle hatten wir während des Anflugs einen deutlichen Impuls angemessen und die Flugbahn verfolgen können. Sie hatte uns hierher geführt. Die Größe und die Form entsprachen denen des lebenden Raumschiffs. Ich vermißte ANIMA auf eine, ganz eigentümliche Weise, und ich brauchte sie, um nach dem MEMORIUM zu suchen.
Ich kämpfte mich zweihundert Schritte weit durch neue, dichtere Staubmassen. Immer wieder stürzten winzige Gesteinsbrocken aus dem interplanetarischen Raum in die Gashülle von Desertstone. »Hier Polo«, hörte ich Traugotts Stimme. »Schon was gefunden?« »Nein«, sagte ich ebenso wortkarg. Hinter einigen Felsen, die wie dreidimensionale Messerklingen aus dem staubbedeckten Boden ragten, sah ich tatsächlich eine Fläche, die wie die normale Haut ANIMAS wirkte; silbergrau und metallisch. Die Felsen waren höher als fünfzig Meter. Sie bildeten eine konvex geschwungene Barriere vor mir. Noch hatte ich rund hundert Meter zu gehen. Ein Blick in den Himmel über dem leblosen, öden Land ließ erkennen, daß Desertstone eine Welt der dauernden Stürme war. Eine leichte Erschütterung ließ den Boden beben. »Achtung, Atlan! Wir messen erhöhte Häufigkeit von Einschlägen«, sagte Morrison leise. »Beeile dich.« »Verstanden.« Möglicherweise hatte Desertstone einmal einen Mond gehabt, der von kosmischen Gezeitenkräften zu Steinbrocken zerrieben worden war. Jetzt endeten die meisten Brocken verglühend in der Gashülle. Ich watete durch den mehr als knöcheltiefen Staub. Rechts und links ragten die riesigen Steine auf. Erst aus der Nähe erkannte ich, daß sie nicht wirklich scharfkantig waren, sondern daß der ewige Sturm ihre Kanten abgeschmirgelt und gerundet hatte. Sieh geradeaus! Metallglänzende Rundung! rief das Extrahirn. Ich ließ immer wieder den starken Scheinwerfer aufblitzen. Er zeigte mir den Zickzackweg entlang der Felsflanken. Hier tobte der Sturm mit weitaus geringerer Wucht, und das hatte zur Folge, daß ich nach zehn Schritten in eine riesige Staubwolke gehüllt war, die ich selbst aufgewirbelt hatte. Ich streckte den rechten Arm aus, berührte mit den metallverstärkten Fingerteilen die Wand und tastete mich weiter. Ich war fast blind und sah den superstarken Lichtstrahl nur als fahles Leuchten. Endlich weiteten sich die Felsen wieder. Ich wartete, bis sich der Staub gesetzt hatte oder weggeweht war. »Ich bin nicht sicher«, sagte ich und schilderte, was ich sah. »Es ist möglicherweise ANIMA. Aber selbst in ihrem erbärmlichsten Zustand würde sie mich jetzt spüren und irgend etwas unternehmen.« Die Felsen waren in einem unregelmäßigen Kreis angeordnet, dessen Durchmesser etwa dreihundert Meter betrug. Auf mich wirkte dieses zufällige Geländemerkmal wie eine mythologische Stätte, die ein Geheimnis enthielt. Nicht ganz in der Mitte der staubgefüllten Mulde, zwischen den mehr als zweihundert Steinzähnen, lag eine flachgedrückte Kugel. Kein Stäubchen haftete an der silbermetallischen Außenhaut. Tatsächlich erwartete ich, daß sich ein Spalt öffnen oder eine natürliche Leiter hervorschieben würde. Es geschah nichts, als ich durch den tiefen Staub wie durch zähen Sumpf watete und die Hülle anleuchtete. »Sollen wir dich abholen, Atlan?« Richardson war voller Besorgnis. Er hörte wahrscheinlich nur meine Atemzüge und die wenigen Geräusche der Anzugsinnenversorgung. »Nein. Ich stehe dreißig Meter vor etwas, das wie das Schiff aussieht«, erwiderte ich. Ein furchtbarer Verdacht kam in mir hoch. Das war ANIMA, und sie war tot. Dhonat erstickt, verhungert, verdurstet. Die KORALLE eingeschlossen. Ich ging weiter, zögernd und unsicher. Schließlich stand ich direkt vor der glatten Wandung und legte die Hand dagegen. Eine Art reiner Instinkt sagte mir, als meine Finger eine nachgiebige, federnde Masse ertasteten, daß
es nicht ANIMA war. Langsam versank meine Hand in dem weichen, schwammartigen Gewebe. Noch nicht ein einzigesmal während der langen Zeit, in der wir zusammengewesen waren, hatte sich irgendein beliebiger Teil des lebenden Schiffes so angefühlt. Ich schüttelte den Kopf und konzentrierte mich schweigend. Meine Gedanken richteten sich ins Innere dieser unregelmäßigen Kugel von rund fünfunddreißig Metern Durchmesser. Nichts. Schweigen. Keine Reaktion! Nach einer Weile zog ich die Hand wieder heraus. Sie war bis zum Ellenbogen in der weichen Materie versunken. Am Anzug haftete ein hauchdünner Film, der ein wenig glänzte. Staub schlug sich darauf nieder und klebte fest. Ich griff nach der Waffe, stellte einen nadelfeinen Strahl ein und feuerte einen kurzen Strahlerschuß in das Loch hinein, das sich in einer quälend langsamen Bewegung zu schließen begann. Das Material schmorte sofort, löste sich auf wie Kunststoffschaum, und die Energiebahn hinterließ einen langen Schußkanal. Ich schüttelte leicht den Kopf und sagte: »Hört ihr mich?« »Was hast du herausgefunden?« Ich warf einen letzten Blick auf das seltsame Ding vor mir, drehte mich herum und ging zurück. »Es ist nicht das lebende Raumschiff«, sagte ich. Während ich weitersprach, meldete sich wieder der Extrasinn. Du hast recht. Es ist nicht ANIMA. Aber was ist es sonst? »Ich komme so schnell wie möglich zurück. Macht alles startbereit. Jemand hat sich, ohne es zu wollen, einen Scherz erlaubt.« »Wir verstehen nicht ganz…?« Ich sagte, daß dieses »Ding« so groß wie ANIMA war, so aussah und auf den ersten Blick sicher so gut wie identisch. Dann, als ich in konkretere Einzelheiten ging, glaubten sie es mir. Im Hintergrund der Unterhaltung hörte ich halblaute Befehle. »Eine Nachbildung also?« fragte aufgeregt Sandra McMooshel. »Wer und warum? Nachbildung«, fragte Arien dagegen. »Wer sollte ANIMA kopieren? Ich sehe keinen Grund für ein solches Vorgehen.« Ein neuer Meteorit zog eine blendende Flammenspur. Ich ging, so schnell ich konnte, in den zugewehten Resten meiner Spur zurück zum Schiff. Es stand mit eingeschalteten Scheinwerfern da und bildete in dieser Öde einen Punkt der Sicherheit. »Ich weiß es auch nicht besser«, sagte ich. »Es ist sicher eine Zufälligkeit. Obwohl ich ungern an solche Zufälligkeiten glaube.« Die Crew, knapp vierzig Celester, teilte meine Enttäuschung. Ich wartete, bis sich die Schleusentüren geschlossen hatten, reinigte den Raumanzug in der Strahlen- und Dekontaminierkammer und öffnete ihn dann. Die VIRGINIA startete so behutsam und schnell, wie sie gelandet war. Wir hatten kein Ziel – wenigstens keines, das etwas mit ANIMA zu tun hatte. Schließlich saß ich in der Hauptzentrale, hielt einen Becher warmen Kaffee in den Händen und sah zu, wie Mycara sich mit Aliens Schläfenhaaren beschäftigte. »Wir fliegen mit dir durch dick und dünn, wie bekannt«, sagte Richardson halblaut. »Aber wohin?« »Das Ding dort scheint aus einem synthetischen Plasmastoff zu bestehen«, erinnerte ich und
schilderte genau, was ich herausgefunden hatte. »Wir könnten es mit einem einzigen Schuß auflösen.« »Was unsere mühsam gewonnene Tarnung aufdecken würde«, widersprach Arien. Ich nickte. »Also behalten wir als Arbeitshypothese, daß diese Kugel zufällig wie ANIMA aussieht. Es könnte sein, daß es jemanden gibt, der uns in eine Falle locken will. Trotzdem – daran glaube ich nicht recht. Warten wir also vorläufig weiter auf einen Hyperruf ANIMAS. Wenn sie noch existiert, wird sie wissen, daß ich lebe und nach ihr suche.« »Wie lange soll diese passive Phase dauern?« »Ist ein Tag zu lange?« fragte ich zurück. Ich wollte die Geduld der Celester nicht überfordern. Zufrieden entgegnete der Feuerwehrmann: »Geht in Ordnung. Eine vernünftige Zeitspanne. Wir werden den nächsten Planeten anfliegen, der unbelebt sich hier in der Gegend herumtreibt.« »Und dort wieder einen solchen Klumpen finden?« fragte ich spöttisch. »Alles ist möglich in Yog-Mann-Yogs östlichem Reich. Denke daran, daß biologische Züchtungen sein Hobby sind.« Ich zuckte die Schultern und beschloß zu warten.
2. Kalpers Otoul stützte sein Kinn in die Hand, sog mit geschlossenen Augen an dem Mundstück der Kühldampfpfeife und ließ den aromatischen Dampf tief in seine Lungen eindringen. »Das höre ich heute zum erstenmal«, meinte er skeptisch. »Bist du sicher, daß deine Geräte nicht verrückt gespielt haben?« »Ganz sicher«, sagte Hapet ruhig. Zwischen seinen Fingern steckte das andere Mundstück. Die Schläuche waren mit einfachen Bajonettverbindungen an die Anlage der Raumfahrerbar angeschlossen. »Ich glaub’s trotzdem noch nicht«, murmelte Kalpers. Hapet warf der jungen Frau hinter dem Bartresen einen funkelnden Blick voll professioneller Leidenschaftlichkeit zu. »Soll ich es dir vorführen?« »Das würde mich überzeugen.« »Wir starten morgen zu einem Versorgungsflug. Laß dich zur BERNSTEIN versetzen.« »Keine schlechte Idee. Wann startet ihr?« »In neun Stunden und vierzig Minuten. Deswegen heute auch nur noch ein großes Glas Chir.« »Ich schließe mich an.« Die beiden jungen Männer hatten sich in einer der schönsten und interessantesten Raumfahrerbars der Hafenstadt getroffen. Es war eine Art Ritual, das sie vollzogen, wann immer einer von ihnen landete. Heute war Kalpers dran; er zahlte die Zeche. Die Bemühungen seines Freundes und Logenbruders Hapet Minorr, die gutaussehende Frau zu beeindrucken, verfolgte er mit echtem Interesse. »Wissen es andere Erkenner auch schon?« »Noch nicht. Dir habe ich es zuerst gesagt. Du solltest natürlich deinen Bruder davon verständigen.« »Mache ich.« Die Bar nahm zwei Stockwerke in einem aufgelassenen Raumhafenturm von Ebenenstadt, Jordoban Sieben, ein. Jeder Raumfahrer kannte und besuchte sie. Aus den riesigen Fenstern, die ein kürzlicher Regenguß klar gewaschen hatte, sah man jetzt die Lichter der Stadt, die sich im Wasser des Arnonn widerspiegelten, und natürlich den gesamten Betrieb des Raumhafens. Nach einer Weile meinte Hapet: »Das war eine ganz merkwürdige Sache. Wir schwebten über den Südpol ein und flogen logischerweise hierher. Mein Kollege hatte vergessen, die Systeme auszuschalten. Ich habe zufällig auf die Bildschirme gesehen.« »Und dort war der Promaut abgebildet und winkte dir!« Der Ortungstechniker winkte halb ärgerlich ab. »Mehr Ernst, bitte. Zufällig schaute ich hin und sah die Struktur des überflogenen Landes. Jorny hatte die Tiefenortung aktiviert gehabt; völlig überflüssig, aber es war ja eine Fehlschaltung. Ich sah die unterplanetarischen Kanäle, die Metalladern der Fernbahnen, einige ausgebaute Höhlen und so weiter. Natürlich kenne ich die Anlagen so gut wie jeder Jordobaner.« »Natürlich.« Kalpers, der ältere von zwei Brüdern, hörte jetzt ernsthaft zu. Der Planet Jordoban, einer von drei bewohnten Welten im Jord Pana-System, lag im Herrschaftsbereich der Facette Yog-Mann-Yog. Das Leben war alles andere als aufregend. Es ging
ihnen allen gut; wer arbeitete, verdiente genügend und konnte sich ein gutes Leben machen. Der Promaut hatte den Staat gut organisiert. Jordoban gedieh prächtig und bot mehr Chancen als viele andere Welten, die von Jordoban-Schiffen angeflogen wurden. »Weiter!« sagte Kalpers. Er war hochgewachsen wie alle Mitglieder seiner Familie und trug dunkelbraunes Haar mit zwei orangefarbenen Zierstreifen. »Also… als wir gerade über dem Schwemmlandarm des Torquain waren, also über einer gewaltigen Schicht, planetengeschichtlich uralt, sah ich ganz deutlich ein kugelartiges Objekt. Seit Jahrmillionen dürfte dort kein Metall im Boden sein, auf keinen Fall eine so große Masse. Das ist Meeresboden, von einem Urstrom angeschwemmt, der sich nach der letzten planetologischen Umschichtung über Meereshöhe gehoben hat. Klar?« »Bist du sicher?« fragte der andere und bestellte endlich die Getränke. »Ich bin sicher«, flirtete Hapet so laut, daß es andere Gäste auch hören mußten, »daß ich mit unserem hinreißenden Gegenüber eine lange Unterhaltung haben werde. Wahn schließt du deine Registrierkasse ab, Schätzchen?« Die junge Frau lächelte unverbindlich und mischte schnell und fast ohne hinzusehen die Drinks. »Wenn du, Raumfahrer, nicht zahlst, wird sich mein Freund mit dir unterhalten. Mit einem niedlichen Brecheisen in der Hand.« Sie stellte die wohlgefüllten Gläser vor die beiden jungen Männer und glitt ans andere Ende der Bar, zu anderen Gästen. Kalpers stimmte in ein herzliches Lachen ein. »Schlechte Presse heute, Erkenner Hapet«, sagte er. »Tröste dich mit mir und deiner faszinierenden Erzählung.« »Was ich aus den Ortungsbildern folgere, das ist wirklich faszinierend«, redete Hapet ungerührt weiter. »In der Nähe der Berge, dort, wo die Agrarfarmen anfangen, befindet sich in etwa eintausend Metern Tiefe ein Metallobjekt von einem Durchmesser, der mehr als fünfhundert Meter beträgt. Ich bin ganz sicher, und morgen können wir meine Beobachtung verifizieren.« Die Freunde griffen zu den Gläsern. Ohne daß sie länger darüber sprechen mußten, ahnten sie, daß sie dem Geheimnis des Planeten auf der Spur waren. Der Promaut von Jordoban und den anderen Planeten dieses Systems stand als Verwalter oder Oberster Richter über allen demokratisch gewählten Volksvertretern. Ihn zeichnete eine Seltsamkeit aus: Er war unsichtbar. Niemand wußte, wo er sich aufhielt, wer er wirklich war. Die Erkenner aber hatten sich vorgenommen, die wahre Natur jener »Göttlichkeit«, des »Leitbilds« und des »Symbols« aufzudecken. »Das könnte das Ereignis des Jahrhunderts sein«, meinte Kalpers Otoul schließlich. »Ich habe unentwegt darüber nachgedacht. Aus welchem anderen Grund sollte ausgerechnet dort ein solches Versteck sein?« pflichtete Hapet bei. »Wir checken das Ganze morgen, klar?« »Klar.« Hauptsächlich die Älteren glaubten an die Macht und die Integrität des Promauten. Sie übten selten oder nie Kritik, und selbst die Erkenner mußten zugeben, daß es nicht viel zu kritisieren gab. Abgesehen von einigen Kleinigkeiten, die überall dort auftauchten, wo sich Menschen aneinander rieben. Raumfahrt und Handel mit anderen Planeten blühten; es verkehrten regelmäßig Schiffe aus Jordoban auf festen Routen. Das alles war weder kritikwürdig noch Ziel der Erkenner. Wie ihr frei gewählter Name klar aussagte, wollten sie nur den Verantwortlichen der Facette kennenlernen.
Mittlerweile waren es Tausende, die der Loge angehörten. Meist rekrutierten sie sich aus den Reihen der Raumfahrer oder aus technischen Berufen. Über den Rand des Glases schauten sich die Freunde in die Augen. In ihre jungen Gesichter trat ein entschlossener Ausdruck. »Bevor wir einen falschen Alarm auslösen«, murmelte Hapet und leerte den Drink, »sehen wir uns morgen die fragliche Stelle noch einmal an.« »Einverstanden. Vielleicht schaltet sich auch die Facette ein.« »Bisher hat Yog-Mann-Yog uns stets in Ruhe gelassen. Wenn der Promaut wirklich so beherrschend ist, weiß er längst, daß es die Erkenner gibt. Weiß er es, informiert er auch die Facette.« Kalpers stand auf und zahlte die Zeche. »Wann und wo?« Hapet Minorr zeigte durch die Panoramascheibe auf das schlanke Raumschiff und nannte die genaue Startzeit. Die Freunde verabschiedeten sich voneinander. Kalpers nahm die Schnellbahn zum Wohnbezirk, in dem er und seine Eltern wohnten. * Die gemeinsame Wohnung war vergleichsweise riesig. Dachte Kalpers an die unwürdigen Behausungen, die er auf zahlreichen Welten des Spucknapfes gesehen hatte, schämte er sich. Er betrat die drei Stockwerke, die von der Familie Otoul bewohnt wurden, durch den Eingang seines Privatbereichs. Nach einiger Zeit hielt er es allein nicht mehr aus. Als die Abendnachrichtensendung vorbei war, ging er hinunter in den Gemeinschaftsraum. Mutter, Vater und Bruder Monter saßen in den schwebenden Formscheiben. »Du hast offensichtlich eine fabelhafte Lösung«, begrüßte ihn sein Bruder, »aber noch kein dafür geeignetes Problem, wie?« Im Hintergrund des Raumes bewegten sich die Gegenstände und Personen eines Holospiels. Hentar drosselte die Lautstärke, während Kalpers seine Familie begrüßte. »So ähnlich fühle ich mich«, antwortete Kalpers. »Hört zu!« Er berichtete, was Hapet herausgefunden hatte, ließ aber den Ort des Fundes aus. Von staatlicher Seite, auch von der Facette und vom Promauten, gab es weder Einwände noch irgendwelche Maßnahmen gegen die sogenannten Erkenner. Von Zeit zu Zeit gelang es einem Erkenner, sogar in offiziellen Nachrichten erwähnt zu werden. »Ihr gebt keine Ruhe, nicht wahr?« grinste der Vater. »Ihr wollt unter allen Umständen den Promauten sehen.« »Oder feststellen, daß es ihn nicht gibt.« »Natürlich gibt es ihn«, sagte Hentar mit Nachdruck. »Auch wenn man ihn nicht physisch sehen kann – er ist existent.« »Deine Ansicht ist kritiklos, Vater«, murmelte Kalpers. »Du bist ein typischer Jordobaner. Mutter übrigens auch.« »Laß Mutter aus dem Spiel. Ihr habt zuviel Zeit«, sagte der Vater. »Zu unserer Zeit haben wir soviel arbeiten müssen, daß uns für derlei verrückte Überlegungen jeder Sinn gefehlt hat.«
»Früher war alles besser«, meinte Monter. »Mach nur weiter, Brüderlein. Laß dich von den Ahnen nicht ärgern.« Vater Hentar, der die Bestrebungen der Jungen bestenfalls mit milder Ironie betrachtete, hatte in einer chemischen Fabrikation eine leitende technische Position inne und galt als guter Biologe. »Früher, hat uns Vater immer erzählt«, unterbrach Kalpers aufgeregt, »war alles anders. Der Promaut war zu sehen, sprach liebenswürdig mit euch strebsamen Jordobanern. Seit einer Ewigkeit hat man nichts von ihm gehört und gesehen.« »Stört mich nicht«, wandte die Mutter ein. »Wenn er unsichtbar bleibt, heißt das für mich, daß seine Fähigkeiten hervorragend groß sind. Er hat eben alles unter Kontrolle.« »Wenn ihr erst einmal älter geworden seid, werdet ihr erkennen, wie wichtig und wertvoll der Promaut ist.« »Daran zweifelt niemand!« »Er will ihm nur die Hand schütteln, ein paar Worte wechseln, nachsehen, ob alles läuft, und sich dann wieder zurückziehen, richtig?« »So ist es«, bestätigte Kalpers. Die Erkenner wurden von der überwältigenden Mehrheit der Planetarier als harmlose Individuen eingeschätzt, nicht gerade als eine aufregende soziale Besonderheit. Man tolerierte sie. Ihre ziemlich bedeutungslosen Aktivitäten regten niemanden auf, denn in Wirklichkeit bewirkten sie nichts. »Wie geht es weiter?« »Morgen fliege ich mit Hapet Minorr über das fragliche Gebiet und teste die Metallmasse ganz genau.« »Viel Erfolg wünsche ich«, brummte der Vater. »Ihr solltet diesen Unfug wirklich lassen«, sagte kopfschüttelnd die Hausfrau und aktivierte Ton und Geräusche der Holoschau wieder. »Außerdem siehst du nicht gerade ausgeschlafen aus.« »Morgen haben wir sicher etwas Interessanteres zu berichten. Vielleicht kommt Minorr mit«, meinte Kalpers und stand auf. »Gute Nacht, ihr alle.« Er war selbst nicht sicher, ob der zufällige Fund die. Aufregung rechtfertigte. * Nach der Erledigung der Frachtmission schwebte die BERNSTEIN von Süd nach Nord auf Jordoban Sieben zu. In der kleinen, aber gut ausgerüsteten Ortungsabteilung drängten sich sieben Männer vor den Schirmen zusammen. Sämtliche Geräte waren eingeschaltet und mehrmals genau überprüft worden. »Eines sage ich euch«, erklärte der Kapitän des Schiffes in einem Ton, der keinerlei Zweifel ließ, »ich werde nichts unternehmen, selbst wenn ihr das Heim des Promauten findet.« »Du bist auch kein Erkenner«, murmelte Hapet. »Trotzdem wird dich vom Sessel reißen, was du siehst.« Die Bildschirme zeigten die gewohnten Ansichten. Darstellungen im normal-optischen Bereich und in den ruhigen Farben eines Herbstnachmittags wurden ebenso aufgezeichnet wie alle anderen Einzelheiten. Die Tiefenortung zeigte die Strukturen, Schichten und wenige Anlagen, die sich unter der Oberfläche des Planeten befanden. Die fragliche Gegend zeigte sich zunächst als flacher
Streifen hinter einer Kette von Hügeln. »Achtung jetzt!« murmelte Kalpers. Ständig veränderten sich die Strukturen auf den Schirmen. Die Anlagen des Handelsraumers arbeiteten zuverlässig. Die unterplanetarischen Adern der Schnellbahnen zeichneten sich ab, die Zahlen und Symbole der Metallkonzentrationen und Tiefen wechselten ständig. Von rechts schob sich der Torquain ins Bild, die riesigen Felder erschienen, die Sonne blinkte grell auf dem Wasser. Die Raumfahrer hielten den Atem an, als die Berge sich am Rand der Schirme zeigten. Hapets Finger lagen ruhig an den Schaltern und Abstimmknöpfen. »Da ist es«, flüsterte jemand. Deutlich zeichnete sich eine ovale Fläche ab, die zu einem exakten Kreis wurde, als sich die BERNSTEIN darüber befand. Der Kreis verwandelte sich in eine symmetrische Form, eine Kugel, als die Empfindlichkeit des Senders heraufgesetzt wurde. Eintausendeinhundert Meter druckten die Geräte aus. Der obere Pol der Kugel befand sich ohne eine einzige sichtbare Verbindung mehr als tausend Meter unter dem Fluß und dem riesigen Schwemmland. Der Durchmesser der metallenen Kugel betrug ziemlich exakt vierhundertfünfzig Meter. Das Schiff schwebte in eine Kurve ein, flog den Kreis aus und nahm ununterbrochen Ortungen aus anderen Winkeln vor. Die Tatsache blieb, die Maße veränderten sich nicht. Schließlich sagte der Kommandant: »Ich denke, ihr habt genug gesehen. Landung vorbereiten!« »Wir haben wirklich genug gesehen.« Nach der Landung, und nachdem sie die abschließenden Kontrollen und Arbeiten erledigt hatten, ließen sich alle jüngeren Raumfahrer in die Bar bringen. Es waren nicht nur Angehörige der Erkenner-Loge. Sie diskutierten die Beobachtungen und waren sicher, die Heimstatt des Promauten gefunden zu haben. Noch an dem selben Abend fing jeder von ihnen an, seine Freunde zu verständigen. Diese wiederum führten Gespräche mit anderen, und binnen zweier Tage waren es Tausende und aber Tausende Erkenner, die von diesen aufregenden Funden wußten. Die Aufzeichnungen der Ortungsergebnisse wurden zahllose Male abgespielt. Noch immer reagierte niemand: weder die Regierung, noch der Promaut oder gar die Facette. * Kurz vor der Mittagspause summte der Kommunikator an Hentar Otouls Arbeitstisch. Er drückte den Kontakt und meldete sich. »Eine wichtige Sache«, eröffnete der Chef des Unternehmens die kurze Unterhaltung. »Wir treffen uns sofort in meinem Büro. Wirklich außerordentlich dringend.« Sein Finger deutete senkrecht in die Höhe. Es war das Zeichen, daß eine Anordnung von oben ergangen war. Hentar nickte, schloß seine Berechnungen ab und fragte sich auf dem Weg durch den langen Korridor, ob der Promaut bereits auf die Versuche der Erkenner reagierte, und wenn ja, womit. »Sind wir vollzählig?« Hentar ließ die schallsichere Tür hinter sich zugleiten und sah sich kurz um. Einundzwanzig Frauen und Männer waren versammelt; alle Abteilungsleiter der Synthetisierabteilung, der Mechaniker und zwei Techniker, die mit Antriebstechnik zu tun hatte. Er kannte sie flüchtig.
