Atlan Im Auftrag der Kosmokraten Nr. 696
Die Samariter von Alkordoom Menschen im Bann der Plasmaparasiten
von H.G. Ew...
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Atlan Im Auftrag der Kosmokraten Nr. 696
Die Samariter von Alkordoom Menschen im Bann der Plasmaparasiten
von H.G. Ewers
Im Jahr 3818 wird Atlan aus seinem Dasein als Orakel von Krandhor herausgerissen. Sein neuer Einsatzort ist die Galaxis Alkordoom, wo eine Entwicklung im Gang ist, die das weitere Bestehen der Mächte der Ordnung in Frage stellt. Bereits die ersten Stunden von Atlans Aufenthalt in Alkordoom, wo man das Jahr 5000 des Erleuchteten schreibt, zeigen auf, wie gefährlich die Situation ist. Der Arkonide hätte längst sein Leben verloren, hätten die Celester, nach Alkordoom entführte Terra-Abkömmlinge, oder ANIMA, das von den Kosmokraten ausgesandte Raumschiff, nicht zugunsten Atlans eingegriffen. In seinem Bestreben, mehr über die Zusammenhänge in Alkordoom zu erfahren, speziell im Hinblick auf die sogenannten Facetten und deren Lenker, den sogenannten Erleuchteten, ist unser Held bereits große Risiken eingegangen, wie seine gewagten Unternehmen beweisen. Ein solches Unternehmen führt auch zu Atlans Gefangenschaft im Hauptquartier der Facette YogMann-Yog, die den Arkoniden mit allen Mitteln zu ihrem Handlanger machen möchte. Dank der Unterstützung von Seiten der Celester kann Atlan sich diesem Schicksal entziehen. Nicht entgehen kann er jedoch der tödlichen Überraschung, die Yog-Mann-Yog für alle Flüchtlinge bereithält. Atlan und die Celester wären verloren ohne DIE SAMARITER VON ALKORDOOM…
Die Hauptpersonen des Romans: Atlan – Der Arkonide auf Nimahiheim. Arien Richardson – Befehlshaber der VIRGINIA. Mycara – Ariens »ständige Begleiterin«. Cuper – Roboter der Samariter von Alkordoom. Klecks – Ein Kunstwesen.
1. Arien und ich waren gerade vom Begräbnis Nomi Letertas in die VIRGINIA zurückgekehrt, als wir den nächsten Toten fanden. Es handelte sich um Kurunam Lotta, den Zweiten Waffenwart des Schiffes, einen zu seinen Lebzeiten immer freundlichen, stillen Menschen, der mir nie besonders aufgefallen war. Diesmal allerdings mußte er mir auffallen, denn er lag genau dort, wo Arien und ich, gestützt von den Medorobotern Ilk und Alk, durchgehen mußten, nämlich in der Personal-Bodenschleuse der VIRGINIA. Und er war ermordet worden. Jedenfalls gab es daran kaum einen Zweifel. Der Messergriff, der zwischen seinen Schulterblättern herausragte, redete eine ziemlich eindeutige Sprache. Für Arien schien es dennoch unbegreiflich zu sein. Er taumelte gegen eine Wand und wäre gestürzt, wenn Ilk nicht so blitzartig reagiert hätte. Sein dunkles Gesicht war grau geworden, und die Augen flackerten. Ich verstand ihn sehr gut. Die Besatzung der VIRGINIA war eine Elite-Crew, und jeder vertraute jedem blindlings – und dennoch mußte einer der Raumfahrer ein Mörder sein. Außer den 38 Celestern gab es niemanden an Bord, der die Tat hätte verüben können. Für Arien mußte das ein Schock sein. Auch ich war erschrocken. Aber ich hatte in meinem langen Leben viel zu viel gesehen, als daß ich auch nur für ’ einen Moment die Fassung verloren hätte. Außerdem glaubte ich, eine Lösung bereit zu haben. Mein Extrasinn war ebenfalls darauf gekommen, denn er meldete sich und übermittelte mir: Der Täter muß im Zustand geistiger Umnachtung gehandelt haben, und daran kann nur die Seuche schuld sein. Ich schüttelte den Kopf, um das Flimmern vor den Augen zu verscheuchen, an dem ebenfalls die Seuche schuld war, dann ging ich zu Arien, legte ihm eine Hand auf die Schulter und sagte: »Es sind die Plasmaparasiten. Wir sollten zusehen, daß die restlichen Besatzungsmitglieder schnellstens auch ins Notlager kommen, damit Ilk und Alk sie besser bewachen können.« Arien Richardson sah mich mit stumpfen Augen an. Die Seuche hatte ihn gezeichnet, obwohl sie doch erst vor wenigen Stunden ausgebrochen war. Es dauerte eine Weile, bis meine Worte in seinen Verstand eingesickert waren. Ich konnte genau sehen, wie das Begreifen in seinem Gehirn aufdämmerte. Sein Blick klärte sich allmählich, dann nickte er. Seine Haltung straffte sich wieder, so gut die Erkrankung das zuließ. Doch bevor er etwas erwidern könnte, zirpten die Signalgeber unserer Armbandgeräte. Ich hatte mein Gerät zuerst eingeschaltet. Auf dem kleinen Bildschirm erschien die Abbildung des Roboters, der in der Ortungszentrale der VIRGINIA Wache hielt. »Sir!« meldete er. »Das Schiff der Samariter hat vier Zubringerboote geschickt. Sie befinden sich im Landeanflug auf das Terrain, auf dem die VIRGINIA und das Notlager stehen.« »Danke!« sagte ich. »Also wirklich«, flüsterte Arien, als ich mich wieder ihm zuwandte. »Du hast sie doch selbst verständigt«, erwiderte ich und wandte mich dem Außenschott zu. »Gehen wir!« »Und Kurunam?« fragte Arien ratlos. »Um ihn kümmern wir uns später«, gab ich zurück. »Er ist tot. Ihm kann niemand mehr helfen.
Aber die Lebenden brauchen Hilfe, und je früher wir in direkten Kontakt mit den Samaritern kommen, um so besser für sie.« Und für uns! fügte ich in Gedanken hinzu, als mein Bewußtsein sich erneut zu trüben begann und ich merkte, wie meine Knie nachgaben und der Griff Alks fester wurde. Dann stürzte mein Bewußtsein abermals in einen Wirbel nachtdunkler Schatten… * Als ich wieder zu mir kam, saß ich, an eine Materialkiste gelehnt, im Freien. Ich blinzelte. Schräg über mir hing die kleine rote Sonne, die jemand aus der Crew Cat’s Eye genannt hatte, in dem blaßblauen Himmel Nimahiheims. Weiß der Teufel, wer die Namen erfunden und zuerst gesagt hatte! Ich war ja nie mehr als ein paar Minuten hintereinander geistig halbwegs klar gewesen, seit die Plasmaparasiten meinen Körper mit ihren giftigen Ausscheidungen überschwemmten. Dagegen half nicht einmal mein Zellaktivator. Zumindest half er nicht genug. Nimahiheim war ein seltsamer Planet. Nur etwa marsgroß, besaß er dennoch eine atembare, wenn auch relativ dünne Atmosphäre, deren Temperatur erstaunlich hoch war, nämlich zwischen sechzehn und siebenundzwanzig Grad Celsius. Dennoch schien es kein nennenswertes Leben zu geben. Das lag wahrscheinlich an der extremen Trockenheit des Klimas – zumindest in dieser Gegend. Der Boden war zundertrocken, und die Roboter der VIRGINIA hatten berichtet, daß sie während der überstürzten Landung nirgendwo im Umkreis von einigen hundert Meilen freie Wasser entdeckt hatten: kein Meer, keinen See, keinen Fluß, ja nicht einmal ein paar Pfützen. Es war fast ein Wunder, daß die Luft nicht voller Staub war. Aber das lag an der totalen Windstille. Nimahiheim war eine Welt ohne Atem, trocken, unfruchtbar, unnütz. Nein, nicht gänzlich unnütz, denn ohne sie hätten wir nicht gewußt, wohin wir das Schiff in unserer Notlage setzen sollten. »Dort kommen die Zubringer, Sir«, sagte eine unpersönliche Stimme. Ich wandte den Kopf und sah einen Roboter der VIRGINIA und schräg dahinter, etwas abseits des unordentlich aufgestellten Notlagers, etwas metallisch Blinkendes durch die Luft gleiten. Im nächsten Moment verschwamm alles vor meinen Augen. Undeutlich nahm ich eine Gestalt wahr, die von rechts an mich herantrat. Als eine Hochdruck-Injektionspistole zischte, wußte ich, daß die Gestalt einer unserer Medoroboter war. Langsam klärte sich mein Blick wieder. Ich erkannte irgendwo links, in zirka tausend Metern Entfernung, eine Staubwolke. Dort mußte der erste Zubringer niedergegangen sein. Wenig später schälten sich seine Konturen aus dem Staub heraus: ein annähernd walzenförmiger Körper von schätzungsweise zwanzig Metern Länge und fünf Metern Durchmesser, mit kleinen Stabilisierungsflächen am eispitzenförmigen Bug und größeren am verdickten Heck. Der Antrieb bestand anscheinend aus einer Kombination von Impuls- und Antigravaggregaten, denn das Objekt war zweifellos mit Hilfe der Impulsmotoren gelandet, was der aufgewirbelte Staub bewies, jetzt schwebte es jedoch in wenigen Metern Höhe lautlos näher an unser Notlager heran, ohne mehr als ein paar dünne Staubfahnen zu erzeugen. Ich kniff die Augen zusammen, als das gesamte Fahrzeug plötzlich in bläuliche Flammen gehüllt wurde. Doch dann merkte ich, daß es sich weder um eine Sinnestäuschung noch um ein echtes Feuer handelte, sondern um Entladungen infolge eines hohen luftelektrischen Potentialgefälles zwischen der Atmosphäre und dem Zubringer, eine Erscheinung, die in sehr viel schwächerer Form auf Terranormplaneten ebenfalls vorkam und auf Terra Elmsfeuer genannt wurde. Da setzte etwas weiter entfernt auch schon der zweite Zubringer zur Landung an. Links neben mir
sackte jemand stöhnend zusammen. Ich sah, daß es Arien war. Ilk und Alk packten ihn und trugen ihn in Richtung Notlager. Offenbar mußte er dringend operiert werden. Anscheinend bist nur noch du einigermaßen handlungsfähig! meldete sich mein Logiksektor. Warum reißt du dich nicht zusammen und begrüßt die Samariter? Hast du denn alle guten Umgangsformen vergessen, die man dir als Kristallprinz des Großen Imperiums beibrachte? Ich schmunzelte, obwohl das schon genügte, um mir jeden einzelnen Gesichtsmuskel weh tun zu lassen. Mein Extrasinn wußte genau wie ich, was ich vergessen hatte und was nicht, denn er bediente sich ebenso freizügig meiner Erinnerungen wie mein Normalsinn beziehungsweise mein Normalbewußtsein. Doch aus dem Schmunzeln wurde ein wehmütiges Lächeln, als ich daran dachte, wie lange das schon her war, daß ich Kristallprinz des Großen Imperiums von Arkon gewesen war – und welche unbeschreiblichen Odysseen ich seitdem hinter mich gebracht hatte. Selbstmitleid? fragte der Logiksektor an. Ein Anflug einer Ahnung von Weisheit! dachte ich sarkastisch zurück. Ich preßte die Lippen zusammen, um nicht vor Schmerzen zu schreien, als ich mich hochstemmte. Niemand half mir dabei. Der Bordroboter war ebenso verschwunden wie die beiden Medoroboter Doc O’Haras. Beinahe wäre ich vornübergefallen. Die Welt drehte sich um mich. Fast hätte ich darüber gelacht. Noch rechtzeitig genug fiel mir wieder ein, daß im Notlager und in der VIRGINIA zusammen 36 todkranke Celester lagen, die dringend hochqualifizierter medizinischer Hilfe bedurften. Im nächsten Augenblick hatte ich mich wieder in der Gewalt. Steifbeinig ging ich auf den ersten Zubringer zu, der inzwischen in zirka hundert Metern Entfernung zum Stehen gekommen war. Die Farbe seiner Außenhülle war ein dunkles Blau. Auf der Unterseite des Rumpfes und auf den großen Stabilisierungsflächen am Heck sah ich die silbrigen Abbildungen von Sambols. Ein Sambol war das Notrufgerät für die Samariter von Alkordoom, das Arien von Colemayn geschenkt bekommen hatte. Es glich zwei 5-Mark-Stückgroßen, blanken Metallscheiben, die im Winkel von 9o Grad zusammengesteckt waren und deren Seiten, soweit sie ineinander steckten, wie die Seiten gleichschenkliger Dreiecke »abgeschrägt« waren. Die auf dem Zubringer angebrachten Abbildungen waren etwa einen Meter groß. Dieselbe Form kam noch einmal vor, und zwar bei dem etwa 800 Meter langen und 400 Meter breiten Samariterschiff, das unsere Ortung erfaßt hatte. Während ich noch über den Sinn dieser eigenwilligen Formgebung nachdachte, öffnete sich an der mir zugewandten Rumpfseite zwischen den vorderen und den hinteren Stabilisierungsflächen ein rechteckiges Schott. Dahinter wurde eine Schleusenkammer sichtbar. Soviel ich sehen konnte, war sie unbeleuchtet. Im nächsten Moment flackerte es zwischen dem Schott und dem Boden, dann »stand« eine, stabile Energierampe zwischen den beiden Punkten. In der Kammeröffnung tauchte ein Maschinenwesen auf, betrat die Energierampe und schwebte herab. Es handelte sich um einen Roboter. Er war zirka zwei Meter groß und ähnelte verblüffend den normalen Robotern der VIRGINIA, das hieß, er war von hominider Form, aber ohne Schnickschnack wie eine Biomolplasthaut, die über seine wahre »Natur« vielleicht hinweggetäuscht hätte. Die Metallplastikhülle war vom gleichen dunklen Blau wie die Außenhülle des Zubringers, und auf dem Brustteil prangte ein zirka zwanzig Zentimeter durchmessendes Abbild des Sambols. Ich nahm an, daß das Rückenteil ebenso gekennzeichnet war. Seine Schöpfer müssen menschenähnlich gewesen sein! teilte mein Logiksektor mir mit. Ich ging nicht darauf ein, denn ich war zu schwach, um mich mit zweierlei Dingen gleichzeitig zu befassen. »Zu Diensten!« sagte der Roboter gut moduliert und auf Alkordisch durch sein Sprechgitter, nachdem er vor mir stehengeblieben war. »Mein Name ist Cuper.«
Ich mußte mit der Antwort warten, da in diesem Augenblick der zweite Zubringer zur Landung ansetzte und dabei seine Impulstriebwerke zum Abbremsen benutzte. Der aufgewirbelte Staub entzog es meinen Blicken. Als Stille eintrat, sagte ich: »Willkommen, Cuper! Mein Name ist Atlan. Ich freue mich, daß ihr unserem Notruf so schnell gefolgt seid.« »Wir waren rein zufällig in der Nähe, weil wir beim Rückflug von einem Einsatz durch diesen Raumsektor flogen«, erklärte Cuper. »Aber du bist nicht die Person, mit der ich über Funk gesprochen habe.« »Nein, das war Arien Richardson, der Kommandant unseres Raumschiffs«, erwiderte ich. »Er konnte nicht zur Begrüßung kommen, weil Ilk und Alk ihn gerade unters Messer genommen haben.« »Unters Messer?« erkundigte sich der Roboter. Sein Tonfall war ironisch-fragend und demnach gefühlsbestimmt. Ich bezweifelte jedoch, daß er wirklich zu echten Emotionen fähig war. Die meisten Roboter mit Gefühlsleben, die ich bisher kennengelernt hatte, synthetisierten ihre Emotionen bloß. Ich mußte gegen meinen Willen lächeln, aber dann sprach ich schnell, weil ich den nächsten Schwächeanfall nahen fühlte. »Selbstverständlich benutzen unsere Medoroboter Laser Skalpelle. ›Unters Messer‹ ist nur eine Redensart von organischen Intelligenzen meines Volkes.« Ich verspürte einen Anflug von Verlegenheit, als ich merkte, daß ich von Menschen als meinem Volk gesprochen hatte. Doch das ging schnell vorüber. Es war in meiner derzeitigen Lage nicht relevant – und wahrscheinlich war es das auch in keiner anderen Lage. Die emotionale Bindung an die terranische Menschheit war stärker als die an das Volk von Arkon. »Ich verstehe«, sagte Cuper. »Wir werden versuchen, euch besser zu helfen, als eure Medoroboter das können. Leider kann die WIEGE DER BEWAHRUNG nicht landen, aber schwere Fälle werden wir ins Hospital verlegen, damit die Behandlung optimal ist.« Wahrscheinlich hatte er zu diesem Zeitpunkt ein kodiertes Funksignal an die inzwischen gelandeten Samariter ausgestrahlt, denn aus der Schleuse des ersten Zubringers strömten zirka dreißig Roboter. Sie ließen sich von der Energierampe auf den Boden bringen und eilten danach zielstrebig in unser Notlager. »Dort befinden sich ebenfalls noch Kranke«, sagte ich mit letzter Kraft, dann schwanden mir die Sinne. Ich merkte noch, daß einer der fremden Roboter mich mit seinen Armen auffing, dann gingen wieder einmal alle Lichter aus. * Perry Rhodan sagte kein Wort, sondern sah mich nur an. Ich wußte dennoch, was er mir mitteilen wollte. Zumindest glaubte ich, es zu wissen. »Mir geht es genauso, Perry«, erklärte ich. Der Unsterbliche lächelte traurig, dann verschwand er. Vor meinen Augen drohte sich alles, und ich hörte eine Menge undefinierbarer Geräusche. Allmählich klärte sich meine Sicht, aber noch ehe ich meine Umgebung klar erkannte, wußte ich,
wo ich mich befand. Ich hörte es aus den Geräuschen heraus und kombinierte es mit meinen letzten Erinnerungen. Die Samariter hatten mich in einen Operationsraum gebracht und meine Plasmaparasiten operativ entfernt – und das gleiche nahmen sie soeben mit anderen Befallenen vor. Unter diesen Umständen… … kannst du Perry Rhodan gar nicht gesehen haben! ergänzte der Logiksektor meine Überlegung. Das war so einleuchtend, daß ich nicht darüber zu diskutieren brauchte. Gleichzeitig aber schränkte ich diesen Schluß ein. Ich hatte Perry zwar nicht physisch gesehen, aber auch nicht nur als Traumprodukt. Ich mußte mit seinem psionischen Wesenskern, also dem Teil von ihm, der sich hinter der Erscheinung namens Perry Rhodan verbarg, in engem Kontakt gestanden haben – und wir hatten beide unsere Trennung als schmerzlich und bedrohlich empfunden. Und als unnatürlich! gab mein Extrasinn seinen Senf dazu. Aber er hatte recht. Er hatte in größerem Maß recht als je zuvor seit seiner Erweckung durch die ARK SUMMIA. Nichts war unnatürlicher als die Trennung zweier Freunde, die gemeinsam mehr wert waren als die Summe zweier Teile. Dennoch mußt du dich damit abfinden, daß zur Zeit nichts daran zu ändern ist! gab der Logiksektor zu bedenken. Ich wußte es – und ich akzeptierte es. Nicht nur, weil mir gar nichts anderes übrigblieb, sondern weil ich die Flinte noch nie ins Korn geworfen hatte. Schließlich hatte ich eine Aufgabe. Ich mußte verhindern, daß der sogenannte Erleuchtete in der Galaxis Alkordoom etwas realisierte, das den Kosmos auf eine negative Evolutionsbahn zu werfen vermochte. Das war natürlich hochgestochene Theorie. Doch da es gleichzeitig bedeutete, die Macht der Facetten des Erleuchteten zu brechen und zahllose Zivilisationen von einem unwürdigen Joch zu befreien, stand ich nicht bloß aus Vernunftgründen hinter meiner Aufgabe, sondern war auch emotional engagiert. Ein Samariter-Roboter beugte sich über mich und hielt eine Plastikschale so, daß ich ihren Inhalt sah: eine Versammlung ekelhafter grauer Klumpen. »Wir haben insgesamt achtzehn parasitäre Plasmaballungen aus deinem Körper entfernt«, berichtete der Roboter. »Dein Blut ist aber immer noch mit ihren Keimen verseucht, so daß es zu neuen Wucherungen kommen wird. Unser Bordlabor arbeitet an der Entwicklung eines Gegenmittels, das diese Keime zerstört, aber das ist schwierig, da der Plasmaparasit eine gentechnische Waffe ist, in die die Abwehr von Gegenmitteln hineingezüchtet wurde.« »Aber ihr werdet doch ein Gegenmittel finden?« fragte ich hoffnungsvoll. »Selbstverständlich«, antwortete der Roboter. »Wir Samariter finden gegen jeden Krankheitserreger ein Gegenmittel. Es ist nur leider so, daß die Patienten nicht immer solange durchhalten.« Ich blickte ihn prüfend an. Der letzte Satz hatte verdächtig nach schwarzem Humor geklungen. Doch ich vermochte keine Anzeichen an dem Roboter zu entdecken, die meinen Verdacht bestätigten. Er hatte es so gemeint, wie er es gesagt hatte. Ich schluckte, dann richtete ich mich in sitzende Stellung auf und blickte mich um. Wie ich vermutet hatte, befand ich mich in einem Operationsraum. Etwa fünfzehn dunkelblaue Roboter mit Sambolzeichen arbeiteten hier. Die Patienten lagen auf Operationstischen. Ich erkannte neben Sandra McMooshel und Arien Richardson den doppelköpfigen Wasterjajn, die beiden Kjokerinen sowie Klecks. Gegen meinen Willen lachte ich, als ich sah, daß das biologische Kunstwesen zu einem gelblichen Fladen zerflossen war und daß die kleinen grünen Haare, die daraus hervorwuchsen, bei jeder Berührung durch einen Roboter hin und her wogten gleich einem Kornfeld im Wind. Von einer Sekunde zur anderen nahm Klecks seine normale Gestalt wieder an, was naturgemäß sein Operationsteam aus dem Konzept bringen mußte. Die Roboter stellten sich jedoch verhältnismäßig
