TERRA ASTRA 161
Welt der tödlichen Kristalle von Peter Terrid
Die Hauptpersonen des Romans: Hyme Canron — Ein Einsame...
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TERRA ASTRA 161
Welt der tödlichen Kristalle von Peter Terrid
Die Hauptpersonen des Romans: Hyme Canron — Ein Einsamer, der dem Tode preisgegeben ist.
General Cronyn — Chef des Terrestrischen Geheimdienstes.
Barton Devine — General Cronyns Sekretär.
Panos, Norman, Mircea und Maria — Das Team von
„Adventures Incorporated“ soll einen Planeten retten.
Nyhan — Ausbeuter einer Dschungelwelt.
1. „Roboter müßte man sein“, murmelte der Mann im Selbstgespräch. „Die können sich nicht langweilen!“ Hyme Canron war allein in der Schaltstation; an dieser Tatsache würde sich, das wußte der hagere Mann sehr genau, in den nächsten zwei Monaten nichts ändern. Erst nach einer Dienstzeit von drei Mo naten kam die Ablösung; dann konnte Hyme pausieren — bis er wieder an der Reihe war, die Geräte und Instrumente der Reaktorsta tion zu überwachen und zu kontrollieren. Hyme hatte geglaubt, für diese Aufgabe der ideale Mann zu sein. Er war noch jung; mehr als dreißig Jahre brachte er nicht zusammen, obwohl er älter wirkte. Zahlreiche kleine und große Enttäuschungen, größtenteils selbst verschuldet, hatten ihre Spuren hinterlassen. Hy me sprach wenig, las um so mehr und war als Partyschreck bekannt. Seine Bemerkungen waren meist von ätzender Schärfe, ein Grund, der mitgeholfen hatte, seinen Freundeskreis sehr klein zu halten. -1
Erst in der Reaktorstation auf Animous III war Hyme aufgefallen, wie wichtig für ihn Menschen waren. Selbst der zwangsläufige Kon takt mit anderen, den er früher nie wahrgenommen hatte, begann sehr schmerzlich zu fehlen. Hyme hatte sich angewöhnt, mit sich selbst zu reden. „Ohnedies der einzige Gesprächspartner von einigem Format!“ hatte er irgendwann einmal gespottet. Was ihn mit der Außenwelt verband, war lediglich eine VideoLeitung, die immer dann versagte, wenn er sie wirklich brauchte. Außer ihm lebte niemand auf Animous III. Die Reaktorstation war mehr als primitiv; ein einfacher Kasten, ge fertigt aus quadratischen Bauteilen. Zwei Drittel des Rauminhalts wurden vom Reaktor beansprucht, der Rest stand dem jeweiligen Wartungsmann zu Verfügung. Vierzig Quadratmeter Wohnfläche hatte Hyme ausgemessen; auf der Erde, wo er geboren war, hätte der Platz gereicht. Hier, wo jeder Auslauf fehlte oder an Selbstmord grenzte, war die Fläche zu gering. Hyme hatte begonnen, Fett anzu setzen, was nicht zuletzt auf die reichhaltigen Vorräte an Spirituosen zurückzuführen war. „Ein lausiger Job!“ knurrte der Mann mit dem kurzgeschorenen Haar. „Genau das Richtige für lausige Leute!“ Er stand von seinem Sitzplatz auf und veränderte die Reaktorein stellung geringfügig. Hyme maß knapp einhundertneunzig Zentimeter; sein leichter Knochenbau ließ den stärker werdenden Fettansatz besonders deut lich werden. Das Haar war kurz geschnitten und vor allem an den Schläfen recht dünn. Die wasserblauen Augen bildeten einen merk würdigen Kontrast zur dunklen Farbe der dichten Brauen und des Haares. Neben etlichen Idealen hatte der Mann auch einige Vorurteile über Bord geworfen; seine Kleidung hätte auf Terra Aufsehen erregt — hier war sie nur nützlich, mehr nicht. Nur wenn Arbeiten am Reak torkern das Anlegen eines Schutzanzugs notwendig machten, ver -2
zichtete Hyme auf den bestickten Lendenschurz aus handgearbeite tem Wildleder, den er in einer schwachen Stunde einem ambulanten Händler abgekauft hatte — zu teuer, wie ihm bewußt geworden war, nachdem er seinen Rausch ausgeschlafen hatte. Er trug den Schurz hauptsächlich, um an seine wilden Zeiten erinnert zu werden — je nach Stimmungslage angenehm oder abschreckend. „Wenigstens ist der Lohn halbwegs erträglich!“ murmelte der Mann und grinste sarkastisch. „Zumindest aus der Sicht des Zahlen den!“ Animous III drehte sich als dritter Planet des Gestirns Animous um seine Sonne; seine Umlaufbahn entsprach annähernd der des solaren Neptun. Animous III war eine Eiswelt; die Oberfläche bestand aus gefrorenem Methan, Wasser, Ammoniak. Die beiden anderen Plane ten standen dem Zentralgestirn näher und boten größtenteils Wüste neien und kochende Lavaseen. Der dritte Planet war zur Ausbeutung vorgesehen; unter der kilometerdicken Eiskruste lagerten gewaltige Vorkommen spaltbaren Materials. Außerdem hatten die KosmoGeologen seltene Erze und andere Stoffe entdeckt, deren Abbau loh nend sein konnte. Um an die Bodenschätze heranzukommen, hatte man die Reaktorstation auf der Eiskruste abgesetzt. Die Station sollte sich langsam ins Eis hineinfressen, bis sie den harten Boden erreicht hatte. Das Schmelzwasser wurde vollautomatisch mit Kunststoffzu sätzen versehen und bildete hinter der allmählich absinkenden Stati on einen senkrechten Tunnel — durch diesen Kanal wollten später die Abbaugesellschaften ihre Schächte niederbringen. „Fünfhundert Meter in einem Monat!“ rechnete Hyme nach. „Der verdammte Kasten wird noch mindestens ein Jahr brauchen, bis er unten angekommen ist!“ Der Mann verließ den Schaltraum und wandte sich um. An die Schaltstelle schloß sich sein Wohnbereich an — zwei kleine Zimmer, dazu eine Naßzelle und eine kleine, mit dem Nötigen eingerichtete Küche. Hyme ging in die Küche und füllte den Kessel mit Wasser; die Flüssigkeit wurde aus der Schmelze herausgefiltert, allerdings nicht -3
sehr sauber. Die geringen Beimengungen anderen Materials machten jeden Kaffee zu einer neuen, geheimnisvollen Substanz. Hyme hielt sich nicht für einen Feinschmecker, aber der penetrante Beige schmack aller Nahrungsmittel, die Zigaretten eingeschlossen, zerrte an seinen Nerven „Nur Einzelhaft ist schöner!“ formulierte er grim mig, während er das Kaffeepulver in die Kanne gab; einen Löffel pro Tasse, dazu einen für die Kanne. Er wartete, bis der Dampf mit ziem lichem Druck aus dem Kessel entwich, dann füllte er die Kanne und gab Milch und Zucker hinzu. Langsam ging Hyme zurück in den Wohnraum. Das Mobiliar be stand zum größten Teil aus Regalen, deren Material aus den Bestän den der Gesellschaft stammte. Nur die Farbdrucke an der Wand, in zwischen vom Zigarettenrauch mit einem gelben, waschfesten Über zug versehen, stammten aus Hymes Besitz. Die Bücher hatte ein Psy chologe der Gesellschaft ausgesucht und verrieten einen abartigen Geschmack. Hyme ging zum Bandgerät hinüber und legte eine der Tonspulen auf; zwei teure Lautsprecher trugen die Klänge in den Raum; Hyme pfiff halblaut mit: Suite Nummer Eins für Laute; Johann Sebastian Bach. Hyme setzte sich in den Sessel, dessen Unterteil sich langsam unter seine Beine legte, als er sich zurücksinken ließ. Den großen Aschen becher hatte der Mann mit Klebstoff an der Lehne befestigt; war der Behälter voll, wurde die Asche in eine der Müllraketen geschüttet, die den gesamten Abfall durch den Tunnel in die Höhe schoß und irgendwo auf dem Planeten zerstreute. Allerdings war der Vorrat an Raketen nicht auf Kettenraucher abgestimmt; Hyme konnte sich aus rechnen, wann er den Vorrat erschöpft haben würde — knapp eine Woche, bevor die Ablösung eintraf. „Dreißig Tage!“ rechnete Hyme die Zeit aus, die er schon auf Ani mous III verbracht hatte. „Dreißig Tage und Nächte — angefüllt mit stumpfsinniger Arbeit und dem Gedanken an Geld. Gibt es über haupt etwas zu kaufen, was diesen Stumpfsinn hier wieder ausglei chen könnte?“ -4
Die Zigarette zwischen den dünnen Fingern des Mannes verqualm te langsam, ohne daß er einen Zug gemacht hätte. Stunden wie diese nutzte Hyme, um zu sich selbst zurückzufinden. Die Einsamkeit ei ner solchen Station war gefährlich; Hyme wußte das, obwohl die Psy chologen der Gesellschaft es geflissentlich vermieden hatten, ihn dar über aufzukären. Jeder Reaktorwächter in vergleichbarer Lage wurde auf sich selbst zurückgeworfen; entweder stabilisierte sich sein Verstand wieder, oder der Mann zerbrach. Es gab nur diese beiden Möglichkeiten. Hyme hatte einige Semester Psychologie studiert, bevor er der Chimäre des Mammons erlegen war; aus dieser Zeit kannte er Männer, die von der Einsamkeit zermürbt und wahnsinnig gemacht worden waren. Hyme trank den Kaffee aus und verzog dabei angewidert das Ge sicht; dann setzte er die große Tasse auf dem fleckigen Tisch vor dem Sessel ab. Nur in den ersten Tagen hatte Hyme versucht, gegen seine Schlamperei anzugehen, dann hatte er den Kampf aufgegeben. Im Schaltraum war er pedantisch wie jeder, der wußte, daß vom ein wandfreien Funktionieren der ihm anvertrauten Maschinen sein Le ben abhing; der private Bereich aber wurde zusehends unwichtiger. Gleichmütig nahm Hyme wieder vor den Pulten Platz und studier te die Anzeigen. „Schrotthaufen, elender!“ sagte er vor sich hin. Der Reaktor hätte besser in ein Museum als auf diesen Planeten gepaßt, aber die Gesellschaft hatte sparen wollen und auf ein vorsint flutliches Modell zurückgegriffen. Der Reaktor basierte auf der Kern spaltung, die seit Jahrhunderten aus der Mode gekommen war, nicht zuletzt wegen der unvermeidlichen Abfälle und deren Strahlung. Im Kernstück des Reaktors befanden sich einige Kilogramm chemisch reinen Plutoniums, das pausenlos Neutronen abspaltete. Traf eines dieser freien Neutronen auf einen Plutoniumkern, so wurden beim Zusammenprall einige weitere Neutronen frei, die wiederum auf Kerne trafen. Eine Kettenreaktion, die den Reaktor zerfetzt hätte, wurde nur dadurch vermieden, daß in die heiße Zone des Meilers -5
Kadmium eingefahren wurde, das etliche der freien Neutronen schluckte und dem Spaltungsprozeß entzog. Von der KadmiumZufuhr war die Kettenreaktion abhängig. Die Hitze, die bei der Spaltung freigesetzt würde, konnte über Quecksilberdampf und Wasser an Generatoren weitergegeben wer den und zur Stromerzeugung dienen — auf Animous III wurde das kochende Wasser an die Außenwände der Station abgegeben und schmolz das Eis. Der dabei entstehende Dampf stieg in die Höhe und sorgte dafür, daß der Tunnel oberhalb der Station freiblieb. Andern falls hätte sich Methan oder Ammoniak niedergeschlagen und die Station eingefroren. „Verdammt!“ knurrte Hyme. „Was hat das zu bedeuten?“ Langsam aber unaufhörlich stieg die Arbeitstemperatur des Reak tors an; Hyme verstärkte die Zufuhr von Kadmium, und die Ketten reaktion wurde wieder abgeschwächt. Erschrocken stellte Hyme fest, daß der Kadmiumverbrauch pro Zeiteinheit um zehn Prozent gestie gen war. Der Mann schlug das Stationsbuch auf und kontrollierte die Eintragungen — sein Verdacht bestätigte sich. Bei gleicher Arbeits temperatur hatte er früher weniger Kadmium benötigt. Das Element selbst wurde nicht verbraucht — einige Tausend Kadmium-Kugeln wurden durch die eigentliche Reaktionskammer gepumpt und wie der abgesogen. Von der Durchlaufgeschwindigkeit des Kadmiums hing die Betriebstemperatur des Reaktors ab. Erst nach beträchtlicher Zeit war das Kadmium mit Neutronen der art angereichert, daß die Hemmwirkung nachließ — dann wurden festgesetzte Prozentsätze der Kugeln aus dem Kreislauf genommen und die gleiche Menge frischen Kadmiums zugeführt. „Bis zum ersten Tausch müßte noch ein Monat vergehen!“ rätselte Hyme; ein dumpfer Instinkt sagte ihm, daß Gefahr aufzog. Noch war das Gefühl unbestimmt, aber Hyme wurde zusehends unruhiger. „Ich werde nachsehen, was sich im Reaktor tut!“ sagte er laut. Hyme verließ den Schaltraum; eine schmale Wendeltreppe führte ein Stockwerk tiefer in den Reaktorvorraum. Dort hingen auch die -6
schweren Schutzanzüge, die unumgänglich waren, wenn man in der Nähe der Spaltzone arbeiten wollte. Umständlich zog Hyme den un geschlachten Anzug über. In das Gewebe war eine Spezialmasse ein gearbeitet, die den weitaus größten Teil der radioaktiven Strahlung abwehrte und den Träger vor den Folgen der Strahlung bewahrte. Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis Hyme die Verschlüsse arretieren konnte; dann öffnete er mit einem kleinen Schlüssel, den er stets um den Hals gehängt trug, die Tür zum eigentlichen Reaktorraum. Der Mann brauchte nur einige Schritte zurückzulegen, um den Kadmiumdurchlauf erreichen zu können. Hinter einem zentimeter dicken Bleiglas strömte das Element in millimetergroßen Kugeln vor bei, wurde durch den Reaktor gepumpt und kehrte wieder zurück. Ein Zusatz in den Kugeln verfärbte sich beim Aufladen mit freien Neutronen — wenn die Farbe der Kugeln einen bestimmten GrünWert überschritt, mußte ein Teil des Materials ausgetauscht werden. „Verdammt!“ knurrte Hyme, als er das vorbeiströmende Kadmium betrachtete. „Das Zeug ist fast neuwertig!“ Das Kadmium zeigte einen schwachen Grünton, ein Zeichen dafür, daß das Element noch etliche Neutronen absorbieren konnte. Den noch war die Effektivität des Kadmiums stark gesunken, das bewies jedenfalls die Anzeige im Schaltraum. „Entweder bin ich verrückt oder das Instrument!“ brummte Hyme mißmutig. Er trat einen Schritt näher an das Glas heran und betrachtete die Kugeln. Seine Unruhe steigerte sich, als er den schwärzlichen Film sah, der das Glas überzog. Hyme versuchte, den Schmutz zu entfer nen; erschreckt stellte er fest, daß der Film auf der Innenseite des Gla ses haftete. Zufällig sah er, wie zwei der kleinen Kadmiumkugeln zusammenprallten und sich sofort auflösten. Eine kleine Staubwolke entstand, die sich auf dem Glas niederschlug und die Schwärzung vergrößerte. „Das Zeug zerbröckelt, während ich dabeistehe!“ stöhnte Hyme auf. -7
Er hatte begriffen, was auf ihn zurollte. Wenn sich das Kadmium langsam auflöste, nahm die Absorptionsfähigkeit immer stärker ab. Das bedeutete, daß die Kettenreaktion im Innern des Reaktors be schleunigt wurde, so lange, bis der Grenzwert erreicht war. Und das hieß: Der Reaktor würde detonieren. Ohnmächtig sah Hyme mit an, wie sich der Reaktor langsam aber unaufhörlich von einer nutzbrin genden Anlage in eine Atombombe verwandelte. Hyme rannte zurück; er wußte, daß sein begrenzter Vorrat an Kadmium nicht ausreichte, den verderblichen Prozeß zu stoppen. Selbst die kurze Verzögerung wäre die Arbeit nicht wert gewesen. So rasch es ging, streifte Hyme den schweren Anzug ab und rannte die Treppe hinauf in seinen Wohnraum. Dort stand das Video, das seine einzige Chance bildete, den Planeten wieder verlassen zu können. Hyme fluchte laut und konzentriert, während er die Tastatur des Gerätes bediente; bislang hatte er stets einige Anläufe gebraucht, um eine Verbindung zustande zu bringen. Erleichtert seufzte der Mann auf, als sich bereits nach dem dritten Versuch der Relaissatellit mel dete, der in einem Orbit um Animous kreiste. Rasch wählte Hyme die Nummer, die er seit langem auswendig kannte — die Zentrale der General Power Ltd., Stammsitz auf der Erde im Territorium von Au stralien. „Hier Station Animous III!“ meldete sich Hyme, als die Verbindung durchgestellt war. „Geben Sie mir Graleb Nyhan!“ Das Mädchen in der Videozentrale zog die Brauen in die Höhe, dann stellte sie das Gespräch um. Nach kurzer Zeit erschien das Ge sicht Nyhans auf dem Bildschirm; die große Entfernung zwischen der Erde und Animous III brachte es mit sich, daß die Konturen ver schwammen und die Farbwerte häufig kippten. Dennoch war das schmale Gesicht mit der auffallend scharf rückigen Nase deutlich zu erkennen. Die schmalen Lippen des Mannes verzogen sich zu einem sehr unfreundlich wirkenden Lächeln, als er Hyme erkannte.
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„Canron!“ sagte Nyhan leise; er dämpfte seine Stimme absichtlich, um jeden Zuhörer zu zwingen, sich ganz dem Verstehen seiner Wor te zu widmen. „Wenn Sie anrufen, dann muß ein Notfall vorliegen!“ sagte Nyhan; sein Lächeln wirkte noch eine Spur unsympathischer, fand Hyme. „Sie irren nicht, Verehrtester!“ gab Hyme grimmig zurück. „Der Reaktor droht hochzugehen. Schicken Sie schnellstens — und das heißt auch schnellstens, und nicht in den nächsten Monaten — ein Schiff vorbei. Ich brauche eine vollständig neue Kadmiumfüllung!“ „Sie haben bei Dienstantritt eine Füllung bekommen!“ wehrte Ny han ab. „Was wollen Sie jetzt mit einer zweiten Ladung?“ „Das verdammte Zeug zerfällt vor meinen Augen zu Feinstaub!“ brüllte Hyme. „Wenn ich nicht sofort Nachschub bekomme, fliegt der Kasten in die Luft — und ich dazu!“ „Können Sie den Defekt nicht selbst beheben?“ erkundigte sich Ny han unfreundlich. „Immerhin sind Sie auf unsere Kosten einige Mo nate lang ausgebildet worden!“ „Ausbildung ist gut!“ brüllte Hyme. „Material ist besser! Haben Sie nicht begriffen, was ich sagte — der Reaktor geht hoch. In spätestens vierundzwanzig Stunden ist Ihre feine Station gewesen!“ „Ich werde sehen, was ich tun kann, um Ihnen zu helfen!“ antwor tete Nyhan kühl. „Wir melden uns wieder bei Ihnen!“ Damit ließ er die Verbindung zusammenbrechen; Hyme stieß einen Fluch aus. Er kannte Nyhan und wußte, daß dieser Mann kaum einen Unter schied zwischen einer Maschine und einem Menschen kannte. Beide brauchten Betriebsstoff, kosteten bestimmte Beträge, die vom Ver wendungszweck abhingen, und waren nach einer bestimmten Nut zungsdauer verschlissen. Mehr zählte nicht. Immer noch fluchend, ging Hyme zum Schreibtisch hinüber; vier angefangene, aber nie vollendete Briefe lagen auf der blankpolierten Fläche. Hyme suchte einige Blätter und einen Faserschreiber zusam men und ging in den Schaltraum zurück. Sorgfältig übertrug er die -9
Meßwerte auf das Papier, dann begann er zu rechnen. Als das Ergeb nis feststand, wurde Hyme bleich — nach seiner Kalkulation blieben ihm nur noch wenige Stunden, um sich aus dem Reaktorbereich zu entfernen. Mit leicht zitternden Händen suchte Hyme nach dem Ga laktischen Kursbuch; als er den umfänglichen Band entdeckte und aufhob, entglitt er seinen Fingern. Hyme schluckte, dann stellte er sich gerade hin und versuchte, sich zu beruhigen. Erst nach dieser Prozedur hob er das Kursbuch wieder auf. In dem Wälzer waren sämtliche Interstellarflüge aufgezeichnet, die regelmäßig stattfanden. Ein Blatt nach dem anderen wurde umge dreht und studiert. Als Hyme die letzte Seite erreicht hatte, schlug er das Buch zu, warf den Schreiber achtlos fort und stützte den Kopf in die Hände. „Aus!“ murmelte er tonlos. „Kein Schiff passiert Animous vor Ab lauf von zwei Tagen! Es gibt keinen Ausweg!“ Er schwankte hinüber zu seiner Hausbar; zwei Drinks verschüttete er, bevor er sein Glas gefüllt hatte. Mit einem Schluck leerte Hyme das Glas; der hochprozentige Alkohol rann wie flüssiges Blei durch seine Kehle und reizte zum Husten. Hyme trank zwei weitere Gläser, bis an den Rand mit Schnaps gefüllt, dann fischte er die Zigaretten aus der Tasche, zündete eines der weißen Stäbchen an und setzte sich wieder. „So also ist das!“ murmelte er. „Man sitzt herum, trinkt sich einen mörderischen Rausch an und wartet. Wartet, bis der ganze verdamm te Laden in die Luft geht! Prachtvoll!“ Nie zuvor hatte sich Hyme Gedanken gemacht über den Tod; er hatte nach dem letzten Stand der Forschung noch ein Jahrhundert vor sich. „Verdammt!“ sagte er. „Verdammt, verdammt, verdammt, ver dammt...!“ Seine Stimme wurde lauter, überschlug sich. Leicht berauscht tapp te Hyme zum Bandgerät hinüber und legte eine neue Musikspule auf.
