Dinner in Sydney
Miranda Lee
Bianca Exklusiv 100 4/02
Gescannt von suzi_kay korrigiert von claudia_L
1.KAPITEL „K...
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Dinner in Sydney
Miranda Lee
Bianca Exklusiv 100 4/02
Gescannt von suzi_kay korrigiert von claudia_L
1.KAPITEL „Kommen Sie herein, Mrs. Diamond.“ Sarah schenkte dem Mann, der noch immer hinter dem Schreibtisch saß, einen kühlen Blick. , „Sie sind sehr pünktlich“, fügte er mit einem Blick auf seine Armbanduhr hinzu. „Ralph war kein Mann, der gerne wartet“, sagte sie, bevor sie merkte, dass sie in der Vergangenheitsform von ihrem Mann sprach. Doch dann kam die bittere Erinnerung, dass Ralph Diamond für sie Vergangenheit war. Andernfalls wäre Charles Smeaton, Ralphs langjähriger Rechtsanwalt, längst aufgestanden, hätte ihr höflich die Hand gereicht und unter seinem bleistiftdünnen Schnurrbart breit gelächelt. Stattdessen deutete er kurz auf den leeren Stuhl vor seinem Schreibtisch. Sarah schloss sachte die Tür des Büros, obwohl ihr eher nach dem Gegenteil zu Mute war. Sie ging über den dicken Teppich und war sich wohl bewusst, dass Charles ihre Figur auf eine Weise unverschämt musterte, wie er es vor Ralph nie gewagt hätte. Doch sie setzte sich und schlug ihre langen, schlanken Beine übereinander, ohne mit der Wimper zu zucken. Wenn ihr Mann sie eines gelehrt hatte, dann, Gleichgültigkeit dem gegenüber zu zeigen, was andere taten oder sagten. „Du wirst lernen müssen, das Gerede zu ignorieren, Sarah“, hatte Ralph sie von Anfang an gewarnt. „Da du erst neunzehn bist und ich neunundvierzig, wird es viel Gerede geben. Leute, die dich kennen, werden glauben, du hättest mich meines Geldes wegen geheiratet, und nur mein Reichtum ermögliche es mir, mit dem schönsten Mädchen, dem Gott je Lebensatem eingehaucht hat, ins Bett zu gehen. Es hat keinen Sinn, der Welt die Wahrheit zu sagen, meine Liebe. Niemand wird dir glauben. Aber sorge dich nicht. Ich werde dich lehren, wie du Dis tanz hältst zu Neidern und Intriganten. Das Geschwätz böser Zungen wird dir nichts anhaben, solange du über ihm stehst.“ Natürlich hatte Ralph Recht gehabt. Die Leute hatten das Schlimmste von ihr gedacht. Nicht, dass sie vor ihrem Mann ihr wahres Gesicht gezeigt hätten. Er war zu reich und mächtig, als dass sie direkt beleidigend gewesen wären. Doch hinter ihrem Rücken hatte es viel sagende Blicke und Getuschel gegeben. Kurz nach ihrer Heirat hatte Charles sie beiseite genommen und ihr gesagt, sie solle die Zeit nutzen, da der liebe alte Ralph die Angewohnheit habe, sich seines materiellen Besitzes mit regelmäßiger Monotonie zu entledigen. Daraufhin war Sarah endlos von Zweifeln über die Ernsthaftigkeit von Ralphs Liebe geplagt. Doch als die Monate verginge n - sehr glückliche Monate -, hatte sie immer mehr Vertrauen in sich und ihre ungewöhnliche Ehe gewonnen. Die Zweifel waren begraben, und so blieb es fast vier Jahre lang, nur, damit sie im Mai letzten Jahres wieder auftauchten -r an dem Tag, an dem Ralph ihr sagte, ihre Ehe sei beendet. „Nun, Charles?“ fragte sie, ihre grünen Augen kühl auf ihn gerichtet. „Warum wollten Sie mich sprechen? Die Scheidungspapiere bekam ich letzte Woche mit der Post. Was gibt es mehr zu sagen? “ „Sie sehen so umwerfend wie immer aus, Mrs. Diamond “, sagte er langsam. Er lehnte seine massige Gestalt in dem Schreibtischsessel zurück und bedachte sie mit einem weiteren • abschätzenden Blick. Diesmal verweilte er geradezu beleidigend auf ihren festen, hohen Brüsten. Sarah zuckte nicht zusammen. „Miss Twynan, Charles“, entgegnete sie gelassen. „Oder Sarah, wenn Sie das bevorzugen. “ Der plötzliche Gedanke, dass ihr Exmann stolz auf ihr gefasstes Verhalten gewesen wäre, schmerzte nur. O Ralph ... warum hast du das getan? Warum hast du mich geheiratet und dann wie einen ausgetretenen Schuh weggeworfen? Warum? Ein hässliches Lächeln spielte um die dicken Lippen des Anwaltes. „Sarah ... ein
interessanter Name.“ „Er gefiel Molly.“ „Molly?“ „Meine Mutter.“ „Ach, ja ... Ihre Mutter.“ Seinem verächtlichen Tonfall war zu entnehmen, dass schon die bloße Erwähnung ihrer Mutter sich einfach nicht schickte. „Könnten wir zur Sache kommen, Charles?“ fragte sie eisig. Er beugte sich rasch in seinem Sessel vor, zog eine Schublade zu seiner Linken auf und nahm ein Schlüsselbund heraus. „Ralph hat beschlossen, der vereinbarten Abfindung noch etwas hinzufügen“, verkündete er. Er warf .die Schlüssel vor Sarah auf den Schreibtisch. „Ein Penthouse am McMahon’s Point. Und in der Tiefgarage steht der weiße Ferrari,’ den er Ihnen zum einundzwanzigsten Geburtstag schenkte.“ Er lehnte sich zurück und lächelte wieder verschlagen. „Warum Sie den nicht haben wollten, verstehe ich nicht. Schließlich haben Sie sich ja alles verdient, was Ralph Ihnen gab. Er schien mit Ihne n während Ihrer - äh - Ehe stets zufrieden zu sein. “ Sarah hatte Mühe, ihre Fassung zu bewahren. „Ich will das nicht“, brachte sie heraus. „Das Wird Ihnen wenig nützen. Die Wohnung ist bereits auf Ihren Namen überschrieben. Und das Auto gehörte Ihnen schon immer. Es ist auf Ihren Namen zugelassen. “ Sarah atmete tief ein. Keinesfalls würde sie hier bleiben und mit diesem ekelhaften Mann streiten. Sie würde die Wohnung und den Wagen nehmen, beides verkaufen und das Geld der Wohlfahrt zukommen lassen, wie alles andere Geld, das Ralph ihr vermacht hatte. Denn wie konnte sie davon etwas behalten? Das wäre nur eine Bestätigung für die Kränkungen gewesen, die sie all die Jahre erlitten hatte. Nicht, dass einer der Lästerer davon gewusst hätte. Charles beispielsweise. Sie sah keinen Sinn darin, Leuten wie ihm etwas zu erzählen, was sie ohnehin nicht verstanden. Sie würden ihre Motive nicht akzeptieren, sondern sie für verrückt halten. Ihre eigene Mutter hatte sie für verrückt gehalten! „Warum gibt er mir jetzt das Penthouse?“ fragte sie. „Wissen Sie es? Hat er es gesagt?“ Charles zuckte die Schultern. „Sie kennen Ralph ja. Er erklärt nie, was er tut. Er gibt nur Anweisungen. “ Ja, dachte sie kläglich. Typisch Ralph. „Wir werden heute Abend dorthin gehen, Sarah“, pflegte er zu sagen. „Bestelle den Krabbencocktail, Sarah“ oder „Zieh das grüne Kleid an, Sarah. “ Die meisten Frauen hätten sein autokratisches, herrschsüchtiges Naturell gehasst. Sarah aber hatte es aus unerklärlichen Gründen gefallen. Sie hatte seitdem viele lange, einsame Nächte damit verbracht, herauszufinden, warum sie sich so unterwürfig verhalten hatte. Und obwohl sie die Gründe verstand, fühlte sie sich nicht wohl dabei. „Ich verstehe “, sagte sie kurz. „Haben Sie die Adresse?“ „Ihr Penthouse befindet sich in Nummer zwei, in einem mehrstöckigen Gebäude namens Harbourside Towers, unmittelbar am Wasser am Ende der Harbourside Road. Sie können es nicht verfehlen. Ich nehme an, dass Sie doch gleich einziehen werden. Schließlich werden Sie wohl kaum gern, bei Ihrer Mutter wohnen. “ Sarah ergriff die Schlüssel und steckte sie in ihre Handtasche. „Sie irren sich, Charles“, sagte sie kühl. „Ich werde nicht einziehen, und ich lebe bei meiner Mutter.“ Doch erst, seit Molly den Drang überwunden zu haben schien, jeden Mann, den sie kennen lernte, aufzufordern, zu ihr zu ziehen, dachte Sarah müde. Sie stand auf und glättete automatisch den smaragdgrünen Rock über ihren schlanken Schenkeln. Mit der anderen Hand strich sie sich ihr volles kupferfarbenes Haar aus dem Gesicht.
Der Mund wurde vor Schreck trocken, als ihr bewusst wurde, dass Charles jeder dieser Bewegungen mit lüsternem Blick gefolgt war. Sie schaute ihn fest an, bis er schließlich die Augen niederschlug. Scheusal! dachte sie wütend. „Machen Sie sich nicht die Mühe, mich hinauszubegleiten“, sagte sie, ohne ihren Sarkasmus zu verbergen. Sie machte auf dem Absatz kehrt und verließ das Büro. Erst im Lift merkte sie, dass sie vor Wut zitterte. Sarah schritt langsam durch ihr Penthouse, noch immer außer sich. Ihr Blick wanderte durch das riesige Wohnzimmer, in dem sie stand. Sie musterte die teure Einrichtung! Die klassischneutralen Farben, das ultramoderne, importierte Mobiliar, die riesigen halbrunden Fenster, die sich per Knopfdruck öffnen ließen und Zugang zu dem großzügig geschnittenen Balkon erlaubten. Sie trat hinaus an das Geländer und runzelte die Stirn bei dem Anblick, der sich ihr bot. Die Aussicht erstreckte sich von Darling Harbour zu ihrer Rechten nach Milson’s Point zur Linken. Und die Bridge lag direkt vo r ihr. Das blaue Wasser sah unter dem klaren Winterhimmel kalt, aber wundervoll aus. Eine frische Brise zauste Sarahs Haar und ließ sie vermuten, wie kühl und erfrischend dieser Balkon im Sommer sein würde. Wie viel mag diese Wohnung wert sein? überlegte sie. Eine Million’? Sie seufzte. Molly würde den Verstand verlieren, wenn sie ihr erzählte, dass sie auch dies weggeben würde, Molly sprach oft über Geld und darüber, wie dumm Sarah gewesen wäre, alles zu verschenken, um stattdessen in einem Konfektionsgeschäft zu arbeiten und sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Dabei fiel ihr ein, dass sie Molly noch gar nicht erzählt hatte, dass es so aussah, als würde ihr bald gekündigt werden. Wegen der rückläufigen Wirtschaft machte die Boutique weniger Umsatz, und der Geschäftsführer hatte überhaupt keine Einwände gehabt, als Sarah sich diesen Nachmittag frei nahm. Sie hatte nach einer besseren Stelle gesucht, jedoch bald festgestellt, dass sie für eine gut bezahlte Arbeit nicht ausreichend qualifiziert war. Der Gedanke, wieder als Kellnerin zu arbeiten, war deprimierend, aber das musste sie vielleicht tun, während sie die Technische Fachschule besuchte, um sich neue Kenntnisse anzueignen. Vielleicht bei einem Lehrgang in Schreibmaschine und Textverarbeitung. Das schien sehr gefragt zu sein. Inzwischen würde sie den Ärger ihrer Mutter ertragen müssen. Sarah überlegte, ob sie ihr vielleicht gar nichts von dieser Wohnung erzählen sollte. Nur von dem Wagen. Das musste sie ihr sagen, da sie bereits beschlossen hatte, an diesem Nachmittag mit dem Ferrari zur Wohnung ihrer Mutter in Killara zu fahren, um ihn am nächsten Morgen zu einem der Luxusautohändler zu bringen, von denen es viele am Pacific Highway in Richtung Hornsby gab. Aber sie wollte wirklich mit jemandem über Ralph sprechen, wollte den Schmerz artikulieren, der sich wieder in ihr aufbaute. Zu lange war ihr ständig die Frage nach dem Warum durch den Kopf gegangen, und jetzt fragte sie sich zudem, warum er ihr diese Wohnung gegeben hatte. Ihre Hauptfrage aber betraf die Vergangenheit. Warum hatte Ralph sie so abrupt und grausam aus seinem Leben gestoßen? Und warum hatte er sie überhaupt geheiratet? Denn nach dem, was er getan hatte, konnte er sie unmöglich geliebt haben, wie er behauptet hatte. Sarah stöhnte über die. Verrücktheit all dessen. Hätte Sex dabei eine Rolle gespielt, hätte dies vielleicht einen Sinn ergeben. Sie war Männer gewöhnt, die behaupteten, sie liebten eine Frau, bis sie sie im Bett hatten, nur um sie Monate später zu verlassen, wenn ihre Lust schwand. Jahrelang hatte sie diesem Beispiel ihrer Mutter erlebt. Doch ihre Beziehung zu Ralph war nicht körperlicher Natur gewesen. Sexuelle Langeweile - oder eine andere Frau - konnte nicht der Grund sein, warum Ralph die Scheidung gewollt hatte. Plötzlich verkrampfte sich Sarahs Brust heftig. Dies war der gewaltige Gefühlsausbruch, der verspätet kam. Zorn. Ein bitterer, unmäßiger Zorn.
„Warum? “ schrie sie auf das Wasser hinaus. „Warum? “ ES tat ihr seltsam gut, ihren Schmerz hinauszuschreien. In vierzehn langen Monaten hatte Sarah Ralph nicht anschreien können, weil er sich weigerte, sie zu sehen. Sie kam an den Sicherheitskräften, mit denen er sich umgab, nicht vorbei. Er war auf seinen Landsitz in Dural, an den Stadtrand von Sydney gezogen. Sein riesiges Herrenhaus in Potts Point war wenige Wochen nach ihrer Trennung verkauft worden. Sarah war mehrere Male vergeblich nach Dural hinausgefahren, um Ralph zu sehen. Ihre Briefe kamen ungeöffnet zurück. Und was Anrufe betraf .... Valerie meldete sich immer am Te lefon, und es gab keine Möglichkeit, Ralphs Sekretärin zum Nachgeben zu bewegen. Nicht, dass die Frau hartherzig war Sie war nur völlig unflexibel. Ralph hatte Anweisungen erteilt Telefonate seiner Exfrau nicht durchzustellen, und sie hielt sich daran! Wohin Sarah sieh auch drehte, ihr Weg war blockiert. Schließlich sah sie sich gezwungen, aufzugeben. Sie hatte versucht, ihr Leben selbst zu gestalten. Doch das war nicht leicht gewesen. Heute hatte sie Charles mutig die Stirn gezeigt, innerlich aber war sie eine geschlagene Frau. Eine Frau, die aus Liebe, nicht um das Geldes willen, geheiratet hatte. Eine Frau, die nie das billige, habsüchtige kleine Miststück gewesen war, für die andere sie stets gehalten hatten. Du musst zugeben, Sarah, räumte sie mit einer gewissen Ironie sich selbst gegenüber ein, dass du den Leuten keinen Vorwurf machen darfst, weil sie glauben, dass es so war. Du bist und bleibst dreißig Jahre jünger als Ralph. Wütend fuhr Sarah sich durch ihr vom Wind zerzaustes Haar. Wenn sie Menschen heute als wohlerzogene, welterfahrene und selbstsichere Frau beeindruckte, dann dank Ralph Diamond. Ralph hatte ihr gezeigt, wie sie zu gehen und zu reden, sich zu kleiden und zu handeln hatte. Ralph hatte ihr Umgangsformen beigebracht, ihr Musik nahe gebracht und sie in gewissem Umfang den richtigen Umgang mit Männern gelehrt. Als Frau eines erfolgreichen Geschäftsmannes hatte sie oft Männergesellschaften zu unterhalten. Ralph hatte sie zur perfekten Gastgeberin gemacht. Das schloss auch ein, dass sie genau wusste, welche Rolle sie bei jedem Gast zu spielen hatte. Manchmal war sie die aufmerksame Zuhörerin, dann wieder die geistreiche Unterhalterin. Vor allem aber wurde von ihr erwartet, dass sie so wundervoll wie möglich aussah. Dieses Wunder war nicht über Nacht vollbracht worden. Es hatte Zeit gebraucht, aber Ralph hatte schließlich aus der ungeschliffenen Mrs. Diamond ein funkelndes Juwel gemacht, mit einem Glanz, den nicht einmal Trennung hatte trüben können. O Ralph, stöhnte Sarah, warum? War ich für dich je mehr als ein Besitz, mit dem man eine Weile spielt und den man dann wegwirft, wenn man des Spieles überdrüssig ist? Hast du ein anderes naives, unschuldiges Ding gefunden, das dich erheitert? War das der Sinn all dessen? Genießt du es, Gott zu spielen, indem du das Leben anderer mit Füßen trittst? Tränen traten in ihre Augen. Sie wandte sich um und trat langsam wieder in die Wohnung zurück. Was machte es, dass Tränen über ihre Wangen liefen? Sie musste einfach weinen. Sie ließ sich auf eine lederne Couch fallen und barg den Kopf in ihren Händen. Sie erschrak, als laut an der Tür geklopft wurde. Ihr Kopf ruckte hoch, und sie bemühte sich eilends, die Tränen auf ihren Wangen zu trocknen. Sie blinzelte, begab sich zur Tür und glättete auf dem Weg dorthin automatisch ihr Haar mit den Händen. Wer mochte das sein? Ihr Magen ver- krampfte sich bei dem Gedanken, dass sie sich einer unangenehmen Person erwehren müsse. Jemand wie Charles. Doch dann erinnerte sie sich an das Sicherheitssystem des Hauses und entspannte
sich. Sie hatte dem Wachmann im Foyer eine Liste der Leute gegeben, die ohne Anmeldung zu ihr kommen durften. Und sie hatte ihm nur den Namen ihrer Mutter genannt. Aber ihre Mutter wusste von dieser Wohnung noch gar nichts. Sarah runzelte die Stirn. Sie war direkt von Charles Büro hierher gekommen. Sie. schob die Sicherheitskette vor und öffnete die Tür einen Spalt. „Wer ist da?“ fragte sie scharf und war beunruhigt, als sie durch den Spalt nichts sah. Dann trat ein Mann, dessen Kinn ein Grübchen hatte, in ihr Blickfeld. Ein tief schwarzes Augenpaar musterte sie unter ebenso schwarzen Brauen und Haar. Ihr dämmerte, dass sie die Person kannte. „Gütiger Himmel!“ rief sie verwirrt aus. Der Gegenstand ihrer Überraschung sagte einen Augenblick nichts, sondern zog fragend die Brauen zusammen, während er sie anschaute. Schließlich sprach er. „Mrs. Diamond?“ Erstaunen - und eine eindeutige Spur von Feindseligkeit - schwang in der Stimme mit. Jetzt erstarrte Sarah nach ihrer anfänglichen Überraschung. Ihr Besucher war keiner der Menschen, die sie besonders schätzte, nicht einmal entfernt. Michael Angellini gehörte zu den begehrtesten Junggesellen von Sydney. Er war der wohlhabende Besitzer eines italienischen Restaurants in King’s Cross, in das Ralph Sarah während ihrer Ehe oft geführt hatte. Er war Anfang dreißig und sah verdammt gut aus. Zweifellos verhielt er sich gegenüber den meisten seiner weiblichen Gäste charmant, doch von ihrer ersten Begegnung an oder’ bald, nachdem sie als Mrs. Diamond vorgestellt worden war, begann der Restaurantbesitzer sie mit einer kalten, fast übertrieben Förmlichkeit zu behandeln, die sie innerlich zur Weißglut brachte. Sie hatte gelernt, Verachtung für die Menschen zu empfinden, die sie auf Grund ihres Aussehens in jene Kategorie von Frauen einstuften, die ältere Männer nur ihres Geldes wegen heirateten. Eigenartigerweise empfand Sarah aber ein stilles Vergnügen an den häufigen Besuchen bei Angellini’s, weil sie stolz darauf war, dass sie diesem engstirnigen, mit Vorurteilen behafteten Mann ihre Feindseligkeit nicht zeigte. Absichtlich schenkte sie ihm ein süßes Lächeln, um dann gegenüber Ralph besonders aufmerksam zu sein, und sie genoss das Gefühl, dem Italiener seinen ungerechtfertigten Spott mit gleicher Münze zu erwidern. Ihm hingegen fiel es schwer, seine Gefühle zu verbergen. Bei ihrem Anblick schaute er immer verdrossen drein, wenngleich dies sein gutes Aussehen nicht beeinträchtigte. Von seinen romanischen Vorfahren hatte er dieses dunkle, geheimnisvolle Aussehen, das Frauen so begeisterte: Ausgeprägte, gemeißelte Gesichtszüge, durchdringende schwarze Augen, volles, schwarzes Haar, ein sinnlicher Mund. Und er besaß diese elegante, arrogante Anmut, der ein Smoking den umwerfenden Schliff verlieh. Nicht, dass Sarah in Verzückung geriet. Die schwelende Feindseligkeit, die sie gegen ihn empfand, machte sie gegen seine starke sexuelle Ausstrahlung immun. Es hätte eine Zeit geben können, wo seine Männlichkeit ihr den Kopf verdreht hätte - mit sechzehn oder siebzehn wäre sie genauso wie jedes andere Mädchen hingerissen gewesen. Doch als sie Ralph begegnet war, wenige Wochen vor ihrem neunzehnten Geburtstag, war sie von der Irrationalität ihrer jugendlichen Hormone ein für alle Mal geheilt worden. Ralphs würdige Reife und sein Mange l an sexueller Aggressivität waren für sie wie eine frische Brise gewesen. Anfangs hatte sie sich natürlich wegen seines Alters Sorgen gemacht, doch er war ein sehr entschlossener Mann gewesen und hatte ihr mit einer altmodischen Ehrerbietung den Hof gemacht, die sie sowohl fesselte als ihr auch schmeichelte. Himmel, er war ein gut aussehender, intelligenter, einflussreicher Multimillionär, der jede Frau haben könnte, die er haben wollte. Und er hatte sie gewollt!
Natürlich hatte sie sein Geheimnis damals nicht erkannt. Doch selbst, wenn es so gewesen wäre, hätte ich mich in ihn verliebt, glaubte Sarah. Von Anfang an hatte sie sich bei ihm als etwas Besonderes gefühlt. Bei Michael Angellini hingegen fühle ich mich nie als etwas Besonderes, dachte sie, während sie zu ihm aufschaute. Er weckte in ihr nur Wut. Und das war auch jetzt so. „Ja, ich bin’s.“ Sie war kurz angebunden. „Was wünschen Sie?“ fragte sie. „Wie sind Sie eigentlich hier hochgekommen? O nein! Erzählen Sie bloß nicht, Sie wohnen in dem anderen Penthouse!?“ Das Gebäude war so groß, dass die oberste Etage in zwei luxuriöse Dachwohnungen aufgeteilt worden war. Er holte verärgert Luft, wobei sich seine breite Brust unter dem blassblauen Sweater hob. „Ich fürchte, ja“, erwiderte er mit kühler Höflichkeit. „Ich war gerade auf dem Balkon und mir war; als hörte ich jemanden schreien. Natürlich machte ich mir Sorgen. Aber ich wusste nicht, dass Sie hier sind, Mrs. Diamond. Ich glaubte, dies sei das Apartment Ihres Mannes.“ Es war klar, was er meinte. Zur Rettung jedes anderen wäre er gekommen. Doch sie hätte sich das Herz aus dem Leibe schreien können, und er hätte keinen Finger gerührt. „Zufällig ist dies mein Apartment “, sagte sie knapp, bevor ihr klar wurde, was der Mann eigentlich gesagt hatte. Sie scha lt sich wegen ihrer Dummheit, löste die Kette und öffnete die Tür ganz. „Sie haben Ralph kürzlich gesehen, nicht wahr?“ fragte sie. Jetzt kümmerte sie nicht mehr, ob sie sich mochten oder nicht. Wenn dieser Mann eine Information über Ralph hatte, wollte sie sie haben. Vielleicht fand sie hier endlich Antworten. Ihr Besucher wirkte verwirrt, und seine schwarzen Augen zeigten Erstaunen. „Sie haben geweint!“ stellte er fast vorwurfsvoll fest. Jetzt war Sarah betroffen, weil sie ihre Tränen bereits vergessen ha tte. „Ja ... nein; ich ...“ Verdammt, was war los mit ihr? Musste sie so hilflos und verwirrt sein, nur weil er darüber schockiert war, dass eine berechnende Frau wie sie weinen konnte? „Ist das wichtig?“ brachte sie endlich schroff heraus. Er blinzelte. „Ich will nur wissen, wann Sie Ralph zum letzten Mal gesehen haben“, fuhr sie drängend fort. Er musterte sie, bevor, er sprach. „Vor ein paar Wochen. “ „Meinen Sie im Restaurant oder hier?“ beharrte sie. „Bei seinem letzten Besuch im Restaurant haben Sie ihn begleitet, und das ist über ein Jahr her.“ „Oh ...“ Sie runzelte die Stirn. „Also dann hier?“ „Ja, wir begegnen uns gelegentlich. Aber was soll das alles, Mrs. Diamond? Sie werden doch mit Ihrem Exmann in Verbindung stehen, wenn Ihnen dieses Penthouse jetzt gehört?“ „Nein“, gab sie zu. „Ich ...“ Ihre Unsicherheit machte sie betroffen. Sie wollte nicht zusammenbrechen, am allerwenigsten vor diesem Mann. „Ich habe Ralph seit vierzehn Monaten nicht gesehen“, sagte sie schließlich mit erstickter Stimme. Das Mitgefühl veränderte Michael Angellinis Gesicht auf seltsame Weise. Es machte ihn fast menschlich. Sein Mund wurde weich. Und seine gewöhnlich so harten Augen betrachteten sie mit überraschender Wärme und Mitleid. Und dann tat er etwas, das Sarah lahmte. Er berührte sie. Es war keine intime oder kühne Berührung. Er streifte nur leicht mit seiner Hand ihre Schulter. Doch diese Berührung schien sich in ihre Haut einzubrennen. Sie erstarrte und ihre Augen weiteten sich. „Ich glaube, Mrs. Diamond “, sagte er, wobei er ihre Schulter kurz drückte, bevor er sie losließ, „Sie könnten einen Drink brauchen. Sie wirken sehr angespannt. Wollen Sie nicht mit zu mir kommen, um sich etwas zu beruhigen? “ Sarah starrte den Mann an, den sie immer verabscheut hatte, unfähig, ihre Reaktion auf seine Berührung zu verarbeiten. Eine sexuelle Reaktion konnte das sicher nicht sein!
„Ist mit Ihnen alles in Ordnung, Mrs. Diamond? Sie sehen etwas ... seltsam aus.“ „Ja, natürlich“, entgegnete sie verwirrt. Er hob eine seiner dunklen Augenbrauen, und seine schwarzen Augen wurden wieder hart. „Natürlich“, wiederholte er langsam. „Also, nehmen Sie einen Drink mit mir? Oder wollen Sie lieber allein sein? “ Sarah musterte das dunkle, hübsche Gesicht schnell und war beruhigt, dass sie jetzt dabei nichts empfand. Überhaupt nichts! Sie seufzte erleichtert. Es war der Schock darüber ge wesen, dass ihr langjähriger Feind sie mit der Hand berührt hatte. Zweifellos reagierte sie im Augenblick auf Mitgefühl überempfindlich. Doch zugleich kam ihr der Gedanke, dass er ihre Reaktion auf seine Berührung missverstanden haben könnte und er sie vielleicht sogar als leichte Beute für sein Junggesellenbett betrachtete. Der Zwischenfall mit Charles heute Morgen hatte ihr gezeigt, dass ein Mann sie nicht mögen musste, um ihr nachzustellen. „Sie brauchen die Einladung natürlich nicht anzunehmen“, sagte er kurz, als er ihr Stirnrunzeln bemerkte. „Ich wäre nicht im Geringsten beleidigt. Ich dachte nur, dass Ihnen etwas Gesellschaft vielleicht gut täte. Glauben Sie mir, ich bin mir wohl bewusst, dass Ihnen meine Gesellschaft in der Vergangenheit nie gefallen hat.“ Sarah brauste auf. „Da stellt sich wieder einmal die Frage: Was war zuerst da?“ entfuhr es ihr. „Das Huhn oder das Ei?“ Er starrte sie einen Augenblick an und lachte dann. Ihr Blick wanderte zu seinen blendend weißen Zähnen und dem Grübchen an seinem Kinn. Doch seine Augen lachten nicht. Sie blieben hart und kalt wie immer. Aus irgendeinem Grund ärgerte sie das mehr als sonst. „Auf den Drink würde ich später vielleicht zurückkommen“, sagte sie eisig, obwohl ihr Puls raste. Das Lachen auf seinen Lippen erstarb, und seine Wangenmuskeln spannten sich. „Seien Sie nicht albern“, meinte er knapp. „Ich habe Ihnen nur einen gemeinsamen Drink angeboten. Und sonst nichts!“ Er schaute beiseite und fuhr sich durchs Haar. „Ich bin kein Masochist“, murmelte er verhalten, bevor er sie wieder ansah und laut hinzufügte: „Ich dachte, Sie wollten etwas über Ihren Exmann erfahren. Also lassen Sie uns nicht mehr streiten. Wo sind Ihre Schlüssel? Ah ... ich sehe sie.“ Er trat ein, nahm die Schlüssel vom Tisch in der Mitte des Wohnzimmers und kam zurück. Er schob Sarah hinaus und schloss die Tür. Dann nahm er sie beim Ellbogen; führte sie über den Korridor, geleitete sie zu einer offenen Tür und ließ sie auf einem cremefarbenen Ledersofa Platz nehmen, das mit dem in Ralphs Apartment identisch war. „So!“ Er begab sich zu der Bar aus Glas und Chrom, die sich an einer Wand befand. „Das war doch nicht schwer, oder?“ Sarah öffnete den Mund, schwieg dann aber. Sie wagte es noch nicht, etwas zu sagen. Ein „Masochist“? Sie hatte seine leise Bemerkung wohl gehört. Es war eine absolute Beleidigung. Sie kochte. Das war die typische Betrachtungsweise der Männer ihr gegenüber. Unglücklicherweise besaß dieser Mann Informationen, die sie brennend interessierten. Also musste sie ihr irisches Temperament im Augenblick zügeln. Doch, bei Gott, wenn er wieder mit einer solchen Bemerkung kam, würde sie es ihm zeigen! Und dann würde sie sich nicht wie die beherrschte, elegante Mrs. Diamond geben, sondern als Sarah Twynan, das Mädchen, das daran gewöhnt war zu kämpfen, um zu überleben!
