Western-Bestseller Neuauflage der großen Romane des berühmten Autors
G. F. UNGER Arizona-Banditen Als ich aus den Brads...
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Western-Bestseller Neuauflage der großen Romane des berühmten Autors
G. F. UNGER Arizona-Banditen Als ich aus den Bradshaw Mountains in das große Tal kam, glich ich einem hungrigen Wolf aus den Bergen, der zum ersten Mal eine große Stadt sieht. Aber die Stadt war nur ein jämmerliches Nest, und ich hatte natürlich schon ganz andere Städte gesehen, nur war das schon über ein Jahr her. Die Männer, die ein Jahr lang auf der Ranch meine Gefährten und Kameraden waren, hatten mich gewarnt. Lester Farrel, der Vormann, hatte zu mir gesagt: »Cash, du machst einen Fehler, wenn du glaubst, dass schon wieder Gras über die Geschichte gewachsen ist. Jener Ringo Mannen, den du im Revolverkampf von den Beinen schießen konntest, war zu bekannt. Sieh, die meisten Burschen unserer Mannschaft haben irgendwo Verdruss gehabt und konnten hier eine Zuflucht finden. Niemand kann es wagen, auch nur einen von ihnen aus unseren Bergen zu holen. Und sie sind auch nicht so dumm, den Schutz der Gemeinschaft zu verlassen. Du solltest ebenfalls bei uns bleiben, Cash.« Ich schüttelte den Kopf, und da ließ er mich achselzuckend reiten. Er sagte mir nur zum Abschied: »Jeder Mann ist sein eigener Hüter.« Unser Boss, der sich kaum um den Ranchbetrieb
kümmerte, gab mir zu meinem Jahreslohn noch eine gute Prämie, und deshalb waren fünfhundert Dollar in meiner Tasche, als ich über den letzten Hügel ritt und mich der Stadt näherte. Es wurde Abend, und ich grinste, als ich an die vielen Freuden dachte, die dort auf mich warteten. Ich sollte mich noch wundern!
Ich war ganz bestimmt kein hübscher Bursche. Als Junge war ich oft Rusty genannt worden, aber dann wurden meine roten Haare doch dunkelbraun mit einem leichten Kupferschimmer. Ein paar Sommersprossen gab es auf meiner recht kurz geratenen Nase. Sonst waren ein paar Narben da und dort. Mein Kinn war etwas zu breit geraten – und auch der Mund. Meine Augen waren von einem Grau wie frisch gegossenes Blei. Ich wog um die hundertsechzig Pfund und war auch sechs Fuß groß. Und ich war schnell wie ein Wildkater. Die Stadt, auf die ich zuritt, hieß Three Fork, und das kam von dem Creek, der sich hinter der Stadt in drei gleichmäßig starke Wasserläufe gabelte, die dem Tal eine gute Bewässerung gaben. Doch das war mir völlig gleichgültig. Ich war froh, endlich wieder in der so genannten Zivilisation zu sein. Sechs Stunden später – es war schon kurz nach Mitternacht – hatte ich einige der Sünden, die man in Three Fork begehen konnte, auch schon begangen und war in Hatchs Spielsaloon dabei, einen Berg zu gewinnen – es war ein Berg von Geld, und von meinen fünfhundert Dollar, mit denen ich in die Stadt gekommen war, befanden sich die meisten dabei. Die Zuschauer umgaben uns wie eine Mauer, und weil es eine harte Stadt mit harten Hombres war, sah ich nicht wenige Burschen, mit denen ich lieber in Frieden ausgekommen wäre. Ich hatte drei Damen auf der Hand, und es war vielleicht
dumm von mir, mit nur drei Damen so hoch einzusteigen. Doch ich war der Meinung, dass mein Gegenüber bluffte. Er war Spieler des Hauses oder hatte zumindest diesen Kartentisch gemietet. Alle anderen Mitspieler waren ausgestiegen. Nur dieser hartgesichtige Kartenhai mit der Schnürsenkelkrawatte war außer mir noch im Spiel. Und nun sagte er: »Was soll’s denn sein, mein junger Freund? Wollen Sie auch noch Ihr Pferd, den Sattel und den Colt setzen?« »Den Colt nicht«, erwiderte ich. »Den Colt brauche ich vielleicht noch notwendig, wenn die Karten auf dem Tisch liegen. Also, Mister, zeigen Sie, was Sie haben.« Er grinste kalt. In seinen dunklen Augen war ein wachsames Glitzern. Und er legte wortlos einen Flush hin. Nun, ich hätte nichts gegen diesen Flush einzuwenden gehabt, zumal ich mit meinen drei Damen nicht dagegen ankommen konnte. Nur hatte dieser Flush einen Schönheitsfehler. Das war eine lächerliche Pik-Sieben. Ich hatte sie abgelegt, als ich Karten kaufte. So war ich zu den drei Damen gekommen. Diese Pik-Sieben musste immer noch in dem abgelegten Haufen liegen. Ich glaubte nicht, dass der Kartenhai sie sich herausgeholt hatte. Denn dann wäre er ein perfekter Zauberkünstler gewesen. Doch er hatte eine andere Pik-Sieben ins Spiel gebracht – weil nur sie ihm den Flush verschaffte, der ja eine Folge von Karten ist nach den Regeln des Pokerspiels. Nachdem ich die Pik-Sieben angesehen hatte, tippte ich mit dem Zeigefinger der Rechten darauf und sagte: »Die ist falsch. Denn…« Der Spieler war schnell. Er handelte sofort. Zum Glück war ich ein besonders schneller Linkshänder. Meine Kugel traf den Burschen genau unter die Schnürsenkelkrawatte, bevor er seinen kleinen Taschencolt, den er herausgezaubert hatte, auf
mich abdrücken konnte. Dann schlug mir jemand von hinten einen Stuhl auf den Kopf – und ich versank in bodenlose Tiefen, wusste nichts mehr. *** Ich wurde schon bald wieder wach und begriff, dass mich einige Männer über die Straße schleiften. Als sie merkten, dass ich wieder zu mir kam, stellten sie mich auf die Beine. Denn sie wollten sich natürlich nicht unnötig anstrengen und meine hundertsechzig Pfund schleppen. Ich fragte: »Was ist…? Wohin bringt ihr mich? Nehmt nur eure Pfoten von mir! Das vertrage ich nicht, wenn man mich mit unegalen Fingern so anpackt.« Die Burschen lachten grimmig. Es war nicht die kleinste Spur von Freundlichkeit in ihrem Lachen. »Du bist erledigt, Wild Bill«, sagte einer von ihnen zu mir. »Du hast einen ehrenwerten und sehr beliebten Bürger unserer Stadt vom Stuhl geschossen. Da kennt unser Richter keine Gnade. Du wirst hängen, Wild Bill. Jemand wird dir mit seinen unegalen Fingern die Schlinge um den Hals liegen, und sie werden dich daran hochziehen, bis du tot bist. Komm, mein Junge, komm schon!« Nun war ich richtig wach und alarmiert. Ich explodierte wie ein Wildkater, der aus Versehen in einen Zwinger mitten unter ein Rudel Jagdhunde geraten ist. Es gelang mir, zuerst den Sprecher und dann noch einen zweiten Mann von den Beinen zu schlagen. Doch es waren noch zwei weitere Männer da, die mich so lange festhalten konnten, bis sie wieder zu viert waren. Ich erhielt mitten auf der Fahrbahn von Three Fork die fürchterlichsten Prügel meines Lebens – und ich war schon oft von einer Übermacht verprügelt worden, weil ich zumeist das
Pech hatte, auf der Seite der Verlierer zu sein. Sie schlugen mich windelweich, und nachher mussten sie mich ins Stadtgefängnis schleifen. Nach meinem Erwachen blieb ich erst mal eine Weile liegen, ohne mich zu bewegen oder sonst welche Lebenszeichen von mir zu geben. Ich dachte an den Spieler, den ich getötet hatte. Meine Gedanken wurden nur von einem Stöhnen unterbrochen, aus dem ein gequälter Husten wurde. Ich wusste sofort, dass der Mann in der Nachbarzelle verwundet war. Und plötzlich erinnerte ich mich wieder, von diesem Gefangenen im Verlauf der letzten Stunden gehört zu haben. Im Restaurant, beim Barbier, in der Tanzhalle – überall, wo ich gewesen war, hatte man davon gesprochen, dass vier Banditen die Bank ausgeraubt hatten. Sie waren durch die Hintertür in den Tresorraum eingedrungen und hatten sich eine ganze Weile darin mit dem Direktor aufhalten können, bevor der Kassierer und die beiden anderen Angestellten der Bank überhaupt etwas merkten. Und noch etwas war bemerkenswert. Die Banditen hätten den ganzen Tresor ausräumen können. Doch sie ließen sich vom Direktor nur zwei ganz spezielle Geldbeträge aushändigen. Es handelte sich um zweiunddreißigtausend Dollar, die der Steuereinnehmer im Auftrag, der Territoriumsbehörden im Umkreis von hundert Meilen eingetrieben hatte, vor allen Dingen von einigen Gold- und Silberminen. Dazu kamen weitere vierzigtausend Dollar Armeegelder, die am nächsten Tag schon von einer Eskorte, die aus Fort Apache kommen würde, abgeholt werden sollten. Das Geld der Bank blieb unangetastet. Sonst hätten die Banditen nicht nur zweiundsiebzigtausend, sondern weit über hunderttausend Dollar Beute gemacht.
Sie konnten sich dann doch nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen. Einer von ihnen war von einem Bürger der Stadt mit einem Büffelgewehr aus dem Sattel geholt worden. Das war schon beim Ortsausgang. Ein Büffelgewehr schießt ja recht weit. Die Banditen mussten es aufgeben, ihren Partner zu retten. Überdies hatte dieser wie tot im Staub gelegen. So war das. Ich hatte es innerhalb der letzten Stunden in den verschiedensten Versionen gehört. Und nun glaubte ich, dass dieser Verwundete da in der Nebenzelle der Bandit war. Ich fragte leise: »He, Bruder, wie geht es dir?« Er wandte den Kopf. »Schlecht«, sagte er gepresst. »Dieser Rossschlächter von einem Doc hat, um die Kugel aus meiner Schulter zu bekommen, ein Riesenloch gemacht, durch welches ein Schwein springen könnte. Ich möchte wetten, dass der Doc nie mehr als Barbier oder Armeesanitäter gewesen ist. Aber du solltest dir nicht um mich Sorgen machen, mein Junge. Ich hörte vorhin die Unterhaltung der Männer, die dich brachten. Du sollst einem gewissen Earl Mills durch die Schnürsenkelkrawatte geschossen haben, als er auf dich anlegte, weil du ihn des Falschspiels bezichtigtest. Dafür werden sie dich hängen. Earl Mills hatte hier nicht nur viele Freunde – es ist in Three Fork so, dass die Saloonwirte, die Barkeeper, die Spieler, die Saloonmädchen und die Flittchen aus dem Rote-Laternen-Viertel mitsamt ihren Beschützern eine Art Gilde bilden. Sie zusammen sind die mächtigste Partei in dieser Stadt. Mit ihren Stimmen geben sie den Ausschlag, wer zum Marshal, zum Richter, in die Ausschüsse der Bürgerschaftsvertretung und in sonstige wichtige Positionen gewählt wird. Und du hast einen wichtigen Bruder dieser Gilde erschossen. Du hast keine Chance auf rechtlichem Weg. Wenn du nicht freikommen kannst, bist du schon so gut wie erledigt. Denn dies hier ist für Fremde keine faire Stadt.«
Er verstummte erschöpft, hustete wieder ein wenig und stieß dann ein Geräusch aus, welches fast wie ein leises Lachen klang. »Der Marshal und der Richter sind nicht in der Stadt«, sagte er dann. »Sie sind mit einem Aufgebot hinter meinen Freunden hergesaust. Ich denke, dass sie in zwei oder drei Tagen zurück sind. Dann werden sie sich mit uns beschäftigen. Und meine Chancen werden größer sein als deine.« Da konnte er Recht haben. So war das. Ich saß in der Klemme. Wie konnte ich da herauskommen? *** Als ich am nächsten Vormittag erwachte, war der Verwundete in der Nebenzelle ebenfalls wach und – wie es schien – sogar ziemlich fieberfrei. Er beobachtete mich eine Weile schweigend, sah sachverständig zu, wie ich meine verkrampften und zerschlagenen Muskeln wieder zu lockern versuchte. Schließlich sagte er: »Ja, genauso habe ich mir einen wilden Jungen vorgestellt, der zuerst schießt und dann denkt. Wie heißt du denn?« »Clayton, Cash Clayton«, sagte ich. Er dachte nach. »Ach, du liebe Zeit«, murmelte er dann. »Da war doch vor gut einem Jahr eine Schießerei in Tucson. Ein gewisser Ringo Mannen, der sich für eine ganze große Nummer hielt, war an einen Jungen geraten, der ihn dann von den Beinen schoss. Jeder merkte sich den Namen des viel versprechenden Amigos, Freund Cash.« »Und wer bist du?« So fragte ich. Er grinste. »Nenn mich Jim. Und wenn ich dir einen guten
Rat geben darf, nenne dich Henry Smith oder Miller, Brown oder sonst wie.« »Sicher«, sagte ich. Dann nahm ich den Blechbecher und klapperte damit zwischen den Gitterstäben herum, bis jemand aus dem Office nach hinten kam und mürrisch fragte, ob ich denn von einem wilden Affen gebissen worden wäre. »Ich will was zu essen«, sagte ich. »Soll ich hier vielleicht verhungern?« Der Mann war groß und schwer, trug den Stern eines Deputy Marshals und hatte ein zugeschwollenes Auge. Er betrachtete seine Faust, sah dann von ihr zu mir und sagte staunend, wobei er mir die Faust zeigte: »Damit habe ich dir gestern mehrmals ein Ding in den Magen gehauen – und jetzt hast du Hunger? Hast du vielleicht einen Blechpanzer?« »Ich habe Hunger«, erwiderte ich und deutete durch die Gitterstäbe auf sein zugeschwollenes Auge. »Ist das von mir?« Er nickte und grinste gemein. »Das macht nichts«, sagte er. »Ich kann auch mit einem Auge sehen, wie sie dich aufknüpfen.« Er trat an die Gittertür der Nachbarzelle und fragte: »Nun – und du? Gleich wird der Doc nach dir sehen. Willst du deinen Namen immer noch nicht nennen? Wohin werden deine drei Partner mit der Beute geritten sein? Ich glaube nicht, dass ich den Doc zu dir lasse, wenn du nicht vorher endlich den Mund aufmachst und mir erzählst, was ich wissen möchte.« Ich war nun doch einigermaßen neugierig auf das, was der Verwundete erwidern würde. Und er sagte schlicht: »Geh zur Hölle!« Der Deputy Marshal fluchte und machte wahrhaftig Anstalten, als wollte er zu dem Verwundeten in die Zelle. Aber mir war inzwischen eine Idee gekommen, und weil mir der Deputy Marshal nicht besonders schlau vorkam, führte ich diese Idee auch gleich aus. Ich wusste zu genau, dass nur ein verzweifeltes Wagnis mir Hilfe bringen konnte.
Ich durfte auch nicht warten, bis der Marshal und der Richter dieser Stadt mit dem Aufgebot zurück waren. Denn dann würde man mir kaum noch irgendwelche Lügen abnehmen. Ich sagte schnell: »Marshal, ich könnte dir vielleicht helfen.« Er wandte sich mir zu. Sein heiles Auge war voll Misstrauen. »Du?«, dehnte er. »Oha, dir würde ich nicht mehr trauen als einem Apachen. Mich mit dir einzulassen, das würde nicht anders sein, als einen Berglöwen am Schwanz zu packen.« »Na schön«, sagte ich, »dann lassen wir es bleiben. Ich hätte mir ja auch denken können, dass der Marshal und der Richter dich nicht mitgenommen haben, weil du die größte Niete von all ihren Gehilfen bist. Eigentlich brauchten sie doch nur deine Fäuste ohne den Kopf. Na schön, aber dir geht eine Chance durch die Lappen, sage ich dir.« Er kam nun vor meine Gittertür, trat ganz nahe heran. Ich näherte mich ihm ebenfalls, und einen Moment spürte ich die Versuchung, meine Hand blitzschnell zwischen zwei Stäben hindurchzustecken und in sein dichtes Kraushaar zu greifen. Wenn ich seinen Kopf dann heftig genug gegen die Gitterstäbe reißen konnte… Doch ich verwarf die Idee schnell wieder. Denn ich konnte ihm ansehen, dass er mit solch einem Versuch von mir rechnete. Er war auch zu stark gebaut. Ich würde ihn nicht heftig genug gegen die Eisenstangen reißen können. Ich sagte: »Dieser Mann dort in der Zelle ist Jim Moneymaker. Ich kenne ihn und seine Freunde genau. Denn ich stamme aus der gleichen Gegend. Sie haben einen feinen Schlupfwinkel in den Bradshaw Mountains. Es ist eine kleine Siedlung, in der auch andere Geächtete leben. Sogar einen Saloon gibt es dort in Canyon City. Ich könnte dich und ein Aufgebot hinführen.«
»Du Hundesohn!«, rief der andere Gefangene grimmig aus seiner Zelle, und mir hüpfte das Herz vor Freude darüber, wie dieser Jim auf mein Spiel einging. Denn er begann fürchterlich auf mich zu schimpfen und mir damit zu drohen, dass seine und seiner Freunde Freunde mir schon die Haut abziehen würden. Der Deputy Marshal staunte, und indes wir uns beschimpften, dachte er nach. Wären wir still gewesen, so hätten wir vielleicht sein Hirn knirschen hören bei der mühsamen Arbeit. Schließlich brüllte er: »Halt dein Maul, Jim Moneymaker! He, heißt du wirklich Moneymaker? Oder lügt mich dieser Wild Bill an?« »Natürlich lügt dieser Bastard dich an«, erklärte Jim mit Inbrunst. »Doch du bist wahrscheinlich zu dumm, um es zu merken. Dieser windige Hombre wird dich rasieren wie nichts.« »Das glaube ich nicht«, sagte der Deputy Marshal. Er kam wieder näher an meine Zelle heran. »Was versprichst du dir davon?«, wollte er wissen. »Dass ihr mich laufen lasst«, erwiderte ich. »Was sonst? Ich reite mit euch nach Canyon City, führe euch hin. Dann lasst ihr mich laufen.« Er staunte, bohrte nachdenklich mit dem Kleinfinger in seinem Nasenloch und murmelte schließlich: »Ach was, wir müssen auf die Rückkehr des Marshals und des Richters warten. Ich – ich mache ja nur ehrenamtlich die Vertretung. Ich bin sonst Rauswerfer im Royal Saloon.« »Na schön«, gab ich scheinbar auf, wandte mich ab, um mich der Länge nach auf der harten Pritsche auszustrecken. »Ich gehe jede Wette ein, dass der Marshal mitsamt dem Richter und auch dem ganzen Aufgebot erfolglos heimkehren wird. Aber dann ist es zu spät. Dann sind die Banditen mit dem vielen Geld auch nicht mehr in Canyon City. Denn sie müssen
ja befürchten, dass euer verwundeter Gefangener sie verrät. Mensch, Dicker, wenn du dem Marshal und der ganzen Stadt zeigen willst, wie es gemacht wird, dann müsstest du jetzt sofort ein Aufgebot zusammenstellen und dich mit mir auf die Socken machen. Aber ich sehe schon, dass du einer von der ganz ruhigen Sorte bist. Ich habe Hunger!« Er stand nach meinen Worten noch einige Atemzüge lang an meiner Gittertür und dachte nach, indes der Verwundete mich aus der Nachbarzelle pausenlos verfluchte. Dann ging er. Jim lachte in der Nachbarzelle leise und recht mühsam. »So dämlich ist er nun doch nicht«, sagte er dann. »Abwarten«, erwiderte ich. Lange brauchten wir nicht zu warten. Denn schon bald – ich hätte in der Zeit vielleicht zwei Zigaretten rauchen können – kam der Marshalgehilfe wieder in den Zellenraum. Und er kam nicht allein. Er brachte zwei Burschen mit, die wahrscheinlich ebenfalls aus dem Saloon waren, in dem er sonst arbeitete. Sie ließen mich aus der Zelle. Der Bulle sagte: »Also gut, versuchen wir es mal. Ich bin Dick Hurton, und ich nehme all meine Freunde mit. Wenn du uns reinzulegen versuchst, wirst du den Tag bedauern, an dem du geboren wurdest. Gehen wir!« Wir gingen durch die Hintertür hinaus. Draußen warteten ein halbes Dutzend hartgesichtige Townwölfe auf guten Pferden. Auch für uns waren Pferde dabei. »Aber ich habe Hunger«, wandte ich ein. »In den Satteltaschen ist Proviant. Friss unterwegs, so viel du willst«, sagte einer der Männer, den ich für einen Revolvermann aus dem Saloon hielt. Ich sagte nichts mehr. Vorsichtig verließen wir auf Seitenwegen die Stadt. Ich ritt an der Spitze. Doch ich ritt das schlechteste Pferd. Hinter mir folgten neun harte Burschen.
Und ich hatte den Verdacht, dass sie an dem geraubten Geld sehr viel mehr interessiert waren als an Recht und Gesetz und der Festnahme der Banditen. Natürlich musste ich mir wieder etwas einfallen lassen. Aber das hatte noch ein paar Meilen Zeit. Zuerst sah ich nach, was in der Satteltasche war. Ich fand etwas Brot, Rauchfleisch und einige Pfannkuchen. Ich aß im Reiten, und danach fühlte ich mich etwas besser. Dick Hurton hielt sich fast immer neben mir. Einmal sagte er grollend: »Pass auf, mein Junge! Wenn du uns reinzulegen versuchen solltest, dann wirst du den Tag bedauern, an dem…« »Ich habe es schon gehört«, unterbrach ich ihn. »Du musst mir nicht jede halbe Stunde das Herz klopfen lassen.« Da sagte er nichts mehr. Doch sein einäugiger Blick verriet mir deutlich genug, dass er misstrauisch war. Wir näherten uns indes einer Holzbrücke, über die ich gestern Nachmittag gekommen war. Ich hatte sogar hier angehalten und war das Steilufer hinuntergeklettert, um mich etwas zu waschen. Ich wollte nicht so staubig und verschwitzt nach Three Fork kommen. Indes ich mich wusch, hatte ich mir die Strömung des hier noch ungeteilten Three Fork Creek betrachtet. Der Fluss war hier recht tief. Schon die spanischen und später auch mexikanischen Gouverneure hatten all die Jahre dafür gesorgt, dass es hier eine Brücke gab. Diese Brücke war meine ganze Hoffnung. Auf sie musste ich all meine Chips setzen. Und schon als ich in der Zelle zu sprechen begann, um den Deputy Marshal Dick Hurton für meinen Plan zu gewinnen, hatte ich an die Möglichkeit bei der Brücke gedacht. Und noch etwas muss ich vorausschicken, weil meine Geschichte sonst zu unwahrscheinlich klingen würde. Ich war an einem Fluss aufgewachsen. Ich war ein Bursche vom Brazos River in Texas. Ich kannte mich aus mit
Strömungen, Strudeln und all den Dingen in einem Fluss. Auch schwimmen und tauchen konnte ich wie kaum ein anderer Bursche. Und dies war hier in Arizona eine Seltenheit. Hier konnten die meisten Menschen gar nicht schwimmen, denn es gab dafür nicht genug Gelegenheiten. Ich benahm mich ganz ruhig. Als wir auf die Brücke ritten, saß ich auf dem Gaul, als wäre ich froh, die polternden Planken möglichst schnell hinter mich zu bringen. Doch dann stieß ich einen schrecklichen Pumaschrei aus. Das war der erste Trick. Denn nichts auf der Welt erschreckte Pferde in diesem Land so sehr wie der Schrei eines Pumaweibchens. Es ist ja auch ein schrecklicher Laut. Und als die Pferde meiner neun Begleiter hochgingen – mein Tier natürlich ebenfalls –, warf ich mich vom Pferderücken über das Brückengeländer hinweg in die Tiefe. Ich hatte die Knie unter das Kinn genommen und sauste wie eine Kugel ins Wasser, ließ mich absacken und fiel bis auf den Grund, der aus grobem Geröll bestand. Nun musste ich die Nerven behalten. Dies liest sich jetzt leichter, als es zu bewerkstelligen war. Denn alles in mir wollte mich dazu bringen, mich flussabwärts treiben zu lassen. Aber bald schon würde ich auftauchen müssen. Ich konnte mir ausrechnen, dass zu beiden Seiten des Creeks Reiter sein und auf mich schießen würden. Und so krallte ich mich am Grund des Flusses in das Geröll, zog mich daran vorwärts auf den riesigen Pfeiler zu. Zuerst riss die Strömung mächtig an mir. Zweimal sah es fast so aus, als würde ich fortgerissen werden. Dann aber kam ich in den Rückstau, der durch den riesigen Pfeiler verursacht wurde. Nun hatte ich es leicht. Die schwarze Wand des Pfeilers tauchte vor mir auf – denn natürlich hatte ich es schon als Junge gelernt, unter Wasser die Augen zu öffnen. Ich tauchte dicht am Pfeiler auf und sah wahrhaftig
rechts und links des Flusses die Reiter davongaloppieren. Sie rechneten damit, dass ich etwa hundert Schritte unterhalb der Brücke auftauchen musste, um Luft zu schnappen. Länger konnte ihrer Meinung nach kein Mensch unter Wasser bleiben – selbst mit Hilfe der Strömung nicht. Ich musste es jetzt wagen – jetzt oder nie. Denn sie würden gewiss zurückgeritten kommen. Ich musste riskieren, dass mich einer von ihnen, der vom Sattel aus zur Brücke zurücksah, entdeckte. Ich griff in die Spalten der groben Steine, aus denen der Pfeiler gemauert war, und zog mich hoch. Weiter oben waren aus dem Mauerwerk Steine herausgebrochen. Nun konnte ich noch besser klettern. Immer höher gelangte ich unter den Schutz der Brückenplanken. Oben war es dann einfach für mich. Ich fand eine Lücke, in die ich mich schieben konnte wie unter ein niedriges Sofa. Durch einen Spalt zwischen den Planken konnte ich den Himmel sehen. Nun musste ich warten. Das war mir lieb, denn ich war zutiefst erschöpft. Auch keuchte ich nach Luft, denn ich hatte mich während der vergangenen drei Minuten bis zur restlosen Erschöpfung angestrengt. Doch was tut ein Bursche wie ich nicht alles, um seinen Hals zu retten, nicht wahr? Lange brauchte ich nicht zu warten. Nach zehn Minuten etwa versammelten sich die neun Burschen wieder bei der Brücke. Ich hörte eine heisere Stimme wild und böse rufen: »Der muss doch ersoffen sein wie ein durchlöcherter Eimer – oder?« »Vielleicht hat ihn ein Strudel hinuntergezogen und zwischen zwei Steine geklemmt!« So rief eine andere Stimme. »Der war ja verrückt, sich über das Geländer in diesen wirbelnden Creek zu werfen!«, hörte ich eine dritte Stimme rufen. Dann waren sie einige Atemzüge lang still.
