Liebe Atlan-Freunde,
diesmal ist wieder eine Leserstory an der Reihe. In diesem Zusammenhang möchten wir wieder einma...
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Liebe Atlan-Freunde,
diesmal ist wieder eine Leserstory an der Reihe. In diesem Zusammenhang möchten wir wieder einmal auf den Wettbewerb „Leserstory des Monats" hin weisen, der in der zweiten Auflage der ATLAN-Serie auf der LKS seit vielen Monaten durchgeführt wird. Jeder von euch hat Gelegenheit, sich daran zu betei ligen. Wenn ihr glaubt, eine SF-Story schreiben zu können, versucht es einmal — die Sache macht be stimmt Spaß. Eure Arbeiten könnt ihr schicken an den Pabel-Verlag, Falkweg 51, 8000 München 60. Einmal im Monat wählen unsere Leser unter den vor gestellten Geschichten „Die Leserstory des Monats" aus. Der Verfasser erhält ein Siegeshonorar von 100,— (einhundert) DM, und unter den Einsendern der Benotungen verlosen wir jeweils ein PERRY RHODAN-Buch nach Wahl. Doch nun zu der aktuel len Geschichte auf dieser Seite. Sie wurde geschrie ben von Theo Klein, Stollenweg 10, 4712 Werne. Der alte Ritter von Theodor Karl Klein
Einst lebte ein alter Ritter in einem noch älteren Dorf.
Seine kleine Burg stand am Rande des Ortes auf ei
nem kleinen Hügel. Die verfallenen Mauern wurden
von kahlen Sträuchern und alten Bäumen umgeben,
die ihre langen Schatten in den Burghof warten
Dieser war von Löchern zersetzt, Unkraut wucherte.
Der Geruch von Alter und Tod lag in der Luft.
Gegen Süden erhob sich ein kleiner Turm, dessen
Zinnen sich schon vor urdenklichen Zeiten aufgelöst
hatten. Eine zerfledderte Fahne mit dem Zeichen des
Ritters flatterte träge im Wind.
Es war still im Burghof.
Die Stille wurde durchbrochen, als sich das große, ei
cherne Portal im Haupthaus öffnete. Die verrosteten
Angeln knarrten, das Holz stöhnte.
Staub wallte auf.
Heraus trat eine Gestalt, gekleidet in einen alten,
stumpfglänzenden Panzer.
Die Gelenke klapperten, und einige Panzerplatten lö
sten sich von der Brust und schepperten auf den Bo
den.
Das Visier war hochgeklappt. Ein hageres, zerfurch
tes Gesicht wurde sichtbar. Unter buschigen Augen
brauen glänzten im Gegensatz zum äußeren Erschei
nen des Ritters frische, wache Augen.
Sie musterten die Umgebung aufmerksam und nicht
mit der üblichen Gleichmütigkeit.
Heute war ein besonderer Tag.
Der alte Ritter war erschienen, um in das D o r f zu ge
hen.
Er besaß zwar ein Pferd, doch dieses war so alt, daß es kaum mehr einen Sattel tragen konnte, geschwei ge denn einen Reiter. Mit letzter Kraftanstrengung öffnete der Ritter das Tor zum Burghof. Auch hier knarrten die Angeln fürchterlich. Doch das nahm der Ritter schon gar nicht mehr wahr. Er schloß das Tor hinter sich. Ein kurzer Schwächeanfall ließ ihn gegen die brüchi ge Mauer stolpern, einige Steinbrocken lösten sich daraus und fielen auf den staubigen Boden. Nachdem sich der alte Ritter erholt hatte, wanderte er die schmale, sich durch das Tal windende Straße zum Dorf hinunter. Der Ritter ging sehr langsam, vom Alter gebeugt. Ein langes Schwert baumelte an seiner Seite. Es sah aus wie neu geschmiedet. Der Ritter brauchte lange bis ins Dorf. Die ärmlichen Hütten standen eng beieinander. Es stank nach Unrat und nach der Ausdünstung der Lebewesen, die hier ihr Leben fristeten. Die Fenster der Hütten hatten kein Glas, gleich zahn losen Mäulern gähnten sie den Ritter an. Vor dem alten Brunnen in der Dorfmitte hielt er mit seinen Schritten inne. Seine klaren Augen wanderten hin und her, doch sie konnten nichts Verdächtiges entdecken Auch hier war es still. Wie in einem Grab. Es wehte kein Wind mehr. Die Ruhe vor dem Sturm. Plötzlich erhob sich ein Getöse aus himmlischen Sphären, Wind peitschte gegen die morschen Hüt ten, und grauer, dicker Rauch schob sich durch die engen Gassen und Straßen. Der Himmel dröhnte. Lichtblitze zuckten gen Erde und ließen die Menschen in ihren erbärmlichen Be hausungen vor Todesangst erzittern. Das Gedröhne wurde immer lauter. Und wie ein Fels stand in allem der alte Ritter, der nur seine guten Augen und sein blitzendes Schwert be saß. Es war wieder soweit. Der Tag des Großen Kampfes war angebrochen. Er hatte ihn auszufechten — wie sein Vater, sein Großvater und dessen Ahnen zuvor. Er zog sein Schwert, und seine Gestalt wirkte wie ein Schemen im sich verziehenden Rauch, wie ein Schat ten aus dem Nichts. Der Himmel hielt still. Der Rauch verschwand. Der schlanke Leib des Raumschiffs erhob sich keine fünfhundert Schritte vor dem alten Ritter glänzend gegen die rote Sonne. Ein Sendbote der Götter von OBEN. Die Götter waren
von den Sternen wiedergekehrt.
Des Ritters Augen wurden hart.
Seine rechte Hand packte den Griff des Schwertes fe
ster.
Er würde dem stählernen Tod entgegentreten.
Langsam ging er vor. Seine Bewegungen wirkten im
mer noch müde, doch dieses täuschte.
Der alte Ritter sammelte seine allerletzten Kraftreser
ven und betete inbrünstig zu seinen Göttern.
Die Sonne strahlte vom Himmel und schickte ihre ro
ten Strahlen hinunter und ließ den Brustpanzer des
Ritters seltsam erleuchten
Der Ritter hob sein Schwert und hieb es auf den stäh
lernen Leib des Giganten. Die Wandung erzitterte,
das Schwert vibrierte in den alten, aber starken Fäu
sten des Ritters Sein Panzer zerbarst nun vollends
und verteilte sich in rostigen Stücken auf dem Bo
den.
Nur noch mit dem Lendenschurz bekleidet, schlug
der Alte wiederum sein Schwert gegen den Stahl
Doch nichts geschah.
Immer und immer wieder hob der alte Mann sein
Schwert, um die Götter zu bezwingen. Aber er war machtlos. Es dauerte über eine Stunde, bis der alte Ritter zu sammenbrach, das Schwert fallen ließ und am Fuße des Raumschiffs an Herzversagen starb. „Alle hundert Jahre kehren wir auf diesen Kolonial planeten zurück. Und jedesmal erscheint eine solche Figur von einem prähistorischen Don Quichotte und schlägt mit seinem lächerlichen Schwert auf unser Schiff ein. Es war nun schon der sechzehnte. Ver stehst du das, Sha-Loom?" ..Nein, Kommandant. Wir werden halt nach Terra heimfliegen müssen, um dem Oberkommando zu be richten, daß sich die Menschen auf Kolonial VIII im mer noch nicht zivilisiert haben. Kommen wir in hundert Jahren wieder!" ENDE Bis in einer Woche! Euer W.Voltz
Nr. 508
Die Schläfer von Detlev G. Winter
Es geschah im Dezember des Jahres 3586, als Perry Rhodan mit seinen Gefährten die SOL verließ und zur BASIS übersiedelte, nachdem er den Solgeborenen das Generationenschiff offiziell übergeben hatte. Die neuen Herren der SOL sahen sich somit endlich in die Lage versetzt, ih re Wünsche zu realisieren. Sie trennten sich von der Menschheit, um ihre eigenen Wege zu gehen. Sie betrachteten den Weltraum als ihren eigentli chen Lebensbereich und das Schiff als ihre Heimat — und die meisten von ihnen scheuten davor zurück, das Schiff zu verlassen und einen Himmels körper zu betreten. Seit der Zeit, da die SOL unter dem Kommando der Solgeborenen auf gro ße Fahrt ging und mit unbekanntem Ziel in den Tiefen des Sternenmeeres verschwand, sind mehr als zweihundert Jahre vergangen, und niemand hat in der Zwischenzeit etwas vom Verbleib des Generationenschiffs ge hört. Im Jahr 3791 ist es jedoch soweit — und ein Mann kommt wieder in Kontakt mit dem verschollenen Schiff. Dieser Mann ist Atlan. Die Kosmokraten ent lassen ihn, damit er sich um die SOL kümmert. Die SOL und die Gegebenheiten an Bord haben sich dermaßen verändert, daß Atlan das Schiff kaum wiedererkennt. Wie es zu dem allgemeinen Chaos kam, beleuchtet ein Kapitel aus der bislang unbekannten Historie der SOL. Dieses Kapitel behandelt DIE SCHLÄFER . . .
ATLAN
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1. BEGEGNUNG
Mittelteil des Raumschiffsverbunds geführt worden. Der metallene Wider Die Erschütterung war kurz und hall der Schritte auf dem blanken Un heftig. Der Mann im Raumanzug wur tergrund klang noch in ihm nach. de davon überrascht. Er stolperte Dann hatten ihn seine Bewacher zwei, drei Schritte nach vorn, bevor er durch das Schott in diesen Raum ge das Gleichgewicht wiederfand. Hinter drängt, der unmittelbar neben der sich hörte er das zischende Geräusch Leitzentrale lag. Sie selbst hatten sich des zufahrenden Schotts. Der Tep zurückgezogen. pich, auf dem er stand, dämpfte die Vi Es schien ihm, als habe er eine ande brationen, die dem plötzlichen Schlag re Welt betreten. folgten und rasch versiegten. Der Ort, an dem er sich jetzt befand, war nur spärlich be Die Nähe des leuchtet. Er wirkte Quaders machte düster. Teppiche sich immer häufi auf dem Boden und ger bemerkbar. Das Die Hauptpersonen des Romans: an den Wänden skurrile, entfernt Atlan — Der Arkonide begegnet dem dämpften jedes Ge würfelähnliche Ob High Sideryt. räusch. jekt, das sich eben Chart Deccon — Der Schiffsführer der falls in den Fesseln Die Grundfläche SOL entschließt sich zu einem be des Zugstrahls von des Raumes schätz deutsamen Schritt. Mausefalle-Sieben te der Mann auf 100 Cleton Weisel — Ein machthungriger befand, hatte seine bis 150 Quadratme Mann will seine gefährlichsten Wi Geschwindigkeit dersacher ausschalten. ter. Er erkannte der der SOL mitt mehrere Bildschir Die Schläfer — Fünf Menschen in Wei lerweile fast ange me, Kontrollpulte, sels Falle. glichen. Die star Interkomsowie ken Ankerstrahlen Normal- und Hy des fremden Rau perfunkanschlüsse, mers und die gravitationalen Wechsel daneben altertümlich wirkendes Mo wirkungen zwischen den beiden Flug biliar aus klobigem schwarzen Holz. körpern erschütterten die Stabilität Im Hintergrund stand eine Reihe von des Hantelschiffs wieder und wieder. Robotern mit angewinkelten Waffen Seine Sorge um die Sicherheit der armen. SOL und ihrer Bewohner mußte der Der Mann ließ sich von dieser drük Mann im Raumanzug jedoch zeitwei kenden Umgebung nicht beeinflus lig zurückstellen. Der Kampf gegen sen, auch nicht von den glühenden die Kräfte des Quaders durfte ihn im Abstrahlmündungen der Kampfma Moment nur in zweiter Linie interes schinen, die auf ihn gerichtet waren. sieren. Auf ihn wartete eine Auseinan Seine Aufmerksamkeit galt den sie dersetzung anderer Art. ben stufenförmigen Podesten. Auf ei Er blieb ruhig stehen und sah sich nem davon war ein thronähnlicher Sessel verankert. aufmerksam um. Nach seiner Neueinkleidung war er, Eine beleibte Gestalt füllte den Sitz von einer Eskorte begleitet, durch den völlig aus. Ihr Kopf war kahl und mas weitläufigen, hellen Hauptkorridor im sig, die Gesichtshaut gerötet. Die Klei-
Die Schläfer
gesprochen faszinierenden Persön lichkeit zu tun. Chart Deccon erkann te es an der gelassenen Haltung dieses Mannes, an der Art seines Auftretens und der ungewöhnlich großen Selbst sicherheit, die er an den Tag legte. Kaum jemand, die Magniden viel leicht ausgenommen, hätte es gewagt, ihn dermaßen respektlos anzuspre chen. Etwas über einen Monat war es jetzt her, daß dieser Fremde an Bord der SOL aufgetaucht war. Wenn die Infor mationen des High Sideryt stimmten, hatten ein paar Buhrlos ihn aus einem festungsartigen Raumflugkörper ge borgen, der damals in der Nähe des Hantelschiffs vorbeigezogen war. Seitdem wurde er von der SOLAG ge jagt, aber immer wieder war es ihm ge lungen, unterzutauchen und sich einer Gefangennahme zu entziehen. Erst jetzt, als die Bedrohung durch den Quader ins Unermeßliche stieg, hatte der Unbekannte sein Versteckspiel aufgegeben. Es war ihm gelungen, ei ne Interkomverbindung mit dem High Sideryt herzustellen und seine Hilfe anzubieten. Chart Deccon hielt das für ebenso makaber wie anmaßend. Die SOL be fand sich in der Gewalt eines über mächtigen Traktorstrahls, und die Nä he des Quaders potenzierte die Gefahr für alle Menschen an Bord um ein Vielfaches. Weder ihm noch sonst ei nem Mitglied der SOLAG war es bis her gelungen, einen brauchbaren Aus weg aus dem Dilemma zu finden. Die ser Fremde aber wußte nichts Eilige res zu tun, als in dünkelhafter Selbst überschätzung seine Mitarbeit bei der Lösung der anstehenden Probleme in Aussicht zu stellen. Nach anfänglichem Zögern war der Zweifellos hatte er es mit einer aus Bruder ohne Wertigkeit darauf einge
dung, die sie trug, wirkte wie eine Rü stung und bestand, von den schweren Stiefeln abgesehen, aus blau schim mernden Metallschuppen. Auf der Brust baumelte ein rechteckiges Be hältnis, das von einer goldenen Kette um den Hals gehalten wurde. Verschiedene Lichtreflexe und -bre chungen rund um das Podest deute ten darauf hin, daß der Thronsessel von einem schützenden Energie schirm umgeben wurde. Der Mann im Raumanzug benötigte keine besonders ausgeprägte Kombi nationsgabe. Er selbst hatte verlangt, daß man ihn hierher brachte. Er wuß te, wem er gegenüberstand. Dies war die mächtigste Person an Bord der SOL: Chart Deccon — High Sideryt und Bruder ohne Wertigkeit, Kommandant der SOLAG und Herr scher über fast 100.000 Menschen. Er musterte den Ankömmling aus grauen Augen, die in dem aufgedunse nen Gesicht kaum zu erkennen waren. Seine Stimme klang grollend. „Du hast gut daran getan, dich zu stellen, Fremder." „Bezeichne mich nicht als Frem den", entgegnete der Mann kühl. „Ich bin ein Mensch wie du — und ich habe einen Namen!" Der High Sideryt verzog spöttisch die wulstigen Lippen. „Richtig", meinte er. „Du nennst dich Atlan." Der Mann im Raumanzug rührte sich auch jetzt noch nicht. Mit leicht gespreizten Beinen stand er da. Eine ausdrückliche Bestimmtheit lag in sei nen nächsten Worten. „Ich bin Atlan."
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gangen, nicht zuletzt deshalb, weil er den Mann damit endlich in seine Ge walt bekommen konnte. Er hatte ihn in seine Klause führen lassen, obwohl das keineswegs seinen Gepflogenhei ten im Umgang mit Festgenommenen entsprach. Während er den Ankömmling aus giebig musterte, geriet seine vorgefaß te, von persönlicher Abneigung dik tierte Meinung allerdings erstmals ins Wanken. Es war ein Unterschied, ob man sich aufgrund von Beschreibungen und ei nem Interkomgespräch bestimmte Vorstellungen von jemandem machte, oder ob der Betreffende einem selbst gegenüberstand. Die hochgewachsene Erscheinung dieses Mannes entsprach zu Deccons Verblüffung noch genauer dem Bild, das ihm von dem wirkli chen Atlan übermittelt worden war, als er angenommen hatte. Die Ausstrahlung des Mannes war enorm, und unwillkürlich begann Chart Deccon sich zu fragen, ob er nicht tatsächlich eine wertvolle Unter stützung für die SOLAG bedeuten könnte. Rein gefühlsmäßig war er jetzt schon fast sicher, daß der Unbe kannte über eine profunde Weltkennt nis und einen extrem hohen Wissens stand verfügte. An seinem Mißtrauen änderte das allerdings nichts. So sehr ihn das selbstbewußte Auftreten des Frem den beeindruckte — er konnte nicht der sein, für den er sich ausgab. Der High Sideryt war entschlossen, die wahre Identität dieser Person heraus zufinden und die Hintergründe ihres plötzlichen Auftauchens zu klären. Zufrieden registrierte er, daß die Er schütterungen, die der Quader auf der SOL auslöste, nicht nur schwächer ge worden waren, sondern in den vergan-
ATLAN
genen Minuten ganz aufgehört hatten. Es war die Ruhe vor dem Sturm, schoß es ihm durch den Sinn, eine Verschnaufpause für die Solaner, ein Atemholen. Aber es gab ihm Gelegen heit, sich intensiv mit dem Fremden zu beschäftigen. „Ich bin Atlan." Noch immer stand die Behauptung im Raum. Chart Deccon war sich dar über im klaren, daß alle seine diesbe züglichen Überlegungen nicht mehr als einige Sekunden in Anspruch ge nommen hatten. Dennoch erschien es ihm plötzlich wie eine kleine Ewig keit. Schweigend sahen die beiden Män ner sich an, lauernd fast. Jeder war tete auf eine Reaktion des anderen. Schließlich trat der Fremde einen Schritt nach vorn. „Du glaubst mir nicht?" Das spöttische Lächeln des Bruders ohne Wertigkeit erstarb. „Nein", bestätigte er einsilbig. Eindringlich breitete sein Gegen über die Arme aus. „Sieh mich an!" forderte er. „Du brauchst nur in den Archiven zu stö bern und dir Bilder und Charakterbe schreibungen überspielen zu lassen. Danach wirst du wissen, daß ich die Wahrheit sage." Irgendwie fühlte sich Chart Deccon in die Enge gedrängt. Auf merkwürdi ge Weise gelang es dem Fremden, ihm die Initiative aus der Hand zu nehmen. „Ich habe mir längst Informationen beschafft", erwiderte er, während er sich unwillkürlich vorbeugte. „Ich weiß, daß deine Ähnlichkeit mit die sem Atlan frappierend ist. Dennoch halte ich dich für einen Betrüger." Der Mann im Raumanzug lachte auf. „Denkst du wirklich, ich hätte auch nur im Traum daran gedacht, mit dir
Die Schläfer
in Verbindung zu treten, wenn ich ein Schwindler wäre oder meine Behaup tungen nicht beweisen könnte?" Fast hatte der High Sideryt den Ein druck, als würde er nicht ernstgenom men. Die Belustigung des Fremden machte ihn wütend. „Kannst du sie beweisen?" fragte er herausfordernd. „Natürlich. Ich bin über die Entste hungsgeschichte der SOL ebenso in formiert wie über ihre Reise bis zu dem Tag, als sie sich von der BASIS trennte und die Galaxis Algstoger maht verließ. Vieles ist mir zwar selbst nur aus Berichten bekannt, aber wenn du es hören willst, kann ich es wieder geben. Anderes stammt aus eigener Anschauung, aus der Zeit, als ich den Flug des Schiffes mitmachte und kurzfristig selbst Kommandant war. — Was möchtest du wissen? Interes siert dich der Start von der aphili schen Erde, die Auseinandersetzung mit dem NEI oder der Kontakt mit den Wyngern? Ich kann auch über in terne Schwierigkeiten erzählen, über den Konflikt zwischen Terranern und Solgeborenen beispielsweise." Er hob die Schultern und machte eine umfas sende Geste. „Ich fürchte nur, daß uns zu alledem nicht genügend Zeit bleibt. Das Schiff ist in höchster Ge fahr, und du solltest dich fürs erste da mit zufriedengeben, daß ich bereit bin, meine langjährige Erfahrung in deinen Dienst zu stellen." Chart Deccon atmete tief ein und lehnte sich zurück. Gegen seinen Wil len war er nachdenklich geworden. Vieles von dem, was der Fremde an deutete, war ihm selbst nicht bekannt, aber es würde sich überprüfen lassen. So gesehen, durfte der Mann es sich nicht erlauben, Dinge zu erzählen, die seiner Phantasie entsprangen — er wä
9 re sofort als Lügner entlarvt worden. Hinzu kam die ausgeprägte Orts kenntnis, die er während seiner Flucht in den vergangenen Wochen immer wieder unter Beweis gestellt hatte. Der Bruder ohne Wertigkeit merkte, wie der Zwiespalt in ihm größer wur de. Einerseits fühlte er sich durch das für seine Begriffe teilweise überhebli che Auftreten des Fremden provo ziert, andererseits war er nach dessen Vortrag, der eine umfassende Kennt nis der Vergangenheit bewies, schon fast überzeugt, tatsächlich den legen dären Arkoniden vor sich zu haben. Eigentlich bedurfte es nur noch eines letzten, überzeugenden Indizes . . . „Es heißt", sagte er langsam, „daß du über ein Gerät verfügst, das dir die Unsterblichkeit sichert. Angeblich sollst du über zehntausend Jahre alt sein..." „Fast zwölftausend, wenn du es ge nau nimmst", stellte der Fremde rich tig. Er lächelte verhalten. „Das Gerät, von dem du sprichst, ist ein sogenann ter Zellaktivator. Es verhindert den Alterungsprozeß." Den High Sideryt schwindelte bei der Vorstellung. Er hatte zwar davon gehört, daß Atlan über einen solchen Apparat verfügte, den entsprechen den Berichten jedoch keinen rechten Glauben geschenkt. Auch Perry Rhodan und andere historische Perso nen sollten angeblich im Besitz der re lativen Unsterblichkeit sein. Die Auf zeichnungen darüber hatte Chart Dec con bisher als absurd abgetan. Jetzt allerdings begann er zu begrei fen, daß er mit seiner Einschätzung verkehrt gelegen hatte. Der Fremde lächelte noch immer, während er das Oberteil des Raumanzugs öffnete und einen kleinen, eiförmigen Gegenstand hervorholte. In der ausgestreckten
10 Hand hielt er ihn dem Bruder ohne Wertigkeit entgegen. „Du kannst ihn begutachten", bot er an. „Es scheint die einzige Möglich keit zu sein, dich von der Richtigkeit meiner Aussagen zu überzeugen." Abwechselnd starrte Chart Deccon in die Augen und auf die Hand des Mannes. Für einen Moment kam ihm der Gedanke, daß er hereingelegt wer den sollte. Wenn das kleine Ei tatsäch lich einen Zellaktivator darstellte, würde sich der Fremde nicht so bereit willig davon trennen. Es konnte eine List sein, um ihn hinter seinem Schutzschirm hervorzulocken. Dann jedoch machte er sich bewußt, daß er sich auch ohne das Energiefeld in der stärkeren Position befand. Der andere konnte nichts gegen ihn aus richten. Abgesehen davon, daß er ent waffnet worden war, würden die Wachroboter bei der kleinsten ver dächtigen Bewegungen sofort eingrei fen. Der High Sideryt berührte einen der Schaltkontakte, die in der Lehne sei nes Sessels untergebracht waren. Der Schutzschirm erlosch. Während er langsam die Stufen des Podests hinab stieg, beobachtete er den Fremden weiterhin mit größter Aufmerksam keit, aber der tat nichts Verdächtiges. Chart Deccon griff nach dem eiför migen Gerät und nahm es an sich. Bei nahe andächtig schloß er die Finger darum. Sofort spürte er den pulsierenden Strom belebender Impulse, der sich in seinen Körper ergoß. Plötzlich fühlte er sich ausgeruht und erfrischt. Es war ein ähnlicher Effekt wie nach einer Behandlung mit E-kick — nur trat er ohne Verzögerung ein. „Nun?" fragte der Mann im Raum anzug. „Glaubst du mir jetzt?" Der High Sideryt nickte, während er
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den Zellaktivator weiter umschlossen hielt. Der Kontakt mit diesem Gerät hatte seine letzten Zweifel schlagartig ausgeräumt. „Ja", sagte er leise. „Du mußt Atlan sein!" Er wunderte sich, wie unwichtig ihm das plötzlich war. Die Person des Arkoniden und alles, was an Geheim nissen damit verknüpft war, interes sierte ihn mit einem mal nur noch am Rande. Statt dessen drängte sich machtvoll etwas anderes in seine Gedanken. Es kam ihm in den Sinn, welches un schätzbar wertvolle Kleinod er da in der Hand hielt: ein Instrument, das den Alterungsprozeß nachweislich stoppte und das Leben womöglich ins Unendliche verlängerte. Man trug es an einer Kette um den Hals und brauchte keine weitere Sorge darauf zu verschwenden als die, es nicht zu verlieren. Die Behandlung mit E-kick war da gegen wesentlich umständlicher. Man war auf die Buhrlos angewiesen, die sich während ihrer Aufenthalte im Raum mit einer Energieform auflu den, die von einigen Wissenschaftlern als „potenzierte Kirlian-Aura" bezeich net wurde. In einem komplizierten Verfahren mußte diese Aura gespei chert und über Akkumulatoren in den menschlichen Körper transferiert wer den. Es war eine zeitraubende Angele genheit, und da man E-kick erst vor zwanzig Jahren entdeckt hatte, stand die angeblich lebensverlängernde Wirkung objektiv überhaupt noch nicht fest. Wieviel einfacher in der Handha bung und sicherer im Ergebnis war ein Zellaktivator! Chart Deccon be gann Gefallen an der Idee zu finden, das Gerät in seinen Besitz zu bringen.
