Nr. 501
Die TerraIdealisten von Peter Griese
Es geschah im Dezember des Jahres 3586, als Perry Rhodan mit seinen Gefä...
25 downloads
371 Views
1MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Nr. 501
Die TerraIdealisten von Peter Griese
Es geschah im Dezember des Jahres 3586, als Perry Rhodan mit seinen Gefährten die SOL verließ und zur BASIS übersiedelte, nachdem er den Solgeborenen das Generationenschiff offiziell übergeben hatte. Die neuen Herren der SOL sahen sich somit endlich in die Lage versetzt, ih re Wünsche zu realisieren. Sie trennten sich von der Menschheit, um ihre eigenen Wege zu gehen und Ihre ureigenen Ziele zu verfolgen. Sie betrach teten den Weltraum als Ihren eigentlichen Lebensbereich und das Schiff als ihre Heimat — und die meisten von ihnen scheuten davor zurück, das Schiff zu verlassen und einen Himmelskörper zu betreten. Seit der Zeit, da die SOL unter dem Kommando der Solgeborenen auf gro ße Fahrt ging und mit unbekanntem Ziel in die Tiefen des Sternenmeeres verschwand, sind mehr als zweihundert Jahre vergangen, und kein Terra ner hat in der Zwischenzeit etwas vom Verbleib des Generationenschiffs gehört. Im Jahr 3791 ist es jedoch soweit — und ein Mann kommt wieder in Kontakt mit dem verschollenen Schiff. Dieser Mann ist Atlan, der Arkonide, der, wie schon so oft in seinem langen Leben, eine Mission durchzuführen hat, die ihm alles abverlangt. Die Kosmokraten entlassen Atlan, damit er sich um die SOL kümmert. Die erste Gruppe von Solanern, mit denen Atlan an Bord Kontakt aufnimmt, sind DIE TERRA-IDEALISTEN . . .
ATLAN
6
1.
Mit seinen kurzen Armen und Beinen und den großen, traurigen Augen „Imperium-Alpha liegt im Außen wirkte er eher possierlich. deck 17, Halle B-23. Beginn 22 Uhr", Der Buhrlo hatte den Extra schon flüsterte Argan U in gebrochenem In gekannt, bevor er ihn unter den Ter ra-Idealisten wiedersah. Argan fiel terkosmo. Der junge Buhrlo-Mann Candyr nicht nur durch sein ungewöhnliches Hartz nickte. Seine Augen flackerten Aussehen auf. Er schleppte fast stän unruhig, denn er war sich nicht sicher, dig ein kleines Gerät an einem breiten ob der Puschyde die Wahrheit sagte. Plastikband mit sich herum. Es han Er konnte gar nicht vorsichtig und delte sich um eine Destillieranlage, mißtrauisch genug sein, denn schon die ihm vor Jahren ein Techniker der so manche Ver SOL gebaut hatte. sammlung der Argan U bereitete Terra-Idealisten damit eine beson war verraten dere Art von Zuk Die Hauptpersonen des Romans: worden. kerwasser zu, die er als Nahrung drin „Benachrichtige Atlan — Der Arkonide im Chaos der SOL. gend benötigte. Lamina Floter." Obwohl Argan U Als der Puschyde Valara Brackfaust — Anführerin der Terra-Idealisten. nur 1,50 Meter groß etwa 20 Meter von war, brauchte er Candyr entfernt Ludewigh Loorn — Ein erklärter My sich nicht zu rek war, blickte er sich stos-Gegner. ken, denn der um. Da kein ande Hadar Calliman—Ein SOL-Farmer. Buhrlo maß selber rer Solaner in dem Edo — Ein Monster. nur 1,58 Meter. Gang zu sehen war, zog er schnell einen Candyr Hartz Schreibstift zwi blickte dem Pu schen seinen Kör schyden nach, als dieser davoneilte. Eigentlich war Ar perschuppen hervor u n d kritzelte et gan U ein treuherziges und gutmüti was an die seitliche Schottwand. ges Wesen. Er sah aus wie ein kleiner Dann eilte er davon, so schnell ihn sei geschuppter Bär. Die Schuppen, die ne Stummelbeine trugen. Das Destil wie breite Haare den ganzen Körper liergerät wippte an seiner Hüfte. bedeckten, waren orangefarben. Er „Lamina benachrichtigen", mur gehörte zu den Extras, wie alle Lebe melte Candyr. Der außergewöhnlich wesen an Bord der SQL genannt wur schmächtige Junge schlenderte lang den, die nicht von den Menschen ab sam den Gang entlang. Als er an die stammten. Stelle kam, an der Argan U etwas an Argan U war eigentlich unfreiwillig die Wand geschrieben hatte, hielt er unter den Solanern. Vor 19 Jahren war kurz an. er auf seinem Heimatplaneten CurTERRANER GEHÖREN NACH Cur U von einer Gruppe Pyrriden auf TERRA, stand dort in großen Lettern. gegriffen und auf die SOL verschleppt Der Buhrlo hatte schon viele solcher worden. Wahrscheinlich hatten die Schmierparolen innerhalb der SOL Pyrriden gar nicht bemerkt, daß Ar gesehen. Sie kamen sozusagen aus sei gan ein intelligentes Lebewesen war. nen eigenen Reihen, denn er selbst
zählte sich zum harten Kern der Ter schmalen Schulter fühlte, wurde ihm die Gegenwart wieder bewußt. ra-Idealisten. „Heh, Buhrlo", dröhnte eine Män Er dachte nicht darüber nach, wie widersinnig es war, daß er, ein Buhrlo, nerstimme hinter ihm. „Hast du das einer der durch körperliche Mutation an die Wand geschmiert? " dem Weltraumleben angepaßt war, Langsam drehte sich Candyr um. selbst Sehnsucht nach einem festen Dabei streifte er die Hand von seiner Boden unter den Füßen hatte. Viel Schulter. leicht war es nur Terranie, die ihn an Vor ihm stand ein vierschrötiger gesteckt hatte. Vielleicht war es aber junger Solaner in einem silbernen, auch ein vererbter Drang, der trotz sei hochglänzenden Metallfolienanzug. ner Buhrlo-Haut überstark in den Vor Candyr kannte Aksel von Dhrau, den dergrund trat. Er war sich der Wider Chef der gefürchteten Vystiden, wie sinnigkeit nicht bewußt, denn für ihn die Brüder der zweiten Wertigkeit ge schied ein Leben auf einem Planeten nannt wurde, nur flüchtig. Mit einer in jedem Fall aus. Er brauchte den Körpergröße von 1,85 Metern überrag freien Weltraum, auch wenn es nur für te der Vystide den Buhrlo bei weitem. Stunden am Tag war. „Ich, ein Buhrlo, soll so etwas ge Bei Argan U lag die Sache ganz an schrieben haben?" fragte Candyr und ders. Er hatte nichts mit den Men bemühte sich, harmlos auszusehen. schen gemeinsam. Dennoch gehörte „Ich traue niemand", antwortete er zu den eifrigsten Verfechtern der Aksel von Dhrau arrogant. Dem Vysti Idee, auf einen Planeten, am besten denchef ging der Ruf nach, ein eiskal zur Erde, zurückzukehren. ter Denker und hervorragender Tech Vielleicht, so mutmaßte Candyr, niker und Kämpfer zu sein. Wie er hoffte sich Argan dadurch an den So trotz seiner nur 28 Jahre in diese sehr lanern zu rächen, die ihn von Cur-Cur wichtige Position gekommen war, war Candyr ein Rätsel. Er sagte sich aber, U entführt hatten. Andererseits war der Puschyde zu daß es nur an den ausgeprägten Fähig naiv und einfältig, um solche raffinier keiten von Dhraus liegen konnte. Die ten Gedanken aus sich heraus zu ent Vystiden nahmen gleich hinter den wickeln. Er war leicht beeinflußbar zehn Brüdern der ersten Wertigkeit, und konnte kaum eine Bitte abschla den Magniden, eine wichtige Kontroll gen. Daß er dadurch oftmals in funktion innerhalb der SOLAG wahr. schwierige Situationen geriet, störte Sie waren durch ihre Herzlosigkeit und Erbarmungslosigkeit berüchtigt. sein einfaches Gemüt nicht. Während Candyr Hartz noch sin „Ein Buhrlo kann auf einem Plane nend vor dem Spruch an der Wand ten auf die Dauer nicht existieren", stand, hörte er Schritte hinter sich. Da fuhr Candyr Hartz fort, der von dem er oft seinen Gedanken nachhing und stechenden Blick des Vystiden nervös lieber melancholischen Überlegungen wurde. folgte, als sich um das wirre Gesche In der Begleitung von Dhraus befan hen um ihn herum zu kümmern, dreh den sich zwei Männer und zwei Fraute er sich nicht einmal um. In der SOL en. Sie trugen Kampfkombinationen ging so vieles drunter und drüber, und in einem stählernen Blauschwarz. er konnte es nicht ändern. Auch diese Figuren hatte Candyr Erst als er eine Hand auf seiner schon gesehen, obwohl man munkel
8
te, daß das ganze Korps der Vystiden nur aus 400 oder 500 Personen beste hen sollte. Die Blauschwarzen waren die Haematen, die ausführenden Orga ne aus dem Kreis der Vystiden. Einem Offizier der Vystiden, wie es der Chef Aksel von Dhrau war, traf man noch seltener. Terranie hatte einmal er wähnt, es gäbe nur 26 von ihnen, die zur Hälfte Männer und Frauen waren. „Laß ihn in Ruhe, Chef", sagte einer der Haematen. „Du siehst doch, er ist ein Buhrlo." „Halt den Mund!" fauchte von Dhrau den Haematen an. Dann wand te er sich an den Gläsernen: „Wie heißt du?" „Candyr Hartz", antwortete der ge lassen. Seine innere Unruhe konnte er geschickt verbergen, denn jeder Sola ner war es gewohnt, Pressionen ausge setzt zu werden. „Buhrlo, Wohnstatt Deck 117 in der SZ-1,17 Jahre alt, kei ne Bestrafungen oder laufende Ver fahren, besondere Neigungen: Nach denken und andere in Ruhe las sen . . . " „Werde nicht frech, Glasmann." Der Vystide versetzte dem kleinen Buhrlo einen Schlag mit der Faust an den Oberkörper, so daß dieser gegen die Wand taumelte. Dann drehte er sich zu den Haematen um und winkte diesen. Wortlos setzte er seinen Weg fort, und seine Helfer trotteten hinter ihm her. Einer drehte sich noch einmal um und drohte Candyr mit der geballten Faust. Erst als die Vystiden um die nächste Ecke gebogen waren, richtete sich Candyr auf. Er atmete tief durch und setzte dann seinen Weg fort. Er m u ß t e Lamina Floter finden und ihr von dem Treffen der Terra-Ideali sten am heutigen Abend berichten. Candyr Hartz war unzufrieden. In den wenigen Jahren, die er jetzt lebte,
hatte er nur chaotische Verhältnisse erlebt. Die SOL glich einem Tollhaus. Die SOLAG mit dem High Sideryt an der Spitze beherrschte praktisch das ganze Schiff. Es gab nur wenige Frei heiten für den einzelnen Solaner, und die konnte er meistens nur deswegen wahrnehmen, weil in dem Durchein ander der Führungsschichten mit den sechs Klassen der Brüder der Wertig keiten auch oft der eine nicht wußte, was der andere tat. In den letzten Tagen waren neue Ge rüchte aufgetaucht. Angeblich befän de sich die SOL in einer großen Ge fahr. Etwas Genaues über das drohen de Unheil war jedoch noch nicht durchgesickert. Candyr beschloß, die Führerin der Terra-Idealisten, Valara Brackfaust, bei dem heutigen Treffen nach diesen Gerüchten zu befragen. Terranie, wie sich Valara Brackfaust nannte, war stets am besten infor miert. Sie besaß auch angeblich Nach richtenverbindungen in den Mittelteil der SOL und in die SZ-2, was allen So lanern normalerweise verboten war. Er traf Lamina Floter in einem Auf enthaltsraum, der dicht unter ihren Wohntrakts lag. Mit der Buhrlo-Frau fühlte sich Candyr sehr verbunden. Sie teilte seine sentimentale und me lancholische Art voll und ganz. Die beiden brauchten nicht viel mitein ander zu sprechen, sie verstanden sich meisten ohne viele Worte. Da auch mehrere Ferraten in dem Raum waren, und da man sich vor den Brüdern der sechsten Wertigkeit hü ten mußte, machte Candyr ein unauf fälliges Zeichen. Wie zufällig hob er den Zeigefinger seiner linken Hand. Normalerweise benutzten die Buhrlos diese Zeichensprache nur dann, wenn sie draußen im freien Weltall waren, weil dort keine andere Verständi gungsmöglichkeit gegeben war.
Der erhobene Zeigefinger bedeutete Aufpassen, ich will etwas mitteilen. Lamina erhob sich und folgte Can dyr auf den Gang. „Es schleichen verdächtig viele Brü der herum", sagte Candyr leise. „Eben bin ich sogar dem Vystiden-Chef Ak sel von Dhrau begegnet. Vorsicht kann also nicht schaden." Lamina nickte nur stumm. Viele Worte lagen ihr nicht. „Terranie hat zu einer Konferenz in Imperium-Alpha einberufen", fuhr Candyr fort. Er nannte den Ort und die Uhrzeit. „In Ordnung Terraner Candyr Hartz." Lamina lächelte. Sie gehörte zu den fanatischsten Verfechtern der Ideen der Terra-Idealisten. Sie machte auch kein Geheimnis daraus, daß sie in den eigenen Reihen nur Valara Brackfaust und Candyr Hartz traute. Der High Sideryt und seine Schergen von der SOL-Arbeitsgemeinschaft hatten überall ihre Spitzel. Schon mehrere Treffen (oder Konferenzen, wie die Terra-Idealisten sagten) waren aufgeflogen. Lamina erinnerte sich noch gut daran, daß der High Sideryt von Chart Deccon, eine Frau namens Tineidbha Daraw, einmal eine erfolg reiche Strafexpedition gegen die Ter ra-Idealisten durchgeführt hatte, bei der sie beinahe auch gefaßt worden wäre. Als fanatische Vorkämpferin be nutzte Lamina bei jeder Gelegenheit den besonderen Jargon, den Terranie von ihren Mitstreitern verlangte. Da zu gehörte, daß man die geheimen Treffpunkte Imperium-Alpha nannte, und daß man sich mit dem Zusatz Ter raner vor dem eigentlichen Namen an sprach. Mit Candyr verband sie auch, daß sie die beiden einzigen Buhrlos aus der SZ-1 waren, die zur eigentlichen
Gruppe der Terra-Idealisten gehorten. Terranie behauptete, daß es in der ganzen SOL etwa 5 000 Menschen wa ren, die ihre Ideen vertraten. Die über wiegende Mehrzahl bestand sicher nur aus Mitläufern und Sympathisan ten, aber die Bewegung nahm ständig an Bedeutung zu. „Bis heute abend in Imperium-Al pha", sagte die 26-jährige BuhrloFrau, als sie sich trennten. „Und den ke, daran." Sie hob zwei Finger der rechten Hand. In der Buhrlo-Zeichensprache bedeutete das Vorsicht! Gefahr! 2.
Die Sonne schien von einem strah lend blauen Himmel. Kleine Wolken kringelten sich über einer schneebe deckten Bergkette. Davor lag ein See mit tiefblauem Wasser. Ein paar Segel boote glitten über die Oberfläche. La chende und fröhliche Menschen in bunten, kurzen Anzügen standen darin. Leise und einschmeichelnde Musik untermalte die Szene, die Frieden und Ruhe ausstrahlte. Majestätisch und völlig lautlos schwebte ein riesiges Kugelraum schiff herab. Über dem See schwenkte es zur Seite und glitt auf ein großes, ebenes Gelände zu; wo es landete. Ringsum standen hohe Gebäude mit blitzsauberen Wänden und Fenstern. Kleine bunte Gleitfahrzeuge flitzten dicht über dem Boden auf das ge landete Raumschiff zu. Menschen ka men sich entgegen, schüttelten sich die Hände und umarmten sich. Auf Hochglanz polierte Roboter trugen die Gepäckstücke zu einer Antigrav-Platt form und fuhren damit zu den nahen Gebäuden.
10 Die Gesichter der Menschen waren deutlich zu sehen. Sie strahlten Zu friedenheit und Gelassenheit aus, aber auch Tatkraft und Selbstbewußtsein. „Es ist geschafft", sagte eine sonore Männerstimme. „Wir konnten den ab stürzenden Mond einfangen und auf eine stabile Umlaufbahn bringen. Die Menschen auf Tarment sind alle Sor gen los." Ein großer Mann mit stählernen Au gen trat auf die Ankömmlinge zu und begrüßte sie. Er trug die schlichte lindgrüne Kombination der Raumfah rer. Was er sagte, konnte man nicht hö ren, aber sein Gesichtsausdruck spie gelte Zufriedenheit wider. Dann eine andere Szene. Wie über dimensionale Bäume ragten Wohn blocks in die Höhe. In den breiten Straßenschluchten tummelten sich Fahrzeuge aller Art in sieben überein anderliegenden Ebenen. Zwischen den einzelnen Wohnblocks wuchsen Bäume in saftigem Grün. Menschen eilten hin und her, ver schwanden in den Häusern oder in den Eingängen zu den Untergrund bahnen. Dann stand die Sonne als tiefroter Ball über dem Horizont und tauchte die Landschaft und die Häuser in ein eigenartig warmes Licht. Das Gesicht einer lachenden Frau wurde übergroß sichtbar. Neben ihr balgten sich ein kleiner Junge mit sei ner etwas älteren Schwester um ein ro botisches Spielzeug. Dann war Nacht, und ein Lichter meer flammte über der Stadt. Die Mu sik wurde rhythmischer und lauter, aber die Klänge waren angenehm. Sie vermittelten in einer anderen Sprache die Gefühle der Menschen. Die Töne wurden noch einmal lei ser, als an dem dunklen Nachthim mel die schmale Sichel des Mondes
auftauchte. Die Sterne glitzerten un gewohnt stark und in allen Farben. Dann verblaßte alles, und die Musik erstarb.
Das Licht flammte auf, als der Film zu Ende war. „Hübsch", sagte Argan U etwas ein fältig. Er saß links von Candyr Hartz. Auf der anderen Seite des Buhrlos hockte Lamina Floter mit verträum tem Blick. Ihre Augen waren noch im mer auf die Leinwand gerichtet. Valara Brackfaust erhob sich aus der vordersten Reihe. Vor der Lein wand war ein kleines Pult aufgebaut. Darauf lag ein fußballgroßer Gegen stand, der von einem Brokattuch be deckt war. Zu diesem Pult ging die Frau. Sie griff in die Tasche ihrer Kombination und holte ein faustgroßes, stacheliges Tier hervor. Das war Piex, ihr ständi ger Begleiter seit vielen Jahren. Piex ähnelte einem jungen Igel. Tatsäch lich besaß er eine stachelige Haut, je doch waren diese Stacheln dunkel grün. Valara hatte ihn vor Jahren auf einem Planeten gefunden, als die SOL eine Zwischenlandung durchgeführt hatte, um Rohstoffe aufzunehmen. Seit dieser Zeit bestand ein treues Verhältnis zwischen der Solanerin und dem Extra. Piex ließ sich nur von seiner Herrin anfassen. Wenn jemand anders ihn be rühren wollte, sträubten sich seine Stacheln, und er rollte sich ein. Die Freundschaft hatte für die Frau einen unschätzbaren Vorteil, denn Piex ver fügte über einen ausgeprägten In stinkt. Wenn seiner Herrin Gefahr drohte, so machte er sich auf eine recht eigentümliche Art und Weise bemerkbar. In seiner Ruhestellung
bevorzugte er eine senkrechte Wand. Wenn Gefahr im Verzug war, ließ er sich einfach zu Boden fallen. Valara hängte den kleinen Kerl seit lich an das Pult. Sie wartete eine Wei le, um den gezeigten Film auf die an wesenden Terra-Idealisten wirken zu lassen. Trotz ihrer untersetzten und etwas zu fülligen Figur war Valara eine apar te und anziehende Erscheinung. Was ihr an letzter Geistesschärfe fehlte, er setzte sie durch bedingungslose Ehr lichkeit und Geradlinigkeit. Sie war 36 Jahre alt und ohne feste Bindung an einen Mann. Ihr Lebensziel war die Verbreitung der Ideen der Terra-Idea listen, und das waren letztlich ihre ei genen Gedanken. Auf einen Nenner gebracht, war das Ziel die Rückkehr zur Scholle eines Planeten, am besten die Rückkehr zur Erde. „Terraner", begann sie bedächtig zu sprechen. Große und viele Worte la gen ihr nicht. Sie überzeugte durch einfache und sachliche Aussagen. Da mit konnte sie ihre Anhänger durch aus mitreißen. „Ich habe euch, meine engsten Freunde, hierhergebeten, um euch diesen Film von der Erde zu zei gen. Glaubt mir, es war ein hartes Stück Arbeit, ihn in meine Hände zu bekommen. Ohne Terraner Argan U hätte ich es nicht geschafft." Die Widersinnigkeit der Bezeich nung des Extras merkte sie nicht. Schließlich hatte der Puschyde die Er de noch nie gesehen, und zu den Men schen hatte er nur ein dürftiges Ver hältnis. Valara Brackfaust bestand aber darauf, daß jeder ihrer Gruppe mit Terraner, die selbst mit Terranie, angesprochen wurde. „Der Film spricht für sich", fuhr sie fort. „Wer von ihm nicht ergriffen wird, hat die Ziele unserer Organisa tion nicht verstanden."
