Skript zur Algebra I + II Prof. Dr. F. Heß Technische Universit¨ at Berlin
II
Inhaltsverzeichnis Vereinbarungen
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Skript zur Algebra I + II Prof. Dr. F. Heß Technische Universit¨ at Berlin
II
Inhaltsverzeichnis Vereinbarungen
VII
1 Gruppen
1
2 Ringe I 2.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Einheiten, Nullteiler, nilpotente Elemente . 2.3 Schiefk¨orper, K¨orper, einfache Ringe . . . 2.4 Charakteristik und Primk¨orper . . . . . . 2.5 Noethersche Ringe . . . . . . . . . . . . . 2.6 Maximale Ideale . . . . . . . . . . . . . . . 2.7 Integrit¨atsringe und Primideale . . . . . . 2.8 Teilbarkeit in Ringen . . . . . . . . . . . . 2.9 Lokale Ringe und Lokalisierung . . . . . . 3 Polynomringe 3.1 Univariate Polynomringe . . . . 3.2 Polynomringe u ¨ber K¨orpern . . 3.3 Nullstellen von Polynomen . . . 3.4 Basissatz von Hilbert . . . . . . 3.5 Satz von Gauß . . . . . . . . . 3.6 Irreduzibilit¨at von Polynomen . 3.7 Multivariate Polynomringe . . . 3.8 Monoidringe, Potenzreihen- und 3.9 Symmetrische Polynome . . . .
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51 51 55 57 61
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4 Moduln I 4.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Matrizen u ¨ber Ringen . . . . . . . . . . . . . 4.3 Noethersche und Artinsche Moduln . . . . . . 4.4 Moduln und Matrizen u ¨ber Hauptidealringen . III
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INHALTSVERZEICHNIS
IV
5 Algebraische K¨ orpererweiterungen 71 5.1 Endliche, algebraische und transzendente K¨orpererweiterungen . . 71 5.2 Zerf¨allungsk¨orper und algebraischer Abschluß . . . . . . . . . . . 80 5.3 Homomorphismen und ihre Fortsetzungen . . . . . . . . . . . . . 84 5.4 Normale Erweiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 5.5 Separable Erweiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 5.6 Rein inseparable Erweiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 5.7 Weitere Eigenschaften von normalen, separablen und rein inseparablen Erweiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 5.8 Endliche K¨orper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 5.9 Kreisteilungsk¨orper . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 5.10 Charakteristisches Polynom, Spur und Norm . . . . . . . . . . . . 105 6 Galoistheorie 111 6.1 Galoiserweiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 6.2 Beziehungen zwischen Galoiserweiterungen . . . . . . . . . . . . . 115 6.3 Galoisgruppen spezieller K¨orpererweiterungen . . . . . . . . . . . 119 6.4 Permutationsdarstellungen und Galoisgruppen von Polynomen . . 121 6.5 Symmetrische Polynome und das Umkehrproblem der Galoistheorie 125 6.6 Lineare Unabh¨angigkeit von Charakteren . . . . . . . . . . . . . . 128 6.7 Normalbasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 6.8 Kummertheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 6.9 Aufl¨osbarkeit durch Radikale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 7 Anwendungen in der Kryptographie 7.1 Zielsetzung der Kryptographie . . . . 7.2 Fachliche Unterteilung . . . . . . . . 7.3 Asymmetrische Kryptoverfahren . . . 7.4 Das diskrete Logarithmus Problem . 7.5 DLP basierte Kryptoverfahren . . . . 7.6 XTR Kryptosystem . . . . . . . . . . 8 Transzendente K¨ orpererweiterungen 8.1 Transzendenzbasen . . . . . . . . . . 8.2 Separable Erweiterungen . . . . . . . 8.3 Regul¨are Erweiterungen . . . . . . . 8.4 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . .
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145 145 146 146 147 149 150
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153 153 156 158 159
INHALTSVERZEICHNIS
V
9 Moduln II 161 9.1 Tensorprodukte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 9.2 Induzierte und koinduzierte Moduln . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 9.3 Lokalisierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 9.4 Flache Moduln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 9.5 Freie Moduln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 9.6 Projektive Moduln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 9.7 Satz von Cayley-Hamilton und Lemma von Nakayama . . . . . . 179 9.8 Beziehungen zwischen den Moduleigenschaften und lokal-global Aussagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 10 Ringe II 10.1 Tensorprodukt von Algebren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2 Gebrochene und invertierbare Ideale, Primidealfaktorisierung 10.3 Lokale Charakterisierungen invertierbarer Ideale . . . . . . . 10.4 Ganze Ringerweiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5 Globale Charakterisierung von Dedekindringen . . . . . . . . 10.6 Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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187 187 188 191 197 200 203
11 Kategorien 11.1 Allgemeine Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.2 Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3 Funktorkategorien und Lemma von Yoneda . . . . . . . 11.4 Limites und Kolimites . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.5 Universelle Konstruktionen und adjungierte Funktoren 11.6 Exaktheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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205 205 206 208 211 213 213
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VI
INHALTSVERZEICHNIS
Vereinbarungen Folgende allgemeine Festlegungen sollen gelten: Ein Ring R ist (wenn nicht anders vermerkt) kommutativ und hat ein Einselement 1R oder kurz 1. Jeder Homomorphismus φ : R → S der Ringe R und S erf¨ ullt φ(1R ) = 1S . Jeder Teilring eines Rings R enth¨alt 1R . Der Nullring ist R = {0}.
VII
Kapitel 1 Gruppen Noch einzugeben.
1
2
KAPITEL 1. GRUPPEN
Kapitel 2 Ringe I In diesem Kapitel wird die Ringtheorie behandelt. F¨ ur die grundlegenden Definitionen und Aussagen siehe Skript von Pohst.
2.1
Grundlagen
Noch einzugeben.
2.2
Einheiten, Nullteiler, nilpotente Elemente
2.1 Definition. Sei R ein Ring. 1. Sind a, b ∈ R mit a 6= 0, b 6= 0 und ab = 0, so heißen a (linker) und b (rechter) Nullteiler von R. 2. R heißt nullteilerfrei, wenn es keine Nullteiler von R gibt. 3. Ist a ∈ R und n ∈ Z≥0 mit an = 0, so heißt a nilpotent. 4. Sei R Ring mit 1. Ein Element a ∈ R heißt Einheit (invertierbar) in R, wenn es b ∈ R mit ab = ba = 1 gibt, und b heißt Inverses von a. 5. Die Menge der Einheiten von R wird mit U (R) oder R× bezeichnet ( U“ ” f¨ ur units“). ” ¨ Das Element b aus 4. ist nach den Uberlegungen zu Inversen in Halbgruppen −1 eindeutig bestimmt. Schreibweise: a = b. 2.2 Beispiel. R = Z/12Z ∼ = Z/4Z × Z/3Z. Es ist leichter, im direkten Produkt zu rechnen: (2, 0) ist nilpotent, denn (2, 0)2 = (0, 0). (1, 0) ist nicht nilpotent, aber 3
4
KAPITEL 2. RINGE I
ein Nullteiler, denn (1, 0)(0, 1) = (0, 0). (1, 2) ist eine Einheit (sogar Idempotent), denn (1, 2)(1, 2) = 1. Ebenso ist (3, 2) eine Einheit. Sei φ : Z/12Z → Z/4Z×Z/3Z der Isomorphismus aus dem chinesischen Restsatz. Was sind die Urbilder der obigen Elemente in Z/12Z? Orthogonale Idempotente in Z/4Z × Z/3Z sind (1, 0) und (0, 1), und in Z/12Z sind es e1 = −3 und e2 = 4. Damit φ(e1 ) = (1, 0) und φ(e2 ) = (0, 1). Weiter φ−1 ((2, 0)) = 2e1 + 0e2 = 6, 62 = 36 = 0 mod 12, φ−1 ((1, 2)) = e1 + 2e2 = 5, 52 = 25 = 1 mod 12. 2.3 Beispiel. R = Z. Es gibt keine nilpotenten Elemente außer 0. Es gibt keine Nullteiler. Die Einheiten sind 1, −1. 2.4 Beispiel. R = K n×n , n×n Matrizen u ur K = Q oder K = R etc. Dies ¨ber K f¨ ist mit Matrizenaddition und Matrizenmultiplikation ein Ring. Einselement ist die Einheitsmatrix. Obere Dreiecksmatrizen A ∈ K n×n mit 0 auf der Diagonalen sind nilpotent (das charakteristische Polynom einer solchen Matrix A ist xn , und nach dem Satz von Cayley-Hamilton gilt An = 0). Matrizen A ∈ K n×n mit det(A) 6= 0 sind Einheiten (invertierbar). Matrizen A ∈ K n×n mit det(A) 6= 0 sind Nullteiler (w¨ahle v ∈ K n , v 6= 0 mit Av = 0 und setze B = (v, . . . , v) ∈ K n×n . Dann gilt AB = 0). 2.5 Beispiel. Orthogonale Idempotente (n ≥ 2) sind Nullteiler. Wenn R ein Ring ist und wir von Einheiten oder R× sprechen, so nehmen wir an, daß R ein Einselement besitzt. 2.6 Satz. Sei R ein Ring. 1. (R× , ·) ist Gruppe und wird Einheitengruppe von R genannt. 2. Ist I Ideal von R und I ∩ R× 6= ∅, so folgt I = R. 3. Sei a ∈ R. Die Abbildungen R → R, x 7→ ax und R → R, x 7→ xa sind genau dann injektiv, wenn a kein Nullteiler ist. 4. Einheiten sind keine Nullteiler. Sind a, b ∈ R keine Nullteiler, so ist auch ab kein Nullteiler. 5. Nilpotente Elemente ungleich Null sind Nullteiler. F¨ ur R kommutativ heißt Rad(R) = {x ∈ R | x ist nilpotent } das (Nil-)Radikal von R und ist ein Ideal von R. 6. Es sei R isomorph zu einem direkten Produkt von Ringen Ri , also R ∼ = Q Q Q × × ∼ ∼ ur I endlich gilt Rad(R) = i∈I Rad(Ri ). i∈I Ri . Dann gilt R = i∈I Ri . F¨
¨ ¨ 2.3. SCHIEFKORPER, KORPER, EINFACHE RINGE
5
Beweis. Zu 1. F¨ ur R = 0 ist R× = {0} einelementige Gruppe. Ansonsten gilt 0 6∈ R× , und f¨ ur a, b ∈ R× ist ab ∈ R× , denn (b−1 a−1 )(ab) = (ab)(b−1 a−1 ) = 1. Daher ist R× eine Halbgruppe mit Einselemente und mit Inversen, also eine Gruppe. Zu 2. Sei a ∈ I ∩ R× . Dann gilt a−1 a = 1 ∈ I, also r = r · 1 ∈ I f¨ ur alle r ∈ R, daher I = R. Zu 3. Sind die Abbildungen injektiv, so gilt ax = 0 ⇒ x = 0 und xa = 0 ⇒ x = 0 f¨ ur beliebiges x ∈ R, also ist a kein Nullteiler. Ist umgekehrt a ∈ R kein Nullteiler, so gilt ax = ay ⇒ a(x − y) = 0 ⇒ x − y = 0 ⇒ x = y, f¨ ur beliebige x, y ∈ R. Analog f¨ ur xa = ya. Also sind die Abbildungen injektiv. Zu 4. Sei a ∈ R× . F¨ ur b ∈ R folgt aus ab = 0, daß a−1 (ab) = (a−1 a)b = 0 ist. Also ist a kein linker Nullteiler. Analog f¨ ur ba = 0 und a ist auch kein rechter Nullteiler. Sind a, b ∈ R beide keine Nullteiler, so sind die Abbildungen aus 1. und ihre Hintereinanderausf¨ uhrungen x 7→ (ab)x, x 7→ x(ab) injektiv. Folglich ist ab kein Nullteiler. Zu 5. Sei x ∈ Rad(R), x 6= 0. Sei n ∈ Z≥0 minimal mit xn = 0. Es gilt n ≥ 2. Dann folgt xn−1 x = xxn−1 = 0, also ist x linker und rechter Nullteiler. F¨ ur die Idealeigenschaft siehe Aufgabenblatt. Q Q Zu 6. Sei φ : R → Ri der Isomorphismus. Elemente in Ri sind genau dann Einheiten, wenn in jeder Koordinate eine Einheit steht. Daher φ(R× ) = Q Q Q Q ( Ri )× = Ri× . Weiter gilt Rad( Ri ) ⊆ Rad(Ri ) durch koordinatenweise Q Betrachtung. Sei x = (x1 , . . . , xn ) ∈ Rad(Ri ) mit n = #I, und seien ni ∈ Q ni ≥0 Z mit xi = 0 f¨ ur alle 1 ≤ i ≤ n. Setze m = ni . Dann gilt xm = 0, Q Q Q also x ∈ Rad( Ri ) und damit Rad( Ri ) = Rad(Ri ). Es folgt φ(Rad(R)) = Q Q Rad( Ri ) = Rad(Ri ). 2.7 Beispiel. Man kann sich die Aussagen des Satzes ganz gut an Z/12Z bzw. Z/4Z × Z/3Z klarmachen. Die Menge der Nullteiler ist im allgemeinen kein Ideal von R (siehe Zerlegung der Eins in orthogonale Idempotente).
2.8 Satz. Seien R, S Ringe mit Eins und φ : R → S ein Homomorphismus mit φ(1) = 1. F¨ ur x ∈ R× gilt dann φ(x) ∈ S × und φ(x−1 ) = φ(x)−1 . Beweis. Es gilt 1 = φ(1) = φ(xx−1 ) = φ(x)φ(x−1 ) und analog 1 = φ(x−1 )φ(x). Daher ist φ(x−1 ) Inverses von φ(x), also φ(x)−1 = φ(x−1 ) per Definition.
2.9 Beispiel. Die Aussage gilt nicht, wenn φ(1) 6= 1 ist. Man betrachte zum Beispiel den Endomorphismus R × R → R × R, (x, y) 7→ (x, 0).
2.3
Schiefk¨ orper, K¨ orper, einfache Ringe
2.10 Definition. Ein Ring mit 1 6= 0 heißt Schiefk¨orper, wenn R× = R\{0} gilt. Ist R kommutativ, so heißt R K¨orper.
6
KAPITEL 2. RINGE I
Sei R K¨orper, S Ring. Ist R Unterring von S, dann heißt R Teilk¨orper von S. Ist dazu S ein K¨orper, so heißt S Ober- oder Erweiterungsk¨orper von R. Es gelten analoge Bezeichnungen f¨ ur Schiefk¨orper. Homomorphismen von Schiefk¨orpern und K¨orpern sind Homomorphismen der zugrundeliegenden Ringe. 2.11 Beispiel. Sei K=
u v −¯ v u¯
| u, v ∈ C ,
wobei u¯, v¯ die konjugiertkomplexen Zahlen von u, v bezeichnen. Nachrechnen zeigt, daß K unter Addition, Negierung und Multiplikation abgeschlossen ist. Außerdem enth¨alt K die Einheitsmatrix. Daher ist K ein Ring mit Eins. Dar¨ uberhinaus gilt u v det = |u|2 + |v|2 , −¯ v u¯ damit ist jede von Null verschiedene Matrix invertierbar, und die Inversen haben die Form −1 u v u¯ −v 2 2 −1 = |u| + |v| , −¯ v u¯ v¯ u
liegen also wieder in K. Damit ist K also ein Schiefk¨orper. Da K die Erzeuger der Gruppe Q8 enth¨alt, diese waren 0 1 0 i und , −1 0 −i 0 ist K nicht kommutativ und heißt Quaternionenschiefk¨orper. 2.12 Beispiel. Sei p eine Primzahl und Fp = Z/pZ Faktorring. F¨ ur a ∈ Z mit a 6≡ 0 mod p gibt es λ, µ ∈ Z mit 1 = λa + µp, also 1 ≡ λa mod p. Also ist λ + pZ das Inverse von a + pZ in Fp und Fp ist ein K¨orper mit p Elementen. 2.13 Beispiel. Ist n ∈ Z≥0 keine Primzahl, so ist Z/nZ auch kein K¨orper. F¨ ur ∼ ur n 6= 0 enth¨alt Z/nZ Nullteiler. Sei n = 0 ist dies wegen Z/nZ = Z klar. F¨ ≥1 n = n1 n2 mit ni ∈ Z . Dann folgt (n1 + nZ)(n2 + nZ) = n + nZ = 0 + nZ, aber ni + nZ 6= 0 + nZ, also sind die ni + nZ Nullteiler in Z/nZ. 2.14 Definition. Sei R ein Ring. Besitzt R nur {0} und R als Ideale, so heißt R einfach. 2.15 Satz. Sei R ein Ring. 1. Ist R einfach und φ : R → S ein Ringhomomorphismus, so ist φ entweder konstant gleich 0 oder injektiv.
¨ 2.4. CHARAKTERISTIK UND PRIMKORPER
7
2. Schiefk¨orper sind einfache Ringe. 3. Sind R, S Schiefk¨orper und φ : R → S ein nicht konstanter Homomorphismus, so gilt φ(1) = 1 und φ(x−1 ) = φ(x)−1 f¨ ur alle x ∈ R. 4. Teilschiefk¨orper und Erweiterungsschiefk¨orper besitzen das gleiche Einselement. 5. Ist R 6= 0, kommutativ und einfach und besitzt R ein Einselement, so ist R ein K¨orper. 6. Ist R 6= 0, endlich und nullteilerfrei, so ist R ein K¨orper. Beweis. Zu 1. Klar, da ker(φ) = {0} oder ker(φ) = R gelten muß. Zu 2. F¨ ur jedes Ideal I 6= 0 gilt I ∩ R× 6= ∅, also I = R. Zu 3. Nach 1. ist φ injektiv und liefert daher einen Gruppenmonomorphismus × R → S × . Daher φ(1) = 1 und dann φ(x−1 ) = φ(x)−1 wie bei Ringen. Zu 4. Folgt aus 3. f¨ ur den Inklusionsmonomorphismus. Zu 5. Sei x ∈ R, x 6= 0. Dann ist Rx ein Ideal von R, da R kommutativ ist, und es gilt Rx 6= {0}, da R ein Einselement besitzt und somit x ∈ Rx gilt. Es folgt Rx = R, da R einfach ist. Daher gilt 1 ∈ Rx, es gibt also y ∈ R mit 1 = yx, also x ∈ R× . Es folgt, daß R\{0} = R× gilt. Zu 6. Die Menge R\{0} ist eine Halbgruppe, da R nullteilerfrei ist. Sei a ∈ R\{0}. Die Abbildung x 7→ ax ist injektiv. Da R endlich ist, ist sie auch surjektiv. F¨ ur jedes b ∈ R\{0} gibt es also x ∈ R\{0} mit ax = b. Eine Halbgruppe, in der diese Bedingung erf¨ ullt ist, ist eine Gruppe (siehe Satz u ¨ber Gruppen am Anfang des Semesters). Damit ist R Schiefk¨orper. Der Rest des Beweises ist ziemlich schwer und lang (siehe Meyberg 2). 2.16 Bemerkung. Aussage 5 kann ebenfalls dazu verwendet werden, zu zeigen, daß Z/pZ f¨ ur eine Primzahl p ein K¨orper ist. 2.17 Bemerkung. Ist R 6= 0 und einfach, so folgt nicht, daß R Schiefk¨orper ist. Als Beispiel betrachtet man R = K n×n f¨ ur einen K¨orper K. Ist M ∈ R und P M 6= 0, so ist es nicht schwer zu sehen, daß es Ai , Bi ∈ R mit i Ai M Bi = 1 gibt. Folglich enth¨alt jedes Ideal ungleich 0 eine Einheit und ist gleich R. Daher ist R einfach. F¨ ur n ≥ 2 enth¨alt R aber auch nicht invertierbare Matrizen und ist daher kein Schiefk¨orper (Details siehe Meyberg 1, Seite 120).
2.4
Charakteristik und Primk¨ orper
Ist R ein Ring mit 1, so gibt es genau einen Homomorphismus φ : Z → R mit φ(1) = 1R . F¨ ur n ∈ Z ist n¨amlich φ(n) = φ(n · 1) = n · 1R , wobei n · 1 = 1 + · · · + 1
8
KAPITEL 2. RINGE I
und n · 1R = 1R + · · · + 1R mit jeweils n Einsen. Dann gibt es ein eindeutig bestimmtes c ∈ Z≥0 , so daß ker(φ) = cZ, und wir erhalten eine Einbettung von Z/cZ in R. 2.18 Definition. Wir definieren die Charakteristik von R als char(R) = c. 2.19 Satz. Sei R ein Ring mit 1. 1. char(R) ist der kleinste Exponent von (R, +) in Z≥0 . 2. F¨ ur R nullteilerfrei und R 6= 0 ist char(R) = 0 oder char(R) eine Primzahl. P Beweis. Zu 1. Mit n = char(R) gilt n · 1 = ni=1 1 = 0. F¨ ur x ∈ R ergibt sich Pn Pn n · x = i=1 x = ( i=1 1)x = 0x = 0. Also hat jedes x eine Ordnung kleiner gleich n und 1 hat Ordnung genau n. Zu 2. Sei n = char(R). F¨ ur n 6= 0 gilt zun¨achst n ≥ 2 wegen R 6= 0. Weiter wird Z/nZ injektiv nach R durch φ eingebettet. Da R nullteilerfrei ist, gilt dies auch f¨ ur Z/nZ. Also muß n eine Primzahl sein. 2.20 Definition. Sei R ein Ring mit 1. Wir definieren den Primring von R als ∩{U | U Unterring von R mit 1 ∈ U }. Sei R ein Schiefk¨orper. Wir definieren den Primk¨orper von R als ∩{U | U Unterschiefk¨orper von R }. 2.21 Satz. Sei R Ring mit Eins und φ : Z → R wie oben. 1. φ(Z) ist gleich dem Primring von R. 2. Ist R nullteilerfrei und R 6= 0, so ist der Primring isomorph zu Z oder Z/pZ f¨ ur p eine Primzahl. 3. F¨ ur einen Schiefk¨orper R ist der Primk¨orper isomorph zu Q oder Z/pZ f¨ ur p eine Primzahl. Beweis. Zu 1. F¨ ur einen Unterring U von R mit 1 ∈ U folgt φ(Z) ⊆ U . Da φ(Z) ein Unterring mit 1 ∈ φ(Z) ist, folgt die Behauptung. Zu 2. Folgt aus 1., φ(Z) ∼ = Z/char(R)Z und weil char(R) = 0 oder eine Primzahl ist. Zu 3. Der Primk¨orper enth¨alt den Primring. Ist char(R) eine Primzahl, so ist der Primring bereits K¨orper und die Behauptung folgt. Ist char(R) = 0 und ist U ein Teilschiefk¨orper mit φ(Z) ⊆ U , so enth¨alt U einen zu Q isomorphen Teilk¨orper bestehend aus den Elementen {φ(x)/φ(y) | x, y ∈ Z, y 6= 0}, woraus sich der Rest der Behauptung ergibt.
9
2.5. NOETHERSCHE RINGE
2.22 Satz. Sei R ein kommutativer Ring der Charakteristik p, wobei p eine Primzahl ist. Dann gilt (x + y)p = xp + y p f¨ ur alle x, y ∈ R. Ferner definiert x 7→ xp einen Endomorphismus von R, welcher Frobeniusendomorphismus (zur Potenz p) genannt wird. Beweis. Die erste Aussage folgt durch Anwendung des binomischen Satzes und weil die binomischen Koeffizienten außer dem ersten und dem letzten alle durch p teilbar und daher hier Null sind. Die Teilbarkeit ergibt sich aus der Proposition zum ersten Satz von Sylow. Wegen (xy)p = xp y p handelt es sich bei x 7→ xp tats¨achlich um einen Endomorphismus. k
Iterieren liefert Frobeniusendomorphismen x 7→ xp zu Potenzen pk . Wir sprechen auch von Frobeniusautomorphismen, wenn die Frobeniusendomorphismen injektiv und surjektiv sind.
2.5
Noethersche Ringe
2.23 Definition. Ein Ring R, in dem jedes Ideal durch endlich viele Elemente erzeugt werden kann, heißt noethersch. 2.24 Satz. Sei R ein Ring. Dann sind ¨aquivalent: 1. R ist noethersch. 2. Jede aufsteigende Kette von Idealen I1 ⊆ I2 ⊆ . . . von R wird station¨ar, es gibt also n ∈ Z≥1 mit Im = In f¨ ur alle m ∈ Z≥n . 3. In jeder nichtleeren Menge M von Idealen gibt es ein maximales Element, es gibt also I ∈ M , so daß f¨ ur alle J ∈ M mit I ⊆ J bereits I = J folgt. Beweis. Siehe Skript von Pohst. 2.25 Beispiel. Der Ring Z ist noethersch, da jedes Ideal sogar von nur einem Element erzeugt werden kann. Einfache Ringe mit 1 sind noethersch. Q 2.26 Beispiel. Sei I = Z und R = i∈I Z. Dann ist R nicht noethersch. Die Mengen Ii = {f ∈ R | f (j) = 0 f¨ ur j 6∈ {1, . . . , i}} bilden eine echt aufsteigende Kette von Idealen von R, die nicht station¨ar wird. 2.27 Satz. Faktorringe noetherscher Ringe sind noethersch. Epimorphe Bilder noetherscher Ringe sind noethersch. Beweis. Siehe Meyberg 1 oder Skript von Pohst.
10
KAPITEL 2. RINGE I
2.28 Bemerkung. Unterringe noetherscher Ringe sind nicht unbedingt noethersch. Als Beispiel (Begriffe werden sp¨ater eingef¨ uhrt) kann man einen Polynomring R in unendlich vielen Variablen und dessen Quotientenk¨orper K betrachten. Dann ist K als K¨orper noethersch, aber R ist nicht noethersch.
2.6
Maximale Ideale
2.29 Definition. Sei R ein Ring. Ein Ideal m von R heißt maximales Ideal von R, wenn m 6= R ist und f¨ ur alle Ideale I von R mit m ⊆ I ⊆ R bereits I = m oder I = R gilt. 2.30 Satz. Sei R ein Ring und m ein Ideal von R. 1. Ist m maximales Ideal und I ein beliebiges Ideal von R mit I 6⊆ m, so gilt I + m = R. 2. m ist genau dann maximales Ideal von R, wenn R/m einfach ist. 3. Ist R kommutativ mit Einselement, so ist m genau dann maximal, wenn R/m ein K¨orper ist. Beweis. Leicht. 2.31 Beispiel. Die maximalen Ideale von Z sind genau die Ideale pZ, wo p eine Primzahl ist. 2.32 Definition. Sei M eine Menge und ≤ eine Relation auf M . Dann heißt ≤ eine Halbordnung auf M , wenn die Eigenschaften x ≤ x, (x ≤ y und y ≤ x) ⇒ x = y, (x ≤ y und y ≤ z) ⇒ x ≤ z f¨ ur alle x, y, z ∈ M gelten. Gilt dazu x ≤ y oder y ≤ x f¨ ur alle x, y ∈ M , so heißt ≤ eine Ordnung auf M . Sei ≤ eine Halbordnung auf M . F¨ ur jede Teilmenge X von M schr¨ankt sich ≤ zu einer Halbordnung auf X ein. Eine Kette von M ist eine Teilmenge X von M , auf der ≤ eine Ordnung definiert. Sei ≤ eine Halbordnung auf M und X ⊆ M . Ein Element m ∈ M mit m ≤ x ⇒ x = m f¨ ur alle x ∈ M heißt maximales Element von M . Ein Element s ∈ M mit x ≤ s f¨ ur alle x ∈ X heißt obere Schranke von X in M . Die Menge M heißt induktiv geordnet, wenn jede nicht leere Kette X von M eine obere Schranke in M besitzt.
2.6. MAXIMALE IDEALE
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2.33 Axiom (Lemma von Zorn). Sei M eine bez¨ uglich ≤ induktiv geordnete, nicht leere Menge. Dann gibt es ein maximales Element m von M . Beweis. Das Lemma von Zorn ist a¨quivalent zum Auswahlaxiom, welches von den u ¨blichen Axiomen der Mengenlehre unabh¨angig ist. Es handelt sich hierbei also eher um eine Annahme, die man treffen oder auch nicht treffen kann. F¨ ur gew¨ohnlich ist es praktisch, das Auswahlaxiom anzunehmen. 2.34 Satz. Sei R ein Ring mit Einselement und I ein Ideal von R mit I 6= R. Dann gibt es ein maximales Ideal m von R mit I ⊆ m. Beweis. Wir definieren M = {J | J Ideal von R mit J 6= R und I ⊆ J }. Die Inklusionsrelation ⊆ liefert eine Halbordnung auf M , wie man unmittelbar sieht. Wir behaupten, daß M sogar induktiv geordnet ist. Sei dazu X ⊆ M eine nicht leere Kette. Wir m¨ ussen zeigen, daß X eine obere Schranke in M besitzt, daß es also ein Ideal mX ∈ M mit J ⊆ mX f¨ ur alle J ∈ X gibt. Definiere mX := ∪J∈X J. ¨ Ahnlich wie bei aufsteigenden Vereinigungen von Gruppen oder Ringen sieht man leicht, daß es sich hierbei um ein Ideal von R handelt. Es bleibt mX 6= R zu zeigen, um mX ∈ M zu erhalten. Nun gilt aber 1 6∈ J f¨ ur alle J ∈ X, folglich 1 6∈ mX , also mX 6= R. Wegen I ∈ M ist M nicht leer. Nun wenden wir das Zornsche Lemma an und erhalten die Existenz eines Ideals m ∈ M , welches bez¨ uglich ⊆ in M maximal ist. Es gilt also m 6= R und m ( J ⇒ J = R f¨ ur jedes Ideal von R, und somit ist m ein maximales Ideal von R. Die Aussage des Satzes gilt entsprechend f¨ ur Links- und Rechtsideale. F¨ ur einen noetherschen Ring braucht man das Lemma von Zorn f¨ ur die Existenz maximaler Ideale gar nicht anzuwenden. Ausgehend von I = I1 ⊆ I2 ⊆ . . . kommt man nach endlich vielen Schritten bei einem maximalen Ideal m an. 2.35 Satz. Seien R, S Ringe und sei φ : R → S Epimorphismus. Ist m ein maximales Ideal von S, so ist φ−1 (m) ein maximales Ideal von R. Beweis. Wir bekommen durch φ einen Isomorphismus R/φ−1 (m) → S/m. Da R/φ−1 (m) mit S/m einfach ist, muß φ−1 (m) maximal sein. 2.36 Beispiel. Die Aussage gilt im allgemeinen nicht, wenn φ nur Homomorphimus ist. Betrachte R = Z, S = Q und φ der Inklusionshomomorphismus. W¨ahle m = {0}. Dann ist m maximales Ideal von Q, aber φ−1 (m) = {0} ist kein maximales Ideal von Z.
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KAPITEL 2. RINGE I
2.7
Integrit¨ atsringe und Primideale
2.37 Definition. Sei R ein kommutativer Ring. Ein Ideal p von R heißt Primideal, wenn p 6= R ist und f¨ ur alle a, b ∈ R aus ab ∈ p bereits a ∈ p oder b ∈ p folgt. Gilt R 6= 0 und ist R nullteilerfrei, so heißt R Integrit¨atsring. 2.38 Satz. Sei R ein kommutativer Ring und p ein Ideal von R mit p 6= R. Dann sind ¨aquivalent: 1. p ist Primideal, 2. Sind a, b Ideale von R, so folgt aus ab ⊆ p bereits a ⊆ p oder b ⊆ p. 3. R\p mit der Multiplikation aus R ist eine Halbgruppe, 4. R/p ist Integrit¨atsring, 5. p ist Kern eines Homomorphismus φ : R → S, wobei S ein Integrit¨atsring ist. Beweis. 1 ⇒ 2. Ist Aussage 2 falsch, so gibt es Elemente a ∈ a\p und b ∈ b\p mit ab ∈ p, was im Widerspruch zur Vorausetzung 1 steht. 2 ⇒ 1. Seien a, b ∈ R mit ab ∈ p. F¨ ur a = (a), b = (b) gilt ab ⊆ p, wegen a = Ra + Za, b = Ra + Zb und folglich ab = Rab + Zab = (ab). Also ergibt sich a ⊆ p oder b ⊆ p, und daraus a ∈ p oder b ∈ p. 1 ⇒ 3. Seien a, b ∈ R\p. Da p nach Annahme Primideal ist, muß ab 6∈ p gelten, denn sonst w¨are a ∈ p oder b ∈ p. 3 ⇒ 4. R/p ist genau dann nullteilerfrei, wenn Bedingung 3 gilt. 4 ⇒ 5. W¨ahle S = R/p und den Restklassenepimorphismus. Nach Voraussetzung p 6= R ist S 6= 0 und daher ein Integrit¨atsring. 5 ⇒ 1. Seien a, b ∈ R und ab ∈ p = ker(φ). Dann gilt φ(ab) = φ(a)φ(b) = 0. Da S nullteilerfrei ist, folgt φ(a) = 0 oder φ(b) = 0, also a ∈ p oder b ∈ p. Wegen p 6= R nach Voraussetzung ist p Primideal. 2.39 Beispiel. Die Primideale von Z sind genau die Ideale pZ, wo p eine Primzahl ist. 2.40 Beispiel. Sei R kommutativ mit R 6= 0. Das Ideal {0} ist genau dann Primideal, wenn R nullteilerfrei ist. Der Nullring R = 0 besitzt kein Primideal. 2.41 Satz. Sei R kommutativ mit 1. 1. Jedes maximale Ideal von R ist ein Primideal von R.
2.8. TEILBARKEIT IN RINGEN
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2. Zu jedem Ideal I von R mit I 6= R gibt es ein Primideal p von R mit I ⊆ p. Beweis. Zu 1. Sei m maximales Ideal von R. Dann gilt 1 6= 0 und R/m ist ein K¨orper. Da K¨orper auch Integrit¨atsringe sind, ist m ein Primideal. Zu 2. Wegen I 6= R gilt 1 6= 0. W¨ahle p als ein maximales Ideal m mit I ⊆ m, welches nach Satz 2.34 existiert. 2.42 Satz. Seien R, S kommutative Ringe und sei φ : R → S ein Homomorphismus mit (φ(R)) = S. Ist dann p ein Primideal von S, so ist φ−1 (p) ein Primideal von R. Beweis. Wir bekommen durch φ einen Monomorphismus R/φ−1 (p) → S/p. Der Ring R/φ−1 (p) ist mit S/p nullteilerfrei. Ferner gilt (φ(φ−1 (p))) = p und daher nach Annahme φ−1 (p) 6= R. Die Bedingung (φ(R)) = S ist beispielsweise erf¨ ullt, wenn R und S kommutative Ringe mit Einselement sind und φ(1) = 1 gilt. 2.43 Beispiel. Die Aussage gilt nicht, wenn die Voraussetzung (φ(R)) = S nicht gemacht wird. Zum Beispiel sei R = p Primideal von S und φ die Inklusionsabbildung. Dann ist R = φ−1 (π) kein Primideal. Speziell kann p selbst auch ein Einselement besitzen: Man w¨ahle zum Beispiel R = Q, S = Q × Q und φ die Einbettung von Q in die erste Koordinate von Q × Q. Das Ideal Q × {0} ist ein Primideal (sogar maximales Ideal) von Q × Q, aber φ−1 (Q × {0}) = Q ist kein Primideal von Q. Homomorphe Bilder von Primidealen sind im allgemeinen keine Primideale mehr.
2.8
Teilbarkeit in Ringen
Die gewohnte Teilbarkeitslehre von Z kann verallgemeinert werden. Man setzt u ¨blicherweise voraus, daß die zu betrachtenden Ringe kommutativ mit 1 6= 0 sind und keine Nullteiler besitzen. 2.44 Definition. Sei R ein Integrit¨atsring mit 1 und a, b ∈ R. Das Element a heißt Teiler von b, wenn es c ∈ R mit b = ca gibt. Entsprechend sagt man, daß a das Element b teilt, oder daß b ein Vielfaches von a ist, in Zeichen a | b. Das Element a heißt assoziiert zu b, wenn c ∈ R mit b = ca eine Einheit von R ist, wenn also ¨aquivalenterweise a | b und b | a gilt.
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KAPITEL 2. RINGE I
Ein Element c ∈ R heißt gr¨oßter gemeinsamer Teiler von a und b, wenn f¨ ur alle d ∈ R aus d | a und d | b bereits d | c folgt. Wir schreiben c = gcd(a, b), obwohl c nur bis auf Multiplikation mit Einheiten eindeutig bestimmt ist. Die Elemente a, b heißen teilerfremd, wenn gcd(a, b) eine Einheit von R ist. Ein Element c ∈ R heißt kleinstes gemeinsames Vielfaches von a und b, wenn f¨ ur alle d ∈ R aus a | d und b | d bereits c | d folgt. Wir schreiben d = lcm(a, b), obwohl c nur bis auf Multiplikation mit Einheiten eindeutig bestimmt ist. Ein Element p ∈ R\R× mit p 6= 0 heißt Primelement von R, wenn aus p | (ab) f¨ ur alle a, b ∈ R bereits p | a oder p | b folgt. Ein Element q ∈ R\R× mit q 6= 0 heißt irreduzibel, wenn aus q = ab f¨ ur alle × × a, b ∈ R bereits a ∈ R oder b ∈ R folgt. 2.45 Beispiel. Die Definition stimmt mit den bekannten Definitionen f¨ ur Z u ¨berein. Primelemente und irreduzible Elemente in Z stimmen u ¨berein. √ √ von R. Wegen 2.46 √Beispiel. √ Sei R = Z[ 2] = {a√+ b 2 | a, b ∈ Z} als Teilring k ur k ∈ Z≥0 eine (1 + 2)(1 − 2) = −1 ist ε = 1 + 2 eine Einheit in R. Da ε f¨ × streng monoton wachsende Folge √ in R definiert, gilt #R = ∞. Man kann zeigen, daß in Z[ 2] die Menge der Primelemente mit der Menge der irreduziblen Elemente u ¨bereinstimmt. √ √ 2.47 Beispiel. Sei R = Z[ −5] = {a + b −5 | a, b ∈ Z} als Teilring von C. Man√kann zeigen, R× = {−1, √ daß hier √ √1} gilt und beispielsweise 21 = 3 · 7 = (4+ −5)(4− −5) = (1+2 −5)(1−2 −5) eine Zerlegung von 21 in irreduzible, aber nicht prime Elemente ist. 2.48 Lemma. Sei R ein Integrit¨atsring mit 1. 1. 1 | a, a | 0 und a | a f¨ ur alle a ∈ R. 2. a | 1 genau dann, wenn a ∈ R× . 3. a | b f¨ ur alle a ∈ R× und b ∈ R. 4. F¨ ur a | b gilt auch ax | bx f¨ ur alle x ∈ R. P 5. F¨ ur a | xi gilt a | i ri xi f¨ ur alle ri , xi ∈ R.
6. Aus a | b und b | c folgt a |c f¨ ur alle a, b, c ∈ R. 7. a | b genau dann, wenn Ra ⊇ Rb f¨ ur alle a, b ∈ R. Beweis. Einfach und wird ausgelassen. 2.49 Satz. Sei R Integrit¨atsring mit 1 und a ∈ R\R× , a 6= 0. Dann gilt:
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2.8. TEILBARKEIT IN RINGEN
1. Das Element a ist genau dann Primelement von R, wenn Ra Primideal von R ist. 2. Das Element a ist genau dann irreduzibel, wenn Ra maximal in der Menge der von R verschiedenen Hauptideale ist. 3. Jedes Primelement ist irreduzibel. 4. Je zwei irreduzible Elemente sind entweder assoziiert oder teilerfremd. Beweis. Zu 1. Ergibt sich aus Ra · Rb = Rab und Lemma 2.48, Punkt 7. ¨ Zu 2. Die Aquivalenz der negierten Aussagen ergibt sich wie bei 1. Zu 3. Sei p ∈ R Primelement und p = ab mit a, b ∈ R. Wegen p | ab folgt p | a oder p | b. Gilt beispielsweise a = cp mit c ∈ R, so folgt p = ab = cpb, und daraus 1 = cb durch K¨ urzen von p (p 6= 0 und R nullteilerfrei), also b ∈ R× . Analog f¨ ur b = cp, und p ist also irreduzibel. Zu 4. Seien a, b ∈ R irreduzibel und sei c = gcd(a, b). Dann gibt es e, d ∈ R mit a = dc und b = ec. Da a irreduzibel ist, folgt c ∈ R× oder d ∈ R× . Im ersten Fall sind a, b teilerfremd. Im zweiten Fall gilt b = ed−1 a und wegen a 6∈ R× ergibt sich ed−1 ∈ R× , da b irreduzibel ist. Folglich sind a und b assoziiert. 2.50 Definition. Ein Integrit¨atsring R mit 1 heißt Hauptidealring, wenn jedes Ideal von R Hauptideal ist. 2.51 Beispiel. Der Ring Z ist Hauptidealring. K¨orper sind Hauptidealringe. 2.52 Satz. Sei R ein Hauptidealring. Dann gilt: 1. R ist noethersch. 2. Sind ai ∈ R und c ∈ R mit Rc =
P
i
Rai , so gilt c = gcd(a1 , . . . , an ).
3. Sind ai ∈ R und c ∈ R mit Rc = ∩i Rai , so gilt c = lcm(a1 , . . . , an ). P 4. Sind ai ∈ R, so gibt es λi ∈ R mit gcd(a1 , . . . , an ) = λi ai .
5. Ein Element a ∈ R ist genau dann irreduzibel, wenn a ein Primelemement von R ist. 6. Jedes a ∈ R, a 6= 0 l¨aßt sich als Produkt von Primelementen schreiben.
Beweis. Zu 1. Klar, da jedes Ideal nur einen Erzeuger ben¨otigt. Zu 2. Wegen ai ∈ Rc gilt c | ai f¨ ur alle i. Sei d ∈ R mit d | ai f¨ ur alle i. Dann P folgt Rd ⊇ i Rai = Rc, also d | c.
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KAPITEL 2. RINGE I
Zu 3. Es gilt c ∈ Rai , also ai | c f¨ ur alle i. Sei d ∈ R mit ai | d f¨ ur alle i. Dann gilt Rd ⊆ ∩i Rai = Rc, also c | d. P Zu 4. Folgt aus 2, da c ∈ i Rai . Zu 5. Sei a ∈ R\R× , a 6= 0 irreduzibel. Dann ist Ra 6= R und maximal in der Menge der Hauptideale. Da jedes Ideal Hauptideal ist, ist Ra also maximales Ideal von R, und somit Primideal. Zu 6. Sei a ∈ R, a 6= 0. Ist a ∈ R× , so w¨ahlen wir als Faktorisierung in Primelemente das leere Produkt. Ist andernfalls a nicht irreduzibel, so gibt es a1,1 , a1,2 ∈ R\R× mit a = a1,1 a1,2 , also Ra ⊆ Ra1,1 und Ra ⊆ Ra1,2 . Wiederholen wir eine solche Zerlegung induktiv mit a1,1 und a1,2 , so bekommen wir aufsteigende Folgen von Hauptidealen Ra ⊆ Ra1,i1 ⊆ · · · ⊆ Raj,ij ⊆ . . . . Da R noethersch ist, werden diese station¨ar und die zugeh¨origen Idealerzeuger somit irreduzibel. Da irreduzible Elemente auch Primelemente sind, folgt die Aussage. Aussage 4 des Satzes nennt man auch Satz von B´ezout. 2.53 Definition. Ein Integrit¨atsring R mit 1 heißt faktorieller Ring (oder ZPE Ring), wenn sich jedes a ∈ R, a 6= 0 bis auf Einheiten eindeutig als Produkt von irreduziblen Elementen schreiben l¨aßt. 2.54 Beispiel. Der Ring Z ist ein faktorieller Ring. Es gilt zum Beispiel −6 = 2 · (−3) = (−1) · 2 · 3 mit den irreduziblen Elementen 2, −3, 3 und der Einheit −1. 2.55 Satz. Sei R ein Integrit¨atsring mit 1. Dann sind ¨aquivalent: 1. R ist faktorieller Ring. 2. Jedes a ∈ R, a 6= 0 ist Produkt irreduzibler Elemente, und jedes irreduzible Element ist Primelement. 3. Jedes a ∈ R, a 6= 0 ist Produkt von Primelementen. Beweis. 1 ⇒ 2. Sei q irreduzibel und a, b ∈ R mit q | (ab), also ab = cq f¨ ur ein c ∈ R. Das Element q kommt daher wegen der Eindeutigkeit in der Faktorisierung von ab in irreduzible Elemente vor. Diese setzt sich wegen der Eindeutigkeit aus der Faktorisierung von a und von b in irreduzible Elemente zusammen. Also kommt q in einer dieser Faktorisierungen vor, daher q | a oder q | b. 2 ⇒ 3. Klar. 3 ⇒ 2. Ist q irreduzibel, so besteht die Faktorisierung von q in Primelemente aus nur einem Element, n¨amlich q selbst. 2 ⇒ 1. Seien εq1 · · · qr = ε′ q1′ · · · qs′ zwei Faktorisierungen in Primelemente qi , qj′ und Einheiten ε, ε′ mit r ≤ s. F¨ ur r = 0 muß auch s = 0 gelten, da Primelemente keine Einheiten sind. F¨ ur r ≥ 1 gilt qs′ | qi f¨ ur ein i. Da qi irreduzibel ist, ist qs′
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2.8. TEILBARKEIT IN RINGEN
assoziiert zu qi . Vertauschen von qi und qr und K¨ urzen von qs′ liefert εq1 . . . qr−1 = ′ ε′′ q1′ · · · qs−1 mit ε′′ ∈ R× . Per Induktion folgt die Eindeutigkeitsaussage. ¨ Sei P ⊆ R ein Vetretersystem der Aquivalenzklassen der Primelemente von R unter Assoziation. F¨ ur a ∈ R, a 6= 0 und p ∈ R bezeichnen wir mit vp (a) die Vielfachheit, mit der p in der Faktorisierung von a in Primelemente aus P vorkommt. Es gilt also Y a=ε pvp (a) , p∈P
wobei fast alle vp (a) gleich Null sind.
2.56 Korollar. Sei R ein Integrit¨atsring mit 1 und a1 , . . . , an ∈ R. Q 1. Es gilt gcd(a1 , . . . , an ) = p∈P pmin{vp (ai ) | 1≤i≤n} . Q 2. Es gilt lcm(a1 , . . . , an ) = p∈P pmax{vp (ai ) | 1≤i≤n} . 3. F¨ ur a, b ∈ R, a, b 6= 0 ist ab assoziiert zu gcd(a, b)lcm(a, b).
Beweis. Klar. 2.57 Definition. Ein Integrit¨atsring R heißt euklidischer Ring, wenn es eine Abbildung d : R\{0} → Z≥0 mit der folgenden Eigenschaft gibt: Zu a, b ∈ R, b 6= 0 gibt es h, r ∈ R mit a = hb + r und r = 0 oder d(r) < d(b). Die in der Definition verlangte Abbildung d heißt Gradfunktion. Die Zerlegung a = hb + r mit r = 0 oder d(r) < d(b) heißt Division mit Rest r. 2.58 Satz. Jeder euklidische Ring ist ein Hauptidealring. Beweis. Sei I ein Ideal von R und a ∈ I, a 6= 0 ein Element mit d(a) = min{d(b) | b ∈ I\{0}}. Sei b ∈ I. Division mit Rest liefert b = ha + r, also r = b − ha ∈ I. Nach Wahl von a ist d(r) < d(a) nicht m¨oglich, also gilt r = 0. Es folgt I = Ra. F¨ ur I = R folgt speziell R = Rc mit einem c ∈ R. Es gibt e ∈ R mit c = ec, und zu jedem x ∈ R gibt es y ∈ R mit x = yc. Nun ist xe = (yc)e = y(ce) = yc = x, also ist e Einselement. Damit ist R ein Integrit¨atsring mit 1, in dem jedes Ideal Haupideal ist. 2.59 Beispiel. Der Ring Z wird mit x 7→ |x| als Gradfunktion zum euklidischen Ring. In euklidischen Ringen k¨onnen gr¨oßte gemeinsame Teiler mit dem euklidischen Algorithmus berechnet werden. Genauer liefert der euklidische Algorithmus angewendet auf a, b ∈ R Elemente λ, µ ∈ R mit gcd(a, b) = λa + µb.
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2.9
KAPITEL 2. RINGE I
Lokale Ringe und Lokalisierung
2.60 Definition. Sei R ein kommutativer Ring mit Einselement. Wenn R genau ein maximales Ideal besitzt, dann heißt R lokaler Ring. 2.61 Satz. Ein kommutativer Ring R mit Einselement ist genau dann lokal, wenn R\R× ein Ideal von R ist. F¨ ur einen lokalen Ring R ist R\R× das maximale Ideal von R. Beweis. ⇒“: Bezeichne m das maximale Ideal von R und sei x ∈ R\R× . Dann ” gilt R 6= Rx, da x keine Einheit ist. Da es ein maximales Ideal von R gibt, welches Rx enth¨alt, folgt Rx ⊆ m, also x ∈ m und R\R× ⊆ m. Da m keine Einheiten enthalten kann, gilt sogar R\R× = m. ⇐“: Ist m = R\R× ein Ideal, so ist es aus dem eben genannten Grund ” maximal und enth¨alt auch jedes weitere Ideal 6= R von R. Daher besitzt R nur dieses eine maximale Ideal m. Sei R 6= 0 kommutativ und U eine nicht-leere, multiplikativ abgeschlossene Teilmenge von R. Wir wollen eine Bruchrechnung“ mit Elementen aus R im ” Z¨ahler und Elementen aus U im Nenner definieren. Dazu f¨ uhren wir auf der ¨ Menge R × U eine Aquivalenzrelation ∼ ein. F¨ ur (r1 , u1 ), (r2 , u2 ) ∈ R × U gelte (r1 , u1 ) ∼ (r2 , u2 ) genau dann, wenn es ein t ∈ U mit t(r1 u2 − r2 u1 ) = 0 gibt. ¨ 2.62 Lemma. Die Relation ∼ ist eine Aquivalenzrelation. Beweis. Reflexivit¨at und Symmetrie sind unmittelbar einsichtig. F¨ ur die Transitivit¨at muß etwas gerechnet werden. Es gelte (r1 , u1 ) ∼ (r2 , u2 ) und (r2 , u2 ) ∼ (r3 , u3 ). Wir k¨onnen also schreiben t(r1 u2 − r2 u1 ) = 0,
s(r2 u3 − r3 u2 ) = 0
mit t, s ∈ U . Wir multiplizieren die erste Gleichung mit su3 und die zweite mit tu1 und erhalten st(r1 u2 u3 − r2 u1 u3 ) = 0
st(r2 u1 u3 − r3 u1 u2 ) = 0.
Addition dieser Gleichungen und Ausklammern von u2 liefert stu2 (r1 u3 − r3 u1 ) = 0 mit stu2 ∈ U .
2.9. LOKALE RINGE UND LOKALISIERUNG
19
Die Verwendung von t in der Definition von ∼ ist deswegen erforderlich, da wir aus u2 (r1 u3 − r3 u1 ) = 0 zum Schluß nicht ohne weiteres auf r1 u3 − r3 u1 = 0 schließen k¨onnen. Enth¨alt U keine Nullteiler von R, so w¨are dies m¨oglich. ¨ Um die Aquivalenzklassen R × U/ ∼ = { [(u, r)] | (u, r) ∈ R × U } zu einem Ring zu machen, definieren wir Addition und Multiplikation vertreterweise wie in der Bruchrechnung. [(r1 , u1 )] + [(r2 , u2 )] := [(r1 u2 + r2 u1 , u1 u2 )] [(r1 , u1 )] · [(r2 , u2 )] := [(r1 r2 , u1 u2 )], f¨ ur alle (r1 , u1 ), (r2 , u2 ) ∈ R × U . 2.63 Definition. Wir bezeichen R[U −1 ] := (R × U/∼, +, ·) als die Lokalisierung von R bez¨ uglich U . 2.64 Satz. Sei R ein kommutativer Ring und U eine nicht-leere, multiplikativ abgeschlossene Teilmenge von R. Dann ist R[U −1 ] ein kommutativer Ring mit Einselement. Beweis. Zur Wohldefiniertheit der oben definierten Operationen. Sei (r1′ , u′1 ) ∈ R × U mit [(r1 , u1 )] = [(r1′ , u′1 )], also tr1 u′1 = tr1′ u1 f¨ ur ein t ∈ U . Es gen¨ ugt zu zeigen, daß [(r1′ u2 + r2 u′1 , u′1 u2 )] = [(r1 u2 + r2 u1 , u1 u2 )] und [(r1′ r2 , u′1 u2 )] = [[(r1 r2 , u1 u2 )] gilt. Dann sind die Definitionen unabh¨angig von der Wahl der Vertreter auf der linken Seite, per Symmetrie dann auch auf der rechten Seite, und zusammen dann auf der linken und rechten Seite simultan. F¨ ur die Addition ergibt sich t(r1 u2 + r2 u1 )(u′1 u2 ) = tr1 u2 u′1 u2 + tr2 u1 u′1 u2 = tr1′ u2 u1 u2 + tr2 u1 u′1 u2 = t(r1′ u2 + r2 u′1 )(u1 u2 ) und f¨ ur die Multiplikation ergibt sich tr1′ r2 u1 u2 = tr1 r2 u′1 u2 . Dies sind genau die Bedingungen f¨ ur die Klassengleichheit und somit ist die Wohldefiniertheit bewiesen. Die Assoziativit¨at von + und · l¨aßt sich direkt f¨ ur die Vertreter (r, u) verifizieren. Die Distributivit¨at von + und · folgt ¨ahnlich wie die Wohldefiniertheit. Es gilt offenbar [(r1 u, u1 u)] = [(r1 , u1 )] f¨ ur alle (r1 , u1 ) ∈ R×U und u ∈ U . Das −1 Nullelement von R[U ] ist [(0, u)] f¨ ur beliebiges u ∈ U , denn [(0, u)] + [(r1 , u1 )] = [(r1 u, u1 u)] = [(r1 , u1 )]. Das Einselement von R[U −1 ] ist [(u, u)] f¨ ur beliebiges u ∈ U , denn [(u, u)] · [(r1 , u1 )] = [(r1 u, u1 u)] = [(r1 , u1 )].
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KAPITEL 2. RINGE I
2.65 Definition. Wir verwenden die Bruchschreibweise r/u f¨ ur [(r, u)]. Wir de−1 −1 finieren eine ¨außere Verkn¨ upfung R × R[U ] → R[U ] durch r · (r1 /u1 ) := (rr1 )/u1 . 2.66 Satz. Die Abbildung ιU : R → R[U −1 ], r 7→ r · 1R[U −1 ] ist ein Homomorphismus mit den folgenden Eigenschaften. 1. ker(ιU ) = {r ∈ R | ur = 0 f¨ ur ein u ∈ U }. 2. ιU (U ) ⊆ R[U −1 ]× . 3. ιU (R)R[U −1] = R[U −1 ]. 4. Besitzt R das Einselement 1, so gilt ιU (1) = 1R[U −1 ] . Beweis. Zu 1. In R[U −1 ] gilt (ru′ )/u′ = 0 f¨ ur u′ ∈ U per Definition genau dann, wenn es u ∈ U mit ur = 0 gibt. Zu 2. Die Elemente u1 /u2 f¨ ur u1 , u2 ∈ U sind offenbar Einheiten in R[U −1 ]. Zu 3. F¨ ur jedes u′ , u′′ ∈ U gilt r/u = ((ru′ )/u′ )/((uu′′ )/u′′ ). Zu 4. Es gilt ιU (1) = (1u′ )/u′ = u′ /u′ = 1R[U −1 ] f¨ ur jedes u′ ∈ R. Aus Aussage 1 oder 2 folgt, daß R[U −1 ] = {0} f¨ ur 0 ∈ U gilt. In einem Integrit¨atsring R gilt ker(ιU ) = 0 falls 0 6∈ U , und ιU : R → R[U −1 ] ist ein Monomorphismus. 2.67 Satz (Universelle Eigenschaft). Sei R kommutativer Ring und S kommutativer Ring mit 1. Sei U eine nicht-leere, multiplikativ abgeschlossene Teilmenge von R. Dann sind ¨aquivalent. 1. Es gibt einen Homomorphismus ι : R → S mit ι(U ) ⊆ S × , so daß es f¨ ur jeden weiteren kommutativen Ring T mit 1 und jeden Homomorphismus φ : R → T mit φ(U ) ⊆ T × genau einen Homomorphismus ψ : S → T mit ψ ◦ ι = φ gibt. 2. S ∼ = R[U −1 ]. Beweis. 2 ⇒ 1“: Es gen¨ ugt, die Aussage 1 f¨ ur ιU : R → R[U −1 ] zu zeigen. ” Zun¨achst gilt wie erforderlich ιU (U ) ⊆ R[U −1 ]× . Sei φ : R → T mit φ(U ) ⊆ T × . Wir definieren ψ : R[U −1 ] → T durch r/u 7→ φ(r)φ(u)−1 . Aufgrund der Homomorphieeigenschaft von φ ist ψ zun¨achst wohldefiniert: F¨ ur r/u = r′ /u′ gibt es t ∈ U mit tru′ = tr′ u. Daraus folgt φ(t)φ(r)φ(u′ ) = φ(t)φ(r′ )φ(u) und wegen φ(t) ∈ S × bereits φ(r)φ(u′ ) = φ(r′ )φ(u). Da φ(u), φ(u′ ) ∈ S × ergibt sich φ(r)φ(u)−1 = φ(r′ )φ(u′ )−1 . Multiplikativit¨at und Additivit¨at folgen direkt aus
2.9. LOKALE RINGE UND LOKALISIERUNG
21
den Rechenregeln in R[U −1 ]. Wegen ψ(ιU (r)) = ψ((ru)/u) = φ(ru)φ(u)−1 = φ(r) f¨ ur u ∈ U ist ψ ein Homomorphismus mit ψ ◦ ιU = φ. Sei ψ ′ ein anderer Homomorphismus mit ψ ′ ◦ ιU = φ, und sei r/u ∈ R[U −1 ] beliebig. Dann gilt r/u = ιU (r)ιU (u)−1 , und damit ψ ′ (r/u) = ψ ′ (ιU (r))ψ ′ (ιU (u))−1 = φ(r)φ(u)−1 . Daher gilt ψ ′ = ψ und ψ ist eindeutig bestimmt. 1 ⇒ 2“: Nach 2 ⇒ 1“ erf¨ ullt ιU : R → R[U −1 ] ebenfalls die Bedingung 1. ” ” Damit erhalten wir zu φ = ιU einen Homomorphismus ψ1 : S → R[U −1 ] mit ψ1 ◦ι = ιU . Analog erhalten wir zu φ = ι einen Homomorphismus ψ2 : R[U −1 ] → S mit ψ2 ◦ ιU = ι. Es ergibt sich (ψ1 ◦ ψ2 ) ◦ ιU = ιU und (ψ2 ◦ ψ1 ) ◦ ι = ι. Die Eindeutigkeitsforderung in Bedingung 1 liefert nun ψ1 ◦ ψ2 = id und ψ2 ◦ ψ1 = id. Wir bemerken, daß der Homomorphismus ψ : S → T die Gleichung ψ(1S ) = 1T erf¨ ullt. Man kann die Bedingung 1 also als alternative Definition der Lokalisierung nehmen. Dann heißt S zusammen mit R, U und ι Lokalisierung von R bez¨ uglich U . Aus der universellen Eigenschaft folgt wie im Beweis leicht, daß S bis auf Isomorphie eindeutig bestimmt ist. F¨ ur die Existenz ist aber noch das Konstruktionsverfahren anzugeben. 2.68 Satz. Sei R kommutativer Ring. 1. Ist U ⊆ R× eine nicht-leere, multiplikativ abgeschlossene Teilmenge, so gilt R[U −1 ] ∼ = R. 2. Sind U ⊆ V ⊆ R nicht-leere, multiplikativ abgeschlossene Teilmengen, so gilt R[V −1 ] ∼ = R[U −1 ][ιU (V )−1 ]. 3. Ist U ⊆ R eine nicht-leere, multiplikativ abgeschlossene Teilmenge, so gilt R[U −1 ] ∼ = ιU (R)[ιU (U )−1 ]. Beweis. Aufgabe. Ist R ein kommutativer Ring mit Eins und ist 1 6∈ U , aber 1 ∈ V , so gilt wegen ιU (1) = 1 nach Aussage 1 trotzdem R[U −1 ] = R[V −1 ]. Daher setzt man im Fall, daß R ein Einselement hat, u ¨blicherweise 1 ∈ U voraus. Man wendet Lokalisierung an, wenn man einen Ring vereinfachen“ m¨ochte. ” Die guten Eigenschaften von R u ¨bertragen sich auf R[U −1 ], und weitere k¨onnen hinzukommen. Wir vergleichen die Idealtheorie in R und R[U −1 ] f¨ ur einen kommutativen Ring R und eine nicht-leere, multiplikativ abgeschlossene Teilmenge U von R. Die Idealtheorie in R[U −1 ] stellt sich dabei als Vereinfachung der Idealtheorie in
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KAPITEL 2. RINGE I
R heraus. Seien I(R) und I(R[U −1 ]) die Mengen der Ideale von R beziehungsweise R[U −1 ]. Wir betrachten die u ¨blichen Abbildungen i : I(R) → I(R[U −1 ]), I 7→ ιU (I)R[U −1 ],
j : I(R[U −1 ]) → I(R), J 7→ ι−1 U (J).
Sei I ein Ideal von R und πI : R → R/I der kanonische Epimorphismus. Sei I¯ = {r ∈ R | ∃ u ∈ U mit ur ∈ I}. Man pr¨ uft leicht nach, daß I¯ ein Ideal von R ¯ ¯ ¯ mit I ⊇ I ist und daß I = I gilt. Wir nennen I¯ den Abschluß von I bez¨ uglich ¯ U . Gilt I = I, so nennen wir I bez¨ uglich U abgeschlossen. Sei IU die Menge der abgeschlossenen Ideale von R. 2.69 Satz. Mit den eingef¨ uhrten Bezeichnungen gelten 1. i(j(J)) = J und j(i(I)) = I¯ f¨ ur alle J ∈ I(R[U −1 ]) und alle I ∈ I(R). 2. Es gilt im(j) = IU , so daß i und j zueinander inverse Bijektionen der Mengen IU und I(R[U −1 ]) liefern. 3. F¨ ur I ∈ I(R) gilt (R/I)[πI (U )−1 ] ∼ = R[U −1 ]/i(I). 4. j erh¨alt Inklusionen, Summen, Schnitte, Produkte und Radikale etc. Dasselbe gilt f¨ ur i eingeschr¨ankt auf IU . 5. Sei I ∈ I(R) ein Primideal (maximales Ideal). Dann ist i(I) ein Primideal (maximales Ideal) f¨ ur I ∩ U = ∅ und i(I) = R andernfalls. Sei −1 J ∈ I(R[U ]) ein Primideal. Dann ist j(J) ein Primideal. −1 Beweis. Zu 1. F¨ ur J ∈ I(R[U −1 ]) gilt allgemein i(j(J)) = ιU (ι−1 ] ⊆ J. U (J))R[U ′ ′ ′ ′ F¨ ur r/u ∈ J ist aber auch (ru )/u ∈ J nach Muliplikation mit (uu )/u ∈ R[U −1 ]× −1 ′ ′ ′ ′ f¨ ur beliebiges u′ ∈ U , und damit r ∈ ι−1 U ((ru )/u ). Daher (ru )/u ∈ ιU (ιU (J)) −1 und (ru′ )/(uu′ ) = r/u ∈ ιU (ιU (J))R[U −1 ] nach Division mit (uu′ )/u′ wegen −1 (uu′ )/u′ ∈ R[U −1 ]× . Wir haben damit i(j(J)) = ιU (ι−1 ] = J gezeigt. U (J))R[U −1 −1 F¨ ur I ∈ I(R) gilt j(i(I)) = ιU (ιU (I)R[U ]) = {r ∈ R | ∃u ∈ U mit ur ∈ ¯ Zum Beweis der zweiten Gleichung beachten wir zuerst ιU (I)R[U −1 ] = I} = I. −1 {x/u′′ | x ∈ I, u′′ ∈ U }, wie man leicht sieht. Weiter gilt r ∈ ι−1 ]) f¨ ur U (ιU (I)R[U ′ ′ −1 ′′ ′′ r ∈ R genau dann, wenn ιU (r) = (ru )/u ∈ ιU (I)R[U ] = {x/u | x ∈ I, u ∈ U } f¨ ur ein beliebiges u′ ∈ U ist, wenn also (ru′ )/u′ = x/u′′ f¨ ur ein x ∈ I und u′ , u′′ ∈ U gilt. Dies ist aber ¨aquivalent dazu, daß es u ∈ U mit ur ∈ I gibt. Zu 2. F¨ ur J ∈ I(R[U −1 ]) gilt nach Aussage 1 nun j(J) = j(i(j(J))) = j(J), also im(j) = IU . Daher sind i und j nach Aussage 1 zueinander inverse Bijektionen der Mengen IU und I(R[U −1 ]).
2.9. LOKALE RINGE UND LOKALISIERUNG
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Zu 3. Wir betrachten S = (R/I)[πI (U )−1 ] und φ = ιπI (U ) ◦ πI : R → S. Wegen φ(U ) ⊆ S × gibt es ψ : R[U −1 ] → S nach Satz 2.67 mit ψ(r/u) = (r + I)/(u + I). Dies zeigt, daß ψ surjektiv ist. Sei nun r/u ∈ R[U −1 ] mit ψ(r/u) = 0. Dies ist genau dann der Fall, wenn es u′ ∈ U mit (u′ + I)(r + I) = 0 + I beziehungsweise ¯ = i(I) nach Aussage 1. Dies zeigt mit u′ r ∈ I gibt. Also gilt r ∈ I¯ und r/u ∈ i(I) ker(ψ) = i(I). Zu 4. Die Aussagen f¨ ur j gelten allgemein, wenn ιU nur irgendein Homomorphismus von Ringen ist. Wegen der Bijektivit¨at von i und j auf IU und I(R[U −1 ]) folgen die Aussagen hier auch analog f¨ ur i. Zusatz zum Radikal: Es gilt zun¨achst j(Rad(J)) = Rad(j(J)) f¨ ur alle J ∈ I(R[U −1 ]). Mit I = j(J), J = i(I) und durch Anwenden von i ergibt sich Rad(i(I)) = i(Rad(I)) f¨ ur alle I ∈ I(R). Zu 5. Muß noch ein wenig angepasst werden (Wegen Satz 2.66, Aussage 3 und Satz 2.42 ist I = j(i(I)) ein Primideal von R, wenn i(I) ein Primideal von R[U −1 ] ist. F¨ ur I ein Primideal von R gilt 0 6∈ πI (U ), da es sonst u ∈ U mit u ∈ I geben und dann I = I¯ = R folgen w¨ urde. Nun ist (R/I)[πI (U )−1 ] mit R/I wegen 0 6∈ πI (U ) ein Integrit¨atsring. Nach Aussage 3 ist also auch R[U −1 ]/i(I) ein Integrit¨atsring und damit i(I) ein Primideal. Ist I maximal, so sind R/I und (R/I)[πI (U )−1 ] nach Aussage 2 einfach. Wegen Aussage 3 ist R[U −1 ]/i(I) einfach und daher i(I) maximal.) F¨ ur U ∩ I = ∅ ist I bez¨ uglich U genau dann abgeschlossen, wenn πI (U ) eine Menge von Nichtnullteilern in R/I ist. Bei der Berechnung von I¯ = j(i(I)) muß man also (zumindest im nullteilerfreien Fall) aus den Elementen von I alle Elemente von U herausdividieren, um das abgeschlossene Ideal zu erhalten. Wenn die Definitionen etwas modifiziert werden, kann Aussage 3 auch in der h¨ ubschen Form (R/I)[U −1] ∼ = R[U −1 ]/I[U −1 ] geschrieben werden. Lokalisierung und Faktorisierung kommutieren also. Besitzt R ein Einselement und ist I maximal, so gilt πI (U ) ⊆ (R/I)× und es ergibt sich R/I ∼ = R[U −1 ]/i(I). Setzen wir I = {0} = ker(ιU ), so gilt i(I) = {0}. Dann ist ιπI (U ) : R/I → (R/I)[πI (U )−1 ] injektiv und es gilt (R/I)[πI (U )−1 ] ∼ = R[U −1 ]. Wir k¨onnen ιU daher entsprechend in einen Epimorphimus und einen Monomorphismus faktorisieren. 2.70 Satz. Sei R kommutativer Ring und U eine nicht-leere, multiplikativ abgeschlossene Teilmenge von R mit 0 6∈ U . Dann ¨ubertragen sich die Eigenschaften Ring mit Einselement, Integrit¨atsring, einfach, noethersch, faktoriell, Hauptidealring und euklidisch auf R[U −1 ]. Die Nullteiler von R[U −1 ] sind Bilder der Nullteiler von R. Beweis. Aufgabe, nachrechnen und die Abbildungen i und j verwenden. Die euklidische Gradfunktion δU auf R[U −1 ] wird δU (r/u) = min{δ(x) | x ∈ (r)} (?).
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KAPITEL 2. RINGE I
2.71 Beispiel. Sei R = Z, R[U −1 ] = Z[1/2] und I = nZ[1/2] mit n ∈ Z≥1 . Wir zerlegen n = 2v n1 mit n1 ungerade. Dann gilt I = n1 Z[1/2], da 1/2 eine Einheit in Z[1/2] ist. Unter Verwendung von j f¨ ur die Ideale von Z[1/2] und Z wie oben sieht man ebenfalls j(nZ[1/2]) = n1 Z nach Aussage 1. Nach Aussage 2 und Aussage 3 ergibt sich dann beispielsweise Z[1/2]/nZ[1/2] ∼ = Z/n1 Z. Zusammenfassend schließlich ein paar typische Situationen. 2.72 Definition. Sei R ein Integrit¨atsring mit 1. F¨ ur ein Primideal p ist U = R\p nicht-leer und multiplikativ abgeschlossen. Der Ring R[U −1 ] wird Lokalisierung von R an p genannt und mit Rp bezeichnet. 2.73 Satz. Sei R ein Integrit¨atsring mit 1. 1. F¨ ur das Primideal p von R ist Rp lokaler Ring mit maximalem Ideal pRp. 2. F¨ ur das Nullprimideal p = {0} von R ist Rp ein K¨orper. Beweis. Zu 1. Sei x/y ∈ Rp\pRp. Dann gilt x ∈ R\p und somit y/x ∈ Rp nach Definition von Rp. Folglich x/y ∈ Rp× , so daß nach Satz 2.61 der Ring Rp lokal mit maximalem Ideal pRp ist. Zu 2. Der Ring Rp ist ein lokaler Ring mit maximalem Ideal {0}. Also gilt × Rp = Rp\{0} und Rp ist damit nach Satz 2.61 ein K¨orper. Allgemein ist das Ideal pRp nur ein Primideal in Rp. 2.74 Definition. Sei R ein Integrit¨atsring mit 1. Der K¨orper R{0} wird Quotientenk¨orper von R genannt und mit Quot(R) bezeichnet. 2.75 Beispiel. Sei R = Z. Der Quotientenk¨orper von Z ist Q. F¨ ur eine Primzahl p und das Primideal p = pZ gilt Rp = {x/y | x, y ∈ Z und p ∤ y}. Das maximale Ideal ist pRp = {x/y | x, y ∈ Z und p ∤ y, p | x}. Ein weiteres Beispiel ist Z[1/3] = {x/3i | i ∈ Z≥0 , x ∈ Z} oder Z[1/2, 1/3] = {x/(2i3j ) | i, j ∈ Z≥0 , x ∈ Z}. In beiden Ringen ist 3 eine Einheit mit unendlicher Ordnung. In Z[1/2, 1/3] sind die Einheiten 2 und 3 sogar unabh¨angig, das heißt 2i 3j = 1 geht nur f¨ ur i = 0 und j = 0. 2.76 Beispiel. Sei R = Z/3Z×Z/5Z und U = h(1, 0)i. Um R[U −1 ] zu bestimmen, berechnen wir zuerst das Bild von R in R[U −1 ] unter ιU . Es gilt ker(ιU ) = {r ∈ R | ur = 0 f¨ ur ein u ∈ U } = {0} × Z/5Z. Also ist ιU (R) ∼ = Z/3Z. = R/ ker(ιU ) ∼ × −1 Da ιU (U ) ⊆ ιU (R) gilt hier bereits R[U ] = ιU (R). F¨ ur R = Z × Z/5Z und −1 ∼ U = h3, 0i erg¨abe sich beispielsweise R[U ] = Z[1/3]. 2.77 Beispiel. Enth¨alt U ein nilpotentes Element, so gilt R[U −1 ] = 0.
2.9. LOKALE RINGE UND LOKALISIERUNG
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2.78 Bemerkung. Die meisten Aussagen dieses Abschnitts k¨onnen f¨ ur nicht kommutative Ringe R geeignet verallgemeinert werden, wenn man U stets aus dem Zentrum von R w¨ahlt, wenn also die Elemente aus U mit allen Elementen von R kommutieren.
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KAPITEL 2. RINGE I
Kapitel 3 Polynomringe Wir betrachten in diesem Kapitel kommutative Ringe R mit Einselement und die ¨ zugeh¨origen Polynomringe R[t]. Eine Ubersicht u ¨ber die (behandelten bzw. zu behandelnden) Ringeigenschaften und Beziehungen wird in der folgenden Abbildung gegeben. R K¨orper R euklidisch
R[t] euklidisch
R Hauptidealring
R[t] Hauptidealring
R Dedekindring
R faktoriell
R noethersch
Satz v. Gauß
Basissatz von Hilbert
R Integrit¨atsring
R[t] faktoriell R[t] noethersch
R[t] Integrit¨atsring
Generalvoraussetzung f¨ ur dieses Kapitel ist, daß Ringe Einselemente besitzen und daß Homomorphismen Einselemente auf Einselemente abbilden.
3.1
Univariate Polynomringe
3.1 Definition. Seien R, S kommutative Ringe und φ : R → S ein Homomorphismus. Wir definieren eine ¨außere Verkn¨ upfung · : R×S → S durch r·x = φ(r)x und nennen S mit dieser ¨außeren Verkn¨ upfung die durch φ definierte R-Algebra. Als Schreibweise verwenden wir wie u ¨blich rx = r · x. 27
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KAPITEL 3. POLYNOMRINGE
Sind S und T R-Algebren, so verstehen wir unter einem R-Algebra Homomorphismus einen Ringhomomorphismus f : S → T mit f (rx) = rf (x) f¨ ur alle r ∈ R und x ∈ S. Analog werden R-Algebra Mono-, Epi-, Iso-, Endo- und Automorphismen definiert. Die Homomorphieeigenschaft von φ impliziert die u ¨blichen bzw. erwarteten Assoziativit¨ats- und Distributivit¨atseigenschaften von ·, die zur Grundlage einer allgemeineren Definition von R-Algebra gemacht werden k¨onnen. Enth¨alt S jedoch ein Einselement 1 (was wir hier in der Generalvoraussetzung annehmen), so wird jede R-Algebra durch einen solchen Homomorphismus φ : R → S definiert, indem man n¨amlich φ(r) = r · 1 w¨ahlt. Bei den lokalen Ringen haben wir R[U −1 ] in ¨ahnlicher Weise als R-Algebra aufgefaßt. Nun zur Definition des (univariaten) Polynomrings. Sei R ein kommutativer Ring. Wir setzen R[t] = {f | f : Z≥0 → R mit f (i) = 0 f¨ ur fast alle i ∈ Z≥0 }. F¨ ur f, g ∈ R[t] definieren wir f + g ∈ R[t] durch (f + g)(i) = f (i) + g(i) und f · g ∈ R[t] durch
(f · g)(i) =
X
f (ν)g(µ),
ν+µ=i
wobei ν, µ u ¨ber alle Zahlen in Z≥0 laufen. Man sieht leicht, daß R[t] mit den inneren Verkn¨ upfungen + und · ein Ring ist. Das Nullelement von R[t] wird durch die Funktion gegeben, welche jedes i auf 0 abbildet. Das Einselement von R[t] wird durch die Funktion gegeben, welche i = 0 auf das Einselement 1 von R und i 6= 0 auf 0 abbildet. Mit t bezeichnen wir die Funktion, die i = 1 auf 1 und i 6= 1 auf 0 abbildet. Wir erhalten auch einen Monomorphismus φ : R → R[t], r 7→ hr mit hr (i) = r δ0,i (Kronecker-Delta). Damit kann R als Teilring von R[t] aufgefaßt werden und R[t] wird zu einer R-Algebra. Es gilt φ(1) = 1. 3.2 Definition. Sei R kommutativer Ring. Die eben definierte R-Algebra R[t] zusammen mit dem Element t heißt Polynomring in der Variablen t u ¨ber R. Die Elemente von R[t] heißen Polynome in der Variablen t u ¨ber R. Zur Veranschaulichung ist es besser, die Elemente von R[t] mittels t auszudr¨ ucken. Man sieht aufgrund der Definitionen sofort, daß f¨ ur f ∈ R[t] folgendes
3.1. UNIVARIATE POLYNOMRINGE
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P P gilt: f = ni=0 ai ti = ni=0 φ(ai )ti mit ai = f (i) ∈ R und n ∈ Z≥0 , so daß f (j) = 0 f¨ ur alle j > n. Zwischen ai und ti steht hier die ¨außere Multiplikation. Die obigen Verkn¨ upfungen sind gerade so gemacht, daß sich die erwarteten Rechenregeln f¨ ur Polynome ergeben. Zwei Polynome sind genau dann gleich, wenn alle vor den ti auftretenden Koeffzienten gleich sind. Speziell soll hier hervorgehoben werden, daß Polynome nicht als Funktionen aufgefaßt werden, wie vielleicht aus der Analysis gewohnt. Ist k der endliche K¨orper mit zwei Elementen, so liefern t 7→ 1 und t 7→ t2 + t + 1 die gleichen Funktionen k → k, die Polynome 1 und t2 + t + 1 sind aber verschiedene Elemente von k[t]. Wir definieren noch ein paar grundlegene Begriffe im Zusammenhang mit Polynomringen und Polynomen. Die Polynome ti heißen Monome. Die Polynome ati P heißen Terme. Sei f ∈ R[t] mit f = ni=0 ai ti . Die ai heißen die Koeffizienten von f . Der Grad von f ist deg(f ) = max{i | 0 ≤ i ≤ n und ai 6= 0}. Es gilt insbesondere deg(0) = −∞ f¨ ur 0 ∈ R[t]. F¨ ur deg(f ) ≥ 0 heißt adeg(f ) Leitkoeffizient von deg(f ) f . Der Term adeg(f ) t heißt f¨ uhrender Term von f . Der Koeffizient a0 heißt Absolutkoeffizient. Das Polynom f heißt normiert, wenn der Leitkoeffizient gleich 1 ist. Gilt deg(f ) ≤ 0, so heißt das Polynom konstant. Gilt deg(f ) = 1, so heißt das Polynom linear. Sind f, g ∈ R[t] so gilt deg(f + g) ≤ max{deg(f ), deg(g)} und deg(f g) ≤ deg(f ) + deg(g) unter Nachverfolgen der f¨ uhrenden Terme und unter Verwendung von sinnvollen“ Rechenregeln f¨ ur −∞. Die zweite Ungleichung wird hier zur ” Gleichung, wenn R nullteilerfrei ist. 3.3 Satz. Sei R ein kommutativer Ring. Der Polynomring R[t] ist genau dann nullteilerfrei, wenn R nullteilerfrei ist. In diesem Fall gilt R[t]× = R× . Beweis. Ist R[t] nullteilerfrei, so ist auch R als Teilring nullteilerfrei. Sind umgekehrt f, g ∈ R[t]\{0} mit deg(f ) ≥ 1, so gilt deg(f g) = deg(f ) + deg(g) ≥ 1, also f g 6= 0, also ist R[t] mit R nullteilerfrei. Gilt f g = 1, so folgt deg(f ) + deg(g) = 0. Wegen deg(f ) ≥ 0 und deg(g) ≥ 0 gilt deg(f ) = deg(g) = 0, also f, g ∈ R. Als Zusatz zur Aussage des Satzes bemerken wir, daß ein Polynom f 6= 0, dessen Leitkoeffizient kein Nullteiler ist, ebenfalls kein Nullteiler in R[t] ist, denn es gilt deg(f g) = deg(f ) + deg(g) f¨ ur alle g ∈ R[t]. 2 In (Z/4Z)[t] gilt (2t + 1) = 1, also 2t + 1 ∈ (Z/4Z)[t]× als Gegenbeispiel zur Aussage 2, falls R nicht nullteilerfrei ist. Sei φ : R → S ein Homomorphismus. Dies macht S wie oben zu einer RAlgebra, indem wir die Multiplikation von r ∈ R mit x ∈ S durch rx = φ(r)x definieren. Wir erhalten dann einen R-Algebra Homomorphismus φx : R[t] →
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KAPITEL 3. POLYNOMRINGE
P P i i S durch die Zuordnung φx (f ) = f (x) = i ai t ∈ R[t] mit i ai x , wo f = ai ∈ R ist. Dieser R-Algebra Homomorphismus wird als Einsetzhomomorphismus bezeichnet. 3.4 Satz (Universelle Eigenschaft). Sei R ein kommutativer Ring und S eine kommutative R-Algebra mit der folgenden universellen Eigenschaft: S besitze ein Element x ∈ S, so daß f¨ ur jede kommutative R-Algebra T und jedes Element y ∈ T genau ein R-Algebra Homomorphismus ψ : S → T mit ψ(x) = y existiert. Dann gilt S ∼ = R[t] als R-Algebren. Beweis. Seien S1 , S2 zwei kommutative R-Algebren, die jeweils die universelle Eigenschaft mit x1 ∈ S1 und x2 ∈ S2 erf¨ ullen. Dann gibt es R-Algebra Homomorphismen ψ1 : S1 → S2 mit ψ1 (x1 ) = x2 und ψ2 : S2 → S1 mit f (x2 ) = x1 . Folglich gilt ψ2 ◦ ψ1 : S1 → S2 mit ψ2 (ψ1 (x1 )) = x1 und ψ1 ◦ ψ2 : S2 → S2 mit ψ1 (ψ2 (x2 )) = x2 . Da auch die Identit¨aten auf S1 und S2 diese Eigenschaften haben, folgt aus der Eindeutigkeitsaussage der universellen Eigenschaft, daß ψ2 ◦ ψ1 = id und ψ1 ◦ ψ2 = id, also S1 ∼ = S2 als R-Algebren gilt. Die R-Algebra R[t] zusammen mit t ∈ R[t] erf¨ ullt die universelle Eigenschaft: Der Einsetzhomomorphismus φy : R[t] → T , f 7→ f (y) liefert gerade den gesuchten R-Algebra Homomorphismus ψ : R[t] → T . Aufgrund der R-Algebra Homomorphieeigenschaft ist auch klar, daß ψ durch die Vorgabe von t 7→ y eindeutig bestimmt wird. Erf¨ ullt S die universelle Bedingung, so folgt also S ∼ = R[t] als R-Algebren. Man kann die universelle Eigenschaft also als alternative Definition des Polynomrings nehmen. Dann heißt die kommutative R-Algebra S zusammen mit dem Element x ∈ S Polynomring in der Variablen x u ¨ber R. Aus der universellen Eigenschaft folgt wie im Beweis, daß S bis auf R-Algebra Isomorphie eindeutig bestimmt ist. F¨ ur die Existenz ist aber noch das Konstruktionsverfahren anzugeben. 3.5 Satz (Polynomdivision). Sei R ein kommutativer Ring. Seien f, g ∈ R[t] und g habe invertierbaren Leitkoeffizienten. Dann gibt es eindeutig bestimmte q, r ∈ R[t] mit f = qg + r und deg(r) < deg(g). Beweis. Beweis induktiv u ur deg(f ) < deg(g) w¨ahle q = 0 und ¨ber deg(f ). F¨ r = f . Es gelte jetzt deg(f ) ≥ deg(g). W¨ahle c ∈ R mit deg(f − ctdeg(f )−deg(g) g) < deg(f ). Dies ist m¨oglich, da der Leitkoeffizient von g invertierbar ist. Induktiv gibt es q ′ , r ∈ R[t] mit f − ctdeg(f )−deg(g) g = q ′ g + r und deg(r) < deg(g). Setze q = q ′ + ctdeg(f )−deg(g) . Dann gilt f = qg + r, wie erforderlich.