Die Schläfer
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len. „Manchmal ja", gab Atlan freimütig zu und bemühte sich zugleich, ein an deres Thema anzuschneiden. „Beson ders in Situationen wie dieser. Ich bin auf die SOL gekommen, um einen Auftrag auszuführen, und nun muß ich feststellen, daß das Schiff sich in größter Gefahr befindet, weitgehend manövrierunfähig ist und zur Errei chung meines Zieles vorläufig nicht eingesetzt werden kann. Ich befinde mich in einer Sackgasse, und bei sol chen Gelegenheiten ist die Unsterb lichkeit mitunter auch eine Bela stung." Während er sprach, beobachtete er den Bruder ohne Wertigkeit genau. Er war sicher, daß dieser mit dem Gedan ken gespielt hatte, sich den Zellaktiva tor anzueignen. Die Eröffnung, das le bensverlängernde Gerät lasse sich nicht von jedermann benutzen, mußte den High Sideryt nicht nur ernüchtert, sondern auch erschreckt haben. Sein Rückzug auf den Thronsessel ähnelte einer Flucht. Allerdings, gestand Atlan ihm zu, überspielte er seine Empfindungen sehr geschickt. Und er war offenbar fähig, persönliche Belange schnell zu verdrängen und anderen Dingen die Wichtigkeit einzuräumen, die ihnen gebührte. Es war ihm anzusehen, wie ein Ruck durch ihn ging, wie er die Worte des Arkoniden förmlich in sich aufsog. Sein Interesse war geweckt. „Du hast einen . . . Auftrag?" fragte er gedehnt. Die Augen, in dem feisten Gesicht ohnehin kaum sichtbar, wur „Empfindest du sie als Fluch?" Der High Sideryt hatte sich abge den zu winzigen Schlitzen, und auf der wandt und ließ sich mit schwerfälli Stirn bildeten sich Falten. „Wie ist das gen Bewegungen wieder in seinem zu verstehen?" Thronsessel nieder. In dieser erhöhten „Es gibt einen Raumsektor", ant Position, auf dem oberen Absatz des wortete Atlan bereitwillig, „der mit Podests, schien er sich wohler zu füh Varnhagher-Ghynnst bezeichnet wird.
„Dieses Ding arbeitet seit über zehntausend Jahren störungsfrei?" fragte er betont zweifelnd. Der andere brauchte nicht gleich zu merken, wor auf er hinauswollte. „Und niemand hat es dir je entwendet? Das ist un glaublich!" „Der Zellaktivator ist mir oft genu gestohlen worden", erwiderte Atlan ruhig, „aber die Diebe hatten nie lan ge Freude daran. Das Gerät ist speziell auf meine Zeilschwingungsimpulse justiert und nicht universell anwend bar. Von einem Unberechtigten getra gen, führt es nach einiger Zeit zum Tod." Plötzlich hatte der High Sideryt das Gefühl, als hielte er ein glühendes Ei sen in der Hand. Es wurde ihm klar, warum der Arkonide ihm den Appara bedenkenlos überreicht hatte. Ob er die Wahrheit sprach oder nicht — Chart Deccon hatte kein Verlangen danach, es auszuprobieren. Wortlos reichte er den Zellaktivator zurück. Er fühlte sich durchschaut und bloßgestellt, dem anderen hoff nungslos unterlegen. Sein Gegenüber bewies jedoch, daß ihm seine geheimsten Gedanken durchaus nicht fremd waren. „Die Unsterblichkeit bringt einem Menschen nicht nur Vorteile", sagte Atlan, während er den Raumanzug wieder schloß. „Sie kann auch ein Fluch sein."
12 Die SOL soll dort eine Fracht an Bord nehmen, die anschließend zu einem bestimmten Planeten transportiert werden muß." Chart Deccon lehnte sich zurück, ohne den Blick von dem Arkoniden abzuwenden. „Du mußt zugeben", sagte er lang sam, „daß deine Auskunft wenig auf schlußreich ist." „Ich kann dir die Koordinaten von Varnhagher-Ghynnst nennen. Wenn du sie überprüfen läßt, wirst du fest stellen, daß ich sie mir nicht einfach ausgedacht habe. Sie bezeichnen einen begrenzten Raumabschnitt, der für die SOL erreichbar ist." „Daran zweifle ich nicht", brummte der High Sideryt unwillig. „Es wäre je doch nichts damit gewonnen. Wer sagt mir denn, daß du dir nicht trotzdem al les aus den Fingern gesogen hast!" „Ich sage es. Ich weiß, daß es un glaubwürdig klingt, aber wenn du mir nicht vertraust, gibt es ohnehin keine Basis für eine Zusammenarbeit zwi schen uns." Atlan machte eine weg werfende Geste. „Dann kannst du meinen Besuch bei dir als überflüssig betrachten." Der Bruder ohne Wertigkeit lächelte überlegen. „Du vergißt, daß du mein Gefange ner bist, Arkonide. Das ist die Basis!" Übergangslos wurde er wieder ernst. „Erzähle mir etwas über diesen Sek tor, den wir ansteuern sollen. Was hat es damit auf sich? Was ist das für eine Fracht, von der du gesprochen hast?" Atlan sah ein, daß er sich momentan in der schwächeren Position befand. Allein die Kampfroboter im Hinter grund bewiesen es. Es war gefährlich, den High Sideryt unnötig zu provozie ren. Er hob die Schultern.
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„Ich kann nicht mehr dazu sagen", bedauerte er. „Ich weiß die Koordina ten, das ist alles. Einzelheiten werde ich erst an Ort und Stelle erfahren. Es ist jedoch sicher, daß der Friede in die sem Teil des Universums davon ab hängt, ob ich den Auftrag erfülle." Chart Deccon lachte auf. „Das sind große Worte. Wer gab dir diesen Auftrag?" „Die Kosmokraten." Der High Sideryt nickte wie je mand, der sich mit eiserner Beherr schung zwingen mußte, nicht die Ge duld zu verlieren. „Kannst du mir wenigstens erzäh len", fragte er bissig, „welche Art von Wesen ich mir unter einem Kosmokra ten vorzustellen habe?" Atlan merkte bedrückt, daß das Ge spräch in Bahnen abglitt, an die er nicht gedacht hatte. Seine Aussagen waren so verschwommen, daß er nicht ernsthaft damit rechnen durfte, ein Mann wie Chart Deccon könnte ihm vorbehaltlos Glauben schenken. Er verstand dessen Mißtrauen nur zu gut. Über den Auftrag war er selbst nur unzureichend informiert, und von dem Kontakt zu den Auftraggebern war ihm nicht mehr in Erinnerung, als daß er stattgefunden hatte. Wie sollte er einem anderen etwas erklären, was er selbst nur zur Hälfte begriff? Trotzdem versuchte er es. „Vielleicht ist dir bekannt", begann er, „daß unser Universum in Mächtig keitsballungen unterteilt ist, die je weils mehrere Galaxien umfassen und von sogenannten Superintelligenzen kontrolliert werden. Eine solche Su perintelligenz wird früher oder später, wenn sie sich positiv entwickelt, zu ei ner Materiequelle. Das zu verstehen, ist einem Menschen schon fast un möglich, dennoch sind auch die Mate
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riequellen nicht der Endpunkt der Evolution. Aus ihnen entstehen die Kosmokraten." Chart Deccon blickte ihn starr an. Er schwieg. „Wie ein Kosmokrat sich dem menschlichen Auge darbietet", fuhr Atlan fort, „ob man ein solches Wesen überhaupt wahrnehmen oder sich vor stellen kann, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich habe keine Erinnerung mehr daran. Ich kann nur beteuern, daß ich mich tatsächlich jenseits einer Materiequelle aufgehalten habe und von einem oder mehreren Kosmokra ten diesen Auftrag bekam." Der Bruder ohne Wertigkeit rührte sich nicht. Sein Gesicht wirkte wäch sern. Es schien, als lausche er in sich hinein, als mache ihn der Vortrag nachdenklich und betroffen. Vielleicht ahnte er etwas von den phantastischen Gegebenheiten, die dem Arkoniden widerfahren waren — vielleicht spürte er einen winzigen Hauch jener gewaltigen kosmischen Zusammenhänge... Eine Weile dauerte der Zustand an. Schließlich jedoch riß sich Chart Dec con zusammen. Es war, als käme wie der Leben in einen vor Ehrfurcht er starrten Körper. „Im Grunde genommen ist es mir egal, ob deine Angaben der Wahrheit entsprechen", sagte er, und seine Erre gung war nicht zu überhören. „Aber du scheinst der Mann zu sein, der den Solanern endlich eine Aufgabe geben kann. Das ist mir im Moment am wich tigsten." „Heißt das", forschte Atlan, „daß du bereit bist, die Koordinaten, die ich von den Kosmokraten erhalten habe, anzusteuern?" „Genau das!" stieß der High Sideryt hervor. Es klang wie ein Schwur.
13 „Wenn wir Mausefalle jemals verlas sen sollten, werden wir nach Varn hagher-Ghynnst aufbrechen! Von jetzt an hat die SOL ein Ziel!" Die Tragik, die in diesen Worten mitschwang, entging dem Arkoniden nicht. Seit rund zweihundert Jahren, also seit der Übernahme des Schiffes, ver mißten die Solaner etwas, wofür sie sich engagieren konnten. Es war einer der Gründe, warum heute Chaos und Verfall das Bild an Bord bestimmten. Niemandem war es bisher gelungen, diese Entwicklung aufzuhalten, ob wohl es an entsprechenden Bemühun gen sicher nicht gefehlt hatte. Auch Chart Deccon zählte zu denen, deren Bestreben immer darin gelegen hatte, den Zuständen ein Ende zu be reiten. Die diktatorischen Mittel, die er, ebenso wie seine Vorgänger, an wandte, billigte Atlan in keiner Weise. Er gestand ihm jedoch zu, daß seine Philosophie nicht die schlechteste war. Um den Niedergang der solani schen Gesellschaft zu stoppen, suchte er ein Ziel, das er denen, über die er sich zu herrschen anmaßte, vermitteln konnte. Nun hatte er es gefunden — aber er sah sich außerstande, daraus Vorteile abzuleiten. Die SOL lag weiterhin in Fesseln, und es war höchst ungewiß, ob sie den Zugriff von Mausefalle Sie ben überstehen würde. Immerhin zwang die Situation zur Zusammenarbeit. Der Arkonide und der High Sideryt waren aufeinander angewiesen, wenn sie die Chance, ihre Vorstellungen zu verwirklichen, be wahren wollten. Es mochte der einzige positive Aspekt in der Begegnung der beiden Männer sein. Jeder von ihnen stellte zwar eine überragende Persönlichkeit dar. Ihre
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Wertmaßstäbe liefen jedoch extrem auf, „müssen wir uns gegen den Zug auseinander. Atlan liebte die Freiheit strahl und den Quader schnellstens et und die Selbstbestimmung und wür was einfallen lassen. Du weißt, daß bis de sich jeder Zeit dafür einsetzen. jetzt jedes Mittel versagt hat. Du hast Chart Deccon übte Macht und Unter deine Hilfe angeboten. Was schlägst drückung aus und würde beides zu er du vor?" halten suchen. „Ich möchte mit SENECA spre Der äußere Schein konnte den Ar chen", eröffnete Atlan. „Der Rechner koniden nicht täuschen. Der Bruder w i r d . . . " ohne Wertigkeit und er waren Gegner. „Er wird gar nichts!" unterbrach der High Sideryt schroff. „SENECA ist ge * stört!" Der Arkonide ließ sich nicht beir Chart Deccon dachte darüber nicht ren. anders. Wenn es jemals eine Expedi „Der Rechner wird mich erkennen", tion nach Varnhagher-Ghynnst geben beharrte er, „und bei der Bewältigung sollte, würde sie unter dem alleinigen der Krise Unterstützung leisten." Kommando der SOLAG stehen. Der Chart Deccon zog die Brauen nach Status des Arkoniden konnte besten oben, dann begann er unvermittelt zu falls der eines Beraters sein. lachen. Aber selbst das war schon fast zu „Das wüßte ich aber!" meinte er be viel. lustigt. Für ihn, die Magniden und die Brü Gleich darauf wurde ihm klar, daß der niederer Wertigkeiten bedeutete er sich in einer unangebrachten Form die Anwesenheit des Unsterblichen von Galgenhumor erging. nicht nur eine Herausforderung, son „Du brauchst mich nicht für dumm dern vor allem eine ständige Gefahr. zu verkaufen!" Atlan reagierte scharf Dieser Mann besaß viele individuelle auf die Erheiterung des High Sideryt. Vorzüge, die ihn befähigten, andere „Ich habe von einem stillgelegten Ter auf seine Seite zu ziehen. Wenn man minal aus bereits versucht, mit SENE ihm einen zu großen Freiraum ließ, CA Kontakt aufzunehmen und weiß konnte er sehr schnell Einfluß unter deshalb aus eigener Erfahrung, daß er den Solaneren gewinnen und von nicht mehr zufriedenstellend arbeitet. heimlichen oder offenen Anhängern Ich denke jedoch, daß ich in einer di unterstützt werden. Soweit durfte es rekten Verbindung, wie du sie herstel nicht kommen. len kannst, mehr Erfolg haben Lieber heute als morgen wäre Chart würde." Deccon den ungebetenen Gast wieder „Vergiß es", winkte Chart Deccon losgeworden. Er mußte sich beizeiten ab. Er wurde wieder ernst. „Niemand darum kümmern. Vorerst jedoch wa außer mir darf mit der Bioinpotronik ren der Arkonide und dessen Erfah kommunizieren. Wir haben es ver rung zu wertvoll, als daß er darauf hät sucht und sind gescheitert. Sobald te verzichten wollen. Noch brauchte er sich eine weitere Person in diesem Raum aufhält, meldet er sich erst gar ihn. „Wenn wir dieses Ziel erreichen nicht." Der Arkonide verzog die Mundwin möchten", nahm er den Faden wieder
Die Schläfer
kel und nickte. Wahrscheinlich hatte er mit etwas Ähnlichem bereits gerech net. „Nun gut", sagte er ohne Enttäu schung, „diese Möglichkeit scheidet also aus. Ich habe jedoch eine andere Idee. An Bord geht das Gerücht von den sogenannten Schläfern, die in ei ner schweren Krise geweckt werden sollen . . ." „Es ist kein Gerücht", warf Chart Deccon ein. „Es entspricht den Tatsa chen." „Und?" fragte Atlan drängend. „Was hat es damit auf sich? Was weißt du über die Schläfer?" Der Bruder ohne Wertigkeit zögerte mit einer Antwort. Der Gedanke an die Handvoll Menschen, die seit fast zweihundert Jahren im Tiefschlaf la gen, bereitete ihm weiterhin Unbeha gen. Es handelte sich um Leute aus der Anfangszeit des langen Fluges, Solgeborene zwar, aber mit völlig an deren Einstellungen und Idealen, als sie heute üblich waren. Jeder für sich würde zwar mit seinem Wissen oder seinen Fähigkeiten eine wertvolle Be reicherung für die Führungsspitze der SOLAG darstellen. Es war jedoch so gut wie ausgeschlossen, daß sie sich dazu bereit fanden, auf Dauer mit ei nem diktatorischen Regime zusam menzuarbeiten. So gesehen, würden sie eine ständige Gefährdung dar stellen. Es war einer der Gründe, warum der High Sideryt so lange gezögert hatte, die Schläfer zu erwecken. Prinzipiell war er sich allerdings darüber im kla ren, daß er, je länger die Krise anhielt nicht umhin kommen würde, diese letzte Möglichkeit zur Rettung der SOL ebenfalls auszuschöpfen. „Es sind ein paar Personen", ging er schließlich auf Atlans Fragen ein, „die
15 über ein ausgeprägtes Wissen und ei nen besonders hohen Intelligenzgrad verfügen. Sie wurden seinerzeit in Tiefschlaf versetzt, weil man der An sicht war, auf solche Leute auch nach deren normaler Lebensdauer nicht verzichten zu können. Sie sollten den Solanern erhalten bleiben, um ihnen in schwierigen Situationen beizuste hen." Obwohl er es zu verbergen suchte, wurde der Arkonide jetzt sichtlich un ruhig. Der Grad seiner Erregung schien mit jedem Wort zu steigen. „Zumindest ist das die offizielle Dar stellung", fügte Chart Deccon nach kurzer Pause hinzu. „Die tatsächli chen Gründe waren andere." „Verfälschte Daten interessieren mich nicht", sagte der Arkonide. „Ich möchte die Wahrheit wissen." Der High Sideryt hob die Schultern und stand auf. Wortlos stieg er die Stu fen hinab. Nachdem er begriffen hat te, daß er — so, wie die Dinge lagen — die Erweckung der Schläfer nicht würde umgehen können, sah Chart Deccon keinen Grund, dem Arkoni den die wahren Umstände, die damals zu jenem dramatischen Schritt ge führt hatten, zu verschweigen. Die Gelegenheit war günstig. Wei terhin blieb es ruhig im Schiff. Die gravitationalen Kräfte, die zwischen der SOL und dem Quader bestanden, schienen sich im Moment gegenseitig zu neutralisieren. Der High Sideryt war sicher, daß dieser Zustand nicht von Dauer sein konnte. Irgendwann in den nächsten Stunden oder Tagen würden die Erschütterungen von neu em einsetzen, wahrscheinlich sogar in schlimmerem Ausmaß als zuvor. Noch hielt die Atempause jedoch an. Chart Deccon wollte sie ausnutzen. Er öffnete die Schublade eines der
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16 schwarzen Schränke und entnahm ihr eine Schatulle, die aus reinem Elfen bein gefertigt und mit silbernen Be schlägen versehen war. Vorsichtig, als handele es sich um einen leicht zer-. brechlichen Gegenstand, stellte er das Behältnis auf eine Ablage. Atlan war neben ihn getreten und betrachtete die Schatulle. „Ein wertvolles Stück", meinte er anerkennend. „Was bewahrst du darin auf?" „Ein Tagebuch", antwortete der Bruder ohne Wertigkeit bereitwillig. „Du wolltest die Wahrheit über die Schläfer wissen. Du kannst sie darin nachlesen." * Der Einband bestand aus knickfe stem, an Pappe erinnerndem Material. Dazwischen befanden sich, zum größ ten Teil nur lose geheftet, mehrere hundert Seiten, auf denen sowohl sachliche Notizen als auch engagierte persönliche Darstellungen niederge schrieben waren. Selbst handschriftli che Eintragungen fehlten nicht, und manchen Stellen, an denen es dem Chronisten an Zeit oder Geduld ge mangelt hatte, waren Informations schablonen beigefügt, deren Inhalt von einem Computer-Sichtgerät de chiffriert und lesbar gemacht werden konnte. „Ich nenne es das Logbuch", erklär te Chart Deccon, während der Arkoni de den Band nachdenklich in den Händen wog. „Die Eintragungen, die es enthält, sind oft bedeutsamer und aussagekräftiger als die Aufzeichnun gen in den offiziellen Speichern. Du findest darin subjektive Berichte aus der Sicht des jeweiligen Verfassers ebenso wie viele wichtige Hinter-
grundinformationen, nach denen du in den elektronischen Logbüchern vergeblich forschen wirst." Atlan versuchte sich vorzustellen, wie kostbar dieses für ein modernes Raumschiff ungewöhnliche Zeitdoku ment sein mochte. Die Sammlung war dick und schwer, aber die Masse allein konnte den hohen ideellen Wert kei nesfalls aufwiegen. Eigentlich, überlegte er, war seine Situation grotesk. Er befand sich an Bord eines Schiffes, das jeden Mo ment von überstarken Kräften zerris sen werden konnte, stand neben ei nem Mann, der sein ärgster Feind hät te sein müssen, wußte die schußberei ten Waffen mehrerer Kampfroboter auf sich gerichtet — und hatte nichts Wichtigeres zu tun, als sich über ab strakte Werteinschätzungen Gedan ken zu machen und in alten Aufzeich nungen zu blättern! Der Faszination, die das Logbuch beinhaltete, vermochte er sich jedoch nicht zu entziehen. Die ersten Einträ ge stammten, wie er feststellte, von Joscan Hellmut, dem früheren Spre cher der Solgeborenen, der die Samm lung eröffnet und über lange Jahre fortgeführt hatte, bevor ein anderer seine Arbeit übernahm. Atlan kannte den Kybernetiker noch persönlich, er hatte ihn stets als besonnen und fai ren Menschen geschätzt. Inzwischen mußte er längst tot sein, wie all die an deren, mit denen er damals auf der SOL zusammengetroffen war. Atlan mußte sich zwingen, nüchtern zu bleiben. Jetzt war nicht die Gele genheit, sich in Gedanken über ver gangene Zeiten zu verlieren. Wenn er in Chart Deccons Augen sah, konnte er allerdings erkennen, daß diesen ähnlich melancholische Empfindun gen bewegten, wenn auch auf einer
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18 anderen Basis. „Hast du es gelesen?" fragte er. „Nicht ganz. Meistens suche ich mir eine beliebige Stelle aus und versu che, die Geschehnisse, auf denen der entsprechende Bericht basiert, ge danklich nachzuvollziehen." Atlan nickte. Die Auskunft machte ihm deutlich, daß auch ein Mann wie der Bruder ohne Wertigkeit, der die absolute Macht für sich beanspruchte und den eigenen Vorteil und seine Per son über alles andere stellte, Stunden der Besinnung und der inneren Muße brauchte, in denen er die Maske der Härte und Unnachgiebigkeit ablegen konnte. Zumindest darin unterschied er sich nicht von anderen Menschen. Auffordernd reichte ihm der Arko nide das Logbuch zurück. „Wo finde ich die Einträge über die Schläfer?" Trotz aller drängenden Probleme war er jetzt entschlossen, sich ein um fassendes Bild über die damaligen Vorkommnisse zu machen. Vielleicht dauerte die Ruhe an Bord lange genug an, daß er die entsprechenden Berich te in sich aufnehmen konnte. Er hoffte es.
2. DIE HELDEN
Vor Wochen bereits war das Objekt auf den Orterschirmen der SOL aufge taucht. Schon damals, als der erste Im puls empfangen wurde, war allen Be obachtern klar geworden, daß es sich um einen äußerst stark im mehr dimensionalen Bereich strahlenden Körper handeln mußte. Entgegen den sonstigen Gewohn heiten der Arbeitsgemeinschaft, war diesmal kein Ausweichmanöver ver anlaßt worden. Mit unverminderter Geschwindigkeit trieb das Raum schiff auf das Objekt zu. Cleton Weisel begründete das mit der Überlegung, daß sich unter Umständen eine Mög lichkeit bieten würde, den n-D-Strah ler als neue Energiequelle zu nutzen. Seit zwei Tagen befand sich der Kör per nun auch in der Reichweite der Ta sterinstrumente. Die übermittelten schematischen Bilder wurden aufge zeichnet und gespeichert. Mit SENECAs Hilfe wurden Auswertungen und Theorien erstellt. Automatische Son den, die sich dem Objekt bis auf einige hundert Kilometer näherten, lieferten zusätzliche Informationen. Der Entschluß, eine Space-Jet aus zuschleusen und eine Gruppe Freiwil Chart Deccon blätterte einen Mo liger zur direkten Untersuchung los ment, bis er die Stelle gefunden hatte. zuschicken, fiel in den frühen Morgen Er klappte die Seite auf und legte das stunden dieses Tages, der für eine klei Buch vor dem Arkoniden auf die ne Anzahl Menschen zum Beginn Schrankplatte. einer folgenschweren Entwicklung Atlan wurde von einer unnatürli werden sollte. chen Ruhe erfaßt. Alle Gefahren und „Ich meine", begründete Cleton Sorgen, die das Leben an Bord zur Weisel seine Anordnung, „daß wir die Zeit bestimmten, schienen plötzlich Landung auf diesem Objekt riskieren gegenstandslos. können. Inzwischen sind wir sicher, Bevor er zu lesen begann, suchte er daß es sich um einen toten Gesteins das Datum, an dem der Eintrag ge brocken handelt, um einen Meteor, auf dem keinerlei intelligentes Leben macht worden war. zu erwarten ist. Die Besatzung der Es war der 4. Mai 3608.