»Wo kann er denn sonst sein – unter der Brücke?« So fragte dann Dick Hurtons Stimme. »Ach was, wie sollte er das denn gemacht haben?« Eine Stimme fragte das recht spöttisch. »Der Bursche ist doch flussabwärts von der Brücke gesprungen. Er müsste ja stromauf zurückgeschwommen sein. Hey, ich sah ihn untertauchen und nicht wieder hochkommen. Ich sage euch, dass ihn die Strudel tief hinuntergerissen und irgendwo festgeklemmt haben. Der ist hin. Und die ganze Sache war Blödsinn. Reiten wir in die Stadt zurück. Was sollen wir hier noch?« *** Ich war davongekommen – mit dem nackten Leben zwar, doch glücklich davongekommen, und nur dies allein zählte. Eine halbe Meile weiter suchte ich mir in einer Waldinsel eine Stelle, wo man mich nur mit Hunden würde heraustreiben können. Denn ich musste auf die Nacht warten. Bei Tag war ich zu Fuß und ohne Waffen zu sehr dem Zufall ausgeliefert. Auch hatte ich ohne Pferd und Ausrüstung kaum eine Chance in diesem Land. Aber das würde bald schon anders werden. Aus dieser lausigen Stadt würde ich mir holen, was ich brauchte. Dies nahm ich mir vor. Dann versuchte ich einzuschläfern Aber ich konnte nicht schlafen, obwohl dies die beste Art gewesen wäre, den Tag zu verbringen und Kräfte zu sammeln. Ich war ja in keiner guten körperlichen Verfassung. Ich musste auch an den Verwundeten im Gefängnis denken und fragte mich, ob ich ihn herausholen sollte. Doch es würde schon schwer genug sein, dort in der Stadt ein Pferd mit Ausrüstung und Waffen für mich selbst zu
besorgen. Wenn ich den Burschen herausholen wollte, würde alles noch sehr viel schwieriger werden. Und was hatte ich davon, ihn zu befreien? Er war mir fremd. Nicht einmal seinen richtigen Namen wusste ich. Aber da war diese miese Stadt, in der man mir das Fell über die Ohren gezogen hatte. Ich traute dieser Stadt nichts mehr zu – nur alles Schlechte. Überdies hatten die Banditen – zu denen der Gefangene gehörte – nur Steuer- und Lohngelder der Armee geraubt. Dies war mir irgendwie sympathisch. Jener Gefangene war in meinen Augen also kein richtiger Bandit. Irgendwie fühlte ich mich ihm verbunden. Es würde mir gefallen, dieser lausigen Stadt einen Streich zu spielen. Als ich zu dieser Erkenntnis kam, wurde mir klar, dass ich ihn herausholen würde. Und als mir dies klar geworden war, konnte ich plötzlich sanft und friedlich einschlafen. *** Ich erwachte bei Anbruch der Dunkelheit und verspürte schon wieder Hunger. Plötzlich sah ich von der Waldinsel aus einige Siedler- oder Auswandererwagen, die in der Senke unter mir aufgefahren waren. Es war ein Camp vieler Familien, das erkannte ich an den vielen Feuern. Zu fast jedem Wagen gehörte ein Feuer. Verdammt, ich hatte so fest geschlafen, dass ich nicht gehört hatte, wie sie herangefahren waren und dort unten ihr Camp aufgeschlagen hatten. Die Essensgerüche stiegen aus der flachen Senke zu mir herauf. Es schienen mir damals geradezu himmlische Düfte zu sein, sie machten mich ganz schwach vor Hunger. Ich schlich an einem kleinen Wasserlauf entlang, der sich kurz vor der Stadt mit dem Three Fork Creek vereinigte. Einer der Wagen
stand etwas abseits, ziemlich dicht am Wasser und bei den Büschen. Ich musste dicht daran vorbei. Vom Feuer her kam ein besonderer Duft. Er ließ mich anhalten und dann durch die Büsche ein Stück näher an das Feuer schleichen, bis ich alles genau sehen konnte. Der Wagen war solide und fest. Am Feuer kniete ein Mädchen und briet Forellen in der Pfanne. Es war eine große Pfanne. Sie wälzte die Forellen in Eigelb und dann in Mehl. Es waren prächtige Fische aus dem Creek. Und dennoch vergaß ich beim Anblick des Mädchens einen Moment meinen Hunger. Denn der rote Feuerschein beleuchtete ein Gesicht, wie ich es so schön noch niemals gesehen zu haben glaubte. Plötzlich sagte sie laut und klar: »Wer immer Sie sein mögen dort in den Büschen – kommen Sie endlich hervor. Mein Hund hat Sie schon lange gewittert. Ich schicke ihn, Sie zu holen, wenn Sie nicht freiwillig herauskommen.« Ich erschrak. Heiliger Rauch, dachte ich, jetzt bin ich doch wie ein dummer Enterich in eine Falle gewatschelt. Wo ist der Hund? Endlich sah ich ihn. Er lag unter dem Wagen, und er war gewiss kohlrabenschwarz. Ich hörte ihn knurren und sah nun endlich den Phosphorschimmer seiner Wolfsaugen. Es war ein Hund, der nicht bellte, sondern darauf abgerichtet war, auf andere Art Zeichen zu geben. Solch ein Hund war gefährlich wie ein schleichender Apache. Ich wusste, er würde kommen und mich aus dem Busch holen. Ich konnte ihm nichts entgegensetzen als meine Hände. Da gab ich lieber auf. »Schon gut«, sagte ich. »Natürlich komme ich lieber freiwillig heraus. Sorgen Sie nur dafür, dass mich dieser schwarze Wolf nicht auffrisst.« Ich tat etwas ängstlicher, als ich in Wirklichkeit war. Und dann trat ich aus den Büschen und näher an das Feuer heran.
Der Hund kam unter dem Wagen hervor. Er knurrte böse und näherte sich mir mit entblößtem Fang. Das Mädchen stand nur bewegungslos am Feuer und sah uns an. Sie wartete einfach. Ich begriff irgendwie, dass ich mit dem Hund allein zurechtkommen musste. Und so sagte ich zu ihm, wobei ich zugleich zu dem Mädchen sprach: »He, mein schwarzer Freund, warum knurrst du mich an? Glaubst du vielleicht, ich esse Hundefleisch? Nein, ich bin nur im Fluss gewesen und habe dort mein Pferd und alles verloren, was ich besitze. Ich bin harmlos und komme um vor Hunger. Der Duft dieser herrlichen Forellen lockte mich an. Und dann staunte ich zu sehr über die Schönheit deiner Herrin, vergaß dabei, mich zu bewegen und aus den Büschen zu treten. He, alter Junge, das kannst du doch verstehen, nicht wahr?« Er verstand es. Denn er knurrte nicht mehr, zeigte auch nicht mehr drohend seinen Fang. Doch er kam noch etwas näher, um mich eingehend zu beschnuppern. Das Mädchen lachte plötzlich. »Nun glaube ich«, sagte sie, »dass Sie harmlos sind, Fremder – zumindest kein Feind und auch kein schlechter Bursche. Denn Alamo hätte sonst mit dem Knurren nicht aufgehört. Auf seinen Instinkt kann ich mich verlassen. Kommen Sie näher ans Feuer, Fremder. Setzen Sie sich. Ein oder zwei Forellen habe ich übrig. Wissen Sie, ich warte auf die Rückkehr meines Vaters. Der ritt in die Stadt. Essen Sie! Ich habe auch Kaffee und Brot.« Ich gehorchte. Was konnte ich auch anders tun? Und überdies hatte ich einen schlimmen, bösen Hunger. Noch etwas machte mir Freude. Sie hatte von ihrem Vater gesprochen. Also war sie wahrscheinlich unverheiratet. Zum Teufel, dachte ich, warum stecke ich jetzt gerade in solch einem Verdruss? Ich musste mich beim Feuer niederhocken, bekam einen
Teller und zwei schöne Forellen, Brot und Kaffee. »Sie sehen ziemlich mitgenommen aus, Mister«, sagte sie und sah mir zu, wie ich zu essen begann. Ich wusste, dass sie mich nach der Art, wie ich essen würde, ab- und einschätzen würde. Und so gab ich mir Mühe, möglichst manierlich und zivilisiert zu futtern, nicht so wie ein halb verhungerter Wilder. Meine Art, mir ihre gebackenen Forellen einzuverleiben, schien ihr zu gefallen. Überdies stellte ich mich vor. »Ich bin Cash Adam«, sagte ich. »Nein, solch ein Zufall«, rief sie und klatschte impulsiv vor Überraschung und Freude in die Hände. »Wir heißen Adams – bei uns ist nur das S hinten dran. Oder heißen Sie auch Adams und nicht Adam?« »Nur Adam – ohne S«, erwiderte ich, und ich log sie gar nicht einmal an. Denn mein zweiter Vorname war Adam. Ich verschwieg ihr also nur meinen Nachnamen Clayton. »Ich bin Carolyna Adams«, sprach sie. »Mein Vater führt diesen Wagenzug nach Süden, nach Tucson. Dies alles sind erfahrene Minenleute mit ihren Familien. Die Aurora-Mine wird sie unter Vertrag nehmen, will sie sesshaft machen mit ihren Familien.« »Aha«, sagte ich kauend. »Von der Aurora-Mine in den Catalina-Bergen habe ich schon gehört. Beim letzten Apachenüberfall wurden dort viele Menschen niedergemetzelt – und dies hier ist wohl der Nachschub, diesmal mit Frauen und Kindern.« Sie starrte mich an. »Aber – aber das ist es ja gerade«, sagte sie dann. »Wenn die Minenarbeiter Frauen und Kinder bei sich haben, werden sie eine Stadt aufbauen, in der auch andere Menschen leben – Kaufleute, Handwerker. Sie alle sind dann sicherer. Mein Vater hätte sich sonst nicht bereit erklärt, diese Menschen dorthin zu führen. Mein Vater ist Daniel Adams, der bekannte Scout…«
»O ja, von ihm hörte ich schon.« Ich nickte kauend. Wir wechselten nur noch ein paar Worte. Sie fragte mich auch, ob ich hier aus der Gegend sei. »Nein, ich bin von einer Ranch tief in den Bradshaw Mountains«, erwiderte ich und erhob mich. »Vielen Dank für Speis und Trank«, scherzte ich lahm. »Vielleicht ist es mir eines Tages möglich, Ihre Freundlichkeit zu vergelten, Miss Adams.« Mit einer Verbeugung nahm ich von ihr Abschied. In ihren grünen Augen erkannte ich tiefe Nachdenklichkeit. Ich schnalzte dem Hund zu, der einen Seufzer ausstieß, so als bedauerte er wie ein Mensch meinen Fortgang. Oh, ich würde gewiss oft an diese Carolyna Adams denken müssen! Doch ich war auf dem Weg in die Stadt, um jenen Jim aus dem Gefängnis zu befreien. Das würde ein schweres Stück Arbeit sein. *** Bis Mitternacht hatte ich die Vorbereitungen geschafft. In einer Gasse hatte ich zwei Sattelpferde gefunden, deren Besitzer wahrscheinlich bei irgendwelchen Freundinnen waren. Ich brachte die Tiere halb um die Stadt herum bis hinter das Gefängnis. Ich näherte mich dem Gefängnis. Es hatte eine Hintertür, von der aus man gleich in den Zellenraum gelangen konnte. Durch die Vordertür von der Straße her musste man erst durch das Office, um in den Zellenraum zu kommen. Die Fenster der Rückseite waren so klein, dass sich nur ein Kind hätte durchzwängen können. Aber vielleicht konnte ich es von oben schaffen. Denn es gab einen mächtigen Baum, eine Burreiche, deren Wurzeln wahrscheinlich tief unter der Erdoberfläche bis zu einer Quelle reichten. Ich kletterte hinauf
und erreichte auf einem ausladenden Ast, der am Anfang so dick wie ein Mann war, das Dach. Die Dachluke war innen nicht verriegelt. Als ich sie öffnete, wusste ich genau, wie gefährlich das war. Denn jetzt konnte im ganzen Haus ein Durchzug entstehen, und wenn das jemandem auffiel, dem es nicht auffallen durfte, dann – o ja, dann gab es Verdruss. Aber ich wagte es. Die Leiter stand auch an der richtigen Stelle. Man war hier sehr bequem und machte sich durch Zuriegeln und Fortstellen der Leiter nicht unnötige Arbeit. Ich schloss die Dachluke so schnell ich konnte und suchte mir dann durch den Speicher einen Weg zur Tür. Länger als zehn Minuten musste ich warten. Dann wurde es auf der Straße recht laut. Die Mitternachtspostkutsche kam mit einiger Verspätung von Fort Apache her in die Stadt gesaust. Der Lärm übertönte das Knarren der Tür. Auch konnte ich erwarten, dass der Deputy Marshal Dick Hurton jetzt draußen auf der Straße war, um der Postkutschenankunft beizuwohnen. Ich ging die Treppe hinunter und gelangte in einen kleinen Vorraum. Rechts die Tür führte in die kleine Wohnung des Marshals. Links ging es ins Office. Diese Tür war halb geöffnet. Ich schob meinen Kopf ins Office. Es war leer. Der bullige Deputy Marshal war fort. Na, ich beeilte mich mächtig. In einem Regal fand ich sogar meinen guten Waffengurt mit dem zuverlässigen Colt. Als ich ihn mir umlegte, kam ich mir nicht mehr so allein vor. Ich hatte nun einen guten Freund zur Seite. Dann betrat ich den Zellenraum. Jim lag auf seinem Lager. Bei meinem Eintritt hob er den Kopf und sagte: »Nun, ich hab mit mir gewettet, dass du mich rausholen würdest, Bruder. Ich dachte mir schon, dass du die Ankunft der Postkutsche ausnutzen würdest. Ich habe während der letzten Stunden genug Kraft gesammelt. Hey, was hat dieser Dick Hurton auf
dich geschimpft, nachdem er so erfolglos zurückgekommen war. Er behauptete, du wärest ertrunken. Doch ich glaubte es nicht. Für solch einen Narren hielt ich dich nicht, dass du dich von der Brücke in den Creek gestürzt hättest, um dort zu ersaufen.« Indes er ruhig plauderte, hatte er sich erhoben und war an die Gittertür getreten. Ich war sehr froh zu sehen, dass er allein auf den Beinen stehen und sich auch bewegen konnte. Ich hatte den Schlüssel vom Haken geholt und die Zelle aufgeschlossen. Aber dann ging die Sache nicht mehr so glatt weiter wie bisher. Mit der Postkutsche waren offenbar keine interessanten Dinge gekommen. Dick Hurton kehrte schon zurück. Doch es war nicht schwer, ihn zu überrumpeln. Wir entwaffneten ihn und ließen ihn in Jims Zelle spazieren. »Man wird mich aus der Stadt jagen«, jammerte er. »Dies ist nun schon der zweite Gefangene, der mir abhanden kommt. Ich bin erledigt in dieser Stadt, und meinen Job als Rauswerfer im Royal Saloon bin ich ebenfalls los.« »Dies ist eine lausige Stadt mit einem lausigen Saloon«, sagte ich. »Es wird nur gut für dich sein, wenn du von hier verschwindest.« Und dann verließen wir das Gefängnis durch die Hintertür und erreichten die Pferde. Ich beobachtete jenen Jim genau, als er aufsaß. Er schaffte es erst beim dritten Versuch. Dies war ein deutliches Zeichen dafür, wie sehr er seine Kraft schon verausgabt hatte. Er war gar nicht so kräftig und erholt, wie er es mir vorgespielt hatte. Aber vielleicht konnte er im Sattel besser durchhalten als auf den Beinen. Wir ritten um die Stadt herum nach Süden. Links von uns waren die Feuer und Laternen des Wagencamps, in dem ich das Mädchen Carolyna Adams wusste.
Ich glaubte damals nicht, dass ich sie jemals wiedersehen würde – obwohl ich ja wusste, wohin sie mit ihrem Vater und den anderen Leuten wollte. *** Wir ritten einige Meilen. Dann hielt Jim an und sagte: »Ich bedanke mich, Bruder – und wenn es sich ergibt, werde ich mich gelegentlich revanchieren. In Yuma, Nogales, Tucson, Bisbee und Douglas kennt man mich als Jim Slater. Mach’s gut, Cash Clayton – denn hier trennen sich unsere Wege. Also…« Er wollte anreiten, doch ich sagte: »He, du schaffst es ohne meine Hilfe nicht. Überdies musst du damit rechnen, dass dieser Dick Hurton mit seinem Gebrüll längst die Stadt geweckt hat und bald Aufgebote nach uns suchen werden. Ich glaube, du musst noch eine Weile mit meiner Hilfe vorlieb nehmen. Hast du denn Angst, dass ich einen Anteil von eurer Beute haben möchte?« Er betrachtete mich im Sternenlicht, saß zusammengesunken im Sattel und dachte nach. »Sicher willst du einen Anteil«, sagte er. »Warum hättest du mich sonst befreit? Aber meine Partner sind ziemlich harte Hombres. Die teilen nicht gern mit Fremden. Überdies hätten sie mich gewiss selbst herausgeholt, sobald sie das Aufgebot abgeschüttelt hatten und umkehren konnten. Die hätten mich nicht im Loch gelassen. Also, Amigo, adios!« Er ritt weiter. Ich blieb zurück. Nach acht Meilen etwa fand ich ihn wieder. Er lag am Boden und hatte die Zügelenden fest in der Hand, denn er hatte sie sich ums Handgelenk gebunden, damit ihm das Pferd nicht fortlaufen konnte. Wir waren jetzt etwa elf Meilen von Three Fork entfernt – eine lächerliche Entfernung
war das. Und bald würde es Tag werden. Als ich Jim Slater untersuchte, spürte ich die Hitze in seinem Körper. Er hatte ziemlich starkes Fieber. Die Anstrengung war zu viel für ihn. Seine Wunde und der Blutverlust hatten ihn zu sehr geschwächt, und mit Energie und Willen konnte er zwar aus seinem Kern noch einmal Kraft holen, doch damit verlor er so viel von seiner Substanz, dass er jetzt ein kranker Mann war. Er hatte sich überschätzt und war erledigt. Ein Aufgebot würde ihn wahrscheinlich bewusstlos auf der Fährte finden. Ich musste ihn fortbringen. Und so hob ich ihn in den Sattel und band ihn darauf fest. Das war ein schweres Stück Arbeit. *** Ich ritt mit Jim Slater bis zum frühen Vormittag tief in das wilde, unübersichtliche Land hinein und wandte dabei jeden Trick an, unsere Fährte zu verbergen. Oha, ich kannte eine ganze Menge Tricks, die es selbst einem Apachen sehr schwer machen würden, meiner Fährte zu folgen. Bei einer kleinen Quelle am Fuß einer roten Mesa hielt ich an, um die Pferde zu versorgen und unsere Wasserflaschen zu füllen. Dann führte ich die Pferde mit dem auf seinem Tier immer noch festgebundenen Jim Slater davon, kehrte nochmals zurück und verwischte alle Spuren. Zwei Meilen weiter hielt ich endlich an. Denn ich konnte und wollte mit Jim Slater nicht mehr weiter. Er wäre mir im Verlauf des Tages gewiss gestorben, so zäh er auch war.
In den Satteltaschen der beiden Pferde fand ich etwas Proviant. Denn die Besitzer dieser Tiere waren aus dreißig Meilen Entfernung gekommen und mussten diese Strecke ja auch wieder zurück. Ich aß etwas. Jim Slater konnte ich nur einige Schlucke Wasser einflößen. Mit einem nassen Handtuch kühlte ich ihm die Stirn. Mehr konnte ich nicht tun. Sein Schulterverband saß noch recht gut. Natürlich war er durchgeblutet. Doch ich hatte nichts, womit ich ihm einen besseren Verband hätte anlegen können. Dann dachte ich über die ganze Situation nach. Ich hatte diesem Slater gewiss nicht aus der Klemme geholfen, weil ich mir einen Anteil von der Beute erhoffte. Nein, das konnte ich ehrlich sagen. Aber jetzt… Ich war ja inzwischen ein Pferdedieb geworden. Ich brauchte mir also nichts mehr vorzumachen. Nun war ich endgültig ein Geächteter geworden. Und ich begann über meine Chancen nachzudenken. Hier im Südwesten war ich erledigt. Also musste ich fort – irgendwohin nach Norden oder Nordwesten. Vielleicht nach Oregon? Ja, nach Oregon! Und ich brauchte Geld. Ein Anteil von der Beute wäre gut für mich. Dieser Jim Slater hatte mich mit seinem Misstrauen auf den Gedanken gebracht und mir die Idee erst in den Kopf gesetzt. Ich spürte zunehmend meine Müdigkeit und schlief ein. *** Als ich erwachte, war ich nicht mehr allein, und ich erwachte auch nicht von selbst, sondern schreckte auf, weil mir jemand die Fußspitze in die Seite stieß. Ich warf mich sofort herum,
umklammerte die Beine des Burschen und brachte ihn zu Fall. Dann erst hatte ich die Augen richtig auf. Jemand schlug mich mit dem Gewehrlauf von dem Mann herunter, auf dem ich kniete und dem ich es gerade beidhändig geben wollte. Ich rollte weiter, schnellte dann empor und griff nach dem Revolver. Aber ich hatte ihn bei meiner rasenden Tätigkeit verloren. Sie hatten mich, und ich hielt sie vorerst immer noch für ein Aufgebot, welches uns gefolgt war und trotz all meiner Kunst, eine Fährte zu verwischen, gefunden hatten. Sie gaben mir Zeit, mich zu erholen. Ich sah nur, dass sie drei hartgesottene Burschen waren, richtige zweibeinige Wölfe, wie man sie nur selten zu dritt findet. Ich begriff, dass sie kein Aufgebot, sondern Jim Slaters Partner waren. »Du hast es uns mächtig schwer gemacht, Amigo – und du scheinst so etwas wie ein Wildkater zu sein, der sich beim geringsten Anlass wie eine Sprengladung benimmt. Lass es sein! Warum wurdest du denn so wild?« Der Sprecher hatte eine gedehnte Sprechweise. Er war Texaner, und er war groß, hager, dunkel, helläugig und narbig. Man konnte diesen Mann, hatte man ihn erst einmal gesehen, nicht mehr vergessen. Der zweite Bursche war rotköpfig, sommersprossig und sah so aus, als könnte er sich unter den Bauch eines Pferdes bücken und dieses so anheben. Er grinste breit. Seine Zähne sahen aus, als könnte er damit Steine zu Pulver mahlen. Doch er war nur mittelgroß. Er war einer von den ganz schnellen Toros – und ein Toro, das ist ein spanischer Kampfstier. Der dritte Mann war blond und blauäugig. Er war jener, der mir die Stiefelspitze in die Seite gestoßen hatte. Er war nicht älter als ich, fast so groß, doch schmächtiger. Es war kein Wunder, dass ich ihn so schnell unter mich bekommen hatte.
Er betrachtete mich kalt. In seinen blauen Augen glitzerte die kalte Wut. In seinem Kreuzgurt trug er zwei Revolver mit hellen Beingriffen. Er war ein gefährlicher Revolvermann. Das sagte mir mein Instinkt. »Ach«, sagte ich, »er hätte mich nicht in die Seite stoßen sollen. Zwei oder drei meiner Rippen sind angeknickt. Die machen mir schon genug zu schaffen, wenn niemand dagegentritt. Aber ich will zugeben, dass dieser Gelbkopf das nicht wissen konnte. Seid ihr Jim Slaters Freunde?« Sie erwiderten nichts, sahen mich nur an. Sie schätzten mich ab. Nun wurde ihnen wohl auch klar, warum sie mich hatten überrumpeln können. Ich war ja selbst ein ziemlich kranker und bis ins Mark erschöpfter Mann gewesen. Deshalb war mein Schlaf tiefer als sonst, und deshalb hatte mich auch mein Instinkt nicht gewarnt. Sie schätzten mich jetzt bestimmt nicht mehr zu gering ein. »Kann ich meine Kanone haben?« So fragte ich. Denn ich sah nun meine Waffe in der Hand des großen, hageren dunklen Mannes, dessen helle Augen eine gewisse Macht zu besitzen schienen. Sein heller Blick war irgendwie suggestiv und schien tief in meinen Kern einzudringen. Er schüttelte den Kopf, fragte: »Warum hast du ihn befreit und fortgebracht, Hombre?« »Ach, ich hatte selbst Streit mit dieser Stadt. Ich erwischte einen dieser Berufsspieler beim Falschspiel und schoss dann schneller als er. Aber seine Freunde waren auf seiner Seite. Ich kam ins Gefängnis. Mir gelang es, zu entkommen. Und weil ich dieser Stadt einen Streich spielen wollte, holte ich auch Jim Slater heraus und nahm ihn mit.« »Er lügt«, sagte da der Blonde gehässig. »Er will einen Anteil. Nur deshalb kam er uns bei der Befreiung Jims zuvor. Dieser Narr glaubt, dass er einen Anteil bekommt, nur weil er sich in unsere Angelegenheiten mischt.« Der bullige Rotkopf nickte zu diesen Worten. »Sego hat
Recht, Jack«, sagte er mit kehliger Stimme. Ich sah sie nacheinander an. »Lügen?« So fragte ich. »Warum sollte ich lügen, zum Teufel? Es ist mir noch verdammt gleichgültig, ob ihr mir glaubt oder nicht. Denn…« »Ich glaube dir«, unterbrach mich der hagere und so dunkle Bursche. »Ich weiß jetzt, dass du zu den Rebellen gehörst, die sich Salz statt Zucker in den Kaffee tun müssen. Ich glaube ihm!« Seine drei letzten Worte waren für die beiden Partner bestimmt. Dann warf er mir unerwartet den Colt zu. Ich hätte ihn bestimmt schmerzhaft ins Gesicht bekommen, würde ich ihn nicht mit einem blitzschnellen Griff aus der Luft geschnappt haben. Ich sah sofort nach, ob er noch geladen war. Er war es nicht, denn der Hagere, den sie Jack nannten, hatte die Waffe entladen. Sonst hätte er sie mir gewiss nicht zugeworfen. Sie sahen zu, wie ich die Trommel ausklinkte und neue Patronen aus dem Gürtel nahm. Aber ich schob den Colt ins Holster. Ich war kein Narr. Warum sollte ich auch Streit anfangen? Der Blonde, welcher mit Sego angeredet wurde, zeigte mir seine Zähne. Es war keine Freundlichkeit in seinem Lächeln. In seinen Augen war ein heißes Glitzern. »Wenn du mir nachträgst, dass ich dir in die Rippen trat«, sagte er spröde, »dann kannst du es ruhig mit mir versuchen. Deine Kanone ist ja nun geladen. Wenn es dich juckt, dann…« »Ich will keinen Streit«, sagte ich und grinste möglichst friedlich. Nun sahen wir alle auf Jim Slater, denn dieser bewegte sich. Er öffnete die Augen, und ich konnte sehen, dass ihm der Schlaf gut getan hatte. Sein Fieber war nicht mehr ganz so schlimm. Eine Weile blickte er uns stumm der Reihe nach an. Sein
Hirn mühte sich. Dann holte die Erinnerung ihn allmählich wieder ein. Er versuchte ein Grinsen und sagte mühsam: »Nun, da seid ihr ja. Aber Cash kam euch zuvor. Er ist in Ordnung, und wenn abgestimmt werden sollte, ob er bei uns bleiben kann, so stimme ich dafür.« Nach diesen Worten schloss er wieder die Augen und schlief nochmals ein. »Ich bin dagegen«, sprach Sego. »Und ich – ich weiß nicht. Ich enthalte mich wohl diesmal der Stimme«, sprach der rotköpfige Bulle. »Zum Teufel, wer sagt euch denn, dass ich überhaupt bei euch bleiben will und nicht lieber allein reite?« So fragte ich wild. Da grinste Jack. »Natürlich willst du mit uns reiten – jetzt ja. Und ich schließe mich Jim Slater an. Sego, du bist überstimmt.« Aber Sego grinste nur auf seine Art. Ich glaubte nun, dass er bösartig war, weil er wahrscheinlich nie das Gute kennen gelernt hatte. Der Hagere sagte: »Du kannst also bei uns bleiben. Ich bin Jack Morgan. Das ist Tate Tatum – und dieser kalte Hitzkopf ist Sego Lockmire. Wer bist du?« »Cash – Cash Clayton.« Ich konnte sehen, dass sie meinen Namen schon kannten. Und dies war kein Wunder. Die drei Banditen machten es nun sich und ihren Pferden bequem. Denn sie hatten erkennen müssen, dass Jim Slater erst noch einige Stunden schlafen und Kraft sammeln musste. *** Gegen Mitternacht brachen wir auf. Diesmal brauchten wir Jim Slater nicht festzubinden, wie ich es getan hatte. Jack Morgan
verstand offenbar sehr viel von Wundbehandlung. Er hatte sich mehrmals um Jim Slaters Wunde gekümmert. Im Osten lag New Mexico – und genau vor uns war die Gila Range. Etwa dreißig Meilen in der Luftlinie lag südlich Fort Thomas. Jenseits des Salt River im Norden lag Fort Apache. Wir mussten aufpassen, dass wir den Armeepatrouillen, die von den beiden Forts aus Verbindung zueinander hielten, nicht begegneten. Es war ein gefährliches Land, in dem die Apachen noch die Herren waren. Doch die Banditen, zu denen ich jetzt gehörte, kannten keine Furcht vor diesen roten Wölfen. Mit mir zusammen waren wir vier Revolvermänner, die es mit einer vielfachen Überzahl aufnehmen konnten. Und selbst Jim Slater erholte sich von Tag zu Tag mehr. Denn wir ritten stets nur in den Nächten und rasteten bei Tage. Es ist ein gewaltiges Land voller Hügelketten, tiefer Senken, Täler und Arroyos. Es ist ein gewaltiges Land mit unvorstellbar schönen Sonnenuntergängen und Sonnenaufgängen, die wie Lichtexplosionen sind. Doch es ist zugleich auch ein grausames Land, in dem es nur Jäger und Gejagte gibt. Ganz plötzlich bogen wir wieder nach Süden ab und ritten in ein Gebiet von noch farbenprächtigerer Schönheit, noch größerer Wildheit und Unübersichtlichkeit. Dann erreichten wir eine mächtige Felswand, die sich quer durch einen Canyon zog wie eine Staumauer. Ein Wasserfall kam aus einer Felsspalte, breitete sich aus wie ein lebender Vorhang, wurde unterhalb der Felswand zu einem Creek, der irgendwohin floss und dann wieder im Schoß der Erde verschwand. Jack Morgan ritt genau auf den Wasserfall zu, und ich ahnte schon, was kommen würde. Wir folgten ihm. Dicht vor dem Wasserfall drehte sich Tate Tatum zu mir um und grinste über die breite Schulter, sagte: »Pass auf, jetzt kommt der große
Zaubertrick! Halt nur die Luft an!« Ich grinste nur, sah ihn vor mir verschwinden und folgte ihm auf meinem nervös gewordenen Pferd. Der Wasserguss war erfrischend und köstlich. Denn es herrschte eine große Hitze, da wir heute nicht bei Nacht, sondern jetzt noch zur Mittagszeit ritten. Die Höhle war nur ein kurzer Tunnel. Wir ritten in ein wunderschönes Tal, in dem es viel Schatten und sogar einen kleinen See gab, der Zu- und Abfluss hatte. Obwohl wir hier sehr weit südlich waren, gab es im Schutz der Hänge und unter Einfluss des reichlich vorhandenen Wassers reichlich Grün, Bäume und Büsche. Ich sah eine wunderschöne Siedlung – halt, es war ja schon fast eine kleine Stadt, bestehend aus Holz- und Steinhäusern, Hütten, Schuppen und Corrals. Alles war recht weitläufig angelegt, mit vielen Bäumen und anderem Grün dazwischen. Tate Tatum drehte sich wieder zu mir um. »Da staunst du, was? Dies hier ist der Luna Lake. Du bist ins Luna Valley gekommen. Und das ist Luna City. Begriffen?« Oh, ich hatte es vorher schon geahnt. Nun wusste ich es richtig. Von Luna City hatte ich schon gehört. Das war die geheimnisvolle Banditenstadt, das Camp der Geächteten und Gesetzlosen. Bald darauf hielten wir vor einem kleinen Haus. Jim Slater, der schon wieder recht gut im Sattel saß, sagte: »Cash wohnt bei mir, und ich werde ihm von meinem Anteil etwas abgeben. In Ordnung?« Sie nickten. Doch Sego Lockmire sagte dennoch kalt: »Ich würde ihm nichts abgeben, Jim. Auch wir hätten dich aus dem Loch geholt – kostenlos. Dieser Indianer aus Texas soll froh sein, dass wir ihn mitnahmen nach Luna City.« Jack Morgan sagte nichts. Doch er sah mich fest und prüfend an.
