Nr. 270
Doppelgänger des Mächtigen Orbanaschols Duplo an der Macht nur ein Terraner kann Arkon retten von H. G. Fran...
16 downloads
384 Views
463KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Nr. 270
Doppelgänger des Mächtigen Orbanaschols Duplo an der Macht nur ein Terraner kann Arkon retten von H. G. Francis
Das Große Imperium der Arkoniden kämpft um seine nackte Existenz, denn es muß sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren. Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Imperiums schwer zu schaffen machen. Die inneren Feinde Arkons sind die Herrschenden selbst, deren Habgier und Korruption praktisch keine Grenzen kennen. Gegen diese inneren Feinde ist der junge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristallprinz von Arkon, bereits mehrmals erfolgreich vorgegangen. Selbst empfindli che Rückschläge entmutigen ihn nicht und hindern ihn und seine rund 12.000 Helfer nicht daran, den Kampf gegen Orbanaschol III., den Usurpator, mit aller Energie fort zusetzen. Atlans geheime Zentrale, von der aus alle seine Aktionen gegen Orbanaschol ih ren Anfang nehmen, ist der Planet Kraumon. Aber auch in Arkon selbst, wo es im Volke gärt und der Usurpator sich nur noch mit Gewalt am Ruder halten kann, sind Männer und Frauen insgeheim für die Sache des Kristallprinzen tätig. Einer dieser Männer ist S. M. Kennon alias Lebo Axton, der USO-Agent, der in die ferne Vergangenheit verschlagen wurde. Er spielt inzwischen im Geheimdienst des Imperators eine führende Rolle und schwächt Orbanaschols Position, wann immer er nur kann. Um ein mögliches Zeitparadoxon zu verhindern, muß Kennon diesmal jedoch zu gunsten des verhaßten Imperators eingreifen, denn es geht um den DOPPELGÄN GER DES MÄCHTIGEN …
Doppelgänger des Mächtigen
3
Die Hautpersonen des Romans: S. M. Kennon alias Lebo Axton - Der Terraner kämpft für das Imperium.
Kelly - Kennons seltsamer Roboter.
Orbanaschol III. - Der Usurpator wird gekidnappt.
Avrael Arrkonta - Kennons bester Freund erfährt dessen Geheimnis.
Poolpok Treibarkoron und Waramayl Grishkan - Ein Verbrecher und ein Duplo.
1. Ermed Trelgron legte überrascht den Löf fel aus der Hand, als er durch die großen Scheiben des Raumhafenrestaurants hin durch den Dreifachen Sonnenträger Wara mayl Grishkan sah, und erhob sich. Grishkan bemerkte ihn nicht. Er schob sich durch die Menschenmenge in der Ab fertigungshalle. In beiden Händen trug er schwere Koffer. Deutlich konnte Trelgron die Aufkleber von Mekra-Titula erkennen. Schon vor mehr als einem Jahr hatte Grish kan ihm gesagt, daß er eine vollrobotische Satellitenüberwachung für diesen Planeten einrichten sollte. Damit sollte eine bessere Absicherung für die alljährlichen Jagdaus flüge des Imperators nach Mekra-Titula er reicht werden. Offenbar hatte der Dreifache Sonnenträger diese Aufgabe erledigt und kehrte nun nach Arkon I zurück. Ermed Trelgron wollte den Freund nicht aus den Augen lassen. Er eilte quer durch das Lokal, wurde jedoch am Ausgang durch einige Offiziere behindert, die sich herein drängten. Trelgron wartete ungeduldig ab, bis der Weg frei war. Er mußte vorsichtig sein und durfte nicht auffallen. Mit Hilfe ei ner raffinierten Maskentechnik war sein Äu ßeres zwar verändert worden, dennoch durf te er kein Risiko eingehen. Er wurde nach wie vor von der Militärpolizei der arkonidi schen Raumflotte gesucht. Als Trelgron in die Halle hinaustrat, war Grishkan verschwunden. Etwa fünfhundert Menschen befanden sich zwischen Trelgron und dem Ausgang der Abfertigungshalle. Unter ihnen mußte der Gesuchte sein. Der ehemalige Kommandant von Karaltron stürzte sich in die Menge. Er wollte Grish
kan auf gar keinen Fall verfehlen. Von ihm erhoffte er sich weitere Hilfe. Außerdem war Grishkan der geeignete Mann, Verbin dung zu Delgola, seiner Frau, aufzunehmen. Plötzlich entdeckte Trelgron den Sonnen träger. Er hatte seine Koffer vor einem robo tischen Zeitschriftenkiosk abgestellt und suchte sich einige Informationsschriften her aus. Trotz moderner Videound 3-D-Technik waren Zeitschriften immer noch beliebt, weil in ihnen Nachrichten ge boten wurden, die kein anderes Medium bringen konnte. Grishkan blätterte in einer Zeitschrift. Of fensichtlich hatte er etwas gefunden, was ihn ganz besonders interessierte, denn er setzte sich auf einen seiner Koffer und las konzen triert. Ermed Trelgron war noch etwa zwanzig Meter von ihm entfernt. Er kam nur langsam voran, weil die Menschenmenge zu dicht stand und er durch abgestellte Gepäckstücke immer wieder behindert wurde. Als Trelgron sich vergeblich bemühte, an einem jungen Pärchen vorbeizukommen, das sich ungeniert in der Öffentlichkeit küßte, beobachtete er, wie ein bärtiger Arkonide von hinten an Grishkan herantrat. Der Frem de beugte sich zu dem Sonnenträger hinab. Grishkan blickte erstaunt hoch. Die Zeit schrift entfiel seiner Hand. Sein Kopf sank nach unten. Es sah aus, als ob er eingeschla fen sei. Der Bärtige drehte sich gelassen um. Trelgron schien es, als ob der Fremde ihn für einen kurzen Moment prüfend ansehe. Er hatte diesen Mann nie zuvor gesehen. Der Bärtige kam direkt auf ihn zu. Trel gron blieb voller Unbehagen stehen. Er blickte sich suchend um, doch er stand so unglücklich zwischen Gepäckstücken und Reisenden, daß er nicht ausweichen konnte.
4
H. G. Francis
Sekunden später merkte er, daß das auch gar nicht notwendig war. Der Bärtige hatte ihn nur zufällig angesehen. Jetzt eilte er an ihm vorbei und verschwand in der Menge. Aufatmend wandte sich Ermed Trelgron wieder dem Dreifachen Sonnenträger zu. Er erstarrte. Grishkan kippte langsam vornüber. Eine grüne Flamme rollte vom Gürtel her über den Rücken hoch und hüllte den Kopf für ei nige Sekunden ein. Trelgron beobachtete voller Entsetzen, wie die Hitze Haar und Ge sicht Grishkans versengte. Der Freund stürz te auf den Boden und blieb in verkrümmter Haltung liegen. Er war tot. Aus einer Wunde im Rücken sickerte Blut. Ermed Trelgron drehte sich um. Seine Augen tränten. Bemüht, kein Aufsehen zu erregen, entfernte er sich von dem Robotki osk. Er wußte, daß er nur noch Sekunden hatte. Dann würde fraglos alles abgesperrt werden, so daß niemand mehr entkommen konnte. Als er die Laufbänder erreicht hatte und damit in den Tunnel zu den Taxigleitern ge riet, vernahm er einige gellende Schreie. Der Tote war entdeckt worden. Ihm erschien es, als sei inzwischen eine Ewigkeit vergangen. Er wunderte sich darüber, daß niemand frü her Alarm geschlagen hatte. Wenig später startete er in einem Gleiter und ließ den Raumhafen hinter sich. Die Spannung fiel von ihm ab, und jetzt erst kam er dazu, seinen Gefühlen über den Tod des Freundes freien Lauf zu lassen.
* Lebo Axton zapfte sich roten, zähflüssi gen Tsan-Saft aus dem Servomaten und kehrte zum Tisch zurück. Er setzte sich. Ihm gegenüber saß Gentleman Kelly, der Robo ter. »Du bist dran«, sagte der Terraner. Auf dem Tisch lag ein Imperatorspiel, ein Spiel, das ein hohes Maß an Intelligenz, Ent schlußkraft, Konzentration und Einfühlungs vermögen erforderte. Das Spiel war außeror-
dentlich schwierig. Das war der Grund da für, daß es nur von einem kleinen Kreis von Arkoniden gespielt wurde. Mit dem Großen I, wie es auch genannt wurde, konnte die ho he Politik des Imperiums nachvollzogen werden. Das bedeutete, daß innenpolitische Kenntnisse ebenso vorausgesetzt wurden wie außenpolitische Weitsichtigkeit sowie das Geschick, einen drohenden Krieg zu vermeiden, oder den Mut, einen Angriffs krieg zu führen. Da die Variationsmöglich keiten bei diesem Spiel unbegrenzt waren, verlief jede Auseinandersetzung mit einem Kontrahenten anders. »Du bist dran«, wiederholte Axton unge duldig. »Warum entscheidest du dich nicht?« »Die Situation ist ungünstig für mich«, er widerte Kelly. »Das ist kein Grund, beleidigt zu sein«, stellte Axton fest. »Du mußt etwas tun.« Das intellektuelle Duell mit dem Roboter dauerte nun schon zwei Stunden. Lebo Ax ton-Kennon war mit sich und seiner Lei stung zufrieden. Er hatte Kelly förmlich nie dergekämpft. Von den nächsten Spielzügen mußte es abhängen, wer siegte. Der Terraner zweifelte nicht mehr daran, daß er es sein würde, denn alle Voraussetzungen sprachen für ihn. Das Positronenhirn Kellys hatte sich im Kosmopsychologischen Denken als un terlegen erwiesen. »Also gut«, sagte Gentleman Kelly mit gedämpfter Stimme. »Ich bestelle den Drei fachen Sonnenträger und erstrangigen Polit faktor des Planeten R-5536 zum Hof.« »Ein hervorragender Spielzug«, sagte Ax ton lobend. »Du zwingst mich damit zum Umdenken. Damit hat sich die Situation für mich geändert. Aber das wird dir nichts hel fen. Warte mal …« Er beugte sich nach vorn und stützte sich mit den Ellenbogen auf den Tisch. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken, und ein eigenartiges Kribbeln machte sich im Nacken bemerkbar. Zunächst machte er sich keine Gedanken darüber. Er versuchte, sich zu konzentrieren, aber es gelang ihm nicht.
Doppelgänger des Mächtigen Er wurde durch das körperliche Unbehagen abgelenkt. Dabei wußte er, daß der nächste Spielzug Kelly endgültig erledigen mußte. So gut war die Entscheidung des Roboters doch nicht gewesen. Aber was war zu tun? Kelly blickte auf. Das Organband am Kopf des Roboters glänzte im Lichtschein der Leuchtplatten an der Decke. Bewegten sich die Antennen? Unwillkürlich horchte der Terraner in sich hinein. Und plötzlich fiel es ihm wie Schup pen von den Augen. Gentleman Kelly sandte Signale im Ultra schallbereich aus, um ihn zu stören und ab zulenken. »Hör auf damit«, schrie Axton. »Ich verstehe nicht«, entgegnete der Ro boter. »Was meinst du, Liebling?« »Du kannst nicht verlieren, du Blechbe stie«, kreischte der Verwachsene in ohn mächtigem Zorn. »Du hast erkannt, daß du das Spiel nicht mehr gewinnen kannst, wenn alles regulär zugeht, und jetzt versuchst du es mit einem dreckigen Trick.« »Aber, Schätzchen, wie kommst du auf so etwas?« fragte Kelly und gab seiner Stimme einen beleidigten Beiklang. »Hör auf damit«, forderte Axton, dem er neut ein Schauer über den. Rücken lief. »Ich weiß wirklich nicht, was du …«, be gann Kelly. Doch er kam nicht weiter. Lebo Axton griff nach seinem Glas Tsan-Saft und schleuderte es dem Roboter an den Kopf. Gentleman Kelly wich nicht aus. Das Glas zerplatzte, und der Saft verteilte sich über seinen Kopf. Im gleichen Augenblick schlug das Türsi gnal an. »Das war das letzte Mal, daß ich mit dir gespielt habe«, erklärte Axton zornig. »Verdammter Betrüger! Geh endlich zur Tür und öffne. Los, oder soll ich dir noch ein paar Tritte versetzen?« Axton wies auf das Roboterbein, das er an der Wand befestigt hatte. Gentleman Kelly erhob sich. »Ich beuge mich der Gewalt und dem Terror«, antwortete er würdevoll. Er schritt
5 zur Tür und öffnete sie. Ermed Trelgron trat ein. Befremdet mu sterte er den Roboter, dessen Kopf über und über mit dem roten Saft beschmiert war. Le bo Axton tat, als sei überhaupt nichts Unge wöhnliches passiert. Lächelnd ging er Trel gron entgegen. »Kommen Sie näher«, bat er. »Was führt Sie zu mir?« Er verzichtete auf Kritik, die durchaus an gebracht gewesen wäre. Ermed Trelgron hatte die Anweisung bekommen, sich nur dann in der Wohnung Axtons sehen zu las sen, wenn besondere Umstände dies erfor derten. »Verzeihen Sie mir, daß ich hierher kom me«, sagte Trelgron und warf Kelly erneut einen flüchtigen Blick zu. »Ich wurde Zeu ge, wie ein Freund von mir heimtückisch er mordet wurde. Er kam von dem Planeten Mekra-Titula. Sie sagten, alles sei extrem wichtig, was …« »Schon gut«, entgegnete der Verwachse ne besänftigend. »Sie haben keinen Fehler gemacht. Nehmen Sie Platz.« Er drehte sich zu Kelly um. »In die Hygienekabine mit dir«, schrie er. »Säubere dich.« »Mit Wasser?« fragte der Roboter. »Womit sonst?« »Wasser könnte meinem Teint schaden!« Lebo Axton wandte sich stöhnend an Trelgron. »Haben Sie eine Waffe dabei, Ermed?« fragte er. »Wenn ja, dann geben Sie sie mir. Das Maß ist voll. Ich werde diesen Blech kretin vernichten.« Gentleman Kelly schüttelte in menschlich anmutender Gebärde den Kopf, drehte sich um und ging in die Hygienekabine. »Entschuldigen Sie, Ermed«, sagte Axton und setzte sich. »Hin und wieder habe ich Schwierigkeiten mit Kelly. Sie sollen uns nicht ablenken. Erzählen Sie, was vorgefal len ist. Jede Einzelheit interessiert mich.« Ermed Trelgron berichtete. Axton hörte konzentriert zu. »Sie sind sicher, daß es wirklich Grishkan
6 war?« fragte der Kosmokriminalist, als er al les vernommen hatte. »Absolut.« Lebo Axton überlegte. Trelgron tat ihm leid, weil er hatte zusehen müssen, wie einer seiner Freunde getötet wurde. Doch der Tod Grishkans ließ Axton ansonsten kalt. Er hat te den Dreifachen Sonnenträger nicht ge kannt. Für ihn war allein wichtig, daß Grish kan von dem Planeten Mekra-Titula gekom men war. »Ich danke Ihnen, Ermed«, sagte er. »Ihre Entscheidung, mich sofort zu verständigen, war richtig. Sie können hier in der Wohnung bleiben, wenn Sie wollen.« »Wohin werden Sie gehen?« »Ich werde mich mit der Untersuchungs behörde in Verbindung setzen. Die Mord kommission wird den Tod Grishkans unter suchen. Warten Sie, bis ich zurück bin.« »Danke«, entgegnete Trelgron schlicht. Gentleman Kelly kehrte gesäubert aus der Hygienekabine zurück. Er drehte sich vor Axton hin und her. »Gefalle ich dir so, Schätzchen?« fragte er. Trelgron verfolgte verblüfft das Gesche hen. Er wußte nicht, was er von dem Beneh men des Roboters halten sollte. Er hatte eine ganz andere Einstellung zu Robotern als Le bo Axton, und er kannte die psychischen Schwierigkeiten nicht, die Axton im Um gang mit Robotern zu bewältigen hatte. »Sie wollten mir eine Schußwaffe geben, Ermed«, sagte Axton und streckte die Hand aus. Gentleman Kelly kniete sich eilig nieder und gab dem Verwachsenen so Gelegenheit, auf seinen Rücken zu steigen. Axton grinste. Er winkte dem Arkoniden flüchtig zu und verließ die Wohnung. Ermed Trelgron war überrascht und verwirrt. Er hatte sich die Begegnung mit Axton ganz anders vorge stellt. Er glaubte, daß der Kosmokriminalist seinen Bericht nicht so ernst nehme wie er selbst. Doch Trelgron täuschte sich. Tat sächlich war Axton-Kennon wie elektrisiert. Dies war das Zeichen, auf das er gewartet hatte.
H. G. Francis Er ließ sich von Kelly bis zu seinem Glei ter tragen, übernahm das Steuer der Maschi ne selbst und raste mit der höchsten erlaub ten Geschwindigkeit zu dem von Trelgron genannten Raumhafen. Er landete auf dem öffentlichen Parkplatz, stieg wieder auf den Rücken des Roboters und begab sich zum Hafenkommandanten. Sein Weg endete vor läufig an einem Robotportier, der ihn nicht sofort in das Büro des Kommandanten vor lassen wollte. »Ich komme in der Mordangelegenheit Grishkan«, erklärte Axton ungehalten. »Deshalb ist es wichtig, daß ich mit dem Kommandanten spreche. Und zwar jetzt so fort.« »Eine Mordsache Grishkan ist unbe kannt«, antwortete der Automat nach weni gen Sekunden, in denen er die Informatio nen des Zentralcomputers abgefragt hatte. »Das ist unmöglich«, entfuhr es Axton. »Ich weiß, daß der Dreifache Sonnenträger vor etwa einer Stunde in der Abfertigungs halle ermordet worden ist.« »Das ist ein Irrtum«, erwiderte der Robo ter. »Das muß ich klären. Öffne die Tür. Ich muß zum Kommandanten.« Axton hielt dem Roboter erneut seine Identifikationskarte hin, erzielte damit je doch keinen Erfolg. Die Tür glitt nicht zur Seite. »Kelly, versuch du es«, befahl er seuf zend. Gentleman Kelly bemühte sich mit Hilfe seiner Funkgeräte, den Automaten auszu schalten, doch das gelang ihm nicht. Der Türroboter war offensichtlich gegen solche Versuche abgesichert. »In die Halle«, sagte der Verwachsene heftig. Kelly gehorchte und trug ihn zu ei nem Antigravschacht. In diesem ging es nach unten bis direkt in die überfüllte Abfer tigungshalle. Hier verlief alles wieder völlig normal, so als sei überhaupt nichts gesche hen. Wahrscheinlich wußten die wenigsten Menschen in der Halle, was passiert war. Axton begab sich zu einem öffentlichen Vi
Doppelgänger des Mächtigen deosprecher und wählte den Raumhafen kommandanten. Eine Robotstimme meldete sich. »Ich habe den Mord in der Halle gese hen«, log Axton. »Ich weiß, wer der Mörder ist. Deshalb möchte ich den Kommandanten sprechen.« »Wenden Sie sich an Leitarkran von der Mordkommission«, empfahl der Automat und schaltete ab. Lebo Axton fluchte laut und anhaltend. Er hatte nicht damit gerechnet, auf derartige Schwierigkeiten zu stoßen. Er stieg wieder auf den Rücken Kellys, ließ sich zum Gleiter bringen und flog zu einem nahen Trichter bau. In diesem arbeitete die für diesen Be reich verantwortliche Mordkommission. Ax ton wäre gleich dorthin gegangen, wenn er nicht davon hätte ausgehen müssen, daß die Untersuchung des Mordes in diesem Fall über den Raumhafenkommandanten lief. Das war der Normalfall. Von dieser Rege lung nahmen die Behörden nur Abstand, wenn es sich um ein besonders prominentes Opfer handelte oder um jemanden, der nicht identifiziert werden konnte. Beides traf bei Grishkan nicht zu. Der Leiter der Mordkommission, Leitar kran, befand sich in seinem Büro, als Axton sich anmeldete. Er führte jedoch gerade ein Verhör durch und wollte nicht gestört wer den. Axton blieb keine andere Wahl. Er mußte warten. Eine Stunde verstrich, dann war es mit der Geduld des Terraners vorbei. »Holen Sie Leitarkran aus seinem Büro«, forderte er den jungen Offizier auf, mit dem er bisher gesprochen hatte, »oder ich gehe zu ihm.« Der Arkonide schüttelte hochmütig den Kopf. »Sie müssen sich gedulden«, erklärte er. »Leitarkran hat zu tun. Da kann nicht jeder herkommen und ihn stören.« »Ich kann Ihnen nur empfehlen, sich um gehend danach zu erkundigen, wer ich bin«, erwiderte Axton zornig. Er gab Kelly einen Wink. Der Roboter marschierte los. Der Ar
7 konide stellte sich ihm in den Weg, doch Kelly wischte ihn mit einer Armbewegung förmlich zur Seite. Sekunden später stand Axton im Büro des Leiters der Mordkom mission. Leitarkran plauderte mit einem an deren Beamten. Er lachte gerade schallend auf, als Axton hereinkam. Doch dann sprang er auf, und sein volles Gesicht verzerrte sich. »Das werden Sie bereuen«, sagte er dro hend. »Hier herrscht Ordnung. Krüppel ha ben zu warten.« Axton lächelte kalt. »Die Zeit, in der man mich einen Krüppel schimpfen durfte, ist vorbei«, entgegnete er. »Fragen Sie ganz schnell beim Hof nach, wer ich bin, sonst könnte es sein, daß Sie sich in einigen Tagen auf einem höchst un gemütlichen Planeten bei äußerst unange nehmer Arbeit wiederfinden.« Leitarkran gab den anderen Arkoniden ein Zeichen. Sie zogen sich zurück. Axton blieb auf dem Rücken Kellys. »Ich komme wegen des Mordanschlags an dem Dreifachen Sonnenträger Grishkan in der Abfertigungshalle des Raumhafens«, erklärte er. »Kommen Sie mir nun nicht mit der Behauptung, Grishkan sei nicht getötet worden. Ich weiß mit absoluter Sicherheit, daß ich mich nicht irre.« Einer der Offiziere kehrte zurück. Er machte Leitarkran ein Zeichen mit der Hand und ging wieder hinaus. Von diesem Mo ment an wurde das Verhalten des Leiters der Mordkommission deutlich respektvoller. »Sie irren sich dennoch«, antwortete er und erhob sich. »In der Halle des Flughafens ist jemand ermordet worden. Das ist richtig. Der Mann konnte jedoch nicht identifiziert werden. Der Dreifache Sonnenträger Grish kan ist es auf gar keinen Fall. Wir haben das bereits überprüft, weil ein Zeuge die gleiche Behauptung aufgestellt, hat wie Sie.« »Was wollen Sie damit sagen?« »Der Dreifache Sonnenträger Grishkan nimmt zur Zeit an einer Konferenz mit dem Imperator teil. Genügt das?« »Was ist mit der Leiche geschehen?«
8 »Wir haben alles getan, was eventuell zu einer späteren Identifizierung führen kann. Danach wurde die Leiche desintegriert.« »Vergleichen Sie die Fingerabdrücke mit denen von Grishkan.« Der Arkonide schüttelte ablehnend den Kopf. »Das ist mir nicht erlaubt. Grishkan ist ein Offizier, der ein hohes Ansehen genießt. Es wäre eine tödliche Beleidigung für ihn, wenn wir einen derartigen Vergleich vor nehmen würden. Außerdem ist das völlig überflüssig, weil er ja nicht der Tote sein kann. Grishkan lebt, und er hat den besten Zeugen dafür, den es im Imperium gibt.« Axton nickte versonnen. »Schon gut, Leitarkran«, sagte er. »Sie haben mir eine wichtige Auskunft gegeben.« Damit verabschiedete er sich und verließ den Raum. Er war fest davon überzeugt, daß Ermed Trelgron sich nicht geirrt hatte. In der Halle des Raumhafengebäudes war wirklich Grishkan ermordet worden. Der Mann, der zur Zeit mit Orbanaschol III. konferierte, war sein Doppelgänger, hergestellt nach ei ner Atomschablone. Grishkan II konnte sich also in Sicherheit wiegen. Es gab keine Möglichkeit, ihn zu überprüfen, da der echte Grishkan nicht mehr existierte. Die arkonidische Mordkom mission hatte ihrem Gegner ahnungslos in geradezu perfekter Weise in die Hände ge spielt. Jetzt stellte sich die Frage: War Orbana schol III. auch schon gegen einen Doppel gänger ausgetauscht worden, oder war der Imperator, mit dem Duplo-Grishkan gerade sprach, der echte Orbanaschol? Lebo Axton schwindelte. Seit Tagen hatte er auf ein solches Ereig nis gewartet. Er hatte gewußt, daß früher oder später so etwas oder so etwas Ähnli ches passieren mußte. Er hatte alles getan, was ihm möglich war, Orbanaschol III. zu überwachen, doch viel war das nicht. Er ge hörte nicht zur Leibwache des Usurpators und konnte ihn daher nicht ständig kontrol lieren. So ergaben sich zwangsläufig immer
H. G. Francis wieder Situationen, in denen der Tausch vorgenommen werden konnte. Mit Grauen dachte Axton daran, was ge schehen würde, wenn der OrbanascholDoppelgänger erst einmal an der Macht war. Er konnte das arkonidische Imperium in den Abgrund führen und es völlig vernichten. Einige falsche politische Entscheidungen, ein paar falsche Befehle für die Raumflotte Arkons konnten die totale Katastrophe schon einleiten. Axton wußte nicht, was er tun sollte. Die Last der Verantwortung war größer denn je zuvor. Er mußte etwas tun, denn er war der ein zige im gesamten Imperium, der sich den Duplo-Figuren der MdI entgegenstellen konnte. Die Arkoniden waren völlig ah nungslos, denn er durfte ihnen nicht eröff nen, was geschah. Tat er es dennoch, dann mußte er erklären, woher er sein Wissen hat te. Das aber war gleichbedeutend mit dem Ende seiner Existenz im Arkon dieser Zeit. Axton spürte, daß er der Anspannung sei ner Nerven kaum noch gewachsen war. Er begann sich zu überlegen, wie sein Abenteu er Alt-Arkon zu Ende gehen würde, und ob es überhaupt jemals enden würde. Was wür de sein, wenn er in seine Zeit zurückkehrte, in die Zeit Perry Rhodans und des terrani schen Imperiums? Würde es das überhaupt noch geben, oder hatte er es vielleicht durch seine Maßnahmen unmöglich gemacht? Die Furcht vor einem alles entscheiden den Fehler lähmte ihn.