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Er drehte den Verstärker bis zum Anschlag auf, als die ersten Takte Musik durch den Raum klangen. „Pjotr Iljitsch Tschaikowsky!“ knurrte Hyme. „Sechste Symphonie in h-moll! Genau das Richtige!“ Vom Alkohol benebelt, überließ er sich willenlos den Klängen, die Benommenheit und seine Verzweiflung verstärkten und ihn förmlich in einen Rausch versetzten. Langsam verlor Hyme den letzten Fun ken Kontrolle über sich. Erst der Tutti-Einsatz in der Mitte des ersten Satzes brachte den Mann wieder zu sich. Das plötzliche Fortissimo ließ ihn zusammen schrecken; ruckartig richtete sich Hyme auf. „Es wäre doch gelacht“, murmelte er, „wenn ein durchtrainiertes Menschenhirn nicht ein paar wildgewordene Atome überwinden könnte!“ Er schaltete das Bandgerät ab. Angestrengt nachdenkend, ging Hyme in die Küche und braute sich einen Kaffee, den stärksten, den er je zubereitet hatte. Das Coffein trieb die letzten Alkoholreste aus dem Körper und machten ihn hellwach. Hyme setzte sich an seinen Schreibtisch und begann zu lesen. „Möglichkeit eins!“ murmelte er nach einer halben Stunde und hak te einen sorgfältig ausgetüftelten Plan ab, dann wandte er sich dem nächsten Fluchtweg zu. Nacheinander studierte Hyme alle Möglich keiten, die ihm zur Verfügung standen. Hyme sah auf die strahlensichere Uhr an seinem linken Handge lenk. Er grinste grimmig, als er bemerkte, daß seine Zeit zur Hälfte verstrichen war. „Es müßte reichen!“ murmelte er, dann lächelte er wieder. „Es muß reichen!“ Er ging hinunter in die Kammer vor dem eigentlichen Reaktor raum; Hyme hielt sich nicht damit auf, den Schutzanzug überzustrei fen. Das hätte ihn wertvolle zehn Minuten gekostet, die er nicht zur Verfügung hatte. Zwar würde er eine erkleckliche Portion Radioakti vität abbekommen, aber die Dosis würde nicht ausreichen, um ihn - 11
innerhalb der Frist zu töten, die ihm günstigstenfalls noch zu Gebote stand. Ohne sich um die Warnschilder zu kümmern, füllte er den gesamten, noch unverbrauchten Bestand an Kadmium in den Reak tor. Nachdem er die Luke wieder verschlossen hatte, ging er in den Schaltraum zurück und drosselte den Reaktor, soweit dies möglich war. Vollständig desaktivieren konnte er den Meiler nicht; dazu reichten die Kadmiumbestände nicht aus. Immerhin hatte er durch diese Maßnahme die unvermeidliche Detonation um mindestens eine Stunde hinausgezögert. Beim Auffüllen des Kadmiums war Hyme aufgefallen, daß selbst das gelagerte Element schon zu zerbröckeln begann. An den Bedin gungen auf Animous III konnte dies nicht liegen. „Dieser Schurke hat mir nur Schrott geliefert!“ stellte Hyme wütend fest. Er wußte, daß die Gesellschaft sehr sparsam war. Allerdings hatte der junge Mann nicht damit gerechnet, daß Gene ral Power Ltd. in ihrer Sparsamkeit so weit gehen würde, Menschen leben aufs Spiel zu setzen. Wieder sah Hyme auf die Uhr; die Sekun den schienen ihm schneller als sonst wegzuticken. Rasch stieg er die Wendeltreppe in die Höhe; oberhalb der Wohnsektion befand sich die Schleuse, die in den künstlichen Tunnel im Eis führte. Dort be fanden sich auch die Raketen, mit denen der Abfall beseitigt wurde, zwei raumfeste Anzüge und ein leistungsstarker Überlichtsender. Mit geübten Griffen schaltete Hyme das Gerät ein; gleichzeitig startete er das kleine Bandgerät, das mit dem Sender gekoppelt war. Dann griff er nach dem daumengroßen Mikrophon und begann zu sprechen: „Hier Reaktorstation Animous III, Hyme Canron spricht. Mein Re aktor läuft heiß und wird in wenigen Stunden detonieren. Ich werde versuchen, die Station zu verlassen und einen Unterschlupf auf der Oberfläche des Planeten zu finden. Ich fordere alle Schiffe auf, mir unverzüglich zu Hilfe zu kommen!“
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Hyme schluckte, als er daran dachte, wie groß seine Chancen auf der Oberfläche des Eisriesen waren, dann sprach er weiter: „Warnung! Dieses Bandgerät läuft auch, nachdem ich die Station verlassen habe. Ich habe eine Zeituhr mit dem Sender gekoppelt. Wenn Sie beim Anflug des Planeten und der Reaktorstation bemer ken, daß der Dauerspruch abbricht, dann bedeutet dies, daß der Re aktor nach meiner Berechnung zehn Minuten später explodieren wird. Fliegen Sie dann die Station nicht an. Es ist jetzt 13:45:18 Standardzeit; mein Sauerstoffvorrat reicht für achtundvierzig Stunden. Ich verlasse jetzt die Station!“ Mit einem Handgriff schaltete Hyme die Aufnahme ab und fütterte den Sender mit dem Endlos-Band. Bis zur Detonation des Reaktors würde sich der Spruch immer wieder wiederholen; in einem Umkreis von einigen hundert Lichtjahren würde er gut zu hören sein — ob diese Distanz reichte, wagte Hyme nicht auszurechnen. Hyme nahm einen der Raumanzüge vom Haken; langsam und um ständlich stieg er in die Montur. Nie zuvor hatte er das Funktionieren jedes einzelnen Teiles so genau geprüft; die Tanks waren gefüllt, die Batterien aufgeladen, der Anzug druckdicht — alles stimmte. Aus der Stationsapotheke hatte Hyme einige Teile mitgebracht, die er sorgfäl tig in den Taschen des Anzugs unterbrachte. Dazu kamen ein paar Kleinigkeiten, die er unter allen Umständen retten wollte. Klickend rasteten die Arretierungen des Helmes ein; gleichzeitig öffneten sich die Verschlüsse der Sauerstoffflaschen. Mit einem leisen Zischen strömte die Atemluft in die Hohlräume des Anzugs. Hyme warf einen letzten Blick zurück, dann öffnete er die innere Schleusentür. Mit einem Hammer, den er vorsorglich mitgenommen hatte, schlug er auf den Automaten ein, der dafür sorgte, daß der Druckausgleich nur dann hergestellt wurde, wenn beide Türen der Kammer geschlossen waren. Anschließend versuchte Hyme, die Ven tile der äußeren Tür zu öffnen. Erleichtert atmete der Mann auf, als sich mit weißen Nebeln das Methan in den Raum drängte. Draußen
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herrschte ein Druck von fünf Atmosphären, dazu eine Temperatur von knapp einhundert Grad nach Kelvin. Hyme hoffte, daß das einströmende Gas sich ebenfalls rasch abküh len würde und auch die Betriebstemperatur des Reaktors zum Sinken bringen konnte — gelang sein Plan, hatte er weitere wertvolle Minu ten, wenn nicht Stunden gewonnen. Als sich der Druck ausgeglichen hatte, versuchte Hyme, die äußere Schleusentür aufzudrücken. Lang sam bewegte sich das schwere Schott nach oben und gab den Blick in den Tunnel frei. Hyme sah nur Weiß, so weit der Strahl seines Hand scheinwerfers reichte. „Es wird Zeit!“ murmelte der Mann. Da die Temperatur des Reaktors weit unter dem Arbeitswert lag, mit dem die Station betrieben werden sollte, funktionierte auch nicht das ausgeklügelte System, mit dem der Tunnel freigehalten werden sollte. Der Dampf, den der Reaktor erzeugte, reichte nicht mehr aus, die planetare Atmosphäre am Eindringen in den Tunnel zu hindern. Es dauerte nur Sekunden, dann stand Hyme bis an die Knie in ver flüssigten Gasen. Sofort machte sich der Mann an den Aufstieg. Langsam tappte er in dem undurchdringlichen Nebel bis an die Wand des Tunnels, dann an der Rundung aus kunststoffgehärtetem Eis entlang. Endlich fand er die Sprossen, die in die Wand eingelas sen waren. Stufe für Stufe kletterte Hyme in die Höhe. „Fünfhundert Meter!“ murmelte er. Es war ein Wettlauf mit der Zeit; unter ihm füllte sich langsam der Tunnel mit flüssigem Gas. Der Mann durfte nicht zu tief und vor al lem nicht zu lange in die Kälte geraten, sonst brach sein Energiesy stem zusammen. Ein Umstand kam ihm zu Hilfe: Die Atemluft seines Anzugs war noch warm. Das leichte Gas sorgte für beträchtlichen Auftrieb und erleichterte das Aufsteigen. Leise zählte Hyme die Sprossen mit; gleichzeitig strapazierte er sein Gehör, um das erste Heulen der planetaren Atmosphäre bemerken zu können. Er wußte, daß über der Öffnung des Tunnels Stürme von nie gekannter Heftigkeit tobten. Windgeschwindigkeiten von mehr als - 14
vierhundert Kilometern pro Stunde waren auf Planeten dieser Art keine Seltenheit. „Achthundert!“ keuchte Hyme. Noch lagen zweihundert Sprossen — jede einen halben Meter von der nächsten entfernt — vor ihm. Hyme spürte, wie sich die Erschöp fung in ihm breitmachte; sein Atem ging pfeifend. Die Helmscheibe seines Anzugs war von Schweiß beschlagen. Über Hyme war das Heulen des Sturmes zu hören, ein Brausen erst, dann ein dumpfes Grollen. Das Geräusch verstärkte sich mit jedem Meter, den Hyme zurücklegte. Dann war die Oberfläche erreicht. Hyme spürte, wie der Sturm nach ihm faßte und ihn in seinen Griff nahm. Der Mann hatte gerade den Oberkörper aus dem Tunnel ge schoben, als der Wind ihn packte und aus der Öffnung zerrte. Erbar mungslos trieb der Wind den Mann über die Oberfläche aus gefrore nem Gas. Hyme schrie entsetzt auf. Obwohl der Orkan ihn in kreisende Bewegungen versetzte und über den Boden jagte, griff Hyme nach dem Notretter. Die kleine Patrone mit hochkomprimiertem Wasserstoff war seine einzige Möglichkeit, zu überleben; Hyme bekam mit zitternden Fin gern das Ventil zu fassen und öffnete es. Sofort strömte das Gas, mit viertausend Atmosphären zusammengepreßt, in den großen Ballon aus unzerreißbarem Kunststoff und blies ihn auf. Der Anprall ließ Hyme vor Schmerz aufstöhnen. Dann spürte er, wie ihn der Ballon in die Höhe riß. Der Mann verlor die Orientierung; er wußte nicht mehr, wo oben und unten war. Gleichzeitig zerrten zwei verschiedene Kräfte an sei nem Anzug — die Auftriebskraft des Ballons und die Gewalt des Orkans. Hyme erinnerte sich, daß es auf Animous III keine Gebirge gab, dennoch wartete er angsterfüllt darauf, gegen einen massiven Körper geschleudert zu werden. Übelkeit stieg in ihm auf, verursacht von den pendelnden Bewegungen, die sein Körper vollführte, wäh rend er an dem Ballon hing. - 15
Langsam nur konnte Hyme die Übelkeit niederkämpfen; in glei chem Maß stabilisierte sich seine Lage. Der Ballon erreichte langsam den Rand der Atmosphäre. Die letzten Reste der Planetenatmosphäre trieben den Ballon vor sich her; doch die Bewegungen verlangsamten sich, je höher der Bal lon stieg. Allmählich wich das undurchdringliche Weiß der Gase der Finsternis des freien Raumes. In einer Höhe von vierhundert Kilome tern über Animous III kam der Ballon zur Ruhe. „Geschafft!“ murmelte Hyme seufzend. Weißgrau sah er unter sich Animous III, beschienen von den schwachen Strahlen der entfernten Sonne. Um Hyme herum waren Dunkelheit und Stille. Über seinem Kopf glänzte der metallene Über zug des Ballons — von einem Raumschiff aus war er leicht anzupei len. „Sterne!“ murmelte Hyme. „Endlich wieder Sterne!“ Hyme spürte zum ersten Mal, wieviel ihm der Anblick des Ster nenhimmels bedeuten konnte. Die kalte Finsternis des Raumes, vor der er sich früher gefürchtet hatte, erschien ihm plötzlich als der si cherste Ort des Universums. Unter ihm tobten die Stürme von Ani mous III; Hyme konnte das Brausen nicht mehr hören. Für einen Se kundenbruchteil sah er einen Blitz über die Ausläufer der Atmosphä re huschen; der Reaktor war detoniert. Von den üblichen Begleiter scheinungen einer unkontrollierten Kernspaltung war nichts zu se hen; die Druckwellen der Explosion waren kaum stärker als die Ge walt der Atmosphäre. Der klassische Pilz über dem Zentrum der Ex plosion kam nicht dazu, sich zu entfalten. Hyme sah auf die Uhr an seinem Anzug. „Noch fünfundvierzig Stunden!“ murmelte er. *
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„Zwei Stunden!“ Hyme schluchzte fast. Seit nicht ganz zwei Tagen hielt ihn der Stra tosphärenballon über dem Planeten fest. In dieser Zeit hatten die letz ten Atmosphärenreste die große Kugel einmal um den Planeten ge trieben, sonst war nichts geschehen. Hymes Stimmung näherte sich dem ultimaten Tiefpunkt. Stunde um Stunde hatte er versucht, nach einem Schiff Ausschau zu halten; nur das letzte Fünkchen wachen Verstandes hatte ihn da von abhalten können, den Empfangsteil seines Helmradios ständig auf Höchstwerten laufen zu lassen und so die Batterien vorzeitig zu erschöpfen. Nur das Prasseln der Statik war in den Kopfhörern ver nehmbar, vermischt mit dem steten Geräusch, das vom ionisierten Wasserstoff stammte. Kein Piepser, keine Stimme war zu hören ge wesen. Das kalte Glänzen der Sterne hatte Hyme fast wahnsinnig gemacht; Er wußte, daß dort Raumschiffe starteten und landeten, daß von dort Hilfe kommen konnte. Aber man schien seinen Funkspruch nicht gehört zu haben, und der kleine Notsender, der im Anzug eingearbeitet war, reichte nicht sehr weit. Und der Sauerstoffvorrat in den großen Flaschen nahm langsam ab; die Atemluft reichte noch für knapp zwei Stunden. Hyme begann zu rechnen, atmete langsam und versuchte, dem Unausweichlichen Se kunden des Lebens abzufeilschen. Er spürte nicht, daß sich sein Atem beschleunigte und sein Pulsschlag in die Höhe ging. Sein Mund wur de trocken, und der kleine Wassertank seines Anzugs war längst ge leert. Einhundertzwanzig Minuten verblieben dem Mann noch, und Hy me überlegte fieberhaft, wie er diese Frist verlängern konnte. Seine Hoffnung, daß sich gerade in dieser Zeit ein Schiff in die Nähe von Animous III verirren würde, war auf den Nullpunkt gesunken. Minutenlang überlegte Hyme, ob er die Verbindung zum Ballon lösen sollte. Die Schwerkraft des Eisriesen würde ihn herabzerren,
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die Atmosphäre ihn in kurzer Frist verglühen lassen — ein relativ rascher Tod. „Nein!“ murmelte Hyme resignierend. „Das nicht!“ Obwohl irgendwo in ihm noch ein Funke der Hoffnung verblieb, begann sich die Zielrichtung seiner Überlegungen zu verändern. Was ihn beschäftigte, war das Problem, das Unvermeidliche möglichst glimpflich ablaufen zu lassen. Hyme tastete nach der kleinen Medikamententasche an seinem rechten Bein; nach einigem Suchen fand er die vakuumfeste Spritze mit dem starken Betäubungsmittel. Er überlegte kurz, dann zog er das Spritzbesteck aus der Tasche. Entschlossen setzte er die Nadel an die winzige Injektionsstelle des Anzugs, die durch einen gelb mar kierten Fleck gekennzeichnet war. Langsam drückte er die Spritze durch die oberste Schicht, dann drückte er den Kolben leicht herun ter, um den letzten Rest Luft aus der Nadel zu drücken. Ein weiterer Druck ließ die Nadel bis ins Innere des Anzugs vordringen. Noch einmal zögerte der Mann, dann stieß er die Nadel ins Fleisch und injizierte den Inhalt. Als er die leere Spritze wieder abzog, verschloß sich der kleine Ein stich im Anzug selbsttätig; nur ein winziger Bruchteil der Atemluft im Innern entwich in den Raum. Hyme hielt die leere Spritze in der Hand und wartete. Das Medikament wirkte rasch; langsam breitete sich in Hyme eine wohltuende Gleichgültigkeit aus. Der Mann begann zu gähnen und vergaß allmählich seine Notlage. Die Liddeckel sanken herunter, und nur unter Aufbietung aller Willenskraft verhinderte Hyme, daß er augenblicklich einschlief. Zusehends schwanden ihm die Sinne; er nahm den Druck nicht mehr wahr, den die harten Stellen des Anzugs auf seinen Körper ausübten. Das Bild der Sterne vor seinen Augen löste sich langsam auf. Kurz bevor Hyme endgültig das Bewußtsein verlor, setzte er die Spritze noch einmal an — diesmal an einer Stelle, die sich nicht wie der selbsttätig schloß. Mit einem leisen Zischen, das nur im Innern - 18
des Anzugs hörbar war, entwich die Atemluft. Gleichzeitig machte sich die unerbittliche Kälte des leeren Raumes bemerkbar. Mit einer letzten Kraftanstrengung löste Hyme die Arretierung seines Helmes; schlagartig wich der letzte Rest Luft aus dem Anzug. Im selben Mo ment begann der Körper des Mannes zu erstarren; das Herz machte noch ein paar schwache Schläge und stand dann still. Langsam pendelte der steife Körper des Mannes an dem Ballon, der sich gleichmäßig von den Ausläufern der Atmosphäre treiben ließ. Er würde dort so lange treiben, wie sich der Wasserstoff im Ballon hielt — das konnten Jahrhunderte sein.
2. „Ein Notruf, Sir! Schwach, aber gerade noch peilbar!“ Chungira Sengon, Erster Funkoffizier an Bord der Berktar, gab den kleinen Plastikstreifen mit den angemessenen Koordinaten an seinen Kapitän weiter. Chatun Morin runzelte die Stirn, als er die Daten auf dem Streifen ablas. Der hochgewachsene Mann mit dem dichten, weißen Haar wiegte den Kopf. „Animous III!“ sagte er leise mit einer tiefen Baßstimme. „Gibt es dort überhaupt einen Menschen?“ Chungira zuckte mit den Schultern; der hagere Funker mit den dunklen Augen, die keine Ruhe zu kennen schienen, machte ein rat loses Gesicht. „Vielleicht handelt es sich um den einzigen Überlebenden einer Schiffskatastrophe!“ meinte er; seine Stimme war, selbst wenn er leise sprach, von durchdringender Schärfe und hatte einen metallischen Unterton. „Wir haben den Sender angepeilt — es handelt sich um den Notsender, wie er zur Ausrüstung von Raumanzügen gehört. Folg lich muß es dort einen Raumanzug geben!“ Chatun grinste leicht. „Versuchen wir also, den Anzug zu retten!“ befahl er mit leisem Spott. „Navigator — ändern Sie den Kurs ent - 19
sprechend den Angaben aus der Funkbude. Lassen Sie die Anlagen heißlaufen — wir müssen uns beeilen!“ „Heißlaufen ist prächtig!“ meinte der Navigator ironisch. „Der An trieb ist eher als Grill denn als Antrieb zu gebrauchen!“ Die Berktar war alt und morsch; seit mehr als zwei Jahrhunderten durchkreuzte der Transporter unter oft wechselnden Skippern die halbe Galaxis, immer hart an der Grenze des Konkurses. Nur die un erschütterliche Risikofreudigkeit der Besatzung brachte immer wie der genügend Frachtaufträge herein, wie zur Löhnung und zur Erhal tung des Schiffes erforderlich war. Nur zu einer Generalüberholung hatten die Gewinne nie gereicht. Fünfzehn Männer taten an Bord des Schiffes Dienst; alle waren mehr oder minder skurril und absonderlich. Es gab kaum einen, der nicht verschiedene Male wegen Disziplinlosigkeit hatte abmustern müssen — meist hatte Chatun die Männer in Hafenbars angeheuert. Nur auf eines legte der Skipper Wert: keine Vorstrafen. Daß er nur Könner an Bord nahm, verstand sich von selbst. „Chungira, Sie haben doch einmal studiert, Rechtswissenschaften, wenn ich mich recht erinnere?“ erkundigte sich Chatun; er hatte es sich in seinem Pilotensessel bequem gemacht. „Vier Semester!“ gestand Chungira grinsend. „Was bekommen wir für eine Rettung?“ wollte Chatun wissen; er setzte die Schnapsflasche an den Mund und nahm einen großen Schluck. Er reichte die Flasche an Chungira weiter, der die Schultern zuckte, während er trank. „Es kommt auf das Bergungsgut an!“ meinte er gleichgültig; die Flasche wanderte zum Navigator weiter. „Ein großer Interstellar transporter bringt — wenn wir ihn abschleppen — genug, um die Berktar bis auf den letzten Spant erneuern zu können. Finden wir einen Trampkollegen, bekommen wir gerade unsere Unkosten her aus. Und eine Einzelperson ist ein Zuschußgeschäft — es sei denn, wir finden einen Millionär. Aber was hätte der im System Animous zu suchen?“ - 20
Chatun kratzte sich am Kopf, während er nachdachte. Der Navigator hatte inzwischen den Kurs geändert und steuerte Animous an; dieses System lag ziemlich weit außerhalb der Route, die das Schiff eigentlich hätte befahren sollen. Die Berktar transpor tierte zweitausend Tonnen flüssigen Stickstoff zu einer Welt, die das Gas dringend brauchte. Auf Buir-Nor gab es keinen freien Stickstoff, den man in Kunstdünger hätte verwandeln können — das Gas mußte von anderen Planeten eingeflogen werden. Chatun wußte, wie wich tig seine Ladung war, und ihm war auch klar, daß die Konventional strafe bei zu spätem Eintreffen seinen erhofften Gewinn um ein Mehrfaches übertreffen würde. „Eine heikle Sache!“ murmelte der Skipper. „Treffen wir zu spät auf Buir-Nor ein, müssen wir zwanzigtausend Tellur hinblättern!“ „Unwichtig!“ warf Chungira ein; er hatte sich auf den Bordradar schirm gesetzt und ließ die Beine herunterbaumeln. „Alle Unkosten, die uns entstehen, muß der Gerettete tragen — auch die Konventio nalstrafe!“ „Wenn wir in Raumnot gerieten“, meinte Chatun grinsend, „wovon sollten wir dann die Bergungskosten bezahlen?“ „Dafür sind wir versichert!“ erinnerte der Funker seinen Chef; Chungira steckte sich eine fast zwanzig Zentimeter lange Zigarette an, die einen unangenehm süßlichen Geruch verbreitete. „Die Zahlungsmoral einer Versicherung pflegt ähnlich der Zunge einer Schlange zu sein“, kommentierte Chatun bissig. „Sie ist gespal ten und überaus beweglich!“ Er warf dem Navigator einen fragenden Blick zu. „Wie lange brauchen wir, um den Sender zu erreichen?“ wollte der Skipper wissen. „Vier Stunden, Chef!“ gab der Offizier zurück. „Allerdings nimmt die Sendeenergie rapide ab — ich fürchte, wenn wir über Animous eintreffen, ist der Sender stumm!“ „Dann drehen wir ab!“ warf Chungira ein. „Eine Leiche an Bord bringt Unglück!“ - 21
Chatun schüttelte verweisend den Kopf; der Aberglaube unter den Raumfahrern nahm immer schlimmere Formen an. Der Skipper hatte sich schon oft gefragt, wie ein Mann, der die Physik überlichtschnel ler Teilchen souverän beherrschte, in Notlagen seine Zuflucht zu ar chaischem Mystizismus nehmen konnte. An Bord der Berktar war der Aberglaube besonders stark verbreitet — kaum einer der Männer besaß nicht mindestens ein Amulett. Unwillkürlich tastete der Skip per nach der kleinen Metallkapsel, die an einem unzerreißbaren Fa den an seiner Brust pendelte; bisher hatte ihm die Haarsträhne seiner jungen Frau immer Glück gebracht — das war jedenfalls seine Über zeugung. Die Bordsprechanlage fiepte durchdringend; Chatun griff nach dem Schaltknopf und stellte die Verbindung zum Maschinenraum her. „Was gibt es?“ erkundigte er sich mißbilligend. „Nichts Besonderes, Chef!“ gab der Mann im Maschinenleitstand bekannt. „Nur scheint sich der Meiler für das vierte Korrekturtrieb werk irgendeiner Untat zu schämen — jedenfalls läuft das Ding rot an!“ „Abstellen!“ befahl der Skipper. „Nachsehen, Fehler beheben und wieder einschalten!“ „Eine gute Idee, Skipper!“ meinte der Maschinenoffizier; nur mit Mühe waren die Rangabzeichen auf der schmutzigen Uniformjacke zu erkennen. „Bloß — das Ding läßt sich nicht mehr abstellen.“ Chatun stieß einen mörderischen Fluch aus. „Sie sind gefeuert!“ schrie er den Maschinisten an. „Bringen Sie die Angelegenheit in einer halben Stunde in Ordnung, oder Sie können sofort abmustern! Ich werde sogar anhalten lassen, damit Sie auch bequem aussteigen können!“ „Das ist ein Wort, Käpten!“ meinte der Maschinist; der Bildschirm wurde für einige Zeit leer, dann war erneut der Mann zu sehen. „Wir haben Glück, Chef — die Maschine läuft wieder ohne Störung. Es hatte nur irgendein Witzbold den Regulatorhebel mit einem Streich holz eingeklemmt!“ - 22
„Einen Humor haben die Männer!“ stöhnte Chatun. Die Zeit verstrich nur langsam; während die Berktar mit mehrfa cher Lichtgeschwindigkeit dem System Animous entgegenflog, hock te Chatun in seinem Pilotensessel und überschlug die finanzielle Seite der Rettungsaktion. Sein Gesicht verdüsterte sich, je länger er rechne te — für das Schiff entstand in jedem Fall eine erhebliche Belastung. Dennoch ließ Chatun nicht wenden; selbst ein so abgebrühter Händ ler wie Chatun, der in dem Ruf stand, alles zu verkaufen, was über haupt einen Abnehmer finden konnte, stellte Menschenleben über geschäftliche Dinge. Außerdem trug das Gesetzbuch, der Code Inter stellarique, stark zu seiner Uneigennützigkeit bei — Unterlassung der Hilfeleistung in Raumnot wurde für gewöhnlich mit etlichen Jahren Freiheitsentzug bestraft. Die Berktar hielt unbeirrt ihren Kurs bei; die Maschinen arbeiteten so tadellos, als hätten sie von der Notlage gehört. Immer wieder hob Chatun den Kopf und lauschte nach irgendwelchen krachenden, pol ternden oder pfeifenden Geräuschen, aber nur das gleichmäßige Brummen aller Aggregate war zu hören. Für Chatuns leidgewohnte Ohren ein Geräusch, daß ihn zu höchstem Mißtrauen veranlaßte. Auf den Bildschirmen zeichnete sich langsam das System Animous ab. Mit einer Handbewegung forderte Chatun den Funker auf, den Notsender noch einmal anzupeilen. Chungira verschwand für einige Minuten in der Funkerkabine, dann kehrte er wieder zurück. „Ich fürchte, wir kommen zu spät!“ meinte er niedergeschlagen. „Ich habe den Sender für ein paar Sekunden anpeilen können — er treibt irgendwo in der Atmosphäre von Animous III, dem Eisriesen. Inzwischen ist der Sender ausgefallen, und ich fürchte, sein Träger ist auch der Munterste nicht mehr!“ Chatun zuckte mit den Schultern. „Wir sind hier, also suchen wir den Sender und den Mann!“ be stimmte er. „Auf die lumpigen Tellur, die wir sparen wenn wir sofort abdrehen, kommt es jetzt auch nicht mehr an! Habt ihr irgendein Schiff oder ein Wrack in der Nähe orten können?“
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„Nichts dergleichen!“ gab Chungira bekannt. „Es gibt — pardon, gab — nur diesen einen Sender im System, sonst nichts!“ „Merkwürdig!“ murmelte Chatun. „Ein Mann im Raumanzug taucht in einem völlig leblosen Sonnensystem auf, ohne daß ihn ein Schiff hierhergebracht hätte. Was steht im Handbuch über Animous III?“ Chungira tippte die astronomischen Konstellationen des Planeten in den Bordspeicher und wartete, bis auf einem kleinen Schirm die Antwort des Komputers erschien. „Der übliche Krempel!“ stellte Chungira fest. „Name, Ortsdaten, Entdecker. Größe und dergleichen. Immerhin eine zusätzliche Be merkung: Animous III hat reichhaltige Bodenschätze, die nicht aus gebeutet werden können, da die Arbeit zu gefährlich für Menschen wäre!“ Langsam schälte sich für Chatun ein Bild aus diesen Daten heraus; die Tatsache, daß der Sender in der Atmosphäre des Planeten trieb, ließ auf einen Notretter schließen, der innerhalb der Planetenatmo sphäre eingesetzt worden sein mußte. Und das wiederum ergab im Zusammenhang mit den Komputerdaten ein bestimmtes Bild ... „Wir haben den Körper!“ meldete Chungira seinem Chef. „Es ist, wie ich vermutet habe, ein einzelner Mann in einem Raumanzug. Er hängt an dem üblichen Ballon!“ Chatun griff selbst in die Steuerung; ein paar Feuerstöße aus dem Haupttriebwerk ließ die Fahrt zurückgehen und beförderte das Schiff in einen stabilen Orbit um den Planeten. Dann glich Chatun mit den Korrekturtriebwerken vorsichtig die Kurse an. „Geht nicht!“ bemerkte Chungira, der sorgfältig die Maßnahmen des Skippers verfolgte. „Der Raumfahrer wird von seinem Ballon getragen. Wir müssen entweder im Orbit bleiben, dann flitzen wir an ihm vorbei, oder aber den Kurs angleichen, dann brauchen wir etli che Tonnen Treibstoff!“ Chatun erkannte, daß sein Funker recht hatte. Die Berktar konnte sich nur halten, wenn ihre Umlaufgeschwindigkeit und die damit - 24