¨ ¨ 3.2. POLYNOMRINGE UBER KORPERN
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Zur Eindeutigkeit bildet man die Differenz von f = q1 g + r1 und f = q2 g + r2 und erh¨alt (q1 −q2 )g = r1 −r2 . Da g einen invertierbaren Leitkoeffizienten hat, muß q1 − q2 = 0 gelten, weil die linke Seite sonst einen Grad ≥ deg(g) > deg(r1 − r2 ) h¨atte. Dann folgt aber r1 − r2 = 0 und die Eindeutigkeit ist bewiesen. Bei der Polynomdivision haben wir die Kommutativit¨at von R gar nicht ausgenutzt. Man kann in der Tat Polynomringe und Polynomdivision geeignet f¨ ur nicht kommutative Ringe definieren. Man muß dann beispielsweise zwischen Links- und Rechtsdivision unterscheiden. In der Vorlesung gehen wir hier aber nicht n¨aher darauf ein.
3.2
Polynomringe u orpern ¨ber K¨
3.6 Satz. Sei R ein Ring. Dann sind ¨aquivalent: (i) R ist ein K¨orper, (ii) R[t] ist ein euklidischer Ring, (iii) R[t] ist ein Hauptidealring. Beweis. (i) ⇒ (ii): R[t] ist offenbar ein Integrit¨atsring. Dar¨ uberhinaus ist Proposition 3.5 f¨ ur alle g 6= 0 anwendbar, und deg erf¨ ullt die Bedingungen einer euklidischen Gradfunktion. (ii) ⇒ (iii): Wurde bereits bewiesen. (iii) ⇒ (i): Wir betrachten den Einsetzhomomorphismus φ0 : R[t] → R, der durch t 7→ 0 definiert wird. Als Teilring von R[t] ist R selbst Integrit¨atsring. Daher ist ker(φ) ein Primideal und als solches im Hauptidealring R[t] maximal. Da φ surjektiv ist, ist folglich R ∼ = R[t]/ ker(φ) ein K¨orper. Aufgrund von Satz 3.6 sehen wir, daß Z[t] kein Hauptidealring ist. Ein (maximales) Ideal, welches kein Hauptideal ist, wird zum Beispiel durch 2Z[t] + tZ[t] gegeben. Die Ergebnisse des Abschnitts 3.5 zeigen, daß Z[t] immerhin ein faktorieller Ring ist, und daß 2, t Primelemente in Z[t] sind. 3.7 Korollar. Sei K ein K¨orper. Jedes f ∈ K[t]\{0} besitzt eine eindeutige Q Faktorisierung f = c pnp mit c ∈ K × , normierten irreduziblen p ∈ K[t] und np ≥ 0. 3.8 Korollar. Sei K ein K¨orper und f ∈ K[t] irreduzibel. Dann ist K[t]/f K[t] ein K¨orper, welcher K als Teilk¨orper enth¨alt. Beweis. F¨ ur die letzte Aussage beachten wir K ∩f K[t] = {0}. Indem wir K dann mit den Klassen {x + f K[t] | x ∈ K} identifizieren, wird K ein Teilk¨orper von K[t]/f K[t].
32
KAPITEL 3. POLYNOMRINGE
Mit dem letzten Korollar kann man sich aus gegebenen K¨orpern neue konstruieren. Diese Methode wird sehr oft verwendet.
3.3
Nullstellen von Polynomen
3.9 Definition. Sei R kommutativer Ring und S eine kommutative R-Algebra. Sei f ∈ R[t]. Ein Element b ∈ S heißt Nullstelle (oder Wurzel) von f in S wenn f (b) = 0 gilt. 3.10 Satz. Sei R ein kommutativer Ring und f ∈ R[t] vom Grad n ≥ 0. F¨ ur jede Nullstelle b ∈ R wird f von t − b geteilt. Ist R ein Integrit¨atsring, so besitzt f h¨ochstens n Nullstellen in R. Beweis. Division mit Rest durch g = t − b liefert q ∈ R[t] und r ∈ R mit f = q(t − b) + r. Daraus folgt f (b) = r = 0, folglich ist f durch t − b teilbar. Ist nun R Integrit¨atsring und a 6= b eine weitere Nullstelle von f in R, so gilt f (a) = q(a)(a − b) und folglich q(a) = 0, da R Integrit¨atsring ist. Wegen deg(q) = deg(f ) − 1 erh¨alt man induktiv, daß es h¨ochstens n Nullstellen von f in R geben kann. Die zweite Aussage in Satz 3.10 wird falsch, wenn R kein Integrit¨atsring ist. Als Gegenbeispiel betrachte man R = Z × Z. F¨ ur das Polynom f = (t − (1, 1))(t − (2, 2)) gilt n¨amlich auch f = (t − (1, 2))(t − (2, 1)), so daß f vier verschiedene Nullstellen in R hat und dar¨ uberhinaus sich nicht eindeutig faktorisieren l¨aßt. 3.11 Satz. Jede endliche Untergruppe U der multiplikativen Gruppe K × eines K¨orpers K ist zyklisch. Beweis. Sei n = #U und m der Exponent von U . Dann gilt m ≤ n und jedes der n Elemente von U ist Nullstelle des Polynoms tm − 1 in K. Da tm − 1 nach Satz 3.10 maximal m Nullstellen haben kann, folgt n = m. Eine abelsche Gruppe der Ordnung n und des Exponenten n ist jedoch zyklisch. Ist R ein Integrit¨atsring, f ∈ R[t] mit deg(f ) ≥ 0 und b ∈ R, so gibt es nach wiederholter Anwendung von Satz 3.10 ein eindeutig bestimmtes m ∈ Z≥1 und g ∈ R[t] mit f = (t − b)m g und g(b) 6= 0. 3.12 Definition. Die Zahl m heißt die Vielfachheit von b in f . F¨ ur m > 1 nennen wir b eine mehrfache Nullstelle. Die Vielfachheit einer Nullstelle kann wie folgt bestimmt werden.
33
3.4. BASISSATZ VON HILBERT
3.13 Definition. Die Ableitung des Polynoms f ∈ R[t] mit f = P definiert als f ′ = ni=1 iai ti−1 .
Pn
i=0
ai ti ist
Die Ableitung erf¨ ullt die (¨ ublichen) Rechenregeln (f + g)′ = f ′ + g ′ , (f g)′ = f ′ g + f g ′ , (af )′ = af ′ f¨ ur f, g ∈ R[t] und a ∈ R. 3.14 Satz. Sei R ein Integrit¨atsring und f ∈ R[t] mit deg(f ) ≥ 0. Das Element b ∈ R ist mehrfache Nullstelle von f genau dann, wenn f (b) = 0 und f ′ (b) = 0. Beweis. Wir schreiben f wie oben f = (t − b)m g. Durch Ableiten erhalten wir f ′ = (x − b)m g ′ + m(x − b)m−1 g. Ist m > 1 so gilt offenbar f (b) = 0 und f ′ (b) = 0. Ist umgekehrt m = 1 so gilt f ′ = (x − b)g ′ + g und folglich f ′ (b) = g(b) 6= 0. F¨ ur f ′ (b) = 0 muß daher m > 1 gelten.
3.15 Korollar. Sei F ein K¨orper, K ein Teilk¨orper und f ∈ K[t] irreduzibel. (i) Gilt char(K) = 0, so hat f nur einfache Nullstellen in F . (ii) Gilt char(K) = p > 0 und hat f mehrfache Nullstellen in F , so ist f von der Form f = g(tp ) mit g ∈ K[t]. Beweis. (i): Wegen char(K) = 0 gilt f ′ 6= 0. Daher folgt aus deg(f ′ ) < deg(f ), daß gcd{f, f ′ } = 1 und somit 1 = λf + µf ′ mit geeigneten λ, µ ∈ K[t] ist. Dies gilt dann auch in F [t], und f und f ′ haben folglich keine gemeinsamen Nullstellen in F . Wegen Satz 3.14 besitzt f also keine mehrfachen Nullstellen in F . (ii): Es muß f ′ = 0 gelten, da sonst wie eben gcd{f, f ′ } = 1 w¨are und es keine mehrfachen Nullstellen in F geben k¨onnte. Wegen f ′ = 0 k¨onnen die Monome in f nur durch p teilbare Exponenten haben. Also ist f von der Gestalt f = g(tp ). Ist R ein Integrit¨atsring mit char(R) = p und hat das Polynom f = tp − c eine Nullstelle b ∈ R, so gilt f = tp − bp = (t − b)p . Also hat f genau eine Nullstelle, und die mit Vielfachheit p.
3.4
Basissatz von Hilbert
3.16 Satz. Sei R ein kommutativer Ring. Der Polynomring R[t] ist genau dann noethersch, wenn R noethersch ist. Beweis. Sei R[t] noethersch und I ein Ideal von R. Das von I in R[t] erzeugte P Ideal J ist nach Voraussetzung endlich erzeugt, J = ni=1 R[t]fi mit geeigneten Pn fi ∈ R[t]. Dann gilt auch I = i=1 Rfi (0) und I ist ebenfalls endlich erzeugt.
34
KAPITEL 3. POLYNOMRINGE
Sei nun R noethersch und J ein Ideal von R[t]. Wir weisen die Existenz einer endlichen Menge M ⊆ J mit der folgenden Eigenschaft nach: F¨ ur jedes f ∈ J ≥0 mit f 6= 0 gibt es e ∈ Z , λ1 , . . . , λn ∈ R und f1 , . . . , fn ∈ M mit
e
deg f − t
n X i=1
λi fi < deg(f ).
(3.17)
Wenn wir dies iteriert deg(f ) + 1 mal anwenden, reduzieren wir f modulo dem Ideal R[t]M zu Null. Daraus folgt f ∈ R[t]M , also J = R[t]M und J ist endlich erzeugt. P Sei Ji = {f ∈ J | deg(f ) ≤ i} und Ii = {ai | ij=0 aj tj ∈ Ji } f¨ ur i ∈ Z≥0 . Da Ji additiv und unter Multiplikation mit Elementen aus R abgeschlossen ist, handelt es sich bei Ii um ein Ideal von R. Wegen tJi ⊆ Ji+1 gilt Ii ⊆ Ii+1 . Da R noethersch ist, gibt es m ∈ Z≥0 mit Ii = Im f¨ ur alle i ≥ m und die I0 , . . . , Im sind jeweils endlich erzeugt. F¨ ur 0 ≤ i ≤ m gibt es daher endliche Mengen Mi ⊆ Ji derart, daß die Leitkoeffizienten der Polynome eines jeden Mi die zugeh¨origen Leitkoeffizientenideale Ii erzeugen. Wir setzen M = ∪m i=0 Mi . Aufgrund der Konstruktion von M und wegen Ii = Im f¨ ur i ≥ m sieht man direkt, daß jeder f¨ uherende Term Pn e ≥0 eines f ∈ J als f¨ uhrender Term eines Polynoms der Form t i=0 λi fi mit e ∈ Z , λi ∈ R und fi ∈ M auftritt, daß also (3.17) gilt. Der Basissatz von Hilbert liefert eine reine Existenzaussage f¨ ur endliche Erzeugendensysteme von Idealen, jedoch kein sinnvolles Verfahren, wie diese zu konstruieren sind. Als Hilbert diesen Satz Ende des 19. Jahrhunderts bewies, sorgte dieser auch aufgrund seiner nicht konstruktiven Natur f¨ ur erhebliches Aufsehen. Die Invariantentheorie war zu dieser Zeit ein großes und wichtiges Forschungsgebiet in der Mathematik und man schlug sich darin mit der expliziten Berechnung von Erzeugern gewisser Ideale herum. Von Gordan, einem Hauptvertreter der Invariantentheorie, stammt die Aussage, es handele sich beim Basissatz von Hilbert nicht um Mathematik, sondern um Theologie. In der Folge wurde die Axiomatisierung der Algebra vorangetrieben und man gew¨ohnte sich an formale, nicht konstruktive Beweise.
3.5
Satz von Gauß
Sei R ein faktorieller Ring. Wir wollen im folgenden das Faktorisierungsverhalten von Polynomen aus R[t] u ¨ber dem Quotientenk¨orper K = Quot(R) von R und u ¨ber R selbst untersuchen. Als Hilfsmittel verwenden wir dazu Bewertungen. Wir beginnen zuerst mit einer allgemeinen Aussage.
3.5. SATZ VON GAUSS
35
3.18 Proposition. Sei φ : R → S ein Homomorphismus der kommutativen Ringe R und S. Dann l¨aßt sich φ zu einem Homomorphimus ψ : R[t] → S[t] fortsetzen, welcher durch koeffizientenweise Anwendung von φ definiert ist. Ist φ surjektiv, so ist auch ψ surjektiv. Ferner gilt ker(ψ) = ker(φ)R[t]. Beweis. Kann man direkt nachrechnen. Eine andere Argumentation ist die folgende. Wir verkn¨ upfen φ mit dem Einbettungshomomorphismus S → S[t] und erhalten so S[t] als R-Algebra. Der Einsetzhomomorphismus φt : R[t] → S[t] wendet dann φ koeffizientenweise auf die Elemente von R[t] an. Wir setzen also ψ = φt . Die Aussagen u ¨ber die Surjektivit¨at und den Kern sind dann klar. 3.19 Proposition. Sei R ein kommutativer Ring und a ⊆ R ein Ideal. Durch koeffizientenweise Reduktion erh¨alt man einen Epimorphismus φ : R[t] → (R/a)[t]. Folglich gilt R[t]/aR[t] ∼ = (R/a)[t] und aR[t] ist genau dann ein Primideal in R[t], wenn a ein Primideal in R ist. Beweis. Folgt aus Proposition 3.18, angewendet auf den Reduktionshomomorphismus R → R/a, und dem Homomorphiesatz. Ferner gilt, daß aR[t] genau dann Primideal ist, wenn R[t]/aR[t] ein Integrit¨atsring ist, und daß a genau dann Primideal ist, wenn R/a und damit (R/a)[t] ein Integrit¨atsring ist. Die bereits ¨ bewiesene Isomorphie liefert daher die zu beweisende Aquivalenz. Wir kommen nun zu den Bewertungen. Sei P ein Repr¨asentantensystem der Primelemente von R. Jedes x ∈ R\{0} besitzt eine eindeutige Faktorisierung Q ur fast alle p ∈ P . x = ε p∈P pnp , wobei ε ∈ R× sowie np ∈ Z≥0 mit np = 0 f¨ Wir setzen vp (x) = nP und vP (0) = ∞ und erhalten damit f¨ ur jedes p ∈ P eine Abbildung vp : R → Z ∪ {∞}. F¨ ur x, y ∈ R gilt dann offenbar vp (xy) = vp (x) + vp (y) und vp (x + y) ≥ min{vp (x), vp (y)} unter Beachtung sinnvoller“ ” Rechenregeln mit ∞. Dies motiviert die folgende, allgemeine Definition. 3.20 Definition. Sei R ein Integrit¨atsring. Unter einer (nicht-archimedischen, exponentiellen) Bewertung auf R verstehen wir eine Abbildung v : R → R ∪ {∞} mit den folgenden Eigenschaften f¨ ur alle x, y ∈ R. (i) v(x) = ∞ genau dann, wenn x = 0, (ii) v(xy) = v(x) + v(y), (iii) v(x + y) ≥ min{v(x), v(y)}. Ein weiteres Beispiel einer Bewertung wird durch die negierte Gradfunktion − deg auf R[t] gegeben. Normalerweise betrachtet man solche Bewertungen f¨ ur den Fall, daß R ein K¨orper ist. Daher ist das folgende Lemma n¨ utzlich.
36
KAPITEL 3. POLYNOMRINGE
3.21 Lemma. Eine Bewertung auf dem Integrit¨atsring R l¨aßt sich auf eindeutige Weise auf K = Quot(R) fortsetzen. Beweis. Man definiert v(x/y) = v(x) − v(y). Die Bedingungen (i)-(iii) ergeben sich durch direktes Nachrechnen. Die Eindeutigkeit ergibt sich auch Bedingung (ii): F¨ ur v(x/y) muß gelten: v(x/y) + v(y) = v(x), wodurch v(x/y) eindeutig festgelegt wird. Ist R ein faktorieller Ring, so erhalten wir nun durch die Fortsetzung der vp Q auf K f¨ ur jedes x ∈ K × eine eindeutige Faktorisierung x = ε p∈P pvp (x) mit geeignetem ε ∈ R× . F¨ ur nicht faktorielle Ringe kann man sich die Bewertungen v als Exponenten in verallgemeinerten Faktorisierungen vorstellen. 3.22 Definition. Sei v eine Bewertung auf einem K¨orper K. (i) Die Menge Rv = {x ∈ K | v(x) ≥ 0} heißt Bewertungsring von v. (ii) Die Menge pv = {x ∈ K | v(x) > 0} heißt Bewertungsideal von v. 3.23 Lemma. Der Bewertungsring Rv ist ein Ring und das Bewertungsideal pv ist ein Primideal in Rv . Beweis. Die Aussagen ergeben sich unmittelbar aus (i)-(iii). Man kann dar¨ uberhinaus zeigen, daß pv das einzige Primideal von Rv und somit maximal ist. Außerdem sind genau die Elemente in Rv \pv Einheiten in Rv , kurz Rv ist ein lokaler Ring. Wir ben¨otigen diese Aussagen f¨ ur das folgende aber nicht. 3.24 Satz. Eine Bewertung v des Integrit¨atsrings R l¨aßt sich zu einer Bewertung P w auf R[t] durch w(f ) = mini v(ai ) f¨ ur f = i ai ti ∈ R[t] fortsetzen. Beweis. Die Bedingungen (i) und (iii) aus Definition 3.20 ergeben sich direkt aus der Definition von w: Es gilt w(f ) = ∞ genau dann, wenn alle v(ai ) = P i ∞, also f = 0. F¨ ur g = i bi t sehen wir weiterhin w(f + g) = mini v(ai + bi ) ≥ mini min{v(ai ), v(bi )} = min{mini v(ai ), mini v(bi )} = min{w(f ), w(g)}. Bedingung (ii) ist der Inhalt des nachfolgenden Lemmas von Gauß.
3.25 Lemma (Gauß). F¨ ur alle f, g ∈ R[t] gilt w(f g) = w(f ) + w(g). Beweis. Die Aussage gilt im Falle f = 0 oder g = 0. Wir nehmen daher f 6= 0 und g 6= 0 an. Wir setzen v auf K = Quot(R) fort und betrachten die Situation in K[t]. Allgemein gilt w(ch) = v(c) + w(h) f¨ ur c ∈ K und h ∈ K[t]. Wir verwenden dies f¨ ur die folgende Normierung. Seien r, s diejenigen Indizes, f¨ ur die w(f ) = v(ar )
3.5. SATZ VON GAUSS
37
P und w(g) = v(bs ) gilt, wobei g = i bi ti . Wir setzen f˜ = f /ar und g˜ = g/bs . Die Ungleichung v(ai /ar ) = v(ai ) − v(ar ) ≥ 0 ist scharf. Daher gilt w(f˜) = 0 und analog w(˜ g ) = 0. Zum Beweis des Lemmas gen¨ ugt nun also w(f˜g˜) = 0 zu zeigen, da hieraus w(f g) = w(ar f˜bs g˜) = v(ar bs ) + w(f˜g˜) = v(ar bs ) + w(f˜) + w(˜ g) = v(ar ) + v(bs ) + w(f˜) + w(˜ g ) = w(ar f˜) + w(bs g˜) = w(f ) + w(g) folgt. Offenbar gilt f˜, g˜ ∈ Rv [t]. Sei φ : Rv [t] → (Rv /pv )[t] wie in Proposition 3.19 der Homomorphismus, der die Koeffizienten reduziert. F¨ ur h ∈ Rv [t] gilt w(h) = 0 ˜ genau dann, wenn φ(h) 6= 0. Wir haben also φ(f ) 6= 0 und φ(˜ g ) 6= 0. Da (Rv /pv )[t] ˜ ˜ mit Rv /pv ein Integrit¨atsring ist, ergibt sich φ(f g˜) = φ(f )φ(˜ g ) 6= 0 und daraus w(f˜g˜) = 0. 3.26 Satz. Sei V eine Menge von Bewertungen des K¨orpers K und R = ∩v∈V Rv . Sei f ∈ R[t] normiert. Sind g, h ∈ K[t] normiert mit f = gh, so gilt g, h ∈ R[t]. Beweis. Wir setzen v ∈ V wie in Satz 3.24 zur Bewertung w auf K[t] fort. Dann gilt w(f ) = 0, w(g), w(h) ≤ 0 und w(f ) = w(g)+w(h). Es folgt w(g) = w(h) = 0, also g, h ∈ Rv [t]. Da dies f¨ ur jedes v ∈ V gilt, ergibt sich g, h ∈ R[t]. Satz 3.26 ist ein Beispiel f¨ ur das Lokal-Global Prinzip. Der Ring R wird global durch alle v ∈ V definiert. Wir beweisen die Aussage lokal, daß heißt bez¨ uglich Rv f¨ ur jedes v ∈ V einzeln, und k¨onnen dann durch Kombination der lokalen Aussagen die globale Aussage f¨ ur R erhalten. ¨ Nach diesen allgemeinen Uberlegungen kehren wir nun zu dem Fall zur¨ uck, daß R faktoriell ist. 3.27 Korollar. Sei R faktoriell, K = Quot(R) und f ∈ R[t] normiert. Sind g, h ∈ K[t] normiert mit f = gh, so gilt g, h ∈ R[t]. Beweis. Sei V = {vp | p ∈ P } die Menge der auf K fortgesetzten Bewertungen vp . F¨ ur x ∈ K gilt dann x ∈ R genau dann, wenn vp (x) ≥ 0 f¨ ur alle p ∈ P . Dies heißt R = ∩v∈V Rv . Die Aussage folgt nun mit Satz 3.26. Das Faktorisierungsverhalten normierter Polynome in R[t] entspricht also dem in K[t]. Wir wenden uns jetzt auch nicht normierten Polynomen zu. Wir bezeichnen mit wp die Fortsetzungen von vp auf K[t] wie oben. 3.28 Definition. Der Inhalt I(f ) eines Polynoms f ∈ K[t]\{0} ist definiert als Q I(f ) = p∈P pwp (f ) . Das Polynom f heißt primitiv, wenn I(f ) = 1 ist.
Der Inhalt von f ist offenbar gleich dem gr¨oßten gemeinsamen Teiler der Koeffizienten von f . Ferner gilt f ∈ R[t] genau dann, wenn I(f ) ∈ R. Aus Lemma 3.25 ¨ folgt I(f g) = I(f )I(g). Ahnlich wie im Beweis von Satz 3.24 k¨onnen wir jedes
38
KAPITEL 3. POLYNOMRINGE
Polynom f ∈ R[t]\{0} primitiv machen, indem wir seinen Inhalt I(f ) herausdividieren: Das Polynom f˜ = f /I(f ) liegt in R[t] und ist primitiv. Wir bemerken, daß I(f ) und f˜, aber nicht jedoch die Eigenschaft, primitiv zu sein, von der Wahl von P abh¨angen. 3.29 Satz (Gauß). Sei R kommutativ. Dann ist R[t] genau dann faktoriell, wenn R faktoriell ist. In diesem Fall bestehen die Primelemente von R[t] genau aus den Primelementen von R und den primitiven Polynomen in R[t], welche in K[t] f¨ ur K = Quot(R) irreduzibel sind. Beweis. Ist R[t] faktoriell, so muß auch R faktoriell sein, denn da R[t] nullteilerfrei ist, enth¨alt jede Faktorisierung von Elementen aus R in Primelemente aus R[t] nur solche Faktoren, welche aus R stammen. Diese Faktoren sind auch Primelemente von R. Sei nun umgekehrt R faktoriell. Die Primelemente von R bleiben prim in R[t]. Ist n¨amlich p ein solches, so ist R/pR und damit auch R[t]/pR[t] ∼ = (R/p)[t] unter Verwendung von Proposition 3.19 ein Integrit¨atsring. Sei nun q ∈ R[t] primitiv und irreduzibel in K[t]. Wir wollen zeigen, daß q Primelement ist. Seien f, g ∈ R[t], so daß q | f g gilt. Da q Primelement in K[t] ist, gibt es h ∈ K[t], so daß etwa f = qh gilt. Mit Lemma 3.25 sehen wir I(q)I(h) = I(f ) ∈ R. Wegen I(q) = 1 folgt also I(h) ∈ R und somit h ∈ R[t]. Daher gilt q | f in R[t]. Sei f ∈ R[t]\{0}. Gilt deg(f ) = 0, so faktorisiert f bereits in R in Primelemente, und dies ist auch eine Faktorisierung in R[t] in Primelemente. Gelte nun deg(f ) ≥ 1. Wir wollen zeigen, daß f in die bereits diskutierten Primelemente von R[t] faktorisiert. Wir schreiben zun¨achst f = af˜ mit a = I(f ) und f˜ ∈ R[t]. Das Element a faktorisiert in R, und dies liefert auch eine Faktorisierung in PrimQ elemente in R[t]. Sei f˜ = c i f˜i eine Faktorisierung in irreduzible Polynome in K[t]. Wir k¨onnen durch geeignete Skalierung mit dem Inhalt annehmen, daß die f˜i primitiv sind und somit auch in R[t] liegen. Da f˜ ebenfalls primitiv ist, folgt durch Anwendung von I(·) und aus der Multiplikativit¨at von I(·), daß c ∈ R× gilt. Daher faktorisiert f˜ in die Primelemente cf˜1 und f˜i aus R[t] f¨ ur i > 1. Beispiele f¨ ur Primelemente in Z[t] sind t, −t, t + 3, 2t − 1, t2 − 3, 5t2 − 2, . . . .
3.6
Irreduzibilit¨ at von Polynomen
Es ist im allgemeinen nicht einfach, die Irreduzibilit¨at eines Polynoms festzustellen oder seine Faktorisierung anzugeben. Es gibt keine expliziten Formeln, mit denen diese Fragen direkt beantwortet werden k¨onnten, und man greift daher
¨ VON POLYNOMEN 3.6. IRREDUZIBILITAT
39
auf Algorithmen bzw. Rechenverfahren zur¨ uck. Die Entwicklung solcher Algorithmen ist ein Forschungsgebiet der Computeralgebra. Im folgenden geben wir zwei Irreduzibilit¨atskriterien an und beschreiben die Faktorisierungsmethode von Kronecker f¨ ur Polynome u ¨ber Z. 3.30 Satz (Reduktionssatz). Sei φ : R → S ein Homomorphismus der Integrit¨atsringe R und S und ψ : R[t] → S[t] seine Fortsetzung wie in Proposition 3.18. Sei f ∈ R[t] mit deg(ψ(f )) = deg(f ) und ψ(f ) irreduzibel in S[t]. Sind dann g, h ∈ R[t] mit f = gh, so folgt g ∈ R oder h ∈ R. Beweis. Es gilt deg(g) + deg(h) = deg(f ) = deg(ψ(f )) = deg(ψ(g)) + deg(ψ(h)). Wegen deg(ψ(f )) ≤ deg(f ) und deg(ψ(g)) ≤ deg(g) ergibt sich deg(ψ(f )) = deg(f ) und deg(ψ(g)) = deg(g). Es ist daher nicht m¨oglich, daß deg(g) ≥ 1 und deg(h) ≥ 1 gilt, weil sonst ψ(f ) das Produkt zweier nicht konstanter Polynome und somit nicht irreduzibel w¨are. Als Beispiel betrachten wir das Polynom f = t3 + 6t2 + 8t + 4 ∈ Z[t] und den Reduktionshomomorphismus φ : Z → Z/3Z. Es gilt ψ(f ) = t3 − t + 1 ∈ (Z/3Z)[t]. Da ψ(f ) keine Nullstelle in Z/3Z besitzt, ist es irreduzibel. Folglich ist auch f irreduzibel. Dieses Beispiel k¨onnte den Gedanken nahelegen, daß es f¨ ur jedes irreduzible Polynom f ∈ Z[t] eine Primzahl p g¨abe, so daß ψ(f ) ∈ (Z/pZ)[t] irreduzibel w¨are. Dies ist jedoch nicht richtig. Das Polynom f = t4 − 16t2 + 4 ist irreduzibel in Z[t] und faktorisiert beispielsweise modulo jeder Primzahl entweder in zwei irreduzible Polynome vom Grad zwei oder vier Linearfaktoren. Der Beweis dieses Faktorisierungsverhaltens kann unter Verwendung der Galoistheorie gef¨ uhrt werden. Satz 3.30 kann jedoch auch nutzbringend eingesetzt werden, wenn ψ(f ) nicht unbedingt als irreduzibel vorausgesetzt wird, sondern wenn nur Geeignetes u ¨ber die m¨oglichen Zerlegungen von ψ(f ) bekannt ist. Dieser Ansatz wird in dem folgenden Satz benutzt. 3.31 Satz (Irreduzibilit¨atskriterium von Eisenstein). Sei R ein faktorieller Ring P und f = ni=0 ai ti ∈ R[t] ein primitives Polynom. Gibt es ein Primelement p ∈ R mit p | ai f¨ ur 0 ≤ i ≤ n − 1, p ∤ an und p2 ∤ a0 , so ist f irreduzibel in K[t] mit K = Quot(R). Beweis. Wir nehmen an, daß f nicht irreduzibel ist. Wegen der Primitivit¨at von f gibt es dann nach Satz 3.29 Polynome g, h ∈ R[t] mit f = gh, deg(g) ≥ 1 und deg(h) ≥ 1. Sei S = R/pR und ψ : R[t] → S[t] der koeffizientenweise Reduktionshomomorphismus. Weil p prim ist, ist S ein Integrit¨atsring. Wegen p ∤ an gilt nun deg(ψ(g)) = deg(g) und deg(ψ(h)) = deg(h) wie im Beweis von
40
KAPITEL 3. POLYNOMRINGE
Satz 3.30. Wegen p | ai gilt weiterhin ψ(f ) = ψ(an )tn = ψ(g)ψ(h). Sei K = Quot(S). Da K[t] faktoriell ist, sind ψ(g) und ψ(h) von der Form ψ(g) = btr und ψ(h) = cts mit b, c ∈ S. Wegen r, s ≥ 1 ist dann ψ(g)(0) = ψ(h)(0) = 0, also p | g(0) und p | h(0). Damit ist p2 ein Teiler von g(0)h(0) = f (0) = a0 , im Widerspruch zur Voraussetzung. Satz 3.31 kann zum Beispiel auf die Polynome f = tn − p ∈ Z[t] und g = tp−1 + · · · + t + 1 ∈ Z[t] angewendet werden, wo n ≥ 1 und p eine Primzahl ist. F¨ ur g ben¨otigt man allerdings zuerst noch einen Trick. Als Hinweis betrachte man g = (tp − 1)/(t − 1) und die durch t 7→ t + 1 definierte Abbildung. Wir beschreiben nun das Verfahren von Kronecker zur Faktorisierung von Polynomen u ¨ber Z. Nach Satz 3.29 k¨onnen wir uns dabei auf primitive Polynome beschr¨anken. 3.32 Proposition. Sei K ein K¨orper. Sind a0 , . . . , an ∈ K paarweise verschieden und b0 , . . . , bn ∈ K, so gibt es ein eindeutig bestimmtes Polynom f ∈ K[t] mit deg(f ) ≤ n und f (ai ) = bi f¨ ur 0 ≤ i ≤ n. Beweis. Zum Beweis der Eindeutigkeit sei g ∈ K[t] ein weiteres Polynom mit g(ai ) = bi . Wir setzen h = f − g. Dann gilt deg(h) ≤ n und h(ai ) = 0 f¨ ur 0 ≤ i ≤ n. Nach Satz 3.10 muß dann h = 0 gelten. F¨ ur die Existenz verwenden wir den Chinesischen Restsatz. Die Polynome t−ai sind irreduzibel und paarweise koprim. Daher gibt es ein g ∈ K[t] mit g ≡ bi mod (t − ai ) und folglich g(ai ) = bi f¨ ur 0 ≤ i ≤ n. Wir k¨onnen das gesuchte f mit deg(f ) ≤ n dann als den Rest der Q Division von g durch ni=0 (t − ai ) definieren. Die Berechnung des Polynoms f ∈ K[t] kann mit dem Lagrangeschen Interpolationspolynom oder dem Newtonschen Interpolationsverfahren erfolgen. Sei nun f ∈ Z[t] primitiv und g, h ∈ Z[t] mit f = gh. Dann ist g = ±1 oder deg(g) ≥ 1. F¨ ur paarweise verschiedene ai ∈ Z mit 0 ≤ i ≤ deg(g) gilt f (ai ) = g(ai )h(ai ), also g(ai ) | f (ai ). Das Polynom g ist durch die Werte g(ai ) eindeutig bestimmt. Sind die f (ai ) 6= 0, so gibt es f¨ ur g(ai ) nur endlich viele M¨oglichkeiten. Hieraus ergibt sich folgende Strategie, um alle Teiler von f vom Grad r zu bestimmen: 1. 2. 3. 4.
Bestimme paarweise verschiedene a0 , . . . , ar ∈ Z mit f (ai ) 6= 0. Berechne B = {(bi ) ∈ Zr+1 : bi | f (ai ) f¨ ur 0 ≤ i ≤ r}. Konstruiere g ∈ Q[t] f¨ ur jedes (bi ) ∈ B unter Benutzung von Proposition 3.32. Teste deg(g) = r, g ∈ Z[t] und g | f .
Es ist klar, daß dies ein endliches Verfahren zur Faktorisierung von primitiven Polynomen u ¨ber Z liefert:
3.7. MULTIVARIATE POLYNOMRINGE
41
1. Ist f 6= ±1, so gibt es nichts (mehr) zu tun. 2. Bestimme einen Teiler g 6= ±1 von f kleinsten Grades. 3. Setze f ← f /g und fahre mit 1. fort. Der Teiler in Schritt 2 ist wegen der Minimalit¨at irreduzibel. Gegebenenfalls verwendet man aus Normierungsgr¨ unden nur Teiler g mit positiven Leitkoeffizienten. Als einfaches Beispiel betrachten wir f = t3 − 15t2 + 71t − 105 und wollen alle Linearfaktoren in f bestimmen. Da f normiert ist, m¨ ussen die Linearfaktoren ebenfalls normiert sein. Durch Auswertung bei t = 0 ersehen wir, daß nur t − b mit b | 105 in Frage kommen kann. Wir haben 105 = 3 · 5 · 7. Nachrechnen ergibt, daß f (3) = f (5) = f (7) = 0 ist. Also gilt f = (t − 3)(t − 5)(t − 7). Abschließend bemerken wir, daß sich das Verfahren von Kronecker rekursiv zur Faktorisierung von Polynomen u ¨ber Z[t1 , . . . , tn ] und den entsprechenden Quotientenk¨orpern verallgemeinern l¨aßt. Moderne Algorithmen zur Polynomfaktorisierung verwenden andere, effizientere Ans¨atze als das Verfahren von Kronecker.
3.7
Multivariate Polynomringe
Sei R ein kommutativer Ring. Iterieren wir die Konstruktion eines univariaten Polynomrings, so erhalten wir multivariate Polynomringe. 3.33 Definition. Sei R ein kommutativer Ring und n ∈ Z≥0 . Die R-Algebra R[t1 ] · · · [tn ] zusammen mit den Elementen t1 , . . . , tn heißt Polynomring in den n Variablen t1 , . . . , tn u ¨ber R. Wir verwenden die Schreibweise R[t1 , . . . , tn ]. Die Elemente von R[t1 , . . . , tn ] heißen Polynome in den Variablen t1 , . . . , tn u ¨ber R. Jedes Element f ∈ R[t1 , . . . , tn ] l¨aßt sich in der Form f=
m X
i1 ,...,in =0
ai1 ,...,in xi11 · · · xinn
mit eindeutig bestimmten ai1 ,...,in ∈ R schreiben. Die Polynome xi11 · · · xinn heißen Monome, die Polynome ai1 ,...,in xi11 · · · xinn heißen Terme und die ai1 ,...,in heißen die Koeffizienten von f . Man kann jetzt verschiedene Gradfunktionen definieren. Zu P Gewichten w1 , . . . , wn kann man beispielsweise deg(xe11 · · · xenn ) = i wi ei setzen und diese Gradfunktion per Maximumsbildung auf R[t1 , . . . , tn ] fortsetzen. Man erh¨alt den sogenannten Totalgrad f¨ ur wi = 1. Polynomdivision bez¨ uglich dieser allgemeinerer Gradfunktionen ist im allgemeinen jedoch nicht mehr m¨oglich, wenn
42
KAPITEL 3. POLYNOMRINGE
nicht alle wi bis auf ein wj gleich Null sind. Ein Polynom f heißt homogen vom Grad d, wenn alle darin auftretenden Terme der gleichen Totalgrad d haben. Die Aussagen u ¨ber univariate Polynomringe u ¨bertragen sich iterativ auf multivariate Polynomringe, soweit keine speziellen Annahmen u ¨ber R getroffen wurden, die sich nicht induktiv fortsetzen. 3.34 Satz. Sei R kommutativer Ring. 1. R[t1 , . . . , tn ] ist genau dann nullteilerfrei, wenn R nullteilerfrei ist. In diesem Fall gilt R[t1 , . . . , tn ]× = R× . 2. Sei S eine kommutative R-Algebra mit der folgenden universellen Eigenschaft: S besitze Elemente x1 , . . . , xn ∈ S, so daß f¨ ur jede kommutative R-Algebra T und Elemente y1 , . . . , yn ∈ T genau ein R-Algebra Homomorphismus ψ : S → T mit ψ(xi ) = yi f¨ ur alle 1 ≤ i ≤ n existiert. Dann gilt S ∼ = R[t1 , . . . , tn ] als R-Algebren. 3. R[t1 , . . . , tn ] ist genau dann noethersch, wenn R noethersch ist. 4. R[t1 , . . . , tn ] ist genau dann faktoriell, wenn R faktoriell ist. Beweis. Per Induktion unter Verwendung der entsprechenden Aussagen f¨ ur den univariaten Fall. Die Homomorphismen ψ aus Aussage 2 heißen wieder Einsetzhomomorphismen. Ist S eine R-Algebra, f ∈ R[t1 , . . . , tn ] und sind y1 , . . . , yn ∈ S, so schreiben wir f (y1 , . . . , yn ) f¨ ur das Bild von f unter dem durch ti 7→ yi definierten Einsetzhomomorphismus R[t1 , . . . , tn ] → S. Gilt f (y1 , . . . , yn ) = 0, so nennen wir (y1 , . . . , yn ) eine Nullstelle von f in S. F¨ ur n > 1 entsprechen Nullstellen von f in R keinen besonderen Faktoren von f , wie das bei n = 1 und Linearfaktoren der Fall ist. Lineare Abbildungen von k-Vektorr¨aumen k¨onnen durch Angabe der Werte auf einer Basis (¨ uber k linear unabh¨angiges Erzeugendensystem) eindeutig definiert werden. Die Situation hier ist ganz analog: R-Algebra Homomorphismen mit Definitionsbereich R[t1 , . . . , tn ] und Bildbereich eine R-Algebra k¨onnen durch die Angabe der Werte auf t1 , . . . , tn eindeutig definiert werden. Der von R und den t1 , . . . , tn erzeugte Teilring von R[t1 , . . . , tn ] ist bereits ganz R[t1 , . . . , tn ]. Die t1 , . . . , tn bilden daher ein Erzeugendensystem von R[t1 , . . . , tn ] u ur ein ¨ber R“. F¨ Pm ” i1 in Polynom f = i1 ,...,in =0 ai1 ,...,in x1 · · · xn ∈ R[t1 , . . . , tn ] mit f = 0 folgt, daß alle ai1 ,...,in = 0 sind. In diesem Sinn sind die t1 , . . . , tn also auch u ¨ber R algebraisch ” unabh¨angig“. Dies motiviert folgende Definition.
3.8. MONOIDRINGE, POTENZREIHEN- UND LAURENTREIHENRINGE
43
3.35 Definition. Sei R ein kommutativer Ring und S eine kommutative RAlgebra. Die Elemente y1 , . . . , yn ∈ S heißen algebraisch unabh¨angig u ¨ber R, wenn der Einsetzhomomorphimus ψ : R[t1 , . . . , tn ] → S mit ψ(ti ) = yi injektiv ist. F¨ ur algebraisch unabh¨angige y1 , . . . , yn ∈ S und den Einsetzhomomorphismus ψ : R[t1 , . . . , tn ] → S mit ψ(ti ) = yi ist ψ(R[t1 , . . . , tn ]) eine zu R[t1 , . . . , tn ] isomorphe R-Teilalgebra von S. Die yi verhalten sich also u ¨ber R wie Variablen. 2 Zum Beispiel k¨onnen wir S = R[t1 , . . . , tn ] und yi = ti w¨ahlen. Ferner sind die t1 , . . . , tn aus R[t1 , . . . , tn ] stets algebraisch unabh¨angig u ¨ber R. 3.36 Definition. Sei R ein Integrit¨atsring und n ≥ 1. Der Quotientenk¨orper von R[t1 , . . . , tn ] heißt K¨orper der rationalen Funktionen in t1 , . . . , tn u ¨ber R und wird mit R(t1 , . . . , tn ) bezeichnet. ur 0 ≤ i < n. Es gilt offenbar R(t1 , . . . , tn ) ∼ = Quot(R[t1 , . . . , ti ])(ti+1 , . . . , tn ) f¨ Wir fassen R(t1 , . . . , tn ) wieder als R-Algebra mit den ausgezeichneten Elementen t1 , . . . , tn auf.
3.8
Monoidringe, Potenzreihen- und Laurentreihenringe
Monoidringe, Potenzreihen- und Laurentreihenringe sollen hier nur ganz knapp behandelt werden. Sei R ein Ring und G ein Monoid. Wir setzen R[G] = {f | f : G → R und f (g) = 0 f¨ ur fast alle g ∈ G }. F¨ ur f, h ∈ R[G] definieren wir f + h ∈ R[G] durch (f + h)(g) = f (g) + h(g) und f · h ∈ R[G] durch (f · h)(g) =
X
f (ν)h(µ)
νµ=g
f¨ ur alle g ∈ G, wobei die Summe u ¨ber alle ν, µ ∈ G mit νµ = g l¨auft. Die Summe erstreckt sich nur u ¨ber endlich viele von Null verschiedene Summanden, so daß die Definition Sinn macht. Man sieht leicht, daß R[G] mit den inneren Verkn¨ upfungen + und · ein Ring ist. Das Nullelement von R[G] wird durch die Funktion gegeben, welche jedes
44
KAPITEL 3. POLYNOMRINGE
g auf 0 abbildet. Das Einselement von R[G] wird durch die Funktion gegeben, welche g = 1 auf das Einselement 1 von R und g 6= 1 auf 0 abbildet. F¨ ur g ∈ G bezeichnen wir mit g auch die Funktion aus R[G], welche h = g auf 1 und h 6= g auf 0 f¨ ur alle h ∈ G abbildet. Wir erhalten einen Monomorphismus R → R[G], r 7→ fr mit fr (g) = r δg,1 (Kronecker-Delta). Damit fassen wir R als Teilring von R[G] auf und R[G] wird zu einer R-Algebra. Wir erhalten dar¨ uberhinaus einen Monomorphismus G → R[G]× und fassen G als Untergruppe von R[G]× auf. 3.37 Definition. Sei R ein Ring. Die eben definierte R-Algebra R[G] zusammen mit dem Monomorphismus G → R[G]× heißt Monoidring von G u ¨ber R. Ist G eine Gruppe, so heißt R[G] auch Gruppenring von G u ¨ber R. Zur Veranschaulichung ist es besser, die Elemente von R[G] mittels der g auszudr¨ ucken. Man sieht aufgrund der Definitionen sofort, daß f¨ ur f ∈ R[G] P folgendes gilt: f = g∈G ag g, mit ag = f (g) fast alle Null. Zwischen ag und g steht hier die ¨außere Multiplikation. Die obigen Verkn¨ upfungen sind gerade so gemacht, daß sich die erwarteten“ Rechenregeln ergeben. ” 3.38 Beispiel. F¨ ur einen kommutativen Ring R und den Monoid G = (Z≥0 , +) ur G = (Z/nZ, +) ergibt sich ergibt sich R[G] ∼ = R[t] und R[Gn ] = R[t1 , . . . , tn ]. F¨ n R[t]/(t − 1)R[t]. R[G] ∼ = Motiviert durch das Beispiel k¨onnen Polynomringe in beliebig vielen Variablen wie folgt definiert werden. 3.39 Definition. Sei R ein kommutativer Ring und I eine Menge. Sei G ≤ Q ≥0 ≥0 j∈I (Z , +) der Untermonoid des Produkt der Monoide (Z , +), welcher aus allen Elementen des Produkts besteht, deren Koordinaten fast alle Null sind. Seien ti ∈ G mit ti (j) = δi,j und T = {ti | i ∈ I}. Dann heißt T die durch I indizierte Variablenmenge. Der Polynomring R[T ] mit der durch I indizierten Variablenmenge T u ¨ber R ist die R-Algebra R[G] zusammen mit den ti ∈ T f¨ ur i ∈ I. 3.40 Bemerkung. F¨ ur unendliches I ist R[T ] nicht mehr noethersch, auch wenn R noethersch ist. R[T ] ist aber immer noch faktoriell, wenn R faktoriell ist. Wir kommen nun zu den Potenzreihenringen. Sei R ein kommutativer Ring. Die Definition des (univariaten) Potenzreihenring R[[t]] in der Variablen t u ¨ber R ≥0 erfolgt ganz analog zu der von R[t], nur daß f¨ ur die Funktionen f : Z → R die ≥0 Bedingung f (i) = 0 f¨ ur fast alle i ∈ Z fallen gelassen wird. Es handelt sich bei den Elementen von R[[t]] also um Polynome mit unendlich vielen Koeffizienten“. ”
3.8. MONOIDRINGE, POTENZREIHEN- UND LAURENTREIHENRINGE
45
Die Operationen + und · werden genauso definiert, wobei die Summe in der Definition von · stets endlich ist und daher Sinn macht. Der (multivariate) Potenzreihenring R[[t1 , . . . , tn ]] wird dann als R[[t1 ]] · · · [[tn ]] definiert. Wir fassen R[[t1 , . . . , tn ]] als R-Algebra mit den ausgezeichneten Elementen t1 , . . . , tn auf. Wir k¨onnen analog auch R[[G]] f¨ ur einen Monoid definieren, wenn es f¨ ur jedes g ∈ G nur endlich viele ν, µ ∈ G mit νµ = g gibt, damit die Summe in der Definition von · wieder nur endlich ist. Die Elemente von R[[t1 , . . . , tn ]] heißen Potenzreihen in t1 , . . . , tn u ¨ber R. Jedes f ∈ R[[t1 , . . . , tn ]] kann in der Form X f= ai1 ,...,in ti11 · · · tinn i1 ,...,in ≥0
mit ai1 ,...,in ∈ R geschrieben werden. 3.41 Lemma. Sei R kommutativ. 1. Es gilt ×
R[[t1 , . . . , tn ]] =
n
X
ai1 ,...,in ti11
i1 ,...,in ≥0
· · · tinn
o × ai1 ,...,in ∈ R und a0,...,0 ∈ R .
2. Ist R ein K¨orper, so ist R[[t1 , . . . , tn ]] ein lokaler Ring mit maximalem Ideal P m = ni=1 ti R[[t1 , . . . , tn ]].
Beweis. Zu 1. Die Inklusion ⊆“ ist unmittelbar einsichtig. F¨ ur ⊇“ sei f ein ” ” Element der rechten Seite. Ohne Einschr¨ankung k¨onnen wir nach Normierung P∞ i a0,...,0 = 1 annehmen. Setze g = 1 − f . Dann k¨onnen wir h = i=0 g ∈ R[[t1 , . . . , tn ]] definieren und es gilt wie bei der geometrischen Reihe h(1 − g) = hf = 1. Zu 2. Folgt direkt aus Aussage 1. Wir k¨onnen in den Reihen auch endliche Hauptteile erlauben: Die Laurentreihenringe R((t1 , . . . , tn )) in den Variablen t1 , . . . , tn u ¨ber R bestehen aus den Laurentreihen X f= ai1 ,...,in ti11 · · · tinn i1 ,...,in ≥m
mit ai1 ,...,in ∈ R und m ∈ Z. Addition und Multiplikation werden wie erwartet definiert und involvieren f¨ ur jeden Koeffizienten des Ergebnis nur endlich viele Operationen in R. Der Laurentreihenring R((t1 , . . . , tn )) wird wieder als R-Algebra mit den ausgezeichneten Elementen t1 , . . . , tn aufgefaßt. F¨ ur einen K¨orper k kann man mit dem Lemma leicht sehen, daß k((t)) ebenfalls ein K¨orper ist und das speziell k((t)) ∼ = Quot(k[[t]]) gilt.
46
3.9
KAPITEL 3. POLYNOMRINGE
Symmetrische Polynome
Sei R kommutativer Ring und AutR (R[t1 , . . . , tn ]) die Automorphismengruppe der R-Algebra R[t1 , . . . , tn ]. Wir wollen einen Monomorphismus φ : Sn → AutR (R[t1 , . . . , tn ]) und somit eine Operation von Sn auf R[t1 , . . . , tn ] durch σ · f = φ(σ)(f ) definieren. Sei σ ∈ Sn . Wir erhalten den Einsetzhomomorphismus φ(σ) : R[t1 , . . . , tn ] → R[t1 , . . . , tn ], f 7→ f (tσ(1) , . . . tσ(tn ) ). Offenbar gilt φ(σ) ∈ AutR (R[t1 , . . . , tn ]), da φ(σ) ∈ EndR (R[t1 , . . . , tn ]) und da φ(σ) bijektiv ist. Ferner ist leicht einsehbar, daß φ : Sn → AutR (R[t1 , . . . , tn ]) ein Monomorphismus ist. Damit gilt σ(f + g) = σf + σg, σ(f g) = (σf )(σg) und σ(rf ) = r(σf ) f¨ ur alle f, g ∈ R[t1 , . . . , tn ], r ∈ R und σ ∈ Sn . Sei G ≤ Sn und R[t1 , . . . , tn ]G = {f | f ∈ R[t1 , . . . , tn ] und σf = f }. Dann ist R[t1 , . . . , tn ]G ein Teilring von R[t1 , . . . , tn ], und die Elemente von R[t1 , . . . , tn ]G heißen G-invariante Polynome. Wir sind speziell an G = Sn interessiert, und in diesem Fall heißen die G-invarianten Polynome auch symmetrische Polynome und R[t1 , . . . , tn ]G Ring der symmetrischen Polynome. Sei f ∈ R[t1 , . . . , tn ][t] mit f=
n Y i=1
(t − ti ) =
n X
(−1)i si tn−i
(3.42)
i=0
P Q und si ∈ R[t1 , . . . , tn ]. Es gilt beispielsweise s0 = 1, s1 = ni=1 ti , . . . , sn = ni=1 ti . Um sich die allgemeine Form der si klarzumachen, multipliziere man f im Kopf“ ” aus! Die si h¨angen im u ¨brigen auch von n ab. Wir k¨onnen die Operation von Sn auf R[t1 , . . . , tn ] auf R[t1 , . . . , tn ][t] durch σt = t fortsetzen. 3.43 Lemma. Die si sind symmetrisch und homogen vom Grad i, f¨ ur 0 ≤ i ≤ n. Q Q Beweis. Es gilt σf = ni=1 (t − tσ(i) ) = ni=1 (t − ti ) = f . Wegen σt = t folgt σ(si ) = si f¨ ur 0 ≤ i ≤ n nach (3.42). Die Aussage u ¨ber die Homogenit¨at folgt, wenn man f explizit ausmultipliziert und die si hinschreibt. 3.44 Definition. Das Polynom si heißt das i-te elementar-symmetrische Polynom in t1 , . . . , tn , f¨ ur 1 ≤ i ≤ n. 3.45 Satz. Jedes symmetrische Polynom in t1 , . . . , tn l¨aßt sich als Polynom in s1 , . . . , sn schreiben. Die s1 , . . . , sn sind algebraisch unabh¨angig u ¨ber R. Beweis. Wir schicken eine Definition und eine Bemerkung u ¨ber elementar-symmetrische Polynome voraus.
3.9. SYMMETRISCHE POLYNOME
47
Zu Beweiszwecken definieren wir das Gewicht des Monoms te11 · · · tenn als w(te11 P · · · tenn ) = ni=1 iei und das Gewicht von f ∈ R[t1 , . . . , tn ] als das Maximum der Gewichte der in f vorkommenden Monome. Dann folgt aus w(f ) ≤ d f¨ ur den Totalgrad deg(f (s1 , . . . , sn )) ≤ d. Sei (si )0 = si (t1 , . . . , tn−1 , 0). Ersetzen von tn durch 0 und K¨ urzen von t in Gleichung (3.42) zeigt, daß (si )0 f¨ ur 1 ≤ i ≤ n − 1 die elementar-symmetrischen Polynome in den Variablen t1 , . . . , tn−1 sind. Sei f ∈ R[t1 , . . . , tn ]Sn mit deg(f ) = d. Wir zeigen, daß es g ∈ R[t1 , . . . , tn ] mit w(g) ≤ d und f = g(s1 , . . . , sn ) gibt. Der Beweis erfolgt per Induktion u ur ¨ber n. F¨ n = 1 gilt s1 = t1 und die Aussage is korrekt. Wir nehmen nun an, die Aussage sei korrekt f¨ ur n − 1 Variablen f¨ ur n ≥ 2 und f¨ uhren eine weitere Induktion u ¨ber d durch. F¨ ur d = 0 ist f konstant und die Aussage ist korrekt. Sei nun d > 0. Nach der Induktionsannahme gibt es g1 ∈ R[t1 , . . . , tn−1 ] mit w(g1 ) ≤ d und f (t1 , . . . , tn−1 , 0) = g1 ((s1 )0 , . . . , (sn−1 )0 ). Wegen deg((si )0 ) = deg(si ) und obiger Bemerkung gilt deg(g1 (s1 , . . . , sn−1 )) ≤ d. Setze f1 = f − g1 (s1 , . . . , sn−1 ). Dann gilt deg(f1 ) ≤ d und f1 ist symmetrisch. Weiter ist f1 (t1 , . . . , tn−1 , 0) = 0, also gilt tn |f1 und wegen der Symmmetrie sn |f1 in R[t1 , . . . , tn ]. Also gibt es f2 ∈ R[t1 , . . . , tn ] mit f1 = sn f2 , f2 symmetrisch und deg(f2 ) ≤ d − n < d. Nach der Induktionsannahme gibt es g2 ∈ R[t1 , . . . , tn ] mit w(g2 ) ≤ d − n und f2 = g2 (s1 , . . . , sn ). Mit g = g1 + tn g2 ∈ R[t1 , . . . , tn ] folgt f = g(s1 , . . . , sn ) und w(g) ≤ d, was zu beweisen war. Der Beweis der algebraischen Unabh¨angigkeit erfolgt wieder mit Induktion u ur n = 1 ist die Aussage korrekt. Sei f ∈ R[t1 , . . . , tn ] ein Poly¨ber n. F¨ Pm i nom kleinsten Totalgrads mit f (s1 , . . . , sn ) = 0. Schreibe f = i=0 fi tn mit fi ∈ R[t1 , . . . , tn−1 ]. Hier gilt f0 6= 0, da sonst f = tn g, sn g(s1 , . . . , sn ) = 0 und damit g(s1 , . . . , sn ) = 0 g¨alte, im Widerspruch zur Minimalit¨at von f . Wir Pm i erhalten f (s1 , . . . , sn ) = i=0 fi (s1 , . . . , sn−1 )sn und nach tn 7→ 0 ergibt sich f0 (s1 , . . . , sn−1 ) = 0, im Widerspruch zur Induktionsannahme. Mit Galoistheorie und Aussagen u ¨ber ganze Ringerweiterungen und u ¨ber transzendente K¨orpererweiterungen l¨aßt sich dieser Satz relativ gesehen leichter und k¨ urzer, aber nicht konstruktiv beweisen. Die Relevanz des angegebenen Beweises liegt daher vornehmlich darin, daß er ein Verfahren zur Berechnung der g liefert. Das Polynom g ist im u ¨brigen eindeutig bestimmt, was aus der algebraischen Unabh¨angigkeit der si folgt. 3.46 Korollar. Sei ψ : R[t1 , . . . , tn ] → R[t1 , . . . , tn ] der durch ti 7→ si definierte Einsetzhomomorphismus. Dann gilt im(ψ) = R[t1 , . . . , tn ]Sn und ker(ψ) = {0}.
48
KAPITEL 3. POLYNOMRINGE
Beweis. Die Inklusion im(ψ) ⊆ R[t1 , . . . , tn ]Sn ist klar. Der Rest ist genau die Aussage des Satzes, nur anders formuliert. Wir betrachten kurz zwei Anwendungen, in denen symmetrische Polynome vorkommen. Q Sei f = ni=1 (t − ti ). Die Diskriminante von f ist definiert als Y Y D(f ) = (ti − tj )2 = (−1)n(n−1)/2 (ti − tj ). i<j
i6=j
Es handelt sich hierbei um ein symmetrisches Polynom, welches folglich als Polynom gf in den Koeffizienten von f geschrieben werden kann. 3.47 Beispiel. F¨ ur f = t2 + bt + c gilt D(f ) = b2 − 4c. F¨ ur f = x3 + at + b gilt 3 2 D(f ) = −4a − 27b . Diskriminanten kann man von jedem (normierten) Polynom u ¨ber einem kommutativen Ring bilden, indem man die die Koeffizienten von f f¨ ur die ti in gf einsetzt. Die Diskriminante eines Polynoms ist eine Invariante, mit Hilfe derer man feststellen kann, ob f mehrfache Nullstellen u ¨ber dem Grundring R oder einem Erweiterungsring S von R besitzt. Ist das Polynom f beispielsweise u ¨ber Z gegeben, so gilt D(f ) ∈ Z und die Primfaktoren p von D(f ) liefern genau die Charakteristiken der endlichen K¨orper Fq mit q = pm (und m ≤ deg(f )), u ¨ber denen das Polynom mehrfache Nullstellen hat. Dies findet Anwendung in der algebraischen Zahlentheorie. Ein weiteres, einfaches Beispiel aus der algebraischen Geometrie: Wenn man die Nullstellenmenge eines Polynoms als geometrische Struktur betrachtet, dann faßt man mehrfache Nullstellen als irregul¨are (singul¨are) Punkte der geometrischen Struktur auf. Sei beispielsweise f = (y − x)(y + x) = y 2 − x2 ∈ R[x, y]. Die Nullstellenmenge von f in R2 ist gleich der Vereinigung der Geraden mit Steigung 1 und −1 durch den Ursprung. F¨ ur die Diskriminante von f als Polynom in y gilt nach obiger Formel D(f ) = 4x2 . Daher hat f dann und nur dann eine doppelte Nullstelle in y, wenn x = 0 ist. Dies ist offenbar richtig, da sich die beiden Geraden genau im Ursprung x = 0, y = 0 schneiden. Die zweite Anwendung betrifft die Beziehung zwischen den Koeffizienten eines Polynoms und den Potenzsummen seiner Nullstellen, welche ebenfalls symmetriQ sche Polynome sind. Die Potenzsummen von f = ni=1 (t − ti ) sind definiert als Si =
n X j=1
tij .
3.9. SYMMETRISCHE POLYNOME
49
Sie k¨onnen wie folgt in den elementar-symmetrischen Polynomen geschrieben werden. Sei zun¨achst R = Z. Wir verwenden die Einbettungen Z[t] → Q(t) → Q((t)). Q P 3.48 Satz. F¨ ur g = ni=1 (1 − ti t) und Sj = ni=1 tji gilt: P j 1. g = exp − ∞ j=1 Sj t /j . P j−1 2. g ′ /g = − ∞ . j=1 Sj t P i 3. (−1)k kσk + k−1 ur 1 ≤ k ≤ n und i=0 (−1) σi Sk−i = 0 f¨ Pn i ur k ≥ n. i=0 (−1) σi Sk−i = 0 f¨ P P∞ j j Beweis. Zu 1. Wir rechnen mit log(1 − t) = − ∞ j=1 t /j und exp(t) = j=0 t /j!. Es gilt log((1 − t1 )(1 − t2 )) = log(1 − t1 ) + log(1 − t2 ) und exp(log(1 − t)) = P j 1 − t. Wir erhalten log(g) = − ∞ ur log und g = j=1 Sj t /j wegen der Regel f¨ P∞ j exp(− j=1 Sj t /j) durch Anwenden von exp. P j Zu 2. Ableiten beider Seiten von log(g) = − ∞ j=1 Sj t /j liefert Aussage 2. Pn P Zu 3. Wegen g = i=0 (−1)i si ti und g ′ = ni=0 i(−1)i si ti−1 folgt Aussage 3 P j−1 durch Koeffizientenvergleich in der Gleichung g ′ + g ∞ = 0, welche nach j=1 Sj t Aussage 2 gilt.
Im Satz k¨onnen wir nun R und die ti speziell vorgeben: Aussage 1 gilt dann f¨ ur jeden Integrit¨atsring R der Charakteristik Null, da Q Teilk¨orper von Quot(R) ist und die Gleichung darin Sinn macht. Aussage 2 und Aussage 3 sind u ¨ber Z definiert und gelten daher f¨ ur jeden Ring und beliebige Werte von ti . Die Zuordnung k[t]\{0} → k((t)), f 7→ f ′ /f f¨ ur einen beliebigen K¨orper k heißt im u ullt (f g)′ /(f g) = f ′ /f + g ′ /g. ¨brigen logarithmische Ableitung und erf¨ Mittels Aussage 3 kann man die Koeffizienten eines Polynoms und die Potenzsummen ineinander umrechnen, sofern die Charakteristik gr¨oßer als n ist. Diese Relationen heißen Newtonsche Relationen. Der Satz kann f¨ ur Endomorphismen endlichdimensionaler Vektorr¨aume angewendet werden. Ist f das charakteristische Polynom eines Endomorphismus φ, so wird f durch die Spuren der Potenzen von φ eindeutig bestimmt, vorausgesetzt, die Charakteristik ist groß genug. Das ist vorteilhaft, wenn die Spuren besser zug¨anglich sind als die Koeffizienten von f . Eine Anwendung in diese Richtung erfolgt bei den Zetafunktionen von algebraischen Kurven u ¨ber endlichen K¨orpern bzw. den charakteristischen Polynomen der zugeh¨origen Frobeniusendomorphismen.
50
KAPITEL 3. POLYNOMRINGE
Kapitel 4 Moduln I Ein Modul ist ein Vektorraum“ u ¨ber K, wobei K nicht unbedingt ein K¨orper, ” sondern nur noch ein Ring zu sein braucht. Die Modultheorie kann als gemeinsame Verallgemeinerung der Ringtheorie und der linearen Algebra angesehen werden. Da die Theorie sehr umfangreich ist, k¨onnen hier im wesentlichen nur grundlegende Definitionen und S¨atze angef¨ uhrt werden.
4.1
Grundlagen
Im folgenden bezeichnet R immer einen (nicht notwendigerweise kommutativen) Ring mit Eins. Ringhomomorphismen bilden Einselemente auf Einselemente ab. 4.1 Definition. Sei M eine abelsche Gruppe. Wir betrachten eine Multiplikation · : R × M → M mit r · (x + y) = r · x + r · y, (r + s) · x = r · x + s · x (Distributivgesetze) (sr) · x = s · (r · x) (Assoziativit¨atsgesetz)
f¨ ur alle r, s ∈ R und x, y ∈ M . Außerdem gelte 1 · x = x f¨ ur alle x ∈ M . Dann heißt M zusammen mit · ein R-Linksmodul. Wie bei der Multiplikation in Ringen lassen wir · fort und schreiben nur rx statt r · x. 4.2 Beispiel. Jeder Vektorraum u ¨ber einem K¨orper K ist ein K-Linksmodul. Jeder Ring R und jedes Linksideal von R ist ein R-Linksmodul. Abelsche Gruppen M sind Z-Linksmoduln. Ist M ein R-Linksmodul und r ∈ R, so ist die Abbildung x 7→ rx ein Endomorphismus der abelschen Gruppe M , entsprechend erhalten wir einen Homomorphismus φ : R → End(M ). Ist umgekehrt M eine abelsche Gruppe und 51
52
KAPITEL 4. MODULN I
φ : R → End(M ) ein Homomorphismus, so definieren wir rx = φ(r)(x) f¨ ur alle r ∈ R und x ∈ M und erhalten so einen R-Linksmodul M . Dies liefert also auch eine alternative Definition von R-Linksmodul. Bei Linksmoduln wird R von links an M multipliziert. Analog zu Definition 4.1 definiert man R-Rechtsmoduln. F¨ ur nicht kommutative Ringe ist es im allgemeinen nicht m¨oglich, einen RLinksmodul M zu einem R-Rechtsmodul zu machen, indem man xr = rx definiert. Wegen der Assoziativgesetze m¨ ußte sonst gelten (r1 r2 )x = x(r1 r2 ) = (xr1 )r2 = r2 (xr1 ) = r2 (r1 x) = (r2 r1 )x f¨ ur r1 , r2 ∈ R und x ∈ M . F¨ ur kommutative Ringe ergibt sich jedoch kein Problem und man l¨aßt die Unterscheidung in Links- und Rechtsmoduln u ¨blicherweise fallen. Ist M ein R-Linksmodul, so kann man M auf die offensichtliche Weise zu einem Ropp -Rechtsmodul machen, wobei der Ring Ropp aus R entsteht, indem man die Multiplikation in R andersherum definiert bzw. ausf¨ uhrt. Entsprechend sind die Begriffe Linksmodul und Rechtsmodul symmetrisch und es gen¨ ugt, sich nur auf Linksmoduln zu konzentrieren. Daher soll im folgenden ein R-Modul immer einen R-Linksmodul bezeichnen. Bei Moduln M ist es h¨aufig praktisch, zuerst an die additive Struktur und dann an die R-lineare Struktur zu denken. 4.3 Definition. Ein Homomorphismus f : M → N der R-Moduln M und N ist ein Homomorphismus der abelschen Gruppen M und N , welcher R-linear ist, f¨ ur den also f (rx) = rf (x) f¨ ur alle x ∈ M und r ∈ R gilt. Die Menge der Homomorphismen von M nach N wird mit HomR (M, N ) bezeichnet. F¨ ur f, g ∈ HomR (M, N ) definieren wir f + g ∈ HomR (M, N ) durch (f + g)(x) = f (x) + g(x). Damit wird HomR (M, N ) zu einer abelschen Gruppe. Wir ben¨otigen weitere Definitionen, die auf der Hand liegen: Ist U ⊆ M eine Untergruppe des R-Moduls M und gilt RU ⊆ U , so heißt U ein Untermodul von M . F¨ ur zwei Untermoduln U, V von M ist die Summe abelscher Gruppen U + V wieder ein Untermodul von M (also unter Multiplikation mit R abgeschlossen), ebenso U ∩ V . Wie bei Vektorr¨aumen definieren wir Linearkombination, Erzeugendensystem, endlich erzeugt, linear unabh¨angig u ¨ber R, Basis, innere und ¨außere direkte Summe, Mono-, Epi-, Iso-, Endo- und Automorphismen. Hintereinanderausf¨ uhrung von Abbildungen liefert einen Homomorphismus HomR (M, N )×HomR (N, P ) → HomR (M, P ). Die zu einem Isomorphismus inverse Abbildung ist wieder ein Isomorphismus. Sei f ∈ HomR (M, N ). Dann sind der Kern ker(f ) und das Bild im(f ) als abelsche Gruppen wegen der R-Linearit¨at von f Untermoduln von M bzw. N . F¨ ur einen Untermodul U von M k¨onnen wir M/U als Faktorgruppe abelscher Gruppen betrachten. Wegen RU ⊆ U k¨onnen wir auf
4.1. GRUNDLAGEN
53
den Klassen vertreterweise eine Multiplikation mit R definieren, dies macht M/U zu einem R-Modul, dem Faktormodul von M nach U . Der kanonische Epimorphismus abelscher Gruppen π : M → M/U ist dann (per Definition) R-linear, also π ∈ HomR (M/U, N ). Der Kokern eines f ∈ HomR (M, N ) ist als N/im(f ) definiert. Es gelten wieder Homomorphie- und Isomorphies¨atze: 4.4 Satz. Seien M , N R-Moduln. (i) F¨ ur f ∈ HomR (M, N ) und U einen Untermodul von M mit U ⊆ ker(f ) gibt es genau ein g ∈ HomR (M/U, N ) mit f = g ◦ π, wobei π ∈ HomR (M, M/U ) der kanonische Epimorphismus ist. (ii) F¨ ur f ∈ HomR (M, N ) gilt M/ ker(f ) ∼ = im(f ). (iii) F¨ ur Untermoduln U, V von M gilt (U + V )/V ∼ = U/(U ∩ V ). (iv) F¨ ur Untermoduln U, V von M mit U ⊆ V gilt (M/U )/(V /U ) ∼ = M/V . Beweis. F¨ ur die unterliegenden abelschen Gruppen wurden diese Aussagen bereits in der Gruppentheorie gezeigt. Zu (i) und (ii). Es gibt es zu jedem x ∈ M/U ein y ∈ π −1 ({x}). Ist auch r ∈ R beliebig, so gilt g(rx) = g(rπ(y)) = g(π(ry)) = f (ry) = rf (y) = rg(π(y)) = rg(x). Daher ist g R-linear, also g ∈ HomR (M/U, N ), und Aussage (i) ist bewiesen. Aussage (ii) ist dann eine direkte Folgerung aus (i). Die Isomorphismen aus (iii) und (iv) werden jeweils durch einen kanonischen Epimorphismus abelscher Gruppen induziert. Da diese kanonischen Epimorphismen hier zus¨atzlich R-linear sind, sind auch die induzierten Isomorphismen Rlinear. Wir kommen jetzt zu ein paar grundlegenden Begriffen, die bei Vektorr¨aumen nur trivial auftreten oder zusammenfallen. 4.5 Definition. Sei M ein R-Modul. F¨ ur einen Untermodul U von M heißt Ann(U ) = {r ∈ R | rx = 0 f¨ ur alle x ∈ U } der Annulator von U . Ferner heißt M treu, wenn Ann(M ) = {0} gilt. Die Menge der Torsionselemente (oder Nullteiler) von M ist Tor(M ) = {x ∈ M | Ann(Rx) 6= {0}} = {x ∈ M | ∃r ∈ R\{0} mit rx = 0}. Der Modul M heißt ein Torsionsmodul, wenn Tor(M ) = M ist, und torsionsfrei, wenn Tor(M ) = {0} gilt. Der Annulator ist ein Untermodul des R-Moduls R, also ein Linksideal von R. F¨ ur einen torsionsfreien R-Modul ist R notwendigerweise nullteilerfrei (f¨ ur
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KAPITEL 4. MODULN I
Nullteiler a, b ∈ R und x ∈ M ist entweder bx = 0 oder a(bx) = (ab)x = 0). Ein typisches Beispiel erhalten wir mit M = R/I, wobei I ein Ideal in R ist. Hier gilt Ann(M ) = I und Tor(M ) = M . 4.6 Satz. Sei R ein Integrit¨atsring und M ein R-Modul. Dann ist Tor(M ) ein Untermodul von M und M/Tor(M ) ist torsionsfrei. Beweis. F¨ ur x, y ∈ Tor(M ) gibt es r, s ∈ R\{0} mit rx = sy = 0. Dann gilt rs 6= 0, da R nullteilerfrei ist, und rs(x − y) = 0. Daher x − y ∈ M . Ferner gilt f¨ ur s ∈ R beliebig r(sx) = 0, also sx ∈ Tor(M ). Daher ist Tor(M ) ein Untermodul von M . Sei x ∈ M und r ∈ R\{0} mit rx ∈ Tor(M ). Dann gibt es s ∈ R\{0} mit s(rx) = 0, folglich (sr)x = 0 und sr 6= 0. Es folgt x ∈ Tor(M ) und M/Tor(M ) ist daher torsionsfrei. 4.7 Definition. Sei M ein R-Modul. Der Rang von M ist das Maximum der Kardinalit¨aten von u ¨ber R linear unabh¨angigen Teilmengen von M und wird mit rank(M ) bezeichnet. Die L¨ange von M ist die L¨ange, also das Maximum der Anzahl der Inklusionen, von echt absteigenden Ketten · · · ) Mi ) Mi+1 ) · · · von Untermoduln von M mit i ∈ Z und wird mit len(M ) bezeichnet. Zum Beispiel hat (Z/3Z)×Z den Rang eins und unendliche L¨ange. Der Nullmodul {0} hat L¨ange Null. F¨ ur Vektorr¨aume stimmen Rang und L¨ange u ¨berein und Rang und L¨ange sind unterschiedliche Verallgemeinerungen des Dimensionsbegriffs von Vektorr¨aumen auf Moduln. 4.8 Definition. Der Modul M heißt frei, wenn er eine Basis besitzt. Der Begriff frei“ soll heißen, daß es ein Erzeugendensystem von M gibt, ” welches frei von nicht trivialen R-linearen Relationen ist. Die Moduln Rn sind frei, die Einheitsvektoren liefern eine Basis. Besitzt ein Modul M eine endliche Basis mit n Elementen, so gilt M ∼ = Rn , wobei der Isomorphismus durch die Abbildung gegeben ist, die den Elementen von M die Koordinaten in R bez¨ uglich der Basiselemente zuordnet. Nicht jeder Modul ist frei: Als Beispiel betrachte man den Z-Modul Z/3Z. Im allgemeinen k¨onnen nur torsionsfreie Moduln frei sei. Eine Basis eines R-Moduls M ist eine maximale Menge von R-linear unabh¨angigen Elementen aus M , durch Hinzunahme eines Elements geht die lineare Unabh¨angigkeit verloren. Trotzdem brauchen Basen nicht die gleiche Kardinalit¨at zu besitzen. Es gibt beispielsweise einen (nicht-kommutativen) Ring R mit 1, f¨ ur m ≥1 n ∼ ur alle n, m ∈ Z gilt (siehe Abschnitt 9.5 oder Meyberg 1, den R = R f¨ Seite 178).
¨ 4.2. MATRIZEN UBER RINGEN
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4.9 Satz. Sei M ein R-Modul. (i) Seien xi ∈ M mit i ∈ I und I eine Indexmenge. Dann ist M genau dann frei und die xi sind eine Basis, wenn es f¨ ur jeden Modul N und beliebige Elemente yi ∈ N genau einen Homomorphismus f : M → N mit f (xi ) = yi f¨ ur alle i ∈ I gibt. (ii) Ist R kommutativ, so hat jede Basis von M die gleiche Kardinalit¨at. Beweis. Zu (i). Beweis ist einfach und vom Prinzip ¨ahnlich wie bei den Polynomringen. Zu (ii). Sei B eine Basis von M . F¨ ur R = {0} ist der Satz korrekt, alle Basen sind leer. Ansonsten besitzt R eine 1 6= 0 und somit ein ein maximales Ideal m. Dann ist mM ein Untermodul von M und M/mM ein R/m-Modul. Weiter ist B ′ = {x + mM | x ∈ B} eine Basis des R/m-Moduls M/mM , wie man leicht nachrechnet. Da R/m ein K¨orper ist, handelt es sich bei M/mM um einen R/mVektorraum. Es folgt #B ′ = dim(M/mM ) ist eindeutig bestimmt. Aus (i) folgt, daß jeder endlich erzeugte R-Modul N epimorphes Bild eines freien Moduls Rn ist. Eine andere als die oben erw¨ahnte Situation nicht freier Moduln tritt beispielsweise f¨ ur Integrit¨atsringe R auf, die keine Hauptidealringe sind. Ist I ein Ideal, welches nur von mindestens zwei Elementen erzeugt werden kann, so ist I als R-Modul nicht frei. Man sieht dies wie folgt: W¨are I frei, so m¨ ußte I wegen rank(I) = 1 eine einelementige Basis besitzen. Dies aber bedeutet gerade, daß I ein Hauptideal ist. Auch ist I dann zwar ein Untermodul von R, aber kein direkter Summand von R (wie das bei Untermoduln von Vektorr¨aumen der Fall w¨are). Dies gilt, urde, denn der Rang von R ist weil aus R ∼ = I ⊕ N zun¨achst N = {0} folgen w¨ eins und der von I ⊕ N f¨ ur N 6= {0} gr¨oßer gleich zwei, da N mit R torsionsfrei ∼ sein muß. Gilt R = I und bezeichnet φ : R → I den Isomorphismus, so ist I = φ(R) = Rφ(1) und I ist ein von φ(1) erzeugtes Hauptideal, im Widerspruch zur Annahme. Entsprechend ist auch nicht jeder (torsionsfreie) R-Modul von der Form Rn .
4.2
Matrizen u ¨ber Ringen
¨ Ahnlich wie in der linearen Algebra sind Matrizen auch in der Modultheorie n¨ utzliche Objekte. Wir wollen nun Matrizen u ¨ber Ringen betrachten. Wir befassen uns zun¨achst mit Determinanten von Matrizen u ¨ber beliebigen, kommutativen Ringen. Sei S = Z[x1,1 , . . . , xn,n , y1,1 , . . . , yn,n ], M = (xi,j )i,j
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KAPITEL 4. MODULN I
und N = (yi,j )i,j , so daß M, N ∈ S n×n gilt. Dann k¨onnen wir M auch als Matrix u ber dem Quotientenk¨orper Quot(S) von S auffassen und es ist det(M ) = P ¨ ¨ber σ∈Sn sign(σ)x1,σ(1) · · · xn,σ(n) ∈ S, wie man es aus der linearen Algebra u K¨orpern gew¨ohnt ist. Analoges gilt f¨ ur N . F¨ ur Determinanten gilt wie u ¨blich det(M N ) = det(M ) det(N ) und, daß det eine alternierende Multilinearform ist. Man beachte, daß dies Gleichungen im Polynomring S = Z[x1,1 , . . . , xn,n , y1,1 , . . . , yn,n ] sind, da Determinanten hier nichts anderes als Polynome in den Koeffizienten von M und N sind. Ist Mi,j ∈ S (n−1)×(n−1) die Matrix, die durch Streichen der i-ten Zeile und j-ten Spalte von M entsteht, so gilt ferner det(M ) = Pn i+j xi,j det(Mi,j ). i=1 (−1) Sei nun R ein beliebiger, kommutativer Ring. Da die xi,j und yi,j nirgends im Nenner auftreten, k¨onnen wir sie auch durch spezielle Werte aus R ersetzen. Daher gelten die genannten Eigenschaften aufgrund der Homomorphieeigenschaft des Einsetzhomomorphismus auch f¨ ur Matrizen u ¨ber R. Wir arbeiten auch h¨aufig u ber Integrit¨ a tsringen R. Hier kann man alles in ¨ K = Quot(R) einbetten und so lineare Algebra u ¨ber K anwenden. Zum Beispiel sind die Spalten- und Zeilenvektoren von M ∈ Rn×n genau dann u ¨ber R linear unabh¨angig, wenn det(M ) 6= 0 gilt. Man beachte, daß linear unabh¨angig u ¨ber R und linear unabh¨angig u ur K = Quot(R) ¨aquivalent sind (man kann ¨ber K f¨ Nenner rausmultiplizieren). 4.10 Satz. Sei R ein kommutativer Ring. (i) Sei A ∈ Rn×n , x = (xi )t ∈ Rn und b = (bi )t ∈ Rn mit Ax = b. Ist Bi die Matrix, deren i-te Spalte gleich b ist und die ansonsten mit A ¨ubereinstimmt, so gilt det(Bi ) = xi det(A). (ii) Sei M ∈ Rn×n und M ′ = ((−1)i+j det(Mj,i ))i,j ∈ Rn×n , wobei Mi,j die Matrix ist, die durch Streichen der i-ten Zeile und j-ten Spalte von M entsteht. Dann gilt M M ′ = M ′ M = det(M )In . (iii) Eine Matrix M ∈ Rn×n ist genau dann invertierbar, wenn det(M ) in R invertierbar ist. Beweis. (i): Die i-te Spalte b in Bi ist gleich der Linearkombination der Spalten von A mit den Koeffizienten xi . Sei Ai,j die Matrix, die an der i-ten Spalte die j-Spalte von A hat und ansonsten mit A u ¨bereinstimmt. Dann gilt det(Ai,j ) = δi,j det(A) (Kronecker-Delta) und aufgrund der Linearit¨at der Determinante in P der i-ten Spalte ergibt sich det(Bi ) = nj=1 xj det(Ai,j ) = xi det(A). (ii): F¨ ur S statt R folgt die Behauptung als Polynomidentit¨at, indem man die Eintr¨age von M ′ nach (i) unter Verwendung der obigen Entwicklung f¨ ur Deter′ minanten und durch K¨ urzen von det(M ) berechnet. F¨ ur M = (xi,j )i,j ergibt sich
4.3. NOETHERSCHE UND ARTINSCHE MODULN
57
ˆ i,j ), wobei M ˆ i,j die Matrix ist, die aus M entsteht, genauer xi,j det(M ) = det(M wenn wir die i-te Spalte von M durch den j-ten Einheitsvektor multipliziert mit ˆ i,j ) = (−1)i+j det(M ) det(Mj,i ) nach der Entdet(M ) ersetzen. Dann gilt det(M ˆ i,j Null ist außer in der j-ten Zeile, wo wicklungsformel, da die i-te Spalte in M det(M ) steht. Folglich xi,j det(M ) = (−1)i+j det(M ) det(Mj,i ). Da S nullteilerfrei ist und det(M ) 6= 0 gilt, folgt durch K¨ urzen xi,j = (−1)i+j det(Mj,i ) als Polynomidentit¨at. Durch Spezialisierung der Variablen folgt die Behauptung dann auch f¨ ur R. −1 −1 (iii): Ist M invertierbar, so gilt 1 = det(M M ) = det(M ) det(M ). Wegen M −1 ∈ Rn×n folgt auch det(M −1 ) ∈ R und det(M ) ist invertierbar in R. Umgekehrt sei M ∈ Rn×n und M ′ wie in (ii). Ist det(M ) invertierbar, so ist M ′ / det(M ) u ¨ber R definert und invers zu M . Satz 4.10, (i) ist als Cramersche Regel bekannt. Die Matrix M ′ in (ii) nennt man h¨aufig Pseudoinverse von M . Invertierbare Matrizen u ¨ber Ringen heißen auch unimodular. Ist T ∈ Rn×n , M ein R-Modul und a1 , . . . , an , b1 , . . . , bn ∈ M mit (a1 , . . . , an )T = (b1 , . . . , bn ), so ist jedes bi eine Linearkombination der ai und der von den bi erzeugte Untermodul U2 von M ist also ein Untermodul des von den ai erzeugten Moduls U1 . Umgekehrt gilt f¨ ur unimodulares T aber auch (a1 , . . . , an ) = (b1 , . . . , bn )T −1 , so daß sich jedes bi als Linearkombination der ai schreiben l¨aßt und somit U1 = U2 gilt. Sind die ai und die bi Basen von M , so gibt es ein unimodulares T ∈ Rn×n mit (a1 , . . . , an )T = (b1 , . . . , bn ). 4.11 Satz. F¨ ur beliebiges T gilt mit obiger Notation det(T )U1 ⊆ U2 und det(T ) ∈ Ann(U1 /U2 ). Beweis. Mit Satz 4.10, (ii) und der Pseudoinversen T ′ von T gilt T T ′ = det(T )In . Daraus folgt det(T )(a1 , . . . , an ) = (a1 , . . . , an )T T ′ = (b1 , . . . , bn )T ′ ∈ U2n , also det(T )U1 ⊆ U2 . Die Aussage u ¨ber den Annulator folgt daraus direkt. Typische unimodulare, elementare Transformationen sind durch folgende Operationen gegeben: Mit Einheit multiplizieren, Vertauschen, Vielfaches eines Ele¨ ments zu einem anderen addieren. Uber euklidischen Ringen l¨aßt sich jede unimodulare Transformation in diese elementaren Transformationen faktorisieren, wie in Abschnitt 4.4 gezeigt wird.