schnell um. Sie brachten ihren Patienten in eine horizontale Lage, dann blitzten die hauchzarten, aber sonnenheißen Strahlen ihrer Laserskalpelle und die grünlichen Strahlnadeln ihrer Desintegrationsausräumer wieder auf. Klecks jammerte und zeterte mit blubbernder Stimme. Ich musterte die mit Heilplasma besprühten Stellen meines Körpers, an denen die Samariter »herumgeschnitten« hatten, schwang mich vom OP-Tisch und griff nach meiner Unterhose, die zusammen mit meinen anderen Sachen auf einem Hocker lag. In diesem Moment schlug die 2. Pilotin der VIRGINIA die Augen auf. Sie hörte nur mit halbem Ohr auf das, was einer ihrer Samariter ihr erklärte, denn sie hatte mich entdeckt und grinste unverschämt darüber, wie ich auf einem Bein hüpfte und versuchte, mit dem anderen in meine Unterhose zu steigen. Ich schaffte es schließlich, aber bis dahin brodelte in mir der Zorn. »Ein wenig Bauchmuskeltraining könnte dir nicht schaden, Zitrus«, sagte ich unschuldig zu Sandra. »Weiches Fettgewebe hat leider den Nachteil, daß es beim Lachen wie Pudding wackelt.« Die Pilotin sah zum erstenmal seit ihrer Operation an sich herab und merkte tatsächlich erst jetzt, daß sie völlig nackt war. (Was völlig logisch war, denn man kann nicht an jemandem herumschneiden, wenn er in einer Raummontur steckt, nur hatten die hilfreichen Samariter anscheinend nicht gecheckt, daß Menschen ein ausgeprägtes Schamgefühl besaßen – vor allem so puritanische Menschen wie die Celester.) Sandra McMooshel ging hoch gleich einer Rakete – und ich ging vorsichtshalber in Deckung, denn sie griff nach allem, was sich als Wurfgeschoß auch nur entfernt eignete und bombardierte alle Menschen männlichen Geschlechts, und das waren nur Arien und ich. Einige Wurfgeschosse verirrten sich allerdings zu Klecks, worüber er dermaßen erschrak, daß er erneut zu seiner Fladengestalt zerfloß. Als es still wurde, wartete ich noch ’ eine Minute unter meinem Operationstisch, dann verließ ich diese Deckung und tauchte auf. Eigentlich hatte ich vermutet, Sandra hätte den OP verlassen, doch sie bewies, daß sie nicht nur eine Puritanerin, sondern auch eine Raumfahrerin war, die sich nicht in den Schmollwinkel zurückzog, wenn ihr etwas gegen ihre Grundsätze gegangen war. Die Pilotin trug ihre Bordkombination und dazu eine verächtliche Miene. Außerdem hatte sie sich eine Zigarette angesteckt. Die Art, wie sie daran zog, verriet, wie nervös sie war. Zwei SamariterRoboter redeten auf sie ein und versuchten sie dazu zu überreden, ihren Giftdrogenmißbrauch einzustellen. »Ruhe!« schrie sie sie an – und sie verstummten tatsächlich. Sandra sah zu Arien hin, der intensiver verarztet wurde als zuvor. Er war von einigen Wurfgeschossen getroffen und verletzt worden, obwohl er wahrlich keinen sündigen Blick auf die Pilotin geworfen hatte, da er zur bewußten Zeit noch unter Narkose gestanden hatte. »Bei ihm werde ich mich entschuldigen, sobald er zu sich gekommen ist«, erklärte Sandra mit ausdruckslosem Gesicht, dann fixierte sie mich. »Aber bei dir nicht, Atlan. Ich bedaure nur, daß ich nicht ein einziges Mal getroffen habe. Du hast meine Ehre mit deinen unzüchtigen Blicken und Gedanken verletzt, du Schuft!« »Aber nicht doch!« rief ich beschwörend. »Ich habe mich nur rächen wollen, weil du dich lustig über meine Nacktheit gemacht hast.« »Sprich dieses obszöne Wort nicht noch einmal in meiner Gegenwart aus!« fauchte sie mich an. »Das, was du so nennst, habe ich überhaupt nicht gesehen. Ich sah nur deine ungeschickten Versuche, in ein Kleidungsstück zu steigen. Indem ich mich darüber amüsierte, habe ich deine Ehre keineswegs verletzt. Du dagegen…!« »Nein!« rief ich heftig. »Ich schwöre, daß weder meine Blicke noch meine Gedanken unzüchtig
waren. Ich habe in diesem Augenblick nicht einmal bemerkt, daß du eine Frau bist.« Kaum waren die Worte heraus, hätte ich sie gern ungesagt gemacht. Aber die Methode dazu ist leider noch nicht erfunden. »Was?« entfuhr es Sandra. Sie schleuderte ihre Zigarette fort. »Du hast nicht einmal gesehen, daß ich eine Frau bin – und du hast mich nicht für wert befunden, auch nur einen einzigen kleinen unzüchtigen Gedanken an mich zu verschwenden. Meine Ehre ist besudelt. Nur mit deinem Blut kann sie wieder reingewaschen werden.« »Ich stehe zur Verfügung, sobald mein Blut nicht mehr von Seuchenerregern wimmelt«, versprach ich reuig. Klecks nahm von einem Moment zum anderen wieder seine normale Gestalt an und blubberte: »Ich verbürge mich dafür, daß Atlan niemals lügt!« Er wurde sich gar nicht bewußt, daß er es damit nur noch schlimmer machte. Glücklicherweise kam Sandra nicht dazu, das Thema wieder aufzugreifen, da in diesem Augenblick Traugott »Polo« Hawaii in den Operationsraum stürmte. Das hieß, er versuchte es, wurde aber sofort von zwei Samaritern festgehalten. Aufgeregt kämpfte er gegen ihre Klammergriffe an, doch gegen die Roboter hatte er keine Chance. »Was ist los mit dir?« fuhr Sandra den 1. Piloten an. »Hat dich der Affe gebissen?« »Ha!« schnappte Traugott. »Ha!« »Haha!« äffte Sandra, die auf ständigem Kriegsfuß mit dem 1. Piloten stand, ihn nach. Ich dagegen hatte begriffen, daß der fähige und wortkarge Mann sich nicht ohne triftigen Grund so wild gebärdete – und ich ahnte, daß ich gleich nicht mehr glücklich über sein Erscheinen sein würde. »Was ist passiert, Polo?« erkundigte ich mich. Traugott sah zu mir herüber, schluckte trocken, machte ein weinerliches Gesicht und sagte tonlos: »Mamma Smith ist tot.« Ich merkte, wie meine Augen sich mit wäßrigem Sekret füllten. Mamma Smith, genauer Hulula Smith, war eine allseits beliebte Person an Bord gewesen. Eigentlich war sie nur Chefin der Reinigungsroboter, aber nebenbei war sie viel mehr gewesen: Sie hatte getröstet, wenn jemand Kummer gehabt hatte, hatte bei Streitigkeiten energisch geschlichtet und war überhaupt immer mit Rat und Tat bei der Hand gewesen – eine 68jährige Celesterin mit einer Haut wie dunkle Borkenschokolade und einem beachtlichen Leibesumfang. Ich schluckte ebenfalls trocken. »Die Parasiten…?« fragte ich zaghaft, weil ich mich an die Hoffnung klammerte, sie sei an der Seuche gestorben. Traugott schüttelte den Kopf. »Sie wurde erwürgt.«
2. Wir standen im Schein der Batterielampe um das Feldbett herum, auf dem Mamma Smith lag: Sandra McMooshel, Traugott Hawaii und ich. Ein Roboter aus der VIRGINIA war ebenfalls anwesend. Er hielt Wache. Totenwache. Vielleicht hätten wir lieber die Lebenden bewachen sollen. Nach kurzer Untersuchung richtete ich mich wieder auf. »Jemand hat ihr von hinten den Schal um den Hals gelegt und dann zugezogen«, stellte ich erschüttert fest. Ich musterte die Decken, die von der Zeltdecke hingen und den Raum abtrennten, in dem Hulula Smith untergebracht worden war. Diese Räumlichkeit unterschied sich in keiner Weise von den anderen Räumlichkeiten innerhalb des Notlagers. Alle großen Zelte waren so unterteilt. Die Patienten sollten ihre Ruhe haben. Aber vielleicht war das ein Fehler gewesen. »Wo sind Ilk und Alk?« erkundigte ich mich. »Seit dem Eingreifen der Samariter nehmen sie keine medizinischen Aufgaben mehr wahr, Sir«, antwortete der Bordroboter. »Sie waschen und füttern die Kranken; betten sie um und helfen ihnen bei allen Verrichtungen.« Ich nickte. »Sie sollen herkommen!« Der Roboter rührte sich nicht, aber ich wußte, daß er auf der Roboterfrequenz der VIRGINIA meine Anordnung an die beiden Medoroboter weitergab. Eine Viertelminute später waren Ilk und Alk zur Stelle. Hinter ihnen betrat Cuper das Separee. Aber der Sprecher des Landungskommandos der Samariter gab durch sein Verhalten zu erkennen, daß er nur zuhören wollte. Ich unterrichtete Ilk und Alk über das Geschehen und fragte sie nach eigenen Beobachtungen und den benachbarten Patienten. »Die benachbarten Patienten sind alle so schwer erkrankt, daß sie nicht ohne Hilfe aufstehen können«, antwortete Alk. »Sie werden gerade abgeholt und sollen ins Hospital der WIEGE DER BEWAHRUNG verlegt werden. Ilk und ich waren in der letzten Stunde damit beschäftigt, sie zu säubern und neu einzukleiden. Wir hätten es bemerkt, wenn sich jemand in das Abteil von Miss Smith begeben hätte.« »Es muß aber jemand hiergewesen sein!« begehrte Traugott auf. »Mamma Smith kann sich ja nicht selbst erwürgt haben!« »Denkt genau nach!« forderte Sandra die beiden Medoroboter auf. Ich schüttelte in Gedanken den Kopf, denn alle die Einwände und Aufforderungen, die bei Verhören von organischen Intelligenzen angebracht waren, mußten bei qualifizierten Robotern deplaziert wirken. Ich kannte Ilk und Alk gut genug, um zu wissen, daß sie jede Person gesehen, gehört und geortet hätten, die das Abteil von Hulula Smith betraten und verließen, während sie sich in unmittelbarer Nähe befanden. Sie hätten auch jedes verdächtige Geräusch gehört und wären ihm auf den Grund gegangen. »Mamma Smith ist seit höchstens zwanzig Minuten tot«, stellte ich fest. »Wenn ihr also die ganze letzte Stunde in ihrer Nähe wart, hättet ihr den Mörder bemerken müssen.« »Oder die Mörderin«, ergänzte Traugott.
»Es war niemand hier«, erklärte Ilk. »Vor einer halben Stunde habe ich übrigens nach Miss Smith gesehen. Es ging ihr den Umständen entsprechend gut.« »Hat sie etwas gesagt?« warf Sandra ein. »Ich sollte mich zum Teufel scheren, hat sie gesagt«, antwortete Ilk. »Sie würde bald aufstehen und sich darum kümmern, daß der Kajütjunge richtig versorgt werde, erklärte sie.« »Damit meinte sie Florian«, sagte Traugott. »Mamma Smith hatte den Schiffsjungen und Smutje besonders in ihr Herz geschlossen. Und dann dreht ihr einfach jemand die Luft ab!« »Darf ich etwas sagen?« erkundigte sich Cuper. »Bitte!« antwortete ich. »Nach Lage der Dinge kann diese Person nicht von fremder Hand gestorben sein«, erklärte der Samariter und deutete auf Hulula. »Es muß sich um Selbstmord handeln.« »Dann führe uns bitte vor, wie sie das getan haben soll!« erwiderte ich. »Sie wurde von hinten erdrosselt. Das kann sie niemals selbst getan haben.« »Ich sehe mich außerstande, deine Aufforderung zu befolgen, Atlan«, sagte Cuper. Ich winkte ab. »Vergiß es! Es wäre sowieso unschicklich gewesen, einer Toten die Glieder zu verrenken. Aber ich weiß nicht, wie wir das Rätsel um diesen Mord lösen sollen.« Ich hatte wirklich keine Ahnung. Ja, wenn ich in der Lage gewesen wäre, ein kriminalistisches Team anzufordern, wie es sie seinerzeit bei der United Stars Organisation gegeben hatte. Es hätte nicht einmal das Psychoteam Tekener-Kennon sein müssen, obwohl vor allem der geniale Kosmokriminalist Sinclair Marout Kennon Fälle »mit der linken Hand« gelöst hatte, an die andere Kriminalisten sich gar nicht herangewagt hätten. Aber im Fall von Hululas Tod hätte ein ganz normales Kriminalteam mit seinen umfangreichen technischen Hilfsmitteln völlig ausgereicht, um die Sache zu klären. Wahrscheinlich hätten die Frauen und Männer nur ihren elektronischen Okrill einzusetzen brauchen, um den Tathergang nachträglich und live zu beobachten. Leider besaßen wir weder das eine noch das andere, und wir besaßen nicht einmal das Recht, noch mehr Zeit auf die Versuche zu verschwenden, diesen Fall aufzuklären. Vor allem ich hatte mich vordringlich um vorbeugenden Schutz der übrigen VIRGINIA-Crew und um die Koordinierung der Zusammenarbeit mit den Samaritern zu kümmern. »Ilk und Alk, ihr bahrt Mamma Smith bitte würdig auf!« wandte ich mich an die beiden Medoroboter. »Falls ihr es noch nicht getan habt, dann kümmert euch danach um Kurunam Lotta.« »Was ist mit ihm?« warf Sandra ein. »Er wurde ebenfalls ermordet«, antwortete ich bedrückt, dann wandte ich mich an Cuper. »Wir müssen beraten, wie wir die Schwerkranken am besten versorgen und wie wir alle Patienten so schützen, daß ihnen niemand etwas tun kann.« »Ich bin dazu bereit«, erklärte der Samariter. Ich nickte gedankenverloren und warf noch einen Blick in das Abteil, in dem Mamma Smith vom Leben zum Tode gekommen war. Verärgert bemerkte ich den glitzernden Staub, der alles bedeckte, bis auf die Stellen, an denen wir herumgetreten waren. Mangelhafte Sauberkeit war nicht gut für die Moral einer Crew. »Du!« wandte ich mich an den Bordroboter. »Du verständigst die Reinigungsroboter, daß sie überall sauber machen!« Ich strich mit einem Finger über die Oberfläche des Beistelltisches und musterte danach den silbergrauen Schmutzstreifen, der sich von der Wurzel bis zur Kuppe des Fingers hinzog. »Diese Welt ist zwar ziemlich staubig, aber normalerweise wird der Staub nicht
aufgewirbelt. Ich nehme an, daß wir die Verschmutzung der Landung der Zubringer zu verdanken haben. Das ist aber kein Grund, alles so zu lassen.« »Ich veranlasse die Reinigung aller Zelte und Abteile, Sir«, versicherte der Bordroboter. »In Ordnung«, erwiderte ich, während ich neben Cuper das Abteil der Toten verließ. Ich hatte den Staub schon wieder vergessen. Meine Gedanken kreisten um wirkliche Probleme – und davon gab es leider mehr als genug. Nur mein Extrasinn beschäftigte sich mit dem »Kristallstaub«. Ich wußte nicht, warum. Schließlich war es doch nicht wichtig, wo ich diese Art von Staub erstmals gesehen hatte. Laß mich damit zufrieden! forderte ich meinen Extrasinn vorbeugend auf. * Als wir das Zelt verließen, tanzten bläuliche Elmsfeuer über allen Zelten des Notlagers. Außerhalb des Lagers standen inzwischen vier Zubringer des Samariterschiffs. Samariter-Roboter luden aus einem Zubringer einen kleinen Container aus. Der rechts daneben stehende Zubringer wurde soeben mit einigen Tragen beladen, auf denen Celester angeschnallt waren. »Es sind die Patienten Carl Nimahi, Colobar Tuira und Carla Kaukiki, die hinauf zum Bordhospital gebracht werden«, erklärte mir Cuper. »Die Erkrankung ist bei ihnen so weit fortgeschritten, daß wir ihr verseuchtes Knochenmark gegen synthetisches austauschen müssen. Außerdem werden wir Synapsenentladungen durchführen, um sie von Wahnvorstellungen zu befreien.« Ich konnte nur nicken, denn an der frischen Luft fühlte ich mich plötzlich schlechter als in der stickigen Luft des Zeltes. Alle meine optischen Wahrnehmungen wurden von einem Flimmern überlagert, das mir Übelkeit bereitete, und meine Ohren schienen mit Wachspfropfen verstopft zu sein. Ich hörte nur noch gedämpft. Mein Zellaktivator dagegen pulsierte so heftig, daß ich glaubte, ein dumpfes Dröhnen zu hören. Er hatte mich vor den schlimmsten Giften gerettet. Warum war er gegenüber den Plasmaparasiten nur so hilflos? Wie sollte ich meine wirklichen Aufgaben erfüllen, wenn ich Mühe hatte, nur am Leben zu bleiben? »Du bist widerstandsfähiger als alle anderen Celester, Atlan«, sagte Cuper neben mir. »Dennoch wirst du ohne ständige Hilfe nicht gegen die Plasmaparasiten ankommen. Besser wäre es natürlich, du würdest in stationäre Behandlung gehen.« »Das ist unmöglich«, widersprach ich mit aller Energie – und erschrak, als ich den schwächlichen Klang meiner Stimme hörte. Dann stutzte ich. »Stationäre Behandlung wäre besser als was?« »Als eine Kombinierung mit einer speziellen Medoeinheit«, antwortete der Samariter. »Falls du noch für einige Zeit aktiv sein willst, ist das allerdings unerläßlich.« Er meint, daß du dich zum Cyborg machen lassen sollst! raunte mir der Logiksektor zu. »Ein Cyborg?« wiederholte ich konsterniert und kämpfte verbissen gegen den nächsten Schwächeanfall an. »Ein exogen extendierter organisationeller Komplex, der als homöostatisches System funktioniert«, erwähnte Cuper eine Definition des Begriffs Cyborg, die mir nicht unbekannt war. »Wir Samariter kennen ganz hervorragende maschinelle Komponenten, die der organischen Komponente praktisch Unsterblichkeit verleihen. Leider führen wir nur ein paar relativ primitive Maschkomps mit uns. Sie reichen aber für den Zweck aus, den sie erfüllen müssen.« »Und wie sieht so ein Maschkomp aus?« erkundigte ich mich. »Handelt es sich um eine Art
Roboter, auf den mein Kopf gesetzt und angeschlossen wird?« »Nein, es ist mehr eine Art Exoskelett«, antwortete Cuper. »Die Verbindung kann mühelos rückgängig gemacht werden, sobald wir ein Gegenmittel gegen die Plasmaparasiten gefunden und hergestellt haben.« Mir wurde schwarz vor Augen. Ich stolperte über einen glitzernden Gesteinsbrocken und wäre gestürzt, hätte der Roboter mich nicht aufgefangen und gestützt. Mit aller Energie kämpfte ich gegen eine neue Ohnmacht an. Aber ich wußte, daß es nur eine Frage der Zeit war, bis ich wieder für Stunden ausfiel. Das aber konnte ich mir nicht leisten. Ich wußte infolge meiner Schwäche nicht, warum ich so davon überzeugt war, daß ich nicht einfach alles den Samaritern überlassen durfte, sondern selber aktiv handeln mußte, aber ich war willens, nach meiner Überzeugung zu handeln. »Entscheide dich, Atlan!« drängte Cuper. »Macht mich zum Cyborg!« stieß ich mit letzter Kraft hervor. * Als ich diesmal aus dem Tiefbrunnen der Bewußtlosigkeit auftauchte, fielen mir als erstes klatschende Geräusche auf. Ich strengte mich an, um so schnell wie möglich wieder zu deutlichen Wahrnehmungen zu kommen – und zu meiner Überraschung gelang mir das diesmal auf Anhieb. Als erstes erblickte ich wenige Meter, vor mir das kopflose biologische Kunstwesen. Es hüpfte auf seinen knochenlosen Beinen herum und klatschte dabei in die – ebenfalls knochenlosen – Hände. »Was soll das, Klecks?« fragte ich unwirsch und wandte meine Aufmerksamkeit zwei SamariterRobotern zu, von denen der eine Cuper war, zu erkennen an rund zehn Zentimetern, um die er alle anderen Samariter überragte. Sie beobachteten mich. »Hat es nicht geklappt?« erkundigte ich mich. »Es hat sogar besser funktioniert, als wir vorausberechnet hatten«, antwortete Cuper. »Es scheint, als wäre in dich bereits eine Art maschineller Komponente integriert gewesen, die uns die langwierige Arbeit der Synchron-Feinabstimmung erspart hat.« Er meint den Zellaktivator! wisperte mein Logiksektor. Anscheinend haben die Roboter ihn aber nicht lokalisiert. Ich würde ihnen nicht verraten, was diese »maschinelle Komponente« ist, und daß sie in dem Medaillon sitzt, das auf deiner Brust hängt. Du beleidigst mich! gab ich gedanklich zurück. »Keine Ahnung«, sagte ich laut. Danach blickte ich an mir herab. Verwundert stellte ich fest, daß es kaum Veränderungen gab. Ich trug noch immer die dunkelgrüne Bordkombination, die ich auf der VIRGINIA bekommen hatte. In das hochwertige Kunststoffmaterial waren lediglich silbrig schimmernde Streifen eingearbeitet oder aufgeschweißt worden. Ich strich über ein paar dieser Streifen. »Ist es das?« fragte ich Cuper. »Das ist die maschinelle Komponente des Cyborgs«, bestätigte der Roboter. Ich ging ein paar Schritte, dann hüpfte ich auf der Stelle, fiel in schnelle Sidesteps, absolvierte einige Dutzend Kniebeugen und hatte gerade mehrmals eine Kehrtwendung im Sprung ausgeführt, als mir etwas auffiel.
Ich blieb stehen. »Das war mir nur möglich, weil ich ein Cyborg bin, nicht wahr?« fragte ich bitter. »Das ist richtig«, antwortete Cuper. »Also geborgte Kraft«, stellte ich fest. Im Grunde genommen war es nie anders! spottete der Logiksektor. Es dauerte ein paar Sekunden, bis mir aufging, wie er das gemeint hatte – und daß es stimmte. Alles Leben, organisches und maschinelles, agierte nur mit geborgter Kraft. Es war noch nie anders gewesen – und es würde nie anders sein. Unser aller Kräftereservoir war das Universum. Aus ihm kam unsere Kraft, und in es ging sie wieder ein, um anderweitig zur Verfügung gestellt zu werden. »Ich bin zufrieden«, erklärte ich und sah mich um. Ich befand mich nicht in einem OP-Raum, wie ich halb erwartet hatte, sondern in einem relativ einfach ausgestatteten medizinischen Labor, dessen Anblick nichts darüber aussagte, ob es zu einem Zubringer oder zum Hospitalschiff der Samariter gehörte. Nur die kaum spürbaren Vibrationen des Bodens verrieten mir, daß wir uns in einem Raumschiff befanden. Es waren Erfahrungswerte, mit denen ich arbeitete, ohne bewußt daran zu denken. Ich sagte aber noch nichts, sondern stellte mich zuerst vor eine blanke Metallfläche. Mein Spiegelbild enttäuschte, mich. Ich sah kaum verändert aus. Die silbrig schimmernden Streifen hätten ebensogut nur Dekoration sein können. Dennoch machten sie aus mir einen Cyborg. Nein, nicht aus mir, sondern aus sich und mir! korrigierte ich mich. Die betreffende Technik schien bei den Samaritern einen sehr hohen Stand erreicht zu haben. »Das Schiff interessiert mich«, erklärte ich und klopfte mit dem rechten Fuß auf den Boden, um klarzustellen, daß ich wußte, wo wir uns befanden. »Ich zeig dir gern die WIEGE DER BEWAHRUNG«, erwiderte Cuper. »Zuerst besuchen wir die Hauptzentrale, schlage ich vor.« »Einverstanden«, sagte ich. »Ich komme mit«, blubberte Klecks. »Grundsätzlich habe ich nichts dagegen, aber der Künstliche braucht noch eine zeitaufwendige Nachbehandlung«, erklärte Cuper. »Er ist nämlich keineswegs immun gegen die Plasmaparasiten.« »Ich fühle mich aber nicht krank«, protestierte Klecks. »Jedenfalls nicht sehr krank«, fügte er einschränkend hinzu. »Willst du mir nicht helfen, wenn wir wieder auf dem Planeten sind?« fragte ich ihn vorwurfsvoll. »Doch, doch, Atlan!« versicherte das Kunstwesen und floß blitzschnell zu der bekannten Fladenform auseinander. »Wenn ich dir nicht helfe, wer soll dir dann helfen?« »Dann höre auf Cuper und laß die Nachbehandlung über dich ergehen!« sagte ich streng. »Sonst nehme ich dich nicht wieder mit.« Sofort verformte sich Klecks wieder zu seiner normalen Gestalt, und wieder einmal fragte ich mich, wer seine »Konstrukteure« gewesen waren. Er war ja kein Geschöpf von Yog-Mann-Yog, sondern jemand hatte ihn der Facette geschenkt. Wer das gewesen war, hatte ich bisher nicht herausbekommen. Entweder vermochte sich Klecks nicht daran zu erinnern, oder er verschwieg es mir aus anderen Gründen. Es hätte mich interessiert, mehr zu erfahren, denn es war gewiß nicht sinnlos gewesen, daß dieses Wesen ohne Kopf hergestellt worden war. Nachdem Klecks mit dem zweiten Samariter gegangen war, führte Cuper mich in die Hauptzentrale, die übrigens nicht weiter als etwa zwanzig Meter von dem Labor entfernt war, in dem ich als Cyborg zu mir gekommen war.