2. Als Axton in seine Wohnung zurückkehr te, befand sich auch Avrael Arrkonta dort. Der Industrielle war der beste Freund, den er im Arkon dieser Zeit gefunden hatte, und der einzige Mensch, der ihm neben Ronald Tekener wirklich etwas bedeutete. Axton schilderte dem fassungslosen Ar koniden, was ihm begegnet war. »Ich möchte versuchen, Verbindung mit Grishkan aufzunehmen«, schlug Trelgron
Doppelgänger des Mächtigen vor, als der Terraner seinen Bericht beendet hatte. Axton schüttelte den Kopf. »Das wäre ein Fehler«, erwiderte er. »Nein, es gibt nur eine Lösung. Grishkan muß weg.« »Wie können Sie so sicher sein, daß der echte Grishkan ermordet wurde?« fragte Trelgron. »Könnte es nicht auch so sein, daß der Doppelgänger getötet wurde, weil man ihn für den echten Grishkan gehalten hat?« »Das wäre durchaus möglich, aber äußerst unwahrscheinlich«, erwiderte der Kosmokri minalist. »Ich werde das jedoch herausfin den. Ich werde mich mit Grishkan befassen. Sicherlich gibt es auch in seinem Leben ir gendwo schwache Stellen. Ich werde sie aufspüren und dort den Hebel ansetzen.« »Ich kenne Grishkan als sauberen Charak ter. Er ist eine absolut einwandfreie Persön lichkeit«, erklärte Trelgron. Lebo Axton lächelte nur. »Wir haben die Erfahrung gemacht, daß es hier auf Arkon und im Bannkreis des Hofes kaum jemanden gibt, der wirklich sauber ist«, bemerkte Avrael Arrkonta. »Unser Vorteil ist, daß der Grishkan-Doppelgänger sich in Sicherheit wiegt. Er ahnt nicht, daß jemand versucht, ihn zu beseitigen. Das ver bessert unsere Chancen ganz erheblich.« »Ich möchte keine Zeit verlieren«, sagte Axton. »Avrael, nehmen Sie Trelgron mit. Ich möchte eine mobile Kampftruppe auf bauen. Ermed ist der richtige Mann, um das zu organisieren.« Die Augen des ehemaligen Stützpunkt kommandanten leuchteten auf. »Sie können sich auf mich verlassen«, er klärte er. Lebo Axton flog zum Innenministerium, als die beiden Freunde sich von ihm getrennt hatten. Im gleichen Gebäude befand sich auch sein Büro. Von hier aus nahm er seine Arbeit auf. Er zog Erkundigungen über Gris hkan ein und nutzte dabei sämtliche Verbin dungen und Informationsmöglichkeiten, die er als hochgestellte Persönlichkeit im Rah men des Geheimdiensts hatte. Doch sosehr
9 er sich auch bemühte, irgend etwas Nachtei liges über ihn zu finden, es war vergeblich. Grishkan war tatsächlich eine so integre Per sönlichkeit, daß sich nirgendwo eine schwa che Stelle bot, an der Axton hätte einhaken können. Axton stand vor einer scheinbar nicht lös baren Aufgabe. Die Situation verschlechterte sich noch dadurch für ihn, daß er Orbanaschol überwa chen mußte. Dadurch wurde er in seiner Be weglichkeit eingeengt. Mehrere Male rief der Imperator ihn zu sich, um etwas mit ihm zu besprechen. Bei dieser Gelegenheit versuchte Axton vorsich tig, Grishkan ins Gespräch zu bringen, doch es gelang ihm nicht. Orbanaschols größtes Problem war nach wie vor der außerordentliche Prestigeverlust, den er bei den mißlungenen Wahlen hatte hinnehmen müssen. Nach wie vor sprach man über die Blamage. Selbst eine konse quent durchgeführte »Säuberungsaktion« hatte Orbanaschols Ansehen nicht wieder aufgewertet. Im Gegenteil. Sie hatte der Öf fentlichkeit nur noch deutlicher gezeigt, was sie von diesem Imperator zu halten hatte. Jetzt bemühte der Imperator sich, durch politische Schachzüge seine Position zu ver bessern. Er leitete auf allen erdenklichen Gebieten Maßnahmen ein, die den mittleren und unteren Gesellschaftsschichten dienten, baute aber gleichzeitig auch die Privilegien des Adels aus, um sich die Unterstützung dieser Kreise zu sichern. Dabei achtete er sorgfältig darauf, daß es keine Pannen gab. Axton hatte ihn nie zuvor so konzentriert ar beiten und so vorsichtig taktieren sehen. Für den Terraner war die Versuchung groß, einzugreifen und Orbanaschol auf die se Weise weitere Pannen unterzuschieben. Doch der Imperator sicherte sich bei allem, was er tat, vorsorglich ab. Auf diese Weise gelang es ihm, Punkte zu sammeln. Hier und dort wurden bereits Stimmen laut, die sich für Orbanaschol aus sprachen. Noch zeichnete sich kein Stim mungsumschwung ab. Axton hielt es jedoch
10 für möglich, daß der Imperator auf lange Sicht sein Ziel erreichte, wenn er so intensiv an seinem Ansehen weiterarbeitete. Dem Terraner gefiel diese Entwicklung überhaupt nicht, zumal sie sich für den Gris hkan-Doppelgänger als positiv erwies. Dann aber fiel bei einer Besprechung mit dem Imperator der Name Poolpok Treibar koron. Axton horchte auf. Der Name kam ihm bekannt vor, er wußte jedoch nicht, ihn un terzubringen. Daher ging er sofort nach Ab schluß der Konferenz ins Hauptarchiv des Innenministeriums und suchte die entspre chenden Unterlagen über Treibarkoron her aus. Treibarkoron gehörte, wie Axton nun er fuhr, zu den wichtigsten Männern der Ver brecherorganisation SENTENZA. Zu dieser Organisation unterhielt Orbanaschol III. recht gute Beziehungen. Er duldete sie, weil er durch sie ebenfalls beträchtliche Summen verdiente. Außerdem konnte er sie benutzen, unbequeme Gegner beseitigen zu lassen. Axton hatte herausgefunden, daß der Impe rator einige seiner Feinde durch berufsmäßi ge Mörder hatte töten lassen. Es wäre ihm unmöglich gewesen, dazu Mitglieder seiner Leibwache, der Abwehr oder des Geheim diensts zu nehmen, obwohl es auch hier Männer gab, die bereit waren, nahezu alles für den Imperator zu tun. Doch dabei hätte Orbanaschol immer riskieren müssen, daß etwas an die Öffentlichkeit drang. Anders bei der SENTENZA. Orbanaschol erteilte einen anonymen Auftrag, der dann prompt erledigt wurde. Beide Seiten wußten Bescheid, aber keine konnte es sich leisten, der anderen Schwierigkeiten zu machen. Poolpok Treibarkoron, der in den Akten als schillernde Persönlichkeit geschildert wurde, dachte jedoch nicht daran, die Ta schen des Imperators zu füllen. Er war einer der ganz wenigen SENTENZA-Verbrecher, die ausschließlich für den eigenen Reichtum arbeiteten. Das war alles, was Axton aus den Unter lagen ersehen konnte. Zu wenig für einen
H. G. Francis Mann wie ihn. Er verließ sein Büro zusammen mit Gent leman Kelly und flog in seinem Gleiter zu einem Trichterbau, der einige Kilometer ent fernt war. Hier betrat er ein mit modernsten Gerätschaften eingerichtetes Laboratorium, in dem zwanzig Männer und Frauen arbeite ten. Hier wurden von anderen Planeten ein geführte alkoholhaltige Getränke auf ihren Reinheitsgrad und ihre Unbedenklichkeit ge prüft. Doch das war nicht der Grund, wes halb Axton es aufgesucht hatte. Ihn interes sierte nur der Leiter des Labors. Trapa Golque war ein alter, gebeugter Mann, der auf den ersten Blick gebrechlich wirkte. Seine lebhaften Augen ließen jedoch erkennen, daß er über einen wachen Geist verfügte. Er kam Lebo Axton lächelnd ent gegen, als dieser auf dem Rücken seines Ro boters eintrat. »Was kann ich für Sie tun, Axton?« fragte er. »Ich möchte mich in Ruhe mit Ihnen un terhalten«, erwiderte der Verwachsene. Gol que nickte. Er hatte verstanden. »Warten Sie einen Moment. Ich komme mit Ihnen«, sagte er, legte seinen grünen La boranzug ab und begleitete Axton zu seinem Gleiter. Gentleman Kelly übernahm das Steuer und startete. Trapa Golque war ein wertvolles Mitglied der Untergrundorganisation Gonozal VII. Axton wußte, daß er sich auf ihn verlassen konnte. »Golque«, sagte er. »Sie sind am besten von uns allen über die SENTENZA infor miert.« »Das ist richtig«, antwortete der Arkoni de. »Ist es soweit? Haben Sie vor, die SEN TENZA zu zerschlagen? Ich verfüge über alle Unterlagen, die dafür notwendig sind.« »Nein, noch nicht«, erwiderte der Kosmo kriminalist. »Das werden wir tun, wenn At lan hier auf Arkon I ist. Vorläufig geht es mir nur um einen Mann, und ich hoffe, daß Sie mir mehr über ihn sagen können, als ich bisher erfahren konnte. Ich meine Poolpok Treibarkoron.«
Doppelgänger des Mächtigen »Den Mann kenne ich gut«, antwortete der Alte. Seine Augen leuchteten auf. Er schien froh darüber zu sein, Axton endlich einmal einen Dienst leisten zu können. An Einsätzen hatte er bisher nie teilnehmen dür fen. »Was wollen Sie wissen?« »Ich glaube, daß Orbanaschol III. irgend etwas gegen Treibarkoron im Sinn hat«, er klärte Axton. »Es könnte sein, daß er ihn verhaften lassen oder ihm auf andere Weise das Genick brechen will.« »Das ist ziemlich wahrscheinlich«, ent gegnete der Arkonide. »Treibarkoron hat in letzter Zeit einige wirklich gute Geschäfte gemacht, und er denkt nicht daran, dem Im perator die Provision zu zahlen. Dennoch wird es für Orbanaschol nicht leicht sein, ihn auf legalem Wege fertigzumachen, denn Treibarkoron ist so geschickt, daß es bisher nie ausreichende Beweise gegen ihn gege ben hat.« »Könnte es sein, daß Orbanaschol nun et was gegen ihn in der Hand hat?« »Treibarkoron ist ein Mann, der mehr ver brochen hat als jeder andere SENTENZAMann, den ich kenne. Die Zahl der Gesetze, die er mißachtet hat, ist höher als die, an die er sich gehalten hat. Ich habe erfahren, daß Treibarkoron vor wenigen Wochen einen Doppelmord begangen hat. Angeblich soll es auch Zeugen geben. Es könnte also sein, daß Orbanaschol ihn dieses Mal erwischt.« Axton überlegte. Er spürte, daß er den richtigen Weg eingeschlagen hatte. Sein kri minalistischer Instinkt hatte ihn nicht verlas sen. Treibarkoron war der Hebel, den er an setzen mußte, um Grishkan zu beseitigen. Bei ihm brauchte er nicht die geringsten Skrupel zu haben. Treibarkoron hatte sich zu sicher gefühlt. Mit seiner Weigerung, einen Teil seiner aus Verbrechen erzielten Gewinne an den Impe rator abzuführen, hatte er Orbanaschol ver mutlich schon seit längerer Zeit herausgefor dert. Für Axton war nur schwer verständlich, daß ein offensichtlich so intelligenter Mann wie Treibarkoron einen so schweren Fehler machen konnte. Wer sich in dieser Weise
11 mit Orbanaschol verfeindet, mußte früher oder später damit rechnen, daß der Impera tor tödlich zuschlug. Jetzt war die Stunde gekommen. Orbana schol war angeschlagen. Er brauchte spekta kuläre Erfolge, um sich selbst in der Öffent lichkeit aufzuwerten. Die Verurteilung und Hinrichtung eines bedeutenden SENTEN ZA-Mannes war ein Ereignis, das im ganzen Imperium Aufsehen erregen mußte. Daß Or banaschol bestechlich war und die SEN TENZA aus egoistischen Gründen tolerierte, wurde auf allen Planeten des arkonidischen Imperiums behauptet. Dieses Gerücht hielt sich hartnäckig, und alle Dementis Orbana schols waren wirkungslos geblieben, weil keine Verhaftung von wichtigen SENTEN ZA-Mitgliedern erfolgt war. Axton sah klar. Orbanaschol plante den großen Schlag ge gen die SENTENZA. Dabei hatte er sich längst mit anderen Mitgliedern dieser Ver brecherorganisation abgesprochen. Vermut lich hatte er sich mit ihnen darüber geeinigt, daß Treibarkoron geopfert werden mußte, und die SENTENZA hatte diesem Opfer zu gestimmt. »Ich danke Ihnen, Trapa Golque«, sagte er. »Sie ahnen gar nicht, welch wertvollen Dienst Sie mir geleistet haben.« Er gab Gentleman Kelly ein Zeichen, den Arkoniden wieder in das Labor zurückzu fliegen. Nachdem er Golque abgesetzt hatte, kehr te er in sein Büro zurück. Er hatte von Gol que noch Namen von einigen Verbindungs leuten Treibarkorons bekommen und suchte sich deren Karteikarten aus dem Archiv her aus. Über sie arbeitete er sich langsam näher an Treibarkoron heran und kreiste ihn all mählich ein. Dann eilte er zu einer Konferenz mit Frantomor, dem Chef des Geheimdienstes, und einigen anderen einflußreichen Offizie ren des Imperators. Es gelang ihm, Treibar koron zu erwähnen, indem er ihn als Bei spiel nannte. Frantomor merkte die geschickt aufge
12
H. G. Francis
stellte Falle nicht und tappte hinein. »Der Vergleich hinkt«, erklärte er. »Treibarkoron ist ein toter Mann. Warten Sie ab, in ein paar Tagen legt ihm der Hin richtungsroboter die Hände um den Hals.« Axton lenkte schnell ab und ging über diese Bemerkung hinweg, als sei sie nicht gefallen. Er wußte, was er hatte wissen wol len. Er hatte sich nicht geirrt. Treibarkoron sollte im Mittelpunkt einer großangelegten Propagandaaktion stehen, bei der Orbanaschol sich von dem Verdacht reinwaschen wollte, mit der SENTENZA zusammenzuarbeiten. Axton war fest entschlossen, dem Impera tor einen dicken Strich durch die Rechnung zu machen.
* Noch am gleichen Tage liefen weitere In formationen von dem Jagdplaneten MekraTitula ein. Axton erfuhr, daß Grishkan mit dem Arzt Ophray Mirkatt in Verbindung ge standen hatte. Damit wurde für ihn zur Ge wißheit, daß Grishkan dem Gegenspieler arglos in die Falle gelaufen war. Zugleich schwanden auch die letzten Zweifel darüber, daß der echte Grishkan ermordet worden war, und daß sein Doppelgänger nunmehr in unmittelbarer Nähe des Imperators agierte. Axton stürzte sich in die Arbeit. Er wußte, daß die Zeit drängte. Orbanaschol konnte in jeder Stunde gegen einen Doppelgänger aus getauscht werden, und dann konnte es schon zu spät sein. Der Terraner beschaffte sich alle Informa tionen, die er über Grishkan und über den Gangster Treibarkoron bekommen konnte. Dabei kam es ihm hauptsächlich darauf an, wie der normale Tagesablauf dieser beiden Männer aussah. Sein Problem war, daß er beide Männer zusammenführen und dann zuschlagen mußte. Axton brauchte nur wenige Stunden, um herauszufinden, daß beide Männer ein so unterschiedliches Leben führten, daß beide praktisch nie nahe genug aneinander heran-
kamen. Grishkan verkehrte nur in den höch sten Adelskreisen und nur mit Persönlich keiten, die als absolut integer und unbe stechlich galten. Es gab nur wenige Männer im Zentrum des Imperiums, die so sehr dar auf bedacht waren, allem auszuweichen, was dem eigenen Ruf schaden konnte. Wäre Grishkan wirklich noch er selbst gewesen, hätte Axton diese Tatsache nur mit Bewun derung aufnehmen können. Grishkan hatte zu jenen Männern gehört, die eigentlich auf der Seite Atlans standen. Treibarkoron hatte nichts mit jenen Krei sen zu tun, in denen Grishkan verkehrte. Er kam noch nicht einmal in die Nähe jener Lu xuswohnungen, Parkanlagen oder Restau rants, in denen Grishkan erschien. Im Ge gensatz zu diesem war sein Tagesablauf je doch klar und übersichtlich. Er suchte bei spielsweise jeden Tag zur gleichen Stunde ein teures Restaurant in einem fünfhundert Meter hohen Trichterbau auf, verzehrte hier stets teure Gerichte, für die er jedoch nicht bezahlte, und verließ das Lokal jedesmal wieder zur gleichen Minute. Er war so pünktlich, daß man die Uhr danach hätte stellen können. Der Besitzer des Restaurants sah diesen Gast keineswegs gern, obwohl durch ihn zahlreiche andere Gäste kamen, weil sie den berühmten Gangster Treibarko ron sehen wollten. Axton fand relativ leicht heraus, daß der Besitzer des Lokals von Treibarkoron erpreßt wurde und mit den täg lichen Mahlzeiten bezahlte. Beweisen ließ sich das allerdings nicht. Axton glaubte erkennen zu können, wo er ansetzen mußte. Kurz nach Mitternacht verließ er seine Wohnung auf dem Rücken Kellys. Er ver zichtete bewußt auf seinen Gleiter. So konn te er sich unauffälliger durch die Nacht be wegen. Es war nicht weit bis zu dem Trich terbau, in dem sich das Restaurant befand. Axton erreichte die Dachterrassen nach etwa einer halben Stunde Flug. Auf der riesigen, kreisförmigen Fläche befanden sich Garten restaurants, private Parks und Sportanlagen der verschiedensten Art. Einige von ihnen
Doppelgänger des Mächtigen waren taghell erleuchtet, andere waren dun kel. Axton pirschte sich vorsichtig an das Dach heran. Er wußte, daß es mit allerlei Alarmanlagen versehen war, so wie es bei allen Trichterbauten auf Arkon der Fall war. Mit Hilfe der besonderen technischen Ein richtungen Gentleman Kellys fand Axton je doch die Lücken, die er suchte. Der Roboter landete in einem Garten, der dunkel war und in dem sich niemand aufhielt. Von hier aus führte ein Abgang zu einer Wohnung, die di rekt unter dem Dach lag. Gentleman Kelly schwebte an einem Schwimmbecken entlang auf die gläsernen Türen zu, während Axton zu erkennen suchte, welchen Weg er von hier aus zum Restaurant einschlagen mußte. »Die Tür hat nur eine einfache Siche rung«, teilte der Roboter mit. »Kannst du sie öffnen, ohne einen Alarm auszulösen?« »Mühelos.« »Dann zeig, was du kannst.« Gentleman Kelly streckte die stählernen Hände aus. Einige Spezialinstrumente, die fein wie Nadeln waren, glitten aus seinen Fingerspitzen hervor und versenkten sich in das Schloß der Tür, das für die Hände Ax tons viel zu kompliziert gewesen wäre. Daß Gentleman Kelly wieder einmal übertrieben hatte, merkte Axton, als der Roboter die Tür nach einigen Minuten immer noch nicht ge öffnet hatte. Er vernahm das leise Klirren und Klicken, das anzeigte, daß die positroni schen Sperren zurücksprangen. Diese Ge räusche verrieten ihm, daß Kellys äußerst aktiv war. Daher wartete der Terraner gedul dig ab. Nach etwa sieben Minuten glitt die Tür zur Seite. Gentleman Kelly hob mahnend den rech ten Arm. Er zeigte Axton damit an, daß er nicht sprechen durfte, weil Sensoren vorhan den waren, die auf akustische Signale an sprachen. Der Roboter hob ab und schwebte lautlos durch die Tür. Er drehte sich um und schloß sie wieder. Eine zweite Tür glitt zur Seite, und dann befand sich Axton in der Wohnung. Er ließ sich zu einem Videogerät tragen und tippte
13 den Orientierungscode in die Tastatur, den es in fast jedem Haus gab. Auf dem Bild schirm erschien ein Abriß des Gebäudes. In verschiedenen Farben wurde angezeigt, wel che Einrichtungen sich wo befanden. So hat te Axton keine Schwierigkeiten, seinen Standort zu ermitteln und von hier aus den weiteren Weg festzulegen. Sein Problem war, daß es später keine Zeugen geben durf te, die ihn gesehen hatten. Nichts durfte dar auf hindeuten, daß er hier in diesem Gebäu de gewesen war und irgend etwas mit Treibarkoron oder Grishkan zu tun hatte. Die Wohnung lag drei Stockwerke über dem Restaurant. Einer der Antigravschächte führte direkt an ihr vorbei. Das war einer der Gründe gewesen, daß Axton sich diese Wohnung ausgesucht hatte. Er stieg vom Rücken Kellys herunter und trennte mit ei nem Spezialinstrument die Platten der Wandverschalung ab. Dahinter wurde ein Schacht sichtbar, in dem allerlei Rohre und Kabel verlegt worden waren. »Also dann«, sagte Axton seufzend. »Du zuerst, Kelly.« Der Roboter schaltete sein Antigravaggre gat ein und schwebte mit den Füßen zuerst in den Schacht, der ihm gerade genügend Platz bot. Er glitt nach unten und wartete kurz unter dem Einstieg. Ächzend kletterte Axton hinterher. Er stellte sich auf die Schultern des Roboters. »Du weißt, wie weit«, sagte er. »Abwärts.« Der Roboter ließ sich sinken. Er kam nur langsam voran, weil er immer wieder auf Hindernisse stieß, an denen er sich vorsich tig vorbeischieben mußte, um nichts zu be schädigen. So benötigte er fast eine Stunde, bis er endlich das etwa fünfzig Meter tiefer gelegene Ziel erreichte. Für ein nicht ge schultes Auge war nicht zu erkennen, daß hier irgend etwas anders war als anderswo im Schacht. Axton sah jedoch auf den ersten Blick, daß Kelly ihn exakt an die richtige Stelle geführt hatte. »Ich bin heute großzügig«, sagte er. »Deshalb will ich dich ausnahmsweise lo
14 ben. Du hast deine Sache gut gemacht.« »Meine Augen werden tränenfeucht«, er widerte der Roboter. Axton fluchte. »Das war das letzte Mal, daß ich dich ge lobt habe«, sagte er ärgerlich. »Ich bin deine dämlichen Bemerkungen leid.« »Das war eine derbe Antwort für eine empfindliche Roboterseele«, erklärte Kelly mit stockender Stimme. »Du bist eben kein Robotpsychologe, Schätzchen, sonst wür dest du mich hin und wieder mit ein paar netten Worten aufheitern.« »Schalte deine verkorksten Lautsprecher ab«, befahl Axton ungehalten, »sonst ver passe ich dir einen Stromschock, daß dir sämtliche Sicherungen durchknallen.« »Unter diesen Umständen werde ich den Schacht augenblicklich verlassen«, sagte Kelly drohend. »Ich werde nach unten ver schwinden.« »Untersteh dich«, sagte Axton und tram pelte auf den Schultern des Roboters herum. »Sei still jetzt. Ich muß arbeiten.« Für einen kurzen Moment schien es so, als wolle der Roboter seine Drohung wahr machen. Er ließ sich etwa drei Zentimeter ruckartig abfallen. Axton kehrte sich fast der Magen um. Er setzte zu einem wütenden Protestgeschrei an, als er Stimmen vernahm, die sich ihm näherten. »Still«, flüsterte er hastig. »Kein Wort.« Gentleman Kelly hob Axton sanft wieder an, bis er sich wieder auf der ursprünglichen Höhe befand. Nun konnte der Terraner deut lich die Stimmen von zwei Männern und ei ner Frau hören, die sich scherzend miteinan der unterhielten. Es klickte leise vor ihm, als die Antigravschaltung betätigt wurde. Dann stiegen die drei in den Schacht. Ihre Stim men entfernten sich nach unten. Axton begann nun damit, die positroni sche Schaltung am Antigravschacht zu ver ändern und zu manipulieren. Er legte feine Stromschlingen, fügte positronische Bauteile an und schloß seine Arbeiten mit einer Überhitzungsschlinge ab. Diese würde spä ter dafür sorgen, daß die Zusatzgeräte sich
H. G. Francis selbst vernichteten, wenn sie ihre Aufgabe erfüllt hatten. »Das wär's«, sagte Axton schließlich er schöpft. »Aufwärts, Kelly.« Der Roboter gehorchte wortlos. Er trug Axton vorsichtig bis zu der Wohnung zu rück, in die sie vor Stunden eingestiegen wa ren. Als sie sie erreichten, stellte Axton be sorgt fest, daß sich bereits ein erster Silber streif am Horizont zeigte. Es würde nicht mehr lange dauern, bis es hell wurde. »Wir müssen uns beeilen«, sagte er, wäh rend er die Vertäfelung wieder in Ordnung brachte und alle Spuren beseitigte, die er hinterlassen hatte. Danach stieg er auf den Rücken Kellys und ließ sich zum Ausgang tragen. Wiederum benötigte der Roboter mehrere Minuten, bis es ihm gelang, die Tür zu öffnen, ohne einen Alarm dabei auszulö sen. Danach schwebte Axton auf dem Rücken Kellys in die Nacht hinaus. Unbemerkt kehrte er in seine Wohnung zurück. Das große Spiel konnte beginnen. Jetzt kam es nur noch darauf an, Treibarkoron und Grishkan zusammenzuführen.
