KLEINE
BIBLIOTHEK
DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
KULTURKUNDLICHE
HEFTE
FRITZ KAHN
DIE WELTUHR AUS D E R ...
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KLEINE
BIBLIOTHEK
DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
KULTURKUNDLICHE
HEFTE
FRITZ KAHN
DIE WELTUHR AUS D E R G E S C H I C H T E DES
VERLAG MURNAU
ERDBALLS
SEBASTIAN
-MÜNCHEN
LUX
-INNSBRUCK -ÖLTEN
„Tausend Jahre sind wie ein Tag!" D ie Erde lebt — aber die Uhr der Erdgeschichte läuft langsam. Würden wir Filmkameras in die Landschaft stellen, die selbsttätig alle 100 Jahre eine Aufnahme machen, und könnten wir nach 20000 Aufnahmen — nach zwei Millionen Jahren — den Film abrollen lassen, so sähen wir das Leben der Erde: Berge wogen wie Wellen. Landschaften treiben dahin wie die Schollen im Eis. Felsen zerfallen wie faulendes Holz. Meere lecken an den Küsten und schlucken die Dünen. Inseln steigen aus den Ozeanen auf wie die Rücken der Delphine und schwinden wieder wie diese. Die Eiskappen der Pole spannen sich auf wie Regenschirme und klappen wieder zusammen — die Erde lebt. Aber die Uhr der Erdgeschichte läuft langsam. Nehmen wir an, die Geschichte des Erdballs habe sich als ein 24-Stunden-Umlauf ihres Zeigers abgespielt. 1000 Millionen Jahre hat es gedauert, ehe sich auf der erkalteten Erdkruste das Leben bis zur Stufe von W ü r mern entwickelte; 1000 Millionen Jahre, ehe aus diesen Würmern über die Stadien von Fisch und Reptil die Säugetiere wurden. Man lese nicht einfach darüber hinweg; lOOOmal eine Million Jahre, nicht 945, sondern lOOOmal eine Million! Dann war der erste Tag zu Ende; es schlug Mitternacht, und nun erschien wie im alten Roman der Geist, der Mensch, und es begann die Geschichte der Menschheit. Es dürften rund eine Million Jahre vergangen sein, seit die ersten Urmenschen die ersten „menschlichen Leistungen" vollbrachten: Feuer durch den Wald trugen, Steine zu Haufen sammelten als Wall und Waffe gegen Angreifer und sich nachts Dekken von Laub über ihren Körper schütteten. Damit begann der zweite Tag der Erdgeschichte — auf der Uhr der Erdgeschichte dauerte er nur 24 Sekunden. Nach 24 Stunden Tiergeschichte 24 Sekunden Mensch! Der einzelne Mensch lebt nicht länger als '/soo Sekunde eines erdgeschichtlichen Erdentages, aber dennoch sieht er, daß die Zeiger rücken. Hier hat sich eine Gartenmauer gesenkt, dort erscheint ein Riß im Haus, und der Baumeister sagt uns, der Felsen unter den Grundmauern „arbeite". Drüben am Berg leuchtet eine entblößte Wand wie die Haut des Menschen durch den Riß eines Kleides,
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und zu ihren Füßen liegt eine hohe Halde von Schutt: Ein Bergrutsch vor sechs Jahren. Am Strand erzählt der Großvater, daß in seiner Jugend die Dünen nur halb so hoch aus dem Wasser ragten. Die Erde lebt! Wenn wir sagen: die Berge erheben sich, so meinen wir es; aber „erheben" heißt im Stil der Geologie, daß der Mont Blanc sich seit den Tagen des Dietrich von Bern um die Länge eines Bleistifts gehoben hat. Wenn wir sagen: New York nähert sich dem Äquator, so rückt es tatsächlich nach Süden — in jedem Jahrzehnt um einen Zentimeter; wenn wir sagen, Kalifornien reißt vom Kontinent ab — es tut es wirklich und wird demnächst eine Insel sein. Aber „demnächst" heißt in der Zeitrechnung der Geologie nach 60000 oder nach 600000 Jahren, denn „tausend Jahre sind vor ihm als wie ein Tag". Wie man an dem Zifferblatt auf der Umschlagseite erkennt, werden die erdgeschichtlichen Zeitalter um so kürzer, je mehr sie sich der Gegenwart nähern. Das ist keine Augentäuschung, sondern eine Tatsache. In den frühen Zeitaltern dauerte es 10000 Jahre, ehe sich eine Schicht von 1 m Höhe absetzte; heute im Quartär liefert an vielen Stellen ein Jahrtausend (die zehnmal kürzere Zeit) dieselbe Masse. Die Wassertiere haben sich viel langsamer entwickelt als die jüngeren Landtiere. Die Geschichte der früheren Landtiere wiederum, der Reptilien, verlief ungemein träge gegenüber dem Tempo, in dem sich die jüngere Welt der Vögel und Säuger entwickelt hat — ganz zu schweigen von der Entwicklungsgeschichte des Menschen, der wie ein Rennfahrer durch die Etappen des Fortschritts dahinjagt. Das Leben des Erdballs ist mit der Annäherung an die Gegenwart lebhafter geworden. Gebirge wie die Alpen haben sich in erstaunlich kurzer Zeit erhoben und sind so unruhig, daß einem bange werden könnte, sich in ihnen anzusiedeln, wenn man nicht eben Mensch wäre. Wir leben in einer besonders unruhigen Epoche, die aber in der Geschichte der Erde nicht vereinzelt dasteht; denn es ist kennzeichnend, daß lange Perioden der Stille durch kurze der Unruhe unterbrochen werden, wie Perioden von schönem Wetter durch kurze Gewitter. Wahrscheinlich verdankt der Mensch überhaupt seinen Ursprung und die Unruhe seines Wesens und seiner Geschichte der Tatsache, daß die Erde gerade gegenwärtig eine
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solche Epoche von Stürmen durchläuft, nämlich die Eiszeiten. In den letzten zwei Millionen Jahren folgen einander in Abständen von rund 200000 Jahren Epochen mit tieferer Temperatur, die man Eiszeiten nennt. Die mittlere Jahrestemperatur sinkt keineswegs erheblich, sondern nur um wenige Grade, aber sie genügen, um die Winter derart zu verlängern und die Sommer so sehr zu verkürzen, daß die Böden nicht auftauen, an den Pflanzen keine Früchte reifen und die Tiere sich gegen den Äquator zurückziehen, das Polareis in die gemäßigten Breitengrade vorrückt, die Gletscher bis zu den Ebenen hinabsteigen und sich das Bild einer Eiszeit entwickelt. Wir leben gegenwärtig kurz nach dem Abklingen einer solchen Kaltzeit, die man die „Letzte Eiszeit" nennt. An allen Ecken und Enden verraten unsere Landschaften ihre Spuren. Man stelle sich ein Gartenhaus vor nach einem Gewittersturm. Hier ist ein Baum umgeworfen, dort der Kies vom Weg geschwemmt, am Tor eine Lache, von der Böschung ist ein Stück des Rasens abgerutscht. Unsere Seen, Sümpfe, Mulden, Schluchten und halb zerfallenen Gebirge sind die Zeugnisse des vorübergefegten erdgeschichtlichen Kältesturmes. Dieser Unruhe verdankt der Mensch, den die Bibel sinnvoll als Adam, den Sohn der Erde Adamah, erscheinen läßt, sein Kommen.
Herkunft und Alter der Erde Die Herkunft dieser merkwürdigen Kugel ist unbekannt. Die lang verehrte Theorie, daß die Erde von der Sonne geboren sei, ist unglaubwürdig geworden. Ob die neueren, wonach die Erde aus einem untergegangenen Schwesternstern der Sonne stamme, der Wahrheit näherkommen, wissen wir nicht. Als ziemlich sicher kann gelten, daß die Erde in einem frühen Zustand ihrer Geschichte heiß und halbflüssig gewesen ist, denn die Hauptmasse ihrer Kruste besteht aus Gesteinen, die einst flüssig waren und daher Flußgesteine genannt werden. Auf recht sicherem Boden hingegen bewegen wir uns, wenn wir nach dem Alter der Erde forschen. Erstens weisen alle astronomischen Vorgänge, der Bau des Weltalls, die Bewegungen der Milchstraßen und der Sterne in den Sternhaufen, das Kräftespiel des Sonnensystems, die Mondbahn und das Verhalten der Erde auf 4
ihrer Bahn darauf hin, daß unser Planet zwischen 3 und 7 Milliarden Jahre alt ist. Zweitens führen alle Befunde an der Erdkugel selbst zu ähnlichen Ergebnissen. Ein wegen seiner Beweisführung ganz besonders bekannt gewordenes modernes Berechnungsverfahren ist die Uran-Rechnung. Wie lange das Uran in der Welt vorhanden ist, wissen wir nicht. Aber wir können sagen, wie lange es auf Erden an jener Stelle liegt, an der wir es heute finden. Ein Gramm Uran liefert durch seinen Zerfall jährlich 0,0000000076 Gramm Uran-Blei. Teilt man die Menge des Uran-Bleis durch die Menge des Urans und vervielfältigt das Teilungsergebnis mit 7600000000, so ergibt sich die Zahl der Jahre, die seit der Ablagerung des Urans an seinem Fundort vergangen sind. Man findet Uran in den ältesten Gesteinen der Erdkruste; und zwar liegt es dort seit knapp 3000 Millionen Jahren. Das Geburtsdatum des Erdballs liegt also mindestens 3 Milliarden Jahre zurück.