Dann ritten sie fort. Während Jim Slater ins Haus ging, versorgte ich unsere Pferde. Es gab einen schattigen Corral. Aus einer Baumröhrenleitung kam immerzu frisches Wasser. Als ich ins Haus kam, lag Jim Slater auf seinem Bett. »Es tut mir Leid, Cash, dass ich dir nicht helfen kann«, murmelte er. »Doch ich bin restlos erledigt. Ich wollte mir das vor den anderen nur nicht anmerken lassen. Dieser Ritt hat mich ganz schön geschlaucht – aber so ist das mit uns. Wir sind Langreiter, Arizona-Banditen, die nach einem geglückten Coup viele Tage reiten. Man muss ganz einfach durchhalten, muss äußerste Härte und Zähigkeit zeigen. Mach uns was zu essen, Cash. Ich bin zwar ausgebrannt wie ein Ofen im Sommer – doch habe ich Hunger wie ein Wolf.« Als wir mit dem Essen fertig waren, machte ich mich auf den Weg, Luna City zu besichtigen. *** Ich ging also durch die Banditenstadt. Es gab eine Schmiede, einen Store, einen Saloon und ein Hotel mit Restaurant. Ich sah Frauen und Kinder. Ich ging zum Saloon, weil dieser überall der Ort ist, wo man Kontakt bekommen, Nachrichten hören und sich über die ganze Stadt klar werden kann. Vor dem Saloon waren etwa zwei Dutzend Männer versammelt. Alle sahen mich an im letzten Licht des Tages, der hier in diesem Tal früher zu Ende war als draußen im weiten Land. »Da ist ja der Neue«, sagte eine Stimme. Sie betrachteten mich lauernd, wachsam, und ich wusste, warum. Sego Lockmire kam aus dem Saloon. Er sah mich an, grinste und sagte: »Das ist Cash Clayton – der Mann, der
Ringo Mannen von den Beinen geschossen hat. Gibt es hier einen Freund von Ringo Mannen?« Sie sahen mich immer noch an, wachsam, abweisend, feindlich – aber auch deutlich neutral. Lockmire begab sich zu ihnen. Ich war ein fremder Wolf, der Aufnahme in ihr Rudel finden wollte. Und vielleicht musste es deshalb sein, dass Feindschaften gleich von Anfang an geklärt wurden. Da trat hinter mir jemand aus dem Saloon, blieb auf der Veranda stehen und sagte laut: »Doch, hier gibt es einen Freund von Ringo Mannen. Ich bin es, Curly Ben Chonok! Dreh dich um, Clayton!« Ich zögerte. Das war es also. Ich war wieder in die Enge getrieben worden. Ich wandte mich langsam um und sah den Sprecher an. Curly Ben Chonok war kein Unbekannter. Auch seinen Namen hatte ich gehört. Er war schwarzhaarig, lockenköpfig wie eine Frau, hatte seltsam bleiche Haut, die selbst von der Sonne kaum gerötet wurde. Er sah mich an und sagte: »Ringo Mannen war mein Freund und Partner. Damals war ich einige Wochen auf deiner Fährte, Clayton. Aber du warst in einem Mauseloch verschwunden. Ich gab es schließlich auf, nach dir zu suchen.« »Ich will keinen Streit mit dir, Curly«, erwiderte ich bitter. »Sollte ich mich damals von Ringo Mannen töten lassen? Hatte ich nicht ein Recht darauf, mich zur Wehr…« »Du redest zu viel«, sagte er und zog seinen Colt. Und da war sie wieder da – die schreckliche schwarze Sekunde. Ich spürte gar nicht, wie mir der Colt in die Hand geriet. Denn alles in mir war nur noch ein einziger Reflex, angetrieben von dem Wunsch, am Leben zu bleiben. Ich sah in sein Revolverfeuer – er hatte also schneller gezogen und früher abgedrückt als ich.
Doch seine Kugel traf mich nicht. Wollte er zu schnell sein, oder lag es daran, dass ich zwei Stufen tiefer stand als er? Auch war es in den letzten Minuten schnell dunkler geworden. Er hatte mich jedenfalls mit dem ersten Schuss nicht treffen können. Einen zweiten Schuss konnte er nicht mehr auf mich abgeben, denn meine Kugel stieß ihn halb herum. Er schoss irgendwohin und fiel dann. Ich aber wirbelte mit dem noch rauchenden Colt herum. »Ist noch ein Freund und von diesem Freund noch ein Freund da – und so weiter und so fort?«, fragte ich. Sie begriffen, was in mir war. Sie erkannten, dass ich diesen Kampf nicht gewollt hatte. Und vielleicht verschaffte mir das bei den meisten dieser Männer nun deren Duldung. Einer sagte: »Schon gut, schon gut! Er hat dich zu diesem Kampf gezwungen. Es musste wohl sein. Denn solch eine Feindschaft wird besser jetzt und hier ausgetragen als unterwegs bei einem Coup, wenn dadurch die ganze Mannschaft in Gefahr geraten kann. Verstehst du?« Ich nickte stumm und ging davon. Jetzt hatte ich keine Lust mehr zu einem Whisky. Denn ich hatte meinen dritten Mann getötet. Ich wusste, dass ich nun endgültig auf dem Weg zu einem berüchtigten Revolvermann war. Ich ging in die zunehmende Nacht hinaus und erreichte den See. Einige Boote lagen hier an einem Steg. Ich setzte mich in eines der Boote und hielt die Hände ins Wasser, kühlte meine Handgelenke. Unwillkürlich musste ich seufzen. Und da sagte eine Frauenstimme hinter mir aus der Dunkelheit: »Es ist schwer – so nachher, nicht wahr?« Es war eine dunkle Stimme. Aber ich wusste sofort, dass
ihre Besitzerin noch jung war, kaum älter als ich, vielleicht sogar jünger. Ich wandte mich langsam um. Eine mittelgroße Gestalt kam näher, und als sie nahe genug war, bemerkte ich das Schwingen ihrer Hüften. Aber es war nicht so stark, dass man es für gewollt ansehen musste. Sie war etwas größer als Carolyna Adams, die ich bisher noch nicht vergessen konnte. Sie schien auch etwas fülliger zu sein. Wahrscheinlich war sie zumindest zur Hälfte Mexikanerin. Deshalb waren ihre Formen reifer und weiblicher. Sie schien mir geschmeidig zu sein wie ein schönes Tier. Als sie nun dicht bei mir verhielt, konnte ich ihren Duft riechen. Er war wie der Duft einer exotischen Blume. »Ich bin etwas überrascht, Madam«, sagte ich. Ja, ich sagte Madam, denn sie hatte in einem einwandfreien Südstaatlerenglisch zu mir gesprochen, nicht mexikanisches Spanisch. Sie lachte kehlig. »Das glaube ich. Mein Name ist Dolores Yuma. Mein Vater war Socorro Yuma.« Nun wusste ich Bescheid. Ihr Vater war einer der vielen mexikanischen Banditen. Auch er, Socorro Yuma, hatte Revolution gemacht. Am Anfang war er sehr erfolgreich, und er hatte eine ganze Provinz erobert. Dann aber hatten ihn die Regierungstruppen geschlagen. Er war wieder zu einem flüchtigen Banditen geworden und musste sich über die Grenze in Sicherheit bringen. Vor einigen Wochen hatte ich in einer alten Zeitung gelesen, dass man Socorro Yuma drüben in Mexiko erwischt und sofort aufgeknüpft hätte. Und so sagte ich: »Oh, ich hörte von Ihrem Vater schon eine Menge. Ich hatte sogar mal einen Freund, der für ihn geritten ist. Er erzählte mir Wunderdinge von dem Mut, der Schlauheit
und der einmaligen Größe Ihres Vaters.« Sie lachte: »Wer war dieser Freund?« »Saguaro Paco Rincon«, erwiderte ich sofort. »Den kenne ich«, sagte sie. »An ihn kann ich mich noch erinnern. Er sah aus wie ein Apache, doch er hatte die blauesten Augen, die ich jemals bei einem Mann sah. Du sagst die Wahrheit, Cash Clayton. Und ich glaube, dass du zu der Sorte gehörst, die immer die Wahrheit sagt. Ich sah aus einem Fenster, wie Curly Ben Chonok dich herausforderte – wie du gezögert hast, doch nicht aus Feigheit. Ich mochte dich vom ersten Augenblick an, denn ich spürte genau, dass wir irgendwie artverwandt sind. Wir sind allein in dieser Banditenstadt und müssen uns den Dingen stellen, denn wir können nicht fortgehen. Ist es nicht so, mein Freund?« Mir wurde heiß und ich glaubte, dass ich träumte. Im Sternenschein erkannte ich, dass Dolores Yuma so schön war, wie ihr Parfüm roch – so exotisch und betörend schön. Ich fragte: »Dolores Yuma, ich sehe, dass Sie schön sind – begehrenswert wie selten eine Frau. Aber ich bin nur ein hässlicher Revolverschwinger, ein Tramp, der nun mit Banditen reitet und bald selbst ein Bandit sein wird, nachdem er schon zum Pferdedieb wurde. Dolores, an mir ist nichts, was eine Frau wie Sie reizen könnte. Was wollen Sie von mir?« Meine spröden Worte und die kühle Frage beleidigten sie nicht im Geringsten. »Ich biete dir ganz einfach einen Job an«, sagte sie. »Und du brauchst doch wohl vorerst einen Job, oder? Mir gehört der Saloon. Ich erbte ihn von meinem Vater. Er baute ihn hier auf – das heißt, er ließ ihn von seinen Männern errichten. Ich leite den Saloon, und ich tanze und singe darin für die Männer. Das gehört zu meinem Geschäft. Curly Ben Chonok, den du getötet hast, war mein Geschäftsführer, mein Beschützer. Es gibt viele Männer in diesem Tal, die sich jetzt Hoffnungen machen. Ich muss mich auf der Stelle entscheiden, will ich verhindern, dass
sie sich gegenseitig niederkämpfen wie Wölfe. So ist das hier.« Nun verstand ich schon etwas mehr. Dennoch fragte ich: »Warum gerade ich? Warum gerade ich, der Neue?« Wieder lachte sie, und in ihrem Lachen war ein Klang, der erkennen ließ, dass sie mich schon für sich gewonnen glaubte. »Warum? Oh, das ist doch ganz einfach! Du hast Curly Ben bezwungen. Also wird man dich sogar noch mehr als ihn respektieren. Überdies kamst du mit Jack Morgan, Tate Tatum, Jim Slater und Sego Lockmire zu uns. Das sind die größten Wölfe hier. Da sie dich mitbrachten, werden sie dich zumindest dulden. Und dies macht dich für mich zum brauchbarsten Mann für diesen Posten. Verstanden?« Ja, nun verstand ich. Sie war eine berechnende Geschäftsfrau und kannte sich gut aus in der Politik dieses Banditen-Camps. Sie wusste richtig zu jonglieren und an den entsprechenden Fäden zu ziehen. Während ich noch überlegte, was gut und was schlecht für mich werden könnte, trat sie noch näher zu mir und legte mir ihre Fingerspitzen leicht gegen die Brust. »Und dann ist da noch das andere – jenes andere, welches man nicht so mit Worten sagen kann«, murmelte sie. »Du musstest töten, und es macht dich bitter. Du bist in die Dunkelheit gegangen und hast hier am See den Kampf noch einmal durchleben müssen. Du bist so einsam wie ich. Eines Tages will ich von hier fortgehen.« »Warum nicht jetzt?« Ich stellte die Frage impulsiv, und ich konnte sofort ihr Staunen spüren. »Jetzt?«, fragte sie. »Aber das geht doch nicht! Niemand, der hier lebt, kann fortgehen. Das ist hier Gesetz. Wir alle müssen hier leben, bis die Stadt eines Tages aufgegeben wird. Es ist eine verborgene Stadt, deren Lage nicht bekannt werden darf. Wer von hier für immer fortgehen will, für den wäre die Stadt keine Zuflucht mehr. Er würde vielleicht ihre Lage verraten. Nein, hier darf niemand weg. Natürlich gibt es dann
und wann Männer, die ihre eigenen Wege ziehen wollen. Aber sie kommen nicht weit. Dies ist eine Banditenstadt.« Sie sprach die letzten Worte mit einer Betonung, die mir mehr sagte, als es die längste Erklärung hätte tun können. Nun wusste ich wieder etwas mehr. Und die Männer, mit denen ich gekommen war, hatten es mir nicht gesagt. Ich war jetzt einer der Mitwisser geworden. Ich kannte den Weg zu dieser Stadt. Und nun durfte ich ohne Erlaubnis nicht wieder fort. Das durfte niemand. »Wer ist hier der Boss?«, fragte ich. Sie lachte leise. »Es gibt jeden Monat eine Zusammenkunft hier«, klärte sie. »Nach den hier geltenden Satzungen wird jeden Monat neu ein Mann gewählt, der für alles verantwortlich ist. Sehr oft wird Jack Morgan gewählt. Auch Curly Ben Chonok war schon einige Mal der Boss. Dieser Boss ist dann für alles verantwortlich. Seine Befehle müssen widerspruchslos befolgt werden. Sonst droht die Todesstrafe. So ist das hier. Cash, willst du nun mit mir kommen – oder gibst du mir einen Korb?« Ich wusste, dass ich sie mir zur Feindin machen würde, wenn ich sie abwies. Überdies war sie schön und ich brauchte einen Job. Ich hatte nicht einen Dollar. Denn von Jim Slater bekam ich noch nichts. Vielleicht war es nicht schlecht, mich wie ein Hahn ins gemachte Nest zu setzen. Diese Dolores Yuma lockte mich irgendwie. Ich war ein wilder Bursche und glaubte, mich in jeder Situation zurechtfinden zu können. »Wir können es ja mal versuchen«, sagte ich. Und dann nahm ich sie in die Arme und küsste sie. *** Gegen den Saloon in Three Fork, in dem ich den Falschspieler
Earl Mills getötet hatte, war dieser Saloon natürlich kleiner und primitiver – aber doch nobler und komfortabler, als man es in diesem verborgenen Tal erwarten konnte. Ich führte Dolores Yuma hinein, und alle sahen uns schweigend an. Es waren mehr als drei Dutzend Gäste versammelt. Auch ein paar Mädchen gab es. Sie starrten zuletzt nur noch auf mich. Es war eine Prüfung. Ich war für sie ein neuer Wolf, und ich hatte Curly Ben Chonok getötet. Dolores Yuma sagte nichts. Sie überließ es mir. Und so sagte ich möglichst kühl und lässig: »Den Streit mit Curly Ben wollte ich nicht – den wollte er. Und da es dann so kam, dass er für immer ausfiel, trete ich nun mit Dolores Yumas Einverständnis an seine Stelle. Ich hoffe, dass er keine Freunde hatte, die sich seinetwegen mit mir schießen möchten. Denn ich stehe für solche Dinge nur ungern zur Verfügung. Doch werde ich niemals kneifen. Aber besser wäre es schon, wenn ich hier nur Freunde hätte. Ich gebe eine Runde aus!« Während wir tranken, sah ich Dolores an. Im Lampenschein konnte ich ihre rassige, glutäugige Schönheit erkennen. Von ihr ging eine Strömung aus, die mich ständig berührte. Ich wusste schon bald, dass sie alle Männer zum Narren machen konnte, und ahnte, dass dies auch bald bei mir der Fall sein würde. An jene Carolyna Adams dachte ich nicht mehr. Ich hatte sie ganz und gar vergessen wie einen weit zurückliegenden Traum. Aber so wie mir, so erging es gewiss allen Männern hier im Saloon. Sie alle konnten in Dolores Yumas Gegenwart all die anderen Dinge auf dieser Welt vergessen. Das war für viele von ihnen stets ein schöner Traum. Was alles auf ihnen auch lasten mochte – sie vergaßen es, wenn Dolores sang. Zuerst klimperte nur ein Banjo. Dann fielen zwei Gitarren ein. Diese drei Instrumente wurden meisterhaft gespielt. Und es war, als müssten sie Dolores Yuma erst eine Weile
locken. Aber dann, als uns allen der Rhythmus schon im Blut war, begann sie zu singen. Ihre Stimme war nicht groß. Aber es war alles in dieser Stimme, was Männer hören wollten. Ach, ich kann es nicht anders beschreiben. Sie sang alte spanische und mexikanische Lieder. Und sie bewegte sich dabei, klapperte mit Kastagnetten, drehte sich mit sparsamen Bewegungen. Doch die Art, wie sie die Röcke raffte, das Kinn hob, den Kopf drehte und mit den Schultern zuckte, das alles passte wunderbar harmonisch zu ihrem Gesang. Wir alle waren verzaubert. Und nun wusste ich es genau: Ohne Dolores Yuma war das Leben hier in dieser Banditenstadt nichts – gar nichts. Nach ihrem Gesang trat Dolores ab und verschwand durch die Tür neben der Bar, die zu ihren Privaträumen führte. Jubelnder Beifall folgte ihr. Als sie über die Schulter zurückblickte, sah sie mich an. Ich verstand diesen Blick und folgte ihr. In ihrem Zimmer brannte eine Lampe. Dolores hielt sich so, dass ihr Gesicht im Schatten war. Nur ihre Augen leuchteten. »Das Leben geht immer weiter«, sagte sie. »Und wir alle leben hier nach unseren Regeln und Gesetzen, die anders sind als die der redlichen menschlichen Gesellschaft. Aber wir sind ehrlicher zueinander. Wir heucheln nicht. Cash, du hast mich singen hören. Wenn du kein Dummkopf bist, dann weißt du jetzt eine Menge von mir. Dann kennst du mich jetzt so gut, wie normale Menschen sich vielleicht niemals kennen. Verstehst du mich?« »Ja – ich glaube, ja«, murmelte ich und trat vor sie hin. Ich legte meine Hände um ihre Schulterspitzen. »Ich glaube«, murmelte ich, »dass man dich nehmen muss, wie du bist. Denn ein Mann wird dich wohl niemals völlig begreifen und
ergründen können.« Sie sagte nichts. Sie sah mich nur an und wartete, dass ich sie küssen würde. Und ich musste es tun. *** Die Tage vergingen wie im Flug. Um es ganz deutlich zu sagen: Ich war Dolores Yumas Sklave geworden. Sie hatte mich mit Haut und Haaren verschlungen, und ihre sanfteste Bitte und ihr leisester Wunsch waren mir Befehle, die auszuführen ich mich beeilte. Meinen Job füllte ich voll und ganz aus. Nur wenige Male musste ich für Ordnung sorgen, wenn mal einer der wilden Burschen zu stark getrunken hatte. Aber es gelang mir stets, dabei eine Form zu finden, die nicht demütigend, sondern mehr kameradschaftlich war. Mehr und mehr konnte ich erkennen, dass ich zumindest nicht unbeliebt war und außer Sego Lockmire keinen Feind hatte. Aber Lockmire war mein Feind. Er konnte es nie vergessen, dass ich ihn blitzschnell unter mich bekommen hatte, nachdem er mir seine Stiefelspitzen in die Seite stieß. Aber er hielt sich zurück. Es war wohl zu sehr Gesetz hier in dieser verborgenen Siedlung, dass man untereinander Frieden hielt oder den Gegner sofort offen herausforderte, damit es stets klare Verhältnisse gab und niemals irgendwelche Zweifel bestanden. Wahrscheinlich hielt er sich wegen Jack Morgan, Tate Tatum und vor allen Dingen Jim Slater zurück. Die drei Männer kamen dann und wann in den Saloon. Dann tranken wir zusammen oder spielten etwas Poker. Es herrschte ein Einvernehmen unter uns, wie es unter alten Partnern üblich ist. Sie hatten mich in ihren Kreis aufgenommen. Doch manchmal betrachteten sie mich nachdenklich-prüfend.