3. Zwei Tage später war Axton keinen einzi gen Schritt weitergekommen. Grishkan ver hielt sich extrem vorsichtig. Axton konnte sich noch nicht einmal bis in seine Nähe vorarbeiten. Er begegnete ihm zwar einige Male im Arbeitsbereich des Imperators, es gelang ihm jedoch nicht, allein mit ihm zu sprechen. Schließlich sah der Terraner ein, daß er seine Taktik ändern mußte. Dieses Mal durf te er nicht versuchen, von vornherein alle Risiken auszuschalten, er mußte versuchen, Grishkan mit einem frechen Bluff aus der Reserve zu locken. Doch bevor er alles auf eine Karte setzte, sicherte er sich noch besser ab. Er arbeitete bis in die Nacht hinein in seinem Büro. Dann, als er sicher sein konnte, daß nur noch ein paar Wachen im Geheimdienstbereich
Doppelgänger des Mächtigen anwesend waren und sich auch in den ande ren Dienstbereichen des Innenministeriums niemand mehr aufhielt, verließ er sein Büro. Er ließ sich von Kelly bis in ein Robotre staurant tragen, das an der Peripherie des Gebäudes lag und mit einer Fensterfront nach außen hin abschloß. Wie erwartet, hielt sich niemand darin auf. Axton trennte eine der Scheiben heraus und ließ sich von Kelly abheben. Dann schwebte er auf dem Rücken des Roboters ins Freie hinaus. Gentleman Kelly hängte die Scheibe provisorisch wieder in die Hal terungen, um eine zufällige Entdeckung der Aktivität auszuschließen. Danach stieg er mit Axton auf dem Rücken drei Stockwerke höher. Hier lag das Büro von Grishkan. Es war wesentlich geräumiger als das von Ax ton und auch luxuriöser eingerichtet. Auch hier drang der Terraner ein, indem er eine Scheibe herauslöste. Dabei gab es keinerlei Schwierigkeiten. Auch den Arbeitstisch Grishkans mit der darin enthaltenen Kartei zu öffnen, war leicht. Der Kosmokriminalist sah sich die einzelnen Karteiblätter an. Auf ihnen waren die Personen aufgeführt, denen Grishkan Li zenzen für den Import von extraplanetari schen Produkten erteilt hatte. Bei den Waren handelte es sich stets um Problemimporte, mit denen eine Gefahr für die Arkoniden verbunden war, wenn sie nicht mit größter Sorgfalt behandelt wurden. So war beispiels weise der Import von Gewürzen strengsten Kontrollen unterworfen, weil hier bereits Spuren von toxischen Stoffen verheerende Folgen auslösen konnten. Als Axton die Karten durchsah, erinnerte er sich an eine Seuche, die auf Arkon II durch die unsach gemäße Behandlung von exotischen Pelzen verursacht worden war. Es war nicht leicht gewesen, die Ausdehnung über den ganzen Planeten zu verhindern. Grishkan trug eine hohe Verantwortung. Gleichzeitig bedeutete ein feindlicher Agent in seiner Position aber auch höchste Gefahr für die innere Sicherheit Arkons. Der Dop pelgänger hatte auch in den letzten Tagen
15 Importlizenzen erteilt. Sie schienen jedoch einwandfrei zu sein. Offensichtlich taktierte Grishkan II vorläufig äußerst vorsichtig, um nicht aufzufallen. Lebo Axton füllte mit den semiroboti schen Schreibgeräten Grishkans eine Kartei karte aus, die er auf den Namen Poolpok Treibarkoron ausstellte. Sie besagte, daß Treibarkoron eine Lizenz für den Import von Drogen erteilt wurde, die für die Produktion von pharmazeutischen Produkten unentbehr lich waren – aber auch die Möglichkeiten er heblichen Mißbrauchs in sich bargen. Einem Mann mit dem Ruf eines Treibarkoron eine solche Lizenz zu erteilen, bedeutete, sich über zahlreiche Sicherheitsbestimmungen hinwegzusetzen. Diese Karte würde später ein seltsames Licht auf Grishkan werfen. Doch damit ließ Axton es nicht genug sein. Er fügte eine handschriftliche Notiz auf einem Sonderzet tel hinzu, bei der er die Schrift des Arkoni den perfekt nachahmte. Diese Notiz ergänzte er durch die Angabe eines Sonderkontos, das Grishkan gehörte. So mußten die Anga ben den Eindruck erwecken, als habe Grish kan in diesem Fall Bestechungsgelder ange nommen. Danach kehrte Axton in sein Büro zurück, nachdem er wiederum alle Spuren mit größ ter Sorgfalt beseitigt hatte. Er war mit sich und seinem Werk zufrieden. Am nächsten Morgen rief er von einem öffentlichen Videosprecher aus Grishkan an, verdeckte jedoch das Objektiv seines Geräts, so daß sein Gesicht nicht auf dem Bild schirm Grishkans erschien. Er konnte dage gen den Doppelgänger sehen, der verwirrt und beunruhigt ins Objektiv seines Apparats blickte. »Sonderbefehl«, erklärte Lebo Axton mit gedämpfter Stimme. »Stellen Sie keine Fra gen. Die Anweisung kommt vom Faktor. Sie haben heute exakt um 14.15 Uhr im Treu lan-Gebäude vor dem PENKA-Restaurant zu sein. Dort erhalten Sie weitere Instruktio nen.« Grishkan wurde von diesen Worten voll
16
H. G. Francis
kommen überrascht. Axton sah ihm an, daß er nicht damit gerechnet hatte, in dieser Weise angesprochen zu werden. »Haben Sie verstanden?« fragte der Ter raner scharf. Grishkan fuhr zusammen. Er nickte. »Ich habe verstanden«, antwortete er mit stockender Stimme. Axton schaltete ab und kehrte zu seinem Gleiter zurück, in dem Gentleman Kelly auf ihn wartete. Er war davon überzeugt, daß sein Bluff die beabsichtigte Wirkung erzie len würde.
* Um 14 Uhr bezog Axton Posten. Er lan dete mit seinem Gleiter, der mit zahlreichen Spezialgeräten ausgerüstet war, in einer Par knische auf dem gleichen Stockwerk, auf dem sich das PENKA-Restaurant befand. Er schaltete sich in das Videonetz des Gebäu des ein. Auf dem Bildschirm seines Video geräts erschien wenig später das Bild des Restaurantvorplatzes. Axton konnte den Ausgang des Restaurants sehen, ein Stück des Ganges mit Werbeplakaten und die bei den Öffnungen für die Antigravschächte. Einige Minuten verstrichen, dann erschien Grishkan. Er kam aus dem abwärts gepolten Antigravfeld. Unruhig und nervös blieb er vor dem Restaurant stehen. Er blickte sich suchend um. Ihm war anzumerken, daß er der Situation nicht traute. Er schien zu spü ren, daß etwas nicht in Ordnung war. Axton hatte kein Mitleid mit ihm. Er wuß te, daß Grishkan eher als biologischer Robo ter denn als Mensch zu bezeichnen war. Der echte Grishkan war längst tot. Dieser Mann, der vor dem Restaurant stand, war nichts als eine Hülle ohne Seele. Mitleid hatte Axton auch nicht mit dem Verbrecher Treibarkoron, der in wenigen Minuten sterben würde. Dieser Mann hatte den Tod hundertfach verdient und war durch Orbanaschol auch schon zum Tode verurteilt worden. Axton haßte es, in dieser Weise ein greifen zu müssen, aber ihm blieb keine an-
dere Wahl. Er blickte auf sein Chronometer. Eine Minute blieb noch. Auch Grishkan überprüfte die Zeit. Er wurde zusehends ner vöser, und für einen kurzen Moment schien es so, als wolle er weglaufen. Axton drückte eine Taste an einem hand großen Apparat, der neben ihm auf dem Sitz lag. In der gleichen Sekunde erschien auf den Zugängen der Antigravschächte ein ro tes Warnlicht. Nur das Licht über den beiden Schachtöffnungen, vor denen der GrishkanDoppelgänger stand, änderte sich nicht. Es leuchtete weiterhin in beruhigendem Blau. Pünktlich um 14.15 Uhr verließ Poolpok Treibarkoron das PENKA-Restaurant. Im gleichen Augenblick näherten sich drei Männer und eine Frau Grishkan. Sie gehör ten der Organisation Gonozal VII. an. Treibarkoron, der wie stets allein war, ging an dem Grishkan-Doppelgänger vorbei, oh ne ihn zu beachten. Er blickte auf sein Chro nometer und betrat den nach unten führen den Antigravschacht. Im gleichen Moment schrie er gellend auf. Er stürzte ins Nichts. Grishkan reagierte instinktiv und so, wie jeder andere Arkonide an seiner Stelle es auch getan hätte. Er schlug die flache Hand blitzschnell auf die Sicherungsplatte an der Wand neben dem Antigravschacht. Normalerweise hätte er da mit ein Notaggregat aktiviert, das den ab stürzenden Treibarkoron mit einem Anti gravfeld aufgefangen hätte. Jetzt passierte jedoch überhaupt nichts. Die Schreie ver hallten in der Tiefe. »Mörder«, rief einer der hinzugekomme nen Arkoniden. »Ich habe genau gesehen, daß er den Mann in den Schacht gestoßen hat.« Der Grishkan-Doppelgänger blickte die Zeugen des Vorfalls entsetzt an. »Aber das ist doch gar nicht wahr«, ent gegnete er stammelnd. »Ich habe versucht, den Mann zu retten.« »Sie haben ihn in den Schacht gestoßen, obwohl das rote Warnlicht brannte«, be hauptete das Mädchen.
Doppelgänger des Mächtigen »Ich rufe die Polizei«, erklärte einer der anderen Männer und eilte ins PENKA-Re staurant. Der Grishkan-Doppelgänger stand wie er starrt da. In seinem Gesicht ging eine eigen artige Veränderung vor. Grishkan erkannte, daß er in eine Falle gelockt worden und blind hineingetappt war. Er wehrte sich nicht. Er schüttelte hilflos den Kopf und lehnte sich an die Wand. So stand er auch noch, als Minuten später zwei Polizisten er schienen. Axton schaltete die Videoverbindung aus und startete. Er wollte nicht gesehen werden.
* Wie stets in den letzten Tagen, nutzte Ax ton auch jetzt jede sich bietende Gelegen heit, in die Nähe des Imperiums zu kommen. Da er das Vertrauen Orbanaschols genoß, hatte er dabei kaum Widerstände zu über winden. An diesem Tage suchte er eine Konferenz über Sicherheitsfragen auf. Er betrat den Be sprechungsraum erst, als Orbanaschol be reits mit seinen Mitarbeitern zusammensaß. Der Imperator blickte nicht auf, als der Kos mokriminalist in den Raum kam und sich an einen Tisch in der Ecke setzte. Orbanaschol hörte den Bericht eines hochgestellten Poli zisten von der Mordkommission. Er war bleich. Ihm war anzusehen, daß er sich maß los ärgerte. »… scheint der Fall klar zu sein«, erklärte der Polizist, während Axton sich setzte. »Grishkan hat Treibarkoron eine Importli zenz für Stoffe erteilt, die einem Mann wie ihm eigentlich nicht zugänglich sein dürften. Wir können nur vermuten, daß Treibarkoron Grishkan dafür eine private Gegenleistung hat zukommen lassen.« Axton hatte Mühe, ein Grinsen zu unter drücken, als er hörte, wie vorsichtig der Po lizist das Wort »Bestechung« umging. »Aus den Notizen, die wir vorgefunden haben, geht hervor, daß Treibarkoron Grish kan daraufhin erpreßt hat. Er wollte das
17 Geld zurückhaben, daß er Grishkan gezahlt hatte. Grishkan wußte sich in dieser Situati on nicht zu helfen. Er, der sonst stets untade lige Mann, hatte einen schweren Fehler ge macht. Er war dem Verbrecher Treibarkoron nicht gewachsen. In seiner Not hat er ihn umgebracht. Er hat ihn in den Antigrav schacht gestoßen, der außer Betrieb war. Als Zeugen hinzukamen, versuchte er, Treibar koron durch die Notschaltung zu retten, aber diese versagte. Wir sind noch dabei zu klä ren, wie das möglich war.« »Was sagt Grishkan?« fragte Orbanaschol mit leiser Stimme. »Er leugnet alles ab, aber die Beweise sind eindeutig.« »Dieser Wahnsinnige«, sagte Orbanaschol zornig. »Er mußte doch wissen, wie wichtig Treibarkoron für mich war. Er mußte es wis sen. Und dennoch hat er ihn umgebracht. Welchen Sinn hatte diese Tat? Grishkan war darüber informiert, daß Treibarkoron verhaf tet und verurteilt werden sollte. Hätte er nicht warten können, bis der Hinrichtungsro boter sein Werk getan hat?« »Wir vermuten, daß Grishkan fürchtete, Treibarkoron könnte ihn bei den Verhören verraten.« Orbanaschol nickte. »Das muß es gewesen sein«, sagte er. Er richtete sich auf, und sein Gesicht verzerrte sich. »Jetzt will ich nicht mehr wissen, was Grishkan getan hat. Bringt ihn zum Hinrich tungsroboter. Er soll die Stelle Treibarko rons einnehmen.« Orbanaschol wischte mit wütender Gebär de die schriftlichen Berichte über den Vor fall vom Tisch. »Und jetzt reicht es«, erklärte er. »Ich will nichts mehr davon hören.« Lebo Axton-Kennon beobachtete ihn ge nau. Jede kleine Geste war ihm wichtig. Er wollte wissen, ob Orbanaschol noch immer der echte Orbanaschol war, oder ob er be reits gegen einen Doppelgänger ausge tauscht worden war. Da das cholerische Temperament des Imperators nicht durch brach, zweifelte er einen Moment. Dann
18
H. G. Francis
aber wurde alles klar. Orbanaschol verurteilte Grishkan zum To de. Das hätte ein Doppelgänger niemals ge tan. Im Gegenteil. Ein Orbanaschol-Dop pelgänger hätte alles versucht, seinen Mit streiter im Kampf um die Macht über das Imperium zu retten.
* »So beruhigend mir zunächst die Tatsache erschien, daß Orbanaschol noch nicht gegen einen Doppelgänger ausgetauscht worden ist, so bedeutungslos ist sie auch«, erklärte Lebo Axton. Er nippte an dem eiskalten Fruchtsaftgetränk, das er sich von einem Be dienungsroboter des Dachgartenrestaurants hatte bringen lassen. Er blickte Avrael Arrkonta an, der ihm gegenüber saß. »Das verstehe ich nicht«, erwiderte der Arkonide. Axton lächelte flüchtig. In einer hilflos wirkenden Geste hob er die Arme und ließ sie wieder sinken. »Meine Arbeit wäre wesentlich leichter gewesen, wenn ich gewußt hätte: Es ist pas siert! Aber jetzt? Ich liege auf der Lauer, muß ein hohes Risiko eingehen und war ten.« »Risiko?« fragte Arrkonta. »Sie sind doch nicht in Gefahr. Der Imperator ist es.« »Orbanaschol wird höchst ungehalten sein, wenn er herausfindet, daß ich ihn auf Schritt und Tritt überwache, ohne vorher ei ne Genehmigung dafür eingeholt zu haben. Ich bin fest davon überzeugt, daß der Aus tausch irgendwann in diesen Tagen stattfin den wird, und ich habe Angst davor, daß ich es nicht bemerke.« Arrkonta nickte. »Vermutlich haben Sie recht. Auf dem Planeten Mekra-Titula ist nur die Atomscha blone Orbanaschols hergestellt worden, nach der der Doppelgänger des Imperators präpa riert werden wird«, sagte der Industrielle. »Dann haben Ihre Gegenspieler aber noch
ein Problem. Sie müssen den Doppelgänger nach Arkon I bringen und hier durch die Kontrollen schmuggeln. Dann müssen sie ei ne Situation herbeiführen, in der Orbana schol allein, unbewacht und zugleich außer halb des Kristallpalasts ist. Das alles ist äu ßerst schwierig und bedarf einer general stabsmäßigen Planung, bevor es durchge führt werden kann.« »Der Doppelgänger Orbanaschols ist kei nesfalls maskiert, Avrael«, sagte Axton. »Ich sollte Ihnen vielleicht ein wenig mehr von der Wahrheit preisgeben. Verlangen Sie aber nicht von mir, daß ich Ihnen erkläre, woher ich das alles weiß. Akzeptieren Sie, daß ich es weiß, sonst muß ich schweigen.« »Ich werde nur die Fragen stellen, die Sie beantworten wollen.« »Das Gerät, mit dem der Doppelgänger geschaffen wird, basiert auf dem Transmit ter-Prinzip. Auch bei einem Transmitter wird ein Objekt bis in seine atomare Struk tur hinein zerlegt. Es wird dann in eine Energiespirale umgewandelt und abge strahlt, um im Empfangsgerät dann wieder zu genau festgelegter materieller Struktur zusammengesetzt zu werden.« »Das ist mir alles klar.« »Nun, das Gerät, das meine Gegenspieler verwenden, wird mit der erwähnten Atom schablone versehen, worauf das Objekt sich nicht in seiner ursprünglichen Form erstellt, sondern in der in der Schablone festgeleg ten.« Avrael Arrkonta erbleichte. Er hatte ver standen. »Das würde bedeuten, daß Original und Doppelgänger nicht voneinander zu unter scheiden sind«, stellte er fest. »Genau das«, bestätigte der Terraner. »Der Doppelgänger verrät sich nur durch sein Verhalten.« »Ich beginne zu verstehen, welche Konse quenzen es haben kann, wenn es tatsächlich gelingt, Orbanaschol gegen einen Doppel gänger zu vertauschen. Der andere könnte das Imperium in den Untergang führen.« »Das dürfte die Absicht meines Gegen
Doppelgänger des Mächtigen spielers sein.« Axton trank sein Glas aus. »Ich muß zurück in mein Büro. Ich habe die elektronischen Bildaufzeichnungen der letz ten Stunden noch nicht kontrolliert.« Er erhob sich und verabschiedete sich von Arrkonta, der noch in dem Restaurant blieb. Axton flog direkt in sein Büro im Innenmi nisterium zurück. Zusammen mit Gentleman Kelly kontrollierte Axton die Bildaufzeich nungen. Enttäuscht stellte er fest, daß Orba naschol nur auf einem kleinen Teil der Bän der zu sehen war. Er konnte nichts Verdäch tiges feststellen. In den nächsten Tagen hatte Axton wach sende Schwierigkeiten, Orbanaschol zu überwachen. Es gab immer größere Lücken bei den Aufzeichnungen. Oft bemühte sich der Terraner vergeblich, in der Nähe des Im perators zu bleiben, zumal seine Arbeit wei terging. Dennoch ließ die Wachsamkeit Ax tons nicht nach. Zufällig erfuhr er, daß er bei seiner Intrige gegen den Grishkan-Doppelgänger nicht sorgfältig genug gearbeitet hatte. Ein offen bar äußerst fähiger Mann der Mordkommis sion stellte fest, daß Grishkan das Opfer von gefälschten Beweisen geworden war. Es ge lang ihm, ein nahezu lückenloses Bild der Vorgänge um Grishkan und Treibarkoron zu erstellen. Bei der Suche nach dem Drahtzie her versagte seine kriminalistische Kunst je doch völlig. Für Grishkans Doppelgänger war es allerdings schon zu spät. Auf Anwei sung des Imperators hatte der Hinrichtungs roboter sein Werk getan. Axton hielt sich vorsichtig zurück. Er war froh, daß offenbar noch nicht einmal der Schatten eines Verdachts auf ihn fiel. Des halb mied er die Nähe der Mordkommission und stellte keinerlei Fragen. Zugleich mach te er sich heftigste Vorwürfe, weil er unter Zeitdruck gegen den Grishkan-Doppel gänger vorgegangen war und damit gegen ein Grundprinzip seines Handelns verstoßen hatte. Seine Unruhe legte sich erst, als er nach einigen Tagen wiederum zufällig erfuhr, daß die Fahndung nach dem Täter eingestellt
19 worden war, weil es keinerlei Spuren gab, die zum Täter führten. Am gleichen Tage kontrollierte Axton die Aufzeichnungsbän der, die von den automatischen Kameras von Orbanaschol hergestellt worden waren. Alles schien in Ordnung zu sein. Doch dann äußerste sich ein Minister in der Anwesen heit Orbanaschols über die Abstimmung, die mit der absoluten Blamage für den Impera tor zu Ende gegangen war. Orbanaschol, der strikt verboten hatte, diese Abstimmung in seiner Anwesenheit zu erwähnen, reagierte überhaupt nicht auf die Bemerkung. Der wütende Ausbruch, auf den Axton wartete, blieb aus. »Das paßt nicht zu dir«, sagte der Terra ner. Er blickte auf und wollte sich an Gent leman Kelly wenden. Er erkannte jedoch, daß der Roboter in diesem Fall überfordert war. Kelly konnte das Verhalten des Impera tors nicht beurteilen. Axton ließ das Band zurücklaufen und sah sich die Szene erneut an. Danach zweifelte er nicht mehr. Orbanaschol war ausgetauscht worden. Der Mann, den er auf dem Magnetband hatte, war nicht der echte Imperator, sondern ein Doppelgänger. Die Erkenntnis traf Axton wie ein Schock, obwohl er seit Tagen mit einem sol chen Ereignis gerechnet hatte. Er glaubte, sich entsprechend vorbereitet zu haben, doch nun wußte er nicht, was er tun sollte. Er ver warf alle Pläne wieder, die er mühsam ent wickelt hatte, denn ein Rest von Zweifel blieb. Voller Unsicherheit fragte sich Axton, was geschehen würde, wenn er gegen den Orbanaschol-Doppelgänger vorging und sich dabei herausstellte, daß er sich doch ge irrt hatte. Immer wieder sah er sich den Bildstreifen an, aber dadurch stieg seine Sicherheit nicht. Die Zweifel wurden vielmehr noch ausge prägter. Er rekonstruierte die vergangenen Tage, um herauszufinden, wo der Austausch vorgenommen worden sein konnte. Dabei stellte er fest, daß der Imperator bei einem Besuch in einer Ausstellung für einige Se
20 kunden allein in einem Raum gewesen war. Axton suchte die Ausstellung auf und sah sich den betreffenden Raum an. Zunächst fiel ihm dabei nichts auf, doch dann stieß er auf eine versteckt angelegte Tür, die in einen Nebenraum führte. Mit der Unterstützung Kellys suchte er weiter, griff feinste Spuren auf und kam schließlich zu dem Schluß, daß der Austausch hier durchgeführt worden war. Eindeutige Beweise ließen sich nicht finden, aber die Indizien waren am Ende so zahlreich, daß Axton kaum noch zweifelte. Er beschloß, nunmehr bei allen weiteren Aktionen von der Voraussetzung auszuge hen, daß er es nicht mit dem echten Orbana schol, sondern mit einem Doppelgänger zu tun hatte. Deshalb hielt er die Kameraüberwachung aufrecht, so gut es eben ging. Zugleich be mühte er sich, so oft wie möglich in die Nä he des Doppelgängers zu kommen, um alle Entscheidungen, die getroffen wurden, so fort analysieren zu können. Der Doppelgänger war vorsichtig. Er überstürzte nichts, sondern wartete offen sichtlich auf eine optimale Möglichkeit, sei ne Pläne durchzuführen. Seine Befehle wa ren bisher vernünftig und unbedingt im Sinne des Imperiums. Es schien, als habe sich nichts verändert. Axton wurde bewußt, daß diese Technik be stens geeignet war, die ahnungslosen Mitar beiter Orbanaschols gründlich zu täuschen. Je länger der Doppelgänger sich zurückhielt, desto besser wurden seine Chancen. Axton diskutierte häufig mit Avrael Arr konta darüber, was er tun sollte, aber er konnte sich nicht mit ihm einigen. Gleich zeitig versuchte Axton herauszufinden, wo der echte Orbanaschol war. Aber dabei ent deckte er nicht die geringste Spur. Erschwert wurde die Arbeit Axtons dadurch, daß er praktisch keine Helfer einsetzen konnte. Wie hätte er Geheimdienstmitarbeitern auch er klären sollen, daß sie nach Orbanaschol su chen sollten? Für sie gab es nur einen Impe rator, und der befand sich im Kristallpalast. »Wissen Sie eigentlich inzwischen schon,
H. G. Francis wer den echten Grishkan ermordet hat?« fragte Arrkonta eines Tages. Axton blickte ihn bestürzt an. »Bei allen Göttern«, sagte er mit tonloser Stimme. »Ich habe nicht eine Sekunde lang an diesen Mann gedacht. Ich begreife nicht, daß mir eine derartige Unterlassungssünde unterkommen konnte.« Er verließ die Wohnung des Arkoniden, in der er sich mit ihm getroffen hatte und eilte zu der Wohneinheit, die Ermed Trel gron bezogen hatte. Der ehemalige Kom mandant von Karaltron war völlig über rascht, als der Verwachsene bei ihm eintrat. »Axton, ich hatte nicht erwartet, Sie hier zu sehen«, sagte er und eilte mit ausge streckter Hand auf den Terraner zu, der sich von Gentleman Kelly tragen ließ. »Was kann ich für Sie tun?« »Ich habe einen Fehler gemacht, der mir unbegreiflich erscheint«, erklärte Axton. »Ich habe versäumt, mich um den Mann zu kümmern, der Grishkan ermordete.« Trelgron nickte. »Darüber habe ich mich allerdings schon gewundert«, entgegnete er. »Ich dachte al lerdings, Sie würden den Mann auch ohne meine Hilfe finden können.« »Wir müssen ein gewisses Risiko einge hen«, sagte Axton. »Wir werden ins Mini sterium gehen und dort die Suche aufneh men. Sind Sie einverstanden?« »Ich habe keine Bedenken. So wie ich jetzt aussehe, erkennt mich niemand.« Trelgron folgte Axton zu seinem Gleiter und betrat wenig später das Innenministeri um. Er geriet damit in den Bereich jener Macht, die ihn verfolgte, und die ihn ebenso wie das Raumfahrtministerium sofort hin richten lassen würde, wenn sie seiner hab haft werden konnte. Allzu deutlich hatte sich Trelgron auf die Seite Atlans geschlagen und sich gegen den Imperator gestellt. Axton sorgte dafür, daß Trelgron die all gemeinen Kontrollen umging. Er führte ihn auf komplizierten Wegen durch Büros und Archive so zum zentralen Computer, daß der Arkonide nicht von den unbestechlichen Ro
Doppelgänger des Mächtigen botlinsen erfaßt wurde, die den Geheim dienstbereich überwachten. Dabei war un vermeidlich, daß sie einigen anderen Mitar beitern des Geheimdiensts begegneten, doch niemand hielt sie auf oder kümmerte sich um sie. »Was soll ich tun?« fragte Trelgron, als er in einem Sessel vor der Hauptpositronik saß. »Sie sollen mir den Mann beschreiben, so gut es eben geht. Schließen Sie die Augen und schildern Sie ihn.« Trelgron tat, was Axton ihm empfohlen hatte, obwohl er nicht recht wußte, was da mit erreicht werden sollte. Als er alles ge sagt hatte, woran er sich erinnerte, blickte er Axton an. »Ich glaube, das ist alles«, sagte er. Der Verwachsene drückte eine Taste, und auf einem der Videoschirme der Positronik erschien das Bild eines bärtigen Arkoniden. Trelgron richtete sich verblüfft auf. »Das ist der Mann«, sagte er. »Woher konnten Sie das wissen?« »Ich habe überhaupt nichts gewußt«, er widerte der Kosmokriminalist lächelnd. »Sie haben ihn beschrieben, und danach hat die Positronik das Bild zusammengestellt. Stimmt es wirklich mit dem des Gesuchten überein.« »Nahezu perfekt«, erwiderte Trelgron. »Vielleicht bestehen kleine Abweichungen in der Mundgegend und an den Schläfen, aber sie sind nicht wesentlich.« »Dann wollen wir mal sehen, ob wir den Mann irgendwo in unserer Kartei erfaßt ha ben«, sagte Axton. Er drückte zwei weitere Tasten, und schon wenige Sekunden später erschien das Bild des Gesuchten erneut auf dem Videoschirm. Dazu wurden einige Zah len und Schriftzeichen eingeblendet. »Das ist er«, rief Trelgron. »Ich bin ganz sicher, daß er es ist.« »Ein SENTENZA-Mann«, stellte Axton fest. »Wir werden ihn bald haben. Kommen Sie. Hier ist alles erledigt.« Der Verwachsene kletterte wieder auf den Rücken Kellys, und dann führte er Trelgron wiederum auf Umwegen aus dem Geheim
21 dienstbereich. Axton kannte hier jeden Win kel. Er wußte, wo Kameras versteckt waren und wo sich geheime Kontrolleinrichtungen befanden. Trelgron blieb bei ihm, als er mit einem Gleiter zu der Adresse flog, die er aus dem Archiv erhalten hatte. Der Mörder Grishkans wohnte etwa einhundert Kilometer vom Kri stallpalast entfernt in einem alten Trichter bau, der von der Raumverteilung und vom Aufbau her veraltet war und nur von den un teren Bevölkerungsschichten Arkons in An spruch genommen wurde. »Glauben Sie wirklich, den Mann hier zu finden?« fragte Trelgron zweifelnd. »Er wird gesucht, weil er Verbrechen begangen hat. Es wäre doch geradezu grotesk, wenn er unter der Adresse zu finden wäre, unter der er im Archiv angegeben ist.« »Bestimmt ist er nicht hier«, antwortete Axton lächelnd, »aber irgendwo müssen wir schließlich mit der Suche beginnen. Viel leicht finden wir Hinweise, die uns verraten, wo er jetzt ist.« Sie landeten in einer Parknische und er reichten kurz darauf die Wohnung des Ge suchten. Auf ihr Rufzeichen meldete sich niemand. Axton stieg vom Rücken Kellys herunter. »Öffne«, befahl er. Der Roboter hantierte kaum zwanzig Se kunden lang an der Tür. Dann sprang sie auf. Er stürmte in die Wohnung, doch nie mand stellte sich ihm entgegen. »Es scheint keiner da zu sein«, sagte Trel gron, als alles ruhig blieb. »Warten wir es ab«, bemerkte Axton und folgte dem Roboter. Gentleman Kelly erwartete sie in einem kleinen, schmutzigen Wohnzimmer. Auf dem Boden lag die Leiche eines Mannes. Trelgron griff sich würgend an den Hals, als er ihn sah. Axton trat nahe an den Toten heran. »Er ist es«, sagte er. Er hatte nicht damit gerechnet, den Mörder Grishkans so schnell zu finden, sondern sich auf eine mühselige und langwierige Suche eingestellt.