Größe und Gewicht der Erdkugel Wir leben auf der Oberfläche einer Kugel, die einen Halbmesser von 6300 km besitzt. Wir haben sie von außen her bis zu 6 km Tiefe angebohrt. Was darunter ist, wissen wir nicht. Wir gehen an die Tür und malen in 2 m Höhe einen Strich. 1 mm tiefer ziehen wir eine Linie — dieser kaum sichtbare Abstand ist die Strecke, die wir von der „Reise nach dem Mittelpunkt der Erde" bis heute zurückgelegt haben. Nicht wir selbst, sondern die Bohrer unserer Bohrtürme. Menschen sind bisher nur halb so tief gekommen. Beim Abstieg in die Tiefe nimmt der Druck und mit ihm nehmen die Temperaturen zu. Der Druck steigert sich durch die Last der höheren Schichten derart, daß schon in den Schächten und Stollen mancher Bergwerke die Wände und Böden quellen, als bewege man sich nicht zwischen Steinen, sondern Teig. Aber der teigige Stein in der Tiefe ist nicht etwa weicher als jener an der Oberfläche, sondern im Gegenteil. Er wird je tiefer um so dichter und umklammert den Bohrer wie die Faust des Kindes den Bleistift, den man ihm entziehen will. Das Bohren wird in der Tiefe immer schwerer, so daß man das Gefühl hat, der Stein werde bei weiterem Eindringen den stärksten Bohrer zum Stillstand bringen. 5
Als man den Simplontunnel öffnete, brachen unter dem Druck des Berges die eisernen Träger wie Streichhölzer. In 50 m Tiefe müssen nach den Berechnungen auf der Fläche eines Daumennagels 100000, in 500 km Tiefe 1000 000 kg lasten, und dann ist man noch nicht den 12. Teil des Weges zum Mittelpunkt der Erde vorgedrungen. Druck erzeugt Hitze. Mit durchschnittlich je 33 m Abstieg steigt die Temperatur um 1 Grad. Als man beim Durchstich des Simplon 7 km ins Innere des Gebirges vorgestoßen war, erwartete man nach den Berechnungen eine Temperatur von 36 Grad. Sie betrug aber schon 46 Grad, und nach weiteren 500 m war sie auf 53 gestiegen. Die Wassermassen, die aus den Rissen des Gesteins stürzten, waren brühend heiß. Nun aber kommt die erste der verschiedenen widersprechenden Tatsachen, die uns zeigen, wie vorsichtig man bei Schlüssen über das Unbekannte sein m u ß : Die Lava, die aus wesentlich tieferen Schichten stammt, ist niemals heißer als 1503 Grad. Alles, was über die Temperaturen und sonstigen Zustände im Innern der Erde gesagt wird, ist — voreilige — Vermutung. Auch die Quelle der Hitze ist ungewiß. Bis vor wenigen Jahren sagte man: Natürlich, es ist die Urhitze, die uns die Sonne mitgegeben. Die Erde hat sich „noch nicht" abgekühlt. Aber heute sind die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen der „Mutter Sonne" und dem „Kind E r d e " fraglich geworden. Ferner sprach man von der Hitze, die ein sich zusammenziehender Gasball erzeugt. Aber die Annahme, daß die Erde ein Gasball gewesen, ist durch die Erforschung der Gasgesetze von der Tagesordnung gestrichen worden. Gegenwärtig beruft man sich gern auf Radioaktivität, ohne jedoch Anhaltspunkte für diese „Quellenangabe" zu haben. Beim Arbeiten mit äußerst tiefer Temperatur und sehr starkem Druck ist man auf bisher unbekannte Zustände der Materie gestoßen. Der leichte Wasserstoff, das Ur-Element des Weltalls, verhält sich unter stärkstem Druck wie Metall. Man mißtraue also allem, was man über das Innere der Erde liest, auch wenn es in dicken Büchern mit Tabellen so vertrauenerweckend vorgetragen wird, als sei es der Jahresbericht einer Großbank. Nur eine Zahlenangabe kann als gesichert betrachtet werden, das 6
Gewicht der Erde. Zum ersten Male gewogen wurde die Erde jin jenem Jahr, in dem Goethes Werther erschien (1774). Der Engländer Maskelyne bestimmte, was nicht so schwer ist, wie es zuerst erscheint, das Gewicht eines freistehenden Berges. Dann bestimmte er, um wieviel der Berg ein Pendel ablenkt. Aus dem Unterschied zwischen der Anziehung des Berges und der bekannten Anziehung der Erdkugel kam er auf 6 x l 0 2 4 kg als Gewicht der Erde. Dieser Wert wurde später durch verschiedene andere Verfahren bestätigt. Statt des Berges kann man eine große Bleikugel nehmen und das Pendel durch die Kugel ablenken lassen. Man kann die Bleikugel unter eine Waagschale legjn; nun zieht nicht nur der Erdball, sondern auch die Bleikugel das Gewicht an, und es wird schwerer. Umgekehrt kann man auch feststellen, um wieviel ein Gewicht an Schwere zunimmt, wenn man es von der Erdkugel auf eine bestimmte Höhe hebt. Die Zahl 6X10 2 1 — das ist 6 x 1 0 mit 24 anhängenden Nullen — kann man schreiben und lesen, aber vorstellen kann man sie sich nicht. Man kann sich jedoch darüber klar werden, wie wenig man sie fassen kann: Würde man die Erdkugel abtragen und in einem Eisenbahnzug davonfahren, und führe dieser so schnell, daß in jeder Sekunde ein Wagen an uns vorbeirollt, so müßten wir 10 Millionen mal 1 Million Jahre an der Schranke stehen, ehe sie sich öffnete. Will der Führer den Zug bremsen und dem Schaffner im letzten Wagen davon Kenntnis geben, so muß er ihm ein Radiosignal schicken. Das Signalzeichen muß er aber 500000 Jahre vorher absenden, denn so lange braucht es, die Reihe der Wagen zu durcheilen. Natürlich bringt ein solcher Vergleich auch keine Klarheit, aber man hat, wenn auch keine Einsicht, so doch ein wenig Spaß davon und erfaßt, mit welch unvorstellbaren Maßen die Forschung es zu tun hat.