Einmal, als ich mit Jack Morgan allein war, fragte Jack mich: »Wie sehr hast du Dolores im Blut? Wie sehr bist du ihr verfallen?« »Du magst sie nicht, Jack?«, fragte ich, und ich musste staunen, weil ich mir gar nicht vorstellen konnte, dass es auf dieser Welt einen Mann gab, auf den Dolores keine Macht ausübte. »Jeder Mann ist sein eigener Hüter«, hörte ich ihn sagen, und seine Worte waren die gleichen, wie ich sie zuvor schon von dem Vormann der Ranch gehört hatte, für die ich in den Bradshaw Mountains ritt. »Jeder Mann ist sein eigener Hüter«, wiederholte Jack Morgan. »Mir ging es einmal wie dir, Cash. Wegen einer Frau hütete ich mich schlecht. Und nun bin ich Black Jack Morgan, der Bandit.« Da grinste ich und sagte: »An mir ist nichts mehr zu verderben.« »Vielleicht«, murmelte er. Zwei Tage später fand eine Zusammenkunft statt. Paco Martinez, der für diesen Monat hier im Tal der Boss war, wollte einen Abstecher nach Mexiko machen. Seine Spione hatten ihm eine ganz besondere Möglichkeit gemeldet. Nun sammelte er alle Männer im Saloon und suchte aus, wer mit ihm reiten würde. Ich lehnte am Ende der Bar und beobachtete die Versammlung. Paco Martinez war ein etwas fülliger Bursche mit einem Spitzbart. Er war wie ein reicher Hacendado gekleidet und trug im linken Ohrläppchen einen goldenen Ring mit einem Brillanten. Seine dunklen Augen blitzten. Plötzlich wandte er sich zu mir um und deutete auf mich. »Auch du reitest mit uns, Cash«, sagte er. »Du wirst hier zu faul und fett. Überdies hast du noch nichts für unsere Gemeinschaft getan. Wir brauchen für diesen Coup jeden guten Revolvermann.«
Ich wollte ablehnen, obwohl ich wusste, dass es hier Gesetz war, den Befehlen des jeweiligen Bosses zu gehorchen. Diesen Monat war Paco Martinez der Boss im Luna Valley. Er konnte bestimmen. Ich wollte schon sagen, dass ich lieber bei Dolores Yuma und im Saloon bliebe, aber sie sagte von der Tür her, durch die sie aus ihren Privaträumen in den Saloon trat: »Cash wird mir ein schönes Geschenk mitbringen. Nicht wahr, Cash? Du wirst ihnen zeigen, dass du nicht faul und fett geworden bist. Du wirst hier deinen Einstand geben.« »Sicher«, murmelte ich. Denn was blieb mir anderes übrig? Ich lebte hier mit dieser wilden Horde. Ich musste mich ihren Regeln fügen. Wir waren Banditen, Arizona-Banditen. Auch für Dolores Yumas Prinzgemahl gab es keine Ausnahme, und überdies sollte ich ihr etwas Schönes mitbringen – vielleicht Schmuck? Oder Geld? Ja, sie schickte mich mit. Ich sollte rauben wie die anderen. Mein Blick ging über die versammelten Männer. Einige von ihnen grinsten mich an. Es war, als ob sie gesagt hätten: Jetzt hat der gute Paco dich also mal von der Schönen weggeholt. Das kann dir nicht schaden, denn du hattest ja das schönste Leben von uns allen. Ich sah zuletzt zu Jack Morgan hin, der ebenfalls mitreiten sollte und sogar eine wichtige Unterführerfunktion übertragen bekam. So, wie er oft genug Paco Martinez mit auf Beuteritte nahm, tat dieser es auch umgekehrt. Jack Morgan erwiderte meinen Blick. Und später dann, als wir einen Moment allein waren, sagte er zu mir: »Es wird gut für dich sein, mal für eine Weile von Dolores Yuma loszukommen. Du wirst etwas Abstand gewinnen und dich wieder selbst besser sehen können. Und denk daran, dass du ihr etwas Schönes mitbringen musst. Das war kein Scherz oder nur so ein hingeworfenes Wort. Sie erwartet etwas von ihrem Favoriten. Sonst wird sie dich zum
Teufel jagen.« Ich war betroffen. Aber ich ahnte, dass er nicht scherzte, sondern die Wahrheit kannte. *** Es wurde ein langer, harter Ritt. Aber unsere Pferde waren gewiss die besten des ganzen Landes im Umkreis von tausend Meilen. Wir brauchten vier Tage, um durch das San Pedro Valley über die Grenze nach Mexiko zu gelangen. An einem bestimmten Ort wartete einer von Paco Martinez’ Spionen und übernahm die Führung. Wir ritten nach Mexiko hinein und blieben auf verborgenen Pfaden. Am sechsten Tag legten wir uns zu beiden Seiten einer schlechten Straße auf die Lauer. Inzwischen wussten wir auch, auf was wir warteten. Es waren die Steuergelder aus diesem Teil von Sonora, die nach Hermosillo geschafft werden sollten. Paco Martinez’ Spione hatten herausgefunden, auf welchem Weg und an welchem Tag der Transport kommen würde. Wir waren siebenunddreißig Mann, eine starke Bande also, die zumeist aus besonders gefährlichen Revolverhelden bestand. Ich will es kurz machen. Wir bekamen den Geldtransport. Wir warteten nur sieben Stunden. Dann kam er. Es gab mit den Rurales nur einen kurzen Kampf. Das wunderte die meisten von uns. Aber als wir dann die Geldkisten öffneten, da sahen wir, dass die Steuereintreiber, die Benito Juarez in diese nordwestliche Ecke von Sonora gesandt hatte, nicht sehr erfolgreich gewesen waren. Es waren nur wenige tausend Silberpesos, und wenn wir dies unter uns siebenunddreißig Mann aufgeteilt hätten, würde auf jeden von uns eine lächerliche Beute kommen. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass wir ja gar nicht mehr siebenunddreißig, sondern
nur noch fünfunddreißig Mann waren. Zwei von uns hatte es erwischt. Denn auch die Rurales konnten schießen. Wir mussten möglichst schnell verschwinden. Es war anzunehmen, dass jetzt überall im Land Alarm gegeben wurde und man versuchen würde, uns den Weg über die Grenze zu verlegen. Wir sausten los. Unser Scout führte uns auf völlig anderen Wegen, als wir auf dem Herweg gekommen waren. Es war kurz vor Mitternacht, als wir über einen schmalen Pass kamen und in ein Tal hinuntersehen konnten. Unten waren die Lichter einer kleinen Siedlung, die im Schutz einer großen Hacienda zu liegen schien. »Das ist die Hacienda Bianca Rosa«, sagte der Scout, und in seiner Stimme war ein Beiklang von Hass. »Dort unten lebt die Sippe der Hermandez. Sie sind reich. Fast tausend hungernde Peones arbeiten wie Sklaven für sie. Diese armen Burschen sind bei ihnen in der Cantina und dem Store verschuldet. Dort unten ist Reichtum. Wenn ihr euch getraut…« Er verstummte. Doch in seiner Stimme war die Versuchung des Teufels. Wir wussten, dass er die Hermandez-Sippe hasste. Vielleicht war er selbst einmal einer dieser Sklaven gewesen. Oder die mächtige Feudalherrensippe hatte ihn einst mal übel behandelt – mit Recht oder zu Unrecht, dies spielte ja keine Rolle. Aber es machte uns nichts aus, dass er uns hergeführt hatte auf dem Rückweg, um vielleicht durch uns Rache zu nehmen für irgendwelche Dinge. Ja, auch mir machte es nichts aus. Denn ich glaubte nicht, dass Paco Martinez so dumm sein würde, die Hacienda anzugreifen. Doch ich kannte die wilde Horde immer noch nicht genug. Denn nicht nur Paco Martinez schnalzte mit der Zunge. Fast alle Reiter, mit denen ich ritt, hatten eine schwere
Enttäuschung hinnehmen müssen, weil die Beute so klein war. Nun witterten sie eine Chance, dass sich der lange Ritt vielleicht doch lohnen würde. Und sie dachten nicht an Tod und Not, nicht an das Blut, welches auf beiden Seiten fließen würde. Ich wurde Jack Morgan und einigen anderen Männern zugeteilt. Wir hatten den Auftrag, ins Haupthaus einzudringen. *** Nun, wir schafften das nach einem erbitterten Kampf. Denn so überraschend wir auch kamen, die Dons und ihre Vaqueros stellten sich zu einem wilden Kampf. Doch die Peones blieben in ihren Hütten. Hätten sie ihre Peones besser behandelt, so würden wir keine Chance gehabt haben. Doch so eroberten wir die Hacienda – ließen aber die Siedlung unbehelligt. Als ich hinter Jack Morgan mit schussbereiten Revolvern in den großen Wohnraum kam, von dem aus eine breite Treppe nach oben führte, stand dort Dona Rosa mit ihrer Familie. Nur die Männer fehlten, denn sie waren entweder geflohen, verwundet oder tot. Das da waren die Kinder, die Dienerinnen, Schwestern und wer weiß was noch. Wir sahen sie an, schickten dann unsere Begleiter in alle Zimmer, um dort nach Gold und Geld zu suchen. Hinter uns kam Paco Martinez herein. Er klatschte in die Hände und brüllte: »Schnell, beeilt euch! Hey, da sind ja die Frauen! Ay, Dona Rosa, wo ist Ihr Schmuck? Wo ist das Geld, welches Sie den Steuereintreibern nicht gegeben haben? Heraus damit, oder…« Er grinste breit und machte mit der Hand eine unmissverständliche Bewegung quer am Hals entlang.
Sie sah ihn stolz an, und sie hatte keine Furcht. Auch die Kinder – es waren fast alles Jungen – wirkten stolz und furchtlos. Diese Hermandez-Sippe mochte hart, unduldsam, ja sogar grausam zu ihren Arbeitern sein – aber sie winselte jetzt nicht, obwohl sie uns ausgeliefert war. Paco Martinez grinste. »Dona Rosa«, sagte er fast freundlich, »ich frage nicht noch einmal. Doch Sie können gleich herausfinden, wie ernst wir machen. Ich kann mich noch an Ihren Vater erinnern. Der hatte Baumwollpflücker, die nicht ihr Pensum schafften, stets über Nacht an Händen und Füßen an Bäumen aufhängen lassen. Einmal war mein Vater dabei und er hat es nicht überlebt, weil er schon zu alt war. Dona Rosa, ich habe große Lust, euch alle auszurotten.« Sie wurde bleich. Wahrscheinlich wusste sie zu genau, was ihre Sippe seit jeher mit den ihnen ausgelieferten Sklaven machte. »Ich werde Ihnen meinen Schmuck und all unser Geld holen«, sagte sie mit kühler Beherrschung. Doch in ihren Augen konnte man schon das unruhige Flackern einer heißen Angst erkennen. Jack Morgan ging mit ihr, und Paco Martinez blieb mit mir in der Wohnhalle zurück. Vor uns standen immer noch die anderen Frauen und Kinder. Selbst die Dienerinnen wirkten stolz. Ein kleiner Junge – er war wohl der jüngste Spross der Hermandez-Sippe – trat plötzlich vor und spuckte Paco Martinez an. Er musste sich dabei weit zurücklegen und nach oben spucken. Doch er schaffte es, weil er wahrscheinlich unter all den Kindern der erfolgreichste Wettspucker war. Aber Paco Martinez lachte nur, wischte mit dem Ärmel über das Gesicht und nickte mir zu. »Den nehmen wir mit«, sagte er. »Kümmere dich um ihn. Die Hermandez-Sippe wird ihren Landbesitz und wer weiß
nicht noch was verkaufen – sie wird Geld aufnehmen und Schulden machen und bestimmt fünfzigtausend Silberpesos beschaffen, um den süßen Kleinen auszulösen. Du bist dafür verantwortlich, Cash, dass wir ihn heim in unser Hauptquartier bekommen. Und wenn er dir nicht gehorchen will unterwegs, dann schlag ihm den Hintern blau.« Seine Befehle trafen mich wie Hammerschläge. Nun saß ich in der Klemme. Denn ich war bisher eigentlich nur mitgeritten und hatte in die Luft geschossen. Auf diesem Raubzug hatte ich erkennen können, dass ich von einem richtigen Banditen noch weit entfernt war. Gewiss, ich hatte im Revolverkampf Männer getötet. Ich hatte auch Pferde gestohlen und war ausgebrochen aus dem Gefängnis von Three Fork, wobei ich noch einem Gefangenen zur Flucht verhalf. Aber ich war innerlich noch kein Bandit. Ich ritt zwar mit dieser Bande, doch konnte ich nicht so handeln wie die meisten dieser Burschen. Und jetzt sollte ich sogar ein Kind entführen. Warum ich – ausgerechnet ich? Paco Martinez starrte mich an. Er bekam schmale Augen und fragte kalt: »Hast du nicht gehört? Du sollst diesen kleinen Spuckteufel mitnehmen. Setz dich mit ihm auf dein Pferd, und warte, bis wir abreiten! Los!« Ich spürte die Blicke der Dienerinnen und der anderen Kinder. Sie vergaßen einen Moment ihre Not und Furcht. Vielleicht hofften sie auch, dass ich unseren Anführer zur Vernunft bringen konnte. Aber ich wusste, dass ich es nicht konnte. Es gab nur eine einzige Möglichkeit. Mir wurde bewusst, dass wir allein waren – nur Paco, ich und die Gefangenen. Jack Morgan und alle anderen Burschen, die mit Paco Martinez ins Haus eingedrungen waren, befanden sich überall verteilt in den Zimmern. Sie durchsuchten alles nach Geld, Gold und wertvollen anderen Dingen.
Jeden Moment jedoch konnte einer von ihnen in die Halle zurückkommen. Draußen begannen wieder Schüsse zu krachen. Es gab also auf der Hacienda noch Männer, die den Kampf nicht aufgaben. Vielleicht waren von den Weiden oder einem Vorwerk Verstärkungen gekommen. »Nein, ich entführe keine Kinder«, sagte ich zu Paco Martinez. Und da fuhr seine Hand zum Revolver. Wieder durchlebte ich jene schwarze Sekunde, war alles, was ich tat, ein einziger Reflex, schneller als jeder Gedanke, allein gesteuert von meinem Instinkt. Ich traf Paco Martinez, bevor dieser auf mich abdrücken konnte. Was ich dann tat, geschah ebenfalls ganz instinktiv. Ich wirbelte herum und schoss drei weitere Kugeln durch die offene Tür nach draußen. Aus den oberen Räumen kamen die anderen Männer. Auch Jack Morgan war dabei. Ihm folgte die Dona. Jack Morgan hielt seinen Hut in der Hand. Er war mit Schmuck gefüllt. Eine Perlenkette hing noch halb heraus. »Zum Teufel, was ist das?« Er brüllte es scharf. Und sie alle starrten auf Paco, der am Boden lag und nichts mehr sagen konnte. Auch die Dienerinnen, die Kinder und die Dona, welche noch oben stand, starrten auf mich. Ich deutete mit dem noch rauchenden Colt auf die offene Tür und sagte: »Da war jemand an der Tür und schoss auf uns. Er traf Paco, bevor ich selbst zu schießen begann.« Und wie zur Bestätigung meiner Worte tönten draußen wieder Schüsse, brüllten heisere Stimmen. »Also, los, verschwinden wir!« Jack Morgan nahm mit diesen Worten das Kommando an sich. Und wir gehorchten ihm. Ich sah noch einmal in die großen Augen des kleinen Jungen, den ich hatte rauben sollen. Der kleine Bursche hatte genau verstanden, warum ich Paco
erschoss. Auch die Frauen hatten es verstanden. *** Abermals brauchten wir fünf Tage für den Heimweg. Aber am fünften Tag, als wir schon fast am Ziel waren und noch eine letzte Rast für unsere Pferde einlegten, da kam Jack Morgan zu mir in den Schatten eines Baumes. Er hockte sich neben mich, drehte sich eine Zigarette und bot mir seinen letzten Tabak an. Dabei murmelte er: »Cash, du musst mich nicht für dumm halten. Ich glaube, dass du Paco Martinez erschossen hast, und ich möchte wissen, weshalb.« Da stand ich schon wieder vor einer Entscheidung. Aber diesmal fiel es mir leichter. Überdies sagte Jack Morgan langsam: »Ich mochte Paco nicht. Er war zu sehr ein Pirat, ein tollwütiger Wolf. Ihm konnte eine Bande nie groß und wild genug sein. Das ist nicht mein Stil. Mir ist es recht, dass er in Luna City nicht mehr mitbestimmen kann. Denn mit den vielen Anhängern hinter sich hätte er immer mitbestimmt. Du hast mir einen Gefallen getan, Cash. Doch warum hast du ihn getötet?« »Er gab mir den Befehl, den kleinsten Sohn der Hermandez zu entführen«, murmelte ich. »Aber ich bin kein Kinderräuber. Ich weigerte mich. Da griff er zum Revolver. Ich war schneller.« Jack Morgan schwieg eine Weile, nachdem ich dies gesagt hatte. Er sog an seiner Zigarette, und mir schmeckte die meine nicht mehr. Ich fühlte mich sehr unbehaglich und spürte, wie mir der Schweiß den Rücken hinablief. Denn jetzt befand ich mich in Jack Morgans Hand. Aber nach einer Weile sagte er: »Nein, wir sind keine Kinderräuber – obwohl der Junge eine Menge Lösegeld gebracht hätte. Aber diese Art gehört auch nicht zu meinem
Stil. Cash, es bleibt unter uns. Und es ist schon recht, dass du dir noch einige Grundsätze bewahrt hast. Eines Tages werden wir fünf alten Partner ein großes Ding wagen. Auf Burschen wie dich, die noch einen Rest von Ehre haben, kann man sich verlassen, wenn man in meinem und nicht in Pacos Stil arbeitet. Schon gut, Cash!« Seine Augen waren etwas schmal. Er sagte plötzlich eine Spur sanfter: »Wir waren fast zwei Wochen fort, Cash. Und du kannst dich nicht darauf verlassen, dass nach deiner Rückkehr zwischen dir und Dolores noch alles so ist, wie es war. Aber ich will zusehen, dass du bei der Beuteverteilung ein besonders schönes Stück zugesprochen bekommst.« Ich dachte über seine Worte nach. Und auch seine Worte, die er vor unserem Abritt gesprochen hatte, fielen mir wieder ein. Ja, irgendwie hatte ich Abstand gewinnen können. Ich konnte mich selbst wieder besser und klarer sehen. Mir war plötzlich gleichgültig, ob mit Dolores noch alles so sein würde, wie es gewesen war. *** Unsere Rückkehr war ganz und gar nicht berauschend und triumphierend. Eine halbe Stunde später teilten wir die Beute. Mein Anteil betrug vierhundertfünfundsiebzig Silberpesos und eine wertvolle Halskette aus Perlen. Wahrscheinlich war es Dona Rosa Hermandez’ schönste Kette. Ich nahm das Zeug, und ich durfte mir mein Widerstreben nicht anmerken lassen. Aber dann sagte ich mir, dass ich doch ein Bandit und nichts anderes war. Ich trank noch ein Glas an der Bar. Dann aber war es Zeit für mich, zu Dolores zu gehen. Ich wusste nicht, was werden würde. Nur, dass ich mich
während der vergangenen zwölf Tage verändert hatte, dies wusste ich genau – zuerst kaum merklich, dann immer stärker. Aber ich ging zu Dolores. Ich wohnte ja bei ihr. Sie war schon aufgestanden und saß im Wohnzimmer beim Frühstück, welches bei ihr zugleich Mittagessen war. Aber sie aß nie sehr viel. Dies konnte sie sich nicht erlauben wegen ihrer Figur. Als ich eintrat, setzte sie die Kaffeetasse ab und sah mich an. Sie war so schön und begehrenswert wie immer. »Du kommst spät«, sagte sie. »Hast du dich nicht nach mir gesehnt? Und was hast du mir mitgebracht?« Ich trat an den Tisch, legte die Kette und das Geld hin, blieb stehen und sah Dolores an. Sie hatte keinen Blick für mich. Nur der wunderschönen Perlenkette galt ihre ganze Aufmerksamkeit. Sie biss sogar in die Perlen, um deren Echtheit zu prüfen. Dann eilte sie vor den Spiegel, öffnete ihren Morgenmantel und hängte sich die Kette um den nackten Hals. »Die ist schön«, sagte sie entzückt. »Du hast mich wahrhaftig nicht enttäuscht, Cash. Komm zu mir, damit ich mich bedanken kann.« Sie öffnete ihre Arme. Ihre Zahnreihen blitzten. In ihren Glutaugen leuchtete Zufriedenheit. Sie war wie ein Kind, dem man etwas geschenkt hat und das nicht danach fragt, woher es kommt und was es gekostet hat. Ich konnte nicht zu ihr gehen – nicht in ihre Arme. Sie war mir zu oberflächlich, zu gierig und – oha, wie konnte sie an dieser Kette Freude spüren, wo sie doch wusste, dass sie geraubt war, wobei Blut geflossen war und Männer gestorben waren? Sie spürte mein Zögern, fühlte wohl auch von Anfang an, dass ich verändert war. Ihre Augen begannen noch stärker zu funkeln. Jetzt glich sie einer Dompteuse, die einem Tiger ihren Willen aufzwingen will. »Komm her«, sagte sie sanft.
Aber ich schüttelte den Kopf. Ich wunderte mich darüber. Plötzlich erschien mir alles so einfach. »Es ist vorbei«, sagte ich. »Ich habe nachgedacht. Dolores, du frisst jeden Mann mit Haut und Haaren. Aber ich will nicht mehr. Ich glaube, ich ziehe wieder zu Jim Slater in dessen Hütte.« »Du hast Angst.« Sie lächelte. »Du warst zwei Wochen fort und meinst nun, dass du dich freimachen konntest von mir – ist es so?« Ich schüttelte etwas ratlos den Kopf. »Nicht ganz«, murmelte ich. »Wahrscheinlich ist es deshalb, weil du nur nimmst und nicht gibst – ich meine, mit dem Herzen gibst. Mit einer geraubten Kette kann man dich glücklich machen, und es ist dir gleich, wie viel Blut daran klebt. Das ist es wohl.« Sie starrte mich seltsam an. Sie wirkte wie erschreckt. Doch dann sagte sie: »Ich will dich hier nicht mehr haben, Cash! Du bist ja noch ein dummer Junge – sentimental, weich und blöd. Ich brauche einen Mann und keinen dummen Jungen. Scher dich fort!« Sie hasste mich plötzlich. Aber sie hatte mich wahrscheinlich nie geliebt. Sie wollte mich nur besitzen – mich, den Revolverhelden, der Curly Ben Chonok getötet hatte. Wahrscheinlich wollte sie alles besitzen, was ihr nutzbar sein konnte oder ihre Eitelkeit befriedigte. Ich ging – und ich nahm nichts mit. Als ich zu Jim Slater in dessen Hütte trat, waren dort Jack Morgan, Tate Tatum und Sego Lockmire zu Gast. Sie alle saßen beim Wein, und Jim Slater, der nicht mitgeritten war, hatte sich glänzend erholt und war fast völlig gesund. Ich sagte: »Kann ich bei dir wohnen, Jim? Du hattest es mir mal angeboten. Ich bin fertig im Saloon und bei Dolores.« Sie betrachteten mich prüfend. Dann nickte Jim Slater. »Gern«, sagte er. »Nun sind wir schon vier Männer in diesem Tal, die auf Dolores’ Schönheit
pfeifen und auf die ihr teuflischer Zauber nicht wirkt – vier Mann im ganzen Luna Valley! Nur Sego Lockmire würde gern bei ihr landen. Bisher hatte er jedoch kein Glück bei ihr. Er ist nicht ihr Typ.« »Vielleicht bin ich das jetzt.« Sego Lockmire grinste und erhob sich, ging zur Tür und sah noch einmal zu mir zurück. »Wenn du sie beleidigt hast«, murmelte er, »wird sie vielleicht von mir verlangen, dass ich dich umlege, Cash. Und dann werde ich es tun. Verstehst du? Sie taugt nichts, doch sie ist begehrenswert und schön. Wenn sie will, dass ich ihr dein Fell vor die Füße lege, dann…« Er zielte mit dem Zeigefinger auf mich und sagte: »Bumm!« Ich sagte nichts. Jack Morgan, Tate Tatum und Jim Slater sahen mich an. »Du würdest ihn wahrscheinlich töten – denn du bist souveräner und ruhiger als er«, murmelte Jim Slater. Dann warteten wir, tranken Wein, rauchten Zigarren und redeten über mehr oder weniger belanglose Dinge. Ich ließ mir nichts anmerken, doch ich hatte Angst. Denn wenn dieser verrückte Sego Lockmire wirklich kommen würde, um für Dolores meinen Skalp zu holen, so würde ich meinen fünften Gegner töten müssen – den fünften Mann. Ich fürchtete mich davor. Denn es war höllisch genug, mit vier Toten in der Erinnerung zu leben. Manchmal fürchtete ich mich, meine Augen zu schließen. Denn dann sah ich sie vor mir – Ringo Mannen, Earl Mills, Curly Ben Chonok und Paco Martinez. Meine Angst schwand jedoch allmählich. Es wurde Abend. Sego Lockmire erschien nicht vor Slaters Haus, um mich zu rufen. Hatte Dolores großzügig auf meinen Skalp verzichtet? Nachdem wir die ganze Zeit nur belanglose Dinge geredet hatten, kam Jack Morgan plötzlich zur Sache. »Dieser Ritt nach Mexiko war ein Fiasko«, sprach er. »Ein
paar Silberpesos und etwas Schmuck. Wir werden uns nach einem großen Coup umsehen. Morgen reite ich mit Cash fort. Ihr haltet hier im Luna Valley unsere Interessen aufrecht. Nach Paco Martinez’ Tod wird es einige Verschiebungen geben. Ich habe kein Interesse, an irgendwelchen Machtkämpfen teilzunehmen. Auch für Cash ist es gut, eine Weile aus Dolores’ Reichweite zu kommen. Wir reiten morgen.« *** Nun, Jack Morgan und ich, wir erreichten sechs Tage nach unserem Abritt aus Luna City endlich die kleine Stadt Santa Cruz am Santa Cruz River. Ich musste die ganze Zeit daran denken, dass gar nicht weit von hier die Aurora-Mine war, jene Goldmine also, zu der Carolyna Adams’ Vater damals den Wagenzug führte. Ich fragte mich immer wieder, ob das Mädchen, das mich so freundlich mit gebratenen Forellen bewirtet hatte, wohl noch dort war. Oder war sie mit ihrem Vater irgendwohin weitergezogen? Ich musste sie immer wieder aus meinen Gedanken vertreiben. Aber sie kam mir stets in den Sinn zurück, und ich musste sie mit Dolores Yuma vergleichen. Sie waren so verschieden wie eine schwüle, süße, heiße Sommernacht und ein taufrischer, herrlicher, sauberer Frühlingsmorgen. Ein starkes Bedauern war in mir. Denn für solch ein Mädel war ich nicht mehr der richtige Mann. Ich war ja ein Bandit. Etwa eine Meile von Santa Cruz entfernt hielten wir auf einem Hügel zwischen schattigen Bäumen. Jack Morgan deutete hinunter. »Mich kennt man in dieser Stadt noch nicht – und überdies tragen wir nun Bärte. Aber wir wollen dennoch lieber getrennt in die Stadt reiten. Gib dich als ein Bursche aus, der Arbeit sucht, ganz gleich, welcher Art. Dies ist die beste Möglichkeit,
sich in der Stadt zu bewegen und unverdächtig aufzuhalten. Sie haben eine Bank dort in der Stadt, die für uns von Interesse werden könnte. Es müsste hier für eine kleine Mannschaft ein lohnender Coup zu machen sein – so etwa zwischen vierzigtausend bis fünfzigtausend Dollar. Also, reite hinunter, und spiel den Leuten einen netten Jungen vor. Ich selbst komme nach Anbruch der Nacht. Und wenn wir uns in der Stadt begegnen, dann kennen wir uns nicht. Es werden gewiss eine Menge Fremde dort sein, sodass wir nicht auffallen.« Ich nickte zu seinen Worten. Dann ritt ich los. Es war früher Nachmittag. Ich wollte vor den größten Saloon reiten, um dort abzusitzen. Doch als ich an einem Store vorbeikam, erinnerte ich mich, dass ich keinen Tabak mehr hatte. Ich saß ab, warf die Zügelenden über die Haltestange, bückte mich unter ihr hindurch zum Plankengehsteig hinauf, wollte in den Store hinein – und erstarrte staunend. Denn das Schicksal hatte sich mit mir wieder einen seiner Scherze erlaubt. Ich stand vor Carolyna Adams. Und obwohl ich jetzt im Gegensatz zu damals einen Bart trug, erkannte auch sie mich. »Oh, Sie sind doch Cash Adam«, sprach sie. »Aber ich weiß, dass Sie in Wirklichkeit Cash Clayton sind. Mein Vater hat mir erzählt, was alles Sie damals in Three Fork…« Sie brach ab, denn ein Mann kam hinter ihr aus der Tiefe des Stores, griff an den Hut und fragte: »Darf ich vorbei, Madam?« Wir entdeckten, dass wir in der Tür standen und den Weg versperrten. Der Mann war groß, hager, weißblond und hatte dunkle Linien in seinem Gesicht. Wir ließen ihn aus dem Store, und er betrachtete mich fest. Ich fragte mich, ob er Carolynas Worte gehört hatte, denn
dann musste er auch meinen Namen verstanden haben. Was für ein Mann mochte er sein? Ich konnte ihn nicht einordnen – nicht als Rancher, nicht als Soldat in Zivil, nicht als… Mich durchfuhr es plötzlich heiß. Sollte er ein Gesetzesmann sein, der seinen Stern in der Tasche trug? Und ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Als ich dann endlich Worte über meine Lippen brachte, klangen sie mir recht dumm. Ich sagte nämlich: »Carolyna, ich habe oft an Sie denken müssen. Ich konnte Sie nicht vergessen. Auch Sie haben an mich denken müssen, Carolyna. Denn Sie haben mich trotz meines Bartes sofort erkannt.« »Weil Sie bei meinem Anblick so erstarrten – und an Ihren Augen«, sprach sie langsam und sah mich prüfend an. Ich hielt ihrem Blick stand. »Ja«, murmelte sie, »ich dachte oft an Sie. Und ich habe mich gefragt, weshalb Sie auf die schiefe Bahn gerieten. Warum stellen Sie sich nicht dem Gesetz und beginnen später ein neues Leben?« »Wenn das so einfach wäre«, murmelte ich. »Ich tat bisher immer nur eines: Ich wehrte mich meiner Haut, so gut ich konnte. Sollte ich mich totschießen oder mit Hilfe verlogener Zeugen verurteilen lassen?« Sie sah mich an und schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht«, murmelte sie. »Aber was Sie sagen, Cash Clayton, hört sich ganz so an, als suchten Sie alle Schuld stets bei anderen Dingen – den Menschen, dem Schicksal und wer weiß was für unglücklichen Umständen. Gewiss, es könnte sein, dass es für Sie mildernde Umstände gibt – aber…« Sie zweifelte an mir. Das bedrückte mich sehr. Doch wahrscheinlich hatte sie Recht. Ich half ihr in den Wagen und fragte: »Leben Sie jetzt hier in Santa Cruz?« »Nein«, erwiderte sie. »Ich bin mit meinem Vater zum Einkaufen hier. Er arbeitet für die Aurora-Mine, baut für diese
die Siedlung auf, in der die Arbeiter mit ihren Familien leben. Es wird bald eine Stadt sein. Es gibt zwei Schmiede hier in Santa Cruz. Mein Vater will den jüngeren Schmied dazu überreden, zu uns auf die Aurora zu kommen. Wir brauchen dort einen guten Schmied. Er hätte mehr Verdienstmöglichkeiten.« Sie hob plötzlich die Zügel an und fuhr davon. Sie lenkte das Zweiergespann mit sicherer Hand, und dabei waren es zwei recht feurige Rappen. Ich sah ihr nach. Sie hielt vor der Schmiede beim nördlichen Ortsausgang. Ein großer Mann kam dort heraus, schwang sich zu ihr in den Wagen, und dann fuhren sie davon. Ich versuchte abzuschätzen, wie weit die Aurora-Mine von hier entfernt war und wann sie mit diesem schnellen Gespann am Ziel sein könnten. Sie würden erst spät in der Nacht ankommen nach mehr als sechs Stunden Fahrt. Und dieses Land zwischen Santa Cruz und Tucson war zwar stärker besiedelt als anderswo, doch deshalb kaum weniger gefährlich. Ihr Vater musste ein sehr mutiger Mann sein, der mit Waffen gut umgehen konnte. Und genauso hatte er auch ausgesehen – ein Mann, der für sich, seine Tochter und für andere Menschen sorgen kann. Warum war ich nicht solch ein Mann? Ich wandte mich etwas verwirrt um, ging in den Store und kaufte meinen Tabak. Der Storehalter fragte: »Fremd hier?« »Ja«, sagte ich. »Ob ein Bursche wie ich hier Arbeit finden könnte?« Er sah mich von oben bis unten an. »Cowboy?« So fragte er. »Ach, ich mache alles – ich würde sogar in Ihrem Laden bedienen, Mister, denn ich habe in meinem Leben schon alles gemacht.«
»Ich brauche keinen Gehilfen«, erwiderte er. »Es gibt zwei Möglichkeiten für Sie, junger Mann. Auf einer Ranch oder in einer Mine. Hier in der Stadt ist kaum noch etwas. Es lungern hier schon viele Fremde herum.« »Aber ich bin kein Tramp«, sagte ich und legte ein Geldstück auf den Ladentisch. »Ich kann für meinen Unterhalt aufkommen. Ich brauche die Arbeit nicht von heute auf morgen. Vielleicht bietet sich hier etwas in den nächsten Tagen?« Ich ging, und er fragte hinter mir her: »Wie ist Ihr Name, junger Mann?« »Cassedy«, sagte ich und trat wieder hinaus auf den Plankengehsteig. Jeder Mann ist sein eigener Hüter, dachte ich, und dann fiel mir ein, dass Jack Morgan mit mir hergekommen war, um einen Coup ausfindig zu machen, der sich auch wirklich lohnen würde. Ich drehte mir eine Zigarette, nahm mein Pferd und ging das kurze Stück zum Saloon weiter. Ich stellte das Tier in den Schatten eines Baumes an einen Wassertrog und ging in den Saloon. Obwohl es erst Nachmittag war, gab es schon mehr als zwei Dutzend Gäste. Es waren zumeist Fremde oder zumindest Besucher aus dem umliegenden Land. Denn die Leute dieser Stadt hatten um diese Tageszeit zumeist noch irgendwelche Arbeiten zu erledigen. Und einen der Männer kannte ich schon. Es war jener weißblonde Mann mit den dunklen Linien im Gesicht, der aus dem Store gekommen war. Er saß allein an einem Tisch und sah mich fest an. Ich erwiderte seinen Blick kühl. Dann ging ich zur Theke, ließ mir ein Bier geben und bediente mich am Freiimbisstisch. Es gab Soleier, kalten Braten in Scheiben und ähnliche Dinge. Der Barmann sagte: »Sie müssen noch wenigstens drei Bier
oder andere Drinks nehmen, wenn Sie sich da voll stopfen wollen.« Ich nickte und warf ihm zwei Dollarstücke auf die Platte, denn Jack Morgan hatte mir genügend Betriebskapital mitgegeben. Ich sollte hier nicht als Hungerleider auftreten, um mich bei den Bürgern der Stadt nicht unbeliebt zu machen. Ich aß, ließ mir noch ein zweites Bier geben, nahm es und ging zu dem blonden Hageren, dessen Blicke ich schon die ganze Zeit spürte. Ich setzte mich zu ihm an den Tisch und sagte: »Sie beobachten mich die ganze Zeit – wollen Sie was von mir?« Er lächelte, und dieses Lächeln ließ ihn jünger werden. In seinen stahlblauen Augen funkelte es amüsiert. Er war gewiss zehn Jahre älter als ich, und es gab keinen Zweifel daran, dass er ein Mann war, der überall für sich sorgen konnte. Als Kämpfer gehörte er in Jack Morgans und meine Klasse. »Als ich aus dem Store kam«, murmelte er dann, »versperrten Sie mir mit Miss Adams die Tür. Ich hörte Miss Adams einen Namen nennen, Cash Clayton, das war der Name. Cash Clayton war der Mann, der in Tucson Ringo Mannen und in Three Fork Earl Mills tötete. Aber zwischendurch war er ein Jahr verschwunden. Er war auf einer einsamen Ranch in den Bradshaws.« »Sie wissen viel über Cash Clayton«, murmelte ich. Dabei war mir nicht wohl in der Magengegend. »Aber Sie haben immer noch nicht gesagt, was Sie von ihm wollen.« Er stopfte sich eine alte Tabakspfeife, der man ansah, dass sie oft mit glühendem Holz aus einem Campfeuer angezündet worden war. Als er sie anrauchte, sah er mich fest an. »Sie sind wohl nicht zufällig Cash Clayton?«, fragte er. Und dann kam wieder sein schnelles Lächeln, welches ihn so verjüngte. Er war mir nicht unsympathisch, obwohl ich das Gefühl hatte, mich vor ihm hüten zu müssen. »Ich heiße Cassedy«, sagte ich.