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Space-Jet wird ihre Forschungen demzufolge ohne Schwierigkeiten und unbehelligt durchführen kön nen." Keines der führenden Mitglieder der Arge SOL, wie die Arbeitsgemein schaft kurz bezeichnet wurde, wider sprach. Einige bekundeten ihre Zu stimmung durch ein knappes Nicken. Die Idee wurde allgemein positiv auf genommen. Der einzige, der die Entscheidung nicht kommentarlos hinnahm, war Gavro Yaal. Der Kosmobiologe und Hydrokultur-Farmer hielt sich zufällig in der Zentrale auf und hatte die An weisung mitbekommen. Obwohl er der Arbeitsgemeinschaft nicht ange hörte, sah er keinen Grund, seine Be denken für sich zu behalten. Er erhob sich von seinem Platz an einem Datensichtgerät und ging auf Cleton Weisel zu. „Was du vorhast, ist verantwor tungslos!" rief er scharf. „Es ist ein le bensgefährliches Unternehmen, und du weißt das! Wenn du so tust, als könnte nichts passieren, verharmlost du diese Sache mit voller Absicht!" Der Kopf des hageren Mannes ruck te herum. Äußerlich blieb er gelassen, seine Augen jedoch blitzten. „Wer hat dich gefragt, Gavro! Die Entscheidungen auf der SOL treffen meine Leute und ich. Du solltest dich daran gewöhnt haben." Die letzte Bemerkung zielte eindeu tig auf die frühere Stellung des Kos mobiologen ab. Vor zwei Jahrzehnten noch war er ein einflußreicher Mann gewesen, der es immer wieder ge schickt verstanden hatte, die Besat zungsmitglieder der SOL von seinen Ansichten zu überzeugen. Im Lauf der Zeit hatte jedoch eine Gruppe von Wissenschaftlern und Technikern im
19 mer stärker werdende Bestrebungen unternommen, sich gegen die übri gen Solaner abzugrenzen. In dem Maß, in dem es ihnen gelungen war, sank zugleich die Anhängerschaft Gavro Yaals. Heute bildeten sie eine elitäre Clique, der allein die Warnung und Steuerung des Schiffes und, dar aus folgernd, das Kommando oblag. Auf den Kosmobiologen hörten nur noch wenige. Im Vergleich zu Cleton Weisel und seiner Arge SOL war er be deutungslos geworden. „Darum geht es nicht", fuhr er den Chef der Arbeitsgemeinschaft an. „Ich gebe vielmehr zu bedenken, daß wir auf einen extrem starken Hyperstrah ler zusteuern, dessen Emissionen die Besatzung der Space-Jet ins Verder ben reißen können." „Du unterschätzt die Bedeutung, die wir dem Meteor beimessen", ent gegnete der Techniker ruhig. „Wir wol len prüfen, ob wir dieses Objekt als zu sätzliche Energiequelle nutzbar ma chen können! Ich halte die Expedition für notwendig und vertretbar, zumal nur Freiwillige daran teilnehmen wer den." Gavro Yaal sah den unnachgiebigen Blick des anderen und wandte sich brüsk ab. Einmal mehr wurde ihm klar, daß es keinen Sinn hatte, mit die sem Mann zu diskutieren. Die Miß klänge zwischen ihnen beiden würden sich wahrscheinlich nicht mehr aus räumen lassen. Sie hatten sich im Lauf der Jahre manifestiert und waren viel zu tief verwurzelt, als daß man sie hät te bereinigen können. Das pausbäckige Gesicht des Kos mobiologen war vor unterdrücktem Zorn gerötet, als er sich wieder an sei nen Arbeitsplatz begab. Er ließ sich einige Daten überspielen, die für sei nen momentanen Forschungskom
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urteilte Lefton Hellst und deutete auf die Anzeigen der Fernanalyse. „Die Zusammensetzung der Elemente weist darauf hin, daß dieses Teil aus dem glutflüssigen inneren Kern der betroffenen Welt stammt. Unter mör derischem Druck wurde es in den Weltraum geschleudert, wo es sofort erkaltete." Makos Naratnam, der zweite Wis senschaftler, der sich in der Zentrale aufhielt, nickte zustimmend, ohne den Blick vom Taster-Bildschirm zu wenden. Der Meteor wirkte wie dunk les, zu einem Klumpen geschmolzenes Glas — wie das Gestalt gewordene Ab bild der bizarren Phantasie eines ei genwilligen Künstlers. * „Vielleicht hat der Planet Leben ge tragen", fuhr Lefton fort, während er Mit dem bloßen Auge war der Meteor die Beine übereinander schlug und kaum zu erkennen. Bestenfalls konnte sich bequem zurücklehnte. „Die Ex man seine Existen erahnen — als unre plosion kann ein ganzes Volk inner gelmäßig geformter lichtloser Fleck halb eines Sekundenbruchteils ausge zeichnete er sich gegen den Sternen löscht haben." übersäten Hintergrund ab. Makos drehte seinen Sessel so, daß Die Tasterechos hingegen waren er den Kollegen ansehen konnte. Der wesentlich aufschlußreicher. Sie lie Chemiker war ein mittelgroßer, zur ferten einwandfreie dreidimensiona Korpulenz neigender Mann, dessen le Bilder, die auf einem großen Moni stechend grüne Augen und verschlos tor wiedergegeben wurden. Durch die sene Gesichtszüge allzu deutlich sein rechnergesteuerte Auswertung der re oft übertrieben egoistisches, von eis flektierten Impulse entstand eine kla kalter Pragmatik bestimmtes Wesen re und fast naturgetreue Projektion erkennen ließen. Obwohl er noch nie jenes Körpers, auf den die Space-Jet mit ihm zusammengearbeitet hatte, war Makos bereits klar, daß es zwi zusteuerte. Es war ein Gesteinsbrocken mit ei schen ihnen beiden keinerlei mensch nem mittleren Durchmesser von annä liche Beziehungspunkte geben würde. hernd dreihundert Kilometern. Die Er selbst stufte sich eher als gefühls Oberfläche wies zahlreiche Uneben betont und sensibel ein, und die Art, heiten auf, ohne jedoch hervorste in der Lefton den Untergang eines chende geographische Merkmale zu Volkes kommentierte, machte ihn be troffen. besitzen. „Das Bruchstück eines Planeten, „Du sagst das so, als würde es dich der vor langer Zeit einer Katastrophe nicht berühren", stellte er fest. zum Opfer fiel und geborsten ist", „Warum sollte es das?" gab der Che
plex wichtig waren und nur von hier aus abgerufen werden konnten. Er war gereizt und nervös und fühlte sich, als würde jede Person im Kom mandoraum ihn feindselig beobach ten. Sicher war es Einbildung, aber er vermochte sich nicht dagegen zu weh ren. Die Informationsfolie riß er förm lich an sich, als sie in den Auf fangbehälter fiel. Die Bewegungen, mit denen er die Zentrale verließ, waren überhastet. „An die Arbeit, Freunde!" hörte er Cleton Weisels Anordnung, bevor sich das Schott hinter ihm schloß. „Wir su chen Freiwillige."
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miker achselzuckend zurück. „Ich kann es ohnehin nicht mehr ändern. Es beweist mir lediglich, daß wir Sola ner die einzig richtige Einstellung zum Leben gefunden haben. Solange sich ein Volk an seinen Planeten ge bunden fühlt, ist es derartigen Kata strophen hilflos ausgeliefert. Wir dage gen nennen ein Raumschiff unsere Heimat, das sich nach unserem Willen lenken und kontrollieren läßt. Im Vergleich zu weltenabhängigen We sen garantiert uns das eine weitaus hö here Überlebenschance." „Was für ein Unsinn!" mischte sich Lynka Woortz ein. Sie trat auf die Wis senschaftler zu und machte eine unbe stimmte Geste. „Du tust gerade so, als sei die SOL unverwundbar. Dabei können wir genauso leicht in eine Si tuation geraten, die sich nicht von uns meistern läßt, und dann ergeht es uns nicht besser als jenen Leuten, deren Planet in Stücke gebrochen ist!" Die Buhrlo-Frau, die sich mit vier ihrer Artgenossen an Bord der SpaceJet aufhielt, war eine der ersten deren Körper vollständig von jener rötlich schimmernden, gläsern wirkenden Hornschicht umgeben war. Gerade siebzehn Jahre alt, stellte sie somit den vorläufigen Endpunkt einer ver mutlich durch Strahlenschäden verur sachten genetischen Entwicklung dar, die diese Menschen befähigten, ohne Hilfsmittel im freien Raum zu existie ren. Im Gegensatz zu den sogenannten Halbbuhrlos, die lediglich narbenarti ge Ansätze dieser Glashaut besaßen, waren sie sogar darauf angewiesen, bestimmte Zeiten im natürlichen Va kuum zu verbringen, wenn sie ihre Le bensfähigkeit erhalten wollten. Das war auch der Grund, warum die fünf an der Expedition teilnahmen. „Es ist eine reine Auffassungssa
21 che", reagierte der Chemiker auf Lyn kas Einwand. „Wir sollten darüber nicht streiten." „Ich streite ja nicht", konterte sie kühl. „Nicht mit einem Mann wie dir!" In einer Haltung, die geistig überle gene Würde ausdrücken sollte, wand te sie sich ab und ging zu ihren Artge nossen zurück, die in einer Gruppe beisammenstanden. Makos Naratnam lächelte still vor sich hin. Außer bei den führenden Mitgliedern der Arge SOL schien der eigensinnige Chemiker nirgendwo sonderlich beliebt zu sein. Lefton wußte das, aber er gehörte zu der Sor te Menschen, die sich aus der Abnei gung anderer nicht viel machte. Die Tatsache, daß Cleton Weisel ihn zum Chef dieses Unternehmens ernannt hatte, war ihm Selbstbestätigung ge nug. „Was ist jetzt?" unterbrach der Pilot der Space-Jet Makos' Gedankengang. „Gehen wir näher heran?" „Natürlich!" bestimmte Lefton. Noch immer gab er sich so gelassen, als befänden sie sich auf einem Spa zierflug. „Wir wollen den Meteor schließlich nicht nur beobachten, son dern auf ihm landen." Makos fühlte sich nicht wohl in sei ner Haut, als das diskusförmige Raumschiff sich dem Trümmerstück weiter näherte. Er war Spezialist für fünf- und mehrdimensionale Strah lungsarten, und er wußte nur zu ge nau, wie leicht die Emissionen, die be reits an Bord der SOL gemessen wor den waren, Steuerung und Antrieb der Space -Jet beeinflussen konnten. „Wir sollten vorsichtiger zu Werke gehen", mahnte er. „Es ist nicht im Sinn der Sache, daß wir leichtferig un ser Leben aufs Spiel setzen." Der Pilot warf dem Kommandanten
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einen fragenden Blick zu, doch der schüttelte den Kopf. „Vor allem sollten wir nicht über treiben", wischte er die Warnung zur Seite. „Wir alle stecken in Raumanzü gen — außer unseren Buhrlo-Freun den natürlich — und sind hinreichend geschützt. Wir behalten Kurs und Ge schwindigkeit bei!" Seine Begründung weckte abermals Lynka Woortz' Zorn. Die junge Buhr lo-Frau fuhr ruckartig herum und starrte den Chemiker feindselig an. „Was hast du eben gesagt?" stieß sie hervor. „Habe ich richtig verstanden, daß dir eine Gefährdung nichts aus macht, weil du einen Raumanzug trägst? Wie sollen wir Buhrlos uns vor Verletzungen schützen, wenn wirklich etwas passiert?" „Vor allem habe ich gesagt, wir soll ten nicht übertreiben", antwortete Lefton. „Es wird nichts passieren." „Und wenn doch?" rief Lynka auf gebracht. „Wenn durch deine Leicht fertigkeit die Jet beschädigt wird und abstürzt?" „Du malst den Teufel an die Wand", hielt der Chemiker ihr vor. Um seine Lippen spielte ein überlegenes Lä cheln. „Außerdem haben deine Freun de und du gewußt, worauf ihr euch einlaßt. Ihr seid freiwillig an Bord — vergiß das nicht." Es war allgemein bekannt, daß Lef ton Hellst für die Gläsernen nicht viel übrig hatte. Nach seiner Anschauung waren sie Mißgeburten. Es war eine elitäre, fast rassistische Denkweise, die die wenigsten Solaner teilten. Daß er allerdings soweit gehen würde, da mit hatte wohl niemand gerechnet. Lynka Woortz brachte zunächst kei nen Ton hervor. Sie stand nur da und sah den Chemiker an, aber Makos konnte beobachten, wie sie immer hef-
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tiger atmete und sich ihre Hände zu Fäusten ballten. Dann, nach einigen Sekunden, während derer sich die Spannung stetig weiter auflud, schüt telte sie wild den Kopf und stürzte nach vorn. „Ich reiße ihm diesen verdammten Raumanzug vom Leib!" schrie sie vol ler Haß. „Er ist schließlich auch frei willig hier!" Bevor jemand reagieren konnte, hat te sie den Kommandanten erreicht und hieb mit den Fäusten auf ihn ein. Unwillkürlich zögerte Makos, in den Kampf einzugreifen. Wahrscheinlich lag es daran, daß er dem Chemiker die Abfuhr insgeheim gönnte. Auch der Pilot konnte dem Bedrängten nicht sofort helfen, weil er die Steuerung nicht vernachlässigen durfte. Es waren zwei Buhrlos, die den Tät lichkeiten ein Ende setzten. Nachdem sie den ersten Schock wegen der ge waltsamen Reaktion ihrer Artgenos sin überwunden hatten, sprangen sie blitzschnell vor und packten Lynka, wo sie sie gerade zu fassen bekamen. Gewaltsam zerrten sie die Frau zu rück. Schreiend wehrte sie sich und versuchte der Umklammerung zu ent kommen, doch die Männer hatten sie sicher im Griff. Lefton Hellst hob leise stöhnend den Kopf. Sein Gesicht war verzerrt — weniger vor Schmerz denn vor Wut. Der kurze Blick aus halb geöffneten Lidern, den er dem Strahlungsspezia listen zuwarf, ging diesem durch Mark und Bein. Seine Bewegungen wirkten drohend und gefährlich, als er sich langsam erhob und sich den Buhrlos zuwandte. Makos schwenkte seinen Kontur sessel herum und versuchte sich auf die Meßinstrumente zu konzentrieren. Er wußte, daß dies einer Flucht
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gleichkam, aber er konnte nicht an Zumindest, schoß es Makos durch ders. Der Kommandant mußte sich den Sinn, war der Chemiker fähig, die geschmäht fühlen und würde die Er Notwendigkeiten zu erkennen und niedrigung durch die Buhrlo-Frau schnelle, präzise Anordnungen zu tref nicht hinnehmen. Seine Reaktion fen. wollte Makos nicht miterleben. Allerdings war es zu spät, sie noch in „Ich könnte dich wegen Meuterei Aktionen umzusetzen. Den entschei bestrafen und auf einem Planeten aus denden Fehler hatte Lefton Hellst be setzen lassen", hörte er Leftons rauhe gangen, als er die weitere Annähe Stimme hinter sich. „Ich tue das nicht. rung an den Gesteinsbrocken befahl. Ich nehme dich nicht einmal fest. Ein dumpfer, brummender Ton er Aber ich schwöre dir, daß ich alles dar füllte die Zentrale der Space-Jet. Alar ansetzen werde, damit du deines Le miert richtete Makos sich auf und bens nicht mehr froh wirst." blickte fragend zum Piloten. „Sie war erregt und wußte nicht, „Hier funktioniert nichts mehr rich was sie tat", wandte einer der Buhrlos tig", rief dieser voller Panik. „Der Me beschwichtigend ein. teor zieht uns an, gleichzeitig setzen „Ich weiß sehr genau, was ich tue!" unsere Schubkräfte mit zu großer Ver schrie Lynka. „Und ich würde jeder zögerung ein." zeit wieder so handeln!" „Dann versuche zu landen", bellte Makos schüttelte verständnislos den Lefton. „Versuche, auf diesem ver Kopf. Für ihn war es unbegreiflich, fluchten Ding zu landen!" daß Menschen eine derart haßerfüllte Makos war wie gelähmt. Womöglich Feindschaft gegeneinander entwik ist das die einzige Chance, mit halb keln konnten. wegs heiler Haut zu überleben! dachte Verbissen beobachtete er die Anzei er entsetzt. ge auf einem der kleinen Kontrollbild Im gleichen Moment wurde das schirme. Ganz allmählich nur begriff Kleinraumschiff von übermächtigen er die Bedeutung dessen, was er vor Kräften erschüttert. Der Strahlenspe sich sah. zialist fühlte sich, als würde er über Inmitten der Hyperimpulse, die der ein Hindernis hinweggehoben. Auto Meteor konstant und gleichförmig matisch schnappten die Sicherheits aussandte, war eine neue, alles andere gurte ein. Sie verhinderten, daß er aus überlagernde punktförmige Strah dem Sessel geschleudert wurde. lungsquelle entstanden . . .! Der Pilot war auf die gleiche Weise „He!" entfuhr es ihm. Augenblick geschützt, die Buhrlos und der Kom lich vergaß er alles, was ihn eben noch mandant jedoch fanden keine Gele genheit mehr, sich auf die plötzliche beschäftigt hatte. „Das i s t . . . " Gefahr einzustellen. Sie taumelten, Weiter kam er nicht. „Die Steuerung!" unterbrach ihn stolperten und versuchten verzweifelt, der entsetzte Ruf des Piloten. „Die sich irgendwo festzuhalten. Steuerung reagiert ungenau!" Mit ungeheurer Macht griff der hy „Zurück!" Lefton Hellst wirbelte perenergetische Einfluß nach den Ag herum, ohne den Buhrlos nur noch die gregaten der Space-Jet. Am schlimm geringste Beachtung zu schenken. sten betroffen waren offensichtlich die Erzeuger der künstlichen Gravita „Zurück zur SOL!"
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tion, deren Arbeitsweise immer unre gelmäßiger wurde. Die Andruckneu tralisatoren vermochten die Schwan kungen nicht auszugleichen. Das Schiff schüttelte sich förmlich, die Wände zitterten und der Boden bebte. Mehrmals schien er nach unten wegzukippen, nur um anschließend zurück in die Horizontale zu schwen ken. Makos hörte die Schreie der ver ängstigten Buhrlos und das Fluchen des Chemikers. Keinem von ihnen ge lang es, sich Halt zu verschaffen. Hilf los rutschten sie durch die Zentrale, stießen sich an den kantigen Konsolen wund und versuchten, ihre Körper we nigstens vor einem härteren Aufprall zu schützen. Über all dem Chaos hörte man das schrille Kreischen, Krachen und Häm mern des bis an die Grenze des Er träglichen belasteten Materials. Die Sterne, die durch die Sichtkuppel zu erkennen waren, schienen einen wil den Tanz zu vollführen. Irgendwo im Schiffsinnern barst eine Maschine. Der grollende Donner der Explosion setzte sich bis in die Zentrale fort und erzeugte ein rumorendes, angsteinflö ßendes Hintergrundgeräusch. Mit einer schnellen, oft geübten und daher fast unbewußten Bewegung schloß Makos den Helm seines Raum anzugs. Die nicht mehr kontrollierba ren Vorgänge an Bord konnten leicht dazu führen, daß die Space-Jet leck schlug, und wenn dies erst geschah, war es für jeden Handgriff, der der ei genen Sicherheit diente, zu spät. Wortlos folgte der Pilot seinem Bei spiel. Auch Lefton, der den Rand einer Konsole umklammert hielt und sich mühsam auf die Beine zog, hatte sei nen Helm unterdessen geschlossen. Da erschütterte abermals ein hefti ger Schlag das Schiff. Makos hatte das
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Gefühl, als risse ihm etwas den Kopf vom Rumpf. Schmerzerfüllt stöhnte er auf, während sein Körper mit ele mentarer Gewalt in das Rückenpol ster des Kontursessels gepreßt wurde. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Lefton den Halt verlor und, wild mit den Armen rudernd, zur Seite kippte. Makos' Blick trübte sich, die Umge bung schien vor ihm zu verschwim men, und in seinen Ohren rauschte das Blut. Über die Außenmikrofone des Raumanzugs hörte er das Schreien und Tosen des Untergangs. „Mein Gott!" brachte er krächzend hervor. Jedes Wort brannte in seiner Kehle. „Das ist das Ende!" Über die Helmfunkanlage drang die Stimme des Piloten in sein Bewußt sein. Sie schien weit entfernt, unend lich weit, bedeutungslos. Aber sie fraß sich wie ein flammendes Fanal in sei ne Gedanken. „Wir schaffen es!" Sollte das eine billige Aufmunte rung sein, der Versuch, die anderen zu ermutigen — oder besaß dieser Mann tatsächlich die Kraft und den Willen, den fremden Gewalten zu trotzen und inmitten des Chaos die Kontrolle über das Schiff zu behalten? Mit letzter Anstrengung versuchte Makos, sich zu konzentrieren. Für den Bruchteil eines Atemzugs riß der Schleier vor seinen Augen auf. Er er kannte die Wiedergabe des TasterBildschirms. Von Störungen überla gert, war umrißhaft der Meteor zu se hen — groß, dunkel und drohend. Das Trümmerstück schoß auf ihn zu wie ein riesiger, fallender Stein, der ihn im nächsten Moment zerschmettern würde. Nein! schrien seine Gedanken. Nein, wir schaffen es nicht! Wir werden auf dem Meteor zerschellen!.
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Makos schloß mit dem Leben ab. in der Vergangenheit bestens be Seine Kraft und sein Widerstandswille währt. erlahmten. Als Douc die Kabine des Kyberneti Um ihn herum war berstendes Kra kers betrat, hatte dieser gerade eine chen, rhythmisches stampfen und pa frugale Mahlzeit beendet und es sich nisches Schreien. Und über ihn senkte in einem Sessel bequem gemacht. Vor sich die mörderische Gewalt eines ihm auf dem Tisch stand ein zur Hälfte nicht mehr ausreichend absobierten geleertes Glas Syntho-Wein. Drucks. „Hallo", sagte er zur Begrüßung ein Eine endgültige, absolute Dunkel fach und sah dem Forscher entgegen. heit fraß sich ätzend in sein Gehirn. „Was treibt dich zu mir?" Die Geräusche rundum entfernten Es war immer wieder faszinierend, sich und wurden zu leisem, verhalte dieses Wesen zu beobachten, stellte er nem Wispern. fest. Douc Langur besaß vier musku Makos' Bewußtsein versagte den löse, etwa einen Meter lange Beine, auf denen der runde stumpfgraue Kör Dienst. per in der Art eines horizontal aufge * legten Kissens ruhte. An einer Stelle der Rundung dienten drei senkrechte Douc Langur, früher Forscher der Schlitze der Lauterzeugung, rechts Kaiserin von Therm und heute exoti und links davon, einander gegenüber sches Mitglied der SOL-Besatzung, liegend, baumelten die beiden Arme war einer der wenigen, die das herri herab, die ebenso wie die Füße in sche Regime der Arbeitsgemeinschaft Greifklauen endeten. Aus dem flachen nicht unbedingt befürworteten und Oberteil des Körpers wuchsen sieben sich trotzdem völlig frei in allen Berei fächerförmige Fühler, die die Funk chen des Hantelschiffs bewegen durf tion der Sinnesorgane übernahmen. ten. Ob es an seiner außergewöhnli „Ich habe wichtige Neuigkeiten", chen Erscheinung, seiner hohen Intel verkündete er in seiner pfeifenden ligenz oder seiner Abgeklärtheit lag, Sprache. wußte er vermutlich selbst nicht. Je Noch war er, um sich verständlich denfalls hatte ihn bisher nie jemand zu machen, auf die Hilfe eines Transla daran gehindert, sogar die Komman tors angewiesen. Joscan Hellmut wuß dozentrale im Mittelteil der SOL zu te jedoch, daß er sich seit längerer Zeit betreten. Er durfte sich dort aufhalten, eifrig bemühte, das Interkosmo zu er sooft und solange er wollte. Für Cleton lernen. Die Schwierigkeit lag dabei Weisel und die anderen Arge-SOL- nicht im grundsätzlichen Verständnis Mitglieder stellte er ein unwichtiges der solanischen Verkehrssprache, son Beiwerk ihrer Reise dar und verdien dern vielmehr in der spezifischen Ge te somit keine sonderliche Beachtung. staltung seiner Stimmwerkzeuge, die Dem ehemaligen Sprecher der Solge etwas anderes als Pfeifen kaum zu borenen konnte das nur recht sein. Im stande brachten. weitesten Sinne war der Forscher sein „Heraus damit!" forderte Joscan ihn Freund. Er unterstützte ihn und sym auf. „Was sind das für Neuigkeiten?" pathisierte mit ihm — und er hatte sich „In der Nähe der SOL", hob Douc als Lieferant wichtiger Informationen an, „ist ein Meteor aufgekreuzt, der
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ungewöhnlich stark im mehrdimen sionalen Bereich strahlt. . . " „Das weiß inzwischen jeder", unter brach ihn der Kybernetiker und nipp te an seinem Glas. „Darum geht es auch gar nicht", pfiff der Forscher unbeirrbar weiter. „Die eigentliche Neuigkeit ist, daß die Arge SOL eine bemannte Space-Jet losgeschickt hat, um das Objekt zu un tersuchen." Knallend stellte Joscan das Glas auf den Tisch zurück, während er sich bol zengerade aufrichtete. Seine Augen weiteten sich. „Das ist Wahnsinn", brachte er her vor. „Wenn der Meteor tatsächlich ein so starker Hyperstrahler ist, wird er die Funktionen der Schiffsmaschinen nachhaltig beeinflussen. Das kann nicht gutgehen! Die Besatzung der Jet fliegt in den sicheren Tod!" Doucs Sinnesorgane bogen sich langsam nach vorn. „Das sagt LOGIKOR auch", bestä tigte er. „Meine Rechenkugel gibt den Leuten eine so geringe Überlebens chance, daß sie in Zahlen kaum aus zudrücken ist." Joscan schüttelte den Kopf und stand auf. Unruhig ging er in der Kabi ne umher. „Woher hast du die Information?" wollte er wissen. „Ich habe Gavro Yaal belauscht", er klärte der Forscher, „als er sich mit ei nem seiner Freunde unterhielt." Der ehemalige Sprecher der Solge bprenen blieb stehen. Er wußte, daß der Kosmobiologe des öfteren in der Kommandozentrale der SOL zu tun hatte, um Unterlagen für seine For schungen zu beschaffen. Während ei nes solchen Aufenthalts konnte er die Anordnung der Arge Sol mitbekom men haben. Joscan hielt es deshalb
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durchaus für wahrscheinlich, daß Doucs Informationen den Tatsachen entsprachen. Er merkte, wie seine Erregung stieg. Kurz überlegte er, ob er nicht besser daran täte, sich aus der Angelegenheit herauszuhalten. In den Reihen der Ar beitsgemeinschaft war er nicht son derlich beliebt, und auch unter den anderen Solanern gab es kaum jeman dem, der sich noch mit ihm und seinen Idealen identifizieren konnte, ge schweige denn auf ihn hörte. Längst schon schuldete man ihm nicht mehr als gefälligen Respekt. Vielleicht war es vernünftiger, die Sache auf sich be ruhen zu lassen. Douc Langurs schrilles Pfeifen be endete seine Unschlüssigkeit. „Wir müssen etwas tun, Jose!" rief der Forscher. Der Kybernetiker gab sich einen Ruck. Entschlossen ging er zum Inter kom und tastete seinen Gesprächs wunsch ein. Es standen Menschenle ben auf dem Spiel. Um ihretwillen mußte er aktiv werden. Auf dem Bildschirm entstand die dreidimensionale Wiedergabe des Oberkörpers von Suukar Lern. Die dunkelhäutige Frau war eine der pro minentesten Mitarbeiterinnen der SOL-Arbeitsgemeinschaft. An Bord war sie bekannt genug, daß sie auf der Gerüchtebörse vorzugsweise als Geliebte Cleton Weisels gehandelt wurde. „Was willst du, Joscan?" fragte sie abweisend. Ihr Tonfall machte dem Kybernetiker deutlich, was man in der Zentrale von ihm hielt. „Ich will mit Cleton sprechen", ant wortete er ungeduldig. „Er ist beschäftigt und kann sich jetzt nicht um dich kümmern!" Suukars Blick war starr. Sie machte
Die Schläfer
sich nicht einmal die Mühe, den Kopf zu wenden und nachzusehen, ob das, was sie sagte, überhaupt stimmte. Jos can kannte das. Trotz aller Macht, die er anstrebte, war Cleton Weisel ein im Grunde menschenscheuer Typ, der sich den Solanern gegenüber oft ge nug verleugnen ließ. Der Kybernetiker wollte sich jedoch nicht abspeisen lassen. „Sag ihm, es ist wichtig", verlangte er. „Ich habe dir eben zu verstehen ge geben . . . " Joscan schnitt ihr das Wort ab. „Das interessiert mich nicht!" schrie er sie an. Die Sorge um die Besatzung der Space-Jet und die Entrüstung die zu dem Unternehmen gehörende An ordnung brachen sich gleichermaßen Bahn. „Ich will mit deinem Chef spre chen, und ich erwarte, daß du es ihm ausrichtest!" Suukars Augen blitzten. Es war deutlich, daß sie im nächsten Moment mit gleicher Schärfe reagieren oder die Verbindung einfach unterbrechen würde. Doch zu beidem kam es nicht. Sie mußte von der Seite angesprochen worden sein, denn sie wandte unver mittelt den Kopf. Dann hob sie die Schultern und trat aus dem Erfas sungsbereich der Aufnahmeoptik. An ihre Stelle schob sich das hagere Ge sicht Cleton Weisels. „Was gibt es so Wichtiges", fragte er, „daß du meinst, wie ein Berserker her umbrüllen zu müssen?" Joscan versuchte, sich seine Überra schung nicht anmerken zu lassen. So sehr er darauf gedrängt hatte, war er doch schon überzeugt gewesen, daß er den Chef der Arge SOL nicht zu sehen bekommen würde. „Ich habe gehört, daß eine bemann te Space-Jet zu dem Meteor unterwegs
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sein s o l l . . ." deutete er an. „Das ist richtig", bestätigte Cleton ruhig, aber seine Gelassenheit wirkte unnatürlich und erzwungen. „Ich ha be es veranlaßt." Nachdem damit die Richtigkeit von Douc Langurs Informationen endgül tig feststand, vermochte der Kyberne tiker seinen Zorn nicht mehr zu unter drücken. „Ist dir klar, daß du die Besatzung der J et ins Verderben geschickt hast?" fuhr er seinen Gesprächspart ner an. „Die Mitglieder des Unternehmens haben sich freiwillig gemeldet. Ich bin dir zwar keine Rechenschaft schuldig; Joscan, aber ich meine, du solltest das wissen, bevor du ein Urteil über mich abgibst. Ich habe an der Gefährlich keit der Expedition keinen Zweifel ge lassen." Irgendwie fühlte sich der Kyberneti ker vom Angriff in die Defensive zu rückgedrängt. Nur unbewußt merkte er, wie geschickt sich Cleton von jedem Vorwurf freisprach. „Du mußt sie zurückholen!" be schwor er den Chef der Arbeitsge meinschaft. Die Strahlung könnte die Aggregate der Jet beeinflussen . . . " „Es hat keinen Sinn, darüber zu re den", unterbrach ihn Cleton. Der Aus druck seines Gesichts blieb weiterhin starr und gefühllos. „Die Jet ist auf dem Meteor abgestürzt. Es ist zu spät, etwas daran ändern zu wollen." Joscan schwieg betroffen. Schlagar tig wurde ihm klar, daß der Techniker den Verlust der Expeditionsteilneh mer bewußt einkalkuliert hatte — und in dieser Sekunde schwor er sich, daß er nicht länger in der Passivität ver weilen und die Ereignisse an Bord al lein vom Standpunkt eines Beobach ters erleben würde. Dem Treiben der
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Arge SOL mußte endlich Einhalt ge botenwerden! „Wirst du ein Rettungskommando ausrüsten?" fragte er, obwohl er die Antwort bereits zu kennen glaubte. Cleton Weisel schüttelte entschie den den Kopf. „Wir müssen davon ausgehen, daß unsere Leute bei dem Absturz getötet wurden. Es wäre verantwortungslos, weitere Menschenleben aufs Spiel zu setzen." Joscan hatte nichts anderes erwar tet. Der Chef der Arbeitsgemeinschaft war ein machtbesessener Mann, der geglaubt hatte, mit der Nutzbarma chung der Meteor-Energie sein Presti ge erhöhen zu können. Ganz bewußt hatte er deshalb eine Handvoll Men schen ins Ungewisse geschickt. Die Expedition war gescheitert, und damit stand fest, daß der Trümmerbrocken eines geborstenen Planeten für die SOL wertlos bleiben mußte. Von Cleton Weisels Standpunkt aus war es also nur konsequent, wenn er einen Bergungsversuch ablehnte. Der Kybernetiker würde sich damit jedoch nicht zufriedengeben. Seit Jah ren hielt er sich aus den Entwicklun gen an Bord des Schiffes heraus, auch wenn er sie nicht immer befürwortete. Was jetzt geschah, sprengte allerdings den Rahmen dessen, was er noch be reit war, mitzutragen. „Und wenn sie noch leben?" „Daran glaube ich nicht", sagte Cle ton kühl. „Die Chance ist minimal." „Aber sie besteht!" beharrte Joscan. Seine Stimme hob sich. „Du hast kein Recht, dich blind zu stellen und dei nen Leuten jede Hilfe zu versagen. Wenn sie nur noch einen Funken Le ben in den Knochen haben, bist du verpflichtete, dich um sie zu küm mern!"
