ie bloße Präsenz des fremden Wesens bereitete Sardaengar fast körperliches Unbehagen. Auf seiner Brust lastete plötzlich ein unerträglicher Druck, der seine Atmung behinderte. Keuchend drehte er sich im Kreis, ohne den Ursp rung der Pa rakräfte zu lokalisieren, die seinen Körper ebenso wie das Bewusstsein vibrieren ließen. Sekundenlang erwog er, einfach die Flucht anzutreten, doch seine Bergfeste lag viel zu weit entfernt, um einem derart mächtigen Wesen zu entkommen. Die heißen Wellen, die ihn durchliefen, nagten bereits an seinem Willen zum Widerstand. Dem durfte er nicht nachgeben, nein, dem musste er sich mit aller Kraft entgegen stemmen. Ein leises Klacken zu seiner Rechten gab den Ausschlag, noch ehe der angestoßene Kiesel hinter dem hoch aufragenden Fels hervorrollte. Nochmals wuchs die geistige Präsenz an, drängte dabei sogar den Einfluss des Kristallmondes Vadolon etwas zurück.
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Bernd Frenz
Vinara, 17. April 1225 NGZ Sardaengar wirbelte herum, auf jeden noch so großen und übermächtigen Geg ner gef asst. Nur nicht auf das, was wirk lich hinter der Deckung hervortrat - eine zierliche junge Frau mit rotem Haar, ge kleidet in einen goldglänzenden Anzug. Der »Herr der Welten« staunte. So sah es also aus, das Wesen mit der machtvol len Ausstrahlung. Viel freundlicher und harmloser, als er es sich ausgemalt hatte. Beinahe ein angenehmer Anblick, wäre das fein geschnittene Gesicht nicht durch einen zornigen Ausdruck entstellt worden. Die fingernagelgroßen Pailletten des Anzugs blitzten auf, als die Frau in tiefe Dagor-Grundstellung ging und Sar daengar aus halb zusammengekniffenen Augen fixierte. Sie sprach kein Wort, verharrte einige Sekunden, in denen Sardaengar mehr unbewusst die T ech nikblockade des Anzugs erkannte. Er sah den breiten Gürtel mit schwar zen Aggregatetuis, die ebenfalls schwar zen Handschuhe und Stiefel, den Über gang vom Schulter-Halsring zu finger dicken Epauletten sowie die an die Oberschenkel gehefteten chromglänzen den Zylinderstäbe - zweifellos Energie waffen. Mit seinen Parasinnen identifizierte der Uralte den Körper der Frau eindeu tig als den einer Arkonidin. Doch das da hinter stehende Bewusstsein war nicht das einer solchen. Es war ... anders! Kraftvoll, fremdartig, dennoch vertraut, glich es in seinen Grundströmungen wirklich dem eines Imaginären. Und ihr goldener Anzug ähnelte sehr einem An zug der Vernichtung, ohne jedoch ein solcher zu sein. Die Aura der Rothaarigen bombar dierte weiter Sardaengars übergeord nete Sinne. Er konnte sich nicht davor verschließen, nicht ausweichen - und sie
auch nicht abwehren. Sie wühlte in ihm wie mit langen, kräftigen Fingern, die selbst den kleinsten Nerv zu berühren schienen. So ungestüm kam die mentale Attacke, dass Sardaengars Abwehr durchschlagen wurde. Schmerzwellen peinigten sein Be wusstsein. Die blitzschnellen Zugriffe brannten, zwickten, bissen und blende ten. Sie stanken fürchterlich, schmeck ten metallisch. Sardaengar wich einen Schritt zurück, konzentrierte sich müh sam, zog mehr und mehr Ausläufer sei her Parasinne ein. Der Uralte verkroch sich förmlich in den Körper, um den durchaus paranormal zu nennenden Schlägen zu entgehen ... ... bis eine Veränder ung spür bar wurde. Plötzlich gab es nicht mehr nur den Schmerz, der von seinen Haarspit zen bis zu den Zehen reichte und vom Be wusstsein auf jede Körperfaser über sprang, sondern auch eine angenehme Klarheit, wie er sie schon lange nicht mehr verspürt hatte. Es dauerte erschreckend lange Augen blicke, bis Sardaengar begriff, dass die Präsenz des Kristallmondes, die weiter hin einen Teil seines Ichs gefangen hielt, langsam, aber sicher auf ein niedrigeres Niveau zusammenschrumpfte. Die bloße Anwesenheit der Frau genügte, um den verderblichen Einfluss zurückzudrän gen. Lässt sich das als Vorteil nutzen? Noch ehe dieser hoffnungsvolle Gedanke rich tig aufflackern konnte, wurde er schon wieder jäh zerstört, denn die Fremde, die ihn weiterhin feindselig taxierte, ging ohne Vorwarnung zum körperlichen An griff über. Alleine die geschmeidige Art, mit der sie die Distanz verkürzte, zeigte, dass sie zu kämpfen verstand. Sardaengar stand noch unter dem Schock der Überra schung, als schon der Ballen einer nach oben gekrümmten Hand auf sein Gesicht
Die T echno stadt
zuraste. Aus einem Reflex heraus sprang er zurück und entging um Haaresbreite dem von unten herauf geführten Dagorschlag, der ihm das Nasenbein ins Gehirn treiben sollte. Zwei Sch winger mit der geschlossenen Faust folgten. Sardaengar blockte sie instinktiv mit den Unterarmen ab, ohne darüber nachzudenken. Erst da-
nach begann sein Verstand die Verteidi gung z u koordinieren. Er war in ver schiedenen Kampfarten geschult und wusste, dass beständiges Zurückwei chen langfristig zur Niederlage führte. Rasch pendelte er zur Seite, um einer weiteren Attacke auszuweichen, dann schlug er zur ück. Die Deckung seiner Ge gnerin konnte er zwar nicht durch-
Was bisher g esch ah: Im März 1225Neuer Galaktischer Zeitrechnung, das dem Jahr 4812 alter Zeit entspricht, hält sich Atlan, der unsterbliche Arkonide, im Kugelsternhaufen OmegaCentauri auf.Dieser Sternhaufen ist von den zentralen Schauplätzen der Milchstraße nicht weit entfernt, war aber über Jahrzehntausende von der »Außenwelt« aus nicht zugänglich.Deshalb konnte sichzwischen denMillionen von Centauri-Sternen eineFülle eigenständi ger Zivilisationen entwickeln. Nach vielen Abenteuern hältsich Atlan mit einigen Besatzungsmitgliedern des Raumschiffes TOSOMA auf der so genannten Stahlwelt auf. Als eine schwarze Quader-Plattform materialisiert, erinnert sich Atlan an die »Vergessene Positronik«, dererin seiner Jugend begegnete. Dieses Gebilde durchstreift seit Jahrtausenden die Milchstraße,ohne dass Aufgabe und Herkunft bekannt sind. Ein Transmittersprung geht schief - Atlan und einige seiner Begleiter landen auf der »Vergessenen Positro nik«. Währenddessen versucht die Besatzung der TOSOMA, in das Geschehen einzugreifen.Doch es kommt zu ei ner nichtgewolltenTransition. Sowohl Atlanals auch dieTOSOMA-Besatzung kommenin einem merkwürdigen Gebiet des Universums her aus - eine Sonnesowie fünf Planeten, diesich aufgleicher Umlaufbahn befinden, umgeben von einer Wolke aus Obsidian. Einer der fünf Planeten wird darüber hinaus von einem Kristallmond umkreist. Das RaumschiffTOSOMAstürzt auf einem der fünfPlaneten ab.Die Besatzung wirdgerettet und von eigen artigenRoboternin ihre neuenUnterkünfte gebracht. Gemeinsam machen sich dieÜberlebenden auf die Su che nach dem unsterblichen Arkoniden.Der 2. Pilot der TOSOMA führt eine Expedition der TOSOMA-Besatzung zum Hauptkontinent Viina.Nachdem ihr Boot kentert, setzen die Gefährten ihren Weg ins Land der Silber säulen mit einer Dampflokomotive fort. Atlan und den Archivar Jörge Javales verschlägt es auf Vinara Vier. Sie werdenin Zwistigkeiten der Afalharo verwickelt und müssen in der Folge fliehen.Dabei geraten siein die Fänge termitenähnlicher Tiere, die sie in Kokons spinnen. Atlan wird von seinem neuen Begleiter Tamiljon befreit.Zusammen erreichen sie das Obsidiantor, das sie nach Vinara Drei befördern soll. Tamiljonrriuss unter allenUmständen dorthingelangen, da eineMission von größter Bedeutung davon abhängt. Lethem da Vokoban und seine Begleiter geraten bei der Erkundung der »Schwarzen Perle«in einenHinter halt. Sie können fliehen und erreichen dieTaneran-Schlucht amRand von Mertras, dem Land der Silbersäulen. Ohne viel Zeit zu verlieren, setzen sie ihre beschwerliche Reise zur Gebirgsfestung Grataar fort. Zur gleichenZeit befindet sichAtlan auf VinaraDrei in höchster Not.Der Arkonide ist inBegleitung Tamiljons und Vertretern des Litrak-Ordens unterwegs zur Casoreen-Gletscherregion. Der Unsterbliche dringt mit den Ordensleuten durch ein Eislabyrinth in den Kerker des »Untoten Gottes« vor und befreit Litrak aus seinem Gefängnis. Auf der Flucht aktiviert der Kristallene verborgene Aggregate, die die Stadt im Eis zum Leben erwecken. Ein Ruck geht durch den Eisboden. Atlan und die verbleibenden Ordensanhänger drohen von den abbrechenden Eisbrocken erschlagenzuwerden. Sierettensichin dieMitte der StadtinderHoffnung, dortSchutz zufinden.
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dringen, aber der Angriff brachte eine gewisse Entlastung. Endlich fand er ge nügend Zeit, eine feste Position einzu nehmen, aus der er geschmeidig vor und zurück weichen konnte. Die winzige Atempause reichte sogar für einen raschen Blick auf das felsige T errain, das einige tückische Spalten und Vorsprünge mit dem Potenzial zur Stolperfalle aufwies. Ein gefährliches Funkeln in den ru binroten Augen seiner Gegnerin warnte Sardaengar vor den nächsten Schlägen und Armstößen. Fast ebenso groß wie Sardaengar, a ber einige Kilo leichter, war sie gut trainiert und hatte lange, sehnige Arme, die zweimal kurz hinter einander seine Deckung durchbrachen und ihm - zwar abge bremste, aber trotzdem empfindliche - T reffer ver setzten. Körperlich war sie ihm ebenbürtig, wenn nicht sogar überlegen. Sein letzter Nahkampf lag schon einige Jahrtau sende zurück. Sich wie ein Barbar zu prügeln war eigentlich unter seiner Würde, doch musste sich der Uralte zur Wehr setzen. Ohne Unterlass drang die Frau auf ihn ein. Wortlos, ohne zu schwitzen, mit der Präzision eines Robo ters. Abermals funkelten Pailletten auf. Sardaengar wich wie der zur Seite aus, um sich einige Augenblicke der Ruhe zu verschaffen. Nach wie vor setzte ihm die Aura gefährlich zu, zwang die Kräfte seines Bewusstsein in die materiellen Grenzen und Schranken des Körpers. Aus dem fernen Hauch kreatürlicher Furcht wurde langsam Entsetzen, weil sich die normalerweise problemlos ge nutzten Möglichkeiten und Fähigkeiten erschreckend schnell reduzierten. Dafür fühlte Sardaengar sein Herz umso heftiger pochen. Er hörte auch sei nen eigenen Atem, der immer keuchender wurde und merkwürdig fremd klang,
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verbunden mit stechenden Schmerzen in den Lungen. Eiswellen liefen über sei nen Rücken und zogen die Kopfhaut zu sammen, im Magen wühlte wachsende Übelkeit. Schmerz - Unbehagen - Angst ... Innerlich krümmte er sich, im Reflex wehrte er einen weiteren Armstoß ab. Als er die Distanz dabei bis auf Schritt länge vergrößerte, wirbelte die Frau so fort auf dem linken Absatz herum, riss ihr rechtes Bein in die Höhe und trat nach seinem Gesicht. Diese Attacke grenzte schon an Arroganz, weil T ritte oberhalb des Knies an Effizienz einbüß ten, je höher sie angesetzt wurden. Routiniert fing er den Stiefel ab und fegte ihn zur Seite. Dabei wurde sein Un terarm geprellt. Die Schmerzwelle lief heiß bis zur Schulter hinauf und ver mischte sich mit den wachsenden Qua len, denen Sardaengars Bewusstsein ausgesetzt war. Sein Geist versuchte aus der materiellen Beschränkung auszu brechen, krümmte sich jedoch inzwi schen nicht weniger und wand sich wie der angegriffene Leib. Die Rothaarige hemmte und schwäch te ihn. Beinahe wünschte sich der Herr der Welten, in diesem Augenblick auf die Macht des Kristallmondes zugreifen zu können. Aber er widerstand der Verlo ckung, diesem am Rand des Wachbe wusstseins verführerisch klingenden Raunen und Flüstern, diesem durchdrin genden weißen Licht, in dem es keine Schatten gab ... Unbewusst wischte Sardaengar einige Haarsträhnen zur Seite, die immer wie der an dem schweißbedeckten Gesicht kleben blieben. Die Arme wurden ihm langsam schwer, während seine verbis sen kämpf ende Gegnerin in keiner Weise zu ermüden schien. Vermutlich konnte er heilfroh sein, dass ihre technischen Hilfsmittel nicht funktionierten. Derart grimmig, wie sie kämpfte, hätte sie zwei
Die Technostadt
feilos keine Skrupel gehabt, ihn mit den Stabwaffen niederzuschießen. Die Fremde wollte ihn töten, so viel stand fest. Ihn, den die Viin den Uralten nannten, den Herrn der Welten, den »Mann der tausende Gestalten«. Sardaengar ahnte, warum. Er sollte beseitigt werden, bevor er dem Druck des Kristallmondes erlag. Je mehr ihm die Ausstrahlung der Frau zusetzte, des to intensiver brannte in ihm der Wunsch, die Macht Vadolons anzuzapfen. Wie leicht wäre es doch, auf diese Weise neue Kraft zu schöpfen ...
... doch Sardaengar widerstand der Versuchung. Die Angst vor den Folgen war zu groß. So lange hatte er sich bisher dagegen gewehrt. Aber nur zu gut wuss te er, dass sich längst eine Eigendynamik entwickelte, die in ihren Konsequenzen fast unaufhaltsam zu sein schien. Noch überwog der feste Wille zu wi derstehen. Fragte sich nur, wie lange noch. Immer stärker geriet er in die Defen sive. Die Arme schützend vor das Ge sicht heben und zurück weichen - z u mehr war er kaum noch fähig. Immer neue Schweißbäche brachen aus seinen Poren und verteilten sich über seinen durchnässten Körper. Seine Knie began nen zu zittern, und als er mit dem linken Absatz an einer scharfen Felskante hän gen blieb, geriet er prompt ins Strau cheln. Ein Schlag in die Nieren bestrafte seine Unachtsamkeit. Danach bereitete es schon Schmerzen, einfach nur auf recht zu stehen, während gleichzeitig das Bewusstsein über die Barrieren hin auszugreifen versuchte und vor der Ima gimären-Aura zurückzuckte. Obwohl Sardaengar die nächsten Schläge wieder abfing, gab er sich kei nen Illusionen hin. Se ine Nie derla ge
stand so gut wie fest. Bis er endgültig einknickte, mochten noch dreißig oder vierzig Sekunden vergehen. Mit etwas Glück konnte er sich vielleicht sogar noch eine Minute halten. Spätestens dann würde er entkräftet zu Boden ge hen und den tödlichen Schlägen hilflos ausgeliefert sein. Fehlt nur noch, dass Litrak aus der Eisgruft befreit wird, durchfuhr es ihn in einem Anflug von Fatalismus, aber um das zu verhindern, hatte er ja seine Per lenschleifer ausgeschickt und entspre chend instruiert. Trotzdem spielte er ei nen Augenblick lang mit dem Gedanken, einfach aufzugeben und sich seinem Schicksal zu ergeben. Angesichts seiner wühlenden Schmerzen eine überaus ver lockende Vorstellung, wenngleich nicht stark genug, um den Selbsterhaltungs trieb auszuschalten. Nein, rief sich der Herr der Welten zur Ordnung. So wird mein langes Leben nicht enden! Ich muss mir etwas, einfal len lassen! Weiter auf Abwehr bedacht, sah er nach links und rechts, um eine Möglich keit zu suchen, den Kampf noch im letz ten Moment zu seinen Gunsten zu ent scheiden. Vielleicht gab es ja etwas, das sich irgendwie als Waffe einsetzen ließ, oder er ... Eisiger Schrecken durchfuhr ihn, als er aus den Augenwinkeln eine graue Schattengruppe entdeckte, der mehrere Paare weit ausgestellter, spitz zulaufen der Ohren entwuchsen. Die charakteris tische Silhouette der Scaffrans! Kleine, aber gefährliche Raubtiere, die stets im Rudel jagten. Ein Fluch entfuhr Sardaengars rauer Kehle, so überzeugend, dass die Rothaa rige zurückwich und einen schnellen Blick zur Seite warf. Unter anderen Um ständen wäre das der Moment gewesen, dem Kampf eine entscheidende Wen dung zu ge ben, doch für einen wirksa
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men Konterschlag fehlte ihm inzwischen die Kraft. Völlig ausgelaugt stand er da. Die psy chische Schwäche drang bis tief ins sein Innerstes, drohte seine Parakräfte ver siegen zu lassen. Für den Bruchteil eines Wimpernschlags hatte Sardaengar die ebenso irreale wie erschreckende Vision, wie er, zu einem Zwerg geschrumpft, im düsteren Inneren des hohl erscheinenden Körpers mit den Fäusten gegen die Bar riere anhämmerte, ohne sie allerdings aufbrechen zu können. Das in seinen Ohren fauchende Blut riss ihn in die brutale Wirklichkeit zu rück. Vor ihm stand geduckt die rothaarige Kampf maschine, ringsum schlichen die Scaffrans, die ihm schon auf dem Weg zur Silbersäule begegnet waren. Noch kreisten die bissigen Kläffer um die kämpfenden Humanoiden, doch ihr Jagdinstinkt witterte bereits die sich ab zeichnende Niederlage. Knurrend zogen sie die Lefzen zurück und legten ihre scharfen Zahnreihen frei, mit denen sie über die von der Auseinandersetzung geschwächten Kontrahenten herfallen wollten - obwohl selbst das größte T ier aus dem Rudel Sardaengar nur bis Hüfte reichte. Schnappte ein erster Scaffran mit sei nen kräftigen Kiefern zu, ließ er nicht mehr von seiner Beute ab. Nicht einmal, wenn ihm der Kopf abschlagen wurde. Die T iere witterten, dass der Kampf auch die Frau geschwächt hatte. Mittler weile war sie genauso gefährdet wie Sar daengar. Dennoch breitete sich in ihm nur zaghaft etwas Zuversicht aus, weil die Kontrolle über die Parasinne weiter hin kaum gelang. Körper und Geist schienen sich in lautlosem Brüllen überbieten zu wollen, seine Schmerzen verbanden sich zu ei nem grellen Eindruck, den Sardaengar nur mühsam zurückdrängen konnte. Die Konzentration auf die eigenen Kräfte
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und Fähigkeiten drohte sich zu verflüch tigen. Ein Blick auf die abgemagerten Tiere, bei denen sich jeder einzelne Rippenbo gen unter den räudigen Fellen abzeich nete, reichte aus, um den Hunger zu er kennen, der in ihren Bäuchen wütete. Alle Furcht vergessend, rückten sie nä her, obwohl - oder gerade weil - ihre po tenzielle Beute voneinander abgelassen hatte. Ein tiefes Knurren drang aus der Kehle eines Rüden, de ssen pech schwarze Segelohren sich deutlich von dem grauen Fell abhoben. Ein dunkler T upfer innerhalb des Rudels. Die Zeich nung der übrigen Tiere war einheitlich grau, so dass sie einander wie ein Ei dem anderen ähnelten - eine Beobachtung, die in dem Uralten eine wilde Idee auf blitzen ließ. Bei dem Schwarzohr, das weiter als die anderen vorrückte, handelte es sich um das Leittier. Nach und nach folgte das gesamte Rudel seinem Beispiel und fiel in das warnende Knurren ein. Der Rüde näherte sich weiter, und ringsum folgten die anderen. Unvermittelt wirk te das Rudel wie ein Kreis aus flet schenden Zähnen, der bedrohlich schrumpfte. Die Lage wur de lebensgefährlich aber das hinderte die Rothaarige nicht daran, den Kampf ohne Vorwarnung fortzusetzen! Ihre Imaginären-Aus strahlung irritierte Sardaengar, schwäch te ihn weiterhin, beeinträchtigte seine Parakräfte. Nicht mehr lange, und ... Mit einer geschickten Drehung wich Sar daengar vier gestreckten Fingern aus, die sich in seinen Magen bohren sollten. Er hatte instinktiv mit einer der artigen Attacke gerechnet, denn der feindlichen Aura war deutlich anzumer ken gewesen, dass die Rothaarige ihn erst ausschalten wollte, bevor sie sich der neuen Bedrohung stellte.
Die Techno stadt
Wütend griff sie nach Sardaengars Ar men, um ihn zu Boden zu schleudern, doch er entwischte ihr abermals, längst einem genau kalkulierten Plan folgend. Für Augenblicke galt sein konzentrierter Blick nur noch den kurz vor dem Angriff stehenden Scaffrans. Handelte er jetzt nicht schnell genug, würden sie ihn bei lebendigem Leib zerreißen. Stellte er es jedoch geschickt an, konnte ihr Auftau chen seine Rettung sein. Geschmeidig glitt Sardaengar an der Frau vorbei, die ein wütendes Zischen ausstieß, als sie sein Vorhaben erkannte. Um ihn zu stoppen, war es bereits zu spät. Der Herr der Welten setzte die ur eigene Fähigkeit seines Volkes ein ... 1. Gegenwart Vinara III, 29. April 1225 NGZ
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»T amiljon!«, brüllte ich durch das Krachen der Eisschichten. .»Rette ihn...« Meine Augen klebten weiter an dem Großmeister de s Litrak-Ordens, der über den Rand der Scholle hinweg schoss, während ich hastig hinzufügte: »Rette Aundar-Aundar!« Der schwarzhäutige Humanoide, dem meine Worte galten, reagierte aber nicht, sondern klammerte sich weiter an den Stumpf eines Stalagmiten und stierte mich aus weit aufgerissenen Augen an. Ihm ging es wie mir und all den anderen, die sich auf der T echnostadt befanden. Nach ihrem Start aus dem Eis war sie in eine gefährliche Schräglage geraten Tamiljon hatte alle Hände voll zu tun, nicht selbst in die T iefe zu stürzen. Ein Schicksal, wie es in diesem Augenblick seinen Großmeister ereilte. Wahrhaftig, wir steckten in einer scheußlichen Situation. Fast 900 Meter Durchmesser erreichte
die Basis der Plattform, deren Grundriss einem achtzahnigen Sä geblatt ent sprach. Die von dicken Eisschichten be deckte Oberseite neigte sich mehr und mehr; inzwischen waren es 15 oder gar 20 Grad. Ringsum brachen die Eismas sen weiter auseinander. Nadelfeine Splitter gefrorenen Wassers hagelten auf mich ein, während ich mich an dem in die Scholle gerammten Messer festhielt, un ter meinen Füßen nur 50 Meter eiskalte Luft und der Casoreen-Gletscher. Funkelnde Schneekristalle vermoch ten nicht darüber hinwegzutäuschen, dass die gefrorene Landschaft eine un angenehm harte Konsistenz auf wies. Aundar-Aundar, der in freiem Fall dar auf zujagte, würde sich alle Knochen brechen, und ich konnte nichts dagegen tun. Beide Stiefel frei in der Luft hän gend, meine Hände mit letzter Kraft um den Messergriff geklammert, blieb mir nur die Rolle des stummen Beobachters. Tamiljon dagegen, von dem ich mit Si cherheit wusste, dass er telekinetische Kräfte einsetzen konnte, war in der Lage, den Sturz eines anderen abzu bremsen. Er hatte es bereits mehrfach bewiesen, zum Beispiel als wir von der Plattform des Obsidiantores in Aroc springen mussten, aber auch bei der Ex plosion des Luftschiffes LITRAK. Doch statt seinem Ordensbruder zu helfen, stierte er mich nur aus gelblich funkelnden Augen an. Akuter Schockzustand, analysierte mein Extrasinn. Er hört zwar, was du sagst, doch der Sinn deiner Worte dringt nicht zu ihm durch. So empfindlich schätzte ich den in schwarzes Leder Gekleideten eigentlich nicht ein, trotzdem war der Hinweis mei nes Logiksektors berechtigt. Was uns zur Zeit widerfuhr, mochte gestandene Män ner und Frauen durchaus aus der Bahn werfen. Dennoch wollte ich nicht zulas sen, da s Aundar-Aundar ums Le ben
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kam. Selbst wenn wir an einer schrägen Eisfläche hingen, die einem Vogelnest gleich zwischen den T ürmen der Stadt klemmte. Mehrere 100 Meter entfernt kippte ei ner der Außentürme noch stärker als der Boden, von dem er aufragte - das Ge bilde, groß wie der Glockenturm einer Kathedrale, von Eis verkrustet und zweifellos von Shainshar-Wucherungen angefressen, geriet zeitlupenhaft aus dem Gleichgewicht. Hausgroße Stücke des weißen Panzers platzten ab, trudel ten davon, verschwanden in der T iefe. Der T urm zerbrach in mehrere Stücke, noch während er fiel wie ein gefällter Riesenbaum. Blitzschnell schätzte ich die Entfer nung zum nächsten Stalagmiten ab, lös te die linke Hand vom Messergriff und presste sie gegen die raue, von Luftein schlüssen geprägte Eisschicht. Obwohl die Schwerkraft an mir zerrte, gelang es mir, den ausgestreckten Körper Stück für Stück zur Seite zu schieben, bis ich nicht mehr gerade herabhing, sondern eine Schrägstellung einnahm, ähnlich einem terranischen Analogzeiger, der auf fünf Uhr deutete. Von hier aus musste ich nur noch den rechten Fuß abspreizen und auf einen der vorgelagerten Stalagmiten stellen, die T amiljon als Stütze dienten. In die ser verdrehten Stellung 50 Zentimeter zu überbrücken kostete eine Menge Schweiß, vor allem, weil die linke Hand, auf der ein Großteil meines Gewichtes lastete, langsam zur Seite rutschte. Hastig nutzte ich einen der vielen durch die Scholle laufenden Risse als weiteren Haltepunkt. Ich verkantete die linke Stiefelspitze in der Hoffnung, dass der arbeitende Spalt nicht wieder zu schnappte. Auf diese Weise verschaffte ich mir den nötigen Schub, um mit dem rechten Fuß auf den vorspringenden Zapfen zu wechseln. Meine Hand, die
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den Messergriff umklammerte, wurde augenblicklich entlastet. Ich atmete kurz durch und konzentrierte mich auf die schwierige Aufgabe, mich ganz hin überzuziehen. Behutsam wechselte ich die Hände am Messergriff und langte mit der Rechten nach einem schroffen Schol lenvorsprung. Ich hatte ihn kaum gepackt', als die ei sige Wand, an der ich hing, zu vibrieren begann. Die Erschütterung, die sämtli che Gebäude der Stadt erfasste, ließ weite Teile des sie umgebenden Eisman tels aufplatzten. Von der Stelle, an der ich mein Messer versenkt hatte, zweig ten plötzlich zackenförmig Risse ab, die sich weiter verästelten, bis die Klinge im Zentrum eines spinnennetzähnlichen Musters steckte. Rings um den doppelschneidigen Stahl zerkrümelte das Eis. Nicht mehr lange, und das Messer würde, jeden Hal tes beraubt, herausgleiten. Ohne eine weitere Sekunde zu verlieren, ließ ich den Griff los und zog mich nach rechts. Eine spontane Reaktion, leider viel zu hastig ausgeführt. Mein rechter Stiefel rutschte von dem Stalagmiten ab, meine Fingerkuppen ebenfalls - und ich stürzte in die Tiefe. Indem ich mich rasch nach vorn warf und meine Arme ausstreckte, fiel ich ge nau auf den Zapfen, auf dem ich eben noch gestanden hatte, und schlug mit dem Bauch voran auf. Die kalte Run dung grub sich tief in meine Magen kuhle. T rotz der damit verbundenen Schmerzen klappte ich zusammen wie ein Taschenmesser und verschaffte mir sicheren Halt, indem ich meine Arme um den Sockel des massiven Eisgebildes schlang und mit den Fingern nach mei nen Kniekehlen griff. Auf diese Weise schaukelte ich einige Sekunden hin und her, ohne abzurut schen. Falls der Stalagmit unter dieser Belastung zerbrach, gab es keine Ret
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tung mehr für mich. In diesem Punkt musste ich völlig auf mein Glück ver trauen. Ohne meine schmerzende Bauchmuskulatur zu beachten, rutschte ich tiefer und arbeitete mich durch das Geflecht der waagerecht abstehenden Eiszapfen bis zu T amiljon vor und rüt telte an seiner Schulter. Zwecklos. Erst als ich ihn zu mir in die Höhe riss, er wachte er aus seiner Trance. In seinen geistesabwesenden Blick kehrte ein Funken von Leben zurück; verständnis los fragte er: »Was ist denn?« Ich verspürte große Lust, ihn wütend anzuschnauzen, damit er richtig wach wurde, doch für die Rettung seines Ober haupts war es ohnehin zu spät. Mein Ab stieg hatte viel zu lange gedauert. Aundar-Aundar lag längst mit ver krümmten Gliedern in der Schneewüste, während die T echnostadt höher und hö her stieg. Der Sturz hatte den Achtzig jährigen auf der Stelle getötet. Um die immer winziger werdende Gestalt auf dem Eis breitete sich ein dunkler Fleck aus. Der Anblick des Blutes ließ Übelkeit in mir aufsteigen. Was ich dort unten sah, mochte ein Blick in die eigene Zu kunft sein.