4.3
Noethersche und Artinsche Moduln
In diesem Abschnitt sind aufsteigende und absteigende Ketten von Untermoduln von Interesse.
58
KAPITEL 4. MODULN I
4.12 Definition. Ein Modul heißt noethersch, wenn jede aufsteigende Kette von Untermoduln {0} = M0 · · · ⊆ Mi ⊆ Mi+1 ⊆ · · · station¨ar wird. Ein Modul heißt artinsch, wenn jede absteigende Kette von Untermoduln M = M0 · · · ⊇ Mi ⊇ Mi+1 ⊇ · · · station¨ar wird. Zum Beispiel ist jeder Hauptidealring R als R-Modul noethersch, aber im allgemeinen nicht artinsch. Ist I ein Ideal von R, so ist R/I dann auch artinsch. 4.13 Satz. Sei R ein Ring und M ein R-Modul. Dann sind ¨aquivalent. (i) M ist noethersch. (ii) Jede nichtleere Menge von Untermoduln von M besitzt ein maximales Element. (iii) F¨ ur jede Familie von Untermoduln Mi mit i ∈ I gibt es ein endliches I0 ⊆ I P P mit i∈I Mi = i∈I0 Mi . (iv) Jeder Untermodul von M ist endlich erzeugt.
Beweis. (i) ⇒ (ii): Wenn (ii) nicht gilt, dann gibt es eine nicht-leere Menge X, die keinen maximalen Untermodul enth¨alt. Zu jedem Modul aus X gibt es dann stets einen umfassenderen Modul aus X. Man kann daher (mittels Auswahlaxiom) eine aufsteigende, nicht station¨are Kette definieren. (ii) ⇒ (iii): In der Menge aller Summen endlich vieler Mi gibt es ein maxiP males Element N = i∈I0 Mi , wobei I0 ⊆ I endlich ist. Wegen der Maximalit¨at P folgt N + Mi = N f¨ ur alle i ∈ I, also i∈I Mi = N . (iii) ⇒ (i): Bilden die Mi eine aufsteigende Kette, so gibt es ein j f¨ ur welches P ar. i Mi = Mj . Daher ist die Kette station¨ P ur jedes j gibt es (iv) ⇒ (iii): Seien aj endlich viele Erzeuger von i∈I Mi . F¨ P unschte. ein endliches Ij ⊆ I mit aj ∈ i∈Ij Mi . Dann leistet I0 = ∪j Ij das Gew¨ (iii) ⇒ (iv): Sei U ein Untermodul. Zu I = U definiere Mi = Ri f¨ ur i ∈ I. P P Dann gilt U = i∈I Mi = i∈I0 Mi f¨ ur ein endliches I0 ⊆ I. Also ist I0 endliches Erzeugendensystem von U . Man beachte, daß in der Definition eines noetherschen Ring R Ideale, also R-Links- und Rechtmoduln betrachten werden. Mit unserer Definition braucht daher ein noetherscher Ring nicht als R-Modul noethersch zu sein. 4.14 Satz. Sei M ein R-Modul. (i) Ist M noethersch, so auch U und M/U f¨ ur alle Untermoduln U von M .
4.3. NOETHERSCHE UND ARTINSCHE MODULN
59
(ii) Sind U und M/U noethersch f¨ ur einen Untermodul U von M , so ist auch M noethersch. (iii) Ist M endlich erzeugt und R als R-Modul noethersch, so ist M noethersch. Beweis. (i): Aufsteigende Ketten von Untermoduln in U sind auch aufsteigende Ketten von Untermoduln von M und werden daher station¨ar. Analoges gilt f¨ ur aufsteigendene Ketten von Untermoduln in M/U und ihre Urbilder in M . (ii): Sei Ui eine aufsteigende Kette in M und Ui′ = U ∩ Ui , Ui′′ = (Ui + U )/U . Es gibt ein n, so daß Ut′ = Un′ und Ut′′ = Un′′ f¨ ur alle t ≥ n gilt. Wir zeigen nun ′′ Ut = Un f¨ ur t ≥ n. Sei x ∈ Ut . Wegen Ut = Un′′ gibt es y ∈ Un mit x − y ∈ U . Folglich x − y ∈ U ∩ Ut = Ut′ = Un′ ⊆ Un . Es ergibt sich x ∈ Un . (iii): Zun¨achst ist Rn nach (ii) noethersch, indem man Rn /R ∼ = Rn−1 betrachtet und Induktion anwendet. Als epimorphes Bild von Rn ist dann auch M wiederum nach (ii) noethersch. Es folgen die zu den beiden vorstehenden Satzen analogen S¨atze f¨ ur artinsche Moduln. 4.15 Satz. Sei R ein Ring und M ein R-Modul. Dann sind ¨aquivalent. (i) M ist artinsch. (ii) Jede nichtleere Menge von Untermoduln vom M besitzt ein minimales Element. (iii) F¨ ur jede Familie von Untermoduln Mi mit i ∈ I gibt es ein endliches I0 ⊆ I mit ∩i∈I Mi = ∩i∈I0 Mi . Beweis. (i) ⇒ (ii): Wenn (ii) nicht gilt, dann gibt es eine nicht-leere Menge X, die keinen minimalen Untermodul enth¨alt. Zu jedem Modul aus X gibt es dann stets einen darin echt enthaltenen Modul aus X. Man kann daher (mittels Auswahlaxiom) eine absteigende, nicht station¨are Kette definieren. (ii) ⇒ (iii): In der Menge aller Durchschnitte endlich vieler Mi gibt es ein minimales Element N = ∩i∈I0 Mi . Wegen der Minimalit¨at folgt N ∩ Mi = N f¨ ur alle i ∈ I, also ∩i∈I Mi = N . (iii) ⇒ (i): Bilden die Mi eine absteigende Kette, so gibt es ein j f¨ ur welches ∩i Mi = Mj . Daher ist die Kette station¨ar. 4.16 Satz. Sei M ein R-Modul. (i) Ist M artinsch, so auch U und M/U f¨ ur alle Untermoduln U von M .
60
KAPITEL 4. MODULN I
(ii) Sind U und M/U artinsch f¨ ur einen Untermodul U von M , so ist auch M artinsch. (iii) Ist M endlich erzeugt und R als R-Modul artinsch, so ist M artinsch. Beweis. (i): Absteigende Ketten von Untermoduln in U sind auch absteigende Ketten von Untermoduln von M und werden daher station¨ar. Analoges gilt f¨ ur absteigendene Ketten von Untermoduln in M/U und ihre Urbilder in M . (ii): Sei Ui eine absteigende Kette in M und Ui′ = U ∩ Ui , Ui′′ = (Ui + U )/U . Es gibt ein n, so daß Ut′ = Un′ und Ut′′ = Un′′ f¨ ur alle t ≥ n gilt. Wir zeigen nun ′′ Ut = Un f¨ ur t ≥ n. Sei x ∈ Un . Wegen Ut = Un′′ gibt es y ∈ Ut mit x − y ∈ U . Folglich x − y ∈ U ∩ Un = Un′ = Ut′ ⊆ Ut . Es ergibt sich x ∈ Ut . (iii): Zun¨achst ist Rn nach (ii) artinscher Modul, indem man Rn /R ∼ = Rn−1 betrachet und Induktion anwendet. Als epimorphes Bild von Rn ist dann auch M wiederum nach (ii) artinsch. Wir nennen eine echt absteigende Kette wie in Definition 4.7 maximal oder eine Kompositionsreihe, wenn sich die Kette durch Einf¨ ugen bzw. Voranstellen oder Anh¨angen von weiteren Untermoduln (lokal) nicht verl¨angern l¨aßt. Eine notwendige Bedingung ist also, daß Mi+1 maximal in Mi f¨ ur alle i ist. Eine endliche Kompositionsreihe (also eine Kompositionsreihe endlicher L¨ange) besitzt dar¨ uberhinaus notwendigerweise M und {0} als Anfangs- und Endpunkt. Eine beliebige, echt absteigende Kette mit Anfangs- und Endpunkt M und {0} und mit Mi+1 maximal in Mi ist umgekehrt eine endliche Kompositionsreihe. Der folgende Satz steht im Zusammenhang mit dem Satz von Jordan-H¨olderSchreier. Das wird in der Algebra 2 noch einmal genauer und allgemeiner aufgegriffen und bewiesen. 4.17 Satz. Sei M ein Modul. Die Kompositionsreihen von M besitzen alle die gleichen, maximalen L¨angen len(M ). Beweis. Lassen wir aus. Wir vergleichen nun die Eigenschaften noethersch und artinsch mit der L¨ange len(M ). 4.18 Satz. Sei M ein R-Modul. Dann sind ¨aquivalent: (i) M ist noethersch und artinsch. (ii) M besitzt eine endliche Kompositionsreihe. (iii) len(M ) < ∞.
¨ 4.4. MODULN UND MATRIZEN UBER HAUPTIDEALRINGEN
61
Beweis. (i) ⇒ (ii): Zu jedem Untermodul U 6= {0} von M sei XU die Menge aller von U verschiedener Untermoduln von U . Da M noethersch ist und XU 6= ∅ gilt, gibt es darin ein bez¨ uglich Inklusion maximales Element V , so daß V also ein maximaler Untermodul von U ist. Wir definieren mit dieser Beobachtung induktiv eine echt absteigende Kette M = M0 ) M1 ) . . . . Da M artinsch ist, muß diese Kette nach endlich vielen Schritten abbrechen, es muß also Mn = {0} f¨ ur ein n ∈ Z≥0 gelten. Dies liefert eine endliche Kompositionsreihe. (ii) ⇒ (iii): Nach Satz 4.17 stimmen len(M ) und die L¨ange der endlichen Kompositionsreihe u ¨berein, also gilt len(M ) < ∞. (iii) ⇒ (i): Ist M nicht noethersch oder nicht artinsch, so gibt es eine unendliche echt auf- oder absteigende Kette von Untermoduln von M . Daher gilt len(M ) = ∞. Als Folgerung aus diesem Satz bemerken wir: Sind die L¨angen echt absteigender, endlicher Ketten von Untermoduln in M unbeschr¨ankt, so enth¨alt M auch eine echt absteigende Kette von Untermoduln unendlicher L¨ange. 4.19 Satz. Sei M ein R-Modul und U ein Untermodul. Dann gilt len(M ) = len(U ) + len(M/U ). Beweis. Ketten von Untermoduln von U sind auch Ketten von Untermoduln von M . Urbilder von Ketten von Untermoduln von M/U unter dem kanonischen Epimorphismus sind wieder Ketten von Untermoduln von M , welche U enthalten. Gilt daher len(U ) = ∞ oder len(M/U ) = ∞, so folgt len(M ) = len(U ) + len(M/U ) = ∞. Sei nun len(U ) < ∞ und len(M/U ) < ∞. Die von Kompositionsreihen in U und M/U herr¨ uhrenden Ketten endlicher L¨ange in M mit den Anfangs- und Endpunkten {0}, U und U , M k¨onnen aneinandergeh¨angt werden und liefern eine Kompositionsreihe von M der L¨ange len(U ) + len(M/U ). Nach Satz 4.17 folgt len(M ) = len(U ) + len(M/U ). Aus dem Satz ergibt sich auch len(M1 ⊕ M2 ) = len(M1 ) + len(M2 ).
4.4
Moduln und Matrizen u ¨ ber Hauptidealringen
In diesem Abschnitt bezeichnet R einen Hauptidealring. Wir leiten zuerst Aussagen u ¨ber Matrixnormalformen her und wenden diese dann an, um Aussagen u ¨ber endlich erzeugte Moduln u ber Hauptidealringen zu erhalten. ¨ 4.20 Lemma. (i) Seien a1 , . . . , an ∈ R. Dann gibt es eine unimodulare Matrix U in Rn×n mit (a1 , . . . , an )U = (d, 0, . . . , 0), wobei d = gcd{a1 , . . . , an } ist.
62
KAPITEL 4. MODULN I
(ii) Seien a1 , . . . , an ∈ R. Dann gibt es eine Matrix A in Rn×n , deren erste Zeile gleich (a1 , . . . , an ) ist und f¨ ur die det(A) = gcd{a1 , . . . , an } gilt. Beweis. (i): F¨ ur i < j gibt es λ, µ ∈ R mit λai + µaj = c und c = gcd{ai , aj }. Die Matrix λ −aj /c ′ T = µ ai /c
ist in R2×2 , unimodular und erf¨ ullt (ai , aj )T ′ = (c, 0). Wir k¨onnen T ′ zu einer unimodularen Matrix T ∈ Rn×n machen, indem wir T ′ als (erweiterten) Diagonalblock in In einbetten, so daß gilt: (a1 , . . . , ai−1 , ai ,ai+1 , . . . , aj−1 , aj , aj+1 , . . . , an )T = (a1 , . . . , ai−1 , c, ai+1 , . . . , aj−1 , 0, aj+1 , . . . , an ).
Indem wir diese Schritte wiederholen und die so erhaltenen, unimodularen Transformationsmatrizen T aufmultiplizieren, erhalten wir schließlich ein unimodulares U ∈ Rn×n mit (a1 , . . . , an )U = (d, 0, . . . , 0). (ii): Sei U unimodular mit (a1 , . . . , an )U = (d, 0, . . . , 0), d = gcd{a1 , . . . , an } und det(U ) = 1 (andernfalls eine Spalte von U durch det(U ) dividieren). Sei B die Matrix, deren erste Zeile (d, 0, . . . , 0) ist und die ansonsten mit In u ¨bereinstimmt. −1 Dann gilt det(B) = d und die Matrix A = BU erf¨ ullt die Bedingungen. 4.21 Definition. Sei M = (mi,j ) ∈ Rn×m und Ij = { i | 1 ≤ i ≤ n und mi,j 6= 0}. Wir setzen j0 = max{ j | 1 ≤ j ≤ m und Ij 6= ∅}, ij = min Ij und definieren: M ist in unterer Spalten-Dreiecksform, wenn i1 < · · · < ij0 . Sei P ⊆ R ein Vertretersystem nicht-assoziierter Elemente von R und Rb ⊆ R ein Vertretersystem f¨ ur die Restklassen R/Rb f¨ ur jedes b ∈ P . Die Matrix M in unterer Spalten-Dreiecksform heißt in unterer Spalten-Hermite-Normalform, wenn f¨ ur jedes j = 1, . . . , j0 gilt: mij ,j ∈ P und mij ,k ∈ Rmij ,j f¨ ur 1 ≤ k < j. Entsprechend k¨onnen obere Spalten- und untere, obere Zeilen-Dreiecksformen f¨ ur M definiert werden. 4.22 Satz. Zu einer Matrix M ∈ Rn×m gibt es eine unimodulare Matrix T ∈ Rm×m , so daß M T in unterer Spalten-Dreiecksform ist. Sind Vertretersysteme P und Rb gegeben, so kann T so gew¨ahlt werden, daß M T in unterer SpaltenHermite-Normalform ist. In diesem Fall ist M T eindeutig durch M bestimmt. Beweis. F¨ ur M = 0 ist der Satz korrekt. Sei nun M 6= 0 und (a1 , . . . , am ) 6= 0 die i-te Zeile von M f¨ ur 1 ≤ i ≤ n minimal. Nach Lemma 4.20, (i) gibt es ein m×m unimodulares U1 ∈ R , so daß die i-te Zeile von M U1 von der Form (d, 0, . . . , 0) mit d = gcd{a1 , . . . am } ist. Alle Zeilen u ¨ber der i-ten Zeile von M U1 sind Null.
¨ 4.4. MODULN UND MATRIZEN UBER HAUPTIDEALRINGEN
63
Sei M ′ die Matrix, die aus M durch Streichen der ersten i Zeilen von M und durch Streichen der ersten Spalte von M entsteht. Per Induktion gibt es eine unimodulare Matrix U ′ ∈ R(m−1)×(m−1), so daß M ′ U ′ in unterer SpaltenDreiecksform ist. Wir definieren 1 0 U2 = ∈ Rm×m ′ 0 U und U = U1 U2 . Die Matrix U ist unimodular. Dann gilt 0 0 MU = d 0 ∈ Rn×m ∗ M ′U ′ (die ersten Nullzeilen k¨onnen auch wegfallen) und M U ist daher in unterer SpaltenDreiecksform. Durch Multiplikation der Spalten mit Einheiten erreichen wir die Bedingung mij ,j ∈ P , durch Addieren von Vielfachen der j-ten Spalte zu den k-ten Spalten mit k < j f¨ ur j = 1, . . . , j0 erreichen wir die Bedingung mij ,k ∈ Rmij ,j . Aufgrund der Dreieckecksform bleibt die Matrix oberhalb der ij -ten Zeile unver¨andert. Diese Transformationen entsprechen ebenfalls der Multiplikation mit einer unimodularen Matrix und liefern die untere Spalten-Hermite-Normalform von M . Die Eindeutigkeitsaussagen erh¨alt man am leichtesten aus der Interpretation der Spalten von M U als Modulbasis: Sei V der von den Spalten von M erzeugte R-Untermodul von Rn . Aufgrund der Dreiecksform sind die Spalten ungleich Null von M U linear unabh¨angig und bilden daher eine Basis von V . Wir betrachten zun¨achst die Eindeutigkeit der Zeilenindizes der Stufen und die Eindeutigkeit bis auf Assoziation der Elemente auf den Stufen. Sei Vi der Untermodul von V , dessen Elemente an den ersten i−1 Koordinaten Nulleintr¨age haben. F¨ ur die Menge I = {ij | 1 ≤ j ≤ j0 } der Zeilenindizes der Stufen in M U gilt dann I = {i | 1 ≤ i ≤ n und Vi 6= Vi+1 }. Also ist I unabh¨angig von U und eindeutig durch M bestimmt. Ferner liefert die Menge der i-ten Koordinaten der Elemente aus Vi ein Ideal von R, welches gerade durch das Element auf der Stufe in Zeile i erzeugt wird. Daher sind diese Elemente unabh¨angig von U und bis auf Assoziation eindeutig durch M bestimmt. Die Spalten bj von M U f¨ ur 1 ≤ j ≤ j0 sind dann ebenfalls bis auf Multiplikation mit Einheiten aus R und P0 Rbν unabh¨angig von U und eindeutig durch M bestimmt. Hieraus modulo jν=j+1 folgt auch die Eindeutigkeit der Hermite-Normalform unter weiterer Reduktion f¨ ur j = 1, . . . , j0 nach links. 4.23 Satz. Sei M ein Untermodul von Rn . Dann ist M frei vom Rang ≤ n.
64
KAPITEL 4. MODULN I
Beweis. Mit Rn ist auch M noethersch und daher endlich erzeugt. Durch Anwendung der Hermite-Normalform auf die durch die Erzeuger gebildete Matrix erhalten wir eine Basis von M in unterer Dreiecksform mit ≤ n Elementen. Der Eindeutigkeitsbeweis in Satz 4.22 liefert ebenfalls die Existenz einer Basis bestehend aus ≤ n Elementen jedes Untermoduls von Rn . Wir brauchen dabei nicht zu verwenden, daß M noethersch oder endlich erzeugt ist. Dies ergibt sich ¨ als Konsequenz der Uberlegung. Eine unimodulare Matrix M ∈ Rn×n kann nach dem Satz in eine untere Dreiecksmatrix mit Einheiten bzw. Einsen auf der Diagonalen transformiert werden. Indem noch noch links reduziert (Hermite-Normalform bilden), erh¨alt man In . Dies zeigt, daß sich jede unimodulare Matrix u ¨ber R in ein Produkt der ele′ mentaren, unimodularen Matrizen T bzw. T aus dem Beweis von Lemma 4.20 zerlegen l¨aßt. F¨ ur einen euklidischen Ring R sind diese Matrizen selbst wieder Produkte der am Ende von Abschnitt 4.1 erw¨ahnten elementaren Matrizen, da im euklidischen Algorithmus wechselseitig Vielfache von Elementen bzw. Spalten voneinander abgezogen werden. Will man Hermite-Normalformen u ¨ber einem euklidischen Ring “von Hand” ausrechnen, kann man wie folgt vorgehen. Man f¨ uhrt den euklidischen Algorithmus bez¨ uglich der Elemente der ersten Zeile aus, rechnet aber mit den ganzen Spalten. Hierbei addiert man also in jedem Schritt ein Vielfaches einer Spalte zu einer anderen Spalte. Bei Bedarf multipliziert man Spalten mit Einheiten. Zum Schluß sind in der ersten Zeile alle Elemente bis auf das erste Null. Das erste ist der gr¨oßte gemeinsame Teiler der Ausgangszeilenelemente und kann auch Null sein. Dann f¨ahrt man induktiv mit der zweiten Spalte ab dem zweiten Element fort. Komplexit¨atstechnisch gibt es wesentlich effizientere Verfahren zur HermiteNormalformberechnung. Typische, praktische Verwendungszwecke der Hermite-Normalform sind in etwa die Berechnung einer Basis eines durch ein Erzeugendensystem gegebenen Moduls M ⊆ Rn , Test auf Gleichheit, Test auf Inklusion, Summen- und Schnittberechnung zweier solcher Moduln. Eine r-Minore der Matrix M ∈ Rn×m f¨ ur r ≤ min{n, m} ist die Determinante einer (r × r)-Matrix, die durch Streichen von n − r Zeilen und m − r Spalten aus M entsteht. Wir definieren dr (M ) als den gr¨oßten gemeinsamen Teiler aller r-Minoren von M (ist bis auf Einheiten eindeutig bestimmt). Wir nennen M ∈ Rn×m diagonal, wenn M außerhalb der Diagonalen nur Nulleintr¨age besitzt (M muß also nicht unbedingt quadratisch sein). 4.24 Lemma. (i) Sei M ∈ Rn×m eine Diagonalmatrix mit den Diagonaleintr¨agen a1 , . . . , ad f¨ ur d = min{n, m}. Dann gibt es unimodulare Matrizen
¨ 4.4. MODULN UND MATRIZEN UBER HAUPTIDEALRINGEN
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U ∈ Rn×n und V ∈ Rm×m , so daß U M V diagonal mit den Diagonaleintr¨agen b1 , . . . , bd ist und b1 | · · · | bd gilt. (ii) Seien M ∈ Rn×m und U ∈ Rn×n , V ∈ Rm×m unimodulare Matrizen. Dann gilt dr−1 (M ) | dr (M ) und dr (M ) ∼ dr (U M V ). Beweis. (i): Sei M ′ die Diagonalmatrix mit ai , aj auf der Diagonalen und gelte i < j. Die unimodularen Transformationen gehen wie folgt: Addiere die zweite Zeile von M ′ zur ersten. Wende T ′ aus Lemma 4.20, (i) von rechts auf M ′ an. Dies liefert c 0 µaj d mit c = gcd{ai , aj } und d = ai aj /c = lcm{ai , aj }. Nun ziehen wir das µaj /c-fache der ersten Zeile von der zweiten Zeile ab und erhalten die Diagonalmatrix mit c = gcd{ai , aj }, d = lcm{ai , aj } auf der Diagonalen und es gilt c | d. Durch sukzessives Vorgehen f¨ ur (i, j) = (1, 2), (1, 3), . . . , (2, 3), (2, 4), . . . , (n−1, n) und Aufmultiplizieren der entsprechenden unimodularen Transformationsmatrizen folgt (i). (ii): Eine r-Minore kann nach dem Laplaceschen Entwicklungssatz als Linearkombination von (r − 1)-Minoren geschrieben werden. Daher ist das von den r-Minoren erzeugte Hauptideal I in dem von den (r−1)-Minoren erzeugten Hauptideal J enthalten. Wegen I = Rdr (M ) und J = Rdr−1 (M ) folgt dr−1 (M ) | dr (M ). Eine r-Minore von M V kann als R-Linearkombination von r-Minoren von M geschrieben werden, wegen der Linearit¨at der Determinante in den Spalten und da jede Spalte von M V eine Linearkombination der Spalten von M ist. Daher folgt wie eben dr (M ) | dr (M V ). Weil V unimodular ist, gilt auch dr (M V ) | dr (M ) f¨ ur M V und M = (M V )V −1 . Analog folgt die Aussage f¨ ur U M und U M V . 4.25 Satz. Sei M ∈ Rn×m und d = min{n, m}. Dann gibt es unimodulare Matrizen U ∈ Rn×n und V ∈ Rm×m , so daß U M V diagonal ist und f¨ ur die Diagonalelemente b1 | · · · | bd gilt. Die bi sind bis auf Einheiten eindeutig bestimmt. Beweis. Wir wenden Lemma 4.20, (i) abwechselnd auf die erste Zeile (unimodulare Transformation von rechts) und erste Spalte (unimodulare Transformation von links) an. Die auftretenden Elemente in Position (1, 1) erzeugen eine aufsteigende Kette von Idealen, welche station¨ar wird. Dann gilt aber, daß in der ersten Zeile und Spalte außer dem Element an Position (1, 1) alle Elemente Null sind (das Element an Position (1, 1) darf auch Null sein). Induktiv diagonalisieren wir dann die Matrix, die aus M durch Streichen der ersten Zeile und Spalte entsteht, durch unimodulare Transformationen von links und von rechts. Mit Lemma 4.24, (i) erreichen wir die aufsteigende Teilerbedingung.
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KAPITEL 4. MODULN I
Q Es gilt dr (U M V ) ∼ ri=1 bi und somit nach Lemma 4.24, (ii) wegen dr (U M V ) ∼ dr (M ) auch br ∼ dr (U M V )/dr−1 (U M V ) ∼ dr (M )/dr−1 (M ) f¨ ur dr−1 (M ) 6= 0. Gilt dr (M ) = 0 f¨ ur r minimal, so folgt wegen der Teilerbedingung bi 6= 0 f¨ ur 1 ≤ i ≤ r − 1 und bi = 0 f¨ ur r ≤ i ≤ d. Folglich sind die br unabh¨angig von U, V und bis auf Assoziation eindeutig durch M bestimmt. 4.26 Definition. Matrizen U M V in der Diagonalform von Satz 4.25 nennt man auch in Smith-Normalform oder Elementarteilerform. Die Eintr¨age bi nennt man Elementarteiler von M . Man kann zus¨atzlich fordern, daß die bi in einem Vertretersystem P liegen. Will man die Smith-Normalform “von Hand” ausrechnen, kann man wie im Beweis vorgehen. Man tut so, als wollte man die Spalten-Hermite-Normalform ausrechnen und transformiert die erste Zeile in die Form (∗, 0, . . . , 0). Dann f¨ahrt man fort, die Zeilen-Hermite-Normalform auszurechen und transformiert die erste Spalte in die Form (∗, 0, . . . , 0)tr . Dadurch wird im allgemeinen die erste Zeile wieder durcheinandergebracht, aber ∗ wird “kleiner”, bis ∗ alle Elemente der ersten Zeile und Spalte teilt, und diese dann ohne etwas wieder durcheinanderzubringen zu Null gemacht werden k¨onnen. Komplexit¨atstechnisch gibt es wieder wesentlich effizientere Verfahren zur Smith-Normalformberechnung. Wir verwenden jetzt den Satz u ¨ber die Smith-Normalform, um Aussagen u ¨ber endlich erzeugte Moduln u ¨ber Hauptidealringen zu erhalten. Der Satz u ¨ber die Smith-Normalform kann als Aussage u ¨ber die Existenz und diagonale“ Lage von ” Erzeugendensystemen von Moduln und Untermoduln gesehen werden. Der folgende Existenzsatz ist der erste Teil des Hauptsatzes f¨ ur endlich erzeugte Moduln u ¨ber Hauptidealringen. 4.27 Satz. Sei M ein endlich erzeugter Modul u ¨ber dem Hauptidealring R. Dann × gibt es bi ∈ R\R mit b1 | · · · | br und M∼ = R/b1 R ⊕ · · · ⊕ R/br R. Beweis. Da M endlich erzeugt ist, gibt es n ∈ Z≥1 und einen Epimorphismus f : Rn → M . Der Untermodul N = ker(f ) ist nach Satz 4.23 endlich erzeugt und besitzt eine Basis wi mit m ≤ n Elementen. Wir erg¨anzen diese Basis um n − m Nullspalten wm+1 , . . . , wn zu einem Erzeugendensystem und bezeichnen die resultierende Matrix mit A ∈ Rn×n . Die Einheitsvektoren ei in Rn bilden eine Basis von M , und es gilt (e1 , . . . , en )A = (w1 , . . . , wn ). Nach Satz 4.25 angewendet auf A erhalten wir eine andere Basis e′i von Rn und ein anderes Erzeugendensystem wi′ von N , so daß wi′ = ai e′i mit ai ∈ R und ai | ai+1 gilt. Daraus ergibt sich M∼ = R/a1 ⊕ · · · ⊕ R/an R. Durch Fortlassen von Einheiten unter den ai = Rn /N ∼ erhalten wir die gew¨ unschten b1 , . . . , br ∈ R\R× .
¨ 4.4. MODULN UND MATRIZEN UBER HAUPTIDEALRINGEN
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4.28 Korollar. Sei M ein endlich erzeugter Modul ¨uber dem Hauptidealring R. (i) Es gibt einen freien Modul F , so daß M ∼ = Tor(M ) ⊕ F . (ii) Ist M torsionsfrei, so ist M frei. (iii) Mit den Bezeichnungen von Satz 4.27 gilt Ann(M ) = Rbr . Beweis. Mit Satz 4.27 gilt Tor(M ) ∼ = ⊕bi 6=0 R/Rbi und F = ⊕bi =0 R. Daraus folgen (i) und (ii). Aussage (iii) ist aufgrund der aufsteigenden Teilerbedingung auch klar. Der folgende Eindeutigkeitssatz ist der zweite Teil des Hauptsatzes f¨ ur endlich erzeugte Moduln u ¨ber Hauptidealringen. 4.29 Satz. Seien ai , bj ∈ R\R× mit a1 | · · · | an , b1 | · · · | bm und R/a1 R ⊕ · · · ⊕ R/an R ∼ = R/b1 R ⊕ · · · ⊕ R/bm R. Dann gilt n = m und ai ∼ bi f¨ ur 1 ≤ i ≤ n. Beweis. Per Induktion u ur n = 0 muß wegen bj 6∈ R× auch m = 0 gelten ¨ber n. F¨ und die Behauptung des Satzes ist korrekt. F¨ ur n ≥ 1 gilt Ran = Ann(⊕i R/ai R) = Ann(⊕j R/bj R) = Rbm , folglich an ∼ bm . Wir setzen I = Ran = Rbm . Damit k¨onnen wir ⊕i R/ai R und ⊕j R/bj R auch als (treue) R/I-Moduln betrachten und es gilt #{ν | 1 ≤ ν ≤ n und aν ∼ an } = rank(⊕i R/ai R) = rank(⊕j R/bj R) = #{µ | 1 ≤ µ ≤ m und bµ ∼ bm }. Bezeichnet d diesen Wert, so gilt nach Induktionsvoraussetzung f¨ ur die R/I-Moduln n−d m−d ⊕i=1 R/ai R und ⊕j=1 R/bj R, daß n − d = m − d und ai + I ∼ bi + I in R/I f¨ ur alle 1 ≤ i ≤ n − d gilt. Wegen Rai ⊇ I und Rbi ⊇ I folgt daraus bereits Rai = Rbi beziehungsweise ai ∼ bi in R. Wir haben also n = m und ai ∼ bi f¨ ur alle 1 ≤ i ≤ n, was zu zeigen war. Wir merken an, daß die bi auch Null sein k¨onnen. Die Anzahl der bi mit bi = 0 entspricht dem Rang von M . Ein typischer, praktischer Verwendungszweck der Smith-Normalform ist damit, die Struktur bzw. Isomorphieklasse eines durch Erzeuger und R-Relationen gegebenen Moduls M (also eines Faktormoduls) explizit zu bestimmen. Die Elemente b1 , . . . br aus Satz 4.27 sind entsprechend Satz 4.29 eindeutig bestimmt und heißen Elementarteiler des Moduls M . Der folgende Satz ist die Primelementpotenzvariante des Hauptsatzes f¨ ur endlich erzeugte Moduln u ¨ber Hauptidealringen.
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KAPITEL 4. MODULN I
4.30 Satz. Sei M ein endlich erzeugter Modul u ¨ber dem Hauptidealring R. Dann gibt es Primelemente πi ∈ R, Exponenten ei ∈ Z≥1 und n ∈ Z≥0 mit M∼ = R/π1e1 R ⊕ · · · ⊕ R/πrer R ⊕ Rn . Die Isomorphieklasse von M ist durch die (πi , ei ) und durch n bis auf die Reihenfolge oder Assoziation der πi eindeutig bestimmt. Beweis. Sind a, b ∈ R teilerfremd, so gilt nach dem chinesischen Restsatz R/Rab ∼ = R/Ra ⊕ R/Rb als R-Moduln. Dies erlaubt es, die direkte Summe in Satz 4.27 weiter zu zerlegen, so daß die bi nur noch Potenzen von Primelementen sind. Dies liefert die Existenz der πi , ei und von n. Umgekehrt kann man mit dem chinesischen Restsatz R/π1e1 R ⊕ · · · ⊕ R/πrer R auch wieder zu R/b1 R ⊕ · · · ⊕ R/bm R mit bi ∈ R\R× und bi | bi+1 auf genau eine Weise zusammenfassen (f¨ ur jedes Primelement die Potenzen aufsteigend in eine Zeile schreiben und rechtsb¨ undig anordnen. Die bi sind dann die Produkte der Primelementpotenzen in den Spalten). Die Eindeutigkeit der bi nach Satz 4.29 impliziert dann die Eindeutigkeit der πi und ei wie behauptet. Die Zahl n ist als Rang von M eindeutig bestimmt. 4.31 Bemerkung. F¨ ur R = Z liefert der Satz den Struktursatz u ¨ber endlich erzeugte, abelsche Gruppen. Sei G eine endlich erzeugte abelsche Gruppe. Dann gibt es n ∈ Z≥1 und einen Epimorphismus φ : Zn → G. Die Bilder der Einheitsvektoren φ(ei ) sind Erzeuger von G, und die Elemente in ker(φ) die Relationen. Ist M ∈ Zn×n eine Matrix, deren Spalten Erzeuger von ker(φ) bilden, so kann die Struktur von G wie in Satz 4.27 mittels der Smith-Normalform M ′ = (bi δi,j )i,j von M ermittelt werden. Q F¨ ur det(M ) 6= 0 gilt #G = | i bi | = | det(M ′ )| = |det(M )|. F¨ ur det(M ) = 0 ′ gilt #G = ∞. Der betragsm¨aßig gr¨oßte Eintrag in M ist gleich dem kleinsten Exponenten von G. Der Annulator von G ist gleich dem vom kleinsten Exponenten erzeugten Ideal von Z. Analoges gilt f¨ ur einen endlich erzeugten Modul V u ¨ber einem Polynomring R = k[t], wobei k ein K¨orper ist. Die Anzahlaussagen werden hier am besten durch Dimensionsaussagen ersetzt. Jeder R-Modul ist auch ein k-Vektorraum. Speziell gilt dimk (R) = ∞ und dimk (R/Rb) = deg(b) f¨ ur b ∈ R\{0} nach der Eindeutigkeit der Reste der Polynomdivision. Beschreibt M ∈ Rn×n den Kern eines P Q Epimorphismus Rn → V wie eben, so folgt dimk (V ) = i deg(bi ) = deg( i bi ) = deg(det(M ′ )) = deg(det(M )) f¨ ur det(M ) 6= 0 und dimk (V ) = ∞ f¨ ur det(M ) = 0 ′ nach Satz 4.27 unter Verwendung der Smith-Normalform M = (bi δi,j )i,j von M . Der Annulator von V ist das vom gradgr¨oßten Eintrag von M ′ erzeugte Hauptideal von R.
¨ 4.4. MODULN UND MATRIZEN UBER HAUPTIDEALRINGEN
69
¨ Wir f¨ uhren diese Uberlegungen weiter und betrachten damit eine Anwendung von Satz 4.27 und Satz 4.29 in der linearen Algebra. Sei V ein endlich dimensionaler k-Vektorraum und φ ∈ Endk (V ). Wir machen V zu einem endlich erzeugten Modul u ¨ber dem Hauptidealring R = k[t] durch die Festlegung tx = φ(x). Nach Satz 4.27 gilt V ∼ = R/Rb1 ⊕ · · · ⊕ R/Rbr . Seien v1 , . . . , vr ∈ V die Urbilder der Einheitsbasis auf der rechten Seite. Mit Vi = Rvi gilt V = V1 ⊕ · · · ⊕ Vr . Eine k-Basis von Vi wird durch vi , tvi , t2 vi , . . . , tni −1 vi mit ni = deg(bi ) gegeben. Ist P i Pni −1 bi = nj=0 bi,j tj , so gilt tni vi = − j=0 bi,j (tj vi ). Die k-Basen der Vi liefern zusammen also eine k-Basis von V , so daß die Darstellungsmatrix von φ bez¨ uglich dieser Basis in rationaler kanonischer Form ist. Wir k¨onnen V entsprechend der obigen Bemerkung 4.31 auch noch in kleinere Bestandteile zerlegen, wenn wir die bi faktorisieren. Wir betrachten den Fall V ∼ = R/R(t−a)n und v Urbild der Eins auf der rechten Seite. Eine Basis von V wird wie eben betrachtet durch v, tv, . . . , tn−1 v gegeben. Eine andere Basis von V erhalten wir mit v, (t−a)v, (t−a)2 v, . . . , (t−a)n−1 v, denn die t-Potenzen und die (t − a)-Potenzen bilden beide k-Basen von R/R(t − a)r . Wegen t(t − a)i = (t − a)i+1 + a(t − a)i und t(t − a)r−1 = (t − a)r + a(t − a)r−1 ≡ a(t − a)r−1 mod (t − a)r erhalten wir f¨ ur diese Basis die u ¨blichen Jordank¨astchen. Eine solche Zerlegung in mehrere Jordank¨astchen ist somit immer m¨oglich, wenn k algebraisch abgeschlossen ist. Wir erhalten dar¨ uberhinaus eine Zerlegung der Darstellungsmatrix M von φ in der Form M = M1 + M2 , wobei M1 eine Diagonalmatrix und M2 eine strikt untere Dreiecksmatrix (also nilpotent) ist. Entsprechend zerlegt sich φ in φ = φ1 + φ2 .
Ist M die Darstellungsmatrix von φ bez¨ uglich der Basis vi von V , so bilden die Spalten von tIn − M eine Basis der Kerns N des Epimorphismus Rn → V , welcher ei nach vi abbildet. Die Spalten sind n¨amlich einerseits im Kern N enthalten. Auf der anderen Seite gilt f¨ ur den von den Spalten von tIn − M erzeugten ′ Untermodul N von N die Gleichung dimk (Rn /N ′ ) = deg(deg(tIn − M )) = n wie oben dargelegt. Aus Dimensionsgr¨ unden ist daher N ′ ( N nicht m¨oglich und es ′ gilt N = N . Mit Hilfe von tIn − M und der Smith-Normalform kann man also die rationale kanonische Form oder die Jordan-Normalform von M berechnen. In der obigen Notation ist br (der Erzeuger des Annulators) das Minimalpolynom Q und det(tIn − M ) = i bi das charakteristische Polynom von φ.
Darstellungsmatrizen M1 , M2 von φ bez¨ uglich verschiedener Basen von V liefern verschiedene charakteristische Matrizen tIn − M1 , tIn − M2 und Kerne N1 , N2 von Rn . Es gilt aber, daß Rn /N1 und Rn /N2 isomorph sind. Wegen der Eindeutigkeit der Elementarteiler stimmen daher die Smith-Normalformen von tIn − M1 und tIn − M2 u ¨berein. Gleichsetzen zeigt, daß tIn − M1 und tIn − M2 als Matrizen ¨aquivalent u ¨ber R sind. Daher sind M1 und M2 genau dann ¨ahnlich u ¨ber k, wenn
70
KAPITEL 4. MODULN I
tIn − M1 und tIn − M2 u ¨ber R ¨aquivalent sind (Satz von Frobenius). Nach Satz 4.11 gilt det(tIn − M )Rn ⊆ N und ¨aquivalenterweise det(tIn − M )V = {0}. Das ist der Satz von Cayley-Hamilton: Wenn man φ bzw. M in sein charakteristisches Polynom det(tIn − M ) einsetzt, kommt Null heraus.
Kapitel 5 Algebraische Ko ¨rpererweiterungen Die zentralen Objekte dieses Kapitels sind algebraische K¨orpererweiterungen. Solche Erweiterungen ergeben sich bei der n¨aheren Untersuchung algebraischer Eigenschaften von Nullstellen von Polynomen und treten heute in vielen, auch anwendungsbezogenen Bereichen der Mathematik auf. Sei zum Beispiel f ∈ Q[t] ein irreduzibles Polynom und a ∈ C mit f (a) = 0. Man kann zeigen, daß alle algebraischen Ausdr¨ ucke in a der Form g1 (a)/g2 (a) mit g1 , g2 ∈ Q[t] und g2 (a) 6= 0 Nullstellen von Polynomen h ∈ Q[t] mit deg(h) ≤ deg(f ) sind und einen K¨orper Q(a) bilden, welcher Q enth¨alt. Wir werden so auf eine algebraische K¨orpererweiterung Q(a)/Q gef¨ uhrt. Man kann dann beispielsweise schließen, daß f¨ ur ein irreduzibles h ∈ Q[t] mit deg(h) > deg(f ) die Gleichung h(b) = 0 keine L¨osung b ∈ Q(a) haben kann. In ¨ahnlicher Weise l¨aßt sich die Nichtl¨osbarkeit einiger klassischer Konstruktionsaufgaben mit Zirkel und Lineal nach geeigneter Algebraisierung beweisen.
5.1
Endliche, algebraische und transzendente Ko ¨rpererweiterungen
Im folgenden bezeichnet E einen K¨orper und K einen Teilk¨orper. Wir bemerken, daß also per Definition K ⊆ E gilt und K bez¨ uglich der Addition und Multiplikation und bez¨ uglich der Elemente 0, 1 von E ein K¨orper ist. Insbesondere haben E und K den gleichen Primk¨orper. Ferner kann E auch als K-Vektorraum aufgefaßt werden. Dies erm¨oglicht, Methoden aus der linearen Algebra anzuwenden. 5.1 Definition. Das Paar (E, K) heißt K¨orpererweiterung und wird als E/K geschrieben. Der K¨orper E heißt ein Erweiterungsk¨orper von K. Ein Teilk¨orper 71
72
¨ KAPITEL 5. ALGEBRAISCHE KORPERERWEITERUNGEN
F von E mit K ⊆ F heißt Zwischenk¨orper der Erweiterung E/K. 5.2 Definition. Der Grad der K¨orpererweiterung E/K wird als die Dimension des K-Vektorraums E definiert und mit [E : K] bezeichnet. Die K¨orpererweiterung E/K heißt endlich, wenn [E : K] endlich ist. F¨ ur [E : K] = 2, 3, usw. nennt man E/K quadratisch, kubisch, usw. Es gilt [E : K] = 1 genau dann, wenn E = K. F¨ ur [E : K] = 1 ist 1 ∈ E linear unabh¨angig u ¨ber K und damit eine Basis von E als K-Vektorraum. Es folgt E = {λ · 1 | λ ∈ K} = K. Als Beispiele betrachte man C/R und R/Q. Da sich jedes Element von C eindeutig als R-Linearkombination von 1 und i schreiben l¨aßt, folgt [C : R] = 2. Jeder endlich-dimensionale Q-Vektorraum ist abz¨ahlbar. Daher ergibt sich [R : Q] = ∞. 5.3 Lemma. Sei V ein E-Vektorraum. Dann ist V auch ein K-Vektorraum und es gilt dimK (V ) = [E : K] dimE (V ). Beweis. Es ist klar, daß V ein K-Vektorraum ist. Sei vi ∈ V eine E-Basis von V und ej ∈ E eine K-Basis von E. Die Aussage des Lemmas ergibt sich, wenn wir zeigen, daß ej vi eine K-Basis von V ist. Zum Beweis sei v ∈ V . Dann gibt P P es λi ∈ E und µi,j ∈ K fast alle gleich Null mit v = i λi vi und λi = j µi,j ej . P Zusammengenommen ergibt dies v = i,j µi,j ej vi , also sind die ej vi ein ErzeuP gendensystem. Seien nun die µi,j ∈ K fast alle gleich Null mit i,j µi,j ej vi = 0. P P ur alle i und dann Mit λi = j µi,j ej ∈ E gilt dann i λi vi = 0. Es folgt λi = 0 f¨ µi,j = 0 f¨ ur alle i, j wegen der Basiseigenschaft der vi und ej . 5.4 Satz (Gradsatz). Ist F ein Zwischenk¨orper von E/K, so gilt [E : K] = [E : F ][F : K]. Beweis. Folgt direkt aus Lemma 5.3. Sei E/K eine endliche K¨orpererweiterung und F ein Zwischenk¨orper von E/K. Gilt [F : K] = [E : K], so folgt F = E. Aus [E : F ] = [E : K] ergibt sich [F : K] = 1 unter Verwendung von Satz 5.4 und damit F = K. Ist ferner [E : K] eine Primzahl, so folgt F = E oder F = K. 5.5 Definition. Sei R ein Teilring des Rings S und A ⊆ S. Dann heißt R[A] = ∩{T | T Teilring von S mit R ∪ A ⊆ T } der durch Adjunktion von A an R erzeugte Teilring von S. Ist S ein K¨orper, so heißt R(A) = ∩{T | T Teilk¨orper von S mit R ∪ A ⊆ T } der durch Adjunktion von A an R erzeugte Teilk¨orper von S.
5.1
¨ ENDLICHE, ALGEBRAISCHE UND TRANSZENDENTE KORPERERWEITERUNGEN
73
Es ist klar, daß es sich bei R[A] und R(A) um einen Teilring bzw. Teilk¨orper von S handelt. Außerdem ist R(A) der Quotientenk¨orper von R[A]. F¨ ur A = {a1 , . . . , an } schreiben wir auch R[a1 , . . . , an ] und R(a1 , . . . , an ). Sei φ : R[t1 , . . . tn ] → S der durch ti 7→ ai definierte Einsetzhomomorphismus. Dann haben wir φ(g) = g(a1 , . . . , an ) f¨ ur g ∈ R[t1 , . . . tn ] und es ist nicht schwer zu zeigen, daß R[a1 , . . . , an ] = { g(a1 , . . . , an ) | g ∈ R[t1 , . . . , tn ] } = im(φ) ∼ = R[t1 , . . . , tn ]/ ker(φ), R(a1 , . . . , an ) = { g(a1 , . . . , an )/h(a1 , . . . , an ) | g, h ∈ R[t1 , . . . , tn ]
und h(a1 , . . . , an ) 6= 0 }.
F¨ ur A ⊆ B ist R[A] ein Teilring von R[B] und R(A) ein Teilk¨orper von R(B). Desweiteren gilt R[A1 ∪ A2 ] = R[A1 ][A2 ] und R(A1 ∪ A2 ) = R(A1 )(A2 ). Sei I ein Integrit¨atsring und K ein K¨orper, welcher ein Teilring von I ist. Es ist klar, daß I auch als K-Vektorraum aufgefaßt werden kann. 5.6 Lemma. Ist die Dimension von I als K-Vektorraum endlich, so ist I ein K¨orper. Beweis. Sei a ∈ I, a 6= 0. Die Abbildung φ : I → I, x 7→ ax ist K-linear und injektiv, weil I ein Integrit¨atsring ist. Dann ist φ auch surjektiv, weil I endlich dimensionaler K-Vektorraum ist. Also gibt es b ∈ I mit ab = 1. Aufgrund von Lemma 5.6 ist es nicht allgemeiner, Integrit¨atsringe anstelle von K¨orpern als endliche Erweiterungen von K¨orpern zu betrachten. Ist E/K eine endliche K¨orpererweiterung und A ⊆ E, so folgt mit Hilfe von Lemma 5.6 auch K[A] = K(A). 5.7 Definition. Eine K¨orpererweiterung E/K heißt endlich erzeugbar, falls es a1 , . . . , ar ∈ E mit E = K(a1 , . . . , ar ) gibt. Eine K¨orpererweiterung E/K heißt einfach, wenn es ein a ∈ E mit E = K(a) gibt. Das Element a heißt dann primitives Element der K¨orpererweiterung E/K. Zum Beispiel gilt C = R(i) = R[i], so daß i ein primitives Element der K¨orpererweiterung C/R ist. 5.8 Definition. Ein Element a ∈ E heißt algebraisch u ¨ber K, wenn es ein f ∈ K[t] ungleich Null mit f (a) = 0 gibt. Ein Element a ∈ E heißt transzendent u ¨ber K, wenn es nicht algebraisch u ¨ber K ist.
74
¨ KAPITEL 5. ALGEBRAISCHE KORPERERWEITERUNGEN
Die u ¨ber Q algebraischen Elemente von C heißen algebraische Zahlen und sind Gegenstand der algebraischen Zahlentheorie. Ohne Beweis merken wir an, daß zum Beispiel e und π transzendent u ¨ber Q sind. Da es nur abz¨ahlbar viele algebraische Zahlen gibt, enth¨alt R u ¨berabz¨ahlbar viele transzendente Zahlen. 5.9 Definition. Eine K¨orpererweiterung E/K heißt algebraisch, wenn jedes a ∈ E algebraisch u ¨ber K ist. Andernfalls heißt E/K transzendent. Wir wenden uns zun¨achst den algebraischen oder transzendenten Elementen zu. Zur Untersuchung eines solchen Elements a ∈ E zieht man den Einsetzhomomorphismus φa : K[t] → E, t 7→ a heran. Nach dem Homomorphiesatz gilt k[a] = im(φa ) ∼ = K[t]/ ker(φa ), und a ist offensichtlich genau dann algebraisch u ¨ber K, wenn ker(φa ) 6= {0}. Eine andere Sichtweise ist, daß a ∈ E genau dann algebraisch ist, wenn die Potenzen 1, a, a2 , . . . linear abh¨angig u ¨ber K sind. 5.10 Satz. Sei a ∈ E transzendent u ¨ber K. Es gilt (i) K[a] ∼ = K[t], (ii) K(a) ∼ = K(t), wobei K(t) = Quot(K[t]) der K¨orper der rationalen Funktionen in t u ¨ber K ist, (iii) [E : K] = [K(a) : K] = ∞. Beweis. W¨are a algebraisch, so w¨are ker(φa ) 6= 0. Nun gilt K[a] ∼ = = K[t]/ ker(φa ) ∼ K[t], was (i) beweist. (ii) ergibt sich aus K(a) = Quot(K[a]). (iii) folgt, da die Potenzen 1, a, a2 , . . . linear unabh¨angig u ¨ber K sind. 5.11 Definition. Sei a ∈ E algebraisch u ¨ber K und f ∈ K[t] normiert mit ker(φa ) = f K[t]. Dann heißt f das Minimalpolynom von a u ¨ber K und wird mit ma,K bezeichnet. 5.12 Satz. Sei a ∈ E algebraisch u ¨ber K. Das Minimalpolynom ist das eindeutig bestimmte normierte Polynom kleinsten Grades ¨uber K, welches a als Nullstelle in E hat. Es ist irreduzibel in K[t]. Weiter gilt (i) K[a] ∼ = K[t]/ma,K K[t], (ii) K(a) = K[a], (iii) [K(a) : K] = deg(ma,K ). Die Potenzen 1, a, a2 , . . . , adeg(ma,K )−1 bilden eine K-Basis von K(a).
5.1
¨ ENDLICHE, ALGEBRAISCHE UND TRANSZENDENTE KORPERERWEITERUNGEN
75
Beweis. Die Isomorphie in (i) gilt nach dem Homomorphiesatz angewendet auf φa , wegen ker(φa ) = ma,K K[t]. Weiter ist K[a] als Teilring des K¨orpers E ein Integrit¨atsring. Daher ist ker(φa ) ein Primideal. Da K[t] Hauptidealring ist, ist ker(φa ) auch maximal und K[a] ∼ = K[t]/ ker(φa ) ein K¨orper. Es folgt K(a) = Quot(K[a]) = K[a], also (ii). Die angegebenen a-Potenzen bilden dann eine KBasis von K[a], weil die entsprechenden t-Potenzen in K[t]/ma,K K[t] eine K-Basis des Quotientenrings bilden. Daraus und aus (ii) folgt (iii) und die letzte Aussage. Da ker(φa ) = ma,K K[t] ein Primideal ist, ist ma,K irreduzibel. Weil ker(φa ) aus allen Polynomen u ¨ber K besteht, die a als Nullstelle in E haben, und ma,K der normierte Erzeuger von ker(φa ) ist, hat ma,K minimalen Grad und ist eindeutig bestimmt. Ein weiteres solches normiertes Polynom g hat n¨amlich zun¨achst den gleichen Grad wie ma,K , da sich g und ma,K gegenseitig teilen m¨ ussen. Die Differenz g − ma,K ist dann ein Element von ker(φa ) echt kleineren Grads als ma,K , und muß daher gleich Null sein. Also gilt g = ma,K . Das Minimalpolynom von i u ¨ber R ist zum Beispiel mi,R = t2 + 1. Minimalpolynome werden auch in anderen Zusammenh¨angen analog definiert, m¨ ussen aber nicht mehr unbedingt irreduzibel sein. Siehe beispielsweise Minimalpolynome von Endomorphismen von endlich dimensionalen Vektorr¨aumen. Ein zweiter, konstruktiverer Beweis f¨ ur Lemma 5.6 kann wie folgt gef¨ uhrt 2 werden. Sei a ∈ I, a 6= 0. Die Potenzen 1, a, a , . . . sind K-linear abh¨angig, da I ein endlich dimensionaler K-Vektorraum ist. Sei f ∈ K[t] ein Polynom kleinsten Grads ≥ 1 mit f (a) = 0. Da I ein Integrit¨atsring ist, muß f irreduzibel sein und es gilt insbesondere f (0) 6= 0. Mit c = −f (0) gibt es ein g ∈ K[t], so daß f = gt − c und gt/c = f /c + 1. F¨ ur b = g(a)/c ∈ I ergibt sich dann ab = g(a)a/c = f (a)/c + 1 = 1. 5.13 Satz. Eine einfache transzendente Erweiterung E/K ist isomorph zu K(t). Beweis. Ist a ∈ E ein primitives Element, so ist a transzendent u ¨ber K. Andernfalls w¨are [E : K] = [K(a) : K] < ∞ nach Satz 5.12, im Widerspruch zu [E : K] = ∞ nach Satz 5.10. Es gilt daher E = K(a) ∼ = K(t) nach Satz 5.10. Wir betrachten jetzt algebraische und endliche K¨orpererweiterungen. Ist E/K eine K¨orpererweiterung und a ∈ E algebraisch u ¨ber K, so ist a auch algebraisch u ¨ber jedem Zwischenk¨orper F von E/K, da ma,K ∈ F [t], ma,K 6= 0 und ma,K (a) = 0 gilt. 5.14 Satz. F¨ ur eine K¨orpererweiterung E/K sind ¨aquivalent: (i) E/K ist endlich, (ii) E/K ist algebraisch und endlich erzeugbar,
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¨ KAPITEL 5. ALGEBRAISCHE KORPERERWEITERUNGEN
(iii) E/K ist endlich erzeugbar mit algebraischen Erzeugern. Beweis. (i) ⇒ (ii): Sei E/K endlich. Jedes Element a ∈ E ist algebraisch, weil die Potenzen 1, a, a2 , . . . linear abh¨angig u ¨ber K sind. Ist e1 , . . . , en ∈ E eine KBasis von E, so gilt E = K(e1 , . . . , en ). Daher ist E/K algebraisch und endlich erzeugbar. (ii) ⇒ (iii): Ist klar. (iii) ⇒ (i): Sei nun E/K endlich erzeugbar mit den u ¨ber K algebraischen Erzeugern a1 , . . . , ar ∈ E, also E = K(a1 , . . . , ar ). Setze Ei = K(a1 , . . . , ai ), so daß Ei = Ei−1 (ai ). Weil jedes ai algebraisch u ¨ber K und somit nach der Bemerkung vor dem Satz auch algebraisch u ber Ei−1 ist, gilt [Ei : Ei−1 ] < ∞ Q ¨ nach Satz 5.12. Daraus folgt [E : K] = i [Ei : Ei−1 ] < ∞ nach Satz 5.4.
5.15 Satz. Sei E/K eine K¨orpererweiterung und A ⊆ E. Sind die Elemente in A algebraisch u ¨ber K, so ist K(A)/K algebraisch und es gilt K[A] = K(A).
Beweis. Wir f¨ uhren die Situation zun¨achst auf endliche Erweiterungen zur¨ uck. Es gilt K(A) = ∪M K(M ), wobei M die endlichen Teilmengen von A durchl¨auft. Zun¨achst ist n¨amlich K(M ) ⊆ K(A) f¨ ur alle M und somit ∪M K(M ) ⊆ K(A). Es gen¨ ugt nun zu zeigen, daß ∪M K(M ) ein K¨orper ist, welcher K und A enth¨alt. Seien dazu a, b ∈ ∪M K(M ). Es gibt endliche Mengen M1 , M2 ⊆ A mit a ∈ K(M1 ) und b ∈ K(M2 ). Dann gilt weiter, daß a, b ∈ K(M1 ∪M2 ), wobei M1 ∪M2 ebenfalls endlich ist. Somit sind a + b, a − b, ab, a/b ∈ K(M1 ∪ M2 ) ⊆ ∪M K(M ). Wegen A = ∪M M gilt K, A ⊆ ∪M K(M ). Es folgt K(A) = ∪M K(M ). F¨ ur endliches M ⊆ A ist K(M )/K nach Satz 5.14 endlich und algebraisch. Also besteht K(A) = ∪M K(M ) nur aus u ur ¨ber K algebraischen Elementen. F¨ −1 a ∈ K[A] gilt a ∈ K[a] nach Satz 5.12, (ii). Wegen K[a] ⊆ K[A] folgt also a−1 ∈ K[A] und damit K[A] = K(A). 5.16 Satz. Sei E/K eine K¨orpererweiterung und F ein Zwischenk¨orper. Dann ist E/K genau dann algebraisch, wenn E/F und F/K algebraisch sind. Beweis. Ist E/K algebraisch, so auch F/K. Außerdem gilt f¨ ur a ∈ E, daß ma,K ∈ F [t] und somit a auch algebraisch u ¨ber F ist. Umgekehrt sei a ∈ E algebraisch u ¨ber F und bezeichne L den Zwischenk¨orper von E/K, der durch Adjunktion der Koeffizienten von ma,F an K entsteht. Dann ist a wegen ma,F ∈ L[t] algebraisch u ¨ber L. Weiter sind L(a)/L und L/K endlich wegen Satz 5.14 und weil F/K algebraisch ist. Folglich ist L(a)/K endlich nach Satz 5.4 und damit algebraisch nach Satz 5.14. Es ergibt sich, daß a algebraisch u ¨ber K ist. Die Eigenschaft algebraisch“ ist also transitiv. Dies gilt nach Satz 5.4 auch ” f¨ ur die Eigenschaft endlich“. ”
5.1
¨ ENDLICHE, ALGEBRAISCHE UND TRANSZENDENTE KORPERERWEITERUNGEN
77
5.17 Definition. Sei E/K eine K¨orpererweiterung und A ⊆ E die Menge der u ¨ber K algebraischen Elemente von E. Dann heißt K(A) der algebraische Abschluß von K in E. Gilt K(A) = K, so nennt man K algebraisch abgeschlossen in E. 5.18 Satz. Der algebraische Abschluß von K in E ist ein Teilk¨orper von E und ist algebraisch abgeschlossen in E. Beweis. Die erste Aussage folgt direkt aus Theorem 5.15 und die zweite aus Satz 5.16. 5.19 Definition. Seien E/K eine K¨orpererweiterung und F1 , F2 Zwischenk¨orper. Dann wird F1 F2 = F1 (F2 ) = F2 (F1 ) als das Kompositum von F1 und F2 in E bezeichnet. Das Kompositum einer beliebigen Menge F von Zwischenk¨orpern von E/K definieren wir als K(∪F). Etwas spezieller nennen wir auch F1 F2 /K das Kompositum von F1 /K und F2 /K und F1 F2 /F2 die Translation von F1 /K um F2 in E. Typischerweise stellt man solche K¨orpererweiterungen graphisch dar. Die Abbildung 5.1 enth¨alt eine Zwischenk¨orpersituation, eine Translation und ein Kompositum. E
E
E
F1 F2
F1 F2
F F1 K
F2 K
F1
F2 K
Abbildung 5.1: Zwischenk¨orper, Translation und Kompositum Es ist nun nat¨ urlich, zu fragen, wie sich die Eigenschaften endlich“ und al” ” gebraisch“ innerhalb der Diagramme in Abbildung 5.1 fortsetzen. Die relevanten K¨orpererweiterungen sind hierbei mit durchgezogenen Linien markiert. F¨ ur das linke Diagramm haben wir oben bereits die Transitivit¨at von algebraisch“ und ” endlich“ gesehen. ” 5.20 Satz. Seien E/K eine K¨orpererweiterung und F1 , F2 Zwischenk¨orper. F¨ ur die Translation F1 F2 /F2 gilt: (i) Ist F1 /K algebraisch, so auch F1 F2 /F2 . (ii) Ist F1 /K endlich, so auch F1 F2 /F2 und es gilt [F1 F2 : F2 ] ≤ [F1 : K].
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¨ KAPITEL 5. ALGEBRAISCHE KORPERERWEITERUNGEN
F¨ ur das Kompositum F1 F2 /K gilt: (iii) Sind F1 /K und F2 /K algebraisch, so auch F1 F2 /K. (iv) Sind F1 /K und F2 /K endlich, so auch F1 F2 /K und es gilt [F1 F2 : K] ≤ [F1 : K][F2 : K]. Beweis. (i) folgt aus Satz 5.15 angewendet auf F2 (F1 )/F2 , da die Elemente von F1 auch algebraisch u ¨ber F2 sind. (iii) folgt aus (i) und Satz 5.16. (iv) folgt aus (ii) und der Gradformel [F1 F2 : K] = [F1 F2 : F2 ][F2 : K] ≤ [F1 : K][F2 : K]. Zum Beweis von (ii) betrachte man F2 [F1 ]. Jedes K-Erzeugendensystem von F1 wird zu einem F2 -Erzeugendensystem von F2 [F1 ]. Da F1 nach Annahme eine endliche KBasis besitzt, ist auch F2 [F1 ] endlich-dimensional u ¨ber F2 mit Dimension kleiner gleich [F1 : K]. Nach Lemma 5.6 ist dann F2 [F1 ] ein K¨orper. Es folgt F1 F2 = F2 (F1 ) = F2 [F1 ] und (ii). Der Beweis zeigt also, daß f¨ ur [F1 : K] < ∞ jedes K-Erzeugendensystem von F1 auch ein F2 -Erzeugendensystem von F1 F2 liefert. Sind [F1 : K] und [F2 : K] teilerfremd, so gilt [F1 F2 : K] = [F1 : K][F2 : K] wegen [F1 : K] | [F1 F2 : K] und [F2 : K] | [F1 F2 : K] nach Satz 5.4 und wegen Satz 5.20, (iv). 5.21 Definition. Seien E/K eine K¨orpererweiterung und F1 , F2 Zwischenk¨orper von E/K. Dann heißen F1 /K und F2 /K linear disjunkt und F1 und F2 linear disjunkt u ¨ber K, wenn jede u ¨ber K linear unabh¨angige Menge von Elementen von F1 u ¨ber F2 linear unabh¨angig bleibt. Der folgende Satz zeigt unter anderem, daß die Eigenschaft linear disjunkt“ ” symmetrisch ist. 5.22 Satz. Seien E/K eine K¨orpererweiterung und F1 , F2 Zwischenk¨orper von E/K. Dann sind ¨aquivalent. (i) F1 und F2 sind linear disjunkt ¨uber K. (ii) F2 und F1 sind linear disjunkt u ¨ber K. (iii) Sind {ai | i ∈ I} und {bj | j ∈ J} Mengen u ¨ber K linear unabh¨angiger Elemente von F1 beziehungsweise F2 , so ist {ai bj | i ∈ I, j ∈ J} eine Menge u ¨ber K linear unabh¨angiger Elemente von F1 F2 . P Beweis. (i) ⇒ (iii): Es gelte i,j µi,j ai bj = 0 mit µi,j ∈ K. Wir setzen λi = P P P i λi ai = 0 gilt. Nach Voraussetzung i,j µi,j ai bj = j µi,j bj , so daß λi ∈ F2 und
5.1
¨ ENDLICHE, ALGEBRAISCHE UND TRANSZENDENTE KORPERERWEITERUNGEN
79
P ergibt sich λi = 0 f¨ ur alle i ∈ I, und aus λi = j µi,j bj = 0 dann auch µi,j = 0 f¨ ur alle j ∈ J. (iii) ⇒ (i): Sei {ai | i ∈ I} eine Menge u ¨ber K linearPunabh¨angiger Elemente von F1 und {bj | j ∈ J} eine K-Basis von F2 . Es gelte i λi ai = 0 mit λi ∈ F2 . P P P Es gibt µi,j ∈ K mit λi = j µi,j bj . Dann gilt i λi ai = i,j µi,j ai bj = 0 und nach Voraussetzung µi,j = 0. Es ergibt sich λi = 0. (ii) ⇔ (iii): Aussage (iii) ist symmetrisch in F1 und F2 , daher folgt der Beweis analog. 5.23 Satz. Seien E/K eine K¨orpererweiterung und F1 , F2 Zwischenk¨orper von E/K. (i) F¨ ur [F1 : K] < ∞ sind F1 und F2 genau dann u ¨ber K linear disjunkt, wenn [F1 : K] = [F1 F2 : F2 ] gilt. (ii) Sind F1 und F2 linear disjunkt ¨uber K, so gilt F1 ∩ F2 = K. (iii) Bleibt eine K-Basis von F1 ¨uber F2 linear unabh¨angig, so sind F1 und F2 linear disjunkt u ¨ber K. Beweis. (i): Aus [F1 : K] < ∞ ergibt sich zun¨achst F1 F2 = F2 [F1 ], und jedes K-Erzeugendensystem von F1 ist auch ein F2 -Erzeugendensystem von F1 F2 . ⇒ “: Da eine K-Basis von F1 nach Annahme auch eine F2 -Basis von F1 F2 ” ist, folgt [F1 : K] = [F1 F2 : F2 ]. ⇐ “: Jede u ¨ber K linear unabh¨angige Teilmenge T von F1 kann zu einer ” Basis von F1 u ¨ber K erg¨anzt werden. Diese ist ein Erzeugendensystem von F1 F2 u ¨ber F2 und wegen der Gradgleichheit auch eine Basis von F1 F2 u ¨ber F2 . Somit ist T ebenfalls u ¨ber F2 linear unabh¨angig. (ii): Gibt es a ∈ F1 ∩ F2 \K, so sind 1, a ∈ F1 zwar linear unabh¨angig u ¨ber K, aber nicht linear unabh¨angig u ¨ber F2 . ¨ (iii): Ubung. √ Als Beispiel betrachte man K = Q, F1 = Q( 2) und F2 = Q(i) mit i2 = −1 √ als Teilk¨orper von C. Dann gilt F1 F2 = Q( 2, i) und [F1 F2 : F1 ] = 2. Also sind F1 und F2 linear disjunkt u ¨ber K. 5.24 Lemma. Sei E/K eine einfache algebraische Erweiterung mit primitivem Element a und F ein Zwischenk¨orper. Dann entsteht F durch Adjunktion der Koeffizienten von ma,F an K. Beweis. Sei L der durch die Adjunktion entstehende K¨orper. Da ma,F ∈ F [t] folgt L ⊆ F . Es gilt ma,F ∈ L[t] und ma,F erf¨ ullt die Eigenschaften des Minimalpolynoms ma,L . Daher ergibt sich ma,L = ma,F und [E : L] = [L(a) : L] = deg(ma,L ) = deg(ma,F ) = [F (a) : F ] = [E : F ]. Es folgt L = F .
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¨ KAPITEL 5. ALGEBRAISCHE KORPERERWEITERUNGEN
5.25 Satz. Die K¨orpererweiterung E/K ist genau dann einfach und algebraisch, wenn E/K nur endlich viele Zwischenk¨orper hat. Beweis. Lassen wir aus. Als Anwendung betrachten wir kurz Konstruktionsprobleme mit Zirkel und Lineal. Unter Vorgabe zweier Punkte mit Abstand 1 konstruiert man weitere Punkte als Schnittpunkte von Geraden und Kreisen. Geraden m¨ ussen durch zwei verschiedene, bereits konstruierte bzw. die vorgegebenen Punkte gelegt werden. Bei Kreisen muß der Mittelpunkt ein bereits konstruierter bzw. vorgegebener Punkt und der Radius gleich dem Abstand zweier bereits konstruierter bzw. der vorgegebenen Punkte sein. Wir nennen eine Zahl a ∈ R konstruierbar, wenn sie als Abstand zweier konstruierter Punkte erhalten werden kann. Da Kreise quadratischen Gleichungen gen¨ ugen, werden im Konstruktionsprozeß koordinatenweise gedacht neben dem L¨osen von linearen Gleichungen h¨ochstens“ Quadratwurzeln√gezogen.√Daher gilt f¨ ur eine konstruierbare √ Zahl a ∈ ” R notwendigerweise a ∈ Q( b1 , . . . , bn ) ⊆ R mit geeigneten bi ∈ Q( b1 , . . . , p bi−1 ) und bi ≥ 0. F¨ ur konstruierbares a ist [Q(a) : Q] √ Potenz von √ also eine 2. Man kann dar¨ u√berhinaus p zeigen, daß jedes a ∈ Q( b1 , . . . , bn ) ⊆ R mit beliebigen bi ∈ Q( b1 , . . . , bi−1 ) und bi ≥ 0 konstruierbar ist. Beim Delischen Problem geht es um die Verdoppelung des Volumens eines vorgegebenen W¨ urfels. Nach Normierung soll also zu einem W¨ urfel des√Volumens und der Kantenl¨ange 1 √ ein W¨ urfel des Volumens 2 mit Kantenl¨ange 3 2 konstruiert werden. Wegen [Q( 3 2) : Q] = 3 ist dies nach Satz 5.4 nicht m¨oglich. Bei der Quadratur des Kreises soll ein Quadrat bestimmt werden, dessen Fl¨acheninhalt mit dem eines Kreises vom Radius 1 u ¨bereinstimmt. Gesucht ist 2 also eine Kantenl¨ange a mit a = π. Da π transzendent ist, muß a nach Satz 5.15 ebenfalls transzendent sein und ist daher nicht konstruierbar. Die Winkeldreiteilung ist ebenfalls nicht m¨oglich. Das Problem kann mittels Rechenregeln f¨ ur sin und cos darauf zur¨ uckgef¨ uhrt werden, eine Nullstelle eines irreduziblen Polynoms vom Grad drei u ¨ber Q zu konstruieren.
5.2
Zerf¨ allungsk¨ orper und algebraischer Abschluß
In diesem Abschnitt zeigen wir, daß es erstens zu jedem K¨orper K und jedem nicht konstanten Polynom f ∈ K[t] einen Erweiterungsk¨orper gibt, u ¨ber dem f in Linearfaktoren zerf¨allt, und daß es zweitens einen Erweiterungsk¨orper von K gibt, u ¨ber dem jedes nicht konstante f ∈ K[t] in Linearfaktoren zerf¨allt.
¨ ¨ 5.2. ZERFALLUNGSK ORPER UND ALGEBRAISCHER ABSCHLUSS
81
5.26 Satz (Kronecker). Sei K ein K¨orper und f ∈ K[t] irreduzibel. Dann gibt es einen Erweiterungsk¨orper E von K und a ∈ E, so daß f (a) = 0, E = K(a) und [E : K] = deg(f ). Beweis. Wir definieren E = K[t]/f K[t]. Nach Korollar 3.8 kann E als Erweiterungsk¨orper von K aufgefaßt werden. Bezeichnet a = t+f K[t] die Klasse von t in K[t]/f K[t], so gilt E = K[a] und f (a) = 0. Ist n¨amlich x ∈ a, so gilt x ≡ t mod f und f (x) ≡ f (t) ≡ 0 mod f . Die Gradaussage folgt nach Satz 5.12. In anderen Worten erzwingt man also durch die Quotientenbildung in K[t] die algebraische Relation f (t) = 0. Man kann Satz 5.26 auf auch reduzible Polynome f ∈ K[t] anwenden, indem man einen irreduziblen Faktor von f betrachtet. So erh¨alt man also stets eine K¨orpererweiterung von K, indem ein nicht konstantes f ∈ K[t] eine Nullstelle besitzt. 5.27 Definition. Sei K ein K¨orper, M ⊆ K[t] eine Menge von nicht konstanten Polynomen und E ein Erweiterungsk¨orper von K. Dann heißt E Zerf¨allungsk¨orper von M u ¨ber K, wenn jedes Polynom f ∈ M u ¨ber E in Linearfaktoren zerf¨allt und E durch Adjunktion der Nullstellen der f aus E an K entsteht. Der Zerf¨allungsk¨orper ist also der kleinste Erweiterungsk¨orper von K, in dem die f ∈ M alle ihre Nullstellen haben. Bei einer endlichen Menge M = {f1 , . . . , fn } sprechen wir auch vom Zerf¨allungsk¨orper der f1 , . . . , fn u ¨ber K. 5.28 Satz. Zu jedem K¨orper K und nicht konstantem Polynom f ∈ K[t] gibt es einen Zerf¨allungsk¨orper E von f u ¨ber K mit [E : K] ≤ deg(f )!. Beweis. Sei E0 = K und f0 = f . Wir gehen nun induktiv vor. Sei i ≥ 0 und gi ∈ K[t] ein irreduzibler Faktor von fi . Nach Satz 5.26 gibt es einen Erweiterungsk¨orper Ei+1 von Ei und ai+1 ∈ Ei+1 mit Ei+1 = Ei (ai+1 ), gi (ai+1 ) = fi (ai+1 ) = f (ai+1 ) = 0 und [Ei (ai+1 ) : Ei ] = deg(gi ) ≤ deg(fi ). Wir setzen fi+1 = fi /(t − ai+1 ) ∈ Ei+1 [t]. Nach n = deg(f ) Schritten erhalten wir Q En = K(a1 , . . . , an ) und mit c = fn ∈ K gilt f = c i (t − ai ) in En [t]. Die Gradaussage folgt aus deg(fi+1 ) = deg(fi ) − 1. Die im Beweis durchgef¨ uhrte Konstruktion eines Zerf¨allungsk¨orpers von f h¨angt von der Wahl der irreduziblen Polynome gi ab. Im n¨achsten Abschnitt zeigen wir jedoch, daß alle Zerf¨allungsk¨orper von f u ¨ber K isomorph sind. Man spricht daher auch manchmal von dem Zerf¨allungsk¨orper von f u ¨ber K. 2 3 Als Beispiel betrachten wir f = t − 2 ∈ Q[t] und g√= t − 2 ∈ Q[t]. In E = Q[t]/f Q[t] √ eine Nullstelle von f , die wir mit 2 bezeichnen. Dann √ gibt es gilt f = (t − 2)(t + 2) u ¨ber E, und E ist bereits ein Zerf¨allungsk¨orper von f u ¨ber Q, vom Grad 2 u ¨ber Q.
82
¨ KAPITEL 5. ALGEBRAISCHE KORPERERWEITERUNGEN
√ √ √ 3 3 3 2)(t − exp(2πi/3) 2)(t − exp(4πi/3) 2). Dann ist In C gilt g = (t − √ Q( 3 2, exp(2πi/3)) ein in C gelegener Zerf¨allungsk¨orper von f u ¨ber Q, und zwar vom Grad 6 u ¨ber Q. Alternativ erhalten wir einen Zerf¨allungsk¨orper von f u ¨ber 3 2 2 3 3 Q mit Q[t, s]/(t − 2, s + ts + t ). In Q[t]/(t − 2)[s] gilt hierbei s − 2 = (s − t)(s2 + ts + t2 ). Dieser Zerf¨allungsk¨orper hat den Vorteil, daß man in ihm mittels eines Computers exakt rechnen kann, wohingegen dies bei dem anderen Zerf¨allungsk¨orper nicht m¨oglich ist, wenn die komplexen Zahlen als Fließkommazahlen mit endlicher Pr¨azision dargestellt werden. 5.29 Definition. Ein K¨orper K heißt algebraisch abgeschlossen, wenn aus E/K algebraisch E = K folgt. Ist E/K algebraisch und E algebraisch abgeschlossen, ¯ so heißt E algebraischer Abschluß von K. Wir bezeichnen ein solches E mit K oder K a . Im Hinblick auf Satz 5.28 faktorisiert jedes nicht konstante Polynom u ¨ber einem algebraisch abgeschlossenen K¨orper K in Linearfaktoren, hat also alle seine Nullstellen in K. Iterativ sieht man, daß umgekehrt ein K¨orper K algebraisch abgeschlossen ist, wenn jedes nicht konstante Polynom f ∈ K[t] eine Nullstelle in K besitzt. Ist E ein algebraisch abgeschlossener Erweiterungsk¨orper von K, so ist der algebraische Abschluß von K in E nach Satz 5.16 selbst algebraisch abgeschlossen und daher ein algebraischer Abschluß von K. 5.30 Satz. Jeder K¨orper besitzt einen algebraischen Abschluß. Beweis. Wir gehen im Prinzip wie in Satz 5.28 vor, nur daß wir alle nicht konstanten Polynome aus K[t] simultan betrachten. Wie in Satz 5.28 m¨ ussen wir geeignete irreduzible Faktoren w¨ahlen. Da wir es nun mit unendlich vielen Polynomen zu tun haben, ben¨otigen wir dazu das Auswahlaxiom. F¨ ur die Konstruktion ist es zweckm¨aßig, Polynomringe in unendlich vielen Variablen zu betrachten und das Auswahlaxiom in der Form der Existenz von maximalen Idealen zu verwenden. Sei M die Menge aller nicht konstanten Polynome in K[t]. Wir konstruieren zuerst einen Erweiterungsk¨orper von K, in dem jedes f ∈ M eine Nullstelle besitzt. F¨ ur jedes f ∈ M bezeichne Xf eine eigene Variable und sei X = {Xf | f ∈ M }. Wir betrachten den Polynomring K[X] und darin das von den f (Xf ) erzeugte Ideal a. Wir nehmen nun an, daß a 6= K[X] ist (Beweis folgt gleich). Dann gibt es ein maximales Ideal b von K[X] mit a ⊆ b, und K[X]/b ist ein K¨orper. Wegen K ∩ b = {0} kann K[X]/b als Erweiterungsk¨orper von K aufgefaßt werden. Die von Xf in K[X]/b erzeugte Klasse ist dann eine Nullstelle von f , weil f (Xf ) ∈ b gilt. Also ist K[X]/b der gesuchte K¨orper. Der Beweis von a 6= K[X] erfolgt durch Widerspruch. Ist n¨amlich a = K[t], dann gibt es endlich viele gi ∈ K[X] Q P und fi ∈ M mit 1 = i gi fi (Xfi ). Satz 5.28 angewendet auf i fi zeigt, daß es
¨ ¨ 5.2. ZERFALLUNGSK ORPER UND ALGEBRAISCHER ABSCHLUSS
83
einen Erweiterungsk¨orper E von K gibt, in dem jedes fi eine Nullstelle ai besitzt. Sei φ : K[X] → E der durch Xfi 7→ ai und Xf 7→ 0 f¨ ur f 6= fi f¨ ur alle i definierte Einsetzhomomorphismus. Dann gilt in E, daß φ(fi (Xfi )) = 0 und folglich 1 = P orpereigenschaft von i φ(gi )φ(fi (Xfi )) = 0 ist. Dies ist ein Widerspruch zur K¨ E, und daher kann a = K[X] nicht gelten. Durch Iteration dieses Verfahrens erhalten wir eine aufsteigende Kette K = E0 ⊆ E1 ⊆ . . . von K¨orpern, so daß jedes nicht konstante Polynom in Ei [t] eine Nullstelle in Ei+1 besitzt. Wir setzen E = ∪∞ i=0 Ei . Je zwei Elemente a, b ∈ E liegen bereits in einem Ei . Wir machen E zu einem K¨orper, indem wir die Summe, Produkt usw. von a, b durch Ei definieren. Wegen der Teilk¨orpereigenschaft von Ei ⊆ Ej f¨ ur j ≥ i ist dies unabh¨angig von der Wahl von i. Ist f ∈ E[t] ein nicht konstantes Polynom, so gilt bereits f ∈ Ei [t], da f nur endlich viele Koeffizienten ungleich Null hat. Dann hat f eine Nullstelle in Ei und somit auch in E. Nach den Bemerkungen vor dem Satz ist E algebraisch abgeschlossen und der algebraische Abschluß K a von K in E ist daher ein algebraischer Abschluß von K. Im n¨achsten Abschnitt zeigen wir, daß je zwei algebraische Abschl¨ usse von K isomorph sind. Man spricht daher auch manchmal von dem algebraischen Abschluß von K. Aufgrund des n¨achsten Satzes befindet sich ein algebraischer Abschluß von Q in C. 5.31 Satz (Fundamentalsatz der Algebra). Der K¨orper der komplexen Zahlen ist algebraisch abgeschlossen. Beweis. Erfolgt u ¨blicherweise in der Funktionentheorie I. Vom Standpunkt der Computeralgebra aus l¨aßt sich ein algebraischer Abschluß eines K¨orpers K trotz der impliziten Verwendung des Auswahlaxioms zumindest zum Teil simulieren, wenn man nur Polynome u ¨ber endlichen Erweitea rungen von K faktorisieren kann. Man stellt K als abstrakten Datentyp dar, der zu jedem Zeitpunkt durch eine endliche Erweiterung F von K repr¨asentiert wird. Anf¨anglich gilt F = K. Sollen nun die Nullstellen eines nicht konstanten Polynoms f ∈ K a [t] berechnet werden, so gilt zun¨achst f ∈ F [t] und man bestimmt einen Zerf¨allungsk¨orper E von f u ¨ber F mittels der Vorgehensweise im Beweis von Satz 5.28. Man ersetzt dann F in der Darstellung von K a durch E und liefert die Nullstellen als Elemente von E zur¨ uck. Im Endeffekt wird die unendliche Operation, die mittels des Auswahlaxioms ausgef¨ uhrt wird, durch einen unbegrenzten dynamischen Prozeß modelliert.