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Das Gesicht des Technikers schien zu versteinern. „Es erübrigt sich, darüber zu disku tieren." Er sprach leise und betonte je des Wort. „Die Entscheidung ist ge troffen, und es bleibt dabei. Ich werde keinen Rettungsversuch unterneh men." Joscans Wangenknochen traten her vor, und seine Lippen wurden zu ei nem schmalen Strich. „Ich werde es tun!" Bevor der andere darauf reagieren konnte, trennte er die Verbindung. Der Bildschirm verdunkelte sich. Erst jetzt wurde dem ehemaligen Sprecher der Solgeborenen bewußt, daß er vor innerer Erregung die Fäu ste geballt hatte. Nach langen Jahren eines zurückgezogenen Lebens stand er nun erstmals wieder im Begriff, di rekt in den Ablauf der Geschehnisse einzugreifen. Er spürte eine Berührung an seinem Arm. Douc Langur war neben ihn ge treten und hatte eine Greifklaue nach ihm ausgestreckt. Aus den Sprach schlitzen drang ein anerkennender Pfiff.
Nur zögernd setzten die Fähigkeiten des Wahrnehmens und des Denkens wieder ein. Makos' Blick war un scharf; Bildschirme und Bedienungs elemente verschwammen vor seinen Augen, als erwache er aus einem lan gen, aber wenig erholsamen Schlaf. Sein Schädel dröhnte, und durch das Rauschen in den Ohren drangen un verständliche Stimmen. Noch wirbel ten seine Gedanken zusammenhang los durcheinander. Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren. Er schloß die Lider und spürte das
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Verlangen, diesen Schlaf fortzusetzen. Aber er unterdrückte das Bedürfnis, weil er aus Erfahrung wußte, daß er sich danach nicht wohler fühlen wür de. Als er die Augen wieder öffnete, er kannte er die Umgebung bereits kla rer. Die Stimmen der anderen wurden deutlicher, und plötzlich durchzuckte ihn der Gedanke, daß er sich eigent lich glücklich schätzen müsse, über haupt noch zu leben. Das brachte ihn vollends in die Wirklichkeit zurück. Er erinnerte sich, daß er nicht eingeschlafen, sondern bewußtlos geworden war — und er be griff, daß er sich nicht an einem Ort befand, der es gestattete, beliebig viel Zeit darauf zu verwenden, allmählich zu sich zu kommen. Ruckartig richtete er sich auf. Nach wie vor saß er in seinem Kontursessel, von den kreuzartig über seinen Ober körper führenden Gurten gehalten. Auch den Raumanzug trug er noch, le diglich den Helm hatte jemand zu rückgeklappt. Eine Weile hörte er den leisen Dialogen zu, die hinter ihm ge führt wurden. Anscheinend war er der letzte, der sich wieder erholte. Er atmete tief durch, dann stieß er sich so ab, daß der Sessel sich um 180 Grad drehte. Das Bild, das sich ihm bot, war nicht annähernd so schlimm, wie er es sich vorgestellt hatte. Irgendwie mußte es dem Piloten gelungen sein, die SpaceJet so geschickt zu manövrieren, daß sie auf dem Meteor aufsetzte, ohne da bei in Stücke zu zerbrechen. Von eini gen unwesentlichen Beschädigungen abgesehen, hatte sich zumindest hier in der Zentrale nichts verändert. Die Mitglieder der Besatzung waren ebenfalls wohlauf, soweit er das beur teilen konnte. Zumindest war nie mand ernsthaft verwundet worden, le
29 diglich Lefton Hellst trug einen dicken Verband am linken Unterarm. Ein Me do-Roboter bewegte sich emsig um her und behandelte ansonsten haupt sächlich zahlreiche Kratzer, Schram men und leicht blutende Verletzun gen. „Wir haben einfach unverschämtes Glück gehabt", sagte Lynka Woortz eben zu einem ihrer Buhrlo-Freunde. „Genausogut hätte es uns alle erwi schen können." „Natürlich", gab der Angesproche ne zurück. „Trotzdem bin ich nicht be reit, Lefton die Hauptschuld an der Katastrophe anzurechnen. Es war schließlich unser Ziel, auf dem Meteor zu landen, und wir alle wußten, daß es nicht ungefährlich ist." „Er hätte vorsichtiger operieren müssen!" entgegnete Lynka heftig. Mit dem ausgestreckten Arm deutete sie anklagend auf den Kommandan ten. „Er allein trägt die Verantwor tung, weil er eigensinnig und unüber legt vorgegangen ist!" Makos verfolgte den Wortwechsel verständislos. Offensichtlich gab es unter den Buhrlos verschiedene Mei nungen darüber, ob sich der Absturz bei einem anderslautenden Befehl hätte vermeiden lassen. Angesichts ih rer Lage empfand er die Diskussion als müßig. Lefton Hellst indes kümmerte sich nicht um die Anschuldigungen, die Lynka gegen ihn vorbrachte. Er stand über eine Konsole gebeugt und war konzentriet damit beschäftig, eine Reihe von Funktionsanzeigen zu stu dieren. „Das sieht schlimm aus", murmelte er. Der Pilot nickte verdrossen und wechselte einen bedauernden Blick mit dem Strahlenspezialisten.
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„Die punktförmige Energiequelle, die du ausgemessen hast", kommen tierte er, „ist für unsere Verhältnisse etwas zu schnell entstanden." „Niemand konnte es voraussehen", sagte Lefton leise und legte dem Pilo ten eine Hand auf die Schulter. „Im merhin leben wir noch, und in erster Linie haben wir das wohl dir zu ver danken. Deine Landung war ein Mei sterstück!" „Eine Landung", betonte dieser, „ist etwas anderes!" „Was mich viel mehr interessiert", mischte sich Makos ein, „ist, ob wir wieder starten können." Der Pilot lachte trocken auf. „Laß dich nicht vom Zustand der Zentrale täuschen", riet er. „Sie ist der einzige Raum, in dem es noch halb wegs zivil aussieht. Der Rest des Schiffes gleicht einem Trümmerfeld." Die Auskunft versetzte Makos einen Stich. Insgeheim hatte er tatsächlich gehofft, die Space-Jet könnte noch manövrierfähig sein. Dann hätte zu mindest die theoretische Möglichkeit bestanden, die Strahlungsquelle ir gendwie zu neutralisieren und zur SOL zurückzukehren. So aber saßen sie fest. „Was ist mit der Funkanlage?" er kundigte sich der Spezialist weiter. „Können wir wenigstens um Hilfe ru fen?" „Auch das nicht", antwortete Lef ton. „Sowohl Hyper- als auch Normal funk sind ohne Abstrahlleistung. Ganz abgesehen davon würde die star ke Meteor-Emission unsere Sendun gen so überlagern, daß wir gar nicht bis zur SOL durchkämen." Makos nickte mutlos. Er löste die Haltegurte und stand auf. Durch die Sichtkuppel blickte er nach draußen. Das Bild, das sich ihm bot, war trost-
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los. Durch einige noch intakte Lande scheinwerfer wurde die Umgebung spärlich beleuchtet. Aus der Nähe wirkte die Oberfläche des Meteors noch eintöniger—düster und drohend. Der nicht weit entfernte Horizont, hin ter dem die Landschaft steil abzufal len schien, weckte ein Gefühl der Platzangst in Makos. Rasch wandte er sich ab. Seine Unsicherheit überspielend fragte er: „Kann mir jemand erklären, warum zwar Antrieb und Funk nicht mehr brauchbar sind, die Lande scheinwerfer jedoch noch arbeiten?" „Warum", stellte Lefton die zyni sche Gegenfrage, „macht ein Roboter fortwährend Biip-Biip, obwohl er nach dem Sturz durch einen abge schalteten Antigravschacht nur noch ein Blechhaufen ist, an dem sonst nichts mehr funktioniert?" Makos verstand zwar, was der Kom mandant meinte, aber anscheinend machte er einen dermaßen begriffs stutzigen Eindruck, daß der Pilot zu einer weiteren Erklärung ansetzte. „Die Landescheinwerfer befinden sich in Höhe der Zentrale. Alle ande ren wichtigen Anlagen bezogen ihre Energie aus den tiefer gelegenen Decks, die durch unser Aufsetzen in Stücke .. ." „Es ist gut!" Makos schüttelte un willig den Kopf. „Du brauchst mir kei nen Anschauungsunterricht zu ge ben. Immerhin haben wir es über lebt." Während der Pilot ihn breit angrin ste, brummte Lefton: „Keine Angst; es kann alles noch kommen!" Irgendwie tat ihm dieses Gespräch gut, stellte Makos fest. Es half ihm, die innere Spannung abzubauen, jenes lähmende Gefühl der Chancenlosig keit zu unterdrücken und sich eine si
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tuationsgerechte, nüchterne Einstel lung anzueignen. Er beobachtete Lynka Woortz, die sich von der Gruppe ihrer Freunde lö ste und auf die drei Männer zukam. Sie gab sich überaus selbstbewußt und gelassen, gerade so, als sei das Verhältnis zwischen ihr und dem Kommandanten völlig normal. „Was haltet ihr davon", fragte sie herausfordernd, „wenn wir, statt dum me Reden zu schwingen, endlich et wastun?" In Leftons Augen blitzte es abwei sen auf. „Erwartest du, daß ich dir darauf ei ne Antwort gebe?" „Ja", erklärte sie ernsthaft. „Ich weiß, du kannst uns Buhrlos und ins besondere mich nicht an einer Zusam menarbeit hindern! Wir sitzen alle in einem Boot, und jeder ist auf den anderen angewiesen." Ihre Haltung und die Art, wie sie sprach, mußte den eigensinnigen Kommandanten reizen. Durch ihr for sches Auftreten war der erneute Kon flikt vorprogrammiert. „Du täuschst dich, wenn du glaubst, ich sei auf dich oder deine Freunde an gewiesen", sagte Lefton kalt. „Im üb rigen lehne ich es ab, mit Leuten zu reden, die mich tätlich angegriffen ha ben!" Die Buhrlo-Frau ahnte, wie sehr er sich beherrschte, um nicht blindwütig auf sie loszugehen. Aber sie steckte nicht zurück. „Wir haben uns entschlossen, das Wrack zu verlassen und uns draußen etwas umzusehen. Wir halten es durchaus für möglich, daß die Ener gieausschüttung des Meteors auf un terirdischen Anlagen beruht, also künstlich erzeugt ist. Wenn es sie gibt, wollen wir diese Anlagen finden. Mög
31 licherweise haben die Erbauer ein Raumschiff zurückgelassen, das noch flugtauglich ist und mit dessen Hilfe wir uns von hier absetzen können." Der Vortrag raubte Lefton die Be herrschung. „Das ist absurd!" stieß er hervor und wandte sich ab. „Nicht so absurd", versetzte Lynka, „wie über das Biip-Biip eines defekten Roboters nachzudenken!" „Es ist genug!" schrie Lefton, wäh rend er die Hände zu Fäusten ballte. „Niemand geht nach draußen!" „Wir gehen!" Makos erstarrte, als die übrigen vier Buhrlos sich plötzlich in Bewegung setzen und sich hinter Lynka aufstell ten. Sie hielten Blaster in den Händen, die sie aus dem Waffenschrank ge nommen hatten, während die anderen sie nicht beachteten. Der Kommandant wirkte verstei nert, wie eine bewegungs- und gefühl lose Statue. „Das . . . das ist Meuterei!" „Nenn es, wie du willst", empfahl Lynka voller Herablassung. „Wir ha ben jedenfalls keine Lust, tatenlos hier herumzusitzen und zu warten. Wenn dir nichts Besseres einfällt — bitte! Irgendwann werden Energieund Sauerstoffreserven der Space-Jet zur Neige gehen. Spätestens dann, Lefton Hellst, wirst du dir wünschen, noch eine winzige Überlebenschance zu haben. Dann aber wird es zu spät sein!" Makos spürte, wie die Angst in ihm heraufkroch. Die konkrete Vorstel lung dessen, was die Buhrlo-Frau an gedeutet hatte, raubte ihm den Atem und schnürte ihm die Kehle zu. Der Kommandant dagegen ließ sich nicht beeindrucken. Nach der ersten Überraschung fand er seine Fassung
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schnell wieder. Wut und Zorn schien er abgelegt zu haben. Der leicht nach hinten geneigte Kopf deutete die gren zenlose Überlegenheit an, die er emp fand. „Es ist euch wohl klar, daß ihr die ses Schiff, wenn ihr es erst verlassen habt, nicht wieder betreten dürft", sagte er ruhig. „Wie wird es euch erge hen, wenn ihr nach vierundzwanzig Stunden wieder Atemluft braucht? Du mußt nicht antworten, denn es schert mich einen Dreck." Lynka zeigte keine äußerliche Reak tion. „Deinen Haß auf die Buhrlos habe ich einkalkuliert. Wenn wir keinen Er folg haben, werden wir sterben, dar über sind wir uns im klaren. Aber es macht uns nichts aus, ob es früher ge schieht, weil du uns die Rückkehr ver wehrst — oder später, wenn die Reser ven der Jet zu Ende sind und wir viel leicht noch einen Tag länger leben als du. Das Ergebnis ist immer das glei che." Mit dieser Einstellung hatte Lefton nicht gerechnet. Seine Selbstherrlich keit blätterte von ihm ab wie morsche Rinde. „Ihr könnt gehen!" rief er, wieder von Wut beherrscht. „Wenn die SOL uns abholt, werde ich daran denken, wie töricht ihr wart!" Lynka lächelte, als sie und ihre Freunde sich abwandten. Es wirkte abgeklärt. „Du bist ein Solaner", sagte sie leise, „und kennst die Verhältnisse doch nicht. Dabei müßtest du es wissen. Niemand wird das Risiko auf sich neh men und sich in die gleiche Gefahr be geben wie wir. Niemand wird kom men und uns abholen."
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Wie schmal er ist! dachte Elzbieta Mjieceköva, während sie den Chef der SOL-Arbeitsgemeinschaft beobachte te, wie dieser unruhig auf und ab ging. Cleton Weisel war ein hagerer, fast dürrer Mann. Seine Bewegungen wirkten schlaksig und ungelenk, und wenn er sprach, pflegte er seine Worte mit vielen weitschweifenden Gesten zu untermalen. Er hatte ein knochiges Gesicht mit eingefallener, runzliger Haut, und die Augen leuchteten wie blaue Murmeln aus tiefliegenden Höh len. Vom hohen Stirnansatz bis in den Nacken war sein schütteres Haar grau und spröde. Wenn Elzbietas Informationen stimmten, zählte sein Alter etwas fünf zig bis sechzig Jahre. Auf den ersten Blick hätte sie es spontan doppelt so hoch geschätzt. Die Gefahr, diesen Mann wegen sei nes oft ungeschickt und täppisch an mutenden Auftretens zu verkennen, war groß. Der äußere Eindruck täuschte jedoch. Cleton Weisel besaß eine hohe Intelligenz und ausgepräg ten Sachverstand. Er wußte, was er tat und wovon er sprach, und seine Fähig keit, sachgerechte Entscheidungen zu treffen, hatte nicht zuletzt dazu beige tragen, daß er als Flugleiter weitge hend respektiert wurde. Seine Maß nahmen vertrat er kompromißlos; selbst Freunde und engste Mitarbeiter bezeichneten ihn als hart und unnach giebig, mitunter auch als ungerecht und starrsinnig, aber sie störten sich nicht daran. Andere — wenige! — hiel ten seinen Führungsstil für machtbe sessen und diktatorisch, aber ihre war nenden Stimmen fanden unter den Solanern kaum Gehör. Dennoch war er immer weniger be reit, seine Feinde ungeschoren zu las sen. Er hielt sie für einen ständigen
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Unsicherheitsfaktor, den er ausschal nachgiebigere Gangart einschlug. ten wollte. Das war auch der Grund Sein Dogma der totalen Abkehr von dafür, daß er Elzbieta Mjiecekova zu jeglichem Kontakt mit. festen Him melskörpern wurde zu einer Art Glau einer Unterredung gebeten hatte. „Ich mache mir Sorgen", begann er, bensbekenntnis. Hellmut verlegte während er seine unruhige Wande sich darauf, ständig zu mahnen und zu rung beendete und sich ihr gegenüber warnen, aber die Zahl derer, die noch in einen Sessel setzte. „Es gibt einige auf ihn hörten, war verschwindend ge Leute auf der SOL, die sich in feindse ring. Nach der Übergabe der SOL liger Weise gegen mich stellen und sank Yaals Einfluß wieder. Bald dar auf erhöhte sich die Anhängerschaft den offenen Konflikt suchen." Die Leiterin der für den Zentralebe eines anderen Mannes: Cleton Weisels. reich zuständigen Sicherheitskräfte Er gründete die SOL-Arbeitsgemein ahnte längst, worauf der Techniker schaft, der allein es oblag, Entschei dungen zu treffen und angeordnete hinauswollte. „Gavro Yaal und Joscan Hellmut", Aktionen auszuführen. Die breite Masse der Solaner erkannte diese In riet sie. „Die beiden meinst du doch?" „Allerdings", bestätigte Cleton. stitution trotz deren deutlichen Allein „Sie sind mir schon lange ein Dorn im vertretungsanspruchs widerstandslos Auge, trotzdem habe ich sie bisher ge an, zumal sich zeigte, daß das Wohler währen lassen. Ihre letzten Auftritte gehen und die persönlichen Interes gingen jedoch zu weit. Du warst ja sen des einzelnen nicht beeinträchtigt und zugleich die allgemeinen existen selbst dabei und hast es miterlebt." ziellen Richtlinien sachgerechter ver Elzbieta nickte. Sie erinnerte sich wirklicht wurden. daran — hauptsächlich deshalb, weil in der Spitze der Arge SOL seitdem ei Elzbieta konnte sich gut vorstellen, ne unterschwellige, aber spürbare warum nach dem Fehlschlag der Me Nervosität herrschte. teor-Expedition solche Unruhe in den Die Ursache dafür war leicht zu erra Reihen der Arge SOL herrschte. Wer ten, wenn man die Entwicklung an an die Macht gewöhnt war, gab sie nicht gerne wieder her. Der Absturz Bord weit genug zurückverfolgte. Der erste, der seinerzeit großen Ein der Space-Jet mußte unter den Sola fluß besaß, war Joscan Hellmut gewe nern wie ein Signal wirken, wenn er sen. Die Solgeborenen hatten ihn zu sich erst herumsprach. Er würde deut ihrem Sprecher gewählt und ihre In lich machen, daß auch der Arbeitsge teressen von ihm vertreten lassen. Mit meinschaft Fehleinschätzungen un viel Fingerspitzengefühl arbeitete er terlaufen konnten, obwohl ihr aus schrittweise darauf hin, daß die Terra schließlich fachkundige Leute ange ner das Schiff schließlich verließen hörten. Und er würde zeigen, daß sie und es ihnen übereigneten. Vielen ihre Planungen trotz erhebücher Be ging das zu langsam, und in dem Maß, denken durchsetzte und nicht einmal in dem sich die Verzögerungen häuf den Versuch unternahm, enstandenes ten und Perry Rhodan die SOL weiter Unheil rückgängig zu machen. Män für seine Zwecke einsetzte, trat Gavro nern wie Gavro Yaal oder Joscan Hell Yaal in den Vordergrund, der einen mut, die in der Vergangenheit bereits härteren Kurs verfolgte und eine un großes Ansehen genossen hatten,
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konnte es — sofern sie es darauf anleg ten — gelingen, die Arge SOL und ih ren Anführer als verantwortungslos und eigensinnig hinzustellen und in den buntesten Farben auszumalen, wie sehr den Interessen der Solaner Gewalt angetan worden war. Unver sehens mochte das dazu führen, daß die Sympathien der Besatzung um schlugen und Yaal oder Hellmut wie der an Geltung gewannen. „Du willst sie loswerden?" „Ja", antwortete Cleton. Die Leite rin des Sicherheitskommandos gehör te zu seinen engsten Vertrauten, des halb durfte er es sich erlauben, in aller Offenheit mit ihr zu reden. „Aber ich brauche deine Unterstützung." Wieder nickte sie und bekundete da mit ihre Bereitschaft, sich und ihre Leute weiterhin für ihn zu verwenden. „Woran hast du gedacht?" „Nun . . . " Er zögerte einen Moment, als überlege er, ob er ihr vorbehaltslos vertrauen könne. Dann fuhr er fort: „Ich weiß, daß Joscan Hellmut auf ei gene Faust versuchen will, die Besat zung der Space-Jet zu retten. Ich habe bereits dafür gesorgt, daß er sein Un ternehmen durchführen kann — er wird es jedoch nicht merken und wei terhin glauben, gegen meinen Willen zu arbeiten. Das kommt mir insoweit entgegen, als ich überzeugt bin, daß die Space-Jet-Besatzung nicht mehr am Leben ist. Wenn er zurückkehrt, wird er mit leeren Händen dastehen — Grund genug, ihn festzunehmen, weil er gegen mein ausdrückliches Verbot gehandelt hat." „Wenn er wider Erwarten nicht mit leeren Händen zurückkommt", wand te Elzbieta ein, „was geschieht dann?" Ein kaltes Lächeln umspielte Cle tons Lippen. „Dann müßte sich dasselbe arran
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gieren lassen, wie ich es für Gavro Yaal vorgesehen habe — ein Unfall." Sie musterte ihn aus verengten Au gen, und sie begriff, daß er entschlos sen war, seiner bekannten Kompro mißlosigkeit einen weiteren Akzent zu geben. Er würde auch ohne Unterstüt zung alles daransetzen, seine Widersa cher auszuschalten. „Du spielst hoch . . . " meinte sie. „Zwei bekannte Personen, die einem Unfall zum Opfer fallen sollen — das ist ziemlich durchschaubar, findest du nicht? Es wird Wirbel auslösen." Der Chef der Arge SOL hob die Schultern. „Vielleicht fällt mir auch noch etwas anderes ein. Vorerst ist mir wichtig, daß ich dich auf meiner Seite weiß." Elzbieta merkte, wie er auf ihre Ant wort förmlich lauerte. Sein Blick wirk te wie eine nackte Drohung, und es wurde ihr klar, daß er nicht zögern würde, auch gegen sie vorzugehen, wenn sie — offen oder versteckt — sei ne Pläne behinderte. Aber das hatte sie nicht vor. Ihre Einstellung zu Cleton Weisel war ab solut loyal. Auch wenn sie befürchte te, daß die Schritte, die er einleiten wollte, einer spontanen Idee entspran gen und die möglichen Folgen wenig durchdacht waren, würde sie ihn un terstützen. „Ich bin dabei", erklärte sie. „Du kannst mir mit und meinen Leuten rechnen." „Gut." Er entspannte sich und gab seine distanzierte Haltung auf. „Dann können wir die Einzelheiten bespre chen. Insbesondere zu den geplanten Unfällen erwarte ich Vorschläge von dir. Sie müssen so geschickt konstru iert werden, daß für die Solaner, wenn sie davon erfahren, nicht der geringste Zusammenhang besteht. Andernfalls
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könnten einige Leute tatsächlich arg wöhnen, daß ich hinter der ganzen Sa che stehe." Etwas an seiner Formulierung machte Elzbieta hellhörig. „Gavro Yaal und Joscan Hell mut . . . " , sagte sie gedehnt, „ . . . sie sind nicht die einzigen, die du loswer den willst?" Der Chef der SOL-Arbeitsgemein schaft machte eine zustimmende Ge ste. „Nein", bestätigte Cleton. „Es gibt noch ein paar andere . . . "
Es ging alles viel zu schnell. Der Hangartechniker fand nicht einmal mehr Zeit, sich Gedanken darüber zu machen, was mit ihm geschah, ge schweige denn, sich zu wehren. Aus den Augenwinkeln sah er den Schat ten, der lautlos auf ihn zuglitt, spürte fast gleichzeitig den schmerzhaften Schlag gegen seinen Körper — und sank im nächsten Moment bewußtlos zu Boden. Der zweite Mann im Kontrollraum stand wie erstarrt, als banne ihn der Schrecken auf den Fleck. Er wollte et was sagen und abwehrend die Arme heben, doch bevor er reagieren konn te, war der Angreifer heran. Er röchel te nur kurz, bevor auch er die Besin nung verlor. Sein schlaffer Körper wurde so gebettet, daß die Atemwege frei blieben. Joscan Hellmut trat hinter der Dek kung hervor, von der aus er das Ge schehen verfolgt hatte, und legte dem Freund eine Hand auf die Schulter. „Gut gemacht, Bjo", lobte er. „Zu mindest von diesen beiden brauchen wir keine Schwierigkeiten zu befürch ten."