Der gefrorene Zapfenwald, an den wir uns klammerten, begann bereits ver dächtig zu knarren und knistern. Rasch verlagerte ich mein Gewicht auf zwei Stalagmiten und schätzte meine Chan cen ab. Mittlerweile war die Stadt auf mindestens 100 Meter Höhe gestiegen. Schon viel zu hoch, um noch auf normalem Wege abzuspringen, doch hier oben sah alles noch unsicherer aus. Abermals ein rascher Blick nach un ten. Mehr als einen Kilometer musste der Krater im Eis durchmessen, dessen steile Flanken in Bewegung gekommen waren. Eine unbekannte Zahl von Jahrtausen
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den hätte die Schutzfeldkuppel der Eis gruft dem Druck des Gletschers stand gehalten - nun gab es den Widerstand nicht mehr, und riesige Klippen brachen unter ohrenbetäubendem Krachen, Donnern und Poltern in die T iefe. Wolken zu feinem Staub zerfetzten Ei ses stoben machtvoll in die Höhe, durch setzt von größeren Splittern und Bro cken. Die Hauptwucht der blumenkohl artig emporquellenden Schwaden brach sich an der Unterseite der Plattform. Zerfaserte Ausläufer trieben zur Seite, begleitet von einem unausgesetzten Prasseln. Die T echnostadt richtete sich zwar langsam auf un d schwan g a us der Schräge in die Waagrechte zurück, so dass wir wie der festen Boden unter die Füße bekamen, doch von einem stabilen Kurs konnte weiterhin keine Rede sein. Der Gebäudekomplex taumelte mehr, als dass er flog. Schuld daran waren ver mutlich vor allem die braunen Shain shar-Wucherungen, die schon große Teile der unter uns liegenden Gebäude oder gar Innenbereiche der eigentlichen Plattform zerfressen hatten. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die An triebs- und Steuerungseinheiten gänz lich versagen würden. Selbst der 150 Me ter hohe Achteckturm mit seiner Kup pelkrone im Zentrum der Plattform ober seite schien in z wischen z u schwanken, während Eiskrusten ab sprangen, in die Tiefe krachten und wachsende Flecken der braun brodelnden Masse freilegten. Als ich an den Rand unserer massiven Eisbrücke trat, die sich weiterhin fest zwischen drei Goldtürmen spannte, blickte ich direkt in ein kochendes Pest loch. Je mehr Eis abplatzte, desto größer wurde die Angriffsfläche der wuchernden Biomasse, die einen Menschen in Se kundenschnelle zu töten vermochte. Sollte die Braune Pest bis zu uns in die
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Höhe schwappen, war es um uns geschehen. Im Gegensatz zu den anderen schützten mich zwar meine »Aura« so wie die Nanomodule aus der Silbersäule, aber auch deren Abschirmung wider stand vermutlich keinem massiven An sturm. Ich sah auf das quecksilberfarbene Armband, das mein rechtes Handgelenk umschloss. Mit Hilfe seiner Miniaturein heiten mochte es mir vielleicht gelingen, einen Absprung lebend zu überstehen, so, wie T amiljon vielleicht seine Telekinese zur Rettung einsetzen konnte. Doch so leicht durften wir es uns nicht machen, denn außer uns saßen hier oben noch drei weitere Expeditionsteilneh mer fest. Keine 20 Meter entfernt, etwa im Zen trum der Scholle, rappelten sich gerade Enhamor, Lebriin und der Blue Caless Lilak Tadyn auf. Allen stand das Entset zen ins Gesicht geschrieben. Nicht nur wegen Aundar-Aundars Absturz. Nein, auch die anderen Toten und vor allem der Umstand, dass sie das Böse erweckt statt gebannt hatten, wühlten sie auf. Gleichzeitig verrieten ihre Bewegungen Furcht und Unsicherheit, weil ihnen das ganze Ausmaß ihrer Misere bewusst wurde. Einen leisen Fluch unterdrückend, trabte ich zum Schollenrand. Wir muss ten von der Stadt herunter, alle fünf, und zwar so schnell wie möglich. Links ragte das orientalisch geformte Dach eines goldenen T urms auf, noch gänzlich von Eis überzogen. Unter ande ren Umständen hätte ich versucht, dort einzudringen, um endlich wieder siche ren Boden unter den Füße zu spüren, doch im Inneren mochte bereits das Shainshar wüten. Eine Schrittlänge vor dem natürlichen Schollensims hielt ich an. Die Eisdecke, die uns trug, war hier sieben oder acht Meter dick. Das sah ich, als ich mich vornüberbeugte. Ich rich-
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tete mich wieder auf. Dabei sah ich noch mehr, und zwar weit draußen, auf dem bläulich weiß funkelnden CasoreenGletscher. Dort stand eine kristalline Lebens form in Gestalt einer vier Meter großen Gottesanbeterin. Das uralte Wesen, we gen dem wir die ganzen Strapazen auf uns genommen hatten. Litrak! Der Ewige, der die schlanke Körper form eines Kosmokratenroboters nach geahmt hatte, kurz vor der Stabilisie rung seiner Insektenform. Was auch im mer er damit mitteilen wollte, nun stand er hoch aufgerichtet da, die Brust her ausgestreckt, beide Fangarme angezo gen und den dreieckigen Kopf in unsere Richtung gedreht. Auch auf die Entfer nung noch sehr gut sichtbar, ganz so, als wollte er uns verhöhnen, weil ihm der Absprung gelungen war, während wir weiter auf dem torkelnden Koloss hock ten und dem sicheren Untergang entge gensteuerten. Kaum, dass sich dieser Gedanke mei ner bemächtigt hatte, drehte sich Litrak auch schon auf seinen aufblitzenden Hinterläufen um und hetzte mit großen Sprüngen davon, bis sich seine Gestalt in der weiß glitzernden Umgebung verlor. Zweifellos ein triumphierender Abgang, ganz so, als liefe für ihn alles nach Plan. Nur, wenn er sich jetzt lieber auf die Kraft seiner Beine verließ ... warum hatte er überhaupt die Technostadt ge startet? Welche technische Möglichkeit wollte er ursprünglich nutzen? Denk an die Projektion der Silber säule, erinnerte mich der Extrasinn an ein erst wenige Stunden zurückliegen des Ereignis. Um die Falle für Litrak vor zubereiten, transferierte Sardaengar die Silbersäulen mitsamt dieser Stadt nach Vinara Drei. Damit war zweifellos eine Transition zwischen den Spiegelwelten gemeint.
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Gut möglich, stimmte ich zu. In die sem Fall will Litrak zurück nach Vinara, um weitere Teile seines Körpers einzu sammeln, die er einst ausgeschieden und verteilt hat, um sie als Sonden und Men talrelais zu benutzen. Die holografische Projektion Sar daengars hatte ausdrücklich davor ge warnt, dass die Einverleibung dieser Kristalle Litrak weiter stärken würde. Dass diese Aussa ge stimmte, bewies die erfolgreiche Erweckungszeremo nie, in der die Kristallstabträger des Litrak-Ordens ihre Splitter geopfert hatten. Die größte bekannte Kristallansamm lung befindet sich im »Canyon der Visio nen« auf Vinara, erinnerte der Logiksek tor und fügte mahnend hinzu: Sardaen gars Warnung lautete: Sollte Litrak je mals der Falle entkommen, wird dieser Bereich der Taneran-Schlucht sein ers tes Ziel sein! Gedankenverloren fuhr ich über mein eiskaltes Gesicht. Natürlich, um dieses Potenzial anzuzapfen, musste der Kristalline eine Transition durchführen. Deshalb hatte er die in den Gletschern eingefrorene Stadt gestartet, ohne von dem Zersetzungsprozess der Braunen Pest zu ahnen, die jede technische Ak tivität zu einem reinen Himmelfahrts kommando machte. Die losbrechende Eisdecke hatte Litrak mitgerissen und mit ... Kommst du auch schon dahinter?, stichelte der Extrasinn, um meine Gedan ken auf Touren zu bringen. Ich antwor tete nicht, sondern orientierte mich an der hinter uns liegenden Gletscherfor mation, deren Form sich auf dem Hin weg in mein fotografisches Gedächtnis gebrannt hatte. Es dauerte nur einen Wimpernschlag bis zu der Erkenntnis, dass Litrak nach Süden rannte, in Rich tung des Basislagers, bei dem sich ein Obsidiantor befand. Und falls das nicht
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ausreichte, gab es auch noch Malenke, das Tempelzentrum des Litrak-Ordens, mit einem weiteren Obsidiantor ... Eine Vielzahl von Möglichkeiten, ge fahrlos nach Vinara überzuwechseln, drängte meine innere Stimme. Lass dir gefälligst was einfallen, wie du Litrak auf den Fersen bleiben oder, besser noch, zuvorkommen kannst. In meinen Gedanken schlummerte be reits eine patzige Antwort, in der es grob darum ging, dass ich über keine magi schen Fähigkeiten verfügte und deshalb mit vernünftigen Vorschlägen mehr an zufangen wüsste als mit einpeitschenden Bemerkungen. Ehe ich aber etwas in die ser Art - nur wesentlich schärfer - for mulieren konnte, gellte ein dunkler Schrei über die eisige Plattform. Ich wüsste bereits, wer ihn ausgesto ßen hatte, noch ehe ich auf dem Absatz herumwirbelte und zurücklief. Eine der art volltönende Stimme besaß nur einer aus unserer Gruppe, Lebriina, der Springerabkömmling. Als ich näher kam, stockte mir der Atem, denn die kräftige Gestalt des Großmeisters be stand bereits nur noch aus Haut und Knochen. Ohne sein feuerrotes Haar und den buschigen Schnurrbart hätte ich ihn womöglich gar nicht erkannt, denn ob wohl er meines Wissens erst 60 Jahre alt war, besaß er plötzlich das von tiefen Furchen zerklüftete Gesicht eines ural ten Greises. Rapider Zellverfall, kommentierte mein Logiksektor, was ich längst mit ei genen Augen sah. Wie beiden anderen. Tatsächlich war mir der nun folgende Ablauf bereits durch den Tod einiger an derer Großmeister bekannt, deren Alte rungsprozess ebenfalls durch die Kris tallzepter künstlich verlangsamt worden war. Ihres primitiven Zellaktivators be raubt, forderte die Natur nun innerhalb von Sekunden ihr jahrelang verdrängtes Recht.
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Bernd Frenz
2. Rückblende Vinara, 17. April 1225 NGZ
Li da Zoltr al
Die Scaffrans jaulten vor Furcht, denn solch eine Verwandlung überstieg das Vorstellungsvermögen ihrer primitiven Gehirne. Sardaengar musste diese Reak tion vorausgesehen haben, sonst hätte er diesen Schritt niemals gewagt. Seine Metamorphose verlief lautlos und inner halb weniger Sekunden. Eben noch hatte er aufrecht gestanden, im nächsten Moment fiel er schon vornüber und ver lor rapide an Körpergröße. Statt mit seinen Händen kam er mit zwei Pfoten auf, denn er hatte sich längst in einen grauen Scaffran verwandelt, der sich in keiner Weise von den grauen Ru delmitgliedern unterschied. Kläffend fuhr er in den zähnefletschenden An griff sring und löste bei seinen neuen Art genossen einen solchen Schrecken aus, dass alle wild durcheinander sprangen. In diesem Gewühl verlor Li da Zoltral rasch den Überblick. Angesichts ihrer ausgefallenen Ausrüstung gab es für sie auch keine technische Möglichkeit, den Mago zu lokalisieren. Sardaengars Fä higkeiten waren ihr nicht fremd, trotz dem hatte er sie mit dieser Flucht über rascht. Verdammt, sie hätte schneller und härter angreifen müssen, um den vom Kristallmond zunehmend Beeinflussten sofort auszuschalten. Nun war es zu spät. Nun konnte sie nur noch mit grim mig verzogenem Gesicht zusehen, wie das Rudel nach allen Seiten davonstob und das Weite suchte. In welche der vier Himmelsrichtungen Sardaengar floh, ließ sich auf die Schnelle beim besten Willen nicht bestimmen, deshalb sah sie von einer Verfolgung ab. Enttäuscht strich die Beauftragte des Kosmokratenroboters Samkar einige
Schweißtropfen von der Stirn und war tete, bis ihr trommelnder Herzschlag auf einen normalen Rhythmus absank. Die Hände auf die schwarzen Aggregatetuis ihres Gürtels gestützt, drückte sie den schmerzenden Rücken durch und sah zu den T ürmen der Gebirgsbastion, die nur wenige Kilometer entfernt majestätisch von einem schroffen Grat in der Mitte ei nes pfannenartigen T alkessels gen Him mel ragten. Andere Spuren der Zivilisation gab es nicht, also machte sie sich auf den Weg in der vagen Hoffnung, dort eine Licht brücke etablieren zu können, über die sich der Kristallmond erreichen ließ. Der letzte Versuch, das Leuchten des Hoagh zu passieren, war leider schmählich ge scheitert. Nun musste sie das Beste dar aus machen, hier materialisiert zu sein. Stets auf Sardaengars Rückkehr ge fasst, konzentrierte sie ihre Sinne auf seine schlummernde Kristallmondprä senz und verfiel in einen leichten T rab. Am Himmel teilte das dunkle Bogen band des Vinara umgebenden Obsidian rings die im orangefarbenen Licht düs ter erstrahlende Sonne. Wolken rasten niedrig vorüber, am Horizont huschten die Glutbahnen dreier Meteoriten in die Tiefe, gefolgt von einem Aufblitzen hin ter fernen Bergen. Mit schnellen, federnden Schritten verkürzte Li die Distanz zur Festung, die immer deutlicher aus der Felslandschaft hervortrat. Ein beeindruckendes Monument, scheinbar aus Stahl erbaut, doch in Wirklichkeit erschaffen aus der Psi-Ma terie des Kristallmondes. Fünf unter schiedlich hohe T ürme bildeten die Eck punkte des offenen Pentagons, dessen Grundfläche gut und gerne vierhundert Meter durchmaß. Die einst silberglän zenden Fassaden waren längst dunkel angelaufen. Li entdeckte zahlreiche fleckige und schartige Stellen, aber a uch an Stuck
Die Technostadt
und Ornamente erinnernde Strukturen, die offenbar langsam zu Staub zerfielen. Aus der Nähe betrachtet, bedurfte die ganze Anlage dringend einer Renovie rung. Viele Vorsprünge, Simse und Ab sätze wirkten rau, insgesamt hinterließ Grataar einen unansehnlichen Ein druck. Die Rothaarige konzentrierte sich, doch die lautlosen Rückmeldungen ihres nur rudimentär funktionierenden An zugs waren enttäuschend. Wenigstens arbeiteten einige der Sensoren noch und projizierten ihre Ergebnisse in das Be wusstsein der Frau. Grobe Schätzungen machten nun deutlich genaueren Werten Platz, während sich scheinbar Hilfsli nien und Maßketten in Lis Blickfeld auf spannten und die Gebäude der Festung umgaben. Die fünf Türme schienen aus zuvor gefertigten Zylindern zu bestehen, die in mehreren Stufen übereinander gesetzt worden waren. Der größte nahm gleich zeitig die am weitesten nördlich gele gene Position in dem Fünfeck ein. Bei einem Basisdurchmesser von 130 Metern ragte er weit über 600 Meter von der oh nehin schon vierhundert Meter hohen Klippe empor. Auf die beiden unteren Stufen, die durch einen Metallwulst ver bunden waren, folgte eine Kuppel, von der eine 70 Meter hohe T urmspitze ent sprang. Es handelte sich allerdings nur um ein verwinkeltes Stahlgerüst, das in einer drei Meter breiten Aussichtsplatt form mit brusthohem Geländer endete. Im Inneren des Skeletts befanden sich Treppen und Leitern, die von der Wölbung bis zum Podest führten. Der Westturm war ähnlich gebaut, doch ein Stück kleiner. Seinen Dom krönte nicht nur eine mittlere Spitze, sondern auch vier Seitentürme, deren Träger und Querstreben allesamt mit transparenten Platten verkleidet waren. Ost- und Südostturm ragten etwa
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gleich hoch auf, Letzterer hatte aller dings keine T urmspitze, sondern eine großzügig bemessene Terrasse, von der in Lis Bewusstsein zoomte das von den Anzugsensoren übermittelte Bild samt Maßangaben abrupt heran - eine glä serne, vier Meter hohe und zehn Meter breite Kuppel aufragte. Trotz einiger von innen beschlagener Scheiben war nun deutlich zu erkennen, dass dort Zier pflanzen aller Art wuchsen; grüne Sträu cher und Rankengewächse, bunte Blüten neben roten, gelben und orangefarbenen Knospen. Eigentlich eine Oase der Ent spannung, schwebte auch über diesem Wintergarten ein Hauch des Zerfalls, der Li unwillkürlich frösteln ließ. Sardaengar schien keinen Wert auf eine gemütliche Umgebung zu legen oder nicht mehr in der Lage oder willens zu sein, die Festung in Ordnung zu hal ten.
Mit dem Handschuh fuhr die Arkoni din über ein halb zerfressenes Relief, das unter ihren Fingern zu rotgrauem Staub zerfiel. Vorsichtig trat sie durch die Lücke zwischen Nord- und Westturm in den großen Innenhof, in dessen Mitte grauweiße Schwa den waberten, ohne auseinander zu driften. Von unsichtba ren Kräften zu einer 50 Meter hohen Kuppel aufgestaut, hatte der Nebel eine kompakte Konsistenz, die nur ab und an von blauweißen Lichtfäden erleuchtet wurde. Li traute ihren Augen nicht, als bei ei nem dieser Blitze ein reich facettierter Kristall durchschimmerte, der, 40 Meter im Durchmesser, wie eine Miniaturaus gabe des Kristallmondes wirkte. Die Ne belschwaden, die ihn unablässig umflos sen, dienten offensichtlich dazu, ihn vor neugierigen Blicken zu verbergen. Bevor sie sich mit diesem Ge bilde befasste,
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wollte die Beauftragte jedoch zuerst die umliegenden T ürme untersuchen. T atendurstig wandte sie sich dem größten von ihnen zu, dem Nordturm. Neugierig wanderte Li einmal um den Sockel herum, ohne einen Eingang zu entdecken. Alles, was sie unterwegs sah, war glatter, aus einem Stück gegossener Stahl. Verdutzt kam sie wieder am Aus gangspunkt an und schüttelte den Kopf. Gleich darauf versuchte sie es erneut. Diesmal legte sie keine Eile an den Tag, sondern arbeitete sich sorgfältig, Schritt für Schritt, an der Wand entlang. Wenn sie dabei einen Spalt oder eine andere Unregelmäßigkeit entdeckte, strich sie mit dem Handschuh über die angelau fene Oberfläche. Auf der dem Westturm zugewandten Seite wurde sie endlich fündig. Unterschiede in den Verfärbungen und abgeplatzte Schichten führten Li auf die Spur eines haarfeinen Risses, der bogenförmig aufstieg und auf der ande ren Se ite mit exakt dem gleichen Schwung wie der abwärts führte. Unter normalen Umständen wäre diese exakt eingepasste Pforte mit bloßem Auge nicht zu erkennen gewesen, doch der Zahn der Zeit, der an Grataar nagte, ließ den Umriss stärker als ursprünglich ge dacht hervortreten. Li drückte gegen den ovalen Block, ohne ihn auch nur einen Millimeter ver schieben zu können. Nicht mal, als sie sich mit der Schulter dagegen stemmte. Mit roher Gewalt war dem Mechanismus nicht beizukommen, darum suchte sie nach verborgenen Druckpunkten, die den Verschluss öffnen mochten. Vergeb lich. Auch ihr Spezialwerkzeug, da s noch auf der Vergessenen Plattform funktioniert hatte, half ihr nicht weiter. Verdrossen ließ sie von dem verborge nen Eingang ab, um sich anderweitig umzusehen. Im Uhrzeigersinn klapperte sie den östlichen, den südöstlichen und
Bernd Frenz
den südwestlichen T urm ab, jedes Mal mit dem gleichen niederschmetternden Ergebnis. Die verborgenen Eingänge fügten sich so gut in die Stahlzylinder ein, dass sie sich kaum ausmachen und erst recht nicht öffnen ließen. Lis Versuche, per Gedankenkontrolle zuzugreifen, schlugen ebenfalls fehl. Erst beim Westturm hatte sie Glück: An der Stelle des geringsten Abstandes zum benachbarten Südwestturm gab es am Ende einer aus nur fünf metallenen Stu fen bestehenden Treppe einen spitzgo tisch geformten Portalbogen von etwa 25 Metern Höhe. Ein Tor war nicht zu se hen, stattdessen führte ein Gang, von dem offenbar weder T üren noch Seiten gänge abzweigten, tief ins Innere des T urmes. Verborgene Sensoren nahmen Lis An wesenheit wahr, als sie den Gang betrat. Obwohl keinerlei Leuchtelemente zu er kennen waren, erhellte sich der Gang, und das Licht erlosch hinter ihr wieder, sobald sie etwa zehn Meter zurückgelegt hatte. Trotz des einfallenden Sonnen lichts versank der Eingang erneut in stumpfem Silbergrau. Von dem erleuchteten Abschnitt um geben, stieß Li tiefer in den mächtigen Bau vor. Etwa 120 Schritte waren zu rückgelegt, als der Gang in einen etwa 15 Meter durchmessenden Schacht mün dete, dessen oberes Ende im Dunkel ver borgen war. Entlang der Wandung schwang sich eine spiralig umlaufende Treppe in die Höhe und verschwand bald in der Finsternis. Durchaus möglich, dass sie hinauf zur T urmspitze reichte. Die rothaarige Frau musterte die gelän derlose Wendeltreppe. Wenn sie den mehr als 600 Meter hohen Turm auf diese Weise erklimmen musste, stand ihr ein anstrengender Marsch bevor. Technisches Gerät, das ihr irgendwie nützlich sein konnte, war leider nir gendwo z u entdecken. Nicht mal der
Die Technostadt
kleinste Gegenstand. Der Boden des rie sigen Schachtes wirkte wie leer gefegt eigentlich fast schon zu sauber. Ent schlossen ging die Frau - weiterhin von der Lichtinsel begleitet - zum Zentrum, wo ein hellsilbernes Symbol von etwa fünf Metern Durchmesser schimmerte: ein gleichseitiges Fünfeck, dessen Eck punkte gleich große Kreise bildeten, während in der Mitte ein kleinerer, aus Kristallen geformter Kreis eingelassen war. Ein Fünf-Planeten-Zeichen, das für Vinara und die Spiegelwelten stand. Beherzt stellte Li sich auf das Silber zeichen und hielt ihre Hand einige Au genblicke über den zentralen Kristallkreis. Zunächst geschah nichts, dann hob sich eine Plattform, deren Rand sich außerhalb der Silberkreise des Fünfecks befand, aus dem Boden. Ihre Instinkte hatten also nicht getrogen. Es war ein Fahrstuhl, der in die höher liegenden Stockwerke führte. Immer schneller stieg die Plattform den Schacht hinauf. Soweit Li erkennen konnte, gab es keine von unten auffah rende Hydraulik. Die Silberscheibe funktionierte nach dem Antigravitationsprinzip. Frei schwebend stieg sie im mer weiter auf; die Dunkelheit wurde von dem »mitreisenden« indirekten Licht verdrängt. Li legte den Kopf in den Nacken und sah, dass sich der Schacht wiederholt verengte. Mit dem Kopf voran passierte sie den Engpass, der wie er wartet der ringförmigen Galerie einer neuen Etage entsprach. Probeweise trat sie rasch an den Rand der Plattform, die daraufhin an Geschwindigkeit verlor und exakt auf Höhe des Stockwerks bei einem aus kragenden Steg anhielt. Im Gegensatz zum Eingangsgeschoss zweigten hier diverse Portale ab, die ringsum in die Silberwand eingelassen waren. Li wog kurz ab, ob sie eine der
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uneinsehbaren Räumlichkeiten den an deren vorziehen sollte, kam dann aber zu dem Schluss, dass ein Schott genauso gut wie das andere war. Die Plattform verharrte an ihrem Platz, während sich die Beauftragte Samkars auf den Weg machte. Das indirekte Licht wanderte weiter mit. Das erste Schott, das Li ansteuerte, wies keinerlei Sicherheitsverriegelung auf, sondern öffnete sich selbstständig, sobald sie auf einen Meter heran war. Allzu viel Schützenswertes lagerte dort auch nicht. Nur ein paar kurios ver schlungene Metallgebilde, die als Sitz gelegenheit dienen mochten. Mit trotzig zusammengepressten Lippen wandte Li sich dem nächsten Raum zu, doch das Resultat war nur noch niederschmet ternder, denn dort herrschte vollends gähnende Leere. Der Mago Sardaengar musste ein As ket sein, der nicht viel Wert auf Möbel legte, oder die gemütlich eingerichteten Räume befanden sich in einem der für sie unzugänglichen T ürme. Ohne sich entmutigen zu lassen, arbeitete sich Li Schott für Schott weiter. Außer weiteren Sitz- und Schlaf gelegenheiten ent deckte sie jedoch nicht viel. Nur noch eine voll gestopfte Gerümpelkammer, die allerlei seltsames Gerät enthielt, dessen Nutzen ihr nicht mal ansatzweise klar war. Und natürlich jede Menge Staub und Moder, der ihr von den Wän den entgegenstarrte. Der künstlichen Beleuchtung nach zu urteilen, funktionierte zwar die Basis technik des Gebäudes, doch mit der Um weltkontrolle schien etwas im Argen zu liegen. Die Luft roch eindeutig abge standen und irgendwie verkommen. Der Zerfall lastete so stark in den Räumen, dass Li ihn schmecken konnte. Während der ganzen Suche fand sie kein Anzei chen von Leben. Das gesamte Gebäude schien verlassen zu sein. Auf den endlo
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sen Fluren ließen sich nicht einmal Rei nigungsroboter blicken.