verbundene Zentrifugalkraft die Anziehung des Planeten ausglich. Das setzte sehr hohe Geschwindigkeiten voraus, während der in Not geratene Raumfahrer hauptsächlich vom Auftrieb des Ballons gehal ten wurde und sich nur langsam bewegte. Chatun entschloß sich dazu, die Schwerkraftwirkung des Planeten durch beständiges Feuern der Triebwerke auszugleichen. Er ließ das Schiff etwas absinken, bis es ziemlich genau unter dem Verunglück ten schwebte; dann verstärkte er den Ausstoß des Haupttriebwerks. Langsam stieg die Berktar höher. Chatun geriet in Schweiß; es kostete ungeheure Konzentration, die Triebwerke so feuern zu lassen, daß sich die Geschwindigkeit der beiden Körper nicht mehr unterschied. Nach einer halben Stunde Arbeit, die mehrere Tonnen Treibstoff ver schlang, ritt die Berktar auf ihrem Haupttriebwerk genau neben dem Raumfahrer. Der Mann gab kein Lebenszeichen von sich; Chungira sah schärfer hin und stöhnte unterdrückt auf, als er den offenen Helm erkannte. „Die ganze Mühe nur, um eine Leiche zu bergen!“ jammerte er. „Wir sind ruiniert! Wer ersetzt unsere Unkosten?“ Chatun winkte ab; ruhig gab er den Befehl, den Körper zu bergen. „Was sollen wir mit der Leiche machen, Chef?“ wollte ein Besat zungsmitglied wissen. Chatun überlegte sekundenlang, dann entschied er: „Legt sie in einen der gefüllten Laderäume. Der flüssige Stickstoff wird sie konservieren.“ Während drei Männer den steifen Körper des Raumfahrers in die Laderäume schleppten und in einem großen Tank voll verflüssigten Stickstoff versenkten, entdeckte Chungira eine Bewegung auf dem Bildschirm. Ein zweites Raumschiff war in das System eingeflogen und näherte sich mit hoher Fahrt dem Planeten. „Vermutlich haben auch diese Herrschaften den Notruf gehört!“ meinte Chungira nachdenklich, während er den leuchtenden Punkt und seine Bewegung auf dem Bildschirm betrachtete. Chatun biß die Zähne zusammen und schüttelte den Kopf. - 25
„Das Schiff steuert ohne Umschweife Animous III an!“ stellte er fest. „Außerdem ist es schneller als die Berktar. Schlußfolgerung, Chungira?“ „Die Männer haben das Signal wesentlich später als wir empfan gen!“ überlegte Chungira laut. „Dann aber hatten sie nicht mehr ge nügend Zeit, den Planeten anzupeilen!“ „Richtig!“ stellte Chatun bitter fest. „Weiter!“ „Wenn sie dennoch ohne Verzug Animous III anfliegen, wissen sie, wo sie zu suchen haben“, mutmaßte der Funker. „Folglich kennen sie den Toten! Das wiederum würde im Normalfall bedeuten, daß sie zu ihm einen intensiven Kontakt aufrechterhalten haben. Folglich haben sie früher als wir von der Notlage erfahren und offenkundig keine große Eile gehabt, ihm zu Hilfe zu kommen!“ „Genau das befürchte ich auch!“ murmelte Chatun grimmig. „Wir verschwinden!“ Die Berktar nahm Fahrt auf; Chatun ließ die altersschwachen Düsen mit Höchstwerten laufen. Er wußte zwar, daß seine Schlußfolgerun gen ziemlich gewagt waren, aber der untrügliche Instinkt eines Man nes, der sein ganzes Leben im Raum verbracht hatte, besagte, daß das fremde Schiff Gefahr bedeutete. Und Chatuns Instinkt hatte ihn nur selten getrogen. Der Fremde kam rasch näher; zu schwach waren die Aggregate der Berktar. Die Distanz verringerte sich zusehends; als der Abstand nur noch eine halbe Lichtsekunde betrug, ging ein Ruck durch Chatuns Schiff. Aus dem Maschinenraum war wütendes Schreien zu hören. „Diese Halunken haben uns beschossen!“ schrie der Ingenieur ins Mikrophon. „Die Düsen sind wirkungslos — der Strahl verpufft, weil er nicht gerichtet ist!“ , Chatun nickte stumm; er hatte am Fahrtanzei ger bemerkt, daß die Berktar nicht mehr beschleunigte. Rasch kam der Fremde näher; Chatun sah das Aufblitzen der Korrekturtrieb werke, mit denen der Pilot des fremden Schiffes die Bewegungen anglich. Ein hartes metallisches Klingen ging durch die Berktar, als sich die Bordwände der beiden Schiffe berührten. - 26
„Verdammt!“ gab der Maschinist nach oben. „Die Schurken schnei den das Schiff auf wie eine Konservendose!“ Auf dem Bildschirm konnte Chatun sehen, wie sich der bleistiftdik ke Strahl eines Hand-Lasers durch die Außenwand der Berktar fraß; der Skipper warf Chungira einen fragenden Blick zu, aber der Funker zuckte mit den Schultern. Polternd fiel das herausgeschnittene Stück der Bordwand in den Gang; die Ränder des Metalls glühten noch hellrot und setzten den abgewetzten Teppich in Brand. Durch den dichter werdenden Qualm stapfte ein Dutzend Männer nacheinander an Bord der Berktar. „Keinen Widerstand leisten!“ schrie Chatun in das Mikrophon; die Anlage trug seine Stimme in jeden Raum des Schiffes. „Sehr vernünftig!“ kommentierte einer der Eindringlinge. „Alles nach oben ins Cockpit!“ Nach und nach trafen die Männer dort ein; sie machten finstere Gesichter — ihnen wäre ein offener Kampf lieber gewesen. Aber Cha tun wußte, daß dieser Versuch aussichtslos war; der Fremde war bes ser bewaffnet und vor allem noch bewegungsfähig. Wenn das unbe kannte Raumschiff einfach davonflog, waren Chatun und seine Män ner hilflos. Als sich die Crew vollzählig im Cockpit versammelt hatte — einer der Eindringlinge hatte die Musterrolle gefunden und verglich die Zahlen -, machte sich ein beklemmendes Schweigen breit. Wer die Angreifer waren, konnte Chatun nicht feststellen — die Männer tru gen Gesichtsmasken. „Alle vollständig?“ fragte einer der Männer ruhig. „Ja!“ antwortete Chatun; gleichzeitig nickte der Mann mit der Mu sterrolle, in der alle Crewmitglieder eingetragen waren. Langsam sah der Mann die Männer an, die waffenlos vor ihm stan den und ihn mit sichtlicher Wut anstarrten. „Wo ist die Leiche?“ erkundigte sich der Eindringling. Die Frage galt Chatun, dessen Ärmelstreifen ihn als Skipper kenn zeichneten. - 27
„Wir haben den Körper in der Atmosphäre verglühen lassen!“ log Chatun. „Wir wollten keine Schwierigkeiten haben!“ Skeptisch musterte der Anführer der Eindringlinge den Skipper, dann zuckte er mit den Schultern. „Erledigt sie!“ sagte er kalt zu seinen Männern. * „Ich bin Personalchef und Leiter der Rechnungsabteilung!“ prote stierte der General. „Mich interessiert Ihr Wrack nicht!“ General Cronyn griff zu seiner Zigarre und verbarg seinen Unmut hinter einer dicken Qualmwolke. Vor ihm stand sein persönlicher Sekretär und Assistent, Barton Devine; der Leutnant machte, wie immer, wenn er vor Cronyn stand, ein betretenes Gesicht. „Sie sollten sich nicht aufregen, Sir!“ mahnte der Leutnant; nervös strich er mit der rechten Hand durch das helle Haar, und sein blasses Gesicht rötete sich leicht. „Denken Sie an Ihren Blutdruck!“ „Mein Blutdruck geht Sie nichts an, Leutnant!“ fauchte Cronyn zu rück. „Warum belästigen Sie mich überhaupt?“ „Sie, Sir, müssen entscheiden, wer den Auftrag zu übernehmen hat!“ erinnerte Devine seinen cholerischen Chef. Cronyn seufzte leise auf. „Also gut, berichten Sie!“ brummte er mißmutig und sog an seiner Zigarre. „Wir — das heißt ein Forschungsschiff — haben im System Ani mous ein Wrack entdeckt!“ erzählte Devine ; er blätterte in seinen Unterlagen, um kein Detail auszulassen. „Es handelt sich um einen alten Trampfrachter. Sie kennen wahrscheinlich die Frachter, die kei ne festen Routen befahren, sondern laden, was sie gerade bekommen können!“ „Ich weiß!“ seufzte Cronyn. „Und was, bitte, ist an diesem Wrack bemerkenswert?“
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„Zweierlei!“ antwortete Devine. „Zunächst einmal ist das Wrack beschossen worden. Die Hauptdüse des Triebwerks wurde durch einen Laserschuß zerstört. Das Schiff ist also überfallen worden!“ Cronyn wurde hellhörig; der letzte Fall von Raumpiraterie lag Jahrhunderte zurück. Seither hatte es niemand mehr gewagt, im offe nen Raum ein anderes Schiff zu überfallen und auszuplündern. „Von der Besatzung fehlt jede Spur“, berichtete Devine weiter. „Auch die Rettungsboote wurden nicht benutzt, ebensowenig wie die Raumanzüge. Statt dessen fanden wir in der Außenwand ein großes Loch, mit einem Laser herausgeschnitten — die Piraten müssen regel recht geentert haben!“ „Die Ladung?“ fragte Cronyn knapp. „Flüssiger Stickstoff!“ meldete Devine. „Die Ladung war unbeschä digt. Aber in einem der großen Tanks haben unsere Männer eine Lei che gefunden. Ein toter Raumfahrer in seinem Anzug. Wir haben die Personalien ermittelt!“ Devine übergab dem General einen schmalen Plastikstreifen; halb laut las Cronyn die eingestanzten Daten ab. „Hyme Canron, Terraner“, murmelte er. „Verschwunden seit mehr als zehn Jahren! Wieso erfahre ich erst jetzt davon?“ „Wir haben das Schiff mit der Leiche erst jetzt entdeckt!“ meinte Devine. „Ich habe bei Canrons früherem Arbeitgeber Ermittlungen angestellt. Nach den Unterlagen der General Power Ltd. hat Canron vor zehn Jahren ein halbes Jahr für die Firma gearbeitet, hat dann ordnungsgemäß gekündigt und ist anschließend verschwunden. Seither fehlte von dem Mann jede Spur. Ein Arbeitskollege kann sich erinnern,, daß Hyme Canron anschließend Urlaub auf Lykander VIII machen wollte. Dazu ist er nicht mehr gekommen — nach unseren Ermittlungen ist er knapp acht Wochen nach seiner Kündigung ge storben!“ „Was hatte er im System Animous zu suchen?“ wollte Cronyn wis sen. „Wie kommt der Tramp-Frachter in das System, und warum wurde er beschossen? Was ist aus der Besatzung geworden?“ - 29
„Eben diese Fragen sollen unsere Männer beantworten!“ warf De vine ein. „Sie sollen feststellen, welche Agenten gerade frei sind!“ „Keiner!“ knurrte Cronyn düster. „Das wissen Sie ebensogut wie ich, Devine. Alle unsere Leute sind mehr als beschäftigt!“ „Dann bleibt nur noch eine Möglichkeit“, meinte Devine sanft; Cronyn nickte schicksalsergeben. „Adventures Incorporated!“ Devine schauderte leicht; er ahnte, was ihm bevorstand. Bisher hat te er immer Ärger gehabt, wenn er das eigenwillige Team von ExAgenten einsetzen mußte. * Barton Devine war nervös; unruhig bewegte er die Hände. Die At mosphäre war beklemmend. Unsicher sah der Leutnant die einzelnen Mitglieder des Teams an: den Psychologen Norman, der seine zu nehmende Kahlheit durch die Behauptung zu kaschieren versuchte, sein Haar sei so hell, daß es sich von der Schädelhaut nicht unter scheiden ließe; seine Frau Mircea, die zusammen mit ihrem Mann eine psychologische Beratungsstelle leitete. Devine sah sich unsicher um; bisher war es immer so gewesen, daß er zur Begrüßung mehr oder minder geärgert und veralbert worden war. Diesmal war der Empfang von nervtötender Freundlichkeit ge wesen. „Wir sollen also herausfinden, wie eine Leiche in einen Stickstoff tank geraten konnte!“ stellte Panos, der Wirtschaftswissenschaftler, fest. „Außerdem sollen Sie klären, wieso dies Wrack in das System Ani mous geraten konnte!“ ergänzte der Leutnant. „Hört sich recht interessant an!“ meinte Ilaria, die Ärztin. „Übernehmen Sie den Auftrag?“ erkundigte sich Devine. „Zu den üblichen Bedingungen?“
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„Tausend Tellur pro Nase und Tag!“ gab Panos nickend bekannt. „Und wir lassen uns um keinen schäbigen Lunar herunterhandeln!“ Devine schluckte leicht. „Wo ist eigentlich der Rest des Teams?“ er kundigte er sich. „Wardon und Coreen sind mit den Kindern unterwegs!“ erklärte Mircea. „Und Ceco und Vaughn befinden sich derzeit auf einem Fachkongreß. Beide Paare sind unabkömmlich.“ „Sie vier wollen also den Auftrag allein übernehmen?“ fragte Devi ne. „Richtig!“ meinte Ilaria. „Ich frage mich nur, wo wir den Hebel ansetzen!“ überlegte Panos halblaut. „Der Raum ist groß. Im System Animous wurde das Wrack gefunden — niemand weiß, wie es dort hin gekommen ist. Und an Bord liegt eine Leiche, von der ebenfalls niemand weiß, was sie dort zu suchen gehabt hätte. Gibt es in dem System irgendeine bewohnte Station?“ Devine schüttelte den Kopf. „Das System ist völlig leer“, berichtete der Leutnant. „Ich glaube nicht, daß sich dort irgendwelche Anhaltspunkte ergeben werden. Weit erfolgversprechender scheint mir eine Suche beim Arbeitgeber des Toten zu sein. General Power Ltd. ist schon seit einiger Zeit we gen seiner eigenwilligen Geschäftsführung bekannt, fast berüchtigt. Nur konnte man den Managern nie illegale Handlungen nachwei sen!“ „Man müßte einmal die Bücher überprüfen!“ schlug Ilaria vor. Pa nos lachte bitter. „Ich müßte wahnsinnig sein, wollte ich das versu chen!“ meinte er. „Wenn ich alle mehr oder weniger schmutzigen Tricks der Bilanzfälschung und der Steuerhinterziehung kenne, be komme ich für die Ausführung dieser Tricks zwanzigmal mehr Ge halt von der Industrie, als mir der Staat für die Aufklärung zahlen könnte. General Power Ltd. ist finanzkräftig genug, um alle Fachleu te, die ihr gefährlich werden könnten, sofort aufzukaufen!“ „Was wird der Gesellschaft eigentlich vorgeworfen?“ wollte Mircea wissen. „Ziemlich viel!“ gab Devine bekannt. „Aber es fehlen die Beweise. Wir wissen beispielsweise, daß die Sicherheitsvorschriften beim Re - 31
aktorbau und bei der Wartung der Anlagen sträflich vernachlässigt werden — aber wir können es nicht beweisen. Wir vermuten auch, daß einige sehr merkwürdige Großbrände bei der Konkurrenz nicht unbedingt Schicksalsschläge waren, sondern eher auf Brandstiftung zurückzuführen sind. Auch hier fehlen die Beweise — die Angestell ten haben zuviel Angst, zumal ein nicht geringer Teil der Führungs positionen von sehr zwielichtigen Gestalten besetzt worden ist. Nur die allerhöchste Leitung der Firma besteht aus völlig sauberen Män nern — zumindest auf dem Papier. Es gibt große Stiftungen, Straßen und Gebäude, die ihr einen guten Ruf verschaffen!“ „Frontalangriff nutzt nichts!“ murmelte Panos. „Man müßte versu chen, in die Reihen dieser Biedermänner einzusickern. Können Sie mir entsprechende Papiere besorgen, Leutnant?“ „An welche Dokumente haben Sie gedacht?“ fragte Devine zurück. „Eine neue Identitätskarte!“ zählte Panos auf. „Eine Entlassungsbe scheinigung eines größeren Gefängnisses, Arbeitspapiere — alles, was nötig ist, um mir in diesen Kreisen einen guten Ruf zu verschaf fen!“ „Sie wollen sich von diesen Gangstern anstellen lassen?“ fragte De vine erstaunt. „Richtig!“ bestätigte Panos. „Außerdem schlage ich vor, daß die anderen drei sich trotz aller Gegenargumente einmal das System Animous näher besehen. Ich glaube nämlich nicht, daß sich der Frachter zufällig dorthin verirrt hat. Ist übrigens bekannt, wem das Schiff gehörte?“ „Einem gewissen Chatun Morin!“ berichtete Devine, nachdem er in seinen Unterlagen geblättert hatte. „Er ist auf Tuchtar VI geboren und hatte dort eine Frau; sie hat ihn vor zehn Jahren als vermißt gemeldet. Von ihm und der restlichen Besatzung fehlt jede Spur — Chatun war der einzige, der Angehörige besaß. Die anderen Mitglieder der Besat zung waren meist kosmische Vagabunden.“ „Ist von Chatun bekannt, daß er in unsaubere Geschäfte verwickelt war?“ wollte Ilaria wissen. - 32
„Chatun galt bei seinen Geschäftspartnern als überaus gerissen und auf seinen Vorteil bedacht, aber er hat sich nie so benommen, daß er Schwierigkeiten mit dem Gesetz hätte bekommen können“, erklärte Devine. „Eben diese Tatsache macht sein Verschwinden so rätsel haft!“ Panos nickte zustimmend und dachte nach; Devine hielt das Ge spräch für beendet. So schnell es die Höflichkeit zuließ, verabschiede te sich der Leutnant und bestieg seinen Gleiter, der ihn aus den Wäl dern Britisch-Kolumbiens nach Vancouver brachte, wo bereits ein Transozeanclipper auf ihn wartete. Erst als Devine in dem vierfach überschallschnellen Flugzeug saß, fühlte sich der Leutnant sicher — zum ersten Mal war er ohne irgendeinen Schabernack davongekom men. Diese Hoffnung erwies sich als trügerisch; in der nächsten Ausgabe der Global News fand sich ein Inserat, in dem ein verschüchterter Geheimdienstoffizier nach Anschluß suchte. Devine lachte laut und herzlich, bis ihm auffiel, daß der Videoanschluß, der in der Anzeige angegeben war, sich in seinem Büro befand.
3. Die Luft in der Gaststätte war so dick, daß man sie hätte schneiden können; blaue Tabakschwaden wälzten sich durch den Raum. Der Ventilator an der Seitenwand war ausgefallen — einige Scherzbolde hatten ihn mit Wurfmessern bearbeitet. Aus einer Musikbox in der Ecke neben dem Tresen drang markerschütternder Lärm, der nur mit größtem Stimmaufwand übertönt werden konnte. Als Panos den Gastraum betrat, konnte er kaum etwas sehen. Dei Tabaksqualm stieg ihm in die Augen, und der Mann brauchte fast eine Minute, bis er sich an das diffuse Licht in der Gaststätte gewöhnt hatte. Langsam ging Panos bis an den Tresen; er kümmerte sich nicht um die neugierigen Blicke, die ihm galten, sondern schnippte kurz - 33
mit den Fingern. Der Wirt musterte den neuen Gast sekundenlang, dann stellte er ein Bierglas vor ihm ab. Panos kniff die Augen zu sammen und sah das Glas genau an, dann schob er es langsam und nachdrücklich zurück. „Voll, sagte ich!“ Panos' Stimme klang leise und drohend; jemand tippte ihm auf die Schulter. „Dies ist unsere Stammkneipe, Freundchen“, zischte eine gefährlich klingende Stimme hinter Panos. „Und bisher waren wir stets damit zufrieden, wie der Wirt einschenkt. Suchst du Streit, Langer?“ Panos kümmerte sich nicht um den Sprecher; er sah weiter den Wirt an. Der hielt dem Blick nicht lange stand. Wortlos nahm er das Glas zurück und füllte nach. „So ist es besser!“ meinte Panos freundlich; er setzte das Glas trotz des unübersehbaren Schmierfilms am Rand an den Mund und leerte es in einem Zug. „Dasselbe noch einmal!“ Während der Wirt das Glas füllte — diesmal richtig -, drehte sich Panos langsam zu dem Mann um, der ihn angesprochen hatte. Zwei kleine Augen funkelten Panos bösartig an. „Wenn ihr euch von dem Panscher hinter dem Tresen übers Ohr hauen laßt“, meinte Panos langsam, „dann ist das eure Sache. Ich liebe gefüllte Biergläser, und die bekomme ich auch, wann und wo ich will!“ „Das ist unser Wirt und unsere Sache!“ meinte der Mann vor Panos; er verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich leicht zurück. Sorgfältig verfolgte Panos jede Bewegung. Er hatte die gründliche psychologische Schulung beim Geheimdienst noch nicht vergessen — Imponierhaltung fünf, diagnostizierte Panos. Drei, verbesserte er sich, als der Mann die Brust leicht vorwölbte und die Daumen in die Taschen seiner fleckigen Hose hakte. Was dann folgte, hatte nicht im Lehrbuch gestanden; ohne Vorwar nung riß der Mann die Fäuste hoch und schlug zu. Panos flog unter der Wucht des Magenhakens einen halben Meter zurück und krachte gegen einen Gast, dessen Glas seinen Inhalt auf Panos entleerte. - 34
„Der Kerl hat meinen Drink verschüttet!“ protestierte der Gast mit einem hinterhältigen Unterton. „Eine Unverschämtheit!“ „Ich werde dem Knaben schon beibringen, wie man sich hier zu benehmen hat!“ meinte der Schläger freundlich und machte einige Schritt auf Panos zu. Aus den Augenwinkeln heraus sah Panos, wie der Rest der Gäste zurückwich und sich an die Wände drängte. Offenbar war es hier schon öfter zu ähnlichen Szenen gekommen. Vermutlich war sein Gegner der Hauptschläger in dieser Kneipe und tonangebend. Wenn es Panos gelang ... Panos duckte sich in letzter Sekunde unter einem Schwinger weg; in der Hand des Mannes blitzte plötzlich ein Schlagring mit gefähr lich aussehenden Zacken. Panos hatte seinen Nadler vorsichtshalber nicht mitgebracht — ein großer Fehler, wie ihm jetzt bewußt wurde. „Stell dich, Feigling!“ rief der Schläger, während er mit unsicheren Schritten Panos nachging. Panos wich langsam zurück, immer ent lang der Kreislinie, die ihm von der Schar der Gäste aufgezwungen wurde. Die Gesichter der Männer verfinsterten sich — offenbar wa ren sie nicht gewillt, diesem Spiel noch länger tatenlos zuzusehen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie sich in den Kampf einschalten würden. Panos ließ den Schläger einen halben Schritt näher kommen, dann schnellte sein Fuß nach oben; der Tritt riß die Hand des Schlägers nach oben. Der Schlagring flog durch die Luft und fegte eine Schnapsflasche vom Büffet oberhalb des Tresens. Bevor der Schläger sich von seiner Überraschung erholt hatte, war Panos vor ihm. Zwei kraftvolle Schläge mit der Handkante gegen die Herzgrube beendeten den Kampf. Der Mann stöhnte auf und brach in die Knie; zeitlupenhaft langsam kippte er zur Seite und blieb dann regungslos liegen. „Eine Lokalrunde!“ befahl Panos dem Wirt. „Siege müssen gefeiert werden!“ Aus der Menge der Gäste kam leiser Beifall, der sich rasch verstärkte. Einzelne Männer schoben sich zu Panos heran und klopf - 35
ten ihm auf die Schulter. Nur zwei Männer kümmerten sich um den Besiegten und schafften ihn aus dem Raum. Der König ist tot, es lebe der König, dachte Panos; das Rudel hat einen neuen Führer, und der alte mag zusehen, wo er bleibt. Panos verfolgte mit innerem Grinsen, wie sein Prestige stieg. Der Wirt mühte sich nach Kräften, sein bester Freund zu werden, und als Panos sich setzen wollte, machten ihm sofort zwei Männer Platz. Das allgemeine Besäufnis dauerte Stunden; erst weit nach Mitternacht hatte sich die Zahl der Gäste auf drei reduziert, die mit Panos an ei nem Tisch saßen. Zu ihnen gehörte auch der nunmehr entthronte König dieser Gaststätte; die kalte Abendluft hatte ihn vor der Tür wieder geweckt, und er war sofort zurückgegangen, um für sich we nigstens die zweite Position in dieser ungeschriebenen Hierarchie zu erobern. „Du trinkst reichlich wenig und langsam“, meinte einer der Gäste; Panos grinste. „Entwöhnung!“ meinte er knapp. „Außerdem muß ich mir morgen einen Job suchen. Da würde ein Brummschädel nur schaden!“ „Du suchst Arbeit?“ erkundigte sich der Schläger. „Einen Job!“ gab Panos zurück. „Von Arbeit war nicht die Rede!“ Panos, der sich inzwischen als Kerai Bagatur vorgestellt hatte — auf diesen Namen lauteten auch seine hervorragend gefälschten Papiere — wartete auf ein Angebot. Nur aus diesem Grund hatte er die übel beleumundete Gaststätte überhaupt aufgesucht. Hier verkehrten eben jene Leute, die bei der General Power Ltd. für Ruhe und einen schlechten Ruf sorgten, und Munlik, der Schläger, galt als Chef dieser Rollkommandos und Schlägerbrigaden. „Wo hast du bis jetzt gesteckt?“ wollte Munlik wissen; der Mann konnte nur noch lallen. „Tar Gutai!“ antwortete Panos gleichmütig. „Acht Jahre wegen be waffneten Raubüberfall!“ Der Planet Tar Gutai, im Sternbild der Perseiden gelegen, galt in nerhalb der bewohnten Galaxis als Sammelpunkt aller Glücksritter - 36
und Hasardeure. Es gab keinen Planeten, der einen schlechteren Ruf gehabt hätte. Panos konnte sofort feststellen, daß der Name des Pla neten seine Wirkung tat. „Ich hätte einen Vorschlag!“ meinte Munlik mühsam. „Komme morgen früh zu mir — ich werde dir einen Job verschaffen, einen guten Job!“ „Wo und zu welchen Bedingungen?“ wollte Panos wissen. „General Power Limited!“ erklärte Munlik. „Wir werden dir alles er klären!“ Panos nickte, dann bestellte er beim Wirt eine neue Runde. Wie groß sein Ansehen inzwischen war, ergab sich aus der Tatsache, daß der Wirt auf sofortige Zahlung verzichtete und sich bereit erklärte, die nicht unbeträchtliche Zeche bis zur ersten Lohnzahlung zu stun den. Panos brauchte noch fast zwei Stunden, um seine Freunde nach Hause zu begleiten; vor allem Munliks Abtransport machte Schwie rigkeiten. Als Panos endlich in dem kleinen Zimmer ankam, das er für die Dauer des Einsatzes gemietet hatte, war bereits die halbe Nacht ver strichen. * „Sie suchen eine Anstellung bei uns?“ wollte der Personalchef der General Power Ltd. wissen. Panos nickte stumm. „Ich bin allerdings vorbestraft!“ meinte er unsicher und machte ein zweifelndes Gesicht, als er dem Personalchef seine Entlassungspapie re übergab. Der Mann legte die Papiere zur Seite, ohne auch nur ei nen Blick darauf geworfen zu haben. „Wir haben sehr moderne Einstellungsprinzipien“, sagte der Mann freundlich. „Wenn Sie bei uns ein anständiges Leben beginnen wol len, kann uns das nur recht sein. Nach Ihrem Vorleben fragen wir nicht! Was haben Sie bisher für Jobs übernommen?“ - 37