»Was gibt’s, Direktor?« fragte er und winkte eine schwebende Formschale heran. Bedächtig setzte er sich; das weiche Material glich sich den Körperkonturen an. Hentar, einer der ältesten Fachleute dieses Staatsunternehmens, war ein geachteter Fachmann. Sein Rat, war bei allen größeren Problemen geschätzt. Seine breitschultrige, wuchtige Gestalt mit dem schwarzen Haar und dem faltigen Gesicht schien seine Bedeutung noch zu unterstreichen. »Ein wichtiger Auftrag. Er kam, und das wird die Väter einiger Erkenner interessieren, vom Promauten direkt.« »Aha«, kommentierte Hentar ruhig. »Was wünscht man von uns?« Hörn Wator, der Direktor, präzisierte das Problem. Schweigen breitete sich aus, als er zu sprechen begann. »Der Auftrag ist dringend und geheim. Von uns darf nichts an die Öffentlichkeit dringen; wir sind zu Stillschweigen verpflichtet worden. Die Regierung will, daß wir aus möglichst unzerstörbarem oder wenigstens sehr widerstandsfähigem Synthetikmaterial eine Anzahl Kugeln herstellen. Durchmesser von gut zwanzig bis fünfundvierzig Meter.« »Zweck?« wollte der Chef der mechanischen Abteilung wissen. Der Direktor winkte ab und meinte: »Später.« Die Spezifikationen sahen vor, daß die Klumpen innerhalb bestimmter Vorgaben ihre Form verändern konnten. Über kurze Entfernungen hinweg mußten sie sich selbst bewegen, also einen kurzen Raumflug durchführen und mit einer gezielten Landung beenden können. Die Kunststoffkugeln sollten sich robotisch steuern lassen. Ihr Inneres mußte aussehen wie Zellplasma. Die Außenhülle mußte metallischsilbermatt glänzen. Die Produktion sollte augenblicklich aufgenommen werden; alle anderen Probleme waren unbedeutend. Der Direktor seufzte tief und fuhr fort: »Die nächsten Informationen sind weniger schön. Der Promaut war sicher, daß man versuchen wird, die Produktion zu stören und zu sabotieren. Der Promaut wird, wenn nötig, Sicherheitskräfte zu unserem Schutz abstellen.« Diesmal unterbrach der Vater des jungen Erkenners. »Hat der Promaut irgendwie die Erkenner erwähnt? Ihre neuen Aktivitäten?« »Kein Wort. Es wird ihm ebenso gleichgültig sein wie zuvor.« »Ich bin beruhigt. Weiter, Direktor.« »Im späteren Verlauf, also wenn die ersten Exemplare fertig sind, sollen Raumschiffe sie in die Nähe der Zielgebiete bringen. Die Ziele wird der Vertreter Yog-Mann-Yogs den betreffenden Schiffsführern direkt angeben. Wir haben damit nichts mehr zu tun.« »Wie viele Kugeln sollen wir herstellen? Das Problem ist nicht sonderlich schwierig.« »Wir fangen sofort an. Jede fertiggestellte Synthetik-Kugel melden wir dem Promauten. Die Erzeugung der Pseudoplasmakugeln soll unverzüglich aufgenommen werden.« »Alle anderen Vorhaben stoppen?« »Alles«, bestätigte der Direktor und blickte in die Gesichter seiner Mitarbeiter, »was diese vorrangige Aufgabe stören könnte. An die Arbeit, Freunde! Nach langer Zeit wieder einmal eine echte Herausforderung!« Sofort bildeten sich kleine Gruppen. Die Männer begannen schon im Konferenzraum die Probleme zu diskutieren. Aber aus welchen Gründen rechnete der Promaut mit Versuchen, die Herstellung zu sabotieren?
Bereits mitten in der Nacht waren die Einzelheiten geklärt. Die Produktion begann langsam anzulaufen. Der Materialfluß kam in Gang. Eine Halle war bereits geräumt und halb umgerüstet worden. In drei Tagen, meinten die Fachleute, würde die erste vollausgerüstete PseudoplasmaKugel das Werk verlassen. * Die Aufregung erreichte einen ersten Höhepunkt, als Yarm Cadash bei Kalpers Otoul anrief. »Ich habe etwas, das euch und uns vermutlich nützen wird«, sagte er. »Meine Familie ist federführend beim Bau von Stollen, zum Beispiel für subplanetarische Anlagen. Fernbahnen, Stollen oder so etwas.« Kalpers kannte Yarm flüchtig. Irgendwann hatten sie einmal zusammen einen technischen Schulungskurs mitgemacht. Er wurde neugierig. »Sprich deutlicher, Logenbruder«, sagte er. »Du hast also die Aufzeichnungen schon gesehen?« »Ja. Und mir ist aufgefallen, daß es zwischen der Oberfläche und eurer Kugel keine Verbindung gibt.« »Was schließt du daraus? Nicht, daß wir uns nicht auch schon gefragt hätten…« »Die logische Folge ist, daß der Promaut, wenn er beliebt, die Planetenoberfläche zu besuchen, sich Transmitterverbindungen bedient. Wir wissen nicht, wie er aussieht…« »Wenn es ihn überhaupt gibt.« »Richtig. Aber praktisch könnte jeder Nicht-Jordobaner, der sich auf unserem Planeten bewegt, der Promaut sein.« »Verdammt!« Weder Kalpers noch Hapet hatten sich über diesen Punkt ernsthafte Gedanken gemacht. Daß der Promaut über Transmitter verfügte, war nur logisch. Der Logenbruder winkte ab und meinte: »Wir wollen doch wohl nachsehen, wie der Promaut wohnt?« »Natürlich.« »Ich kann für einige Tage unsere Bergbaumaschine organisieren. Vater hat zwar nicht gerade fröhlich darüber gelacht, aber im Moment gibt es keinen Auftrag. Ich kann das Ding ausleihen.« »Wieviel Mann brauchst du?« »Bis fünfzehn Mann haben Platz. Ein Dutzend, denke ich.« »Und wo steckst du gerade?« »Das ist das Problem. Dreitausend Kilometer vom Torquain entfernt. Die Maschine muß transportiert werden.« »Gib mir deine Anschlußnummer. Ich glaube, das kann Hapet Minorr arrangieren. Kennst du ihn? Ortungsfachmann auf der BERNSTEIN.« »Durchaus möglich. Ruf mich zurück.« »Alles klar.« Aus der großen Anzahl der benachrichtigten Erkenner konzentrierte sich eine weitaus kleinere Gruppe, die, mit größeren technischen Möglichkeiten, mit mehr Geld und mehr Freizeit, entscheidend handeln konnte. Zuerst wurde ein Spezialtransporter beschafft und die
Bedienungsmannschaft zusammengetrommelt. Begeisterung und das Gefühl, wirklich etwas Neues entdeckt zu haben, feuerten die Erkenner zu Höchstleistungen an. Der Transporter schwebte zum Standort der riesigen Bergbaumaschine und lud sie auf. Die Raumfahrer setzten den schwebenden Transporter, eine Plattform mit Antigravtriebwerken und einem Steuerhaus, auf einem unbebauten Stück Land ab. Logenbrüder-Planetologen hatten hastig den bestmöglichen Startpunkt errechnet. Niemand wollte die Farmer schädigen, andererseits sollte der Stollen nicht zu lang sein. Senkrecht abwärts durfte er ohnehin nicht geführt werden, dafür war die Maschine nicht geschaffen. Eine Mannschaft für den Riesenmaulwurf mußte gefunden werden; Urlaub, Vorräte, Treibstoffe, Finanzen und vieles mehr stellte sich als Problem heraus, das die Logistiker lösten. Irgendwann tauchte natürlich auch die Frage auf, ob die Erkenner nicht zu voreilig gewesen waren. War diese Kugel wirklich der Sitz des Promauten? Oder bedeutete sie eine Hinterlassenschaft aus der fernen, unbekannten Vergangenheit Jordobans? »Wir werden es schnell herausfinden«, sagte Hapet. Um ihn hatte sich eine Kerngruppe gescharrt, die mit wahrem Feuereifer an ihrer selbstgewählten Aufgabe arbeitete. Eine neue Messung ergab, daß die gewaltige Metallansammlung keinerlei feststellbare Energie ausstrahlte. Mitten in all der Aufregung zogen sich die fünf Hauptakteure in die Raumfahrerbar zurück. Sie brauchten dringend eine Erholung und Ruhe an einem neutralen Platz. Als die Getränke vor ihnen standen, meinte Kalpers so nachdenklich, wie sie ihn während der letzten Woche nicht einmal erlebt hatten: »Ich bin beunruhigt. Es kann durchaus sein, daß wir mit diesem Vorstoß eine gesellschaftliche Lawine lostreten.« »Damit rechne ich«, antwortete Yarm ebenso ernsthaft. »Der Promaut soll sich zeigen. Oder wir wissen, daß wir direkt von Yog-Mann-Yog beherrscht werden. Dein Vater, Kalpers, hat uns gewarnt.« »Ist auch mein Vater«, brummte Monter. »Es war nicht immer so beschaulich und problemlos auf Jordoban. Früher soll unser Planet ein Schlachtfeld der Auseinandersetzungen zwischen Jordobanern und mehr als einem Dutzend anderer Fremdwesen gewesen sein.« »Ich rechne spätestens dann, wenn wir zur Metallkugel vorstoßen, mit Auseinandersetzungen und Spannungen«, sagte Hapet Minorr. »Auch unser Versuch wird sicherlich angegriffen werden.« »Glücklicherweise ist der Supermaulwurf energieautark. Wenn wir hundert Meter unter der Planetenoberfläche sind, kann uns niemand mehr etwas anhaben.« »Natürlich mache ich mit. Jeder Erkenner unterstützt uns – planetenweit«, erklärte der schweigsame Korasch Nyp. Er war der ausgesuchte Fahrer der Maschine. »Trotzdem: ich habe kein gutes Gefühl. Wann fangen wir an?« »Übermorgen.« Nachdenklich und ruhig, aber weiterhin entschlossen, tranken sie aus und gingen auseinander.
3. »Ich werde aus meiner Position der Klugheit und meiner Macht heraus handeln.« Die Worte verhallten ohne Echo an den dunklen Wänden. Zahllose Bildschirme flimmerten in dem riesigen Raum. Ununterbrochen wurden Informationen und Datenströme übertragen. Yog-MannYog, der Zwilling, Leuchtender des Sektors Janzonborr, hatte eine neue Entwicklung eingeleitet, die erfolgversprechend erschien. Ob die Ergebnisse ihm recht geben würden, wußte er nicht. Aber die Aktionen waren sicherlich nicht vergeblich. Sie waren bitter notwendig. Jeder Versuch, die absolute Herrschaft des Erleuchteten zu brechen, war notwendig und wichtig – und oft vergeblich. Der nächste Zug der Facette entsprang keiner langen, wohlüberlegten Planung. Jenes seltsame Raumschiff, das den Namen ANIMA trug, mußte unbedingt gefunden werden. Er, Yog-Mann-Yog, brauchte es. Aber er war keineswegs allein bei der Suche oder der Verfolgung. Die anderen Facetten jagten ANIMA ebenfalls. Jeder wollte das Schiff für sich, und sei es nur deshalb, um dem Juwel, dem Erleuchteten, zu schmeicheln und durch solche devoten Gesten klarzumachen, daß die Macht im Zentrum anerkannt wurde. »Und eines Tages, Erleuchteter«, murmelte der »Zwilling«, »wird auch dein Versteck nicht mehr sicher sein. Das mag noch eine gute Weile dauern, aber alles ändert sich.« Yog-Mann-Yog wußte genau, daß er allen anderen Facetten in einem Punkt überlegen war. Seine Kenntnisse der Kunstgeschöpfe, der Biotechnik, von Plasma und dergleichen wurden auf rund tausend Planeten verwendet. Aus der Sicherheit heraus, die er besaß, gab er seine Befehle. Zunächst mußten alle, die nach ANIMA suchten, in die Irre geführt werden. Die Befehle waren bereits übermittelt worden. Der Promaut auf Jordoban würde sich darum kümmern. Mit derselben bedingungslosen Zuverlässigkeit wie ein Roboter der Stählernen Horde griffen dort die Einzelaktionen ineinander. Aus dieser Richtung drohte keine Panne. In dem wuchtigen, dicken Körper der Facette bewegten sich flink die Augen. Es sah aus, als ob der Rest der Körpermasse völlig unbeweglich sei. Die Jagd nach ANIMA ging weiter. Atlan, der potentielle Anführer eines Kontingents der Stählernen Horde, war entkommen und getötet worden. Dieses Problem existierte nicht mehr. »Auch dich werde ich bald wieder in meiner Hand haben«, sagte er. Wut und Enttäuschung machten sich in ihm breit. Er war an diesem vergleichsweise riesigen Plasmaklumpen mehr als interessiert. Die Eigenschaften ANIMAS waren unglaublich. Trotz seines Vorsprungs in den einschlägigen Wissenschaften – das, was dieses Plasmageschöpf vermochte, konnte keine seiner Schöpfungen leisten. Er brauchte ANIMA, um sie zu untersuchen und die Resultate verwerten zu können. Jordoban war ein Zentrum für einen Spezialauftrag dieser Art. Bisher waren selten Aufträge dieser Art an die Plasmatreiber erteilt worden. So hießen sie in der Terminologie der Facette: Plasmajäger oder Plasmaeintreiber… das war früher einmal gewesen. In den Jahren, als die Jordobaner noch wild gewesen waren, als sie auf seinen Befehl wie die Rasenden kämpften. Er schüttelte seinen langen, schmalen Kopf und strich abwehrend über den dünnen Flaum der Schädeldecke.
Neue Informationen kamen über die Bildschirme; Texte, Bilder, Diagramme. Die Jagd nach dem fremden Raumschiff, nach ANIMA und nach allen und jedem, der ihm bei dieser Beute Konkurrenz zu machen gedachte, war in vollem Gang. Yog-Mann-Yog seufzte zufrieden. Es war kein guter Tag, aber auch kein schlechter. Es hatte viel schlimmere Stunden gegeben. * Vierzehn Männer, keiner von ihnen älter als zweiunddreißig, standen im lehmigen Sand vor der Maschine. Sie wirkten wie Zwerge. Der Supermaulwurf hatte die Form eines gedrungenen Torpedos. Zahlreiche Bohreinsätze, Raupenketten, hydraulische Hebelwerke, Klappen, Desintegratoren, Projektoren und Scheinwerfer, verdeckte und offene Sichtflächen bildeten Dutzende von Anhängseln und herausragende Fortsätze. Fast alle waren sie hinter schwere Klappen zurückziehbar. Sämtliche Metallflächen waren zerschrammt und zerkratzt. »Beeindruckend!« sagte Monter. »Wirklich beeindruckend.« Fünfzig Meter lang, Durchmesser mehr als fünfzehn Meter, ein Symbol gedrängter Kraft, stand die Grabmaschine, nach vorn geneigt, auf sechs breiten Raupen. Ringsherum war leeres Land. Neben den Erkennern standen die Taschen und Gepäckstücke ihrer persönlichen Ausrüstung. Ein grellfarbener Nahrungsmittelcontainer stand da; die Spuren eines Versorgungsgleiters zeichneten sich deutlich neben der Hauptschleuse des Bohrgeräts ab. »Laßt euch nicht beeindrucken«, sagte Yarm ruhig. »Steigt ein.« »Und denkt daran«, schaltete sich Hapet ein, »daß wir auch Schwierigkeiten bekommen können. Los! Unter die Planetenoberfläche.« »Einverstanden.« Yarm öffnete das zerschrammte Schott und ließ seine Freunde und Logenbrüder einsteigen. Nach dem letzten schob sich die Klappleiter in die Vertiefung, die Klappe schloß sich. Ein Kranarm – einer der Erkenner wurde zuerst in dessen Bedienung unterwiesen – hob den Container an Bord. Dann schloß sich auch die äußere Schleusentür. Yarm Cadash wies jeden Mann in seine Funktion ein. Er selbst schaltete die Energieversorgung ein. Der riesige Körper der Maschine begann zu vibrieren. Hapet setzte sich vor die Ortungsanlagen. Die Männer schlüpften in Overalls, verstauten ihre Ausrüstung in zahlreichen Taschen, machten sich mit ihrem Arbeitsplatz vertraut, fragten und bekamen Antworten. Yarm schaltete die Bordfunkanlage ein und sagte: »Freunde! Ich bringe das Gerät in die richtige Position. Hapet, du bist für die Richtung zuständig. Bei dir alles klar?« »Nur los. Siebzehn Grad nach rechts.« Fragen und Antworten, Anordnungen und Bestätigungen schwirrten durch die winzigen Räume. Das Gerät war energieautark und konnte, je nach Ausrüstung, bis zu einem halben Monat unter dem Planetenboden arbeiten. Die Spitze des Geräts neigte sich. Langsam fuhr der Riesentorpedo an und drehte sich um siebzehn Grad nach rechts. Sämtliche Ausleger, die jetzt noch nicht gebraucht wurden, zogen sich hinter die Abdeckungen zurück. Die Projektoren an der Spitze wurden eingeschaltet und lösten den Lehmboden zu schmutziggrauem
Dunst auf. In das langsam entstehende Loch fuhr die Grabmaschine hinein, senkte sich mehr und mehr und befand sich nach einigen Minuten am Anfang einer Gerade, die länger als zweieinvierteltausend Meter war. Stück um Stück verschwand in der unregelmäßigen Öffnung. Die Luftversorgung lief an, die Filter wurden vorgeschaltet. »Ausgezeichnet. Kontrolliert den Energiefluß.« Die Maschine gab ein gleichmäßiges tiefes Brummen von sich. Jedes Molekül des gewaltigen Körpers schien zu vibrieren. Mittlerweile waren die Insassen mit den Schaltungen und Instrumenten der verschiedenen Stationen einigermaßen vertraut, und die Belastung für Yarm wurde geringer. »Energiefluß konstant. Neigungswinkel?« »Eingestellt und aufs Ziel ausgerichtet.« Das gerundete Heck der Maschine verschwand in der Vertiefung. Das aufgelöste Gestein wurde von Düsen gepackt und entlang tiefer Rillen nach hinten gedrückt. Minuten später wölkte dichter Rauch aus dem Loch im Boden. Dieselbe Zeit später war von der Maschine nichts mehr zu sehen, die niederrieselnden Partikel verwischten und überlagerten die Spuren. Die Erkenner im Rumpf der Maschine begriffen jetzt, daß sie allein waren. Trotzdem verloren sie nichts von ihrem Schwung und ihrer Zuversicht. Die Inneneinrichtung des Kolosses war mehr als spartanisch, aber die Techniker fühlten sich wohl. Sie identifizierten sich mit ihrer Aufgabe. »Das geht ja ausgezeichnet«, sagte Monter. Sie bewegten sich in Schwärze und Finsternis. Langsam, Meter um Meter, lösten die Projektoren ein fünfzehn Meter großes Loch, den Anfang eines fast geraden Tunnels, der bei der Kugel dort unten endete. Dunkelheit schloß die vierzehn Männer ein. Die Maschine stieß sich mit den fast völlig eingefahrenen Raupenketten langsam vorwärts. Nicht eigentlich vorwärts, sondern in rund fünfundvierzig Grad abwärts. Die Geschwindigkeit, mit der sich das Monstrum ins Innere Jordobans bohrte, war nicht gerade großartig. Sie betrug, je nach Art des Gesteins, bis zu hundert Zentimeter in der Minute. Langsam kam Ordnung in das Innenleben der Maschine. Sieben Mann zogen sich in die Hängematten zurück, die kreuz und quer zwischen den Bedienungspulten und Kontrollstationen hin und her schwankten. Aus kleinen, abgenutzten Automaten zischten verschiedene heiße Getränke. Die Luftreinigungsanlage, die mit Außenluft arbeitete, blies kühle und feuchte Luft ins Innere. Sie roch stark nach dem Gestein, das an der Spitze aufgelöst worden war. Yarm, umgeben von den zahllosen verschiedenfarbenen Lichtern der Armaturen, trug winzige Kopfhörer und ein ebensolches Mikrophon an haarfeinen Bügeln. Er wirkte tatsächlich verblüfft, als er sich in die anderen sechs Systeme einschaltete und sagte: »Wir sind schon gut eine Stunde unterwegs. Problemlos bis jetzt!« »Hast du vom Equipment deines Vaters etwas anderes erwartet«, fragte Hapet ironisch zurück. »Eigentlich nicht. Ich traue den progressiven Erkennern nicht, das ist das Problem.« Gedämpftes Gelächter kam durch die Lautsprecher. Aber er hatte den Kern getroffen, wie Kalpers sofort bestätigte. Auch er wirkte nachdenklich und skeptisch. »Ich habe mit meinem Vater gesprochen«, sagte er halblaut. »Ich weiß allerdings nicht, ob ich alles berichten soll, was er sagte. Nun, ich meine, es ist besser. Vielleicht erwartet Uns dort unten eine größere Überraschung, als wir uns vorzustellen vermögen.« »Geheimniskrämerei zwischen Erstgeburt und Elternschaft«, witzelte Monter. Er kontrollierte die
Systeme der Innenversorgung und die vielen Klappenmechanismen. »So ähnlich hat’s Vater wohl auch gesehen. Hört zu«, meinte Kalpers. »Ich spreche etwas lauter, falls einer von den Schläfern auch zuhören will. Vater sagte, daß früher, auch vor seiner Zeit, der Promaut sich in unzählige Dinge eingemischt und reihenweise Befehle gegeben hat. Das hatte mehrere Gründe. Die Befehle bekam er natürlich von der Facette, von Yog-Mann-Yog also. Diese Anordnungen waren, was die Fabrikation und die Entwicklung und all das betraf, eindeutig. Im Lauf der Zeit bildeten sich auf Jordoban spezielle Plasmatreiber. So nannte der Promaut die Fachleute, die in der Lage waren, künstliche Geschöpfe aller Art zu entwickeln und herzustellen. Bis hierher alles verstanden?« Brummend und vibrierend, abgeschlossen wie ein Raumschiff, hin und wieder erzitternd unter schauerlich klingenden Knirschgeräuschen, sank die Maschine tiefer und tiefer. Bis zu diesem Zeitpunkt arbeitete sie tatsächlich in allen Teilen präzise und effizient wie ein Computer. »Laß dir Zeit«, meinte Yarm. »Wir haben noch mehr als fünfunddreißig Stunden bis zur Pointe.« »Ich habe keine Eile«, sagte Kalpers und nahm einen Schluck aus einem Kunststoffbecher. »Da sich auf unserem Planeten eine Plasma- und Kunststoffkultur bildete, die zusammen mit anderen Hilfswissenschaften wie Mechanik, Robotik und so weiter immer besser wurde, kam auf anderen Welten Neid auf. Eine logische Entwicklung, sollte man meinen. Die Facette und auch der Promaut übersahen die ersten Erscheinungen. Es kamen ungewöhnlich viele Fremde nach Jordoban. Sie stammten von allen möglichen Welten Janzonborrs. Sie versuchten, grob gesehen, die Geheimnisse, Formeln und Herstellungsverfahren zu stehlen. Warum? fragte ich Vater – die Antwort eröffnet einige überraschende Perspektiven. Jeder von ihnen wollte dasselbe wie wir. Spezialist für die Facette sein, immer bessere Kunstgeschöpfe herstellen können. Es ging nicht um Roboter, sondern um Dinge aller Art, die den lebenden Wesen ähnlicher und ähnlicher, aber mit darüber hinausreichenden Fähigkeiten ausgestattet werden können. Wegen dieser vielen Spione, und mit ihnen gab es Streit. Kämpfe brachen aus, Energie wurde verschwendet, um überfallartige Raubzüge zu vereiteln oder den Fremden die Daten und Modelle wieder abzujagen. Die Ahnen von uns allen müssen gekämpft haben wie kosmische Raubtiere.« Monter murmelte voll tiefer Überraschung: »Das höre ich heute wirklich zum erstenmal.« »Sind die Archive manipuliert worden? Darüber steht tatsächlich nur ganz wenig in den offiziellen Erinnerungen. Hat dir dein Clanchef den Grund dafür gesagt?« »Sie sind manipuliert. Es sind neun Zehntel aller Einzelheiten und Namen gelöscht worden. Auskünfte sind von unüberbietbarer Dürftigkeit.« »Was deine Erzählungen nicht auszeichnet«, lobte Hapet. »Weiter.« Alle Insassen, die noch nicht schliefen, hörten folgende Zusammenfassung mit Neugierde und nicht ohne Gewinn. »Der Promaut kam und ging in jenen Jahren unerkannt, aber regelmäßig. Wie er aussah, konnte niemand mit Sicherheit sagen. Er schien zumindest eine Reihe Transmitter gehabt zu haben, an vielen strategischen Stellen. In der Masse der fremden Wesen fiel er nicht auf. Wir wissen nicht, wen wir dort unten – oder sollte ich ›vorn‹ sagen? – finden werden, und wir können nicht einmal mit Sicherheit sagen, ob die Kugel das ist, wofür wir sie halten.« »Darüber hinaus hält der halbe Planet unseren Vorstoß in die geschichtliche Tiefe für lächerlichen Schwachsinn.«
