Herbert Oertel jr. Bioströmungsmechanik
Herbert Oertel jr.
Bioströmungsmechanik Grundlagen, Methoden und Phänomene M...
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Herbert Oertel jr. Bioströmungsmechanik
Herbert Oertel jr.
Bioströmungsmechanik Grundlagen, Methoden und Phänomene Mit 277 Abbildungen STUDIUM
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © Vieweg +Teubner | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Thomas Zipsner | Imke Zander Vieweg +Teubner ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.viewegteubner.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Strauss Offsetdruck, Mörlenbach Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier. Printed in Germany ISBN 978-3-8348-0205-7
V
Vorwort Das Lehrbuch BiostrSmungsmechanik gibt erg~_zend zu unseren Lehrbfichern der StrSmungsmechanik eine Einfiihrung in die Grundlagen, Methoden und P h ~ o m e n e der BiostrSmungsmechanik. Diese befasst sich mit StrSmungen, die von fle~blen biologischen Oberfl~hen aufgepr~igt werden. Man unterscheidet die UmstrSmung von Lebewesen in Luft oder Wasser, wie den Vogelflug oder das Schwimmen der Fische sowie InnenstrSmungen, wie der geschlossene Blutkreislauf von Lebewesen. Von der Vielzahl der biologischen StrSmungen wird in diesem Lehrbuch das Fliegen und Schwimmen der Tiere und die Blutzirkulation im menschlichen K5rper ausgewfi]!lt. Dabe[ geht es vorrangig darum, wie man die Evolution der Natur f'dr neue technische I_nnovationen nutzen kann. Im Vordergrund stehen die Ph~hlomene der instation~iren StrSmungsmechanik an bewegten biologischen Oberfl~ichen. Diese verlangen die Behandlung der Methoden der StrSmungs-Struktur-Kopplung. Die technische Umsetzung der vonder natfirlichen Evolution fiber Jahrmfllionen entwickelten Methoden der Str5mungskontrolle ffir die Aerodynamik von Kraftfahrzeugen, Verkehrsflugzeugen und Schiffen wird systematisch herausgearbeitet. Die Erkenntnis des pulsierenden menschlichen Kreislaufs geben Hinweise ffir die Auslegung technischer Kreislaufsysteme der Medizintechnik. Das Lehrbuch der Biostr5mungsmechalfik wendet sich an Studenten der hlgenieur- und Naturwissenschaften sowie der Medizin. Es vermittelt die Methoden und Ph~inomene der StrSmungs- und Strukturmechanik an bewegten biologischen Oberfls ohne mathematische Ableitungen. Es versucht die Brficke zu schiagen zwischen der nat~lichen Evolutionsstrategie, dem zielorientierten Vorgehen der Ingenieure und Naturwissenschaftler und den anf Statistiken beruhenden Erkenntnissen der Medizin. Besonderer Dank gilt U. Dohrmann, S. Ruck und K. Fritsch-Kirchner ffir die bew~hrte Manuskriptarbeit. Dem Vieweg+Teubner-Verlag sei f'dr die ~iu~erst erfreuliche und gute Zusammenarbeit gedazfl(t. Karlsruhe, Juli 2008
Herbert Oertel jr.
VII
Inhaltsverzeichnis Einffi.hrung 1.1 Biologische Oberfl~ichen 1.2 Fliegen und Schwimmen 1.3 Blutkreislauf 1.4 Technische Anwendung G r u n d l a g e n der BiomecbAn]k 2.1 Biologisches Material 2.2 Biomechanische Grundbegriffe 2.2.1 Spannung und Dehnung 2.2.2 Spannungs-Dehnungsgesetz 2.2.3 Viskoelastizit~it 2.3
2.4
3
Bewegungsgleichungen der Strukturmechanik 2.3.1 Navier-Gleichung 2.3.2 Elastische Dehnungsenergie 2.3.3 Viskoelastisches Model] Evolutionstheorie 2.4.1 Evolution und Optimierung 2.4.2 Evolutionsstrategie
G r u n d l a g e n der B i o s t r S m u n g s m e c h a n i k 3.1
3.2
3.3
3.4
Eigenschaften strSmender Medien 3.1.1 Transporteigenschaften 3.1.2 Grenzfls 3.1.3 Hydrostatik 3.1.4 Energiebilanz Kinematik und Ahnlichkeit 3.2.1 Kinematische Grundbegriffe 3.2.2 Geometrische und dynamische Ahnlichkeit Dynamik der StrSmungen 3.3.1 Navier-Stokes-Gleichung 3.3.2 Bernoulli-Gleichung 3.3.3 Reynolds-Gleichung der turbulenten StrSmung 3.3.4 RohrstrSmung 3.3.5 Nicht-Newtonsche StrSmung Aerodynalnik 3.4.1 Profil und Tragfliigel
1
4 I0 19 26
47 47 51 51 53 57 61 61 62 63 66 66 67 71 72 72 78 82 84 87 87 93 98 99 108 109 125 134 137 137
VIII
Inhaltsverzelchnls 3.4.2
3.5
4
Tragfliigeltheorie
3.4.3 StrSmungsabl5sung StrSmung-Struktur-Kopplung 3.5.1 ALE Fornmlierung der Grundgleichungen 3.5.2 Kopplungsmodelle
145 155 159 159 161
Fliegen
165
4.1
165 166 172 174 175 179 186 188 190 190 191 193
4.2
4.3
Insektenflug 4.1.1 Schwebeflug 4.1.2 Vorw~tsflug Vogelflug 4.2.1 Strukturmodell des Vogelfliigels 4.2.2 Gleitflug und Windeffekt 4.2.3 Fliigelschlag und Vorw~irtsflug 4.2.4 Starten und Lmlden Flugzeuge 4.3.1 Segelflugzeug 4.3.2 Hubschrauber 4.3.3 Verkehrsflugzeug
Schwimmen
205
5.1 5.2
Fortbewegung von Mikroorganismen Schwimmen der Fische 5.2.1 Wellenbewegung 5.2.2 Schwanzflossenschlag 5.2.3 Riickstoffprinzip StrSmungskontrolle
205 209 209 211 215 219
5.3.1 5.3.2
Riblets D~npfungshaut
220 224
5.3.3
Ausgasen
226
5.3
Blutkreislauf
228
6.1
228 233 245 247 250 254 254
6.2
Blutkreislauf 6.1.1 StrSmung in Blutgef~i~en 6.1.2 Kreislaufmodell 6.1.3 Rheologie des Blutes 6.1.4 MikrostrSmungen Mensctfliches Herz 6.2.1
Anatomie und Physiologie des Herzens
Inhaltsverzeichnis 6.2.2 6.2.3 6.2.4 6.3
IX Struktur des Herzens Erregungsphysiologie des Herzens StrSmung im Herzen
257 259 262
Herzoperationen 6.3.1 Ventrikelrekonstruktion
271
6.3.2
Herzklappen
276
6.3.3
Herzunterstiitzungssysteme
279
271
Bezeichnungen
282
AusgewKhlte L i t e r a t u r
285
Sachwortverzeichnis
290
1
Einfiihrung
Die biologische E v o l u t i o n hat fiber 3 Milliaxden Jahre auf der Erde stattgefunden. Dabei haben zehntausende unterschiedliche Lebewesen durch Anpassung und Evolution fiber Millionen von Jahren fiberlebt. Die natfirliche Evolution durch Mutation und Selektion ist ffir jeden Orga2_ismus ein ganzheitlich optimiertes Auswahlprinzip, um mit einem Minimum an Ressourcen zu fiberleben. Viele kleine und zuf'~lige J~nderungen im Erbgut ver~indern Nachkommen in kleinen Nuancen. Andern sich die Umweltbedingungen, so werden immer einige Nachkommen vorhanden sein, die mit der Ver~-lderung der Umwelt besser zurecht kommen und sich in den folgenden Generationen durchsetzen. hn Gegensatz zur Technlk kennt die biologische Evolution kein Ziel und fiberlfisst die Auswahl dem Zufall. Die Technik hingegen optimiert zielorientiert. Dabei entdecken Ingenieure und Naturwissenschaftler im Bereich der Biologie lebende Prototypen als Vorbilder ffir neue Produkte und Prozesse. Die in Jahrmillionen optimierten Pfla~lzen und Lebewesen bieten einen unerschSpflichen ~brrat an Konstruktionsprinzipien und Verfahren, die als Vorbild ffir technische Entwicldungen dienen kSnnen. Die Bionik (Biologie und Technik) ist dabei eine systematische Methodik, die durch Beobachtung und Untersuchung der ProblemlSsungen der Natur deren 0bertragbarkeit auf die Tech2fik analysiert.
Abb. 1.1: Fliegen, Schwimmen der Tiere und Blutkreislauf des menschlichen K5rpers
2
1 Einffihrung
Das Fachgebiet der B i o s t r S m u n g s m e c h a n i k beschreibt den Teilaspekt der Bionik, der sich mit den Methoden und Ph~-mmenen der Fortbewegung von Lebewesen in Luft und Wasser befasst. Die BiostrSmungsmechanik behandelt auch die pulsierende StrSmung in Kreisl~ufen, die den Stoffaustausch und Wasserhaushalt der Lebewesen sicher stellt. Allen biologisch bedingten Str6mungen ist gemeinsam, dass die Bewegung bei UmstrSmungen von gugeren und bei Imlenstr5mungen von inneren flexiblen und strukturierten Oberfl~chen aufgeprggt wird. Daxaus resultiert eine aktiv kontrollierte StrSmung, deren Str6mungsverluste gering gehalten werden. Von der Vielzahl biologischer StrSmungen werden in diesem Lehrbuch der BiostrSmungsmechanik das Fllegen trod S c h w i m m e n der Tiere trod die B l u t z i r k u l a t i o n im menscklichen K5rper ausgew~hlt (Abbildung 1.1) sowie die technische Umsetzung der biologischen Erkenntnisse der StrSmungskontrolle bei Kraftfahrzeugen, Verkehrsflugzeugen, Schiffen und ktinstlichen Herzen (Abbildung 1.2). Im einf'tihrenden Kapitel werden zahlreich Beispiele biologischer Oberfl~chen und StrSmungen beschrieben, um den Studenten einen Anreiz zu geben, sich re_it der Natur auseinanderzusetzen und Wege der technischen Umsetzung aufzuzeigen. Als Voraussetzung daf'tir dienen die Grundlagen, Methoden und Ph~iaomene der Biomechanik und BiostrS-
Abb. 1.2: Technische Ilmovationen
mungsmechanik. Es werden in den Kapiteln 2 und 3 die Grundgleichungen ohne mathematische Ableitungen bereitgestellt, die zum Verst~ndnis der Ph~-lomene der Biostr6mungsmechanik erforderlich sind. Dazu geh6ren die Eigenschaffen und Grundgleichungen elasfischer, viskoelastischer und nichtlinearer FestkSrper sowie die der inkompressiblen StrSmung Newtonscher mid Nicht-Newtonscher Fluide. Je nachdem, ob die Tr~gheitskraft oder die Reibungskraft der Str6mung dominiert, hat die natiirliche Evolution unterschiedliche Vortriebs- und Auftriebsmechazfismen ent~dckelt. Diese werden dann eingehend in den Kapitehl 4 Fliegen und 5 Schwimmen behandelt. Dabei steht fiir die technische Anwendung die StrSmungskontrolle instation~rer und reibungsbehafteter StrSmungen im Hinblick auf die Widerstandsverringerung umstrSmter KSrper im Vordergrund. Voraussetzung ffir deren theoretische Behandlung ist die Methode der Str6mung-Struktur-Kopplung fiir biologische flemble Oberfl~chen. Ira Kapitel 6 Blutkreislauf werden die theoretischen Erkenntnisse der blstation~en UmstrSmungen um die pulsierende IlmenstrSmung des mensclfiichen Blutkreislaufes erg~zt. Die Funktionsweise des Blutkreislaufes und der Erfolg klinischer Eingfiffe h~,lgt vo,l che,ifische,l, elektrischen, mechaafischen u,ld str6mungsmechaafische,l Prozessen ab. Im Vordergrund steht die Str6mung im menschlichen Herzen bis hin zu kf,lstlichen Herzen u,ld Herz -ldappen. Das Lehrbuch der BiostrSmungsmechanik erhebt keinen Anspruch auf Vollst~,~digkeit. Es greift absichtlich einige biologische Beispiele auf, um die Methoden und Ph~iaomene der BiostrSnmngsmechanik systematisch zu entwickeln. Es verzichtet auf jegliche mathematische Ableimngen, um das Buch fiir Studenten der Biologie, Physik, Medizin und hlgenieurwissenschaften lesbar zu nmchen. Die Studenten, die nfit der Tensorschreibweise nicht vertraut sind, kSnnen die jeweiligen theoretischen Unterkapitel iiberspringen, ohne dass sie dabei den roten Faden verlieren. Die mathenmtischen Grundlagen der Str5mungsmechanik findet man u. a. in unseren Lehrbiichern H. Oertel jr. et al. 2008 und H. Oertel jr. (ed.) Prandtl - Fiihrer durch die StrSnmngslehre 2008, die Grundlagen der Biomechanik z. B. bei Y. C. Fung 1990 und besonders anschauliche Beispiele der Bionik bei W. NachtigaU 2005.
4
1.1
1 Einffihrung
Biologische Oberfl~ichen
Fle,,dble und strukturierte biologische Oberflgchen bilden die Begrenzung des Fluidraumes und damit die Randbedingung fiir die theoretische Behandlung der BiostrSmungsmechanik in den folgenden Kapitein. Insofern werden vonder Vielzahl der biologischen Oberfl/icheneigenschaften diejenigen ausgew/ihlt, die f/Jr das Fliegen, Schwimmen und die pulsierende InnenstrSmung im Blutkreislauf relevant sind. Das markanteste Beispiel einer fle,,dblen strukturierten Oberflgche und deren technische Umsetzung in der Praxis ist verbunden mit dem Begriff Lotuseffekt. Das Blatt der indischen Lotusbhime ist ein Ybrbild f'tir selbstreinigende Oberflgchen (Abbildung 1.3). Es besitzt im Abstand von etwa 40 #m Noppen aus miteinander verhakenden feinen Fgden von Wa.chskristalloiden, die hydrophob und damit wasserabweisend sind. Auf der unbenetzbaren feingenoppten Blattoberfl~iehe haften zum einen Setmmtzpartikel sehleehter und zum anderen berfihren die Wassertropfen die Oberflgehe nur an den Noppenoberflgehen und entfernen beim Abrollen die Schmutzpm'tikel. Aueh andere Pflanzen wie z. B. die Bliitenbl/itter des Stiefmiitterehens oder das Kleeblatt zeigen diesen selbstreinigenden Effekt. Pflanzen sind aueh dureh Bakterien und Pilzsporen bedroht. Die feinen Sporen werden ebenfalls durch die abrollenden Wassertropfen entfernt. Auch Insektenfl/igel sind selbstreinigend. Die Abbildung 1.3 zeigt die Feinstruktur der Schmetterlingsschuppen mit ihrer Spreiten-Spanten-Konstruktion aus Chitin. Die L/iagsrillen der Schuppen im Mil~'ometerbereich wirken ebenfalls selbstreinigend. Fliegen erreichen mit ihrer wasserabstogenden Feinstbehaarung ebenfalls einen selbstreinigenden Effekt.
Abb. 1.3: Selbstreinigende Oberfl~ichen
1.1 BiologischeOberflg.chen
5
Die hydrophobe Feinstbehaarung von Insekten und Spinnen an den Beinen dient dem Wasserl~iufer zus~itzlich zur Fortbewegung auf dem Wasser. Dabei wird die Oberfl~ichenspazmung des Wassers zur Fortbewegung ausgenutzt. Beim Fliegen der VSgel spielt neben der Profilierung des Fliigels die Oberfl~ichens t r u k t u r der F e d e r n eine wichtige Rolle. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel ist der Fliigel der Eule. Die Eule fliegt so leise, dass ihre Beutetiere sie beim Anflug nicht hSren kSnnen. Die besonderen Eigenschaften des Gefieders unterdrticken grofsrgumige Turbulenzstrukturen in der Fliigelgrenzschicht, die Schall erzeugen. Die Abbildung 1.4 zeigt eblen Eulenflfigel sowie vergrSgerte Aussctmitte des Gefieders an der Vorder- und Hinterkante des Fltigels und den Federflaum auf der Oberseite. Die starke VergrSgerung der Eulenfeder zeigt., dass die Fransen der Feder 1/inger und weniger verhakt sind als bei anderen Vogelfedern. Dadurch sind die Federn weicher und gleiten mit weniger Gergusch aneinander. Der feine Federflaum auf der Oberflgche dgmpft die Turbulenzstrukturen in der Fliigelgrenzschicht und bewirkt ein giinstigeres Verhalten der StrSmungsablSsung. Eulen besitzen weiche Hinterkanten mit feinen Hfirchen, die die periodisch ablSsenden Turbulenzstrukturen im Nachlauf des Fliigels verhindern. An den Vorderfl/igeln bilden die Federn einen Kamm, der bei grofgen AnsteUwinkeln des Flfigels insbesondere beim Abbremsen im Landeanflug die StrSmungsablSsung an der F1/igelvorderkante verzSgert. Zusgtzlich besitzt die Eule elastische Deckfedern, die sich beim Auftreten der StrSmungsablSsung selbstst~indig aufrichten und als RiickstrSmldappe wirken. Fische schwimmen im Wasser mit einer um den Faktor 830 grSgeren Dichte als Luft. Um den gleichen Faktor ist der Auftrieb im Wasser grSger Ms in Luft. Ein KSrper in Luft erf'fi,hrt den gleichen Widerstand, werm er sich 15 mal schneller bewegt als im Wasser. So
Abb. 1.4: Eulenflfigel, T. B a c h m a n n et al. 2007
{~
1 Einffihrung
erreicht der Delfin Spitzengeschwindigkeiten bis zu 55 km/h. Dem entspricht eine fiktive Geschwindigkeit in Luft von 825 km/h, was der Reisegeschwindigkeit von Verkehrsflugzeugen entspricht. Dennoch ist der Energieverbrauch der Fische beim Schwimmen geringer als der der VSgel beim Fliegen. Ursache ist die Oberfl~henbeschaffenheit der Fischhaut, die mit unterschiedlichen Oberfl/icheneffekten einen m6glichst geringen Reibungswiderstand erzeugt. Delfine und Pinguine haben den geringsten Energieverbrauch und damit den geringsten Gesamtwiderstand beim Schwimmen. Der Gesamtwiderstand setzt sich aus dem Druckund Reibungswiderstand zusammen. Den geringsten Druckwiderstand haben StromlinienkSrper. Der Re.ibungswiderstand wird v o n d e r Oberfl~ichenbeschaffenheit bestimmt. Eine VergrSf~erung der Delfinhaut ist in Abbildung 1.5 gezeigt. Sie wirkt als D~impfungshaut, die mit einem schleimartigen Gel bedeckt ist. Die. 2 bis 3 mm dicke Unterham ist mit Fliissigkeit durchsetzt und w~hst mit fingerartigen Ausl/iufern in die 1.5 mm dicke Oberhaut. Damit gibt sie gegenfiber jeglichen DruckstSrungen, z. B. entstehenden Turbulenzstrukturen in der Grenzschicht, nach und d/impft jeghche ,adderstanderzeugende Druckwelle in der Grenzschicht. Unter dem Einfluss einer DruckweUe verschiebt sich die Flfissigkeit in der Hautunterschicht nach allen Seiten. L/isst der Druck nach geht die Delle in der Oberfl~he zurfick und die Flfissigkeit str6mt an den Ausgangsort. Dieser Ausgleichsvorgang braucht Zeit. Man spricht ,con einem viskoelastischen Verhalten. Mit dieser D/kmpfungseigenschaft reduziert der Delfin seinen Reibungswiderstand auf ein Minimum. W ~ r e n d der Sprungphase erzeugt der Delfin wie der Pinguin Luftblasen, die den Reibungswiderstand welter herabsetzen. Delfine setzen keine Algen und Muscheln wie Wale an. Die glatte Haut des Delftns wird durch eine diinne galertartige Schleimschicht geschfitzt. Enzyme sorgen daffir, dass sich keine Organismen auf der Haut absetzen. Die ~iuf~ere Schleimhaut wird alle zwei Stunden abgestogen und emeuert. Pinguine legen w~ihrend ihrer Nahrungssuche t~glich efile Entfernung yon bis zu 130 km zurfick und tauchen im Eiswasser bis zu 400 m tief. Sie erreichen Spitzengeschwindigkeiten yon bis zu 30 km/h und haben einen noch geringeren Gesamtwiderstand als Delfine. Pinguine nutzen die Luftblasen in ihrem Federkleid, die einen diinnen Luftfilm um den KSrper bilden und den Reibungswiderstand im Wasser drastisch senken. Die Abbildung 1.6 zeigt die Spuren der Luftblasen im Nachlauf. Der Vortrieb wird entgegen dem Schwanzflossenschlag der Fische mit den relativ starren Stummelfliigeln erzeugt. Sie nutzen den
A b b . 1.5: Selbstreinigende Delfmhaut
1.1 BiologischeOberfl~ichen
7"
A b b . 1.6: Luftblasen im Federkleid des Pinguins
reibungsmindernden Luftblaseneffekt um den letzten Sprung auf eine bis zu 3 m hohe Eisplatte zu bew~tigen. Eine ganz andere Oberfl~icheneigenschaft nutzen schnell schwimmende Fische wie die Hale, die Spitzengeschwindigkeiten bis zu 90 km/h en'eichen. Ihre Schuppen weisen in der Vergr5f~erung der Abbildung 1.7 L~ugsrillen auf, die die Querturbulenz in der Grenzschicht unterdrficken und auf diese Weise den Reibungswiderstand verringern. Gleichzeitig verhindern diese Mikrorillen, wie die Noppen beim Lotusblatt, das Anhaften von Algen und Parasiten.
An die biologischen Oberfls von InnenstrSmungen der Kreisls wie die des ausgew~ihlten menschlichen Herz-Kreislauf-Systems, werden andere Anforderungen gestellt als bei den UmstrSmungen yon Tieren. Das Blur hat im Gegensatz zu Luft und Wasser Nicht-Newtonsche Eigenschaften und transportiert rote BlutkSrperchen (Erythrozyten) ffir die Sauerstoffversorgung, were BlutkSrperchen (Leukozyten) und Blutpl~ittchen (Thrombozyten), die einen Volumenanteil yon 40 bis 50 Volumenprozent ausmachen. Das Blutplasma ist das Tr~igerfluid, das zu 90 % aus Wasser, den Proteinen, AntikSrpern und Fibrinogenen besteht. Das Blur dient als Transportsystem ffir die BlutkSrperchen, die die Immunreaktionen des KSrpers und die Sicherung des Kreislaufsystems gegen Verletzungen garmltieren. Fiir die StrSmung im Herzen und hn Blutkreislauf ist das Fliei~verhalten des Blutes yon Bedeutung. Ein natfirliches Optimierungskriterium ist ein mSglichst groi~er
A b b . 1.7: L~ugsrillen der Haifischschuppen
8
1 Einffihrung
Anteil an roten B1utkSrperchen, um mehr Sauerstoff zu transportieren. Zum anderen ist eine geringe Zahl yon BlutkSrpern vorteilhaft, damit die Blutz~higkeit sinkt und damit die Transportgeschwindigkeit in den Adern steigt. Das hat zur Folge, dass ebenfalls mehr Sauerstoff transportiert wird. Deshalb ist die Sauerstoffbindung nicht das wichtigste Ziel. Bedeutender ist die Optimiertmg des Fliei~verm6gens, wobei es darauf altkommt eine ausreichend groge Menge Sauerstoff zu transportieren, ohne dass andere Blutfunktionen zu stark benachteiligt werden. Die Nicht-Newtonschen Eigenschaften des Blutes sorgen daffir, dass sich die BlutkSrperchen in der Kernstr6mung der Adern ansiedeln und in Wandn~he lediglich das Blutplasma flief~t. Damit wird der Reibungsverlust an der Adernwand verringert. Der Blutpuls des Herzens erzeugt in der N~ihe der Arterienw~inde temporKre Geschwindigkeitsprofile mit %Vendepunkten, die eine him'eichende Bedingung ffir die Transition zu einer turbulenten Str6mung mit h6heren Reibungsverlusten ist. Der Blutpuls ist aber gerade so kurz, dass in den grof~en Arterien die Transition zu einer turbulenten Str6mung sich nicht ausbilden kann.
Der arterielle Kreislauf (siehe Abbildung 1.2) baut den hohen Druckpuls des Herzens yon der Aorta ausgehend fiber die grof~en Arterien und Arteriolen in bis zu 30 Verzweigungen bis hin zur Mikrozirkulation in den Kapillaren ab. Die groi~en Arterien sind entsprechend der Abbildtmg 1.8 in drei Schichten aufgebaut. Die Innenwand (Intima), die den Fluidraum fiir die pulsierende BlutstrSmung bildet, besteht aus einer Lage Endothelzellen, die yon feinen kollagenen Fasern und einer strukturierten elastischen Membran umgeben sind. Die Mittelschicht (Media) wird yon einer dichten Schicht radial- und spiralf6rmigen glatten Muskelfasern gebildet, zwischen denen elastische Bindegewebsfasern liegen. Die Auf~enhaut (Adventitia) verbindet das Gefdg re_it der Umgebung und besitzt l ~ g s verlaufende, elastische und kollagene Fasern, in die auch glatte Muskelzellen eingebettet sind. Die grof~en herznahen Arterien sind durch eine dicke Innenschicht und dichte elastische Netze charakterisiert. Sie bilden mit der Aorta ein Volumenreservoir, das einen kontinuierlichen Blutfluss im Kreislauf garantiert. Die Oberfl~iche ist hydraulisch glatt und die Adernw~xlde sind wie die Delfinhaut viskoelastisch. Die Innenwaxld, die den Fhfidraum der Nicht-Newtonschen BlutstrSmung begrenzt, erffillt mehrere Funktionen. Sie verhindert Infektionen und die Thrombenbi_ldung. Bei Verletzungen l~isst sie jedoch die Blutgerinmmg und das Anlagern von weigen Blutpl~ittchen zum Verschliegen der Wunde zu. Die Venen
Abb. 1.8: Arterien
1.1 Biologische Oberfl~.chen
9
haben im Niederdruckteil des Blutkreislaufes eine wesentlich dtinnere Wand als gleichgrofge Arterien. Sie shld wie die Arterien in drei Schichten aber wesentlich lockerer aufgebaut. Dies gilt vor ahem ftir die Muskelschicht. Den Blutrtickstrom in den Venen verhindern die VenenMappen. Alle beschriebenen Eigenschaften biologischer Oberfl~chen lassen sich in der Tech~ik ffir die untersckiedlichsten Anwendungsf~lle nutzen, wie im folgenden Einf~krungskapitel 1.4 und in jedem weiteren Kapitel ausgeffihrt wird.
10
1.2
1 Einffihrung
Fliegen und S c h w i m m e n
Die natfirliche Evolution hat in 300 Millionen Jahren die Fortbewegung von Lebewesen in vielfiiltiger Weise wie Kriechen, Laufen, Schwimmen und Fliegen entwickelt. Dreiviertel aller Tierarten kSnnen fliegen oder schwimmen. Der Antriebsmechanismus fliegender VSgel und schwimmender Fische ist in Form von Krgften auf der Basis der Impuls- und Energiebilaxtz zwischen dem Tier und seiner Umgebung gegeben. Ffir die Fortbewegung muss der Vogel beziehungsweise der Fisch eine Kraft auf seine Umgebung ausfiben. Die Fortbewegung resultiert dann aus der Reaktionskraft. Die in Abbildlmg 1.9 daxgestellte Energie Ev ist die Energie der Lebewesen, die verbraucht wird, urn die Masse von 1 kg auf einer Wegstecke von 1 m fortzubewegen. Sie ist fiber der Masse m d e r Lebewesen aufgetragen. Der Energieverbrauch wird dabei fiber den Sauerstoffverbrauch des Lebewesens gemessen. Es zeigt sich, dass kleinere Lebewesen einen h6heren Energieverbrauch aufweisen als gr6gere Lebewesen. F fir eine vorgegebene K6rpergrSge ist das Laufen am energieaufwendigsten. Schwimmen ist eftizienter als Fliegen. Da ein Lebewesen fiber seinen KSrper Wiirme verliert, die Wfixmeerzeugung jedoch re_it dem Volumen des KSrpers wgchst, ist ein Lebewesen umso energieeftizienter je grSger es ist. Dies hat zur Entwicklung der Dinosaurier geffihrt. Umweltereignisse vie ein Meteoriteneinschlag auf die Erdoberfl~iche haben jedoch diese Entwicklung der Evolution korrigiert. Da die meisten schwimmenden Lebewesen sieh auftriebsneutral im Wasser verhalten, wird die meiste Energie ffir den Vortrieb beim Sehwimmen verbraucht. Insekten und VSgel mfissen mit ihxem Flfigelsehlag Vortrieb und Auftrieb erzeugen, was mehr Energie verbraueht als das Sehwimmen. Beim Laufen spielt der aerodynamisehe Widerstand eine untergeordnete Rolle. Die meiste Energie beim Laufen wird in den Muskeln dissipiert. Den geringsten Energieverbraueh haben aufgrund der in Kapitel 1.1 besehriebenen Oberflfiehenbesehaffenheit bei verringertem Reibungswiderstand Delfine und Pinguine. Bewegt sich ein Tier durch das StrSmmlgsmedium, muss die ldnetische Energie und Reibungsdissipation in die Energiebilanz der Fortbewegung einbezogen werden. Sehwebende Insekten und VSgel erzeugen mit abl6senden Wirbeln den erforderliehen Auftrieb. Der Sehwartzflossensehlag des Fisehes verursaeht in den Wendepunkten der Bewegung eine
Ev
J kg.m 10 3 10 2
I01 10 o
Deltin
10-1 I
I
10 6
10-5
I
10 -4
I
10-3
I
10-2
I
10-1
I
10 ~
I
101
I
10~
I
103 m ] k g
Abb. 1.9: Energieverbrauch Ev ffir die Fortbewegung yon Lebewesen
1.2 Fllegen und Schwimmen
11
dreidimensional abge15ste Wirbelstruktur, die den Vortrieb erzeugt. Die Impuls~hlderung beim Schwimmen und Fliegen ist durch das Zeitintegral der hydrodyna~lischen und aerodynamischen Kr~fte gegeben, die auf den KSrper wirken. Die Grundlagen und Grundgleichungen fiir deren Berechnung werden in den folgenden Kapitehl beha~delt.