Wir wandeln auf einer Eischale Die Erdkugel wiegt 5,5mal mehr als sie wiegen würde, wenn sie aus Wasser bestände. Das ist ein erstaunlich hohes Gewicht, denn Steine, wie wir sie an der Erdoberfläche finden, sind nur 2- bis 3mal schwerer als Wasser. Unter der Felsenkruste muß also etwas sein, das doppelt so massiv ist als die Oberschicht. Was das ist, wissen
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wir nicht. Aber wir sind nicht hoffnungslos verlassen. Wir besitzen zwei Zeugnisse, ein himmlisches und ein irdisches. Das himmlische sind die Meteorsteine; das irdische sind die Erdbeben. Die aus dem Weltraum uns zufliegenden Meteoriten bestehen aus Stein oder Metall. Die steinernen sind Ballen von erstarrtem Magma. Das Magma, das aus unseren Vulkanen fließt, gibt es also auch auf anderen Weltkörpern. Magma ist der Teig, aus dem die Welt gebacken ist. Die metallenen Meteoriten bestehen gewöhnlich aus einer Legierung von 90°/o Eisen und 10 o/o Nickel. Da immer wieder Meteoriten dieser Zusammensetzung ankommen, muß diese Legierung für Weltkörper bezeichnend sein. Nickel-Eisen ist 9mal, Magma 2,2mal schwerer als Wasser, die Erde 5,5mal so schwer. Was liegt nun näher als die Annahme: Die Erde bestehe aus einem Kern von Nickel-Eisen und einer Hülle aus Magma, das an der Oberfläche zu Gestein erstarrt ist? Dies ist in der Tat die vorherrschende Meinung der Geologen. Gegen die Annahme eines Eisen-Nickel-Kerns im Erdinnern sind jedoch auf Grund gewisser Forschungen der Atomphysik und seit der Bestimmung des verhältnismäßig jungen Alters der Erde Bedenken erhoben worden. Man neigt gegenwärtig zu der Annahme, daß sich überhaupt noch keine Sonderung der Stoffe im Innern der Erde vollzogen habe. Die Erde ist zu jung und Magma zu zäh, als daß sich Nickel-Eisen als Kern hat abscheiden können. Die Meteorsteine sind die Splitter von kleinen Weltkörpern. Große Weltkörper wie die Planeten bestehen wahrscheinlich aus einer noch ungesonderten Masse, und sie ist es vielleicht, die in dar Innenhälfte der Erde auf die Dichte von Nickel-Eisen zusammengepreßt ist. Erfolgen irgendwo jähe Veränderungen in der Erdkruste, so breitet sich die Erschütterung in Wellen aus: Aus der Geschwindigkeit, den Wegen und den Echos dieser Wellen ergibt sich, daß die Erdmasse nicht allmählich immer dichter wird, sondern in vier deutlich geschiedene Schichten verteilt ist. In der Erdmitte ist tatsächlich ein Kern von der Dichte 8 bis 10 vorhanden. In 3500 km Abstand vom Mittelpunkt wird er durch mehrere „Zwiebelschalen" von geringerer Dichte gegen die äußere Hälfte des Globus abgegrenzt. Ober dem Kern liegt eine 1700 km hohe „Schale von der Dichte 5 bis 6, über ihr ein 1200 km hoher „ M a n t e l " von der
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Dieses berühmt gewordene erste Bild der „Kontinentaldrift", das A. WegeJ ner EU Beginn des Jahrhunderts veröffentlichte, ist seitdem verändert worden, aber der Grundgedanke ist geblieben. Die heutigen Erdteile sind die Bruchstücke eines Großblocks, dessen Schollen auseinandertreiben (Text S. 23)
Dichte 3,5, und dieser ist von einer etwa 60 km starken „ K r u s t e " von der Dichte 2,7 bedeckt. Wer kein Fachgelehrter ist, der mit genauen Zahlen arbeiten muß, merke sich: 103, 1000, 2000, 3000 sind in Kilometern die Dicken; 2, 4, 6, 10 im Verhältnis zum Wasser die Dichten der Schichten (vgl. die Abb. auf der 2. Umschlagseite). 60 km Kruste — es ist, wie man sieht, eine dünne Schale, auf der wir wandeln, viel dünner als vergleichsweise jene des Eies. Bricht man ein Ei vorsichtig auf, so sieht man unter der Kalkschale ein Häutchen. Bläst man es an, so zittert es; nicht dicker als dieses Häutchen im Verhältnis zur Gesamtwelt ist die Kruste der Erde, auf der wir leben. Hält man sich dieses Bild vor Augen: ein rohes Ei, nur von einem feinen Häutchen überzogen, so fein, daß es zittert, so naht man sich den Problemen der Erdkunde, vor allem den Gedankengängen der modernen Geologie mit der rechten Vorstellung.
Die Kapitel im Buch der Erdgeschichte Die Geschichte der Erde ist in ein Buch geschrieben, dessen Blätter steinern sind wie die Tontafeln Babylons. Es entstand, indem sich im Lauf der Zeiten ein steinernes Blatt über das andere legte, jedes Blatt eine „Schicht". Die Geschichte der Erde ist in „Schicht e n " geschrieben. Aufschlagen kann man das Buch nicht, aber zum Glück für Wissenschaft und Neugier ist es von den Gewalten der Vorzeit zerfetzt. Hier sind Blätter zerrissen, dort ist ein Blatt aufgekräuselt, als habe es in der Sonne gelegen; an anderen Stellen sind „Brüche" entstanden oder Falten, deren Erhebungen die Menschen Gebirge nennen. Flüsse nagen sich ihre Gänge, wie sich Würmer durch das Pergament einer alten Handschrift fressen. Die Titel der Kapitel sind meist Zufallsnamen, oft nichts anderes als die Heimatprovinz eines Geologen oder der Name eines Volksstammes, der irgendwann einmal am Fundort dieser Schicht gewohnt hat. Um das Lernen so leicht wie möglich zu machen, ist in der nachstehenden Tabelle die Geschichte der Erde in Altertum, Mittelalter und Neuzeit geteilt. Im Altertum herrscht die Endsilbe „ u m " vor, im Mittelalter „ o n " , in der Neuzeit ,,är". Für die Längen der Zeitalter merke man sich: Sie werden grund10
sätzlich mit der Annäherung an die Gegenwart kürzer1, und zwar ist jede folgende Dreiergruppe annähernd halb so lang wie die vorhergehende, in Millionen Jahren rund 1099, 590, 259, 125, 60. Die Menschheitsgeschichte hat nach dieser Skala die Länge 1. (Die Zahlen geben die Dauer in Millionen Jahren an) Die Zahlen geben die Dauer in Millionen Jahren an) Archaikum von 2000 bis 1000 Präkambrium • Altertum Kambrium von 1000 bis 500 Ordovizium Silur Devon von 500 bis 250 Karbon Mittelalter Perm von 250 bis 125 Trias Jura . von 125 bis Kreide 60 2 Neuzeit Tertiär von 60 bis Quartär von 1 bis Gegenwart •
Die Blätter im Buch der Erdgeschichte Gestein ist erstarrtes Magma. Erstarrt es in der Tiefe, ohne Gase bilden zu können, so entstehen festgefügte Gesteine, die je nach der Schnelle und dem Druck, mit dem sie sich bildeten, aus größeren oder kleineren Kristallen und Mischkristallen zusammengesetzt sind und als Gneise, Granite usw. unterschieden werden. Gerät Magma an die Außenwelt, so entweichen manche Bestandteile in Form von Gasblasen, und es bleiben poröse Gesteine übrig wie Lava, Tuff, Bimsstein. Durch Verbindung mit Salzen und Säuren der Luft und des Wassers entstehen vielfach Steine mit bunten Farben und Zeichnungen, die das Entzücken der Sammler und Beschauer bilden. Enthalten sie einen nennenswerten Prozentsatz Metall, so werden sie Erze genannt. An die Oberwelt getragen, kommen die Gesteine mit den Mächten der Natur in Berührung. Von Vulkanen ausgestoßen, fliegen sie 11
mit den Winden über den Erdball. Im Jahre 1883 begann der Krakatau auf einer Insel in der Sundastraße bei Java seine Tätigkeit und förderte 18 Kubikkilometer Material zutage. Die Erschütterungen wurden auf der ganzen Erde verspürt. Die Asche des explodierten Vulkans rieselte über die Dächer von Stockholm. Nach dem Ausbruch des Mont Pele im Jahre 1902 auf den Antillen verfärbte der schwebende Staub wochenlang in Europa den Himmel. Lösliche Verbindungen wandern mit dem Regen in die Flüsse, durch diese ins Meer und setzen sich hier als Niederschläge ab. Mit den Ereignissen der Epoche wechselt der Charakter der Ablagerungen, und wer die Kunst gelernt hat, Schichten zu lesen, dem erzählen die Blätter im steinernen Buch der Erdgeschichte so lebendig, als seien in ihnen Epen gesehrieben; und das Heizvolle an diesem Lesestoff ist, daß die Natur wie ein guter Schriftsteller dem Leser viel zu raten übrig läßt. Da stößt man bei Grabungen unerwartet auf Kies; man ist in ein Flußbett geraten. Höhe und Breite der Schicht erzählen, wie groß der Fluß gewesen. An der Art des Kieses erkennt man, ob er träge oder reißend mitgeflossen ist. Die Schräge der Schichten verrät das Gefälle. Steiles Gefälle deutet darauf hin, daß hier Gebirge gewesen ist. Eine allseits abgeschlossene Mulde berichtet, daß hier ein See war, und an den Resten der Pflanzen, Tiere und den Salzen kann man ablesen, ob das Wasser süß oder salzig, flach oder tief, warm oder kalt gewesen ist, wie reich es belebt war und wie lange die einzelnen Zustände angehalten haben. War es der Strand eines Meeres, so kann man aus dem Schliff der Steine Schlüsse ziehen, ob Ebbe und Flut ihr Wechselspiel getrieben und wie stark die Brandung gewesen ist. Die Art der Seetiere gibt Hinweise auf die Tiefe des Wassers. Die Befunde werden in Karten eingetragen, und aus der Summe der Ergebnisse formt sich das Bild der Landschaft. Da findet man zum Beispiel in jener Schicht, die sich vor 500 Millionen Jahren im Silur abgelagert hat, über weit getrennte Gebiete des Erdballs eine hohe Lage von rötlichem Sand. Auffallend ist die Übereinstimmung dieser Schicht in Afrika und Südamerika. Der Sand ist nicht gleichmäßig verteilt: Er liegt auf der einen Seite der Hänge höher, und die Körner tragen die Merkmale des „Windschliffs". Dieser Sand hat 12
So kommt ein Ammonshorn aufs Matterhorni Felsen sind plastisch und quellen hochwie Teig. Auf der Abbildung ist der Aufstieg des Ammonshorns in der Bewegung der Pfeilspitze deutlich zu erkennen (vgl. Textseite 19)
nicht am Boden eines Meeres gelegen sondern Wüsten bedeckt. Es muß damals ein Trockenklima mit starken Winden geherrscht haben. Es war den Lebewesen nicht günstig, und damit stimmt die Spärlichkeit der Reste überein. Die Fossilien, die versteinerten Überreste und Spuren von Lebewesen, wieder deuten darauf hin, daß die Temperaturen tief gewesen. Hierzu stimmt, daß damals vom Südpolargebiet her das Eis gegen den Äquator vorgerückt ist. Es war „Eiszeit" auf der südlichen Halbkugel. 50 Millionen Jahre später ändert sich das Bild, ü b e r den Sand legt sich eine Schicht von grünlich-blauem Ton. Er bedeckte Nordafrika bis hinab zur Goldküste und Südamerika bis Patagonien. In ihm liegen die Reste von Seetieren — also war es ein Meer. Auch das Meer war spärlich bevölkert; Warmwassertiere fehlen. Folglich war es noch immer kalt. Nach abermals 50 Millionen Jahren wird das Meer flach und sein Salzgehalt nimmt ab, denn es erscheinen die bezeichnenden Bewohner der Buchten und des Brackwassers. Nun tauchen auch Spuren von Flüssen auf: Täler gefüllt mit Kies und Sand. Dann versanden die Mündungen, und aus den Strömen werden Sümpfe mit dem Pflanzenwuchs der Sümpfe. Spä13
ter trocknen sie aus, und die Pflanzenwelt des Sumpfes wird durch Trockenpflanzen ersetzt. So konstruiert der Geologe, nicht der einzelne, sondern die internationale Gemeinschaft der Forscher, das Porträt von Landschaften und Epochen; und indem diese Zeitalter in die Blätter des steinernen Buches eingetragen werden, entsteht die „Illustrierte Geschichte der Erde".