2. KAPITEL
„So!“ Michael stellte zwei Kristallgläser auf die gläserne Barplatte. „Was möchten Sie trinken? Das Übliche?“ Sarah starrte ihn an. „Meine werte Dame“, kam die trockene Bemerkung. „Sie brauchen nicht überrascht zu schauen. Sie und Ihr Gatte waren jahrelang Stammgäste in meinem Restaurant. Es ist meine Aufgabe, die Vorlieben und Abneigungen meiner Gäste zu kennen. Ich wäre kein guter Gastgeber, hätte ich mir nicht gemerkt, dass Sie vor dem Essen nur WodkaOrange trinken und trockenen Riesling oder weißen Burgunder zu Ihren Mahlzeiten. “ Er schob die Ärmel hoch und warf einen Blick auf seine goldene Armbanduhr. „Da es jetzt auf fünf zugeht, tippte ich auf Wodka-Orange.“ Er richtete seine schwarzen Augen auf sie. „Irre ich mich?“ fragte er langsam. „Oder hat sich Ihr Geschmack im letzten Jahr geändert?“ Sarahs grüne Augen blitzten, während sie seinen harten Blick erwiderte. Sie war sicher, dass die letzten Worte eine versteckte Andeutung bargen. Natürlich dachte er, sie habe als Mrs. Diamond ihren Geschmack raffiniert dem Ralphs angepasst, der Wodka und trockene Weißweine über alles liebte. Zweifellos erwartete der scharfsinnige Mr. Angellini, dass eine professionelle Geldjägerin wie sie sich bereits den nächsten Mann geangelt und ihre Geschmäcker folglich ihm angepasst habe. In einem Anflug von Galgenhumor lächelte sie verführerisch. „Warum schenken Sie mir nicht etwas ein, was Sie mögen? “ säuselte sie. „Ich bin sicher, Sie haben einen exzellenten Geschmack.’“ Sie schaute ihn unter gesenkten Lidern an und hielt dieses offenkundig für das ihm gebührende Verhalten. Er funkelte sie einen Augenblick an und lachte dann trocken auf. „Hören Sie auf, Mrs. Diamond “, spottete er. „Sie erwarten doch wohl nicht von mir, dass ich auf diesen Lidschlag und die heisere Stimme reinfalle? Sparen Sie sich das für eine ältere, empfänglichere Beute. Für jemanden, der von Ihrer Schönheit so benommen ist, dass er das Aufblitzen der Dollarzeichen in Ihren grünen Augen nicht registriert.“ Er verschränkte die Arme und schaute sie stirnrunzelnd an. „Sie verwirren mich trotzdem. Sie sind eine kluge Frau, eine Expertin in Sachen männlicher Psyche, wie ich denke. Ich glaube nicht, dass Sie mich ernsthaft für so leichtgläubig halten. Mir ist schließlich klar, dass Sie wohl wissen, dass ich Ihrer selbstgewählten Berufung gegenüber nie blind gewesen bin.“ Sarah hätte auf verschiedene Weise reagieren können. Mit einem heftigen Temperamentsausbruch. Mit würdevoller Wut. Mit eisigem Schweigen. Mit Tränen. Stattdessen spielte ein kaltes Lächeln um ihre Lippen, und sie genoss es zu sehen, dass ihr Gegenüber schockiert wirkte. „Um ehrlich zu sein“, gestand sie kurz, „es war eine improvisierte Vorstellung. Aber ich bin erleichtert darüber, dass Sie das sofort durchschaut haben. Gott weiß, was ich sonst getan hätte.“ Er versteifte sich, stützte sich auf die Bar und in seinen schwarzen Augen schwelte Wut. Die Tatsache, dass sie ihn endlich getroffen hatte, beschwichtigte Sarah. „Aber in einem Punkt haben Sie Recht, Mike“, fuhr sie fort. „Mir gefällt Ihre Gesellschaft nicht, und ebenso wenig bin ich eine Masochistin. Ich kam nur her, weil ich Neuigkeiten über meinen Mann erfahren wollte.“ „Exmann“, erinnerte er sie trocken. „Was auch immer.“ Sie stand auf. Sie versuchte, sich ruhig zu geben, war aber innerlich aufgewühlt. „Wenn Sie nicht den Anstand haben, mir zu erzählen, was Sie wissen, ohne mich wieder zu beleidigen, dann sagen Sie das, und ich werde gehen. “ Er sagte das nicht. Er stand einfach hinter der Bar und starrte sie an. Sarah gewann
den seltsamen Eindruck, dass sie mit ihrem’ entschiedenen Auftreten die Meinung dieses Mannes mehr verändert hatte, als sie es in den Jahren als Ralphs Frau geschafft hatte. „Ich sehe, dass in Ihnen mehr steckt, als es den Anschein hat, Mrs. Diamond “, sagte er schließlich. Sie hob die Augenbrauen. „Soll ich mich durch diese Bemerkung geschmeichelt fühlen? “ Michael Angellini lachte trocken auf. „Nein, ich denke nicht.“ „Würden Sie mir dann freundlicherweise aus meiner Not helfen und mir erzählen, was Sie über Ralph wissen? “ Wieder schaute er sie scharf an. „Und in dieser Not befinden Sie sich wegen Ihres ... wegen Mr. Diamond?“ Verärgert schüttelte sie den Kopf. „Ginge es Ihnen nicht so, wenn der Mensch, mit dem Sie verheiratet sind, Sie eines Tages ohne ein Wort der Erklärung hinauswirft und sich dann weigert, mit Ihnen zu sprechen? “ „Doch“, gab er langsam zu. „Wenn ich diesen Menschen wirklich geliebt hätte und wüsste, dass ich nichts getan hatte, um ein solches Verhalten auszulösen. “ Sarah knirschte mit den Zähnen. „Oh, natürlich“, brachte sie heraus. „Ich vergaß, dass so etwas nicht zu mir passt. Dalila und lsabel in einem, nicht wahr? Die Art weiblichen Vamps, die ältere Männer in sexuelle Abhängigkeit bringt, um ihnen jeden Cent auszusaugen und sie dann den Wölfen vorwerfen, wenn das Spiel langweilig wird oder eine bessere Partie in Sicht kommt.“ Über diesen verbalen Angriff war er deutlich verblüfft, zuckte dann aber gelassen die Schultern. „Das haben Sie gesagt, nicht ich. “ „Aber Sie haben es gedacht “, fuhr sie ihn an. „Sie haben das schon an jenem Abend gedacht, als Ralph mich zum ersten Mal in Ihr verdammtes Restaurant führte.“ Er funkelt e sie an. Seine Augen blickten wieder kalt. „Sie müssen zugeben, dass Sie den Eindruck machten, eine geistlose, sexorientierte und geldgierige Frau zu sein, da Sie mit einem Mann verheiratet waren, der Ihr Vater sein könnte!“ „Alter hat nichts mit Liebe zu tun“, warf sie ein. „Und ich war nicht geistlos, sondern scheu. Wortkarg ...“ „Scheu? Wortkarg? Hören Sie doch auf!“ brauste er auf. „Ja“, beharrte sie. „Zuerst.“ „Sie haben aber schnell gelernt, was von Ihnen erwartet wurde“, betonte er. „Ich habe nie zuvor eine so vollendete Kurtisane gesehen wie Sie. Sie haben ihn mit Blicken verschlungen, über jeden seiner Witze gelacht. Und die Kleidung, die Sie getragen haben! Oder besser, nicht getragen haben! Wohl kaum die Art, wie eine scheue Frau sich kleidet!“ Sarah errötete heftig, weil in diesem Vorwurf Wahrheit steckte. Ralph hatte immer ihre Kleider ausgesucht, und er bevorzugte Abendgarderobe, die sehr sexy war. Tiefe Ausschnitte und bloße Schultern ließen nur ein Minimum an Unterwäsche zu. Ebenso wenig konnte sie die Tatsache leugnen, dass sie es mit ihrem Flirten oft übertrieben hatte, aus einem gewissen Trotz heraus den stets vorwurfsvollen Blicken ihres Gastgebers gegenüber. „Ich war immer schicklich gekleidet“, verteidigte sie sich. „Ich habe mich schicklich benommen. Ralph war mein Mann, und Sie hatten kein Recht, mich hinter seinem Rücken zu verspotten. “ „Ich habe nie gespottet.“ „Mich können Sie nicht täuschen!“ „Offensichtlich doch! “ schnappte er. Sie maßen sich schweigend mit Blicken. Und dann tat er etwas Seltsames. Er seufzte und schaute sie fast entschuldigend an. „Lassen Sie uns damit Schluss machen“, bat er. „Finden Sie nicht, dass das
kindisch ist? Wenn es Ihnen hilft, entschuldige ich mich. Und nun beruhigen Sie sich und setzen Sie sich. Ich bringe Ihnen den Drink.“ Er lachte schief. „Ich denke, Sie können wirklich einen brauchen. “ Sarah blieb einen Augenblick betroffen stehen. Dann setzte sie sich auf das Sofa, weil sie zu zittern begann. Was war, los mit ihr, dass sie sich gegen diesen Mann so wehrte? Was zählte es, was er von ihr dachte? Er bedeutete ihr nichts! Es ging nur darum, etwas über Ralph zu erfahren. Ärgerlich schaute sie, jetzt wieder völlig gefasst, zu Michael hinüber, der geübt die Drinks mixte. Erst gab er Eiswürfel in die Gläser, dann einen Schuss Wodka, und dann füllte er die Gläser mit frischem Orangensaft auf. Als er mit den Drinks zu ihr kam, musste sie zugeben, dass er leger gekleidet fast ebenso gut aussah wie im Abendanzug. Der Pullover betonte seine breiten Schultern und zeigte, dass sie nicht eine durch perfekte Schneiderkunst erzeugte Illusion waren. Sarahs Blick wanderte zu seinen schmalen Hüften und den langen Beinen, die in einer grauen Hose steckten. Es ärgerte sie, dass sie sich bei der Überlegung ertappte, wie er wohl in hautengen Jeans aussehen mochte. „Bitte“, sagte er und reichte ihr den Drink wie ein geübter Kellner, ohne einen Tropfen zu verschütten. Und wahrscheinlich ist er einmal Kellner gewesen, dachte sie, bevor ihr einfiel, dass sie unter diesem Gesichtspunkt viel gemeinsam hatten. Bevor sie Ralph heiratete, war sie Kellnerin gewesen. Ihr kam kurz der Gedanke, dass die Jahre als wohlhabende und privilegierte Mrs. Diamond sie zum Snob gemacht haben könnten, da Sarah Twynan nie die Nase über irgendeine Arbeit gerümpft hätte. Sei nicht albern, schalt sie sich. Du hast allen Grund, diesem Mann gegenüber Abstand zu halten. Das hat nichts mit seinem Beruf zu tun. „Sie wissen also wirklich nicht, warum Mr. Diamond Ihre Ehe beendet hat?“ fragte Michael. Er sah sie durchdringend an. Der durchdringende Blick machte sie nervös. „Nein“, gab sie zu. Er setzte sich neben sie auf das Sofa, führte sein Glas an die Lippen und betrachtete sie dabei über den Gläserrand. Sarah versuchte verzweifelt zu ignorieren, wie dieser Blick auf sie wirkte. Sie fühlte sich verlegen, sogar etwas ängstlich. Weshalb? fragte sie sich. Weil sie allein mit ihm in seinem Apartment war? Michael Angellini schien nicht der Typ Mann zu sein, der sich unhöflich benahm, wenn er nicht dazu ermutigt wurde. Rein oberflächlich zumindest war er ein Gentleman. Sarah verdrängte diese unlogischen Überlegungen. „Ich kam eines Tages nach Hause und fand meine Koffer gepackt vor“, erklärte sie widerwillig. „Ralph gab mir keine andere Erklärung als die, dass unsere Ehe beendet sei. “ Der Mann neben ihr war sichtlich bestürzt. Er richtete sich auf und starrte sie an. Sarah nippte zitternd an ihrem Drink. „Ich ... ich versuchte, den Grund herauszufinden, aber er ging nicht darauf ein“, fuhr sie erregt fort. „Ich glaube, dass ich am Ende etwas hysterisch wurde. Ralph rief einen seiner Leibwächter und ließ mich aus dem Haus schaffen. “ „Mein Gott, das ist ja entsetzlich! “ Der große Abscheu, den seine Miene zeigte, verwirrte Sarah. Und doch war es seltsam tröstlich, dass ein anderer Ralphs Verhalten unentschuldbar fand. Selbst ihre Mutter hatte gemeint, die Schuld müsse bei ihr liegen. Andererseits glaubte die arme Molly immer, Frauen seien schuld, wenn eine Beziehung endete. „Wie ich Ihnen schon sagte ...“, brachte sie unsicher heraus, „... habe ich Ralph in den vierzehn Monaten, die seitdem vergangen sind, nicht gesehen. Nicht, dass ich das nicht versucht hätte.“ Und sie erzählte zu ihrer eigenen Überraschung dem aufmerksamen Zuhörer von all ihren Bemühungen, ihren Ex- mann zu treffen.
„Sie sehen“, sagte sie schließlich. „Mich interessiert es brennend, überhaupt etwas über Ralph zu erfahren, ich will Antworten. Ich brauche Antworten! “ „Natürlich“, stimmte er zu. „Niemand verdient es, so behandelt zu werden. “ Nicht einmal eine kleine Mitgiftjägerin wie ich, fügte Sarah stumm mit einem leisen Seufzer hinzu. Eigenartigerweise schmerzte es sie plötzlich, dass dieser Mann eine so geringschätzige Meinung von ihr hatte. Es schmerzte sehr. Ralph hätte die Meinung anderer einfach ignoriert, doch Sarah ärgerte sich immer mehr darüber, dass die Leute sie für kaum mehr als ein leichtes Mädchen hielten. Sie erschauerte unwillkürlich. „Ist etwas mit Ihrem Drink nicht in Ordnung? “ fragte er darauf. Sarah erkannte bitter, dass sie Expertin darin geworden war, überlegen zu wirken und völlig ausdruckslos dreinzuschauen. Doch irgendwie erwies es sich als schwierig, den Schmerz zu verbergen, den dieser Mann auslöste. Ihr künstliches Lächeln wollte einfach nicht kommen, und als sie ihn anschaute, merkte sie, dass sie sich in seinen unglaublich schwarzen Augen verlor, die in diesem Augenblick voll entwaffnenden Mitgefühls waren. Sie wandte den Blick ab und starrte auf ihr halb leeres Glas. „Nein“, sagte sie kurz. „Er ist gut.“ Sie nahm fast den ganzen Rest in einem Schluck, räusperte sich und blickte auf. „Sie sind sehr nett zu mir, Michael. Bedenkt man ...“ Er schaute sie nur für eine Sekunde an, doch sie glaubte, eine Spur von Ironie in seinen Augen zu sehen. Er griff wieder nach seinem Drink. „Meine Freunde nennen mich Mike“, sagte er ruhig. Sarah war überrascht. Dann lachte sie. „Aber ich gehöre nicht zu diesem Kreis.“ Er lächelte. „Was nicht ist, kann ja noch werden. “ „Das bezweifle ich sehr.“ „Warum? “ Sie schaute ihn ungläubig an. „Warum? In erster Linie, weil Sie mich nicht mögen!“ „Ah ...“ Sein Lächeln wurde zynisch. „Ich kann nicht leugnen, dass ich Sie nicht sonderlich mochte, als Sie Mrs. Diamond waren. Aber als ... Sarah, so heißen Sie doch?“ „Ja“, gestand sie vorsichtig. „So einfach als Sarah, denke ich; könnte ich Sie mögen“, stellte er mit verführerisch weicher Stimme fest. Er lehnte sich zurück und nahm einen weiteren Schluck. Sarah spürte die Anspannung im Magen. War es das, worauf sie unbewusst gewartet hatte, etwas, das sie zutiefst aufb rachte? Dass ihr Feind sexuellen Gefallen an ihr fand? Sie funkelte ihn an. „An diese Art von Bemerkung werde ich mich wohl gewöhnen müssen“, schnappte sie. „Aber ich hatte geglaubt, dass ein so begehrter Mann wie Sie nicht darauf angewiesen ist, frustrierten geschiedenen Frauen nachzustellen. “ Er hob sardonisch eine Augenbraue. „Und sind Sie frustriert, Sarah? “ „Oh, um Himmels willen! “ Sie stand auf und setzte ihr Glas heftig auf den niedrigen Marmortisch vor dem Sofa ab. „Ich werde nicht länger bleiben und mir sexuelle Anspielungen gefallen lassen. Offensichtlich war Ihr Freundschaftsangebot eine List. Sie können mir gar nichts Neues von Ralph erzählen. Sie wollen mich nur in Ihr Bett bekommen!“ Er lächelte schief. „Lassen Sie mich Ihnen versichern, meine liebe Sarah, dass mir ein solcher Gedanke nie gekommen ist“, sagte er langsam. „Natürlich ...“, fügte er hinzu, wobei sein Blick zu ihrem bebenden Busen wanderte. „... würde ich ein solches Angebot, käme es von Ihnen, nicht abschlagen. Oder sind Sie nicht so frustriert?“ „Oh!“ keuchte sie. „Oh! “ wiederholte sie und stampfte mit dem Fuß auf. „Sie ...“
Knallrot und voller Zorn machte sie auf dem Absatz kehrt und eilte zur Tür. „Mr. Diamond hatte immer dieselbe junge Frau bei sich. “ Sarah erstarrte im Schritt, drehte sich dann um. Es gab also eine andere Frau, ein neues „Projekt“, an dem Ralph arbeitete, einen neuen „Besitz“. Seltsamerweise hatte sie geglaubt, sie würde erleichtert sein, wenn sie endlich die Antwort erfuhr. Stattdessen fühlte sie sich völlig am Boden zerstört. Und das, obwohl sie geglaubt hatte, ihre Liebe zu Ralph sei schließlich erloschen. „Eine ... eine junge Frau? “ fragte sie ausdruckslos. „Ja. Eine Brünette. Attraktiv. Sehr gut aussehend. Ein Karrieretyp. Obwohl ich zugeben muss, dass ich nicht glaube, dass sie Geschäftspartner waren. Tatsache ist“, fuhr Michael fort, „dass sie für mich eindeutig ein Liebespaar waren. Ich sah sie mehrmals sehr früh morgens aus dem Penthouse kommen. Einmal hatten sie auf dem Korridor ihre Arme umeinander geschlungen. “ Liebespaar? Unwillkürlich griff Sarah sich zitternd an den Hals, während sie versuchte, einen Sinn in Michaels Beobachtung zu erkennen. Wie konnte Ralph eine Geliebte haben? Außer ... außer, er hatte sie belogen ... Sarah fühlte sich ganz krank. Sie wurde kalkweiß und senkte den Blick. Warum hatte er so etwas getan? „Kommen Sie und setzen Sie sich. “ Sie hob ruckartig den Kopf, als sich Hände sanft um ihre Schultern legten. Wie war er so schnell zu ihr gelangt? Gerade noch hatte er gesessen. „Kommen Sie.“ Er führte sie zum Sofa und setzte sie. „Es tut mir Leid, Sarah. Ich hätte Ihnen das nicht so direkt sagen sollen. Mir war nicht klar ...“ Sie schaute ihn schmerzerfüllt an. „Was?“ sagte sie mit schwacher Stimme. „Dass ich mich wirklich um meinen Mann sorge? Dass ich aufgebracht sein könnte, wenn ich feststelle, dass er mir vielleicht die ganze Zeit untreu war?“ Er hockte sich vor sie und nahm ihre Hände. „Vielleicht hat Mr. Diamond jetzt eine Geliebte. Aber ich glaube nicht, dass er Sie betrogen hat, als Sie noch zusammenlebten. “ Die Heftigkeit in seiner Stimme überraschte sie. „Ich kann mir nicht denken, dass ein Mann, der eine Frau wie Sie im Bett hat, nach anderen Frauen schaut “, fuhr er fort. Für eine Sekunde hätte sie fast über die Ironie seiner Bemerkung gelacht. Dann verstand sie genau, was er eigentlich meinte, nämlich, dass sie als „Profi“ in der Liebeskunst genug Erfahrung hätte, um einen Mann zu fesseln. Es machte sie wütend, dass seine schlechte Meinung von ihr sie störte. Sie würde sich jedoch hüten, zu erkennen zu geben, dass er sie wieder verärgert hatte. Sie lachte, jedoch voller Sarkasmus. Und sie entzog ihm ihre Hände. „Eine typisch oberflächliche Bemerkung eines Mannes! Keine Frau ist so gut. Irgendwie, habe ich von Omen, Michael Angellini, mehr erwartet als die Überzeugung, Sex allein könne einen Mann ewig binden. Oder ist das bei Ihnen der Fall?“ Sie konnte sich den letzten Satz nicht verkneifen. Seine schwarzen Augen glitzerten gefährlich, als er sich langsam erhob. Sie hatte ihn mit dieser Bemerkung getroffen. Das geschieht ihm recht! dachte sie. Trotzig hob sie ihr Kinn und erwiderte seinen Blick. Denk von mir, was du willst, höhnten ihre Augen. Das ist mir völlig egal! „Sie irren sich vollkommen, Sarah“, entfuhr es ihm. „Sex allein bindet mich nicht. Ich wünschte, es wäre so“, sagte er gepresst, während er sich wieder aufs Sofa setzte. „Sex ist zumindest direkt und einfach. Die Probleme beginnen erst, wenn Beziehungen sich vertiefen. “ Sarah merkte, dass sie ein seltsames Mitgefühl für ihn empfand. Er klang ehrlich gequält, als ob er stark unter einer unglücklichen Liebe gelitten hätte und noch litt. Sie konnte es nicht ertragen, jemanden so niedergeschlagen zu sehen - nicht einmal Mike. Sie wusste, was das für ein Gefühl war.
Sie warf ihm einen raschen Blick zu und überlegte, ob dies der Grund war, warum er nicht geheiratet hatte. Vielleicht liebte er eine Frau, die seine Liebe nicht erwiderte? Ein wenig Schuldgefühl erfasste sie bei dem Gedanken, ihm vielleicht Unrecht getan zu haben. Natürlich glaubte sie nicht, sich bei ihm entschuldigen zu müssen. Er hatte immer mehr ausgeteilt, als er einstecken musste. Und zudem waren sie wieder von Thema abgekommen. „So“, sagte sie bitter. „Ralph leidet also überhaupt nicht unter einer entstellenden Krankheit.“ Ihr Gastgeber schaute sie überrascht an. Sarah zuckte die Schultern. „Das war eine meiner Theorien, warum Ralph mich hinausgeworfen hat.“ „Ich verstehe “, nickte Mike. „Aber Mr. Diamond sah so gesund wie, immer aus, obwohl mir seine neue Haarfarbe nicht gefällt. Ich finde, ein Mann sollte würdig ergrauen. “ „Er hat sein Haar gefärbt?“ Der Gedanke erstaunte Sarah. Zugegeben, Ralph war auf sein volles braunes Haar immer sehr stolz gewesen, aber das Grau an seinen Schläfen schien ihn nie gestört zu haben. Zweifellos will er jünger aussehen, um seine neue Geliebte zu beeindrucken, dachte sie bitter, um dann darüber nachzudenken, wie viele andere noch da gewesen sein mochten. „Ja, er ist erblondet.“ „Gute Güte!“ Sie stand auf und schüttelte verwirrt den Kopf. „Mehr ist dazu wohl nicht zu sagen, oder?“ Ihr Gastgeber sprang auf. „Gehen Sie noch nicht“, sagte er überraschend eindringlich. „Gehen Sie mit mir heute Abend zum Essen aus.“ Sie schluckte, unfähig ihren Schreck zu verbergen. „Das soll wohl ein Witz sein!“ Er schaute sie an. „Keineswegs.“ „Aber ... aber warum? “ stammelte sie. „Warum nicht?“ erwiderte er. Sie lachte trocken. „Ich denke, Sie wissen verdammt gut, warum nicht.“ Michael Angellini wandte nicht den Blick von ihr. „Gehen Sie mit eine m anderen aus?“ Sie atmete tief ein und zählte bis zehn. „Nein“, sagte sie, am Rande ihrer Geduld. Das war einfach zu lächerlich; „Ralph wird heute Abend nicht allein essen“, stellte er ruhig fest. „Warum sollten Sie das dann? “ Sarah sah ihn scharf an. „Das ist unfair.“ Ein Lächeln spielte um seinen Mund. „Es gibt Zeiten ...“, sagte er langsam, „...in denen man alle Waffen einsetzen darf. “ Sarah hatte nicht die geringste Ahnung, wovon er sprach. „Sagen Sie ja, Sarah. Das wird Sie nicht umbringen. Wir schließen Waffenstillstand für den Abend.“ „Oh, Sie geben also zu, dass wir nicht gerade Freunde waren? “ betonte sie trocken. „Und das werden wir wohl auch kaum werden, solange Sie so eine Meinung von mir haben. “ „Sie könnten mich vom Gegenteil überzeugen“, schlug er mit reuigem Lächeln vor. „Pah!“ Sie streifte sich eine Locke aus dem Gesicht. „Eher würde es mir gelingen, Greenpeace zum Walfang zu bewegen!“ Er lachte, und diesmal erfüllte echte Heiterkeit seine Augen. Sarah merkte plötzlich, dass ihr Geplänkel nicht mehr ernst war. Offen gestanden genoss sie den Schlagabtausch. „Also sagen Sie schon ja, Sarah. Ich habe Sie nur geboten, mit mir zum Dinner auszugehen, nicht, mich zu heiraten!“
In dieser Bemerkung war etwas, das Sarah veranlasste, ihm einen arroganten Blick zuzuwerfen. „Danke für kleine Wohltaten! “ ‚ Daraufhin musterte er sie sekundenlang und offenbar angespannt. Dann entspannte er sich und lächelte leicht. „Temperament haben Sie aber, nicht wahr?“ Er ergriff ihren Ellbogen und führte sie zur Tür. „Kommen Sie, sonst ändern Sie noch Ihre Meinung und gehen heute Abend nicht mit mir essen. “ Sie blieb stehen und schaute ihn verärgert an. „Darf ich Sie daran erinnern, dass ich noch nicht Ja gesagt habe?“ „Wirklich? Ich hätte darauf schwören können. “ Unwillkürlich musste Sarah lächeln. „Bedeutet ein Nein für Sie immer ein Einverständnis?“ Er lächelte wieder leicht. „Nicht oft.“ „Dann sollte ich Sie vielleicht daran erinnern, wie es ist, einen Korb zu bekommen“, sagte sie herausfordernd. Er lächelte sardonisch. „Das wäre nicht das erste Mal.“ „Das überrascht mich. Ich hätte geglaubt, dass ein Mann wie Sie keine Probleme mit Damen hat.“ Er zuckte die Schultern. „Man kann nicht alle haben. “ Sarah glaubte, so etwas wie Schmerz in diesen Worten zu hören, und sie erinnerte sich an ihren Eindruck, dass Mike vielleicht an gebrochenem Herzen litt. Das berührte sie überraschenderweise. Ihr gefiel der Gedanke nicht, dass ein anderer so litt wie sie. Dieser Gedanke brachte sie darauf, dass er möglicherweise ebenso über sie dachte und dass diese Einladung zum Abendessen eine echte freundliche Geste sein könne. Sie beschloss, würdevoll nachzugeben und es hinter sich zu bringen. „Also gut“, sagte sie resigniert lächelnd. „Ich komme. Nur dieses eine Mal. “ Er schien erfreut zu sein. „Wunderbar. Wann darf ich Sie abholen? “ Plötzlich dämmerte ihr, dass er vielleicht glaubte, sie würde in das Penthouse ziehen. Deshalb versuchte sie zu erklären, dass sie nicht die Absicht habe, in dem Penthouse zu wohnen, sondern es wahrscheinlich verkaufen würde, und dass sie bei ihrer Mutter in einem hübschen kleinen Haus in der Vorstadt Killara wohne. Darüber schien er nicht erfreut zu sein. Er runzelte die Stirn. Sarah schloss daraus, dass seine Nächstenliebe nicht so weit ging, dass er zwei Mal zwanzig Minuten durch den dichten Verkehr fahren würde. „Wenn es Ihnen zu viel Mühe macht...“, setzte sie an. ,;Nein, nein ... keine Mühe.“ Doch das Stirnrunzeln war nicht völlig verschwunden. „Geben Sie mir einfach die Adresse und sagen Sie, wann ich kommen soll. Übrigens, haben Sie einen bestimmten Wunsch, wo wir essen sollen? “ „Nicht Angellini’s“, sagte sie instinktiv. „Bestimmt nicht.“ Sein Tonfall war noch schärfer als ihrer, und sie zuckte zusammen. Es war schon seltsam genug, mit einem Mann auszugehen, der sie einst verachtet hatte und das vielleicht noch immer tat! An den Ort des Verbrechens, um es so auszudrücken, wollte sie gewiss nicht zurückkehren! Ihr kam ein Gedanke. „Müssen Sie denn heute Abend nicht in Ihrem Restaurant sein? “ fragte sie. Wenn sie sich recht erinnerte, war er immer da gewesen, wenn Ralph und sie dort diniert hatten. „Donnerstags nicht.“ „Oh ...“ Sie senkte den Blick und bedauerte plötzlich, seine Einladung angenommen zu haben. Er war ein Bindeglied zu ihrer Vergangenheit, zu Ralph, zu einer Vergangenheit, die sie jetzt vergessen wollte. Wie hatte Ralph sie nur so täuschen können? Sie wand sich bei dem Gedanken daran, wie sie zugelassen hatte, dass er ihr jede Facette ihres Lebens diktiert hatte. Sie war wirklich eine Marionette gewesen, wie ein Klumpen Ton, den er formte. Und in all der Zeit hatte er sie zum Narren gemacht, hatte hinter ihrem Rücken Geliebte, während sie die Rolle ausfüllte,
die er für sie gewählt hatte - die einer dekorativen Gastgeberin, die ebenso wenig zu sagen hatte wie die Gemälde an der Wand. Sarah schüttelte den Kopf, wobei sie sich schwor, sich nie wieder so dem Willen eines Mannes zu unterwerfen. Sollte sie je wieder heiraten, dann einen Mann, der ihr Partner sein würde, nicht ihr Herr - in jeder Hinsicht ebenbürtig. Sie schaute wieder in diese durchdringenden schwarzen Augen, erwiderte den Blick dieses Mannes, der ebenso wenig ein Ehemann sein würde wie Ralph es gewesen war. Sie verdrängte diese unerwünschte Reaktion schnell. Das Privatleben dieses vie l beschäftigten Junggesellen interessierte sie nicht. „Haben Sie Bleistift und Papier, Mike?“ sagte sie. „Oder können Sie sich auf Ihr Gedächtnis verlassen? “
3.KAPITEL
Molly Twynan kam in das Schlafzimmer, als Sarah gerade letzte Hand an ihr Make-up legte, und warf einen missbilligenden Blick auf den großen Koffer, der neben der Tür stand. Nur weil ich Wayne gebeten habe, einzuziehen“, sagte sie bockig zu ihrer Tochter, „brauchst du doch nicht auszuziehen. Ich dachte, du wärest glücklich darüber, bei mir zu wohnen. “ Sarah zählte bis zehn, da sie befürchtete, wütend zu klingen, wenn sie sofort antwortete. Als sie heimgekommen war und festgestellt hatte, dass ihre Mutter ihren neuesten Freund nicht nur gebeten hatte, das Bett, sondern das ganze Haus mit ihr zu teilen, hatte Sarah rot gesehen. Nicht, dass Wayne ein schlechter Kerl gewesen wäre. Im Gegenteil: Er war der beste Typ Mann, mit dem Molly je zusammen gewesen war. Aber Sarah konnte es nicht ertragen zu erleben, wie ihre Mutter die gleichen alten Fehler machte wie bei jedem Mann. Sie hatte ihre Pläne drastisch geändert und ihrer Mutter ein Märchen über die Wohnung und den Wagen aufgetischt, ihr erzählt, sie wolle beides behalten und im Penthouse wohnen. Das war tatsächlich nicht ganz die Unwahrheit. Angesichts der neuen Situation sah Sarah ein, dass es verrückt war, mittellos zu bleiben. Natürlich war alles eine Sache des Prinzips, schließlich aber hatte sie eingesehen, dass sie zu weit gegangen war, alles wegzugeben, was Ralph ihr vermacht hatte. Schließlich hatte ihre Ehe sie den Lohn von vier Jahren gekostet. Deshalb beschloss sie, einen Teil der Summe zu behalten, die der Verkauf der Wohnung erbringen würde, um sich selbst irgendwo ein bescheidenes Apartment zu kaufen. Das galt auch für den Ferrari. Als sie Ralph kennen lernte, hatte sie einen alten Gebrauchtwagen besessen, den er sofort abgestoßen hatte. Deshalb fand sie es nur gerecht, von dem Verkaufserlös des Ferrari ein kleineres Auto anzuschaffen. Doch all diese Pläne behielt sie für sich. Es war leichter, wenn ihre Mutter glaubte, sie behielte die Wohnung. Molly war erstaunt, aber auch erfreut gewesen, als ihre Tochter endlich zur Vernunft kam, wie sie es nannte, und etwas von dem „alten Knauser“ behielt! Über ihren Auszug hingegen war sie wenige r erfreut, da sie sich im letzten Jahr sehr nahe gekommen waren. All ihre alten Differenzen schienen beseitigt zu sein. Bis jetzt. „Bitte, Molly“, sagte Sarah ruhig. „Lass uns nicht darüber streiten. Ich ziehe ja nicht direkt weg. Ich wohne nur zwanzig Minuten entfernt und werde dich oft besuchen. “ „Oh, ich verstehe. Wayne ist nur ein Vorwand. Es ist dieser Mike Angellini, mit dem du zum Abendessen gehst, dem diese Wohnung neben der von Ralph gehört. Du hast ein Auge auf ihn geworfen, nicht wahr?“ Das war so lächerlich, dass Sarah fast lachte. „Überhaupt nicht “, erwiderte sie, während sie den Lippenstift aufschraubte. „Ich hab’s dir doch erzählt. Mike ist ein alter Bekannter. Ich kenne ihn seit Jahren. Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich mich nach all dem, was ich mit Ralph durchgemacht habe, gleich in eine neue Beziehung stürze?“ „Wer weiß?“ sagte ihre Mutter kokett. „Ein Mädchen, das einen dreißig Jahre älteren Mann heiratet, ist zu allem fähig.“ Sarah zählte wieder bis zehn. „Nicht alle Frauen, ebenso wenig wie alle jüngeren Männer“, sagte sie beherrscht. „Jüngere Männer machen mehr Spaß“, stellte Molly fest. Darin grinste sie. Sarah schüttelte in liebevoller Verärgerung den Kopf und steckte weitere Nadeln in ihr Haar. Das Verhalten ihrer Mutter gegenüber Männern ärgerte sie, aber es war unmöglich, die Frau nicht zu mögen. Oder kein Mitgefühl für die Ereignisse zu haben, die ihr Leben beeinflusst hatten. Sie war ein Waisenkind, aufgewachsen in
verschiedenen staatlichen Einrichtungen. Als Teenager war Molly durchgebrannt und mit fünfzehn schwanger gewesen. Sarahs Vater, ein irischer Seemann, war nur eine Woche in Sydney gewesen und später nie zurückgekehrt. Molly hatte immer behauptet, sie liebe ihn. Andererseits aber erklärte Molly, alle ihre Freunde zu lieben, auch den widerlichen Graham. Er war dreiundzwanzig, sie dreiunddreißig gewesen, und er hatte mehr Zeit damit verbracht, hinter der achtzehnjährigen Tochter als hinter der Mutter her zu sein. Sarah musterte Molly im Spiegel. Sie war mit ihren achtunddreißig noch immer sehr attraktiv und in Sprache und Verhalten nicht mehr so grob, wie sie gewesen war. Sie wünschte sich von ganzem Herzen, dass sie diesmal den richtigen Mann gefunden hatte, den, der sie heiraten würde. .„Wie alt ist dein Freund?“ fragte Molly, wobei sie sich auf die Bettkante setzte. „Nicht so alt wie Ralph hoffentlich. “ „Anfang dreißig. “ Sarah trat von dem Spiegel zurück und betrachtete sich noch einmal. Das waldgrüne Wollkostüm mit der einreihigen geknöpften Jacke passte perfekt zu ihrer großen schlanken Gestalt. Und die elfenbeinfarbene Seidenbluse mit der Halsschleife sah schicklich aus. Heute Abend wollte Sarah kein Dekolletee tragen. Sie wollte keinesfalls, dass Mike Angellini entweder sehnsüchtig auf ihre Brüste starrte oder aus ihrer Kleidung schloss, er habe vielleicht Chancen. Das war auch der Grund, warum sie ihr Haar hoch gesteckt hatte. Sie war sich bewusst, dass Männer langes offenes Haar sexuell provozierend fanden. Vielleicht war sie übervorsichtig, doch sie hatte das Gefühl, der Abend könne verdorben werden, wenn sie Mike einen falschen Eindruck vermittelte. Wie sie heute Morgen in Charles’ Büro zu ihrem Kummer festgestellt hatte, hatte das Begehren eines Mannes wenig mit der Bewunderung der Persönlichkeit einer Frau zu tun. Eine Frau brauchte nur ein hübsches Gesicht und eine nette Figur zu haben, um für einen Mann interessant zu sein. „Sieht er gut aus?“ fuhr Molly fort. „Sehr.“ „Nicht verheiratet?“ Ihre Mutter klang misstrauisch. „Nein“, lachte Sarah. „Hör doch endlich mit diesem Verhör auf, ja? Du machst mich ja nervös. Ich kann nicht einmal meine Ohrringe anstecken. “ Doch hinter dieser Fassade begann Sarah tatsächlich nervös zu werden. Wirklich seltsam. Als Ralphs Frau hatte sie mit Prinzen und Scheichs zu Abend gegessen, war mit Fürsten zu Rennen gegangen, hatte mit Wirtschaftsbossen gesegelt und Partys mit Filmstars gefeiert. Warum fürchtete sie sich vor einem einfachen Abendessen zu zweit? Vielleicht war sie nicht wegen des Abendessens nervös, sondern bei dem Gedanken an das, was Mike denken würde, wenn er kam und sie ihm erzählte, dass sie doch in das Penthouse ziehen würde. Schließlich zog sie ja heute Abend ein! Den wahren Grund konnte sie kaum erklären, ohne verlegen zu werden. Ebenso wenig konnte sie vor Molly sagen, dass es nur eine Übergangslösung war. Hoffentlich wertete er ihren plötzlichen Sinneswandel nicht als Interesse an ihm, wie Molly meinte. Sie hatte den Verdacht, dass er keine große Ermunterung brauchte, um aus ihrer platonischen Verabredung eine weniger platonische zu machen. Ihr kam ein weiterer beunruhigender Gedanke. Vielleicht brauchte er überhaupt keine Aufforderung. Vielleicht erwartete ein so gut aussehender und begehrter Mann wie Mike, dass seine abendlichen Verabredungen bei ihm im Bett endeten. Daran hatte sie nicht gedacht. Sarah wusste nicht, was Männer heutzutage von einer Verabredung erwarteten. Als Teenager hatte sie sich vieler Verehrer erwehren müssen, und schon damals hatten die Jungen erwartet, dass die Mädchen schnell zu allem bereit waren. In dieser Zeit hatte
sie einige Kämpfe auf den Rücksitzen von Autos ausgestanden, doch nur einmal nachgegeben - in dem Sommer, als sie siebzehn geworden war. Und natürlich hatte sie geglaubt, verliebt zu sein. Der betreffende Mann war älter als die anderen gewesen. Mit vierundzwanzig hatte er sich mit einem Nein nicht abspeisen lassen. Aber Sex war nicht die erderschütternde Erfahrung gewesen, die Sarah erwartet hatte. Nach dem ersten Schmerz hatte sie körperlich nichts empfunden. Es war für sie bedeutungslos gewesen. Das hatte sich anschließend auch nicht geändert, und ihr Freund hatte sich bald von ihr getrennt und gesagt, Sie sei wohl nicht normal. Damals war Sarah sehr bestürzt gewesen. Ihr einziger Trost bei der bedrückenden Erfahrung war, dass sie nicht wie ihre Mutter schwanger geworden war. Dennoch war Sarah sofort beunruhigt gewesen, als Ralph ihr diese platonische Ehe vorgeschlagen hatte. Insgeheim hatte sie gehofft, eines Tages den richtigen Mann zu finden, bei dem sie eine normale Frau sein könne und bei dem sie Liebe, Befriedigung und Lust empfinden würde. Doch Ralph war mit seinen Aufmerksamkeiten und Liebeserklärungen hartnäckig geblieben, und am Ende hatte sie nicht Nein sagen können. Ihren Haupteinwand hatte er damit entkräftet, dass er ihr versprach, sie könne durch künstliche Befruchtung oder Adoption ein Kind haben, wenn sie je eines wolle. Wie sich herausstellte, hatte Sarah den Verzicht auf Sex in ihrer Ehe nie als großes Opfer empfunden. Gewiss, es gab -Zeiten, in denen sie unruhig war und nicht einschlafen konnte, aber sie glaubte nicht, dass das mit körperlicher Frustration zu tun hatte. Sie hatte schon immer schlecht einschlafen können. Ihre Schlaflosigkeit hätte sie nicht einmal auf diese Ursache zurückgeführt, wenn Ralph es nicht einmal erwähnt hätte. Das würde sie nie vergessen. Es war an dem Abend gewesen, als Ralph sie zum ersten Mal ins Angellini’s geführt hatte. Sie war, noch immer erbost über Mikes herablassendes Verhalten, nach Hause gekommen. Ralph hatte sie betroffen gemacht, indem er erklärte, ihr Ärger hätte eine bestimmte Ursache. Die sexuelle Ausstrahlung des Italieners habe ihr Blut in Wallung gebracht, und sie sei nur wütend, weil sie ihn begehre. Sie erinnerte sich, damals gelacht zu haben. Der Gedanke war läche rlich! Aber jetzt ist er vielleicht doch nicht so lächerlich, dachte sie, als sie sich an den Augenblick erinnerte, wo Mike sie berührt hatte ... Ihre Finger zitterten plötzlich, und sie hatte Mühe, die Ohrringe anzustecken. In Gedanken war sie noch immer anderswo, während sie automatisch Parfüm auf ihre Handgelenke und an den Hals tupfte - das schwere orientalische Parfüm, das sie immer nahm. „Du siehst wundervoll aus “, freute sich ihre Mutter. Sarah schreckte aus ihrer beunruhigenden Träumerei auf und merkte, dass sie einfach in den Spiegel geschaut hatte. Jetzt musterte sie ihr Ebenbild und fragte sich, was Männer so attraktiv an ihr fanden. Sie hielt sich nicht für schön. Ihr Gesicht war dreieckig, ihre Kinnspitze etwas eckig, ihre Nase gerade, was ein unberechenbares Temperament verriet. Unwiderstehlich ist an mir nichts, dachte sie kläglich. Sie strich über ihre hohe Stirn und die Wangen und fuhr dann über ihren, für ihren Geschmack, viel zu breiten Mund. Ebenso wenig verstand sie, was Männer an ihrem Haar fanden, an dieser ungebändigten Masse kupferroter Locken. Sie schaute finster drein und sah, dass ihre mandelförmigen Augen sich Schieferfarben verdunkelten. Sie waren groß, lagen tief und waren vielleicht das Schönste an ihr, wenngleich die langen blassen Wimpern ohne Mascara langweilig wirkten. Im Augenblick jedoch sahen ihre Augen durch rauchgrünen Lidschatten und grauen Lidstift exotisch und geheimnisvoll aus. „Die Augen einer Verführerin“, pflegte Ralph zu sagen. Diese Augen verdunkelten sich jetzt, und sie sah ihr Spiegelbild nicht mehr an. Ihr war elend zu Mute, und sie hatte einen bitteren Geschmack im Mund. Welch
grausames Spiel hatte Ralph mit ihr gespielt? „Mr. Angellini lässt sich keine Gelegenheit entgehen. “ „Bitte?“ Mit ausdruckslosem Gesicht drehte sie sich um. Ein Hüsteln in der offenen Tür veranlasste beide Frauen, dorthin zu schauen. Wayne stand da, leger mit einem marineblauen Trainingsanzug bekleidet, ein mattes Grinsen auf seinem großen, freundlichen Gesicht. Er war um die Vierzig, im Baugewerbe und strahlte eine Solidität aus, die die anderen Freunde ihrer Mutter nicht gehabt hatten. „Da ist ein Bursche an der Tür, der zu dir will, Sarah“, sagte er. „Und ein Jaguar steht am Bordstein. Du solltest lieber die Beine schwingen, sonst ist er weg. Er sieht nicht aus wie ein Mann, der lange auf Bräute wartet. Und du, mach auch nicht so lang, Püppchen“, wandte er sich an Molly. Ohne Sarah noch einen zweiten Blick zuzuwerfen, schlenderte er zum Wohnzimmer. Die Tatsache, dass er Sarah ignorierte, verbesserte ihre Einschätzung von ihm noch. Vielleicht hat Molly es diesmal geschafft, dachte sie. Sie lächelte ihre Mutter an, die die Augenbrauen hob. „Ein Jaguar, sieh an“, neckte sie. „Freut mich, dass meine Tochter ihre Ansprüche beibehält.“ „Molly, ich habe dir bereits gesagt...“ „Ja, ja, ich weiß. Er ist nur ein Freund. Ich dränge nicht weiter. Aber pass auf dich auf in diesem leeren alten Penthouse, ja?“ Ihr sanfter Tonfall ärgerte Sarah. „Natürlich“, brachte sie heraus. „Und vergiss den dummen alten Ralph“, kam Mollys Rat. „Ich werd’s versuchen, Molly.“ Mike. war offensichtlich damit zufrieden gewesen, an der Eingangstür auf sie zu warten, doch als er sie mit den schweren Koffern in den Korridor treten sah, kam er In die Diele, um ihr zu helfen. Molly hielt buchstäblich den Atem an und erstarrte. Sie schaute Mike an, als ‚sei er Tom Cruise persönlich, Sarah konnte die Reaktion ihrer Mutter verstehen, auch wenn sie ihr nicht gefiel. Ihr eigenes Herz hatte einen Satz gemacht, als sie ihn sah. Zweifellos machte Schwarz aus Mike Angellini etwas, das keine andere Farbe vermocht hätte. Es war nicht sein Abendanzug. Der schwarze Schurwollanzug, den er trug, war nicht formell, sondern so unglaublich modern, dass Sarah fast bestürzt war. Sie hatte immer geglaubt, er würde sich konventionell kleiden. Offensichtlich irrte sie sich aber. Denn an der gebügelten Hose und der weiten Jacke im Cardigan-Stil war nichts Konventionelles, ebenso wenig an dem eng anliegenden Rollkragenpullover, den er dazu trug. Er sah toll und gefährlich und sexy aus. Äußerlich ruhig betrachtete Sarah die große, lächelnde Gestalt, die auf sie zukam. Doch sie hatte den beunruhigenden Gedanken, dass sie gegen die Attraktivität dieses Mannes nicht immun war. „Sie wollen also doch in das Penthouse ziehen? “ fragte er sie, während er ihr den Koffer abnahm. Sarah blickte ihm in die Augen, in denen sich Befriedigung spiegelte, und ihr Verdacht verstärkte sich. „Ja, ja, das ... das tue ich“, brachte sie verlegen und völlig untypisch für sie heraus. „Toll“ Erschaute über ihre Schulter und schenkte Molly ein strahlendes Lächeln. „Wenn Sie mir sagen, diese wunderbare Dame sei Ihre Mutter, werde ich’s nicht glauben. Sie ist viel zu jung. “ Sarah warf ihm einen wütenden Blick zu, doch Molly errötete freudig. „Ich bekam Sarah, als ich sehr jung war“, sagte sie süß. „Das muss wohl so gewesen sein. “ Sarah erstarrte. Sie hasste diese Unterhaltung, hasste sie so sehr, dass sie selbst darüber schockiert war. Sie war doch nicht etwa eifersüchtig?