Auch auf diese Frage war Panos Vorbereitet; nacheinander legte er verschiedene Zeugnisse vor, die ihm erstklassige Fähigkeiten auf al len Gebieten bescheinigten, die für ein Unternehmen wie General Power Ltd. wichtig sein konnten. „Hätten Sie Lust, in unserem Schutztrupp mitzuarbeiten?“ erkun digte sich der Personalchef lauernd. „Die Arbeit ist nicht sehr an strengend, verlangt aber Einsatzfreude, bedingungslose Treue zum Arbeitgeber und große Verschwiegenheit!“ „Ich verrate niemanden“, erklärte Panos kalt. „Ich werde Ihnen auch nicht erzählen, was ich früher als Chef einer Schutztruppe un ternommen habe!“ Der Personalchef lächelte hintergründig. „Wir müssen Sie natürlich den üblichen Prüfungen unterziehen“, meinte er dann freundlich. „Lebenslauf, Eignungstest — Sie werden derlei bereits kennen!“ Er führte Panos in einen kleinen, spärlich möblierten Nebenraum; auf dem flachen Tisch lagen die üblichen Testutensilien. Hinter dem Tisch stand ein freundlich dreinblickender Mann mit einer dünnen Brille, der Panos mit einer Handbewegung aufforderte, sich zu set zen. Panos nahm in dem Sessel vor dem Tisch Platz, dann setzte sich auch der Psychologe und begann den Mann auszufragen. Panos gab rasche, präzise Antworten. Er hatte vor dem Test keine Angst; seit mehreren Jahren lebte er mit Mircea und Norman zusammen, und es gab kaum einen psychologi schen Test, den er nicht kannte. Der Mann hinter dem Tisch verwen dete einen der ältesten und primitivsten Intelligenztests; Panos hatte die Frage und auch die Antworten im Kopf — es war ihm ein leich tes, den Verlauf der Untersuchung nach seinem Gutdünken zu leiten. Panos wußte bereits vorher, wie der Test verlaufen würde. Sein Ziel war es, von sich ein ganz bestimmtes Charakterbild zeichnen zu las sen. Die Intelligenz mußte recht hoch, dafür der Bildungsstand nied rig sein. Wichtig war außerdem völlige Skrupellosigkeit, abgesehen - 38
von einer gewissen Ganovenehre, die es ihm — zumindest nach den Testergebnissen — erschwerte, seinen jeweiligen Auftraggeber zu verraten. Der Psychologe machte ein unglückliches Gesicht, während er Panos untersuchte. Offenbar hielt er Panos für nicht geeignet, ei nen verantwortungsvollen Posten zu bekleiden — daraus folgerte Panos, daß der Psychologe von den Vorgängen in der Gesellschaft keine Kenntnis hatte. Der Test dauerte knapp drei Stunden, dann folgte eine halbe Stun de, in der der Psychologe die Ergebnisse auswertete und ein Persön lichkeitsgutachten verfaßte, das er mit sorgenvollem Gesicht dem Personalchef aushändigte. Panos konnte nicht hören, was die beiden Männer im Flüsterton besprachen, aber der Mimik des Psychologen entnahm er, daß der Wissenschaftler eindringlich vor einer Einstel lung des Kandidaten warnte. „Sie bekommen den Job“, erklärte der Personalchef, nachdem er den Psychologen, der ein verzweifeltes Kopfschütteln nicht unter drücken konnte, verabschiedet hatte. „Gehen Sie zu Munlik und las sen Sie sich einkleiden. Er wird Ihnen auch genauer erklären, was Sie hier zu tun haben werden!“ „Gehalt?“ fragte Panos kalt. „Eintausendfünfhundert Tellur netto“, erklärte der Personalchef. „Dazu Prämien je nach Einsatz, deren Höhe von der Firmenleitung festgesetzt wird. Aber bislang sind noch alle Angehörigen des Werk schutzes mit ihrer Bezahlung zufrieden gewesen!“ „Hoffentlich!“ knurrte Panos, dann stand er auf und verließ das Zimmer. Munlik erwartete ihn vor der Tür; er schien nicht sehr erfreut über Panos' Einstellung zu sein. Immerhin verlor er dadurch den Status des Obersten Schlägers, an dem ihm einiges zu liegen schien. Die Uniform des Schutztrupps war leuchtend rot. Der Stoff war von minderer Qualität, um so besser war die Bewaffnung. In den Arsena len fand Panos sogar schwere Zweihandlaser, die eigentlich in den Magazinen eines Privatunternehmens nichts zu suchen hatten. Der - 39
Rest des Tages verbrachte Panos damit, das Werksgelände zu besich tigen, seine Kollegen zu studieren und die einzelnen Abteilungen kennenzulernen. Von Arbeit war einstweilen nicht die Rede — Panos' erste Aufgabe sollte darin bestehen, in der nächsten Woche pro Nacht sechs Stunden lang das Haupttor zu bewachen. „Wir brauchen Geduld“, meinte Panos im Selbstgespräch. „Ir gendwann werden sich die Leute schon verraten!“ * „Sind die anderen inzwischen wieder zurückgekehrt?“ wollte Panos wissen; an dem anderen Ende der Videoleitung saß Ilaria vor der Kamera. Das Mädchen hatte bislang noch keine Möglichkeit gefun den, ohne Aufsehen in das System Animous zu gelangen. Zusammen mit Mircea und Norman wartete sie auf eine günstige Gelegenheit. „Leider nicht“, berichtete die Frau. „Wie geht es dir?“ „Erträglich!“ meldete Panos. „Hör zu — ich brauche eure Hilfe. Im Werk ist ein Vorarbeiter vorlauter geworden, als es die Firmenleitung liebt. Dem Mann soll ein Denkzettel verabreicht werden — und mich hat man dazu eingeteilt, mit dem Mann einmal vernünftig zu reden und ihn zur Vernunft zu bringen!“ „Das dürfte im Klartext bedeuten, daß du ihn verprügelst!“ vermu tete Ilaria. „Was hat der Mann überhaupt verbrochen?“ „Er wollte sich beim zuständigen Aufsichtsamt über mangelnde Sicherheitsvorkehrungen beschweren“, berichtete Panos. „Er ist na türlich im Recht — die Bestimmungen über Schutzkleidung und ähnliches werden nur dort befolgt, wo ihre Anwendung billiger ist als ihre Mißachtung. Ich werde dir die genaue Adresse geben — schicke Norman zu dem Mann. Er soll ihm die Zusammenhänge erklären. Dann schleppt Norman den Vorarbeiter am besten zu einem Arzt, läßt ein paar Knochen eingipsen und malt ihm einige Blessuren ins Gesicht — es muß echt aussehen!“
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„Die Verletzungen vorzutäuschen könnte ich selbst übernehmen“, überlegte die Ärztin halblaut. „Einverstanden — ich gebe Norman Nachricht. Können wir dir noch auf andere Weise helfen?“ „Einstweilen nicht!“ meinte Panos. „Bisher sind keine Schwierigkei ten aufgetreten. Für die Zukunft muß ich allerdings immer einige von uns in Bereitschaft haben.“ „Ich werde dafür sorgen!“ versprach Ilaria, seine Frau, dann trennte sie die Verbindung. Nachdenklich legte sich Panos auf sein Bett. Ihm war inzwischen klar, daß in der Firma allerhand außerhalb der Legalität lief, aber er wußte noch nicht, auf welche Weise er zu Informationen über Ani mous III kommen konnte. Sein Instinkt sagte ihm, daß es zwischen der Gesellschaft und dem Toten in dem Wrack eine Beziehung gab — fraglich war nur, von welcher Art dieser Kontakt gewesen sein moch te. Über diesen Gedanken schlief Panos ein. * „Saubere Arbeit, Bagatur!“ lobte Graleb Nyhan den neuen Mitarbei ter; Panos war zu dem Mann gerufen worden, nachdem sich der Vor arbeiter krankgemeldet hatte. „Hat der Mann Sie erkannt?“ Panos schüttelte den Kopf, während er innerlich die Daten über Nyhan abrief. Sein Gesprächspartner besaß eine fünfundzwanzigpro zentige Beteiligung am Vermögen der Gesellschaft und einen dem entsprechenden Einfluß auf die Betriebsführung. Obendrein war ihm der gesamte Werkschutz unterstellt; was das bedeutete, konnte Panos schnell ermessen — Nyhan schien sehr genau zu wissen, welche Sor te von Männern er in seiner Truppe sehen wollte. „Der Mann hat zwar gesehen, daß ich zum Werkschutz gehöre“, berichtete Panos ruhig, „aber mein Gesicht habe ich nicht gezeigt. Obendrein habe ich dafür gesorgt, daß das Ganze wie ein Raubüber fall aussieht — seine Löhnung ist der Mann los!“
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„Nicht übel!“ meinte Nyhan anerkennend. „Sie bekommen eine Prämie von fünfhundert Tellur — reicht das?“ „Zusammen mit der Löhnung dieses vorwitzigen Narren — jeder zeit!“ meinte Panos; er grinste Nyhan an. Sein Lächeln besagte, daß er ganz genau zu wissen glaubte, was Nyhan von ihm erwartete, und Panos rechnete mit einer bestimmten Reaktion. Seine Erwartungen erfüllten sich rasch. Nyhan stand auf und ging zum Fenster; auf dem Hof hatten sich einige Arbeiter versammelt, die den „Unfall“ ihres Kollegen diskutierten. Da es sich um die Früh stückspause handelte, konnte Nyhan gegen die Diskussion nichts unternehmen, aber die Blicke, die nach oben zu seinem Büro gewor fen wurden, genügten ihm — die Gesichter der Arbeiter verrieten ihm, daß in Zukunft kein Widerstand zu befürchten war. „Die Lektion hat gesessen!“ murmelte Nyhan und trat einen Schritt zurück. „Ich habe da eine besonders delikate Aufgabe für Sie. Wollen Sie Einzelheiten hören?“ „Gerne!“ sagte Panos grinsend. „Wie wäre es zunächst mit dem Zahlen?“ Er machte die galaxisweit bekannte Geste des Geldzählens; Nyhan verstand und grinste zurück. „Sie gefallen mir, Bagatur!“ sagte Nyhan mit überraschender Freundlichkeit. „Sie begreifen recht schnell!“ „Bei Geld immer!“ konterte Panos. Er lehnte sich abwartend in sei nem Sessel zurück. In seiner Tasche lag die präparierte Zigaretten schachtel; die Hälfte des Rauminhalts enthielt tatsächlich Zigaretten — in der anderen Hälfte war ein Kleinst-Tonbandgerät versteckt, das jedes Wort Nyhans genau aufzeichnete. „Zwanzigtausend!“ sagte Nyhan knapp. „Genügt das?“ Panos machte ein nachdenkliches Gesicht, dann nickte er langsam. „Wenn ich die Begräbniskosten nicht selbst tragen muß, wird es wohl reichen“, meinte er brummend. „Wer ist der Betreffende?“
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„Langsam!“ warnte Nyhan. „So weit wollen wir einstweilen noch nicht gehen. Der Fall ist etwas anders gelagert. Kennen Sie die Firma Armstrong Industries?“ Panos nickte sofort; das Werk war bekannt für seine hochwertigen Reaktoranlagen, die sehr preiswert und obendrein sehr sicher waren. Die Firma war innerhalb des engeren Bereichs um das Sonnensystem der härteste Konkurrent für General Power Ltd. Nur die geringe Ka pazität des Werkes hatte bisher verhindert, daß Nyhans Unterneh men vom Markt gedrängt worden war. „Armstrong will einige hundert Millionen Tellur aufnehmen und sein Werk erweitern!“ überlegte Nyhan laut. „Seine Beziehungen zu den Großbanken sind ausgezeichnet — ich habe in Erfahrung ge bracht, daß er den Kredit tatsächlich bekommen wird. Unserer Un ternehmensführung paßt dieser Tätigkeitsdrang des alten Armstrong überhaupt nicht. Sie verstehen?“ „Er müßte sich zur Ruhe setzen!“ schlug Panos kalt vor. „Am be sten für einige Jahrhunderte!“ Nyhan schüttelte verweisend den Kopf. „Es genügt, wenn er die Sicherheit verliert, die er den Banken für den Kredit angeboten hat“, meinte Nyhan freundlich. „Sein Werk ist ungefähr genauso wertvoll wie der Kredit! Können Sie das allein durchführen?“ Panos begann zu überlegen; sorgte er ohne Hilfe dafür, daß Arm strong ruiniert wurde, dann war er der alleinige Mitwisser Nyhans — und das konnte sehr gefährlich werden. Andererseits bot sich ihm die einmalige Gelegenheit, in der Gunst des skrupellosen Nyhan aufzu steigen. Panos wägte beide Überlegungen gründlich ab, dann nickte er. „Ich werde allein vorgehen!“ versprach er. „Und gründlich!“ *
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Das Werksgelände von Armstrong Industries war leicht zu finden; die modernen Flachbauten standen in einem Vorort, etwa zwanzig Kilo meter außerhalb Torontos. Mit dem Feldstecher verschaffte sich Pa nos einen ersten Eindruck von der Anlage. Das Werk unterschied sich wohltuend von den düsteren Gemäuern des NyhanUnternehmens — Armstrong hatte es sich viel Geld kosten lassen, seinen Männern das unvermeidliche Arbeiten so erträglich wie mög lich zu gestalten. Neben den hellen und luftigen Werkhallen sah Pa nos ausgedehnte Sportstätten und andere Erholungsmöglichkeiten. Wohnungen gab es in näherem Umkreis nicht — im Werk wurde mit strahlendem Material gearbeitet, und das Gesetz verbot Wohnberei che in der Nähe von Fabriken, in denen mit Radioaktivität zu rechnen war. Geduldig wartete Panos, bis sich langsam die Nacht über Kanada senkte. Erst einige Zeit nach dem Einbrechen der Dunkelheit verlie ßen die letzten Arbeiter und Angestellten das Werk; nacheinander verloschen die Lichter hinter den großen Glasfenstern. Panos wartete, bis alles dunkel war, dann schlich er auf das Werk zu. Armstrong hatte seine Anlagen einzäunen lassen, und hinter dem Drahtgeflecht liefen Dutzende von Hunden auf und ab. Vorsichtig prüfte Panos den Draht und seufzte erleichtert auf, als er feststellte, daß an dem Draht keine Hochspannung lag. Behutsam; um kein Ge räusch zu machen, schnitt Panos ein genügend großes Loch in den Zaun, dann kroch er hindurch. Die Hunde kümmerten sich nicht um den Mann; der Anzug, den Panos aus den Arsenalen des Geheim dienstes entliehen hatte, verströmte einen Geruch, der die Wachsam keit der Tiere einschläferte. Gleichzeitig war das Material lichtemp findlich; in der Dunkelheit war der Anzug völlig schwarz — je nach Beleuchtung änderte sich die Farbe in Bruchteilen von Sekunden. „Der Einstieg wäre geschafft!“ murmelte Panos; lautlos huschte er weiter. Er versuchte sein Glück an einem Nebeneingang; das Schloß war von moderner Bauart, aber der vorzüglichen Ausrüstung des Mannes - 44
konnte der komplizierte Mechanismus nicht lange widerstehen. Es gab ein leises Klicken, als sich die Verschlüsse lösten, dann schwang die Tür leise nach innen. Vorsichtig trat Panos in das Gebäude. Zwei Nächte lang hatte er die Werke beobachtet; einen Nachtwäch ter hatte Panos nicht sehen können. Allerdings war die Gefahr groß, von einer Alarmanlage entdeckt zu werden. Vorsichtig machte Panos einige Schritte in den Raum, dann ließ er die Tür zuschwingen. Lang sam drang Panos in das Gebäude ein; er hatte sich nur grob merken können, wo die einzelnen Abteilungen arbeiteten, zudem war er sich noch nicht völlig darüber klar, wie er vorgehen wollte. Panos erschrak, als übergangslos das Licht aufflammte. In Bruchtei len von Sekunden war der Gang, auf dem der Mann sich aufhielt, taghell erleuchtet. Aus einem versteckt angebrachten Lautsprecher klang eine scharfe Stimme. „Folgen Sie dem Licht!“ sagte der Mann. „Und versuchen Sie nicht, den Rückzug anzutreten — wir können jede Bewegung genau beo bachten!“ Panos unterdrückte einen Fluch, dann schritt er den Gang entlang. Nacheinander ging er durch mehrere beleuchtete Räume; Panos er kannte die Richtung — er bewegte sich auf das Büro zu, in dem der Chef der Firma, Francis Armstrong, arbeitete. Als Panos das Büro erreicht hatte, sah er auch den Firmenleiter hinter dem großen Schreibtisch. Die weiße Haarmähne über dem faltigen Gesicht war Panos von Fotos her bekannt; der alte Wirtschaftler machte ein Gesicht, das ver blüffend dem einer angriffslustigen Bulldogge glich. Dennoch wußte Panos, daß Armstrong ein ausgesprochener Menschenfreund war. „Junger Mann“, sagte Armstrong gelassen; seine Stimme war ruhig und tief. „Haben Sie ernsthaft geglaubt, meine Mitarbeiter hätten nicht bemerkt, daß Sie seit zwei Tagen das Werk belauern? Halten Sie uns für derart hirnrissig, keine Sicherheitsvorkehrungen zu treffen?“ Panos kratzte sich unsicher am Kopf; er wußte nicht ganz, wie er die se verfahrene Lage noch wenden sollte. - 45
„Was haben Sie eigentlich hier gesucht?“ wollte Armstrong wissen. „Es würde mich interessieren — reden Sie jetzt, denn ich habe keine Lust, diese Informationen im Gefängnis bei Ihnen abzuholen!“ „Ganz einfach“, meinte Panos; ihm blieb keine andere Wahl als die, die Karten rücksichtslos aufzudecken. „Ich habe vor, Ihr Werk anzu stecken!“ „Alle Wetter!“ rief der Mann hinter dem Schreibtisch. „Ihre Ehr lichkeit ist verblüffend — oder soll man das eher Dreistigkeit nen nen? Und was bewegt Sie zu solch löblichem Tun?“ „Eine Frage vorweg“, warf Panos ein; er setzte sich in den breiten Sessel vor dem Schreibtisch. Den Laser, den Armstrong auf ihn ge richtet hielt, übersah er geflissentlich. „Kann uns irgend jemand hö ren?“ „Falls Sie planen sollten, mich jetzt noch zu erschießen und so Ihre Flucht zu ermöglichen, muß ich Sie enttäuschen!“ meinte der Wirt schaftler eisig. „Ich habe mich auf Ihren Besuch vorbereitet!“ „Ich plane nicht, Sie zu erschießen!“ gab Panos zurück; er zündete sich eine Zigarette an und machte einige tiefe Züge. „Ich muß nur sichergehen, daß außer Ihnen niemand von unserer Unterhaltung erfährt!“ „Ein Tonbandgerät läuft mit“, erklärte der Alte, der in seiner Ruhe etwas erschüttert schien. „Versuchen Sie nicht, es finden zu wollen — es ist sehr gut versteckt!“ Panos zuckte gleichmütig mit den Schultern, dann begann er zu sprechen. Armstrong hörte ihm aufmerksam zu, ohne ihn zu unter brechen. Als Panos geendet hatte, griff der Mann zum Video und forderte Panos auf, seine Behauptungen zu belegen. Panos stellte eine Verbindung zum Geheimdienst her und erklärte auch diesen Män nern, wie er sich das weitere Vorgehen dachte. Als er das Gerät wie der desaktivierte, machte Armstrong ein anerkennendes Gesicht. „Der Plan ist gut“, meinte er zustimmend. „Wenn auch etwas kost spielig, zumal für mich!“
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„Sie haben es gehört“, warf Panos ein. „Ihre Verluste werden vom Staat gedeckt! Können wir beginnen?“ „Nur zu!“ meinte Armstrong. „Ich bin gespannt, ob Sie schaffen werden, was Sie sich vorgenommen haben!“ „Ich bin nicht minder neugierig!“ versicherte Panos glaubwürdig. * Eine halbe Division der Terrestrischen Streitkräfte nebst einem Pio nierbataillon war erforderlich, um Panos Plan auszuführen. Die gan ze Nacht hindurch arbeiteten die Männer wie besessen, um das Werk für die Täuschung zu präparieren. Erst als der Morgen graute, waren die Vorarbeiten abgeschlossen. Panos verließ mit den Männern das Werk; er ließ sich im Stadtkern von Toronto absetzen und suchte so fort nach der nächsten Sprechzelle. Bei General Power Ltd. meldete sich Nyhan persönlich, als Panos nach ihm fragte. Der Mann sah Pa nos erwartungsvoll an. „Schalten Sie die Nachrichten ein, Sir!“ meldete Panos grinsend. „Wundern Sie sich über nichts. Ich werde übrigens für ein paar Tage untertauchen — ich muß noch ein paar Spuren verwischen. Ich wer de mich später bei Ihnen melden!“ „Ich werde auf Sie warten!“ versprach Nyhan, dann schaltete er das Gerät ab. Der Mann ging zum Nachrichten-Video hinüber und drück te eine Taste. Sekunden später war der Bildschirm warm und zeigte das Gesicht des Nachrichtensprechers. Nyhan wartete geduldig. Der Sprecher verlas einige Nachrichten, Filme wurden eingeblen det. Plötzlich tauchte mitten in einem Bildbericht über die Neueröff nung eines bedeutenden Museums das Bild des Sprechers wieder auf. „Eine wichtige Eilmeldung aus Toronto“, sagte der Mann. „In den bekannten Armstrong-Werken ist ein Großbrand entstanden. Es wurde Strahlenalarm gegeben. Die Bevölkerung wird auf gefordert,
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die Dosimeter jederzeit zu tragen und immer wieder abzulesen! Wir schalten zur Unglücksstelle um!“ Abrupt wechselte das Bild; Nyhan grinste zufrieden, als er die Ge bäude auf dem Bildschirm erkannte. Panos hatte gute Arbeit gelei stet. Von dem eigentlichen Firmengebäude war kaum etwas zu se hen; die Landschaft war durch dichte Rauchwolken verhüllt, in deren Innerem rote Glut walte. Nyhan zählte mehr als dreißig Löschfahr zeuge, die an der Brandstelle gegen das Feuer kämpften. Hunderte von Männern in Asbestanzügen standen in sicherem Abstand um das Feuer herum und versuchten, den Brand niederzuspritzen. Dazwi schen erkannte Nyhan einige Männer der Strahlenbekämpfungsabtei lung in ihren schweren Anzügen. Von Zeit zu Zeit kam einer der Männer aus dem Rauch hervor, meist mit einem leblosen Körper in den Armen. „Bisher wurden einhundert Tote und Schwerverletzte geborgen!“ berichtete der Kommentator; in seiner Stimme schwang Entsetzen mit. „Wie hoch die Strahlungsdosis im Einzelfall ist, konnte bisher noch nicht ermittelt werden. Wir fragten einige Männer, aus der Ret tungsmannschaft!“ Daß rußverschmierte Gesicht eines der Feuerwehrmänner erschien auf dem Bildschirm; der Mann rang nach Luft und keuchte vor Er schöpfung. „Besteht noch Aussicht, das Feuer rasch niederzukämpfen?“ er kundigte sich der Reporter. „Hoffnungslos!“ ächzte der Uniformierte. „Unsere Löschtrupps kommen wegen der Radioaktivität nicht vorwärts, und für die Män ner vom Strahlenschutz ist der Brand zu gewaltig. Das Gemäuer wird vollständig niederbrennen, fürchte ich!“ „Wie hoch ist die Strahlungsgefahr?“ wollte der Reporter wissen. „Schwer zu sagen!“ meinte der Beamte unsicher. „Unsere Dosime ter sind jedenfalls bis zum Grenzwert belastet worden — dann haben wir uns zurückgezogen!“
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Nyhan wußte, wie hoch der Grenzwert war — er lag bei zweihun dert rem. Die dreifache Strahlendosis hätte binnen weniger Stunden den Tod eintreten lassen — bei dem geringeren Wert bestand nur die Gefahr länger andauernder, aber nicht lebensgefährlicher Schäden. Immerhin bedeutete die Angabe des Feuerwehrmannes, daß das Firmengelände auf Jahre hinaus verseucht war — Armstrong konnte erst in einiger Zeit wieder daran denken, seine Reaktoren zu bauen. Nyhan lächelte leicht und schaltete ab. „Ausgezeichnete Arbeit, Bagatur!“ murmelte er. „Aus diesem Mann läßt sich noch etwas machen!“ Aus einer Schreibtischschublade zog er sein Scheckbuch hervor und füllte eines der Formulare aus. Zwanzigtausend schrieb er in einer kleinen, gestochen scharfen Schrift auf das grüne Papier, dazu die Adresse, unter der Panos offiziell zu erreichen war. Nyhan tat den Scheck in einen Umschlag und steckte ihn ein — derartige Dokumente gehörten nicht in den Korb für die normale Post. * „Gefällt Ihnen Ihr Scheckkonto?“ erkundigte sich Nyhan freundlich. „Was haben Sie mit dem Geld angefangen?“ Panos blinzelte den Mann an und schüttelte abweisend den Kopf. „Halten Sie mich für schwachsinnig?“ fragte er kalt. „Das Geld liegt auf meinem Geheimkonto auf irgendeiner Welt, die Sie nichts angeht. Ich werde doch nicht so dumm sein und jetzt mit vollen Händen das Geld unter die Leute streuen — ebensogut könnte ich zur Polizei ren nen und mich stellen!“ Nyhan nickte anerkennend; einen Mitarbeiter von Panos' Qualitä ten hatte er lange Zeit gesucht. „Sind Sie mit dem Sonderhonorar zufrieden?“ wollte Nyhan wis sen. - 49
„Nicht ganz“, gab Panos zurück. „Ich brauche mehr, um meine Pläne verfolgen zu können. Haben Sie noch ein paar ähnlich gelager te Fälle, die ich lösen könnte?“ „Das wird sich in den nächsten Tagen und Wochen erweisen“, meinte Nyhan nachdenklich. „Welche Spuren kann die Polizei von Ihrem Brandanschlag gefunden haben?“ „Keine!“ sagte Panos kalt; innerlich grinste er, als er daran dachte, wie ehrlich diese Antwort war. „Die Brennmasse, die ich verwendet habe, vergeht ohne Rückstände in meßbarer Größe. Nur durch eine photometrische Analyse der Flammen hätte man den Stoff nachwei sen können — ich habe darauf geachtet: Niemand hat diesen Versuch unternommen.“ „Ich habe eine neue Aufgabe für Sie, Bagatur“, meinte Nyhan nach einer kleinen Pause. „Und ich will Ihnen nicht verschweigen, daß diese Angelegenheit ganz besonders kitzlig ist — bisher haben Sie praktisch auf eigene Rechnung gearbeitet, und das Risiko lag ganz bei Ihnen!“ „Richtig!“ stimmte Panos zu; er wurde hellhörig. „Wenn die Polizei den Brandanschlag bemerkt, werde ich kaum beweisen können, daß Sie mein Auftraggeber sind. Und was ist in dem neuen Fall anders?“ Nyhan musterte Panos mit leiser Skepsis; es war ihm anzusehen, daß er intensiv nachdachte, ob er den vermeintlichen Brandstifter einweihen sollte. „Es wäre für uns sehr unangenehm“, begann Nyhan leise und ein dringlich, „käme die Polizei oder eine ähnliche Organisation hinter gewisse Dinge, die wir nicht angemeldet haben. Eine Entdeckung wäre uns — und damit meine ich auch mich und meine Vorgesetzten — außerordentlich unangenehm!“ „Mit anderen Worten“, warf Panos kalt ein. „Die Sache ist so brenz lig, daß es auch Ihnen an den weißen Kragen geht, wenn wir aufflie gen. Sie erwarten also absolute Verschwiegenheit, und beim gering sten Anlaß, der nach Verrat aussehen könnte, werden Sie mich zum
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Schweigen bringen lassen — eben um Ihren hübschen Kopf zu retten. Richtig?“ „Sie treffen den Kern der Dinge“, meinte Nyhan anerkennend. „Sie gehen das Risiko ein, aus Versehen erschossen zu werden — wir können uns keinerlei Risiko leisten, schon gar nicht das eines plau derseligen Mitarbeiters. Wenn Sie durch Zufall in den Verdacht gera ten, für uns gefährlich zu sein, werden wir entscheiden, was mit Ih nen geschieht — ohne eine Möglichkeit der Verteidigung für Sie!“ Panos nickte langsam; aus den Sicherheitsvorkehrungen, die Nyhan angedeutet hatte, ließ sich schließen, daß hinter der Fassade der Ge neral Power Ltd. etwas vorging, das nicht nur Mord und Brandstif tung bedeutet, sondern ganz andere Kategorien erreichen mußte. „Ich mache mit!“ erklärte Panos. „Nach Ihren Spielregeln — es ist nur eine Frage des Geldes!“ „Welches Ziel haben Sie sich gesteckt?“ fragte Nyhan freundlich. „Finanziell, meine ich?„ Panos zuckte mit den Schultern, dann sagte er vorsichtig: „Ich hatte an eine kleine Bar gedacht, in der Nähe eines größeren Raumhafens. Das Geschäft müßte so gut laufen, daß ich mein Aus kommen ohne allzuviel Arbeit habe! Ich weiß, daß Ziel ist ziemlich hoch, aber ich setze dementsprechend viel ein!“ Nyhan machte eine wegwerfende Geste. „Unsere Vorbereitungen werden in schätzungsweise einem halben Terra-Standardjahr abgeschlossen sein“, meinte der Mann nachlässig. „Dann haben Sie Ihre Bar, wenn nötig zwei!“ „Derlei höre ich gerne!“ gab Panos grinsend zurück. „Was habe ich zu tun?“ „Zunächst reichen Sie offiziell Ihre Kündigung ein“, bestimmte Ny han. „Buchen Sie eine Reise nach Thogrul Alpha und lassen Sie sich die entsprechenden Impfungen verabreichen. Ich werde Sie irgendwann in den nächsten Wochen anrufen!“ Panos nickte und gab Nyhan die Hand; der Druck war außeror dentlich freundlich, Panos spürte, daß er das Vertrauen seines Ge - 51
genübers besaß, und er war sich sicher, Nyhan in kurzer Zeit über führen und den Gerichten ausliefern zu können. „Thogrul Alpha sagten Sie?“ erkundigte sich Panos an der Tür. „Das ist doch dieser Urwaldplanet, auf dem diese Abenteuer-Safaris ver anstaltet werden?“ „Richtig!“ bestätigte Nyhan. „Keine Aufregung — Sie werden den Planeten überhaupt nicht anfliegen müssen. Unser Ziel hat nur ähnli che klimatische Verhältnisse, und die Seuchen und Pestilenzen sind auf beiden Welten annähernd gleich. Darum sollen Sie einen Flug nach Thogrul Alpha buchen — es könnte sonst auffallen, wenn Sie sich gegen exotische Krankheiten impfen lassen!“ „Wird gemacht!“ versprach Panos, dann verließ er Nyhan. Er war gespannt, was ihn auf dem geheimnisvollen Zielplaneten erwartete.