Die Bilder im Buch der Erdgeschichte In und zwischen den Schichten liegen die Abdrücke der Pflanzen und Tiere als die ältesten und zugleich echtesten aller „Steindrucke". Das Buch der Erdgeschichte ist mit „lithographischen" Tafeln illustriert. In einer Steinplatte aus dem Trias, 180 Millionen Jahre alt, findet man die Fährte eines Vierfüßers. Ein Vierfüßer im Trias kann nur ein Amphibium, ein Tier, das im Wasser und am Lande lebt, oder ein Reptil, ein Kriechtier, gewesen sein. Es tapste auf zwei Hinterbeinen, auf denen das Gewicht lag, während die Vorderfüße zart waren; es ähnelte also einem Känguruh, lange bevor es Känguruhs gab. Die Fährte paßt zu keinem bekannten Tier, aber man kann den unbekannten Trias-Wanderer aus der Fährte erschließen und sich ein Bild von ihm machen. Der Abstand der Abdrücke verrät seine Größe; die Tiefe der Trittspuren ermöglicht eine Schätzung des Gewichts; der Unterschied in der Tiefe des hinteren und vorderen Eindrucks gibt einen Hinweis auf die Verteilung der Körpermasse. Es war ein Tier, größer als ein Hund, kleiner als ein Kalb, und es ging auf den Hinterbeinen; mit den Vorderfüßen richtete es sich auf. Also muß etwas dagewesen sein, das zum Aufrichten anregte : Bäume oder Stauden. Da die Fährte in nassen Ton gedrückt ist, war es vermutlich ein Sumpftier. Stauden, die in einem Sumpf ein so großes Tier veranlassen, sich aufzurichten, müssen stämmig gewesen sein. So kann man aus der Spur jedes Tieres Schlüsse ziehen. Klettertiere deuten auf Wald, Hufe auf Steppe, Reptilien auf ein warmes Klima. Von einem anderen Tier hat sich nur der Kot erhalten, der in Form von Schnüren abgelegt ist. Das ist natürlich zu wenig für eine Rekonstruktion, und man nennt das entschwundene Geschöpf „Tomaculum problematicum", das un14
deutbare Tomaculum. Aber der Wissenschaft ist nichts gering und wertlos. Man findet die Kotschnur nur in einem bestimmten Schiefer aus der Epoche des Ordovizium (s. Tabelle S. 11). Wo man dem „Tomaculum problematicum" begegnet, weiß man, daß man sich in Schichten des Ordovizium bewegt. Die Wissenschaft ist wie der König Midas der antiken Sage: was sie berührt, wird Gold. Am Innenrand des Eindrucks, den der Vorderfuß des TriasTieres hinterließ, sieht das geübte Auge des Fährten-Detektivs eine Unebenheit. Einem ungeübten Auge wäre gar nichts aufgefallen: aber der Entdecker der Fußspuren ist nicht umsonst seit 30 Jahren der scharfäugige Betrachter von Versteinerungen. Er nimmt einen Spatel und hebelt das Krümchen ab, schwemmt es auf und untersucht mit dem Mikroskop: Pflanzenreste. Unversehrt? Nein. Zertreten? Nein. Zerkaut? Offenbar aus dem Mundwinkel des dahintrottenden Tieres getropft. Ein Pflanzenfresser also. Was für Pflanzen hat er gefressen? Der zerkaute Brei läßt nichts erkennen. Aber . . . Seit 1893 gibt es eine neue Wissenschaft, die Pollen-Analyse. Pollen — Blütenstaubkörperchen — haben harte Schalen, die sich auch in Versteinerungen erhalten. Aus ihnen kann man ablesen, welche Pflanzen in jener Epoche geblüht haben. Der Erfinder der Pollen-Analyse konnte an den Pollen in den Mooren Nordeuropas die Arten der Wälder bis zur letzten Eiszeit rückwärts verfolgen. Vor 12000 Jahren war Europa noch eine Tundra, d. h. eine Steppe mit gefrorenem Boden. Dann traten mit zunehmender Erwärmung nacheinander auf: Mischwälder von Birken und Weiden; Bergkiefern; Waldkiefern; Mischwälder aus Kiefern und Birken; spät erst erfolgte der Einmarsch von Hasel, Eiche und Erle, und zuletzt erschien die Buche. Die Kiefer aber zieht sich in ihrer Hauptmasse von den Küsten des Atlantik in das Innere Rußlands zurück. Mit der Pollen-Analyse vertraut, schwemmt der Forscher den Pflanzenrest aus der Reptilfährte auf und findet unter dem Mikroskop Pollen von Schachtelhalmen. Also, wie vermutet, eine Sumpflandschaft. Aber halt! Es sind auch Pollen von Koniferen, Nadelhölzern, da, die nicht in Sümpfen wachsen. Also war es keine einförmige Sumpflandschaft, sondern es müssen bewaldete Höhen in der Nachbarschaft gewesen sein. Man sucht und findet sie. An 15
Resten von Bäumen läßt sich vieles ablesen. Tragen die Stämme wie die der Steinkohlenwälder keine Jahresringe, so hat ein gleichmäßiges Klima geherrscht. Sind Ringe da, so wechseln kühle und warme Jahreszeiten. An der Dicke der Ringe kann man die Dauer der Winter ablesen. Auf der Sonnenseite wachsen die Bäume stärker und durch Vergleich kann man feststellen, ob die Bäume frei standen oder sich gegenseitig beschatteten. An der unterschiedlichen Stärke der Äste kann man die Wetterseite erkennen; je ausgeprägter die Spuren des Wetters, um so kräftiger waren Winde und Regen. I Alle erhaltenen Einzelheiten werden in Karten eingetragen, alle Grabungen in der Umgebung überwacht, die Funde gesammelt. Im Lauf von Jahrzehnten füllen sich die Karteien, und vor dem Auge des Wissenschaftlers ersteht dort, wo heute Kartoffeln und Bohnen wachsen, das Bild einer Sumpflandschaft. Er sieht Farnbäume und Schachtelhalme, zwischen denen Riesen-Salamander schwimmen und Ur-Insekten schwirren, und sucht nach jenem Reptil, das, größer als ein Hund, kleiner als ein Kalb, wie ein Känguruh auf dicken Hinterbeinen steht; es zu finden ist sein Traum, so wie andere davon träumen, eine Petroleumquelle oder ein Uran-Lager zu entdecken. Das ist das Leben des Wissenschaftlers: Er spaziert dahin zwischen Spargel und Rüben, Heuschober und Eisenbahnsignalen, aber er sieht sie nicht. Er lebt in der Traumlandschaft des Trias, die ihm so leibhaftig vor Augen steht, als sei er vor 180 Millionen Jahren mit Wasserstiefeln und Botanisiertrommel hier zwischen zirpenden Zykaden und Schachtelhalmen herumgewatet. Dieses geistige Leben ist der Gewinn, mit dem die Wissenschaft ihren Jünger belohnt für die Geduld, mit der er ihr dient, und für den Verzicht auf die weltlichen Güter der anderen.
