Die Schlange im Paradies
Lakan schlief den Schlaf der Gerechten.
Er atmete ruhig und gleichmäßig. Und er träumte.
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Die Schlange im Paradies
Lakan schlief den Schlaf der Gerechten.
Er atmete ruhig und gleichmäßig. Und er träumte.
Die Stimme, die er hörte, schien wie aus
weiter Ferne zu kommen, dennoch war sie
deutlich zu vernehmen. Es war eine angenehme Stimme, sodass er keine Angst vor i hr hatte, während die säuselnden Worte in sein B Bewusstsein drangen und von ihm Besitz ergriffen. »Lakan«, sagte die Stimme, »komm zu mir. Ich erwarte dich. Führe zu mir fünfzig deines Stammes, fünfzig die guten Herzens und meiner würdig sind. Verlasst euer Dorf ohne Aufschub und kommt zu mir. Höre mich, Lakan, denn du bist der Auserwählte...«
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Begegnung gegeben hatte. Er nannte ihn selbst schon, wenn sie anderen Menschen begegneten. »Weiter nach Nordosten.« Er zog die Landkarte hervor, auf der ihre bisherige Route verzeichnet war. Von Rom aus hatte ihr Marsch sie immer weiter nach Norden geführt, vorbei an Florenz, durch Mailand und schließlich über die Alpen. Auch die Ruinen von Zürich mit den sich bekriegenden Broglianern und der Nüss-li-Sippe hatten sie schon hinter sich gelassen; nun mussten sie sich nordöstlich halten - jenem Ort entgegen, an dem einst die deutsche Hauptstadt Berlin gelegen hatte. Dort hoffte Matt die überlebenden Kameraden aus den beiden anderen Jets zu finden, mit denen sie in diese ferne Zukunft verschlagen worden waren. Irvin ehester und Professor Dr. Smythe waren bereits tot; Hoffnung bestand noch für Jennifer Jensen, Hank Williams und Dave McKenzie. Es war nur eine fixe Idee, eine vage Hoffnung, an die er sich klammerte - aber Matt setzte darauf, dass seine vermissten Fliegerkameraden ihren ehemaligen Air-ForceStützpunkt ebenfalls als logischen Treffpunkt ansehen und versuchen würden, dorthin zu gelangen. Vielleicht würde er sie dort treffen. Bis dahin war er trotz Aruulas Gesellschaft irgendwie allein und verloren in dieser Welt, die einmal »seine« Erde gewesen war - vor dem Kometeneinschlag, der die Zivilisation vernichtet hatte... »Wir müssen zusehen, dass wir uns ein Transportmittel organisieren«, meinte Matt. »Eine Androne, einen Frekkeuscher... irgendwas.« »Ich glaube, es gibt nicht weit von hier eine Stadt«, mutmaßte Aruula. »Was bringt dich darauf?« »Ich habe im Schlaf Stimmen gehört«, erklärte die junge Frau. Matt nickte. Aruulas telepathische Begabung des Lauschens hatte ihnen schon manches Mal geholfen. Sie hatte es auch ermöglicht, dass die Barbarin innerhalb kürzester Zeit seine Sprache erlernte. Matt hatte im Gegenzug etwas länger gebraucht, das Idiom der Wandernden Völker, die sich einer europäischen Universalsprache
Matts Fluch kam aus tiefstem Herzen. Sie hatten im Wald übernachtet, und er hatte die ganze Zeit über auf einer Wurzel gelegen. Als er sich nun aus dem vom Morgentau feuchten Moos erhob, knackten seine Knochen wie ein hölzernes Bettgestell. Ein Bett, möglichst noch mit einer dicken Daunendecke... herrlich! Aber davon konnte Matt nur träumen. Ein Lager aus struppigen Taratzenfellen war in dieser barbarischen Welt bereits das Höchste der Gefühle. Stöhnend raffte sich Matthew Drax auf die Beine. Er fühlte sich wie gerädert, während seine Begleiterin Aruula bester Dinge zu sein schien. »Guten Morgen!«, rief sie ihm fröhlich zu. Sie war schon dabei, ein karges Frühstück zuzubereiten. Es gab einmal mehr würzigen Tee, den Aruula aus den Blättern einer Staude zubereitete, dazu Beeren und junge Wurzeln. Matthew hatte sich einfach nicht daran gewöhnen können, zum Frühstück Maden und geröstete Lischetten zu verspeisen... Er streckte sich und strich die inzwischen arg mitgenommene Air-Force-Uniform glatt, die er am Leibe trug, seit er in dieser unwirtlichen Welt gestrandet war. Glücklicherweise hatte vor drei Wochen eine Näherin aus einer Karawane, der sie sich angeschlossen hatten, den Anzug wieder hergerichtet, sonst hätte er ihn bald entsor-gen müssen. Dabei hatte er sich in den vergangenen Monaten mehrfach als sehr nützlich erwiesen. Außerdem stellte er in dieser fremden, feindseligen Umgebung ein Stück vertrauter Vergangenheit dar, von der sich Matt einfach nicht trennen wollte. Er ließ sich am Feuer nieder und nahm dankbar das Frühstück entgegen, das Aruula ihm reichte. Die Beeren schmeckten streng und sauer, aber ihr Saft stärkte ihn. Dazu verbreitete der würzigen Sud von Aruulas Tee in seinem Magen wohlige Wärme. Die Barbarin, die seine Gefährtin und stete Begleitung geworden war, sandte ihm einen fragenden Blick. »Wohin gehen wir heute, Maddrax?«, erkundigte sie sich. Inzwischen hatte Matt Drax sich sogar an den Namen gewöhnt, den sie ihm bei ihrer ersten
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Was war dort los? Ein Unglück? Ein Überfall durch eine Barbarenhorde? Taratzen? »Los, wir sehen nach... !« Matt und Aruula begannen zu laufen. Matt riss seine Armeepistole heraus, eine Beretta 98 G, und entsicherte sie, während Aruula ihr langes Beidhänder-Schwert aus der Rückenscheide zog. Vielleicht konnten sie den Einwohnern des Dorfes beistehen. Wenn marodierende Horden ein Dorf überfielen, wurden gewöhnlich keine Gefangenen gemacht... Matt und Aruula stürmten den Hang hinab und den nächsten Hügel hinauf. Von seiner Kuppe aus bot sich ihnen ein unerwarteter Anblick. Das Dorf brannte lichterloh. Dunkler Rauch stieg von den mit Stroh gedeckten Hütten auf. Die Palisadenmauer, die sich rings um das Dorf erstreckt hatte, war eingerissen worden. Doch von räuberischen Nomadenkriegern oder blutrünstigen Taratzen fehlte jede Spur. Die Dorfbewohner standen vor dem lodernden Inferno - und sangen! Es schienen ihnen nichts auszumachen, dass ihr Dorf in Flammen stand. Sie trällerten fröhliche Lieder, tanzten und streuten Blumen so als gäbe es nichts Schöneres auf der Welt als zuzusehen, wie die eigene Behausung bis auf die Grundmauern niederbrannte. Matt und Aruula tauschten einen verwirrten Blick, steckten dann ihre Waffen weg und gingen langsam den Hügel hinab. Sie näherten sich den Menschen, die außer sich vor Glück und Freude zu sein schienen. Einer von ihnen, ein bärtiger Hüne, der einen Blumenkranz auf der Stirn trug, sah sie kommen und winkte ihnen fröhlich entgegen. »Das ist ein Zeichen!«, rief er seinen Leuten zu. »Seht ihr? Es sind zwei! Zwei Fremde, die zu uns kommen! Ein weiterer Beweis dafür, dass uns Wudan wohlgesonnen ist... !« Die übrigen Dorfbewohner jubelten und eilten Matt und Aruula tanzend und springend entgegen. Matt fühlte, wie sich die junge Frau neben ihm verkrampfte, und auch seine Hand umklammerte unwillkürlich den Griff der Beretta fester.
bedienten, zu begreifen. Mittlerweile konnte er sich aber schon recht gut verständlich machen. Und es wurde immer einfacher, je näher sie Frankreich und Deutschland kamen; zwei Länder, deren Vokabular Matt beherrschte. Sie beendeten ihr improvisiertes Frühstück und packten die wenigen Habseligkeiten zusammen, die sie mit sich trugen. Ihr wertvollster Besitz war das Notpaket aus Matts Maschine, das er noch immer mit sich trug und dessen Inhalt ihnen schon mehrmals Kopf und Kragen gerettet hatte. Sie schulterten ihre Rucksäcke und machten sich auf den Weg. Schon nach kurzem Marsch lichtete sich der Urwald, von dem große Teile Europas überwuchert waren, und eine sanfte Hügellandschaft breitete sich vor ihnen aus, die von gelbgrünem Gras bewachsen war. Überhaupt war die hiesige Flora ungewohnt in Matts Augen. Er hatte sich die Theorie zurecht gelegt, dass es an den verschobenen Erdpolen lag. Als der Komet »Christopher-Floyd« vor Hunderten von Jahren die Erde getroffen hatte, musste sich ihre Achse verschoben haben. Infolge dessen lag Europa näher am Äquator als zuvor. Es dauerte nicht lange, bis sie zwischen den Hügeln einzelne Rauchsäulen erspähten - die Siedlung, von der Aruula gesprochen hatte. Die Begabung der jungen Frau reichte nicht aus, um die Gedanken anderer Menschen wirklich »lesen« zu können, schon gar nicht über so große Entfernungen hinweg. Aber sie »spürte« die Menschen, konnte ihre Anwesenheit fühlen. Unwillkürlich beschleunigten Matt und Aruula ihren Schritt - die Aussicht auf eine reichliche Mahlzeit und ein Fortbewegungsmittel, das sie schneller und weniger ermüdend vom Fleck bringen würde, beflügelte sie. Als sie sich dem Dorf jedoch weiter näherten, fiel ihnen auf, dass die Rauchsäulen ungewöhnlich groß waren für gewöhnliche Herdfeuer. Und als sie noch ein wenig näher herankamen, wurde ihnen klar, dass es keine Herdfeuer waren, die für den vielen Rauch sorgten. Das Dorf stand in Flammen!
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Professor Dr. Smythe, konnte sich mit dem Schleudersitz retten. Matt Drax wird von der Kriegerin Aruula, die leichte telepathische Fähigkeiten aufweist, gesund gepflegt. Sie nennt ihn »Maddrax«. Später macht sie sich mit ihm auf, seine fünf Kameraden zu suchen. Bei zweien hat er kein Glück: Captain Irvin ehester wurde von den »Göttern von Rooma« mit mutierten Früchten in eine hirnlose Kampfmaschine verwandelt; Matthew kann ihm nur noch einen gnädigen Tod gewähren. Smythe wurde wahnsinnig, will mit einem Volk blutsaufender Mutanten die Weltherrschaft übernehmen und stürzt sich in eine Monstergrube, als Matt seine Pläne durchkreuzt. So geht Matthew Drax' Odyssee weiter noch hat er die Hoffnung, die restlichen Mitglieder seiner Crew zu finden: Jennifer Jensen, Hank Williams und den Astrophysiker David McKenzie. Aruula ist bei der gefährlichen Suche an seiner Seite...
WAS BISHER GESCHAH Sie kommen aus dem Norden, und ihre Grausamkeit ist beispiellos. Nicht einmal die Götter können ihnen Einhalt gebieten, seit sie entdeckt haben, dass diese Götter verwundbar sind und sie deren Waffen für ihre Eroberungszüge nutzen können. Und so nennen sie sich selbst »Disuuslachter« -Götterschlächter. Auch Commander Matthew Drax soll bei Leipzig auf diese Nordmänner stoßen. Und auf die gejagten Götter! Er allerdings erkennt schnell, dass es bei Letzteren um Menschen handelt. Menschen jedoch, die sich mit fliegenden Maschinen fortbewegen, die mit Laserwaffen schießen und sich nur in Schutzanzügen auf die Erdoberfläche wagen können...! Am 8. Februar 2012 trifft ein gewaltiger Komet die Erde und stürzt sie ins Chaos. Weite Teile von Russland werden ausradiert, die Erdachse verschiebt sich, und durch den aufgewirbelten Staub legt sich ein fahles Leichentuch um den Planeten. Eine Jahrhunderte währende Eiszeit beginnt - und als sie endlich endet, ist die menschliche Zivilisation zerstört. Mutationen aller Couleur bevölkern die Länder, unheilvolle Religionen sind entstanden, Barbaren durchstreifen die verwüsteten Landschaften. Diese Degeneration der Menschheit und die zahlreichen Mutation sind aber nicht allein mit der Katastrophe zu erklären; dahinter muss noch mehr stecken! Einige Menschen haben die Katastrophe jedoch völlig unbeschadet überstanden: die Piloten einer Dreierstaffel Stratosphärenjets, die den Kometen beobachten und Daten über einen letzten Raketen-beschuss sammeln sollten. Durch die Druckwelle des Kometen, die das Raum/ Zeit-Kontinuum verzerrt, werden die Jets in eine ferne Zukunft katapultiert - in die Zeit etwa hundert Jahre nach der Eiszeit. Einer jener Piloten ist Commander Mat-thew Drax, der südlich der Alpen notlandet und von einem Nomadenstamm gerettet wird. Sein Kopilot,
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»Ich bin Aruula von Sorbans Clan«, gab die Barbarin zurück, »das hier ist der große Krieger Maddrax.« »Fa juu magare te feesa«, sprach Lakan den traditionellen Segensgruß der Wandernden Völker aus. Möge, euch immer Essen und Friede gegönnt sein. »Wir freuen uns, dass ihr hier seid.« »Schön«, meinte Matt. »Aber was ist mit eurem Dorf? Wollt ihr das Feuer nicht löschen?« »Nein«, antwortete Lakan entschieden. »Es soll niederbrennen bis nichts mehr davon übrig ist. Wir brauchen es nicht mehr.« Die umstehenden Dorfbewohner wiederholten seine letzten Worte begeistert, brachen erneut in Jubel aus. »Ihr seht, wie sich alle freuen«, meinte Lakan mit mildem Lächeln. »Wudan hat uns zu sich gerufen. Wir brauchen unsere ärmlichen Behausungen nicht mehr, denn wir werden bei ihm wohnen. Am Ort des ewigen Glücks, dem Ursprungsort von Adax, bei den Wurzeln unserer Vorfahren. In Ethera... « »Ethera?« echote Aruula. Matt sah, wie es in den grünen Augen der schönen Barbarin aufblitzte. »So ist es, meine Schwester. Wudan hat im Schlaf zu mir gesprochen. Er hat mir gesagt, wo ich Ethera finden werde, und er hat mir aufgetragen, fünfzig Pilger dorthin zu führen, die reinen Herzens sind. Unglücklicherweise«, er bedachte Matt und Aruula mit einem entschuldigenden Blick -, »wollten unser Häuptling und sein Göttersprecher die Reise nach Ethera nicht antreten. Sie sagten, ich sei ein falscher Prophet... « »Willkommen im Club«, knurrte Matt in seiner eigenen Sprache - er hatte noch zu gut in Erinnerung, wie man sich als Götterbote wider Willen fühlte. »Was ist mit ihnen geschehen?«, erkundigte er sich bei Lakan. »Wie ich schon sagte«, meinte der Hüne mit unbewegtem Lächeln, »wollten sie unsere Reise nicht mitmachen. Wir mussten sie zurücklassen, wodurch unsere Zahl auf achtundvierzig sank. Aber nun hat uns Wudan Ersatz geschickt - euch beide!« »Uns?« Matt fiel die Kinnlade herunter.
Doch die Dorfbewohner schienen nichts Böses im Schilde zu führen - im Gegenteil. Sie kamen auf sie zu, begrüßten sie überschwänglich und umarmten sie, sprachen ihnen wieder und wieder ihre Glückwünsche aus -wenngleich Matt keine Ahnung hatte, worum es eigentlich ging. Die Dorfbewohner waren seltsam gekleidet, trugen allesamt geflochtene Blumenkränze, dazu Umhänge aus buntem Tuch. Die Leute wirkten völlig high, aber Matt konnte an ihnen keinen Hinweis auf Drogengebrauch feststellen. Ihre Fröhlichkeit schien echt, ihr Glück vollkommen. »Bei Orguudooo«, raunte ihm Aruula zu, der die ganze Sache ebenfalls nicht geheuer war, »was geht hier vor?« »Ich weiß es nicht«, gab Matt zurück und warf einen wehmütigen Blick in Richtung der brennenden Häuser. »Die Sache mit dem Transportmittel können wir jedenfalls vergessen... « Die Reihen der Dorfbewohner teilten sich. Sie machten dem bärtigen Riesen Platz, den Matt schon vorhin gesehen war. Der Blumenkranz auf der Stirn des Hünen wirkte so fehl am Platze wie das Friedenszeichen auf einem Atomsprengkopf, aber er schien ihn gerne zu tragen und nicht weniger fröhlich zu sein als die übrigen Einwohner. »Comdo, Freunde«, grüßte er. »Schön, dass ihr da seid! Wir haben euch erwartet.« Matt verstand genug vom Dialekt der Nomadenvölker, um keine Übersetzung durch Aruula mehr zu brauchen. Da die Sprache des Riesen im Wesentlichen auf der deutschen basierte, konnte er sie sogar fast fehlerlos sprechen. »Ihr habt uns erwartet?«, erkundigte er sich verblüfft. »So ist es. Wir wussten, dass ihr kommen würdet. Wudan hat es uns gesagt.« »Wudan?« Aruula hob die Brauen. »Er hat im Traum zu mir gesprochen«, antwortete der Riese, als würde das alles erklären. »Ich bin Lakan. Gestern noch war ich nichts als ein einfacher Zimmermann. Heute bin ich« - seine gewaltige Brust schwoll an vor Stolz - »der Auserwählte von Wudan.«
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Auch deinen Argwohn.« »Na wunderbar.« Matt schnaubte. Wäre dies ein Film gewesen, hätte er schon einen prima Titel dafür: In den Fängen der Psycho-Hippies... »Haben die anderen ebenfalls diese Fähigkeit?«, fragte er nach. Aruula schüttelte den Kopf. »Nein, nur Lakan.« Sie blickte ihm eindringlich in die Augen. »Maddrax, ich weiß, dass du nicht an Wudan glaubst und auch nicht an Adax. Aber ich glaube daran. Mein ganzes Leben habe ich davon geträumt, Ethera zu sehen, den Ort, von dem wir alle kommen. Wohlstand, Ruhm und ewiges Glück warten auf den, der Ethera betritt.« »Aber... « Matt rang nach Worten. »Ich habe keine Zeit, irgendwelchen Hirngespinsten hinterher zu jagen. Ich muss nach Berlin, meine Freunde finden... « »Aruula weiß das«, versicherte die Barbarin und begann von sich in der dritten Person zu sprechen - wie sie es häufig tat, wenn sie es besonders ernst meinte. »Aruula kennt Maddrax' Sorgen, und sie weiß, wie wichtig es für ihn ist, seine Freunde zu finden. Aber Wudan hat diesen Weg für uns bestimmt. Es ist sein Wille, dass wir nach Ethera gehen. Dort ist alles so, wie es früher war, zu deiner Zeit, Maddrax. Vielleicht wirst du dort neue Freunde finden, Dinge, die du für deine weitere Suche brauchst...« Sie seufzte und blickte betroffen zu Boden. »Aruula weiß, dass Maddrax' Herz manchmal traurig ist, dass er sich zurücksehnt nach der alten Zeit. In Ethera wird er nie wieder traurig sein... « Sie schaute auf, blickte ihm unverwandt ins Gesicht - und zu seiner Überraschung erkannte er, dass sie Tränen in den Augen hatte. Noch niemals hatte er erlebt, dass Aruula etwas derartig wichtig gewesen war. Sie glaubte nicht nur an Ethera, sie war überzeugt davon, dass sie es mit Lakans Hilfe finden würde. Matt atmete tief durch, dachte kurz nach. Natürlich, er konnte versuchen, sich allein weiter nach Berlin durchzuschlagen - aber etwas drängte ihn dazu, bei Aruula zu bleiben. Er mochte sie sehr, und vielleicht hatte sie ja Recht. Was, wenn es dieses Ethera wirklich gab?
Er warf einen Blick in Richtung der brennenden Häuser. Er zweifelte nicht daran, dass irgendwo in den Flammen die Leichen zweier Männer lagen, die einst Häuptling und Schamane des Stammes gewesen waren. Lakan schien auf den ersten Blick ein netter Kerl zu sein -aber Matt traute ihm nicht über den Weg... Er winkte Aruula zu sich heran, um sich kurz mit ihr zu beraten. »Wovon spricht der Kerl?«, erkundigte er sich. »Was soll dieses Ethera sein? Und wer zum Teufel ist dieser Adax?« »Adax ist der Stammvater aller Menschen«, erklärte Aruula im Brustton der Überzeugung. »Er hat das Menschengeschlecht nach Kristofluu neu begründet.« »Aha«, machte Matt wenig überzeugt. »Und Ethera?« »Ethera ist Adax' Heimat, ein sagenhafter Ort, über den Wudan seine schützende Hand gehalten hat, so dass ihm die Katastrophe nichts anhaben konnte. Dort ist alles so, wie es vor Kristofluu war. Ein Ort der Reinheit und der Unschuld. Allerdings begannen sich Adax' Söhne zu streiten, und einer tötete den anderen. Deshalb hat Wudan sie aus Ethera vertrieben. Seither«, fügte Aruula ehrfürchtig hinzu, »trachten die Menschen danach, jenen Ort wiederzufinden... « »Das Paradies«, meinte Matt verblüfft, dem die Geschichte nicht ganz unbekannt vorkam. »Generationen lang wurde nach Ethera gesucht«, fuhr Aruula aufgeregt fort, und Matt fiel wieder der seltsame Glanz in ihren Augen auf. »Keinem ist je gelungen, es zu finden. Doch nun scheint Lakan dorthin gerufen worden zu sein.« »Ach«, machte Matt. »Und du glaubst ihm?« »Ich kann keine Arglist bei ihm spüren«, erklärte die Barbarin offen. »Er meint es ehrlich. Und außerdem... « »Außerdem was?«, fragte Matt wenig begeistert. »... hat er die gleiche Fähigkeit wie ich.« Matt sog scharf die Luft ein. »Du meinst, er kann... « Aruula nickte nur und warf Lakan einen verstohlenen Blick zu. »Er kann alles fühlen.