Ihre Worte waren so offen und hart wie ihr Wesen. Aber gerade das mach te sie anziehend. Sie strich sich die braunen, gelockten Haare aus dem et was zu breiten Gesicht und blickte auf die Versammelten. Mit ihr waren 15 Terra-Idealisten anwesend. Sie hatte den Kreis für diese Konferenz bewußt kleingehalten. Nur ihre engsten Mit streiter und Gefolgsleute waren anwe send. „Wer war der auffällige Mann auf dem Raumhafen?" fragte Lamina Flo ter. „Er besaß eine ungewöhnliche Ausstrahlung." Um Terranies Lippen flog ein leich tes Lächeln. „Das war der Terraner, dem Terra fast alles zu verdanken hat. Es war der Mann, der den Solanern die SOL geschenkt hat, und dem man da für den schlechtesten Ruf angehängt hat, den es in unserer Geschichte gibt." „Perry Rhodan", rief Argan U mit schriller Stimme. Valara Brackfaust nickte stumm. „Hübsch", tönte der Extra. „Ich weiß, daß ihr noch viel Geduld aufbringen müßt, Terraner", fuhr die Frau fort, „bis wir unser Ziel erreichen werden. Geduld und Kraft, das ist das, was wir brauchen. Ich sehe, daß der Tag nicht mehr fern ist, an dem wir die Führung des Schiffes in den Händen halten werden. Dann können wir den Kurs bestimmen. Das Chaos wird von den irregeleiteten Solanern weichen, und sie werden wieder festen Boden unter den Füßen haben. Wir dürfen das Erbe unserer Vorfahren nicht zer treten." Candyr Hartz räusperte sich ver nehmlich. „Was gibt es, Terraner Candyr Hartz?" Valara blickte streng aus ih ren braunen Augen. „Terranie, begann der Buhrlo um
12 ständlich. Sein Respekt vor der Führe rin der Terra-Idealisten war ihm deut lich anzumerken. „Es gehen Gerüchte um, die besagen, daß sich die SOL in großer Gefahr befindet. Was weißt du davon?" „Die größte Gefahr, die der SOL droht, ist der innere Zerfall. Alle sind irregeleitet. Sie beschreiten den fal schen Weg, der zum Untergang führen wird, wenn wir nicht eingreifen. Dage gen ist die Gefahr, die augenblicklich besteht, ohne Bedeutung. Unser Ein fluß ist noch zu gering. Wir können nur hoffen, daß der High Sideryt die SOL aus allem äußeren Verderben heraushält." Candyr mußte mit dieser Antwort zufrieden sein, obwohl er spürte, daß Terranie entweder nicht mit der gan zen Wahrheit herausrücken wollte, oder aber selbst nichts Genaues wußte. Seit 205 Jahren gab es zwischen der SOL und den Terranern keinen Kon takt mehr. Seit dem Weihnachtstag im Jahr 3586, als der erste Buhrlo gebo ren worden war, und als Perry Rhodan die SOL den Solanern auf deren Drän gen übergeben hatte, war das Hantel raumschiff eine eigene kleine Welt für sich. Die vielen verschiedenen Ent wicklungen, die seit dieser Zeit einge setzt hatten, waren charakteristisch für das Durcheinander in dem Schiff und für die strenge Hierarchie, die die SOLAG aufgebaut hatte. Kaum ein Solaner kannte die wahren Ziele des High Sideryt. Man lebte in den Tag hinein u n d versuchte sich durch zuschlagen. Das Emporsprießen aller möglichen Interessengruppen war ei ne zwangsläufige Folge dieser Ereig nisse. Auch die Terra-Idealisten stellten nichts weiter als eine solche Gruppe dar. Eigentlich war es ein Wunder, daß
ATLAN
diese Bewegung nicht schon früher eingesetzt hatte. Erst seit 38 Jahren gab es die Terra-Idealisten, und Valara Brackfaust nahm die Führungsrolle erst seit vierzehn Jahren wahr, als der Gründer der Gruppe, ihr Großonkel, gestorben war. Die ersten Solaner hatten in ihrer ge wonnenen Eigenständigkeit alle Erin nerungen an die Erde auszulöschen versucht. Die Hetzkampagne gegen die früheren führenden Männer war ein Bestandteil dieser Propaganda. Mit dem Namen Perry Rhodan ver band sich alles Böse und Schlechte überhaupt. Die Erinnerung an das frühere Le ben der Menschen ging aber nicht un ter. Alle Aufzeichnungen konnten auch die Solaner nicht vernichten. Vieles ging in Erzählungen von einer Generation zur nächsten. Daß dabei wilde Legenden entstanden, war auch eine zwangsläufige Folge aller Um stände. Auf der Suche nach neuen Lebens zielen war so die Bewegung der Ter ra-Idealisten entstanden. Das alltägli che Leben auf der SOL bot kaum einen Ansatzpunkt, um in einer idealistischen Aufgabe einen Tätig keitsbereich zu finden. Die Folge war gewesen, daß man sich auf das Alte besann. Die Fehler und Mängel des früheren Daseins hatte man verges sen, nur die Idealbilder, das Positive, wurde als Alternative zu dem chaoti schen und sinnlos erscheinenden Le ben in dem Hantelschiff in den Vor dergrund gerückt. Von diesen psychologischen und so ziologischen Auswirkungen profitier te die Bewegung Terranies. Anfangs hatte die SOL-Führung die Terra-Idealisten als harmlose Spinner betrachtet. Die Schmierparolen an den Wänden unterschieden sich nur
Die Terra-Idealisten
•
wenig von denen anderer Gruppen, die auftauchten und wieder ver schwanden. Inzwischen waren die Terra-Ideali sten aber aus der Sicht der SOLAG zu einer ernsthaften Gefahr geworden. Es waren mehrere Attentate auf Maschi nen und Einrichtungen ausgeübt wor den, die entweder offensichtlich zu Lasten der Terra-Idealisten gingen, oder von diesen offen zugegeben wur den. Die Ziele der Abtrünnigen stan den im krassen Widerspruch zu den alten Dogmen der Solaner, deren ober stes Ziel ein selbständiges Leben mit der SOL im freien All war. „Hat noch jemand eine Frage?" sag te Valara Brackfaust. Die Männer und Frauen in der klei nen Halle schwiegen. Selbst hier im engsten Kreis um Terranie herrschte Mißtrauen und Furcht. Nur wenige trauten einander. Wenn der Name ei nes Anwesenden fiel, zuckte dieser oft erschrocken zusammen. „Ihr braucht keine Furcht zu ha ben." Valara Brackfaust versuchte die angespannte Situation etwas zu ent krampfen. „Ich habe zwei Wachrobo ter draußen aufgestellt. Sie werden uns warnen, wenn etwas Ungewöhnli ches passiert. Und außerdem", sie streichelte den kleinen Piex, „haben wir noch einen Warner." Nur mühsam und zäh begann ein Gespräch. Es ging vor allem darum, wer in den nächsten Tagen den Film von der Erde weiteren Mitgliedern der Terra-Idealisten vorführen sollte. Can dyr, Lamina und Argan beteiligten sich nicht daran. Die beiden Buhrlos und der Extra stellten eine Ausnahme in der Gruppe dar. Für die beiden Buhrlos gab es nur einen Weg, wie das Ziel der Terra-Idea listen erreicht werden konnte. Man mußte die volle Gewalt über SENECA
13 bekommen. Und SENECA, der ganz offensichtlich schon seit Jahren nicht mehr richtig arbeitete, mußte zum vollen Leben erweckt werden. Ohne eine voll funktionstüchtige Bordposi tronik war die SOL, auf lange Zeit ge sehen, verloren. SENECAs Versagen war auch der Grund für die wirren Zu stände an Bord. Candyr und Lamina verdrückten sich in eine dunkle Ecke der Halle. Der Puschyde schloß sich ihnen an, was dem Buhrlo nicht recht war. Seine Feinfühligkeit verbot es ihm aber, dem treuherzigen orangefarbenen Bä renwesen etwas Ablehnendes zu sa gen. Noch konnten sie nicht gehen, ohne Terranie zu kränken. Die übrigen So laner beendeten ihr Gespräch. Sie nahmen ihre Plätze wieder ein. Auch die Buhrlos und Argan U setzten sich. Auf ein Zeichen von Valara Brack faust wurde der Raum fast gänzlich abgedunkelt. Sofort wurde es ruhig. Jetzt, wo kei ner den anderen mehr direkt sah, legte sich die Nervosität und das Mißtrauen etwas. „Terraner!" Valara Brackfaust hob ihre Stimme. „Ich, Terranie, die Be wahrerin des Brockens, zeige euch jetzt unser Symbol, das uns an die Stätten der Väter begleiten wird." Sie zog die Brokatdecke von dem Gegenstand auf ihrem Pult. Der Raum wurde in ein kaltes grü nes Licht gehüllt, das von einer kugel förmigen Energieblase ausging. Un terhalb der Blase lag eine wenige Zen timeter hohe Scheibe, in der die Ag gregate untergebracht waren. Auf dieser Scheibe lag im Innern des Ener giefelds ein stumpfer graubrauner Brocken Erde. „Terraner." Die Stimme der Frau klang jetzt leise und andächtig.
14 „Schließt die Augen und laßt ein Stück echter Erde auf euch wirken." Keiner der Anwesenden hatte es je gewagt zu fragen, ob dieses Stück Er de wirklich von Terra stammte. Terra nie behauptete es, und das genügte. Die feierliche Vorführung des Brok kens gehörte zu jeder Versammlung, an der die Führerin der Terra-Ideali sten persönlich teilnahm. Ein dumpfer Fall unterbrach das völlige Schweigen. Piex war zu Boden geplumpst. Im gleichen Augenblick taumelte ein verbeulter Roboter durch den Ein gang. „Die Ferraten kommen", quietschte die Maschine. „Wir sind verraten wor den . . . " Ein Strahlschuß aus dem Gang, der sich der Halle anschloß, traf den Ro boter. Die Maschine stürzte zwischen die aufschreienden Menschen. Candyr Hartz war mit einem Satz auf den Beinen. Noch bevor die Be leuchtung aufflammte, hatte er Lami na an der Hand erfaßt und nach vorn zu Valara Brackfaust gezerrt. Argan U schloß sich den beiden Buhrlos an. „Licht aus!" brüllte Candyr. Tat sächlich kam irgend jemand diesem Befehl nach. Durch den Eingang drangen mehre re Ferraten in die Halle. Auch ein Vy stide war dabei. Innerhalb von Sekunden herrschte ein unbeschreibliches Durcheinander. Schreie mischten sich in die Geräu sche von Strahlschüssen. „Schnell", rief Valara. Sie streifte die Decke über die Energiekugel des Brockens und klemmte sich diesen unter den Arm. Mit der anderen Hand hob sie Piex auf und verstaute ihn in ihrer lindgrünen Kombination. „Hier entlang." Sie deutete auf das Pult.
ATLAN
Im Licht der reflektierten Feuer strahlen sah Candyr, daß unterhalb des Pultes ein viereckiges Loch im Bo den war. Er stieß Lamina hinein. Be vor er ihr folgen konnte, zwängte sich Argan an ihm vorbei und verschwand in der Tiefe. „Los, Terraner", herrschte ihn Va lara an. Der Buhrlo hechtete mit den Füßen voran in die Öffnung. Hinter ihm folg te die Terra-Idealistin. Der Raum unter der Halle war nur knapp 1,70 Meter hoch. Er war ange füllt mit Rohren und Leitungssyste men. Hier lagen nur die Versorgungs systeme dieses Abschnitts der SZ-1. Candyr hörte einen dumpfen Knall, als sich über ihm die Decke schloß. Es war stockdunkel. In diesen Zwischen decks gab es keine automatische Be leuchtung, aber Terranie schien an al les gedacht zu haben. Eine kleine Handlampe leuchtete auf. „Mir nach, Terraner", flüsterte sie. Sie hasteten durch den niedrigen Raum. Candyr und Argan kamen mit ihrer geringen Körpergröße schnell voran. Valara und Lamina mußten sich häufig bücken, wenn dicke Rohre unterhalb der Decke verliefen. Als sie einmal über in den Boden eingelassene Maschinen klettern muß te, drehte sich Candyr kurz um. Von dort, von wo sie kamen, glaubte er Lichter zu sehen. „Man verfolgt uns, Terranie", sagte er hastig. „Ich werde den Brüdern der sech sten Wertigkeit zeigen", antwortete die Frau, „daß man wahre Terraner nicht fangen kann." Sie bog hinter den Maschinen scharf nach rechts ab. Schon nach wenigen Metern endete der Gang vor einer Wand. „Dahinter ist ein Antigrav
Die Terra-Idealisten
Schacht", erklärte sie schnell. „Er führt nach Deck 18. Dort teilt ihr euch. Jeder m u ß allein durchkommen. So fangen sie keinen. Ich nehme einen anderen Weg." Ihre Hand fuhr über die Wand und fand die Verriegelung. Eine Metalltür glitt lautlos zur Seite. „Hinaus mit euch! Und grüßt mir die Erde." Die beiden Weltraumgeborenen und der Extra schwangen sich durch die Öffnung. Dann schloß Valara den Ein laß. Die Geräusche der verfolgenden Ferraten kamen näher. Sie mußte sich zuerst von dem Brocken trennen, der sie auf ihrer Flucht nur hinderte. Das Energiefeld schaltete sie vorsorglich ab, um eine Ortung zu vermeiden. Zwischen zwei Rohrsystemen fand sie ein geeignetes Versteck. Sie prägte sich die genaue Stelle ein, um später ihr kostbares Symbol wiederzufinden. Dann rannte sie den Weg zurück. An der Stelle, wo die Maschinen aus dem Boden ragten, kroch sie auf allen vie ren, um nicht gesehen zu werden. Ein kurzer Blick zeigte ihr, daß die Verfolger nur noch zwanzig oder drei ßig Meter entfernt waren. Lautlos eilte sie weiter. Da sich in diesem Zwi schendeck, das allenfalls einmal von Wartungsrobotern aufgesucht wurde, viel Staub angesammelt hatte, mußte sie mühsam einen Hustenreiz unter drücken. Auch zweifelte sie nicht dar an, daß sie genügend Spuren hinter ließ, um den Ferraten ihren Weg zu zeigen. Sie kam hier nur mit einer List un behelligt heraus. So schlug sie einen Bogen durch die Rohrleitungen und kehrte allmählich an den Ausgangs punkt ihrer Flucht zurück. Damit rechneten ihre Verfolger bestimmt nicht.
15 Sie hörte die Stimmen der Ferraten jetzt links von ihrer Fluchtrichtung. Auch waren vereinzelt Lichter zu se hen, die herüberblinkten und ihr hal fen, Hindernisse rechtzeitig zu erken nen. Vorsichtig näherte sie sich der Stel le, wo der Zugang nach oben in die Halle war. Sie blieb wenige Meter da vor stehen und verbarg sich hinter ei nem dicken, senkrecht nach oben ver laufenden Rohr des Klimasystems. Aus ihrer Kombination holte sie Piex und hängte ihn an das Rohr. Mit seinen kaum sichtbaren acht Füßen, an deren Enden Saugnäpfe waren, hielt sich Piex an dem Rohr fest. Valara wartete mehrere Minuten, ob Piex loslassen würde. Auf den Gefah reninstinkt ihres kleinen Freundes konnte sie sich immer gut verlassen. Piex blieb ganz still an der Metall wand hängen. Valara schloß daraus, daß ihre Verfolger weit entfernt wa ren, und daß niemand oben in dem Raum wartete. Dennoch wahrte sie äußerste Vor sicht. Sie steckte Piex wieder in die Tasche u n d begann nach oben zu klet tern. Das Loch in dem Boden hatte sie schon vor drei Jahren von einem ihrer Helfer anfertigen lassen. Mit ähnli chen Maßnahmen sicherte sie jeden ihrer Orte ab, die sie als Imperium-Al pha auswählte. In der Halle brannte Licht, aber es war niemand mehr anwesend. Zwi schen den umgefallenen Stühlen la gen zwei Männer ihrer Gruppe. Valara empfand tiefe Abscheu vor dem bruta len Vorgehen der Ferraten. Die ande ren Mitglieder mußten in Gefangen schaft geraten sein. Damit war die Kernzelle ihrer Orga nisation gesprengt, denn nur noch die beiden Buhrlos und der harmlose Pu schyde waren am Leben und in Frei
16 heit. Der Rückschlag entmutigte sie nicht. Sie würde einen Neuaufbau be ginnen, sobald es möglich war. Nie mand würde sie daran hindern. Daß die beiden Toten einfach liegengelas sen worden waren, entsprach durch aus den Verhältnissen auf der SOL. Ir gendwann würde jemand kommen und sie beseitigen. „Alles verwahrlost mehr und mehr", murmelte Valara, während sie sich vorsichtig dem Ausgang näherte. Die kleine Kamera, die über dem Hallentor hing und ihre Bewegung ge nau verfolgte, bemerkte sie nicht. 3.
Vor der nächsten Abzweigung spür te Valara, daß Piex in der Tasche ihrer Kombination unruhig wurde. Sie konnte allerdings niemand entdecken. Sie nahm die Warnung an. Als sei nichts Besonderes vorgefal len, drehte sie sich um und ging den Weg zurück. Das brachte sie zwar wei ter von dem Deck weg, wo sie ihre Wohnzelle hatte, aber sie wollte kein Risiko eingehen. Schon nach wenigen Metern hörte sie hinter sich das Getrappel von Schritten. Ein schneller Blick zurück genügte ihr. Sie sah vier Gestalten in den typischen dunkelblauen Unifor men der Ferraten. Die Rostjäger, wie die Brüder der sechsten Wertigkeit auch genannt wurden, hatten also ihre Spur wieder aufgenommen. Sie öffnete die nächste Tür, die sie in dem Gang antraf. Noch verhielt sie sich so, als ob alles völlig normal wäre. Es war ein Raum, in dem früher Wartungsroboter abgestellt worden waren. Jetzt lag hier nur Gerümpel
herum. Teile von Aggregaten rotteten hier vor sich hin. Ein Roboter lag auf dem Boden, seine Brustplatte war geöffnet, und lose Drähte hingen her aus. Eine Verriegelung auf der Innensei te gab es nicht. Valara handelte jetzt blitzschnell. Sie zog den Roboter vor den Eingang. Dann spurtete sie los zur gegenüberliegenden Seite. Auch hier gab es eine Tür. Sie öffnete sie und stellte die Verriegelung so ein, daß sie sich nicht mehr automatisch schloß. Dann löschte sie die Beleuchtung und legte sich hinter den Fragmenten ei ner Lufterneuerungsanlage flach auf den Boden. Es war ein riskanter Versuch, denn wenn ihr Plan nicht aufging, war sie verloren. Schon Sekunden später öffneten die Ferraten die Tür. „Sie ging hier hinein", hörte sie eine weibliche Stimme. „Und dort hinaus", antwortete ein Mann. Ein Lichtkegel hing über der offe nen Tür auf der Gegenseite. „Hinterher!" Die vier Ferraten rannten los. Zwei stolperten über den Roboter, und die beiden anderen prallten auf die Ge stürzten. Flüche wurden laut. Dann aber hasteten die Rostjäger aus dem Raum hinaus. Valara wartete, bis sie die Schritte nicht mehr hörte. Auf dem Weg, auf dem sie gekommen war, verließ sie den Raum. Sie prallte mitten auf einen Ferra ten, der breitbeinig auf dem Gang stand. Es war eine Frau, aber das hatte bei den unfruchtbaren Ferraten nur wenig zu bedeuten. Kämpfen konnten sie allemal. „Mit einem so faulen Trick habe ich gerechnet", sagte die Rostjägerin. Sie wollte nach Valara packen, aber die
Die Terra-Idealisten
wich geschickt aus. Sie versetzte ihrer Gegnerin einen Tritt vor das Schien bein und ließ die geballte Faust fol gen. „Bitte schön, Schwester der sech sten Sinnlosigkeit", fauchte sie dabei. Bevor die Ferratin sich besinnen konnte, traf sie ein Schlag an der Schläfe. Besinnungslos glitt sie zu Bo den. Für einen Augenblick überlegte Valara, ob sie der Ferratin die dunkel blaue Uniform abnehmen sollte, um sich selbst damit zu tarnen. Sie ließ den Plan aber schnell wieder fallen, denn sie konnte die Frau nicht irgendwo verschwinden lassen. Die Folge wäre nur gewesen, daß man sie dann noch besser erkannt hätte, als es in ih rer neutralen lindgrünen Kombina tion möglich war. Sie mußte jetzt schleunigst einen großen Abstand zwischen sich und ih re Verfolger bringen. Selbst wenn man sie erkannt hatte, und daran zwei felte sie eigentlich nicht, war das nicht weiter tragisch. Bei dem Durcheinan der, das auf der SOL herrschte, war es nur eine Frage von wenigen Tagen, bis über die Sache wieder Gras gewach sen war. Schließlich handelten die Ferraten nur im Auftrag der Brüder der dritten Wertigkeit, der Ahlnaten, und diese erhielten ihre Weisungen von der Spitze der SOLAG. Es gab genügend gute Verstecke in nerhalb der SOL. Auch wenn ihr Ak tionsradius nur auf die SZ-1 be schränkt war, war das kein Problem. Schließlich durchmaß die Kugelzelle 2 500 Meter, die Ringwulste nicht mit gerechnet. In der unteren Hälfte der SZ-1 (un ten war immer in Richtung des Mittel teils) gab es zwei Decks, wo vorwie gend die Extras untergebracht waren. Zu den Extras zählten alle Lebewe
17 sen, die freiwillig oder gewaltsam von fremden Planeten an Bord gekommen waren. Auch Piex zählte dazu. Da er aber keinerlei Intelligenz besaß und wie ein Haustier gehalten wurde, lebte er nicht bei den anderen Extras. Dort hoffte sie mit Hilfe von Argan U für ein oder zwei Tage unterzutau chen. Das Bärenwesen von Cur-Cur U würde ihr sicher behilflich sein. Sie eilte in Richtung des Zentrums der SZ-1, wo es die meisten Antigrav schächte gab. Damit kam sie auch in eine Zone, wo man regelmäßig auf mehr Menschen traf. Valara schätzte, daß in der Solzelle-1 etwa 30 000 Men schen lebten. In den beiden anderen Teilen der SOL waren es sicher jeweils noch einmal soviel. Auch die wirren Zustände waren dort sicher nicht an ders als hier. Es lag schon Jahre zurück, als sie zum letztenmal während einer Lan dung auf einem Planeten mit Men schen aus den anderen beiden Ab schnitten des Schiffes direkt gespro chen hatte. Eigentlich war das Schiff übervöl kert, aber 30 000 Menschen verliefen sich in der riesigen Kugel der SZ-1 doch so sehr, daß es viele Abschnitte gab, wo man niemand antraf. Beson ders in den Hangars und in deren Nä he war dies der Fall. Unterwegs begegneten ihr andere Solaner. Sie kümmerten sich nicht um die schnell laufende Frau. Überhaupt war es so, daß sich die Menschen ins gesamt auseinandergelebt hatten. Je der kümmerte sich um seine persönli chen Probleme. Sie traf auch auf einige Ferraten. Da diese aber nicht zu dem Kommando gehörten, das sie verfolgte, nahmen sie sie gar nicht wahr. Über einen Antigravschacht glitt sie nach unten. Am Eingang zu den Un
terkünften der Extras standen zwei Monster. Diese Nachkommen von gengeschädigten Solanern stellten ei ne kleine Gruppe in dem Schiff dar. Es waren Ausgestoßene, die in Verstek ken lebten und auf die regelmäßig Jagden gemacht wurden. Valara glaubte, daß die SOLAG dies duldete oder gar förderte, um ihren kampfge schulten Männern und Frauen ein psy chologisches Ventil der Abreaktion zu geben. Sie wußte ganz sicher, daß es auf Terra solche Mißstände nicht gab. Auch das war einer der Gründe, die Ideen der Terra-Idealisten mit aller Kraft voranzutreiben. Die beiden Monster glichen sich wie Zwillinge. Wahrscheinlich waren sie es auch, denn daß Genschäden zwei so ähnliche Mutationen hervorriefen, war undenkbar. Beide besaßen nur Stummelfüße, die ein richtiges Bewe gen nahezu unmöglich machten. Und beide besaßen Köpfe, die so groß wa ren wie der Rumpf. Sie m u ß t e an den beiden vorbei, denn sie saßen auf kleinen, mit Rollen versehenen Schlitten direkt vor dem Trakt, der zu Argan U und den Extras führte. „Das ist eine von den Troiliten", grunzte das eine Monster. Das andere bewegte seinen mächti gen Schädel zur Bestätigung langsam vor und zurück. Valara hatte Mitleid mit diesen Wesen. Ihrer Meinung nach waren sie ein Produkt des ständigen Aufenthalts im Weltraum und der ge fährlichen Arbeiten, die die Ferraten innerhalb des Schiffes durchführen mußten, seit SENECAs Roboterko lonnen nur noch spärlich anzutreffen waren. „Na, ihr beiden", sagte sie freund lich. „Laßt ihr mich bitte durch." „Troiliten-Weiber dürfen hier nicht
passieren." Im Unterschied zu dem er sten Sprecher hatte dieses Monster ei ne hohe Fistelstimme. Es rollte auf sei nem Schlitten noch ein Stück in die Mitte des Ganges. Jetzt war der Weg für Valara endgültig versperrt. ,,Es sei denn, du kaufst dich frei, Troiliten-Weib", grunzte der erste. „Und womit?" „Hast du etwas zu essen?" Die Terra-Idealistin griff in ihre Ta sche und zog Piex hervor. Wie immer legte das kleine Tier seine Stacheln glatt an den Körper, wenn er die Hand seiner Herrin spürte. „Eine K o k u s n u ß " , sagte Valara. „Kennt ihr das?" Die Monster streckten begierig ihre Hände aus. „Erst müßt ihr mich durchlassen", verlangte Valara. Eilig glitten die Ausgestoßenen aus einander, indem sie mit den Händen ihren Schlitten einen kleinen Stoß ga ben. Valara hatte nicht die Absicht, ih ren geliebten Piex diesen Wesen aus zuliefern. Sie hatte allerdings nicht mit der Reaktionsschnelligkeit der beiden gerechnet. Kaum war sie durch die entstandene Lücke geschlüpft, als das eine Mon ster seinem Schlitten einen Stoß gab. Blitzschnell schoß es auf die Frau zu und entriß ihr Piex. Valara sprang überrascht einen Schritt nach vorn. Im gleichen Augen blick ertönte das laute Geschrei des Ausgestoßenen. Piex hatte im Bruch teü einer Sekunde ein Stachelfell auf gerichtet. Erschrocken ließ das Monster ihn fallen. Aus seiner Hand tropfte Blut. Piex nutzte den Sturz geschickt aus. Er rollte sich zu einer exakten Kugel zusammen und kullerte auf Valara zu. Während sie ihn aufnahm und in die Tasche steckte, tobten die beiden
Die Terra-Idealisten
Monster los. „Elendes Troiliten-Weib! Betrüge rin! An armen Krüppeln vergreifen!" grunzte und schrie es hinter ihr. Sie kümmerte sich nicht weiter dar um, sondern eilte in den Wohntrakt der Extras hinein. In diesem Bereich war sie nur zweimal in ihrem Leben gewesen, um den Puschyden aufzusu chen. Hier herrschte ein dämmeriges Licht. In den Gängen und Fluren la gen die eigenartigsten Geräte herum. Teilweise war es Gerümpel und Ab fall. In der Luft lag ein undefinierbarer Geruch. Argan Us Kabine war ein winziger Raum. Das Bärenwesen lebte hier al lein. Eine Türautomatik gab es nicht. Valara m u ß t e anklopfen. „Herein, wenn es kein Bruder der vierten Wertigkeit ist", hörte sie in ge brochenem Interkosmo. Sie stieß die Tür zur Seite und trat in den Raum. Argan saß auf einem einfachen Leichtmetallhocker vor einem kleinen Tisch. Darauf hatte er sein Destillier gerät aufgebaut und teilweise zerlegt. Er sprang sofort auf, als er die Frau sah. „O Terranie wie hübsch, dich zu se hen." „Vorsicht mit diesem Namen, Klei ner, wenn wir nicht in Imperium-Al pha sind." „Es tut mir leid." Argan sank ein Stück in sich zusammen. „Mein De stilliergerät ist kaputt." „Ich stecke auch in der Klemme, Ar gan." Sie ließ absichtlich die Bezeich nung Terraner weg. „Ich konnte mei ne Verfolger zwar abschütteln, aber ich m u ß für eine Zeit untertauchen, denn ich glaube, man hat mich genau gesehen. Wenn du mir hilfst, helfe ich dir, deine Zuckerwassermaschine zu reparieren."
19 „Ich weiß, daß du verfolgt wirst", sagte der Puschyde naiv. „Vor weni gen Minuten ist ein Kommando der Ferraten hier gewesen und hat nach den Terra-Idealisten gesucht." „Hier bei den Extras?" Valara war verblüfft. Argan nickte. „Dann scheinen sie diesmal wirklich eine große Aktion gegen uns durchzu führen", sinnierte sie. „Ich muß schleunigst von der Bildfläche ver schwinden." „Was ist eine Aktion?" fragte Argan. Er hatte stets Schwierigkeiten mit den sprachlichen Begriffen. Seine Hei matsprache mußte ganz anders sein, denn trotz vieler Jahre unter Solanern war es ihm nie gelungen, alles richtig zu verstehen oder auszusprechen. „Das ist unwichtig. Ich brauche ein Versteck." „Für dich tue ich alles, Terranie... ich meine . . . " Der Puschyde kam ins Stocken. Wahrscheinlich kannte er Valaras richtigen Namen nicht oder ef hatte ihn vergessen. Er schluckte. „Willst du hier bei uns bleiben? In meiner Kabine ist zu wenig Platz. Die anderen Extras könnten dich verra ten. Für einen Vorteil verkaufen sie al les." „Nicht nur die Extras, Kleiner. Vorn am Eingang sitzen zwei Monster. Sie hielten mich für eine Angehörige der Troiliten und wollten Piex auffres sen." „Die beiden sind harmlos und dumm", behauptete Argan. „Was sind denn Troiliten?" „Das ist auch unwichtig, Kleiner." „Ich möchte es aber wirklich gern wissen, Terranie." „Du kennst doch die Brüder und Schwestern der Wertigkeiten." „Ja, natürlich. Es gibt sechs Klas sen."