Die Kruste der Erdkugel ist verschieblich In der Naturgeschichte lernt man merkwürdige Dinge. Wasser ist flüssig. Eis ist fest, aber das feste Eis ist leichter als Wasser. So ist erstarrtes Magma leichter als das flüssige. Wie das Eis an der Oberfläche des Teiches, so schwimmt das erstarrte Magma über der feuerflüssigen Tiefe und bildet die Kruste des Erdballs. Die 16
schwimmende Decke sitzt wie das Packeis der Arktis lose und verschieblich. Da die Erde sich nach Osten dreht, hat ihre Kruste die Neigung, westwärts zurückzubleiben. Diese Verschiebung der Erdkruste ist die Ursache der „Polwanderungen", die keine Wanderungen der Pole, sondern der Länder sind. Aus der Bahn des Mondes und vielen anderen Zeichen kann man schließen, daß die Achse der Erde seit Hunderten von Millionen Jahren stille steht. Eine Insel in einem der großen Ozeane wandert mit der Schale von A nach B. Hierdurch ändert sich ihre Lage zum Pol, aber nicht der Pol, sondern die Insel hat sich verschoben. Da die Kruste keine starre Schale ist, sondern ein plastischer Teig, verschieben sich innerhalb der Kruste die einzelnen Landstücke gegeneinander; wie die Mandeln in einem Kuchenteig. Verschiebungen innerhalb der Erdkruste sind die zweite Ursache vermeintlicher Wanderungen der Pole.
Der Ost afrikanische Graben beginnt in Kleinasicn, durchläuft Syrien und Palästina (JordangTaben), trennt als Rotes Meer Afrika von Asien und durchzieht ganz Ostafrika bis zum Kapland. Dieser Graben kündet den „bevorstehenden" Abbruch Ostafrikas vom afrikanischen Kontinent an
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Durch den Wechsel der Lage ändert sich natürlich das Klima. Ein Land wandert aus den höheren Breiten in die Tropen. Auch die Eiskappen, die gegenwärtig über den Polen liegen, scheinen zeitweilig ihre Lage zu ändern. Die letzte Eiszeit wurde vermutlich dadurch verursacht, daß sich südlich der heutigen eine neue Eiskappe bildete. Warme Luftmassen strömten gegen Labrador und gaben hier in ungeheuren Schneefällen ihren Wasserdampf ab. Durch solche absonderliche Eiskappen werden natürlich auch die Wärmezonen verschoben, so daß der klimatische Äquator keineswegs immer, wie heutzutage, mit dem geographischen zusammenfällt. Die Annahme von Polwanderungen ist von der Wissenschaft aufgegeben worden. An ihre Stelle sind die nicht weniger überraschenden Theorien von der verschieblichen und teigigen Erdkruste getreten. Auf der Bühne der geologischen Forschung ist der Vorhang zu einem neuen wirkungsvollen Akt aufgegangen.
Die Erdkruste ist ein Felsenteig Im 20. Jahrhundert Wissenschaft treiben, heißt immer erneut umlernen. Wir haben soeben erfahren, daß das Erstarrte zwar härter ist als das Flüssige, aber nicht schwerer, sondern leichter. Jetzt lernen wir: Es ist auch nicht immer hart. Das kleine Stück Eis, das der Eismann ins Haus trägt, ist h a r t ; ein Block von der Größe eines Hauses ist es nicht mehr, sondern benimmt sich wie eine plastische Masse. In der Eiszeit breitete sich das Eis nicht aus, weil das Klima kälter wurde, sondern es wurde kälter, weil die plastische Eiskappe wie Teig aus der Polarlandschaft nach allen Seiten, in Europa bis nach Paris, in Nordamerika bis St. Louis dahinkroch. Wie das gefrorene Wasser verhält sich auch das erstarrte Magma, der Stein. Der Stein, der uns an den Schädel fliegt, ist h a r t ; ein Gebirge ist plastisch wie Asphalt, und man braucht sich in der Landschaft nur umzusehen, um zu erkennen, wie sich überall die Schichten schieben, zu Wellen aufwerfen, ja sogar senkrecht stellen und wie Wogen nach der Gegenseite überlegen. Alles ist in ständiger Bewegung. Es klingt widersinnig, aber es stimmt: Ein Haus, gut auf Sand gebaut, steht ruhiger als eines auf Felsen gestellt, denn der Sand der Ebene ist der zur Ruhe gekommene u n ruhige Fels des Gebirges. 18
Wo Risse entstehen, quillt der Felsenteig aus der Tiefe heraus, langsam natürlich, im Lauf von Jahrtausenden. Nun liegt eine tiefere und ältere Schicht über einer jüngeren, und die geschichtlich gewordene Ordnung ist gestört (Abb. S. 13). In den Alpen findet man in 2000 Meter Höhe Ammonshörner, also Reste von Tieren, die seit Millionen von Jahren ausgestorben sind. Die Alpen sind jünger als sie. Dieser Ammonit hat nie hier oben gelebt. Er ist versteint aus dem Grunde eines Meeres hoch gewandert, wie von einer Bergbahn geschoben (f). Gebirge stammen — und damit lernt man wieder einen widersinnig anmutenden Neu-Satz der modernen Geologie — aus der Tiefe. Wo die Erdkruste stark beansprucht wird, reißt sie, und es entsteht ein Trog oder Graben. Die Ränder des Grabens sind ihres natürlichen Haltes beraubt und wölben sich unter dem Druck des Magmas auf; es entstehen „Randgebirge". Ein Beispiel für Riß- und Randgebirge ist das Obere Rheintal. Es ist ein „Graben", seine Ränder sind Vogesen und Schwarzwald. Der tiefste Graben des Erdballs ist jener, der Syrien und Palästina durchzieht. In Syrien heißt er Bekaa, und seine Randgebirge sind Libanon und Antilibanon; seine Fortsetzung heißt Jordangrabeu, weil er dem Jordan als Flußbett dient. In diesem Teil erreicht er eine Tiefe von 400 Metern unter dem Meeresspiegel. Seine Ränder haben sich bis zu 1000 Meter erhoben, und auf der Kante der Hochebene liegt Jerusalem — „Die Hochgebaute Stadt" (Abb. S. 21). Der Syrisch-Palästinensische Graben ist ein Teilstück des längsten aller gegenwärtigen Gräben, der als Ostafrikanischer Graben vom Kaukasus bis Kapstadt hinunterzieht. Auch er ist in seiner ganzen Länge von Randgebirgon umsäumt und ausgefüllt. Gräben sind Wunden. Wie Wunden haben sie die Neigung, zuzuwachsen und erhöhte Narben zu bilden. Gegen den widerstandslosen Graben rücken, durch den Seitendruck der Kruste geschoben, die Ränder vor und verengen ihn. Hat er sich, was die Regel ist, mit geologischem Schutt gefüllt, so wird der Schutt erst zusammen- und bei weiterer Verengung aus dem Graben herausgeschoben. Zwischen Afrika und Europa läuft ein Graben, der sich zum Teil mit Wasser gefüllt hat und das Mittelmeer bildet. Dieses Meer war ehedem breiter und tiefer. Seit langer Zeit rückt Afrika nach Norden und schiebt den Schutt vom Grund des Mittclmeeres vor 19
sich hin und über den Südrand Europas, der Widerstand leistet, aufwärts. Das Ergebnis dieses Aufschaufeins sind die Alpen gewesen. Mit dem Boden des uralten Mittelmeeres „Thetys" stiegen die versteinten Seetiere auf, und so findet man auf den Höhen der Berge die Reste von Tieren der Tiefe. Wie seltsam: Hohe Gebirge werden in tiefen Trögen aus Felsenteig gebacken (s. Abb. S. 29). Die Lehrmeinung von den Gebirgen aus den Tiefen ist ohne Zweifel berechtigt. Aber in der Erdkruste sind so mannigfache Kräfte am Werk, daß Gebirge sicherlich aus verschiedenen Ursachen entstehen können. Diese Frage ist schwierig zu beantworten und hat viele Geister seit Jahrzehnten beschäftigt; fast jeder Geologe bevorzugt, wahrscheinlich oft mehr von seinem Temperament und Geschmack als von den Tatsachen bestimmt, diese oder jene Ansicht, indem er die eine Kraft höher und die andere geringer schätzt. Aber keine hat sich eine dauernde Herrschaft zu sichern gewußt, wahrscheinlich weil es gar keine einheitliche Lehre von der Gebirgsbildung gibt. Und daher wird auch jene von den Bergen aus den Tiefen nur einen Beitrag bilden, aber nicht die Lösung. Die Erde lebt, und das Lebendige spottet der Gesetze.