Fliegen Die Natur hat in 300 Millionen Jahren Flugerfahrung das Fliegen mehrmals erfunden. Es haben sich blsekten, Flugsaurier, Fledermguse und VSgel entwickelt, die den Vorw~rtsflug, das S c h w e b e n und Gleiten beherrschen. Insekten sind virtuose Flieger und fliegen schon langc vor dcn VSgcln. Libcllcnfliigcl sind cxtrcm lcicht und trotzdcm stabil. Sic sind Vorbild f'tir ultra]eichte Tragflgchen. Die Abbildung 1.10 zeigt den Flfigelschlag ekeer Libelle. Sie sind die Flugkiinstler unter den Lasekten. Ihre vier Fliigel werden von mehreren Muskelpaketen direkt angetrieben und erreichen damit eine au[~erordentlich gute Steuerbarkeit und Wendigkeit. Die Vorder- und Hinterfliigel schlagen zwar mit gleicher Frequenz aber gegensinnig. Der Aufschlag der Vorderfliigel f'/~llt zusammen mit dem Abschlag der Hketerflfigel. Damit befindet sich jederzeit eke Flfigelpa,ur in der ffir den Vortrieb wichtigen Phase des Abschlags. Der lange und dfinne Hinterleib sorgt mit seinem ausgleichenden Hebelarm fiir die notwendige Stabilltgt. Beim Auf- und Abschlag der Flfigel werden instation~re aerodynamische Krgfte zur Erzeugung des erforderlichen Auf- und Vortriebs genutzt. An der Flfigelvorderkante kommt es zur periodischen WirbelablSsung. Durch die Drehbewegung der Fliigel an den Umkehrpunkten des Fliigelschlages wird aerodynamische Zirkulation und damit Auftrieb erzeugt. Die aktuelle UmstrSmung eines Flfigels wird durch die StrSmung des vorangegangenen Fliigelschlages beeinflusst. Deshalb beziehen hlsektenfliigel kinetische Energie aus dem Nachlauf des vora~gega~genen Fliigelschlages. Die zwei spiegelbildhch schlagenden Fliigelpaare der Libelle erzeugen Flfigelvorderkantenwirbel im Umkehrpunkt eines jeden Fliigelschlages. Beim darauffolgenden Flfigelschlag werden die vorangegangenen Abschlagwirbel zur Auftriebserzeugung genutzt. Dabei h~ngt die Wechselwirkung zwischen dem Nachlauf des Vorderflfigels und dem Hinterfliigel vonder kinematischen Phasenlage zwischen
A b b . 1.10: Flfigelschlag der Libelle
12
1 Einffihrung
Vorder- und Hinterkantenflfigel ab. Insektenflfigel verffigen auf ihrer Flfigelauffenseite und an der Hinterkante entsprechend dem Gefieder des beschriebenen Eulenflfigels feine Noppungen und H~chen, die die Tendenz zur StrSmungsablSsung bei grogen Anstellwinkeln der Flfigel verringern. Mit diesen instationiiren aerodynamischen Eigenschaften erzeugen Insektenflfigel bei jedem Flfigelschlag zwei bis drehnal so viel Auftrieb wie ein Flugzeug.
Der Flfigelschlag der VSgel ist zwar weniger filigran als der von Insekten, aber aerodynamisch genauso effektiv zur Erzeugung des Vor- und Auftriebes. Die Vogelflfigel sind im Gegensatz zu den Insektenflfigeln profiliert (Abbildung 1.11). Der Vortrieb entsteht dadurch, dass der Abw~h'tsschlag mit groger Kraft und der Aufw~irtsschlag bei durchl~sigem Gefieder und mSglichst geringem Widerstand ausgef'fi_hrtwird. Den gr6gten Anteil des Vortriebs liefern beim Vogel die ~iu~eren Teile des Flfigels, die den gr6gten Tell der Vertil~lbewegung zurficklegen. Dabei wird die Anstellung verschiedener Profilschnitte des Flfigels im Verlauf einer Schwingungsperiode durch die Deformation des Flfigels ver~h~dert. Der innere Teil des Flfigels erzeugt im Wesentlichen den Auftrieb. Dabei wizd kontinuierlich die Anstelhng und Form des Flfigels im Verlauf einer Schlagperiode veriindert. Der innere Teil des Vogelflfigels erzeugt den Auftrieb. Die Abbildung 1.12 zeigt mehrere Phasen des Flfigelschlages der Kraniche. Tausende Kraniche fliegen auf Lhrem Weg von Skandinavien, dem Baltikum und der Ukraine nach Sfidfrankreich und Spalfien mit Herbstbeginn fiber Deutschland. Sie legen t~glich bis zu 1000 km zurfick. In Asien fiberqueren Kraniche und Streifeng~nse auf Lhrem Flug nach Indien den Himalaja in 9000 m HShe. WeigstSrche der Abbildung 1.11 fliegen von Deutschland 10000 km in ihre Winterquaxtiere nach Sfidafrika. Sie nutzen dabei die Thermik und lassen sich 2000 m in die HShe tragen um dram bis zu 400 km am Tag yon Thermkk zu Thermik zu segeln. Die Pfuhlschnepfe legt ohne Pause 11500 km yon Alaska nach Neuseeland zurfick. Den Langstrecken_rekord h ~ t die Kfistenseeschwalbe. Sie fiiegt zum Uberwintern vonder Arktis in die Antarktis und unLkreist einmal im Jahr die Erde. Danfit erreichen ZugvSgel gleiche HShen und Langstrecken wie die Verkehrsflugzeuge. Lediglich in der Fluggeschwindigkeit hat die Technik die Evolution der Natur mit Fluggeschwindigkeiten bis zu 950 km/h in l0 km HShe welt fibertroffen.
Abb. 1.11: Profilschnitte und Bahnlinien des Storchenfluges
1.2 Fllegen und Schwimmen
13
A b b . 1.12: Flfigclschl&g der Kranichc
Der G l e i t f l u g ist die emzienteste Art der Fortbewegung ohne grof~en Energieverlust. Man unterscheidet La~dsegler wie den Andenkondor mit einer Spannweite von 3.2 m u n d Meeressegler wie den Albatros mit einer Spazmweite von fiber 4 m und einer Spitzengeschwindigkeit bis 1 l0 km/h (Abbildung 1.13). Beide beherrschen den dynamischen Segelflug auf unterschiedliche Weise. W~ihrend der Kondor die Thermik der Gebirgsw~de nutzt, ist es beim Albatros die Windgrenzschicht fiber den MeeresweUen, die den erforderlichen Auftrieb bewirkt. Der Kondor hat einen nahezu rechteckigen Flfigel mit einer stark gewSlbten Vorderkante um den erforderlichen Auftrieb bei minhnalem Gesa~ltwiderstand zu erzeugen. Der induzierte Widerstand der Flfigelra~dwirbel wird durch das Spreizen von 7 Endfedern der Handschwingen verringert. Die Flfigelkinterkante ist wie bei der bereits beschriebenen Eule gezackt, was den Nactflaufwidersta~d gering h ~ t . Der Albatros zeigt einen langen und schmalen Flfigel, der einen verh~ltnisms geringen Widerstazld aber groi~e Gleitgeschwindigkeit und hohe Flugstabilit~t aufweist. Dabei betrs die Fl~chenbelastung des Flfigels etwa 16 kg/m 2. Der Windsegelflug des Albatros
A b b . 1.13: Lmld- und Meeressegler
14
1 Einffihrung
spielt sich etwa in einer Schicht von 30 m in der Windgrenzschicht fiber der Wasseroberfl~che ab. Hier fiiegt der Albatros regelm~f~ige Kurven, wobei der Anstieg stets gegen den Wind dicht fiber dem Meeresspiegel im Bereich geringer Windgeschwindigkeit der Grenzschicht begilmt. Beim Anstieg in den Bereich grSf~ererWindgeschwindigkeiten gewilmt der Albatros Auftrieb und verliert an Geschwindigkeit. Nach einer Kurve folgt der Abstieg mit Seitenwind und aJles otme FlfigelschJag. Beim Abw~'tsgleiten gewinnt der Albatros Geschwindigkeit und erh~t damit den Schwung ffir den n~chsten Aufstieg. Da der Albatros auf den Wind aagewiesen ist, kolmnt es vor, dass er durch Stfirme auf die NordhaJbkugel gelangt. Da er ohne Wind nicht flugf'db_igist, kmm er anschlie~end die windstiJJen Gebiete im Bereich des Aquators nicht mehr fiberqueren und verbleibt oft mehrere Jahre auf der Nordhalbkugel. Der Albatros ist ein exzellenter Meeressegler, hat jedoch aufgrund der grof~en Flfigelsparmweite Probleme bei Start und Landung. Er benStigt zum Abheben eine Windgeschwindigkeit von mindestens 12 km/h und einen langen Startanlauf. Bei der langen Gleitlandung kann er sich aufgrund zu hoher Geschwindigkeit leicht fiberschlagen. Kolibri und Turmfalken beherrschen wie die Insekten den Schwebeflug. Der Kolibri kann seine Flfigel in einer horizontalen Ebene so schwingen und verdrehen, dass er kontinuierlich Auffrieb erzeugt (Abbildung 1.14). W~hrend beim Vorsctflag die Flfigeloberseite nach oben zeigt, ist die Verwindungsdrehung beim Rfickschlag so stark, dass dabei die Flfigelunterseite nach oben schaut. Dabei wird die W61bung des Flfigelprofils entsprechend der ver~nderten Anstr5mung ebenfalls umgedreht. Wir greifen Kapitel 3.2 fiber die geometrische und dynaafische Ahnlichkeit voraus und ffihren zwei dimensionslose Kennzahlen ein. Die R e y n o l d s - Z a h l besct~reibt das Krs verh~ltnis von Tr~gheitskraft zu Reibungskraft: ReL
L/. L //
,
(1.1)
mit der Fluggeschwindigkeit L/, der charakteristischen L~inge L, ffir den Vogelfifigel die Profiltiefe und der kinematischen Z~kigkeit Ffir Luft bei Normalbedingungen u 1.5. l0 ~ m/s. F ~ StrSmungen mit ldeinen Reynolds-Zahlen dominiert die Reibungskraft und bei StrSmungen gro~er Reynolds-Zahlen dominiert die Trs So passt
Abb. 1.14: Schwebeflug des Kolibris
1.2 Pllegen und Schwimmen
15
sich der Vor- und Auftriebsmechanismus des Insekten- und Vogelftuges den jeweiligen Reynolds-Zahlen der StrSmung an. Die instationgre StrSmung des Flfigelschlages wird durch die S t r o u h a l - Z a h l charakterisiert, die das Verhgltnis von lokaler Beschleunigung zur Tr~igheitskraft beschreibt ,~t?"
L.f U
'
(1.2)
mit der Schlagfrequenz f des Flfigels. Der Reynolds-Zahlbereich beim Fliegen reicht yon 10 1 ffir kleine Insekten bis zu 107 ffir sehnell fliegende VSgel. Dabei erreieht der Turmfalke beim Sturzflug Spitzengesehwindigkeiten bis zu 290 km/h. Dem Reynolds-Zahlbereich angepasst sind die Schlagfrequenzen der Flfigel. Sie reiehen v o n d e r reibungsdominanten UmstrSmung yon 1000 Hz ffir Mficken fiber 45 Hz des Kolibris bis zur trggheitsdominanten StrSmung der Segler von 1 Hz ffir den Kondor beziehungsweise Albatros. Dem entsprechen die Strouhal-Zatflen von 0.1 bis 0.3. Schwiml"nen Die Reynolds-Zahlen beim Schwimmen reichen von 10 ~ fiir Bakterien und 5 910 a bei Einzellern bis zu 5. l0 s ffir Fische und l0 s bei Walen. Der Strouhal-Zatflbereich der Fortbewegung geht von 8 bis 0.15. Da das Schwimmen der Lebewesen nahezu auftriebsneutral ist, haben sich in der Natur entsprechend dem Reynolds-Zahlbereich unterschiedliche Formen des Vortriebs entwickelt. Bakterien und Einzeller bewegen sich mit Wimpern und Geigel_n fort. Dabei treibt die oszillierende Bewegung der Geigel den Einzeller voran. Diese Wellenbewegung ist bei den Fischen lediglich im letzten Drittel des KSrpers ausgebildet und dient dem langsamen Schwimmen. Der grSgte Teil des Vortriebs wird von den schnell schwimmenden Fischen mit dem periodischen Schwanzflossenschlag erzielt. Dabei erreichen die Hale Spitzengeschwhldigkeiten bis zu 90 kin/h, indem sie den Wellenmodus der Fortbewegung im hinteren Teil des KSrpers durch ein druckgesteuertes Erstarren der Fischhaut ausschalten. Der Auftrieb des Fisches im Wasser wird in der Regel mit der Fischblase kompensiert. Schnell schwimmende Fische wie Haie kompensieren den Auftrieb mit seitlichen Flossen. Die F o r t b e w e g u n g d e r E i n z e l l e r erfolgt durch eine transversale Wellenbewegung entlang der Geigeln (Abbildung 1.15) mit ansteigender Amplitude zum Geigelende. Betr'gg~
A b b . 1.15: Fortbewegung von Einzellern und Fadenwfirmern
16
1 Einffihrung
die Wellengeschwindigkeit V, ergibt sich aufgrund der Wellenbewegung eine Vorw/irtsgeschwindigkeit des Einzellers der GrSgenordnung U 0.2. V. Ganz entsprechend bewegen sich Fadenwiirmer einer Lgnge von etwa 1 mm mit der Reynolds-Zahl 1. Die Geschwindigkeit der Welle entlang des KSrpers betr~igt V 1 mm/s. Die resultierende Vorwfirtsgeschwindigkeit ergibt beim Fadenwurm U 0.4. V. Der Grund fiir die gegeniiber dem Einzeller vergrSgerte Vorw/irtsgeschwindigkeit liegt darN, dass keine zusfitzliche Kopfzelle bewegt werden muss. Dabei betrggt die Amplitude der Transversalbewegung des Wurmendes ein Vielfaches gegeniiber der Transversalbewegung mn Kopfende. GrSgere W/irmer erreichen bei einer L/inge yon 10 em beim Schwimmen ReynoldsZahlen bis zu 10a bei Fortbewegungsgeschwindigkeiten von 10 mm/s. Die transversalen Wellen entlmlg des KSrpers erzeugen auch hier den Vortrieb. Aale nutzen die Transversalbewegung der Riickenflosse fiir das langsame Schwimmen. Bei grSgeren Geschwindigkeiten bewegt sich der gesamte KSrper wellenfSrmig fort. Ein/ihnliches Bild zeigt die Wellenbewegung des F1/igels des Mantarochens der Abbildung 1.16. Der Vortrieb wird auch bei runden Spezies durch ein periodisches Aufdicken und Verjiingen verursacht. Dabei wird durch eine Richtungsgnderung der WeUe entlang des KSrpers die Vorw/irts- und Riickw~irtsbewegung ermSglicht. Kaulquappen und Kraken nutzen den Riickstog eines Strahlantriebes zur Fortbewegung. Bei gr6geren Reynolds-Zahlen ist aufgrund der dominanten Tr/igheitskraft die Wellenbewegung des gesamten K6rpers ineftizient. Deshalb ist beim S c h w i m m e n des Fisches entsprechend der Abbildung 1.17 lediglich das letzte Drittel des KSrpers an der Wellenbewegung beteiligt. Der grSgte Tell des Vortriebs wird durch die periodische Bewegung der Schwanzflosse erzeugt, die periodisch abl6sende Wirbel im Nachlauf und damit Str6mungsverluste verursacht. Deshalb hat die Evolution je nach Reynolds-Zahl der Fortbewegung im Wasser den Druckwiderstand durch geeignete Formgebung des K6rpers, den Reibungs-
A b b . 1.16: Wellenbewegung der Rochenfliigel
1.2 Fliegen und Schwimmen
17"
Abb. 1.17: Vortrieb des Fisches
widerstand durch die Oberfl/ichenbeschaffenheit der Fischhaut und den induzierten Widerstand durch eine geeignete Profilierung der Schlagflosse optimiert. So haben Delfine und Pinguine eine bezfiglich des Gesamtwiderstandes optimale K6rperform. Es ist das Stummelfederldeid des Pinguins, das die Grenzschicht durch Ausgasen derart beeinflusst, dass der Reibungswiderstand reduziert wird. Wie in Kapitel 1.1 ausgeffihrt wurde, erreicht der Delfin den selben Effekt mit einer schleimigen Oberfl~iche, die den laminar-turbulenten (Jbergang in der Grenzschicht d~impft und durch Zugabe von geringffigigen Mengen von Polymeren in das umstr6mende Wasser den Reibungswiderstand verringert. Schnell schwilmnende Fische wie der Hal (Abbildung 1.18) verhindern die Querkomponenten der Schwaxtkungsgeschwindigkeit in der viskosen Unterschicht der Grenzschicht durch L/ingsriUen der Schuppen und erreichen damit kurzzeitig Spitzengeschwindigkeiten bis 90 km/h. Die Fische verffigen fiber zus/itzliche Schwimmflossen, um die vom Flossenschlag erzeugten Roll- und Giermomente ausgleichen zu kSnnen. Sie erlauben auch, trotz der dominanten Tr~igheitskraft bei groigen Reynolds-Zahlen, das Abbremsen sowie abrupte Richtungs~inderungen beim Schwimmen. Die E n e r g i e e i n s p a r u n g im Gesamtsystem der Lebewesen wie auch in Teilvorg/ingen hat
Abb. 1.18: Schwimm- und Sctflagflosse des Hais
18
1 Einffihrung
in der Natur Vorra~g. Eines der Erfolgskonzepte von Lebewesen ist, dass sie mit wenig Energie einen mSglichst grogen Erfolg erzielen. J. Gray hat bereits 1936 mit einer einfachen station~en Energiebetrachtung ffir das Schwimmen der Fische bereclmet, dass die Muskelkraft der Fische zum Schwimmen nicht ausreicht. Neuere Arbeiten zeigen jedoch, dass Grays Paradoxon eine historische Fugnote bleibt. Die Arbeitsleistung eines Muskels h~h~gt entscheidend davon ab, wie lange die Kraftwirkung aufrecht erhalten wird. Insofern reicht die Muskelkraft der Fische sehr wohl aus, um kurzzeitig hohe Schwimmgeschwindigkeiten zu erreichen.
1.3 Blutkrelslauf 1.3
19
Blutkreislauf
Der B l u t k r e l s l a u f des menschlichen K6rpers wh'd vom H e r z e n angetrieben. Das Herz pumpt mit nur 1 W Leistung in jeder Minute etwa 51 Blut in den Kreislauf. Die Pumpleistung ka~m sich bei kSrperlicher Belastung auf 20 bis 301 pro Minute erhShen. Der Blutkreislauf besteht aus zwei getrennten, fiber das Herz untereinander verbundenen Teilkreisl'/iufen. Man bezeichnet den einen 'als K6rperkreislauf und den anderen 'als Lungenkreislauf. Der Gesamtkreislauf siehert den Gasaustauseh zwisehen dem Stoffweehsel im mensehliehen Gewebe und der Luft der Atmosphgre. Der K S r p e r k r e i s l a u f der Abbildung 1.1 beginnt mit der Aorta, die sieh in groge Arterien verzweigt. Zum Kreislauf geh6ren KSrperkapillaren, fiber die das Blut einen Teil seines Sauerstoffs abgibt und Kohlendioxid aufnhnmt. Aus den Kapillaren fliegt das Blut in die K6rpervenen, fiber die es wieder dem Herzen zugeffitu't wird. Vom Herzen wird das Blur in den L u n g e n k r e i s l a u f gepumpt, der sieh aus den Lungenm'terien, -kapiUaren und -venen zusammensetzt. In den LungenkapiUaren gibt das Blut einen Teil seines Kohlendioxids ab und nimmt soviel Sauerstoff auf, wie es vorher an das K6rpergewebe abgegeben hat. Der aus biostrSmungsmeehaniseher Sieht interessante Teil des Blutkreislaufes ist der Arterienkreislauf, der dureh pulsierende Einlaufstr6mungen, Sekund/irstr6mungen in Adernkrfimmungen und Verzweigungen sowie der quasistation/iren Str6mung in den Arteriolen und Kapillaren mit dem Gas- und Stoffaustauseh gekemlzeiehnet ist. Die Reynolds-Zahlen der Blutstr6mung in den Arterien liegen zwisehen einhundert bis mehreren Tausend. Der Str6mungspuls des Herzens verursaeht in den ldeineren Arterien eine periodisehe laminare StrSmung und in den grSgeren Arterien eine transitioneUe S t r g m u n g . Der ()bergang zur turbulenten ArterienstrSmung wird dabei von tempor~iren Wendepunktprofilen eingeleitet. Diese treten bei der instationiiren RfiekstrSmung in der N~ihe der Arterienwand w/fhrend der Relaxationsphase des Herzens auf. Die Zeit eines Herzzyldus reicht jedoch nicht aus, dass sich eine ausgebildete turbulente StrSmung einstellt. Je kleiner die Arterienverzweigungen werden umso geringer maeht sieh die pulsierende StrSmung des Herzens bemerkbar. In den gekrfimmten Arterien und insbesondere in der Aorta bilden sieh aufgrund der Zentrifugalkraft Sekund~irstrgmungen aus. Dabei entsteht eine Gesehwindigkeitskomponente senkreeht zu den Stromlinien, die eine Zirkulationsstr6mung in Riehtung der Augenwand verursaeht. Diese wirkt stabilisierend auf den Transitionsprozess in der Wandgrenzsehieht. Die Peak-Rey-nolds-Zahlen des Str6mungspulses steUen sieh beinl gesunden Mensehen so ein, dass die Sekund~irstrSmung in der Krfimmung des Aortenkanals das Einsetzen der Turbulenz verhindern, die einen erhShten StrSmungsverlust in den Arterien zur Folge hat. Die besehriebene instation/ire transitionelle StrSmung in der wandnahen Grenzsehieht erfolgt wfilarend der Abbremsphase des Pumpzyklus des Herzens. Die BlutstrSmung, die das Herz verlfisst, wird in bis zu 30 Verzweigungen unterteilt bis hin zur M i k r o z i r k u l a t i o n von mehreren hundert MiUionen kleinen individuellen Str6mungen in Adern mit einigen hundert Mikrometer Durehmesser beziehungsweise in Kapillaren von weniger als 10 Mikrometer Durehmesser. Vom Ventrikelausgang des linken Herzventrikels in die Aorta sowie naeh jeder Verzweigung bildet sieh eine E i n l a u f s t r S m u n g . Die L/inge der EinlaufstrSmung hn geraden Rohr des
20
1 Einffihrung
Durchmessers D betriigt etwa 0.03 9 R e D 9 D . Daxaus ergibt sich, dass der gr6gte Teil der Arterien nach den Verzweigungen durch Einlaufstr6mungen charakterisiert sind und sich damit keine kdassische gemittelte RohrstrSmung einstellt. Betrachtet man den grogen Bogen der Aorta in Abbildung 1.1, so kann man aufgrund der EinlaufstrSmung trotz der grogen Kriinmmng keine ausgebildete Sekund/irstrSmung erwm'ten. Der Druckpu]s des Herzens erzeugt eine A r t e r i e n e r w e i t e r u n g von etwa 2 %. Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Druckwelle in den viskoelastischen Arterienwgnden ist etwa ffinf mal grSger als die maximale Blutgeschwindigkeit. Betrachtet man den Druckpuls mit der Kreisfrequenz ca, so hfingt dieser kritisch vom Verhgltnis des Arteriendurehmessers D und der oszillierenden Grenzsehiehtdieke V/-~-/ca ab. Nimmt man ffir die Zghigkeit des Blutes 4 910 6 m2/s und ffir die Kreisfrequenz des Blutpulses ca 8 s 1 ergibt sieh ffir die Grenzschiehtdieke ~ etwa 0.7 mm. Ffir die grogen Arterien ist das Verhfiltnis des Arteriendurehmessers D zur Grenzsehiehtdieke v o n d e r Gr6genordnung 20. Daraus folgt, dass die Geschwindigkeitsverteilung fiber dem Arterienquerschnitt nahezu gleiehf'drmig ist. Anderungen der Geschwindigkeitsverteilung ergeben sich lediglieh in der Wandgrenzschieht, die 5 % des Arteriendurchmessers ausmaehen. Daraus resultiert, dass fast der gesamte Druekgradient des Blutpulses in Beschleunigung umgesetzt wird. Dabei hat die Str6mung gegenfiber dem Druekgradienten eine Phasenverschiebung von nahezu 90 ~ Diese verringert sieh in der Grenzsetficht ffir die Wandsehubspannung auf lediglieh 45 ~ Der B l u t p u l s des linken Herzventrikels hat in der Aorta eine Ausbreitungsgeschwindigkeit von 5 m/s. Dabei handelt es sich nicht nur um eine vom Herzen ausgehende laufende Welle. Jede Arterienverzweigung verursacht reflektierte Wellen, die dem urspr/inglichen
A b b . 1.19: Schnittbilder des Herzens und Str6mungsberechnung w ~ r e n d der vier Phasen des Herzzyldus
1.3 Blutkreislauf
21
Druck- und Geschwindigkeitspuls fiberlagert werden. Daraus ergibt sich bl den Arterien ein intermittierender Chm'akter einer laufenden und einer stehenden WeUe. Das hat zur Folge, dass die Aorta als V o l u r n e n r e s e r v o i r ffir den Herzausstof~ wirkt und ffir einen nahezu kontinuierlichen Volumenstrom der Blutzirkulation sorgt. Der Blutkreislauf wird vom menschlichen Herzen angetrieben. Das H e r z besteht aus zwei getrennten Pumplmmmern, dem linken und rechten V e n t r i k e l und den V o r h S f e n , die vom Herzmuskel gebildet werden (Abbildung 1.19). Der rechte ~brhof erh~ilt sauerstoffarmes Blur aus dem KSrperkreislauf. Der rechte Ventrikel ffillt sich anschliel~end mit dem Blut aus dem rechten Vorhof, um sich bei seiner Kontraktion in den Lungemkreislauf zu entleeren. Das dort reo~genierte Blur erreicht den linken ~brhof und wird vom linken Ventrikel in den KSrperkreislauf gefSrdert. Die "VbrhSfe und Ventrikel sind durch die Atrioventrikularklappen getrennt, die die Ffillung der Herzventrikel regulieren. Die rechte Klappe weist drei Segel auf, weshalb sie Trikuspidalklappe genannt wird. Die linke Bikuspidalklappe verfiigt fiber zwei Segel und wird Mitralklappe genannt. Die Segelklappen bewirken, dass sich die VorhSfe zwischen den Herzschl~igen mit Blut ffiUen k51men und verhindern die BlutrfickstrSmung w~ihrend der Ventrikelkontraktion. W~_rend der Ventrikelrelaxation verhindert die Aortenklappe den Blutrfickstrom aus der Aorta in den linken Ventrikel und die Puhnonalklappe den Rfickstrom aus der Pulmonalarterie in den rechten Ventrikel.