84
¨ KAPITEL 5. ALGEBRAISCHE KORPERERWEITERUNGEN
5.32 Korollar. Sei K ein K¨orper und M ⊆ K[t] eine Menge nicht konstanter Polynome. Dann gibt es einen Zerf¨allungsk¨orper von M ¨uber K. Beweis. Sei K a ein algebraischer Abschluß von K und A = {a ∈ K a | f (a) = 0 und f ∈ M }. Dann leistet E = K(A) das Gew¨ unschte.
5.3
Homomorphismen und ihre Fortsetzungen
Bei der Untersuchung mathematischer Objekte ist es wesentlich, auch die strukturerhaltenden Abbildungen zwischen ihnen zu betrachten. F¨ ur (endliche) K¨orpererweiterungen ist dies zentraler Bestandteil der Galoistheorie und soll in diesem Abschnitt begonnen werden. Als Anwendung beweisen wir, daß Zerf¨allungsk¨orper und algebraische Abschl¨ usse bis auf Isomorphie eindeutig bestimmt sind. 5.33 Definition. Ein Homomorphismus σ : E1 → E2 der K¨orper E1 und E2 ist ein Ringhomomorphismus der Ringe E1 und E2 . Die Menge dieser Homomorphismen wird mit Hom(E1 , E2 ) bezeichnet. Sind E1 /K1 und E2 /K2 K¨orpererweiterungen und σ ∈ Hom(K1 , K2 ), so bezeichnen wir die Menge aller Fortsetzungen τ ∈ Hom(E1 , E2 ) von σ mit Homσ (E1 , E2 ). Gilt K1 = K2 und σ = id, so schreiben wir daf¨ ur auch HomK (E1 , E2 ), wobei K = K1 , und sprechen von K-Homomorphismen der K¨orper E1 und E2 oder von Homomorphismen der K¨orpererweiterungen E1 /K und E2 /K. Weiter verwenden wir die Begriffe Isomorphismus, Endomorphismus und Automorphismus wie erwartet und schreiben End(E), Aut(E) usw. Zwei Erweiterungsk¨orper E1 und E2 von K k¨onnen dann beispielsweise nur isomorph oder auch isomorph u ¨ber K sein. Ist σ ∈ HomK (E1 , E2 ), so gilt also σ(x) = x f¨ ur alle x ∈ K und σ ist K-linear. Ist allgemeiner σ ∈ Hom(E1 , E2 ), so gilt definitionsgem¨aß σ(1) = 1. Wegen 1 6= 0 in K¨orpern ist σ nicht die Nullabbildung. Daher muß ker(σ) = {0} gelten, da dies das einzige Ideal von E1 ungleich E1 ist, und σ ist ein Isomorphismus auf den Teilk¨orper σ(E1 ) von E2 . Außerdem ergibt sich, daß E1 und E2 isomorphen Primk¨orper haben. Sind E1 und E2 Teilk¨orper eines gemeinsamen Oberk¨orpers, so sind die Primk¨orper gleich und jedes σ ∈ Hom(E1 , E2 ) ist linear bez¨ uglich des Primk¨orpers. F¨ ur σ ∈ Hom(K1 , K2 ) erhalten wir durch koeffizientenweises Anwenden einen ebenfalls mit σ bezeichneten Ringhomomorphismus K1 [t] → K2 [t]. Es ist praktisch, f σ = σ(f ) zu schreiben. 5.34 Lemma. Seien E1 /K1 und E2 /K2 K¨orpererweiterungen, σ ∈ Hom(K1 , K2 ), f ∈ K1 [t] und a eine Nullstelle von f in E1 .
5.3. HOMOMORPHISMEN UND IHRE FORTSETZUNGEN
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(i) F¨ ur τ ∈ Homσ (E1 , E2 ) ist τ (a) eine Nullstelle von f σ ∈ K2 [t] in E2 . (ii) Sei σ ein Isomorphismus und f irreduzibel in K1 [t]. Ist dann b ∈ E2 eine beliebige Nullstelle von f σ , so gibt es ein τ ∈ Homσ (K1 (a), K2 (b)) mit τ (a) = b, und τ ist ein Isomorphismus. Beweis. (i): Es gilt f σ (τ (a)) = τ (f (a)) = 0. (ii): Ohne Einschr¨ankung k¨onnen wir f und damit f σ als normiert annehmen. Da σ ein Isomorphismus ist, muß f σ irreduzibel in K2 [t] sein. Nach Satz 5.12 folgt ma,K1 = f , mb,K2 = f σ und K1 (a) ∼ = K1 [t]/f K1 [t], K2 (b) ∼ = K2 [t]/f σ K2 [t]. Die Faktorringe K1 [t]/f K1 [t] und K2 [t]/f σ K2 [t] sind aber offenbar unter Verwendung von σ isomorph. Die Kombination der Isomorphismen ergibt τ mit τ (a) = b. Auf die Voraussetzung der Irreduzibilit¨at von f kann nicht verzichtet werden (Gegenbeispiel: f = (t − 1)(t − 2) ∈ Q[t], σ = idQ , a = 1, b = 2 und 1 = τ (a) = b = 2). 5.35 Satz. Sei σ ∈ Hom(K1 , K2 ) ein Isomorphismus, f ∈ K1 [t] ein nicht konstantes Polynom, E1 der Zerf¨allungsk¨orper von f u ¨ber K1 und E2 der Zerf¨allungsσ k¨orper von f ¨uber K2 . Dann gibt es einen Isomorphismus τ ∈ Homσ (E1 , E2 ). Beweis. Der Satz folgt im Prinzip auch aus den untenstehenden, allgemeineren ¨ Uberlegungen. Der folgende Beweis dient nur der Konkretheit. Ausgehend von E1 und E2 f¨ uhren wir die Konstruktion von E1 und E2 im Beweis von Satz 5.28 noch einmal simultan f¨ ur f und f σ durch, wobei die aufσ tretenden, irreduziblen Faktoren von f die giσ sein sollen. Hierbei wurde E2 m¨oglicherweise zwar anders konstruiert, aber jedes giσ zerf¨allt dennoch u ¨ber E2 in Linearfaktoren. Wir definieren also induktiv E1,i+1 = E1,i (ai+1 ) mit gi (ai+1 ) = 0 wie gehabt und E2,i+1 = E2,i (bi+1 ) mit giσ (bi+1 ) = 0 f¨ ur ein bi+1 ∈ E2 . Unter Verwendung von Lemma 5.34 k¨onnen wir σi ∈ Hom(E1,i , E2,i ) zu σi+1 ∈ Homσi (E1,i+1 , E2,i+1 ) durch σi+1 (ai+1 ) = bi+1 fortsetzen. Schließlich erhalten wir τ = σn ∈ Homσ (E1 , E2 ). 5.36 Korollar. Seien E1 und E2 Zerf¨allungsk¨orper des nicht konstanten Polynoms f ∈ K[t] u ¨ber K. Dann sind E1 /K und E2 /K isomorph. Jeder K-Isomorphismus von E1 und E2 bildet die Nullstellen von f in E1 auf die Nullstellen von f in E2 ab. Die Untersuchung aller solcher K-Isomorphismen f¨ ur E1 = E2 ist Inhalt der Galoistheorie. √ 2) von f√= t2 − 2 und Als Beispiel betrachten wir die Zerf¨ a llungsk¨ o rper Q( √ √ E = Q( 3 2, exp(2πi/3)) von g = t3 − 2√u ¨ber Q. Durch σ : 2 7→ − 2 bekommen wir einen Q-Automorphismus von Q( 2), der einzig weiter m¨ogliche außer der
86
¨ KAPITEL 5. ALGEBRAISCHE KORPERERWEITERUNGEN
Identit¨at. Weil g irreduzibel u in E ¨ber Q ist und drei verschiedene Nullstellen √ hat, gibt es nach Lemma 5.34 genau drei√Elemente σ in HomQ (Q( 3 2), E). Das 3 Minimalpolynom von exp(2πi/3) u ¨ber Q( 2) ist t2 +t+1. Dies ist also irreduzibel √ 3 u ¨ber Q( 2) und hat zwei Nullstellen in E. Folglich gibt es zu jedem σ zwei Elemente τ in Autσ (E). Damit besteht AutQ (E) aus genau 6 Elementen. 5.37 Satz. Sei σ ∈ Hom(K1 , K2 ) ein Isomorphismus, E/K1 eine algebraische Erweiterung und C ein algebraischer Abschluß von K2 . Dann gibt es ein τ ∈ Homσ (E, C). Beweis. Sei A die Menge der Paare (F, τ ), wobei F ein Zwischenk¨orper von E/K1 und τ ∈ Homσ (F, C) ist. Wegen (K1 , σ) ∈ A ist A nicht leer. Wir schreiben (F1 , τ1 ) ≤ (F2 , τ2 ), wenn F1 ⊆ F2 und τ2 eine Fortsetzung von τ1 ist. Dies definiert eine Halbordnung auf A. Wir zeigen, daß A durch ≤ induktiv geordnet wird. Sei dazu L eine Kette in A. Wir definieren den K¨orper F ′ als die Vereinigung der in L vorkommenden K¨orper. Ist x ∈ F ′ , so gibt es ein (F1 , τ1 ) ∈ A mit x ∈ F1 . Wir k¨onnen durch τ ′ (x) = τ1 (x) ein Element τ ′ ∈ Homσ (F ′ , C) definieren. Das Paar (F ′ , τ ′ ) ∈ A wird damit zur oberen Schranke von L. Nach dem Zornschen Lemma gibt es ein maximales Element (F, τ ) ∈ A und es bleibt F = E zu zeigen. Ist F 6= E, so gibt es ein a ∈ E\F und nach Voraussetzung eine Nullstelle b ∈ C von τ (ma,F ). Nach Satz 5.34 gibt es ein Element in Homτ (F (a), τ (F )(b)) bzw. Homτ (F (a), C). Wegen F (a) 6= F steht dies im Widerspruch zur Maximalit¨at von (F, τ ) und es folgt F = E. 5.38 Satz. Seien C1 und C2 algebraische Abschl¨ usse des K¨orpers K. Dann sind C1 /K und C2 /K isomorph. Beweis. Nach Satz 5.37 angewendet mit σ = id gibt es ein τ ∈ HomK (C1 , C2 ) und τ (C1 ) ist ein algebraischer Abschluß von K in C2 . Da jedes Element von C2 auch algebraisch u ¨ber τ (C1 ) ist, folgt τ (C1 ) = C2 . 5.39 Satz. Seien M ⊆ K[t] eine Menge nicht konstanter Polynome und E1 , E2 Zerf¨allungsk¨orper von M u ¨ber K. Dann sind E1 /K und E2 /K isomorph. Beweis. Sei C ein algebraischer Abschluß von E2 . Dann ist C wegen Satz 5.16 auch ein algebraischer Abschluß von K. Ist E3 neben E2 ein weiterer Zerf¨allungsk¨orper von M u ¨ber K in C, so gilt E3 = E2 , weil E2 und E3 durch Adjunktion derselben Nullstellen an K in C entstehen. Nach Satz 5.37 gibt es ein σ ∈ HomK (E1 , C), und σ(E1 ) ist ein Zerf¨allungsk¨orper von M u ¨ber K in C. Es folgt σ(E1 ) = E2 . 5.40 Satz. Sei E/K algebraisch. Dann ist EndK (E) = AutK (E).
5.4. NORMALE ERWEITERUNGEN
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Beweis. Zu zeigen ist, daß jedes σ ∈ EndK (E) surjektiv ist. Sei b ∈ E und N die Menge der Nullstellen von mb,K in E. Dann bewirkt σ eine Permutation von N , da Nullstellen nach Lemma 5.34 durch σ wieder in Nullstellen u uhrt werden ¨berf¨ und N endlich und σ injektiv ist. Also gibt es a ∈ N mit σ(a) = b.
5.4
Normale Erweiterungen
Zerf¨allungsk¨orper sind bez¨ uglich Nullstellen von nicht notwendigerweise in M gelegenen Polynomen und bez¨ uglich von Homomorphismen im folgenden Sinn abgeschlossen. 5.41 Definition. Eine algebraische Erweiterung E/K heißt normal und E normal u ¨ber K, wenn jedes irreduzible f ∈ K[t], welches eine Nullstelle in E hat, u ¨ber E bereits vollst¨andig in Linearfaktoren zerf¨allt. Als Beispiel bemerken wir, daß K/K und C/K normal sind, wo C einen algebraischen Abschluß von K bezeichnet. Auch sind quadratische Erweiterungen √ 3 immer normal. Auf der anderen Seite ist Q( 2)/Q zum Beispiel nicht normal. 5.42 Satz. Sei E/K eine algebraische K¨orpererweiterung. Dann sind die folgenden Bedingungen ¨aquivalent. (i) E/K ist normal. (ii) E ist ein Zerf¨allungsk¨orper ¨uber K. (iii) F¨ ur jede K¨orpererweiterung L/K und f¨ ur jedes σ, τ ∈ HomK (E, L) gibt es ein eindeutig bestimmtes ρ ∈ AutK (E) mit τ = σ ◦ ρ. Beweis. Der Homomorphismus ρ in (iii) ist zun¨achst immer eindeutig bestimmt, da σ injektiv ist. (i) ⇒ (ii): E ist offenbar der Zerf¨allungsk¨orper der Menge M = {ma,K ∈ K[t] | a ∈ E} u ¨ber K. (ii) ⇒ (iii): Seien E Zerf¨allungsk¨orper der Menge M ⊆ K[t] u ¨ber K, und L, σ, τ wie in (iii). Die K¨orper σ(E) und τ (E) sind dann ebenfalls Zerf¨allungsk¨orper von M u ¨ber K und entstehen durch Adjunktion der gleichen Nullstellen aus L an K, woraus σ(E) = τ (E) folgt. Also ist ρ = σ −1 ◦ τ ∈ EndK (E) = AutK (E) nach Satz 5.40 der gesuchte Homomorphismus. (iii) ⇒ (i): Es existiert ein algebraischer Abschluß L von K und ein σ ∈ HomK (E, L). Sei f ∈ K[t] irreduzibel und a ∈ E mit f (a) = 0. In L gilt f = Q c i (t − bi ) mit c ∈ K und bi ∈ L. Nach Lemma 5.34 und Satz 5.37 gibt es τi ∈ HomK (E, L) mit τi (a) = bi f¨ ur alle i. Nach (iii) gibt es dazu ρi ∈ AutK (E)
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¨ KAPITEL 5. ALGEBRAISCHE KORPERERWEITERUNGEN
mit τi = σ ◦ ρi . Dann ist σ(ρi (a)) = τi (a) = bi , so daß f = f σ Q in E durch Anwendung von σ −1 auf f = c i (t − bi ) folgt.
−1
=c
Q
i (t
− ρi (a))
In Satz 5.42, (iii) ergibt sich ein wichtiger Spezialfall, wenn σ = id und die betrachteten K¨orper alle in L liegen: 5.43 Korollar. Sei L/K eine K¨orpererweiterung und E ein u ¨ber K normaler Zwischenk¨orper von L/K. F¨ ur τ ∈ HomK (E, L) gilt dann bereits τ ∈ AutK (E). Sei L/K eine K¨orpererweiterung und seien E1 , E2 u ¨ber K normale Zwischenk¨orper von L/K. Ist φ ∈ HomK (E1 , E2 ) ein Isomorphismus, so gilt E1 = E2 . Beweis. Folgt aus Satz 5.42, (iii).
Sei E/K algebraisch und C ein algebraischer Abschluß von E. Jedes Element von HomK (E, C) l¨aßt sich nach Satz 5.37 und Satz 5.40 zu einem Element von AutK (C) fortsetzen. Eine zu Satz 5.42, (iii) ¨ahnliche und ¨aquivalente Bedingung ist dann, daß jedes Element von AutK (C) durch Einschr¨ankung ein Element von AutK (E) vermittelt. Wir wenden uns jetzt wieder der Abbildung 5.1 zu und untersuchen, wie sich die Eigenschaft normal“ vererbt. ” 5.44 Satz. Sei E/K eine K¨orpererweiterung. (i) F¨ ur einen Zwischenk¨orper F von E/K ist E/F normal, wenn E/K normal ist. (ii) Sind F1 , F2 Zwischenk¨orper von E/K und ist F1 /K normal, so ist F1 F2 /F2 normal. (iii) Ist zus¨atzlich F2 /K normal, so sind auch F1 F2 /K und F1 ∩ F2 /K normal. Beweis. (i): Nach Voraussetzung ist E Zerf¨allungsk¨orper einer Menge M ⊆ K[t] u ¨ber K. Wegen M ⊆ F [t] ist E auch Zerf¨allungsk¨orper von M u ¨ber F . (ii): Dasselbe Argument gilt f¨ ur F1 F2 /F2 . (iii): Ist F1 Zerf¨allungsk¨orper von M1 u ¨ber K und F2 Zerf¨allungsk¨orper von M2 u ¨ber K, so ist F1 F2 Zerf¨allungsk¨orper von M1 ∪M2 u ¨ber K. Dies gilt, da jedes Polynom in M1 ∪ M2 u ber F F zerf¨ a llt und ein Zerf¨ a llungsk¨ orper von M1 ∪ M2 ¨ 1 2 somit in F1 F2 enthalten ist. Auf der anderen Seite muß dieser Zerf¨allungsk¨orper nach Voraussetzung auch F1 und F2 enthalten, woraus die Gleichheit folgt. Die Normalit¨at von F1 ∩ F2 /K ergibt sich aus der Definition. Wir bemerken, daß Komposita und Schnitte u ¨ber beliebige Mengen von u ¨ber K normalen Zwischenk¨orpern von E/K wieder normal u ¨ber K sind.
5.4. NORMALE ERWEITERUNGEN
89
5.45 Definition. Sei E/K normal und F ein Zwischenk¨orper von E/K. Dann heißt E normale H¨ ulle von F/K, wenn es keinen Zwischenk¨orper von E/F außer E gibt, der u ¨ber K normal ist. In anderen Worten ist E also ein bez¨ uglich Inklusion minimaler Erweiterungsk¨orper von F , der u ¨ber K normal ist. Bis auf F -Isomorphie ist er aber auch der kleinste, wie der folgende Satz zeigt. 5.46 Satz. Sei F/K eine algebraische K¨orpererweiterung, E eine normale H¨ ulle von F/K und L ein ¨uber K normaler Erweiterungsk¨orper von F . Dann existiert ein σ ∈ HomF (E, L). Insbesondere ist E/K bis auf F -Isomorphie eindeutig bestimmt. Beweis. Sei C ein algebraischer Abschluß von L. Nach Satz 5.37 gibt es dann ein σ ∈ HomF (E, C) und σ(E) ist ebenfalls eine normale H¨ ulle von F/K. Weiter ist σ(E) ∩ L ein Zwischenk¨orper von σ(E)/F , der nach Satz 5.44 normal u ¨ber K ist. Es folgt σ(E) ∩ L = σ(E) und damit σ(E) ⊆ L. Sei L eine weitere normale H¨ ulle von F/K. Dann gibt es auch ein τ ∈ HomF (L, E) und es gilt τ ◦σ ∈ EndF (E) = AutF (E), σ ◦τ ∈ EndF (L) = AutF (L) nach Satz 5.40. Folglich sind E und L isomorph u ¨ber K. 5.47 Satz. Sei F/K eine algebraische K¨orpererweiterung, L ein ¨uber K normaler Erweiterungsk¨orper von F und A ⊆ F mit F = K(A). Dann enth¨alt L genau eine normale H¨ ulle E von F/K, und es gilt (i) E = ∩ { T | T Zwischenk¨orper von L/F und T /K normal }. (ii) E ist der Zerf¨allungsk¨orper von M = {ma,K | a ∈ A} u ¨ber F . (iii) E = K( ∪{τ (F ) | τ ∈ HomK (F, L)}). Ist F/K endlich, so ist auch E/K endlich. Beweis. Ist E eine normale H¨ ulle von F/K in L, so ist E nach Korollar 5.43 und Satz 5.46 eindeutig bestimmt. Der Schnitt in (i) ist nicht leer, da mindestens T = L darin vorkommt. Daher wird durch den Schnitt ein Zwischenk¨orper E von L/F definiert. Es ist klar, daß E dann eine normale H¨ ulle von F/K ist. Jeder u ¨ber K normale Erweiterungsk¨orper T von F enth¨alt einen Zerf¨allungsk¨orper Z von M u ¨ber K, da jedes f ∈ M eine Nullstelle in F und damit alle Nullstellen in T hat. Außerdem gilt Z ⊇ F wegen F = K(A) und Z ist nach Satz 5.42 normal u ¨ber K. Mit (i) folgt E = Z und damit (ii).
90
¨ KAPITEL 5. ALGEBRAISCHE KORPERERWEITERUNGEN
Sei a ∈ F . Dann ist a eine Nullstelle von ma,K in L und ma,K zerf¨allt u ¨ber L in Linearfaktoren. Sei b ∈ L eine beliebige Nullstelle von ma,K . Es gibt dann ein τ ∈ HomK (F, L) mit τ (a) = b. Die Menge B = ∪{τ (F ) | τ ∈ HomK (F, L)} enth¨alt also alle Nullstellen von ma,K . Da a beliebig war und B nicht von a abh¨angt, ist K(B) der Zerf¨allungsk¨orper von M u ¨ber K in L und es gilt E = K(B) nach (ii). Damit ist (iii) bewiesen. Ist F/K endlich, so kann auch A endlich gew¨ahlt werden. Nach (ii) entsteht E dann durch Adjunktion endlich vieler Nullstellen an K und ist daher endlich u ¨ber K. 5.48 Definition. Seien F/K und L/K algebraisch. Die Elemente τ (a) mit τ ∈ HomK (F, L) und a ∈ F heißen die Konjugierten von a u ¨ber K in L. Die K¨orper τ (F ) mit τ ∈ HomK (F, L) heißen die zu F u ¨ber K konjugierten K¨orper in L. Die Konjugierten von a u ¨ber K in L sind also genau die Nullstellen von ma,K in L.
5.5
Separable Erweiterungen
5.49 Definition. Ein Polynom f ∈ K[t] heißt separabel, wenn es nur einfache, also deg(f ) verschiedene Nullstellen in einem algebraischen Abschluß C von K besitzt. Die Definition h¨angt nicht vom gew¨ahlten algebraischen Abschluß C ab, da C bis auf K-Isomorphie eindeutig bestimmt ist. Nach Satz 3.14 sind die mehrfachen Nullstellen von f in C gleich den Nullstellen von gcd{f, f ′ } in C und f ist genau dann separabel, wenn gcd{f, f ′ } = 1 gilt. Insofern sieht man auch, daß die Separabilit¨atseigenschaft eines Polynoms nicht vom betrachteten Grundk¨orper abh¨angt. Nach Korollar 3.15 sind irreduzible Polynome in Charakteristik Null immer separabel, wohingegen dies in positiver Charakteristik p nicht unbedingt der Fall sein muß. Zum Beispiel ist das Polynom tp − x u ¨ber Fp (x) irreduzibel aber nicht separabel. 5.50 Definition. Sei E/K eine algebraische K¨orpererweiterung. Das Element a ∈ E heißt separabel u ¨ber K, wenn ma,K separabel ist. Die Erweiterung E/K heißt separabel und E separabel u ¨ber K, wenn jedes Element aus E separabel u ¨ber K ist. Sei C ein algebraischer Abschluß von K. Der Separabilit¨atsgrad von E/K wird definiert als [E : K]s = #HomK (E, C).
5.5. SEPARABLE ERWEITERUNGEN
91
Anstelle von nicht separabel“ benutzen wir inseparabel“. In Charakteri” ” stik Null treten nur separable irreduzible Polynome, Elemente und K¨orpererweiterungen auf. Ist C algebraisch abgeschlossen und σ ∈ Hom(K, C), so gilt #Homσ (E, C) = [E : K]s , indem wir K mit σ(K) identifizieren. Ein Homomorphismus σ ∈ Hom(K, C) besitzt also genau [E : K]s Fortsetzungen auf E. ¨ Bei den Uberlegungen dieses Abschnitts k¨onnten wir C auch durch einen K¨orper ersetzen, welcher E enth¨alt und u ¨ber K normal ist. 5.51 Lemma. Sei F ein Zwischenk¨orper der algebraischen Erweiterung E/K und sei C ein algebraischer Abschluß von E. Dann gibt es eine Bijektion HomK (F, C) × HomF (E, C) → HomK (E, C). Beweis. Durch die Wahl beliebiger, aber fest gew¨ahlter Fortsetzungen definieren wir eine injektive Abbildung HomK (F, C) → AutK (C), σ 7→ σ ˆ . Wir erhalten dann die Abbildung φ : HomK (F, C) × HomF (E, C) → HomK (E, C) mit (σ, τ ) 7→ σ ˆ ◦τ. Zum Beweis der Injektivit¨at von φ gelte σ ˆ1 ◦τ1 = σ ˆ2 ◦τ2 . Durch Einschr¨ankung auf F ergibt sich σ1 = (ˆ σ1 )F = (ˆ σ1 ◦ τ1 )F = (ˆ σ2 ◦ τ2 )F = (ˆ σ2 )F = σ2 und somit σ1 = σ2 . Da σ ˆi injektiv ist, folgt schließlich τ1 = τ2 . Zum Beweis der Surjektivit¨at von φ sei ρ ∈ HomK (E, C). Wir definieren σ = (ρ)F und τ = σ ˆ −1 ◦ ρ. Es gilt τ ∈ HomF (E, C), so daß also (σ, τ ) das Urbild von ρ unter φ ist. 5.52 Satz. Sei E/K eine algebraische K¨orpererweiterung und F ein Zwischenk¨orper. Dann gilt [E : K]s = [E : F ]s [F : K]s . Beweis. Folgt direkt aus Lemma 5.51. 5.53 Lemma. Sei E/K eine einfache algebraische K¨orpererweiterung mit primitivem Element a und C ein algebraischer Abschluß von K. Dann gilt [E : K]s = #{b ∈ C | ma,K (b) = 0} ≤ [E : K]. Insbesondere ist a genau dann separabel ¨uber K, wenn [E : K]s = [E : K] gilt. Beweis. Folgt direkt aus Lemma 5.34: F¨ ur jede Nullstelle b von ma,K in C gibt es genau ein τ ∈ HomK (E, C) mit τ (a) = b. 5.54 Satz. Sei E/K eine algebraische K¨orpererweiterung. Dann gilt [E : K]s ≤ [E : K] und es sind ¨aquivalent: (i) E/K ist separabel.
92
¨ KAPITEL 5. ALGEBRAISCHE KORPERERWEITERUNGEN
(ii) Es gibt A ⊆ E mit E = K(A) und jedes a ∈ A ist separabel ¨uber K. (iii) F¨ ur jeden Zwischenk¨orper F von E/K gilt [F : K]s = [F : K]. Wird E/K endlich vorausgesetzt, so kann (iii) durch folgende Bedingung ersetzt werden: (iii)′ Es gilt [E : K]s = [E : K]. Beweis. Die Aussage [E : K]s ≤ [E : K] ist f¨ ur [E : K] = ∞ richtig. F¨ ur [E : K] < ∞ entsteht E als die Vereinigung eines Turms von endlich vielen, einfachen und algebraischen Erweiterungen. Mit anderen Worten gibt es Zwischenk¨orper Ei von E/K mit E0 = K, En = E und Ei ⊆ Ei+1 , so daß Ei+1 /Ei einfach und algebraisch ist. Nach Lemma 5.53, Satz 5.52 und dem Gradsatz gilt daher Qn−1 Qn−1 [E : K]s = i=0 [Ei+1 : Ei ]s ≤ i=0 [Ei+1 : Ei ] = [E : K]. Ist jede dieser einfachen Erweiterungen Ei+1 /Ei separabel, so ergibt sich dar¨ uberhinaus die Gleichheit. Gilt [E : K]s = [E : K] f¨ ur eine endliche Erweiterung E/K, so folgt [F : K]s = [F : K] f¨ ur alle Zwischenk¨orper von E/K wegen [F : K]s ≤ [F : K] und der Multiplikativit¨at von [ : ]s und [ : ]. Dies zeigt (iii)′ ⇔ (iii) f¨ ur endliche Erweiterungen E/K. (i) ⇒ (ii): Ist klar. (iii) ⇒ (i): F¨ ur a ∈ E gilt [K(a) : K]s = [K(a) : K], also ist a nach Lemma 5.53 separabel u ¨ber K. (ii) ⇒ (iii): Wir stellen die Bemerkung voran, daß ein u ¨ber K separables a ∈ E auch separabel u ¨ber Zwischenk¨orpern F von E/K ist, da ma,F ein Teiler von ma,K ist. Wir nehmen nun zuerst an, daß E/K endlich ist. Durch die sukzessive Adjunktion endlich vieler, geeigneter Elemente aus A erhalten wir damit einen Turm endlich vieler, einfacher und separabler Erweiterungen, deren Vereinigung gleich E ist, und nach der Schlußweise zum Anfang des Beweises gilt [E : K]s = [E : K]. Ist F ein Zwischenk¨orper, so folgt damit [F : K]s = [F : K]. Dies beweist Satz 5.54 f¨ ur endliche Erweiterungen. Sei nun E/K beliebig. Ist F/K endlich, so gibt es a1 , . . . , an ∈ A mit F ⊆ K(a1 , . . . , an ) und es folgt [F : K]s = [F : K] nach dem bereits Bewiesenen. Ist F/K unendlich, so gilt [F : K]s ≥ [F1 : K]s = [F1 : K] nach Satz 5.52 f¨ ur alle endlichen Zwischenk¨orper F1 von F/K. Da [F1 : K] beliebig groß wird, folgt [F : K]s = ∞ = [F : K]. Eine endliche, separable Erweiterung E/K gestattet also nach Satz 5.54 die maximal m¨ogliche Anzahl von [E : K] Fortsetzungen τ ∈ Homσ (E, C) f¨ ur σ ∈ Hom(K, C) und C algebraisch abgeschlossen. Wir wenden uns wieder der Abbildung 5.1 zu und untersuchen, wie sich die Eigenschaft separabel“ vererbt. ”
5.5. SEPARABLE ERWEITERUNGEN
93
5.55 Satz. Sei E/K eine algebraische K¨orpererweiterung. (i) F¨ ur einen Zwischenk¨orper F von E/K ist E/K genau dann separabel, wenn E/F und F/K separabel sind. (ii) Sind F1 , F2 Zwischenk¨orper von E/K und ist F1 /K separabel, so ist auch F1 F2 /F2 separabel. (iii) Ist zus¨atzlich F2 /K separabel, so sind F1 F2 /K und F1 ∩ F2 /K separabel. Beweis. (i): Ist E/K separabel, so folgt unmittelbar, daß F/K separabel ist. Außerdem gilt f¨ ur a ∈ E, daß ma,K ∈ F [t] ist und somit von ma,F geteilt wird. Daher ist ma,F ebenfalls separabel und a separabel u ¨ber F (dies wurde bereits im Beweis von Satz 5.54 gesehen). Umgekehrt sei a ∈ E separabel u ¨ber F und bezeichne L den Zwischenk¨orper von E/K, der durch Adjunktion der Koeffizienten von ma,F an K entsteht. Dann ist a wegen ma,L = ma,F separabel u ¨ber L und L(a)/L und L/K sind endlich und separabel. Es folgt [L(a) : K]s = [L(a) : L]s [L : K]s = [L(a) : L][L : K] = [L(a) : K]. Daher ist a ist separabel u ¨ber K und folglich E/K separabel. (ii): Die Separabilit¨at von F1 F2 /F2 folgt aus Satz 5.54, (ii) angewendet auf die K¨orpererweiterung F2 (F1 )/F2 , da die Elemente von F1 auch separabel u ¨ber F2 sind. (iii): Die Separabilit¨at von F1 F2 /K folgt aus der Separabilit¨at von F1 F2 /F2 und F2 /K und der Transitivit¨at von separabel“. Die Separabilit¨at von F1 ∩F2 /K ” ist klar. Wir bemerken, daß Komposita und Schnitte u ¨ber beliebige Mengen von u ¨ber K separablen Zwischenk¨orpern von E/K wieder separabel u ¨ber K sind. 5.56 Definition. Sei E/K eine algebraische K¨orpererweiterung und A = {a ∈ E | a ist separabel u ¨ber K}. Dann heißt K(A) der separable Abschluß von K in E. Gilt K(A) = K, so nennt man K separabel abgeschlossen in E. Ist E ein algebraischer Abschluß von K, so heißt K(A) ein separabler Abschluß von K und wird mit K s bezeichnet. Gilt K s = K, so nennt man K separabel abgeschlossen. Separable Abschl¨ usse K s sind bis auf K-Isomorphie eindeutig bestimmt. Wegen der Transitivit¨at von separabel“ sind separable Abschl¨ usse separabel abge” schlossen. 5.57 Satz. Sei E/K eine algebraische K¨orpererweiterung und F der separable Abschluß von K in E. Dann gilt [F : K] = [E : K]s .
¨ KAPITEL 5. ALGEBRAISCHE KORPERERWEITERUNGEN
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Beweis. Siehe Satz 5.66. 5.58 Satz (Primitives Element). Sei E/K eine algebraische Erweiterung und a, b ∈ E. Ist a separabel u ¨ber K, so besitzt K(a, b) ein primitives Element. Beweis. Da a, b algebraisch u ur einen end¨ber K sind, ist K(a, b)/K endlich. F¨ lichen K¨orper K ist dann auch K(a, b) ein endlicher K¨orper. Nach Satz 3.11 ist K(a, b)× zyklisch und wird von einem Element c ∈ K(a, b) erzeugt. Dann gilt offenbar K(a, b) = K(c). F¨ ur beliebiges K und a ∈ K gilt außerdem K(a, b) = K(b). Wir nehmen nun an, daß #K unendlich ist und a nicht in K liegt. Seien C ein Zerf¨allungsk¨orper von ma,K mb,K und a1 , a2 , . . . , ar ∈ C die Nullstellen von ma,K und b1 , b2 , . . . , bs die Nullstellen von mb,K in C. Wir nehmen ohne Einschr¨ankung a = a1 und b = b1 an. F¨ ur x ∈ K setzen wir W (x) = {ai x + bj | 2 ≤ i ≤ r, 1 ≤ j ≤ s}. Durch Aufl¨osen nach x und unter Verwendung der Separabilit¨at von a sehen wir, daß es nur endlich viele x ∈ K gibt, f¨ ur die ax + b ∈ W (x) gilt. Da #K = ∞ ist, gibt es ein y ∈ K mit ay + b 6∈ W (y). Wir zeigen, daß c = ay + b ein primitives Element von K(a, b)/K ist. Wir setzen h = gcd{ma,K , mb,K (c−yt)} in K(c)[t]. Wegen ma,K (a) = mb,K (c− ¨ ya) = 0 ist t − a ein Teiler von h in C[t]. Uber C zerf¨allt ma,K in die paarweise verschiedenen Linearfaktoren t − ai und mb,K in die Linearfaktoren t − bj . F¨ ur i ≥ 2 gilt c − yai 6= bj f¨ ur alle j nach Wahl von y. Daher ist mb,K (c − yai ) 6= 0 und h = t − a. Wegen h ∈ K(c)[t] nach Definition von h ergibt sich a ∈ K(c), dann b = c − ya ∈ K(c) und schließlich K(a, b) = K(c). Induktiv erhalten wir 5.59 Korollar. Jede endliche, separable K¨orpererweiterung ist einfach.
5.6
Rein inseparable Erweiterungen
Wir setzen in diesem Abschnitt voraus, daß K ein K¨orper positiver Charakteristik p = char(K) > 0 ist. Sei f ∈ K[t] ein irreduzibles Polynom. Durch wiederholte Anwendung von r Korollar 3.15 kann f in der Form f = g(tp ) geschrieben werden, wobei g ∈ ¨ K[t] irreduzibel und separabel ist, wenn r maximal gew¨ahlt wird. Uber einem algebraischen Abschluß C von K gibt es dann ein separables h ∈ C[t] mit f = r r g(tp ) = hp , indem man pr -te Wurzeln aus den Koeffizienten von g zieht. Die Nullstellen von f treten daher mit der genauen Vielfachheit pr auf. Im vorigen Abschnitt haben wir irreduzible Polynome f betrachtet, f¨ ur die g = f gilt, die also nur einfache Nullstellen besitzen. Wir betrachten jetzt den Fall, daß g ein Linearfaktor ist, so daß f nur eine einzige Nullstelle besitzt.
5.6. REIN INSEPARABLE ERWEITERUNGEN
95
5.60 Definition. Ein Polynom f ∈ K[t] heißt rein inseparabel, wenn es nur eine einzige Nullstelle in einem algebraischen Abschluß C von K besitzt. Mit der obigen Zerlegung ist es klar, daß ein rein inseparables Polynom eine r Potenz eines Polynoms der Form tp − c ∈ K[t] ist. 5.61 Definition. Sei E/K eine algebraische Erweiterung. Ein Element a ∈ E heißt rein inseparabel, wenn ma,K rein inseparabel ist. Die Erweiterung E/K heißt rein inseparabel und E rein inseparabel u ¨ber K, wenn jedes a ∈ E\K inseparabel u ber K ist. ¨ Die Erweiterung K/K ist die einzige Erweiterung, die separabel und rein inseparabel ist. Eine Erweiterung E/K, in der jedes a ∈ E rein inseparabel u ¨ber K ist, ist selbst rein inseparabel. Die Umkehrung dieser Aussage wird im folgenden Lemma bewiesen, wodurch auch die Abweichung der Definition 5.61 im Analogievergleich zu Definition 5.50 und zu den Definitionen f¨ ur algebraisch“ behoben ” wird. Wir fassen ∞ auch als Potenz von p = char(K) auf. 5.62 Lemma. Sei E/K eine rein inseparable K¨orpererweiterung. (i) Jedes a ∈ E ist rein inseparabel u ¨ber K. Genauer gibt es ein r ∈ Z≥0 mit r r r ur das kleinste solche r ist ma,K = tp − ap . ap ∈ K. F¨ (ii) Der Grad [E : K] ist eine Potenz von p. Beweis. (i): Ist f = ma,K das Minimalpolynom eines Elements a ∈ E, so ist r g mit r wie aus der obigen Zerlegung das Minimalpolynom von ap u ¨ber K und r pr separabel, folglich ist a separabel u ¨ber K und nach Voraussetzung folgt ap ∈ K. r r r Also gilt g = t − ap und f = tp − ap . Da f irreduzibel u ¨ber K ist, muß r bereits r minimal mit ap ∈ K sein. (ii): F¨ ur [E : K] = ∞ ist die Aussage richtig. Gelte nun also [E : K] < ∞. F¨ ur einfache rein inseparable Erweiterungen ist die Aussage wegen Lemma 5.62 ebenfalls richtig. Ist F ein Zwischenk¨orper von E/K und a ∈ E, so ist a auch rein inseparabel u ¨ber F , denn es gilt ma,F | ma,K und ma,F ist mit ma,K rein inseparabel. Die Erweiterung E/K entsteht durch einen endlichen Turm von einfachen Erweiterungen, die wegen der vorstehenden Bemerkung alle rein inseparabel sind. Daher folgt die Aussage u ¨ber [E : K] unter Verwendung des Gradsatz. 5.63 Satz. Sei E/K eine algebraische K¨orpererweiterung. Dann sind ¨aquivalent. (i) E/K ist rein inseparabel. (ii) Es gibt A ⊆ E mit E = K(A) und jedes a ∈ A ist rein inseparabel u ¨ber K.
96
¨ KAPITEL 5. ALGEBRAISCHE KORPERERWEITERUNGEN
(iii) F¨ ur jeden Zwischenk¨orper F von E/K gilt [F : K]s = 1. Beweis. (i) ⇒ (ii): Ist klar. (iii) ⇒ (i): Wenn es ein u ¨ber K separables Element b ∈ E\K gibt, so ist [K(b) : K]s 6= 1. (ii) ⇒ (iii): Seien σ, τ ∈ HomK (F, C), wo C einen algebraischen Abschluß von K bezeichnet, und b ∈ F beliebig. Wir wollen σ(b) = τ (b) und somit σ = τ zeigen. Es gibt zun¨achst a1 , . . . , an ∈ A, so daß b ∈ Ln mit Li = K(a1 , . . . , ai ) ist. Die Elemente a ∈ A sind rein inseparabel u ¨ber jedem echten Zwischenk¨orper von E/K. Daher sind die Li+1 /Li einfach und rein inseparabel, und nach Satz 5.52 und Q Lemma 5.53 gilt folglich [L : K]s = i [Li+1 : Li ]s = 1 und somit [K(b) : K]s = 1. Dies ergibt σ(b) = τ (b) und σ = τ , da b beliebig war. Der Beweis verdeutlicht wieder die allgemeine Strategie, Aussagen zuerst f¨ ur einfache K¨orpererweiterungen zu untersuchen und zu beweisen, und dann auf endliche und schließlich auf algebraische Erweiterungen zu verallgemeinern. In Satz 5.63, (iii) gen¨ ugt es, wegen Satz 5.52 im Grunde nur die Gleichheit [E : K]s = 1 zu fordern. Eine rein inseparable Erweiterung E/K gestattet also nur die minimale Anzahl von genau einer Fortsetzung τ ∈ Homσ (E, C) f¨ ur σ ∈ Hom(K, C) und C algebraisch abgeschlossen. Wir wenden uns wieder der Abbildung 5.1 zu und untersuchen, wie sich die Eigenschaft rein inseparabel“ vererbt. ” 5.64 Satz. Sei E/K eine algebraische K¨orpererweiterung. (i) F¨ ur einen Zwischenk¨orper F von E/K ist E/K genau dann rein inseparabel, wenn E/F und F/K rein inseparabel sind. (ii) Sind F1 , F2 Zwischenk¨orper von E/K und ist F1 /K rein inseparabel, so ist auch F1 F2 /F2 rein inseparabel. (iii) Ist zus¨atzlich F2 /K rein inseparabel, so sind auch F1 F2 /K und F1 ∩ F2 /K rein inseparabel. Beweis. Der Beweis erfolgt wegen Satz 5.63 und Satz 5.66 f¨ ur rein inseparabel“ ” analog wie f¨ ur separabel“. ” Wir bemerken, daß Komposita und Schnitte u ¨ber beliebige Mengen von u ¨ber K rein inseparablen Zwischenk¨orpern von E/K wieder rein inseparabel u ¨ber K sind.
97
5.6. REIN INSEPARABLE ERWEITERUNGEN
5.65 Definition. Sei E/K eine algebraische K¨orpererweiterung und A = {a ∈ E | a ist rein inseparabel u ¨ber K}. Dann heißt K(A) der rein inseparable Abschluß von K in E. Gilt K(A) = K, so nennt man K rein inseparabel abgeschlossen in E. Ist E ein algebraischer Abschluß von K, so heißt K(A) ein rein inseparabler −∞ −∞ Abschluß von K und wird mit K p bezeichnet. Gilt K p = K, so nennt man K rein inseparabel abgeschlossen. −∞
Die Bezeichnung K p r¨ uhrt daher, daß wir sukzessive p-te Wurzeln an K −∞ p−∞ adjungieren, um K zu erhalten. Rein inseparable Abschl¨ usse K p sind sind bis auf K-Isomorphie eindeutig bestimmt. Wegen der Transitivit¨at von rein in” separabel“ sind rein inseparable Abschl¨ usse rein inseparabel abgeschlossen. 5.66 Satz. Sei E/K algebraisch und F der separable Abschluß von K in E. Dann ist E/F rein inseparabel, [F : K] = [E : K]s und [E : F ] eine Potenz von p = char(K). r
Beweis. F¨ ur jedes a ∈ E gibt es ein r ∈ Z≥0 , so daß ap separabel u ¨ber F ist. pr Wegen der Transitivit¨at von separabel“ folgt a ∈ F , also ist a rein inseparabel ” u ¨ber F . Daher ist E/K rein inseparabel. Nach Satz 5.54, Satz 5.63 und Satz 5.52 gilt [F : K] = [F : K]s = [E : F ]s [F : K]s = [E : K]s . Die Aussage u ¨ber [E : F ] folgt aus Lemma 5.62. 5.67 Definition. Sei E/K eine algebraische K¨orpererweiterung und F der separable Abschluß von K in E. Der Inseparabilit¨atsgrad von E/K wird als [E : K]i = [E : F ] definiert. Der Inseparabilit¨atsgrad ist also nach Satz 5.66 stets eine nicht negative Potenz der Charakteristik p und es gilt [E : K] = [E : K]i [E : K]s . Zur Vereinheitlichung definieren wir [E : K]i = 1 f¨ ur K¨orper in Charakteristik Null. Der Inseparabilit¨atsgrad besitzt die gleichen Eigenschaften wie der Separabilit¨atsgrad: 5.68 Satz. Sei E/K eine algebraische K¨orpererweiterung. (i) F¨ ur jeden Zwischenk¨orper F von E/K gilt [E : K]i = [E : F ]i [F : K]i . (ii) Ist F der rein inseparable Abschluß von K in E, so gilt [F : K] = [E : K]i . Beweis. (i): Wir wenden Satz 5.72 mehrfach an. Sei F1 der separable Abschluß von K in F , F2 der rein inseparable Abschluß von K in F , E1 der separable Abschluß von F in E und E2 der rein inseparable Abschluß von F in E. Sei T der separable Abschluß von F1 in E1 . Dann ist F/F1 rein inseparabel. Da E1 /F separabel ist, muß F/F1 der rein inseparable Abschluß von F1 in E1 sein und es gilt E1 = T F . Folglich ist auch
¨ KAPITEL 5. ALGEBRAISCHE KORPERERWEITERUNGEN
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E1 /T rein inseparabel. Nun gilt [E1 : T ] = [F : F1 ] = [F2 : K] = [F : K]i , [E : E1 ] = [E2 : F ] = [E : F ]i , T /K ist separabel und E/T ist rein inseparabel. Also ist T /K der separable Abschluß von K in E und es gilt [E : K]i = [E : T ]. Zusammen folgt [E : K]i = [E : T ] = [E : E1 ][E1 : T ] = [E : F ]i [F : K]i , was zu zeigen war. (ii): Folgt aus Satz 5.72. F¨ ur endliche Erweiterungen E/K kann man den Satz auch mit Hilfe der Multiplikativit¨at von [ : ], [ : ]s und mit [E : K] = [E : K]i [E : K]s leicht beweisen. Der Satz vom primitiven Element gilt f¨ ur (rein) inseparable Erweiterungen im allgemeinen nicht. Sei zum Beispiel K = Fp (x, y) und E = K(x1/p , y 1/p ). Dann gilt [E : K] = p2 , aber f¨ ur jedes a ∈ E ist ma,K = tp − ap . Also kann E/K nicht einfach sein.
5.7
Weitere Eigenschaften von normalen, separablen und rein inseparablen Erweiterungen
Wir bezeichnen mit K jetzt wieder einen beliebigen K¨orper. Wird das Symbol p verwendet, so nehmen wir p = char(K) > 0 an. 5.69 Definition. Ein K¨orper K heißt vollkommen, wenn jede algebraische K¨orpererweiterung E/K separabel ist. F¨ ur einen K¨orper K schreiben wir K p = {ap | a ∈ K}. Man kann die Definition offensichtlich auf h¨ohere p-Potenzen und unter Verwendung eines algebraischen Abschluß von K auch auf negative Potenzen erweitern. 5.70 Satz.
(i) Jeder K¨orper der Charakteristik Null ist vollkommen.
(ii) Ein K¨orper der Charakteristik p > 0 ist genau dann vollkommen, wenn K p = K gilt. (iii) Jeder algebraische Erweiterungsk¨orper eines vollkommenen K¨orpers ist vollkommen. Beweis. (i): Die u ¨ber K irreduziblen Polynome sind separabel. p (ii): Ist K 6= K, so gibt es ein a ∈ K\K p und f = tp −a hat keine Nullstelle in K, aber nur eine Nullstelle in einem algebraischen Abschluß von K. Damit besitzt f einen irreduziblen, nicht separablen Faktor vom Grad ≥ 2. Sei nun K p = K und f ∈ K[t] irreduzibel. Ist f nicht separabel, so gibt es wegen K p = K Polynome g, h ∈ K[t] mit f = g(tp ) = hp , im Widerspruch zur Irreduzibilit¨at von f .
5.7 WEITERE EIGENSCHAFTEN
99
(iii): Sei K vollkommen und L/K algebraisch. Ist dann E/L algebraisch, so ist auch E/K algebraisch und daher nach Voraussetzung separabel. Dann ist auch E/L separabel. Sei K ein K¨orper mit endlichen vielen Elementen, und sei p = char(K) > 0. Da der Frobeniusendomorphismus x 7→ xp von K injektiv ist, ist er wegen der Endlichkeit von K auch surjektiv und es gilt K p = K. K¨orper mit endlich vielen Elementen sind somit vollkommen. Algebraische Abschl¨ usse und rein inseparable Abschl¨ usse sind ebenfalls vollkommen. Auf der anderen Seite ist zum Beispiel Fp (t) nicht vollkommen. 5.71 Lemma. Die normale H¨ ulle einer separablen K¨orpererweiterung E/K ist separabel. Der separable Abschluß von K in einer normalen K¨orpererweiterung E/K ist normal. Eine rein inseparable K¨orpererweiterung E/K ist normal. Beweis. Die ersten zwei Aussagen ergeben sich aus der Tatsache, daß die zu einem u ¨ber K separablen Element konjugierten Elemente ebenfalls separabel sind, da sie das gleiche Minimalpolynom haben. Die dritte Aussage folgt direkt aus der Definition von normal“ und Lemma 5.62. ” Im Abschnitt 5.6 haben wir gesehen, daß sich eine algebraische K¨orpererweiterung E/K in eine separable Erweiterung F/K und eine rein inseparable Erweiterung E/F aufteilen l¨aßt. Hier ist F der separable Abschluß von K in E und es gilt allgemein [F : K] = [E : K]s . 5.72 Satz. Sei E/K eine algebraische K¨orpererweiterung. Sei F1 der separable Abschluß von K in E und F2 der rein inseparable Abschluß von K in E. (i) Die Erweiterungen F1 /K und E/F2 sind separabel und die Erweiterungen F2 /K und E/F1 sind rein inseparabel. (ii) F1 und F2 sind linear disjunkt ¨uber K und es gilt E = F1 F2 . (iii) [F1 : K] = [E : F2 ] = [E : K]s und [F2 : K] = [E : F1 ] = [E : K]i . Beweis. (i): Die Erweiterungen F1 /K und F2 /K sind nach Definition separabel bzw. rein inseparabel. Sei a ∈ E. Dann sind F1′ = F1 ∩ K(a) und F2′ = F2 ∩ K(a) der separable bzw. rein inseparable Abschluß von K in K(a). Nach Satz 5.66 ist die Erweiterung K(a)/F1′ rein inseparabel. Die Erweiterung K(a)/F2′ ist separabel, allerdings ben¨otigt der Beweis dieser Tatsache etwas Galoistheorie und wird verschoben. Nach Satz 5.64, (ii) und Satz 5.55, (ii) sind dann auch die Erweiterungen F1 (a)/F1 und F2 (a)/F2 rein inseparabel bzw. separabel. Da a beliebig war, sind E/F1 und E/F2 insgesamt rein inseparabel bzw. separabel.
¨ KAPITEL 5. ALGEBRAISCHE KORPERERWEITERUNGEN
100
(ii): Die Erweiterung E/F1 F2 ist wegen (i) nach Satz 5.64, (i) rein inseparabel und nach Satz 5.55, (i) und separabel. Daher gilt E = F1 F2 . F¨ ur die lineare Disjunktheit gen¨ ugt es wegen Satz 5.58 zu zeigen, daß f¨ ur jedes a ∈ E die Erweiterungen K(a)/K und F2 /K linear disjunkt sind. Nach s s Lemma 5.62 gibt es s ∈ Z≥0 mit ma,F2 p ∈ K[t]. Dann gilt ma,K | ma,F2 p in K[t] und folglich auch in F2 [t]. Da ma,F2 irreduzibel ist, gibt es also d ∈ Z≥1 mit ma,K = ma,F2 d . Weil ma,K aber separabel ist, folgt d = 1 und ma,K = ma,F2 . Es ergibt sich [F2 (a) : F2 ] = [K(a) : K] und nach Satz 5.23, (i) sind K(a)/K und F2 /K linear disjunkt. (iii): Die Gleichungen folgen unmittelbar aus (ii) und den Definitionen. 5.73 Korollar. Sei E/K eine einfache Erweiterung mit primitivem Element a und C ein algebraischer Abschluß von E. Sei f = ma,K und r ∈ Z≥0 maximal, so r r r daß es ein g ∈ K[t] mit f = g(tp ) gibt. Sei h ∈ C[t] mit hp = g(tp ) = f . Sei F1 der separable Abschluß von K in E und F2 der rein inseparable Abschluß von K in E. Dann gilt. r
r
(i) ma,F1 = tp − ap und ma,F2 = h (insbesondere ist h ∈ F2 [t] irreduzibel). P −r r −r (ii) F1 = K(ap ) und mapr ,K = g. F2 = K(cp0 , . . . , cpn ) mit g = ni=0 ci ti . r
r
Beweis. (i): Die Aussage ma,F1 = tp − ap folgt aus Lemma 5.62. Nach Lems s ma 5.62 gibt es auch s ∈ Z≥0 mit ma,F2 p ∈ K[t]. Dann gilt f | ma,F2 p . Das Polynom h ist nach Definition separabel. Wegen Satz 5.72, (i) ist aber auch ma,F2 separabel. Daher folgt r = s und ma,F2 = h. r (ii): Das Polynom g ist separabel und irreduzibel u ¨ber K und es gilt g(ap ) = 0. r r Daher folgt mapr ,K = g und K(ap ) ⊆ F1 . Aus Gradgr¨ unden ergibt sich K(ap ) = P −r F1 . Weiter gilt h = i cpi ti und aus Aussage (i) und Lemma 5.24 folgt F2 = −r −r K(cp0 , . . . , cpn ). 5.74 Satz. Sei E/K eine algebraische K¨orpererweiterung und F1 , F2 Zwischenk¨orper von E/K. Ist F1 /K normal, F2 /K separabel und gilt F1 ∩ F2 = K, so sind F1 und F2 linear disjunkt ¨uber K. Beweis. Sei T der separable Abschluß von K in F1 . Dann sind T /K und F2 /K linear disjunkt wegen Satz 6.13. Da F1 /T rein inseparabel und T F2 /T separabel ist, sind diese Erweiterungen wegen Satz 5.72 linear disjunkt u ¨ber T . Aus der ¨ Ubungsaufgabe u urmen folgt ¨ber die Transitivit¨at“ von linear disjunkt“ in T¨ ” ” die Aussage. 5.75 Satz. Sei E/K eine endliche K¨orpererweiterung mit p = char(K) > 0. Dann ist E/K genau dann separabel, wenn E p K = E gilt. Aus E p K = E folgt n E p K = E f¨ ur alle n ≥ 0.
¨ 5.8. ENDLICHE KORPER
101
Beweis. Wir beweisen die letzte Aussage zuerst. Es gelte E p K = E. Dann folgt n+1 n n induktiv E p K = (E p )p (K p K) = (E p K)p K = E p K = E. Sei nun E/K separabel. Dann ist E/E p K separabel und rein inseparabel, denn f¨ ur a ∈ E gilt ap ∈ E p K. Es folgt E = E p K. Gelte nun E p K = E und sei L der separable Abschluß von K in E. Dann ist E/L nach Satz 5.66 rein inseparabel. Es gibt a1 , . . . ar ∈ E mit E = K(a1 , . . . , ar ), und f¨ ur jedes ai gibt es ein mi ≥ 0 pmi pm mit ai ∈ L. Dann folgt mit m = maxi mi , daß E ⊆ L. Wegen K ⊆ L ergibt m sich E = E p K ⊆ L, folglich E = L und E/K ist separabel. Satz 5.75 wird falsch, wenn auf die Endlichkeitsvoraussetzung von E/K verzichtet wird. Zum Beispiel gilt E p = E f¨ ur einen rein inseparablen Abschluß p−∞ E=K von K, und E/K ist nicht separabel.
5.8
Endliche K¨ orper
Ein endlicher K¨orper ist ein K¨orper mit endlich vielen Elementen. Endliche K¨orper sind in gewisser Weise die einfachsten“ K¨orper, die es gibt. Sie spielen eine wich” tige Rolle in der Mathematik und in praktischen Anwendungen wie zum Beispiel Kryptographie und Kodierungstheorie. Ist p eine Primzahl, so ist zum Beispiel der Faktorring Fp = Z/pZ ein endlicher K¨orper der Charakteristik p. Ist K ein endlicher K¨orper, so ist sein Primk¨orper von der Form Fp f¨ ur eine geeignete Primzahl p. Da K ein Vektorraum der Dimension n = [K : Fp ] u ¨ber Fp ist, folgt #K = pn . 5.76 Satz. Sei K ein endlicher K¨orper mit q Elementen. Dann ist K × eine endliche zyklische Gruppe und f¨ ur x ∈ K gilt xq = x. Beweis. Folgt direkt aus Satz 3.11, da K × eine endliche Gruppe ist. Es gilt weiter #K × = q − 1, und folglich ist xq−1 = 1 f¨ ur x ∈ K × . Daraus folgt xq = x f¨ ur alle x ∈ K. 5.77 Satz. Sei K ein Erweiterungsk¨orper von Fp . Dann sind ¨aquivalent. (i) K ist ein endlicher K¨orper mit q = pn Elementen. (ii) K ist Zerf¨allungsk¨orper des Polynoms tq − t u ¨ber Fp mit q = pn . Insbesondere existiert also f¨ ur jedes q = pn ein endlicher K¨orper K mit q Elementen. Beweis. (i) ⇒ (ii): Aus Satz 5.76 folgt, daß die Elemente von K genau die Nullstellen von tq − t sind.
102
¨ KAPITEL 5. ALGEBRAISCHE KORPERERWEITERUNGEN
(ii) ⇒ (i): Sind a, b ∈ K und b 6= 0 zwei Nullstellen von tq − t, so sind auch a + b, ab, −a, 1/b Nullstellen von tq − t. Aus aq = a und bq = b folgt n¨amlich aq + bq = (a + b)q = a + b, (ab)q = ab, (−a)q = −a und (1/b)q = 1/b unter Beachtung von Satz 2.22. Damit bilden die Nullstellen von tq − t bereits einen K¨orper, und K besteht wegen der Zerf¨allungsk¨orpereigenschaft aus genau diesen Nullstellen. Wegen gcd{tq −t, qtq−1 −1} = 1 ist tq −t separabel und daher #K = q. Die Existenz von K folgt aus der Existenz von Zerf¨allungsk¨orpern. 5.78 Satz. Je zwei endliche K¨orper mit q Elementen sind isomorph. Jede Erweiterung E/K von endlichen K¨orpern ist normal, separabel und einfach. Endliche K¨orper sind vollkommen. Beweis. Die Isomorphie folgt, weil Zerf¨allungsk¨orper isomorph sind. Die Normalit¨at folgt, weil E als Zerf¨allungsk¨orper u ¨ber Fp und u ¨ber K normal ist. Die q Separabilit¨at folgt, weil die Polynome t − t separabel sind. Nach dem Satz vom primitiven Element ist E/K dann einfach. Ein primitives Element wird zum Beispiel durch einen Erzeuger von E × gegeben. Daß endliche K¨orper vollkommen sind, wurde bereits gezeigt. Man kann auch so argumentieren: Ist a ein u ¨ber K separables Element, so ist K(a) ein endlicher K¨orper und ma,K ein Teiler eines Polynoms der Form tq − t und somit separabel. 5.79 Definition. Innerhalb eines fest gew¨ahlten, algebraischen Abschlußes Fp von Fp bezeichnen wir mit Fq den eindeutig bestimmten endlichen K¨orper mit q Elementen in Fp . 5.80 Satz. Seien E und K endliche K¨orper in einem gemeinsamen Erweiterungsk¨orper C. Es gelte #E = pn und #K = pm . Dann gilt K ⊆ E genau dann, wenn m | n. Beweis. Gilt K ⊆ E, so folgt #E = (#K)[E:K] , also pn = pm[E:K] . Gelte umgem n kehrt m | n. F¨ ur x ∈ K ergibt sich xp = x und somit xp = x. Dies wiederum bedeutet x ∈ E.
Die explizite Darstellung von endlichen K¨orpern kann wieder mit irreduziblen Polynomen erfolgen. Ist K ein endlicher K¨orper mit q Elementen und f ∈ K[t] normiert und irreduzibel vom Grad n, so ergibt K[t]/f K[t] eine Erweiterung von K vom Grad n. W¨ahlt man ein anderes irreduzibles Polynom vom Grad n, so erh¨alt man einen K-isomorphen K¨orper.
5.9
Kreisteilungsko ¨rper
5.81 Definition. Sei K ein K¨orper und f = tn −1. Die Nullstellen von f in einem ¯ von K heißen n-te Einheitswurzeln und die Menge der algebraischen Abschluß K
¨ 5.9. KREISTEILUNGSKORPER
103
¯ wird mit µn bezeichnet. Der Zerf¨allungsk¨orper n-ten Einheitswurzeln von f in K K(µn ) von f u ¨ber K heißt n-ter Kreisteilungsk¨orper. Offenbar gilt #µn ≤ n und µm ⊆ µn f¨ ur m | n. Der Name Kreisteilungsk¨orper ergibt sich daraus, daß die n-ten Einheitswurzeln in C von der Form exp(2πir/n) sind, daher auf dem Einheitskreis liegen und ihn in gleiche Teile teilen. Ist E als weiteres Beispiel ein endlicher K¨orper mit q Elementen, so gilt E = K(µq−1 ). 5.82 Satz. Die Menge µn ist eine zyklische Untergruppe von K(µn )× . Es gilt µpn = µn f¨ ur p = char(K) > 0. Aus p ∤ n oder char(K) = 0 folgt #µn = n. Beweis. Die erste Aussage folgt aus Satz 3.11. Die zweite folgt, weil tmp − 1 = (tm − 1)p ist. Die dritte folgt, weil gcd{tn − 1, ntn−1 } = 1 unter den gemachten Voraussetzungen gilt. Wir nehmen f¨ ur den Rest des Abschnitts an, daß n nicht von der Charakteristik geteilt wird bzw. daß die Charakteristik Null ist. 5.83 Definition. Die Erzeuger von µn heißen primitive n-te Einheitswurzeln. F¨ ur eine primitive n-te Einheitswurzel heißt das Polynom Y Φn = (t − ζ i ) 1≤i≤n gcd{i, n} = 1
das n-te Kreisteilungspolynom. Eine zyklische Gruppe der Ordnung n hat φ(n) verschiedene Erzeuger. Daher gibt es also genau φ(n) primitive n-te Einheitswurzeln. Ferner hat Φn genau die primitiven n-ten Einheitswurzeln als Nullstellen und es gilt deg(Φn ) = φ(n). Ist d die Ordnung einer Einheitswurzel ζ ∈ µn , so ist ζ eine primitive d-te Einheitswurzel. Sind n and m teilerfremd, so gilt µn µm = µnm und µn ∩ µm = {1}. Q 5.84 Satz. F¨ ur die Kreisteilungspolynome gilt die Beziehung tn − 1 = d | n Φd . Beweis. Ist klar, weil wir alle primitiven Einheitswurzeln erfassen.
Der Satz liefert ein Rekursionsverfahren zur Berechnung der KreisteilungspoQ lynome, mittels Φn = (tn − 1)/ d | n,d6=n Φd . Ist n zum Beispiel prim, gilt also Pn−1 i Φn = (tn − 1)/(t − 1) = i=0 t . F¨ ur eine Reihe weiterer Rekursionsformeln siehe Lang, Algebra, S. 208. 5.85 Satz. Die Kreisteilungspolynome sind bereits ¨uber Z bzw. den jeweiligen Primk¨orpern Fp definiert.
104
¨ KAPITEL 5. ALGEBRAISCHE KORPERERWEITERUNGEN
Q Beweis. Folgt induktiv aus der Rekursionsformel Φn = (tn − 1)/ d | n,d6=n Φd . Da Z¨ahler und Nenner der rechten Seite u ¨ber Z bzw. u ¨ber dem jeweiligen Primk¨orper definiert und die Nenner normiert sind, ist auch Φd u ¨ber Z bzw. u ¨ber dem jeweiligen Primk¨orper definiert. 5.86 Satz. Das n-te Kreisteilungspolynom Φn ist irreduzibel ¨uber Q. Beweis. Sei f ein normierter irreduzibler Faktor von Φn u ¨ber Q. Dann gilt bereits f ∈ Z[t] nach Korollar 3.27. Sei p eine Primzahl mit p ∤ n und ζ eine Nullstelle von f . Dann ist ζ p ebenfalls eine primitive n-te Einheitswurzel. Wir zeigen gleich, daß ζ p auch eine Nullstelle von f ist. Durch die Verwendung m¨oglicherweise verschiedener, jedoch zu n teilerfremder Primzahlen pi k¨onnen wir dann jede primitive Q n-te Einheitswurzel ξ in der Form ξ = ζ i pi schreiben. Damit ist jede primitive n-te Einheitswurzel eine Nullstelle von f , es gilt Φn = f und Φn ist irreduzibel. Sei h ∈ Z[t] normiert mit f h = Φn . Es gilt f (ζ p ) = 0 oder h(ζ p ) = 0. Nehmen wir f (ζ p ) 6= 0 an. Dann ist ζ p eine Nullstelle von h und ζ eine Nullstelle von h(tp ). Folglich gilt f | h(tp ) und es gibt g ∈ Z[t] normiert mit f g = h(tp ). uglich koeffizientenweiser Sei · : Z[t] → Fp [t] der kanonische Epimorphismus bez¨ Reduktion modulo p. F¨ ur alle x ∈ Fp gilt xp = x. Daher folgt h(t)p = h(tp ) = f g. Wegen deg(f ) ≥ 1 haben dann h und f einen gemeinsamen Faktor vom Grad ≥ 1 und sind nicht teilerfremd. Auf der anderen Seite sind aber die Polynome tn − 1 ∈ Fp [t] und damit φn = f h ∈ Fp [t] wegen p ∤ n separabel. Daraus ergibt sich ein Widerspruch, und es muß also f (ζ p ) = 0 gelten. Der vorhergehende Satz ist u ¨ber endlichen K¨orpern im allgemeinen falsch. 5.87 Korollar. Es gilt Q(µn ) = Q(ζ) und [Q(ζ) : Q] = φ(n) f¨ ur eine primitive nte Einheitswurzel ζ ∈ µn . Sind n und m teilerfremd so gilt Q(µn )Q(µm ) = Q(µnm ) und Q(µn ) ∩ Q(µm ) = Q. Beweis. Der erste Teil ist klar. F¨ ur den zweiten folgt aus µn µm = µnm , daß Q(µn )Q(µm ) = Q(µnm ) gilt. Wegen φ(nm) = φ(n)φ(m) ergibt sich dann aus Gradgr¨ unden [Q(µn ) : Q] = [Q(µnm ) : Q(µm )], so daß Q(µn ) und Q(µm ) u ¨ber Q linear disjunkt sind und somit Q(µn ) ∩ Q(µm ) = Q folgt. 5.88 Satz. Die K¨orpererweiterungen K(µn )/K sind normal und separabel. Beweis. K(µn ) ist Zerf¨allungsk¨orper des separablen Polynoms tn − 1.
5.10. CHARAKTERISTISCHES POLYNOM, SPUR UND NORM
5.10
105
Charakteristisches Polynom, Spur und Norm
Wir wenden nun eine allgemeine und h¨aufig auftretende Begriffsbildung aus der linearen Algebra auf endliche K¨orpererweiterungen an. Das charakteristische Polynom, die Spur und Norm (Determinante) von Vektorraumendomorphismen sind wie folgt definiert. Sei V ein Vektorraum u ¨ber dem K¨orper K der Dimension n und φ ∈ EndK (V ). F¨ ur eine Basis v1 , . . . , vn von V sei M ∈ K n×n mit (φ(v1 ), . . . , φ(vn )) = (v1 , . . . , vn )M die Darstellungsmatrix von φ bez¨ uglich der vi . Dann ist χφ,V /K = det(tIn − M ) ∈ K[t] mit deg(χφ,V /K ) = n P das charakteristische Polynom von φ, und f¨ ur χφ,V /K = ni=0 ai tn−i ist die Spur von φ gleich TrV /K (φ) = Tr(M ) = −a1 und die Norm von φ gleich NV /K (φ) = det(M ) = (−1)n an . Das charakteristische Polynom, die Spur und die Norm von φ h¨angen nicht von der gew¨ahlten Basis vi ab. Die Notation V /K zusammen mit φ soll im Zusammenhang mit charakteristischem Polynom, Spur und Norm bedeuten, daß V ein K-Vektorraum ist und daß φ ∈ EndK (V ) gilt. Sei E/K eine endliche K¨orpererweiterung und a ∈ E. Dann ist E auch ein endlich dimensionaler Vektorraum u ¨ber K und die Multiplikation x 7→ ax mit a liefert einen Vektorraumendomorphismus φa von E (allgemeiner kann man auch eine endlich dimensionale K-Algebra E betrachten). 5.89 Definition. Das charakteristische Polynom χa,E/K ∈ K[t] von a bez¨ uglich der endlichen K¨orpererweiterung E/K wird als χφa definiert. Die Spur TrE/K (a) und die Norm NE/K (a) von a bez¨ uglich E/K werden als TrE/K (φa ) beziehungsweise NE/K (φa ) definiert. Wir wiederholen zun¨achst die f¨ ur uns interessanten, allgemeinen Eigenschaften charakteristischer Polynome, Spuren und Normen f¨ ur Vektorraumendomorphismen. Nach dem Satz von Cayley-Hamilton ist χφ,V /K (φ) die Nullabbildung auf V . Sind φ1 , φ2 ∈ EndK (V ) und λ ∈ K, so gilt offenbar TrV /K (φ1 + φ2 ) = TrV /K (φ1 ) + TrV /K (φ2 ) und TrV /K (λφ1 ) = λTrV /K (φ1 ). Die Spur ist demnach K-linear. Ferner gilt NV /K (φ1 φ2 ) = NV /K (φ1 )NV /K (φ2 ), so daß die Norm multiplikativ ist. Seien V1 , V2 ⊆ V Unterr¨aume von V mit V = V1 ⊕ V2 und φ(Vi ) ⊆ Vi . Wir setzen φi = φ|Vi . Dann gilt χφ,V /K = χφ1 ,V1 /K · χφ2 ,V2 /K und folglich TrV /K (φ) = TrV1 /K (φ1 ) + TrV2 /K (φ2 ) und NV1 /K (φ) = NV1 /K (φ1 )NV2 /K (φ2 ). Das folgende Lemma ist im wesentlichen eine Aussage aus der linearen Algebra.
106
¨ KAPITEL 5. ALGEBRAISCHE KORPERERWEITERUNGEN
5.90 Lemma. Sei F ein K¨orper und Teilring von K m×m und sei h : F n×n → K nm×nm , ((ai,j,µ,ν )i,j )µ,ν 7→ (ai,j,µ,ν )(µ−1)n+i,(ν−1)n+j . Dann ist h ein Ringmonomorphismus, und f¨ ur alle M ∈ F n×n gilt Tr(Tr(M )) = Tr(h(M )) und det(det(M )) = det(h(M )). Beweis. Es ist zun¨achst offensichtlich, daß h injektiv ist und h(0) = 0, h(1) = 1 gilt. Seien M, N ∈ F n×n und M = ((ai,j,µ,ν )i,j )µ,ν , N = ((bi,j,µ,ν )i,j )µ,ν . Dann gilt ! n X h(M N ) = h (ai,j,µ,c )i,j (bi,j,c,ν )i,j =h =h =
c=1 n X
µ,ν
m X
ai,d,µ,c bd,j,c,ν
c=1 d=1 n X m X
c=1 d=1 n X m X
ai,d,µ,c bd,j,c,ν
ai,d,µ,c bd,j,c,ν
c=1 d=1
= ai,j,µ,ν
i,j
µ,ν
i,j
!
µ,ν
!
(µ−1)n+i,(ν−1)n+j
(µ−1)n+i,(ν−1)n+j
= h(N )h(M ).
bi,j,µ,ν
(µ−1)n+i,(ν−1)n+j
F¨ ur die Spur gilt direkt n n X X Tr(Tr(M )) = Tr (ai,j,c,c )i,j = Tr ( ai,j,c,c )i,j
=
c=1 m n XX
c=1
ad,d,c,c = Tr(h(M )).
d=1 c=1
F¨ ur die Determinante gilt zun¨achst det(det(M )) = det(h(M )), wenn M eine Dreiecksmatrix oder eine elementare Transformationsmatrix der folgenden Form ist: Zeile mit Element aus F multiplizieren, Zeile mit Element aus F multiplizieren und zu einer anderen Zeile addieren, zwei Zeilen vertauschen. Die Aussage f¨ ur Dreiecksmatrizen ist aus der linearen Algebra bekannt. Die Aussage f¨ ur die ersten beiden Transformationsmatrixtypen folgt aus der f¨ ur Dreiecksmatrizen. Ist M eine Transformationsmatrix des dritten Typs, so entsteht h(M ) aus Inm durch Vertauschung von m Zeilen und es gilt det(det(M )) = det(−1) = det(−Im ) = (−1)m = det(h(M )).
107
5.10. CHARAKTERISTISCHES POLYNOM, SPUR UND NORM
Nach dem Gaußalgorithmus gibt es zu beliebigem M ∈ F n×n elementare Transformationsmatrizen Ti ∈ F n×n und eine Dreiecksmatrix N ∈ F n×n mit M = Q N i Ti . Dann folgt det(det(M )) = det(det(N
Y
Ti )) = det(det(N )
i
= det(det(N ))
Y
det(Ti ))
i
Y
det(det(Ti )) = det(h(N ))
i
= det(h(N )
Y
h(Ti )) = det(h(N
i
= det(h(M )).
Y
det(h(Ti ))
i
Y
Ti ))
i
5.91 Satz. Sei V ein endlich dimensionaler F -Vektorraum und K ein Teilk¨orper von F mit [F : K] < ∞. F¨ ur φ ∈ EndF (V ) gilt auch φ ∈ EndK (V ) und (i) TrV /K (φ) = TrF/K (TrV /F (φ)), (ii) NV /K (φ) = NF/K (NV /F (φ)), (iii) χφ,V /K = NF (t)/K(t) (χφ,V /F ). Beweis. Der Beweis beruht auf der Transitivit¨at“ der Spur und der Determinante ” aus Lemma 5.90. Sei n = dimF (V ) und m = [F : K]. Es ist g¨ unstig, anstelle von F und K mit den rationalen Funktionenk¨orpern F (t) und K(t) zu arbeiten. Eine Basis von F u ¨ber K ist auch eine Basis von F (t) u ¨ber K(t). Wir bezeichnen mit f : F (t) → m×m K(t) den Monomorphismus, der jedem a ∈ F (t) die Darstellungsmatrix der Muliplikation-mit-a-Abbildung bez¨ uglich einer festgew¨ahlten Basis e1 , . . . , em von F u ¨ber K zuordnet. Definitionsgem¨aß gilt dann Tr(f (a)) = TrF (t)/K(t) (a) und det(f (a)) = NF (t)/K(t) (a) f¨ ur alle a ∈ F (t) und speziell auch Tr(f (a)) = TrF/K (a) und det(f (a)) = NF/K (a) f¨ ur alle a ∈ F . Die Abbildung fn : F (t)n×n → K(t)nm×nm wird analog zu h in Lemma 5.90 als der durch koeffizientenweise Anwendung von f erhaltene Monomorphismus definiert. Nach Lemma 5.90 gilt nun Tr(f (Tr(M ))) = Tr(fn (M )) und det(f (det(M ))) = det(fn (M )) f¨ ur jedes M ∈ F (t)n×n . Sei v1 , . . . , vn eine F -Basis von V . Dann ist ej vν f¨ ur 1 ≤ j ≤ m und 1 ≤ ν ≤ n eine K-Basis von V . Sei MF = (mµ,ν )µ,ν ∈ F n×n die Darstellungsmatrix von φ bez¨ uglich (vν )ν und sei MK ∈ K nm×nm die Darstellungsmatrix von φ bez¨ uglich (ej vν )(ν−1)n+j . Wir wollen MK = fn (MF ) zeigen. Sei fn (MF ) =
¨ KAPITEL 5. ALGEBRAISCHE KORPERERWEITERUNGEN
108
(ai,j,µ,ν )(µ−1)n+i,(ν−1)n+j mit ai,j,µ,ν ∈ K. Dann gilt aufgrund der Definitionen P P φ(vν ) = nc=1 mc,ν vc und mµ,ν ej = m d=1 ad,j,µ,ν ed und zusammen φ(ej vν ) = ej φ(vν ) = ej
n X
mc,ν vc =
c=1
=
n X m X
n X
(mc,ν ej )vc =
c=1
m n X X c=1
ad,j,c,ν ed vc
d=1
ad,j,c,ν ed vc .
c=1 d=1
Dies heißt aber nichts anderes, als daß (ai,j,µ,ν )(µ−1)n+i,(ν−1)n+j = fn (MF ) die Darstellungsmatrix von φ bez¨ uglich der K-Basis (ej vν )(ν−1)n+j ist, daß also MK = fn (MF ) gilt. Mit der Transitivit¨at der Spur ergibt sich nun zusammenfassend TrV /K (φ) = Tr(MK ) = Tr(fn (MF )) = Tr(f (Tr(MF ))) = Tr(f (TrV /F (φ))) = TrF/K (TrV /F (φ)). Mit der Transitivit¨at der Determinante gilt analog NV /K (φ) = det(MK ) = det(fn (MF )) = det(f (det(MF ))) = det(f (NV /F (φ))) = NF/K (NV /F (φ)), und abschließend χφ,V /K = det(tInm − MK ) = det(fn (tIn − MF )) = det(f (det(tIn − MF ))) = det(f (χφ,V /F )) = NF (t)/K(t) (χφ,V /F ).
Man kann auch noch das Verhalten von charakteristischen Polynomen, Spuren und Normen auf Tensorprodukten V1 ⊗K V2 und bei Konstantenerweiterung V ⊗K F (die umgekehrte Richtung von Satz 5.91) untersuchen. Wir ben¨otigen dies hier aber nicht. Durch Anwendung beziehungsweise Spezialisierung der obigen Aussagen auf den K¨orpererweiterungsfall erhalten wir den folgenden Satz. 5.92 Satz. Sei E/K eine endliche K¨orpererweiterung und F ein Zwischenk¨orper von E/K. (i) F¨ ur a, b ∈ E und λ ∈ K gilt TrE/K (a+b) = TrE/K (a)+TrE/K (b), TrE/K (λa) = λTrE/K (a) und NE/K (ab) = NE/K (a)NE/K (b).
5.10. CHARAKTERISTISCHES POLYNOM, SPUR UND NORM
109
(ii) F¨ ur a ∈ F gilt TrE/K (a) = [E : F ] TrF/K (a), NE/K (a) = NF/K (a)[E:F ] und χa,E/K = χa,F/K [E:F ] . Außerdem ist deg(χa,E/K (a)) = [E : K], χa,E/K (a) = 0 und χa,K(a)/K = ma,K . (iii) F¨ ur a ∈ E ist TrE/K (a) = TrF/K (TrE/F (a)), NE/K (a) = NF/K (NE/F (a)) und χa,E/K = NF (t)/K(t) (χa,E/F ). Beweis. (i): Ist klar. (ii): Es gilt E ∼ = F [E:F ] als F -Vektorr¨aume. Damit gilt auch E∼ = F [E:F ] als K-Vektorr¨aume und die Multiplikation mit a bildet die zu den F unter der Isomorphie geh¨origen direkten Summanden von E auf sich selbst ab. Aus der obenstehenden Bemerkung u ¨ber direkte Summen folgt χa,E/K = χa,F/K [E:F ] . Die Aussage u ¨ber die Spuren und Normen ergibt sich aus dieser Aussage u ¨ber die charakteristischen Polynome. Per Definition gilt deg(χa,E/K (a)) = [E : K]. Wegen χa,E/K (φa ) = 0 nach dem Satz von Cayley-Hamilton ist die Multiplikation mit χa,E/K (a) die Nullabbildung und daher gilt χa,E/K (a) = 0. Gradvergleich zeigt dann χa,K(a)/K = ma,K , da beide Polynome normiert sind. (iii): Folgt direkt aus Satz 5.91. F¨ ur a ∈ K gilt also insbesondere TrE/K (a) = [E : K]a, NE/K (a) = a[E:K] und χa,E/K = (t − a)[E:K] . Wir bringen nun K¨orperhomomorphismen ins Spiel. Dies liefert eine alternative Definitionsm¨oglichkeit f¨ ur Spur, Norm und charakteristisches Polynom. Der Beweis von Satz 5.92, (iii) kann dann auch nur unter Verwendung von K¨orperhomomorphismen gef¨ uhrt werden (siehe Lemma 6.39). 5.93 Satz. Sei E/K eine endliche K¨orpererweiterung, C ein algebraischer Abschluß von K und sei G = HomK (E, C). F¨ ur a ∈ E gilt dann P (i) TrE/K (a) = [E : K]i σ∈G σ(a), (ii) NE/K (a) =
(iii) χa,E/K =
Q
σ∈G
Q
σ∈G (t
σ(a)
[E:K]i
− σ(a))
,
[E:K]i
.