»Das würde abgekürzt Cash ergeben«, grinste er. »Cassedy Clayton. Aber Spaß beiseite. Er muss jünger sein als Sie. Obwohl der Bart Sie gewiss älter macht, sind Sie kein wilder Junge mehr wie dieser Cash Clayton, der von seinem Glück noch gar nichts weiß. Kennen Sie ihn? Ich muss dies vermuten, da doch sein Name fiel.« »Vielleicht kenne ich ihn«, murmelte ich und war ganz wachsam, ohne es mir anmerken zu lassen – jedenfalls gab ich mir Mühe, dies nicht zu tun. Er beugte sich etwas vor. »Cash Clayton ist fein raus«, sagte er. »Er hat Ringo Mannen und ein Jahr später Earl Mills getötet. Aber ich habe mir noch einmal alle Zeugen vorgenommen – einzeln. Und ich habe sie mir ziemlich rau vorgenommen. Jetzt gibt es keine Zeugenaussagen mehr gegen Cash Clayton. Es gibt nur noch eine Gefangenenbefreiung und einen Pferdediebstahl. Doch dafür könnte er vom Gouverneur eine Begnadigung bekommen – unter gewissen Umständen.« Er lehnte sich grinsend zurück. Nun aber lehnte ich mich weiter über den Tisch und fragte: »Wer sind Sie?« Er sagte es mir. Und es war wie ein Hammerschlag. »Ich bin John Haggerty, US Marshal, Sonderbeauftragter der Bundesregierung.« Ja, das sagte er. *** Ich musste mir unwillkürlich übers Gesicht wischen. Dann schüttelte ich den Kopf wie ein Mann, der aus dem Wasser kommt und die Ohren wieder frei von eingedrungener Flüssigkeit haben will. »Was?«, staunte ich. Er grinste, sah sich um, ob auch niemand zuhörte, und sagte
dann: »Ihr wart vor etwa zwei Wochen drüben in Mexiko. Wieder einmal. Und die mexikanische Regierung hat auf diplomatischem Weg Protest eingelegt. Nicht zum ersten Mal übrigens. Denn ich arbeite schon fast ein halbes Jahr an dieser Sache. Ich würde viel geben, wenn ich die genaue Lage der verborgenen Banditenstadt wüsste. Luna City soll sie heißen, erzählt man sich. Der Gouverneur würde einem Mann, der mich hinführen müsste, ganz gewiss volle Begnadigung geben. Aber eigentlich habe ich für diesen Cash Clayton ohnehin schon eine Menge getan. Ich habe die Zeugen dazu gebracht, auszusagen, dass er bei Ringo Mannen und später auch bei Earl Mills in Notwehr handelte. Das ist schon was, nicht wahr? Der Junge könnte in das redliche und geordnete Leben zurück. Und wenn er ein Mädchen hätte, so…« Er verstummte, grinste – und er machte eine alles sagende Bewegung. Es gab ja auch gar nichts mehr zu sagen. Es war alles so klar. Dieser Marshal war eine allererste Nummer. Der kannte sich aus und hatte gute Arbeit geleistet. Doch warum war er ausgerechnet auf Cash Clayton so scharf? Ich stellte diese Frage, und da erwiderte er mir ganz ruhig: »Damals, dieser Gefangene in Three Fork, der verwundet war und den Cash Clayton befreite – er sollte mich nach Luna City führen. Oh, ich rechnete damit, dass man ihn herausholen würde. Ich wollte mich dranhängen. Aber ich rechnete erst in zwei oder drei Tagen damit, da mir der Doc gesagt hatte, dass der Gefangene viel zu schwach war, um reiten zu können. Cash Clayton hat es irgendwie geschafft, mit ihm zu verschwinden. Und er wird damit auch Anschluss an die Bande der großen Wölfe in Luna City gefunden haben.« Er machte eine kleine Pause, beugte sich weit vor und sagte eindringlich: »Für diesen Clayton ist es eine einmalige Chance. Er kann wieder zu einem unbescholtenen Mann werden. Und er braucht dann nicht
länger mit Banditen zu leben und zu reiten. Denn wenn er dies noch länger tut, wird auch er bald ein richtiger Bandit sein, ein Verlorener für alle Zeit. Es ist die Chance für Cash Clayton, und er bekommt sie, weil er den verwundeten Banditen aus Three Fork fortschaffte und nun den Weg nach Luna City kennen muss.« Nun hatte er alles gesagt. Er lehnte sich zurück, trank sein Glas leer und sah mich an. Ich wusste, dass er mich durchschaut hatte. Nach den Beschreibungen hatte er mich irgendwie trotz meines Bartes erkannt. Und zuvor hatte ihm der Zufall geholfen, dass er hören konnte, was das Mädchen Carolyna Adams zu mir sprach. Gewiss hatte er nach mir gesucht. Dass er mich so schnell finden konnte, war natürlich Glück. Aber für wen? Für mich? Ich überdachte die ganze Sache. Doch es passte alles gut zusammen. Die Bande von Luna City war eine Landplage geworden, zumal ihr Aktionsradius unheimlich groß war. Die amerikanische Regierung hatte mit der mexikanischen Regierung Streit bekommen, weil die Banditen aus den Staaten immer wieder nach Mexiko kamen. Seit Monaten schon. Man hatte bewährte US Marshals mit Sondervollmachten eingesetzt. Einer davon war dieser John Haggerty. Ich sagte: »Es wird Cash Clayton natürlich freuen, nicht mehr wegen Totschlags an Ringo Mannen und Earl Mills verfolgt zu werden. Doch wenn er Aufnahme in Luna City fand, so würde er doch ein gemeiner Verräter an Leuten sein, bei denen er in der Not eine Zuflucht finden konnte, nicht wahr?« Haggerty nickte und sein Gesicht wurde hart. »Man muss immer eine Seite wählen«, sagte er. »Aber dieser Cash Clayton kann es sich ja noch überlegen. Solch eine Entscheidung kann man nicht von einer Minute zur anderen fällen. Das sehe ich ein. Ich werde gewiss noch einmal
Verbindung mit Ihnen aufnehmen, Cassedy.« Er stand auf und ging. Und ich wusste, dass er mir eine goldene Brücke bauen wollte, weil er mich brauchte. Aber zu einem Verräter hatte ich noch nie etwas getaugt. Und dennoch… Ich ging zur Bar, um mir ein drittes Bier geben zu lassen. Der Barmann sah mich an und fragte: »Wer ist dieser Blonde?« »Das weiß ich nicht«, erwiderte ich. »Aber er starrte mich immerzu an. Ich musste ihn deshalb fragen, ob er was von mir möchte. Aber er wollte nichts, gar nichts. Er sagte, dass ich ihn an seinen kleinen Bruder erinnerte, und erzählte mir von ihm. Vielleicht ist er hier in Santa Cruz, um Pferde zu kaufen. Ob ein Mann wie ich hier einen Job finden könnte?« Der Barmann sah mich bei meiner Frage noch schärfer an. »Abgebrannt?« So fragte er. Ich grinste. »Nicht so sehr. Doch man will ja nicht warten, bis man abgebrannt ist.« Er schüttelte den Kopf. »Es gibt hier kaum Arbeit für Fremde – höchstens in den Minen. Die Ranches und Farmen sind alle besetzt. Die Apachengefahr im Land verhindert zu sehr den Aufbau und die weitere Entwicklung. Alles drängt sich hier im Raum zwischen Tucson und Santa Cruz zusammen. Ja, wenn erst mal wieder das weite Land offen ist…« Er kratzte sich am Kopf. »Sie könnten es noch im Frachtwagenhof versuchen«, sagte er. »Dort sucht man manchmal bewaffnete Begleiter für die Postkutschen und vor allen Dingen für die Wagenzüge nach Santa Fe und zurück. Das wäre eine Möglichkeit. Sie zahlen zwei Dollar pro Tag für Reiter und Pferd, dazu Verpflegung und ein Quartier in der Wagenburg unter freiem Himmel.« Ich grinste, trank mein Bier, ging hinaus, brachte mein Pferd in den Mietstall und schlenderte durch die Stadt. Ich ging auch an der Bank vorbei und sah sie mir von außen
an. Es war eine für diese kleine Stadt recht große Bank, ein Zeichen dafür, dass sie eine Menge Kundschaft im umliegenden Land hatte. Aber ich ging nicht hinein. Ich dachte wieder an den US Marshal und daran, dass er mich gewiss beobachtete. Denn ich zweifelte nicht daran, dass er mich als Cash Clayton erkannt hatte. Den Schein, den er aufrecht erhielt, billigte er mir nur zu, damit es mir leichter war, mich zu entscheiden. Ich sollte zu ihm kommen und sagen: Also, Marshal, ich bin Clayton. Und ich will mich auf Ihre Seite schlagen! Mir war nicht wohl in meiner Haut. Was sollte ich tun, wenn Jack Morgan in die Stadt kam? *** Jack Morgan kam zwei Stunden vor Mitternacht in die Stadt. Eine Stunde später schon saß er im Saloon inmitten einer Pokerrunde und gewann fortwährend. Wie er das machte, blieb mir rätselhaft, aber wahrscheinlich gewann er, weil es ihm gleich war und weil er so sehr bluffte, dass ihm niemand einen solchen Leichtsinn zutraute. Er wurde erst vorsichtiger, als einige Mitspieler aufhörten und andere Männer für sie einsprangen. Jetzt wurden die Einsätze höher. Jack Morgan musste jetzt gegen härtere Nummern spielen. Aber auch da konnte er sich behaupten. Ich konnte erkennen, dass ihm das Spiel nun eine gewisse Freude bereitete, dass er nicht mehr daran dachte, aufzuhören, bevor nicht die anderen Spieler genug hatten. Einer dieser Spieler erwies sich immer mehr als Jack Morgans Gegner. Aus diesem Poker wurde mehr und mehr ein Duell, bei dem die anderen vier Mitspieler mehr oder weniger Statisten waren. Dieser eine Spieler war hier bekannt. Er hieß Richard Perrit,
hatte rote Haare, grüne Augen, war riesig und trug zwei Revolver. Er sah wie ein Rindermann aus, ein Ranchboss. Und er war ein Bursche, der keiner Herausforderung aus dem Weg gehen konnte. Und Jack Morgan war für ihn eine Herausforderung. Etwa eine Stunde nach Mitternacht war auch US Marshal John Haggerty gekommen und stand nun unter den Zuschauern. Denn das Pokerspiel war schon bald so scharf geworden, dass niemand sonst im Saloon noch spielte. Wir standen oder saßen im Kreis und sahen zu, wie sie sich gegenseitig die Haut abzuziehen versuchten. Manchmal begegneten sich Haggertys und meine Blicke, und es war mir dann immer, als wäre der Anflug eines weisen und verstehenden Lächelns auf seinen Lippen und in seinen Augen. Ich hatte immerzu den Eindruck, als durchschaute er mich genau und wusste über jede Regung, die in mir vorging, bestens Bescheid. Was sollte ich tun? Ich fragte mich, ob er Jack Morgan als Banditen erkannt hatte. Morgan war kein Mann, den man schnell vergisst. Selbst mit seinem gut gepflegten Bart war er gewiss nach einer guten Beschreibung, wie man sie zumeist auf den Steckbriefen findet, zu erkennen. Ich wusste es nicht genau, doch ich war sicher, dass es von Jack Morgan irgendwo Steckbriefe gab. Wäre das nicht der Fall, so hätte er sich nicht in Luna City eine Zuflucht suchen müssen. Aber offenbar interessierte er den Marshal nur als Pokerspieler, der mit einem Mann wie Richard Perrit ein Duell im Poker ausfocht. Denn darauf lief es mehr und mehr hinaus. Ich wäre gern in den Mietstall gegangen und hätte mich dort bei meinem Pferd ins Stroh gelegt, wie es üblich war, wenn
sich stellungssuchende Cowboys in einer Stadt aufhielten, die ihr Geld zusammenhalten wollten. Aber ich ging nicht. Auch die anderen Zuschauer gingen nicht. Wir alle mussten diesem Zweikampf zuschauen. Als es draußen grauer Tag wurde, war Richard Perrit dann mit seinem Bargeld am Ende. Seit einer Stunde spielten er und Jack Morgan schon allein miteinander offenen Poker mit zwei verdeckten Karten. Es war eine besondere Variante dieses Spiels. Richard Perrit hatte drei Asse aufgedeckt liegen, und er wusste nicht, was für Karten die beiden verdeckten waren. Jack Morgan hatte dreimal die Sieben vor sich aufgedeckt. Und er setzte alles, was er bisher gewonnen hatte und überdies noch aus den Taschen holte. Eigentlich war das verrückt. Denn er konnte die drei Asse mit seinen drei Sieben nur schlagen, wenn die beiden verdeckten Karten den gleichen Wert hatten oder eine der beiden Karten die vierte Sieben war. Dies konnte er nie und nimmer wissen, weil Perrit gegeben hatte. Aber Perrit konnte sich ein viertes Ass gegeben haben, wenn er ein geschickter Kartenjongleur war. Als Jack Morgan dann aufdeckte, hatte er eine vierte Sieben und das Richard Perrit fehlende Ass. Er hatte Richard Perrit blank gemacht. Sie starrten sich an. Es sah so aus, als wollte Richard Perrit wild werden, denn er hatte zuletzt einige Whiskys getrunken und war durch seine Verluste nicht in freudiger Stimmung. Sie sahen sich also an. Aber es gab keinen Streit. Sie erkannten wahrscheinlich, wie gleichwertig sie waren. Plötzlich grinste Richard Perrit und deutete auf den Geldhaufen, welcher immer noch in der
Tischmitte lag. »Das sind fast sechstausend Dollar«, sagte er, »eine Menge Geld in unserer lausigen Zeit. Aber ich habe noch etwas dagegen einzusetzen, wenn Sie nur wollen, Mister.« Jack Morgan sah ihn an, und sie glichen beide zwei Einzelgängerwölfen, die sich ineinander verbissen hatten und nicht mehr voneinander loskommen konnten. »Was wäre das denn, Perrit?«, fragte er scheinbar kühl, aber man sah ihm an, dass er jede neue Herausforderung annehmen würde. »Meine Treibherde«, sagte Perrit. »Ich habe eine kleine Treibherde vor der Stadt – fünfhundert Rinder, bestimmt für die Aurora-Mine und die neue Stadt dort, für Tucson, einige andere Minen und ein kleines Armee-Depot bei Tucson. Die Rinder sind nach Abzug aller Unkosten zehntausend Dollar wert, denn es sind Fleischrinder. Ich setze sie gegen das Geld hier auf dem Tisch. Nehmen Sie an, Jack Morgan?« Dieser nickte. »Aber ein Unparteiischer muss mischen«, sagte er. »Ich möchte es nicht tun, obwohl ich an der Reihe wäre. Es wird so oder so unser letztes Spiel sein. Deshalb sollte ein Unparteiischer mischen.« »Einverstanden«, nickte Perrit. Dann sahen sie sich beide um. Jack Morgan deutete auf mich. »Vielleicht Sie, Schwarzbart?«, fragte er mich. Da grinste ich. »Selber Schwarzbart«, sagte ich zu ihm. »Aber ich würde mischen und geben – warum auch nicht?« Perrit sah mich an. Dann nickte auch er. »Ja, mir ist lieber, ein Fremder tut es«, sagte er. »Die meisten Leute hier sind mit mir befreundet. Ein Fremder wäre mir recht. Also los!« Ich trat an den Tisch und mischte langsam. Jeder konnte sehen, dass ich keine Tricks anwandte. Sie alle sahen mir mit mehr oder weniger angehaltenem
Atem zu. Mein Blick traf sich für zwei Sekunden mit dem des Marshals. Wieder spürte ich den Anflug eines weisen Lächelns, und es war mir, als wüsste er genau, dass Jack und ich zusammengehörten. Ich fühlte in mir eine merkwürdige Regung aufsteigen, eine Mischung von Zorn, Unruhe und Unwillen. Denn dieser Marshal erschien mir plötzlich wie mein eigenes verkörpertes Gewissen. Ich mischte vielleicht etwas zu lange. Doch dann begann ich auszuteilen – zwei verdeckte Karten, dann abwechselnd drei aufgedeckte. So spielte man dieses Spiel hier im Süden. Anderswo wurde es auf eine andere Art gespielt. Jack Morgan und Richard Perrit kauften abwechselnd einige Mal und legten auch ab. Aber das Geheimnis für sie blieben die verdeckt liegenden Karten. Zum Schluss sah es so aus: Jack Morgan hatte drei Könige. Das war eine prächtige Karte. Und Richard Perrit hatte nichts dagegen – gar nichts, wie es schien. Denn er hatte immer wieder scheinbar schlecht gekauft, nachdem er ablegte. Perrit hatte eine Sieben, eine Neun und eine Zehn – aber es waren alles Pik. Um gewinnen zu können, musste er zwei Pik verdeckt liegen haben. Denn dann hätte er einen Flush gehabt. Der Flush hätte seine drei Könige geschlagen. Aber würden die beiden verdeckten Karten so gut zu seinen drei jämmerlichen Dingern passen? Jack Morgan grinste jetzt. Er deckte auf. Er fand eine Dame und einen Buben, und die nützten ihm nichts. Er hatte nur diese drei Könige. Richard Perrit deckte dann wahrhaftig das Pik-Ass und die
Pik-Acht auf. Der Flush war komplett. Sieben, Acht, Neun, Zehn, Ass, und alles Pik. Die Sache war klar. Jack Morgan lehnte sich zurück und machte eine Handbewegung, die besagte, dass Richard Perrit sich bedienen möge und den Geldhaufen an sich ziehen könnte. Er war ganz und gar der faire Verlierer. Ich mochte ihn deshalb. Ja, für mich war er jetzt ein Mann mit Charakter und ein fairer good Fellow – ein guter Bursche. Wie konnte ich nur die Möglichkeit in Erwägung ziehen, ihn und die anderen Männer zu verraten? Richard Perrit strich das Geld ein. Er nahm sich Zeit dabei, tat alles in seinen Geldgürtel, den er unter dem Reithemd auf der bloßen Haut trug. Die Zuschauer bewegten sich, traten auseinander. Die meisten nahmen noch an der Theke einen letzten Drink. Sie würden dann in ihre Häuser oder Quartiere gehen. Vor dem Saloon waren noch viele Sattelpferde angebunden, deren Besitzer heimreiten würden, irgendwohin in das weite und wilde Land hinaus. Ich hörte Perrit zu Jack Morgan gewandt fragen: »Pleite? Soll ich Ihnen mit einem Hunderter aushelfen? Ich kann verstehen, wie es ist, wenn man pleite ist. Ich war schon mehr als einmal pleite. Doch immer wieder komme ich auf die Beine. Ein Hunderter?« Er wollte ihm einen der großen Geldscheine über den Tisch schieben. Doch Jack Morgan schüttelte den Kopf. »Wenn man verloren hat, soll man sich nichts schenken lassen. Sie könnten mir nur helfen, wenn Sie einen Job für mich hätten. Ich will ohnehin nach Tucson. Brauchen Sie noch einen Treiber für die Rinder?« Ich staunte, ihn so reden zu hören. Aber das gehörte wahrscheinlich zu unserem Plan, hier unverdächtig zu werden und in der Stadt leben zu können, bis
wir alles wussten über die Bank. »Sicher habe ich einen Job«, sagte Richard Perrit. Ich ging nun ebenfalls an die Theke, denn es wäre zu gefährlich gewesen, noch länger in Hörweite zu verweilen. Ich sah mich nach dem Marshal um. Doch dieser trat soeben durch die Tür auf die Straße hinaus. Ich trank schnell einen Whisky und verließ ebenfalls den Saloon. Dort, wo Jack Morgans Pferd stand, lehnte ich mich an den Stützpfosten des Verandadachs und wartete. Zuerst kam Richard Perrit heraus. Zwei Männer begleiteten ihn. Nach ihnen kam Jack Morgan. Sie alle gingen zu ihren Pferden, aber die Pferde von Perrit und dessen Männern waren ein Stück weiter entfernt angebunden. Deshalb konnte Jack Morgan leise zu mir sagen: »Du bleibst hier. Such dir einen Job. Wir müssen hier fast schon zu den Einheimischen gehören. Ich werde in ungefähr zwei Wochen wieder hier eintreffen. Und dann komme ich als ein Mann, der für Richard Perrit ritt. Dann gehöre ich sozusagen in dieses Land. Ich versuche alles über die Minen und die Goldtransporte herauszubekommen. Da wir Fleischrinder zu den Minen bringen, kann ich…« Er verstummte und saß auf. Denn ein Mann kam heran. Seine Sporen klirrten leise. Jack Morgan ritt fort, er folgte Richard Perrit und dessen zwei Cowboys. Der Mann aber, der gekommen war, blieb bei mir stehen. Es war der Marshal. Ich wurde mir bewusst, dass ich Jack Morgan nichts von diesem Gesetzesmann hatte berichten können – und vielleicht hatte ich es auch gar nicht gewollt. Denn es waren Zweifel in mir gewesen, die erst wieder schwanden, nachdem ich Jack Morgan so scharf Poker spielen und dann so fair wie ein Gentleman verlieren sah. »Es tut mir Leid«, murmelte ich. »Aber ich glaube nicht,
dass dieser Cash Clayton die Leute verraten wird, bei denen er in seiner Not Aufnahme finden konnte. Die menschliche Gemeinschaft hat Cash Clayton zu einem Geächteten gemacht, nur weil er sich einem Revolvermann wie Ringo Mannen und einem Spieler wie Earl Mills nicht unterwerfen wollte. Es gibt keine Gerechtigkeit, nur die, welche man sich selbst verschafft. Aber wenn ich Cash Clayton mal sehen sollte, so werde ich ihm Ihre Vorschläge unterbreiten, Haggerty.« »Mein Junge, ich gebe es noch nicht auf, und ich weiß, dass ich dich nur freiwillig auf meine Seite bekommen kann. Weißt du, ich war auch mal so wie du. Aber jemand gab mir eine Chance. Sonst wäre auch ich damals verloren gewesen für alle Zeit. Cassedy, ich gebe es noch nicht auf mit dir. Aber lass mich nicht zu lange warten – nicht, bis es auch für dich zu spät ist oder für diesen Cash Clayton.« *** Am anderen Tag, nachdem ich den Nachmittag und die halbe Nacht herumgelungert hatte, fand ich endlich einen Job. Ich wurde bewaffneter Begleiter eines Wagenzuges nach Tucson. Der Wagenzug bestand aus zwölf Mervile-Doppelwagen, hoch beladen mit Baumwollballen. Mit den schweren Frachtwagen brauchten wir drei Tage nach Tucson. Doch wir waren immer noch schneller als die Treibherde. Wir überholten sie an einem Nachmittag. Die Rinder wurden langsam getrieben und durften grasen. Sie sollten nicht an Gewicht verlieren. Ich sah Jack Morgan bei Richard Perrit und dessen vier anderen Treibern. Ich winkte Jack Morgan nicht zu. Aber er sah mich mit den anderen Treckbegleitern reiten. Er wusste, dass ich es so machte wie er. Ich würde bald nicht mehr in Santa Cruz als Fremder gelten.