Inseln und Kontinente ändern ihre Lage Im Jahre 1823 wurde von dem englischen Geographen Sabine an der Ostküste Grönlands die kleine Insel „Sabine Island" entdeckt und ihre geographische Lage bestimmt. Als man 1869 diese Bestimmung wiederholte, fand man, daß die Insel um 420 m weiter westlich stand, als Sabine angegeben hatte. Diese Abweichung übertraf die übliche Fehlergrenze, und man nahm sie mit Überraschung zur Kenntnis. Als 1906 die dänische Regierung wieder eine ihrer Expeditionen nach Grönland schickte, stellte der junge Alfred W e gener fest, daß die Insel abermals um 1190 Meter weiter westlich stand, als man 37 Jahre zuvor gefunden. Nun war es klar: Es waren nicht die Geographen, die den Fehler begingen, sondern die Insel war schuld: Sabine Island wanderte westwärts. Nun prüfte Wegener die Lage der übrigen arktischen Landmassen und fand, daß sie sich alle nach Westen verschieben, und zwar m i t verschiedenen Geschwindigkeiten: Grönland wandert jährlich um sechs Meter; Amerika entfernt sich von Europa; der Abstand Cherbourg— 20
Die „Hochgebaute Stadt" Jerusalem liegt 800 m über dem nahen Mittelmeer (links) auf einer Hochfläche, deren ^Treppen .steil auf minus 400 m und dann unter dem Spiegel des Toten Meeres um nochmals 400 m abfallen. Jericho ist der tiefst gelegene Wohnort und das Tote Meer der tiefste und daher salzigste aller Seen (vgl. Textseite 19)
New York wird täglich um einen Millimeter größer. Die amerikanischen Soldaten, die im zweiten Weltkrieg nach Europa kamen, mußten zehn Meter weiter fahren, als ihre Väter 25 Jahre zuvor. Die ägyptischen Baumeister würden erstaunt schauen, wenn sie ihre Cheops-Pyramide heute sähen: Sie ist um vier Kilometer südlich gerückt. Wenn Odysseus heute die Plätze seiner Irrfahrt wieder besuchte, schaute er vergeblich nach der Charybdis aus; die „Säulen des Herkules" — das europäische und das afrikanische Festland an der Straße von Gibraltar — stehen dreimal so weit auseinander, und der Strudel von Gibraltar hat sich zu einer Strömung beruhigt. Auch die Straße von Messina hat sich von 2,2 Kilometern im Altertum auf gegenwärtig 3,3 Kilometer geweitet. Rom rückt gegen den Äquator, Australien flieht nach Osten, die Inselwelt Polynesiens zerstreut sich. Es sind zwei grundverschiedene Dinge in der Wissenschaft, Tatsachen zu entdecken und sie dann zu erklären. Die Frösche leben in der ersten Hälfte ihres Daseins als Kaulquappen im Wasser; das ist eine Tatsache. „Sie tun es, weil ihre Vorfahren Wassertiere waren", ist der Versuch einer Erklärung, eine Theorie. Die Ver21
Schiebung der geographischen Lage von Inseln und Festländern ist eine Tatsache. Der deutsche Polarforscher und Geograph Alfred Wegener hat versucht, sie zu erklären und die „Theorie von der Kontinentaldrift" aufgestellt. Sie ist nicht von ihm ausgeheckt, sondern, wahrscheinlich ohne daß er davon wußte, schon dreimal vor ihm ausgesprochen worden, und zwar von Vorgängern, auf die sich ein Forscher mit Stolz und Vertrauen berufen kann: im 17. Jahrhundert in England von dem Gelehrten und Staatsmann Lord Francis Bacon, im 18. in Frankreich von Buffon, dem geistvollen und vielseitigen Vater der modernen Zoologie, und im 19. in Amerika von Pickering, der die Verschiebung der Linien in den Spektren der Sterne entdeckte und richtig deutete. Aber Wegener wird als der Schöpfer der Theorie bezeichnet; denn in der Wissenschaft gilt mit Recht nicht derjenige als „Entdecker", der eine Tatsache zum ersten Mal erwähnt, sondern jener, der sie in ihrer Bedeutung erkennt und ihr durch gewissenhafte Bearbeitung den ihr gebührenden Platz in der Geschichte verschafft. Daher gelten Lucretius, Goethe, Herder, Lamarck nur als Vorläufer der Entwicklungslehre, aber Darwin als ihr Schöpfer, daher gilt James Watt als Erfinder der Dampfmaschine, Columbus als der Entdecker Amerikas, Einstein als der Schöpfer der Relativitätstheorie. Leider ist Wegener, der ein leidenschaftlicher Erforscher der Arktis gewesen, auf einer späteren Expedition, als er die unermeßliche Eiswüste Grönlands auf Skiern durchquerte, verhungert. Man fand ihn neben seinen als Grabmal aufgesteckten Skiern auf einem von ihm selbst aus Schnee aufgehäuften Hügel tot liegen — ein Schicksalsschlag nicht nur für ihn, sondern für die ganze Wissenschaft und vor allem für sein verwaist zurückgebliebenes Kind: die Theorie von den Schwimmenden Kontinenten, die keinen zweiten Förderer von gleicher Begabung und Schöpferkraft gefunden h a t (vgl. die Abbildung Seite 9).
Bruchstücke großer Urkontinente Als kurz nach 1600 Francis Hof der Königin Elisabeth, dem traut, die ersten einigermaßen trachtete, fiel seinen genialen
Bacon, dieser Wundermensch man die Dramen Shakespeares zutreffenden Karten Amerikas Augen sofort die Ähnlichkeit 22
am zubeder
Atlantischen Küste auf. Die Ostränder Amerikas passen erstaunlich genau in die Westränder Europas und Afrikas, und in ihm dämmerte der Grundgedanke der modernen Theorie von der Kontinentaldrift: Europa, Afrika und Amer. :a sind die auseinander gefallenen Bruchstücke eines Ur-Kontinents, den Wegener die PanGäa, die „Einheits-Welt" der Urzeit, genannt hat. Dieses Bild der Pan-Gäa, das Wegener um 1910 genial entwarf, ist überholt, aber es erläutert ausgezeichnet die unverändert gebliebenen Leitgedanken der Drift-Theorie. Nach üieser Theorie sollen die heute zerstreuten Festländer Bruchstücke sein, die wie die Scherben eines hingefallenen Tellers auseinander fliegen. Nicht nur die Ränder der Scherben, die Küsten, auch die „Rillen", die Gebirge und Gräben fügen sich von Stück zu Stück aneinander. Ja, die aufgemalten „Blumen", die Landschaften und geologischen Schichten, schließen sich von Scherbe zu Scherbe. Gebirgszüge, die in Skandinavien beginnen, überqueren die Britischen Inseln und verlieren sich erst in den Ebenen Nordamerikas. Auf der südlichen Halbkugel läuft ein Bruch von Bolivien über Südafrika nach Australien, nach den drei Kontinenten Südamerika — Afrika — Australien, „Samfrau" genannt. Aus ihm ist ein Gebirge aufgestiegen, das sich von den Anden bis Neu-Guinea verfolgen läßt. Wie im Gürtel Pennsylvania (USA) — Wales (England) — Nordfrankreich — Ruhr — Schlesien — Dongebiet die Kohlen, so liegen in diesem Gürtel Gold, Diamanten, Mangan und Zinn. Das Gold von Peru, die Diamanten Südafrikas, die märchenhaften Juwelen in den Kronen der Maharadschas und das Gold, das die Schatzgräber in die Einöden Australiens lockte, sie alle sind herausgeschaufelt aus den Gründen des ,,Samfrau"-Grabens. Da die Erdkruste nicht starr ist, haben sich die Umrisse der Kontinente durch Faltungen und Verziehungen etwas geändert. Falten verkürzen: Nordamerika ist durch das mächtige Appalachengebirge um 150 Kilometer schmaler geworden; das Kap der Guten Hoffnung zieht sich durch Auffaltung von Gebirgen gegenwärtig nach Norden zurück. Außerdem führen die Schollen wie alle fliegenden Bruchstücke Drehungen aus, die der Flugrichtung entgegengesetzt sind. Daher rückt zwar Afrika gegenwärtig an Europa heran, aber die Straße von Gibraltar weitet sich. In der bewegten Welt von heute wirbeln
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nicht nur die Sternspiralen des „Explodierenden Weltalls", sondern auch die Bruchstücke der geborstenen Pan-Gäal Mit den Bruchstücken sind Pflanzen und Tiere davongetrieben und lassen erkennen, welche Landstücke einmal geographische Ein-: heiten waren, und wann sie sich trennten. Die heute weit verStreuten Reviere der Steinkohlenzeit sind eine erdgeschichtliche Einheit. Tiere aller Epochen wie Spinnen, Krebse, Skorpione und Muscheln sind in einer Weise verteilt, die sich fast nur durch die Annahme früherer Zusammenhänge erklären läßt. Auch die Verteilung der Säugetiere spricht zugunsten der Drifttheorie. Ein von ihren Vertretern oft angeführtes Beispiel sind die Seekühe. Sie sind Süßwassertiere, die sich aber auch im Meerwasser nahe den Küsten aufhalten. Sie waren einst weit verbreitet und noch vor 100 Jahren vor Labrador zu finden. Heute leben ihre Reste nur noch an wenigen Stellen, so in Südamerika an der Mündung des Amazonas und „gegenüber" in Afrika an der Mündung des Kongo. Ebenso weisen die Verfechter der Theorie auf die Verteilung der Affen hin, die gleichfalls drüben in Afrika und hüben in Südamerika leben. Aber die Gegner der Theorie geben andere Erklärungen, und so wogt der Kampf um die Beweise und Gegenbeweise hin und her. Dem Außenstehenden freilich, der sich oft besser ein Urteil zu bilden vermag als die kämpfenden Parteien selbst, erscheint es, als seien die Anhänger die weitaus stärkeren, und der Sieg sei ihnen gewiß. Uns, die wir nichts anderes wollen als das Weltbild betrachten, das die Wissenschaft unserer Zeit uns hinmalt, liegt es nicht ob, Partei zu ergreifen. Wir nehmen die Theorie von der Kontinentaldrift zur Kenntnis als einen der schönsten und ohne Zweifel fruchtbarsten Gedanken, den die Wissenschaft des 20. Jahrhunderts ihrer Mitwelt zur Forschungsaufgabe gestellt hat.