Ist [E : K]i > 1, so gilt also TrE/K (a) = 0 f¨ ur alle a ∈ E. Beweis. Es ist klar, daß (i) und (ii) aus (iii) folgen. Außerdem gilt p = char(K) > 0 und [E : K]i ≡ 0 mod p, wenn [E : K]i > 1 ist. Daher folgt TrE/K (a) = 0 f¨ ur alle a ∈ E aus (i). Zum Beweis von (iii): Sei F der separable Abschluß von K in E, so daß [E : F ] = [E : K]i ist. Dann ist aq mit q = [K(a) : K]i nach Lemma 5.62 (oder auch Q Korollar 5.73) separabel u ¨ber K und es gilt maq ,K = τ ∈HomK (K(aq ),C) (t − τ (aq )), da maq ,K separabel ist und es f¨ ur jedes b ∈ C mit maq ,K (b) = 0 ein τ ∈
110
¨ KAPITEL 5. ALGEBRAISCHE KORPERERWEITERUNGEN
HomK (K(aq ), C) mit τ (aq ) = b nach Lemma 5.34 gibt (siehe auch Lemma 5.53). Nach der Zerlegung am Anfang von Abschnitt 5.6 folgt ma,K = maq ,K (tq ). Wegen deg(maq ,K ) = [K(a) : K]s ist K(aq ) der separable Abschluß von K in K(a) und K(a)/K(aq ) rein inseparabel (vergleiche auch Korollar 5.73). Da jedes τ ∈ HomK (K(aq ), C) somit nach Satz 5.63, (iii) genau eine Fortsetzung σ ∈ Homτ (K(a), C) besitzt, ergibt sich also zusammengenommen die allgemeine Gleichung ma,K = maq ,K (tq ) Q = τ ∈HomK (K(aq ),C) (tq − τ (aq )) Q = σ∈HomK (K(a),C) (tq − σ(aq )) Q = σ∈HomK (K(a),C) (t − σ(a))[K(a):K]i . F¨ ur das charakteristische Polynom gilt χa,E/K = ma,K [E:K(a)] nach Satz 5.92, (ii), und weiter χa,E/K = ma,K [E:K(a)] Q = τ ∈HomK (K(a),C) (t − τ (a))[E:K(a)][K(a):K]i Q = τ ∈HomK (K(a),C) (t − τ (a))[E:K(a)]s [E:K]i Q = σ∈HomK (E,C) (t − σ(a))[E:K]i .
Die letzte Gleichung ist g¨ ultig, da jedes τ ∈ HomK (K(a), C) zu genau [E : K(a)]s vielen σ ∈ Homτ (E, C) nach der Bemerkung vor Lemma 5.51 fortgesetzt werden kann. F¨ ur beliebiges τ ∈ G gelten außerdem die Gleichungen Trτ E/τ K (τ (a)) = τ (TrE/K (a)), Nτ E/τ K (τ (a)) = τ (NE/K (a)) und χτ (a),τ E/τ K = τ (χa,E/K ).
Kapitel 6 Galoistheorie Die Galoistheorie liefert eine funktorielle“ Beziehung von Zwischenk¨orpern nor” maler und separabler Erweiterungen zu Untergruppen von Automorphismengruppen, mittels derer Untersuchungen in K¨orpern auf Untersuchungen von Gruppen und Automorphismen zur¨ uckgef¨ uhrt werden k¨onnen. Die Anwendungen erstrecken sich von der Aufl¨osung von Gleichungen durch Radikale bis zu Fragestellungen in der Geometrie.
6.1
Galoiserweiterungen
Sei E/K eine K¨orpererweiterung und F ein beliebiger Zwischenk¨orper. Die Zuordnung GE/K : F 7→ AutF (E) liefert eine Abbildung der Menge der Zwischenk¨orper von E/K in die Menge der Untergruppen von AutK (E). Sind F1 und F2 zwei Zwischenk¨orper von E/K mit F1 ⊇ F2 , so gilt GE/K (F1 ) ⊆ GE/K (F2 ). 6.1 Definition. Sei E ein K¨orper, C ein Erweiterungsk¨orper von E und G ⊆ Hom(E, C) eine Menge von Homomorphismen. Der Fixk¨orper E G von G in E wird als E G = {x ∈ E | σ(x) = x f¨ ur σ ∈ G} definiert. Es ist leicht zu sehen, daß E G ein Teilk¨orper von E ist. F¨ ur eine Untergruppe G von AutK (E) liefert die Zuordnung FE/K : G 7→ E G eine Abbildung der Menge der Untergruppen von AutK (E) in die Menge der Zwischenk¨orper von E/K. Sind G1 und G2 Untergruppen von AutK (E) mit G1 ⊆ G2 , so gilt FE/K (G1 ) ⊇ FE/K (G2 ). 111
112
KAPITEL 6. GALOISTHEORIE
F¨ uhren wir FE/K und GE/K hintereinander aus, ergibt sich FE/K (GE/K (F )) ⊇ F und G ⊆ GE/K (FE/K (G)). Wir untersuchen als n¨achstes die Eigenschaften von GE/K und FE/K bez¨ uglich Injektivit¨at und Surjektivit¨at. 6.2 Definition. Eine algebraische K¨orpererweiterung E/K heißt eine Galoiserweiterung oder galoissch und E galoissch u ¨ber K, wenn E/K normal und separabel ist. Die Automorphismengruppe AutK (E) wird dann Galoisgruppe von E/K genannt und mit G(E/K) oder GE/K bezeichnet. 6.3 Satz. Sei E/K eine Galoiserweiterung. F¨ ur den Fixk¨orper von G = G(E/K) G gilt dann K = E . F¨ ur jeden Zwischenk¨orper F von E/K ist E/F galoissch. Beweis. Sei C ein algebraischer Abschluß von E und a ∈ E G beliebig. F¨ ur jedes σ ∈ HomK (K(a), C) gibt es nach Satz 5.37 eine Fortsetzung τ ∈ Homσ (E, C). Da E normal u ¨ber K ist, folgt τ (E) = E nach Satz 5.42 und somit τ ∈ G(E/K). G Wegen a ∈ E gilt τ (a) = a, daher auch σ(a) = a und es folgt [K(a) : K]s = 1, da σ beliebig war. Weil a mit E separabel u ¨ber K ist, ergibt sich [K(a) : K]s = [K(a) : K] = 1 nach Satz 5.54 und weiter a ∈ K. Daher gilt K = E G , weil a beliebig war. Sei F ein Zwischenk¨orper von E/K. Die Erweiterung E/F ist normal nach Satz 5.44 und separabel nach Satz 5.55, weil E/K normal und separabel ist. Also ist E/F galoissch. 6.4 Satz. Sei E/K eine Galoiserweiterung. F¨ ur alle Zwischenk¨orper F von E/K gilt FE/K (GE/K (F )) = F . Daher ist GE/K injektiv und FE/K surjektiv.
Beweis. Nach Satz 6.3 ist E/F galoissch und es gilt F = E H mit H = G(E/F ). In anderen Worten F = FE/K (H) und H = GE/K (F ). 6.5 Definition. Sei E/K eine Galoiserweiterung. Der Abschluß einer Unter¯ = GE/K (FE/K (G)) definiert. Ferner heißt G gruppe G ⊆ G(E/K) wird als G ¯ = G gilt. abgeschlossen, wenn G ¯ = G. ¯ = ¯ ⊇ G und G ¯ Letzteres ergibt sich aus G F¨ ur den Abschluß gilt G ¯ mit G = GE/K und F = FE/K unter der Ber¨ G(F(G(F(G)))) = G(F(G)) = G ucksichtigung, daß F ◦ G nach Satz 6.4 die Identit¨at ist. Sei E/K eine Galoiserweiterung und F ein Zwischenk¨orper. Sei H eine Untergruppe von G(E/F ). Dann ist H bez¨ uglich E/F genau dann abgeschlossen, wenn H bez¨ uglich E/K abgeschlossen ist. Daher brauchen wir bei abgeschlossen“ ” nicht speziell die K¨orpererweiterung oder Galoisgruppe anzugeben. 6.6 Satz (Hauptsatz der Galoistheorie – Teil 1). Sei E/K eine Galoiserweiterung. Dann werden durch GE/K und FE/K zueinander inverse, inklusionsumkehrende Bijektionen der Menge der Zwischenk¨orper von E/K und der Menge der abgeschlossenen Untergruppen von G(E/K) definiert.
6.1. GALOISERWEITERUNGEN
113
Beweis. Das Bild von GE/K besteht genau aus den abgeschlossenen Untergrup¯ = pen von G(E/K): Denn mit G = GE/K , F = FE/K und G = G(F ) folgt G G(F(G)) = G(F(G(F ))) = G(F ) = G wegen F ◦ G = id, also ist G abgeschlossen. Ist umgekehrt G abgeschlossen, so gilt G = G(F(G)), also ist G im Bild von G. Wegen F(G(F ) = F f¨ ur alle Zwischenk¨orper F von E/K und G(F(G)) = G f¨ ur alle abgeschlossenen Untergruppen G sind also G und F zueinander inverse Bijektionen, die nach den eingangs gemachten Bemerkungen auch inklusionsumkehrend sind. Die Definition von abgeschlossen“ wurde hier im wesentlichen nur deshalb ” eingef¨ uhrt, um bei F und G von zueinander inversen Bijektionen sprechen zu k¨onnen. Die Konstruktion kann abstrakt f¨ ur beliebige Abbildungen g : M → N und f : N → M mit f ◦ g = id durchgef¨ urt werden. Wir sind jetzt an einer n¨aheren Beschreibung der abgeschlossenen Untergruppen f¨ ur endliche Galoiserweiterungen E/K interessiert. 6.7 Satz. Sei E ein K¨orper, G ⊆ Aut(E) eine Automorphismengruppe. Ist G endlich, so ist E/E G galoissch mit G = G(E/E G ) und [E : E G ] = #G. Ist G beliebig und E/E G algebraisch, so ist E/E G galoissch mit G ⊆ G(E/E G ) und [E : E G ] = #G. Beweis. Wir schreiben K = E G und n = #G. Sei G endlich oder E/K algebraisch. Sei a ∈ E beliebig. Die Menge S = {σ(a) | σ ∈ G} ist dann endlich, da G endlich ist oder weil S eine Teilmenge der Nullstellen von ma,K ist. Jedes τ ∈ G induziert eine injektive Abbildung S → S, die wegen #S < ∞ auch surjektiv ist. Q Also gilt τ (S) = S und das Polynom f = b∈S (t − b) erf¨ ullt f τ = f . Da dies f¨ ur alle τ ∈ G gilt, ergibt sich f ∈ K[t]. Nun ist f (a) = 0, f separabel und alle Nullstellen von f liegen in E. Da a ∈ E beliebig war, folgt, daß E separabel und Zerf¨allungsk¨orper aller solcher f u ¨ber K, also normal und folglich galoissch ist. F¨ ur n = ∞ ist die Aussage [E : K] ≤ n richtig. F¨ ur n < ∞ und a ∈ E beliebig gilt [K(a) : K] ≤ n, da a nach obiger Schlußweise eine Nullstelle eines f ∈ K[t] mit deg(f ) ≤ n ist. Wegen der Separabilit¨at von E/K und Satz 5.58 gilt dann aber bereits [E : K] ≤ n. Es ist klar, daß G ⊆ G(E/K) gilt. Dann folgt n = #G ≤ #G(E/K) ≤ [E : K] ≤ n, also #G = #G(E/K) = [E : K]. F¨ ur n < ∞ ergibt sich insbesondere G = G(E/K). Die Abgeschlossenheitsaussage im folgenden Satz zeigt, daß GE/K f¨ ur eine endliche Galoiserweiterung E/K surjektiv ist, daß also GE/K und FE/K in diesem Fall zueinander inverse Bijektionen der Menge aller Zwischenk¨orper von E/K und der Menge aller Untergruppen von G(E/K) sind. 6.8 Satz (Hauptsatz der Galoistheorie – Teil 2). Sei E/K eine Galoiserweiterung.
114
KAPITEL 6. GALOISTHEORIE
(i) Ist E/K endlich, so sind alle Untergruppen von G(E/K) abgeschlossen. (ii) Sind F1 ⊆ F2 Zwischenk¨orper von E/K, so gilt (GE/K (F1 ) : GE/K (F2 )) = [F2 : F1 ]. Beweis. (i): Sei E/K endlich und H ⊆ G(E/K). Dann ist H endlich und nach Satz 6.7 gilt H = G(E/E H ) = GE/K (E H ) = GE/K (FE/K (H)). (ii): Es gelten die Gleichungen GE/F1 (F1 ) = GE/K (F1 ), GE/F1 (F2 ) = GE/K (F2 ) und folglich (GE/F1 (F1 ) : GE/F1 (F2 )) = (GE/K (F1 ) : GE/K (F2 )). Nach Satz 6.3 ist außerdem E/F1 galoissch. Wir k¨onnen daher ohne Einschr¨ankung von einer Galoiserweiterung E/K und einem Zwischenk¨orper F ausgehen und m¨ ussen (GE/K (K) : GE/K (F )) = [F : K] zeigen. Sei G = GE/K (K) und H = GE/K (F ). Da E/K normal ist, gilt HomK (F, E) = {σ|F | σ ∈ G}. F¨ ur σ1 , σ2 ∈ G gilt dabei σ1 |F = σ2 |F genau dann, wenn σ1 /σ2 ∈ . H ist. Sei R ein Nebenklassenrepr¨asentantensystem von H in G mit G = ∪σ∈R σH. Dann folgt, daß die Abbildung R → HomK (F, E), σ 7→ σ|F bijektiv ist und daher #HomK (F, E) = #R = (G : H) gilt. Da E/K normal und separabel ist, gilt [F : K] = #HomK (F, E). Zusammen ergibt sich [F : K] = (G : H), was zu zeigen war. Dies schließt die Diskussion der Injektivit¨at bzw. Surjektivit¨at der Abbildungen GE/K und FE/K f¨ ur endliche Galoiserweiterungen E/K ab. F¨ ur unendliche Galoiserweiterungen f¨ uhrt man eine geeignete Topologie auf G(E/K) ein, so daß die abgeschlossenen Untergruppen von G(E/K) gerade mit den im Sinn von Definition 6.5 abgeschlossenen Untergruppen u ¨bereinstimmen. Außerdem wird gezeigt, daß und wie sich G(E/K) aus den Galoisgruppen G(F/K) zusammensetzt, wobei F die u ¨ber K galoisschen (und endlichen) Zwischenk¨orper von E/K durchl¨auft. Wir gehen hierauf nicht weiter ein. 6.9 Satz. Sei E/K eine algebraische K¨orpererweiterung. Dann sind ¨aquivalent. (i) E/K ist galoissch, (ii) GE/K ist injektiv, (iii) K = E AutK (E) . Beweis. (i) ⇒ (ii): Wurde in Satz 6.4 bewiesen. (ii) ⇒ (iii): In anderer Notation ist K = FE/K (GE/K (K)) zu zeigen. Wir k¨ urzen F = FE/K und G = GE/K ab. Dann kann man leicht allgemein (also ohne (ii) vorauszusetzen) zeigen, daß F ◦ G ◦ F = F und G ◦ F ◦ G = G gilt. Ist G nun injektiv, so k¨onnen wir G links aus G ◦ F ◦ G = G k¨ urzen und erhalten F ◦ G = id, also speziell K = F(G(K)). (iii) ⇒ (i): Die Erweiterung E/E AutK (E) = E/K ist algebraisch und nach Satz 6.7 daher galoissch.
6.2. BEZIEHUNGEN ZWISCHEN GALOISERWEITERUNGEN
115
¨ Der Satz zeigt also die Aquivalenz zweier weiterer, gebr¨auchlicher Definitionen von galoissch“ zu der hier verwendeten Definition. ” Wir fahren mit der Untersuchung der Eigenschaften von GE/K und FE/K bez¨ uglich K¨orper- und Gruppenkonstruktionen fort. 6.10 Satz. Seien Fi Zwischenk¨orper der K¨orpererweiterung E/K und Gi Unter` gruppen von AutK (E). Mit i bezeichnen wir das Kompositum von K¨orpern in E bzw. die von Gruppen in AutK (E) erzeugte Untergruppe. Dann gilt ` ` (i) GE/K ( i Fi ) = ∩i GE/K (Fi ), FE/K ( i Gi ) = ∩i FE/K (Gi ), ` ` (ii) GE/K (∩i Fi ) ⊇ i GE/K (Fi ), FE/K (∩i Gi ) ⊇ i FE/K (Gi ).
Ist E/K endlich und galoissch, so gilt in (ii) die Gleichheit. ` ¨ ur σ ∈ AutK (E) gilt die Aquivalenz σ ∈ AutF (E) ⇔ Beweis. (i): Sei F = i Fi . F¨ ` σ ∈ AutFi (E) f¨ ur alle i. Dies bedeutet GE/K (F ) = ∩i GE/K (Fi ). Sei G = i Gi . ¨ ur alle i. Dies bedeutet F¨ ur x ∈ E gilt die Aquivalenz x ∈ E G ⇔ x ∈ E Gi f¨ FE/K (G) = ∩i FE/K (Gi ). (ii): Folgt aus GE/K (∩i Fi ) ⊇ GE/K (Fi ) und FE/K (∩i Gi ) ⊇ FE/K (Gi ) f¨ ur alle i. Wir zeigen nun die Gleichheit in (ii) f¨ ur E/K endlich und galoissch. Wir lassen die Indizes von FE/K und GE/K im folgenden aus. Nach Satz 6.4 ist F ◦ G = id. Nach Satz 6.6 und Satz 6.8 ist G ◦ F = id. ` Mit dem zweiten Teil von (i) ergibt sich F( i G(Fi )) = ∩i F(G(Fi )) = ∩i Fi ` ` und Anwenden von G liefert G(∩i Fi ) = G(F( i G(Fi ))) = i G(Fi ). ` Mit dem ersten Teil von (i) ergibt sich G( i F(Gi )) = ∩i G(F(Gi )) = ∩i Gi ` ` und Anwenden von F liefert F(∩i Gi ) = F(G( i F(Gi ))) = i F(Gi ).
Der Beweis zeigt, daß die Gleichheit in (ii) auch f¨ ur unendliche Galoiserwei` terungen gilt, wenn man im ersten Teil den Abschluß von i GE/K (Fi ) verwendet und im zweiten Teil nur abgeschlossene Gi betrachtet.
6.2
Beziehungen zwischen Galoiserweiterungen
Wir sind nun an den Beziehungen der Galoisgruppen interessiert, die unter der Anwendung von Isomorphismen, bei Zwischenk¨orpersituationen, Translationen und Komposita auftreten. 6.11 Satz. Sei E/K eine K¨orpererweiterung, C ein K¨orper und λ ∈ Hom(E, C) ein Isomorphismus. Die Abbildung φ : AutK (E) → AutλK (λE), σ 7→ λ ◦ σ ◦ λ−1
116
KAPITEL 6. GALOISTHEORIE
ist ein Isomorphismus. Daher gilt AutλK (λE) ∼ = = λAutK (E)λ−1 und GλE/λK (λF ) ∼ λGE/K (F )λ−1 unter φ f¨ ur beliebige Zwischenk¨orper F von E/K. Beweis. Die Homomorphieeigenschaft von φ ist klar. Außerdem wird durch τ 7→ λ−1 ◦ τ ◦ λ ein zu φ inverser Homomorphismus gegeben, so daß φ also bijektiv ist. Es wird h¨aufig der Fall betrachtet, daß λE = E, also zum Beispiel λ ∈ AutK (E) ist. Dann gilt insbesondere GE/K (λF ) = λGE/K (F )λ−1 . 6.12 Satz (Hauptsatz der Galoistheorie – Teil 3). Sei E/K algebraisch und F ein Zwischenk¨orper von E/K. (i) Ist F/K normal, so liefert die Einschr¨ankung von Automorphismen von E auf F einen Homomorphismus φ : AutK (E) → AutK (F ) mit ker(φ) = AutF (E). Ist zus¨atzlich E/K normal, so ist φ surjektiv und ergibt eine Isomorphie AutK (E)/AutF (E) ∼ = AutK (F ). (ii) Ist E/K galoissch und F ein beliebiger Zwischenk¨orper, so ist E/F galoissch und F/K genau dann galoissch, wenn GE/K (F ) normal in G(E/K) ist. Beweis. (i): Die Einschr¨ankung von Automorphismen liefert wegen Satz 5.42 in der Tat einen Homomorphismus φ : AutK (E) → AutK (F ). F¨ ur σ ∈ AutK (E) gilt σ ∈ ker(φ) genau dann, wenn σ auf F die Identit¨at ist, also σ ∈ AutF (E) gilt. Daher ist ker(φ) = AutF (E). Ist E/K normal, so l¨aßt sich jedes σ ∈ AutK (F ) zu einem τ ∈ Autσ (E) nach Satz 5.37, Satz 5.42 und Satz 5.40 fortsetzen. (ii): Sei E/K galoissch. Daß E/F galoissch ist, wurde bereits in Satz 6.3 gezeigt. Außerdem ist F/K separabel, so daß wir nur F/K normal zu betrachten haben. Ist F/K normal, so ist GE/K (F ) = AutF (E) als Kern von φ normal in G(E/K). Ist umgekehrt GE/K (F ) normal in G(E/K), so gilt GE/K (F ) = σGE/K (F )σ −1 = GσE/σK (σF ) = GE/K (σF ) f¨ ur alle σ ∈ G(E/K) nach Satz 6.11. Die Injektivit¨at von GE/K ergibt F = σF f¨ ur alle σ ∈ G(E/K), also ist F/K nach Satz 5.42 normal. F¨ ur E/K und F/K normal sagt man auch, daß die durch die Inklusion und die Einschr¨ankung φ gegebene Sequenz 1 → AutF (E) → AutK (E) → AutK (F ) → 1 exakt ist. Links und rechts außen stehen die nur aus dem Einselement bestehenden Gruppen. Exakt bedeutet, daß f¨ ur jede Gruppe zwischen den Abbildungspfeilen der Kern der rechten Abbildung gleich dem Bild der linken Abbildung ist.
117
6.2. BEZIEHUNGEN ZWISCHEN GALOISERWEITERUNGEN
Dies ist ¨aquivalent zur Isomorphieaussage AutK (F ) ∼ = AutK (E)/AutF (E) von Satz 6.12, (ii). Bevor wir uns Translationen und Komposita zuwenden, ben¨otigen wir einen auch anderweitig n¨ utzlichen Einschub u ¨ber linear disjunkte K¨orper. 6.13 Satz. Seien C/K eine K¨orpererweiterung und E und L Zwischenk¨orper von C/K, so daß E/K galoissch ist und E ∩ L = K gilt. Dann sind E und L linear disjunkt ¨uber K. Beweis. Wir zeigen, daß aus E/K galoissch und E/K und L/K nicht linear disjunkt folgt, daß E ∩ L 6= K ist. Seien a1 , . . . , an endlich viele, u ¨ber K linear unabh¨angige Elemente von E, welche u ¨ber L linear abh¨angig sind. Da E/K separabel ist, gibt es ein a ∈ E mit K(a1 , . . . , an ) = K(a), und die Potenzen von a bilden eine K-Basis von K(a). Nun ist K(a)/K nicht linear disjunkt zu L/K, folglich ist ma,L ein echter Teiler von ma,K eines kleineren Grads. Es gibt daher Koeffizienten von ma,L , welche in L, aber nicht in K liegen. Da E/K normal ist, liegen alle Nullstellen von ma,K und somit auch die von ma,L in E. Daher sind die Koeffizienten von ma,L als algebraische Ausdr¨ ucke in den Nullstellen auch Elemente von E. Zusammengenommen ergibt dies E ∩ L 6= K. 6.14 Satz. Seien C/K eine K¨orpererweiterung und E und L u ¨ber K linear disjunkte Zwischenk¨orper von C/K. F¨ ur jedes σ ∈ HomK (E, C) gibt es dann genau eine Fortsetzung τ ∈ HomL (EL, C). Beweis. Seien die ai eine K-Basis von E. Da E und L u ¨ber K linear disjunkt sind, sind die ai auch eine L-Basis von EL. Sei σ ∈ HomK (E, C). F¨ ur eine Fortsetzung P P τ ∈ HomL (EL, C) von σ muß dann τ ( i λi ai ) = i λi σ(ai ) mit λi ∈ L gelten. Daher kann es h¨ochstens eine Fortsetzung geben. Um die Existenz nachzuweisen, nehmen wir dies nun als Definition von τ . Da P die Darstellung i λi ai eindeutig ist, ist τ zun¨achst wohldefiniert und L-linear. P P Seien a, b ∈ EL mit a = i λi ai und b = j µj aj . Dann gilt τ (ab) = τ
X
λi µj ai aj =
i,j
=
X
X
λi µj σ(ai )σ(aj ) =
i,j
= τ (a)τ (b). Damit ist τ auch multiplikativ.
λi µj σ(ai aj )
i,j
X i
λi σ(ai )
X j
µj σ(aj )
118
KAPITEL 6. GALOISTHEORIE
6.15 Satz. Seien C/K eine K¨orpererweiterung und E und L Zwischenk¨orper von C/K, so daß E/K galoissch ist. Dann ist EL/L galoissch und die Einschr¨ankung von Automorphismen von EL auf E ergibt einen Monomorphimus φ : G(EL/L) → G(E/K) mit φ(G(EL/L)) = G(E/E ∩ L). Beweis. Es ist klar, daß E/E ∩ L galoissch ist. Nach Satz 5.44 und Satz 5.55 ist auch EL/L galoissch. Wir bekommen dann offensichtlich einen Monomorphismus φ : G(EL/L) → G(E/K) mit φ(G(EL/L)) ⊆ G(E/E ∩ L). Nun sind E/E ∩ L und L/E ∩ L nach Satz 6.13 linear disjunkt. Nach Satz 6.14 setzt sich daher jedes σ ∈ G(E/E ∩ L) zu einem τ ∈ G(EL/L) fort. Dies ergibt φ(G(EL/L)) = G(E/E ∩ L). 6.16 Satz. Seien Fi u ¨ber K galoissche Zwischenk¨orper von C/K. Dann ist E = ` uber K und das Produkt der Einschr¨ankungen von Automorphisi Fi galoissch ¨ men von E auf die Fi liefert einen Monomorphismus Y ψ : G(E/K) → G(Fi /K). i
F¨ ur F1 ∩ F2 = K liefert ψ die Isomorphie G(F1 F2 /K) ∼ = G(F1 /K) × G(F2 /K). Beweis. Die Erweiterung E/K ist nach Satz 5.44 und Satz 5.55 galoissch. AuQ ßerdem ist klar, daß ψ : G(E/K) → i G(Ei /K) ein Monomorphismus ist. Gilt F1 ∩ F2 = K, so gibt es f¨ ur σi ∈ G(Fi /K) nach Satz 6.15 ein τi ∈ G(E/Fj ) mit j 6= i, so daß τi auf Fi mit σi u ¨bereinstimmt. Da τi die Identit¨at auf Fj ist, gilt ψ(τ1 τ2 ) = (σ1 , σ2 ) und die Isomorphieaussage folgt. Im allgemeinen liefert die Einschr¨ankung wirklich nur einen Monomorphismus. Dies liegt daran, daß vorgegebene σi ∈ G(Fi /K) nicht unbedingt zueinander passen m¨ ussen und es daher nicht notwendigerweise eine gemeinsame Fortsetzung σ ∈ G(E/K) gibt. Zum Beispiel sind f¨ ur die Kompatibilit¨at der σi neben den ¨ Schnitten Fi ∩ Fj auch Uberschneidungen von Fi Fj mit Fk etc. und das Verhalten von σi , σj und σk darauf zu ber¨ ucksichtigen. √ √ 2), F 3) und = Q( 6.17 Beispiel. Konkret betrachte man K = Q, F = Q( 2 1 √ √ F1 F2 = Q( 2, 3). Es gilt G(F1 /Q) ∼ = Z/2Z und nach dem Satz folgt = G(F2 /Q) ∼ × Z/2Z gibt es aber drei Untergruppen der G(F1 F2 /Q) ∼ = Z/2Z × Z/2Z. In Z/2Z√ Ordnung 2, und entsprechend ist Q( 6) der dritte quadratische Teilk¨orper von
¨ 6.3. GALOISGRUPPEN SPEZIELLER KORPERERWEITERUNGEN
119
F1 F2 /Q. Jedes σ ∈ G(F1 F2 /Q) wird nach dem Satz durch seine Einschr¨ankungen σ1 = σ|F1 und σ2 = σ|F2 eindeutig bestimmt. Daher ist σ3 = σ|F3 durch σ1 und σ2 bereits eindeutig bestimmt. Wir k¨onnen also σ3 bei gegebenem σ1 und σ2 nicht beliebig vorgeben, wenn es ein σ geben soll, so daß die σi als Einschr¨ankungen von σ erhalten werden. Entsprechend ist ψ im allgemeinen nicht surjektiv. Sind allerdings die Fi /K alle in E/K enthaltenen endlichen Galoiserweiterungen und stimmen σi und σj auf Fi ∩ Fj f¨ ur alle i, j u ¨berein, so gibt es eine gemeinsame Fortsetzung σ ∈ G(E/K). Man definiert einfach σ(a) = σi (a), wobei i so gew¨ahlt ist, daß a ∈ Fi gilt.
6.3
Galoisgruppen spezieller K¨ orpererweiterungen
Wir betrachten zun¨achst die Galoisgruppen einiger spezieller, h¨aufig auftretender K¨orpererweiterungen. 6.18 Definition. Eine Galoiserweiterung E/K heißt abelsch bzw. zyklisch, wenn G(E/K) abelsch bzw. zyklisch ist. 6.19 Satz. Sei E/K abelsch (zyklisch) und F ein Zwischenk¨orper. Dann sind E/F und F/K abelsch (zyklisch). Ist C ein Erweiterungsk¨orper von E und L ein Zwischenk¨orper von C/K, so ist EL/L abelsch (zyklisch). F¨ ur Zwischenk¨orper Fi ` von C/K mit Fi /K abelsch ist i Fi /K abelsch.
Beweis. Folgt direkt durch die Betrachtung der Homomorphismen in Satz 6.12, Satz 6.15 und Satz 6.16. Ferner sind Untergruppen und Faktorgruppen abelscher bzw. zyklischer Gruppen wieder abelsch bzw. zyklisch. 6.20 Definition. Die absolute Galoisgruppe G(K) eines K¨orpers K ist definiert als G(K s /K), wo K s ein separabler Abschluß von K ist. Der abelsche Abschluß K ab von K ist das Kompositum aller abelscher Erweiterungen von K in K s . Man nennt K ab auch maximale abelsche Erweiterung von K, da jeder abelsche Erweiterungsk¨orper von K in K ab eingebettet werden kann. Nach Satz 6.19 ist G(K ab /K) abelsch. 6.21 Satz. Sei E/K eine Erweiterung von endlichen K¨orpern. Dann ist E/K galoissch mit zyklischer Galoisgruppe G(E/K). F¨ ur q = #K wird G(E/K) vom q Frobeniusautomorphismus x 7→ x erzeugt. ¨ Beweis. Ubung.
120
KAPITEL 6. GALOISTHEORIE
6.22 Satz. Sei char(K) = 0 oder n koprim zu char(K), und sei ζ ∈ µn eine primitive n-te Einheitswurzel. Dann wird durch φ : G(K(µn )/K) → (Z/nZ)× , σ 7→ φ(σ) mit σ(ζ) = ζ φ(σ) ein Monomorphismus definiert. F¨ ur K = Q ist φ auch surjektiv. ¨ Beweis. Ubung. Man kann Satz 6.22 auch auf Erweiterungen von endlichen K¨orpern wie in Satz 6.21 anwenden, denn mit n = [E : K] gilt E = K(µqn −1 ). Ist ζ ∈ µqn −1 eine primitive (q n − 1)-te Einheitswurzel, so hat ζ genau n verschiedene Konjugierte j ζq u ¨ber K und das Bild von φ aus Satz 6.22 ist die von q in (Z/(q n − 1)Z)× erzeugte, n-elementige Untergruppe. 6.23 Satz. Sei char(K) = 0 oder n koprim zu char(K), und sei ζ ∈ µn ⊆ K eine primitive n-te Einheitswurzel. Sei f = tn − a ∈ K[t] irreduzibel. Der Zerf¨allungsk¨orper E von f u ¨ber K ist galoissch ¨uber K und es gilt E = K(b) mit f (b) = 0. Durch φ : G(E/K) → Z/nZ, σ 7→ φ(σ) mit σ(b) = ζ φ(σ) b wird ein Isomorphismus definiert. Die Erweiterung E/K ist also zyklisch von der Ordnung n. ¨ Beweis. Ubung. 6.24 Satz. Sei char(K) = p > 0 und f = tp − t − a ∈ K[t] irreduzibel. Der Zerf¨allungsk¨orper E von f u ¨ber K ist galoissch ¨uber K und es gilt E = K(b) mit f (b) = 0. Durch φ : G(E/K) → Z/pZ, σ 7→ φ(σ) mit σ(b) = b + φ(σ) wird ein Isomorphismus definiert. Die Erweiterung E/K ist also zyklisch von der Ordnung p. ¨ Beweis. Ubung. Die Erweiterungen E/K aus Satz 6.23 bzw. Satz 6.24 heißen einfache Kummererweiterungen bzw. einfache Artin-Schreier-Erweiterungen. Sie spielen bei weitergehenden K¨orperkonstruktionen als einfachste Bausteine eine wichtige Rolle. Kummererweiterungen sind ihrer Natur nach multiplikativ, w¨ahrend ArtinSchreier-Erweiterungen einen additiven Charakter aufweisen. Abgesehen davon sind sie sich aber recht ¨ahnlich.
6.4. PERMUTATIONSDARSTELLUNGEN UND GALOISGRUPPEN VON POLYNOMEN
6.4
121
Permutationsdarstellungen und Galoisgruppen von Polynomen
Sei K ein K¨orper, f ∈ K[t] ein nicht-konstantes, separables Polynom und E ein Zerf¨allungsk¨orper E von f u ur die Galoisgruppe ¨ber K. Dann ist E/K galoisch. F¨ von E/K erhalten wir eine Permutationsdarstellung φ : G(E/K) → Sn wie folgt. Seien a1 , . . . , an ∈ E die paarweise verschiedenen Nullstellen von f , wobei n = deg(f ) ist. F¨ ur σ ∈ G(E/K) gilt f σ = f , daher bewirkt σ eine Permutation der Nullstellen a1 , . . . , an . Bezeichnet Sn die symmetrische Gruppe (die Gruppe der Permutationen auf den Ziffern 1, . . . , n), so gibt es also ein φ(σ) ∈ Sn mit σ(ai ) = aφ(σ)(i) . F¨ ur die Definition von φ(σ) verwenden wir somit eine festgew¨ahlte Anordnung der Nullstellen ai . 6.25 Satz. Die Abbildung φ : G(E/K) → Sn , σ 7→ φ(σ) ist ein Monomorphismus und φ bzw. φ(G(E/K)) sind ohne Angabe einer Nullstellenanordnung nur bis auf Konjugation in Sn eindeutig bestimmt. Die Permutationsgruppe φ(G(E/K)) ist genau dann transitiv, wenn f irreduzibel ist. Beweis. Die Homomorphieeigenschaft ist klar. Wegen E = K(a1 , . . . , an ) ist σ durch die Operation auf den ai bereits eindeutig bestimmt, daher ist φ injektiv. Sei bi eine andere Anordnung der Nullstellen von f und φa , φb die entsprechenden Permutationsdarstellungen. Es gibt ein τ ∈ Sn mit bi = aτ (i) . Sei σ ∈ G(E/K). Dann gilt φb (σ)(i) = j genau dann, wenn φa (σ)(τ (i)) = τ (j). Letzteres heißt (τ −1 φa (σ)τ )(i) = j, so daß wir φb (σ) = τ −1 φa (σ)τ erhalten. Folglich gilt auch φb (G(E/K)) = τ −1 φa (G(E/K))τ . Sei f irreduzibel und 1 ≤ i, j ≤ n. Zu ai , aj gibt es ein σ ∈ HomK (K(ai ), K(aj )) mit σ(ai ) = aj , und σ l¨aßt sich auf E fortsetzen. Dann gilt σ ∈ G(E/K) und φ(σ)(i) = j. Also ist φ(G(E/K)) transitiv. Ist umgekehrt f = f1 f2 mit nichtkonstanten Polynomen f1 und f2 , so k¨onnen die Nullstellen von f1 nicht auf die Nullstellen von f2 abgebildet werden und φ(G(E/K)) ist daher nicht transitiv. Der Satz gibt Anlaß zu folgender Definition, die historisch vor der Definition der Galoisgruppe einer K¨orpererweiterung steht. 6.26 Definition. Sei K ein K¨orper, f ∈ K[t] ein nicht-konstantes, separables Polynom und E ein Zerf¨allungsk¨orper von f u ¨ber K. Die Galoisgruppe G(f, K) von f u ¨ber K wird als Bild der Permutationsdarstellung von G(E/K) auf einer fest gew¨ahlten Anordnung der Nullstellen von f in E definiert. Die Galoisgruppe G(f, K) eines Polynoms ist also ohne Angabe einer Nullstellenanordnung nur bis auf Konjugation in Sn mit n = deg(f ) eindeutig bestimmt.
122
KAPITEL 6. GALOISTHEORIE
F¨ ur jede Galoiserweiterung E/K gilt G(E/K) ∼ = G(ma,K , K), wobei a ein primitives Element von E/K bezeichnet. Die Berechnung von G(f, K) kann auf die Berechnung des Zerf¨allungsk¨orpers von f u uckgef¨ uhrt werden. Seien die Ei eine aufsteigende Kette von ¨ber K zur¨ Zwischenk¨orpern von E/K mit Ei+1 = Ei (ai ) und f (ai ) = 0 wie im Beweis von Satz 5.28. F¨ ur σi ∈ HomK (Ei , E) sind alle Fortsetzungen auf Ei+1 durch ai 7→ aj gegeben, wobei aj u ¨ber die Nullstellen von mai ,Ei σi l¨auft. Man erh¨alt daher alle Elemente von G(f, K), indem man Polynome u ¨ber den Ei faktorisiert und induktiv alle Fortsetzungen der Identit¨at auf K nach E bestimmt. Als Beispiel f¨ ur dieses Vorgehen betrachten wir f = t3 − 2 ∈ Q[t]. Wir setzen √ √ E0 = K = Q, a1 = 3 2, a2 = ζ 3 2 mit ζ = exp(2πi/3) ∈ µ3 und Ei+1 = Ei (ai ). Damit gilt [E1 : K] = 3, [E2 : E1 ] = 2 und E = E2 . Die Identit¨at auf K hat drei Fortsetzungen auf E1 , und diese drei Fortsetzungen haben jeweils zwei Fortsetzungen auf E2 . Damit besteht G(f, K) aus 6 Elementen. Die Bestimmung dieser √ 3 6 Elemente ist allerdings etwas leichter, wenn wir E = K(ζ, 2) beachten. Mit Satz 6.22 bestimmen wir zun¨achst G(K(ζ)/K), und setzen diese Automorphismen mittels Satz 6.23 und Lemma 5.51 zu allen Automorphismen in G(E/K) zusammen. Dies ergibt √ G(E/K)√= {σi,j | 1 ≤ i ≤ 2, 1 ≤ j ≤ 3} mit σi,j definiert durch σi,j (ζ) = ζ i , σi,j ( 3 2) = ζ j 3 2. Wir betrachten nun die allgemeinen F¨alle n = 1, 2, 3. F¨ ur n = 1 ist f linear und G(f, K) = {(1)} als Untergruppe von S1 . F¨ ur n = 2 hat f zwei Nullstellen a1 und a2 . Gilt ai ∈ K, so folgt G(f, K) = {(1)} als Untergruppe von S2 . Ansonsten gilt G(f, K) = {(1), (1, 2)} = S2 .
Der erste nicht v¨ollig triviale Fall ergibt sich f¨ ur n = 3. Ist f nicht irreduzibel, so sind wir auf die F¨alle n = 1 und n = 2 zur¨ uckgef¨ uhrt. Wir nehmen also an, daß f irreduzibel ist. Sei E der Zerf¨allungsk¨orper von f u ¨ber K. Dann gilt [E : K] = 3 oder [E : K] = 6. Im ersten Fall ist G(f, K) = A3 zyklisch und wird beispielsweise von (1, 2, 3) erzeugt. Hier gibt es keine nicht-trivialen Zwischenk¨orper. Im letzteren Fall [E : K] = 6 gilt G(f, K) = S3 wegen #S3 = 6, und G(f, K) ist nicht abelsch. Die S3 wird von (1, 2, 3) und (1, 2) erzeugt. Man rechnet leicht nach, daß es genau drei (zueinander konjugierte) Untergruppen der Ordnung zwei gibt, n¨amlich G1 = h(1, 2)i, G2 = h(1, 3)i und G3 = h(2, 3)i, und genau eine normale Untergruppe der Ordnung drei, n¨amlich H = h(1, 2, 3)i. Daher gibt es genau drei (zueinander konjugierte) Zwischenk¨orper Fi = FE/K (Gi ) von E/K mit [Fi : K] = 3 und einen u ¨ber K galoisschen Zwischenk¨orper L = FE/K (H) mit [L : K] = 2. Man setze diese allgemeinen Betrachtungen in Beziehung zum obigen Beispiel f = t3 − 2. Wie lautet der Isomorphismus zwischen den Permutationen und den σi,j , und welchen Zwischenk¨orpern entsprechen die Fi und L? Ein allgemeiner Ansatz zur Konstruktion von Erzeugern von Fixk¨orpern von Au-
6.4. PERMUTATIONSDARSTELLUNGEN UND GALOISGRUPPEN VON POLYNOMEN
123
tomorphismengruppen wird u ¨brigens durch Lemma 5.24 gegeben. F¨ ur h¨ohere Polynomgrade n wird die Diskussion schnell schwieriger. Mit Spezialbetrachtungen kann man aber trotzdem einiges u ¨ber G(f, K) herausfinden. Ein systematisches Vorgehen und der Einsatz von Computern erlauben die explizite Bestimmung von G(f, K) f¨ ur geeignete Grundk¨orper K zur Zeit bis n = 23. Wir nehmen dieses Thema im folgenden Abschnitt auf. Auf der anderen Seite kann man die Galoisgruppen von Klassen von speziellen Polynomen bzw. Galoiserweiterungen wie im Abschnitt 6.3 leicht explizit bestimmen. Der folgende Satz zeigt, daß wir f¨ ur eine Permutationsdarstellung einer Galoisgruppe in gewissen F¨allen immer ein Polynom finden k¨onnen, welches diese Permutationsdarstellung realisiert. 6.27 Satz. Sei E/K eine Galoiserweiterung und φ : G(E/K) → Sn ein Homomorphismus. Mit den Bezeichnungen G = φ(G(E/K)) und Hi = StabG (i) gelte NG (Hi ) = Hi f¨ ur ein i mit 1 ≤ i ≤ n. Ist G transitiv oder gilt #K ≥ n, so gibt es ein normiertes, separables Polynom f ∈ K[t] mit den folgenden Eigenschaften. (i) Der Zerf¨allungsk¨orper F von f ¨uber K ist in E enthalten und erf¨ ullt [E : F ] = # ker(φ). (ii) Es gilt G(f, K) = G f¨ ur eine Nullstellenanordnung. Beweis. Wir schicken ein paar Betrachtungen f¨ ur transitive Permutationsgruppen G voraus. Da G transitiv ist, gibt es f¨ ur alle i, j ein σ ∈ G mit Hj = StabG (j) = StabG (σ(i)) = σStabG (i)σ −1 = σHi σ −1 , also sind die Hi alle konjugiert. Wir w¨ahlen ein festes ν und setzen H = Hν . Desweiteren gilt dann G · ν = {1, . . . n} und daher (G : H) = #(G · ν) = n. Bezeichnet G · H die Bahn von H unter der Operation von G durch Konjugation, so gilt G·H = {Hi | 1 ≤ i ≤ n} und #(G·H) = (G : NG (H)). Wegen H ⊆ NG (H) ergibt sich also #(G·H) ≤ n, und #(G·H) = n gilt genau dann, wenn NG (H) = H ist. F¨ ur NG (H) = H seien die σi ∈ G ein Nebenklassenrepr¨asentantensystem . mit G = ∪{σi H | 1 ≤ i ≤ n}. Dann gilt σi Hσi−1 = σj Hσj−1 genau dann, wenn (σj−1 σi )H(σj−1 σi )−1 = H, also σj−1 σi ∈ H und damit σi = σj ist. Es folgt G · H = {σi Hσi−1 | 1 ≤ i ≤ n}. Die σi k¨onnen so numeriert werden, daß σi (ν) = i gilt. Dann ergibt sich genauer σi Hσi−1 = Hi f¨ ur 1 ≤ i ≤ n. Sei nun F = FE/K (ker(φ)). Dann ist F/K galoissch und φ|F erf¨ ullt ebenfalls die Voraussetzungen des Satzes. Außerdem gilt [E : F ] = # ker(φ), so daß wir mit den Bezeichnungen des Satzes ohne Einschr¨ankung annehmen k¨onnen, daß φ injektiv ist. Im folgenden identifizieren wir G(E/K) mit G und verwenden die Bezeichnungen des vorigen Absatzes.
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KAPITEL 6. GALOISTHEORIE
Wir behandeln zuerst den Fall, daß G transitiv ist. Dann operiert G durch Konjugation auf der n-elementigen Menge {Hi | 1 ≤ i ≤ n}. Wir setzen Fi = FE/K (Hi ) und F = FE/K (H). Dann operiert G durch σ · Fi = σ(Fi ) ebenfalls auf der n-elementigen Menge {Fi | 1 ≤ i ≤ n}, denn es gilt σ(Fi ) = FE/K (σHi σ −1 ) = FE/K (Hj ) = Fj f¨ ur ein j. Sei a ∈ E ein primitives Element von F/K und ai = σi (a) ∈ Fi . Da die Fi paarweise verschieden sind (oder auch die σi ein Nebenklassenrepr¨asentantensystem von G/H bilden), sind die ai paarweise verschieden. Dann operiert G durch σ · ai = σ(ai ) auch auf der n-elementigen Menge {ai | 1 ≤ i ≤ n}, denn σ(ai ) = σ(σi (a)) = σj (a) f¨ ur ein j wegen a ∈ FE/K (H). Verm¨oge der Bijektionen i 7→ Hi , i 7→ Fi , i 7→ ai und wegen σ(Fi ) = FE/K (σHi σ −1 ) f¨ ur σ ∈ G sind alle diese Operationen von G a¨quivalent und transitiv, da G transitiv Q vorausgesetzt wurde. Wir definieren f = ni=1 (t − ai ). Dann ist f normiert und separabel. Weil G auf {ai | 1 ≤ i ≤ n} operiert, gilt f σ = f f¨ ur alle σ ∈ G und es folgt f ∈ K[t]. Wegen der Transitivit¨at von G auf {ai | 1 ≤ i ≤ n} ist f irreduzibel u ¨ber K. Nach Konstruktion gilt G(f, K) = G mit der gew¨ahlten Nullstellenanordnung. Schließlich folgt aus σ(ai ) = ai auch σ(i) = i f¨ ur alle i (wir identifizieren G(E/K) und G), und daraus σ = id. Also gilt f¨ ur den Zerf¨allungsk¨orper F von f u unscht F = K(a1 , . . . , an ) = E. ¨ber K wie gew¨ F¨ ur nicht unbedingt transitives G, aber #K ≥ n, seien nun Di = {di,j | 1 ≤ i ≤ r, 1 ≤ j ≤ si } die Bahnen von G in {1, . . . , n}. Durch Einschr¨ankung auf Di erhalten wir Homomorphismen ψi : G → S(Di ). Sei Gi = ψi (G). Es gilt NGi (StabGi (di,j )) = ψi (ψi−1 (NGi (StabGi (di,j )))) = ψi (NG (ψi−1 (StabGi (di,j )))) = ψi (NG (StabG (di,j ))) = ψi (StabG (di,j )) = StabGi (di,j ). Wir k¨onnen daher den bereits bewiesenen, transitiven Fall des Satzes auf Gi anwenden. F¨ ur jedes i mit 1 ≤ i ≤ r gibt es separable und irreduzible fi ∈ K[t] Qsi mit fi = j=1 (t − ai,j ) und ai,j ∈ E. Die Gruppe G operiert ¨aquivalenterweise auf Di und {ai,j | 1 ≤ j ≤ si }. Wegen #K ≥ n gibt es ci ∈ K, so daß die Q Polynome fi (t + ci ) f¨ ur 1 ≤ i ≤ r paarweise teilerfremd sind. Mit f = i fi (t + ci ) erhalten wir dann ein separables Polynom mit G(f, K) = G bez¨ uglich der gew¨ahlten Nullstellenanordnung. F¨ ur den Zerf¨allungsk¨orper F von K gilt wieder wie gew¨ unscht F = K({ai,j | i, j}) = E. Sei E/K galoissch, a ein primitives Element von E/K und G = G(ma,K , K). Dann gilt StabG (i) = {id} und NG (StabG (i)) = G. Dieses Beispiel zeigt, daß
6.5. SYMMETRISCHE POLYNOME UND DAS UMKEHRPROBLEM DER GALOISTHEORIE
125
die Bedingung des Satzes nur hinreichend f¨ ur die Existenz eines Polynoms f mit G = G(f, K) ist.
6.5
Symmetrische Polynome und das Umkehrproblem der Galoistheorie
Wir wollen an die Situation des vorhergehenden Abschnitts ankn¨ upfen und f¨ ur allgemeines f kurz allgemeine“ Betrachtungen anstellen. Sei k ein K¨orper und ” E = k(x1 , . . . , xn ) der K¨orper der rationalen Funktionen in x1 , . . . , xn . F¨ ur σ ∈ Sn definieren wir ein ψ(σ) ∈ Autk (E) durch ψ(σ)(xi ) = xσ(i) . Dies liefert einen Monomorphismus ψ : Sn → Autk (E), σ 7→ ψ(σ). Wir setzen K = E ψ(Sn ) . Die Elemente aus K bleiben unver¨andert, wenn man die xi permutiert. Es handelt sich also dabei um genau die symmetrischen Funktionen in E. Da ψ(Sn ) endlich ist, ist E/K nach Satz 6.7 galoissch mit G(E/K) = ψ(Sn ). Aufgrund der Isomorphie ψ(Sn ) ∼ wir G(E/K) und Sn im folgenden. = Sn identifizieren Q P Wir setzen nun f = ni=1 (t − xi ) = ni=0 (−1)i si tn−i , wobei die si die elementarsymmetrischen Polynome in den xi sind. Offenbar gilt f ∈ k(s1 , . . . , sn )[t], und E ist Zerf¨allungsk¨orper von f u ¨ber k(s1 , . . . , sn ). Wegen [E : k(s1 , . . . , sn )] ≤ n!, [E : K] = n! und k(s1 , . . . , sn ) ⊆ K ergibt sich K = k(s1 , . . . , sn ). Dies zeigt, daß sich jede symmetrische Funktion als rationale Funktion in den si erhalten l¨aßt. Dar¨ uberhinaus gibt es zu i, j ein σ ∈ Sn mit σ(xi ) = xj . Die xi sind damit alle konjugiert und f ist irreduzibel u ¨ber K. Zusammenfassend erhalten wir folgenden Satz. 6.28 Satz. Sei E = k(x1 , . . . , xn ) der K¨orper der rationalen Funktionen in xi und K der Teilk¨orper der symmetrischen Funktionen in E. Dann ist E/K galoissch mit G(E/K) = Sn und es gilt K = k(s1 , . . . , sn ), wobei si die elementarsymmetrischen Polynome in den xi sind. Der K¨orper E ist Zerf¨allungsk¨orper des P irreduziblen Polynoms f = ni=0 (−1)i si tn−i ∈ K[t]. Die folgende Aussage ist an dieser Stelle noch von grunds¨atzlichem Interesse.
6.29 Satz. Die elementarsymmetrischen Polynome si ∈ k[x1 , . . . , xn ] sind algebraisch unabh¨angig. Daher kann k[s1 , . . . , sn ] auch als Polynomring in den Variablen si aufgefaßt werden. Sei K der K¨orper der symmetrischen Funktionen und R = k[x1 , . . . , xn ] ∩ K der Ring der symmetrischen Polynome. Dann gilt R = k[s1 , . . . , sn ]. Beweis. Wurde in Algebra 1 bewiesen. Mit Theorie, die sp¨ater behandelt wird, kann man wie folgt argumentieren: Die K¨orpererweiterung k(x1 , . . . , xn )/k hat
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KAPITEL 6. GALOISTHEORIE
Transzendenzgrad n, und k(x1 , . . . , xn )/k(s1 , . . . , sn ) ist endlich. Daher hat auch k(s1 , . . . , sn )/k Transzendenzgrad n, und die si sind algebraisch unabh¨angig. Die Ringerweiterung k[x1 , . . . , xn ]/k[s1 , . . . , sn ] ist ganz. Daher ist auch die Ringerweiterung R/k[s1 , . . . , sn ] ganz. Da k[s1 , . . . , sn ] wegen der algebraischen Unabh¨angigkeit ein Polynomring und damit faktoriell ist, ist k[s1 , . . . , sn ] in seinem Quotientenk¨orper K ganz abgeschlossen. Es folgt R = k[s1 , . . . , sn ]. P Das oben verwendete Polynom f = ni=0 (−1)i si tn−i ∈ R[t] heißt aufgrund der ersten Aussage des Satzes allgemeines Polynom n-ten Grads, da f nicht nur all” gemeine“ Nullstellen, sondern auch allgemeine“ Koeffizienten hat. Wir merken ” an, daß es einen konstruktiven Beweis der zweiten Aussage von Satz 6.29 gibt, der ein Verfahren angibt, mit dem man ein symmetrisches Polynom in den xi als Polynom in den si darstellt. 6.30 Satz. Sei E = k(x1 , . . . , xn ), K = k(s1 , . . . , sn ), G eine Untergruppe von Sn und F = FE/K (G). Dann gilt G(E/F ) = G und es gibt ein h ∈ k[x1 , . . . , xn ] mit F = K(h). Beweis. Fordern wir statt h ∈ k[x1 , . . . , xn ] nur h ∈ k(x1 , . . . , xn ), so ergibt sich die Existenz von h direkt aus dem Satz vom primitiven Element. F¨ ur jedes g ∈ Q k[x1 , . . . , xn ] ist f = NE/K (g) = σ∈Sn σ(g) ∈ k[x1 , . . . , xn ] ∩ k(s1 , . . . , sn ) nach Satz 6.28 (genauer f ∈ k[s1 , . . . , sn ] nach Satz 6.29). Besitzt h ∈ k(x1 , . . . , xn ) einen Nenner g, so k¨onnen wir wegen f ∈ k(s1 , . . . , sn ) anstelle von h daher auch f h ∈ k[x1 , . . . , xn ] als primitives Element verwenden. Es gelten die Bezeichnungen von Satz 6.30 mit k = Q. Satz 6.30 kann folgendermaßen genutzt werden, um Informationen u ¨ber die Galoisgruppe eines Polynoms f0 ∈ Q[t] zu erhalten. Wir w¨ahlen eine Anordnung der Nullstellen ai ∈ C von f0 und betrachten G(f0 , Q) als Untergruppe der Sn . Aus G(f0 , Q) ≤ G muß dann h(a1 , . . . , an ) ∈ Q folgen, weil h unter G und unter G(f0 , Q) als Permutationsgruppe, und somit h(a1 , . . . , an ) unter G(f0 , Q) als Gruppe von K¨orperautomorphismen invariant ist. Unter einer Zusatzbedingung gilt auch die Umkehrung dieser Implikation, aus h(a1 , . . . , an ) ∈ Q folgt h ∈ FE/K (G(f0 , Q)) und daraus G(f0 , Q) ≤ G. Durch systematisches Testen von h(a1 , . . . , an ) ∈ Q f¨ ur die m¨oglichen Kandidatengruppen G kann man so die Galoisgruppe G(f0 , Q) genau bestimmen. Man kann dabei auch induktiv vorgehen, indem man die G absteigend durchl¨auft. Im i-ten Schritt wissen wir G(f0 , Q) ≤ Gi , also hj (a1 , . . . , an ) ∈ Q f¨ ur 1 ≤ j ≤ i. Sei Gi+1 < Gi eine Kandidatengruppe, f¨ ur die wir herausfinden wollen, ob G(f0 , Q) ≤ Gi+1 gilt. Wir definieren hi+1 als primitives Element von Fi+1 = FE/K (Gi+1 ) u ¨ber Fi = FE/K (Gi ) = K(h1 , . . . , hi ) und testen hi+1 (a1 , . . . , an ) ∈ Q (und dazu die oben erw¨ahnte Zusatzbedingung). F¨ ur die
6.5. SYMMETRISCHE POLYNOME UND DAS UMKEHRPROBLEM DER GALOISTHEORIE
127
Berechnungen kann man Fließkommazahlen in C benutzen, und die Tests ∈ Q“ ” kann man bei geeignetem Vorgehen auch durch Tests ∈ Z“ ersetzen. Die M¨oglich” keit von Rundungsfehlern in den Berechnungen muß ber¨ ucksichtigt werden. Ein anderer Ansatz geht wie folgt. F¨ ur jede Kandidatengruppe G bestimmen wir mh,K ∈ K[t]. Die Koeffizienten von mh,K sind Ausdr¨ ucke in den si und wir k¨onnen folglich f¨ ur die si die Koeffizienten von f0 (unter Beachtung der Vorzeichen (−1)i ) substituieren. Das resultierende Polynom m0 ∈ Q[t] muß dann mindestens eine Nullstelle in Q haben, welche h(a1 , . . . , an ) entsprechen w¨ urde. Hat es eine einfache Nullstelle in Q, so folgt G(f0 , Q) ≤ G. Hier brauchen wir nur mit den Koeffizienten von f0 , nicht aber mit seinen Nullstellen zu arbeiten. Normalerweise verwendet man f¨ ur diese Strategien einen Computer, da die h und mh,K sehr große Ausdr¨ ucke werden k¨onnen und es sehr viele Kandidaten G geben kann (301 Kandidaten f¨ ur n = 12, 1954 Kandidaten f¨ ur n = 16, 25000 Kandidaten f¨ ur n = 23). In Spezialf¨allen ist es aber m¨oglich, relativ einfache Formeln anzugeben. Wir wollen als Beispiel G = An in Charakteristik Null oder > 2 betrachten. Die folgende, allgemeine Definition ist daf¨ ur und auch anderweitig n¨ utzlich. 6.31 Definition. Sei f ∈ K[t] mit n = deg(f ) ≥ 1 ein Polynom mit Leitkoeffizient c ∈ K und den Nullstellen a1 , . . . , an in einem Zerf¨allungsk¨orper von f u ¨ber Q 2 2n−2 K. Die Diskriminante d(f ) von f wird dann als d(f ) = c 1≤i<j≤n (ai − aj ) definiert. 6.32 Satz. Die Diskriminante liefert eine Abbildung der Menge der Polynome vom Grad ≥ 1 in K[t] nach K.
Beweis. Es ist unmittelbar einsichtig, daß d(f ) nicht von der gew¨ahlten Reihenfolge der ai abh¨angt. Dies zeigt, daß d(f ) invariant unter G(f, K) ist und folglich d(f ) ∈ K gilt. Damit ist d(f ) auch unabh¨angig von den gew¨ahlten Nullstellen. Q ur die Diskriminante d(f ) des allgemeinen Mit h = 1≤i<j≤n (xi − xj ) gilt f¨ Polynoms f nach Satz 6.32 und Satz 6.29, daß d(f ) = h2 ∈ k[s1 , . . . , sn ] ist. F¨ ur konkret gegebene Polynome f0 gibt es also eine Formel f¨ ur d(f0 ) in den Koeffizienten von f0 . Im Hinblick auf den Unterschied von Sn und An bemerken wir, daß f¨ ur σ ∈ Sn entweder σ(h) = h oder σ(h) = −h gilt, und der zweite Fall tritt wirklich auf. F¨ ur σ ∈ An gilt auf der anderen Seite stets σ(h) = h. Aus (Sn : An ) = 2 ergibt sich daher mit den Bezeichnungen von Satz 6.30, daß F = FE/K (G) = K(h) und mh,K = t2 − d(f ) ist.
6.33 Satz. Sei f0 ∈ k[t] ein separables Polynom vom Grad n und char(k) = 0 oder char(k) > 2. Die Diskriminante d(f0 ) ist ein Quadrat im Zerf¨allungsk¨orper von f0 ¨uber k und es gilt G(f0 , k) ⊆ An genau dann, wenn d(f0 ) ein Quadrat in k ist.
128
KAPITEL 6. GALOISTHEORIE
Q Beweis. Seien ai die Nullstellen von f0 und h0 = 1≤i<j≤n (ai − aj ). Die erste Aussage ist wegen d(f0 ) = h20 klar. Zur zweiten Aussage: Aus G(f0 , k) ⊆ An folgt h0 ∈ k und somit ist d(f0 ) = h20 ein Quadrat in k. Gilt G(f0 , k) 6⊆ An , so gibt es ein σ ∈ G(f0 , k) mit σ(h0 ) = −h0 . Wegen h0 6= 0 wegen der Separabilit¨at von f0 und −1 6= 1 wegen char(k) = 0 oder char(k) > 2 folgt σ(h0 ) 6= h0 . Dann gilt h0 , −h0 6∈ k und d(f0 ) ist kein Quadrat in k. F¨ ur den Fall n = 3 betrachten wir das separable Polynom f = x3 +ax2 +bx+c in Charakteristik ungleich 3. Durch die Transformation x 7→ x − a/3 erhalten wir ein Polynom mit gleicher Galoisgruppe wie f , aber ohne den x2 -Term. Wir nehmen daher ohne Einschr¨ankung a = 0 an. Man kann nachrechnen, daß dann d(f ) = −4b3 − 27c2 gilt, und wir k¨onnen Satz 6.33 anwenden, um zwischen G(f, K) = A3 und G(f, K) = S3 zu unterscheiden. Das Umkehrproblem der Galoistheorie f¨ ur einen K¨orper K ist, zu einer endur lichen Gruppe G ein Polynom f ∈ K[t] mit G(f, K) ∼ = G zu finden. Es hat f¨ endliche K¨orper K im allgemeinen keine L¨osung, da hier nur zyklische Galoisgruppen auftreten. Auf der anderen Seite haben wir mit Satz 6.28 eine Erweiterung E/K mit Galoisgruppe Sn konstruiert. Da jede endliche Gruppe G isomorph zu einer Untergruppe von Sn f¨ ur geeignetes n ist, erhalten wir durch Fixk¨orperbildung eine Erweiterung E/F mit Galoisgruppe isomorph zu G. Indem man f¨ ur die xi geeignete Werte einsetzt, erh¨alt man Erweiterungen E0 /F0 und kann das Umkehrproblem so auch f¨ ur F0 und G l¨osen. Ein wesentliches Problem stellt sich hier aber, wenn die Bedingung F0 = k f¨ ur E = k(x1 , . . . , xn ) fest vorgeben ist. Die K¨orper F sind nach einem Satz von Swan (1969) im allgemeinen keine rationalen Funktionenk¨orper mehr, ein Gegenbeispiel ist k = Q, n = 47 und G = h(1, . . . , n)i. Daher f¨allt F0 im allgemeinen echt gr¨oßer als Q aus. Das Umkehrproblem der Galoistheorie ist damit f¨ ur Q zur Zeit nur f¨ ur spezielle Klassen von Gruppen gel¨ost. Nach einem Satz von Shafarevich (1954) sind beispielsweise alle aufl¨osbaren Gruppen als Galoisgruppen realisierbar. Schreibt man ein zuf¨alliges“ Polynom f ∈ Q[t] ” hin, so gilt mit großer“ Wahrscheinlichkeit G(f, Q) = Sn . ”
6.6
Lineare Unabh¨ angigkeit von Charakteren
Sei G eine Halbgruppe und K ein K¨orper. Unter einem Charakter von G in K verstehen wir in diesem Abschnitt einen Homomorphismus χ : G → K × . Der triviale Charakter χ = 1 ist der durch χ(a) = 1 f¨ ur alle a ∈ G gegebene Charakter. Charaktere treten in vielen Zusammenh¨angen auf (zum Beispiel Fourieranalysis, Darstellungstheorie endlicher Gruppen). Im Rahmen der Vorlesung werden sie aber nur eine geringe Rolle spielen.
¨ 6.6. LINEARE UNABHANGIGKEIT VON CHARAKTEREN
129
Sind χ1 , χ2 Charaktere und λ ∈ K, so definieren wir wie u ¨blich (χ1 + χ2 )(a) = χ1 (a) + χ2 (a) und (λχ1 )(a) = λχ1 (a). Die Charaktere von G in K spannen damit einen K-Vektorraum von Abbildungen G → K auf. Die Charaktere χ1 , . . . , χn von G in K sind linear unabh¨angig u ur λi ∈ K aus λ1 χ1 +· · ·+λn χn = 0 ¨ber K, wenn f¨ folgt, daß alle λi = 0 sind. Wir haben folgenden, grundlegenden Satz. 6.34 Satz (Artin). Sei G eine Halbgruppe und K ein K¨orper. Die Charaktere χ1 , . . . , χn von G in K sind genau dann linear unabh¨angig ¨uber K, wenn sie paarweise verschieden sind. Beweis. Sind die Charaktere linear unabh¨angig, so sind sie notwendigerweise verschieden. Wir nehmen nun an, daß die χi verschieden sind. Ein einzelner Charakter ist offenbar linear unabh¨angig u ¨ber K, weil er nicht die Nullabbildung sein kann. Wir betrachten jetzt eine Relation λ1 χ1 + · · · + λn χn = 0 mit minimalem n ≥ 2. Dann sind alle λi 6= 0. Da χ1 6= χ2 gibt es a ∈ G mit χ1 (a) 6= χ2 (a). Wegen χ1 : G → K × gilt χ1 (a) 6= 0. F¨ ur alle b ∈ G gilt dann P P P diei λi χi (a)χi = 0. Wir dividieren i λi χi (a)χi (b) = 0, folglich i λi χi (ab) = P se Relation durch χ1 (a) und subtrahieren die urspr¨ ungliche Relation i λi χi = 0. P Dies liefert i (λi χi (a)/χ1 (a) − λi )χi = 0. Der Koeffizient von χ1 ist Null und der von χ2 nach Wahl von a ungleich Null. Wir erhalten eine Relation mit weniger als n Summanden, im Widerspruch zur Wahl von n. Als Spezialfall k¨onnen wir K¨orperhomomorphismen eingeschr¨ankt auf die multiplikativen Gruppen als Charaktere ansehen. Ein anderer, aufwendigerer Beweis f¨ ur die lineare Unabh¨angigkeit in diesem Fall wurde von Dedekind gegeben. Man kann Satz 6.34 nach Artin u ¨brigens zum Ausgangspunkt eines anderen Aufbaus der Galoistheorie als wie behandelt machen (siehe zum Beispiel die B¨ ucher von Fischer/Sacher und Meyberg). Als erste Anwendung notieren wir den folgenden Satz u ¨ber die Spurabbildung. 6.35 Satz. Sei E/K eine endliche K¨orpererweiterung. Dann sind ¨aquivalent: (i) E/K ist separabel. (ii) Die Spurabbildung TrE/K : E → K ist surjektiv. (iii) Die symmetrische Bilinearform E × E → K, (a, b) 7→ TrE/K (ab) ist nicht ausgeartet. Beweis. (i) ⇒ (ii): Da TrE/K eine Linearform des K-Vektorraums E ist, gen¨ ugt es, TrE/K 6= 0 zu zeigen. Sei C ein algebraischer Abschluß von K. Wegen TrE/K = P σ∈HomK (E,C) σ nach Satz 5.93 (i), folgt dies aus Satz 6.34.
130
KAPITEL 6. GALOISTHEORIE
(ii) ⇒ (iii): Sei a 6= 0. Nach (ii) gibt es ein c ∈ E mit TrE/K (c) 6= 0. Mit b = c/a folgt TrE/K (ab) 6= 0. (iii) ⇒ (i): Ist E/K nicht separabel, so folgt aus Satz 5.93, daß TrE/K = 0 gilt und die Bilinearform ist ausgeartet.
6.7
Normalbasen
6.36 Definition. Sei E/K eine endliche Galoiserweiterung und G = G(E/K). Eine K-Basis B von E heißt eine Normalbasis von E/K, wenn B von der Form B = {σ(a) | σ ∈ G} f¨ ur ein a ∈ E ist. 6.37 Satz. Jede endliche Galoiserweiterung E/K besitzt eine Normalbasis. P Beweis. F¨ ur ein Element a ∈ E mit σ∈G λσ σ(a) = 0 und λσ ∈ K folgt P −1 σ)(a) = 0 f¨ u r alle τ ∈ G. Es gen¨ ugt also, ein Element a in E mit λ (τ σ∈G σ Q −1 det(((τ σ)(a))τ,σ ) 6= 0 zu finden. Sei g(t) = mb,K (t)/(t − b) = τ 6=1 (t − τ (b)) f¨ ur ein primitives Element b von E/K. Genau dann ist g σ (b) 6= 0, wenn σ = 1 ist. Denn f¨ ur σ = 1 ist g σ (b) = g(b) 6= 0 aufgrund der Separabilit¨at von mb,K (t). Umgekehrt folgt aus g σ (b) 6= 0, daß b 6= σ(τ (b)) f¨ ur alle τ 6= 1 gilt, und daraus ergibt sich σ = 1 wegen E = K(b). Wir betrachten die u ¨ber E[t] definierte Matrix τ −1 σ M (t) = (g (t))τ,σ und d(t) = det(M ). F¨ ur t = b ist M (b) eine Diagonalmatrix mit g(b) 6= 0 auf der Diagonalen. Daher gilt d(b) 6= 0 und folglich d(t) 6= 0. Enth¨alt K unendlich viele Elemente, so gibt es ein c ∈ K mit d(c) 6= 0. Wegen −1 g τ σ (c) = (τ −1 σ)(g(c)) erhalten wir mit a = g(c) das gesuchte Element a. Es bleibt der Fall zu behandeln, daß K ein endlicher K¨orper ist. Dann ist E/K zyklisch. Sei σ ein Erzeuger von G(E/K). Wir betrachten σ als lineare Abbildung des Vektorraums E/K. Es gilt σ [E:K] − 1 = 0. Außerdem sind 1, σ, . . . , σ [E:K]−1 nach Satz 6.34 u ¨ber K linear unabh¨angig. Daher gilt f¨ ur das Minimalpolynom mσ,K (t) = t[E:K] −1 und wegen deg(mσ,K (t)) = [E : K] ist es auch gleich dem charakteristischen Polynom von σ. Aus der linearen Algebra folgt damit, daß E/K ein σ-zyklischer Vektorraum ist und von einem Element a ∈ E erzeugt wird. Per Definition liefert a dann eine Normalbasis von E/K. 6.38 Bemerkung. Die Galoisgruppe operiert auf E, so daß E neben der Struktur P eines K-Vektorraums auch die Struktur eines K[G]-Moduls besitzt (( σ λσ σ)a = P ur λσ ∈ K und a ∈ E). Die Aussage von Satz 6.37 besitzt dann die σ λσ σ(a) f¨ folgende, ¨aquivalente Formulierung: Der K[G]-Modul E ist zyklisch. Neben der theoretischen Bedeutung spielen Normalbasen zum Beispiel in der effizienten Computerarithmetik von endlichen K¨orpern eine wichtige Rolle.
6.8. KUMMERTHEORIE
6.8
131
Kummertheorie
Im Abschnitt 6.3 haben wir gesehen, daß die Galoisgruppen von einfachen Kummer- und Artin-Schreier-Erweiterungen zyklisch sind. In diesem Abschnitt zeigen wir umgekehrt, daß eine zyklische Erweiterung unter geeigneten Voraussetzungen wie in Abschnitt 6.3 eine einfache Kummer- oder Artin-Schreier-Erweiterung ist. Wir betrachten daf¨ ur aber allgemeiner gleich mehrfache“ Kummer- bzw. Artin” Schreier-Erweiterungen. Um Kummer- und Artin-Schreier-Erweiterungen gemeinsam behandeln zu k¨onnen, verwenden wir folgende Abstraktion. F¨ ur eine Galoiserweiterung E/K mit Galoisgruppe G = G(E/K) betrachten wir eine Teilmenge A ⊆ E m mit m ∈ Z≥1 , die eine mit der koordinatenweise Operation von G auf A vertr¨agliche abelsche Gruppenstruktur haben soll. Es soll also σ(ab) = σ(a)σ(b) f¨ ur alle σ ∈ G und a, b ∈ A gelten, wobei das Gruppengesetz von A multiplikativ geschrieben wird. Wir nennen ein solches A einen G-Modul. Die uns hier im wesentlichen interessierenden Beispiele f¨ ur A sind A = E × und A = E + . Bez¨ uglich G und A haben wir galoistheoretische Operationen und Normabbildungen. Zu einer Untergruppe H von G definieren wir AH = {x ∈ A | σ(x) = x f¨ ur alle σ ∈ H}. Ist umgekehrt B eine Untergruppe von A, so sei GB = {σ ∈ G | σ(x) = x f¨ ur alle x ∈ B}. Diese Definitionen sind ganz analog zu den Definitionen der Abbildungen FE/K und GE/K aus Abschnitt 6.1. Es h¨angt jedoch von der Wahl von A ab, ob H 7→ AH und B 7→ GB zueinander invers sind oder nicht. Zumindest gilt beispielsweise immer GσB = σGB σ −1 . Ist ferner H normal in G, so operieren G/H und G auf AH in kompatibler Weise und AH ist ein G/H-Modul. Um Zwischenk¨orper von E/K und Untergruppen von A logisch zu verbinden, definieren wir zu einem Zwischenk¨orper F von E/K die Untergruppe AF = AGE/K (F ) und umgekehrt zu einer Untergruppe B von A den Zwischenk¨orper K(B) = FE/K (GB ). Wegen der Regel F ◦ G = id gilt offenbar einerseits AF = A ∩ F m , und andererseits entsteht K(B) durch Adjunktion der in den Koordinaten der Elemente von B vorkommenden Elemente aus E an K. Ist F ein Zwischenk¨orper von E/K und normal u urlicher Weise ¨ber K, so wird AF in nat¨ ein G(F/K)-Modul. F¨ ur eine Zwischenk¨orpererweiterung F2 /F1 von E/K und x ∈ AF2 definieren Q wir schließlich NF2 /F1 (x) = σ∈R σ(x), wobei R ein Nebenklassenrepr¨asentanten. system von GE/K (F2 ) in GE/K (F1 ) mit GE/K (F1 ) = ∪σ∈R σGE/K (F2 ) ist. Die Definition h¨angt nicht von der Wahl von R ab, da AF2 von GE/K (F2 ) fixiert wird. Wir k¨onnten die Norm u ur Untergruppen H2 , H1 von G ohne ¨brigens auch nur f¨ ¨ einen Bezug zu K¨orpern definieren. Wegen der galoistheoretischen Aquivalenz von Zwischenk¨orpern und Untergruppen sind diese Varianten im Endeffekt gleichbedeutend.
132
KAPITEL 6. GALOISTHEORIE
6.39 Lemma. Sei F2 /F1 eine Zwischenk¨orpererweiterung der Galoiserweiterung E/K. Dann gilt NF2 /F1 (x) ∈ AF1 und die resultierende Abbildung NF2 /F1 : AF2 → AF1 ist ein Homomorphismus. Ferner gilt Nτ F2 /τ F1 (τ (x)) = τ (NF2 /F1 (x)) f¨ ur alle τ ∈ G und x ∈ F2 , und NF3 /F1 = NF2 /F1 ◦ NF3 /F2 f¨ ur einen weiteren Zwischenk¨orper F3 von E/K mit F2 ⊆ F3 . Beweis. Wir k¨ urzen G = GE/K ab. Mit R ist auch R′ = {τ σ | σ ∈ R} f¨ ur jedes τ ∈ G(F1 ) ein Nebenklassenrepr¨asentantensystem von G(F2 ) in G(F1 ). Folglich Q Q gilt τ (NF2 /F1 (x)) = σ∈R τ σ(x) = σ∈R′ σ(x) = NF2 /F1 (x) und daher NF2 /F1 (x) ∈ AF1 . Die Homomorphieeigenschaft folgt, da die σ als Endomorphismen auf AF2 operieren. F¨ ur jedes τ ∈ G ist das System R′ = {τ στ −1 | σ ∈ R} ein Nebenklassenrepr¨asentantensystem von τ G(F2 )τ −1 = G(τ F2 ) in τ G(F1 )τ −1 = G(τ F1 ). Daraus folgt direkt die Behauptung Nτ F2 /τ F1 (τ (x)) = τ (NF2 /F1 (x)). Schließlich seien RF2 /F1 und RF3 /F2 Nebenklassenrepr¨asentantensysteme von G(F2 ) in G(F1 ) bzw. von G(F3 ) in G(F2 ) wie oben. Dann ist RF3 /F1 = {στ | σ ∈ RF2 /F1 , τ ∈ RF3 /F2 } ein Nebenklassenrepr¨asentantensystem von G(F3 ) in G(F1 ) Q Q Q und es gilt NF3 /F1 (x) = σ,τ σ(τ (x)) = σ σ( τ τ (x)) = NF2 /F1 (NF3 /F2 (x)).
Es sei angemerkt, daß die Normabbildung NF2 /F1 nicht von der Galoiserweiterung E/K abh¨angt. Lemma 6.39 liefert einen zu Satz 5.92 alternativen Beweis f¨ ur die Transitivit¨at von Spur und Norm. Sei E/K galoissch, G = G(E/K) und A wie oben ein G-Modul. Durch Untergruppen B von A k¨onnen wir Zwischenk¨orper K(B) von E/K definieren und umgekehrt. Wir wollen diesen Prozeß genauer untersuchen, wenn es einen surjektiven G-Homomorphismus ℘ : A → A mit endlichem, zyklischem Kern µ℘ ⊆ AK gibt. G-Homomorphismus bedeutet, daß σ(℘(a)) = ℘(σ(a)) f¨ ur alle σ ∈ G und a ∈ A gilt. Wir setzen n = #µ℘ und machen folgende, axiomatische Annahme: 6.40 Annahme. Sei F/K eine endliche, zyklische Erweiterung mit F ⊆ E und σ ein Erzeuger von G(F/K). F¨ ur a ∈ AF gilt NF/K (a) = 1 genau dann, wenn es −1 ein b ∈ AF mit a = b · σ(b) gibt.
Mit Lemma 6.39 ist klar, daß die Implikation ⇐“ in Annahme 6.40 immer ” gilt. Wir verwenden Annahme 6.40 nur f¨ ur den zweiten Teil des nachfolgenden Satzes 6.41. F¨ ur eine Untergruppe ∆ ⊆ A mit ℘(AK ) ⊆ ∆ bezeichnet ℘−1 (∆) die Menge aller Urbilder der Elemente von ∆ unter ℘. Wir k¨onnen daher den K¨orper K(℘−1 (∆)) bilden. Ist B ⊆ ℘−1 (∆) derart, daß {℘(b)℘(AK ) | b ∈ B} ein Erzeugendensystem von ∆/℘(AK ) bildet, so gilt K(℘−1 (∆)) = K(B) wegen der Homomorphieeigenschaft von ℘ und ℘−1 (℘(AK )) = AK .
6.8. KUMMERTHEORIE
133
6.41 Satz. Im folgenden bezeichnet F einen Zwischenk¨orper von E/K. (i) Sei ∆ eine Untergruppe von AK mit ℘(AK ) ⊆ ∆ ⊆ AK und F = K(℘−1 (∆)). Dann ist F/K galoissch und G(F/K) abelsch vom Exponenten n. (ii) Ist umgekehrt F/K eine galoissche Erweiterung mit G(F/K) abelsch vom Exponenten n, so ist ∆ = ℘(AF ) ∩ AK eine Untergruppe von AK mit ℘(AK ) ⊆ ∆ ⊆ AK und es gilt F = K(℘−1 (∆)). Beweis. (i): Sei a ∈ AK und b ∈ A mit ℘(b) = a. Das Element b ist modulo µ℘ definiert und die Erweiterung K(b)/K ist wegen µ℘ ⊆ AK nach Voraussetzung eindeutig durch a bestimmt. Wir nennen K(b)/K eine einfache Kummererweiterung bez¨ uglich ℘ und a. Wegen ℘(σ(b)) = σ(℘(b)) = σ(a) = a = ℘(b) f¨ ur σ ∈ G gibt es daher f¨ ur jedes σ ein ζσ ∈ µ℘ mit σ(b) = ζσ b ∈ AK(b) , so daß K(b)/K galoissch ist und G(K(b)/K) durch σ 7→ ζσ nach µ℘ eingebettet wird. Insbesondere ist K(b)/K demzufolge zyklisch vom Exponenten n. Sei nun ∆ eine Untergruppe von AK mit ℘(AK ) ⊆ ∆ ⊆ AK und F = ` K(℘−1 (∆)). Wegen F = b∈℘−1 (∆) K(b) ist F/K galoissch mit einer GaloisgrupQ pe, die sich nach b∈℘−1 (∆) µ℘ einbettet. Diese ist daher abelsch vom Exponenten n. (ii): Sei umgekehrt F/K abelsch vom Exponenten n. Aufgrund der Definition ist ∆ eine Untergruppe von AK . Da ℘ G-linear ist, gilt ℘(AK ) ⊆ AK und damit ∆ = ℘(AF ) ∩ AK ⊇ ℘(AK ) ∩ AK = ℘(AK ). Außerdem gilt ℘−1 (∆) ⊆ ℘−1 (℘(AF )) = AF wegen µ℘ ⊆ AK , woraus sich K(℘−1 (∆)) ⊆ F ergibt. Wir wollen nun F ⊆ K(℘−1 (∆)) zeigen. Jeder endliche Teilk¨orper F ′ von F/K ist ebenfalls abelsch vom Exponenten n u ¨ber K. Da F das Kompositum solcher endlicher Teilerweiterungen ist, gen¨ ugt es zu zeigen, daß F ′ ⊆ K(℘−1 (∆)) gilt. Q Die Galoisgruppe G(F ′ /K) l¨aßt sich in ein Produkt i∈I µ℘ f¨ ur eine endliche Indexmenge I einbetten. Wir definieren den Kern der Komposition dieser EinbetQ tung mit der i-ten Projektion i∈I µ℘ → µ℘ als Hi und setzen Fi′ = FF ′ /K (Hi ). ` Wegen ∩i Hi = {1} und [F ′ : K] < ∞ gilt F ′ = i Fi′ nach Satz 6.10, (ii), so daß wir nun nur noch Fi′ ⊆ K(℘−1 (∆)) f¨ ur alle i ∈ I zeigen m¨ ussen. ′ Sei i ∈ I beliebig. Die Erweiterung Fi /K ist galoissch und G(Fi′ /K) ∼ = ′ ′ G(F /K)/Hi bettet sich nach µ℘ ein, so daß Fi /K insbesondere zyklisch ist. Sei σ ein Erzeuger von G(Fi′ /K) und ζσ ∈ µ℘ ein Element der Ordnung [Fi′ : K]. Dann [F ′ :K] gilt NFi′ /K (ζσ ) = ζσ i = 1 und aufgrund der Annahme 6.40 gibt es ein b ∈ AFi′ mit σ(b) = ζσ b. Da ζσ die Ordnung [Fi′ : K] besitzt, gilt GFi′ /K (K(b)) = {1} und somit Fi′ = K(b). Außerdem ist σ(℘(b)) = ℘(σ(b)) = ℘(ζσ b) = ℘(b) und folglich ℘(b) ∈ ℘(AF ) ∩ AK = ∆. Daraus ergibt sich b ∈ ℘−1 (∆) und Fi′ = K(b) ⊆ K(℘−1 (∆)).