22
H. G. Francis
»Zu spät«, stellte Trelgron fest. »Der hilft uns auch nicht weiter.« Axton untersuchte den Toten. Schließlich hob er einige kleine Stahlsplitter auf, die mit Blut bedeckt waren. »Er ist mindestens seit acht Tagen tot«, sagte er. »Sehen Sie sich das an. Jemand hat ihm eine Zeitbombe in den Nacken ge pflanzt. Sie hat ihn getötet, nachdem er sein Werk vollendet hatte. Das ist der passende Lohn für einen Mann wie ihn.« »Sie scheinen zufrieden zu sein, obwohl Sie doch praktisch nichts erreicht haben«, sagte Trelgron verwundert. »Das bin ich auch«, erwiderte Axton. »Jetzt weiß ich, daß meine Gegenspieler al les auf eine Karte gesetzt haben. Ich kann mich nun völlig auf Orbanaschol konzentrie ren.« Trelgron blickte ihn verwirrt an. Er wußte nicht, was Axton meinte, da dieser ihm noch nicht berichtet hatte, daß der Imperator ge gen einen Doppelgänger ausgetauscht wor den war. Axton schwieg auch jetzt. Er woll te Trelgron nicht mehr sagen als unbedingt notwendig, obwohl er ihm vollkommen ver traute. Um Fragen auszuweichen, sah er sich im Zimmer um, obwohl er nicht glaubte, daß er hier wesentliche Hinweise finden würde, die ihm helfen konnten, seine Probleme zu lö sen. Doch er irrte sich. Er geriet an einen vollautomatischen Kalender. Er stutzte, als er die Jahreszahl, den Monat und den Tag sah. Trelgron stellte eine Frage. »Bitte – lassen Sie mich einen Moment«, bat Axton erregt. Er drückte sich die Finger spitzen gegen die Schläfen und konzentrierte sich. Und dann kam plötzlich die Erinne rung. Axton erinnerte sich an die Zukunft. Wie elektrisiert fuhr er herum. »Schnell«, sagte er. »Wir verschwinden hier.«
4.
Er war erregt und verängstigt. Das spür ten die drei Tefroder Gyal Rykmoon, Fkont ha Herschon und Lafgon Kankral schon, als er eintrat. Sie erfaßten, daß irgend etwas passiert sein mußte, das seine Pläne gefähr dete oder durchkreuzte. Gyal Rykmoon erhob sich aus dem Ses sel, in dem er gesessen hatte. »Ist etwas Unangenehmes geschehen?« fragte er: »Die anderen Mitglieder meiner Macht gruppe haben etwas bemerkt«, erwiderte der MdI. »Sie sehen die Aktionen als separatisti sches Abenteuer an. Sie haben vor weiteren Unternehmungen gewarnt. Deshalb muß Ru he sein. Sie dürfen auf keinen Fall etwas ge gen Arkon in die Wege leiten.« »Ich fürchte, dafür ist es zu spät«, ent gegnete Rykmoon. »Die beiden Doppelgän ger sind aktiv geworden. Die Verbindungen sind befehlsgemäß abgebrochen worden. Sie stehen allein und werden handeln.«
* Sinclair Marout Kennon alias Lebo Axton hatte die Geschichte der altgalaktischen Völ ker studiert. Schwerpunkt seines Studienpro gramms war die Geschichte des alten Arkon gewesen, des Imperiums, in dem er jetzt leb te. Daher wußte der Kennon des Jahres 2844, als er in die Traummaschine Ischtars ging, mit welchen historischen Ereignissen er im alten Imperium konfrontiert werden würde. Als Lebo Axton erinnerte er sich an das, was er während seines Studiums erfahren hatte. Eine große Niederlage stand Arkon bevor. Das Imperium würde den Verlust von nahe zu einhundert Raumschiffen hinnehmen müssen und dadurch im Kampf gegen die Methans für eine lange Zeit in die Defensive gedrängt werden. Axton setzte Trelgron ab und flog zu sei ner Wohnung. Er brauchte Ruhe, um nach denken zu können. Die Raumschlacht im Gebiet der ovalen Sonnen war eine ge
Doppelgänger des Mächtigen schichtliche Tatsache. Er konnte sie nicht verhindern, und er mußte auch hinnehmen, daß Arkon dabei eine verheerende Niederla ge erlitt. Doch wie würde diese Niederlage zustande kommen? Axton vermutete, daß sie eine direkte Folge des Austauschs Orbana schols gegen einen Doppelgänger sein wür de. Der Doppelgänger würde falsche Befeh le erteilen und damit für die Niederlage ver antwortlich sein. Axton war wie gelähmt. Er konnte nicht klar denken. Wieder einmal stand er vor der Frage, welche Rolle er selbst in diesem Ge schehen spielte. Für ihn war ganz klar, daß er nicht eingreifen durfte, weil er sonst ein Zeitparadoxon auslösen würde. Darüber hin aus war die Raumschlacht im Gebiet der ovalen Sonnen ein historisches Ereignis mit so weitreichenden Folgen, daß bereits die kleinste Manipulation an dem Geschehen ei ne Katastrophe für die Zukunft Arkons und für die der Erde auslösen konnte. Mußten diesem ersten wirklich bedeuten den geschichtlichen Ereignis, von dem er tangiert wurde, nicht weitere folgen, an de nen er nichts ändern konnte? Er durfte die Flotte nicht warnen, weil er damit die Niederlage vielleicht verhindern würde. Das wäre gleichbedeutend mit einem Zeitparadoxon gewesen. Was aber würde geschehen, wenn er den Doppelgänger Or banaschols beseitigte? Und was würde die ses Duplikat noch alles anrichten und zu ge schichtlichen Tatsachen werden lassen? Lebo Axton war völlig durcheinander. Er hatte das Gefühl, vor einer auf ihn herabstür zenden Lawine zu stehen. Er verfluchte die Tatsache, daß er mit nie mandem über sein Problem sprechen konnte. Selbst Avrael Arrkonta, sein bester Freund, ahnte nicht, wer er wirklich war, und woher er kam. Als Axton seine Wohnung betrat, wartete Avrael Arrkonta auf ihn. Es war, als habe der Freund geahnt, daß er in dieser Situation jemanden brauchte, mit dem er sprechen konnte. Das glaubte Axton jedenfalls, als er den Arkoniden sah. Er begrüßte ihn erfreut,
23 doch schon nach wenigen Minuten hatte er das Gefühl, der Boden breche unter seinen Füßen ein. Das war, als Avrael Arrkonta sagte: »Mein Sohn Arron hat Arkon heute verlas sen. Er ist unterwegs zum Gebiet der ovalen Sonnen, wo er sich einem größeren Flotten verband anschließen soll. Wir hoffen, daß er Gelegenheit haben wird, sich auszuzeichnen. Was haben Sie, Lebo?« Der Industrielle stutzte. Lebo Axton war bleich geworden. Er stieg mühsam in einen Sessel und setzte sich. »Nichts, Avrael«, erwiderte er. »Es ist al les in Ordnung.« Axton-Kennon fühlte das Herz in seiner Brust wild schlagen. Die Kehle schnürte sich ihm zu. Er wußte, daß Avrael Arrkonta nur einen Sohn hatte, an dem er mit abgötti scher Liebe hing. Was sollte er jetzt tun? Durfte er Arron retten? Durfte er ihm einen Hinweis geben und ihn dazu verleiten, sich abzusetzen? Über hundert Raumschiffe würden im Gebiet der ovalen Sonnen ver nichtet werden. Über hundert von insgesamt etwa einhundertzwanzig Raumern. Die Chance Arrons, das Debakel zu überleben, war äußerst gering. Arrkonta spürte, wie Axton sich quälte. Er beugte sich besorgt vor und blickte ihn for schend an. »Ich weiß, daß etwas nicht stimmt, Le bo«, sagte er eindringlich. »Wollen Sie mir nicht sagen, was los ist? Vielleicht kann ich Ihnen helfen.« »Nein, nein«, sagte Axton abwehrend. »Sie täuschen sich. Mir war nur für einen Moment nicht wohl.« Die Augen des Arkoniden verdunkelten sich. »Ich wünschte, Sie hätten mehr Vertrauen zu mir«, bemerkte er leise. »Das habe ich, Avrael. Ich würde nicht zögern, Ihnen mein Leben anzuvertrauen. Keine Sekunde. Glauben Sie mir, es ist nichts.« Der Arkonide lehnte sich wieder zurück.
24
H. G. Francis
Er schüttelte den Kopf. Zaghaft lächelnd »Ein Bekannter von mir hat ihn bei Sey sagte er: »Ich respektiere, daß Sie schweigen blak gesehen.« wollen. Vermutlich sind Sie dazu gezwun Axton schüttelte lächelnd den Kopf. gen. Dennoch mache ich mir meine Gedan »Nein, Avrael. Das ist unmöglich. Orba ken.« naschol ist die ganze Zeit hier gewesen. Er »Nun gut«, entgegnete Axton und gab hat sich nie weiter als zwanzig Kilometer vor, einzulenken, »Sie wissen, daß ich über vom Kristallpalast entfernt.« einige Dinge einfach nicht sprechen darf. Zu »Aber ich bin ganz sicher, daß mein Be niemandem. Wenn es für Sie, die Organisa kannter sich nicht irrt. Er war furchtbar auf tion Gonozal VII. oder sonst jemanden von geregt, weil es das erste Mal war, daß er uns um etwas Wichtiges ginge, dann würde dem Imperator begegnet ist.« Die Augen des Arkoniden erweiterten sich und füllten sich ich offen sein.« Axton war der Verzweiflung nahe. Es fiel mit Tränen der Erregung. »Lebo, jetzt be greife ich. Wenn mein Bekannter Orbana ihm unsagbar schwer, dem Freund die Un wahrheit zu sagen. Ihn quälte die Frage, ob schol wirklich gesehen hat, dann muß es der es denn wirklich auf den einen Offizier an Doppelgänger gewesen sein, der zum Aus kam, ob Arron in der bevorstehenden tausch mit dem echten Imperator geflogen Schlacht eine so große Rolle spielte, daß al ist.« »Vielleicht«, entgegnete der Kosmokrimi les anders verlaufen würde, wenn er nicht nalist. »Ich muß den genauen Zeitpunkt wis dabei war. sen. Den müssen Sie erfragen. Wenn ich Das konnte der Terraner ohne sorgfältige Recherchen nicht herausfinden. Und selbst weiß, wann Ihr Bekannter Orbanaschol ge wenn er alles über Arron und seine Aufga sehen hat, dann kann ich feststellen, ob es der echte oder der falsche war, weil ich ben an Bord wußte, blieb noch die Frage of weiß, wann der Imperator gegen einen Dop fen, was Arron während der Schlacht tun pelgänger ausgetauscht worden ist.« würde. Diese Frage konnte niemand beant worten. Avrael Arrkonta saß wie betäubt vor Ax Axton blickte den Arkoniden an. Er wuß ton. te, was es für Arrkonta bedeuten würde, »Dann ist es bereits geschehen?« fragte wenn er seinen Sohn verlor. Ein derartiger er. Axton nickte. Verlust wäre für ihn eine persönliche Kata »Was werden Sie tun?« fragte Arrkonta strophe, die er vielleicht selbst nicht überle sogleich. ben würde. »Ich werde versuchen, den Doppelgänger Er versuchte, abzulenken. zu beseitigen und den echten Orbanaschol »Waren Sie in der letzten Zeit am Hof?« zu retten«, erklärte der Terraner entschlos fragte er. »Haben Sie mit Orbanaschol ge sen. sprochen?« Avrael Arrkonta sprang auf. Er eilte zum Er wußte genau, daß Arrkonta das nicht Fenster und blickte hinaus, wie er es mei getan hatte. Das wäre ihm aufgefallen, da er stens tat, wenn er erregt und mit den Überle den Imperator auf Schritt und Tritt über gungen Axtons nicht einverstanden war. wacht hatte. Arrkonta schüttelte den Kopf. »Sie wollen Orbanaschol retten? Das ver »Nein«, erwiderte er. »Ich habe nicht mit stehe ich nicht. Es ist selbstverständlich, daß ihm gesprochen. Ich hätte auch keinen wir den Doppelgänger zu Fall bringen müs Grund dazu gehabt. Außerdem war der Im sen, aber …« perator ja gar nicht hier.« »Warum ist das selbstverständlich?« un Axton blickte überrascht auf. terbrach ihn Axton. »Ach«, sagte er. »Das ist mir entgangen. »Weil ein feindlicher Agent aus der Posi Wo war er denn?« tion des Imperators heraus das Imperium
Doppelgänger des Mächtigen vernichten kann. Ich dachte, darüber seien wir uns längst einig?« »Das sind wir«, entgegnete der Terraner nachdenklich. Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen, und er konnte kaum noch verstehen, daß er die Lösung des Problems übersehen hatte. Die Niederlage in der Raumschlacht bei den ovalen Sonnen war eine historische Tatsache, an der nichts geändert werden konnte. Der katastrophale Niedergang des arkonidischen Imperiums durch die Schuld Orbanaschols war keine. Das bedeutete, daß er nicht nur gegen den Doppelgänger Orbanaschols vorgehen durf te, ohne ein Zeitparadoxon befürchten zu müssen. Er mußte es tun, weil dieses Double nicht zu einer historischen Persönlichkeit werden durfte. »Gehen Sie, bitte, Avrael«, sagte er. »Beschaffen Sie mir die Zeitinformation, die ich benötige.« »Ich werde mich beeilen«, versprach der Arkonide und verabschiedete sich. Axton begleitete ihn zusammen mit Kelly zu sei nem Gleiter. Als Arrkonta gestartet war, be stieg er seine eigene Maschine und flog zum Kristallpalast.
* Als Axton-Kennon den Konferenzraum im Kristallpalast betrat, saß der Orbana schol-Doppelgänger mit dem Verteidigungs minister und den führenden Militärs des Im periums zusammen an einem ovalen Tisch. »Deshalb schlage ich vor, Tremlon Pirra bo das Kommando über diese Flotte zu übertragen«, sagte der Doppelgänger gerade. Seine Worte riefen erhebliche Unruhe hervor. Axton war Pirrabo nicht bekannt. Er hatte jedoch von ihm gehört. Er verneigte sich vor Orbanaschol und setzte sich in einen Sessel an einem Seitentisch. Der Ad jutant Orbanaschols hatte ihn vorgelassen. Das bedeutete, daß der Imperator nichts ge gen die Anwesenheit Axtons bei dieser Kon ferenz einzuwenden hatte. »Ich muß davor warnen, Pirrabo das
25 Kommando über die Flotte bei den ovalen Sonnen zu geben«, sagte der Verteidigungs minister. Er erhob sich. Sein Gesicht war ge rötet, und seine Augen wurden feucht, vor Erregung. »Bedenken Sie die militärpoliti schen Folgen. Pirrabo gilt als nicht beson ders fähig. Viele bessere Männer würden sich übergängen fühlen. Diese Entscheidung kann die Flotte in zwei Lager spalten.« »Es handelt sich um ein vorübergehendes Kommando. Die Flotte ist nicht gefährdet, wie Sie mir soeben erklärt haben. Pirrabo kann also gar nichts falsch machen. Wenn wir ihn als Oberkommandierenden einset zen, zeichnen wir nicht nur ihn aus, sondern auch seine Familie. Und darauf kommt es mir an. Das ist mein politisches Ziel. Und aus diesem Grund wird meine Entscheidung auch nicht geändert«, erwiderte der Orbana schol-Doppelgänger. Axton hörte fasziniert zu. Er wußte, was diese Entscheidung bedeutete und welch fürchterliche Konsequenzen sie für die Flot te und das Imperium haben würde. Er durfte jedoch nicht eingreifen. Er fragte sich ledig lich, ob der Agent der MdI Pirrabo bewußt einsetzte, um auf diese Weise die Katastro phe einzuleiten. Doch das erschien kaum denkbar. Selbst wenn der Doppelgänger dar über informiert sein sollte, daß ein Überfall auf die Flotte stattfinden würde, konnte er die Schlagkraft der Flotte bei den ovalen Sonnen so nicht herabsetzen. »Das wär's, meine Herren«, sagte Orbana schol. Er stand auf und beendete damit die Konferenz. Der Verteidigungsminister und die Militärs verließen den Raum. Der Dop pelgänger wandte sich Axton zu. Er blickte auf den Verwachsenen herab. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. Axton fühlte, wie es ihm kalt über den Rücken herablief. Dieser Mann sah aus wie Orbanaschol, wie dieser bewegte er sich, wie dieser sprach er, aber er war es dennoch nicht. Der Kos mokriminalist konnte den Unterschied nicht beschreiben. Er konnte nicht sagen, was an ders war an diesem Mann, und dennoch gab
26 es für ihn nicht den geringsten Zweifel, daß dies nicht der wirkliche Orbanaschol war. In diesem Moment, in dem er dem Doppelgän ger gegenüberstand und sich ihre Blicke kreuzten, erhielt er die allerletzte Bestäti gung. Dieser Mann empfand keine Sympa thien für ihn. Im Gegenteil. Der Doppelgänger wußte, daß er der ge fährlichste Gegner für ihn war. Feindselig blickte er ihn an. »Mir mißfällt, daß noch immer nicht ge klärt ist, wer Grishkan ermordet hat«, sagte Orbanaschol mit heiserer Fistelstimme. Mehrere Minister traten zu der sich anschlie ßenden Konferenz ein. Sie hörten die Worte des vermeintlichen Imperators. »Ich bin nicht dafür verantwortlich«, ent gegnete Axton ruhig. »Soweit ich weiß, sind die Nachforschungen eingestellt worden, weil sich keine Spuren ergeben haben.« Das Gesicht des Orbanaschol-Doppel gängers verzerrte sich. Die Augen schienen aus den Fettwülsten hervorzuquellen. »Das ist Ihre Handschrift, Lebo Axton«, sagte der Doppelgänger. Der Kosmokriminalist erschrak. Er er kannte, daß das Double einen Vorwand suchte, ihn zu beseitigen. Der Doppelgänger fühlte sich durch ihn bedroht. Er schien zu spüren, daß er ihn nicht täuschen konnte. »Dieser Anschlag gegen Grishkan, Treibarkoron und schließlich auch gegen mich könnte von Ihnen durchgeführt worden sein«, erklärte Orbanaschol II. Seine Stimme steigerte sich und wurde schrill. Axton lächelte. Er verneigte sich ironisch. »Ich danke Ihnen für dieses Kompliment, Imperator«, sagte er. »Es zeigt mir, daß Sie eine hohe Meinung von mir haben.« Der Innenminister, der einige Schritte hin ter Orbanaschol stand, klatschte lächelnd mit den Händen. »Hervorragend pariert, Axton«, lobte er. Der Orbanaschol-Doppelgänger fuhr her um. »Und wenn er es wirklich gewesen wä re?« fragte er.