»Was uns bisher nicht entmutigt hat«, murmelte der Steuermann des Monstrums. Eine Weile lang dachten sie über die Konsequenzen dessen nach, was sie gehört hatten. Es änderte ihr Weltbild ein wenig, aber ihr Versuch, den Promauten zu enttarnen, wurde davon nicht berührt. Eine Stunde später setzte sich ein Luftfilter um, es wurde auf das Redundanzsystem umgeschaltet, und zwei Männer reinigten den Filter. Schließlich übernahm die zweite Schicht den Betrieb des Grabgeräts, und sieben Männer kletterten in die Hängematten. Hapet Minorrs letzte Überlegungen beschäftigten sich, bevor er in einen unruhigen Schlaf sank, mit anderen Problemen. Wie würde sie der Promaut empfangen? Mit Abwehrmaßnahmen gegen unliebsame Eindringlinge? Oder mit offenen Armen, weil er in dieser Tiefe so lange einsam gewesen war? * Hentar Otoul lehnte seine heiße Stirn gegen das Glas der Panoramascheibe. Er war allein in seinem Laborbüro; fast die gesamte Belegschaft befand sich auf den Rampen oder am Rand des kleinen, firmeneigenen Landefelds. Mit dröhnenden Düsen und flimmernden Stützstrahlen kam die AMETHYST die letzten Meter aus der Luft herunter und setzte auf. Die Schallwellen ließen die Scheibe vibrieren. Hentar wurde aus seinen Gedanken gerissen. »Ich sollte auch besser hinausgehen«, sagte er zu sich selbst und verließ den Raum. Als er auf die Terrasse der Kantine hinauslief, öffnete sich gerade das riesige Tor der Produktionshalle. Lautlos schob sich, einige Meter über dem gerasterten weißen Belag des Platzes, eine Kugel von nahezu fünfundvierzig Meter Durchmesser hervor und schwebte langsam auf das Transportschiff zu. Das Sonnenlicht spiegelte sich fast unerträglich gleißend auf der silberglänzenden Oberfläche. Hentar wußte, daß der Robotiker den Kurs des großen, schweren Balles programmiert hatte, aber mit dem Steuergerät in der Hand dastand und eingreifen würde, wenn eine Panne drohte. Die Schleuse des Laderaums der AMETHYST glitt rumpelnd auf. Das Schiff war vom Promauten wegen dieser riesigen Luke ausgesucht worden. Die Kugel stieg höher und näherte sich dem Raumer. Von der Belegschaft kamen die ersten anfeuernden und fröhlichen Rufe. Wir haben das Problem gelöst! dachte Hentar. Er fragte sich wieder einmal, warum ausgerechnet sein Betrieb ausgesucht worden war, dieses Ding zu erschaffen. Es hatte keinen erkennbaren Zweck; es war über die Verwendung auch dem Direktor nichts gesagt worden. Aber die Spezifikationen waren erfüllt. An die Möglichkeit, daß sie nicht die einzigen waren, die derlei Silberkugeln herstellten, dachte er eigentümlicherweise nicht ein einzigesmal. Die Kugel erreichte das Schiff, wurde langsamer und schwebte geräuschlos durch die quadratische Öffnung. Zwischen der funkelnden Außenhülle und dem Rahmen der Schleuse waren nur Handbreiten freier Platz. Jetzt reflektierte das Silber die Lichtkreise der Laderaumscheinwerfer. Als die Kugel ganz im Laderaum verschwunden war, gab es prasselnden Applaus der Belegschaft. Sie waren stolz auf diese Schöpfung, die binnen weniger Tage praktisch aus dem Boden gestampft worden war. Der Robotiker raste auf einem Lastengleiter heran und übergab einem Schiffsoffizier das Steuergerät und den Programmierer für längere Flüge und Flugbewegungen. Mit metallischen Geräuschen schloß sich die Schleuse wieder. Das letzte. Funkeln der riesigen
Kunstplasmakugel erlosch. Die Schiffssirene heulte kurz auf; das Signal, sich besser in das Gebäude zurückzuziehen. Der Direktor sprach mit dem Kommandanten über die Geräte in seinem Büro. Das Schiff startete. Noch während sich die AMETHYST durch die Lufthülle schwang und einem Ziel entgegenflog, das nur der Kommandant kannte, liefen die Ingenieure, Arbeiter und Fachleute an ihre Arbeitsplätze zurück. Dir Grundsubstanz für die nächste Kugel, deren Durchmesser nur fünfunddreißig Meter zu betragen brauchte, wuchs bereits in den Nährtanks und konnte bald geformt werden. * Jede Handbreit in der Zentrale der AMETHYST ließ erkennen, daß das Raumschiff zu den ältesten Baumustern gehörte. Die Teile atmeten förmlich Zuverlässigkeit, beruhigendes Gewicht und vertrauenserweckende Dicke aus! Heute wurden Schiffe viel leichter gebaut, und zu polieren gab es auch nicht mehr viel. Der schwere Kontursessel mit dem abgewetzten Bezug knirschte und quietschte leise, als der Kommandant ihn herumdrehte. »Es ist nicht an mir, Maßnahmen Yog-Mann-Yogs zu kommentieren. Trotzdem wüßte ich verdammt gern, wozu das Silberding gut sein soll.« »Vielleicht eine optische Boje? Du weißt ja nicht, wie das technische Innenleben aussieht. Möglicherweise pulsiert die Kugel in bestimmtem Rhythmus?« Ungläubig winkte Iard ab. Die Jordobaner betrachteten sich als Angehörige einer zweibeinigen, zweigliedrigen Spezies, die über alle Teile der Galaxis Alkordoom verteilt war und sich wohltuend ausgewogen aussehend von vielen anderen Planetenvölkern abhob. Echte Arroganz lag ihnen fern; aber sie fühlten sich schon ein wenig ausgezeichnet. Dachten sie an die unzähligen Exoten, die sie während ihrer Flüge trafen, blickten sie gern in den Spiegel. Mit dieser Rate an Chauvinismus konnten sie sehr gut leben, und daher fand die Facette in ihnen auch gehorsame und unproblematische Sternenbürger. Sogar offene Kritik wurde so großzügig toleriert, daß niemand mehr daran dachte, daß auf Jordoban und den beiden anderen Planeten – sie waren weitaus dünner besiedelt – auch andere Verhältnisse hätten herrschen können. Nämlich weniger angenehme. »Wozu braucht die Facette Blinksignale auf unwichtigen Welten?« Kommandant, Astrogator und Chefingenieur waren zu dieser Stunde die einzigen Männer in der Zentrale. Das Schiff glitt im Linearsprung durch den Kosmos und würde in kurzer Zeit in den Zielraum der gewählten Koordinaten eintauchen. Der Ingenieur hatte das eingespeiste Programm mehrmals durch den Schiffscomputer laufen lassen und betrachtete die optische Darstellung des Silberkugelkurses nach Verlassen des Laderaumes. »Ich weiß es nicht«, sagte er. »Wir können ja in Warteposition gehen und zuschauen, was passiert?« Iard lachte grimmig und trank das eiskalt gewordene Aufmunterungsgetränk. »Hervorragende Idee! Wir verlieren den Job und dazu noch die Bezahlung. Vielleicht sagt uns der nächste Flug beziehungsweise dessen Ziel etwas mehr.« Die Kugel sollte im freien Raum nahe des Systems Chosch-Neyard II ausgesetzt werden. Um eine kleine rote Sonne drehten sich hier weit innerhalb der südlichen Grenzlinie von Janzonborr zur Sonnensteppe, drei unbewohnte, nutzlos Welten. Der zweite Planet, Crancs, trug die Parodie auf pflanzliches Leben und besaß echte Spuren einer Sauerstoffatmosphäre. Er war die Zielwelt der riesigen Pseudoplasmakugel.
Ein Warnsignal kam aus der Tiefe der glattpolierten Instrumentenpaneele. Iard drehte seinen Sessel wieder und betätigte die Schaltungen. Das Ziel lag voraus, irgendwo in dem grauen Dunkel, das sich auf den Schirmen zeigte. »Möglicherweise wartet jemand auf das Projektil. Kümmerst du dich um die Ortung, Isard?« Der Astrogator aktivierte wortlos seine Geräte und lehnte sich wieder zurück. »Ich glaube nicht, daß jemand wartet. Aber alles ist möglich.« Die Männer waren eine erfahrene Crew, die seit Jahren zusammen flog. Ihre Ablösung lag in den Kojen und schlief. Einen Moment lang dachte Iard daran, die Kameraden zu wecken, verwarf diese Überlegung wieder; Chosch-Nayard II bot nichts, das eine Unterbrechung selbst eines unruhigen Schlafes gerechtfertigt hätte. »Achtung. Gleich bekommst du Arbeit, Tudel.« Der Chefingenieur war bereit. Die AMETHYST schüttelte sich leicht. Die Bildschirme füllten sich mit der verwirrenden Sternenpracht der fernen Sonnensteppe. Binnen Sekunden tauchten auf den Ortungsschirmen die vier stellaren Körper des Systems auf. Die erste negative Beschleunigung machte das Schiff langsamer, der Schiffsbug richtete sich nach einigen Kurskorrekturen auf das zweite, winzige Echo. »In vierundvierzig Minuten haben wir die Abwurfposition erreicht«, meldete der Astrogator, nachdem er die Symbole und Zahlenreihen studiert hatte. »Soweit ich sehen kann, sind wir allein.« »Mit Sternen und kosmischem Staub«, deklamierte Iard sarkastisch. »Gibt es Probleme?« »Keine Probleme.« Die AMETHYST raste auf die unsichtbare Grenze des Sonnensystems zu. Die Sicherheitsschaltungen wurden überprüft, dann rollten langsam die Portale des Laderaums auf. Das technische Innenleben der Pseudoplasmakugel wurde aktiviert. Sie hob sich langsam, als die künstliche Schwerkraft deaktiviert wurde, ein Ladestrahl packte sie und schob sie auf die Öffnung zu. Dann übernahm die Innensteuerung. Das Objekt, in dessen Außenfläche sich die Sterne als helle Schleier spiegelten, schoß mit einem wilden Ruck im rechten Winkel zum Kurs des Handelsraumers davon, beschrieb eine weite Kurve und wurde zusehends schneller. »Die haben wirklich zuverlässig gearbeitet, die von der PlasmaCon«, brummte der Kommandant anerkennend. »Na ja, Jordoban ist bekanntlich führend in dieser Technik.« Die Schleusen glitten wieder zu; leises Rumpeln ließ die Wandungen vibrieren. Auch die AMETHYST glitt in eine Kurve, die das Schiff wieder vom Sonnensystem entfernte. Unablässig richtete Isard seine Antennen in alle Richtungen. Fernortung, Nahortung, Fremdenenergieemissionen… die Bildschirme zeigten nur die erwarteten und gewohnten Muster und nicht den kleinsten Impuls. Er strengte sich bewußt an, speicherte die wichtigsten Sektorausschnitte für eine spätere Auswertung… nichts. »Niemand hat uns erwartet, kein Schiff zu sehen«, sagte er und merkte, daß der Kommandant den Rückkurs programmierte. »Oder der Betreffende hat sich hervorragend versteckt.« »Es ist nicht unsere Aufgabe, danach zu suchen«, sagte der Kommandant. »Aber ich brenne darauf, es zu erfahren.« »Das Objekt ist jedenfalls auf dem vorprogrammierten Weg«, meldete sich der Chefingenieur. »Wir auch, in einigen Sekunden«, schloß Iard zufrieden. Die AMETHYST beschleunigte wieder. Die Crew war sicher, daß sie auf Jordoban sofort wieder
einen gleichartigen Auftrag bekommen würde. Der Direktor von PlasmaCon hatte die Wahrscheinlichkeit angedeutet. Sie verfolgten den Flug der Pseudoplasmakugel, bis sie unmittelbar in Planetennähe war und in den Landeorbit um Crancs einschwenkte. Beide Strukturechos auf dem Schirm waren miteinander verschmolzen. »Zurück in die Heimat«, sagte Iard. »Einverstanden, Tudel?« »Meine Arbeit ist beendet?« bestätigte Tudel, schaltete seine Geräte aus und stand auf. »Ich hole die Ablösung und bin in meiner Kabine zu finden.« Der Kommandant rief ihm nach: »Vielleicht träumst du die Erklärung für unseren Einsatz.« Im guten Gefühl, nach der Anordnung der Facette gehandelt und keinen Fehler gemacht zu haben, entspannten sich die Angehörigen der Crew. Die AMETHYST trat den Heimflug an.
4. Ich hätte diesen Flug sicher genießen können, wenn nicht die Sorgen so quälend gewesen wären. Seit dem rätselhaften Fund auf Desertstone jagte die VIRGINIA auf verrückten Kursen durch Teile des Sektors Janzonborr. Hier, wußten wir, lag der Schlüssel zur Lösung vieler Fragen. Du darfst nicht in Panik geraten! Ein klarer Kopf ist wichtig! sagte beruhigend der Logiksektor. Auch mein Extrasinn, der sämtliche Aspekte dieser dramatischen Entwicklung zu verstehen trachtete, konnte nichts zur Klärung beitragen. »Arien«, sagte ich niedergeschlagen. »Es tut mir leid. Ich bin verantwortlich für Langeweile, Tatenlosigkeit und völligen Verzicht auf jedes Erfolgserlebnis.« Der Feuerwehrmann winkte ab. »Unser Interesse, Atlan, ist identisch. Die Celester sind ebenso daran interessiert, Frieden und Ruhe zu hinterlassen und den geschundenen Planetariern zu helfen.« »Das weiß ich. Aber ohne ANIMA gibt es keinen Vorstoß in Richtung Nukleus!« »Das wiederum ist auch unsere feste Meinung. Keine Sorge, Arkonide – oder siehst du Anzeichen übergroßer Frustration?« »Noch nicht«, murmelte ich. Die kleine Mannschaft der VIRGINIA arbeitete schwer. Das Raumschiff führte ununterbrochen kurze Linearetappen durch. Bei jedem Auftauchen wurden intensive Ortungen durchgeführt. Die Funkabteilung hörte in drei Schichten den gesamten Hyperfunkverkehr ab, ebenso die normalen Schiffsfunkverbindungen. Sie erwarteten entweder einen Notruf Dhonats aus der KORALLE oder einen Hinweis, daß ANIMA (oder ein Objekt, das der Beschreibung entsprach) gesehen worden war. »Natürlich haben wir gegen den Zufall gespielt und gewonnen«, sagte Colobar sachlich, »wenn wir ANIMAS Spuren finden.« »Das ist mir klar«, bekräftigte ich. »Und mir fällt nicht ein, was wir tun könnten, um den Zufall einzuschränken.« »So weitermachen wie bisher!« Wieder tauchte auf den Rundumschirmen des Schiffes die bizarre Kulisse von Myriaden Sternen, Lichtpünktchen, Schleiern und Filamenten auf. Sofort wurde ein spezieller Spruch abgesetzt; er war genau auf Dhonats Möglichkeiten hin kodiert und von den Instrumenten der KORALLE leicht aufzufangen. Dasselbe geschah trotz der Gefahr des Entdecktwerdens mit ultrakurzen Sendeimpulsen im Hyperfunkbereich. Der Erfolg bisher: Null. Das Raumschiff jagte auf eine Zone des Janzonborr-Weltraums zu, der vor dem verwirrenden Hintergrund fast sonnenleer war, auf Dutzende Lichtjahre nach allen Seiten hin. Die Rundumortung arbeitete mit gewohnter Zuverlässigkeit. Nicht nur meine Aufregung wuchs wieder. Das Gefühl drohenden Unheils verstärkte sich; wir wußten natürlich, daß wir uns geradezu herausfordernd verhielten. Der vielstrapazierte Zufall, der uns bisher geholfen hatte, unentdeckt zu bleiben, konnte uns logischerweise stolpern lassen. Es brauchten nur Schiffe der Stählernen Horde in der Nähe zu sein, und schon begann ein neues Kapitel der Hetzjagd. Mycara kletterte aus Ariens Tasche und ringelte sich um seinen Hals. Sie wirkte aufgeregt. Eine Frage drängte sich mir auf. »Warum hast du vor einem dreiviertel Tag«, fragte ich, »keine Reaktion gezeigt?«
Sie verstand; ich meinte unsere Landung auf dem düsteren Staubplaneten und die Enttäuschung nach dem seltsamen Fund. Sie zögerte mit der Antwort. »Ich habe nichts gespürt. Weder positiv noch negativ. Ich wollte dich nicht enttäuschen, nachdem ich womöglich Hoffnungen geweckt hatte.« Das konnte ich nicht ganz verstehen, aber ich schwieg. Wir alle in der Zentrale ließen unsere Augen über die Bildschirme und Monitoren gleiten. Die Ortung meldete sich, und ich hörte deutlich aus Kaukikis Stimme die Skepsis heraus, als sie sagte: »Ich habe ein Echo. Monitor vier. Achtung.« Die Struktur der Wiedergabe änderte sich. Ein scharfes Echo, fast am Bildende, schob sich langsam in die Mitte. Es war die größtmögliche Stärke der Darstellung; wir waren zu weit entfernt. Blitzschnell erschienen Zahlen: Entfernung und Bewegungsimpulse, Geschwindigkeit und das Symbol, daß es sich um eine größere Metallmasse handelte. »Ein Raumschiff.« Möglicherweise war eine winzige rote Sonne das Ziel des Schiffes. Augenblicklich breitete sich in der Zentrale Aufregung aus. Polo Hawaii änderte die Flugrichtung der VIRGINIA und schlug denselben Kurs wie das ferne Objekt ein. »Keinerlei Funkverkehr. Das Schiff kam soeben in’ den Normalraum zurück«, lautete die nächste Information. Ohne einen Anhaltspunkt haben zu können, hofften wir alle, daß es sich bei diesem Raumschiff um ein Objekt handelte, das uns Auskunft über ANIMA verschaffen konnte. Mit welchem Recht erwarteten wir dies? Spielte uns unsere Phantasie einen Streich? Oder handelten wir aus einer instinktiven Regung heraus? Ich blinzelte, blickte noch einmal hin und fragte dann unruhig: »Habe ich Sehstörungen, oder erkenne ich dort zwei Objekte?« »Richtig. Ein Echo trennt sich vom anderen.« Arien handelte schnell und überlegte. Er wandte sich an den Piloten und entschied: »Warte einige Sekunden lang, bis die Ortung alle Daten aufgenommen hat. Dann ziehen wir uns in eine Linearetappe zurück, verstecken uns und sehen nach, was das Schiff ausgesetzt hat. Scheint ein größerer Gegenstand zu sein.« »Sehe ich auch so.« Arien und ich nickten einander zu. Wir beide hatten dieselbe merkwürdige Ahnung. Die VIRGINIA verschwand in der Linearetappe. Zweifellos saßen in dem fremden Raumschiff ebenfalls Ortungsfachleute, deren Geräte das Universum rundum abhorchten und durchforschten. Es war eine Reaktion unserer Mannschaft, die völlig automatisch abgelaufen war. Wir bewegten uns zwischen den Sternen und Planeten mit der Erfahrung einer gewitzten Gruppe von gehetzten Flüchtigen. »Die einzige Gefahr ist, daß sie den Eintauchschock unseres Schiffes anmessen«, meinte Nimahi. »Kätzchen hat aber keinen Suchimpuls registriert.« Das Abbild der Sterne war von den Schirmen verschwunden. Wir warteten, ungeduldiger werdend, fast eine halbe Stunde. Dann hielten wir es vor Neugierde nicht mehr aus und beendeten die Linearetappe. Kurze Zeit später entdeckten wir die rote Sonne anhand der gespeicherten Informationen. Für uns waren sowohl der rote Stern als auch seine nach und nach entdeckten Planeten namenlos und ohne jede Bedeutung. »Gerade zur rechten Zeit«, meldete Carla. » Nach der Massenanalyse umkreist der kleinere der
beiden Gegenstände den zweiten Planeten. In ein paar Minuten wäre er hinter dem Planeten verschwunden gewesen.« »Das fremde Raumschiff? Verschwunden? Oder hat es sich versteckt?« wollte ich wissen. Ich warf einen Blick auf Ariens Maskottchen. Keine Reaktion. »Keinerlei Feststellungen.« Die VIRGINIA bewegte sich auf die zweite Welt dieses Systems zu. Wir hatten drei Planeten entdecken können. Je mehr Zeit verging, desto sicherer konnten wir sein, daß es auf diesen Welten keine Zivilisation gab, die Funkenergie emittierte und größere Mengen Energie erzeugte. Der innerste und der äußerste Planet besaßen keine Gashülle, die im herkömmlichen Bereich höher entwickeltes Leben garantierte. »Die Masse des Objekts«, faßte die Ortung ihre Feststellungen zusammen, »entspricht der Masse von ANIMA.« Ich nickte und fühlte in meinem Innern gleichzeitig Zweifel und Hoffnung. »Also doch. War es ein gesteuerter Zufall?« fragte sich der Pilot laut. Ich stand auf. »Natürlich sehen wir nach«, sagte ich entschlossen. »Strahlt bitte wieder unsere Rufe aus. Diesmal präzise ausgerichtet. Ich kann mir denken, in welcher Verfassung ANIMA sein muß.« Der Quartiermeister hob den Arm und rief: »Ich bereite einen Gleiter vor. Ich halte es für zweckmäßig, wenn wir möglichst schnell wieder verschwinden. Wo ein Schiff ist, können andere erscheinen. Vergeßt nicht, daß wir gesucht werden.« »Danke für diese überflüssige Warnung«, knurrte Richardson. Unser Kugelschiff paßte seinen Kurs an und führte ein kurzes Manöver durch. Dann waren wir wieder in Planetennähe, und sofort erschien das Objekt auf dem Ortungsschirm. Eine rot angestrahlte Halbkugel wanderte langsam aus der Dunkelheit hervor und auf uns zu; so zeichnete es sich auf den Bildschirmen ab. Die ersten Messungen ließen Chlorophyll und Wasser, eine Stickstoff-Sauerstoffatmosphäre und größere Gebiete voller Pflanzen erkennen. »Also doch! ANIMA«, murmelte ich. Jeder von uns war und blieb unsicher und seltsam unzufrieden. Die Stimmung an Bord war nicht schlecht, aber sehr gespannt. Noch waren keine Aggressionen festzustellen. Uns erfüllte nur eine Mischung aus Wut und Enttäuschung. Diese Suche, bei der wir wie die Blinden mit einem Netz im Nebel herumsuchten, erschöpfte den Verstand. Unser erklärtes Ziel schien von Stunde zu Stunde in immer größere Ferne gerückt zu sein. Anstatt uns durch die Sonnensteppe hindurch zum Nukleus vorzukämpfen oder meinethalben vorzutasten, irrten wir ziellos herum. Was hatte die Facette mit ANIMA getan? Ich hob den Kopf. Die VIRGINIA hatte sich dem Planeten so weit genähert, daß wir deutliche Einzelheiten unterscheiden konnten. Vor der riesigen Krümmung des sonnenbeschienenen Horizonts und in der dünnen Schichtung der Gashülle bewegte sich das rätselhafte Objekt in einer Landespirale abwärts. Wir folgten in achtungsvoller Entfernung. Durchmesser: fünfundvierzig Meter! Erscheinungsform: silberglänzende, mathematisch exakte Kugel! Ortungsergebnisse: metallene, undeutlich erkennbare Strukturen in einer Hülle aus einer Plasmamasse. Es ist tatsächlich ANIMA, flüsterte der Logiksektor. Er war ebenso verwundert wie ich selbst. Was hatten wir beide erwartet?