Die Kontinentalbewegungen der Vergangenheit Soweit wir geologisch zurückschauen können, und das sind etwa 500 Millionen Jahre, stehen sich in der Erdkruste zwei große Landmassen gegenüber, eine Südmasse, die „Süderde", deren Kernstück der „Sechste Erdteil" um den Südpol, und eine Nordmasse, die „Norderde", deren Kernstück Grönland ist. Sie sind durch 24
einen Graben geschieden, der im Westen durch die großen Meerestiefen der Antillen Nord- und Südamerika trennt, in seiner Mitte Europa durch das Mittelmeer von Afrika scheidet und an seinem Ostende durch den Himalaya Asien in zwei Hälften teilt. Das Südland nennt man mit einem schlechten Zufallsnamen nach einer indischen Provinz „Gondwana", das Nordland mit einem guten Namen „Laurasia"; die kanadische Provinz Laurentian ist das geologische Stammstück von Nordamerika. Diese beiden Landmassen drängen, wie Wegener richtig erkannt hat, zum Äquator, prallen hierbei wie Eisschollen aufeinander und treiben dann wieder zurück. Jede Vor- und Rückwärtsbewegung dauert rund 100 Millionen Jahre, so daß in den letzten 500 Millionen Jahren fünf Zusammenstöße erfolgten. Zuerst war Gondwana bewegter und überlegen; seit der Steinkohlenzeit ist Laurasia führend. Durch die Schaukelbewegungen wird der dazwi-
«••)
Die Landmassen Gondwana und Laurasia stoßen in weit auseinanderliegenden Zeitabschnitten gegen den Äquator vor und erzeugen hierbei erdumspannende Spalten und Falten, die als Meerestiefen und Gebirge in Erscheinung treten (vgl. 25 auch Abb. Seite 29)
schenliegende Graben geweitet oder verengt. In der Zeit der Trennung vertieft er sich und füllt sich mit Wasser zu einem „MittelMeer"; in Zeiten des Zusammenpralls, wie gegenwärtig, verengt sich das Meer und türmen sieh die Ränder des Grabens zu Gebirgen auf. An seinem Südrand zieht sich die Kette vom Atlas zum Himalaya hin, an seinem Nordrand die Reihe der Gebirge von den Alpen bis zum Kaukasus. Die Alpen sind der vom nordwärts drängenden Gondwana (Afrika) hochgeschobene Südrand Laurasiens, untermischt mit dem Grabenschutt vom Boden des Ur-Mittelmeeres Thetys. Naturgemäß wird die hochgeschobene und umgebogene Erdkruste rissig und undicht, so daß Magma hervorquillt. Der ganze aufgefaltete Westrand Amerikas von Alaska bis zu den Falklandinseln ist mit Vulkanen besetzt, ebenso der ganze „Mittelmeer-Graben", wo, um nur einige berühmte zu nennen, im Westen der rissigen Erdkruste der Popocatepetl und der Mont Pele stehen, im europäischen Bezirk Ätna, Vesuv, Olymp und die Vulkane des Hauran, von denen der Psalmist sang: „Und du läßt Berge rauchen wie die Schlote." Als Kampffront zwischen Laurasia und Gondwana ist die Zone Antillen—Mittelmeer—Himalaya ein Gebiet ununterbrochener Unruhe. Hier sind Sodom und Gomorrha in einem Erdspalt versunken. Tyrus rutschte ins Mittelmeer — „Oh, wie bist du verschwunden, du übermütige reiche Stadt am Meer." Unter der Regierung des Königs Usiah wurde Palästina nach den Worten des Propheten „hin und her geschaukelt wie eine Kinderwiege", und die Katastrophe zerriß den Faden der Geschichte derart, daß man im Kalender neu zu zählen begann, und das Buch Arnos anfängt: „Geschrieben im zweiten Jahr vor dem großen Erdbeben". Korinth wurde durch Erdbeben zerstört, Pompeji unter der Asche des Vesuvs begraben, der Tempel zu Baalbek, der so groß war, daß Barbarenhände seine Säulen nicht stürzen konnten, würde durch zwei Erdbeben im Abstand von 500 Jahren in Trümmer gelegt. Goethes erstes naturwissenschaftliches Erlebnis war das Erdbeben von Lissabon, so wie wir als Kinder mit Schrecken den Ausbruch des Mont Pele erlebten und nicht vergessen konnten, daß von allen Bewohnern der Stadt St. Martinique nur ein Schwerverbrecher am Leben geblieben sein soll, der in einem Felsengefängnis angeschmie26
Jet war und folglich nicht wie die anderen in die Gluthitze hinausstürmen konnte. Kurz darauf wurde Messina zerstört. In Mexiko ist im Februar 1943 mitten aus den Äckern vor den Augen der Bauern ein neuer Vulkan herausgeschossen und wächst, als wühle unter ihm ein Maulwurf aus der Unterwelt des Gottes der Erdtiefe, Pluto. 1950 wurde der Himalaya von einem „Großbeben" betroffen, das als die gewaltigste aller historisch verzeichneten Katastrophen angeblich den Mount Everest mitsamt allen Nachbarbergen um über 60 Meter höher aus der Erdrinde herausgepreßt haben soll. Was unser Jahrzehntausend erlebt, ist im Zeitmaß geologischen Geschehens betrachtet, eine Eisenbahnkatastrophe: Der „Gondwana-Expreß" und der „Laurentian" stoßen zusammen, die Wagen schieben sich ineinander, drängen sich hoch und fallen um. Abraham hat sich aus dieser Katastrophe retten können. Der römische Gelehrte Plinius ist in ihr umgekommen. In unserer Zeit stürzen die Wagen „ J a m a i k a " und „ K u b a " um. Jamaika wird hochgeschoben und rutscht nach Süden ab, während der Nachbarwagen Kuba sich nach Norden überlegt. Zwischen ihnen öffnet sich ein nach seinen Entdeckern „Barlett- und Brownson-Tiefe" genannter, 7000 Meter steil abfallender Riß der Erdrind«. Wer auf einer der mittelamerikanischen Inseln der Antillen lebt — und es ist schön, in dieser Welt zu leben — treibt auf einem Wrack, von den Wogen des Magmameeres gehoben, gesenkt und in allen Fugen krachend. Nicht viel sicherer wohnt man auf Inseln oder Küsten des Mittelmeeres oder an irgendeiner anderen Stelle der Erdzone Antillen—Mittelmeer—Himalaya. Man kann nur darum unter der Sonne dieser Inseln und Länder wandeln, weil man weiß, daß das Menschenleben nur den Bruchteil vom Hundertstel einer geologischen Sekunde währt. Es dauert tausend Menschenleben, ehe der kippende Wagen des entgleisenden Zuges umgefallen ist.
Afrika zerreißt, Amerika schwimmt westwärts Beide Landmassen, Laurasia griffen. Gondwana ist früher weiter aufgelöst als Laurasia, lionen Jahren eingesetzt hat.