134
KAPITEL 6. GALOISTHEORIE
F¨ ur den Hauptsatz dieses Abschnitts ben¨otigen wir noch eine allgemeine Aussage. Seien C und D abelsche Gruppen. Eine Paarung von C und D in die additive Gruppe Z/nZ ist eine in beiden Argumenten homomorphe Abbildung h·, ·i : C × D → Z/nZ. Eine Paarung definiert (und wird definiert durch) Homomorphismen ι1 : C → Hom(D, Z/nZ) bzw. ι2 : D → Hom(C, Z/nZ) und heißt nicht ausgeartet, wenn ι1 und ι2 injektiv sind. 6.42 Lemma. Sei h·, ·i : C × D → Z/nZ eine nicht ausgeartete Paarung. Dann besitzen C und D den Exponenten n und es gilt #C = #D. Gilt zus¨atzlich #C < ∞, so sind die Monomorphismen ι1 : C → Hom(D, Z/nZ) und ι2 : D → Hom(C, Z/nZ) Isomorphismen und es gibt eine (nicht kanonische) Isomorphie C ∼ = D. ¨ Beweis. Ubung. P Q ` F¨ ur C = i ai bi i∈N Z/2Z liefert ((ai )i , (bi )i ) 7→ i∈N Z/2Z und D = eine nicht ausgeartete Paarung C × D → Z/2Z. Hier gilt Hom(C, Z/2Z) ∼ = ∼ C. D 6 Hom(D, Z/2Z) ∼ = = 6.43 Satz. Die Zuordnung ∆ 7→ F = K(℘−1 (∆)) ist eine inklusionserhaltende Bijektion zwischen den Untergruppen ∆ von AK mit ℘(AK ) ⊆ ∆ ⊆ AK und den abelschen Erweiterungen F/K vom Exponenten n in E mit der inversen Bijektion F 7→ ∆ = ℘(AF ) ∩ AK . Weiter gilt [F : K] = (∆ : ℘(AK )) und ∆/℘(AK ) besitzt den Exponenten n. Sind ∆ und F einander zugeordnet, gibt es eine kanonische, nicht ausgeartete Paarung G(F/K) × ∆/℘(AK ) → µ℘ , welche (σ, a℘(AK )) auf b/σ(b) f¨ ur b ∈ ℘−1 (a) abbildet. F¨ ur [F : K] = (∆ : ℘(AK )) < ∞ liefert die Paarung die Isomorphismen G(F/K) ∼ = Hom(∆/℘(AK ), µ℘ ),
∆/℘(AK ) ∼ = Hom(G(F/K), µ℘ ).
Beweis. Die Wohldefiniertheit und Homomorphieeigenschaft der Paarung in beiden Argumenten folgen im wesentlichen aus der Definition von ℘: Sei ∆ eine Untergruppe von AK mit ℘(AK ) ⊆ ∆ ⊆ AK , F = K(℘−1 (∆)), a ∈ ∆ und
6.8. KUMMERTHEORIE
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σ ∈ G(F/K). Da ℘ : A → A surjektiv ist, gibt es zun¨achst einmal u ¨berhaupt ein b ∈ ℘−1 (a) ⊆ AF , mit dem die Paarung definiert werden kann. Außdem gilt ℘(b/σ(b)) = ℘(b)/σ(℘(b)) = a/σ(a) = 1, also b/σ(b) ∈ µ℘ . Zu b′ ∈ ℘−1 (a℘(c)) = ℘−1 (a)c mit c ∈ AK gibt es ζ ∈ µ℘ ⊆ AK mit b′ = ζbc. Daraus folgt b′ /σ(b′ ) = (ζbc)/(ζσ(b)c) = b/σ(b) und die Paarung ist wohldefiniert. Zu a1 , a2 ∈ ∆ gibt es bi ∈ ℘−1 (ai ). Dann gilt b1 b2 ∈ ℘−1 (a1 a2 ) und (b1 b2 )/σ(b1 b2 ) = (b1 /σ(b1 ))(b2 /σ(b2 )), also die Homomorphieeigenschaft im rechten Argument der Paarung. F¨ ur σ1 , σ2 ∈ G(F/K) gilt b/σ1 (σ2 (b)) = (b/σ2 (b))(σ2 (b)/σ1 (σ2 (b))) = (b/σ2 (b))σ2 (b/σ1 (b)) = (b/σ2 (b))(b/σ1 (b)), weil die Galoisgruppe G(F/K) abelsch ist und b/σ1 (b) ∈ µ℘ ⊆ AK gilt. Dies ergibt die Homomorphieeigenschaft im linken Argument. Wir zeigen nun, daß die Paarung nicht ausgeartet ist. Gilt b/σ(b) = 1 f¨ ur alle σ ∈ G(F/K), so folgt b ∈ AK . Damit ist a ∈ ℘(AK ) und die Paarung ist im rechten Argument nicht ausgeartet. Sei σ ∈ G. Gilt dann b/σ(b) = 1 f¨ ur −1 b ∈ ℘ (a) und alle a ∈ ∆, so folgt σ ∈ G℘−1 (∆) = GE/K (F ). Somit ist σ auf F die Identit¨at und die Paarung im linken Argument nicht ausgeartet. Da die Paarung nicht ausgeartet ist, k¨onnen wir Lemma 6.42 anwenden. Es ergibt sich, daß [F : K] = #G(F/K) = #(∆/℘(AK )) = (∆ : ℘(AK )) gilt und ∆/℘(AK ) den Exponenten n besitzt. F¨ ur (∆ : ℘(AK )) < ∞ ergeben sich ∼ außerdem die Isomorphieen G(F/K) = Hom(∆/℘(AK ), µ℘ ) und ∆/℘(AK ) ∼ = Hom(G(F/K), µ℘ ). Wir beweisen nun die Injektivit¨at der Abbildung ∆ 7→ F . Seien ∆1 , ∆2 mit F = K(℘−1 (∆1 )) = K(℘−1 (∆2 )) und sei a ∈ ∆1 . Wir wollen a ∈ ∆2 zeigen. Wegen K(℘−1 (a)) ⊆ K(℘−1 (∆1 )) = K(℘−1 (∆2 )) und #℘−1 (a) < ∞ gibt es eine endliche Menge S ⊆ ℘−1 (∆2 ) mit K(℘−1 (a)) ⊆ K(S). Sei ∆a = h℘(S)i℘(AK ) die von ℘(S) und ℘(AK ) erzeugte Untergruppe von ∆2 . Wegen der Homomorphieeigenschaft von ℘ und µ℘ ⊆ AK gilt dann auch K(℘−1 (a)) ⊆ K(℘−1 (∆a )) = K(S). Da #℘(S) < ∞ und ∆2 /℘(AK ) den Exponenten n besitzt, gilt #(∆a /℘(AK )) < ∞. Aus K(℘−1 (a)) ⊆ K(℘−1 (∆a )) ergibt sich K(℘−1 (hai∆a )) = K(℘−1 (∆a )), wobei hai∆a die von a und ∆a erzeugte Untergruppe von AK bezeichnet. Nach der bereits bewiesenen Gleicheit von K¨orpergrad und Gruppenindex ergibt sich (hai∆a : ℘(AK )) = [K(℘−1 (hai∆a )) : K] = [K(℘−1 (∆a )) : K] = (∆a : ℘(AK )). Wegen (∆a : ℘(AK )) < ∞ und ∆a ⊆ hai∆a folgt ∆a = hai∆a , also a ∈ ∆a ⊆ ∆2 . Da a beliebig war, folgt ∆1 ⊆ ∆2 . Analog ergibt sich ∆2 ⊆ ∆1 , so daß ∆1 = ∆2 folgt und die Abbildung ∆ 7→ F injektiv ist. Die Surjektivit¨at der Abbildung ∆ 7→ F und die Ausssage u ¨ber die inverse Abbildung folgt direkt aus Satz 6.41, (ii). Die Paarung von Satz 6.43 wird Kummerpaarung genannt. Ist L/K eine Erweiterung von K, so k¨onnen wir die Translation L(℘−1 (∆))/L der Erweiterung
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KAPITEL 6. GALOISTHEORIE
K(℘−1 (∆))/K betrachten. Diese ist nach Satz 6.15 wieder abelsch vom Exponenten n und geh¨ort zur von ∆ in AL /℘(AL ) erzeugten Untergruppe ∆L = ¨ gilt f¨ ur Komposita und Schnitte, ∆℘(AL )/℘(AL ) ∼ = ∆/(∆ ∩ ℘(AL )). Ahnlich −1 −1 daß K(℘ (∆1 ))K(℘ (∆2 ))/K zu ∆1 ∆2 und K(℘−1 (∆1 )) ∩ K(℘−1 (∆2 ))/K zu ∆1 ∩ ∆2 geh¨oren. Wir spezialisieren obige Theorie nun auf die F¨alle A = E × und A = E + , wo E den separablen Abschluß von K bezeichnet. Im ersten Fall betrachten wir ℘ : A 7→ A, x 7→ xn , wobei char(K) = 0 oder gcd(char(K), n) = 1 gelte. Wir m¨ ussen µ℘ ⊆ AK , also µn ⊆ K × voraussetzen. Die Erweiterungen K(℘−1 (∆))/K entstehen dann also durch Adjunktion aller n-ter Wurzeln der Elemente in ∆ an K und werden Kummererweiterungen genannt. Im zweiten Fall betrachten wir den Artin-Schreier Operator ℘ : A 7→ A, x 7→ xp − x, wobei p = char(K) > 0 + gelte. Hier ist µ℘ ⊆ AK , also F+ automatisch erf¨ ullt. Die Erweiterungen p ⊆ K −1 K(℘ (∆))/K enstehen also durch Adjunktion aller Nullstellen der Polynome tp − t − a f¨ ur a ∈ ∆ an K und werden Artin-Schreier Erweiterungen genannt. F¨ ur diese beiden F¨alle gilt die Annahme 6.40: 6.44 Satz (Hilbert 90). Sei F/K eine endliche, zyklische Erweiterung und σ ein Erzeuger von G(F/K). (i) F¨ ur a ∈ F × gilt NF/K (a) = 1 genau dann, wenn es ein b ∈ F × mit a = b · σ(b)−1 gibt. (ii) F¨ ur a ∈ F + gilt TrF/K (a) = 0 genau dann, wenn es ein b ∈ F + mit a = b − σ(b) gibt. Beweis. (i), ⇐: Es gilt NF/K (a) = NF/K (b)/NF/K (σ(b)) = 1 nach Lemma 6.39. (i), ⇒: Wir setzen n = [F : K]. Die durch σ 0 + aσ 1 + aσ(a)σ 2 + · · · + aσ(a) · · · σ n−2 (a)σ n−1 definierte Abbildung F × → F ist nach Satz 6.34 nicht die Nullabbildung. Daher gibt es ein c ∈ F , so daß b := σ 0 (c) + aσ 1 (c) + aσ(a)σ 2 (c) + · · · + aσ(a) · · · σ n−2 (a)σ n−1 (c) 6= 0 ist. Anwenden von σ und Multiplikation mit a ergibt aσ(b) = aσ 1 (c) + aσ(a)σ 2 (c) + · · · + aσ(a) · · · σ n−1 (a)σ n (c) = b, da σ n = 1 und aσ(a) · · · σ n−1 (a) = NF/K (a) = 1 nach Voraussetzung gilt.
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6.8. KUMMERTHEORIE
(ii): Kann ¨ahnlich wie (i) bewiesen werden. Ist c ∈ F mit TrF/K (c) 6= 0 so erf¨ ullt b=
1 TrF/K (c)
aσ 1 (c) + (a + σ(a))σ 2 (c) + . . . + (a + σ(a) + · · · + σ n−2 (a))σ n−1 (c)
die Bedingung a = b − σ(b).
Genauer bezeichnet man eigentlich nur Teil (i) als Satz Hilbert 90. Als Beispiel betrachten wir die aufsteigende Folge von Primzahlen p1 , . . . , pm , K = Q, AK = Q× , ℘(x) = x2 , n = 2, µ2 = {−1, 1} und die von den pi und den Quadraten Q×2 erzeugte Untergruppe ∆ von Q× . Da die pi die Gruppe ∆/Q×2 erzeugen, √ √ gilt F = K(℘−1 (∆)) = K( p1 , . . . , pm ). Da die pi multiplikativ unabh¨angig sind, gilt ∆/Q×2 ∼ = (Z/2Z)m . Daraus folgt = hp1 , . . . , pm i/(hp1 , . . . , pm i ∩ Q×2 ) ∼ ×2 m G(F/K) ∼ = Hom(∆/Q , Z/2Z) ∼ = (Z/2Z) . 6.45 Korollar. Sei F/K eine algebraische K¨orpererweiterung und p = char(K). (i) Es gelte p = 0 oder gcd(p, n) = 1, und K enthalte die n-ten Einheitswurzeln. Dann ist F/K genau dann zyklisch vom Exponenten n, wenn F = K(b) mit bn ∈ K gilt. (ii) Es gelte p > 0. Dann ist F/K genau dann zyklisch vom Exponenten p, wenn F = K(b) mit bp − b ∈ K gilt. Beweis. Ist der einfachste Fall in Satz 6.43. F¨ ur die Richtung ⇐“ setzen wir ” a = ℘(b) und ∆ = hai℘(AK ) und erhalten F = K(b) = K(℘−1 (∆)). Da ∆/℘(AK ) ur die zyklisch ist, muß auch G(F/K) ∼ = Hom(∆/℘(AK ), µ℘ ) zyklisch sein. F¨ Richtung ⇒“ sei F/K zyklisch und ∆ = ℘(AF ) ∩ AK . Dann ist ∆/℘(AK ) ∼ = ” Hom(G(F/K), µ℘ ) zyklisch. Also gibt es a ∈ AK mit ∆ = hai℘(AK ) und mit b ∈ ℘−1 (a) gilt F = K(℘−1 (∆)) = K(b). Ist ζ eine Einheitswurzel der genauen Ordnung [F : K], so ist das gesuchte Element b im u ¨brigen das Element b zu a = ζ aus Satz 6.44. Abschließend sei bemerkt, daß man f¨ ur die Betrachtung von abelschen Erweir terungen vom Exponenten p in Charakteristik p > 0 den G-Modul A als die additive Gruppe des Rings der Wittvektoren der L¨ange r u ¨ber K w¨ahlt. Eine abelsche Erweiterung F/K eines beliebigen Exponenten n = n1 pr mit gcd(n1 , pr ) = 1 und p = char(K) kann damit auf eine abelsche Erweiterung F1 /K vom Exponenten n1 und eine dazu linear disjunkte abelsche Erweiterung F2 /K vom Exponenten pr mit F = F1 F2 zur¨ uckgef¨ uhrt werden.
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KAPITEL 6. GALOISTHEORIE
Erg¨ anzung Die Isomorphieen in Satz 6.43 gelten zum Teil auch ohne die Voraussetzung (∆ : ℘(AK )) < ∞. Dies soll hier noch nachgetragen werden. Wir ben¨otigen dazu eine Versch¨arfung von Lemma 6.42. Seien C und D abelsche Gruppen und h·, ·i : C × D → Z/nZ eine Paarung. F¨ ur Untergruppen U von C und V von D definieren wir Abbildungen φ1 : U 7→ V = {d ∈ D | hU, di = {0}} und φ2 : V 7→ U = {c ∈ C | hc, V i = {0}}. Die Abbildungen φ1 und φ2 erf¨ ullen analoge Eigenschaften wie F und G in Abschnitt 6.1. Das folgende Lemma kann als eine Art Galoistheorie“ aufgefaßt ” werden. 6.46 Lemma. Sei h·, ·i : D × C → Z/nZ eine nicht ausgeartete Paarung. (i) Es gilt #U = #D/φ1 (U ) und #V = #C/φ2 (V ) f¨ ur alle Untergruppen U von C und V von D. (ii) Der Homomorphismus ι2 : D → Hom(C, Z/nZ) ist ein Monomorphismus, dessen Bild aus allen h ∈ Hom(C, Z/nZ) besteht, f¨ ur die es eine Untergruppe V von D mit ker(h) = φ2 (V ) gibt. Analoges gilt f¨ u r ι1 . F¨ ur jede Untergruppe V von D und d ∈ D mit φ2 (V ) ⊆ φ2 (hdi) gebe es nun eine endliche Untergruppe V0 ⊆ V mit φ2 (V0 ) ⊆ φ2 (hdi). Dann gilt weiter: (iii) Die Abbildung φ1 ◦ φ2 ist die Identit¨at auf der Menge der Untergruppen von D. (iv) Der Homomorphismus ι1 : C → Hom(D, Z/nZ) ist ein Isomorphismus. Beweis. (i): Ist U eine Untergruppe von C so erhalten wir aus h·, ·i eine Paarung U × D/φ1 (U ) → Z/nZ. Nach Vorausetzung ist die linke zugeh¨orige Abbildung U → Hom(D/φ1 (U ), Z/nZ) injektiv. Außerdem hat die rechte Abbildung D → Hom(U, Z/nZ) den Kern φ1 (U ), so daß D/φ1 (U ) → Hom(U, Z/nZ) ebenfalls injektiv ist. Die Paarung ist also nicht entartet. Nach Lemma 6.42 gilt also #U = #D/φ1 (U ). Analoges gilt f¨ ur Untergruppen V von D und C/φ2 (V ). (ii): F¨ ur d ∈ D gilt ker(ι2 (d)) = φ2 (hdi). Daher besteht das Bild von ι2 nur aus Elementen der angegebenen Form. Sei umgekehrt h ∈ Hom(C, Z/nZ) beliebig und ker(h) = φ2 (V ). Fassen wir die Gruppe Hom(C/φ2 (V ), Z/nZ) mittels Zur¨ uckziehung als Untergruppe von Hom(C, Z/nZ) auf, so gilt h ∈ Hom(C/φ2 (V ), Z/nZ). Da die eingeschr¨ankte Paarung C/φ2 (V ) × V → Z/nZ nach (i) nicht ausgeartet ist und #V = #C/φ2 (V ) < ∞ gilt, liefert die Einschr¨ankung von ι2 auf V eine Isomorphie V ∼ = Hom(C/φ2 (V ), Z/nZ). Also gibt es ein Urbild d ∈ V von h unter ι2 in D.
139
6.8. KUMMERTHEORIE
(iii): Man sieht wie bei G und F leicht, daß φ2 ◦ φ1 ◦ φ2 = φ2 gilt. Ist φ2 injektiv, ergibt sich daraus φ1 ◦ φ2 = id. Zum Beweis der Injektivit¨at von φ2 seien V und V ′ Untergruppen von D mit φ2 (V ) = φ2 (V ′ ). Sei d ∈ V ′ . Wir wollen d ∈ V zeigen. Es gilt φ2 (V ) = φ2 (V ′ ) ⊆ φ2 (hdi). Nach Voraussetzung gibt es eine endliche Untergruppe V0 von V mit φ2 (V0 ) ⊆ φ2 (hdi). Dann gilt φ2 (V0 ) = φ2 (V0 +hdi). Wir wenden (i) f¨ ur V = V0 und V = V0 + hdi an und erhalten #V0 = #C/φ2 (V0 ) = #C/φ2 (V0 + hdi) = #(V0 + hdi). Wegen #V0 < ∞ und V0 ⊆ V0 + hdi ergibt sich daraus V0 = V0 + hdi und d ∈ V0 ⊆ V . Da d beliebig war, folgt V ′ ⊆ V . Analog ergibt sich V ⊆ V ′ und damit V = V ′ . (iv). Die Aussage in (ii) gilt analog auch f¨ ur ι1 . Jede Untergruppe V von D ist aber von der Form φ1 (U ) f¨ ur eine Untergruppe U von C. Definiere n¨amlich U = φ2 (V ). Nach (iii) gilt dann φ1 (U ) = φ1 (φ2 (V )) = V . Also ist ι1 surjektiv. 6.47 Satz. Sei ∆ eine Untergruppe von AK mit ℘(AK ) ⊆ ∆ ⊆ AK und F = K(℘−1 (∆)). Die Kummerpaarung liefert Isomorphismen G(F/K) ∼ = Hom(∆/℘(AK ), µ℘ ),
∆/℘(AK ) ∼ = Homa (G(F/K), µ℘ ),
wobei Homa (G(F/K), µ℘ ) die Gruppe der Homomorphismen mit abgeschlossenem Kern bezeichnet. Beweis. Sei E = K(℘−1 (AK )). Wir bezeichnen die zugeh¨orige Kummerpaarung mit h·, ·i : G(E/K)×AK /℘(AK ) → µ℘ . Nach Satz 6.43 existert diese und ist nicht ausgeartet. Außerdem ist die Bedingung von Lemma 6.46 an D = AK /℘(AK ) nach dem Beweis von Satz 6.43 erf¨ ullt. Seien φ1 : H 7→ ∆/℘(AK ) und φ2 : ∆/℘(AK ) 7→ H die Abbildungen der Untergruppen wie in Lemma 6.46. Seien ψ2 : ∆/℘(AK ) 7→ F und ψ1 : F 7→ ∆/℘(AK ) die Abbildungen wie in Satz 6.43. Sei B ⊆ A beliebig. Wegen K(B) = FE/K (GB ) gilt ψ2 = FE/K ◦ φ2 . Wegen GB = GL/K (K(B)) gilt φ2 = GE/K ◦ ψ2 . Damit sind die Bilder von φ2 abgeschlossene Untergruppen von G(E/K). Aus Lemma 6.46, (iii) erhalten wir daher, daß ψ2 = FE/K ◦ φ2 die inverse Abbildung φ1 ◦ GL/K besitzt, also injektiv ist. Aus Lemma 6.46, (i) erhalten wir, daß [K(℘−1 (∆)) : K] = (∆ : ℘(AK )) gilt. Nach Satz 6.41, (ii) ist ψ1 die inverse Abbildung von ψ2 und ψ2 ist surjektiv. Nach Lemma 6.46, (iv) und (ii) gilt G(F/K) ∼ = Hom(∆/℘(AK ), µ℘ ) und ∼ ∆/℘(AK ) = Homa (G(F/K), µ℘ ). F¨ ur die zweite Isomorphie muß man noch beachten, daß der Kern H eines Elements in Homa (G(F/K), µ℘ ) abgeschlossen ist und somit eine endliche, abelsche Erweiterung L = FF/K (M ) vom Exponenten n von K definiert. Da ψ2 = FL/K ◦ φ2 surjektiv und FF/K auf der Menge der abgeschlossenen Untergruppen von G(F/K) injektiv ist, geh¨ort L zu einem ∆ mit
140
KAPITEL 6. GALOISTHEORIE
φ2 (∆/℘(AK )) = H. Außerdem ergibt sich, daß Homa (G(F/K), µ℘ ) tats¨achlich eine Gruppe ist. W¨ahlt man K = Q, pi die i-te Primzahl und ∆ = hp1 , p2 , . . . iQ×2 , so gilt ` Q √ √ ∆/Q×2 ∼ = i∈N Z/2Z und G(Q( p1 , p2 , . . . )/Q) ∼ = i∈N Z/2Z nach der ersten Isomorphie in Satz 6.47. In diesem Fall d¨ urfen f¨ ur die zweite Isomorphie in Satz 6.47 wirklich nur Homomorphismen mit abgeschlossenen Kern betrachtet werden, wie das Beispiel nach Lemma 6.42 zeigt.
6.9
Aufl¨ osbarkeit durch Radikale
6.48 Definition. Eine endliche K¨orpererweiterung E/K heißt eine Radikalerweiterung, wenn es K¨orper Ei mit K = E0 ⊆ · · · ⊆ Em = E gibt, so daß Ei+1 /Ei von der folgenden Gestalt ist. (i) Ei+1 entsteht aus Ei durch Adjunktion einer Einheitswurzel. (ii) Ei+1 entsteht aus Ei durch Adjunktion einer Nullstelle von tn − a f¨ ur a ∈ Ei und n teilerfremd zur Charakteristik. (iii) Ei+1 entsteht aus Ei durch Adjunktion einer Nullstelle von tp − t − a f¨ ur a ∈ Ei und p = char(K) > 0. Eine endliche K¨orpererweiterung F/K heißt durch Radikale aufl¨osbar, wenn F ein Zwischenk¨orper einer Radikalerweiterung E/K ist. In einer durch Radikale aufl¨osbaren Erweiterung E/K l¨aßt sich jedes Element als Wurzelausdruck“ schreiben. Eine durch Radikale aufl¨osbare Erweite” rung E/K ist separabel. Wir k¨onnen ohne Beschr¨ankung der Allgemeinheit annehmen, daß n in (ii) eine Primzahl ist. Das folgende Lemma zeigt, daß sich die Eigenschaft durch Radikale aufl¨osbar“ ” analog zu den Eigenschaften algebraisch“, normal“ usw. verh¨alt. ” ” 6.49 Lemma. Die Erweiterung E/K ist genau dann durch Radikale aufl¨osbar, wenn E/F und F/K f¨ ur jeden Zwischenk¨orper F von E/K durch Radikale aufl¨osbar ist. Sind E, L Zwischenk¨orper einer Erweiterung C/K und E/K durch Radikale aufl¨osbar, so ist auch EL/L durch Radikale aufl¨osbar. Sind E1 , E2 Zwischenk¨orper in C/K und u ¨ber K durch Radikale aufl¨osbar, so ist E1 E2 /K durch Radikale aufl¨osbar. Beweis. Folgt ziemlich direkt aus der Definition.
¨ 6.9. AUFLOSBARKEIT DURCH RADIKALE
141
Sei E/K eine galoissche Radikalerweiterung mit G = G(E(K), µ#G (K a ) ⊆ K, den Zwischenk¨orpern Ei wie oben und Gi = GE/K (Ei ). Dann gilt G = G0 ≥ · · · ≥ Gm = {1}. Die Erweiterungen Ei+1 /Ei sind nach Korollar 6.45 zyklisch von Primzahlgrad, daher sind auch die Gi+1 normal in Gi und Gi /Gi+1 ∼ = G(Ei+1 /Ei ) ist zyklisch mit Primzahlordnung [Ei+1 : Ei ]. Diese Eigenschaft nimmt man zum Anlaß der folgenden Definition. Eine endliche Gruppe G heißt aufl¨osbar, wenn es Untergruppen Gi gibt, so daß G = G0 ≥ · · · ≥ Gm = {1}, Gi+1 normal in Gi und Gi /Gi+1 zyklisch von Primzahlordnung ist. Die Gi heißen eine Kompositionsreihe von G. 6.50 Satz. Sei G eine endliche Gruppe. (i) Ist G aufl¨osbar, so ist auch jede Untergruppen und jede Faktorgruppe von G aufl¨osbar. (ii) Ist N ≤ G ein Normalteiler und sind N und G/N aufl¨osbar, so ist G aufl¨osbar. (iii) Abelsche Gruppen G und p-Gruppen G sind aufl¨osbar. (iv) Die alternierende Gruppe An ist aufl¨osbar f¨ ur n ≤ 4 und ist nicht aufl¨osbar f¨ ur n ≥ 5. Beweis. (i): Ist Gi eine Kompositionsreihe von G, so liefern Gi ∩ U und Gi N/N nach Auslassung von Wiederholungen Kompositionsreihen von U und G/N : F¨ ur Gi ∩ U gilt G0 ∩ U = U , Gm ∩ U = {1} und nach dem Homomorphiesatz gibt es einen Monomorphismus (Gi ∩ U )/(Gi+1 ∩ U ) → Gi /Gi+1 , so daß (Gi ∩ U )/(Gi+1 ∩ U ) zyklisch von Primzahlordnung oder trivial ist. F¨ ur Gi N/N gilt G0 N/N = G/N , Gm N/N = {1} und es gibt einen Epimorphismus Gi /Gi+1 → (Gi N/N )/(Gi+1 N/N ), so daß (Gi N/N )/(Gi+1 N/N ) abermals zyklisch von Primzahlordnung oder trivial ist. Den Epimorphimus erhalten wir wie folgt: Wir starten mit dem kanonischen Epimorphismus Gi → Gi /(Gi ∩ N ) und verl¨angern mit dem Isomorphismus aus dem ersten Isomorphiesatz zum Epimorphismus Gi → Gi N/N . Diesen verl¨angern wir mit dem kanonischen Epimorphismus Gi N/N → (Gi N/N )/(Gi+1 N/N ) zum Epimorphismus Gi → (Gi N/N )/(Gi+1 N/N ). Der Kern umfaßt Gi+1 , so daß wir nach dem Homomorphiesatz den Epimorphismus Gi /Gi+1 → (Gi N/N )/(Gi+1 N/N ) erhalten. (ii): Wir liften die Kompositionsreihe von G/N durch Urbildbildung unter dem kanonischen Epimorphimus G → G/N nach G und h¨angen die Kompositionsreihe von N an. Dies liefert eine Kompositionsreihe von G. (iii): Die Aussage f¨ ur abelsche Gruppen ist nach dem Hauptsatz f¨ ur endlich erzeugte abelsche Gruppen klar. F¨ ur die Aussage f¨ ur p-Gruppen G beachten wir,
142
KAPITEL 6. GALOISTHEORIE
daß das Zentrum Z(G) nicht-trivial ist. Induktiv ist dann G/Z(G) als echt kleinere p-Gruppe und Z(G) als abelsche Gruppe aufl¨osbar. Nach (ii) ist damit G aufl¨osbar. (iv): Die Gruppen A1 , A2 und A3 sind zyklisch und daher aufl¨osbar. Die Gruppe A4 ist nach den Sylows¨atzen semidirektes Produkt einer abelschen Gruppe der Ordnung 4 und einer abelschen Gruppe der Ordnung 3 und somit aufl¨osbar (vgl. die Aufgabe aus der Algebra 1, es gilt A4 ∼ = (Z/2Z × Z/2Z) ⋊ Z/3Z). Die Gruppe ¨ A5 ist nach einer Ubung in der Algebra 1 einfach, aber nicht abelsch, und daher nicht aufl¨osbar. Wegen Sn /An ∼ ur Sn anstelle = Z/2Z und Satz 6.50, (i) und (ii) gilt (iv) auch f¨ von An . Nach dem Satz von Burnside sind alle endlichen Gruppen der Ordnung pa q b mit Primzahlen p, q und a, b ∈ Z≥0 aufl¨osbar. Nach dem Satz von Feit-Thompson sind alle endlichen Gruppen ungerader Ordnung aufl¨osbar. Durch Radikale aufl¨osbare Erweiterungen lassen sich galoistheoretisch wie folgt klassifizieren. 6.51 Satz. Eine endliche, separable K¨orpererweiterung F/K ist genau dann durch Radikale aufl¨osbar, wenn die Galoisgruppe G(F ′ /K) der normalen H¨ ulle F ′ von F/K aufl¨osbar ist. Beweis. ⇒“: Wir k¨onnen F/K und F ′ /K in eine normale Radikalerweiterung ” E ′ /K wie folgt einbetten. Wir betrachten die beteiligten K¨orper als Teilk¨orper eines algebraischen Abschluß C. Sei E/K eine Radikalerweiterung mit F ⊆ E. ` F¨ ur die normale H¨ ulle E ′ von E gilt E ′ = σ∈HomK (E,C) σ(E), und mit jedem σ(E)/K ist auch E ′ /K eine Radikalerweiterung. Also ist E ′ /K eine galoissche Radikalerweiterung mit F ′ ⊆ E ′ . Wir werden zeigen, daß G(E ′ /K) aufl¨osbar ist. Da G(F ′ /K) ∼ = G(E ′ /K)/G(E ′ /F ′ ) gilt, ist G(F ′ /K) als Faktorgruppe einer aufl¨osbaren Gruppe aufl¨osbar. Sei n der zu char(K) teilerfremde Faktor von [E ′ : K] und L = K(µn ). Dann ist E ′ L/L ebenfalls eine normale Radikalerweiterung. Durch mehrfache Anwendung von Korollar 6.45 ersehen wir, daß E ′ L/L durch einen Turm von zyklischen Erweiterungen mit Primzahlgraden entsteht. Also ist G(E ′ L/L) aufl¨osbar. Weiter ist L/K zyklisch und E ′ L/K als Kompositum der Galoiserweiterungen L/K und E ′ /K selbst galoissch, so daß G(E ′ L/K) den aufl¨osbaren Normalteiler G(E ′ L/L) und aufl¨osbaren Quotienten G(L/K) ∼ = G(E ′ L/K)/G(E ′ L/L) besitzt. Daher ist ′ auch G(E L/K) aufl¨osbar und es folgt, daß G(E ′ /K) als Untergruppe aufl¨osbar ist. ⇐“: Sei n der zu char(K) teilerfremde Faktor von [F ′ : K] und L = K(µn ). ” Dann sind G(F ′ /K) und G(F ′ L/L) aufl¨osbar. Daher entsteht F ′ L/L durch einen
¨ 6.9. AUFLOSBARKEIT DURCH RADIKALE
143
Turm von zyklischen Erweiterungen mit Primzahlgraden. Durch mehrfache Anwendung von Korollar 6.45 ersehen wir, daß jede dieser zyklischen Erweiterungen vom Typ (ii) oder Typ (iii) in Definition 6.48 ist und daß F ′ L/L somit eine Radikalerweiterung ist. Weiter ist L/K eine Radikalerweiterung. Es folgt, daß F ′ L/K eine Radikalerweiterung und F/K somit durch Radikale aufl¨osbar ist. 6.52 Definition. Sei f ∈ K[t] normiert und separabel. Dann heißt f durch Radikale aufl¨osbar, wenn der Zerf¨allungsk¨orper von f u ¨ber K durch Radikale aufl¨osbar ist. 6.53 Korollar. Ein normiertes und separables Polynom f ∈ K[t] ist genau dann durch Radikale aufl¨osbar, wenn G(f, K) aufl¨osbar ist. Ist f durch Radikale aufl¨osbar und gilt bei positiver Charakteristik char(K) ∤ #G(f, K), so k¨onnen die Nullstellen von f als echte, geschachtelte Wurzelausdr¨ ucke dargestellt werden. F¨ ur quadratische Polynome t2 + pt + q erh¨alt man die Nullstellen in der Form p ur −p/2 ± p2 /4 − q. Gibt es solche Formeln in den Koeffizienten von f auch f¨ h¨ohere Polynomgrade? Hierzu betrachten wir die Aufl¨osbarkeit des allgemeinen Polynoms n-ten Grads durch Radikale. 6.54 Satz. Sei k ein K¨orper und K = k(a1 , . . . , an ) rationaler Funktionenk¨orper P in den Variablen ai ¨uber K. Das allgemeine Polynom f = ni=0 ai ti ∈ K[t] vom Grad n ist f¨ ur n ≥ 5 nicht durch Radikale aufl¨osbar. Sei K ein beliebiger K¨orper. Jedes normierte und separable Polynom f ∈ K[t] vom Grad n ≤ 4 ist durch Radikale aufl¨osbar. Beweis. Es gilt G(f, K) ∼ = Sn nach Satz 6.28. Nach Satz 6.50, (iv) wissen wir, daß Sn f¨ ur n ≤ 4, aber nicht f¨ ur n ≥ 5 aufl¨osbar ist. Der Rest ergibt sich aus Korollar 6.53. Die Formeln f¨ ur n = 3 und n = 4 sind f¨ ur Rechnungen mit der Hand im u ¨brigen verh¨altnism¨aßig unangenehm. Die Aufl¨osung von Polynomen durch Radikale spielt in der Robotik eine Rolle. Hier wird versucht, die L¨osungen von Bewegungsgleichungen zur Robotersteuerung durch Radikale schneller als mit allgemeinen Methoden zu berechnen.
144
KAPITEL 6. GALOISTHEORIE
Kapitel 7 Anwendungen in der Kryptographie Wir wollen kurz auf ein paar einfache Anwendungen der bisher behandelten Theorie in der Kryptographie eingehen.
7.1
Zielsetzung der Kryptographie
Die Kryptographie besch¨aftigt sich mit der sicheren Informations¨ ubertragung im weiteren Sinne zwischen logischen Einheiten. Solche logischen Einheiten k¨onnen zum Beispiel Personen oder Computer sein. Eine der grundlegenden und namensgebenden Fragestellungen ist, wie zwei Personen Informationen austauschen k¨onnen, ohne das eine mith¨orende dritte Person diese Informationen erhalten kann. Dabei geht es nicht darum, wie man das Mith¨oren der dritten Person verhindern kann, sondern wie sich die kommunizierenden Personen zu verhalten haben, so daß das Mith¨oren ergebnislos bleibt. Die zwei wichtigsten Fragestellungen der Kryptographie sind etwa 1. Verschl¨ usselung. Nur der rechtm¨aßige Empf¨anger soll das Verschl¨ usselte entschl¨ usseln bzw. u berhaupt nur irgendwelche Informationen erhalten k¨onnen. ¨ 2. Unterschriften. Alle Personen sollen die Unterschrift einer Person verifizieren, aber niemand soll sie f¨alschen k¨onnen. Dar¨ uberhinaus gibt es eine ganze Reihe weiterer Fragestellungen wie zum Beispiel den Austausch von Geheimnissen (Schl¨ usselaustausch), Authentifizierung, Datenintegrit¨at, Unleugbarkeit usw. Die Kryptographie befaßt sich heute im wesentlichen mit Algorithmen, Computern und der digitalen Kommunikation und ist ein eigenst¨andiges, interdis145
146
KAPITEL 7. ANWENDUNGEN IN DER KRYPTOGRAPHIE
ziplin¨ares Gebiet mit Verbindungen zur theoretischen Informatik, Mathematik, Software Engineering, Elektrotechnik, Quantenphysik.
7.2
Fachliche Unterteilung
Die Gebiete der Kryptographie unterteilen sich grob wie folgt. Theoretische Grundlagen aus der Informatik Hierzu geh¨oren neben anderem Informationstheorie und Fragen nach der Existenz von Einwegfunktionen und Zero-Knowledge Beweisen. Symmetrische Kryptoverfahren Dies sind spezielle Verfahren zur Verschl¨ usselung (Block- und Stromchiffren), bei denen man davon ausgeht, daß die kommunizierenden Personen sich einen geheimen Schl¨ ussel teilen. Ein Schl¨ ussel ist einfach eine digitale Information. Die Untersuchung der Sicherheit dieser Verfahren basiert mehr oder weniger auf statistischen Methoden und ist im wesentlichen heuristisch. Symmetrische Kryptoverfahren sind im allgemeinen effizienter als die asymmetrischen Kryptoverfahren. Asymmetrische Kryptoverfahren Hier sind jeder Person ein ¨offentlicher (allen Personen bekannter) und ein geheimer Schl¨ ussel zugeordnet. Darauf aufbauend betreibt man dann Verfahren zur Verschl¨ usselung, zum Unterschreiben und zum Schl¨ usselaustausch geheimer Schl¨ ussel f¨ ur symmetrische Kryptoverfahren. Die Untersuchung der Sicherheit dieser Verfahren basiert im wesentlichen auf der Reduktion zu algorithmischen Problemen aus der Mathematik mit hoher Komplexit¨at. Entsprechend geht bei asymmetrischen Kryptoverfahren die meiste Mathematik und besonders die algebraische Zahlentheorie ein. Die asymmetrische Kryptographie wurde 1976 von Diffie und Hellman erfunden. Technische Fragestellungen Hier untersucht man, inwieweit die verwendeten Ger¨ate auch physikalisch sicher sind. Zum Beispiel kann man aus Stromver¨ brauch, elektromagnetischer Abstrahlung oder Offnen der Ger¨ate unauthorisierten Zugang zu Informationen erhalten. Eine andere Disziplin ist die Untersuchung biometrischer Verfahren (z.B. Identifikation durch Fingerabdruck oder Iris).
7.3
Asymmetrische Kryptoverfahren
Die grundlegende Vorgehensweise bei den asymmetrischen Kryptosystemen ist wie folgt. Wir betrachten die Personen Alice und Bob. Alice hat einen ¨offentlichen und einen geheimen Schl¨ ussel. Wenn Bob Alice eine geheime Nachricht
7.4. DAS DISKRETE LOGARITHMUS PROBLEM
147
schicken m¨ochte, verwendet er einen geeigneten Algorithmus E, der als Eingabe die Nachricht und den ¨offentlichen Schl¨ ussel von Alice erwartet und als Ausgabe die verschl¨ usselte Nachricht liefert. Bob schickt diese Nachricht an Alice. Mithilfe eines zu E passenden Entschl¨ usselungsalgorithmus D kann Alice unter Eingabe der verschl¨ usselten Nachricht und ihres geheimen Schl¨ ussels die urspr¨ ungliche Nachricht berechnen. Beim Unterschreiben wird wie folgt vorgegangen. Alice verwendet einen Signaturalgorithmus S, welcher nach Eingabe des zu unterschreibenden Texts und des geheimen Schl¨ ussels von Alice eine Unterschrift zur¨ uckliefert. Mithilfe eines passenden Verifikationsalgorithmus V und nach Eingabe der Unterschrift und des ussels von Alice verifiziert Bob dann die Unterschrift. ¨offentlichen Schl¨ Zum Schl¨ usselaustausch schließlich ben¨otigt Bob ebenfalls einen o¨ffentlichen und geheimen Schl¨ ussel. Man verwendet dann einen Algorithmus K, welcher denselben Wert nach Eingabe von Alice’s geheimen Schl¨ ussel und Bob’s ¨offentlichem Schl¨ ussel und nach Eingabe von Alice’s ¨offentlichem Schl¨ ussel und Bob’s geheimen Schl¨ ussel zur¨ uckliefert. Alice und Bob tauschen ihre ¨offentlichen Schl¨ ussel aus und benutzen K, um ein gemeinsames Geheimnis zu berechnen. Im allen F¨allen soll die Kenntnis des geheimen Schl¨ ussels unbedingt erforderlich sein, um Nachrichten zu entschl¨ usseln, Unterschriften zu f¨alschen bzw. das gemeinsame Geheimnis zu berechnen (dies ist nicht ganz richtig, zumindest soll es m¨oglich sein, einen erfolgreichen Angreifer zur L¨osung eines schwierigen mathematischen Problems zu verwenden). Es wird nicht angenommen, daß die verwendeten Algorithmen E, D, S, V und K geheim sind. Nun stellt sich die Frage, ob solche Algorithmen u ¨berhaupt realisiert werden k¨onnen. Dies ist in der Tat der Fall, wenn verschiedene plausible Annahmen gemacht werden bzw. gewisse mathematische Berechnungsprobleme nur mit hohem algorithmischen Aufwand gel¨ost werden k¨onnen. Ein solches Problem ist die Faktorisierung ganzer Zahlen. Das bekannteste, darauf beruhende asymmetrische Kryptoverfahren heißt RSA-Verfahren (nach den Entdeckern Rivest, Adleman, Shamir). Eine andere Klasse von asymmetrischen Kryptoverfahren beruht auf geeigneten endlichen, zyklischen Gruppen und dem diskreten Logarithmusproblem, auf die wir im folgenden eingehen.
7.4
Das diskrete Logarithmus Problem
7.1 Definition. Sei G eine endliche, abelsche Gruppe und g, h ∈ G. Eine Zahl r ∈ Z mit h = g r heißt diskreter Logarithmus von h zur Basis g. Das diskrete Logarithmus Problem (DLP) ist, zu vorgegebenen g, h den diskreten Logarithmus r berechnen, falls er existiert.
148
KAPITEL 7. ANWENDUNGEN IN DER KRYPTOGRAPHIE
Es ist klar, daß r modulo der Ordnung von g bestimmt ist. Auch gibt es beispielsweise in der Gruppe C3 × C3 keinen diskreten Logarithmus von h = (1, 0) zur Basis g = (0, 1). Wir fassen die Komplexit¨at des diskreten Logarithmus Problems als eine Funktion von log(#G) auf, welche geeignete Grundoperationen (Gruppenoperationen, Bitoperationen) z¨ahlt. Diese Komplexit¨at h¨angt wesentlich von der Gruppe G ab. Zum Beispiel nimmt das diskrete Logarithmus Problem in G = F+ p die Form h = rg an, und man muß nur r = h/g berechnen. Das diskrete Logarithmus Problem in G = F× p ist hingegen viel schwieriger. Wir sind daran interessiert, daß das diskrete Logarithmus Problem m¨oglichst schwierig zu l¨osen ist. Eine Black-Box Gruppe G ist eine Gruppe, die man sich als abstrakten Datentyp implementiert vorstellen kann. Es sollen speziell nur die Gruppenoperationen, der Zugriff auf das Einselement und die Auswahl unabh¨angig und gleichverteilt zuf¨alliger Elemente aus G m¨oglich bzw. zul¨assig sein. Ein Algorithmus f¨ ur eine solche Gruppe darf bzw. kann also nur diese Funktionen verwenden. 7.2 Satz. Sei G eine Black-Box Gruppe, p der gr¨oßte Primteiler von #G und g, h ∈ G unabh¨angig und gleichverteilt zuf¨allig gew¨ahlte Elemente. Die Wahrscheinlichkeit, den diskreten Logarithmus von h zur Basis g mit m Gruppenoperationen zu l¨osen, ist Θ˜(m2 /p). F¨ ur Black-Box Gruppen von Primzahlordnung n ist die Komplexit¨at des dis√ kreten Logarithmus Problems Θ( n) und damit exponentiell in log(n). Wie gesehen, kann dies f¨ ur speziell gegebene Gruppen auch polynomiell in log(n) sein. Die kryptographische Qualit¨at einer Gruppe wird einerseits durch die Komplexit¨at der Gruppenoperationen (soll m¨oglichst niedrig sein) und die Komplexit¨at des diskreten Logarithmus Problems (soll m¨oglichst hoch sein) gegeben. Wir merken an, daß die Komplexit¨at des diskreten Logarithmus Problems f¨ ur die multiplika× tiven Gruppen von endlichen K¨orpern Fq obere, subexponentielle Schranken der (ungef¨ahren) Form exp(log(n)1/2 ) und exp(log(n)1/3 ) mit n = q − 1 existieren. Die Punktgruppen elliptischer Kurven u ¨ber Fq sind komplexit¨atsweise im allgemeinen den Black-Box Gruppen gleichgestellt. Untere Schranken sind in beiden F¨allen nicht bekannt. Das diskrete Logarithmus Problem in nicht zyklischen Gruppen kann offensichtlich auf mehrere diskrete Logarithmus Probleme in den einzelnen zyklischen Faktoren zur¨ uckgef¨ uhrt werden. Da das Verh¨altnis von Komplexit¨at zu Gruppenordnung hier ung¨ unstiger als bei zyklischen Gruppen a¨hnlich großer, primer Gruppenordnung ist, beschr¨anken wir uns deshalb nur auf zyklische Gruppen mit Primzahlordnung.
7.5. DLP BASIERTE KRYPTOVERFAHREN
7.5
149
DLP basierte Kryptoverfahren
Wir legen den Betrachtungen eine endliche, zyklische Gruppe G von Primzahlordnung n zugrunde. Mit g bezeichnen wir Erzeuger von G. Die Teilnehmer Alice und Bob haben jeweils ein Schl¨ usselpaar (rA , gA ) und (rB , gB ), wobei rA , rB ∈ Z/nZ die geheimen Schl¨ ussel und gA = g rA , gB = g rB die ussel sind. ¨offentlichen Schl¨ Die geheimen Schl¨ ussel sind eindeutig durch die ¨offentlichen Schl¨ ussel bestimmt und durch die (hohe) Komplexit¨at des diskreten Logarithmus Problems gesch¨ utzt. Diffie-Hellman Schlu ¨ sselaustausch Alice und Bob tauschen ihre ¨offentlichen Schl¨ ussel aus und berechnen unabh¨angig das gemeinsame Geheimnis gBrA = g rB rA bzw. gArB = g rA rB . Dies kann nun als Schl¨ ussel f¨ ur ein symmetrisches Kryptoverfahren benutzt werden. Der oben erw¨ahnte Algorithmus K ist daher einfach K(x, y) = xy . Will eine dritte Person Oscar das Geheimnis l¨ uften, so muß sie im wesentlichen rA rB rA rB aus g, gA = g , gB = g den Wert g berechnen. 7.3 Definition. Das Computational Diffie-Hellman Problem (CDH) ist, f¨ ur g, a b ab g , g den Wert g zu berechnen. Das Decision Diffie-Hellman Problem (DDH) ist, f¨ ur g, g a , g b , h zu entscheiden, ob h = g ab gilt. K¨onnen wir das DLP l¨osen, so auch das CDP. K¨onnen wir das CDP l¨osen, so ¨ auch das DDH. Uber die Umkehrungen weiß man nur etwas in speziellen F¨allen. Ist das CDP leicht, so muß der beschriebene Schl¨ usselaustausch als unsicher angesehen werden. ElGamal Verschlu ¨ sselung Bob will eine Nachricht m an Alice schicken. Dabei wird m als geeignetes Gruppenelement von G aufgefaßt. Der Verschl¨ usselungsalgorithmus E berechnet dann f¨ ur m und den ¨offentlichen Schl¨ ussel gA ein gleichverteilt zuf¨alliges r ∈ Z/nZ und liefert die verschl¨ usselte Nachricht (g r , mgAr ) zur¨ uck. Alice verwendet den Entschl¨ usselungsalgorithmus D, welcher f¨ ur die verschl¨ usselte Nachricht (u, v) und den geheimen Schl¨ ussel rA den Wert v/urA = m(g rA )r /(g r )rA = m berechnet. Schnorr Signatur Alice will einen Text m ∈ G unterschreiben. Hier ben¨otigt man noch eine geeignete Hilfsfunktion H : G × G → Z/nZ. Der Signaturalgorithmus S w¨ahlt ein gleichverteilt zuf¨alliges k ∈ Z/nZ und berechnet r = g k , u = rA H(m, r) + k. Die Unterschrift ist (u, H(m, r)). Bob verwendet zur Verifikation der Unterschrift (s, t) den Algorithmus V. Dieser berechnet r = g u /gAt
150
KAPITEL 7. ANWENDUNGEN IN DER KRYPTOGRAPHIE
und akzeptiert genau dann, wenn t = H(m, r). Annahmen an H sind, daß keine verschiedenen Argumente mit gleichem Bild und keine Urbilder berechnet werden k¨onnen. In einem geeigneten Sicherheitsmodell und unter gewissen Annahmen wird die Sicherheit von ElGamal Verschl¨ usselung und Schnorr Signaturen auf das DDH bzw. DLP zur¨ uckgef¨ uhrt. Der Begriff der Sicherheit ist jedoch recht delikat und insbesondere stark vom betrachteten Sicherheitsmodell abh¨angig. Die Theorie ist ¨ im u oder Fehler bewirken h¨aufig, ¨brigen nicht sehr stetig“, kleine Anderungen ” daß ein Verfahren vollkommen unbrauchbar wird.
7.6
XTR Kryptosystem
Das Akronym XTR“ steht f¨ ur ECSTR“ beziehungsweise Efficient and Com” ” ” pact Subgroup Trace Representation“. Die Hauptmotivation hinter XTR ist, G = F× oglichst effiziente und trickreiche Weise zu verwenden. Genauer q auf m¨ betrachtet man eine besonders geeignete Untergruppe G von F× ur eine Primp6 f¨ 6 zahl p. Im folgenden verwenden wir die Bezeichnungen E = Fp , F = Fp2 und K = Fp . 7.4 Lemma. Die Gruppe E × enth¨alt genau eine Untergruppe G der Ordnung p2 −p+1. Die Gruppe G stimmt mit der Gruppe all derjeningen Elemente x ∈ E × u ur die NE/F (x) = 1 f¨ ur alle echten Teilk¨orper F von E gilt. ¨berein, f¨ Beweis. Es gilt p6 − 1 = (p − 1)(p + 1)(p2 − p + 1)(p2 + p + 1). Daher existiert genau eine Untergruppe G von E × mit Ordnung p2 − p + 1. Es gilt NE/F (x) = 6 [F :K] −1) x(p −1)/(p , wobei der Exponent eine ganze Zahl ist, die durch p2 − p + 1 teilbar ist. Genauer ist p2 −p+1 gleich dem ggT dieser Exponenten f¨ ur alle echten Teilk¨orper F von E. Daraus folgt die behauptete Charakterisierung von G. Ein diskretes Logarithmus Problem in G kann mit der Norm nicht auf ein ¨aquivalentes diskretes Logarithmus Problem in der multiplikativen Gruppe eines der echten Teilk¨orper von E abgebildet werden. Dar¨ uberhinaus w¨ahlt man p so, daß p2 − p + 1 einen großen Primfaktor q enth¨alt. Dieser tritt nicht in p3 − 1 und p2 − 1 auf. Daher kann ein diskretes Logarithmusproblem auch nicht auf irgendeine andere Weise in die multiplikative Gruppe eines der echten Teilk¨orper von E abgebildet werden. 7.5 Lemma. F¨ ur jedes x ∈ G sind die Konjugierten von x u ¨ber F gleich x, xp−1 , x−p und es gilt mx,F (t) = t3 − TrE/K (x)t2 + TrE/K (x)p t − 1. Es gibt also eine 2 4 Bijektion der Konjugationsklassen {x, xp , xp } und der Spuren TrE/K (x).
151
7.6. XTR KRYPTOSYSTEM 2
4
Beweis. Die Konjugierten von x ∈ G sind xp = xp−1 und xp = 1/(xxp−1 ) = x−p . Der negierte Koeffizient von t in mx,F (t) ist damit gleich xxp−1 +xx−p +xp−1 x−p = 2 2 xp + x−p + xp −p = TrE/K (x)p . Kommt es uns nur auf die Konjugationsklasse eines Elements aus G an, so k¨onnen wir diese durch die Spur des Elements darstellen. Wir k¨onnen also (p2 − p+1)/3 Konjugationsklassen durch ein Drittel des Speicherbedarfs darstellen, den die p2 − p + 1 Elemente aus G ben¨otigen. Dies ist sehr vorteilhaft. Ein Problem jedoch ist, wie Konjugationsklassen multipliziert oder potenziert werden sollen. Wir bemerken, daß durch elementweise Multiplikation keine eindeutig bestimmte Konjugationsklasse erhalten werden kann. Dies ist aber beim Potenzieren m¨oglich. Wir entwickeln nun Formeln, so daß man nur mit den Spuren selbst zu rechnen braucht. 7.6 Lemma. F¨ ur x ∈ G gilt. (i) TrE/F (xn+m ) = TrE/F (xn )TrE/F (xm ) − TrE/F (xn )p TrE/F (xm−n )+ TrE/F (xm−2n ). (ii) TrE/F (x2n ) = TrE/F (xn )2 − 2TrE/F (xn )p . (iii) TrE/F (xn+2 ) = TrE/F (x)TrE/F (xn+1 ) + TrE/F (x)p TrE/F (xn ) + TrE/F (xn−1 ). (iv) TrE/F (x2n−1 ) = TrE/F (xn )TrE/F (xn−1 )+TrE/F (xn )p TrE/F (x)p +TrE/F (xn+1 )p . (iv) TrE/F (x2n+1 ) = TrE/F (xn )TrE/F (xn+1 )+TrE/F (xn )p TrE/F (x)+TrE/F (xn−1 )p . Beweis. (i): Aus mxn ,F (xn ) = 0 folgt x3n = TrE/F (xn )x2n − TrE/F (xn )xn + 1. Muliplizieren mit xm−2n ergibt xn+m = TrE/F (xn )xm − TrE/F (xn )p xm−n + xm−2n . Durch Anwenden von TrE/F folgt die Aussage. (ii) − (iv): Folgen aus (i) und TrE/F (x−1 ) = TrE/F (x)p . Ohne Beweis merken wir an, daß TrE/F (xn ) mit Hilfe des Lemmas effizient und nur durch Rechnungen in F = Fp2 aus TrE/F (x) bestimmt werden kann. Dabei verwendet man im u ¨brigen auch eine Normalbasis von F/K. Etwas komplizierter, aber trotzdem m¨oglich ist die Berechnung von Ausdr¨ ucken der Form Tr(xm xkn ) ausgehend von n, m, TrE/F (x) und TrE/F (xk ) f¨ ur ein geheimes k. Anstelle mit x ∈ G zu rechnen, benutzt XTR nur die Elemente TrE/K (x), wodurch G wie oben bemerkt in Dreierklassen zusammengefaßt wird. Dies bewirkt eine Speicherersparnis vom Faktor 3 und zus¨atzlich eine h¨ohere Rechengeschwindigkeit. Der Diffie-Hellman Schl¨ usselaustausch kann dann wie beschrieben durchgef¨ uhrt werden. F¨ ur die ElGamal Verschl¨ usselung ist eine Adaption notwendig, da aus
152
KAPITEL 7. ANWENDUNGEN IN DER KRYPTOGRAPHIE
Tr(g) und Tr(h) nicht ohne weiteres Tr(gh) ausgerechnet werden kann. Der Wert v = mgAr wird einfach durch den Wert v = E ′ (k, gAr ) ersetzt, wobei E ′ ein symmetrisches Verschl¨ usselungsverfahren bezeichnet. Die Entschl¨ usselung findet dann ′ rA durch m = D (v, u ) statt. Unterschriften k¨onnen in einem ¨ahnlichen Hybridverfahren erzeugt werden, jedoch geht hier kein Weg daran vorbei, Ausdr¨ ucke der Form Tr(xm xkn ) wie oben auszurechnen. Um ein gegenw¨artig sicheres System zu bekommen, m¨ ussen die Primzahl p 2 und der große Primfaktor q von #G = p − p + 1 mindestens 170 Bit bzw. 52 Dezimalstellen haben (entspricht grob einem RSA 1024 Bit Modul). Das XTR Kryptosystem ist patentiert (Citibank).
Kapitel 8 Transzendente Ko ¨rpererweiterungen In diesem Kapitel betrachten wir K¨orpererweiterungen E/K, in denen nicht alle Elemente algebraisch u ¨ber K sind, welche also transzendente Elemente enthalten. Nach der Diskussion von Transzendenzbasen besprechen wir die Eigenschaften separabel“ und regul¨ar“ f¨ ur beliebige K¨orpererweiterungen nur sehr knapp. ” ”
8.1
Transzendenzbasen
Die Begriffe dieses Abschnitts verhalten sich ganz analog zu den Begriffen linear ” unabh¨angig“ und Basis“ aus der linearen Algebra. ” 8.1 Definition. Sei E/K eine K¨orpererweiterung. Eine Menge A ⊆ E heißt algebraisch unabh¨angig u ur alle endlichen Teilmengen {a1 , . . . , an } ¨ber K, wenn f¨ von A und alle f ∈ K[x1 , . . . , xn ] aus f (a1 , . . . , an ) = 0 bereits f = 0 folgt. Wir fassen die leere Menge A = {} als algebraisch unabh¨angig u ¨ber K auf. Algebraisch abh¨angig“ bedeutet nicht algebraisch unabh¨angig“. ” ” 8.2 Lemma. Sei E/K eine K¨orpererweiterung und A ⊆ E. (i) Sei XA = {xa | a ∈ A} eine Menge von Unbekannten und K[XA ] der zugeh¨orige Polynomring. Die Menge A ist genau dann algebraisch unabh¨angig u ¨ber K, wenn der Einsetzhomomorphismus φA : K[XA ] → K[A], xa 7→ a injektiv ist. (ii) Ist A ⊆ E algebraisch unabh¨angig ¨uber K und b ∈ E\A, so ist A ∪ {b} genau dann algebraisch abh¨angig u ¨ber K, wenn b im algebraischen Abschluß von K(A) in E liegt. 153
154
¨ KAPITEL 8. TRANSZENDENTE KORPERERWEITERUNGEN
Beweis. Teil (i) ist nur eine Umformulierung der Definition. F¨ ur Teil (ii) betrachtet man das Minimalpolynom von x u ¨ber K(A) und multipliziert Nenner heraus, um eine algebraische Relation in K[A, x] zu erhalten. Die Elemente einer algebraisch unabh¨angigen Menge k¨onnen also nach Lemma 8.2, (i) als Variablen aufgefaßt werden. 8.3 Definition. Sei E/K eine K¨orpererweiterung. Eine Menge A ⊆ E heißt Transzendenzbasis von E u ¨ber K bzw. von E/K, wenn A algebraisch unabh¨angig u ber K ist und E gleich dem algebraischen Abschluß von K(A) in E ist. ¨ 8.4 Satz. Sei E/K eine K¨orpererweiterung, A ⊆ E algebraisch unabh¨angig u ¨ber K und C ⊆ E mit E/K(C) algebraisch. Dann gibt es eine Transzendenzbasis B von E/K mit A ⊆ B ⊆ C. Alle Transzendenzbasen von E/K haben die gleiche Kardinalit¨at. Beweis. Eine u ¨ber K algebraisch unabh¨angige Teilmenge B von E mit A ⊆ B ⊆ C ist genau dann eine Transzendenzbasis von E u ur jedes x ∈ C\B ¨ber K, wenn f¨ die Menge B ∪ {x} algebraisch abh¨angig u ¨ber K ist, also wenn B maximal in C bez¨ uglich Inklusion mit der Eigenschaft algebraisch unabh¨angig u ¨ber K“ ist: ” Sei B eine solche Transzendenzbasis und x ∈ C\B. Dann ist B ∪ {x} nach Lemma 8.2, (ii) algebraisch abh¨angig u ¨ber K. Sei umgekehrt B maximal algebraisch unabh¨angig u ¨ber K in C und x ∈ C\B. Dann ist B ∪ {x} algebraisch abh¨angig u ¨ber K und nach Lemma 8.2, (ii) ist x algebraisch u ¨ber K(B). Daher ist die Erweiterung K(C)/K(B) algebraisch. Mit E/K(C) ist dann auch E/K(B) algebraisch und B eine Transzendenzbasis von E u ¨ber K. Die Menge der u ¨ber K algebraisch unabh¨angigen Teilmengen B von E mit A ⊆ B ⊆ C ist bez¨ uglich Inklusion induktiv geordnet. Nach dem Zornschen Lemma existiert eine maximale solche Teilmenge B, die nach der Vorbemerkung eine Transzendenzbasis bildet. Zum Beweis u ¨ber die Gleichheit der Kardinalit¨at nehmen wir zun¨achst an, daß B eine endliche Transzendenzbasis von E/K ist und setzen n = #B. Sei C eine weitere Transzendenzbasis von E/K mit m = #C und m ≥ n. Wir schreiben B = {b1 , . . . , bn } und C = {cj | j ∈ J}. F¨ ur beliebiges j gibt es ein i, so daß wir bi durch cj austauschen k¨onnen und die resultierende Menge B ′ eine Transzendenzbasis bleibt: Nach Voraussetzung gibt es ein Polynom f 6= 0 u c algebraisch unabh¨angig u ¨ber K mit f (cj , b1 , . . . , bn ) = 0. Da ¨ber K P j ν ˆ ist, gibt ein i, so daß f (cj , b1 , . . . , bn ) = ν gν (cj , b1 , . . . , bi , . . . , bn )bi = 0 mit gν (cj , b1 , . . . , bˆi , . . . , bn ) 6= 0 f¨ ur ein ν ≥ 1 ist. Damit ist bi algebraisch u ¨ber K(B ′ ) f¨ ur B ′ = {cj , b1 , . . . , bˆi , . . . , bn }. Mit bi ist dann auch cj nicht algebraisch u ¨ber ′ ˆ K(b1 , . . . , bi , . . . , bn ) und B somit eine Transzendenzbasis von E/K.
8.1. TRANSZENDENZBASEN
155
Durch mehrfache Anwendung der Austauschprozedur erhalten wir, daß C eine Transzendenzbasis B ′ der Kardinalit¨at n enth¨alt. Es folgt C = B ′ und n = m. Sind nun B und C unendliche Transzendenzbasen von E/K, so gibt es f¨ ur jedes a ∈ C eine endliche Teilmenge Ba ⊆ B, so daß a algebraisch u ¨ber K(Ba ) ist. Es folgt B = ∪a∈C Ba . Damit ist die M¨achtigkeit von B kleiner gleich der M¨achtigkeit von C. Dies gilt auch umgekehrt, und B und C besitzen damit die gleiche M¨achtigkeit. 8.5 Definition. Der Transzendenzgrad trdeg(E/K) einer K¨orpererweiterung E/K ist die Kardinalit¨at #B einer Transzendenzbasis B von E/K. Eine K¨orpererweiterung E/K heißt rein transzendent, wenn E = K(B) f¨ ur eine Transzendenzbasis B von E/K gilt. Eine rein transzendente Erweiterung E/K kann nach Lemma 8.2, (i) als rationaler Funktionenk¨orper aufgefaßt werden. Wir halten nochmal fest, daß sich jede K¨orpererweiterung E/K schreiben l¨aßt als eine algebraische Erweiterung E/F eines Zwischenk¨orpers F von E/K, welcher rein transzendent u ¨ber K ist. 8.6 Satz. Sei E/K eine K¨orpererweiterung und F ein Zwischenk¨orper. F¨ ur Tran′ ′ szendenzbasen B von F/K und B von E/F gilt B ∩ B = {} und B ∪ B ′ ist eine Transzendenzbasis von E/K. Ferner gilt trdeg(E/K) = trdeg(E/F ) + trdeg(F/K). ¨ Beweis. Ubung. 8.7 Korollar. Sei E/K eine K¨orpererweiterung, F ein ¨uber K rein transzendenter Zwischenk¨orper von E/K und L ein ¨uber K algebraischer Zwischenk¨orper von E/K. Dann sind F/K und L/K linear disjunkt und F L ist rein transzendent ¨uber L. Ist X eine Transzendenzbasis von F u ¨ber K, so ist X auch eine Transzendenzbasis von F L u ber L. ¨ ¨ Beweis. Ubung. Die folgende Definition verwendet algebraische Unabh¨angigkeit analog wie die Definition von linear disjunkt“ die lineare Unabh¨angigkeit benutzt. ” 8.8 Definition. Seien E/K eine K¨orpererweiterung und F1 , F2 Zwischenk¨orper von E/K. Dann heißen F1 /K und F2 /K algebraisch disjunkt (frei) und F1 und F2 algebraisch disjunkt (frei) u ¨ber K, wenn jede u ¨ber K algebraisch unabh¨angige Menge von Elementen von F1 u ¨ber F2 algebraisch unabh¨angig bleibt. Es gilt der zu Satz 5.22 analoge Satz. Insbesondere ist die Definition eigentlich symmetrisch. Linear disjunkte Erweiterungen sind auch algebraisch disjunkt. Algebraisch disjunkte Erweiterungen m¨ ussen jedoch nicht unbedingt linear disjunkt sein.
156
8.2
¨ KAPITEL 8. TRANSZENDENTE KORPERERWEITERUNGEN
Separable Erweiterungen
In diesem Abschnitt wird die Eigenschaft separabel“ von algebraischen auf be” liebige K¨orpererweiterungen verallgemeinert. Wir gehen jedoch nur kurz auf die Eigenschaften ein und lassen die Behandlung von Derivationen aus. 8.9 Definition. Eine Transzendenzbasis A der K¨orpererweiterung E/K heißt separierend, wenn E/K(A) separabel ist. Eine K¨orpererweiterung E/K heißt separabel erzeugt, wenn sie eine separierende Transzendenzbasis besitzt. Eine K¨orpererweiterung E/K heißt separabel, wenn f¨ ur jeden u ¨ber K endlich erzeugten Zwischenk¨orper F von E/K die Erweiterung F/K separabel erzeugt ist. Es ist klar, daß diese Definition f¨ ur algebraische Erweiterungen E/K mit der bisherigen Definition u ur verschiedene ¨bereinstimmt. Wir werden dann wieder f¨ K¨orperkonstruktionen zeigen, wie sich die Eigenschaft separabel fortpflanzt. Die Verh¨altnisse sind aber nicht ganz analog zum Fall algebraischer Erweiterungen. −∞ Mit K p wird wieder der rein inseparable Abschluß von K f¨ ur p = char(K) −∞ bezeichnet. Hat K die Charakteristik Null, so soll K p = K gelten. 8.10 Satz. Sei E/K eine K¨orpererweiterung. Dann sind ¨aquivalent. (i) E/K ist separabel. −∞
(ii) E/K und K p
/K sind linear disjunkt.
Beweis. F¨ ur den Fall p = 0 ist die Aussage klar. Es gelte also p > 0. (i) ⇒ (ii): Aussage (ii) gilt genau dann, wenn f¨ ur alle endlich erzeugten Zwi−∞ schenk¨orper F von E/K die Erweiterungen F/K und K p /K linear disjunkt sind. Sei also F ein endlich erzeugter Zwischenk¨orper von E/K. Da E/K separabel ist, besitzt F/K nach Satz 8.4 eine endliche Transzendenzbasis B, so daß die −∞ Erweiterung F/K(B) algebraisch und separabel ist. Da K p /K algebraisch ist, −∞ sind K(B)/K und K p /K nach Korollar 8.7 linear unabh¨angig. Da F/K(B) −∞ algebraisch und separabel und da K(B)K p /K(B) nach Satz 5.64 rein insepa−∞ rabel ist, sind F/K(B) und K(B)K p /K(B) nach Satz 5.72 linear disjunkt. ¨ Nach dem Satz u urmen (Ubung) ergibt sich, daß ¨ber lineare Disjunktheit in T¨ p−∞ F/K und K /K linear disjunkt sind. (ii) ⇒ (i): Sei F ein u ¨ber K endlich erzeugter Zwischenk¨orper von E/K und B = {b1 , . . . , bn } ein endliches Erzeugendensystem von F u ¨ber K. Es gilt also F = K(B). Wir zeigen, daß es eine Teilmenge von B gibt, die eine separierende Transzendenzbasis von F/K bildet. Falls die bi algebraisch unabh¨angig u ¨ber K sind, ist B bereits eine separierende Transzendenzbasis. Andernfalls gibt es ein f ∈ K[x1 , . . . , xn ] von minimalem Grad ≥ 1 mit f (b1 , . . . , bn ) = 0. Wegen der Minimalit¨at des Grads ist f irreduzibel.
8.2. SEPARABLE ERWEITERUNGEN
157
Wir behaupten, daß f in mindestens einer Variablen xi separabel ist. Sei dazu P f = i λi fi mit Monomen fi ∈ K[x1 , . . . , xn ] und λi ∈ K. Ist f in keiner Variablen separabel, gibt es wegen der Irreduzibilit¨at von f Monome gi ∈ K[x1 , . . . , xn ] P 1/p mit fi = gip . Dann gilt f (b1 , . . . , bn )1/p = i λi gi (b1 , . . . , bn ) = 0 und die p−∞ gi (b1 , . . . , bn ) sind linear abh¨angig u . Wegen (ii) m¨ ussen die gi (b1 , . . . , bn ) ¨ber K dann auch linear abh¨angig u ber K sein, also muß g(b , . . . , bn ) = 0 mit einem ¨ 1 P g = i µi gi und µi ∈ K gelten. Dies f¨ uhrt zu einem Widerspruch zur Gradminimalit¨at von f . Also gilt die Behauptung. Sei f ohne Einschr¨ankung in der Variablen xn separabel. Dann ist die Erweiterung F/K(b1 , . . . , bn−1 ) algebraisch und separabel. Induktiv erhalten wir eine separierende Transzendenzbasis B ′ = {x1 , . . . , xr } mit r ≥ 0. Nach Satz 8.10 k¨onnen wir (ii) auch als Definition von separabel“ nehmen. ” Dies hat den h¨ ubschen Aspekt, daß es die beiden, nun etwas technisch anmutenden Definitionen von separabel“ vereinheitlicht. ” 8.11 Satz. Sei E/K eine K¨orpererweiterung. (i) Ist E/K separabel und B ein endliches Erzeugendensystem von E/K, so gibt es eine separierende Transzendenzbasis A mit A ⊆ B. (ii) Ist E/K separabel erzeugt, so ist E/K separabel. (iii) Ist K vollkommen, so ist E/K separabel. (iv) Ist E/K separabel und F ein Zwischenk¨orper von E/K, so ist F/K separabel. (v) Ist F ein Zwischenk¨orper von E/K und sind E/F und F/K separabel, so ist E/K separabel. (vi) Sind F und L ¨uber K algebraisch disjunkte Zwischenk¨orper von E/K und ist F/K separabel, so ist auch F L/L separabel. (vii) Sind F und L ¨uber K linear disjunkte Zwischenk¨orper von E/K und ist F L/L separabel, so ist auch F/K separabel. Beweis. (i): Folgt aus dem Beweis von Satz 8.10. (ii): Aussage (ii) aus Satz 8.10 folgt aus der Annahme analog wie ⇒“ im ” Beweis von Satz 8.10. −∞ (iii): Folgt aus Satz 8.10 wegen K p = K. (iv): Folgt direkt aus der Definition von separabel“ oder aus Satz 8.10. ” (v): Folgt aus Satz 8.10 und der Transitivit¨at von linear disjunkt“ in K¨orper” t¨ urmen.
158
¨ KAPITEL 8. TRANSZENDENTE KORPERERWEITERUNGEN
(vi): Sei G ein endlich erzeugter Zwischenk¨orper von F L/L. Dann gibt es einen endlich erzeugten Zwischenk¨oper H von F/K mit G ⊆ HL. Sei B eine separierende Transzendenzbasis von H/K. Dann ist B wegen der Voraussetzung auch eine separierende Transzendenzbasis von HL/L. Nach (ii) ist HL/L separabel und nach (i) ist G/L separabel. −∞ (vii): Da F L/L separabel ist, sind F L/L und Lp /L und speziell F L/L −∞ und LK p /L nach Satz 8.10 linear disjunkt. Da F/K und L/K nach Vorau−∞ setzung linear disjunkt sind, m¨ ussen auch F L/K und LK p /K aufgrund der Transitivit¨at von linear disjunkt“ in K¨orpert¨ urmen linear disjunkt sein. Dann ” p−∞ sind speziell auch F/K und K /K linear disjunkt, so daß F/K nach Satz 8.10 separabel ist. Die Aussagen (v) und (vi) implizieren auch, daß ein Kompositum algebraisch disjunkter, separabler Erweiterungen wieder separabel ist.
8.3
Regul¨ are Erweiterungen
Wir versch¨arfen nun den Begriff separabel“ und Satz 8.10. ” 8.12 Definition. Eine K¨orpererweiterung E/K heißt regul¨ar, wenn E/K und der algebraische Abschluß K a /K linear disjunkt sind. 8.13 Satz. Sei E/K eine K¨orpererweiterung. Dann sind ¨aquivalent. (i) E/K ist regul¨ar. (ii) K ist algebraisch abgeschlossen in E und E/K ist separabel. Beweis. (i) ⇒ (ii): Da E/K und K a /K linear disjunkt sind, gilt E ∩ K a = K und K ist algebraisch abgeschlossen in E. Außerdem sind dann auch E/K und −∞ −∞ K p /K wegen K p ⊆ K a linear disjunkt und E/K nach Satz 8.10 somit separabel. −∞ −∞ (ii) ⇒ (i): Aus der Voraussetzung folgt EK p ∩K a = K p : Die Erweiterung −∞ −∞ −∞ EK p ∩K a /E ∩K a ist mit K p /K und EK p /E rein inseparabel. Wegen E ∩ −∞ −∞ K a = K und der Transitivit¨at von rein inseparabel“ ist dann EK p ∩K a /K p ” rein inseparabel. Diese Erweiterung ist nach Satz 5.72 aber auch separabel. Also −∞ −∞ folgt EK p ∩ K a = K p . −∞ Die Erweiterung K a /K p ist galoissch. Nach Satz 6.13 und der Vorbemer−∞ p−∞ p−∞ /K und K a /K p linear disjunkt. Außerdem sind E/K kung sind nun EK −∞ und K p /K nach Voraussetzung linear disjunkt. Wegen der Transitivit¨at von linear disjunkt“ in T¨ urmen ergibt sich damit, daß E/K und K a /K linear disj” kunkt sind, E/K also regul¨ar ist.
8.4. BEISPIELE
159
8.14 Satz. Sei E/K eine K¨orpererweiterung. (i) Ist K algebraisch abgeschlossen, so ist E/K regul¨ar. (ii) Ist E/K regul¨ar und F ein Zwischenk¨orper von E/K, so ist F/K regul¨ar. (iii) Ist F ein Zwischenk¨orper von E/K und sind E/F und F/K regul¨ar, so ist E/K regul¨ar. (iv) Sind F und L ¨uber K algebraisch disjunkte Zwischenk¨orper von E/K und ist F/K regul¨ar, so sind F/K und L/K linear disjunkt. (v) Sind F und L ¨uber K algebraisch disjunkte Zwischenk¨orper von E/K und ist F/K regul¨ar, so ist auch F L/L regul¨ar. Beweis. (i) und (ii): Folgen direkt aus Satz 8.13. (iii): Folgt aus Satz 8.13 und der Transitivit¨at von linear disjunkt“ in K¨orper” t¨ urmen. (iv): Wird ausgelassen. (v): Mit F/K und L/K sind auch F/K und La /K algebraisch disjunkt. Nach (iv) sind F/K und La /K dann auch linear disjunkt. Wegen der Transitivit¨at von linear disjunkt“ in T¨ urmen sind dann auch F L/L und La /L linear disjunkt. Also ” ist F L/L regul¨ar. Die Aussagen (iii) und (v) implizieren auch, daß ein Kompositum algebraisch disjunkter, regul¨arer Erweiterungen wieder regul¨ar ist.
8.4
Beispiele
Wir betrachten nun Beispiele verschiedener K¨orper. Jeder K¨orper f¨allt unter einen der folgenden Typen. 1. Die Primk¨orper sind gleich Q oder Fp f¨ ur eine Primzahl p. 2. Endliche Erweiterungen der Primk¨orper Q und Fp liefern Zahlk¨orper und endliche K¨orper. 3. Alle weiteren algebraischen Erweiterungsk¨orper der Primk¨orper sind in den algebraischen Abschl¨ ussen Qa und Fap enthalten. 4. Rein transzendente Erweiterungen von K¨orpern K aus 1-3, also K¨orper der Form K(X), wobei X eine Menge von Variablen bezeichnet.
160
¨ KAPITEL 8. TRANSZENDENTE KORPERERWEITERUNGEN
5. Endliche und algebraische Erweiterungen E der K¨orper K(X) in 4, wobei man K je nach Sichtweise beispielsweise als Primk¨orper von E oder als algebraischen Abschluß des Primk¨orpers von E in E w¨ahlen kann. Sei f = t2 − x3 − 1 ∈ Q(x)[t]. Durch Adjunktion einer Nullstelle y von f an Q(t) erhalten wir eine separable Erweiterung K = Q(x, y) vom Grad zwei von Q(x). Daher ist x ein separierendes Element (das heißt, {x} ist eine separierende Transzendenzbasis). Die Erweiterung K/Q ist separabel. In Fp (x) ist xp zwar transzendent und {xp } eine Transzendenzbasis, aber xp ist nicht separierend. Nach Satz 8.11, (iii) muß es ein separierendes Element geben. Man kann beispielsweise x oder 1/(x + 1) w¨ahlen. Die Erweiterung Fp (x)/Fp ist daher ebenfalls separabel. Eine nicht separable Erweiterung erh¨alt man unter Benutzung von Satz 8.10 wie folgt. Sei K = Fp (z, x, y) der durch xp + y p + z = 0 definierte K¨orper. Da xp + y p + z als Polynom u ¨ber Fp (z) irreduzibel ist, hat K/Fp (z, x) den Grad p. Diese Erweiterung ist jedoch nicht linear disjunkt zu Fp (z 1/p ), da hier wegen y + x + z 1/p = 0 gilt, daß KFp (z 1/p)/Fp (z 1/p , x) den Grad eins hat. Folglich ist K/Fp (z) nicht separabel. Die Erweiterungen Q(x)/Q und K/Q f¨ ur K = Q(x, y) wie oben sind Beispiele f¨ ur regul¨are Erweiterungen. Endliche und algebraische Erweiterungen √ eines K¨orpers in Charakteristik Null und zum Beispiel die Erweiterung Q(x, 2)/Q sind separabel aber nach Satz 8.13 nicht regul¨ar, da der Grundk¨orper nicht algebraisch abgeschlossen ist. Auf der anderen Seite ist Fp (z) im obigen Beispiel in K = Fp (z, x, y) zwar algebraisch abgeschlossen, aber die Erweiterung K/Fp (z) trotzdem nicht regul¨ar, weil sie nicht separabel ist.
Kapitel 9 Moduln II In diesem Kapitel werden das Tensorprodukt und die Begriffe projektiv, flach und lokal frei behandelt.
9.1
Tensorprodukte
Wir wollen auch kurz etwas zum Tensorprodukt sagen. Tensorprodukte bildet man von R-Moduln oder R-Algebren, und sie sind wieder R-Moduln bzw. RAlgebren. Wir betrachten vornehmlich den ersten Fall. Zur Vereinfachung sei R ein kommutativer Ring und M , N Moduln u ¨ber R (links und rechts). Dies ist f¨ ur das folgende keine wesentliche Einschr¨ankung, spart aber ein paar F¨alle und etwas Notation. Beim Tensorprodukt M ⊗R N handelt es sich um einen R-Modul, welcher von formalen Produkten m ⊗ n f¨ ur m ∈ M und n ∈ N erzeugt wird. Die P Elemente sind also von der Form i mi ⊗ ni f¨ ur mi ∈ M und ni ∈ N . Hierbei soll sich ⊗ wirklich wie eine Multiplikation verhalten, nur daß sie nicht ausgef¨ uhrt“ ” wird sondern nur generisch ausgef¨ uhrt wird (also unter Eingabe von m und n eben den abstrakten Wert“ m ⊗ n zur¨ uckliefert). Entsprechend wird gefordert (m1 + ” m2 )⊗n = m1 ⊗n+m2 ⊗n und analog f¨ ur n1 , n2 . Die Angabe von R soll bedeuten, daß mr ⊗ n = m ⊗ rn ist. Außerdem gelte r(m ⊗ n) = rm ⊗ n = m ⊗ rn. Hier muß man im Nichtkommutativen etwas aufpassen, ob man von links oder rechts oder innen oder außen multiplizieren will. Beim Tensorprodukt von R-Algebren M und N soll per Definition auch noch (m1 ⊗ n1 ) · (m2 ⊗ n2 ) = (m1 m2 ) ⊗ (n1 n2 ) gelten, doch dazu sp¨ater. 9.1 Definition. Der R-Modul P zusammen mit einer R-bilinearen Abbildung h : M × N → P heißt Tensorprodukt von M und N u ¨ber R, wenn folgendes gilt. Ist g eine R-bilineare Abbildung M × N → Q f¨ ur einen beliebigen, weiteren R-Modul Q, so gibt es genau eine R-lineare Abbildung f : P → Q mit g = f ◦ h. 161
162
KAPITEL 9. MODULN II
9.2 Satz. F¨ ur alle R-Moduln M und N existiert ein Tensorprodukt von M und N u ¨ber R. Je zwei Tensorprodukte von M und N u ¨ber R sind isomorph. Beweis. Zun¨achst zur Existenz. Sei V der von den Paaren (m, n) ∈ M × N erzeugte, freie R-Modul und I der Untermodul von V , welcher von den Elementen der Form (m1 + m2 , n) − (m1 , n) − (m2 , n), (m, n1 + n2 ) − (m, n1 ) − (m, n2 ), (rm, n)−(m, rn) und r(m, n)−(rm, n) erzeugt wird. Wir definieren die Abbildung h : M × N → V /I durch h(m, n) = (m, n) + I. Die R-Bilinearit¨at von h folgt unmittelbar aufgrund der Definition von I. Wir behaupten, daß V /I zusammen mit h ein Tensorprodukt von M und N u ¨ber R ist. Da V frei ist, k¨onnen wir eine vorgegebene, bilineare Abbildung g : M × N → Q zu einer linearen Abbildung f ′ : V → Q durch f ′ ((m, n)) = g(m, n) machen. Nun gilt I ⊆ ker(f ′ ) und durch Abspalten des Restklassenhomomorphismus V → V /I erhalten wir f : V /I → Q. Damit gilt f ◦ h = g, und die Existenz von f ist nachgewiesen. Es gibt aber auch nur einen einzigen Homomorphismus f : V /I → Q mit f ◦ h = g, denn das Bild von h ist ein Erzeugendensystem von V /I. Damit ist V /I zusammen mit h tats¨achlich ein Tensorprodukt von M und N u ¨ber R. ′ Jetzt zur Eindeutigkeit bis auf Isomorphie. Sind B und B zwei Tensorprodukte von M und N u ¨ber R mit den zugeh¨origen bilinearen Abbildungen h und h′ , so gibt es f ∈ HomR (B, B ′ ) und f ′ ∈ HomR (B ′ , B) mit h′ = f ◦ h und h = f ′ ◦ h′ , also h = f ′ ◦ f ◦ h. Aufgrund der Eindeutigkeitsaussage f¨ ur B folgt f ′ ◦ f = idB , und durch Symmetrie f ◦ f ′ = idB ′ . Also sind B und B ′ isomorph. 9.3 Definition. F¨ ur je zwei R-Moduln M und N bezeichne M ⊗R N ein (festgew¨ahltes) Tensorprodukt von M und N u ¨ber R mit der bilinaren Abbildung · ⊗ · : M × N → M ⊗R N , (x, y) 7→ x ⊗ y. Die Menge der bilinearen Abbildungen M × N → Q bildet einen R-Modul, welcher in nat¨ urlicher Weise isomorph zum R-Modul HomR (M, HomR (N, Q)) ist. Aufgrund der Eindeutigkeit von f in Definition 9.1 erhalten wir eine Abbildung φ : HomR (M, HomR (N, Q)) → HomR (M ⊗R N, Q), g 7→ f mit g(x, y) = f (x ⊗ y). Diese ist bijektiv: Sind g1 und g2 bilineare Abbildungen und f1 , f2 die zugeh¨origen linearen Abbildungen und gilt f1 = f2 , so ergibt sich auch g1 = f1 ◦ (· ⊗ ·) = f2 ◦ (· ⊗ ·) = g2 . Also ist φ injektiv. Da f¨ ur jedes lineare f die Abbildung g = f ◦ (· ⊗ ·) bilinear ist, ist φ auch surjektiv. Es gilt also HomR (M ⊗R N, Q) ∼ = HomR (M, HomR (N, Q)) (in nat¨ urlicher Weise als R-Moduln). Die Abbildung · ⊗ · ist damit die universelle“, auf M × N definierte bilineare Abbildung. ” Die Elemente von M ⊗R N wie im Satz konstruiert sind also von der Form P ullt und mit der Muli mi ⊗ ni , wobei ⊗ die Axiome einer Multiplikation erf¨ tiplikation mit Elementen aus R vertr¨aglich ist. Speziell handelt es sich bei der Menge {m ⊗ n | m ∈ M, n ∈ N } um ein Erzeugendensystem von M ⊗R N .