„Die Leute halten Sarah oft für meine Schwester, nicht für meine Tochter“, sagte Molly keck. „Das kann ich mir vorstellen“, erwiderte er sanft. Sarah ärgerte sich, dass er sie nicht beachtete, sondern damit beschäftigt war, ihre Mutter anzulächeln. Ihr Blick landete unwillkürlich auf seinem umwerfend gut aussehendem Gesicht, seinem sinnlichen Mund und den faszinierenden schwarzen Augen. Plötzlich verspürte sie das Bedürfnis, ihn zu ohrfeigen. Ihre Mutter und Mike schauten sie an, als sie keuchte. „Ist etwas nicht in Ordnung, Liebling?“ fragte Molly besorgt. „Nein, nein, es ist nur - ich merkte gerade, dass ich meine Kreditkarten vergessen habe. Ohne die kann ich nicht gehen. “ Und sie stürmte über den Korridor in ihr Zimmer zurück. Kaum hatte sie die Tür geschlossen, umklammerte sie ihre Handtasche wie einen Rettungsring und starrte wieder in den Spiegel. Du siehst äußerst seltsam aus, sagte sie im Stillen zu sich selbst. Ihr sonst blasses Gesicht war gerötet, ihre grünen Augen glänzten, und ihre Lippen waren leicht geöffnet. Sarah starrte weiter in den Spiegel. Was war mit ihr da draußen geschehen? Langsam setzte sie die Handtasche ab und runzelte die Stirn. War es Eifersucht? Verärgerung? Oder einfach ein Wutausbruch über die Möglichkeit, dass wenn Mike weiter diese unaufrichtigen Komplimente machte, ihre Mutter glauben könnte, sie sei seine nächste Liebe. Ja, dachte sie erleichtert. Das musste es sein. Mollys Vorliebe für jüngere Männer war in Sarahs Leben stets ein Problem gewesen. Nicht dass sie wirklich glaubte, Mike sei an ihrer Mutter interessiert. Männer wie er waren hinter jüngeren, mondäneren Frauen her. Was sie daran erinnerte ... Es würde klug sein, heute Abend vor Mike auf der Hut zu sein. Ganz plötzlich zeigte er die Art von Charme, für die Italiener bekannt waren. Und sie hatte erlebt, wie er ihn bei anderen Frauen spielen ließ. Da sie sich im Augenblick nicht feindselig gegenüberstanden, war es durchaus möglich, dass er sie beim Abendessen zu verführen versuchte. Ein bitteres Lächeln umspielte ihre Lippen. Dummer Mann. Es gibt wesentlich bessere Partien als mich. Dennoch konnte es nicht schaden, wenn sie vorsichtig war. Mike war ein ungewöhnlich attraktiver Mann und sehr sexy. Es war schwer, nicht darauf zu reagieren. Plötzlich fiel ihr ein, dass sie ihn da draußen mit Molly allein gelassen hatte. Rasch eilte sie wieder zur Tür. „Gefunden!“ verkündete sie mit einem flüchtigen Lächeln. „Sonst hätten Sie heute Abend die ganze Rechnung zahlen müssen, Mike.“ Er schaute sie amüsiert an. „Meine liebe Sarah“, entgegnete er gelassen. „Ich zahle immer, wenn ich eine Frau zum Essen ausführe.“ Sarah musste ihren Blick von ihm abwenden, und ihr Herz pochte heftig. „Ich hole meine anderen Sachen später, Molly“, sagte sie eine Spur zu atemlos. Langsam ärgerte sie, wie sie auf Mike reagierte. „Wollen wir gehen? “ fragte sie ihn kühl. Zum Glück, dachte sie, habe ich gelernt, meine Emotionen nicht zu zeigen. Dennoch schaute Mike sie sonderbar an, bevor er ihre Mutter anlächelte. „Nett, Sie kennen gelernt zu haben, Molly. Sie und Wayne müssen einmal mit Sarah und mir gemeinsam ausgehen. Was halten Sie davon, Sarah? “ Sarah unterdrückte ein Seufzen, während sie sich fragte, was Molly Mike in ihrer Abwesenheit erzählt haben mochte. Zweifellos wusste er bereits von ihrer unehelichen Geburt und dem neuen Freund ihrer Mutter. Molly war nicht sehr taktvoll. Andererseits schaute Mike nicht wie Charles auf Molly herab. Selbst Ralph hatte gewollt, dass ihre Mutter im Hintergrund blieb. Doch dass Mike Molly und Wayne locker akzeptierte, entschuldigte seine
Einladung nicht. Männer konnten wirklich unmöglich sein! Ruinierte es sein Ego, wenn er eingestand, dass dies eine einmalige Verabredung war? Und musste er vor ihrer Mutter den Frauenhelden spielen? Pikiert und verärgert, lächelte sie starr. Sie hatte das Gefühl, als sei ihr Gesicht aus Zement und zeige bereits Risse. Sie musste sofort hier heraus! „Das wäre nett“, sagte sie mit gezwungener Nettigkeit und wandte sich dann an ihre Mutter. „Bis morgen, Molly.“ Sie küsste sie auf die Wange. „Ja. Und du kennst ja das Sprichwort...“, rief Molly ihr nach. „Wenn du nicht gut sein kannst, sei vorsichtig. “ Sarah stöhnte verhalten. Molly hatte eine Vorliebe für leichte sexuelle Anspielungen. „Sollen wir unterwegs an einer Apotheke halten?“ fragte Mike und unterdrückte ein Lachen. „Oder sollen wir uns aufs Schicksal verlassen? “ Zorn stieg in Sarah auf, aber sie sagte nichts, bis sie neben dem weißen Ferrari standen. Dann schaute sie ihren Begleiter eisig an. „Wir wollen eines klarstellen, Mike“, sagte sie kurz. „Ich gehe jetzt mit Ihnen essen, weil Sie heute sehr freundlich zu mir waren und weil ich glaubte, Sie wollten sich auf diese Weise für Ihre engstirnige Abneigung in all den Jahren mir gegenüber entschuldigen. Aber ich möchte nicht, dass Sie glauben, das würde zur Gewohnheit werden, nur weil ich in das Penthouse neben Ihnen einziehe. Und außerdem versichere ich Ihnen, dass ich keine Verhütungsmittel kaufen muss, wenn ich mit einem Mann schlicht und einfach essen gehe!“ fügte sie mit erhobener Stimme hinzu. Er neigte den Kopf leicht und schaute sie mitleidig an. „Arme Sarah ... offensichtlich hat Ihre Scheidung Ihnen den Humor geraubt.“ „Wirklich? “ erwiderte sie gereizt. „Ja, wirklich. “ Er stellte ihren Koffer neben dem Ferrari ab und steckte die Hände in die Hosentaschen. „Ich habe überhaupt nichts gesagt, sondern bin nur auf den Scherz Ihrer Mutter eingegangen. “ Eine Spur von Mattigkeit klang in seiner Stimme mit, wodurch sie sich schuldig fühlte. Sie merkte, dass sie überreagiert hatte. „Ich ... es tut mir Leid“, sagte sie. „Aber ich dachte, dass Sie irgendwelche Erwartungen nach dem Essen haben“, fügte sie dann verteidigend hinzu. „Erwartungen? Was für Erwartungen? “ „Sexuelle Erwartungen! “ Mein Gott! Warum musste sie erröten, als sie das sagte? Zum Glück war es dunkel hier draußen. „Ah...“ Der Ausdruck in seinen Augen verursachte bei ihr sofort Panik. „Ich werde nicht mit Ihnen schlafen, Mike Angellini!“ platzte Sarah heraus und war erleichtert, dass ihre Worte entschlossen klangen. Er lachte jetzt leise und amüsiert. „Ich erinnere mich wirklich nicht, Sie darum gebeten zu haben. Und ich habe Ihnen schon einmal gesagt, Sarah, dass mit Ihnen zu schlafen nicht oben auf meiner Liste steht. Aber jetzt sollten wir uns beeilen. “ Er wechselte abrupt das Thema. „Ich habe für Viertel nach acht reserviert, und das Restaurant befindet sich in Mc-Mahon’s Point. Geben Sie mir den Kofferraumschlüssel, damit ich den Koffer verstauen kann. “ Sarah starrte ihn einen Moment sprachlos an, war völlig verwirrt. Sie hätte über das jähe Ende dieses Gespräches erfreut sein sollen, doch sie -war verärgert. „Der Schlüssel? “ wiederholte Mike mit etwas ungeduldiger Stimme. „Sie folgen mir doch mit Ihrem Wagen, ja?“ Errötend suchte Sarah nach dem Schlüssel und war überrascht, dass ihre Hände leicht zitterten, als sie ihn ihm reichte. Mike sah sie scharf an und verstaute dann den Koffer. „Bleiben Sie dicht hinter mir“, riet er ihr. „Ich möchte Sie im Verkehr nicht verlieren. “
„Ja, das werde ich“, versicherte sie ihm etwas unsicher. Wieder musterte er sie. „Gilt der Waffenstillstand noch? “ fragte er mit leichtem Lächeln. „Ich denke schon“, brachte sie heraus. „Hm.“ Sein Stirnrunzeln zeigte, dass er ihr nicht ganz glaubte. Doch er zuckte die Schultern und schlenderte zu seinem bronzefarbene n Jaguar. Fast gegen ihren Willen folgte Sarah ihm mit einem aufmerksamen Blick. Plötzlich hatte sie ein merkwürdiges Gefühl im Magen. Ob Ralphs Behauptung vielleicht doch stimmte - dass sie wirklich wollte, dass dieser Mann sie begehrte? War sie deshalb eifersüchtig gewesen, als er mit ihrer Mutter geflirtet hatte, und dann wütend, als er ihr erzählt hatte, er sei nicht daran interessiert, mit ihr ins Bett zu gehen? Nein, entschied sie nachdenklich. Nein ... das war nicht möglich. Es ergab keinen Sinn. Das akzeptiere ich nicht. Wir mögen uns nicht. Es ist nur weibliche Eitelkeit, mehr nicht. Keine Frau mag einen Mann, der ihr direkt sagt, dass er sie nicht begehrt. Ja, das klang überzeugend. Ein Schauer durchdrang Sarah, als ein Windstoß über die Straße fegte und das Laub zum Rascheln brachte. „Sie stehen wohl gerne In der Kälte?“ rief Mike ihr zu. Sarah verzog das Gesicht und sah ihn an. „Wohl kaum. “ „Hören Sie ...“ Seine Stimme klang verärgert. „Mir ist klar, dass Sie mit mir nicht ausgehen wollen, aber Sie können jetzt wohl kaum wieder ins Haus zurückgehen. Und Sie müssen etwas essen. Also schieben Sie Ihren aufregenden Körper in dieses weiße Geschoss und fahren Sie los! Und vergessen Sie nicht, ich werde Sie verlieren, wenn Sie langsam fahren. “ Er schaute sie herausfordernd an und stieg in seinen Wagen. Im nächsten Moment sprang der Motor des Jaguars an. Sarah nahm die Herausforderung an, setzte sich hinter das Steuer ihres Ferrari und startete ihn zornig. Als der Jaguar mit quietschenden Reifen losbrauste, war sie direkt hinter ihm.
4.KAPITEL
Auf dem Weg zum Restaurant gab es mehrere kritische Augenblicke, in denen ein weniger guter Fahrer den Jaguar verloren hätte. Doch Sarah klebte förmlich an ihm, trotz umspringender Ampeln und stetem Fahrbahnwechsel. Auf seltsame Weise war es die fröhlichste Erfahrung, die sie seit Monaten gemacht hatte, auch wenn es mehr eine Frage des Temperamentes als die Liebe zu Geschwindigkeit und Gefahr war. Für gewöhnlich fuhr sie sehr sicher und vorsichtig, heute Abend aber schien sie von inneren Dämonen getrieben zu sein, und als sie den Ferrari schließlich neben Mikes Jaguar zum Stehen brachte, war sie ebenso erhitzt wie der Motor ihres Autos. Was ist bloß mit dir los? fragte sie sich verwirrt. Sie konnte nicht weiter darüber nachdenken, weil in diesem Moment die Wagentür aufgerissen wurde. Sie richtete sich ruckartig auf. Mike schaute sie böse an. „Mein Gott, fahren Sie immer so?“ Sarah verteidigte sich. „Sie sagten, ich solle Sie nicht verlieren“, erklärte sie. „Und Sie hatten auch nicht gerade ein Schneckentempo drauf! “ Mike umfasste den Türgriff so heftig, dass seine Knöchelweiß durch die Haut schimmerten. „Vielleicht, aber damit habe ich nicht gemeint, dass Sie auf der gesamten Strecke nur fünf Zentimeter Abstand von meiner Stoßstange halten sollen. Ich dachte schon, ich würde Sie auf meinem Beifahrersitz wieder finden. “ „Sie hätten sich keine Sorgen zu machen brauchen“, beschwichtigte sie ihn. „Ralph hat mich auf eine spezielle Fahrschule geschickt, bevor er mir den Wagen schenkte. Sein Motto war, dass teure und schöne Dinge nur in Hände von Menschen kommen sollten, die damit auch umgehen können. “ Sarah zog den Schlüssel ab und steckte ihn in ihre Handtasche. Als sie aufblickte, sah sie, dass Mike sie noch immer wütend anschaute. Womit hatte sie ihn jetzt verärgert? „Entschuldigen Sie “, seufzte sie, während sie ihre Knie herumschwang, um aus dem tief liegenden Wagen auszusteigen. Er trat beiseite und reichte ihr zugleich die Hand, um ihr hinauszuhelfen. Sein Griff war fest, als er sie hochzog. Unwillkürlich musste sie wieder in seine schwarzen Augen schauen und war sich plötzlich bewusst, wie nah sein so maskuliner Körper ihren eigenen weicheren weiblichen Formen war. Es verwirrte sie, dass sich daraufhin ihr Puls beschleunigte. Himmel! Sie wusste, dass Mike ein sehr attraktiver Mann war, aber es war wirklich beunruhigend, dass sie se auf ihn reagierte. Was würde geschehen, wenn er sich um sie bemühte? Bis zu diesem Augenblick hätte Sarah geschworen, dass kein Mann der Welt eine Chance gehabt hätte, sie zu verführen, wenn sie nicht in ihn verliebt wäre. Erstaunlicherweise aber bewegte Mike in ihr etwas auf rein körperlicher Ebene. Das war wirklich unglaublich! Doch es gibt eben bei allem ein erstes Mal, dachte sie bitter. Sie musste das einfach ignorieren! Wer wusste, was sonst geschehen würde. Wie Mike schon am Nachmittag zu ihr gesagt hatte; Früher mochte er nichts für sie übrig gehabt haben, doch er würde ihr keinen Korb geben, wenn sie sich ihm auf einem Silbertablett präsentierte. Ein Erschauern durchfuhr Sarah bei dem Gedanken, dass der Abend bei ihm im Bett enden könne. Flüchtiger Sex war nichts für sie. Sie hatte gesehen, was aus einer, Frau wurde, die sich so von Männern benutzen ließ. Sie brauchte nur an Molly zu denken. Sie holte tief Atem und setzte ein gekünsteltes Lächeln auf. „Gehen wir hinein?“ fragte sie, während sie sich bei Mike unterhakte, als sei das ganz selbstverständlich. Erleichterung erfüllte sie, als sie merkte, dass sie bei diesem kühnen Vorgehen
nichts empfand. Keine vibrierenden Nervenenden, kein schnellerer Herzschlag, keine steigende Hitze. Wundervoll! Die Kur funktionierte. „Entgeht mir etwas?“ Sie schaute Mike unschuldsvoll an. „Wie bitte?“ „Sie schienen urplötzlich sehr erfreut zu sein. Können Sie mich aufklären, weshalb?“ „Tut mir Leid“, sagte er rasch blinzelnd. „Ich weiß nicht, was Sie meinen. “ Er entzog ihr seinen Arm und sah sie scharf an. „Halten Sie mich nicht für einen Narren, Sarah“, warnte er sie. „Ich weiß, wenn im Kopf einer Frau etwas vorgeht. Und ich weiß auch, wann sie etwas zu verbergen versucht.“ Sie lachte leicht, war aber echt besorgt. Mike war ein scharfsinniger und intelligenter Mann. Und ein Frauenheld, wenn die Gerüchte über ihn stimmten. Hatte sie ihm unwissentlich etwas verraten? Am besten war, sie versuchte, den Feind sofort zu verwirren. „Sie glauben doch nicht etwa, ich hätte die Absicht, Ralph durch Sie zu ersetzen, Mike?“ spottete sie fein. Seine dunklen Augen verengten sich. „Wohl kaum. “ „Dann schauen Sie mich nicht so an. Sie sind völlig sicher. Ich dachte nur daran, dass es merkwürdig ist, dass ausgerechne t Sie der erste Mann sind, mit dem ich nach meiner Scheidung ausgehe.“ Sie erkannte zu spät, dass selbst dies ein Eingeständnis war. Er hob eine Augenbraue. „Es fällt mir schwer, das zu glauben. “ Stumm dankte sie ihm für dieses Misstrauen. „Nun ...“ Sie ließ ihre Stimme wirkungsvoll verklingen, hatte aber ihr Herz auf der Zunge. „Man geht ja nicht immer aus ...“ Sie hielt es für das kleinere Übel, ihn glauben zu lassen, sie hätte einen oder zwei Liebhaber gehabt. Besser dies, als dass er meinte, er allein habe in vierzehn Monaten ihre sexuelle Aufmerksamkeit erregt. Mikes Mund wurde daraufhin schmal, und sein Gesicht nahm jenen zynischen Ausdruck an, den sie bei ihren Abenden im Angellini’s gehasst hatte. Deprimierend war, dass sie die Grundlage für seinen Meinungswechsel über sie wieder verloren hatte, doch das ließ sich nicht ändern. Vielleicht war es besser, ihn auf Distanz zu halten, da er ja ihr Nachbar sein würde. Zweifellos würde er sie nach dem heutigen Abend wieder einladen. „Ich hätte wohl wissen sollen“, brachte er langsam hervor, „dass eine Frau wie Sie männliche Begleitung braucht, um es so auszudrücken. “ Sarah verschanzte ihren jähen Schmerz hinter bitterem Sarkasmus. „Oho, Sie haben ja eine hohe Meinung von mir. Da fragt man sich, was Sie überhaupt hier mit mir machen. Oder beabsichtigen Sie, sich zu fortgeschrittener Stunde zu opfern, um meine Einsamkeit zu lindern, um es so auszudrücken? “ Ein Wangenmuskel spielte, bevor Mike dunkel lächelte. „So weit geht meine nachbarliche Freundschaft gewöhnlich nicht.“ „ Oh, ich bin am Boden zerstört!“ „Natürlich sehe ich ungern eine Dame leiden. Wenn es zum Schlimmsten käme, würde ich mich wohl zurücklehnen und an Australien denken. “ „Meinen Sie vielleicht England?“ sagte sie spitz. „Dichterische Freiheit. Glauben Sie, wir könnten dieses bezaubernde Gespräch so lange beenden, bis wir etwas gegessen haben? Ich habe seit Stunden nichts gegessen. “ „Großartig“, gab sie zurück. „Zufällig bin ich auch hungrig, denn sonst wäre ich nicht hier.“ Er lachte auf. „Dann kommen Sie. Ich weiß, wie weit ich gehen darf. Also Abendessen!“ Und er nahm ihren Arm. Sarah war froh darüber, schweigend über den Parkplatz geführt zu werden. Sie hatte gespürt, wie ihr Puls schneller schlug. Und das hatte nichts mit ihrem
Temperament zu tun. Mikes Antwort hatte in ihrer Fantasie ein sehr lebhaftes und erotisches Bild heraufbeschworen. Und selbst jetzt sah sie ihn in Gedanken nackt und zurückgelehnt auf ihrem Bett. Und er war nicht allein. Sie war bei ihm und liebkoste ihn leidenschaftlich. ‚Ein Schock erfüllte Sarah. Es war unglaublich! Wie konnte sie so etwas denken? Körperliche Liebe hatte ihr nie Freude bereitet. Warum sollte sie sich plötzlich danach sehnen, mit diesem Mann zu schlafen? Doch als sie ihn verstohlen musterte, war sie von derart heftigem Drängen und Begehren erfüllt, dass sie sich auf die Lippe beißen musste, um nicht laut aufzustöhnen. Feuer schien ihre Gliedmaßen bis zu den Fingerspitzen und Zehen hin zu durchlaufen. Ihre Haut wurde feucht. Ihr Mund war trocken, und ihre Lippen verlangten nach einem fordernden Kuss ... Und ihre Brüste ... Sarah bedauerte bitter ihre Entscheidung, keinen BH zu tragen. Sie war sich der Bewegung ihrer Brüste beim Laufen heftig bewusst. Ihre Brustwarzen rieben sich an dem Stoff zu schmerzhafter Härte. „Ich weiß, dass das Restaurant nicht nach viel aussieht “, bemerkte Mike, als sie sich der fensterlosen Fassade des Restaurants näherten. „Aber für die gute Küche kann ich garantieren, und auch die Einrichtung ist geschmackvoll.“ Sarah verdrängte ihre schrecklichen Gedanken und schaute das Haus zum ersten Mal bewusst an. Es war ein massives, zweistöckiges Gebäude, in reizlosem Braun gestrichen. Über einer schwer wirkenden Holztür stand in goldenen Buchstaben Martine’s. Mike ging voran und hielt die Tür auf. Sarah trat in das halb dunkle, klimatisierte Innere, wobei sie sich wie eine Sprungfeder anspannte. Als sich die Tür hinter ihr schloss, hatte sie das Gefühl, eingesperrt zu sein. Sie schaute nervös zu Mike, als er neben sie trat. Er hatte Recht, was das Restaurant betraf. Die Einrichtung war dezent und dunkel und intim. Ein kleiner schwarz-weiß gefliester Vorraum, links eine elegant wirkende Bar und vor ihnen eine Treppenflucht und hinter der Tür rechts von ihnen, wie Sarah vermutete, Büroräume. Eine attraktive, dunkelhaarige Frau Ende Dreißig in elegantem schwarzem Kleid kam lächelnd die Treppe hinunter. „Mr. Angellini“, murmelte sie, anmutig nickend. „Für Sie ist Ihr üblicher Tisch reserviert.“ Sarahs Erregung war vorübergehend abgelenkt, als sie der Frau die Treppe hinauffolgte und erkannte, warum Mike gerade dieses Lokal ausgesucht hatte. Es war nicht weit von ihren Wohnungen entfernt. Aus den großen Fens tern oben hatte man die gleiche prächtige Aussicht, wie Sarah sie am Nachmittag vom Balkon ihres Penthouses erlebt hatte. Aber jetzt war es Abend und die glitzernden Lichter .von Darling Harbour, der Stadt und der Brücke spiegelten sich im schwarzen Wasser. Sarah bewunderte die Aussicht nur kurz, bevor sie der Frau weiter zum Tisch folgte. Automatisch nahm sie die cremefarbenen Tischtücher und Servietten, die bequemen Stühle, die silbernen Kerzenleuchter und die Palmen wahr, die so aufgestellt waren, dass sie Intimität schafften. Ein erstklassiges Restaurant, ohne aufdringlich zu sein. Sie wurden zu dem ruhigsten Tisch geführt, der sich in einer schwach erleuchteten Ecke befand. ,Eine Reservierungskarte für Angellini lehnte an dem Silberleuchter. Als Sarah einfiel, dass die Frau von Mikes üblichem Tisch gesprochen hatte, spielte ein ironisches Lächeln um ihre Lippen. Seine übliche Art von Verabredungen war das jedenfalls nicht. Sarah machte sich inzwischen keine Sorgen mehr darüber, dass Mike sie heute Abend behelligen würde. Sie wusste, dass er das nicht tun würde. Trotz seiner Toleranz und nachbarlichen Freundlichkeit verachtete er ihre Moralbegriffe noch immer. So war es denn ein schlechter Scherz, dass sie ihn trotz allem begehrte;
Wahrscheinlich würde er darüber lachen, wenn er es wusste. Als sie Platz genommen hatten, reichte die Frau ihnen die, Speisekarten, entzündete die Kerze und fragte dann, ob sie einen Aperitif wünschten. Mike schaute fragend zu Sarah hinüber, doch sie war von seinen glänzenden Augen fasziniert und sah nur seinen sinnlichen Mund. „Sarah? “ fragte er. Gütiger Himmel! dachte sie verzweifelt. „Das Übliche “, brachte sie heiser heraus. Scham und Schuldgefühle erfüllte sie. Wie konnte sie so über einen Mann nachdenken, der eine so schlechte Meinung von ihr hatte? Und außerdem liebte sie Ralph ja noch immer. Es war alles sehr verwirrend. Mike bestellte für sie einen Wodka Orange und für sich einen doppelten Whisky auf Eis. Nachdem die Frau gegangen war, trat ein verlegenes Schweigen ein. „Wie weit sind wir von zu Hause entfernt?“ fragte sie nach einer Weile, ohne ihn dabei anzusehen. „Nur ein paar Blocks.“ „Und Sie kommen oft hierher?“ „Recht häufig. “ Wieder gefasst, sah sie ihn jetzt an und war überrascht, dass sie ihn völlig ruhig betrachten konnte. Du musst ihn als das sehen, was er ist, sagte sich Sarah. Ein Frauenheld. Ein noch schlimmerer Ausnutzer als Ralph. Vielleicht vertreibt das diese seltsamen Wünsche. „Sie haben viele Frauen gehabt?“ sagte sie beiläufig. Er schien über ihre Frage verwirrt zu sein, lehnte sich in seinem Stuhl „zurück und musterte sie ein paar Sekunden, bevor er antwortete. Diese Verzögerung machte sie nervös. „Was heißt viele? Fünf? Zehn? Hundert? Und von wo an soll gezählt werden? Von meiner allerersten Erfahrung als Teenager oder von dem Zeitpunkt an, seit ich mich als guten Liebhaber betrachten würde?“ Sarah wünschte sich, dieses Thema nicht angesprochen zu haben. Der Gedanke, dass er eine Frau liebte, erregte sie. Wirklich albern. Was sollte es? Doch es schien, als ob diese Überlegung sie nicht ruhiger machte. Sie zuckte gleichgültig die Schultern. „Was Sie wollen. “ „Oh, das pflege ich üblicherweise zu tun“, sagte er langsam.’ „Was bedeutet, ich lehne es ab, Ihre Frage auf eine Art zu beantworten, die mich belasten könnte. Es sei denn, natürlich, wir legen beide Geständnisse ab ... Wie viele Männer haben Sie gehabt, Sarah? Oder haben Sie aufgehört zu zählen? “ Sie erstarrte, lachte aber dann. „Touché. Aber ich beanspruche das gleiche Privileg wie Sie, Mike. Sie halten mich bereits für Mata Hari. Ich möchte Sie nicht noch mehr schockieren. “ Und er wäre geschockt, dachte sie kläglich, wenn ich sagte, dass ich nur einen Mann gehabt habe und dieser Mann nicht mein Ehemann gewesen ist. Glauben würde er ihr das ohnehin nicht. In diesem Moment kamen ihre Drinks, und Sarah beschloss, das Gespräch für den Rest des Abends nicht auf Sex kommen zu lassen. Es war nicht leicht, aber es gelang ihr. So pla uderten sie während der Vorspeise über Wetter und Sport, beim Hauptgang über Politik und beim Dessert über Musik und Theater. Wirtschaft war das Thema, während sie Mokka tranken. Danach wusste Sarah nicht, was sie eigentlich gegessen hatte. Ein Fischgericht, vermutete sie, da es ein Spezialitätenrestaurant für Meeresfrüchte war. Zuweilen schaute ihr Begleiter sie stirnrunzelnd an» als wisse er nicht, was er von dieser bemerkenswert gut informierten Frau halten solle. Sarah lächelte über seine Verwirrung. Ihre war viel entnervender. Als Mike vorschlug zu gehen, war es nach elf. Sie stand zu abrupt auf und schwankte. „Alles in Ordnung? “ fragte er besorgt.