wie Gondwana, sind im Zerfall begeborsten und folglich wesentlich dessen Zerfall erst vor 150 MilDie Bruchstücke Gondwanas sind
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weit auseinander getrieben, aber das Auseinanderbrechen ist noch keineswegs zu Ende. Indien keilt sich auf seiner Flucht nach Osten in das asiatische Festland ein und wühlt hierbei die Landmassen vor und neben sich zu hohen Gebirgen, den höchsten der Erde, auf. Es ist geologisch größer, als es geographisch erscheint, denn es schiebt sich unter Afghanistan und Tibet und hebt diese Landmassen auf, so daß Tibet das höchste Hochland der Altwelt geworden ist. Seitlich aber von der vorwärts drängenden Scholle wogen die parallelen Züge jener Gebirge, die Indien vom südlichen China und Burma trennen; es sind gleichsam die Bugwellen des dahinfahrenden Kontinental-Schiffes „India". Afrika bietet das Bild eines Erdteils, der an den Rändern zerfällt; einige Stücke haben sich schon gelöst, andere sind im Begriff, sich zu trennen. Seine Nordwest-Ecke hat es an Europa verloren: Spanien ist ein Stück Afrika, das an Europa angeklebt ist. Die runzelige Lötstelle sind die Pyrenäen. Hier, und nicht durch die Straße von Gibraltar, läuft die geologische Grenze zwischen Afrika und Europa. Auch die Nordost-Ecke Afrikas ist abgesprungen: Arabien, und im frühen Tertiär ist die Insel Madagaskar davongetrieben. Parallel zur Ostküste läuft der Ostafrikanische Graben (Abb. S. 17), der längste Graben der Erdkruste unserer Tage, ein gewaltiger Riß, der uns sozusagen vor unseren Augen den Beginn eines Kontinentalbruches vorführt: Hier reißt Afrika auseinander. Der von innen kommenden Unruhe dieses Risses verdanken wir die ältesten zuverlässigen Schilderungen von Erdbeben, die Berichte der Bibel. Denn Palästina, auch hierin „Land ohnegleichen", liegt im Schnittpunkt der beiden größten Gräben unserer Zeit: dem in westöstlicher Richtung um den halben Erdball laufenden Antillen-Mittelmeer-Himalaya-Graben und dem von Nord nach Süd vom Kaukasus bis Kapland laufenden Ostafrikanischen Graben. Kein Wunder, daß Palästina das klassische Land der Erdbeben ist, in dem die Stadt Tiberias am See Genezareth durchschnittlich alle sieben Jahre von einem größeren Erdbeben betroffen und dreimal im Jahrhundert zerstört wird. Die Zukunft Afrikas ist aus seinen Rissen abzulesen wie ein Schicksal aus den Furchen der Hand. „Bald" wird das Somaliland als Insel nach Osten treiben, wie es Madagaskar getan hat. 28
Die Alpen sind der durch den Druck Gondwanaa gegen Laurasia aus der Tiefe nochgeschobene Bodenschutt des alten Mittelmeeres Thetys. Daher sind die Gesteine der Alpen von Meerestieren durchsetzt (s. Textseite 20 u. 26)
Ihm wird Njassaland folgen. Danach wird das Kapland, wo die Berge bedenklich steigen, abbrechen, und ihm schwimmt später die Wüste Kalahari nach, die dann längst keine Wüste mehr, sondern eine „Glückliche Insel" ist. Freilich, man müßte Menschentage in Jahrtausende verwandeln, es zu erleben. Auch Laurasia ist in Auflösung begriffen. Im Osten verrät die lange Kette des Ural, daß hier ein Riß vorhanden ist, der sich im Lauf der Erdzeitalter schon mehrere Male zu Gräben geöffnet und dann zu Gebirgen aufgefüllt hat. Im Westen hat sich Amerika gelöst und treibt in den Stillen Ozean. An seiner Vorderfront begegnet es dem Widerstand des sehr harten Pazifischen Beckens, und daher hat sich dieser Rand zu der langen Frontwelle der amerikanischen Küstengebirge aufgewölbt. Fünfmal hat sich in den letzten 130 Millionen Jahren hier eine Welle erhoben, und jede neue hat die frühere weiter ins Inland geschoben. Die älteste ist die Sierra Nevada, das Hochgebirge im Staat Kalifornien. Durch den starken Druck entstehen Risse, wie das 350 Kilometer lange Schluchttal des Gran Canon im östlichen Felsengebirge Nordamerikas. Hier sind unter den Bergen in auffälliger Weise viele (heute erloschene) Vulkane zu finden. Von der Westküste Nordamerikas sind Streifen abgebrochen, von denen die heute noch sichtbaren 29
dem Festland als Inseln und Halbinseln vorgelagert sind. Kalifornien ist gegenwärtig eine Halbinsel, morgen wird es eine Insel sein; „morgen" —• das heißt in der Geologie in 60 oder 160 Millionen Jahren. Die Unruhe des Streifens verrät sich in der Häufigkeit der Beben. Nach dem Erdbeben von San Franzisko 1906 lag ein 400 Kilomteer langer Landstreifen um 6 Meter weiter nordwestlich als vorher — ein wahrer Ruck in der Westbewegung des Erdteils. Keine der großen Städte der Westküste der USA besitzt wegen der Unruhe des Bodens eine Untergrundbahn. An der Vorderwand der fahrenden Kontinente schiebt der W i derstand des Magmas die Kruste zu Gebirgen hoch, an der Rückwand saugt das Magma, das zäh wie Asphalt ist, vom Rumpf des fahrenden Kontinentalschiffs Stücke ab, und diese treiben in den Wirbeln des Magmamecres hinter den Kontinenten als Kiclwasserinseln daher. Fast als eine Regel brechen in diesen Landstrichen Vulkane aus, und zwar, einem gut bekannten Gesetz folgend, stets auf der dem Kontinent zugewandten Seite. Das sind schöne Gesetze, die man hier gefunden und die der Erdforschung den Charakter einer modernen, mit Leitideen und Formeln arbeitenden Wissenschaft geben. Der Ruf unseres Zeitalters heißt Dynamik, Kraftentfaltung und Bewegung. Dynamik! rief im vorigen Jahrhundert Darwin und erweckte die in Schaukästen gleichsam erstarrte Wissenschaft zu neuem Leben. Aus den gläsernen Schränken der Zoologischen Museen sprangen die ausgestopften Tiere, und der aufgeschreckte Museumsgelehrte, der in die Zeichnung einer Muschel vertieft war, mußte dem Polarfuchs nacheilen in die Polarwelt und seine davongesprungenen Giraffen in den Grasfluren der Savannen suchen. Gegenüber im Botanischen Institut begannen die gepreßten Pflanzen aus den Rändern der Herbarien zu sprießen und durch die Fenster zu ranken, und die Bienen kamen, und statt Staubgefäße zu zählen, mußte man die Lebensgesetze der Blüten studieren. In den scheinbar für die Ewigkeit geschaffenen Atlanten der Sternwarten begannen die Fixsterne sich zu verschieben; der Große Bär streckte seine Tatze aus, Orion verlor seinen Gürtel, und der Bogenschütze schoß ganze Salven von Sternkugelhaufen aus seinem seit 3000 Jahren geschlossen gehaltenen Köcher. „ D y n a m i k " ! hieß die Losung der neuen Zeit. 30
D a s , wie m a n g l a u b t e , „ u n z e r b r e c h l i c h g e s c h a f f e n e " A t o m e x p l o dierte unter den H ä n d e n der Physiker und streute Protonen u n d N e u t r o n e n , M e s o n e n u n d N e u t r i n o s a u s , u n d d a n n z i t t e r t e die M a t e r i e d a h i n i n L i c h t u n d W ä r m e , i n D y n a m i k a u f g e l ö s t . Die „ e w i g e n , e h e r n e n , u n a b ä n d e r l i c h e n G e s e t z e " , die G o e t h e b e s u n g e n h a t , h a b e n sich i n W a n d e l b e g r i f f e a u f g e l ö s t . J a , i n d e r P h a n tasie ist das g a n z e W e l t a l l e x p l o d i e r t ! S o ist a u c h i n die Stille d e r g e o l o g i s c h e n F o r s c h u n g s s t ä t t e n m i t i h r e n S a m m l u n g e n u n d i n die v e r s t a u b t e n K o r r i d o r e , d u r c h die m a n sich k a u m b e w e g e n k o n n t e v o r d e r F ü l l e d e r V e r s t e i n e r u n g e n u n d d e r G i p s m o d e l l e , d e r Ruf d e r Z e i t g e d r u n g e n : D y n a m i k ! W a c h e t auf, i h r W ä c h t e r d e r F o s silien! Driftet, i h r L ä n d e r , s c h w i m m t dahin, ihr Inseln! Berge, h ü p f e t wie die L ä m m e r u n d i h r H ü g e l wie d i e H e r d e n ! T u t e u c h auf, i h r T i e f e n , u n d s t o ß t a u s e u r e m S c h o ß G e b i r g e a u f ! N i c h t n u r die K o n t i n e n t e , a u c h die G e i s t e r s i n d i n B e w e g u n g g e r a t e n .
Das UmscUlagbild zeigt die Geschichte der Erde seit der Entstehung de» Lebens, auf das Zifferblatt übertragen. Das Bild auf der 2. Umschlagseite gibt einen Eindruck von dem vermutlichen Aufbau des Erdinnern (1 sehr dichter Kern, 2 und 3 verschiedene Schichten unbekannter Natur, 4 die Kruste, die nicht dicker ist als die feine Haut unter der Schale eines Eies). Hühnereis). Dem Leser, der sich über die in diesem Lesebogen behandelten Fragen hinaus mit den Zusammenhängen im Weltall beschäftigen will, sei das zweibändige Werk des Verfassers „Das Buch der Natur" empfohlen. In allgemeinverständlicher Darstellung und auf über 400 Bildern wird hier das „große Epos der Natur", die Entwicklung der Welt, der Erde und ihrer Bewohneir fesselnd nacherzählt. (Verlag Albert Müller, Rüschlikon-Zürich.) Umschlaggestaltung nach Angaben des Verfassers: Karlheinz Dobsky. Bilder auf den Textsciten: Dr. Fritz Kahn Lux-Lesebogen
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Ö L T E N
Ja - das ist das Richtige. Sportliche und berufliche Höchstleistungen verlangen nämlich eine stets gesunde Lebensführung. Darum ist auch Sinaico immer die ideale Erfrischung - ein Fruchtsaftgetränk, das es in sich hat. Nur echt in der Sinalco-Flasche mit dem SinalcoWarenzeichen. Weisen Sie Nachahmungen zurück.