9.1. TENSORPRODUKTE
163
Seien nun M1 , M2 , N1 , N2 Moduln u ¨ber R und fi ∈ HomR (Mi , Ni ). Wir erhalten die Produktabbildung f1 × f2 : M1 × M2 → N1 × N2 . Durch Komposition mit der bilinearen Abbildung hN : N1 × N2 → N1 ⊗R N2 ergibt dies eine bilineare Abbildung M1 × M2 → N1 ⊗ N2 , und wir k¨onnen die bilineare Abbildung hM : M1 × M2 → M1 ⊗ M2 abspalten. Dies liefert eine lineare Abbildung M1 ⊗ M2 → N1 ⊗ N2 , welche mit T (f1 , f2 ) und als das Tensorprodukt von f1 und f2 bezeichnet wird. Sie ist durch T (f1 , f2 )(m1 ⊗ m2 ) = f1 (m1 ) ⊗ f2 (m2 ) eindeutig bestimmt. Zusammen erhalten wir eine Abbildung HomR (M1 , N1 ) × HomR (M2 , N2 ) → HomR (M1 ⊗R M2 , N1 ⊗R N2 ), (f1 , f2 ) 7→ T (f1 , f2 ). Wegen T (f1 , f2 )(m1 ⊗ m2 ) = f1 (m1 ) ⊗ f2 (m2 ) und (f + g)(x) = f (x) + g(x) f¨ ur f, g ∈ HomR (Mi , Ni ) ist diese Abbildung bilinear, und somit erhalten wir eine lineare Abbildung HomR (M1 , N1 ) ⊗R HomR (M2 , N2 ) → HomR (M1 ⊗R M2 , N1 ⊗R N2 ), welche durch f1 ⊗ f2 7→ T (f1 , f2 ) definiert ist. Mittels dieses Homomorphismus k¨onnen wir f1 ⊗ f2 also stets auch als Element von HomR (M1 ⊗R M2 , N1 ⊗R N2 ) auffassen. Unter Verwendung von Satz 9.4, (ii) ist es nicht schwer zu beweisen, daß dies ein Isomorphismus ist, wenn die Mi und Ni beispielsweise endlich erzeugt und frei sind. Die universelle Eigenschaft der Tensorprodukte und etwas Diagrammjagd“ ” oder die konkrete Formel T (f1 , f2 )(m1 ⊗ m2 ) = f1 (m1 ) ⊗ f2 (m2 ) zeigen die folgende, bifunktorielle Eigenschaft von T (·, ·): Sind P1 , P2 weitere R-Moduln und gi ∈ HomR (Ni , Pi ), so gilt T (g1 ◦ f1 , g2 ◦ f2 ) = T (g1 , g2 ) ◦ T (f1 , f2 ). Ein wichtiger Spezialfall ist M2 = N2 = P2 = Q und f2 = g2 = id. Tensorieren mit Q liefert dann einen Funktor in der Kategorie der R-Moduln, ein Homomorphimus f : M → N wird auf T (f, id) : M ⊗R Q → N ⊗R Q mit T (f, id)(m ⊗ q) = f (m) ⊗ q abgebildet. Dieser wird in Satz 9.4, (iii) angewendet. 9.4 Satz. Seien M, N, P, Q R-Moduln und Mi eine Familie von R-Moduln. (i) (M ⊗R N ) ⊗R P ∼ = M ⊗R (N ⊗R P ) unter (x ⊗ y) ⊗ z 7→ x ⊗ (y ⊗ z). (ii) M ⊗R N ∼ = N ⊗R M unter x ⊗ y 7→ y ⊗ x. ` ` P P (iii) ( i Mi ) ⊗R N ∼ = i (Mi ⊗R N ) unter ( i xi ) ⊗ y 7→ i (xi ⊗ y). Das Tensorprodukt und die direkte Summenbildung sind also vertauschbar. (iv) Ist M → N → P → 0 eine exakte Sequenz, dann ist auch die zugeh¨orige, mit Q tensorierte Sequenz M ⊗R Q → N ⊗R Q → P ⊗R Q → 0 exakt. Beweis. (i): Wir zeigen die Existenz eines Homomorphismus f : (M ⊗R N )⊗R P → M ⊗R (N ⊗R P ) mit (x ⊗ y) ⊗ z → x ⊗ (y ⊗ z). Wollen wir dies als Definition f¨ ur f
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KAPITEL 9. MODULN II
nehmen, ergibt sich das Problem, daß wir die Wohldefiniertheit von f nachweisen m¨ ussen. Denn implizit extrahieren wir aus (x ⊗ y) ⊗ z das unter Umst¨anden nicht eindeutig bestimmte Paar (x, y, z) und definieren damit das Bild x ⊗ (y ⊗ z). Um diesem Problem entgegenzutreten, verwendet man standardm¨aßig die universelle Eigenschaft des Tensorprodukts. F¨ ur z ∈ P starten wir zun¨achst mit gz : M × N → M ⊗R (N ⊗R P ), gz (x, y) = x⊗(y⊗z). Dies ist eine wohldefinierte bilineare Abbildung, so daß es fx : M ⊗N → M ⊗R (N ⊗R P ) mit fz (x⊗y) = x⊗(y⊗z) gibt. Nun sei g : (M ⊗R N )×P → M ⊗R (N ⊗R P ), g(x⊗y, z) = fz (x⊗y) = x⊗(y⊗z). Dies ist ebenfalls eine wohldefinierte, bilineare Abbildung. Damit erhalten wir schließlich den Homomorphismus f : (M ⊗R N ) ⊗R P → M ⊗R (N ⊗R P ) mit (x ⊗ y) ⊗ z → x ⊗ (y ⊗ z). Analoge Argumente zeigen die Existenz eines Homomorphismus f ′ : M ⊗R (N ⊗R P ) → (M ⊗R N ) ⊗R P mit x ⊗ (y ⊗ z) → (x ⊗ y) ⊗ z. Da es bei den Elementen um Erzeugende der Tensorprodukte handelt, ergibt sich f ◦ f ′ = id und f ′ ◦ f = id. Ein im Prinzip gleicher, aber kompakterer Beweis kann mit Hilfe des Lemmas von Yoneda gef¨ uhrt werden (siehe S. 208). Das geht wie folgt: HomR ((M ⊗R N ) ⊗R P, ·) ∼ = HomR (M ⊗R N, HomR (P, ·)) ∼ = HomR (M, HomR (N, HomR (P, ·))) ∼ = HomR (M, HomR (N ⊗R P, ·)) ∼ = HomR (M ⊗R (N ⊗R P ), ·).
Also gilt auch (M ⊗R N ) ⊗R P ∼ = M ⊗R (N ⊗R P ), und zwar unter (x ⊗ y) ⊗ z 7→ x ⊗ (y ⊗ z), was man durch Nachverfolgen der einzelnen Isomorphismen sehen kann. (ii): Geht analog zu (i) (direkt und mit Lemma von Yoneda). ` ` (iii): Wir definieren die bilineare Abbildung g : ( i Mi ) × N → i (Mi ⊗ N ) P P durch (( i xi ), y) 7→ i (xi ⊗ y), wobei wir die direkte Summeneigenschaft von ` ` Mi verwenden. Daraus erhalten wir den Homomorphismus f : ( i Mi ) ⊗ N → i P P ` i xi ) ⊗ y 7→` i (xi ⊗ y). Umgekehrt definieren wir die bilineare i (Mi ⊗ N ) mit ( Abbildung gi′ : Mi × N → ( i Mi ) ⊗ N durch (xi , y) 7→ xi ⊗ y und erhalten ` den Homomorphismus fi′ : Mi ⊗ N → ( i Mi ) ⊗ N mit xi ⊗ y 7→ xi ⊗ y. Die universelle Eigenschaft der direkten Summe angewendet auf die fi′ liefert jetzt P ` ` einen Homomorphismus f ′ : i (Mi ⊗ N ) → ( i Mi ) ⊗ N mit i (xi ⊗ y) 7→ P ur f und f ′ schreiben die Bilder von ( i xi ) ⊗ y. Die Abbildungsvorschriften f¨ Erzeugendensystemen vor. Es ergibt sich f ◦ f ′ = id und f ′ ◦ f = id. Die Aussage (iii) wird in Satz 9.5 noch einmal in allgemeinerer Form bewiesen. (iv): Seien f1 : M → N und f2 : N → P die Homomorphismen aus der exakten Sequenz und g1 : M ⊗R Q → N ⊗R Q und g2 : N ⊗R Q → P ⊗R Q
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9.1. TENSORPRODUKTE
die zugeh¨origen, tensorierten Homomorphismen. Die Aussage 0 ⊗R Q = 0 wird in Lemma 9.6, (i) bewiesen. Wir zeigen zuerst, daß g2 surjektiv ist. Jedes Element aus P ⊗R Q ist eine endliche Summe von Elementen der Form p ⊗ q. Daher gen¨ ugt es zu zeigen, daß jedes dieser Elemente im Bild von g2 liegt. Zu p ∈ P gibt es aber n ∈ N mit f2 (n) = p nach Voraussetzung. Dann gilt g2 (n ⊗ q) = f (n) ⊗ q = p ⊗ q, was zu zeigen war. Dies ergibt die Exaktheit bei P ⊗R Q. Da das Tensorieren der Nullabbildung die Nullabbildung liefert, folgt wegen f2 ◦ f1 = 0 auch g2 ◦ g1 = 0, also im(g1 ) ⊆ ker(g2 ). Sei nun I = im(g1 ) und g2′ : N ⊗R Q/I → P ⊗R Q der nach dem Homomorphiesatz eindeutig bestimmte Homomorphismus mit g2′ (n ⊗ q + I) = g2 (n ⊗ q). Zum Nachweis der Exaktheit bei N ⊗R Q m¨ ussen wir beweisen, daß g2′ injektiv ist. Dazu konstruieren wir einen Homomorphismus h : P ⊗R Q → N ⊗R Q/I mit h ◦ g2′ = id: F¨ ur p ∈ P und ′ q ∈ Q sei n ∈ N mit f2 (n) = p. Wir definieren h : P × Q → N ⊗R Q/I durch h′ (p, q) := n⊗q+I. Dies ist wohldefiniert: F¨ ur n1 , n2 ∈ N mit f2 (n1 ) = f2 (n2 ) = p gilt f2 (n1 − n2 ) = 0, also gibt es m ∈ M mit n1 − n2 = f1 (m). Dann folgt n1 ⊗ q − n2 ⊗ q = (n1 − n2 ) ⊗ q = f1 (m) ⊗ q ∈ I. Außerdem ist h′ bilinear, wie leicht zu sehen ist. Es gibt also einen Homomorphismus h : P ⊗R Q → N ⊗R Q/I mit h(p ⊗ q) = n ⊗ q + I. Nach Konstruktion gilt h ◦ g2′ = id auf der Menge der Elemente der Form n ⊗ q + I und damit auch auf ganz N ⊗R Q/I. Man kann (iv) auch k¨ urzer beweisen. Tensorieren mit Q ist n¨amlich ein linksadjungierter Funktor des Funktors HomR (Q, ·), denn es besteht die nat¨ urliche ¨ Aquivalenz HomR (· ⊗ Q, ·) ∼ = HomR (·, HomR (Q, ·)). ¨ Aufgrund allgemeiner Uberlegungen ist dann Tensorieren mit Q rechtsexakt, es gilt also (iv) (siehe Kapitel 11).
Bei nicht-kommutativen Ringen macht (ii) wenig Sinn, da man sonst die Multiplikationen von links oder rechts oder innen oder außen umordnen muß und leicht durcheinander kommen kann. Die Aussage (iii) ist ein Spezialfall der folgenden Aussage f¨ ur Kolimites von Diagrammen von R-Moduln (siehe Seite 211ff.). 9.5 Satz. Sei N ein R-Modul und D ein Diagramm von R-Moduln. Sei D ⊗R N das Diagramm, welches aus D durch Tensorieren der in D vorkommenden Moduln mit N entsteht. Dann gilt (lim D) ⊗R N ∼ = lim (D ⊗R N ). −→
−→
Das Tensorprodukt und die Kolimesbildung sind also vertauschbar.
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KAPITEL 9. MODULN II
Beweis. Wir zeigen, daß lim (D⊗R N ) ein Tensorprodukt von lim D und N ist. Sei −→
−→
g : (lim D) × N → Q bilinear. F¨ ur jedes Di in D sei ιi : Di → lim D die Injektion. −→ −→ Zur¨ uckziehen entlang ιi liefert bilineare Abbildungen gi : Di ×N → Q, und lineare Abbildungen fi : Di ⊗R N → Q. Da Tensorieren ein Funktor ist, bilden die Di ⊗R N das Diagramm D ⊗R N . Etwas Diagrammjagd und die universelle Eigenschaft von Tensorprodukten zeigt, daß die fi einen Morphismus D ⊗R N → Q bilden. Die universelle Eigenschaft vom Kolimes zeigt, daß es eine lineare Abbildung f : lim (D ⊗R N ) → Q gibt. Die Konstruktionsschritte von f sind jeder f¨ ur −→ sich genommen eindeutig umkehrbar, so daß insbesondere f eindeutig durch g bestimmt ist. F¨ ur Q = lim (D ⊗R N ) erhalten wir die Strukurabbildung h : −→
(lim D) × N → lim (D ⊗R N ) wie in (i) aus der Identit¨at auf lim (D ⊗R N ). −→ −→ −→ Alternativ kann man auch allgemein argumentieren, daß linksadjungierte Funktoren Kolimites in Kolimites u uhren. Das geht unter Verwendung von Satz ?? ¨berf¨ im wesentlichen so: HomR ((lim D) ⊗R N, ·) ∼ = HomR (lim D, HomR (N, ·)) −→
−→
∼ = lim HomR (D, HomR (N, ·)) −→
∼ = lim HomR (D ⊗R N, ·) −→
∼ = HomR (lim (D ⊗R N ), ·). −→
Mit dem Lemma von Yoneda schließt man jetzt (lim D)⊗R N ∼ = lim (D⊗R N ). −→
−→
Hier sind ein paar einfache Formeln, die bei der Berechnung von vorgelegten Tensorprodukten hilfreich sind. 9.6 Lemma. Seien M, N Moduln u ¨ber R. (i) Ist N = Rn frei vom Rang eins, so gilt M ⊗R N ∼ = M unter m ⊗ rn 7→ rm. Ist N = {0}, so gilt M ⊗R N ∼ = {0}. (ii) Sind die mi und nj ein Erzeugendensystem (eine Basis) von M bzw. N , so ist mi ⊗ nj ein Erzeugendensystem (eine Basis) von M ⊗R N . Sind die nj eine Basis von N , so schreibt sich jedes Element aus M ⊗R N P als Summe j xj ⊗ nj mit eindeutig bestimmten xj ∈ M .
(iii) Es gilt (M/I) ⊗R (N/J) ∼ ur Untermoduln = M ⊗R N/(I ⊗ N + M ⊗ J) f¨ I ⊆ M und J ⊆ N unter (m + I) ⊗ (n + J) 7→ (m ⊗ n) + (I ⊗ N + M ⊗ J). P (iv) Es gelte i mi ⊗ ni = 0 f¨ ur mi ∈ M und ni ∈ N , wobei die ni ein Erzeugendensystem von N bilden. Dann gibt es ai,j ∈ R und m′j ∈ M mit P P ur alle j. mi = j ai,j m′j und i ai,j ni = 0 f¨
9.1. TENSORPRODUKTE
167
Beweis. (i): Sei N = Ry und h : M × N → M die durch (x, ry) 7→ rx definierte, bilineare Abbildung. Jede bilineare Abbildung f : M × N → P liefert mit x 7→ f (x, y) eine lineare Abbildung g : M → P mit f = g ◦ h, wobei g wegen der Surjektivit¨at von h eindeutig bestimmt ist. Die Eindeutigkeit des Tensorprodukts ergibt M ∼ = M ⊗R N . Bilineare Abbildungen auf M × {0} sind alles Nullabbildungen, entsprechen also den linearen Abbildungen auf {0}. Mit der bilinearen Abbildung h : M × {0} → {0} liefert eine a¨hnliche Schlußweise wie eben {0} ∼ = M ⊗R {0}. P P P (ii): F¨ ur v = i λi mi und w = j µj nj gilt v ⊗ w = i,j λi µj (mi ⊗ nj ). Da jedes Element in M ⊗R N eine Summe von Elementen der Form v ⊗ w ist, folgt die Aussage u ¨ber die Erzeugendensysteme. Sei N frei mit Basis nj . Aus N = ⊕j Rnj folgt M ⊗R N ∼ Rnj ) ∼ = ⊕j (M ⊗RP = ⊕j M nach Satz 9.4, (ii) und nach (i). Unter den Isomorphismen wird j xj ⊗ nj mit xj ∈ M auf das Element von ⊕j M abgebildet, welches xj an der j-ten P Koordinate enth¨alt. Die xj sind also durch das Element j xj ⊗ nj eindeutig bestimmt. Dies zeigt die zweite Aussage in (ii). Ferner bilden hier die mi ⊗ nj eine Basis des j-ten Komponentenmodul M , so daß mi ⊗ nj f¨ ur i, j eine Basis von M ⊗R N ist. (iii): Ergibt sich durch dreimalige Anwendung von Satz 9.4, (iii): Im folgenden sind die angegebenen Untermoduln“ geeignet einzubetten. Es gilt M/I ⊗ N/J ∼ = ” ∼ (M/I⊗N )/(M/I⊗J) (tensorieren mit M/I⊗−) und M/I⊗N = (M ⊗N )/(I⊗N ) (tensorieren mit − ⊗ N ) und M/I ⊗ J ∼ = (M ⊗ J)/(I ⊗ J) (tensorieren mit ∼ − ⊗ J). Wir erhalten M/I ⊗ N/J = ((M ⊗ N )/(I ⊗ N ))/((M ⊗ J)/(I ⊗ J)) ∼ = (M ⊗ N )/(I ⊗ N + M ⊗ J), was zu zeigen war. Eine bilineare Abbildung auf (M/I) × (N/J) entspricht den bilinearen Abbildungen auf M × N , welche auf I × N und M × J Null sind, und diese wiederum entsprechen den linearen Abbildungen auf M ⊗ N , deren Kern I ⊗ N + M ⊗ J enth¨alt. Dies verdeutlicht ebenfalls M/I ⊗ N/J ∼ = M ⊗ N/(I ⊗ N + M ⊗ J). P P P ′ (iv): Gibt es solche Elemente ai,j und mi , so folgt i mi ⊗ni = i ai,j m′j ⊗ j P P ni = j m′j ⊗ i ai,j ni = 0. F¨ ur die R¨ uckrichtung sei V frei und f : V → N surjektiv, so daß ni = f (gi ) f¨ ur eine Basis gi von V gilt. Die Sequenz U → V → N → 0 mit U = ker(f ) ist exakt. Aufgrund von Theorem 9.4, (iii) ist damit auch die Sequenz M ⊗R U → P M ⊗R V → M ⊗R N → 0 exakt. Weil das Element i mi ⊗ gi auf Null abgebildet wird, gibt es aufgrund der Exaktheit bei V Elemente m′j ∈ M und yj ∈ U P P ′ P mit = a g . Nach dem j ⊗ yj . Seien ai,j ∈ R mit yj i mi ⊗ gi = j mP P ′ P Pi i,jPi Beweis von (ii) folgt aus i mi ⊗ gi = j mj ⊗ ai,j gi = i ai,j m′j ⊗ gi i j P durch Koeffizientenvergleich, daß j ai,j m′j = mj ist. Schließlich gilt 0 = f (yj ) = P ur alle j. i ai,j ni f¨
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KAPITEL 9. MODULN II
Die Aussage (iv) f¨ uhrt das Rechnen in Tensorprodukten auf lineare Algebra zur¨ uck. Die Definition des Tensorprodukts ist daf¨ ur nicht besonders geeignet. Die ai,j k¨onnen nach dem Beweis als Strukturkonstanten“ gew¨ahlt werden. ” Ist R ein Ring und I ein Ideal, so gilt I ⊗R R ∼ = I nach (i), denn wegen 1 ∈ R ist R ein freier R-Modul vom Rang eins. Nach (iii) ergibt sich damit speziell ur Ideale I, J von R. (R/I) ⊗R (R/J) ∼ = R/(I + J) f¨ ∼ Ein paar Beispiele: Z⊗Z Z = Z, Z2 ⊗Z Z3 ∼ = Z/2Z = Z6 . Weiter Z/6Z⊗Z Z/10Z ∼ ∼ ∼ ¨ nach der eben gemachten Bemerkung. Ahnlich Z/3Z ⊗ 7Z = Z/3Z ⊗ Z = Z/3Z. Es gilt auch 1 ⊗ 3 = 3 ⊗ 1 = 0 ⊗ 1 = 0. Mit diesen Beispielen und Satz 9.4, (ii) kann man Tensorprodukte von endlich erzeugten Moduln u ¨ber Hauptidealringen nach Satz 4.27 leicht berechnen. 9.7 Satz. Sei M ein R-Modul und I ⊆ R ein Ideal. Dann gilt (R/I) ⊗R M ∼ = M/IM unter der Abbildung (r + I) ⊗ m 7→ rm + IM . Beweis. Wir tensorieren die exakte Sequenz 0 → I → R → R/I → 0 u ¨ber R mit M und erhalten nach Lemma 9.4, (iii) und Lemma 9.6, (i) die exakte Sequenz I ⊗R M → M → (R/I) ⊗R M → 0. Das Bild von I ⊗ M in M ist hierbei IM . Die Aussage u ¨ber die Abbildung ergibt sich durch Nachverfolgen der einzelnen Abbildungen in den exakten Sequenzen.
9.2
Induzierte und koinduzierte Moduln
Ist M ein R-Modul und f : R → S ein Ringhomomorphismus (also S eine RAlgebra), dann ist S auch ein R-Modul und wir k¨onnen S ⊗R M als R-Modul definieren. Durch s(x ⊗ m) = (sx) ⊗ m k¨onnen wir S ⊗R M zu einem S-Modul machen. Dies erlaubt es, den Ring eines Moduls zu wechseln. Eine formalere Begr¨ undung dieser Konstruktion lautet wie folgt. Durch (s1 , s2 , m) 7→ (s1 s2 ) ⊗ m wird eine 3-lineare Abbildung S × S × M → S ⊗R M definiert. Dies liefert eine lineare Abbildung S ⊗R (S ⊗R M ) → S ⊗R M und damit eine bilineare Abbildung S × (S ⊗R M ) → S ⊗R M , (s1 , s2 ⊗ m) 7→ (s1 s2 ) ⊗ m. Eine alternative Konstruktion, welche aus M einen S-Modul macht, geht wie folgt: Wir betrachten die abelsche Gruppe HomR (S, M ) und machen diese f¨ ur f ∈ HomR (S, M ) durch (s · f )(x) := f (sx) in einen S-Modul. Wir bezeichnen S ⊗R M als den entlang f induzierten Modul von M und HomR (S, M ) als den entlang f koinduzierten Modul von M . Die Zuordnungen M 7→ S ⊗R M und M 7→ HomR (S, M ) liefern Funktoren der Kategorie der RModuln in die Kategorie der S-Moduln.
9.2. INDUZIERTE UND KOINDUZIERTE MODULN
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Wir k¨onnen beide Prozesse in gewissem Sinne auch wieder r¨ uckg¨angig machen. Ist N ein S-Modul, so k¨onnen wir N auch als R-Modul mittels r · x := f (r)x f¨ ur x ∈ N auffassen. Diesen Modul bezeichnen wir mit N |R . Die Zuordnung N 7→ N |R liefert einen Funktor der Kategorie der S-Moduln in die Kategorie der R-Moduln. 9.8 Satz. Sei f : R → S ein Ringhomomorphismus, M ein R-Modul und N ein S-Modul. Dann gibt es in M und N funktorielle Isomorphieen abelscher Gruppen HomS (S ⊗R M, N ) ∼ = HomR (M, N |R ) HomS (N, HomR (S, M )) ∼ = HomR (N |R , M ). Beweis. (Skizze) Die Menge HomS (S ⊗R M, N ) kann als Menge von R-bilinearen Abbildungen φ : S × M → N angesehen werden, f¨ ur die zus¨atzlich φ(s × m) = sφ(1 × m) gilt. So ein φ wird allerdings durch die R-lineare Abbildung ψ(m) = φ(1 × m) definiert, welche ein Element in HomR (M, N |R ) ist. Diese Zuordung ist auch umkehrbar. Daraus ergibt sich die erste Isomorphie. Die zweite Isomorphie ist wie folgt gegeben. Sei f ∈ HomS (N, HomR (S, M )). Dann ist das isomorphe Bild g ∈ HomR (N |R , M ) von f durch g(x) = f (x, 1) gegeben. Ist g ∈ HomR (N |R , M ), so erhalten wir das isomorphe Urbild f ∈ HomS (N, HomR (S, M )) von g durch f (x, s) = g(sx). Man pr¨ uft leicht nach, daß hierdurch ein Isomorphismus gegeben wird. ( Der Satz besagt, daß M 7→ S ⊗R M linksadjungierter Funktor zum rechtsadjungierten Funktor N 7→ N |R ist, und daß M 7→ HomR (S, M ) rechtsadjungierter Funktor zum linksadjungierten Funktor N 7→ N |R ist. Speziell ist M 7→ S ⊗R M damit rechtsexakt, M 7→ HomR (S, M ) linksexakt und N → N |R exakt.) Sei S eine R-Algebra, M ein S-Modul und N ein R-Modul. Dann wird M |R ⊗R N verm¨oge s(m ⊗ n) := (sm ⊗ n) zu einem S-Modul, den wir mit M ⊗R N bezeichnen. Dies ist im allgemeinen ein von S ⊗R (M |R ⊗R N ) verschiedener SModul. 9.9 Satz. Sei S eine R-Algebra, M ein S-Modul und N ein R-Modul. Dann gilt M ⊗S (S ⊗R N ) ∼ = M ⊗R N als S-Moduln unter m ⊗ (s ⊗ n) 7→ (sm) ⊗ n. Die Isomorphie ist zudem funktoriell in M und N . ¨ Beweis. Ahnlich wie bei der Assoziativit¨at des Tensorprodukts. Die Abbildung (m, s, n) 7→ (sm) ⊗ n ist R-bilinear in s und n und S-bilinear in m und s. Daher gibt es den S-Homomorphismus m ⊗ (s ⊗ n) 7→ (sm) ⊗ n. Umgekehrt ist (m, n) 7→
170
KAPITEL 9. MODULN II
m ⊗ (1 ⊗ n) in m und n R-bilinear und in m S-linear. Daher gibt es den SHomomorphismus m ⊗ n 7→ m ⊗ (1 ⊗ n). Die beiden S-Homomorphismen sind invers zueinander, was die Isomorphie beweist. Die Funktorialit¨at in M und N ergibt sich aus der konkreten Form der Isomorphie zusammen mit den funktoriellen Eigenschaften des Tensorprodukt. Die Funktoren Tensorieren“ und Induzieren“ vertauschen also in dem im ” ” Satz angegebenen Sinn. Hier ist noch ein Vergleich induzierter und koinduzierter Moduln f¨ ur R-Algebren S, welche als R-Modul frei von endlichem Rang sind. 9.10 Satz. Ist die R-Algebra S als R-Modul frei von endlichem Rang und M ein R-Modul, so gibt es eine Isomorphie von S-Moduln S ⊗R M ∼ = HomR (S, M ). ¨ Beweis. Ubung.
9.3
Lokalisierungen
Sei M ein R-Modul und U eine multiplikativ abgeschlossene Teilmenge mit 1 ∈ U von R. Wir definieren die Lokalisierung M [U −1 ] genau wie R[U −1 ] als die Menge der formalen Br¨ uche m/u f¨ ur m ∈ M und u ∈ U , wobei m1 /u1 = m2 /u2 genau dann gelten soll, wenn es ein v ∈ U mit vm1 u2 = vm2 u1 gibt. Unter Verwendung der u ¨blichen Bruchrechentechnik wird M [U −1 ] ein R[U −1 ]-Modul. Die Elemente u/1 mit u ∈ U sind Einheiten in R[U −1 ], da (u/1)(1/u) = 1 gilt. Wir erhalten auch eine R-lineare Abbildung h : M → M [U −1 ], m 7→ m/1. Der Kern von h besteht genau aus allen denjenigen m ∈ M , f¨ ur die es ein u ∈ U mit um = 0 gibt. 9.11 Satz. Sei M ein R-Modul und U ⊆ R multiplikativ abgeschlossen. Dann gilt R[U −1 ] ⊗R M ∼ = M [U −1 ] unter der Abbildung (r/u) ⊗ m 7→ (rm)/u. Beweis. Sei h : R[U −1 ] × M → M [U −1 ] die Multiplikationsabbildung r/u × m 7→ (rm)/u und f : R[U −1 ] ⊗R M → M [U −1 ] der zugeh¨orige R-lineare Homomorphismus (ist auch R[U −1 ]-linear). Es ist offensichtlich, daß h und f surjektiv sind. P Zum Beweis der Injektivit¨at von f sei f ( i (ri /ui ) ⊗ mi ) = 0 mit ri ∈ R, ui ∈ U P und mi ∈ M beliebig. Es gibt u ∈ U und m ∈ M mit i (ri /ui ) ⊗ mi = (1/u) ⊗ m ((ri /ui ) ⊗ mi = (1/ui )(1 ⊗ ri mi ) schreiben, ausklammern und auf Hauptnen” ner“ bringen). Da u in R[U −1 ] eine Einheit ist, folgt aus f ((1/u) ⊗ m) = 0
9.3. LOKALISIERUNGEN
171
durch Multiplikation mit u bereits uf ((1/u)(1 ⊗ m)) = f (u(1/u)(1 ⊗ m)) = f (1 ⊗ m) = m/1 = 0 in M [U −1 ]. Es gibt also v ∈ U mit vm = 0 und daher v(1 ⊗ m) = 1 ⊗ (vm) = 1 ⊗ 0 = 0. Da v in R[U −1 ] eine Einheit ist, gilt 1 ⊗ m = 0 und auch (1/u) ⊗ m = 0 in R[U −1 ] ⊗R M . Lokalisieren entspricht also dem Tensorieren mit R[U −1 ] u ¨ber R und ist damit ein Funktor. Zu einem Homomorphismus f : M → N gibt es also einen Homomorphismus g : M [U −1 ] → N [U −1 ]. 9.12 Satz. Sei 0 → I → M → N eine exakte Sequenz. Dann ist auch die zugeh¨orige, lokalisierte Sequenz 0 → I[U −1 ] → M [U −1 ] → N [U −1 ] exakt. Beweis. Seien f1 : I → M und f2 : M → N die Homomorphismen aus der exakten Sequenz und seien g1 : I[U −1 ] → M [U −1 ] und g2 : M [U −1 ] → N [U −1 ] die zugeh¨origen lokalisierten Homomorphismen. Wir zeigen zuerst, daß g1 injektiv und die Sequenz somit bei I[U −1 ] exakt ist. Ist m/u ∈ ker(g1 ), so gilt g1 (m/u) = f1 (m)/u = 0 und daher gibt es ein v ∈ U mit vf1 (m) = 0. Es folgt f1 (vm) = 0 und wegen der Injektivit¨at von f1 auch vm = 0. Somit gilt m/u = 0 und die Sequenz ist bei I[U −1 ] exakt. F¨ ur jeden Monomorphismus φ : I → M ist die Sequenz 0 → I → M → M/φ(M ) mit der Nullabbildung, φ und dem kanonischen Epimorphismus exakt. Nach dem vorhergehenden Absatz u uhrt Lokalisieren also Monomorphismen ¨berf¨ in Monomorphismen. Die Exaktheit bei M [U −1 ] folgt jetzt allgemein aus der Rechtsexaktheit des Lokalisierens bzw. des Tensorprodukts. Wir k¨onnen f2 in der Form i ◦ f2′ mit f2′ : M → f2 (M ) und i : f2 (M ) → N schreiben. Seien g2′ : M [U −1 ] → f2 (M )[U −1 ] und j : f2 (M )[U −1 ] → N [U −1 ] die lokalisierten Homomorphismen. Dann gilt wegen der Funktoreigenschaft des Lokalisierens bzw. des Tensorprodukts g2 = j ◦ g2′ . Mit i ist auch j nach dem bereits Bewiesenen ein Monomorphismus. Also folgt ker(g2′ ) = ker(g2 ). Die exakte Sequenz I → M → f2 (M ) → 0 mit f1 , f2′ und der Nullabbildung geht wegen der Rechtsexaktheit des Tensorprodukts in die exakte Sequenz I[U −1 ] → M [U −1 ] → f2 (M )[U −1 ] → 0 mit g1 , g2′ und der Nullabbildung u ¨ber. Also gilt ker(g2 ) = ker(g2′ ) = im(g1 ) und wir erhalten die Exaktheit unserer Ausgangssequenz bei M . Satz 9.12 und Satz 9.4, (iii) bedeuten, daß Lokalisieren ein exakter Funktor ist. Ein exakter Funktor erh¨alt Kerne und Kokerne. Hier ist eine Anwendung des Lokalisierens: Nach der obigen Aussage u ¨ber den Kern der Lokalisierungsabbildung h kann ein torsionsfreier Modul M u ¨ber einem Integrit¨atsring R in den Vektorraum Quot(R) ⊗R M eingebettet werden.
172
KAPITEL 9. MODULN II
Bei der Untersuchung von solchen Moduln M k¨onnen wir also bei Bedarf auf einen umgebenden Vektorraum zur¨ uckgreifen. Sei M ein R-Modul und p ein Primideal von R. Sei U = R\p. Wir definieren dann die Lokalisierung von M bei p als Mp = M [U −1 ]. Dies ist ein Rp-Modul. Ist N ein weiterer R-Modul und φ : M → N ein Homomorphismus, so erhalten wir durch Lokalisieren den Homomorphismus φp : Mp → Np. F¨ ur f ∈ R sei U = {f i | i ∈ Z≥0 }. Wir definieren die Lokalisierung von M an f als Mf = M [U −1 ]. Dies ist ein Rf -Modul, wobei Rf = R[U −1 ]. Ist N ein weiterer R-Modul und φ : M → N ein Homomorphismus, so erhalten wir durch Lokalisieren den Homomorphismus φf : Mf → Nf . 9.13 Satz. Sei M ein R-Modul. (i) F¨ ur m ∈ M ist m = 0 genau dann, wenn m/1 = 0 in Mm f¨ ur jedes maximale Ideal m von R gilt. (ii) Es ist M = 0 genau dann, wenn Mm = 0 f¨ ur jedes maximale Ideal m von R gilt. Sei φ : M → N ein Homomorphismus der R-Moduln M und N und sei E eine der Eigenschaften Isomorphismus“, Monomorphismus“, Epimorphismus“. Seien ” P ” ” fi , gi ∈ R mit 1 = i fi gi . Dann sind ¨aquivalent: (iii) Der Homomorphismus φ besitzt die Eigenschaft E.
(iv) Die Homomorphismen φfi besitzen die Eigenschaft E. (v) Die Homomorphismen φm besitzen die Eigenschaft E f¨ ur alle maximalen Ideale m von R. Beweis. (i): Das Element m/1 ist genau dann Null in Mm, wenn es ein u ∈ R\m mit um = 0 gibt, und dies ist ¨aquivalent zur Bedingung AnnR (m) 6⊆ m. Nun gilt m = 0 genau dann, wenn AnnR (m) = R ist, und dieses gilt genau dann, wenn AnnR (m) 6⊆ m f¨ ur alle maximalen Ideale m gilt. (ii): Folgt aus (i). (iii) ⇒ (iv): Klar, da Lokalisieren an fi ein exakter Funktor ist. (iv) ⇒ (v): F¨ ur jedes m gibt es ein fi mit fi ∈ R\m, da das von den fi erzeugte Ideal ganz R ist. Sei m′ das von m in Rfi erzeugte, maximale Ideal. Dann gilt φm = (φfi )m′ und die Aussage folgt, da Lokalisieren bei m′ ein exakter Funktor ist. (v) ⇒ (iii): Sei E = Monomorphismus“. Der Homomorphimus φ ist genau ” dann ein Monomorphismus, wenn ker(φ) = 0 gilt. Da Lokalisieren Kerne in Kerne
9.4. FLACHE MODULN
173
u uhrt, gilt 0 = ker(φm) = ker(φ)m f¨ ur alle maximalen Ideale m, also ker(φ) = 0 ¨berf¨ nach (ii). Sei E = Epimorphismus“. Der Homomorphimus φ ist genau dann ein Epi” morphismus, wenn coker(φ) = 0 gilt. Da Lokalisieren Kokerne in Kokerne u uhrt, ¨berf¨ gilt 0 = coker(φm) = coker(φ)m f¨ ur alle maximalen Ideale m, also coker(φ) = 0 nach (ii). Die Aussage f¨ ur E = Isomorphismus“ folgt aus der f¨ ur Monomorphismus“ ” ” und Epimorphismus“. ”
9.4
Flache Moduln
Ist I ⊆ R ein Ideal, so motivieren Satz 9.7 und Satz 9.11 auch die Formel I ⊗R M ∼ = IM , wobei der Isomorphismus durch die Multiplikationsabbildung i ⊗ m 7→ im gegeben sein sollte. Dies ist jedoch im allgemeinen falsch, die Abbildung ist zwar immer surjektiv (wegen der Rechtsexaktheit des Tensorprodukts, oder auch direkt einsichtig), aber nicht unbedingt injektiv. F¨ ur I = Ra gilt zum ∼ ∼ Beispiel I ⊗R (R/I) = R ⊗R (R/I) = R/I, aber I(R/I) = {0}. Insbesondere ist das Bild von I ⊗R (R/I) in R ⊗R (R/I) gleich Null, denn in R ⊗R (R/I) gilt ra ⊗ x = r ⊗ ax = r ⊗ 0 = 0. Man mache sich klar, daß man in I ⊗R (R/I) so nicht rechnen kann und vergleiche mit dem Kriterium in Lemma 9.6, (iv). Die injektive Abbildung I → R wurde also durch Tensorierung mit R/I in eine nicht injektive Abbildung u uhrt (nach Satz 9.4, (iii) kann dies mit surjektiven Abbildun¨berf¨ gen nicht passieren). Dieses Verhalten wird zum Anlaß der folgenden Definition genommen. 9.14 Definition. Sei M ein R-Modul. Dann heißt M flach, wenn injektive Abbildungen zwischen beliebigen R-Moduln durch Tensorieren mit M wieder in injektive Abbildungen u uhrt werden. ¨berf¨ Anders ausgedr¨ uckt: M heißt flach, wenn Tensorieren mit M ein exakter Funktor ist. ¨ Die Aquivalenz der beiden Definitionsvarianten in Definition 9.14 folgt aus der Rechtsexaktheit des Tensorprodukts. 9.15 Satz. Ein R-Modul M ist genau dann flach, wenn die Multiplikationsabbilur alle Ideale I von R dung i ⊗ m 7→ im einen Isomorphismus I ⊗R M ∼ = IM f¨ ergibt. Beweis. Wird ausgelassen. P Ein Ausdruck i λi mi in IM mit λi ∈ I und mi ∈ M soll also genau dann Null sein, wenn dies aufgrund R-bilinearer Relationen der Fall ist. Der Modul IM
174
KAPITEL 9. MODULN II
soll in diesem Sinn also keine Relationen außer den Relationen der Bilinearit¨at zwischen I und M enthalten. Wir verwenden diesen Satz aber nicht weiter. Ist U ein Untermodul und direkter Summand des R-Moduls M , so erhalten wir durch Tensorieren der Inklusion U → M mit einem R-Modul N stets eine Inklusion U ⊗R N → M ⊗R N . Denn nach Lemma 9.4, (ii) erhalten wir f¨ ur V ∼ mit M = U ⊕ V einen Isomorphismus (U ⊗R N ) ⊕ (V ⊗R N ) → M ⊗R N , dessen Einschr¨ankung auf U ⊗R N gerade unsere Abbildung U ⊗R N → M ⊗R N ergibt. Grob gesagt verlieren beliebige Monomorphismen U → M durch Tensorieren mit N ihre Injektivit¨at genau dann, wenn Elemente x ∈ U durch Einbetten nach M zu Vielfachen x = ry mit y ∈ M und r ∈ R werden, wobei y nicht im Bild von U in M und r im Annulator von Elementen n aus N liegt. Genauer sind x, y durch xi , yi und r durch eine Matrix (ri,j )i,j und n durch nj zu ersetzen. Vergleiche mit dem Kriterium aus Lemma 9.6, (iv). 9.16 Definition. Ist S eine R-Algebra und ist S als R-Modul flach, so nennen wir S eine flache R-Algebra. Ist f : R → S ein Ringhomomorphismus, so nennen wir f flach, wenn die zugeh¨orige R-Algebra S flach ist. 9.17 Satz. Es gelten die folgenden Aussagen: (i) F¨ ur die R-Moduln Mi ist M = flach ist.
`
i
Mi genau dann flach, wenn jedes Mi
(ii) Sind M und N flache R-Moduln, dann ist auch M ⊗R N ein flacher RModul. (iii) Ist S eine R-Algebra und N ein flacher R-Modul, so ist S ⊗R N ein flacher S-Modul. (iv) Ist S eine flache R-Algebra und N ein flacher S-Modul, so ist N |R ein flacher R-Modul. Beweis. (i): Sei h : N → P ein Homomorphismus. Durch Tensorieren erhalten wir f : N ⊗R M → P ⊗R M und fi : N ⊗R Mi → P ⊗R Mi . Nach Lemma 9.4, (ii) ` ` gilt N ⊗R M ∼ = i (P ⊗R Mi ). Fassen wir damit = i (N ⊗R Mi ) und P ⊗R M ∼ die N ⊗R Mi und P ⊗R Mi als Untermoduln von N ⊗R M und P ⊗R M auf, so stimmen f eingeschr¨ankt auf N ⊗R Mi und fi u ¨berein. Dann ist f genau dann injektiv, wenn alle fi injektiv sind, und dies beweist die Aussage. (ii): Tensorieren mit M ⊗R N entspricht Tensorieren mit M und anschließend Tensorieren mit N . Da · ⊗R M und · ⊗R N exakt sind, ist auch · ⊗R (M ⊗R N ) exakt.
9.5. FREIE MODULN
175
(iii): Tensorieren u ¨ber S mit S ⊗R N ist nach Satz 9.9 das gleiche wie Tensorieren u ¨ber R mit N . Da N flach ist, ist Tensorieren u ¨ber R mit N exakt. Also ist Tensorieren u ¨ber S mit S ⊗R N ebenfalls exakt. (iv): Sei M ein R-Modul. Nach Satz 9.9 gilt dann (mit M und N vertauscht) die in M funktorielle Isomorphie M ⊗R N ∼ = (M ⊗R S) ⊗S N als S-Moduln und somit auch als R-Moduln. Nach Voraussetzung sind · ⊗R S und · ⊗S N exakt, also ist auch · ⊗R N exakt. Als Beispiel zu (i) sind alle freien R-Moduln flach, da R als R-Modul flach ist. Ein endlich erzeugter Modul u ¨ber einem Hauptidealring ist damit nach Satz 4.28, (ii) genau dann flach, wenn er torsionsfrei ist. Nach Satz 9.12 ist eine Lokalisierung R[U −1 ] als R-Modul stets flach. Ein R-Modul M heißt endlich pr¨asentiert, wenn es einen Epimorphismus Rn → M mit n < ∞ und endlich erzeugtem Kern gibt. Sei f : R → S ein Ringhomomorphismus, so daß S eine R-Algebra wird, und seien M , N zwei R-Moduln. Tensorieren mit S u ¨ber R liefert einen RHomomorphismus HomR (M, N ) → HomS (S ⊗R M, S ⊗R N ) mit f 7→ id ⊗ f . Da der Wertebereich ein S-Modul ist, faktorisiert dieser Homomorphismus nach Satz 9.8 eindeutig durch den S-Homomorphismus φ : S ⊗R HomR (M, N ) → HomS (S ⊗R M, S ⊗R N ) mit s ⊗ f 7→ s(id ⊗ f ). 9.18 Satz. Sei S als R-Modul flach und M endlich pr¨asentiert. Dann liefert φ einen Isomorphismus S ⊗R HomR (M, N ) ∼ = HomS (S ⊗R M, S ⊗R N ). Beweis. Soll noch eingegeben werden. Eine spezielle Anwendung des Satzes ergibt sich f¨ ur S = R[U −1 ], so daß wir −1 ∼ mit φ einen Isomorphismus HomR (M, N )[U ] = HomR[U −1 ] (M [U −1 ], N [U −1 ]) erhalten. Beispielsweise gibt es damit f¨ ur jeden Homomorphismus f : M [U −1 ] → N [U −1 ] ein u ∈ U und g : M → N mit uf (m) = g(m) in N [U −1 ] f¨ ur alle m ∈ M . Es kann also aus der Existenz von Homomorphismen lokalisierter Moduln in gewisser Weise auf die Existenz von Homomorphismen der Ausgangsmoduln geschlossen werden.
9.5
Freie Moduln
In diesem Abschnitt diskutieren wir ein paar weitere Aspekte und Eigenschaften freier Moduln.
176
KAPITEL 9. MODULN II
Satz 4.9, (ii) hatte zum Inhalt, daß die Kardinalit¨aten beliebiger Basen eines R-Moduls f¨ ur einen kommutativen Ring R u ur nicht kommuta¨bereinstimmen. F¨ tive Ringe ist dies im allgemeinen nicht richtig. Sei zum Beispiel V ein unendlich dimensionaler K-Vektorraum. Dann gibt es einen Isomorphismus f : V ⊕ V → V . Wir bezeichnen mit ι1 , ι2 : V → V ⊕ V die Einbettung in den ersten bzw. zweiten Summand. Wir erhalten Vektorraumisomomorphismen EndK (V ) ∼ = HomK (V ⊕ ∼ V, V ) durch g 7→ g ◦ f und HomK (V ⊕ V, V ) = EndK (V ) × EndK (V ) durch h 7→ (h ◦ ι1 , h ◦ ι2 ). Mit R = EndK (V ) liefert dies zusammen einen Vektorraumisomorphismus ψ : R → R × R. Werden R und R × R in der nat¨ urlichen Weise als R-Moduln aufgefaßt, so ist ψ sogar R-linear: F¨ ur r, g ∈ R gilt rψ(g) = (r ◦ g ◦ f ◦ ι1 , r ◦ g ◦ f ◦ ι2 ) = ψ(rg). Somit besitzt R als R-Modul eine einelementige und eine zweielementige Basis ( Eilenberg Schwindel“). ” Freie Moduln besitzen die folgende Eigenschaft, wie in Satz 4.9, (i) gezeigt wurde: Sei B eine Basis des R-Moduls M und N irgendein weiterer R-Modul. F¨ ur jede Abbildung von Mengen f : B → N gibt es genau ein Element in ¨ HomR (M, N ), welches f fortsetzt. Ahnlich verh¨alt es sich u ¨brigens auch bei Polynomringen (die frei“ erzeugten Ringen entsprechen) und dem Einsetzhomomor” phismus. Hier sind zwei weitere Eigenschaften, die darauf aufbauen. 9.19 Satz. Sei N ein R-Modul. (i) Es gibt einen freien R-Modul M und einen Epimorphimus f : M → N , so daß N ∼ = M/ ker(f ). (ii) Ist M ein freier R-Modul und f : N → M ein Epimorphismus, so gibt es ein g : M → N mit f ◦ g = idM . ` Beweis. (i) : Sei B ein Erzeugendensystem von N und M = b∈B R. Wir deP finieren f durch f ((λb )b∈B ) = b∈B λb b. Dies Isomorphie folgt aus dem ersten Isomorphiesatz. (ii): F¨ ur jedes Basiselement b ∈ B w¨ahlen wir ein Urbild c ∈ f −1 (b) und definieren g0 (b) = c. Dies liefert g0 : B → N und dann g : M → N . Hier sind die zu Satz 9.17 analogen Aussagen f¨ ur frei“ statt flach“. ” ” 9.20 Satz. Es gelten die folgenden Aussagen: ` (i) F¨ ur die R-Moduln Mi ist M = i Mi frei, wenn jedes Mi frei ist.
(ii) Sind M und N freie R-Moduln, dann ist auch M ⊗R N ein freier R-Modul.
(iii) Ist S eine R-Algebra und N ein freier R-Modul, so ist S ⊗R N ein freier S-Modul.
9.6. PROJEKTIVE MODULN
177
(iv) Ist S eine freie R-Algebra und N ein freier S-Modul, so ist N |R ein freier R-Modul. Beweis. (i): Die Vereinigung der Basen der Mi liefert eine Basis von M . (ii) und (iii): Folgen aus Satz 9.4, (iii) und Lemma 9.6, (ii). (iv): Analog wie im Gradsatz: Sind die nj eine S-Basis von N und die si eine R-Basis von S, so sind die si nj eine R-Basis von N . Die Umkehrung der Aussage (i) ist im allgemeinen falsch. Es gibt Ringe R und Ideale I, J von R, so daß R ⊕ R ∼ = I ⊕ J gilt, aber I und J nicht frei sind. Speziell d¨ urfen I, J hier keine Hauptideale sein. Konkrete Beispiele kommen sp¨ater.
9.6
Projektive Moduln
Die Definition von frei“ ben¨otigt explizit Elemente von M . Auf der anderen ” Seite wird in Satz 9.19, (ii) eine n¨ utzliche, elementfreie“ Eigenschaft angegeben. ” Diese macht somit auch in allgemeinerem kategoriellen Rahmen Sinn und man macht sie zur Grundlage einer weiteren Definition. Wie sich herausstellt, ist diese Eigenschaft echt schw¨acher als frei“. ” 9.21 Definition. Sei M ein R-Modul. Dann heißt M projektiv, wenn es f¨ ur jeden R-Modul N und Epimorphismus f : N → M einen Homomorphismus g : M → N mit f ◦ g = idM gibt. Der Homomorphismus g ist wegen f ◦ g = idM injektiv. 9.22 Satz. Sei M ein R-Modul. Dann sind ¨aquivalent. (i) M ist projektiv. (ii) Es gibt einen R-Modul U und einen freien R-Modul N mit M ⊕ U ∼ = N. (iii) Es gibt ein Erzeugendensystem B von M und Koordinatenfunktionale“ P ” λb ∈ HomR (M, R) mit x = b∈B λb (x)b. (iv) Seien N1 , N2 beliebige R-Moduln und f ∈ HomR (N1 , N2 ) ein Epimorphismus. F¨ ur jedes g ∈ HomR (M, N2 ) gibt es ein h ∈ HomR (M, N1 ) mit g = f ◦ h.
Beweis. (i) ⇒ (ii): Nach Satz 9.19, (ii) gibt es einen freien R-Modul N und einen Epimorphismus f : N → M . Wegen (i) gibt es einen Monomorphismus g : M → N mit f ◦ g = idM . F¨ ur den Untermodul U = {x − g(f (x)) | x ∈ N } ⊆
178
KAPITEL 9. MODULN II
ker(f ) gilt dann g(M ) + U = N und g(M ) ∩ U ⊆ g(M ) ∩ ker(f ) = {0}, also N = g(M ) ⊕ U ∼ = M ⊕ U. (ii) ⇒ (iii): Nach (ii) gibt es einen freien R-Modul N , einen Epimorphismus f : N → M mit ker(f ) = U und einen Monomorphismus g : M → N mit f ◦ g = idM . Seien die ai eine Basis von N . Dann sind die bi = f (ai ) ein Erzeugendensystem von M , weil f surjektiv ist. Da die ai eine Basis bilden, gibt es P Koordinatenfunktionale µi ∈ HomR (N, R) mit y = i µi (y)ai f¨ ur alle y ∈ N . Wir definieren λi ∈ HomR (M, R) durch λi (x) = µi (g(x)). Wegen g(bi ) − ai ∈ ker(f ) P P gilt dann g(x − i λi (x)bi ) ∈ g(x) − i µi (g(x))ai + ker(f ) = ker(f ). Wegen P g(M ) ∩ ker(f ) = {0} folgt g(x − i λi (x)bi ) = 0. Da g injektiv ist, ergibt sich P x − i λi (x)bi = 0 und damit (iii). (iii) ⇒ (iv): Sei B ein Erzeugendensystem mit Koordinatenfunktionalen λb f¨ ur b ∈ B wie in (iii). Wir w¨ahlen f¨ ur jedes b ∈ B ein yb ∈ f −1 (g(b)). Dies ist m¨oglich, da f surjektiv ist. Wir definieren dann h ∈ HomR (M, N1 ) durch P h(x) = b λb (x)yb . Nach Definition sind die λb R-linear und f¨ ur fast alle b ∈ B gilt λb (x) = 0. Daher ist h wohldefiniert und ein Element von HomR (M, N1 ). P P P Weiter gilt f (h(x)) = b λb (x)f (yb ) = b λb (x)g(b) = g( b λb (x)b) = g(x), also wie gew¨ unscht f ◦ h = g. (iv) ⇒ (i): Sei f : N → M der Epimorphismus aus (i) bzw. der Definition 9.21. Wir wenden (iv) mit N1 = N , N2 = M und g = idM an und erhalten direkt Aussage (i). Satz 9.22, (iii) ist eine Verallgemeinerung der Aussage f¨ ur freie Moduln M , daß man einen Homomorphismus f : M → N durch seine Werte auf einer Basis von M definieren kann. Ist M ein R-Modul, so ist der Funktor HomR (M, ·) linksexakt. Satz 9.22, (iv) l¨aßt sich damit folgendermaßen umformulieren: 9.23 Korollar. Ein R-Modul M ist genau dann projektiv, wenn der Funktor HomR (M, ·) exakt ist. Beweis. Da HomR (M, ·) linksexakt ist, muß f¨ ur Exaktheit nur noch nachgewiesen werden, daß surjektive Abildungen in surjektive Abbildungen u uhrt werden. ¨berf¨ Das ist aber genau die Aussage von (iv). Hier sind die zu Satz 9.17 analogen Aussagen f¨ ur projektiv“ statt flach“. ” ” 9.24 Satz. Es gelten die folgenden Aussagen: (i) F¨ ur die R-Moduln Mi ist M = projektiv ist.
`
i
Mi genau dann projektiv, wenn jedes Mi
9.7. SATZ VON CAYLEY-HAMILTON UND LEMMA VON NAKAYAMA
179
(ii) Sind M und N projektive R-Moduln, dann ist auch M ⊗R N ein projektiver R-Modul. (iii) Ist S eine R-Algebra und N ein projektiver R-Modul, so ist S ⊗R N ein projektiver S-Modul. (iv) Ist S eine projektive R-Algebra und N ein projektiver S-Modul, so ist N |R ein projektiver R-Modul. Beweis. (i): Folgt direkt aus Satz 9.22, (ii) und Satz 9.20, (i). (ii) und (iii): Folgen aus Satz 9.22, (ii), Satz 9.4, (iii) und Satz 9.20, (ii) und (iii). ¨ (iv): Ahnlich wie im Gradsatz: Seien die nj ein Erzeugendensystem von N mit den Koordinatenfunktionalen λj ∈ HomS (N, S) und die si ein Erzeugendensystem von S mit den Koordinatenfunktionalen µi ∈ HomR (S, R). Dann sind die si mj ein Erzeugendensystem mit den Koodinatenfunktionalen µi ◦ λj ∈ HomR (N, R). Nach Satz 9.22, (iii) ist N als R-Modul also projektiv.
9.7
Satz von Cayley-Hamilton und Lemma von Nakayama
Im folgenden bezeichnet R wieder einen kommutativen Ring mit 1. 9.25 Satz (Cayley-Hamilton). Sei M ein von n Elementen erzeugter R-Modul und I ein Ideal von R. Sei φ ∈ EndR (M ) ein Endomorphismus von M . Gilt Pn i i φ(M ) ⊆ IM, so gibt es ein f = ur i=0 λn−i x ∈ R[x] mit λ0 = 1, λi ∈ I f¨ 0 ≤ i ≤ n und f (φ) = 0 in EndR (M ). Beweis. Seien m1 , . . . , mn Erzeuger von M . Nach Voraussetzung existiert ein Pn A = (ai,j )i,j ∈ I n×n mit φ(mi ) = ur alle 1 ≤ i ≤ n. Verm¨oge j=1 ai,j mj f¨ g(x)m := g(φ)(m) wird M zu einem R[x]-Modul. Dann gilt x(m1 , . . . , mn )t = A(m1 , . . . , mn )t und (xIn −A)(m1 , . . . , mn )t = 0. Durch Multiplikation dieser Gleichung von links mit der Pseudoinversen von xIn −A (siehe Satz 4.10, (ii)) erhalten P wir det(xIn −A)(m1 , . . . , mn )t = 0. Setze f = ni=0 λn−i xi = det(xIn −A) ∈ R[x]. Die mi sind ein Erzeugendensystem von M , es folgt also f M = 0 und damit f (φ) = 0 in EndR (M ). Durch direktes Ausrechnen der Koeffizienten λi von f mittels der Leibnizregel ergibt sich, daß f in der Tat normiert vom Grad n ist und daß λi ∈ I i gilt. 9.26 Definition. Das Jacobsonradikal J von R ist der Schnitt aller maximalen Ideale von R. Das Radikal Rad(R) von R ist der Schnitt aller Primideale von R.
180
KAPITEL 9. MODULN II
Das Radikal von R wird manchmal auch Nilradikal genannt. Das Jacobsonradikal J und das Radikal Rad(R) von R sind Ideale von R. Es gilt J = {r ∈ R | 1 + rs ∈ R× f¨ ur alle s ∈ R} und Rad(R) = {r ∈ R | rn = 0 f¨ ur ein n ∈ Z≥1 }. 9.27 Lemma (Nakayama). Sei M ein endlich erzeugter Modul und I ein Ideal, welches im Jacobsonradikal von R enthalten ist. Gilt M = N + IM f¨ ur einen Untermodul N von M , dann folgt M = N . Beweis. Wir beweisen die Aussage zun¨achst f¨ ur N = 0, es gelte also IM = M . Wir wenden Satz 9.25 auf φ = idM an und erhalten f (x) = xn − g(x) ∈ R[x] mit g ∈ I[x] und f (1)M = 0. F¨ ur r = g(1) gilt also r ∈ I und f (1)M = (1 − r)M = 0. Da r nach Voraussetzung in jedem maximalen Ideal von R enthalten ist, gilt 1 − r ∈ R× . Es folgt M = (1 − r)M = 0. Sei nun M = N + IM . Faktorisieren nach N liefert M/N = I(M/N ), also M/N = 0 und daher M = N . Eine m¨ogliche Anwendung von Lemma 9.27 ist die folgende: Sind die Klassen von n1 , . . . , nm ∈ M ein Erzeugendensystem von M/IM , so sind die n1 , . . . , nm ein Erzeugendensystem von M . Allerdings darf man bei dieser Schlußweise nicht vergessen, daß M als endlich erzeugt vorauszusetzen ist.
9.8
Beziehungen zwischen den Moduleigenschaften und lokal-global Aussagen
Sei M ein R-Modul. F¨ ur a ∈ R sei Ia = {b ∈ R | ab = 0}. Dann ist Ia ein Ideal von R und Ia M ist ein Untermodul von M , der durch a annulliert wird. Wir nennen M im wesentlichen torsionsfrei, wenn f¨ ur jedes a ∈ R\{0} und jedes x ∈ M aus ax = 0 bereits x ∈ Ia M folgt. F¨ ur einen Integrit¨atsring R ist M genau dann im wesentlichen torsionsfrei, wenn M torsionsfrei ist. 9.28 Satz. Sei M ein R-Modul. Dann gilt M frei ⇒ M projektiv ⇒ M flach ⇒ M im wesentlichen torsionsfrei. Beweis. Die erste Implikation folgt direkt aus Satz 9.22, (ii) mit U = {0}. Die zweite Implikation folgt aus Satz 9.22, (ii) und Satz 9.17, (i). Damit ist M als direkter Summand eines freien und damit flachen Moduls selbst flach. F¨ ur die dritte Implikation sei a ∈ R. Dann ist Ia der Kern von R → Ra, x 7→ ax, und es gilt Ra ∼ = M/Ia M . = R/Ia ⊗R M ∼ = R/Ia und Ra ⊗R M ∼ Tensorieren der exakten Inklusionssequenz 0 → Ra → R mit M liefert damit die exakte Sequenz 0 → M/Ia M → M nach Lemma 9.6, (i), wobei der rechte
9.8. BEZIEHUNGEN ZWISCHEN DEN MODULEIGENSCHAFTEN UND LOKAL-GLOBAL AUSSAGEN
181
Monomorphismus durch x + Ia M 7→ ax gegeben ist. Also folgt aus ax = 0 bereits x ∈ Ia M , so daß M im wesentlichen torsionsfrei ist. Wir wollen die Eigenschaften frei“, projektiv“ und flach“ global und lokal ” ” ” vergleichen. 9.29 Definition. Ein R-Modul M heißt lokal frei, wenn Mp ein freier Rp-Modul f¨ ur alle Primideale p von R ist. Analog definieren wir lokal projektiv und lokal flach. 9.30 Lemma. Sei M ein R-Modul. (i) Ein Modul M ist genau dann lokal frei (projektiv, flach), wenn Mm frei (projektiv, flach) f¨ ur alle maximalen Ideale von R ist. (ii) Ein freier (projektiver, flacher) Modul M ist lokal frei (projektiv, flach). Beweis. Wir machen eine Vorbemerkung: Die Aussage (iii) der S¨atze 9.20, 9.24 und 9.17 impliziert, daß die Eigenschaften frei, projektiv und flach unter Lokalisieren erhalten bleiben. (i): F¨ ur jedes Primideal gibt es ein maximales Ideal m, so daß Mp nur eine weitere Lokalisierung von Mm ist. Aus der Vorbemerkung folgt damit die Aussage. (ii): Ergibt sich unmittelbar aus der Vorbemerkung. 9.31 Satz. Sei R ein lokaler Ring und M ein endlich erzeugter R-Modul. Dann gilt M ist frei ⇔ M ist projektiv ⇔ M ist flach. Beweis. Wegen Satz 9.28 ist nur zu zeigen, daß aus M flach bereits M frei folgt. Sei m das maximale Ideal von R und seien x1 , . . . , xn ∈ M , so daß die Klassen x¯i = xi + mM eine Basis des mit M endlich erzeugten R/m-Vektorraums M/mM bilden. Wir zeigen, daß die xi eine Basis von M sind. P Sei N = i Rxi . Dann gilt M = N + mM , und nach dem Lemma 9.27 folgt M = N , also sind die xi ein Erzeugendensystem von M . Zum Beweis der Basiseigenschaft zeigen wir jetzt, daß f¨ ur in M/mM linear unabh¨angige, nicht notwendig erzeugende x¯i die xi linear unabh¨angig in M sind. P Wir schicken wir eine Bemerkung voraus. Seien λi ∈ R mit ni=1 λi xi = 0. Sei Pn Pn I = i=1 Rλi . Dann ist das Bild von i=1 λi ⊗ xi unter dem Homomorphismus P I ⊗R M → R ⊗R M = M gleich ni=1 λi xi = 0. Da die Inklusion I → R injektiv und M flach ist, ist dieser Homomorphismus ebenfalls injektiv und es muß bereits Pn Lemma 9.6, (iv) angewendet f¨ ur N = I gibt es i=1 λi ⊗ xi = 0 gelten. Nach Pm Pn ai,j ∈ R und yj ∈ R mit xi = j=1 ai,j yj und i=1 ai,j λi = 0 f¨ ur alle j.
182
KAPITEL 9. MODULN II
Um aus dieser Vorbemerkung auf die lineare Unabh¨angigkeit der xi zu schließen, verwenden wir Induktion u Anzahl n. F¨ ur n = 1 gelte λ1 x1 = 0. Nach ¨ber ihre Pm der Vorbemerkung gilt dann x1 = j=1 a1,j yj und a1,j λ1 = 0 f¨ ur alle j. Wegen × x1 6∈ mM gibt es ein j mit a1,j 6∈ m. Dann gilt a1,j ∈ R und aus a1,j λ1 = 0 folgt λ1 = 0. P Pn Sei nun n > 1. Nach der Vorbemerkung gilt xi = m j=1 ai,j yj und i=1 ai,j λi = 0 f¨ ur alle j und mit yi ∈ M , ai,j ∈ R. Da xn 6∈ mM ist, gibt es j mit an,j 6∈ m. Also Pn−1 Pn−1 ist an,j ∈ R× und es gilt λn = i=1 (−ai,j /an,j )λi = i=1 bi λi mit bi = −ai,j /an,j . Pn Pn−1 Dann folgt 0 = ¯1 + b1 x¯n , . . . , x¯n−1 + i=1 λi xi = i=1 λi (xi + bi xn ). Die x bn−1 x¯n sind linear unabh¨angig in M/mM . Nach Induktionsvoraussetzung sind x1 , . . . , xn−1 also linear unabh¨angig in M . Daraus folgt λi = 0 f¨ ur 1 ≤ i ≤ n − 1 Pn−1 und λn = i=1 bi λi = 0. Damit sind die x1 , . . . , xn linear unabh¨angig. Die Voraussetzung an die endliche Erzeugung ist notwendig: F¨ ur R = Z(p) ist R zwar lokal und M = Q als R-Modul flach, aber M ist nicht frei. Der folgende Satz enth¨alt den lokal-global Vergleich f¨ ur die Eigenschaft flach“. ” 9.32 Satz. Sei M ein R-Modul. (i) M ist genau dann flach, wenn M lokal flach ist. (ii) Ist M endlich erzeugt, so ist M genau dann flach, wenn M lokal frei ist. Beweis. (i): Die Implikation ⇒ folgt aus Lemma 9.30. F¨ ur die Implikation ⇐ sei M lokal flach. Sei φ : N → P ein Monomorphismus und p ein Primideal. Sei φ1 : N ⊗R M → P ⊗R M . Nach Voraussetzung ist Mp flach u ¨ber Rp. Da Rp flach u ¨ber R ist, ist Mp nach Satz 9.17, (ii) auch flach u ¨ber R. Daher ist φ2 : N ⊗R Mp → P ⊗R Mp ein Monomorphismus. Mit Satz 9.4, (i) und (ii) erhalten wir daraus den Monomorphismus φ3 : (N ⊗R M )⊗R Rp → (P ⊗R M )⊗R Rp, welcher durch Tensorieren von φ1 mit Rp entsteht. Da p beliebig war, ist φ1 nach Satz 9.13 ein Monomorphismus. Also ist M flach. (ii): Ergibt sich aus (i) und Satz 9.31. Wir wollen noch einen lokal-global Vergleich der Eigenschaft projektiv“ an” geben und eine Verbindung zwischen projektiv“ und lokal frei“ herstellen. Dazu ” ” m¨ ussen wir voraussetzen, daß M nicht nur endlich erzeugt, sondern sogar endlich pr¨asentiert ist. Zur Erinnerung: Ein R-Modul M heißt endlich pr¨asentiert, wenn es ein n ∈ ≥1 Z und einen Epimorphismus φ : Rn → M mit endlich erzeugtem Kern gibt. 9.33 Lemma. Sei M ein endlich pr¨asentierter R-Modul. F¨ ur jedes m ∈ Z≥1 und jeden Epimorphismus ψ : Rm → M ist dann ker(ψ) endlich erzeugt.
9.8. BEZIEHUNGEN ZWISCHEN DEN MODULEIGENSCHAFTEN UND LOKAL-GLOBAL AUSSAGEN
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Ist R noethersch und M endlich erzeugt, so ist M endlich pr¨asentiert. Ist M endlich pr¨asentiert und U eine multiplikativ abgeschlossene Teilmenge von R mit 1 ∈ U , so ist auch M [U −1 ] als R[U −1 ]-Modul endlich pr¨asentiert. Beweis. Sei φ : Rn → M ein Epimorphismus mit ker(φ) endlich erzeugt und sei ψ : Rm → M ein weiterer Epimorphismus. Seien (λi,j )j ∈ Rm mit φ(ei ) = ψ((λi,j )j ) und (µj,i )i ∈ Rn mit φ((µj,i )i ) = ψ(ej ) f¨ ur alle 1 ≤ i ≤ n und 1 ≤ n j ≤ m. Seien (us,i )i ∈ R f¨ ur endlich viele s ein Erzeugendensystem von ker(φ). Dann bilden die ((us,i )i , 0) ∈ Rn × Rm zusammen mit den ((µj,i )i , ej ) ∈ Rn × Rm ein endliches Erzeugendensystem U von K = {(x, y) ∈ Rn × Rm | φ(x) = ψ(y)}. F¨ ur jeden Erzeuger u ∈ U gibt es ein vu ∈ ker(ψ), so daß sich u als R-Linearkombination der (ei , (λi,j )j ) ∈ K und von (0, vu ) ∈ K schreiben l¨aßt. Die (ei , (λi,j )j ) zusammen mit den (0, vu ) f¨ ur jedes u liefern damit ein anderes, endliches Erzeugendensystem V von K. F¨ ur y ∈ ker(ψ) k¨onnen keine (ei , (λi,j )j ) in den Darstellungen von (0, y) ∈ K in V auftreten. Also bilden die vu ein endliches Erzeugendensystem von ker(ψ). Sei R noethersch und M endlich erzeugt. Da M endlich erzeugt ist, gibt es einen Epimorphismus ψ : Rn → M . Da R noethersch ist, muß ker(ψ) nach Satz 4.14, (iii) und Satz 4.13 endlich erzeugt sein. Also ist M endlich pr¨asentiert. Ist M endlich pr¨asentiert, so haben wir eine exakte Sequenz Rs → Rn → M → 0. Durch Lokalisieren geht diese in die exakte Sequenz R[U −1 ]s → R[U −1 ]n → M [U −1 ] → 0 u ¨ber, also ist M [U −1 ] endlich pr¨asentiert. 9.34 Lemma. Sei M ein endlich pr¨asentierter R-Modul. Dann ist M ist genau dann lokal frei, wenn es f¨ ur jedes Primideal p von R ein f ∈ R\p gibt, so daß M [f −1 ] bereits ein freier R[f −1 ]-Modul ist. Beweis. Das Lemma ist f¨ ur M = {0} richtig, da M frei ist und dies auch f¨ ur alle Lokalisierungen gilt. Es gelte also M 6= {0}. ⇐“: Ist klar, da nur weiter lokalisiert werden muß. ” ⇒“: Mit M ist Mp endlich erzeugt, so daß Mp eine endliche Basis besitzt. ” Sei m1 , . . . , mk eine Basis von Mp mit mi ∈ M . Jeder Erzeuger vj von M kann P aufgrund der Annahme in der Form uj vj = ki=1 λi,j mi mit uj ∈ R\p und λi,j ∈ R Q P geschrieben werden. Sei f = j uj . Dann gilt f ∈ R\p und vj = ki=1 (λ′i,j /f )mi in M [f −1 ] mit geeigneten λ′i,j ∈ R. Die mi bilden also ein Erzeugendensystem von M [f −1 ]. P ur beliebige µi ∈ R und ui ∈ R\p folgt µi /ui = 0 Aus i (µi /ui )mi = 0 in Mp f¨ f¨ ur alle i nach Voraussetzung, also gibt es f¨ ur jedes i ein vi ∈ R\p mit vi µi = 0 in R. Der Rp-Modul aller solcher Tupel (µi /ui )i ∈ Rpk ist nach Lemma 9.33 endlich erzeugt, da Mp mit M endlich pr¨asentiert ist. Wir multiplizieren an f die endlich vielen, auftretenden vi (f¨ ur jeden Erzeuger des Tupelraums sind das k Elemente
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KAPITEL 9. MODULN II
vi ). Jedes Tupel wird dann also durch koordinatenweise Multiplikation mit f annulliert, ist also Null in R[f −1 ]k . Die mi sind daher auch linear unabh¨angig in M [f −1 ]. Der Satz ist falsch, wenn auf die Voraussetzung der endlichen Erzeugung verzichtet wird. Sei zum Beispiel R = Z und M der von {a/p | a ∈ Z, p Primzahl} erzeugte Z-Untermodul von Q. Dann sind die Mp f¨ ur p = Zp isomorph zu den von 1/p erzeugten R-Untermoduln von Q, also frei. Wegen der unbeschr¨ankten Nenner kann es aber kein einziges f wie im Lemma geben. Torsion bleibt lokal nicht unbedingt erhalten. Siehe R = K × K und M = R. Dann ist M nicht torsionsfrei, aber alle Lokalisierungen an Primidealen sind isomorph zu K, also torsionsfrei. Der folgende Satz enth¨alt den angestrebten lokal-global Vergleich f¨ ur projek” tiv“. 9.35 Satz. Sei M ein endlich pr¨asentierter R-Modul. Dann sind ¨aquivalent: (i) M ist projektiv. (ii) M ist flach. (iii) M ist lokal frei. (iv) Es gibt f1 , . . . , fn ∈ R mit R = f¨ ur alle 1 ≤ i ≤ n ist.
Pn
i=1
Rfi , so daß M [fi−1 ] frei u ¨ber R[fi−1 ]
Beweis. (i) ⇒ (ii): Folgt aus Satz 9.28. (ii) ⇒ (iii): Folgt aus Satz 9.32. (iii) ⇒ (iv): Nach Lemma 9.34 gibt es f¨ ur jedes maximale Ideal m ein fm ∈ −1 −1 R\m, so daß M [fm ] ein freier R[fm ]-Modul ist. Sei N der von den fm erzeugte R-Untermodul von R und i : N → R der Inklusionsmonomorphismus. Da jedes fm in Rm eine Einheit ist, ist der lokalisierte Monomorphismus i′ : Nm → Rm ein Isomorphismus. Nach Satz 9.13 ist damit i ein Isomorphismus, es gilt also N = R. P Wegen 1 ∈ N gibt es endlich viele fi unter den fm und gi ∈ R mit 1 = i gi fi . Es ergibt sich (iv). (iv) ⇒ (i): Mit M ist jedes M [fi−1 ] endlich erzeugt, besitzt also eine endliche Basis. F¨ ur jedes i seien mi,j ∈ M f¨ ur endlich viele j, so daß die Bilder der mi,j in −1 −1 M [fi ] eine Basis von M [fi ] bilden. Seien µi,j ∈ HomR[fi−1 ] (M [fi−1 ], R[fi−1 ]) die P Koordinatenfunktionale bez¨ uglich der mi,j , so daß m/fir = j µi,j (m/fir )mi,j in M [fi−1 ] f¨ ur alle m ∈ M , r ∈ Z≥0 und i gilt. k Nach Satz 9.18 gibt es λi,j ∈ HomR (M, R) und ki,j ∈ Z≥1 mit fi i,j µi,j (m/fir ) = λi,j (m)/fir in R[fi−1 ] f¨ ur alle m ∈ M und r ∈ Z≥0 . Sei k = maxi,j ki,j . Wir k−ki,j λi,j , so daß nun speziell fik µi,j (m) = λi,j (m) in R[fi−1 ] ersetzen λi,j durch fi
9.8. BEZIEHUNGEN ZWISCHEN DEN MODULEIGENSCHAFTEN UND LOKAL-GLOBAL AUSSAGEN
185
P und fik m = j λi,j (m)mi,j in M [fi−1 ] f¨ ur alle m ∈ M gilt. Da M endlich erzeugt P ist, gilt fik m = j λi,j (m)mi,j auch in M , wenn wir zuvor k groß genug w¨ahlen. P Potenzieren wir beide Seiten der Gleichung 1 = i gi fi mit einer ausreichend P großen ganzen Zahl, erhalten wir einen Ausdruck 1 = i hi fik mit hi ∈ R. P P Es ergibt sich m = ( i hi fik )m = i,j (hi λi,j (m))mi,j in M f¨ ur alle m ∈ M . Wir erhalten also Erzeuger mi,j und Koordinatenfunktionale m 7→ hi λi,j (m), so daß M nach Satz 9.22 projektiv ist.
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KAPITEL 9. MODULN II
Kapitel 10 Ringe II In diesem Kapitel werden das Tensorprodukt von Algebren, ganze Ringerweiterungen, gebrochene und invertierbare Ideale, Dedekindringe und die Faktorisierung in Dimension 1 und Kodimension 1 behandelt.
10.1
Tensorprodukt von Algebren
Wir kommen nun auf das Tensorprodukt von (kommutativen) R-Algebren S1 , S2 zu sprechen. Die Multiplikation in S1 ⊗R S2 wird durch (x1 ⊗R y1 ) · (x2 ⊗R y2 ) = (x1 x2 ) ⊗ (y1 y2 ) definiert. Formal bekommen wir durch (x1 , y1 , x2 , y2 ) 7→ S1 ⊗R S2 , (x1 , y1 , x2 , y2 ) 7→ (x1 x2 ) ⊗R (y1 y2 ) eine 4-lineare Abbildung. Diese faktorisiert durch S1 ⊗R S2 ⊗R S1 ⊗R S2 und zieht sich zu einer bilinearen Abbildung auf (S1 ⊗R S2 ) × (S1 ⊗R S2 ) zur¨ uck, welche die Multiplikation definiert. Sei T eine R-Algebra und gi : Si → T zwei R-lineare Ringhomomorphismen. Dann definieren wir eine bilineare Abbildung g : S1 × S2 → T durch g(x, y) = xy, und diese faktorisiert eindeutig durch eine R-lineare Abbildung f : S1 ⊗R S2 → T , welche aufgrund der Definitionen ebenfalls ein Ringhomomorphismus ist. Daher erf¨ ullt S1 ⊗R S2 die universelle Eigenschaft einer direkten Summe in der Kategorie der R-Algebren (deren Morphismen R-lineare Ringhomomorphismen sind). Der vollst¨andigkeit halber noch der folgende Satz. 10.1 Satz. F¨ ur ein Diagramm D von R-Algebren existieren lim D und lim D als ←− −→ R-Algebren. Beweis. Die Aussage f¨ ur lim D wird ganz analog zu der f¨ ur Moduln wie in Satz 11.5 ←− gezeigt. F¨ ur lim D verwendet man eine ring- statt modultheoretische Konstrukti−→ on wie in Satz 9.2. Insbesondere betrachtet man eingeschr¨ankte Tensorprodukte, deren Elemente · · · ⊗ 1 ⊗ ai ⊗ · · · ⊗ aj ⊗ 1 ⊗ · · · an fast allen Stellen eine 1 haben. Die Prinzipien sind ¨ahnlich wie in Satz 11.5 und wir lassen die Details aus. 187
188
KAPITEL 10. RINGE II
Sind S1 und S2 R-Algebren und X ein Menge von Variablen, so gilt S1 [X] ⊗R ur eine Menge von Variablen X und ein S2 ∼ = (S1 ⊗R S2 )[X]. Ist S1 = R[X]/J f¨ Ideal J, so gilt S1 ⊗R S2 = S2 [X]/J. Speziell ergibt sich R[X]⊗R R[Y ] ∼ = R[X ∪ Y ] ∼ und (R[X]/I) ⊗R (R[Y ]/J) = R[X ∪ Y ]/hI, Ji f¨ ur Y eine weitere Menge von Variablen mit X ∩ Y = {}. Diese Aussagen sind analog zu denen f¨ ur Moduln. Die Charakterisierung linear disjunkter K¨orpererweiterungen E1 /K und E2 /K in einem Erweiterungsk¨orper C zeigt, daß E1 ⊗K E2 ∼ = E1 E2 unter Verwendung der Multiplikationsabbildung genau dann gilt, wenn E1 und E2 linear disjunkt u ¨ber K sind.