„Der Wein ist mir ein wenig zu Kopf gestiegen“, sagte sie, während sie an der Stuhllehne Halt suchte. „Nehmen Sie meinen Arm. Sie brauchen etwas frische Luft.“ „Frische Luft“ war milde ausgedrückt. Es war schneidend kalt. Eine steife Brise wehte über das Wasser. Aber zumindest ernüchterte sie das. Nicht, dass Sarah zu viel getrunken hätte. Aber vielleicht ist die Gesellschaft so berauschend gewesen, dachte sie, wählend Mike sie über den Parkplatz führte. „Sind Sie sicher, dass Sie fahren können? “ fragte er. „Perfekt“, stellte sie überzeugt fest, da sie wusste, dass sie unter der Promillegrenze war und sich so schnell wie möglich seiner körperlichen Nähe entziehen wollte. Dennoch fuhr sie sehr vorsichtig zu dem Apartmenthaus, folgte Mikes Jaguar in sicherer Entfernung und parkte langsam auf ihrem Platz in der Tiefgarage. Mike trug ihren Koffer zu dem einzigen Privataufzug, der von hier aus hochfuhr, und schloss dessen Tür auf. Sarah seufzte, als der Lift rasch zum Penthouse emporstieg. In ein paar Minuten würde sie ins Bett kriechen und mit ihrem etwas schweren Kopf und den seltsamen Gefühlen endlich allein sein können. Auf halbem Wege zwischen der vierzehnten und der fünfzehnten Etage geschah das Unglaubliche. Der Lift blieb unplanmäßig rumpelnd stehen und die Lichter gingen aus. Stockschwarze Dunkelheit herrschte. Sarah brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, was eigentlich geschehen war. Ungläubig und wie erstarrt stand sie da und hoffte, die Lichter würden wieder angehen und der Lift seine Fahrt fortsetzen. Doch die Dunkelheit blieb und dazu unerträgliche Stille. „Verdammt!“ murmelte Mike schließlich. „Alles in Ordnung, Sarah? “ „Ja.“ Nein, überhaupt nicht! hätte sie am liebsten geschrieen. Ich habe Angst. Ich will nicht mit dir hier für Stunden im Dunkel in diesem engen Loch eingesperrt sein. Gott, fast wäre ich da gewesen ... in meiner eigenen Wohnung ... in Sicherheit ... „Das klingt aber gar nicht so“, sagte er besorgt. „Sie leiden doch nicht unter Platzangst, oder?“ Nur wenn ich mit dir zusammen bin! „Ich weiß nicht “, presste sie heraus. „So etwas ist mir noch nie passiert.“ „Mm „... ich denke, es muss ein Kurzschluss sein. Wissen Sie noch, auf welcher Seite das Notruftelefon war?“ War er wahnsinnig? Gott, sie erinnerte sich an nichts in diesem stählernen Sarg, außer dass er mit seinen schlanken Fingern auf den Knopf gedrückt hatte. „Nein“, gab sie heiser zu. „Ich glaube es war links.“ Ein Fluch löste die gespannte Atmosphäre, als Mike gegen den Koffer stieß. Sarah wich in ihre Ecke zurück. „Da haben wir’s ja“, knurrte er. Einige Tastgeräusche, dann ein metallisches Klicken. „Ein Freizeichen. Hallo? Hallo?“ Wieder Stille, durchbrochen von Mikes schweren!; Atem. Oder war es ihr eigener? „Ist da jemand?“ fragte er verärgert. Weiter Stille. Er versuchte es weiter, doch niemand antwortete. Schließlich hängte er den Hörer seufzend ein. „Ich versuch’s später wieder. Keine Sorge, Sarah, jemand wird wissen, was passiert ist. Wir kommen hier schon heraus.“ Ihr war nicht klar, dass er ihr Kopfschütteln nicht sehen konnte. „Sarah? “ Eine Hand streifte ihre Nase. „Ja, ich bin hier“, sagte sie eilig und entfernte sich aus der Ecke, wich seiner tastenden Hand aus. Er berührte sie nicht, stand aber dir ekt vor ihr. Sie konnte sein würziges Rasierwasser riechen. „Haben Sie keine Angst“, tröstete er sie.
„Habe ich nicht.“ „Sie klingen aber so.“ Sie atmete tief ein. „Mir geht’s wirklich gut.“ „Wollen ‚Sie sich setzen? Wir könnten auf Ihrem Koffer Platz nehmen. “ Der gesunde Menschenverstand sagte ihr, dass das ein praktischer Vorschlag war, doch sie zögerte, da sie ihn nicht dicht neben sich haben wollte. „Kommen Sie“, drängte er. Sie hörte, wie er den Koffer heranzog. Zwei Hände fanden ihren Arm und zogen sie hinab. „Rücken Sie ein Stück“, schlug er vor, als er erfolglos versuchte, neben ihr zu sitzen. Es war nicht sonderlich bequem auf dem Koffer, da sich eines der Schlösser unter ihrer linken Gesäßhälfte befand und der Griff gegen ihre Hüfte drückte. „Wir sollten den Koffer flach hinlegen“, sagte Mike wenig später. Das taten sie, und dieser Sitz war bequemer, irgendwie aber intimer, da ihre Körper näher beieinander waren und sie ihre Beine ausgestreckt hatten. Sarah presste ihre Handtasche auf den Schoß, als wolle sie sich so gegen Eindringlinge schützen. „Worüber wollen wir reden?“ seufzte Mike nach kurzem Schweigen. „Müssen wir überhaupt reden? “ schnappte sie. Sie konnte fühlen, wie er sie im Dunkeln anstarrte. „Ich glaube, Sie fürchten sich“, bemerkte er trocken. „Sonst wären Sie nicht so gereizt.“ „Seien Sie nicht albern! Ich bin zwar nicht gerade hocherfreut, aber Angst habe ich nicht!“ „Wenn Sie’s sagen. “ Darauf sagte er nichts mehr. Am Ende konnte Sarah sein ruhiges Atmen nicht mehr ertragen. „Sie wollen doch nicht etwa schlafen“, sagte sie anklagend. „Wohl kaum. “ Sein bissiger Tonfall entging ihr nicht. Wieder vergingen ein paar endlose Minuten. „Sarah, welches Parfüm tragen Sie da eigentlich immer?“ Erst als sie antworten wollte, registrierte sie sein „immer“, und das beunruhigte sie. Jeder Mann, der das Parfüm einer Frau als „immer“ erkannte, musste sie beachtet haben. Aber nicht unbedingt, sagte ihre Vernunft. Mike war ein Frauenkenner, der solche Dinge instinktiv registrierte. „Es muss einen Namen haben“, beharrte er. „Orient “, erwiderte sie kurz. „Mmm. Anregend ... aber es ist ja schließlich ein anregendes Parfüm.“ Sarah hielt beim fast verführerischen Klang seiner Stimme den Atem an. Gegen ihren Willen rann ein erotisches Schaudern über ihren Rücken und erinnerte sie daran, wie verwundbar sie wäre, wenn dieser Mann die Situation ausnutzen würde. „Sie frieren“, stellte er fest, als sie wieder erschauerte. „Möchten Sie mein Jackett haben? “ „Nein, nein“, protestierte sie hastig. „Es geht schon. Falls ich etwas brauche, hole ich es aus meinem Koffer.“ „Ach, ja ... unser Sitz ... Aber trotzdem wird es kühler hier drinnen. Vielleicht wird es uns so wärmer.“ Er schlang einen Arm um ihre Schultern und zog sie an sich. Entsetzt ließ sie es zu, da es zu verräterisch gewesen wäre, wenn sie aufgeschrieen hätte. Doch es war unerträglich, seinen Körper zu spüren! Anspannung erfasste all ihre Muskeln. „Entspannen Sie sich“, murmelte er. Doch sie konnte sich nicht entspannen. „Was ist denn, Sarah? “ flüsterte er. Ihr war, als schaue er sie im Dunkel durchdringend an. Doch sie konnte nichts sehen, spürte nur seinen warmen Atem. „Nichts ... nichts ... Ich ...“ Sie keuchte doch auf, als er ihr Gesicht in seine Hände nahm. „Sie sägen, nichts, aber Ihre Stimme zittert und Ihr Körper auch. Wenn es nicht unsere Situation oder die
Kälte ist, was ist es dann? Sie haben doch nicht etwa vor mir Angst?“ Seine Worte kamen langsam wie stete Wassertropfen. „Nein“, brachte sie heraus. „Warum zittern Sie dann so?“ Dieses Mal fand sie keine Worte des Protestes. Dennoch überraschte es sie, dass er heftig atmete. „So!“ stieß er. aus, wobei der Griff seiner Finger fester wurde. „Ich bin dir nicht so gleichgültig, wie du vorgibst. Oder bist du heute Abend so frustriert, dass du reagierst, gleich, wer dich berührt? Hilft die Dunkelheit? Kannst du mich aus deinen Gedanken verdrängen und so tun, als sei ich einer dieser Gigolos, die du benutzt, wenn deine Frustration unerträglich wird?“ „Nicht“, stöhnte sie, als seine Daumen ihre Lippen streiften. „Das meinst du nicht so“, keuchte er. „Du willst das, du sehnst dich danach. Und, bei Gott, ich werde es dir nur zu gerne geben! “ Als Sarah sich später daran erinnerte, wurde ihr klar, dass er nie weitergemacht hätte, wenn sie mehr als dieses „Nicht!“ gesagt hätte, und nie würde sie die beunruhigende Wahrheit über sich herausgefunden haben. Aber so war sie in dem Augenblick verloren, als er seinen Mund auf den ihren presste, von einer Erregung erfüllt, die sie nie zuvor empfunden hatte, in Begierden verloren, die sie nur vage gefühlt hatte, getrieben von einer Kraft, die so stark war, dass sie sich ihr nicht widersetzen konnte. Nicht, dass Sarah eine aktive Rolle gespielt hätte. Doch sie ließ sich von ihm küssen, reagierte wie ein Roboter zunächst. Ließ ihn ihre Lippen nehmen, seine Zunge darüber gleiten, sie drücken und sie erforschen, bis sie sich irgendwie öffneten. Und schließlich erforschte seine Zunge das Innere ihres Mundes. Es war kein grobes oder forderndes Eindringen, sondern ein verführerisches Forschen, das ihre Nerven prickeln ließ, so dass sie den Mund noch weiter öffnete, bis er schmerzte. Doch es war ein erregender Schmerz, den Sarah nur zu gern noch längst ertragen hätte. Sie stöhnte sogar enttäuscht auf, als er sich zurückzog, grub ihre Fingernägel in das Leder ihrer Handtasche, weil die Spannung, die sie erfüllte, so gewaltig war. Sie sehnte sich danach, seinen Mund wieder zu spüren. „Du wirst mich nicht zurückhalten, nicht wahr?“ sagte er. „Nein“, gab sie mit bebender Stimme zu. „Nein ...“ Sein Aufstöhnen betäubte sie. Er begehrte sie ebenso wie sie ihn. Vielleicht hatte er sie immer schon begehrt. Aber nein, er hatte gesagt, dass es nicht so gewesen sei. Sein nächster Kuss verdrängte jeden weiteren Gedanken, Und dieses Mal vermittelte sein Mund nur hemmungslose Leidenschaft. Ihre Zungen vereinten sich zu einem heftig sinnlichen Spiel, das zweifellos nur auf eine Art enden konnte. Irgendetwas in einem fernen Winkel ihres Bewusstseins sagte ihr, sie solle die Gefahr erkennen. Doch ihr Körper wehrte sich dagegen. Er brauchte das, brauchte es mit einer Intensität, die erschreckend war, weil er völlig außer Kontrolle geriet. Sie rutschten von Koffer herunter. Mikes Gewicht lastete auf ihr. Plötzlich ertönte ein unterdrückter Fluch, und Mike. rollte sich beiseite. „Was ist das?“ Die Handtasche wurde ihr entrissen und heftig gegen die Wand geworfen. Dann waren seine Hände wieder da, pressten sie auf den Koffer, umfassten ihre Hüften. Es war eine wahnsinnig unbequeme Position für sie. Dennoch fand Sarah es unglaublich erregend. Sie liebte das Gefühl seiner Berührung, mochte die Art, wie er ihre Brüste in seine Hände nahm und liebkoste. Sie konnte seinen Atem hören. Er ging schwer und stoßartig wie ihr eigener. Sie hörte ihn murmeln, als er ihre Jacke und die Bluse aufknöpfte, ihre Schleife löste. Plötzlich streifte kalte Luft ihre nackten Brüste, und eine Gänsehaut überlief sie kurz. Für einen Sekundenbruchteil war Sarah die Wahrheit ihres Tun bewusst, doch bevor sie reagieren konnte, streifte Mike ihre Brüste mit seinem Mund und umfasste dann
eine anschwellende Knospe. Ein Aufstöhnen kam tief aus ihrer Kehle. Sie ballte ihre Hände. „O Gott“, wimmerte sie. Sie stemmte ihre Fäuste neben dem Koffer auf den Boden, doch nur, um ihm ihren Körper weiter entgegenzuheben. In ihrem Kopf drehte sich alles vor Lust, und das Blut schoss heiß durch ihre Adern. Umso verwirrter war Sarah, als sich plötzlich eine unglaublich warme und liebevolle Welle Emotionen in die anderen Empfindungen mischte. Sie fasste mit ihren Händen sein Haar und schlang die seidigen Strähnen um ihre Finger, während sie ihn so heftig und besitzergreifend an ihre Brüste presste wie eine Mutter ihr Kind. Seltsame Worte der Liebe waren auf ihren Lippen, erstarben, bevor sie ausgesprochen wurden. Sie stöhnte, um sie zu unterdrücken. Trotz allem wusste sie irgendwie, wie gefährlich es war, diesem Mann zu sagen, dass sie ihn liebte. Es’ war ohnehin nicht wahr. Sie liebte ihn nicht. Sie konnte ... „Mike“, stöhnte sie. „Ja, ich weiß “, murmelte er heiser. „Ich werde ...“ Plötzlich flammte das Licht über ihnen auf, und der Fahrstuhlboden unter ihnen erzitterte unter der Aufwärtsbewegung. Funkelnde grüne Augen starrten in wilde schwarze, und langsam dämmerte Entsetzen darin. Sarah hob ruckartig ihren Kopf. Sie starrte an ihrem halb nackten Körper hinunter, ihrer heruntergestreiften Kleidung, ihren angezogenen und geöffneten Knien. Mike war noch immer über sie gebeugt, sein Gesicht voller Leidenschaft und zugleich Enttäuschung. Sie warf ihm einen verächtlichen Blick zu. Sofort wurden seine Augen hart, und sein zynischer Gesichtsausdruck verriet ihr, dass sie nicht leugnen konnte, willig an all dem teilgenommen zu haben, was geschehen war und fast geschehen wäre.
5.
KAPITEL
Scham und Selbstverachtung erfüllten Sarah. Doch in diese Gefühle der Demütigung mischte sich gerechter Ärger darüber, wie sie fand, dass er die Situation ausgenutzt hatte. Hatte sie ihn nicht gebeten, sie nicht zu küssen? Doch als sie jetzt über den ersten Kuss nachdachte und wie schnell sie sich ihm ergeben hatte, errötete sie. Wie konnte sie solche Freiheiten zulassen, zumal auch noch in einem Fahrstuhl. Aufstöhnend versetzte Sarah ihm mit der rechten Hand einen Schlag, und er fiel nach hinten. „Geh weg von mir, du ... du ...“ „Schuft?“ schlug er trocken vor, während er sich aufrichtete. Ein Seufzer der Wut kam über ihre Lippen. „Dieses Wort ist noch zu gut für dich! “ schrie sie, wobei sie ihre Jacke über ihrer offenen Bluse zusammenraffte. Ihr einziger Gedanke war, dass der Lift gleich halten und die Türen sich vor entsetzten Blicken offnen wurden. Sie fühlte sich elend, als sie sich aufrichtete. Ihre rechter Absatz knickte weg. Mike stützte sie, doch sie wehrte ihn ab und schaute ihn wild an. „Fass mich nicht an! “ Er schaute in gespielter Überraschung an die Decke. „Ach wirklich! Vor einer Minute hast du mich noch darum angebettelt. Das zeigt einem, wie launisch manche Frauen sind.“ Du weißt verdammt gut, dass ich dir normalerweise nie erlaubt hatte, mich auch nur anzufassen, ganz abgesehen von ... von ... Wieder durchlief ein Schauer des Ekels ihren ohnehin zitternden Körper. „Du hast mich ausgenutzt! Du ... du wusstest, dass ich wegen Ralph und dieser Frau in einem hilflosen Zustand war. Wahrscheinlich hast du mich absichtlich beschwipst ge macht und die ganze Zeit geplant, mich zu ... zu ...“ Der Lift hielt im Penthouse, und die Türen öffneten sich. Niemand war da. Erleichtert seufzend sackte Sarah an die Wand. Sie hätte die Scham nicht ertragen können, so gesehen zu werden, mit zerzaustem Haar, übergroßen Augen und ungeordneter Kleidung. Doch die Erleichterung währte nicht lange. „Was wolltest du sagen? “ erkundigte sich Mike. Er stand mit dem Rücken vor der geöffneten Tür, seine Arme verschränkt und den Blick gnadenlos auf sie gerichtet. Als Sarah ihn jetzt ansah, hielt sie es für unmöglich, dass sie ihn noch eine Minute zuvor begehrt hatte. In diesem Moment hasste sie ihn, hasste ihn dafür, dass er sie zu diesen Gefühlen bewegen konnte, ohne Liebe oder Interesse. Es war billig und entsetzlich und ekelhaft. Und völlig unbegreiflich! Sie hatte gewusst, dass sie stark von ihm angezogen war, hatte sogar davon geträumt, mit ihm zu schlafen, doch die Wirklichkeit war viel schockieren der. Das Tempo, in dem sie sich ergeben hatte, die Intensität ihrer Gefühle - das war Wahnsinn! Sarahs einzige Erklärung dafür war, dass sie sich sexuell verändert haben musste. Sie hatte über solche Frauen gelesen, die, je erwachsener sie wurden, mehr Interesse am Körperlichen bekamen, die Sex um des Sex willen wollten, deren Geschmack an Männern in eine Richtung ging. Meine Mutter ist der beste Beweis für diese Theorie, dachte sie bitter. Vielleicht hatte sie diese Schwäche geerbt. Um sie zu wecken, war nur ein Mann wie Mike nötig gewesen. Ein schrecklicher Gedanke kam ihr. Vielleicht hatte sie ihm dieses neue Ich heute Nachmittag gezeigt. Vielleicht hatte er sie deshalb überhaupt erst eingeladen, weil er ihre neue Verwundbarkeit und Frustration gespürt hatte. Ihre Gedanken wanderten zurück, wie sie nach Gründen für ihre Reaktion gesucht hatte. Sie musste akzeptieren, dass sie seitdem offensichtlich Sex gewollt hatte! Entsetzt schüttelte Sarah den Kopf. Dies war ja wohl das Allerletzte, von Begierden geplagt zu sein, die sie nicht kontrollieren konnte! Ralphs Verrat hatte sie ihrer Selbstachtung beraubt. Es schien, als würde sich alles andere von selbst erledigen!
Nein, dachte sie in einem verzweifelten Ausbruch von Trotz. Tief einatmend nahm Sarah ihre Handtasche und klemmte sie unter einen Arm. Sie ergriff ihren Koffer und marschierte entschlossen aus dem Lift, ohne Mike ein Wort oder einen Blick zu gönnen. Mit unglaublicher Geschwindigkeit schloss sich Mikes Hand um ihr Handgelenk und schwang sie herum, so dass ihr Handtasche und Koffer fast entfielen. „So einfach lasse ich dich nicht gehen“, knurrte er. „Oh, mir ist klar, dass du dich von mir, Michael Angellini, nur im Dunkeln lieben lassen würdest. Ich war nur ein Männermund, eine Männerhand, ein Männerleib. Jetzt, im Lieht, hast du deine Meinung geändert. Pech nur, mein Liebling, dass ich meine nicht geändert habe. Du hast seit Jahren mit mir gespielt. Heute Abend wirst du das nicht wieder tun! “ Sie starrte ihn an. Ihre grünen Augen weiteten sich vor Entsetzen. Und vor Entrüstung. „Mit dir gespielt?“ wiederholte sie bestürzt. „Ich habe nie mit dir gespielt!“ Er lachte angewidert auf. „Ach, nein? Wie würdest du denn die Art bezeichnen, wie du dich jedes Mal in meinem Restaurant verhalten hast? Du warst halb bekleidet da, hast deinen Mann umgarnt und doch die ganze Zeit dafür gesorgt, dass ich genau bemerkte, was du tatest, indem du mir aus diesen verführerischen grünen Augen Blicke zuwarfst, diesen üppigen Mund zu einem verräterischen, wissenden Lächeln verzogst. Hat es dich erregt, nach Hause zu kommen und zu wissen, dass ich vor Enttäuschung litt?“ Er zog sie fest an sich und senkte den Kopf, bis sein Mund gefährlich nahe war. „Du wusstest, dass ich dich vom ersten Augenblick an wollte, als wir uns begegneten“, sagte er mit leiser, harter Stimme. „Du hast diese Tatsache ausgenutzt, um mit mir Katz und Maus zu spielen, wahrscheinlich um dich selbst zu erregen, damit du mit einem Mann schlafen konntest, den du nicht lieb- „ test. Aber du hast einen Fehler gemacht, Sarah. Du magst eine Katze sein, aber ich bin keine Maus - und das wirst du bald lernen! “ Sarah schluckte, blinzelte und sah sich mit unvorstellbar entsetzlichen Gedanken konfrontiert. Hatte er sie wirklich die ganze Zeit gewollt? Schlimmer noch, hatte sie das irgendwie bemerkt und unbewusst darauf reagiert? Hatte Ralph Recht, dass ihre Verärgerung ein Ersatz für Begierde war? Bebend erinnerte sie sich daran, dass er weiterhin zu Angellini’s gegangen war, trotz der Erniedrigung, die sie dort erfuhr. Danach war sie immer äußerst nervös. Und sie vermutete, dass dies die Nächte gewesen waren, in denen sie nicht schlafen konnte und sich bis in den frühen Morgen auf dem Bett herumgewälzt hatte. Stöhnend schüttelte Sarah den Kopf. Wenn das so war, war ihre Ehe ein Betrug auf beiden Seiten gewesen. Nicht nur, dass Ralph sie nicht geliebt hatte, sondern sie hatte ihn in Wirklichkeit auch nicht geliebt. Alles in ihr schrie auf, dass dies nicht wahr sein könne. Sie hatte Ralph geliebt. Verzweifelt konzentrierte sie sich auf das eine, was sie ihrem Peiniger ins Gesicht schleudern konnte. „Du sagtest, du hättest mich nie gewollt! Du sagtest...“ Sein Lachen schnitt ihr das Wort ab. „Ich sagte, ich hätte nie gewollt, dich ins Bett zu nehmen, um mit dir zu schlafen! Und das habe ich nicht. Ein Bett habe ich mir nie vorgestellt, und an Schlafen habe ich auch nicht gedacht. Teufel, an Manchen Abenden hätte ich dich in ein Hinterzimmer ziehen und an der Tür nehmen können! “ Alle Farbe wich aus Sarahs Gesicht. „Das ist nicht dein Ernst! Du konntest nicht...“ „Ich konnte und kann“, knurrte er. „Willst du den Beweis?“ „Mein Gott, nein!“ stöhnte sie voller Qual. „Um Himmels willen, hör auf, mich so anzusehen! “ fuhr er sie an. „Nein, ich werde dich nicht zwingen, obwohl du es wahrscheinlich verdient hättest.“ Und damit stieß er sie von sich. „Und jetzt raus hier. Geh. Du bist es nicht wert!“ Gelähmt und bestürzt stand Sarah einen Moment da, rieb sich ihr schmerzendes
Handgelenk. Michael nahm ihren Koffer und die Handtasche und drückte ihr beides in die Hände. „Hier ... und nun lauf, so lange du noch unversehrt bist!“ Blindlings wankte sie über den Korridor zu ihrer Tür Irgendwie fand sie die Schlüssel, gelangte schließlich hinein und lehnte sich mit dem Rücken an die Tür. Dann rutschte sie langsam zu Boden und begann zu weinen. Sehr viel später, mit schwerem Herzen und durch die physische und seelische Erschöpfung benommen, zog sie sich aus und duschte ausgiebig. Zu müde, ein Nachthemd auszupacken, legte sie sich nackt unter die Decke des großen Doppelbetts, löschte die Nachttischlampe, und der Raum wurde in erlösende Dunkelheit getaucht. Doch bevor sie in den Schlaf sank, wanderten ihre Gedanken zu dem Augenblick zurück, als Mike gedroht hatte, ihr seine Leidenschaft zu beweisen, und sie gestöhnt hatte, er solle das nicht tun. Wieder kam ein Stöhnen über ihre Lippen, und sie barg ihr Gesicht im Kissen. Denn jetzt, da sie allein war, Mike keine Gefahr mehr darstellte, konnte Sarah zugeben, dass dieser neue sexuell wache Teil von ihr gewollt hatte, dass Mike es bewies, wie und wo er es wollte. Und diese Erkenntnis war so schockierend? dass sie ihn verzweifelt angefleht hatte, sie gehen zu lassen. Er war so anständig gewesen, ihre Bitte zu erhören. Im Augenblick war sie also in Sicherheit. Doch was war morgen und übermorgen und an den folgenden Tagen? Die einzige Lösung war, zu ihrer Mutter zurückzukehren. Eine Welle der Niedergeschlagenheit überkam Sarah. Warum geschah dies alles mit ihr? Sie wollte doch nicht mehr, als ein sicheres und vergleichsweise glückliches Leben führen, allen emotionalen Qualen, wie Molly sie erlitten hatte, aus dem Wege gehen. Jetzt, nachdem sie den Scheidungsschock überwunden hatte, geriet sie in den Mahlstrom seelischer Qualen und wurde nicht nur mit der hässlichen Wahrheit von Ralphs Verrat konfrontiert, sondern auch von einem körperlichen Verlangen gequält, das sie nicht wollte und nicht verstehen konnte. Die Zukunft wartete drohend auf sie, ohne Hoffnung auf den Frieden, nach dem sie sich immer gesehnt hatte. Vielleicht nehme ich mir morgen frei, dachte sie mit einem Seufzen, und gehe nicht zur Arbeit. Ich will diesen Tag vergessen und mir die Decke über den Kopf ziehen und nie wieder auftauchen. Doch Sarah sollte wieder aus dieser Decke auftauchen, weit schneller, als sie erahnen konnte, um sich einer sehr viel größeren Bedrohung ausgesetzt zu sehen ... Gerade noch hatte Sarah tief geschlafen. Doch plötzlich war sie wach und starrte verwirrt an die brennende Deckenlampe. Ihr erster Gedanke war, dass sie das Licht angelassen hatte. Sie streifte sich ihre Locken aus den Auge n und warf einen Blick auf den Radiowecker. Viertel vor zwei. In diesem Moment sah sie Charles in der Schlafzimmertür stehen. Mit einem Ruck richtete Sarah sich auf und starrte ihn nur an. Er wirkte betrunken. Seine Wangen waren gerötet, sein graues Haar zerzaust. Offensichtlich war er voller Verachtung, sie hier zu finden. Sarah zog die Decke bis zum Kinn hoch und schaute ihn aus schreckgeweiteten Augen an. „Ich dachte, du wolltest diese Wohnung nicht “, murmelte er spöttisch. Mit wässrigen, blutunterlaufenen Augen musterte er ihre nackten Schultern. Dann senkte sich sein Blick auf die Stelle der Decke, unter der sich ihre Brüste rasch hoben und senkten. Ein Glitzern trat in seine Augen, bei dem Sarahs Magen sich verkrampfte. Wäre sie von der Situation nicht so überrumpelt worden, wäre sie aufgestanden, um etwas zu tun. Doch so blieb sie unter der Decke. „Komisch“, brachte Charles undeutlich heraus. „Ich hätte nie gedacht, dass du nackt schläfst. Ich hab’ dich mir immer in schwarzen Spitzen oder jungfräuliche r weißer Seide vorgestellt.“ Obszön kichernd, zog er ein Päckchen Zigaretten heraus,