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waren - jetzt wuchs dort nur noch gelbes Steppengras, in dem hin und wieder Shassen und Wakudas auftauchten. Als Aruula eines der rinderartigen Tiere erblickte, wollte sie es erlegen, um ihnen allen zu einem kräftigen Abendessen zu verhelfen doch Lakan hielt sie zurück mit der Begründung, Wudan habe ihnen strenges Fasten auferlegt. Bis zu ihrer Ankunft in Ethera dürften sie nichts zu sich nehmen außer Wasser, sonst würde ihnen der Eintritt ins Paradies verwehrt. Matt hielt das für eine ziemlich seltsame Anweisung, aber er verhielt sich still. Er war bis hierher mitgegangen, also würde er es auch weiter tun. Ihr Weg führte sie über ein von Rissen und wucherndem Gras überzogenes Band von Asphalt, das vor Urzeiten eine Autobahn gewesen war. Verrostete und ausgebrannte Autowracks lagen zu beiden Seiten der Straße, Trümmer einer längst vergangenen Zeit. Seltsam, dachte Matt bei sich, den Weg ins Paradies habe ich mir immer anders vorgestellt... Während des gesamten Marsches sangen die Pilger fröhliche Lieder, die es unmöglich machten, mit ihnen ins Gespräch zu kommen und mehr über sie zu erfahren. Lakan und seine Leute waren auf seltsame Weise entrückt, schienen felsenfest davon überzeugt zu sein, dass am Ende ihres Weges das Paradies auf sie wartete. Auch Aruulas Zuversicht, Ethera zu finden, schien mit jedem Kilometer zu wachsen. Matt fühlte sich als der einzige Zweifler in einer Gruppe von wahrhaft Gläubigen. Irgendwann verließen sie das breite Band der Otowajii in der gelben Steppe wieder. Lakan schien ganz genau zu wissen, wohin er sich zu wenden hatte, auch ohne Straße, der er folgen konnte. Gegen Nachmittag erreichten sie eine flache Senke, durch die ein breiter Fluss verlief. Es gab weit und breit keine Brücke, so dass Matt schon befürchtete, ihr langer Marsch könnte an den Ufern des reißenden Gewässers ein jähes Ende finden. Doch Lakan ließ sich aus der Ruhe bringen.
Was, wenn ein Flecken auf der Erde wirklich von der Vernichtung verschont worden war durch puren Zufall oder ein ähnliches Phänomen wie jenes, das ihn hierher verschlagen hatte? Alles sprach dagegen - aber Matt entschied, es trotzdem zu versuchen. Was hatte er zu verlieren? »Also gut«, entschied er. »Wir werden gehen.« »Danke«, sagte Aruula, und ein strahlendes Lächeln glitt über ihre hübschen Züge. »Eines noch«, meinte Matt säuerlich, »nur so aus Interesse. Wenn Adax der erste Mann nach der Katastrophe war, der Stammvater der Menschen - wer war dann die Urmutter? Evax?« »Wer sagt, dass wir eine Urmutter brauchten?«, gab Aruula mit verschmitztem Lächeln zurück. »Das Geschlecht der Frauen hat die Katastrophe überstanden.« »Na klar.« Matt verdrehte die Augen. »War ne blöde Frage... « »Nun«, unterbrach Lakan ihr kleines Tete-ate, »wie haben sich unsere Freunde entschieden? Wollen sie fortgehen oder mit uns ziehen?« »Wir werden mit euch ziehen«, eröffnete Aruula feierlich - und unbeschreiblicher Jubel brach unter den Dorfbewohnern los. Die Menschen fielen sich gegenseitig in die Arme, weinten vor Glück und begannen rings um Matt und Aruula im Kreis zu tanzen. In aller Eile flochten sie neue Blütenkränze, setzten einen davon Aruula auf. Als sie den anderen auf Matts Haupt setzen wollten, hob dieser entschieden die Hände. »Nur über meine Leiche, okay?«, knurrte er, worauf sich das Mädchen, das ihm den Blumenkranz hatte geben wollen, einge schüchtert zurückzog. Lakan lachte dröhnend. »Auch aus dir wird noch ein wahrer Gläubiger werden, Maddrax, das verspreche ich dir«, meinte er. »Warte erst, bis wir Ethera erreichen - dann werden sich alle deine Zweifel in Nichts auflösen... « Ihr Marsch führte sie nach Osten. Die Dschungel des Voralpenlandes blieben hinter ihnen zurück, wichen weiten Ebenen, die zu Matts Zeiten fruchtbares Ackerland gewesen
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gesorgt.« »Na fein.« Matt schnitt eine Grimasse. »Vielleicht wird er das ja wieder tun - mir zu Liebe.« »Du zweifelst noch immer«, stellte die Kriegerin bedauernd fest, »aber das wird sich bald ändern. Warte nur, wenn wir die Mauern von Ethera erst vor uns sehen... « Vorerst jedoch sahen sie nichts. Nichts als flache Hügel und öde Steppe, über deren gelbes Gras beständiger Wind strich. Hin und wieder kamen sie an den Ruinen eines Hauses vorbei, passierten eine Tränke, an der sie ihre Feldflaschen füllten. Wenigstens das Trinken von Wasser hatte Wudan nicht verboten... Schließlich gelangten sie in eine weite Ebene, die sich vor ihnen erstreckte, so weit das Auge reichte. Am fernen Horizont schien sie geradewegs mit dem diesigen Himmel zu verschmelzen. Wohin man auch blickte, sah man nichts als öde Steppe, nur hin und wieder unterbrochen von ein paar Büschen und Ruinen. Von Ethera keine Spur, vom Paradies ganz zu schweigen. Ein wenig ernüchtert verharrten die Pilger und schauten auf das weite öde Land. »Nun, Lakan«, sprach Matt aus, was alle dachten. »Wo ist nun Ethera? Ich kann es nirgendwo sehen.« Der Anführer der Pilger blieb ruhig - sein Glaube schien unerschütterlich zu sein. »Du musst Geduld haben«, entgegnete er kopfschüttelnd. »Wudan wird uns führen. Er wird uns den Weg nach Ethera zeigen. Es ist da - auch wenn wir es nicht sehen können.« Matt unterzog Lakan einem prüfenden Blick und fragte sich, ob ihm der Anführer der Pilger etwas vorspielte. Doch die Ruhe und die Überzeugung, die der ehemalige Zimmermann ausstrahlte, brachten Matt zu dem Schluss, dass es Lakan völlig ernst war mit dem, was er sagte. Zumindest er selbst war davon überzeugt, ein Bote Wudans zu sein... Die Pilger setzten ihren Marsch fort, den Hügel hinab und hinaus in die weite Ebene. Ihr Gesang hatte irgendwann hatte aufgehört. Sie wirkten nicht mehr ganz so
»Wudan wird uns führen«, verkündete er voll Überzeugung. »Er wird uns sicher über das Wasser tragen... « Als kurz darauf ein breites Fährfloß um die Biegung des Flusses kam, brachen die Pilger in lauten Jubel aus, ließen Wudan und seinen treuen Diener Lakan hochleben. Auch für Aruula war das Auftauchen des Floßes ein Zeichen für Lakans Legitimation als Sendbote Wudans - für Matt war es nichts als schlichter Zufall. Der Fährmann, ein hagerer knochiger Kerl in weiten Gewändern, der infolge einer genetischen Mutation nur ein Auge besaß, bot den Pilgern an, sie sicher über den Fluss zu bringen. Lakan handelte mit ihm einen guten Preis aus, und der Fährmann begann die fünfzig Pilger in zwei Fuhren über den Fluss zu setzen. Als sie auf der anderen Seite angekommen waren und der Fährmann sein Floß vom Ufer abstieß, um weiter flussabwärts zu fahren, hatte Matt ein seltsames Gefühl im Bauch. Er musste an die Geschichten denken, die ihm sein Großvater manchmal erzählt hatte. Sie hatten von griechischen Helden gehandelt, von Göttern und Titanen. Und vom Hades, der griechischen Unterwelt, in die man gelangt war, indem man sich vom Fährmann Charon über den Fluss Styx bringen ließ. Genau so kam sich Matt in diesem Augenblick vor - als wären sie an feindlichen fremden Gestaden gelandet, von denen es kein Entkommen mehr gab. Aruula bemerkte seine schlechte Laune und begann ihm davon zu erzählen, wie wundervoll es in Ethera sei. »Es gibt dort keine Bosheit, keinen Neid und auch keine Waffen«, sagte sie. »Man muss nicht kämpfen, um zu überleben. Alle leben dort in Harmonie.« »Prima«, meinte Matt. »Ich hoffe nur, es gibt dort was zu essen - mir hängt der Magen nämlich bis zu den Knien.« »Natürlich«, antwortete Aruula rund heraus, »so viel und wovon du magst. Die alten Geschichten berichten, dass sich die Tafel bog, als Adax die Hochzeit mit seiner ersten Frau feierte. Wudan hat für ein festliches Mahl
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enthusiastisch wie zu Beginn ihrer Pilgerschaft die Tatsache, dass keiner von ihnen auch nur einen Hauch von Ethera erspähen konnte, schlug Lakans Jüngern auf die Stimmung. Mit seiner sonoren Stimme begann ihr Anführer deshalb ein neues Lied anzustimmen, das Matt an einen mittelalterlichen Choral erinnerte. Nach und nach fielen seine Anhänger in den Gesang mit ein, zögernd zunächst, dann immer lauter. Sie machten sich gegenseitig Mut, suchten Trost in ihrem Gesang - und allmählich kehrte ihre Hoffnung zurück. Plötzlich glaubte Matt - oder war es nur eine Täuschung? - am Horizont voraus etwas wahrzunehmen. Es war eine Ansicht, die nicht in die weite Ebene zu passen schien. Sie fiel aus der Perspektive wie in einem schlecht gemalten Bild, erweckte den Eindruck, als würde die gewaltige Ebene nur wenige tausend Meter vor ihnen enden. Matt rieb sich die Augen, wollte nicht recht glauben, was er da sah -doch je weiter sie darauf zu marschierten, desto deutlicher erkannte er, dass er sich nicht geirrt hatte: Vor ihnen erhob sich ein breiter Hügelkamm aus der Ebene, der von gelbem Steppengras überwuchert wurde und deshalb nicht weiter auffiel. »Seht ihr?«, rief Lakan triumphierend aus. »Ich habe es euch gesagt! Dies ist Wudans Weg! Er wird uns führen... « * Die Jünger jubelten, Aruula gab begeisterte Rufe von sich - und selbst Matt musste zugeben, dass er beeindruckt war. Noch vor Augenblicken hätte er geschworen, dass sich in dieser Steppe nichts befand als heiße Luft - nun musste er einsehen, dass er sich geirrt hatte. * Je näher sie dem geheimnisvollen Hügel kamen, desto klarer wurde, dass es nicht eigentlich ein Hügel war, sondern eine Art Schutzwall, der wohl dazu diente, neugierige Blicke von dem abzulenken, was sich jenseits befand. »Mauraa ethera!«, riefen die Pilger aus. »Mauraa ethera!« - die Mauern von Ethera. Ihr Jubel wurde lauter und lauter, ihre Begeisterung
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kannte keine Grenzen mehr. Erste Zweifel überfielen Matt. Was, wenn er sich geirrt hatte? Wenn es diesen sagenhaften Ort tatsächlich gab? Diesen Ort, an dem noch alles so war wie zu seiner Zeit? Wäre das nicht fantastisch... ? Er ertappte sich dabei, wie ihn die Begeisterung der Pilger ansteckte. Er hütete sich davor, in ihre Gesänge einzustimmen, aber der skeptische Ausdruck in seinen Augen schwand. Aruula sah es - oder fühlte sie es? Sie bedachte ihn mit einem glücklichen Lächeln. Je weiter sie sich auf den Schutzwall zu bewegten, desto klarer wurde ihnen, wie riesig er war. Matt schätzte seine Höhe auf annähernd fünfzig Meter. Was immer sich dahinter verbarg, musste sehr wertvoll sein, wenn sich jemand so viel Mühe gab, es zu tarnen. Hin und wiederblitzten einzelne Stellen des Walls im Licht der Sonne auf. Die Pilger hielten das für Zeichen Wudans, der ihnen den Weg zeigte, und begrüßten jedes Funkeln mit lauten Freudengeschrei. Matt wusste es besser. Er sah dass der Wall aus Ruinen und Trümmern aufgeschüttet war - Überreste von Häusern, Autos und was immer sonst von jener Welt geblieben war, die er einst gekannt hatte. Brocken von Beton und Stein, rostiges Metall und unzählige Splitter von Glas verbanden sich zu einem bizarren Mahnmal einer untergegangenen Zivilisation. Eine große Stadt musste einst hier gestanden haben - und wenn Matt die geographische Lage in Betracht zog, die Himmelsrichtungen, den Fluss, den sie überquert hatten - dann konnte es sich dabei eigentlich nur um München handeln. Matt wusste zwar nicht sehr viel, über die bayrische Metropole, doch das beeindruckende Stadtbild war ihm im Gedächtnis geblieben. Einmal war er zusammen mit einigen Kameraden für einige Tage in der Stadt gewesen, um das legendäre »Oktoberfest« zu besuchen. Prompt waren sie in eine wüste Schlägerei mit ein paar deutschen Stiernacken geraten. Die Jungs in den Lederhosen hatten keinen Spaß verstanden - Matt dachte mit Unbehagen an den Rest jener Nacht zurück, die er in der Notaufnahme eines Münchner
Krankenhauses verbracht hatte. Jetzt, als er vor den Trümmern dieser einst weltberühmten Stadt stand, überkam ihn seltsame Wehmut. Der Gedanke, dass seit seinem letzten Besuch vielleicht ein halbes Jahrtausend verstrichen war, stimmte ihn melancholisch. Plötzlich erhob sich unter den Pilgern aufgeregtes Geschrei. »Seht ihr?«, verschaffte sich Lakan über den Lärm seiner Anhänger hinweg Gehör, »was habe ich euch gesagt? Es ist ein weiteres Zeichen Wudan weist uns den Weg! Matt blickte auf und sah, wie sich am Fuß des mächtigen Walls aus Schutt und Schrott ein Zugang öffnete, ein mächtiges Tor, das bislang verborgen gewesen war. * Quietschend schwangen die beiden Torflügel auf, führten in einen dunklen Gang, der quer durch den Schutzwall zu führen schien. Die Pilger schrien begeistert und begannen zu laufen, dem geöffneten Tor entgegen. »Ethera! Ethera!«, riefen sie. Auch Aruula beschleunigte ihren Schritt. Matt hatte Mühe, ihr zu folgen. Ihm gefiel nicht, wie alle diese Menschen ohne nachzudenken und in blinder Begeisterung auf das Tor zustürzten, ohne auch nur im Geringsten zu ahnen, was sie auf der anderen Seite erwartete. Was, wenn es eine Falle war? Matt sah es als seine Pflicht an, Aruula, Lakan und den anderen zu sagen, was er wusste. »Wartet doch!«, rief er ihnen zu. »Bleibt verdammt noch mal stehen! Das ist nicht Ethera, hört ihr? Das ist München, eine Stadt aus der alten Zeit! Ich war als junger Mann schon einmal dort und... « Die Pilger beachteten ihn nicht - selbst Aruula schien ihm gar nicht zuzuhören. Sie alle kannten nur ein Ziel: das große Tor, das ihnen den Zugang zur Glückseligkeit versprach. »Wudan! Wudan! Wudan!«, skandierten sie dann hatten die ersten von ihnen den Durchgang erreicht. Blindlings rannten sie hinein, wie von Sinnen vor Begeisterung. Sie steckten sich
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gegenseitig an mit ihrem Geschrei, befanden sich in einer Art Massenrausch. Matt wollte wenigstens Aruula zurückhalten, doch die Barbarin entschlüpfte seinem Griff und eilte weiter, geradewegs in die Öffnung des dunklen Tunnels hinein. Matt blieb stehen, zögerte einen Augenblick. Was, wenn es wirklich eine Falle war? Sein militärisch gedrillter Verstand riet zur Vorsicht. Andererseits - er konnte Aruula nicht alleine lassen. Und eine Neugier, deren Ursprung er rational nicht erklären konnte, drängte ihn dazu, nachzuforschen, was sich auf der anderen Seite des Walls befand. Mit einem Fluch folgte er den Jüngern, eilte hinter ihnen her in die Finsternis - die sich in jenem Moment vervollkommnete, als die beiden Torhälften dumpf und dröhnend hinter ihnen ins Schloss fielen. Nun gab es kein Zurück mehr... Das Jubelgeschrei der Pilger, die Hals über Kopf durch den Tunnel stürmten, hallten von der hohen Decke des Gewölbes wider. Ganz vorn wurde jetzt fahles Licht erkennbar, das mit jedem Schritt heller wurde - das Ende der Passage. Matt fühlte, wie sich sein Pulsschlag beschleunigte - er wollte endlich wissen, was sich jenseits des turmhohen Schutzwalls befand. Endlich erreichten sie das Ende des Tunnels, traten hinaus ins helle Sonnenlicht. Der Anblick, der sich ihnen bot, verschlug allen die Sprache. Die Gesänge der Pilger brachen abrupt ab. Aruula murmelte ein Gebet -und Matt erlebte, wie sich all seine Zweifel und Bedenken von einem Augenblick zum anderen in Nichts auflösten. Ethera. Sie hatten es tatsächlich gefunden. Unmittelbar vor ihnen erstreckte sich eine breite Straße, die von grünenden Bäumen gesäumt wurde. Zu beiden Seiten der Straße standen prächtige Gebäude - prunkvolle barocke Bauten ebenso wie Glaspaläste des späten 20. Jahrhunderts, deren Fassaden im Sonnenlicht glitzerten. Das Staunen der Pilger war beinahe grenzenlos.