Und darauf kam es uns an. Nun, ich war sieben Tage später wieder in Santa Cruz. Denn wir bekamen in Tucson sofort wieder einen Gegenfrachtzug, den wir eskortieren mussten. Diesmal waren es nur sechs schwere Wagen. Doch waren sie mit sehr viel mehr wertvollen Dingen beladen. Am zweiten Tag unserer Abfahrt griffen uns überraschend Apachen in einem Hohlweg an. Es gab einen schlimmen Kampf, der uns zwei Tote und drei Verwundete kostete. Ich tat mich bei diesem Kampf mit meinem Revolver hervor. Ohne unbescheiden zu sein, kann ich behaupten, den Ausschlag dazu gegeben zu haben, dass die Apachen die Flucht ergriffen. Weil ihnen plötzlich die Nerven fehlten, noch weitere Verluste hinzunehmen. Wir kamen also glücklich nach Santa Cruz. Einige Stunden später hatte ich dort nur Freunde. Es hatte sich herumgesprochen, dass ich mit meinem Revolver eine ganze Menge für den Frachtzug getan hatte. Und fast jeder der Einwohner hatte mit diesem Frachtzug irgendetwas unterwegs gehabt. Wir Begleiter und auch die Fahrer wurden immer wieder zu Drinks eingeladen. Man klopfte uns auf die Schultern und war nett zu uns. Auch der US Marshal war noch in der Stadt. Er hörte sich das alles an, betrachtete mich – und ich hätte viel darum gegeben, hätte ich seine Gedanken lesen können. Als ich meinen Lohn und eine gute Prämie ausgezahlt bekommen hatte, ging ich zum ersten Mal in die Bank und eröffnete ein Konto. Ich sah mich unauffällig um und stellte auch einige Fragen – eigentlich scherzhaft, denn ich fragte, ob meine zwanzig Dollar, mit denen ich ein Guthaben eröffnete, in der Bank auch sicher wären. Weil man mich aber inzwischen als guten Burschen kannte, der für den Frachtzug gekämpft hatte, gab man mir auf meine scherzhafte Frage gutwillig Auskunft.
Und so erfuhr ich eine ganze Menge von dem Bankangestellten. Einen Tag später schon fuhr ich als bewaffneter Begleitmann mit der Postkutsche nach Nogales hinunter und kam zwei Tage später wieder mit ihr zurück. Und auch diesmal hatte ich kämpfen und schießen müssen, weil drei »Hochhalter« die Postkutsche anhalten und mich und auch den Fahrer vom Bock schießen wollten. Ich hatte es ihnen gegeben. Und als wir dann wieder in Santa Cruz waren, hatte ich dort gewonnen. Es war genauso, als wenn ich schon zehn Jahre in Santa Cruz gelebt hätte. Die Leute waren nett zu mir. Und auch der Marshal war da. Wir trafen uns bei den Corrals des Mietstalles, in denen wir unsere Pferde stehen hatten. Scheinbar hatte er zufällig zur selben Zeit wie ich nach seinem Pferd sehen wollen. Er sah mich wieder auf seine Art an – mit jenem Anflug von einem Lächeln auf den Lippen und in den Augen, jenem Ausdruck von wissender Nachsicht und mahnendem Verständnis. Er sagte ruhig: »Das gefällt dir, nicht wahr? Du wirst freundlich behandelt, bist wohlgelitten – ein nützliches Mitglied der menschlichen Gemeinschaft. Ist das nichts? Soll das nur eine kurze Episode sein? Möchtest du nicht immer…?« »Sicher«, sagte ich. »Hier fühle ich mich wohl. Ich konnte mir einen Platz unter den Menschen hier schaffen. Und ich gebe mir ja auch Mühe, ihn zu behalten. Haggerty, ich habe Sie in Verdacht, dass Sie mich am Ende gar für diesen Cash Clayton halten. Doch ich bin Cassedy, Adam Cassedy. Und ich glaube nicht, dass ich diesem Cash Clayton, auf den Sie so scharf sind, noch einmal begegnen werde. Suchen Sie über andere Leute Kontakt, nicht über mich. Hören Sie, Marshal, ich habe bisher noch keinem Menschen erzählt, wer Sie wirklich sind. Daran erkennen Sie, dass ich nicht gegen Sie bin. Aber Sie sollten mich zufrieden lassen – ja?«
Er sah mich an – lange, und ich wollte mich schon abwenden, weil es mir schwer fiel, seinen Blick zu ertragen. Denn dieser Blick war so wissend, so nachsichtig. Er hätte statt dieses Blickes auch mit Worten sagen können: Junge, ich weiß genau über dich Bescheid, und ich sage dir, dass du noch einmal zu mir kommen wirst. Aber er sagte es nicht. Ich konnte es jedoch in seinem Blick erkennen. Erst nach einer halben Minute sagte er: »Dieser Cash Clayton – er lebt unter Banditen, richtigen Arizona-Banditen. Er wird schon noch den Unterschied zwischen ihnen und sich feststellen. Und dann wird er mächtig erschrecken. Denn er ist anders als sie – ganz anders. Ich bin sicher, dass er mir noch helfen wird, diese Arizona-Wölfe zu erledigen. Denn sie sind Mörder und Banditen, nicht weniger schlimm als wilde Apachen. Jawohl!« Dann ging er. Abermals war ihm gelungen, mir etwas einzupflanzen. Weil ich das erkannte, stieg heißer Trotz in mir auf. *** Einige Tage später kam Jack Morgan nach Santa Cruz zurück. Er war recht rau geritten. Dies sah man seinem Pferd und auch ihm an. Ich traf ihn bei den Corrals, wie ich Tage zuvor dort schon mal den Marshal getroffen hatte. Jack Morgan war dabei, sein müdes und staubiges Pferd abzuwaschen und durchzumassieren. Er arbeitete hart an dem Tier, obwohl er gewiss hungrig, durstig und müde war. Ich lehnte mich über die obere Corralstange, legte mein Kinn auf die Handrücken und sagte: »Scharf geritten, Mister, nicht wahr? Waren Indianer hinter dir her?« Er grinste, und in seinen hellen Augen war ein Funkeln. »O nein«, sagte er. »Ich wollte nur möglichst schnell nach
Santa Cruz kommen. Hast du inzwischen etwas herausfinden können?« »Viel«, sagte ich. »Ich habe inzwischen ein Konto auf der Bank mit einem Zwanzig-Dollar-Guthaben. Ich weiß über alles Bescheid, was wichtig sein könnte. Wenn wir wollten, so könnten wir die Bank allein ausrauben, ganz einfach und lächerlich leicht.« »Dann tun wir es«, sagte er. »Wann muss es geschehen? Kann sich mein Pferd in der Zwischenzeit noch lange genug ausruhen, oder muss ich mir ein anderes schnelles Tier verschaffen?« Ich überlegte. Dann murmelte ich: »Wir könnten es nach Anbruch der Nacht machen – also in etwa sechs Stunden. Bis dahin ist ein Gaul wie deiner wieder gut bei Kräften – oder?« Er grinste. »Bestens«, sagte er. »Es hat sich also gelohnt. Ich wusste doch, dass man hier erst mit den Menschen warm werden und mit den Dingen vertraut sein muss, um den richtigen Dreh zu finden. Wo treffen wir uns?« »Hier«, erwiderte ich. »Denn wir müssen zuvor unsere Pferde satteln und in die Gasse hinter die Bank bringen.« Damit schlenderte ich davon. Denn obwohl ich wusste, dass der Marshal nicht in der Stadt war, wollte ich nicht zu lange mit Jack Morgan im Gespräch gesehen werden. *** Etwa eine Stunde nach Nachtanbruch – nachdem die Abendpostkutsche von Tucson gekommen und nach Nogales weitergefahren war – klopfte ich an die Hintertür der Bank und zog schließlich an dem Klingelzug, der nach oben ging. Bald schon wurde eines der oberen Fenster geöffnet. Die Stimme des Bankiers fragte in den dunklen Hof nieder: »Wer ist dort?« »Ich bin es, Mr Robinson, Adam Cassedy. Ich habe noch
einen Begleitmann der Postlinie bei mir. Der Agent schickt uns mit vierzig Pfund Gold. Es kam mit der Abendpost von der Aurora-Mine herein. Sie möchten es noch in Ihren Panzerschrank schließen, Sir.« Er überlegte. Doch ich wusste, dass dies alles nicht ungewöhnlich war, nur kam sonst der Postagent selbst. Aber er überlegte sich wohl, dass ich ein wichtiger und zuverlässiger Mann der Postlinie geworden war. Schließlich hatte ich schon für die Sicherheit der Transporte gekämpft. Und so sagte er: »Einen Moment, ich komme sofort.« Das Fenster schloss sich, und Jack Morgan, der neben mir neben der Tür an der Wand lehnte, stieß ein fast lautloses Lachen aus und sagte: »So also wird es gemacht. He, alle Achtung. Du bist ja auf dem besten Weg, eine ganz große Nummer zu werden. So einfach und glatt geht das alles, wenn man versteht, sich vorher beliebt zu machen und Vertrauen zu erwerben.« Er verstummte. Denn nun öffnete der Bankier die Hintertür. Er hielt zur Vorsicht einen Revolver in der Hand, steckte ihn jedoch in den Hosenbund, als er beim Lampenschein erkannte, dass ich es wirklich war. Ich hatte zwei Satteltaschen über den Schultern hängen, in denen sich nichts anderes als Sand befand. Doch man konnte wahrhaftig glauben, dass sie kleine Säckchen mit Goldstaub enthielten. Jack Morgan hatte sein Gewehr bei sich, wie es sich für einen bewaffneten Begleiter gehört. Der Bankier erkannte ihn sogar. »Ach«, sagte er, »Sie fanden doch bei Richard Perrit einen Job, nachdem er Ihnen Ihr Geld beim Poker abgenommen hatte. Sind Sie schon vom Herdentreiben zurück?« »Ja, ich kam von Tucson her im Auftrage der Post- und Frachtgesellschaft«, erwiderte Jack Morgan. Inzwischen waren wir eingetreten. Der Bankier schloss die
Tür und riegelte ab. Wir folgten ihm in den Tresorraum. Er trug die Lampe, die er von oben mitgebracht hatte. Hier unten im Erdgeschoss waren alle Fensterläden zu, und es waren besonders solide Läden. Wir brauchten keine Angst zu haben, dass uns jemand von draußen zusehen konnte. Höflich plauderten wir mit dem Bankier, der vom großen Tresor das Zahlen- und das Buchstabenschloss einstellte, dann einen Schlüssel zum Vorschein brachte, der an einem silbernen Kettchen an seinem Hals hing. Ich kannte dies alles schon, denn ich war mit dem Postagenten vor zwei Tagen als bewaffneter Begleiter hier gewesen. Als der Schrank offen war, stieß Jack Morgan dem Bankier die Gewehrmündung in die Seite und grinste. Ich sagte: »Das ist ein Bankraub, Mr Robinson. Es tut uns Leid. Aber wir haben nur Sand mitgebracht. Und Sie sollten in Zukunft keinem jungen Mann mehr trauen – auch wenn er so nützlich und so nett ist wie ich.« Er sah mich schweigend an. In seinen Augen erkannte ich den Ausdruck von Bitterkeit und Trauer. »Schade um Sie«, murmelte er nach einer Weile. »Alle hier in Santa Cruz hielten Sie für einen tüchtigen jungen Mann, der es im Leben noch zu etwas bringen würde. Übt dieser da einen so schlechten Einfluss auf Sie aus?« Er deutete mit einer Kopfbewegung auf Jack Morgan. »Sie reden zu viel«, sagte Jack und nahm ihm die Waffe aus dem Hosenbund. »Was machen wir mit ihm?« »Ach«, sagte ich, »es genügt, wenn wir ihn auf einen Stuhl setzen und daran festbinden. Wenn wir ihm ein Halstuch über den Mund binden, wird er nicht rufen können.« »Aber er als einziger Mensch außer uns weiß, wer die Bank ausgeraubt hat«, sagte Jack Morgan da – und das harte Licht in seinen Augen war nun noch deutlicher.
Ich erschrak. Aber ich konnte mich doch nicht so sehr in ihm getäuscht haben? Nein, nie! Was da in seinen Augen war, das konnte doch nicht Gnadenlosigkeit sein? Ich sagte schnell: »Wir trugen vom ersten Tag an in dieser Stadt Vollbärte wie so viele Männer in diesem Land. Ohne Bart würde man uns gewiss kaum erkennen. Und wir werden weit von hier fortreiten. Er kann uns mit seinem Wissen nicht schaden.« Als ich dies sagte, fiel mir auch Marshal John Haggerty wieder ein. Er war immer noch nicht in die Stadt zurückgekommen. Irgendwo war er unterwegs. Ich wusste, er würde mich jagen. Aber ich traute mir zu, ihm zu entkommen. Als wir wenig später die Bank verließen und zu den Pferden eilten, war dem Bankier nichts passiert. Wir hatten ihn nicht besonders hart gefesselt. Wahrscheinlich würde er sich im Verlauf der Nacht selbst befreien können. Wir waren auf dem Weg nach Luna City, auf dem Heimweg. *** Am fünften Tag waren unsere Pferde ziemlich am Ende. Wir waren aber auch völlig sicher, dass uns nicht einmal ein Gespenst hätte folgen können. Wir hatten unsere Fährte gut verwischt, waren untergetaucht in das wilde Land. Noch eine letzte Rast mussten wir einlegen. Und ich fasste mir endlich ein Herz und sagte zu Jack Morgan: »Müssen wir eigentlich nach Luna City zurück, Jack? Wir haben rund vierzigtausend Dollar bei uns. Damit könnten wir weit, weit fort. Vielleicht hinauf nach Oregon. Dort kennt uns niemand. Wir würden neu beginnen können – ohne Bart und unter ehrlichem Namen. Jack, müssen wir zurück zur Banditenstadt?« Er sah mich lange an. In seinen Augen war wieder jenes
kalte und harte Funkeln. »Wir haben sogar fast sechzigtausend Dollar bei uns«, murmelte er. »Und bevor wir nach Oregon gehen, machen wir noch einen ganz großen Coup.« Ich verstand ihn nicht. Er sah es an meinem etwas ratlosen Blick. Da öffnete er sein Hemd. Und nun sah ich den Geldgürtel. Es war ein Geldgürtel, den ich schon einmal gesehen hatte. Aber da hatte er jenem Richard Perrit gehört. Jetzt hatte Jack Morgan ihn. Und er grinste kalt. Mir war alles klar. Wie ein Hammerschlag traf mich die Erkenntnis. Ich musste würgend schlucken und riss meine Augen auf. Denn es gab nur eine Erklärung. Jack Morgan sagte: »Dieser Richard Perrit war ein Narr. Er hielt mich für einen fairen Verlierer. Aber ich ritt nur mit ihm, um ihm außer dem Spielgewinn auch noch den Erlös für seine Herde abzunehmen. Du siehst, auch ich war also recht erfolgreich unterwegs. Darüber hinaus weiß ich eine Möglichkeit, wie man die Aurora-Mine um ihr Gold bringen kann. Ich habe herausgefunden, dass sie in der Aurora-Mine für hunderttausend Dollar Gold lagern. Sie haben zum ersten August eine Armee-Eskorte aus Fort Grant angefordert, um es über Fort Thomas nach Santa Fe zu transportieren. Sie müssen diese Armee-Eskorte bezahlen – aber es scheint ihnen sicherer zu sein als die Postlinie. Nun, ich habe mir einen Plan ausgedacht. Wir alle waren ja während des Krieges bei der Armee. Ich glaube, wir könnten…« Er verstummte viel sagend. Und in meinem Schädel drehte sich alles. Erst nach einigen Atemzügen begann ich ruhiger und kontrollierter zu denken. Ich konnte einigermaßen ruhig fragen: »Wie war das mit Richard Perrit?« Obwohl ich diese Frage ruhig stellte, klopfte mir das Herz. Denn ich ahnte schon die größte Enttäuschung meines Lebens.
Jack Morgan war als Spieler kein Gentleman. Er war ein Wolf. Er hatte keine Ehre. Jack Morgan sah mich an. Er zuckte mit keiner Wimper und sagte schlicht zu mir: »Perrit ist tot. Wenn es dich beruhigt, so versichere ich, dass er seine Chance hatte. Wir kämpften um all sein Geld. Ich blieb Sieger. Was ist falsch daran?« Als er die letzten Worte fragte, sah ich ihm in die Augen. Und da begriff ich, dass ihm etwas fehlte. Es fehlte ihm so sehr, dass er sich des Mangels gar nicht bewusst war. Er war ein Wolf – und ein Wolf ist kein Hund. Nur ein Hund kann treu sein und muss nicht jenen wilden Instinkten eines Raubtieres gehorchen. So war es mit ihm, sein Instinkt war der eines Räubers. Er war ein Bandit. Und ich begriff endlich den Unterschied zwischen einem Banditen und einem wilden Burschen wie mir. Heiliger Rauch, ein Wolf würde auch seinen Wohltäter töten, und er duldete nur Artgenossen um sich, jagte mit ihnen im Rudel, weil sein Instinkt dies wollte und gestattete. Ich aber hatte vor fünf Tagen eine Bank beraubt und war dennoch völlig anders als Jack Morgan. Wirklich? Hatten mir nicht auch die Leute in Santa Cruz vertraut? Hatte ich nicht sogar zuletzt noch in den Augen des Bankiers echtes Bedauern erkennen können? War ich denn so sehr viel anders als Jack Morgan? Ich war verwirrt. Und plötzlich wusste ich eines: Niemals hätte ich mit ihm die Bank ausgeraubt, würde ich davon gewusst haben, dass er Richard Perrit getötet hatte, um ihn auszurauben. Niemals! Denn jetzt war Jack Morgan nicht mehr für mich der Freibeuter mit Ehre und Grundsätzen. Nun sah ich, was er wirklich war: ein zweibeiniger Wolf. Und ich war wie er. Inzwischen hatten mich andere Gedanken eingeholt.
Das Gold der Aurora-Mine wollte er. Und bei der Mine lebte Carolyna mit ihrem Vater Daniel Adams, der dort offenbar eine wichtige Funktion innehatte. Ich würde mitreiten müssen, denn ich gehörte zu der Bande. Was sollte ich tun? Flüchten? Ich überlegte gerade, ob ich Jack Morgan meinen Colt unter die Nase halten sollte, als ein paar Reiter kamen. Wir hörten zuerst ihre Pferde, und dann bogen sie um die Waldzunge. Wir erkannten Tate Tatum, Jim Slater und Sego Lockmire. Jack Morgan erhob sich und trat aus dem Baumschatten, sodass sie ihn sahen. Es gab eine grinsende Begrüßung, und jeder der Männer bemühte sich, möglichst lässig zu reden. »Wir wollten mal nach euch Ausschau halten«, sagte Jim Slater. »Denn ihr wart überfällig«, erklärte Tate Tatum. »Wir wären bis nach Santa Cruz gekommen.« Sego Lockmire grinste. »Wie ist es mit dem großen Coup dort? Warum seid ihr so lange fortgeblieben? Gab es Schwierigkeiten?« Ich sagte immer noch nichts, denn in mir war ein Wirbel von Gefühlen. Ich glich einem Schwimmer inmitten von Stromschnellen und wirbelnden Wassern. Ich musste mich erst in ruhiges Wasser durchkämpfen, zu ruhigem und logischem Denken kommen. Ich hörte Jack Morgan lachen und zufrieden sagen: »Den Coup – oha, den haben wir schon ausgeführt. Eigentlich waren es zwei gute Coups. Einen landete ich allein, und bei dem anderen hatte Cash die Leitung. Der hat sich vielleicht herausgemacht, der Junge! Was ist das für eine große Nummer geworden! Auf seine Weise holten wir vierzigtausend Dollar aus der Bank. Tut uns Leid, Partner, dass wir euch dazu nicht brauchen konnten. Doch ich habe einen Trost für euch. Wir werden uns in einigen Tagen hunderttausend Dollar in Gold holen – in Goldstaub und Nuggets. Dabei brauchen wir euch
bestimmt und noch vier weitere Jungens, die jedoch nur Statisten sein werden für ein paar hundert Dollar. Es kommen dann an die zwanzigtausend Dollar für jeden von uns. Gefällt euch das?« Es gefiel ihnen – aber nur als Trostpflaster. Denn sie waren natürlich enttäuscht, dass wir den Coup in Santa Cruz ohne ihre Mithilfe gelandet hatten. Aber sie ließen sich die ganze Sache von Jack Morgan erklären. Ich lauschte mit halbem Ohr. Denn immer noch musste ich mich um eine Ordnung in meinen Gefühlen und meinem Denken bemühen. Mit einem Mal bereute ich es sehr, dass ich mich mit diesen Banditen eingelassen hatte und selbst einer geworden war. Ich hätte schon vor langer Zeit die Flucht ergreifen sollen – weit, weit fort von Jack Morgan und der ganzen Bande in Luna City. Immer wieder musste ich daran denken, dass Jack Morgan den Mann getötet und ausgeraubt hatte, der ihm – als Jack scheinbar abgebrannt war – einen guten Job gab. Wäre ich mit Jack Morgan jetzt allein gewesen, so hätte ich ihm meinen Revolver unter die Nase gehalten, würde ihn entwaffnet und ihm das Pferd genommen haben. Dann wäre ich zur Aurora-Mine geritten, um die Leute dort zu warnen. Aber das konnte ich nicht mehr. Damit war es vorbei. Gegen diese vier Banditen hatte ich keine Chance. Jeder für sich allein wäre ein gleichwertiger Gegner gewesen. Ich konnte gar nichts anderes tun, als den Anschein zu erwecken, als wäre ich auf ihrer Seite. Vielleicht würde ich irgendwie in den nächsten Tagen eine Chance bekommen, die Aurora-Mine zu warnen. Denn es war sicher, dass es Tote geben würde bei diesem großen Goldraub.
*** In Luna City wurden Jack Morgan und ich wie heimkehrende Sieger gefeiert. Natürlich mussten wir im Saloon die ganze Bande freihalten und ein rauschendes Fest bezahlen. Und so war dadurch wiederum Dolores Yuma eine Mitgewinnerin des Coups. In dieser einen Nacht verdiente sie gewiss mehr als tausend Dollar. Sego Lockmire war tatsächlich Curly Ben Chonoks und mein Nachfolger bei ihr geworden. Ihre Augen glitzerten, als wir uns nach langer Zeit wieder in ihrem Saloon begegneten. »Wirfst du mich raus?«, fragte ich grob. Ihre Augen glitzerten stärker. »Solange ich an dir etwas verdienen kann, darfst du bleiben«, sagte sie. Und dann trat sie näher an mich heran. »Lockmire hätte keine Chance gegen dich«, sagte sie kehlig. »Sonst würde ich mir von ihm deinen Skalp bringen lassen. Doch wenn mal ein Mann nach Luna City kommen sollte, der dir gewachsen oder gar besser ist als du mit dem Colt, werde ich ihm schon sagen, was mir keine Ruhe lässt. Dann pass gut auf dich auf, Cash Clayton.« Nun wusste ich es genau. Sie hasste mich, weil ich nicht bei ihr geblieben und es mir gelungen war, mich von ihr zu lösen. Doch sie war so schlau, es nicht mit Burschen zu versuchen, gegen die ich eine Chance hatte. Sie wollte meinen Tod. Doch sie konnte warten, bis der richtige Mann kam. Ich hasste dieses Camp mit einem Mal. Und ich sagte lächelnd zu ihr: »Du bist äußerlich so schön, Dolores. Doch sonst bist du pures Gift – mal süß und mal ätzend. Schade um die Burschen, die dir verfallen. Und ich werde schon auf mich aufpassen, Schöne.« »Pah«, sagte sie. »Wenn ich wollte, könnte ich dir auch Gift ins Essen tun lassen. Doch ich will dich eines Tages verlieren
sehen.« Sie wandte sich ab. Und dann sang sie für uns alle wieder ihre Lieder. Ich ging aus dem Saloon, sobald ich konnte. Denn ich war hundemüde. Jack Morgan folgte mir, und das war mir recht. »Wir haben noch nicht geteilt«, sagte ich zu ihm. »Du hast noch unsere ganze Beute in deinem Haus.« »Ja«, sagte er. »Vor dem offenen Kamin in der Wohnzimmerecke ist der Boden mit flachen, genau eingepassten Steinen ausgelegt. Die große Steinplatte kann man herausnehmen. Darunter liegt unsere Beute. Es muss dir doch gleich sein, in welchem Versteck sie liegt – oder? Wir teilen, wenn wir mit dem Gold der Aurora-Mine zurück sind.« Damit musste ich mich begnügen. Ich wollte keinen Streit anfangen. Doch ich traute ihm zu, dass er mich um meinen Anteil betrügen würde. Seitdem ich wusste, was er mit jenem Richard Perrit gemacht hatte, traute ich ihm einfach alles zu. *** Zwei Tage später ritten wir los – Jack Morgan, Tate Tatum, Jim Slater, Sego Lockmire, ich selbst und noch weitere vier Mann. Ich war sicher, dass Sego Lockmire den Auftrag hatte, Dolores Yuma etwas besonders Schönes mitzubringen. Denn sie war gierig wie eine diebische Elster auf blinkendes, funkelndes Zeug, und zur Not tat es auch ein besonders großer Goldklumpen. Wir alle hatten hinter den Sätteln in unsere Deckenrollen ein paar besondere Kleidungsstücke eingerollt: Armee-Uniformen und all das andere Zubehör. Irgendwann und irgendwo hatte mal eine Bande aus Luna City einen Armee-Transport überfallen, drei Wagen voller Konserven, Decken, Geräte,
Munition, Bekleidung – eben mit all dem Zeug, welches die Zahlmeister immer wieder anfordern, um die Ausrüstung der Truppe in Ordnung zu halten. Die Banditen von Luna City hatten die Uniformen natürlich aufgehoben. Wie ich aus den Unterhaltungen hörte, hatte man schon mehrmals damit besonders gute Coups landen können. Es war also nicht der erste Auftritt als Truppe, der stattfinden sollte. Was wir noch brauchten, waren echte Armeepferde mit McCellan-Kavallerie-Sättel. Denn beides besaß man in Luna City nicht. Jack Morgan führte uns stetig durch das wilde Land nach Nordwesten. Er wusste genau, wo wir die Kavallerie-Eskorte, welche von Fort Grant kommen sollte, abfangen konnten. Es gab nur einen Weg, den sie kommen würde. Und es gab einen Tagesritt von Aurora City nur eine einzige gute Campmöglichkeit. Ein Mann, der wie Jack Morgan dieses Land kannte, konnte sich alles ziemlich genau ausrechnen. Wir konnten uns auch ausrechnen, dass die Armee den Termin knapp, doch äußerst präzise einhalten würde. Aber das konnten wir auch. Am frühen Nachmittag des 29. Juli erreichten wir die Bonita-Quelle. Es war eine recht große und tiefe Tinaja, zu der unterirdisch ein Creek strömte. Es gab viel Buschwerk, Bäume und in einiger Entfernung eine tiefe Senke zwischen roten Felsen. Wir vermieden es, in die Nähe der Quelle zu gehen, obwohl unsere mitgeführten Wasservorräte ziemlich am Ende waren. Aber wir mussten damit rechnen, dass die Soldaten einen Scout bei sich hatten, der ihnen dann sagen würde, dass jemand vor ihnen an der Quelle gewesen war. Nun, wir brauchten nicht lange zu warten – nur bis zum Anbruch der Abenddämmerung. Dann kamen ein Lieutenant, acht Mann und ein indianischer
Scout. Sie schlugen bei der Tinaja ihr Camp auf. Es wurde schnell dunkel. Wir berieten, wie wir es machen sollten. Es war bezeichnend für Sego Lockmire, dass er als erster Mann den Vorschlag machte: »Wir umzingeln sie und geben es ihnen von allen Seiten. Ich wette, dass niemand von ihnen entkommen kann, wenn wir beim ersten Morgengrauen genau schießen.« Ich erschrak. Und wieder erkannte ich den Unterschied zwischen ihnen und mir. Wahrhaftig, sie waren Wölfe, die keine Gnade kannten. Ich war nur ein wilder und verwegener Bursche gegen sie, der aus Leichtsinn, Trotz und Dummheit abgerutscht war und gern wieder zurück in die menschliche Gemeinschaft gehen würde. Nun war ich gespannt, wer Sego Lockmires Vorschlag beipflichten würde. Jack Morgan war der Erste. Er war sofort bereit, aus dem Hinterhalt zu morden. Auch Jim Slater und einer von den anderen vier Männern waren bereit. Tate Tatum schüttelte unschlüssig den Kopf und sagte: »Das gefällt mir gar nicht. Das würde die Armee so wild machen wie ein Hornissenschwarm. Es wäre unklug, neun Soldaten und einen Scout abzuschießen. Nein, ich bin dagegen.« »Ich auch«, sagte ich. Und die drei anderen Männer nickten eifrig. Einer sagte: »Wir bekommen ja ohnehin dabei nur je tausend Dollar Anteil. Dafür töten wir nicht. Ja, wenn ihr uns richtige Partneranteile geben würdet…« Auch sie waren Wölfe bis auf Tate Tatum und mich. Ich sah Jack Morgan an. »In Santa Cruz«, sagte ich, »haben wir es auf meine Weise gemacht, und es ging alles glatt und ohne großen Lärm vonstatten. Wollen wir es nicht auch diesmal auf meine Weise
machen? Es ist nur nötig, dass wir Sättel und Pferde bekommen. Mit dir, Jack, würde ich es schaffen. Nur wir zwei!« Er überlegte. Tate Tatum sprang mir bei und sagte: »Wir anderen können uns ja trotzdem auf die Lauer legen. Wenn ihr es nicht schafft, können wir immer noch mit dem Schießen beginnen. Nicht wahr?« Jack Morgan nickte langsam. »Ich glaube seit Santa Cruz«, murmelte er, »dass du ein Glücksjunge bist. Und deshalb will ich auf deinen Vorschlag eingehen, Cash. Also gut, versuchen wir es. Aber wann?« »Was meinst du?«, fragte ich, um ihm nicht die Führungsrolle streitig zu machen. »Beim Comanchenmond«, sagte er, und er meinte die Morgendämmerung. *** Es war leicht, dies möchte ich vorausschicken. Und es war deshalb leicht, weil sich der indianische Scout betrunken hatte. Ich roch den Schnaps, bevor ich den Scout abseits der Soldaten zwischen den Büschen fand. Ich gab ihm eine Kopfnuss und fesselte ihn dann. Dann kroch ich zu Jack Morgan hinüber, der inzwischen den Pferdewächter betäubt und ausgeschaltet hatte. Die anderen Soldaten schliefen im Camp. Für ihren Lieutenant hatten sie sogar ein kleines Zelt errichtet. Nun wurde es noch einfacher für uns. Denn nach Kavallerieart waren die Pferde an zwei aufgespannten Leinen angebunden. Es waren zwölf Tiere, da sie zwei Packpferde bei sich hatten. Die Entfernung zu den Schläfern betrug etwa fünfundzwanzig Schritte. Wir hörten einige Schnarcher raspeln
oder auf andere Art Geräusche machen. Uns hörte niemand. Wir legten den Tieren die Sättel auf, und bis wir fertig waren, vergingen gewiss mehr als zehn Minuten. Ich schwitzte vor Aufregung und Angst. Denn ich wusste, dass die Banditen in das Camp hineinschießen würden, gäbe es dort Alarm und sprängen die Soldaten hoch, um die Entführung ihrer Pferde zu verhindern. Zuletzt kamen Jack Morgan und zwei Mann mir zu Hilfe. Wir führten sogar noch die Pferde fort, bis endlich jemand im Camp etwas merkte, zu brüllen begann und in die Luft schoss. Aber es war zu spät – zum Glück für die Soldaten. Denn wir waren mit den Pferden schon fort. Und als Fußgänger konnten uns die Kavalleristen nicht mehr gefährlich werden. *** Wer uns reiten sah, musste uns für eine Armeepatrouille halten. Das war kein Wunder, waren wir doch alle einmal Soldaten gewesen während des Krieges. Wir kannten das Reglement, die Kommandos – alles. Jack Morgan ritt als unser Lieutenant. Ich war ein Corporal. Und ich zermarterte mir den Kopf, wie es weitergehen würde. Am Abend des 31. Juli erreichten wir die Aurora-Mine. Sie lag in einem schönen Tal, welches von einem gewundenen Creek reichlich bewässert wurde. In den westlichen Bergen führten die beiden Stollen hinein. Es gab ein aufwändiges Wasch- und Spülsystem, ein Stampfwerk und eine Erzmühle. Die Gebäude und Unterkünfte der Mine waren ebenfalls gut und solide. Einige Steinwurfweiten talwärts begann schon die Stadt Aurora City – eine neue Stadt. Es gab im Tal viele Felder und Äcker, Weidekoppeln und Heuwiesen.