Entmutigt kehrte sie zu der schweben den Plattform zurück und f uhr eine Etage höher, aber auch dort präsentierte sich ein ähnliches Bild. Spartanisch ein gerichtete bis leere Räume, die sich mit voll gepfropften Abstellkammern ab wechselten, deren Anzahl von Etage zu Etage zunahm. Erst nach einiger Zeit ging Li auf, dass es sich bei den zusam mengetragenen Gegenständen um Arte fakte von den fünf Planeten des Obsidi ansystems handeln musste - in Jahrhun derten und Jahrtausenden gesammelt, für einige Zeit vielleicht von Bedeutung, dann aber ausgemustert und vergessen. Die meisten waren zwar funktionsun fähig und verrotteten langsam vor sich hin, trotzdem mochten sie zur Dokumen tation der unterschiedlichen Entwick lungsabschnitte dienen. So lagen, stan den und hingen in den Räumen Gewehre, Bajonette, Dolche, Säbel, Schwerter, Keulen, Speere und äußerst bizarr ge formte Helme. Daneben fanden sich Gasleuchter, aber auch aus Bast gefloch tene Sättel samt Zaumzeug, lederne Bü cher, achtlos aufgestapelte Schmuck stücke wie Armbänder, Ketten und Bro schen. An unsichtbaren Fäden schwebte eine zweifellos präparierte Flugechse mit einer Flügelspannweite von mehr als zehn Metern unter der Decke. Dieses Sammelsurium deckte sich mit den Informationen, die Li auf der Ver gessenen Plattform gesammelt hatte, brachte sie aber im Augenblick nicht weiter. Um Zeit einzusparen, übersprang sie die nächsten Stockwerke und schwebte bis zum letzten Haltepunkt, dem obersten Etagenring. Als die Plattform zur Ruhe kam - mitt lerweile hatte Li eine Höhe von mindes-
Bernd Frenz
tens 500 Metern überwunden -, befand sie sich unterhalb einer Kuppel aus stumpfsilbernem Metall, die sich rund sechs Meter über ihrem Kopf zum Zenit punkt emporschwang. Eine in die Wand wölbung eingeschnittene Treppe führte geländerlos nach oben. Li seufzte und stieg die stumpfen Stufen empor, die durch ein Loch in einen kreisförmigem Raum führten, dessen Durchmesser wie auch Höhe gut 50 Meter betrug - und nur so vor skurrilen Artefakten strotzte. In Regalen und Schränken, aber auch zu Haufen aufgeschichtet gab es ein wir res Sammelsurium aller Andenken und Mitbringsel. Li entdeckte das Modell ei ner Schilfbarke, kunstvolle Schnitze reien, einen Sarkophag, eine Toten maske, verziertes Geschirr, Dutzende Amphoren und von Bastgeflecht umwi ckelte Flaschen, einen gelblich staubi gen Vinara-Globus in einem hölzernen Gestell, eine goldene Rüstung, diverse Harnische sowie Papier- und Perga mentrollen. Weitere Waffen, Uniformen und Kleidung für unterschiedliche We sen, Hüte, Stiefel, Gürtel. Kunstvoll ver zierte Lampen und Laternen, brusthoch aufgestapelte Gemälde neben von Staub bedeckten Gobelins, Pflanzen- und Kräutersammlungen, Gläsern, Bechern und Pokalen sowie Folianten und Pa pierstapel, ausgestopfte Raubkatzen und Greifvögel, sonderbare Geräte und Maschinen - die Vielfalt war ebenso ab strus wie verwirrend. Von bemerkenswerter Größe war das Ausstellungsstück auf der jenseitigen Hälfte des Raumes, das an einem Draht geflecht von der Decke herabhing und einem in einem riesigen Spinnennetz gefangenen T ier glich. Dem zylinder förmigen Metallgerippe, von dem Fet zen der ehemaligen Verkleidung herab hingen, und den Propellermotoren nach zu urteilen, handelte es sich um ein Fortbewegungsmittel. Da es zum T au
Die Technostadt
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chen ungeeignet schien, musste es sich um ein primitives Luftschiff handeln, wie es wohl im ganzen Kosmos kein zweites gab. Hinter dem Luftschiff führte eine Wendeltreppe zur nächsten Etage. Sar daengars ungewöhnlicher Sammlung keine weitere Beachtung schenkend, stieg Li hinauf und erreichte die höchste Halle des Westturms. Hier herrschte eine wesentlich angenehmere Atmosphäre als in den unteren Etagen. Das mochte an den ovalen Dachfenstern liegen, durch die genügend Licht drang, um alles sau ber wirken zu lassen. Oder daran, weil der Raum bis hinauf z ur konischen Decke fast völlig leer war - abgesehen von dem viersäuligen Obsidiantor im Zentrum des staubfreien Keramikpar ketts. Mit sechs Metern Kantenlänge er hob sich wuchtig der Block, unter dessen Deckplatte ein silberner Hohlspiegel zu sehen war. 3. Gegenwart Vinara, 29. April 1225 NGZ
Lethem da Vokoban
Sie kippte vornüber, raste ohne Zwei fel genau auf sie zu! Lethem da Vokoban zwang sich, die geschlossenen Augen wieder zu öffnen. Sein Handrücken streifte einen niedrig hängenden Nadelbaumast, als er unwill kürlich ein, zwei Schritte zurückwich. In ihrer golden funkelnden Pracht wurde die Technostadt immer größer. Die be achtliche Ausdehnung erschwerte die Einschätzung, wie schnell sie wirklich war. Der Basisdurchmesser beträgt mehr als nur tausend Meter, korrigierte er eine alte Schätzung, obwohl ein paar hundert Meter mehr oder weniger keinen Unter schied mehr machten. Wenn dieser Ko
loss einschlägt, sind wir auf jeden Fall gelief ert!
Wind kam auf und strich unangenehm über Lethems Gesicht. Staub, Rinden stücke und Baumnadeln wirbelten auf. Ein erster Vorbote der sich ankündigenden Druckwelle. Noch achtzig Meter über Grund!, durchfuhr es den Arkoni den. Das Ding hat eine gewaltige Luft verdrängung. Langsam und in größerer Höhe dahin driftend, hielten sich die T urbulenzen in Grenzen. Plötzliche Bewegungsände rungen dagegen ... Die goldene Plattform, die T ürmen und Gebä uden als Fundament diente, wuchs weiterhin. Lethem spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte. Am Horizont, vielleicht fünfzehn Kilometer Luftlinie entfernt, waren die hohen T ürme von Sardaengars Gebirgsbastion zwischen schroff geformten Bergen sichtbar. Im Norden brannte weiterhin der Himmel - Vulkane spuckten Glut, Asche und Gesteinsbrocken, seit der Me teorit eingeschlagen war. Der bisher größte, den sie beobachtet hatten. Siebzig Met er!
Der Zweite Pilot der TOSOMA war sich inzwischen zwar sicher, dass die massive Basis in einiger Entfernung ein schlagen würde, aber vor den berstenden T ürmen und sonstigen Aufbauten gab es mit Sicherheit kein Entrinnen. Vor sei nem geistigen Auge sah der Arkonide be reits die Stege und gläsernen Gebäude, Zwiebelkuppeln und verschnörkelten Ausleger auseinander platzen und wie Schrapnellgeschosse durch die Gegend fliegen. Was mochte wohl schlimmer sein? Von Scherben und Splittern zerfetzt zu wer den oder unter einem Viaduktfragment zu enden? Fünfzig Meter!
Die absackende Masse verdrängte die Luft schneller, als sie auf natürlichem
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Wege abfließen konnte. Die Druckwelle wirbelte immer mehr Sand auf und trieb ihn machtvoll vor sich her, raubte Le them fast den Atem. Er duckte sich in stinktiv, schloss die Augen. Die anfäng liche Böe steigerte sich im Bruchteil ei ner Sekunde zu orkanartiger Wucht dann kam der eigentliche Schlag. Zu Zehntausenden trafen Lethem Sand- und Steinkörner, aber auch kleine Kiesel, Wurzelstrünke und Blätter. Sein Anzug schützte ihn zwar ein wenig vor den prasselnden Einschlägen, doch die Stirn, Wangen und alle anderen frei lie genden Stellen fühlten sich innerhalb weniger Augenblicke an, als würden sie mit einem Sandstrahlgebläse abge schmirgelt. Schützend riss sich der Arkonide den Arm vors Gesicht und ging noch mehr in die Knie, um dem Sturm weniger An griffsfläche zu bieten. Aus zusammenge kniffenen Augen sah er gerade noch, dass sich auch Dismeeder Bonweerd nie derließ. Der riesige Fonshoord, der ihnen als Reittier gedient hatte, mochte aus ei nem natürlichen Instinkt heraus han deln. Dankenswerterweise legte er sich aber quer zu den anstürmenden Luft massen, so dass sein massiger Körper, achtundzwanzig Meter lang und zehn Meter hoch, einen natürlichen Windfang bildete. Den langen Hals drehte er auf die sichere Seite und schmiegte ihn mit samt dem an einen Fliegenpilz erinnernden Oberkörperkopf eng an den Leib, um Nase, Mund und Augen vor dem Schlimmsten zu bewahren. »Kommt schon!«, rief er durch das Heulen und Kreischen desWindes. »Hin ter mir ist es sicherer!« Nur das, mehr nicht. Mehr war auch nicht nötig. Zwanzig Meter! Lethem stemmte sich bereits in die Höhe, die anderen folgten umgehend. Kythara, die bronzehäutige Maghalata
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aus Viinghodor, ihr Vertrauter Ondaix sowie die Kameraden von der TOSOMA, der T erraner Scaul Rellum Falk und der Luccianer Zanargun. Sie ignorierten das sandige Bombardement, das gegen ihre Leiber prasselte, und wankten in die Deckung des an einen Riesensaurier er innernden Wesens. Trotz vorgehaltener Hand brannten Lethems Lungen, als würde er zerstoße nes Glas einatmen. Erschöpft brach er neben dem grün geschuppten Fonshoord in die Knie. Gerade noch rechtzeitig, um einem weiteren Anschwellen des Orkans zu entgehen. Lautes Prasseln, Klacken und Fauchen erfüllte die Luft. Ein halb zerfetzter Ast krachte gegen eine Schup penplatte, wurde herumgewirbelt und verschwand im braunen Dunst. Über Dismeeders Zackenkamm jaulte der Wind plötzlich so laut hinweg, dass Lethem sein eigenes Wort nicht mehr verstand. Der erhöhte Luftdruck ließ die Trommelfelle schmerzen. Aus tränenden Augen sah Lethem gerade noch, wie ein entwurzelter Baum in einiger Entfer nung vorüberflog, als handele es sich um ein dünnes Ästchen. Dann wurde es auch schon finster. Nicht nur wegen der auf ge wir belten Sta ubma ssen, son dern auch, weil die sinkende Technostadt ei nen immer bedrohlicheren Schatten warf. Der Arkonide spürte, dass jemand Schutz suchend? - näher heranrückte. Den weichen Rundungen nach zu urtei len, die seine Schulter berührten, han delte es sich um Kythara. Er mochte die rätselhafte Varganin, obwohl sie sich ihm gegenüber oft spöttisch und abwei send verhielt. Dass sie nun seine Nähe suchte, erfreute Lethem. Rasch legte er den Arm um sie und zog sie näher. Kythara ließ es geschehen, obwohl sich der Arkonide fast sicher war, dass eher sie ihm als er ihr Schutz bot. Sie war eine Varganin, kein hilfloses Mädchen ...
Die Technostadt
Zehn Meter! Oder weniger? Während Lethem fiebernd auf den Einschlag wartete, presste er sein Ge sicht in ihr von Staub be decktes Haar ' und hielt den Atem an. Er wollte lieber erschlagen werden als an den wabernden Sandschleiern ersticken. Die Luft war zum Schneiden dick. Mit der Linken fuhr er einmal hindurch. Es fühlte sich an, als würde er durch Treibsand greifen. Die Sicht lag mittlerweile bei null. So blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich zitternd aneinander zu klammern und den Aufprall abzuwarten. Und so warteten sie. Und warteten.
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schließen hätte ohnehin nur noch grö ßere Pein bedeutet, denn auf den Augäp feln und zwischen den Wimpern kratz ten und brannten feinste Körnchen. Mühsam beherrscht widerstand der Ar konide der Versuchung, sich intensiv die stark tränenden Augen zu reiben. Kythara löste sich aus seinem Griff und stieß sich kräftig von ihm ab. Le them schmerzte ihre brüske Bewegung, und er ärgerte sich im nächsten Moment über die eigene Reaktion. Dismeeder stemmte sich auf seine zwölf Beine, der Schwanz zuckte zur Seite, die stachelbe wehrte Keule am Ende polterte gegen ei nen Baumstamm, der sich nur als vage Silhouette vom braunen Dunst abhob. Wolken stoben auf, als sich der Riese Der Arkonide zählte innerlich bis schüttelte und die Platten hin und her schwankten. zehn, doch nichts geschah. Zwanzig ... dreißig ... Immer mehr Staub sank zu Boden. Die Luft wurde wieder atembar, doch es Die erwartete Erschütterung des Bo dens blieb ebenso aus wie das Bersten blieb dunkel. Als sich Lethem aus dem und Splittern. T rotzdem wagte er sich Windschatten des Fonshoord löste und nicht zu entspannen. Erst die Atemnot über dessen Schuppenkamm hinwegsah, zwang ihn, seine embryonale Stellung wusste er auch, warum. Keine zweihun aufzugeben. Eine Hand über die Lippen dert Meter entfernt verdunkelte der rie gepresst, atmete er durch die geschlosse sige Schatten die Sonne. Zuerst dachte Lethem, die T ech nen Finger, um möglichst viele Fremd körper auszufiltern. Zwischen seinen nostadt sei gelandet, dann entdeckte er, Zähnen knirschte es, aber sonst erwies dass sie knapp zwei Meter über der kar sich diese Technik als brauchbar. gen Steppe schwebte: Irgendetwas hatte Weitere Sekunden verstrichen, ohne sie im allerletzten Moment abgebremst. dass der Boden zu beben begann. Der Wahnsinn! So nahe wie jetzt ist wohl über sie hinwegbrausende Sturm ver noch kein Viin diesen seltsamen Kon ebbte jedoch nur langsam. Schließlich struktionen gekommen. Trotz der feinkörnigen Schleier, die trat unnatürliche Ruhe ein. Direkt neben Lethem entstand ein Luftzug; als er die inzwischen eine kilometerweite Dunst Augen öffnete, sah er, dass Dismeeder glocke bildeten, erkannte Lethem jeden den Kopf hob, um sich umzusehen. Die einzelnen Vorsprung und Erker der auf vier langen Tentakelarme wischten in ei ragenden Türme am Plattformrand. Sein ner fast indigniert erscheinenden Bewe Blick glitt über filigrane Schnörkel und Verzierungen, an denen weiß glitzernder gung über staubgepuderte Schuppen. Absinkende Sandschleier behinderten Efeu rankte. An anderer Stelle dieses weiterhin die Sicht. Lethem ließ seine Gebäudekonglomerats spannte sich ein Lider trotzdem ein Stück weit geöffnet, Viadukt aus glasähnlichem Material, um sich z u orientieren. Sie wie der z u aber Lethem entdeckte auch Bauele
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mente, die wie weißes Porzellan glänz ten, während das Gros des Materials das goldene Metall war. Die oberen Etagen der Plattform wur den von schillernden Blasen flankiert, die trotz ihres Durchmessers von 30 Me tern an luftige Seifenblasen erinnerten und auf und ab tanzten, ohne mit den ab sinkenden Sandwirbeln in Berührung zu geraten. Arkaden und Säulenreihen wirkten ebenfalls absolut staubfrei, ganz so, als würde die Stadt durch ein transparentes Energiefeld abgeschirmt. »Ein Kraftfeld«, rief Dismeeder und malte mit drei Tentakeln Rundungen in die Luft, die mit einiger Phantasie als ovale Blase gedeutet werden konnten. Lethem nickte unwillkürlich. Auch er hatte inzwischen die Konturen entdeckt, die im aufgewirbelten Staub und Dunst eine deutliche Grenze zwischen Innen und Außen markierten. Bläuliche Fun ken sprangen überdies von weit auskra genden Kristallstacheln zu dieser direkt gar nicht sichtbaren »Haut« und erzeug ten dort schwache Reflexionen. Nur wenige Meter oberhalb der Platt formbasis, auf einem hinter goldenen Zinnen verlaufenden Wehrgang, wurden hektische Bewegungen sichtbar. Sie stammten von den messingfarbenen Ovalrobotern, die Lethems Weg schon zum wiederholten Male gekreuzt hatten. Aufgeregt wuselten sie umher. Vielleicht waren sie auf der Suche nach Schäden. Angesichts der allgemeinen T echnik blockade wirkten diese Maschinen wie ein Anachronismus. Gleichzeitig weck ten sie in Lethem den Wunsch nach alten Zeiten, als er noch einen funktionstüch tigen SERUN samt aller technischer Ausstattung besessen hatte. Wie viel leichter seine Aufgabe doch wäre, wenn er wieder auf die Ausrüstung zurück greifen könnte. Wie viele Begleiter könnten noch leben, wäre sie nie ausge fallen ..
Mühsam schüttelte er die Erinnerung an die Toten ab. Für T rauer fehlte die Zeit. Vielmehr ga lt es, auf das z u schauen, was zum Greifen nahe lag. Auf einen Bereich, der tatsächlich von der allgemeinen Technikblockade ausge nommen war. »Offensichtlich hat irgendetwas den Absturz in letzter Sekunde verhindert«, bemerkte Dismeeder wenig originell. Lethem verkniff sich eine spontan-bis sige Bemerkung; wer hatte schon den Mut, das einem fast dreißig Meter lan gem Fonshoord barsch ins Gesicht zu sa gen - zumal es sich um ein hochintelli gentes, friedliches und überaus sensibles Wesen handelte? Der Arkonide hustete stattdessen erst einige Kilo Steppensand ab, bevor er antwortete: »Richtig. Irgendwas oder ir gendwer! So langsam mag ich bei diesen schrägen Manövern nicht mehr an Zufall glauben.« Als er kurz nach rechts blickte, sah er, dass die anderen ebenfalls zur schwe ben den Sta dt scha uten; Zanar gun seufzte sehnsüchtig: »Jetzt einen Kaf fee !« »Ist vielleicht bekannt, wie diese Kon struktionen gesteuert werden?« Lethem wandte sich an Kythara, die ohne jeden Zweifel mehr über Vinara und die Spie gelwelten wusste als jeder andere. Die Maghalata löste eine kleine Staubwolke aus, als sie den Kopf schüt telte. Wie alle war sie von den Haarspit zen bis zu den Stiefeln von einer puderi gen Schicht bedeckt, die sie ärgerlich abzuklopfen begann. »Über die schwe benden Städte ist nicht viel bekannt«, berichtete sie dabei. »Wie die Ovalrobo ter in Viinghodor oder die Silbersäulen in Mertras funktionieren sie einfach. Sie werden bereits in den ältesten Legender! erwähnt, doch niemand scheint sie je mals betreten oder gar benutzt zu haben. Vermutlich steuern sie sich selbst. Oder
Die T echno stadt
eine der Wartungseinheiten ist dafür zu ständig.« Sie deutete auf einen der Ovalroboter, der über den Zinnen schwebte und ei nige durcheinander gewirbelte Silber ranken neu ausrichtete. Auch in größerer Distanz waren viele dieser Maschinen zu sehen, von denen sich etliche sogar von den Trauben aus transparenten Blasen aufnehmen ließen, in ihrem Inneren eine Weile mitgetragen wurden und dann wieder die Hülle durchstießen, ohne sie zu beschädigen. Eine riesige Fassade erstreckte sich nach rechts und links und mindestens 200 Meter in die Höhe. Vorspringende Ausleger und sich über viele hundert Meter geradlinig erstreckende Bereiche vermittelten Lethem eine Vorstellung, wie der Grundriss der Plattform ausse hen musste: weitgehend rund, aber mit ausgezacktem Außenrand ähnlich einem Säge blatt. Säulen- und Fensterreihen verteilten sich über viele Stockwerke, hinzu kamen lange Galerien und Balkone, zerklüftet erscheinende Erker aus einem porzel lanartigen Material. An anderer Stelle gab es Stachelbündel auf halbkugeligen Wölbungen, senkrechte und waagrechte Wülste, tief ins Innere der Plattform reichende Nischen, einige davon dunkel, der Rest hell erleuchtet. Eins dieser »Tore« befand sich nicht einmal drei Meter oberhalb der Plattformunterseite, die weiterhin in nur wenigen Metern über dem Boden dahinglitt. »Vielleicht sollten wir versuchen, in die einzudringen?« Lethem fasste den Plan in Worte, der ihm schon seit Minuten durch den Kopf ging. »Da sie jetzt so tief schwebt, musste es doch möglich sein. Der Abstand zur unteren Berüstung ist leicht zu überwinden, und mit etwas Glück finden wir heraus, wie die Stadt zu steuern ist.« Die Be geisterung der anderen hielt
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sich in Grenzen: Lethem sah skeptische Blicke, gerunzelte Stirnen und abwin kende Hände. Zu gut war der torkelnde Kurs im Gedächtnis, den die Goldene Stadt vor ihrem Beinaheabsturz voll führt hatte. Nein, das musste auch der Arkonide in Gedanken zugeben, die Technik dieser Konstruktion wirkt alles andere als vertrauenswürdig. Wer mag schon sagen, ob es nicht in Kürze doch zu einem Absturz kommt? Er strich den Sand aus seinem Schnurrbart, bis die Haare wieder ihre natürliche Farbe zurückerhielten. »Und was ist mit dem Kraftfeld?« Scaul streckte wie anklagend den Zeige finger aus. »Ausprobieren«, murmelte Lethem, genau wissend, dass er sich bereits im Rückzugsgefecht befand. »Immerhin wäre es die Chance, endlich dem ver fluchten Bann der Primitivtechnik zu entkommen.« »Vergiss es!«, knurrte Zanargun und hämmerte die Faust gegen eine Panzer platte an Dismeeders Flanke, so dass eine Staubwolke aufwallte. »Ja, ja, ja«, zirpte daraufhin der Riese und spreizte etliche Schuppen ab. »Fes ter, fester, mein Freund -- es juckt schrecklich und ganz und gar unange nehmst. Hätten die ehrwürdige Dame und die Herren eventuell die Güte ...? Es ist mir ja außerordentlich peinlich, euch mit dem Hygieneritual der Fonshoord zu belästigen, aber dieser Staub, Sand und Dreck ...« Innerlich bereits resignierend, ließ Le them die Schultern hängen, obwohl er nicht so schnell von der einmal gefassten Idee ablassen wollte. Sein Blick irrte zu den aufsteigenden Felsmassiven, die sie be wältigen mussten, um die Bastion des Uralten Sardaengar zu erreichen. Schnee bedeckte einige umliegende Kuppen. Ihr strahlendes Weiß war der einzige helle Fleck in dieser kargen, ve
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getationsarmen und sehr düster wirken den Ödnis. Der vor ihnen liegende Weg würde hart werden, vor allem aber verdammt kalt. Wasser mochte ja unterwegs zu fin den sein, den einen oder anderen Glet scherabfluss würde es schon geben. Aber Wild? Oder schmackhafte Früchte? Da mit sah es schlecht aus. Lethem sah sich schon gekochte Baumrinde essen. Unterdessen halfen Zanargun und Ondaix dem Fonshoord bei der Reini gung, die auf den ersten Blick eher einer brutalen Folterung entsprach, Dismee der jedoch Laute des Entzückens ent lockte - und lang gezogene Fürze, deren wahrhaft betäubender Gestank Lethem zurückweichen ließ. Nachdem er seinen Schutzanzug so gut wie möglich abgeklopft und die halblangen Haare ausgeschüttelt hatte, opferte er ein wenig Wasser aus dem Trinkschlauch, um sich Gesicht und Hände zu reinigen. Dabei achtete er be sonders dara uf, die Augen un d den Mund auszuspülen. Entzündungen wa ren wirklich das Letzte, was sie jetzt brauchen konnten. Bei Gehörgängen und Nasenlöchern verzichtete er auf jeg liche Etikette und kratzte sie mit dem kleinen Fingernagel frei. Kythara bürstete ihre goldgelockte Mähne aus, bevor sie die Haare wieder mit einem Lederband bändigte. Diese Reinigung entsprach keiner Eitelkeit, sondern war notwendig, um die Reise gesund zu überstehen. Irgendwie musste Lethem auch noch den unter seinen An zug gedrungenen Sand loswerden, bevor ihn die Körner wund scheuern konnten. Während er sich nach einem abgeschiedenen Ort zum Entkleiden umsah, be merkte er, dass die wie ein drohendes Mahnmal aufragende Technostadt be reits wieder Fahrt aufnahm. Damit erübrigt sich mein schöner Plan wohl von selbst, dachte Lethem betrübt
Bernd Frenz
und lauschte nur mit einem Ohr dem freudigen Quieken Dismeeders, dem nun auch Scaul und Kythara den Schmutz zwischen den Platten hervorzupuhlen begonnen hatten.