H. G. Francis »Unmöglich«, erwiderte der Innenmini ster. »Lebo Axton hat häufig genug bewie sen, daß er Ihr Vertrauen verdient. Dieser Verdacht ist beleidigend für ihn.« Das waren mutige Worte. Selten hatte Axton den Innenminister so sprechen gehört. Der Orbanaschol-Doppelgänger erkannte, daß er zu weit gegangen war. Gar zu plump hatte er den Angriff auf Axton vorgetragen. Er lächelte gequält. »Ich habe nur einen Scherz machen wol len«, behauptete er. »Selbstverständlich weiß ich, daß Axton nie gegen mich arbeiten würde.« Er entließ Axton mit großzügiger Geste. »Sie können gehen, Axton. Vergessen Sie meine Worte«, sagte er. Der Terraner verließ den Konferenzraum mit einem Gefühl des Unbehagens. Schlag artig war ihm klargeworden, daß er unter Zeitdruck stand. Er mußte den echten Orba naschol möglichst bald finden, denn der falsche Imperator würde alles versuchen, sich den Rücken frei zu machen. Das bedeu tete, daß Axton von nun an damit rechnen mußte, daß ein Anschlag auf ihn verübt wur de. Der Orbanaschol-Doppelgänger hatte seine Krallen gezeigt. Er hatte ihm zu ver stehen gegeben, daß er es sich nicht leisten konnte, ihn leben zu lassen.
* Als Axton in seine Wohnung zurückkehr te, stand Avrael Arrkonta am Fenster und blickte auf die parkähnliche Landschaft un ter dem Trichterbau hinaus. Langsam drehte er sich um. Seine Wangen waren tränen feucht. Axton konnte ihm ansehen, daß er außerordentlich erregt war. »Sie haben es gewußt«, sagte der Arkoni de mit heiserer Stimme. Er trat auf Axton zu, der von dem Rücken Kellys herunter kletterte und zu einem Sessel ging, wobei er sich Mühe gab, gelassen zu erscheinen. »Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen«, er widerte er. »Was ist denn passiert?« »Sie haben es noch nicht gehört?« fragte
Doppelgänger des Mächtigen Arrkonta. »Sie wollen mich täuschen, aber das wird Ihnen nicht gelingen.« »Avrael«, bat der Terraner behutsam, »bitte sagen Sie mir, was los ist. Ich komme gerade vom Imperator und habe noch keine Nachrichten gehört.« »Lügen Sie nicht«, schrie der Industrielle. »Sie wissen es schon längst, daß die Flotte bei den ovalen Sonnen in ihr Verderben ge flogen ist.« Erschüttert schloß Axton die Augen. Er konnte Arrkonta nicht ansehen. »Ich wußte es nicht«, sagte er leise. »Ich glaube Ihnen kein Wort. Sie lügen. Sie haben schon vorher gewußt, was bei den ovalen Sonnen passieren würde. Sie hatten Informationen, die auf diese Katastrophe hindeuteten. Deshalb haben Sie so eigenartig reagiert, als sie erfuhren, daß mein Sohn Ar ron dabei ist. Ich habe Sie für meinen Freund gehalten, aber Sie haben meinen ein zigen Sohn in den Tod gehen lassen, ohne auch nur den Versuch zu machen, ihn zu ret ten. Sie sind der Mörder meines Sohnes.« »Das sind schwere Beschuldigungen, Avrael.« »Ich verbiete Ihnen diese vertrauliche An rede«, brüllte der Arkonide außer sich vor Zorn. »Ich bin hier, um mit Ihnen abzurech nen.« Axton schüttelte den Kopf. »Sie tun mir unrecht«, erklärte er. »Sie haben gewußt, daß es bei den ovalen Sonnen zu einer Raumschlacht mit vielfach überlegenen Kräften der Methans kommen würde. Lange genug haben Sie mich ge täuscht, nun aber ist es vorbei, Axton. Ich bin überzeugt davon, daß Sie die Katastro phe zugelassen haben, weil Sie das Imperi um schwächen wollten. Sie kämpfen nicht wirklich für Atlan, sondern für eine andere, nichtarkonidische Macht. Sie haben uns alle mißbraucht, um mit unserer Hilfe Ihre Pläne durchführen zu können.« »Mäßigen Sie sich«, forderte der Terraner in schneidend scharfem Ton. Er war zutiefst verletzt. Mit derartigen Beschuldigungen hatte er nicht gerechnet.
27 »Sie vergessen sich«, sagte er und blickte Arrkonta offen an. »Irgendwo ist eine Gren ze.« »Ich will die Wahrheit wissen«, entgegne te der Arkonide. Er ballte die Hände zu Fäu sten. »Axton, ich werde die Wohnung nicht eher verlassen, bis ich die ganze Wahrheit kenne.« Lebo Axton lehnte sich in seinem -Sessel zurück. Er nickte. »Also gut, Avrael«, sagte er. »Sie sollen wissen, wer ich bin, woher ich komme, und was meine Ziele sind. Bitte, setzen Sie sich.« Er wartete, bis der Arkonide Platz genom men hatte. »Zunächst will ich Ihnen gestehen, daß Sie recht haben. Ich habe tatsächlich schon vor Tagen von der Raumschlacht bei den ovalen Sonnen gewußt.« »Sie wagen es, mir das zu sagen?« Arr konta sprang impulsiv auf. »Wenn Sie nicht ruhig zuhören, werde ich nichts mehr über mich erzählen«, sagte Ax ton drohend. Der Arkonide sah ein, daß es keinen Sinn hatte, dem Kosmokriminalisten Vorwürfe zu machen. Er ließ sich wieder in den Sessel sinken. »Ich habe von der Raumschlacht und von der verheerenden Niederlage gewußt«, fuhr Axton fort. »Diese Raumschlacht ist ein hi storisches Ereignis von weittragender Be deutung für das Imperium. Eben aus diesem Grunde durfte ich nichts tun. Ich durfte die Katastrophe nicht verhindern, weil ich damit ein Zeitparadoxon ausgelöst hätte.« Avrael Arrkonta blickte ihn an, als habe er den Verstand verloren. »Sie wollen ernsthaft behaupten, daß Sie aus der Zukunft kommen?« fragte er. »Ich komme aus der Zukunft. Das ist die ganze Wahrheit. Ich habe mehr als zehntau send Jahre übersprungen. Es würde zu weit führen, Ihnen zu erklären, wie das möglich war. Versuchen Sie, mir zu glauben.« »Ich weiß nicht, ob ich es kann.« »Versuchen Sie es«, bat Axton lächelnd. »Mein richtiger Name ist Sinclair Marout
28 Kennon. Ich bin Terraner und ein Freund Atlans, eines Atlans, der in meiner eigentli chen Zeit immer noch lebt. Er verfügt über einen Zellaktivator, der sein Leben erhält. Ich habe die Geschichte der altgalaktischen Völker studiert, die Geschichte jener Zeit, die für uns beide jetzt Gegenwart ist. Daher kenne ich die Entwicklung des Imperiums. Ich weiß, wie Orbanaschol enden wird, und ich weiß, daß Atlan nicht Imperator von Ar kon werden wird – jedenfalls nicht in dieser Zeit.« »Er wird scheitern?« fragte Arrkonta ent setzt. »Wenn es wirklich so ist, warum kämpfen Sie dann für ihn?« »Er wird nicht scheitern«, erwiderte der Terraner lächelnd. Er erläuterte dem Freund, welch abenteuerliches Leben Atlan noch be vorstand und welche Rolle er in der Politik des arkonidischen Imperiums spielen würde. Avrael Arrkonta stellte viele Fragen. Er ließ sich immer wieder von Axton beteuern, daß er die Wahrheit sprach. »Sie hätten meinen Sohn retten können«, sagte der Arkonide schließlich voller Bitter keit. »Sie irren sich«, erwiderte Axton gedul dig. »Die kleinste Warnung an die Flotte hätte vielleicht die Schlacht verhindert oder ganz anders verlaufen lassen. Das hätte ein Zeitparadoxon ausgelöst.« »Das ist Theorie.« »Vielleicht. Dennoch ist es so, daß ich nichts tun durfte. Aus der Niederlage wird Arkon neue Kraft schöpfen. Gerade die Nie derlage wird die Entwicklung neuer Waffen, den Aufbau einer moderneren und bewegli chen militärischen Führung und schließlich auch politische Umgruppierungen auslösen. Hätte ich eingegriffen, dann hätte das viel leicht bedeutet, daß Arkon von den Methans vernichtend geschlagen wird. Alles wäre möglich gewesen. Sogar das absolute Ende des Imperiums, und Atlans Weg in die Zu kunft wäre vielleicht versperrt gewesen. Sie müssen einsehen, daß ich nichts tun konnte. Ich glaube aber, daß Ihr Sohn lebend zu rückkehren wird.«
H. G. Francis
»Ist das auch eine geschichtliche Tatsa che?« fragte Arrkonta müde. »Nein. Ihr Sohn wird niemals eine ge schichtliche Persönlichkeit werden, so ent täuschend das für Sie sein mag.« Avrael Arrkonta erhob sich und ging zum Fenster. Axton schwieg, weil er dem Freund Zeit lassen wollte, alles in Ruhe zu überden ken. Als der Arkonide sich umwandte, hatte sich sein Gesicht entspannt. »Ich glaube Ihnen, Lebo«, erklärte er. »Oder soll ich Sinclair sagen?« »Bleiben Sie bei Lebo. Das ist einfacher.« »Ich möchte wissen, welche Bedeutung Sie für die Geschichte Arkons haben. Ent wickelt sich das arkonidische Imperium so, wie Sie es aus Ihren Studien kennen, weil Sie eingegriffen haben? Oder weil Sie nicht eingegriffen haben? Sind Sie integrierter Be standteil der Geschichte oder nicht?« »Jetzt haben wir den Punkt erreicht, an dem ich auch nicht mehr antworten kann«, erwiderte der Terraner. »Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, daß wir den echten Orbana schol retten müssen.« »Wir? Sie werden niemanden finden, der Ihnen hilft.« »Es muß sein, Avrael. Der Doppelgänger muß so schnell wie möglich ausgeschaltet werden. Orbanaschol muß befreit werden.« »Er lebt schon längst nicht mehr.« »Daran glaube ich nicht. Einen so wichti gen Mann wie ihn bringt man nicht einfach um.« »Wenn er aber doch tot ist? Was dann?« »Dann wüßte ich nicht, was ich tun soll te«, erklärte Axton. »Uns bliebe dann nur noch, den Orbanaschol-Doppelgänger an seiner Position zu belassen. Das gäbe ein un vorstellbares Durcheinander.« »Niemand wird Ihnen helfen. Wenden Sie sich an Frantomor, den Chef des Geheim diensts. Vielleicht können Sie ihn davon überzeugen, daß eine Suchaktion eingeleitet werden muß.« »Frantomor würde mich augenblicklich in eine Irrenanstalt sperren«, antwortete Axton kopfschüttelnd. »Nein, die Organisation Go
Doppelgänger des Mächtigen nozal VII. muß eingeschaltet werden.« »Unmöglich«, sagte Arrkonta. »Diese Or ganisation hat die Aufgabe, Orbanaschol zu bekämpfen, wo immer das möglich ist. Sie werden niemanden in der Organisation fin den, dem Sie das Problem überhaupt nur er klären können, und schon gar keinen, der bereit wäre, den Imperator aus seiner mißli chen Lage zu befreien.«
5. »Es bleibt nur ein Weg«, sagte Lebo Ax ton einige Stunden später, als er sich erneut mit Avrael Arrkonta in einem Restaurant auf dem Dach des Gebäudes traf, in dem er sei ne Wohnung hatte. »Wir müssen die Organi sation täuschen. Wir müssen sie über die Person, die es zu finden und dann zu befrei en gilt, im unklaren lassen.« »Wie wäre das möglich?« fragte der Ar konide überrascht. »Das weiß ich auch noch nicht«, antwor tete Axton. »Vorläufig weiß ich noch nicht einmal, wie ich Orbanaschol finden soll. Ha ben Sie inzwischen ermittelt, wann Ihr Be kannter ihn gesehen hat?« Arrkonta hatte sich sorgfältig erkundigt. Er nannte Axton Datum und Uhrzeit. »Zu diesem Zeitpunkt war der Doppel gänger im Kristallpalast«, erwiderte der Ter raner. »Dann flog der echte Orbanaschol in Richtung Süden«, stellte Arrkonta fest. »Es wäre möglich, daß man ihn irgendwo im Südpolgebiet versteckt hält.« »Dort gibt es genügend Verstecke, die ge eignet wären. Ich werde mit der Suche in dieser Gegend beginnen. Sobald ich weiß, wo er ist, müssen wir ein Kommando zu sammenstellen. Wir werden diesen Männern sagen, daß es um eine hochgestellte Persön lichkeit geht, die wir befreien müssen. So bald es uns gelungen ist, Orbanaschol her auszuschlagen, werden wir mit der Wahrheit herausrücken. Wir werden zu verhindern ha ben, daß die Männer den Imperator bei die ser Gelegenheit, die ihnen günstig erschei
29 nen muß, erschießen.« »Sie nehmen sich mal wieder etwas Un mögliches vor.« »Ich hoffe nicht, daß sich die Aktion als unmöglich erweisen wird.« »Mikrowellen«, meldete Gentleman Kelly plötzlich, der schweigend hinter Lebo Axton gestanden hatte. Der Terraner fuhr auf. Avrael Arrkonta blickte ihn verwirrt an. »Was ist los?« fragte der Arkonide. »Wir werden beobachtet«, erwiderte Ax ton. »Jemand versucht, unser Gespräch ab zuhören.« »Erneute Ortung«, teilte Kelly mit leiser Stimme mit. »Weg hier. Schnell«, rief Axton. Er sprang auf, kletterte auf die Sitzfläche seines Sessels und schwang sich auf den Rücken des Roboters. Avrael Arrkonta eilte einige Schritte zur Seite, bis er im Dunkeln stand. In diesem Moment blitzte es etwa hundert Meter von ihnen entfernt an einem Spring brunnen auf. In rasend schneller Folge flo gen zehn Leuchtspurgeschosse durch die künstliche Gartenlandschaft. Die Geschosse schlugen an der Stelle ein, an der Axton und Arrkonta vor kaum zwei Sekunden noch ge sessen hatten. Gentleman Kelly warf sich herum. Axton hörte, daß einige Splitter gegen seinen stäh lernen Körper prasselten. Gentleman Kelly überstand den Angriff unbeschädigt. »Avrael«, rief Axton. »Wo sind Sie?« »Hier«, antwortete der Arkonide und rich tete sich hinter einer kleinen Ziermauer auf. »Bleiben Sie hier. Ich werde versuchen, den Schützen zu erwischen.« »Ich hole den Gleiter«, erklärte der Indu strielle und rannte davon. Erst jetzt schrien die anderen Gäste ent setzt auf. In Panik stürzten einige von ihnen davon, während andere starr auf ihren Sitzen blieben und sich in ihrer Angst lediglich duckten. Gentleman Kelly hob vom Boden ab und beschleunigte scharf. Er flog auf den Springbrunnen zu, warf sich jedoch plötzlich erneut zur Seite, wobei er seine Arme nach hinten streckte und schützend um Axton leg
30 te, damit dieser bei der überraschenden Richtungsänderung nicht heruntergeschleu dert wurde. Keine Sekunde zu spät, denn der Attentäter feuerte erneut. Wiederum rasten zehn Leuchtspurgeschosse jaulend durch die Luft. Axton sah sie wie zuckende Blitze an sich vorbeifliegen. Er preßte sich an den Rücken Kellys. Sei ne Hände krallten sich um die Haltebügel auf dem Rumpf des Roboters. Kaum hatte er sich jedoch abgefangen, da zerrte er schon seinen Energiestrahler hervor und feuerte ihn ab. Der Blitz erhellte die Nacht. Axton erkannte zwei Männer, die hinter Bäumen standen. Sie hielten Waffen mit langen Läufen in den Händen. Der Ener giestrahl verfehlte sie. Als es wieder dunkel wurde, sah Axton gerade noch, daß die bei den Mordschützen sich zur Flucht wandten. Er zögerte kurz, bevor er sich für einen von ihnen entschied. »Nach rechts«, befahl er und klammerte sich an Kelly fest. Der Roboter drehte sich herum und änderte die Flugrichtung. »Kannst du ihn ausmachen?« »Selbstverständlich, Schätzchen«, erwi derte der Roboter. »Für mich ist es hell wie am lichten Tag.« »Dann ist es gut. Los, beeile dich.« »Vorsicht!« Axton klammerte sich noch fester an den Roboter, als der Warnruf ertönte. Für einen kurzen Moment schien es so, als habe Kelly sich geirrt, doch dann blitzte es an einem Abgang zu den unteren Stockwerken auf. Ein Energiestrahl raste auf Axton zu. Der Terraner schrie gellend auf vor Schmerz. Der Energiestrahl streifte ihn, und ein Gurt aus kochender Glut schien sich um seine Hüften zu schlingen. Eine blauschim mernde Aureole bildete sich um ihn. Seine Hände lösten sich von den Haltebügeln. Ax ton bäumte sich auf und versuchte, nach sei nen Hüften zu greifen, doch eine unsichtbare Kraft stemmte sich ihm entgegen und hielt ihn davon ab. Bruchteile von Sekunden später schien der Kosmokriminalist in einen Raum eisiger
H. G. Francis Kälte zu stürzen. Die Schmerzen verschwan den schlagartig, der blaue Lichtschein ver flüchtigte sich, und Ruhe kehrte ein. Axton fühlte, daß er schwebte. Er hörte seinen ei genen, röchelnden Atem und eine Stimme, die von fern kam und ihn rief. »Liebling, was ist mit dir? Warum sagst du nichts? Solltest du einen Kurzschluß in deinem Biopositron-System erlitten haben?« »Was soll der Blödsinn?« fragte Axton. »Ich bin hundertprozentig in Ordnung.« Seine Augen weiteten sich. In der Dun kelheit konnte er kaum etwas erkennen. Im merhin wurde ihm klar, daß er sich noch im mer auf dem Rücken des Roboters befand, der den flüchtenden Attentäter verfolgte. Axton drehte sich zur Seite, als ihm däm merte, daß er es nicht mit zwei, sondern mit drei oder vielleicht noch mehr Gegnern zu tun hatte. Er hatte sich wie ein Anfänger be nommen und war blind hinter einem der Flüchtenden hergeflogen, ohne die Falle zu sehen, die man ihm gestellt hatte. Er wollte Kelly instinktiv den Befehl zu rufen, senkrecht aufzusteigen und die Flucht von oben zu beobachten. Im letzten Moment unterdrückte er ihn, weil er blitzartig begriff, daß die Attentäter vielleicht gerade das von ihm erwarteten. »Landen«, befahl Axton. »Verfolgung ab brechen.« Kelly gehorchte kommentarlos. Er ließ sich zwischen die Büsche der parkähnlichen Anlage fallen und setzte am Rand eines künstlichen Teiches auf. »Was passiert über uns?« fragte Axton, während seine Hände unter seine Kleidung glitten und über das blau schimmernde Ge bilde strichen, das seine Hüften umschlang. Er war überzeugt davon, daß es dieser ge heimnisvolle Gürtel war, der ihm das Leben gerettet hatte. Bestand es aus Energie oder einem energieverzehrenden Material? Er wußte diese Fragen nicht zu beantworten. Auch wußte er nicht, ob dieses kristallin aussehende Gebilde lebte oder nur tote Ma terie war. Oft hatte er das Gefühl, daß es lebte, mehr noch, daß es sogar intelligent
Doppelgänger des Mächtigen war. »Avrael Arrkonta kommt mit einem Glei ter. Direkt über uns ist eine zweite Maschi ne. Sie zieht jetzt langsam ab.« »Gib Avrael Bescheid, daß er zu uns kommen soll.« Gentleman Kelly strahlte den Befehl über Funk ab, erreichte den Arkoniden und ver anlaßte diesen, die Verfolgung abzubrechen. Der Gleiter senkte sich langsam herab und blieb in etwa zwei Meter Höhe über Axton schweben. Arrkonta beugte sich seitlich aus der Kabine. »Ich hätte ihn erwischt«, behauptete er. »Oder er und die anderen Sie«, entgegne te Axton. Er stieg mit Kelly auf und schwang sich von seinem Rücken in die Sit ze hinüber. Als er saß, schwebten die ersten Polizeimaschinen ein. Die Ordnungskräfte schirmten das gesamte Dachgelände ab. »Das ist es, womit ich gerechnet habe«, sagte Axton. »Wir leben immerhin in einer zivilisierten Gesellschaft, in der eine Schie ßerei sofort Alarm auslösen muß. Das wuß ten auch die Männer, die auf mich geschos sen haben. Sie hofften, mich entweder sofort erledigen oder mich aber zu einer Verfol gung verlocken zu können, so daß ich das Gebiet verlasse, das früher oder später von Polizeikräften umstellt werden mußte. Ir gendwo hätte dann ein weiteres Kommando auf mich gewartet, das mich aus nächster Nähe hätte abschießen können. Der An schlag war genau auf meine Mentalität abge stellt.« »Und doch hat sich jener geirrt, der den Anschlag organisiert hat«, stellte Avrael Arrkonta befriedigt fest. »Es hat nicht viel gefehlt, und ich wäre blind in die Falle getappt. Eigentlich habe ich nur anders reagiert als sonst, weil ich mit einem Anschlag gerechnet habe. Der Orba naschol-Doppelgänger hat mich als seinen gefährlichsten Gegner identifiziert. Das ist keine Überraschung. Da er nach der Atom schablone Orbanaschols hergestellt worden ist, weiß er alles, was Orbanaschol bis zu diesem Zeitpunkt auch gewußt hat. Während
31 der echte Orbanaschol glaubt, meine Dienste schätzen zu müssen, weiß der falsche, daß er mich fürchten muß. Und damit hat er ver dammt recht.« Axton zeigte zu einem hellerleuchteten Restaurant hinüber. »Wir wollen dorthin gehen, wo es hell ist«, sagte er. »Es könnte unter den Polizi sten jemand sein, der zu den Attentätern ge hört. Wir würden es ihm hier im Dunkeln zu leicht machen.« Avrael Arrkonta lenkte den Gleiter zu dem Restaurant hinüber, auf das Axton ge wiesen hatte. Als er dort landete, wurde die Maschine von sieben Polizisten umringt. Sie alle hielten ihre Waffen in den Händen. Le bo Axton stieg aus und hielt ihnen seinen Ausweis hin. »Ich bin es, auf den geschossen wurde«, erklärte er. »Ich hoffe, ich muß nicht auch noch die Waffen der Ordnungskräfte fürch ten.« Ein junger Offizier nahm den Ausweis, reichte ihn sogleich wieder zurück und salu tierte respektvoll. »Ich freue mich, daß wir rechtzeitig ge kommen sind«, sagte er.