4. „Wie viele Planeten gibt es, die ähnliche Merkmale aufweisen wie Thogrul Alpha?“ fragte Panos; Ilaria zuckte mit den Schultern, und auch Norman und Mircea machten ratlose Gesichter. Die vier Men schen, hatten sich im Gästehaus des Terrestrischen Geheimdienstes getroffen, um den letzten Erkenntnisstand zu diskutieren. „Im Interstellar-Handbuch finden sich außer Thogrul Alpha nur noch vier ähnliche Welten“, berichtete Mircea nach einigem Stöbern in dem Folianten. Hinter ihr war das leise Brummen der großen Komputeranlage zu hören — das Zentralhirn des Geheimdienstes hatte Anschlüsse in allen Räumen; jeder Mitarbeiter konnte zu jeder Zeit alle Informationen abrufen — ausgenommen waren nur als ge heim klassifizierte Informationen. Panos allerdings besaß den kleinen Schlüssel, mit dem die ersten drei Geheimhaltungsstufen desaktiviert werden konnten. Für die Daten, die er jetzt brauchte, war allerdings keine Sperre nötig; diese Informationen waren jedermann zugänglich.
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Mircea tippte die Grobdaten in die Tastatur des Rechners und for derte detailliertere Auskünfte an. Dann gab sie mit einem Knopf druck die Eingabe frei; innerhalb weniger Sekunden waren das Da tenpaket des Auftrags in den Speichern des Rechners. Dann mußte das Team warten. Der Großkomputer konnte zweitausend Rechen programme gleichzeitig bewältigen; was darüber hinausging, wurde nach Dringlichkeit sortiert und gespeichert. In den Pausen, die ent standen, wenn im Hauptprogramm ein Druckvorgang oder ein er neuter Datenzufluß programmiert war, wurden Randprogramme schnell eingeschoben und durchgerechnet. Auf diese Weise war es möglich, das Herz des Rechners optimal auszunutzen — die hoch komplizierte Anlage war ständig in Betrieb, nur die Drucker oder Lochkartenstanzer blieben öfter ausgeschaltet. Plötzlich begann der Schnelldrucker zu rattern; in jeder Sekunde wurde eine vollständige Zeile gedruckt. Mircea wartete, bis das Gerät zum Stillstand kam, dann riß sie den breiten Plastikstreifen aus dem Gerät. „Auf allen fünf Dschungelwelten ist keine Niederlassung der Gene ral Power zu finden!“ berichtete sie nach kurzem Studium der Daten. „Drei der Planeten sind völlig menschenleer — auf zweien, darunter Thogrul Alpha, gibt es Eingeborene. Also nichts, was für Nyhan und seine Gesellschaft interessant sein könnte!“ „Schlußfolgerung: Nyhans Leute haben eine weitere Urwaldwelt entdeckt“, brummte Norman. „Und dort gibt es etwas, das Nyhan der Regierung nicht gerne verraten möchte. Vielleicht intelligente Eingeborene auf einer niedrigen Kulturstufe, die er rücksichtslos aus beuten könnte?“ Panos zuckte mit den Schultern; wenn Normans Vermutung zutraf, war Nyhan tatsächlich gefährdet und traf seine Vorkehrungen — aus seiner Sicht — zu Recht. Das Imperialistenge setz, das vor dreihundert Jahren nach erbittertem Widerstand der Industrie durchgesetzt worden war, verbot die Ausbeutung unter entwickelter Planeten und ihrer Eingeborener. Zuwiderhandlungen wurde je nach Heimatplanet des Täters von lebenslanger Haft bis zur - 53
Todesstrafe unerbittlich geahndet. Etwa fünfzig Jahre lang hatte es noch Versuche gegeben, das Gesetz zu umgehen oder zu unterlaufen — in diese Zeit fielen dreihundert vollstreckte Todesurteile. Seither hatten die meisten auf das riskante Geschäft verzichtet. Wenn jetzt ein Planet entdeckt wurde, verfiel er sofort der Regie rung des Entdeckers; über die Ausbeutung wurde erst nach gründli cher Untersuchung aller Umstände entschieden. Hatte der Planet Bewohner, die bestimmten Kategorien genügten und als Intelligenz wesen eingestuft wurden, war privater Handel grundsätzlich verbo ten. Staatliche Gesellschaften übernahmen den Abbau von Boden schätzen und den Tauschhandel — die Gewinne wurden auf Sonder konten eingefroren, bis die Ur-Bevölkerung genügend entwickelt war, um über die Summen selbst verfügen zu können. Auf diese Weise waren etwa zwanzig Welten ohne katastrophale Verände rungsprozesse in die Galaktische Gemeinschaft integriert worden. „Gibt es auf den bekannten Dschungelwelten irgendwelche Boden schätze?“ erkundigte sich Ilaria. „Das Übliche“, gab Mircea bekannt. „Schwermetalle, radioaktives Material. Öl und Gas, dazwischen Edelsteine. Aber alles hält sich in normalen Grenzen — es gibt keine sensationell großen Lagerstätten, nichts, das so lohnend wäre, als daß man nur über Verbrechen einen Profit machen könnte.“ „Dann bleibt es dabei“, murmelte Panos. „Nyhans Gesellschaft hat einen Dschungelplaneten entdeckt und nicht angemeldet — allein das reicht für ein paar Dezennien Strafanstalt aus! Was macht übri gens Armstrong?“ „Der Arme kann noch immer nicht den Verlust seiner Firma ver schmerzen“, berichtete Ilaria. „Immerhin scheint er einigermaßen glücklich zu sein, Nyhans Anschlag auf diese Weise entkommen zu sein.“ Panos wußte, daß die Firmengebäude des alten Armstrong weder heruntergebrannt noch radioaktiv verseucht waren. Ein Einsatz kommando des Terrestrischen Geheimdienstes hatte sämtliche Anla - 54
gen entfernt und auch die Angestellten in Sicherheit gebracht. Die meterhohen Flammen, die aus den geborstenen Fenstern geschlagen waren, verdankten ihre Entstehung sorgsam deponierten Brandsät zen; die vermeintlichen Leichen hätten sich bei näherer Betrachtung als Attrappen entpuppt — immerhin war der Eindruck täuschend echt gewesen. Nyhan war von den Qualitäten seines Mitarbeiters überzeugt — das genügte. Selbstverständlich war Armstrong ein Schaden entstanden; die Produktion war für Wochen, wenn nicht Monate unterbrochen. Erst nach dem Abschluß des Falles Nyhan konnte der Unternehmer wie der daran denken, seine Apparaturen neu zu installieren und die Arbeit wieder aufnehmen zu lassen. Panos hatte den Alten nur durch ein Argument überzeugen können — wäre nicht zufällig Panos der ausersehene Brandstifter gewesen, dann stünde von Armstrongs Un ternehmen kein Stein mehr auf dem anderen. Unter diesem Gesichts punkt war ein Produktionsausfall leichter zu verschmerzen — abge sehen davon, daß Armstrong später seinen Schaden wieder würde einklagen können, vorausgesetzt, General Power Ltd. erwies sich nach dem unvermeidlichen Konkurs noch als halbwegs kapitalstark. Die Gruppe beendete die Befragung des Rechners; der große Kom puter konnte ihnen in dieser Lage nicht mehr helfen. Es galt, zunächst mehr Informationen über Nyhan und seine zwielichtigen Geschäfte zusammenzutragen, dann erst konnte weitergesehen werden. Panos trennte sich von den anderen und ließ sich von einem Kabinentaxi durch die weitläufigen Anlagen in Akademgorodok transportieren. Erst vor dem Haupteingang der großen Poliklinik ließ Panos die Ka bine halten und stieg aus. Er zeigte dem Pförtnerrobot seinen Ausweis und konnte passieren; ohne die Karte aus Plastik, in die ein hochkompliziertes Metallmuster eingeschmolzen war, hätte der Pförtner ihn nicht eingelassen. Ungehindert durchschritt Panos jetzt die langen unterirdischen Flu re und Gänge der Klinik.
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Er folgte den großen Hinweistafeln, die an jeder Ecke des riesigen Komplexes zu finden waren. Standardisierte Piktogramme leiteten die Besucher durch die Gänge; die Zeichen waren einfach und für jedermann verständlich. Panos kannte die Anlage — er hatte hier zwei Jahre lang gearbeitet und zuvor längere Zeit am gleichen Ort studiert. Er orientierte sich an einem Schild, auf dem ein ziemlich widerwär tig geratenes Insekt zu erkennen war, das von einer Injektionsspritze aufgespießt wurde. Nach zehn Minuten Fußmarsch hatte Panos eine große Flügeltür erreicht, auf der das gleiche Piktogramm aufgemalt war. „Kann ich Ihnen helfen, Mister?“ fragte das Mädchen in dem Büro hinter der Tür. „Wogegen wollen Sie geimpft werden?“ „Suchen Sie in Ihrer Kartei unter dem Stichwort Thogrul Alpha nach!“ bat Panos und gab dem Mädchen seinen Ausweis. Zwei sehr helle Augen unter einem verwegen gelockten Blond schopf musterten Panos interessiert; dann lächelte das Mädchen den hochgewachsenen Mann freundlich an. „Waren Sie schon einmal hier?“ erkundigte sich das Mädchen teil nahmsvoll; ihr Blick blieb an den beiden weißen Haarsträhnen hän gen, die oberhalb der Schläfen zu erkennen waren. Die beiden, fast symmetrisch angeordneten Narben darunter verdankte Panos zwei verschiedenen Ereignissen; die linke Seite entstammte einem durch Dummheit verschuldeten Unfall — die rechte Narbe war eine Erinne rung an einen lebensgefährlichen Einsatz. Panos grinste verwegen zurück. „Richtig!“ stimmte er zu. „Vor ein paar Wochen mußte ich mich einer Schädeloperation unterziehen, und in der Eile habe ich mein Hirn vergessen — haben Sie etwas Pas sendes an der Hand?“ „Bemühen Sie sich ins Fundbüro, Mister“, gab das Mädchen zu rück. „Vielleicht hat man Ihr Hirn trotz seiner Winzigkeit im Staub sauger gefunden!“
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Während sie sprach, spuckte der Komputer eine Karte aus; Panos warf einen flüchtigen Blick auf den Plastikstreifen und zuckte zu sammen. Die Liste der impfpflichtigen Krankheiten schien endlos zu sein. „Was hätten Sie gerne?“ wollte das Mädchen wissen. „Fleckfieber, Paratyphus, Cholera, Keuchhusten — alles steht zu Ihrer Verfügung! Falls Sie früher einmal gegen eine dieser Krankheiten geimpft wor den sind, wird Ihnen das nichts nutzen — die Erreger sind für Tho grul Alpha typisch und machen in jedem Fall eine neue Impfung nö tig.“ „Ein vollständiges Gedeck, bitte!“ knurrte Panos. „Einmal die Karte herunter!“ „Gehen Sie bitte in den Nebenraum“, forderte das Mädchen den Mann auf. „Man wird sich um Sie kümmern!“ Panos zuckte schicksalsergeben mit den Schultern; im gleichen Au genblick summte der Videoanschluß. Das Mädchen drehte sich um und schaltete das Gerät mit einem Knopfdruck ein. „Maray, geliebte Meisterin der Nadel, mich verlangt nach dir!“ tön te es aus dem kleinen Lautsprecher; die Wiedergabe war klar, und die Lautstärke war groß genug, um Panos jedes Wort verstehen zu lassen. „Was gibt es?“ fragte das Mädchen abwehrend; sie warf einen Blick über die Schulter auf Panos. „Es ist gerade ein Patient im Raum!“ „Macht nichts!“ kam es prompt zurück. „Mixe dem Menschen ei nen hübschen Barbitursäure-Cocktail und schicke ihn nach nebenan.“ „Verehrter Mister Derfnam!“ mischte sich Panos ein. „Falls Sie wirklich glauben, ich würde mir Schlafmittel verabreichen lassen, muß ich Sie enttäuschen!“ Panos hatte einige Schritte gemacht und stand neben dem Mädchen genau vor der Kamera, die sein Bild aufnahm und auf den Schirm am anderen Ende der Leitung projizierte. Vor Panos war auf dem Bild schirm das Gesicht des jungen Mediziners zu erkennen, den er von seinem letzten Einsatz auf Lykander VIII kannte. Der dichte Bart - 57
rund um das Gesicht war noch voller geworden; Panos schätzte, daß in spätestens zwei Monaten alles zugewachsen sein würde. „Heiliger Pepsin!“ rief Derfnam aus und grinste. „Panos, was treibt dich in die Impfstation? Gelüstet es dich nach etlichen Millilitern pi kanter Sera?“ „Ungefähr!“ antwortete Panos lächelnd. „Und was, bitte, hast du in der Klinik zu suchen?“ „Die schiere Verzweiflung trieb mich an die Arbeit“, gestand Derf nam fröhlich. „Ich bin einem kleinen Geheimprojekt zugeteilt: Die Sache ist so geheim, daß wir überhaupt nicht wissen, was wir über haupt machen. Außerdem sind wir von der Außenwelt nahezu abge schlossen. Ich bin seit vier Tagen nicht mehr aus dem Labor gekom men, und in meinem Gedärm wütet der Hunger. Maray, Teuerste, könntest du mir etwas zu essen bringen?“ Das Mädchen warf Panos einen Blick zu, als wolle sie sich für Derf nams saloppe Ausdrucksweise entschuldigen, dann verließ sie rasch den Raum. „Woran arbeitet ihr?“ wollte Panos wissen. Sein Gegenüber zuckte mit den Schultern. „Ich darf niemandem etwas erzählen“, erwiderte er. „Nicht einmal dir, so leid es mir tut. Aber es ist eine hochinteressante Sache. Man hat uns in ein winziges Labor mit einer gewaltigen technischen Aus rüstung gesteckt und hält uns hier praktisch unter Verschluß. Wahr scheinlich können wir unsere Arbeit in wenigen Tagen abschließen, und dann wird die Fachwelt staunen!“ Panos zog leicht die Brauen in die Höhe; er kannte den mehr als eigentümlichen Charakter seines Gesprächspartners, und er erinnerte sich sehr gut daran, wie Derfnam durch wagemutige Experimente, verbunden mit einer schier unglaublichen Schlamperei, fast eine ga laxisweite Katastrophe ausgelöst hatte. „Ihr bastelt doch nicht etwa einen Kunstmenschen zusammen?“ fragte er skeptisch. „Für die Rolle des Frankenstein warst du schon immer vorzüglich geeignet!“ - 58
„Teuerster!“ wehrte Derfnam entrüstet ab. „Diese Zeiten sind end gültig vorbei — ich habe meine wilden Jahre hinter mir. Mein Analy tiker sagt mir auch, daß ich mit jedem Tag normaler würde — und der Mann müßte es eigentlich wissen! Und was hast du hier zu tun?“ „Ein Einsatz!“ berichtete Panos. „Ich habe mich von einer Gang sterbande anheuern lassen, die offenbar auf einem noch nicht be kannten Dschungelplaneten ihr Unwesen treibt. Ich werde diese Welt aufsuchen und lasse mich deshalb hier impfen!“ „Dafür ist Maray genau richtig!“ bestätigte Derfnam grinsend. „Mir fällt etwas ein“, sprach er weiter. „In meiner Freizeit habe ich ein hübsch perfides Gebräu ausgeheckt — ich lasse dir eine Flasche da von zukommen!“ „Worum handelt es sich?“ fragte Panos mißtrauisch. „Wieder eine kleine Virenkultur?“ „Nichts dergleichen!“ gab Derfnam strahlend zurück. „Es handelt sich um ein Nervengas mit durchschlagender Wirkung. Einzelheiten verrate ich nicht — aber wenn du es einsetzen willst, stelle ich dir gern eine Kostprobe zur Verfügung!“ Hinter Panos schwang die Tür zur Seite, und das Mädchen betrat den Raum. Sie hatte die Tür mit dem Fuß geöffnet — in den Händen hielt sie ein großes Tablett. Panos erkannte Brot mit Schinken und Eiern, eine große Kanne und einige andere, sehr appetitliche Dinge. „Wird das reichen?“ fragte das Mädchen und hielt das Tablett so, daß Derfnam die Fläche überblicken konnte. „Oder brauchst du noch mehr?“ „Vorzüglich, Holdeste!“ bemerkte Derfnam. „Nun spute dich und bringe mir mein Mahl!!“ Das Mädchen zog sich rasch zurück; es dauerte knapp fünf Minu ten, dann kehrte sie wieder. In der Hand trug sie einen kleinen zylin drischen Körper aus Metall, den sie Panos übergab. „Das ist das Gebräu!“ erklärte Derfnam. „Bevor du das Ventil öff nest, setzt du dir vorsichtshalber Nasenfilter ein.“
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Mißtrauisch betrachtete Panos den Gegenstand in seiner Hand, dann nickte er und versenkte den Zylinder in der rechten Hosenta sche. Das Mädchen machte sich inzwischen wieder an dem Kompu ter zu schaffen. Panos winkte Derfnam noch einmal zu, dann ging er in den Nebenraum. Auch dieses Zimmer war, wie fast alle Räume in der Klinik, mit Servomechanismen und Komputerschaltstellen ge spickt. Das Mädchen steckte die Plastikkarte aus der Kartei in einen schmalen Schlitz und wartete einige Augenblicke lang. „Der Automat stellt jetzt eine Mischung der erforderlichen Wirk stoffe zusammen“, erklärte sie. „Dadurch ersparen wir Ihnen mehre re Injektionen!“ „Erfreulich!“ murmelte Panos gedankenverloren. Es dauerte nicht lange, bis in einem Auffangkorb eine gläserne Ampulle erschien, in der eine Flüssigkeit in einem bedrohlichen Blauton schimmerte. „Keine Angst“, meinte das Mädchen. „Die Sache ist völlig schmerz frei!“ Wortlos krempelte Panos den linken Ärmel hoch und streckte den Arm aus; das Mädchen setzte die münzgroße Düse auf die Haut und betätigte den Abzug. Mit mehreren Atmosphären Druck wurde der Wirkstoff durch die Haut in die Blutbahn gepreßt. „Fertig!“ meinte das Mädchen freundlich. „Bitte warten Sie noch einige Minuten — es könnte sein, das Nebenwirkungen auftreten!“ Panos nickte gehorsam, während er die Manschette wieder schloß langsam begannen die Medikamente zu wirken. Ein leichtes Frösteln überkam Panos, dann begann seine Hand zu zittern. In den blankpo lierten Metallteilen im Raum erkannt« Panos sein Gesicht und auch die kleinen roten Flecken, die sich rasch darauf abzeichneten. Die Nebenwirkungen hielten eine halbe Stunde an dann fühlte sich Panos wieder normal. „Viel Vergnügen auf Thogrul Alpha!“ rief ihm das Mädchen nach, als Panos die Impfstation wieder verließ Der Mann grinste dünn. Panos ahnte, daß er erst am Beginn seiner Suche stand.
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* „Hat dieser Planet einen Namen?“ wollte Panos wissen. Er stand neben dem Piloten im Cockpit des Interstellarraumers der General Power Ltd.; das Schiff trug den beziehungsreichen Namen Filibuster und sah auch dementsprechend aus. Panos konnte sich nicht erinnern, jemals ein derart wrackes Fahrzeug gesehen zu haben; er ahnte, warum der Raumer so verwahrlost war. Raumschiffe wur den registriert, desgleichen ihre Fahrten. Nur sehr alte Schiffe, die längst aus den Registern gestrichen waren, konnten es sich noch er lauben, frei in der Galaxis herumzufliegen. Die jährlichen Kontrollen der Fahrtenbücher hätten sofort ans Licht gebracht, wenn mit einem modernen Schiff ein Planet angeflogen worden wäre, der nicht in den Handbüchern verzeichnet war. Den ersten Teil der Reise hatte Panos an Bord eines hochmodernen Schiffes verbracht, das in regelmäßigen Abstanden verschiedene Au ßenposten der Gesellschaft anflog und mit Nachschub versorgte. Die Planeten waren registriert, ebenso die Regelflüge. Was den Kontrol len entging und entgehen sollte, war das Umsteigen im Orbit um eine Welt, auf der es lediglich eine kleine Station der Gesellschaft gab. Mit einem Raumanzug war Panos, zusammen mit drei anderen Männern, von Bord des modernen Schiffes gegangen und war zur Filibuster hinübergeschwebt — der weitere Flug mit dem halben Wrack entzog sich der Kontrolle der Weltraumbehörden. „Deadend World!“ gab der Pilot brummend bekannt; der Mann machte keinen sehr vertrauenerweckenden Eindruck — seine Fähig keiten als Skipper waren indes unzweifelhaft vorzüglich, wie Panos festgestellt hatte. „Ein beziehungsvoller Name!“ stellte Panos grinsend fest. Sackgassenwelt — die Bezeichnung ließ darauf schließen, daß die Mehrzahl der Menschen, die hier landeten, den Planeten nicht wieder
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verlassen konnten. Ob auch er zu dieser Gruppe gehören würde, konnte Panos noch nicht wissen. Der Skipper ließ die Filibuster mit einigen Feuerstößen aus den Kor rekturdüsen in eine stabile Umlaufbahn einschwenken, dann gab er den Befehl, das Beiboot klarzumachen. Wie alle großen Schiffe, die zwischen den vielen Sonnensystemen der Galaxis verkehrten, konnte die Filibuster auf keinem Planeten mit einer Atmosphäre niedergehen — das Schiff wäre beim Landeanflug bereits in den ersten Gasschich ten verglüht. Für diesen Zweck führte das Schiff drei Beiboote mit sich, die im Höchstfall einhundert Personen aufnehmen konnten. In diesem Fall wurde nur eines der Beiboote gebraucht — es beförderte außer Panos und den drei anderen Männern Lebensmittel, außerge wöhnlich viele Spirituosen und einen großen Stapel von Bandspulen, auf denen unterhaltende Video-Spiele aufgezeichnet waren. „Machen Sie sich fertig, Mister!“ sagte der Skipper. „Wir müssen weiter!“ Panos löste den Blick von der blaugrünen Scheibe, die er aus dem Cockpitbullauge heraus sehen konnte. Folgsam trottete er den Mittel gang des Schiffes entlang und folgte dem kaum noch zu erkennenden Hinweisschildern bis zum Beiboothangar. Die anderen Männer hat ten sich dort bereits eingefunden und starrten Panos an; ihr Blick war geprägt von einer Mischung aus unverhohlener Neugierde und gro ßer Skepsis. Wortlos schnallte sich Panos auf einem der freien Sessel an und wartete auf das Ablegemanöver. Das Beiboot wurde von ei nem Besatzungsmitglied der Filibuster gesteuert, von dem nur ein breiter, roter Nacken und eine hochkonzentrierte Alkoholausdün stung wahrzunehmen waren. Als sich das Beiboot vom Mutterschiff löste, bemerkte Panos, daß die Andruckabsorber überholungsreif waren. Mehr als zwei g machten sich bemerkbar und preßten den Mann in seinen Sitz. „Das Ding gehört auf den Schrott!“ schimpfte einer der Männer ungehalten.