Zuerst war die Bewegung zu langsam gewesen, um sie richtig zu erkennen, aber nun bemerkte Lethem, dass sich die Riesenplattform wirklich immer weiter entfernte. Gleichzeitig stieg das goldene Gebilde einige Meter höher und folgte, die geringe Höhe beibehaltend, dem zu vor eingeschlagenen Kurs. Ein wahrhaft imposanter Anblick trotz des Schritttempos! Wie bequem sich doch auf diese Weise Berge und T äler überwinden ließen. Nach all den Strapazen der letzten Wo chen hätten wir uns das wirklich ver dient, dachte Lethem. Sofern die Gol dene Stadt nicht erneut irgendwelche Schlenker vollführte, steuerte sie ohne hin die gewünschte Richtung an. Nur eine Handbreit von der riesigen Silhouette entfernt zeichnete sich nun im Hintergrund die schroffe Klippe ab, auf der Grataar, Sardaengars Festung, thronte. Von einer schroffen Klippe wuchsen fünf T ürme empor. Eine En klave der Zivilisation inmitten dieser unwirtlichen Region. Vor allem aber ein erhabener Anblick, der auch auf die Ent fernung vom T riumph über die karge Natur kündete. Einige T urmstellen glänzten in der Sonne, andere, die ebenfalls im Reflek tionswinkel lagen, dagegen nicht. Falls die Hüllen aus Metall bestanden, muss ten sie im Laufe der Jahrhunderte oder Jahrtausende oxidiert oder stumpf ange laufen sein. Genaueres würde sich erst zeigen, sobald sie näher heran waren. »Wenn wir uns beeilen, können wir doch noch auf die Stadt aufspringen«,
Die Technostadt
schlug Lethem den anderen mit einem letzten Versuch vor. »Das erspart uns vielleicht den beschwerlichen letzten Abschnitt der Reise.« Die Folianten, die sie in der Schwar zen Perle von Helmdor gestohlen hatten, beschrieben einen gefährlichen Aufstieg über schmale Serpentinen, die ein Fon shoord von Dismeeders Größe vermut lich nicht bewältigen konnte. »Du lässt nicht locker, wie? Bist du le bensmüde?«, sprach Ondaix. aus, was wohl alle dachten. »Willst du mit aller Gewalt in den Tentakelarmen der Robo ter enden? Oder vergebens gegen das Kraftfeld anrennen? Oder - sollte es zu überwinden sein - auf tausend Meter aufsteigen und dann zu Boden krachen? Nein danke, da vertraue ich lieber mei nen eigenen Füßen.« Missmutig sah der bullige Springer auf seine verdreckten Stiefel. Lethem hörte nur mit halbem Ohr zu, dass auch die anderen lieber den beschwerlichen Fußweg statt des unbekannten Risikos wählten. Mit einem Achselzucken nahm er die Abstimmung hin. Dass er formal die Gruppe anführte, hatte bei so einem wichtigen Punkt wenig zu bede uten. Schon gar nicht, wenn die anderen mit Kythara übereinstimmten, der Magha lata, die insgeheim die Fäden zog. Die Weise aus Viinghodor, die von der hiesigen Bevölkerung wie eine Heilige verehrt wurde, verfügte über eine natür liche Führungspersönlichkeit, ein be eindruckendes Charisma, dem sich auch Lethem nicht entziehen konnte. Wieder einmal plagten ihn Selbstzweifel. Er dachte an die Toten, an Tasia und Enaa, an Cisoph und Hurakin und ... fragte sich zum ungezählten Mal, ob er richtig handelte. Sicher, er war stets bereit, Ri siken einzugehen. Doch sie waren kal kuliert, keineswegs Ausdruck von Leichtsinn. Dass ich bereit bin, bis an die Grenze
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zu gehen, ist eine Sache, dachte der Ar konide selbstkritisch. Doch meine Grenze ist nicht die der anderen; das muss ich berücksichtigen - und akzep tieren. Dass er sich dem Wunsch der anderen ohne weiteres Murren beugte, entlockte Kythara immerhin ein Lächeln. Wenigs tens etwas. Gleich darauf schaukelte Dismeeders Oberkörperkopf vor Lethem auf und ab, und ein T entakelarm legte sich vertrau ensvoll um seine Schultern. Der Arko nide zuckte unbewusst zusammen, denn die plötzlich vor ihm aufklaffenden Kiefer waren von der Größe und der Kraft her durchaus in der Lage, ihn mit einem einzigen Biss in zwei Hälften zu teilen. Außerdem stank der Bursche intelligent und feinfühlig oder nicht bestialisch aus dem Maul. Aber das be hielt Lethem lieber für sich und sprach es wohlweislich nicht laut aus. »Kein Grund zur Wehmut, mein zwei beiniger Freund«, tröstete der Fon shoord mit einer hellen Stimme, die in krassem Widerspruch zu seinem massi gen Körper stand. Klang da etwa Mit leid mit, das Bedauern eines überaus sensiblen, aber von der Natur geradezu übersch wänglich a usgestatteten Rie sen jemandem gegenüber, der nur zwei statt zwölf Beine und nur zwei Arme statt vier T entakel hatte? Frösteln befiel Lethem. »Steigt einfach auf, meine Kiemen. Ich bringe euch sicher ans Ziel, so wahr ich Dismee der Bon weerd heiße.« Sechs Beine knickten ein, um ihnen den Aufstieg zu erleichtern. Dass der herumzuckende Schwanz unterdessen einen Baum fällte, dessen Stamm min destens vierfachen Schenkeldurchmes ser erreichte, entlockte dem Fonshoord einen leisen Laut des Bedauerns, der vom Krachen und Bersten nahezu kom plett übertönt wurde. Lethem sah von
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Dismeeder zu dem Baumstumpf, hob die Schultern und seufzte.
Schon nach wenigen M inuten schmerzte der Hintern des Zweiten Pilo ten der T OSOMA, als hätte er den Ritt nie unterbrochen. Um die scheuernden Bewegungen auf dem geflochtenen Sat tel so gering wie möglich zu halten, krallte er sich mit Händen und Füßen in der zerfurchten, von Platten und Schup pen bedeckten Lederhaut des Fonshoord fest. Trotz dieser Unannehmlichkeiten beschwerte er sich mit keinem Wort, denn Dismeeders lockerer Trab reichte tatsächlich aus, den Anschluss an die da hintreibende Stadt zu halten. In respektvollem, aber gleich bleibendem Abstand folgten sie dem goldglän zenden, von schillernden Blasen um wölkten Koloss, der, wie magnetisch an gezogen, auf Sardaengars Bergfeste zu steuerte. Zur Seite wallende Staub schleier kennzeichneten den Weg, des halb ritten sie ein Stück versetzt zur Stadt. Der Schwebekurs blieb weiterhin stabil, ganz so, als wären alle techni schen Schwierigkeiten behoben. »Vorsicht, ich traue dem Frieden nicht«, warnte die hinter Lethem sit zende Varganin, die wieder einmal jeden seiner Gedanken zu spüren schien. »Es ist sicher kein Zufall, dass diese Stadt das gleiche Ziel wie wir ansteuert.« Lethem sah über die Schulter und nickte. Ihm war längst der gleiche Ge danke gekommen. »Vielleicht gibt es noch eine andere Expedition, die sich um Vinaras Zukunft sorgt?«, sprach er eine seiner vielen Ver mutungen aus. »Fragt sich nur, wer das sein sollte. Auf den Gängen und Stegen der Stadt sind jedenfalls nur Roboter zu sehen.« »Falls wirklich jemand hinter diesem
Bernd Frenz
Kurs steckt, muss er schon längere Zeit versuchen, auf die Kontrollen der Stadt zuzugreifen. Anders ergeben die Beinah abstürze der letzten Tage keinen Sinn.« »Du hast Recht. In diesem Fall wäre die Antwort auf unsere Fragen wohl in der Vergangenheit zu finden.« 4. Rückblende Vinara, 17. April 1225 NGZ
Sardaengar
Sardaengar lief. Mit weit ausgreifen den Sprüngen jagte er über Felsen und Geröll. Der Körper des Scaffrans, dessen Gestalt er beibehielt, gab ihm Kraft und verschleierte, zumindest für den Au genblick, die Schwäche, die in seinem Geist wütete. Weg, dachte er. Ich muss weg von hier. Er spürte das spröde Gras unter seinen Pfoten und den harten, steinigen Boden. In einiger Entfernung ragte die Silber säule wie ein fremdartiges Gebilde aus der Landschaft. Sie war Sar daengars Ziel, von ihr erhoffte er sich eine Flucht von diesem Ort. Sein Atem ging stoßweise, die Mus keln zitterten. Der Einfluss des Kristall mondes dehnte sich wieder aus. Sar daengar glaubte einen Sog zu spüren, der ihm die Stärke raubte und an ihre Stelle etwas Dunkles, Wisperndes setzte, das seine Gedanken vergiftete. Er könnte Dinge tun in dem Körper dieser Bestie. Böse, gewalttätige Dinge und ... Sardaengar drängte die Gedanken zu rück, die aus dem Dunkel seines Geistes aufstiegen. Die Säule war jetzt so nah, dass er sie nicht nur sehen, sondern auch riechen konnte. Sie roch leblos, metal lisch und irgendwie bitter. Ein schlanker Zylinder von 150 Me tern Höhe und 25 Metern Durchmesser,
Die Technostadt
dessen Fassade in keiner Weise verziert war, keine Aufbauten, Nischen oder Bal kone aufwies. Sardaengar jedoch wuss te, dass er es mit dem Produkt einer hoch entwickelten T echnik zu tun hatte, aus unzähligen Nanomodulen bestehend, die komplex miteinander vernetzt waren und einzeln, in Gruppen oder als kom plette Säule ihre Funktion erfüllten. Normalsterblichen verschloss sich der Zugang zu den Silbersäulen. Für sie blieben es monolithische Gebilde ohne T üren oder sonstige Eintrittsmöglich keiten. Für den Herrn der Welten galten diese Beschränkungen nicht. Er blieb stehen, konzentrierte sich und warf ei nen letzten Blick über die Bergland schaft. Die rothaarige Angre iferin konnte er nirgends entdecken. Es war ihr anscheinend nicht gelungen, ihm zu fol gen. Vielleicht hatte sie es erst gar nicht versucht. Einen Moment konzentrierte sich der »Mann der tausend Gestalten«, dann richtete er sich als Humanoider aus dem T ierkörper auf. Er taumelte, wäre bei nahe gestürzt, als sein Gleichgewichts sinn mit Schwindel auf die plötzliche Änderung der Perspektive reagierte. Auch das schob er auf den wachsenden Einfluss des Kristallmondes. Normaler weise bemerkte er solche Dinge kaum. Sardaengar fing sich, dann ging er direkt auf die matte Silberwand zu. Beim Eindringen spürte er durchaus einen Widerstand, konnte ihn jedoch mühelos überwinden. Das Material der Nanomo dule umfloss ihn wie Quecksilber. Wäh rend er den kuppeiförmigen Saal er reichte, dachte er an seinen ersten, ge scheiterten Versuch, die Säule geistig zu steuern. Eigentlich konnte er mit ihrer Hilfe sämtliche Obsidiantore kontrollieren, sie aktivieren, blockieren und die T ransportrouten sogar umleiten. Doch je in stabiler die Struktur der Obsidian-Kluft
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wurde, desto weniger konnte er sich wirklich auf die Funktionen verlassen. Er wagte sich kaum vorzustellen, was geschah, wenn sich die Module mitten in einer Transition desaktivierten. Würden die Körpermoleküle dann für alle Zeiten aufgelöst zwischen den Dimensionen treiben? Mühsam schüttelte er den Gedanken ab und konzentrierte sich auf seine Auf gabe. Hier im Inneren der Säule spürte er den Sog des Kristallmondes stärker als zuvor. Er hatte befürchtet, dass es so sein würde. Ich muss ihm trotzen, dachte Sardaengar angestrengt. Die Aura der unbekannten Angreiferin - ausgestattet mit der Ausstrahlung eines Imaginären! - hatte ihm einen Augenblick der Klar heit beschert, den es auszunutzen galt. Ich muss handeln, muss Atlan erreichen, bevor der Anschlag auf das Luftschiff umgesetzt wird. Das ist die Aufgabe, die ich zu erfüllen habe, egal, wie schwer sie mirauch fallen mag. Sardaengar bemerkte, wie seine Ge danken wanderten. Er konzentrierte sich erneut, versuchte an nichts anderes zu denken als an sein Ziel. Es über raschte ihn beinahe selbst, als sich die Verbindung zwischen seinem Geist und der Säule stabilisierte. Er tastete sich an den Routen entlang. Einige zerfaserten wie Rauch unter seinen Gedanken, doch dann fand er endlich den Weg, der ihn auf Vinara Drei nach Aroc bringen würde. Ohne zu zögern, trat er einen Schritt vor.
Das Licht der Morgensonne blendete Sardaengar. Er wusste sofort, dass er am falschen Ort angekommen war. Es muss te eine Strukturschwankung oder einen anderen Einfluss gegeben haben, inmit ten der Transition. Nun, zumindest war
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er vollständig materialisiert, das war besser als gar nichts. Trotzdem hatte er nicht die geringste Ahnung, wo er sich eigentlich befand. Sardaengar wusste nur, dass es laut war. Überall brüllten, lachten, fluchten und redeten Stimmen durcheinander, und in der Luft lag ein Geruch nach Rauch und Fisch. Sardaengar blinzelte, wartete, bis sich seine Augen der Helligkeit angepasst hatten. Hoch über ihm spannte sich das Obsidiantor als eine gewaltige Brücke; zweihundert Meter hoch, fünfzig Meter dick, vierhundert Meter von einem Pfei ler zum gegenüberliegenden. Kunstvolle Reliefs bedeckten die Fassade, schilder ten Höhepunkte und Katastrophen aus der Geschichte der Stadt. Sardaengar sah Armeen, die siegreich die Köpfe ih rer Feinde schwenkten, und Brände, de ren Flammen bis zum Himmel loderten. Mitten zwischen den Darstellungen ent deckte er sich selbst, »den Uralten«, wie man ihn hier und anderswo nannte, und Litrak, der den Beinamen »der Ewige« trug. Die Reliefs sprachen vom Kampf der Götter. Avone-der Torfelsen von Giascon. Ich bin in Giascon auf Vinara Zwei, dachte Sardaengar enttäuscht, weit von mei nem Ziel entfernt. Er drehte sich um, blickte hinaus auf das Meer, drehte sich weiter und mus terte die rund fünf Kilometer entfernte Stadt am jenseitigen Ufer der AvoneBucht, die sich über die Gia-Halbinsel erstreckte. Dutzende Pontonboote lagen nebeneinander, bildeten eine Verbin dung zwischen Ufer und Tor und reihten sich an den anschließenden Kais ent lang. Während er zusah, trennten sich die Boote, um einem großen Segelschiff Zugang zum Hafen zu gewähren. Matro sen lehnten an der Reling und sahen nach unten auf die kleinen flachen Boote. Ihre roten Augen blickten spöt tisch.
Bernd Frenz
Die meisten Wesen, die Sardaengar entdeckte, gehörten dem Volk der Che borparner an. Rund zwei Meter groß, hatten sie einen Kopf wie ein Ziegen bock und dunkles, mit hellen Flecken ge sprenkeltes, drahtiges Fell. Ihre Füße er innerten an Hufe, und obwohl ihre Fin ger deutlicher ausgebildet waren, erle digten sie alle komplizierteren T ätig keiten mit den feingliedrigen Greifzun gen, die aus ihren drei Nasenlöchern rag ten. Ihre Stimmen waren laut und klan gen ein wenig meckernd. Das Segelschiff glitt an den Pontons vorbei. Ein grünhäutiger, vierarmiger Manoler, der nur knapp über einen Meter groß war, stand auf den Zehenspitzen und hielt den Matrosen gegrillte Fische entgegen. Ein Cheborparner reckte sich so weit über die Reling, dass er danach greifen konnte. Mit einem Tentakel warf er dem Manoler einige Lithras-Perlen ins Boot. Der bückte sich hastig und fluchte, als er den Betrag zusammen zählte. Der Matrose lachte. Dann schloss sich die Lücke der Pontons. Sardaengar kannte die Hafenstadt mit ihren breiten Kanälen, den steinernen Brücken und den geschäftigen Barken, die die Hauptstadt des Reiches Benis tance am Penadoc-Binnenmeer war. Eine wohlhabende, an manchen Stellen sogar prunkvolle Stadt, in der fast eine halbe Million Einwohner lebten. Auf Vinara Zwei - hoch im Nordosten des Kontinents Viina. Der Herr der Welten stützte sich an ei nem Pfeiler des Avone ab; er war zu ge schwächt, um noch einmal das Tor zu be treten und einen weiteren Versuch zu un ternehmen. Raunen und Flüstern schien seinen Schädel zu erfüllen, blendend weißes Licht verdichtete sich zum Bild des Kristallmondes Vadolon, dessen Ver lockungen sein Bewusstsein über schwemmten und klare Gedanken ver hinderten. Mühsam rang Sardaengar um
Die Technostadt
Konzentration, verdrängte die Visionen mit nachlassenden Kräften. Zu eng und intensiv umschlang ihn der Körper, fesselte ihn, glich längst ei nem Gefängnis. Ihm blieb nichts anderes übrig, als sich irgendwo in der mittelal terlichen Stadt einzuquartieren und so lange zu rasten, bis er sich erholt hatte. Wenn er sich unter dem ständig steigen den Einfluss des Kristallmondes über haupt erholen konnte. »Geht es dir gut?« Sardaengar sah blinzelnd auf, als er die meckernde, knarrende Stimme hörte. Er entdeckte eine alte Cheborparner frau, die auf dem ersten Pontonboot hockte. Einer der Tentakel, die aus ihrer Nase ragten, rührte mit einem Holzlöffel in einem dampfenden Kessel, während ihre Hände Holz auf die Feuerstelle leg ten. Trübe Augen musterten ihn, wäh rend der alte Cheborparner, der sich ne ben der Fra u a uf die Ruder stange stützte, im Stehen zu schlafen schien. Sardaengar bemerkte in einem Augen blick irrealer Klarheit, dass die Hörner abgebrochen waren. »Ja«, murmelte er schwerfällig. »Mir geht es gut.« »Wirklich? Du siehst nicht so aus.« Der T entakel rührte hektischer mit dem Löffel. »Ein Teller Suppe würde dir si cher helfen.« »Nein danke. Ich habe keine Zeit.« Sar daengar ließ den Pfeiler los und wankte auf die Boote zu. Seine Knie zit terten. Die Schwäche höhlte ihn von in nen aus, das eigene, wahre Ich schien zu immer kleinerer Zwergengröße zu schrumpfen. Er fragte sich, wann nichts mehr von ihm übrig sein würde. Nichts mehr vom Herrn der Welten, vom Ural ten, vom Mann der tausend Gestalten ... Er knickte ein, konnte sich jedoch mit den Hinterläufen abfangen. Sein Rücken wölbte sich. Schuppen rieben gegenein ander wie staubiges Per gament. Fau
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chen und Knurren entrann seiner Kehle, von der langen Zunge troff Geifer. Die alte Frau schrie. Der Mann neben ihr zuckte so heftig zusammen, dass sein Arm vom Ruder abrutschte und er über den Bootsrand ins Wasser fiel. Überall drehten sich schwarze Ziegenköpfe um, starrten rote Augen auf das Schauspiel, das sich ihnen bot. Sardaengar roch die aufsteigende Pa nik mit seiner Schlangenzunge, spürte sie im nächsten Moment durch seidene Haut, sah sie dann aus einem seiner 16 Augen, während die anderen auf das Meer, in den Himmel, auf die Tentakel an seinen Hüften und die Berge am Hori zont blickten. Alles verschwamm, wurde zu einem irrsinnigen Wirbel widerstre bender Gliedmaßen, fremder Sinne und verzerrter Wahrnehmung. Verz weifelt kämpfte Sardaengar darum, seine Form zu bewahren, irgend eine Form zu bewahren - aber er hatte die Kontrolle über seinen wild morphen den Körper verloren. Ringsum hörte er das Geschrei der Cheborparner. Wie ur alte T eufelsdarstellungen der T erraner tanzten ihre Ziegenkörper um ihn, wäh rend sich ihre Stimmen überschlugen. »Dämon!«, hörte er sie schreien. »Ein Dämon!« Sie werden mich umbringen. Der Ge danke mobilisierte Sardaengars letzte Kraftreserven. Mit aller Macht, die er noch über seinen Körper besaß, zwang er ihn, in der Gestalt zu verharren, die er gerade angenommen hatte. Sein Raub tierkopf nahm jeden Geruch und jede Bewegung überdeutlich wahr. Sein Rep tilienschwanz zuckte, während seine Tatzen und Hufe nervös über den Boden tänzelten. Mehrere Cheborparner, die eben noch mit Knüppeln und Speeren auf ihn zugegangen waren, wichen wie der zurück. Sardaengar nutzte die Lücke, die sich z wischen ihnen a uftat. M it ein em
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Sprung war er an ihnen vorbei, galop pierte über die schwankenden Boote hinweg. T eller zerplatzten unter seinen Hufen, sein Reptilienschwanz wischte hölzerne Unterstände und aufgehängte Wäsche hinweg. Cheborpaner, Manoler und Hasproner sprangen in Panik zur Seite. Einige hielten ihm Speere entge gen, verloren aber im letzten Moment den Mut. Sardaengar brüllte unwillkür lich wie ein Raubtier, damit das auch so blieb. Das Ufer kam mit jedem Schritt näher. Der Lärm der Händler, die dort an Stän den ihre Waren anboten, hatte bisher verhindert, dass jemand etwas von dem Spektakel auf den Booten bemerkte, aber jetzt blickte der erste Cheborparner herüber und stieß seinen Begleiter an. Sardaengars Blicke suchten nach einer Fluchtmöglichkeit. Es war diese kurze Unaufmerksam keit, dieser Blick zum Ufer, der die Flucht beendete: Etwas schlug mit sol cher Härte gegen Sardaen gars Kopf, dass seine Beine sofort unter ihm nach gaben. Schwer stürzte er auf das Deck des vorletzten Bootes, schlug inmitten von ausgenommenen Fischen und dre ckigem Geschirr auf. Er hörte das Johlen der Menge, dann wurde es dunkel. 5. Gegenwart Vinara III, 29. April 1225 NGZ
Atlan
Zu hilflosen Beobachtern degradiert, mussten wir mit ansehen, wie die Muskulatur des Springers schwand, bis seine Gliedmaßen nur noch aus mit Haut bespannten Knochen bestanden. Die Wan gen fielen noch weiter ein, und da s Fleisch dehydrierte, bis es durchschei nend wurde und zu Staub zerbröckelte. Selbst vor dem Schädel und den übrigen
Knochen machte der Prozess nicht Halt. Immer mehr fiel alles in sich zusam men, bis eine Wolke grauen Pulvers un ter der mit Fell umrandeten Kapuze her vorstob. Ohne die Stütze des Skeletts sackte Lebriinas Mantel in sich zusam men wie ein halb gefüllter Sack Mehl. Weitere Staubwolken drangen hervor und nebelten den eingefallenen Stoff haufen ein. Die anderen Viin, die ihn eben noch umdrängt hatten, sprangen entsetzt und angewidert zur Seite, "um nicht verse hentlich seine pulverisierten Überreste einzuatmen. Lelos Enhamors Gesichts züge entgleisten dabei wesentlich stär ker als die der anderen. Zuerst dachte ich, unser Expeditionsleiter würde ein ähnliches Schicksal für sich selbst be fürchten, obwohl er wesentlich jünger als die verstorbenen Kristallstab-Träger war, doch dann begannen seine roten Augen von innen heraus zu leuchten, und er deutete mit anklagender Geste in meine Richtung. »Kristallprinz!«, grollte er dabei mit völlig veränderter Stimme. »Was hast du getan? Litrak ist frei! Wer soll ihn jetzt noch aufhalten?« Ich fühlte, wie mein ohnehin blutlee res Gesicht noch weiter erblasste. Nicht wegen der ungerechtfertigten Anschul digung, sondern weil mich der Viin mit einem T itel angesprochen hatte, den er unmöglich kennen konnte. Tamiljon und Caless Lilak gebärdeten sich ebenfalls, als wäre ihnen ein Geist begegnet. Beide schrien wild durcheinander, aber wäh rend die Stimme des Blues vor Aufre gung in den Ultraschallbereich abglitt, war der Humanoide genau zu verstehen. »Sar da engar spricht aus ihm«, kreischte er, offensichtlich mit der Stimme und den Umständen des Kon taktes vertraut. »Lelos ist ein Verräter! Er ist der Perlenschleifer in unseren Rei hen!«
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Der unmenschlich verzerrten Miene des Großmeisters nach zu urteilen, traf diese Einschätzung tatsächlich ins Schwarze. Irgendeine fremde Macht schien, von ihm Besitz ergriffen zu haben. Für einen Moment fehlten mir die Worte. Wie so oft in den letzten 10.000 Jahren nutzte mein Logiksektor die Gelegen heit, um vorwurfsvoll zu wispern: Sar daengar scheint dich persönlich zu ken nen. Kann es sein, dass du ihm in der Ver gangenheit schon einmal auf die Füße getreten bist? 6. Rückblende Vinara, 17. April 1225 NGZ
Sardaengar
»Wer bist du? Deinen Namen, Dä mon!« Die Stimme riss Sardaengar endgültig aus dem Dämmerschlaf. Er hatte bereits vor einiger Zeit das Bewusstsein so weit wiedererlangt, dass er die Welt um sich wahrnahm, obwohl sie weit entfernt vorbeizugleiten schien. Man hatte ihn getreten, geschlagen, schließlich gefesselt und auf einen Kar ren geworfen. Sein Anblick erregte zu nächst kaum Aufmerksamkeit, denn in einem Vielvölkerstaat wie Benistance war man an seltsame Gestalten gewöhnt. Mit ihren Rufen »Dämon! Dämon!« und der mit jedem Meter weiter ausufernden Schilderung seiner Gräueltaten sorgten seine Bewacher jedoch dafür, dass sich das schon bald änderte. Als der Karren vor einem Nebentor des Akradelz, des Großfürstenpalasts, anhielt, war die Menge um das Dreifache angewachsen. Es war ein prunkvolles Gebäude, des sen Außenmauern vollständig von Was ser umgeben waren. Sardaengar hatte die fein gearbeiteten Plastiken bemerkt, die hohen Mauern und die blühenden
Gärten, aus denen der Innenhof bestand. Als sein Karren über das Kopf Steinpflas ter ins Innere rollte, hatten sich nach und nach die Fenster geöffnet, und Höflinge waren in die Gänge geströmt. Jeder wollte den gefangenen Dämon sehen. Nur noch vier seiner ursprünglichen Bewacher waren bei ihm, als man Sar daengar in den riesigen Audienzsaal ge rollt hatte. Stattdessen umgaben ihn fast 20 bewaffnete Soldaten mit glänzenden Brustpanzern und mit Federn verzierten Helmen. Es steckten ausnahmslos Che borparner in diesen Rüstungen. »Nenne uns deinen Namen, Dämon!«, wiederholte der Manoler vor ihm. Er trug eine dunkle Kutte mit spitzer Kapuze. Um seinen Hals hingen Amulette, die ihn als Priester kennzeichneten. Innerlich zuckte Sardaengar zusammen. Ein Selo nad-Priester! Selonad, die im Pyrami dentempel der auf nordwestlich von Giascon gelegenen Laguneninsel Eian verehrte weibliche Inkarnation Litraks! »Ich bin ... kein Dämon.« Es fiel Sar daengar schwer, mit der Raubtier schnauze Wörter zu bilden. Hinzu kam, dass er sich kaum auf die Vorgänge im Audienzsaal konzentrieren konnte; die Attacken des Kristallmondes hielten un gebrochen an. Er benötigte seine ganze Kraft, um sich dagegen zu wehren. Zum Glück gab es keine unkontrollierten Ge staltwechsel mehr. »Ach!«, rief der Manoler. »Ein Wesen wie du, ein sprechendes, groteskes Un geheuer, eine Parodie auf die Schöpfung der Götter, behauptet, kein Dämon zu sein! Wie erklärst du dann den Wandel deiner Gestalt?« Schwarze Ziegenköpfe neigten sich Sardaengar entgegen, rote Augen starr ten ihn an. Seine Gedanken glichen zä hem Sirup, waren langsam und träge. Sosehr er sich auch bemühte, ihm fiel keine Erklärung ein, die seine abergläu bischen Ankläger akzeptieren würden.