A b b . 1.20: Druckverlauf in der Aorta mid der Pulmonalarterie im linken und rechten Ventrikel w~_rend des Herzzyldus, To 0.8 s
22
1 Einffihrung
Die Ventrkkel durchlaufen w~_rend der Herzzyklen eine periodische Kontraktion und Relaxation. Dieser Pumpzyklus geht mit Anderungen des Ventrikel- und Arteriendruckes einher. In Abbildung 1.20 sind die Druckverl~ufe in der linken und rechten Herzkaznmer dargestellt. Der Gesamtzyklus kazm in vier Phasen unterteilt werden. Die isovolumetrische Ventrikelkontraktion nennt man Ffillungs- (1) und Anspannungsphase (2), die isovolumetrische Ventrikelrela~xation Austreibungs- (3) und Entspannungsphase (4). Die Phasen (2) und (3) der Ventrikelkontraktion werden Ms S y s t o l e und die Phasen (4) und (1) der Ventrikelerschlaffung als D i a s t o l e bezeichnet. Die Ventrikelffillung erfolgt w~_rend der Phase (4). Dabei ist der Druck im linken Vorhof nur welfig hSher als im linken Ventrikel. Deshalb ist die Mitralklappe often und das Blur flief~t aus den Lungenvenen in den Vorhof und welter in den linken Ventrikel. Sowie sich das Fiillungsvolumen erh6ht und der Ventrikel sich ausdehnt, steigt der Ventrikeldruck an. Der Druck in der Aorta ist erheblich grSf~er, so dass die Aortenklappe geschlossen bleibt. Der Arteriendruck sinkt w~lrend der sich anschlief~enden Diastole entsprechend dem Blutabfluss in das arterielle Gef'~system kontinuierlich ab. Die Phase der passiven FfiUung wird //fit der Vorhofkontraktion beendet. Mit dem Beginn der Ventrikelkontraktion steigt der Ventrikeldruck fiber den des Vorhofes, wodurch sich die Mitral -klappe sctflief~t. Bei geschlossenen Klappen kontrahiert der Ventrikel um ein konstantes Blutvolumen. W~_rend diese den Ventrikeldruck auf 166 mbar erhSht, setzt sich die Druckabnahme ill den Arterien fort. Die Aorteifldappe wird geSftnet, wenn der Ventrikeldruck fiber den in der Aorta steigt. Jetzt wird eine konstante Blutmenge
Win1 ~, EndDiastole 120 ~
_
S
c
h
l
a
g
-
~ V o l u m e n
6O 0 0
0.5 Vvn~ikel Volumvn
1
t/To
( ~ Ausstr6m~n
150 100
|
|
Relaxation
Kontraktion
50 s
0 1
~
,Q 60
120
v/ml
p-V Diagramm A b b . 1.21: Druck-Volumen-Diagramm und Volumenausstof~ des linken Ventrikels w~hrend eines Herzzyklus
1.3 B l u t k r e i s l a u f
23
in die Aorta ausgestogen. Wiihrend das konstante Blutvolumen in die Aorta gepresst wird, steigt der Aortendruek von seinem Minimalwert yon 107 mbar auf seinen Maximalwert von 160 mbar an. Naehdem die Ventrikelrelaxation eingesetzt hat, f'dllt der Ventrikeldruek unter den m'teriellen, wodureh die Aorten- und Puhnonalklappen gesehlossen werden. Es folgt die Phase der isovolumetrischen Relaxation. Diese erste Phase der Diastole dauert so lange, bis der Ventrikeldruek unter den Vorhofdruek gesunken ist. Nunmehr 5ffnet sieh die Mitralklappe und der Herzzyklus begilmt mit der n~chsten Ffillphase yon Neuem. Das Druck-Volumen Diagramm der Abbildung 1.21 zeigt die Ffillung des linken Ventrikels (1) entlang der Ruhedehnungskurve, die isovolumetrisehe Kontraktion (2) sowie das Entleeren (3) und die isovolumetrisehe Relaxation (4). Die umlaufene Fl~iehe stellt die systoliseh geleistete Arbeit des linken Herzventrikels dar. Diese betrfigt etwa 1 W. Bei Belastung versehiebt sieh das Arbeitsdiagramm entlang der Ruhedehnungskurve zu grSgerem Ventrikelvolumen und hSherem Druek. Die VergrSgerung der Herzffillung ffih_rt zu einer ErhShung der Herzarbeit. Bei erhShtem Aortendruek 5finer die Aortenklappe sp~iter, so dass die Phase der isovolumetrisehen Kontraktion hShere Druekwerte erreieht. Das S e h l a g v o l u m e n des linken Ventrikels betrfigt im Ru_hezustand V~ 80 ml. Es verbleibt ein Restvolumen von V 40 ml im %~ntrikel. Der B l u t k r e i s l a u f lgsst sich in drei Hauptbestandteile unterteilen, dem Blutverteilungssystem, bestehend aus Aorta, groge und kleine Arterien mad Arteriolen. Diese verzweigen sich welter zu den Kapillaren, in denen der Gas- und Stoffaustausch fiber die Mikrozirkulation per Diffusion erfolgt. Die BlutrfickstrSmung geschieht fiber die Venolen, ldeine trod groge Venen und der Vena Cava. Der mittlere Blutdruck betrfigt etwa 133 mbar beim Verlassen des linken Ventrikels. Dieser fiillt auf 13 mbar bis zur Rficld(ehr in den rechten Ventrikel ab. Die Abbildung 1.22 zeigt den mittleren Druckverlauf sowie die Druckschwankungen in den unterschiedlichen Arterienbereichen. Aufgrund der elastischen Eigenschaften der Aorta pulsiert der Druck zwischen 120 und 160 mbar um den Mittelwert. L den grogen Arterien ninunt die Amplitude der Pulsation aufgrund der Wellenreflexionen zun/ichst zu, um im Bereich der Arteriolen fiber eine Strecke von wenigen MiUinmtern drastisch bis auf einen nfittleren Wert von 40 mbar abzufallen. Ial den Kapillaxen und Venolen setzt sich der DruckabfaU
P mbar
~
linker tr
Attic
160
120 SO
ke4'=
40 0
9
t
A b b . 1.22: Druckverlauf im Arterienkreislauf
24
1 Einffihrung
fiacher fort. Schliei~lich bleiben ffir den Blutrficktra~sport in den rechten Ventrikel ein Druck yon 13 mbar iibrig. In den grot~en Venen und der Vena Cava fmdet ma~l keine Pulsation und kein nennenswertes Druckgef~lle. Gleichzeitig treten Druckwellen auf, die durch die Pulsation des rechten Ventrikels entstehen und entgegen der Str5mungsrichtung des Blutes laufen. Bemerkenswert gering ist der systolische Druck in den Pulmonalaxterien von etwa 20 mbar. Ffir die Uberwindung des StrSmungswiderstandes in den Lungengef'dtgen wird lediglich ein Druckgef'dlle von 13 bis 7 mbar benStigt. Damit verbleiben 13 bis 7 mbar Fiilldruck fiir den linken Ventrikel. Die Aorta und grof~en Arterien wirken aufgrund ihrer Elastizit~it und einem intermittierenden Zusta~d laufender und reflektierter Wellen als Volumenreservoir, das einen Tell des Schlagvolumens des Herzens speichert. Dadurch wird der Beschleunigungsa~teil des Blutpulses verringert und ein hSheres Druckniveau w~ihrend der Diastole und Systole beibehalten. Damit wird der Ausfluss in die Arterienverzweigungen gleichm~if~iger. Die Wellenform der Druck- und Geschwindigkeitspulse in den Arterienverzweigungen ist in Abbildung 1.23 dargestellt. Zwischen jedem Druckpuls kontrahieren die Arterien um etwa 5 % und halten da~lit den Bluttra~sport aufrecht. Der Druckpuls in den Arterien ist positiv auch w~hrend der Diastole des Herzens. Im Gegensatz dazu tritt in den grof~en Arterien kurzfristig eine RiickstrSmung auf. Der Nulldurchga~g der StrSmungsgeschwindigkeit erfolgt beim Schlief~en der Aortenklappe. Die Amplitude des Str5mungspulses nimmt mit zunehmender Arterienverzweigung ab und die Pulsbreite w~ichst, w ~ r e n d sich eine geringere RfickstrSmung einstellt. Die Fortbewegung des Druckpulses durch die Arterienverzweigungen ist ztm~chst mit einer Zunahme der Druckamplitude verbunden, die zum einen durch die Arterienverzweigungen und zum a~deren durch die Abnahme der
P mbar
I"
gm/s
50
0
0.4
0.8
t/s
Abb. 1.23: Druck- und Geschwindigkeitswellen in den Arterienverzweigungen, C. J. Mills et al. 1970
1.3 Blutkrelslauf
25
A b b . 1.24: Tierherzen
Elastizit~it der Arterienw~ide verursacht werden. Das Str5mungsprofil in den verzweigten Arterien wird gleichfSrmiger. Die re_itder mittleren Geschwindigkeit gebildeten Reynolds-Zahlen betragen ffir die Aorta 3600, f'tirdie grof~en Arterien 500, ffir die Arteriolen 0.7, in den Kapillaren 2. i0 3 in den Venolen 0.01, in den gro~en Venen 140 und in der Vena Cava 600. Aufgrund der zu Beginn des Kapitels beschriebenen instationgren EinlaufstrSmungen und den SekundgrstrSmungen in den Adernkrfimmungen steUt sich eine transitionelle laminare StrSmung in den Adernverzweigungen ein. Die Transition zur turbulenten StrSmung erfolgt kurzzeitig in den Wendepunkten des Geschwindigkeitsprofils in Wandn~he der Arterien, kann sich jedoch aufgrund der kurzen Zeit des Herzzyldus nicht ausbilden. In der T i e r w e l t haben sich Herzen und Blutkreisl/iufe je nach Anforderung in unterschiedlicher Weise entwickelt (Abbildung 1.24). Bei den Insekten 1/iuft das Blut in ein Rfickengef~Lf~, wo es von Flfigelmuskeln fiber Kan/fle in die offene KSrperhShle gepumpt wird. Von den Fischen fiber die Amphibien und Reptilien bis zu den V5geln und S/iugem, werden die Herzen inmler komplizierter und effizienter. Fische haben nur eine Vorkammer und ein Ventrikel, da kein Lungenkreislauf erforderlich ist. Amphibien besitzen bereits zwei Vor'kallmlem aber noch einen gemeinsamen Ventrikel, in dem das Blut gemischt wird. Bei Reptilien wird der Ventrikel bereits durch eine Scheidewand getrennt, die bei Eidechsen aber noch perforiert ist. VSgel und S/iugetiere besitzen zwei Vorkanmlern und zwei Ventrikel mit einem Lungen- und KSrperkreislanf. Jeder Ventrikel hat dabei seine eigene Antriebsmuskulatur. Die hSchste Perfektion ist beim menschlichen Herzen erreicht, das mit einer Leistung von nur 1 W den gesamten KSrperkreislauf anfrecht erh/ilt und im Laufe eines Lebens bis zu zwei Milliarden mal schl~igt.
26 1.4
1 Einffihrung Technische
Anwendung
Die nat/irliche E v o l u t i o n der Lebewesen erfolgt durch Mutation und Selektion. Die Evolution kennt kein Ziel und tiberl~st die Auswahl dem Zufall. Die Technik hingegen strebt nach Pr~zision und fehlerfreier Fertigung. Technische Entwlcklungen erfolgen zielorientiert. Lebewesen machen das Gegenteil. Aufgrund der gentectmischen Vielfalt gibt es immer Ver~inderungen, die sich einer neuen Umgebung besonders gut anpassen und sich dann durchsetzen. Ein solches Evolutionsprinzip ist f/ir die technische Entwicklung zu zeitaufwendig und damit unwirtschaftlich. Dennoch lassen sich aus der Natur zahlreiche Anregungen fiir neue technische Entwicklungen ableiten.
Selbstreinlgende technische Oberfl~ichen Die Beispiele selbstreinigender biologischer Oberfl~ichen f/ihren zur Entwicklung sctmmtzabweisender und selbstreinigender Lacke, Farben und anderer Oberfl~ichenbesckichtungen. Grundlagc dafiir ist dcr Lotuseffekt mit dcr hydrophobcn Fcixmoppung dcr Abbildung 1.3. Faxben mit einem Zusatz von Nanopaxtikeln bilden eine Matrix, die den Lotuseffekt nachbildet. Die Abbildung 1.25 zeigt das Abrollen eines Wassertropfens mit Schmutzpartikeln auf dem Lotusblatt mit einer r~iumlichen AuflSsung von 0.5 #m. Der Schmutz wixd durch die Wassertropfen vollst~indig entfernt. Der HoniglSffel erm5glicht ein Fliefgen des Honigs otme Haftung am LSffel. Selbst Kleber bleibt an der Oberfl~che nicht haften. Das Abrollen der Wassertropfen zeigt sich auch bei einer Silikon Fassadenfarbe mit Lotuseffekt. Diese ist ideal ftir die Wetterseite der Hauswand und bietet neben der Selbstreinigung erhShten Schutz gegen Moos-, Algen- und Pilzbefall. Bootslacke und Holzschutzfarben zeigen den gleichen Effekt. Sie schtitzen ebenfalls vor dem Befall von Mikroorganismen. Die Beispiele der technischen Anwendung des Lotuseffektes lassen sich fortsetzen. Selbstreinigende Oberfl~ichen von Glas, Geschirr, Textilien, Sanit~ranlagen, Tonziegel und selbst kratzfeste Versiegelungen von Autolacken zeigen das breite Anwendungsspektrum. Selbst in der Medizintechnik findet der Lotuseffekt Anwendung. Bei verschlossenen Arterien insbesondere der HerzkrasLzgef'/s werden operativ Stents aus einem flemblen Metallgertist eingesetzt, um den Blutfluss wieder herzustellen. Diese Stents sind mit Medikamenten beschichtet, die eine Neuablagerung sogenasmter Plaques verhindern sollen. Auch kier kann die Feinnoppung der Stent-Beschichtung helfen, die Ablagerungen zumindest f/Jr einen bestimmten Zeitraum zu verz5gern.
Abb. 1.25: Vom Lotuseffekt zur selbstreinigenden Fassadenfaxbe
1.4 Technische Anwendung
27
Fliegen Der Traum des Menschen vom Fliegen ist Jahrtausende alt. Das Fliegen mit Drachen wurde in China 1000 Jahre vor unserer Zeitrechnung erfunden. Die Chinesen lie~en zun~ichst unbemannte Drachen steigen, bis das Milit~ir bemalmte Flugdrachen zur Feindbeobachtung einsetzte. Die Rakete wurde 1100 nach Christus erfunden. FlugkSrper wie Pfeile und Bumerang waren vielen NaturvSlkern in unterschiedlichen Gebieten der Erde bekannt. Die technische Nachahmung des F l f i g e l s c h l a g e s des Vogelfluges geht auf Leonardo da Vinci 1452 - 1519 zurfick. Sein ldassisches Werk Sul volo degli uccelli fiber den Vogelflug erschien 1505, nachdem er bereits 1484 Gleitfallschirme entworfen hatte. Er beschrieb als erster die Formver~i~derung des Vogelflfigels beim Flfigelschlag und setzte sie in Konstruktionszeichmmgen eines Sch]agappaxates um (Abbi]dung 1.26). Beim Abw~irtssch]ag verbinden sich die Federn zu einer geschlossenen Fl~iche. Beim Aufschlag 5ffnen sich die Federn und behindern den Aufschlag nicht. Die analoge technische Ubertragung ffihrte zu einem Weidenrutentragwerk und Klappen aus Leinen. Diese sollten sich beim Absctflag 5ffnen. In der Pra,xis erwies sich der Schlagflfigelapparat aufgrund der biophysikalischen Randbedingungen des Menschen als nicht funktionsf'mhig. Die Muskelleistung der menschlichen Armmuskulatur reicht nicht aus, um fiir das Gewicht des Menschen den erforderlichen Auftrieb zu erzeugen. Erst die Entkopplung der Doppelfunktion des Vogelflfigels, Auftrieb und Vortrieb gleichzeitig zu erzeugen, brachte mit den auftrieberzeugenden Tragfls und dem vortrieberzeugenden Motor Anfang des letzten Jahrhunderts den Erfolg. Die Idee, Vortrieb und Auftrieb in zwei funktionell selbstst~dige Systeme zu trennen, stammt von Sir G. Cayley 1 7 9 6 - 1855. 1894 ist es dana Otto Lilienthal nach dreij~ihriger Flugerprobung mit Gleitflugmodellen erstmals gelungen, nach dem Vorbild des Vogelgleitfluges mit dem H a n g g l e i t e r der Abbildung 1.27 zu fliegen. Er erkmmte durch Beobachtung und Windkanalmessungen ml Storchenfliigeln, dass die ProfilwSlbung die Ursache ffir den Auftrieb ist. Dem Erstflug
A b b . 1.26: Schlagflfigel von Leonardo da Vinci
28
1 Einffihrung
vorausgegangen war die BuchverSffentlichung Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst 1889, die alle aerodynamischen Daten der daalaligen Zeit enthielt. Das ,nanntragende Gleitflugzeug zeigt die vogel~mliche Form der Flfigel mit integrierten vert'"uka/en und horizonta/en Fl~ichen, die ffir die Flugstabilitiit sorgten. Die Flugkontrol/e des Haaggleiters erfolgte durch Gewichtsverlagerung des KSrpers unter dem Gleiter. Aus 5 bis 6 Meter HShe flog Lilienthal 25 Meter welt. Der erste m o t o r g e t r i e b e n e F l u g gelang den Gebrfidern Wright 1903, neun Jab_re nach Lilientha/s ersten Gleitflfigen. Das von Orville Wright gesteuerte Flugzeug der Abbildung 1.28 flog wenige Meter fiber dem Boden nach einem kurzen Anlauf auf einer horizontalen Staxtschiene mit eigener Motorkraft 12 Sekunden laag bevor es unbesch~idigt wieder landete. Beim vierten und letzten Flug in den Sanddfinen von Kitty Hawk, nahe der Atlantild(fiste von North Carolina, hielt Wilbur Wright den Flugappaxat bereits 59 Sekunden lang, bei krfiftigem Gegenwind, in der Luft. Er war von einem Vierzylinder Otto-Motor mit 12 bis 16 PS und zwei Propellern angetrieben, konnte gesteuert und wihrend des Fluges im Gleichgewicht gehalten werden. Das erste motorgetriebene Flugger~it wax eine Art Kastendrachen mit zwei fibereinanderliegenden Flfichen. Das HShen_ruder wax vor der unteren Tragfl~iche angebracht. Dies versprach ehl schnel/es Ansprechen des Ruders und vertfinderte das Abkippen nach vorne im Falle einer StrSmungsablSsung auf der Haupttragflgche. Die aerodynaalisch neue Erfindung waxen die Propeller, die a/s rotierende Tragfl~iche und nicht als Schraube ausgelegt waxen. Die V e r k e h r s l u f t f a h r t begann 1925 ,nit der Junkers G 23, aus der die legend~ire Ju 52 der Abbildung 1.29 hervorging. Bei Ausfall eines Motors reichten die verbleibenden zwei Motoren ffir den Flug zum n~ichsten Flugplatz. Von 1932 bis 1948 sind fast 5000 Ju 52 ffir den militfirischen Transport und zivile Zwecke gebaut worden. Sie boten 17 Passagieren bei einer Fluggeschwindigkeit von 250 km/h Platz. Es folgte 1935 die DC 3 der Firlna Douglas, von der bereits 13000 gebaut wurden. Die DC 3 erreicht damit die hSchste Produktionsziffer aller Verkehrsflugzeuge. Sie flog bereits mit Landeldappen a/s Auftriebshilfe, einem einziehbaren Fahrwerk und einer aerodynamischen Motorenverldeidung. Die Entwicldung der luftgekfihlten Sternmotoren wax so weir gediehen, dass bereits zwei Motoren
Abb. 1.27: Storch und Hanggleiter von Otto Lilientha/1894
29
1.4 Technische Anwendung
mit versteUbaxen Propellern und einer Leistung von 1000 PS ffir den sicheren Transport ausreichten. Boeing bante 1938 das erste Verkehrsflugzeug mit Druckkabine, wodurch der Luftverkehr in ruhige Luftschichten fiber den Wolken verlegt werden konnte. Erst die Entwicldung der Strahltriebwerke und des Pfeilflfigels in den vierziger Jahren revolutionierte die Luftfahrt und ffihrte zu den transsonischen Verkehrsflugzeugen, wie wit sie heute kennen. Damit verl~st man den Bereich der i_nkompressiblen UnterschallstrSmung und dringt in den Bereich der transsonischen kompressiblen StrSmung vor, zu deren Charakterisierung eine weitere dimensionslose Kennzahl benStigt wird. Die M a c h - Z a h l Ms
U
(1.3)
as
beschreibt das Verh~tnis der Fluggeschwindigkeit U zur Schallgeschwhldigkeit a s der ungestSrten Atmosph~e. Transsonische Verkehrsflugzeuge fl_iegen heute bei einer Mach-Zahl von M s 0.8 in l0 km Hbhe mit einer Fluggeschwindigkeit von 950 km/h. Eine der ersten Vertreter dieser neuen Generation von Verkehrsflugzeugen war 1958 die Boeing 707 (Abbildung 1.29 Bildmitte). Da der Widerstand bei A,m~iherung an die Schallgeschwindigkeit steil a~steigt, wax die entscheidende aerodynamische Edindung der Pfeilflfigel. Mit Pfeilung wird die lolmle Anstrbmgeschwindigkeit um den Kosinus des Pfeilwinkels reduziert und damit der Widerstand verringert. Ein Vertreter der jfingsten Generation von Verkehrsfiugzeugen ist der Airbus A 350. Der Rumpf ist ffir den Transport m5glichst vieler Passagiere grSt~er geworden. Delmoch erreicht man eine erhebliche Treibstofferspaxnis gegenfiber der Boeing 707. Neben der verbesserten Aerodynmnik des trmlssonischen Tragflfigels sind es leichtere Materialien und neue Fertigungstechniken sowie neue Fan-Triebwerke und das automatisierte Zwei-PilotenCockpit, die zu dieser Verbesserung geffihrt haben. Die Fml-Triebwerke haben gegenfiber den ursprfinglichen Diisentriebwerken einen deutlich grSf~eren Durchmesser und verbrauchen 25 % weniger Treibstoff. Ein Teil der vom Fan verdichteten kalten Luft wird am heit~en Antriebsstrahl als Luftmantel vorbeigeffihrt. Dies hat den zus~itzlichen Nutzeffekt, dass die Schallabstrahhmg der Dfisentriebwerke bei gleichzeitiger Steigerung des Wirkungsgrades drastisch reduziert werden konnte. Die Zukunft des interkontinentalen Luftverkehrs geh5rt den Grof~raumjets. Der Airbus A 380 (Abbildung 1.28) tra~sportiert in der Grundausffihrung 555 Passagiere bis zu
A b b . 1.28: Vom Vogelflug zum Verkehrsflugzeug
30
1 Einffihrung
14.800 kin. Dabei betrs das maximale Staxtgewicht 560 Tonnen. Die Neukonstruktion dieses Grof~raumjets besitzt eine Kabinenlfinge von 50 m mit zwei Passagierdecks bei einem Rumpfdurchmesser von 7 m. Die Flfigelspannweite von 80 m fibertrifft alle Spazmweiten bisheriger Passagierflugzeuge. Mit dem transsonischen Verkehrsflugzeug haben wir den Bereich der inkompressiblen StrSmung der BiostrSmungsmecha~k verlassen. In Abbildung 1.30 sind die StrSmungsbereiche, die negativen Werte des dimensionslosen D r u c k b e i w e r t e s Cp Cp
1
p - poo 9p~
(1.4)
9U 2
mit der Differenz zwischen dem Druck p a u f der Ober- und Unterseite des Tragflfigels und dem ungest6rten Druck p ~ der Atmosph~ire, bezogen auf den sogenazmten dynamischen Druck (1/2) . p ~ 9U 2 sowie die StrSmungssichtbannachung nfit Teilchen daxgestellt. Vom Staupunkt aus verzweigt sich die Staulinie zur Saug- (Ober-) und Druckseite (Unterseite) des Tragflfigels. Auf der Oberseite wird die StrSmung bis in den (Jberschallbereich beschleunigt, was mit einem starken Druckabfall verbunden ist. Welter stromab wLrd die kompressible StrSmung fiber den Verdichtungsstof~ wieder auf eine Unterschallgeschwindigkeit verz6gert. Dieser Verdichtungsstof~ tritt mat der Grenzschicht in Wechselwirkung und verursacht eine Aufdickung, die einen erhShten Widerstand zur Folge hat.
A b b . 1.29: Entwicldung der Verkehrsflugzeuge
1.4 TechnischeAnwendung
31
Auf der Unterseite wird die Str5mung ebenfalls vom Staupunkt aus beschleunigt. Die Beschleunigung ist jedoch im Nasenbereich nicht so grof~ wie auf der Saugseite, so dass auf der gesamten Druckseite keine Uberschallgeschwindigkeiten auftreten. Etwa ab der Mitte der Tragfl~che wird die StrSmung wieder verz5gert. Der Druck gleicht sich stromab dem Druck der Saugseite an und ffihrt stromab der Hinterkante in die NachlaufstrSmung fiber. Auf der Saug- und Druckseite des Flfigels bildet sich bei der Reynolds-Zahl ReL 7. 107 der Verkehrsflugzeuge eine dfinne Grenzschicht aus. Die saug- und die druckseitige Grenzschicht treffen sich an der Hinterkante und bilden stromab die NachlaufstrSmung. Sowohl die StrSmung bl den Grenzschichten als auch die StrSmung im Nachlauf ist reibungsbehaftet. Aufferhalb der genannten Bereiche ist die StrSmung reibungsfrei. Aus der Druckverteilung der Abbildung 1.30 resultiert eine Auftriebskraft, die beim Tragflfigel des Verkehrsflugzeuges den zu befdrdernden Passagieren azLzupassen ist. Bei der Auslegung des Tragflfigels hat der Entwicklungsingenieur das Ziel, den Widerstand des Tragflfigels mSglichst gering zu halten, um Treibstoff einzuspaxen. Dies geschieht durch geeignete Formgebung der Profilschnitte. Mit dem transsonischen Verkekrsflugzeug hat die Technik die natih'liche Evolution bezfiglich der Fluggeschwindigkeit weir fibertroffen. Ein Flug von Frankfurt nach New York dauert lediglich 8 Stunden bei einer Fluggeschwindigkeit von 950 km/h in der ruhigen thermisch stabil geschichteten Stratosph~ire in l0 km HShe. Dennoch kann man vom Vogelflug bei der technischen Umsetzung insbesondere beim Unterschallflug bei Start- und Landung lernen. Die Abbildung 1.31 zeigt drei Beispiele. Der Vorflfigel eines Bussaxds oder der Eule der Abbildung 1.4 dienen als Vorbild ffir die Hocha u f t r i e b s k l a p p e n der Verkehrsflugzeuge, die bei der Landegeschwindigkeit von 250 km/h erforderlich sind um bei vergrSf~erter Flfigelfl~iche den Auftrieb sicherzustellen. Die ge-
Abb. 1.30: Umstr5mung des transsonischen Tragflfigels eines Verkehrsflugzeuges
32
1 Einffihrung
spreizten Endfedern der Kranielle der Abbildung 1.12 oder des Kondors der Abbildung 1.13 verringern den sogenannten induzierten Widerstand (siehe Kapitel 3.4.1). Sie dienen Ms Vorbild ffir die W i n g l e t s am Flfigelende yon Verkehrsflugzeugen, die den Widerstand um 3 - 5 % reduzieren. Der Vogel optimiert durch Vergnderung der Profil- und Fliigelfonn seine Flugbedingungen. Mit pneumatischen Strukturen kaml man mit dem a d a p t i v e n Flfigel auch bei Verkehrsflugzeugen unterschiedliche FlugwSlbungen ffir die Start- und Landephase sowie fiir den Reiseflug erzeugen. In einem ersten Schritt werden die Hochauftriebsklappen an der Hinterkante des Fliigels fiir eine Anpassung an die Reiseftugbedingungen genutzt. Dieser adaptive Fliigel passt sich elektronisch gesteuert den unterschiedlichen FlughShen und Windverhgltnissen an. V6gel verffigen in extremen Fluglagen fiber sich passiv anfrichtende Decldedern, die als R,f i c k s t r S m k l a p p e n wirken, welche den Unterdruckbereich an der Fliigelvorderkmlte gegen eine RficlcstrSmung vonder Hinterkante abschirmen. Damit wird ein plStzlicher Auftriebseinbruch auf dem Fliigel bei hohen Anstellwinkeln verhindert. Je nach GrSge der Klappen werden beim Flugzeug mit automatisch ausfahrenden RfickstrSmldappen Steigerungen des Anstellwinkels bis zu 23 % erreicht. Beim Wiederanlegen der Str6mung bei geringeren Anstellwinkeln schliegt die Klappe von selbst. Dabei wird die Luftdurchlgssigkeit der Decldedern des Vogels mit perforierten Klappen erreicht. Das Flugzeug bleibt auch in extremen Fluglagen sicher steuerbax.
Die technische Umsetzung des Fliigelschlages der Libelle der Abbildung 1.10 ffihrt zum H u b s c h r a u b e r , mit dem der Schwebeflug und Unterschallvorwgrtsftug mSglich ist (Abbildung 1.32). Da die Natur keine Drehgelenke zulgsst, ist der in Kapitel 1.2 beschriebene Doppelflfigelschlag der Libelle beziehungsweise der Schwirrflug des Kolibris der Abbildung 1.14 Vorbild fiir den Auftrieb erzeugenden Hanptrotor des Hubschranbers. Der Heckrotor sorgt fiir die erforderliche Stabilit~it und verhindert die Drehung des Rumples um die Hochachse.
Abb. 1.31: Beispiele der technischen Anwendung des Vogelflfigels
1.4 Technische Anwendung
33
A b b . 1.32: Von der Libelle zum Hubschrauber
Schon im vierten Jahrhundert vor mlserer Zeitrechnung war in China ein Spielzeug bekannt, das aus einem runden Stab bestand, an dem kreuzf'drmig leicht angestellte Vogelfedern eingesteckt waxen. Schnelles Drehen des Stabes erzeugte den Auftrieb, der das Spielzeug senkrecht in die Luft hob. Es war wiederum Leonardo da Vinci, der sich in der Zeit 1486 - 1490 mit dem Entwurf eines Hubschraubers befasste (Abbildung 1.33). Er wollte das Prinzip der Archimedischen Schraube zur Auftriebserzeugung einsetzen, was jedoch v o n d e r Wirkungsweise nicht zu einem flugf'fitfigen Ger~t ffihren kmmte. Erst die Erfi_ndung des Viertaktmotors von N. Otto 1876 stellte eine geeignete Antriebsmaschine zur Verffigung, die den Hubschrauberflug schlief~lich erm6glichte. Im Jahr 1907 bauten die Brfider BrSguet und C. Richet einen bemannten Hubschrauber mit kreuzFdrmig angeordneten Stalaltr/igeraxmen, an deren Enden je zwei vierflfigelige Rotoren von 8 Meter Durchmesser angebracht waxen. Je zwei l~otorpaare liefen gegenlgufig. Der heute fibliche Hubschrauber z. B. im Rettungsdienst der Abbildung 1.32 besitzt einen Hauptrotor und zur Stabilisierung den Heckrotor. Dabei sind die Rotorbl/itter nicht starr am Rotorkopf befestigt, sondern fiber Gelenke azl den Blattwurzeln mit der Nabe verbunden. Das vorlaufende Blatt steigt nach oben, dabei verringert sich der effektive Anstellwinkel der Blattprofile. In der rficklaufenden Drehphase ffihrt das Blatt eine Schlagbewegung nach unten aus, wodurch der Anstellwinkel vergr6fgert und so Auftrieb gewonnen wird. Damit entsteht bei Schr~iglagen des Hubschraubers ein kontinuierlicher Auf- und Vortrieb.
A b b . 1.33: Drehflfigelflugzeuge
34
1 Einffihrung
Schwimxnen
Entsprechend der Abbildung 1.9 ist das Schwimmen die energetisch effizienteste Fortbewegungsart. Die technische Umsetzung f/Jr den Warentransport auf dem Wasser ist Ja~'tansende alt. Auch hier war, wie bei der Entwicldung der Verkehrsflugzeuge, die Trermung des Vortriebs dureh den Sehwartzflossensehlag des Fisehes und des Auftriebs der Fisehblase die wesentliehe teelmisehe Idee. Der Auftrieb wird beim S c h i f f dureh den HohlkSrper des Rumples gewghrleistet und der Vortrieb im Altertum dureh Windsegel und heute dureh den Schiffspropeller. Die widerstandsarme Form des Sehiffsrumpfes wurde der Gestalt von Fisehen naehempfunden. Ein historisehes Beispiel zeigt die Baker-Galeone von 1586 (Abbildung 1.34). Der Rumpf entsprach dem Dorseh und der Kiel im Heek dem Makrelensehwanz. Das grSgte Containersehiff hat heute eine Tonnage von 1 . 6 . 1 0 s t bei einer L~nge von 400 m, einer Breite von 56 m und einem Tiefgang von 16 m. Der gr6gte doppelwartdige Tanker der Abbildung 1.2 bringt es auf eine Tonnage yon 4.4 9 105 t bei einer L~nge yon 380 m, einer Breite von 68 m und einem Tiefgartg von 25 m. 90 % aller Handelswaren werden heute per Schiff transportiert. Dabei werden pro Jalar 300 Millionen Tonnen Treibstoff verbraueht. Nutzt mml die Erkelmtnisse der Natur f/Jr die Verringerung des Sehiffswiderstandes und den damit verbundenen Treibstoffeinsparungen, liegt der wirtsehaftliehe Nutzen anf der Hand. Der Widerstand der Schiffe ist nicht allein durch den Druck- und Reibungswiderstand des VerdrgngungskSrpers im Wasser gegeben. Es tritt zusgtzlich ein Weilenwiderstand in der Wasseroberflgche auf. Die Abbildung 1.35 zeigt die Prinzipskizze eines nfit konstanter Geschwindigkeit U fahrenden Schiffes der Lgnge L. Im Nachlauf des Schiffes erkennt man die Oberflgchenwellen auf dem Wasser mit der Wellenl/inge L der Lgnge des Schiffes in einem charakteristischen begrenzten Bereich des Nachlanfes. Fiir einen Beobachter auf dem Schiff erscheinen diese als stehende Wellen. Es handelt sich mn Schwerewellen anf der Wasseroberfl/iche. Die dutch die Oberfl/ichensparmung des Wassers hervorgerufenen Kapillarwellen sind bei der GrSge der Schiffe vernachl/issigbar. Die Tr~igheitskraft der Wellen h/ilt sie in Bewegung, wghrend sie durch die Schwerkraft ged/impft werden. Dieser Vorgang wird mit einer neuen charakteristischen dimensionslosen Kennzahl, der F r o u d e - Z a h l beschrieben. Die Froude-Zahl ist das Krgfteverh/iltnis von Tr/igheitskraft und Schwerkraft: U2 g.L
(1.5)
Die Froude-Zahl f/Jr Schiffe hat den Wert 0.25. Sie wurde von William Froude 1810 1879 eingef/ihrt, u m b e i der Auslegung von Schiffsriimpfen die dynamische )~hnlichkeit
A b b . 1.34: Von der Baker-Galeone 1586 zum Containerschiff
1.4 TechnischeAnwendung
35
und die Ubertragbarkeit yon ModellschiffskSrpern im Wassersclfleppkanal zum real fahrenden Schiff herzustellen. Dabei miissen die Froude-Zahl (1.5) und die Reynolds-Zahl (1.1)/ibereinstimmen (siehe Kapitel 3.2.2). Die Reynolds-Zahl der grofgen Container- und Tankerschiffe betr~gt ReL 5. 109. Es zeigt sich, dass der bei Transportschiffen fibliche wulstige Bug zwar den Druck- und Reibungswiderstand im Wasser erhSht, aber durch die verursachte Verjiingung des Nachlaufbereiches, der WeUenwiderstand deutlich verringert wird. Dutch den Verdr~-lgungskSrper am Bug des Schiffes wird eine Bugwelle erzeugt, die phasenverschoben zur eigentlichen Bugwelle des Schiffes ist. Durch die 0berlagerung der beiden Wellensysteme wird die resultierende Gesamtbugwelle reduziert. Fiir die Maximalgeschwindigkeit des Schiffes bedeutet dies eine Verringerung des Wellenwiderstandes um 7 %. Bei geringeren Fahrtgeschwindigkeiten wirkt sich dieser Effekt jedoch negativ aus, da sich dasm der Druck- und Reibungswiderstand des Verdr~r~gungskSrpers im Wasser zunelnnend bemerkbar macht. Ein Schiff zieht entsprechend der Abbildung 1.35 einen Wellenzug hinter sich her. Je schneller das Schiff F~rt, je grSger ist die Wellenlfinge L und der Ausbreitungsbereich der Oberflfichenwellen. Es existiert eine Grenzgeschwindigkeit Urea• bei dernur noch eine Bugwelle entsteht. Oberhalb dieser Grenzgeschwindigkeit muss der Rumpf des Schiffes seine eigene Bugwelle ilberwinden, was mit einem zus~tzlichen Treibstoffverbrauch verbunden ist. Dabei wixd der Wellenwiderstand gr6f~er Ms der strSmungsmechanische Widerstand im Wasser und die Froude-Zahl gewinnt gegentiber der Reynolds-Zahl an Bedeutung. Die Folge ist, dass fiir ein 100 m langes Schiff bei der Froude-Zahl F r 0.16 die Grenzgeschwindigkeit Urea• 43 km/h beziehungsweise 12 m/s betrggt. Ira Vergleich dazu, erreicht eine schwimmende Ente bei einer L~h~ge yon 33 cm lediglich eine Grenzgeschwindigkeit von 0.7 m/s. Bei den grogen Conta~nerschiffen der Abbildung 1.34 wixd die Grenzgeschwindigkeit fiberschritten. Sie bringen es auf eine Fahrtgeschwindigkeit von 48 km/h und benStigen daf/ir eine Hauptantriebsleistung von 80 MW und eine Zusatzantriebsleistung von 30 MW. Die Uberwindung dieser natfirlichen Grenze gelingt nur dadurch, dass bei Schnellbooten der Bug aerodynamisch aus dem Wasser abhebt und dadurch keine l~genabh~ingigen Wellen im Nachlauf des Bootes verursacht werden.