Plötzlich ließ sich die zirpend-pfeifende Stimme Mycaras vernehmen. »Atlan! Ich erkenne in deinen Gedanken, daß du an ANIMA denkst. Dieses Wesen, das ihr verfolgt…« »… dem wir folgen«, korrigierte Arien. Colobar Tuira kam in die Zentrale, einen Raumanzug über der Schulter. Er selbst steckte bereits in einem schweren, abgewetzten Anzug. Mycara flüsterte ihre Botschaften dem Celester ins Ohr, aber ihre Stimme war so laut, daß ich die Allroundorterin gut verstehen konnte. »… dieses Ding gibt nichts von sich. Für mich ist es ein Gegenstand, wie der erste auch. Ich spüre auch nichts von dem Wesen, das du Dhonat nennst.« »Was soll ich also tun?« fragte ich unschlüssig. Nein! Ich war durchaus entschlossen, auf dem Planeten zu landen und ein zweitesmal enttäuscht zu werden. Aber jeder Hinweis war wichtig. »Sieh nach. Leider kann ich dir nicht mehr helfen«, zwitscherte die Birzerin. »Genau das werden wir tun!« erklärte der Vertreter Richardsons. Wir verfolgten die nächsten Manöver auf den Bildschirmen. Halb unbewußt nahmen wir die Information über die Beschaffenheit der Gashülle und der Bodenstruktur auf. Offensichtlich handelte es sich bei den Pflanzen um niedrige Gewächse, Gräser und Gewächse in Sumpfgebieten. Keine sichtbaren Zeichen von zivilisatorischen Errungenschaften, keine Straßen, Brücken, Eisenkonstruktionen. »Gibt es dort unten Leben, das uns gefährlich werden kann?« fragte ich, während ich den Raumanzug überstreifte und die Systeme zu kontrollieren begann. Mycara antwortete rasch. »Ich spüre nur kleinere Tiere und Teile des Bodens, die sich bewegen. Es gibt keine Jäger und kein gejagtes Wild«, drückte sie sich ein wenig rätselhaft aus. »Los!« sagte ich zu Tuira. »Schleusen wir aus.« ANIMA oder NICHT-ANIMA: das Objekt schien zu wissen, was zu tun war. Es senkte sich über der Tageshemisphäre des Planeten in einer steiler werdenden Kurve abwärts und steuerte auf ein Geländemerkmal zu, das wie eine Mondsichel geformt war und an der Grenze zwischen einem nur knietiefen Ozeanausläufer und einem Strand aus Sand mit darüberliegenden Dünen bestand. Ein dichter Grüngürtel umgab die auffällige Bucht. Minuten später saßen wir im Gleiter. Das Schiff verfolgte die Kugel und senkte sich in einer Spiralbahn abwärts. Die Schleuse öffnete sich, und Colobar steuerte den geschlossenen Gleiter hinaus. Wir fielen einige Dutzend Meter, dann fing sich die Maschine und folgte der Kugel. Sie steuerte, immer langsamer werdend, auf einen dreieckigen Ausschnitt in dem Grüngürtel zu. Es war ein Dünenhang ohne jeden Bewuchs. Die silberglänzende Kugel, deren Hülle den rötlichen Schein der Sonne reflektierte, hätte sich kaum einen weniger auffallenden Platz aussuchen können. Weich wie eine Feder setzte sie auf und blieb bewegungslos liegen, nachdem sie den tiefsten Punkt ihrer Position erreicht hatte. »Ich verstehe das alles nicht mehr!« brummte Colobar. »Was sucht ANIMA hier?« »Es ist wahrscheinlich, daß sie sich erholen muß«, sagte ich. »Andererseits würde sie sich dann nicht so auffällig präsentieren. Vielleicht will sie nicht nur von mir gefunden werden?« »Eine naheliegende Überlegung.« Colobar flog mit dem Gleiter zuerst über die winzigen Wellen der Bucht hinweg, dann im Zickzack über die Dünen zurück. Über uns schwebte wachsam die VIRGINIA und war ebenso bereit, zu landen oder einen möglichen Gegner abzuwehren. »Sie müßte mich spüren!« sagte ich drängend. »Selbst wenn sie völlig erschöpft war, hat sie
Erkennungszeichen gegeben.« Wir starrten durch die Scheiben der Helme und die Frontscheibe der schwebenden Maschine auf den regungslosen Ball. Nicht ein einziges Mal während der Landung hatte ANIMA ihre Form verändert. Der Gleiterkiel zog eine tiefe Spur durch den feuchten Sand, als er landete und genau neben der Kugel anhielt. Der Celester murmelte etwas in das Helmfunkgerät, während ich ausstieg und er seine Waffe zog. In einer geringen Schwerkraft ging ich durch knirschenden Sand bis zu der rötlich schimmernden Kugel. Ich wiederholte, womöglich noch gründlicher und langsamer, alle Versuche mit ANIMA, die ich schon auf Desertstone unternommen hatte. Schließlich wandte ich mich um, starrte den Celester mit leeren Augen an und sagte: »Es ist nicht ANIMA. Es ist ein Klumpen Pseudoplasma, vermutlich mit einer Robotsteuerung darin.« »Der zweite Plasmaklumpen. Wahrscheinlich gibt es mehrere davon. Oder sehr viele«, sagte Tuira. »Jemand hat die Kugel finden sollen.« »Ich?« »Für die Facette bist du nicht mehr existent. Ich beginne zu ahnen, daß sich alles ganz anders verhält.« »Ich fürchte«, sagte ich, »daß ich deine Ahnungen teile. Wir fliegen zurück!« »Was sonst. Komm herein.« Ich schlug die Gleitertür zu und lehnte mich zurück. Regungslos lag vor uns das Plasmageschöpf, das uns genarrt hatte. Nur uns? Yog-Mann-Yog, der Zwilling, war ein Perfektionist in der Herstellung von Kunstgeschöpfen. Er selbst natürlich nicht, aber seine Untertanen im Sektor Janzonborr. Als wir behutsam auf die offene Gleiterschleuse zusteuerten, sagte Polo Hawaiis Stimme aufgeregt: »Atlan! Zwei Schiffe im Anflug auf den Planeten! Wir müssen weg.« Hinter uns schlossen sich die wuchtigen Portale. Noch während wir den Gleiter vertäuten, raste die VIRGINIA davon und verschwand, als sie die Linearetappe einleitete. * Wasterjajn faßte schließlich unsere wild durcheinander geäußerten Vermutungen und Theorien zusammen. »Wenn es zwei falsche ANIMAS gibt, dann gibt es auch unzählige«, rief er unwidersprochen. Ich nickte. »Ein Täuschungsmanöver«, sagte ich. »Aber für wen?« »Sei nicht naiv«, unterbrach Arien. »Für uns, für den angeblich toten Atlan, für alle Konkurrenten Yog-Mann-Yogs.« »Er läßt also künstliche Plasmaklumpen herstellen und an allen möglichen Stellen aussetzen. Und zwar auf eine Weise, die andere Schiffe darauf aufmerksam macht.« »Aus diesem Grund gibt’s die Nachbildungen. Der Zwilling sucht selbst ANIMA«, sagte ich. »Das bedeutet glücklicherweise, daß er sie noch nicht gefunden hat.« Treffliche Schlußfolgerung! spottete mein Extrasinn.
Ich hatte ANIMA im Doomhirn-System verloren, beziehungsweise war ANIMA von Sitortode gefangen genommen worden. Ich war merkwürdigerweise ziemlich sicher, daß ihr die Flucht gelungen war. »Die anderen Facetten und deren Agenten, Späher, Truppen und Raumschiffe suchen ebenfalls ANIMA. Sie werden alle einschlägigen Beobachtungen auswerten und nach allen Richtungen davonrasen!« brummte Arien. »Das erleichtert uns das Manövrieren.« »Kann mir jemand sagen, wo wir ANIMA nun wirklich suchen müssen?« rief ich halb verzweifelt. »Nicht mehr auf Zynam«, sagte Mycara. »Überall in Janzonborr werden Pseudo-ANIMAS gefunden werden«, schätzte Richardson melancholisch. »Wir haben auf Zynam den Namen Jordoban aufgeschnappt. Eine Welt, die mit vielen anderen Handel treibt. Wenn wir auch dort sicher nicht ANIMA finden, sitzen wir bald an einer Quelle von Informationen, nicht wahr?« »Das erscheint mir von vielen unsicheren Versuchen der am wenigsten ungewisse«, meinte ich. »Kennst du die Koordinaten, Arien?« »Kätzchen hat sie«, grinste der Bordingenieur. »Dann fliegen wir also dorthin und sehen weiter«, ordnete ich an. »Und auch dort werden wir die Spuren der Pseudo-ANIMAS finden. Zwangsläufig. Wie können wir sie aussortieren?« »Es werden sich so viele andere auf diese Spuren stürzen, daß wir nur zu warten und einzugreifen brauchen.« »Du Optimist«, sagte ich zu ihm. Ich zog mich in meine Kabine zurück. Es war nicht besonders klug, meine Verzweiflung den anderen offen zu zeigen. Ich brauchte Ruhe; als mich die Kjokerinnen und Wasterjajn begleiten wollte, schüttelte ich stumm den Kopf. Die VIRGINIA hatte ein neues Ziel.
5. Der zweite Fahrer, Korasch Nyp, hatte mindestens zwei Stunden lang kein Wort gesagt. Jetzt drückte er den Knopf der Rundspruchanlage und fragte in trockenem Ton: »Hat sich einer von euch klugen Technikern schon ernsthaft Gedanken darüber gemacht, wie wir das Heim des Promauten betreten? Aufbohren? Aussteigen und anklopfen, mit dem Planetologenhammer?« Einige Zeit lang bekam er keine Antwort. Dann meldete sich Hapet aus dem hinteren, »oberen« Teil der Riesenmaschine. Er lag in der schaukelnden Hängematte und studierte den Text einer Lesescheibe. »Ich habe mir erlaubt, darüber nachzudenken, ja. Ich sehe für unsere Maschine keine Möglichkeit, einen Eingang zu finden. Es sei denn, wir stoßen genau darauf. Überdies – denkt einmal etwas schärfer nach! Wozu braucht der Promaut hier unten einen Ein- oder Ausgang?« Die sieben oder acht Mann, die zur Zeit nicht schliefen, hatten sich tatsächlich nicht gründlich mit dem technischen Problem beschäftigt. Wenn der Promaut Transmitteranlagen benutzte, handelte es sich bei seinem Versteck sicher um ein geschlossenes System. Dort hineinzukommen, dürfte schwierig sein. »Ich werde mir etwas einfallen lassen«, versprach Korasch ruhig. »Wenn wir an Ort und Stelle sind.« »Wann ist es soweit?« »Noch etwa sechs Stunden.« Ununterbrochen hatte sich der Maschinengigant schräg abwärts gegraben. Die Maschinen brummten, die Konstruktion hatte nicht eine Sekunde lang aufgehört, zu vibrieren, und ständig kreischten die mächtigen Zahnräder und die Raupenketten bedrohlich, wenn sie Steinbrocken zerrieben oder an der Innenseite der Röhre entlangscharrten. Die Luft, obwohl doppelt gefiltert und aufbereitet, roch moderig und feucht. Hin und wieder fauchte das Ventil der Preßluftanlage auf und entließ einen Schwall frische, sauerstoffreiche Luft in das Wirrwarr aus Konstruktionselementen und Maschinenblöcken. Noch war die Entfernung zu groß – die Erregung unter den Erkennern hielt sich in Grenzen. »Was erwartet ihr eigentlich dort vorn?« wollte der Fahrer wissen. Jeder hatte eine andere Vorstellung. Niemand wußte wirklich etwas Genaues. Es war, als ob sie sich über eine Legende unterhielten. Eines war ihnen bewußt. Der Promaut besaß in diesem vergleichsweise riesigen Versteck große technische Möglichkeiten und eine direkte Verbindung zur Facette. Das Objekt, dem sie sich unaufhaltsam näherten, wurde geheimnisvoller, je länger die jungen Techniker und Raumfahrer darüber nachdachten. »Hoffentlich«, murmelte Monter, »behalten die Eltern nicht recht mit ihrer Warnerei.« »Wenn der Promaut alle Eigenschaften besitzt, die sie ihm bescheinigen, wird er uns tatsächlich voller Freude begrüßen.« Eine Ansicht, die nicht jeder teilte, die aber einiges für sich hatte. Die Geräte im Metallmaulwurf zeigten die Annäherung an eine Metallmasse von beachtlicher Größe in unübersehbarer Deutlichkeit an. Kein Zweifel herrschte bei den Insassen der Maschine darüber, daß im Innern der kugelförmigen Masse der Promaut hockte und längst wußte, daß sich eine Abordnung von der Oberfläche Jordobans näherte. Mit einer letzten, als Trost gedachten Bemerkung wandte sich Korasch wieder seinen Reglern und Hebeln zu. »Was immer uns erwartet, Erkenner… bald erleben wir es unmittelbar.«
* Er hatte das Zeitgefühl verloren. Tage oder Wochen der vollkommenen Einsamkeit ganz spezieller Art lagen hinter ihm. Nur die automatischen Instrumente im Beiboot sagten ihm, wieviel Zeit vergangen war. Was in dieser Zeit vorgefallen war, konnte er nicht einmal ahnen. Der Ausblick, der ihm ermöglicht wurde, zeigte ihm nur, daß sich ANIMA auf dem Planeten befand. Der Name dieser Welt, ihre Lage und wahre Beschaffenheit kannte er nicht. Dieser fast völlige Mangel an Informationen bedrückte ihn, aber er würde ihn nicht so mutlos gemacht haben, wie er war. ANIMA war seit einer Handvoll Tagen in Panik. Spätestens seit dem Augenblick, an dem sie von Atlan getrennt worden war, schien sie sich völlig aufgegeben zu haben. Die Kommunikation mit ihr war nicht möglich; sie schaffte es gerade noch, in ihrem Innern die Lebensbedingungen für den Steppenforscher aufrechtzuerhalten. Überdies war das lebende Raumschiff erschöpft, in einem ebenso bedenklichem Maß. Ihre Energie war offensichtlich an einem Punkt angelangt, der sie dazu zwang, selbst die Beleuchtung in den Hohlräumen zu deaktivieren. Nur in dem Schleusenhangar war ein unregelmäßiger Teil der Decke heller als die Umgebung. Dhonat aß und trank seit Tagen vom Notvorrat der KORALLE. Wieder ging er zu dem schmalen Sehschlitz und blickte verzweifelt hinaus. »ANIMA!« murmelte er drängend. »Sage mir wenigstens, wo wir uns befinden!« ANIMA gab keine Antwort. Dhonat hatte längst sämtliche Systeme der KORALLE abgeschaltet, denn er fürchtete, entdeckt zu werden. Daß ANIMA auch ihren Spürsinn verloren hatte, der sie dazu befähigte^ Atlan in scheinbar unmöglichen Situationen zu finden, wußte er jetzt. Für ihn gab es im Moment keine Möglichkeit, Atlan herbeizurufen. Die Anwesenheit des Arkoniden würde vielleicht den qualvollen und gefährlichen Zustand beenden. Eine trostlose Landschaft breitete sich vor ANIMAS Versteck aus. Eine Sonne von tristem Gelb hing über einem Land, das aus riesigen, flachen Hügeln bestand. Sie reichten bis zum Horizont und sahen aus wie mächtige Wogen eines erstarrten Meeres. Im Vordergrund lagen riesige Steinbrocken. Urzeitliche Kräfte hatten sie abgeschliffen, so daß sie aussahen wie seltsame Kadaver. Dunkler Staub schien auf jedem Teil der Landschaft liegengeblieben zu sein, aus einer anderen Zeit. Dhonat sagte sich, daß es an einer Stelle wenige hundert Meter in seinem Rücken gänzlich anders aussehen konnte. Er war ziemlich sicher, daß sich ANIMA auf einen Planeten im Sektor Janzonborr geflüchtet hatte. Wenn sie sich versteckte, sah sie mit großer Wahrscheinlichkeit so aus wie einer der kahlen Felsbrocken dort. Auf der rechten Seite, zwischen größeren und kleineren übereinander aufgetürmten Steinen, wuchsen große Bäume mit geraden, biegsamen Stämmen und Kronen, die an schlecht aufgespannte Sonnenschirme erinnerten und aus weißen, gelben und schwarzen Blättern bestanden. Möglicherweise fiel ihr Schatten auf einen Teil ANIMAS. Selbst wenn sie so gut wie bewußtlos war, hatte sie es wohl geschafft, ihre Tarnung vollkommen zu machen. Wenigstens hoffte das der Hugerer. Er blickte wieder hinaus. Die Zeit verstrich quälend langsam. Nichts ereignete sich. »Es bleibt nichts anderes übrig«, flüsterte er und hieb mit der linken Hand, dem »Dampfhammer«, wuchtig gegen die Plasmawand vor ihm. Sie federte leicht zurück, es gab einen dumpf klatschenden Ton. »Ich werde wieder eine Runde schlafen.«
Er verzichtete darauf, ANIMA zu bitten, den Hangar zu öffnen. Er wußte nicht einmal, obwohl er gebeten, gebettelt, gefleht und schließlich wie ein Rasender gebrüllt und geschrien hatte, ob draußen ein atembares Gasgemisch vorhanden war. Gerade, als er sich umdrehen wollte, sah er an der Schnittlinie zwischen Hügelsilhouette und Horizont eine Rauchwolke aufsteigen. Sie war winzig. Er kniff die Augen zusammen und versuchte, Genaueres zu erkennen. Schließlich entpuppte sich das blitzende, rollende Ding aus eine Art Wagen mit extrem breiten und großen Rädern, zwischen denen würfelförmige Elemente schaukelten. Lange Antennen wippten hin und her und funkelten im Sonnenlicht. Das Fahrzeug kam, hügelauf und hügelab, genau auf die Gruppe aus Bäumen und Steinbrocken zu. Dhonats Müdigkeit war schlagartig verflogen. Unbehagen und Mißtrauen erfaßten ihn. Er hatte in seinem Leben viel zu oft Situationen wie diese miterlebt. Er wußte, was sie bedeuteten. Sie mündeten ausnahmslos in Gefahren. Augenblicke lang stand der Steppenforscher regungslos da und kämpfte gegen die aufkommende Panik an. Die Insassen dieses seltsamen Gefährts schienen etwas zu suchen. Waren sie auch auf ANIMA angesetzt? Durchaus möglich, dachte Dhonat. Aber für wahrscheinlicher hielt er es, daß dort ein Suchteam arbeitete, eine Mannschaft, die vielleicht Bodenschätze zu finden hoffte, oder eine Gruppe von Jägern. »Und ich? Was kann ich tun?« fragte er sich laut. Er hoffte, daß es nie dazu kommen mochte, daß er mit den Bordwaffen der KORALLE versuchen mußte, ein Loch in die Plasmawand zu brennen, um aus der tödlichen Gefangenschaft ANIMAS zu entkommen. * Längst hatte das Kunstgeschöpf jede Einzelheit seiner Umgebung wieder voll begriffen und integriert. Die Erinnerungen fluteten in einem steten Strom von ungeheurer Dichte in den Denkapparat des mächtigen Körpers. Das Wesen, das entfernt einer Qualle glich, bewegte sich schnell und fast graziös durch sein riesiges Reich. Jede Einzelheit, die der Promaut sah, erkannte er wieder, ebenso deren Funktion und das Netzwerk der Verbindungen, die hier vorhanden waren. Überall arbeiteten Roboter. Eine Hälfte war unsichtbar und Teil der Mechanismen und Versorgungseinheiten, die andere Hälfte bewegte sich. Der Promaut kontrollierte, nachdem er sein Bewußtsein wieder unter Kontrolle hatte, zuerst den Kode, der ihn geweckt hatte. Er war von dem einzigen Berechtigten geweckt worden. Facette Yog-Mann-Yog, Herrscher über den Sektor Janzonborr in der Galaxis Alkordoom. Das Wesen, das sich glitzernd und glänzend, wie ein virtuoses Tiefseegeschöpf durch das Halbdunkel der Räumlichkeiten bewegte, eintauchend in licht unterschiedlicher Färbung und Intensität, war zunächst erstaunt, wie lange die Ruhepause gedauert hatte. Dies war einzigartig, denn vor dieser Zeit knisterte der Äther von Aktivitäten, Aufgaben und den Problemen einer auf Hochtouren laufenden Logistik. Die Verwunderung dauerte indes nur einige Bruchteile des kleinsten Zeitmaßes und wurde vorübergehend zum Staunen abgelöst. Der Promaut blieb stehen, als er vor einer überdimensionalen Spiegelwand vorbeihuschte. Er brachte seine sieben Gehwerkzeuge in eine gefällige Stellung und sagte zu sich selbst: »Meine Gestalt hat ebensowenig gelitten wie mein Denkvermögen. Noch immer habe ich den Titel
rechtmäßig in meinem Besitz.« Auch das Gefühl des Stolzes hielt nur kurz an. Der Auftrag war weitaus wichtiger. Sein Titel lautete: Persönlicher Robotdirigent, Oberaufseher des Maschinenuniversums, Aktivagent in Unverbrüchlicher Treue. P.R.O.M.A.U.T. Er blieb vor dem Zentralen Schaltpult stehen. Es befand sich im absoluten Zentrum einer Metallkugel, deren Versorgungseinheiten von außen nach innen immer feiner, komplizierter und differenzierter wurden. Ein Druck auf eine Taste, deren Oberfläche durch häufigen Gebrauch feiner poliert war als viele andere, aktivierte sämtliche Bestandteile des Maschinenkosmos. Jeder Robot »hörte« jetzt den Befehl. »Ich bin geweckt worden und voll aktiv. Volle Aktivität gilt für jeden Teil der Zentrale. Ein wichtiges Programm ist abzuwickeln. Richtet euch nach dem Kode der höchsten Dringlichkeit. Einschränkung: Es sind keine kriegerischen Massenaktivitäten vorgesehen.« Ein Heer von Maschinen und biologischen Geschöpfen gehorchte ihm jetzt. Er gab die ersten Befehle, die er von der Facette, seinem Schöpfer – dem er in ewigem Dank und unverbrüchlicher Treue kommentarlos gehorchte – erhalten hatte. An siebzehn Fabrikationsstätten erging die Aufforderung, mit höchster Dringlichkeit und ebensolcher Präzision Pseudoplasmakugeln herzustellen. Eine überaus genaue Spezifizierung folgte, ein Lastenkatalog, der einzuhalten war. Dreißig ausgesuchte Frachtraumschiffe erhielten gestaffelte Aufträge. Sie holten die Kunstgeschöpfe ab, brachten sie an einen bestimmten Punkt der stellaren Umgebung und steuerten sie auf eine Weise, die bis zu einem gewissen Grad auffällig und herausfordernd wirkte, zu verschiedenen Zielen. Die Roboter würden jenen Schiffen die nächsten, zweiten und dritten Zielplaneten und Raumkoordinaten nennen. Um diesen Teil der Ausführung brauchte sich der Promaut nicht zu kümmern, und er verschwendete auch keinen weiteren Gedanken nenneswerter Länge mehr auf dieses Problem. »Ich weiß«, sagte er zu sich. Er hatte eine angenehme, volltönende Stimme. »Ich entsinne mich genau. Die Facette spielt mit Verwirrung, Überraschung und Schadenfreude alle Widersacher gegeneinander aus. Wie in alten Zeiten.« Der Promaut war drei Meter groß, wenn er seine Gehtentakel streckte. Die gesamte Körperoberfläche bestand aus hauchdünnen, metallenen Schuppen von verschiedener metallischirisierender Färbung. Fielen Lichtstrahlen auf den Promauten, funkelte er wie ein Regenbogen aus Diamantstaub. Sieben Tentakel wuchsen aus dem unteren Drittel eines Körpers von perfekter, schöner Kugelgestalt. Ein weißes Band von zwei Handbreiten umlief die Kugel. Vierzehn Augen und, unter raumfesten Membranen versteckt, eine unbekannte Menge anderer Sinnesorgane bildeten die Rundumversion hochempfindlicher Spitzenrezeptoren. Weil er um soviel besser war als einige Dutzend seiner Maschinen zusammengenommen, bediente er sich ihrer. Im Grund verachtete er Maschinen und biologische Züchtungen. Sie waren nicht kreativ. Befehlsempfänger, die nichts weniger und nichts mehr taten als das, was er ihnen befahl. Er war kreativ; das kreativste Wesen des Jordoban-Systems. In kurzer Zeit würde er seine Befehle übermittelt haben und selbst handeln können, listenreich und unerkannt als Aktivagent der Facette. Auf diesen Augenblick freute er sich, seit er erkannt hatte, wo das aktuelle Problem lag.