Sie bot nichts Sensationelles, sondern war ein mittelgroßer Saal, in dem zwei je zwanzig Meter lange, hufeisenförmig geschwungene Kontrollpulte hintereinander installiert waren. Nur je zwei Roboter standen hinter den Kontrollen. Ihre Augenzellen und Leuchtfelder blinkten im gleichen Rhythmus wie die Kontrollampen und Leuchtfelder der Kontrollpulte. Anscheinend waren sie voll in den Funktionskomplex des weitgehend computerisierten Samariterschiffs integriert. Die Kommunikation zwischen ihnen und meinem Führer lief natürlich über Funkimpulse und daher für mich lautlos ab, aber Cuper erwies sich als zuvorkommend, denn er erklärte mir, worüber er mit den Wachhabenden gesprochen hatte. »Ich forderte sie auf, uns nacheinander die verschiedenen Sektionen des Schiffes vorzuführen. Du magst dann entscheiden, welche du persönlich aufsuchen möchtest.« »Einverstanden«, erwiderte ich. »Aber vielleicht sollte ich vorher mit jemandem von der VIRGINIA sprechen, um zu erfahren, wie es dort aussieht.« »Das ist nicht möglich, denn die Biologischen befinden sich ausnahmslos in Intensivbehandlung«, erklärte der Roboter. »Deshalb könnte dir auch keiner von ihnen sagen, wie es dort unten aussieht. Aber ich bekomme laufend alle neuen Daten übermittelt. Sobald sich etwas Besonderes ereignet, werde ich dich informieren.« Das hättest du dir selbst denken können! bemerkte mein Extrasinn mit einem Spott dazu, der mitten ins Schwarze traf, weil er sachlich fundiert war. »In Ordnung«, erklärte ich Cuper. Die Wachhabenden fingen mit ihrer Vorführung an. Nacheinander schalteten sie die elektronische Abtastung der Internbeobachtung auf den großen Hauptbildschirm der Zentrale. Ich bekam die leeren Hangars für Zubringer, die Recyclinganlage, den Zentralcomputer, die Energiestationen und das Klimazentrum vorgeführt. Ich war von der hochentwickelten Technik beeindruckt, obwohl deutliche Anzeichen dafür sprachen, daß ihr Stand um rund tausend Jahre hinter der terranischen Technik herhinkte. Doch das war kein großer Mangel. Prinzipiell erfüllte die WIEGE DER BEWAHRUNG alle Forderungen, die an sichere und langlebige Interstellar-Raumer gestellt werden mußten. Nach einer Umblendung in verschiedene medizinische Labors tauchte das Abbild eines saalgroßen Raumes auf, zwischen dessen rotglühenden Wänden ein See aus flüssigem Gestein kochte und brodelte. Bernsteingelbe Adern von durchschnittlich zwanzig Zentimetern Breite bildeten eine Art Netzmuster auf dem Magmasee. »Das ist ja die reinste Hölle!« entfuhr es mir. »Fehlt nur noch der Teufel!« Fast im selben Augenblick erschien er. Er sah keineswegs aus wie der Teufel terranischer Alpträume – und es war nicht einmal sicher, ob er ein Er oder sonstwas war –, aber zumindest fühlte sich dieses Lebewesen in der höllischen Umgebung recht wohl. Daß es ein Lebewesen war; sah ich eigentlich anfangs nur daran, weil es von zwei SamariterRobotern in die »Hölle« geführt wurde und deshalb ein Patient sein mußte. Selbstverständlich waren die Roboter in Schutzschirme gehüllt und schwebten mit Hilfe von Antigravs über der glutflüssigen Schmelze – und sie führten den Patienten mit Zug- und Druckfeldern. Der Patient selbst ähnelte auf den ersten Blick verteufelt einer Harfe, aber eben nur auf den ersten Blick. Die weiteren Blicke enthüllten seine Andersartigkeit. Dort, wo bei einer Harfe der Resonanzkasten war, befand sich bei ihm ein ovales, stahlblau schimmerndes »Blatt« von etwa zwei Metern Länge und einem Viertelmeter Breite. Von diesem Körperteil strebten schräg nach links und rechts unerträglich grell leuchtende Netzgebilde je zirka anderthalb Meter weg, die vorn von einem vielfach durchlöcherten gelben Staborgan und oben von einem starren »Schlangenleib« begrenzt wurden, der vorn eine Verdickung mit einem münzengroßen Facettenauge besaß und hinten in das
»Blatt« überging. Dort, wo bei terranischen Harfen die Pedale waren, gab es je zwei dicke schwarze Gebilde, die als Füße gebraucht wurden und – ich schwöre es – eine schon makabre Ähnlichkeit mit Pferdefüßen hatten. Alles in allem war das eins der bizarrsten Lebewesen, das mir bisher begegnet war. »Was ist das?« entfuhr es mir. »Das ist Prinzessin Ennistimoon«, gab Cuper in verschämtem Tonfall Auskunft. »Sie erkrankte auf dem Planeten Wormack an einer ererbten Temperaturuntersteuerung. Wir haben sie fast geheilt, bringen sie aber vorsichtshalber zu ihrer Heimatwelt Athoney zurück, damit sie keinen Rückfall erleidet.« »Ennistimoon«, wiederholte ich beeindruckt. »Wenn ich Zeit hätte, würde ich darum ersuchen, ein Treffen mit der Prinzessin zu arrangieren. Sie muß eine interessante Persönlichkeit sein.« »Und sehr heiß, Atlan«, ergänzte Cuper mit mildem Spott. Die beiden robotischen Betreuer der Prinzessin deaktivierten ihre Druck- und Zugfelder – was ich nur infolge reichhaltiger Erfahrung mit bloßem Auge erkannte – und gaben die Patientin dadurch frei. Ennistimoon bewegte sich sofort schneller. Ihr »Doppelharfenkörper«, drehte sich immer wieder ruckartig nach links und rechts, und ihre »Pferdefüße« trappelten dabei temperamentvoll über die bernsteingelben Adern, die den Magmasee durchzogen. »Phantastisch!« rief ich. Im nächsten Moment wurde die Bildübertragung abrupt unterbrochen. Enttäuscht wandte ich mich Cuper zu, um mich nach dem Grund für diese voreilige Unterbrechung zu erkundigen. Der Roboter kam mir zuvor. »Ich bitte um Entschuldigung«, wandte er sich an mich. »Aber es wäre möglich, daß wir Ärger bekommen. Der Wachhabende für die Ortung hat innerhalb der Sonnenkorona Störungen festgestellt.« »Was für Störungen?« fragte ich ahnungsvoll. Ich hatte zu oft mein eigenes Schiff in einer Sonnenkorona vor feindlicher Ortung verborgen, um nicht sofort zu vermuten, daß jemand uns heimlich gefolgt war. Diesmal sprach der Wachhabende für die Ortung mich an. »Die von den aufsteigenden Granulen der Photosphäre ausgehenden Stoßwellen haben bis vor kurzem eine gleichmäßige Aufheizung der Korona bewirkt. Das hat sich geändert. An drei Stellen ist die Temperatur leicht gesunken.« »Raumschiffe«, stellte ich fest. »Wahrscheinlich CHARONS der Stählernen Horde.« »Das ist nicht sicher«, erwiderte der Wachhabende. »Raumschiffe, die in die Korona einer Sonne eindringen, schützen sich vor der Hitze durch Aktivieren ihrer Schutzschirme. Dabei wird jedoch die Temperatur innerhalb der Korona nicht gesenkt.« »Normalerweise ist es so«, bestätigte ich. »Die Raumaufklärer der Stählernen Horde vom Typ CHARON haben jedoch nur schwache Defensivsysteme. Sie könnten sich nicht lange in einer Sonnenkorona halten. Aber sie verfügen mit ihren starken Partikelstromwerfern über eine Waffe, mit denen sie die von den aufsteigenden Granulen ausgehenden Schallwellen brechen kann, bevor sie sich in Stoßwellen verwandeln. Ein ganzer Pulk von CHARONS könnte sich auf diese Weise eine kleine Zone niedriger Temperatur schaffen.« »Dann hätten wir es mit drei Pulks CHARONS zu tun«, warf Cuper ein. »Das wäre ärgerlich, denn wir können keine Störungen gebrauchen.« Ich lachte trocken.
»Es wäre nicht nur ärgerlich, sondern vor allem gefährlich. Yog-Mann-Yog wird sich nicht damit begnügen, uns beobachten 2x1 lassen. Er wird angreifen. Wie ist die WIEGE DER BEWAHRUNG bewaffnet?« »Sie ist selbstverständlich unbewaffnet«, antwortete der Roboter. »Wie alle Raumschiffe von uns. Wir Samariter verfolgen ausschließlich das Ziel, Seuchen zu bekämpfen und kranken Lebewesen zu helfen. Wir wahren strikte Neutralität. Deshalb wird uns auch niemand angreifen.« »Da bin ich mir gar nicht so sicher«, gab ich zurück. »Yog-Mann-Yog kennt keine Skrupel.« »Daran zweifle ich nicht«, erklärte Cuper. »Aber auch die skrupelloseste Facette wird es nicht wagen, offen ein galaxisweites Tabu zu verletzen.« Wenn er es nicht offen tut, dann heimlich! übermittelte mir der Extrasinn. Ich war inzwischen auf den gleichen Gedanken gekommen. »Könnt ihr mir einen Zubringer zur Verfügung stellen?« erkundigte ich mich. »Ich muß zu meinen Leuten zurück.« »Ich werde dich persönlich zurückbringen«, antwortete Cuper.
3. Als ich die Steuerkanzel des Zubringers betrat, rutschte Klecks in einem der Sitze hin und her und klatschte vor Freude über das Wiedersehen in die Hände. »Du bist also fertig mit der Nachbehandlung«, stellte ich fest, während ich mich in einem Sitz anschnallte. »Das freut mich.« »Man hat mich stabilisiert, was immer das bedeuten mag«, erklärte das biologische Kunstwesen. »Für einige Zeit wird mein Organismus dem Plasmaparasiten widerstehen.« »Wie wurde das bewerkstelligt?« wandte ich mich an Cuper, der soeben vor den Kontrollen des Piloten Platz nahm. »Es ist schwierig zu erklären«, erwiderte der Roboter. »Achtung, wir starten!« Die Warnung war überflüssig gewesen, denn es kam nicht ein einziges g durch, als der Zubringer aus dem Hangar katapultiert wurde. Da Roboter aber normalerweise nichts Überflüssiges tun, mußte Cuper einen anderen Grund gehabt haben, die Warnung dennoch auszusprechen. Er wollte dich von einem unbequemen Thema ablenken! wisperte mein Logiksektor. Das vermute ich auch! dachte ich zurück. Ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen, während ich überlegte, warum Cuper versucht hatte, mich von Fragen nach der Art der Behandlung des Kunstwesens abzulenken. Etwas anderes brachte mich davon ab. Diesmal aber handelte es sich nicht um eine gezielte Ablenkung. »Meldung aus dem Notlager«, sagte Cuper plötzlich. »Zwei Raumfahrer der VIRGINIA wurden tot aufgefunden.« Mir war, als griffe eine imaginäre, eiskalte Hand nach meinem Herzen. Setzte die unheimliche Mordserie sich fort? »Wer?« fragte ich tonlos. »Josef Laukulu und Absalom Krukau«, antwortete Cuper. Ich schloß seufzend die Augen: Josef Laukulu und Absalom Krukau waren zwei Beibootpiloten gewesen. Viel mehr wußte ich eigentlich nicht über sie, wenn man davon absah, daß ich jetzt wußte, daß sie tot waren. »Wie sind sie gestorben?« erkundigte ich mich. »Durch Blasterschüsse – in den Rücken«, antwortete Cuper. »Es gibt noch keine Erkenntnisse über die Identität des Täters oder der Täter.« »Es können nur Erkrankte gewesen sein, deren Verhalten durch die giftigen Ausscheidungen der Plasmaparasiten gestört war«, behauptete ich. »Dafür gibt es keine Beweise«, entgegnete der Roboter. »Außerdem waren alle Kranken so gut geschützt, daß niemand unbemerkt an Josef Laukulu und Absalom Krukau herankommen konnte.« »Aber sie wurden dennoch erschossen!« brauste ich auf. »Die Sache ist rätselhaft«, erwiderte Cuper. »Zweieinhalb Sekunden nach den beiden Blasterschüssen waren vier meiner Untereinheiten bei den Toten. Sie hätten auf dem Wege zu ihnen ihren Mördern begegnen müssen. Aber sie registrierten niemanden.« »Das gibt es nicht«, widersprach ich. »Wurden die Tatwaffen gefunden?« »Nein.« »Na, also!« trumpfte ich auf. »Vielleicht können Blaster unter ganz bestimmten Umständen von selbst losgehen, aber wohl kaum zwei gleichzeitig. Auf gar keinen Fall aber können sie sich
hinterher selbständig aus dem Staub machen. Nein, Cuper, deinen Untereinheiten muß etwas entgangen sein.« »Ich habe sie noch einmal befragt«, erklärte Cuper. »Sie haben mir ihren Speicher total offengelegt. Danach steht es fest, daß sich niemand vom Tatort entfernte.« Ich zuckte resigniert die Schultern. Ganz sicher hatten die Untereinheiten Cupers etwas übersehen. Sie waren aber anscheinend nicht in der Lage, das nachträglich zu erkennen. Ich durfte doch nicht über vier Morde zur Tagesordnung übergehen. Na, schön, jemand konnte Selbstmord begehen, indem er sich mit dem Rücken in eine Messerklinge stürzte. Jemand konnte es vielleicht sogar fertigbringen, sich selbst zu Tode zu strangulieren und es so zu arrangieren, daß es wie Mord aussah. Aber niemand konnte sich mit einem Blaster selbst in den Rücken schießen und die Waffe anschließend spurlos verschwinden lassen. Nein, die beiden letzten Fälle waren so eindeutig Mord, daß sich dadurch auch die Wahrscheinlichkeit der beiden ersten Todesfälle für Mord erhöhte. Ich würde mich vordringlich darum kümmern müssen. Ebenso vordringlich aber sollte ich mich um die Lebenden kümmern – und auch die Verschärfung der Wachsamkeit wegen des von mir befürchteten heimtückischen Angriffs der Stählernen Horde genoß Vorrang. Wie sollte ich das alles gleichzeitig Schaffen? Ich helfe dir, Atlan! sang eine wohlklingende Stimme in meinem Kopf. Verwundert blickte ich mich um. Mein Blick blieb schließlich an Klecks hängen. »Hast du zu mir gesprochen?« fragte ich ihn. »Ich?« blubberte das Kunstgeschöpf. »Ich habe geschwiegen wie leeres Grab. Oder hast du mich etwas sagen hören?« »Nein«, gab ich zu. »Es war eine mentale Botschaft gewesen. Jemand hat gesagt, er wollte mir helfen. Cuper, hast du dafür eine Erklärung?« »Deine Nerven sind überreizt, Atlan«, erklärte der Roboter. »Du hast dir das nur eingebildet. Wahrscheinlich hast du darüber nachgedacht, wie du alle anstehenden Aufgaben lösen könntest. Das ist nicht möglich, aber das ist auch nicht nötig. Wir Samariter helfen dir selbstverständlich.« »Ja, ich weiß«, gab ich zu. »Medizinisch seid ihr zweifellos große Klasse. Aber wenn es darum geht, Morde aufzuklären, zeigt ihr eine fast lächerliche Naivität. Und gegen einen heimlichen Angriff der Stählernen Horde könnt und wollt ihr nichts unternehmen, weil ihr strikte Neutralität wahrt.« »Letzteres trifft zu«, sagte Cuper. »Wir lassen dich dennoch nicht allein, Atlan. Klecks wird dir eine gewisse Hilfe sein, und Arien Richardson gab vor kurzem auf dem Hospitalschiff seine Einwilligung dazu, daß wir ihn ebenfalls mit einer speziellen Medoeinheit kombinieren.« »Das ist ja wunderbar!« stellte ich sarkastisch fest. »Ein Knochenloser und zwei Halbroboter auf dem Weg zur Hölle!« Du bist ungerecht! warf mir der Logiksektor vor. Er hatte recht. Ich sah es ein. Dennoch schwieg ich. Ich fühlte mich enttäuscht, verbittert und überfordert. Aber gleichzeitig stellte sich die Ahnung bei mir ein, daß ich etwas ganz Wichtiges übersehen hatte. Ich grübelte noch darüber nach, als Cuper den Zubringer in der Nähe des planetarischen Notlagers landete. Danach hatte ich keine Zeit mehr dafür.