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„Ruhe!“ schrie der Pilot nach hinten. „Wenn es euch nicht paßt, könnt ihr aussteigen!“ Erst nach einigen Anläufen wurde der Andruck voll abgefangen; das Beiboot drosselte die Umlaufgeschwindigkeit und sank langsam der Planetenoberfläche entgegen. Sorgenvoll beobachtete Panos das Innenthermometer — langsam aber unaufhaltsam stieg die Tempera tur. Während das Beiboot langsam landete, musterte Panos seine drei Begleiter; einer der Männer kam ihm bekannt vor, aber Panos konnte sich nicht mehr erinnern, wann und wo er den Mann gesehen hatte. Die Gesichter der drei verhießen nichts Gutes; Panos erkannte rück sichtslose Geldgier und eine entsprechende Skrupellosigkeit. Einer der Männer schimpfte ohne Pause vor sich hin; seine Stimme wurde allerdings übertönt von dem immer lauter werdenden Kreischen, mit dem das Beiboot in die Lufthülle des Planeten eintauchte. Panos nutzte die Zeit und betrachtete die Landschaft des Planeten. Soweit er sehen konnte, war der Planet mit einem undurchdringli chen Grün überzogen. Die Landmasse konzentrierte sich auf acht Kontinente, zwischen denen sich ebenfalls grüne Ozeane befanden. Nur an den weißen Linien, die von Brechern stammten, und einem leichten Braunton, der zwischen dem Blattwerk des Urwaldes her vorschimmerte, konnte Panos die Umrisse der Kontinente erkennen. Nur zwei der großen Festlandblöcke lagen in seinem Blickfeld; die Form erinnerte an eine Acht, deren beide Teile durch einen breiten Wasserstreifen voneinander getrennt waren. Stellenweise sah Panos Rauch, der offensichtlich von noch tätigen Vulkanen herrührte. Ver geblich suchte Panos nach Polkappen aus Eis das bedeutete, daß die Durchschnittstemperaturen dieser Welt beträchtlich über den irdi schen liegen mußten. Langsam ging das Beiboot tiefer; die rasende Fahrt wurde abge bremst, und das Boot wurde hauptsächlich von seinen Schwerkraft absorbern in der Luft gehalten.
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Die Vorwärtsbewegung besorgte ein kleines Staustrahltriebwerk, das mit minimaler Fahrt lief. „Wenn einer von euch eine Gruppe von zehn Vulkanen sehen kann, die dicht beieinander stehen, dann soll er sich melden!“ gab der Pilot bekannt; nervös fuhr der Mann mit dem Finger über eine primitive Landkarte. „Sieh einmal nach rechts, Schwachkopf!“ rief einer der Männer. „Da sind deine Vulkane!“ Der Pilot murmelte einen Fluch, dann lenkte er das Beiboot in die angegebene Richtung; nach weniger als zehn Minuten war das Ziel erreicht. Langsam ging das Beiboot auf der Piste nieder; das Material bestand aus plastikverstärktem Naturboden, der halbwegs eingeeb net war. Panos nickte anerkennend, als er die Anlage sah — aus grö ßerer Höhe war das Landefeld nicht zu entdecken, ebensowenig wie die Gruppe von flachen Häusern, die rings um das Feld standen. Die Dächer waren meterdick mit Humus belegt worden und verschwan den fast in dem Urwald — nur von der Seite waren die hellen Flächen aus vorgefertigten Teilen zu erkennen. „Legt eure Schutzanzüge an!“ brummte der Pilot. Gehorsam streifte Panos die dünne Kombination über; das Material legte sich eng an den Körper und paßte sich jeder Bewegung an. An einem breiten Gürtel, der zur Ausrüstung gehörte, hing ein Halfter mit einem Laser darin. Panos sah kurz auf die Ladekontrolle — das Magazin war gefüllt. Außerdem entdeckte er einen flachen Metallka sten an seiner linken Hüfte; probeweise schaltete Panos das Gerät ein. Sekunden später spürte er, wie sich das Anzugmaterial rapide ab kühlte. „Ich öffne jetzt die Schleuse!“ teilte der Pilot mit. „Setzt eure Helme auf!“ Die Helme bestanden aus ähnlichem Material wie die Anzüge; al lerdings war der Gesichtsteil klar und durchsichtig. Zwei dünne Schläuche führten von der Hüftgegend bis dicht an die Lippen, wo
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sich das Helmmaterial leicht vorwölbte. Panos spürte einen kalten Luftstrom, der um seine Lippen spielte. Mit leisem Quietschen öffnete sich die Schleuse; ein Korblift brachte die Männer nacheinander auf den Boden, wo sie bereits von einem vierköpfigen Empfangskomitee erwartet wurden. „Willkommen auf Deadend World!“ sagte eine rauhe Stimme. Der Sprecher war der kleinste Mann in der Vierergruppe; er konnte höchstens einhundertsechzig Zentimeter messen. Auf dem Brustteil seines Anzugs war eine rote Zahl zu sehen. Panos erkannte die römi sche Eins und schloß, daß dieser Mann offenbar der Leiter dieser Sta tion war. „Wer von euch ist Bagatur?“ erkundigte sich die Nummer eins. Panos trat einige Schritte vor und streckte dem Mann die Hand entgegen; der Leiter zögerte sekundenlang, dann ließ er sich zu ei nem schwachen Händedruck herab. „Sie wurden mir besonders empfohlen, Bagatur!“ sagte der Mann kalt. „Ich will hoffen, daß Sie sich dieser Tatsache würdig erweisen!“ „Warten Sie es ab!“ meinte Panos freundlich. „Sir!“ ergänzte sein Gegenüber frostig. „Auch für Sie!“ Panos zuckte mit den Schultern, dann ergänzte er seinen Satz um die geforderte Anrede. „Ich heiße Thur Onion!“ erklärte“„ der Mann mit der römischen Eins. „Ich bin hier — Sie werden es wahrscheinlich schon bemerkt haben — der Chef; meinen Befehlen ist sofort zu folgen — ohne Wi derrede. Wenn ich sage: Springt, dann habt ihr zu springen — in der Luft könnt ihr immer noch fragen, wie hoch! Habt ihr mich verstan den!“ Die Phase der formellen Freundlichkeit schien beendet zu sein; Onion sprach kalt, und seiner Stimme war anzumerken, daß er genau das meinte, was er sagte. Panos spürte, daß er in diesem Mann einen gefährlichen Gegner hatte. „Ich zeige euch jetzt eure Quartiere!“ erklärte Onion kalt. „Ihr wer det damit zufrieden sein!“ - 65
Im dichten Blattwerk versteckt, lagen etwa zwanzig flache Gebäu de, untereinander durch glattgestampfte und dann plastikverstärkte Fußwege verbunden. Neugierig musterte Panos die Ränder der Pfa de, die geradlinig durch den Dschungel geschlagen waren. Der Be wuchs reichte bis an die Wege, hörte dann aber abrupt auf. Onion sah Panos' Interesse und nickte anerkennend. „In das Plastikmaterial ist ein pflanzentötendes Mittel eingearbei tet!“ erklärte er. „Das wollten Sie doch wissen, nicht wahr?“ Panos grinste den Mann an; das Lächeln sollte Anerkennung aus drücken, und an Onions Mimik konnte Panos erkennen, daß seine Geste erfolgreich war. „Ihr Einfall, Sir?“ erkundigte sich Panos freundlich. „Erraten!“ stellte Onion fest; mit einer knappen Handbewegung gab er seinen Begleitern zu verstehen, daß sie sich um Panos' Reisege fährten zu kümmern hatten. Es war offenkundig, daß Nyhans Emp fehlung einiges galt — Panos wurde mit wesentlich größerer Freund lichkeit behandelt als die drei anderen Männer. Das Gebäude, auf das Onion zu marschierte, unterschied sich nur durch die aufgemalte Nummer von den anderen Flachbauten; Panos erkannte eine Eins und folgerte, daß hier die Spitze der Station wohn te. Onion ging voran und betätigte den Schleusenmechanismus. Ein mannshoher Kreis öffnete sich in der Vorderfront des Gebäudes; die beiden Männer traten ein. „Schalten Sie Ihr Kühlaggregat aus!“ empfahl Onion, während er die Anlage in Betrieb setzte. Panos folgte der Aufforderung; kräftige Pumpen sogen das Ge misch aus heißer Luft und Wasserdampf ab, das den Raum erfüllte. Gleichzeitig drang ein Schwall kühler und trockener Luft in die Kammer. „Die Temperaturen draußen liegen bei fünfzig Grad tagsüber“, er klärte Onion, nachdem er seinen Anzug abgestreift hatte. „Dazu kommt eine ungeheure Feuchtigkeit der Luft. Wir haben dafür ge
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sorgt, daß wenigstens im Innern der Häuser erträgliche klimatische Verhältnisse herrschen!“ Panos warf einen kurzen Blick auf die Instrumente; das Thermome ter stand auf zwanzig Grad nach Celsius, bei einer relativen Feuch tigkeit von vierzig Prozent. Panos beobachtete jede Bewegung seines neuen Vorgesetzten; er hängte seinen Anzug neben Onions auf und kopierte die Bewegungen, die Onion mit sichtlicher Routine ausführ te. Für Panos war es wichtig, diese Bewegungsabläufe zu studieren — im Ernstfall mußte er den Anzug mit der gleichen schlafwandleri schen Sicherheit anlegen können wie die Männer, die schon seit Jah ren unter diesen Verhältnissen lebten. Onion öffnete die Tür, die ins Innere des Gebäudes führte. Panos stieß einen leisen Pfiff aus, als er die Einrichtung sah. Nichts fehlte, was den Männern die Strapazen, die das Leben auf einem solchen Planeten mit sich brachte, ausgleichen konnte. Die Möbel waren be quem und praktisch, selbst wenn sie — für Panos' Begriffe — nur mäßig entwickelten Geschmack verrieten. „Ein Drink?“ erkundigte sich Onion, während er zu der gutgefüll ten und reichlich sortierten Bar hinüberging. „Äußern Sie Ihre Wün sche — es ist fast alles vorhanden. Nyhan verwöhnt seine guten Mit arbeiter!“ „Sherry!“ bat Panos. „Mit viel Eis!“ Onion füllte schweigend ein Glas und gab es an Panos weiter; nach dem ersten Schluck stellte Panos fest, daß er es hier einige Zeit würde aushalten können — soweit es die Bar ihre Ausrüstung betraf. Mit einer Handbewegung forderte Onion seinen neuen Untergebenen auf, sich zu setzen. „Was werde ich zu tun haben?“ wollte Panos wissen, nachdem er Platz genommen hatte. „Unsere bisherige Nummer Fünf hat sich einen zu intensiven Flirt mit einer Urwaldbestie erlaubt“, erzählte Onion. „Sie werden seinen Posten übernehmen. Ich werde Ihnen später die gesamte Anlage er klären. Können Sie schießen?“ - 67
„Leidlich!“ meldete Panos; Onion zog die Brauen hoch. „Üben Sie täglich!“ empfahl er. „Der Dschungel ist nicht ungefähr lich, und die Yakkas sind ziemlich heimtückisch!“ „Yakkas?“ erkundigte sich Panos. „Eine Tierart?“ „Ungefähr!“ meinte Onion grinsend. „Wenigstens gehören sie für meine Begriffe in den Zoo. Immerhin — sie sind nicht ungeschickt im Umgang mit Werkzeugen; genau das, was wir brauchen!“ Panos verzichtete auf weitere Fragen; was er zu wissen hatte, wür de man ihm zeigen, und es schien ihm nicht ratsam, sich nach Dingen zu erkundigen, die er nicht wissen sollte. Aus einer Schublade brach te Onion einen Plan zum Vorschein, den er auf dem flachen Tisch ausbreitete. Das Papier zeigte eine Draufsicht der gesamten Station. Panos erkannte das Landefeld; kreisförmig um den Platz herum hatte man die zwanzig Häuser errichtet, die er bereits gesehen hatte. Die Gebäude waren fortlaufend numeriert. „Als Nummer Fünf werden Sie die Männer des Hauses Fünf zu befehligen haben!“ erklärte Onion, während er sein Glas nachfüllte. Panos hatte von seinem Drink nur einen kleinen Schluck genommen. „Zu Ihrer Mannschaft wäre folgendes zu bemerken: Es handelt sich ausnahmslos um Männer, die in der gesamten Galaxis gesucht wer den. Diese Männer stehen uns in Sachen Skrupellosigkeit in nichts nach — nur sind sie einige Grade dümmer und aus diesem Grunde aufgefallen. Keiner von ihnen kann diesen Planeten in absehbarer Zeit verlassen. Nehmen Sie sich in acht — es sind einige recht rabiate Burschen darunter!“ „Ich werde mich vorsehen!“ versprach Panos kühl; Onion sah ihn mit leiser Skepsis an, dann zuckte er mit den Schultern. „Ihre Sache!“ meinte er ruhig. „Ihre Aufgabe wird es sein, diese Männer zu kommandieren. Innerhalb der Dienstzeit wünsche ich Disziplin, was in den freien Stunden geschient, interessiert mich nicht — meinetwegen können sie sich gegenseitig totschlagen!“ „Wie wollen Sie die Männer daran hindern, eines Tages Sie zu er schlagen?“ wollte Panos wissen; Onion grinste verächtlich. - 68
„Nach Dienstschluß nehmen wir ihnen die Anzüge weg!“ erklärte er mit hörbarer Verachtung. „Und ohne die Monturen kommen die Männer nicht weit. Ungehinderte Bewegungsfreiheit haben lediglich die Bewohner dieses Gebäudes, also die Nummern Eins bis Zwanzig. Allerdings würde ich Ihnen empfehlen, nicht allzuoft im Freien herumzulaufen — wir kennen nur einige Arten der Tierwelt dieses Planeten. Es ist leicht möglich, daß Sie einige recht unerfreuliche Neuentdeckungen machen könnten. Kommen Sie mit!“ Onion stand auf und öffnete die Verbindungstür zum nächsten Raum. „Sie finden hier alles, was Sie brauchen!“ erklärte die Nummer Eins, während sie Panos durch alle Räume führte. „Wenn Sie Ihr Ho norar mit einkalkulieren, kann man hier sogar recht angenehm le ben!“ Panos fand eine geräumige, modern eingerichtete Küche; im an grenzenden Vorratsraum entdeckte er ein reichhaltiges Sortiment von Lebensmitteln und Delikatessen. Eine Bücherei mit viertausend Bän den war vorhanden; dazu gehörten noch zehn Leseprojektoren mit mehr als zwanzigtausend Büchern auf Mikrofilm. Eine Sauna war vorhanden und ein Gymnastikraum mit modernen Geräten. Panos überschlug im Kopf die Kosten — nicht nur das Material war außer ordentlich teuer, auch der heimliche Transport all dieser Dinge muß te Unsummen verschlungen haben. Dementsprechend hoch, überleg te Panos, mußte auch der Gewinn sein, den sich Nyhan von dieser Geheimstation erhoffte. „Dieser Raum ist für Sie bestimmt!“ erklärte Onion freundlich und öffnete eine Tür. Panos warf einen Blick ins Innere und nickte zufrie den. Das Bett schien weich und bequem, und es gab genügend Stauraum für private Dinge. Notfalls konnte er hier einige Tage verbringen, ohne einem der anderen Bewohner des Hauses begegnen zu müssen.
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„Wenn Sie irgendwelche besonderen Wünsche haben, wenden Sie sich an mich!“ sagte Onion. „Ich werde Ihre Wünsche auf die Anfor derungsliste setzen. Es dauert allerdings einige Wochen, bis die ange forderten Waren hier eintreffen — die Filibuster fliegt diese Welt nur in monatlichen Abständen an!“ „Einstweilen bin ich zufrieden!“ meinte Panos anerkennend. Die beiden Männer gingen zurück in den Gemeinschaftsraum, in dem sich die Bar befand. Auf dem Tisch lag noch der Lageplan aus gebreitet. Panos warf einen Blick auf die Karte und erkannte in eini gem Abstand vom Landefeld weitere Gebäude eingezeichnet. Onion registrierte den Blick und ging sofort darauf ein. „Hier wird Ihre Arbeitsstelle sein!“ erläuterte er. Sein Finger zeigte auf den Fuß eines Vulkans; daneben las Panos das Wort Bergwerk. Etwas abseits, nach dem Maßstab des Planes zu schließen etwas mehr als fünfhundert Meter, stand das Wort Lager. Dem Bergwerk ziemlich genau gegenüber waren weitere Gebäude eingezeichnet, allerdings ohne Beschriftung. Auch dieser Blick ent ging Onion nicht. „Sie werden beim Bergwerk arbeiten!“ sagte er kalt. „Kümmern Sie sich darum — und um nichts sonst. Ich gebe normalerweise nur Ratschläge, aber in diesem Fall warne ich Sie!“ Panos machte eine wegwerfende Geste. „Die Kasse stimmt!“ knurrte er. „Mehr interessiert mich nicht. Wann kann ich anfangen, und was genau habe ich zu tun?“ „Morgen früh!“ wurde ihm erklärt. „Nummer Drei wird Sie beglei ten und Ihnen alles zeigen!“ * Den als Nummer Drei bezeichneten Mann lernte Panos noch am glei chen Abend kennen; ein untersetzter Typ mit kantigen Gesichtszü gen, die wie eingefroren wirkten. Onion hatte zur Begrüßung von Panos eine Feier angesetzt, die so endete, wie Panos es vorhergesehen - 70
hatte — in einem langandauernden Trinkgelage. Panos hielt sich so weit zurück, wie es ihm möglich war; er nutzte die Zeit, um die Mit bewohner des Hauses kennenzulernen. Der Eindruck war nicht sehr besorgniserregend. Die Männer hatten größtenteils schon Jahre in der Station verbracht. Bisher hatte es au ßer einigen Tierüberfällen keine ernsthaften Schwierigkeiten gegeben; entsprechend sorglos verbrachten die Männer ihr Leben. Panos be mühte sich, einen angenehmen Eindruck zu machen, und er war dar in erfolgreich. Er redete wenig, hörte um so aufmerksamer zu und sparte nicht mit Anerkennung und Beifall, selbst wenn der jeweilige Erzähler allzu dick auftrug. Onion fiel nach zwei Stunden aus; sein Alkoholpegel hatte den Grenzwert überschritten — zwei seiner Un tergebenen trugen ihn in sein Zimmer. Nach und nach verschwanden auch die anderen Männer, begleitet von dem verächtlichen Geschrei der Zurückbleibenden. Den prahlerischen Erzählungen der Männer konnte Panos entneh men, daß sich in dieser Station etliche zehntausend Jahre Haft ange sammelt hatten. Es gab keinen Mann, der nicht mindestens drei oder vier Vorstrafen verbüßt hatte — meist handelte es sich um Gewalt verbrechen, derentwegen die Männer gesucht wurden. Diese Station bot ihnen die Chance, sich genügend große Beträge zu verdienen, um wieder ins normale Leben zurückkehren zu können und sich eine zweite Existenz aufzubauen. Der Mann beispielsweise, der den An zug mit der römischen Drei tragen durfte, wurde auf Terra wegen Raubüberfalls gesucht — inzwischen war er zum Funker aufgestie gen. Panos versuchte, den Mann behutsam auszuhorchen. Nach kurzer Zeit hatte er erfahren, daß in einem der Nachbargebäude ein lei stungsstarker Sender stand, mit dem auch Terra angefunkt werden konnte. Diese Information trug wesentlich dazu bei, Panos' Nacht schlaf einigermaßen ruhig zu gestalten.
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5.
Panos' Hand lag ständig am Griff des Lasers an seiner rechten Hüfte; seit er zusammen mit der Nummer Drei und den zwanzig Männern, die ihm zugeteilt waren, die Station verlassen hatte, hatte ihn die Umgebung vorsichtig gemacht. Rings um die Männer herum war Dschungel, ein Gewirr von Blättern, Schlingpflanzen und Bäumen. Nur wenige Strahlen der grellen Sonne drangen bis auf den Boden vor; der Dschungel war in ein bedrohliches Dämmerlicht getaucht. Aufmerksam spähte Panos nach allen Seiten; man hatte ihn mehrfach gewarnt — vor giftigen Insekten, Schlangen und reißenden Bestien. Panos hatte den Erzählungen der Männer nicht recht glauben wollen, aber die gespannte Aufmerksamkeit, mit der seine Begleiter jeden Zentimeter Boden und Dschungel musterten, hatte ihn nachdenklich gestimmt. „Geschafft!“ murmelte Panos erleichtert, als sich vor ihm ein heller Fleck abzeichnete. Der Marsch durch den Urwald hatte fast eine halbe Stunde gedau ert, eine Zeitspanne, die Panos noch nie so lang erschienen war. Die Luft war erfüllt von Tierrufen. Das Kreischen, Brüllen und Wimmern zerrte unablässig an den Nerven des Mannes — der Lärm war um so unerträglicher, als von den Tieren selbst nichts zu sehen war. „Das Lager!“ murmelte Panos kaum hörbar; er erinnerte sich des Planes. Das Lager umfaßte einen Bereich von mehreren hundert Quadrat metern; auf der freien Fläche, die von elektrisch geladenen Zäunen umgrenzt war, standen zwei eingeschossige Häuser, roh aus Holz und Metallplatten zusammengefügt. Wesentlich stabiler wirkte das Haus neben dem stählernen Tor; der Pförtner verließ das Gebäude, als er den Trupp heranmarschieren sah, und öffnete das große Tor.