Viele ANIMAS wurden zusammengebaut. Dutzende dieser Klumpen steuerten definierte Ziele an. Hunderte von anderen Agenten jagten nach diesen Brocken, von denen sie annahmen, daß es ANIMA war. Er würde Meldungen, Funkverkehr, Gerüchte und Vierteltatsachen ausstreuen und die Verwirrung auf einen einsamen Gipfel treiben. Und er würde die echte ANIMA finden. Das Problem war voll erkannt. »Es wird nicht einfach werden, Yog-Mann-Yog, ANIMA zu finden und in den Adlerhorst zu bringen. Selbstverständlich schöpfe ich meine gesamte Erfahrung und all mein Können aus«, sagte er. Die Facette hatte ihm mit den Befehlen und Daten sämtliche Hintergrundinformationen übermittelt. Was wichtig für den Herrscher der Zone war, bedeutete einen klaren Befehl für den Promauten, zu tun, was getan werden mußte, ohne jede Rücksicht auf jedes andere Wesen. »Zunächst werden meine Maschinen die falschen Informationen herausfiltern.« Da der potentielle Fundort jeder Pseudo-ANIMA bekannt war, ebenso wie der Durchmesser – einer der zusätzlichen Parameter des leichteren Erkennens –, bedeutete dies selbst für die simplen untergeordneten Maschinen keine besondere Schwierigkeit. »Aber: wer verrät mir, wo sich die echte ANIMA befindet?« Was ANIMA für Yog-Mann-Yog bedeutete, blieb unklar. Es war von unvergleichlicher Bedeutungslosigkeit für den Promauten. Er erhielt den Befehl und führte ihn aus, falls ausführbar. Diskussion? Überlegung? Keine. So hatte er es seit einer Anzahl von Jahrhunderten gehalten, und so hielt er es auch jetzt. »Alle Transmitter aktivieren! Verbindungen testen. Nötigenfalls Reparaturen ausführen«, befahl er seinen Dienern. Er war ein Wesen, das sich weder durch größere Körperkraft noch durch virtuose Handhabung von Waffen auszeichnete. Dazu hatte er Diener in großer Menge. Zusammen mit einem mittelgroßen Rechner waren die Ego-Komponente und der Stahl-, Kunststoff- und Bioplasmakörper unschlagbar. Gewalt war keineswegs die Methode, mit der der Promaut seit fast einem Jahrtausend hantierte. Er hatte auch nicht die Absicht, jemals Gewalt anzuwenden. Wenn er angegriffen wurde, schützten ihn Kolonnen hochqualifizierter Kampfroboter. Der Promaut überdachte nochmals gründlich das gesamte Gebäude seiner Anordnungen und verbesserte hier und dort durch gezielte Befehle die Schwachstellen. Dann machte er sich bereit, an Bord der GRIFFONE zu gehen. Das Schiff befand sich zufällig auf einem Raumhafen des Planeten und war flugbereit. Im Namen Yog-Mann-Yogs erteilte der Promaut präzise Befehle. Die GRIFFONE wartete auf ihn. Er wartete auf die erste Information über den Standort der echten ANIMA. Statt dessen schaltete sich ein Robot-Regelkreis ein, der ihm eine verblüffende Information einspielte. Voller Stolz, mit ein wenig Verwunderung, sagte der Promaut unüberhörbar deutlich: »Meine Erziehung! Die Maximen der Facette! Das Erbe der kämpferischen Ahnen! Ich hätte es nicht gedacht… die Jordobaner suchen mich. Es müssen Wesen voll aktionsbereitem Mut und
erheblichem Sachverstand sein.« Die inneren Räume der Kugel waren mit Technik aller Art vollgestopft. Diese Einrichtungen präsentierten sich unaufdringlich, aber ihr Standard hatte seit der letzten Generalüberholung nicht gelitten. Starke Durchdringungsstrahlen zeigten ein geschoßförmiges Ding, das sich mit einem Orkan konventionellmechanischer Geräusche durch die Schichten von Sand, Erdreich, Fels, Urgestein, Lavaeinschüsse und andere Teile der Planetenkruste schräg bis auf zwei Meter an die äußerste Schale herangebohrt hatte. Die Roboter stellten die Schwingungen und Lebensäußerungen von vierzehn Wesenheiten fest. Jordobaner, zweifellos. »Sie besuchen mich!« staunte der Promaut noch immer. Die ununterbrochene Arbeit der letzten Tage hatte nicht nur ihn, sondern auch die Maschinen voll in Anspruch genommen. Jetzt, da ein Teil der Kapazitäten frei geworden war, liefen alle Ergebnisse dieses kühnen und beachtenswürdigen Versuchs ein. »Diese Leute muß ich kennenlernen«, sagte der Promaut und richtete eine kurze Anfrage an die Facette. Die Antwort^ lautete, daß sich der Promaut dieser Jordobaner bedienen möge. »Laßt sie herein. Bringt sie, wenn nötig entwaffnet, hierher«, befahl er den Robotern. Er wartete mit jenem Übermaß an Gelassenheit, die bei seiner Herstellung programmiert worden war. Die Ego-Komponente war so gut ausgeprägt, daß er bei der Vorstellung ein bestimmtes Maß an erwartungsvoller Ironie empfinden konnte. * Korasch und Yarm hatten sich in den engen Sitz der Steuerung gezwängt und zitterten förmlich vor Erwartung. Die Projektoren zerstrahlten in diesen Sekunden die letzten Dezimeter Gesteinsschutt, den die Ewigkeit zu einer krachendharten Kruste zusammengepreßt hatte. »Wenn dort der Promaut lebt, muß er uns kommen hören!« flüsterte Yarm in heller Aufregung. Sämtliche Geräte zeigten, mit den höchstmöglichen Werten in Maximal-Anschlagstellung, eine Metallwand an. »Wenn es der Promaut ist, so sieht er uns«, gab Korasch zurück. Die vierzehn Erkenner trugen ihre Einsatzkleidung. Aus welchem Grund sie in die Stiefel geschlüpft, möglichst viel Ausrüstung in die vielen Taschen gestopft, die Waffen angelegt und sich wie auf einen Kampf vorbereitet hatten – niemand vermochte es zu sagen. Es stellte auch niemand eine entsprechend kritische Frage. »Aus. Wir sind da.« Hinter dem Heck der Maschine, die jetzt rasselnd und knirschend zum Stehen kam, stand eine mehr als zweitausend Meter lange Säule aus Gesteinsstaub, die unendlich langsam dünner wurde, weil der riesige Schacht vom Wind an der Oberfläche waagrecht oder fast waagrecht angeblasen wurde. Der Luftzug sog die Gase und den Staub in einer dünnen, schrägen Fahne aus dem langen Loch. Vor der Nase, deren Projektoren knackend abkühlten, war massives Metall. Eine Legierung aus rostfreiem Stahl und anderen Metallen. Wie ein Korken steckte der Maulwurf in der Röhre. Einige Sekunden vergingen, dann schrie Yarm halb erschreckt, halb überrascht auf. »Das… bewegt sich.«
Die Instrumente ließen mehr erahnen als erkennen, daß sich die Stahlfläche öffnete. Plötzlich flammten zwei Bildschirme auf, die wie Augen rechts und links der vielen anderen Instrumente angebracht waren. Grelles Licht verwandelte die Flächen der Monitoren in flammende Rechtecke. Die Blendenautomatik arbeitete, und auf den Schirmen zeichnete sich so etwas wie eine riesige Halle ab, deren Boden etwa dort lag, wo die Maschine ausfahrbare Raupenketten hatte. Yarm handelte instinktiv und schnell. Der Maulwurf ruckte an und fuhr weiter, schwankte und federte, als er sich langsam aufrichtete und auf den vorderen Ketten rasselnd auf den strahlend glänzenden Boden der Halle auffuhr. Metall auf Metall erzeugte Geräusche, die durch die dicke Hülle schlugen und in den Ohren schmerzten. Gesteinsmassen brachen herunter, als sich der Stahlmaulwurf in die Waagrechte aufrichtete. »Wir sind da«, sagte Hapet und kicherte nervös. »Mann! Wir haben es geschafft!« »Ohne angegriffen und getötet zu werden«, sagte jemand dumpf aus dem hinteren Teil des Geräts. Yarm steuerte die Maschine so weit in den Raum hinein, daß er sicher sein konnte, hinter ihnen schlösse sich die Schleuse, oder was immer es war. Dann schaltete er die Antriebsmaschinen aus und deutete auf den Bildschirm. Eine flache Tafel schwebte heran, und in einwandfreiem Alkordisch liefen Buchstaben und Worte über die Fläche. Korasch las laut vor. »Ihr kommt von der Oberfläche, könnt diesen Text lesen, könnt sicher sein, daß die Luft kühl und atembar und alle anderen Umstände angenehm sind. Der Promaut heißt euch willkommen und ist neugierig bis freundlich, euch kennenzulernen.« »Ich glaube, ich träume!« murmelte Monter. Und schon erwachte sein Mißtrauen, denn er hatte mit allem anderen gerechnet, nur nicht mit diesem Empfang. »Alles klar«, rief Hapet unsicher. »Aussteigen. Benehmt euch wie gute Jordobaner. Er weiß, was die Erkenner sind, und was sie wollen.« Es gab den Promauten also wirklich! * Roboter und Kunstgeschöpfe, wie es sie an der Oberfläche in weniger sorgfaltig gepflegtem Zustand auch gab, gruppierten sich wartend um den staubigen, verschrammten Maulwurf. Das Metall gab knackende Geräusche von sich, als es abkühlte. Das Schott öffnete sich, die vierzehn Besucher kamen über die Rampe herunter und sahen sich um. Ein Geschöpf, kindgroß und jordobanerähnlich, ging auf Yarm zu und sagte: »Ich spreche mit dem akustischen Organ des Promauten. Folgt uns. Er wartet ungern. Er braucht kreative, dynamische Helfer.« Durch die Luft schwebten große Knäuel einer silbernen Folie. Sie näherten sich den Jordobanern, falteten sich auseinander und wurden zu fliegenden Sitzelementen, die sich den Körperkonturen anpaßten und an die Sage von fliegenden Teppichen erinnerten. Binnen weniger Minuten waren sie hintereinander durch Kammern, Gänge, Korridore und Knotenpunkte geschwebt. Als ausgebildete Techniker erkannten sie schon während der ersten Minuten, daß sie sich in einer Zentrale befanden, die unglaublich reichhaltig ausgestattet und in einem beneidenswert sauberen und funktionierenden Zustand gehalten war. Sie sahen zahllose Roboter in allen erdenklichen, zweckbestimmten Formen und biologische Züchtungen, die es auf der Oberfläche nicht gab. Da sie während des Schwebeflugs ins Innere der Promaut-Kugel voneinander getrennt waren, konnten sie sich nicht unterhalten und keine Informationen austauschen. Jeder von ihnen war starr vor
Verblüffung. Am meisten beeindruckte sie die scheinbare Freundlichkeit des Empfangs. Sie hatten mit Gegenwehr gerechnet oder mit krasser Ablehnung; nichts dergleichen schlug ihnen entgegen. Kaum hatten sie begriffen, daß sie tatsächlich das »Versteck« dieses seltsamen Herrschers über Jordobans eineinhalb Milliarden Bewohner betreten hatten, sahen sie ein Wesen, dessen Aussehen sich mit ihren individuellen Vorstellungen vom Promauten deckte. Die Sitzschalen hielten an, bildeten einen Halbkreis und falteten sich nach oben zusammen. Die Erkenner standen, als sich die schweren Schotte schlossen, auf dem hochglänzenden Metallboden einer Schaltzentrale. Zwischen den Elementen glitt ein Tentakelwesen, rund doppelt so groß wie sie selbst, auf sie zu und erklärte in einem gestochen klaren Hoch-Alkordisch: »Ihr konntet, da ich vorübergehend abgelenkt wurde, ungehindert vordringen. Eure Hartnäckigkeit und auch die sorglose Art des Eindringens beeindrucken mich. Zuerst wollte ich euch testen und zurückschlagen, dann aber ergaben sich neue Aspekte.« Sie waren sprachlos vor Überraschung und begriffen in kleinen Schritten, was dieses Wesen ihnen eröffnet hatte. Mindestens zehn Sinneswerkzeuge, die sie als »Augen« definierten, blickten sie an. Der Promaut sprach weiter: »Ich habe ein Problem. Um es zu lösen, brauche ich handlungsaktive Männer. Ihr gehört offensichtlich dieser Spezies an.« »Du bist tatsächlich der Promaut?« fragte Hapet Minorr mit belegter Stimme. Aus dem glitzernden, funkelnden, massigen Körper kam die Antwort, ohne daß die Mannschaft des Maulwurfs sagen konnte, welches Organ als »Mund« fungierte. »Richtig. Ich, der persönliche Robotdirigent, Oberaufseher des Maschinenuniversums, Aktivagent in unverbrüchlicher Treue zur Facette, werde euch einige Zusammenhänge erklären. Ich brauche euch und rüste euch aus, weil gutgeschulte Wesen besser sind als die besten Maschinen.« »Einverstanden«, ächzte Monter. Seine Handflächen und sein Gesicht waren schweißbedeckt. »Was ist dein Problem?« »Ihr wolltet feststellen, ob es mich tatsächlich gibt«, erklärte der Promaut in kühlem, geschäftsmäßigem Ton. »Nun wißt ihr es, und bald wird es ganz Jordoban wissen. Wir müssen für die Facette schnell einen wichtigen Auftrag erledigen. Ihr stimmt ein?« »Selbstverständlich!« sagte Kalpers Otoul voller Begeisterung. Während Roboter Sessel herbeischweben ließen, während kleine Diener Getränke und Erfrischungen auf die überbreiten Flächen neben den Armlehnen stellten, während andere Diener irgendwelche Säle zu Aufenthaltsräumen und Hygienezentren umgestalteten, erklärte der Promaut, daß sämtliche Feinde und Gegner Yog-Mann-Yogs durch eine auffällige, chaotische Verteilung von Pseudo-ANIMAS abgelenkt wurden, daß die Späher der Facette nach der echten ANIMA suchten, daß er, der Promaut, jede Sekunde eine ernstzunehmende Meldung erwartete, und daß die Erkenner mit einem Raumschiff, auf Befehl der Facette handelnd und unter Yog-Mann-Yogs direktem Befehl stehend, beim Einfangen der kostbaren Beute helfen sollten. »An Auszeichnungen und Ehrungen wird er es nicht fehlen lassen«, schloß das erstaunliche Geschöpf. Der Promaut entsprach tatsächlich allen begeisterten Schilderungen der Eltern und Großeltern. »Helft ihr mir?« »Es ist eine große Ehre für uns«, faßte Korasch die Meinung seiner dreizehn Kameraden zusammen, »daß du uns traust und uns, kaum daß wir einander kennengelernt haben, mit so viel Vertrauen beschenkst.« Monter und Kalpers empfanden die ersten Impulse des Mißtrauens. Es war zu problemlos, und daher lauerte irgendwo eine deutliche Störung. Die Stacheln der Unsicherheit bohrten sich in ihre
Gedanken.
6. Es waren weniger als hundertfünfzig Meter, die beste Entfernung für einen scharf gezielten Strahlerschuß aus seiner kurzläufigen, schweren Waffe, die ihn von dem Sucherteam trennten. Sucherteam, so hatte er in den letzten Stunden die Mannschaft des Wagens mit den wippenden Antennen genannt. Nur eine dünne Doppelschicht von ANIMAS Plasmamaterial schützte Dhonat vor der Entdeckung. Er war halb verrückt vor Erwartung, dem Wunsch, sich zu verkriechen und dem, die Näherkommenden zu vernichten. Um ihn herum hörte er das schwache Murmeln der Panik. »ANIMA!« stöhnte er. »Wenn sie uns entdecken, mußt du blitzartig starten und ein anderes Versteck suchen. Hörst du mich? Verstehst du? Siehst du das Gefährt dort im Staub?« Ein langsames, gequältes Flüstern erreichte ihn. »Ich sehe. Ich verstehe. Das ewige Fliehen. Ohne Atlan. Ich bin erschöpft und deprimiert. Wo ist er?« Immer noch war ihre Affinität zu Atlan das Hauptproblem. »Atlan sucht dich!« antwortete der Steppenforscher. Also hatte ANIMA die Annäherung des Wagens mit den staubfesten Rädern gespürt oder gesehen. »Und du suchst Atlan. Ich suche ihn auch. Bald werden wir zusammenkommen. Ich spüre, daß er in der Nähe ist!« »Panik beherrscht mich. Ich kann nicht einmal ein Getränk für dich erzeugen.« Aus dem Schlitz der Außenhülle sah Dhonat in steigendem Entsetzen einen riesigen Gleiter, der eine Rauchfahne aus den Triebwerken hinter sich herschleppte, über die Ebene rasen. Von links kam ein langsamfliegendes Objekt auf ANIMA zu. Aus irgendeinem Grund war das Versteck zu auffällig. Warum hatte das lebende Raumschiff nicht Deckung inmitten irgendeines Asteroidengürtels gesucht? Die weibliche Komponente in ANIMA! Sie wollte wohl auf sicherem Grund »schlafen« und sich erholen, vielleicht verborgene Kräfte des Planetenbodens ausnützen? »Verrate dich nicht. Bleib still liegen, bis die Gefahr vorbei ist«, drängte Dhonat. »Weißt du, wo du bist?« »Planet. Janzonborr. Hörte Namen: Hirnox.« »Sagt mir nichts.« ANIMA schwieg wieder. Der schwere Gleiter begann, Kreise um den Steinhügel zu ziehen. Einige Antennen des Wagens zeigten jetzt direkt auf Dhonat. Dicht über dem Staub der Ebene näherte sich die Maschine mit der Horizontalschraube. Wie es außerhalb seines Sichtfelds aussehen konnte, wagte sich Dhonat gar nicht erst vorzustellen. Sie waren entdeckt! Er empfand dieselbe Panik wie ANIMA. Das Raumschiff reagierte – innerhalb der reduzierten Möglichkeiten. Plötzlich begann der Boden des Hangars zu beben. Das Beiboot schwankte und kippte hin und her. Ein furchtbarer Verdacht nahm von Dhonat Besitz. »ANIMA! Was hast du vor?« schrie er. Der Boden bildete eine Welle, die langsam aus der Tiefe des Raumes auf den Steppenforscher zukam, ihn taumeln ließ und dann in zwei Falten aus Plasma einhüllte und fast bewegungslos machte. Dhonat rang nach Luft, schrie Bitten und Befehle, aber die Panik beherrschte das Raumschiff. ANIMA schleppte ihn auf diese seltsame Weise quer durch den Hangar, ließ in ihrer Hülle einen Spalt aufklaffen und zog die vordere Falte ein. Die zweite Verwerfung packte ihn im Rücken und schob ihn aus dem Hohlraum hinaus. Dhonat hörte zu schreien auf. Er wartete auf den tödlichen Schock, den die fremdartige Lufthülle auslösen würde – Husten, Würgen, stechende Schmerzen in den Lungen, tränende Augen und dann der tödliche Zusammenbruch.