* Eine Antigravplattform raste mit blinkenden Positionslichtern und heulender Sirene aus dem Notlager heran und hätte Cuper, Klecks und mich beinahe von der Energierampe gefegt, auf der wir uns gerade zum Boden tragen ließen. Ich warf mich hin und Klecks zerfloß wieder einmal zu einem unregelmäßigen Fladen. Doch irgendwie sah der Fladen anders aus als sonst – und im nächsten Moment wußte ich auch, was sich verändert hatte. Statt der grünen Härchen ragten rotbraune > Borsten aus der Oberfläche des Fladens. Inzwischen war mir klar geworden, daß die Beinahe-Kollision nur deshalb zustande gekommen war, weil unser Zubringer gerade landete, als die Antigravplattform sich ferngesteuert auf dem Weg zu einem der drei anderen Zubringerboote befand, zwischen denen wir aufgesetzt hatten. Sie hatte noch rechtzeitig ausweichen können und schwebte soeben in die offene Schleuse. Ich sah, daß auf der Plattform jemand festgeschnallt war, der die Bordkombination der VIRGINIARaumfahrer trug. Im Zusammenhang mit den blinkenden Lichtern und der Sirene assoziierte ich einen Notfall. Ich rappelte mich auf. Die Energierampe hatte mich unterdessen auf dem Boden abgesetzt. Ich lief los, stürmte die Energierampe des benachbarten Zubringers hinauf und stürzte hinter der Antigravplattform in die Schleuse. Hinter mir schloß sich das Schott. Schweratmend beugte ich mich über die Gestalt, die auf der Plattform lag. Die roten Haare hatten mich gleich ahnen lassen, um wen es sich handelte. Das sommersprossige Gesicht verschaffte mir Gewißheit. Es gehörte Florian Lopp, dem 22jährigen Schiffskoch der VIRGINIA. Florians Gesicht wirkte spitz und war sehr blaß. Im ersteh Moment fürchtete ich, er sei schon tot, doch dann bemerkte ich, daß er noch atmete. Als ich nach seinem Handgelenk griff, um ihm den Puls zu fühlen, öffnete sich das Innenschott der Schleusenkammer. Die Antigravplattform ruckte an und entführte Florian aus meiner Reichweite. Ich eilte hinterher. In einem kleinen, völlig leeren Raum wurde Florian Lopp bereits von zwei Samariter-Robotern empfangen. Sie schnallten ihn los und entkleideten ihn so schnell, daß ich nur hilflos daneben stand und zusah. Höchstens dreißig Sekunden später öffnete sich in der Hinterwand ein Schott. Die beiden Roboter trugen Florian hindurch und legten ihn auf eine andere, größere Antigravplattform. Ich wollte ihnen folgen, als aus den Düsen an der Decke ein gelblicher Sprühregen über die Roboter und Florian niederging: eine Desinfektionsdusche. Da begriff ich, daß der Bordkoch für eine Operation vorbereitet wurde. Unter diesen Umständen durfte ich mich ihm nicht wieder nähern, um ihn nicht durch’ Keime zu gefährden. Als ob er nicht schon durch die Plasmaparasiten mehr als genug gefährdet wäre! spottete mein Extrasinn. Ich konnte noch sehen, wie der Sprühregen wieder aufhörte und wie Florian Lopp durch eine weitere Schottöffnung in den eigentlichen Operationsraum befördert wurde, dann holte Cuper mich ein. »Du solltest nicht so impulsiv handeln, Atlan«, sagte er mit mildem Tadel. »Es handelte sich um eine Eileinlieferung, da hattest du ohnehin keine Möglichkeit, dich um den Patienten zu kümmern.« »Ich habe wenigstens gesehen, daß Florian noch lebt«, erwiderte ich grimmig. »Irgend jemand hätte mir verraten können, was mit ihm passiert ist.« »Es war ein Stromunfall«, erklärte der Roboter. »Der Patient Lopp befand sich zwecks Aufnahme eines Enzephalogramms in einem Labor. Er muß dort einen stromführenden Draht berührt haben, dessen Isolierung defekt geworden war.«
»Und das natürlich rein zufällig!« brach es aus mir heraus. »So, wie bei den beiden legendären terranischen Killern namens Keiner und Niemand. Keiner hat’s getan und Niemand hat’s geseh’n.« »Ich verstehe nicht«, sagte Cuper steif. »Es steht fest, daß keiner es getan hat, und es wurde auch niemand gesehen.« Ich konnte nicht anders. Ich lehnte mich an die nächste Wand und ließ meinem Heiterkeitsausbruch freien Lauf. Allerdings war ich weit davon entfernt, mich zu amüsieren. Es handelte sich eher um einen Anfall von Galgenhumor. Auch in dieser Hinsicht hatte ich viel von den Terranern übernommen und angenommen. Für einen Roboter wie Cuper, der von terranischer Mentalität so wenig Ahnung hatte wie ein Trompetenpfifferling von Tuten und Blasen, mußte mein Verhalten echt gestört erscheinen. Ich riß mich deshalb rasch wieder zusammen. »Schwebt er in Lebensgefahr?« erkundigte ich mich mit bebender Stimme. »Nein«, versicherte Cuper. »Jetzt nicht mehr. Der kleine chirurgische Eingriff wurde soeben erfolgreich abgeschlossen. Patient Lopp wird bald auf die normale Krankenstation entlassen werden können.« Ich atmete auf. Danach kämpfte ich mit mir. Sollte ich darauf bestehen, daß der mutmaßliche Stromunfall des Smutjes daraufhin untersucht wurde, ob es sich um einen Mordversuch gehandelt hatte? Eigentlich ja, aber dann würde ich nicht dazu kommen, anderen und vielleicht für uns alle wichtigeren Dingen nachzugehen. Ich entschied mich dafür, diese Angelegenheit ebenso aufzuschieben wie die Untersuchung der erfolgreichen Mordanschläge. »Können wir das Notlager inspizieren?« wandte ich mich an Cuper. »Selbstverständlich«, antwortete der Roboter und ging mir voraus. »Es handelt sich allerdings nicht mehr um ein Notlager. Wir Samariter haben die Zelte durch Fertigbau-Unterkünfte aus Plastik ersetzt und außerdem alle restlichen Mitglieder der VIRGINIA-Crew aus dem Schiff ins Lager geholt.« Das war erfreulich. Im Vorbeigehen wischte ich mit der linken Hand über den Rand der Antigravplattform, auf der Florian Lopp in den Zubringer befördert worden war. Verärgert musterte ich anschließend den silbergrauen Schmutzstreifen an meiner Handkante. »Vielleicht sollten deine Roboter lernen, ab und zu Antistatiktücher zum Staubwischen zu benutzen«, bemerkte ich. »Die Bordroboter der VIRGINIA waren da penibler.« Aber erst, nachdem du sie mit der Nase daraufgestoßen hattest! wandte der Logiksektor ein. »Das dürfte nicht vorkommen«, erklärte Cuper zu meiner Bemerkung über den Staub. »Es ist bisher auch nie vorgekommen. Ich verstehe das nicht.« »Es freut mich, daß du auch einmal etwas nicht verstehst«, erwiderte ich schadenfroh. Doch dann runzelte ich nachdenklich die Stirn. Ich hatte plötzlich die dunkle Ahnung, daß ich einem der Rätsel von Nimahiheim dicht auf der Spur war. Leider vermochte ich den Zipfel des imaginären Tuches nicht zu packen, unter dem sich diese Spur verbarg. In Gedanken versunken, verließ ich hinter Cuper den Zubringer über die Energierampe. Meine rechte Fußspitze stieß so heftig gegen etwas Hartes, daß der jähe Schmerz mir Mordgedanken durchs Gehirn jagte. Ich sah aus tränenden Augen den glitzernden Gesteinsbrocken, der sich mir in den Weg gestellt hatte und mußte mich zur Besonnenheit ermahnen, um nicht mit dem linken Fuß
auch noch zuzutreten. Ausgerechnet über den einzigen Steinbrocken weit und breit mußte ich stolpern! Den einzigen? höhnte mein Extrasinn. Welchen einzigen? Ich sah mich erst jetzt richtig um – und staunte nicht schlecht, als ich ringsum überall ähnliche Gesteinsbrocken liegen sah. Das ganze Lagergelände schien davon förmlich übersät zu sein. »Seltsam!« sagte ich und hob einen nur faustgroßen Brocken auf. »Die sind mir vorher gar nicht aufgefallen. Jedenfalls kann ich mich nicht daran erinnern, daß es so viele waren.« Ich sah den Brocken nachdenklich an. Auf meiner »Wanderung« durch die Zeitalter der Menschheitsgeschichte hatte ich hin und wieder auch praktischen Umgang mit verschiedenen Mineralien zu tun gehabt. Wenn der Gesteinsbrocken, den ich in der Hand hielt, aus ähnlichen Mineralen zusammengesetzt gewesen wäre, wie es sie auf der Erde gab, ich hätte sie zweifellos erkannt. Diese hier erkannte ich nicht. Bis auf eines, das den gesamten Brocken skelettförmig zu durchziehen schien: gediegenes Silber. Natürlich dachte ich bei dem Begriff »skelettförmig« weder an ein menschliches noch an ein bekanntes tierisches Skelett, sondern hatte einfach einen uralten Fachausdruck der terranischen Bergleute, die nach Silber geschürft hatten, aus meiner Erinnerung hervorgeholt. Das gediegene Silber in diesem Brocken bestand aus hauchdünnen Fäden von etwa einem Zehntel Millimeter, die schmalen, einholmigen »Leitern« glichen, also allenfalls abstrakten Skeletten. »Was ist daran Besonderes?« erkundigte sich Cuper. Ich warf den Brocken achtlos weg. »Nichts, im Grunde genommen«, antwortete ich. »Ein wenig Silber, aber zu wenig, als daß es sich lohnte, an seine Ausbeutung zu denken. Außerdem haben wir ganz andere Probleme. Wo steckt eigentlich Klecks?« »Der Künstliche sagte, er wollte sich um Mycara kümmern«, erwiderte Cuper. »Ich kam nicht dazu, ihn um nähere Informationen zu bitten, da ich dir nachlaufen mußte. Aber vielleicht klärst du mich darüber auf, wer Mycara ist.« »Selbstverständlich«, sagte ich mit schlechtem Gewissen, denn ich hatte die ganze Zeit seit unserer Landung auf Nimahiheim nicht einmal an die Birzerin gedacht. Ich wußte nur noch, daß sie, als ich Arien zuletzt sah, nicht wie üblich um seinen Hals gelegen hatte. »Wir werden sie besuchen, dann kannst du sie selbst anschauen. In welche Richtung ist Klecks gegangen?« Der Roboter deutete nach Süden, wo eine einzelne Baracke stand, ein sehr stabiles Bauwerk aus Plastikfertigteilen. Ich lief darauf zu. Cyborg! spottete mein Extrasinn. Ich kümmerte mich nicht darum. Erstens war ich kein Cyborg, sondern eine Komponente eines Cyborgs, und zweitens wäre ich wahrscheinlich längst endgültig handlungsunfähig, wenn die Samariter mich nicht in einen Cyborg integriert hätten. Von den Celestern hatte sich jedenfalls schon lange niemand mehr blicken lassen, obwohl sie doch medizinisch intensiv behandelt worden waren. Ich spann diese Gedanken immer noch aus, als Cuper und ich die Baracke erreichten. Im nächsten Moment brachen sie ab, denn da flog die Baracke in einer grellen Explosion in die Luft… *
Es war sicher ein Resultat meiner Cyborg-Integration, daß ich nicht für eine Sekunde das Bewußtsein verlor. Die Explosion hatte mich um mindestens zehn Meter zurückgeworfen und auf den Boden geschmettert. Dort lag ich, mit schmerzenden Gliedern und versengten Lidern und hörte, wie nach einigen Augenblicken totaler Stille ein Regen aus Trümmerstücken ringsum niederging. Meine Augen waren durch den Explosionsblitz, so stark geblendet worden, daß ich zuerst überhaupt nichts mehr sah und dann allmählich eine Schwärze, die sich von Sekunde zu Sekunde weiter aufhellte, bis sich erste Konturen der Umgebung in meiner Wahrnehmung herausschälten. Die Baracke war verschwunden. Dort, wo sie gestanden hatte, gähnte ein zirka vier Meter durchmessender und zwei Meter tiefer Trichter, um den herum der Boden von der Druckwelle völlig blankgefegt worden war. Der Trümmerregen hatte aufgehört. Abermals trat totale Stille ein. Deshalb zuckte ich zusammen, als noch etwas herabfiel. Es prallte wenige Zentimeter vor meinem Gesicht auf den Boden, deshalb sah ich sofort, daß es sich um einen jener Gesteinsbrocken handelte, wie sie hier zu Tausenden herumlagen. Dieser eine mußte wohl durch die Explosion besonders hoch geworfen worden sein, daß er erst jetzt wieder heruntergekommen war. Ich spürte, wie meine Augen sich mit wäßrigem Sekret füllten, als mir bewußt wurde, daß meine Gedanken sich mit einem Stein beschäftigten anstatt mit dem Schicksal von Mycara und Klecks. Falls sie sich zum Zeitpunkt der Explosion in dieser Baracke befunden hatten, lebten sie nicht mehr – und ich hatte allen Grund zu der Annahme, daß sie genau dort gewesen waren. Jemand beugte sich über mich. Zwei Augenzellen leuchteten hell auf und sandten sichtbare Strahlen aus, die meinen Körper abtasteten. »Du hast Prellungen und Platzwunden, bist aber nicht gefährlich verletzt, Atlan«, konstatierte Cuper. »Ich habe eine Antigravplattform für dich angefordert.« »Ich brauche sie nicht, zum Teufel!« brauste ich auf. »Sie soll hier warten! Vielleicht wird sie anderweitig gebraucht.« Ich stemmte mich hoch. Cuper half mir dabei. Er schien zu wissen, was mich beschäftigte. Meine Verletzungen spürte ich nur nebenbei. Aus tränenden Augen starrte ich über das Explosionsgelände und die Staubwolke, die von der Druckwelle zirka hundert Meter weit weggeblasen worden war und dort gleich einer Mauer stand. »Atlan!« blubberte es von dort jämmerlich. »Bist du schwer verletzt, Atlan?« Natürlich war der Frager kein anderer als Klecks. Mir war nur nicht gleich klar, woher er wußte, daß ich verletzt war, denn er befand sich zweifellos noch mitten in der Staubwolke. Aber dann fiel mir ein, daß das Kunstwesen sowieso keine Augen zum Sehen besaß, sondern zur Wahrnehmung hauptsächlich seine Fähigkeit einsetzte, bis zu einer bestimmten Entfernung die Gravitationsschwingungen der Materie zu erfassen und zu deuten. Sekunden später tauchte er aus dem Staub auf und lief springend und watschelnd auf mich zu. Meine Augen weiteten sich, als ich den silbergrauen Pelz sah, der sich um seinen linken Unterarm gewunden hatte. Ich brauchte nicht zweimal hinzusehen, um zu wissen, daß das, was wie ein Pelz aussah, Mycara war. Die Birzerin hatte das Aussehen einer 32 Zentimeter langen und 6 Zentimeter durchmessenden »Pelzschlange«. Ich atmete auf. Als Klecks mich erreicht hatte, streckte ich ihm die rechte Hand entgegen. Er verstand, was ich wollte, und schlug mit der linken Hand ein. Mycara schlängelte sich blitzschnell zu mir hinüber, kroch auf meine Schulter, ringelte sich dort
zusammen und flüsterte: »Wo ist mein Arien?« Ich musterte ihr »Gesicht« auf der Vorderseite des kugelförmigen, zehn Zentimeter durchmessenden Kopfes, von dem nur die beiden blinden Augen, die kleine Schnauze mit den scharfen Zähnen und darüber die kaum erkennbare schwarze Stupsnase zu sehen war. »Im Hospitalschiff«, antwortete ich und strich ihr über das kurzhaarige Fell. Erschrocken hielt ich inne, als ich eine Verdickung erfühlte. Ich tastete weiter und fand noch drei andere Verdickungen. »Dich haben die Parasiten also auch nicht verschont«, erklärte ich bedauernd und sah Cuper auffordernd an. Der Roboter ließ seine Augenzellen aufflammen und tastete mit den Strahlen Mycaras Körper so ab wie meinen zuvor. »Es sind die Plasmaparasiten«, diagnostizierte er nach wenigen Sekunden. »Dieses Wesen muß dringend operiert werden.« »Noch nicht operieren!« zischelte Mycara. »Ich muß erst mit meinem Arien sprechen.« »Wenn du etwas zu sagen hast, warum sagst du es nicht mir?« erwiderte ich. »Beispielsweise, warum Klecks und du die Baracke rechtzeitig vor der Explosion verlassen habt. Das war doch kein Zufall, oder?« »Nein, kein Zufall«, sagte Klecks. »Mycara hat mich gewarnt. Sie hat gesagt, Bosheit hätte sich mit Sprengstoff im Bauch in Baracke geschlichen.« »Bosheit?« echote ich fragend und hob Mycaras Köpfchen an, indem ich einen Zeigefinger darunterschob. »Böse Wesenheit«, verdeutlichte die psibegabte Birzerin. »Ich konnte nicht erkennen, was für ein Lebewesen es war. Es hätte ein Celester sein können, aber da war auch etwas dabei, was der Wesenheit etwas fehlen ließ, das ein Celester gehabt hätte.« Ich gab mich vorläufig mit dieser Erklärung zufrieden, denn ich merkte, daß Mycara unter dem Gift ihrer Plasmaparasiten litt – und das nicht erst seit eben, denn andernfalls hätten ihre psionischen Sinne erfaßt, ob das, was sie »böse Wesenheit« nannte, ein Celester war oder nicht. Ihre entsprechenden Wahrnehmungen waren sonst immer sehr klar und ihre Aussagen eindeutig gewesen. Im Grund mußte ich heilfroh sein, daß sie die Gefahr überhaupt rechtzeitig erkannt hatte. Bevor ich weitere Überlegungen anstellen konnte, schoß die von Cuper angeforderte Antigravplattform heran und stoppte bei uns. Zwischen ihr und dem Roboterchef wurde über Funk kommuniziert. Das war an Cupers Haltung leicht zu erraten. »Entschuldige, daß ich unterbreche!« sagte ich. »Aber wenn es möglich wäre, Mycara, Klecks und mich zusammen mit der Plattform zu transportieren, könnte die Birzerin eigentlich gleichzeitig mit mir in einem OP eines der Zubringerboote behandelt werden, so daß sie wieder einigermaßen fit ist, wenn Arien aus der WIEGE entlassen wird.« »Das ist möglich«, antwortete Cuper. »Ich nahm nur an, du wolltest zuerst die Umgebung der Explosionsstelle genauer untersuchen, um festzustellen, ob wieder ein Celester getötet wurde.« Ich wollte zuerst ärgerlich aufbegehren, doch da würde mir klar, daß dieser Gedanke gar nicht so abwegig war. Wenn es sich bei der von Mycara georteten Wesenheit um einen Celester gehandelt hatte und wenn es seine Absicht gewesen war, Mycara durch die Explosion umzubringen (von Klecks’ Anwesenheit hatte er sicher nichts gewußt), war er dabei vielleicht selbst getötet worden. Obwohl von ihm selbst offenbar nichts übriggeblieben war, konnte das ID-Band aus Tantal-Iridium, das jedes Mitglied der VIRGINIA-Crew ums rechte Handgelenk trug, die Explosion überstanden haben.
»Gut«, erwiderte ich und erklärte, wonach wir zu suchen hatten, dann gingen wir auseinander. Cuper beteiligte sich ebenfalls an der Suche – und die Antigravplattform zu meiner Verwunderung auch. Sie war es dann, die fündig wurde, allerdings nicht so, wie wir gedacht und befürchtet hatten. Das, was sie zwischen herabgeregneten Trümmern entdeckt hatte, war ein nur fingergroßes Stück blauschwarz schillernden Metalls, wahrscheinlich eine Art Hochenergiedruckstahls. Die Plattform hatte es mit ihren ausgefahrenen Greiftentakeln auf ihre Liegefläche praktiziert. »Undefinierbar«, stellte Cuper fest, nachdem er es mit seinen Diagnosestrahlen abgetastet hatte. Ich nahm es auf und drehte es zwischen den Fingern. Dabei spürte ich die schwache Wölbung. »Möglicherweise haben wir hier ein Stück einer Sprengkörperhülle«, meinte ich. »Von einem Celester beziehungsweise seiner normalen Ausrüstung stammt es jedenfalls nicht.« Außer der Wölbung gibt es ein Segment einer ehemals wahrscheinlich kreisrunden Aussparung! teilte mir der Extrasinn mit. Dort könnte ein kleiner, runder Gegenstand in der Hülle gesessen haben. Mir ging die Positionsbeleuchtung eines Riesenraumers vom Range der SOL auf! Könnte die Aussparung statt eines kreisrunden Gegenstands einen warzenförmigen beinhaltet haben? erkundigte ich mich. Beispielsweise zur Abstrahlung von Schutzschirmenergie? Durchaus! gab der Logiksektor zurück. »Du wirkst geistesabwesend, Atlan«, sagte Cuper. »Ich habe nur nachgedacht«, erklärte ich und wog den schwerwiegenden Fund in der Hand. »Und ich bin zu dem Schluß gekommen, daß wir – ich meine die Celester und mich sowie unsere Freunde und Gefährten inklusive der Samariter – nicht allein auf Nimahiheim sind.« »Wie kommst du darauf?« fragte Cuper. Ich hielt ihm das Fundstück unter die Augenzellen. »Die Roboter der Stählernen Horde Yog-Mann-Yogs haben blauschwarze, schillernde Außenhüllen – und über sie sind kleine warzenförmige Projektoren für den Aufbau von Energieschirmen verteilt. Dieses Hüllenstück schillert blauschwarz – und es weist das Segment einer ehemals kreisrunden Einsparung auf, in der ein warzenförmiger Projektor gesessen haben könnte.« »Akzeptiert«, gab der Roboter zu. »Aber was bedeutet das?« So naiv konnte nur jemand fragen, der sich noch nie mit Kriegen hatte befassen müssen und noch nie in Kämpfe verwickelt gewesen war. Eigentlich war Cuper darum zu beneiden. Allerdings war er dadurch der Lage in keiner Weise gewachsen. »Es bedeutet, daß der Angriff der Stählernen Horde auf Nimahiheim schon längst begonnen hat«, antwortete ich. »Wie ich voraussagte, handelt es sich um einen heimlichen Angriff. Heimtückisch ist er obendrein, denn mit großer Wahrscheinlichkeit haben sich die Stählernen als Celester getarnt – und zwar so gut, daß sie sogar Mycara halbwegs täuschten.« »Ich verstehe«, sagte Cuper und bewies mit den nächsten Worten, daß er fast nichts verstanden hatte. (Seine Stärken lagen eben auf biomedizinischem und medotechnischem Gebiet.) »Aber eine Maskierung ist doch nur ein Beweis für Listenreichtum und nicht für Heimtücke.« »Bei Algonkin-Yattas Zeitkapsel und Anlythas Kleptomanie!« entfuhr es mir. »Ich werde nicht Beifall klatschen und von einer List reden, wenn jemand heimtückisch versucht, Mycara in die Luft zu sprengen, wie es dieser eine Stählerne wollte. Ganz abgesehen davon, daß ich jetzt auch zu wissen glaube, wer die Leute der VIRGINIA-Crew umgebracht hat. Von wegen Selbstmord oder Unfall!« »Ich räume dieser Behauptung ein großes Maß an Wahrscheinlichkeit ein«, sagte Cuper. »Aber was
willst du unternehmen, um deine Freunde und dich künftig gegen derartige Zwischenfälle zu schützen?« »Was ich in solchen Fällen schon immer getan habe«, antwortete ich. »Zurückschlagen und die Initiative an mich reißen. Das ist der beste Selbstschutz.«
4. Als ich nach ambulanter Behandlung den OP-Raum eines der Zubringerboote verließ, stürzte sich Arien Richardson mit einem richtigen Kriegsgeschrei auf mich. Nachdem wir uns umarmt und die Schultern grün und blau geschlagen hatten, berichtete der Celester über seine Behandlung an Bord des Hospitalschiffs der Samariter. In seine dunkelgrüne Bordkombination waren ebenfalls silbrig schimmernde Streifen eingearbeitet beziehungsweise aufgeschweißt worden. Ich wußte von mir, daß es sich dabei um die maschinelle Komponente des Cyborgs handelte, dessen organische Komponente Arien war. Allerdings konnte das nicht alles sein. Irgendwie stimmte irgend etwas diese beiden Komponenten eines Cyborgs so aufeinander ab, daß alles zusammen tatsächlich als homöostatisches System funktionierte. Ob dieses Etwas einen festen Sitz hatte und materiell war, das entzog sich meiner Kenntnis. Die Samariter schienen nicht bereit zu sein, ihr Berufsgeheimnis preiszugeben. Nachdem wir uns gegenseitig abtaxiert und uns gegenseitig versichert hatten, daß wir noch längst nicht bereit waren, den Löffel abzugeben, gingen wir zu anderen Themen über. Ich berichtete von der Explosion in der Baracke, in der sich Mycara aufgehalten hatte und von ihrer und Klecks’ wundersamer Rettung sowie von ihrer Operation, die noch einige Stunden dauern würde, da ihr Körper von Ablegern des Plasmaparasiten stärker durchwuchert war, als ich es hatte ertasten können. Arien Richardson seinerseits berichtete über den Zustand der Crew-Mitglieder der VIRGINIA, die sich auf dem Hospitalschiff befanden. Es sah nicht gut aus. Die Samariter konnten zwar die parasitären Wucherungen relativ schnell und problemlos operativ entfernen. Doch die Sporen der Parasiten, die sich im ganzen Organismus ausgebreitet hatten, bekamen sie nicht unter Kontrolle. Sie bildeten immer wieder neue Wucherungen, die entfernt werden mußten. Das alles zehrte natürlich an der physischen und psychischen Kraft jedes Patienten. Einige Patienten waren inzwischen so ausgemergelt, daß sie nur noch intravenös ernährt werden konnten. Falls nicht sehr bald ein Durchbruch im Kampf gegen die Parasiten erzielt wurde, würden sie sterben – und der Rest der Crew würde ihnen in absehbarer Zeit folgen. Arien weinte fast, als er mir davon erzählte. Es war erschütternd, diesen agilen und temperamentvollen Mann so erleben zu müssen. Ich benötigte einige Minuten, um ihn psychisch so weit aufzurichten, daß ich mit ihm unsere nächsten Maßnahmen besprechen konnte. Sie waren nicht medizinischer Natur, denn davon verstanden wir zu wenig. Das mußten wir den Samaritern überlassen. Wir konnten allerdings dafür sorgen, daß die Samariter so ungestört wie nur möglich zu arbeiten vermochten und daß die Leute der VIRGINIA nicht weiteren Mordanschlägen der Stählernen Horde zum Opfer fielen. »Was wir brauchen, sind Detektoren, mit denen wir die Stählernen von Celestern unterscheiden können«, erklärte ich. »Das sehen wir doch«, entgegnete Arien verwundert. »So ein Stählerner sieht doch ganz anders aus als ein Celester.« Ich schüttelte den Kopf. »Die auf Nimahiheim abgesetzten Stählernen nicht. Sie müssen äußerlich getarnt sein, sonst wären sie ja sofort durchschaut worden und hätten keine Anschläge begehen können. Sie müssen aber auch eine psionische Ausstrahlung haben, die sie von ganz normalen Stählernen unterscheidet. Mycara berichtete, daß die von ihr psionisch erfaßte böse Wesenheit ein Celester hätte sein können, wenn ihr nicht etwas gefehlt hätte, was offenbar jeder Celester besitzt.« »Und was war das?« erkundigte sich Arien. »Das weiß ich eben nicht«, gab ich zurück. »Mycara war durch den Parasitenbefall zu stark geschwächt, als daß ich sie länger hätte ausfragen können. Vielleicht handelte es sich bei dem
Fehlenden um die ÜBSEF-Konstante.« »Um die Seele!« korrigierte Arien mich energisch. Ich war nicht in der Stimmung, um mich mit ihm über etwas zu streiten, worin wir uns nur in Fragen der Terminologie uneins waren. Außerdem hielt ich es für dringend geboten, die theoretischen Erörterungen einzustellen und dafür praktische Maßnahmen zu ergreifen. Wir verschoben alle anderen noch notwendigen Maßnahmen und gingen auf die VIRGINIA, um nach Detektoren zu suchen, die unseren speziellen Anforderungen gerecht wurden. Selbstverständlich gab es an Bord keine Geräte, die auf diesen speziellen Zweck »zugeschnitten« waren. Wir mußten improvisieren. Da die Celester keine Psi-Detektoren besaßen, kamen wir von dieser Seite der Lösung des Problems nicht näher. Es war mein Logiksektor, der den rettenden Einfall hatte. In der Forschungsabteilung sollte es Geräte zur Messung der Zellkernstrahlung geben! raunte er mir zu. Wie üblich, gab er keine näheren Erklärungen ab. Doch das war in diesem Fall auch nicht notwendig. Ich konnte mir selbst zusammenreimen, worauf er hinauswollte. Die menschliche Zellkern- oder Mitosestrahlung war zwar prinzipiell das gleiche wie die Mitosestrahlung aller anderen Lebewesen, dennoch unterschied sie sich so stark von diesen anderen, wie sich beispielsweise die Umsetzung von Reizimpulsen in Wahrnehmungsbilder bei allen Arten unterscheidet. Ich teilte Arien die Idee mit, und wir suchten die Forschungsabteilung auf. Dort fanden wir tatsächlich drei Geräte, die unsere Forderungen erfüllten. Allerdings war nur eines brauchbar, da die beiden anderen zu schwer und unhandlich waren. Nach weiterem Suchen entdeckten wir dann auch Unterlagen, mit deren Hilfe wir befähigt wurden, das brauchbare Gerät so auf die menschliche Mitosestrahlung einzustellen, daß es jede artspezifische Abweichung anzeigte. Als wir die VIRGINIA wieder verließen, warteten draußen schon zwei Leute der Besatzung auf uns: Colobar Tuira, der Quartiermeister und Cheflogistiker, sowie Palapa Filliom, der 1. Waffenwart. »Wir haben etwas entdeckt«, wandte sich Palapa in verschwörerischem Tonfall an uns. »So!« machte Arien ungehalten, denn er brannte darauf, die Agenten der Stählernen Horde zu entlarven. »Dann laßt es nicht aus den Augen!« Er traf Anstalten, in Richtung Baracken weiterzugehen. »Aber es ist vielleicht wichtig«, warf Colobar ein. Ich blieb stehen und veranlaßte dadurch Arien, ebenfalls zu warten. »Was habt ihr denn eigentlich entdeckt?« erkundigte ich mich. »Komische Schleifspuren«, erklärte Palapa und deutete nach Südosten. »Dort draußen in der Flammensteppe.« »Was?« rief ich, denn unwillkürlich assoziierte ich »Flammensteppe« mit »Sonnensteppe«. Die Sonnensteppe scheint dir schwer im Magen zu liegen! spottete mein Logiksektor. Nicht schwer, sondern quer! dachte ich grimmig zurück. »Was verstehst du unter Flammensteppe?« wandte ich mich an den 1. Waffenwart. »Eine Geländeerhebung, über der es besonders stark und häufig zu elektrischen Entladungen kommt«, antwortete Palapa und schob sich einen dunkelbraunen Wurm, den er bisher in der hohlen Hand verborgen hatte, zwischen die weißen Zähne. »Lauter Elmsfeuer«, ergänzte er kauend.