Die Fassaden der Häuser waren allesamt festlich geschmückt, mit Girlanden und weißblauen Fahnen, die in der lauen Frühlingsluft wehten. Der Wind trug hundert Wohlgerüche heran, ein Gemisch aus Blumenduft und ätherischen Ölen, das sich wie Balsam auf die Lungen der Pilger legte. In der Mitte der breiten Straße, unmittelbar vor den Pilgern, stand ein prunkvolles Bauwerk, in dem zwei Statuen standen. Jede der bronzenen Figuren war mit Blumen und bunten Tüchern geschmückt, auf den Stufen der Bogenhalle lagen Opfergaben. Auf den Tafeln, die davor aufgestellt waren, erkannte Matt die Zeichen der beiden Hauptgottheiten der Europäischen Völker: Wudan und Orguudoo. Matt musste grinsen. Er war ziemlich sicher, dass diese beiden nicht gemeint gewesen waren, als die Halle errichtet worden war - denn vor einem halben Jahrtausend war er schon einmal hier gewesen und hatte die Bogenhalle und die Statuen betrachtet... Betroffen und gleichzeitig beeindruckt blickte er sich um. Kein Zweifel: Dies war München, genau so, wie er es in Erinnerung hatte. Alles stimmte: die Häuser, die Straßen, die Bauwerke. Alles war genau so wie damals, wenn nicht sogar noch ein wenig perfekter und makelloser. Man sah nirgends Schmutz oder Unrat in den Straßen, es fuhren keine Autos. Stattdessen erblickte man überall Menschen in bunten Gewändern, die ausgelassen umher sprangen, die in den Straßen tanzten und sangen und Wudan priesen. An allen Ecken gab es im Überfluss zu essen und zu trinken, aber niemand schien Geld dafür zu bezahlen. Matt sah einen sprudelnden Brunnen, an dessen klarem Wasser sich die Menschen labten. Sie lebten hier ein Leben in Luxus und Sorglosigkeit. Nirgendwo sah man Waffen, nirgendwo Angst in den Gesichtern. Ethera schien eine andere Welt zu sein. Ein wahres Paradies. Aber wie war das möglich? Wie konnte sich inmitten all der Zerstörung
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und des Niedergangs diese Oase der Zivilisation und des Wohlstands erhalten haben? »Fragt nicht, meine Brüder«, sagte Lakan, als könnte er Matts Gedanken erraten. »Nehmt Wudans Hort als das, was er ist: ein Geschenk an uns Sterbliche, die wir auserwählt wurden, an diesem heiligen Ort zu leben.« Die Pilger klatschten begeistert Beifall, und Aruula schickte Matt einen triumphierenden Blick. »Was sagst du nun?«, wollte sie wissen. »Ich ... bin sprachlos«, brachte Matt hervor. »Das ist unglaublich!« »Glaubt, meine Brüder und Schwestern«, ertönte plötzlich eine fremde Stimme, »denn das ist der einzige Weg, all dies hier zu begreifen. Glaubt mit der ganzen Kraft eurer Seele Wudan wird es euch vergelten.« Die Pilger wandten sich um und sahen einen Mann in dicker Kutte, der sich ihnen unbemerkt genähert hatte. Der Fremde griff an die Kapuze seiner Robe und schlug sie zurück. Zum Vorschein kam das rundliche Gesicht eines jungen Mannes. Seine Züge waren wohlwollend und freundlich und sein Haar wies eine Tonsur auf, die ihn wie einen mittelalterlichen Mönch erscheinen ließ. »Guten Tag«, grüßte er lächelnd und verbeugte sich tief. »Mein Name ist Maatin.« »Ich bin Lakan von camboo dan«, stellte sich der Anführer der Pilgerschar vor. »Dies sind meine Jünger. Wir sind dem Ruf Wudans gefolgt, der mich im Schlaf ereilte. Lange sind wir marschiert, haben den Glauben aber niemals verloren - und nun sind wir hier.« »Gelobt sei Wudan!«, rief der Mönch aus. »Er ruft die Seinen zu sich. Wir, die wir nur seine ergebenen Diener sind, preisen seine Weisheit und seinen Entschluss. Seid mir und meinen Brüdern, die wir die Heilige Stadt von Ethera verwalten, herzlich willkommen!« »Ich danke euch«, erwiderte Lakan -und wieder brach frenetischer Jubel unter den Pilgern los. Nun wussten sie es sicher: Sie hatten Ethera gefunden, das Paradies, das ihnen in alten Schriften verheißen wurde, den Ursprungsort der neuen Menschheit. »Diese Stadt gehört euch«, fuhr Maatin fort. »Wudan hat euch auserwählt; ihr dürft tun und
lassen, was ihr wollt. Ihr seid von jetzt an Kinder in seinem Garten, braucht euch um nichts zu sorgen. Nur eine Bedingung habe ich zu nennen.« »Nenne sie«, forderte Lakan. »Keine Mühe wird uns zu groß sein.« »Eure Waffen«, meinte der Mönch und deutete auf das mächtige Schwert, das Aruula auf dem Rücken trug. »Ihr werdet sie hier nicht brauchen. Dies ist ein Ort des Friedens und des Glücks. Es ist Wudans Wunsch, dass ihr eure Waffen ablegt und Kinder des Friedens werdet.« »So sei es«, bestätigte Lakan ohne Zögern. Er griff unter seine weite Robe, zog ein ellenlanges Messer hervor und reichte es dem Mönch. Seine Jünger taten es ihm gleich -fast jeder von ihnen verbarg eine Klinge oder einen Knüppel in den weiten Falten seines Gewandes. Im Nachhinein konnte Matt Aruula und sich nur dazu beglückwünschen, dass sie sich dem Zug der Pilger freiwillig angeschlossen hatten... Auch die Barbarin legte ohne Zögern ihr Schwert ab, gab es dem Mönch, der alle Waffen einsammelte. * Es verblüffte Matt, dass Aruula sich so ohne weiteres von ihrer Waffe trennte. Doch die junge Frau war wie entrückt, seit sie die Stadt betreten hatten. Dieser Ort schien einen geradezu magischen Einfluss auf sie auszuüben. Überwältigt schaute sie sich um, staunend wie ein Kind in einem Spielzeugladen. »Diese da«, sagte Maatin plötzlich. »Du solltest sie ablegen, mein Bruder.« »Was?« Matt, der in Gedanken gewesen war, begriff erst jetzt, dass er gemeint war. »Deine Pistole«, wurde der Mönch deutlicher. »Du musst sie ablegen, wenn Wudan dir Zugang zu seiner Heiligen Stadt gestatten soll.« Matt war verblüfft - nicht so sehr, weil der Mönch die Herausgabe seiner Waffe verlangte, sondern weil er wusste, was eine Pistole war! Sollte es tatsächlich möglich sein? Sollte sich an diesem Ort nicht nur die Fassade, sondern auch
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das Wissen der alten Zeit erhalten haben? Neugier packte Matt. Er musste es erfahren. Rasch löste er seinen Waffengurt und reichte ihn dem Mönch. Auch das Kampfmesser gab er her, wenn auch schweren Herzens. Zurück behielt er lediglich das harmlos aussehende Stück Plastiksprengstoff samt Zünder, das er noch bei sich trug. Nicht so sehr, weil er Maatin misstraute, sondern weil es in den falschen Händen Schreckliches anrichten konnte. »Gut«, stellte der Mönch zufrieden fest. »Ich werde euch nun zu eurer Unterkunft bringen. In dieser ersten Nacht in Ethera seid ihr die Ehrengäste meines Ordens und wir werden ein großes Festessen zur Feier eurer Ankunft geben. Morgen werdet ihr dann ausziehen, um euch eine eigene Unterkunft zu suchen. Ganz Ethera steht euch offen; viele Kinder Wudans finden hier Platz. Euer altes Leben ist zu Ende; niemals wieder werdet ihr Trauer, Mangel oder Furcht empfinden. Willkommen im Paradies... « * Maatin hatte nicht übertrieben: Als Matt und Aruula das Zimmer sahen, das ihnen zugewiesen worden war, fühlten sie sich tatsächlich wie im siebten Himmel. Ausgelassen ließ sich Aruula auf das weiche Bett fallen, versank in den blütenweißen Laken, während Matt in eine Schale mit frischem Obst griff und sich einen rotbackigen Apfel schmecken ließ. Der Sitz des Ordens befand sich in einem prächtigen gotischen Bau, den Matt als das frühere Rathaus der Stadt in Erinnerung hatte. Unten auf dem Platz waren bereits die Vorbereitungen für das Festbankett im Gange. Vom Fenster des Zimmers aus beobachtete Matt, wie zwei Dutzend Mönche, die ähnlich gekleidet waren wie Maatin, lange Tische und Bänke aufstellten. Mehrere Feuerstellen wurden aufgeschichtet, Fässer mit Bier und Wein herangeschafft. Bier, dachte Matt grinsend. Noch etwas, das sich in München im Lauf der letzten Jahrhunderte offenbar nicht geändert hatte... Er blickte auf, ließ seinen Blick über die
Häuserreihen schweifen, die sich jenseits des Platzes erstreckten. Nirgendwo eine Spur von Verfall. Alles sah so aus, als wäre es erst vor ein paar Jahren errichtet worden. Wie in aller Welt war so etwas möglich? Selbst wenn München die große Katastrophe aus irgendeinem Grund unbeschadet überstanden hatte, hätte der Zahn der Zeit den Häusern zusetzen müssen. Wer steckte hinter Ethera? Waren es Maatin und sein Orden? Oder war es tatsächlich die wunderbare Macht Wudans? Matt stellte sich all diese Fragen -doch sein Interesse daran, sie auch aufzuklären, schwand von Augenblick zu Augenblick. Wahrscheinlich lag es daran, dass er sich hier zu Hause fühlte, dass er zum ersten Mal seit sehr langer Zeit wieder ein Gefühl von Trost und Geborgenheit empfand. Dies war seine Welt, und er freute sich schon darauf, durch die Straßen der Stadt zu gehen und ein Leben zu führen, wie er es einmal gelebt hatte - vor langer Zeit, bevor ein glühender Brocken aus dem All die Erde getroffen und der Zivilisation ein jähes Ende bereitet hatte... Aruula trat neben ihn, blickte ebenfalls zum hohen Fenster hinaus. »Nun?«, erkundigte sie sich. »Es tut mir leid«, sagte Matt. »Eigentlich dürfte es diesen Ort nicht geben - aber es gibt ihn. Du hattest Recht und ich Unrecht.« Die Kriegerin bedachte ihn mit einem offenen Blick. »Es ist mir egal, ob ich Recht habe oder nicht«, sagte sie. »Ich will nur glücklich sein. Und ich will, dass auch du glücklich bist.« Matt starrte durch das Fensterglas, sah das Licht der untergehenden Sonne die Dächer der Stadt golden verfärben. »Ich bin glücklich«, versicherte er -und zog Aruula an sich heran. Die junge Frau schlang ihre Arme um seinen Nacken. Ihre Lippen bewegten sich aufeinander zu, begegneten sich in einem feurigen Kuss. »Jetzt kannst du mir alles zeigen«, hauchte Aruula leise. »Ich will deine Welt kennenlernen, will alles sehen, von dem du mir erzählt hast.«
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»Das wirst du«, versicherte Matt. »Das wirst du... « Sie schmiegte sich an ihn, zärtlicher und liebevoller, als er es erwartet hatte. Wieder küssten sie sich. Dann nahm sie seine Hand, führte sie hinab zur Verschnürung ihres Lendenschurzes. Matt zog den Knoten auf - und das winzige Stück Taratzenfell glitt zu Boden. Sie gingen zum Bett, ließen sich auf die weichen Laken nieder. Sie versanken in einem Rausch puren Glücks, während gedämpft die Stimmen der Mönche aus dem Hof zu ihnen herauf drangen. * Die Sonne war bereits untergegangen, als die Glocke im Turm geläutet wurde. Die Feuer auf dem Vorplatz verbreiteten hellen Schein, tauchten die Fassade des alten Rathauses in flackerndes Licht. Lakans Pilger strömten die breite Treppe hinab in den Hof, wurden von den Mönchen an ihre Tischplätze geführt. Die Gläubigen hatten ihre alte Kleidung abgelegt und trugen jetzt leichte Tuniken aus buntem Stoff, die ihnen die Mönche gegeben hatten. Auch Aruula hatte ihren Lendenschurz gegen eine orangefarbene Tunika getauscht, die ihren schlanken Körper gut zur Geltung brachte. Matt hingegen hatte sich entschieden, seine Uniform anzubehalten - das zerschlissene Ding war ihm zur zweiten Haut geworden. Er hatte den Tarnanzug aber wenigstens gründlich gewaschen, um ihn halbwegs »stadtfein« zu machen. Sie nahmen an der langen Tafel Platz, die die Mönche aufgestellt hatten. Maatin, der innerhalb des Ordens eine höhere Stellung einzunehmen schien, erhob sich und begann eine kurze Ansprache, der alle Anwesenden gebannt lauschten. »Kinder Wudans«, begann er. »Meine Mitbrüder und ich freuen uns, euch in Ethera willkommen zu heißen. Es ist Wudans Wille, dass ihr hier seid. Wir, die wir seine ergebenen Diener sind, werden versuchen, euch euer Leben hier so angenehm wie möglich zu machen und
euch jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Was immer ihr begehrt - wir werden versuchen, euch jeden Wunsch zu erfüllen, wie es Wudans Wille ist. Sowohl ich als auch meine Ordensbrüder sind eure ergebenen Diener. Ruft uns, wann immer ihr uns braucht. Denn wir haben uns zu diesem Dienst entschieden - ihr aber seid von Wudan auserwählt worden.« »Jawohl«, rief jemand laut, »so ist es! Wir sind die Auserwählten!« Die Pilger jubelten und lachten ausgelassen nur Lakans sonoren Bass konnte Matt nirgendwo heraushören. Vergeblich versuchte er den Anführer der Pilgerschar an der Tafel auszumachen. »Wo ist Lakan?«, fragte er Aruula. »Kannst du ihn irgendwo sehen?« Die Kriegerin blickte suchend umher - doch auch sie konnte den hünenhaften Zimmermann nirgendwo erblicken. »Vielleicht isst er woanders«, meinte sie. »Immerhin war er derjenige, zu dem Wudan gesprochen hat.« Matt war nicht überzeugt, aber es blieb keine Zeit, darüber nachzudenken. Denn im nächsten Moment erschienen einige Mönche, die große silberne Tabletts mit sich führten. Matt hörte seinen Magen knurren -nach all der Fasterei konnte es nicht schaden, etwas Ordentliches zwischen die Zähne zu bekommen. Wenngleich seine Erfahrungen mit der postapokalyptischen Küche nicht die allerbesten waren. An Rattenfleisch fand er keinen rechten Geschmack, und auch an Käfer, Maden und gegrillte Rieseninsekten hatte er sich noch immer nicht recht gewöhnen können. Aruula sah sein Gesicht und musste unwillkürlich lachen. »Du machst dir Sorgen«, stellte sie fest. »Ja«, bestätigte er mit freudlosem Grinsen. »Was es wohl zu essen gibt?« »Ich hoffe ja auf gegrillte Bellits«, erklärte die Kriegerin genießerisch. »Das habe ich befürchtet.« Matt stöhnte. »Mir wäre ein Hot Dog lieber... « Einer der Mönche trug ein großes Silbertablett heran, das er direkt vor Matt auf den
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Tisch stellte. »Wudan sei gepriesen«, sagte er feierlich dann hob er den Deckel. Darunter kamen dick belegte Burger und Sandwiches, saftige Hot Dogs sowie goldgelbe French Fries zum Vorschein. Matt fühlte, wie ein dicker Kloß seinen Hals auf und ab wanderte. »Das... das gibts doch nicht«, ächzte er. »Es ist das, was du dir immer gewünscht hast«, meinte Aruula lächelnd. »Du siehst Wudan sorgt auch für dich.« »Sieht ganz so aus«, bestätigte Matt fassungslos. »Jedenfalls scheint er ein gutes amerikanisches Restaurant zu kennen...« Ein weiteres Tablett wurde herangetragen und vor Aruula abgestellt. Als die Haube diesmal gelüftet wurde, gab sie einen Berg von weißem Bellitfleisch frei, von dem ein strenger Geruch aufstieg. »Wudan sei gepriesen!«, rief Aruula aus und machte sich mit bloßen Händen über ihre Lieblingsspeise her. Auch Matt griff zu, ließ es sich herzlich schmecken - der letzte Hamburger, den er gegessen hatte, lag lange zurück. Eines musste man den Mönchen von Ethera lassen - sie verstanden es wirklich, ihre Gäste zu verwöhnen. * Matt schlang mehrere Cheeseburger in sich hinein, mampfte dazu knusprige Pommes frites. Das Gefühl, das ihn dabei erfüllte, war unbeschreiblich. Für einen Augenblick kam es ihm tatsächlich so vor, als wäre er wieder zu Hause, als säße er mit Freunden beim Barbecue im Garten und als sei alles nur ein schlimmer Traum gewesen. Er war so begeistert, dass er gar nicht darauf kam zu fragen, woher die Mönche das Rezept und die Zutaten für Hamburger hatten, wieso sie wus-sten, dass Aruula am liebsten Bellits aß und wieso jeder der Pilger genau das vorgesetzt bekam, was er am liebsten mochte. Es erschien ihm auf verhängnisvolle Art selbstverständlich - so wie allen anderen, die mit
ihm am Tisch saßen. Ein eigenartiges Glücksgefühl erfüllte ihn - und in diesem Moment erschien ihm dieser Ort wirklich wie das Paradies auf Erden. Aruula ging es nicht anders. Seit sie ein kleines Mädchen gewesen war, hatte sie davon geträumt, Ethera zu suchen und zu finden. In den ersten Jahren ihrer Verschleppung durch Sorbans Horde war diese Traumwelt eine Zuflucht für sie gewesen, ein Sanktuarium. Nun waren ihre Träume Wirklichkeit geworden - und hatten ihre Vorstellungen noch bei weitem übertroffen. Hier brauchte sie nicht zu kämpfen, brauchte sie nicht ständig auf der Hut zu sein und um ihr Leben zu fürchten. Hier konnte die Frau in ihr erwachen. Sie streifte Maddrax mit einem Seitenblick. Bislang hatte sie ihn stets bewundert, hatte ihn nicht nur als ihren Gefährten, sondern auch als ihren Herrn betrachtet. Nun begann sie ihn mit anderen Augen zu sehen - mit den Augen einer liebenden Frau. Sie schenkte ihm einen zärtlichen Blick, beugte sich zu ihm, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern - als sie plötzlich sah, wie sich das Essen in seinen Händen von einem Moment zum anderen in zähflüssigen grünen Schleim verwandelte! * Entsetzt prallte Aruula zurück, kniff die Augen zu. Als sie sie wieder öffnete, war die Vision vorüber, hielt Matt wieder ein in ein Brot gehülltes Würstchen - ein Hottok - in der Hand, von dem er herzhaft abbiss. Die junge Frau schüttelte den Kopf, fragte sich, ob sie wirklich etwas gesehen oder es sich nur eingebildet hatte. Schon nach ein paar Augenblicken wusste sie es nicht mehr mit Sicherheit zu sagen. Sie nahm an, dass es der lange Marsch war und die Strapazen der letzten Wochen, die ihre Sinne ein wenig verrückt spielen ließen. Und sie beschloss, niemandem etwas davon zu erzählen. *
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Der kreisrunde Raum war dunkel - so dunkel wie die Gestalten, die sich dort schweigend versammelt hatten. Ich empfinde eine Störung... eine Störung innerhalb der Mauern unserer Sfadt... Die Stimme erklang nicht laut, sondern in den Gehirnen der Wesen. Die Kreaturen, deren Gesichter unter den weiten Kapuzen nicht zu sehen waren, tauschten fragende Blicke miteinander. Eine Störung? Wie ist das möglich? Alle Menschen, die die Gabe besitzen, wurden entfernt, wie ihr befohlen habt. Nein, kam die Antwort schroff, es muss noch jemanden geben. Jemand, von dem wir nichts wissen. Jemand, der die Sendung empfangen kann und unerkannt unter uns weilt... Wenn Ihr Recht habt, müssen wir ihn finden. Ihr müsst ihn finden und vernichten. Er ist eine Gefahr für uns und darf keinesfalls entkommen. Sucht ihn und tötet ihn... Am nächsten Morgen begleitete Matt Maatin zu einem Ausflug durch die Stadt. Der freundliche Mönch hatte sich bereit erklärt, ihm alles zu zeigen. Sie fuhren in einer kleinen Kutsche, die von einem Pferd gezogen wurde kein Frekkeuscher, kein Wakuda und auch kein Efrant, sondern ein ganz normales Pferd, das Schwanz und Mähne hatte und auf vier Beinen ging. Fast hatte Matt vergessen, wie so etwas aussah. Sie fuhren die breite Prachtstrasse hinab bis zu einem großen, ans alte Rom gemahnenden Torbogen, der sich quer über die Straße spannte. Von dort wandten sie sich nach Norden, und Matt erkannte einige Gebäude wieder, die ihm schon bei seinem ersten Besuch in München aufgefallen waren, der für ihn nur sechs Jahre zurücklag - und für den Rest der Menschheit ein paar Jahrhunderte. Gelegentlich kamen ihnen andere Fuhrwerke entgegen, die ausschließlich von Mönchen gesteuert wurden, die Lebensmittel und andere Waren transportierten. Die Pilger, die die Straßen der Stadt bevölkerten, gingen zu Fuß. Sie brauchten nicht zu arbeiten und hatten alle Zeit der Welt - wieso sollten sie ein Fahrzeug benutzen?
Autos oder Motorräder konnte Matt nirgends entdecken - vermutlich fehlte das Benzin, um sie zu betreiben. Dafür waren viele der Häuser und Straßenzüge mit Elektrizität ausgestattet. Die Energie dafür schien aus einem verborgenen Kraftwerk zu kommen. Matt hatte sich bei Maatin danach erkundigt -und zur Antwort bekommen, das »Licht ohne Feuer« sei ein weiteres Wunder Wudans. Er war zu dem Schluss gelangt, dass die Mönche selbst nicht wussten, woher der Strom kam. Vieles in der Stadt schien auf wundersame Weise einfach zu funktionieren, ohne dass sich jemand darum kümmerte. Sie bogen in eine weitere breite Straße ein, die in alter Zeit eine der Hauptverkehrsadern der Stadt gewesen sein musste. In einem weiten Bogen führte sie um die Stadt herum, entlang an dem gigantischen Schuttwall, der rings um das Häusermeer aufgeschüttet worden war. An den Kreuzungen gab es Ampeln, die keinen Zweck mehr erfüllten. Matt sah riesige Werbetafeln, die für Produkte warben, die es längst nicht mehr zu kaufen gab. All diese Dinge hatten ihren Sinn vor langer, langer Zeit verloren - und dennoch waren sie so gut erhalten, dass man hätte glauben können, einen schönen Frühlingstag des Jahres 2012 zu erleben... Das Gelände, das von dem Wall umschlossen wurde, war riesig - Matt schätzte, dass es etwa ein Fünftel der alten Stadtfläche betrug. Wenn man in den Straßen unterwegs war, hatte man gar nicht das Gefühl, sich innerhalb einer turmhohen Umgrenzung zu befinden. »Wer hat diese Mauer aufgeschüttet?«, erkundigte sich Matt bei Maatin. »Es ist Wudans Werk«, gab der Mönch zurück, während er den Einspänner ruhig über den Asphalt der Straße steuerte. »Wudan hat all das hier geschaffen. Er hat seine schützende Hand über die Stadt gehalten, als Kristofluu kam, und er hat dafür gesorgt, dass keine Ungläubigen diesengeheiligtenBoden entweihen. Schließlich war dies der Ort, an dem die Geschichte der Menschheit ihren neuen Anfang nahm.« »Mit Adax«, riet Matt.