* Kurz nachdem der Gleiter gestartet war, wies Gentleman Kelly auf eine andere Ma schine hin, die sich ihnen näherte, dann aber seitlich abschwenkte und sich entfernte. »Der Mann in diesem Gleiter war dabei«, erklärte er. »Bist du sicher?« fragte Axton überrascht. »Wir sind ziemlich weit entfernt.« »Und ich habe ein ziemlich gutes opti sches System und ein ziemlich gutes Spei cherhirn«, erwiderte Kelly in einem Tonfall, der Axton anzeigte, daß ihm die kritische Frage nicht gefiel. »Wieder ein Lockvogel?« Avrael Arrkon ta nahm eine Waffe aus einem Spezialfach seines Gleiters. »Vielleicht«, entgegnete der Terraner. »Es könnte aber auch sein, daß der Mann nichts
32 weiter wollte als die Lage ausspähen. Wir folgen ihm. Sind Sie dabei, Avrael?« »Natürlich«, sagte der Arkonide entrüstet. »Sie glauben doch nicht, daß ich Sie im Stich lasse.« Axton gab Kelly ein Zeichen. Der Robo ter hatte das Steuer des Gleiters übernom men, damit Axton und Arrkonta sich unge stört unterhalten konnten. Jetzt beschleunig te er mit Höchstwerten. Gleichzeitig erkann te der Arkonide in der anderen Maschine, daß er verfolgt wurde. Er beschleunigte ebenfalls und versuchte, sich in Sicherheit zu bringen. Er ließ die Maschine steil abfallen und führte sie um den Sockel eines anderen Trichtergebäudes herum. Kelly reagierte viel schneller und präziser, als es ein menschli cher Pilot hätte tun können. Er holte deutlich auf. Axton und Arrkonta konzentrierten sich nicht auf ihn, sondern nur auf die Umge bung, die der Verfolgte bei seiner Flucht passierte. Sie konnten in der Dunkelheit nur wenig erkennen. Beide hielten Energiestrah ler schußbereit in den Händen, um notfalls sofort feuern zu können, wenn der Gleiter angegriffen wurde. Doch schon bald zeigte sich, daß der At tentäter nicht versuchte, sie in einen Hinter halt zu locken. Seine Bemühungen, ihnen zu entkommen, erschienen verzweifelt. Er wandte sich mal nach dieser, mal nach jener Richtung wie jemand, der in höchster Not einen Unterschlupf sucht. Der Gleiter Arr kontas war schneller als die andere Maschi ne. Unter der geschickten Führung des Ro boters rückte er immer mehr auf, bis er nur noch wenige Meter entfernt war. »Vorsicht«, rief Axton, als er sah, daß der Flüchtende sich umwandte und dabei eine Waffe hob. Im nächsten Moment schon platzte die Rückscheibe der Maschine aus einander. Leuchtspurgeschosse rasten durch das Fenster hinaus, jagten aber über das Dach von Arrkontas Maschine hinweg, weil Kelly sie blitzartig hatte abfallen lassen. Avrael Arrkonta beugte sich zum Seiten-
H. G. Francis fenster hinaus, stemmte sich gegen den scharfen Fahrtwind und schoß seinen Ener giestrahler gegen das Heck der anderen Ma schine ab. Ein blauer Blitz zuckte aus der Antriebskammer. Der Gleiter schwankte, verlor an Fahrt und stürzte ab. Er flog in ei ner Höhe von etwa hundert Metern. Inner halb weniger Sekunden sackte er ab, bis er nur noch etwa fünf Meter über dem Boden flog. Kelly blieb unerbittlich bei ihm, so als sei der Gleiter, den er steuerte, durch ein un zerreißbares Kabel mit ihm verbunden. Flammen schlugen aus dem Heck der be schädigten Maschine. Axton beobachtete, daß der Arkonide darin verzweifelt versuch te, sich zu retten. Doch dazu war es zu spät. Die Flugkabine berührte den Boden, über schlug sich und blieb auf dem Dach liegen. Der Pilot wurde herausgeschleudert und lan dete in einem Busch. Kelly landete. Axton und Arrkonta spran gen mit schußbereiter Waffe aus der Ma schine und eilten zu der Stelle, an der der Attentäter lag. Er lebte noch. Arrkonta entriß ihm die Schußwaffe und tastete ihn blitzschnell nach weiteren Waf fen ab. »Nichts mehr«, sagte er. Der Mordschütze hatte sich die Beine ge brochen. Blut lief ihm aus mehreren Wun den am Kopf. Ängstlich blickte er Axton an. »Wir hätten es wissen müssen«, sagte er röchelnd. »So kann man Sie nicht erledi gen.« »Es war schon ganz ordentlich, was ihr gemacht habt«, entgegnete Axton kühl. »Mit ein bißchen mehr Glück hättet ihr es viel leicht geschafft. Wer war denn dafür verant wortlich?« Das Gesicht des Verletzten verzerrte sich. Er schwieg verbissen. Axton konnte nicht erkennen, wie es um den Mann stand, ob er lebensgefährlich ver letzt war oder nicht. Er bluffte, ohne auf die Gefühle des Mannes Rücksicht zu nehmen, der bereit gewesen war, ihn zu ermorden. »Sie haben nicht mehr lange zu leben«,
Doppelgänger des Mächtigen behauptete er. »Ihre Verletzungen sind töd lich. Es hilft Ihnen also nichts, wenn Sie schweigen. Wer sind die anderen? Wer hat den Auftrag erteilt?« Der Verletzte zögerte. Er atmete mühsam. »Der Auftrag kam direkt vom Hof«, ver riet er endlich. »Ich weiß nicht, von wem, aber es muß einer von ganz oben sein.« »Orbanaschol«, flüsterte Axton Arrkonta zu. »Ich hatte nichts zu verlieren«, fuhr der Verletzte fort. »Mit mir ist es ohnehin vor bei. Sie haben uns aus dem Tekayl-Ge fängnis geholt und uns gesagt, daß unsere Familien versorgt würden, wenn wir es tun.« Lebo Axton begriff. Der Mann war also ein zum Tode verurteilter Gefangener, dem man die Chance gegeben hatte, wenigstens seine Familie zu retten und vor einer Ver elendung zu bewahren. »Ich kenne diese Leute, die Ihnen das al les versprochen haben«, erwiderte er. »Es tut mir leid für Sie, aber Ihre Familie wird kei nen Vorteil davon haben, daß Sie mitge macht haben. Diese Leute halten ihr Ver sprechen nicht. Das haben sie noch nie ge tan.« Der Verletzte schloß die Augen. Er stöhn te leise. Axton bemerkte, daß er starb. Er kniete neben ihm nieder. »Wer sind die anderen?« fragte er ein dringlich. »Waren es alles Gefangene aus dem Tekayl-Gefängnis?« Der Arkonide öffnete die Augen und schüttelte den Kopf. »Nein, einer war dabei, der aus dem Sü den kommt. Ein Offizier. Er sagte, er sei von den Leitstationen im Süden.« »Leitstationen? Was für Leitstationen? So sprechen Sie doch.« Axton rüttelte den Mann an der Schulter. Avrael Arrkonta zog ihn sanft zurück. »Es ist zu spät«, sagte er. »Der Mann ist tot.« Axton richtete sich auf. Er kletterte auf den Rücken Kellys. Seine Hände krallten sich um die Haltebügel. »Verstehen Sie denn nicht, Avrael? Die
33 ser Offizier kommt aus dem Süden. Das kann bedeuten, daß er etwas von dem ver schwundenen Orbanaschol weiß. Vielleicht kann er uns sagen, wo man den Imperator versteckt hält.« Avrael Arrkonta ließ sich nicht von der Erregung anstecken, die Axton erfaßt hatte. »Vielleicht haben Sie recht«, bemerkte er ruhig. »Dann aber können Sie das bestimmt nicht von einem Toten erfahren. Sie müssen versuchen, diesen Offizier zu erwischen.« Axton bekam sich fast augenblicklich in die Gewalt. Er wurde ruhig und ausgegli chen. »Ich habe mich hinreißen lassen«, gestand er ein. Er lächelte selbstsicher. »Die Situati on hat sich schlagartig für uns gewandelt. Ich habe das gespürt und bin ein wenig über das Ziel hinausgeschossen. Dies war eine fast laienhafte Aktion des OrbanascholDoppelgängers, wie sie absolut der Mentali tät Orbanaschols entspricht. Sie war überha stet, erfolgte zu früh und wurde nicht genü gend abgesichert. Der Doppelgänger hatte nicht die Geduld, noch ein paar Tage abzu warten, weil er Angst hat. Und dazu hat er auch allen Grund.« »Sie wissen also schon, welche Gegen maßnahmen Sie ergreifen werden?« »Selbstverständlich, Avrael. Es wird noch nicht einmal eine Stunde dauern, bis ich weiß, welche Gefangenen aus dem TekaylGefängnis ausgewählt wurden. Ebenso schnell werde ich herausfinden, wer der Of fizier war und von welchen Leitstationen er gekommen ist. Es gibt ja nicht allzu viele Stationen, die nicht vollrobotisch arbeiten.« Die beiden Männer blickten sich an. Ax ton sprach den letzten Gedanken, der sich logisch an diese Kette anschloß, nicht aus, aber Avrael Arrkonta wußte auch so, was er meinte. Der Terraner wandte sich an Gentleman Kelly. »Mein kleiner Blechliebling«, sagte er ironisch. »Ich sehe, daß du mit verträumten Linsen in der Gegend herumstehst. Denkst du an hübsche Robotmädchen, oder hältst du
34 nach Leuten Ausschau, die uns nicht wohl wollen?« »Wie sprichst du mit mir, Schätzchen?« entgegnete Kelly. Er drehte ihm das Gesicht zu und blickte ihn in beklemmend mensch lich wirkender Haltung über die Schulter hinweg an. »Ich dachte selbstverständlich nur an deine Sicherheit. Sie ist nicht gefähr det, denn weder Polizei noch sonst jemand ist in der Nähe. Niemand ist aufmerksam ge worden.« »Das ist gut. Dem Burschen hier können wir doch nicht mehr helfen. Es genügt, wenn ich in einigen Stunden die Behörden benach richtige. Bis dahin weiß ich vielleicht schon, was ich wissen muß.« Er lenkte den Roboter in den Gleiter. Auch Arrkonta stieg ein. Kelly startete die Maschine, nachdem Axton von seinem Rücken gerutscht und sich in die Polster ge setzt hatte. Der Arkonide legte dem Kosmo kriminalisten die Hand auf den Arm. »Bitte, Lebo«, sagte er eindringlich. »Bemühen Sie sich herauszufinden, welche Raumschiffe die Schlacht bei den ovalen Sonnen unbeschadet überstanden haben. Ich muß wissen, ob Arron noch lebt.« »Selbstverständlich«, erwiderte Axton. »Ich gebe Ihnen noch heute nacht Bescheid, wenn ich etwas erfahre. Ich verspreche es Ihnen.« Kelly flog zum Innenministerium, wo er und Axton den Gleiter verließen, während der Arkonide zu seiner Wohnung zurück kehrte. Der Terraner rechnete nun auf Schritt und Tritt mit einem erneuten Überfall. Er befand sich in der Höhle des Löwen. Mittlerweile wußte der Orbanaschol-Doppelgänger, daß der Anschlag ohne Erfolg geblieben war. Es fragte sich jedoch, ob er es wagen würde, so schnell erneut anzugreifen. Die Aktion war ohnehin mit einem erheblichen Risiko für ihn verbunden. Die Minister und die Sicher heitsoffiziere in den verschiedenen Abwehr und Geheimdienstorganisationen des Impe riums kannten Axton, und sie wußten, was er geleistet hatte. Viele standen ihm ableh-
H. G. Francis nend und eifersüchtig gegenüber, aber alle wußten, wie hoch er in der Gunst Orbana schols stand. Wenn eben dieser Orbanaschol seinen Günstling nun ermorden ließ, dann mußte das zwangsläufig viele intelligente und scharf denkende Männer und Frauen argwöhnisch machen. Darüber mußte sich auch der Doppelgänger im Klaren sein. Ax ton hoffte es wenigstens. Der Kosmokriminalist ließ sich zu einem Archiv tragen. Es wurde nur durch Robotan lagen abgesichert. So hatte er keine Mühe, darin einzudringen. Er suchte sich die Unter lagen über die Einlieferungen des TekaylGefängnisses heraus. Es waren nicht viele. Einige der Männer waren bereits hingerich tet worden. Darunter auch der GrishkanDoppelgänger. So blieben nur noch fünf Männer übrig, die zum Tode verurteilt wa ren, aber noch lebten. Darunter war jener Arkonide, den Axton gestellt und abge schossen hatte. Blieben nur noch vier. Axton suchte sich die privaten Adressen dieser Männer heraus und verließ das Archiv wie der. Zehn Minuten später landete er mit einem Gleiter des Innenministeriums auf dem Parkdach eines kleinen Trichterbaus. Er stieg aus, kletterte auf den Rücken Kellys und lenkte diesen zu einem Eingang hin über. Auf halbem Weg machte der Roboter ihn auf einen abgestellten Gleiter aufmerk sam. Es war noch immer dunkel. So konnte Axton nicht viel erkennen. »Was ist denn?« fragte er. »In dem Gleiter sitzt ein Mann. Er scheint zu schlafen.« Im ersten Moment dachte Axton an einen Betrunkenen, der es gerade noch geschafft hatte, das Parkdach zu erreichen, dem aber die Kraft gefehlt hatte, nun auch noch bis zu seiner Wohnung zu gehen. Doch dann lenkte er Kelly zu dem betreffenden Gleiter hin über. Der Roboter öffnete die Tür. Das In nenlicht der Kabine erhellte sich. Der Arkonide auf dem Sitz hinter dem Steuer war tot. Er hatte eine Stichwunde am
Doppelgänger des Mächtigen Hals. Es war einer der Gefangenen aus dem Tekayl-Gefängnis. Ihn hatte Axton bei sei ner Familie zu finden gehofft. »Zurück zum Gleiter. Schnell«, befahl Axton. Gentleman Kelly rannte los. Er sprang in die Kabine. Axton rutschte über die Rück lehne nach hinten und Kelly startete. Der Terraner gab ihm die Daten des nächsten Zieles an. Es war nur etwa zwanzig Minuten entfernt. Auch dieser Trichterbau war nicht groß. Er erhob sich bis in eine Höhe von nur etwa zweihundertfünfzig Metern. Ein Teil des Daches stand als Parkfläche zur Verfü gung. Als der Gleiter zur Landung ansetzte, er faßten die Scheinwerfer die Gestalt eines Mannes, der in verkrümmter Haltung auf dem Rücken lag. »Halt«, befahl Axton. Der Gleiter setzte auf, so daß der Tote im Licht der Scheinwer fer blieb. »Ist jemand in der Nähe?« »Nur der Tote«, antwortete Kelly. »Deine dämlichen Antworten sorgen da für, daß ich früher oder später Magenge schwüre bekomme«, entgegnete Axton. Er kletterte aus der Maschine und eilte mit schleifenden Füßen zu dem Arkoniden hin über. Auch dieser Mann war durch einen Stich in den Hals getötet worden. Neben sei ner verkrampften Hand blitzte etwas Metal lisches auf dem Boden. Axton kniete sich hin und nahm es auf. Es war ein Stück von einer militärischen Auszeichnungsbrosche. Er steckte es ein und kehrte zum Gleiter zu rück. »Starten«, befahl er. »Wohin?« erkundigte sich Kelly, nach dem sie einige Minuten lang geflogen wa ren. »Zur nächsten Adresse der TekaylGefangenen?« »Nein«, erwiderte Axton. »Das ist nicht notwendig. Der Leiter der Gruppe hat inzwi schen ganze Arbeit geleistet. Ich glaube nicht, daß noch einer von den Todeskandi daten lebt. Er hat sie alle umgebracht, damit sie nichts verraten können.«
35 »Du glaubst, daß es der Offizier der Leit stelle ist?« »Davon bin ich überzeugt. Er ist offenbar der einzige Mann, dem der OrbanascholDoppelgänger vertraut.« Axton überlegte kurz, dann befahl er: »Ins Büro.« Als der Terraner seinen Arbeitsraum im Geheimdienstbereich betreten hatte, holte er das Stück Metall hervor, das er neben dem Ermordeten gefunden hatte. Er legte es unter ein Elektronenmikroskop, wählte allerdings nur eine hundertfache Vergrößerung, die er auf einen Videoschirm projizierte. Dann setzte er sich in einen Sessel und sah sich das Bild genau an. Axton kannte alle militä rischen Orden und Ehrenzeichen, dieses aber hatte er noch nicht gesehen. Er hatte zu nächst geglaubt, es zu kennen, doch in der Vergrößerung zeigten sich Linien, die sich nicht zu bekannten Zeichen ergänzen ließen. Er rief alle Ehrenzeichen der Raumflotte aus dem elektronischen Archiv ab, fand aber auch darunter nicht, was er suchte. Verwirrt und beunruhigt eilte er zu einem Getränke automaten und zapfte sich selbst ein Getränk ab. Das tat er normalerweise nie. Er ließ sich sonst von Kelly bedienen. Jetzt glaubte er, sich bewegen zu müssen, um sich anschlie ßend besser konzentrieren zu können. Danach rief er Rang- und Ehrenzeichen der Bodentruppen ab, aber auch darunter war kein Zeichen, zu dem das Bruchstück paßte. Nun ging Axton sämtliche militäri schen und paramilitärischen Organisationen durch, ohne sein Ziel zu erreichen. »Was bleibt denn nun noch?« fragte er Gentleman Kelly schließlich. »Polizei, Brandschutz, Bioingenieure im Umweltschutz, Sportler und Parasportler.« »Parasportler? Was soll der Unsinn?« fragte Axton unwillig. Er fürchtete, daß Kel ly wieder zu seinen eigenwilligen Darstel lungen und Diskussionen ansetzen würde. »Bei den Parasportlern denke ich an Sie ger der KAYMUURTES«, erwiderte der Roboter. Die Kinnlade des Terraners sackte nach unten. Axton war so überrascht, daß er zu
36 nächst nichts sagen konnte. Dann beugte er sich voller Argwohn vor. Er wußte nicht, wie die Worte Kellys gemeint waren. »Willst du damit behaupten, daß die Sie ger der KAYMUURTES Ehrenzeichen er halten?« »Sie bekommen zahlreiche Auszeichnun gen und Ehrungen«, erklärte der Roboter. »Sieger werden auf Arkon stets mit dem größten Aufwand gefeiert. Es ist möglich, daß man ihnen auch solche Orden überreicht wie diesen da.« »Kelly, wenn ich mal reich bin, werde ich dir einen ganzen Schrottplatz kaufen, damit du dir ein paar edle Körperteile darauf zu sammensuchen kannst«, versprach Axton. »Ich bin zu Tränen gerührt, Liebster.« »Übertreibe nicht. Das, was da aus dei nem Rumpf kleckert, ist Öl. Es wird höchste Zeit, daß du dir ein paar neue Dichtungen verpassen läßt. Sprich nicht von Tränen. Ro boter haben so etwas nicht.« »Wie schade. Ich werde darüber nachden ken, ob ich eine Tränenanlage bei mir ein bauen kann. Das würde meine Ausdrucks kraft erhöhen.« »Tu das«, riet Axton stöhnend, »aber laß mich bitte in Ruhe.« Er rief die gewünschten Daten über die KAYMUURTES aus dem Archiv ab und fuhr schon wenig später wie elektrisiert auf. Eine goldene Metallbrosche erschien auf dem Videoschirm. Das gefundene Metall stück ließ sich einwandfrei als Teilstück die ses Ehrenzeichens identifizieren. Es war die Auszeichnung für den Sieger der Amnestie klasse. Das bedeutete, daß der Mörder als Ausge stoßener, Verbrecher oder Entehrter an der KAYMUURTES teilgenommen und sich durch den Sieg in der Gesamtgruppe rehabi litiert hatte. »Dadurch hat sich an seinem Charakter jedoch nichts geändert«, kommentierte Ax ton. Der Orbanaschol-Doppelgänger hatte von diesem Mann gewußt. Vielleicht war ihm sogar bekannt gewesen, daß der KAYMU
H. G. Francis URTES-Sieger nach seiner Rehabilitierung abermals gegen die Gesetze verstoßen hatte. Dadurch konnte sich eine Möglichkeit erge ben haben, ihn zu erpressen. »Ein äußerst gefährlicher Mann«, sagte Axton respektvoll. »Wer bei den KAYMU URTES siegt, der muß schon etwas kön nen.« Ihm wurde bewußt, daß er unglaubliches Glück gehabt hatte. Bei diesem Gegner hätte auch schon der erste Schuß aus dem Hinter halt voll treffen können. Vielleicht war das sogar der Fall gewesen. Axton wußte es nicht genau. Er wußte nur, daß der geheim nisvolle blaue Gürtel, der sich um seine Hüf ten schlang, ihm das Leben gerettet hatte, in dem er die aufprallende Energie offenbar in eine übergeordnete Dimension abgeleitet hatte. »Und was nun?« fragte Kelly. »Jetzt schnappen wir uns den Mann«, er widerte Axton. »Es dürfte unter den im Sü den in irgendwelchen Leitstationen beschäf tigten Offizieren nicht gerade viele geben, die KAYMUURTES-Sieger sind.« Es gab nur einen. Lebo Axton hatte seinen Namen zwei Mi nuten später, nachdem er ein paar Knöpfe gedrückt und die Informationen aus dem Ar chiv abgerufen hatte.
6. »Nur drei Stationen kommen in Frage«, erläuterte Lebo Axton. Er blickte sich in der Runde um. Vier Mitglieder der Organisation Gonozal VII. sollten an dem Stoßtruppunter nehmen teilnehmen. Er wollte es leiten. Da waren Avrael Arrkonta, der Industrielle, und Ermed Trelgron, der ehemalige Stützpunkt kommandant von Karaltron. Dazu kamen Peget Berantog und Senkt Honkryx, beide erfahrene Männer, die sämtliche Kampftech niken beherrschten. Nur Arrkonta wußte, daß es galt, Orbanaschol III. zu finden und zu befreien. Den anderen hatte Axton ge sagt, daß es um eine hochgestellte Persön lichkeit ging, deren Leben unter allen Um
Doppelgänger des Mächtigen ständen zu schützen war. »Der Offizier und KAYMUURTES-Sie ger Kar Obon kontrolliert eine Hyperkom sammelstelle, eine Satellitenüberwachung und die Radarzentrale für das Südpolgebiet. Ich kann mich nur auf Vermutungen stützen. Ich weiß nicht, ob sich der Gesuchte wirk lich in einer dieser drei Stationen befindet, aber ich hoffe es. Kar Obon hat das Attentat auf mich organisiert. Er hat auf Befehl Orba naschols gehandelt. Eben das läßt die Ver mutung zu, daß er die entführte Persönlich keit ebenfalls im Auftrag des Imperators versteckt hat, und zwar in einem Bereich, der ständig von ihm kontrolliert wird.« Axton blickte einen nach dem anderen an. »Sonst noch Fragen?« Die Arkoniden schwiegen. Axton stieg auf den Rücken Kellys und gab ihm den Be fehl, ihn zum Gleiter zu tragen. Wenig spä ter startete die Maschine Axtons. Der neue Tag dämmerte herauf. Der Terraner hatte keine Zeit verloren. Er war müde, aber er handelte dennoch. Bis zu ihrem ersten Ziel im Südpolgebiet würden sie fast zehn Stun den unterwegs sein. Das war Zeit genug für einen erholsamen Schlaf.
* Die Hyperkomsammelstelle lag in einem verwilderten Wald aus verkrüppelten Nadel bäumen, die sich mühsam in dem vereisten und steinigen Gelände hielten. Die Station erhob sich kugelförmig aus einem kreisför mig angelegten Unterbau. Axton landete mit dem Gleiter etwa fünfhundert Meter von der Station entfernt. Näher konnte er mit der Maschine nicht heranfliegen, ohne gleich zeitig auf ausreichende Deckung zu verzich ten. »Den Rest müssen wir zu Fuß gehen«, sagte er. »Ich denke, wenn wir vorsichtig genug sind, erreichen wir die Station, ohne daß man uns sehen kann. An einigen Stellen müssen wir kriechen.« »Wieviel Mann Besatzung gibt es hier?« fragte Arrkonta.
37 »Keine Ahnung«, antwortete der Terra ner. »Das ist geheim. Auch ich komme nicht an diese Informationen.« »Wir werden es schon schaffen«, bemerk te Arrkonta zuversichtlich. Sie verließen die Maschine und pirschten sich behutsam näher, wobei sie sich ständig bemühten, in der Deckung von Felsen oder Bäumen zu bleiben. Axton lag flach auf dem Rücken Kellys, der dicht über den Boden dahinglitt. Für ihn war der Vorstoß am wenigsten anstrengend. So konnte er sich ganz auf die Station kon zentrieren und sie ständig beobachten. Nichts deutete darauf hin, daß man sie dort bemerkt hatte. Weder Arkoniden noch Ro boter waren zu sehen. Es schien, als sei die Station völlig unbesetzt. »Wie alt ist eigentlich dieser Kar Obon?« fragte Arrkonta keuchend, als sie bis auf we nige Meter an eine aufgeschichtete Stein mauer herangekommen waren. »Er muß zwischen fünfzig und sechzig Jahre alt sein«, erwiderte Axton. »Es ist et wa dreißig Jahre her, daß er die KAYMU URTES gewonnen hat.« Trelgron, Berantog und Honkryx waren aufgerückt. »Kelly und ich zuerst«, entschied Axton. »Sie bleiben als Rückendeckung hier, bis wir die Tür geöffnet haben.« Der Roboter glitt lautlos über die Mauer hinweg und schoß mit scharfer Beschleuni gung auf den Eingang zu. Axton preßte sich an den Stahlkörper. Er spähte nach oben, weil er befürchtete, dort könne sich irgend ein Schott öffnen, und von dort könne ein Angriff erfolgen. Doch alles blieb ruhig. Kelly erreichte die Tür und richtete sich auf. Mit Hilfe seiner Spezialinstrumente unter suchte er den Verschlußmechanismus. »Kein Problem«, sagte er dann. Axton gab den Arkoniden ein Zeichen. Sie spran gen über die Mauer und rannten geduckt zu ihm herüber. Als sie ihn erreicht hatten, öff nete der Roboter das Türschott. Es glitt leise quietschend zur Seite. Kelly schnellte sich nach vorn in den dahinterliegenden Gang
38 hinein. Er prallte mit einem Wachroboter zusammen und schleuderte diesen bis an ei ne Wand zurück. Der Aufprall kam so über raschend und war so heftig, daß Axton auf schreiend vom Rücken des Roboters herab stürzte und auf den Boden fiel. Aufblickend bemerkte er, daß der Wachroboter einen Waffenarm auf Gentleman Kelly richtete. Er kam jedoch nicht mehr zum Schuß, weil Kelly ihm mit einem Energiestrahler den ovalen Kopf zertrümmerte. Der Wachrobo ter kippte um und knallte scheppernd auf den Boden. »Au«, sagte Gentleman Kelly. Lebo Axton richtete sich auf. »Du spinnst wohl?« fragte er. »Seit wann verspürt ein Roboter Schmerzen?« »Körperliche Schmerzen kenne ich selbst verständlich nicht«, antwortete Gentleman Kelly würdevoll. Er hob seine rechte Hand. Am Handgelenk; hatte sich der Abstrahlpro jektor für den Energiestrahler befunden. Die Hand war völlig deformiert. »Die Hand ist unbeweglich geworden, und das muß selbst verständlich psychische Folgen für mich ha ben.« »Kümmern Sie sich nicht um ihn«, bat Axton. Er blickte die Arkoniden an, die rat los und verwirrt aussahen. »Ich hatte schon lange den Verdacht, daß seine Hauptpositro nik nicht mehr ganz in Ordnung ist.« Er griff nach der Hand Kellys und unter suchte sie flüchtig. »Wenn du die Querversteifung heraus ziehst, kannst du die Hand wieder bewe gen.« »Das würde bedeuten, daß sie locker sitzt. Ich könnte sie jederzeit verlieren.« »Tu, was du willst, mir ist es egal.« Axton wandte sich ab und ging zu einer weiteren Tür. Kelly zog die Querversteifung aus dem Metallhandgelenk und warf sie weg. Er konnte die Hand wieder bewegen. Schnell schloß er zu Axton auf, der die Tür bereits geöffnet hatte. Die Arkoniden sicherten ihn ab, als er die positronische Überwachungszentrale der Station betrat. Sie war unbesetzt.