Arien gab einen grunzenden Laut von sich und schluckte mehrmals etwas hinunter, und auch mir wurde es ganz flau im Magen, als ich sah, wie Palapa Filliom den Wurm zerkaute, als wäre er ein Makkaroni-Single, den man in dicke Soße getaucht hatte. »Vielleicht ist dort ein Beiboot der Stählernen Horde gelandet«, sagte ich – hauptsächlich, um mich und Arien von dem wenig ästhetischen Anblick abzulenken. »Ja«, meinte Arien und blickte ostentativ dorthin, wo Palapa nicht stand. »Sehen wir uns doch dort um!« Das war auch meine Absicht. Ich sah mich nur noch nach Klecks um. Das Kunstwesen hatte vor der VIRGINIA auf uns warten sollen, war aber nirgends zu sehen. Aber es war ja nie besonders diszipliniert gewesen. Wahrscheinlich hatte irgend etwas seine Neugier erregt, und Klecks war einfach hingeschlendert und hatte uns ganz vergessen. Mir blieb nichts weiter übrig, als hinter Arien und den anderen beiden Celestern herzulaufen, die unterdessen schon fünfzig Meter Geländegewinn für sich verbuchen konnten. Kopfjäger und Wurmfresser! kommentierte mein Extrasinn. * Arien, Palapa und Colobar hatten die Geländeerhebung erreicht, deren Höhe übrigens nirgendwo fünf Meter überstieg – relativ zu dem umgebenden Terrain. Sie waren in dem Meer tanzender farbloser Flammen so gut wie unsichtbar und eigentlich nur an dem Staub zu erkennen, den ihre Füße aufwirbelten. Als ich mich nach dem Lager umsah, konnte ich es nur noch verschwommen erkennen. Alles wirkte verwackelt und verzerrt und entfärbt. Nur die tiefstehende Sonne war kräftig gefärbt. Sie glich einem stark elliptisch verformten violetten Ball. Ich wandte mich wieder um und legte einen kurzen Sprint ein, um die Gefährten nicht vollends aus den Augen zu verlieren. Hinter mir stieg eine dunkelbraune Staubwolke auf, Sie sank schnell wieder zu Boden, da die Atmosphäre ziemlich dünn war, aber es blieb ein seltsames Glitzern in der Luft zurück. Ich dachte noch darüber nach, was dieses Phänomen wohl hervorrief, als ich über etwas stolperte. Ich stürzte nicht, denn was Reaktionsschnelligkeit und Körperbeherrschung anging, war ich durch permanente Übung in Höchstform. Statt dessen schnellte ich mich hoch und übersprang das Hindernis, das mir »ein Bein gestellt« hatte. Noch während ich durch die Luft flog, erkannte ich schräg unter mir Arien Richardson. Der Celester lag verkrümmt auf dem Boden und hatte die Hände krampfig gebogen nach seinem Hals ausgestreckt. Er regte sich nicht, und seine Augen waren weit aus den Höhlen gequollen. Ich begriff, während ich auf dem Boden aufkam. Arien war das Opfer einer Falle geworden, die auch für mich aufgestellt worden war. Nur für dich! raunte der Logiksektor mir zu. Ich ging in die Knie und federte meinen Aufprall ab. Dabei hielt ich den Mitosedetektor fest in beiden Händen, um eine Beschädigung zu verhindern, denn ich wußte, daß ich das Gerät in Kürze brauchen würde. Eigentlich hätte ich schon früher darauf kommen sollen, wurde mir klar. Nur die Tatsache, daß sowohl Arien als auch Palapa und die meisten anderen Celester vom polynesiden Typ waren, gab niemandem das Recht, sie als Kopfjäger und Wurmfresser anzusehen. Ganz im Gegenteil! Ihr
Aussehen stand in schroffem Gegensatz zu ihrer Lebensauffassung. Niemals hätten sie Kopfjagd, Frauenraub oder andere unmoralische Verlustierungen betrieben. Sie waren durch und durch Puritaner reinsten Wassers. Sie waren aber auch gebildet und hochzivilisiert – und zwar in jeder Beziehung. Ein Celester speiste ungefähr so zivilisiert wie ein Knigge-bewußter Terraner. Das hieß, er würde prinzipiell keinen Wurm zerkauen, sondern ihn bestenfalls, wenn er ihm auf einem Teller serviert wurde und er ihn deshalb für einen Bestandteil eines bluesschen Spezialgerichts hielt, mit Messer und Gabel zerteilen und die Stücke in den Mund schieben. Palapa war zumindest nicht primitiver – das hieß, der echte Palapa. Wer gegen diese Verhaltensregeln verstieß, der konnte weder der echte Palapa noch ein echter Celester sein! So weit mit meinen Gedanken gekommen, sah ich aus beiden Augenwinkeln je eine Bewegung. Ich schätzte sie richtig ein und warf mich deshalb der Länge nach zu Boden, den Detektor immer noch in den Händen haltend. Singend entluden sich zwei Paralysatoren. Mir war, als könnte ich die lähmende Energie auf meinem Rücken spüren. Aber wenn, dann bekam ich höchstens etwas Streustrahlung ab. Nach einer Rolle vorwärts sprang ich wieder auf die Füße, und als ich mich danach umsah, erblickte ich links und rechts von mir Colobar Tuira und Palapa Filliom. Sie hielten Paralysatoren in den Händen, und ihre Gesichter waren maskenhaft grotesk verzerrt. Es schien, als wäre ihr Mienenspiel eingefroren. Ich wußte es besser. Colobar und Palapa hatten mit Paralysatoren auf mich geschossen und sich gegenseitig getroffen, da ich zwischen ihnen auf Tauchstation gegangen war. Als sie sich auf mich zu bewegten, wußte ich, daß meine Vermutung zutraf. Sie waren keine Celester, sondern mit lebender Biofolie verkleidete Roboter. Paralysatoren konnten ihre Biofolie lähmen, aber die robotischen Funktionen blieben unverändert erhalten. Ich stellte den Detektor ab und griff nach dem Blaster in meinem Gürtelhalfter, ohne große Hoffnung, daß die beiden Roboter mich zum Schuß kommen lassen würden. Qualitativ hochwertige Roboter waren stets und in jeder Beziehung schneller als ein organisches Lebewesen. Es gab Sonderfälle, aber ich hielt keinen von ihnen für gegeben. Doch diese beiden verhielten sich anders, als ich es erwarten mußte. Dicht vor mir blieben sie stehen und steckten ihre Paralysatoren weg. »Es tut mir leid, Atlan«, sagte Palapa. »Aber wir dachten, du wärst derjenige, der Arien überfallen hat. Die Sicht ist in der Flammensteppe nicht besonders gut.« Ich beobachtete ihn scharf und sah, daß er beim Sprechen zwar den Mund bewegte, daß ihm aber die Muskeln nicht so recht gehorchten. Für den Bruchteil einer Sekunde wußte ich nicht, was ich tun sollte, denn ich mußte mich vordringlich um Arien kümmern, durfte aber die gebührende Vorsicht dabei nicht vernachlässigen, sonst würde ich schnell geliefert sein, dann deutete ich tiefer in die Flammensteppe hinein. »Behaltet diese Gegend im Auge!« befahl ich. »Ich glaube, ich habe vorhin dort verdächtige Geräusche gehört. Möglicherweise schleichen dort Gegner herum. Schießt sofort, wenn ihr eine Bewegung seht!« Es war ein Handikap aller Roboter – wenn sie nicht gerade teure Spezialmodelle waren –, daß sie nicht schauspielern konnten. Wenn es die Lage erforderte, daß sie einem Gegner gehorchten, um ihre wahre Identität zu verschleiern, dann mußten sie ohne Wenn und Aber gehorchen. Natürlich
konnten sie, wenn sie entsprechend programmiert waren, wissentlich die Unwahrheit sagen, aber sie würden sich durch eine unvermeidliche Diskrepanz zwischen Worten und Taten ziemlich schnell verraten. Da die beiden »maskierten« Stählernen das ganz sicher nicht wollten, konnte ich mich darauf verlassen, daß sie eine solche Diskrepanz vermieden, indem sie meine Anordnungen ohne Einschränkung befolgten. Palapa und Colobar bestätigten und nahmen eine Haltung ein, die mir verriet, daß meine Hoffnungen hinsichtlich ihres Verhaltens berechtigt waren. Es wurde aber auch höchste Zeit. Wenn Arien noch zu helfen war, dann mußte ich endlich handeln. Ich legte ihm meinen Blaster auf den Bauch, dann zog ich mein Messer und schnitt die dünne Schnur durch, die seinen Hals straff umspannte und ihm die Luft abschnürte. Das hieß, sie hätte ihm normalerweise längst die Luft abgeschnürt, und er wäre unwiderruflich tot gewesen, wenn er nur er selbst und nicht ein Cyborg gewesen wäre. So aber hatte der kybernetisch gesteuerte Organismus die abgeschnürten Halsschlagadern und die gequetschte Luftröhre entweder überbrückt oder dem Gehirn einen Scheintodschock verabreicht, der ihm ein längeres ungeschädigtes Überleben ohne Luft- und Blutzufuhr erlaubte. Es dauerte keine Minute, da atmete der Celester wieder – und eine weitere halbe Minute später war er hellwach. »Bleib liegen!« flüsterte ich ihm zu. »Du bist tot!« Ich blickte hoch und musterte die beiden falschen Celester. Sie wandten mir ihre Rücken zu und beobachteten offenbar tatsächlich das Gelände, wie ich es ihnen befohlen hatte. Verstohlen schaltete ich den Mitosedetektor ein und las die elektronische Anzeige ab. Das Ergebnis verschlug mir fast den Atem, denn es übertraf meine Erwartungen bei weitem. Weder Palapa noch Colobar sandten eine Mitosestrahlung aus. Sie hatten eine sogenannte Zellaura wie jede biologisch lebende Substanz, aber die für echtes Leben charakteristische Mitosestrahlung, die bei Kernteilungsprozessen entsteht, fehlte ihnen völlig. Das bedeutete, daß die Biofolie der beiden Stählernen das Produkt einer hochentwickelten Gentechnologie war, denn durch die Vermeidung von Kernteilungsprozessen wurde ein lästiges Wachstum von Tarnfolien verhindert. Es bedeutete aber auch, daß wir alle getarnten Stählernen ziemlich leicht entlarven konnten. Zu leicht! gab der Logiksektor zu bedenken. Es ist anzunehmen, daß sie ihre Achillesferse kennen und dafür gesorgt haben, daß sie durch einen Pluspunkt an anderer Stelle kompensiert wird. Ich muß es darauf ankommen lassen! dachte ich. Oder kennst du eine Alternative? Eine ganze Liste! erwiderte das Extrahirn. Nur nicht dazu. Ich seufzte. Mein »kleiner Bruder« hatte anscheinend seinen witzigen Tag. Aber ich durfte nicht länger warten. Der falsche Palapa und der falsche Colobar waren sicher nicht das ganze Agentenkorps, das auf Nimahiheim abgesetzt worden war – und wer weiß, was mit den Originalen geschehen war. Wenn wir ihnen schon nicht mehr helfen konnten, mußten wir wenigstens versuchen, die übrigen Crew-Mitglieder vor einem ähnlichen Schicksal zu bewahren. »Bringen wir es hinter uns!« sagte ich laut. »Dreht euch um, Roboter!« Die beiden getarnten Roboter schienen nur daraufgewartet zu haben. Sie drehten sich synchron und so schnell, daß ich keine Chance gehabt hätte, wenn meine entsprechende Vorsorge nicht gewesen wäre. So richteten sie ihre Waffen auf mich – und gerieten aus dem Takt, als sie mich waffenlos stehen sahen. Sie brauchten keine Sekunde, um die wirkliche Lage zu erfassen. Doch diese Zeitspanne genügte Arien. Er hielt den Blaster, den ich auf seinem Bauch deponiert hatte, bereits in der Hand,
als die Roboter reagierten. In dem Moment, in dem sie gegen ihn Front machen wollten, feuerte er. Zuerst zerschoß er die Paralysatoren der Stählernen, dann gab er je einen Schuß auf ihre oberen Drittel ab, in der Annahme, daß sich dort die Positronengehirne befanden. Diese Annahme bestätigte sich. »Palapa« und »Colobar« erstarrten, dann kippten sie um und blieben liegen. Nur ihre Arme und Beine bewegten sich noch unkontrolliert weiter. »Gut gemacht!« lobte ich den Celester, während er auf die Beine kam. Doch dann wurde mir klar, daß wir noch nicht gewonnen hatten. Im Gegenteil, wir waren auf dem besten Weg zur Niederlage, denn aus allen Richtungen bewegten sich Celester und Samariter auf unseren Standort zu – und die schußbereiten Strahlwaffen in ihren Händen verrieten, daß sie nicht kamen, um mit uns über das Wetter zu plaudern. »Wirf mir den Blaster herüber und krieche in den Boden!« forderte ich Arien mit rauher Stimme auf. * »Und was nun?« erkundigte sich Arien, nachdem er meiner Aufforderung gefolgt war, so gut es ging. Ich lag ganz in seiner Nähe, preßte mich fest gegen den harten Boden und wünschte mir nichts sehnlicher als eine halbwegs brauchbare Deckung. Aber ringsum war der Boden fast so eben wie eine Tischplatte, und die beiden abgeschossenen Roboter erschienen mir als Deckung nicht sehr verlockend, denn ich wußte nicht, ob sie vielleicht doch noch zu gezielten Bewegungen fähig waren. »Ich werde versuchen, sie so lange wie möglich aufzuhalten«, erwiderte ich. »Wenn die Samariter merken, daß hier gekämpft wird, kommen sie uns sicher zu Hilfe«, meinte der Celester hoffnungsvoll. »Gewiß werden sie unsere sterblichen Überreste bergen«, gab ich sarkastisch zurück. »Vorher können sie nicht kommen, ohne gegen ihr Prinzip der strikten Neutralität zu verstoßen.« Ich visierte durch die tanzenden Flammen den nächsten heranstapfenden Celester an, dann zögerte ich. Wie konnte ich einfach auf einen Celester schießen, ohne genau zu wissen, daß es sich um einen getarnten Roboter handelte? Ich zog den Mitosedetektor zu mir, schaltete ihn ein und richtete die Sensoren auf den Celester. Keine Mitosestrahlung! Diesmal zögerte ich nicht. Ich schoß, und der maskierte Roboter kippte um, nachdem er noch drei Schritte gegangen war. Im gleichen Augenblick eröffneten auch die anderen Roboter das Feuer. Mir fuhr eisiger Schreck durch die Glieder, als ich sah, daß es sich nicht um Paralysestrahlen handelte, die da auf Arien und mich zurasten, sondern um die gleißend hellen und sonnenheißen Strahlen von Impulsblastern, absolut tödlich für jedes organische Lebewesen. Ich erstarrte. Aber nicht nur ich. Auch die Zeit erstarrte. Zumindest gewann ich den Eindruck, daß sie stillstand, während meine Gedanken rasten. Schockzustand! Erst jetzt wurde mir klar, daß mein Sich-Abfinden mit dem Tod vorhin nur ein verbaler Kraftakt
gewesen war. In Wirklichkeit war ich davon überzeugt gewesen, daß die Roboter uns lebend fangen wollten, weil die Facette Yog-Mann-Yog mich noch immer zu ihrem biologischen Diamanten machen wollte. Das Verhalten der Stählernen beraubte mich dieser Illusion und bewies mir, daß Yog-Mann-Yog kein Interesse mehr an mir hatte. Er wollte mich nur aus dem Weg haben und hatte seinen Agenten deshalb den Mordbefehl erteilt. Überall ringsumher krachte und donnerte es. Der Schock hatte sich gelöst; die Zeit lief wieder. Ich preßte das Gesicht gegen den Boden, überzeugt davon, daß Gegenwehr sinnlos sei – schon allein deswegen, weil sie nicht länger als ein paar Sekunden dauern konnte, denn danach war ich tot. Sie war zudem unmöglich, denn ein einziger Blick in das Gewitter ultraheller Blitze hätte mir die Augen aus den Höhlen gebrannt. Als es still wurde, wunderte ich mich als erstes darüber, daß ich noch lebte. Mein nächster Gedanke war die Überlegung, ob ich mir nur einbildete, noch zu leben und statt dessen nur noch körperloses Bewußtsein war: eine ÜBSEF-Konstante kurz vor dem Start in die Unendlichkeit. Schließlich siegte der Wille, mich davon zu überzeugen, welche Möglichkeit zutraf. Im nächsten Moment wußte ich Bescheid, denn mein entsprechender Gedanke hatte nicht genügt, um mich die Umgebung sehen zu lassen. Folglich mußte ich die altmodische Methode anwenden, und folglich lebte ich noch in meinem Körper. Impulsiv riß ich den Kopf hoch. Aus flackernden Augen suchte ich die Umgebung ab. Ich sah einen Wald aus fast undurchsichtigen, tanzenden Flammen, verglühtes, aufgeworfenes und zu Asche zerblasenes Erdreich und davor – und mir gegenüber – ein staubgeschwärztes Gesicht, in dem zwei weitaufgerissene Augen gespenstisch leuchteten. Es war Ariens Gesicht, und seine Augen stellten die stumme Frage, warum wir noch lebten. Ich begriff es selber nicht. Bei dem massierten Feuer, mit dem die Stählernen uns eingedeckt hatten, hätte von uns nicht mehr als eine rasch verwehende Dampfwolke übrigbleiben dürfen. Es sei denn, die Roboter hätten absichtlich daneben gezielt. Mein nächster Rundblick belehrte mich eines anderen. Die als Celester und Samariter maskierten Roboter waren immer noch da, aber anstatt erneut auf Arien und mich zu schießen, irrten sie anscheinend ziellos in unserer Umgebung herum. Sie waren wegen der Flammen nur undeutlich zu sehen, und ich merkte, daß das Elmsfeuer sich verstärkt hatte. Noch während ich hinsah und mich über die abrupte Änderung im Verhalten der Stählernen wunderte, blieb einer von ihnen, er war als Samariter-Roboter maskiert, stehen, hob die rechte Hand mit dem Blaster und gab einen Schuß ins Leere ab. Die Reaktion der übrigen Stählernen war äußerst merkwürdig. Sie blieben ebenfalls stehen – und dann schossen sie alle in die ungefähre Richtung, in die der Schuß gegangen war. Im nächsten Moment mußte ich die Augen schließen, denn über dem Gelände tobten Entladungen, als hätte jemand Tausende Tonnen von Wasserstoff mit der Luft vermischt und dann ein brennendes Streichholz hinein geworfen. Als ich die Augen vorsichtig wieder öffnete, fiel gerade ein einzelner Schuß. Auch er löste eine grelle Entladung aus, aber sie blendete mich nicht so, daß ich die Augen erneut schließen mußte. Deshalb sah ich, daß die Entladung nicht dort erfolgte, wohin der Schuß gezielt worden war, sondern mindestens zehn Meter seitlich davon.