„Stimmt. Und die Brüder der fünf ten Wertigkeit heißen Troiliten. Das Dumme daran ist nur, daß niemand wirklich weiß, ob es sie überhaupt gibt. Viele reden von ihnen, aber gese hen oder erlebt hat die Troiliten mei nes Wissens noch keiner." „Dann ist es wirklich nicht wichtig", meinte der Puschyde treuherzig. „Du kannst gern bei mir bleiben. Ich bin mit allem einverstanden." „Wenigstens ein paar Stunden, Ar gan. Vielleicht bist du so freundlich und siehst dich draußen noch einmal um." „O ja, gern", beeilte sich der kleine Schuppenbär. „Du kannst dich ja in zwischen um meine Destillieranlage kümmern." Ohne eine Antwort abzuwarten, eil te er hinaus. Valara Brackfaust war allein. Sie dachte über ihre Lage nach, und sie fand, daß sie nicht schlechter und nicht besser war als in den letzten Jah ren. Der Verlust der Männer und Frauen aus ihrer engsten Gruppe war schmerzlich, aber sie rechnete nicht damit, daß diesen etwas Ernsthaftes geschehen könnte. Wahrscheinlich würde man sie schon nach wenigen Tagen freilassen. Danach mußte sie al lerdings besonders vorsichtig sein. So mancher ihrer Anhänger hatte sich schon von der SOLAG umdrehen las sen und Verrat geübt. Die Geschehnis se des heutigen Abends ließen etwas Ähnliches vermuten. Schließlich untersuchte sie Argans Gerät. Es war eine ganz einfache Ma schine, und sie fand den Fehler schon bald. Ein Anschluß oberhalb des Ver dunstungskolbens war aus der Halte rung gerutscht. Der gutmütige Pu schyde verstand selbst von solch ein fachen technischen Dingen zu wenig, um mit diesem Problem fertig zu wer
den. Dann zog sie Piex aus der Tasche und streichelte ihn liebevoll. Der klei ne Kerl streckte seinen kaum daumen nagelgroßen Kopf aus den Stacheln und schnupperte an ihrer Hand. „Du hast Hunger, Piex", sagte sie leise. „Mir geht es nicht anders. Es ist schon nach Mitternacht, und ich weiß nicht, wann wir wieder in unsere Ka bine kommen." Als ob Piex sie tatsächlich verstan den hätte, zog er den Kopf wieder ein. Sie hängte ihn vorsichtshalber an die einzige Schranktür von Argans Wohn raum. Nur wenn der Extra in dieser Position war, fühlte er sich wohl und konnte sie warnen. Der Puschyde kam schon eine halbe Stunde später zurück. Valara wollte gerade einnicken, als sich die Tür öff nete. Argan U war sichtlich erregt. Er warf nur einen kurzen Blick auf sein Destilliergerät. Obwohl es einwand frei funktionierte, ging er nicht darauf ein. „Ich will dich nicht vergraulen, Ter ranie, aber es sieht nicht gut aus. Ir gend jemand scheint von den beiden Monstern gehört zu haben, daß eine Solanerin — entschuldige das Wort — bei den Extras ist. Er hat die Ferraten benachrichtigt, und zwei Trupps von ihnen sind auf dem Weg hierher." „Danke, Kleiner." Sie war sofort auf den Beinen, und die Müdigkeit war wie verflogen. Rasch steckte sie Piex in ihre Tasche. „Am besten ist es, wenn du den gan zen Wohntrakt durchquerst. Vom anderen Ende kommen die Rostjäger bestimmt nicht. Neben dem normalen Antigrav gibt es auch einen für La sten. Vielleicht nimmst du besser den." „Ich melde mich wieder, Terraner
Die Terra-Idealisten
Argan U. Bis dann." Während sie in den Wohnabschnitt der Extras hineinlief, hörte sie hinter sich Stimmen. Rasch verbarg sie sich in einer Nische. Jetzt war tiefe Nacht in der SOL. Die Lampen waren abge dunkelt, und überall herrschte Ruhe. Das Klappern der Stiefel war dadurch um so deutlicher zu hören. Tatsächlich kamen drei Ferraten den Gang entlang. Ein normal geklei deter Solaner, ein noch junger Mann, war bei ihnen. Er deutete auf die Tür zu Argan Us Wohnkabine. , Armer Argan, dachte Valara. Durch deine Hilfsbereitschaft kommst du jetzt noch in Schwierigkeiten. Unweit von ihr war ein Antigrav schacht, der mitten in dem Wohnab schnitt der Extras endete. Von dort waren jetzt auch Geräusche zu hören. Da der Puschyde von mehreren Trupps der Rostjäger gesprochen hat te, zögerte sie nicht länger. Auf leisen Sohlen eilte sie durch den Gang. Schon nach einer kurzen Strecke kam eine Treppe, die nach oben führte. Sie sprang die Stufen hinauf. Dadurch war eventuellen Beobachtern und Verfolgern hinter ihr die Sicht ver sperrt. Bis zu den Antigravschächten waren es noch 300 Meter. Valara rannte, aber sie teilte sich ihre Kräfte ein. Zwei Ex tras kamen ihr entgegen und blieben erstaunt stehen. Die Fremden erinnerten sie an Bil der von Känguruhs, die sie in einem alten Buch über die Erde gesehen hat te. Sie hielt kurz an. „Könnt ihr mich verstehen?" „Natürlich", antwortete einer der beiden. Dann schob er seine Arme in den Bauchbeutel und hob erwar tungsvoll den schmalen Kopf. „Wenn euch jemand fragt, ob ihr mich gesehen habt, so sagt bitte nein."
21 „Hast du etwas zu essen bei dir? Oder eine Waffe?" Valara verneinte wahrheitsgemäß. „Haben die, die dich verfolgen, et was?" Sie machte die Dummheit und sagte ganz ehrlich: „Das könnte sein, warum?" „Dann werden wir denen sagen, daß wir dich gesehen haben", bekam sie zur Antwort. Die beiden Extras drehten sich um und setzten ihren Weg fort. Valara knirschte mit den Zähnen, aber sie eilte weiter. Schließlich er reichte sie die beiden Antigravschäch te. Vorsichtshalber nahm sie Piex aus der Tasche und heftete ihn neben dem Lastenschacht an die Wand. Der klei ne dunkelgrüne Igel fiel sofort zu Bo den. Sie versuchte es mit dem Personen schacht, aber das Ergebnis war das gleiche. Seitliche Abzweigungen gab es hier nicht. Wenn Piex sich nicht irrte, dann saß sie in der Falle. Die Reaktionen des kleinen Tieres deutete sie so, daß an beiden Enden der Antigravschäch te jemand auf sie wartete. Es gab noch einen breiten Belüf tungsschacht, den man zur Not er klimmen konnte. Sie hängte Piex un ter die Öffnung. Diesmal blieb der Igel an der Wand hängen. Rasch verstaute sie ihn wieder. Der Schacht führte nur nach oben, und die kleinen Trittbretter an einer Seite waren für einen speziellen Robo ter gebaut. Die Terra-Idealistin hatte Schwierigkeiten, nach oben zu klet tern. Sie kam nur langsam voran. Als unter ihr Stimmen zu hören wa ren, hielt sie an. In ihrer Umgebung war es stockdunkel. Wenn jemand auf die Idee kam, in den Schacht zu leuch ten, dann war alles aus.
22
ATLAN
Langsam und vorsichtig kletterte Diesmal blieb der kleine Igel an der sie weiter, wobei sie jedes Geräusch Wand hängen. Sie ließ ihn dort, aber vermied. Die Stimmen von unten ihre eine Hand war dicht darunter, da konnte sie nicht verstehen, weil der sie in der Dunkelheit das Tier nicht se Schacht die Laute so brach, daß alles hen konnte. nur verzerrt ankam. Sie konnte aber Endlich wurde es unten ruhig. Die erkennen, daß es sich um ihre Verfol Ferraten schienen sich zu entfernen. ger handelt. Es war ihr Glück, daß sie sich nicht nä Innerlich verfluchte sie die beiden her mit dem Luftschacht befaßt hat Monster vor dem Wohntrakt der Ex ten. Obwohl die waagrechte Abzwei tras, denn auf die ging der Verrat letzt lich zurück. Die Gier nach Nahrung gung, an deren Anfang sie nun hockte, Macht oder Einfluß und der pure Ego voller Dreck und Staub war, beschloß ismus bestimmten zu viele Gescheh Valara, auf diesem Weg ihre Flucht fortzusetzen. Sie hatte keine Kraft nisse in der SOL. Während sie weiterkletterte, dachte mehr, um noch weiter nach oben zu sie sehnsuchtsvoll an das Leben auf klettern. Allerdings hatte sie auch kei der Erde. Daß sie sich dabei alles viel ne Ahnung, wohin sie dieser Weg füh zu ideal ausmalte, merkte sie nicht. ren würde. Die Richtung zeigte von dem Wohntrakt der Extras weg. Aller Sie konnte es gar nicht. Ihre Hand tastete plötzlich ins Lee dings war sie jetzt schon mindestens zwei Zwischendecks darüber. re. Hier war eine seitliche Abzweigun Sorgfältig verstaute sie Piex. Dann des Luftschachts. Rasch kroch sie an den waagrechten Stollen. Sie brauch wagte sie es, ihre Lampe kurz einzu schalten. Ein Ende des Querschachts te eine Erholungspause. Das Glück stand ihr zur Seite. Kaum war nicht abzusehen. Sie kroch langsam auf Händen und hatte sie die Beine nachgezogen, da flackerte der Strahl einer Lampe Füßen voran. Mehrmals glaubte sie Stimmen in ihrer Nähe zu hören, aber durch den Schacht. Sie hörte ein paa Wortfetzen, die dumpf an ihr Ohr wenn sie anhielt, war alles ruhig. drangen. Später hätte Valara Brackfaust nicht „ . . . alles möglich . . . hinterher . . . sagen können, wie lange der Schacht gewesen war. Ihr kam es wie eine verrückt... m ü d e . . . " Einen genauen Reim konnte sie sich Ewigkeit vor, und doch waren es nur nicht daraus machen. Nur bei dem knapp einhundert Meter. Die Er Wort müde wurde sie daran erinnert, schöpfung spielte ihren Sinnen einen daß sie selbst sehr erschöpft war. Die Streich. Leuchtziffern ihrer Armbanduhr zeig Der Schacht endete vor einem Git ten an, daß es kurz nach zwei Uhr ter. Dahinter war alles dunkel und nachts war. still. Sie holte noch einmal ihre Lamp Sie holte Piex hervor und versuchte heraus und leuchtete durch den feinen ihn an die seitliche Begrenzung des Maschendraht. Schachtes zu heften. Piex fand aber Etwa zehn Meter unter ihr war ein keinen Halt, wie sie merkte, denn Boden. Etwas weiter entfernt standen dichter Staub bedeckte alle Flächen. staubbedeckte Gleiter, wie sie als Sie fegte eine Stelle frei, so gut es »Fahrzeuge auf Planetenoberflächen ging. Dann versuchte sie es erneut. benutzt wurden. Menschen waren
Die Terra-Idealisten
23
nicht zu sehen, und es brannte auch Die Gleiter waren alle versiegelt. Ein nirgendwo ein Licht. Eindringen war unmöglich. Es mußte Der Maschendraht leistete ihr kei irgendwo einen Flecken in dieser nen großen Widerstand. Sie trat mehr trostlosen Welt geben, wo sie sich hin mals dagegen, bis die Öffnung frei legen und ausruhen konnte. war. Sorgen bereitete ihr die Tiefe, Das Licht ihrer Lampe fiel auf eine aber sie mußte hinunter. kleine Tür. Hier gab es sicher einen Mit den Beinen voran kletterte sie Nebenraum oder etwas Ähnliches. aus der Öffnung. Die Dunkelheit war Ihre F ü ß e wurden immer schwerer. beängstigend, denn sie konnte den Der Türmechanismus funktionierte Boden unter ihren Füßen nicht einmal erstaunlicherweise, obwohl Valara sehen. meinte, daß hier schon seit Jahren nie Mit den Händen hielt sie sich an mand gewesen war. dem Rahmen fest, bis ihr Körper senk Sie war noch erstaunter, als hinter recht nach unten hing. Dann ließ sie der Tür Licht brannte. Da sie sehr er los. schöpft war, trat sie in den kleinen Der Aufprall kam früher, als sie ge Raum. dacht hatte. Dennoch wurde sie nach Vor sich sah sie einen hochgewach hinten gerissen und schlug schmerz senen Mann, der völlig fremd aussah. haft auf dem Stahlboden auf. Ge Die rötlichen Augen und das lange sil schickt rollte sie sich auf die linke Sei berfarbene Haar ließen sie im ersten te, um Piex nicht einzuquetschen. Moment vermuten, es handle sich um „Eine Terranerin kennt keinen einen Extra. Schmerz", murmelte sie sarkastisch, Ein Lächeln flog über das Gesicht während sie aufstand. Sie holte ihre des Mannes. Als er sprach, hörte sie ei Lampe heraus und freute sich, daß sie nen fremden Akzent, aber sie konnte den Sturz unbeschädigt überstanden jedes Wort verstehen. hatte. „Ich würde dir gern die Hand ge „Terranische Wertarbeit", murmelte ben", sagte der Mann, „aber ich glau sie noch einmal. Dann machte sie sich be, du solltest dich erst einmal wa auf den Weg. schen." Die Halle mit den Gleitfahrzeugen Das weibliche Element brach in Va war etwa 50 mal 50 Meter groß. Valara lara durch. Sie blickte an sich herun suchte keinen Ausgang. Sie wollte ter. Ihre schöne lindgrüne Kombina sich irgendwo verkriechen und ausru tion war voller Staub und Dreck. hen. In ihren Gedanken stellte sie sich „Natürlich, Terraner", sagte sie in eine grüne Bergwiese vor, die in safti ihrer Verwirrung. gem Grün erstrahlte und auf der bunte Blumen wuchsen. Die metallenen Maschinen ringsum 4. bildeten einen grotesken Gegensatz zu ihren Vorstellungen. Ihre unbe Der Raum war etwa 120 Quadratme schreibliche Sehnsucht nach freier ter groß. Er lag im Mittelteil der SOL, Natur und festem Erdboden brach in unmittelbar neben der Hauptkom diesem Augenblick voll in ihr durch. mandozentrale des Hantelraum Sie strich sich die Haare aus dem schiffs. Auf einer Seite führten sieben Gesicht und machte sich auf den Weg. Podeste nach oben. Auf dem obersten
24
Absatz eines der Podeste stand ein thronähnlicher Sessel, von dem aus die wichtigsten technischen Einrich tungen bedient werden konnten. In diesem Sessel saß Chart Deccon, der High Sideryt und alleiniger Herr über alles in der SOL. Das glaubte er zumindest. Daß die Biopositronik SENECA nicht voll funktionierte, schrieb er technischen Mängeln zu, die man mit der Zeit beheben würde. Zu dem technischen Inventar gehör ten mehrere Interkomanschlüsse, die zu allen wichtigen Punkten der SOL führten, insbesonders zu den Leitzen tralen in der SZ-1 und SZ-2. Die Ver bindung zur Zentrale im Mittelteil war so ausgelegt, daß er praktisch jeden Winkel sehen konnte. In wichtige Schaltsysteme konnte der High Side ryt von hier aus direkt eingreifen. Eine besondere Bildsprechstelle war direkt zu SENECA geschaltet. Ge genüber den Podesten stand ein um fangreiches Kontrollpult mit mehre ren Bildschirmen. Hier konnte Chart Deccon nicht nur in allen Einzelheiten verfolgen, was in der Zentrale ge schah. Auch alle Zustandsmeldungen der SOL konnten hier abgelesen wer den. Zwei Türen führten in die Neben räume. Einer davon war der Ruhe raum, hinter der anderen waren die sa nitären Einrichtungen. Der Haupteingang, der zu dem zen tralen Korridor des Mittelteils der SOL führte, war in der Regel verrie gelt. Mehrere Kontrolleinrichtungen mit von außen unsichtbaren Kameras hingen darüber. Außer diesem Ein- und Ausgang gab es noch einen zweiten. Aber den kannte nur der High Sideryt. Chart Deccon hatte von diesen Einrichtun gen erst erfahren, als ihn seine Vor gängerin in dieser Funktion, die Sola-
ATLAN
nerin Tineidbha Daraw, vor über zwei Jahren in sein Amt einführte. Davor war er als einer der Brüder der ersten Wertigkeit oft in diesem Raum gewe sen, den ein ihm nicht bekannter High Sideryt vor vielen Jahren oder Jahr zehnten eingerichtet hatte. Der zweite Ausgang war weder von innen, noch von . außen erkennbar. Deccon benutzte ihn gelegentlich, wenn er mit Maske auf seine Streifzü ge durch die SOL ging, um sich per sönlich von den Zuständen in dem Schiff zu überzeugen. Es gab noch weitere Sicherheits maßnahmen. In der Mitte des Raumes tarnte ein kleiner, runder Tisch eine Fluchtröhre, die direkt in eine neutra le Zone führte, die mehrere Decks tie ferlag. Zu den unmittelbaren Abwehrmaß nahmen gehörten Projektoren, die verschiedene Schutzschirme aufbau en konnten, die den Raum hermetisch nach allen Seiten abriegelten. Dazu kam eine Leibwache von sieben Kampfrobotern, die nur auf die Stim me des High Sideryt reagierten. Die Roboter ständen, für Besucher un sichtbar, hinter einer Tarnwand. Sie waren ständig in voller Betriebsbereit schaft und konnten somit jederzeit ih re Waffenarme ausfahren. Die sonstige Einrichtung vermittel te den Eindruck von Einsamkeit und düsterer Stimmung. Helle Lichter brannten in der Regel nicht. Das Ge brauchsmobüiar, soweit es nicht zu den technischen Einrichtungen gehör te, war aus klobigem schwarzen Holz. Die vielen technischen Geräte be stimmten die Grundtendenz. Auch die Teppiche, die den Boden ausfüllten, und die an freien Stellen der Wände hingen, konnten diesen Eindruck ei ner düsteren Kälte kaum mildem. Kein Bild oder ein Spiegel lockerte
Die Terra-Idealisten
den Raum etwas auf. Chart Deccon regelte die Empfänger der Normal- und Hyperfunkanlagen herunter, weil über einen der Interko manschlüsse der Eingang einer Mel dung angezeigt wurde. In seinen ruhi gen und grüblerischen Stunden war das statische Rauschen der Funkemp fänger seine einzige Begleitmusik. Er aktivierte den Interkoman schluß, ohne seine eigene Bildübertra gung einzuschalten. Es war einer sei ner Vystiden-Offiziere, und zwar der Mann, der ihm vor Stunden gemeldet hatte, daß einige Ferraten von einem geheimen Treffen der Terra-Idealisten erfahren hatte. „Wir haben einen großen Erfolg er zielt", meldete der Mann in dem sil bernen Anzug. „Fast alle Angehörigen der zentralen Gruppe in der SZ-1 konnten gefaßt werden." „Fast alle?" fragte Deccon gedehnt. Er sah, wie der Vystide schluckte. „Die Anführerin und vielleicht ein oder zwei weitere Mitglieder konnten entkommen. Es gab einen geheimen Ausgang aus dem Raum, den die Ter ra-Idealisten vorher angelegt hatten. Wir wissen aber mit Bestimmtheit, wer die Anführerin ist. Sie heißt Va lara Brackfaust. Die Ferraten sind auf ihrer Spur." „Ich will, daß diese Frau gefangen wird." Damit unterbrach der High Si deryt die Verbindung ohne Vorankün digung. Pünktlich zur festgelegten Zeit mel dete sich kurz danach einer der zehn Magniden. Auch sein Bericht erfreute Deccon nur wenig. Der Fremde, der seit wenigen Tagen in der SOL war, und von dem er durch die Buhrlos erfahren hatte, war immer noch nicht gefaßt. Der geheimnisvolle Mann interessierte den High Sideryt ganz besonders, denn sein Gefühl sag
25 te ihm, daß er wichtig war. Auch hier gab er die Anordnung, mit allen Mitteln weiter nach diesem Mann zu suchen. Dann widmete er sich wieder sei nem Hauptproblem. Die SOL wurde seit Tagen von einem in seiner Struk tur weitgehend unbekannten Zug strahl in ein unbekanntes Sonnensy stem gezogen. Mausefalle hatte man dieses mittlerweile genannt. Nach al lem, was bisher feststand, schien es sich tatsächlich um eine riesige Falle zu handeln. Noch war etwas Zeit, aber irgendwann in den nächsten Tagen mußte Chart Deccon den großen Fluchtver such wagen, wenn die SOL nicht an ei nem der Planeten oder gar an der Mau sefalle-Sonne zerschellen sollte. Die inneren und die äußeren Gefah ren des Hantelraumschiffs ließen dem mächtigen Mann keine Ruhe. Sein ei gentliches Ziel, nämlich den Solanern eine sinnvolle Aufgabe zu geben, mußte er in Anbetracht dieser Zwän ge zurückstellen. Chart Deccon hatte alle Fäden in der Hand. Aber er fühlte sich vor den Pro blemen und in seiner Abgeschieden heit nicht wohl.
Atlan wartete geduldig, bis die Frau sich in der kleinen Naßzelle den gröbsten Dreck abgewaschen hatte. Inzwischen rückte er zwei Stühle des einfachen Mobiliars zurecht. „Wie heißt d u ? " war seine erste Frage. Valara Brackfaust nannte ihren Na men. Sie starrte den Mann voller Ver blüffung an, denn er ließ sich in keine der ihr bekannten Personengruppen einordnen. Sie folgerte daraus, daß er nur von der SZ-2 stammen konnte. Ih
26
re persönlichen Verbindungen zum Mittelteil der SOL waren zwar nicht gerade gut. Von Candyr Hartz und La mina Floter, die gelegentlich im Raum mit anderen Buhrlos aus dem Mittel teil zusammengetroffen waren, wußte sie aber noch über die wichtigsten Fakten Bescheid. Über die SZ-2 war ihr Kenntniss'tand sehr dürftig. Alles, was ihr bekannt war, war die Tatsa che, daß es dort auch eine Bewegung der Terra-Idealisten gab. Nur die Angehörigen der SOLAG konnten sich frei im ganzen Schiff be wegen. Die Kontrollen an den Naht stellen des Mittelteils zu den beiden Solzellen waren außerordentlich stark und praktisch nicht zu umgehen. „Du kommst sicher von der SZ-2, oder?" fragte Valara neugierig und vorsichtig. „Wie heißt d u ? " Atlan schüttelte den Kopf. „Ich se he, daß du ein ehrliches Gesicht be sitzt, Valara, also will ich dir auch die Wahrheit sagen. Ich komme nicht von der SZ-2 sondern von draußen. Mein Name ist Atlan." „Atlan?" echote die Terra-Idealistin. Sie legte den Kopf zur Seite und starrte den Arkoniden durchdringend an. Ein unsicheres Zucken flog um ih re Mundwinkel. Aus den Schriften, Filmen und sonstigen Unterlagen, die sie seit Jahren sammelte und auswer tete, kannte sie die Geschichte Terras durch und durch. Freilich endeten ih re Informationen an dem Tag, als die SOL in ihre Eigenständigkeit entlas sen worden war. Auch die wichtigsten Persönlichkeiten der terranischen Ge schichte waren ihr geläufig. „Doch nicht etwa der Atlan?" Ihre Frage klang so, als lauere sie auf ein Wunder. „Doch", lächelte der Arkonide. „Der Atlan." Sie trat auf ihn zu und legte ihre
ATLAN
Hand auf seine Brust. Als sie dort un ter der Kombination eine kleine Erhö hung verspürte, zog sie die Hand wie elektrisiert zurück. Das konnte nur der Zeilaktivator sein. „Tatsächlich", murmelte sie. Ihre Müdigkeit war wie verflogen. Sie wit terte förmlich die Chance ihres Le bens. Wenn dieser Mann der echte At lan war, dann besaß sie endlich das entscheidende Mittel, um der Bewe gung der Terra-Idealisten zum völli gen Durchbruch zu verhelfen. Noch war sie mißtrauisch. Mißtrau en war schon fast ein angeborener Zug aller Solaner. Und letztlich war auch sie eine Solanerin, auch wenn sie sich den Namen Terranie zugelegt hatte. „Warte", sagte sie rasch. Dann zog sie Piex aus ihrer Tasche und heftete ihn an Atlans Brust. „Er tut dir nichts", erklärte sie dazu. „Piex ist mein Warner. Er hat einen sehr fein'en Instinkt für Gefahren." Tatsächlich blieb der kleine Igel an der Kombination des Arkoniden hän gen. Der ließ die seltsame Prozedur geduldig über sich ergehen. Valara steckte Piex wieder ein. „Du bist tatsächlich Atlan. Bist du der ge heimnisvolle Fremde, der angeblich vor ein paar Tagen auf der SOL aufge taucht sein soll? Ich habe von solchen Gerüchten durch meine Verbindungs leute gehört." „Der m u ß ich wohl sein." Atlan setz te sich auf einen der Stühle und deute te der Frau an, auch Platz zu nehmen. „Dann kann dich nur Perry Rhodan geschickt haben. Du sollst die SOL aus dem Chaos retten und die Terra ner zur Erde zurückbringen." Atlan war vorsichtig und zurückhal tend. Er spürte, daß sich Valara in eine Begeisterung steigerte, aber er kannte die Hintergründe ihrer Argumente und ihres Verhaltens noch nicht.