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Der rotbraungefleckte Katzer schnurrte leise. Es war ein Zeichen des Dankes für die Anerkennung, die der Kybernetiker ihm zollte. » Gemeinsam verließen sie den Kon trollraum. Am Zugang zum eigentli chen Hangar wartete Federspiel be reits auf sie. „Hat es geklappt?" „Natürlich", antwortete Joscan knapp. Er hatte keine Sekunde daran gezweifelt, daß der Katzer die zwei Männer innerhalb kürzester Zeit aus schalten würde. „Was dachtest du!" „Dann los! Wir müssen gestartet sein, bevor sie wieder zu sich kom men." Ohne die anderen weiter zu beach ten, lief er auf eine startbereite SpaceJet zu. Bjo und Joscan folgten ihm, und unwillkürlich m u ß t e der Kyber netiker über den ungestümen Taten drang lächeln. Er kannte Federspiel seit dessen Kindheit. Damals schon war es kaum möglich gewesen, dem Jungen zu begegnen, ohne daß sich auch Sternfeuer, seine Zwillingsschwester, in der Nähe aufgehalten hätte. Bis heute hatte sich daran nichts geän dert, und Joscan war dem jetzt Zwei unddreißigjährigen deshalb doppelt dankbar, daß er sich bereitfand, das Unternehmen mitzumachen. Federspiel besaß eine schlanke, fast knabenhafte Figur. Sein Gesicht je doch vermittelte den Eindruck von ausgesprochen männlicher Schönheit. Es war oval und wurde von einer schmalrückigen Nase und großen blauen Augen beherrscht. Das weiß blonde Haar trug er kurzgeschnitten. Wie seine Schwester, wählte er die üb liche Bordkleidung meistens eine Nummer zu groß; von weitem waren die beiden nur durch die verschieden
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farbigen Gürtel auseinanderzuhalten — Federspiel bevorzugte Blau. Er war, wie sich herausgestellt hatte, ein schwach telepathisch begabter Mu tant und stand mit Sternfeuer in stän diger geistiger Verbindung. Dennoch hatte er es eilig, in die Spa ce-Jet zu kommen. Anscheinend woll te er die Aktion so schnell wie möglich hinter sich bringen. Es war kaum denkbar, daß die Zwillinge für eine unnötig lange Zeit freiwillig getrennt blieben. Auch ohne die normalerweise übli che Mitwirkung der Hangartechniker bereitete der Start keine Probleme. Joscan ließ sich hinter den Kontrollen in der Zentralekuppel nieder und akti vierte von hier aus den Schleusenme chanismus. Es dauerte einen Moment, bis die Luft abgepumpt war, dann öff nete sich das Außenschott. Zwar be saß der ehemalige Sprecher der Solge borenen längst keine Flugpraxis mehr, doch hielt er seine Kenntnisse für ausgeprägt genug, daß er sich zu traute, die Jet auch ohne die Hilfe ei nes erfahrenen Piloten zu steuern. Als der Flugkörper das Mutterschiff verließ, begann er sich trotzdem unbe haglich zu fühlen. Durch die Sicht kuppel war der Blick völlig frei, wo durch der Eindruck entstand, daß die Sterne auf ihn zustürzten und das Schwarz des Weltraums ihn zu ver schlingen drohte. Früher hatte er die sen Effekt nie als unangenehm emp funden, heute jedoch, nachdem er lan ge Zeit die SOL nicht mehr verlassen hatte, ängstigte er ihn im ersten Au genblick. Es gelang ihm allerdings sehr schnell, die Angst wieder abzu schütteln. „Die Sache gefällt mir nicht", mur melte er, während die Space-Jet sich weiter von der SOL entfernte. „Es geht
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mir alles zu glatt." „Was meinst du?" fragte Federspiel. Er stand hinter dem Kybernetiker und war dabei, einen Raumanzug überzu ziehen. „Ich mache mir Gedanken darüber, warum niemand versucht, uns aufzu halten. Wir handeln gegen den aus drücklichen Befehl der Arbeitsge meinschaft, und trotzdem läßt man uns unbehelligt. Sie funken uns nicht einmal an. Bjo Breiskoll, der unterdessen eben falls einen Schutzanzug trug, ließ sich im Sessel neben ihm nieder. „Vielleicht", argwöhnte er, wollen sie, daß wir dieses Unternehmen zu Ende bringen und die Mitglieder der ersten Expedition bergen . . . " „Damit wir hinterher als Helden da stehen und sie zugeben müßten, fal sche Entscheidungen getroffen zu ha ben? Ich kann mir das nicht vorstel len." „Sie werden unseren Start noch nicht bemerkt haben", vermutete Federspiel leichthin. „Um diese Zeit ist die Zentrale nicht stark besetzt." Joscan schüttelte den Kopf und hob zugleich die Schultern. Es drückte aus, daß er nicht wußte, was er davon halten sollte. Normalerweise wurden eigenmächtig gestartete Beiboote un ter Strafandrohung zur Umkehr auf gefordert. In ihrem Fall tat sich jedoch nichts. Was hatte das zu bedeuten? Er kam nicht mehr dazu, weiter dar über nachzudenken und sein Unbeha gen zu schüren. „Vorsicht!" warnte Bjo Breiskoll und fabrizierte einen maunzenden Laut. „Es geht los!" Das hieß, daß sie in den Einflußbe reich der mehrdimensionalen Me teor-Strahlung gerieten. Augenblick lich vergaß Joscan alle anderen Sor
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gen und richtete seine Aufmerksam pulse, die der Meteor aussandte, nahm keit auf die Steuerkontrollen. Neben der Katzer wahr. Wie das genau vor ihm erstarrte der Katzer in höchster sich ging, wußte Joscan nicht. Er hoff Konzentration. te nur, daß die Fähigkeiten des Freun Bjo Breiskoll war vermutlich der des ausgeprägt genug waren, um jene außergewöhnlichste Mensch unter Energiefelder, die den Absturz der er den Solanern. Schon körperlich stellte sten Space-Jet verursacht hatten, er eine Besonderheit dar, denn an vie rechtzeitig zu erkennen. Er verglich len Stellen wuchsen rötliche-braune Bjos Aufgabe mit der Tätigkeit der Fellbüschel aus seiner Haut. Zwar Vaku-Lotsen, die vor langer Zeit terra pflegte er diese durch meist hochge nische Raumschiffe sicher durch die schlossene Kleidung zu verbergen, gefährlichen Wirbel und Stömungen doch konnte er die übrigen Merkmale der Dunkelwolke Provcon-Faust ge seiner einzigartigen Erscheinung da führt hatten. mit nicht verleugnen. Die Augen stan Bereits die ersten Kommandos, die den schräg, mit katzenhaft geschlitz er gab, bewiesen dem Kybernetiker, ten Pupillen, und die Art, wie er sich daß seine Einschätzung richtig war. bewegte, glich einem geschmeidigen, Während das diskusförmige Beiboot lautlosen Dahingleiten und zeugte sich dem Meteor näherte, änderte er von absoluter Körperbeherrschung. minimal den Anflugwinkel. Damit nicht genug, verfügte er auch „Gut so", bestätigte Bjo leise. Er über geistige Fähigkeiten, die ihn aus hielt die Augen geschlossen. Nur die der Masse hervorhoben. Er war Tele unregelmäßig zuckenden Lider ver path, was ihn in die Lage versetzte, die rieten etwas von der geistigen An Gedanken anderer Menschen zu erfas spannung, unter der er stand. Ab und sen und deren Sinn zu verstehen — zu fauchte er verhalten. und er hatte ein sensationelles Gespür Federspiel beobachtete den Katzer dafür, was in der kosmischen Umge mit einer Mischung aus Achtung und bung vor sich ging, und vermochte Bewunderung. Schon früher, als Kind, wichtige Dinge weit voraus im Raum hatte er sich gut mit ihm verstanden, wahrzunehmen. Das hatte ihm die Be obwohl ihm seine besonderen Fähig zeichnung Kosmo-Spürer oder Pa keiten immer unbegreiflich blieben. ra-Scout eingebracht. In gewisser Wei Sternfeuer hatte es des öfteren zu er se fühlte er den Pulsschlag des Uni klären versucht; sie war eine symbion versums und entwickelte ein in tische Mutantin und durch den jahre stinktives Verständnis für dessen langen Kontakt mit Bjo ebenfalls zu Bedeutung. „Hinter diesen stähler einer Kosmo-Spürerin geworden. nen Wänden des Schiffes öffnet sich Dennoch besaß Federspiel davon be der Kosmos", hatte er selbst es einmal stenfalls eine abstrakte Vorstellung. zutreffend beschrieben. „Ich höre sei Ein den gesamten Blickwinkel umfas ne Stimme tief in mir, die Stimmen sendes Feld aus ständig wechselnden, von Sonnen, Planeten und energeti sich überlappenden und umherwan schen Strömungen. Es ist ein immer dernden Farben, in dem schmale währender, gewaltiger Chor. Ich bin schwarze Streifen die ungefährliche ein Teil davon." Zonen kennzeichneten — das war viel Auch die mehrdimensionalen Im leicht noch der zutreffendste Ver
38 gleich. Bjo und Joscan jedenfalls schienen sich blind zu verstehen. Sie wirkten wie ein in vielen Einsätzen eingespiel tes Team. Das nächste Kommando . . . Die nächste K u r s k o r r e k t u r . . . Immer näher schob sich die SpaceJet an den Meteor heran. Einem unbeteiligten Beobachter mußte es vorkommen, als säße ein blutiger Anfänger hinter den Kontrol len. Pausenlos schien das kleine Schiff zu bocken, brach nach links oder rechts aus. In bezug auf eine gedachte Ebene sackte es weg, sprang nach oben, legte sich schräg oder vertikal, kippte, schlingerte, trudelte . . . Das nächste Kommando . . . Aus den Augenwinkeln erfaßte Fe derspiel den kurzen Lichtblitz, der außerhalb der Zentralekuppel ent stand. Ein zweiter folgte, durch die Drehung, die das Schiff vollführte, scheinbar aus einer anderen Richtung. Er wußte trotzdem, was es bedeute te, und die Vorstellung daran weckte spontanen Abscheu in ihm. „Nullnullneun Grad rot, nullvier grün,..." „Da wird geschossen!" brach es aus Federspiel heraus. „Auf dem Meteor wird geschossen!" Im gleichen Moment wurde ihm be wußt, daß er den Kybernetiker damit auf unverantwortliche Weise abge lenkt hatte. „Verdammt, sei still!" schrie Joscan. Sein Gesicht verzerrte sich vor innerer Anspannung. „Ich muß mich konzen trieren!" Aber es war schon zu spät. Die kurze Sekunde der Unaufmerksamkeit hat te die Space-Jet aus dem energetisch neutralen Bereich herausgebracht. Das heulende Geräusch überraschend
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belasteter Absorber drang bis in die Zentrale. Federspiel spürte den Druck, der sich schlagartig auf seine Brust senkte. Die Anordungen des Katzers kamen jetzt stoßweise und gepreßt. Obwohl ihm die Belastung wahrscheinlich am wenigsten ausmachte, hatte er den noch damit zu kämpfen. Joscans Atem ging schnell und ungleichmäßig, wäh rend er sich verzweifelt bemühte, Bjos Angaben in präzise Schaltungen um zusetzen. Aber das Schiff reagierte trä ge und ungenau. Die fremden Ener giefelder beeinflußten die eigenen Steuerimpulse zu stark. Nackte Angst machte sich in Feder spiel breit. Es war ihm klar, daß er die Schuld trug, wenn sie ebenfalls auf dem Meteor havarierten, aber dieser Gedanke schien in dem Chaos rund um keinerlei Bedeutung zu besitzen. Die Space-Jet ächzte und wimmerte, als wolle sie im nächsten Moment aus einanderbrechen. Wie lange dieser entsetzliche Zu stand andauerte, wieviel Zeit ver strich, bis es gelang, erneut eine neu trale Zone zu finden und in sie einzu tauen, wußte er später nicht zu sagen. Ihm kam es wie eine Ewigkeit vor. Ir gendwann kehrte wieder Ruhe ein, die Last auf seinem Körper wich, und das Kreischen der Maschinen versiegte. Die Werte, die das Log übermittelte, normalisierten sich. Ein Blick auf die Tasterschirme be lehrte Federspiel darüber, daß sie dem Meteor abermals ein Stück näher ge kommen waren. Er blieb ruhig sitzen und versuchte, die aufgepeitschen Nerven zu beruhigen. Im Gegensatz zu ihm fanden die bei den anderen keine Gelegenheit, sich zu entspannen und sich der Erleichte rung hinzugeben. Keine Sekunde
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durften sie in ihrer Konzentration nachlassen. * Die Stimmung war gedrückt und gereizt, und sie verschlechterte sich weiter, je länger das bange Warten an dauerte. Der verwegene Gedanke, die Arge SOL könnte ein Bergungskom mando losschicken, schien immer unrealistischer. Selbst Lefton Hellst gab unterdessen zu, daß an Bord des Mutterschiffs die Gefahr, weitere Leu te zu verlieren, wahrscheinlich als zu hoch eingeschätzt wurde. Sie hatten versucht, zu schlafen und etwas Entspannung zu finden. Unruhe und Angst ließen sich jedoch nicht un terdrücken. Ständig schreckten sie auf und wälzten sich von einer Seite auf die andere. Danach fühlten sie sich schlechter als vorher. Sie hatten ver sucht, Auswege aus ihrer Situation zu erarbeiten und Möglichkeiten zu er kennen, das Schiff wieder flottzuma chen. Nichts davon war brauchbar. Mit zunehmender Deutlichkeit ge wann das Bewußtsein die Ober hand, daß die Space-Jet tatsächlich zu ihrem Grab werden würde, wenn sie nicht wie die Buhrlos bereit waren, nach anderen, vielleicht sogar völlig aussichtslos anmutenden Wegen zu forschen. In ihrer steigenden Ver zweiflung versteiften sie sich immer mehr auf die Hoffnung, außerhalb des Schiffes eine Chance zum Überleben zu entdecken. Insbesondere Lefton Hellst war es, der diesen Gedanken entgegen seiner vor kurzem noch geäußerten Überzeu gung zu pflegen begann. Es war förm lich zu sehen, wie seine selbstsichere Gelassenheit mehr und mehr zerbrök kelte. Mittlerweile kam es kaum noch
vor, daß er ein paar Minuten ruhig in seinem Sessel sitzen blieb. Dauernd stand er auf und lief nervös durch die Zentrale. Öfter als zuvor blickte er durch die Sichtkuppel nach draußen. „Sie sind noch nicht zurück", sagte er, nachdem bereits zwanzig Stun den her war, daß die Buhrlos das Schiff verlassen hatten. „Vielleicht ha ben sie doch etwas gefunden." Die einzige Reaktion des Piloten auf diese Äußerung war ein spöttisches Anheben der Augenbrauen. Makos Naratnam wußte, was er damit aus drücken wollte, ohne allzu lautstarke Kritik zu üben. Er selbst war jedoch nicht bereit, seine Meinung für sich zu behalten. Nach allem, was er erlebt hatte, scheute er den Konflikt mit dem Chemiker nicht. „Es hat nicht viel gefehlt, und du hättest sie für verrückt erklärt, weil sie nach draußen wollten", erinnerte er. „Was veranlaßt dich, dein Urteil über ihre Exkursion zu ändern?" „Die Tatsache, daß sie sich noch nicht wieder haben blicken lassen", erwiderte Lefton achselzuckend. „Wenn sie nichts gefunden hätten, wä ren sie zurückgekommen." Ohne es zu wollen, machte Makos diese Argumentation wütend. „So ein Unsinn!" entfuhr es ihm. „Du hast ihnen doch zu verstehen ge geben, du würdest sie nicht mehr ins Schiff lassen. Warum also sollten sie es versuchen!" „Weil es menschlich ist. Wenn man dem Tod ins Auge sieht, greift man nach jedem Strohhalm." „Lynka Woortz hat ziemlich deut lich gemacht, daß es ihr egal ist, wo und wann sie stirbt. Sie ist nicht die Frau, die nach einem Strohhalm greift!" Lefton lachte heiser.
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„O doch, mein Freund", meinte er. „Sie hat danach gegriffen, als sie sich auf die Suche nach einer möglichen unterirdischen Station begab. Und wenn dieses Station nicht existiert, wird sie es wieder tun, indem sie alle Möglichkeiten ausschöpft, zurück in die Jet zu kommen." Irgendwie hatte Makos den Ein druck, daß die Ausführungen des Kommandanten nur dazu dienten, den anderen gegenüber die plötzliche Bereitschaft zum Verlassen des Schif fes zu rechtfertigen. Die Begründung, die Buhrlos seien längst zurückge kehrt, wenn sie das Ziel ihrer Suche nicht erreicht hätten, schien allzu weit hergeholt. „Wenn du dir dessen so sicher bist", hielt er entgegen, während er demon strativ den Arm anwinkelte und auf das Chronometer blickte, „müßtest du noch knapp vier Stunden warten. So lange haben die Gläsernen nämlich noch Zeit, bis sie wieder Atemluft brauchen. Erst danach darfst du an nehmen, daß sie fündig geworden sind." „Dann kann es zu spät sein. Sie wer den Mittel und Wege finden, uns am Nachkommen zu hindern . . . " Er verstummte abrupt. Vielleicht merkte er in diesem Moment, wie un logisch seine Gedankengänge waren, wie er sich mit seinen Überlegungen im Kreis drehte. Er stand mit hängen den Schultern da und wußte eine Zeit lang nichts zu sagen. Es schien, als sei er über sich selbst erschrocken — aber er war nicht der Typ, der anderen sei ne Unsicherheit eingestand. Nach ei ner Weile straffte er sich. „Ich jedenfalls gehe nach draußen und folge den Buhrlos", erklärte er ka tegorisch. „Ich stelle euch frei, ob ihr mitkommen wollt oder nicht."