Die T echno stadt
»Es ist eine ... Krankheit«, antwortete er schließlich schwerfällig. »Bei Selonad! Eine Krankheit, die man Besessenheit nennt! Besessen von den bösen Kräften des Dunklen Sar daengar!« Die Reaktion des Manolers rief zustimmendes Nicken hervor. Einer der Cheborparner trat einen Schritt zu rück, als habe er Angst, sich anzuste cken. »Was hat dieser T umult zu bedeuten? Erhebt sich das Volk gegen mich?« Die meckernde, leicht gelangweilt klingende Stimme kam unvermittelt aus dem Hintergrund. Als wäre allein ihr Klang ein Befehl, verneigten sich alle Anwesenden. Sardaengar drehte müh sam den Kopf, bis die Fesseln in sein Fleisch schnitten, und sah zum Portal. Dort stand, umgeben von Leibwa chen, Ratgebern, Priestern und Beam ten, Marains, der Großfürst von Giascon. Er war klein für einen Cheborparner, reichte den meisten seiner ohnehin be sonders groß gewachsenen Soldaten ge rade mal bis zu den Schultern. Sein schwarzes Fell schimmerte seidig, und die Hörner waren poliert und mit golde nen Punkten verziert. Eine bunte, reich bestickte Robe spannte sich über seinen spitz vorstehenden Bauch, und einige der silbernen und goldenen Ketten, die er trug, wurden zum Teil von dem breiten Doppelkinn verdeckt. »Großfürst Marains, Ihr ehrt uns mit Eurer Anwesenheit!« Der Priester hob vorsichtig den Kopf. Marains blickte an ihm vorbei auf Sardaengar. »Ist das der Dämon, der die ganze Stadt verrückt macht?« »Ja, mein Fürst.« »Washat er getan?« »Dies sind die Zeugen.« Der Manoler zeigte auf die vier Bewacher, die den Karren mit ihrer Beute bis in den Audi enzsaal geleitet hatten. Zwei von ihnen waren Cheborparner, die anderen beiden
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gehörten anderen Völkern an. Bei einem handelte es sich um einen Hasproner, ein knapp ein Meter vierzig großes Wesen mit breitem, humanoid wirkendem Oberkörper und einer unteren Körper hälfte, deren zotteliges Fell und gespal tene Hufe mehr an eine Ziege erinnerten. Breite Knochenkämme entsprangen dem Schädel, die Augen zuckten nervös. Hasproner waren bekannt für ihre mathematischen Fähigkeiten und ihr foto grafisches Gedächtnis. Die Kleidung dieses älteren Mannes ließ darauf schlie ßen, dass er seinen Lebensunterhalt als Händler verdiente. Direkt neben ihm stand ein Chretkor. Er war ebenso groß wie der Hasproner, aber sein nackter, hagerer Körper war wie bei allen Angehörigen seines Volks völlig transparent. Sardaengar konnte die inneren Organe erkennen, das Ske lett, sogar einen Teil der Muskelfasern. Das Blut war ebenso transparent wie die Adern, durch die es floss. Eine Eigenart des Metabolismus bedingte, dass die Körper einerseits rasch auskühlten und bei Außentemperaturen von unter zwan zig Grad träger wurden, andererseits bei höheren Gradzahlen an Reaktions schnelligkeit gewannen. Chretkor waren beliebte Artisten und Gaukler, die je doch ständig in der Gefahr lebten, in ein Kältekoma zu fallen oder ihren Körper zu überhitzen. Ein Cheborparner trat vor. Er trug nur einen Lendenschurz und hatte verfilztes, dreckiges Fell. »Ich habe gesehen, was passiert ist, Herr.« Marains setzte sich auf einen hohen dunklen Holzthron, in dessen Kissen er beinahe versank. Ein Diener stellte sich ungefragt mit einem Tablett neben ihn. Darauf standen eine Weinkaraffe, ein ge füllter Kelch und ein T eller voller ge grillter Fische. Die Höflinge nahmen ihre Plätze ein wie Schauspieler auf einer Bühne.
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»Dann rede«, befahl der Großfürst mit einer nachlässigen Geste, »bevor der Schlaf mich übermannt!«, »Ja, Her r.« Der Ch e borparner schluckte und räusperte sich. »Der Dä mon tauchte am Avone auf, um uns zu täuschen, aber Selonad zwang ihn, uns seine wahre Gestalt zu offenbaren.« »Gelobt sei Selonad«, unterbrach der Manoler. »Gelobt sei Selonad«, wiederholten die vier Zeugen. »Als der Dämon sah, dass er uns nicht täuschen konnte, griff er an«, fuhr der Cheborparner fort. »Eine alte Frau ver brühte er mit ihrer eigenen Suppe, dann stieß er einen alten Mann ins Wasser. Er versenkte zwei Boote und aß all meine gegrillten Fische. Er beschmutzte die Wäsche auf einem Boot und zerstörte das Deck. Er hätte uns alle umge bracht, hätte ich ihm nicht ein Paddel über den Kopf gezogen.« »Gelobt sei Selonad.« Beinahe hektisch trat der Cheborpar ner zurück. Marains trank einen Schluck Wein und gähnte. »Haben die anderen Zeugen das Gleiche gesehen?« Der andere Cheborparner und der Chretkor nickten. »Ja, mein Fürst. Kro noul spricht die Wahrheit.« Marains' Blick fiel auf den Hasproner. »Und was ist mit dir?« Der ältere Mann kratzte sich nach denklich an seinem Kinnbart. »Nein, mein Fürst, ich habe nichts von diesen Taten gesehen. Ich sah eine alte Frau, die mit dem Suppenkessel nach dem Dämon werfen wollte und ausrutschte. Ich sah einen alten Mann, der vor Schreck ins Wasser fiel. Ich sah ein Boot, dessen La dung verrutschte, als der Dämon darauf sprang, und ein Boot, in dessen 'aufge hängter Wäsche er sich verfing. Ich sah ein Brett, auf dem sechsundzwanzig Fi sche lagen, und den Cheborparner, der es stahl. Und dann sah ich, wie der Dämon
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gegen einen Balken prallte und zusam menbrach. Mehr habe ich nicht gesehen, mein Fürst.« Stille senkte sich über den Audienz saal. Ein Chretkor-Höfling reckte sich zu Marains hinauf und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Sardaengar beobachtete, wie sein Kehlkopf auf und ab hüpfte und sein Kiefer sich bewegte. Er wünschte, er hätte etwas zu seiner eigenen Verteidi gung beitragen können, aber er benö tigte seine volle Kraft für den Kampf ge gen die Ausstrahlungen des Kristall mondes. Raunen und Flüstern drangen immer lauter aus dem blendend weißen Licht, das Sardaengars Bewusstsein umfing. Für einen Augenblick glaubte er den Kristallmond zum Greifen nah vor sich zu erkennen und mobilisierte alle Ab wehrkräfte. Nur zögernd klang das Wis pern ab, das Licht verblasste etwas. Es war nur ein kurzfristiger Erfolg, dessen war sich Sardaengar sicher. Der Großfürst neigte schließlich den Kopf und stellte seinen Weinkelch zu rück auf das T ablett. »Die Aussage eines Hasproners«, be gann er, »wiegt schwerer als die eines an deren Untertanen. Wir alle wissen das. Allerdings zweifelt auch er nur die Taten des Dämons an, nicht seine Existenz. Daher fällen wir folgendes Urteil: Dem Angeklagten bleibt das reinigende Feuer zunächst verwehrt, bis wir Gewissheit über seine Herkunft und den Grund sei nes Hierseins haben. Zu diesem Zweck soll er im Gefängnis Lirail befragt wer den.« Er griff zu einem gegrillten Fisch. »Und nun entfernt den Angeklagten. Sein Anblick beleidigt meine Augen.« Die Bewacher wendeten den Karren. Kronoul schüttelte den langen, behaar ten Kopf, während er Sardaengar nach draußen fuhr. »Der Hasproner hat dir keinen Gefallen getan, Dämon«, sagte er
Die Technostadt
leise. »Das Feuer wäre besser für dich gewesen. Alles ist besser als das Lirail.« Er klang beinahe so, als bedauere er das Wesen, das er noch vor kurzem hatte töten wollen.
Es war Sardaengars letzte klare Erin nerung: Man hatte ihn in Ketten gelegt und direkt vom Palast des Großfürsten auf ein Boot gebracht. Jetzt fuhr es über den Kanal Donan auf eine Insel zu, die von einem gewaltigen, gut hundert Me ter hohen, trutzigen, achteckigen Bau beherrscht wurde. T ürme mit Zwiebel kuppeln überragten die Mauern um wei tere dreißig Meter. So hoch und breit das einzige Tor auch war, es wirkte neben ih nen wie eine kleine T ür. Sardaengar betrachtete die leichten Wellen des Kanals, in denen sich das Sonnenlicht brach. Der Wind spielte mit dem langen Fell seiner Mähne. Alles war so klar, als würde es gerade erst gesche hen. Doch das tat es nicht. Es war nur einer der zahlreichen Schutzmechanismen, hinter denen sich Sardaengar vor dem Einfluss des Kristallmondes und den Schmerzen der Folter verbarg. Er war in eine tiefe T rance gefallen, in der selbst die Folterknechte ihn nicht mehr erreichen konnten. Manchmal spürte er ihre glühenden Eisen und die Metallringe, die sie um seine Gliedmaßen legten. Manchmal hörte er sogar ihre meckernd gebrüllten Fragen, doch meistens war er allein mit seinen Erinnerungen. Die Folter kostete ihn nur Kraft, mehr nicht. Der Herr der Welten wusste nicht, wie lange er bereits im Gefängnis saß. In diesem Trakt gab es keine Fenster, und die Wände waren meterdick. Er schätzte, dass rund zehn Tage seit seiner Gefan
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gennahme vergangen waren, doch mit Sicherheit konnte er das nicht sagen. Zu sehr war er mit sich selbst beschäftigt. Er hatte den Angriffen des Kristall mondes nur noch wenig entgegenzuset zen. Selbst in seine Trance verfolgte der Mond ihn, jagte ihn durch seinen Geist und versuchte, in seine ureigenste Es senz einzudringen. Sardaengar baute seine Erinnerungen wie Verteidigungs wälle um diese Essenz auf. Er verlor sich in ihnen, glitt durch die Jahrtausende so mühelos, wie ein Vogel durch die Luft glitt. Er war wieder auf Larsaf II oder Larsa, wie man die Venus damals nannte. Seit einem Arkonjahr hielt er sich dort auf, arbeitete als Chefmathe matiker im Forschungszentrum der Ko lonie. Wie war noch gleich sein Name? Trento, ja, das war es. Er nannte sich Trento, und sein oberster Vorgesetzter war der von allen gehasste und gefürch tete Tato Amonar da Cicol. Amonars Ehrgeiz schien keine Grenzen zu kennen. Er hatte die Kolonie im Larsaf-System aus dem Nichts gestampft, Städte und Raumhäfen anlegen und sogar ein Ro botgehirn von solchen Ausmaßen bauen lassen, dass alle Wissenschaftler und Ma thematiker damit beschäftigt waren, den Automaten zu perfektionieren. Die Ko lonisten zählten für Amonar nicht. Er schreckte nicht einmal davor zurück, sich seinen Ruhm mit ihrem Leid und Blut zu erkämpfen. Ein Kolonist, dessen Name Trento nicht kannte, sorgte mit seinem Hilferuf schließlich dafür, dass Kristallprinz At lan in das System geschickt wurde, um sich selbst ein Bild der Lage zu machen. Maßlose Übergriffe und unnötige Härten fanden innerhalb von vier Pragos ebenso ein Ende wie der offensichtliche Versuch, in dem abseits gelegenen Sonnensystem einen Staat nach eigenen Vorstellungen aufzubauen.
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Die Truppen hatten hart und unerbittlich zugeschlagen, als Amonar ergebene Soldaten versucht hatten, ihnen Herrn zu verteidigen. Waffen waren eingesetzt worden, die der Tato ohne Wissen des Großen Rates bei den Mehandor einge kauft und im Festungsring des noch un vollendeten Robotgehirns installiert hatte. Während ein Folterknecht seine Eisen im Feuer erhitzte und andere sich mit der Winde der Streckbank beschäftigten, dachte Sardaengar scheinbar völlig un berührt: Ich weiß sogar noch das Datum. Es war der 15. Prago des Messon 10.512 da Ark. An diesem Tag traf ich den Kristallprinzen des Tai Ark'Tussan persön lich bei einem Empfang in meinem Haus. Ein ordentliches Haus, wenn auch nicht vergleichbar mit dem, das Amonar sich errichtet hatte. Das Administrationsgebäude in der Hauptstadt, die der Tato nach sich selbst Amonaris genannt hatte, war natürlich mit weitem Abstand der prunkvollste Trichterpalast. Atlan, als Has'athor der Kommandeur des 132. Einsatzgeschwaders, kam in Begleitung des Kommandanten der TOSOMA ... Etwas zischte und schmorte. Fürch terlicher Gestank breitete sich aus. Ir gendwo knackte es, Stimmen brüllten durcheinander. Flackernder Fackel schein schuf bewegte Schatten, die auf bizarre Weise ein Eigenleben zu entfal ten schienen, Tiefe und Substanz gewan nen und zu kichernden und geifernden und Sardaengar verhöhnenden Gestal ten heranwuchsen. Sie unterhielten sich, sprachen lange über die Fortschritte der Kolonie, über Amonar aus dem bis dahin eher unbedeutenden Khasurn der da Cicol und seine ehrgeizigen Visionen. Es war eine freundliche, wenn auch meist oberfläch liche Unterhaltung, doch Trento entgin gen weder Atlans subtile Fragen noch seine Sorge um die Kolonie.
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Für einige Augenblicke roch Sardaen gar sein eigenes verbranntes Fleisch, fühlte zersplitterte Knochen, ausge renkte Gelenke und halb zerquetschte Finger. Für Augenblicke durchzuckte ihn, als schwebe er über sich, der er schreckende Anblick des eigenen, ge schundenen Körpers - ein Bild, das fast augenblicklich von jenem aus der fernen Vergangenheit ersetzt wurde. Als Trento war er ein sehnig schlanker Arkonide ge wesen, gepflegt die silbrig weißen, schul terlangen Haare, markant das Kinn grübchen ... Eine Gestalt, die nicht einmal neben dem Kristallprinz eine schlechte Figur gemacht hat, durchfuhr es Sardaengar mit einem Anflug von Eitelkeit. Du hast sie gerettet. Du hast Amonar nach Arkon bringen lassen und die Kolonisten geret tet - und der scheußliche Geruch reizte zum Würgen, so dass ... ... die Erinnerung verwehte, kurz dem Schmerz von Schlägen und der Brandei senfolter Platz machte, dann aber wie der ersetzt wurde durch die Bilder aus der Zeit auf Larsaf III, durch die jahr tausendelange Wanderung. So viel hatte er gesehen, so viele Gestalten angenom men. Er erinnerte sich an Atlantis, an die Pracht und den katastrophalen Unter gang, an Primitive und Seuchen, die die Städte entvölkerten, und Kriege, die das Land verwüsteten. Die Erinnerungen reihten sich aneinander, und er tauchte durch sie hindurch, tiefer, immer tiefer hinein in seine Vergangenheit und seine ureigenste Identität. Hinter all den Ge stalten, den Persönlichkeiten, den Jahr tausenden verbarg sich doch nur einer, der ... Sardaengar schrak hoch, als etwas wie ein heißes Messer in seinen Geist stach. Im ersten Moment glaubte er, die Folter habe ihn jetzt doch erreicht, doch dann erkannte er, dass er längst wieder allein in seiner Zelle lag. Der Schmerz verwan
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delte sich in Entsetzen, als Sardaengar plötzlich begriff, was geschehen war, welche schreckliche Tat ihn aus seiner Trance gerissen hatte. Litrak ist frei! Der Gedanke ließ sei nen Körper erbeben. Atlan hat ihn aus der Eisgruft befreit. Mit unendlicher Mühe nahm Sardaen gar seine letzten Kräfte zusammen, mo bilisierte Reserven, deren Existenz er nicht einmal geahnt hatte. Er wusste, dass er nach diesem gewaltigen Akt nichts mehr übrig haben würde, um den Kristallmond zu bekämpfen, doch das interessierte ihn nicht mehr. Seine paranormalen Sinne schössen aus ihm heraus, fanden den Geist von Lelos Enhamor und gruben sich in ihn hinein. Sardaengar sah Atlan durch des sen Augen, spürte, wie Enhamors Mund sich öffnete, um seine Worte zu sprechen. »Kristallprinz!«, keuchte er mit Enha mors Stimme. »Was hast du getan? Litrak ist frei! Wer soll ihn jetzt noch aufhalten?« Atlan schien antworten zu wollen, doch in diesem Moment brach die Ver bindung a b, und Sardaengar fiel ent kräftet in sich zusammen. 7. Gegenwart Vinara III, 29. April1225 NGZ
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Mal wieder typisch, Beuteterraner!, fuhr der Logiksektor fort. Es gibt wirk lich keinen Teil der Galaxis, in dem dein schlechter Ruf nicht bereits Legende ist! Während die spöttische Bemerkung unerwidert in mir verhallte, überlegte ich, woher Sardaengar mich kennen konnte. Hatte er vielleicht nur von mir gehört? Nein, dafür klangen seine Worte zu direkt, zu anklagend, ja ... zu persön
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lich. Die Holoprojektion in der Silber säule hatte ihn in der Gestalt eines Var ganen gezeigt, mit den Erinnerungen Nevus Mercova-Bans war die Existenz eines lemurischen Tamrats namens Sar daengar verbunden, auf den VinaraWelten galt der Herr der Welten als Ur alter. Konnte es sein, dass ich ihm in den Jahrtausenden direkt begegnet war? Doch wo und wann? Auf der Erde? Stammte gar von Sardaengar das Nach stellen der »Lakehurst-Katastrophe«? Natürlich wollte ich ihn fragen, wo wir uns schon einmal begegnet waren, doch es war sinnlos. Lelos Enhamor, durch den Sardaen gar gesprochen hatte, schüttelte ver wirrt den Kopf, während sich seine Gri masse allmählich glättete. Dem Moment der Erleichterung, wieder Herr über sei nen Körper zu sein, folgte der Augen blick des Erschreckens, als ihm klar wurde, welche Konsequenzen die tele pathische Botschaft seines Herrn mit sich brachte. Lelos' Muskeln spannten sich vor Schreck an, bis er in völlig unnatürlicher Haltung vor uns stand. Beide Arme halb erhoben, Hände und Finger klauenför mig verkrampft, sah er von einem zum anderen, ohne den Kopf zu bewegen. Nur die Blicke seiner ängstlich leuchtenden Augen wanderten von links nach rechts und wieder zurück. Seine Lippen formten tonlose Worte, vermutlich im Vorgriff auf eine be schwichtigende Erklärung, die ihm erst noch einfallen musste. Damit würde er seine Ordensbrüder allerdings kaum be ruhigen können. »Elender Perlenschleifer!« Caless Li laks blauer T ellerkopf zuckte angriffs lustig vor. »Du bist also der Verräter, der immer wieder un sere Pläne durch kreuzt ! Weißt du eigentlich, wie viele un serer 'Brüder und Schwestern wegen dir
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sterben mussten?« Ohne eine Antwort abzuwarten, stürzte sich der grazile Blue auf Lelos, packte ihn am Mantelkragen und schleuderte ihn zu Boden. Noch während der Großmeister über die Scholle schlitterte, trat Caless mit seinen kurzen Beinen auf das wehrlose Opfer ein. Ich lief zu den beiden, um die nutzlose Auseinandersetzung zu beenden, doch ehe ich den Blue zurückhalten konnte, winkelte er den Arm an und schlug mir in einer zielgenauen Rückwärtsbewe gung den Ellbogen ins Gesicht. Ein kurzes Aufflackern von Caless' hinterem Augenpaar warnte mich ge rade noch rechtzeitig, so dass der Stoß die Stirn statt des Nasenbeins traf. Trotzdem zuckte ein heller Blitz durch meinen Kopf. Verdammt, ich hatte die Aggressivität des E inhundertjährigen unterschätzt. Und glatt vergessen, wie schwierig es war, jemanden überra schend anzugreifen, der Augen im Hin terkopf hatte. Als sich mein Blickfeld wieder klärte, hatte Lelos die Gelegenheit genutzt, um aufzuspringen und sich zur Wehr zu set zen. Mit beiden Händen packte er den schlauchdünnen, knochenlosen Hals sei nes Kontrahenten und zerrte ihn vor und zurück, bis der Diskuskopf ins Schwin gen geriet. Gänzlich unbeeindruckt von der Ge genwehr, schlug der Blue weiter wie ra send auf Lelos ein. Schlag um Schlag prasselte nieder, bis der Arkonide von dem Hals ablassen musste und die Fäus te zum Schutz vors Gesicht hob. Lilak ergriff die Handgelenke des Großmeis ters und zerrte ihn mit brachialer Gewalt über die glatte Eisfläche. Ich hegte nicht den geringsten Zweifel an der Absicht des Blues. Er wollte den Verräter seines Ordens kurzerhand in die T iefe beför dern. Während ich den Kopf schüttelte, um
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die Funken und Sterne zu vertreiben, die der Stoß hatte aufleuchten lassen, sah ich zu Tamiljon hinüber und musste fest stellen, dass von ihm keine Hilfe zu er warten war. Der Kampf auf Leben und Tod, der sich vor seinen Augen abspielte, schien ihn nicht im Geringsten zu inter essieren. Den Kopf zur Seite geneigt, stand er geistesabwesend da, wie je mand, der einer fremden Stimme lauschte. Fluchend setzte ich Lelos und dem Blue nach, um das Schlimmste zu ver hindern. Pass auf, dass du nicht zwischen die Fronten gerätst, warnte mein Extrasinn. Das hier ist nicht die richtige Arena für Heldentaten. Mir war klar, worauf der Logiksektor hinauswollte. Im nächsten Augenblick wurde seine Befürchtung bestätigt, als ich auf einen spiegelglatten Abschnitt geriet. Eine kalte Böe strich von hinten über die Plattform und drohte mich aus dem Gleichgewicht zu bringen. Mit ei nem langen Satz landete ich auf einer ge frorenen Schneedecke, die so stumpf war, dass ich Halt auf ihr fand. Meine Reflexe funktionierten also einwandfrei, doch die Rutschpartie war mir eine War nung. Wir alle bewegten uns auf instabilem Grund. Die Sch webende Stadt konnte jederzeit wieder zu torkeln beginnen, eine Aussicht, die angetan war, mir den Angstschweiß auf die Stirn zu treiben. Hinzu kam, dass wir uns auf einer fragi len Eisbrücke befanden, unter der eine alles zerfressende braune Masse bro delte. »Reißt euch zusammen!«, rief ich Lelos und Caless zu. »Wir müssen zusam menhalten, sonst gibt esfür unskeine ...« Meine Warnung stieß nicht nur auf taube Ohren, sie erfolgte auch zu spät. Beide Männer, die zwei Schritte vom Schollenrand entfernt erbittert mitein
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ander rangen, bekamen die T ücke des Untergrundes zu spüren. Zuerst ver nahm ich nur ein Knistern, das das Keu chen der gegeneinander 'Kämpfenden genauso übertönte wie meine Warnung. Dann platzte das Eis um sie herum auf. Scharfkantige Splitter schnellten in die Höhe, breite Hisse entstanden. Die Brü che breiteten sich ringförmig aus, bis der Boden unter den beiden abrupt nachgab. Schreiend sackten sie einen Meter in die T iefe, knickten zur Seite und ver schwanden aus meinem Gesichtsfeld. Jegliche Vorsicht - und den Rat meines Logiksektors - missachtend, eilte ich auf die eingebrochene Stelle zu. Nach weni gen Schritten erkannte ich, dass es sich um einen großen, halbrunden Luftein schluss handelte, der nur von einer dün nen Eisdecke abgedeckt worden war. Für Lelos und Caless hatte sich der auf zwei Meter abfallende Kanal in eine Rutsch bahn verwandelt, der sie mit Schwung über den Schollenrand hinausbeför derte. Ich stöhnte leise auf, als die "beiden tief unter mir auf dem Plattformfunda ment der Goldenen Stadt aufschlugen. Einige Stränge des brodelnden Shains har schössen ihnen entgegen, hungrigen Schlangen gleich, die sich aus dem ät zenden Sud emporstreckten, um den ersten Bissen zu erhalten. Eine völlig unnötige Gier, rein von Instinkten ge steuert, denn schon eine Zehntelse kunde später tauchten die beiden tief in die braunen Fluten ein. Sie verschwan den vollständig darin. Was das Shain shar einmal aufgesogen hatte, gab es nie wieder her. Die braune Masse bildete zwei Aus stülpungen, die mich von der Größe und Form her fatal an die beiden Körper der Ordensmitglieder erinnerten. Rasend schnell flössen sie ins Zentrum des meh rere hundert Quadratmeter umfassen den Pfuhls und lösten sich dabei schon
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auf. Ich ahnte, was mit den beiden Män nern geschah. Doch der Verdauungspro zess dauerte nur wenige Sekunden, dann fiel die Aufwölbung in sich zusammen, und die Wucherungen suchten wieder vor Ort nach neuen Beutestücken. Erschüttert wandte ich mich ab. Nicht wegen des unbarmherzigen Shainshar, das nur seiner Konditionierung folgte, sondern weil die beiden Männer ihren Tod selbst verschuldet hatten und er völ lig unnötig gewesen war. Meist ist der Mensch des Menschen größter Feind - Homo Homini Lupus, dachte ich in Anlehnung an den alten terranischen Ausspruch. Dabei wäre es viel wichtiger gewesen, einen gemeinsa men Weg aus der Misere zu finden. Dass Lelos und Caless jetzt fehlten, würde uns vielleicht noch in arge Schwierigkeiten bringen. Mit dieser Meinung schien ich allerdings allein da zustehen. Zumindest Tamiljon, der sich die ganze Zeit keinen Millimeter von der Stelle gerührt hatte, zeigte nicht das ge ringste Anzeichen von Trauer. Im Gegenteil. Er begann schallend zu lachen.