entzündete eine und steckte dann Päckchen und Feuerzeug in seine Tasche. Durch den Rauch, der um seinen Kopf waberte, sah er noch bedrohlicher aus. Sarah schluckte und versuchte, zu denken. Sie war nicht dumm. Sie begriff schnell, dass Charles Doppelschlüssel für dieses Penthouse hatte und es als eine Art Absteige benutzte. Die Logik sagte ihr, dass ein angesehener Rechtsanwalt seine Karriere und seinen Ruf nicht riskieren würde, indem er etwas Kriminelles tat, etwa sie zu vergewaltigen. Dennoch schnürten Furcht und Panik ihr die Kehle zu. Sie konnte nicht sprechen. Schließlich drückte Charles seine Zigarette an der Wand aus und schlurfte zum Bett. Sarah zuckte innerlich zusammen, bewegte sich aber keinen Zentimeter. Zeig keine Angst, sagte sie sich. Er versucht nur, dich einzuschüchtern. Er griff nach der Bettdecke und hob langsam eine Ecke. Sarah war sich ihrer Nacktheit bewusst. Warum, stöhnte sie im Stillen, habe ich kein Nachthemd ausgepackt? „Wenn du zu mir nett bist ...“, sagte er schleppend. „... erzähle ich dir, warum Ralph dich rausgeworfen hat.“ Sarahs Herz machte einen Satz. „Das weiß ich bereits“, sagte sie kurz. „Und ich habe nicht die Absicht, nett zu Ihnen zu sein, Charles Smeaton. Weder jetzt noch jemals! Ich mag Sie nicht, wenn Sie nüchtern sind, und noch weniger, wenn Sie betrunken sind!“ Charles ließ die Decke fallen und sah sie kalt an. „Ach ja?“ Wieder verschlang er sie mit seinen Blicken. „Das ist wirklich zu schade“, lallte er heiser. Obwohl Sarah von Panik erfüllt war, blieb sie tapfer und wandte sich entschlossen dem Eindringling zu. „Wenn Sie nicht sofort gehen, werde ich es Ralph erzählen“, sagte sie knapp. „Ich glaube, er wird nicht erfreut darüber sein, dass Sie Schlüssel für diese Wohnung behalten haben. “ Zur Antwort lächelte er sie selbstsicher an. „Tatsächlich? Ich glaube nicht, dass Ralph etwas dagegen hat. Und da Sie ja wissen, warum er die Ehe beendet hat, werden Sie auch wissen, dass er im Augenblick andere Dinge im Kopf hat.“ Sarah erschauerte. Sein gemeines Lächeln wurde breiter. Er wusste, dass sie Angst hatte, und das schien ihn zu erregen. Voll unbeherrschter Lust starrte er sie sadistisch an. Jetzt erfüllte echte Panik Sarah. So erregt und betrunken wie er war, schien Charles sich über die Konsequenzen nicht im Klaren zu sein, die er zu tragen hatte, wenn er ihr Gewalt antat. Zu schreien war sinnlos. Niemand würde sie hören. Nicht einmal Mike nebenan. Ihr Blick wanderte zu dem Badezimmer. Wenn sie dort hinein gelangte, konnte sie die Tür verschließen. Charles lachte hässlich. „Ich bin näher dran als du!“ Sie tat, als wisse sie nicht, wovon er rede. „Näher woran?“ sagte sie spöttisch. Wieder lachte er. „Spiel nur weiter, wenn du magst. Was du • willst. Ich liebe Spiele. Mein Lieblingsspiel gibt es selten. Herausforderung weckt den Appetit.“ Sarah erblasste, als er langsam seine Krawatte löste. „Gehen Sie raus, Charles!“ forderte sie ihn zitternd auf. Sein Gesichtsausdruck verlor jeden Humor, als er die Krawatte vom Hals nahm und sie wie eine Schlange aufs Bett warf. Seine Hände glitten zu seinem Gürtel. „Du solltest nicht mehr so befehlend zu mir reden“, warnte er. Er warf den Hosengürtel ebenfalls aufs Bett. „Das weckt nicht das Beste in mir.“ Er legte das Jackett ab und begann, sein Hemd aufzuknöpfen. „Das kann nicht Ihr Ernst sein!“ keuchte sie entsetzt. „Was?“ lächelte er. „Dass Sie über mich herfallen. “ „Herfallen? “ Er lächelte in gespielter Überraschung und zog sein Hemd aus. Sarah
war entsetzt, als sie sah, dass er trotz seines Übergewichtes kräftig gebaut war, breite Brust und Schultern hatte. „Wenn ich dich erst fügsam gemacht habe ... und gezüchtigt ... wirst du es bestimmt genießen. Das garantiere ich sogar. Ich weiß schließlich, wer du bist. Ich weiß, woher du kommst. Du hast zwar Benehmen und Anstand gelernt, doch unter der feinen Fassade bist du eine Hure wie deine Mutter.“ Er ergriff den Gürtel und bewegte sich schmallippig und teuflisch grinsend auf sie zu. „Gott, wie ich das genießen werde!“ keuchte er. „Das wollte ich schon seit Jahren tun!“ Sarah bewegte sich mit einer Geschwindigkeit, die sie nie für möglich gehalten hätte. Sie griff nach der schweren Nachttischlampe aus Messing und schlug sie dem Angreifer auf den Kopf, bevor er wusste, was geschah. Mit einem Stöhnen sackte er auf das Bett und rutschte zu Boden. Sie eilte zu einem Stuhl, riss ein darüber hängendes Handtuch an sich und schlang es um sich, während sie aus dem Zimmer rannte. In Sekunden war sie draußen auf dem Korridor und begann zu schreien und an Mikes Tür zu hämmern. Er konnte nicht geschlafen haben, da die Tür augenblicklich geöffnet wurde. In maronenbraunem Morgenmantel stand er vor ihr und schaute sie überrascht an, „Sarah! Was ist denn los? Teufel, du hast ja nichts an! Hier ... nimm das!“ Er streifte ihr den Morgenmantel über. Bis auf eine blaue seidene Pyjamajacke war er unbekleidet. „O Gott“, schluchzte sie. „Ich habe ihn geschlagen. Vielleicht habe ich ihn umgebracht!“ „Wen geschlagen? Wen umgebracht?“ „Frag nicht. Komm einfach! “ schrie sie. Mit wild zitternden. Händen zerrte sie ihn am Arm auf den Korridor. „Schon gut, schon gut!“ Er folgte ihr in das andere Penthouse, wo Sarah zitternd an der Schlafzimmertür stehen blieb. „Da ... neben dem Bett ... Charles Smeaton ... Ralphs Anwalt ...“ Mike warf ihr einen ungläubigen Blick zu. „Du hattest einen Mann hier oben? Nachdem du mich verlassen hattest?“ Für eine Sekunde begriff sie nicht, was er meinte. Dann dämmerte es ihr. „Nein, es war nicht, was du denkst.“ Sie schüttelte entschieden den Kopf. Gott, es war so typisch von ihm, das Schlechteste von ihr zu denken. „Ich war allein ... hatte geschlafen“, brachte sie schließlich heraus. „Als ich aufwachte, war Charles in meinem Zimmer. Er ...!“ „Wie ist er hereingekommen?“ fragte Mike stirnrunzelnd. Sarah seufzte verzweifelt. Warum glaubte er ihr nicht? „Charles hat offensichtlich einen Zweitschlüssel“, erklärte sie. „Er hatte mir heute die Schlüssel übergeben. Er muss den Privataufzug benutzt haben, um an dem Wachmann in der Halle vorbeizukommen. “ „Und was geschah dann? “ fragte Mike skeptisch. „Er starrte mich an, kam herein und begann, sich auszuziehen. Er ...“ Bei der Erinnerung an das Geschehene wurde ihr übel. Sie schwankte. Mike fing sie auf und schaute sie betroffen an. „Hat er dich vergewaltigt?“ Sie erschauerte. „Nein ... aber das wollte er. Ich ... ich forderte ihn auf, zu gehen, aber das tat er nicht. Ich ... ich hatte nichts an, Er nahm seinen Gürtel ab und ...“ Sie erschauerte wieder. „Ich glaube, er wollte mich erst schlagen“, sagte sie heiser. „Er ...“ Ihre Stimme erstarb. Mike sah sie ungläubig an. Verzweifelt schluchzte sie auf. „Es ist wahr!“ schrie sie. „Gott ist mein Zeuge! Es ist die Wahrheit!“ Er starrte sie eine Ewigkeit an. Dann wurde sein Blick traurig. „Ich glaube dir, Sarah“, seufzte er. Er strich ihr das Haar aus dem Gesicht. „Wirklich ... ich glaube dir.“
Diese Erklärung gab ihr wenig Trost, denn seine Worte klangen sardonisch und bitter, so, als ob sie Schuld habe und Männer dazu anrege, Widerwärtigkeiten zu begehen. Auf diesen Gedanken folgte Schuldgefühl, als sie sich an das erinnerte, was im Fahrstuhl geschehen war, daran, wie willig sie seine Zuneigung erst begrüßt und ihn dann zurückgewiesen hatte. Hitze der Scham brannte in ihr, und sie senkte den Blick. Wie konnte sie ihm Vorwürfe machen, wo sie sich doch genauso verhalten hatte, wie er es gesagt hatte? Doch dieses Reuegefühl blieb nicht lange. Stattdessen überwältigten Erinnerungen sie und beunruhigende Gefühle erfüllten wieder ihren Körper, weil Mike so halb nackt neben ihr stand. Sie musterte ihn, und ihr Blick verweilte auf seinen Schultern und seiner Brust, wanderte zu seinem Nabel hinab. Ein Stöhnen aus dem Schlafzimmer ließ Sarah den Blick wenden. Unsicher tauchten tastend zwei Hände neben dem Bett auf. Ihr Herz machte einen Satz. Gott, sie hatte Charles bei all dem völlig vergessen! durchfuhr es sie. Doch während der Angreifer sich mühsam erhob, war ihr Herz von neuer Furcht erfüllt. Charles war ein größter Mann, größer noch als Mike, der nun in das Schlafzimmer ging, während Sarah mit weit aufgerissenen Augen an der Tür blieb. Charles hatte sich ganz aufgerichtet und hielt seinen Kopf. Er warf Sarah einen gehässigen Blick zu. „Du Hure!“ knurrte er und wollte sich auf sie stürzen. Dann sah er plötzlich Mike auf der anderen Seite des Bettes. Er war überrascht und wankte, fasste sich aber und verzog die Lippen hässlich. „Ach, einen Kavalier hat sie bereits organisiert? Das nützt nichts. Ich werde diese Hure wegen versuchten Totschlags vor Gericht bringen. Ich habe sie überhaupt nicht angefasst, wissen Sie!“ wandte er sich an Mike. „Wenn sie das sagt, dann lügt sie. Ich wollte nur mit ihr reden. “ „Ziehen Sie zum Heden Ihr Hemd aus?“ konterte Mike. Charles’ blutunterlaufene Augen blinzelten. Langsam wirkte er nüchterner. Sein Schnurrbart wurde noch schmaler, als er die Lippen verzog. „Wir wollten mehr, alt nur reden. Na, und? Glauben Sie mir, Mann, Sie hat mich hierher eingeladen. Sehen Sie irgendwelche Spuren von gewaltsamem Eindringen? “ „Das war wohl nichts“, entgegnete Mike. „Pech, dass Sie illegalerweise die Zweitschlüssel in der Tasche haben. “ Schuldgefühl zeichnete sich auf Charles’ Gesicht, doch er versuchte zu bluffen. „Die hat sie mir gegeben. “ Sarah schaute Mike an. Sie war erstaunt, wie sorglos er wirkte, als er zwischen sie und Charles trat und sich mit verschränkten Armen vor ihn stellte. „Wer sind Sie überhaupt, verdammt?“ höhnte Charles. „Ein benachbarter Playboy, den sie sich schon geangelt hat?“ „Das Gericht “, erwiderte Mike gelassen. Für einen Moment wirkte Charles bestürzt, wurde dann aber aggressiv. Er richtete sich auf und stellte sich drohend hin. „Übernimm dich nicht, Schonung. Ich war früher Boxer.“ „Ich bin beeindruckt“, entgegnete Mike herablassend. Charles’ Gesicht wurde rot vor Wut. „Du fühlst dich wohl stark, was? Hier!“ Seine Faust schoss schnell vor, doch Mike war schneller, wich aus, packte Charles’ Arm, drehte ihn ihm auf den Rücken und stieß den Mann dann aufs Bett. Charles stöhnte auf. Mike hielt ihn fest, während er Sarah einen überraschend gelassenen Blick zuwarf. „Sei ein liebes Mädchen und setz Kaffee auf, ja?“ schlug er milde vor. „Ich komme, wenn ich mit unserem Freund etwas geplaudert habe. Er scheint ein etwas gestörtes Verhältnis zur Gerechtigkeit zu haben. “ „Ja, aber...“
„Nicht jetzt, Sarah“, fiel er ihr ins Wort. „Später. Schließ die Tür und geh. “ Sie schloss die Tür, ging aber nicht, sondern blieb dahinter stehen. Nie zuvor war sie Zeuge solch männlichen Verhaltens gewesen. Sie war beeindruckt. Wer hätte je gedacht, dass sich hinter Mikes glatter, höflicher Fassade eine so starke, primitive Ader verbarg? Ein Schauer durchfuhr sie bei dem Gedanken, dass einen solchen Mann nichts aufhalten könne, besonders beim schwachen Geschlecht. Dieser Gedanke hätte sie erschrecken sollen. Stattdessen aber war sie sexuell noch erregter! Voller Abscheu vor sich selbst schüttelte sie den Kopf. Was war los mit ihr? Hatte sie nicht aus den Fehlern ihrer Mutter gelernt? Ihr Leben lang hatte sie doch gesehen, wo Beziehungen endeten, die allein auf Sex begründet waren! Mehr würde sie mit Mike nie haben. Der Mann mochte und respektierte sie nicht. Er begehrte sie nur. Sarah seufzte und ging in die Küche, wo sie eine Ewigkeit brauchte, um den Kaffee zu finden und zuzubereiten. Viele Minuten später, als schließlich köstlicher Kaffeeduft in ihre Nase drang, öffnete sich die Schlafzimmertür. Mike trat heraus und führte einen weißgesichtigen und seltsam gekleideten Charles mit sich. Jackett und Krawatte sahen auf seiner nackten Brust etwas unpassend aus. Er schaute sie nicht einmal an, als er zur Eingangstür geführt wurde. Er wirkte erstaunlich eingeschüchtert und schien ein paar Zentimeter kleiner geworden zu sein. Ehrfürchtig betrachtete Sarah die schweigende Prozession und fragte sich, was Mike gesagt oder getan haben mochte, um diese Veränderung zu bewirken. Charles wirkte krank, sah aber nicht so aus, als ob er geschlagen worden sei. „Gute Nacht, Charles“, sagte Mike, während er ruhig die Tür öffnete. „Ich hoffe, wir werden uns nie wieder sehen. “ Daraufhin wirkte Charles noch kränker und wankte hinaus. Mike schloss die Tür leise und ging langsam zu Sarah. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, als er sich ihr nähe rte. Sie starrte ihn an, versuchte, an ihre Scheidung zu denk en und den Schmerz, den diese verursacht hatte, versuchte, an die Komplikationen zu denken, die eine Beziehung brachte. Dennoch, blieb der schnelle Pulsschlag. Hitze überzog ihre Haut, als er näher kam und sie abschätzend anschaute. Dann wandte sie sich ab, eilte zum Küchenschrank und holte mit zitternden Händen Tassen und Untertassen heraus. „Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll“, sagte sie. „Und auch nicht, was du mit Charles gemacht hast. Er hat mir Angst gemacht, obwohl ich glaube, dass er nur betrunken war. Vielleicht hätte er auch gar nichts getan. Wer weiß?“ Sie hob die Schultern und warf Mike einen nervösen Blick zu. Er starrte sie mit unergründlichen Augen an, und sie hätte alles dafür gegeben, herauszufinden, was er dachte. Doch das würde er ihr nie verraten, und den Blick zu erwidern bedeutete, zu verraten, was sie selbst dachte: Dass er ein wundervoller Mann war und mutig und großartig, und, o Gott, sie war völlig verrückt nach ihm. Also konzentrierte sie sich auf das Geschirr und schenkte Milch in ein Kännchen, wobei sie etwas verschüttete. „Du nimmst doch Milch? “ redete sie verlegen drauflos. „Im Restaurant heute Abend hast du auch welche genommen. “ Als sie den Kaffee einschenken wollte, schlössen sich starke Hände um ihre Schultern. Sie erstarrte und keuchte, als Mike sie an sich zog. „Ich will eigentlich keinen“, flüsterte er ihr ins Ohr. Langsam drehte er sie herum, und Sarah schaute in ein Augenpaar, das Millionen Geschichten erzählte, die alle das gleiche Ende hatten. „Das habe ich nur gesagt, damit du etwas zu tun hast“, sagte er. „Du wirktest so verloren. “ Sarah schluckte. „Verloren. “ Ein gutes Wort. Ja, das war sie wirklich. Verloren ... Als ihre Ehe beendet war, war sie aufs endlose Meer hinausgetrieben, ein Schiff ohne
Ruder, ziellos, ein Wrack. Der Mann aber, der sie fest hielt und in ihre Augen schaute, war kein Retter, sondern einer dieser Schrotthändler, die gestrandete Schiffe zum Abwracken schleppen, ihnen alles nehmen, was noch wertvoll daran ist, und ihre leeren Rümpfe dann sich selbst überlassen. Bei diesen Gedanken erfüllte sie wieder Panik, und sie wollte sich von ihm lösen. In diesem Moment festigte sich sein Griff. Sie zuckte zusammen. „Was willst du dann?“ fragte sie. leise. Sein Lächeln war seltsam traurig. „Das, was ich immer wollte, Sarah. Dich ...“ Sie schaute zu ihm auf, unfähig zu begreifen, warum er sie wollte, wenn er sie verachtete. War das nur eine Reaktion auf die Herausforderung, die er in all den Jahren in ihr zu sehen geglaubt hatte? Oder wurde sie immer von Männern verfolgt, die sie nur begehrten? „Ich - ich kann nicht “, platzte sie voller Furcht davor heraus, was sein würde, wenn sie nachgab. „Warum nicht?“ wollte er wissen. „Du willst es. Das hat unsere Begegnung im Fahrstuhl bewiesen. Und ich hab’s in deinen Augen gesehen ... das Bedürfnis, das Sehnen. Du bist einsam, Sarah. Einsam und allein. Lass mich heute Nacht bei dir sein, dich lieben und dich trösten. “ Das alles klang so einleuchtend. Und er gebrauchte nicht einmal falsche Worte von Liebe. Sie starrte ihn in einer Mischung aus Verlangen und Wachsamkeit an, war sich bewusst, dass er seine Vorgehensweise geändert hatte und jetzt verführerischer vorging, nicht mehr den Macho spielte. Die Versuchung, sich an seine nackte Brust zu lehnen, sich ihm hinzugeben, war überwältigend. Ein leises Stöhnen kam über ihre Lippen, ohne dass sie es verhindern konnte. Und dann war es zu spät. Ihr Kopf ruhte an seinem warmen Hals, und ein Seufzer der Hingabe kam tief aus ihrer Brust. Mike sagte kein Wort. Er hob sie einfach auf seine Arme, trug sie aus ihrer Wohnung über den Korridor in sein Penthouse und trat die Tür hinter sich zu. Erst dann blickte er sie an und schockierte sie mit der Heftigkeit der Gefühle, die in seinen Augen brannten. „Wenn du deine Meinung wieder änd erst“, warnte er sie heiser, ‚„werde ich dich erdrosseln.“ So trat er ins Schlafzimmer und schloss die Tür hinter sich.
6.
KAPITEL
Ich kann doch so etwas nicht tun, dachte Sarah, als Mike sie im Dunkeln aufs Bett legte. Als er die Nachttischlampe einschaltete, glitt ihr Blick nervös durch das schwach erleuchtete Schlafzimmer, das ebenso elegant eingerichtet war wie das in Ralphs Penthouse. Sie schaute wieder den Mann an, der auf dem riesigen Bett saß und sie aufmerksam betrachtete. Und da kam ihr der Gedanke, dass er wirklich ein Fremder war. Was wusste sie von ihm? Nur dass er Anfang dreißig war, unverheiratet und ein italienisches Restaurant besaß. Alles andere waren nur Gerüchte und Spekulationen. Ihr Gespräch am Abend zuvor war sprunghaft gewesen. Privates über ihn hatte sie nicht erfahren. Er gehörte vielleicht zu diesen italienischen Emigranten, deren Geschäfte nur Fassade für organisiertes Verbrechen waren. Drogenhandel und Ähnliches. Sein Restaurant lag schließlich in King’s Cross - dem Zentrum des Verbrechens von Sydney. Sie hatte über diese mächtigen, rücksichtslosen Männer gelesen, die nach eigenen Gesetzen lebten. Sie erinnerte sich wieder, wie krank Charles Mike angesehen hatte. Er gehörte doch nicht etwa zur Mafia? Obwohl sie diesen Gedanken sofort als Überreaktion verdrängte, wollte sie aus dem Bett springen und um ihr Leben laufen. Doch sie blieb starr und gespannt liegen. „Du bist nervös“, stellte er fast vorwurfsvoll fest. Sie schluckte und wandte den Blick ab. Er umfasste ihr Kinn und drehte sie zu sich. Sie war überrascht, als sie ein schiefes Lächeln um seine Lippen sah. „Man sagt, Frauen seien schwer zu verstehen“, murmelte er. „Aber du, Sarah, bist absolut schwer zu verstehen. “ Er neigte sich zu ihr und bedeckte ihren Mund mit seinem, strich mit seinen Lippen in langsamen Bewegungen darüber. Verwirrt atmete sie ein, als eine Welle der Freude sie durchrann. Er hob ihren Kopf und schaute überrascht. „Du bist erstaunlich“, flüsterte er. „Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dies ist dein erstes Mal...“ Er küsste sie wieder. Seine Zunge spielte lockend mit ihrem geöffneten Mund. Verlangen ließ Sarah tief aufstöhnen. Wieder schaute Mike frustriert auf sie. „Ich verstehe, warum Männer nach dir verrückt sind “, murmelte er, während seine Finger zu der Öffnung des Morgenmantels an ihrem Hals hinabwanderten. Sie erschauderte, als sie in dem Tal zwischen ihren Brüsten verweilten. „Du bist immer das, was sie wollen, dass du es bist. Im Lift eine lüsterne Kokotte, hier eine Jungfrau in der Hochzeitsnacht, zögernd und süß. Wie machst du das, Sarah? “ fragte er. halb bewundernd, halb spöttisch. „Wie viel Jahre Praxis braucht man, um diese Art erotischer Fantasie zu beherrschen? “ Ihr blieb zum Antworten keine Zeit. Wieder verschloss er ihren Mund mit seinem, und dieses Mal war er hungrig und fordernd. Seine Lippen pressten sich auf die ihren, und seine Zunge drang tief in ihren Mund, verdrängte ihren neuerlichen Abscheu. „Gott!“ murmelte er, als er sich schließlich von ihr löste und sie anschaute. Sarah gab ein leises Wimmern von sich, als seine Fingerspitzen über ihre Lippen glitten. „Es tut mir Leid“, sagte er heiser. „Gewöhnlich bin ich nicht so brutal. “ „Entschuldige dich nicht“, erwiderte sie. „Mir gefiel es.“ Gefiel es? Welch dreiste Untertreibung! Sie liebte das, sehnte sich danach! Sie konnte sich nichts Erregenderes vorstellen, als von diesem Mann genommen zu werden. Erregt blickte sie auf die starken Männerarme, die sie umfingen, auf seine breite Brust. Das Verlangen, diese Muskeln zu berühren, war überwältigend. Sie strich mit ihrer rechten Hand leicht über seine Haut. Ihre Fingernägel streiften seine Brustwarzen.
Die Intensität seines Erschauderns überraschte sie ebenso wie die Hitze unter ihren Fingern. In einem Anflug plötzlich aufwallender Leidenschaft schlang sie beide Arme um seine Hüfte und zog ihn an sich, bis ihr Gesicht an seiner Brust ruhte. Er erschauderte wieder, stöhnte dann, als ihre Zunge langsam kreisend eine Brustwarze liebkoste. Plötzlich schob er sie mit fester Hand von sich. „Du musst auf hören“, brachte er mühsam hervor. „Hör auf!“ Verwirrt starrte sie ihn an. Was hatte sie falsch gemacht? „Du solltest lieber wieder die scheue Jungfrau sein“ knurrte er, während sie in seinem Haar wühlte. Sarah zuckte sichtlich zusammen, glaubte, sich gerade zum Narren gemacht zu haben. „Schau doch nicht so! Glaubst du, ich hätte das nicht genossen? Verdammt, ich hab’s zu sehr genossen. Die Wahrheit ist, dass ich seit einer Ewigkeit keinen Sex gehabt habe, und wenn du so weitermachst, ist alles vorbei, bevor es überhaupt angefangen hat!“ Sarah starrte ihn an, schockiert darüber, wie sehr sein Geständnis sie erfreute. Dann kam ihr die zynische Erkenntnis, dass für einen kraftvollen Mann wie ihn vierzehn Tage wahrscheinlich eine Ewigkeit waren. Sie sah sich auf dem riesigen Bett mit seinen cremefarbenen Satinlaken und den unzähligen Kissen um und wusste mit absoluter Sicherheit, dass zuvor viele Frauen hier gewesen waren und begierig unter seinem Körper gelegen, seine hungrigen Küsse hingeno mmen und seine Sexualität genossen hatten. Augenblicklich erwachte wilde Eifersucht in ihr. Sie schaute ihn wieder an, hätte sein schönes Gesicht am liebsten zerkratzt, wollte ihn anschreien, dass er nie wieder eine andere Frau lieben solle. Von dieser Nacht an gehörte er ihr allein! Die Intensität, die Verrücktheit dieses Gefühls schockierte sie. Das konnte doch nicht eine normale sexuelle Frustration sein, unter der sie litt? Dies war etwas Tieferes. „Was ist?“ sagte Mike scharf. Sie atmete zitternd schwer aus. „Nichts ... nichts ...“ „Sag’s mir“, drängte er und zog sie atemberaubend dicht an sich, presste seine Lippen fieberhaft auf ihre Stirn. „Was erschreckt dich so an mir? Warum hast du mich, dich vorhin nicht ganz lieben lassen? Warum?“ Sie warf den Kopf herum. „Ich will nicht darüber reden“, flüsterte sie heiser. „Es ist alles so verwirrend!“ „Was ist verwirrend?“ fragte er, ohne zu ahnen, dass die heißen, streichelnden Hände, die über ihr Haar, den Hals und ihren Rücken glitten, am verwirrendsten für sie waren, da sie langsam ihren Verstand lahm legten. Das konnte sie doch nicht in den Armen eines anderen Mannes empfinden? Es schien unmöglich. Doch wenn nur Michael Angellini das bei ihr bewirken konnte, was genau empfand sie für ihn? Sexuelle Hörigkeit? Besessenheit? Lust? Sarah weigerte sich, das Wort „Liebe“ zu gebrauchen. Auch wenn ihre Gefühle für Ralph langsam zu sterben begannen, war ihr gemartertes Herz weder bereit noch fähig, jetzt einen anderen Mann zu lieben. Ganz gewiss nicht den Mann, der nichts als Verachtung für sie übrig hatte. Vielleicht handelte sie so aus einer verrückten Rache, weil ihr Mann sie verletzt halte. Vielleicht war es das. Sie wusste nichts mehr. „Alles ist verwirrend “, stöhnte sie. „Ich ... dies ... du ...“ Seine Finger verharrten abrupt. „Was meinst du damit?“ Sie befreite sich aus seinem Griff und schaute ihn freudlos an. „Ich weiß es nicht! Siehst du nicht, dass ich überhaupt nichts mehr weiß? Das alles heute war zu viel für mich! Erst Ralph, dann Charles, jetzt du. Ich bin so durcheinander!“ weinte sie und bedeckte ihr Gesicht mit den Händen. „Willst du, dass ich aufhöre?“ fragte er mit ausdrucksloser Stimme.