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Makos und der Pilot wechselten ei nen bestürzten Blick. Beiden wurde in der gleichen Sekunde klar, daß der Chemiker die Erkenntnis, daß sie ver loren waren und niemand sich um sie kümmern würde, weit weniger gut verkraftete als sie. Unter der rauhen und betont harten Schale erkannte Makos einen im Grunde höchst zer brechlichen Menschen, der den Ein sturz seiner für maßgeblich gehalte nen Meinung mit beginnender geisti ger Verwirrung kompensierte. Trotz der Mißachtung, die er seit dem Zwischenfall mit den Gläsernen für diesen Mann empfand, begann ei ne Mischung aus Mitleid und Verant wortung den Strahlenspezialisten zu beherrschen. Je heftiger man dem Kommandanten widersprach, desto mehr würde er sich in seinen Wahn hineinsteigern. Man durfte ihn nicht allein lassen. „Wir kommen mit", sagte er spon tan. Während er sich erhob, kam ihm zu Bewußtsein, daß er sich nicht anma ßen durfte, für andere Entscheidun gen zu treffen. Er wandte den Kopf und sah den Piloten gleichermaßen entschuldigend und fragend an. Der nickte zustimmend und stand eben falls auf. Lefton Hellst lächelte zufrieden. „Na also", brummte er. „Warum nicht gleich so." Das Nachgeben der anderen mochte für ihn eine Art Selbstbestätigung sein, ein Indiz dafür, daß seine Gedan ken doch nicht so abwegig waren, wie sie zunächst hingestellt wurden. Ma kos war es egal, wie der Chemiker es auffaßte. Ihm ging es darum, sich nicht später Vorwürfe machen zu müssen, daß der Kommandant ohne jede Unterstützung die Jet verlassen
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hatte. Wie widersinnig alles war, was er und andere taten! dachte er beklom men. Es war so gut wie ausgeschlos sen, daß es für sie noch ein Später ge ben würde. Sie nahmen den gleichen Weg, den auch die Buhrlos eingeschlagen hat ten. Es war ein für Notfälle vorgesehe ner Korridor, der die Zentrale direkt mit einer Luftschleuse verband. Da durch, daß er nicht durch die unteren Decks führte, waren auch hier keine schwerwiegenden Schäden aufgetre ten. „Wir sollten die Helme bereits schließen", empfahl Lefton, als sie das innere Schleusenschott erreichten. „Ich halte die Gläsernen für gerissen genug, dafür zu sorgen, daß sich das innere Schott öffnet, ohne daß das äu ßere geschlossen ist." Makos kam der Aufforderung schweigend nach, obwohl sie ihm ein mal mehr verdeutlichte, daß die ge danklichen Kombinationen des Kom mandanten längst nicht mehr reali tätsbezogen waren. Die technischen Sperren und Sicherheitsvorkehrun gen ließen eine derartige Manipula tion überhaupt nicht zu. Wie er es erwartete, funktionierte der Schleusenmechanismus einwand frei. Ein kehliges Knurren, das wohl ausdrücken sollte, wie wenig er von den Buhrlos hielt, war Leftons einzi ger Kommentar dazu. Makos kümmerte sich nicht darum. Als erster betätigte er sein Rückstoß aggregat und flog aus der Schleusen kammer hinaus. Die anderen folgten ihm nach kurzem Zögern. Zehn Meter neben der Space-Jet setzten sie auf dem Meteor auf. Von hier aus war das ganze Ausmaß der Zerstörung zu überblicken, und
41 Makos bezeichnete es im nachhinein als Wunder, daß sie den Absturz über lebt hatten. Dem Piloten mußte es ge lungen sein, den Diskus tangential auf den planetaren Trümmerbrocken zu zusteuern. In spitzem Winkel war das Schiff aufgekommen. Der untere Teil war fast völlig zerfetzt und stellenwei se von kleineren Explosionen zerris sen. Verbeulte und aufgeplatzte Außenwände, herabgestürzte und ge brochene Verstrebungen, geborstene Decks und die zahlreichen Trümmer zerstörter Maschinen waren stumme Zeugen der Katastrophe. Lediglich der obere Abschnitt mit der Zentrale, der Notschleuse und einigen externen Energiespeichern war unversehrt geblieben. Dieser fast unglaubliche Zufall hatte ihnen das Leben gerettet. Kopfschüttelnd wandte Makos sich ab. Neben ihm hob Lefton einen Arm. „Diese Richtung", bestimmte er knapp. Ohne die Meinung seiner Begleiter abzuwarten, ging er los. Makos und dem Piloten blieb nichts übrig, als ihm zu folgen. Es war die gleiche Rou te, die vor ihnen die Gläsernen ge wählt hatten. Wahrscheinlich ver sprach sich Lefton davon den meisten Erfolg. Makos war dagegen überzeugt, daß diese Richtung genauso gut oder schlecht war wie jede andere. Der Meteor besaß nur eine sehr ge ringe Schwerkraft. Die Aggregate der Raumanzüge vermittelten ihren Trä gern jedoch den Eindruck einer nor malen, auf SOL-Verhältnisse bezoge nen Gravitation. Auf diese Weise hat ten sie keine Schwierigkeiten, sich auf der Oberfläche des Trümmerbrockens zu bewegen. Dennoch fühlte sich Makos hier noch einsamer und verlorener als in
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der Zentrale des Schiffes. Der glasier te Untergrund wirkte gespentisch und existenzbedrohend, und wenn er die Arme ausstreckte, kam es ihm vor, als könnte er nach den Sternen greifen und sie zu sich herabziehen. Er schätzte die Zeit, die sie sich in dieser öden Landschaft bewegten, auf fünfzehn oder weniger Minuten, als die Buhrlos vor ihnen auftauchten. Wie Schemen schälten sie sich aus der Düsternis des Hintergrunds. Schwer fällig fließenden Schatten gleich, ge rieten sie in die Lichtfinger der Helm scheinwerfer und nahmen Gestalt an. Makos beobachtete, wie sie versuch ten, ihnen durch Gesten etwas mitzu teilen. In den vergangen Jahren hatten die Gläsernen damit begonnen, für ihre Aufenthalte im Raum eine Zei chensprache zu entwickeln, um sich untereinander verständigen zu kön nen. Zwar war sie noch lange nicht ausgereift, doch gereichte sie zumin dest dazu, wichtige Botschaften wei terzugeben. In diesem Moment bereute der Strahlenspezialist, daß er sich bisher nicht näher damit befaßt hatte. Die Zeichen der Buhrlos blieben für ihn ohne Sinn. Den anderen würde es kaum leichter fallen, die Gesten zu deuten. „Zum Teufel!" hörte er den Ausruf des Kommandanten in seinem Helm empfänger. „Sie wollen ins Schiff zu rück!" Im Bruchteil einer Sekunde hatte er seine Waffe gezogen und abgedrückt. Makos und der Pilot waren viel zu überrascht, um ihn daran zu hindern. Ein Lichtblitz zuckte auf, und der Bo den vor den Gläsernen begann sich zu verflüssigen. Abrupt blieben die Buhrlos stehen. Sie zögerten kurz, dann wandten sie sich um und ergrif
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fen die Flucht. Hinter einer flachen Bodenerhebung fanden sie Deckung. Die unerwartete Begegnung mit den Weltraumgeborenen mußte dem Kommandanten die letzte Beherr schung geraubt haben. Makos sah, wie er, den Blaster in der Hand, mit ausge strecktem Arm sorgfältig zielte. Er schien entschlossen, den Hügel zu zer schmelzen und die Gläsernen zu töten. „Hör auf!" schrie der Strahlenspe zialist entsetzt. „Das ist Wahnsinn!" „Halt's Maul! Du weißt nicht, wor um es geht!" Makos handelte, ohne zu überlegen. In ihm war nur das brennende Ver langen, das Unrecht zu verhindern. Er mußte Lefton aufhalten, dem Irrsinn ein Ende setzen — eines anderen Ge danken war er nicht mehr fähig. Blitz artig, fast ohne bewußtes Zutun, senk te sich seine Rechte auf den Schalt kontakt des Rückstoßaggregats. Wie ein Pfeil schoß er auf den Chemiker zu. Lefton, der damit nicht gerechnet hatte, wurde von dem Angriff über rascht. Zur Gegenwehr blieb ihm kei ne Zeit. Im gleichen Moment, als der Zusammenprall erfolgte, löste sich sein Schuß. Die Strahlbahn ging ins Leere. Er taumelte zur Seite und betä tigte zugleich die Steuerdüsen des Rückentornisters, um mehr Bewe gungsspielraum zu bekommen. Sein Handgriff jedoch war hastig und ziel los. Der Schub hob ihn schräg vom Boden ab. Kopflos ruderte er mit den Armen und verlor dabei die Waffe, die langsam nach unten trudelte. Nach ei ner Weile erst gelang es ihm, folgerich tig zu handeln und seinen Flug unter Kontrolle zu bringen. Er sank auf die Oberfläche des Meteors zurück. Der Strahlenspezialist erwartete ei ne heftige Reaktion, einen tätlichen
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Angriff vielleicht oder zumindest wü ste Beschimpfungen. Lefton aber stand reglos da und beobachtete die Buhrlos, die zögernd hinter ihrer Dek kung hervorkamen. „Das wirst du bereuen, Makos", sagte er. Sein Tonfall verriet, daß er sich nur mühsam beherrschte. Inner lich bebte er. „Du wirst es bereuen!" Makos senkte betroffen den Kopf. Er schwieg. Nicht einmal jetzt wurde der Chemiker vernünftig, dachte er voller Bitterkeit. In seinem Wahn pro jizierte er den Haß gegen die Gläser nen auch auf jene, die ihn daran hin derten, sich ins moralische Abseits zu stellen. Erst jetzt bemerkte Makos, daß der Pilot seine Waffe gezogen hatte und auf den Kommandanten richtete. Er machte damit deutlich, daß auch er sich gegen Lefton stellte und notfalls nicht zögern würde abzudrücken, wenn dieser abermals gegen die Buhr los vorgehen sollte. Die Tragik, die in alldem lag, war nicht zu verkennen. Sie waren acht Menschen, verschollen auf einem ein samen Meteor, verloren und verges sen . . . Sie waren darauf angewiesen, daß sie einander unterstützen und sich gegenseitig aufrichteten. Einer aber säte in maßloser Verblendung Unmut und Zwietracht, provozierte Gegnerschaft und Gewalt — und er zerstörte damit alles, was in ihrer Lage an menschlicher Gemeinsamkeit nö tig gewesen wäre. Makos begriff, daß dieser Mann Hil fe brauchte — psychotherapeutische Hilfe. Sie konnten hier jedoch nichts anderes tun, als ihn unter Androhung von Waffengebrauch zur Räson zu bringen. Es nützte weder ihm noch den anderen. Es machte alles höch stens noch schlimmer.
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Die Gedanken des Strahlenspeziali sten wurden unterbrochen, als die Buhrlos sie erreichten. Abermals ge stikulierten sie, deuteten dabei häufi ger in Richtung der Space-Jet. Makos verstand nur so viel, daß sie offen sichtlich nicht gefunden hatten, wo nach sie suchten. Er hatte nichts ande res erwartet. „Wir sollten umkehren", schlug er vor. Er wunderte sich, daß er keinerlei Angst mehr verspürte. Er empfand ei ne unnatürliche Abgeklärtheit. „In der Jet haben wir etwas länger zu le ben." Niemand antwortete. Die Rückkehr der Gläsernen hatte ihnen allen deut lich gemacht, daß sie sich aus eigener Kraft nicht retten konnten. Plötzlich war es Makos gleichgültig, wie die anderen sich verhielten. Ob sie ihm folgten oder eine andere Richtung ein schlugen, kümmerte ihn nicht mehr. Wortlos wandte er sich ab. Er hatte den ersten Schritt noch nicht getan, als ein blendendes Licht über ihn hinwegzog. Mitten in der Bewegung hielt er in ne. Etwas versetzte ihm einen Stich ins Herz, und seine Gedanken rasten. Er drehte sich um sich selbst, suchte in der Dunkelheit nach dem Objekt, von dem das Licht ausgegangen war. Schlagartig verwandelte sich sein resi gnierendes Phlegma in hoffungsvolle Euphorie. Die Helligkeit streifte ihn ein zweites Mal — und er erkannte den diskusförmigen Flugkörper, der sich langsam herniedersenkte. „Mein Gott!" rief er mit erstickter Stimme. In seinen Augen standen Trä nen. „Das ist eine Space-Jet!" „Sie holen uns", hörte er das Schrei en des Piloten. „Wahrhaftig, sie holen uns!" *
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Müde, ausgelaugt und erschöpft lehnte Joscan in seinem Kontursessel. Noch konnte er es kaum glauben, daß er das Schiff sicher auf dem Meteor aufgesetzt hatte. An den Rückflug durfte er nicht denken. Er würde zwar nicht schwerer, dafür aber um so stra paziöser werden. Bereits jetzt spürte er eine bleierne Schwere in seinen Kno chen, und er fürchtete sich davor, die nötige Konzentration und Genauig keit nicht mehr aufbringen zu können. Die Genugtuung, die er empfand, als die Schiffbrüchigen die Zentrale betraten, war geringer, als er geglaubt hatte. Er freute sich aufrichtig, daß sie gerettet waren, aber der innere Triumph gegenüber dem Chef der SOL-Arbeitsgemeinschaft blieb zu mindest jetzt noch aus. Das Lächeln, mit dem er die Ankömmlinge begrüß te, wirkte teilnahmslos angesichts des sen, was er ausgestanden hatte. Das änderte sich erst, als er sah, daß zwei Männer einen dritten mit vorge haltenen Blastem bedrohten. In Ex tremsituationen, in denen Nerven und Beherrschung der Beteiligten auf harte Proben gestellt wurden, kam es oft genug vor, daß selbst unter jah relangen Kameraden und Freunden schwelende Konflikte ausbrachen und zu unkontrollierbaren Gewalttä tigkeiten führten. In diesem Fall war die Erklärung jedoch in einem ande ren Bereich zu suchen. Joscan begriff es, als er den, der von den anderen in Schach gehalten wurde, als Lefton Hellst identifizierte. Während die Buhrlos und die bei den Männer unsicher im Eingang ste hen blieben, ging der Chemiker einige Schritte auf ihn zu. „Bist du hier der Kommandant?" fragte er mit unangebrachter Gelas senheit.
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Der ehemalige Sprecher der Solge borenen kniff die Augenlider zusam men. „Ja." Die Waffen, die auf ihn gerichtet wa ren, ignorierte Lefton. Seine Haltung drückte aus, wie überlegen er sich in Joscans Gegenwart fühlte. „Nimm diese Leute fest, Jose!" for derte er. „Aus welchem Grund?" „Die Gläsernen verließen gegen meinen Befehl das Schiff, und die bei den anderen haben mich gewaltsam daran gehindert, sie zu bestrafen. Sie alle haben sich damit des Verrats schuldig gemacht." Joscan deutete ein Lachen an, in dem er die Mundwinkel verzog und stoßartig ausatmete. Lefton Hellst war ihm kein Unbe kannter, zeitweise hatten sie sich so gar auf einer fast freundschaftlichen Basis verstanden. Ihre Beziehung än derte sich erst, als Leftons ständige Gefährtin einen Halbbuhrlo gebar — zu einer Zeit, als die ersten Menschen mit geschlossener Glashaut bereits lebten und überall als das Nonplusul tra der Evolution verehrt wurden. Der Chemiker litt darunter, daß sein Sohn lediglich Buhrlo-Narben besaß und in seinen Augen weder Fleisch noch Fisch war. Von Freunden und Be kannten zog er sich zurück, wurde ein Einzelgänger, dessen persönliche Bit terkeit allmählich in eine tiefsitzende Verachtung für all jene umschlug, die ein größeres Maß der Vollkommen heit besaßen als der eigene Sohn. Warum die Arge SOL es zuließ, daß ausgerechnet dieser Mann an einer Ex pedition teilnahm, der fünf vollwertige Buhrlos angehörten, blieb Joscan un verständlich. Die Einstellung des Che mikers war bekannt, und trotz der
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zweifellos vorhandenen wissenschaft lichen Qualifikation war seine Beru fung zu dem Unternehmen leichtsin nig und fahrlässig. Man hätte damit rechnen müssen, daß es Konflikte ge ben würde. Joscan zumindest brauchte nicht viel Vorstellungsvermögen, um sich auszumalen, was an Bord der SpaceJet vorgefallen war. „Das Urteil darüber, ob jemand ein Verräter ist", sagte er leise, „obliegt weder dir noch mir." Lefton drehte sich zur Seite und deutete anklagend auf die übrigen Schiffbrüchigen. „Du siehst es doch selbst, Jose! Ich bin der Kommandant des Unterneh mens, und meine Leute bedrohen mich mit entsicherten Waffen. Brauchst du noch mehr Beweise?" „Für mich sind das keine Beweise. Es zeigt mir lediglich, daß zwischen dir und ihnen handfeste Meinungsver schiedenheiten bestehen. Ich wage nicht zu beurteilen, wer sie verursacht hat." Lefton verlor bei diesen Worten sei ne Selbstsicherheit. Er schien regel recht einzufallen. Der Kybernetiker beobachtete, wie die beiden anderen Männer zögernd ihre Waffen weg steckten. Gleichzeitig kam in die Gruppe der Gläsernen Unruhe. Eine Buhrlo-Frau trat vor. „Ich will mich nicht Einzelheiten verlieren", sagte sie schrill und gesti kulierte erregt, „aber dieser Mann hat verantwortungslose Anordnungen ge troffen und dabei deutlich zu verste hen gegeben, daß ihm das Leben von uns Buhrlos nichts wert ist. Deshalb sind wir aufsässig geworden. Ich gebe das zu, und ich betone, daß ich mich nicht im Unrecht fühle!" Joscans Blicke wanderten von Lef
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ton zu der Frau und zurück — und er bemerkte den Haß, der aus beider Au gen sprühte. Zwischen diesen eigen sinnigen, extrem aggressiven Men schen würde er nicht vermitteln kön nen. „Ihr alle könnt froh sein, daß ihr überhaupt noch lebt", mischte sich Federspiel ein. „Es war schwer genug, auf dem Meteor zu landen, und es wird ebenso schwer werden, zurück zur SOL zu kommen. Anstatt euch gegen seitig anzufeinden und zu beschuldi gen, solltet ihr besser den Mund hal ten und nicht alles unnötig komplizie ren." Für Lefton war das wie ein Signal. Als hätte er für seine mühsam unter drückte Angriffslust endlich ein neues Ventil gefunden, ruckte sein Kopf herum. „Ich lasse mir keine Vorschriften machen, wie ich mich zu verhalten ha be!" schrie er den Jüngeren an. Im gleichen Moment verzerrt sich sein Gesicht, und sein Körper zuckte wie unter einem Stromstoß. Alles um sich herum schien er zu vergessen. Voller Wut stürzte er auf Federspiel zu. Aber er kam nicht weit. Blitzschnell löste sich Bjo Breiskoll aus seinem Sitz, als er erkannte, was der Chemiker vorhatte. Er erreichte ihn im Bruchteil einer Sekunde. Mit lautlos fließenden, kraftvollen Bewe gungen zog er ihn herum, drehte ihn um seine Achse und bog seine Arme auf den Rücken. Lefton schrie und versuchte, sich aus der Umklamme rung zu befreien, doch der Katzer hielt ihn sicher im Griff. „Benimm dich, Mann!" raunte er ihm zu, als sei das Problem damit erle digt. „Wir sind nicht hier, um uns mit Wirrköpfen wie dir zu zanken."
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Joscan schloß müde die Augen. Er sträubte sich dagegen, die Szene wei ter zu beobachten. Das Verhalten des Chemikers machte ihm deutlich, daß dessen Verbitterung und Engstirnig keit längst in kaum noch kontrollier bare Dimensionen gewachsen waren. Wenn sie die SOL jemals wieder er reichten, würde er sich darum küm mern müssen, daß Lefton schnellstens ärztliche Hilfe zuteil wurde — bevor er dem sich abzeichnenden Wahnsinn völlig verfiel.
Etwas war anders als sonst. Gravo Yaal spürte es, ohne daß er bewußt sa gen konnte, worin der Grund für sein Unbehagen lag. Vielleicht war alles nur Einbildung, und er machte sich Gedanken über Dinge, die keinerlei Bedeutung besaßen. Dennoch ver mochte er dieses merkwürdige Gefühl nicht zu unterdrücken. Irgendwie glaubte er sich beobachtet. Tausend unsichtbare Augen schienen ihn fortwährend anzustarren und sei nen Weg zu verfolgen. Eine seltsame Stimmung herrschte unter den Sola nern, wie das verhaltene Brodeln eines Vulkans kurz vor dem Ausbruch. Ge schürt wurde es durch das gespannte Warten darauf, ob Joscan Hellmuts Extratour erfolgreich verlief. Der Start des Kybernetikers und zwei seiner Freunde hatte sich längst herumgesprochen. Die Arge SOL selbst hatte dafür gesorgt, daß es jeder erfuhr, der sich überhaupt für Aktua litäten interessiert, und keinen Zwei fel daran gelassen, daß Joscans Allein gang als Kompetenzüberschreitung geahndet werden würde. Zwar war dies ganz in Gavro Yaals Sinn, weil er die Chance witterte, den Mann, den er
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immer als Widersacher betrachtet hat te, endlich in Gefangenschaft zu se hen, doch schien bei der Mehrzahl der Menschen die Meinung vorzuherr schen, daß die Handlungsweise des Kybernetikers die einzig richtige war. Wenn Joscan die Schiffbrüchigen barg, würde die Arbeitsgemeinschaft es schwer haben, eine Verhaftung zu rechtfertigen. Ein Konflikt lag in der Luft — und es mochte durchaus sein, daß dies die eigentliche Ursache dafür darstelllte, daß Gavro sich verfolgt fühlte. Häufi ger als sonst begegnete er Sicherheits kommandos und patrouillierenden Robotern. In die Zentrale traute er sich kaum noch. Er war dort nicht gern gesehen, und man hatte ihm das mehr als einmal deutlich zu verstehen gegeben. Die Solaner schätzten ihn ebenfalls nicht sonderlich, weil be kannt war, daß er für Joscan keinerlei Sympathie hegte. Manchmal kam es ihm vor, als befände er sich zwischen zwei Fronten, die gleichermaßen nichts mehr mit ihm zu tun haben wollten. Er schüttelte unwillig den Kopf, als er sein Labor betrat. Von dem, was ihn beschäftigte, wollte er sich nichts an merken lassen. Es brauchte nicht je der zu wissen, was in ihm vorging. Ein Mitarbeiter kam ihm entgegen und gestikulierte heftig. „Hast du es schon gehört, Gavro?" „Was?" fragte er unwillig. „Joscans Space-Jet ist vor ein paar Minuten von dem Meteor gestartet", berichtete der andere voller Enthu siasmus. „Sie haben es eben durchge geben. Allerdings sind sie nicht sicher, ob er noch Überlebende gefunden hat." „Wahrscheinlich nicht", brummte Gavro.
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Er wollte sich abwenden, doch der andere packte ihn am Arm und hielt ihn fest. „Wenn doch, ist er rehabilitiert. Dann ist bewiesen, daß er nicht gegen die Interessen der Solaner verstoßen hat." Gavro starrte ihn an. „Würdest du mich bitte loslassen?" Seine betonte Höflichkeit war nichts anderes als verhaltene Aggres sivität. Der andere merkte das und fuhr erschrocken zurück. Seine Augen weiteten sich. „Was hast d u ? " „Ich kann es nicht ausstehen", fuhr der Kosmobiologe ihn an, „wenn Jos can Hellmut allerorten als Held ange sehen wird. Er hat eigenmächtig ge handelt und die Anweisungen der Ar beitsgemeinschaft bewußt mißachtet. Dafür m u ß er bestraft werden — ganz gleich, ob er mit Überlebenden zu rückkommt oder nicht." „Du redest Unsinn", hielt sein Kol lege ihm vor. „Der Versuch, Men schenleben zu retten, kann nicht strafbar sein." „Er ist es in dem Moment, wenn da durch weitere Leben aufs Spiel ge setzt werden!" „Aber das ist nicht geschehen! Er handelte auf eigene Faust und auf ei genes Risiko, ebenso seine Begleiter. Kein anderer Solaner wird dadurch gefährdet." „Das tut doch gar nichts zur Sa che!" brauste Gavro auf. „Maßgebend ist, daß er in krimineller Weise eine Jet in seinen Besitz gebracht und gegen die Interessen aller Menschen an Bord gehandelt hat. Die Chance, daß die Expeditionsteilnehmer noch leben, ist so gut wie Null. Das weiß ich, du weißt es, und Joscan weiß es auch! Trotz dem schlägt er zwei Menschen zusam
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men und stiehlt ein Raumfahrzeug!" Der andere senkte kurz den Blick, dann hob er den Kopf und sah Gavro erschüttert an. „Es war mir klar, daß du von Joscan Hellmut nicht viel hältst", sagte er lei se. „Aber ich wußte nicht, daß du ihn haßtl" Er drehte sich um und ging zu sei nem Arbeitsplatz zurück, ohne den Kosmobiologen weiter zu beachten. Einmal mehr wurde Gavro Yaal be wußt, wie sehr er sich längst von allen anderen Solanern distanziert hatte. Nie war es ihm wirklich gelungen, sei nen Popularitätsverlust zu verkraften. Immer wieder hatte er versucht, sei nen Einfluß von früher zurückzuge winnen — und wenn es nur dadurch war, daß er fortwährend gegen Joscan Hellmut stänkerte. Genutzt hatte ihm das alles nichts. Er fand heute weniger Anhänger den je. Aber er war nicht der Mann, der sich deswegen lange grämte. Er war höch stens noch eigensinniger geworden, härter und unnachgiebiger, vielleicht auch etwas verschlossener. Manchmal, wenn er eine besonders große Schlappe erlitten hatte, kom pensierte er seinen Ärger, indem er sich mit nahezu fanatischem Eifer auf seine Arbeit konzentrierte. Das würde er auch jetzt tun, beschloß er insge heim. Es lenkte ihn ab und brachte ihn auf andere Gedanken. Zur Zeit experimentierte er mit künstlich erzeugter plasmatischer Substanz, deren Widerstandsfähigkeit gegen verschiedene Arten energeti scher Strahlung er testete. Vielfach hatte er deswegen Kritik hauptsäch lich moralischer Natur geerntet. Doch darum kümmerte er sich nicht. Für seine Begriffe gab es keinen Grund, die Versuche einzustellen.