Ich schüttelte den Kopf, und während die Stählernen abermals umherirrten, fiel mir die Lösung des Rätsels ein. Die Aufladung der planetarischen Atmosphäre mit statischer Elektrizität, die sich optisch hauptsächlich in den Elmsfeuern manifestierte, war viel stärker als angenommen. Sie war so stark, daß Strahlschüsse abgelenkt oder zerstreut und Positroniken verwirrt wurden. Nur diesem Umstand verdankten Arien und ich unser Leben. Der Celester schien das ebenfalls zu begreifen. Ich sah es am Ausdruck seiner Augen. Doch dann wurde sein Blick hart und wild entschlossen. Er hielt mir die geöffnete Hand hin, und ich ließ den Blaster wie unter innerem Zwang hineingleiten. Als er die Waffe beidhändig auf einen der Roboter richtete, wurde mir klar, daß er doch noch nicht alles begriffen hatte. Er benötigte zirka ein Dutzend Schüsse, die alle weit daneben gingen, um das nachzuholen. Mit einer Verwünschung ließ er den Blaster fallen und drehte sich nach mir um. In diesem Augenblick senkte sich eine dünne Wolke hell glitzernden Staubes auf uns herab. Durch das Glitzern hindurch sah ich, wie Ariens Augäpfel sich mit einer silbrig schimmernden Schicht überzogen. Dann schien sich die glitzernde Staubwolke zu verdichten, und ich sah nichts mehr außer einem Wirbel silbern schimmernder Kristalle. Um mich herum drehte sich alles. Ich hatte das Gefühl, als würde ich vom übrigen Universum abgeschlossen. Aber schon, während ich das dachte, zerschmolzen die Erinnerungen an jenes Universum. Sekunden später wußte ich nichts mehr davon, daß es außer mir noch etwas gab. Ich war das Universum – oder, um exakt zu sein, ich war die erstarrte Zeit, in der das Universum gefangen war. Es wurde Zeit, mich abzuschaffen und damit der Evolution den Weg frei zu machen…
5. Irgend etwas hatte mir seinen Willen aufgezwungen und versucht, mich in den Tod zu treiben. Ich wurde mir dessen erst bewußt, als der Sturm losbrach und meinen Selbsterhaltungstrieb so hochpeitschte, daß er den Todestrieb überkompensierte. Ringsum gab es anscheinend nur noch aufgewirbelten Staub: dichte, alles erstickende Wolken dunkelbraunen, zundertrockenen Staubes, der in Ohren, Mund und Nase drang und die Poren der Haut verstopfte. Ich hielt die Luft an, schloß die Augen und riß die provisorische Helmkapuze aus dem Halswulst der Bordkombination. Sie war kein echter Druckhelm, denn diese grünen Bordkombinationen der Celester waren nicht für den Aufenthalt im freien Raum vorgesehen. Dafür gab es auf der VIRGINIA spezielle Raumanzüge. Aber als Schutz gegen giftige Gase und, wie in diesem Fall, gegen einen Staubsturm leisteten sie recht gute Dienste. Ich wartete noch so lange, bis ich an den Geräuschen des Luftreinigers hörte, daß die Innenluft des Anzugs weitgehend vom Staub befreit war, dann öffnete ich die Augen. Immer noch sah ich nichts als dichten, dunkelbraunen Staub – aber ich spürte ihn wenigstens nicht mehr. Dennoch atmete ich zuerst nur zaghaft ein. Aber als ich merkte, daß die Luft einigermaßen sauber war, sog ich sie tief in die Lungen. Der frische Sauerstoff belebte meine Gehirnzellen und befähigte mich zu klarerem Denken. Irgendwo in meiner nächsten Umgebung mußte sich Arien Richardson befinden. Ich ahnte, daß das Unbekannte ebenfalls versucht hatte, ihn in den Tod zu treiben. Möglicherweise war es bei ihm erfolgreicher gewesen als bei mir, aber falls er noch lebte, brauchte er wahrscheinlich Hilfe. Ich kroch auf Händen und Knien umher, stieß gegen eine humanoide Gestalt, die auf dem Rücken lag und schwach mit Armen und Beinen zuckte, und in der ich deshalb einen der beiden als Palapa und Colobar maskierten Roboter vermutete. Mir fiel ein, daß ich Arien über das Funkgerät meiner Kombination erreichen konnte, wenn er seine Helmkapuze ebenfalls geschlossen hatte. Aber während ich nach der betreffenden Schaltung tastete, ergriff eine Hand des Roboters mein linkes Fußgelenk und verkrampfte sich darum. Alle meine Versuche, mich aus diesem Griff zu befreien, schlugen fehl. Nach einer Weile wurde mir klar, daß ich nur Kraft vergeudete, wenn ich mich mit Brachialgewalt zu befreien versuchte. Es widerstrebte mir jedoch auch, mein Funkgerät einzuschalten und um Hilfe zu rufen. Arien ging es wahrscheinlich nicht viel besser als mir, sonst hätte er sich seinerseits schon bemerkbar gemacht. Folglich mußte ich meine Probleme selber lösen. Irgendwo lag die Waffe, die Arien fallen gelassen hatte, nachdem er vergeblich versucht hatte, die angreifenden Roboter abzuschießen. Nur mit ihr konnte ich mich aus dem Robotergriff befreien. Ich kroch weiter und tastete den Boden mit den Händen ab. Zum Glück hielt sich der Roboter nirgendwo anders fest als an meinem Fußgelenk. So konnte ich ihn ein Stück hinter mir her ziehen, während ich nach dem Blaster suchte. Insgeheim hoffte ich natürlich, bei dieser Suche Arien zu finden. Doch es war tatsächlich nur die Waffe, die ich schließlich ertastete. Ich überprüfte sie nur mit den Fingern, denn der aufgewirbelte Staub war noch immer so dicht, daß das optisch erkennbare Universum an meiner erstarrten Helmfolie endete. Anschließend zerschoß ich mit zwei nadelfeinen Impulsstrahlen die Verriegelungen der Roboterhand und war endlich wieder frei. Aufatmend setzte ich mich auf und tastete erneut nach der Schaltung für das Funkgerät. Aber bevor ich es einschalten konnte, sang eine wohlklingende Stimme in meinem Kopf:
Die Zeit, die du hast, entspricht ungefähr einer Stunde in der Zeitmessung deiner Freunde. Ich wußte sofort, daß es sich um eine mentale Botschaft der Wesenheit handelte, die sich schon einmal gemeldet und mir Hilfe versprochen hatte. Aber bevor ich dazu kam, mir eine Frage auszudenken, zogen mich rätselhafte musikalische Klänge in ihren Bann. Ich konnte nicht anders, ich mußte ihnen lauschen. Und als sie verstummten, befand ich mich in einer anderen Welt. * Ein blaßblauer Himmel spannte sich klar über einer baum- und strauchlosen Ebene, die bis an die Horizontlinie reichte, die mich in einigen Kilometern Entfernung kreisförmig umgab. Das ist Nimahiheim! teilte mir mein Extrasinn mit. Ich ließ die optischen Eindrücke und die Schwerkraft auf mich einwirken. Das hätte Nimahiheim sein können – bei schönem Wetter und ohne die VIRGINIA, die Samariter von Alkordoom und die Stählernen! überlegte ich. Ich blickte auf den Blaster, den ich immer noch in der Hand hielt. Er war aktiviert – und er war teilweise mit dunkelbraunem Staub eingepudert. Genau wie meine Bordkombination. Das kann nicht Nimahiheim sein! dachte ich intensiv zurück. Ja und nein! raunte der Extrasinn mir zu. Aber davon abgesehen, würde ich einen Blick auf deinen Chronographen werfen, damit du weißt, wieviel von der Frist schon verstrichen ist. Unmöglich! dachte ich. Dennoch hob ich den Arm und blickte auf das Ablesefeld des Chronographen, den ich aus dem Herzogtum von Krandhor in diese Galaxis mitgebracht hatte, die Alkordoom hieß und identisch war mit der Galaxis NGC 1265 im Perseushaufen, 235 Millionen Lichtjahre weit von der Menschheitsgalaxis entfernt. Das Datum war der 17. Dezember 3818. Doch das war nicht das, was mich vorrangig interessierte. Im Zentrum des Ablesefelds stand 23.04.33 h. Es handelte sich um die Standardtime von Terra, die mir noch immer als wichtigster Anhaltspunkt diente, obwohl sie für meinen jeweiligen Aufenthaltsort in Alkordoom bedeutungslos sein mußte. Im gleichen Moment, in dem ich diese Zeitangabe las, wußte ich, daß ich bei meinem letzten Blick darauf die Angabe 23.03.52 h gelesen hatte – und das war unmittelbar nach der mentalen Ankündigung gewesen, daß die Zeit, die ich hatte, ungefähr eine Stunde in der Zeitmessung meiner Freunde betrug. Ich lächelte wehmütig, als ich daran dachte, daß mit meinen Freunden nur die Terraner gemeint sein konnten. Von der Stundenfrist waren also noch keine zwei Minuten vergangen! überlegte ich. Also doch nicht unmöglich! meldete sich der Logiksektor. Ich dachte nicht, daß ich mich erinnern würde! erwiderte ich gedanklich. Trotz deines photographischen Gedächtnisses? spottete der Extrasinn. Ich dachte eine Verwünschung. Mir war nicht nach derartigen Spitzfindigkeiten zumute. Vorrangig beschäftigte mich der Gedanke, wer das wohl gewesen sein mochte, der mir die Botschaft hatte zukommen lassen und mich offenkundig auf einen anderen Planeten versetzt hatte. Ich ließ mir die mentalen Eindrücke von der »Stimme« noch einmal durch den Kopf gehen – und
stutzte. Mir war, als hätte ich eine ähnliche, wohltuende singende Stimme schon einmal gehört. Ich helfe dir, Atlan! sang mein Extrasinn ironisch. Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Der Extrasinn hatte die mentale Stimme so exakt kopiert, daß ich sofort wußte, wo und wann ich sie schon einmal gehört hatte. Es war in dem von Cuper gesteuerten Zubringer gewesen – während des Fluges von der WIEGE DER BEWAHRUNG zum Notlager auf Nimahiheim. Nur hatten damals die rätselhaften musikalischen Klänge gefehlt… Fällt es dir immer noch nicht ein? raunte mein Extrasinn fordernd. Denk an die Musik! Hast du solche Klänge wirklich noch nie zuvor gehört? Meinst du vielleicht beim Harfenkonzert der Holy Society in Mistras im Jahre 2099? dachte ich spontan und seufzte, weil die Erinnerung an dieses denkwürdige Konzert mit der Erinnerung an eine zwar nur kurzlebige, aber sehr harmonische Zweier-Beziehung verknüpft war. Hm, hm! übermittelte mir der Extrasinn. Du spielst auf Prinzessin Ennistimoon an? dachte ich ungläubig. Warum nicht? gab der Extrasinn zurück. Wer käme denn außer ihr in Frage? Ich wollte lachen, aber das Lachen verging mir, als ich von der Ahnung ergriffen wurde, was tatsächlich mit mir geschehen war und was von mir erwartet wurde. Prinzessin Ennistimoon mußte mich, wie auch immer, auf eine Parallelzeitwelt von Nimahiheim versetzt haben – und sie schien von mir zu erwarten, daß ich in der Stunde, die mir zur Verfügung stand, etwas unternahm und erreichte, das mir danach auf Nimahiheim helfen würde, mit dem Problem der Stählernen fertig zu werden. Es war der blanke Wahnsinn! Du bist Atlan! übermittelte mir mein Logiksektor. Als ob damit alles gesagt wäre! Doch seltsamerweise hob die Mahnung meines Logiksektors mein in Alkordoom arg geschundenes Selbstbewußtsein wieder an. Ich wurde mir wieder bewußt, wie sehr ich mein ganzes bisheriges Leben für die Freiheit des Wortes und der Tat, für Gerechtigkeit und Würde und für das Recht des einzelnen eingetreten war. Alles das mußte Prinzessin Ennistimoon gespürt haben, denn andernfalls hätte sie sonst nicht derart große Erwartungen in mich gesetzt. Ich war ganz einfach dazu verpflichtet, diese Erwartungen zu erfüllen. Ich stand auf und blickte über die Landschaft, über der Cat’s Eye leuchtete. Langsam klappte ich den Folienhelm zurück. Er sank sofort in sich zusammen und rollte sich vorprogrammiert in den Halswulst der Bordkombination. Die Luft, die sich vor meinem Gesicht sachte bewegte, war warm und extrem trocken – und sie war von Spannung erfüllt. Wenn ich den Kopf bewegte, knisterte es in meinem Haar, und wenn ich einen Fuß anhob, züngelten zwischen der Stiefelsohle und dem Staubboden die Flämmchen elektrischer Entladungen. Langsam bewegte ich mich vorwärts, immer darauf gefaßt, eine Überraschung zu erleben. Irgend etwas mußte hier schließlich geschehen, das mich weiterbrachte. Sonst wäre die Versetzung auf eine Parallelzeitwelt von Nimahiheim sinnlos gewesen. Doch die Zeit verrann, und ich argwöhnte allmählich, daß ich einem Phantom nachjagte. Ich konnte keine Anzeichen dafür entdecken, daß meine hochgesteckten Erwartungen sich erfüllen würden. Hier gab es nichts außer dem leblosen, staubbedeckten Planeten, auf dem nur dort Bewegungen stattfanden, wo ganze Scharen von Elmsfeuern über die Landschaft geisterten.
Das Knistern in meinem Haar verstärkte sich, als ich ein solches »Feld« von Elmsfeuern durchquerte. Ich nahm mir vor, noch ungefähr eine Viertelstunde zu gehen und dann umzukehren, denn ich hatte bereits die Hälfte meiner Frist verbraucht und würde die zweite Hälfte benötigen, um zu meinem Ausgangspunkt zurückzukehren. Für diesen Rückweg gedachte ich allerdings den Antigrav der Bordkombination zu benutzen. Als ich das »Feld« durchquert hatte, war die Zeit um. Gleichzeitig aber sah ich vor mir ein kleines Raumschiff. Es mußte bisher durch die Elmsfeuer meinen Blicken entzogen gewesen sein. Das bestätigte sich, als ich vorsichtshalber drei Schritte zurückwich. Sofort verschwammen die Konturen des Schiffes. Ich wartete mit schußbereiter Waffe ab, ob jemand auf mein Erscheinen reagierte. Erst als das ausblieb, ging ich wieder vorwärts. Ich blieb nicht stehen, als die Konturen des Raumfahrzeugs wieder klar wurden. Falls sich jemand in dem Schiff befand, wollte ich ihm nicht unnötig viel Zeit zum Nachdenken geben, denn je mehr Zeit jemand dafür hatte, um so größer wurde die Wahrscheinlichkeit, daß er sie nur dazu nutzte, um ausgesprochen dumm zu reagieren. Aber nichts rührte sich bei dem fremden Schiff. Bis ich es erreichte, hatte ich Zeit genug, es mir genau anzusehen. Ich zweifelte nicht daran, daß es aerodynamisch gelandet war, denn seine Form war elliptisch, und es hatte außer breiten dreieckigen Tragflächen am Bug ein Paar kleine Stabilisierungsflossen und am Heck Höhen- und Seitenruder. Die Länge betrug zirka dreißig Meter, die Höhe etwa zehn Meter inklusive der Luft von rund fünf Metern Höhe, die zwischen der Unterseite des Schiffes und dem Boden lag – eine Distanz, die von einem Paar Landekufen garantiert wurde, die so grazil gebaut waren, daß das Schiff nicht rein aerodynamisch gelandet sein konnte, sondern Antigravs zu Hilfe genommen hatte. An die Innenseite der linken Landekufe gelehnt, wartete ich einige Sekunden. Falls das Schiff besetzt war, mußte eine Reaktion auf meine Annäherung erfolgen. Doch wieder rührte sich nichts. Kurz entschlossen stieg ich die sprossenförmigen Einsparungen der Landekufe hinauf und schwang mich durch eine zirka drei mal zwei Meter große Öffnung in die Schleusenkammer des Raumschiffs. Hinter mir schloß sich das Außenschott. Leuchtplatten flammten auf und verstrahlten grelles blauweißes Licht. Allmählich wurde mir mulmig zumute, weil noch immer kein einziges lebendes Wesen aufgetaucht war. Etwas konnte hier nicht stimmen. Niemand ließ sein Raumschiff unbewacht auf einem fremden Planeten stehen. Ich nahm jedenfalls an, daß es Fremde waren, die mit dem Raumschiff auf der Parallelzeitwelt von Nimahiheim gelandet waren, denn der Planet selbst zeigte keinerlei Anzeichen für einheimisches intelligentes Leben. Im Grunde genommen zeigte er für keinerlei wie auch immer geartetes Leben den geringsten Anhaltspunkt. Vielleicht haben die Raumfahrer noch keine schlechten Erfahrungen mit anderen Intelligenzen gehabt und sind deshalb arglos genug, um ihr Schiff unbewacht auf einer fremden Welt herumstehen zu lassen! meinte der Logiksektor. Unsinn! dachte ich zurück. Dieses Raumschiff ist hochmodern und zugleich ein Massenprodukt. So etwas sehe ich einfach. Es gibt aber keine intelligente Lebensform, die Raumschiffe in Massenproduktion herstellt und nicht gleichzeitig weit im Universum herumkommt – und wer diese Voraussetzungen erfüllt, der hat auch schon genug schlechte Erfahrungen gesammelt, um gewisse Vorsichtsmaßnahmen zu beachten. Gebranntes Kind scheut das Feuer! formulierte der Extrasinn ironisch. In meinem Genick kribbelte es unangenehm, als das Innenschott sich öffnete. Ich nahm den Strahler schußbereit in beide Hände und stürmte durch den hinter der Schleusenkammer befindlichen Korridor, der ebenfalls in grelles blauweißes Licht getaucht war. Sekunden später duckte ich mich an der offenen Schleuse zur Steuerzentrale. Aber noch während
dieser Bewegung erkannte ich, daß sie überflüssig war. Tote schossen nicht, und die drei Wesen innerhalb der Steuerzentrale waren zweifellos so tot, wie man nur sein konnte. Sie waren hominid, etwa zweieinhalb Meter groß, von grazilem Körperbau und mit einer Haut gleich schwarzem Lack. Ihre großvolumigen Schädel waren von dichtem, fast drahtigem schwarzen Kraushaar bedeckt, die hohen Stirnen zeugten von hochentwickelten Gehirnen, und die Gesichter waren sowohl nach terranischen als auch nach arkonidischen Begriffen ausgesprochen edel geformt. Nur hatten diese Wesen nichts mehr davon, denn sie hatten sich mit ihren Blastern gegenseitig erschossen. Die Waffen lagen noch zu ihren Füßen – mitten zwischen faust- bis kopfgroßen glitzernden Gesteinsbrocken, die infolge der grellen Beleuchtung den Eindruck erweckten, als pulsierten sie. Vielleicht pulsieren sie wirklicht wisperte mein Logiksektor. Ein schrecklicher Verdacht keimte in mir auf. Ich ging in die Hocke, um die Gesteinsbrocken deutlicher zu sehen. Doch plötzlich pulsierten sie nicht mehr. Mein Verdacht wuchs. Wenn das Pulsieren eine optische Täuschung gewesen wäre, hätte ich mich ihr nicht so schnell und gründlich entziehen können. Anders sah es aus, wenn die Gesteinsbrocken tatsächlich pulsiert hatten. Dann erschien es möglich, daß sie damit aufgehört hatten, um sich nicht zu verraten. Ich stand langsam auf und schloß unwillkürlich die Augen. Dadurch sah ich das Gelände des Notlagers wieder vor mir – und die zahllosen Kristallbrocken, die dort herumlagen. Und ich sah vor meinem geistigen Auge die Toten der VIRGINIA: Kurunam Lotta, Mamma Smith, Josef Laukulu und Absalom Krukau – und mit einemmal wußte ich, daß sie nicht von erkrankten Mitgliedern der VIRGINIA-Crew ermordet worden waren, sondern daß die Kristalle von Nimahiheim sie in den Tod getrieben hatten. So, wie beinahe auch dich! stellte der Logiksektor fest. Schweratmend öffnete ich die Augen wieder, wild entschlossen, die Kristallbrocken auf irgendeine Weise aus ihrer Reserve zu locken und sie für ihre Untaten zur Verantwortung zu ziehen. Aber nichts dergleichen war mir möglich, denn es gab keine Kristallbrocken mehr an Bord des fremden Raumschiffs. Und während ich noch überlegte, lief die Frist ab, und eine mir unverständliche, vorprogrammierte Zeitmanipulation stellte mich auf die ursprünglichen Raum-Zeit-Koordinaten zurück.
6. Staubschwaden erfüllten die Luft, aber sie waren nicht undurchdringlich wie zuvor, sondern lichteten sich zusehends. Ich schloß dennoch den Folienhelm wieder, den ich auf der Parallelzeitwelt zurückgeklappt hatte, denn die elektrische Aufladung der Atmosphäre war stärker als jemals zuvor und drohte, auf mich überzugreifen, bis ich verglühte. »Tütütüt!« flötete es, kaum daß ich den Helm verschlossen hatte. Ich schaltete das im Halswulst installierte Funkgerät ein und meldete mich. »Gott sei Dank!« rief die aufgeregte Stimme von Arien Richardson. »Wo hast du nur gesteckt? Ich habe versucht, dich zu erreichen, aber bis jetzt erfolglos.« »Das läßt sich nicht mit wenigen Worten erklären«, erwiderte ich und blickte mich suchend um. »Wo sind die maskierten Roboter Yog-Mann-Yogs?« »Sie liegen dort herum«, antwortete der Celester. Ich hatte mich inzwischen gedreht. Dabei war Arien in mein Blickfeld gekommen. Er sah aus, als hätte er den Staubsturm gut überstanden. Mit der rechten Hand machte er eine alles umfassende Geste. Ich verstand, was er damit meinte. Ich hatte die reglosen Gestalten, die uns in weitem Umkreis umgaben, gleich nach meiner Rückkehr im Staub liegen sehen, war mir aber wegen der schlechten Sicht nicht ganz sicher gewesen, ob es sich dabei tatsächlich um die robotischen Helfer der Facette handelte. »Weißt du, was sie erledigt hat?« erkundigte ich mich, während ich mich darüber wunderte, daß die Nacht noch nicht hereingebrochen war, denn bevor ich auf die Parazeitwelt geschickt worden war, hatte Cat’s Eye schon sehr tief gestanden. Inzwischen hätte es dunkel sein müssen. »Kurzschlüsse«, erklärte Arien. »Die Elmsfeuer wurden so stark, daß die Roboter durch Kurzschlüsse innerlich ausbrannten. Es war ein regelrechtes Feuerwerk.« Ich nickte bedächtig und sah auf das Zentrum des Ablesefelds meines Chronographen. Als ich sah, daß darin 23.04.07 h stand, zog ich unwillkürlich die Luft scharf ein. Unmittelbar vor meiner Versetzung auf die Parazeitwelt war es 23.03.52 gewesen. Fast auf die Sekunde genau zu diesem Zeitpunkt mußte ich wieder von dort gekommen sein. Die Differenz von 15 Sekunden erklärte sich dadurch, daß ich nicht sofort nach der Rückkehr auf die »Uhr« geschaut hatte. »Phantastisch!« kommentierte ich, und um Fragen zu entgehen, die ich nicht sofort beantworten konnte, fügte ich hinzu: »Hoffentlich sind unsere Samariter nicht auch durch Kurzschlüsse ausgeschaltet worden.« Meine Frage wurde durch das Auftauchen von Cuper beantwortet. Der Chef des Landungskommandos der Samariter stand auf einer Antigravplattform, die sich langsam und in geringer Höhe unserer Position näherte. Vielleicht hätte ich darüber jubeln sollen, doch vorerst machte es mich nur noch nachdenklicher, denn es warf die Frage auf, warum die Aufladung der Atmosphäre zwar die Stählernen, nicht aber die Samariter ausgeschaltet hatte. Ich winkte Cuper zu. Dabei sah ich den Mitosedetektor wieder. Er lag auf dem Boden, halb unter dunkelbraunem Staub begraben. Ohne große Hoffnung, daß er noch funktionieren könnte, buddelte ich ihn aus, richtete ihn auf Arien und stellte erstaunt und erfreut fest, daß es die für Menschen normale Zellkernstrahlung anzeigte. Das sprach für die hohe Qualität des Geräts und für die Technik der Celester. Inzwischen war die Antigravplattform zwischen Arien und mir zum Stehen gekommen. Cuper schwang sich herab und wandte sich mir zu.