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»So ist es. Er war der Urvater der Menschen. Wir alle stammen von ihm ab. Und ihr, die ihr auserwählt wurdet, seid seine Erben.« Sie näherten sich einer Zeile von Häusern, aus deren Eingängen Scharen von Gläubigen strömten. Sie winkten und lachten ausgelassen, und Maatin warf ihnen ein paar der Früchte zu, die er auf der Pritsche des Wagens beförderte. Die Gläubigen fingen das Obst aus der Luft, tollten übermütig umher - wie Kinder. Allerdings konnte Matt unter ihnen keine Kinder entdecken. Und auch keine alten Menschen. Wenn er sich recht entsann, hatten sich auch unter Lakans Jüngern weder Kinder noch Alte befunden - was hatte das zu bedeuten? Er erkundigte sich bei Maatin danach, und der Mönch bedachte ihn mit einem undeutbaren Blick. »Es ist Wudans Wille«, erklärte er dann. Der Gott schien hier für jede Erklärung gut zu sein. »Wer nach Ethera kommen will, muss einen langen und manchmal auch gefahrvollen Marsch auf sich nehmen. Wudan ist ein gütiger Gott. Er möchte diese Mühsal jungen und alten Menschen nicht zumuten, deshalb ruft er sie nicht zu sich.« »Verstehe«, meinte Matt. Er wollte noch etwas fragen - als vor ihnen plötzlich ein gewaltiges Bauwerk aus Beton und Stahl auftauchte, das sich auf einem Hügel erhob und aussah wie eine riesige Arena. Ein Zeltdach aus glitzerndem Glas schien sich darüber zu spannen, daneben ragte der Stumpf eines einstmals gewaltigen Turms in die Höhe. Matt erkannte die Überreste des Münchner Fernsehturms und das alten Olympiastadion. 2006 war es einer der Austragungsorte der Weltmeisterschaft im Soccer gewesen, gerade in dem Jahr, als er nach Berlin versetzt worden war. Er hatte einige Spiele im TV gesehen... »Was ist das?«, fragte er dennoch, ahnend, dass das Sportstadion im Lauf der letzten Jahrhunderte einem anderen Zweck zugeführt worden war. »Das«, entgegnete Maatin stolz, »ist templa wudan - der Tempel Wudans. Die Einwohner von Ethera dürfen sich überall frei bewegen
nur dieser geheiligte Boden ist ihnen verwehrt. Es ist das größte und mächtigste Gebäude der Stadt. Sterblichen ist es verboten, es unaufgefordert zu betreten. Nur wenn Wudan sie ruft, ist es ihnen gestattet.« »Wenn er sie ruft?« Matt zog die Brauen hoch. »Natürlich«, erklärte Maatin schlicht. »Dies ist Wudans Stadt. Manchmal ruft er uns zu sich, um uns wichtige Botschaften mitzuteilen... seine Gesetze... seinen Willen.« »Und wie ruft er uns?«, erkundigte sich Matt. Maatin schenkte ihm ein ehrliches Lächeln. »Hab Geduld, mein Bruder«, meinte er. »Wenn es soweit ist, wirst du es wissen.« »Aha«, machte Matt, nicht viel schlauer als zuvor. So sehr er sich darüber freute, dass zumindest eine Stadt die große Katastrophe überstanden hatte, und so paradiesisch Ethera auch sein mochte - irgendetwas an diesem Ort war überaus mysteriös und weckte ein vages Unbehagen in ihm... * Am Nachmittag trafen neue Pilger ein, und Matt, Aruula und die anderen mussten ihre Bleibe im alten Rathaus verlassen und sich eine neue Unterkunft suchen. Sie entschieden sich für ein Haus, von dem aus sie einen guten Ausblick auf den templa wudan hatten. Aruula wollte ihrem Gott so nahe wie möglich sein, und Matt fühlte sich von dem riesigen Bauwerk auf geheimnisvolle Weise angezogen. Es übte eine Faszination auf ihn aus, die er nur schwer erklären konnte. Unweit des Stadions gab es ein Badehaus ein früheres Schwimmbad, hinter dessen gläsernen Wänden exotische Pflanzen wucherten. Viele der Pilger, die erst in den letzten Tagen in Ethera eingetroffen waren, erholten sich hier von den Mühen des langen Marsches. Sie schwammen in den großen Becken, ließen sich warme Güsse oder Massagen verabreichen. Schöne junge Frauen, die nichts am Leib trugen als zarte, fast durchsichtige
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Tuniken, waren damit beschäftigt, die Besucher des Bades zu verwöhnen, ihnen jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Auch Matt und Aruula suchten das Badehaus auf, das ihnen von einigen anderen Pilgern empfohlen worden war. Ein wenig Ruhe und Entspannung konnte ihnen beiden nicht schaden. Die Kriegerin zögerte nicht lange. Rasch streifte sie ihre Tunika ab und setzte mit einem kühnen Kopfsprung in eines der Becken. Ihre nackte Haut schimmerte wie Alabaster, ehe sie gischtend ins blaue Wasser eintauchte. Die übrigen Männer und Frauen, die sich im Wasser tummelten, tollten umher wie Kinder. Sie waren sorglos, ohne Furcht, viele zum ersten Mal in ihrem Leben. Was außerhalb der Mauern von Ethera lag, schienen sie längst vergessen zu haben... Matt legte seine Kleidung ab und sprang Aruula hinterher. Der Augenblick, in dem er untertauchte und von erfrischendem Nass umhüllt wurde, erschien ihm wie eine Erlösung. Er tauchte auf, und er und Aruula schwammen um die Wette, neckten sich gegenseitig und lachten. Matt kam sich vor wie ein Teenager am Strand von Daytona Beach. Er fühlte sich jung und glücklich. Die wenigen Zweifel, die er gehegt hatte, wurden vom kühlen Wasser hinfort geschwemmt. Als er und Aruula aus dem Wasser stiegen, wurden sie von zwei langhaarige Schönheiten empfangen, die mit aufreizend wippenden Brüsten auf sie zukamen und ihnen blütenweiße Handtücher reichten. Sie trockneten sich ab, schlangen die Tücher um ihre Hüften und wurden von den lächelnden, aber schweigsamen Mädchen zu den Massageliegen geführt. Bereitwillig nahm Matt darauf Platz, entspannte sich und ließ die Schöne seine verspannten Muskeln kneten. Aruula, die noch nie zuvor eine Massage bekommen hatte, zögerte ein wenig. Dann legte auch sie sich auf die Pritsche, wartete skeptisch ab, was kommen würde. Sie zuckte zusammen, als die junge Frau mit dem langen blonden Haar sie berührte - doch im nächsten Moment stieg ihr der Geruch von
ätherischen Ölen in die Nase und umschmeichelte sie. Sie atmete tief durch und entspannte sich, genoss die Art, auf die ihre Wohltäterin ihre geübten Hände über ihren Rücken gleiten ließ. »Mann«, hörte sie Matt sagen, »was für ein Leben... « Sie schloss die Augen, hatte verführerischen Duft in der Nase, liebliche Musik in den Ohren und schlief ein. Als sie wieder erwachte, wusste sie nicht zu sagen, wie viel Zeit vergangen war. Sie schlug die Augen auf, vergewisserte sich mit einem Seitenblick, dass Matt noch immer neben ihr lag. Dann schaute sie auf die glitzernde Wasserfläche des Beckens hinab, sah ihr eigenes Spiegelbild - und das der jungen Frau, die sie massierte. Doch statt des bildhübschen Gesichts, das von blonden Locken umrahmt wurde, erblickte Aruula im spiegelnden Wasser eine schwarze geschuppte Dämonenfratze! * Sie schrak hoch und fuhr herum. Die junge Frau, die sie massiert hatte, trat erschrocken zurück und blickte verwirrt drein. »Alles in Ordnung?«, erkundigte sich Matt. Aruula setzte sich auf, massierte ihre Schläfen. Plötzlich verspürte sie pochende Kopfschmerzen. »Es ist nichts«, log sie. »Ich bin nur müde, das ist alles.« »Ganz bestimmt?« Matt musterte sie mit besorgtem Blick. »Bestimmt.« Aruula nickte - und wünschte von Herzen, sie wäre sich wirklich so sicher gewesen... Den ganzen Abend über sprach Aruula nur wenig. Seif sie im Badehaus gewesen waren, schien sie etwas zu bedrücken. Matt fragte sich, was es sein mochte. Er hatte das Gefühl gehabt, als hätte seine Gefährtin irgendetwas gesehen. Etwas, das sie erschreckt hatte und ihre Freude darüber, Ethera gefunden zu haben, nachhaltig trübte. Zum Abendessen, das die Mönche auf einem der öffentlichen Plätze unweit des Tempels
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verteilten, wurden wiederum erlesene Köstlichkeiten serviert - doch Aruula schien keinen Appetit zu haben. Lustlos stocherte sie in ihrem Shassensteak herum, brachte keinen Bissen hinunter. Etwas schien schwer auf ihrer Seele zu lasten. Schließlich hielt es Matt nicht mehr aus. Er beschloss sie danach zu fragen. »Du weißt, dass du mir vertrauen kannst«, sagte er in ernstem Ton. Die junge Frau blickte auf, schickte ihm einen traurigen Blick. Schließlich nickte sie. »Warum hast du dann Geheimnisse vor mir?«, erkundigte sich Matt, »Ich habe keine Geheimnisse vor dir«, beteuerte die Kriegerin - aber sie war eine schlechte Lügnerin. Traurig ließ sie den Kopf sinken, starrte auf ihren Teller. »Was ist los?«, fragte Matt. »Ich kann sehen, dass dich etwas bedrückt. Sag es mir, vielleicht kann ich dir helfen... « Die Barbarin schüttelte den Kopf. Sie wusste Matts Angebot zu schätzen - aber ihr konnte niemand helfen. Sie war dabei, den Verstand zu verlieren, sah Dinge, die in Wirklichkeit nicht existierten. Nun, da sich ihr Lebenswunsch erfüllt und sie Ethera gefunden hatte, schien es Wudans Wunsch zu sein, dass sie den Verstand verlor und langsam wahnsinnig wurde. Vielleicht war dies der Preis, den sie für die Gabe zu zahlen hatte, die er ihr verliehen hatte... Matt presste die Lippen zusammen. Er konnte sehen, dass etwas seine Gefährtin schwer belastete, aber er kam einfach nicht an sie heran. Er bemerkte, dass ein anderer Gläubiger ein kleinwüchsiger bärtiger Mann mit hervorspringenden Augen -sie vom Nachbartisch aus argwöhnisch beäugte. »Gibt's irgendein Problem?«, erkundigte sich Matt. »Diese Hexe«, sagte der Pilger und deutete auf Aruula. »Sie ist das Problem.« Die junge Frau schaute auf, sandte dem Mann einen traurigen Blick. In ihren Zügen war keine Spur von Zorn zu sehen. »Was soll das heißen?« Matt verstand kein Wort. »Frag sie doch selbst«, stichelte der Pilger
weiter. »Sie ist dabei, ihren wahren Glauben zu verlieren. Sie zweifelt. Sie ist eine Ketzerin!« »Ketzerin... Ketzerin... « Das Wort geisterte wie eine magische Formel von Tisch zu Tisch, wurde empört gemurmelt. Aruula wurde von allen Seiten mit verstohlenen Blicken bedacht; manche davon waren unverhohlen feindselig. Matt merkte, wie sein innerer Alarm zu schrillen begann. Die Situation entwickelte sich nicht gerade günstig. Einige der Pilger erhoben sich; ihre Fäuste waren geballt. »Sie ist eine von ihnen!«, zischte der Mann mit dem Bart. »Sie zweifelt an Wudan! Wir müssen sie melden!« »Hier wird überhaupt nichts gemeldet«, knurrte Matt und erhob sich vom Tisch. Er bedachte die anderen Gläubigen mit einem eisigen Blick, der eine unausgesprochene Warnung enthielt. »Sie ist nur müde, das ist alles. Es steht euch nicht zu, ihren Glauben zu beurteilen.« Er zog Aruula, die alles willenlos mit sich geschehen ließ, zu sich hoch. Sie verließen sie das Bankett, verfolgt von den argwöhnischen Blicken der Gläubigen. »Ihr solltet euch vorsehen!«, rief ihnen der Bärtige nach. »Bei seinen Feinden kennt Wudan keine Gnade. Ketzer und Zweifler werden verbrannt. So ist das Gesetz! Seht euch vor, hört ihr... ?« Und zum ersten Mal kam Matt der Gedanke, dass dieser Ort nicht ganz so paradiesisch war, wie alle dachten... * Dunkle Wolken hatten sich vor die bleiche Sichel des Mondes geschoben und dafür gesorgt, dass fast völlige Finsternis herrschte. Nebel war aufgezogen und kroch in fahlen Schwaden durch die Straßen, leuchtete unheimlich im Schein der Laternen. Der große Schlaf hatte sich über die Stadt gesenkt; keine Menschenseele war mehr in den Straßen. Wer es rechtzeitig geschafft hatte, nach Hause zu kommen, schlief in seinem Bett. Wen die Müdigkeit noch auf den Stufen seines Hauses ereilt hatte, der war dort niedergesunken.
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Eine fremde Macht hatte dafür gesorgt, dass jedes menschliche Wesen innerhalb der Stadtmauern schlief. Keines Menschen Auge sollte die dunklen Gestalten erspähen, die in gebückter Haltung durch die Straßen huschten, lautlos, scheinbar schwebend. Sie trugen lange Mäntel mit Kapuzen, die tief in ihre dunklen Gesichter reichten. Geisterhaft wie Phantome glitten sie durch den Nebel, blickten sich mit schwarzen Augen um. Ihre Sinne versuchten Witterung aufzunehmen, die Störung auszumachen, von denen ihr Meister berichtet hatte. Sie mussten die Quelle dieser Störung finden und beseitigen. Die Gefahr, entdeckt zu werden, war zu groß... Sie huschten durch die Straßen, schauten in die Eingänge der Häuser. Manchmal gingen sie auch hinein, beobachteten die Menschen im Schlaf. Sie beugten sich über sie, sahen die Reaktion in den Gesichtern der Schlafenden und wussten, dass sich in diesem Augenblick dunkle Schatten über ihre Träume legten. Menschen... so schwach und zerbrechlich. Die vermummten Kreaturen widerstanden der Versuchung, ihre Zähne in weiche warme Haut zu schlagen und das Leben aus den wehrlosen Menschen herauszusaugen. Sie hatten einen Auftrag zu erfüllen -einen Auftrag, der wichtiger war als alles andere... Hier ist niemand... geisterte es flüsternd und schattenhaft durch ihr Be-wusstsein, während sie sich über weite Entfernungen hinweg miteinander unterhielten. Hier auch nicht. Der Meister muss sich geirrt haben... Der Meister irrt sich niemals. Er kann sich nicht irren. Er sagt, es gibt eine Störung. Wir müssen sie finden... finden... finden... Es gibt noch einen anderen Lauscher. Wie ist so etwas möglich? Wir wissen es nicht... müssen ihn beseitigen. Der große Plan ist bedroht... Plötzlich eine Veränderung, merkliche Anspannung .Ein Anflug von Angst. Hier ist ein Mensch... der große Schlaf wirkt nicht bei ihm. Er wacht auf... ! Wo ist er? Wir kommen zu dir.
Wir müssen ihn vernichten! Vernichten! Vernichten... * Slobak riss die Augen auf - und stellte erleichtert fest, dass er sich nicht in einem Taratzennest befand. Es war nur ein Alptraum gewesen. Die dunklen fellbesetzten Kreaturen mit den blitzenden Augen und den gelben Zähnen hatten ihn von allen Seiten umlauert, hatten kurz davor gestanden, ihn mit ihren messerscharfen Krallen zu zerfetzen... Aber nun war es vorbei. Der kleine Mann atmete tief durch, blickte sich gehetzt um. Er lag auf den Stufen seines Hauses in Ethera. Offenbar war er eingeschlafen, war geradewegs auf der Schwelle niedergesunken. Slobak musste lachen. Der Wein. Er hatte zu viel davon getrunken. Der gegorene Traubensaft hatte eine erstaunliche Wirkung auf ihn. Er machte ihn müde und schwerfällig, und manchmal sorgte er auch dafür, dass ihn schlimme Träume verfolgten, Erinnerungen an früher. Räuberische Nomadenstämme, hinterlistige Taratzen, die in der Nacht angriffen... Aber all das lag weit hinter ihm. Wudan hatte Slobak nach Ethera gerufen. Hier war er in Sicherheit - so wie die anderen Pilger, die innerhalb des schützenden Walls der Stadt lebten. Er würde niemals wieder um sein Leben fürchten müssen. Niemals wieder. Er würde als alter Mann im Bett sterben, wie Wudan es ihm verheißen hatte... Der kleine Mann wollte sich auf die Beine raffen und in sein Haus gehen, als er aus dem Augenwinkel heraus eine Bewegung wahrnahm. Er wandte sich um - und sog scharf nach Luft, als er sah, wie sich eine Reihe dunkler, bedrohlich aussehender Gestalten aus dem wabernden Nebel löste. »Was... ?« Er rieb sich die Augen, zwinkerte, um die Erscheinung wegzublinzeln - aber sie blieb.
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Anders als die Taratzen, von denen er geträumt hatte, waren die Gestalten in den Kapuzenmänteln kein Trugbild. Sie waren wirklich. »Wer seid ihr?«, fragte Slobak und wich unwillkürlich zurück, die Stufen hinauf. Die vermummten Gestalten gaben keine Antwort. Aber die lautlose Weise, auf die sie sich näherten, die sonderbare Art, mit der sie sich bewegten, machte ihm Angst. »Was... wollt ihr von mir?«, fragte er mit schwerer Zunge. Er stolperte, fiel rücklings auf die Stufen. Von allen Seiten kamen sie heran, kreisten ihn ein - und er konnte die Gesichter sehen, die sich unter den Kapuzen verbargen. Ein durchdringender Schrei entrang sich seiner Kehle und zerriss die Stille der Nacht. Pures Entsetzen packte Slobak und raubte ihm den Verstand - ehe einen Sekundenbruchteil später ein spitzer Stachel vorschoss und sich mit schrecklicher Wucht durch seinen Schädel bohrte. * Aruula schreckte aus dem Schlaf hoch. Die junge Frau war schweißgebadet. Ihr Haar klebte in feuchten Strähnen auf ihrer nackten Haut, ihr Atem ging stoßweise. Sie hatte einen Traum gehabt... einen schrecklichen Alptraum. Sie hatte Dämonen gesehen, dunkle Kreaturen mit grässlichen Fratzen. Dann hatte sie einen Schrei gehört, der so laut und durchdringend gewesen war, dass er sie aus dem Schlaf gerissen hatte. Aufrecht saß sie im Bett, blickte sich verwirrt um. Maddrax lag neben ihr. Seine breite Brust hob und senkte sich gleichmäßig unter dem Laken. Er schlief tief und fest, schien von dem Schrei nichts mitbekommen zu haben... Noch während Aruula herauszufinden versuchte, ob der entsetzliche Ruf wirklich oder nur Teil ihres Traums gewesen war, fiel ihr Blick auf das Fenster, durch das der fahle Schein der Straßenbeleuchtung fiel. Sie verspürte den unwiderstehlichen Drang, aufzustehen und hinauszusehen. Barfuß huschte
sie durch den Raum und spähte hinab auf die Straße. Zunächst sah sie nur die Fassaden der Häuser mit ihren dunklen Fenstern und Eingängen und die Fetzen von Nebel, die durch die Straßen krochen. Plötzlich jedoch hatte die den Eindruck, als würde sich der Asphalt der Straße bewegen und sie erkannte die unheimlichen Gestalten, die lautlos durch die Dunkelheit huschten... Aruula schluckte hart, schloss für einen Moment die Augen. Doch als sie sie diesmal öffnete, waren die geisterhaften Erscheinungen noch immer da. Sie trugen dunkle Kapuzenmäntel, schienen durch die Straßen zu schweben. Aus allen Richtungen kamen sie zusammen und strebten dem Tempel Wudans entgegen. Die Kriegerin merkte, wie sich ihr Pulsschlag beschleunigte. Entweder sie hatte endgültig dem Verstand verloren - oder aber diese Wesen waren so wirklich wie sie selbst, nicht nur ein Trugbild ihrer Sinne. Aruula atmete tief durch und fasste einen Entschluss. Sie musste Gewissheit haben. Wenn die Dinge, die sie sah, wirklich real waren, wollte sie herausfinden, was es damit auf sich hatte. Rasch warf sie ihre Tunika über und ging auf Zehenspitzen zur Tür. Einen Moment lang zog sie in Erwägung, Maddrax zu wecken und über die seltsamen Vorkommnisse zu informieren. Sie entschied sich jedoch anders, wollte ihren Gefährten keiner unnötigen Gefahr aussetzen. Sie war es, die all diese seltsamen Dinge sah, also musste sie auch damit allein fertig werden... Sie bedachte ihn mit einem letzten liebevollen Blick - und für einen winzigen Moment überkam sie die Befürchtung, dass sie ihn vielleicht nie wiedersehen würde. Dann öffnete sie leise die Tür und schlüpfte hinaus, stieg die Treppe hinab, die unter ihren Füßen leise knarzte. Sie öffnete die Tür nach draußen einen Spalt, spähte hinaus - und sah die Kapuzengestalten auf der Straße vorüberziehen. Wer waren diese Kreaturen? Sie sahen nicht aus wie Menschen. Die weiten schwarzen Mäntel, die sie trugen,
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verhüllten ihre Gestalt. Sie gingen seltsam gebückt, verursachten dabei kein Geräusch. Fast hätte man glauben können, sie schwebten über den Boden. Gespenstisch glitten sie durch den Nebel, dem mächtigen Tempel entgegen, der auf dem Hügel aufragte. Ein eigenartiges Gefühl überkam Aruula. Es war die gleiche unerklärbare Angst, die sie bei ihren Visionen gespürt hatte - zum ersten Mal, als sich das Essen vor ihren Augen zu grünem Schleim verwandelt hatte; das zweite Mal, als sie im Spiegelbild der jungen Frau eine scheußliche Fratze zu erkennen geglaubt hatte. Nun spürte sie wieder diese unerklärbare Furcht - doch diesmal war sie wild entschlossen, ihr auf den Grund zu gehen. Die Barbarin wartete ab, bis die letzte der Kapuzengestalten das Haus passiert hatte. Dann huschte sie hinaus auf die Straße, hielt sich in den Schatten, die die Laternen warfen, und eilte von Haus zu Haus. Die vermummten Gestalten bemerkten sie nicht. Aus allen Richtungen kamen sie zusammen - und es waren viele. Aruula zählte mehr als zehnmal die Zahl ihrer Finger, und es schienen immer mehr zu werden. Unbeirrt strebten sie dem Tempel Wudans entgegen. Aruula konnte die Bedrohung, die von den vermummten Wesen ausging, beinahe körperlich fühlen. Was hatten solche Kreaturen des Bösen im Tempel Wudans zu suchen? Welches Geheimnis umgab diesen Ort? Jetzt verfluchte sie den Umstand, dass sie ihr Schwert abgeliefert hatte; es hätte ihr in dieser Situation Sicherheit gegeben. Die Kriegerin folgte den Gestalten den Hügel hinauf, schlich in gebückter Haltung von Busch zu Busch. Atemlos verfolgte sie, wie sich in den trutzigen Mauern des Tempels ein verborgenes Tor wie von Geisterhand öffnete, um die stummen Kreaturen einzulassen. Sie sprachen nicht miteinander und schienen sich doch zu verständigen. In Aruulas Kopf herrschte ein eigenartiges Summen, seit sie die Fremden beobachtete... Der Tempel nahm sie alle auf, schien sie in seinen dunklen Eingeweiden zu verschlingen zu ein lebendiges Wesen. Schließlich war auch der
letzte von ihnen im Inneren des gewaltigen Bauwerks verschwunden - und das Tor stand noch immer offen. Aruula zögerte keinen Augenblick. Noch ehe sie dazu kam, über die Konsequenzen ihres Handelns nachzudenken, sprang sie hoch und rannte auf das Tor zu. Schon bewegten sich die metallenen Türhälften wieder aufeinander zu, drohten sie auszuschließen. Die Barbarin beschleunigte ihren Schritt, holte alles aus ihrem muskulösen Körper heraus. Geschmeidig wie eine Raumkatze setzte sie heran, machte sich bereit zum Sprung - und katapultierte sich kopfüber durch die nurmehr zwei Ellen breite Öffnung. Sie landete hart auf kahlem Steinboden, rollte sich ab und war sofort wieder auf den Beinen. Hinter ihr fiel das metallene Tor mit dumpfem Donnern ins Schloss. Aruula schnaubte. Sie war im Inneren des Tempels -wie sie wieder heraus kam, war eine andere Frage... Vorsichtig trat Aruula in den Korridor, der sich jenseits des Tors erstreckte. Seine Wände bestanden aus jenem kalten glatten Stein, den Maddrax »Betton« nannte. Erhellt wurde der Gang von einem eigenartigen grünen Leuchten, dessen Quelle Aruula nicht erkennen konnte. Eiseskälte griff nach ihrem Herzen und ließ sie erschaudern. Sie fühlte, dass dies ein Ort des Bösen und der Verderbtheit war - aber wie war das möglich? War dies nicht der heilige Hort Wudans? Des Gottes, der sie alle geschaffen hatte... ? Der Gedanke, dass sie dabei war, in einen verbotenen Bezirk einzudringen, behagte der jungen Barbarin nicht. Sie wollte nicht gegen Wudans Willen verstoßen, aber etwas in ihr drängte sie dazu, um jeden Preis herauszufinden, was sich unter den Kapuzen der seltsamen Gestalten verbarg. Sie nahm all ihren Mut zusammen und drang tiefer in den von grünem Fluoreszieren erfüllten Korridor ein. Das Summen in ihrem Kopf, das schwächer geworden war, als die Kapuzenträger im Tempel verschwunden waren, wurde wieder intensiver. Aruula nahm an, dass sie nicht weit
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entfernt waren. Sie drückte sich eng an die kalte Wand, nutzte jeden Schatten und jeden Vorsprung. Plötzlich trat ihr nackter Fuß in etwas Kaltes, Schleimiges. Angewidert blickte sie hinab und sah, dass der Boden des Ganges von grünem Schleim bedeckt war. Sie fragte sich, an welch seltsamen Ort sie geraten war. Obwohl dies der Tempel des Gottes war, den sie verehrte, bedauerte sie erneut, ihr Schwert nicht bei sich zu haben... Ein Stück vor ihr teilte sich der Gang. Aruula brauchte nur dem Summen in ihrem Kopf zu folgen, um zu wissen, wohin sich die Vermummten gewandt hatten. Sie entschied sich für den rechten Gang, schlich lautlos hinab. Das grüne Leuchten verstärkte sich, und sie hatte das Gefühl, in ihrem Kopf leises Gemurmel zu hören, dessen Sinn sie nicht entschlüsseln konnte. Sie schlich noch ein Stück weiter - und schließlich konnte sie sie sehen. Die vermummten Gestalten hatten sich in einem großen kuppeiförmigen Raum versammelt. Sie gaben kein Geräusch von sich, schienen zu lauschen, während jemand lautlos zu ihnen zu sprach. Aruula presste sich in den Schutz der Wand, die von dem gleichen grünen Schleim überzogen war wie der Boden. Sie erkannte, dass es diese kalte eklige Substanz war, die das eigenartig Leuchten verbreitete. Die Kriegerin hielt den Atem an und schlich geduckt so weit an die fremden Kreaturen heran, wie sie es verantworten konnte. Sie hoffte einen Blick unter die Kapuze eines der Wesen erhäschen zu können, um zu erfahren, mit wem sie es hier zu tun hatte. Im Gewölbe war es völlig still - bis auf das ständige Wispern, das Aruula in ihrem Kopf hörte. Urplötzlich wurde ihr klar, was hier vor sich ging. Die Vermummten besaßen wie sie die Gabel Aber sie konnten nicht nur damit lauschen, sie konnten auch miteinander flüstern... Von einer Mischung aus Furcht und Neugier getrieben wagte sie sich noch ein Stück weiter vor, bis ans Ende des Ganges, der in den Versammlungsraum mündete.