Die Schläfer
Nach dem gerade beendeten Disput noch etwas mürrisch, begrüßte der Kosmobiologe seinen Assistenten, der das Plasma während seiner Abwesen heit überwacht hatte. „Neuigkeiten?" fragte er knapp. Der junge Mann schüttelte den Kopf. „Keine. Es hat sich nichts verän dert." „Gut." Gavro Yaal nickte kurz. „Du kannst gehen, wenn du möchtest. Ich brauche dich im Moment nicht." Der andere schien zu merken, wie gereizt der Kosmobiologe war, denn er entfernte sich ausgesprochen hastig. Seine einzige Aufgabe bestand ohne hin nur darin, die Substanz ständig zu beobachten und jede außergewöhnli che Veränderung sofort zu melden. Vielleicht war er auch froh, das Labor verlassen zu können. Etlichen seiner Mitarbeiter war Gravors Experiment im höchsten Grad unheimlich und furchteinflößend. Er selbst konnte darüber nur lä cheln. Er fand es faszinierend, mit die sem Organismus zu arbeiten. Das Plasma befand sich in einer et wa zehn Quadratmeter großen Nische, die durch eine Panzerglaswand vom eigentlichen Labor getrennt war. Dek ke und Wände waren mit einer Viel zahl von Projektoren bestückt, mittels derer der kleine Raum mit Strahl schauern überschüttet werden konn te. Die Substanz selbst beanspruchte einen Rauminhalt von annähernd an derthalb Kubikmetern. Sie war zäh und bildete einen blaßgrünen Klum pen. Manchmal bewegte sie sich träge. Gavro Yaal hatte sie aus verschiede nen, unabhängig voneinander erzeug ten Zellkulturen zusammengefügt, ohne daß diese sich gegenseitig ab stießen oder sich weigerten, eine Ver
49 bindung miteinander einzugehen. Das allein war schon ein Erfolg. Aber Gav ro wollte mehr — er suchte nach der Strahlungsart, die das Plasma zum Wachstum anregte. Sorgfältig nahm er einige Justierun gen vor und verglich sie mehrmals mit dem Plan, den er sich vor mehreren Tagen bereits zurechtgelegt hatte. Erst als er sicher war, daß ihm kein noch so flüchtiger Fehler unterlaufen war, schaltete er die Projektoren ein. Akustisch und optisch änderte sich hinter der Panzerglasscheibe nichts. Lediglich die Anzeigen auf seinem Kontrollpult bewiesen dem Kosmo biologen, daß die Substanz von hoch frequenter Strahlung berieselt wurde. Die Dauer dieses Versuchs hatte er mit vierzig Minuten vorgesehen. Da nach würde er eine Plasmaprobe un tersuchen, um festzustellen, ob Ver änderungen aufgetreten waren, die man äußerlich nicht ohne weiteres erkennen konnte. Bequem lehnte er sich in seinem Ar beitssessel zurück. Ständig kontrol lierte er die Anzeigen und Meßwerte, die auf kleinen Monitoren sichtbar wurden, um Abweichungen von der vorgegebenen Norm sofort feststellen zu können. Bis jetzt verlief das Experi ment nach Plan. Dennoch spürte Gavro Yaal plötz lich wieder jene Unruhe, die ihm seit einiger Zeit zu schaffen machte. Un willkürlich wandte er den Kopf, um zu sehen, ob ihn jemand beobachtete. Es war nicht der Fall. Die Leute im Labor beschäftigten sich alle konzentriert mit ihrer Arbeit. Wenn er nur wüßte, was mit ihm los war! dachte er verwirrt, während er abermals die Kontrollen ins Auge faßte. Eine der Anzeigen näherte sich dem
50 Grenzwert. Der Beta-C-Komplex des Strahlenvolumens war sprunghaft an gestiegen. Alarmiert richtete sich der Kosmo biologe auf. Die Erhöhung der Strahlenkompo nente bedeutete an sich keine Gefahr, solange sie sich in den Toleranzgren zen hielt. Aber sie war im heutigen Programm nicht vorgesehen, und das weckte sofort Gavro Yaals Argwohn. Plötzlich begann er zu ahnen, worin der Anlaß seines Unbehagens lag. Die ganze Zeit über mußte er es unbewußt gespürt haben, ohne den Eindruck konkret fassen zu können. Jemand wollte ihm schaden! Jemand hatte am Aufbau seiner Ge räte eine Manipulation vorgenommen! Mit hastigen Bewegungen versuchte er, die Justierung zu korrigieren. Wäh rend er sich vorbeugte, erkannte er auf einem zweiten Instrument, wie der Druck innerhalb der Versuchskam mer sich erhöhte. Ein helles Singen lag mit einemmal in der Luft. Gavro merkte, daß er vor Erregung schneller atmete. Schlagartig begriff er, daß er in höchster Gefahr schweb te. Seine Handflächen wurden feucht, die Arme begannen zu zittern. Er wuß te nicht, was er als erstes tun sollte, um die Katastrophe zu verhindern. Das al les ging über seinen Verstand und ent glitt mehr und mehr seiner Kontrolle. Über die Panzerglasscheibe zog sich ein farbiges Flimmern, wie das bunte Glitzern zahlloser Kristalle. Der Plas maklumpen bewegte sich rhythmisch, als würde er Luft einsaugen und sie sogleich wieder ablassen. An seiner Oberfläche bildeten sich Pseudopo dien, die wie tastend umherschwan gen. Die Augen des Kosmobiologen wei teten sich voller Entsetzen. Maßlose
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Angst bemächtigte sich seiner. „Helft mir!" krächzte er. Niemand schien sich um die Vorgänge zu küm mern. „So helft mir doch!" Das Singen wurde lauter, die Farb schleier über dem Glas verstärkten sich. „He, was ist da los?" hörte Gavro je mand schreien. Im gleichen Moment begriff er, daß er sich nur noch durch Flucht retten konnte. Hastig sprang er auf, wollte sich umwenden . . . Da barst die Scheibe. Mit ohrenbetäubendem Knall zer brach das Glas, und der Druck, der im Innern der Versuchskammer herrsch te, schleuderte die Scherben ins La bor. Gavor sah, wie auch der Plasma klumpen auf ihn zuflog. Ein Splitter streifte seinen Arm und riß eine blu tende Wunde. Instinktiv duckteer sich, um weiteren Verletzungen zu entge hen. Er spürte den Schmerz, als ein weiteres Bruchstück seine Seite traf und tief ins Fleisch schnitt. Dann sah er die Organmasse, die ihm entgegen raste. Der Aufprall, begleitet von ei nem platschenden Geräusch, warf ihn von den Beinen. Er schrie vor Schmerz und Todes angst. Voller Panik versuchte er, sich von dem Plasma zu befreien, doch sei ne Arme griffen in widerlich zähe Sub stanz und versanken darin, ohne sie auch nur ein Stück zur Seite zu bewe gen. Was für ein Monstrum hatte er ge schaffen! jagte der Gedanke durch sei nen Kopf. Die Masse würde ihn er drücken! Schon jetzt bekam er kaum noch Luft. Farbige Schlieren tanzten vor seinen Augen. Wie aus weiter Ferne vernahm er die aufgeregten Schreie und Kommandos der übrigen Wissen
Die Schläfer
schaftler. Verschwommen schälte sich die Überlegung in sein Bewußtsein, daß eine Panzerglasscheibe nicht ohne weiteres zersprang, wenn sie nicht ent sprechend präpariert w u r d e . . . daß hier Sabotage im Spiel war, die ihn ums Leben bringen sollte . . . Mit seiner Existenz schloß er ab. Er fühlte sich schwerelos. Die Schleier vor seinem Blick verdichteten sich zu endgültiger Schwärze. Er merkte nicht mehr, wie ein Ener giestrahl den Plasmaklumpen erfaßte. Er sah nicht, wie einige Leute die Re ste der Substanz von seinem Körper zerrten. Er hörte nicht, wie sich zwei Medo-Roboter surrend näherten, und spürte nicht, wie sie damit begannen, seine Verletzungen zu behandeln.
„Ich habe es gleich gesagt!" schimpfte Elzbieta. „Es konnte so nicht funktionieren!" Mit einer Mischung aus Einsicht und Ärger sah Cleton sie an. Seine Wangenknochen traten hervor. „Natürlich hätte es funktionieren können. Ein paar Sekunden später, und er wäre tot gewesen. Wir haben Pech gehabt, das ist alles." „Du hättest auf mich hören und dir einen anderen Plan zurechtlegen sol len. Jetzt ist es zu spät dazu." Cleton nickte verdrossen. „Ich weiß", sagte er einsilbig. Gavro Yaal hatte den Anschlag, der wie ein Unfall aussehen sollte, über lebt. Er lag in einer Medo-Station und erholte sich rasch von seinen Verlet zungen. In weniger als einem Tag be reits würden die Wunden verheilt sein, und der Schock, den er erlitten hatte, saß nicht so tief, daß er ihn nicht eben
51 falls schnell überwinden würde. Der Chef der SOL-Arbeitsgemein schaft war seinem Ziel somit keinen Schritt näher gekommen. Einen zwei ten Unfall würde er nicht inszenieren können, ohne den Verdacht auf sich und seine Freunde zu lenken. Zumin dest des Kosmobiologen vermochte er sich nicht mehr ohne Probleme zu ent ledigen. „Was willst du t u n ? " fragte Elzbieta. „Wenn Gavro gemerkt hat, daß er ei nem Mordanschlag zum Opfer gefal len ist, dann wird er keine Ruhe ge ben, bis er weiß, wer dafür verant wortlich zeichnet." Cleton hob langsam die Schultern. „Wir müssen abwarten." „Was heißt das? Du hast nicht etwa vor, die Ärzte zu bestechen oder einen Medo-Roboter zur Mordmaschine um zufunktionieren? " „Unsinn!" lachte der Techniker auf. „Das wäre viel zu auffällig. — Nein, ich habe eine ganz andere Idee. Ich habe sie SENECA zur Prüfung vorgelegt. Wenn der Rechner ihre Tauglichkeit bestätigt, ist sie die optimale Lösung. Ich warte noch auf die Auswertung." Natürlich war er klug genug gewe sen, die Bioinpotronik nicht offen zu fragen, ob ein bestimmtes Vorhaben dazu geeignet sei, unliebsame Perso nen beiseite zu schaffen. Darauf hätte sich das Rechengehirn niemals einge lassen. Vielmehr hatte er die Fragestel lung so formuliert, daß SENECA kei nerlei Verdacht schöpfen konnte. „Taugt diese Idee auch für die ande ren?" wollte die Kommandantin des Sicherheitskommandos wissen. „Wie viele sind es überhaupt, die einen Dorn in deinem Auge bilden?" „Es sind fünf", antwortete Cleton bereitwillig. „Und die Idee taugt, wenn sie durchführbar ist, für sie
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alle!" Ein Anruf unterbrach das Gespräch. Der Raum, in dem Cleton Weisel seine Besprechungen vorzugsweise abhielt, befand sich unmittelbar neben der Zentrale im Mittelteil der SOL. Von dort meldete sich Suukar Lern. Ihr Abbild entstand dreidimensional auf einem Monitor. „Es gibt Neuigkeiten", berichtete die Dunkelhäutige aufgeregt. „Joscan Hellmut hat sich gemeldet." Der Chef der SOL-Arbeitsgemein schaft fuhr wie unter einem Peitschen hieb zusammen. Bisher war es nicht möglich gewesen, eine Verbindung zu der gestohlenen Space-Jet herzustel len, weil die Strahlung des Meteors die Funkimpulse überlagert und gestört hatte. Die Ungewißheit, ob der Kyber netiker noch Überlebende angetrof fen hatte, war damit zu einem wunden Punkt in Cletons Planung geworden. Jetzt erst, als sich das Beiboot dem Mutterschiff wieder näherte, konnte der Kontakt ermöglicht werden. „Und?" fragte Cleton ungeduldig. Auch Suukar Lern war über seine Absichten informiert. Sie machte eine fast bedauernde Geste. „Er hat alle Schiffbrüchigen an Bord." Der Techniker nickte gelassen. „Danke", sagte er einfach und schal tete den Interkom aus. „Soll ich meine Leute zurückzie hen?" fragte Elzbieta. „Ich habe jetzt keine Argumente mehr für eine Fest nahme." Cleton hob die Unterarme und beugte die Handflächen nach außen. „Warte noch", bat er. „Cleton!" beschwor sie ihn. „Unter diesen Umständen kannst du sie nicht verhaften lassen! Die Stimmung unter den Solanern ist eindeutig. Wenn Jos-
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can mit Überlebenden zurück kommt, hat er alle Sympathien." „Das ist mir durchaus bewußt, Elz..." Er fuhr herum, als ein Signal anzeig te, daß SENECA ihn zu sprechen wünschte. Vor einiger Zeit schon hat te er einen persönlichen Anschluß in diesen Raum legen lassen, den nur er benutzen durfte. Allerdings störte es ihn nicht, wenn die Kommandantin des Sicherheitstrupps die Auswertung mitbekam. Er mußte sie ohnehin in formieren, sollte sie ihn weiter unter stützen. Hastig tippte er sein Kodesi gnal ein. „Meine Ermittlungen zu deinem Fragenkomplex Projekt Überleben sind abgeschlossen", sagte die Bioin potronik mit ihrer wohlklingenden Stimme. „Die Errichtung von Schlaf kammern für Personen, die in der Zu kunft für die SOL wichtig sein könn ten, ist technisch durchführbar. Kon trolle und Wartung können über Jahr hunderte sichergestellt werden." „Sehr gut." Nur mit Mühe zügelte der Chef der Arbeitsgemeinschaft sei ne Ungeduld. „Wie lange wird es dau ern, bis fünf solcher Schlafkammern errichtet und einsetzbar sind?" „Acht bis zehn Tage", antwortete SENECA. „Schätzungsweise." „Schneller nicht?" „Das wüßte ich aber." Für diese Auskunft hätte Cleton am liebsten gegen die Verkleidung der Konsole getreten. Aber er beherrsch te sich. Er trennte die Verbindung und wandte sich um. Die Andeutung eines Lächelns spielte um seine Lippen. Elzbieta starrte ihn aus geweiteten Augen an. Fassungslos schüttelte sie den Kopf. „Du bist ein Teufel, Cleton", flüster te sie mit widerwilliger Bewunderung.
Die Schläfer
Sein Lächeln wurde breiter. „Wir machen uns die Stimmung an Bord zunutze", kündigte er an. „In ei ner großangelegten Kampagne wer den wir die Verdienste Joscans und seiner Freunde herausstellen und be tonen, daß sie mit ihren besonderen Fähigkeiten die einzigen waren, de nen es gelingen konnte, die Schiffbrü chigen zu retten. Wir werden den Sola nern beibringen, wie wertvoll diese Leute auch für die Zukunft sind und wie wichtig es ist, ihr Leben über ei nen ungewöhlich langen Zeitraum zu erhalten — damit sie in großer Gefahr oder bei schweren Krisen geweckt und zur Unterstützung herangezogen werden k ö n n e n . . . " Elzbieta lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. Die Argumentation des Technikers gefiel ihr. Eine elegantere Art, die ungelieb ten und für den Bestand der SOL-Ar beitsgemeinschaft gefährlichen Perso nen aus dem Weg zu räumen — noch dazu mit voller Unterstützung der Be satzung —, war kaum denkbar. Wenn Cletons Rechnung aufging, war sie ge nial. „Ich werde also meine Leute nicht abziehen", bestätigte die Frau und drückte damit ihre Zustimmung aus. „Statt Joscan und seine Freunde zu verhaften, werden sie als Eskorte auf geboten, damit diesen wertvollen Per sonen nicht kurz vor ihrem Abgang noch etwas zustößt." Das klang spöttisch, aber Cleton wußte, daß es durchaus ernst gemeint war. „Richtig." „Was ist mit Gavro Yaal?" wollte Elzbieta wissen. „Gehört er auch zur Gruppe der künftigen Tiefschläfer?" „Natürlich. Sein letztes Experiment ist zwar gescheitert, aber er hat damit
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bewiesen, welche Kapazität er dar stellt und zu welchen wissenschaftli chen Leistungen er fähig sein kann. Unter Umständen wird auch er später noch gebraucht." Elzbieta nickte nachdenklich. , „Gavro Yaal, Joscan Hellmut, Bjo Breiskoll, Federspiel", zählte sie auf. „Das sind vier Leute. Wer ist der fünfte?" „Weißt du es wirklich nicht?" Sie verengte die Augenlider. „Sternfeuer?" riet sie. „Die Mutan tin?" Cleton Weisel breitete lässig die Ar me aus. „Sternfeuer", bekräftigte er. „Wer sonst!" * Ruckartig richtete Federspiel sich auf. Seine Augen funkelten. „Sternfeuer!" stieß er hervor. „Sie ist in Bedrängnis!" Joscan wandte den Kopf und sah den Jüngeren beunruhigt an. „Was ist passiert? " Federspiel saß kerzengerade in sei nem Sessel. Er wirkte angespannt und konzentriert, als lausche er aufmerk sam in sich hinein. Auf diese Weise versuchte er, den ohnehin ständig exi stierenden Kontakt zu seiner Schwe ster zu verstärken und einen intensi veren Gedankenaustausch herbeizu führen. Manchmal zuckten seine Mundwinkel. Dann, nach einer Weile, schüttelte er den Kopf. Resignierend sank er in sich zusammen. „Meine Fähigkeiten sind zu schwach", sagte er. „Ich weiß zwar, daß Sternfeuer in Schwierigkeiten ist, aber ich kann nicht feststellen, was ge nau vor sich geht." „Sie ist in Gewahrsam genommen
51 worden", berichtete Bjo Breiskoll ru hig. Er war ein wesentlich besserer Te lepath und hatte keine Probleme; auf die kurze Entfernung bestimmte Vor gänge auf der SOL zu verfolgen. Nach Federspiels Ausruf hatte auch er so fort seine psionischen Sinne einge setzt. „Sie soll von der Umwelt isoliert werden. Man hat ihr gesagt, sie sei zu wichtig, als daß man riskieren dürfe, daß ihr in irgendeiner Form etwas zu stößt." Auf Joscans Stirn bildeten sich stei le Falten. Seine Gedanken rasten. „Was soll das bedeuten?" fragte er alarmiert. „Infam!" schrie Federspiel mit ver zerrtem Gesicht. „Das ist infam! In Wahrheit wollen sie meine Schwester beseitigen. Sie ist ihnen unheimlich!" Der Katzer stand auf und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Bleib ruhig. Es ist, wie du sagst, aber wir dürfen uns deswegen nicht aus der Fassung bringen lassen. Sie haben es auch auf uns abgesehen, und wir müssen einen kühlen Kopf bewah ren, wenn wir ihnen entkommen wol len." Joscan warf einen Blick auf die Kon trollen und vergewisserte sich, daß der Autopilot nach den Impulsen des Leitstrahls von der SOL den Ein schleusvorgang korrekt steuern wür de. Dann drehte er den Sessel so, daß er dem Katzer in die Augen sehen konnte. „Willst du nicht endlich mit der Sprache herausrücken?" fragte er un gehalten. „Was ist auf der SOL los?" „Sie stehen im Hangar bereit, um uns abzufangen. Wir sollen eine Es korte bekommen — angeblich zu un serem Schutz." „Wozu das alles?" Joscan wurde im mer ungeduldiger. „Was haben sie mit
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uns vor, Bjo?" „Was weiß denn ich!" entgegnete der Katzer gereizt. „Erwartest du von mir, daß ich damit anfange, einzelne Bewußtseine zu sondieren, nur damit du auch über alle Hintergründe infor miert bist? Dazu bleibt keine Zeit mehr!" Der ehemalige Sprecher der Solge borenen blickte betreten zu Boden. Wahrscheinlich mutete er seinem Freund tatsächlich zu viel zu. Bis vor etwa einer halben Stunde hatte der Katzer seine ganze Konzentration dar auf verwenden müssen, die energeti schen Kraftlinien zu lokalisieren und präzise Anweisungen zu Kurskorrek turen zu geben. Das mußte ihn mehr mitgenommen und erschöpft haben, als ihm äußerlich anzumerken war. „Also gut!" Joscan gab sich einen Ruck. Bis die Space-Jet in den Hangar einflog, würden nur noch einige Minu ten vergehen. „Wir müssen uns ent scheiden, was wir tun wollen. Spielen wir das Spiel mit und warten, bis sich uns eine Gelegenheit zur Flucht bietet oder wehren wir uns?" „Wenn sie uns erst haben, werden sie uns keine Chance zur Flucht mehr lassen", sagte Federspiel. „Wir können auch nicht einfach um uns schießen", meinte Bjo unwirsch. „Abgesehen davon, daß sie dann nicht sehr zimperlich mit uns umgehen würden, bringen wir damit auch die Schiffbrüchigen in Gefahr." Makos Naratnam, der Pilot und die Buhrlos befanden sich in einem ge meinsamen Aufenthaltsraum, wäh rend Lefton Hellst in einer einzelnen, abgeschlossenen Kabine unterge bracht war. Ob sie die Space-Jet vor her, nachher oder gemeinsam mit Jos can und den beidern anderen verlie ßen — bei einem Schußwechsel waren
Die Schläfer
ren sie in jedem Fall gefährdet. „Wir warten ab, wie sich die Dinge entwickeln", entschied der Kyberneti ker. „Es hat keinen Sinn, jetzt darüber zu diskutieren. Nachher kommt doch alles anders." Bjo und Federspiel schwiegen. Jos can beobachtete mit zunehmender Nervosität den Anflug auf die SOL. Noch konnte er sich keinen Reim auf die Situation machen, der er und seine Freunde plötzlich gegenüberstanden. Vom Autopiloten gesteuert, schweb te die Space-Jet langsam in die Schleuse im Mittelteil des Hantel schiffs ein und setzte behutsam auf. Das äußere Schott schloß sich, Luft wurde eingepumpt und der Druckaus gleich hergestellt. Dann fuhren die Hälften des Innenschotts auseinander und gaben den Blick in den Hangar frei. Fünfzehn bewaffnete Personen war teten dort. Sie waren so postiert, daß sie die Ausgänge zu den angrenzenden Korridoren versperrten. Etwas abseits von ihnen standen drei Ärzte in der traditionell weißen Kleidung, die sich um die Schiffbrüchigen kümmern würden. „Das sieht nicht gut aus", murmelte Joscan. „Es wird uns nichts übrig blei ben, als uns von den Sicherheitskräf ten begleiten zu lassen." „Solaner!" ertönte im gleichen Mo ment die Stimme Cleton Weisels aus den Bordlautsprechern. Die Außenmi krofone der Space-Jet übertrugen die Worte des Chefs der Arge SOL, die ver mutlich über eine Rundumschaltung in alle Schiffsbereiche übermittelt wurden, in die Zentrale des Beibootes. „Joscan Hellmut und seine Freunde sind zurück, und es ist ihnen gelun gen, die Verschollenen von dem Me teor zu retten. Sie haben damit bewie
55 sen, welche Fähigkeiten in ihnen stek ken und wie wichtig sie auch in Zu kunft für uns alle sein können. Die Arbeitsgemeinschaft hat deshalb be schlossen . . . " Joscan hörte nicht mehr hin. Mit ei nem Schlag wurden ihm die Zusam menhänge klar. „Eine Falle!" schrie er, während sich sein Gesicht vor Wut verzerrte. „Die hinterlistigste Falle, die man sich aus denken kann." „ . . . in Schlafkammern konserviert, die von SENECA überwacht und ge wartet w e r d e n . . . " „Sie stellen uns als Helden hin, da mit sie uns auf bequemem Weg los werden können!" ereiferte sich der Kybernetiker weiter. „Mit irgendeiner Reaktion mußten wir rechnen, nachdem wir eigenmäch tig und befehlswidrig gehandelt ha ben", sagte Bjo. „Wir können noch froh sein, daß sie die Jet nicht ange griffen haben." „Ein schwacher Trost", brummte Joscan. Allmählich beruhigte er sich wieder. Cleton Weisel hatte seine Ansprache inzwischen beendet. Die Reihe der Si cherheitsoffiziere rückte wie auffor dernd zwei Schritte vor. Ihre Hände la gen auf den Kolben der Waffen. „Na dann!" seufzte Federspiel und erhob sich träge. „Es wird uns wohl nichts übrigbleiben. Gehen wir!" „Ja, wir gehen", nickte Joscan grim mig. „Aber wir geben uns nicht ge schlagen!" Gemeinsam verließen sie die Zen trale. Unterwegs begegneten ihnen die Buhrlos, die, Makos und den Pilo ten in der Mitte, ebenfalls nach drau ßen wollten. „Was sagt ihr dazu?" lächelte Lynka Woortz. „Habt ihr gehört, welchen
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56 Status euch Cleton Weisel zubilligt?" „Er will uns der Nachwelt erhalten", sagte der Kybernetiker voller Zynis mus und winkte ab. „Wir haben es ge hört." Die Reaktion der Buhrlo-Frau zeigte ihm deutlich, wie die Absichten des Chefs der SOL-Arbeitsgemeinschaft bei denen aufgenommen wurden, die über die Hintergründe nicht infor miert waren. Von den Solaneren durf ten sie keine Unterstützung erwarten, denn diese würden nach der gelunge nen Rettungsaktion davon ausgehen, daß alles, was geschah, dem Wohl des Schiffes und seiner Besatzung diente. Als sie die Space-Jet verließen und den Boden des Hangars betraten, löste sich einer der Ärzte aus der Gruppe und kam auf sie zu. Er wies die Geret teten an, sich zu seinen Kollegen zu be geben. Dann betrat er das Beiboot, um sich um Lefton Hellst zu kümmern. Joscan hatte über Funk bereits Be scheid gegeben, daß einer der Ge strandeten sich in einer abgeschlos senen Kabine befände und dringend psychotherapeutischer Behandlung bedürfe. Nach einer Weile kam der Arzt mit dem Chemiker zurück. Lef ton warf dem Kybernetiker einen bö sen Blick zu, verhielt sich jedoch fried lich. Der ehemalige Sprecher der Solge borenen sah den Schiffbrüchigen nach, die an der Seite ihrer Betreuer den Hangar verließen. Die Sicher heitsoffiziere bildeten eine Gasse, um sie durchzulassen, anschließend rück ten sie wieder zusammen. Joscan mußte sich selbst eingeste hen, daß er innerlich bereits aufgege ben hatte. Er konnte nichts tun, um seine Situation und die seiner Freunde zu verbessern. Er wußte, daß der Auf wand an Offizieren und psychologisch
geschickter Rhetorik nur dazu dien te, einige unliebsame Leute loszuwer den, ohne daß die Solaner deswegen auf die Barrikaden gingen. Das bedeu tete, daß Cletons Männer nicht zögern würden zu schießen, sobald einer der Gefangenen — anders konnte man sie reellerweise nicht bezeichnen — die Waffe zog und einen Ausbruch wagte. Auch eine solche Aktion konnte vor der Besatzung gerechtfertigt werden, als Mißverständnis, Unfall oder Not wehr beispielsweise. „Wir hätten nie starten dürfen", raunte Federspiel. „Wir sind freiwillig in die Falle gelaufen, die Cleton Weisel für uns konstruiert hat." „Es lohnt nicht mehr, darüber nach zudenken", sagte Joscan. In Erwar tung dessen, was mit ihnen geschehen würde, und mit dem Willen, dies trotz allem mit menschlicher Würde zu er tragen, straffte sich seine Gestalt. „Kommt, Freunde! Lassen wir uns von unserer ,Eskorte' begleiten." Beinahe gleichzeitig setzten sie sich in Bewegung und gingen langsam auf die Wachmannschaft zu. * Telepathisch mußte er ihr Kommen längst registriert haben, dennoch zuckte Bjo zusammen, als das Schott sich öffnete. Zwei Frauen betraten den Raum, die jeder, der ihnen begeg nete, aufgrund ihrer äußerlichen Ähn lichkeit sofort als Mutter und Tochter erkennen würde. Der ehemalige Sprecher der Solge borenen hob überrascht den Kopf. Er betrachtete die Szene mit gemischten Gefühlen. Im Gegensatz zu anderen Gelegen heiten wirkten die Bewegungen des rotbraungefleckten Katzers unbehol