»Einen Moment noch!« bat ich, denn ich hatte in der Nähe einen kopfgroßen Mineralbrocken entdeckt und wollte die Probe aufs Exempel machen. Nachdem ich die Sensoren des Mitosedetektors auf den Brocken gerichtet hatte, blickte ich auf das Anzeigefeld – und erstarrte, denn es zeigte absolut nichts an, weder eine Zellaura noch eine Mitosestrahlung. Das bedeutete, daß der Kristallbrocken weder wuchs noch überhaupt einen Stoffwechsel besaß und damit ein Kriterium für Leben nicht erfüllte. Ich war ein wenig ratlos, denn bis eben war ich ganz sicher gewesen, daß die Kristalle intelligentes Leben verkörperten und alle Fremden so verabscheuten, daß sie sie in den Selbstmord oder zum Mord zu treiben versuchten. »Bitte, beeilt euch!« drängte Cuper. »Das Hospitalschiff meldete mir, daß rings um diesen Planeten mehrere Schiffe aufgetaucht sind, die als Raumschiffe der Stählernen Horde identifiziert wurden.« »Dann müssen wir zusehen, daß wir die VIRGINIA bemannen können!« rief Arien. »Wie viele Leute der Crew sind inzwischen wieder einsatzfähig, Cuper?« »Niemand außer dir und Atlan«, antwortete der Samariter. »Dann müssen wir die VIRGINIA in ein Versteck bringen!« stieß Arien hervor und schwang sich auf die Antigravplattform. »Beeile dich, Atlan!« »Warte noch!« erwiderte ich und deutete auf einen der »toten« Roboter, der als Celester maskiert war. »Den nehmen wir mit. Ich möchte unbedingt die Biofolie untersuchen und außerdem eine Probe mitnehmen.« »Unsere Zeit wird knapp«, wandte Cuper ein und traf Anstalten, ebenfalls auf die Plattform zu steigen. Doch Arien hörte nicht auf ihn, sondern auf mich. Er verließ die Plattform wieder und half mir, sie zu dem Roboter zu schieben, den ich bezeichnet hatte. Cuper hatte keine andere Wahl, als uns dabei zu helfen. Im letzten Moment erinnerte ich mich an den Mitosedetektor und nahm ihn ebenfalls mit auf die Plattform. Als auch der »tote« Roboter auf der Plattform verstaut war und wir uns darauf drängten und starten wollten, warf ich noch einen Blick zurück auf den Ort, der für Arien und mich beinahe zum Grab geworden war. Ich stutzte. Vor etwa einer Minute hatte ich nur einen einzigen Kristallbrocken in unmittelbarer Nähe gesehen. Jetzt waren es fünf. So sehr konnte ich mich nicht getäuscht haben. Diese Kristalle mochten vielleicht nicht alle gängigen Lebenskriterien erfüllen, aber sie lebten auf ihre Art dennoch – und sie waren offenkundig dabei, sich zu einem neuen mentalen Angriff zu versammeln. Zögernd streckte ich die Hand nach meinem Blaster aus. Ich scheute davor zurück, intelligentes Leben zu schädigen, aber ich wäre verantwortungslos gewesen, hätte ich gewartet, bis die Kristalle Arien und mich unter psionische Kontrolle bekommen und zum Selbstmord oder Mord getrieben hätten. Meine Hand griff zum Blaster – und schloß sich um das leere Gürtelhalfter. Im nächsten Augenblick fuhren sonnenheiße Strahlen zu den fünf Kristallbrocken und entluden sich donnernd und krachend in ihnen. Als ich mich nach Cuper umwandte, sah ich, daß der Samariter meine Waffe in der Hand hielt. Ich lächelte ihn an. »Sagtest du nicht, ihr Samariter würdet strikte Neutralität wahren?« »Selbstverteidigung bricht die Neutralität nicht«, erklärte er und reichte mir den Blaster zurück.
Sein Argument leuchtete mir ein, aber mein Logiksektor machte Bedenken geltend. Es hat kein Anzeichen dafür gegeben, daß der Roboter zur Selbstverteidigung gezwungen war! raunte er mir zu. Ich zuckte die Schultern. Im Grunde spielt das keine Rolle! dachte ich zurück. Ich werde ihn dafür jedenfalls nicht kritisieren, sondern darauf hoffen, daß er bei einem Angriff der Stählernen Horde aus dem Raum ebenfalls zur Selbstverteidigung greift. Ich blickte nach oben, als Cuper die Antigravplattform startete. Aber natürlich war von hier aus mit bloßem Auge nichts von den Raumschiffen zu erkennen, die Nimahiheim umkreisten. Als die Plattform nach Steuerbord krängte, hielt ich mich an einem ihrer Haltegriffe fest und spähte nach vorn, um das Hindernis zu sehen, dem der Samariter anscheinend ausgewichen war. Doch da war keines. Ich entdeckte lediglich in wenigen Kilometern Entfernung die Baracken des Notlagers mit der VIRGINIA dahinter und drei Zubringern des Hospitalschiffs links daneben. Aber wir hielten nicht darauf zu, sondern hatten einen Kurs eingeschlagen, der uns weit rechts daran vorbei führen und ins leere Staubland bringen würde. »Warum?« rief ich Cuper zu. »Ein Schiff der Stählernen Horde ist in die Atmosphäre eingetaucht«, erklärte der Roboter. »Wahrscheinlich fliegt es nur Aufklärung, denn es ist ein kleines Schiff. Vorsichtshalber wollen wir aber nicht in der Nähe des Lagers sein, wenn es darüber auftaucht.« »In Ordnung«, sagte ich. Diese Vorsichtsmaßnahme erschien mir logisch. Ich kannte die Raumaufklärer der Stählernen Horde. Sie wurden nur wegen ihrer relativen Kleinheit als Raumaufklärer bezeichnet. Ihre schweren Desintegratorgeschütze und Partikelstromwerfer machten sie jedoch zu äußerst kampfstarken Einheiten. Falls einer von innen als Aufklärer über dem Lager auftauchte und eine mit Personen besetzte Plattform ortete, mochte ihn das sehr wohl zu einem außerplanmäßigen Angriff verleiten. Unsere Überlebenschance würde dann etwa so groß sein wie die eines Pferdes in einem lichterloh brennenden und verrammelten Stallgebäude. Es war rein zufällig, daß ich zuvor vergessen hatte, den Mitosedetektor auszuschalten und daß ich mich dazu entschloß, diese Tatsache zu einer kleinen Überprüfung Cupers zu benutzen. Ich rechnete eigentlich gar nicht damit, daß das Gerät überhaupt etwas Verwertbares anmaß, denn die Plastikschalen, mit denen sein Robotkörper teilweise überzogen war, würden kaum aus biologisch gewachsener Substanz bestehen. Dennoch, rein theoretisch war diese Möglichkeit nicht auszuschließen – und ich war schon immer wißbegierig gewesen und hatte sehr oft erfahren, daß es meist vorteilhafter war, diesem Drang nachzugeben als ihn zu unterdrücken. Dennoch wurde ich von den Daten im elektronischen Anzeigefeld so überrascht, als hätte ich im Swimmingpool meines Landhauses am Goshun-See das legendäre Ungeheuer von Loch Ness entdeckt. Cupers Plastikteile sandten eine Strahlung aus, die identisch mit der Zellaura eines lebenden Wesens war, aber dennoch kein Indiz für echtes Leben darstellte, denn es fehlte die dafür charakteristische Mitosestrahlung. Während ich noch dabei war, die Überraschung zu verkraften und mir einen Reim darauf zu machen, daß der Detektor bei Cuper praktisch das gleiche anzeigte wie bei den als Celester getarnten Robotern der Stählernen Horde, bewegte sich der Samariter und streckte dabei ein Bein so ungeschickt aus, daß der Detektor von der Plattform gestoßen wurde.
»Paß doch auf!« fuhr Arien ihn an. »Ich bitte um Verzeihung«, erwiderte Cuper. »Ein bedauerliches Mißgeschick.« Hätte er den letzten Satz nicht gesagt, ich hätte tatsächlich an ein Mißgeschick geglaubt. Doch die an sich überflüssige und für Roboter atypische Rechtfertigung mit einem Mißgeschick wirkte so überzogen, daß ich stutzig wurde. Plötzlich stieg ein unheimlicher Verdacht in mir auf. »Umkehren!« befahl ich Cuper. »Wir nehmen den Detektor wieder an Bord.« »Das geht nicht«, erklärte der Samariter. »Das Schiff der Stählernen Horde muß jeden Moment über dem Lager auftauchen, aber wir sind noch ziemlich nahe. Wenn wir umkehren, werden wir auf jeden Fall entdeckt.« Ich wollte widersprechen, da jagte eine Art Phantom in wenigen hundert Metern Höhe über uns hinweg, eine Doppelrumpfkonstruktion, aus deren Verbindungselement ultrahelle Glut nach vorn schoß. Es gab keinen Zweifel. Das war ein Raumaufklärer der Stählernen Horde, der seine Fahrt mit dem Atmosphäre-Triebwerk abbremste, ein Kleinraumschiff vom Typ CHARON. Das Phantom war schon fast wieder außer Sichtweite, als die Überschallschleppe uns beutelte und die Knalle uns taub machten. Benommen saßen Arien und ich auf der Plattform. Als ich mein Gehör zurückgewann, glaubte ich, in Fahrtrichtung ein metallisches Röhren zu vernehmen, das bald darauf in ein dumpfes Grollen überging. Diese Geräusche waren so charakteristisch, daß jeder, der sie kannte, auch auf ihre Bedeutung zu schließen vermochte – und ich hatte das alles zu oft gehört, um auch nur eine Sekunde lang daran zu zweifeln, daß der Raumaufklärer soeben mit Unterstützung durch Schubumkehr auf Nimahiheim gelandet war. Genau vor uns. Und Cuper hielt unverändert den Kurs… * Ein Blick in Ariens Gesicht verriet mir, daß der Celester zumindest zu ahnen anfing, was gespielt wurde. Ich bedeutete ihm mittels Zeichensprache, was er tun sollte, dann zog ich die Beine an, drehte mich in die für meine Absicht günstigste Stellung – und stieß Cuper die Füße mit aller Kraft gegen den Rümpf. Der Samariter wankte und nahm die Hände von den Steuerkontrollen der Plattform. Arien griff ihm von hinten unter die Arme, und ich rutschte zu den Kontrollen und schaltete. Die Antigravplattform bremste hart ab, dann ging sie in eine Linkskurve. Ich legte sie absichtlich auf die Seite, sonst hätte die Fliehkraft Arien, Cuper und den Roboter nach außen geschleudert. So wurden wir gegen den Boden der Plattform gepreßt. Ich hatte die Kurve noch nicht ausgeflogen, als Cuper seine robotischen Kräfte einsetzte, um sich aus Ariens Griff zu befreien. Die Tatsache, daß er dabei einen Absturz des Celesters in Kauf nahm, bewies endgültig, daß wir es nicht mit dem echten Cuper zu tun hatten. Ein Samariter hätte alles vermieden, was einem organischen Intelligenzwesen schaden konnte. »Es ist ein Stählerner!« schrie ich über den Fahrtwind dem Gefährten zu und zog den Blaster. »Laß ihn los!«
Ich brauchte es Arien nicht zweimal zu sagen. Der Roboter hatte ihn schon fast von der Plattform geworfen. Er stieß sich ab, warf sich gleichzeitig zur Seite und hing im nächsten Augenblick nur noch an zwei Haltegriffen am Rand der Plattform. Der falsche Cuper wollte sich auf mich zuschnellen, aber da richtete ich die Plattform wieder in die waagerechte Lage auf. Mein Blasterschuß traf ihn in dem Moment, in dem die Fliehkraft ihn von der Plattform zog. Er überschlug sich mehrere Male, dann kollidierte er mit der Planetenoberfläche und pflügte über eine Strecke von zirka fünfhundert Metern eine gewaltige Staubwolke auf, bevor er in einer grellen Explosion verging. Ich mußte Ariens wegen abbremsen, obwohl ich wußte, daß uns das wertvolle Zeit kostete. Doch der Celester hätte sich nicht mehr lange halten können. Schweißgebadet und keuchend zog er sich auf die Plattform zurück. »Festhalten!« schrie ich, als ich sah, daß er loslassen und sich ausstrecken wollte. »Wir müssen wieder beschleunigen.« Der Celester antwortete mit einem langgezogenen Stöhnen auf die neuerliche Beschleunigung. Er sah nicht sofort ein, warum ich so handelte, bis uns das Aufheulen starker Raumschiffstriebwerke beinahe Hören und Sehen vergehen ließ. Da begriff er, daß der gelandete Raumaufklärer wieder gestartet war, um uns zu verfolgen und uns so oder so zu erledigen. Der Coup war schlau ausgedacht und teuflisch geschickt eingefädelt gewesen. Der Cuper nachgebildete Stählerne sollte uns als »Samariter« in Sicherheit wiegen und dann vom Lager wegbringen, damit wir weit draußen im Staubland überwältigt und in dem Raumaufklärer verschleppt werden konnten. Ohne den Mitosedetektor wäre das wahrscheinlich auch gelungen – und es konnte immer noch gelingen, denn was hatten Arien und ich schon einem schwerbewaffneten Raumaufklärer entgegenzusetzen! In dem brettflachen Gelände konnten wir Haken schlagen, wie wir wollten, seine Ortung würde uns immer wieder aufspüren. Als einzige Rettung erschien mir die VIRGINIA. Arien und ich konnten das 60-Meter-Schiff starten und auch manövrieren. Aber es wäre eine gefährliche Illusion gewesen zu denken, wir könnten damit einem schnellen, wendigen und fast völlig computerisierten Raumaufklärer entkommen. Dazu mußten auf der VIRGINIA zu viele Schaltungen manuell vorgenommen werden. Ganz zu schweigen von den Geschützständen, die wir überhaupt nicht besetzen konnten. Ich nahm deshalb auch keineswegs Kurs auf das Lager, sondern steuerte die Antigravplattform so, daß wir dicht daran vorüberkommen würden. Dadurch mußte die Besatzung des Raumaufklärers annehmen, wir wollten im Lager landen – und bevor sie merkten, daß wir weitergeflogen waren, wollte ich soviel Gelände wie nur möglich zwischen sie und uns gebracht haben. Natürlich war das ein Verzweiflungsschritt, denn falls wir auf der toten Oberfläche Nimahiheims kein Terrain fanden, in dem wir uns vor der Ortung des Aufklärers und den Augenzellen seines Piloten verbergen konnten, waren wir früher oder später doch geliefert. * Wir waren am Lager vorübergeflogen und hatten uns ungefähr zehn Kilometer davon entfernt, als wir hörten, wie dort ein Raumaufklärer mit Schubumkehr abbremste. Er landete jedoch nicht, sondern schien mit gedrosselten Triebwerken in geringer Höhe über dem Lager zu kreisen. Ich blickte zu Arien und sah an seiner unglücklichen Miene, daß er für seine Leute das Schlimmste befürchtete. Das war nicht unbegründet. Die Stählerne Horde der Facette Yog-Mann-Yog galt als erbarmungslos. War sie erst einmal auf ein Opfer angesetzt, so verfolgte sie es, bis es gestellt war,
und kannte keine Gnade. Das erstreckte sich auch auf alle Wesen, die mit dem Opfer zusammen waren oder bei denen das Opfer sich möglicherweise verbarg. Mir war auch nicht ganz wohl bei dem Gedanken an die hilflosen Kranken, die im Lager zurückgeblieben waren. Ich hoffte allerdings, daß die Stählernen das Lager beziehungsweise die VIRGINIA nicht eher angreifen würden, bis sie sicher waren, mich dabei ebenfalls auszuschalten. Wahrscheinlich hatte Yog-Mann-Yog ihnen Individualtaster mitgegeben, deren Speicherpositroniken mit meinem individuellen Gehirnwellenmuster programmiert waren, denn nur so konnte ich von Robotern einwandfrei identifiziert werden. Ich legte die Antigravplattform erneut in eine scharfe Linkskurve, als mir jemand eine entsprechende Aufforderung zuflüsterte. Im nächsten Moment zuckte ich erschrocken zusammen, denn mir wurde klar, daß es nicht mein Extrahirn gewesen war, das mir die Aufforderung zugeflüstert hatte. Ein Ton erklang. Ich begriff, daß er mir ebenso mental übermittelt worden war wie zuvor die Aufforderung, nach links abzubiegen. Prinzessin Ennistimoon? dachte ich so intensiv wie möglich. Keine Antwort. Dennoch schöpfte ich wieder Hoffnung. Dieses seltsame »Doppelharfenwesen« hatte mir schon einmal geholfen. Warum sollte es mir nicht noch einmal helfen. Aus unerfindlichen Gründen schien ich bei der Prinzessin einen Stein im Brett zu haben. Vielleicht spürt sie dein blaues Geblüt! spottete der Extrasinn. Ich blies unwillig die Luft aus. Das mit dem »blauen Geblüt« war blanker Unsinn, denn mein Adel war kein terranischer, sondern ein arkonidischer. Und ein »blaues Geblüt« gibt es weder auf Terra noch auf Arkon! ergänzte der Extrasinn. Ich lächelte, als ich merkte, daß er mich nur von meinem Wunschdenken über Prinzessin Ennistimoons Motive abbringen wollte, aber ich lächelte über meine Dummheit. Über zehntausend Jahre war ich nun schon alt und dennoch kein bißchen weise. Die Zuwendung einer Prinzessin brachte mein Blut wie vor zehntausend Jahren in Wallung, selbst wenn sie des Teufels Nichte war und in dünnflüssigem Magma badete anstatt in Champagner. Ihre Umarmung würde von dir nur ein Häufchen Asche übrig lassen! goß der Extrasinn Öl ins Feuer. Ich konnte nicht anders, ich mußte laut lachen. Aber es war ein dankbares Lachen, denn ich merkte, daß meine Gedanken sich wieder frei und auf logischen Bahnen bewegen konnten. Allerdings hielt es nicht lange an: Das Aufheulen von Raumschiffstriebwerken verriet mir, daß der Pilot des Raumaufklärers eingesehen hatte, daß er mich im Lager oder in der VIRGINIA nicht finden würde. Er startete durch, um die Verfolgung aufzunehmen. Ich gab Arien und mir noch eine Minute. Danach mußten wir landen und uns im Staub eingraben – und auf ein Wunder hoffen. Daran änderte auch nichts, daß die Sonne Cat’s Eye soeben unterging und es dunkel wurde. Für die Sensoren eines Raumaufklärers und die Augenzellen seines Piloten machte es keinen Unterschied, ob es hell oder dunkel war. Für meine Augen allerdings schon. Ich entdeckte die Silhouetten, die in Fahrtrichtung aus dem Boden ragten, beinahe zu spät. Im letzten Moment riß ich die Plattform hoch. Ihr Boden streifte etwas – und für einen Moment dachte
ich, wir würden abstürzen. Doch diesem Schicksal entgingen wir noch einmal, obwohl die Plattform erheblich schlingerte. Ich fragte mich, wohin wir geraten waren, während ich die Plattform wieder tiefer steuerte, denn sobald eine bestimmte Höhe überschritten war, wurden ihre Manövriereigenschaften miserabel. Links und rechts tauchten abermals dunkle Silhouetten auf. Es schien sich um Ruinen zu handeln. Das war mir zwar schleierhaft, denn Nimahiheim war ein lebensfeindlicher Planet, aber ich hatte keine Zeit, mir viel Gedanken darüber zu machen. Ich überlegte vielmehr fieberhaft, wie ich die Ruinen ausnutzen konnte, um der Ortung des Raumaufklärers zu entgehen. Schräg vor mir bewegte sich Arien Richardson auf der Plattform. Plötzlich flammte das Licht der beiden vorderen Scheinwerferkegel auf. Ich wollte zuerst schreien, das Licht sofort wieder auszuschalten, doch dann wurde mir klar, daß der Pilot des Raumaufklärers unsere Ortungsreflexe lange vor dem Lichtschein bemerken würde. Mir dagegen gaben die beiden Scheinwerfer die Möglichkeit, Kollisionen zu vermeiden und vielleicht zu erkennen, wo wir uns eigentlich befanden. Die Silhouetten links und rechts standen etwa zwanzig Meter auseinander und schienen immer höher zu werden. Im flüchtigen Schein der Lichtkegel wirkten sie seltsam regelmäßig – zu regelmäßig für Ruinen. Etwas rumorte grollend und brodelnd über uns hinweg. Ultrahelles Wabern flackerte. Ein Raumaufklärer vom Typ CHARON in schätzungsweise zweitausend Metern Höhe. Ob der Pilot uns geortet hatte? Erneut näherte sich ein Raumaufklärer. Diesmal kam er tiefer. Das Brodeln seiner gedrosselten Triebwerke ähnelte dem Köcheln einer verstopften Tabakspfeife. Flackernde Triebwerksflammen erhellten deutlich die beiden schlanken, miteinander verbundenen Rümpfe, die jeweils in einem Desintegratorgeschütz und einem Partikelstromwerfer mündeten. Im nächsten Moment war das Schiff wieder verschwunden. Ich atmete auf. Zu früh. Drei kleine Sonnen gingen über der Antigravplattform auf. Ich schloß geblendet die Augen und hielt mich an den nächsten Haltegriffen fest, denn ich nahm an, daß der Tanz bald losgehen würde. Die drei Sonnen hatte ich noch als Lichtbomben erkannt. Sie konnten uns nicht viel schaden, wenn man davon absah, daß sie uns lange genug in grelles Licht tauchen würden, um dem Piloten des Raumaufklärers zu zeigen, wer wir waren. Ich schaltete die Helm-zu-Helm-Verbindung ein. »Leb wohl, Arien!« rief ich. »Es war schön, einen Freund wie dich gehabt zu haben. Ein seelischer Krüppel wie Yog-Mann-Yog wird vielleicht nie begreifen, daß dieses Erlebnis jeden Tod tausendfach aufwiegt.« »Mit dir fürchte ich weder Tod noch Teufel, Atlan«, gab der Celester zurück. »Wenn wir sterben, werden die Kosmokraten andere Kämpfer gewinnen, die an unsere Stelle treten und Yog-Mann-Yog jagen werden, bis er zur Strecke gebracht ist.« Ich lachte wild, denn diese Worte waren so recht nach meinem Herzen. Vor allem aber war ich sicher, daß die verbrecherische Facette sie über die permanente Verbindung mitgehört hatte, die sie über ihren robotischen Diamanten im Adlerhorst aufrecht erhielt, wie sie es bei jeder Aktion ihrer Stählernen Horde tat. Als ich durch die Lider hindurch sah, daß die grelle Helligkeit der Lichtbomben verschwand, öffnete ich in Erwartung eines schnellen und heißen Todes die Augen. Doch nichts dergleichen geschah.