Plötzlich stieß sie mit dem Fuß gegen etwas, das inmitten des grünen Schleims am Boden lag. Aruula blickte hinab - und war vor Entsetzen wie gelähmt, als sie in die leeren Augenhöhlen eines menschlichen Schädels starrte... * Wir sind zurück, Meister... Und? Habt ihr die Quelle der Störung entdeckt? Wir haben sie gefunden, Meister. Es war ein einzelner Mann, ein Betrunkener. Er ist aus dem großen Schlaf erwacht... Wir haben ihn getötet, wie ihr uns befohlen habt. Eine kurze Pause entstand, als die Kreatur, die alle den »Meister« nannten, mit Gedanken hinaus griff, um die Meldung der Diener zu überprüfen. Ihr armseligen Narren! kam es zischend zurück. Ihr habt den Falschen getötet! Die Störung ist noch immer wirksam. Sie gefährdet unseren Plan... ! Unruhe entstand unter den buckligen Kreaturen, schimmernde Augenpaare blitzten unter den Kapuzen hervor. Aber Meister! Ihr müsst euch irren! Wir... Ich irre mich niemals, kam die Antwort schroff. Ich bin euer Herr und Meister! Die Saat, aus der ihr hervorgegangen seid! Wer an mir zweifelt, den ereilt das Verderben! Verzeih uns, Meister! Vergib uns, Erhabener! Was können wir tun, um dich zu besänftigen? Wir sind deine ergebenen Diener! Wir müssen weitersuchen. Die Störung muss gefunden und beseitigt werden. Es ist der Wunsch des Meisters. Nein! Die Stimme, die in aller Be-wusstsein klang, war bestimmt und autoritär. Ihr armseligen Narren! Ihr braucht die Störung nicht mehr zu suchen! Wieder Verwirrung. Warum nicht, Meister? Ganz einfach - weil sie euch bis hierher gefolgt ist. Sie ist hier, ganz in eurer Nähe. Seht
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euch nur um... Plötzlich wusste sie es. Es war eine Ahnung, ein gedanklicher Reflex, mit dem Aruula erkannte, dass sie entdeckt war. Sie wollte herumfahren und sich zur Flucht wenden, doch es war zu spät: Wie auf ein unhörbares Kommando drehten sich die dunklen Kreaturen herum und erblickten sie. Aruula stieß einen Schrei aus. Das Flüstern in ihrem Kopf verstärkte sich, schwoll zu einem gewaltigen Rauschen an, das ihr den Schädel zu sprengen drohte. Die unheimlichen Kreaturen kamen auf sie zu, glitten bedrohlich heran. Nackte Angst packte Aruula und ließ sie zurückweichen. Im nächsten Moment war sie von den dunklen Wesen umzingelt, hatte keine Chance mehr zur Flucht. Eine Menschenfrau! Eine Primitive! Eine Barbarin! Kaum zu glauben, dass sie die Gabe besitzt. Packt sie! Ergreift sie! Sie ist unser Feind... ! Mit einer entschlossenen Geste schlugen die Gestalten die Kapuzen ihrer weiten Gewänder zurück. Aruulas Augen weiteten sich. Blankes Grauen packte sie, als sie in schuppige smaragdgrüne Fratzen blickte, aus denen sie kalt schimmernde schwarze Augen taxierten. Der Schrei, der ihrer Kehle entfuhr, wurde von der hohen Decke des Gewölbes zurückgeworfen und verlor sich in der Weite des unterirdischen Labyrinths. Als Matt die Augen aufschlug, fühlte er sich wie gerädert. Ein neuer Tag war angebrochen, fahles Sonnenlicht flutete zum Fenster herein. Matthew stöhnte. Er hatte schlecht geschlafen; Alpträume hatten ihn heimgesucht. Er konnte sich an nichts Konkretes erinnern - nur an dunkle verschwommene Bilder, die keinen Sinn ergaben, aber ein beunruhigendes Gefühl hinterließen. Das Bett neben ihm war leer - offenbar war Aruula bereits aufgestanden. Matt schwang sich aus den Federn, ging stöhnend zum Wasserkrug und klatschte sich
etwas von dem kalten Nass ins Gesicht, um vollends wach zu werden. Dabei warf er einen Blick in den Spiegel. Was er sah, gefiel ihm nicht besonders - er war sich selbst fremd, fühlte sich müde und erschöpft. Und wo war Aruula... ? »Aruula?« Matt nahm an, dass sie sich in einem der vielen Zimmer der Wohnung aufhielt doch er erhielt keine Antwort. »Aruula... ?« Rasch schlüpfte er in seine Kleider, zog den Overall über, der ihn schon rein äußerlich von den Gläubigen mit ihren Tuniken und Blütenkränzen unterschied. Er durchsuchte die Wohnung, schaute in jedes Zimmer - doch von Aruula fehlte jede Spur. Er ging hinab auf die Straße, wo ihn vorbeiziehende Pilger fröhlich begrüßten - doch von Aruula war weit und breit nichts zu sehen. Er strebte zu der Halle, wo die Mönche das Frühstück für die Gläubigen bereiteten - doch auch dort war Aruula nicht. Wohin mochte sie gegangen sein? Unruhe befiel Matt. Es war ganz und gar nicht Aruulas Art, sich so einfach aus dem Staub zu machen. Was, wenn ihr etwas zugestoßen war... ? Mit Unbehagen dachte er an ihr Erlebnis vom Vorabend zurück. Schaudernd erinnerte er sich an die feindseligen Blicke, die ihnen die Pilger hinterher geschickt hatten. Der Fanatismus der Leute waren deutlich zu spüren gewesen. Matt konnte nur hoffen, dass Aruula nicht diesen Idioten in die Hände gefallen war... Er nahm in der Versammlungshalle ein karges Frühstück zu sich, empfand aber keinen rechten Appetit. Ein mieses Gefühl erfüllte ihn, seit er am Morgen erwacht war - eine Ahnung, dass Unheil bevorstand. Er begann überall im Viertel nach Aruula zu suchen, im Badehaus und an allen anderen Orten, die sie zusammen aufgesucht hatten. Vergeblich. Er erkundigte sich sowohl bei den Pilgern als auch bei den Mönchen nach ihr -doch niemand wollte die junge Frau gesehen haben. Matts Unruhe verstärkte sich. Er ging zurück nach Hause und beschloss dort auf Aruula zu
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warten. Als es jedoch Mittag wurde und sie sich noch immer nicht gemeldet hatte, entschied Matt, Maatin aufzusuchen und ihn zur Rede zu stellen. Zuerst Lakan, jetzt Aruula. Offenbar kam es in Ethera öfter vor, dass Menschen spurlos verschwanden... Er erkundigte sich bei den anderen Mönchen nach Maatins Aufenthalt und fand ihn schließlich an der Prachtstraße, die den Zugang nach Ethera bildete. Gerade war eine Gruppe neuer Pilger eingetroffen, die der Mönch in den Regeln und Gebräuchen der Heiligen Stadt unterwies. Matt sah den Ausdruck der Hoffnung und der Glückseligkeit in den Gesichtern der Neuankömmlinge - den selben Ausdruck hatte auch Aruula im Gesicht gehabt, als sie vor zwei Tagen eingetroffen waren. Und nun war sie plötzlich verschwunden... Matt bat Maatin um ein kurzes Gespräch unter vier Augen. Als der Mönch ablehnte und auf seine Pflichten den neuen Besuchern gegenüber verwies, packte ihn Matt kurzerhand und bugsierte ihn unsanft zur Seite. »Mein Bruder!«, entrüstete sich Maatin und bedachte Matthew mit einem strafenden Blick. »Dies ist ein heiliger Ort! Deine Ungeduld ist unangemessen.« »Von mir aus«, knurrte Matt, den die moraltheologischen Einwände des Mönchs jetzt wenig interessierten. »Ich bin auf der Suche nach Aruula. Sie ist seit heute Morgen spurlos verschwunden.« »Und?« »Ich habe gesagt, Aruula ist spurlos verschwunden«, wiederholte Matt. »Sie war nicht mehr bei mir, als ich heute Morgen aufwachte.« »Dann hat sie dich wohl verlassen«, mutmaßte der Mönch kalt. »Es kommt öfter vor, dass Gläubige in Ethera Läuterung erfahren und sich für ein anderes Leben entscheiden.« »Nicht Aruula«, sagte Matt bestimmt. »Es ist nicht ihre Art. Und wenn es so wäre, hätte sie sich nicht klammheimlich aus dem Staub gemacht.« »Was macht dich so sicher?«
»Nun, sie... wir... « Matt unterbrach sich. Er hatte sagen wollen, dass sie zusammen glücklich gewesen waren, dass sie ein aufregendes, abenteuerliches Leben geführt hatten - aber dann war ihm eingefallen, dass sich Aruula in den letzten Tagen auffallend verändert hatte. Es war augenfällig gewesen, dass sie nicht glücklich gewesen war. Hatte es vielleicht an ihm gelegen... ? »Maddrax sollte seinen Glauben überprüfen«, regte Maatin an, während er Matt mit einem prüfenden Blick taxierte. »Er muss bereit sein, Wudans Willen zu akzeptieren, und alle Zweifel aus seinem Herzen verbannen.« »Ach ja«, machte Matt mit bösem Grinsen. »Und wenn mir das nicht gelingt, lande ich dann auf dem Scheiterhaufen?« »Wer hat dir davon erzählt?«, erkundigte sich der Mönch scharf. »Einer der Pilger«, gab Matt geistes gegenwärtig zurück. Er hatte eigentlich nur sarkastisch sein wollen - und nun schien er voll ins Schwarze getroffen zu haben. »Er sagte, dass es Wudans Wille sei, dass alle Ketzer und Ungläubigen verbrannt würden«, fuhr er fort. Maatin hielt Matts eisigem Blick stand. »Nun, Wudans Wille ist der unsere«, sagte er. »Es steht uns nicht zu, ihn zu hinterfragen.« »Ach nein?« Matt packte den Ordensmann am Kragen seiner Kutte und zog ihn zu sich heran. »Dann hör mir jetzt gut zu«, knurrte er. »Ich weile schon länger auf dieser Erde, als sich irgendjemand von euch vorstellen kann. Ich kenne die ganze Scheiße, die in den alten Tagen passiert ist, und ihr seid dabei, alle Fehler zu wiederholen. Ihr habt nichts dazugelernt, seid kein bisschen besser geworden. Noch immer mordet ihr im Namen Gottes! - Ich weiß nicht, was es mit diesem Ort auf sich hat. Ich weiß nur, dass etwas hier gewaltig stinkt. Ihr verbergt etwas, und ich werde herausfinden, was das ist. Hast du mich verstanden?« »Ich weiß nicht, wovon du sprichst«, entgegnete der Mönch kühl. »Ach nein? Dann verrate mir, Maatin: Wo ist Lakan? Ich habe ihn seit unserer Ankunft nicht mehr gesehen. Und wo ist Aruula? Ich weiß, dass sie mich nicht einfach verlassen hat. Also,
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wo ist sie?« Der Mönch schluckte hart, wand sich in Matts unnachgiebigem Griff. Für einen Moment wirkten seine Züge seltsam entrückt. Dann gewannen sie wieder an Kontur. »Klein ist dein Glaube«, stellte er traurig fest. »Ich denke nicht, dass du würdig bist, in Ethera zu bleiben.« »Das denke ich auch nicht«, gab Matt zurück. »Offen gestanden kann mir euer Paradies ziemlich gestohlen bleiben. Alles was ich will ist Aruula.« »Dann geh sie besuchen«, antwortete der Mönch schlicht. »Überzeuge dich selbst, dass ich die Wahrheit gesagt habe.« »Wo?«, fragte Matt verblüfft. »Deine Gefährtin wurde von Wudan gerufen«, gab Maatin zurück, »ebenso wie Lakan. Die beiden sind in seinen Dienst getreten, um ihm für immer zu gehören.« »Was soll das heißen?« »Lakan ist in unseren Orden eingetreten. Er ist gerade dabei, seine Weihe zu erhalten.« »Und Aruula?« »Sie hat sich für das Frauenhaus entschieden. Dort wird sie zu einer Dienerin Wudans ausgebildet und künftig im Badehaus ihren Dienst versehen.« »Das ist nicht wahr!« »Die Wahrheit ist manchmal schmerzlich, mein Bruder«, gab der Mönch salbungsvoll zurück, »doch du musst dich ihr stellen. Aruula hat einen anderen Pfad gewählt als du.« »Wo kann ich sie finden?« »Drüben im Frauenhaus.« Maatin deutete ein Stück die Straße hinab, wo ein prunkvolles barockes Gebäude aufragte. Die alte Münchener Residenz... Matt ließ den Mönch los. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren wandte er sich ab und ging dem prächtigen Bau entgegen, dessen goldfarbene Ornamente im hellen Sonnenlicht glitzerten. Würde er Aruula dort finden? Und wenn ja, was würde sie ihm sagen? Dass ihre Freundschaft ein Irrtum gewesen war? Freundschaft... ! Matt schüttelte den Kopf. Wem wollte er hier etwas vormachen.
Verdammt, er liebte Aruula, und er würde es Zügen lag nicht der geringste Ausdruck von Wiedersehensfreude. nicht ertragen, wenn sie ihn verließ! »Maddrax«, sagte sie nur. »Ich habe mir Sorgen gemacht«, gestand er. * »Du warst plötzlich verschwunden.« »Ich musste gehen«, sagte sie nur. »Wudan Es krachte dumpf, als die schwere Holztüre hinter ihm ins Schloss fiel. Der Lärm und die hat mich gerufen.« »Dann... ist es also wahr? Du hast dich Betriebsamkeit der Straße blieben draußen zurück, Matt war von Stille und kühlem Dunkel entschieden, hier zu leben? Bei den Frauen?« »In Wudans Dienst«, verbesserte Aruula. umgeben. »Aber warum... hast du nichts davon Eine junge Frau kam auf ihn zu, ein verklärtes Lächeln auf ihrem hübschen Gesicht. gesagt? Warum bist du einfach davongelaufen?« »Ich weiß, dass Maddrax zweifelt«, gab sie Ihr langes rotes Haar reichte fast bis an ihre Hüften herab; eine hauchdünne, fast zurück, »dass er nicht wie Aruula an Wudan durchsichtige Tunika umschmeichelte ihre glaubt. Ich wusste, er würde mich nicht verstehen.« schlanke Gestalt. »Aber... « Matt schüttelte den Kopf, wusste »Was kann ich für dich tun, Bruder? Dies ist ein Ort, der den gläubigen Schwestern nicht, was er darauf entgegnen sollte. Dies war so untypisch für Aruula, so ganz und gar nicht vorbehalten ist.« »Ich weiß«, gab Matt zurück. »Ich möchte ihre Art. Früher wäre sie keinem Konflikt aus dem Weg gegangen, hätte in jedem Fall für ihre mit Aruula sprechen. Ist sie hier?« »Gewiss«, gab die Rothaarige geheimnisvoll Überzeugung gekämpft. Was war nur aus ihr zurück. »Aber ich bin mir nicht sicher, ob sie geworden? Er schaute ihr tief in die Augen, sah das dich sprechen will.« »Ich bin mir dessen völlig sicher«, knurrte geheimnisvolle Lodern darin, das ihm ebenso fremd war wie Aruulas Verhalten. Hätte er es Matt. Allmählich war seine Geduld am Ende. Die junge Frau sah den entschlossenen nicht besser gewusst, hätte er geglaubt, eine Ausdruck in seinem Gesicht, erkannte wohl, dass ganz andere Frau vor sich zu haben. Er atmete tief durch. »Was ist mit Berlin?«, es unmöglich sein würde, ihn abzuwimmeln. »Dann folge mir«, sagte sie und geleitete erkundigte er sich, obwohl er die Antwort Matthew durch die prächtige Eingangshalle in bereits ahnte. »Das ist Maddrax' Weg«, gab sie zurück. einen riesigen Garten von üppigem Grün, der von einem mit Fresken und Gemälden verzierten »Er wird alleine gehen müssen. Aruula hat hier ihre Bestimmung gefunden.« Wandelgang umlaufen wurde. »Verstehe.« Er nickte, seine Züge Inmitten des Gartens stand eine junge Frau, die dieselbe Kleidung trug wie die Rothaarige. verhärteten sich. Er wäre zufrieden gewesen, hätte er gewusst, Sie hatte ihr Haupt gesenkt, schien in Meditation dass es wirklich Aruulas Wille war, an diesem versunken. Matt atmete auf, als er Aruula erkannte. Ort zu bleiben. So aber hatte er das dumpfe Gefühl, dass Ethera die Menschen auf Zumindest war sie unversehrt und am Leben. »Danke«, raunte er seiner Begleiterin zu, unheimliche Art und Weise veränderte, sie dann ging er zu der Barbarin hinüber. Der Garten Dinge tun ließ, die völlig untypisch für sie waren. war menschenleer; sie waren ungestört. Was aber sollte er tun? Nun endlich würde er erfahren, was in seine Vorerst blieb ihm nichts als zu gehen - und Gefährtin gefahren war... »Hallo«, sprach er sie an, schenkte ihr ein zu versuchen, das Geheimnis zu lüften, das über diesem seltsamen Ort lag. Die Pilger mochten es flüchtiges Lächeln. Sie blickte auf, erkannte ihn - doch in ihren in ihrem religiösen Wahn nicht bemerken - aber
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etwas in dieser Stadt war mächtig faul... »Leb wohl«, sagte Matt kühl und wandte sich ab. Aruula erwiderte nichts, blickte ihm schweigend nach, als er in düstere Gedanken versunken den Garten verließ. Matt stieß auf den Wandelgang, wollte in seinem Schatten zurück zur Eingangshalle gehen - als sein Blick auf eines der Gemälde fiel. Es zeigte eine Jagdszene aus dem 17. Jahrhundert. Mehrere Personen waren darauf abgebildet, Fürsten, die hoch zu Ross saßen und zur Jagd ausritten. Eines der Gesichter schlug Matt sofort in Bann - denn er war sicher, diesem Mann schon einmal leibhaftig gegenübergetreten zu sein! Er überlegte - und eine Sekunde später wurde ihm klar, wer der Mann war, der dem Kerl auf dem Gemälde wie aus dem Gesicht geschnitten war. Maatin, der Mönch! Aber das war doch unmöglich... Noch ehe Matt recht begriff, was er da entdeckt hatte, wandte er sich um und ging zurück zu Aruula. Er musste ihr seine Entdeckung zeigen - ein weiterer Beweis dafür, dass etwas an diesem Ort nicht stimmte. Aruula, die noch immer auf der Lichtung stand, sah ihn kommen. Sie taxierte ihn mit stechendem Blick, schien ihn dabei bis ins Mark zu durchschauen. »Du willst nicht gehen?« knurrte sie. »Na gut - du hattest deine Chance... « Und damit änderte sich die Farbe ihrer Augen, wurde zu einem tiefen, glänzenden Schwarz! Matt blieb entsetzt stehen. Was ging hier vor? Im nächsten Moment setzte Aruula zum Angriff an. Sie fletschte die Zähne, knurrte wie ein Raubtier - und hielt plötzlich einen spitzen Dolch mit gebogener Klinge in Händen. Mit wütendem Gebrüll flog sie auf Maddrax zu, die Klinge zum Stoß erhoben. Ihre schwarzen Augen blitzten animalisch. »Mein Gott, was... ?« Instinktiv warf sich Matt zur Seite, konnte dem mörderischen Hieb des Dolchs gerade noch
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ausweichen. Er fiel ins niedere Gras, rollte sich ab und war sofort wieder auf den Beinen - keine Sekunde zu früh. Blitzschnell wirbelte Aruula herum, nutzte ihren Schwung zu einer zweiten Attacke. Diesmal zuckte die spitze Klinge geradewegs auf Matts Kehle zu. Im Reflex wich Maddrax zurück. Das rettete ihm das Leben. Blitzschnell schnellte seine Rechte hoch und umklammerte die Messerhand seiner Gegnerin. Doch Aruula entwickelte übermenschliche Kräfte. Ein schreckliches, unmenschliches Grollen entrang sich ihrer Kehle. Sie packte Matt und hob ihn kurzerhand hoch, schleuderte ihn von sich wie ein wertloses Spielzeug. Matt hörte seine Knochen knacken, als er aufschlug. Benommen wollte er sich wieder auf die Beine raffen - doch Aruula ließ ihn nicht dazu kommen. Sie griff an, noch während er auf dem Boden kauerte, warf sich mit blanker Klinge auf ihn. Matt versuchte auszuweichen und spürte einen stechenden Schmerz, als sich die Klinge in seine linke Schulter bohrte. Er stieß eine Verwünschung aus, winkelte blitzschnell den Ellbogen an und erwischte Aruula hart am Kinn. Die Kriegerin geriet ins Straucheln - und Matt nutzte die Gelegenheit, die sich ihm bot. Rasch sprang er vor, unterlief ihre Deckung - und lud sie sich auf die Schultern. Sie war viel schwerer, als er erwartet hatte. Als trüge sie zusätzliche Bleigewichte! Matthews Muskeln spannten sich zum Zerreißen, doch er schaffte es irgendwie, sie mit einem gekonnten Schulterwurf über sich hinweg zu katapultieren. Aruula schrie zornig auf, als sie durch die Luft segelte. Sie landete hart auf dem Bauch und stürzte geradewegs in die blanke Klinge, die sie in Händen hielt. Mit einem unmenschlichen Schrei wälzte sie sich herum - und Matt sah entsetzt den Knauf der Klinge aus ihrem Leib ragen. Blut sprudelte darunter hervor. »O nein!«, keuchte er. Was hatte er getan... ? Rasch eilte er zu ihr hin, kniete hilflos neben ihr nieder - und sah, wie sich das rote Blut, das ihre Tunika färbte, mit einem Male vor seinen