28
„In etwa stimmt das", sagte er da her. „Aber nicht Perry Rhodan hat mich geschickt. Es gibt aber gute Gründe dafür, daß ich hier bin." „Fantastisch." Valara klatschte vor Freude in die Hände. „Hübsch", fügte sie dann hinzu und fiel dabei unbe wußt in Argan Us Redeweise. „Ich vermute, daß du hier auf dem Schiff auch verfolgt wirst." „Das ist richtig. Ich m u ß mich erst einmal verbergen, um die Verhältnis se auf der SOL besser kennenzuler nen." „Ich bin auch auf der Flucht. Ich bin die Chefin einer großen Organisation, der Terra-Idealisten. Wir wollen zu rück auf den festen Boden eines Planeten, am besten zur Erde. Wir stecken in einer Sackgasse, denn die SOLAG geht mit rabiaten Mitteln ge gen uns vor. Aber mit deiner Hilfe werden wir es schaffen. Du weißt si cher am besten, wo die Menschen hin gehören. Und wo die SOL hingehört." Atlan schwieg. Er war betroffen. Einerseits konnte er Valaras Wünsche nur zu gut verstehen. Es wäre auch in seinem Sinn gewesen, die wirren Ver hältnisse auf der SOL durch einen en gen Kontakt mit Terra zu beseitigen. Und doch wußte er, daß das zumin dest jetzt unmöglich war. Er hatte eine große Aufgabe zu erfüllen, und die SOL sollte sein Hilfsmittel dabei sein. Den Auftrag hatten ihm die Kosmo kraten jenseits der Materiequelle ge geben, und Atlan hatte sich ihr mit Leib und Seele verschrieben. Dieser Auftrag aber bedeutete, daß das Schiff noch sehr lange unterwegs sein wür de, daß die Solaner nur selten einen Planeten aus der Nähe erleben wür den und ihr Aufenthaltsort nur die SOL sein konnte. Er behielt diese Überlegungen für sich, denn er wollte Valara nicht ent
ATLAN
täuschen oder deprimieren. Nach al lem, was er bisher auf dem Schiff er lebt hatte, gab es hier kaum noch tat kräftige und selbstbewußte Men schen, die ein klares Ziel vor Augen hatten. „Es wird alles so kommen", sagte er daher ausweichend, „daß alle Men schen zufriedener und glücklicher sein werden. Aber du weißt sicher, daß dies ein langer Weg sein wird." Valara Brackfaust strahlte Überzeu gungskraft und Willen aus. Sie konnte ihm jetzt, da er erst kurz auf dem Schiff war, eine wertvolle Hilfe sein. „Was ist mit den Solanern los?" frag te er. „Ich habe das Gefühl, daß hier alles drunter und drüber geht. Oder gilt das nur für die SZ-1?" „Ich sehe, du brauchst Informatio nen. Alles weiß ich natürlich auch nicht. Meines Wissens nach herrschen im Mittelteil und in der SZ-2 etwa die gleichen Zustände wie hier. Jeder kümmert sich um sein eigenes küm merliches Dasein. Hilfe zu bekom men, ist fast unmöglich, es sei denn, man besitzt ein paar wirklich gute Freunde. Jeder will eine Verbesse rung der Zustände, aber in der Regel nur für sich. Meistens geht es nur um die tägliche Ernährung oder einfach ums Überleben schlechthin. Außer meinen Terra-Idealisten gibt es noch andere kleine Gruppen, die mehr oder weniger gegen den High Sideryt und die SOLAG vorgehen, um die Miß stände zu beheben. Man m u ß sehr vor sichtig sein. Die Vystiden, Ahlnaten und Ferraten können jederzeit auftau chen und einem Schwierigkeiten ma chen. Und wenn die es nicht sind, sind es die Extras oder die Monster oder einfach herumstreunende Solaner, die sich als Diebe und Räuber betätigen. In meinen Augen ist die ganze SOL ein kranker Körper mit einer sehr un
Die Terra-Idealisten
sicheren Zukunft. Vielleicht verstehst du jetzt, warum ich mit aller Macht für die Ziele der Terra-Idealisten kämpfe." Atlan nickte. „Da ich gerade von Vorsicht sprach", fuhr Valara fort. „Ich m u ß Piex aufhängen." Sie zog den dunkelgrünen kleinen Kerl wieder heraus und heftete ihn an die Wand. „Er wird uns warnen, wenn Gefahr droht." „Was ist mit SENECA? Warum sorgt er nicht für Ordnung? Er besitzt doch alle Möglichkeiten dafür. Ich kenne seine Programme und Aufgaben." „Ich weiß es nicht. Einige glauben, daß der High Sideryt die Biopositro nik nur für sich beansprucht. Ich kann das nicht akzeptieren. Aus meinen Unterlagen, die über 200 Jahre alt sind, geht eindeutig hervor, daß SE NECA eine solche Abkapselung und Bevormundung niemals erlauben würde." „Ich stimme dir zu. Was ist es also?" „Die Gerüchte besagen, daß SENE CA defekt ist. Angeblich soll nur noch der biologische Teil zufriedenstellend arbeiten. Es ist wohl viel Wissen um die technischen Dinge der SOL verlo rengegangen, sonst hätte man SENE CA längst repariert." Atlan mußte sich mit dieser unge nauen Auskunft zufriedengeben, denn Valara wußte nicht mehr darüber. „Ich bin müde und hungrig", sagte Valara plötzlich zusammenhanglos. Sie blickte auf ihre Uhr. Es war fünf Uhr morgens, und sie hatte seit über 24 Stunden nicht geschlafen. Der Arkonide zog ein paar Konzen tratwürfel hervor und legte sie auf den Tisch. Aus der Naßzelle holte er einen Becher Wasser. „Mehr kann ich dir nicht anbieten, Valara. Mein Organisationstalent ließ
29 sich bei den wirren Zuständen nur we nig anwenden. Selbst die Kombina tion, die ich trage, m u ß t e ich stehlen, um einen Ersatz für meinen Rauman zug zu haben." Valara kaute gemächlich auf dem Konzentratwürfel. „Du hast mir von den Zuständen in der SOL erzählt." Atlan wirkte sehr nachdenklich. „Weißt du auch, wie es draußen aussieht?" „Draußen ist das Weltall." Valara zuckte mit den Schultern. Doch dann blickte sie Atlan plötzlich tief in die Augen. „Oder meinst du die Gerüchte, die sich seit Tagen halten? Angeblich fliegen wir in den Schlund eines riesi gen Ungeheuers. Andere wollen wis sen, daß wir in die Fänge eines Black Holes geraten sind, und daß uns dieses nicht mehr losläßt. Wieder andere sprechen einfach von dem Unfaßba ren, das uns vernichten wird. Wahr scheinlich sind das alles Spinnereien, die aus der Unzufriedenheit und Un zulänglichkeit der Menschen geboren werden. Die Black-Hole-Märchen gab es schon immer. Das m u ß daran lie gen, daß die SOL einmal vor Urzeiten durch ein schwarzes Loch flog. Ich glaube, es war in der Galaxis Balayn vargarn." „Balayndagar", sagte Atlan. „Das ist in der Tat lange her. Es war im Jahr 3578. Allerdings war ich damals nicht an Bord. Damit haben die derzeitigen Gerüchte nichts zu tun. Weltraumun geheuer gibt es auch nicht, aber das ändert nichts daran, daß die Gefahr draußen wirklich besteht, und daß sie vielleicht größer ist als die innere." „Die Gefahr besteht wirklich?" Va lara schluckte den letzten Bissen her unter und nahm einen Schluck Was ser. „Weißt du mehr davon?" „Was ich weiß, ist, daß die SOL von einem überstarken Traktorstrahl oder
30 einem ähnlichen Energiefeld in das In nere eines großen Sonnensystems ge zogen wird. Warum das so ist, und was uns dort erwartet, ist völlig unklar. Ich habe auch das Gefühl, daß die derzei tige Führung des Schiffes vor einem unlösbaren Problem steht." „Der High Sideryt ist ein Versager", meinte Valara abfällig. „Und außer dem ist er ein Tyrann, ein Diktator, ein unmenschlicher Alleinherrscher. Auf Terra hätte es so etwas niemals gege ben." Atlan äußerte nichts zu dieser ideali stischen Bemerkung Valaras. Schließ lich kannte er die Geschichte der Menschheit aus der Zeit vor dem Auf bruch ins Weltall besser als jeder an dere. Sein fotografisches Gedächtnis spielte in schneller Folge die Bilder ei ner Reihe terranischer Despoten in sein Bewußtsein, die alle schlimmer waren, als es dieser Chart Deccon sein konnte. Oder irrte er sich etwa? Die nächsten Wochen würden diese Frage beantworten, wenn es ihm ge lang, Einfluß zu gewinnen, am Leben zu bleiben und seine Ziele zu verwirk lichen. Die SOL m u ß t e gerettet wer den. Und dann war da der Auftrag der Kosmokraten. Das Ziel der SOL hieß Varnhag her-Ghynnst. Das erste Ziel. Von dem nächsten besaß er nur die Koordina ten. Es waren aber nicht die Koordina ten der Erde. Atlan wurde durch einen dumpfen Fall aus seinen Gedanken gerissen. Er staunt blickte er auf Piex. Das kleine Igelwesen rollte langsam über den Bo den auf Valara Brackfaust zu.. „Gefahr, Atlan", sagte die TerraIdealistin. „Das ist Piex' Warnsignal." „Bist zu sicher?" „Ganz sicher."
ATLAN
Er deutete ihr an zu schweigen. Ge meinsam lauschten sie. Tatsächlich waren aus dem Gleiter hangar Schritte zu hören. Schwere Stiefel knallten auf den Metallboden. Atlan löschte schnell das Licht in dem Raum, während Valara Piex verstaute. Auf leisen Sohlen schlich der Arko nide zur Tür und öffnete sie einen Spalt. Die Lichtreflexe von Schein werfern huschten über die Wände. „Da", sagte eine Frauenstimme. „Der Luftschacht wurde aufgebro chen." „Dann war sie hier", antwortete ein Mann. „Vielleicht ist sie noch hier." Diese Stimme klang herrisch. „Besetzt die Ausgänge und sucht alles ab." Atlan schloß die Tür wieder. „Komm", flüsterte er und packte Valara am Oberarm. „Es gibt einen Ausgang nach hinten, der in eine ähn liche Halle führt." Sie tasteten sich vorsichtig durch das Dunkel. Atlan hatte sich die Umgebung genau eingeprägt. Auch ohne etwas zu sehen, fand er sicher den Ausgang. Das Schott glitt mit einem Quiet schen zur Seite. Schnell zog er Valara durch die Öff nung. „Beeilung", flüsterte er. „Sonst wirst du Terra nie zu sehen bekom men." In diesem Hangar brannte eine schwache Notbeleuchtung, die ein einwandfreies Orientieren erlaubte. „Ich kenne mich hier nicht aus", sagte die Frau. „Hier bin ich noch nie gewesen." „Aber ich", knurrte der Arkonide. „Mir nach. Ich kann nur hoffen, daß sich in den vielen Jahren nicht alles verändert hat." Sie rannten durch abgestellte Glei
Die Terra-Idealisten
ter und Shifts auf die gegenüberlie gende Seite. Atlan wußte aus seiner früheren Zeit auf der SOL, daß es hier mehrere Lastenschächte gab. Sein fo tografisches Gedächtnis täuschte sich in solchen Dingen nie. Dennoch stießen sie nur auf eine kahle und glatte Wand. „Umgebaut worden", knurrte der Arkonide. „Hast du wenigstens eine Waffe?" Atlan verneinte. Auf der anderen Seite des Hangars wurden Schritte laut. Die Verfolger hatten den Neben raum entdeckt und die offenstehende Tür, die hierher führte. „Uns bleibt nur der normale Aus gang, Valara", murmelte er. „Die Anti gravschächte, die ich zu finden hoffte, existieren nicht mehr." Sie eilten wieder durch die abge stellten Fahrzeuge in Richtung des Hauptausgangs, der zu einem der Kor ridore führen mußte. Bevor sie ihr Ziel erreichten, flammte die volle Beleuch tung auf. Rasch gingen sie hinter einem Glei ter in Deckung. Bis zu dem Haupt schott waren es noch zwanzig Meter oder wenig mehr. Gebückt schlich der Arkonide wei ter. Valara folgte dichtauf. Die letzten zehn Meter vor dem Ausgang mußten sie ohne Deckung überwinden. „Wir versuchen es trotzdem." Atlan zeigte auf die beiden stählernen Tür flügel. „Warte, bis ich sie auf habe, und dann nichts wie hinaus." Er sprang auf und rannte los. Der Schließmechanismus war denkbar einfach, aber etliche Sekunden benö tigte er doch. Als die schweren Stahltore zur Seite glitten, wurde er entdeckt. Schreie wurden im hinteren Teil des Hangars laut. Ein dünner Strahlschuß zischte als Warnung über die Gleiter und
31 Shifts hinweg an die Decke. Valara sah, wie die Tore auseinan derglitten. Sie preßte eine Hand auf die Stelle ihrer Kombination, wo Piex saß. Dann hastete sie los. Atlan war schon draußen auf dem angrenzenden Gang. Der nächste Antigravschacht war nicht weit. Sie schwangen sich hinein und glitten ein Deck tiefer. Dort ver ließen sie den Schacht. Auch hier, so mußte Atlan feststellen, hatte sich vie les verändert. Er fand aber einen Weg durch die Gänge und Korridore, wobei er immer wieder in rechten Winkeln abbog. Durch einen weiteren Schacht erreich ten sie noch tiefer im Bauch der SZ-1 liegende Decks. Dann hielt er an und wartete, denn Valara hing mehrere Meter zurück. Sie lehnten sich an eine Wand. Die Frau atmete schwer. Zwei Solaner kamen aus einem Sei tengang. Sie trugen die üblichen grü nen Kombinationen, die auch Valara und Atlan am Leib hatten. Sie schenk ten den beiden keinen Blick und ver schwanden kurz danach hinter der nächsten Abzweigung. „Ich glaube, wir sind ihnen ent wischt. Das waren Ferraten, Brüder der sechsten Wertigkeit. Eigentlich sollten sie die Wartungsarbeiten in der SOL durchführen. Die Ahlnaten, von denen sie ihre Anweisungen erhalten, setzen sie aber immer wieder für alle möglichen Zwecke ein." Atlan nickte. „Früher gab es zwei Decks tiefer große hydroponische An lagen. Da sich vieles verändert hat, bin ich mir nicht sicher, ob sie noch exi stieren. Ich könnte mir aber vorstel len, daß wir uns dort verbergen könn ten." „Du meinst die Region der SOL-Far mer?"
32
„Der Name ist mir neu." „Egal. Verstecke gibt es dort zur Genüge."
Die Pflanzen wuchsen bis zu zwei Meter hoch. Ihre Blätter ähnelten de nen des terranischen Maises, aber die Früchte sahen ganz anders aus. Je weils drei birnenförmige Fruchtkör per hingen am Ende der zu allen Sei ten wachsenden dünnen Stiele und leuchteten in einem matten Hellblau. Das ganze Feld war 200 mal 200 Meter groß. Es gehörte zu einer der etwa zehn SOL-Farmen innerhalb der SZ-1. In den beiden anderen Teilen des Han telschiffs gab es fast die gleichen Anla gen in der selben Zahl. Ludewigh Loorn hatte keinen Blick für die kostbaren Früchte. Er war auf einer ganz anderen Spur, während er die armdicken Stämme der Früchte zur Seite bog. Da der junge Mann aber sehr gewissenhaft war, achtete er ge nau darauf, daß keine Frucht verse hentlich abgerissen wurde. Über dem Feld schienen mehrere Kunstsonnen. Sie tauchten die Umge bung in ein dunkelgelbes Licht, das die SOL-Birnen prächtig gedeihen ließ. Neben diesem offenen Feld gab es auf dieser SOL-Farm eine Vielzahl von Hydro-Tanks und Hydro-Kultu ren, in denen die unterschiedlichsten Früchte, Gemüsesorten und Gewürz pflanzen gezogen wurden. Die SOLFarmen waren ein eminent wichtiger Bestandteil im Kreislauf des Lebens an Bord. Kleine, mausähnliche Tiere husch ten zu Loorns Füßen zur Seite. Die Tiere verschwanden schnell in ihren Erdlöchern, als sie das Nahen des Mannes bemerkten. Auch sie gehörten
ATLAN
als fester Bestandteil in diesen künst lich aufgebauten biologischen Kreis lauf, denn durch ihre Wühlarbeit lok kerten sie den Boden so auf, daß das Wasser, das in regelmäßigen Zeitab ständen gesprengt wurde, in den Grund einsickern konnte. Gegen die Pflanzenteile der SOL-Birnen besa ßen die Erdzwacks, wie die kleinen Tiere genannt wurden, eine große Ab neigung. Alles andere, was ungewollt zwischen den riesigen Rabatten und Feldern wuchs, war für sie jedoch ein willkommener Leckerbissen. Auf die se Weise wurde alles Unkraut über den Dung der Erdzwacks letztlich auch den SOL-Birnen zugeführt. Ludewigh Loorn tat etwas Verbote nes, als er durch das Feld schlich. Wenn ihn einer der SOL-Farmer erwi schen würde, wäre das nicht weiter schlimm. Mit gewöhnlichen Solanern, zu denen er selbst gehörte, würde er keine großen Schwierigkeiten bekom men. Anders wäre die Sache, wenn er den Ferraten begegnen würde, die die Wartung der Farmen durchführten oder die Früchte mit ihren Robotern einsammelten. Die Rostjäger pflegten nicht lange zu fackeln. Er mußte also sehr vorsichtig sein. Gelegentlich tauchten auch Ahlnaten auf. Die Leh rer und Priester der Brüder der dritten Wertigkeit griffen in besonderen Fäl len von technischen Schwierigkeiten ein. Gleichzeitig leiteten sie die Ferra ten in den einfacheren Arbeiten an und überwachten sie. Wenn die Ernte von den SOL-Farmern an die Ferraten und Roboter übergeben wurde, war fast immer einer der Ahlnaten anwe send. Das Mißtrauen war auch hier an der Tagesordnung. SOL-Farmer und Ferraten versuchten immer wieder, sich unerlaubt selbst zu versorgen und zu bereichern.
Die Terra-Idealisten
Daß die weitere Verteilung von Fer raten und Robotern vorgenommen wurde, lag vor allem daran, das SENE CA sich schon seit langer Zeit um die se Probleme kaum noch kümmerte. Auf jeder Farm arbeiteten etwa 100 Menschen als SOL-Farmer. Auch Lu dewigh Loorn gehörte zu diesem Kreis. Sein Chef war der griesgrämige Hadar Calliman. Der aber interessierte Loorn nur wenig. Er hatte ein Auge auf dessen Tochter Elea geworfen, die nur ein Jahr jünger war als er selbst. Die SOL-Farmen dienten aber nicht nur der Nahrungsversorgung der rund 100 000 Lebewesen an Bord. Der pflanzliche Stoffwechsel trug auch entscheidend dazu bei, die klimati schen Verhältnisse zu verbessern. Darauf waren die Solaner besonders angewiesen, da SENECAs Klimaregu lierung und Frischluftversorgung oft mals nicht funktionierte. Ludewigh Loorn fand, daß Elea das hübscheste Mädchen in der SZ-1 war. Auch glaubte er, daß sie ihm nicht ab geneigt war. Allerdings verhielt sie sich oft sehr fremdartig, abweisend oder launisch. Das hatte seit Wochen seinen Verdacht geschürt, daß etwas mit Elea nicht stimmen würde. Was das nur sein konnte, lag auf der Hand. Loorn gab sich mit dem Ver dacht aber nicht zufrieden. Er wollte Gewißheit. Aus diesem Grund hatte er sich zu dieser ungewohnten Stunde aus seiner Unterkunft entfernt und das Feld aufgesucht. Da die Pflanzen der SOL-Birnen von einem fremden Planeten stammten, dessen Rotationsdauer 58 Stunden be trug, hatte man auf dieser Plantage den Tag-Nacht-Rhythmus diesen Zei ten angepaßt. In der SOL war jetzt Nacht, hier jedoch, in dem anderen Zyklus, schienen die Kunstsonnen taghell.
33
Als Arbeiter auf einer SOL-Farm ging es Loorn noch relativ gut. Zumin dest hatte er selten Probleme, an Nah rungsmittel oder Frischwasser zu kommen. Von ihrer Arbeit profitier ten alle SOL-Farmer. Schlechte Zeiten gab es nur, wenn von irgendwelchen Horden, die sich zusammengerottet hatten, eine Farm überfallen wurde. Dann war in der Regel eine Ernte oder große Teile davon zum Teufel, und außerdem gab es drakonische Straf maßnahmen, die die Ferraten im Auf trag der SOLAG durchführten. Die Farmer waren auch für den Schutz des Ernteguts verantwortlich. Als Ludewigh Loorn vor sich Stim men hörte, pirschte er sich noch lang samer heran. Ein süßlicher Duft ge langte an seine Nase. Er kannte ihn zur Genüge, denn im Wohnblock seines Chefs Hadar Calliman roch es fast im mer so. Irgendwo auf der Farm wurde in ei nem geheimgehaltenen Tank eine Pflanze angebaut. Von diesem Tank wußten nur wenige Eingeweihte. Loorn war sich sicher, daß sein Chef dazu gehörte. Wo dieser Tank lag, wußte der junge SOL-Farmer nicht. Doch Tank und Verarbeitungsanlage müßten irgendwo in der Nähe sein. Aus dieser Pflanze gewannen eine Handvoll SOL-Farmer ein Teufels zeug, das Mystos genannt wurde. My stos war eine Rauschdroge. Loorn war sich ziemlich sicher, daß einige Todesfälle in den letzten Jahren auf Mystos zurückzuführen waren. Ihm fehlten aber die letzten Beweise'. Vorsichtig bog er die Stämme der SOL-Birnen zur Seite. Auf einer klei nen gerodeten Lichtung mitten in dem Feld lagen sieben Menschen. Je der hielt eine kleine Tonpfeife zwi schen den Lippen, aus der ein feiner Rauch stieg. Der Mystosgeruch war
34
jetzt so penetrant, daß es Loorn fast schlecht wurde. Er prägte sich die Gesichter ein. Es waren vier Männer und drei Frauen. Jeder von ihnen war keine 20 Jahre alt. Einige davon kannte Ludewigh Loorn. Es gab einen unhörbaren Knacks in seinem Herzen, als er auch Elea Calli man entdeckte. Am liebsten wäre er aufgesprungen, zu ihr hingerannt und hätte ihr die Mystos-Pfeife aus dem Mund geschlagen. Ihr Vater war schon Mystos-abhängig, dessen war sich Loorn sicher. Aber auch sie . . . Tränen standen in seinen Augen, als er vorsichtig davonschlich. Seine Sinne waren noch wie benom men, als er die Unterkünfte erreichte. Ihm war speiübel. Zu seinem Erstau nen traf er dort einen jungen Solaner an, den er seit fast zwei Jahren nicht mehr gesehen hatte. Sie hatten einmal zusammen in einem Jugendsportteam Basket-Ball gespielt. Loorn erinnerte sich nicht mehr an seinen Namen. Damals hatten ihn alle Hoppy genannt. Hoppy sah sehr verändert aus. Sein Gesicht war eingefallen, und seine Au gen hatten rote Ränder. Von der ehe maligen Figur eines Sportsmanns war nicht mehr viel übriggeblieben. Hop py war aufgeschwemmt. Sein Ober körper neigte sich leicht nach vorn, als er auf Ludewigh Loorn zukam. „Hallo, Lude." Sein Grinsen war eher eine verzweifelte Grimasse. „Ich freue mich, dich zu sehen." Loorn antwortete zunächst nichts. Die Symptome Hoppys hatte er schon bei anderen Solanern gesehen, und auch Hadar Calliman sah manchmal nicht anders aus. „Wie lange nimmst du das Zeug schon? " fragte er kalt. „Eeh, Junge." Hoppy schlenderte
unregelmäßig seine beiden Arme. „Was für ein Zeug? Hast du vergessen, daß wir einmal die besten Sportska meraden in unserer Mannschaft wa ren?" „Mystos." Das Wort stand wie ein Blitz in dem Raum. „Ach, jetzt verstehe ich dich." Hop py lachte meckernd. „Du meinst das Kraut des Großen Glücks." Seine Au gen bekamen einen gierigen Blick. „Weißt du, alter Freund. Es hat mich zu einem ganz neuen Menschen ge macht. Ich weiß jetzt, wo meine Ziele liegen. Es liegt alles offen vor mir, wie ein aufgeschlagenes Buch. Ich werde alles erreichen und erleben, was ich mir erträumt habe." Er machte eine kleine Pause, in der er noch einen Schritt näher an Lude wigh heranrückte. Seine Stimme wur de ganz leise. „Du kannst mir doch sicher etwas davon besorgen. Du sitzt doch an der Quelle. Ich biete dir gute Gegenlei stungen." Loorn wich zur Seite, als Hoppy sei ne Hand nach ihm ausstreckte. „Du bist an der falschen Adresse. Und auf dem falschen Weg. In ein paar Mona ten bist du ein toter Mann, wenn du dich nicht besinnst." „In Ordnung, in Ordnung." Hoppys Hände fuhren fahrig durch die Luft. Seine Augen waren für einen Moment an die Decke gerichtet. „Du brauchst mir nichts vorzumachen. Jeder von uns weiß, daß auf dieser Farm Mystos angebaut wird. Der alte Calliman ist nicht umsonst stinkreich • geworden. Er kann sich soviel von dem Stoff lei sten, wie er will. Du arbeitest hier, also kommst du auch 'ran." Er senkte seine Stimme und zeigte mit dem ausge streckten Zeigefinger auf Loorn. „Du kennst doch meine jüngere Schwester Ditta. Ein hübsches und nettes Mäd
Die Terra-Idealisten
chen. Du kannst sie haben. Einmal, zweimal oder mehr. Ganz nach Belie ben. Als Gegenleistung bekomme ich eine Handvoll Mystos. Ist das nichts?" Ludewigh blickte Hoppy voller Ekel und Ablehnung an. „Ich helfe dir, eine Kur zu bekommen, die wie der einen normalen Menschen aus dir macht. Das ist aber auch alles." Zufällig fiel sein Blick auf die nicht ganz geschlossene Tür seines Wand spinds, in dem er seine Bekleidung aufbewahrte. Das Innere war zer wühlt. Also hatte Hoppy während sei ner Abwesenheit bereits versucht, sich selbst zu bedienen. Daß er nichts gefunden hatte, lag auf der Hand. Lu dewigh Loorn lehnte die Rauschgift händler strikt ab. „Also, altes Haus." Hoppy war im mer noch leutselig. „Ich sehe, du bist ein harter Brocken. Was hältst du von einem echten Stück Rindfleisch aus den Tiefkühlbeständen, eeh?" Loorn drehte sich um und öffnete die Tür seiner Wohnkabine. „Raus!" Hoppy starrte ihn ungläubig an. „Das soll wohl ein Scherz sein. Ich kann auch anders. Wenn du das Zeug nicht herausrückst, gebe ich den Fer raten einen Tip. Die werden sich si cher dafür interessieren, wer hier den großen Händler mimt." „Raus!" wiederholte Loorn. Als Hoppy keine Anstalten machte, pack te er ihn am Kragen und zerrte ihn zur Tür. Der Süchtige war nicht in der La ge, Widerstand zu leisten, denn sein Körper litt nicht nur unter dem Rauschgift, sondern im Augenblick auch unter den Entzugserscheinun gen. Als er dann endlich allein war, sank er in einen Stuhl. Ludewigh machte sich Vorwürfe, weil er Hoppy nicht richtig behandelt hatte. Den armen
35 Kreaturen mußte man helfen, aber er besaß keine Möglichkeit dazu. Die Sucht griff immer mehr um sich. Im letzten Monat waren zwei SOL-Farmer gestorben, die Loorn schon längere Zeit im Verdacht ge habt hatte, Mystos-süchtig zu sein. Calliman hatte den Tod als einen Un fall dargestellt. Der Chef der SOLFarm war selbst von der Droge abhän gigUnd seine Tochter Elea, wie Loorn jetzt endgültig wußte. Alles, was er bislang versucht hatte, war schiefgegangen. Seine Suche nach dem Tank, in dem das Teufels zeug gezüchtet wurde, war so erfolglos wie die nach der Verarbeitungsanlage. Im Frühstadium war die MystosSucht kaum erkennbar. Jedenfalls für einen Laien wie Loorn nicht. Wenn er mit Solanern gesprochen hatte, die er verdächtigte, war er entweder ausge lacht, beschimpft oder bedroht wor den. Zweimal hatte er Prügel bezogen. Erreicht hatte er nichts. Der junge Farmarbeiter sagte sich, daß es an der Ziellosigkeit der Solaner liegen mußte, daß sie sich in dieses Unglück stürzten. Die Mystosdroge spiegelte ihnen ei ne heile Welt mit gesunden Lebenszie len und sinnvollen Aufgaben vor. Wer einmal an der Droge hing, kam nur durch die Hilfe besonnener Menschen wieder davon los. Aber wo gab es auf der SOL noch solche Menschen? Loorn hielt sich für einen davon, aber er war machtlos. Es gab keine Möglichkeit, etwas gegen den verdeckten Anbau und Handel der Mystospflanze zu unternehmen. Alles lag in den Händen einiger weni ger. Hadar Calliman gehörte dazu, des sen war sich Loorn sicher, auch wenn er selbst abhängig war. Wie sollte er dem physischen und
36 psychischen Verfall dieser Solaner Einhalt gebieten? Er grübelte über eine Stunde, als es an seine Tür klopfte. Es war Hoppy. Triumphierend hielt er einen kleinen Beutel in die Höhe. „Da siehst du es, du Narr. Wir haben immer Erfolg." Gierig zog er an einer kleinen Ton pfeife. Dann schlug er die Tür zu. Loorn hörte noch sein Gelächter. Am nächsten Morgen fand er Hoppy unweit seiner Unterkunft. Er lag ver krümmt in einem Salatbeet. Seine rechte Hand umklammerte die kleine Tonpfeife, die linke einen halb geöff neten Beutel, in dem eine graue, blätt rige Substanz zu sehen war. Hoppy war tot.