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„Jetzt weißt du auch, was Yakkas sind!“ meinte Nummer Drei grin send. Er deutete mit der Hand auf die Lebewesen, die in der Umzäunung gefangengehalten wurden. Panos überflog die Menge; er schätzte, daß mindestens tausend der kleinen Geschöpfe innerhalb der Um zäunung lebten. Die Yakkas, wie die Lebewesen genannt wurden, reichten Panos kaum bis zur Hüfte. Die Haut der sehr stark men schenähnlichen Wesen schimmerte in einem dunklen Blauton; bei näherem Hinsehen erkannte Panos, daß die Haut aus fingernagelgro ßen Schuppen bestand, die den gesamten Körper der Yakkas bedeck ten. Was Panos sofort auffiel, war das Fehlen von Nase und Ohren — er erkannte lediglich zwei schmale Öffnungen rechts und links an den schmalen Schädeln. Die kleinen Yakkas wichen angstvoll zurück, als der Trupp durch das Lager marschierte. Offenkundig hatten die Humanoiden die Männer fürchten gelernt. „Sind die Eingeborenen intelligent?“ wollte Panos wissen. Die Nummer Drei zuckte mit den Schultern; die Bewegung war trotz des Anzugs deutlich zu erkennen. „Keine Ahnung!“ antwortete der Mann. „Jedenfalls verstehen sie unsere Kommandos und können mit Hacke und Schaufel umgehen!“ Aus der Menge der Yakkas löste sich eine Gestalt und kam langsam näher; hart vor Panos blieb der Yakka stehen. Zwei große dunkle Au gen musterten den Mann; Panos konnte nicht erkennen, was der Yakka empfand — seine Gesichtszüge verrieten nichts. Panos' Blick fiel auf die Arme und Hände des Wesens — bis auf den gegengestell ten Daumen waren Hand und Arm des Yakka fast identisch mit menschlichen Gliedmaßen. Allerdings waren die Finger wesentlich länger im Verhältnis zur Handfläche; außerdem entdeckte Panos, daß der Yakka an jedem Finger ein Gelenk mehr besaß als ein Mensch — dadurch wurde wahrscheinlich der fehlende Daumen ausgeglichen. Noch immer sah der Yakka Panos unverwandt an, dann verzog er die Lippen zu der Andeutung eines Lächelns. Bevor Panos darauf - 73
reagieren konnte, drehte sich das Wesen um und verschwand in der Menge seiner Artgenossen. „Weiter!“ rief die Nummer Drei. „Haltet euch nicht mit den Vie chern auf!“ Panos wußte nicht, was der Zwischenfall zu bedeuten hatte; aber ihm war klar, daß die Eingeborenen dieses Planeten längst das Stadi um des Tieres hinter sich gelassen hatten — den Männern, die diese Station betrieben und gebaut hatten, waren lebenslange Freiheitsstra fen sicher, wenn sie gefaßt wurden. ,,Raustreten!“ schrie einer der Männer in die Tür eines der beiden Häuser. Panos biß die Zähne zusammen, als er den Zug sah, der die Öff nung passierte. Zu zweit wankten ausgemergelte Gestalten ins Freie; die Männer trugen keine Schutzanzüge und waren dem mörderi schen Klima vollkommen ausgeliefert. Insgesamt fünfzig hagere, ent kräftete Gestalten wankten an Panos vorbei. Einige Männer konnten sich kaum mehr auf den Beinen halten und mußten von ihren Lei densgefährten gestützt werden. „Woher kommen diese Männer?“ fragte Panos halblaut. „Wir haben sie in der Galaxis aufgelesen“, erklärte Nummer Drei grinsend. „Wir hielten es für praktischer, sie totzuschinden als sofort zu erschießen — so haben sie noch ein Fünkchen Hoffnung, doch noch befreit zu werden. Und wir haben billige Arbeitskräfte.“ Auf ein Zeichen hin setzte sich der Zug in Bewegung; die Männer der Station hielten mit ihren Lasern die Gefangenen in Schach, die mit schleppenden Schritten langsam durch die feuchtheiße Wildnis marschierten. An der Spitze des Zuges ging die Nummer Drei, das Schlußlicht bildete Panos, der ebenfalls seine Waffe gezogen hatte. Die ihm unterstellte Gruppe hatte offenkundig den letzten Abend ebenfalls durchzecht; die Männer waren verstimmt und fluchten un gehalten. Allerdings war ihre Trägheit so groß, daß sie nicht einmal Lust verspürten, ihren Mißmut an den wehrlosen Yakkas auszuto ben. - 74
Bereits nach kurzer Zeit konnte Panos den Eingang des Bergwerks sehen; in einem der Bergabhänge klaffte ein Loch, knapp vier Manns längen hoch. Panos sah das Gleis einer kleinen Bergbahn, das aus dem Loch herausführte und im Dschungel verschwand. Vor der Öff nung ließ die Nummer Drei den Elendszug stoppen; der Mann ging zu einem Video hinüber, das sich am Eingang des Schachtes befand, und führte ein kurzes Gespräch. Wenige Minuten später erklang ein Summen — langsam bewegte sich die stromgetriebene Lok der Berg bahn aus der Öffnung. Auf den leeren Wagen lagen Menschen und Yakkas; die Gestalten wirkten noch erschöpfter als der Trupp, den Panos begleitete. Außerdem fuhren auf den Wagen die Wachmann schaften mit, die Panos mit seiner Gruppe abzulösen hatte. „Auf die Wagen!“ schrie die Nummer Drei, sobald die völlig ausge laugten Yakkas und Menschen den Platz geräumt hatten. Während die Wachen die Arbeitssklaven zu einem Zug formierten und lang sam abmarschierten, trieben Panos' Männer ihre Gefangenen auf die Wagen. Panos suchte sich einen Platz im vordersten Wagen, in dem auch die Nummer Drei mitfuhr. Ein Pfeifen ertönte, dann setzte sich der Zug in Bewegung. Lang sam rollten die Wagen in das Innere des Berges. Der Gang war nur schwach erleuchtet und führte ziemlich steil in die Tiefe. Mißtrauisch musterte Panos die Wände und Decken; seine Zweifel schwanden, als er die dicken Stahlstreben- und Pfeiler sah, die den Druck des Berges auffingen. Der gesamte Gang war mit großer Sorgfalt abgetäuft. „Wer hat das Bergwerk gebaut?“ wollte Panos wissen. „Den Anfang haben unsere Ingenieure gemacht!“ wurde er belehrt. „Dann entdeckten wir ein preiswerteres Verfahren. Wir haben den Gefangenen eine Fachbibliothek zur Verfügung gestellt — es waren teilweise ausgebildete Ingenieure darunter, die das Wichtigste rasch verstanden haben. Das System ist ganz einfach — wir lassen die Leu te für die Sicherheit sorgen, deren Leben besonders bedroht ist. Bis her hat die Sache tadellos funktioniert!“
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Langsam erkannte Panos, mit welcher Raffinesse Onion und seine Helfer vorgingen. Meisterhaft sorgten sie dafür, daß den Gefangenen noch soviel Hoffnung verblieb, wie es ihnen nötig erschien — die Menge, die ausreichte, die Häftlinge um ihr Leben kämpfen zu las sen. Mit großem Geschick sorgten die Wachen dafür, daß keiner der Gefangenen so behandelt wurde, daß ihm der Tod wünschenswerter erschien als das Leben unter diesen Bedingungen. Die Wagen hatten einen großen Liftkorb erreicht; nacheinander wurden die vollbeladenen Wagen in den Korb geschoben. Jeweils acht Wagen wurden gemeinsam in die Tiefe gesenkt. Mit dem dritten Transport fuhr Panos, der Mühe hatte, eine aufkeimende Übelkeit niederzukämpfen. Noch nie zuvor hatte er sich in einem Bergwerk befunden, und die Vorstellung, daß sich über ihm etliche hundert Meter massiven Felsgesteins auftürmten, nahm ihm fast den Atem. Die Nummer Drei sah, wie Panos langsam bleich wurde und grinste verständnisvoll. „Keine Aufregung!“ versuchte der Mann Panos zu beruhigen. „Sie werden sich schnell daran gewöhnen. Sehen Sie sich heute abend in unserer Bibliothek einmal den Band über Sicherheitsvorschriften im Bergbau an — Sie werden feststellen, daß wir wesentlich mehr tun, als das Gesetz vorschreibt. Wir sind sozusagen übermäßig gesetzes treu!“ Der Mann kicherte unterdrückt. Panos hütete sich, dazu seinen Kommentar zu geben. Ihm fiel auf, daß die Yakkas ziemlich rasch ruhig geworden waren. Die kleinen Wesen preßten sich eng aneinan der, als könnte ihnen dieser Kontakt die Furcht nehmen. „Achthundert Meter!“ stellte die Nummer Drei fest, als der Fahr korb mit sanftem Rucken zum Stillstand kam. Kreischend öffnete sich die Gittertür zum Stollen; die Lok fuhr an und zog die Wagen tiefer in das Innere des Berges. Nach vierhundert Metern Fahrt stoppte die Bahn, und die Wachen trieben die Gefangenen von den Wagen. Nacheinander verschwanden die Gefangenen mit ihren Bewachern in kleinen Gruppen in einzelnen Abzweigungen des Stollens. - 76
„Was habe ich nun zu tun?“ erkundigte sich Panos. „Sie bleiben hier!“ erklärte ihm die Nummer Drei. „Wenn Sie wol len, können Sie die einzelnen Arbeitsgruppen besuchen und kontrol lieren, ob sich die Wachen vernünftig benehmen. Dulden Sie keine größeren Mißhandlungen — die Yakkas können von Zeit zu Zeit or dentlich verprügelt werden, aber den Menschen sollte nicht zuviel zustoßen. Wir brauchen sie dringend — wenn es zu einer Meuterei kommt, können wir einpacken! Begriffen?“ Panos nickte schnell. „Unter den Wachen sind ein paar ausgekochte Leuteschinder“, be richtete Panos' Vorgesetzter. „Sie begreifen nicht ganz, warum wir gerade die menschlichen Arbeiter halbwegs bei Laune halten wollen. Ich sehe mir jetzt die anderen Stollen an — viel Vergnügen!“ Panos winkte dem Mann zu, der zurückging in den Fahrkorb und sich in die Höhe tragen ließ. Sobald die Gestalt verschwunden war, machte sich Panos daran, die Gänge zu untersuchen. Auch hier fiel sofort die Gründlichkeit auf, mit der die Stollen angelegt und gesi chert worden waren. Die Beleuchtung war vorzüglich; die großen Leuchtkörper an der Decke spendeten ein gleichmäßiges Licht, das die Augen nicht störte. Probeweise öffnete Panos den Helm seines Anzugs; Sekunden später hatte er die Verschlüsse wieder einrasten lassen. Die Luft war mit Feuchtigkeit gesättigt und unerträglich heiß, dazu kam der erhöhte Luftdruck, der das Atmen erschwerte. Den Yakkas mochten diese Bedingungen nicht soviel auszumachen, sie waren auf dieser Welt geboren, aber für die menschlichen Gefangenen war das Leben auch ohne körperliche Arbeit kaum zu ertragen. Langsam bewegte sich Panos den Stollen entlang; er folgte dem breitesten Gang, dem einzigen, in dem er aufrecht stehen konnte. In seinem Schutzanzug spürte er von dem mörderischen Klima nichts, aber als er sich den Arbeitenden näherte, konnte er deutlich das Schnaufen und Schnauben der Gefangenen hören. Als er das Ende des Stollens erreicht hatte, sah er vor sich die Arbeiter. - 77
Abrupt verengte sich der Stollen zu einem vier Meter breiten waa gerechten Schlitz, der gerade hoch genug war, um einem Yakka das Durchkriechen zu ermöglichen. Die Wachen hatten Panos kommen sehen und winkten ihm zögernd zu; offenbar hatten sie sich noch nicht ganz daran gewöhnt, einen neuen Vorgesetzten zu haben. Pa nos grüßte zurück, während er sich den Stollen besah. An den Sei tenwänden war ein knapp zwei Hände breiter Streifen eines leicht rötlich glitzernden Gesteins. Kupfer, dachte Panos sofort, dann ver warf er den Gedanken. Dieses Erzlager hätte den Aufwand und die Geheimhaltung nicht verdient, hätte es sich bei dem abgebauten Erz um normale Metalle gehandelt — es gab andere, weit günstigere La gerstätten, die zum Abbau freigegeben waren. Daß es sich aber um dieses rötliche Gestein handeln mußte, verriet die Tätigkeit der Gefangenen. Jeweils drei Yakkas lagen bäuchlings in dem schmalen Schlitz und brachen mit Hacke und Schaufel kopfgro ße Stücke aus der erzführenden Schicht. Andere Yakkas luden das Erz in hölzerne Rutschen. Die Menschen waren damit beschäftigt, das Erz in die Loren zu laden, mit denen es an die Oberfläche geschafft wurde. In regelmäßigen Abständen wurden die Yakkas abgelöst; Pa nos biß die Zähne aufeinander, als er die zerbrechlich wirkenden Yakkas aus dem Stollen kriechen sah. Die Eingeborenen waren derart entkräftet, daß sie sofort umfielen und sich nur mühsam wieder er holten. „Los, macht schneller!“ schrie eine der Wachen die Yakkas an; in der Hand hielt der Mann eine Peitsche aus dünnem Leder. „Sonst mache ich euch Beine!“ „Laß die Yakkas in Ruhe!“ fauchte Panos den Mann an; die Wache trat einen Schritt zurück und starrte Panos giftig an. „Je schneller diese Viecher das Soll schaffen, desto eher können wir wie der nach oben!“ rief der Mann wütend. „Ein verletzter Yakka kann nicht arbeiten!“ gab Panos kalt zurück. „Weg mit der Peitsche!“
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Der Wächter fletschte die Zähne, dann drehte er sich um und warf die Peitsche wütend auf den Boden, auf dem faustgroße Geröllbrok ken herumlagen. Panos wollte sich gerade entfernen, als aus dem schmalen Schlitz ein heller Schrei zu hören war. Einer der menschlichen Gefangenen kroch sofort in den Spalt und kehrte wenig später mit einem leise wimmernden Yakka zurück, den er behutsam vor sich her schob. „Ihm ist ein Stück Fels auf den Fuß gefallen!“ sagte der Mann. Sein Körper war staubbedeckt. Nur vereinzelt konnte man das dichte, weiße Haar des Mannes erkennen. „Kommen Sie mit!“ befahl Panos ruhig. Der Weißhaarige nickte stumm. Ohne sich um die verblüfften Blicke der Wachen zu küm mern, verließ Panos den Stollen und ging zweihundert Meter in dem Gang zurück. Langsam folgte der Gefangene, der den Yakka auf den Armen trug. „Stop!“ kommandierte Panos; gehorsam blieb der Gefangene ste hen, dann legte er den schmalen Körper des Yakka behutsam auf dem Felsboden ab. Panos kniete neben dem Eingeborenen nieder und untersuchte den Fuß. Aus einer zentimeterlangen Wunde sickerte ein dünner Streifen Blut, das einen intensiven roten Farbton hatte. „Hoffentlich hat er sich nichts gebrochen!“ murmelte Panos, wäh rend er vorsichtig den Fuß des Yakka abtastete. „Yakkas haben elastische Knochen!“ murmelte der Gefangene mit einer tiefen Baßstimme, in der unverhohlene Wut und große Erschöp fung mitklangen. „Das sollten Sie eigentlich wissen!“ Panos griff zum Gürtel, dorthin, wo der Medokasten sitzen mußte, und fluchte leise, als er versuchte, die Schachtel unter dem Gurt her vorzuziehen. Endlich entschloß er sich, anders vorzugehen. „Halten Sie bitte!“ sagte er über die Schulter hinweg zu dem Gefan genen und warf ihm den Gurt zu, an dem der Laser in seinem Halfter hing. Endlich bekam Panos den Medokasten frei; er sprühte einen dünnen Plasmafilm über die Wunde. Wenn der Metabolismus des Yakka dem menschlichen einigermaßen entsprach, mußte das Mittel - 79
die Wunde rasch schließen. Zusätzlich trug Panos noch eine dünne Schicht einer schmerzlindernden Salbe auf, dann richtete er sich auf. Als er sich umdrehte, sah er genau in die Mündung seines Lasers, den der Gefangene auf seinen Kopf gerichtet hatte. „Verdammt!“ knurrte Panos. „Damit hätte ich rechnen sollen!“ Der Gefangene lächelte verächtlich. „Diese Dummheit wird Sie teuer zu stehen kommen!“ sagte er fin ster. „Sie wird Sie Ihr Leben kosten!“ „Sie werden dann auch nicht mehr lange leben!“ gab Panos zurück. „Ich weiß“, sagte der Häftling kalt. „Ich werde erst Sie erschießen und dann mich. Auf diese Weise kann ich wenigstens einen Mann für seine Schindereien bestrafen. Ich sterbe ungern allein, wissen Sie!“ „Wollen Sie Ihr Leben mit einem Mord abschließen?“ fragte Panos; er sah um sich, suchte nach einer Möglichkeit, dem Mann die Waffe aus der Hand zu schlagen, aber der Gefangene wußte genau, daß er einem Zweikampf mit den Fäusten nicht gewachsen war. Er ließ sich auf kein Risiko ein und blieb immer so weit von Panos entfernt, daß er jedem Angriff mit einem Schuß zuvorkommen konnte. „Ausgerechnet Sie wollen mit mir über Mord diskutieren?“ fragte der Gefangene zurück. Neben Panos regte sich langsam der Yakka; seine Schmerzen waren gewichen, und der Eingeborene begriff rasch, was um ihn herum vorging. Panos war völlig überrascht, als der Yakka plötzlich zu spre chen begann. „Lege die Waffe weg, Chatun!“ sagte der Yakka; seine Stimme war von schmerzender Höhe, fast im Ultraschallbereich, aber jedes Wort war ohne Mühe zu verstehen. „Dieser Mann will uns nicht schaden!“ fuhr der Yakka fort; er stütz te sich auf die Arme und richtete sich langsam auf. „Er ist vielmehr gekommen, um uns zu helfen!“ Sofort gab Chatun die Waffe an Panos zurück; der Terraner steckte den Laser in das Halfter und sah verblüfft, auf den Yakka und den Gefangenen. - 80
„Sie scheinen dem Eingeborenen sehr zu vertrauen“, stellte Panos fest. „Ich hätte Sie jetzt erschießen können!“ Lächelnd schüttelte Chatun den Kopf., „Ich weiß, daß ich mich auf die Aussagen eines Yakka verlassen kann!“ sagte er leise; er sah sich um, ob irgendeiner der Wächter ih nen gefolgt war. „Die Yakkas haben eine eigentümliche Begabung — sie können menschliche Charaktere sehr schnell durchschauen. Au ßerdem können sie die Gefühle eines Menschen rasch identifizieren — Sie können ein noch so freundliches Gesicht machen, ein Yakka wird genau spüren, wenn Sie innerlich fluchen!“ „Famos!“ murmelte Panos. „Und jetzt zu Ihnen — Sie sind Chatun Morin, geboren auf Tuchtar VI, vormals Skipper des Trampfrachters Berktar, seit zehn Jahren als vermißt gemeldet!“ „Woher wissen Sie das?“ fragte Chatun erregt zurück. „Sucht man nach mir und meinen Männern?“ „Das nicht gerade“, meinte Panos. „Aber vor einigen Wochen wur de das Wrack der Berktar im System Animous entdeckt. Von Ihnen und Ihrer Crew fehlte jede Spur — wir haben uns mehr dafür interes siert, wie die Leiche eines Terraners in Ihre Ladetanks mit Stickstoff geraten konnte!“ Panos warf einen raschen Blick auf die Uhr; seit mehr als zehn Mi nuten hatte er sich von den anderen entfernt. Es bestand die Gefahr, daß man nach ihm Ausschau hielt. Wenn man ihn hier in einem freundschaftlichen Gespräch mit einem Häftling entdeckte, war Pa nos verloren. „Machen wir Schluß!“ bestimmte er. „In den nächsten Tagen werde ich versuchen, Sie von diesem Planeten wegzuschaffen. Warten Sie darauf — und sagen Sie bitte Ihren Gefährten nichts von dieser Un terhaltung. Ich möchte keine falschen Hoffnungen erwecken!“ „Ich verstehe“, meinte Chatun lächelnd. „Hoffentlich haben Sie Glück!“ Mit vorgehaltener Waffe trieb Panos Chatun und den Yakka zurück an ihre Arbeitsplätze; die Wachen schauten kaum auf, als die Männer - 81
zurückkehrten. Panos blieb noch einige Minuten bei der Gruppe, dann verließ er den Stollen und marschierte in eine andere Abzwei gung. Insgesamt vier Teams waren ihm unterstellt; Panos besuchte nacheinander alle Gruppen. Die Szenerie war überall gleich — unter unerträglichen Bedingungen mußten die Yakkas und die menschli chen Häftlinge schwerste körperliche Arbeit verrichten. Die reine Arbeitszeit dauerte sechs Stunden, dann hatten die Grup pen das vorgeschriebene Soll erfüllt. Der Abmarsch ging noch lang samer vonstatten als der Einmarsch ins Bergwerk; die Männer waren am Ende ihrer Kräfte. Panos wußte, daß im Lager eine vergleichswei se gute Verpflegung auf sie wartete, die gerade dazu ausreichte, die Männer für den nächsten Tag wieder herzurichten. Panos wußte auch, daß er gegen die Zeit kämpfte. Für immer konn te Chatun unmöglich das Geheimnis bewahren, daß von Panos viel leicht Hilfe zu erwarten war. War das Gerücht einmal ausgestreut, würde es mit tödlicher Sicherheit auch zu den Wachen gelangen — was Panos dann bevorstand, hatte er an diesem Tag ausgiebig studie ren können. Der Mann wußte nicht, wieviel Zeit ihm noch zur Verfü gung stand — viel Spielraum hatte er in keinem Fall. * Panos sah auf die Uhr an seinem Handgelenk; nach der Zeitrechnung des Planeten herrschte draußen die tiefe Finsternis. Vollständig ange zogen lag der Mann auf seinem Bett und starrte an die Decke. Panos überlegte, ob er zu diesem Zeitpunkt losschlagen sollte. Er hatte darauf verzichtet, sich an dem allabendlichen Gelage zu beteiligen; er hatte Erschöpfung und Anpassungsschwierigkeiten vorgetäuscht. In dem Gebäude war alles ruhig; die Männer lagen, meist vom Alkohol betäubt, in ihren Betten und schliefen. Die Mann schaften in den anderen Häusern hatten sich vermutlich ebenfalls zur Ruhe begeben. Nur am Lager tat noch eine Gruppe Dienst und be
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wachte die Gefangenen; zwei weitere Trupps waren mit ihren Ar beitssklaven im Bergwerk. „Besser werden die Bedingungen nie sein!“ murmelte Panos im Selbstgespräch. Ruckartig richtete er sich auf und sprang aus dem Bett; unter der Matratze lag seine geheime Waffenkammer. Wie immer, hatten seine Gepäckstücke doppelte Böden und Geheimfächer gehabt; selbst wenn Nyhans Helfer ihn durchsucht hatten, wären die Geräte nicht gefun den worden. Da es keine Untersuchung gegeben hatte, war es für Panos leicht gewesen, seine Hilfsmittel in seinem Zimmer zu verstek ken. Nachdenklich wog Panos die Flasche in der Hand, die er von Derf nam bekommen hatte. Dann nickte er entschlossen und versenkte den Stahlzylinder in der Hosentasche. Aus dem flachen Koffer, den er im Bett versteckt hatte, nahm er zwei Nasenfilter und setzte sie ein. Vier skurril aussehende Metallstücke ergaben, wenn sie zusammen gesetzt wurden, einen Nadler, die Waffe, die Panos bevorzugte. Ge gen die nadelfeinen Gelatinekapseln mit dem darin enthaltenen Be täubungsmittel war bisher kein Gegenmittel gefunden worden. Leise schlich Panos durch das Haus, sorgfältig darauf achtend, kei nen der Schläfer zu wecken. In dem Raum mit der Bar, der sich vor der Schleuse befand, entdeckte Panos einen laut schnarchenden Mann. Prüfend beugte sich Panos über den Schläfer und grinste leicht, als er den Geruch spürte — dieser Mann würde in absehbarer Zeit nicht erwachen. Panos überlegte kurz, dann schoß er dem Mann eine Nadel ins Bein. „Sicherheit geht über alles!“ murmelte er; das Geschoß würde den Mann — auch ohne die zusätzliche Hilfe des Alkohols — für zwölf Stunden mindestens außer Gefecht setzen. In der Schleuse nahm Pa nos seinen Anzug vom Haken und zog ihn über, dann erst griff er in die Tasche und holte den Metallzylinder hervor. Mit einem Handgriff öffnete er das Ventil; ein leises Zischen war zu hören, mit dem das Gas aus der Düse entwich. Panos wußte nicht, welche Wirkung die - 83
ser Kampfstoff hatte, aber er vertraute den chemischen Hexenkün sten des merkwürdigen Mediziners Derfnam. Leise schwang die Schleuse zu; Panos betätigte die Schalter und stellte den Druckausgleich her. Es regnete, wie Panos feststellte, als sich die äußere Schleusentür geöffnet hatte. Vorsichtshalber ließ Pa nos das Tor offen — so verhinderte er, daß die Eingeschlossenen sich befreien konnten. „Miserables Wetter!“ schimpfte Panos. Der Planet besaß nur einen kleinen Mond, der in wolkenlosen Nächten gerade dazu ausreichte, einige Meter weit sehen zu können. Jetzt war der Himmel von Wolken verhangen, aus denen dicke Was sertropfen mit der Gewalt von Faustschlägen auf den Boden schlu gen. Panos schaltete den Handscheinwerfer ein, so konnte er wenig stens einige Meter weit sehen. Panos überlegte kurz und vergegenwärtigte sich die Planskizze, die er nur einmal gesehen hatte. Dann erinnerte er sich, wohin er zu ge hen hatte. Im dritten Haus war das Lager untergebracht; dort waren Anzüge gestapelt, Energiezellen und Lebensmittel. Außerdem war in diesem Gebäude die Funkstation untergebracht. Ohne Schwierigkeiten konn te Panos in das unbewachte Gebäude eindringen. Mit einem Hand griff schaltete er die Beleuchtung ein und grinste zufrieden, als er vor sich den Platz des Funkers sah. Panos nahm auf dem Drehsessel Platz und studierte die Skalen. Er kannte die galaktische Position des Pla neten nicht, auf dem er sich befand — er konnte nur hoffen, daß der Funker aus purer Faulheit den scharf gebündelten Strahl auf die Erde gerichtet hatte. Panos schaltete das Gerät ein und nahm den Helm ab, um sich die Kopfhörer überstreifen zu können. „Ein Loblied auf die Faulheit!“ murmelte er, als er die ersten Geräu sche hören konnte. Was in seinem Kopfhörer erklang, war unverkennbar eine Werbe sendung, die offenkundig von der Erde stammte.