Abb. 1.35: Oberflgchenwellen im Nachlauf eines Schiffes
1 Einffihrung
36
Die Situation iindert sich ffir Miniaturboote beziehungsweise auf dem Wasser laufende Insekten. Bei einer L~inge yon 10.6 mm wird eine Grenzgesehwindigkeit von Urea• 0.13 m/s vorausgesagt. Tats/iehlieh erreiehen die Insekten jedoeh eine Gesehwindigkeit yon 0.4 m/s. Es dominiert bei den kleinen sehwimmenden KSrpern die Oberfl/iehenspannung des Wassers gegeniiber der Schwerkraft und eine neue dimensionslose KemlzahJ kommt statt der Froude-Zahl ins Spiel. Die W e b e r - Z a h l besehreibt das Verh/iltnis yon Tr/igheitskraft und der Kraft, die durch die Oberfl/ichenspannung a verursacht wird: U2
We
.p. L
(1.6)
, O-
wobei p die Dichte des schwimmenden K6rpers trod nicht die Dichte des Wassers ist. Fiir schwimmende K6rper im Wasser wie U - B o o t e und Torpedos sind insbesondere der Pinguin und der Delfin ein Vorbild. Der Gesamtwidersta~d Fw des KSrpers setzt sich zusammen aus dem Druckwiderstand FD und dem Reibungswiderstand FR: fw
FD + FR
(1.7)
Der Druckwiderstand FD berechnet sich durch Integration des dimensionslosen Druckbeiwertes Cp (1.4) um den KSrper und der Reibungswiderstand FR entsprechend den Ausffihrungen in Kapitel 3.4.1 durch Integration der Wandschubspmmung Tw entlang des KSrpers. Die dinlensionslosen Widerstandsbeiwerte Cw
1
Fw
'
9poo 9tz2. A
(1.s)
mit dem dynamischen Druck 1 / 2 . poo 9U 2, der Dichte des Wassers poo und der Querschnittsfls A des Sctfiffes schreiben sich: ca
FD
1 2
" poo
,
cf
9U 2 9A
Cw
~
Cd + cf
FR
1 9 poo
,
(1.9)
9 U 2 9A
(1.10)
Der Pinguin hat aufgrund seiner besonderen KSrperform einen Gesamtwidersta~d von Cw 0.07 bei einer Schwinlm-Reynolds-Zab_l von RaL 106. Ffir die Berech_nung des Widersta~dsbeiwertes ist die grSgte Quersclmittsflfiche A maggeblich, die nahezu kreisrund
A b b . 1.36: Vom Pinguin zur Rotationsspindel
1.4 TechnischeAnwendung
37
ist. Der Pinguin erreicht den extrem kleinen Gesamtwiderstand trotz der unerwartet dicken Seitenansicht. Die Ursache ffir den geringen Widerstand ist die Wechselwirkung der Pinguinform mit der elastischen und strukturierten Gefiederoberfl~iche. Die Pinguine triggern den laminar-turbulenten 0bergang in der K5rpergrenzschicht fiber die NasenlScher an der Schnabelwurzel. Dutch die Stauwirkung des Kopfes wird die Grenzschicht aufgedickt und bleibt stromab fiber einen weiten Bereich konstant. Die turbulenten Druckschwankungen in der N/ihe der Oberfl/iche sind auf ein enges Frequenzspektrum beschrgnkt, auf die die Dgmpfungseigensehaft der Gefiederoberfl~iehe abgestimmt ist. Die StrSmungssiehtbarmachung an lebenden Pinguinen hat gezeigt, dass sich am Schnabel geordnete Ringwirbel bilden, die fiber den Kopf stromab lanfen und die StrSmungsablSsung im hinteren Bereieh verhindern. Die teehnisehe Naehbildung der PinguinstrSmung ffihrt zur Rotationspumpe der Abbildung 1.36 mit der ein Widerstandsbeiwert yon Cw 0.04 bei Reynolds-Zahlen ReL > 5.106 erreieht wird. Teehnisehe KSrper ohne Leitflgehen sind jedoch strSmungsinstabil. Mit Leitflfiehen und Propellerantrieb erhSht sieh der Widerstand. Es zeigt sieh, dass der Pinguin als GesamtkSrper mit Antriebsflossen und Steuerflossen von keinem teehnisehen KSrper fibertroffen wird. U-Boote erreiehen bei der Reynolds-Zahl ReL > 3. l0 s einen Widerstandsbeiwert Cw 0.15 und Torpedos bei ReL > 4 9106 den Wert Cw 0.17. Entspreehend den Ausffihrungen in Kapitel 1.1 tragen Pinguine in ihrem Federldeid Luftblasen mit (Abbildung 1.6). Diese bilden einen dfinnen Luftfilm um den KSrper, der den Reibungswiderstand cf an der Gefiederoberflgehe deutlieh reduziert. Nutzt man diesen Effekt im Sehiffsbau dureh Ausblasen yon M i k r o b l a s e n in die turbulente Grenzschieht des Sehiffsrumpfes, l~axm der Reibungswiderstand theoretiseh bis zu 80 % verringert werden. Damit k6nnte ein Sehiff bei gleiehem Treibstoffverbraneh entweder sehneller fahren oder mehr Fraeht transportieren oder bei gleiehem Ladevolumen Treibstoff sparen. Die Abbildung 1.37 zeigt im Prinzipbild die Luftblasenschieht um ein Fraehtsehiff, die mit zahlreiehen feinen Dfisen von einem Kompressor in die Rumpfgrenzsehieht gepumpt wird. Der Idealwert der Verringerung des Reibmlgswiderstandes wird in der Praxis jedoeh nieht erreieht, da sieh die Mikroblasen insbesondere bei grogen Fal~tgesehwindigkeiten in der turbulenten Rumpfgrenzsetfieht verfomlen und zum Teil ihre Wirkung verlieren. So wurde in Japan bei einem 10000 Tonnen Fraehter eine Verringerung des Reibungswiderstandes yon 3 % gemessen. Dies entsprieht nieht den Erwm'tungen, da der Energieaufwand ffir den Kompressor grSger ist als der Gewinn durch den reduzierten Reibungswiderstand. Bei langsam fahrenden Sehiffen funktionieren die Mikroblasen relativ gut. Bei grSgeren
A b b . 1.37: Blasenschicht um einen Schiffsrumpf
38
1 Einffihrung
Geschwindigkeiten nimmt der reibungsmindernde Effekt ab. Im ngchsten Entwicklungsschritt wird die Schiffswand mit wasserabstogender Farbe unter Ausnutzung des Lotuseffektes versehen, um die Luftblasen l~inger an der Schiffswand zu ha]ten und gleichzeitig keine Ablagerungen zuzulassen. Ein anderer Effekt der Natur, den man ffir die Schifffahrt nutzen kaml, ist die D~lpfungshaut des Delft,as der Abbildung 1.5. Derartige D~lpfungsh~iute werden technisch nachgebildet und bei U-Booten und Torpedos eingesetzt. Ihr Nachteil ist jedoch ein A1terungsprozess bei dem im Laufe der Zeit die D~npfungseigenschaft verloren geht. Eine andere MSglichkeit ist die Zugabe von langkettigen Polymeren anstatt von Luftblasen, die in geringer Konzentration in die Schiffsgrenzschicht eingebracht werden. Polymere verha]ten sich tr~iger als Luftblasen und verbleiben l~inger in der N~ihe der Rumpfwand. Die Polymere mfissen jedoch mitgeffi_hrt werden und beanspruchen Lagerkapazit~it. Es kann auch das Prinzip der Wasserspinne genutzt werden. Sie nimmt bei jedem Tauchgang einen dfinnen Luftfihn um Lhren Hinterleib mit. An einer Viehahl feiner H~chen bleibt die Luft fiber lange Zeit haften, w ~ r e n d die Haare kaum mit dem Wasser in Berfikrung kommen. Mit einem derartigen Haarfih ausgerfistete Schiffsrfimpfe wfirden in einer fast perfekten Luftblase schwimmen. Reibung tritt dabei nur an der Grenzflgche zwischen Wasser und Luft auf. Einen noch geringeren Widerstandsbeiwert als der Pinguin und Delful erreicht der Kofferfisch in den tropischen Meeren trotz seines quadratisch rechtecldgen KSrperquerschnitts mit Cw 0.06. Die Au~enhaut des Kofferfisches besteht aus einer Vielzahl sechsec-ldger Knochenplatten, die dem Rumpf des Fisches hohe Steifigkeit verleihen. Der Kofferfisc5 erreicht den hervorragenden cw-Wert durch eine starke Pfeilung der vorderen Partie sowie einem starken Heckeinzug mit kleinem Nachlaufbereich. Die ansgepr~Lgten Kanten im oberen und unteren Tell des Rumpfes verursachen eine turbulente WirbelablSsung, die dell Fisch in jeder Lage ohne Kraftanstrengung stabilisiert. 0bertragen auf den Automobilban ist der Kofferfisch ein idea]es Vorbild an Steifigkeit und Aerodynamik (Abbildung 1.38). Hinzu kommt, dass seine rechteckige Anatomie der Kraftfa]lrzeug Kompaktklasse nahe kommt. Das daraus fiber mehrere Zwischenstufen entwickelte Bionic Car K o n z e p t hat letztendlich einen Widerstandsbeiwert von Cw 0.19, gegenfiber Cw 0.30 der derzeit fahrenden Kompaktklasse. Die kantigen Au~enkonturen des lebenden Vorbildes in1 Dach und Schwellenbereich wurden ebenso adaptiert wie das nach unten abfallende Heck mit der starken seitlichen Einschnfirung und der markanten Pfeilung. Die K r a f t f a h r z e u g a e r o d y n a m i k war bereits 1937 mit dem GeschwindigkeitsrekordRennwagen von Mercedes-Benz entwickelt. Der Fahrer wurde in den Rennwagen versenkt
Abb. 1.38: Vom Kofferfisch zum Bionic Car
1.4 TechnischeAnwendung
39
Abb. 1.39: Entwicklung des cw-Wertes von Kraftfahxzeugen
und die t~der verldeidet. Es entstand ein StromlinienkSrper unter Beriicksichtigung der Straf~e mit einem cw-Wert von 0.17. Dieser geringe Widerstandsbeiwert wurde in j/ingster Zeit von einem Solazfahrzeug mit Cw 0.12 unterboten (Abbildung 1.39). Wirldich ber/icksichtigt wurde die Kenntnis der KSrperform mit geringem Widerstandsbeiwert erst in den achtziger Jahren, nach dem das Bewusstsein einer erforderlichen Kraftstoffeinsparung durch die Olkrise geweckt wurde. Heute hat sich die Kraftfahrzeugindustrie auf einen Kompromiss des Widerstandsbeiwertes von etwa Cw 0.26 eingestellt, der es gegeniiber dem StromlinienkSrper erlaubt einen komfortablen Fahrgastraum mit dem erforderlichen Rundumblick zu realisieren. In Abbildung 1.40 sind die StrSmungsbereiche, die Druckverteilung auf der Oberfls und Unterseite des Kraftfahrzeuges und die StrSmungssichtbarmachung im Nachlauf des Kraftfahrzeughecks gezeigt. Die Druckkraffverteilung weist am Kiihler einen Staupunkt auf, in
Abb. 1.40: UmstrSmung eines Kraftfahrzeugs
40
1 Einffihrung
dem die Druckkraft einen maximalen Wert hat. Auf der Kfihlerhaube wird die StrSmung beschleunigt, was einen Druckabfail zur Folge hat. Auf der Windschutzscheibe wird die Str6mung erneut aufgestaut, was wiederum zu einem Druckanstieg ffihrt. Nach Uberschreiten des Druckminimums auf dem Dach, wird die Str6mung mit dem damit verbundenen Druckanstieg verzSgert. Stromab des Kofferraums geht die Grenzschichtstr6mung in die NachlaufstrSmung fiber.
Blutkreislauf
Der Bluth'eislauf ist schon lange in den Fokus der Medizin gerfickt. Galenos yon Perg a m o n entwickelte die S~iftelehre, nach der aile Krankheiten durch ein Ungleichgewicht der vier S'Mte Blut, Schleinl, schwarze und gelbe Galle erkl~% werden. Daraus entwickelte sich bis ins Mittelalter der Aderlass ais Therapie gegen einen Blutfiberschuss. Erst 1500 Jahre sp~iter entdeckte W. Harvey (1578 - 1657) den Blutkreislanf und die Funktion des Herzens. Seine Erkenntnisse erwarb er durch Leichensektionen und durch die Beobachtung der Herz- und Blutbewegung einer groi~en Zahl lebender Versuchstiere. Er entdeckte den Lungenkreislauf und ver5ffentlichte erstmals quantitative Aussagen fiber Herzschl~ige, Str6mung und Menge des Blutes. Von ibm stammt die Entdeckung, dass das Blur in den Venen in das Herz zurfickflief~t und dass die Arterien das Blur vom Herzen in den K6rper transportieren. Die systematische Untersuchung des menschlichen Herzens geht wiederum auf Leonardo da Vinci 1513 zurfick. Er baute anhand seiner Studien an sezierten Leichen zuniichst ein Wachsmodell der linken H e r z l ~ n m e r mit dem aufsteigenden Tell der Aorta und sparer eine Aortenklappe aus Glas. Nach dem damaligen Weltbild der Renaissance war die treibende Kraft der Welt eine innere W~mequelle entsprechend der Sonne. Leonardo da Vinci fibertrug dies auf den Menschen und sah das Herz als innere W~mequelle an. Sein H e r z m o d e l l der Abbildung 1.41 besteht ans einem befeuerten Dampfkessel. Der Luftanstansch mit der Lunge erfolgt fiber Kanline und Klappen. Der linke und rechte Ventrikel sind fiber eine por5se Wand
A b b . 1.41: Das Herzmodell yon Leonardo da Vinci
1.4 TechnischeAnwendung
41
getrennt, durch die der Blutaustausch stattfindet. Schlief~t der rechte Ventrikel, 5ffnet entsprechend der linke Ventrikel und pumpt das Blut in den Blutkreislauf. Die Ausf'ti_hrungen in Kapitel 1.3 zeigen, dass das menschliche Herz zwar anders funktioniert. Dennoch wax es Leonaxdo da Vinci, der ein erstes Herzmodell entwickelt hat. Heute stehen ffir die medizinische Diagnostik MRT-Magnetspin-Resonanz-Tomografen und CTRSntgen-Tomografen hoher AuflSsung zur Verf/igung, die es erlauben, aus den Bilddaten des menschlichen Herzens ein d y n a m i s c h e s H e r z m o d e l l zu entwickeln. Die Abbildung 1.42 zeigt das strSmungsmechanische Herzmodell der Universitgt Karlsruhe. Es besteht aus dem linken und rechten Ventrikel f'tix einen Herzzyldus, den linken und rechten VorhSfen, in die Klappenebene projizierte vereinfachte Herzldappen, der Aorta, Vena Cava und der Puhnonalaxterie des Lungenkreislaufes in die VorhSfe sowie einem vereinfachten Kreislanfmodell. Mit einem deraxtigen anf Bilddaten von gesunden und pathologischen menschlichen Herzen gewonnenem dynamischen Herzmodell l~sst sich die dreidimensionale StrSmung in den %~ntrikeln und Vorh6fen in allen Details berechnen und ffir erkrankte Herzventrikel lassen sich die StrSmungsverluste quantitativ bestimmen. In Abbildung 1.43 ist das dreidimensionaie StrSmungsbild wfihrend eines Herzzyklus daxgestellt. Beim Offnen der Mitral- und Trikuspidalklappe stellen sich im llnken und recht e n Ventrikel wfihrend des Ffillvorganges zunfichst Einstr6mjets ein, die nach einem Viertel des Herzzyldus jeweils von einem Ringwirbel begleitet werden. Diese entstehen als Ausgleichsbewegung f~r die im ruhenden Fluid abgebremsten EinstrSmjets. Im weiteren Verlauf der Diastole nehmen aufgrund der Bewegung des Herzmyol~rds die Ringwixbel an GrSge zu. Dabei erfolgt die Ausdehnung der Wirbel in axialer Richtung gleichm~igig, in radialer Richtung wixd jedoch im linken Ventrikel die linke Seite verstfirkt. Beim Eindringen in die Ventrikel verringern sich die Geschwindigkeiten der Wirbel. Die Ventrikelspitzen werden zu diesem Zeitpunkt nicht durchstrSmt, hn weiteren Verlauf des EinstrSmvorganges kommt es im linken Ventrikel aufgrund der staxken Deformation zu einer Neigung des Ringwirbels in Richtung der Ventrikelspitze. Dabei verringert sich die Geschwindigkeit der dreidhnensionalen StrSmung, bis schlieglich der EinstrSmvorgang abgeschlossen ist und die Mitralklappe schliegt. Die weitere Deformation der Wirbelstruktur wird durch die Trfigheit der Str6mung bestimmt. Parallel induziert der obere Tell des Ringwirbels einen Sekund~irwirbel im Aortel~anal.
Abb. 1.42: Das KAHMO (Karlsruhe Heart Model) Herzmodell
42
1 Einffihrung
Beim Offnen der Aortenldappe beginnt der AusstrSmvorgang in die Aorta. Dabei wird die Bewegungsrichtung der Wirbel fortgesetzt. Es wird zungchst der Wirbel im Aortenkanal und dann in zeitlicher Abfolge der Ringwirbel ausgesp[ilt. Das Geschwindigkeitsmaximum des AusstrSmvorganges wird im zentralen Bereich der Aortenklappe erreicht und nach 2/3 des Herzzyklus ist der StrSmmlgspuls in der Aorta ausgebildet. Am Ende der Systole hat sich die Wirbelstruktur im linken und rechten Ventrikel vollst~ndig aufgel5st. Dabei werden vom gesunden menschlichen Herzen etwa 63 % des linken Ventrikelvolumens ausgestogen. Das Herzmodell ist Teil eines internationalen Forschungsprogramms (Abbildung 1.44), das sich zum Ziel gesetzt hat, einen virtuellen Menschen bestehend aus 3.5. l04 Genen, l05 Proteinen, 300 Zelltypen, 4 Gewebe- und Muskelstrukturen einschlieglich ihrer Ftmktion, 12 Orgaalsysteme einschlieglich des Herzens und des Kreislaufs zu entwickeln. Dabei reichen die Zeitskalen der unterschiedlichen Funktionen von l0 6 s auf molekulaxer Ebene bis zur Lebenszeit des Menschen von l09 s. Die r~umlichen Skalen reichen von l0 12m der Atome, l0 9 m d e r Proteine, l0 6 m d e r Zellen, l0 a m der Gewebe und Muskeln bis 0.2 m d e r Organe und 1.8 m des Menschen. Der groge Bereich der zeitlichen und r~umlichen Skalen des mensctflichen K5rpers verlangt bei der mathematischen Modellierung der biophysikalischen, biochemischen Prozesse und der a~atomischen Darstellung von Zellen, Geweben und Organen ein hierarchisches Modell, das sukzessiv die molekularen Interaktionen und Tra~sportvorg'~nge mit den kontinuumsmechasfischen Funktionen der Orga~e verlm/ipft. Dabei ist das strSmungsmechasfische Herz- und Kreislaufmodell ein Teil des Gesamtmodells des menschlichen K6rpers. Mit dem KAHMO Herzmodell ist es auch mSglich auf der Basis von MRT-Bilddaten von Herzpatienten, die StrSmung im erkrankten Herzen zu simulieren und die StrSmungsverluste quantitativ zu bestimmen. Damit werden den Herzchirurgen Hinweise gegeben, welche Ventrikelform nach einer Operation ffir die Aufrechterhaltung des Blutkreislaufes die geeigalete ist. Ist nach einem Herzinfarkt eine deraxtige Ventrikelreduktion (Abbildung 1.45) nicht mehr mSglich, verbleibt zum ()berleben die Herztransplantation. Da nicht geniigend Spenderherzen verfiigbaz sind, l~asm zur Uberbrfickung ein kiinstliches Herzunterstiitzungssystem eingesetzt werden.
A b b . 1.43: StrSmung in einem gesunden menschlichen Herzen
1.4 TechnischeAnwendung
43
A b b . 1.44: Der vh'tuelle Mensch, P. H u n t e r et al. 2002
K i i n s t l i c h e H e r z e n sind Kreiselpumpen bestehend aus einem Stutzen am Einlass, dem Laufrad und dem Diffusor am Auslass, der die Rotationsenergie des Blutes in eine DruckerhShung umsetzt. Die Kreiselpumpe besteht aus einem biirstenlosen Elektromotor. Die Spulen umschliegen den StrSmungskanal, w~ihrend der hnpeller im Kern aus einem Permanentmagneten besteht und den Rotor des Motors bildet. Das Laufrad ist an beiden Enden mit Keramiklagern gelagert und die Bauteile bestehen aus einer Titanlegierung mit porSser Oberfl/iche. Diese soll die natiirliche Ausldeidung der menschlichen Gefkge nachbilden und Ttn-ombenbildungen sowie hffektionen verhindern. Die Drehzahl des Rotors betrggt bis zu 14000 Umdrehungen pro Minute um eine Druckdifferenz von 100 mbar und einen Blutstrom von 5 Liter pro Minute zu erzeugen. Derartige Kreiselpumpen befinden sich derzeit mit einer Baul/inge von 7 cm und einem Durchmesser von 4 cm als Herzerg/inzungssysteme in der Erprobung. Die Energieeinspeisung des Elektroantriebes erfolgt induktiv ohne infektionserzeugende Durchf/ihrungen durch den menschlichen K6rper. Der groge technische Nachteil ist die hohe Beanspruchung der Lager des Rotors bei den grogen Drehzahlen sowie der schlechte strSmungsmechanische Wirkungsgrad der Axialpumpen. Deshalb wurden implantierbaxe Verdrgngmlgspumpen entwickelt, die das Blut weir weniger schgdigen als Axialpumpen. Sie erzeugen einen dem nat/irlichen Kreislauf angepassten pulsatilen Fluss, der f/Jr die Versorgung der peripheren Organe g/instiger ist als ein kontinuierlicher Blutfluss. Die Pumpen axbeiten mit einem kiinstlichen Ventrikel, der von Druckplatten komprimiert wird, die elektromechanisch angetrieben werden. Auch hier besteht das Problem eines entsprechend der Abbildung 1.43 nicht angepassten nat/irlichen
A b b . 1.45: Vom menschlichen Herzen zum Kunstherzen
44
1 Einffihrung
StrSmungsablaufs wiihrend eines Pumpzyklus. Dies fiihrt zur ZerstSrung von BlutkSrperehen dureh erhShte Seherkr~iffe in der StrSmung der H/imolyse und zur Thrombenbildung. Ein neuer Ansatz ffir ein Herzunterstiitzungssystem ist eine W e l l e n p u m p e , die mit einer sehwingenden Membrml den periodisehen Volumenstrom des Blutes erzeugt. Die Abbildung 1.46 zeigt die Punktionsweise einer rotationssymmetrisehen Seheibenmembran. Dureh das elektromagnetisehe Aufbringen einer periodisehen Kraft F(t) mn ~iugeren MembrarLrand entsteht eine periodisehe Auslenkung der Membran sowie eine radiale Spannung. Die vertikale Auslenkung bewegt sieh als Transversalwelle in Riehtung der Membranmitte fort. Dureh das umgebende Blur und die vorgegebene Kontur der Kanalwand wird eine Dfialpflmg der Wellenmnplitude in Ausbreitungsriehtung erzwungen. Dabei ver~indert sieh die Ausbreitungsgesehwindigkeit u(r, t) der Welle, die zmn Membrmlzentrum besehleunigt. Dadureh wird ein Druekgradient aufgebaut, der zu einer Str6mung in Riehtung des Membraxtzentrums f/ihrt. Der erforderliehe Volumenstrom von 51 pro Minute und der Druek von 160 mbar wird bei dem abgebildeten Prototypen der Ventrikelpumpe bei einer Oszillationsfrequenz yon 20 Hz bereits bei einer Auslenkungsamplitude von weniger als zwei Millimeter erreieht. Einen anderen Anwendungsbereich der BiostrSmungsmechanik des Blutkreislaufes bietet die Kardiologie. hi Abbildung 1.47 ist das menschliche Gef'dgsystem des Oberk6rpers im MRT-Tomografen gezeigt. Erkennbar sind in der Bildmitte die grogen Gef~ge im Bereich des Herzens mit den links und rechts anschliegenden Verzweigungen in die beiden Lungenfl/igel, die nach oben f~hrenden Halsschlagadern sowie die groge KSrperschlagader in der unteren Bildh~ffe. Mit zunehmendem Alter l~sst die Elastizits der Adern nach, was zu einer Verst~kung der Sekund~str6mung in den Adernkrfimmungen und Verzweigungen f/ihrt, hi den jeweiligen Str5mungsstaupunkten kmm es zur Zerst5rung der endothermen Zellen an den Arterienwfinden kommen, die zu Ablagerungen und Entz/indungen f'fihren. Wird das GeF~igdurch eine Stenose verschlossen, muss es operativ wieder ge6ffnet werden. Eine g~ngige Methode der Geffigchirurgie und Kardiologie sind in die Oberschenkelarterie eingebrachte Katheter, die mit einem aufblasbaren Ballon die Adern 6ffnen. Bei dilatierten Arterien wird zur Stabilisierung der Adernwand ein sogenannter S t e n t eingebracht. Die Abbildung 1.48 zeigt die R6ntgen-Angiografie eines OberschenkelgeF~ifgesmit einer Stenose vor und nach dem Einsetzen des Stents. Ein Nachteil dieser stabilisierenden Stentnetze ist, dass sich nach kurzer Zeit neue Ablagerungen bilden und die Katheterbehandlung erneut durchgeffihrt werden muss. Deshalb verwendet man mit Medikamenten beschichtete Stents, die diesen Ablagerungsprozess fiir einen l~geren Zeitraum verhin-
Abb. 1.46: Wellenpumpe als Herzunterstfitzungssystem (Firma AMS 2007)
1.4 Technische Anwendung
Abb.
1.47: Menschliches Gefs
45
im OberkSrper
dern. Verkniipft m a n die selbstreinigende Noppung des Lotuseffektes von Kapitel 1.1 mit der Medikamentenbeschichtung, kann die Funktionsdauer des Stents welter verl~hlgert werden.
Diese medizinischen Beispiele lassen sich mit der Entwicklung von Nadeln, die die Adern weniger sch~idigen, der strSmungsmechanischen Opthnierung yon Byp~sen, kfinstlichen Herzldappen und dem gentechnischen Wachstum menschlichen Gewebes in Bioreaktoren fortsetzen. Eine Vision der kardiologischen Diagnostik ist dabei, die Katheter durch in der Blutbahn schwimmende Minlaturroboter zu ersetzen. Abbi]dung 1.49 zeigt das Ideinste U-Boot der Welt der Firma Microtec. Es schwebt im Test in einem anatomischen Pr~parat
A b b . 1.48: 0berschenkelgef'dt~ vor und nach Einsetzen eines Stents
46
1 Einffihrung
A b b . 1.49: Miniatur U-Boot (Microtec 2006) einer Arterie. Mit Beobachtungs- und Messinstrumenten bestiickt, unternehmen derartige Miniatur U-Boote Inspektionsfahrten im KSrper. Sie werden von einer Schraube angetrieben und mit einem speziellen Laserbeschichtungsverfahren mit flfissigem Kunststoff Schicht f'tir Schicht aufgebaut. Auch die sich entwickelnde Nanotechnologie bietet neue MSglichkeiten. So kSnnen entsprechend der BlutkSrperchen Nano- und Mikroteilchen gezielt transportiert und abgelagert werden. In den einffihrenden Kapiteln haben wir Begriffe gew~alt sowie Methoden und Ph~nomene der Biomechanik und BiostrSmungsmechanik benutzt, die f'dr die Studenten der Naturund Ingenieurwissenschaften neu sind. In den folgenden Kapiteln werden diese systematisch ehlgeffiba't und die Beispiele der technischen Anwendung der natiirlichen Evolution fortgesetzt.
47
2
G r u n d l a g e n der B i o m e c h a n i k
In diesem Kapitel stellen wir die biologischen und strukturmechanischen Grundlagen ffir die mathematische Formulierung und physilmlische Modellierung der Biomechanik bereit. Bei der Auswatfl der Kapitel lassen wir uns von den einffihrenden Beispielen der Abbildung 1.1 leiten. Es gilt also die Strukturmechanik und deren Dynamik ffir welches Gewebe und Muskelsctfichten zu formulieren. Die Biomechanik fester KSrper wie z. B. der Knochen, die bei der Fortbewegung des Menschen vorkommt, ist nicht Gegenstand des Lehrbuches. Eine allgemeinere Darstellung der Biomechanik findet sich z. B. in den Bfichern von J. D. Humphrey und S. L. Delange 2003, Y. C. Fung 1997 und ffir Biologen W. Nachtigall 2001.