Hadar Calliman war krebsrot im Gesicht vor Wut. Soeben hatte ihn der junge Loorn aus dem Bett geholt und ihm erklärt, einen toten Rauschgift süchtigen in den Plantagen gefunden zu haben. „Ich k o m m e in fünf Minuten, Loorn", brüllte er diesen an. „Warte dort. Und daß mir keiner etwas davon erfährt." Als Loorn verschwunden war, trank er rasch einen Schluck Wasser. Dann holte er aus einem Versteck hinter ei ner losen Wandabdeckung eine seiner Tonpfeifen und stopfte sie mit einer Prise Mystos. Erst als er die ersten tie fen Züge tat, beruhigte er sich wieder. Der vierschrötige Chef der SOLFarm war selbst von der Droge abhän gig, die in einem streng geheimgehal tenen Tank seiner Pflanzungen ange baut wurde. Außer ihm wußten noch sieben seiner Mitarbeiter, wo dieser Tank stand. Vier weitere waren mit der Verteilung des fertig zubereiteten
ATLAN
Mystos beauftragt. Von den insgesamt elf Helfern waren nur fünf selber My stosraucher. Die hatte er ohnehin fest in der Hand. Aber auch die anderen sechs brauchte er nicht zu fürchten. Nicht nur daß sie habgierig waren und sich durch den verbotenen Handel schnell verbessern und bereichern konnten, jeder von ihnen hatte etwas auf dem Kerbholz. Und das wußte der SOLFarmer. Damit machte er sich diese Leute gefügig. Calliman war 44 Jahre alt. Er ver schwieg dies aus gutem Grund, denn er sah doppelt so alt aus. Die Droge be gann seine Lebenskräfte zu verzehren. Aus dem ehemals zwei Meter großen Mann war im Lauf der letzten Jahre ein Wrack geworden. Man sah ihm dies auf den ersten Blick nicht an, denn Calliman nahm wohlweislich nur immer geringe Mengen von My stos. Er bildete sich ein, dadurch eine positive Wirkung auf seinen Körper zu erzielen. Den langsamen Verfall be merkte er nicht. Auch der Irrglauben, in dem er sich befand, war eine Folge der Droge. Sie spiegelte ihm etwas vor, was gar nicht existent war. Es ließ sich nicht leug nen, daß er nach jeder Pfeife ein besse res Gefühl hatte und seine Umwelt mit klareren Augen sah. Die Wirkung hielt stets mehrere Stunden an. Für seine eigene Person war in dieser Zeit jegliche Selbsteinschätzung völlig un möglich. Er streifte sich seine Arbeiterkombi über und eüte nach draußen. Bis zu der Stelle, die Loorn ihm genannt hat te, war es nicht weit. Schon beim Nä herkommen sah Calliman, daß sich um Loorn und den Toten bereits vier weitere Personen geschart hatten. Ei ne Frau und ein Mann, die darunter waren, gehörten zu seinen Vertrauens
37
Die Terra-Idcalisten
leuten. Der Mann selber war auch süchtig, allerdings erst seit kurzer Zeit. Äußerlich sah man ihm noch nichts an. „Wer ist der Tote?" rief Calliman im Näherkommen. Die Herumstehenden schwiegen. Ludewigh Loorn zog es vor, nichts über Hoppy zu sagen. Es hätte keinen Sinn gehabt. Der SOL-Farmer drängte sich durch die Leute. Als er den verzerrten Ge sichtsausdruck des Toten, die Ton pfeife und den Beutel sah, beugte er sich über ihn. Kommentarlos nahm er die Pfeife an sich. Auch den Beutel steckte er ein. „Lon, Verda", sagte er zu seinen bei den Eingeweihten. „Schafft ihn zur Sammelstelle für Verunglückte. Ihr anderen verschwindet an eure Ar beit." Ludewigh Loorn täuschte sich nicht, als er das Augenzwinkern Calli mans zu sehen glaubte, während die ser zu den beiden Farmern sprach. „Müßten wir nicht die Ferraten in formieren", fragte ein älterer Mann. Loorn schätzte ihn als rechtschaffen ein. „Unsinn." Calliman fuhr den Alten heftig an. „Für solche Bagatellen sind wir allein zuständig. Ab an die Arbeit. Feld 27B ist heute dran." Keiner wagte mehr einen Wider spruch, während Lon und Verda den Leichnam auf eine eilends geholte An tigravplattform luden, die sonst zum Transport der Früchte benutzt wurde. Die Menschen gingen auseinander. Callimans Blicke folgten ihnen miß trauisch. Ludewigh Loorn beschloß, der Sa che auf den Grund zu gehen. Er schlug einen Bogen um mehrere HydroTanks und kehrte an seinen Aus gangspunkt zurück.
In hundert Metern Entfernung sah er Lon und Verda, die mit der Platt form das Gelände in Richtung Zen trum der SZ-1 verließen. Sie hatten ei ne Plane über den Toten gelegt, so daß nicht erkennbar war, was sich darun ter befand. Loorn folgte ihnen unbemerkt, in dem er sich parallel zu den beiden durch Felder und Pflanzungen beweg te. Am Ausgang der SOL-Farm mußte er warten, bis sich die Tore wieder ge schlossen hatten. Die Gefahr einer Entdeckung wäre zu groß gewesen. Erst als sich das Tor wieder schloß, eilte er hinterher. Jenseits der SOLFarm schloß sich eine Sektion an, in der früher vorwiegend Werkstätten ge wesen waren. Der Betrieb ruhte schon seit vielen Jahren. Nur gelegentlich hatte Loorn einzelne Ferraten gese hen, die diese Räume noch betraten. Auf dem Korridor hinter dem Tor konnte Loorn keinen Menschen er blicken. Lon und Verda mußten sich sehr beeilt haben. Er überlegte einen Moment, wohin er sich wenden sollte. Dann schloß er das Tor. Hadar Calliman, der nur wenige Me ter hinter ihm über einen Abfallhau fen schaute, bemerkte er nicht. 6.
Er rannte einfach nach rechts. Wenn ihm das Glück nicht zur Seite stand, würde er die beiden nicht wiederfin den. Loorn war davon überzeugt, daß Lon und Verda zu den geheimen Hel fern des Chefs der SOL-Farm gehör ten. Calliman konnte nur den Kopf der Rauschgiftanbauer und -händler sein. Auch wenn er selbst süchtig war, war er kein Typ, der sich von seinen Leu ten bevormunden ließ.
38
Allerdings konnte der junge Mann nicht ausschließen, daß unter Um ständen sogar einer oder mehrere der Ferraten hinter der Sache steckten. Auf der SOL war alles möglich. Als er um eine Ecke bog, wäre er fast mit zwei Menschen zusammengesto ßen. Es waren ein Mann und eine Frau. Er wollte weiterrennen, aber die Frau hielt ihn am Arm fest. „Ludewigh", sagte sie. „Erkennst du mich nicht. Das nenne ich einen glücklichen Zufall, daß wir dich tref fen." Er blickte nur kurz hin. Den Mann kannte er nicht. Er sah gar nicht wie ein typischer Solaner aus. Die Frau hieß Valara, ihren Zunamen hatte Loorn vergessen. Sie gehörte zu ir gendeiner Gruppe von Weltverbesse rern, mit der er auch einmal sympathi siert hatte. Im Augenblick waren ihm die beiden gleichgültig. „Ich habe es eilig", sagte er abwei send. „Bis später." Die Frau ließ ihn nicht los. „Lude wigh, wir brauchen deine Hilfe." „Alle brauchen Hilfe." Loorn zeigte seinen Ärger unverhohlen. „Laß mich endlich los." „Ich m u ß dich sprechen. Wo . . . " „Von mir aus wartet in meiner Un terkunft, Kabine 143 in der Farm. Aber laß mich endlich los." Valara sah ein, daß es keinen Sinn hatte. Sie war es gewohnt, daß Solaner immer Ausreden und Ausflüchte su chen. Sie ließ Loorn frei. Der rannte sofort weiter. Er glaubte zwar, daß er jetzt endgül tig die Spur verloren hatte, aber er gab nicht auf. Er wollte unbedingt etwas über die Drogenhändler in Erfahrung bringen. Zwei Gänge weiter drückte er sich schnell in eine Nische, denn Lon und
ATLAN
Verda kamen ihm mit der leeren Platt form entgegen. Die beiden SOL-Far mer wirkten fröhlich, denn Loorn konnte die Frau lachen hören. Er ließ sie passieren, ohne sich be merkbar zu machen. Unterdessen überlegte er. Von einer Sammelstelle für Verunglückte hatte er noch nie et was gehört. Sicher kannte er nur einen kleinen Bereich der SZ-1, und in die sem gab es eine solche Einrichtung nicht. Da aber Lon und Verda nicht weit weg gewesen sein konnten, mußten sie den toten Hoppy irgendwo in der Nähe abgeladen haben. Die Zeit, die die beiden benötigt hatten, war ein fach zu kurz, um eine größere Aktion durchzuführen. Er begann wahllos die Türen zu öff nen, die am Ende des Ganges lagen, aus dem Lon und Verda gekommen waren. Wie er erwartet hatte, traf er nur leere Räume an, in denen Werk zeuge und Maschinen unter einer dün nen Staubdecke lagen. Auch auf dem Boden war eine Staubschicht. Das machte ihm die Suche leichter, denn er hoffte so, Spuren frischer Fußtritte zu entdecken. Diesmal ließ das Glück ihn nicht im Stich. Hinter dem Eingang zu einem großen Werkzeugraum waren deutlich sichtbare Spuren zu erkennen. Er schaltete die Beleuchtung ein und schloß die Tür hinter sich. Ein merkwürdiger Geruch nach Mo der u n d Fäulnis lag in der Luft. Die Belüftung schien hier nicht gut zu funktionieren. Vielleicht war sie auch abgeschaltet worden. Loorn ging durch die Reihen von Schränken und Werkbänken. Die Spuren waren hier undeutlicher. Auch glaubte er andere, ältere Abdrücke un ter einigen frischen zu sehen. Es konn te aber auch sein, daß ein schwacher
Die Terra-Idealisten
Luftzug die Veränderungen bewirkt hatte. s Hinter einem großen Stahlschrank fand er Hoppy. Sie hatten ihn einfach dort abgelegt. Was Ludewigh Loorn aber vielmehr schockierte, war der faulende Körper eines anderen Menschen, der dicht da neben lag. Dieser Leichnam mußte schon Tage und Wochen hier gelegen haben. Es war offensichtlich eine Frau. Sie trug die Kleidung der Farm arbeiter. Angeekelt wandte sich der Mann ab. Seine Erinnerung an eine Frau, die er auch verdächtigt hatte, Mystos zu rau chen, wurde wach. Sie war vor etwa drei Wochen spurlos verschwunden. Auf Loorns Frage hatte Calliman ihm geantwortet, er habe sie zur Arbeit auf eine andere SOL-Farm geschickt. „Ein altes Gesetz sagt", tönte eine Stimme in seinem Rücken, „daß der Täter immer an den Ort des Gesche hens zurückkehrt. Die Toten lassen ihm keine Ruhe." Ludewigh Loorn drehte sich lang sam um. Vor ihm standen drei Ferra ten.
Nach dem Interkom gespräch hatte es Hadar Calliman sehr eilig. Er warte te nicht auf die Rückkehr von Lon und Verda. Statt dessen schickte er ei nen seiner Hilfskräfte los, um Hay Donnar zu holen. Donnar gehörte zu seinen vertrau ten Mitarbeitern. Er war auch von My stos abhängig und nahm ähnlich wie Calliman stets nur geringe Dosen. Bei ihm hatte die Droge ein großes Maß an Gefühlslosigkeit und Brutalität er zeugt. Nur Calliman war Hay Donnar noch hörig. „Paß auf, Hay", erklärte der SOL-
39 Farmer. „Wir haben einen Jungen un ter uns, der uns Schwierigkeiten ma chen könnte. Er hat Lon und Verda verfolgt, als die die Leiche dieses Bur schen von gestern abend wegschaff ten. Ich habe den Ferraten einen an onymen Tip gegeben und ihnen ge sagt, sie sollen den Kerl zu Hadar Calliman, dem rechtschaffenen SOLFarmer bringen glaube näm lich, daß wir mit d e m Würstchen allein fertig werden." „In Ordnung, Boß." Hay Donnar grinste breit. „Ich habe da ein gutes Rezept." „Ich überlasse alles dir, aber bitte keine Leichen mehr. Es könnte sonst zuviel Unruhe geben. Halte dich in der Nähe auf und schnapp dir Loorn, wenn ich ihn entlasse. Lon und Verda können dir helfen." „Loorn? Den habe ich schon lange auf meiner Abschußliste. Er schnüf felt ständig überall herum." Kurz danach kamen Lon und Verda zurück. Sie wollten erst nicht glauben, als Calliman ihnen sagte, daß der jun ge Loorn ihnen nachgeschlichen sei. Dann waren sie aber Feuer und Flam me, als sie hörten, daß Calliman Hay Donnar auf den Jungen angesetzt hatte. Als die Ferraten dann Ludewigh Loorn in Callimans Arbeitsraum führ ten, spielte dieser den Entrüsteten und Überraschten. Von einer Mordtat Loorns wollte er nichts wissen. Er glaubte diesem seine Beteuerungen, daß er zufällig auf die beiden Leichen gestoßen war. weil ein eigenartiger Geruch aus dem Raum gekommen war. „Er hat schon immer eine feine Nase gehabt, der Gute", sagte Hadar Calli man versöhnlich. „Die hat ihm sicher einen Streich gespielt. Mit einer Ge walttat hat Ludewigh bestimmt nichts
40
zu tun. Ich kenne ihn schon viele Jah re, und er war immer ein anständiger Bursche." Die Ferraten waren teils zufrieden, weil sie so ein lästiges Problem los wurden. Andererseits war ihr Bedau ern zu erkennen, denn der Fang eines dicken Fisches hätte auch ihnen zum Vorteil gereicht. „Der Mörder ist sicher unten in den verkommenen Wohntrakts zu finden", behauptete Calliman. „Von dort kommen auch immer die Überfälle auf die Felder, die wir treu für die SO LAG bestellen." Ludewigh Loorn schwieg. Er hörte die Worte seines Chefs, aber er konnte sich nicht vorstellen, was dieser damit bezwecken wollte. Im Augenblick mußte er ihm sogar dankbar sein, weil er ihm aus der Klemme half. Die Ferraten zogen schließlich wie der ab. „Das war's, mein Junge", sagte Cal liman leutselig. „Und nun geh schön an die Arbeit. In einer Stunde gibt es das Mittagessen. Vergiß es nicht. Ich will, daß meine Leute bei Kräften blei ben." Loorn grübelte immer noch, als er den Raum Callimans verließ. Was er erlebt hatte, paßte nicht zusammen. Sollte er sich doch in Calliman ge täuscht haben? Was er brauchte, waren tatkräftige und entschlossene Helfer. Aber die zu finden, war auf der SOL so gut wie un möglich. Ihm fiel noch Valara und der hochgewachsene Fremde ein, denen er begegnet war. Weiter kam er mit seinen Gedanken nicht. Eine schwere Hand legte sich auf seine Schulter. Die andere Hand ver schloß ihm den Mund. „Jetzt bist du dran", hörte er eine dumpfe Stimme. Sie betonte das du sehr stark und zog das Wort in die
ATLAN
Länge. * Atlan und Valara Brackfaust warte ten bis zum späten Abend. Die Ter ra-Idealistin lag fast die ganze Zeit auf Loorns Liege und schlief. Die An strengungen der letzten beiden Tage waren nicht ohne Folgen geblieben. In der Wohnkabine des SOL-Far mers waren sie ungestört. Atlan, der als Zellaktivatorträger nur wenig Schlaf brauchte, hielt Wache. Er re cherchierte in seinen Gedanken, was er bisher über die Zustände in der SOL erfahren hatte. Es war viel, aber es war noch viel zu wenig, um ent scheidende Schritte zu wagen. Eigentlich hatte er sich die Durch führung des Auftrags der Kosmokra ten ganz anders vorgestellt. Es war un denkbar, daß diese Wesenheiten jen seits der Materiequellen nicht gewußt hatten, in welcher Lage er die SOL an treffen würde. Es konnte aber auch ganz anders sein. Vielleicht spielten in den Überlegungen der Kosmokraten solche Dinge gar keine Rolle, viel leicht waren sie aber ein Bestandteil seines Auftrags, vielleicht auch nur ei ne Prüfung oder etwas ganz anderes. Es gab keine Hinweise, denn die Erin nerung an die Geschehnisse nach dem Durchgang durch die Materiequelle war vollkommen verblaßt. Das einzi ge, was Atlan außer seinem Auftrag mit Sicherheit wußte, war, daß die Kosmokraten nicht wollten, daß er sich an irgend etwas erinnerte. Aber das half ihm nicht weiter. Die Situation war mehr als verfah ren. Daß man ihn suchte, lag auf der Hand. Was man über ihn wußte, war unklar. Deshalb war es schwierig, die richtigen Folgerungen zu ziehen. Sein Extrasinn schwieg seit Tagen beharrlich. Auch von dort war keine Hilfe zu erwarten. Aber seine Ziele
Die Terra-Idealisten
standen unverrückbar fest. Die SOL mußte gerettet werden. In erster Linie vor dem unbekannten Zugstrahl, der sie ruckweise in ein fremdes Sonnen system zog. In zweiter Linie galt es die Zustände im Innern zu stabilisieren. Dazu mußte er die derzeitige Führung des Schiffs in den Griff bekommen und vor allem SENECA. Erst dann würde er die Aufgabe der Kosmokra ten anpacken können. Die Tür, die sich öffnete, riß ihn aus seinen Gedanken. Der junge Mann, den er am Vormittag kurz gesehen hatte, torkelte herein. Atlan kannte mittlerweile seinen vollen Namen. Ludewigh Loorn war grün und weiß im Gesicht. Eine verkrustete Blutspur lief von seinen Lippen über das Kinn. Seine Augen waren glasig. Valara Brackfaust war sofort auf den Beinen. Ihr erster Blick galt Piex, aber der hing ruhig an einer Wand. „Was ist mit dir geschehen, Lude wigh?" Sie stützte ihn und führte ihn zu der Liege, wo sie ihn hinbettete. „Es ist alles aus", flüsterte der junge Mann. „Diese Schweine." Atlan trat heran und untersuchte Loorn. Der ließ alles willig über sich ergehen. Er war ein gebrochener Mann. Sein Puls raste. „Was geht hier vor?" fragte der Ar konide sanft. Loorn schloß die Augen. „Mir kann keiner mehr helfen." Seine Stimme klang matt und war voller Niederge schlagenheit. „Wenn du nicht sprichst wie ein Mann", antwortete Atlan, „dann kann dir wirklich keiner helfen." Loorn richtete sich auf der Liege auf. Er blickte Valara und den Frem den lange an. „Also gut, Leute", begann er, dann. „Es ist sowieso alles aus. Habt ihr schon einmal etwas von Mystos ge
41 hört?" Atlan schüttelte den Kopf, aber die Terra-Idealistin sagte: „Eine Droge. Sie wird irgendwo auf der SOL ange baut und in kleinen Tonpfeifen ge raucht. Viele sind ihr verfallen. Nach anfänglichen Rauschzuständen führt sie sehr schnell zum körperlichen Ver fall. Starke Dosen sollen tödlich sein." Der Arkonide schüttelte entsetzt den Kopf. Er erlebte immer neue Disa ster. „Stimmt, Leute", fuhr Loorn fort. „Und damit ihr wißt, wo ihr gelandet seid, ihr befindet euch an der Quelle der Mystosproduktion. Hier auf dieser Farm, und nur auf dieser, soweit ich weiß, wird dieses Teufelszeug ange baut, verarbeitet und verscheuert." „Und du bist auch diesem Mystos verfallen?" Atlans Frage klang mehr wie eine Behauptung. „Jetzt ja. Aber gegen meinen Willen. Glaubt es mir Leute, ich habe alles versucht, um diesem Unwesen einen Riegel vorzuschieben. Meine beste Freundin raucht Mystos. Ich habe es gestern erfahren. Ein alter Sports freund von mir kam gestern dadurch ums Leben. Die Dreckskerle haben seinen Leichnam irgendwo in der SOL abgelegt. Und dann haben sie ein bö ses Spiel mit mir abgezogen. Wie es genau lief, weiß ich nicht. Plötzlich waren da ein paar Ferraten, die mich zu Calliman schleppten. Der ist der Chef hier. Ich garantiere dafür, daß er alles managt und selber Mystos pafft. Und dann haben sie mich geschnappt, seine miesen Helfer. Sie haben mir ei ne Spritze verpaßt, in der Mystosex trakt war. Ich sollte einer von ihnen werden." Er zog einen Ärmel hoch und zeigte einen frischen Einstich. „Wenn das Zeug erst einmal im Blut ist, ist man gefangen. Das haben sie
42
mir hohnlachend gesagt. Es kam aber noch schlimmer. Sie rauchten und bliesen mir das Gift mit Gewalt mit ei ner P u m p e in den Hals. Ich konnte nicht anders, ich mußte es einatmen." Loorn brach weinend zusammen, lauert nur ein paar Stunden, dann sehne ich mich danach. Ich kenne die Geschichten", schluchzte er. Valara legte einen Arm um ihn. Sie blickte hilfesuchend auf Atlan. „Hier herrschen in der Tat Zustän de", sagte der schwer, „daß einem die Haare zu Berge stehen. Gibt es denn keine Medo-Stationen, wo man so et was schnell beseitigen kann?" „Es gibt wohl einige, aber die arbei ten nur noch sporadisch. Um die Pro bleme des einzelnen Solaners küm mert sich keiner. Ein paar Quacksal ber bezeichnen sich als Ärzte und heilen auf eigene Faust. Das ist alles." „Wir müssen irgendwo bleiben, Lu dewigh." Der Arkonide trat an die Lie ge des jungen Mannes. „Ich glaube, daß Valara und ich hier relativ sicher sind. Du mußt wissen, daß man uns verfolgt. Bist du einverstanden, daß wir dieses Quartier vorerst teilen?" „Mir ist alles egal", murmelte Loorn. „Das sollte es nicht sein, mein Freund. Ich werde dir helfen. Das Gift in deinem Körper stellt für mich kein großes Problem dar." Ludewigh Loorn sprang auf. „Ist das dein Ernst?" Atlan nickte nur stumm. „Wirst du mir auch helfen, dieses Rattennest auszuheben? " „Ich werde tun, was in meinen Mög lichkeiten liegt. Aber eins nach dem anderen. Lege dich ganz ruhig hin. Zu erst m u ß t du gesund werden, dann se hen wir weiter. Du kannst mir glau ben, daß ich diesen Mystoszauber so hasse wie du." Loorn starrte den Arkoniden an.