Nichts dergleichen passierte. Er fiel nach vorn, riß die Arme hoch und versuchte sich abzufangen. Er kippte drei Meter tief in tiefen, zähen Staub und hustete. Die Luft war kühl, frisch und atembar. Das Gefühl der Zufriedenheit, daß ANIMA wenigstens daran gedacht hatte, wurde sofort überdeckt von der Angst, gesehen zu werden. Dhonat stemmte sich aus dem wirbelnden Staub hoch, warf einen angsterfüllten Blick auf die drei fremden Fahrzeuge und robbte zurück in die Richtung der Felsen. Es war so, wie er vermutet hatte. Die Bäume wuchsen zwischen den großen Steinen und warfen schwarzen Schatten auf ANIMA und die Umgebung. Das lebende Raumschiff hatte sich hervorragend getarnt; die Außenfläche sah wie Fels aus, mit dicken Staubsichten darauf. Dhonat sprang auf, duckte sich in den Spalten und erreichte den ersten Baumstamm. Der Stamm war zu dünn, um sich dahinter verbergen zu können. ANIMAS Zustand hatte einen bisher nie gekannten negativen Höhepunkt erreicht. Sie war dermaßen verwirrt, daß sie das einzige Lebewesen auswarf. Wäre sie bei Sinnen gewesen, hätte sie klar erkannt, daß sie die Jäger durch diese Aktion geradezu eingeladen hatte. Dhonat konnte nichts anderes tun als versuchen, zu flüchten – möglichst weit weg. Er rechnete sich keine sonderlich großen Chancen aus, denn als er ein Versteck zwischen Wurzeln, Stämmen, Steinbrocken und einigen schütteren Büschen gefunden hatte, sah er, daß sich rund um ANIMAS Versteck eine kreisringförmige Staubebene befand. Jenseits der Fläche erhoben sich die ersten schlanken Türme einer Stadt. Von dort schwebten mehrere Gleiter in Formation auf ihn zu. ANIMA war gesucht worden. Jetzt hatte man sie gefunden. Der Wagen mit den wippenden Antennen und den Riesenreifen war zuerst an der Fundstelle. Er hielt dort, wo Dhonat die größten und deutlichsten Spuren zurückgelassen hatte. Dhonats Hand griff nach der Strahlwaffe. »Sinnlos!« murmelte er. »Selbst wenn ich mir einen Weg freischieße, erwischen sie mich auf dem Weg zur Stadt.« Er war gestrandet auf einer Welt namens Hirnox. Auch er hatte einen Riesenfehler gemacht. Er hätte doch mit dem Hypersender nach Atlan rufen sollen. Jetzt war es zu spät. Der Steppenforscher duckte sich zwischen die ausgewaschenen Steine, der Wind blies ihm den feinen grauen Staub in die Augen und in die Nase. In kurzer Zeit würden die Insassen der verschiedenen Suchgeräte ausschwärmen und ihn festnehmen. Er kannte sein Schicksal, und ihm graute davor. * Je länger die vierzehn Männer sich in der Gesellschaft des Promauten befanden, desto mehr faszinierte sie dieses Wesen. Es war zu gewandt und zu vollkommen; es konnte kein lebendes Wesen sein. Ein Kunstgeschöpf von höchster Organisation, ohne Ecken und Kanten, ohne Skrupel, ein perfektes Werkzeug der Facette. Als er den Erkennern erläuterte, was sich hinter dem Begriff ANIMA verbarg (sie waren sicher, daß Facette/Promaut sämtliche Informationen besaßen, die überhaupt zu bekommen waren), als er ihnen den unschätzbaren Wert dieses erstaunlichen 45Meter-Plasmaklumpens schilderte, erkannten sie Schritt um Schritt, wie die Wesen beschaffen waren, die Jordobans Geschicke leiteten. Dennoch faszinierte sie die gestellte Aufgabe. »Ein Transmitter bringt euch direkt in die Nähe der GRIFFONE«, schloß der Promaut. »Meine Diener hier fangen unentwegt Nachrichten ein. ANIMA wird in ganz Janzonborr von jedem Schiff,
jeder Peilstation, jedem Prospektorenteam gesucht. Soeben erhalte ich erstaunliche Beobachtungen von Hirnox.« »Bist du sicher, daß es nicht eine der Pseudo-ANIMAS aus heimischer Produktion ist?« fragte Yarm Cadash in kühnem Tonfall. »Absolut sicher, weil folgende Umstände eintraten und beobachtet wurden…« Es war erstaunlich: perfekt, absolut sicher, schnell wie ein Computer, den mehrere Spitzenkönner programmiert hatten. Sie erfuhren alles über Hirnox. Einige Raumfahrer hatten diesen Planeten bereits angeflogen – er war nur vierzehn Lichtjahre von Jordoban entfernt, auf der dem Nukleus zugewandten Seite. Sie erhielten klare Koordinaten, später folgten Karten und normaloptische Dokumentationen. Der Vorgang, wie ein einzelnes Wesen aus dem Körper des Plasmawesens flüchtete, wurde geschildert. Das Schiff – sie kannten den riesigen Spezialtransporter von den verschiedenen Raumhäfen Jordobans – stellte ihnen der Promaut kurz vor, den Kommandanten und die wichtigsten Männer der Schiffsführung. »Das Ziel ist der Adlerhorst. Dort braucht die Facette den Fund. Ihr werdet ANIMA dorthin bringen.« Jordobaner hatten in grauer Vorzeit ebenso begeistert und kritiklos reagiert und gehorcht – ebenso wie die vierzehn Erkenner. Sie fühlten bei jedem Gedanken daran starke Bestürzung und kalte Scham. Es war eine Sache, von einem würdigen und gütigen Monarchen regiert zu werden, eine andere, von solchen Kunst-Maschinengeschöpfen manipuliert zu werden. Noch hatten sie sich untereinander nicht beraten können. In verschiedener Weise dachten sie über die wichtigsten Dinge fast synchron; sie wären sonst dieser lockeren Erkenner-Loge nicht beigetreten. »Starten wir gleich?« wollte Hapet wissen. »Unverzüglich«, lautete die Antwort des Schillernden, funkelnden Wesens, über dessen artifiziellen Körper die farbigen Lichtreflexe huschten und züngelten. »Die GRIFFONE wartet. Die Raumfahrer unter euch wissen, was zu tun ist. Jordoban-Hirnox-Adlerhorst, so lautet der Kurs. Dort drüben steht der Transmitter bereit.« »Und… unsere Maschine?« riskierte Yarm einzuwenden. Auch dafür wußte der Promaut blitzschnell einen Rat. Er deutete mit drei Tentakeln in eine bestimmte Richtung und sagte in verbindlichem Tonfall: »Meine Diener installieren gerade einen Großtransmitter. Die Maschine wird sich an einer Stelle wiederfinden, an der sie problemlos wieder die Firma deiner Eltern erreichen kann. Ihr versteht, daß ich die Standorte meines Transmitternetzes nicht öffentlich diskutiere.« Und auch nicht den Umstand, daß unser mühsam gebohrter und gefräster Schrägtunnel schon jetzt wieder zugeschüttet wird, dachte Korasch Nyp zutreffenderweise. Die Erkenner bekamen köstliche Getränke, ausgesuchte Speisen, Teile neuer Ausrüstungen, Funkgeräte ebenso wie Waffen und anderes technisches Gerät. So sie, immer dreister werdend, Wünsche äußerten, wurden sie blitzschnell erfüllt. Dann bugsierte sie der Promaut in die Richtung einer Transmitterkammer, und in drei Gruppen wurden sie abgestrahlt. Sie sammelten sich in einem Kellerraum des Raumhafens Jordoban Elf, LaConia. Von dort aus erreichten sie die GRIFFONE nach einer Fahrt von vier Minuten. Der Kommandant wartete bereits auf sie, wies sie kurz ein, und die GRIFFONE startete unverzüglich. Jetzt erst erfolgte die Reaktion auf das Erlebte. Sie war unmittelbar, frisch und daher ehrlich. »Jordoban ist hervorragend organisiert. Das beschauliche Leben wird nur von Zwischenfällen wie diesem unterbrochen. Die Alten glauben kritiklos an den Promauten, weil sie ihn nicht kennen. Wir haben ihn kennengelernt, Freunde!«
»Auf eine Weise, die keiner von uns je vergessen wird«, bekräftigte Monter diese Erkenntnis seines älteren Bruders. »Und es gefällt uns, denke ich, nicht besonders, was wir gesehen haben.« »Das, was vor Jahrhunderten passierte, kann morgen schon wieder neu beginnen«, sagte Korasch. »Wenn wir uns weigern, zu tun, was der Promaut will, bricht sofort Kampf aus. Er wird reagieren wie eine Maschine. Schnell und strafend wie der Blitz aus schwarzem Himmel.« »Darauf halte ich jede Wette.« Die ausgebildeten Raumfahrer unter den vierzehn Erkennern – acht Männer – hatten die wichtigsten Stationen der GRIFFONE besetzt. Sie handelten im direkten Auftrag des Promauten; der Kommandant war vorübergehend unwichtig geworden. Das Raumschiff jagte in einer langen Linearetappe auf Hirnox zu. Ununterbrochen benutzten die Erkenner die Bordkommunikation für ihre Unterhaltung. Da sie damit rechnen mußten, abgehört zu werden, arbeiteten sie mit raffinierten Umformern und in einem Kode, dessen Unentzifferbarkeit ihrer Jugend entsprach. Ein Höchstmaß an Sicherheit war gegeben. »Die Eltern werden uns auf jeden Kritikpunkt entgegnen, daß wir eines Tages schon freiwillig erkennen werden, wie gut der Promaut für Jordoban sorgt, und wie wichtig er ist.« »Immerhin entspricht dieses Argument der Wirklichkeit. Wir alle führen auf Jordoban ein gutes Leben. Und eine kritische Organisation wie die Erkenner ist erlaubt und öffentlich bekannt. Warten wir ab, wie sich der Promaut weiterhin verhält.« »Wir werden es bald ganz genau wissen.« Der Schiffscomputer meldete die letzten Nachrichten. Auf Jordoban waren in Plasmafabriken und Forschungszentren Sabotageakte verübt worden. Zahlreiche Flüge, Starts und Landungen fremder Schiffe wurden beobachtet. Der Promaut hatte ausgesagt, daß andere Facetten ihre Agenten mobilisiert hatten, um ANIMA dem Zugriff Yog-Mann-Yogs zu entziehen. Überall dort, wo falsche Plasmaobjekte ausgesetzt worden waren, jagten Schiffe und andere Suchkommandos. Die GRIFFONE beendete das Linearmanöver und ging in den ersten Orbit um Hirnox. Die Erkenner in der Funkzentrale versuchten, aus dem heftigen Funkspruch-Wirrwarr irgendwelche Informationen herauszufiltern, die für sie wichtig waren. Der Kommandant, dem Hapet und Kalpers assistierten, schlug den Eintauchkurs vor, das Schiff senkte sich, stark abbremsend, der beleuchteten Hemisphäre entgegen. Die Koordinaten des Fundgebiets waren klar; die Ebene im Süden der Stadt Follart konnte schwerlich verfehlt werden. Der Kommandant deutete auf den Ortungsschirm und knurrte: »Andere waren schneller als wir. Ich sehe mindestens zehn größere Objekte. Die GRIFFONE wird kurzen Prozeß mit ihnen machen, wenn es Fremde sein sollten.« »Um jenes Objekt ANIMA wird tatsächlich gekämpft«, murmelte Hapet nachdenklich. »Halten wir uns vorläufig noch etwas zurück.« Die GRIFFONE näherte sich langsam, über unbebautes Gebiet einfliegend, dem Fundort. In einem unregelmäßigen Halbkreis waren schwere Gleiter, ein paar Fahrzeuge und drei kleine Raumschiffe gelandet; es schienen sogenannte Wespen zu sein. Die Funkabteilung schaltete sich in den Sprechverkehr ein. Die Stimme des Promauten verlangte, für die Erkenner ein überraschender Umstand, daß im Namen von Yog-Mann-Yog alle Späher oder Agenten den Fundort augenblicklich zu verlassen hatten. Daraufhin rannten Gestalten zu drei Gleitern und flüchteten mit bemerkenswerter Schnelligkeit. Dieselbe Stimme forderte die Erkenner und die Schiffsmannschaft auf, die Geschützstationen zu bemannen. Die GRIFFONE landete in einer gewaltigen Staubwolke direkt vor dem unregelmäßigen Hügel aus riesigen Steinbrocken, fast unmittelbar hinter den wartenden Schiffen und Fahrzeugen. Wieder befahl der unsichtbare Promaut über. Bildfunk, den Platz sofort zu räumen.
Die Besatzung eines Fahrzeugs meldete sich. Es war ein Prospektorenteam von Hirnox, das den Verantwortlichen sprechen wollte. Der Promaut erschien auf den Bildschirmen. Leise sagte Yarm zu Korasch: »Er ist mitgeflogen! Der Promaut ist an Bord, nicht in seiner unterplanetarischen Festung.« »Das hat allerdings keiner von uns erwartet!« flüsterte Korasch zurück. Das Team schilderte, daß aus dem mittleren der scheinbaren Riesensteine ein zweibeiniges Wesen herausgesprungen oder herausgestoßen worden war. Die Spuren führten zwischen die Bäume und in ein Versteck. Trotz mehrmaliger Aufforderung sei der Flüchtige nicht aufgetaucht. Dann rollte das hochrädrige Fahrzeug davon und blieb in achtungsvoller Entfernung stehen. Der Promaut stellte den Agenten ein Ultimatum und erklärte, daß das Schiff in wenigen Minuten die Konkurrenten im Namen des Herrschers Yog-Mann-Yog mit Waffengewalt vertreiben würde. Daraufhin starteten ein Gleiter und ein Raumschiff. Zwei Minuten später erteilte der Promaut Feuerbefehl. Monter saß vor den Kontrollen und zielte neben dem kleineren Raumschiff auf eine Stelle im zerwühlten Staub. Aus dem Projektor zuckte dröhnend die blendende Entladung. Wieder hallte die befehlende Stimme des Promauten durch die Zentralen der GRIFFONE. »Wenn ich klare Befehle gebe, dann verlange ich, daß nicht gescherzt wird. Yog-Mann-Yog droht nicht, er handelt.« Die Schaltungen der Feuerleitgeräte klickten hart. Jetzt waren alle Erkenner überzeugt, daß der Promaut sich in einem Versteck an Bord befand. Der Zentralcomputer übernahm die Schaltungen der Geräte, und er wurde von dem Vertrauten der Facette programmiert. Summend drehten sich die Projektoren. Die Erkenner waren ratlos und mehr als erschrocken. Monter sah, wie nacheinander die Gleiter und Raumschiffe in die Zentren der Zielmarkierungen wanderten. Eines der Raumschiffe bereitete den Start vor und versuchte, zu entkommen. Sekunden später vibrierten die Teile der Schiffshülle unter dem gleichzeitigen Abschuß der schweren KampfstrahlProjektoren. Rücksichtslos und blitzschnell reagierte der Promaut. Die Gleiter wurden in einer Gluthölle vernichtet, der hochgerissene Staub glühte flackernd auf, die Raumschiffe erzitterten unter dem Einschlag der Strahlen. Fetzen glühenden Materials wirbelten durch die Luft. Noch während die Erkenner erschreckt die Szenen der Zerstörung auf den Bildschirmen sahen, befahl der Promaut: »Laderaum öffnen, Traktorstrahlen und Antigravkräne einsetzen. Der Fund wird an Bord der GRIFFONE genommen.« Aufgeregt, mit überkippender Stimme, schrie Yarm ins Mikrophon: »Mußte das sein? Du hast nicht einmal mit den Raumfahrern gesprochen! Sie sind tot…« »Ich führe Befehle aus. Ich diskutiere nicht die Entscheidungen der Facette. Dasselbe empfehle ich euch.« Sie hatten es geahnt – schon so schnell hatte der Promaut den Beweis dafür angetreten, wie wenig Rücksicht er lebenden Wesen gegenüber nahm. Halb betäubt fing die Schiffsmannschaft an, die notwendigen Arbeiten durchzuführen. Eine stinkende Staubwolke trieb in den Laderaum herein, als sich die riesigen Schleusentorsegmente in die Aussparungen der Schiffshülle zurückzogen. Roboter wurden ausgeschleust. Sie schwebten in einer langen Kette auf das Versteck des einzelnen Fremden zu. Sie fanden ihn binnen weniger Minuten, betäubten ihn und schleppten ihn zum Schiff. Das Wesen, dessen Aussehen bis auf die geringe Größe und das Fehlen von Haar auf der gelbweißen Haut mit dem der Jordobaner identisch schien, wurde unter Bewachung in der Krankenstation eingeschlossen.
»Die Facette erwartet schnelle, ausgezeichnete Arbeit. Es besteht die Gefahr, daß uns ANIMA wieder abgejagt werden soll!« meldete sich der Promaut. Die Erkenner hatten ohne große Probleme schnell festgestellt, daß sich der Promaut nur in einem Nebenraum der Zentralpositronik verbergen konnte. Ein Teil der Besatzung eines zerstörten Raumschiffs rettete sich durch die Flucht in zwei überladenen Gleitern. Der Promaut beachtete sie nicht. Die mächtigen Traktorstrahlen hoben das Plasmawesen, das in absoluter Tarnung wie einer der gerundeten, ausgebuchteten und tief eingekerbten Riesensteine aussah, ohne Mühe in die Höhe. Der Durchmesser des Fundes betrug rund fünfzig Meter. Roboter steuerten die schweren Antigravplattformen darunter und verankerten sie aneinander. Funkkommandos hallten aus den Lautsprechern. Das Tageslicht schwand langsam; die Sonne zeigte sich am Horizont als eine grauorangenfarbige Scheibe. Langsam schob sich der »Stein« heran. Er glich ein wenig einer Faust mit nicht ganz gekrümmten Fingern. Die Scheinwerfer des Laderaums beleuchteten die riesige, graubraune Masse, deren Flanken sich jetzt über die Trennlinie schoben, einige Meter tiefer sanken und schließlich mit großer Vorsicht in den Laderaum bugsiert wurden. An beiden Seiten war der Raum zwischen ANIMA und den Rahmenteilen auf weniger als einen Meter geschrumpft. Das Schiff federte tief in die Landestützen, als die Plattformen bis auf den Boden absanken. »Schließt die Luken!« Die Arbeit hatte vorübergehend ablenken können. Als die GRIFFONE in Startbereitschaft versetzt wurde, überfielen die Ahnungen und Gedanken wieder die Erkenner. Noch hatten sie sich nicht darauf geeinigt, was sie tun konnten. Sie waren Bürger von Jordoban, und dort fand die Auseinandersetzung mit den Machtstrukturen statt. Hapet Minorr, der den Kurs für den Flug nach Adlerhorst programmierte, entschloß sich fast spontan, einen entscheidenden Zug zu tun. Er speicherte die Kursangaben und setzte statt Adlerhorst wieder Jordoban ein. Die GRIFFONE startete von Hirnox, schraubte sich hinauf in den Weltraum und jagte davon, sämtliche Funkanrufe mißachtend und so schnell, daß keines der zahlreichen Raumschiffe ihr folgen konnte. * Der Promaut kontrollierte innerhalb der GRIFFONE sämtliche Vorgänge, die vom Schiffsrechner gestützt wurden, obwohl sie auch unabhängig davon arbeiteten. Das war in keinem größeren Schiff anders und daher kein Grund für die Erkenner, mißtrauisch zu sein. Aber jetzt wußten sie, daß sie mit jedem Kommunikationsgerät überwacht und ihre Bewegungen durch Schließen oder Öffnen von Schotten kontrolliert werden konnten. Der Promaut mußte, ehe sie sich miteinander beraten konnten, von diesem Kontrollorgan getrennt werden. Dann erst würde sich zeigen, wie mächtig der Promaut als Individuum ohne ein Heer von Robotern war. Korasch übernahm die Aufgabe, insgesamt zehn Erkenner nacheinander und unauffällig in die unmittelbare Nähe des Computer-Nebenraumes zu bringen. Ein Plan für ein bestimmtes Vorgehen zeichnete sich noch immer nicht deutlich ab. Es stand fest, daß sie auf Jordoban der Bevölkerung erklären würden, daß Yog-Mann-Yog sie beherrschte und nötigenfalls mit kalter Brutalität vorging, um zu bekommen, was er wollte. Und daß der angeblich edle und gerechte Promaut nur ein willenloses Werkzeug der Facette war. Die Erkenner stolperten sozusagen von einem Entschluß in den nächsten, und vielleicht fanden sie bis zur Landung ein klares Konzept. Flüsternd stimmten sie sich ab.
Sie zogen die Waffen und stürmten durch zwei Eingänge in den Nebenraum. In den Korridoren des großen Schiffes ging die Aktion bis jetzt unbemerkt vor sich. Der Promaut, der vor dem Programmierpult stand und von arbeitenden Bildschirmen umgeben war, sah sich von entschlossenen Männern umringt, die ihre Waffen auf ihn richteten. »Wir haben beschlossen«, sagte Korasch und zog mit einem Ruck die Schutzplatte über die umfangreiche Tastatur, »daß Jordoban frei und unabhängig von dir und Yog-Mann-Yog werden soll. Vorläufig wirst du von deinen Werkzeugen getrennt.« Das Kunstwesen verarbeitete die neu eingetretenen Umstände mit der gewohnten Schnelligkeit. Seine Stimme war drohend und leise, als der Promaut ausführte: »Ich bin zu wertvoll und zu verletzlich, um mit euch zu kämpfen. Ihr habt natürlich einkalkuliert, daß ich über eine Unmenge selbständiger Helfer verfüge.« »Nicht, solange du in der GRIFFONE und isoliert bist. Betrachte dich als unser Gefangener.« »Nicht auszudenken, was die Facette über euer Vorgehen denkt«, meinte er und ließ sich in eine Kabine bringen, aus der zwei Erkenner alle Anschlüsse und Interkome abmontierten. »Eine besonders harte Strafe wird euch treffen und ähnliche Revolutionäre abschrecken.« »Rieses Risiko müssen wir eingehen«, sagte Korasch und ließ zwei Mann zur Bewachung zurück. Auf dem Korridor entschlossen sie sich, das Schiff noch nicht zu übernehmen. Zuerst brauchten sie zusätzliche Informationen. Der Gefangene konnte ihnen sagen, was ANIMA so wertvoll machte. Monter, Kalpers und Korasch suchten ihn in der Krankenstation auf. Der Medorobot hatte ihn mit Konzentratnahrung versorgt, einige Abschürfungen und Schnitte behandelt und ihm ein Mittel gegen Schädelschmerzen verabreicht. Der kleine Mann mit dem runden Kopf sprang ihnen förmlich entgegen und schrie mit hartem Akzent: »Wo bin ich? Was habt ihr mit mir vor? Ich muß zurück zu ANIMA? Seid ihr mit dem großen Raumschiff gekommen?« Mit der rechten Hand und dem Arm gestikulierte er heftig. Er war in eine dunkelblaue Kombination gekleidet, die aus Leder bestand. Sie modellierte seinen runden Bauch und die beachtlichen Muskeln heraus. »Wer bist du?« fragten sie. Sie nannten ihre Namen und den Heimatplaneten. Er konnte mit Jordoban offensichtlich nicht viel anfangen. »Ich bin Dhonat, der Steppenforscher aus dem Volk der Hugerer. Bereich Ordardor. Ich will hier heraus.« »Wir sind Rebellen gegen den Promauten«, sagte Monter. »Du bist in der GRIFFONE. Sie sollte ANIMA und dich zum Adlerhorst bringen, fliegt aber dank unserer Sabotage nach Jordoban. Wir wollen Freiheit für unseren Planeten.« »Ihr liefert ANIMA an die Facette aus?« »Wir wissen nicht, was die Facette an diesem Ding so interessiert. Wir haben, ANIMA betreffend, keine besonderen Pläne.« Sie unterhielten sich schnell und aufgeregt. Der Gefangene sagte ihnen, daß ANIMA ein Raumschiff aus Plasma war, daß er selbst zu den Insassen gehörte, daß dieses Schiff dem Tode näher als einem Raumflug war, und daß er so schnell wie möglich Zugang zum Plasma-Raumschiff haben müsse. Die Revolution würde er gern unterstützen, aber sie ginge ihn nichts an. »Du bist der Gefangene Yog-Mann-Yogs. Wir können dich noch nicht freilassen«, sagte Korasch nachdenklich, »weil wir das Schiff nicht beherrschen. Noch nicht.« »Und was soll ich tun? Euch bei der törichten Revolution helfen? Die Facette wird im günstigsten
Fall Jordoban verwüsten.« »Wir können uns wehren. Den Statthalter der Facette haben wir abgesetzt. Du mußt ebenso warten wie wir. Die Dinge sind im Fluß.« »Laßt mich wenigstens in den Laderaum!« »Später.« Sorgfältig verschlossen sie das Schott wieder. Die Zeit lief unaufhaltsam ab. Nach der Landung auf Jordoban begannen die Probleme erst wirklich. Aber immerhin hatten sie erfahren, daß Yog-MannYog die GRIFFONE allein wegen des kostbaren Fundes nicht angreifen würde. Der Promaut und selbst der Kommandant waren sicherlich zunächst einmal überrascht, daß die GRIFFONE nicht Adlerhorst anflog, und auch die Facette würde vergeblich warten. Eine Stunde vor der Landung übernahmen die Erkenner das Schiff. Zuvor hatten sie versucht, heimlich jede Waffe an sich zu bringen und wegzuschließen; es war ihnen weitestgehend geglückt, obwohl sie nicht ganz sicher sein konnten. Als die GRIFFONE die Linearetappe beendete und auf Jordoban zuflog, erfuhr der Kommandant, daß er Gefangener sei, und daß der Promaut ausgeschaltet worden war. Fassungslos antwortete der weißhaarige Schiffsführer: »Mich stört nicht, daß ihr den Befehl über das Schiff habt. Ich bekomme ihn bald wieder zurück, verlaßt euch drauf. Aber vor dem, was Yog-Mann-Yog mit uns allen machen wird… davor habe ich Angst.« »Zunächst wird er nichts unternehmen. Der Promaut empfängt keine Nachrichten und kann auch keine weitergeben. Die Facette ist taub und blind.« »Yog-Mann-Yog wird nicht lange blind bleiben!« »Er wird tun, was wir verlangen, denn wir erpressen ihn mit dem Promauten.« »Ihr habt nicht lange genug über euer Vorhaben nachgedacht«, versuchte der Kommandant zu diskutieren. »Es ist schon jetzt gescheitert. Ihr wißt es nur noch nicht.« »Wir werden keine Gewalt anwenden. Bringen wir die GRIFFONE nach Ebenenstadt, Jordoban Sieben am Arnonn. Dort werden wir den offiziellen Regierungsstellen alles offen darlegen.« »Sie werden dasselbe denken und nach den Wünschen der Facette handeln«, versprach ihnen der Kommandant. Die Ziele der Erkenner waren möglicherweise positiv, aber er konnte ihnen keine Hoffnungen machen. Das Schiff identifizierte sich und schwebte zur Landung ein. Die Erkenner sagten sich, daß der Verkehr auf dem Raumhafen nicht behindert werden sollte, und landeten die GRIFFONE an dessen Rand, nahe dem Kontrollturm. Dann erst verlangten sie eine Direktschaltung zum Planetaren Regierungsfernsehen, zu den anderen Medien und zur Regierung selbst. Sie waren etliche Minuten vor Einbruch der Dunkelheit in Ebenenstadt gelandet. Die ersten Meldungen und Reportagen waren in den Abendnachrichten zu erfahren. * Kalpers Otoul berichtete, was sich bis zu dem Augenblick zugetragen hatte, als der stählerne Maulwurf in die Metallkugel hereingelassen worden war. Der junge Raumfahrer saß in der Zentrale der GRIFFONE, vor sich einige Mikrofone und die Linsen der Interkome. Die Anlage war direkt mit den TV-Studios, einigen Redaktionen und dem Büro des Regierungssprechers verbunden. Um das Schiff hatte sich ein dichter Ring von schwerbewaffneten Robotern aufgebaut, nachdem ein Teil
der Mannschaft das Schiff hatte verlassen dürfen. Der Kommandant war an Bord geblieben. »Und dann standen wir jenem Wesen gegenüber«, beendete Kalpers seine Schilderung, »das auf Befehl von Yog-Mann-Yog in der Vergangenheit den Tod von so vielen Jordobanern verschuldet hat; ein künstliches Wesen, das der Regierung die Befehle gibt, die es direkt von der unsichtbaren Facette übermittelt erhält.« Yarm Cadash sprach weiter. Zuerst spielte er eine Aufzeichnung ein, die sie vor kurzer Zeit vom Promauten gemacht hatten. Der Promaut hatte nicht viel gesagt, obwohl er wußte, daß dieser Bericht jedem Planetarier zugänglich gemacht wurde. Seit unbekannter Zeit sahen die Jordobaner den Promauten bewußt, und einige erinnerten sich sogar, daß sie in ihrer Jugend ein Wesen dieser Art auf der Oberfläche Jordobans hatten herumgehen sehen. Dann schilderte Yarm die verwirrende Größe des Metallverstecks unter dem Schwemmland. Er bewies allen Zuhörern, daß die Regierung nichts anderes tat, als Befehle weiterzugeben. Jordoban und die Nachbarplaneten waren getäuscht und nicht von gewählten Volksvertretern, sondern von einer gefühllosen Puppe regiert worden. Der Regierungssprecher unterbrach an dieser Stelle und wiederholte die Forderung, die er bereits vor Stunden gestellt hatte. Der Promaut sollte freigegeben werden. Das Risiko, von Yog-Mann-Yog furchtbar gestraft zu werden, war zu groß. Niemand übernahm dafür die Verantwortung. Yarm konterte und verlangte eine Volksabstimmung. Hentar und Plara Otoul wurden ins Fernsehstudio geholt und wollten mit Monter und Kalpers öffentlich diskutieren. Kalpers willigte ein; Monter war nirgendwo im Schiff zu finden. Von ANIMA, dem Gefangenen und dem Zwischenfall auf Hirnox hatten die Erkenner nichts erwähnt. Die Erkenner, vierzehn Mann an Bord des Lastschiffs, wußten sich der Unterstützung von hunderttausend Erkennern überall auf Jordoban sicher und blieben bei ihren Forderungen. Sie konnten warten. Sie waren entschlossen, die Diktatur abzuschaffen, selbst wenn es auf Kosten der Beschaulichkeit und Ruhe ging. Die Anschläge und Attentate auf die Fabrikationsstellen von Pseudo-Plasmakugeln hatten plötzlich aufgehört.