In einigen Weidekoppeln standen Rinder. Ich erkannte, dass es Tiere sein mussten, die von Richard Perrit und dessen kleiner Treibmannschaft hergebracht worden waren. Jack Morgan war dabei gewesen. Jetzt kam er als Lieutenant. Doch es war nicht anzunehmen, dass man ihn erkennen würde. Er war damals vollbärtig gewesen und hatte Weidekleidung getragen. Jetzt kam er glattrasiert als Offizier. Nein, er konnte ohne Sorge sein. Auch ich konnte das. Selbst wenn Carolyna Adams mir über den Weg laufen und mich ansehen würde, brauchte ich nicht zu befürchten, dass sie mich jetzt so glattrasiert und als Corporal verkleidet erkennen würde. Außerdem war es schon dunkel geworden. Wenn Jack Morgans Informationen stimmten, würden wir morgen bei Sonnenaufgang mit hunderttausend Dollar in Gold unterwegs sein. *** Es stimmte alles. Man empfing uns als lange Erwartete. Der Mann, der wenig später zu uns kam, war Carolyna Adams’ Vater Daniel Adams, und nun endlich konnte ich ihn aus der Nähe betrachten. Wir hielten vor dem Verwaltungsgebäude, waren noch in den Sätteln und warteten auf den Befehl zum Absitzen. In seiner Eigenschaft als unser Lieutenant verhandelte Jack Morgan mit Daniel Adams auf der Veranda des Verwaltungsgebäudes. Ich konnte fast jedes Wort hören, zum Beispiel, wie Jack Morgan sich als Lieutenant Jenkins aus Fort Grant meldete. »Ich bin Daniel Adams«, sagte Carolynas Vater, reichte ihm die Hand und fragte: »Sie sind kein junger Lieutenant. Das freut mich. Aus dem Mannschaftsstand aufgestiegen?« »So ist es, Sir«, sagte Jack Morgan. »Aber ich war während
des Krieges Captain. Sie können Vertrauen zu meinen Fähigkeiten haben.« »Sicher«, nickte Daniel Adams. Im Lampenschein konnte ich ihn mir genau ansehen. Daniel Adams war der typische Arizona-Mann, ein Bursche also, der sich überall behaupten konnte und den man sich als Scout, als Boss irgendeiner harten Mannschaft – aber auch als Revolverkämpfer vorstellen konnte. Die Minengesellschaft hatte ihn offenbar als Verwalter angestellt, und wie ein echter Pionier hatte er nicht wenig auf die, Beine gebracht. Er hatte eine stillgelegte Mine wieder in Betrieb genommen und war dabei, eine Stadt aufzubauen. Das war schon etwas. Ich hörte ihn fragen: »Können Sie morgen bei Tagesanbruch wieder aufbrechen, Lieutenant?« »Gewiss, Sir«, erwiderte Jack Morgan. »Wir werden hier auf dem Hof das Camp errichten und bei Morgengrauen zum Abritt bereit sein.« »Gut so, Lieutenant. Dann also bis morgen. Und Ihre Reiter brauchen heute nicht zu kochen. Der Koch in unserer Werksküche hat das Essen schon seit zwei Stunden fertig. Ich dachte mir, dass die Armee pünktlich kommen würde. Bis morgen, Lieutenant.« Damit ging er davon. Und ich wusste immer noch nicht, was ich tun sollte. Später dann, als ich in meinen Decken lag und unser Feuer langsam verglühte, grübelte ich immer noch darüber nach. Aber es gab nur einen einzigen Weg. Ich musste mit diesem Daniel Adams Verbindung aufnehmen. Aber wie? Es gab nur eine einzige Möglichkeit. Ich musste unser Camp verlassen und Daniel Adams’ Wohnung suchen. Aber wo wohnte er? In der Stadt? Oder hier bei der Mine? Vielleicht konnte ich ihn noch im Verwaltungsgebäude
finden. Dort brannte trotz der späten Stunde ein Licht. Ich setzte mich in meinen Decken auf und blickte umher. Meine scheinbaren Kameraden, die in Wirklichkeit Banditenkumpane waren, schliefen. Auch Jack Morgan schlief irgendwo. Als Offizier, den er spielte, hatte er in einem Haus ein Quartier bekommen. Bevor er gegangen war, hatte er die Wachen eingeteilt. Ich gehörte nicht dazu, und ich wusste nicht, ob dies ein Vorzug war oder nicht. Denn er hatte als Wachen, die einander ablösen sollten, Tate Tatum, Jim Slater und Sego Lockmire eingeteilt, mich nicht. Wollte er, dass ich mich ausschlafen konnte, sodass ich morgen besonders frisch sein würde? Oder verließ er sich auf seine drei alten Partner immer noch mehr als auf mich? Ich überlegte, wer wohl jetzt Wache haben könnte. Dieser Wächter war nicht zu sehen. Dies widersprach der üblichen Art. Denn die Armee ließ ihre Posten sonst herumstolzieren oder sichtbar auf einem Fleck stehen. Unser Posten war irgendwo in der Dunkelheit der Gebäude verborgen, die den Minenhof in einem Geviert umgaben. Mond und Sterne waren am Himmel. Doch die Berge in der Runde und natürlich auch die vielen Gebäude und Anlagen warfen tiefe Schatten. Ich wagte es. Denn es blieb mir nichts anderes übrig. Ich erhob mich aus den Decken, gähnte leise und streckte meine Arme hoch, so als dehnte und reckte ich mich. Und dann ging ich langsam davon, genau auf den Schatten des Verwaltungsgebäudes und dessen Anbauten zu. Dies war auch die Richtung zur Stadt. Wenn ich Daniel Adams dort in diesen Gebäuden nicht finden konnte, würde ich weiter in die Stadt müssen. Aber ich kam nur bis in den Schatten des Gebäudes. Dort traf ich auf Tate Tatum, der mir wie ein plötzlich aufgetauchter Geist entgegentrat.
Er hatte mich auch schon erkannt. Denn dort, wo wir lagerten, war Mondlicht. Er sagte: »Nun, was läufst du hier herum, Cash? Leg dich mal schön wieder aufs Ohr, damit du morgen ausgeschlafen bist.« »Ach, ich kann nicht schlafen«, erwiderte ich. »Je länger ich liege, desto wacher werde ich. Ich habe schon ganze Schafherden gezählt und mir im Geist Witze erzählt. He, weißt du übrigens, warum die Elefanten rote Augen haben?« Er schnaufte und fragte: »So, haben die rote Augen? Ich habe noch keinen Elefanten gesehen. Und warum haben sie rote Augen?« »Damit sie sich besser im Kirschbaum verstecken können, Tate.« »Ha, als wenn sich ein Elefant im Kirschbaum verstecken könnte, das ist doch blöd. Ich kenne keinen Menschen, der schon mal einen Elefanten im Kirschbaum hocken sah.« »Da kannst du mal sehen, wie gut die sich verstecken können.« Ich grinste. Er stutzte. »Ach, geh zur Hölle mit diesen albernen Witzen. Erzähl mir lieber, wie das mit der schönen Dolores war. Ist sie denn wirklich so…?« »Ich bin ein Gentleman, ich spreche nicht darüber«, unterbrach ich ihn und reckte mich abermals. »Weißt du«, sagte ich beiläufig, »ich bin so munter, dass ich deine Wache übernehmen kann. Geh schon, leg du dich aufs Ohr. Warum sollen wir beide wachen?« Er schnaufte wieder, wie es seine Art war. »Ich muss wachen, weil Jack Morgan mich dazu bestimmt hat«, sagte er. »Und auf mich kann sich Jack hundertprozentig verlassen.« »Sicher«, sagte ich. »Aber auf mich auch. Es ist also gleich, wer von uns Wache hält. Weil ich aber nicht schlafen kann…« »Es geht ums Prinzip«, unterbrach er mich. »Wenn Jack mich als Wache aufstellt, so muss er sich darauf verlassen
können, dass ich auf meinem Posten bleibe. Um dieses Prinzip geht es. Wenn du versprichst, nicht wieder einen blöden Witz zu erzählen, kannst du ja bei mir bleiben.« Ich überlegte, ob ich ihn mit ein oder zwei präzisen Schlägen von den Beinen bekommen würde. Aber ich war mir nicht sicher. Dieser Tate Tatum war ein Bulle, den man nicht so einfach umhauen konnte. Der ließ sich nicht mit zwei Schlägen klein machen. Und mit einem einzigen Alarmruf hätte er alle Männer der Bande auf den Beinen. Aber ich brauchte mir nicht länger mehr den Kopf zu zerbrechen. Von rechts kam jemand aus der Dunkelheit. Es war Jack Morgan. Wir erkannten sofort seine Stimme, als er sagte: »Schluss jetzt! Ich will, dass du morgen ausgeruht bist, Cash. Also, leg dich endlich wieder hin. Tate, Jim, Sego und ich lösen uns ab. So wurde es beschlossen. Dabei bleibt es.« »Schon gut, schon gut«, murmelte ich beleidigt. Denn es wäre gefährlich gewesen, jetzt zu widersprechen und den Kopf durchsetzen zu wollen. Diese misstrauischen Wölfe, die dabei waren, den größten und frechsten Coup ihres Lebens zu wagen, würden sonst instinktiv gegen mich Verdacht schöpfen. Ich wusste das zu genau. Der Selbsterhaltungsinstinkt dieser Burschen war zu wach und zu sensibel, sodass sie manchmal sogar schon Warnsignale spürten, wenn ein Gegenüber feindlich gegen sie dachte. »Schon gut – ich dachte halt, wir gehörten alle zusammen, und es wäre völlig gleich, wer von uns wacht«, sagte ich noch beleidigter und ging davon. Ich kehrte zu meinem Deckenlager zurück und legte mich wieder hin. Ich konnte nichts mehr wagen. Jack Morgan und die drei anderen Banditen würden die ganze Nacht aufpassen. Sie waren angespannt und misstrauisch gegen alles. Die geringste Kleinigkeit konnte sie nun dazu bringen, gegen mich irgendwelche Zweifel zu hegen. Ich
konnte nichts mehr riskieren – gar nichts mehr. Und nun wusste ich auch, warum Jack Morgan uns mitten auf dem Minenhof das Camp aufschlagen ließ. Nur dort konnten sie uns alle unter Kontrolle halten. Kurz nachdem ich mich niedergelegt hatte, erhob sich nicht weit von mir Sego Lockmire. Er ging, um Tate Tatum abzulösen. Tate Tatum kam bald darauf zu uns, brummte wie ein Bär und legte sich hin. Es gab keine Chance für mich, mit Daniel Adams eine Verbindung aufzunehmen. Was also sollte ich tun? *** Irgendwann gegen Ende der Nacht war ich eingeschlafen. Jemand stieß mich mit dem Fuß an. Es war Jim Slater. Er trug die Uniform eines Sergeants, und er rief nun über den Platz: »Aufstehen! Hoch die müden Leiber! Fertig machen zum Frühstück! Beeilt euch! Beeilung! Die Pferdewache bringt die Pferde zur Tränke! Vorwärts!« Wir spielten unsere Rollen gut – aber das war nicht schwer. Denn wir alle waren während des Krieges schon oft von unseren Sergeants auf ähnliche Art geweckt worden. Wir erhoben uns, kamen in Gang – und wir waren wahrhaftig noch vor Sonnenaufgang zum Abritt fertig. Die gesattelten Pferde banden wir an die Veranda des Speisesaales. Noch vor der Frühschicht der Minenarbeiter bekamen wir auf der Veranda unser Frühstück. Und dann kam auch schon der Wagen her angefahren. Ich erschrak, als ich sah, wer auf dem Bock saß. Denn ich sah nicht nur Daniel Adams, sondern auch dessen Tochter Carolyna. Sie fuhren beide auf dem Goldwagen. Wenig später hörte ich Daniel Adams auf eine Frage von Jack Morgan antworten: »Ja, ich fahre den Goldtransport selbst. Und meine Tochter fährt mit uns nach Santa Fe. Wir
holen von dort einen neuen Siedlertreck nach Aurora City. Meine Tochter wird bald eine Schule hier in Aurora City eröffnen. Sie will in Santa Fe geeignete Bücher, Schreibmaterial und all das Zeug einkaufen, was notwendig ist für eine Schule. Und unter besserem Schutz als dieser Armee-Eskorte könnten wir wohl kaum reisen.« Er hatte kaum ausgesprochen, als noch zwei weitere Männer kamen. Wie wir bald schon erkannten, waren es der leitende Ingenieur und der Vorarbeiter der Mine. Sie wünschten Daniel Adams Glück und trugen ihm auf, mit den Minenbesitzern, die offenbar in Santa Fe wohnten, wegen einiger Dinge zu reden. »Wir brauchen unbedingt die Pumpe, sonst säuft uns noch einer der Stollen ab!«, rief der Ingenieur Daniel Adams nach. Wir befanden uns auf dem Weg nach Santa Fe. Der Lieutenant und vier Mann ritten an der Spitze. Dann folgte der Wagen mit dem Gold und mit Daniel Adams und dessen Tochter. Vier Mann bildeten den Schluss. Zu diesen vier Reitern gehörte ich. Als Corporal hatte ich das Kommando der Nachhut. So also zogen wir nach Nordwesten. Ich schwitzte Blut und Wasser. Denn wie würde es weitergehen? Wann würden die Banditen zu handeln beginnen, Daniel Adams und dessen Tochter überwältigen und das Gold nehmen? *** Als die Sonne aufging, holten uns von Aurora City her zwei Reiter ein. Man sah sofort, dass es Zwillingsbrüder waren, obwohl der eine etwa zehn Pfund schwerer war. Aber daran konnte man sie wahrscheinlich auch unterscheiden. Sie waren wie Cowboys gekleidet und wirkten sehr verwegen und hartbeinig. Als sie an uns vorbeigaloppierten, riefen sie uns
Scherzworte zu. Dann langten sie beim Wagen an und blieben mit diesem auf gleicher Höhe. Sie grüßten Carolyna betont höflich, ganz wie zwei Burschen, die miteinander um ihre Gunst wetteiferten. Der Lieutenant kam nach hinten. Ich ritt als Führer der Nachhut etwas dichter bei dem Wagen. So konnte ich Jack Morgans barsche Frage verstehen: »Was soll das?« »Oha, Lieutenant«, sagte einer der beiden rotblonden Brüder. »Wir sind Tom und Bill McLowery. Und wir reiten mit euch nach Santa Fe. Unser Vater lässt uns von dort einen wertvollen Zuchtbullen holen. Wir werden die ersten Rancher sein, die im Arizona-Territorium reine Fleischrinder züchten. Denn eines Tages wird die Zeit der hageren Longhorns vorbei sein. Eisenbahnen werden kommen. Und weil das so sein wird, braucht man dann auch die Rinder nicht mehr tausend und noch mehr Meilen weit zu treiben. Es ist Ihnen doch recht, Lieutenant, dass wir Ihre Truppe verstärken? Und wenn Sie glauben, dass wir Banditen sein könnten, so fragen Sie mal Mr Adams.« »Ich lege für Tom und Bill beide Hände ins Feuer«, sagte Daniel Adams laut vom Fahrersitz herüber. Er lachte dabei. Jack Morgan kämpfte offensichtlich mit sich. Doch er konnte keinen plausiblen Grund dafür finden, die beiden McLowerys fortzuschicken. Es war in diesem Land zu sehr üblich, dass die Weißen sich zusammenschlossen, wenn es gemeinsame Ziele gab. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, kehrte Jack Morgan an die Spitze unserer Kolonne zurück. Die beiden McLowerys blieben rechts und links des Wagens. Sie unterhielten sich mit Daniel und Carolyna Adams. In meinem Kopf jagten sich die Gedanken. Denn jetzt gab es endlich eine schwache Chance. Mit den beiden McLowerys waren wir vier Mann, nämlich sie, Daniel Adams und ich.
Es stand dann vier gegen acht. Diese Chance war schon sehr viel besser als zuvor zwei gegen acht Mann. Aber wie konnte ich Daniel Adams und die beiden McLowerys warnen? Und wenn ich sie warnte – würden sie mir überhaupt glauben? Denn Jack Morgan und die anderen Burschen spielten ihre Rolle sehr gut. Selbst ein General würde uns für echte US-Kavallerie halten. Bis jetzt hatte mich Carolyna Adams noch gar nicht richtig zu Gesicht bekommen. Zwei- oder dreimal hatte sie zwar in meine Richtung geblickt, doch brauchte ich nur schnell den Kopf etwas zu senken, sodass die Hutkrempe mein Gesicht verdeckte. Wir ritten in einem stetigen Trab. Der Wagen mit der kostbaren Fracht rollte. Als die Sonne zu wärmen begann, wurde es langsam staubig auf dem Post- und Frachtweg nach Santa Fe. Deshalb zog sich die Kolonne ein wenig auseinander. Das war die Chance. Denn ich musste damit rechnen, dass Jack Morgan nach wenigen Meilen schon losschlagen würde. Ich sah mich nach meinen drei Begleitern um. Slater, Tatum und Lockmire ritten vorn hinter Jack Morgan. Die drei Burschen hier hinten waren die Mitläufer, denen wir nur wenige hundert Dollar für die Hilfe geben würden. Es waren zweitklassige Burschen, sonst hätten sie sich mit solch geringen Anteilen gar nicht zufrieden gegeben. Sie grinsten mich an. Einer fragte: »Wann soll’s denn losgehen?« »Was weiß ich?«, sagte ich. »Das wird Jack Morgan uns schon rechtzeitig wissen lassen.« Dann ritt ich wieder einige Schritt vor. Meinen Blick, heftete ich fest auf den Nacken eines der beiden McLowerys. Ich wusste nicht, ob es Bill oder Tom war, und es war mir gleich. Ob er meinen suggestiven Blick spürte oder ob es reiner Zufall war – er wandte sich jedenfalls um.
Ich hielt meine Hände vor mir auf dem Sattelhorn. Die hinter mir reitenden Kerle konnten nicht sehen, dass ich dem sich umblickenden McLowery mit dem gekrümmten Zeigefinger winkte. Er reagierte nicht. Aber ich winkte mit dem Zeigefinger weiter und verdrehte auf eine Art die Augen, dass er irgendwie erkennen konnte, wie wenig mir daran gelegen war, die hinter mir reitenden Männer aufmerksam zu machen. Dieser McLowery war ein heller Bursche. Er begriff schnell. Aber natürlich ahnte er nicht im Geringsten, was das zu bedeuten hatte. Plötzlich entschloss er sich und blieb mit seinem Pferd zurück, bis er mit mir Steigbügel an Steigbügel ritt. »Dreh dir eine Zigarette, und lass dir von mir Feuer geben«, sagte ich. »Und halte deine Ohren steif, denn wir reiten mitten in einer Banditenbande, die zu Unrecht die Uniform trägt und uns alle gleich zu killen versuchen wird – auch das Mädchen Carolyna.« Nun schnappte er doch etwas nach Luft. Sein Blick war der eines Mannes, welcher an einen Scherz glaubt. Aber er erkannte den tödlichen Ernst in meinen Augen. Und wieder bewies er mir, dass er schnell begreifen konnte. Er holte tatsächlich sein Rauchzeug aus der Hemdtasche hervor, drehte sich dabei im Sattel und sah die hinter uns folgenden Reiter an. Sie grinsten auch ihn an, wie sie zuvor mich angegrinst hatten. »Hast du Feuerwasser in deiner Wasserflasche?«, fragte einer der drei verkleideten Banditen nach vorn. »Nein«, sagte er, leckte über das Blättchen und ließ sich von mir ein Zündholz geben. Er riss es am Sattelleder an und begann zu rauchen. Dann fragte er: »Ist das ein Witz? Und wer bist denn du?« »Auch einer von der Bande.« »Und warum verrätst du deine Partner?«
»Weil ich nicht will, dass dem Mädchen etwas geschieht. Sie kennt mich. Wenn sie sich umdreht und mich erkennt, wird sie dir sagen, dass ich unmöglich Soldat sein kann. Wir müssen zusammenhalten, Junge. Wenn der angebliche Lieutenant bereit ist zum Losschlagen, dann müssen wir schneller ziehen und sofort aus allen Knopflöchern schießen. Das Mädchen muss sich vom Wagen zu Boden fallen lassen. Nur tief am Boden wird sie vor den Kugeln etwas sicher sein. Hast du verstanden?« Er sah mich rauchend noch einmal von der Seite an. »Wenn das ein Witz sein soll…«, begann er. Doch ich zischte aus den Mundwinkel: »Du verdammter Narr, es geht um euer Leben! Mir ist nicht nach dummen Witzen zu Mute. Frage das Mädel nach Cash Clayton! Frag sie nach dem Mann, der sich ihr einmal als Cash Adam vorstellte. Und wenn sie sich nach mir umsieht, darf sie sich mit keinem Mienenspiel verraten. Los, mein Junge!« Nun glaubte er mir. Es war etwas in meinen Augen und in meiner heiser zischenden Stimme, was ihn erkennen ließ, dass es kein Scherz sein konnte. Er ritt nach vorn, und er machte es geschickt. Er wandte sich, als er sich neben dem Wagen befand, nicht sofort an Carolyna, sondern ritt erst noch ein Stück rauchend nebenher. Aber dann sah ich, wie er mit ihr zu sprechen begann. Und nach einer Weile stellte sie sich auf und blickte zu uns zurück. Ich nahm meinen Hut ab, als wollte ich den Schweiß von der Stirn wischen. Nun konnte sie mich erkennen. Doch sie hatte sich gut in der Gewalt. Sie drehte sich wieder um und setzte sich. Nun sprach sie mit ihrem Vater. Jetzt läuft die Sache, dachte ich. Nun sind sie bald auf alles, was da kommen wird, vorbereitet und können nicht mehr wie harmlose Schafe abgeschossen werden. Auch der zweite McLowery, der auf Daniel Adams’ Seite
neben dem Wagen ritt, wurde von Daniel Adams eingeweiht. Sie blickten nicht auffällig zurück. Sie taten auch sonst nichts Auffälliges. Und dennoch wusste ich, dass sie angespannt waren und ihre Chancen ausrechneten. Ich fühlte eine starke Erleichterung. Meine ganze Aufmerksamkeit galt nun den weit vorausreitenden Banditen. Wann und wie würde es zur Überfall kommen? Es musste innerhalb der nächsten drei Meilen geschehen. Wir waren inzwischen schon fast zehn Meilen von der Aurora-Mine entfernt und bewegten uns zu sehr nordöstlich. Nach Luna City, der Banditenstadt, aber ging es in südöstlicher Richtung. Und allmählich wurde es Zeit für Morgan. Jene Soldaten, denen wir die Pferde abgenommen hatten, konnten vielleicht irgendwelche Möglichkeiten gefunden haben, Alarm zu schlagen. Wir mussten, wenn Jack Morgans Plan aufgehen sollte, das Gold in unseren Besitz bringen und höllisch schnell damit in unser wildes und unübersichtliches Land flüchten, untertauchen, verschwinden und alle Spuren verwischen. Jede Meile, die wir unnütz nach Nordosten ritten, konnte Jack Morgan den Erfolg des Unternehmens kosten. Und da wir unsere ersten Pferde in einem guten Versteck gelassen hatten, wo wir sie wahrscheinlich noch vorfinden würden, konnten wir uns auch in Zivilisten zurückverwandeln und auf frischen Tieren die Flucht fortsetzen. Aber da gab es doch einige Unsicherheiten. Ein paar streifende Apachen konnten unsere Pferde gefunden haben. Nun, ich brauchte nicht länger zu warten. Als ich sah, dass Jack Morgan sein Pferd etwas zurückfallen ließ, sodass er nicht mehr allein an der Spitze ritt, sondern Jim Slater, der ja einen Sergeant darstellte, zu ihm aufschließen konnte, da wusste ich Bescheid.