„Wer bist du eigentlich?" „Ich heiße Atlan" „Den Namen habe ich schon einmal gehört, aber ich weiß nicht wo." „Es spielt jetzt keine Rolle. Lege dich endlich hin." Atlan öffnete seine Kombination und holte einen kleinen eiförmigen Gegenstand hervor. Er drückte den Zellaktivator dem jungen Farmer in die Hand. „Presse ihn gegen deine Brust. Es wird dir sehr schnell helfen, auch wenn er nicht auf deine Körper schwingungen abgestimmt Ludewigh Loorn gehorchte. Schon nach wenigen Minuten war er einge schlafen. Das kleine Ei lag fest in sei ner Hand. Valara Brackfaust stand dabei und blickte Atlan mit unverhohlener Be wunderung an. Piex. der brav an seiner senkrechten Wand hing, tat etwas ganz Seltenes. Er quietschte vergnügt.
Drei Stunden später nahm Atlan den Zellaktivator wieder an sich. Lu dewigh Loorn schlief ruhig weiter. Seine Gesichtszüge hatten sich wieder geglättet, und die kleine Wunde von dem Einstich war verschwunden. Valara schlief auf einem Stuhl. Sie hatte sich so hingesetzt, daß Piex in ihren Schoß fallen würde, wenn er sich von der Wand lösen würde. Aber alles blieb ruhig bis zum frü hen Morgen. Als Loorn erwachte, hat te sich Atlan schon erfrischt. „Ich fühle mich wie neugeboren", sagte Loorn und streckte sich. „Wie hast du das gemacht?" „Daß ich es gemacht habe, ist das einzige, was zählt. Du brauchst nicht weiter darüber nachzudenken."
Die Terra-Idealisten
43
„Aber bedanken darf ich mich und in vielen Tanks sind die Früchte reif und müssen abgeerntet werden. doch?" Atlan lächelte. „Das beruht wohl auf Ich gebe euch als Bekannte aus mei ner Kindheit aus, als ich noch in einem Gegenseitigkeit." „Ich habe Hunger", meldete sich der oberen Wohnblocks gelebt habe." Valara. „Und Piex braucht ein Salat Atlan und Valara waren einverstan blatt oder etwas Ähnliches." den. Loorn verschwand abermals. Nach „Das ist meine Aufgabe." Loorn strich sich seine kurzen braunen Haa kurzer Zeit kam er mit Hadar Calli re glatt u n d rückte seine im Schlaf ver man zurück. Der SOL-Farmer be rutschte Kombination zurecht. „Ich trachtete besonders Atlan mißtrau isch. Wie ein typischer Solaner sah der besorge uns ein Frühstück." Er wollte schon zur Tür gehen, da Arkonide nicht aus. hielt ihn Atlan fest. „Haben wir uns nicht schon einmal „Warte noch. Ich möchte erst etwas gesehen?" fragte Calliman vorsichtig. mit dir absprechen. Wärst du in der „Ich kann mich nicht erinnern", ant Lage, weiterhin den Mystos-Abhängi wortete Atlan. „Die meiste Zeit mei gen zu spielen? Man würde sich wun nes Lebens habe ich ganz oben ver dern, wenn du plötzlich wieder ganz bracht." normal bist. Außerdem könnte es uns Der Chef der SOL-Farmer willigte nützlich sein, wenn wir dieses Rausch schließlich ein. „Aber nur für vier Ta giftnest ausheben." ge", sagte er. „Loorn wird euch alles „Ich verstehe. Ich werde mich so zeigen und euch eine Aufgabe zutei len. Wollt ihr eine gemeinsame Unter verhalten, wie du sagst." Zehn Minuten später war Loorn mit kunft?" einem reichhaltigen Frühstück zu Valara sah Atlan erwartungsvoll an, rück. Sie aßen in Ruhe, besonders Va aber der verneinte. lara langte kräftig zu. Sie erhielten zwei nebeneinanderlie Piex bekam ein Salatblatt, an dem gende Kabinen ganz in der Nähe von er mit seiner kaum sichtbaren kleinen Loorns Wohneinheit. Nach den Na men der beiden fragte Calliman nicht. Schnauze nagte. Und mehr als Kost u n d Unterkunft Dann ergriff Atlan das Wort. „Ich suche nach einer Möglichkeit, bot er als Entgelt auch nicht an. Später führte sie Loorn durch die zusammen mit Valara bei den SOLFarmern für einige Zeit unterzutau ganze Farm. Neben offenen Feldern chen. Dadurch könnten wir uns den gab es eine Unzahl von kleinen und Verfolgern entziehen, bis wieder Ruhe großen Hydrokulturen in Tanks oder eingekehrt ist. Wir hätten so aber auch abgedeckten Räumen. Loorn kannte eine Möglichkeit, dem Rummel mit nicht alle Pflanzen, die hier angebaut dem Rauschgift ein Ende zu bereiten, wurden. Einige Tanks waren ver schlossen. Die offizielle Begründung bevor er noch größere Kreise zieht." Loorn dachte nach. „Ich werde mit dafür war der Schutz vor Dieben. Calliman reden. Vielleicht kann er „Ich vermute, daß in einem diesem euch für ein paar Tage beschäftigen. Tanks die Mystospflanze angebaut Es sind nämlich viele Roboter durch wird", sagte er u n d deutete auf die Defekte ausgefallen, und Calliman großen Metallklötze, die in langen Rei braucht Ersatz. Auf vielen Feldern hen hintereinander standen.
44
„Wir werden es herausfinden." At lan war zuversichtlich. „Versuche uns immer in der Nähe der Tanks einzuset zen. Die Kombinationsschlösser stel len kein großes Hindernis dar." „Unsere Schicht beginnt ab Mit tag." Auch Loorn schöpfte neuen Mut. „Ich werde sehen, was sich machen läßt." Ein Mann und eine Frau kamen den dreien entgegen. Sie starrten auffällig herüber, gingen aber ohne ein Wort vorbei. „Das waren Lon und Verda", flüster te Loorn. Atlan prägte sich die Gesichter ein. „Geh und verlange Mystos von ih nen", sagte er zu dem Farmer. Atlan und Valara gingen weiter. Schon bald hatte Loorn sie wieder eingeholt. „Sie haben blöd gegrinst", berichte te er, „und gesagt, ich solle mich an Hay Donnar wenden." Sie bogen in einen Weg ein, der di rekt auf eine Reihe Tanks zuführte. Atlan wollte eine Hydro-Kultur aus der Nähe inspizieren. Von den ande ren Farmarbeitern war niemand weit und breit zu sehen. „Weißt du denn, wie die Mystos pflanze aussieht?" fragte er Loorn. Der schüttelte den Kopf. „Ich werde sie aber erkennen, weil ich alle ande ren Gewächse identifizieren kann." Hinter dem Hydro-Tank wuchsen in einer langen Reihe dichte Büsche, die noch unreife Beeren trugen. Sie gin gen den schmalen Pfad zwischen dem Tank und den Büschen hoch. Plötzlich sprangen mehrere Männer und Frauen aus den Büschen und um ringten die drei. Sie waren mit Eisen stangen und ähnlichen Geräten be waffnet. Ein älterer Mann trat vor und starrte Atlan finster an. Er hielt den hochge-
ATLAN
wachsenen Arkoniden für die höchste Persönlichkeit unter den dreien. „Farmer", sagte der Alte dumpf. „Öffne dieses Haus. Wir haben einen verdammten Hunger auf Palsakartof feln und frische Tomaten. Die Versor gung gewisser Bevölkerungsschich ten ist ohne Selbsthilfe nicht mög lich." Der Kreis um die drei war geschlos sen. Atlan zählte insgesamt elf Solaner. Er hatte Mitleid mit diesen Leuten, denn ihr Verhalten war eine Folge der katastrophalen Zustände in dem Schiff. „Ich würde nicht zögern", antworte te er, und dies entsprach sogar seinen Gefühlen, „die Tore zu öffnen. Aber ich kann es nicht. Die Kombination der Schlösser ist uns unbekannt." „Erlügt", kreischte eine Frau. „Seht doch nur, wie gut genährt die Farmer sind. Ihr sitzt ja an der Quelle, aber an uns denkt keiner." Ein Gegenstand flog aus dem Kreis und traf Valara Brackfaust am Kopf. Die Terra-Idealistin sank sofort zu Bo den. „Seid ihr wahnsinnig?" brüllte Lu dewigh Loorn. „Wir kommen auch ohne euch an unser Ziel", sagte der Alte mit düste rer Stimme. Er schwang eine lange Ei senstange und trat auf Atlan und Lu dewigh zu. „Es geht los." Atlan sprach leise und schnell. „Wenn du kannst, dann hole Hilfe." Ohne ein sichtbares Kommando drangen die Solaner auf die beiden ein. Der Arkonide straffte seine Mus keln. Besonders ausgebildete Kämp fer waren das nicht. Als der Alte die Eisenstange hob, sprang er ihn aus dem Stand mit bei den Füßen an. Gleichzeitig fuhren sei ne Hände nach vorn und packten nach
46
der heruntersausenden Stange. Der alte Mann stürzte zu Boden. Atlan hielt die Stange wie ein Samu rai seinen Stock, mit beiden Händen und waagrecht. Seine Bewegungen waren blitzschnell. Er richtete die En den der Stange auf die Köpfe der Sola ner, die ihn von allen Seiten umring ten. Mit raschen Drehungen verschaff te er sich etwas Luft. Auch Loorn kämpfte verbissen. An ihm hingen zwei Frauen. Die eine schwang ein Brotmesser. Atlans Eisenstange sauste durch die Luft und traf das Messer. Ein Kinnha ken warf die zweite Frau zu Boden. Dann klammerten sich vier Mann an ihn. Einer versuchte ihm die Stange zu entreißen. Der Arkonide setzte jetzt al le Tricks ein, die er in seinem Leben gelernt hatte. Auch auf ernsthafte Ver letzungen, die er den Solanern dabei zufügte, konnte er keine Rücksicht nehmen, denn diese Diebesbande ging auch mit allen Mitteln gegen ihn vor. Bei seinen schnellen Bewegungen und Hieben mußte er noch darauf ach ten, daß die bewußtlos auf dem Boden liegende Valara nicht versehentlich von ihm getroffen oder getreten wurde. Die Angreifer merkten sehr schnell, daß sie trotz ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit gegen einen geschulten Kämpfer angingen. Fünf von ihnen la gen schon stöhnend oder bewußtlos auf der Erde. Atlan drückte dem nicht gerade kräftig gebauten Loorn die Eisenstan ge in die Hand, damit der sich besser wehren konnte. Dann ging er mit den bloßen Fäusten auf die restlichen So laner los. Wieder sanken zwei Mann nach seinen Faustschlägen zu Boden. Die anderen wichen jetzt zurück. In ihren Blicken stand Unsicherheit.
ATLAN
„Hau ab", rief Atlan Loorn zu. „Mit dem Pack werde ich allein fertig." „Nicht mehr notwendig." Die Solaner zogen sich zurück. Gleichzeitig kam Hadar Calliman in Riesensätzen angerannt. Der Chef der SOL-Farmer trug eine kleine Betäu bungspistole in der Hand. Einige der Diebe, die Atlan nieder geschlagen hatte, rafften sich noch auf, bevor er zur Stelle war. Der An führer der Bande lag jedoch noch be sinnungslos auf dem Boden. Auch Valara Brackfaust raffte sich wieder auf. Sie hatte eine Platzwunde an der Schläfe. „Ärger gehabt?" fragte Calliman. „Aber gut gehalten." Er blickte Atlan von oben bis unten an. „Du gefällst mir, Kerl. Wenn du als Farmer auch so gut bist wie als Schlä ger, dann behalte ich dich hier." Der Arkonide begrüßte diese Ent wicklung. Wenn er Callimans Vertrau en besaß, konnte er seine Pläne besser verwirklichen. „Ich hatte Glück", sagte er auswei chend. „Ludewigh hat mir kräftig ge holfen." „Wie heißt du eigentlich?" „Atlan", kam die spontane Antwort. Calliman reagierte ganz unerwartet darauf, denn der Name bedeutete ihm offensichtlich nichts. „Und weiter?" „Brackfaust." Er deutete auf Valara. „Sie ist meine Schwester." Der Chef der SOL-Farm war zufrie den. Er packte den immer noch besin nungslosen Alten und zog ihn hoch. „Den bekommen die Ferraten." Dann verschwand er schnell. Die drei blickten ihm hinterher, bis er zwischen den Feldern und Bauten verschwunden war. „So wie dich habe ich noch keinen
47
Die Terra-Idealisten
kämpfen gesehen", staunte Ludewigh Loorn. „Erst diese seltsame Heilung, und jetzt das. Wer bist zu wirklich?" „Er ist wirklich Atlan", antwortete Valara. „Nur wissen nur wenige Men schen, wer Atlan ist." „Es kann auch nicht schaden, wenn es vorerst so bleibt", fügte der Arkoni de hinzu. „Laßt uns weitersuchen." Bis zum Mittag klapperten sie meh rere Dutzend Tanks ab. Zweimal öff nete Atlan geschickt die Kombina tionsschlösser, aber Loorn versicherte jedesmal, daß es sich um normale Pflanzen handelte, die hier angebaut wurden. „Wir müssen es anders versuchen", beschloß Atlan. „Ludewigh, wenn du dich heute abend mit diesem Hay Donnar triffst, m u ß t du dich schein bar voll auf die Seite der Rauschgift händler u n d der Süchtigen schlagen. Vielleicht bekommst du dann einen Hinweis. Du kannst auch versuchen, mich mit in den Kreis zu bringen. Ich könnte das Gift ruhig rauchen, denn es schadet mir nichts."
7.
„Ich wußte, daß du kommst." Hay Donnar grinste breit. Loorn druckste erst eine Weile her um. Er vergrub seine Hände in den Ta schen und blickte den bulligen Don nar verlegen an. „Nur heraus mit der Sprache", mun terte dieser ihn auf. „Ich weiß, was du willst, aber du sollst es selbst sagen." „Ich fühle mich nicht gut." Er hielt sich genau an die Anweisungen At lans. „Vielleicht fehlt mir etwas." „Und da kommst du zu mir?" Don nar lachte laut. „Ich habe versucht, den Tank zu fin den, in dem ihr Mystos anbaut. Es ist
mir nicht gelungen. Wie soll ich mir denn helfen?" „Du hast den Tank gesucht?" Don nars Lachen raubte dem jungen Mann fast den ganzen Mut. „Du bist wahn sinnig. Versuche das nie wieder, sonst landest du in einer Ecke, wo dich kei ner findet." „Ich dachte, ich bin jetzt einer von euch." Loorn spielte den Einfältigen. „Da kann ich doch auch wissen, wer die anderen sind, u n d wo der Anbau durchgeführt wird. Hast du etwas von dem Zeug d a ? " Er zog eine kleine Tonpfeife aus der Tasche und hielt sie in die Höhe. „Du bekommst eine Prise von mir." Donnar holte einen kleinen Beutel aus der Tasche. „Morgen bin ich nicht da, aber ich sage Lon Bescheid. Wende dich an ihn. Ich h a b e jetzt nicht mehr." Scheinbar gierig stopfte sich Lude wigh seine Pfeife. Dann begann er um ständlich nach Feuer zu suchen. Sein hilfloses Gesicht veranlaßte Donnar schließlich aufzustehen und zu einem Wandschrank zu gehen, wo sein Zün der lag. Loorn benutzte den Moment, in dem Donnar ihm den Rücken zudreh te, um blitzschnell die Pfeife gegen ei ne andere aus seiner Kombination auszutauschen. Als Donnar ihm den Zünder reichte, wich er schnell einen Schritt zurück und zündete sich die Pfeife an. Dann warf er mit einem Lächeln den Zünder Donnar zu, murmelte ein Danke und verließ die Wohnkabine. Er wollte sich nicht durch den Geruch des nor malen Tabaks in seiner Pfeife verra ten. Donnar blickte ihm grinsend hinter her. In seiner Unterkunft berichtete er Atlan u n d Valara von dem Treffen mit
48
Hay Donnar. „Es lief nicht so, wie wir es wollten, denn Donnar rückte das Zeug zu schnell heraus. Ich hatte Glück, daß ich die Pfeifen vertauschen konnte, aber dann mußte ich weg. Dennoch glaube ich, daß Hay sich verraten hat. Er sagte, er sei morgen nicht hier. Nach dem Arbeitsplan ist er aber für die nächsten drei Tage in der Tag schicht. Ich habe vor Callimans Büro nachgesehen. Es gibt keine Änderung, obwohl er noch heute an dem Plan eu re Namen eingetragen hat. Das kann nur eins bedeuten. Hay wird sich mor gen für eine andere Aufgabe zur Ver fügung stellen müssen." „Du meinst", sagte Atlan, „er wird entweder den geheimen Hydro-Tank aufsuchen oder in der Verarbeitungs anlage tätig sein." „Genau das. Bei deinen Fähigkei ten, Atlan, müßtest du ihm doch unbe merkt folgen können. Du hast noch ei nen Vorteil. Morgen am Tag, nach nor maler SOL-Zeit, beginnt auf den Birnenfeldern die Nachtphase. Die SOL-Birnen haben einen ganz ande ren Tag-Nacht-Zyklus. Es wird also in weiten Teilen der Farm dunkel sein. Sicher ist es für die Mystos-Brüder auch eine ideale Gelegenheit, ihrem Treiben nachzugehen." „Und Hay Donnar kennt mich nicht", fügte Atlan hinzu. „Wann glaubst du, wird er seine Unterkunft verlassen?" „Um fünf Uhr früh werden die Kunstsonnen abgeschaltet. Vorher geht er bestimmt nicht." Sie sprachen noch die Einzelheiten durch, da Atlan nicht genau wußte, wo Donnar seine Wohnkabine hatte. Va lara wollte unbedingt mitkommen, aber Atlan lehnte energisch ab. „Einer kann das besser als zwei. Wenn ich geschnappt werde, ist das
Atlan
mein Problem. Mein Problem ist aber nicht dein Problem, Valara, auch wenn wir beide uns verstecken müs sen." „Du schaffst es, Atlan." Sie zeigte ihm offen ihre Zuversicht und Bewun derung. „Aber eine Bitte wirst du mir nicht abschlagen. Ich gebe dir Piex mit. Er kann dir bestimmt helfen." Atlan zog die Stirn kraus. „Ich den ke, der kleine Kerl versteht sich nur mit dir?" Valara zog den dunkelgrünen Igel aus der Tasche und streichelte ihn lie bevoll. „Ich bin sicher, daß er sich auch mit dir versteht." Sie streckte die Hand mit Piex nach Atlan aus. Vorsichtig nahm der Piex in seine Hand. Die Stacheln blieben dicht am Körper liegen. *
Er verbarg, sich bis zum frühen Morgen in einem Feld, das der Wohn kabine Donnars direkt gegenüber lag. Noch bevor die Kunstsonnen in wei ten Teilen der SOL-Farm abgeschaltet wurden, näherte sich ein Mann der Be hausung Donnars. Es war Hadar Calli man. Der Chef der Farm verschwand für Minuten, dann kam er mit Donnar wieder heraus. Die beiden Männer machten sich zu Fuß auf den Weg. Atlan zog Piex aus der Tasche und heftete ihn so, wie die Terra-Idealistin es ihm gesagt hatte, auf seine rechte Brusthälfte. Der Extra klammerte sich mit seinen unsichtbaren Beinchen so fort fest. In sicherem Abstand folgte Atlan den beiden. Inzwischen waren die Kunstsonnen über den Birnenfeldern erloschen. Als Calliman und Donnar in einen Seitenweg abbogen und Atlan schon
Die Terra-Idealisten
glaubte, er müsse jetzt schnell auf schließen, ließ Piex sich fallen. Der er staunte Arkonide konnte den kleinen Kerl gerade noch auffangen. Rasch verbarg er sich tiefer in den Büschen. Von fern schimmerte das Licht eines Feldes herüber, auf dem andere Früchte wuchsen, für die jetzt Tag war. Die Umgebung war dadurch soweit erhellt, daß Atlan keine Schwierigkeiten hatte, alles zu erken nen. Er wollte Piex wieder an seine Brust hängen, aber das Tier ließ sich sofort wieder fallen. Kurz darauf hörte er Schritte. Sie kamen aus der Richtung, aus der er und auch Calliman und Donnar ge kommen waren. Atlan zog sich tiefer in die Pflanzung zurück. Die Schritte kamen schnell näher. Erst als sie auf Atlans Höhe waren, wagte er einen Blick. Er sah eine dunkelblaue Uniform mit gelben Atomsymbolen auf den Schultern. Es war eine Ferratin. Noch während Atlan überlegte, ob die Frau etwas mit Callimans illegalen Geschäften zu tun hatte, kamen der und Donnar auf dem Weg zurück. In nur zwanzig Metern Entfernung von dem Arkoniden trafen sie sich. Er konnte jedes Wort verstehen, das ge sprochen wurde. Aus der knappen Be grüßung ging klar hervor, wer der Chef war. Die drei SOLaner sprachen über die Aberntung von Mystos. Die Ferratin bestätigte Calliman und Don nar, daß ihnen niemand gefolgt sei. Atlan streichelte den kleinen Piex. Ohne den Extra wäre er sicher von der Schwester der sechsten Wertigkeit er tappt worden. „Heute abend am Treffpunkt an der alten Mühle", sagte die Ferratin. „Und jetzt an die Arbeit." Sie drehte sich um und ging den
4.9 Weg zurück, den sie gekommen war. Atlans Verdacht, den er bislang für sich behalten hatte, war damit bestä tigt. Er hatte sich von Anfang an nicht vorstellen können, daß jemand wie Calliman, der selbst Mystos-abhängig war, der Kopf des Unternehmens sein sollte. Daß es aber eine Angehörige der SOLAG war, bewies deutlich, wie morsch das ganze System in der SOL war. Er fragte sich, wie er es schaffen sollte, hier wieder normale Zustände herzustellen. Piex lag auf seiner offenen Hand und machte noch keine Anstalten, wieder in seine geliebte senkrechte Lage zu gehen. Also wartete Atlan ge duldig. Erst als sich der Extra bewegte und langsam an der Kombination hoch kroch, nahm er die Verfolgung wieder auf. An der Abzweigung, die Calliman und Donnar genommen hatte, lugte er erst vorsichtig um die Ecke. Ein hohes SOL-Birnenfeld gab ihm eine gute Deckung. Die beiden SOL-Farmer hatten un gefähr 200 Meter Vorsprung. Atlan be wegte sich quer durch das Feld, da es eine andere Möglichkeit nicht gab. Ein paar Geräusche nahm er dabei in Kauf. Jenseits des Feldes gab es einen ein zelstehenden Hydro-Tank, an den sich Atlan von dem Rundgang am Vortag genau erinnerte. Durch die seitlichen Öffnungen wußte er auch, daß hier nur normale Nahrungsmittel gezogen wurden. Um so erstaunter war er, als er sah, daß Calliman und Donnar auf diesen Tank zusteuerten. Tatsächlich verschwanden sie im Eingang. Der Arkonide pirschte sich durch das Feld bis an dessen Rand. Von hier bis zu dem Hydro-Tank waren es nur noch zwanzig Meter. Er begann daran zu zweifeln, ob er
50 auf der richtigen Spur war. Das Tref fen mit der Ferratin hatte noch alles bestätigt, aber jetzt war er unsicher. Was wollten Calliman und Donnar in einem ganz normalen Pflanzenzucht gebäude? Seit langem meldete sich sein Extra sinn wieder. „Tarnung, du Narr! Er zog die Mystospfeife heraus, die ihm Ludewigh Loorn gegeben hatte, und zündete sie an. Sein Zellaktivator würde die Wirkung des Giftes sofort neutralisieren. Als die kleine Tonpfeife brannte (das Zeug schmeckte abscheulich, fand Atlan, aber der süßliche Geruch war nicht unangenehm), trat er auf den Weg, der vor dem Tank vorbei führte. Mit wenigen Schritten stand er vor dem Eingang. Die Tür war verriegelt. Am Vortag war sie offen gewesen. Er überlegte, ob er versuchen sollte, das Kombina tionsschloß zu öffnen, als der Stahlflü gel zur Seite glitt. Vor ihm stand Hadar Calliman. In seiner Hand lag die kleine Betäu bungswaffe, die Atlan schon bei ihm gesehen hatte. „Du?" entfuhr es dem SOL-Farmer gedehnt. Die Waffe zeigte auf Atlans Kopf. „Ja, ich", sagte der Arkonide im nor malen Tonfall und zog genüßlich an seiner Pfeife. Calliman war sichtlich verwirrt. „Hol ihn erst mal 'rein", rief Hay Donnar aus dem Innern des Tanks. „Und dann mach das Schott dicht." „Ich komme sogar freiwillig." Atlan ignorierte die Waffe in Callimans Hand und ging an diesem vorbei. Donnar stand wenige Schritte hinter seinem Chef. Seine Hände waren von frischer Erde verschmiert. „Hallo", sagte Atlan leutselig. Er
Atlan
wußte, daß er den Bluff, den er sich zurechtgelegt hatte, jetzt in aller Kon sequenz durchhalten mußte. „Was machen wir mit dem Kerl?" fragte Calliman. Atlans selbstsicheres Auftreten machte ihn sichtlich nervös. „Vielleicht hört ihr mich erst einmal an." Der Arkonide zog wieder an sei ner Pfeife. Callimans Augen bildeten schmale Schlitze. „Wer bist du wirklich, und wie hast du uns hier gefunden? Wenn du diese Fragen nicht einleuchtend beantworten kannst, ist es aus mit dir." „Bitte keine Drohungen." Atlan spielte den Gekränkten. „Ich heiße Atlan Brackfaust, und ich bin selbst SOL-Farmer wie ihr. Meine Farm liegt allerdings im Mittelteil der SOL. Euch zu finden, war kein Problem. Ich habe die Auskunft von Leuten, die weiter oben in der Hierarchie der SOLAG stehen." „Das kann nie und nimmer stim men." Calliman fuchtelte mit der Nar kosewaffe herum. „Jedes Kind weiß, daß der Übergang von einem Teil der SOL in einen anderen verboten ist." „Gilt das auch für die Führung der SOLAG?" fragte Atlan ironisch. „Oder für Leute, die von ganz oben ge braucht und begünstigt werden?" Calliman schwieg betroffen. Donnar kratzte sich nachdenklich am Kinn und schmierte sich dabei das Erdreich von seinen Händen ins Gesicht. „Die Sache ist so", fuhr Atlan fort, „daß es auch bei den Leuten ganz oben einen Bedarf nach Mystos gibt. Die Anpflanzung, die im Mittelteil der SOL war, wurde von verrückten Vy stiden zerstört. Die Narren hatten kei ne Ahnung, für wen das Zeug ange baut wurde. Es gab eine Strafaktion gegen die Farmer, die nicht aufgepaßt hatten, und gegen ein paar Vystiden.