Augen in grün leuchtenden Schleim verwan delte! Im nächsten Moment ging eine grausige Metamorphose vor sich. Aruulas starres Gesicht bekam Sprünge wie zerbrochenes Glas und begann sich gleichsam aufzulösen. Es dauerte nur einen Wimpernschlag, dann blickte Matt in die hässliche Fratze einer Kreatur, die halb Mensch, halb Reptil zu sein schien. Auch Aruulas restlicher Körper verwandelte sich - ihre Arme überzogen sich mit smaragdgrünen Hornplatten, ihre Beine ver krümmten sich zu gebogenen Läufen, die an die eines riesigen Leguans erinnerten. Entsetzt fuhr Matt zurück und sprang auf. Er starrte fassungslos auf die Kreatur, in deren Brust, die als einziges nicht von Horn geschützt war, der blutige Dolch steckte. Überall am Boden war grüner Schleim, der unter dem Einfluss der Sonnenstrahlen rasch verdampfte. Matt spürte, wie sich sein Innerstes verkrampfte. Sein Magen rebellierte, und fast hätte er sich übergeben. Wer war diese scheußliche Kreatur? Oder besser, was war sie? Wie hatte sie es geschafft, ihn glauben zu lassen, er hätte Aruula vor sich? * Er blickte in die leblosen Augen des Reptils, versuchte zu begreifen, was geschehen war. Vorsichtig blickte er sich um, ob irgend jemand den Kampf beobachtet hatte - aber offenbar hatte es keine Zeugen gegeben. Rasch bückte sich Matt, zog den Dolch mit einem Ruck aus der toten Kreatur. Es gab ein sattes schmatzendes Geräusch, als sich die Klinge aus dem Kadaver löste. Grün schimmernder Lebenssaft klebte daran. Matt wischte die Klinge im Gras ab, versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Er hatte Recht gehabt - ein dunkles Geheimnis umgab diesen Ort. Er musste versuchen, Aruula zu finden - die echte Aruula, kein Trugbild, das man ihm vorgaukelte. Er würde herausfinden, wo sie geblieben war - und wenn er Maatin dafür die Klinge an die
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Kehle halten musste. Maatin... Was war sein Geheimnis? Matt erinnerte sich an das Gemälde, auf dem er Maatins Züge entdeckt hatte. Warum sah der junge Mönch wie jene Person auf dem alten Bildnis aus? Er kam nicht dazu, die Gedankenkette weiter zu führen - denn in diesem Moment hörte er die Worte. Sie kamen zu ihm in seiner eigenen Sprache, verworren und rätselhaft. Sie klangen seltsam blechern und leiernd, so als würden sie aus einem uralten Lautsprecher dringen - aber er konnte jedes einzelne Wort davon verstehen. »I've paid my dues, time after time. I've done my sentence, but committed no crime... « Es war ein Lied, das er vor langer Zeit zum letzten Mal gehört hatte, doch er erinnerte sich ganz genau an die Melodie. Matt wusste nicht zu sagen, ob er die Musik tatsächlich hörte oder ob sie nur in seinem Kopf war. Tatsache war, dass sie eine ungeheure Faszination auf ihn ausübte - eine Stimme, die aus einem längst vergangenen Zeitalter zu ihm sprach... »... and bad mistakes, I've made a few I've had my share of sand kicked in my face but I've come through... « Matt ließ die Klinge fallen. Ohne dass er etwas dagegen unternehmen konnte, setzten sich seine Beine in Bewegung. Erst Schritt für Schritt, dann immer schneller. Er rannte durch den Garten, passierte die Eingangshalle, stürzte hinaus auf die Straße. Die ganze Stadt schien auf den Beinen zu sein. Aus allen Häusern kamen die Pilger und Gläubigen gelaufen, vereinigten sich zu einem gewaltigen Menschenstrom, der angelockt von der fremdartigen Musik die breite Straße hinunter floss. Willenlos schloss sich Matt dem Zug der Pilger an, lauschte den uralten Klängen. »We are the Champions, my friends, and well keep on fightin' 'tu the end... « Aus allen Himmelsrichtungen drängten die Gläubigen zusammen, folgten dem Ruf der
Musik. Ihre Gesichter waren entrückt, ihre Blicke glasig; sie wirkten wie hypnotisiert. Auch Matts Wille schwand mit jedem Schritt, den er tat. Irgendetwas lockte ihn mit unwiderstehlicher Kraft, und er hatte keine Chance, sich dagegen zu wehren. Worte drangen an sein Bewusstsein, die Erinnerung an ein Gespräch, das er kürzlich geführt hatte. »Wudan ruft die Gläubigen in seinen Tempel«, hatte Maatin gesagt. »Und wie ruft er uns?«, hatte Matt gefragt. »Hab Geduld, mein Bruder«, hatte der Mönch lächelnd entgegnet. »Wenn es soweit ist, wirst du es wissen... « Nun war es soweit. Wudan rief die Gläubigen zu sich, mit einer Stimme, die die Jahrhunderte überdauert hatte. Von überall her strömten sie zusammen, strebten dem Ort entgegen, der im Zentrum von Ethera stand. Dem templa wudan... * Es war ein langer Marsch, und je länger sie gingen, desto mehr Gläubige schlössen sich ihrem Zug an. Verzückt lauschten sie den Klängen der Melodie, fielen schließlich selbst in den Gesang mit ein, formten unbeholfen die fremden Worte - wie Kinder, die keine Ahnung hatten, was sie da sangen. »We are the Champions, we are the Champions, no time f or loosers, 'cause we are the Champions... « Für sie waren es magische Formeln, die ihnen Nähe zu ihrem Gott verhießen - und die sie anzogen wie Insekten das grelle Licht. Sie näherten sich dem Hügel, auf dem der Tempel aufragte. Selbst Matt tat sich inzwischen schwer, in dem gewaltigen ovalen Bau etwas anderes zu sehen als die trutzige Heimstatt eines Gottes. Singend pilgerten die Gläubigen den Weg hinauf, der sich in weiten Serpentinen den Hügel empor wand, strömten durch die offene Pforte des Stadions. Viele von ihnen sahen das Innere des Tempels zum ersten Mal, brachen in lauten Jubel
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aus und priesen Wudans Allmacht. Sie ließen sich auf den Sitzbänken nieder, bevölkerten die gewaltigen Ränge des Stadions zu Hunderten, zu Tausenden. Matt war mitten unter ihnen, unfähig, an etwas anderes zu denken als daran, dass er im Begriff war, das Reich eines Gottes zu betreten. Willenlos schritt er die Tribüne hinab, nahm auf einem der Sitze Platz, beobachtete teilnahmslos, wie sich das Stadion mit Gläubigen füllte. Nicht alle Ränge waren besetzt - Wudans Tempel fasste noch viel mehr Menschen. Doch sämtliche unteren Blöcke waren im weiten Rund mit Gläubigen gefüllt, deren bunte Tuniken ein Meer aus Farben bildeten. Aus den alten Lautsprechern des Stadions drang weiter die krächzende Musik, wurde die göttliche Botschaft verbreitet, der die Pilger entrückt lauschten. »We are the Champions... of the world... !« Und Matthew Drax saß in der Menge, beobachtete alles, ohne irgendeine Regung dabei zu empfinden. Der große Platz, der die Mitte des Stadions einnahm, war schwarz - schwarz von der Asche niedergebrannter Scheiterhaufen. Dort im Zentrum hatte man einen weiteren Haufen aus Holz und Reisig aufgeschüttet, aus dem ein einzelner Pfahl ragte. Mehrere Mönche umstanden den Schei terhaufen, waren dabei, noch eine Fuhre Holz abzuladen. Als die Musik endete, hatten sie ihre Arbeit vollbracht, und einer von ihnen - es war Maatin - trat vor und hob einen kleinen Gegenstand an seinen Mund. »Meine Brüder! Meine Schwestern!«, scholl es plötzlich aus allen Himmelsrichtungen herab. Ein fassungsloses Raunen ging durch die Reihen der Gläubigen. Ein neues Wunder Wudans... ! Wäre Matt noch bei Sinnen gewesen, hätte er darin leicht die Stadion-Lautsprecher erkannt. Aber seine Sinne waren benebelt, unfähig, logisch zu denken. »Ich heiße euch willkommen im Heiligen Bezirk, im Tempel Wudans!« Die Gläubigen jubelten. Sie steckten sich gegenseitig an mit ihrem Geschrei; die Magie
der Masse raubte ihnen das letzte bisschen Verstand. »Alle die ihr heute hier seid, seid ihr wahre Gläubige, treue Anhänger Wudans, die es verdient haben, an diesem paradiesischen Ort zu leben«, fuhr der Mönch fort. »Doch es gibt andere, die weniger überzeugt sind. Die durch ihre Neugier und ihre Zweifel unser aller Seelenheil gefährden.« Die Masse brüllte empört auf. Fäuste wurden zornig geballt. Auch Matt spürte Wut und Zorn in sich hochkochen. Es kam geradewegs aus seinem Inneren, und es gab nichts, was er dagegen tun konnte... »Deshalb ist es unsere heilige Pflicht als Glaubensjünger Wudans, die Zweifler und Ungläubigen zu zerschmettern! Wir vernichten ihre Körper und übergeben ihren Geist den reinigenden Flammen, auf dass er Läuterung finden möge vor Wudan, unserem Gott!« Wieder Beifall von allen Rängen. »Wudan! Wudan! Wudan!«, begannen die Gläubigen zu skandieren. Auch Matt fiel in den Chor mit ein, reckte die Faust hoch in die Luft. »Seht!«, rief Maatin aus. »So endet, wer an Wudan zweifelt!« Er wandte sich um, und ein Tor öffnete sich am Rand der Arena. Mehrere Mönche in braunen Kutten, die eine junge Frau mit sich führten, traten heraus. Sie trug das weiße Gewand einer Büßerin, ihr Haar hing in langen wirren Strähnen herab. Ihre Haut war kreidebleich. Sie blutete aus einer Wunde an ihrer Stirn - ein Zeichen dafür, dass man sie misshandelt und geschlagen hatte. »Nieder mit den Ungläubigen!«, schrie jemand. »Sie ist eine Ketzerin!« »Sie hat den Tod verdient!«, brüllte ein anderer. Unmissverständliche Gesten wurden gemacht, wüste Beschimpfungen hinaus geschrien. Jeder wollte sehen, wie die Hexe auf dem Scheiterhaufen brannte, wie sie ihr frevlerisches Leben aushauchte. Unbändiger Hass brannte in jedem einzelnen von ihnen -auch in Matt. Obwohl ihm die junge Frau, die verbrannt
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werden sollte, irgendwie bekannt vorkam, und obwohl er sicher war, sie schon einmal irgendwo gesehen zu haben, fühlte auch er die Abscheu in sich, den Hass auf die Ungläubigen und das, was sie verkörperte. »Tod der Ketzerin!«, brüllte er aus Leibeskräften und begann einen neuen Sprechgesang zu skandieren, in den die anderen Gläubigen bereitwillig einfielen. »Tod der Ketzerin! Tod der Ketzerin! Tod der Ketzerin... !« Aruulas Blicke waren ängstlich, verunsichert. Entsetzt schaute sie sich um, blickte in Tausende hassverzerrter Mienen, die ihr von den Rängen entgegen starrten. »Tod der Ketzerin... !«, hörte sie es von allen Seiten schreien. Die Menschen schienen wie von Sinnen, waren schrecklich anzusehen in ihrer Raserei. Obwohl sich Aruula so leicht vor nichts fürchtete, jagten ihr die Leute Angst ein noch mehr Angst als die angeblichen Mönche, hinter deren menschlicher Fassade sich das reine Grauen verbarg... Sie senkte ihren Blick, schaute hinab auf die Asche, über die sie mit nackten Füßen ging. Die Überreste von früheren Scheiterhaufen. Dutzende, Hunderte. Hin und wieder konnte Aruula im verkohlten Holz bleiche Knochen erkennen. Knochen von Menschen. Sie schauderte. Dann hatte der kleine Trupp den neuen Scheiterhaufen erreicht. Maatin - das Wesen, das sich in der Maske eines Menschen Maatin nannte - trat ihr entgegen, ein eisiges Lächeln in seinen makellosen Zügen. War es nur eine Täuschung, oder färbten sich seine Augen für einen kurzen Moment wirklich schwarz, als er sagte: »Mach dich bereit zu sterben, Frevlerin!« Aruulas Mundwinkel glitten nach unten. Sie nahm all ihren Mut zusammen, sammelte ihren Speichel - und spuckte dem vermeintlichen Mönch geradewegs ins Gesicht. Überall auf den Rängen wurden Rufe der Empörung laut. Das Geschrei der Menge verstärkte sich, noch lauter forderte sie Aruulas Tod. »Da, seht ihr?«, plärrte Maatins Stimme aus allen Himmelsrichtungen aus den
Lautsprechern. »Sie ist eine Ketzerin, eine Hexe! Sie steht mit Orguudoo im Bunde, dem Feind Wudans!« »Hexe! Hexe! Hexe!«, echote es von den Rängen, voller Hass und Blutdurst. Zwei der Mönche traten vor, packten Aruulas Kleid und rissen es ihr vom Leib, so dass ihr nur ein winziger Lendenschurz blieb. Die Menge schrie lüstern auf. »Tötet die Sünderin! Verbrennt die Hexe... !« Aruula starrte hinauf auf die Ränge, sah die blitzenden Augen, die weit aufgerissenen Münder, die keifend ihren Tod forderten - und ihre Furcht schlug um in blanke Wut. »Ihr Idioten!«, schrie sie. »Sie täuschen euch, merkt ihr das nicht? Alles was sie euch sagen ist gelogen... !« Sie unterbrach sich, als sie merkte, dass ihre Stimme im allgemeinen Geschrei unterging. Maatin gab seinen Leuten ein Zeichen. Zwei von ihnen traten vor, packten Aruula und schleppten sie auf den Scheiterhaufen, banden sie an den Pfahl. »Hört ihr nicht?«, rief sie so laut, dass sich ihre Stimme überschlug. »Es ist alles nur Lug und Trug! Hört mich an! Dies ist nicht Ethera, sondern ein Ort des Bösen... « Die Menge hörte sie gar nicht. Dennoch griff Maatin erneut zum Mikrofon. »Seht ihr?«, fragte er, mit einer Hand auf die halbnackte Frau deutend. »Seht ihr, wie sie schreit? Sie ist von Orguudoo besessen. Selbst jetzt will sie euch noch verderben!« »Nieder mit ihr! Tötet die Hexe... !« »Neeein!«, schrie Aruula verzweifelt, als die Mönche ihre Fackeln entflammten und vortraten. »Hört mir doch zu, verdammt! Helft mir doch... !« Es war zwecklos. Niemand hörte sie. Niemand wollte sie hören. Die Luft war erfüllt von tosendem Gebrüll; abgrundtiefer Hass schlug Aruula entgegen. Sie fühlte nackte Panik in sich aufsteigen, kämpfte sie mit aller Macht nieder. Wenigstens, sagte sie sich, würden diese Bastarde nicht erleben, wie sie um ihr Leben flehte oder im Todeskampf schrie. Sie würde schweigen bis
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zuletzt, wurde ihrem Volk und ihrer Herkunft Ehre machen - auch im Tod... Der Scheiterhaufen wurde in Brand gesetzt. Der Zunder fing sofort Feuer. Hitze und beißender Rauch stiegen empor. Aruula schloss die Augen. Sie konzentrierte sich, wurde innerlich ganz ruhig. Das Geschrei der Menge fiel hinter ihr zurück, ebenso die sengende Hitze der Flammen, die gierig nach ihr leckten. Dann, plötzlich, zuckte etwas durch ihr Bewusstsein. Ein Schimmer von Hoffnung. Es war, wie wenn man in einer großen Menschenmenge plötzlich ein bekanntes Gesicht erblickt. Aruula griff mit ihren Sinnen hinaus, belauschte die hasserfüllte Menge - und war sich plötzlich sicher. Maddrax! Er war irgendwo dort drüben, inmitten der tobenden, blutrünstigen Menschenmasse! Maddrax! Hilf mir! Eine Stimme erklang in Matts Kopf. Die Stimme einer jungen Frau. Allein... verloren... Und so leise, dass er sie kaum wahrnahm und sofort wieder vergaß. »Tod der Hexe! Tod der Hexe!«, schrie er mit den anderen im Chor und beobachtete fasziniert, wie die gelbroten Flammen am Scheiterhaufen emporwuchsen, sich immer näher an die Ketzerin heran tasteten. In wenigen Sekunden würde ihr verdorbener Körper ein Raub der Flammen werden... * Maddrax! Ich weiß, dass du da bist! Bitte hilf mir... ! »Tod der Hexe! Tod der Hexe!« Was ist nur mit dir? Bist du wie die anderen geworden? Weißt du denn nicht mehr, wer ich bin... ? »Die Hexe muss sterben!« Flammen und Rauch stiegen immer weiter empor, hüllten die junge Frau schon fast ein. Jeden Augenblick würde sich ihre alaba sterfarbene Haut schwarz verfärben, würde das
Feuer ihr Fleisch verzehren... »Tod! Tod! Tod!«, brüllte Matt. Speichel troff von seinen Lippen. Verdammt, Maddrax! HILF MIR! ICH BRAUCHE DICH! Dieser erneute Hilfeschrei war so laut, so endgültig, panisch und voll von Verzweiflung, dass er den betäubenden Wall, der um Matts Bewusstsein aufgebaut worden war, wie ein Ge schoss durchschlug. »Was... ?« Matt fuhr hoch, hatte das Gefühl, aus einem schlimmen Alptraum zu erwachen. Die letzte konkrete Erinnerung, über die er verfügte, war die des toten Reptilienwesens, das vor ihm lag, überströmt von grün schimmerndem Blut... Verwirrt blickte er sich um. Er befand sich im alten Olympiastadion, im Tempel Wudans, mitten unter tobenden Menschen, die mit fanatischem Glanz in den Augen etwas brüllten. »Tod der Hexe... Tod der Hexe... !« Matts Blick fiel in die Arena des Stadions und er fühlte, wie sich seine Nackenhaare sträubten. Aruula! Sie war auf den Scheiterhaufen gebunden, sollte verbrannt werden! Schon hatten sich die Flammen zu ihr emporgefressen, war die Hitze der Flammen dabei, ihr das Bewusstsein zu rauben... ... bitte ... * Wieder hörte er ihre Stimme im Kopf, jetzt nurmehr matt und schwach - und er handelte. Matthew Drax sprang er auf, setzte mit riesigen Schritten über die Reihen von Sitzen, geradewegs zur Arena hinab. Die Gläubigen, die Hasstiraden brüllten und zornig die Fäuste ballten, beachteten ihn gar nicht in ihrer Raserei. Und die Schreie und Flüche derer, deren Schultern er benutzte, um nach unten zu gelangen, gingen im allgemeinen Lärm unter. Schon hatte er die Umrandung der Arena erreicht, flankte darüber hinweg. Er landete weich auf dunkler Asche, erschrak, als ihm ein bleicher Totenschädel daraus entgegen grinste.
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Matt schauderte. Aus dem Spielfeld seiner Zeit war ein Acker des Todes geworden... Aruula konnte nicht verhindern, dass ihr Tränen in die Augen schossen. Aber sie schwieg beharrlich, presste die Lippen zusammen. Nicht ein Klagelaut sollte ihr über die Lippen kommen. Schon hatten die Flammen sie umzingelt, züngelten von allen Seiten an ihr empor. Ihre Haut war von Ruß geschwärzt, der beißende Rauch nahm ihr den Atem. Die Kriegerin kämpfte ihren letzten Kampf, wollte tapfer sein bis zum letzten Augenblick. Dann, plötzlich, sah sie ihn. Maddrax. Unerwartet, wie ein Elnak aus Wudans Heerschar, tauchte er auf, um ihr beizustehen. »Maddrax!«, rief Aruula laut aus. Maatin, der vor dem Scheiterhaufen gestanden und voller Genugtuung in die Flammen gestarrt hatte, wirbelte herum. Er erblickte Aruulas Gefährten und stieß eine bittere Verwünschung aus. »Ihr da!«, rief er seinen Leuten zu. »Haltet ihn auf! Ergreift ihn... ! Mit fliegenden Schritten rannte Matt auf den brennenden Scheiterhaufen zu. Sein Herz schlug heftig in seiner Brust. Hoffentlich kam er nicht zu spät... Die Mönche, die um die Opferstätte versammelt standen, fuhren herum. Matt erkannte Maatin, der ihn belogen und absichtlich in eine Falle gelockt hatte, und schwor sich, dass er dafür bezahlen würde. Die übrigen Mönche, die das Feuer umstanden, verfielen in wildes Gebrüll, eilten Matt entgegen. In ihren Händen hielten sie plötzlich blitzende Dolche - offenbar galt das Waffengesetz nicht für die Mönche selbst... »Bullshit«, fluchte Matt - dann hatte ihn auch schon der erste der Mönche erreicht. Matt war im Nahkampf ausgebildet - das rettete ihm das leben. Er duckte sich, unterlief den Angriff des Ordensmannes und beförderte ihn mit einem Schulterwurf über sich hinweg. Die nächsten beiden Kapuzenträger griffen gleichzeitig an. Blitzschnell wich Matt der Messerhand des einen aus und packte sie,
während sein rechter Fuß empor zuckte, einen engen Kreis beschrieb und mit Wucht gegen den Unterkiefer des anderen Angreifers krachte. Grünes Blut spritzte. Mit einem dumpfen Schrei ging der Mönch nieder - und verwandelte sich wie zuvor die falsche Aruula in eine jener scheußlichen Reptilienkreaturen. Zuckend blieb sie am Boden liegen. Der andere Mönch gab ein erbostes Knurren von sich, entwand sich Matts Griff und kreiselte herum, um eine neue Attacke zu starten. Matt hatte damit gerechnet. Er duckte sich. Die scharfe Klinge des Angreifers fuhr ins Leere und Matts Faust zuckte vor, holte den Mönch von den Beinen. Der Mann klappte zusammen, und im Fallen entwand Matt ihm den Dolch. Ein weiterer Gegner kam ihm entgegen, schwenkte seine blitzende Waffe. Matt nahm den Dolch in die Linke, täuschte eine Attacke vor - um im letzten Moment die Klinge in die andere Hand zu wechseln. Sein Gegner war ohne Deckung - und mit vernichtender Wucht fuhr Matts Klinge in seinen Hals! Wieder brach eine Fontäne grünen Blutes hervor, und noch ehe der Tote auf dem Boden landete, hatte er sich in ein scheußliches Reptil verwandelt. Die Menge auf den Rängen schrie auf, als sie sah, was mit den Mönchen geschah. Verwirrung griff um sich, Tumult brach aus. Endlich erreichte Matt den Scheiterhaufen. Er hatte keine Zeit mehr zu verlieren. Unerschrocken nahm er Anlauf, sprang und setzte geradewegs durch die Flammen. Einen Augenblick umfing ihn verzehrende Hitze, dann hatte er die Feuerwand durchbrochen. »Maddrax«, hauchte Aruula schwach. Ihre Haut war schon besorgniserregend gerötet, doch in ihren rußgeschwärzten Zügen lag unsagbare Erleichterung. Matt verlor keine Sekunde. Ein Hieb mit dem Dolch durchtrennte ihre Fesseln. Rasch lud er sie sich auf die Arme, sprang erneut durch das grelle Flammenmeer - um in der schwarzen Asche der Arena zu landen. Durch Aruulas Gewicht knickte er ein und rollte sich ab.