Ich bemühte mich um ein möglichst ausdrucksloses Ge sicht, als ich mich dem schwarzhäutigen Viin näherte. Ich schlenderte mehr, als dass ich ging, um ihn in Sicherheit zu wiegen. Er sollte glauben, dass mich der Tod unserer Ka meraden genauso wenig berührte wie ihn. Gut, lobte der Extrasinn. Auf ein wei teres Gerangel, wie es Lelos und Caless ins Unglück gestürzt hat, kannst du wirklich verzichten. Als ich eine Armlänge von Tamiljon entfernt war, blie b ich stehen und kratzte mich scheinbar gedankenverlo ren an der Sch läfe. Der Viin in dem
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schwarzen Lederoverall, der fast Ton in Ton mit der Haut des Mannes harmo nierte, hatte sich noch nicht beruhigt. Ein Blick in seine vor Hohn triefende Miene verriet mir, dass er keineswegs aus einem Schock heraus lachte. Scheinbar schien ihn der tödliche Sturz von Lelos und Caless tatsächlich zu amüsieren. Ich ballte die andere Hand zur Faust und schlug ansatzlos zu. Genau auf den Punkt und zu schnell, als dass T amiljon noch zu einer Abwehr fähig gewesen wäre. Ich traf ihn genau an der Kinn spitze, und er sank besinnungslos zu sammen. Schnell sprang ich vor, fing ihn auf und ließ ihn sanft zu Boden gleiten, bevor er mit dem Hinterkopf auf dem Eis aufschlagen konnte. Ich wollte ihn ruhig stellen, nicht ernsthaft verletzen. Lass dir nicht zu viel Zeit, mahnte der Logiksektor. Euer derzeitiger Aufent haltsort beinhaltet viele Risiken. »Mir bleibt keine andere Wahl«, hielt ich laut dagegen, während ich den Viin vorsichtig auf das Eis bettete. Kaum von der Last befreit, warf ich einen nach denklichen Blick auf mein Quecksilber armband. In den vergangenen Stunden hatte es meinen gedanklichen Anord nungen Folge geleistet, nun galt es aus zuprobieren, wie weit die Kontrolle wirklich reichte. Ich brauchte einen Augenblick, um meine psychischen Schwingungen auf die Nanomodule ein zustellen, dann spürte ich ein leichtes Prickeln unter der Schädeldecke. Der Kontakt war etabliert. In Gedan ken formulierte ich eine Reihe von Be fehlen, nicht nur in Worten, auch in Ge fühlen und Bildern. Die Reaktion er folgte prompt. Ein T eil der Partikel ver ließ das Armband und gruppierte sich zu einem silbrigen Faden, der in einem leichten Bogen zu T amiljon sprang. Ich erteilte einen weiteren Befehl, und die Module sammelten sich an seinem Kehl kopf, um von dort nach links und rechts
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zu strömen, bis die beiden Enden sich vereinigten. Innerhalb weniger Sekunden entstand ein hauteng anliegendes silbernes Hals band. Über meine gedankliche Verbin dung programmierte ich das »Schmuck stück« auf seine bevorstehende Aufgabe und beugte mich dann über den Be wusstlosen, dessen Augäpfel bereits un ter den Lidern zu wandern be gannen. Ein paar Ohrfeigen weckten ihn auf. Er schüttelte sich, schien einen Au genblick lang nicht zu wissen, wo er sich befand oder was geschehen war. »Was ... soll das?«, protestierte er schließlich und richtete sich schwerfällig auf. »Bist du verrückt geworden?« Seinem empörten Blick nach zu urtei len, sah er sich tatsächlich als Opfer ei ner Ungerechtigkeit und verstand nicht, womit er eine so grobe Behandlung ver dient hatte. Allerdings wirkte er wieder ganz normal. Falls er unter einem frem den Einfluss gestanden hatte, war er ver schwunden. Aber unter welchem Ein fluss sollte er gestanden haben? Dass er ein falsches Spiel mit mir trieb und mir nie die ganze Wahrheit gesagt hatte, war mir schon lange klar. Hatte Sardaengar etwa auch ihn übernommen? Oder ... Ich dachte an den Kristallsplitter, der ihm in den Hals eingedrungen war, als Litrak in der Eisgruft erwacht war. Dann gönnte ich ihm ein Lächeln der kältesten Art. »Schluss mit dem Theater. Seit wir uns kennen, suchst du nur deinen Vorteil und verschweigst mir, was du kannst. Ich habe die Nase voll von deiner Geheim nistuerei. Du wirst mir alles verraten, was du weißt.« Tamiljon öffnete den Mund, doch be vor er die Lüge aussprechen konnte, die ihm wohl auf den Lippen klebte, setzte ich hart nach. »Du bist T elekinet, nicht wahr?« Seine Pupillen weiteten sich vor Schreck, doch statt zu antworten, schluckte er nur trocken. Das war auch
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eine Möglichkeit, ein Eingeständnis zu machen, doch es reichte mir nicht. Ich grinste kühl. »Glaub mir, du wirst reden. Mach es dir nicht unnötig schwer.« Seine Lippen pressten sich trotzig zu sammen. Ich konnte förmlich sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Dann zog sich das Silberband um seinen Hals plötzlich zusammen. Tamiljon riss die Augen auf; die Luft wurde ihm knapp. Röchelnd versuchte er, mit den Fingern unter das flexible Band zu fassen, doch gegen die Nanotechnik kam er nicht an. Zwischen seiner Haut und dem silbrigen Material war nicht einmal ein Millimeter Zwischenraum. »Ach ja«, entschuldigte ich mich scheinheilig. »Dein neues Schmuckstück reagiert auf jegliche Psi-Aktivität. So bald du deine paranormalen Fähigkei ten einsetzt, schnürt es dir die Luft ab.« Seine Fessel lockerte sich wieder, und er atmete in tiefen Zügen ein, als hätte er schon seit Jahren und nicht erst seit Se kunden darauf verzichten müssen. »Du bist wahnsinnig«, krächzte er. »Nein, nur ungeduldig.« Manchmal würde ich Tamiljon durch aus zustimmen, meldete sich der Extrasinn süffisant zu Wort, fügte aber rasch hinzu: Allerdings nicht im Moment. Im Gegenteil. Deine Taktik scheint aufzugehen. Diese Beobachtung deckte sich mit meiner. DassT amiljon der Verlust seiner Parasinne zutiefst verunsicherte, war nicht zu übersehen. Nervös rutschte er auf dem Eis zurück und sah ängstlich zu mir hoch. Er spürte, dass ich ihn durch schaut hatte und nicht lockerlassen würde, bis ich alles über ihn wusste. »Also?«, schnauzte ich. »Beeil dich lie ber! Niemand weiß, wann die Stadt wie der ins Trudeln gerät. Oder wir in wär mere Gefilde abdrif ten und unser kleines Vogelnest zu schmelzen beginnt. Ein paar Grad reichen schon, um das Eis an
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den T ürmen zu lockern. Den Rest besor gen die Vibrationen. Dann fallen wir mit der Scholle, auf der wir stehen, in den Pestmoloch unter uns.« Selbst mir lief es kalt über den Rü cken, als ich unsere Zukunft so düster ausmalte. T amiljon stürzten meine Worte jedoch in Panik. Seine Pupillen, die wie schwarze Inseln auf den gelbli chen Augäpfeln schwammen, glitzerten feucht. »Verdammt, was willst du von mir?«, flüsterte er. »Die Wahrheit!« »Ja! Ja!« Seine Worte hallten über die Eisfläche und übertönten sogar den laut pfeifenden Wind, der zwischen den T ür men entlangstrich. »Ich bin Telekinet! Du weißt es doch längst! Warum fragst du noch?« »Weil ich wissen will, warum du ge lacht hast, statt deinen Ordensbrüdern zu helfen. Du hättest ihren Absturz ver hindern können!« Ein Ausdruck der Verwunderung legte sich auf sein Gesicht, dann ein Anflug von Entsetzen, als würde er sich plötz lich an etwas erinnern, was seit Äonen in den tiefsten Kammern seines Gedächt nisses begraben lag. »Ich ... soll gelacht haben?«, fragte er nach kurzem Zögern, doch ich spürte ge nau, dass er sich mit Schaudern an seine Reaktion erinnerte. Es sprach für ihn, dass er jetzt ein schlechtes Ge wissen bekam, doch ich war nicht bereit, weitere Lügen durch gehen zu lassen. Ich runzelte die Stirn und be dachte ihn mit einem harten Blick, den ich mir in zahllosen Verhören angeeignet hatte. Als Lordadmiral der USO und bei anderen Gelegenheiten ... »Du atmest wohl nicht be sonders gern?« Tamiljon rang sofort nach Luft, ob wohl ich dem Halsband noch gar keinen Befehl erteilt hatte.
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»Warum hast du deine Kräfte nicht eingesetzt?« Mehr Druck musste ich nicht ausüben. Sein Wille war gebrochen. Mehrmals setzte er zu einer Antwort an, brachte jedoch keinen Ton über die Lippen, bis es endlich aus ihm herausplatzte: »Meine Gabe lässt sich nicht ohne weiteres nut zen. Um sie zu wecken, muss ich die Lebenskraft eines intelligenten Wesens an zapfen und umwandeln. Solange ich allein auf mich gestellt bin, nutzt sie mir nichts. Deshalb war ich auch hilflos, als mich die Termiten gefangen hielten! Ihre niedere Energie ließ sich nicht umwan deln. Mir waren die Hände gebunden, bis ihr gekommen seid!« Sein Redefluss, der sich eben noch mit jedem Wort gesteigert hatte, riss abrupt ab, als fürchtete er, schon zu viel erzählt zu haben. Vielleicht lag es an einem ver räterischen Zucken meiner Augen brauen, denn sein Geständnis löste in mir eine ganze Reihe von Überlegungen aus, die einige Vorkommnisse der jüngs ten Vergangenheit in ein neues Licht rückten. »Jörge Javales«, erinnerte ich mich an meinen terranischen Begleiter, der die Entführung in den T ermitenbau nicht über lebt hatte. »Es war mir damals schon ein Rätsel, warum er so rasch im Kokon erstickt ist. Dabei starb er in Wirklichkeit, weil du ihm Vitalenergie zu deiner eigenen Rettung abgezogen hast!« »Und zu deiner!«, erwiderte T amiljon rasch, um sich gegen den Vorwurf zu ver teidigen, er hätte aus rein .egoistischen Motiven gehandelt. Ich sah- ihn scharf an. »Ich wollte deinem Begleiter kein Leid antun«, fügte er deshalb leise hinzu. »Das musst du mir glauben! Du weißt doch, wie es war ... in diesem Kokon ge fangen! Ich wollte mich befreien, geriet in Panik ... Ich habe die Kontrolle verlo ren und Javales mehr Kraft abgezogen,
Bernd Frenz
als er ertragen konnte. Er war ja auch eingesponnen und musste um sein Über leben kämpfen! Das habe ich nicht be dacht .!. Es tut mir wirklich Leid. Ich wollte, ich hätte ihn ebenfalls befreien können.« Seine Stimme sank zu einem Flüstern ab. Aus seinen Augenwinkeln quollen Tränen, die zu beiden Seiten seiner schmalen Nase feuchte Spuren hinterlie ßen. Die Reue des Mutanten wirkte ab solut echt. »Hätte ich dich damals schon gekannt, hätte ich mich natürlich an dich gehalten, denn deine Kraft ist ja un erschöpflich!« In seinem Eifer, sich reinzuwaschen, offenbarte Tamiljon ungewollt ein wei teres dunkles Geheimnis. Mein Ver ständnis für den reuigen Telekineten verpuffte schlagartig. Er hat mit seinen Sinnen die Kraft des Zellaktivators gespürt und dich von da an als wandelnde Batterie missbraucht, bestätigte der Extrasinn meinen Ver dacht und konnte ihn obendrein durch fotografisch exakte Erinnerungen be weisen. Sowohl bei dem Absprung vom Obsidiantor als auch aus dem Zeppelin hast du eine ungewöhnlich hohe Belas tung gespürt, die der Chip ausgleichen musste. Mir fielen weitere Gelegenheiten ein, bei denen es zu solchen Schwächeanfäl len gekommen war. Übelkeit stieg in mir auf, wenn ich nur daran dachte, wie tief Tamiljon »in mir« gewühlt hatte, sich der Kraft meines Zellaktivators bedient hatte wie ein Parasit. Ich fühlte mich be sudelt, ja regelrecht missbraucht. Schweig!, herrschte ich den Logiksek tor an. Du hättest sofort darauf kommen müssen, dass Tamiljon ein Telekinet ist, der auf Vitalenergie intelligenter Wesen angewiesen ist. Die Umstände meiner Befreiung waren ja seltsam genug. Es gab Dutzende von möglichen Er klärungen, wie deine Befreiung erfolgt
Die Technostadt
sein könnte. Hätte ich sie dir alle aufgezählt, hättest du mich wieder einmal als Labersektor beschimpft. Ich schnaubte und wandte mich an Tamiljon. »Deshalb hast du stets meine Nähe gesucht. Um nach Belieben Kraft aus mir zu schöpfen, mich auszusaugen und für deine Zwecke zu benutzen!« Mein Zornausbruch entfachte erneut seine Angst. »Aber dir wurde dabei kein Schaden zugefügt. Zumindest kein dau erhafter ...« »Ach ja? Warum hast du mir nichts davon erzählt, wenn das alles so harmlos ist?« Tamiljon versuchte, meinem Blick standzuha lten, doch es ge lang ihm nicht. Betreten sah er zu Boden. Das darauf folgende unangenehme Schwei gen setzte ihm vielleicht noch stärker zu als meine scharfen Attacken. Ich spürte, wie unbehaglich er sich fühlte, dachte aber gar nicht daran, die Stille zu bre chen. Tamiljon sollte noch eine Weile schmoren. »Die Chance war einfach zu verlo ckend«, sagte er schließlich, ohne zu mir aufzusehen. »Ich wollte so gern ein Wächter werden, wie Hyancaran, mein Herr, doch dazu musste ich das Wohlwol len der Großmeister erlangen. Ich habe sofort deine machtvolle Aura gespürt, und die Begegnung mit dir erschien mir wie ein Wink Litraks, eine einmalige Ge legenheit, in den Ordensrängen aufzu steigen.« Als unsere Blicke sich trafen, liefen ihm wieder Tränen übers Gesicht. Sie schienen ihn nicht zu stören; vielleicht bemerkte er sie auch gar nicht. Der Aus druck in seinen Augen wirkte entrückt, als würde er durch mich hindurch seine eigene Vergangenheit in weiter Ferne bildlich ablaufen sehen. »Und ich habe Recht behalten.« Seine Stimme klang gebrochen; Triumph sch wan g je denfalls n icht in ihr mit.
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»Acazar Cateireo hat mich wegen meiner Verdienste vom Helfer zum Meister des Ordens befördert.« »Du warst zuvor also gar kein Kris tallstab-Träger?«, warf ich ein, um sei nen Redefluss in interessantere Bahnen zu lenken. »Nein«, gestand er leise. »Ich wurde noch nicht für würdig befunden. Nur be sonders befähigte Geister durften Litraks Ehrenstab führen, etwa mein Herr Hyancaran, der ihn mir kurz vor seinem Tod anvertraut hat. Zuvor war ich nur sein Diener, der ihn auf all seinen Reisen begleitet hat.« Anvertraut?, lästerte der Extrasinn. Er wird wohl eher die Gunst der Stunde genutzt und den Stab an sich genommen haben. Insgeheim stimmte ich dieser Ein schätzung zu. »Dann bist du also nie ein Wächter gewesen?« »Die wahren Wächter ...« Tamiljons Stimme klang geradezu kläglich. »Die wahren Wächter«, nahm er einen zwei ten Anlauf,' »die Litrak persönlich aus gewählt hat, sind ... bereits seit Äonen tot. Selbst Hyancaran war nur ein Kris tallstab-Träger. Nach seinem T od war ich auf mich allein gestellt gewesen. Aber Hyancaran hat mir viel von seinem Wissen verraten. Ich habe versucht, auf eigene Faust zu handeln, und gelernt, die Obsidiantore gezielt mit dem Stab zu steuern ...« Ich atmete tief ein. Endlich erhellte sich für mich ein Teil der Hintergründe. Ich wünschte, ich hätte schon früher eine Möglichkeit gehabt, T amiljon zum Re den zu zwingen. Doch seine paranormale Fähigkeit hatte ich erst mit Hilfe der er beuteten Nanotechnologie ausschalten können. Davor war ich dem dunkelhäu tigen Mutanten auf Gedeih und Verderb ausgeliefert gewesen. Es war kontraproduktiv, doch ich fragte mich, ob es Tamiljon möglich ge
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wesen wäre, mich zu töten, indem er mir Vitalenergie abzog. Seine Parafähigkeit gegen meinen Zellaktivator ... wer hätte den Sieg davongetragen? Wäre die Vital energie im Chip irgendwann erschöpft gewesen, oder wäre Tamiljon an der auf genommenen Lebenskraft zugrunde ge gangen, an einem Übermaß von Sätti gung geradezu geplatzt? Ich verdrängte den Gedanken und hörte Tamiljon zu. Einmal ins Reden gekommen, zeigte er sich überraschend of fen und ehrlich. Einige Dinge behielt er aber trotz beharrlichen Nachfragens weiter für sich. Etwa, woher seine Gleichgültigkeit beim Tod der Ordens brüder herrührte. Darauf konnte oder wollte er mir keine Antwort geben, wo bei ich nach einiger Zeit durchaus zur ersten Möglichkeit tendierte. Überhaupt fragte ich mich, wie ich Tamiljon nun einschätzen sollte. Einerseits konnte ich seine Motive verstehen. Er hatte sich sein Leben lang zurückgesetzt gefühlt und schließlich die sich ihm bietende Chance mit aller Macht nutzen wollen. Andererseits durfte ich nicht vergessen, dass er mich hintergangen und für seine Zwecke vor den Karren gespannt hatte. Wie sollte ich also mit ihm verfahren? Ich wusste es nicht. Aber ich kam nicht mehr dazu, eine Entscheidung zu fällen. Noch während ich mit mir rang, spürte ich eine Veränderung. Zuerst be fürchtete ich, die Technostadt geriete er neut ins Trudeln, doch dann überfiel er mich schon - der schreckliche und doch vertraute Schmerz einer Entstoffli chung. Verdammt! Litrak hatte also nicht nur die Stadt gestartet, sondern auch den Sprung programmiert, der nun mit eini ger Verzögerung ausgeführt wurde. Ich erstarrte mitten in der Bewegung, wäh rend in meinem Inneren die Hitze explo dierte.
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Die Transition wurde durchgeführt. Und niemand wusste, wohin.
Rückblende Vinara, 17. April 1225 NGZ Li da Zoltral Bei dem silbernen Hohlspiegel han delte es sich um einen Holoprojektor, das erkannte Li sofort. Sie trat näher heran und strich mit der Hand über die raue Deckplatte des runden Gebildes. Die Berührung blieb nicht ohne Fol gen. Ein leises Summen erklang, und im Fokus des Hohlspiegels glomm ein blau weißer Glanz auf, der sich über die ge samte Innenwandung ausbreitete. Li spürte ein Prickeln unter ihren Schläfen. Tastend und forschend, aber nicht unan genehm. Eher passiv - und auf Anwei sungen wartend. Sie lächelte schwach. Sie kannte sich mit Nanomodultechnik aus, hatte schon oft mit ihr gearbeitet. Außerdem .hatte sie ihr Auftraggeber gut instruiert. Sie brauchte nur Sekunden, um ihre Gedan ken auf die Kontaktfrequenz einzustim men. Der Rang einer Beauftragten des Kosmokratenroboters Samkar ver schaffte ihr problemlos Zugang zu allen gespeicherten Daten. Ihre Sinne stießen tief in das neurale Geflecht der Gebirgsbastion vor und for derten Informationen über die Verges sene Plattform an. Leise knisternd baute sich ein Spannungsfeld in dem nach in nen gewölbten Spiegel auf. Der blau weiße Glanz verstärkte sich. Winzige Energiebögen schnellten hoch und ver schwanden wieder. Dann fuhr ein vielfarbiger Lichtstrahl aus dem Fokus der konkaven Silber schüssel und projizierte neben ihr ein Abbild der schwarzen Quaderplattform in die Luft. Ortung einer machtvollen
Die Technostadt
Aura, pulsierte es durch ihr Bewusstsein. Es handelt sich um die Ausstrahlung ei nes Imaginären. Damit konnte nur sie gemeint sein. Sehr interessant. Sardaengar hatte sich also der aufgetauchten Station gründ lich gewidmet. Wie selbstverständlich rief Li weitere Daten und Bilder ab, um den Geheimnissen dieses seltsamen Herrschers auf die Spur zu kommen. Zu ihrer Überraschung stieß sie dabei auch auf eine Ortung des Arkoniden Atlan, der auf Vinara Vier, einer der vier Spie gelwelten, materialisiert war. Den Daten zufolge hatte Sardaengar mit seinen Pa rasinnen Atlans Kitteraura gespürt, und mehr noch - er kannte den Arkoniden so gar persönlich. Außerdem beobachtete der Uralte die Expedition einiger T OSOMA-Besat zungsmitglieder unter der Leitung von Lethem da Vokoban. »Eine Verkettung von Zufällen«, murmelte Li. »Zuerst die Aktivierung der Bewusstseinstransferanlage, deren Emissionen die Vergessene Positronik anlockten und die unkontrollierte Transmitterzone im Zentrum des Son nentransmitters entstehen ließen. Dann öffneten sie den Zugang zur ohnehin löchrig gewordenen Obsidian-Kluft. Was daraus erwachsen kann, ist nicht abzusehen.« Aber die offensichtlichen Folgen waren schon bedeutsam genug gewesen, um Samkar reagieren zu lassen. Deshalb hatte er sie ausgeschickt, das Schlimmste zu verhindern. Während sie weiter das Schnittgewit ter schnell wechselnder Projektionen verfolgte, wuchs in ihr die unangenehme Befürchtung, der gestellten Aufgabe al lein nicht gewachsen zu sein. Atlans Hilfe mochte in diesem Fall unentbehr lich sein. Blieb nur zu hoffen, dass der Arkonide sich richtig verhielt und nicht wie der seine übliche Renitenz an den
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Tag legte, die alles nur noch schlimmer machte. »Wenn wir scheitern, sind die Bewoh ner der Obsidian-Kluft verloren«, mur melte sie leise; die stetig auf sie einströ menden Informationen machten es fast unmöglich, einen eigenen Gedanken zu fassen. »Und die Gefahr ist noch viel größer. Der Hyperspeicher der On- und Noon-Quanten ist durchlässig gewor den, wie Samkar es befürchtet hat.« Sie vermutete, dass es dem Roboter der Kosmokraten hauptsächlich um diese Quanten ging. Sie stellten eine Ge fahr dar, die mehr als nur eine Galaxis vernichten konnte. Zur Beseitigung ei nes vergleichbaren Unheils hatten die Kosmokraten sogar einmal eine Materie quelle manipuliert. Damals, um BAR DIOCS Sporenschiff PAN-THAU-RA ... Der aufblitzende Gedanke brach ab. Die Daten in Sardaengars Speicher er gänzten Lis bisherige Kenntnisse bis ins Detail. Vor Äonen waren tatsächlich große Teile von Litraks Bewusstsein mit der Hypertronik verschmolzen, dem Rechner des Kristallmondes. Später hatte die Psi-Materie einen kristallinen Körper erschaffen, der allerdings noch handlungsunfähig war. Doch die ge samte Obsidian-Kluft, ursprünglich als eine Art Backup-System geschaffen, war nun in Aufruhr geraten. Kräfte drohten freigesetzt zu werden, deren Macht sogar für sie eine kaum verstellbare Dimension erreichte. Psi-Materie mit dem Volumen eines Mondes! Wenn Litrak wirklich er wachte, würde das Chaos noch viel schlimmer werden. Li versuchte, den Kern des Kristall mondes mit Hilfe der Modultechnik zu erreichen - und fluchte schon nach we nigen Sekunden leise auf. Jedes Mal, wenn sie sich auf die Hypertronik kon zentrierte, erschien nur ein schattenhaf ter, walzenförmiger Körper, mit dem sie
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unbewusst - von dem ihr mitgegebenen Wissen geprägt - die Farbe Kobaltblau assoziierte. Die Befürchtung wurde zur Ge wiss heit. Wenn sie die letzten Geheimnisse des Backup-Systems lösen wollte, muss te sie den Kristallmond aufsuchen und direkt zur Hypertronik vordringen. Doch die Geräte ihres Anzugs waren na hezu vollständig ausgefallen. Sie musste also nach neuen Wegen suchen. Konnte ihr dabei das Obsidiantor hel fen? Noch während sie über die Frage nachdachte, formte sich neben ihr ein holografischer Querschnitt der Anlage, und die pulsierende Stimme in ihrem Kopf meldete: Negativ. Obsidiantore dienen nur zum Wechsel zwischen den Spiegelwelten. Verwandte Themen: Sil bersäulen, Goldene Technostädte ... Die Silbersä ulen kannte sie bereits, über die Städte, die als schwebende Plattformen dargestellt wurden, wusste sie dagegen kaum etwas. Von den angebotenen Mentalzugriffen entschied sie sich spontan für die Realzeit-Fernauf nahme einer nur wenige hundert Kilo meter entfernt schwebenden Wolken stadt. Völlig unbefleckt von biologi schem Leben, beherbergte sie lediglich eine Vielzahl von Reinigungs- und Reparaturrobotern, die die Systeme in ein wandfreiem Zustand hielten. Li pfiff leise auf. Die auf sie einströ menden Daten verrieten ihr, dass die Goldenen T echnostädte ursprünglich aus der Psi-Materie des Kristallmondes materialisiert waren, genau wie die Sil bersäulen, Ovalroboter und praktisch alle anderen technischen Gegenstände auf den Vinara-Planeten. Durch von außen hinzugekommene Fremdkomponen ten waren sie aber längst zu etwas Eigen ständigem geworden. Eine weitere wichtige Information hätte sie in der beachtlichen Datenfülle fast übersehen: Innerhalb des Kraftfel-
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des, das die Schwebende Stadt umgab, existierte keine T echnikblockade! Spontan entschloss sie sich, diesen Umstand zu nutzen. Gewähre Zugang zur Steuerung, trug sie den Nanomodu len auf. Sekunden später wurde der Kontakt etabliert. Rechts oberhalb der Totale, die die Stadt in einer RealzeitFernaufnahme zwischen den Wolken zeigte, entstand ein rechteckiger Aus schnitt, der Steuerungselemente, Hö henmesser und einen künstlichen Hori zont zeigte. Der Zugriff erfolgte über Gedankenbefehle. Doch plötzlich stieß sie auf Schwie rigkeiten. Sie erreichte zwar die Steue rung, doch die reagierte bestenfalls schwerfällig, schien sich sogar gegen den fremden Einfluss zu wehren. Auf der Ho lodarstellung verfolgte Li, wie die aufra genden Goldtürme ins Wanken gerieten. Einen Moment lang befürchtete sie, sie würden abbrechen. Dann erkannte sie, dass die Schwingungen von der Basis plattform ausgingen. Sie versuchte ge genzusteuern, doch da ihre Befehle nur mit Verzögerung umgesetzt wurden, er reichte sie genau das Gegenteil. Die ge samte Stadt geriet ins T rudeln und ver lor an Höhe. Mit Wucht durchstieß sie tiefere Wolkenformationen, die unter dem anstürmenden Volumen zur Seite wallten und zerfaserten. Li 'verspürte ein unangenehmes Zie hen unter der Schädeldecke, das immer stärker wurde, als sie dem Fall entgegen zuwirken versuchte. Sie erreichte mit ih ren Bemühungen nur, dass sich die Tech nostadt nach vorn neigte und noch schneller abstürzte. Die schillernden Sphären, die mehrere T ürme umperlten, lösten sich von den Wänden und stiegen nach oben, bis sie sich an dem alles um gebenden Kraftfeld sammelten. Mittlerweile schwitzte Li heftig. Auch wenn es an Bord der Plattform keine hu manoide Besatzung gab ... der Absturz
Die Technostadt
eines so großes Gebildes würde verhee rende Folgen haben! Tausende von Viin würden das Leben verlieren, selbst wenn die T echnostadt in einer entlegenen Bergregion zu Boden ging. Und wenn sie den Kontakt in diesem Augenblick löste, würde die Stadt abstürzen! Sie nahm ihre letzte Kraft zusammen und kämpfte gegen den Schmerz in ih rem Schädel an. Li konzentrierte sich nur darauf, die Stadt wieder ansteigen zu lassen. Aus den Augenwinkeln be merkte die Frau am unteren Rand der Totale eine Bewegung. Zuerst glaubte sie, sich zu täuschen, doch dann er kannte sie mehrere Humanoide auf ... Reitechsen. Eine Karawane? Sie konzentrierte sich wieder, und es gelang ihr, den Sinkflug endlich zu ver langsamen, wenngleich der Kurs weiter hin torkelnd verlief. Vorsichtig zog sie sich aus der Steuerung zurück, und das Trudeln der Stadt ließ tatsächlich nach. Erleichtert wischte sie sich den Schweiß von der Stirn. Sie war ihrem Ziel zwar nicht näher gekommen, hatte jedoch eine sich anbahnende Katastrophe ver hindern können. Die Rothaarige löste die Verbindung zu den Nanomodulen und verschnaufte kurz. Viel Zeit zur Er holung blieb ihr nicht, das Erreichen des Kristallmondes hatte weiterhin höchste Priorität. Da sie die Möglichkeiten des Holopro jektors ausgeschöpft hatte, konzen trierte sie sich auf ein anderes Artefakt der Bergfestung, über das sie in den letz ten Minuten einiges erfahren hatte. Von neuer Hoffnung beseelt, verließ sie die T urmkuppel und fuhr mit dem Antigrav lift in die T iefe. Im Innenhof angekommen, spürte Li da Zoltral, wie sich ihre Nackenhärchen aufrichteten. Schon beim ersten Anblick des Nebeldoms, der allen Naturgesetzen
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zum T rotz nie seinen angestammten Platz verließ, hatte sie eine nervöse Un ruhe verspürt. Mit einem Mal wusste sie, dass es sich bei der facettierten Kristall kugel um einen Ableger des Kristall mondes handelte! Die am Rand von Lis Wachbewusst sein raunende Nanotechnik der Gebirgs bastion vermittelte überdies die Infor mation, dass der Kristall parallel zum wachsenden Einfluss des Kristallmon des auf Sardaengar ebenfalls größer ge worden war. Wiederholt war Psi-Materie über die weißen Lichtbrücken abgeflos sen und hatte sich dem Kondensations kern in dem Nebeldom angelagert. Schritt für Schritt hielt Li auf die dichten Schwaden zu und drang in sie ein, bis sie die ersten Facetten aufblitzen sah. Da das vierzig Meter durchmes sende Objekt aus materialisierter PsiEnergie bestand, suchte sie auf dem glei chen Weg Kontakt wie bei den Nanomo dulen. Schon bald spürte die Abgesandte Samkars eine fremde Präsenz, die sich auf sie einließ, jedoch ganz anders, als sie erwartet hatte. Plötzlich wurde sie von einer gleißen den, allumfassenden Helligkeit geblen det, die sie kreisförmig umgab. Wie schon bei der Flucht von der Vergessenen Plattform fühlte Li sich als T eil einer Lichtsäule. Doch auch diesmal war es keine normale Transition, kein normaler Transmitterdurchgang. Unbegreifliche Kräfte zerrten an ih rem Körper, der eindeutig nicht entstoff licht wurde. Jedenfalls nicht richtig. Sie hatte das Gefühl, in einem unbekannten Medium zu treiben, einer Mischung aus Luft und verdicktem Wasser, die sie zwar atmen konnte, die aber jegliche Bewe gung unmöglich machte, sie an Ort und Stelle hielt. Eine Ewigkeit lang. Sie bemerkte, dass Zeit verging ... ... viel Zeit!