2.1
Biologisches Material
Biologische Materialien, Strukturen und Oberfl~ichen sind funktionell und hierarchisch aufgebaut. Dabei reichen die Hiumlichen Sl~len yon der Makrostruktur i0 l m bis zur Nanostruktur i0 9 m fiber acht Grff~enordnungen. Biologische Kompositmaterialien, wie wir sie in der Natur vorfinden, setzen sich aus funktionel] definierbaren Tei_Isystemen zusammen. So besteht die Arterienwand des menschlichen Kreislaufs aus drei Schich-
ten, der Intima (I), der Media (M) und der Adventitia (A) (Abbildung 2.1). Bereits in Abbildung 1.8 haben wit die Funktionsweisen der drei Sehiehten besehrieben. Die Innenwand (I) besteht aus einer Lage Endothelzellen , die von kollagenen Fasern und einer strukturierten elastisehen Membran umgeben ist. Die Mittelsehieht (M) wird yon radial und spiralfSrmigen Muskelfasern gebildet, die in elastisehes Bindegewebe eingebettet sind. Die Augenhaut (A) besteht aus elastisehen kollagenen Fasern und Muskelzellen. Jede Schieht bildet ein Teilsystem untersehiedlieher biomeehaniseher Eigensehaften, die das Gesamtsystem Arterie bilden.
Abb. 2.1: Hierarchischer Aufbau der elastischen Arterienwand
48
2 Grundlagen der Biomechanik
Die kleinste Einheit einer biologischen Struktur ist die Zelle. Die Abbildung 2.2 zeigt den vereinfachten Aufbau der menschlichen Zelle. Sie besteht aus dem Zellkern, der die genetische Information der DNA der Chromosomen trggt und der mit seinem genetischen Code die Zellaktivit~it bestimmt. Der Zellkern besitzt eine eigene porSse Melnbran, die den Transport in und aus dem Zellkern kontrolliert. Das Cytoplasma ist der Tell der Zelle, der nicht den Zellkern umfasst. Es besteht aus anderen Organellen, orgaalisierte Strukturen, die weitere Zellfunktionen fibernehmen. Dazu gehSren z. B. die Ribosomen, die die RNA Daten ffir die Proteinsynthese iibersetzen. Die ZeUlnembran hat eine Dicke von 5 Nanometer und besteht aus verschiedenen Rezeptoren, Pumpen, Kan/ilen und transmembranen Proteinen. Fiir eine detaillierte Beschreibung der Zellbiologie verweisen wir auf das Buch von B. Albe~ts et al. 2002. Aus der Sicht der kontinuumslnechanischen Biomechanik komlnt es nicht auf die detaillierte Kenntnis des molekularen Aufbaus der einzelnen Zellen an. Es wird u_us hn Folgenden lediglich interessieren, wie sie sieh im Verbund eines biologischen Gesamtsystems meehaniseh verhalten. F/Jr die betraehtete Arterie bedeutet dies, dass wir die SpannungsDehnungseigensehaften der einzelnen Sehichten sowie des Gesamtsystems kontinuumsmeehaniseh besehreiben und physikaliseh modellieren. Dabei werden die Eigensehaften des biologisehen Materials mit einem Materialgesetz besehrieben, das ausgehend yon der molekularen Mikrostruktur die makroskopisehen Eigensehaften und damit die Verteilung der Kriifte im Gewebe eharakterisiert. Die Abbildung 2.3 zeigt den hierarchischen Aufbau einer K o l l a g e n f a s e r vom helixartigen Molek/il bis zum Gewebe der Augenwand, wie sie bei einer elastischen Arterie (siehe Abbildung 2.1), Koronararterie, Myol~rd des Herzens, Lunge, Haut, Sehne oder Knorpel vorkommt. Die Molek/ile der Kollagenfaser bestehen aus drei sogenaxmten a-Ketten, die helixartig ineinander verwoben und an den jeweiligen Enden miteinander verbunden sind. Vier bis f/inf dieser Molekiilketten bilden die Mikrofibrillen, die grSgere Fibrillen und
A b b . 2.2: Vereinfachte Skizze einer menschlichen Zelle, J. D. Humphrey 2002
2.1 Biologisches Material
49
A b b . 2.3: Hierarchischer Aufban der Kollagenfasern
schHef~Hch Fasern der GrSge 1 - 500 #m formen. Diese Fasern verzweigen sich von Schicht zu Schicht und haben eine Zugbelastung bis zu l05 Pa. Mit der sogenazmten Magalet-Spin-Resonanz M R T - p h a s e m a p p i n g - M e t h o d e ~ n n m a n die Fasemorientierung z. B. von Muskelschichten sichtbar machen. In Abbildung 2.4 sind die ans Geschwindigkeitsmessungen im Myokard des menschlichen Herzventrikels ausgewerteten Beschleunigungsspuren des Herzmuskels gezeigt. Die Muskelfasern orientieren sich spiralf'drmig um den Ventrikel und verursachen eine radiaAe und longitudinale Kontraktion des Ventrikels. Dieses biomechanische Verhalten biologischen Gewebes gilt es nun mathematisch zu beschreiben und mit einem kontinuumsmechanischen Materialgesetz abzubilden. Den Vorgang nennt man M o d e l l i e r u n g . Entsprechend der Abbildung 2.5 geht m a n von Beobach-
A b b . 2.4: Fasernorientierung im Myol~rd des menschlichen Herzventrikels, Universitgtsldinik Freiburg 2005
50
2 Grundlagender Biomechanik
Abb. 2.5: Von der Beobachtung zum kontinuumsmechanischen Model/ tungen aus, wie sie in Abbildung 2.4 f/ir den Herzventrikel gezeigt sind. Fiir die mathematische Bescl~'eibung benutzen wir die kontinuumsmechanische Theorie mit funktionalen ZusammenhKngen der statischen beziehungsweise dynamischen Kraftwirkung auf das biologische Material ohne Berticksichtigung der molekulaxen Struktur. Die sich ergebenden Differentialgleichungen werden bei vorgegebener Geometrie mit Anfangs- und Raadbedingungen analytisch oder numerisch gelSst (Simulation) und mit experimentellen Ergebnissen verglichen. Die dem Materialgesetz zugrunde liegenden Modellvorstellungen werden im n~ichsten Schritt verfeinert und im Experiment validiert. Dazaus entsteht letztendfich ein theoretisches Modell, das die Dynamik des realen biologischen Materials n~hherungsweise beschreibt.
2.2 Biomechanische Grundbegriffe
2.2 2.2.1
51
Biomechanische Grundbegriffe Spannung und Dehnung
Die S p a n n u n g ist definiert als Kraft pro Fl~che. Auf das vertikale Flgchenelement dA~ dy 9dz mit dem Normalenvektor n d e r Abbildtmg 2.6 wirkt die N o r m a l s p a n n u n g a ~ und auf das horizontale F1/ichenelement dA= dx 9dy die S c h e r s p a n n u n g a=x. Die auf die Flgchenelemente wirkenden Krgfte sind d f ~ a ~ 9dy 9dz und df:x a=~ 9dx 9dy. hi einem dreidimensionalen Kraftfeld wirken auf das Volumenelement dV dx 9 dy 9 dz der Abbildung 2.7 drei Normalspannungen a ~ , avv und a = , die Ausdetmung und Kompression verursachen sowie sechs Scherspannungen axy, ax=, ayx, ay=, a=x und a=y, die eine Verzerrung des Volumenelementes zur Folge haben. Damit ergibt sich der auf das Volumenelement wirkende S p a n n u n g s t e n s o r G:
( sr
d f ~ dfxv df~=N dA~ dA~ dA~ | dfvv df~= /
/dA,:~ l dA~ dA~ dA~l [ dI= )
O-xx O-xy O-xz,I
O-yx O-yy O-yz, I\O-z, x O-z,y O-z,z,
(2.1)
k dA= dA= - ~ Der Spazmungstensor ist symmetrisch, das heifer es gilt: ax~
a~x
,
a~:
a:~
,
a~:
a:~
(2.2)
In den folgenden Kapiteln benutzen wir auch die indizierte Tensorschreibweise:
(9"
0-11 0-12 0-13~ /0-21 0-22 0-23J \0-31 0-32 0"33/
CTij
(2.3)
Die Biomechanik bein_haltet die Kr~Kte auf einen elastischen KSrper trod die daraus resultierende Bewegung. Diese wird mit dem D e f o r m a t i o n s v e k t o r
"it
Z~~
XY
"try "ttz
~
"tt2 "tt3
"tti
(2.4)
dz
A b b . 2.6: Normalspazmung und Scherspannung
dx
II n
52
2 G r u n d l a g e n der B i o m e c h a n i k
beschrieben. Mit der Koordinate a ai vor und m xi naeh der Deformation sehreibt sieh der Deformationsvektor fiir eine endliche Deformation eines elastisehen KSrpers: Ui
Xi -- ai
(2.5)
Die Ableitungen des Deformationsvektors nach den Verschiebungskoordinaten xi bezeichnet man als D e h n u n g . Von mehreren mSglichen Formulierungen der Dehnung verwenden wir im Folgenden die Greensche Dehnung: OU 1 ell
1 ~ (Oui'~ 2
~X1 @ 2 "
Ou2
i=l
'
kOXl)
1 k(Oui'~2
e22
-aT + 5 " i=l \ Ox2 /
'
eaa
Ou3 1 k ( O u i ' ~ 2 ~ + 2 " i=1 \ Ox3 J
'
1 (0u I
OUl
OU2
OUl
(2.6) OU2
OU2
OU3
OU3
/
el2
2 " kOX2 @ ~X 1 @ OX-""~" OX""~@ OX'-"'~" OX""~@ OX'-"'~ OX 2 ~-/ 1
['Ou2
e~
5
"mkOx~+ a77x~ + Ox---7 Ox---7+ 0%-7 Ox---7+ 0%-7 Ox~ ~) ['Oua OUl OUl OUl OU2 OU2 OU3 OU3 "~
e31
1 2 " [mk0Xl @ ~X 3 @ OX""~ " OX'-"'~@ OX''~ " OX'-"'~@ OX''~ OX 1 ~-)
Oua
OUl
OUl
OU2
OU2
OU3
e21
'
OU3 "~
e~2 , el3
Die Greensche Definition der Dehnung ist quadratisch nichtlinear beziiglich der Ableitungen des Defonnationsvektors. Selbst ffir das einfache Beispiel eines l ~ g s verfonnten Stabes bei konstanter Normalspasmung axx, der sich ausschlieglich entlang der Achse verfonnt, ergibt die Greensche Detmung eine nichtlineare AbhRngigkeit: ~11
0U 1 1 (0u1"~ 2 b-71+~.\o.1]
~ e33
,
~1~
~1
o
b-77. + ~ . \ o . ~ ]
,
~
~
o
0ua 1 (0ua'~ 2 ~+5k0x32
'
e~l
el~
0
1
.~..- m m z
dx Abb. 2.7: Spannungstensor
(2.7)
2.2 Biomechanische Grundbegriffe
53
Erst unter der Voraussetzung kleiner D e f o r m a t i o n e n , wenn xi ~ ai gilt, k5nnen die nichtlinearen Terme der Deformationsableitungen vernachl/issigt werden und die Greensche Detmung schreibt sich:
e.
ell el2 e13~ /e21 e22 e23] \e31 e32 e33/
eij
(2.8)
mit
ell e22
~u 1 ~Xl Ou2 ~X 2
el9
~ 9 kOX9 + OX1 j
egl
,
e2a
2
\ Oxa + 0x2 ]
ea2
,
e31
~ "
1 (Oua OUl~ ~0X 1 + 0X3J
el3
OU3 e33
(9X3
e11, e22 und eaa sind die Ausdehnungskomponenten und e12, e2a und eal die Scherkomponenten der linearisierten Dehnung. 2.2.2
Spannungs-Dehnungsgeset z
Mit Spammngs-Dehnungsgesetzen wird das Materialverhalten bezfiglich der Wh'kung iiugerer KrMte modelliert. Ein Gummiband wird sich unter Belastung anders verhalten als ein Metallstab. Beriicksichtigen wir den hierarchischen Aufbau biologischen Materials von Kapitel 2.1, wird sich wiederum ein anderes Spannungs-Dehnungsverhalten ergeben. In Abbildung 2.8 sind qualitativ die unterschiedlichen Spammngs-Dehnungsgesetze dargestellt. Zuniichst unterscheiden ~ir zwischen einem l l n e a r e n und n i c h t l l n e a r e n Materialverhalten. Metalle und auch Knochen verhalten sich linear, solange die Dehnung nicht zu grog ist und die Mikrostruktur des Materials erhalten bleibt, hn Gegensatz dazu zeigen weiclies biologisches Gewebe und Gummi ein nichtlineares Spammngs-Dehnungsverhalten aufgrund ihres mikroskopischen Aufbaus mit langkettigen Molektilen. Elastische Materialien kehren nach Aufhebung der Belastung wieder in ihren Anfangszustand zuriick. Das bedeutet, dass wie beim Metall keine innere Energie dissipiert. Bei Be- und Entlastung durchl/iuft das Material dieselbe Spannungs-Dehnungskurve. Biologisches Gewebe
•
Encrgiedissipati//i 0.002 C~
Mctall
C~
wcichcsCmwebc
2.o Cr
Cmmmi
Abb. 2.8: Qualitativer Vergleich von Spannungs-Dehnungsverhalten
54
2 Grundlagen der Biomechanik
und Gummi kommen zwar aueh zum gleiehen Anfangszustand zurtiek, durehlaufen aber bei Be- und Entlastung untersehiedliehe Kurven (Hysterese). Dieses Verhalten nennt man pseudoelastisch. Man beaehte die um GrSgenordnungen untersehiedliehen Grenzwerte der Dehnung von 0.2 beziehungsweise 2.0. Im Gegensatz dazu erf'&ha-t eine plastisehe Deformation eine irreversible Zustandsgnderung mid kehrt lficht in den Anfangszustand zurfiek. Desweiteren unterscheiden wir h o m o g e n e und i n h o m o g e n e Materialien. Beinl homogenen Material wie Metall ist das Spammngs-Dehnungsgesetz unabh/ingig vom Ort. Dies ist anders bei Verbundwerkstoffen und biologisehem Material, die in Sehiehten aufgebaut sind. Letztendlieh bezeiehnen wir Materialien deren Verhalten unabh/inNg vom Ort sind als isotrop. Metalle zeigen isotropes Verhalten, sofern die Deformation klein genug ist, w/ihrend Gummi bei grogen Auslenkungen anisotrop ist. In Sehiehten aufgebautes biologisehes Gewebe zeigt a n i s o t r o p e s Verhalten. Dies f'tih_rt entspreehend der Abbildung 2.9 dazu, dass f'tir die innere Sehieht des Myokards des mensehliehen Herzventrikels ein anderes Spannungs-Dehnungsgesetz als f/Jr die fiuf~ere Epikardsehieht gilt. Im Myokard ergeben sieh untersehiedliehe Grenzwerte der Dehnung, je naehdem ob die Belastung entlang oder senkreeht zu den Muskelfasern erfolgt. Die Abbildung zeigt, dass die fiugere Epikardsehieht ein deutlieh niehtlineareres anisotropes Spannungs-Dehnungsverhalten zeigt als die Myokardsetfieht aufgrund der ausgepriigten wellenfSmfigen Kollagenfasern, die in Abbildung 2.3 dargestellt sind. Diese gugere Muskelsehieht des Herzventrikels zeigt zus/itzlieh eine Hysterese der Belastungskurve. Die mathematische Formulierung des Spannungs-Dehnungsgesetzes unter der Voraussetztmg homogener KSrper f'tihrt ffir kleine Deformationen zum H o o k s c h e n Gesetz elastiseher KSrper: O-ij
Cijkl "ekl
,
(2.9)
mit dem Spannungstensor aij (2.3) und dem Dehnungstensor ekl (2.8). Cijkl ist der Tensor der elastisehen Konstanten, der unabh/ingig von den Spannungen und Delmungen ist. Der
A b b . 2.9: Qualitative Spannungs-Dehnungsgesetze des menschlichen Myokards und Epikards
2.2 B i o m e c h a n i s c h e Grundbegriffe
55
Spannungstensor ist ffir die Voraussetzungen kleiner Deformationen linear proportional zum Dehnungstensor. F/Jr richtungsunabhgngige i s o t r o p e M a t e r i a l i e n verringert sich die Anzahl auf zwei unabhgngige elastische Konstanten und das Hooksche Gesetz schreibt sich: o-ij
,~ 9ekk 9(~ij@ 2 9# 9eij
(2.10)
A und # werden die Lam6-Konstanten genannt, wobei # den Schermodul darstellt, der auch mit G bezeichnet wird. In Kartesischen Koordinaten schreibt sich das Hooksche Gesetz fiirisotrope elastischeMateriafien: a~
A . ( e ~ + e~ + e=) + 2 . G . e ~ x
,
a~
A.(ex~ + e ~ + e ~ ) + 2 . G . e y y
,
a=
A. (e~ + e ~ +
e~)+2.G.e~
,
~xy
2"C,'exy
~yz
2 .G.
(2.11) azz
eyz
2 "G'ezz
Nach den Dehnungskomponenten eij aufgelSst, schreibt man Gleichung (2.10) iiblicherweise: eij
// 1 @// - -E "O-ij -- "~ "O-kk " (~ij
(2.12)
E wird Y o u n g - M o d u l (Elastizit/itsmodul), u Poisson-Verh~iltnls und G S c h e r m o d u l genmmt. Der Young-Modul E beschreibt die Steiflmit des Materials in Ausdehnungsrichtung und damit die Anderung der Spannung aufgrund der Dehnung, die mit SpannungsDehnungsmessungen von Materialproben bestimmt wird. Poisson-Verh/iltnis u ist das Verh/iltnis orthogonaler Richtungen und beschreibt die Verjiingung des Materials, das sich ausdehnt, wghrend der Schermodul G den Widerstand aufgrund der Scherung darstellt. Man kann zeigen, dass fiir linear elastisches, homogenes und isotropes Materialverhalten gilt: E . (1 + u) -ff
c
(2.13)
In Kartesischen Koordinaten schreibt sich Gleichung (2.12): 1
exx
l+v
~.(~x~-u.(~+~=))
,
e~
1
eyy
~=
E 1
~
E
1
"~
l+u
(~
'
(~176176
eY=
'
~
E l+u
~~
~.G'~
'
1
"~
U.C'aY=
'
(2.14)
1
2-7----~~
Ein einfaches Beispiel soll die Wirkung der einzelnen Terme veranschaulichen. Wenn ein rechtecldger Materialblock in z-Pdchtung komprimiert wird, verk/irzt er sich infolge der Dehnung: e~
1
~ .a=
(2.15)
56
2 Grundlagen der Biomechanik
Gleichzeitig beulen sich die Seitenwgnde etwas aus. Ffir ein lineares Material ist die Ausbeuldehnung proportional zu a ~ und wirkt der Spannung entgegen: //
exx
//
-~.a~
,
e~
-~.a~
(2.16)
Wird der Materialblock mit axe, a ~ und a ~ in alle drei Richtungen komprimiert iiberlagern sich die Effekte linear. Der Einfluss yon a ~ auf e ~ und e ~ und yon a ~ auf e~x und e ~ ist derselbe, wie der Einfluss yon a ~ auf e ~ und e ~ . Dmnit ergibt sich: 1
u -
u -
(2.17)
Fiir die Scherung gilt das Gleiche. Die Spannungen o-ij und die Dehnungen eij (i 7~ j) sind ebenfalls direkt proportional. Die Abbildung 2.9 hat gezeigt, dass biologisches Muskelgewebe anisotropes und nichtlineares Spannungs-Dehnungsverhalten zeigt. Dennoch lfisst sich in einem begrenzten Spannungs-Dehnungsbereich das Hooksche Gesetz unter der Annahme der O r t h o t r o pie niiherungsweise anwenden. Neben der Isotropie oder transversalen Isotropie in einer Schicht ist die Orthotropie ein iiblicher Begriff um die Symmetrie des Materials zu charakterisieren. Wie der Name bereits aussagt, versteht man unter orthotropem Verhalten in drei orthogonalen Richtungen unterschiedliches Spannungs-Dehnungsverhalten. So unterscheidet sich in Arterien aufgrund der radialen Orientierung der Kollagenfasern das axiale Spannungs-Dehnungsverhalten vom Umfangs- und Radialverhalten, da die Muskelschichten entsprechend der Abbildung 2.1 in Umfangsrichtmlg angeordnet sind. Das Gleiche gilt ffir das menschliche Herz. hl Abbildung 2.10 ist die Orientierung der kardialen Muskelfasern gezeigt, die in Abbildung 2.4 ffir den linken Herzventrikel mit der MRT-phase mapping-Methode visualisiert wurden. Drei Gruppen yon Muskelschichten winden sich urn die beiden Herzventrikel wfihrend sich eine weitere Muskelschicht ausschlieghch um den linken Ventrikel schlingt. Dabei orientieren sich die kardialen Muskelzellen eher tangential als radial um das Herz. Den unterschiedlichen Muskelscliichten kmm man nfillerungsweise orthotropes Verhalten zuordnen. Unter der Voranssetzung linearen, elastischen und homogenen Materialverhaltens kann
A b b . 2.10: Orientierung der kardialen Muskelfasern
2.2 Biomechanische Grundbegriffe
57
man das Hooksche Gesetz fiir orthotrope Materialien verallgemeinern: 1
1/21
1/31
1
e~
E - - 7 " ~ - E--7"~uu- E--7"~=
euu
E2
1
1/12 " ayy
1
--
'
e~u
~.C;12 "~u
,
euz"
2 9 (7,23
u32
E1
" axx
-- ~
1 9 azz
u23
//la
" ayz
(2.18)
1
mat den drei Young-Modulen E l , E 2 trod Ea, den drei Schermodulen G19, G 13 tend G23 tend sechs Poisson-Verh/iltnissen u12, u21, u13, Ual, u2a und ua2 von denen nur drei unabh/ingig sind. Man kann zeigen, dass gUt: /119
/191
E1
E2
'
I]13
I]31
E1
Ea
'
/193
/139
E2
Ea
(2.19)
Um die orthotropen Stokesschen Beziehungen auf die Muskelfaserschichten anwenden zu kSnnen, muss man die Gleichungen (2.18) von den Kartesischen Koordinaten in die Koordinaten der Muskelschichten transfornfieren. Diese Transfornmtionsgleichungen sind z. B. in den Biichern yon J. D. Humphrey und S. L. Delange 2003 und Y. C. Fung 1997 eingehend beschrieben.
2.2.3
ViskoelastizitRt
Bisher sind wir von einer statischen Belastung des Materials ausgegangen. In Abbildung 2.9 haben wir bereits gezeigt, dass bei einer zyldischen zeitabhfingigen Kompression und Relaxation der /iugeren Herzmuskelschicht eine H y s t e r e s e des SpannungsDehntmgsverhaltens anftreten kazm. Wird ein K6rper pl6tzlich gedehnt tend die Dehntmg bleibt dennoch konstant, verringern sich die durch die Detmung verursachten Spannungen kontinuierlich. Diesen Vorgang nennt man R e l a x a t i o n . Wird der KSrper plStzlich einer Spannung unterzogen und diese bleibt in der Folge konstant, verformt sich der KSrper weiter. Diesen Vorgang nennt man K r i e c h e n . Kriechen, Relaxation und Hysterese sind Eigenschaften der V i s k o e l a s t l z i t R t . Alle bisher betrachteten biologischen Materialien sind viskoelastisch. In Abbildung 2.11 sind zwei klassische Modelle der Viskoelastizit/it dargestellt. Das M a x w e l l - M o d e l l besteht in zeitlicher Abfolge aus einem elastischen Sprung und einer sprunghaften Dfimpftmg. Die Dehntmg e steigt nach der Belastungssprunglinie an tend nimmt nach der Entlastung einen konstanten Wert an. Die Spaanung a F/A steigt sprunghaft mit der momentanen Dehmmg und relaxiert kontinuierlich mit fortschreitender Zeit. Ist F die momentane Kraft, die den Sprung # erzeugt und u die Auslenkung, daan gilt F #. u. Wirkt die Kraft F als momentane Dgmpfung 77erzeugt sie die Auslenkungsgeschwindigkeit du/dt mat F 77"du/dt. Beim Maxwell-Modell wirkt dieselbe Kraft beim Spanmmgssprung und der momentanen Dgmpfung. Diese Kraft erzeugt die Auslenktmg F / # tend Dgmpfungsgeschwindigkeit F/77. Die Geschwindigkeit der sprunghaften Ausdehnung ergibt (dF/dt)/#. Damit ergibt das Maxwell-Model/die lineaxe Superposition der
58
2 Grundlagen der Biomechanik
beiden Geschwindigkeiten: dF dt #
du dt
- -
mit der Anfangsbedingung zur Zeit t
i1
F 77
(2.20)
- -
0:
~(o)
~(o) #
da ffir t 0 der Spannungssprung umnittelbar eine Deformation zur Folge hat aber die Dgmpfimgsauslenkung noch Null ist. Beim V o i g t - M o d e l l haben der Spannungs- und Dgmpfungssprung dieselbe Auslenkung und erzeugen die Kr~ifte # 9u und 779du/dt. Damit ergibt sich ffir die Gesmntkraft F: d u
, . ~ +,7. u
(2.21)
Bei einem pl6tzlichen Sprung der Kraft F erhglt mart die Anfaxtgsbedingung: u(0)
0
(2.22)
Die LSsungen der Gleichungen (2.20) mid (2.21) fiir u(t) mit einer Sprungfunktion ffir F(t) ergeben die Kriechfunktionen fiir das Maxwell-Modell
~(t) (~+1. t)
t bclastct
cntlastct
9I(t)
t gcdohnt
MaxweU-Modell
t
y
F 1 belastet
entlastct
gedehnt
Voigt-Modr Kricchfimktion
Relaxationsfimkfion
A b b . 2.11: Viskoelastische Modelle
I(t)
(2.23)
2.2 BiomechanischeGrundbegriffe
59
und ffir das Voigt-Modell
u(t)
1. (1-e #
~.t.i(t))
(2.24)
sowie die Relaxationsfunktionen bei Vertauschen der Wirkung von F und u ffir das MaxweU-Modell
u(t)
#.e ~.t.i(t)
(2.25)
71" 6(t) + #. I(t)
(2.26)
und ffir das Voigt-Modell
u(t)
0 ffir t < 0 und t > 0. I(t) ist die Einheits0 und 0 ffir t < 0.
6(t) ist die Dirac-Deltafunktion mit 6(t) sprungfunktion mit 1 ffir t > 0, 1/2 flit t
Bei einem Maxwell-KSrper erzeugt die p15tzliche Belastung eine unmittelbare Auslenkung des elastischen Sprungs, dem ein Kriechen der D/impfung folgt. Auf der anderen Seite erzeugt die pl5tzliche Deformation eine Reaktion durch den Sprung, dem ebm exponentieUe Spmmungsrelaxation folgt. Der Faktor 77/# wird Relaxationszeit genamlt. Bei einem VoigtKSrper erzeugt die plStzliche Kraftwirkung aufgrund der D/impfung parallel zum Sprung keine unmittelbare Auslenkung und bewegt sich nicht unmittelbax. Die Deformation baut sich allm/ihlich auf, wghrend der Sprmlg einen zunehmenden Anteil der Belastung hat. Die D/ia~lpfung der Auslenkung relaxiert exponentiell. 71/# ist wiederum die Relaxationszeit. Diese Modellvorstelhmgen dienen lediglich dem grunds/itzlichen Verstgndnis der Viskoelastizitgt. Sie finden im Folgenden keine Anwendtmg. Vielmehr ist die periodische Beund Entlastung z. B. einer Arterienwand yon Interesse, die auch deren Hysterese berficksichtigt. Bei p e r i o d i s c h e r B e l a s t u n g z. B. eines Muskels zeigt das viskoelastische SpannungsDehnungsdiagramm der Abbildung 2.12 einen Loop im Gegensatz zum linearen Hookschen Verlauf. Dabei geht vonder Belastung fiber die rfickffihrende Entspannung Energie verloren, die der F1/iche innerhalb des Loops entspricht. Die Gerade des Hookschen Gesetzes bedeutet, dass bei einem elastischen Material alle Energie die in das Material eingebracht wird auch wieder zurfickgewonnen wird. Were1 die Kraft F u n d die Auslenkung u als harmonische Funktion aalgesetzt werden u
U
9 e i'w't
,
(2.27)
~ ~ c Hool~ahes Material
c Viskoelastisches Material
A b b . 2.12: Spaxmungs-Dehnungs-Loop bei oszillatorischer Anregung
60
2 Grundlagender Biomechanik
erh/ilt man mit der Ableitung nach der Zeit: du
i 9w 9 U
9 e i'cJ't
i 9w 9u
dt
(2.28)
Damit gilt ffir das Maxwell-Modell (2.20): i.w.u
i.w.F
F
- - + - #
7?
(2.29)
Das kalm in die Form Y
G(i.
(2.30)
w).u
gebracht werden, was gleichbedeutend ist mit: Y. e i ~ t
G(i.
ei ~ t
w).u.
(2.31)
G(i 9w) bezeichnet man als k o m p l e x e n Elastizitiitsmodul. F/Jr den Maxwell-KSrper erhRlt man: C ( i . w)
i.w.
(i.cd #
+
~) 1
(2.32)
Schreibt man G ( i . w)
IGI. e i'~
,
(2.33)
ist ICl die Amplitude des komplexen Elastizitfitsmoduls und a die Phasenverschiebung. tan(a) nennt man die innere R e i b u n g . Beide Gr6gen sind in Abbildung 2.13 als Funktion des Logarithmus der Kreisfrequenz w dargestellt. Die imlere Reibung erreicht bei der normierten Kreisfrequenz log(w) 1 ein Maximum. In Konsequenz hat der Elastizit~tsmodul seinen grSgten Anstieg in der Umgebung des Maximums von tan(a). Diese Auftragung erlaubt es die Parameter des gewkhlten viskoelastischen Modells an experimentelle Daten der periodisch oszillierenden Spannungs-Detmungsmessungen anzupassen. Bisher galten alle Ableitungen fiir kleine Auslenkungen. Nichtlineare SpannungsD e h n u n g s b e z i e h u n g e n bei endlicher Auslenkung fiihren auf Tensoren der Spammngsund Dehnungsraten. Diese wurden ffir elastische, viskoelastische und viskoplastische (mit einer bleibenden Verfommng) Materialien entwickelt. Fiir die biologischen viskoelastischen Materialien wird ein quasi-lineares orthotropes Modell in Kapitel 2.3.3 angegeben.