Die Terra-Idealisten
Dann wurde ich in das Amt eines Chefs der SOL-Farm berufen. Ich soll nun für den notwendigen Nachschub sorgen. Meine Vorräte sind fast aufge braucht. Die Pflanzen sind restlos zer stört und verbrannt. Die Leute, die die Mystosherstellung bei uns gemacht haben, sind tot. Man hat mir drei Tage Zeit gegeben, um dieses Problem zu lösen. Deswegen bin ich hier." „Und wenn du es nicht schaffst?" fragte Donnar lauernd. Die Frage zeig te Atlan, daß er diesen einfachen, rau hen Burschen schon weitgehend über zeugt hatte. Statt einer Antwort fuhr Atlan mit der waagrechten, ausgestreckten Hand an seiner Kehle vorbei. „Ich verstehe immer noch nicht, wie du uns finden konntest. Ich meine hier in diesem Hydro-Tank." Calliman ließ die Waffe langsam nach unten sinken. Der Arkonide zeigte auf Piex, der an seiner Brust hing. „Dieser kleine Extra ist ein MystosSpürer. Er wurde mir für diesen Auf trag zur Verfügung gestellt. Er führte mich hierher." Die beiden Solaner starrten auf den kleinen Igel. Da sie von solchen Din gen nichts verstanden, schwiegen sie dazu. „Alles, was ich von euch brauche, sind ein paar Mystospflanzen, Pläne der Verarbeitungsanlage und eine kleine Lieferung für den Sofortbedarf. Über entsprechende Gegenleistungen können wir reden. Ich habe alle Voll machten." „Wer steckt dahinter?" fragte Calliman. „Ich meine, wer gibt dir einen solchen Auftrag?" „Ihr werdet verstehen, daß ich dar über schweigen muß. Aber soviel kann ich sagen. Es sind Personen, die über den Ferraten stehen. Genügt das?"
51 Calliman ließ seine Waffe jetzt ganz nach unten hängen. Er stand so dicht bei Atlan, daß dieser ihm den Betäu bungsstrahler leicht entwenden konn te. Doch der Arkonide reagierte nicht darauf. Er vermutete vielmehr, daß der SOL-Farmer ihm eine Falle stellen wollte. Er streckte seine Hand schnell aus. Für einen Moment sah es so aus, als wolle er nach der Waffe fassen. Dann aber hielt er die Hand Calliman entge gen. „Auf gute Zusammenarbeit, Hadar." Damit war der Bann gebrochen. Calliman steckte die Waffe in seinen Gür tel. „Glaube nicht, daß du uns über zeugt hast", sagte er. „Ich werde nachprüfen lassen, ob das stimmt, was du gesagt hast." „Wenn du das kannst, dann tu es." Atlan war ganz gelassen. „Natürlich kann ich das. Glaubst du, ich hätte keine Verbindungen nach oben?" „Man hat mir gesagt, daß du mit ei ner Schwester der sechsten Wertigkeit zusammenarbeitest. Ich kenne deren Namen aber nicht." „Fortrane Logie", entfuhr es Hay Donnar. Er erntete einen bösen Blick Callimans. Atlan zeigte mit keiner Regung, wie zufrieden er war. Rasch lenkte er das Thema wieder von der Ferratin ab. „Wie sieht es mit meinen Bitten aus? Bekomme ich die Pflanzen und alles andere?" „Hay wird dir alles zeigen." Calliman war jetzt völlig überrumpelt. Atlan folgte dem vierschrötigen Mann in das Innere des Tanks. „Du hast noch keine Ahnung vom Mystosanbau, nicht wahr?" „Auf meiner Farm wurde alles rest
52
los zerstört, bevor ich die Aufgabe übernahm." „Aber rauchen kannst du!" Hay Donnar grinste und zündete sich selbst eine kleine Dosis an. „Man darf nur nicht zuviel nehmen." In dem Tank wuchs ausschließlich eine kleine Staudenpflanze, die ent fernt an die terranischen Tomaten erinnerte. Hier wurde die Frucht Bai tos genannt. Von Ludewigh Loorn wußte Atlan, daß diese Frucht zu den Standardpflanzen der SOL-Farm ge hörte. „Paß auf", sagte Hay Donnar zu dem Arkoniden. „Sieh dir diese Pflanzen an. Kennst du sie?" „Natürlich. Das ist Baitos." Donnar lachte hämisch. „Du solltest sagen, es sieht aus wie Baitos. Tatsäch lich schmecken die Früchte auch fast so. Ein Laie wird den Unterschied nicht merken." Er nahm eine Frucht von einer Stau de und biß herzhaft hinein. Atlan folg te seinem Beispiel. „Und doch ist es etwas ganz ande res. Vielleicht sind Baltos und Mystos verwandt. Sie sollen angeblich von der gleichen Welt stammen. Den Un terschied merkst du erst, wenn du die Wurzeln betrachtest." Donnar riß eine Pflanze aus. „In die sen langen Streifen, die die Wurzeln sind, steckt das göttliche Zeug", sagte er. „Die Verarbeitungsanlage ist hier in dem gleichen Tank, allerdings unter der Bodenfläche." Sie gingen bis an das hintere Ende des Tanks. Dort drückte Hay sehr schnell auf eine Reihe von kleinen bunten Zierplättchen, die in eine Wand eingelassen waren. Atlan spei cherte diese Information in seinem Kopf. Ohne sein fotografisches Ge dächtnis wäre das unmöglich gewe sen.
Atlan
Eine Rabatte mit Pflanzen kippte nach oben. Darunter wurde eine Treppe sichtbar. Sie gingen nach unten. Eine Reihe von Kesseln und Trockenanlagen wur de sichtbar. Atlan fand, daß es sich um eine primitive Technik handelte, die man leicht nachbauen konnte. „Wer hat das gebaut? Wer hat die Pläne?" „Fortrane Logie, die Ferratin. Sie ist der Chef des Unternehmens." Als sie wieder oben waren, verabre dete sich Atlan mit Calliman für den nächsten Tag. Der Chef der SOL-Farm bestand auf dieser Frist, und Atlan mußte einwilligen. Es war dem Arkoniden klar, Ferratin über den seltsamen Fremden sprechen wollte, bevor er diesem die Forderungen erfüllte. Atlan war zufrieden, als er sich auf den Rückweg zu den Unterkünften machte. Ein Stück Arbeit stand ihm allerdings noch bevor, bis dieses Rauschgiftnest ausgeschaltet war. Er legte sich einen Plan für sein wei teres Vorgehen zurecht. Am Abend wollte Calliman sich mit der Ferratin Fortrane Logie treffen. Dieser Zeit punkt war ausschlaggebend. Bis da hin mußte alles erledigt sein. 8.
Atlan traf sich zunächst mit Valara Brackfaust. Loorn war unterwegs, um sich um seine täglichen Arbeiten zu kümmern. Mit dem Plan des Arkoniden war die T verstanden, jedoch glaubte sie nicht, daß Ludewigh Loorn ohne weiteres mitspielen würde. „Der Junge hat eine Freundin, Elea Calliman, die Tochter des Chefs. Das Mädchen raucht auch dieses Teufels
zeug, und darunter leidet Loorn ge waltig. Außerdem fühlt er sich mit den Farmern sehr verbunden. Einen solchen Riesenärger, wie du ihn veran stalten willst, wird er nicht akzeptie ren." „Es ist die einzige Möglichkeit, die Erfolg verspricht. Wir drei allein sind viel zu schwach, um diese Mißstände zu beseitigen", widersprach Atlan. „Auf der ganzen SOL herrschen Mißstände, Atlan. Und draußen lauert eine noch unbekannte Gefahr durch den Zugstrahl aus dem unheimlichen Sonnensystem. Willst du das alles än dern?" „Das will ich", sagte Atlan über zeugt. „Natürlich weiß ich, daß das nicht innerhalb von wenigen Tagen geht. Es geht auch nicht ohne Hilfe anderer. Diese SOL-Farm mit dem Mystosanbau ist nur ein kleiner Fisch. Die Tristesse des Alltags, der die mei sten Solaner verfallen sind, ist aber ein ausgezeichneter Nährboden für eine weitere Verbreitung des Rauschgifts. Deshalb m u ß ich hier einen Riegel vorschieben. Ich bin sicher, daß der High Sideryt SOLche Zustände auch nicht duldet, auch wenn er vielleicht ein eigenbrötlerischer Diktator ist. Letzten Endes geht es auch um seinen Hals." Valara widersprach nicht mehr. Sie hatte ihre Bedenken geäußert. Anson sten galt ihr Vertrauen uneinge schränkt dem Arkoniden. Sie trafen sich mit Loorn nach dem gemeinsamen Mittagessen in dessen Unterkunft. Piex, den Atlan Valara mit herzlichem Dank zurückgegeben hatte, hing wieder an seinem gewohn ten Platz. „Ich m u ß mit dir sprechen, Lude wigh", begann Atlan. „Zunächst möchte ich von dir wissen, was die alte Mühle ist."
Loorn, der noch keine Einzelheiten von Atlans Aktion am Vormittag kannte, blickte auf. „Alte Mühle? Jenseits der zur Zeit brachliegenden Felder gab es früher einmal eine Station, in der Getreide verarbeitet wurde. Nur dieser Block kann damit gemeint sein." Auf Atlans Verlangen beschrieb er den Weg dorthin. „Bist du bereit, uns zu helfen? Va lara und ich sind der Ansicht, daß die sem Mystosunwesen ein Ende bereitet werden m u ß . " „Natürlich." Loorn war fast empört über diese Frage. „Ich kämpfe gegen die Droge, seit ich davon weiß. Aber alles ist hoffnungslos. Ich kenne kei nen Weg, der zum Erfolg führen würde." „Es ist oft nicht ganz einfach", sagte Atlan, „aus sich heraus die richtige Lö sung für ein Problem zu finden. Es gibt immer Hindernisse, die man für unüberwindbar hält, oder Hemmnisse in einem selbst, die es schwer machen, den richtigen Entschluß zu fassen." „Ich weiß nicht, worauf du hinaus willst, Atlan. Für unsaubere Sachen bin ich nicht zu haben." „Es fuhr einmal ein Fischer mit ei nem großen Faß voller Fische in dunkler Nacht mit seinem Schlitten durch eine schneebedeckte Land schaft. Er war auf dem Weg zu seiner Hütte in einer kleinen Siedlung. Der Weg war noch weit, und er hatte keine Waffen dabei. Ein Rudel Wölfe näher te sich seinem Schlitten. Die hungri gen Bestien witterten eine reichhalti ge Mahlzeit. In seiner Not fing der Mann an, die Fische aus dem Faß den Wölfen zum Fraß vorzuwerfen. Er hoffte, sie so abschütteln zu können. Seine beiden Pferde rannten, denn auch sie witterten die Gefahr. Als der Mann schließlich alle Fische verfüttert
54
hatte, gaben die Wölfe immer noch nicht auf. Der Mann sah sein Ende schon kommen, da fiel ihm etwas ein, das seine Rettung bedeuten sollte." Atlan machte eine Pause und war tete. „Er opferte eins seiner beiden Pfer de, nicht wahr?" sagte Ludewigh Loorn. „Ganz richtig. Für einen Moment hat te er Ruhe. Aber die Wölfe gaben nicht auf. Nachdem sie das freigelassene Pferd vertilgt hatten, war das Rudel wieder da. In seiner Verzweiflung ließ er auch das zweite Pferd frei. Wieder waren die Wölfe für einige Zeit be schäftigt, aber dann stand der Mann auf seinem Schlitten und das Rudel kam immer näher. Es war nur noch ei ne Frage der Zeit, bis die Tiere zu ihm heraufspringen würden. Was konnte er noch t u n ? " Loorn schwieg. „Das ist genau der Punkt", fuhr At lan fort, „an dem du dich befindest. Die Lösung liegt schon auf der Hand, aber du siehst sie nicht." Loorn schüttelte den Kopf. „Hast du Geschwister?" fragte At lan. „Eine ältere Schwester. Warum?" „Was hast du getan, wenn sie dich geärgert hat?" Ludewigh zuckte mit den Schul tern. „Bist du nicht zu deinen Eltern ge laufen?" „Meine Eltern sind früh gestorben. Ich bin bei Verwandten aufgewach sen, die ziemlich eklig zu mir waren. Deshalb habe ich mich schon früh um eine eigene Arbeit bemüht." „Gut. Zu wem bist du gelaufen, wenn deine Schwester dich geärgert hat?" Loorn behagte das Gespräch nicht sonderlich. Seine Antworten kamen
ATLAN
langsam. „Ich bin schon manchmal zu meiner Ziehmutter gerannt und habe..." „ . . . gepetzt", fuhr Atlan fort. „Eine ganz logische Sache, denn es ist die nächstliegende Lösung. Als Kind fin det man diese Lösungen ohne Nach denken. Als Erwachsener baut man Hemmungen auf, besitzt bestimmte Wertvorstellungen und Ähnliches. Und doch sind alles nur Zerrbilder der Wirklichkeit. Die Einbildung diktiert das Verhalten, nicht so sehr Verstand und Gefühl. Man meint, es gäbe keine Lösung, und doch liegt sie so nahe." „Ich weiß nicht, was der Fischer aus deiner Geschichte machen sollte. Was du von mir verlangst, erkenne ich je doch." „Glaubst du, daß der von Wölfen eingekreiste Fischer noch eine Chance besitzt?" Nach längerem Nachdenken schüt telte Loorn den Kopf. „Aber du hast eine, das Blatt hier auf der Farm zum Guten zu wenden und einen Beitrag zu leisten, daß sich die chaotischen Zustände in der SOL ändern." Atlan ließ Loorn Zeit zum Überlegen. „Wenn ich dich richtig verstehe, so willst du, daß ich meine Leute verpfei fe. Das geht schon deshalb nicht, weil hier ein Mädchen auf der Farm ist, das ich sehr verehre." „Sie ist Mystos-süchtig", sagte At lan. „Ich weiß es von Valara. Wenn der ganze Schwindel hier auffliegt, wird man sie heilen. Die SOLAG wird so et was nicht dulden." „Glaubst du, man würde sie hei len?" Loorns Augen schimmerten hoffnungsvoll. „Warum nicht. Vielleicht mußt du ein bißchen nachhelfen." „Ich bin mir da nicht so sicher." „Aber du bist dir darin sicher, daß
55
Die Terra-Idealisten
Elea Calliman vor die Hunde geht, wenn nichts geschieht." Loorn nickte düster. „Warum gehst du nicht selbst zu den Ferraten und er zählst ihnen von dem Mystos?" „Ich würde es gern tun, Ludewigh. Valara auch. Aber wir können es nicht, denn wir werden aus anderen Gründen gesucht. Man würde uns kein Wort glauben und wahrschein lich sofort festnehmen. Wir sind seit Tagen auf der Flucht vor den Rostjä gern." Ludewigh Loorn grübelte eine Wei le vor sich hin. „Der Fischer bei den Wölfen hat keine Chance. Ich habe ei ne, aber sie gefällt mir nicht." „Auch der Fischer hat eine Chance, Ludewigh. Ob sie ihm gefällt, spielt dabei keine Rolle. Er stülpt das leere Faß herum und verbirgt sich darunter, bis Hilfe aus seinem Dorf kommt. Die Wölfe gehen leer aus." „Sage mir alles, was du über Calliman und seine Helfer herausbekom men hast. Ich gehe zu den Ferraten." • „Es wird noch heute zum großen Knall kommen, Valara", sagte Atlan, als Loorn sich auf den Weg gemacht hatte. „Da wir den Verrat auf uns neh men werden, um Loorn nicht zu ge fährden, wird unser Aufenthalt auf der SOL-Farm ein schnelles Ende finden. Wir müssen uns nach einem Flucht weg umsehen. Und nach einem neuen Versteck." Valara nickte. „Ich könnte mich um ein Versteck kümmern, denn ich ken ne die augenblicklichen Zustände auf dem Schiff besser als du. Willst du ver schwinden, bevor die Ferraten kom men?" „Nein. Ich will aus bestimmten Gründen das Ende miterleben. Nicht
umsonst habe ich Loorn über die Fer ratin Fortrane Logie nur teilweise auf geklärt. Das war notwendig, damit er nicht an die falschen Ferraten gerät. Ich kenne das Innere der alten Getrei deverarbeitungsanlagen recht genau. Alte Mühle, hat die Ferratin gesagt. Mir dämmert da etwas, was auch für unseren Fluchtweg nicht ohne Bedeu tung sein könnte. Organisiere du ein Versteck. Ich kümmere mich um den Rest. Aber sei vorsichtig, daß du nicht den Ferraten in die Arme läufst. Wir treffen uns hier wieder um fünf Uhr. Viel Glück." Die Terra-Idealistin stimmte zu, aber es war ihr anzumerken, daß sie lieber in Atlans Nähe geblieben wäre. „Es gibt einen Extra namens Argan U", sagte sie, „Er sieht aus wie ein kleiner Bär mit orangefarbenen Schuppen. An ihn werde ich mich wenden. Wenn du den Kontakt zu mir verlieren solltest, halte dich an ihn. Er ist ein einfacher Kerl, aber mir und den Terra-Idealisten treu ergeben. Auch zwei Buhrlos gehören zu meinen Vertrauten. Sie heißen Candyr Hartz und Lamina Floter. Das nur für alle Fälle." Dann machte sie sich auf den Weg. Sie wählte den normalen Ausgang aus der SOL-Farm, der normalerweise ohne Bewachung war. Die Gefahr be gann erst draußen, denn hier konnte sie jederzeit irgendwelchen Streifen der SOLAG begegnen. Sie fühlte sich erleichtert, als sie wieder in ihrer gewohnten Umgebung war. Die Farm war ihr fremd gewesen. Dieses Gefühl tröstete sie über den Verlust der Nähe Atlans hinweg, den sie ehrlich bewunderte. Daß der Arko nide mehr im Auge hatte als die Ziele der Terra-Idealisten, war in ihren Ge danken normal. Letztlich würde er aber auch dafür sorgen, daß die SOLa
56 ner wieder Terraner werden würden. Davon war sie überzeugt. Eine Kolonne von Arbeitsrobotern begegnete ihr. Zwei Ferraten waren dabei. Da Piex, der an ihrer Hüfte außen hing, sich nicht rührte, ging sie einfach weiter. Es gab weit über 1 000 Ferraten, und die konnten sie nicht al le kennen. Sie benutzte einen Antigravschacht, um auf das Deck der Extras zu kom men. Da sie mit den beiden Monstern am zentralen Eingang des Decks rech nete, wählte sie den Weg, der von der anderen Seite zu Argans Unterkunft führte. Der Puschyde war nicht in seiner Kabine. Da aber sein Destilliergerät auf dem Tisch stand, konnte er nicht weit sein. Valara brauchte nicht lange zu war ten. Argan U kam in Begleitung eines Buhrlos. Es war Candyr Hartz. Die Wiedersehensfreude war kurz und herzlich. Ohne in Einzelheiten zu gehen, berichtete Valara von ihrem Aufenthalt bei den SOL-Farmern. „Ich brauche ein Versteck für mich und einen Freund", schloß sie. „Wir müssen heute abend von der Farm verschwinden." „Einen Freund?" fragte der Gläser ne. Er war sofort mißtrauisch. Valara nickte. „Ein wirklicher Freund. Ihr werdet ihn noch kennen lernen. Er kann uns helfen, unsere Zie le sehr schnell zu erreichen, Terraner. Und er wird es tun." „Heute abend?" fragte Argan eifrig. „Ich organisiere das. Ihr bekommt auch eine prima Mahlzeit und Piex sein Salatblatt."
Sie verspätete sich etwas bei ihrer Rückkehr zur Farm, da sie zweimal ei-
Atlan
nem Trupp Ferraten ausweichen muß te. In ihrer Unterkunft fand sie eine Notiz Atlans. Valara, Ludewigh. Ich bin zur Mühle. Darunter stand: Ich auch, Ludewigh. Valara verließ die Unterkünfte. Es war schon kurz vor sechs Uhr, der Zeit, zu der sich Calliman mit der Fer ratin treffen wollte. Ihr Weg führte sie an einem Tor vorbei, das zu den ande ren Bereichen der SZ-1 führte. Als sie dieses passierte, heulte ein Alarmton auf. Unmittelbar darauf schloß sich das Tor mit lautem Knall. Sekunden später erklang aus unsicht baren Lautsprechern eine männliche Stimme. „SOL-Farmer. Ihr seid eingeschlos sen. Dies ist eine Routinekontrolle ge gen Banden und Diebe, die in die Farm eingedrungen sind. Diese Maß nahme geschieht auf Anordnung der SOLAG." Die Terra-Idealistin beeilte sich, zu dem Treffpunkt an der alten Mühle zu kommen. Sie achtete dabei nicht auf ihre Umgebung. Piex, der in ihrer Kombination steckte, konnte sie nicht warnen. Da sie Atlans Vorhaben nicht genau kannte, rannte sie direkt in die Falle. Auf dem freien Platz vor dem ehemali gen Werk für Getreideverarbeitung stand sie nur wenige Sekunden. Drei Ferraten sprangen aus ihren Verstek ken und zerrten sie in eine Buschgrup pe. Hier traf sie auf gut zwei Dutzend Ferraten. Es war einer der Brüder der dritten Wertigkeit dabei. Der Ahlnate hielt sich jedoch im Hintergrund. „Wir haben eine zweite Person", rief einer der Ferraten dem Ahlnaten zu. Der nickte nur würdevoll, wie es sich für einen Lehrer und Priester gehörte. Valara entdeckte auch Ludewigh Loorn. Sie drängte sich in seine Nähe.
57
Die Terra-Idealisten
„Was ist los, Ludewigh?" „Ich habe keine Ahnung. Ich kam vor ein paar Minuten hierher und wur de genauso gefangen wie du." „Und . . . " Sie beendete die Frage nicht, weil sie Atlan nicht verraten wollte. „Die beiden sind nicht die, auf die wir warten", sagte einer der Ferraten. Valara freute sich über diesen Satz. Offensichtlich war unter diesen Ferra ten keiner, der auch an der Verfolgung der Terra-Idealisten beteiligt gewesen war. „Ich habe einen Ferraten über alles informiert, was Atlan in Erfahrung ge bracht hat", erzählte Loom. „Dieser Ferrate ist hier nicht dabei. Ich habe ihm gesagt, daß ich alles von einem Fremden erfahren habe, der hier auf getaucht sei. Atlan hat es so gewollt, damit ich nicht in den Kreis der Ver dächtigen gezogen werde." „Ich habe ein dummes Gefühl", ant wortete Valara. „Haltet den Mund", befahl einer der Ferraten scharf. „Er kommt." Dann gab er Anweisungen an die an deren Ferraten. Valara konnte hören, daß über Funk Einsatzkommandos losgeschickt wurden. 9.
Atlan brauchte in der alten Anlage nicht lange zu suchen. Der Betrieb des Getreidewerks mußte schon vor Jah ren eingestellt worden sein. Alles war verwahrlost und teilweise mit Staub bedeckt. Die Anlage war ein selbständiges Gebäude innerhalb der SOL-Farm. Es besaß vier Stockwerke mit Fenstern und Ladeöffnungen und stammte aus der Zeit, in der die SOL auf der Erde gebaut worden war.