Ihr Kopf schnellte hoch, und sie schaute ihn mit weit aufgerissenen Augen an. „Nein“, keuchte sie. „Das ist ja das Verwirrendste daran. Das will ich nicht.“ Er schaute auf ihre zitternden Lippen, dann auf ihre bebenden Brüste. „Das könnte ich auch nicht “, stieß er aus. „Nicht einmal, wenn ich es wollte.“ In einer elektrisierenden Stille zog er die Nadeln aus ihrem Haar und warf sie beiseite, als die wundervollen Locken auf ihre Schultern fielen. Dann öffnete er ganz behutsam den Morgenmantel und streifte ihn ihr ab. Sarah hielt den Atem an. Denk an nichts mehr, sagte sie sich. Schließ die Augen und fühle nur noch. Sie stieß erwartungsvoll einen Seufzer aus, da sie glaubte, die Erregung kaum noch ertragen zu können. Atemlos wartete sie auf den Augenblick, in dem er ihre Brüste berühren würde. Sie waren für ihn bereit. Angeschwollen und gespannt von ihrem Liebesspiel ragten die dunklen Knospen auf. „Oh!“ keuchte sie, als sie etwas Festes und zugleich Warmes spürte. Sie hob zitternd die Lider und sah, dass seine Hände langsam kreisend über ihre Brüste glitten. Mike schallte sie an, betrachtete sie unter gesenkten Lidern mit glühenden Blick. Dann liebkoste er ihre Brüste ganz, ergriff sie mit seinen Händen, massierte sie, hob sie und presste seinen Mund darauf. Voller Lust bog sie den Kopf nach hinten, so dass die bronzenen Locken in ihrer ganzen Pracht herabhingen. Sie grub ihre geballten Fäuste in die Matratze, schob ihre Brüste diesen wundervollen Händen, diesem peinigenden Mund entgegen. Ein leises, erregtes Stöhnen entrang sich ihrer Kehle. Er ließ sie wieder auf das Bett sinken und schaute sie nur an. Benommen erwiderte sie seinen Blick. „Du bist die schönste, empfindsamste und gefühlvollste Frau, die ich je gekannt habe“, murmelte er und fuhr fort, ihren Körper zu streicheln. Sie keuchte, als seine Finger wieder ihre Brustwarzen streiften. „Wenn du mich so anschaust, könnte ich in deinen Augen ertrinken. Und dein Mund ...“ Er stöhnte und beugte sich vor, um ihre geöffneten Lippen mit einem tiefen hungrigen Kuss zu nehmen. Mit einer Hand umfing er ihre Nackenbeuge, während seine andere über ihren flachen Bauch glitt, hinab zwischen ihre Schenkel, wo er ihren Körper ganz intim zu erforschen begann. Sarah wurde von heftigen, wollüstigen Gefühlen überwältigt. Und sie erschreckten sie zugleich. Solche Empfindungen darf es bei der körperlichen Liebe nicht geben, dachte sie wild. Es konnte nicht dieses verrückte Bedürfnis sein, dieses wahnsinnige Verlangen, sich endlich bedingungslos hinzugeben! „Nicht mehr!“ bat sie, als er die Lippen schließlich von ihrem Mund löste. Die Erleichterung währte nur kurz, da seine heißen, feuchten Lippen ihren Körper hinab, vorbei an ihren Brüsten direkt dorthin wanderten, wo sie bereits brannte. Sarah stöhnte gequält, auf, als ihr klar wurde, was er tun wollte. Und obwohl der Gedanke daran sie geradezu unerträglich erregte, wusste sie, dass sie es nicht aushalten würde. Aber Mike würde nicht aufhören. Seine Hände waren beherrschend, als sie ihre Schenkel öffneten, sein Mund drängend, als er sich zu ihrer intimsten Stelle bewegte. Sie hatte Recht. Sie konnte es nicht ertragen. Die elektrisierenden Gefühle ließen sie aufschreien. Er ignorierte ihr Wimmern völlig. In leisem Protest zausten ihre Hände sein Haar, während er ihr weiter seine Aufmerksamkeit mit einem Geschick zuwandte, das zugleich viel sagend und atemberaubend hypnotisierend war. Hier war ein Mann, der nicht nur alles über Frauen wusste, sondern sich auch nicht mit einem Nein abfand. Er war ein Mann, der sie noch mehr als Ralph zerstören konnte. Doch in einem solchen Augenblick war für Bedauern oder Sorgen kein Platz. Sarah befand sich auf einer Reise zu erotischer Lust, bei der es kein Zurück gab. Immer enger schien ihr Körper zu werden, immer schneller ging ihr Atem, und ihr Blut wurde zunehmend heißer. Sie wurde auf einen ihr bisher unbekannten Berg geschwemmt,
von dem es nur einen Weg hinab gab. Und obwohl die Aussicht auf eine Erfahrung, die sie nie zuvor gemacht hatte, so schwindelerregend verlockend war, wusste Sarah plötzlich, dass sie es so nicht wollte, es so nicht ertragen konnte. Sie wollte Mike in sich, brauchte Mike in sich. Sie stieß ihn heftig von sich. „Nein, nein! “ rief sie. Er wankte vom Ende des Bettes zurück, stand auf und schaute sie wild und ungläubig an. „Du musst verrückt sein! Es gibt jetzt kein Zurück mehr. Du kannst deine Meinung nicht wieder ändern. Sieh mich an!“ Nie zuvor hatte Sarah direkt auf einen erregten Mann geschaut. Glühendes Rot überzog ihre Wangen, und ihr Herz hämmerte wie wild. „Ich habe meine Meinung nicht geändert“, platzte sie heraus, zögerte dann, da sie die richtigen Worte nur schwer fand. „Ich wollte dich. Dich! “ schrie sie. „Nicht... weniger ...“ Sein Stöhnen kam gequält, und er schloss eine Sekunde die Augen. Dann schüttelte er den Kopf und sank wieder auf sie. „Warum hast du das dann nicht gesagt? Mein Gott, ich dachte ...“ Wieder stöhnte er auf, kniete sich dann hin und fuhr mit zitternden Händen über ihren Körper. Ihre Augen wurden groß, und ihr Herz stand für einen Moment still, als er seine Hände unter ihre Hüften schob und sie zu sich hob. Sie spürte seine erhitzte feuchte Haut an der ihren, und dann versank er in ihr, füllte die schmerzende Leere so, dass es ihr den Atem verschlug. Sie stöhnte vor Lust, als sie eins wurden, voller Ungeduld, ihn ganz in sich zu spüren. So musste wahre Liebe sein, dachte sie, zwei Menschen vereint, Mann und Frau zusammen, wie die Natur es gedacht hatte. Wieder suchte er ihren Mund, während er sich langsam, rhythmisch und tief zu bewegen begann. Wellen der Begierde durchdrangen Sarahs Körper und Sinne, und sie vertrieb jeden Gedanken daran, dass Mike nur ein Frauenheld war, dem an ihr eigentlich überhaupt nichts lag. Hier und jetzt war er der Mann, den sie wollte. Er war ihr Mann. Gerade hatte er gezeigt, wie sehr er sie begehrte, und das musste im Augenblick genügen. Morgen würde sie sicher über ihr Tun verzweifeln. Doch irgendwie empfand sie in diesem Augenblick kein Bedauern. Sie wusste nur, welch wunderbares Gefühl es war, so mit Mike vereint zu sein. Wunderbar und erregend und überwältigend. Schließlich löste er sich von ihrem Mund und presste seine heißen Lippen auf ihre Schulter, auf die pochende Ader an ihrem Halsansatz, und seine Hände glitten an ihrem Körper auf und ab. Sie liebkoste seinen Kücken, grub aber ihre Nägel in seine Haut, als er ihre Hüften umfing, sie vom Bett hob und noch tiefer in sie drang. Jeden Augenblick war es soweit... Es war ein Sekundenbruchteil, in dem sie auf einer scharfen Klinge zu balancieren schien, als ihr Atem aussetzte und jeder Muskel ihres Körpers schmerzhaft verharrte. Sie hörte ihn nach Atem ringen, spürte, wie er sie an sich drückte. Und dann befreite er sie beide mit einem letzten Stoß, und ihre gemeinsamen Schreie der Erfüllung durchdrangen die Stille der Nacht. Sarah war nicht nur durch die Intensität ihrer körperlichen, sondern auch ihrer emotionalen Gefühle getroffen. Sie umarmte Mikes zitternden Körper und war unfähig, die verrückte Litanei aus ihren Gedanken zu drängen. Ich liebe ihn ... ich liebe ihn ... ich liebe ihn ... Trotzig schnitt sie eine Grimasse, da sie wusste, dass dies nicht wahr war, und sie hasste sich dafür, wie ihr Herz sich an diesen Gedanken klammerte. Dies war Lust, nicht Liebe. Sexuelle Befriedigung, keine seelische Verbindung. Ein einmaliges Zusammensein, nicht ihre Hochzeitsnacht. Aber wie sehr sie sich auch um vernünftiges Denken bemühte, sie fühlte sich wundervoll friedlich und sehr glücklich. „O Mike“, seufzte sie, während sie seine Brust mit Küssen überschüttete. »So sollte es immer sein.“
Er blicke sie an. Dann umspielte ein Lächeln seinen Mund. „Gern zu Diensten“, sagte er. „Wann willst du bei mir einziehen? “ Sie keuchte überrascht. Damit hatte sie am wenigsten gerechnet. „Du ... du willst, dass ich bei dir wohne?“ „Entweder das, oder du gibst mir einen Schlüssel zu deiner Wohnung. Meine Nächte zumindest will ich mit dir verbringen. “ Er stützte sich auf dem Ellbogen auf. „Ich will dich, Sarah“, sagte er mit einem seltsamen Unterton. „Nicht nur für eine Nacht. Ich will mehr von dir als nur das.“ In ihrem Kopf drehte sich alles. Sie konnte kaum vernünftig denken, nicht, solange ihr Körper mit seinem noch vereint war und ihre Sinne noch Lust empfanden. „Nein, Mike, das kann ich nicht!“ rief sie, bevor sie die Versuchung überkam, Ja zu sagen. „Komm mir nicht so!“ fiel er ihr ins Wort, während er ihr Gesiebt in seine Hände nahm. „Deine Ehe mit Ralph Diamond ist Vergangenheit! Vorbei! Er will dich nicht mehr. Dein Leben ist hier ... und jetzt. Ich will dich und du willst mich! “ Seine Augen funkelten wütend, und sein Körper zitterte vor unterdrücktem Zorn, als er versuchte, sich zu beherrschen. „Warum verwehrst du mir ständig, was du anderen gegeben hast? Sarah, du hast mich seit Jahren verrückt gemacht! Ich habe immer nur daran gedacht, dich zu haben, zu besitzen. Ich bin verrückt nach dir, merkst du das nicht?“ Sein Kuss war wild und seltsam verzweifelt. Und es war diese Verzweiflung, die Sarah mehr rührte, als das verführerische Geschick seiner Lippen und Zunge. „Sag, dass du mein sein wirst“, drängte er sie, nachdem er sie geküsst hatte. „Ja“, sagte sie atemlos und blind. „Ja ...!“ „Du wirst nie wieder Nein zu mir sagen“, keuchte er, wobei seine Augen triumphierend glänzten. Wieder küsste er sie und umarmte sie mit neu erwachter Leidenschaft. Seine Worte waren prophetisch, zumindest, Was die nächsten Stunden anbelangte. Er trieb mit Sarah ein Liebesspiel, wie sie es nie zuvor erfahren hatte, forderte Dinge, die sie nie zuvor freiwillig getan hätte, und jede dieser Erfahrungen zeigte ihr, dass es sexuelle Horizonte gab, die zu erforschen waren, unerreichte Höhen der Lust, die sie sich nie hätte vo rstellen können. Sonnenlicht fiel durch die Vorhänge hinter dem Bett auf Sarahs Augen und weckte sie. Sie seufzte schläfrig und drehte sich auf die Seite. Ein Arm stieß an warme Haut. Sie erstarrte und zog den Arm zurück, als die Erinnerungen an die vergangene Nacht sie überkamen. Sie wurde hellwach und riss die Augen auf. Mike lag nackt auf dem Bauch, das Gesicht von ihr abgewandt, die Beine gespreizt, und sein Atem ging gleichmäßig. Sie schluckte, als sie der Linie seines Rückgrates folgte, hinab zu der Stelle, wo ihre Fingernägel rote Spuren hinterlassen hatten. Entsetzt schaute sie an sich herab, und ihre grünen Augen weiteten sich beim Anblick der Flecken an Hüften und Schenkeln. Ihre Finger zitterten, als sie ihre geschwollenen, spröden Lippen berührte. Sie befeuchtete sie mit ihrer Zunge. Ein Aufstöhnen unterdrückend, schwang sie vorsichtig die Beine aus dem Bett und stand auf. Lautlos ging sie über den Teppich ins Badezimmer und schloss die Tür hinter sich. Sie sehnte sich nach einem heißen Bad, obwohl das einlaufende Wasser Mike vielleicht wecken würde. Aber die Tür war verschlossen, so dass er nicht hinein konnte - ein Gedanke, der sie erschaudern ließ. Wie sollte sie ihm in die Augen schauen, nach all dem, was sie getan und zugelassen hatte? Nur die wollüstigen Frauen, glaubte sie, verhielten sich so hemmungslos, wie sie es getan hatte. Mit ungläubigem Kopfschütteln drehte sie den goldenen Wasserhahn auf. Bald tauchte sie in das einladend dampfende Wasser. Leise seufzend lehnte sie sich zurück, und allmählich entspannte sich ihr steifer Körper in der feuchtwarmen Hitze. Nicht aber ihre Gedanken. Was hatte sie getan? Wie konnte sie sich Mike
hingeben? Er liebte sie nicht, trotz seiner leidenschaftlichen Worte in der Nacht. Und so sehr sie sich im Überschwang der Leidenschaft eingebildet hatte, ihn zu lieben, wusste sie im kalten Tageslicht, dass es nicht so war. Sie hatte Ralph geliebt, und das war anders gewesen. Es hatte sie nie erschreckt. Sie hatte sich zugleich sicher und geborgen gefühlt. Wärme und Licht kamen hinzu. Dieses Gefühl aber war dunkel und gefährlich und zerstörerisch. Und zugleich war es sehr stark, viel stärker als die Vernunft oder die Scham. Schon wieder wollte sie seine Hände an sich spüren, diese elektrisierende Spannung empfinden. Gut nur, dachte Sarah bitter, dass ich nicht schwanger werden kann. Es war reiner Zufall, dass ihr Arzt ihr unlängst die Pille verschrieben hatte, um ihren Zyklus zu regulieren. Sie wollte einmal Kinder haben, aber nur von dem Mann, den sie liebte. Ein heftiges Pochen an der Badezimmertür schreckte sie auf. „Du bist doch nicht etwa ertrunken, Sarah? “ „Nein“, rief sie zurück, dankbar dafür, dass dieses Wort weder zitternd noch nervös kam. „Ich wollte nur einmal nachhören. Mach nicht zu lange.“ Seine Stimme klang völlig normal. Offensichtlich kümmerte es ihn überhaupt nicht, ihr heute Morgen zu begegnen. Du bist sehr dumm, Sarah, schalt sie sich, dir darüber Sorgen zu machen, was er von dir denken könnte. Du hast dich genauso verhalten, wie er es von dir erwartet hat, wie sich all seine Geliebten verhalten. Hast du wirklich geglaubt, du seist die erste Frau, die sich seinem außergewöhnlichen sexuellen Appetit so völlig hingegeben hat? Natürlich nicht! Und fang bloß nicht an, all diese großartigen Worte zu glauben, die er gesagt hat. Dass er bei dir Dinge gefühlt hat, die er nie zuvor gefühlt hat. Solche Worte kamen ihm sicher immer automatisch über die Lippen, wenn er eine Frau liebte. So brachte er sie dazu, sich als etwas Besonderes zu fühlen. Der einzige Unterschied zwischen dir und einer anderen ist, dass er auf dich länger warten musste. Er liebt dich nicht. Hast du gemerkt, wie bedachtsam er es vermied, dir das zu sagen? O ja, er wollte dich, brauchte dich, bewunderte dich, fand dich erregend und sexy und atemberaubend schön. Aber das Wort „Liebe“ hat er nie erwähnt. Wenn du also schon so verrückt bist und seine Geliebte wirst -und das wirst du ja wohl, nicht wahr? - dann fang nicht an, dich falschen Hoffnungen hinzugeben. Vergiss nicht, dass du es hier mit einem Don Juan zu tun hast. Sarah seufzte und stieg aus der Wanne. Sie wickelte ihr tropfnasses Haar in eines der riesigen weichen Handtücher und schlang ein weiteres um ihren Körper. Sie putzte sich gründlich die Zähne und musterte sich dann kurz im Spiegel. Sie wollte sich eigentlich nicht ansehen, sich nicht an das Bild einer Frau erinnern, die dabei war, das Dümmste zu tun, was sie je in ihrem ganzen Leben getan hatte. Sarah fand Mike in der Küche. Er kochte gerade einen Kaffee, der noch besser duftete als der, den sie in der Nacht zuvor zubereitet hatte. Ihre Sinne aber waren ganz auf den Mann gerichtet, der neben der Kaffeemaschine stand und mit den Fingern auf der Marmorplatte trommelte. Er hatte sich offensichtlich im anderen Bad geduscht, da sein Haar feucht war. Sein Profil mit der kühnen römischen Nase und dem energischen Kinn wirkte sehr männlich. In Gedanken schien er Lichtjahre entfernt zu sein. Sie sah es an seiner gerunzelten Stirn, dass er angestrengt nachdachte. Er musste sie plötzlich aus dem Augenwinkel gesehen haben, da er sich ruckartig zu ihr drehte und sie überrascht musterte. Sein Blick verweilte auf ihren nackten Schultern und wanderte dann zu ihren bloßen Füßen. Es schien kurz, als erkenne er sie nicht, da sich seine Auge verengten. Sarahs Mut schwand. Offensichtlich bevorzugte er Frauen, die perfekt gekleidet zum Frühstück kamen.
Er schüttelte den Kopf. „Du siehst wie fünfzehn aus “, sagte er. Sein trockener Tonfall machte sie etwas wütend. Sie nahm das Handtuch vom Kopf und ließ ihre vollen kupferfarbenen Locken auf die Schultern fallen. „Besser so?“ meinte sie herausfordernd. Wieder musterte er sie, und dieses Mal flammte Verlangen in seinen schwarzen Augen auf. Sarah war schockiert. Mein Gott,, hatte er letzte Nacht nicht genug gehabt? Sie wandte den Bück von ihm ab, beunruhigt darüber, dass das Erkennen seines Begehrens sie ebenfalls erregt hatte. Wenn das so weiter ging, würden sie all ihre Tage im Bett verbringen, nicht nur die Nächte! Enttäuschung überkam sie. Was, um Himmels willen, tat sie da? Sie vergeudete ihr Leben mit einem Mann, der sie nicht liebte! Das war noch schlimmer als ihre Ehe mit Ralph. Es hatte nicht einmal die Respektabilität eines Eherings oder die Illusion von Liebe! Am liebsten wäre sie sofort verschwunden. Ihr Unbehagen wuchs, da sie wusste, dass sie das nicht konnte. Sie begehrte Mike zu sehr. Sie konnte nur hoffen, dass ihre Affäre kurz sein würde, dass ihr wahnsinniges Verlangen befriedigt sein würde, bevor er mehr als nur ihren Körper an sich fesselte. Iß ihrem derzeitigen verwundbaren Zustand lag es im Bereich des Möglichen, dass sie sich wirklich in ihn verliebte. Und sie konnte ganz gut ohne dies leben. Verärgerung über ihre eigene Schwäche weckten entschlossenen Stolz in ihr. Reiß dich zusammen! Du bist eine unabhängige erwachsene Frau, keine willenlose Idiotin. Du hast das Sagen. Du entscheidest, was getan wird und wann. Lass dich nicht wieder von einem Mann zur Marionette machen! Sie fühlte sich unendlich stärker, als sie den Blick hob und Mike ein Lächeln schenkte, während sie langsam hinüberging und sieh auf einen der Hocker setzte. „Gießt du mir bitte Kaffee ein, Darling?“ sagte sie. „Ich brauche etwas zum Wachwerden. “ , Er Schaute sie erbost an, offensichtlich verärgert über ihr Verhalten. Oder ha tte ihn das bedeutungslose Wort „Darling“ verletzt? Pech für dich, sagte ihr gleichgültiger Blick. Wenn du eine Affäre haben willst, mit einer Frau, die keine moralischen Skrupel, kennt, Michael Angellini, dann ärgere dich nicht, wenn sie sich auch so verhält. Oder hast du wirklich erwartet, sie wäre absolut fantastisch und würde zugleich unendliche Liebe vorheucheln? Er biss die Zähne zusammen und wandte seine Aufmerksamkeit dem Kaffee zu. Er schenkte zwei Tassen voll. Sarah hatte den Eindruck, er hätte nicht übel Lust, ihr eine davon an den Kopf zu werfen. Doch mit einem Lächeln und der übertriebenen Höflichkeit, mit der er sie auch immer im Restaurant behandelt hatte, stellte er sie ihr hin. „Möchtest du Eier dazu?“ fragte er kalt wie ein Kellner. „Oder Toast?“ „Toast wäre schön“, erwiderte sie freundlich. Im Grunde wollte sie keinen Toast. Sie wollte so schnell wie möglich hier heraus. Sie schämte sich, nicht nur für das, was letzte Nacht geschehen war, sondern auch für das, was heute Abend und in vielen kommenden Nächten wieder geschehen würde. Nie hätte sie geglaubt, dass sie so sexsüchtig sein könnte, zumindest aber konnte sie ihre neu entdeckten Begierden unter Kontrolle bringen und Mike von der Vorstellung abbringen, dass er den Ton angab. Sie musste sich zur Wehr setzen, bevor es zu spät war, bevor sie der sexuellen Ausstrahlung des Mannes noch mehr verfiel. „Mike“, setzte sie an, bevor sie es sich anders überlegen konnte. Ruckartig wandte er ihr den Kopf zu und sah sie an. „Wegen deines Vorschlags ...“, fuhr sie fort, wobei sie tief Luft holte und ihre Brust sich hob. „Ich möchte lieber in meiner Wohnung bleiben. Ich ... du sagtest, es reichte, wenn ich dir einen Schlüssel gäbe.“ Mehrere Sekunden sagte er nichts, sondern schaute sie in einer Mischung aus Wut
und deutlicher Enttäuschung an. Letztere Reaktion weckte eine gefährliche Schwäche in Sarah. Unglaublicherweise war sie versucht, ihre Meinung zu ändern, ihm zu sagen, dass sie alles tun würde, was er wolle, dass sie für immer für ihn da sein würde, wann und wo er es wünsche. Am Ende war diese Schwäche ihre Rettung. Wenn dieses neue Gefühl von Sexualität sie zu diesen Gefühlen bewegte, war es doppelt wichtig, ihre Wohnung zu behalten, damit die Beziehung zu ihren Bedingungen verlief und nicht zu denen von Mike. „Wenn ich so darüber nachdenke“, sagte sie mit fester werdender Stimme, möchte ich dir auch keinen Schlüssel geben. Du brauchst nur anzuklopfen, und ich lasse dich ein. Schließlich ...“ Sie warf ihm einen ihrer kühlsten Blicke zu ... wenn ich nicht daheim bin, gibt es für dich ja keinen Grund, hineinzukommen, oder?“ Sie starrten sich lange Zeit einfach an, wobei Sarah sich innigst wünschte, zurücknehmen zu können, was sie gesagt hatte. Denn es beunruhigte sie, dass sie Mike mehr begehrte denn je. Sie wollte, dass er sie in seine Arme nahm und ihr sagte, sie solle nicht so albern sein, dass er sie wirklich liebe, sie ihm wichtig sei, dass er mit ihr zusammen sein wolle, nicht nur im Bett, dass er ihr Freund und Partner sein wolle, nicht nur ihr Liebhaber. Diese unerwarteten Wünsche wurden übermächtig, bis sich alles in ihrem Kopf drehte. Wenn sie wollte, dass er sie so liebte, bedeutete das nicht, dass das Furchtbare schon geschehen und sie ihm gänzlich verfallen war? Ihr Blick wanderte zu seinem Gesicht, über seine schönen Hände, seinen erregenden Körper. Doch sie nahm das alles nicht wahr. Sie dachte nur an das, was sie für diesen Mann empfunden hatte, vom Augenblick ihrer ersten Begegnung an. Als ihre Blicke sich trafen, hatte sich ihre Welt völlig verändert. War die Intensität ihrer Reaktion auf ihn wirklich mit einem oberflächlichen sexuellen Verlangen erklärbar? Sie glaubte das nicht. Und während es ihr wie Schuppen von den Augen fiel, bewegte sich etwas tief in Sarah, etwas so ausgeprägt Emotionales, Bindendes, das fast greifbar war. Was sie auch tat, es gab keine Trennung von ihm, und schließlich musste sie die Wahrheit akzeptieren. Ja, sie liebte ihn. Vielleicht auf diese seltsame Weise, in der sie ihn immer geliebt hatte. Ihre Reaktion darauf äußerte sich in Verzweiflung und Erleichterung Zugleich. Verzweiflung, da so verspottet wurde, was sie immer für Ralph empfunden zu haben glaubte. Erleichterung Darüber, dass sie nicht einer willkürlichen Veränderung ihres Wesens zum Opfer gefallen war. Was war natürlicher, als mit einem Mann zusammen sein zu wollen, den sie liebte? Und während sie mit dieser neuen Schwäche kämpfte, sprach. Mike. „Was immer du willst, Sarah“, sagte er kurz. Sie unterdrückte die verrückte Liebeserklärung, die ihr auf den Lippen lag, indem sie einen Schluck Kaffee nahm und sich zu fassen versuchte. Sag ihm das bloß nicht, du dumme kleine Närrin, wiederholte sie immer wieder. Zehn Minuten später hatte sie den Toast gegessen und erhob sich. „Ich muss gehen, Mike. Nach deiner Küchenuhr ist es zehn. Der Tag ist schnell vorbei, und ich habe Molly versprochen, sie zu besuchen. Außerdem muss ich noch Sachen herholen. “ Doch so einfach ließ er sie nicht gehen. Er begleitete sie über den Korridor zu ihrer noch immer offenen Tür und na hm sie in die Arme. Er schaute sie auf eine derart unwiderstehliche Weise an, dass es Sarah unmöglich war, sich auf ihre Vorsätze zu konzentrieren, besonders jetzt, wo sie wusste, dass sie ihn liebte. Doch dieses Wissen hätte sie noch vorsichtiger machen sollen. Wenn sie nur etwas Verstand hatte, würde sie diese Angelegenheit schnellstens abschließen und das tun, wozu sie sich gestern entschlossen hatte: sofort nach Hause zurückzukehren. „Du bist eine faszinierende Frau, Sarah“, murmelte er. „Eine Frau mit vielen
Gesichtern. Ein Chamäleon, Ich glaubte, dich zu kennen, aber ich habe nur die Oberfläche berührt, nicht wahr?“ „Ich bin, was ich bin“, sagte sie vieldeutig. „Mmm ... und das ist sehr, sehr sexy. “ Er beugte sich vor und küsste ihre Lippen leicht. „Ich muss heute Abend arbeiten“, flüsterte er. „Ich werde spät kommen. “ „Ich werde wach sein“, erwiderte sie bebend. „Ich hoffte, dass du das sagen würdest.“ Sein Kuss schien in ihre Seele zu dringen, und Sarah wollte sich an Mike klammern, ihn nie wieder loslassen. Sie schlang ihre Arme um seinen Hals, zog ihn an sich und erwiderte seinen Kuss leidenschaftlich. Er küsste sie daraufhin noch intensiver, und sein Hunger entflammte neu. Doch als er sie mit in sein Penthouse nehmen wollte und versuchte, ihr Handtuch abzustreifen, entzog sie sich ihm. „Nein!“ rief sie voller Angst. „Nein“, wiederholte sie und lächelte dabei zaghaft. „Dafür ist keine Zeit, Darling. Es tut mir Leid ... ich mache das heute Abend wieder gut.“ Sie schlug das Handtuch wieder um sich, stellte sich auf die Zehenspitzen und hauchte ihm zum Abschied einen Kuss auf die Wange. Er schaute sie, nicht ganz besänftigt, an. „Ich möchte wissen, was in deinem hübschen Kopf vorgeht “, sagte er. Sie lachte. „Was wäre daran so komisch? “ Seine Miene verdüsterte sich. Er war schlecht gelaunt. „Wer sagt, dass das komisch ist? Eher eine Qual!“ Sarah errötete schuldbewusst, wohl wissend, dass ihr Liebesbeweis ihn unbeabsichtigt erregt hatte. „Und jetzt errötet sie auch noch“, stieß er aus. „Himmel!“ Er drehte sich abrupt um und trat auf den Korridor hinaus, wo ihm etwas einzufallen schien, da er sich wieder umdrehte und ihr einen ärgerlichen, aber zugleich verzeihenden Blick zuwarf. „Ich werde nachher übrigens mit dem Hausmeister sprechen, damit er die Schlösser an deiner Tür und dem Lift austauscht“, sagte er. „Und ich werde feststellen, ob wir mit weiteren Stromausfällen rechnen müssen. Hoffentlich war das eine einmalige Sache.“ Sarahs Magen zog sich zusammen, als sie an das dachte, was im Lift geschehen war. Obwohl sie inzwischen akzeptierte, dass sie Mike liebte, empfand sie Scham. Mike murmelte Unverständliches, bevor er laut sagte: „Wir sehen uns heute Abend, denke ich. “ Damit ging er. „Das denke ich auch ...“ Sie schloss die Tür, lehnte sich dagegen und stieß einen Seufzer aus. Ein ganzer Tag ohne ihn, dachte die. Und trotz all ihrer Entschlüsse, ihrer vernünftigen Überlegungen, hämmerte ihr Herz heftig. „Wie soll ich das ertragen? “ stöhnte sie in die leeren, kalten Räume.
7.
KAPITEL
Ein Schauer überlief Sarah, als sie beim Betreten des Schlafzimmers die Messinglampe neben dem zerwühlten Bett liegen sah. Was wäre geschehen, wenn Charles sie überwältigt hätte oder Mike nicht zu ihrer Rettung gekommen wäre? Ihr wurde übel, und sie ließ sich auf das Bett sinken. Mike hatte Recht: Die Schlösser mussten ausgetauscht werden. Charles hatte noch immer sein Schlüsselpaar. Nichts konnte ihn hindern, wieder herzukommen. Bei dem Gedanken fröstelte sie wieder. Sie nahm sich vor, stets die Türkette einzuhängen. Sarah seufzte und richtete sich auf. Ein Feigling war sie nie gewesen. Eine knappe Stunde später hatte sie das Schlafzimmer aufgeräumt, den kalten Kaffee weggeschüttet und sich eine Leinenhose und einen zitronenfarbenen Pullover angezogen. Sie trug nur einen Hauch von Make- up: graugrünen Lidschatten, Mascara und korallroten Lippenstift. Ihre gewöhnlich blassen Wangen hatten eine frische Farbe. Sie eilte auf den Korridor hinaus und begann dann den langen Weg über die Feuertreppe nach unten, entschlossen, den Lift erst wieder zu benutzen, wenn sicher gestellt war, dass er nicht wieder versagen würde. Das Erste, was sie beim Betreten der Tiefgarage sah, war Mike, der, die Hände in die Seiten gestützt, hinter ihrem Ferrari stand. Hätte seine Kleidung sie nicht so überrascht, hätte sie vielleicht bemerkt, dass er grinsend etwas betrachtete. Doch so .richtete sich ihre Aufmerksamkeit ganz auf seine eng anliegenden Jeans, das weiße TShirt und die schwärzlederne Fliegerjacke. Sarah unterdrückte ein Stöhnen. Musste er sich den» unbedingt wie Marion Brando in seinen besten Zeiten kleiden, wo er schon von Natur aus sexy aussah? Was machte er überhaupt hier? Er schaute sie bewundernd an, als sie näher trat, runzelte dann aber plötzlich die Stirn und schaute wieder auf den Wagen, mit dem etwas nicht in Ordnung zu sein schien. „Was ist?“ fragte sie. Sie folgte seinen Blicken. Alle vier Reifen des Ferrari waren zerschnitten. „O nein ...“ „Das lässt sich leicht reparieren“, versicherte er ihr. Sie verzog das Gesicht. „Meinst du, das war Charles?“ „Vielleicht, vielleicht auch nicht. Es könnte auch die Bande Jugendlicher gewesen sein, die offensichtlich vergangene Nacht Feuerwerkskörper im Hauptsicherungskasten gezündet hat. Das war der Grund für den Stromausfall!“ „Oh ...“ Sarah hoffte, dass es so war. Doch Mike schien mit dieser Erklärung auch nicht ganz zufrieden zu sein. „Weißt du was, Sarah? “ sagte er. „Wir sollten deinen Ex-mann besuchen und ihm sagen, was sein Anwalt vorgehabt hat.“ Panik erfasste sie bei der Vorstellung. Sie wollte Ralph nicht mehr sehen. Heute würde sie ihm sicher nicht entgegentreten können. „Das ist unmöglich“, sagte sie hastig. „Er ... er will niemanden sehen. “ „Mich schon. “ Sarah blickte ihm ins Gesicht und zweifelte nicht daran. Mike strahlte eine Kraft aus, die nicht aufzuhalten war, wie es schien. „Die Tore werden mit Kameras bewacht “, fuhr sie nervös fort. „Wenn er mich bei dir sieht, lässt er dich nicht ein. “ „Dann wird er dich eben nicht entdecken“, stellte er lakonisch fest. „Du kannst dich bücken. “ Was sollte sie sagen? Gestern hatte sie Mike noch erklärt, wie oft sie versucht habe, mit Ralph zu sprechen. Und jetzt bot er ihr die Gelegenheit, und sie wollte sie nicht