Dennoch hatte sich etwas grundlegend geändert. Die Antigravplattform flog nicht mehr durch einen offenen Graben, sondern in einem Tunnel mit rechteckigem Querschnitt – und die Reliefs an den Wänden glitzerten und gleißten hier im Widerschein des Scheinwerferlichts gleich Myriaden geschliffener Diamanten. Vom Regen in die Traufe! stellte der Logiksektor fest. Ich wußte, was er meinte. Wir waren offenbar fürs erste dem Raumaufklärer entkommen. Dafür befanden wir uns im subplanetarischen Reich der Mordkristalle…
7. Als der Tunnel sich zu einer riesigen Höhle weitete, gab ich jeden Gedanken an Flucht auf, denn ich sah nicht nur die unzähligen riesigen Kristalle an den Wänden, sondern ich spürte auch den eisigen psionischen Hauch, der von ihnen ausging. Sie hatten Arien und mich bereits zum Tode verurteilt, bevor sie uns Gelegenheit gaben, uns zu äußern. Warum seid ihr in unser Dasein getreten? Die Frage kam zweifellos nur mental, aber sie hallte in meinem Bewußtsein nach, als hätte ein Chor von echten Stimmen sie gestellt. Unwillkürlich öffnete ich meinen Folienhelm, dann sah ich mich um. Die Antigravplattform schwebte im geometrischen Mittelpunkt der etwa fünfhundert Meter durchmessenden Kristallhöhle. Sie bewegte sich weder vor noch zurück, obwohl ich ihren Antrieb nicht deaktiviert hatte. »Wir kamen nicht freiwillig hierher«, sagte ich laut. »Wir waren auf der Flucht und außerdem krank. Unsere Landung war eine Notlandung.« Was ist eine Landung? Ich runzelte die Stirn und überlegte, was die Frage bedeutete. »Wenn jemand mit einem Raumschiff durchs Weltall fliegt und sich dann aus dem Vakuum auf die Oberfläche eines Himmelskörpers herabläßt, nennt man das eine Landung«, erklärte ich. Wir verstehen! erwiderten die Kristalle, aber ich war gar nicht sicher, ob sie mich verstanden hatten, denn ihre Vorstellung vom Universum unterschied sich anscheinend erheblich von der unseren. Aber warum seid ihr nicht dort geblieben, wo ihr wuchset? Das ist unser Dasein. Wir lassen es durch niemanden stören. »Wir wollten euch nicht stören!« rief Arien. Ihr habt uns gestört – und ihr stört uns noch! stellten die Kristalle fest. »Deshalb mußtet ihr unsere Freunde nicht zum Selbstmord treiben«, erwiderte ich. Ihr habt es durchschaut? Was sollte ich darauf sagen? Würden sie begreifen, wovon ich sprach, wenn ich die Existenz von Parallelzeitebenen erwähnte? Das war unwahrscheinlich. Wer noch nie persönlich von einer Parazeitebene auf eine andere übergewechselt war, würde wahrscheinlich niemals für möglich halten, daß es so etwas gab. Ein dumpfer Schlag hallte durch die Höhle. Die Kristalle schienen zu tanzen, dann kamen sie wieder zur Ruhe. Aber ihre Strahlung wirkte nicht mehr so kalt und gefühllos wie zuvor, sondern haßerfüllt. Sagt euren anderen Teilen, sie sollen darauf verzichten, Gewalt in unser Dasein zu bringen! »Es sind nicht unsere anderen Teile, sondern unsere Feinde«, sagte Arien. Feinde? »Roboter der Stählernen Horde der Facette Yog-Mann-Yog«, erklärte ich. »Sie sollen uns töten, weil wir uns nicht zu Sklaven der Facette machen ließen und auch dank der Hilfe der^ Samariter dem Plasmaparasiten nicht zum Opfer fielen.« Die Parasiten sind nicht Teile von euch? »Nein, sie sind Geschöpfe einer verbrecherischen Gentechnologie«, antwortete ich. »Sie wurden auf
uns gehetzt, um unsere Körper zu verseuchen, so daß wir letzten Endes sterben würden. Als wir die Samariter von Alkordoom zu Hilfe riefen und sie sich bereit erklärten, uns zu helfen, schickte YogMann-Yog seine Roboter, um uns zu vernichten. Die Erschütterung eben kam wahrscheinlich von der Explosion einer Bombe, die uns galt.« Ein zweiter dumpfer Schlag dröhnte auf. Diesmal war die Erschütterung so stark, daß sich die Höhle von einem Moment auf den anderen mit silbrig schimmerndem Kristallstaub füllte. Vorsichtshalber schloß ich den Druckhelm wieder. Arien tat es mir nach. Dem zweiten Schlag folgten ein Dutzend weitere. Allerdings fielen sie schwächer aus. Seltsamerweise meldeten sich die Kristalle nicht wieder. Ich hatte zwar das unbestimmbare Gefühl, als flögen ununterbrochen mentale Botschaften hin und her, doch ich verstand nichts davon. »Die Plattform!« rief Arien über Helmfunk. »Wir können sie wieder kontrollieren. Atlan, wir sollten versuchen, nach draußen zu kommen! Wir müssen und um die VIRGINIA und um die Crew kümmern!« Ein Blick auf die beleuchteten Kontrollen der Antigravplattform bewies mir, daß der Celester recht hatte. Wir wurden nicht mehr von unbekannten Kräften im Mittelpunkt der Höhle festgehalten, sondern drifteten allmählich ab. Ich griff in die Steuerschaltung und atmete auf, als ich feststellte, daß die Plattform mir gehorchte. Langsam schwang sie herum. Die Lichtkegel der Bugscheinwerfer richteten sich auf den Schlund des Tunnels, durch den wir hereingekommen waren. Ich beschleunigte. Mit zunehmender Fahrt glitt die Plattform auf den Schlund zu in den Tunnel hinein. Links und rechts zogen wieder die Reliefs vorbei. Sie blieben mir so unverständlich wie zuvor. Immer schneller jagte die Antigravplattform durch den subplanetarischen Tunnel. Einmal sammelte ich für Sekunden meine Gedanken soweit, daß mir das Skurrile, Groteske und Unheimliche meiner Lage bewußt wurde. Da jagte ich in einer fremden Galaxis von einem fremden Planeten zu anderen, immer konfrontiert mit der Macht sogenannter Facetten und im Hintergrund ständig die düstere Drohung durch die Sonnensteppe und EVOLO. War es denn mein Schicksal, daß ich stets als einsamer Kämpfer für die ewigen Ideale vernunftbegabten Lebens einstand, ringsum umgeben von Grauen, Skrupellosigkeit, Mord – und Freundschaft, Liebe und Opferbereitschaft? Du bist der Einsame der Zeit! orakelte mein Logiksektor – und es war kein bißchen Ironie dabei. Ich fing gerade damit an, darüber nachzugrübeln, ob ich diesen »Titel« noch gar nicht in seiner wahren Bedeutung verstanden hatte, da schoß die Plattform aus dem Tunnel in den Graben hinaus, der die Kruste des Planeten schnurgerade durchzog. Im gleichen Augenblick verblaßte das Licht der Scheinwerfer gegenüber der Lohe, die schräg voraus an Steuerbord in den Nachthimmel schlug. Einen Herzschlag lang fühlte ich eiskalte Furcht, weil ich dachte, die VIRGINIA brannte. Doch dann wurde mir klar, daß das nicht die VIRGINIA sein konnte. Der 60-Meter-Raumer war viel weiter von dem Graben entfernt. Im nächsten Moment erkannte ich in den Flammen auch das glühende Gerippe der Konstruktion. Ich atmete auf. Was da lichterloh brannte, war ein Raumaufklärer vom Typ CHARON. Meine Erleichterung darüber hielt jedoch nicht lange an. Zu stark beschäftigte mich die Frage, weshalb dieses Schiff der Stählernen Horde auf Nimahiheim abgestürzt war. Ein Versagen des Robotpiloten erschien mir undenkbar. Es konnte nur Fremdverschulden vorliegen – und da wiederum schieden die VIRGINIA und die WIEGE DER BEWAHRUNG aus. Wenn aber eine neue Macht ins Spiel gekommen war, ließ sich überhaupt nicht mehr abschätzen, wie alles ausgehen würde.
Ich versuchte mir einzureden, daß der Absturz dieses Raumaufklärers ein Unfall gewesen sein konnte, unwahrscheinlich zwar, aber doch nicht grundsätzlich unmöglich. Doch als wir aus dem Graben auftauchten und über die Oberfläche des Planeten jagten, verglühte dieser Strohhalm der Hoffnung, den ich nur zu gern ergriffen hätte. Denn links und rechts von unserem Kurs loderten die Flammen aus zwei, weiteren Gerippen von Raumaufklärern der Stählernen Horde. Während ich noch beklommen hinschaute, wurde ihr greller Flackerschein noch überstrahlt von einer riesigen künstlichen Sonne, die sich im planetennahen Weltraum aufblähte. Ich war von Furcht erfüllt, denn ich stellte mir vor, daß es die WIEGE DER BEWAHRUNG war, die dort draußen verglühte und verdampfte – mit all den schwerkranken Celestern an Bord. Und mit Prinzessin Ennistimoon! erinnerte mich mein Extrahirn. Es war unnötig. Ich hatte sie keinen Augenblick lang vergessen. Mit zusammengepreßten Lippen zwang ich mich dazu, wieder in Fahrtrichtung zu blicken – und nur in Fahrtrichtung. Während ich noch stärker beschleunigte, hörte ich über die Helm-zu-HelmVerbindung Arien beten… * Ich spürte ein sich stetig verstärkendes mulmiges Gefühl, denn die Stelle des Horizonts, auf die ich zusteuerte, weil dort das Lager und die VIRGINIA sein mußten, wurde von blauweißer, flackernder Glut erhellt. Etwas brannte dort mit unheimlicher Gewalt, und in mir krampfte sich alles zusammen, wenn ich mir vorstellte, daß es die VIRGINIA sein könnte. Die Antigravplattform raste mit Höchstgeschwindigkeit dahin, was ich mir auch nur auf Nimahiheim erlauben durfte, wo es keine nennenswerten Bodenformationen gab. Als mir der Extrasinn einen unartikulierten Warnimpuls übermittelte, hätte ich darauf noch lange nicht zu reagieren brauchen. Warum ich es trotzdem tat, weiß ich nicht. Jedenfalls schaltete ich zurück und leitete den Bremsvorgang ein. Nur deshalb kam es nicht zur Katastrophe, als die einsame Gestalt sich vor dem Flackern am Horizont abzeichnete. Sie stand genau auf der Kurslinie. Bei Höchstgeschwindigkeit wäre sie entweder »untergebuttert« worden oder die Plattform wäre bei einem Ausweichversuch ins Schleudern geraten und hätte sich überschlagen. So kam sie knapp einen Meter vor der Gestalt zum Stehen. Ich erkannte Klecks und wußte nicht, ob ich mich über das Wiedersehen uneingeschränkt freuen oder über die Sorglosigkeit ärgern sollte, mit der er uns entgegengegangen war. Bevor Klecks oder ich etwas sagen konnten, schrie Arien Richardson auf und sprang mit einem wahren Panthersatz von der Plattform. Er riß das biologische Kunstwesen beinahe um, und ich sah erst Sekunden später, warum er sich scheinbar so närrisch benahm. Klecks hatte Mycara mitgebracht – und die Birzerin und der Celester feierten das Wiedersehen so stürmisch, daß ich fast neidisch war. Schließlich räusperte ich mich. Arien und Mycara reagierten nicht darauf, sondern wälzten sich im Staub, daß ich manchmal nicht wußte, wer von beiden schlangenähnlicher war. Aber Klecks verstand, was ich meinte.
»Die VIRGINIA ist unversehrt«, berichtete er und ließ mir damit einen ganzen Berg vom Herzen fallen. »Aber ganz in der Nähe ist ein großes Raumschiff abgestürzt und hat das Lager mit in Brand gesetzt.« »Ein großes Raumschiff?« Ich erschrak erneut. »Das Hospitalraumschiff?« »Nein, es muß ein Trägerschiff für die CHARONS sein«, erklärte das Kunstwesen. »Das Hospitalschiff ist in Ordnung. Cuper war die ganze Zeit hinter mir her, um mich wieder hinaufzubringen und – oh!« Ich überhörte geflissentlich seine Verlegenheit, denn mir brannte noch etwas auf der Seele. »Sind die Leute der VIRGINIA umgekommen?« fragte ich. »Nein«, antwortete Klecks. »Die Baracken wurden rechtzeitig geräumt.« Ich atmete auf. »Gut, dann können wir ja zur VIRGINIA zurückkehren.« »Nein!« rief Klecks mit allen Anzeichen panischer Angst, dann zerfloß er zu dem bekannten Fladen. Nicht ganz allerdings. Einst hatten grüne Härchen aus dem Fladen geragt, später waren es rotbraune Borsten gewesen, und diesmal war die Oberfläche des Fladens so glatt wie eine frischrasierte Wange. »Was hat er?« »Er fürchtet sich vor den Samaritern«, antwortete Mycara an seiner Stelle mit ihrer pfeifenden Stimme. »Cuper hat ihm gesagt, er würde auf dem Hospitalschiff gebraucht, da man dort die Immunkörper abernten wolle, die er gebildet hätte.« »Was für Immunkörper soll er gebildet haben?« fragte Arien die Birzerin verwundert. »Ich denke, daß ich weiß, was los ist«, erklärte ich. »Als Klecks aus der sogenannten Nachbehandlung an Bord des Hospitalschiffs entlassen wurde, sagte er ungereimtes Zeug von einer Stabilisierung und von einer Zeitspanne, die er dem Plasmaparasiten widerstehen würde. Cuper hingegen wich meiner Frage nach einer konkreten Antwort aus. Ich ahne, daß die Samariter etwas mit Klecks angestellt haben.« Das biologische Kunstwesen formte sich wieder zu seinem annähernd hominiden Körper, der immer wieder absurd wirkte, weil er keinen Kopf besaß. »Sie haben alle meine Zellen zur Bildung von Immunkörpern angeregt!« blubberte er angstvoll. »Jetzt soll ich aufgelöst und zu Material für Immunreaktionsinjektionen verarbeitet werden.« Seine Stimme wurde jammervoll. »Ich will euch ja gern helfen, aber ich fürchte mich vor dem Tode.« »Du verstehst das bestimmt falsch«, erklärte ich. »Wahrscheinlich haben die Samariter ein riskantes Experiment mit dir angestellt und waren deswegen einer konkreten Auskunft ausgewichen. Ich nehme an, daß die verzweifelte Situation sie dazu trieb und daß sie sich selbst einredeten, mit dir könnten sie es machen, weil du nur ein sogenannter Künstlicher bist. Aber ich bezweifle stark, daß sie deinen ganzen Körper verarbeiten müssen, um ein Serum zu gewinnen, das gegen den Plasmaparasiten immunisiert und seine Sporen abtötet. Dazu sollten ein paar Kubikzentimeter deiner Körperflüssigkeit genügen, denn sobald die chemische oder gentechnische Struktur des Wirkstoffs ermittelt ist, können die Samariter ihn mit ihrer hochstehenden Biotechnik mühelos synthetisieren.« »Du kannst sehr überzeugend argumentieren«, blubberte Klecks. Ich verstand ihn. »Wir werden es nicht dabei belassen«, versprach ich ihm. »Wenn es sich so verhält, wie ich eben gesagt habe, ist es gut. Sollten die Samariter aber tatsächlich etwas vorhaben, was deine Existenz
als Individuum gefährdet, werde ich persönlich ein Machtwort sprechen, um sie davon abzubringen.« Klecks schwieg eine Weile, und ich ahnte, daß er mit sich kämpfte. »Ich komme mit«, entschied er dann. »Dir vertraue ich, Atlan.« »Ich werde dein Vertrauen nicht enttäuschen«, erwiderte ich. Klecks zögerte nicht länger. Er schwang sich auf die Plattform. Auch Arien und Mycara stiegen auf. Das hieß, Mycara stieg nicht selbst auf, denn sie hatte sich wieder um den Hals des Celesters gelegt. Ich startete die Plattform und nahm Kurs auf die VIRGINIA.
8. Die Baracken des Lagers bestanden nur noch aus rötlich glimmenden Aschenhaufen, als wir dort eintrafen. Auch von dem Trägerraumschiff der Stählernen Horde war nicht mehr viel übrig. Seine brennenden beziehungsweise nachglühenden Trümmer waren über einige Quadratkilometer verteilt, und die Flammen stiegen aus ihnen nur noch wenige hundert Meter empor. Der schönste Anblick aber war die VIRGINIA, deren unversehrte und blanke Außenhülle den Feuerschein widerspiegelte. Neben ihr stand mit offener Schleuse ein Zubringer des Hospitalschiffs – und davor warteten Cuper (der echte, nahm ich an) sowie weitere Samariter-Roboter. »Halt!« befahl ich, als ich sah, daß die Samariter Anstalten trafen, sich auf Klecks zu stürzen. »Dieses Wesen hat den Status eines normalen organischen Intelligenzwesen und wird entsprechend behandelt – oder ihr rührt es überhaupt nicht an.« »Aber es handelt sich um einen Künstlichen«, widersprach Cuper. »Für mich gilt es als erwiesen, daß er ein beseeltes Individuum ist«, erklärte ich fest. »Ich verlange von euch die Garantie, daß er entsprechend behandelt wird.« »Wie soll ich das verstehen?« erkundigte sich Cuper. »Klecks wurde mit abgeschwächten Erregern präpariert und hat sich zum Träger von Antikörpern entwickelt. Wir brauchen etwas von seiner Körperflüssigkeit, um Untersuchungen vornehmen und ein Impfserum synthetisieren zu können. Sollen wir deswegen um seine Einwilligung betteln?« »Ihr werdet es müssen, wenn ihr eure Pflicht erfüllen wollt«, blieb ich fest. »Wenn sie nicht mehr wollen, bin ich einverstanden«, warf das biologische Kunstwesen ein. »Mehr brauchen wir nicht von ihm«, erklärte Cuper. Ich hatte ihn unterdessen mit einem neuen Mitosedetektor überprüft und mich davon überzeugt, daß er kein Agent der Stählernen Horde war. Dadurch brauchte auch ich keine Bedenken mehr zu haben. Während Klecks von einigen Samaritern in den Zubringer gebracht wurde, der sofort darauf zum Hospitalschiff startete, lud ich mit Arien den »toten« Hordenroboter von der Antigravplattform. Wir übergaben ihn zwei Samaritern, die sich bereit erklärten, ihn zu »sezieren« und festzustellen, was sich hinter der Biomaske verbarg, denn normalerweise besaßen die Hordenroboter erheblich mehr Masse als diese Agenten. Wahrscheinlich hatten die derart eingesetzten Stählernen Teile von sich auf ihren Schiffen zurücklassen müssen. Anschließend berichtete uns Cuper, was sich während unserer Abwesenheit ereignet hatte. Es war rätselhaft genug. Die Agenten der Stählernen Horde hatten sich ab einem bestimmten Zeitpunkt abgesetzt und waren von Raumaufklärern an Bord genommen worden, die daraufhin den Planeten wieder verließen. Seltsamerweise war es kurz nach ihrem Start zu so heftigen Explosionen an Bord gekommen, daß die CHARONS abstürzten und ausbrannten. Daraufhin war das Trägerschiff gelandet und hatte den Rest der Agenten aufgenommen. Aber es war noch vor seinem Start von Explosionen zerrissen worden. »Niemand weiß, was das alles zu bedeuten hat«, stellte Cuper abschließend fest. »Ich weiß es«, pfiff Mycara. »Seit ich aus der Behandlung entlassen bin, habe ich psionische Impulse aufgefangen. Sie zeugten von Furcht und Panik, wandelten sich aber allmählich in Impulse, die etwas bewirkten. Ich wußte aber lange Zeit nicht, was, bis ich dahinterkam, daß die Kristalle es sind, von denen die Impulse ausgehen. Dadurch wurde ich in die Lage versetzt, ihre Impulse gezielt anzuzapfen und sozusagen mitzulesen. Es sind die Kristalle, die psionisch so auf die Tarnfolien der Robotagenten einwirkten, daß sie sich
nach einer gewissen Zeit in biologische Bomben verwandelten und mit den Agenten die Schiffe explodieren ließen. Die Kristalle halten aber die Stählerne Horde für einen Teil von uns, genauso wie sie denken, der Plasmaparasit gehörte zu uns. Ich spüre, daß sie etwas gegen den Plasmaparasiten unternehmen, aber ich fürchte, das könnte auch unser Tod sein.« Es dauerte eine Weile, bis ich alles verdaut hatte, was die Birzerin berichtete. Zu phantastisch war diese Geschichte, aber je länger ich darüber nachdachte, um so logischer erschien mir alles. Nur eines gefiel mir nicht. »Wie können wir verhindern, daß die Kristalle uns töten?« »Indem wir ins Zentrum ihrer größten Ballung gehen«, antwortete Mycara. »Dort ist die Resonanz zwischen ihnen und uns am stärksten.« »In die Höhle also«, meinte Arien erschaudernd. »Niemand wird mich noch einmal dorthin bringen.« Das hatte ich bis vor kurzem auch gedacht. Aber jetzt sah es anders aus. »Wenn es unumgänglich ist, muß es getan werden«, erklärte ich. »Du brauchst ja nicht mitzukommen, Arien. Dann gehe ich eben allein.« »Nicht allein«, pfiff Mycara. »Ich komme mit, denn ohne mich wirst du dich nicht mit den Kristallen verständigen können.« »Dann komme ich auch mit«, sagte Arien. So schnell ändern Menschen ihre Entschlüsse… * Es wurde nicht ganz so schlimm, wie ich es mir vorgestellt hatte. In der Kristallhöhle konnte die Resonanz dank Mycaras Vermittlung bald hergestellt werden – und danach war es bis zu einer Verständigung nicht mehr weit. Die Kristalle, die sich selbst die Vocares nannten, waren nicht auf Nimahiheim entstanden, sondern in ferner Vergangenheit von anderen Intelligenzen hier angesiedelt worden. Sie waren eine für uns extrem fremdartige Lebensform ohne Zellteilung und deshalb auch ohne Mitosestrahlung. Ihr Wachstum erfolgte durch Anlagerung von Spurenelementen aus der Atmosphäre, deren statische Aufladung wahrscheinlich ebenfalls wichtig für sie war. Tief in ihrem Erbgut verankert war ein unlöschbarer Fremdenhaß, wahrscheinlich die Folge eines Verbrechens, das irgendwann an ihnen begangen worden war. Deshalb hatten sie seit der Landung der VIRGINIA alles getan, um uns klarzumachen, daß wir unerwünscht auf ihrer Welt waren. Sie waren sich dabei gar nicht einmal bewußt gewesen, daß die Tötung von Einzelwesen von uns als unmoralisch angesehen wurde. Wir erfuhren bei dieser Gelegenheit auch, daß sie niemanden zum Mord angestiftet hatten, sondern daß alle Getöteten sich selbst ermordet hatten, freilich getrieben von den psionischen Ausstrahlungen der Kristalle und so gesteuert, daß sie ihren Selbstmord als Mord darstellten. An dieser Stelle begriff ich dann auch, warum Prinzessin Ennistimoon mich auf eine Parallelzeitwelt von Nimahiheim versetzt hatte. Ich sollte dort begreifen, daß die Kristalle die Toten zum Selbstmord getrieben hatten, und ich sollte verstehen, daß die Furcht vor Fremden die Vocares dazu zwang. Auch jetzt fürchteten sich die Vocares noch so stark vor allen Fremden, daß sie nur bereit waren,
den Kampf gegen uns einzustellen, wenn wir uns verpflichteten, unverzüglich ihren Planeten zu verlassen und nie zurückzukommen. Daraufhin eröffneten die Vocares uns, daß sie auch auf Klecks’ Organismus eingewirkt und dadurch die Bildung von Immunkörpern ermöglicht hatten. Letzten Endes verdankten wir also ihnen, wenn wir vom Plasmaparasiten und damit von der Rache Yog-Mann-Yogs befreit wurden. Ich hätte sie gern zu Freunden gewonnen, doch sie lehnten ab. So blieb uns nichts weiter übrig, als ihre Forderung zu erfüllen. Als ich mit Arien und Mycara zur VIRGINIA zurückkehrte, trafen die Mitglieder der Crew bereits schubweise vom Hospitalschiff ein. Der Plasmaparasit war besiegt, auch wenn die Nachwirkungen noch eine Weile zu schaffen machen würden. Dadurch entfiel für die Samariter von Alkordoom allerdings auch der Anlaß, bei uns zu bleiben. Sie verabschiedeten sich ziemlich schroff und kühl. Nun, ja, es waren schließlich Roboter. Wir sahen die WIEGE DER BEWAHRUNG noch einmal, als wir mit der VIRGINIA von Nimahiheim gestartet waren. Für kurze Zeit flogen unsere beiden Schiffe nebeneinander her. Die ganze Zeit über wartete ich auf etwas – und endlich ging meine Hoffnung in Erfüllung. Lebe wohl, Atlant sang die mentale Stimme von Prinzessin Ennistimoon. »Lebe wohl, Prinzessin!« flüsterte ich. Dann wandte ich mich an Arien Richardson. »Kommandant, bring das Schiff auf Kurs zum Doomhirn-System!« befahl ich. »Wir müssen ANIMA und Dhonat finden – und danach weitersehen.« ENDE
Als geheilt entlassen, machen sich der Arkonide und die Celester von der VIRGINIA weiter auf die Suche nach ANIMA, Atlans lebendem Raumschiff, das nach wie vor verschollen ist. Da bricht das Unheil über die »Samariter von Alkordoom« herein, und es naht das Ende der WIEGE… DAS ENDE DER WIEGE – so lautet auch der Titel des nächsten Atlan-Bandes. Der Roman stammt von H. G. Francis.