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Doch sie war hilflos, kam nicht gegen die Kraft an, die sie hielt, fand keinen Weg aus diesem seltsamen Medium. Es war wie beim ersten Mal. Gedanken in substanzlosen Dimensionen, gefangen im weißen Licht. Real und doch nicht. Wissen - Wollen - Wirken. Li bemühte sich verzweifelt, aus Gedanken kon krete, feste, substanzielle Wirklichkeit werden zu lassen - und scheiterte. Es war ein stummes Ringen, kräfte zehrend und ermüdend, obwohl nicht einmal klar war, ob es da noch einen Körper gab, der ermüden konnte. Bil dete sie es sich nur ein? Gewann Imagi nation Gestalt? Warum funktionierte es dann nicht besser? Lag es an dem Kris tallmond und seiner gewaltigen Menge Psi-Materie? Oder gar an den durch die löchrigen Blasen entkommenden Onund Noon-Quanten? Abermals ein verzweifelter Versuch, gegen das weiße Licht anzurennen, es niederzuringen. Und abermals das Scheitern, die Niederlage, die Demüti gung. Und das wieder und immer wieder, bis ...
Die Veränderung kam völlig abrupt. Zuerst war da gar keine Wahrnehmung, dann flössen plötzlich feurige Lohen durch ihre Adern. Alarm!, gellte es in Lis Kopf. Tech nostadt auf Kollisionskurs! Erst nach einer geraumen Weile be griff sie, dass die Nanomodule einen Kontakt zu ihr hergestellt hatten. Was ihr die Technik übermittelte, raubte ihr fast den Atem. Die Goldene Technostadt, die sie zu steuern versucht hatte, befand sich weiterhin außer Kontrolle. In Ge danken erschien ihr bereits die bekannte Totale, auf der sich abzeichnete, wie die schwebende Plattform geradezu magne tisch von Grataar angezogen wurde.
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Wie war das möglich? Ein Blick auf das Chronometer - einen der wenigen noch funktionstüchtigen Ausrüstungsgegenstände - verriet Li, dass inzwischen der 29. April 1225 NGZ angebrochen war. Fast hätte sie la ut auf ge schrien. Zwölf T age! Sie hatte zwölf Tage verlo ren! In dieser Zeit konnte alles Mögliche passiert sein. Ein irrwitziger Gedanke kam ihr. War es nicht vorstellbar, dass Sardaengar diese Kollision eingeleitet hatte, um ihre Pläne zu durchkreuzen? 9.
Gegenwart Vinara III, 29. April1225 NGZ
Atlan
Als der Entzerrungsschmerz allmäh lich nachließ, spürte ich einen warmen Hauch, der über meine eiskalten Ge sichtszüge strich. Doch nicht nur die Temperatur hatte sich verändert, auch die Landschaft sah jetzt völlig anders als noch vor wenigen Sekunden aus. Das Blauweiß des Casoreen-Gletschers war einem gelbbraun eingefärbten Land ge wichen, dessen Horizont sanft gewellt war. Beim Anblick dieses Wüstenpan oramas trocknete mein Mund unwillkür lich aus. Ich schirmte die Augen mit der Hand ab und legte den Kopf zurück. Verdrans orangefarbenes Licht brannte grell und unbarmherzig auf uns nieder. Unter mei nem schweren Mantel wurde mir augen blicklich warm, und ich warf ihn ab. Der am Himmel prangende Glutball trieb bereits Schweiß aus allen Poren. Nach kurzer Zeit fühlte sich mein Haar an, als hätte ich gerade geduscht. Die T echnostadt zog weiterhin tor kelnd durch den Himmel, und zu meiner
Die T echno stadt
Erleichterung endeten die Sanddünen einige Kilometer entfernt an einer wie mit dem Lineal gezogenen Linie, hinter der fruchtbares Marschland begann. Als wir näher kamen, erkannte ich, dass sich dort große, genau umrissene Felder ausbreiteten. Hülsenfrüchte wuchsen auf ihnen, aber auch goldgelbes Korn, dessen Ähren sanft im Wind wogten. Dort, wo die Äcker brachlagen, wirkte der Boden dunkel und schwer. Ein ausgeklügeltes System von Wassergräben und Schöpfrädern sorgte dafür, dass die natürlichen Überschwemmungsgebiete um ein Vielfaches erweitert wurden. Der Ursprung dieses Nahrungsreichtums lag nicht weit von uns entfernt - ein breiter, schlammbrauner Fluss, der aus dem Norden kam und nach Süden floss. Die unbefe stigten Ufer wurden von Schilf und grünen Binsen gesäumt. Ich sah gelegentlich auch Obstbäume und hoch aufragende Palmen; in der Ferne waren im Sonnenlicht glitzernde Seitenarme und mehr als zehn Kilometer entfernt, jenseits des Flusses und einer schmalen, lang gestreckten Landbrücke, sogar die ausgedehnte Fläche eines Sees zu erkennen. Am nördlichen Horizont, mit der weiterfliegenden T echnostadt langsam näher kommend, glaubte ich die Silhouette einer ausgedehnten Stadt zu erkennen und fühlte mich unwillkürlich an meine hassgeliebte Barbarenwelt, Verbannungsort für endlos erscheinende Jahrtausende, erinnert. Spätestens seit ich den exakten Nachbau des Luftschiffs HINDENBURG betreten hatte, wunderte es mich nicht mehr, hier in der Obsidian-Kluft auf perfekte Kopien terranischer Entwicklungsstufen zu stoßen. Diese hier erinnerte frappierend an das Nildelta des alten Ägypten, zur Zeit der Pharaonen, die ich se lbst miterlebt hatte. Menefru-Mire im Land der Romet - Narmer-Mene s - seine entzückende
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Schwester Nerfer-meryt - die Säulen der Ewigkeit - die Überflutungen des Hapi raschelnde Binsenmarkschreibblätter... Genug!, schnarrte energisch die Stimme des Logiksektors durch die rasch wechselnden Bilder und Szenen. Für Sekundenbruchteile schwoll der Druck emporgeschwemmter Erinnerun gen fast zur schmerzhaften Intensität an, sank aber augenblicklich wieder auf ein erträgliches Maß ab. Ich riss mich los, konzentrierte mich auf die Gegenwart. Einige weiß getünchte Flachbauten, die den ortsansässigen Bauern als Unterkunft dienten, bestätigten meinen Eindruck. Ebenso die Esel, Büffel und Ziegen, die in Gehegen grasten oder Schöpfräder an trieben. Vor allem natürlich die markante Grenze zwischen Wüste und Flusstal. Haine mit hochstämmigen, an Palmen erinnernden Bäumen breiteten sich aus, lockerten in größerer Entfernung immer mehr auf und machten kleinen Gruppen von Gebüsch Platz, zwischen denen eine braune Sandhose aufstieg. Humanoide waren nicht zu sehen. Nur eine schlanke Feluke, die mit eingezoge nem Segel flussabwärts trieb, beide Netzbäume in die Fluten gesenkt. Da wir Richtung Norden flogen, verschwand das Boot schnell aus unserer Sicht, ohne dass ich die Besatzungsmitglieder ge nauer ausmachen oder gar erkennen konnte, was für eine Kleidung sie trugen. Meine eigene war jedenfalls zu dick für dieses Klima. Auch die Eisscholle, die die T echnostadt bei ihrem Start mit in die Höhe gerissen hatte und auf der wir standen, würde diesen Temperaturen auf Dauer nichts entgegenzusetzen haben; ebenso das restliche Eis, dasnoch an dem Gebilde klebte. Das Eis unter meinen Füßen taute und glänzte feucht. In Rissen bildeten sich bereits Rinnsale, überall tropfte und plätscherte es. Ein leises Stöhnen riss mich aus mei nen Gedanken. Tamiljon!
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Dank meines Zellaktivators hatte ich die Nachwirkungen der T ransition schneller überstanden, doch nun war auch er wieder zu sich gekommen. Er hatte sich aufgerichtet und massierte seine Schläfen, um die Schmerzen zu vertreiben. Dann folgte ein wohl unbe wusster Griff an den Hals, wo der Litrak-Splitter eingedrungen war, ohne Spuren zu hinterlassen. Als Tamiljon un sere Umgebung bewusst wahrnahm, riss er die Augen auf, und tiefe Linien zer furchten seine Stirn. Zuerst dachte ich, seine Sorge würde der beträchtlichen Hitze gelten, doch dann setzte er zum Sprechen an. Er musste sich mehrmals räuspern, bevor er ein Wort über die Lippen brachte. »Ich glaube, wir sind auf Vinara Fünf gelan det! Im Reich Tanalagan. Und das ist gar nicht gut...« Mit seinem Meister Hyancaran hatte er alle fünf Planeten bereist, er kannte sich also bestens aus. Warum ihm gerade diese Welt so wenig behagte, konnte er mir allerdings nicht mehr erklären. Im nächsten Augenblick erfüllte ein lautes Krachen die Luft und ließ den Boden un ter unseren Füßen vibrieren. Ich befürchtete für einen Moment, die Scholle würde in die T iefe stürzen, sah dann jedoch, dass das Eis an einer ande ren Stelle gebrochen war. In etwa 50 Me tern Entfernung löste sich auf halber Höhe der funkelnde Mantel eines T urms und rutschte unter lautem Getöse auf das Fundament der Schwebenden Stadt. Mitten in den brodelnden Sumpf aus braunen Pestorganismen, die in hohen Fontänen zur Seite spritzten. Nur um Sekunden später an der frei gewordenen Stelle emporzuwachsen und ihr Zerset zungswerk wieder aufzunehmen. An anderen Stellen der T echnostadt brach schmelzendes Eis herab. Halb zer fressene Metallbrocken folgten, noch mit Shainshar-Wucherungen besetzt. In ei-
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nem dichten Hagel polterten sie über die Plattform hinaus und fielen in die T iefe. Im Zentrum der Plattform sank zeitlu penhaft der Achteckturm in sich zusam men. Die Kuppel behielt zwar noch eine Weile ihre Form, doch auch ihr stand die Auflösung bevor. Erste Dellen und Brü che waren schon zu sehen ... Ich fluchte leise. Wir verteilten mit den T rümmer- und Eisbrocken tödliche Grüße über das Land am Strom. Aber so weit ich es verfolgen konnte, schlugen die Geschosse nur in leere Felder ein. Sie begruben Früchte und Halme unter sich, vielleicht auch ein paar Kleininsekten. Intelligentes Leben schien dagegen ver schont zu bleiben ... Fragte sich nur, wie lange. Aber das war kein Trost. Tamiljon hatte es ebenso erkannt wie ich. Lang sam wurde es mehr als nur ungemütlich. Überall dort, wo das schützende Eis ab schmolz und aufbrach, eroberte die Braune Pest neue Bereiche. Nicht mehr lange, und die Stadt wird einfach unter uns zusammenbrechen! Der Boden begann so stark zu schwan ken, dass wir den Halt verloren. Ich schlug der Länge nach hin. Tamiljon er ging es nicht besser. Als ich mich auf den Bauch wälzte und alle vier Glieder von mir streckte, um möglichst viel Rei bungsfläche zu bekommen, geriet die Technostadt stärker denn je ins T rudeln und schien sich in ein wild bockendes Reittier zu verwandeln. Plötzlich sackte sie auf einen Schlag ab. Ich wurde von der nassen Oberfläche hochgeworfen. Als ich wieder aufprallte, schien die Stadt sich zu fangen, doch von einem stabilen Kurs konnte keine Rede sein. Ich richtete mich auf die Ellbogen auf und sah, dass die Riesenplattform auch weiterhin sank. Unter mir krachte es laut. Eis splitterte, und immer mehr Gebäudeabschnitte lösten sich in krü melige Bestandteile auf.
Die Technostadt
Mein Magen zog sich zusammen; Hitze und Kälte wechselten rasend in mir, der Zellaktivator pochte heftiger. Die Stadt stürzt ab!, bekräftigte der Extrasinn, während wir in geringer Höhe über das Flussdelta hinwegflogen. Ihre Geschwindigkeit ist zwar nicht be sonders hoch, aber sie wird sich trotzdem tief in den Boden bohren! Staub, Wassertropfen und Pflanzen teile formten bereits eine ausgedehnte Schleppe, die hinter der Technostadt aufgewirbelt wurde. Luftverdrängung und Sogwirkung waren bei einem Kör per dieser Größe gewaltig. Jetzt noch auf eine Stabilisierung des Kurses zu hoffen wäre sträflicher Leichtsinn gewesen. Außerdem würde die Scholle, auf der Tamiljon und ich lagen, jeden Moment so weit angetaut sein, dass sie sich von den T ürmen löste. Und nicht nur das Ab tauen des Eises war ein Problem, son dern auch die mit dem Start der Tech nostadt aus dem Gletschergrab insge samt verloren gegangene Stabilität der Eisschichten, die durch die ruckenden Flugbewe gungen weiter gelockert wur den ... »Wir müssen abspringen!«, rief ich. »Ich desaktiviere die Parafessel, dann kannst du meine Kräfte anzapfen.« »Was?« Der Viin sah mich nur verwirrt an, während ich den Nanomodulen den gedanklichen Freigabebefehl erteilte. Offensichtlich machten ihm immer noch die Auswirkungen der Entstofflichung zu schaffen, oder er hatte Mühe, seine Angst im Zaum zu halten. Wie auch immer, es wurde Zeit, dass Tamiljon wieder zu sich kam. Sonst war es um uns beide geschehen. Kurz ent schlossen rappelte ich mich auf, packte ihn an der Schulter und zerrte ihn ein fach mit an den der Fluss-Seite zuge wandten Schollenrand. Unter uns zogen abwechselnd grüne und gelbe Felder dahin. Die lehmbraunen Wasserfluten wä
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ren mir jetzt lieber gewesen, aber die la gen noch gut 500 Meter entfernt. Leider konnte ich den Kurs der trudelnden Stadt nicht beeinflussen. »Du musst unseren Sturz abfangen!«, schärfte ich T amiljon ein. Er wirkte im mer noch benommen. »Sonst brechen wir uns den Hals!« Von der Oberseite der Technostadt be trug die Distanz zum Boden gut 250 Me ter, die Unterseite war vielleicht noch 50 Meter von ihm entfernt. Immer näher kam sie dem weichen Marschboden, der bei einer entsprechenden Aufschlagge schwindigkeit hart wie Granit wirken würde. Mir war klar, dass ich umgehend handeln musste! Ich kämpfte gegen den Fahrtwind an, schlang T amiljons linken Arm über meine Schulter, schleppte ihn zum Schollenrand und trat mit ihm darüber hinaus, stieß mich ab, und ... ... wir fielen.
Als ich den Kopf drehte, sah ich, dass die absinkende Stadt weiterhin schräg durch den Himmel raste; ein unförmiges Gebirge, dessen wahre Größe mir erst jetzt so richtig bewusst wurde. Sie stand einem Großraumer in nichts nach! Du hast zu hoch gepokert!, zischte der Extrasinn vorwurfsvoll. Neben mir schrie T amiljon auf, laut und gellend, als würde ihm unsere Lage erst jetzt so richtig bewusst. Dann rea gierte er. Endlich! Ich spürte, wie etwas in mich griff und an mir zerrte, an meiner Kraft, meiner Essenz. Der Zellaktivator hämmerte heftig, um die verloren gehende Lebens energie zu kompensieren. Nur Sekundenbruchteile später wur de unser Sturz abrupt abgebremst. Dann packte uns eine unsichtbare Kraft und zerrte uns zum Fluss. Es fühlte sich an,
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als würde eine Sturmböe unter uns fah ren, um uns zum rettenden Nass zu tragen. In Wirklichkeit wirkten telekinetische Kräfte auf uns ein. Tamiljons dunkles Gesicht verzerrte sich, während er seine gesamte Konzen tration darauf ausrichtete, uns dem töd lichen Sog der Schwerkraft zu entreißen. Von unsichtbaren Fäden gehalten, sanken wir schräg durch die Luft. T amiljons Fähigkeiten waren nicht mit denen Guckys oder eines anderen Mutan ten der alten Garde vergleichbar. Er konnte nicht frei schwebend auf der Stelle balancieren, sondern nur den Sturz verzögern. Doch das genügte schon, um einen an schwellenden Glutball in meiner Brust zu entzünden. Das Pochen des Zellakti vators wurde zum schmerzhaften Stak kato. Wir hielten genau auf das Flussufer zu. Meine Hoffnung, das Wasser noch zu erreichen, erfüllte sich nicht. Ein weit gestrecktes Binsenfeld breitete sich un ter uns aus. T amiljon schrie verzweifelt und völlig erschöpft auf. Ich spürte, wie sich die Kraft auflöste, die mich gerade noch in der Luft gehalten hatte. Gleich zeitig erlosch das Feuer in meiner Brust, und ich nahm nur noch wohltuende Im pulse des Zellaktivators wahr. Ich hieß sie so willkommen wie nur selten zuvor in meinem Leben, denn wegen der abge zogenen Lebensenergie fühlte ich mich völlig ausgelaugt, wie eine leere Hülle. Mit einer Geschwindigkeit, wie man sie vielleicht nach einem Sprung aus vier Metern Höhe erreichte, schlug ich zwi schen hoch aufragenden Halmen ein. Der Stoß, mit dem meine Stiefel den Grund berührten, zog sich von den Fer sen über die Wirbelsäule bis hinauf in den Kopf. Obwohl ich sofort bis zur Brust im Morast versank, war die Lan dung nicht gerade sanft ausgefallen. Eine stinkende, lauwarme Brühe klatschte mir ins Gesicht, dann kippte
Bernd Frenz
ich nach hinten und tauchte vollständig in den Morast ein. Ich hielt Augen und Mund geschlossen und kraulte mit den Armen, um das Gleichgewicht wieder zufinden. Schließlich stieß ich gegen ein Bündel Binsenhalme, an dem ich mich festklammerte und in die Höhe zog. Laut prustend durchbrach ich die Oberfläche. Lautes Husten, Spucken und Schnau ben verriet mir, dass es Tamiljon zwar nicht besser ergangen war als mir, er den Sturz aber ebenfalls überlebt hatte. Ich wischte mir Schlamm aus den Au gen und reckte den Kopf. Das Delta wurde verdunkelt von dem gewaltigen Schatten, den die vormalige Eisgruft warf, die sich einige tausend Meter wei ter in den Boden bohrte. Die doppel mannshohen Gräser, die uns umgaben, nahmen mir einen Großteil der Sicht, doch ich hörte ein lautes Donnern und konnte mir buchstäblich vorstellen, wie sich die Vorderkante des Stadtfunda ments in Morast, Binsen, Schilf und Wasser grub. Diesem Schlag hatte das vom Shainshar zerfressene Gebilde nichts mehr entgegenzusetzen. Mit ei nem hässlichen Krachen, das das ge samte Delta zu erfüllen schien, brach es auseinander. T ürme, Zwiebeldächer, Er ker und Balkone - alles wirbelte plötz lich durch die Luft. Die Unterseite der Plattform schlit terte weiter und schob eine mächtige Bugwelle aus Marschboden, Schlamm und Pflanzen vor sich her. Mehrere Ge bäudeteile krachten in den Uferbereich. Schlammbraune Wogen türmten sich auf, Sprühwasserwolken vernebelten die Absturzstelle. Die eintauchenden Trümmer verdrängten so viel Wasser, dass die Fluten und Brecher auch wenig später über uns hinwegtosten. Wir wurden von den Füßen gerissen und untergetaucht. Mein Zellaktivator hämmerte schmerzhaft - aber der Ab sprung hatte uns dasLeben gerettet. Wä
Die Technostadt
ren wir auf der Stadt geblieben, hätte es uns zerrissen. Wo sie eingeschlagen war, blieb keine Krume auf der anderen. Auf einer riesigen Fläche wurde alles aufge wühlt und unter metallenen T rümmern begraben. Durch eine Lücke in den schwankenden Binsen sah ich die him melhoch wirkende Wand aufragen. Rie sigen Wasser- und Schlammfällen gleich prasselten unglaubliche Massen die Fas saden entlang in die T iefe. Weiterhin brachen hausgroße Eis brocken ab, polterten über Erker, durch schlugen brüchige Balkone, zerfetzten Ausleger. An anderer Stelle sank die Technostadt langsam in sich zusammen, Shainshar-Ströme quollen Blasen wer fend aus Rissen und Spalten, die immer weiter aufklafften. Lautlos zerplatzten einige der bis zu 30 Meter durchmessen den Blasen. Ein letzter Goldturm am Zackenrand der Plattform sank zusam men, gewaltig brodelnde, aufquellende, nach allen Seiten drängende braun schwarze Wolken aufwirbelnd. Wasser und Morast befanden sich im mer noch in Aufruhr, während T amiljon und ich schnaufend Richtung Ufer wa teten. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis die aufgeschlagenen Massen endlich zur Ruhe kamen. Machtvolles Knacken kündete noch minutenlang von sich ent spannendem Metall. Trotzdem liefen bereits die ersten Einheimischen zusam men, um fassungslos zu dem T rümmer berg aufzusehen. Ihr äußeres Erscheinungsbild wirkte völlig anders als erwartet und doch seltsam vertraut. Eisiger Schrecken durchfuhr mich, als ich erkannte, was für Wesen dort zusam menströmten. Eins steht fest, mein Lieber, bemerkte mein Extrasinn trocken. Das hier ist ganz bestimmt nicht der »Canyon der Vi sionen«! Litrak scheint bei der Program mierung gepfuscht zu haben - oder etwas anderes ist schief gegangen ...
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Wieder traf seine Stichelei mitten ins Schwarze. Ich unterdrückte einen Fluch, der mir auf der Zunge lag, und befahl den Nano modulen des Silberhalsbandes, wieder mit einer Kontraktion zu reagieren, falls Tamiljon 1 seine telekinetischen Kräfte einsetzte. Dann wandte ich mich den Wesen zu und erstarrte. 10. Gegenwart Vinara, 29. April 1225 NGZ Lethem da Vokoban »Oh, oh!« Dismeeder verlangsamte die Schritte seiner zwölf Beine. »Ich hege beträchtliche Zweifel, dass das gut ge hen wird!« Lethem murrte unwillig; er schätzte die Situation wesentlich positiver ein. Die Unterseite der T echnostadt sank zwar so tief ab, dass sie schon fast den Boden berührte, aber der Vorgang wirkte sehr kontrolliert, wie von einem erfahre nen Piloten ausgeführt. »Vielleicht han delt es sich ja um eine Einladung«, ver suchte er, den anderen seine Idee schmackhaft zu machen. »Wenn wir jetzt auf schließen, können wir gefahrlos hin aufklettern.« Für die Formulierung gefahrlos muss te er sich von allen Seiten verächtliches Schnauben anhören, selbst von Dismee der. »Wenn wir die Chance jetzt nicht nut zen, ist es zu spät. Falls die Technostadt wirklich von der Gebirgsbastion angezo gen wird und wir die Kollision nicht ver hindern, ist unsere lange Reise sinnlos gewesen.« Er sah Kythara an. »Hast du das schon mal überlegt?« Das Argument schien der Maghalata tatsächlich zu denken zu geben. Ondaix hingegen schimpfte ihn einen Narren. »Lieber eine Reise umsonst, als erschla
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gen und zerfetzt zu werden«, fasste er seine Sicht der Dinge zusammen. »Und darauf zu warten, dass dir statt dessen Meteoriten auf den Schädel fal len?« Lethem spürte Zorn in sich aufstei gen. Zorn und einen festen Entschluss. »Dann gehe ich eben allein an Bord! Ihr könnt gern in sicherer Entfernung war ten, b'is ich die Steuerung unter Kon trolle bekommen habe. Lieber sterbe ich bei dem Versuch, als untätig auf das Un vermeidliche zu warten.« »Kommt nicht in Frage!«, protestierte Zanargun. Scaul Falk blickte betreten zu Boden. Kythara betrachtete ihn nach denklich. Lethem sah die anderen herausfor dernd an. Er war der offizielle Expediti onsleiter; Zanargun und Scaul Rellum Falk unterstanden als Besatzungsmit glieder der T OSOMA seinem Kom mando. Er würde ihnen nicht befehlen, ihn zu begleiten, aber ... Falk räusperte sich, dann sa gte er leise:»Ich lasse dich nicht allein gehen.« Zanargun fluchte ungehalten, nickte dann aber. »Dir ist es wirklich ernst?«, fragte Kythara. »Ihm ist es ernst!«, murrte Ondaix und stieß eine deftige Verwünschung aus. »Ich weiß nicht, ob ich an den untersten Balkon herankomme«, meldete sich Dismeeder zu Wort. »Klettern ist nicht gerade eine meiner Spezialitäten, aber ich werde es wohl oder übel versuchen müssen.« Lethem musste unwillkürlich lächeln. »Bring uns zunächst heran und unter stütze uns beim Aufstieg, dann sehen wir weiter. Meinst du, du bekommst das hin?« Der Fonshoord machte ein Geräusch, das wohl ein Gelächter sein sollte, aber an den Donner eines Gewitters erin nerte, und setzte sich in Bewegung. Er gewann rasch an Geschwindigkeit und
Bernd Frenz
jagte schließlich so schnell über die Steppe, dass Lethem sich an seinen Rü ckenschuppen festkrallen musste, um nicht aus dem Bastsattel geworfen zu werden. Die T echnostadt bewegte sich nur noch sehr langsam und verdunkelte den Himmel. Eine riesige, mehrere Kilome ter durchmessende und einige hundert Meter hohe goldene Plattform von unre gelmäßigem Grundriss. Lethem starrte zu den bizarr geformten, zierlichen T ürmchen und verschnörkelten Auf bauten in Glas und Porzellan hinauf, musterte den Verlauf von zierlichen Brücken und perlmuttern schimmernden Viadukten, marmornen Arkaden, Säulenreihen und Zwiebelkuppeln. Die überaus reichhaltig gestalteten Fassa den der Säge blattkanten wiesen Bal kone, Erker und T errassen auf; etliche glichen förmlich hängenden Gärten. Von den langen Kristallstacheln, die in alle Himmelsrichtungen ragten, zuckten weiterhin blauweiße Entladungen und Lichtbögen, und die an Seifenblasen er innernden Sphären umperlten in Grup pen die Plattform, trieben mit ihr dahin, landeten, verschwanden wiederholt spurlos, entstanden wieder und stiegen auf. Aus der Nähe waren die goldenen Ovalroboter ganz deutlich zu erkennen, dieselben Modelle, denen sie bereits in Viinghodor begegnet waren: golden-me tallische Außenhaut, ein reich facettier ter Rubin als obere Polkalotte, zwölf un terarmdicke Tentakel ober- und unter halb des Äquators. Es war reiner Zufall, dass Lethem die Bewegung auf einem der Hügel, den die Stadt passierte, überhaupt bemerkte. Ein golden-metallisches Schimmern ir ritierte einen Augenblick lang. Lethem sah genauer hin, bemerkte über dem Glitzern einen roten Fleck. Und dann ... erhob sich der Farbklecks vom Boden,
Die Technostadt
jagte durch die Luft - genau auf sie zu. Aus dem Schimmern wurde ein enger Schutzanzug aus Pailletten von Finger nagelgröße, der eng einen schlanken Körper umschloss, aus dem Rot ein Haarschopf. Lethem riss die Augen auf, das Blut schien in seinen Adern zu gefrieren. Er kannte die Gestalt. Jedes Besatzungs mitglied der T OSOMA wusste, um we.n es sich handelte, obwohl sie ihr nie per sönlich begegnet waren. »Das ... ist un möglich!«, keuchte er. »Li ... Li da Zol tral!«
Die Frau, die Atlan auf Arkon kennen gelernt hatte. Die ihn auf der ATLANTIS und der TOSOMA nach Omega Centauri begleitet hatte. In diese Frau hatte sich Atlan unsterblich verliebt. Die Frau, die in der Stahlwelt des Sonnentransmitters gestorben war und deren Leiche der Kos mokratenroboter Samkar mitgenommen hatte ... Und jetzt war sie hier, in der ObsidianKluft, und zwar in der Nähe der Bergfes tung, die auch ihr Ziel war und die sie er reichen mussten, wollten sie Vinara je wieder verlassen. Was wird hier gespielt? Wie ist die Tote hierher gekommen? Von wegen tot; quicklebendig ist sie! Mit einem Mal dämmerte Lethem, dass er einer Sache auf der Spur war, die seinen Horizont gewaltig überschritt. Dass es vielleicht kein Zufall gewesen war, dass die TOSOMA in die ObsidianKluft verschlagen worden war. Dass vielleicht Samkar noch immer seine Hände im Spiel hatte. Lethem bezwei felte nicht, dass es der Technik der Kos mokraten möglich war, eben Verstorbene wieder zum Leben zu erwecken. Oder zumindest mit Hilfe eines Multi-Dupli kators oder eines vergleichbaren Geräts so viele Lis herzustellen, wie es beliebte.