7. Monter zog die Waffe, entsicherte sie und richtete die Mündung auf den Boden. Dann tippte er die Kodezahl in den Öffner und ließ das Schott zur Seite gleiten. Nach drei Schritten sah er den Gefangenen. Er lag auf dem Rücken, beide Arme hingen rechts und links vom Krankenlager herunter. Ein Knie war angewinkelt. Es stank nach einem auffallenden Medikament. Der Roboter war deaktiviert. Vom offenen Mund des Gefangenen führte eine rote Spur quer durch den Raum bis zur Hygienezelle. »Er hat sich… umgebracht«, stöhnte Monter und lief auf den regungslosen Mann zu. Als er sich über Dhonat beugte, fühlte er hinter sich eine Bewegung und einen Luftzug. Es war zu spät. Mit furchtbarer Gewalt traf ihn ein Schlag der linken Faust in den Nacken. Als er zusammensackte, zuckte die Rechte hoch und packte das Handgelenk mit der Waffe. Ein zweiter Schmerz tobte durch das Gelenk, als der Gefangene ihm den Strahler aus den Fingern wand. Dann knickte Monter in den Knien ein und sank betäubt zu Boden. Der Gefangene schnellte in die Höhe, steckte die Waffe in eine Anzugtasche und schnappte nach einem Riemen, der über dem Handlungsarm der Maschine hing. Sekunden später waren Monters Handgelenke über dem Rücken gefesselt. Dhonat verschwand in der Toilette. Mit einem nassen Handtuch säuberte er sein Gesicht von den Spuren der Arzneimischung, die wie echtes Blut aussah. Er ließ kaltes Wasser laufen, wrang das Tuch darin aus und legte es auf Monters Gesicht. Nach kurzer Zeit erwachte der Junge stöhnend aus der Bewußtlosigkeit. Dhonat hielt ein Stück Wundpflaster in den Fingern und sagte drohend: »Kein Geschrei. Sonst klebe ich dir das Pflaster ins Gesicht. Ich will dir nicht schaden, aber ich muß in den Laderaum. Sonst nichts.« »Was willst du dort? Au, mein Schädel. Hier hinten.« Dhonat preßte das kühlende Tuch auf die bezeichnete Stelle und antwortete sofort. »Ich muß mit ANIMA sprechen. Im lebenden Raumschiff ist ein Gleiter. Er hat ein eingebautes Hyperfunkgerät. Ich muß nach Atlan rufen. Los, es eilt.« Dhonat zog Monter in die Höhe und starrte ihm in die Augen. Seltsamerweise meinte der junge Mann, daß der Fremde ihn nicht betrügen wollte. »Wer oder was ist Atlan?« »Später. Bring mich in den Laderaum. Denke daran, daß deine Waffe schlimme Verbrennungen erzeugt, wenn sie richtig angewendet wird. Ich will euren Promauten nicht befreien, nichts dergleichen. Gehen wir.« Monter nickte. Aber seine Neugierde war noch verstärkt worden. Er sagte leise: »Ich bin gekommen, um mit dir über ANIMA zu reden. Warum ist sie derart begehrt?« Sie verließen die Krankenstation, wandten sich nach links und ließen sich in einem kurzen Antigravschacht abwärts fallen. Als Monter mit dem Kopf auf ein schweres Schott deutete, griff Dhonat nach den Hebeln und wuchtete sie auf. »ANIMA wurde von kosmischen Mächten geschickt, um Atlan zu helfen. Atlan und eine kleine Schar Freunde will versuchen, die Galaxis von dem Auswurf dieser Facetten zu befreien. Das Einsammeln von Psi-Anteilen, das aus normalen Wesen lallende Idioten macht, soll aufhören. Das Geheimnis der Sonnensteppe muß gelüftet werden. Atlan ist ein fast unschlagbarer Alleinkämpfer. Unbewußt habt ihr die gleichen Ziele.« Das schwere Schott knirschte auf. Dahinter war absolute Dunkelheit. Dhonat fand die
Sicherheitskontakte und schaltete einige Tiefstrahler ein, dann zog er Monter mit sich in den Laderaum. Er zerrte an dem Schott, bis es am Rahmen anlag. Langsam tasteten sich die Männer an der Wand entlang. Vor ihnen lag die schwere, dunkle Masse ANIMAS. »Wo ist Atlan?« »Irgendwo. Ich hoffe, nahe genug, um meinen Hyperruf zu hören. Aber zuerst müssen wir in ANIMA hinein.« Er ging, als sie ein Stück freien Boden um sich hatten, auf die Masse zu, trommelte mit beiden Fäusten daran und rief drängend, aber nicht allzu laut: »ANIMA! Atlan ist in der Nähe! Lasse mich hinein. Ich muß zur KORALLE! Du bist augenblicklich in Sicherheit!« Er drehte sich zu Monter um. Monter sah, daß das scheinbar freundliche runde Gesicht schweißnaß vor Konzentration war. Dhonat wirkte verzweifelt und war nahe daran, aufzugeben. Er wiederholte sein flehentliches Bitten und sein Hämmern gegen die harte Masse mindestens sechsmal. Nur ein einziges Zucken lief durch den tiefen, staubgefüllten Spalt des falschen Steines. »Was du mir erzählt hast, die Facetten, der Kampf… ist es überall so?« fragte Monter. Dhonat atmete keuchend und erwiderte: »In der gesamten Galaxis Alkordoom kämpft praktisch jeder gegen jeden. Die Facetten setzen Heere, Schiffsflotten, Anwerber und Krieger ein, um sich gegenseitig zu schädigen. Eure Probleme auf Jordoban – oder auf einem beliebigen anderen Planeten – sind nur ein mikroskopisch kleines Bruchstück eines schauerlichen Kampfes.« Wieder bat und bettelte Dhonat. Der Spalt erzitterte, verbreiterte sich, klaffte schließlich auf. Alles geschah völlig geräuschlos. Schließlich war ein rundes Loch dicht über dem Boden so groß, daß Dhonat hindurchpaßte. Er nahm Monters Oberarm und zog den Erkenner schnell in das Innere ANIMAS. Sie betraten eine mittelgroße, dämmerige Höhle, in deren Mitte ein exotisch aussehender Gleiter mit offenen Türen stand. Monter blieb stehen und sah fasziniert zu, wie sich das Plasmamaterial wieder schloß. Er hörte Dhonat rufen: »Danke, ANIMA! Mach’s ein wenig heller. Bald sind alle unsere Probleme vergessen.« Er tauchte in den Gleiter hinein, schaltete an der Energieversorgung und an den Funkgeräten und erkundigte sich bei Monter nach den Namen und der Spezifikation der Sonne, nach den Koordinaten des Planetensystems. Dann drückte er eine Taste, und der erste Koderuf jagte aus den Antennen hinaus. Er sprach einen kurzen Text, ohne Atlans Namen einmal zu gebrauchen, dann verschlüsselte das Gerät diese Informationen und strahlte sie gerafft, verzerrt und komprimiert ab. »Ich rechne nicht damit, daß sich Atlan verrät«, sagte Dhonat. Er war plötzlich ruhig und geradezu heiter. Er löste die Fesseln des jungen Mannes, und während die Höhle – in Wirklichkeit ein Schleusenhangar mit einigen Ausgängen, gerundeten Sitzen und Tischen – unmerklich langsam heller wurde, zog Dhonat zwei Becher und eine große Feldflasche aus einem Gleiter-Türfach. »Die Vorräte sind nicht berückend«, sagte er. »Aber ein Schluck saurer Wein ist besser als nichts. Du kannst jederzeit hinaus, wenn ANIMA sich noch einmal öffnet. Spürst du Atlan schon, ANIMA?« rief er lauter, während er einschenkte. Das Schiff sprach! Es flüsterte mit einer traurigen Frauenstimme:
»Nein. Wenn er nahe ist, lebe ich wieder auf. Ich spüre, daß ich mich erhole.« »Hoffentlich bald!« brummte Dhonat. »Jetzt wird, mehr oder weniger genau, folgendes passieren. Fremde Raumschiffe, die nach ANIMA suchen, fliegen euren Planeten an. Die Facette merkt das und schickt ihrerseits Schiffe der Stählernen Horde. Jede Menge Kampf. Und Atlan schmuggelt sich hierher und startet mit ANIMA.« »Atlan ist dein Freund?« »So kann man es nennen«, meinte Dhonat. »Wir haben eine Menge fast tödlicher Abenteuer miteinander geteilt. Jedes davon hatte zu tun mit dem zynischen Besitzen und Verwalten von Macht in Alkordoom.« Monter begann sein Gegenüber zu bewundern. Er sah sich in der Hangarschleuse um und sagte schließlich: »Ich bin auch Raumfahrer. Wir Jordobaner treiben mit vielen Welten Handel. Aber ich habe wohl nicht annähernd erlebt, was du erlebt hast.« »Tröste dich damit, daß es keineswegs zu meinen schönen Erinnerungen zählt. Freunde sind an meiner Seite und für mich gestorben.« Er dachte an den Koloß Kolport und daran, daß Atlan wohl kaum unbemerkt würde landen können. Die Jordobaner ahnten, daß eine Invasion aller möglichen Raumschiffe drohte und würden sich entsprechend zu schützen versuchen. »Du und diese Erkenner«, sagte Dhonat halblaut. »Habt ihr wirklich eine echte Chance, euch vom Promauten und von der Facette loszusagen? Es geht, wie du vermutlich weißt, nur mit Gewalt.« »Das Problem steht und fällt damit, ob einer von uns sich einer Schaltstelle bemächtigen kann«, antwortete Monter. »Das kann ein Schiffsgeschütz sein, ebenso ein administrativer Posten, eine Kommandostelle oder etwas, womit man die Kunstgeschöpfe oder die Roboter von Yog-Mann-Yog ausschalten kann. Wir sind leider nicht in der Mehrzahl.« Nach einigen Sekunden fügte er trotzig und selbstbewußt hinzu: »Aber jetzt, nach den ersten TV-Sendungen, sind alle Erkenner auf drei Planeten alarmiert. Sie werden tun, was sie können.« »Verständlich. Ich wünsche euch viel Glück. Willst du gehen?« Schweigend schüttelte Monter den Kopf. Die Männer warteten. Dhonat leerte seinen Becher zum zweitenmal und verzog wegen des lädierten Geschmacks dieses erbeuteten Weines das Gesicht. Dann aktivierte er in der KORALLE den Normalempfänger und ließ sich von Monter die gebräuchlichsten Frequenzen nennen. Nach einigem Probieren hatten sie zufriedenstellende Bilder und einen ausgezeichneten Ton auf dem kleinen Monitor. Sie konnten hören und sehen, was die offiziellen Sender an die Satelliten abstrahlten, von denen Jordoban und seine Schwesterwelten versorgt wurden. Die erste wichtige Information: Über Jordoban erschienen in kurzen Abständen Raumschiffe, die sich nicht identifizierten. Sie suchten – das war Dhonats feste Meinung – nach ANIMA. Monter meinte, daß sie die Neuigkeit angelockt hatte, jene Meldung, daß es auf Jordoban keinen Promauten mehr gab, der Planet also vorübergehend ohne Führung war – eine willkommene Beute für Piraten. Monter berief sich auf das, was er von Dhonat über die herrschenden Zustände gehört hatte. Eben unterhielten sie sich über die Möglichkeiten, da kam die Meldung durch, daß Schiffsverbände aufgestiegen wären und den Fremden erbitterte Abwehrschlachten lieferten. Jeder Abschuß wurde von den eigenen Kräften mit der Meldung versehen, daß sich ein Erkenner am
Geschütz befunden oder ein Erkenner das Schiff geführt hatte. »Es wird euch trotzdem wenig nützen, auch wenn ihr so tapfer seid«, murmelte der Steppenforscher. »Die Facette kann nicht zulassen, daß eine Welt auf so einfache Weise abtrünnig wird.« »Und wenn sie ANIMA suchen«, versuchte ihn Monter zu trösten oder zu beruhigen, »werden die Batterien feuern. Um jeden Raumhafen haben wir gute Geschütze. Und Tausende Roboter.« »Die Schiffe der Facette greifen die GRIFFONE jedenfalls nicht an«, schloß Dhonat mit einiger Sicherheit. * Einige Sekunden lang herrschte uneingeschränkter Jubel. Mit einem Schlag war das verdammte, frustrierende Warten vorbei. Der Kennimpuls ANIMAS! Unzweifelhaft. Dhonat, der unerschrockene Steppenforscher, hatte endlich den Sender der KORALLE aktiviert. Ich sprang auf, hob beide Arme und rief: »Endlich! Wohin fliegen wir, Arien?« Carl Nimahi erklärte kurz: »Kätzchen rechnet noch. Mit ein paar Informationen mehr hätten wir leichteres Arbei…« Der zweite Impuls! Binnen Sekunden dekodierte »Kätzchen«, die leistungsfähige Bordpositronik, die Meldung. Dhonat lebte. ANIMA war im Laderaum eines Schiffes namens GRIFFONE versteckt, die GRIFFONE stand auf einem leicht zu findenden Raumhafen auf dem Planeten Jordoban. Schon summten die Koordinaten hinüber in die Steuerung der VIRGINIA. Das Schiff wurde schneller und jagte dem Augenblick entgegen, in dem die entscheidende Linearetappe anfing. An ihrem Ende stand Jordobans Sonnensystem. Das Warten hat sich gelohnt. ANIMA wird sich sofort erholen, wenn du in ihrer Nähe bist, sagte zufrieden der Logiksektor. Es dauerte also nur noch einige Stunden, bis ich in unmittelbarer Nähe des lebenden Raumschiffs war und nach dessen Start beginnen konnte, das MEMORIUM zu suchen. Meine Unruhe, diesmal durchaus positiv, wuchs und wuchs. Über den Planeten wußten wir fast nichts; irgendwo hatten wir einige Hinweise darauf aufgeschnappt, daß es eine Welt mit atembarer Luft war, von Wesen bevölkert, die uns glichen. Mittlerweile summte der Kosmos förmlich von Funksprüchen, die davon sprachen, daß sich ganze Flotten an der Suche nach Plasmakugeln beteiligten. Mindestens zwanzig waren es, die gefunden worden waren – von denen wir wußten. Die Facette hatte also von ANIMA abgelenkt, um ANIMA selbst zu suchen und zu finden. Die VIRGINIA war auf ihrem Weg. Die Zeit begann zum wichtigen Faktor zu werden. Ich bereitete mich darauf vor, eine schwierige Mission anzufangen. Es war undenkbar, daß es auf Jordoban günstige Verhältnisse gab. *
Mitten in der Nacht hatten die aufgeschreckten Bürger ein TV-Erlebnis besonderer Prägung. Kalpers Otoul, Raumfahrer, siebenundzwanzig Jahre alt und am Ende seiner Beherrschung, unterhielt sich in der Konferenzschaltung mit seinen Eltern. Er legte ihnen dar, aus welchem Grunn die Erkenner so und nicht anders gehandelt hatten. Hentar Otoul versuchte, seinen Sohn zu überreden. Die Erkenner würden keinen Erfolg haben. Alle älteren Jordobaner waren gegen eine radikale Veränderung der herrschenden Zustände. Wollten sie eine Diktatur von unsichtbaren Wesen? Sie wollten für sich, so lautete die Antwort, und für die heranwachsenden Generationen ein möglichst sorgenfreies Leben. Gerade die Raumfahrer unter den Erkennern sollten wissen, wie schlimm es auf anderen Welten aussah! So schlimm hatte es auch hier einmal ausgesehen! Wenn der Promaut freigelassen und die alten Zustände wiederhergestellt waren, würde Yog-MannYog davon absehen, Rache zu nehmen. Es war niederdrückend, daß sich Eltern und Kinder wegen einer solchen Frage miteinander stritten! Die mangelnde Einsichtsfähigkeit der Erkenner machte alles, was bisher erreicht worden war, zunichte. Ein Befehl aus dem unbekannten Versteck der Facette hatte dieselbe Wirkung! Die Frage wurde von Mutter Plara gestellt, wie es denn weitergehen sollte. So wie bisher auf keinen Fall. Wie dann? An diesem Punkt der angespannten Diskussion hörten die Zuschauer aus dem Innern des Schiffes Schreie, Lärm und das Echo dröhnender Schüsse. Kalpers sprang auf und verschwand aus dem Bild. Im Schott der Zentrale taumelte ihm ein Kamerad mit blutverschmiertem Gesicht und gebrochenem Unterarm entgegen. »Schnell! Sie verfolgen den Promauten. Er hat Wylters getötet… geflohen.« Kalpers riß seine Waffe heraus und hoffte, daß der Promaut nicht einen versteckten Schiffstransmitter zu seinem Schlupfwinkel benützen wollte. Vor ihm, im Korridor, donnerten zwei Schüsse. »Hierher!« schrie jemand. Kalpers stürmte los. Schotte öffneten sich, und Mitglieder der restlichen Schiffsbesatzung oder Erkenner kamen heraus. Nach etwa hundert Schritten hatte Kalpers zwei Männer überholt und stand neben Yarm, der gerade in den Abwärts-Antigravschacht sprang. »Siehst du ihn?« Kalpers folgte dem Kameraden, überschlug sich halb in der Luft und sah ganz unten im Schacht die vielgliedrige, silbern funkelnde Gestalt des Promauten. »Er hat Franno umgebracht. Mit seinen verdammten Tentakeln!« schrie Yarm. »Und jetzt will er zurück in seine Kugel.« »Er wird die Armeen der Facette herbeirufen.« Bevor der Promaut den Antigravschacht verließ, blieb er kurz stehen und gab drei Schüsse ab. Die Blitze zuckten durch den dämmerigen Schacht und verfehlten die Erkenner nur um Haaresbreite. Die kochende Hitze versengte ihr Haar. Sie waren zu überrascht, um zurückzuschießen. Jetzt war der Promaut verschwunden, aber auch aus dem Unterteil der GRIFFONE kamen Geschrei und Schußgeräusche. Endlich schwangen sie sich aus der Röhre heraus. Ein verwundeter Erkenner kauerte in einer Ecke und stöhnte. Sie rannten an ihm vorbei auf das Gangway-System zu. »Wir müssen ihn einholen. Hält hier niemand Wache?« stöhnte Kalpers und jagte eine schräge Rampe hinunter. »Klar. Ich habe Wachen aufstellen lassen. Dort entlang.«
Sie erreichten die Luftschleuse, die durch eine lange Platte mit dem schwarzen Boden des Raumhafens verbunden war. In der Schleuse kauerten Hapet und Korasch und schossen auf den Promauten, der bereits auf dem Boden stand, mit seinen Tentakeln wedelte und aus Wylters Waffe feuerte. Der Promaut war teilweise zerstört. Er hinkte, und mehrere Tentakel hingen schlaff herunter. Kalpers sank auf ein Knie, packte die Waffe mit der Rechten und deren Handgelenk mit der linken Hand. Er zielte sorgfältig und kümmerte sich nicht um seinen eigenen Schutz. Schuß um Schuß lösten sich aus dem Projektor. Das Dröhnen, das sich in den stählernen Wänden der großen Schleuse fing, machte die Männer fast taub. Die Energiestrahlen badeten Teile des Schiffes und die Landestützen in grelles Licht. Neben Kalpers schoß Yarm auf dieselbe Weise. Beide trafen den Promauten voll. Seine Glieder waren möglicherweise regenerierbar, aber nicht die technischen Anlagen hinter dem ringförmigen Multiorgan. Der riesige Körper schwankte, aus den Löchern schlugen züngelnde Flammen und schwarzer Rauch. »Es ist genug«, sagte Yarm unnatürlich laut. Kalpers dachte an seinen verschwundenen Bruder und jagte einen letzten Schuß abwärts. Der Gleiter, voll von Reportern und Kameras einer TV-Agentur, kam herangeschwebt und blieb in fünf Metern Höhe, aber außerhalb der postierten Roboter, in der Luft. Die Kameramänner filmten wie rasend. Der Promaut war zusammengesunken. Aus seinen vielen Gliedern war jede Kraft gewichen. Der Plasmaanteil seines schillernden Körpers schmolz und verwandelte sich in eine zähe Masse. Rauchschwaden verhüllten das Bild. Kalpers lehnte sich an den Rahmen der Schleuse und senkte die Waffe. Er blickte in drei Gesichter, die Entsetzen und Verstörung widerspiegelten. »Chaos!« murmelte Yarm. »Wir haben den Promauten getötet.« »Notwehr«, sagte Kalpers. »Er hat mit dem Töten angefangen.« »Das wird Yog-Mann-Yog nicht beeindrucken.« Hapet zuckte ratlos mit den Schultern. »Was tun wir?« »Keine Ahnung. Erst einmal mit den Offiziellen reden. Gehen wir zurück.« Die Nachricht vom Ende des Promauten hatte sich in rasender Geschwindigkeit verbreitet. Einige Schiffe versuchten zu landen. Die Kampfschiffe Jordobans und planetare Batterien versuchten, eine Landung zu verhindern. Die ersten unkontrollierten Kämpfe brachen aus. »Das mündet in Bürgerkrieg«, murmelte Yarm. »Und das hat niemand von uns gewollt.« Obwohl jede Landung auf Jordoban verboten worden war, versuchten es einzelne Schiffe. Es waren Raumer aus unbekannten Teilen der Galaxis. Noch schafften es die Planetarier, niemanden landen zu lassen. Die Facette hatte offensichtlich bis zur Stunde noch nichts erfahren, denn es erfolgten keine Strafaktionen. Nicht einmal Befehle kamen vom Adlerhorst oder über das versteckte System des Promauten. Die Erkenner sagten sich, daß sie innerhalb der GRIFFONE am sichersten waren. Ratlosigkeit und die Versuche, trotz der zugespitzten Situation hart zu bleiben, kennzeichneten die nächsten Stunden. * Der Planet hing vor uns, riesengroß und geheimnisvoll. Die gesamte Mannschaft der VIRGINIA