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»Stirb, Ungläubiger!« Matt lag noch am Boden, als er sah, wie ein dunkler Schatten auf ihn zuschoss - Maatin. Die Klinge des falschen Mönchs blitzte im Sonnenlicht, ehe sie mit schrecklicher Wucht herab fuhr. Matts Augen weiteten sich. Blitzschnell rollte er sich zur Seite. Eine Handbreit neben seinem Kopf stach der Dolch knirschend in den Boden. Maatin gab ein unwilliges Knurren von sich. Noch ehe der angebliche Mönch dazu kam, seine Klinge wieder aus dem Boden zu ziehen, stach Matt seinerseits zu. Er erwischte Maatin in der Seite. Mit einem schmerzerfüllten Schrei fuhr er zurück, presste seine Hand auf die Wunde, aus der grünes Blut sickerte. Matthew sprang auf die Beine, fasste den Griff seines Dolches fester. Aruula, die trotz ihres geschwächten Zustands zu der enthaupteten Kreatur gelaufen war, um sich deren Waffe zu besorgen, eilte heran, um ihrem Gefährten beizustehen. Ein teuflisches Grinsen huschte über die Züge des Mönchs - und im nächsten Augenblick ging eine scheußliche Verwandlung mit ihm vor. Seine menschlichen Züge verschwanden, wichen denen eines Reptils, dessen Kopf mit grün schillernden Hornplatten und langen Eckzähnen versehen war, von denen eine gelbe Flüssigkeit troff. Auch sein Körper veränderte sich, wurde zu dem eines aufrecht gehenden, aber schlangenartig dünnen Alligators. Und nun, tönte es in Matts und Aruulas Bewusstsein, werdet ihr beide sterben. * »Abwarten, du verdammte Missgeburt«, knurrte Matthew. Schon griff das Reptilienwesen an. Es bewegte sich blitzschnell, schien in fließenden Bewegungen über den Boden zu schweben. Aruula stieß einen wilden Kampfschrei aus und duckte sich, als der peitschenartige Schwanz nach ihr schlug. Matt täuschte eine Attacke vor, sprang dann vor, beschrieb eine elegante Rolle und unterlief
die Deckung der Kreatur. Sein Dolch zuckte vor - und schlitzte den ungeschützten Bauch des Reptils der Länge nach auf. Der Schrei, der in Matts Kopf gellte, war entsetzlich. Ein Sturzbach von grünem Lebenssaft ergoss sich auf den aschebedeckten Boden der Arena. Die Kreatur strauchelte, die klauenbewehrten Hände vor die Wunde gepresst. Gemeinsam sprangen Matt und Aruula vor, packten das mannsgroße Reptil und stießen es in die lodernden Flammen. Ein greller Feuerball loderte zum Himmel empor. Die Kreatur gab ein schrilles Quietschen von sich. Es gelang ihr, sich noch einmal aus den Flammen zu befreien! Lichterloh brennend ging sie noch einige Schritte - dann brach sie zusammen und starb den grausamen Tod, den sie Aruula zugedacht hatte. Die Gläubigen auf den Rängen, die alles beobachtet hatten, brachen in Panik aus. Ihre Gemüter gerieten so in Aufruhr, dass der fremde Wille, der sie alle kontrolliert hatte, die Macht über sie verlor. Verwirrt blickten sie sich um, schienen wie aus tiefem Schlaf zu erwachen. Tumult brach auf den Rängen aus, als die Menschen die Kadaver der Reptilienwesen erblickten. Von seinen Fesseln befreit, stellte ihr Geist Fragen, wollte Antworten, ahnte, dass sie alle betrogen worden waren. Matt und Aruula hatten genug gesehen. Alles was sie wollten war, diesen Ort des Grauens so schnell wie möglich zu verlassen. Doch als sie sich zum nächsten Ausgang der Arena wandten, eilte ihnen von dort ein Trupp bewaffneter Mönche entgegen, die drohend ihre Dolche schwenkten. »Verdammt«, fluchte Matt. Er fuhr herum, blickte sich nach einem anderen Weg aus dem Stadion um. »Dort hinüber!« An der Längsseite des einstigen Spielfelds gab es eine Tür, einen Zugang zu den unterirdischen Katakomben des Stadions, wo einst die Kabinen der Athleten gelegen hatten. Matt und Aruula nahmen die Beine in die Hand, rannten so schnell sie konnten. Die wütenden Mönche setzten ihnen nach. Mitten im Lauf gaben sie ihre menschliche Gestalt auf, verwandelten sich in jene widerwärtigen
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smaragdgrünen Kreaturen, die mit atemberaubender Geschwindigkeit über den Boden zu flitzen vermochten. Und sie holten auf. »Schneller!«, rief Matt Aruula zu, während er immer wieder gehetzte Blicke über die Schulter zurück warf. »Ich... kann... nicht... « Aruula keuchte. Ihr Gesicht war unter all dem Ruß und dem Blut kreidebleich. Die erlittenen Strapazen waren zu viel für sie. Kurzerhand packte Matt seine Gefährtin, lud sie sich auf die Arme und rannte weiter, so schnell er konnte, während er hinter sich schon das Scharren der Reptilienbeine hören konnte, die über den von Asche bedeckten Boden huschten. Noch dreißig Meter trennten ihn von der schützenden Tür. Noch fünfundzwanzig... * Bleib stehen!, hörte er eine Stimme in seinem Kopf. Bleib stehen! Wir wollen dir nichts tun... Sie konnten seine Gedanken lesen! Sie konnten in sein Bewusstsein greifen und ihm Dinge befehlen! Aber nur, wenn er es zuließ... »Ihr könnt mich mal«, knurrte Matt und blockierte seine Gedanken, indem er sich auf das Nächstbeste konzentrierte, was ihm in den Sinn kam. Er wusste nicht zu sagen, warum es ein alter Queen-Song war, aber der Text und die Melodie kamen ihm plötzlich in den Sinn... »We are the Champions, we are the Champions... no time for loosers, 'cause we ar the Champions... of the world... « In diesem Augenblick erreichte er die Tür. Rasch lud er Aruula ab, sie huschten hindurch und machten sich 'sofort daran, die beiden stählernen Türflügel zu schließen. Die Reptilienhorde stürmt heran. Die Kreaturen fauchten wütend, als sie erkannten, dass sie zu spät kommen würden. Eine von ihnen sprang vor, setzte auf die Tür zu - einen Sekundenbruchteil bevor Matt sie zuschlug. Einer der hornbewehrten Arme schoss durch
die Öffnung und tastete nach ihnen. Aruula schrie auf, schaffte es gerade noch, einem der mörderischen Hiebe zu entgehen. Im nächsten Moment warf sich Matt mit seinem ganzen Gewicht gegen die Tür. Das Metall fiel mit dumpfem Poltern ins Schloss - und trennte den Reptilienarm von seinem Besitzer. Ein schrilles Kreischen drang von draußen herein. Der abgetrennte Arm fiel zu Boden und blieb in einer Pfütze aus grünem Schleim liegen. Rasch schob Matt die Riegel vor, während Aruula den abgetrennten Arm hochhob und angewidert betrachtete. * »Was sind das für Kreaturen?«, fragte sie. »Ich weiß es nicht«, gab Matt zurück. »Ich weiß nur, dass sie uns töten wollen - und dass wir zusehen müssen, wie wir schnellstens hier raus kommen.« Aruula ließ den Arm fallen, trat ein Stück in den von grünem Fluoreszieren erfüllten Gang. »Ich bin schon einmal hier gewesen«, sagte sie leise. Das System von Gängen und Korridoren schien sich endlos zu erstrecken. Zähflüssiger grüner Schleim troff von Decke und Wänden, verbreitete das grüne Glühen, welches das unterirdische Labyrinth erhellte. In knappen Worten hatte Aruula Matt geschildert, wie sich alles zugetragen hatte. Sie hatte ihm von ihren anfänglichen Visionen berichtet, von ihrer nächtlichen Entdeckung und davon, dass sich hinter den Mönchen von Ethera ein schreckliches Geheimnis verbarg. »Keiner der Mönche ist ein Mensch wie wir«, sagte sie. »In Wirklichkeit sind sie diese schrecklichen Kreaturen. Sie haben die Gabe, in unsere Köpfe einzudringen und uns glauben zu lassen, sie sähen aus wie Menschen.« »Ich weiß«, gab Matt zurück. »Sie sind Telepathen - so wie du.« »Vielleicht ist das auch der Grund, warum ich diese Dinge gesehen habe«, mutmaßte die Barbarin. »Wahrscheinlich«, bestätigte Matt. »Und es dürfte auch der Grund dafür sein, dass sie dich
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verbrennen wollten. Du bist gefährlich für sie. Du siehst die Dinge hinter den Dingen... « Aruula bedachte Matt mit einem Blick, der eine Mischung aus Wut, Trauer und Enttäuschung enthielt. Er konnte sie gut verstehen. Für sie war es noch viel schlimmer als für ihn, die schreckliche Wahrheit hinter der schönen Fassade von Ethera zu entdecken. Sie hatte sich im Paradies gewähnt, am Ziel all ihrer Wünsche und Träume - und nun musste sie erkennen, dass alles nur Lug und Trug gewesen war. »Aber warum das alles?«, fragte sie. »Weshalb wur...« Sie unterbrach sich, blieb plötzlich stehen, um zu lauschen. Ihre besonderen Sinne schienen etwas zu fühlen. »Was ist?«, fragte Matt leise. »Schhhh... «, machte sie. »Ich kann spüren, dass... « Weiter kam sie nicht - denn in diesem Moment zerriss die dünne Haut von Schleim, die die Wände bedeckte, und eine der schrecklichen Reptilien sprang wie aus einer geplatzten Fruchtblase daraus hervor. Entsetzt wichen Matt und Aruula zurück, rissen instinktiv ihre Klingen hoch, um die Attacke der Kreatur abzuwehren. Mit hässlichem Fauchen stieß der Kopf des Reptils vor wie eine angreifende Schlange und verspritzte gelbes Gift. Mit knapper Not konnten sie dem zweifellos ätzenden Strahl ausweichen. »Es ruft seine Artgenossen«, rief Aruula laut. »Ich kann es hören!« »Verdammt«, knurrte Matt. Das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnten, war eine Horde blutlüsterner Reptilienwesen. Er musste die Kreatur zum Schweigen bringen - sofort... »Lauf, Aruula!«, brüllte er seiner Gefährtin zu, während er seine Gedanken mit aller Macht blockierte, damit die Kreatur sie nicht erkennen konnte. Aruula stellte keine überflüssigen Fragen. Noch einmal wich sie einer wütenden Attacke des Reptils aus, dann zog sie sich zurück, rannte den Gang hinab. Matt tat es ihr gleich. Das Reptil gab ein schrilles Pfeifen von sich. Dann nahm es die Verfolgung auf.
Plötzlich und unerwartet fuhr Matt herum, hob seinen Dolch, bereit zum Wurf. Er zielte kurz, dann schnitt die Klinge durch die Luft, zuckte der Mischung aus Alligator und Riesenschlange entgegen - und bohrte sich geradewegs zwischen die beiden starren Reptilienaugen. Das böse Schimmern darin erlosch jäh; ein Rinnsal von grünem Blut trat zwischen ihnen aus. Keuchend brach die Kreatur zusammen. Sie war tot, noch ehe sie den Boden erreichte. Rasch holte sich Matt seine Waffe zurück. Er konnte nur hoffen, dass er die Gedankenverbindung zu den anderen Kreaturen noch rechtzeitig unterbrochen hatte - andernfalls hatten sie kaum eine Chance, jemals aus diesem gruseligen Irrgarten zu entkommen. Sich vorsichtig umblickend, setzten sie ihren Weg fort. Je weiter sie sich von der Kreatur entfernten, desto mehr beschleunigten sie ihren Schritt, rannten schließlich durch die Gänge, auf der verzweifelten Suche nach einem Weg nach draußen. »Sie haben den Kadaver gefunden«, stellte Aruula plötzlich fest und blieb stehen. »Ich kann ihren Zorn fühlen, ihren Schmerz. Und... «Die junge Frau unterbrach sich, wurde kreidebleich. »Was ist?«, erkundigte sich Matt. »Ich weiß es nicht genau. Da ist noch etwas anderes. Eine Stimme... Sie sagt... Bei Wudan!« »Was?«, fragte Matt ungeduldig. »Sie können meine Anwesenheit fühlen, Maddrax! Sie wissen, wo wir sind! Sie kommen, um uns zu holen!« »Unsinn«, widersprach Matt, »das bildest du dir nur ein.« »Ich weiß es. Wir haben keine Chance zu entkommen. Da ist eine Stimme, die lauter ist als alle anderen. Sie steuert ihr Bewusstsein, und sie kann meine Gegenwart fühlen. Sie sagt ihnen gerade, wo wir sind... « Sie schauderte und schickte Matt einen eindringlichen Blick. »Du musst mich zurücklassen«, verlangte sie. »Ich bringe dich nur in Gefahr. Du musst dich selbst retten!« Kommt nicht in Frage.« Matthew 'Drax schüttelte beharrlich den Kopf. »Entweder wir kommen beide hier raus oder keiner von uns.
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Man lässt seinen Flügelmann nicht im Stich.« »Was?« Die junge Frau legte ihre Stirn in Falten. »Nur so eine Redensart.« Matt beugte sich vor, hauchte ihr einen flüchtigen Kuss auf die Stirn. »Sie bedeutet, dass wir zusammen bleiben, egal was passiert.« Aber wir haben keine Chance. Aruula hat keine Chance. Maddrax muss alleine gehen.« Matt dachte kurz nach. Er dachte nicht im Traum daran, seine Gefährtin einfach zurückzulassen. Aber natürlich war ihm klar, dass Aruula Recht hatte. Wenn sie sich nicht schnell etwas entfallen ließen, waren sie so gut wie erledigt... Schon glaubte er die huschenden Schritte unzähliger Reptilienfüße zu hören, das schrille Fauchen, das sie von sich gaben - und plötzlich hatte er eine Idee. Eine ziemlich verzweifelte Idee, aber immerhin... »Diese Stimme«, wandte er sich an Aruula. »Die Stimme, die lauter ist als alle anderen kannst du mir sagen, woher sie kommt?« »Sie kommt von tief unter dem Tempel«, gab die junge Frau zurück »Und sie... ist böse.« »Kannst du mich hinführen?« »Was hast du vor?« »Du hast selbst gesagt, dass es diese Stimme ist, die die anderen Kreaturen steuert. Wenn es uns gelingt, sie verstummen zu lassen... « »Nein!« Aruula schüttelte entschieden den Kopf. »Du musst fliehen. Jetzt gleich!« »Keine Zeit für Diskussionen«, erwiderte Matt knapp. »Bring mich hin - oder wir werden beide in ein paar Minuten sterben.« Die Barbarin musterte ihn mit einem Blick, der eine Mischung aus Unverständnis und Bewunderung enthielt. Dann winkte sie ihm zu, während sie den dunklen Gang hinab eilte. »Folge mir... « Durch ein Loch von etwa drei Metern Durchmesser, das unvermittelt im Boden eines der Korridore geklafft hatte, waren sie hinabgestiegen. Die dunklen kreisrunden Gänge, die sich durch Fels und Erdreich bohrten, führten tief unter das Stadion. Es war offensichtlich, dass sie künstlich angelegt worden waren - aber Matt
konnte nur vermuten, mit welchen Mitteln es den Reptilien gelungen war, diese gewaltige Anlage zu bauen. Vielleicht mit Hilfe der Gejagudoo? Obwohl es unmöglich schien, dass eine Spezies sich mit den großen Erdwürmern verbündet haben konnte, die der Sage nach dem Dämon Orguudooo unterstanden. Die Gänge verzweigten sich unzählige Male, bildeten ein unüberschaubares System von Stollen und Kammern, doch unbeirrt ging Aruula ihren Weg, schien genau zu wissen, wohin sie sich zu wenden hatten. Von ihren Verfolgern war nichts mehr zu hören - offenbar hatten sie sie abgehängt. Immer tiefer drangen Matt und Aruula in das unterirdische Höhlensystem ein, gespannt, was sie dort vorfinden würden. Sie gaben sich Mühe, ihre Gedanken abzuschirmen, um nicht unwillentlich die Aufmerksamkeit der Kreaturen wieder auf sich zu lenken. Gelegentlich stießen sie auf Spuren von grünem Schleim, der an den Stollenwänden klebte und matt leuchtete. Dann, plötzlich, verbreiterte sich der Gang vor ihnen, wurde zu einer geräumigen Höhle, von deren Decke an fingerdicken schleimigen Fäden unzählige eiförmige Gebilde hingen, die an die zwei Ellen Durchmesser besaßen. »Bei Wudan!«, entfuhr es Aruula, während sie skeptisch zu den Eiern emporblickte. Deren Haut war seltsam ledrig, von beigebrauner Färbung. Manche von ihnen waren fast durchsichtig, und Aruula glaubte zu erkennen, wie sich etwas im Inneren bewegte. »Reptilieneier«, vermutete Matt, während sich seine Mundwinkel vor Ekel nach unten zogen. »Die Brutstätte dieser Kreaturen.« Aruula blickte sich um und schauderte. »Dieser Ort ist böse«, stellte sie fest. »Lass uns von hier verschwinden... « Matt hatte keinen Grund zu widersprechen. Gerade wollten sie die Höhle verlassen - als unmittelbar vor ihnen die Haut eines der Kokons aufplatzte. Ein Schwall von grüner Flüssigkeit brach daraus hervor, und etwas Großes, Grünes fiel zu Boden. Entsetzt wichen Matt und Aruula zurück und verfolgten atemlos, wie sich das
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schuppenbewehrte grüne Knäuel, das soeben aus dem Ei geschlüpft war, sich vor ihren Augen zu seiner vollen Größe aufrichtete. Es war eine der Kreaturen, daran bestand kein Zweifel - doch ihre Entwicklung war noch nicht ganz abgeschlossen. Während ihr rechter Arm die charakteristischen Klauen auf wies, besaß der linke noch eine menschliche Hand, an der fünf Finger zuckten. Auch die Beine der Kreatur waren eine bizarre Mischung aus menschlichen und reptilhaften Komponenten. Am grauenvollsten aber war das Gesicht der Kreatur anzusehen, das einmal das Antlitz eines Menschen gewesen war. Die Mundpartie hatte sich spitz nach vorn ausgebildet, die Zunge lag dünn und endlos lang darin, und in den Augenwinkeln begann Schwärze die Pupillen zu verschlingen. Die Züge des Mannes, der dabei war, sich in eine der Alligator-Schlangen zu verwandeln, waren jedoch noch deutlich zu erkennen. »Lakan!«, entfuhr es Matt entsetzt. Kein Zweifel - er hatte den Anführer der Pilgergruppe vor sich, mit der sie nach Ethera gelangt waren. Matt sog scharf nach Luft, als er begriff. Das also war die »Weihe«, von der Maatin gesprochen hatte. Die Kreaturen hatten Lakan hierher verschleppt, hatten ihn in einen Kokon eingesponnen, um ihn zu einem der ihren zu machen! Der schrecklich entstellte Mensch stakste wankend auf sie zu, streckte ihnen seine verunstalteten Arme entgegen. Matt und Aruula hoben ihre Waffen, um sich zu verteidigen doch das Wesen, das einst Lakan gewesen war, trachtete ihnen nicht nach dem Leben. »Bitte«, hauchte es mit zischelnder, entmenschter Stimme, »bitte tötet mich... « Der Ex-Pilot und die Barbarin zögerten, waren wie gelähmt vor Entsetzen. »Bitte... Das Ungeheuer in mir... wächst... Ich kann es nicht... aufhalten... « Aruula erfüllte Lakans Bitte. So wie sie schon Irvin Chester in der Arena des Kolosseums dessen Todeswunsch erfüllt hatte. Kurz entschlossen trat die Barbarin vor und rammte die Klinge ihres Dolchs dorthin, wo sie das Herz der Kreatur vermutete. Lakan gab ein
erleichtertes Seufzen von sich, als rotes und grünes Blut vermischt aus seiner Brust quoll. Stöhnend ging er nieder und hauchte sein Leben aus. Betroffen starrten Matt und Aruula auf den Leichnam, während ihnen das schreckliche Geheimnis von Ethera mit einem Schlag bewusst wurde: Die Reptilienkreaturen, die die Stadt beherrschten, waren einmal Menschen gewesen... * Ohne dass ein ausdrückliches Kommando dazu gegeben worden wäre, strömten die Kreaturen den dunklen Gang hinab, dem Einstieg entgegen, der zum Kernbereich führte. Sie scharten sich in Gruppen und durchstreiften die Gänge, um die beiden Eindringlinge aufzuspüren. Erst wenn sie tot waren, würde der Meister zufrieden sein - und ihn zufriedenzustellen war ihr einziger Lebenszweck... Die Stimme, die mit einem lautlosen Schrei des Entsetzens durch die Gänge scholl, erreichte alle ihre Diener gleichzeitig. Das durfte niemals geschehen! Die Eindringlinge sind in den Kernbereich vorgedrungen! Sie haben die Brutstätte entdeckt! Sie kennen unser Geheimnis! Die Nachricht löste Panik aus. Die Eeptilienwesen, die in den oberen Etagen des Labyrinths unterwegs gewesen waren, um nach den beiden Menschen zu suchen, verfielen in helle Aufregung. Sie fauchten schrill durcheinander, und die Gedanken, die sie sich gegenseitig schickten, um sich zu verständigen, waren wild und verworren. Eindringlinge im Kernbereich - das hatte es noch nie gegeben. Sie mussten gefunden und vernichtet werden... Ihr Narren! Sie sind bereits hier, nicht mehr weit entfernt! Ihr müsst mir beistehen! Sofort! * Das Leuchten im Gang wurde intensiver, weil die Schicht von Schleim, die die Wände des Stollens bedeckte, sich verdichtete. Schließlich
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wateten Matt und Aruula bis zu den Knöcheln in der widerlichen Substanz, die eine seltsame Kälte verströmte - Kälte, die nicht so sehr zu spüren als zu erahnen war... Allmählich verbreiterte sich der Gang, wuchs sich zu einer geräumigen Höhle aus. Sie folgten den zahlreichen Windungen, die das Gewölbe nahm... ... und standen unvermittelt vor ihm. Der Stollen war zu Ende; sie hatten den Kern des Systems erreicht. Hier stießen sie auf den Erzeuger der Stimme, von der Aruula gesprochen hatte: den Herrn und Meister der Reptilienkreaturen. »O nein!«, entfuhr es Matt, als er den geheimnisvollen Herrn von Ethera erblickte. Es war eine Schlange. Oder wenigstens etwas, das nach einem Riesenpython aussah, der sich an ganzen Wakudas gütlich getan hatte. Er war an die zehn Meter lang und gut drei Meter breit. Sein schuppiger Leib wölbte sich in etlichen Ausbuchtungen, die sich unter dem Schuppenpanzer verschoben, als führten sie ein Eigenleben. Doch es waren keine mutierten Rinder, von denen sich die Schlange ernährte. Die zahllosen Knochen, die überall auf dem Boden verstreut waren, zeugten nur zu deutlich von ihrer Herkunft - es waren die Überreste von Menschen! Das bizarre Geschöpf lag in einer gewaltigen Grube, die mit grünem Schleim angefüllt war, das es durch verborgene Drüsen abzusondern schien. Unter einer kreisrunden Öffnung in der Decke hing ein gewaltiges Gefäß, mit dem der Schleim offenbar geschöpft und mit Hilfe eines Gegengewichts von hier unten hinauf zur Oberfläche befördert werden konnte. Das also war Ethera, das Paradies auf Erden! Und so wie einst lebte auch in diesen Garten Eden eine Schlange, die das Verderben über die Menschen brachte... Matt musste würgen. Wenigstens war das Monstrum dank seiner Leibesfülle beinahe bewegungsunfähig. Zumindest hoffte er das... »Ich... ich kann hören, was es denkt«, hauchte Aruula neben ihm. »Diese Stadt, das Paradies... all das ist nur Schein. Nichts davon ist wirklich.«
»Aber... wie ist das möglich?«, fragte Matt fassungslos. »Wie kann dieses... Geschöpf so vielen Menschen etwas vorgaukeln?« »Es ist der Schleim«, gab Aruula zurück. »Das grüne Zeug, das es von sich gibt. Je mehr wir davon zu uns nehmen, desto willenloser werden wir, desto empfänglicher für seine Einflüsterungen.« »Aber - wir haben nichts davon gegessen«, entgegnete Matt schaudernd. »Doch. Mit jeder Mahlzeit, jedem Schluck Wasser. Was immer wir zu essen geglaubt haben - in Wahrheit war es immer dieses Zeug... « »Verdammt.« Matt hatte das Gefühl, als stülpe sich sein Magen um. »Und wer sind diese Reptilien?« »Sie waren einst Menschen - Menschen, die wie Lakan und ich die Gabe des Lauschens beherrschten. Die Kreatur benutzt sie, um die Leute nach Ethera zu rufen. Sie gibt vor, Wudan zu sein, und weist ihnen den Weg in das angebliche Paradies. Sobald sie hier sind, werden sie weggebracht und zu ergebenen Dienern gemacht. Mit ihrer Hilfe kontrolliert dieses Wesen die ganze Stadt!« »Und der Rest? Die anderen Menschen, die keine Telepathen... , keine Lauscher sind?« Aruula sandte Matt einen traurigen Blick. »Sie sind seine Nahrung«, stellte sie nüchtern fest. Matt warf einen Blick zu der Riesenschlange hinüber und schauderte. Das Biest hatte hier eine perfekte Falle aufgebaut. Seine Opfer waren nicht nur ahnungslos, sie gingen auch noch lächelnd in den Tod! »Woher kommt dieses Wesen?« fragte Matt, ohne sich zu Aruula umzudrehen. »Kannst du seine Herkunft erkennen?« Aruulas Stimme zitterte leicht, als sie antwortete. »Ich versuche tiefer in seine Erinnerung vorzudringen... Es ist nicht leicht... « Sie stöhnte leise. »Es ist wie bei einem wilden Tier - und doch anders. Ah... « Matt wandte sich zu ihr um. Aruula hatte sich auf den Boden niedergelassen und saß im Schneidersitz da, den Kopf zwischen die Schenkel versenkt. So konnte sie am besten lauschen.