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Aber eins war klar: Samkar hatte die Frau zu sich geholt, und dass sie ausge rechnet hier und jetzt auftauchte, konnte unmöglich ein Zufall sein. Tausend Ge danken schössen dem Zweiten Piloten der TOSOMA durch den Kopf. Hat Li wertvolle Informationen, die uns weiter helfen können? Davon war er überzeugt. Will sie auch zu Sardaengar vordringen? Das war gut möglich. Vielleicht hat sie aber auch ein ganz anderes Ziel, einen ganz anderen Auftrag ... Lethem fluchte. Wie er die Lage ein schätzte, würde keine Zeit für Fragen bleiben. Sie hatten die T echnostadt fast erreicht. Li schien nicht im Geringsten überrascht zu sein, ihnen hier zu begeg nen. Fast hatte es den Anschein, als hätte sie von ihrer Anwesenheit gewusst. Furchtlos hielt sie auf Dismeeder zu. Aber ... Erst jetzt registrierte Lethem so richtig, dass die Geräte von Lis seltsa mem Paillettenanzug funktionieren mussten. Kosmokratentechnik ...? Der Fonshoord preschte ungerührt weiter; vielleicht hatte er die sich nä hernde Gestalt gar nicht bemerkt. Ziem lich unsanft setzte sie neben Lethem auf dem Rücken des Riesen auf und krallte sich an den Schuppen fest, um nicht so fort wieder den Halt zu verlieren. »Schnell!«, rief sie. »Wir müssen auf die Stadt, bevor es zu spät ist!« Dismeeder stieß einen undefinierba ren Laut aus, die zwölf Beine trommel ten noch lauter ihren Takt. Schnell holte der Fonshoord auf. Doch als sie die gold glänzende Fassade beinahe erreicht hat ten, geschah es.
Ein Licht blitzte hinter den Berggip feln im Norden sonnengrell auf, gefolgt von einer zunächst lautlos aufsteigen den, an einen riesigen Atompilz erin nernden Wolke, die schnell bis in die
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Hochatmosphäre Vinaras emporklet terte. »Ein Asteroideneinschlag« keuchte Li. »Diesmal ein dicker Brocken, min destens tausend Meter Durchmesser!« Bei dieser Größe ... Lethem versuchte die Wirkung abzuschätzen. Mehrere Mil liarden Tonnen. Hohe Aufschlagge schwindigkeit. Verdammt, da kommt ei niges zusammen; der Krater muss viele Kilometer Durchmesser... Dismeeders Versuch, den Arkoniden mit Hilfe der Tentakelarme auf einen der unteren Balkone zu heben, scheiterte mehrfach an dem transparenten Schutz feld, das die Technostadt umgab. Doch weitere Bemühungen waren nicht not wendig. Lethem spürte, wie er von einer unsichtbaren Kraft ergriffen wurde. Er legte den Kopf zurück und sah, dass mehrere Ovalroboter direkt über ihnen schwebten. Wollen sie uns mit einem An tigrav- oder Traktorstrahl hinaufheben? Aber dann ... dann müsste Li zumindest eine rudimentäre Kontrolle über die Ro boter haben! Schon rasten die mörderische Druck welle und erste Trümmer des Einschlags heran - und prallten von einem Leuchten ab. Aber neben ihm zuckte Li da Zoltral zusammen. Blut rann plötzlich über die Anzugpailletten. Lethem riss den Kopf herum, als er den blauweißlichen Schim mer bemerkte, der sich unvermittelt hin ter ihnen schloss. Das Schutzfeld? Wahr scheinlich. Die Erschütterung des Ein schlags hatte sich mit erschreckender Geschwindigkeit bis zu ihnen fortge pflanzt. Ein Zeichen dafür, wie nahe er erfolgt war. Goldene Entladungen zuck ten durch den Himmel, ein energetisches Gewitter ließ die Luft in der Schutzfeld blase knistern. Als die Ovalroboter sie auf der Ober fläche der Stadt absetzten, wurde der Himmel bereits von einer riesigen Dreckund Staubwolke verdunkelt. Blitze zuck-
Bernd Frenz
ten neben glühenden Brocken durch das brodelnde Schwarz aus zerschmettertem Gestein, Staub und Asche. Ruheinseln in diesem Chaos gab es nicht - abgesehen von der Goldenen Technostadt sowie der Gebirgsbastion, die nur noch als Sche men unter einer gewaltigen grellweißen Kuppel zu erkennen war ... Im nächsten Augenblick stieg die Technostadt rasend schnell empor, drang in die Wolken ein. Erstaunt bemerkte Lethem, dass sein Multifunktions-Armband wieder volle Funktionsbereitschaft signalisierte. Li aber winkte schwach ab: »Die Technik blockade ist nur in unmittelbarer Nähe der Technostadt unwirksam. Das ... gilt auch ... für meinen Anzug.« Sie hustete Blut. Etwas hatte ihren Oberkörper getroffen und ohne Zweifel die Lunge verletzt. Lethem befürchtete, dass sie gegen eine Ohnmacht' an kämpfte. »Die Insel der Verdammten«, rief er beschwörend. »Wir müssen nach Viinghodor! Vielleicht können wir die TOSOMA...« Er brach ab, als er bemerkte, wie sinn los der Vorschlag war. Eine nur zeitweise im Bereich der Plattform funktionie rende T echnik nutzte ihnen nicht viel. Kythara wollte sich um die Verletzte kümmern, doch Li wehrte mit brüchiger Stimme ab: »Medofunktion ... schon ak tiviert. Leider bekomme ich keine voll ständige Kontrolle über die Technostadt. Und meine Geräte zeigen an, dass es wei tere schwere Einschläge gegeben hat ... werden noch stärkere folgen!« Ihr schienen die Sinne zu schwinden. Mühsam rappelte sie sich noch ein mal auf. »Sardaengar«, flüsterte sie schwa ch. »Auf Vinara Z wei.« Sie spuckte Blut. Lethem befürchtete, dass ihre Verletzung schwerer war, als er an fangs angenommen hatte. Vielleicht so gar tödlich. Würde sie ... erneut sterben?
Die Technostadt
Dann kam schon der Entzerrungs schmerz einer unversehens eingeleiteten Transition. v 11. Gegenwart Vinara, 29. April 1225 NGZ
Sardaengar
Die Folter hatte Sardaengar schwer zugesetzt, und sein inneres Ringen mit dem Kristallmond raubte ihm zusätzlich jegliche Kraft. Benommen dämmerte er in seiner Zelle vor sich hin, ohne ein Ge fühl für die Zeit, die langsam, aber stetig verrann. In diesem angeschlagenen Zu stand nahm er kaum den T ageswechsel wahr, obwohl wiederholt die Sonne durch ein vergittertes Loch an der Decke schien und ein schmales, von dünnen Schattenlinien unterteiltes Rechteck auf den nackten Boden malte. Er hatte nicht einmal mitbekommen, dass man ihn offenbar in einen anderen Kerker verlegt hatte, denn in seiner ers ten Zelle hatte es gar keine Fenster ge geben. Wenn er seine gesamte Konzen tration aufbrachte, was ihm sehr schwer fiel und nur selten gelang, kam er zu dem Schluss, dass seit seiner Festnahme fast vierzehn Tage vergangen sein mussten, aber dieses Wissen schwand stets wieder nach kurzer Zeit. Irgendwann wurde die Zellentür ge öffnet. Hände zerrten ihn grob über den Boden. Der Kristallmond nagte inzwi schen so stark an ihm, dass er die Worte der Folterknechte kaum verstand. Sie schnauzten barsch etwas von Urteil und Reinigung. Kurze Zeit später knarrte Holz unter seinem Gewicht, und ein Karren wurde über Kopfsteinpflaster gezogen. Ir gendwo sang jemand. Sardaengar versuchte, die Augen zu öffnen und durch den Nebel zu blicken.
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Er spürte Fesseln an Armen und Beinen, einen Balken an seinem Rücken. Der Bo den, auf dem er jetzt stand, schwankte, als wäre er an Bord eines Schiffes. Erst als der Nebel sich lichtete, er kannte Sardaengar, dass man ihn an kei nen Mast gebunden hatte, sondern auf einen Scheiterhaufen. Ein Cheborpar ner, der eine Kapuze trug, aus der seine Hörner grotesk hervorragten, hielt eine brennende Fackel in der Hand. Sardaengar blickte nach oben, in den wolkenverhangenen Himmel, und fragte sich, ob es tatsächlich so enden würde. Ob er sein Leben ohne Kampf, kraftlos und erschöpft, aufgeben musste. Der Cheborparner schob die Fackel zwischen zwei Reisigbündel zu Sardaen gars Füßen. Die dünnen, mit welkem Laub behangenen Äste brannten sofort. Flammen sprangen auf die Holzscheite über, breiteten sich knisternd aus. Eine frische Böe, die über den Richtplatz strich, fachte das Feuer zusätzlich an. Beißender Qualm breitete sich aus, Fun ken sprühten aus platzendem Geäst, ver wirbelten im bizarren Reigen zwischen hellen und dunklen Schwaden. Sardaengar spürte die Hitze unter den Fußsohlen. Rauch brannte in seinen Lungen. Hustend und würgend zerrte er an seinen Fesseln. Der Körper reagierte nicht auf die geistigen Kräfte, hatte sich zu sehr manifestiert, war nun ein mate rielles Gefängnis, verwundbar und ... sterblich. Und die Flammen leckten immer hö her ... 12. Gegenwart Vinara V, 29. April 1225 NGZ
Atlan
Ich drängte die a ufkeimende Panik zurück und atmete tief und gleichmäßig
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ein und aus. Seitdem ist viel Zeit vergan gen!, versuchte auch der Extrasinn mich zu beruhigen. Ziehe keine voreiligen Schlüsse und verhalte dich, wie du dich gegenüber dir völlig unbekannten Lebe wesen ve rhalten würde st. Ändern kannst du sowieso nichts. ' Das klang logisch und plausibel, war aber leicht gesagt. Das Entsetzen, das ich verspürte, beruhte vielleicht auf ei nem Urinstinkt meines Volkes. Selbst mir fiel es nicht leicht, dagegen anzu kämpfen. Das Gros der hiesigen Einwohner be stand aus etwa zwei Meter großen Insek toiden, die bis auf den aufrechten Gang kaum an Humanoide erinnerten. Das be gann schon bei den Gliedmaßen, von de nen sie insgesamt sechs Stück hatten. Die beiden unteren benutzten sie als Beine, die vier anderen dienten als Arme. Das Äußere war mir nur allzu gut be kannt, und es würde bei allen Arkoniden unangenehme Erinnerungen wecken. Denn bei diesen Wesen handelte es sich um Vecorat! Diese Bezeichnung war nur eine Abkürzung. Meine Vorfahren hat ten dieses Fremdvolk in Ergänzung sei ner vokallosen Sprache VeCoRat XaKuZeFToNaCiZ genannt. Bei anderen Völ kern waren die Insektoiden als Individu alverformer bekannt. Das war, genau genommen, weniger eine Bezeichnung für diese Spezies an sich als für die kollektive Fähigkeit der Vecorat, rein geistig den eigenen Indivi dualkörper zu verlassen und auf einen anderen überzuspringen - wobei es zum Austausch mit dem Bewusstsein des Op fers kam, das im Vecorat-Körper zur Handlungsunfähigkeit verurteilt war. Eine fürwahr beängstigende Fähigkeit, die diese Geschöpfe zu »Erzfeinden« der Arkoniden gemacht hatte. Mehrmals hatten die Vecorat ver sucht, das Große Imperium zu unter wandern. Offene Kriegführung lag ihnen
Bernd Frenz
nicht, zumal ihre Fähigkeit sie dazu prä destinierte, verstohlen und im Geheimen vorzugehen. Mehrere massive Angriffs wellen der Individualverformer hatten bei meinen Vorfahren fast eine Hysterie hervorgerufen. Eine verständliche Reak tion - wie sollte man sich gegen einen Gegner wehren, der aus dem Hinterhalt zuschlug, aus dem Dunkel der Entfer nung, der mit rein geistigen Kräften kämpfte und gar nicht körperlich in Er scheinung treten musste, um seine Geg ner zu unterwandern und schließlich zu übernehmen? Einmal, zur Zeit von Imperator Bar kam I. um 4000 da Ark nach arkonidi schem Zeitmaß, hatten die IV das Tai Ark'T ussan an den Rand des Abgrunds getrieben. Nur dem Eingreifen der aller ersten Großen Feuermutter war es da mals zu verdanken gewesen, dass ihr In vasionsversuch aufgedeckt und abge wehrt werden konnte. Sie hatten später weitere massive Vorstöße dieser Art un ternommen und sich damit letztlich zu den »Erzfeinden« der Arkoniden ent wickelt. Vor rund 3000 Erdjahren hatten sie sich auch gegen T erra gewandt, wa ren aber zurückgeschlagen worden und danach für Jahrhunderte von der galak tischen Bühne verschwunden, bis die USO im 25. Jahrhundert wieder auf sie gestoßen war ... Und nun begegnete ich nach all dieser Zeit hier in der Obsidian-Kluft erneut Vertretern dieser Spezies! Allerdings wurde diese Gegend nicht ausschließlich von Vecorat bewohnt; wie in fast allen Regionen, die ich bislang kennen gelernt hatte, befanden sich auch Humanoide unter der Bevölkerung, Nachkommen von Lemurern, Arkoniden, Akonen und Menschen. Trotzdem ergriff ich Tamiljon und zerrte ihn tiefer in die Deckung von Schilf und Binsen nahe einem leicht er höhten Damm. Er schüttelte sich, folgte
Die Technostadt
mir aber scheinbar willenlos; Erklärun gen waren angesichts seines Zustands überflüssig. Er hatte den Absturz der Technostadt noch längst nicht verdaut sofern sein Zustand nicht auch andere Gründe hatte. Ich sah, dass der Zustrom der Neugie rigen weiter anhielt. Die meisten Wesen näherten sich auf dem aus dem Morast und Schilf ragenden Damm. Unmittel bar vor mir erklang ein Geräusch. Ich duckte mich in den Schutz einiger hoher Pflanzen, doch das Kascheln der Rispen verriet mir, dass sich einige der Bewoh ner die ser Region in unmittelbar er Nähe befanden. Ich kauerte mich nieder und zwang T amiljon ebenfalls in Dek kung. Die Einheimischen mussten unseren Absprung beo bachtet haben. Suchten sie nach uns? Was würde geschehen, wenn sie uns den Individualverformern auslieferten? Wenn einer von ihnen mich übernahm, war meine Mission beendet. Dann konnte ich nur noch auf ein Wun der hoffen. Es würde mir wohl kaum ge lingen, mich aus eigener Kraft wieder zu befreien. Noch während ich überlegte, ob sich ein Rückzug zur T echnostadt lohnte, wuchs plötzlich das erste Paar braun gebrannter Beine vor uns auf, während Hände Schilfbündel zur Seite drückten. Ein halbwüchsiger Junge, der einen wei ßen, bis zu den Knien reichenden Len denschurz trug, von einem geflochtenen Bastgürtel gehalten. Der Kleine verriet mit keinem Wort seine Entdeckung, doch so, wie er erstarrte, wussten seine nach rückenden Begleiter sofort, dass er et was entdeckt hatte. Ich fluchte leise und überlegte, ob ich mich aufrichten sollte. Sonst würde es so aussehen, als wären wir geflohen. Und das würde unsere Position nicht unbe dingt stärken. Weitere Personen näher ten sich, Männer und Frauen in einfa
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chen Schürzen und Hemdkleidern, über wiegend schlicht weiß, nur selten mit braunen Streifen oder Mustern verse hen. »Hier sind sie«, rief ein hagerer Mann, dem die Sonne und das Alter tiefe Fur chen ins Gesicht geschnitten hatten. Der Ruf wurde von vielen Stimmen weiter getragen, keineswegs aufgeregt oder feindselig, sondern gleichmütig, fast ein wenig schicksalsergeben. Einige Insek toiden, die nicht weit entfernt standen, machten ebenfalls keine Anstalten, über mich herzufallen. Ich betrachtete sie genauer. Kein Zweifel, es handelte sich um Vecorat. Ihre vier Arme endeten in Ballenpfoten mit Saugnäpfen und Krallen, die grün lich grauen Brustpanzer waren hart und fest, der Leib war mit feinen Haaren be deckt. Große Facettenaugen an spitz zu laufenden Köpfen, auf denen jeweils zwei lange, schimmernde Fühler saßen, starrten mich an, ohne dass ich eine Re gung in ihnen ausmachen konnte. Die ruhige Art, mit der uns alle Ein heimischen begegneten, nährte meine Hoffnung, mit heiler Haut davonzukom men. Da wir ohnehin viel zu erschöpft für eine Flucht waren, stand ich auf und bedeutete Tamiljon, es mir gleichzutun. Wir reinigten uns, so gut es ging, von den Spuren des Morasts, der an unserer Be-
Die Welt von
Atlan
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so kleidung klebte. Gespannt wartete ich ab, was nun geschehen würde. Beruhige dich, riet mir der Extrasinn. Lass dich nicht von der kollektiven Angst deines Volkes beeinflussen. Noch gab es keinerlei Feindseligkeiten. Die Einheimischen scheinen eher neugierig zu sein, wer den Absturz überlebt hat. Eine Technostadt hat für sie eine fast my thische Bedeutung. Denk an die vielen Legenden und Erzählungen. Unter den Viin auf dem Damm ent stand plötzlich Bewegung. Wortlos- bil deten sie eine Gasse, und ich sah eine Frau, die sich mit gemessenen Schritten näherte, eine Humanoide mit samtbrau ner Haut und tiefschwarzem Haar. Eine Akonin?, durchfuhr es mich. Sie ging sehr bedächtig, wie in T rance, und alle anderen schienen ihr mit Hochachtung zu begegnen. Ehrfürchtig traten sie zu rück und verbeugten sich vor ihr. Sie besitzt offenbar großen Einfluss, wisperte der Logiksektor. Es könnte von Bedeutung für euer Überleben sein, ihr Wohlwollen zu gewinnen. Mir waren bereits ähnliche Gedanken durch den Kopf gegangen, und ich be mühte mich um ein freundliches Lä cheln, während sie näher trat und dann drei Schritte entfernt am Rand der Dammkrone stehen blieb. Ob sie meine Mimik überhaupt zur Kenntnis nahm, war nicht genau zu erkennen. Obwohl ihre dunkelbraunen Mandelaugen auf uns ruhten, wirkte sie völlig entrückt. Die Schaulustigen schlössen hinter ihr auf, um das sich anbahnende Ge spräch mit anzuhören. Immerhin, eine sichtbare Reaktion. Dabei wären ange sichts des spektakulären Absturzes überschäumende Reaktionen mit Ge schrei und wilden Gesten viel normaler gewesen. Die knabenhaft gebaute Akonin rich tete den Blick auf mich, doch es hatte den Anschein, als schaute sie in weite
Bernd Frenz
Ferne und ich stünde nur z ufällig im Weg. Sie war kleiner als ich, knapp drei ßig Jahre alt und trug ein bodenlanges weißes Kleid. Der bunte Kragenhals schmuck glich exakt jenen, die ich aus meinen Erinnerungen an Ägypten kannte. Das galt auch für ihre krempen lose Kopfbedeckung, die der ähnelte, die einst Nofretete getragen hatte. »Ich bin die Seherin von Yandan«, ver kündete die Frau mit leiser Stimme und rieb dabei nervös mit Daumen und Zei gefinger über eine etwa zehn Zentimeter durchmessende Riesenperle aus polier tem Schneeflockenobsidian, die sie an einer Kette um den Hals trug. »Ich weiß nicht, wer du bist, Fremder, doch ich kenne dein Ziel. Im Traum habe ich Sar daengar und Litrak gesehen, die allen Welten drohenden Gefahren. Ich werde euch zum Canyon der Visionen beglei ten.« Verblüfft schnappte ich nach Luft. Ich wusste nicht, was ich von dieser Eröff nung halten sollte, doch sie war mir auf jeden Fall lieber als eine mit Fackeln und Heugabeln bewaffnete Meute, die nach Rache für einige Hektar zerstörten Ackerlandes dürstete, auch wenn ange sichts der gerade abgestürzten Stadt Ra che an zwei im Morast stehenden Frem den das geringste Motiv der Menge sein dürfte. Viel wichtiger war jedoch der Um stand, dass diese »Seherin von Yandan« offensichtlich von meiner selbst gestell ten Mission wusste. Und das, obwohl der Canyon auf Vinara Eins lag, wäh rend Wir uns auf Vinara Fünf befanden. Dutzende Fragen wühlten mich auf, doch es war kaum ratsam, sie sofort zu stellen. »Ich bedanke mich für das groß zügige Angebot«, sagte ich bedächtig. »Wie komme ich denn zu dieser großen Ehre?« Die Seherin ließ den Blick ungerührt auf mir ruhen, ohne zu antworten. Aus
Die T echno stadt
einem mir nicht nachvollziehbaren Grund wich der entrückte Glanz plötzlieh aus ihren Augen. Ihre Pupillen fokussierten mich, als würde sie erst jetzt sehen, wen sie wirklich vor sich hatte. War ihr soeben klar geworden, dass wir zweifellos etwas mit der Katastrophe zu tun hatten, die der Absturz der Technostadt über diese Region gebracht hatte? Ich wappnete mich innerlich auf jeden möglichen Vorwurf, den sie uns ' machen könnte, doch mit ihrem nächs-
ten Satz hatte ich wirklich nicht rechnen können. »Weißt du, wo mein Freund Cisoph Tank ist?«, fragte sie leise. Nein, wäre wohl die ehrlich ste und einfachste Antwort gewesen, doch die brachte ich nicht über die Lippen. Dazu wirbelte zu viel in meinem Kopf durcheinander. Etwa die Fra ge, woher eine Einheimische der Spiegelwelt Vinara Fünf ein Besatzungsmitglied der T OSOMA kannte.
ENDE
Nachdem sich Lethem da Vokoban und seine Begleiter von ihrem Schock
erholt haben, versuchen sie, die Oberfläche der Technostadt zu erreichen.
Kaum angekommen, wartet eine neue Überraschung auf die Gruppe.
Eine Transition versetzt Atlan und Tamiljon in eine unbekannte Gegend
und nicht, wie erhofft, in den »Canyon der Visionen«.
Arndt Ellmer berichtet in seinem Roman
BRAUNE PEST über die weiteren Abenteuer des Unsterblichen und seiner Freunde. Band neun dieser zwölfbändigen Miniserie erscheint in zwei Wochen über all im Zeitschriftenhandel.
Atlan Obsidian - erscheint zweiwöchentlich in der Pabel-Moewig Verlag KG, 76437 Rastatt. Internet: www.vpm-online.de. Redaktion: Sabine Kropp, Postfach 2352, 76413 Rastatt. Titelillustration: HankWolf. Innenillustration: Dietmar Krüger. Druck: VPM Druck KG, 76437 Rastatt, www.vpm-druck.de. Vertrieb: VU Verlagsunion KG, 65396 Walluf, Postfach 5707, 65047 Wiesbaden, T el.: 06123/620-0. Marketing: Klaus Bollhöfener. Anzeigenleitung: Pabel-Moewig Verlag KG, 76437 Rastatt. Anzeigenleiter und verantwortlich: Rainer Groß. Zurzeit gilt Anzeigenpreisiiste Nr. 29. Unsere Romanserien dürfen in Leihbü chereien nicht verliehen und nicht zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden; derWiederverkauf ist verboten. Allein vertrieb und Auslieferung in Österreich: Pressegroßvertrieb Salzburg Gesellschaft m.b.H., Niederalm 300, A-5081 Anif. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie gewerbsmäßige Weiterverbreitung in Lesezirkeln nur mit vorheriger Zustimmung des Verlages. Für unverlangte Manuskriptsendungen wird keine Gewähr übernommen. Printed in Germany. Juli 2004. Internet: http://www.Perry-Rhodan.net und E-Mail:
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