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„Die Richtung stimmt!“ stellte Panos fest, dann begann er, den Sen der einzuschalten und die Frequenz abzustimmen. Er wußte, wie gefährlich dieses Vorhaben war. Das Funkgerät, vor dem er saß, verfügte nicht über die Kodieranlagen, mit der die Ge heimdienstfrequenzen gegen unbefugtes Abhören gesichert wurden. Wenn irgend jemand auf der Erde sich den Spaß machte, den Funk verkehr des Terrestrischen Geheimdienstes abzuhören, dann konnte er ohne Mühe verstehen, was Panos durchzugeben hatte — und Pa nos hatte das unschöne Gefühl, daß einer von Nyhans Männern sich diesen Spaß leisten würde. Panos brauchte fünf Minuten, dann hatte er die richtige Frequenz gefunden; leicht nervös drückte er die Ruftaste. Der Automat funkte jetzt so lange selbsttätig die Gegenstelle an, bis eine Verbindung zu stande kam. „Fruits Intercosmic!“ meldete sich nach einer geraumer Zeit eine sanfte Männerstimme. „Was können wir für Sie tun?“ Panos war auf den Ton angewiesen; da es im Orbit um diesen Pla neten keinen Relaissatelliten gab, der die Impulse verstärken konnte, blieb der Bildteil des Videos grau. „Verbinden Sie mich bitte mit General Cronyn oder seinem Assi stenten!“ sagte Panos laut; er ahnte, daß es Schwierigkeiten geben würde. Die Adresse, die er angefunkt hatte, war eine der zahlreichen Tarnorganisationen, die offiziell mit dem Geheimdienst nichts zu tun hatten. Panos hatte sich für die Frequenz entschieden, da hier das Risiko, abgehört zu werden, geringer war — über diese Tarnorgani sation wickelte der Geheimdienst seinen Nachschub ab. „Ich bedaure, Sir, aber Herren dieses Namens sind bei uns nicht beschäftigt!“ wehrte Panos' Gesprächspartner ab. „Hören Sie!“ sagte Panos seufzend. „Ich habe weder Zeit noch Lust, mit Ihnen zu debattieren. Bitte legen Sie dieses Gespräch auf den Hausanschluß viertausend einhundertachtundachtzig um. Es ist dringend!“
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Die andere Seite blieb stumm, dann ertönte ein scharfes Knacken. Die Stimme, die nun zu hören war, gehörte unverkennbar General Cronyn. So schnell es ging, stellte Panos sich vor und schilderte die Lage. „Ich lasse die Verbindung stehen!“ erklärte er. „Lassen Sie den Sen der anpeilen, und schicken Sie so schnell wie möglich Hilfe — ich brauche wahrscheinlich hundert Raumsoldaten. Wie lange werden Sie brauchen?“ „Keine Panik, mein Sohn!“ meinte Cronyn freundlich. „Ich habe zwei Schiffe im System Animous stationiert — ich dachte mir näm lich, daß die gesuchte Dschungelwelt irgendwo in der Nähe sein müßte. Ich sehätze, daß Sie in spätestens vierundzwanzig Stunden Ihre gewünschte Hilfe haben werden. Reicht das?“ „Ich will es hoffen!“ antwortete Panos skeptisch. „Ich werde versu chen, mich in ein paar Stunden wieder zu melden. Ende!“ Panos streifte die Kopfhörer ab und setzte wieder den Helm auf; langsam schritt er durch das wohlgefüllte Magazin. Es gab hier ge nügend Anzüge, um alle menschlichen Gefangenen damit auszustat ten; der Vorrat an Waffen hätte für eine Tausendschaft ausgereicht. Panos verließ das Magazin; der dichte Regen hemmte seinen Marsch, als er sich auf das Lager zu bewegte. Der Mann brauchte fast eine Stunde, bis er das Lagertor erreicht hatte. Der Pförtner grüßte nachlässig, als er die Nummer auf der Brust des Besuchers erkannte. „Trommeln Sie die Mannschaft zusammen!“ befahl Panos kalt. „Ich habe wichtige Neuigkeiten!“ Der Pförtner sah Panos skeptisch an, dann eilte er davon. Binnen weniger Minuten war die Lagerwache angetreten — einundzwanzig Mann insgesamt. Hinter den Helmscheiben erkannte Panos wütende Gesichter — die Männer waren nicht sehr von dem Appell begeistert, der sie dazu zwang, auf dem aufgeweichten Boden des Lagers zu stehen. Einige Yakkas, die ungeschützt auf dem Boden schliefen, er wachten von dem Murren der Männer und bildeten einen Halbkreis um die Gruppe — in respektvoller Entfernung. - 86
Panos ließ die Männer neben einander Aufstellung nehmen; die Wachen folgten. Als die gewünschte Formation gebildet war, griff Panos zur Waffe. Mit einer Schußfolge von achthundert Nadeln pro Minute feuerte Panos auf die Gruppe. Bevor einer der Männer Zeit fand, auf den überraschenden Angriff zu reagieren, war das Gefecht bereits beendet — einundzwanzig Männer lagen besinnungslos auf dem Boden. Die Nadeln hatten den Anzugstoff glatt durchschlagen, waren in die Körper eingedrungen und hatten den Wirkstoff an das Blut abgegeben. Die meisten waren schon ohne Bewußtsein, noch während sie fielen. Die Yakkas brachen in beifälliges Murmeln aus; die menschlichen Gefangenen stürmten begeistert aus den Häusern und umringten Panos. Chatun war einer der ersten, die Panos erreichten. „Ausgezeichnet!“ lobte er. „Aber wie geht es jetzt weiter?“ Panos sah auf seine Uhr; im Bergwerk wurde noch gearbeitet. Der Schichtwechsel sollte in drei Stunden stattfinden. Mehr Zeit stand Panos nicht zur Verfügung, um wirkungsvolle Gegenmaßnahmen zu ergreifen. „Zieht den Wachen die Anzüge aus“, schlug er vor. „Die kräftigsten Gefangenen sollen sie anziehen. Ich werde für weitere Waffen und Anzüge sorgen!“ „Warum nehmen wir nicht sofort die Laser der Wachen und säu bern das Bergwerk?“ wollte Chatun wissen. „Ich will die Wachen vor Gericht wiedersehen!“ sagte er ruhig. „Auf ein Gefecht mit Lasern, das Tote und Verwundete kosten wird, will ich mich nicht einlassen!“ Die Befreiungsaktion schien den Gefangenen ungeahnte Kräfte ge geben zu haben; Panos wunderte sich, mit welcher Geschwindigkeit die Häftlinge den Wachen die Anzüge auszogen und sich selbst über streiften. Sobald die letzten Verschlüsse arretiert waren, setzte sich der Zug in Bewegung. In der Station war alles ruhig; die Mannschaften schliefen noch, und in dem Gebäude, das den Leitern der Station vorbehalten war, - 87
schien das Nervengas weiter seine Wirkung zu tun. Panos führte die Männer in das Magazin. Die Männer schnürten die Anzüge und Waf fen zu großen Bündeln zusammen; nach kurzer Diskussion entschie den sie sich dafür, die Lebensmittel einstweilen unberührt zu lassen. Als die Gruppe unter Panos' Führung das Lager wieder erreicht hatte, blieben den Männern noch genau einhundert Minuten — bis zu diesem Zeitpunkt mußten sie die Wachen im Bergwerk ausgeschaltet haben. Panos marschierte mit seiner Gruppe als erster los; während sich sein Trupp auf das Bergwerk zu bewegte, zogen weitere Gefan gene die mitgebrachten Anzüge an und bewaffneten sich. Dann folg ten sie dem Vortrupp. „Es reicht!“ stellte Chatun befriedigt fest, als der Eingang zum Bergwerk in Sicht kam. Von den Wachen und den Arbeitssklaven war noch nichts zu sehen; erst in zehn Minuten sollte die Gruppe die Stollen verlassen. Panos postierte seine Männer um den Eingang herum; das dichte Buschwerk bot den Männern ausreichend Schutz. Drei Minuten ver strichen, ohne daß sich etwas rührte. Dann drangen aus dem Innern des Berges leise Geräusche; langsam kroch der Zug über die Gleise — auf den Wagen standen die Wachen. Bevor Panos den Befehl geben konnte, die Wachen unschädlich zu machen, spürte er, wie der Boden unter seinen Füßen wegsackte. Pa nos riß den Mund auf, um zu schreien; ebenso abrupt, wie sich der Boden gesenkt hatte, bewegte er sich wieder aufwärts. Schreien war zu hören, dann das Ächzen und Kreischen umstürzender Bäume. „Der Vulkan bricht aus!“ rief eine panikerfüllte Stimme. „Weg von hier!“ Schreiend stoben die Yakkas auseinander und verschwanden im Dschungel; ihre Wachen kümmerten sich nicht um sie — selbst von Furcht und Entsetzen gepackt, rannten die Männer den Weg entlang, der zum Lager führte. Mit ohrenbetäubendem Lärm brach der Ein gang des Stollens zusammen; eine dichte Staubwolke fuhr aus der Öffnung und hüllte die Szenerie ein. Erst nach einer Minute hatte der - 88
Regen den Staub fortgespült; in dem rötlichen Schein, der übergangs los von der Spitze des Bergkegels strahlte, erkannte Panos die zer drückte Lok des Zuges und die verdrehten und verbogenen Gleise. Instinktiv rannte Panos los, ohne sich um die Wachen zu kümmern. Ein Regen von Gesteinsbrocken ging auf die Männer nieder, die sich auf dem unentwegt schwankenden Boden fortbewegten. Einst weilen handelte es sich nur um faustgroße Bimssteinbrocken, die kei nen Schaden anrichteten, aber es war abzusehen, wann sich Größe und Gewicht des Bombardements verstärken würden. Panos rannte, so schnell er konnte. Immer wieder glitt er auf dem rutschigen Boden aus; der Weg war von Schlamm bedeckt, der Blasen warf und sich wild bewegte. Mehr kriechend als gehend, schleppten sich die Männer vorwärts; ihr Schreien ging unter in dem Krachen und Donnern, mit dem der Vulkan einige hundert Tonnen Lava aus spie. Dicht neben Panos fiel ein Fels in der Größe eines Zimmers auf den sumpfigen Boden; Schlamm wurde umhergeschleudert und riß Panos von den Beinen. Als er sich wieder aufrichtete, sah er den brei ten Streifen roter Glut, der sich langsam den Berghang hinabwälzte und den Männern zu folgen schien. Der Regen, der mit unverminderter Stärke auf die Landschaft nie derging, verwandelte sich beim Aufprall auf die Lava in Dampf, der langsam aufstieg und den Talkessel einzuhüllen begann. „Wir müssen von hier weg, bevor der Dampf alles bedeckt!“ schrie Chatun, der neben Panos lief. „Sonst verlieren wir jede Orientie rung!“ Panos fand keine Zeit, dazu zu nicken; sein Atem ging pfeifend, und seine Beine begannen langsam zu schmerzen. Was aus seinen Gefährten wurde, konnte Panos nicht sehen — er erkannte nur einige schlammbedeckte Gestalten, die verzweifelt um ihr Leben rannten. .Als die Gruppe, die sich fast vollständig aufgelöst hatte, das Lager erreichte, fand sie niemanden mehr vor — die Yakkas hatten sich in den Dschungel zurückgezogen, und die Menschen waren vermutlich schon auf dem Weg zur Station. Bevor Panos weiterrannte, warf er - 89
einen Blick auf das Lager — die Gefangenen hatten sogar die betäub ten Wachen mitgeschleppt. Neben Panos brach mit einem Aufschrei ein Mann zusammen; Pa nos erkannte Chatun und stoppte. „Verschwinde!“ keuchte der Tuchtarer, als Panos sich über ihn beugte. „Versuche, dich zu retten — ich kann nicht mehr!“ In fieberhafter Eile richtete Panos den Mann wieder auf; sein Marsch verlangsamte sich erheblich durch das Gewicht Chatuns, das er mitzuschleppen hatte, aber Panos glaubte, daß der Ausbruch des Vulkans seinen Höhepunkt überschritten hatte. Das unterirdische Grollen war ein wenig leiser geworden, und auch die Bewegungen des Bodens hatten sich abgeschwächt. Als Panos den Bereich der Station erreichte, war er selbst dem Zu sammenbruch nahe. Aus dem schwachen Dämmerlicht lösten sich einige Gestalten und kamen näher. „Nummer Fünf!“ sagte einer der Männer. „Nicht schießen — er gehört zu uns!“ Die letzten Worte konnte Panos nicht mehr hören; er sank ohn mächtig zusammen. * Als er wieder zu sich kam, galt Panos' erster Blick der Uhr; seit seiner Ohnmacht waren drei Stunden vergangen. Um ihn herum stand eine Gruppe von Männern; an den ausgezehrten Gesichtern erkannte Pa nos Gefangene. „Wo sind die anderen?“ stieß er mühsam hervor. „Was ist gesche hen?“ „Langsam, Mister!“ sagte ein weißhaariger Mann freundlich. „Einstweilen sind wir in Sicherheit — von unseren Männern ist kei ner zu Schaden gekommen!“
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„Und die Wachen?“ wollte Panos wissen; er richtete sich langsam auf und sah sich um. Er lag in einem frisch überzogenen Bett; das bedeutete, daß die Gefangenen die Häuser der Station besetzt hatten. „Wir haben sämtliche Wachen betäubt und in einen Raum ge sperrt“, berichtete der Weißhaarige. „Sie werden uns in den nächsten Stunden nicht stören!“ „Wenigstens eine gute Nachricht!“ seufzte Panos; neben ihm lag auf einem Stuhl sein Anzug. Panos zerrte den Medokasten aus dem Gurt und suchte nach einem Medikament; er schluckte zwei der schnell wirkenden Aufputschmittel. Nach fünf Minuten fühlte er sich wieder vollkommen erholt und frisch; allerdings wußte er genau, daß dieser Zustand nicht lange anhalten würde — spätestens nach fünf Stunden verloren die Mittel ihre Wirkung, und dann hatte der Körper für die Überanstrengung zu zahlen. „Und der Vulkan?“ erkundigte sich Panos. „Er spuckt noch“, berichtete man ihm. „Allerdings wird der Aus bruch zusehends schwächer! Sind Sie jetzt beruhigt?“ „Einstweilen!“ meinte Panos; er zog wieder den Schutzanzug an und verließ das Gebäude. Im Magazin wartete eine unangenehme Überraschung auf ihn — das Funkgerät war ausgefallen. Den Grund für das Versagen hatten die Männer noch nicht finden können. Leicht niedergeschlagen setzte sich Panos auf einen Stuhl. „Große Auswahlmöglichkeiten haben wir nicht mehr!“ stellte er bitter fest. „Wir können nur noch warten — mehr nicht!“ Dann fiel ihm etwas ein. „Wozu hat die Gesellschaft eigentlich diese Station gegründet?“ wollte Panos wissen. „Die Erzmengen, die ihr täglich gefördert habt, sind beim besten Willen nicht sehr profitabel!“ „Das hängt vom Erz ab!“ meinte der Weißhaarige gelassen. „Das Zeug sieht zwar aus wie Kupfer, ist aber keines. Wir haben herausbe kommen können, daß es sich um ein kristallines Transuran handelt — eines der wenigen, die natürlich vorkommen und nicht in kurzer Zeit in Spaltprodukte zerfallen. Acheronium haben wir das Zeug ge - 91
tauft — ich weiß allerdings nicht, was sich Nyhan von dem Metall erhofft!“ „Was geschah mit dem Erz, nachdem ihr es gefördert habt?“ forsch te Panos weiter. „Es wurde von den Wagen quer durch den Talkessel zum Werk transportiert“, berichtete sein Gesprächspartner. „Ich vermute, daß das Metall dort gereinigt und konzentriert wurde — mehr weiß ich nicht!“ „Das Werk!“ ächzte Panos; er erinnerte sich der Gebäudegruppe, die er auf dem Lageplan gesehen hatte. An die Menschen, die sich dort aufhielten, hatte er keinen Gedanken verschwendet während der letzten Stunden. „Keine Aufregung!“ versuchte der Weißhaarige Panos zu beruhi gen. „Wir haben einen Trupp losgeschickt, der das Werk besetzen soll. Von dort droht keine Gefahr!“ Panos nickte erleichtert. Das Donnern und Grollen des Vulkans war in den letzten Stunden leiser geworden; schwach, aber noch erkenn bar, hörte Panos ein Geräusch, das von draußen kam und rasch lauter wurde. Panos kannte diesen Ton, den die Triebwerke von Raumschif fen erzeugten. „Geschafft!“ murmelte er erleichtert. „Dieser Planet ist für Nyhan unwiderruflich verloren!“ * „Es war ein Schiff des Geheimdienstes!“ berichtete Panos seiner Frau; Ilaria hatte es sich vor dem offenen Kamin bequem gemacht. Außer ihr und Panos befanden sich noch Norman und Mircea, das Psycho logenehepaar, in dem großen Wohnraum. Panos hatte es vorgezogen, die Zeit, die bis zur Eröffnung des Gerichtsverfahrens gegen Nyhan verstreichen würde, in den Gebäuden zu verbringen, die der Gruppe gehörten. Der Rest des Teams von Adventures Inc. war noch immer nicht nach Kanada zurückgekehrt. - 92
„Chatun und seine Männer hatten es tatsächlich geschafft, das Werk ohne Verluste zu stürmen“, setzte Panos seinen Bericht fort. „Sie hatten etwa fünfzig Männer gefangengenommen — zum größten Teil Wissenschaftler. Leider hatten die Männer noch Zeit genug, die gesamte Laboreinrichtung zu zerstören, bevor sie gefangen wurden. Jetzt wissen wir noch immer nicht, was Nyhan mit dem Acheronium bezweckte!“ „Ist das Element bekannt?“ wollte Mircea wissen. „Bisher kaum“, berichtete Panos. „Darin liegt ja das Dilemma — Nyhans Wissenschaftler müssen irgendeine Eigenschaft des Acheroniums entdeckt haben, die bisher unbekannt war. Da er und seine Helfer beharrlich schweigen, wird es wohl Jahre dauern, bis herausgefunden ist, wozu das Element taugt!“ Er wurde unterbrochen von einem wüsten Getöse, das vor der Haustür losbrach. Das Detonieren von Feuerwerkskörpern war zu hören, vermischt mit dem wütenden Heulen einer Hundestaffel. „Besuch?“ fragte Ilaria verwundert. „Um diese Zeit?“ Panos zuckte mit den Schultern und verließ den Wohnraum; bevor er die Tür öffnete, schaltete er zunächst den Automaten ab, der bei Betätigung des Türklopfers einen derartigen Lärm erzeugte. Schlag artig erstarb das Hundeheulen. „Derfnam!“ staunte Panos, als er die Tür geöffnet hatte; neben dem bärtigen Medizinstudenten war ein zweiter Mann zu erkennen — hochgewachsen, mit kurzem, an den Schläfen etwas dünnerem Haar, darunter zwei wasserhelle Augen. „Von wem war dieser ergötzliche Einfall?“ wollte Derfnam wissen, während er grinsend Panos' Hand schüttelte. „Etwa von dir?“ „Wardon ist der Hauswitzbold, der sich solche Spaße einfallen läßt!“ meinte Panos; mit einer Handbewegung forderte er die beiden Männer auf, einzutreten. Der zweite Besucher musterte Panos skep tisch, als er an ihm vorbeiging. Ein leiser Pfiff bewies, daß dem Besu cher die Einrichtung gefiel.
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„Wie viele Leute leben hier?“ wollte der Gast wissen, während er sich umsah. „Zehn!“ gab Panos freundlich Auskunft. „Der Rest des Teams ist zur Zeit abwesend — Urlaub und Geschäfte!“ Derfnam begrüßte die anderen Bewohner, dann ging er zielsicher auf die Bar zu und bediente sich; da er öfter bei dem Team zu Gast war, wußte er auch, wo die für ihn reservierte Pfeife in dem großen Regal stak. „Ich muß euch meinen Begleiter noch vorstellen“, murmelte Derf nam undeutlich, während er seine Pfeife stopfte und in Brand setzte. „Vielleicht kommt euch der Name bekannt vor — Hyme Canron?“ „Er macht keinen sehr toten Eindruck!“ meinte Norman spöttisch. „Und wir wissen, daß Canron im System Animous starb! Willst du uns auf den Arm nehmen?“ „Nicht bei deinen Körpergewicht!“ gab Derfnam im gleichen Ton fall zurück. „Beide Informationen stimmen übrigens — dieser Herr ist Hyme Canron, und er starb im System Animous! Berichten Sie, Hyme, sonst glaubt mir niemand mehr ein Wort!“ Hyme hatte sich ebenfalls an der Bar bedient und vor dem Kamin auf einem der wei chen, langhaarigen Felle niedergelassen. Mit leiser Stimme berichtete er: „Sie kennen wahrscheinlich meine Geschichte schon zu einem gro ßen Teil. Als ich mich von dem Ballonretter in die Höhe tragen ließ, habe ich mit der Möglichkeit gerechnet, daß mehr Zeit bis zu meinem Auffinden vergehen würde, als ich zur Verfügung hatte. Das heißt — gerechnet habe ich eigentlich nicht damit, ich wollte nur selbst auf diese Möglichkeit vorbereitet sein. Mir war klar, daß meine Chancen überaus klein waren, aber ich wollte nichts unversucht lassen. Als ich merkte, daß mir die Luft ausging und ich meine Panik halbwegs überwunden hatte, habe ich mir ein Medikament einge spritzt. Es wird normalerweise dazu Verwendet, Patienten in einen langen Tiefschlaf zu versetzen!“
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„Das Mittel hat außerdem den Vorzug, die Körpertemperatur sehr stark herabzusetzen“, warf Derfnam ein. „Den Rest kann ich euch erzählen. Kurz bevor Hyme endgültig bewußtlos wurde, öffnete er seinen Anzug — dadurch hatte die Eiseskälte des leeren Raumes Möglichkeit, auf den Körper überzugreifen. In kurzer Zeit war Hyme steifgefroren — der Körper wurde bis auf zweihundert Grad unter Null abgekühlt!“ „Und die explosive Dekompression?“ erkundigte sich Panos miß trauisch. „Der plötzliche Druckabfall?“ Derfnam machte eine wegwerfende Handbewegung. „Den gibt es gar nicht!“ erklärte er leichthin. „Der Druckunter schied zwischen Null und Normaldruck ist — genauso groß wie die Differenz zwischen eines und zwei Atmosphären Druck. Auch im Weltraum kann man die Luft anhalten und einige Minuten so überle ben. Natürlich treten dabei meist Embolien auf, aber damit kann man heutzutage recht schnell fertig werden.“ Während der junge Mediziner sprach, suchte er die Fernsteuerung des Videos. Nach einigem Herumstöbern hatte er den kleinen Kasten gefunden, der durch Ultraschallimpulse auf die Automaten des Vi deos einwirkte. Während Derfnam das Gerät einschaltete, bemerkte er: „Auf Kanal achtzehn wird gleich eine Sendung kommen, die euch vermutlich interessieren wird!“ Panos drehte sich leicht herum, bis der Bildschirm gut zu sehen war. Nach kurzer Anwärmzeit erschien auf der Fläche das Bild eines Gerichtssaales; Panos erkannte das jahrhundertealte Innere des be rühmten Old Bailey, des Schwurgerichts in London City. Er grinste leicht, als er die Menschen in dem Raum betrachtete. Vieles hatte sich in den letzten Jahrhunderten geändert, aber merk würdigerweise hatten sich völlig nebensächlich erscheinende Ge bräuche über die Zeit retten können. Wie vor Jahrhunderten hüllten sich Richter, Staatsanwaltschaft und Verteidigung noch in lange,
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dunkle Roben, und auch die unvermeidlichen Perücken, weißgepu dert und gelockt, fehlten nicht. Nur die Zuschauer, die Angeklagten und die Zeugen waren normal gekleidet. Eine junge Frau stand im Zeugenstand und wurde vom Staatsanwalt vernommen. „Sie heißen Tamara Semjonowna!“ stellte der Staatsanwalt fest. „Welchen Beruf üben Sie aus?“ „Ich bin Physikerin!“ sagte die junge Frau undeutlich; sie war sicht lich nervös. „Die Staatsanwaltschaft hat bisher beweisen können, daß Nyhans Komplicen auf dem Dschungelplaneten einige Hundert Menschen und unzählige Eingeborene — intelligente Eingeborene — zu Berg werksarbeit verwendet haben. Uns interessiert, welche Bewandtnis es mit dem so gewonnenen Erz hat. Können Sie uns dabei helfen?“ Die junge Frau strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und begann zu sprechen. „In unserem Institut wurde das Material genau geprüft. Es handelt sich um einen Kristall, der uns bislang nicht bekannt war. Wir haben den Kristall genau untersucht — chemisch ist er völlig uninteressant. Die physikalischen Eigenschaften sind auch nicht bemerkenswert — das Material ist zu weich, zu brüchig, und die Leitfähigkeit ist mini mal. Wir wurden erst durch einen Zufall auf die richtige Spur ge führt!“ Die Physikerin wollte weitersprechen, aber ihre Worte gingen in einem ohrenbetäubenden Pfeifen unter, das aus allen Lautsprechern drang; auf den Bildschirmen der Videos, die auf diesen Kanal einge stellt waren, veränderte sich das Bild. Die Zeilen kippten um, und die Farbwerte wechselten pausenlos. Erst nach einigen Sekunden, in de nen die meisten Zuschauer geblendet die Augen geschlossen hatten, wurde das Bild wieder stabil. Auf den Bildschirmen erschien eine Aufnahme des freien Raumes. Rechts unten war eindeutig die von der Sonne angestrahlte Erde zu erkennen, daneben sah man einige
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metallische Flächen — offenbar handelte es sich um die Aufnahmen einer an einem Raumschiff befestigten Außenbordkamera. Auch das Pfeifen hörte schlagartig auf; statt dessen war kurze Zeit später eine kalte Männerstimme zu hören. „Ich will die Aussage der Dame weiterführen!“ sagte der unbe kannte Sprecher. „Was die Dame herausgefunden hat, ist nämlich für alle, die jetzt zuhören oder am Video sitzen, sehr wichtig. Unsere Wissenschaftler haben vor einiger Zeit herausgefunden, daß der Kri stall eine sehr gefährliche Eigenschaft besitzt. Baut man ihn nämlich als Kernstück in einen Laser ein, dann verstrahlt der Laser zwar kei nen sichtbaren Strahl mehr — aber die unsichtbaren Strahlen, die durch den Kristall erzeugt werden, haben die Eigenschaft, die natür liche Bindung der Kadmium-Atome untereinander aufzuheben. Was das bedeutet, werden Sie hoffentlich begreifen — unser Schiff ist mit einigen dieser Laser bestückt. Wenn wir damit die Erde bestrahlen, wird ein Kraftwerk nach dem anderen in die Luft fliegen. Wir wissen zwar, daß die Großkraftwerke längst ohne Spaltmaterial auskommen — aber in jedem kleinen Gleitermotor und in vielen an deren Geräten befinden sich kleine Plutoniumreaktoren. Dies ist ein Ultimatum. Wir verlangen die sofortige Freilassung der Angeklagten. Wenn sie nicht innerhalb von zwei Stunden in einer Fähre auf uns zufliegen, beginnen wir mit dem Beschuß der Erde! Ende!“ Wieder veränderte sich das Bild auf den Videoschirm; nach ein paar Sekunden war wieder der Sitzungssaal des Schwurgerichts zu sehen. Die Menschen in dem Raum saßen festgebannt auf ihren Sitzen. Der Lordrichter faßte sich als erster und verließ seinen Platz. Bevor die Kameras das nun einsetzende Getümmel aufzeichnen konnten, blen dete sich der Sender aus und strahlte nur noch das Senderkennzei chen aus. Panos murmelte unhörbar Flüche in sich hinein; Derfnam schüttelte fassungslos den Kopf, während Hyme wütend die Fäuste ballte.
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„Damit hätten wir rechnen müssen!“ sagte der Mann finster. „Wir haben geglaubt, die ganze Bande dingfest gemacht zu haben — und jetzt das!“ „Man wird Nyhan und seine Männer freilassen müssen!“ überlegte Norman halblaut. „Gegen diese Erpressung sind wir hilflos! Es sei denn, das Ganze ist nur ein Bluff!“ „Ausgeschlossen!“ erwiderte Hyme Canron düster. „Auf die glei che Weise hat die Bande auch meinen Reaktor hochgehen lassen — es gibt dieses Schiff wirklich!“ Derfnam grinste plötzlich. „Ich habe eine Idee!“ sagte er laut. „Wir werden zwar nicht umhin können, Nyhan freizugeben — aber in unseren Hexenküchen werden wir sicher ein paar trojanische Pferdchen für ihn und seine Männer haben!“ „Sprich deutlicher!“ bat Norman. „Wovon redest du?“ „Von meinen besten Freunden — den Viren!“ meinte Derfnam un gezwungen. „Wir infizieren Nyhan damit, und er wird seine Spieß gesellen anstecken!“ Noch während Derfnam redete, hatte Panos das Video wieder ein geschaltet und mit dem öffentlichen Netz verbunden. Es dauerte nur drei Minuten, dann war eine Verbindung mit General Cronyn herge stellt. Mit gerunzelter Stirn hörte sich der General den Vorschlag an, dann nickte er. „Das wäre eine Möglichkeit“, murmelte er. „Wir werden es auf jeden Fall versuchen!“ Er trennte die Videoverbindung, während Panos wieder umschalte te. Vier Stunden lang hockte die Gruppe im Halbkreis um das Video; die Nachrichtengesellschaften übertrugen ungekürzt die Freigabe der Gangster. Während eine Raumfähre Nyhan und die Mitangeklagten in die Höhe trug, ärgerte sich Panos. Aber die Erpresser hielten Wort; nirgendwo wurde gemeldet, daß ein Reaktor detoniert sei. Ein Nachrichtensatellit übermittelte sogar
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das Ankopplungsmanöver der beiden Raumfahrzeuge. Dann schalte te der Sender ab. Panos stellte rasch eine Verbindung zu Cronyn her; erleichtert at mete er auf, als der General ihm berichtete, es sei gelungen, die Ver brecher ohne ihr Wissen zu infizieren. Panos dankte mit einem Nik ken für diese Auskunft. Als die Videos verkündeten, das Raumschiff der Erpresser sei auf gefunden worden, hockte Panos bereits über den Abrechnungen. Nur mit halber Aufmerksamkeit hörte er, daß Nyhan und alle seine Komplicen an Bord des Schiffes besinnungslos aufgefunden und fest genommen worden waren; wichtiger für Panos war jetzt ein anderes Problem — was würde General Cronyn sagen, wenn auf der Spesen abrechnung der Gruppe „Adventures Inc.“ eine komplette Fabrik aufgeführt war? Ende
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