H. G. Francis »Außer dem einen Wachroboter scheint es hier keine Sicherungen mehr zu geben«, sagte Axton. »Ich schlage vor, daß ich hier bleibe und von hier aus versuche, Informa tionen einzuziehen, während Sie und Kelly die Station untersuchen. Es muß hier noch zahlreiche Räume geben. In jedem von ih nen könnte der Gesuchte gefangenengehal ten werden.« »Wollen Sie uns nicht endlich sagen, wer der Mann ist, den wir herausholen sollen?« fragte Trelgron. »Wenn Sie ihn sehen, werden Sie sofort begreifen, weshalb ich es Ihnen nicht gesagt habe«, antwortete Axton und begann mit ei ner intensiven Untersuchung der technischen Einrichtungen. Damit gab er eindeutig zu verstehen, daß das Thema für ihn abge schlossen war. Die Arkoniden blickten sich kurz an und akzeptierten seine Haltung. Le diglich Avrael Arrkonta schien nicht mit Axton einverstanden zu sein. Er zögerte lan ge, bevor er sich den anderen anschloß und den Raum verließ. Der Terraner stellte schon bald fest, daß er keine sensationellen Entdeckungen ma chen würde. Die Station war das, wofür sie gedacht war, und sie enthielt auch nur die dazu notwendigen Apparaturen. Wenn je mand etwas finden würde, dann konnten es nur die Arkoniden sein. Als er bis zu diesem Gedanken gekom men war, hörte er, wie sich hinter ihm die Tür öffnete. Er drehte sich um und setzte be reits zum Reden an, weil er Avrael Arrkonta erwartete. Doch die Worte blieben ihm buchstäblich im Halse stecken. In der Tür stand ein untersetzter Arkoni de, der ihn drohend anblickte. Er hatte ein abstoßendes Äußeres und wirkte auf den er sten Blick unsympathisch. Häßliche Narben verunzierten das Gesicht. Der Mann zielte mit einem Energiestrahler auf den Terraner. Axton hob langsam die Hände. Er wußte, daß die kleinste unbedachte Bewegung töd lich sein konnte. Jetzt kam es nur darauf an, Zeit zu gewinnen. »Sie sind Kar Obon«, sagte der Kosmo
Doppelgänger des Mächtigen kriminalist. »Ich hoffe, Sie wissen, daß ich das Recht habe, Sie zu erschießen, weil Sie hier einge brochen sind«, erwiderte Obon mit einem zynischen Lächeln. »Auf eine solche Gele genheit habe ich gewartet.« »Und Sie haben sich vorher soviel Mühe gemacht, mich auf andere Weise auszuschal ten«, sagte Axton spöttisch. »Wieviel einfa cher wäre es doch gewesen, wenn Sie nur gewartet hätten.« Kar Obon hob den Energiestrahler und zielte damit auf den Kopf des Terraners. Verzweifelt suchte Axton nach einem Aus weg. Er verstand nicht, warum weder Kelly noch einer der anderen Arkoniden sich se hen ließ. Hatte Obon sie bereits ausgeschal tet? »Es hilft Ihnen nichts, wenn Sie mich tö ten«, sagte Axton. »Das Komplott ist aufge deckt. Der Orbanaschol-Doppelgänger ist zu dieser Zeit bereits erledigt. Sie können Ihren Kopf nur noch dadurch retten, daß Sie sich für den echten Imperator einsetzen.« Der Finger senkte sich auf den Auslöser des Energiestrahlers. Axtons Augen weite ten sich. Er erkannte, daß er nicht mehr die Spur einer Chance hatte. War sein ArkonAbenteuer nun zu Ende? Plötzlich sah er, daß Gentleman Kelly hinter Kar Obon auftauchte, doch der Robo ter stand so ungünstig, daß er nicht schießen konnte, ohne Obon und ihn gleichzeitig zu treffen. Axton warf sich zur Seite, als er bemerk te, daß der Arkonide abdrücken wollte. Der Energiestrahl zuckte zentimeternah an ihm vorbei. Er spürte die ungeheure Hitzeaus strahlung und schrie vor Schmerz auf. Im Fallen sah er, wie Gentleman Kelly seinen Arm hob und kraftvoll nach vorn schwang. Die stählerne Hand löste sich von seinem Handgelenk und wirbelte durch die Luft. Kar Obon merkte buchstäblich erst im letzten Moment etwas. Er schnellte sich zur Seite, konnte aber dem Wurfgeschoß nicht mehr ganz ausweichen. Die Hand flog mit einem dumpfen Dröhnen gegen seine rechte
39 Schulter. Axton hörte, daß ein Knochen brach. Dann fuhr Obon herum. Er schwankte und schien sich kaum noch auf den Beinen halten zu können. Die Waffe entfiel seiner Hand. Axton sprang auf, rutschte jedoch aus und fiel wieder hin. Kar Obon machte einige Schritte auf Gentleman Kelly zu, begann plötzlich zu rennen, duckte sich und warf sich gegen den Roboter. Axton hörte den Arkoniden brüllen, dann vernahm er hastige Schritte. Irgendwo bewegte sich eine Tür, und dann trat Kelly auf ihn zu. Der Terraner blickte ihn an wie eine Er scheinung. »Du?« fragte er fassungslos. Das Blut schoß ihm ins Gesicht. »Was machst du hier?« schrie er. »Deine verdammte Pflicht ist es, Kar Obon zu ver folgen und zu fangen. Was fällt dir ein, es nicht zu tun?« »Ich war in Sorge um dich, Liebling.« »Du bist wahnsinnig. Du hast den letzten Rest deines Verstandes verloren.« Die Stim me des Terraners überschlug sich nahezu. »Der Mann darf uns nicht entkommen. Er weiß als einziger, wo Orbanaschol ist.« »Du wärest beinahe getroffen worden. Du hast dich verbrannt, mein Schatz.« Axton fuhr sich mit zitternder Hand über den Kopf. Die Reste von verbrannten Haa ren blieben an seiner Hand kleben. »Ob ich da oben ein paar Haare mehr oder weniger habe, spielt keine Rolle«, sagte er und winkte den Roboter zu sich heran. Er sah ein, daß Kelly ein gutes Motiv hatte, Obon laufenzulassen. Es war richtig gewe sen, daß er sich zuerst um ihn, Axton, ge kümmert hatte. Sein Zorn verrauchte schnell, doch brachte er es nicht fertig, Kelly ein Lob auszusprechen. »Wo sind die anderen?« fragte er. Kelly deutete mit seinem Armstumpf über die Schulter zurück. »Sie kommen gerade.« Avrael Arrkonta erschien als erster auf dem Gang. Aufgeregt fragte er, was gesche hen sei. Axton erläuterte es ihm, während er
40 auf den Rücken Kellys kletterte und diesen zur Verfolgung antrieb. »Ich bin überzeugt davon, daß Kar Obon uns direkt zu dem Mann führen wird, den wir suchen. Wir müssen uns nur beeilen, da mit wir ihn nicht aus den Augen verlieren«, rief Axton. »Ich nehme an, daß Sie nichts gefunden haben, was wichtig für uns wäre?« »Nichts«, bestätigte Arrkonta. Sie verlie ßen die Station. Während die Arkoniden zum Gleiter stürmten befahl Axton dem Ro boter, steil aufzusteigen. Kelly gehorchte. Er raste fast senkrecht in die Höhe, und schon nach wenigen Sekunden entdeckte Axton einen Gleiter, der sich mit hoher Geschwin digkeit entfernte. »Kannst du erkennen, ob Kar Obon darin sitzt?« fragte er. »Ich kann es erkennen«, erwiderte Kelly. »Satan!« brüllte der Verwachsene. »Ich will eine klare Antwort. Ist Obon in dem Gleiter oder nicht.« »Er ist darin.« »Warum hast du das nicht gleich gesagt?« »Weil du dich nach dem Leistungsvermö gen meines optischen Systems erkundigt hast, nicht aber nach dem Insassen des Glei ters.« Axton atmete einige Male tief durch. »Wenn wir jetzt nicht in einer Höhe von etwa dreihundert Metern wären«, sagte er, »dann würde ich dich glatt abschießen.« Er gab Avrael Arrkonta mit dem Arm ein Zeichen, als er sah, daß der Freund mit dem Gleiter startete. Dann erteilte er Kelly den Befehl, Kar Obon zu verfolgen. Der Roboter ließ sich abfallen, bis er nur noch wenige Meter über die Hindernisse hinwegglitt, die die Landschaft bot. Manch mal raste er zwischen mehreren Felsbrocken hindurch oder streifte die Wipfel der Bäume. Auf diese Weise wurde es für Kar Obon ex trem schwer, wenn nicht gar unmöglich, festzustellen, ob er verfolgt wurde. Avrael Arrkonta paßte sich der Taktik Kellys an, schloß aber nicht so dicht zu dem Verfolgten auf wie dieser, da er nicht in der Lage war, unter diesen Umständen so schnell zu flie-
H. G. Francis gen. Bald war das Ziel für Axton klar. Kar Obon flüchtete zu einer Radarstation, von der aus das gesamte Arkon-System über wacht werden konnte. Die Station war voll robotisch wie die meisten dieser Art. Wur den verdächtige Objekte erfaßt, erfolgte eine Meldung an die Zentrale, und diese beob achtete die betreffenden Objekte dann wei ter, so daß man sich an der entscheidenden Schaltstelle auf wenige Objekte konzentrie ren konnte. Als die Radarstation in Sicht kam, verlor Axton Kar Obon vorübergehend aus den Augen. Er entdeckte ihn erst wieder, als der Arkonide mit seinem Gleiter unmittelbar vor dem Hauptschott der Station gelandet war. »Los, Kelly. Wir dürfen ihm keinen Vor sprung lassen«, schrie Axton. Er war noch etwa zweihundert Meter von dem ehemali gen KAYMUURTES-Sieger entfernt. Der Roboter beschleunigte und raste mit Höchst geschwindigkeit auf Kar Obon zu. Dieser blickte sich um und entdeckte die Verfolger. Axton sah, daß er instinktiv zu seinem Gür tel griff, doch dort steckte kein Energiestrah ler mehr. Obon fuhr herum und hämmerte die Faust gegen den Öffnungsmechanismus der Tür, die sich nun quälend langsam öffnete. Der Arkonide wartete nicht ab, bis sie ganz offen war, sondern schob sich durch den Spalt, als dieser breit genug für ihn war. Dann setzte bereits eine Gegenbewegung ein. Als Axton und Kelly die Tür erreicht hatten, schnappte sie klickend ins Schloß. Der Terraner preßte seine Hand gegen die elektronische Öff nungsscheibe, erzielte jedoch keinerlei Re aktion. »Obon hat den Motor zerstört«, teilte Kel ly mit. »Ich kann den Wärmeherd orten. Hier.« Er zeigte mit seinem Armstumpf auf die Wand. »Aufstemmen«, befahl Axton. Er sprang vom Rücken des Roboters herab. Avrael Arrkonta landete mit seinem Gleiter wenige Meter von ihm entfernt. Er stieg aus und zog
Doppelgänger des Mächtigen seinen Energiestrahler. »Ich könnte die Waffe nehmen«, schlug er vor, als Kelly bereits zum Angriff aushol te. Axton entschied sich blitzschnell für ihn. »Schießen Sie«, rief er. Der Arkonide lös te seine Waffe aus. Axton wandte sich ab und hielt den Arm schützend vor die Augen. Krachend platzte die Tür auseinander. Im gleichen Moment zuckte ein Energiestrahl aus dem Innern der Station hervor. Er traf Peget Berantog, der ungedeckt neben dem Gleiter stand. Sterbend brach der Arkonide zusammen. Gentleman Kelly beantwortete das Ener giefeuer. Er schoß mit seinem unbeschädig ten Energiestrahler, der in das linke Handge lenk integriert war. Eine dumpfe Explosion erschütterte den Unterbau der Radarstation. Trümmerstücke wirbelten durch die offene Tür heraus. Der Torso eines Kampfroboters kroch Bruchteile von Sekunden darauf aus Qualm und Feuer heraus. »Los doch, Kelly! Worauf wartest du noch?«, schrie Axton, der hinter dem Gleiter in Deckung gegangen war. Gentleman Kelly ließ sich nach vorn fal len. Gleichzeitig schaltete er sein Antigrav triebwerk an. Waagerecht raste er auf die Tür zu und stieß hinein, wobei er die ange winkelten Arme schützend vor den Kopf hielt. Axton vernahm ein donnerndes Bersten und Krachen. »Hinterher«, befahl er. Keuchend und wild nach Atem ringend, rannte er auf die Tür zu. Avrael Arrkonta und Senkt Honkryx waren wesentlich schneller als er. Sie über holten ihn, sprangen über den kriechenden Torso hinweg, der keine Gefahr mehr für sie darstellte, und verschwanden in der Radar station. Der Terraner erreichte den Eingang erst, als sich drinnen kein Widerstand mehr zeig te. Gentleman Kelly erhob sich aus Staub, Schmutz und Asche. Zu seinen Füßen lag ein zertrümmerter Kampfroboter. Glutflüssi ger Kunststoff rann die Wände herunter. Er wurde von der Löschanlage, die weißen
41 Schaum versprühte, gebremst. Die Luft war schier unerträglich heiß. »Wo ist Kar Obon?« fragte Axton keu chend. »Er muß im Antigravschacht nach oben geflüchtet sein«, erwiderte Gentleman Kelly. »Ich habe etwas nach oben steigen gesehen. Es kann nur Obon gewesen sein.« Axton eilte zum Antigravschacht. »Obon ist in einer verdammt guten Positi on«, stellte er unzufrieden fest. »Er kann von oben her alles abschießen, was ihm in die Quere kommt.« »Wir müssen uns beeilen«, sagte Ermed Trelgron. »Der Kerl könnte den Gefangenen umbringen.« »Das wird er nicht tun«, erwiderte Axton. »Der Gefangene bietet ihm die letzte Mög lichkeit, sich zu retten. Mit ihm kann er uns erpressen.« Er streckte die Hand aus. »Geben Sie mir Ihren Energiestrahler«, bat er Trelgron. »Sie haben selbst eine Waffe«, stellte der ehemalige Kommandant von Karaltron fest. Er runzelte die Stirn und blickte Axton kopf schüttelnd an. »Ich würde meinen Strahler gern behalten.« Der Terraner zog seine Waffe aus dem Gürtel. »Diese hier ist kleiner und weniger beein druckend, aber wenn Sie darauf bestehen, Ihre Waffe zu behalten, werde ich es hiermit versuchen.« Ohne ein weiteres Wort stieg er in den nach oben gepolten Antigravschacht. Avrael Arrkonta sprang blitzschnell zu ihm hin und versuchte, ihn zurückzuhalten, doch er griff am Bein Axtons vorbei. »Schnell. Ihm nach«, rief der Industrielle, doch bevor er dem Terraner folgen konnte, war Gentleman Kelly bereits im Antigrav schacht. Doch auch er wäre zu spät gekom men, wenn Kar Obon geschossen hätte. Der ehemalige KAYMUURTES-Sieger hatte sich eine Waffe besorgt. Er stand hin ter Orbanaschol III. und preßte ihm den Ab strahlprojektor in den Nacken, als Lebo Ax ton das nächste Stockwerk erreichte.
42
H. G. Francis
7. Der Kosmokriminalist stieg aus dem An tigravfeld und blieb stehen. Orbanaschol blickte ihn mit geweiteten Augen an. Der feiste Imperator zitterte am ganzen Körper. Sein schweißüberströmtes Gesicht war wachsbleich. »Ich halte keine Waffe in den Händen«, erklärte Axton und zeigte Kar Obon die lee ren Handflächen. Er trat einen Schritt vor, um Gentleman Kelly Platz zu machen. »Bleiben Sie, wo Sie sind«, rief Kar Obon mit sich überschlagender Stimme. Die roten Augen des Offiziers waren tränenfeucht vor Erregung. »Wenn Sie nicht tun, was ich sa ge, stirbt der Imperator.« »Das wäre auch Ihr Tod«, antwortete Ax ton ruhig. »Das weiß ich, aber das spielt dann keine Rolle mehr. Sie wären schuld am Tod Orba naschols, und das würden Sie ebenfalls nicht überleben.« Ermed Trelgron, Avrael Arrkonta und Senkt Honkryx kamen aus dem Antigrav schacht. »Werfen Sie Ihre Waffen in das Antigrav feld. Schnell«, befahl Kar Obon. »Tun Sie, was ich sage. Ich habe keine Wahl mehr. Entweder Sie gehorchen, oder wir sterben alle gemeinsam.« Sein Gesicht verzerrte sich vor Angst und Zorn. Lebo Axton erkannte, daß dieser Mann kurz vor dem totalen Zusammenbruch stand. Er hatte Schmerzen, und er war der psychischen Belastung nicht mehr lange ge wachsen. »Bleiben Sie ruhig«, bat Axton. »Wir le gen unsere Waffen ab. Das Leben des Impe rators bedeutet uns alles.« Vorsichtig zog er seinen kleinen Energie strahler aus dem Gürtel und warf ihn in das Antigravfeld, das nach unten gepolt war. Die Waffe verschwand. Axton beobachtete Trel gron und Honkryx. Die beiden Männer wa ren vollkommen verwirrt. Ihnen war anzuse hen, daß sie mit allem gerechnet hatten, nur
nicht damit, den Imperator hier anzutreffen. Ermed Trelgron blickte Axton mit einem Ausdruck an, der ihn erschreckte. Offenbar glaubte der ehemalige Kommandant von Karaltron sich verraten. Der Terraner signalisierte ihm mit den Augen, daß er ruhig bleiben sollte, doch er spürte, daß Trelgron einfach nicht begriff. Ähnlich sah es mit Senkt Honkryx aus, und es schien, als sei es ein Fehler gewesen, die se Männer nicht früher einzuweihen. Nun standen sie vor vollendeten Tatsa chen. Sie hatten sich den Weg bis zu dem Gefangenen freigekämpft und erfaßten erst jetzt, daß sie ihr Leben für ihren ärgsten Feind aufs Spiel gesetzt hatten. »Ich werde Ihnen alles erklären. Es ist al les in Ordnung. Verlassen Sie sich darauf«, flüsterte er. »Seien Sie still«, brüllte Kar Obon. »Oder ich schieße.« Auch Arrkonta, Trelgron und Honkryx legten ihre Waffen ab und warfen sie in den Antigravschacht. Nun war nur noch Kelly mit einem Energiestrahler ausgerüstet. »Der Roboter soll verschwinden«, forder te Obon. »Er bleibt«, antwortete Axton. »Ohne ihn kann ich mich nicht bewegen. Sie sehen doch, daß ich ein Krüppel bin.« Kar Obon überlegte und kam dann offen bar zu dem Schluß, daß der Roboter nicht schaden konnte. »Er soll seinen Waffenarm ablegen und in den Schacht werfen.« »Du hast es gehört, Kelly«, sagte Axton. »Tu, was man von dir verlangt.« Er blickte den Roboter an und wußte, daß dieser jeden Laut von ihm aufnehmen, ja, ihm jedes Wort von den Lippen ablesen würde. »Gift!« teilte er ihm lautlos mit. Gentleman Kelly schraubte seinen Waf fenarm ab. »Nach oben oder nach unten?« fragte er mit schriller Stimme. »Nach unten«, erwiderte Kar Obon. Er glaubte, daß seine Gegner nun völlig unbe
Doppelgänger des Mächtigen waffnet seien. »Sie werden hierbleiben«, erklärte er, »während Orbanaschol und ich die Station verlassen.« »Einverstanden«, erwiderte Axton. »Ich bestehe jedoch darauf, daß Sie den Impera tor so behutsam wie möglich behandeln. Wenn Sie ihm auch nur ein Haar krümmen, werden Sie dafür teuer bezahlen.« »Das ist eine Forderung, die ich mit be sonderem Vergnügen erfüllen werde«, sagte Kar Obon höhnisch. »Sie haben recht, es wäre schade, von diesen jämmerlich weni gen Haaren eines zu krümmen. Darüber hin aus werde ich ausgesprochen nett zu Orba naschol sein.« Er krümmte das rechte Bein und stieß dem Imperator das Knie mit voller Wucht ins Hinterteil. Orbanaschol breitete krei schend die Arme aus und stürzte der Länge nach Axton vor die Füße. »Kelly«, rief der Verwachsene. Im Rumpf des Roboters öffnete sich ein kaum sichtbarer Spalt. Ein nadelfeiner Kri stallsplitter jagte mit hoher Geschwindigkeit heraus und bohrte sich Kar Obon in die Wange. Der Offizier zielte mit dem Energie strahler auf Axton. Er griff sich an den Kopf, als er den Einstich spürte. »Wenn Sie einen Trick versuchen, bringe ich Sie um«, sagte er drohend. »Erlauben Sie mir, dem Imperator auf die Beine zu helfen«, entgegnete Axton höflich. Er beugte sich zu Orbanaschol herab, streck te ihm die Hände entgegen und stützte ihn, als er aufstand. Der Imperator stöhnte und keuchte. Kurzatmig wandte er sich an Kar Obon und wollte etwas sagen, doch der ehe malige KAYMUURTES-Sieger stand wie zur Statue erstarrt da. Der Energiestrahler entfiel seiner erschlaffenden Hand, und dann kippte er langsam nach vorn. Er fiel auf das Gesicht. Ein Schauer überlief seinen Körper. Dann lag er still. »Was ist mit ihm?« fragte Orbanaschol mit kneifender Fistelstimme, in dem sich al ler Schrecken spiegelte, den er in den ver gangenen Tagen erlitten hatte.