~llnlml-_ IGI' ~.fig
_vL~~
g]asa_,-'dg
1
log t0
Abb. 2.13: Amplitude des komplexen Elastizit/itsmoduls IGI und inhere Reibung tan(a)
61
2.3 Bewegungsglelchungen der Strukturnaechanik
2.3
Bewegungsgleichungen
der Strukturmechanik
Ffihrt man die Deformationsgeschwindigkeit vials totale zeitliche Ableitung des Deformationsvektors ui (2.5) ein, erh~t man mit dem Spannungstensor aij (2.3) die B e w e g u n g s g l e l c h u n g e n in Kartesischen Koordinaten:
p. --~
p. \ - ~ - + vj. ~xjJ
~
+ fi
,
(2.34)
mit den volumenspezifischen Krgften fi und der Dichte des Materials p. Dabei wird die fibliehe Tensorsehreibweise benutzt. Die Wiederholtmg eines Indexes bedeutet die Smmne fiber i 1, 2, 3 beziehungsweise j 1, 2, 3: 00-ij
00-il
0xj
o%-7 +
00-i2
00-i3
dvi 8-7
0vi 0vi ()t + Vj 9 ()X---j
+ o%-7 ' 0vi 0vi 0vi 0vi ()t + Vl " ~ X 1 + V2 " ~ X 2 + V3" ()X--"7
Die totale zeitliche Ableitung der Deformationsgeschwindigkeit beschreibt die Anderung in einem mitbewegten Volumenelement dV dxl 9dx2 9dxa. Diese Darstellung nennt man L a g r a n g e - B e s c h r e i b u n g , die in Kapitel 3.2.1 eingehend im Zusammenhang mit der Kinematik von Str6mungen besckrieben wird. Die partielle zeitilche Ableitung der Deformationsgeschwindigkeit nach der Zeit und die konvektiven Terme abgeleitet nach den Raumkoordinaten bezeichnet man als E u l e r - D a r s t e U u n g , ttie wit im Folgenden weiter benutzen.
2.3.1
Navier-Gleichung
Der Spannungstensor o-ij lgsst sich ffir einen elastischen K5rper unter der Voraussetzung kleiner Deformationen als lineare Funktion des Dehnungstensors ekl daxstellen (Hooksches Gesetz (2.9)): a
O-ij
Cijkl 9ekl
,
(2.35)
mit dem Tensor der elastischen Konstanten Cijkl. Ffir einen isotropen elastischen K6rper vereinfacht sich das Hooksche Gesetz entsprechend der Gleichung (2.10): O-ij
"~ " ekk " ~ij + 2 9 # 9 eij
(2.36)
,
mit der Lam~-Konstanten A und dem Schermodul G. Nach eij aufgel5st erh/ilt man Gleichtmg (2.12): eij
l+v E
v .aij - ~ "akk 9~ij
(2.37)
E ist der Elastizitgtsmodul und v das Poisson-Verh~tnis. Setzt man Gleichung (2.36) in die Bewegungsgleichung (2.34) ein, erh~t man: ( 0l'i
0l, i ~
p. \ - ~ - + vj. ~xTxjj
Oekk
A. ~
Oeij
+ 2. G. ~
+ fi
(2.38)
2 Grundlagen der Biomechanik
62
Mit der Voraussetzung infmitesimaler Deformationen ui(xl, X2, X3, t) IEsst sich Gleiehung (2.38) unter der Vernaehlgssigung yon Temlen hSherer Ordnung linearisieren. Es gilt die Kontinuit/itsgleiehung ffir ein inkompressibles Material konstanter Diehte p:
0
Oxi
(2.39)
Damit gelten die lineaxisierten Beziehungen:
l
e~j
(Oui
Ouj'~
2 " \ Oxj + Ox~ )
dvi
02ui
dt
Ot2
'
(2.40)
In Gleichtmg (2.38) eingesetzt ergibt die line~e Navler-Glelehtmg ffir isotrope elastisehe Materialien:
p. Ot2
G. ~
+ (,k + G). ~
\Oxj,] + fi
(2.41)
Mit dem Poisson-Verhfiltnis u der Gleichung (2.37) ergibt sich: u
02Ui P" at 2
2.3.2
A 2. (~ + c )
G O2ui 1 Ox~ + 1 - 2 . u .
.
.
(2.42)
'
.
O (' Ouj "] Oxi \Oxj,] + fi
(2.43)
Elastische Dehnungsenergie
Fiir einen elastischen KSrper, der einer endlichen Deformation (2.5) ui xi - - a i ausgesetzt ist, mit den Koordinaten a i vor und xi nach der Deformation, existiert eine volumenspezifische D e h n u n g s - E n e r g i e f u n k t i o n p0" W(E11, E12,...), die als Funktion des Greenschen Dehnungstensors Eij dargestellt werden kalm. p0 ist die Dichte hn nicht deformierten Grundzustmld. Die Ableitung der Energiefunktion f/ihrt zmn Kirchhoffschen
Spannungstensor Sij: Sij
o(p0. w) 0Eij
(2.44)
Auf der anderen Seite lgsst sieh die Energiefunktion in Abh/ingigkeit der DeformationsOxi/Oaj darstellen. Dies ffihrt zum Lagrangeschen Spalmungstensor Tij:
gradienten
Tij
0(p0. w) Oxi 0-0aj
(2.45)
Wenn die volumenspezifische Detmungsfunktion als Funktion des Kirchhoffschen Spannungstensors Sij daxgestellt wird, erh/i]t man die komplement/ire Energiefunktion p0 9Wk:
EiJ
O(po" Wk) 0Sij
(2.46)
2.3
Bewegungsgleichungen
63
der Strukturmechanik
Den Zusammenhang zwischen dem Greenschen Dehnungstensor (2.6) gibt die Beziehung: 2 9 Eij 9 dai 9 daj
Eij
und eij der Gleiehung
(2.47)
2 9 eij 9 d x i 9 d x j
Daxaus folgt: Eij
1 ~Oxk Oxk ~- " \ Oai " Oaj 1 (
e,j
)
Oak
OakN~
1 ~Oui Ouj Ouk OukN~ 2 " \ Oaj + -~ai + Oa-~" Oaj / 1 ~Oui Ouj Ouk Ouk)
Ox,
Oxj /
\ Oxj + ox----:,- Ox---: Oxj
6ij
(2.48)
Ffir infinitesimale Deformation l~am_nman die quadratischen Werme vernachlgssigen und mart erhglt Gleichung (2.40). Die komplement/ire Energiefunktion p0 9Wk erh~ilt man mit der Gleichung: fl0 " ~4/k
(2.49)
Sij 9 E i j - fl0 9 W
Der Kirchhoffsche Spannungstensor (2.44) 1/isst sich mit folgender Beziehung in den Cauchyschen Spannungstensor o-ij /iberf/ihren:
aiJ
"-'~'-P "
P0
Sij"
[
~il"
Ouj ~ak
@ ~ik " Oa~l " O a k J
" SkI
(2.50)
P/Po ist das Verhfiltnis der Materialdichten im deformierten und im Grundzustand. 2.3.3
Viskoelastisches Modell
Da biologische Materialien, wie wir inzwischen wissen, nicht perfekt elastisch sind, besitzen sie im strengen Sinne keine Dehmmgs-Energiefunktion. Wir machen jedoch davon Gebrauch, dass z. B. bei einer zyklischen Belastung und Entlastung die SpannungsDehnungsbeziehung nicht wesentlich vonder Dehnungsrate abh~ingt (siehe Abbildung 2.9) und damit die Hysterese des viskoelastischen Materials klein ist. Wenn der Einfluss der Dehnungsrate klein ist, kann die Be- und Entlastungskurve getrennt voneinaader betrachtet werden. L1 den einzehmn Bereichen des Belastungszyklus gelten dann die jeweiligen Spalmungs-Dehnungsgesetze und die dazugehSrigen Dehnungs-Energiefunktionen. Nach Y. C. Fung 1993 wird ein deraa'tiger Belastungszyklus p s e u d o e l a s t i s c h und die Energiefunktion p s e u d o D e h n u n g s - E n e r g i e f u n k t i o n genaxmt. Ffir inkompressibles Material konstaxtter Materialdichte muss Gleichung (2.44) modifiziert werden, da der Druck im Material keinen Bezug zur Dehnung des Materials hat. Der Druck p im Material l~ann direkt dm'ch L6sen der Bewegmlgsgleichung ohne SpannungsDehnungsrelaxation bestinnnt werden. Er wirkt jeweils normal zur Materialberaadung. Damit schreibt sich der modifizierte Ansatz fiir den Kirchhoffschen Spannungstensor:
Sij
O(po. W) 0Eij
--
P"
Oai Oaj OXk " Ox-~
(2.51)
64
2 Grundlagender Biomechanik
Das pseudoelastische Modell und die pseudo Delmungs-Energiefunktion liisst sieh z. B. anf die Hant, anf Ademw~inde und anf den Herzmuskel anwenden. Fiir weiche biologisehe Materialien wie das M y o k a r d des Herzventrikels kann nach Y. C. Fung 1993 im entspannten Zustand wfihrend der Fiillphase die vereinfaehte DehnungsEnergiefunktion
c q p0.w ~.(eQ-Q-1)+g
(2.52)
benutzt werden. Dabei ist c eine Konstante und q und Q sind quadratisehe Formen der Greensehen Dehnung:
Q
k11. E1~1+ k22. E~2 + k33. E~3 + 2. k'12. E l l . E22 + 2. k;3. E22. E33
q
+ 2. k;1. E33. Ell + k12. E1~2+ k23. E~3 + k31. E~I , Oil" El21 ~- 022" E~2 + 033" Ea23+ 2. btl2 9Ell. E22 ~- 2. 0;3. E22" E33
(2.53)
+ 2. b~l. E33. E l l + b12" E122+ b2a" E~a + b31" E321 , mit den Materialkonstanten kij und bij. Die Einheiten yon c und bij sind die einer Spanhung. Die Gewichtsfaktoren kij sind dimensionslos. Fiir c 0 beschreibt die DelmungsEnergiefunktion po 9W q / 2 das Uneare Hooksche GesetT. elastischer KSrper. Die strukturmechanische Modellierung des Herzmyokards basiert anf Spannungsmessungen an diinnen Muskelfaserschichten von Tierherzen. Dabei zeigt das Myokard ein nichtlineares und anisotropes Spmmungs-Dehnungsverhalten. In Abbildung 2.14 sind die axialen Spannungs-Delmungskurven einer diinnen Muskelschicht entlang der Muskelfasern in der Muskelschicht und normal zur Muskelsctficht dargestellt. Der grSgte Unterschied der Materialeigenschaften des Myokaxds besteht in der maximalen Dehnung aii entlang der ansgewfilalten Achsen. Wird die Myokardprobe entlang der Muskelfasern gedehnt, betrggt dcr Grcnzwcrt der Dehnung 1.3. In Richtung senkrccht z u d c n Muskclfasern der Muskelschicht erh/ilt man den Grenzwert 1.5. Dabei sind die Spannungswerte senkrecht zur Muskelschicht wesentlich kleiner als entlang der horizontalen Achse. Diese lfichtlineaxen anisotropen Materialeigenschaften des Myokards werden in der pseudo Energiefunktion berficksichtigt.
Abb. 2.14: Muskelschicht und Spannungs-Dehnungsmodell des Myokards
2.3 Bewegungsglelchungen der Strukturnaechanik
65
Ftir das Herz sind zahlreiche Vereinfachungen verSffentlicht worden. J. P. Hunter et al. 1997 und J. P. Hunter und B. H. Smaill 2000 benutzten f/Jr den verehafachten Ansatz der Dehnungs-Energiefunktion:
E121 w
k11.
lall
-
Elll
E~2 +
-
E323 +
-
E122 ~- k13" E123 ~- k2a. E~a ~- k12. la12 - E121b12 la13 -- E131bla la23 -- E231b2a
(2.54)
Dabei wird die Dehnungs-Energiefunktion in die einzelnen Anteile der Spannungen entlang der jewekllgen Materialachsen aufgeteklt, aij bezeiclmen die Pole der Grenzdehnungen, bij die Kriimnmngen der Spmmungs-Dehnungskurve ffir jede Deformationsachse und kij sind die Gewichtsfaktoren der jeweiligen Deformationsmoden. Gleichung (2.54) besteht aus den sechs Anteilen der Deformationsmoden der Greenschen Dehnung Eij . Die ersten drei Terme shad die axialen Moden der Deformation und die verbleibenden drei Terme die Scherdeformationen zwischen den Materialachsen. Die Dehnungs-Energiefunktion (2.54) ist die erste Ordnung einer Entwic"ldung um die Pole der Grenzdehnungen. Dabei werden die Kreuzprodukte zwischen den untersctfiedlichen Moden den axialen und den Scherdeformationen vernachl/issigt. Die Weiterentwicldung der Myokard-Energiefunktion unter Einbeziehung der Kreuzprodukte bleibt weiterfiihrenden Messungen der Mikrostruktur des Myokards vorbehalten. F/ir Blutgef'~Ige und die H a u t vereinfacht sich der Ansatz (2.52) der DehnungsEnergiefunktion: P0 9W
q + c. eQ
(2.55)
q und Q sind die Polynome der Dehnungskomponenten (2.53). Gleichung (2.55) unterscheidet sich von (2.52) lediglich durch den Term in der Klammer - Q - 1. Dabei wird der experimentellen Tatsache Rechnung getragen, dass in der Umgebung des Grundzustandes ohne Dehnung die Spannungs-Dehnungsrelaxation sich quasi-linear verh~ilt und das nichtlineaxe Verhalten erst bei grSJ~eren Detmungen auftritt. Bei der Energiefunktion (2.52) wird die nichtlineaxe Korrektur - Q erst bei grSf~eren Dehnungsraten wixksam, ohne dass das quasi-lineaxe Verhalten der Elastizit~t bei kleineren Dehnungsraten beeintr~chtigt wixd.
66 2.4
2 Grundlagen der Biomechanik Evolutionstheorie
Bisher haben wir die kontinuumsmechanischen Grundlagen der Biomechanik bereitgestellt, um biologische Verbundmaterialien modellieren und danlit berechnen zu kSnnen. In diesem Kapitel sctfliei~en wit aal mlsere Ausf'tihrmlgen in Kapitel 1 zur natiirlichen Evolution an und beschreiben eine ganz andere mathematische Methode, um die Erkelmtnisse der natfirlichen Biomechanik auf tectmische Systeme anwenden zu kSnnen. Dies ffihrt zur E v o l u t i o n s t h e o r i e , die im Wesentlichen von L Rechenberg 1973 entwickelt wurde. 2.4.1
Evolution und Optimierung
Die natfirliche Evolution arbeitet mit dem Zufallsprinzip. Sie konstruiert entgegen der Vorgehensweise in der Technik nicht gezielt Lebewesen, sondern sie sorgt per zuFztlliger M u t a t i o n fiir viele Nachkommen, von denen jeweils nur einlge mit allen erdenklichen Umweltbedingungen zurecht kommen. Dieses Auswahlprinzip nennt man Selektion. Dieses natfirliche Mutations- und Selektionsprinzip kama man, wenn auch aufwendig, auf die Tecb_n_ik fibertragen. Die Umsetzung dieses biologischen Prinzips in eine technische Strategie nennt man E v o l u t i o n s s t r a t e g i e . Als 0berleitung zum folgenden Kapitel der Biostr5mungsmechanik haben wir als einffihrendes Beispiel der mathematischen Behaadiung der Evolutionsstrategie ein Str6mungsbeispiel gew/ihlt. Die Abbildung 2.15 zeigt eine 1/LngsangestrSmte Gelenkplatte, die an zwei Stellen gelagert und mit 5 Gelenken versehen ist. Die Optimierungsaufgabe besteht darin, die Plattenform mit dem geringsten Gesazntwiderstand Fw im Windl~unalexperiment zu finden. Jedes Gelenk besitzt 51 Stellstufen. Damit sind 515 verschiedene Plattenformen mSglich. Von Experiment zu Experiment werden die Winkeleinstellungen der Teilsegmente per Zufallsgenerator bestimmt. Dies entspricht der Nachahmung der natfirlichen Mutati-
A b b . 2.15: Verlauf der Optimierung der parallel angestr6mten Gelenkplatte, L Rechenberg 1973
2.4 Evolutionstheorie
67
on. Ist bei einer vorgegebenen Winkelstellung der Widerstazld der Plattenform grSffer als im voraagegaagenen Experiment wird diese Plattenform verworfen. Das entspricht der Selektion der Natur. Die Kurve der Abbildung 2.15 zeigt, dass nach eknigen hundert Experimenten der Widerstand Fw der geknickten Platte shlkt und sich dem Widersta.nd der gewSlbten Platte n~ihert bis schlieiglich die flings angestr6mte ebene Platte mit dem geringsten Widerstand erreicht wird. Dieses Ergebnis der Optimierungsaufgabe h~itten wir auch sofort mit den Ausfilhrungen in Kapitel 1.4 und Gleichtmg (1.9) bestimmen kSnnen. Ein umstrSmter KSrper hat einen Druck- und Reibungswiderstand. Bei der l~gsangestrSmten Platte wixd der Druckwiderstand Null, da der Gesamtwidersta~d ausschlief~lich aus Reibungswiderstand besteht und der Plattengrel~zschicht der Druck aufgeprs wird. Das Experiment auf der Basis der Evolutionstheorie zeigt jedoch, dass die Evolutionsstrategie das selbe Optimum erreicht und da.mit f/Jr die Optimierung komplexerer tecbmischer Systeme eingesetzt werden kann. Bei der angestellten Knickplatte im Windkaaal f'tihrt die Evolutionsstrategie bei der gleichen Experimentreihe auf eine Platte mit S-Sctflag zum Widerstandsoptimum.
2.4.2
Evolutionsstrategie
Die mathematische Behandlung der linearen E v o l u t i o n s t h e o r i e nach dem M u t a t i o n ~ S e l e k t i o n s p r i n z i p geht yon eialer n-dimensionalen Zielfunktion Z, der zu optimierenden GrSige n
Z
Cl 9Xl + c2 9x2 + ... + c~ .x~
~ci i
9xi
(2.56)
1
aus, die von x~ E i n f l u s s g r S t g e n mit unterschiedlicher Gewichtung c~ abh~h~gt. Die Zielfunktion muss einen Satz von Nebenbedingungen erffillen. Man geht davon aus, dass die Zielfunktion im n-dimensionalen t ~ u m ein Extremum besitzt, z. B. der minimale Gesamtwiderstazld Fw im voraagegaagenen Beispiel. In der Zielfunktion werden die Variablen xi per Zufallsgenerator solaage variiert bis Z den Extremwert erreicht hat. Mit den daraus resultierenden Werten der Vaxiablen xi ist die betrachtete GrSfge optimdert. Je nachdem wie das Auswahlprinzip gew~hlt wird unterscheidet man unterschiedliche Evolutionsstrategien. Das gesuchte absolute Extremum der Variablen bezeiclmen wir mit 9
Xl
X 1
~
X2
*
X 2
~
9 . .
~
Xn
*
X n
(2 57)
Absolutes Extremum deshalb, weil auch Nebenextrema existieren kSnnen, wie z. B. bei der gekrfimmten Platte der Abbi]dung 2.15 nach ein[gen 100 Mutationen. Die Suche nach dem Extremum beginnt mit den Werten der Vaxiablen Xl
xF
,
x2
,
,
xn
(2.58)
Deren M u t a t i o n e n werden in der Reihenfolge durcknummeriert 1, 2, 3 , . . . , wie sie erzeugt werden. Durch den S e l e k t i o n s m e c h a n i s m u s werden aus dieser Folge laufend Punkte eli-
68
2 Grundlagen der Biomechanik
miniert. Wir konstruieren eine zweite Punktfolge 1~, 2 ~, 3~, ..., die nur die jeweiligen Bestwerte durchl/iuft. Einen neuen Mutationspunkt erh/ilt man nur dalm, wenn die n~ichst hShere Strichnummer eine Verbesserung der Zielfunktion ergibt. Andernfalls wird der Punkt von dem die Mutation ausging die n/ichst hShere Strictmummer erhalten. Sind demnach von einem Punkt ausgehend mehrere erfolglose Mutationen zu verzeichnen, daxm tr/igt der Punkt mehrere aufeinanderfolgende Strichnummern. Der Optimierungsprozess wird sich demnach an dieser Stelle 1/inger aufhalten. Strichstellen 1~, 2 ~, 3~,... werden deshalb Aufenthaltspunkte genannt. Wir bezeichnen den t/-ten Mutationspunkt
x(~) (x~),x~E
,x~))
(2.59)
und den ~,-ten Aufenthaltspunkt X/(t~)
, ,(-)
,(-)
IX 1 ~X2 ~
9
. z ~ ~)) .
Damit lfisst sich der Mutations-Selektionsalgorithmus Ftir den (v + 1)-ten Schritt formulieren: Mutationskriterium
x ("+1)
x ~(") + Z (")
,
(2.60)
Selektionskriterium Xr
f X "+1) ~X r247
1)
ffir ffir
Z(x("+l)) k Z(fig'(")) Z ( x (~'§ 1)) < Z ( x r
(2.61)
Z (") ist ein Zufallsvektor, dessen Komponenten ZI "), Z~"),..., Z~(") mit einem Zufallsgenerator bestimmt werden. Der Zufallsvektor sei naeh einer Gaug-Nomlalverteilung im n-dimensionalen Raum verteilt:
w(z)
~_~- o
9e
~
(2.62)
Gleiche Wahrscheinlichkeitsdichten w werden dutch Schalen von Hyperkugeln beschrieben, die sich konzentrisch um den Aufenthaltspunkt x ~ anordnen. In radialer Richtung nimmt die Wahrscheinlichkeitsdichte nach der Gaugschen Glockenkurve ab, wobei die Streuung a das Mag der Abnahme bestimmt. Aufgrund des Selektionskriteriums (2.61) bilden die zu den Punkten x ~(1), x~(2),..., x ~(~) gehSrenden Zielwerte eine monoton nicht fallende Zahlenfolge: Z(x r
~ Z(x r
~ ... ~ Z ( x r
~ ...
(2.63)
Bei einem sirmvoll gestellten Optimierungsproblem kann man voraussetzen, dass die Folge nach oben beschr/inkt ist. Eine monoton nicht fallende Zatflenfolge konvergiert gegen ihre obere Grenze. Damit strebt die ZaJflenfolge (2.63) mit wachsender Zahl u gegen den Zielwert Z ( x* ). Mathematisch ergibt sich mit Gleichung (2.62) Ftir die Erfolgswahrscheinlichkeit w~ n
wo(x')
/ ... / w(xG
n
x').dx
( 2v/TT.~. 1 ) ~~
/ ....
/ e z-~l .(~ ~')~.dx G
. (2.64)
69
2.4 E v o l u t i o n s t h e o r i e
Die Tatsache, dass eine Folge von Punkten X (1), X (2), ... ZU einem Extremwert der Zielfunktion Z konvergiert, ist lediglich von theoretischem Interesse. Es kolmnt vor, wie in Abbildung 2.15 gezeigt, dass dutch den Mutations-Selektionsalgorithmus (2.60) und (2.61) in der Zahlenfolge (2.63) an manchen Stellen das Gleichheitszeichen 0bergewicht bekommt und erst nach mehreren Millionen Gleichheitszeichen wieder eine Verbesserung der Zielfunktion eintritt. Damit das Mutations-Selektionsverfahren an der Stelle x ~ / x* nicht verhaxrt, muss die Bedingung we(x ~) > 0 in die schfixfere Bedingung
we(x') _> 5
(2.65)
abgeiindert werden, wobei 5 (0 < 5 < l) eine vorgegebene nicht zu ldeine Zahl ist. L ~ s t sich eine Zielfunktion (2.56) angeben, die f'tir alle x' 7t x* die Integralbedingung
wo(x')
o
.
.
.
.
dx > 5
(2.66)
G
erf'dllt, konvergiert das Mutations-Selektionsverfahren. Mit der dargestellten linearen Evolutionstheorie wurden zahlreiche Beispiele der Natur und Technik berechnet. Ein Beispiel der Biomechanik ist das adaptive Wachstum der B•ume. Dabei stellt sich als Zielfunktion das Prinzip der konstanten Spannungen heraus. Es besagt, dass im zeitlichen Mittel auf der Baum- beziehungsweise Bauteiloberflgche iiberall die gleiche Spazmung wirkt und die Belastung gleichms verteilt wird. Brechen beim Sturm Aste ab oder verzweigt sich der Baum neu, bestimmt diese biomechanische Selbstoptimierung unter der Nebenbedingung mSglichst geringen Materialaufwandes die sich stetig wandelnde Form des Baumes. Das Gleiche gilt ffir technische Tragwerke, sie bei gleichverteilten Lasten mSglichst leicht und dennoch mechanisch stabil zu konstruieren. Dem entspricht die alte Forderung der Baustatik, die Formoptimierung bei geringstmSglichem Materialaufwand zu erzielen. Nach diesem Prinzip wurden Leichtmetallfelgen, Motoraufh~ingungen und der Bionic Car der Abbildung 1.38 entworfen. StrSmungsmechanische Beispiele sind z. B. der Rohrkriimmer oder die Venturi-Dfise ffir die Durchflussmessung ehler ZweiphasenstrSmung. Dabei ist die ZielfmLktion eine Kriimmerbeziehungsweise Dfisengeometrie mit geringstmSglichen strSmungsmechanischen Verlusten zu finden. Ein Beispiel der Biostr6mungsmechanik ist die Optimierung des H'~natokritwertes des Blutes im menschlichen Kreislauf. Der Hfimatokritwert ist definiert Ms prozentua]er Anteil der roten BlutkSrperchen (E .rythrozyten) am Gesamtblut. Er liegt beim Menschen zwischen 42 und 44 %. Um mSglichst vie1 Sauerstoff transportieren zu kSnnen (Zielfunktion) sollte der H~h-natokritwert mSglichst groi~ sein. Gleichzeitig sollte jedoch der Volumenstrom durch die Adern maximal sein (Nebenbedingung). Steigt jedoch der Partikelanteil im Blut, wird dieses z~hflfissiger und zeigt zunetmlend nicht-Newtonsches Verhalten. Als Folge steigen die Str5mungsverluste insbesondere in den Adern des Kreislaufes mit kleinem Durchmesser. Mit der Anwendung der Evolutionstheorie findet man den nat/irlichen Wert Ms Optimum, was wiederum ein Nachweis f/ir die Tragf'dhigkeit der vorgestellten Evolutionsstrategie ist.
71
3
Grundlagen der BiostrSmungsmechanik
Die Ableitung der kontinuumsmechanischen G r u n d g l e i c h u n g e n d e r B i o s t r S m u n g s m e c h a n i k am Volumenelement dV dx 9dy 9dz dxl 9dx2 9dx3 wird ausffihrlich in unseren Lehrbfichern der StrSmungsmechanik H. Oertel jr. et al. 2008 beschrieben. In diesem Kapitel kn/ipfen wir an die Formulierung der Biomechanik des vorangegangenen Kapitels an. Die Bewegungsgleichung (2.34) gilt auch fffir die Biostr6mungsmechanik. Die Deformationsgeschwindigkeit v vi wird jetzt durch den Str6mungsvektor v vi mit den Geschwindigkeitskomponenten (u, v, w) (Vl, v2, v3) ersetzt:
(3.1) \V3/
W
Der Spannungstensor aij der Strukturmechanik geht in die S t o k e s s c h e F o r m u H e r u n g des Schubspannungstensors der StrSmungsmechanik 7-~j fiber. Damit schreibt sich die Grundgleichung der Biostr5mungsmechanik ffir inkompressible Str6mungen, auf die wit uns entsprechend der ausgew~h_lten Anwendungsbeispiele beschr/inken:
o'rj P" --~-
P" k,-~ - + v j " ~x-~xj)
~x-~xj+ f i
(3.2)
p ist jetzt die konstante Dichte des strSmenden Mediums und fi die volumenspezifischen /iuf~eren Kr/ffte. Als /iuf~ere KrMte treten in der Biostr5mungsmechanik die Schwerkraft g.e= (e= (0, 0, 1)) und die Kraft auf, die die biologische Struktur durch i_h_reBewegung auf die Str5mung beziehungsweise die Str5mung auf die Struktur aus/ibt. Die Grundgleichung der Str6mungsmechanik (3.2) sckreibt sich in Vektorschreibweise mit dem Stokesschen Reibungsansatz fiir inkompressible nicht-Newtonsche Medien, wie wir im Folgenden sehen werden:
p.