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fen und verlegen, als er auf die beiden zutrat. „France!" begrüßte er sie leise. „Bea! — Ich freue mich, daß ihr ge kommen seid." France Ivory senkte den Blick. „Wir . . . wir wollten dir gratulieren, daß du zum Kreis der Schläfer gehörst und auch weiterhin für alle Solaner da sein wirst, wenn sie dich brauchen. Es klingt vielleicht banal, Bjo, aber wir sind stolz auf dich." Der Katzer stand mit hängenden Schultern da und rührte sich nicht. Er schwieg. Spontan legte ihm Bea die Arme um den Hals und küßte ihn auf die Wange. „Ich wünsche dir viel Glück für dei ne Zukunft", sagte sie. „Und ich be danke mich für alles." Bjo brachte es nicht fertig, etwas zu sagen. Der Kybernetiker hatte es auch nicht erwartet. Natürlich; man hätte den beiden Frauen beibringen kön nen, daß sie keineswegs freiwillig auf die Fertigstellung der Schlafkammern warteten, daß das Projekt Überleben und die Propaganda um die Schläfer nichts als ein geschickt inszenier tes Täuschungsmanöver darstellten. Doch auch das hätte ihnen nicht ge holfen. Der Arge SOL glaubten die So laner eher als Leuten, die zu einem der .Auserwählten' eine persönliche Be ziehung besaßen und vielleicht nur ei gennützige Interessen vertraten. Als die beiden Frauen den Raum wieder verließen, wandte der Katzer sich um und sah Joscan gequält an. Er fauchte leise, und in seinen Augen standen Tränen. Vor nunmehr achtzehn Jahren hatte sich zwischen ihm und France Ivory eine Beziehung entwickelt, die durch die Verkettung mehrerer widriger Umstände ein überraschendes Ende
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nahm. Auch die Geburt von Bea Breis koll, ihrer gemeinsamen Tochter, hat te sie nicht wieder zusammengeführt. Bei dem Kind waren die Erbanlagen Bjos nicht zum Vorschein gekommen — sie würden wahrscheinlich erst in der nächsten oder übernächsten Gene ration wieder auftauchen. Der Katzer hatte sich immer liebevoll um Bea ge kümmert und sie unterstützt, wo er nur konnte. Auch zu France war ein kameradschaftliches Verhältnis erhal ten geblieben, ohne daß die frühere Liebe allerdings neu aufgeflammt wä re. Der Abschied von den beiden muß te für ihn schmerzhaft sein. Aber er war, wie so vieles in den letz ten Tagen, zu verkraften. Immer stär ker machte sich unter den vier Men schen eine lähmende Lethargie breit. Der Gedanke, daß sie irgendwann vielleicht wirklich geweckt würden und in einer Zeit erwachten, die ihnen bessere Aussichten auf ein zufriede nes Leben bot, half ihnen über man che Bitterkeit hinweg. Das änderte sich erst, als der fünfte Schläfer zu ihnen stieß. Gavro Yaal, von seinen Verletzungen genesen, sorgte für beträchtliche Aufregung, nachdem er ebenfalls in dem streng bewachten Raum untergebracht wor den war. Seine Abneigung gegen Jos can Hellmut bestand nach wie vor, und trotz ihrer mißlichen Lage hetzte er in einem fort gegen den Kyberneti ker und beschuldigte ihn sogar, im Grunde genommen an allem Schuld zu sein. Daß er mit dieser Meinung völlig alleine stand, schien ihn selbst am wenigsten zu kümmern. Aber auch der Kosmobiologe wurde ruhiger, je länger die Wartezeit dau erte. Joscan hatte längst aufgehört, die Stunden und Tage zu zählen, die seit
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ihrer Festsetzung vergangen waren. der technischen Einrichtungen si Ein paarmal noch hatten sie Besucher chern. empfangen dürfen. Lareena Breiskoll Ihr Weg durch verlassene, eigens ab war hier gewesen, um sich von ihrem gesperrte Korridore glich einer Sohn zu verabschieden, und Douc schweigenden Prozession. Die Gesich Langur, um zu versichern, daß er die ter der fünf Menschen drückten Hal Freunde nicht vergessen und insge tung und Würde aus. heim alles tun werde, um ihnen zu hel Nur Joscan lächelte beklommen, als fen. ihm ein Gedanke durch den Kopf Als vier Betreuer den Raum betra schoß. Genaugenommen war das, was auf ten, wußte er nicht, welchen Tag man schrieb. Es spielte auch keine Rolle sie wartete, nichts anderes als eine mehr. Sein Herz begann etwas hefti Hinrichtung. ger zu schlagen, und das bewies ihm immerhin, daß er noch nicht völlig ab gestumpft war. „Es ist soweit", sagte einer der Män Bewußt habe ich mich aus den Vor ner. „Die Schlafkammern sind fertig gängen an Bord herausgehalten, weil gestellt und funktionsbereit. Ich bitte ich nicht riskieren wollte, daß man in der Führungsspitze der SOL-Arbeits euch, mir zu folgen." „Was wird geschehen?" fragte gemeinschaft auch gegen mich eine Ab neigung entwickelt. Schon lange genie Sternfeuer. „Wir werden euch noch einmal ße ich eine Art Narrenfreiheit, und da gründlich untersuchen, um sicherzuge mit bin ich wohl einer der wenigen, die hen, daß ihr auch körperlich für die sich überall völlig frei bewegen dürfen. Prozedur geeignet seid. Danach wer Ich möchte das nicht gern aufs Spiel den eure Lebensfunktionen unter setzen, und ich werde auch weiterhin sorgfältiger Überwachung auf ein Mi versuchen, in einem positiven Sinn auf nimum reduziert. Das ist alles. Man die Geschicke der Solaner einzuwir könnte diesen Vorgang tatsächlich als ken. Es gibt genug zu tun, worin man eine einen tiefen Schlaf bezeichnen." Sternfeuer nickte nachdenklich, Aufgabe erkennen kann. Ich denke bei dann gab sie sich einen Ruck und spielsweise an die Buhrlos, die, im Ge stieß Federspiel aufmunternd in die gensatz zu früher, längst nicht mehr Seite. Als erste verließen die Zwillinge als eine Besonderheit in der menschli chen Entwicklung angesehen werden. den Raum. Die anderen folgten. Niemand stell Schon jetzt zeichnet sich die Gefahr ab, te mehr Fragen. Fünf Menschen daß sie eines fernen Tages als Fehl schickten sich an, dieser Welt und die schlag der Natur den Großteil ihrer Be liebtheit verlieren oder sogar als evolu ser Zeit den Rücken zu kehren. Joscan wunderte sich, daß er keine tionäre Minderheit mißachtete und Angst verspürte. Nach seiner langen verfolgt werden. Ich werde alles tun, Tätigkeit als Kybernetiker setzte er dem entgegenzuwirken, wobei ich mich volles Vertrauen in SENECA. Die Bio vorerst hauptsächlich um die Halb inpotronik würde das Leben der buhrlos kümmern muß, die im Moment Schläfer durch ständige Überwachung am meisten gefährdet sind. Vielerorten
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werden sie von den anderen geschnit ten— und das muß aufhören! Große Hilfe bei meinen Plänen darf ich natürlich nicht erwarten. Die weni gen Leute, die ich als echte Freunde be zeichnen konnte, werden mich nicht mehr unterstützen können. Sie wurden vorhin in SENECAs Überlebenskam mern gebracht und in den Tiefschlaf versetzt. Wenn es nach Cleton Weisel geht, bleiben sie dort für immer. Ich kann nur hoffen, daß seine Rechnung nicht aufgeht. Vielleicht tritt schon bald tat sächlich eine Situation ein, in der die Fähigkeiten der fünf dringend ge braucht werden. Dann ist er gezwun gen, sie aufzuwecken, wenn er sich nicht unglaubwürdig machen will. Dann erst können sie etwas für sich tun und allen Solanern berichten, wie gemein sie hintergangen wurden. Darauf warte ich — auf die Stunde der Schläfer. Douc Langur am 14. Mai 3608
3. DIE SCHLÄFER Erschüttert klappte Atlan das Log buch zu. Seine Augen waren feucht vor Erregung. Seit dem Tag, an dem der Forscher der Kaiserin von Therm damit begon nen hatte, anstelle Joscan Hellmuts die Aufzeichnungen fortzuführen, wa ren fast 183 Jahre vergangen. In dieser Zeit waren die Schläfer nicht geweckt worden — Cleton Weisels hinterlisti ger Plan war voll und ganz aufgegan gen. In aller Ruhe und ohne störende Einflüsse hatte er seine Macht weiter ausgebaut und gefestigt, und aus der eher locker zusammengefügten Arge
59 SOL war das starre Kastensystem der SOLAG geworden . .. Aber Gedanken über gesellschaftli che Fehlentwicklungen, die der Ver gangenheit angehörten, paßten nicht hierher. Es gab dringendere Proble me, und Atlan wußte das. Er sah zu dem Podest hinauf, wo Chart Deccon auf seine Reaktion wartete. „Ist dir eigentlich klar", fragte er beinahe anklagend, „welch große Be deutung die Schläfer für die SOL ha ben? Sie hätten längst geweckt wer den müssen!" „Bisher bestand kein Grund dazu", meinte der High Sideryt abweisend. „Mit unseren Problemen sind wir im mer noch allein fertig geworden." Der Arkonide legte das Logbuch in die Elfenbeinschatulle zurück und klappte den Behälter zu. Unwillig schüttelte er den Kopf. „Du belügst dich selbst! Das beste Beispiel dafür ist, daß SENECA seit Jahren in seiner Funktion gestört ist. Einer der Schläfer, nämlich Joscan Hellmut, ist ein hervorragender Ky bernetiker und kennt sich mit der Bio inpotronik aus wie kein zweiter. Ich bin überzeugt, daß sie bereits wieder in Ordnung wäre, wenn er sich darum hätte kümmern können." Der Bruder ohne Wertigkeit blieb ruhig auf seinem Thron sitzen. „Du traust einer einzelnen Person viel zu", sagte er zweifelnd. ,Auch in den Reihen der SOLAG gibt es exzel lente Kybernetiker. Sie alle haben sich an SENECA die Zähne ausgebis sen. Warum sollte es deinem Freund Joscan anders ergehen! Auch wenn sich mit den Jahrzehnten ein Mythos um die Schläfer gebildet hat — sie sind schließlich keine Übermenschen. Du weißt das ebenso gut wie ich." Chart Deccons übertriebene Gering
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Schätzung reizte den Arkoniden. Seit er wußte, wer sich hinter den Schlä fern verbarg, war er begierig danach, mit ihnen in Kontakt zu kommen. „Immerhin sind es Leute mit außer gewöhnlichen Fähigkeiten, die ent scheidend dazu beitragen können, die SOL zu retten!" Jetzt redete er sich förmlich heiß. „Bjo Breiskoll ist Tele path und Kosmo-Spürer; er ist in der Lage, wichtige Dinge weit im voraus zu ahnen und sein Verhalten danach einzurichten. Sternfeuer ist eine sym biontische Mutantin und steht dem Katzer wahrscheinlich in nichts nach. Durch den jahrelangen Kontakt mit ihm hat sie seine Fähigkeiten eben falls erlernt. Federspiel kann dadurch, daß er mit seiner Schwester in ständi ger geistiger Verbindung bleibt, wich tige Ereignisse, die sich an anderen Orten zutragen, mitverfolgen und . . . " „Atlan!" Der High Sideryt unter brach ihn mit schneidender Stimme. „Das alles ist mir bekannt! Ich habe das Logbuch ebenfalls gelesen!" Der Aktivatorträger ließ sich in sei nem Eifer jedoch nicht bremsen. „Worauf wartest du dann noch?" schrie er zurück. „Die Schläfer müs sen geweckt werden, und zwar bald!" Chart Deccon lächelte betont freundlich, während er langsam und gelassen die Stufen des Podestes hin abstieg. „Genau das habe ich vor", sagte er, als er Atlan gegenüberstand. „Die Ent scheidung darüber treffe jedoch ich — niemand sonst." * Durch die Geheimtür verließen sie die Klause. Atlan hatte inzwischen ei ne der schlichten, dunkelblauen Fer raten-Uniformen erhalten, die ihm we-
sentlich mehr Bewegungsfreiheit ver schaffte als der doch etwas hinderli che Raumanzug. Die Tatsache, daß Chart Deccon ihn durch einen Ausgang führte, der bis her nur ihm allein bekannt war, weck te sofort den Argwohn des Arkoniden. Er glaubte nicHt an die Aufrichtigkeit des High Sideryt. Wahrscheinlich heckte er bereits jetzt Pläne aus, wie er den Unsterblichen wieder loswerden konnte. Zu gegebener Zeit würde At lan sich darauf einstellen müssen. Noch bestand jedoch keine Gefahr für ihn — noch wurde er gebraucht. Immer tiefer drangen die beiden Männer in Bereiche der SOL vor, die seit Jahrzehnten oder länger nicht mehr von Menschen betreten worden waren. Selbst Wartungs- und Reini gungsroboter schienen hier keinen Zutritt zu haben. Auf dem Boden der Korridore lager te eine zentimeterdicke Staubschicht, die bei jedem Schritt hochgewirbelt wurde und die Schleimhäute reizte. Die Bildscheiben der Interkoman schlüsse, die sich in bestimmten Ab ständen in den Wänden befanden, wa ren blind, und die Beleuchtungskör per verbreiteten nur mäßiges, trübes Licht. „Das alles sieht nicht sehr vertrauen erweckend aus", sagte Atlan. Dumpf hallte seine Stimme wider. „Bist du si cher, daß die Anlagen noch ordnungs gemäß funktionieren?" „Ich weiß es nicht", entgegnete Chart Deccon wortkarg. „Wir werden es merken." Der Arkonide nickte bedrückt. Die Ruhebehälter wurden von SENECA gesteuert und gewartet. Infolge der Funktionsstörung mußte man damit rechnen, daß die zentrale Überwa chung längst nicht mehr sichergestellt
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war. Insgeheim kalkulierte Atlan die Möglichkeit ein, daß sie in den Schlaf kammern nur noch Tote vorfinden würden. Sie näherten sich einem Schott, das einige Meter weiter den Gang ver sperrte. Instinktiv wußte Atlan, daß sich dahinter der Raum mit den Schlä fern befand. Er merkte, wie seine Au gen feucht wurden und sein Herz schneller zu schlagen begann. Die Le benserfahrung, die er besaß, maß sich in Jahrtausenden — dennoch meinte er eine Aura des Unheimlichen und Geheimnisvollen zu spüren, die ihn umwob und ihn in ihren Bann zog. Er kam nicht davon los. Mit jedem Schritt verstärkte sie sich. Vor d e m Schott blieben sie stehen. Chart Deccon legte die Innenfläche ei ner Hand auf das Wärmeschloß. Zu beider Überraschung reagierte die Automatik sofort. Auf einem klei nen Bildschirm flammte eine Leucht schrift auf, die in der düsteren Umge bung grell in die Augen stach. BITTE BERECHTIGUNG NACH WEISEN. „Chart Deccon", sagte der Bruder ohne Wertigkeit, „High Sideryt der SOLAG. Ein Begleiter." Die einwandfrei funktionierende Personalüberprüfung ließ Atlan wie der mehr Hoffnung schöpfen, daß auch die Schlafkammern über die Jahrhunderte hinweg in brauchbarem Zustand gehalten worden waren. Die Identifizierung anhand des Lautmusters der Stimme und der erta steten Gehirnwellenfrequenz nahm keine Sekunde in Anspruch. Aber mals leuchtete die Schrift auf. ZUTRITT GESTATTET. Mit schleifendem Geräusch schoben sich die Hälften des Schottes ausein ander und gaben den Blick in den an
61 grenzenden Raum frei. Atlans eben erst aufgebaute Hoff nung stürzte zusammen wie ein mor sches Gebäude.
Zögernd und von Zweifeln geplagt traten sie durch den Eingang. Der Raum war niedrig und langge streckt. Links erkannten sie eine bis auf ein einzelnes, staubbedecktes Be dienungselement kahle Wand. Zur Rechten befanden sich, nebeneinan der aufgereiht, die Schlaftanks — durch das schwarze und völlig un durchsichtige Material ähnelten sie verschlossenen Särgen. Von zehn an der Decke angebrachten Leuchtplat ten funktionierte nur eine, die zudem unregelmäßig flackerte und die be drückende, grabesähnliche Atmo sphäre noch unterstrich. Es war still und kalt. Kurz schloß Atlan die Augen. Nur mühsam unterdrückte er ein Zittern. Das ist kein Raum, in dem Men schen am Leben erhalten werden, dachte er entsetzt. Das ist eine Gruft. Du läßt dich von Äußerlichkeiten be eindrucken und von irrationalen Ge fühlen lenken! Der Impuls des Extrahirns verhalf dem Arkoniden schlagartig zu größe rer Nüchternheit. Wie üblich, hatte der Logiksektor recht. Er konnte nicht er warten, hier Kontrollinstrumente oder sonstige Überwachungseinrichtungen vorzufinden. Die alleinige Verantwor tung für die Anlage oblag SENECA, der solche Sichthilfen nicht benötigte. Der Handlungsspielraum des Men schen beschränkte sich auf die Funk tionen EIN und AUS, die der Rechner — sofern er nicht auch in diesem Be reich gestört war — anhand des einge
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gebenen Programms realisierte. Die Maschinen und technischen Aufwen dungen, die dazu erforderlich waren, befanden sich vermutlich mehrfach geschützt und gesichert in Nebenräu men. Chart Deccon schien solche Überlegungen noch nicht angestellt zu haben. Wie erstarrt stand er da. Nur die Brust hob und senkte sich im Rhythmus seiner schnellen Atemzüge. Der Eindruck, den der Raum vermit telte, setzte ihm zu. Erst als der Boden plötzlich zu zittern begann, schreckte er auf. Für einen Moment wirkte er un sicher und verletzlich, als erwache er aus einem Traum. Dann besann er sich seiner selbst und riß sich zusammen. „Der Quader!" stieß er hervor. Atlan nickte. „Es geht wieder los", sagte er ein fach. „Wir sollten uns beeilen." Zielstrebig ging er auf das Bedie nungselement zu. Auch die letzten Hemmungen schüttelte er jetzt ab. Vorsichtig wischte er den Staub von der Schaltkonsole. Mit einem Blick er faßte er die Funktionsweise des Ge räts. Es war denkbar einfach gestaltet. „Was tust d u ? " fragte Chart Deccon hinter ihm. Es klang unbehaglich. Atlan zögerte nur einen Lidschlag, dann drückte er die Kontaktplatte. „Ich wecke die Schläfer", antworte te er.
Der Vorgang dauerte weit über eine Stunde und verlangte von den beiden Männern ein großes Maß an Geduld und Beherrschung. Die Erschütterun gen, die der Quader auf der SOL aus löste, wurden wieder heftiger. Die Zeit brannte unter den Nägeln, und noch
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immer war keine Aussage darüber möglich, ob die Schläfer noch lebten und die Anlage sich in einwandfreiem Zustand befand. Nur eine Überlegung, die er sich fortwährend neu vergegenwärtigen mußte, hinderte Atlan daran, den Raum vorzeitig zu verlassen. Wenn die Wiedererweckung programmgemäß ablief, würde sie nicht in wenigen Mi nuten beendet sein. Die Körperfunk tionen der Schläfer mußten in äußerst behutsamer Weise langsam dem nor malen Standard eines aktiv lebenden Menschen angeglichen werden. Dennoch rechnete der Arkonide nach fast achtzig Minuten des War tens, während derer sich scheinbar nichts veränderte, nicht mehr mit ei nem Erfolg. Aber er trat ein. Völlig unerwartet schoben sich die Abdeckungen der Schlaftanks nach hinten in die Wand. Atlan spürte, wu sein Herz abermals höher schlug. Trotz aller technisch nüchternen Er klärbarkeit empfand er den Vorging als gespenstisch. Er achtete kaum noch auf Chart Deccon. Langsam und vorsichtig ging er auf eines der Behältnisse zu, und er gestand sich ein, daß er Angst hatte — Angst, von den ehemaligen Freunden nur noch Skelette oder faulenden Mo der vorzufinden. Er mußte sich zwin gen, den entscheidenden Schritt zu tun, der den Blickwinkel so veränder te, daß er über den Rand des Tanks hinwegsehen konnte. Da lag ein Mensch — vollständig be kleidet, die Augen geöffnet und ruhig atmend. Die Tatsache, daß der Tiefschlaf of fenbar in einem modernen Verfahren durch paraenergetische Schwingun gen realisiert worden war (die Klei
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dung und das Fehlen jeglicher Kon takte und Sensoren im Innern der Schlafkammer wiesen darauf hin), re gistrierte der Arkonide nur am Rande. Es war nicht wichtig. Der Mensch lebte — das war maßge bend. Alle Unsicherheit und Furcht, die ganze innere Spannung, unter der At lan gestanden hatte, löste sich in ei nem befreienden Schrei. „Jose . . .! Joscan H e l l m u t . . . ! " Langsam, als falle es ihm schwer, seine Gedanken zu ordnen, richtete der Mann sich auf. Der Arkonide sprang hinzu. Lachend reichte er ihm die Hand und half ihm, die Schlafkam mer zu verlassen. „Du . . .", stammelte der Kyberneti ker, und seine Augen blickten ver wirrt. Er verstand nichts. „Du b i s t . . . Atlan..." „Atlan,ja!" Er mußte sich zusammenreißen, um Joscan nicht an den Schultern zu pak ken und zu versuchen, ihn wachzurüt teln. Selten hatte er über ein Wiederse hen so große Genugtuung und Freu de, aber auch Erleichterung empfun den. Er war nicht mehr allein im Hexenkessel der SOL! Er hatte Freunde! Gewaltsam unterdrückte er seine euphorischen Empfindungen. Sie wa ren nicht angebracht. Joscan Hellmut war nicht der einzige, der sich wieder zurechtfinden mußte. Er wandte sich um. In dieser Situa tion, das mußte er neidlos zugestehen, hatte der High Sideryt den kühleren Kopf bewahrt. Während er sich allein um den Kybernetiker gekümmert hat te, war Chart Deccon den anderen Schläfern zu Hilfe geeilt. Alle hatten die Ruhekammern in zwischen verlassen. Bjo Breiskoll ge
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seilte sich jetzt zu dem ehemaligen Sprecher der Solgeborenen und wech selte einige leise Worte mit ihm. All mählich fanden die fünf Menschen in die Wirklichkeit zurück. Gavro Yaal hielt es für nötig sich bei Joscan we gen irgendwelcher Vorhaltungen zu entschuldigen. Atlan lächelte. Er Wollte den Schlä fern eine gewisse Zeit lassen, sich zu sammeln. Er wandte sich an Sternfeu er und Federspiel, die etwas abseits von den anderen standen und mit ge radezu entsetztem Gesicht den High Sideryt beobachteten. „Was ist los mit euch?" Die Zwillinge antworteten nicht. Ih re Blicke wechselten von Chart Dec con zu Atlan. Sie wirkten verkrampft und sprungbereit, sprachen kein Wort. Unwillkürlich fragte sich der Arko nide, ob SENECA bei der Überwa chung des Tiefschlafs vielleicht doch einen Fehler begangen hatte. Er kam nicht mehr dazu, den Gedanken fort zuführen. Von hinten war Joscan an ihn herangetreten und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Du wirst uns sicher bald berichten, wie du wieder auf die SOL gekommen bist", sagte er. „Vorerst interessiert mich nur, welches Jahr wir schrei ben." Atlans Antwort kam automatisch, während er weiter die Zwillinge beob achtete. „Dreitausendsiebenhundertundein und..." Er brach ab, als Federspiel und Sternfeuer zusammenzuckten. Wie auf ein geheimes Kommando liefen sie los. Ehe Atlan begriffen hatte, was ge schah, waren sie durch das offenste hende Schott verschwunden. Chart Deccon reagierte augenblick lich. Er hob den Arm und wollte den
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Telekom aktivieren, doch der Arkoni de kam ihm zuvor. Er packte ihn und drückte seine Hand wieder nach un ten. „Laß sie laufen!" beschwor er ihn. „Sie können keinen Schaden anrich ten. Nach einiger Zeit werden sie sich besinnen und zurückkommen." Er war sich dessen selbst nicht si cher, aber zunächst genügte es ihm zu wissen, daß die beiden keiner gezielten Verfolgung ausgesetzt sein würden. Chart Deccon nickte. „Wir haben Wichtigeres zu tun; du hast recht." Ein harter Schlag fuhr durch das Schiff, der Atlan fast von den Beinen riß. Nur mit Mühe konnte er sich ab fangen. Joscan Hellmut taumelte ihm direkt in die Arme. „Was ist hier los?" fragte der Kyber netiker, während er sich aus dem stüt zenden Griff des Arkoniden löste. „Was geschieht mit dem Schiff?"
„Ihr werdet es erfahren", wich der Aktivatorträger aus. Noch hielt er es für verfrüht, die Schläfer über alles zu informieren. „Zunächst ist wichtig, daß ihr zu euch selbst findet." Chart Deccon winkte und wandte sich dem Ausgang zu. „Wir gehen in meine Klause", be stimmte er. „Dort werden wir über die Rettung der SOL beraten." Beinahe automatisch folgten ihm die anderen. Abermals vibrierte der Bo den kurz. Atlan sah Bjo Breiskoll neben sich auftauchen. Der rotbraungefleckte Katzer stieß ihn sanft in die Seite. „Wer ist das Großmaul?" Der Arkonide lachte auf. Irgendwie fühlte er sich im Kreis der Schläfer heimisch. „Unterschätze ihn nicht!" Es klang ironisch, aber mit ernst gemeintem Hintergrund. „Er ist der Chef der SOL. Der Wächter über das Chaos."
Auch der Atlan-Band der nächsten Woche befaßt sich mit den ,,Schläfern". Drei von ihnen und der Arkonide begeben sich an Bord des sogenannten Quaders, des sen Auftauchen die Existenz der SOL bedroht. Attan und seine Gefährten betäti gen sich als RETTER DER SOL . . . RETTER DER SOL — unter diesem Titel erscheint auch der von H. G. Francis geschriebene Atlan-Band 509. ENDE
ATLAN erscheint wöchentlich im Moewig Verlag, 8000 München. Redaktion: Pabel Verlag KG, Falkweg 51, 8000 München 60. Druck und Vertrieb: Erich Pabel Verlag KG, 7550 Rastatt. Anzeigenleitung: Verlagsgruppe Pabel-Moewig, Pabelhaus, 7550 Rastatt. Anzeigenleiter und verantwortlich: Rolf Meibeicker. Zur Zeit gilt Anzeigenpreisliste Nr. 4 Verkaufspreis Inkl. gesotzl. MwSt. Unsere Romanserien dürfen in Leihbüchereien nicht verliehen und nicht zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden; der Wiederverkauf ist verboten. Alleinvertrieb und Auslieferung in Österreich: PressegrolWertneb Salzburg, Nioder alm 300, A-5081 Anif. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie gewerbsmäßige Weiterverbroitung in Lesezirkeln nur mit vorhe riger Zustimmung des Verlages. Für unverlangte Manuskriptsendungen wird keine Gewähr übernommen. Abonnements- und Einzelbestellungen an PABEL VERLAG KG • Postfach 1780 7550 RASTATT Telefon (0 72 22) 1 32 41. Printed in Germany. Juni 1981