Er gab Slater einige Befehle. Dieser blieb nun seinerseits zurück und informierte Tate Tatum und Sego Lockmire. Und dann wandten sie auch schon ihre Pferde. Auch der fünfte Bursche aus Luna City, der mit ihnen an der Spitze ritt, kam mit zurück. Daniel Adams hielt den Wagen an und rief laut: »Was ist, Lieutenant? Warum halten wir an?« Und da war es wieder – dieses Böse, Gemeine, Gnadenlose. Sie waren wahrhaftig wie Wölfe. Als ich sah, wie Jack Morgan die Waffe zog, zog auch ich. Und ich schlug ihn leicht. Da er ja ein Armeeholster und einen langläufigen Kavalleriecolt trug, konnte er nicht so schnell die Waffe herausschnappen, wie er es sonst getan hätte. Ich schoss ihn mit meinem ersten Schuss aus dem Sattel. Und dann schoss ich weiter. Ich traf Sego Lockmire, als dieser auf mich anlegte, wobei er einen wilden Schrei ausstieß, der seine ganze wilde Wut über meinen Verrat ausdrückte. Überall krachten nun die Revolver. Daniel Adams und die beiden McLowerys schossen unheimlich schnell und genau. Plötzlich – indes ich Sego Lockmire vom Pferd fallen sah, verspürte ich an meinem Kopf einen bösartigen Schlag. Ich begriff noch, dass ich am Kopf getroffen sein musste – aber ich spürte nicht mehr, wie ich am Boden aufschlug. *** Irgendwann träumte ich, dass ich keinen Kopf mehr hätte. Aber dann sagte ich mir im Traum, dass ich gewiss ohne Kopf gar nicht träumen könnte. Und das war dann schon kein Traum mehr, sondern es waren meine ersten Gedanken nach langer Zeit. Denn ich erwachte. Als ich nach der schmerzenden Stelle am Kopf tastete, spürte ich einen Verband unter den Fingerspitzen.
Und dann gelang es mir, die Augen zu öffnen. Was ich sah, war gut. Denn ich sah Carolyna Adams’ Gesicht. Sie blickte besorgt auf mich nieder. Wahrscheinlich hatte ich geseufzt oder gestöhnt. Dann wollte ich sprechen. Doch das ging nicht so einfach. Es gelang mir nur schwer, einige Worte zu formen. Meine Zunge wollte nicht richtig gehorchen. Aber denn fragte ich verständlich: »Bin ich im Himmel? Sind Sie der Engel an der Eingangspforte?« Sie freute sich, dass es mir wieder so gut ging. Und sie schenkte mir ein Lächeln, welches besser war als die beste Medizin. »Sie haben Glück gehabt, Cash«, sagte sie. »Die Kugel hätte Ihnen den Tod bringen können.« »Ach ja«, murmelte ich und versuchte ein Grinsen. »Aber das wäre ja auch schade um mich gewesen, nicht wahr?« Ich hatte es sehr sarkastisch und bitter gemeint. Doch sie nickte ernsthaft und sprach: »Ja, sehr schade – und ich meine es nicht so wie Sie, sondern ernst, Cash. Sie haben gestern bewiesen, dass Sie kein Bandit sein können. Und drüben in Mexiko haben Sie das auch bewiesen, als es darum ging, ob ein Kind entführt werden sollte oder bei seiner Familie bleiben konnte. Auch da haben Sie nicht mitgemacht.« Ich staunte. Denn woher konnte sie das wissen? Aber ich staunte noch mehr, als ich nun einen Mann in meinem Gesichtskreis auftauchen sah. Es war der US Marshal John Haggerty. Und nun war alles klar. Er hatte gewiss über irgendwelche Regierungsstellen herausgefunden, was damals in Mexiko auf der Hacienda der Hermandez-Sippe geschehen war. Er grinste und sagte: »Ich habe schon immer gewusst, dass wir irgendwie zusammenkommen werden, Cash Clayton. Werden Sie nur schnell wieder gesund, mein Junge.« Damit ging er.
Aber Carolyna blieb bei mir, und wir befanden uns wieder in Aurora City. Denn nach dem Überfall und unserem Kampf hatten sie mich und weitere Verwundete zurückbringen müssen. Ich erfuhr noch, dass der Goldtransport inzwischen mit der richtigen Armee-Eskorte abgegangen war. Doch Carolyna war bei mir geblieben, um mich zu pflegen. Übrigens: Der Marshal war auf unserer Fährte gewesen, hatte unsere versteckten Pferde gefunden und diese zu den Soldaten getrieben. Und dennoch waren sie zu spät gekommen. Nun, es war also alles so weit in Ordnung. Ich schlief schnell wieder ein, nachdem ich ein paar Schlucke Limonade getrunken hatte. *** Als ich nach vielen Stunden aufwachte, verspürte ich Hunger, wilden, beißenden Hunger. Und mit meinem Kopf war nun so weit alles besser geworden, dass ich nur Schmerzen spürte, wenn ich mich rasch bewegte. »Hallo!«, rief ich. Meine Stimme kam mir fremd vor. Aber da kam auch schon Carolyna herein. »Gibt es im Himmel eigentlich etwas zu essen?« So fragte ich. »Oder muss man mit dem Anblick von Engeln vorlieb nehmen?« Ihr Lächeln war gut. Sie sagte: »Cash, Sie sind nicht im Himmel. Hier gibt es nur eine kräftige Fleischsuppe. Und wenn Sie diese vertragen können, werden wir weitersehen, nicht wahr?« Sie verschwand mit einer geschmeidigen Drehung, und ich dachte noch eine Weile darüber nach, wie schön es doch war, am Leben zu sein, und wie ein Mädel wie Carolyna es wohl fertig bringen konnte, sich so harmonisch und dabei lebendig
zu bewegen, dass es eine Freude war, sie anzusehen. Aber allmählich fiel mir dann all das andere Zeug wieder ein. Ich versuchte zuerst, diese Gedanken beiseite und in den Hintergrund zu drängen. Es gelang mir nicht. Ich war wieder mitten im Leben, und ich musste alles, was gewesen war, sortieren, überdenken und mit mir zurechtkommen. Ja, ich war der Bande aus Luna City abtrünnig geworden. Ich hatte sie verraten und dann sogar mit meinem ersten Schuss Jack Morgan aus dem Sattel geholt. War ich ein gemeiner Verräter? Ich fragte es mich ernsthaft. Doch ich verspürte kein Schuldgefühl – nein, bestimmt nicht! Denn sie hatten Daniel Adams und dessen Tochter töten wollen. Sie waren mitleidslose Wölfe. Ich gehörte nicht zu ihnen. Ich musste mich gegen sie stellen. Dass ich dies tun konnte, machte mich jetzt glücklich. Der Marshal hatte mich irgendwie richtig beurteilt. Ob die Banditen alle tot waren? Bevor ich länger darüber nachdenken konnte, kam Carolyna Adams mit einem Tablett herein. Sie stellte es auf einem Tisch ab, kam zu mir und stopfte mir noch einige Kissen unter den Rücken. Da ich mich etwas aufgesetzt hatte, begann es in meinem Kopf leicht zu hämmern. Aber es beruhigte sich alles schnell. Ich löffelte selbst meine Fleischsuppe. Carolyna saß bei mir am Bett und sah mir zu. Immer, wenn unsere Blicke sich trafen, lächelten wir uns an. Ich sagte: »Nun verpflegen Sie mich schon zum zweiten Mal, Carolyna. Damals bei Three Fork waren es gebratene Forellen. Und seit damals habe ich oft an Sie denken müssen.« »Mir erging es auch so«, erwiderte sie schlicht. »Ich fragte mich später oft, was wohl aus Ihnen geworden sei, Cash Clayton. Denn nachdem ich erst erfahren hatte, dass Sie nicht
Cash Adam, sondern Clayton hießen, machte ich mir einige Sorgen um Sie. Mein Vater, der damals in Three Fork war, hatte sogar Ihren Kampf mit jenem Kartenhai gesehen. Er war übrigens einer der Zeugen, die Marshal Haggerty zu Ihren Gunsten vernehmen konnte.« Mir fiel Haggerty wieder ein. »Wo ist der Marshal?«, fragte ich. Und da kam er herein wie ein Schauspieler, der auf sein Stichwort gewartet hat. Er war in der Küche nebenan gewesen. Wahrscheinlich wollte er mir nur Gelegenheit geben, in Ruhe zu essen. Er trat ans Fußende. »Eines kann ich dir versprechen, Cash, mein Junge«, sagte er. »Du wirst vom Gouverneur begnadigt werden – jetzt schon. Die Mexikaner haben einen Bericht nach Tucson geschickt, nachdem du die Entführung eines Kindes verhindert hast, indem du den Anführer der Banditen niedergeschossen hast. Das war sehr gewagt. Und dann hast du…« »Schon gut«, unterbrach ich ihn, obwohl ich mich freute, dass ich die Chance hatte, begnadigt zu werden. »Was ist mit Jack Morgan und den anderen Banditen?«, fragte ich. Es war plötzlich eine heiße Ungeduld in mir. Ich hatte nun gegessen und fühlte mich bereits kräftiger. Jetzt drängten sich viele Fragen in mir. Der Marshal schluckte etwas mühsam. »Sie sind zum Teil tot, zum Teil schwer verwundet«, murmelte er. »Auch die beiden McLowerys wurden verwundet und müssen noch eine Weile im Bett liegen, bevor sie den Zuchtbullen holen können. Nur Daniel Adams und Carolyna blieben wie durch ein Wunder unverletzt. Aber…« Er verstummte nach diesem Aber, und er sah mich prüfend an, so, als wollte er herausfinden, ob ich stark genug war, eine schlechte Nachricht zu ertragen. »Was ist?« Ich fragte es scharf, und nun schmeckte mir
sogar die gute Fleischsuppe nicht mehr. »Schnell! Heraus damit!« »Jack Morgan…«, sagte er langsam. »Deine Kugel hat ihm eine Rippe gebrochen und bloßgelegt. Er ist unglücklich vom Pferd gestürzt, sodass wir ihn hilflos fanden. Aber nachdem wir ihn hergeschafft hatten, kam er schnell wieder zu Kräften. Vor wenigen Stunden ist er geflüchtet. Er schlug dem Wächter einen Schemel über den Kopf und fand draußen ein Pferd – es war meines. Damit ist er fort, und es gibt kein anderes Pferd auf tausend Meilen in der Runde, auf dem man ihn einholen könnte. Cash, weißt du, was geschehen wird?« Als er diese Frage stellte, wusste ich endlich, wie ihm das Feuer unter den Füßen brannte und wie sehr er auf meine Hilfe gewartet hatte. Denn es war klar: Jack Morgan würde nach Luna City reiten. Das ganze Banditennest würde gewarnt werden. Sie würden es verlassen wie die Ratten ein gefährdetes Schiff. Und irgendwann würde es an einem anderen Ort ein neues Luna City geben. Ich begriff es schnell. Und als ich in des Marshals Augen sah, da wusste ich, was er von mir erwartete. Ich brauchte ihm nur den Weg zu beschreiben. Aber würde er in diesem wilden Land zwischen den Quellgebieten des San Francisco River und des Gila River die Felswand mit dem Wasserfall finden? Er würde mit seinem Aufgebot vielleicht viele Tage suchen müssen. Ja, er käme mit Sicherheit zu spät. Jemand müsste ihn hinführen. Und nur ich kam dafür in Frage. Mir wurde heiß, und das war gewiss nicht nur wegen der Suppe, die mich innerlich anheizte und das Leben in mir richtig in Gang brachte. Ich fühlte Carolyna Adams’ Blicke auf mir haften. Ich glaubte sogar, dass sie erwartungsvoll ihren Atem anhalten
musste, so sehr nahm sie Anteil an meiner Entscheidung. Aber ich musste nachdenken. Der Marshal war mein Freund und Gönner. Er hatte alles getan, um mich für die gut geartete menschliche Gemeinschaft zu retten. Für das, was ich getan hatte, gab es mildernde Umstände. Ich würde vom Gouverneur begnadigt werden. Und dann dachte ich daran, wie böse die Geächteten waren, wie wenig Gnade sie kannten und wie groß der Hass war, den sie gegen die menschliche Gemeinschaft hegten. Oh, ich konnte diesen Hass zum Teil verstehen. Denn auch mich hatte man mit Hilfe von verlogenen Zeugenaussagen zu einem Flüchtling gemacht. Doch ich hatte mich nachher auch als Bandit nicht mit Mord und Menschenraub abfinden können. Ich konnte es einfach nicht. Ich war kein richtiger Bandit. Es war gut für mich, dass ich wieder Aufnahme bei der menschlichen Gemeinschaft finden konnte. Der Marshal hatte mir das ermöglicht. Ich sah ihn an und nickte. »Wenn ich auf die Beine kommen kann, werde ich mich auch im Sattel halten können. Was Jack Morgan mit einer gebrochenen Rippe und einer Wunde in der Seite schafft, bringe ich auch mit einer Schramme am Kopf zu Stande. Ich führe Sie hin, Marshal.« »Aber du hast eine Gehirnerschütterung, Cash!«, rief Carolyna impulsiv. Sie duzte mich und hatte Angst. Das tat mir gut. Ich wusste nun, dass ich bei ihr Chancen haben würde. Mit der Zeit konnte ich vielleicht zeigen, dass ich ein Bursche war, der seine wilde Zeit hinter sich hatte und auf den sie sich ein Leben lang verlassen konnte. In mir war ein gutes, glückliches Gefühl. Doch erst musste ich noch beweisen, dass es mit meinem Wunsch, wieder zu den Redlichen zu gehören, wirklich ernst war.
»Willst du mich im Hemd sehen und meine haarigen Beine bewundern?«, sagte ich zu ihr. Sie erhob sich. »Das habe ich alles schon gesehen«, sagte sie, »denn schließlich bin ich schon zwei Tage deine Krankenschwester. Aber du musst dich wahrhaftig schon wieder recht rüstig fühlen. Sonst würdest du nicht solche Reden führen.« Sie ging und ihre Augen funkelten. Doch ich spürte, dass sie sich über meine Entscheidung freute. Wahrscheinlich würde sie Angst um mich haben. Doch zugleich begriff sie wohl, dass ich noch Schulden begleichen musste. *** Es ging besser, als ich dachte. Doch wahrscheinlich hätte es einen weniger harten Burschen umgebracht oder nach wenigen Meilen vom Pferd geworfen. Denn die Kopfschmerzen wurden höllisch. Und dennoch hielt ich durch, denn ich sagte mir, dass Jack Morgan ja auch höllische Schmerzen haben musste und trotzdem geritten war. Es gab keinen Zweifel darüber, dass er nach Luna City unterwegs war. Er musste all seine Beute holen, die er vor dem Kamin unter der Steinplatte verborgen hatte. Ohne das viele Gold und Geld wäre er ja ein völlig mittelloser Flüchtling. Es gab also keinen Zweifel, dass wir ihn noch in Luna City erreichen konnten, wenn wir nicht zu langsam waren. Dies alles zwang mich zum Durchhalten, und ich könnte auch heute noch, da ich diese Geschichte für meine Nachkommen niederschreibe, mein Wort darauf geben, dass ich damals während des Rittes all meine Sünden abbüßte. Manchmal muss ich wohl für Minuten bewusstlos gewesen sein, obwohl ich im Sattel blieb.
Als wir dann bei Anbruch der Nacht rasteten, fiel ich der Länge nach aufs Gesicht und wurde bewusstlos. Noch vor Morgengrauen erwachte ich, und die Kopfschmerzen waren erträglich. Ich erhob mich. John Haggerty war sofort bei mir und fragte, wie es mir ginge. Andere Männer kamen ebenfalls hinzu. Sie alle hatten nur ganz leicht geschlafen. Nun waren sie in Sorge, ob ich es auch weiterhin schaffen würde. Wir waren ein starkes Aufgebot aus Aurora City, verstärkt durch drei US Deputy Marshals und ein paar harte Burschen von der Mine. Wir waren an die vierzig Mann. Ich sagte: »Macht euch keine Sorgen, Jungs. Ich brauche nur ein großes Stück Fleisch.« Sie gaben mir zwei gebratene Puterschenkel und einen Kanten köstliches Brot, in welchem eine Menge Kräfte waren. Ich kaute alles sorgfältig und trank heißen Tee, der mich belebte. Noch bevor die Sonne hochkam, fühlte ich mich kräftig genug und stieg in den Sattel. Ich führte das Aufgebot weiter in Richtung nach Luna City. Als ich nicht mehr konnte – und dies war nach einem langen Tag spät in der Nacht schon –, hatten wir es geschafft. Wir befanden uns in dem wilden Land der Quellgebiete und hatten die Felswand erreicht. Ich sagte noch: »Da hinter dem Wasserfall ist eine Höhle. Dahinter liegt das Tal. Ich kann nicht mehr. Ihr müsst es ohne mich machen. Ich kann einfach nicht mehr. Legt mich zwischen die Felsen und…« Nun fiel ich. Aber ich knallte nicht auf den Boden. Es waren schon ein paar Männer abgesessen, die bei meinem Pferd standen. Sie fingen mich auf. Ich wusste nicht mehr, was mit mir geschah. Aber ich war gewiss nicht lange bewusstlos – vielleicht eine
Stunde oder knapp mehr. Als ich erwachte, leuchteten die Sterne über mir. Und ich war nicht mehr allein. Zuerst glaubte ich, dass sie einen Mann bei mir zurückgelassen hatten. Doch dann hörte ich ein Stöhnen. Nun erklang Jack Morgans Stimme: »Bist du wach, du Bastard?« Er schlug mit der flachen Hand gegen meine Kopfwunde. Ich glaubte, wieder ohnmächtig zu werden. Doch das verging. »Ja, ich bin wach«, ächzte ich. »Und du hast mich, nicht wahr?« »Gewiss«, sagte er. »Ihr habt mich überholt. Als ich mich irgendwo verkrochen hatte, weil ich einfach nicht mehr konnte, habt ihr mich überholt. Ich kam nach euch hier an. Wissen die Schufte denn von meinem Versteck, in dem ich die Beute aufbewahre?« »Dreimal darfst du raten…« Und da knallte er mir wieder eine, sodass ich glaubte, der Kopf würde mir platzen. »Sie wissen es nicht«, sagte ich. »Es sollte eine Überraschung von mir sein, dass ich der Bank das viele Geld und Gold zurückbringen würde. Aber nun hast du ja wohl bessere Karten.« »Habe ich«, grinste er. »Unsere Pferde habe ich schon fortgebracht. Nun werde ich dich fortbringen. Es gibt da eine verborgene Höhle – nur ein kleines Stück von hier. Dorthin gehen wir und warten ab, bis das Aufgebot wieder abgezogen ist. Und dann werden wir sehen. Vorwärts! Aufstehen! Und alles mitnehmen!« Er hatte ganz und gar alle Trümpfe in der Hand. Denn er konnte zuvor meinen Colt an sich bringen. Meine Bewusstlosigkeit war so stark gewesen, dass ich nichts gemerkt hatte. Ich befand mich in seiner Gewalt.
Er würde es mich büßen lassen, dass ich gegen ihn gewesen war. Es blieb mir vorerst nichts anderes übrig, als zu gehorchen. Und so sammelte ich die beiden Decken, die Wasserflasche und den Hut auf, die am Boden lagen. Ich erhob mich schwankend und glich einen Moment einem Betrunkenen. Mein Kopf schmerzte schlimm. Die kurze Ruhe nach dem erschöpfenden Ritt hatte ihn nicht in Ordnung bringen können. Mein einziger Trost war, dass Jack Morgan ebenfalls verwundet war. Er hielt sich recht schief und hatte ganz gewiss Schmerzen. »Ich sah dein Pferd bei dir zwischen den Felsen«, sagte er. »Und im Mondlicht sah ich die Fährte des starken Aufgebotes. Du hast uns alle verraten, du Bastard. Und ich werde es dir schon noch besorgen. Vorwärts mit dir!« Ich gehorchte, stolperte vor ihm her. Er gab mir dann und wann die Richtung an. Selbst wenn mein Kopf nicht so geschmerzt hätte und ich nicht einem Betrunkenen geglichen haben würde – ich hätte keine Chance gegen ihn gehabt, weil er ständig seinen Revolver schussbereit in der Hand hielt. Meine Chance würde später kommen. Darauf vertraute ich. Was blieb mir auch anderes übrig? Wir gelangten über ein allmählich ansteigendes Felsband auf eine Terrasse. Und hier führte eine Felsspalte zu einer Höhle. Die beiden Pferde standen hier und schnaubten uns entgegen. »Jetzt kannst du es dir gemütlich machen«, sagte Jack Morgan zu mir und gab mir von hinten einen Tritt in die Kniekehle, sodass ich stürzte. Er holte ein Lasso herbei und ließ mich die Hände in die Schlinge stecken. Ich musste es tun, denn in der anderen Hand hielt er den Colt. Er zog die Schlinge an – und dann fesselte er mich wie
einen jungen Bullen. Als ich am Boden lag, trat er mich mehrmals mit aller Kraft. Doch ihn schien jede Bewegung zu schmerzen, sodass er es aufgab, sich anzustrengen. Ich lag still und versuchte, wie ein Indianer den Schmerz zu ertragen, unempfindlich zu sein. Allmählich beruhigte sich alles. Ich lag nur noch da und dachte, wie schnell es im Leben hell und dunkel wird, rosig und schwarz. Ich hatte geglaubt, dass die Zukunft gut für mich werden würde – aber das war ein Irrtum. Jack Morgan würde mich töten. Aber so groß meine Not auch war – meine Erschöpfung war noch stärker. Ich war wie ein kranker Hund, der Ruhe brauchte. Nur wenig dachte ich noch an das Aufgebot, welches nun jenseits der Felsbarriere die Banditenstadt Luna City angriff und dem Erdboden gleichmachen würde – oder dies wahrscheinlich schon getan hatte. Auf beiden Seiten hatte es bestimmt Tote gegeben. *** Es war schon Tag, als ich erwachte. Ich musste lange warten und versuchte indes, mich von den Fesseln zu befreien. Aber Jack Morgan hatte mich wie ein erfahrener Bandit gefesselt. Es gab gar keine Chance, dass ich mich selbst befreien konnte. Mit meinem Kopf war es besser geworden. Der Schlaf – so unbequem ich auch gefesselt war – hatte mir geholfen, die Gehirnerschütterung zu überwinden. Es musste schon später Vormittag sein, als Jack Morgan zu mir kam. Er trat mich wieder. Dann löste er meine Fußfesseln. Als ich ihm ins Freie folgte, sah ich ihn an und erkannte das Fieber in seinen Augen. Er hatte kaum Schlaf bekommen, und dies hatte seinen Zustand
nicht so gebessert wie meinen. Er sagte: »Sie sind fort – alle! Sie vermissten dich natürlich. Doch sie glaubten gewiss, dass du geflüchtet wärest, weil du zuletzt doch nicht an deinen Lohn für deinen Verrat glauben konntest. Cash, sag mir, warum du zum Verräter wurdest. Was tat ich dir? Wir haben uns doch immer gut verstanden!« Ich sah ihn an. »Dieser Richard Perrit«, sagte ich. »Er hatte dich als Treiber aufgenommen, weil er dir eine Chance geben wollte. Doch du hast ihn getötet. Du konntest nicht fair verlieren. Er hatte ehrlich gespielt. Jeder von euch hatte die gleiche Chance. Du ließest dich von ihm anwerben, um ihn umzubringen und auszurauben. Du bist ein schlimmer Mensch, Jack Morgan. Ich war nur ein wilder Junge. Ich erkannte zu spät, in was für eine Bande ich geraten war. Wenn es nach euch gegangen wäre, hätten wir auch die Soldaten zusammengeschossen, um ihre Pferde zu bekommen. Ihr seid Mörder. Deshalb musste ich mich gegen euch wenden. Ich kannte auch das Mädchen und konnte nie und nimmer zulassen, dass sie und ihr Vater…« »Ja«, unterbrach er mich, »du bist zu weich. Du warst nur ein Hund unter Wölfen. Ich hätte es damals in Mexiko erkennen müssen, als du Paco getötet hast. Vorwärts! Nimm dein Pferd. Wir gehen ins Tal.« Ich gehorchte und führte mein Pferd mit den gefesselten Händen hinaus. *** Von Luna City gab es nur noch rauchende Trümmer. Das Aufgebot hatte alles zerstört und die Menschen und Tiere mitgenommen. Es musste ein langer Wagenzug gewesen sein, zu dem auch Frauen und Kinder gehörten. Jack Morgan und ich, wir sahen uns das alles eine Weile schweigend an.
Dann fragte er mich: »Bist du nun stolz auf deinen Verrat?« »Nein«, sagte ich. »Das ist eine bittere Sache. Ich war damals froh, bei euch eine Zuflucht gefunden zu haben – bis ich erkannte, dass die meisten Männer hier nichts anderes als Mörder sind.« Er grinste. Dann gingen wir zu den Trümmern seines Hauses. Er setzte sich auf einen Stein und ließ mich arbeiten. Ich brauchte länger als eine Stunde, bis ich die verkohlten Trümmer weggeräumt hatte und die Steinplatte vor dem Kamin heben konnte. Dann holte ich den Eisenkasten heraus, in dem sich Geld und Goldstaub befanden. Ich war nun fertig. Er brauchte mich nicht mehr. Aber ich hatte mich getäuscht. Ich musste auch doch die Satteltaschen füllen. Dann richtete er seinen Colt auf mich und fragte, ob ich noch einen Wunsch hätte. »Dass du vor mir zur Hölle sausen mögest«, sagte ich und wartete auf seine Kugel. Aber da knallte es ganz anders. Es war ein Gewehr. Und die Kugel stieß ihn um. Ich wandte den Kopf und sah Marshal John Haggerty kommen. Er kam aus den zusammengestürzten Trümmern des Saloons gekrochen und sah so schwarz aus wie ich, der ich mich doch beim Forträumen so schwarz gemacht hatte. »Bist du in Ordnung, Cash?«, fragte er. Ich deutete auf die gefüllten Satteltaschen. »Wenn ich das freiwillig nach Santa Cruz zur Bank zurückbringen könnte«, sagte ich. Er nickte. »Und danach helfe ich dir beim Gouverneur«, sagte er.
*** Nun, Leute, er half mir wahrhaftig. Ich bekam drei Jahre aufgebrummt und wurde mit Bewährung in Freiheit gelassen. Und natürlich bekam ich damals ein Jahr später auch Carolyna zur Frau. Heute ist meine Strafe längst getilgt. Ich habe eine feine Ranch und drei Söhne, die mir schon Schwiegertöchter brachten. Warum ich dies alles schrieb? Nun, jeder Mann ist auch heute noch sein eigener Hüter. Das sollen meine Enkel wissen. Es wird immer so sein. Und meine Geschichte beweist es. Irgendwann muss man sich immer für eine Sache entscheiden, so oder so. ENDE