wahrnehmen. Hatte sie Angst davor, etwas herauszufinden? Über die andere Frau war sie bereits informiert. Resignierend schüttelte sie den Kopf. „Also gut. Aber sag nicht, ich hätte dich nicht gewarnt. Wenn Ralph merkt, dass wir ihn überlistet haben, wirft er uns hinaus.“ „Das würde er nicht wagen“, sagte Mike rätselhaft. Sarah erschauerte. An Mike war etwas, das sie zuweilen erschreckte, eine. Art verhaltener Wildheit. War Charles deshalb so eingeschüchtert gewesen? Oder hatte Mike tatsächlich eine verbrecherische Vergangenheit? „Mike ...“, begann sie vorsichtig. Er schaute sie an. „Ja?“ Sie schluckte.. „Was hast du gestern mit Charles gemacht? Ich mochte gar nicht glauben, dass er auf einmal so eingeschüchtert war.“ Ein schiefes Lächeln spielte um seinen Mund. „Das ist kein großes Geheimnis. Ich habe ihm nur klar gemacht, was passieren könnte, falls er gewisse Dinge tun würde.“ „Du hast ihm also gedroht?“ „So könnte man es ausdrücken. “ „Und was genau hast du ihm angedroht?“ Er schaute amüsiert. „Willst du das wirklich wissen? “ Sie atmete tief ein. „Das will ich wirklich. “ Er lehnte sich an den Wagen hinter ihm und verschränkte seine Arme. „Das Übliche. Dass er sich nie wieder allein aus dem Haus trauen könne, weil er zu jeder Tages- und Nachtzeit mit einer üblen Tracht Prügel rechnen müsse. Es gibt viele unangenehme Methoden, einem Kerl wie ihm die Leviten zu lesen. Sieh mal Sarah ...“, fügte er trocken hinzu, und er richtete sich mit blitzenden Augen auf. „Wenn deine Eltern italienische Einwanderer sind und du in einem westlichen Vorort von Sydney aufwächst, lernst du drei Dinge. Erstens - nicht auf rassistische Beschimpfungen zu reagieren. Zweitens, zu kämpfen. Und drittens, mit Brechern fertig zu werden. Dieser Charles ist ein Brecher, körperlich groß, aber ohne Mut, doch voller Angst vor Schmerzen. Diesen Bastarden braucht man nur einmal wehzutun, dann hat man die Oberhand. Danach glauben sie alles, womit man ihnen droht. Bei einem Mann wie Charles, der eine gewisse Intelligenz, besitzt, ist es aber gut, noch einen zweiten Pfeil im Köcher zu haben, etwa die Drohung, dass er seinen luxuriösen Lebensstil verlieren könnte. Ich bin sicher, dass dein Exmann es nicht schätzen würde, wenn sein Anwalt versuchte, sich an seine Exfrau heranzumachen. “ Er lächelte sie an und führte sie zu seinem Jaguar. „Wir fahren zuerst zu deiner Mutter“, sagte er mit trügerisch sanfter Stimme, „und holen deine Sachen. Ich kann von da aus auch gleich anrufen. Ich sollte zu meinen Eltern zum Mittagessen kommen, aber dazu ist wohl keine Zeit.“ „Deine Eltern?“ wiederholte sie verblüfft. Seine Augen funkelten spöttisch. „Ja, ich habe Eltern, Sarah. Ich bin nicht am Cross aus dem Kabelschacht geklettert. Ich habe einen älteren Bruder, Angel«, und drei jüngere Schwestern, Gina, Antonia und Therese. Sie sind alle glücklich verheiratet. Ich bin das einzige schwarze Schaf. “ Sehr schwarz, dachte sie automatisch. Plötzlich begann ihr Verstand zu arbeiten. Das war die Möglichkeit, sich um die Begegnung mit Ralph zu drücken. „Oh, meinetwegen brauchst du nicht abzusagen. Setz mich bei Molly ab und fahr weiter. Ralph kannst du ja später anrufen. Das Essen mit deinen Eltern ist wichtig. “ Mike öffnete die Beifahrertür. „So wichtig auch nicht“, entgegnete er, während er ihr die Tür öffnete. „Ich sehe sie jeden Freitag zum Essen. Sie werden schon nicht umkommen, wenn ich heute nicht erscheine.“ Für einen Moment versuchte Sarah, sich Mike als pflichtgetreuen Sohn vorzustellen und stand einfach da. „Wo wohnen sie?“ fragte sie. „Deine Eltern ...?“ „Kellyville. Sie besitzen dort einen Gartenbaubetrieb.“
„Oh, das ist ja nicht weit von Ralph entfernt!“ sagte sie, bevor sie merkte, dass sie ihm entgegenkam. Mike hob die Augenbrauen. „Heißt das, wir sollen zusammen zum Mittagessen dorthin fahren? “ „Nun ich ...“ Wollte sie das? Seine Eltern kennen lernen? Unter diesen Umständen schien das völlig sinnlos, doch merkwürdigerweise wollte sie es, wollte mehr über Mike erfahren. Es war traurig, einen Mann zu lieben und ihn überhaupt nicht zu kennen. „Wenn du willst“, sagte sie lahm. „Ich will es flieht“, knurrte er. Sie blinzelte erschreckt bei seiner Reaktion. „Du kennst meine Mutter nicht“, fuhr er gereizt fort. „Wenn sie dich sieht, fängst sie an, Babysöckchen zu häkeln. “ Sarah blinzelte wieder. „Meine liebe Sarah ...“ Er berührte mit einer Fingerspitze ihr Kinn Und blickte ihr tief in die Augen. „Alle italienischen Mamas wollen, dass ihre Söhne Heerscharen von Kindern haben, die sie verwöhnen können. Dir ist es vielleicht nicht bewusst, aber heute entsprichst du dem idealen Bild eines Weibes, das reif für Mutterschaft und Babys ist.“ Er schwieg einen Moment. „So viel dazu!“ murmelte er, um sie dann zu küssen. Sarah wünschte sich, auf seinen Kuss nicht reagiert zu haben. Doch ihre Liebe war stärker. Sie stöhnte unter seinem verführerischen Angriff auf, was die Sache nur schlimmer machte. Von ihrer Erregung angesteckt, drückte er Sarah fester an sich und presste seinen Mund heftiger auf ihre Lippen, Seine Hand glitt unter ihren Pullover und umfasste eine ihrer Brüste SO, dass die Knospe steinhart wurde. Nachdem er sie losgelassen hatte, sackte sie gegen den Wagen. „Du solltest lieber einsteigen“, gab er von sich. „Oder wollen wir alles andere vergessen und wieder ins Bett gehen? “ Sie starrte ihn an. Er meinte es ernst. Und am schlimmsten war, dass sie in Versuchung geriet. Liebe verlangte doch nicht etwa von einer Frau, ihre ganze Selbstachtung aufzugeben? Wegen seines Verhaltens konnte sie ihm keine Vorwürfe machen. Sie hatte es im Laufe der Jahre während ihrer Begegnung in seinem Restaurant selbst provoziert. Noch in der vergangenen Nacht hatte sie angedeutet, seit ihrer Scheidung mehrere Liebhaber gehabt zu haben. Und dann die Hingabe, mit welcher sie sich ihm gegenüber im Bett verhielt ... Wie konnte sie das erklären, wo sie doch glaubte, relativ unschuldig zu sein? Indem sie ihm ihre Liebe gestand? Er würde lachen. Oder noch schlimmer, es ausnutzen, um sie seinen Wünschen noch willfähriger zu machen. Er wollte ihre Liebe nicht, sondern nur ihren Körper. Sogar jetzt schaute er sie selbstgefällig und erwartungsvoll an, wartete darauf, dass sie nachgab und mit ihm wieder ins Bett ging. Mit Mühe brachte Sarah ein Lächeln zu Stande und blickte ihn kühl an, schaute auf seinen lockenden Mund. Wieder war sie überrascht, wie gut sie dank ihres betrügerischen Mannes eine Rolle spielen konnte. Doch sie hatte ihre Rolle gut gelernt. „Man sagt, warten macht die Freude größer, Mike“, sagte sie. „Lass uns warten. “ Sie stieg anmutig in den Wagen, legte den Sicherheitsgurt über ihre Brüste und versuchte zu ignorieren, wie stark ihre Brustspitzen sich unter der weichen Wolle abzeichneten. Sie errötete unter Mikes Blick, schaute ihn aber nicht an. Schließlich setzte er sich hinter das Steuer. Sein Blick war wild, als er den Motor anließ und den Rückwärtsgang einlegte. Doch er fuhr nicht los. „Das also war es eigentlich letzte Nacht, nicht wahr “, verkündete er hart. „Ein neckisches Spiel. Du wolltest am Ende schon nachgeben. Das hattest du immer schon
vor, oder? Hat es deine Erregung gesteigert, deinen zweifellos ungeheuren sexuellen Appetit gereizt, mich warten zu lassen? “ Sie starrte ihn an und schluckte. Damit ging ihr Rollenspiel zu weit. „Nein! “ Sie schluckte. „So war es keineswegs!“ Ihre Heftigkeit schien ihn zu treffen. „Was war’s denn? “ „Ich ... ich war verlegen ... verwirrt. Betrunken!“ fügte sie verzweifelt hinzu. Er lachte verächtlich. „Nicht so betrunken!“ Sie schaute starr nach vom. „Du brauchst mir nicht zu glauben“, sagte sie steif. „Das tue ich sicher nicht! Eines Tages, Sarah“, knurrte er, „wirst du deine sexuellen Spielchen mit dem falschen Partner spielen. Und ich frage mich, ob du den armen alten Charles nicht doch an der Nase herumgeführt hast.“ Wutentbrannt wandte sie ihm den Kopf zu. „Charles brauchte keine Ermunterung“, protestierte sie. „Glaubst du wirklich, ich würde mich von einem Mann wie ihm anfassen lassen? “ Unwillkürlich überkam sie ein Schaudern bei dem Gedanken. Mike schüttelte den Kopf. „Ich weiß wirklich nicht mehr, was ich glauben soll. Du hast mich völlig ratlos gemacht.“ Am liebsten hätte Sarah geweint. Sie hatte ihn ratlos gemacht? Sie war ratlos! Absolut! Ein verzweifeltes Lachen kam über ihre Lippen, bevor sie es verhindern konnte. „Und was Bedeutet das?“ fauchte er sie an. Sie musste einfach lachen. „Nichts ... nichts.“ Er fluchte leise, setzte den Wagen zurück und raste wie ein geltungsbedürftiger Teenager aus der Tiefgarage. Doch als Sarahs Hysterie sich legte, merkte sie, dass er kein Theater spielte, sondern schrecklich verletzt war. Das schockierte und verwirrte sie. Warum sollte es sie kümmern dass er schlecht von ihr dachte? Er wollte sie ja, oder? Schweigend saß sie neben Mike, während er mit Vollgas von McMahon’s Point nach Killara fuhr. Sie war erleichtert, als der Jaguar vor Mollys Haus hielt. Doch die Spannung vergrößerte sich, als er den Motor abstellte und Stille herrschte. Mike wandte sich zu ihr. „Sarah ...“ „Ja?“ Deutlich zeigte sich in ihren Augen Kummer. Mike seufzte bei diesem Anblick. „Es tut mir Leid. Was ich sagte ... ich hab’s nicht so gemeint. Ich weiß, dass du mit Charles nicht gespielt hast. Ich weiß, deine Angst und dein Schock letzte Nacht waren echt. Und ich weiß auch, dass du mich im Lift nicht absichtlich gereizt hast. Es ist einfach passiert. Aber trotzdem weiß ich nicht, warum du danach weggelaufen bist.“ Tränen traten ihr in die Augen. Tränen der Erleichterung. Ihr war nicht bewusst gewesen, wie sehr seine Beschuldigungen sie erschüttert hatten. „Bitte weine nicht “, sagte er heiser. „Nein“, erwiderte sie, heftig blinzelnd. „Ich sagte, es tut mir Leid. Es gibt keinen Grund zu weinen. “ Keinen Grund dachte sie. O Mike, wenn du wüsstest ... So saßen sie eine Minute schweigend da, während sie sich bemühte, ihre Fassung wiederzugewinnen. „Sollen wir reingehen? “ fragte er schließlich, „Ich rufe meine Eltern an, Während du deine Sachen packst. Vielleicht könnte deine Mutter uns eine Tasse Tee machen. “ „Ich glaube, sie ist nicht daheim“, sagte Sarah, die bemerkt hatte, dass Waynes Wagen nicht vorm Haus stand. „Sieht aus, als wären die beiden ausgegangen. Zumindest...“ Sie seufzte, als sie ein Hupen hörte und eine weiße Falcon-Limousine vors Haus fuhr. „... waren sie es - bis jetzt.“ „Hm. Du bist von Wayne nicht so angetan, oder?“ Sarah zuckte die Schultern. „Er ist in Ordnung, denke ich. Ich kenne ihn kaum. Molly auch nicht“, fügte sie betont
hinzu. „Jedenfalls nicht so gut, dass er bei ihr wohnen sollte.“ „Er lebt mit deiner Mutter zusammen? “ „Gestern ist er eingezogen“, sagte sie kurz. „Ich verstehe ... Deshalb dein Umzug ins Penthouse.“ „Genau. “ Sarah stieg aus dem Wagen. Mike trat mit einem ironischen Lächeln neben sie. „Und ich dachte schon, du seist meinetwegen eingezogen! “ „Mike! Sarah! “ „rief Molly ihnen zu. „Kommt herein. Ihr kommt gerade rechtzeitig!“ „Rechtzeitig wozu? “ murmelte Sarah verhalten. „Nun sei doch nett“, flüsterte Mike, während er ihren Arm nahm. „Deine Mutter ist erwachsen und darf leben, wie sie will. Du nimmst das doch auch für dich in Anspruch, oder?“ „Ja, aber...“ , , „Kein aber! Gönn der Frau ihren Spaß.“ „Spaß?“ platzte Sarah wütend heraus. „Du solltest wissen, dass sie Spaß mit Männern gehabt hat, seit ic h geboren wurde. Immer auf meine Kosten, wenn ich das hinzufügen darf. Weißt du, wie das ist, ständig mit einer Kolonne ekelhafter Onkel zu leben? Die meisten waren so jung, dass sie meine Freunde hätten sein können! Ich hätte Augen im Hinter köpf haben müssen, um ihrem Begrapschen zu entgehen! “ Sarah atmete tief ein, um noch heftiger weiterzureden, als sie bemerkte, dass Mike sie überrascht anschaute. Ihr Herz machte einen Satz, als sein Gesichtsausdruck zärtlich wurde. „Du hast keine schöne Jugend gehabt, nicht wahr?“ Das unerwartete Mitgefühl ließ sie erröten. „Ich ...“ „Egal.“ Er tätschelte ihren Arm. „Darüber reden wir später“, sagte er beruhigend. „Wir gehen jetzt am besten rein. Molly schaut schon stirnrunzelnd drein.“ Sarah ließ sich von ihm zur Veranda führen, von wo aus ihre Mutter sie nachdenklich betrachtete. „Worüber habt ihr gestritten? “ begann Molly. „Sarah, du bist doch wohl nicht wieder so halsstarrig wie sonst auch? Ein Mann wie Mike wird sich deinen Unsinn nicht lange gefallen lassen. “ Lächelnd wandte sie sich an Mike. „Sie ist ein wunderbares Mädchen, Mike“, erklärte sie. „Aber seit ihrer Scheidung hat sie sich verändert. Sie geht nicht mehr aus! Nein, Sarah, unterbrich mich nicht!“ fuhr sie fort, als Sarah protestieren wollte. „Jemand muss dich an die Hand nehmen. Wissen Sie eigentlich, Mike, dass Ihre Verabredung mit Ihnen gestern Abend die Erste war, seit sie von diesem entsetzlichen Ralph Diamond getrennt ist? Unglaublich, dass ein so hübsches Mädchen wurde sie in den fetzten vierzehn Monaten keinen einzigen Mann durch diese Tür gelassen hat! Ja, ich verstehe, dass Sie schockiert sind, und ich hoffe ‚Wirklich, dass Sie die Situation ändern. Glauben Sie ihr den Unsinn nicht, den sie erzählt! Sagen Sie einfach, Sarah, wir gehen aus ... und damit basta! So geht man mit einer Frau um, nicht wahr Wayne?“ Sie lächelte ihre« Begleiter gespielt schüchtern an, hakte sich bei ihm unter und drückte ihn. „Das hat Wayne mit mir gemacht. Er sagte: ,Molly, wir heiraten. Ein Nein lasse ich nicht gelten.’ Das hat er auch nicht bekommen“, fügte sie lächelnd hinzu und hielt den beiden verwunderten Besuchern einen mit einem großen Diamanten besetzten Verlobungsring unter die Nase. „Darum feiern wir. Sagt mal, wollt ihr zwei nicht gratulieren, statt mit offenem Mund dazustehen? “ Sarah schloss schlagartig den Mund. Sie wünschte, Molly hätte ‚ihren auch gehalten. Gott ... Mike wusste jetzt, dass es seit Ralph außer ihm keinen anderen Mann gegeben hatte, wusste, dass sie ihm etwas vorgemacht hatte. Nervös schaute sie ihn an. „Ich stelle mal den Champagner auf Eis“, bemerkte Wayne in das angespannte Schweigen hinein und verschwand, da er sich offensichtlich unbehaglich fühlte. „Habe ich etwas Falsches gesagt?“ Molly war völlig perplex. „Ich dachte, du
würdest dich freuen, dass Wayne und ich heiraten. Wirklich, dich werde ich wohl nie verstehen. “ „Da sind Sie nicht die Einzige“, murmelte Mike verhalten und warf Sarah einen ärgerlichen Blick zu, bevor er Molly anlächelte. „Sie freut sich über Ihre Verlobung so, dass es ihr die Sprache verschlagen hat. Nicht wahr, Liebling?“ Sarah bemerkte, wie Mollys Augen bei dem Wort „Liebling“ glänzten, konnte sehen, wie es in Mollys Hirn arbeitete, als plane sie bereits eine Doppelhochzeit von Mutter und Tochter. Doch sie war zu durcheinander, um ein Wort zu ihrer Verteidigung herauszubringen. Es war einfacher, Mike die Situation zu überlassen. Was’ er auch prompt tat, indem er sie aufforderte, zu packen. Er wolle währenddessen seine Eltern anrufen. Sarah, der Molly ins Schlafzimmer gefolgt war, war nicht bereit, einen detaillierten Bericht über ihren traumatischen Abend zu geben, obwohl Molly .irgendwie herausbekam, dass sie einen Teil der Nacht mit Mike verbracht hatte. „Ich wusste es!“ sagte Molly selbstgefällig. „Wie ist er im Bett?“ „Molly!“ stöhnte Sarah. „Schon gut. Ich weiß ja, dass du über dein Liebesleben nicht sprichst.“ „Und spiel nicht wieder aufs Heiraten an. Mike und ich sind sehr glücklich mit dem, wie es ist.“ „Und wenn er dich bittet, ihn zu heiraten? “ „Glaube mir, das wird er nicht.“ „Aber er liebt dich. Das sieht doch jeder!“ Sarah lachte. „Warum? Weil er mich .Liebling’ nennt und mich jede Nacht im Bett haben will?“ „Wirklich? “ keuchte Molly. „Jede Nacht?“ Sarahs Wangen röteten sich. „Das musst du doch nicht wörtlich nehmen. Nun sei lieb, und hilf mir beim Packen. “ Erst als sie im Wagen saßen, zeigte Mike Sarah sein Missfallen darüber, dass sie ihn, beschwindelt hatte. „Nun? “ sagte er trocken. „Bekomme ich eine Erklärung? “ „.Wofür?“ „Lass die Spielerei, Sarah. Ich will jetzt die Wahrheit wissen! Gab es seit deiner Scheidung andere Männer?“ Sein aggressiver Tonfall machte sie wütend. „Was ändert das schon? “ fauchte sie ihn an. „Deine Meinung über mich sicher nicht. In deinen Augen bin ich doch immer die Schlampe gewesen, die des Geldes wegen hinter älteren Männern her war und nebenher .andere Geliebte hatte. Du hättest mir ja auch nicht geglaubt, wenn ich dir erzählt hätte, dass ich seit meiner Scheidung keusch gelebt habe.“ Bitterkeit überkam sie, und sie fuhr ihn an: „Was gibt dir eigentlich das Recht, mich danach zu fragen? Du willst doch gar keine richtige Beziehung mit mir. Dir ist es doch völlig egal, wie viele Männer ich hatte. Du bist doch froh darüber, von meiner so genannten Erfahrung profitieren zu können!“ Sie funkelte ihn zynisch an. Er schaute verärgert wieder auf die Straße. Gerade noch rechtzeitig, da sie auf eine rote Ampel zurasten, die sie von einer Schnellstraße trennte. Im letzten Augenblick blieb der Jaguar stehen, als Mike voll auf die Bremse trat. Sarah schrie entsetzt auf, da sie auf dem Beifahrersitz nach vorne geschleudert wurde. „Tut mir Leid“, murmelte er entschuldigend. „Alles in Ordnung? “ Zitternd atmete sie aus. „Ja, ich denke schon. “ Aber so war es nicht. Sie wusste, dass es so nicht weitergehen konnte, dass sie in einer Situation, in der sie liebte, gefangen war und - egal, was sie tat - nicht gewinnen konnte. „Du irrst dich. “ Er überraschte sie, als er das unvermittelt sagte. „Ich will eine echte
Beziehung mit dir. Ich habe dich doch gebeten, mit mir zusammenzuleben. Du willst das nicht. Du versuchst, unser Verhältnis auf eine bestimmte Ebene zu drängen. Nicht genug damit, dass du mir von dir nichts erzählst, nein, du täuschst mich absichtlich. Ja, es fällt mir schwer, zu glauben, du hättest seit deiner Scheidung nicht mit anderen Männern geschlafen. Aber es ist möglich. “ Sie konnte ihn nur anstarren. Sprach da wirklich Michael Angellini? Der Mann, von dem sie geglaubt hatte, er würde von seinen moralischen Ansichten nie einen Zoll abweichen? „Ich kann sogar verstehen, warum du einen Mann wie Diamond geheiratet hast, verdammt“, fuhr er brüsk fort. „Bei deiner Vergangenheit und deinem Aussehen musstest du ja schon früh auf den Weg des Sex’ kommen. Als Diamond mit seinem Reichtum und seiner Position auftauchte, muss er eine .enorme Versuchung für dich gewesen sein.“ Sarahs Mut sank wieder. Das war ihr sehr vertraut. Mike hatte seine Meinung über sie nicht geändert. Er verstand jetzt nur, warum sie so war. „Aber das ist Vergangenheit“, sagte er entschlossen. „Unwichtig. Ich bin an der Frau interessiert, die du jetzt bist, der Frau, mit der ich die Nacht verbracht habe. Mit der will ich zusammen sein, Sarah. Und nicht nur gelegentlich. Zieh zu mir, lebe mit mir.“ Sie sah das schwelende Be gehren in seinen Augen und schüttelte langsam den Kopf. Das gefiel ihr nicht. „Verdammt, Sarah! Ich verstehe dich nicht. Gerade noch wirfst du mir vor, ich wolle keine wirkliche Beziehung mit dir, und wenn ich sie dir anbiete, lehnst du ab. Was willst du denn von mir?“ Ihr Blick verweilte auf seinem hübschen, fast schmollenden Mund, seinem gespannten Unterkiefer, und eine Welle der Emotion überkam sie. Ich will, dass du mich liebst, dachte sie stumm. Sie seufzte. „Deine Achtung wäre als Anfang ganz schön“, sagte sie trocken. Er starrte sie kurz ungläubig an. „Was soll das?“ knurrte er. „Bedauern wegen gestern Nacht? Gütiger Himmel, Sarah, die Welt hat sich doch wohl ein wenig verändert!“ „Ach ja?“ fragte sie zynisch. „Mike, ich habe gesehen, was aus einer Frau wird, die es mit dem Sex nicht so genau nimmt. Du magst zwar darüber spotten, aber ich ziehe erst zu einem Mann, wenn ich ihn sehr, sehr gut kenne. Gut, mit Wayne hatte Molly diesmal Glück. Ihm scheint wirklich an ihr zu liegen. Aber sie hat zig Männer gehabt, bei denen es nicht so war, die ihr gesagt haben, was sie von ihr hielten, bevor sie verschwanden - mit Worten und mit Fäusten. “ Mike schaute entsetzt. „Mein Gott ...“ Gespanntes Schweigen herrschte, während Mike weiterfuhr. Dann schaute er sie erschreckt an. „Aber du hältst mich doch nicht für einen Mann, der eine Frau schlagen würde?“ Sie seufzte tief. „Natürlich nicht. Ich will nur nicht in etwas hineinschlittern, wo wir uns kaum kennen. “ „Kaum kennen?“ platzte er heraus. „Ich kenne dich seit Jahren verdammt gut.“ „Du weißt nicht, wie ich wirklich bin!“ „Wie du wirklich bist? Was soll das heißen? “ „Genau das, was ich sage“, konterte sie. „Mein wahres Ich. Sarah Twynan. Nicht Mrs. Ralph Diamond. Nicht das, was ich in deinem Restaurant zu sein schien.“ „Könntest du das Letzte erläutern? “ stöhnte er. Sarah wünschte, damit nicht angefangen zu haben, fuhr aber fort. „Ich wusste, was du von mir hieltest, und ich habe aus ... Trotz die verführerische Sirene gespielt.“ „Aus Trotz“ „Ja! Du hast mich wahnsinnig damit gemacht, dass du mich verurteilst, ohne mich
wirklich zu kennen. “ „Ich habe dich wahnsinnig gemacht?“ rief Mike aus. Sarah schluckte, da sie sich allzu gut an das erinnerte, was er ihr gesagt hatte, mit ihr hatte tun wollen. In tiefem Schweigen fuhren sie weiter. Sarah verspürte einen unangenehmen Druck im Magen, als sie schließlich die Abzweigung nach Dural erreichten. Sie hatte fast vergessen, wohin sie fuhren, hatte Ralph und Charles vergessen. Sie starrte nach draußen. ‚„Du musst mir sagen, wie ich zu Ralphs Haus zu fahren habe“, sagte Mike abrupt, als sie sich Dural näherten. Sie blickte wieder nach vorn. „Fahr weiter geradeaus. Es dauert noch etwas.“ „Wie hast du Ralph Diamond kennen gelernt?“ fragte Mike ein paar Sekunden später. „Warst du seine Sekretärin oder so?“ Sarah hätte fast gelacht. „Nein. Damals war ich Kellnerin. “ Er schaute verwirrt drein. „Glaub mir, Mike“, sagte sie trocken. „Ich habe nicht immer so ausgesehen und mich so verhalten wie jetzt. Ich bin mit fünfzehn von der Schule gegangen, nicht, weil ich so dumm war, sondern wegen der häufigen Umzüge, weil Molly mal hier mal da lebte. Deswegen hatte ich Schwierigkeiten. Und eine arbeitende Tochter war für Molly besser als eine, die zur Schule ging. “ „Das kann ich mir vorstellen“, nickte Mike. „Aber wie hast du als Kellnerin einen Multimillionär kennen gelernt? Hast du ihn in einem Toprestaurant bedient?“ „Nein, an den Wochenenden habe ich für einen Partyservice gearbeitet. Zu Ralphs neunundvierzigstem Geburtstag sollten sie die attraktivsten Kellnerinnen schicken, die sie hatten. Eine davon war ich. Zieh keine falschen Schlüsse. Wir waren nur als Dekoration da. Zu sonst nichts.“ „Und du hast Ralph als Dekoration besonders gefallen? “ „Es scheint so. Während der Party hat er mich nicht angesprochen. Doch am Ende begann einer seiner betrunkenen Gäste, mich zu belästigen. Ich stieß ihn in den Swimmingpool, worauf er mich mit sich hineinzog. Ich wäre fast ertrunken. Ralph rettete mich und warf den Mann hinaus. Er gab mir ein Beruhigungsmittel und quartierte mich in einem Gästezimmer ein.“ „Wie fürsorglich. “ Mikes Stimme klang anzüglich. Sarah sagte weiter nichts dazu, sondern fuhr mit den Fakten fort. „Am nächsten Morgen ließ er mir Frühstück bringen und fuhr mich nach Hause. Er überredete mich, mit ihm auszugehen, obwohl ich ihn für viel zu alt hielt. Aber ich war geschmeichelt und ging mit ihm aus. Drei Monate später waren wir verheiratet.“ „Ein schnelles, erfolgreiches Werben!“ Sie seufzte wegen seines spöttischen Tonfalls. „Er sagte, er liebe mich, Mike, und ich glaubte ihm. Mit achtzehn hat man ja Erfahrung“, fügte sie matt hinzu. Er murmelte etwas Unverständliches und schaute sie dann skeptisch an. „Du warst erst achtzehn, als du Ralph heiratetest?“ „Nein“, erwiderte sie stirnrunzelnd. „Ich war achtzehn, als wir uns kennen lernten. Eine Woche vor der Hochzeit wurde ich neunzehn. “ Mike schaute sie ungläubig an. „Und wie alt warst du, als wir uns bei Angellini’s kennen lernten? “ Sie errötete, weil er so drängend fragte. „Fast zwanzig.“ Sein Stirnrunzeln vertiefte sich. „Wie alt bist du jetzt?“ „Vierundzwanzig.“ „Vierundzwanzig ...“ „Mike, ich habe nie einen Hehl aus meinem Alter gemacht. Für wie alt hast du mich gehalten? “ fragte sie. „Für viel älter“, sagte er sichtlich erschüttert. Sarah schüttelte verwirrt den Kopf. „Für wie viel älter?“
Er zuckte die Schultern. „An die dreißig. Nicht, dass du alt aussiehst. Aber als wir uns das erste Mal begegneten, wirktest du wie fünfundzwanzig. Kein Wunder, dass Molly so jung aussieht. Sie ist jung. “ Er wollte offenbar noch etwas hinzufügen, überlegte es sich aber anders und schwieg. Sarah verstand nicht, warum er wegen ihres Alters so aufgebracht war. Vielleicht fühlte er sich schuldig, weil er sie falsch eingeschätzt hatte. Vielleicht dämmerte ihm, dass er einen Fehler gemacht haben könnte. Hoffnung erfüllte ihr Herz. „Mike ...?“ Er schaute sie noch immer verwirrt an. „Ja?“ Sie wollte ihm sagen, dass sie nie die Männer gewechselt hatte, wollte ihm von Ralphs Impotenz erzählen. Vor allem wollte sie Mike sagen, dass er der erste Mann war, den sie wirklich liebte. Doch irgendwie brachte sie das alles nicht heraus. „Ja?“ wiederholte er ungeduldig. „Ist es wichtig, wie alt ich bin? “ platzte sie heraus. „Was macht das für einen Unterschied?“ Er starrte sie einen Moment an, wandte dann den Blick ab. „Wohl überhaupt keinen. Was geschehen ist, ist geschehen, aber Ralph Diamond werde ich meine Meinung sagen!“ Er schwieg kurz, bevor er fragte: „Wie müssen wir weiterfahren? “ Sarah versuchte, sich zu orientieren. In seinem Ärger war Mike beunruhigend. „Nimm die zweite Abbiegung rechts“, sagte sie bebend. „Ralphs Haus ist in spanischem Stil erbaut. Anderthalb Kilometer weiter liegt es hinter einem hohen weißen Zaun. “ „Duck dich lieber“, riet er, nachdem er abgebogen war. Die verzweifelte Bitte, Ralph zu vergessen und umzukehren, erstickte in ihrer Kehle. Sein Gesicht verriet, dass das sinnlos gewesen wäre. Sie kauerte sich tief in ihren Sitz. In Sekundenschnelle hielt der Wagen quietschend an der Auffahrt, Mike ließ das Fenster herunter, so dass kalte Winterluft in den Wagen drang, doch Sarah bezweifelte, dass es sie wegen der Kälte fröstelte. Zusammengekauert saß sie da und lauschte dem Surren der Videokamera auf den Zaunpfosten. Sie schüttelte den Kopf, da sie genau wusste, was sie als Nächstes hören würde. Eine schroffe Männerstimme - nicht Ralphs - meldete sich aus einem Lautsprecher. „Wer ist da und was wollen Sie?“ „Mike Angellini. Ich möchte Mr. Diamond sprechen. “ „Mr. Diamond ist im Augenblick nicht im Hause.“ „Wo kann ich ihn finden? “ „Bedaure, diese Auskunft darf ich Ihnen nicht geben. “ „Siehst du? “ zischte Sarah. „Könnte ich bitte seine Sekretärin sprechen? “ verlangte Mike in autoritärem Tonfall. „Miss Beath ist ebenfalls nicht erreichbar. Und ich ...“ „Hören Sie zu, Mann“, stieß Mike heraus. „Was Sie nicht dürfen, interessiert mich nicht. Mich interessiert normaler Anstand, deshalb schlage ich vor, Sie kommen persönlich zum Tor marschiert oder es wird kein Tor mehr geben. Mit einem Jaguar kann man in Höchstgeschwindigkeit eine Menge machen. “ Sarah schluckte. Sie hätte wissen müssen, dass Mike sich nicht einfach abweisen ließ. „Ich komme sofort, Mr. Angellini“, meldete sich verdrossen die Stimme. „Du kannst dich ruhig aufrichten“, sagte Mike zu Sarah. „Die Kameras sind jetzt nicht mehr wichtig.“ Halb erleichtert, halb verärgert richtete Sarah sich auf, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie ein Hüne von Leibwächter mit einem Dobermann an der Seite auf das Tor zukam. Die folgende Diskussion zwischen Mike und dem Leibwächter war gelinde gesägt
hitzig. Mike wollte wissen, wo Mr. Diamond oder Miss Beath zu finden seien. Der Leibwächter erklärte, er wisse das nicht, rückte am Ende aber damit heraus, dass Miss Beath wohl gegen Abend zurückkehren würde. Er würde ihr mitteilen, dass Mr. Diamonds Exfrau in einer Notlage sei. Noch immer kochend vor Wut stieg Mike wieder in den Wagen. „Du hast dein Bestes getan“, tröstete sie ihn. Seine Augen glitzerten gefährlich. „Deshalb fühle ich mich auch nicht besser, Sarah“, brummte er. „Ich bin ein arroganter Narr, der immer glaubt, alle Antworten zu kennen. Es scheint, als sei das nicht so.“ Dieser unerwartete Ausbruch überraschte sie. „Ich dachte, ich wüsste jetzt alles über dich“, fuhr er aufgebracht fort. „Aber jetzt passt überhaupt nichts mehr in das Bild, das ich mir von dir gemacht habe.“ Sie wüsste nicht, was sie sagen sollte. Verärgert Schüttelte er den Kopf. „Ich finde nicht nur heraus, dass du seit deiner Scheidung nicht durch die Betten gegangen bist, sondern auch, dass du fast noch ein Kind warst, als du Diamond geheiratet hast. Teufel, ich weiß, wie ein Mädchen mit achtzehn ist! Ich habe drei Schwestern. Ich weiß, wie verletzbar sie in diesem Alter sind, wie oft sie geglaubt haben, verliebt zu sein, und wie leicht es für einen älteren erfahrenen Mann ist, sie zu verführen. Ralph Diamond gehörte aufgehängt, für das, was er dir angetan hat. Egal, für wie erfahren du dich gehalten hast, im Vergleich zu ihm warst du noch ein Baby. Ein junges Mädchen zu nehmen, es aus Selbstsucht zu heiraten, ohne es zu lieben, das ist...“ „Aber so war es nicht!“ fiel sie ein. „Ich weiß, dass Ralph nicht so perfekt war, wie ich erst glaubte, aber er ... er war gut zu mir. Ich ... glaubte wirklich, er liebe mich, und war überzeugt davon, dass ich ihn liebte! Es hat deshalb keinen Mann mehr bei mir gegeben, weil ich so erschüttert darüber, war, wie er mich hinausgeworfen hat. Erst als ich dir wiederbegegnete, wurde mir klar ...“ Ihre Stimme erstarb. Sollte sie ihm gestehen, dass sie begriffen hatte, dass sie Ralph nicht liebte? „Was wurde dir klar?“ forschte Mike. Sie schluckte. „Dass ich das mit Ralph endlich überwunden hatte und dass ich eine ... Affäre haben wollte.“ Er blickte sie lange schweigend an. „Sag mir eins“, bat er schließlich mit leiser Stimme. „Ist es nur Sex oder magst du mich auch? “ Panik erfasste sie. Ihm zu sagen, dass sie ihn liebte, wäre reine Naivität gewesen. „Ich ... ich finde dich sehr attraktiv“, gestand sie, „Wunderbar! Sehr schmeichelhaft!“ Er lachte ironisch, als er den Motor anließ und die Auffahrt hinunterbrauste. „Ich bezweifle, dass mein Ego eine Affäre mit dir überleben wird, Sarah“, fuhr er sie an. „Ich bezweifle, dass ich überleben werde, falls die letzten vierundzwanzig Stunden zu vergessen sind. Nein, sag nichts! Ich habe es so haben wollen und es bekommen. Lassen wir es dabei! “ Er gab so heftig Gas, dass der Wagen ruckartig vorwärts schoss. Sarah schaute nachdenklich aus dem Fenster. Hatte er sich vielleicht in sie verliebt? Das schien unmöglich. Und doch ...
8.