Der Arkonide hatte das riesige Han telschiff zwar erst viel später kennen gelernt, aber aus der Zeit verfügte er über genaue und gute Kenntnisse. Er wußte, daß es innerhalb der Anlage früher einen Transmitter gegeben hat te, mit dem das verarbeitete Korn in Silos transportiert worden war. Auf diesen Transmitter setzte er sei ne Hoffnungen. Er ging davon aus, daß die Ferratin für einen Fluchtweg vorgesorgt hatte. Auch wenn diese Schwester der sechsten Wertigkeit der SOLAG angehörte, war es nach allem, Was er bisher über die Zustände in der SOL erfahren hatte, undenkbar, daß sie ihren Rauschgifthandel mit Billi gung höherer Kasten durchführte. So war er nicht überrascht, als er im dritten Stock den Transmitterraum sorgfältig verriegelt vorfand. Er unter suchte das Schloß. Es gab frische Spu ren, die höchstens einige Wochen alt sein konnten. Da er noch Zeit hatte, beobachtete er das Gelände aus einem kleinen Loch in der Wand des vierten Stock werks. Er sah die Trupps von Ferraten aus drei Richtungen kommen. Die Solaner verbargen sich geschickt in der Nähe des Bauwerks. Auch als Valara und Ludewigh Loorn kamen und festgenommen wurden, unternahm er nichts. Als es kurz vor sechs Uhr war, näherte sich Hadar Calliman. Das war der Zeit punkt, zu dem er auch die Ferratin er wartete. Er wußte nicht, wie die Ferraten draußen reagieren würden. Schon al lein die Lautsprecherdurchsage, die wahrscheinlich in allen Teilen der Farm zu hören gewesen war, konnte Calliman abhalten, das Mahlwerk auf zusuchen. Daß er dennoch kam, be wies die Kurzsichtigkeit des SOL-Far mers.
58 Wider Erwarten ließen die Ferraten Calliman unbehelligt in das Gebäude gehen. Atlan wartete in einem Neben raum der Transmitterstation. Er hörte Callimans Fußtritte, aber der Solaner blieb auf der zweiten Etage. Plötzlich war ein leises Summen zu hören. Kurz darauf öffnete sich die verschlossene Tür. Durch einen Riß in der Zwischen wand sah Atlan die Ferratin. Sie schleppte ein großes Paket mit sich. In ihrem Gürtel steckte eine schwere Strahlwaffe, was für Ferraten ganz außergewöhnlich war. In dem Paket, so folgerte Atlan, wa ren sicher Güter, die die Schwester der sechsten Wertigkeit im Tausch ge gen Mystos Calliman übergeben wollte. Die Ferratin eilte die Treppe hinun ter. Sie schien sich völlig sicher zu füh len, und Atlan fragte sich, wie oft sie diesen Weg schon gegangen sein mochte, um die Höllendroge zu holen. Der Arkonide folgte der Frau auf lei sen Sohlen in das tiefere Stockwerk. Er hörte die beiden ruhig miteinan der reden. Dafür waren plötzlich draußen vor der stillgelegten Mühle Geräusche zu hören. Stimmen und Schritte klangen durch die Stille. Atlan hörte grölende Männer, die sich rasch näherten. „Da ist etwas los", zischte die Ferra tin. „Nur eine Routineinspektion der Ferraten", beruhigte sie Calliman. „Sie wurde vor kurzem angekündigt. Du brauchst dir keine Gedanken zu machen." „Ich gehe lieber." „Sofort. Ich habe noch eine wichtige Frage." Der SOL-Farmer begann von der Begegnung mit Atlan vom Vormittag
Atlan
zu erzählen. Die Ferratin unterbrach ihn schon nach wenigen Sätzen. „Bist du wahnsinnig, einem solchen Blödsinn auf den Leim zu gehen? Das ist Verrat. Ich verschwinde." Sie kam direkt auf die Tür zu, hinter der Atlan stand. Als sie durch die Öff nung trat, sprang er blitzschnell nach vorn und umklammerte sie mit dem linken Arm. Seine freie Hand griff nach der Waffe und zog sie heraus. Er drehte sich mit der Ferratin, um nach Calliman zu sehen. Der zog gera de seinen kleinen Narkosestrahler. Atlan schoß sofort. Der Energie strahl traf die Waffe Callimans und zerschmolz sie. „Stellt euch dort mit dem Gesicht zur Wand." Er ließ die Ferratin los. Aus dem Raum, in dem sie sich be fanden, führte eine offene Plattform balkonartig ins Freie. Dorthin eilte Atlan, wobei er Calliman und Fortrane Logie stets im Auge behielt. Vor dem ehemaligen Mahlwerk wimmelte es von Menschen. Etwa 30 Ferraten bildeten einen großen Kreis. Darin standen etwa, ebensoviel SOL-Farmer. Einige Roboter sicher ten in größerer Entfernung. Der Ahlnate war nicht zu sehen. Er mußte irgendwo in den nahen Bü schen stecken. Atlan holte seine beiden Gefange nen auf die Plattform. Er stellte sie vor sich hin, so daß er dadurch auch ge deckt wurde. Dann feuerte er einen Schuß ab. So fort lenkte sich die Aufmerksamkeit auf ihn. „Bleibt wo ihr seid", brüllte Atlan nach unten. „Keiner betritt das Ge bäude, sonst schieße ich." Unter den SOL-Farmern entdeckte Atlan auch Hay Donnar, Lon und Ver da. Die Ferraten hatten in einer Blitz aktion die Solaner zusammengetrie
Die Terra-Idealisten
ben und die ganze Farm gegen die üb rigen Bereiche der SZ-1 abgeriegelt. Das begünstigte Atlans Plan. Die SOL-Farmer, die ihn zum Teil während der letzten zwei Tage gese hen hatten, hielten ihn für einen Ver räter und für den eigentlichen Schul digen. Sie drohten mit den Fäusten und schrien üble Schimpfworte. Die Ferraten konnten die aufgeregten Menschen kaum im Zaum halten. Atlan mußte sich beeilen, denn er konnte nicht ausschließen, daß die Ferraten von ihm unbemerkt in das Gebäude drangen. „Hört mir zu, Solaner", rief er. „Die se Ferratin, sie heißt Fortrane Logie, und euer Chef Hadar Calliman sind die Köpfe einer üblen Rauschgiftban de. Ich habe den rechtschaffenen Fer raten eine Information zukommen las sen. Die Süchtigen müssen in eine Be handlung in ein Medo-Center. Jeder kann geheilt werden. Dazu ist es aber notwendig, daß sich jeder zu seinem Tun bekennt. Wer aus dem Handel profitiert hat, wird gerecht abgeurteilt werden." In diesem Moment trat der Ahlnate zwischen den Büschen hervor. „Du sprichst wie einer der Magni den", rief er nach oben. „Mein Name ist Atlan. Das genügt. Schickt jetzt diese Frau", er zeigte auf Valara Brackfaust, „und einen unbe waffneten Ferraten herauf. Ich werde ihnen Fortrane Logie u n d Hadar Calli man übergeben." Die Ferraten reagierten zunächst nicht. Erst als der Ahlnate sie auffor derte, ging, einer von ihnen mit der Terra-Idealistin los. Bevor Atlan sich von der Plattform zurückzog, sah er, wie die Ferraten ei nen engen Kreis um das Gebäude zo gen. Offensichtlich hatte der Ahlnate die Anweisung gegeben, den Fremden
59 nicht entkommen zu lassen. Im Innern des Gebäudes war er für einen Moment nicht aufmerksam. Die Ferratin wollte ihm die Waffe aus der Hand schlagen, was ihr auch gelang. Atlan mußte sich wehren. Er versetzte der Frau einen Faust schlag, so daß diese sofort zu Boden sank. Calliman, der ebenfalls eine Chance witterte, erging es nicht an ders. Die Waffe schlitterte über den Bo den und fiel in einen Schacht. Atlan hörte weiter unten einen dumpfen Aufschlag. Er mußte seinen Plan schnell än dern, denn er hörte schon die Schritte Valaras und des Ferraten. „Ferrate!" rief er. „Wenn du nicht willst, daß ein Unglück geschieht, dann tu genau das, was ich dir sage. Schicke erst die Frau herauf." „Sie kommt", antwortete der Bru der der sechsten Wertigkeit. „Was tu tust, ist sinnlos, denn auch du wirst uns nicht entkommen." Valara kam die Treppe nach oben. Atlan überzeugte sich schnell noch einmal, daß Calliman und Fortrane Logie sich nicht rührten. Er packte die Terra-Idealistin am Handgelenk. „Schnell!" flüsterte er. „Und leise!" Gemeinsam schlichen sie in die drit te Etage. Der Eingang zu dem Trans mitterraum war noch geöffnet. Die Terra-Idealistin pfiff leise durch die Zähne, als sie die betriebsbereite Anlage sah. „Wo kommen wir 'raus?" fragte sie. „Keine Ahnung." Atlan schaltete den Transmitter ein. Eine Sekunde später standen sie in ei nem Empfangstransmitter in einer leeren Halle. „Ein ehemaliges Getreidesilo", ver mutete Atlan.
60
Valara zog Piex aus der Tasche und heftete ihn an die Wand, während der Arkonide den Transmitter abschalte te. Dann zerstörte er noch die Fernak tivierung. Damit war den Verfolgern der Weg abgeschnitten. „Keine Gefahr", lachte Valara und zeigte auf Piex. „Auf zu Argan U. Hoffentlich hat die Kleine ein passendes Versteck für uns gefunden."
Atlan
seinen Mitarbeitern großen Ärger be reitet zu haben, legte sich schnell. Auch war er froh, daß die Ferraten Wort hielten, und daß sie mit keinem Wort erwähnten, daß er derjenige war, der ihnen die entscheidenden Hinwei se gegeben hatte. Hadar Calliman erlebte eine Überra schung, als der Medo-Roboter Loorns Blut untersuchte. Sein höhnisches Grinsen wich einer verzweifelten Gri masse, als der Roboter einem Ferraten laut meldete: „Keine Spuren von Mystos im Ludewigh Loorn fiel ein Stein vom Blut." Er wollte aufbegehren, aber zwei Herzen, als er merkte, daß die Ferra ten Atlan und Valara nicht in der alten bullige Ferraten schleppten ihn weg. Mühle finden konnten. Er bedauerte Es waren bei weitem nicht alle zwar den grußlosen Abschied von SOL-Farmer bei der ersten Razzia von dem eindrucksvollen Mann, aber er den Ferraten gefunden worden. Die Aktion ging weiter. Ludewigh Loom wähnte ihn in Sicherheit. Dann gestand noch Fortrane Logie, spähte vor allem nach einer bestimm die wieder bei Bewußtsein war, daß es ten Person, nämlich nach Elea Calliman. in dem Gebäude einen Transmitter Er befand sich noch in inneren gab, der noch einwandfrei funktio nierte. Die Ferratin war nach einem Kämpfen und Zweifeln. Es war unsi kurzen Verhör des Ahlnaten schnell cher, was mit dem Mädchen gesche zusammengebrochen. Das Rauschgift hen würde, wenn es von den Ferraten und die Güter, die bei ihr und Calli zu einer gewaltsamen Kur gezwungen man gefunden worden waren, spra wurde. Da in seinem Blut kein Mystos fest chen eine deutliche Sprache. Der Ahlnate verschwand sehr gestellt worden war, stahl er sich schnell mit Fortrane Logie. Er über heimlich davon. Elea und auch alle an ließ den rechtschaffenen Ferraten die deren Süchtigen mußten die Aktion längst bemerkt haben. Die Ferraten Erledigung der restlichen Aufgabe. Ein Medo-Roboter überprüfte die waren mit viel Lärm vorgegangen, SOL-Farmer darauf, ob in ihrem Blut auch wenn sie die wahre Absicht der Spuren von Mystos vorhanden war. So Aktion nicht direkt verraten hatten. Er suchte zuerst Eleas Unterkunft wurden die Süchtigen schnell gefun den, und auch die Mithelfer Callimans auf, aber dort traf er sie nicht an. Sein Verdacht war, daß sich das Mädchen wurden bloßgestellt. Der übertölpelte Chef der SOL-Farmer mit ihren Freundinnen und Freunden verriet sogar seine Komplizen, wieder in dem SOL-Birnenfeld ver um dadurch die Hauptschuld von sich steckt hatte. Sein Versuch, sich heimlich dorthin abzuwälzen. Loorn verfolgte alles sehr aufmerksam. Es lief besser, als er ge zu begeben, gelang trotz der vielen hofft hatte. Sein schlechtes Gewissen, Streifen. Die im Einsatz befindlichen
Die Terra-Idealisten
Rostjäger kannten ihn und ließen ihn in Ruhe. Als er außer Sichtweite der Streifen war, rannte er los. Den Treffpunkt der jugendlichen Süchtigen kannte er ge nau. Eine innere Unruhe trieb ihn vor an. Er achtete diesmal nicht auf die Birnen, die durch seinen Sturmlauf durch das Feld abgerissen wurden. Er brach die letzten Birnenstengel zur Seite und trat auf die kleine Lich tung. Elea Calliman lag auf dem Bauch und rührte sich nicht. Neben ihr knie te ein anderes Mädchen, das seine My stospfeife noch in der Hand hielt. Die ses Mädchen starrte Ludewigh mit glasigen und verheulten Augen an. Ludewigh trat näher und drehte Elea auf den Rücken. Ihr Gesicht strahlte ein glückseliges Lächeln aus, aber ihre Hand war eiskalt. Langsam ließ Ludewigh die Hand wieder los. Es floß keine Träne aus sei nen Augen, aber er glaubte, sein Herz würde stillstehen. „Komm", sagte er zu dem anderen Mädchen. „Für dich ist es wenigstens noch nicht zu spät."
Sein ganzes Leben hatte nur einen einzigen Sinn, u n d selbst den verstand Edo nicht. Sein Wortschatz war der ei nes zweijährigen Kindes. Er wußte, daß Edo er selbst war. Er wußte, was Hunger bedeutete. Er wußte, was und wer Mutter und Vater waren, obwohl er diese schon fast fünf Jahre nicht mehr gesehen hatte. Edo gehörte zu den Wesen an Bord der SOL, die man Monster, Ausgesto ßene oder Parias nannte. Das Wort Monster kannte Edo auch. Wenn er es von jemand hörte und dann kräftig brüllte, rannte derjenige davon.
61 In Wirklichkeit war Edo sieben Jah re alt. Seine Eltern waren zwei alte Ferraten, die die meiste Zeit ihres Le bens Reparaturarbeiten in der unmit telbaren Nähe von strahlenden Sub stanzen gemacht hatten. Die Sicher heitsvorkehrungen, die früher einmal auf dem Schiff Routine waren, waren seit fast 150 Jahren nicht mehr vor handen. SENECAs Wartungsroboter tauchten nur noch gelegentlich auf. Für Reparaturzwecke hatte die SO LAG die Ferraten. Die Rostjäger, wie die Brüder der sechsten Wertigkeit auch genannt wurden, waren in der Regel ganz unfruchtbar. Wenn sie den noch Kinder bekamen, so waren diese entweder nicht lebensfähig, oder, was häufiger vorkam, sie besaßen extrem starke körperliche Mutationen. Als Edo geboren wurde, sah er wie ein normaler Solaner aus. Die Mutati on trat erst zum Ende des zweiten Le bensjahrs auf. Edo entwickelte sich in nerhalb weniger Wochen zu einem Monster..Zunächst hatten seine Eltern geglaubt, es handle sich um einen heil baren Fall von Gigantismus, denn Edo wuchs mit unheimlicher Geschwin digkeit. Innerhalb von wenigen Wo chen erreichte er eine Größe von zwei Metern. Dann aber setzte die Erbschädigung der Eltern erst voll ein. Edo veränder te seine äußere Erscheinung. Einfach ausgedrückt, er wurde ein glänzender Fisch mit zwei kleinen Stummelbei nen. Gleichzeitig brachen in ihm animali sche Instinkte durch, die in enger Ver wandtschaft mit seiner Freßgier stan den. Er verschlang alles, was nicht niet- und nagelfest war u n d in dem in irgendeiner Form Wasserstoff und Kohlenstoff als Elemente vorhanden war. Seine Eltern fanden ihn eines Tages
62
vor den Resten seines Holzbetts. Ent setzt ergriffen sie die Flucht. Als sie sich Stunden später in ihre Unter kunft zurückwagten, war Edo ver schwunden. Seit dieser Zeit geisterte Edo wie viele andere mehr oder weniger harm lose Monster durch die SZ-1. Die mei sten von ihnen fielen über kurz oder lang einem Jagdkommando der Vysti den zum Opfer. Einige entkamen, weil man sie aufgrund ihres fremdartigen Aussehens für Extras hielt oder weil sie harmlos waren. Edo war gefährlich, denn er schreck te vor keinem Gegner zurück. Seine beiden Oberarme waren zu langen, flossenähnlichen u n d sehr starken Ex tremitäten mutiert. Damit konnte er mit spielerischer Leichtigkeit einen Menschen zerdrücken. Sein hai fischähnliches Gebiß besorgte den Rest. Daß E d o bis zu diesem Tag den Jagdkommandos immer entkommen konnte, hatte einen einfachen Grund. Er besaß in hohem Maß die Fähigkeit, seine äußere Farbe dem Hintergrund anzupassen. Diese vorzügliche Tar nung hatte schon so manchen Jäger in die Irre geführt. Edos Instinkt erlaub te es ihm, sich sogar vor einem mehr farbigen Gitter so darzustellen, daß er praktisch unsichtbar war. Nur wenn mehrere Jäger ihn aus sehr verschie denen Blickwinkeln sahen, kam seine Chamäleonfähigkeit an eine Grenze. Oft verbarg sich Edo tagelang in ei nem Versteck. Dann schlief er und sammelte neuen Hunger für seine Raubzüge. Wenn das Schiffsinnere im hellen Licht des Tages stand, ließ er sich nicht blicken. Die abgedunkelten Korridore der Nacht waren sein Jagd revier. Sie begünstigten ihn, denn in der Dunkelheit konnte er seine farbli che Veränderung viel besser darstel-
Atlan
len. Edo hatte den ganzen Tag in einem Abstellraum in einem Seitengang ver bracht. Bis zu den viel begangenen Hauptkorridoren war es eine Strecke, die ihm wie eine Ewigkeit vorkam. Dadurch war er sich aber sicher gewe sen, daß ihn niemand störte. Im Halbschlaf hatte er aber regi striert, daß doch jemand in dem Raum gekommen war. Er hatte ihn hinter den Kisten nicht bemerkt. Der Ein dringling hatte nur kurz geprüft, ob der Türverschluß von innen ging. Für Edo war das ein zu schwerer Mecha nismus gewesen. Dann war wieder Ruhe gewesen. Das Monster spürte, daß es Abend wurde. Edo besaß einen sicheren Zeit instinkt. Er wußte auch genau, wo es gefährlich war. Das war dort, wo die Solaner Tag und Nacht arbeiteten. Die verlorenen und verbotenen Zonen je doch suchte er von Zeit zu Zeit auf. Diese waren in einer anderen Weise gefährlich, aber das störte ihn wenig. In dem Raum brannte nur ein klei nes Notlicht. Es brannte Tag und Nacht mit gleicher Helligkeit. Daß es jetzt Nacht wurde, spürte das Monster nur. Es verspürte auch Hunger. Die Ki sten und die Gegenstände in dem Raum waren aus Metall. Edo haßte Metall, weil man es nicht fressen konnte. Er kannte nicht das Wort Me tall. In seinen Gedanken hieß es das Nicht-Fressen-Können. Er reckte seinen Körper und glättete mit seinen Flossenarmen die hauch dünnen Schuppen, die jede Stelle be deckten. Nur in der Gesichtspartie gab es um Augen und Mund eine Fläche von rosa Farbe. Edo ging aufrecht zu der Tür. Er ver suchte mit seinen mutierten Armen den Schließmechanismus zu betäti
Die Terra-Idealisten
gen. Er spielte daran herum, aber er erreichte nichts. Er w u ß t e ohnehin, daß die Tür nicht verschlossen war, aber er wollte das gleiche machen wie der Eindringling, der seine Ruhe ge stört hatte. Die Enden seiner Flossen arme wiesen anstelle der Finger nur kurze Hautlappen auf, die für eine Be dienung des Tastenschlosses völlig ungeeignet waren. Auch sein kindlicher Verstand war nicht in der Lage, richtig zu denken. Als er die Erfolgslosigkeit seines Tuns schließlich einsah, hieb er wütend mit beiden Flossenarmen gegen die Tür. Plötzlich aber stutzte er, denn er hörte draußen Geräusche. Sein Gehör war sehr fein und konnte mehr auf nehmen als das eines normalen Men schen. Schnell eilte er in die hinterste Ecke des Raumes zurück u n d verbarg sich hinter den Kisten. Erst jetzt merkte er, daß dieser Raum' nur einen Ausgang hatte. Draußen klang Metall auf Metall. Stimmen wurden hörbar. Edo bildete sich ein, es seien die Stimmen von Va ter und Mutter, zu denen er eine un stillbare Sehnsucht hatte. Irgendwo in seinem Erinnerungsvermögen waren die Bilder der beiden Ferraten gespei chert. Einmal, vor langer Zeit, hatte er die beiden aus der Ferne gesehen. Einmal hatte er sich auch von ihnen beobach tet gefühlt. Sie hatten ihn erkennen müssen, denn seit dem Tag, an dem er von zu Hause geflohen war, hatte er sein Äu ßeres nicht mehr verändert. Nur die Fähigkeit, sein Äußeres der Umge bung anzupassen, hatte sich immer mehr vervollkommn et. Er überlegte schon, ob er die Tür aufstoßen sollte, um sich seine Beute zu holen. Aber es waren viele Stim
63
men. Immer wenn er vielen Menschen auf einmal begegnet war, war es ge fährlich geworden. Einige besaßen die heißen Strahlen, und mehrmals war er diesen nur knapp entkommen* Also wartete er, bis es draußen ruhi ger wurde. Er würde auch ohne diese Menschen da draußen seinen Hunger stillen können. Als er sich wieder auf den Ausgang zubewegte, hörte er erneut Schritte. Rasch verschwand er wieder hinter den Kisten. Diesmal öffnete sich die Tür von draußen. Edo verhielt sich völlig still. Durch einen schmalen Schlitz zwi schen zwei Kisten konnte er alles be obachten. Es waren zwei Menschen und ein kleines Wesen, die in den Raum traten. „Hier seid ihr ganz sicher", sagte der Kleine. „Dann kann ich Piex ja schlafen las sen", sagte die Frau. Der Mann nickte u n d setzte sich auf eine Kiste. Edo schätzte die Entfer nung ab. Er würde die drei leicht über wältigen können. „In einer Stunde bringe ich euch das Abendbrot", sagte der Kleine. Edo verstand auch diese Worte, aber der Sinn blieb unklar. Sein Gefühl verriet ihm, daß der Kleine wieder gehen wollte. Das machte ihm die Sache noch leichter, denn dann hätte er n u r zwei Gegner. Tatsächlich verabschiedete sich der Kleine kurz darauf. Die beiden Men schen hatten eine L a m p e mitgebracht, die den Raum etwas erhellte. Das Licht war aber so schwach, daß Edo unbemerkt bis auf wenige Meter an die beiden herankommen würde. Sein Körper würde sich automatisch dem Hintergrund anpassen. „Du grübelst?" fragte die Frau.
64
Atlan
Und der Mann antwortete: „Ja, Va lara. Die Situation ist zu verfahren. Die Zustände auf der SOL machen mir Sorgen. Der Zugstrahl, der das Schiff in eine unbekannte Gefahr zu ziehen droht, bereitet mir Angst. Es ist fast hoffnungslos." „Du wirst doch nicht aufgeben?" fragte die Frau. „Natürlich nicht. Es gibt für mich ei nen guten Grund zu hoffen, daß sich alles zum Guten wenden wird. Ich brauche aber neue Ansatzpunkte. Ewiges Verstecken hilft mir nicht wei ter." Die Frau schwieg. „Du m u ß t mir noch mehr erzählen, Valara", sagte der Mann. „Du hast ein mal die Schläfer erwähnt. Ich m u ß al les über diese Schläfer in Erfahrung bringen. Dann m u ß ich versuchen, Kontakt zu SENECA zu bekommen.
Die Positronik wird mich anerkennen. Vielleicht versagt SENECA der SO LAG nur deswegen die Hilfe, weil die se ihre Unfähigkeit bewiesen hat." Edo fand das Gespräch langweilig, weil er den Sinn nicht verstand. Vater und Mutter hatten mit ihm ganz an ders geredet. Außerdem wurde das drängende Gefühl in seinem Magen immer stär ker. Er erhob sich hinter den Kisten. Selbständig nahm sein Körper die Farbe und Helligkeit seines Hinter grunds an. Er setzte vorsichtig einen Schritt vor den anderen, um sich nicht durch ein Geräusch zu verraten. Der Mann blickte direkt in seine Richtung, aber er schaute an ihm vor bei. Edo breitete seine überstarken Flos senarme aus.
Auf seinem weiteren Weg durch die SOL wird Atlan immer wieder in Gefahren ver strickt, denn er ist ein Gejagter. Mehr über die Abenteuer des Arkoniden und über die Zustände auf der im Zug strahl gefangenen SOL berichtet Peter Griese. Sein Roman erscheint in einer Wo che unter dem Titel: BRÜDER DER ZWEITEN WERTIGKEIT
ENDE
Atlan erscheint wöchentlich im Moewig Verlag, 8000 München. Redaktion: PaDel Verlag KG, Falkweg 51,8000 München 60 Druck und Vertrieb: Erich Pabel Verlag KG. 7550 Rastatt. Anzeigenleitung: Verlagsgruppe Pabel-Moewig-Semrau, Pabelhaus. 7550 Rastatt. Tel. (0 72 22) 13-261. Anzeigenleiter und verantwortlich: Rolf Meibeicker. Zur Zeit gilt Anzeigenpreislisto Nr 4 Verkaufspreis inkl. gesetzt. MwSt. Unsere Romanserien dürfen In Leihbüchereien nicht verliehen und nicht zum gewerbsmäßi gen Umtausch verwendet werden: der Wiederverkauf ist verboten. Alleinvertrieb und Auslieferung in Osterreich: Pressegroß vertrieb Salzburg. Niederalm 300, A-5081 Anlf. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie gewerbsmäßige Weiterverbreitung In Lesezirkeln nur mit vorheriger Zustimmung des Verlages. Für unverlangte Manuskriptsendungen wird keine Gewahr überAbonnements- und Elnzelbestellungen an PABEL VERLAG KG • Postfach 1780 Printed in Germany. Mai 1»81
7550 RASTATT Telefon (0 72 22) 1 32 41.