- ~ + (v. V)v
- V p + #. Av + f
(3.3)
Sie wird N a v i e r - S t o k e s - G l e i c h u n g genannt. # ist die dynamische Z~higkeit des strSmenden Mediums und p ist der Druck, der senkrecht auf Oberfl~chen wirkt und die Spur des Schubspaanungstensors daxstellt. V (O/Ox, O/Oy, O/Oz) ist der Nabla-Operator und A (02/OX 2 , 02/Oy 2, 02/OZ 2) der Laplace-Operator der Vektoranalysis. Konmlt das Newtonsche Medium mit einem festen KSrper in Kontakt, m/issen zus/itzlich Randbedingungen formuliert werden. Es gilt die H a f t b e d i n g u n g mit v 0 an der ruhenden KSrperwaad. Hinzu kommt die Massenerhaltung, die anch K o n t i n u i t ~ i t s g l e i c h u n g genazmt wird. F/ir inkompressible StrSmungen gilt, dass die Divergenz des Geschwindigkeitsvektors vi gleich Null ist: V 9v
~Vi
Oxi
0
f'fir
i
1, 2, 3
(3.4)
72
3.1
3 Grundlagender BiostrSmungsmechanik
Eigenschaften strSmender M e d i e n
Wir unterscheiden klnematische Eigenschaften des str6menden Mediums von Transp o r t e i g e n s c h a f t e n und thermodynamischen Eigenschaften des Mediums. W~hrend die kinematischen Eigenschaften Geschwindigkeit v, Beschleunigung b und WirbelstRrke w, Eigenschaften des Str5mungsfeldes und nicht des Mediums selbst sind, sind die Transporteigenschaften Reibung, WRrmeleitung und Massendiffusion sowie die thermodynamischen Eigenschaften Druck p, Dichte p, Temperatur T, Enthalpie h, Entropie s, spezifischen W ~ m e n Cp, c, und Ausdehnungskoeffazient a Eigenschaften des Mediums. 3.1.1
T r a n s p o r t eigenschaft en
Reibung Eine Transporteigenschaft ist die Reibung. Sie bestimmt den I m p u l s t r a n s p o r t der mit den Gradienten des Geschwindigkeitsvektors v verkniipft ist. So ben6tigt z. B. Blut eine l~ingere Zeit zum Ausfliegen aus einem Beh~ter Ms Wasser oder Luft. Dem Hookschen Spazmungs-Dehnungsgesetz (2.9) fiir elastische Materialien entspricht in der StrSmungsmechanik der Stokessche R e i b u n g s a n s a t z fiir Newtonsche Medien:
-P
+
+
\ xj + bTx /
(3.5)
Mit der Kontinuit~tsgleichung flit inkompressible Str6mungen (3.4) wird der VolumenViskosit~itsterm A 9OVk/OXk 0. Darm erh~ilt man: Tij
(" Ovi Ovj'~ -P" 5ij + #" \ ~ x j + ~xiJ
(3.6)
In Gleichung (3.2) eingesetzt, erh/flt man die Navier-Stokes-Gleichung (3.3) in indizierter Tensorschreibweise: ('Ovi Ovi ~ p . \ -~-[- + v j . -:~xj J
Op O2vi - Ox--~ + #" Ox i . Ox-~j + f i
(3.7)
Zur Erkl~ung des S c h u b s p a n n u n g s t e n s o r s Tij behandeln wit das eindimensionale StrSmungsproblem der Abbildung 3.1. Zwischen einer ruhenden unteren Platte und einer mit
Abb. 3.1: Couette-StrSmung, Definition der Schubspannung 7-x~
3.1 Eigenschaften strSmender Me
73
konstanter Geschwindigkeit U bewegten oberen Platte, stellt sich eine konstante Scherrate mit einem linearen Geschwindigkeitsprofil u(z) ein, die m a n C o u e t t e - S t r S m u n g nennt. Dabei gilt an den Plattenoberfl~chen als Randbedingung die Haftbedingung, die an der unteren Platte zu u 0 und an der oberen Platte zu u U ffihrt. Zur Aufrechterhaltung der konstanten Geschwindigkeit U ist aufgrund der Reibung eine konstante Kraft F erforderlich. Die aufzuwendende Kraft ist proportional der Schleppgeschwindigkeit IFI ~ U, proportional der Plattenfl~iche A, IFI ~ A und umgekehrt proportional der SpalthShe H, IFI ~ 1/H. Daraus folgt
die Kraft U 9A
IFl~
H
oder mit einer Proportionalit~itskonstanten # U 9A
IFI
#
H
# ist die dynamische Z~ihigkeit (Viskosit~t). Das Verh~iltnis ~ #/p nennt man kinematische ZfikSgkeit. Die Werte ffir Luft, Wasser, Salzwasser und Blur sind in Tabelle 3.1 aufgelistet. Die Schubspannung 7-x= (Scherrate) ergibt sich zu
IFI 7-x=
U
#H
A
(3.8)
Ffir die Couette-StrSmung gilt das lineare Geschwindigkeitsprofil U H
du dz
Daraus ergibt sich du
7-~:
#'~zz
(3.9)
Gilt diese lineare Beziehung zwischen der Schubspannung 7- und dem Geschwindigkeitsgradienten du/dz, sprechen wit von einem N e w t o n s c h e n M e d i u m . Beispiele Newtonscher Medien sind Wasser, Blutplasma und Gase. # Pa. s
Luft Wasser Salzwasser Blut
1.81.10 5 1.10 3 1.07.10 3 1, 2 9 10 2
P kg/m 3 1.2 1 9 103 1.02.103 1.008.103
~/p
m2/s
1.5.10 5 1.10 6 1.05.10 6 1.19.10 5
T a b . 3.1: Dynamische Viskosit~t #, Dichte p und khlematische Z~higkeit t~ bei 20 ~
T4
3 Grundlagender BiostrSmungsnlechanik
Im AUgemeinen wird die StrSmung nlcht eindimensional sein. Dann sind es ffir jede Raumrichtung drei Schubspannungskomponenten, die die Reibung im dreidimensionalen StrSmungsfeld bestimmen und es gilt Gleichung (3.6). Im Gegensatz zu den Newtonschen Medien spricht man von einem n i c h t - N e w t o n s c h e n M e d i u m , wenn der funktionale Zusammenhang der Gleichung (3.9) nicht linear ist. Einige Beispiele nicht-Newtonscher Medien sind in Abbildung 3.2 dargestellt. Die Kurven fiir Medien, die einer Scherrate nicht widerstehen kSnnen, miissen durch den Nullpunkt gehen. Die Kurve ffir pseudoelastische Medien wie Hochpolymere zeigt bei wachsender Schubsparmung eine Abnahme der Steigung. Im Gegensatz dazu zeigen dilatante Medien wie Suspensionen ein Anwachsen der Steigung. Hinzu kommt, dass einige nicht-Newtonsche Medien eine Zeitabh~ingigkeit der Schubspannung aufweisen. Auch wenn die Scherrate konstant gehalten wird, ~udert sich die Schubspannung. Ein fiir nicht-Newtonsche Medien oft verwendeter Ansatz ist Tx~
K. ~
n
,
(3.10)
wobei K und n Stoffkonstanten sind. F/ir n < i ergibt sich das pseudoelastische Medium, n 1 mit K # ist das Newtonsche Medium und n > 1 das dilatante Medium. Man beachte, dass der Ansatz (3.10) f'dr den Nullpunkt der Abbildung 3.2 unrealistische Werte fieferr. Zaldreiche andere Gesetzm/ifsigkeiten werden ffir nicht-Newtonsche perimentellen Ergebnissen abgeleitet.
Medien meist aus ex-
Ffir Blur gilt ein anderer Zusammenhang zwischen Schubspannung und Scherrate. Das Blur besteht aus dem B1utplasma und den darin suspendierten roten Blutk6rperchen (Erythrozyten), weii~en B1utk6rperchen (Leukozyten) und den Blutpl/ittchen (Thrombozyten), die einen Anteil yon 40 bis 50 Volumenprozent ausmachen. Das Blutplasma ist das Tr/igerfluid, das zu 90 % aus Wasser, den Proteinen, AntikSrpern und Fibrinogenen besteht und ffir sich aJleine Newtonsches VerhaJten zeigt. Blut als Ganzes ist eine sogenannte pseudoelastische thLxotrope Suspension. In Abbildung 3.3 ist der Verlauf der Z/ilfigkeit # des Blutes in Abh/~ngigkeit der Scherrate du/dz dargestellt. In einem breiten Bereich variierender Geschwindigkeitsgradienten ist ein AbfaJl der Viskosit/it um bis zu zwei Gr6f~enordnungen zu verzeiclmen. Der Bereich der Geschwindigkeitsgradienten im gesunden Kreislauf variiert zwischen 8000 s i (Arteriolen) und i00 s i (Vena Cava). Er befindet sich also im asymptotischen Bereich nahezu
Pseudoplastisches Medium
/ NewWnsch9
du/dz
Abb. 3.2: Schubspannung 7-x~ ffir Newtonsche und nicht-Newtonsche Medien
3.1 EigenschaftenstrSmender Me
7"5
# cp 10 2
lO~ lOo 10 -2
i
10 -1
i
10 ~
i
101
i
i
10 2
10 3 d u / d z / s -1
Abb. 3.3: Viskositgt des Blutes # in AbhNlgigkeit der Scherrate du/dz
konstanter Viskositgt. Im Bereich sehr hoher Geschwindigkeitsgradienten und damit sehr grogen Sehubspannungen tritt eine Verformung der Erythrozyten auf, die ihrerseits die Viskositgt der Blutsuspension beeinflussen. Bei Sehubspannungen fiber 50 N/m 2 beginnen sieh die Erythrozyten spindelfSrmig auseinander zu ziehen. Bei Scherraten kleiner Ms 1, wie sie in RfickstrSmgebieten des e r k r a ~ t e n Kreislaufes auftreten, kommt es zur Aggregation der E .rythrozyten. Dabei lagern sich die Zellen flach aneinander und bilden zusammenhfingende Zellstapel, die untereinander verkettet sind. hn gesunden Kreislauf kommt es jedoch in den grogen Adern zu keiner Aggregation, da die Aggregationszeit l0 s betr~gt und die Pulsl~nge des Herzzyldus eine GrSgenordnung kfirzer ist. Die Abh~ngigkeit der Schubspammng des Blutes 7x~ vonder Scherrate in guter N~iherung mit der C a s s o n - G l e i c h u n g
du/dz l~st
sich
(3.11) beschreiben. Dabei ist K die Casson-Viskosits und C die Verformungsspalmung des Blutes. Die Anpassung an experimentelle Ergebnisse ffihrt unter anderem zu der Gleichung: 7x~
1.53.~u_+2
,
(3.12)
mit der Plasmaviskosit~t #p 0.012Pa. s. Ffir Scherraten grSger Ms 100s 1 verh~lt sich Blut wie ein Newtonsches Medium.
T
Abb. 3.4: Temperaturabhfingigkeit der dynamischen Zfihigkeit #
76
3 Grundlagender BiostrSmungsnlechanik
Die Abbildung 3.4 zeigt den qualitativen Verlauf der Temperaturabh~ingigkeit ffir Fltissigkeiten und Gase bei konstantem Druck. In Fliissigkeiten nimmt die kinematische Z~hhigkeit # mit steigender Temperatur ab, w~rrend sie in Gasen zunimmt. Die Z~figkeit von Flfissigkeiten und Gasen nimmt mit wachsendem Druck zu.
Wiirmeleitung In Analogie zur Reibung l ~ s t sich der Energietransport durch W i i r m e l e i t u n g entwickeln. Dem linearen Geschwindigkeitsprofil u(z) der Couette-StrSmung entspricht in Abbildung 3.5 das lineare Temperaturprofil T(z) im ruhenden Medium zwischen zwei horizontalen Platten mit der Temperatur T1 und T2. Der Schubspmmun.g 7-x= entspricht der W~irmestrom 0, der die iibertragene Wirmemenge pro Zeiteinheit Q pro Fl~iche A ist.
IFI 7-x=
A
du #~z
Q -', '-
0
A
dT A. d--
(3.13)
Der W~irmestrom//schreibt sich nach dem Fourierschen Gesetz
0
vT
(3.14)
Fiir den betrachteten eindimensionalen Fall entspricht dT/dz dem Geschwindigkeitsgradienten du/dz. Diese Analogie gilt nur f/Jr den eindimensionalen Fall. Fiir die dreidimensionale Str5mung haben wix bereits ausgef/ihrt, dass die Schubspannung Tij ein Tensor mit 9 Komponenten,//jedoch ein Vektor ist.
Diffusion Ganz entsprechend l ~ s t sich die Massendiffusion (Massentransport) im Medium behandeln. Massendiffusion tritt ein, wean sich zwei Medien mit den Partialdichten p~ (i 1, 2) aufgrund eines Konzentrationsgradienten durchmischen. Die Konzentrationen der beiden Komponenten sind dabei C~ p~/pmit der Gesamtdichte p des Gemisches. In Analogie
Abb. 3.5: Analogie zwischen Reibung, W~irmeleitung und Diffusion
3.1 EigenschaftenstrSmender Medien
7"7"
zur Reibung und W~meleitung postulieren wir, dass der Massenfluss pro Zeiteinheit mi sich ffir die Spezies i schreibt mi A
D.Vp~
,
(3.15)
mit dem Diffusionskoeffizienten D. Das Ficksche Gesetz schreibt sich mit den Massenkonzentrationen Ci mi A Thermodynamische
D . V ( p . C,)
(3.16)
Eigenschaften
Die ldassische Thermodynasnik kann nicht ohne Weiteres auf die StrSmungsmechanik angewandt werden, da sich eine reibungsbehaftete StrSmung nicht hn thermodynamischen Gleichgewicht befindet. Jedoch ist bei den meisten biologischen Anwendungen die Abweichung vom lokalen t h e r m o d y n a m i s c h e n Gleichgewicht so gering, dass sie vernachl~sigt werden kann. Die wichtigsten thermodynamischen Gr5ffen sind Druck p, Dichte p, Temperatur T, Entropie s, Enthalpie h und die innere Energie e. Von diesen sechs Vaxiablen geniigen zwei, um einen thermodynamischen Zustand eindeutig festzulegen, sofern diese thennod.~lamische ZustandsgrSffen sind. Die wichtigsten Beziehungen werden kurz erlRutert. Der erste H a u p t s a t z der T h e r m o d y n a m i k schreibt sich dE
dQ + d W
,
(3.17)
mit dE der Gesamtenergie des betrachteten Systems, dQ der zugeffitn'ten W~irme und dW der am System geleisteten Arbeit. Fiir ein ruhendes Medium schreibt sich bei infinitesimaJen Anderungen dW
-p.dV
,
dQ
T.dS
,
mit dem Volumen V. Damit ergibt sich fiir (3.17) bezogen auf die Masseneinheit P " dp T . ds + )-7
de
(3.18)
Mit dem totalen Differential ergibt sich Ftir die )i.nderung der inneren Energie Oe Oe ~ss"ds + .-~--. ap dp
de
(3.19)
und damit T
Oe
~ss
'
P
p2 OX._~ " ~,r,
(3.20)
8
P
Die Enthalpie ist per Definition h
e+ p P
(3.21)
78
3 Grundlagen der BiostrSmungsnlechanik
Mit (3.18) ergibt sich der erste Hauptsatz in der Form 1 T . ds + - 9 P
dh
(3.22)
Die Temperatur T und 1/p berectmen sich mit T
Oh -~Sp
1 p
'
Oh_~p v
(3.23)
Die t h e r m i s c h e Z u s t a n d s g l e i c h u n g fiir ideale Gase schreibt sich p
R.p.T
(3.24)
,
mit der stoffspezifischen Gaskonstanten R. Damit ergibt sich die Schallgeschwindigkeit a a2
Op ~PPs
~.R.T
,
(3.25)
mit dem dimensionslosen VerhEltnis der spezifischen WErmen Cp -cv
Oh p
Cp '
cv '
Oe
(3.26) o
'
die bei der Definition der Mach-Zahl (1.3) benutzt wurde. Fiir StrSmungen mit W~irmetransport wird der thermisehe Ausdehnungskoeffizient a benStigt: a
1
.... p
Op p
(3.27)
OT
Fiir ideale Gase ergibt sich a
1
~
(3.28)
Fliissigkeiten haben gewShnlieh thermisehe Ausdehnungskoeffizienten, die kleiner als 1/T sind. Aueh negative Werte kommen vor, wie z. B. in Wasser in der Umgebung des Gefrierpunktes. Mit dem thermisehen Ausdehnungskoeffizienten lgsst sieh die Abhgngigkeit der Enthalpie vom Druek sehreiben dh
~d
Cp. dT + (1 - a . T ) . ---c-~ P
(3.29)
Fiir @1 ideales Gas verschwindet der zweite Term und die Enthalpie hgngt ausschlieglich v o n d e r Temperatur ab, h h(T). 3.1.2
Grenzfliichenspannung
Eine weitere Eigenschaft der flfissigen Medien mit freien Oberfl/ichen ist die Oberfliic h e n s p a n n u n g a v o n Flfissigkeiten und die G r e n z f l i i c h e n s p a n n u n g zwischen verschiedenen Flfissigkeiten beziehungsweise Fliissigkeiten und FestkSrpem. Das Auftreten der
3.1 Eigenschaften strSmender Medlen
79
Oberfliiehen- und Grenzfl/iehenspannungen erklgrt sieh mit den Wechselwirkungskriiften zwischen den Molekiilen. In Abbildung 3.6 sind die KrMte eines Molekfils in einer Flfissigkeit und eines Molekfils an der Grenzflgehe zwisehen Flfissigkeit und Gas skizziert. Innerhalb der Fliissigkeit heben sich im Mittel die KrMte auf das betrachtete Molekiil auf, da es rundum von gleich vielen Partnermolekfilen umgeben ist. An der Fliissigkeitsoberflgehe ist die Wechselwirkung zwisehen den Fliissigkeits- und Gasmolekfilen wesentlieh geringer als zwischen den Fliissigkeitsmolekiilen. Danfit ergibt sich die resultierende Kraft R, die die Oberflgehenspmmung a verursacht. Diese ist per Definition a
IFI L
'
(3.30)
mit der Oberflfichenkraft F und der Lgnge der Oberflgche L. Zum Beispiel ergibt sich ffir die betrachtete Grenzflfiche zwischen Wasser und Luft a 7.1.10 2 N/m bei vorgegebener Temperatur. An einer zweifaeh gekriimmten Oberflgche mit den Kriimmungsradien R1 tend R2 ergibt die Krgftebilanz an der Oberflfiehe einen Drueksprung: Ap
a 9
+
(3.31)
Daraus resultiert ein hSherer Druck auf der konkaven Seite der gekrfimmten Oberflfiche. Ffir eine Blase beziehungsweise einen Tropfen ergibt sich mit R1 R2 r die Druckdifferenz fiber die Oberfl~che Ap
2.a r
Eine Seifenblase mit einer inneren und s den erhShten Druck Ap
Oberfls
besitzt hn Innern der Blase
4.a r
Diese Druckdifferenz in einem Tropfen verursacht z. B. das Aufffillen eines Loches in einer festen Oberflfiehe mit der Flfissigkeit. Dabei wird das Loch nur gef'fillt, wenn der K o n t a k t w i n k e l a zwischen der Flfissigkeit und der Oberflfiche kleiner als 90 ~ ist. Dieser Kontaktwinkel zwischen Flfissigkeit und fester Oberfl~che wird durch die Energie der Grenzfls bestimmt. Er verursacht das Heben beziehungsweise Seltken der Flfissigkeit in einer Kapillaren. Betrachten wir in Abbildung 3.7 die Grenzfls unterschiedlicher Fliissigkeiten. Bei elhem Wassertropfen auf Paraffin tritt keine Benetzung anf. Der Kontaktwinkel a ist grSger Gas Flfissigkeit
9
'q\
9
A b b . 3.6: Oberflgchenspannung
80
3 Grundlagen der BiostrSmungsmechanik
A b b . 3.7: Kontaktwinkel zwischen FestkSrper, Wasser, (91 und Luft
als 90 ~ und die Oberfl~ichenspannung a des Wassertropfens ist grSger als die Adhgsionskraft zwischen Wasser und Paraffin. Ftir einen Wassertropfen auf einer Glasoberfl~iche ergibt sieh ein Kontaktwinkel a kleiner als 90 ~ und damit Benetzung. Die Oberfl/iehenspannung a des Wassers ist kleiner als die Adhgsionskraft zwischen Wasser und Glas. 01 auf Glas benetzt nahezu vollstgndig mit a --* 0. Die Oberflfiehenspannung des 01s ist verschwindend "klein gegeniiber der Adhgsionskraft zwischen 01 und Glas. Die Kontaktwinkel a zwisehen festen Oberfl/ichen, F1/issigkeiten und Gas bereehnen sieh mit der Y o u n g s e h e n G l e i e h u n g O-fest/Gas
O-fest/flfissig @ O-Gas/flfissig 9 COS(O~)
,
(3.32)
sofern die einzeLnen Oberfl/ichenspannungen bekalmt sind. Aufgrund der Oberfl~ichenspaxmung ist die Fliissigkeit bestrebt, Minimalfl~iehen zu bilden. Dies lfisst sich re_it dem Experiment der Abbildung 3.8 nachweisen. In eine Seifenlaugenhaut wird ein Faden mit Schlaufe efflgebracht. DurchstSgt man die Seifenhaut innerhalb der Schlaufe, bildet sich momentan ein Kreis aus, so dass die verbleibende F1/issigkeitsoberflfiche eine minimale Flgche aufweist. Gradienten der Oberflfichenspannung V a verursachen Scherkr~it'te in den angrenzenden Medien A und B, wie z. B. in der Grenzfliiche zwisehen Flfissigkeit und Gas Va
7"A + "rB
(3.33)
Die Oberfi/iche wird sich in Richtung der h5heren Oberfl/ichenspaanung bewegen und verursacht mffgrund der Schubspannungen TA und TB Str5mungen in den jeweiligen Medien. Gradienten der Oberfl/ichenspannung kSnnen durch Konzentrationsgradienten entlang
A b b . 3.8: Minimalfl/ichen
3.1 EigenschaftenstrSmender Me
81
der Oberfl~che verursacht werden. So bewegen sich Kampferstficke auf einer Wasseroberfl~che sporadisch bin und her, da die Kaanpfemlolekiile lokal die Oberfl~chenspannung erniedrigen. Ein anderes Beispiel sind die Tr~nen im Wein- oder Cocktailglas. Aufgrund der Konzentrationsga'adienten ira Wasser-Alkohol-Gemisch steigt die Fliissigkeit am Glas auf und flieJ~t als regelm~iJ~igeTropfen wieder in die Flfissigkeit zuriick. Dabei verursacht die Verdampfung des Alkohols eine Erniedrigung des Alkoholgehaltes und damit eine ErhShung der Oberfl~chenspannung. Die F1/issigkeit wird kontinuierlich vonder Mitte des Glases zum Glasrand transportiert. Temperaturgradienten verursachen ebenfaJ_ls Gradienten der Oberfl~chenspasmung. Heizt man eine mit SilikonS1 benetzte d/lime Metal]platte mit einem hei~en Stab von unten, entsteht an der beheizten Stel]e ein Loch fin Olfilm. Die Erh5hung der Temperatur fiihrt zu einer Erniedrigung der Oberfls Die F1/issigkeitsoberfls bewegt sich in Richtung der ki~lteren Zonen mit gr5~erer Oberfls Ein Eisst/ick auf der ()loberfls hat den entgegengesetzten Effekt. Der Fliissigkeitsfihn verursacht eine Beule in der k~lteren Umgebung. Mit dem gleichen Effekt kann man Blasen in einer Flfissigkeit transportieren, die man z.B. von einer Seite beheizt. Die kalte Seite der Blase hat eine hShere Oberfl~chenspmmung als die waxme Seite. Sie zieht deshalb Oberfl~che vonder waxmen Blasenseite ab und bringt damit die Blase in Bewegung. Wasserl~iufer nutzen die Grenzfl~ichenspaxmung um sich auf der Wasseroberfl~che fortzubewegen. Abbildung 3.9 zeigt das Beispiel eines auf der Wasseroberfl~che laufenden Insekts und Reptils. Dabei profitieren die Wasserl~ufer vonder fehlenden Benetzung ihrer Beine. Hydrophobe biologische Oberfl~ichen haben wit bereits im einf'tib_renden Kapitel 1.1 im Zusammenhang mit dem Lotuseffekt beschrieben. Dabei wird die Grenzfl~chenspannung zwischen den hydrophoben Beblen der Insekten und Reptilien und der Wasseroberfl~che f/Jr die Fortbewegung ausgenutzt. Der hydrodynamische Antriebsmechanismus h~Lrlgtvon den dynamischen Benetzungseigenschaften ab. In Abbildung 3.10 ist die verebffachte Prinzipskizze eines wasserlaufenden Tieres dargestellt. Der Modellfu~ bewegt sich mit der Geschwindigkeit v auf der Wasseroberfl~che. Die
Abb. 3.9: Wasserls
82
3 Grundlagen der BiostrSmungsnaechanik
A b b . 3.10: Antriebsmechanismus eines Wasserl~iufers
momentane Kraft F , die auf den KSrper wirkt, berechnet sich mit
F
/,.n.dS+
f~.t.dC
s
c
,
(3.34)
mit der Oberflgche S des K6rpers in Kontakt mit dem Wasser und C der freien Oberfl~iche. "r ist der hydrodynamische Schubspannungstensor (3.6), n und t sind die Einheitsvektoren normal und tangential zur freien Oberfl/iche. Der erste Term in Gleichung (3.34) reprfisentiert den Beitrag des hydrodynamischen Schubspannungstensors und der zweite Term die Kraft, die durch die Oberfi/ichenspannung erzeugt wird. Die Oberfl/ichenspannung a ist eine Kraft pro Lgnge, die tangential zur freien Oberflgche wirkt. Ihr Beitrag wird dutch das Linienintegral in Gleichung (3.34) bestimmt. Das Stokessche Theorem erlaubt es, die Oberfl/ichenspannungskraft als Integral fiber die Benetzungsfl/s S zu schreiben:
J~.t.dC
J(a.[V.n].n-Va).dS
c
s
Der Einfluss der Oberfl~Lchenspannung erzeugt also eine Normalspannung proportional zu a und der lokalen Krfinnnung V 9n sowie eine tangentiale Spammng der lokalen Gradb enten der Oberflgchenspannung a. Die gesamte Kraft auf den KSrper erh/ilt man durch Integration der lo"l~alen Krfinmmng a 9(V 9n). Das K6rpergewicht des Wasserl/iufers muss durch die Auftriebskraft und die Oberfi~ichenkraft getragen werden. Die Auftriebskraft erh~ilt man durch Integration des hydrostatischen Druckes p p 9g 9z fiber die KSrperoberflgche S, die sich in Kontakt mit dem Wasser befindet. Wie wir im ngchsten Kapitel sehen werden, ist die Auftriebskraft gleich dem Gewicht des vom KSrper verdr~ingten Mediums ilmerhalb der Kontaktlinie C. Die Krfimmungskraft erh/ilt man durch Integration des Krfimmungsdruckes (3.31) fiber die gleiche Fffiche.
3.1.3
Hydrostatik
Ffir die Berechnung des Druckverlaufs p(z) in einer ruhenden Flfissigkeit betrachten wit die Kr~iftebilanz an einem herausgegriffenen kubischen Flfissigkeitselement dV dx.dy.dz der Abbildung 3.11. An der Unterseite des Flfissigkeitselements herrscht der Druck p, also die Druckkraft IFI p 9dx 9dy auf das F1/ichenelement dx 9dy. Der Druck/indert sich fiber die HShe des Volumenelements dz. Die Drucl~nderung lgsst sich als Taylor-Reihe darstellen, die nach dem ersten Glied abgebrochen wird. Damit ergibt sich ffir den Druck auf der Oberseite des Volumenelements (p + (dp/dz) 9dz + ...) und ffir die Druckkraft
3.1 Eigenschaften strSmender Medlen
83
(p+ dz)d:dy
z% X
C ~ p g dx dydz
dx
A b b . 3.11: Kr~iftegleichgewicht am ruhenden Volumenelement
pdx~
(p + ( d p / d z ) . dz). dx. dy. Die Druckkr~fte auf die Seitenfl~chen des Volumenelements heben sich auf, da sie in horizontalen ScknStten rundum gleich grof~ sind und jeweils senkrecht auf die Oberfl~henelemente wirkem Zus~tzlich wirkt die Schwerkraft ]G] dm . g p 9dV 9g p. g 9dx 9dy 9dz auf den Massenmittelpunkt des Volumenelements.
Das Kr~ftegleichgewicht mn ruhenden Fluidelement ergibt damit dp p. dx 9dy - (p + ~zz " dz) 9dx 9dy - p . g 9dx 9dy 9dz
0
Dividieren wir die Gleichung durch das Fluidelement dV dx 9dy 9dz erhalten wir die H y d r o s t a t i s c h e G r u n d g l e i c h u n g ffir die durch die Schwerkraft hervorgerufene Druck~nderung in einer Wassers~ule dp dz
(3.35)
P" g
Dies ist eine gewShnliche Differentialgleichung 1. Ordnung, die nach einmaligem Integrieren die lineare Druckverteilung p(z)
-p.g.
z + C
liefert. Die Integrationskonstante C l ~ s t sich mit der Randbedingung des gegebenen Problems bestimmen. Ffir den Flfissigkeitsbeh~lter der AbbiMung 3.12 ergibt sich mit der Randbedingung p( z O) po, C po der lineaxe Druckverlauf p(z)
Po - p ' g ' z
(3.36)
V
Po P|
P0 P
A b b . 3.12: Linearer Schwerefeld
Druckverlauf
im
84
3 Grundlagen der BiostrSmungsnaechanik
A b b . 3.13: Prinzipskizze zur Auftriebskraft Aus der LSsung der hydrostatischen Grundgleichung l ~ s t sich eine weitere Schlussfolgerung ziehen, die man das A r c h i m e d i s c h e P r i n z i p nennt. Bei einem vollst~indig in eine Fliissigkeit eingetauchten KSrper des Volumens VK ist die Auftriebskraft IFAI gleich dem Gewicht IGI der verdr~ngten Fliissigkeit. Zur Ableitung dieses Satzes betrachten wit in Abbildung 3.13 ein kubisches Volumenelement der Grundfl~che dA und der HShe Ah, das v o l l s t ~ d i g in die Fliissigkeit der Dichte PF eingetaucht ist. Der Druck p2 an der KSrperunterseite ist aufgrund der hydrostatischen Druckverteilung grSi~er als der Druck pl an der KSrperoberseite. Aus der Differenz der zugehSrigen DruckkrMte F2 und F1 resultiert eine vert'"fl~ nach oben gerichtete Auftriebskraft FA. Der Betrag dieser Auftriebskraft berechnet sich mit dlFA I
IF21-1Fll p2.dA-pl.dA
(p2-pl).dA
Mit der LSsung der hydrostatischen Grundgleichung (3.36) p2 dlFAI
PF "g" A h . dA
PF 9g" dVK
,
Auftriebskraft IFAI
IFAI
pl + PF 9g 9 Ah folgt
f PF 9g" dVK vK
p~ . g . VK
PF 9g" VK
, (3.37)
Diese Auftriebskraft wirkt sowohl beim Wasserlfiufer beinl Eintauchen in die Wasseroberfl/iche als auch beim Schwimmen der Fische.
3.1.4
Energiebilanz
Zu Beginn des Kapitels haben wb" ausgefiitn-t, dass fiir die Berectmung einer inkompressiblen StrSmung die Masseerhaltung (3.4) und die Impulserhaltung in Form der NavierStokes-Gleichung (3.3) ausreichend sind. Dennoch ist es f/Jr die folgenden Kapitel n/itzlich, die Energiebilanz insbesondere f/Jr die Fortbewegung im Wasser und in der Luft sowie fiir die Pumparbeit des Herzens zu formulieren. Den Energieverbrauch Ev flit die Fortbewegung von Lebewesen haben wir bereits im einfiihrenden Kapitel in Abbildung 1.9 dargestellt. Dabei hat sich gezeigt, dass das Schwimmen die effizienteste Fortbewegungsart ist, da sich die meisten schwimmenden Lebewesen auftriebsneutral im Wasser verhalten. Es bedazf jeweils einer Energie E um V o r t r i e b s a r b e i t W leisten zu kSnnen. Die mit der Nahrung zugefiitn'te chemische Energie wird von
3.1 EigenschaftenstrSmender Medien
85
den Muskeln mit einem bestimmten W i r k u n g s g r a d 71in mechanische Energie umgewandelt. Wird diese fiber ein Zeitintervall T anfgebrancht, ergibt sich die L e i s t u n g P des Energieaufwandes. Die nicht verwertbare dissipierte Energie wixd als W/irme Q fiber die KSrperoberfl/iche abgegeben. Die Arbeit W ist definiert als Produkt von Kraft F und der Wegl/Lnge L: W
F. L
(3.38)
Sie ist die mechanische Energie, die ffir die Aufrechterhaltung der Fortbewegung erforderlich ist. Dabei ist die Energie die F~ligkeit, Arbeit zu leisten. Die Leistung P ist defmiert als Arbeit pro Zeit: F
P
F.L
T
T
F. U
,
(3.39)
mit der Fortbewegungsgeschwindigkeit U. Der Wixkungsgrad 71 ist das Verh/iltnis der zur Fortbewegung erforderlichen Energie E zur mechanischen Arbeit W, die fiber ein vorgegebenes Zeitintervall T konst, aufgebraucht wird. Dies entspricht dem Verh/iltnis der abgegebenen Leistung Pout und zugeffihrten Leistung Pin:
~OLlt 7;
P~n
(3.40)
Die Werte des Wirkungsgrades liegen zwisehen 0 keine Energieumsetzung und 1 vollst~ndige Energieumsetzung. Der Wirkungsgrad der Flugmuskulatur z. B. der Taube liegt zwisehen 20 % und 25 %. Entspreehend der Abbildung 1.9 ist der Wirkungsgrad yon Fischen gr6i~er. Er betr~igt z. B. ffir die Forelle 45 %. Der Energieverbrauch der brauch bestimmt. Ubliche Befund, dass 11 Sauerstoff wird, d. h. die Energie pro
Fortbewegung yon Lebewesen wird fiber den SauerstoffverWerte sind 20 kJ/l. Dahinter verbirgt sich der physiologische jeweils dieselbe Energie erzeugt, egal welehe Nahrung oxidiert Volumeneinheit Sauerstoff ist konstant.