KAPITEL
Die Farm der Angellinis in Kellyville war recht klein. Fast zehn Morgen des Grundstücks waren kultiviert. Neben einem schuppenähnlichen Gebilde stand ein ziemlich neues zweistöckiges Backsteinhaus. Während Mike den Jaguar langsam über die Schlaglöcher der Zufahrt steuerte, überlegte Sarah, ob der Schuppen einst das Zuhause der Angellinis gewesen sein mochte. Wenn das so war, musste Mike einmal sehr, sehr arm gewesen sein. Ihr Herz flog ihm zu. Sie wusste, wie das war. „Da drüben ist Dad, bei seinem preisgekrönten Rosenkohl.“ Er ließ dabei das Fenster hinunter, deutete dorthin und rief und winkte, worauf der Mann zurückrief und ebenfalls winkte. „Du nennst ihn Dad?“ fragte sie. „Nicht sehr italienisch. “ Er zuckte die Schultern. „Ich bin in Australien geboren, Sarah, Und als Australier aufgewachsen. Die meisten Australier nennen ihren Vater ,Dad’.“ Sarah fragte sieh, wie viele Vorurteile er in seiner Jugend wohl über sich hatte ergehen lassen müssen. Sie glaubte zu wissen, dass es sehr viele gewesen waren. „Wie bist du Restaurantbesitzer geworden?“ fragte sie, als sie das Haus erreichten. Er warf ihr einen verärgerten Blick zu. „Ist jetzt Zeit für Fragen? “ „Warum nicht jetzt?“ „Weil meine Mutter jeden Augenblick kommen kann, und dann weißt du, warum nicht jetzt. Aber, kurz gesagt, es fing damit an, dass ich während meines Studiums in einem Restaurant als Barkeeper arbeitete. Eines Abends brach der Oberkellner zusammen, und ich sprang ein. Aus irgendeinem Grunde wurde das ein Riesenerfolg. Wir hatten bald doppelt so viele Gäste.“ Zweifellos nur Frauen, dachte Sarah. Und klug war er scheinbar auch. Er hatte studiert. Der Mann war gefährlich! „Der Besitzer machte ein Vermögen“, fuhr er fort, während er den Wagen vor dem Haus anhielt. „Nach meinem Abschluss arbeitete ich eine Weile bei einer Bank, sparte, nahm ein Darlehen auf und stieg ins Restaurantgeschäft ein. Seitdem gibt’s Angellini’s. In jeder größeren Stadt Australiens gibt es inzwischen ein Angellini’s. Und weitere werden nächstes Jahr folgen. “ „Das wusste ich nicht“, sagte sie wenig überrascht. Er war wirklich ein dynamischer Mann. Mike stöhnte beim Anblick der großen, gut aussehenden schwarz gekleideten Frau auf, die aus dem Haus eilte. „Sag bloß nicht viel. Und gib nichts zu. “ Der Rat war unnötig, wie Sarah sofort bei der Begegnung mit seiner Mutter Claudia feststellte. Sie ließ andere nicht zu Wortkommen. „Michael, du hast dich verspätet!“ verkündete sie mit starkem italienischem Akzent, wobei sie wild mit einem Finger drohte. Als er aus dem Wagen stieg, um etwas zu sagen, umarmte und küsste sie ihn heftig. Sarah musste ein Lächeln unterdrücken, als sie sah, dass Mike vor Verlegenheit rot wurde. „Und wie du angezogen bist!“ schalt Claudia ihren Sohn. „Du siehst ja. wie ein Rocker aus! Demnächst kommst du noch mit einem Motorrad! Wirklich, Michael, ich ...“ Sie brach ab und schaute überrascht Sarah an, die aus dem Jaguar stieg. „Michael, du bringst ohne Vorankündigung eine Freundin mit? Warum hast du mir das nicht gesagt? Dann hätte ich eine Spezialität vorbereiten können! “ „Mutter“, sagte er schließlich. „Mein übliches Freitagsessen ist ein Festmahl verglichen mit dem, was manche Menschen essen. Sarah würde sich auch mit Sandwiches begnügen, nicht wahr, Darling?“ Er streckte seine Hand aus, und sie kam zu ihm und ergriff sie. Das Wort „Darling“ bewirkte bei Mrs. Angellini ebenso viel wie bei Molly. „Sarah“, strahlte sie. „Ein wundervoller Name!“ Dann runzelte sie die Stirn. „Aber zu
Angellini passt er nicht so gut; nicht wahr?“ Mike warf Sarah einen spöttis chen Blick zu. Siehst du, besagte der, die Hochzeitsglocken läuten schon. „Willst du den Jungen schon wieder in die Ehe treiben, Frau?“ dröhnte eine tiefe Stimme hinter Sarah. Als sie sich umdrehte, sah sie Mikes Vater lächelnd herbeikommen. Sarah wusste, woher Mike sein gutes Aussehen hatte. Giuseppe Angellini, der offenbar auf die Sechzig zuging, war ein stattlicher Mann. Er hatte schwarzes, gewelltes Haar, das von grauen Strähnen durchsetzt war, besaß breite Schultern und wirkte sehr vital. Seine schwarzen Augen hatten etwas Verschmitztes, als er Sarah musterte, und sie seufzte insgeheim. So, so, dachte sie amüsiert, Mr. Angellini senior ist auch kein Kostverächter. „Obwohl ich diesmal Mamas Meinung bin“, lächelte er. „Eine solche Frau darf man nicht aus den Augen lassen. Worauf wartest du, Sohn? Dass ein anderer Mann sie dir wegschnappt? Wenn ich nicht glücklich verheiratet wäre ...“ „Guiseppe“, warnte Claudia ihn. „Hör auf zu flirten. Mutter Gottes, den Mann kann man keinen Moment unbeobachtet lassen! Kommt“, sagte sie dann. „Hier draußen ist es zu kalt. Gehen wir an den Kamin, trinken etwas Vino und du erzählst deine Neuigkeiten, Michael. Ich habe viele Fragen. “ Sie ergriff Sarahs Arm. „Der ungezogene Junge erzählt mir nichts, wissen Sie. Dabei ist das doch selbstverständlich! “ Während Claudia sie mit sich zog, warf Sarah einen verzweifelten Blick zu Mike. Der war in ein Gespräch mit seinem Vater vertieft, hob aber eine Augenbraue, als wolle er sagen: Es war deine Idee, wenn du dich erinnerst! Und sie bedauerte es wirklich nicht, hatte nur Sorge, welche Fragen seine Mutter ihr nun stellen würde. Es freute sie, Mike von einer Seite zu sehen, die weder kalt noch gefährlich war. Als Sohn war er sehr menschlich, ein herzlicher und einfühlsamer Mann, der zu lieben fähig war und der es wert war, geliebt zu werden. Wieder kam ihr der Gedanke, dass er sie mehr mochte, als sie anfangs gedacht hatte. In Herzensfragen hatte Sarah sich selbst oft genug getäuscht. Aber sie machte sich nichts vor. Sie glaubte, dass die Liebe eines Mannes etwas Seltenes war. Einem Mann genügte die Lust. „Ich bin glücklich, Michael mit einem so netten Mädchen zu sehen“ , sagte seine Mutter im Wohnzimmer zu Sarah,; „Keines dieser affektierten Mädchen, mit denen er in Zeitschriften gezeigt wurde.“ Sarah spürte, dass sie errötete. Gleich würde sie nach ihrer Vergangenheit gefragt werden. „Das Haus gefällt mir“, sagte sie, um das Thema zu wechseln. „Michael hat es uns gekauft“, sagte Claudia stolz. „Er hat vieles für die Familie gekauft. Mein. Michael war sehr erfolgreich im Leben. Er braucht jetzt nur noch eine Frau und eine eigene Familie.“ Sarah seufzte erleichtert auf, als Mike zu ihr kam. „Dad duscht und zieht sich um“, sagte er. „Dann gib, Sarah ein Glas Wein, Michael“, ordnete seine Mutter an; „Ich decke inzwischen den Tisch. “ „Gut, dass du gekommen bist!“ flüsterte Sarah, als Claudia verschwand. „Es wurde gefährlich. “ „Ich kann jederzeit sagen, wir müssten gehen“, bot er an. „Nein, das können wir nicht. Es würde sie kränken, und sie sind wirklich sehr lieb, Mike. Alle Wollen nur dein Glück!“ Ihre Blicke begegneten sich lange, und er schaute sie bewundernd an. „Du bist sein Rätsel“, murmelte er, während er sie umarmte und an sich zog. „Wie ist dein wirkliches Ich, Sarah? Feuer oder Eis? Hart oder kalt? Gleichgültig oder liebevoll?“ Er küsste sie hungrig. „Himmel, du bist wie eine Krankheit!“ rief es aus. „Eine
Krankheit, für die es keine Heilung gibt.“ Er küsste sie wieder, selbst dann noch, als seine Mutter hereinkam. Statt verlegen zu sein, wirkte Claudia erfreut. Sie lächelte die beiden während der ganzen Zeit freundlich an, Sarah hingegen fühlte sich ein wenig schuldig, weil Mikes Eltern glaubten, eine Hochzeit stehe bevor. Es schien gemein zu sein, bei ihnen falsche Hoffnungen zu wecken. Und falsch waren sie. Mike würde staute heiraten. „Sie glauben, wir würden heiraten“, bemerkte sie unfroh, als sie abfuhren“ „Ich habe dich ja gewarnt“, entgegnete er scharf. „Es scheint eine Untugend der Italiener zu sein, ihre Kinder verheiraten zu wollen und eine ganze Horde von Bambinos zu haben. Ich: bin das einzige ihrer Kinder, bei dem es nicht so ist, und sie glauben, das fällt irgendwie auf sie zurück. Ich sorge mich darüber schon lange nicht mehr. Und jetzt sei still, Sarah. Ich muss mich aufs Fahren konzentrieren, wenn ich pünktlich zur Arbeit kommen will.“ Kurz vor halb sechs erreichten sie nach wilder Fahrt McMahon’s Point. Obwohl Mike spät dran war, holte er ihre neuen Schlüssel beim Hausmeister ab und gab ihr an der Tür ihres Penthouses einen langen Kuss. „Und du willst wirklich nicht zu mir ziehen? “ drängte er wieder: „Nein“, entgegnete sie, obwohl ihr Körper „Ja“ schrie. Er verzog das Gesicht. „Du spielst nicht mit mir?“ „Nein. “ Er zögerte, schaute sie durchdringend an. „Ich wünschte, ich wüsste, was du denkst. Ich wünschte ...“ Er seufzte. „Wirst du auf mich warten? “ „Ja.“ „Kannst du nur Ja und Nein sagen? “ fragte er verärgert. Sie lachte. „Was soll ich denn sagen?“ Seine Augen blitzten, als er sie in seine Arme nahm. „Sag mir, dass du es nic ht erträgst, von mir getrennt zu sein“, stöhnte er auf. „Sag mir, wie lang diese Stunden sind. Sag mir, dass du mich liebst, verdammt!“ Ihr ganzes Inneres verkrampfte sich, und seine Leidenschaft raubte ihr fast den Verstand. Er liebte sie! Musste sie lieben! Mit zitternder Hand berührte sie seinen. Mund, ihre Augen wurden dunkel. „Ich ertrage es nicht, Von dir getrennt zu sein“, flüsterte sie. „Die Stunden sind endlos. Und ich liebe dich, Michael Angellini.“ Seine Hände erstarrten, fielen dann, herab. Er starrte sie nur an. Unsicherheit und Misstrauen lagen in seinem Blick. „Spiel nicht mit mir, Sarah!“ „Das tue ich nicht “, sagte sie bebend. Er nahm sie wieder in seine Arme. „Sag das noch einmal.“ „Ich liebe dich. “ „Und noch einmal. Ich muss zur Arbeit, und wenn du das wieder sagst, bin ich zu keinem vernünftigen Gedanken mehr fähig. Weißt du, wie lange ich mich nach diesen Worten gesehnt habe?“ Er nahm ihr Gesicht und küsste sie innig. „Ich habe dich vom ersten Augenblick an geliebt, als ich dich sah. Du warst meine Qual und meine Ekstase, mein Himmel und meine Hölle. Sag, dass du zu mir ziehen wirst, wenn ich heute Abend heimkomme. Lass mich mit deinem Ja in meinen Ohren gehen. “ „Ja“, sagte sie. „O ja.“ In der folgenden Stunde war Sarah wie benommen. Er liebte sie, hatte sie immer geliebt. Ziellos lief sie umher, von kribbelnder Freude erfüllt. Immer. Sie konnte nur daran denken. Das nachhaltige Klingeln des Telefons riss sie aus ihren Gedanken und erschreckte sie. Wer mochte das sein? Molly? Sie eilte ins Wohnzimmer und meldete sich. „Ja?“ „Miss Twynan? “ „Ja?“ „Hier ist der Portier. Eine Miss Valerie Beath möchte zu Ihnen, Soll ich sie hereinlassen? “
Valerie? Sarah war erstaunt. Ralphs Sekretärin schien die Nachricht erhalten zu haben, die Mike hinterlassen hatte. Aber es war ungewöhnlich, dass sie persönlich kam. , ;,Miss Twynan? “ „Ja ... Sie kann kommen“, erwiderte sie unruhig. In Valeries Nähe, hatte Sarah sich immer nervös gefühlt. Sie war Anfang Vierzig, sehr ehrgeizig, die perfekte Sekretärin, gepflegt und attraktiv, ohne schön zu sein, und unaufdringlich. Zu Sarah hatte sie nie ein böses oder gehässiges Wort gesagt, aber den Eindruck vermittelt, als bedaure sie Sarah, weil sie Ralphs Frau war. Valerie war die Einzige gewesen, die gezeigt hatte, wie aufgebracht sie über das grausame Verhalten ihres Chefs gewesen war, als Ralph Sarah hinausgeworfen hatte. Einmal hatte sie Ralph sogar ins Gesicht gesagt, dass er ein Bastard sei. Aber sie war nicht entlassen worden, erinnerte sich Sarah-. Als Sarah auf das Klopfen hin die Tür öffnete, war sie erschreckt. „Valerie!“ rief sie betroffen aus, als sie sah, in welchem Zu-; stand die Frau; sich befand. Ihre sonst makellose Kleidung war völlig ungeordnet, ihre Locken wirr. Tränen strömten über ihr Gesicht. Sarah führte sie ins Wohnzimmer und schenkte ihr einen doppelten Brandy ein. Valerie nippte daran, schluchzte und nippte dann wieder. „Es ... es tut mir Leid“, sagte sie, als sie schließlich etwas beherrschter war. „Ich dachte, es ginge mir gut, aber dann ...“ Wieder schüttelte ein Schluchzen sie. Eine eigentümliche Vorahnung durchfuhr Sarah. Alles Blut wich aus ihrem Gesicht. „Es ist Ralph, nicht wahr?“ sagte sie erstickt. „Er ist tot. Er ist getötet worden. “ Entsetzte Augen schauten sie an. „Nein. Ja. Nein ... Er ... wurde nicht getötet, Sarah. Er ist gestorben. Heute Morgen. Er hatte einen Herzanfall, war aber schon zur Behandlung im Krankenhaus wegen Krebs im Endstadium.“ Eine Sekunde saß Sarah wie gelähmt da. Ralph ... tot. Ralph ... sterbend. Krebs ... Sie war völlig gefühllos. Nichts schien mehr wirklich zu sein. „Wie ... wie lange hatte er Krebs?“ fragte sie mechanisch. Valerie wirkte unbehaglich. „Er hatte es an dem Tag erfahren, als er ... er ...“ Sie brach ab, als sie das Erkennen in Sarahs Gesicht sah. „An dem Tag, als er sich von mir trennte“, schloss Sarah ungläubig. „Mein Gott... es war nicht wegen einer anderen Frau, oder?“ Valerie wirkte bestürzt. „Andere Frau? Wie kommst du darauf? Ralph ist seit Jahren impotent.“ Für eine Sekunde war auch Sarah bestürzt. Sie wusste nicht, dass Ralphs Sekretärin sein Geheimnis gekannt hatte. Doch schließlich kannte Valerie ja all seine Akten ... „Sarah, wie kommst du darauf? “ „Er ist hier mit einer jungen Frau gesehen worden. “ „Ach, die. Das war seine Krankenpflegerin. Ralph hatte die Wohnung gekauft, um nach seinen Bestrahlungen hier zu bleiben. Er war danach zu schwach, um nach Dural zu fahren. “ „Aber mir wurde gesagt, er sähe gesund aus!“ warf Sarah ein, als wehre sie sich gegen die Gefühle, die sie übermannten. Die Schuld ... der Abscheu ... Valerie seufzte matt. „Er wollte nicht, dass das bekannt wurde. Er machte allen etwas vor und sah zuletzt wirklich gut aus. Die Perücke half.“ Sarah zuckte zusammen. Natürlich! Es war eine Perücke gewesen. Durch die Chemotherapie hatte er sein Haar verloren. Trauer überkam sie, und in diesem Moment wusste sie, dass sie angesichts des Todes an Ralphs Seite hätte stehen müssen, ob sie ihn nun wirklich geliebt hatte oder nicht. „Das hättest du mir sagen müssen, Valerie, egal, was Ralph dir aufgetragen hat.“ Erregt sprang sie auf. „Ich war seine Frau. Verstehst du nicht, wie sehr er mich geliebt
hat? So sehr, mir größeren Kummer ersparen zu wollen. Er wollte nicht, dass ich erlebte, wie schrecklich er starb.“ Ein Schluchzen kam aus ihrer Kehle. „Lieber, armer Ralph. “ Die zusammengesunkene Gestalt auf dem Sofa blickte auf. Unglücklich schaute sie Sarah an. „Ich will nicht, dass du dich einer Täuschung hingibst, meine Liebe“, sagte sie traurig. „Ja, Ralph hat dich geliebt, auf seine egoistische, arrogante Weise. Oder liebte es zumindest, von dir dankbar und bewundernd angeschaut zu werden. Aber er hat dich nicht deinetwegen fortgeschickt und sich scheiden lassen. Als die Ärzte ihm die Wahrheit sagten, konnte er deine Nähe nicht mehr ertragen. Eine vitale, schöne junge Frau zu haben, während er krank war. Vor allem ertrug er es nicht, dass du gesehen hättest, dass er auch nur ein Mensch war - und kein guter.“ Valerie seufzte tief. „Ich weiß nicht, ob du verstehst, was ich meine, aber du irrst dich. Ich habe vor fast zwanzig Jahren begonnen, für Ralph Diamond zu arbeiten. Ich kannte ihn besser als sonst wer und wusste, wozu er fähig war. Die Gefühle anderer hat er nie verstehen können. Setz dich. Ich will dir eine Geschichte erzählen ...“ Wieder holte Valerie tief Luft. „Ich war noch Jungfrau, als ich für Ralph zu arbeiten begann, und wartete auf den Richtigen. Doch nach wenigen Tagen war ich keine mehr, sondern von einem Mann verführt und versklavt worden, der das Machtgefühl genoss, dass die Frauen ihn liebten. Das war einer der Gründe, warum er nie geheiratet hatte - weil er Abwechslung liebte, die Herausforderung neuer Verhältnisse. Ich war nur eine von vielen. Nach wenigen Monaten endete unsere private Beziehung, doch er hatte keine Skrupel, mich weiter auszunutzen, weil er um meine unerwiderte Liebe wusste. Ihm kam es recht, eine hingebungsvolle, treue Sekretärin zu haben, die alles für ihn tat, in der Hoffnung, eines Tages …“ Ihre Stimme zitterte einen Moment. „Ich glaubte immer, dass seine Impotenz eine Strafe Gottes sei. Es hatte mich fast umgeworfen, als er sich mit einem jungen Ding wie dir verlobte, obwohl ich genau erkannte, dass du nicht sahst, welche Rolle Ralph spielte. Ich wollte dich vor ihm warnen, wagte aber nicht, es zu tun. Er hätte mein Leben ruinieren können. Eines Abends erzählte er mir, dass er dich in die perfekte Frau eines reichen Mannes verwandeln wolle. Auf verschrobene Weise glaubte er, dir einen Gefallen zu tun, als er sich von dir trennte, weil er meinte du würdest einen ,passenderen Fisch’ angeln, wie er es ausdrückte. Ich vermute, dass er damit einen sowohl vermögenden als auch wirklich potenten Mann meinte.“ Sarah konnte nur den Kopf schütteln. Ralphs Sekretärin beugte sich vor und nahm ihre Hände. „Du brauc hst dich nicht so elend zu fühlen, meine Liebe. Für dich hegte er mehr Zuneigung als für andere Frauen. Und ich glaube, dass ihn am Ende sein Gewissen plagte. Vor wenigen Wochen erst wollte er wissen, was aus dir geworden ist. Er behauptete, es sei nur Neugier, doch das glaube ich nicht. Es war Schuldgefühl. Er stellte einen Privatdetektiv an, und als er erfuhr, dass du in einer Boutique arbeitest und sehr bescheiden lebst, bei deiner Mutter wohnst, war er ganz durcheinander und sagte, es sei Vergeudung, wenn du ohne einen geeigneten Mann dein Leben verbringen würdest.“ Valerie lächelte schief. „Typisch für Ralph und sein Ego. Er hatte die alberne Idee, er könne dein Leben aus der Ferne lenken, dich ahnungslos tun lassen, was er wollte. Deshalb überschrieb er dir das Penthouse. Er sagte dabei, er kenne jemanden, den du nicht kennst. Und wenn man gewisse Chemikalien mische, erfolge unausweichlich eine Reaktion. Gott allein weiß, was er im Sinn hatte. Ich vermute, er wollte dich mit einem Mann zusammenbringen, der auch hier wohnt.“ Alles Blut wich aus Sarahs Gesicht. „Schau nicht so, meine Liebe“, beruhigte Valerie sie. „Er war ja außer sich, und es ist nichts passiert. Du hast doch dieses schöne Penthouse und den Wagen bekommen.
Als Ralph mir das von dem Pentho use erzählte, erinnerte ich ihn an den Wagen, der seit deinem Auszug in der Garage stand. Ich glaube, daran hatte er gar nicht mehr gedacht.“ „Ja, ich habe den Wagen“, sagte Sarah wie benommen. Mike konnte von all dem doch nichts gewusst haben, oder? Aber sie erinnerte sich an sein Stirnrunzeln, als er glaubte, sie würde nicht in das Penthouse einziehen. Hatte das etwas mit Ralphs Plan zu tun? Wusste Mike etwa von all dem, obwohl er behauptete, nichts zu wissen? Aber er hatte doch gesagt, er liebe sie! Sicher ... Das sagen viele Männer, erinnerte sie sich, um eine Frau ins Bett zu bekommen. Und um sie dort zu behalten. Valerie erhob sich. „Ich muss wirklich gehen, Sarah, weil viel zu tun ist. Es gibt sonst niemanden. Übrigens: Charles Smeaton wurde heute Morgen wegen Trunkenheit am Steuer festgenommen. Unglaublich, was? Gerade in dem Augenblick, wo ich ihn brauche.“ Sie seufzte und wirkte abwesend. „Komisch ... ich sage mir ständig, dass Ralph den Frauen in seinem Leben mit seinem Tod einen Gefallen getan hat, damit wir endlich in Ruhe leben können. Aber ...“ Sie schüttelte den Kopf und; lächelte Sarah traurig an. „Ich rufe dich an, meine Liebe, und sage dir, wann die Beerdigung ist. Du wirst doch sicher kommen, oder?“ Sarah erhob sich mit bleischweren Beinen. „Ja“, sagte sie bebend. „Ich werde kommen, aber ... du wirst mich hier nicht erreichen können“, erklärte sie mit fester Stimme. „Ruf mich bei meiner Mutter an. In Killara.“ Als Mike kurz nach eins an ihre Tür klopfte, war Sarah überaus aufgebracht. Doch sie wusste, was sie zu tun hatte. Natürlich hatte sie vergessen, wie er körperlich auf sie wirkte. Beim Hereinkommen gab er ihr einen kurzen, erregenden Kuss. In seinem schwarzen Abendanzug sah er umwerfend aus. „Du hast schon gepackt, wie ich sehe “, lächelte er. „Ja“ entgegnete sie kurz. Er sparte plötzlich, dass etwas nicht stimmte, und sein Gesicht verdüsterte sich. „Was ist geschehen? “ fragte er scharf. Sarah wandte sich ab und setzte sich auf eines der Sofas. „Ralph ist tot“, platzte sie heraus. „Ein Herzanfall. Heute Morgen. “ „Mein Gott!“, „Er starb an Krebs“, fuhr Sarah fort, wobei sie auf ein Schuldgefühl wartete. „Seine Sekretärin war heute Abend hier und erzählte es mir. Sie hat mir auch viele andere Dinge gesagt. Unter anderem, dass Ralph unsere Ehe nur beendet hat, weil er nicht wollte, dass ein junger Mensch sein Leiden sah. Du hattest Recht. Es gab keine andere Frau. Aber ich hatte auch Recht. Er liebte mich nicht. Valerie gestand, dass sie Ralph liebte und vor Jahren seine Geliebte war.“ „Sarah ... Liebling“, sagte Mike und setzte sich zu ihr. „Lass mich bitte ausreden“, erwiderte sie kurz. „Valerie hat mir auch von Ralphs Plänen für mich berichtet. Ihm gefiel nicht, dass seine Umwandlungsarbeit an mir - die perfekte Partnerin für einen reichen Mann zu sein - vergeudet sein würde. Du weißt, was ich meine. Etwas zum Vorzeigen, aber schwach und willfährig. Er gab mir dieses Penthouse mit dem Hintergedanken, dass er mich damit dir gäbe.“ Sie sah, wie er den Kopf hochriss; „Wie bitte?“ Verunsichert und durcheinander, weigerte Sarah sich, sein Erstaunen für echt zu halten. „Ja, Mike. Und ich glaube, du hast das gewusst. Halt mich nicht für so töricht. In den letzten Monaten habe ich einiges gelernt, vor allen heute Abend. Diese Lektionen werde ich nicht vergessen. “ Er schaute sie durchdringend und nachdenklich an. „Ich muss das wiederholen“, sagte er. „Du glaubst also, dass ich mit Ralph geplant habe, dich zu meiner Geliebten
zu machen? “ „Du hast es erfasst.“ Ihr Ton war bitter und zynisch, doch ihr Herz brach. Keine Liebe zeigte sich mehr in Mikes Gesicht. Nur Wut. „Valerie sagte, Ralph habe mir das Penthouse überschrieben, damit ich in diesem Haus einen reichen Mann kennen lerne. Du bist der einzige Mann, auf den das passt. Und ich erinnere mich gut, wie du reagiertest, als ich sagte, ich würde nicht einziehen. Du warst außer dir. Wie war das, Mike, als ihr zusammensaßt und über mich geredet habt? Habt ihr großzügig beschlossen, Ralphs besonderen kleinen Schützling unter die Fittiche zu nehmen? “ „Kleiner Schützling?“ stieß Mike heraus. „Als das betrachtete mich Ralph“, entgegnete sie mit bitterem Lachen. „Aber das wusstest du doch sicher. Seiner Sekretärin hat er es ja auch gesagt. Er hat mich zu dem geformt, was er haben wollte. Ich habe es zugelassen, weil es ... viel einfacher war ... als immer die Starke zu sein, Molly nach jeder Affäre zu trösten, mich um sie zu kümmern, dafür zu sorgen, dass die Miete bezahlt werden konnte. Ich ... ich glaubte wirklich, ihn zu lieben. Jetzt begreife ich, dass er nur Ersatz für den Vater war, den ich nie hatte ... doch immer wollte ...“ Dann zerbrach Sarah, und Tränen rannen über ihre Wangen. Mike war sofort bei ihr, umarmte sie und zog sie auf seinen Schoß. Er hielt sie fest und wiegte sie zärtlich und blickte verstehend in ihre Augen. „Ich liebe dich, Sarah“, stellte er fest. „Ich habe dich immer geliebt. Ich habe nicht mit Ralph über dich gesprochen. Ja, ich war außer mir als du nicht hier einziehen wolltest. Ich wollte dich in meiner Nähe haben, dich sehen, wenn auc h nur gelegentlich, einfach deiner Anwesenheit sicher sein ...“ Er strich ihr eine Locke aus dem Gesicht. „Ich liebe dich“, wiederholte er. „Ich habe nichts geplant. Meine einzige Schuld ist, dass ich nicht sofort zu dir kam, als ich Wusste, dass du frei warst. Ich wollte es, hatte aber Angst davor.“ Ihr Herz machte einen Satz bei diesem Geständnis. „Angst?“ „Ja ... Ich wurde einmal verletzt, als ich jung und arm war. Von einem Mädchen, das mir wegen eines reicheren älteren Mannes den Laufpass gab. Ich hatte mich in dich verliebt, als ich dich das erste Mal sah. Aber ich richtete meinen alten Hass auf dich, da ich überzeugt war, dass auch du herzlos und berechnend seist. Ich war mit mir uneins, als ich von deiner Scheidung hörte. Ich wollte zu dir gehen, wagte den ersten Schritt aber nicht. Doch als du vor meiner Tür standest, musste ich es einfach wagen. “ Er küsste sie innig und bewundernd. „Ich weiß, dass du nicht so; bist, wie ich glaubte“ murmelte er. „Du bist gut und lieb, bezaubernd und zugleich von einer Leidenschaft, die mir den Atem raubt. Ich weiß jetzt, dass du glaubtest, Diamond geliebt zu haben, aber ich wusste immer, dass es nicht so war, Sarah. , Du konntest nicht ihn lieben und zugleich mich so ansehen. Das hat mich gequält. Ich spürte, dass du mich wolltest, nicht ihn, wenn auch nur sexuell.“ „Ja“, flüsterte sie. „Ja...“ Sein Gesicht verzerrte sich schmerzvoll bei der Erinnerung. „Hast du das damals auch gewusst, Sarah? “ Sie schüttelte heftig den Kopf. „Nein. Ich glaube, dazu war ich zu jung und zu naiv. Ich liebte Ralph, aber nicht so, wie eine Frau ihren Mann lieben soll. Trotzdem brachte mich mein Glaube an diese Liebe dazu, dass ich Zorn für dich empfand. Wenn ich denke, wie sehr ich dich mit meinem dummen Verhalten verletzt habe, erfüllt mich unendliche Schuld.“ Er stöhnte. „Du kannst dich nicht schuldiger fühlen als ich. Ich habe mich wie ein Schwein benommen. Doch nur so konnte ich mein Leid ertragen,, wenn du mit Diamond nach Hause gingst. Ich stellte mir vor, wie ihr zusammen im Bett wart. Ich
versuchte, dich zu vergessen mit anderen Frauen. Doch es war vergeblich. Ich bevorzugte Frauen mit rotgoldenem Haar und grünen Augen, sah dann aber, dass du es nicht warst. Mir war einfach übel...“ Sarah nahm sein Gesicht, während ihr Herz raste. Jetzt war der Augenblick gekommen, ihm die ganze Wahrheit zu sagen. „Mike ... ich habe nie mit Ralph geschlafen. Er - er konnte nicht lieben. Er hatte mir das vor unserer Ehe gesagt.“ Überraschung füllte Mikes schwarze Augen. „Aber - warum hast du ihn geheiratet. Sarah - eine leidenschaftliche Frau wie du? “ Zur Antwort lächelte sie scheu. „Leidenschaftlich bin ich nur bei dir, Mike. Als ich Ralph kennen lernte, hatte ich meine Jungfräulichkeit bei einer Teenager-Verliebtheit verloren, aber Freude hatte ich an Sex nie gehabt. Ich war irgendwie froh darüber. Ich wollte nie werden wie ...“ Sie brach ab, da sie ihre Mutter nicht schlecht machen wollte, doch deren Verhalten hatte sie abgestoßen. „Ich weiß, was du meinst, Sarah“, sagte Mike zärtlich. „Ich bin nicht blind. Molly war ein schlechtes Vorbild für dich. Du hast es dir allein zu verdanken, dass du so süß bist, wie du bist. Liebling. Du weißt nicht, wie glücklich du mich gemacht hast.“ Er lächelte bedauernd. „Es ist doch verrückt, wie schnell wir Menschen ur teilen, nicht wahr? Ein Blick auf dich und deinen Mann, ich zähle zwei und zwei zusammen und bekomme als Ergebnis fünf.“ „Du bist nicht der Einzige, Mike. Alle glaubten, ich hätte Ralph seines Geldes wegen geheiratet. Darum habe ich ...“ „Was?“ „Ich habe alles Geld, was er mir bei der Scheidung gab, gespendet.“ Sie schaute ihn an, sah, dass er verblüfft und etwas ärgerlich war. „Du bist ein dummes, stolzes wundervolles Mädchen! “ „Bin ich das?“ „Natürlich! Und welchen Unsinn du manchmal redest! Jeder Cent, den er dir gab, stand dir zu. Du hast ihn in gutem Glauben geheiratet. Er hat dir die so genannten besten Jahre deines Lebens genommen, und - he! Was ist mit der Wohnung? Und mit dem Ferrari? “ Er schaute sie argwöhnisch an. „Willst du mir sagen, dass du das auch nicht nehmen wirst?“ Sie schaute ihn schelmisch an. „Eigentlich wollte ich sie verkaufen. Doch dann beschloss ich, etwas für mich zu behalten, da ich den Gedanken nicht ertragen konnte, mit Molly und Wayne zusammen zu wohnen. Mein Leben hat sich schließlich etwas verändert. Dieser gut ansehende, sexy Nachbar hat mich verführt. Deshalb bleibe ich ein wenig.“ „Ach, wirklich? Was hat er denn getan? Hat er dich damit verändert?“ Seine Zunge glitt verführerisch über ihren Mund. „Oder damit?“ Seine Hand griff nach ihrer Brust. „Oder damit?“ Mit seinem Daumen rieb er ihre Brustspitze hart. Sarah war immer wieder erstaunt, wie schnell Mike sie erregen konnte, so dass sie alles andere vergaß. „Heirate mich“, flüsterte er. „Ich besorge eine Sondergenehmigung. Wir könnten diese Woche Mann und Frau sein.“ Er musste gespürt haben, dass sie erstarrte, da er seine Hand sofort zurückzog. „Was ist jetzt wieder nicht in Ordnung? “ fragte er. „Du sagtest doch, du liebst mich? “ „Ja. Aber gleich in der Woche nach Ralphs Tod heiraten? Mike .., das würde keinen guten Eindruck machen ...“ „Was hat das damit zu tun?“ fragte er ungeduldig. „Viel“, beharrte sie. „Für mich. Verstehst du nicht, Mike? Ich bin es leid; dass die Leute die Nase über mich rümpfen, mich für jemanden halten, den der bekommt, der am meisten bietet. Und deine Eltern wären entsetzt. Es wird für sie schlimm genug sein, wenn sie erfahren, dass ich eine geschiedene Frau bin. Wenn ich deine Frau sein
soll, möchte ich, dass sie eine gute Meinung von mir haben. Sie halten mich für ein gutes Mädchen, und ich...“ „Du bist ein gutes Mädchen“, fiel Mike verärgert ein. „Ich weiß das und du weißt das, aber andere Menschen glauben, was sie in der Zeitung lesen. “ Mike schüttelte den Kopf, zärtliche Ungeduld in den Augen. „Sag mir, was du willst.“ Sarah rutschte von seinem Schoß und nahm seine Hände. „Ich möchte ein angemessenes Werben, eine richtige Verlobung und eine prachtvolle Hochzeit. Und vor allem keine Eile.“ Er schaute sie amüsiert an. „Weißt du, was das bedeutet? Ich bin Italiener und habe sehr konservative Eltern. Wenn wir das sagen, wird unsere Hochzeit prächtiger als die von Charles und Diana sein.“ Sarah senkte den Blick. War sie egoistisch, weil sie wollte, dass ihre Hochzeit mit Mike etwas Besonderes war, mit kirchlicher Zeremonie und all den anderen Dingen? Sollte sie nachgeben und tun, was er wollte, ihn schnell heiraten? Nein, beschloss sie. Eine Frau hat ebenso wie ein Mann ein Recht darauf, dass ihre Wünsche und Bedürfnisse erfüllt werden. Wenn sie nachgab, würde Mike sie so behandeln, wie Ralph es getan hatte. Sie wusste, dass ihre Liebe daran zerbrechen würde. Entschlossen blickte sie auf. „Ja“, sagte sie fest. „So soll es sein. Ralph und ich haben nur standesamtlich geheiratet, ohne Herz und Gefühl dabei. Nicht einmal ein Foto wurde gemacht. Diesmal möchte ich mehr.“ „Das wirst du bekommen! “ versicherte Mike ihr lachend. „Das garantiere ich dir.“ Enttäuscht verkrampfte sich Sarahs Herz. Er würde doch nicht mit ihr darüber diskutieren? Wenn er sie so liebte, wie er behauptete, musste er doch verstehen, was das für ihre Zukunft bedeutete! „Bitte, Mike, ich liebe dich sehr, aber das ist wichtig für mich! “ Er schaute sie an, lächelte und streichelte sanft ihre Wange. „Natürlich ... Ich bin eben egoistisch, will alles ganz schnell, ohne daran zu denken, was du willst. Wir werden also eine gebührende Zeit abwarten, unsere Verlobung bekannt geben und dann unsere Eltern die große Hochzeit vorbereiten lassen. Ich habe übrigens das Gefühl, dass deine Molly ebenso darauf erpicht ist wie meine Eltern. Ich habe noch nie eine Frau gesehen, der so viel an Romantik liegt!“ Sarah lächelte. „Wie die Mutter so die Tochter, das meinst du, nicht wahr?“ Sie küsste seine Fingerspitzen. „Aber ich habe auch ein paar Bedingungen. “ Sie hielt inne. „Welche?“ „Das Wichtigste zuerst. Wie ist es mit Babys?“ „Was soll damit sein?“ Er schaute sie lächelnd an. „Verheiratete Italiener zeugen Bambinos. Tun sie das nicht, rümpfen die Leute die Nase und sagen hinter ihrem Rücken unanständige Dinge. Nicht nur du hast Gefühle.“ ‚ „Oh, nun in dem Fall... Meinst du, sechs reichen? “ „Sechs?“ Er schaute entsetzt drein. „Gott, ich dachte an eins. Allenfalls zwei“ Sie lächelte. „Ja, zwei wären schön. Von jedem zwei. “ „Das heißt vier“, stellte er trocken fest. Sarah riss die Augen in gespieltem Unglauben weit auf. „Meine Güte, der Mann kann ja rechnen!“ Mikes Augen wurden schmal. „Ich habe das Gefühl, dass unsere Ehe nicht ganz so sein wird, wie ich sie mir vorstelle.“ „Ach? Und wie hast du sie dir vorgestellt?“ Er stand auf, nahm sie in die Arme und steuerte mit ihr das Schlafzimmer an. „Ich
hatte mir vorgestellt, du würdest jeden Abend im schwarzseidenen Negligee auf mich warten. Sehr durchsichtig, so dass ich sehen kann, dass du nichts darunter trägst. Ich komme heim, wir trinken etwas, essen bei Kerzenschein und gehen zu Bett, um uns sehr fantasievoll zu lieben. Aber nicht jede Nacht in der Reihenfolge, Manchmal gehe ich zuerst mit dir ins Bett. Die Drinks und das Essen kommen später ...“ Er seufzte, als sie an das Doppelbett gelangten. „Aber das ist schwer, wenn der Nachwuchs da ist.“ Sarah wusste, dass Mike nur scherzte. Er würde ein großartiger, stolzer Vater sein. Am Ende würde sie vernachlässigt sein, weil er mit ihren Kindern spielte. „Ich sehe das anders“, sagte sie augenzwinkernd. „Und das geht auch sofort.“ „Klingt viel versprechend. Schieß los.“ „Zuerst, zieh mich auf dieses Bett hinab ...“ „Ist gemacht.“ „Dann zieh mich aus ...“ Er schaute sie an, während seine Hände eifrig arbeiteten. „Nun zieh dich selbst aus ...“ „Ich dachte schon, du würdest nie darum bitten! “ Sie lachte, als er seine Kleidungsstücke beiseite warf. „Und jetzt?“ fragte er begierig. „Und jetzt...“, flüsterte sie heiser. „... üben wir, wie man Babys macht, damit wir es in ein, zwei Jahren richtig machen, wenn es so weit ist.“ „Habe ich richtig gehört? Du sagtest, in ein, zwei Jahren? “ Er grinste breit. „Ich habe also zwei Mal dreihundertfünfundsechzig Nächte, bevor ich Vaterfreuden entgegensehe?“ „Ich halte nichts davon, die Dinge zu überstürzen. “ Sein Blick wanderte über ihren lustbereiten Körper. „Ich auch nicht, Liebling. Ich auch nicht ...“ Und langsam, ganz langsam begann er, sie zu lieben. -ENDE