43 »Er ist tot«, antwortete Axton. »Mein Ro boter hat ihm ein schnell wirkendes Gift ver abreicht.« »Davon habe ich nichts bemerkt.« »Kar Obon auch nicht. Eben das ist unser Erfolgsgeheimnis«, erklärte der Terraner lä chelnd. »Imperator, Sie sind frei und können in den Kristallpalast zurückkehren.« »Das ist nicht wahr«, rief Ermed Trelgron empört. Er trat drohend auf Axton zu. »Mit einer Einschränkung«, sagte der Kosmokriminalist rasch. »Das ist richtig.« »Wovon sprechen Sie?« fragte Orbana schol befremdet. »Ich darf wohl von der Voraussetzung ausgehen, daß Sie Ihren Doppelgänger gese hen haben, als Sie entführt wurden«, erklärte Axton. »Allerdings.« »Dann wissen Sie, daß im Kristallpalast nun ein Mann die Rolle des Imperators spielt, der Ihnen so ähnlich ist, daß selbst Ih re Frauen und Ihre engsten Freunde keinen Unterschied feststellen können«, fuhr Axton fort. »Das ist das Problem. Wenn Sie jetzt sofort zurückkehren, werden Sie beweisen müssen, daß Sie wirklich der echte Orbana schol sind und Anspruch auf die Macht ha ben.« »Das ist doch … das ist doch …«, sagte der Imperator stammelnd. Er ließ sich in einen Sessel sinken. Es war bezeichnend für ihn, daß er den toten Kar Obon überhaupt nicht mehr beachtete. Für ihn war er nicht mehr vorhanden. Orbanaschol hatte begrif fen, daß er die gefährlichste Krise seiner Existenz zu bewältigen hatte. »Und niemand hat bemerkt, was gesche hen ist«, sagte Orbanaschol nach einer Wei le. Er blickte Axton anerkennend an. »Nur Sie, Axton! Nur Sie haben Ihre Augen of fengehalten.« Er musterte nacheinander Avrael Arrkon ta, Ermed Trelgron und Senkt Honkryx. »Wer sind diese Männer?« fragte er. »Freunde«, behauptete Axton. »Männer, die ihr Leben für Sie riskiert haben, ohne überhaupt nachzudenken.«
44
H. G. Francis
»Das ist …«, begann Ermed Trelgron er was, hatten jedoch noch immer nicht akzep regt, doch der Terraner ließ ihn nicht aus tiert, was Axton getan hatte. sprechen. »Wie wären Sie denn an meiner Stelle »Das ist die einfache Wahrheit. Es gibt vorgegangen?« fragte der Kosmokriminalist. »Wären Sie an Frantomor, den Geheim Männer in Ihrer Nähe, Imperator, die nur an das Wohl des arkonidischen Imperiums den dienstchef, herangetreten? Hätten Sie ihn um Hilfe gebeten? Er hätte Sie für verrückt er ken, und die wissen, daß Sie der Repräsen tant unserer Zukunftschancen sind.« klärt. Wäre er aber mitgekommen und hätte er Orbanaschol befreit, dann hätte er die Orbanaschol schluckte mehrmals. »Ich muß nachdenken«, sagte er dann ganze Dankbarkeit des Imperators für sich mühsam. beansprucht.« »Wir lassen Sie allein. Nur Arrkonta wird »Ich verstehe, daß der Doppelgänger un zu Ihrer Sicherheit bei Ihnen bleiben, wenn schädlich gemacht werden muß«, erwiderte Sie einverstanden sind.« Trelgron nachdenklich. »Mir wird jedoch »Ich werde Sie nicht stören«, versprach schlecht bei dem Gedanken, daß ich den echten Orbanaschol gerettet habe.« der Industrielle. Axton drängte Trelgron und Honkryx »Mit ihm geht es zu Ende«, sagte Axton. zum Antigravschacht. Sie leisteten keinen »Er verliert immer mehr an Ansehen in der Widerstand, doch kaum war er mit ihnen in Öffentlichkeit. Wir haben unsere Positionen einem Raum im unteren Geschoß allein, als inzwischen gut ausgebaut. Wir sind bereit, sie wütend über ihn herfielen. bald zuzuschlagen. Wir würden aber alles »Was fällt Ihnen ein, uns in dieser infa aufs Spiel setzen, wenn wir zu früh handel men Weise zu betrügen«, brüllte Ermed ten. Damit würden wir der Clique, die zu Trelgron. »Sie wissen genau, daß ich nie sammen mit Orbanaschol III. die Macht in mals auch nur einen Finger gerührt hätte, nehat, Gelegenheit geben, sich neu zu for mieren. Dazu aber darf es nicht kommen. wenn ich gewußt hätte, wer der Gefangene ist.« Vertrauen Sie mir. Ich kämpfe für Atlan und »Eben«, erwiderte Axton lächelnd. das Imperium. Der Kristallprinz wird in na »Sie wußten also genau, was Sie taten«, her Zukunft auf Arkon erscheinen, und das stellte Senkt Honkryx verächtlich fest. »Sie wird unsere Stunde sein.« wußten, wie wir reagieren würden, und des »Woher wissen Sie, daß Atlan kommt?« halb haben Sie dieses schmutzige Spiel in fragte Trelgron. szeniert. Es hat einem Atlan-Kämpfer das Axton lächelte geheimnisvoll. Leben gekostet. Peget Berantog hat sein Le »Ich weiß es«, beteuerte er. ben für einen Schuft wie Orbanaschol geop fert.« * »Das ist nicht richtig. Es geht einzig und »Das ist purer Wahnsinn«, sagte Avrael allein um die Zukunft des Imperiums«, ent Arrkonta. »Warum wollen Sie Orbanaschol gegnete Axton. »Ich würde Orbanaschol auf in den Kristallpalast bringen und dieses Risi der Stelle erschießen, wenn ich wüßte, daß ko eingehen?« damit etwas gewonnen wäre. Vorläufig aber »Weil ich ihm diese letzte Demütigung sitzt ein Doppelgänger Orbanaschols an der nicht ersparen will«, antwortete Lebo Axton Macht und führt das Imperium dem Ab lächelnd. Er stand in den Haltebügeln auf grund entgegen. Ich brauche den echten Or dem Rücken Kellys und blickte auf den banaschol, um dieses Monstrum erledigen Freund hinab, der neben ihm stand. Senkt zu können, ohne mich selbst und die Orga Honkryx und Ermed Trelgron führten Orba nisation Gonozal VII. dabei zu vernichten.« naschol in die Wohnung Axtons, von wo aus Die beiden Arkoniden beruhigten sich et-
Doppelgänger des Mächtigen der Vorstoß in den Kristallpalast vorgenom men werden sollte. Es war dunkel. Bis zum Morgengrauen würden noch einige Stunden vergehen. Die Zeit war daher für Orbana schol III. ungünstig. Ihm blieb nichts ande res übrig, als zu warten. Gerade das aber be hagte ihm überhaupt nicht. Wenn es nach ihm gegangen wäre, dann wäre er in den Kristallpalast gestürmt und hätte dort aufge räumt – so jedenfalls hatte er sich Axton ge genüber ausgedrückt. »Nach meinen Informationen hält der Or banaschol-Doppelgänger am Vormittag eine Konferenz ab. Daran nehmen die Minister teil. Außerdem werden Frantomor, einige der besten Freunde Orbanaschols, die füh renden Militärs und einige Presseleute an wesend sein. Es geht darum, wie Orbana schol sein ramponiertes Ansehen in der Öf fentlichkeit verbessern kann«, erläuterte Ax ton. »Selbstverständlich hat der Doppelgän ger gar nicht die Absicht, sich aufzuwerten. Im Gegenteil. In einem raffiniert angelegten Psychospiel wird er versuchen, die Führung des Imperiums bloßzustellen und zu ent machten. Er will das innen- und außenpoliti sche Chaos, um den Untergang des Imperi ums zu ermöglichen. Das habe ich auch dem echten Orbanaschol erklärt. Er hat begriffen, und er spielt mit.« »Hoffentlich geht das gut, Lebo«, sagte Arrkonta. »Ein einziger Fehler kann alles verderben.« »Mir wird kein Fehler unterlaufen.« »Ihnen nicht, aber Orbanaschol viel leicht.« »Seien Sie nicht so pessimistisch«, bat Axton. Er trieb Kelly weiter bis in die Woh nung, in der Orbanaschol III. wie ein gefan genes Tier auf und ablief.
* Orbanaschol III. war bleich. Schweißper len standen auf seiner Stirn, und sein fast lippenloser Mund zitterte. Lebo AxtonKennon beobachtete ihn ständig. Ebenso Avrael Arrkonta und Ermed Trelgron, die
45 bis zum Morgengrauen in der Wohnung ge blieben waren. »Es ist soweit«, sagte der Verwachsene und winkte Kelly herbei. »Wir werden jetzt zum Kristallpalast fliegen.« Er konnte Arrkonta und Trelgron ansehen, daß diese ihn mittlerweile verstanden und sich seiner Meinung angeschlossen hatten. Dies war die vielleicht schwerste Stunde für den Mörder Gonozals VII. Orbanaschol war sich während der Nacht bewußt geworden, was für ihn auf dem Spiel stand. Wenn es ihm nicht gelang, seine Identität zu bewei sen, stand er vor dem Nichts. Axton kletterte auf den Rücken des Robo ters und verließ wortlos die Wohnung. Orba naschol III. schloß sich ihm an. Der Impera tor bemühte sich, selbstbewußt zu erschei nen. Es gelang ihm nicht besonders gut. Ax ton wußte jedoch, daß sich die Haltung des Arkoniden bald ändern würde. Er dirigierte Orbanaschol auf den Rück sitz des Gleiters. Arrkonta und Trelgron ver abschiedeten sich, indem sie sich respektvoll verneigten. Ihnen war nicht anzusehen, was sie empfanden. Axton übernahm das Steuer des Gleiters. Er beschleunigte scharf und flog auf der höchsten Leitlinie, um anderen Maschinen möglichst auszuweichen. Der Tag war hell, und der Himmel wolkenlos. Als der Gleiter in einer Parknische des Kristallpalastes landete, stieß Orbanaschol die Tür auf. Schnell stieg er aus. »Bitte«, rief Axton. »Zerstören Sie nichts. Wir müssen ungesehen bis in Ihren Wohnund Arbeitsbereich kommen.« Orbanaschol preßte die Lippen zusam men. Er nickte. Axton wußte, daß er am lie bsten bis ins Zentrum des Palasts gestürmt wäre, um seinen Doppelgänger hinwegzufe gen, denn er hatte offenbar noch immer nicht akzeptiert, daß der Duplo-Orbanaschol von ihm nicht zu unterscheiden war. Er fühl te sich als absoluter Herrscher über den Kri stallpalast, über Arkon und über das Imperi um und konnte sich nur schwer vorstellen, daß irgend jemand ihn nicht als solchen an
46 erkennen könnte. Und dennoch war eine ge wisse Unsicherheit da. »Können Sie sich nicht ein bißchen schneller bewegen?« fuhr er den Verwach senen an, als dieser auf den Rücken kletter te. »Ich gebe mir Mühe«, erwiderte Axton gelassen. Er lenkte den Roboter bis zu einer Tür und ließ ihn sie öffnen. Dahinter lag ein Gang, der um den Wohnbereich des Dienst personals herumführte. Dieses war zur Zeit nicht hier, weil es den Imperator und seine Mitarbeiter zu versorgen hatte. Dadurch bot sich Axton eine Chance, Orbanaschol unbe merkt in den Palast zu schleusen. Gentleman Kelly eilte den Gang entlang. Axton hörte den Imperator hinter sich keu chen. Das Tempo strengte ihn an, aber er gab nicht nach. Erst als sie einen nach oben gepolten Antigravschacht erreicht hatten, hielten sie an. »Unglaublich«, sagte Orbanaschol, »daß jemand wirklich ungesehen in den Palast kommen kann. Warum haben Sie nicht längst dafür gesorgt, daß so etwas unmög lich ist?« »Ich habe dafür gesorgt, daß nur heute so etwas möglich ist«, erwiderte Axton lä chelnd. Orbanaschol schien gar nicht auf den Gedanken zu kommen, daß der Kosmo kriminalist die Unwahrheit gesagt haben könnte. Sein Gesicht glättete sich. Er nickte Axton anerkennend zu. »Wir müssen vorsichtig sein«, sagte der Terraner leise. »Ich gehe zuerst nach oben. Folgen Sie mir erst, wenn ich Ihnen ein Zei chen gebe.« Kelly trug Axton in den Schacht und schwebte mit ihm nach oben. Als sie vier Stockwerke überwunden hatten, gab Axton Orbanaschol zu verstehen, daß keine Ent deckungsgefahr bestand. Der Arkonide folg te. »Da drüben geht es durch die Bibliothe ken zu den Konferenzräumen«, erklärte Ax ton. »Ich weiß«, entgegnete Orbanaschol grimmig. »Ich bin hier zu Hause.«
H. G. Francis »In der Bibliothek arbeiten zwei Beamte. Ich habe sie eben gesehen. Bitte, warten Sie hier, bis ich sie weggeschickt habe.« Orbanaschol bebte vor Ungeduld. Die Un sicherheit fiel von ihm ab. Er wurde wieder zu der dynamischen und ungemein gefährli chen Persönlichkeit, die alle seine Gegner das Fürchten gelehrt hatte. »Was spielt das für eine Rolle, ob die bei den mich sehen?« fragte er ärgerlich. »Warum ein Risiko eingehen? Das haben wir nicht nötig. Wir brauchen den totalen Überraschungseffekt, und den erreichen wir nur auf meine Weise.« »Also gut«, stimmte Orbanaschol zu. »Beeilen Sie sich.« »Das werde ich.« Axton lenkte Kelly in die Bibliothek. Die beiden Beamten blickten überrascht auf, als sie ihn hereinkommen sahen, da er aus einer Richtung kam, die dem Dienstpersonal vor behalten war. »Ich muß Sie bitten, die Bibliothek für ei nige Minuten zu verlassen«, sagte Axton. »Bitte, stellen Sie keine Fragen. Dies ist eine Anweisung, die von höchster Stelle kommt.« Die beiden Arkoniden blickten auf die große Tür, die zum anliegenden Konferenz raum führte. Damit zeigten sie Axton unbe wußt an, daß die von ihm zitierte »höchste Stelle« sich dort aufhielt. Sie zögerten. Der Terraner blickte auf sein Chronome ter. »Dies ist ein dienstlicher Befehl«, sagte er schneidend scharf. »Wenn Sie nicht augen blicklich gehen, werden Sie die Konsequen zen zu tragen haben.« Sie beugten sich seiner Autorität und eil ten davon. Axton kehrte zu der Tür zurück, durch die er hereingekommen war. Orbana schol stand ungeduldig davor. »Kommen Sie«, rief Axton. Während der Arkonide vor Zorn förmlich bebte, war er völlig ruhig. Er stieg vom Rücken Kellys. »Ein letzter Test ist noch notwendig«, be merkte er. »Wir müssen wissen, ob Ihr Dop pelgänger auch wirklich nebenan ist. Der
Doppelgänger des Mächtigen Roboter wird das feststellen.« Er gab Kelly einen Wink, und der Robot schwebte zur Haupttür hinüber. Orbanaschol stürmte so schnell hinter ihm her, daß der Terraner ihm kaum folgen konnte. Unmittel bar bevor der Imperator die Tür erreicht hat te, drehte Kelly sich um. »Er ist da«, teilte er mit. »Er spricht gera de.« »Das trifft sich gut«, sagte Orbanaschol wütend. Sein Gesicht verfärbte sich. Er preßte seine Hand gegen den Öffnungskon takt der Tür und stürzte sich mit geballten Fäusten in den Konferenzraum. Er kam zwei Schritte weit. Dann blieb er wie angewurzelt stehen. Der Orbanaschol-Doppelgänger stand ihm gegenüber. Zwischen ihnen befand sich an langer Tisch, an dem hohe Militärs und Staatsbeamte Platz genommen hatten. Die meisten von ihnen sprangen auf und blickten bestürzt und verwirrt von einem Orbana schol zum anderen. »Verhaftet ihn«, brüllte der echte Impera tor. Er wollte noch mehr sagen, aber die Stimme versagte ihm. Axton sah, daß er bleich geworden war. Es schien, als seien die Wangen plötzlich eingefallen. Orbanaschol stand unter einem Schock. Erst in diesen Sekunden war ihm voll be wußt geworden, daß es keine Unterschiede zwischen ihm und dem Doppelgänger gab. Er verlor die Fassung. Alles, was Axton ihm vorher geraten hatte, war vergessen. Er riß seinen Energiestrahler aus dem Gürtel und richtete ihn auf den Doppelgän ger. Axton sprang hinzu und schlug die Waffe zur Seite. »Sie wagen es …?« rief Orbanaschol keu chend und schleuderte den Terraner zur Sei te. »Nicht schießen, Imperator! Tun Sie es nicht!« Axton stürzte zu Boden. In diesem Moment verlor der Doppelgän ger die Nerven. Er fuhr herum und flüchtete aus dem Raum.
47 »Begreifen Sie denn nicht?« schrie der echte Orbanaschol die Militärs und Beamten an. »Das ist ein Verräter!« Er stürmte hinter dem Flüchtenden her. Lebo Axton kletterte auf den Rücken Kellys und trieb diesen an. Der Roboter flog im ho hen Bogen über die Arkoniden im Raum hinweg und erreichte noch vor Orbanaschol den Ausgang, durch den der Doppelgänger geflüchtet war. Der Nebenraum war leer. Die Tür zum nächsten Raum stand offen. »Er will durch den Transmitter fliehen«, rief Axton. »Schnell, Imperator!« Der feiste Orbanaschol raste wie ein an greifender Stier los und stürmte noch vor Axton in den Transmitterraum. Beide sahen, daß der Doppelgänger in den aktivierten Transmitter sprang und im Transportfeld verschwand. Orbanaschol schrie zornig auf. Er fuhr herum und zerrte Lebo Axton vom Rücken Kellys herunter. In diesen Se kunden entwickelte er unglaubliche Kräfte. »Du erbärmlicher Verräter«, sagte er keu chend. »Du hast ihn entkommen lassen.« Seine Hände legten sich um den Hals des Kosmokriminalisten und drückten gnadenlos zu. Axton quollen die Augen aus den Höh len. Vergeblich zerrte er an den würgenden Fingern des Imperators. Er versuchte, etwas zu sagen, doch er schaffte es nicht. Seine Kräfte ließen ungemein schnell nach. Die Hände fielen schlaff nach unten. Sein Wi derstand brach zusammen. Er sah über sich das von Haß und Enttäu schung verzerrte Gesicht des Imperators. Es verschwamm vor seinen Augen. Dann verlor er das Bewußtsein.
* »Axton! So wachen Sie doch auf«, rief ei ne heisere Fistelstimme. Sie drang von fern an das Bewußtsein des Terraners. Sinclair Marout Kennon-Axton hatte das Gefühl zu schweben. Eine Hand berührte ihn.
48 War er in die Traummaschine Ischtars zu rückgekehrt? War sein Abenteuer in AltArkon zu Ende? Jemand träufelte ihm eiskaltes Wasser auf Stirn und Wangen. Er schlug die Augen auf und blickte di rekt in das Gesicht Orbanaschols. »Bei allen Göttern, er lebt!« sagte der Im perator erleichtert. Er lachte und packte Ax ton bei den Schultern. Er schüttelte ihn. »Sie leben, Axton! Sie ahnen ja nicht, in welcher Sorge ich um Sie war, mein Freund.« Der Terraner griff sich an den Hals und würgte. Mühsam richtete er sich auf und sah sich um. Die Arkoniden standen dichtge drängt um ihn herum. »Sie nennen mich Freund? Eben noch wollten Sie mich umbringen.« »Es tut mir leid, Axton. Glauben Sie mir. Da wußte ich ja noch nicht, daß der Trans mitter auf keine Gegenstation justiert war.« Axton stand auf. Dankbar nahm er ein Glas Wein entgegen und trank es aus. »Mein Doppelgänger hat Selbstmord be gangen«, erklärte Orbanaschol. »Das war die einzige Möglichkeit«, erwi derte der Kosmokriminalist. »Ich war fest davon überzeugt, daß er das tun würde. Es kam darauf an, ihn zu überrumpeln. Das ist uns gelungen. Er sah mich an Ihrer Seite, und er mußte zu dem Schluß kommen, daß sein Spiel verloren war. In dieser Situation hätten Sie gekämpft. Er konnte es nicht mehr. Er wußte, daß er der Schwächere war. Damit war seine Aufgabe erfüllt. Er vollzog den letzten Befehl, den er erhalten hatte. Er beging Selbstmord.« »Warum haben Sie mich daran gehindert, ihn zu erschießen?« fragte Orbanaschol und legte Axton sofort beschwichtigend die Hand auf den Arm. »Verstehen Sie mich nicht falsch, ich will Ihnen nichts vorwerfen. Ich möchte nur wissen, warum.« »Wenn Sie ihn getötet hätten, dann hätten Sie Ihren Mitarbeitern und Freunden bewei sen müssen, daß Sie der echte Orbanaschol sind. Das haben Sie nun nicht mehr nötig. Ihr Doppelgänger hat allzu deutlich gezeigt,
H. G. Francis daß er hier nichts zu suchen hatte.« »Sie haben recht«, erwiderte Orbanaschol anerkennend. »Das war genial, Axton.« Er blickte sich im Kreise um. Einige sei ner Mitarbeiter und Freunde wichen seinem forschenden Blick aus. Das war die letzte Bestätigung für ihn. Orbanaschol begriff endgültig, wie schwer er es gehabt hätte, sei ne Identität zu beweisen, wenn der Doppel gänger ihm harten Widerstand entgegenge setzt hätte. »Mitarbeiter! Freunde!« rief er zornig. »Seit Jahren arbeite ich mit Ihnen eng zu sammen. Fäst täglich sehen wir uns. Sie kennen meine Entscheidungen und meine politischen Ziele. Sie kennen meine militäri schen Überlegungen. Und doch lassen Sie sich von einem Doppelgänger täuschen und sich Befehle aufzwingen, die das Imperium in seinen Grundfesten erschüttern können. Hinaus mit Ihnen. Ich will Sie nicht mehr sehen.« Einer der Dreifachen Sonnenträger ver suchte, etwas zu sagen, doch Orbanaschol III. schrie ihn nieder. Er warf alle Arkoniden aus dem Raum und duldete nur noch Lebo Axton in seiner Nähe. Der Terraner hatte Mühe, seinen Triumph zu verbergen. Der Usurpator akzeptierte ihn, seinen ärg sten Feind, als seinen Freund. Und er begriff nicht, warum es sein Doppelgänger so leicht gehabt hatte, verhängnisvolle Befehle durch zusetzen. Er erkannte nicht, daß er selbst oft genug gegen die Interessen des Imperiums gehandelt und nur an seine eigene Macht ge dacht hatte. Ihm wurde nicht bewußt, daß er viele Befehle mit brutaler Gewalt durchge setzt und durch Terror den Widerstand sei ner Mitarbeiter gebrochen hatte. Niemand hatte es gewagt, sich gegen den Doppelgän ger zu behaupten, weil alle gewußt hatten, daß ihre Karriere oder gar ihr Leben auf dem Spiel stand, wenn sie allzu hartnäckig gegen ihn opponierten. »Kommen Sie, Axton«, rief Orbanaschol. Er schüttelte allen Ärger von sich ab und legte dem Verwachsenen freundschaftlich
Doppelgänger des Mächtigen die Hand auf die Schulter. »Kommen Sie. Das muß gefeiert werden.« Er führte den Kosmokriminalisten in sei ne Privaträume und befahl seiner Diener schaft, Speisen und Getränke zu servieren. Dann rief er einige seiner Freunde an, denen er nach wie vor vertraute. »Wer sind die Drahtzieher?« fragte er, während die Diener Getränke brachten. »Das habe ich noch nicht herausgefun den«, antwortete Axton, »aber ich bin si cher, daß ich das bald wissen werde.« »Das glaube ich auch«, sagte der Impera tor. Axton hatte unglaublich an Boden gewon nen. Er war der einzige, der überhaupt be merkt hatte, daß Orbanaschol gegen einen Doppelgänger ausgetauscht worden war, und der Imperator wußte, was das bedeutete. »Warten Sie nur, bis Frantomor kommt«, sagte er. »Ich werde meinen Hohn über ihn ausschütten.« Er prostete Axton zu. »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie es nicht tun würden«, entgegnete der Kosmo kriminalist. »Frantomor ist ein aufrechter Mann, der sicherlich alles getan hätte, Sie zu retten. Ihm ist lediglich vorzuwerfen, daß er nicht scharf genug beobachtet hat.« »Wie wahr«, rief Orbanaschol. Er beugte sich vor. »Ich möchte Sie belohnen, Axton. Ich werde Ihnen einen wertvollen Planeten schenken. Er soll Ihnen ganz allein gehö ren.« »Ich danke Ihnen, Imperator.« Die Tür öffnete sich. Einige Freunde Or banaschols kamen herein. Durch sie wurde der Imperator abgelenkt. Axton war froh, daß er für einen kurzen Moment Zeit für sich und seine Gedanken hatte. Ihm war das angekündigte Geschenk hochwillkommen, und er überlegte bereits, was sich auf einem eigenen Planeten alles an Geheimstationen, Produktionsstätten und Laboratorien einrichten ließ. Der Planet konnte zum Ausgangspunkt für einen Brückenschlag Atlans nach Arkon werden. Er konnte die Basis einer neuen Macht wer
49 den.
* »Wünschen der Herr Planetenfürst noch geduscht zu werden, oder möchte er gleich ins Bett?« fragte Gentleman Kelly, als der Gleiter in der Parknische von Axtons Woh nung landete. »Planetenfürst! Kelly, benimm dich. Ich habe keine Lust, so etwas zu hören.« »Liebling, deine Stimme klingt so an ders.« »Das liegt am Alkohol, Blechkamerad.« Lebo Axton stieg ächzend aus dem Glei ter. Er blickte zu dem Roboter auf, der ihn weit überragte. »Weißt du was, Kelly? Wenn ich den Pla neten erst habe, werde ich dir einen riesigen Schrottplatz einrichten, auf dem du dich nach Herzenslust austoben kannst.« »Herzenslust? Was ist das? Hat das etwas mit meiner Atombatterie zu tun?« »Ich hätte Lust, dir einmal kräftig gegen die Beine zu treten«, erwiderte Axton. »Ich tu's nur nicht, weil ich den kürzeren dabei ziehen würde. Los, ab in die Wohnung.« Gentleman Kelly öffnete die Tür. Axton trat ein und blieb überrascht stehen. In den Sesseln im Wohnsalon saßen Avrael Arr konta und sein Sohn Arron. Sie erhoben sich lächelnd. Der Terraner eilte auf Arron Arrkonta zu und ergriff seine Hand. »Sie glauben gar nicht, wie ich mich freue, Arron«, sagte er. »Ich bin schlagartig nüchtern geworden.« »Halb besoffen ist 'rausgeworfenes Geld«, bemerkte Gentleman Kelly. Axton fuhr herum. »Sei still, du Ungeheuer«, rief er. »Das geht dich gar nichts an. Außerdem habe ich nicht bezahlt.« »Das ist dann ja noch schlimmer«, ent gegnete der Roboter. Avrael Arrkonta lachte. »Ich muß Kelly ausnahmsweise recht ge ben, Lebo«, sagte er. »Daher schlage ich
50
H. G. Francis
vor, daß Sie uns einen Schluck kredenzen.« »Das lasse ich mir nicht nehmen, Avrael. Die Rückkehr Ihres Sohnes muß gefeiert werden.« ENDE
Lesen Sie nächste Woche ATLAN Nr. 271:
Das Seuchenkommando
von Peter Terrid
Alarm für Pejolc – die großen Spiele sind gefährdet