10.2
Gebrochene und invertierbare Ideale, Primidealfaktorisierung
Sei R ein Integrit¨atsring. Der Homomorphismus R → Quot(R), r 7→ r/1 ist injektiv. Daher fassen wir R im folgenden als Teilring von Quot(R) auf. 10.2 Definition. Ein R-Untermodul I von Quot(R) heißt gebrochenes Ideal von R, wenn es ein a ∈ R\{0} mit aI = {ax | x ∈ I} ⊆ R gibt. Die Ideale von R sind dann auch gebrochene Ideale von R. Zur Unterscheidung nennen wir die Ideale von R auch ganze Ideale von R. 10.3 Lemma. Seien I, J 6= 0 gebrochene Ideale von R. Die Isomorphismen φ : I → J sind genau von der Form φ(x) = ax f¨ ur ein eindeutig bestimmtes a ∈ Quot(R)\{0} mit aI = J. Beweis. Sei I ein gebrochenes Ideal, a ∈ Quot(R)\{0} und J = aI. Dann ist J ein gebrochenes Ideal, denn mit bI ⊆ R und a = r/u f¨ ur b, r, u ∈ R\{0} gilt bu ∈ R\{0} und (bu)J = r(aI) ⊆ rR ⊆ R. Durch x 7→ ax wird dann ein Isomorphismus φ : I → J definiert. Sei umgekehrt φ : I → J ein Isomorphimus und U = R\{0}. Wir zeigen zuerst, daß sich φ zu einem Quot(R)-Isomorphismus ψ : Quot(R) → Quot(R) fortsetzen l¨aßt. Es gilt I[U −1 ] ∼ = Quot(R) ⊗R I ∼ = Quot(R)I = Quot(R), da Quot(R) u ¨ber R flach und I 6= 0 ist. Zusammen erhalten wir den Isomorphismus f : I[U −1 ] → Quot(R) mit f (x/u) = x/u. Außerdem kommutieren die Einbettungen I → I[U −1 ] und I → Quot(R) mit f , wie man unmittelbar sieht. F¨ ur J bekommen wir analog g : J[U −1 ] → Quot(R) mit g(x/u) = x/u. Ist ′ φ : I[U −1 ] → J[U −1 ] der lokalisierte Isomorphismus, so erhalten wir schließlich ψ = g −1 ◦ φ′ ◦ f mit den gew¨ unschten Eigenschaften. Da ψ : Quot(R) → Quot(R) ein Quot(R)-linearer Isomorphismus und 1 eine Basis von Quot(R) ist, folgt ψ(x/u) = (x/u)ψ(1) = ax/u mit a := ψ(1) ∈
10.2. GEBROCHENE UND INVERTIERBARE IDEALE, PRIMIDEALFAKTORISIERUNG
189
Quot(R)\{0} f¨ ur alle x ∈ R und u ∈ U . Speziell folgt φ(x) = ψ(x) = ax f¨ ur alle x ∈ I. Aus ax = bx f¨ ur alle x ∈ I folgt a = b, da I 6= 0 und R nullteilerfrei ist. Ein gebrochenes Ideal ist also per Definition immer isomorph zu einem ganzen Ideal von R. 10.4 Definition. Sind I, J gebrochene Ideale von R, so definieren wir IJ = {xy | x ∈ I, y ∈ J}. Ist I 6= 0, so definieren wir (I : J) = {x ∈ Quot(R) | xI ⊆ J} und I −1 = (I : R). Ein gebrochenes Ideal I von R heißt invertierbar, wenn es ein gebrochenes Ideal J von R mit IJ = R gibt. Dann heißt J das inverse Ideal von I. Hier sind IJ und (I : J) wieder gebrochene Ideale. Denn aus aI ⊆ R und bJ ⊆ R folgt (ab)IJ ⊆ R, und f¨ ur jedes x ∈ I\{0} gilt bx(I : J) ⊆ bJ ⊆ R. Nach Lemma 10.3 gilt (I : J) ∼ = HomR (I, J). als abelsche Gruppen und (I : ∼ I) = HomR (I, I) als Ringe. Weiter gilt (IJ)K = I(JK), IJ = JI und IR = RI = I f¨ ur gebrochene Ideale I, J, K. Damit bilden die gebrochenen Ideale eine abelsche Halbgruppe mit Einselement R. F¨ ur invertierbare Ideale gilt notwendigerweise I 6= 0. Aufgrund der Definition von I −1 gilt II −1 ⊆ R. Ist I invertierbar mit inversem Ideal J, so gilt desweiteren J ⊆ I −1 . Daraus ergibt sich R = IJ ⊆ II −1 ⊆ R, also II −1 = R. Da Inverse in Halbgruppen mit 1 eindeutig bestimmt sind, folgt I −1 = J. Ist I invertierbar, so gilt (I : J) = I −1 J. Die Inklusion ⊇ ist klar und gilt auch f¨ ur nicht-invertierbares I. Auf der andere Seite gilt (I : J)I ⊆ J, also folgt durch Multiplikation mit I −1 wie gew¨ unscht (I : J) ⊆ I −1 J. Die einfachsten invertierbaren Ideale sind die Hauptideale 6= 0. Multiplikation mit invertierbaren Idealen erh¨alt Inklusionen: Ist I invertierbar und sind J und K gebrochene Ideale, so gilt J ⊆ K ⇔ JI ⊆ KI und J = K ⇔ JI = KI. Sind I, J gebrochene Ideale, so sind auch I + J und I ∩ J gebrochene Ideale. 10.5 Definition. Seien I, K gebrochene Ideale von R und J ein ganzes Ideal von R. Gilt IJ = K, so sagen wir, daß K durch I teilbar und daß I ein Teiler von K ist. Wir schreiben I | K. Sind I, J, K wie in der Definition, dann gilt I ⊇ IJ = K, also I ⊇ K. Hiervon gilt auch die Umkehrung, wenn I invertierbar ist: 10.6 Lemma. Seien I und K gebrochene Ideale und sei I invertierbar. Dann gilt I | K genau dann, wenn I ⊇ K ist.
190
KAPITEL 10. RINGE II
Seien I, J, K gebrochene Ideal mit IJ = K und sei K invertierbar. Dann sind auch I und J invertierbar. Seien p und q invertierbare Primideale mit q ⊇ p. Dann gilt q = p. Beweis. Aus I | K folgt I ⊇ K, wie vor dem Lemma bemerkt. Sind umgekehrt I und K gebrochene Ideale mit I ⊇ K und ist I invertierbar, so folgt R = II −1 ⊇ KI −1 . Mit J = KI −1 gilt also IJ = IKI −1 = II −1 K = K, und K wird von I geteilt. Aus IJ = K folgt I(JK −1 ) = J(IK −1 ) = R, also sind I und J invertierbar (allgemein sind in einer Halbgruppe mit 1 Teiler von Einheiten wieder Einheiten). Wir nehmen p 6= 0 an. Dann gibt es ein ganzes Ideal I mit qI = p. Gilt q ⊃ p, so folgt I ⊆ p, da p Primideal ist. Dann folgt p = qI ⊆ qp ⊆ p, also p = qp. Da p invertierbar ist, folgt R = q im Widerspruch zur Annahme. Also gilt q = p. 10.7 Satz. Sei I ein ganzes invertierbares Ideal von R und seien pi PrimideaQ le von R mit I = ni=1 pi . Die pi sind dann bis auf die Reihenfolge eindeutig bestimmt. Q Q Beweis. Es gelte nun I = ni=1 pi = m j=1 qj mit anderen Primidealen qj und m ≥ n. Die pi und qj sind nach Lemma 10.6 invertierbar. Nach Umordnung erhalten wir pn ⊇ qm aus der Primidealeigenschaft von pn und pn = qm nach Qn−1 Qm−1 Lemma 10.6. Multiplikation mit p−1 n liefert i=1 pi = j=1 qj . Induktiv gelangen Q m′ Qm′ ur m′ ≥ 1 folgt schließlich wir zu R = j=1 qj . Wegen R ⊃ q1 ⊇ j=1 qj f¨ m′ = 0. 10.8 Satz. Sei R ein noetherscher Integrit¨atsring und I eine Menge von ganzen, invertierbaren Idealen von R, die bez¨ uglich der Idealmultiplikation abgeschlossen ist und f¨ ur die R ∈ I gilt. Dann sind ¨aquivalent: (i) Jedes Ideal aus I l¨aßt sich in Primideale aus I faktorisieren. (ii) F¨ ur jedes Ideal I ∈ I mit I 6= R gibt es ein invertierbares Primideal p von R mit p ⊇ I und p−1 I ∈ I. Sei I eine Menge von ganzen, invertierbaren Idealen von R, die diese Eigenschaften erf¨ ullt. Dann sind die Faktorisierungen in (i) eindeutig und die Primideale aus I erzeugen bez¨ uglich der Idealmultiplikation und Idealinversion eine freie abelsche Gruppe von invertierbaren Idealen von R. Beweis. (i) ⇒ (ii): Sei I ∈ I. F¨ ur I = R ist nichts zu zeigen. Sei also I 6= R. Q Es gilt I = ni=1 pi mit invertierbaren Primidealen pi ∈ I und n ≥ 1. Wegen Q Qn p1 ⊇ ni=1 pi = I und p−1 1 I = i=2 pi ∈ I aufgrund der multiplikativen Abgeschlossenheit erf¨ ullt I die Eigenschaft (ii).
10.3. LOKALE CHARAKTERISIERUNGEN INVERTIERBARER IDEALE
191
(ii) ⇒ (i): Falls nicht alle Ideale aus I eine Faktorisierung in invertierbare Primideale aus I zulassen, gibt es ein bez¨ uglich Inklusion maximales Ideal I ∈ I mit dieser Eigenschaft, da R nach Voraussetzung noethersch ist. Es gilt I 6= R, weil R das leere Produkt ist. Nach (ii) existiert ein invertierbares Primideal p von R mit p ⊇ I und p−1 I ∈ I. Da I invertierbar ist, gilt I ⊃ pI, denn sonst h¨atten wir R = p nach Multiplikation mit I −1 . Multiplikation mit p−1 liefert nun R ⊇ p−1 I ⊃ I. Nach Konstruktion gibt es invertierbare Primideale pi ∈ I mit Q Q Q p−1 I = i pi . Daraus folgt I = p i pi . Außerdem ergibt sich p = I( i pi )−1 ∈ I. Die Faktorisierungen sind nach Satz 10.7 eindeutig bestimmt. Daraus und aus der Invertierbarkeit ergibt sich auch die letzte Aussage. 10.9 Definition. Ist I eine Menge von ganzen, invertierbaren Idealen mit den Eigenschaften aus Satz 10.8, dann sagen wir, daß I die Primidealfaktorisierungseigenschaft besitzt. Ein noetherscher Integrit¨atsring, f¨ ur den jedes Ideal 6= 0 invertierbar ist, heißt Dedekindring. 10.10 Korollar. In einem Dedekindring l¨aßt sich jedes Ideal 6= 0 eindeutig in Primideale faktorisieren. Beweis. Die Menge aller Ideale 6= 0 besitzt die Primidealfaktorisierungseigenschaft, so daß die Behauptung aus Satz 10.8 folgt. Beim einem Dedekindring handelt es sich also um einen bestm¨oglichen Ring, was die Primidealfaktorisierung in invertierbare Primideale angeht. Es ist jetzt interessant, nach anderen Kriterien f¨ ur Ringe und Ideale zu suchen, mit denen die Eigenschaft in Satz 10.8 und speziell die Dedekindringeigenschaft u uft ¨berpr¨ werden kann.
10.3
Lokale Charakterisierungen invertierbarer Ideale
Wir untersuchen zun¨achst das Verhalten unter Lokalisierung. 10.11 Lemma. Sei R ein Integrit¨atsring und U eine multiplikativ abgeschlossene Teilmenge von R mit 1 ∈ U . (i) F¨ ur jedes gebrochene (ganze) Ideal I von R ist I[U −1 ] ein gebrochenes (ganzes) Ideal von R[U −1 ]. (ii) F¨ ur gebrochene Ideale I, J von R gelten die Gleichungen (IJ)[U −1 ] = I[U −1 ] ·J[U −1 ], (I −1 )[U −1 ] = (I[U −1 ])−1 und (I : J)[U −1 ] = (I[U −1 ] : J[U −1 ]).
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KAPITEL 10. RINGE II
(iii) F¨ ur ein invertierbares Ideal I von R ist I[U −1 ] invertierbar. (iv) Ist I eine Menge von Idealen mit Primfaktorisierungseigenschaft und ist I[U −1 ] := {I[U −1 ] | I ∈ I}, so besitzt I[U −1 ] ebenfalls die Primidealfaktorisierungseigenschaft. (v) F¨ ur einen Dedekindring R ist R[U −1 ] ebenfalls ein Dedekindring. Beweis. (i): Sei I ein gebrochenes Ideal von R und a ∈ R\{0} mit aI ⊆ R. Dann gilt auch a(I[U −1 ]) = (aI)[U −1 ] ⊆ R[U −1 ], also ist I[U −1 ] ein gebrochenes Ideal von R[U −1 ]. Die Aussage u ¨ber das ganze Ideal ist auch klar. P (ii): Sei ( i xi yi )/u ∈ (IJ)[U −1 ] mit xi ∈ I, yi ∈ J und u ∈ U . Dann gilt P P ( i xi yi )/u = i (xi /u)(yi /u) ∈ I[U −1 ]J[U −1 ], also (IJ)[U −1 ] ⊆ I[U −1 ]J[U −1 ]. P −1 ]J[U −1 ] mit xi ∈ I, yi ∈ J und u1,i , u2,i ∈ Sei i (xi /u1,i )(yi /u2,i ) ∈ I[U U . Indem wir diesen Ausdruck auf Hauptnenner bringen, erhalten wir x′i ∈ I, P P ′ ′ −1 yi′ ∈ J und u ∈ U mit ], also i (xi /u1,i )(yi /u2,i ) = ( i xi yi )/u ∈ (IJ)[U I[U −1 ]J[U −1 ] ⊆ (IJ)[U −1 ]. Die Aussage f¨ ur I −1 ist ein Spezialfall von der f¨ ur (I : J) wegen I −1 = (I : R). F¨ ur x/u1 ∈ (I : J)[U −1 ] mit x ∈ (I : J) und u1 ∈ U gilt (x/u1 )(y/u2 ) = (xy)/(u1 u2 ) ∈ J[U −1 ] f¨ ur alle y ∈ I und u2 ∈ U , also folgt (I : J)[U −1 ] ⊆ (I[U −1 ] : J[U −1 ]). Ist umgekehrt x/u ∈ (I[U −1 ] : J[U −1 ]) mit x ∈ R und u ∈ U , so gilt xy = (x/u)(uy) ∈ J[U −1 ] f¨ ur alle y ∈ I, also xy ∈ J. Daraus folgt (I[U −1 ] : J[U −1 ]) ⊆ (I : J)[U −1 ]. (iii): Nach (ii) gilt I[U −1 ](I[U −1 ])−1 = I[U −1 ](I −1 )[U −1 ] = (II −1 )[U −1 ] = R[U −1 ]. (iv): Folgt aus (ii), (iii) und Satz 2.69, da Lokalisieren einer Primidealfaktorisierung wie in Satz 10.8, (i) wieder eine solche liefert (unter Umst¨anden mit weniger Primidealen, falls Primideale zu R[U −1 ] lokalisieren). (v): Die Ideale von R[U −1 ] sind nach Satz 2.69 von der Form I[U −1 ] f¨ ur ein −1 −1 Ideal I von R. F¨ ur I 6= 0 ist nach Voraussetzung II = R und I[U ] nach (iii) invertierbar. 10.12 Satz. Sei R ein Integrit¨atsring. Jedes invertierbare Ideal I von R ist endlich erzeugt. F¨ ur ein gebrochenes Ideal I 6= 0 von R sind ¨aquivalent: (i) I ist invertierbar. (ii) I ist projektiv. (iii) I ist lokal frei vom Rang 1.
10.3. LOKALE CHARAKTERISIERUNGEN INVERTIERBARER IDEALE
193
Beweis. Zur endlichen Erzeugung: Sei J das inverse Ideal von I. Wegen IJ = R Pn gibt es xi ∈ I und yi ∈ J mit 1 = i=1 xi yi . Sei x ∈ I beliebig. Dann gilt Pn Pn x = x i=1 xi yi = i=1 (xyi )xi , wobei xyi ∈ R f¨ ur alle 1 ≤ i ≤ n ist. Also sind die xi ein Erzeugendensystem von I. (i) ⇒ (ii): Sei I invertierbar und die xi , yi wie eben. Wir definieren λi ∈ HomR (I, R) durch x 7→ xyi . Dann sind die λi Koordinatenfunktionale bez¨ uglich der Erzeuger xi und I ist nach Satz 9.22 projektiv. (ii) ⇒ (i): Sei nun I projektiv. Dann gibt es nach Satz 9.22 ein Erzeugendensystem xi (vielleicht unendlich) und Koordinatenfunktionale λi ∈ HomR (I, R). Nach den Betrachtungen hinter Definition 10.2 gibt es yi ∈ Quot(R) mit λi (x) = xyi P P f¨ ur alle x ∈ I. Sei x ∈ I\{0}. Dann gilt x = i λi (x)xi = i (xyi )xi , wobei die P Summe endlich ist. Division durch x ergibt 1 = i yi xi . Wegen xyi ∈ R f¨ ur alle −1 −1 −1 x ∈ I gilt yi ∈ I . Also folgt 1 ∈ II und somit II = R. (ii) ⇒ (iii): Ist I projektiv, so ist es nach dem bereits Bewiesenen invertierbar und endlich erzeugt. Nach Satz 9.35 ist I lokal frei. Nach Lemma 10.3 k¨onnen wir annehmen, daß I ein ganzes Ideal von R ist. Sei m ein maximales von R. Da Im ein Ideal und Rm-Untermodul von Rm ist und daher keine zwei Elemente linear unabh¨angig sein k¨onnen, folgt, daß Im frei vom Rang 1 ist. Hier ist noch ein anderer, direkter Beweis f¨ ur (i) ⇒ (iii): Sei I invertierbar. P −1 Wegen II = R gibt es xi ∈ I und yi ∈ I −1 mit 1 = i xi yi . Sei m ein × maximales Ideal von R. Dann gibt es ein i mit xi yi ∈ Rm\mRm, also xi yi ∈ Rm . Es folgt (xi yi )−1 xi ∈ Im und yi ((xi yi )−1 xi ) = 1, also yi Im = Rm. Daraus ergibt sich Im = Rmyi−1 , also ist Im frei vom Rang 1. (iii) ⇒ (i): Wir betrachten den Inklusionshomomorphismus φ : II −1 → R. F¨ ur jedes maximale Ideal m von R bekommen wir unter Verwendung von Lem−1 ma 10.11 den lokalisierten Monomorphismus φm : ImIm → Rm. Da Im frei vom −1 Rang 1 ist, gibt es a ∈ Quot(Rm) mit Im = aRm. Aus der Definition von Im folgt −1 −1 −1 Im = a Rm. Es ergibt sich ImIm = Rm, also ist φm surjektiv und nach Satz 9.13 ist φ ein Isomorphismus und daher II −1 = R. Sei R ein kommutativer Ring mit 1. Die L¨ange der echt aufsteigenden Kette p1 ⊂ · · · ⊂ pn von Primidealen pi von R ist n. Die Dimension dim(R) von R ist das Supremum u ¨ber die L¨ange aller echt aufsteigenden Ketten von Primidealen von R. Ist p ein Primideal, so nennen wir dim(R/p) die Dimension und dim(Rp) die Kodimension von R. Ist R ein Integrit¨atsring mit dim(R) = 0, so ist R ein K¨orper. Denn {0} ist ein Primideal, und wegen dim(R) = 0 ist es das einzige Primideal von R. Daher ist es maximal und jedes Element 6= 0 eine Einheit.
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KAPITEL 10. RINGE II
Ist R ein Integrit¨atsring mit dim(R) = 1, so ist {0} ein Primideal und jedes weitere Primideal ist 6= 0 und maximal. F¨ ur einen Integrit¨atsring R ist Bedingung dim(R) ≤ 1 also ¨aquivalent dazu, daß jedes Primideal 6= 0 von R maximal ist. Zum Beispiel ist die Dimension des Polynomrings k[x1 , . . . , xn ] u ¨ber dem K¨orper k gleich n. Jeder K¨orper K ist ein Dedekindring, denn K ist das einzige Ideal 6= 0 und K ist invertierbar. F¨ ur einen Dedekindring R gilt dim(R) ≤ 1. Denn entweder ist {0} maximales Ideal und R ein K¨orper, oder jedes Primideal p 6= 0 ist invertierbar und wegen Lemma 10.6 maximal. 10.13 Definition. Ein diskreter Bewertungsring ist ein lokaler Hauptidealring der Dimension 1. Ist R ein diskreter Bewertungsring, so gibt genau ein maximales Ideal m = πR 6= 0 von R. Dann ist m das einzige Primideal 6= 0, und π ist ein Primelement. Da R auch faktoriell ist, gibt es zu jedem a ∈ R\{0} genau ein u ∈ R× und e ∈ Z≥0 mit a = uπ e . Die Zuordnung v : R → Z ∪ {∞} mit v(a) = e und v(0) = ∞ liefert eine surjektive, diskrete Bewertung (siehe Algebra 1). 10.14 Lemma. Ist R ein Integrit¨atsring mit dim(R) = 1 und p 6= 0 ein Primideal von R, dann gilt dim(Rp) = 1. Beweis. Zun¨achst ist Rp lokal mit maximalem Ideal pRp. Die Abbildung I 7→ IRp = Ip ist nach Satz 2.69 invers zur Abbildung J 7→ J ∩ R f¨ ur Ideale I von R und J von Rp. Wegen p 6= 0 folgt daraus pRp 6= 0. F¨ ur jedes Primideal q′ von Rp ′ ′ gilt q ⊆ pRp und q = q ∩ R ist ein Primideal von R mit q ⊆ p. Es folgt q = {0} oder q = p und daraus q′ = qRp = {0} oder q′ = pRp. Also gilt dim(Rp) = 1. 10.15 Satz. Ein noetherscher Integrit¨atsring R der Dimension 1 ist genau dann ein Dedekindring, wenn Rp f¨ ur jedes Primideal p 6= 0 ein diskreter Bewertungsring ist. Beweis. ⇒: Sei R ein Dedekindring. Dann ist Rp lokal und es gilt dim(Rp) = 1 nach Lemma 10.14. Sei J 6= 0 ein Ideal von Rp. Wir setzen I = J ∩ R. Dann gilt I 6= 0 und Ip = J. Da R ein Dedekindring ist, ist I invertierbar. Nach Satz 10.12 ist dann J = Ip ein Hauptideal. ⇐: Sei I 6= 0 ein Ideal von R. F¨ ur jedes Primideal p von R ist Ip ein Hauptideal, da Rp ein Hauptidealring ist. Nach Satz 10.12 ist I damit invertierbar. Dedekindringe treten beispielsweise als Maximalordnungen von Zahlk¨orpern und als Koordinatenringe nicht-singul¨arer algebraischer Kurven auf. Wir wollen
10.3. LOKALE CHARAKTERISIERUNGEN INVERTIERBARER IDEALE
195
die Aussage von Satz 10.15 noch etwas detaillierter und allgemeiner untersuchen. Der folgende und n¨achste Satz kann zum Beispiel auf beliebige Ordnungen von Zahlk¨orpern und auf die Koordinatenringe algebraischer Variet¨aten angewendet werden. 10.16 Lemma. Ein noetherscher Integrit¨atsring R ist genau dann ein diskreter Bewertungsring, wenn R ein lokaler Ring mit dim(R) = 1 und das maximale Ideal m ein Hauptideal ist. Ein Ring R ist genau dann ein diskreter Bewertungsring, wenn R ein lokaler faktorieller Ring mit dim(R) = 1 ist. Sei R ein faktorieller Ring. Dann ist p genau dann ein Primideal von R mit dim(Rp) = 1, wenn p = Rπ f¨ ur ein Primelement π von R gilt. Beweis. Zur ersten Aussage: ⇒ ist klar. F¨ ur ⇐ sei nun m = πR mit π 6= 0 wegen dim(R) = 1. F¨ ur x ∈ R\{0} gibt es ein maximales e ∈ Z≥0 und u ∈ R mit e x = uπ , da R noethersch und nullteilerfrei ist. Wegen der Maximalit¨at von e folgt u ∈ R\πR = R× . Ist I ein Ideal von R und a ∈ I mit minimalem Exponenten e, dann gilt a | b f¨ ur alle b ∈ I, also I = aR. Zur zweiten Aussage: ⇒ ist klar. F¨ ur ⇐ sei π ein Primelement von R, welches wegen dim(R) = 1 exisiert. Dann ist Rπ ein Primideal und wegen dim(R) = 1 ist Rπ das maximale Ideal von R. Aus der ersten Aussage folgt, daß R ein diskreter Bewertungsring ist. Zur dritten Aussage: Wir machen eine allgemeine Vorbemerkung. Ist R ein faktorieller Ring und U eine multiplikativ abgeschlossene Teilmenge, so ist R[U −1 ] ebenfalls faktoriell. Sind die πi ein vollst¨andiges Vertretersystem von Primelementen modulo Assoziation, so liefern die πi , die nicht zu Einheiten in R[U −1 ] werden, ein vollst¨andiges Vertretersystem von Primelementen von R[U −1 ] modulo Assoziation. Hier ist die Begr¨ undung: F¨ ur x ∈ R ist x ∈ R[U −1 ]× genau dann, wenn es y ∈ R und u ∈ U mit x(y/u) = 1 gibt, also wenn xy = u und x | u gilt. Ist πi ein Primelement, welches kein Element aus U teilt, so ist πi ein Primelement in R[U −1 ]. Denn aus πi (c/w) = (a/u)(b/v) mit a, b, c ∈ R und u, v, w ∈ U folgt πi cuv = abw, und daraus folgt πi | a oder πi | b nach Voraussetzung. Also teilt πi auch a/u oder b/v und ist damit ein Primelement von R[U −1 ]. Jedes Element aus R[U −1 ] kann als Potenzprodukt der πi geschrieben werden, da dies bereits in R m¨oglich ist. Sind πi und πj assoziiert in R[U −1 ], so gibt es u, v ∈ U mit uπi = πj v. Da πi und πj weder u noch v teilen, folgt πi = πj nach Voraussetzung. ⇒“: Wegen dim(Rp) = 1 ist Rp ein lokaler faktorieller Ring der Dimension ” 1 mit maximalem Ideal pRp 6= 0 und nach der zweiten Aussage des Lemmas ein diskreter Bewertungsring. Nach der obigen Vorbemerkung gibt es ein Primelement π von R, welches kein Element von U = R\p teilt und f¨ ur welches pRp = πRp
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KAPITEL 10. RINGE II
gilt. Aus x = (y/u)π ∈ R beziehunsgweise ux = yπ f¨ ur x, y ∈ R mit x 6= 0 und u ∈ U folgt π | x. Daher ergibt sich p = pRp ∩ R = πR mit Satz 2.69. ⇐“: Da π Primelement ist, ist p 6= 0 ein Primideal. Ferner ist Rp ein lokaler ” faktorieller Ring mit pRp 6= 0. Daraus folgt dim(Rp) = 1. Die erste Aussage des Lemmas trifft f¨ ur alle Primideale 6= 0 eines Dedekindrings zu. Unter Beachtung von Lemma 9.27 heißt das nichts anderes, als daß ur alle maximalen Primideale von R gilt. Man sagt, dim(Rm) ∼ = dimR/m(m/m2 ) f¨ daß die lokalen Ringe Rm regul¨ar seien. 10.17 Satz. Sei R ein noetherscher Integrit¨atsring und p ein Primideal von R. (i) Ist p invertierbar, so ist Rp ein diskreter Bewertungsring. (ii) Ist Rp ein diskreter Bewertungsring und Rm faktoriell f¨ ur jedes maximale Ideal m von R mit m ⊇ p, so ist p invertierbar. Beweis. (i): Ist p invertierbar, so gilt p 6= 0 und pRp 6= 0. Es folgt dim(Rp) = 1. Weiter ist pRp nach Satz 10.12 ein Hauptideal. Nach der ersten Aussage von Lemma 10.16 ist Rp dann auch ein diskreter Bewertungsring. (ii): Nach Satz 10.12 gen¨ ugt es zu beweisen, daß p lokal ein Hauptideal ist. Dazu k¨onnen wir uns auf Lokalisierungen f¨ ur maximale Ideale beschr¨anken. Ist m ein maximales Ideal von R mit m 6⊇ p, so gilt pRm = Rm, also ist p hier frei. Sei m also ein maximales Ideal mit m ⊇ p. Dann ist Rm nach Voraussetzung faktoriell und wir wollen zeigen, daß pRm ein Hauptideal ist. Zur Vereinfachung der Notation und da Rp nur eine weitere Lokalisierung von Rm ist, k¨onnen wir annehmen: R ist faktoriell, p ist ein Primideal von R und pRp ist ein Hauptideal. Aus der dritten Aussage von Lemma 10.16 folgt, daß p wie gew¨ unscht ein Hauptideal ist. Die Voraussetzung in (iii), daß Rp ein diskreter Bewertungsring sein soll, k¨onnten wir also wegen der zweiten Aussage von Lemma 10.16 auch durch dim(Rp) = 1 ersetzen. Ist I ein Ideal von R, welches lokal frei vom Rang 1 ist, so nennen wir I auch ein lokales Hauptideal. 10.18 Satz. Sei R ein noetherscher Integrit¨atsbereich. Sei S die Menge der maximalen Ideale von R, f¨ ur die Rm nicht faktoriell ist, und sei I die Menge der lokalen Hauptideale I 6= 0, f¨ ur die Im = Rm f¨ ur alle maximalen Ideale m ∈ S gilt. Dann besitzt I die Primidealfaktorisierungseigenschaft.
10.4. GANZE RINGERWEITERUNGEN
197
Beweis. Zun¨achst gilt R ∈ I und jedes Ideal aus I ist ganz und nach Satz 10.12 invertierbar. Außderdem ist I nach Lemma 10.11 multiplikativ abgeschlossen. Wir wollen die Eigenschaft (ii) in Satz 10.8 nachrechnen. Sei I ein lokales Hauptideal von R. F¨ ur I = R ist nichts zu zeigen. F¨ ur I 6= R gibt es ein maximales Ideal n 6∈ S mit In 6= Rn, wobei Rn faktoriell ist. Da In ein Hauptideal ist, gibt es x ∈ R mit In = xRn. Wegen In 6= Rn ist x keine Einheit in Rn und es gibt ein Element π ∈ R, welches in Rn ein Primelement mit π | x ist. Sei p = πRn ∩ R. Dann ist p ein Primideal von R mit p ⊇ I. Nach Konstruktion gilt pRn = πRn und Rp ist ein diskreter Bewertungsring nach der ersten Aussage in Lemma 10.16. F¨ ur jedes maximale Ideal m ⊇ p gilt m 6∈ S und Rm ist ein faktorieller Ring nach Voraussetzung. Denn f¨ ur m ∈ S gilt Im = Rm, und daraus folgt Ip = Rp, was hier nicht der Fall ist. Nach Satz 10.17, (ii) ist p daher invertierbar. Schließlich sind p−1 und p−1 I nach Satz 10.12 und Lemma 10.11 invertierbar und lokale Hauptideale, deren Lokalisierung bei m ∈ S gleich Rm ist. Also gilt p−1 I ∈ I. Damit erf¨ ullt I die Primidealfaktorisierungseigenschaft. Die Menge S kann als Menge singul¨arer Punkte von R aufgefaßt werden. Ist m ein maximales Ideal (oder ein Primideal) und gilt Im 6= Rm, so sagen wir, m sei im Tr¨ager von I. Im Satz 10.18 wird also gefordert, daß die Ideale aus I keine singul¨aren Punkte in ihren Tr¨agern haben sollen. Wir wollen die beiden voranstehenden S¨atze haupts¨achlich f¨ ur dim(R) = 1 anwenden. Hier ist ein dim(R) = 2 Beispiel: Der Polynomring k[x, y] u ¨ber einem K¨orper ist faktoriell. Das maximale Ideal m = Rx + Ry ist wegen dim(Rm) = 0 nicht invertierbar. Jedes Primideal p von R mit dim(Rp) = 1 ist ein Hauptideal und invertierbar.
10.4
Ganze Ringerweiterungen
Seien S ein Ring und R ein Teilring von S. Dann nennen wir S auch einen Erweiterungsring von R und R ⊆ S eine Ringerweiterung. Gem¨aß unseren Konventionen gilt 1R = 1S . Ist R ⊆ S eine Ringerweiterung, k¨onnen wir S auch als R-Algebra und RModul auffassen. Dann heißt S von endlichem Typ u ¨ber R, wenn S als R-Algebra endlich erzeugt ist, wenn es also x1 , . . . , xn ∈ S mit S = R[x1 , . . . , xn ] gibt. Weiter heißt S endlich u ¨ber R, wenn S als R-Modul endlich erzeugt ist, wenn es also y1 , . . . , ym ∈ S mit S = Ry1 + · · · + Rym gibt. Ein Element x ∈ S heißt ganz u ¨ber R, wenn es ein normiertes Polynom f ∈ R[t] mit f (x) = 0 gibt. Die Ringerweiterung R ⊆ S heißt ganz, wenn jedes
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KAPITEL 10. RINGE II
x ∈ S ganz u ¨ber R ist. Der ganze Abschluß von R in S ist Cl(R, S) = {x ∈ S | x ganz u ¨ber R}. Der Ring R heißt ganz abgeschlossen (normal) in S, wenn Cl(R, S) = R gilt. Ist R ein Integrit¨atsring, dann heißt R ganz abgeschlossen (normal), wenn R ganz abgeschlossen in S = Quot(R) ist. 10.19 Lemma. Sei R ⊆ S eine Ringerweiterung und x ∈ S. Dann sind ¨aquivalent: (i) x ist ganz u ¨ber R. (ii) R[x] ist endlich ¨uber R. (iii) Es gibt einen ¨uber R endlich erzeugten R[x]-Modul M mit AnnR[x] (M ) = {0}. P Beweis. (i) ⇒ (ii): Sei f (x) = 0 mit f = ni=0 λi ti und λi ∈ R, λn = 1. Dann gilt Pn−1 Pn−1 0 = f (x) = xn + i=1 λi xi , also xn = i=0 (−λi )xi . Daher bilden 1, x, . . . , xn−1 ein endliches Erzeugendensystem von R[x]. (ii) ⇒ (iii): Sei M = R[x]. Nach Voraussetzung ist M endlich erzeugt u ¨ber R und wegen 1 ∈ M folgt aus zM = {0} f¨ ur z ∈ R[x] bereits z · 1 = z = 0. Also gilt AnnR[x] (M ) = {0}. (iii) ⇒ (i): Sei x ∈ R und φ ∈ EndR[x] (M ) mit φ(m) = xm. Nach Satz 9.25 angewendet auf M , I = R und φ gibt es ein normiertes f ∈ R[t] mit f (φ) = 0, also f (x)M = {0}. Wegen AnnR[x] (M ) = {0} folgt f (x) = 0. 10.20 Satz. Seien R ⊆ S und S ⊆ T Ringerweiterungen. (i) Ist S endlich u ¨ber R, so ist S ganz ¨uber R. (ii) Wenn T endlich u ¨ber S und S endlich u ¨ber R ist, so ist T endlich u ¨ber R. Ist T endlich u ¨ber R, so ist T endlich ¨uber S. (iii) Sind die x1 , . . . , xn ∈ S ganz u ¨ber R, so ist R[x1 , . . . , xn ] endlich u ¨ber R. (iv) T ist genau dann ganz u ¨ber R, wenn T ganz ¨uber S und S ganz ¨uber R ist. (v) Cl(R, S) ist ein Erweiterungsring von R. (vi) Cl(R, S) ist ganz abgeschlossen in S. abgeschlossen. Beweis. (i): Folgt aus Lemma 10.19, (iii) mit M = S. (ii): Sind die xi ein Erzeugendensystem von T u ¨ber S und die yj ein Erzeugendensystem von S u ¨ber R, so sind die xi yj ein Erzeugendensystem von T u ¨ber R, was die erste Aussage beweist. Sind die xi ein Erzeugendensystem von T u ¨ber R, so sind die xi auch ein Erzeugendensystem von T u ¨ber S, was die zweite Aussage beweist.
10.4. GANZE RINGERWEITERUNGEN
199
(iii): Aus Lemma 10.19, (ii) und der zweiten Aussage in (ii) folgt, daß R[x1 , . . . , xi ] endlich u ¨ber R[x1 , . . . , xi−1 ] ist. Aus der ersten Aussage in (ii) mehrfach angewendet ergibt sich damit, daß R[x1 , . . . , xn ] endlich u ¨ber R ist. (iv): ⇒“ folgt direkt aus der Definition von ganz“. F¨ ur ⇐“ sei x ∈ T ” Pn ” ” i und f = i=0 λi t ∈ S[t] mit λn = 1 und f (x) = 0. Nach (iii) und (ii) ist R[λ1 , . . . , λn , x] endlich u ¨ber R und wegen (i) dann auch ganz u ¨ber R. Also ist speziell x ganz u ¨ber R. (v): Es gilt R ⊆ Cl(R, S), da R ganz u ur x, y ∈ Cl(R, S) ist R[x, y] ¨ber R ist. F¨ nach (iii) und (i) ganz u ¨ber R. Wegen x + y, xy ∈ R[x, y] sind dann auch x + y und xy ganz u ¨ber R, also gilt x + y, xy ∈ Cl(R, S). (vi) Cl(R, S) ist nach (iv) ganz abgeschlossen in S. 10.21 Satz. Jeder faktorielle Ring R ist ganz abgeschlossen. Beweis. Seien x/u ∈ Quot(R) mit x, u ∈ R teilerfremd und λi ∈ R mit (x/u)n + Pn−1 Pn−1 i n n n−i i x = 0. Wegen i=0 λi (x/u) = 0. Multiplikation mit u liefert x + i=0 λi u n i ≤ n − 1 ist x durch u teilbar, im Widerspruch zur Annahme. Ist R ⊆ S eine ganze Ringerweiterung und f : S → T ein Homomorphismus, so ist S ′ = φ(S) ganz u ur y ∈ S ′ gibt es x ∈ S mit φ(x) = y. ¨ber R′ = φ(R): F¨ Ist f ∈ R[t] normiert mit f (x) = 0, so ist φ(f ) ∈ R′ [t] normiert und es gilt φ(f )(y) = φ(f )(φ(x)) = φ(f (x)) = 0. Also ist y ganz u ¨ber R′ . 10.22 Satz. Sei R ⊆ S eine Ringerweiterung und U eine multiplikativ abgeschlossene Teilmenge von R mit 1 ∈ U . (i) Ist R ⊆ S ganz, so ist auch R[U −1 ] ⊆ S[U −1 ] ganz. (ii) Es gilt Cl(R, S)[U −1 ] = Cl(R[U −1 ], S[U −1 ]). (iii) R ist genau dann ganz abgeschlossen in S, wenn Rm f¨ ur jedes maximale −1 Ideal m von R ganz abgeschlossen in Sm = S[(R\m) ] ist. Beweis. (i): Die Aussage folgt aus der Bemerkung vor dem Satz. (ii): Nach (i) ist Cl(R, S)[U −1 ] ganz u ¨ber R[U −1 ], es folgt also Cl(R, S)[U −1 ] ⊆ Cl(R[U −1 ], S[U −1 ]). Sei x/u ∈ Cl(R[U −1 ], S[U −1 ]) mit x ∈ S und u ∈ U . F¨ ur x/u ∈ Cl(R, S)[U −1 ] m¨ ussen wir zeigen, daß es ein v ∈ U mit xv ganz u ¨berQR gibt. Sei (x/u)n + Pn−1 n−1 i λi ∈ R und ui ∈ U . Sei v = i=0 ui . Multiplikation i=0 (λi /ui )(x/u) = 0 mit P n−1 mit (uv)n liefert (xv)n + i=0 (λi un−i v n−i /ui )(xv)i = 0, wobei λi un−i v n−i /ui ∈ R wegen i ≤ n − 1 gilt. Also ist xv ganz u ¨ber R und es folgt Cl(R[U −1 ], S[U −1 ]) ⊆ Cl(R, S)[U −1 ].
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KAPITEL 10. RINGE II
(iii): Wir betrachten den Inklusionshomomorphismus φ : R → Cl(R, S) und die Lokalisierungen φm : Rm → Cl(R, S)m. Wegen Cl(R, S)m = Cl(Rm, Sm) nach (ii) sind die φm genau dann Isomorphismen, wenn Rm f¨ ur alle m ganz abgeschlossen in Sm ist. Ebenso ist φ genau dann ein Isomorphismus, wenn R ganz abge¨ schlossen in S ist. Die Aquivalenz dieser Aussagen folgt nun aus Satz 9.13. Die Aussage (iii) gilt dann nat¨ urlich auch wieder f¨ ur alle Primideale p von R anstelle der maximalen Ideale m von R.
10.5
Globale Charakterisierung von Dedekindringen
Sei M ein R-Modul. Ist p ein Primideal von R mit p = AnnR (m) f¨ ur ein m ∈ M , so heißt p ein assoziiertes Primideal von M . Wegen p 6= R folgt hier m 6= 0. Es gilt p ⊇ AnnR (M ). 10.23 Satz. Sei M 6= 0 ein R-Modul. (i) Sei J ein maximales Ideal in der Menge I = {I | I Ideal von R mit I = AnnR (m) f¨ ur ein m ∈ M \{0}}. Dann ist I ein Primideal. (ii) Jeder noethersche R-Modul M 6= 0 besitzt ein assoziiertes Primideal. Beweis. (i): Sei m ∈ M \{0} mit J = AnnR (m). Zun¨achst gilt J 6= R, da m 6= 0. Seien x, y ∈ R mit xy ∈ J und x 6∈ J. Dann ist xm 6= 0 und (Ry + J)(xm) = {0}. Wegen der Maximalit¨at von J folgt J = Ry + J, also y ∈ J. Daher ist J ein Primideal. (ii): Wegen M 6= 0 gilt I = 6 ∅. Es gilt zum Beispiel {0} ∈ I. Da M noethersch ist, gibt es in I ein maximales Ideal J, welches nach (i) ein Primideal ist. 10.24 Lemma. Sei R ein lokaler noetherscher Integrit¨atsring R der Dimension 1. Dann sind ¨aquivalent: (i) R ist ganz abgeschlossen. (ii) (I : I) = R f¨ ur jedes Ideal I 6= 0 von R. (iii) R ist ein diskreter Bewertungsring.
10.5. GLOBALE CHARAKTERISIERUNG VON DEDEKINDRINGEN
201
Beweis. (i) ⇒ (ii): Wegen RI = I gilt (I : I) ⊇ R. Da R noethersch ist, ist I ein endlich erzeugter R-Modul. Da R ein Integrit¨atsring und I 6= 0 ist, folgt AnnR (I) = {0}. Nach Satz 10.19, (iii) sind die Elemente aus (I : I) ganz u ¨ber R. Da R ganz abgeschlossen ist, folgt (I : I) ⊆ R, also (I : I) = R. (ii) ⇒ (iii): Sei p das maximale Ideal von R. Es gilt R ⊆ p−1 und daher ist −1 p p ein Ideal von R mit p ⊆ p−1 p ⊆ R. Da p maximal ist, gilt p−1 p = p oder p−1 p = R. Wir nehmen p−1 p = p an. Da R Dimension 1 hat, ist p 6= 0. Nach (ii) gilt dann p−1 ⊆ R. Nach Satz 10.23 gibt es zu x ∈ p\{0} ein assoziiertes Primideal q ⊆ R von R/Rx. Wegen q ⊇ AnnR (R/Rx) = Rx 6= 0 und da R Dimension 1 hat, folgt p = q. Nach der Definition von assoziiertem Primideal gibt es also y ∈ R\Rx mit yp ⊆ Rx. Es gilt also (y/x)p ⊆ R und y/x 6∈ R. Daraus folgt p−1 6⊆ R. Also ist p−1 p = p nicht m¨oglich, es gilt p−1 p = R. Damit ist p invertierbar, und nach Satz 10.17, (i) ist R ein diskreter Bewertungsring. (iii) ⇒ (i): Jeder diskrete Bewertungsring ist auch ein faktorieller Ring. Nach Satz 10.21 ist R ganz abgeschlossen. 10.25 Satz. Sei R ein noetherscher Integrit¨atsring R der Dimension 1. Dann sind ¨aquivalent: (i) R ist ganz abgeschlossen. (ii) (I : I) = R f¨ ur jedes Ideal I 6= 0 von R. (iii) R ist ein Dedekindring. Beweis. (i) ⇒ (ii): Nach Satz 10.22, (iii) ist Rp ganz abgeschlossen f¨ ur jedes Primideal p von R. Nach Lemma 10.24 gilt damit (Ip : Ip) = Rp f¨ ur alle p. Nach Satz 9.13 und Lemma 10.11, (ii) folgt (I : I) = R. (ii) ⇒ (iii): F¨ ur jedes Primideal p von R und jedes Ideal J von Rp ist I = J ∩R ein Ideal von R mit Ip = J. Wegen (I : I) = R gilt (J : J) = (Ip : Ip) = Rp nach Lemma 10.11, (ii). Nach Lemma 10.24 ist Rp ein diskreter Bewertungsring f¨ ur alle p. Nach Satz 10.15 ist R dann ein Dedekindring. (iii) ⇒ (i): Nach Satz 10.15 ist Rp ein diskreter Bewertungsring f¨ ur alle Primideale p von R. Nach Lemma 10.24 ist Rp ganz abgeschlossen f¨ ur alle p. Nach Satz 10.22, (iii) ist damit R ganz abgeschlossen. Der Satz 10.25 enth¨alt Lemma 10.24 als Spezialfall, wenn man R lokalisiert. ¨ Die Aquivalenz von (i) und (ii) gilt auch ohne die Voraussetzung dim(R) = 1, und (iii) wird durch die Aussage ersetzt, daß f¨ ur jedes zu R/Rx mit x 6= 0 assoziierte Primideal p der lokale Ring Rp ein diskreter Bewertungsring ist. Dazu beweist man eine Version von Satz 9.13 unter der Voraussetzung R noethersch, in der
202
KAPITEL 10. RINGE II
nur f¨ ur solche assoziierte Primideale lokalisiert werden muß. Dann tauchen im Beweis von Satz 10.25 nur noch zu R/Rx mit x 6= 0 assoziierte Primideale p auf. Speziell wird Lemma 10.24 im Beweis von Satz 10.25 nur f¨ ur Rp mit zu Rp/xRp assoziierten Primidealen pRp angewendet. Der Beweis von Lemma 10.24 basiert dann direkt auf dieser Eigenschaft und ben¨otigt die Voraussetzung dim(R) = 1 nicht mehr. F¨ ur einen ganz abgeschlossenen, noetherschen Integrit¨atsring R und ein Primideal p von R mit dim(Rp) = 1 ist Rp nach Satz 10.22, (iii) ganz abgeschlossen und daher nach Lemma 10.24 ein diskreter Bewertungsring. Ist dann noch Rm faktoriell f¨ ur alle maximalen Ideale m ⊇ p, so ist p nach Satz 10.17 invertierbar. Damit R nicht singul¨ar im Sinn der Bemerkung nach Satz 10.18 ist (Rm faktoriell f¨ ur jedes maximale Ideal m von R), muß R also notwendigerweise ganz abgeschlossen sein. F¨ ur dim(R) = 1 ist dies nach Satz 10.25 auch hinreichend, weil jedes Primideal p mit dim(Rp) = 1 maximal ist. F¨ ur dim(R) ≥ 2 gibt es Beispiele, in denen R ganz abgeschlossen ist und es dennoch singul¨are maximale Ideale m von R gibt (also Rm nicht faktoriell). Die Aussage (ii) von Satz 10.25 kann f¨ ur die Berechnung von Cl(R, Quot(R)) genutzt werden. F¨ ur invertierbare Ideale I gilt stets (I : I) = I −1 I = R. Durch das Aufsp¨ uren geeigneter, nicht invertierbarer Ideale I und die Bestimmung der Erweiterungsringe (I : I) von R k¨onnen wir R sukzessive zu Cl(R, Quot(R)) erweitern. Ist zum Beispiel p ein Primideal 6= 0 mit Rp nicht ganz abgeschlossen, so gilt p−1 p ⊆ pRp ∩ R = p und p−1 6⊆ R nach dem Beweis von Lemma 10.24. Daraus folgt, daß (p : p) ein u ¨ber R ganzer Erweiterungsring von R mit (p : p) 6= R ist. Im folgenden Satz wird das leere Produkt f¨ ur I = R mit eingerechnet. 10.26 Satz. Sei R ein Integrit¨atsring mit der Eigenschaft, daß jedes Ideal ein Produkt von Primidealen ist. Dann ist R ein Dedekindring. Beweis. Ist zwar nicht so schwer und lang, lassen wir aber aus. Die klassische Zusammenfassung der ¨aquivalenten Eigenschaften eines Dedekindrings liefert nun der folgende Satz. 10.27 Satz. F¨ ur einen Integrit¨atsring R sind ¨aquivalent: (i) R ist ein Dedekindring. (ii) Jedes Ideal l¨aßt sich bis auf die Reihenfolge auf genau eine Weise als Produkt von Primidealen von R schreiben. (iii) R ist noethersch und Rp ist ein diskreter Bewertungsring f¨ ur jedes maximale Ideal m 6= 0 von R.
10.6. BEISPIELE
203
(iv) R ist ganz abgeschlossen und noethersch, und jedes Primideal von R ist maximal. Beweis. (i) ⇒ (ii): Satz 10.8. (ii) ⇒ (i): Satz 10.26. (i) ⇔ (iii): Satz 10.15. (i) ⇔ (iv): Satz 10.25. Hier ist eine weitere Eigenschaft von Dedekindringen (vgl. das Diagramm auf Seite 27). 10.28 Satz. Ein noetherscher Integrit¨atsbereich R ist genau dann ein Hauptidealring, wenn R ein Dedekindring und faktoriell ist. Beweis. ⇒“: Da Hauptideale 6= 0 invertierbar sind, ist diese Aussage klar. Q ” ⇐“: Sei p 6= 0 ein Primideal von R und x ∈ p\{0}. Sei Rx = i pi die Q ” Faktorisierung in Primideale mit p1 = p. Sei x = j πj eine Faktorisierung in Q Primelemente. Die Ideale Rπj sind dann Primideale und es gilt Rx = j Rπj . Wegen der Eindeutigkeit der Faktorisierung folgt p = Rπj f¨ ur ein j. Also ist p ein Hauptideal. Da p beliebig war, sind alle Primideale und damit alle Ideale von R Hauptideale.
10.6
Beispiele
Beispiele f¨ ur freie Moduln sind die R-Moduln Rn . √ Ein Beispiel f¨ ur einen projektiven, aber nicht freien Modul ist R = Z[ −5] √ und das Ideal M = 2R + (1 + −5)R. Der Beweis dieser Tatsache f¨allt in die algebraische Zahlentheorie (R ist ganzalgebraisch abgeschlossen, also ein Dedekindring, und M ist kein Hauptideal. Die Klassenzahl von √ R ist 2). Hier sind weitere Details zu diesem Beispiel. Sei ρ = −5. Dann gilt 6 = 2·3 = (1 + ρ)(1 − ρ). Man kann zeigen, daß 2, 3, 1 + ρ und 1 − ρ irreduzible Elemente in R sind. Also ist R ein Ring, in dem es keine eindeutige Faktorisierung in Primelemente mehr gibt. Zur Abhilfe wurden von Kummer in der zweiten H¨alfte des 19. Jahrhunderts ideale Zahlen“ eingef¨ uhrt, mit denen dann eine eindeutige ” ¨ Faktorisierung m¨oglich sein sollte (vergleichbar mit dem Ubergang von Z nach Q, so daß jede Zahl in Z invertierbar wird). Bei diesen handelt es sich schlicht um (invertierbare) Ideale von R. Das geht dann wie folgt: Sei p = 2R + (1 + ρ)R, q1 = 3R + (1 + ρ)R und q2 = 3R + (1 − ρ)R. Dann sind p, q1 und q1 Primideale. ( Ein Beweis dieser Tatsache kann im Prinzip wie folgt gehen: Sei p eine Primzahl urlichen und f = t2 + 5 ∈ Z[t] Dann gilt R ∼ = Z[t]/(f ). Wir betrachten die nat¨ Homomorphismen φ : R 7→ R ⊗Z Fp und ψ : R ⊗Z Fp → Fp [t]/(g), wobei g ∈ Fp [t]
204
KAPITEL 10. RINGE II
¨ die Reduktion von f ∈ Z[t] ist. Nach einer Ubungsaufgabe wissen wir, daß ψ ein Isomorphismus ist. Der Homomorphismus φ ist surjektiv und hat den Kern pR. Die Verkn¨ upfung ψ ◦ φ ist gerade der kanonische Epimorphismus. Damit entsprechen sich die Primideale p von R mit p ∈ p und die Primideale von R⊗Z Fp eineindeutig. Mit Hilfe des chinesischen Restsatzes k¨onnen wir die Primideale von Fp [t]/(g) bestimmen, dann ihre Urbilder unter ψ und ihre Urbilder unter φ. Die Primideale von Fp [t]/(g) werden von den irreduziblen Faktoren von g erzeugt. ) Weiter gilt p2 = 2R, q1 q2 = 3R pq1 = (1 + ρ)R, pq2 = (1 − ρ)R. Daraus folgt f¨ ur die Faktorisierung von 6: 6R = 2R · 3R = p2 q1 q2
6R = (1 + ρ)R · (1 − ρ)R = pq1 pq2 = p2 q1 q2 .
Man sieht hier sch¨on, wie durch die Hinzunahme der Primideale die Elementsituation erg¨anzt wird. Speziell sind p, q1 und q2 keine Hauptideale, denn sonst g¨abe es ja Primelemente, welche 2, 3, 1 + ρ und 1 − ρ teilen w¨ urden und 2, 3, 1 + ρ und 1 − ρ k¨onnten nicht irreduzibel sein. Wegen p2 = 2R und q1 q2 = 3R sind diese Ideale invertierbare Ideale, da 2R und 3R invertierbar sind. Damit sind sie auch projektiv. Sie sind aber nicht frei, denn sonst m¨ ußten sie ja Hauptideale sein. Typische Beispiele f¨ ur flache, aber nicht projektive R-Moduln kann man aus −1 den Moduln M [U ], aufgefaßt als R-Moduln, erhalten. Sei R = M = Z, U = h3i und M [U −1 ] = Z[1/3]. Der Z-Modul Z[1/3] ist einerseits nicht endlich erzeugt, denn sonst w¨aren die auftretenden Nenner in Z[1/3] beschr¨ankt, andererseits sind aber je zwei Elemente aus Z[1/3] u ¨ber Z linear abh¨angig. Insbesondere kann es keine Einbettung von Z[1/3] in einen freien Z-Model geben, da in einem freien Z-Modul Elemente nicht beliebig durch Potenzen von 3 teilbar sind, was aber in Z[1/3] der Fall ist. Nach Satz 9.22, (ii) ist Z[1/3] daher nicht projektiv. Ein weiteres Beispiel f¨ ur diesen Effekt ist Q als Z-Modul. Torsionsfreie, aber nicht flache Moduln sind zum Beispiel √ √ das maximale Ideal M von R = k[[x1 , x2 ]] als R-Modul, oder M = Z[(1 + 5)/2] als R = Z[ 5]Modul.
Kapitel 11 Kategorien Wir wollen in diesem Kapitel ein paar Worte u ¨ber Kategorien und die Begriffe direkte Summe und direktes Produkt sagen, ohne allzusehr auf die Details einzugehen. Mit Hilfe von Kategorien kann man g¨angige mathematische Konstrukte und Situationen gebiets¨ ubergreifend und allgemein behandeln. Das ist f¨ ur sich genommen interessant und manchmal in konkreten Anwendungen auch n¨ utzlich.
11.1
Allgemeine Bemerkungen
Unter eine Kategorie versteht man eine Ansammlung von mathematischen Objekten gleichen Typs und ihre strukturerhaltenden Abbildungen, welche Morphismen genannt werden. Beispiele sind Gruppen und Homomorphismen, Ringe und Ringhomomorphismen, topologische R¨aume und stetige Abbildungen, Mannigfaltigkeiten und differenzierbare Funktionen, Mengen und Abbildungen und eben auch Moduln u ¨ber einem Ring R und R-lineare Abbildungen, an denen wir haupts¨achlich interessiert sind. F¨ ur solche Objekte gibt es immer wiederkehrende Konstruktionen wie direkte Summen und Produkte. In der Kategorientheorie werden unter anderem solche Gemeinsamkeiten und Prinzipien herausgearbeitet und abstrakt, h¨aufig losgel¨ost von speziellen Typen mathematischer Objekte, untersucht. In vielen F¨allen handelt es sich bei den Objekten einer Kategorie nicht einmal um Mengen mit Elementen, sondern beispielsweise wieder um Abbildungen (zum Beispiel Funktoren, siehe unten). Entsprechend m¨ ussen die Morphismen keine Abbildungen sein. Trotzem sollen Morphismen einen Definitionsbereich“ und ” einen Bildbereich“ haben und es soll m¨oglich sein, Morphismen zu verkn¨ upfen“ ” ” und auf Gleichheit zu testen, was man eben von echten Abbildungen erwarten w¨ urde. Eine Abbildung zwischen zwei Kategorien, welche Objekte auf Objekte und 205
206
KAPITEL 11. KATEGORIEN
Morphismen auf Morphismen abbildet, mit Homomorphieeigenschaft bez¨ uglich der Verkn¨ upfung von Morphismen, heißt ein Funktor. Ein Beispiel ist der Vergißfunktor von der Kategorie der R-Moduln in die Kategorie der Mengen, der jedem Modul seine unterliegende Menge und jedem Homomorphismus die entsprechende Abbildung von Mengen zuordnet. Ein anderes Beispiel ist die Fixgruppenabbildung GE/K aus der Galoistheorie, welche K¨orper und Inklusionsabbildungen nach Gruppen und umgekehrte Inklusionsabbildungen abbildet. Ein Funktor stellt also eine Beziehung zwischen zwei Kategorien dar. Man kann einen Funktor zum Beispiel dazu benutzen, die Kategorie des Definitionsbereichs mit Hilfe der Kategorie des Bildbereichs zu untersuchen. Ein wichtiges Beispiel hierf¨ ur ist die Galoistheorie, wo K¨orper mit Hilfe von Gruppen untersucht ¨ werden. Ahnlich kann man auch gewissen topologischen R¨aumen ihre Fundamentalgruppen zuordnen und anhand dieser Gruppen R¨ uckschl¨ usse auf die topologischen R¨aume ziehen. Im folgenden wird eine Kurzzusammenfassung bzw. ein Glossar g¨angiger kategorientheoretischer Begriffe gegeben. Im allgemeinen m¨ ußten wir noch etwas auf mengentheoretische Probleme achten (siehe Menge aller Mengen“), aber das soll ” uns hier nicht weiter st¨oren.
11.2
Definitionen
Eine Kategorie C besteht aus einer Klasse Obj(C) von Objekten und einer Klasse Mor(C) von Morphismen mit den folgenden Eigenschaften. Jeder Morphismus f ∈ Mor(C) besitzt genau ein Objekt A ∈ Obj(C) als Definitionsbereich“ und genau ” ein Objekt B ∈ Obj(C) als Wertebereich“. Die Morphismen f ∈ Mor(C) mit ” Definitionsbereich A und Wertebereich B bilden eine Menge, die mit MorC (A, B) bezeichnet wird. Wir schreiben auch f : A → B. Es gibt Verkn¨ upfungen ◦ : MorC (A, B) × MorC (B, C) → MorC (A, C) und ausgezeichnete Elemente idA ∈ MorC (A, A) mit f ◦ idA = f , idA ◦ f = f und (f ◦ g) ◦ h = f ◦ (g ◦ h) f¨ ur beliebige f, g, h ∈ Mor(C), deren Definitions- und Wertebereiche entsprechend zusammenpassen. Unser Standardbeispiel ist C = (R-Moduln), die Kategorie der R-Moduln, f¨ ur einen Ring R mit 1. Hier schreiben wir HomR (A, B) statt MorC (A, B). Man kann als weitere, abstrakte Beispiele aber auch geeignete, gerichtete Graphen heranziehen, wo die Ecken die Objekte und die Pfeile die Morphismen darstellen. Eine Teilkategorie D einer Kategorie C erf¨ ullt definitionsgem¨aß Obj(D) ⊆ Obj(C) und MorD (A, B) ⊆ MorC (A, B) f¨ ur alle A, B ∈ Obj(D) und heißt voll, wenn hier speziell MorD (A, B) = MorC (A, B) gilt. Ein Morphismus f ∈ MorC (A, B) heißt Isomorphismus, wenn es g ∈ MorC (B, A)
11.2. DEFINITIONEN
207
mit g◦f = idA und f ◦g = idB gibt. Zwei Objekte A und B heißen isomorph, wenn es einen Isomorphismus f ∈ MorC (A, B) gibt. Ein Morphismus f ∈ MorC (A, B) heißt Monomorphismus, wenn f¨ ur alle Objekte C und g1 , g2 ∈ MorC (C, A) aus f ◦ g1 = f ◦ g2 bereits g1 = g2 folgt. Ein Morphismus f ∈ MorC (A, B) heißt Epimorphismus, wenn f¨ ur alle Objekte C und g1 , g2 ∈ MorC (B, C) aus g1 ◦ f = g2 ◦ f bereits g1 = g2 folgt. Seien C, D Kategorien. Ein Funktor F : C → D ordnet jedem Objekt A ∈ Obj(C) genau ein Objekt F (A) ∈ Obj(D) und jedem Morphismus f ∈ Mor(C) genau einen Morphismus F (f ) ∈ Mor(C) zu, so daß folgendes gilt: F¨ ur f ∈ MorC (A, B) gilt F (f ) ∈ MorD (F (A), F (B)), außerdem F (g ◦ f ) = F (g) ◦ F (f ) f¨ ur beliebige Morphismen f, g ∈ Mor(C) mit passendem Definitions- und Wertebereichen und F (idA ) = idF (A) f¨ ur alle Objekte A ∈ Obj(C). Speziell nennt man F auch einen kovarianten Funktor. Einen kontravarianten Funktor erhalten wir, wenn F (f ) ∈ MorD (F (B), F (A)) statt F (f ) ∈ MorD (F (A), F (B)) und die entsprechenden Anpassungen gelten (wenn F also die Pfeilrichtung“ umkehrt). ” Den identischen Funktor auf C bezeichen wir mit idC . Ein Funktor F : C → D heißt voll bzw. treu, wenn F : MorC (A, B) → MorC (F (A), F (B)) surjektiv bzw. injektiv ist. Ist C eine Kategorie, so erhalten wir eine neue Kategorie C op , die zu C duale Kategorie, indem wir alle Pfeile“ umdrehen. Wir notieren einen Morphismus ” f : A → B dann einfach formal als f op : B → A, ansonsten bleibt alles beim alten. Ein Funktor C op → D ist dann im wesentlichen nichts anderes als ein kontravarianter Funktor von C nach D. Es gilt (C op )op = C. Ein Beispiel f¨ ur einen kontravarianten Funktor ist die Fixgruppenabbildung aus der Galoistheorie. Eine nat¨ urliche Transformation φ : F → G zweier Funktoren F, G : C → D besteht aus den folgenden Daten: F¨ ur jedes A ∈ Obj(C) ist φA : F (A) → G(A) ein Morphismus in D mit der Eigenschaft, daß f¨ ur jeden Morphismus f : A → B in C die Gleichung G(f )◦φA = φB ◦F (f ) gilt (man zeichne das zugeh¨orige, kommutative Diagramm). Speziell ist beispielsweise die identische nat¨ urliche Transformation φ = idF durch φA = idF (A) gegeben. ¨ Eine nat¨ urliche Aquivalenz besteht aus zwei nat¨ urlichen Transformationen φ : F → G und ψ : G → F mit φ ◦ ψ = idG und ψ ◦ φ = idF . Wir schreiben dann F ∼ = G. Zwei Kategorien C und D heißen a¨quivalent, wenn es Funktoren F : C → D und G : D → C mit F ◦ G ∼ = idC gibt. = idD und G ◦ F ∼ Als Beispiel betrachten wir die Kategorie C der endlich dimensionalen kVektorr¨aume (k ein K¨orper). Die Zuordnung V 7→ V ∗ eines Vektorraums V zu seinem Dualraum liefert einen Funktor F : C op → C. In der linearen Algebra wird gezeigt, daß es eine kanonische“ oder nat¨ urliche“ Isomorphie V ∗∗ ∼ = V gibt. Mit ” ” der eingef¨ uhrten Terminologie heißt das genauer, daß es einen Isomorphismus
208
KAPITEL 11. KATEGORIEN
¨ idC → F 2 in Fun(C, C) gibt. Also liefert F auch eine Aquivalenz von Kategorien. Das kartesische Produkt C × D zweier Kategorien C und D besitzt als Objekte und Morphismen Paare (A, B) ∈ Obj(C)×Obj(D) und (f, g) ∈ Mor(C)×Mor(D). Ein Bifunktor der Kategorien C und D in eine Kategorie E ist ein Funktor C ×D → E. Ein Bifunktor verh¨alt sich also in beiden Argumenten funktoriell.
11.3
Funktorkategorien und Lemma von Yoneda
Funktoren F, G : C → D zweier Kategorien C und D und ihre nat¨ urlichen Transformationen φ : F → G bilden die Objekte und Morphismen einer Kategorie Fun(C, D), welche die Funktorkategorie von C und D genannt wird. Die Eigenschaften einer Kategorie sind hierbei mit den naheliegenden Operationen leicht ve¨ rifiziert. Eine nat¨ urliche Aquivalenz zweier Funktoren F, G ∈ Obj(Fun(C, D)) entspricht also einem Isomorphismus in Fun(C, D), was mit der Schreibweise F ∼ =G zusammenpaßt. Sei C eine Kategorie und X ∈ Obj(C). Mit (Mengen) sei die Kategorie der Mengen und Abbildungen bezeichnet. Zwei besonders interessante Funktoren, genannt Hom-Funktoren, ergeben sich wie folgt. F¨ ur A, B ∈ Obj(C) sei hX (B) = MorC (X, B) und h′X (A) = MorC (A, X). F¨ ur f : A → B sei hX (f ) : hX (A) → hX (B) gegeben durch g 7→ f ◦ g und h′X (f ) : h′X (B) → h′X (A) gegeben durch g 7→ g ◦ f . Man beachte, daß h′X die Pfeilrichtung umkehrt. Es ist leicht einsichtig, daß hX ein Funktor von C nach (Mengen) und h′X ein Funktor von C op nach (Mengen) ist. Wir schreiben manchmal hX = MorC (X, ·) und h′X = MorC (·, X). Die injektive Zuordnung X 7→ hX liefert einen Funktor h : C op → Fun(C, (Mengen)). Die Beziehung von MorC (Y, X) und MorFun(C,(Mengen)) (hX , hY ) ist Inhalt des folgenden Lemmas, Aussage (ii). 11.1 Lemma (Yoneda). Sei C eine Kategorie. (i) F¨ ur X ∈ Obj(C) und F ∈ Fun(C, (Mengen)) gilt MorFun(C,(Mengen)) (hX , F ) ∼ = F (X) unter der Abbildung i : MorFun(C,(Mengen)) (hX , F ) → F (X), φ 7→ φX (idX ) und ihrer Inversen j : F (X) → MorFun(C,(Mengen)) (hX , F ), x 7→ φ mit φY (f ) = F (f )(x). ¨ (ii) Der Funktor h : C op → Fun(C, (Mengen)) liefert eine Aquivalenz von C op mit einer vollen Unterkategorie von Fun(C, (Mengen)).
11.3. FUNKTORKATEGORIEN UND LEMMA VON YONEDA
209
Beweis. (i): F¨ ur φ ∈ MorFun(C,(Mengen)) (hX , F ) ist φX : hX (X) → F (X). Da idX ∈ hX (X) = MorC (X, X), gilt φX (idX ) ∈ F (X) und die Abbildung i ist wohldefiniert. F¨ ur x ∈ F (X), Y ∈ Obj(C) und f ∈ hX (Y ) = MorC (X, Y ) ist φY : hX (Y ) → F (Y ) mit φY (f ) = F (f )(x) ∈ F (Y ) eine wohldefinierte Abbildung. Haben wir g : Y → Z, so gilt (F (g) ◦ φY )(f ) = F (g)(φY (f )) = F (g)(F (f )(x)) = (F (g) ◦ F (f ))(x)
= F (g ◦ f )(x) = φZ (g ◦ f ) = φZ (hX (g)(f )) = (φZ ◦ hX (g))(f ).
Daraus folgt F (g) ◦ φY = φZ ◦ hX (g) und φ ∈ MorFun(C,(Mengen)) (hX , F ). Also ist j wohldefiniert. Sei φ ∈ MorFun(C,(Mengen)) (hX , F ) und x = φX (idX ). Mit f ∈ hX (Y ) ergibt sich j(i(φ))Y (f ) = F (f )(x) = F (f )(φX (idX )) = (F (f ) ◦ φX )(idX )
= (φY ◦ hX (f ))(idX ) = φY (hX (f )(idX )) = φY (f ◦ idX ) = φY (f ),
also j ◦ i = id, da Y und f beliebig waren. Sei x ∈ F (X) und φ = j(x). Dann ergibt sich i(j(x)) = i(φ) = φX (idX ) = F (idX )(x) = x, also i ◦ j = id, da x beliebig war. Damit sind i und j zueinander inverse, bijektive Abbildungen, was zu zeigen war. (ii): h ist ein Funktor mit injektiver Zuordnung X 7→ hX . Die Aussage folgt damit aus (i) angewendet f¨ ur den Fall F = hY f¨ ur Y ∈ Obj(C). Nach (ii) k¨onnen wir Objekte X aus C also auch durch Funktorobjekte hX und Morphismen f aus C durch nat¨ urliche Transformationen hX (f ) in der unter Umst¨anden gr¨oßeren Kategorie Fun(C, (Mengen)) ohne Informationsverlust darstellen. Dies bringt manchmal Vorteile mit sich (siehe Beispiel unten). Ein Funktor F ∈ Obj(Fun(C, (Mengen))) heißt darstellbar, wenn es ein X ∈ Obj(C) und eine Isomorphie F ∼ = hX gibt. Das Objekt X ist dann bis auf Isomorphie eindeutig bestimmt. Denn ist f : hX → hY ein Isomorphismus, so ist auch h−1 (f ) : X → Y aufgrund der Funktoreigenschaft von h und der Bijektion in Lemma 11.1, (i) ein Isomorphismus. 11.2 Beispiel. Um ein Beispiel zu geben sei C eine additive Kategorie (Morphismen k¨onnen addiert werden, siehe Abschnitt unten) mit genau einem Objekt X. Die Axiome einer additiven Kategorie machen MorC (X, X) mit + und ◦ zu einem Ring R mit 1. Ist umgekehrt R ein Ring mit 1, so ist die Kategorie C, welche als einziges Objekt die Menge X = R und als Morphismen die Multiplikationen
210
KAPITEL 11. KATEGORIEN
ma : R → R, x 7→ ax mit a ∈ R besitzt, aufgrund der Ringaxiome eine additive Kategorie. Ferner sind diese beiden Konstruktionen invers zueinander. F¨ ur eine additive Kategorie sind hX und F additive Funktoren (F wird so gew¨ahlt, also sind die Funktoren vertr¨aglich mit der Addition von Morphismen), so daß das Lemma 11.1 mit der Kategorie (Abelsche Gruppen) statt (Mengen) richtig bleibt. Wir k¨onnen X bzw. R = MorC (X, X) dann auch als hX bzw. MorFun(C,(Abelsche Gruppen)) (hX , hX ) ∼ = R in Fun(C, (Abelsche Gruppen)) darstellen. Aber worum handelt es sich bei Fun(C, (Abelsche Gruppen))? Jedes F ∈ Fun(C, (Abelsche Gruppen)) ist bereits durch die abelsche Gruppe F (X) eindeutig bestimmt, da C nur das Objekt X besitzt. Wegen der Additivit¨at und Funktoreigenschaft von F bekommen wir einen Ringhomomorphismus F : R = MorC (X, X) → Mor(Abelsche Gruppen) (F (X), F (X)), so daß F (X) zu einem R-Modul wird. Jedes F definiert also einen R-Modul F (X), und damit ist die Kategorie Fun(C, (Abelsche Gruppen)) die Kategorie der R-Moduln. Das Lemma von Yoneda reduziert sich in dieser Situation zu der Aussage ∼ M = HomR (R, M ) u ¨ber koinduzierte Moduln (vgl. Satz 9.8). Wenn wir in C mehrere Objekte betrachten, erhalten wir eine Verallgemeinerung des Ringbegriffs, und Fun(C, (Abelsche Gruppen)) liefert dann eine Verallgemeinerung des Modulbegriffs. Mit der Methode des Beispiels kann man allgemein eine additive Kategorie in eine abelsche Kategorie einbetten. Die obigen (kovarianten) Aussagen u ¨ber hX besitzen analoge (kontravariante) ′ Aussagen f¨ ur hX (die wir hier der Klarheit halber angeben, obwohl das eigentlich aus Symmetriegr¨ unden u ussig ist). ¨berfl¨ 11.3 Lemma (Yoneda’). Sei C eine Kategorie. (i) F¨ ur X ∈ Obj(C) und F ∈ Fun(C op , (Mengen)) gilt MorFun(C op ,(Mengen)) (h′X , F ) ∼ = F (X) unter der Abbildung i : MorFun(C op ,(Mengen)) (h′X , F ) → F (X), φ 7→ φX (idX ) und ihrer Inversen j : F (X) → MorFun(C op ,(Mengen)) (h′X , F ), x 7→ φ mit φY (f ) = F (f )(x). ¨ (ii) Der Funktor h : C → Fun(C op , (Mengen)) liefert eine Aquivalenz von C mit op einer vollen Unterkategorie von Fun(C , (Mengen)) . Beweis. Folgt direkt aus Lemma 11.1, wenn wir Lemma 11.1 mit D = C op anwenden und beachten, daß h′X in C der gleiche Funktor wie hX in D ist (wir identifizieren X in Obj(C) und in Obj(D)).
11.4. LIMITES UND KOLIMITES
211
Ein kontravarianter Funktor F : C → (Mengen) heißt darstellbar, wenn es ein X ∈ Obj(C) mit F ∼ = h′X gibt (das haben wir genau genommen noch nicht definiert). Das Objekt X ist dann wieder bis auf Isomorphie eindeutig bestimmt. Die Zuordnung op : C → C op liefert im u ¨brigen einen kontravarianten Funktor, welcher die Objekte und Morphismen bijektiv abbildet. Daher entsprechen die kontravarianten Funktoren von C nach D eineindeutig den (kovarianten) Funktoren C op nach D. Man kann so in jeder Situation bzw. Aussage die Pfeile um” drehen“ und eine entsprechende, duale Situation bzw. Aussage erhalten.
11.4
Limites und Kolimites
In diesem Abschnitt betrachten wir Limites und Kolimites am Beispiel der Kategorie der R-Moduln. Es handelt sich hierbei um allgemeine Formen der Begriffe direktes Produkt und direkte Summe, aber auch Kern und Kokern. Die kategorielle Definition des direkten Produkts lautet wie folgt: Seien A1 ,A2 , B Moduln und πi ∈ HomR (B, Ai ) (Projektionen). Dann heißt B ein direktes Produkt von A1 und A2 , wenn f¨ ur jeden Modul C und gi ∈ HomR (C, Ai ) genau ein f ∈ HomR (C, B) existiert mit πi ◦ f = gi . Es ist wieder g¨ unstig, sich ein graphisches Bild der Situation zu malen. Ein direktes Produkt ist bis auf Isomorphie eindeutig bestimmt: Ist B ′ mit πi′ ein weiteres direktes Produkt, so gibt es f ∈ HomR (B ′ , B) und f ′ ∈ HomR (B, B ′ ) mit πi′ = πi ◦ f und πi = πi′ ◦ f ′ , also πi′ = πi′ ◦ f ′ ◦ f . Aufgrund der Eindeutigkeitsbedingung f¨ ur B folgt f ′ ◦ f = idB . Analog ergibt sich f ◦ f ′ = idB ′ . Man zeigt nun, daß direkte Produkte existieren (dies muß nicht in jeder Kategorie der Fall sein), und zwar in Form der bekannten Konstruktion B = A1 × A2 . In der Kategorie der Mengen stimmt das direkte Produkt mit dem Schnitt u ¨berein. Bei der direkten Summe geht man genau andersherum vor. Seien A1 , A2 , B Moduln und ιi ∈ HomR (Ai , B) (Injektionen). Dann heißt B eine direkte Summe von A1 und A2 , wenn f¨ ur jeden Modul C und gi ∈ HomR (Ai , C) genau ein f ∈ HomR (B, C) existiert mit f ◦ ιi = gi . Es ist g¨ unstig, sich ein graphisches Bild der Situation zu malen. Eine direkte Summe ist bis auf Isomorphie eindeutig bestimmt: Ist B ′ mit πi′ eine weitere direkte Summe, so gibt es f ∈ HomR (B, B ′ ) und f ′ ∈ HomR (B ′ , B) mit ι′i = f ◦ ιi und ιi = f ′ ◦ ι′i , also f ′ ◦ f ◦ ιi = ιi . Aufgrund der Eindeutigkeitsbedingung f¨ ur B folgt f ′ ◦ f = idB . Analog ergibt sich f ◦ f ′ = idB ′ . Man zeigt nun, daß direkte Summen existieren (dies muß nicht in jeder Kategorie der Fall sein), und zwar in Form der bekannten Konstruktion B = A1 ⊕ A2 . In der Kategorie der Mengen stimmt die direkte Summe mit der disjunkten Vereinigung u ¨berein. Die Definition wird u ¨blicherweise auf beliebige Familien von Moduln Ai ver-
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KAPITEL 11. KATEGORIEN
Q allgemeinert. Notationsweise schreibt man i Ai f¨ ur das direkte Produkt und ` A f¨ u r die direkte Summe, weil die direkte Summe das umgekehrte“ direkte i i ” Produkt ist. Direkte Summen werden daher auch Koprodukte genannt. Dahinter steckt ein allgemeines Prinzip der Kategorientheorie, daß man durch Umkehrung der Morphismen (Pfeile) zu dualen Definitionen und S¨atzen gelangt. Solche dualen Konstruktionen werden mit dem Pr¨afix Ko“ versehen. ” Produkte und Koprodukte sind noch nicht die allgemeinste Definition, die man treffen kann. Zum Beispiel kann man beim Produkt zu A1 , A2 noch einen Modul A3 und Morphismen hi ∈ HomR (Ai , A3 ) f¨ ur i ∈ {1, 2} betrachten. Man definiert das Faserprodukt als Modul B zusammen mit πj ∈ HomR (B, Aj ), so daß f¨ ur jeden Modul C und Abbildungen gj ∈ HomR (C, Aj ) f¨ ur j ∈ {1, 2, 3} mit g3 = hi ◦ gi f¨ ur i ∈ {1, 2} ein eindeutig bestimmter Morphismus f ∈ HomR (C, B) mit gj = πj ◦ f f¨ ur j ∈ {1, 2, 3} existiert. Entsprechend wird Fasersumme bzw. Faserkoprodukt definiert. Allgemein betrachtet man ganze Diagramme von Ai und Morphismen zwischen den Ai . Unter einem Diagramm A von R-Moduln versteht man einfach eine Teilkategorie der Kategorie der R-Moduln. Unter einem Morphismus g von B nach A verstehen wir eine Sammlung von Morphismen gi ∈ HomR (B, Ai ) von B zu den Ai in A, so daß folgendes gilt. F¨ ur alle Objekte Ai , Aj und Morphismen h ∈ HomR (Ai , Aj ) in A gelte gj = h ◦ gi . Analog wird ein Morphismus von A nach B definiert. F¨ ur einen Funktor F ist F (A) wieder ein Diagramm. 11.4 Definition. Der Limes des Diagramms A ist ein R-Modul B zusammen mit einem Morphismus π von B nach A derart, daß es f¨ ur jeden R-Modul C und Morphismus g von C nach A genau ein f ∈ HomR (C, B) mit g = π ◦ f gibt. Man schreibt B = lim A. ←− Der Kolimes des Diagramms A ist ein R-Modul B zusammen mit einem Morphismus ι von A nach B derart, daß es f¨ ur jeden R-Modul C und Morphismus g von A nach C genau ein f ∈ HomR (B, C) mit g = f ◦ ι gibt. Man schreibt B = lim A. −→
Andere Namen f¨ ur Limes und Kolimes sind projektiver Limes und induktiver Limes, oder inverser und direkter Limes. Wir nennen die π Projektionen und die ιi Injektionen (die Projektionen m¨ ussen aber nicht unbedingt surjektiv und die Injektionen injektiv sein). 11.5 Satz. Limes und Kolimes von Diagrammen existieren in der Kategorie der R-Moduln und sind bis auf Isomorphie eindeutig bestimmt. Beweis. Die Eindeutigkeit folgt wie bei direkten Produkten und Koprodukten. F¨ ur die Existenz des Limes gehen wir wie folgt vor. Wir bilden das direkte Produkt
11.5. UNIVERSELLE KONSTRUKTIONEN UND ADJUNGIERTE FUNKTOREN 213
Q Ai der Objekte im Diagramm A mit der Projektion π ′ : i Ai → A′ , wobei A′ das Diagramm ist, welches nur aus den Ai und keinen Morphismen besteht. Ist g : Q ur h ∈ HomR (Ai , Aj ) C → A, so gibt es ein f ′ ∈ HomR (C, i Ai ) mit g = π ′ ◦f ′ . F¨ Q ur alle h ∈ gilt gj (x) = h(gi (x)) f¨ ur alle x ∈ C. Sei B = {(zi )i ∈ i Ai | h(zi ) = zj f¨ Q HomR (Ai , Aj ) in A und alle i, j}. Das Bild von C in i Ai ist also in B enthalten. Die Projektion π wird durch Einschr¨ankung von π ′ auf B definiert. Wegen der Bedingungen f¨ ur B gilt π : B → A. Dies zeigt, daß B = lim A ist. ←− F¨ ur die Existenz des Kolimes gehen wir wie folgt vor. Wir bilden die direkte ` ` Summe i Ai der Objekte im Diagramm A mit der Injektion ι′ : A′ → i Ai , wobei A′ wieder das Diagramm ist, welches nur aus den Ai und keinen Morphis` men besteht. Ist g : A → C, so gibt es ein f ′ ∈ HomR ( i Ai , C) mit g = f ′ ◦ ι′ . F¨ ur h ∈ HomR (Ai , Aj ) gilt gj (h(x)) = gi (x) f¨ ur alle x ∈ C. Was die Werte ′ von g und f angeht, braucht man also nicht zwischen x und h(x) zu unter` scheiden. In i Ai definieren wir U als den durch {ι′j (h(x)) − ι′i (x) | x ∈ Ai , h ∈ HomR (Ai , Aj ) in A und alle i, j} erzeugten Untermodul. Dann ist U im Kern von ` f ′ enthalten. Sei B = i Ai /U . Die Injektion ι wird durch ι′ gefolgt vom Rest` ur B gilt klassenhomomorphismus i Ai → B definiert. Wegen der Bedingungen f¨ ι : A → B. Dies zeigt, daß B = lim A ist.
Q
i
−→
Sei p eine Primzahl. Als Beispiel betrachten wir das Diagramm A mit Ai = Z/pi Z und den Abbildungen hi,j : Ai → Aj , x mod pi 7→ x mod pj f¨ ur i ≥ j. Die Elemente von Zp = lim A sind Zahlen“, die modulo beliebig hoher Primpoten←− ” zen bestimmt sind (zu vergleichen mit R, dessen Zahlen in Dezimalentwicklung modulo beliebig hoher Potenzen von 10−1 definiert sind). Man kann den Limes statt f¨ ur Moduln auch f¨ ur Ringe bilden. Mengenm¨aßig bleibt Zp gleich, wird aber zum Ring und heißt Ring der p-adischen ganzen Zahlen.
11.5
Universelle Konstruktionen und adjungierte Funktoren
Noch einzugeben.
11.6
Exaktheit
Noch einzugeben.