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»Ich sehe... Geburt und Tod«, sagte sie. »Viele Generationen - unendlich viele. Ein Teil des Wissens ist verloren. Die Erinnerung... nur bruchstückhaft.« Wieder entfuhr ihr ein Stöhnen. Matt trat auf Aruula zu. Er war versucht, sie zurückzuhalten, noch weiter vorzudringen. Was, wenn sie Schaden dabei nahm? Schon streckte er die Hand nach ihrer Schulter aus, da hob die Barbarin ruckartig den Kopf. Ihre Augen starrten ins Leere. »Ich sehe den Ursprung!« Die Worte kamen nur flüsternd über ihre Lippen. »Das... das heilige Ei. Es leuchtet grün. Es strahlt Macht aus, unbändige Kraft. Das ist der erste bewusste Gedanke. Aber... es ist kein Ei. Seine Hülle ist glatt und hart. Kantig. Ein... Kristall! Ja, ein grüner, leuchtender Kristall!« Matthew fuhr ein kalter Schauer über den Rücken. Ein Kristall sollte die Ursache für diese in Generationen gewachsene Mutation sein? Ein grün leuchtender Kristall? Das grüne Leuchten - natürlich! Er sah es nicht zum ersten Mal! Schon in der heilenden Quelle, die das Volk der Narka in einer Hochregion der Alpen behütete, war er vor einigen Wochen genau diesem Leuchten begegnet. Damals hatte er phosphoreszierende Mikroorganismen dahinter vermutet. Was, wenn schon damals... Er kam nicht dazu, den Gedanken zu Ende zu führen. Denn in diesem Au-|/ genblick stieß Aruula einen gellenden t Schrei aus. Ein Zucken durchlief die i junge Frau. Ihre Züge verzerrten sich vor Schmerz, und sie griff sich an die Schläfen. »Aruula! Was ist mit dir?« »Die Kreatur... sie... will... in meinen Kopf... « Matt wirbelte herum. Er konnte sehen, dass in den nachtschwarzen Augen der Riesenschlange plötzlich ein seltsames Leuchten lag. Aruula wand sich vor Schmerzen; ihr Gesicht hatte sich in eine Fratze verwandelt. Die Qualen, die sie litt, schienen unbeschreiblich zu sein. Unbändige Wut ballte sich in Matt zusammen. Auch Wut auf sich selbst. Er war es
gewesen, der Aruula in diese Situation gebracht hatte! Hätte er sie nicht aufgefordert, tiefer in die Erinnerungen der Schlange vorzudringen... »Lass sie in Frieden!«, herrschte er die Kreatur an und fasste den Griff seines Dolches fester. »Lass sie in Ruhe, du verdammtes Mistvieh, oder ich schlitze dich auf... !« »Das wirst du nicht tun!«, schnitt plötzlich eine Stimme scharf durch die Luft. Es war Aruula! Matt wirbelte abermals herum. Er sah seine Gefährtin vor sich stehen und erkannte entsetzt, dass sich ihre Augen schwarz verfärbt hatten. Die Monsterschlange hatte ihren Geist übernommen... ! Die Chance, die darin lag, erkannte Matthew erst im nächsten Augenblick: Er konnte mit der Kreatur reden! Hatte sie ganz bewußt diesen Weg gewählt, um sich ihm verständlich zu machen? Dann war sie zweifellos intelligenter, als er angenommen hatte! »Wer... bist du?«, erkundigte er sich. »Ich bin der Herr über Ethera und der Meister aller, die dort leben«, entgegnete Aruula. Ihre Stimme klang vollkommen leidenschaftslos. »Du bist kein Meister, sondern ein Tyrann!«, widersprach Matt zornig. »Du hältst Menschen gegen ihren Willen gefangen und machst diese... Dinger aus ihnen.« »Sie sind meine Kinder, meine Brut. Sie gehören mir.« »Kein Lebewesen gehört einem anderen!«, konterte Matt. »Du versklavst ihren Geist, um dich an ihnen zu nähren!« Die Kreatur, die durch Aruula zu ihm sprach, unterbrach sich für einen Moment. Die Verwirrung, die sie empfand, war so intensiv, dass sogar Matt sie fühlen konnte. »Weshalb bist du so feindselig? Habt ihr Menschen in Ethera nicht alles, was ihr braucht? Alles, wonach ihr euch immer gesehnt habt?« »Mag sein«, entgegnete Matthew, »aber es ist nur eine Illusion. Das hingegen«, er deutete auf den menschlichen Schädel, der vor ihm am Boden lag, »ist die Wirklichkeit. Das traurige Ende.« »Was ist falsch daran? Ich gebe euch, was ihr braucht, und ihr gebt mir, was ich brauche«,
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gab das Monster zurück und brachte es fertig, dass Aruula lächelte. »Wir sind voneinander abhängig.« »Irrtum.« Matt schüttelte den Kopf. »Wenn du das glaubst, hast du nichts von der menschlichen Natur verstanden. Es ist wahr, dass wir uns alle insgeheim nach einem Ort sehnen, an dem Glück und Frieden herrschen aber stärker noch ist unser Drang, zu entdecken und uns zu beweisen. Stillstand ertragen wir auf Dauer nicht. Und mehr als alles andere brauchen wir unsere Freiheit.« »Freiheit... « Die Aruula -Kreatur schüttelte den Kopf. »Auch Freiheit ist nur eine Illusion.« »In dieser Stadt - ja!« Matt nickte. »Aber da draußen ist eine ganze Welt, die es neu zu besiedeln gilt. Lass deinen 'Kindern' die Wahl, und sie werden das wahre Leben diesem goldenen Käfig vorziehen!« »Diese Idee von der Freiheit ist gefährlich!«, sagte die Kreatur nach einem Moment des Überlegens durch Aruulas Mund. »Ich kann nicht gestatten, dass meine Kinder davon infi ziert werden. Darum muss ich dich töten.« Damit hob Aruula drohend ihren Dolch, tat einen Schritt in Matts Richtung. Ihre Bewegungen wirkten dabei Schwerfällig und seltsam ungelenk - ein wenig wie die einer Marionette. »Verdammtes Scheusal!« Voller Entsetzen erkannte Matt die Absicht des Wesens. Es wollte, dass er gegen Aruula kämpfte! Und natürlich baute die Kreatur darauf, dass er es nicht übers Herz brachte, sie zu verletzen, während Aruula unter dem geistigen Knebel kaum solche Skrupel haben würde. Kein Zweifel; der Herrscher über Ethera war intelligent, gehorchte dabei aber animalischen Instinkten. Ihm fehlte - im wahrsten Sinn des Wortes - der Funken Menschlichkeit. »Stirb!«, zischte Aruula hasserfüllt und sprang auf ihn zu. Ihre Schwerfälligkeit ließ Matt genug Zeit zum Reagieren. Blitzschnell riss er die Rechte hoch und blockierte den Hieb. »Nicht so schnell!«, knurrte er. Er stieß Aruula von sich, so dass sie taumelte und rücklings stürzte. In diesem Moment wäre es ihm ein Leichtes gewesen, den
Dolch gegen sie zu schleudern - aber er dachte nicht daran. Denn damit hätte die Kreatur gewonnen. Ein teuflisches Lachen entrang sich Aruulas Kehle, während sie wieder auf die Beine sprang. »Nun«, erkundigte sie sich, »wie wirst du dich entscheiden, Maddrax? Du hast keine Chance, was immer du auch tust!« Matt atmete tief durch. »Wieder falsch«, entgegnete er mit fester Stimme. »Du hast noch immer nicht begriffen. Die Menschen haben immer die Wahl, wenn man ihnen die Freiheit dazu lässt. Auch die Freiheit, den wahren Gegner zu erkennen... « Damit fuhr er blitzschnell herum, hob seinen Dolch zum Wurf. Als er sich auf sein Ziel konzentrierte, erkannte das Monster, was er vorhatte. Ein schriller Schrei gellte durch Matts Bewusstsein. Die riesige Schlange versuchte zurückzuweichen; ein träges Wabern durchlief ihren massigen Körper. Doch es war zu spät. Pfeilschnell schnitt Matts Klinge durch die Luft - und bohrte sich in eines der beiden Augen des Monsters. Der aufgedunsene Körper des Riesenreptils bäumte sich auf. Matt konnte die Welle von Hass und Schmerz fühlen, die ihm entgegen schlug. Aruula begann am ganzen Körper zu zittern, gab einen wilden Schrei von sich - und im nächsten Moment gewannen ihre Augen die alte Farbe zurück, als das Wesen ihren Geist wieder freigab. Freigeben musste. Verwirrt blickte die Kriegerin auf den Dolch in ihrer Hand, erkannte, was zu tun sie im Begriff gewesen war. Unbändiger Zorn auf die Kreatur erfasste sie. Entschlossen sprang Aruula vor, schleuderte ebenfalls ihre Waffe - und das andere Auge der Riesenschlange zerplatzte in einer Fontäne aus grünem Blut. Die Kreatur bäumte sich auf und wälzte sich trotz ihrer Leibesfülle in wortwörtlich blinder Wut auf die beiden Menschen zu, um sie unter sich zu zermahnen. »Vorsicht! Zurück!«, schrie Matt. Aruula und er wandten sich um, wollten sich in die Tiefe der Höhle flüchten - aber von dort stürmten ihnen plötzlich eine Horde Reptilien
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entgegen. Da sind sie! Sie haben den Meister verletzt! Sie müssen sterben... Matt und Aruula änderten abrupt die Laufrichtung. Sie hatten keine Waffen mehr, waren den Angreifern schutzlos ausgeliefert und gegen ihre erdrückende Übermacht hatten sie ohnehin nichts auszurichten. Matt zählte bereits zwanzig, dreißig von ihnen, und immer mehr drängten in die Höhle. Tötet sie! Tötet sie... ! empfing Aruula den Gedankenbefehl, der die Höhle beherrschte und ihren Kopf bis zum Bersten ausfüllte. Matts Gedanken rasten, suchten verzweifelt nach einem Ausweg. Hätte er doch wenigstens eine seiner Waffen bei sich... Moment! Eine Waffe hatte er zurück behalten! Rasch griff Matt in eine Tasche seines Overalls und holte den letzten Rest Plastiksprengstoff hervor. Er wog das harmlos aussehende Stück Knetmasse in seiner Hand. Es war zwar nur noch ein Drittel der ursprünglichen Menge, aber sie würde genügen. Dieselbe Menge hatte schon einen Flughafen-Tower zum Einsturz gebracht. »Zurück zur Schlange!«, rief er Aruula zu. Die junge Frau starrte ihn perplex an, doch Matt beharrte: »Los doch! Ich habe einen Plan!« Die Schlangenkreatur, die sich in ihrem Sekret wälzte, schlug hohe Wellen, wand sich vor Schmerz und Wut und stachelte den Zorn ihrer Diener immer weiter an. In diesem Zustand der Agonie war von dem durchaus vernunftbegabten Wesen, als das Matt sie vorhin kennen gelernt hatte, nichts mehr übrig. Die animalische Seite der Kreatur hatte vollends von ihr Besitz ergriffen. Jetzt der Zünder! Hastig griff Matt in die Brusttasche seines Kombis, zog einen der zigarettengroßen Zünder hervor und drückte ihn in den Sprengstoff. Durch eine Drehung an der Spitze stellte er eine Verzögerung von sechzig Sekunden ein. Dann taxierte er das weit aufklaffende Maul der Schlangenkreatur an - und kam sich plötzlich vor wie der Pitcher beim entscheidenden Wurf.
Es war das letzte Inning, der entscheidende Punkt bei einem Spiel auf Leben und Tod. Matt holte aus und warf. Der kleine Ball flog durch die Luft - und landete im Maul der Riesenschlange, die ihn nicht einmal bemerkte und sofort verschluckte. »Weg hier!« Matt riss seine Gefährtin mit sich, als er kopfüber in den See aus grünem Schleim sprang. Eine Sekunde später tauchten sie in die kalte widerliche Masse ein. Die Verfolger verharrten einen Moment, dann stürmten sie ihnen hinterher. Watend, schwimmend, sich irgendwie durch den zähflüssigen Brei kämpfend erreichten Matt und Aruula das große Gefäß, mit dem der Schleim an die Oberfläche geschöpft wurde. Matt bekam den Rand des Behälters zu fassen, zog sich daran empor. Dann reichte er Aruula die Hand, um sie hochzuhieven. Die Reptilien wühlten sich durch die grüne Masse, hatten die Fliehenden fast schon erreicht. Matt packte zu und hob Aruula in die Höhe. In diesem Moment geschah es. Matthew konnte spüren, wie sich Aruulas Hand in der seinen verkrampfte, konnte den plötzlichen Schrecken in ihren Augen sehen, die weit aufgerissen zu ihm hoch starrten. Der Schmerz kam erst Sekunden später und ließ sie aufschreien. Matt wusste nicht, was passiert war, als er seine Gefährtin mit einem kräftigen Ruck nach oben in den Behälter zog. Doch dann sah er es, und der Schock ließ ihn erbleichen. Ein Strahl des gelben Giftes, offenbar von einem der Verfolger ausgespien, hatte Aruulas Rücken getroffen - und eine blasenwerfende Wunde darauf hinterlassen! Wie Säure fraß sich die ätzende Flüssigkeit in ihre Haut. Matt taumelte unter der Erkenntnis, dass die Verletzung tödlich war. Sein würde, wenn sich das Gift bis zu den Organen durchgefressen hatte! Auch Aruula schien es zu ahnen. Matt sah es in ihren Augen. Trotzdem war sie es, die ihn aus seiner Erstarrung riss. »Los! Wir müssen fort hier!« Fast automatisch nestelte Matt an dem Knoten, der das Seil des Gegengewichts mit dem Behälter verband. Seine Gedanken waren bei
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Aruula, und sie suchten verzweifelt nach einer Möglichkeit, ihr zu helfen. »Schneller!«, zischte die Barbarin. In einer Kraftanstrengung, die Matthew fassungslos machte, stemmte sie sich in die Höhe und wandte sich dem Band des Behälters zu. Schon war die erste der Kreaturen heran, hieb mit ihren Klauen nach den beiden und verfehlte Matthew nur um Haaresbreite, als Aruula sie mit einem Tritt gegen die Stirn zurück beförderte. Dann hatte Matt den Knoten gelöst. Mit einem Ruck sackte das Gewicht nach unten und im Gegenzug wurde der Behälter nach oben gerissen. In Sekundenbruchteilen entschwand er der Reichweite der Kreaturen. Keinen Augenblick zu früh! Die sechzig Sekunden waren um. Der Zünder gab den Impuls und brachte den Plastiksprengstoff zur Detonation. Das Letzte, was Matt und Aruula sahen, ehe ihr »Aufzug« in der Deckenöffnung verschwand, war, wie die monströse Schlangenkreatur von einer grellen Explosion zerrissen wurde. Dann ging es in rasender Fahrt hinauf, zurück zur Oberfläche, während die Höhle unj;er ihnen zurückblieb. Der Explosionspilz stieg feurig im Schacht empor, umzüngelte den Behälter - doch das Gewicht, das ihnen von oben entgegensank, riss sie mit solcher Geschwindigkeit hinauf, dass sie der vernichtenden Gewalt des Feuers entkamen. * Im Halbdunkel rauschte das Gewicht an ihnen vorbei, fiel hinab in die Tiefe, während es sie zur Oberfläche zog. Es wurde heller. Fahles Licht erschien über ihnen - und so abrupt, wie sie begonnen hatte, endete die Fahrt. Der Behälter blieb stehen. Sie fanden sich in einem gekachelten Raum wieder, der über und über mit grünem Schleim überzogen war. Aruula war halb ohnmächtig auf den Boden des Behälters niedergesunken. Sie stöhnte nur noch leise vor Schmerz. Matt drehte sie behutsam auf den Bauch und besah sich die
Wunde auf ihrem Rücken. Doch auch im helleren Licht hier oben musste er sich eingestehen, dass jede Hilfe zu spät kam. Aruula würde sterben. Es konnte keine Heilung geben... Irgendwo in seinem Hirn machte es Klick! Heilung ... Das grüne Leuchten ... Die Narka! Hastig fuhren Matts Hände zu den obersten Knöpfen seiner Uniformjacke und begannen sie zu lösen. Für jeden Anderen musste der Gegenstand, den er an einer Kette um den Hals trug, wie ein einfacher Talisman aussehen: eine Kralle des Narkato, des Eismonsters, das bis zu seinem Tod das Volk der Narka und die Heilquelle beschützt hatte. Häuptling Yorl hatte Matt diese ausgehöhlte Kralle geschenkt, nachdem er und Aruula ihm gegen eine feindliche Armee geholfen hatten.* Und sie war gefüllt mit Wasser aus der Quelle! Wasser, das Aruula schon einmal vor dem sicheren Tod bewahrt hatte! Mit fliegenden Fingern erbrach Matthew die Versiegelung aus Wachs. Er brachte Aruula in eine günstige Position, dann goss er das Heilwasser über ihrem Rücken aus. Es ging so schnell, dass seine Augen dem Prozess folgen konnten. Das Wasser schien die Säure innerhalb von Sekunden zu neutralisieren. Die Hautblasen bildeten sich zurück und die schreckliche Wunde schloss sich. Bald konnte Matt es wagen, mit bloßen Händen das Wasser auf die Stellen zu verteilen, die er mit dem ersten Guss nicht erreicht hatte. Auch sie heilten rasend schnell ab; zurück blieb nur leicht gerötete Haut. Matt standen Tränen in den Augen, als Aruula sich regte. Verdammt, das war knapp gewesen! Ohne das Heilwasser wäre seine Gefährtin - die Frau, die er liebte -verloren gewesen! Der Schock dieser Erkenntnis musste erst einmal verarbeitet werden ... Aruula wälzte sich herum und sah Matt fragend an. Vermutlich hatte sie statt seiner Wudan zu sehen erwartet. Oder Krahac, den Totenvogel. Oder sonst einen ihrer zahlreichen Götter.
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Nun, sie würde mit dem Leben und Commander Matthew Drax vorlieb nehmen müssen... Nachdem Matt ihr erklärt hatte, was geschehen war, verließen sie den Aufzug und betraten den sicheren Boden einer Plattform. Mehrere Karren standen hier bereit, um das grüne Zeug, das von unten eintraf, abzutransportieren. Nun, das war vorbei. Der Herr von Ethera würde nie wieder für Nach schub sorgen. Matt und Aruula verließen den Raum durch eine offene Tür. Im selben Moment zuckten sie erschrocken zurück. Hinter der Mauer, dicht bei der Tür, stand eine Wache! Es dauerte einen Moment, bis sie erkannten, dass das Reptil völlig reglos verharrte und ins Leere starrte. Matt und Aruula tauschten einen verblüfften Blick, dann wagten sie sich vorsichtig näher an die Kreatur heran. Sie war noch am Leben, doch in ihren schwarzen Augen war kein Glanz mehr. Mit dem Tod ihres Meisters schien auch ihr Lebenswille erloschen zu sein. Matt und Aruula waren dennoch auf der Hut, als sie sich daran vorbei drückten. Durch ein schweres Metallschott, das halb offen stand, gelangten sich nach draußen. Nach Stunden atmeten sie zum ersten Mal wieder frische Luft. Sie hatten das Stadion verlassen, standen auf dem Hügel, um den sich München erstreckte. Doch der Anblick, der sich ihnen bot, war niederschmetternd. Trümmer, wohin das Auge blickte. Sie schauten auf eine Stadt hinab, die vor Hunderten von Jahren zerstört worden war, deren Häuser nicht mehr waren als baufällige Ruinen. Risse durchzogen den Asphalt der Prachtstraßen; ganze Häuserzeilen lagen in Schutt und Asche. Das also war das wahre Gesicht von Ethera nicht die Illusion, die man ihnen vermittelt hatte. In Wahrheit war München eine Trümmerstadt wie alle anderen, die Matt und Aruula besucht hatten. Die große Katastrophe hatte auch sie nicht verschont.
Doch nach den Schrecknissen hier fragte Dunkler Rauch stieg von einigen der zerstörten Häuser auf; sie standen lichterloh in sich Matthew Drax bange, welches Grauen dort Flammen. In den Straßen herrschte Chaos. auf sie warten würde... Gläubige liefen schreiend umher, verwirrt und orientierungslos. Einige von ihnen schienen den ENDE Verstand verloren zu haben, als der telepathische Bann gebrochen war und sich das Paradies vor ihren Augen in einen Alptraum verwandelt hatte. Überall lagen tote Reptilienwesen herum, die von der zornigen Meute erschlagen worden waren. In dem Moment, als ihr Meister gestorben war, hatten die Kreaturen die Illusion nicht länger aufrecht erhalten können. Ihr wahres Aussehen war zutage getreten - und die rasende Menge hatte sie für den Verlust ihres Paradieses verantwortlich gemacht und zur Rechenschaft gezogen. So hatte der Traum von Glück und Frieden, vom Paradies auf Erden ein schreckliches Ende gefunden. Die Illusion war vorüber, es herrschte wieder die grausame Realität. Doch die Menschen würden leben... »Dieser Ort ist nicht Ethera«, sagte Aruula leise, und Matt sah, wie sich eine Träne aus ihrem Augenwinkel löste und über ihre Wange rann. »Aber ich werde weiter danach suchen - und eines Tages werde ich die Heimat von Adax finden.« »Ich wünsche es dir«, versicherte Matt, und er legte seinen Arm um seine Gefährtin, um ihr ein wenig Trost zu spenden. Eine Weile standen sie so. Dann stiegen sie den Hügel hinab und gingen durch die zerstörten Straßen der Stadt zur großen Pforte, durch die sie gekommen waren. Unweit davon gab es einen halb verfallenen Turm, vor dem mehrere tote Reptilien lagen - offenbar waren sie als Posten aufgestellt worden, um die konfiszierten Waffen zu bewachen. Hier fanden Matt und Aruula die Ausrüstung, die ihnen bei ihrer Ankunft abgenommen worden war. Sie nahmen ihre Habe an sich und machten sich bereit, ihren Marsch fortzusetzen. Ihr Ziel war klar. Es war eine Stadt, die vor langer Zeit den Namen »Berlin« getragen hatte.
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Götter und Barbaren Matt und Aruula treffen gleich auf zwei neue Völker: die Nordmänner, die sich selbst "Götterschlächter" nennen - und auf technisch hoch entwickelte, aber extrem anfällige "Bunkermenschen", die 500 Jahre Evolution hinter sich haben. Diese erforschen die Welt und werden von den Nordmännern abgeschlachtet, die erkannt haben, dass sie die Waffen der "Götter" für ihre eigenen Kriegszüge nutzen können. Unsere Helden geraten zwischen die Fronten und helfen dabei, Leipzig vor der Vernichtung zu bewahren, doch die Bunkermenschen können sie nicht retten. Immerhin erfährt Matt von einer "Community" in London.
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