arbeitete, um den Vorstoß nicht zu einem unkalkulierbaren Risiko werden zu lassen. Die Bilder auf den Ortungsschirmen zeigten uns, daß rund um Jordoban Kämpfe tobten. Etwa zwanzig Raumschiffe befanden sich in engen Orbits und wurden angegriffen. Von der Oberfläche zuckten immer wieder grelle Entladungen in die Höhe, und es herrschte ein heilloses Durcheinander. Wir hielten uns in achtungsvoller Entfernung. Nachdem ich einigermaßen Klarheit über einen ausbrechenden Bürgerkrieg und die Versuche fremder Schiffe, auf dem Planeten zu landen, verschafft hatte, erklärte ich: »Ich riskiere es. Ich gehe hinunter nach Ebenenstadt. Der Raumhafen ist nicht zu verfehlen, die GRIFFONE werde ich wohl auch erkennen. Dort ist ANIMA.« »Die VIRGINIA wird ebenso schnell geortet und beschossen wie alle anderen Schiffe«, widersprach Richardson. »Ich nehme einen Gleiter. Notfalls müssen wir ihn zurücklassen.« Wir fingen eine Menge der planetenweiten TV-Sendungen auf und hörten sie ab. Ich sah, daß in wenigen Stunden die Nacht über Ebenenstadt zu Ende gehen würde. In der Tageshelligkeit hatte ich noch weniger Chancen. Sandra McMooshel hob die Hand und erklärte: »Ich bringe dich mit dem Gleiter an den Rand des Raumhafens. Als Lebensversicherung nehmen wir Kjok-Duun oder Almergund mit. Einverstanden?« »Eine Möglichkeit, die mir nicht übel erscheint«, gab ich zu. »Die Zeit drängt. Seid ihr sicher, daß wir den richtigen Raumhafen auf den Schirmen haben?« »Absolut. Kein Irrtum möglich.« Ich trug bereits einen dunklen Kampfanzug. Mein Haar steckte unter einer Mütze, die den Kleidungsstücken ähnlich sah, die wir auf den Bildschirmen der Sendungen sehen konnten. Die Jordobaner waren humanoid; ich würde nicht als Fremdwesen auffallen. Der Logiksektor wisperte: Du solltest es riskieren. Es scheint die letzte Hürde vor dem MEMORIUM zu sein! Ich kontrollierte ein letztes Mal meine Ausrüstung. Sie war leicht, denn ich mußte mich ungehindert bewegen können. Je größer der Wirrwar auf dem Planeten, desto besser waren meine Chancen. »Zitrus« war eine hervorragende Pilotin. Sie würde mich sicher absetzen und den Gleiter zurückbringen, dem die VIRGINIA entgegenfliegen mußte. Ich entschloß mich, sofort aufzubrechen. »Wir fliegen einen Kurs, der es schwermacht, uns zu orten«, meinte die Pilotin, eine unangezündete Zigarette in den Mundwinkeln. »Wartest du auf etwas Bestimmtes, Atlan?« »Auf einen Wink des Schicksals.« Mit Präzision und Schnelligkeit wurde der Gleiter mit den stärksten Triebwerken ausgeschleust. Sandra jagte das winzige Objekt mit rasender Geschwindigkeit zuerst auf die Stelle zu, an der die heftigsten Kämpfe stattfanden, dann bog der Gleiter ab, jagte tiefer, den dünnen Ausläufern der Lufthülle entgegen, an einem asteroidenähnlichen Haufen erkalteten Raumschiffsschrott vorbei auf die verschwommene Trennungsschicht zwischen Nacht und Tag zu. Der Schutzschirm baute sich auf. Wir fegten durch eine riesige, schwarze Rauchwolke hindurch, die ein abstürzendes Wrack hinter sich herzog. Unser Ziel war nicht zu übersehen – rund um den Raumhafen Ebenenstadt stachen wie riesige Scheinwerfer die Energiebalken der stationären Geschützbatterien in die Höhe. Der Gleiter beschrieb jetzt eine Spirale. Der rasende Fahrtwind heulte und winselte. Zitrus zündete sich, mit einer Hand steuernd, die Zigarette an. Die wievielte seither? Im Heck saß KjokAlmergund und war ebenso ängstlich und aufgeregt wie wir. Nach einer kleinen Ewigkeit fing die Pilotin die Maschine etwa fünfhundert Meter über dem Boden ab. Die Nase des Gleiters deutete jetzt genau auf den hell beleuchteten Kontrollturm und ein paar
Schiffe, die abseits der Platzmitte standen. »Bisher ist alles gutgegangen«, sagte Zitrus mit überströmender Freundlichkeit. »Nur noch eine Landung, und du hast es geschafft. Weißt du schon, wie du ins Schiff kommst?« »Nein, ich habe nicht einmal eine Idee.« »Ich gehe so nahe wie möglich heran.« Ich aktivierte das Funkgerät und sprach mit Arien. Wir machten aus, daß die VIRGINIA mir und ANIMA folgen sollte. Falls wir getrennt wurden, bot sich ein Treffpunkt an: ein unbedeutender Planet, dessen Koordinaten wir hatten, 1,2 Lichtjahre vom Adlerhorst entfernt. Ein Versteck, in dem uns niemand vermuten würde, am wenigsten Yog-Mann-Yog. Inzwischen raste der Gleiter durch eine langgezogene Schlucht und eine Schneise in einem dunklen Wald aus riesigen Bäumen. Rechts von uns feuerte wieder die Batterie. Der Gleiter wurde langsamer, schwang sich über einen hohen Zaun und befand sich im weitläufigen Raumhafengelände. Zitrus richtete Sucherlinsen auf die Schiffe und entdeckte in der Vergrößerung einen Teil des Schriftzuges GRIFFONE. Dreieinhalbtausend Meter Entfernung. Als wir hinter einem verwaisten Flachbau entlangkurvten, schaltete die Pilotin kaltblütig sämtliche Scheinwerfer ein. Wir sollten wohl ein Fluggerät in offiziellem Auftrag darstellen. Eine Halle voller Maschinen tauchte auf. Dicht vor dem Eingang hielt Zitrus an und sagte: »Ich traue mich nicht mehr näher heran. Raus mit dir, und viel Glück. Wir hören voneinander, ja? Möglichst bald.« »Hoffentlich«, antwortete ich und schwang mich allein ins Freie. Die Tür schloß sich, der Gleiter wendete auf der Stelle und raste in atemberaubendem Tempo zurück. Ich schob mich in den Schatten und musterte die Maschinen, die in langen Reihen abgestellt waren. Kein Jordobaner war zu sehen; ich ging durch die ganze, lange Halle und am anderen Ende wieder hinaus. Dann sah ich die GRIFFONE. Ein riesiges Schiff, zylindrisch, aufrecht stehend, die Schleuse und die Gangway in meine Richtung geöffnet und ausgefahren. Die Landescheinwerfer leuchteten Teile des Rumpfes an. Mehr als zwölfhundert Schritt von meinem Standort entfernt. Ein dichter Ring wuchtiger Roboter umgab das Schiff. Ich wartete und blickte mich suchend um. Der Kampf schien alle Jordobaner im Bereich des Raumhafens zu beschäftigen, und ich hatte keine Ahnung, wie die Roboter programmiert waren. Ihre Sehzellen richteten sich jedenfalls nach außen, vom Schiff weg. Am östlichen Horizont zeichnete sich das erste Grau des kommenden Morgens ab. Entscheide dich. Maschinen gegen Maschinen. Hinter dir, Arkonide, meldete sich der Logiksektor. Ich begriff, hastete sofort in die Halle zurück und suchte nach einer möglichst großen Maschine, die einen deutlich erkennbaren Antrieb hatte. Ich fand etwas, das wie ein Tankwagen aussah. Ich kletterte in die Kabine, versuchte die Steuerung zu verstehen und startete das Monstrum. Ich drehte an einem riesigen Lenkrad, bewegte Hebel, krachte rückwärts gegen ein anderes Gerät und schaffte es schließlich, die Maschine durch die Halle und aus dem Ausgang zu steuern. Ich arretierte die Hebel, richtete die Steuerung gerade und sprang ab, als der schwere, niedrige Wagen drohend auf die Roboter zufuhr. Dasselbe machte ich noch zweimal, und als ich zum letztenmal in die Halle zurückspurtete, hatte der erste Wagen die Kette der Roboter erreicht. Sie begannen zu feuern, aber ihre Programmierung sah wohl keinen Angriff eines Versorgungswagens oder eines Reinigungsgeräts vor. In einer Maschine, die aussah, als ob sie weitaus schneller war als die anderen Geräte, bog ich aus der Halle hinaus, duckte mich unwillkürlich, als die Geschütze der Hafenverteidigung wieder feuerten, und dann rollte das würfelförmige Servicefahrzeug zwischen den ausweichenden, feuernden und niedergewalzten Maschinen und den halb zerschossenen und brennenden Fahrzeugen hindurch bis an die Rampe.
Mit Riesensprüngen erreichte ich, ohne daß auf mich geschossen wurde, die Schleuse. Dort stellten mich zwei junge Jordobaner, die Waffen auf mich richteten. Ich hob die Hände und sagte klar und deutlich: »Ich bin der Besitzer von ANIMA. Sie ist in eurem Laderaum. Wenn ihr gegen Yog-Mann-Yog kämpft, sind wir Verbündete. Bitte, bringt mich zu dem großen Plasmawesen. Es wartet auf mich.« Sie starrten mich an wie ein Gespenst. -Zögernd senkten sie ihre Waffen. Was hatte sie so verblüfft? »Du kämpfst gegen die Facette?« »Ich bin ein Werkzeug von mächtigen kosmischen Kräften«, sagte ich. »Bringt mich zu ANIMA, dann werdet ihr es sehen. Ich glaube, daß ihr die Urheber für die Kämpfe seid. Und ihr habt ANIMA von Hirnox geholt? Richtig?« Sie nickten, und da sie unschlüssig waren, gingen sie vor mir her. Hoffentlich zu ANIMA. Ich redete unablässig auf sie ein, um sie nicht zur Besinnung kommen zu lassen. Ihre kurzen Antworten verwendete ich zu neuen Schilderungen; immerhin hatten wir einige Planeten halbwegs befreit und gegen die Facetten zweifellos Erfolge erzielt. Schließlich öffnete sich tatsächlich ein schweres Schott zu einem Laderaum. Einige Tiefstrahler leuchteten ANIMA an. Ich legte meine Handflächen gegen das steinähnliche Material, und ohne daß ich ein Wort gesagt hätte, öffnete sich das lebende Raumschiff. Aus der KORALLE sprangen zwei Gestalten hinaus. »Monter!« schrie ein Jordobaner. »Hier bist du!« »Ich habe mit Dhonat lange gesprochen… du mußt Atlan sein, nicht wahr? Ich weiß alles über dich. Ihr müßt ANIMA hinauslassen, Kalpers! Es ist ungeheuer wichtig für die Galaxis. Ebenso wichtig für uns Erkenner.« ANIMAS Schleusenhangar funkelte plötzlich in hellen Farben. Ihre Stimme war klar und deutlich, als sie sagte: »Ich habe dich wieder, Atlan! Meine Kraft ist zurückgekehrt! Mein Wille ist stärker als je zuvor! Ich bin startbereit!« Die beiden Jordobaner waren mit mir zusammen eingetreten. Dhonat und ich begrüßten uns herzlich und schnell. Der junge Mann sprach aufgeregt mit seinen Kameraden. Ich benutzte diese Minuten, um ANIMA zu erklären, daß die VIRGINIA wartete, wo unser Ziel lag, und daß sie mit allen Tricks und schnell wie irgend möglich starten mußte. Der älteste der Jordobaner wandte sich an mich. Die Männer waren übermüdet und nervös, ratlos und von Zukunftsangst erfüllt. »Was wird geschehen, wenn ihr uns mit ANIMA verlaßt? Du weißt, was auf Jordoban passiert ist?« Dhonat antwortete an meiner Stelle. Er besaß mehr und bessere Informationen als ich. »Yog-Mann-Yog wird inzwischen erfahren haben, daß sein Werkzeug getötet wurde. Der nächste Promaut wird sich, unterstützt von den gnadenlosen Robotern der Stählernen Horde, mit einem weitaus härteren Kurs einführen. Die ruhigen Zeiten sind vorbei, und das werden die Älteren bald einsehen. Sie sind wütend über euch und machen euch für die Veränderung verantwortlich. Aber dann werden auch sie anfangen, Widerstand zu leisten.« Ich sprach weiter. »Die Stählerne Horde wird alle Fremden vertreiben. Eure Versuche haben sich zuerst ins Gegenteil verkehrt, aber dann wird folgendes geschehen: Eines nicht zu fernen Tages wird es uns gelingen, die Facette Yog-Mann-Yog auszuschalten. Wenn ihr das merkt, ist eure Stunde gekommen. Dann erst könnt ihr ernten, was ihr mit eurer mißglückten
Revolution zu früh gesät habt. Ich verspreche es.« Sie waren jung und impulsiv. Derjenige, der als Kalpers angesprochen wurde, verließ den Laderaum und nahm eine Schaltung vor. Langsam öffneten sich die riesigen Luken. »Es eilt«, sagte ich. »Ich kann euch mitnehmen, wenn ihr von Jordoban flüchten wollt.« Monter schüttelte Dhonats Hand und verabschiedete sich von mir. Er wirkte, trotz seiner Jugend, bewußt und entschlossen. »Ich glaube dir, Atlan. Aber nur deswegen, weil Dhonat mir so viel erzählt hat. Wir werden warten, und bestimmt wird man versuchen, uns zu bestrafen.« »Ich bin bereit«, sagte ANIMA und begann ihre Form zu verändern. Sie streckte eine silbern glänzende Spitze aus dem Laderaum hinaus. Die Jordobaner standen vor dem Loch, das sich langsam schloß. »Was ich verspreche«, rief ich, »halte ich auch. Aber ich weiß nicht, wie lange es dauert, bis auch Jordoban frei wird. Ihr müßt ebenso geduldig sein wie eure Gegner!« Die Öffnung schloß sich. Der letzte Eindruck, den wir mitnahmen, waren ihre müden, grauen Gesichter und die erhobenen Hände, mit denen sie winkten. ANIMA glitt ins Freie, machte einen einzigen, weit ausholenden Satz und jagte in den Weltraum hinaus. Sie wurde noch schneller, führte einige erstaunliche Manöver aus und war verschwunden, noch ehe eines der Verfolgerschiffe seine Richtung ändern konnte. »Wir haben unsere gute, alte ANIMA wieder«, sagte Dhonat. »Die Facette wird aber erfahren, daß du lebst, Atlan.« »Yog-Mann-Yog wird alles versuchen, um diesen Umstand zu ändern«, sagte ich. »Auf zur Sonnensteppe! Die Suche nach dem MEMORIUM fängt an.« Hinter uns blieben Jordoban und das Chaos zurück. Ich glaubte fest an das, was ich den jungen Männern versprochen hatte. Ihr Weg zur Freiheit war ebenso lang und ungewiß wie meine Bemühungen, mich zum Zentrum der Macht durchzukämpfen. ENDE
Die Rettung ANIMAS gelang, und Atlan steuert mit seinem lebenden Raumschiff und der VIRGINIA wiederum die Sonnensteppe an. Die beiden Ra umschiffe werden bereits erwartet – und eine große Verfolgungsaktion wird eingeleitet durch die Diener des Juwels… DIENER DES JUWELS – so lautet auch der Titel des nächsten Atlan-Bandes. Der Roman wurde von Marianne Sydow verfaßt. p
ATLANS EXTRASINN Das Rätsel des Erleuchteten Wir befinden uns auf dem Weg in die Sonnensteppe und damit in Richtung des geheimnisvollen Machthabers von Alkordoom, den man das Juwel oder den Erleuchteten nennt. Diesmal ist Atlan besser vorbereitet. Arien Richardson mit der VIRGINIA begleitet ihn. So wird die Gefahr, die von den Steppenpiraten droht, geringer. In den letzten Wochen hat Atlan viele Einzelheiten über den Erleuchteten erfahren, die das ergänzen, was ihm die Kosmokraten bei der Erteilung seines Auftrags mitgegeben haben. Aber all das reicht bei weitem noch nicht aus, um auch nur ein ungefähres Bild dieses Mächtigen zu konstruieren oder gar zu erkennen, was EVOLO, das Instrument, das der Erleuchtete erbauen läßt, wirklich ist. So mache ich mir meine eigenen Gedanken über das bisherige Geschehen um die Sektoren von Alkordoom und die dortigen Machthaber, die Facetten. Dabei entsteht allmählich die Vorstellung in mir, daß die Erlebnisse Atlans bislang eigentlich nur ein Vorgeplänkel gewesen sein können, das ihn mit dem Umfeld vertraut machen sollte, in dem der Erleuchtete auf geheimnisvolle Weise und bestens abgeschirmt agiert. Dominierend ist ein Problem: die Jagd aller Facetten nach Psi-Potentialen. Diese Spur deutet direkt auf das hin, was der Erleuchtete plant. In irgendeiner, auch mir noch heute unbekannten Form, »baut« er etwas aus diesen Bewußtseinsanteilen. Und das, was er baut, muß eigentlich identisch sein mit dem, was der nebelhafte Begriff EVOLO umschreibt. EVOLO ist das eigentliche Machtinstrument, daran zweifle ich nicht mehr. Diese Erkenntnis bedeutet aber noch mehr. Aus ihr folgt logisch zwingend, daß der Erleuchtete EVOLO für sich gebrauchen will. Und noch mehr. Das Juwel selbst muß folglich nicht über eine eigene Macht verfügen, die mit der des zukünftigen EVOLOS vergleichbar ist, denn sonst würde er nicht solche Anstrengungen bei der Konstruktion EVOLOS unternehmen. Weiters bedeutet dies, daß der Erleuchtete auch Schwachstellen haben muß. Das MEMORIUM könnte ein solcher wunder Punkt sein. Atlan setzt darauf, obwohl er gehört hat, daß das MEMORIUM praktisch unauffindbar ist. Die gewonnenen Erkenntnisse deuten darauf hin, daß das MEMORIUM auf einer anderen Zeitebene existiert. Das würde in der Tat bedeuten, daß Atlan einem fast fiktiven Ziel zustrebt, denn über eine technische Möglichkeit, in eine andere Zeit zu wechseln, verfügt er nicht. Auch gibt es keine Hinweise in ganz Alkordoom darauf, daß solch fortgeschrittene Technologie hier bekannt ist. Atlan rennt also wieder einmal in eine Sackgasse! Die Kosmokraten haben ihn wirklich vor ein gewaltiges Problem gestellt. Das aber wieder veranlaßt mich zu einer anderen Überlegung. Über die Motive der Kosmokraten weiß auch ich nur wenig. Sie lassen sich bekanntlich nicht mit den geistigen Maßstäben messen, die Atlan oder ich gewohnt sind. Aber eins muß feststehen. Ihr Handeln muß einen Sinn haben, der den ordnenden Kräften zum Vorteil gereicht. Atlans Aktionen müssen folglich diesem Sinn entsprechen. Zugegeben, Atlan hat sich bei seinen jüngsten Schritten mehrmals in die falsche Richtung lenken lassen und dabei sein eigentliches Ziel, den Erleuchteten, bisweilen aus den Augen verloren. Nun aber hat er das Umfeld zur Genüge abgetastet. Und er befindet sich auf dem Weg zum Nukleus von Alkordoom. Damit scheinen seine Aktionen in eine entscheidende Phase getreten zu sein, in eine Phase, die dem eigentlichen Wollen der Kosmokraten entspricht. Was wird sich daraus ergeben? Die Anzeichen sind zu vage, als daß ich eine sichere Prognose
stellen könnte. Alles wird davon abhängen, wie der Erleuchtete reagiert, wenn er merkt, daß Atlan kein relativ harmloser Celester ist, der ein Abenteuer sucht. Oder weiß er gar schon, wer den Arkoniden nach Alkordoom geschickt hat? Das ist eigentlich unwahrscheinlich, denn es gibt keine Hinweise darauf, daß er zuvor schon ANIMAS Identität und Herkunft erkannt hat. Er ließ sie unbehelligt in den Wirren der Herrschaftsbereicheseiner Facetten. Wird der Erleuchtete sich zeigen? Wird er die Kraft besitzen, Atlan auszulöschen oder zu zwingen, seine freiwillige Mission abzubrechen? Fragen über Fragen, die die unsichere Situation kennzeichnen. Eine erste große Entscheidung steht jedenfalls mit Sicherheit bevor. Der Erleuchtete kann es sich einfach nicht erlauben, Atlan weiter agieren zu lassen. Er muß sich endlich selbst um ihn kümmern. Und das wird ihn in irgendeiner Weise zu Aktionen zwingen. Atlan hat die Hoffnung, daß er seinen Gegenspieler endlich zu Gesicht bekommen wird. Wie dieses Duell ausgehen wird, wage ich nicht zu formulieren, denn der Erleuchtete ist von einem Rätsel umgeben. Fast jeder weiß von ihm, doch kein Lebewesen von Alkordoom kann eine konkrete Aussage machen. Wie es auch kommen mag, eins steht fest: Eine Entscheidung bahnt sich an. Die Zeit des ziellosen Tastens ist für Atlan vorüber. Er besitzt genügend Spuren, um sich seinem Gegner direkt zu stellen. Er weiß um die Gefahren, die ihm drohen. Aber er rechnet nicht damit, daß etwas ganz Unvorhergesehenes passieren könnte, was seine Pläne vollkommen über den Haufen werfen könnte. Ich muß wachsam bleiben, damit Atlan nicht unversehens in eine Falle gerät, die das frühe Ende seiner Mission bedeuten könnte.