Beschleunigt man durch die Fortbewegung die K6rpermasse m bedarf es nach dem Newtonschen Cesetz einer Kraft F, die die Tr~gheitskraft Ft kompensiert: F
-Ft
m.b
Dabei ist die Vortriebskraft die Reaktionskraft, die der KSrper auf das Medium Die Beschleunigungsarbeit nennt man kinetische Energle:
Ekin
1
~ 9m . u 2
(3.41) ausfibt.
(3.42)
Diese lr z. B. fiix die Arbeitsleistung des menschlichen Herzens gegenfiber der DruckVolumenaxbeit vernachlEssigt werden. Die Arbeit des Herzens betr/igt etwa 1 J, die kinetische Energie jedoch lediglich 2.5 % der Druck-Volumenaxbeit, die dutch Integration fiber die F1/iche ira Druck-Volumendiagrazmn der Abbildung (1.21) bestimmt werden kann. Die Pumpleistung des menschlichen Herzens betr/igt etwa 1 W bei einem Puls von 60 Schl/igen pro Minute und der Wirkungsgrad ffir die Herzen aller Lebewesen liegt zwischen 5 % und 20%.
86
3 Grundlagender Biostr6mungsmechanik
Die p o t e n t i e l l e Energie Epo t
m.g.
(3.43)
h
spielt bei der Energiebilanz der Fortbewegung sowie im Herzen keine Rolle, sofern keine H6he h gewonnen wird. Eine Rolle spielt jedoch die elastische D e h n u n g s e n e r g i e , die in einer elastischen Struktur gespeichert wixd, wenn sie gedetmt beziehungsweise komprimiert wixd. Die Kraft die man aufbringen muss, um einen KSrper um AL zu dehnen, ist nach dem Hookschen Gesetz (2.9) E
AL
,
(3.44)
mit dem Youngschen Elastizitgtsmodul E. Die elastische Detmungsenergie ist
Ed
1 2"F'AL
1 2"E'(AL) 2
1 Fs 2" E
(3.45)
Die elastische Dehnungsenergie ist also proportional dem Quadrat der aufgebrachten Kraft. Ffir die biologischen viskoelastischen Medien geht durch die Hysterese im Spannungs-Detmungsdiagramm das Integral fiber die F1/iche der Abbildung 2.8 als W/irme Q verloren. Beim Schwimmen und Fliegen muss gegen den hydrodynamischen beziehungsweise aerodynamischen Gesamtwiderstand (1.7) Arbeit geleistet werden. Die restliche Energie wird beim Schwimmen aufgebraucht, um den Vortrieb durch den Schwanzflossenschlag mit der Wirbelabl5sung in den Umkehrpunkten der Schwanzflosse im Nachlauf zu erzeugen. Beim Fliegen wird mit dem Flfigelschlag die Restenergie genutzt, um Vortrieb und Auftrieb sicherzustellen. Damit sind alle Energieanteile beschrieben, die Ftir die jeweilige Energiebilanz der ausgew/ihlten Anwendungsf'Nle benStigt werden. Im Anschluss an Kapitel 3.1.1 l ~ s t sich die Energiebilanz allgemein formulieren. Die zeitliche Anderung der inneren und kinematischen Energie ist gleich der Arbeitsleistmlg der am System angreifenden Kr/ifte und der Energiezufuhr durch W/irme. So ist die Leistung der Sdlwerkraft die potentielle Energie (3.43). Die Leistung der Druckkraft pro Volumeneinheir p.V. (dui/dt) und die Leistung der Spaxmungen der elastischen W/inde Ti .V. (dui/dt), mit dem Spannungsvektor Ti des Spannungstensors (2.45), der auf der Oberfl/iche der elastischen Wgnde wixkt. Die Leistung der Wgrmeleitung der Wgrmezu- beziehungsweise -abfuhr ist V 9 (A 9VT) mit der W/ixmeleitf~higkeit A. Hinzu kommt die Anderung der inneren Energie durch Dissipation, die Wgrmeerzeugung durch die Reibung. Diese kann als Skalaxprodukt des Schubspannungstensors 7-~j (3.6) und des Dehnungstensors e~j (2.6) Tij 9eij geschrieben werden, wobei der Druckterm bereits behaaldelt wurde. Alle Terme der Dissipationsfunktion sind quadratisch. Das bedeutet, dass die Umwandlung der Reibungsverluste in W~irmeenergie irreversibel ist. Eine detaillierte Ableitung der Energiegleichung finder sich in unserem Lehrbuch der StrSmungsmechan[k H. Oertel jr. et al. 2008.
3.2 Kinematlk und Ahnlichkelt
3.2
87
Kinematik und Ahnlichkeit
Bevor wir uns welter Iilit der Navier-Stokes-Gleichung zur Bereclmung der inkolnpressiblen biologischen StrSmungen befassen, werden die k i n e m a t i s c h e n G r u n d b e g r i f f e und die d i m e n s i o n s l o s e n K e n n z a h l e n zur Beschreibung ehler Str5mung eingeffihrt. 3.2.1
Kinematische Grundbegriffe
Die Kinematik einer StrSmung besckreibt die Bewegung des Mediums ohne Berficksichtigung der Kr~fte, die diese Bewegung verursachen. Das Ziel der Kinematik ist es, den Ortsvektor x(t) eines Volumenelementes u_ud damit dessen Bewegung in Abh~ingigkeit der Zcit t bezfiglich des gcw~_ltcn Koordinatensystems x (x, y, z) flit cin vorgegcbcnes Geschwindigkeitsfeld v (u, v, w) zu bereclmen. Verfolgen wir in Abbildung 3.14 die Bahn eines Volumenelementes bzw. die Teilchenbahn eines der StrSmung beigeffigten Teilchens mit fortschreitender Zeit, so wird der Ausgangsort der Teilchenbewegung zur Zeit t 0 mit dem Ortsvektor xo (xo, yo, zo) festgelegt. Zum Zeitpunkt tl ~ 0 hat sich das Teilchen entlang der skizzierten Bahnkurve an den Ort x(tl) bewegt und zum Zeitpunkt t2 > tl zum Ort x(t2) usw. Die momentane Position x des betrachteten Teilchens ist also eine Funktion des Ausgangsortes xo u-ud der Zeit t. Die Teilchenbah.n schreibt sich damit x
f(xo,t)
Die gewShnliche Differentialgleichung ~ r die Berechnung der Teilchenbahn lautet ~ r ein vorgegebenes Gesch~4ndigkeitsfeld ~(u, v, w) dx
dt
v(x, t)
Dies ist nichts anderes als die wohlbekannte die ehlzelnen Geschwindigkeitskomponenten dx
dt
u(x, y, z, t) ,
dy dt
(3.46)
Definitionsgleichung der Geschwindigkeit. lauten die Differentialgleichungen
v(x, y, z, t)
,
dz dt
w(x, y, z, t)
Ffir
(3.47")
Es handelt sich um ein System gewShnlicher Differentialgleichungen i. Ordnung. Die Teilchenbahn berechnet sich durch hltegration dieser Differentialgleichungen mit der Anfangsbedingung x0 x(t 0).
Tcilchcnbahn \
t1>O
\
-
x(tp X
Abb. 3.14: Teilchenbahn
88
3 Grundlagen der BiostrSmungsnaechanik Stl'omlinie
ta
.89 A b b . 3.15: Stromlinie
J[
Ffir eine station~ire S t r S m u n g ergibt sich das Differentialgleichungssystem ohne Abh~ingigkeit von der Zeit t dx dt
v(m)
(3.48)
Dabei ist zu beachten, dass zwax O/Ot - O, aber das totale Differential d / d t ~ 0 ist. Eine weitere MSglichkeit, StrSmungen zu beschreiben sind S t r o m l i n i e n . Diese zeigen zu einem bestimmten Zeitpunkt t~ das Richtungsfeld des Geschwindigkeitsvektors v an (Abbildung 3.15). Da die Tangenten an jedem Ort und zu jedem Zeitpunkt parallel zum Geschwindigkeitsvektor gerichtet sind, lautet die Bestimmungsgleichung ffir die Stromlinie v x dm
Ffir die Geschwindigkeitskomponenten v w
x
(3.49)
0
ergibt sich damit
|w.dx-u.dz] \ u . dy - v . d x ]
v
9 dz
w
w
9 dx
u
u 9dy
9 dy
dz v 9dx 9
Daraus folgt das Differentialgleichungssystem I. Ordnung ffir die Stromlinie d~
w(x, ~, ~, t)
d~
v(x,~,~,t)
'
tn
t # / / / ' /'/ /
.89 X
w(x, ~, ~, t) ~(x,~,~,t)
'
d~
v(x, ~, ~,t)
dx
~(x,~,~,t)
Streichlinic .-"
F / /// xo
d~ dx
/
//
~
// /
. . . . . .
tm
A b b . 3.16: Streichlinie
(3.50)
3.2 Kinenlatlk und Ahnlichkelt
89
Die Stromlinien bereclmen sich wiederum durch Integration nach Trennung der Variablen. Da~lit sind sie Integralkurven des Richtungsfeldes des vorgegebenen Geschwindigkeitsvektors v. Ln Experiment oder auch in einem berechneten StrSmungsfeld lassen sich die Bahnlinien dadurch sichtbar machen, dass man ein Teilchen bzw. ein Fluidelement a~f's Fotografiert man das StrSmungsgebiet mit langer Belichtungszeit, wird die Teilchenbahn sichtbar. Ga~z entsprechend erh~lt man ein Bild der Stromlinien, indem man viele Teilchen maxkiert und das StrSmungsfeld mit kurzer Belichtungszeit fotografiert. Auf dem Bild sieht man dann eine Vielzahl von kurzen Strichen, deren 1Echtung das Tangentenfeld des Geschwindigkeitsvektors zum Zeitpunkt der A u f n a ~ l e wiedergeben. Die Verbindungslinien der einzelnen Striche sind die Stromlinien. Die dritte wichtige MSgSchkeit der Beschreibung von StrSmungen sind S t r e i c h U n i e n . Diese sind entsprechend der Abbildung 3.16 zum Zeitpunkt t,~ Verbindungslinien der Orte, die die Teilchenbahnen aller Teilchen erreicht haben, die zu i_rgendeinem Zeitpunkt to < t,~ alle den festen Ort x0 passiert haben. Gibt man am Ort x0 des StrSmungsfeldes Farbe bzw. R,uuch zu, so sind Momentaufnahmen der Faxbf~den bzw. Rauchfahnen die Streichlinien. Die Gleichung der Streichlinle zum Zeitpunkt tn lautet x
X(xo, to, t)
,
(3.51)
to bezeichnet den Kurvenparameter und Xo den Schaxparameter. Man erh~lt eine parameterfreie Daxstellung der Streichlinie, indem man den Kurvenparameter to eliminiert.
A b b . 3.17: Teilchenbalmen, Stromlinien, Streichlinien der station~iren UmstrSmung einer senkrecht a~gestrSmten Platte und eines Tragfliigels
90
3 Grundlagender BiostrSmungsnaechanik
Abb. 3.18: KugelumstrSmung, ruhender und mitbewegter Beobachter Fiir station~re StrSmungen fallen Teilchenbatmen, Stromlinien und Streichlinien zusammen. Bei instation~en StrSmungen unterscheiden sich die jeweiligen Kurven. Die Abbildung 3.17 zeigt Beispiele der zusammenfailenden Teilchenbatmen, Stromlinien und Streichlinien fiir die station~re UmstrSmung einer vertikal angestr5mten Platte und eines Tragiitigels. Fiir instationiire StrSmungen wie sie beim Fliegen, Schwimmen und im Herzen vorkommen unterscheiden sich die Teilchenbahnen von den Stromlinien und Streichlinien, was die Interpretation instationfirer Str6mungen schwierig gestaltet. Ein einfaches Str6mungsbeispiel soil dies veranschaulichen. In Abbildung 3.18 bewegen wir eine Kugel mit konstanter Geschwindigkeit U durch ein ruhendes Medium. Die Teilchenbahn durchl~uft beim Vorbeibewegen der Kugel eine Sehleife, wfihrend die Momentaufnahme der Stromlinien geschlossene Kurven zeigen. Dies ist das Str6mungsfeld, das wir als augenstehende,
Abb. 3.19: Weile in einer Grenzschicht, ruhender und mitbewegter Beobachter
3.2 I(inematik und Ahnlichkeit
91
ruhende Beobachter sehen. Ganz anders sieht das Stromlinienbild aus, wenn wir uns mit der Kugel mitbewegen. Wir sehen dann die konstante AnstrSmung U auf uns zukommen und die StrSmung wird zeitunabh~ngig. Start der geschlossenen Stromlinien bilden sich s t a t i o n ~ e Stromlinien von links nach rechts verlaufend aus, die mit den Bahn- und Streichlinien zusammenfallen. Je nachdem in welchem Bezugssystem wir uns befmden, ka~m das StrSmungsfeld also vSllig anders aussehen. Zwei weitere Beispiele von ScherstrSmungen sollen diese Erkenntnis vertiefen. Betrachten wir eine ebene Welle in einer Plattengrenzschichtstr5mung. Diese schreibt sich ffir die u-Komponenten der Geschwindigkeitsauslenkung ~(x,~,t)
~(~)
e~( . . . . .
t)
,
(3.52)
mit der Amplitudenfunktion ~(z), die ausschlief~lich eine Funktion der Vertil~lkoordinate z ist, der Wellenzahl a und der Kreisfrequenz ~. Die Phasengeschwindigkeit c der Welle ist c ~ / a . Der ruhende Beobachter sieht Kreise als Teilchenbalmen und Stromlinien der Welle, wie in der Momentaufnahme der Abbildung 3.19 skizziert, mit der Phasengeschwindigkeit c an sich vorbeilaufen. Der mit der Welle mitbewegte Beobachter sieht die mit der Phasengeschwindigkeit c bewegte Platte und ein Stromlinienbild, das Katzenaugen ~melt. Das zweite Beispiel einer ScherschichtstrSmung ist die NachlaufstrSmung eines Zylinders, wie sie in Elmlicher Weise beim Schwanzflossenschlag des Fisches auftritt. Die periodische WirbelablSsung stromab des bewegten Zylinders nennt man K~rm~nsche Wirbelstraf~e. Die Abbildung 3.20 zeigt zun~chst die Momenta~bilder der Streicklinien, Teilchenbahaen
A b b . 3.20: K ~ r m ~ s c h e Wirbelstraf~e, ruhender und mitbewegter Beobachter
92
3 Grundlagen der BiostrSmungsnaechanik
und Stromlinien der periodisch ablSsenden Wirbel ffir den mit der konstanten Geschwindigkeit [1 durch das ruhende Medium bewegten Zylinder. Dabei ruht der Beobachter. Der mit den periodisch stromab schwimmenden Wirbeln der Phasengeschwindigkeit c mitbewegte Beobachter sieht die Stromlinien wiedermn als Katzenaugen. Das bedeutet, dass ein und dasselbe StrSmungsfeld ein vSllig anderes Bild in Abh~ingigkeit des Bezugssystems ergibt. Damit gibt es ffir die mathematische Beschreibung einer StrSmung grundsgtzlich zwei MSglichkeiten. Bei der E u l e r s e h e n B e t r a e h t u n g s w e i s e gehen wir vom ortsfesten Beobachter aus. Diese Beschreibtmgsweise entspricht dem Vorgehen beim Einsatz eines ortsfesten Messger~ites zur Messung der lokalen StrSmungsgrSgen, die wit in den folgenden Kapiteln ausschlieI~lich benutzen werden. Die Lagrangesche B e t r a c h t u n g s w e i s e geht von einem teilchenfesten, also mitbewegten Bezugssystem aus. Der mathematische Zusmmnenhang beider Betrachtungsweisen ist z. B. fiir die Beschleunigung der Str6mtmg b d v / d t d 2 x / d t 2 das totale Differential des Geschwindigkeitsvektors v(u, v, w). Ffir die u-Komponente u( x, y, z, t) des Geschwindigkeitsvektors gilt: Ou
d~
Ou
-~-i "d t + ~
Ou
Ou
. dx + ~
. d~ + ~
. d=
(3.53)
Damit ergibt sich flit die totale zeitliche Abldtung von u du
0u
d-7
0-7 + 0 x 7 / + b-~ d-7 + 0 ~ d-7
0u
dx
0u
dy
0u
dz
mit dx dt
- -
U
'
dy dt
V
'
dz dt
- -
"W
ist du
Ou
dt
Ot + ' * -57 + v . -~y + w . 0-7
Ou
Ou
Ou
S
L
(3.54)
~
Dabei bedeuten S L K
Substantielle zeitliche 3mderung, Lagrangesche B e t r a c h t u n g , Lokale zeitliche Anderung am festen Ort, ] Konvektive r~iumliche timderungen infolge von Kon- / Eulersche B e t r a c h t u n g . vektion von Ort zu Ort, Einfluss des Geschwindigkeitsfeldes v (u, v, w),
Fiir die Beschleunigtmg b des StrSmungsfeldes, die in der Bewegungsgleichung (3.3) benutzt wurde, erh~t mml in vektor&nalytischer Schreibweise b
dv dt
0v 0v 0v 0v 0t + u. ~xx + v..-7ay + w. Oz
0v Ot + (v. V)v
,
(3.55)
3.2 Kinematik und ,~hnlichkeit
93
mit dem Nabla-Operator V (O/Ox, O/Oy, O/Oz) und (v 9 V ) dem Skalarprodukt aus dem Geschwindigkeitsvektor v und dem Nabla-Operator V. Ftir Kartesische Koordinaten ergibt sich
b~) b
b~ b~
/ d~ \ "
/ Ou , Ou Ou + w I| -O~V + u " D-~ Ov + v D-y O r -~- w. I Ow Ow Ow. w N
Ou \ Ov |I D-~
(3.56)
Ow I
Im Falle einer stationgren StrSmung gilt, dass alle paxtiellen Ableitungen nach der Zeit verschwinden O/Ot 0, wohingegen die substantieUe Ableitung nach der Zeit d/dt durchans ungleich Null sein kann, wenn konvektive Anderungen auftreten. Bei einer instation~iren Str5mung gilt sowohl O/Ot ~ 0 Ms auch d/dt ~ O.
3.2.2
G e o m e t r i s c h e u n d d y n a m i s c h e )khnllchkeit
Die analytische Methode der D i m e n s i o n s a n a l y s e ist in unserem Lehrbuch der Str6mungsmechanik H. Oertel jr. et al. 2008 ausfiihrlich behandelt. Sie erm6glicht mit der Ableitung dimensionsloser K e n n z a h l e n eine Reduktion der EinflussgrSgen. Einige dieser Kennzahlen haben wir bereits im einfiihrenden Kapitel I kennengelernt. Bestimmt man z. B. Ftir den Storchenfliigel der Abbildung 3.21 die dimensionslosen Kennzatflen, die den F1/igelschlag charakterisieren, analysiert man zun/ichst die EinflussgrSgen, die z. B. den Gesamtwiderstand Fw des Fliigels bestimmen. Zu den Einfiussgr6gen gehSren die Geometrie des F1/igels, gegeben durch die Tiefe des F1/igelprofils L u n d der Anstellwinkel a des F1/igels. Die Kraft auf den Fliigel hgngt vonder Dichte p~ der Luft, der Viskosit/it # und der AnstrSmgeschwindigkeit U ab. Der periodisch oszillierende Fliigelschlag geht mit der Frequenz f beziehungsweise der Kreisfrequenz a~ ein. Die Widerstandskraft 1/isst sich als Funktion der EinitussgrSgen darsteUen: Fw
f(L, a, p~, #, U, f)
Abb. 3.21: Storchenfl/igel und Fliigelprofil
(3.57)
94
3 Grundlagen der BiostrBnmngsmechanik
Die Dimensionsanalyse macht eine Aussage, wieviele dimensionslose Kennzahlen das Str6mungsproblem bestinnnen. W~ihlt m a n das physikalische System mit den BasisgrSgen Masse M, L/inge L u n d Zeit T, ergeben sich bei 7 EinflussgrSgen 4 dimensionslose Kennzahlen: Cw
mit dem W i d e r s t a n d s b e i w e r t S t r o u h a l - Z a h l (1.2)
f ( R e L , a, St,')
Cw (1.8), der R e y n o l d s - Z a h l
Fw Cw
U 9L . p ~
ReL
1
,
#
9poo U ') S . L 9
(3.58)
, ReL
(1.1) und der
L. f
Str
(3.59)
U
9
I m Nenner des Widerstandsbeiwertes steht der Druck im Staupunkt des Fliigels (1/2) 9 p ~ . U 2 multipliziert mit der Flgehe S. L. Die Reynolds-Zahl beschreibt das Verh~iltnis der konvektiven Trggheitskraft (zweiter Term in der Navier-Stokes-Gleichung (3.7)) p ~ . U 2 / L und der Reibungskraft # . U / L 2 poo I[/2 L - U L2 9
ReL
U. L u
# .
mit der kinematischen Z'~higkeit u
(3.60)
,
#/p~.
Bildet man die Strouhal-Zatfl mit der Kreisfrequenz ~ der Fliigeloszillation, nennt m a n sie r e d u M e r t e F r e q u e n z k: L.w
k
(3.61)
U
Die reduzierte Frequenz ist das Verh/iltnis der Winkelgeschwindigkeit L 9w und der Anstr5mgeschwindigkeit U. In der TabeUe 3.2 sind Beispiele yon Reynolds-Zalalen und reduzierten Prequenzen einiger Lebewesen zusammengestellt. Die reduzierte Frequenz lgsst sich anschaulich interpretieren. Die periodische WirbelablSsung an den Umkehrpunkten des Fliigelschlages wird stromab mit der Fluggeschwindigkeit U in den Nachlanf geschwemmt. L in
Bakterien Einzeller Wespe Heuschrecke Taube AJbatros Fisch WaJ
10 7 10 4 _ 10 5 6.10 3 2.10 2 2.5.10 1 3.10 1 5.10 1 10
U
w
m/s 10 4 _ 10 10 4 1 4 1 -
10
ReL
s 1 5
10 4
102 400 150
10 5 _ 10 6 10 2 10 3 400 5.10 a
10
5
2 9 10 4 -
30
6
3 9 105
1
2
15
3
5
2.10
106 9 105 l0 s -
5
10
-
10
-
102
102 2.5 0.75 0.1-1 0.1-0.2 1 2
T a b . 3.2: Beispiele von Reynolds-Zahlen und reduzierten Frequenzen von Lebewesen
3.2 Kinematik und Ahnlichkeit
95
Dabei erzeugt sie im Nachlauf eine StSrung mit der Wellenl~inge A U/~. Das Verhiiltnis der charakteristischen Flfigeltiefe L und der Wellenl~nge A der StSrung ist die reduzierte Frequenz k. Man kann die gleiche Dimensionsanalyse auch mit der Auftriebskraft FA des Flfigels durchffihren und erhglt den A u f t r i e b s b e i w e r t ca in Abh~ingigkeit der drei anderen Kennzahlen: Ca
f ( R e L , a, S t r )
,
ITdt ca
FA
1
9poo 9
(3.62) S. L
Ist man a~l den Nickmomenten M des osziUierenden Flfigels interessiert, gilt die gleiche Abh~gigkeit f'fir den Momentenbeiwert Cm
M
l 9p~
9
(3.63)
U2 9 S. L2
Die Dimensionsanalyse gibt einen ersten Einblick fiber die Anzahl der dimensionslosen Kennzahlen, die bei der Fortbewegung der Lebewesen in Luft und Wasser eine Rolle spielen. Dabei sind zwei KSrpefformen (kleiner, gro]~er Vogel beziehungsweise kleiner, grot~er Fisch) g e o m e t r i s c h ~ihnlich, wenn die K6rperformen allein durch die L~ingenskaliertmg L ineinander fiberffihrt werden k6nnen. Von d y n a m i s c h e r /~hnlichkeit sprieht man, wenn die jeweilige Bewegung dutch Skaliertmg der Geometrie, der Zeit trod der Kr~fte ineinander fibefffihrt werden k6nnen. Dies erreicht man dadurch, dass die biostr6mungsmechanischen Grundgleichungen (3.3) und (3.4) mit geeigneten charakteristischen Gr6gen dimensionslos gemacht werden. Die Diagramme der Abbildtmg 3.22 rechtfertigen diese Vorgehensweise. Tr~igt man die Flfigelfl~che A S . L fiber der Masse m a l l e r V6gel auf, finder man im doppeltlogarithmischen MaI~stab einen linearen Zusammenhang. Das Gleiche gilt fSr die L ~ g e z. B. der Wale und Deliine in Abh~ingigkeit der KSrpermasse. Es lassen sich also beide Geometrieformen mit einer L~genskalierung ineinander fiberFtitrren. L
A l
In
50 30
1oo :.,i
, .~'.:.
9j ...
10-1 .;:
"'"
Blm~w~ o
2O
~,'.:
10
~'..
Schwem~lJ
5
10-2
2 10-3
i
10-3 10-z
i
10-1
i
10o
i
101 m/kg 1101
Flfig 9
A b b . 3.22: Skalierung der VSgel und Wale
105m/kg Wall~ge
96
3 Grundlagen der BiostrSmungsmechanik
Wir machen die Koordinaten xi der Grundgleiehungen mit der eharakteristischen L~inge L, die Geschwindigkeitskomponenten vi mit der AnstrSmgeschwindigkeit U, die Zeit t m i t L/U und den Druek p mit p. U 2 dimensionslos. Damit ergibt sieh aus Gleiehung (3.3) zungchst ohne Berficksichtigung der Schwerkraft die d i m e n s i o n s l o s e Navier-Stokes-
Gleiehung:
Ov 0-T
1 t~eL
+ (v. V ) v
- V p + --h---- 9 A v
(3.64)
Die Kontinuit~itsgleichung bleibt unver/indert V.v
0
(3.65)
Ist wie beim Schwimmen auf der Wasseroberflgche die Schwerkraft pro Volumen p 9 g zu berficksiehtigen, wird die Navier-Stokes-Gleiehung (3.64) um den Term - ( 1 / F r ) 9 e: erg~nzt. Die Froude-Zatfl (1.5) ist das Verh/iltnis yon konvektiver Tr~gheitskraft p~. U2/L mad der Sehwerkraft p ~ 9g: p ~ . [/2
L
Fr
__U2
poo "g
(3.66)
g. L
Die Strouhal-Zahl tritt ffir den oszillierenden Fliigelschlag beziehungsweise Schwanzftossenschlag nicht expfizit in der dimensionslosen Navier-Stokes-Gleichung (3.64) auf, da sie mit der charakteristischen Zeit L/U bereits beriicksichtigt wurde. Dies/indert sich, wenn wir die strSmungsmechanischen Grundgleichungen f'tir die pulsierende StrSmung des menschlichen Kreislanfs entdimensionieren. Fiir den Kreislanf ist die charakteristische L/inge der Durchmesser D der Aorta. Die Geschwindigl(eitskomponenten werden mit der mittleren Geschwindigkeit Um am Eintritt der Aorta dimensionslos gemacht. Die charakteristische Zeit ist die Kreisfrequenz w 2.7r/To mit dem Herzzyldus To. Damit erh/ilt man die dimensionslose Navier-Stokes- und Kontinuitgtsgleichung f'tir die Herz- und KreislaufstrSmung:
Wo2(Ov ReD ~ + (v
)
1
V)v V.v
- V p + R-~eD" A v
(3.67)
0
(3.68)
,
mit der bekannten Reynolds-Zahl
ReD
Um 9D tJeff
-
-
(3.69)
und der neuen dimensionslosen Kennzahl, der W o m e r s l e y - Z a h h
Wo
D. Vfue~w
(3.70)
/]eft #eff/flBlut ist die ldnematische Zfihigkeit des Blutes, die entsprechend der Abbildung 3.3 die nicht-Newtonschen Eigenschaften des Blutes berticksichtigt.
3.2
Kinematlk
und
97
Ahnlichkelt
Das Quadrat der W o m e r s l e y - Z a h l ist das Kr~fteverh~tnis von lokaler Tr~gheitskraft (erster Term der Na~4er-Stokes-Gleichung (3.7)) p . w . Um (p Dichte des Blutes) und der Reibungskraft #e~" Urn~D2: Wo 2
p.
r
9Um
# e f t " gm
D 2 9w
(3.71)
tleff
D2 Der Vorteil der dimensionslosen Grundgleichungen besteht dazin, dass z. B. f/ir zwei Blutadern gleicher Gestalt aber unterschiedlicher GrSi~e bei gleicher Reynolds- und WomersleyZahl ein und dieselbe dimensionslose Grundgleichung gilt.
98 3.3
3 Grundlagender Biostrbmungsmechanik Dynamik
der StrSmungen
Die Dynanfik der BiostrSmungsmechanik ist wie die Biomechanik ein Teilgebiet der Kontinuumsmechanik (Abbildung 3.23). Die N a v i e r - S t o k e s - G l e i c h u n g und die Kontinuit~tsgleichung fiir die Berechnung der inkompressiblen und reibungsbehafteten StrSmung wurde zu Beginn des Kapitels 3 dimensionsbehaftet (3.3), (3.4) und dimensionslos (3.64), (3.65) bereitgestellt. Fiir Reynolds-Zahlen gegen unendlich ergibt sich die EulerGleichung der reibungsfreien Umstr5nmng: p.
-~ + (v.V)v
-Vp
(3.72)
Fiihrt man das Geschwindigkeitspotential (I) ein, erh~ilt man mit v
V4p
und
V xv
0
,
(3.73)
der Rotationsfreiheit der reibungslosen StrSmung, die linearisierte Potentialgleichung A(I)
0
,
(3.74)
die wir im Aerodynamik-Kapitel 3.4.1 welter behandelm
KONTINUUMSMECHANIK
,t
,t
I ~wo~o~ II ~~
,t
4, II~'-oso~'o'o~
,t
I ~'~o~ '~
4,
II ,oo~,,~o~ II ~o~'oio~ I Str~3mung-Slzttktur- ] Kopplung
A b b . 3.23: Hierarchie der kontinuumsmechaaischen Grundgleichungen
3.3 Dynamik der Str6mungen
99
In Wandnfilm bilden sieh bei grogen Reynolds-Zahlen die reibungsbehafteten GrenzschiehtstrSmungen aus. Die Grenzschichtgleiehung lgsst sieh aus der Navier-Stokes-Gleiehung mit einer GrSgenordnungsabsehgtzung der einzelnen Terme ableiten (siehe H. Oertel jr. et al. 2008). F/Jr die biostrSmungsmeehanischen Beispiele des einf/ihrenden Kapitels 1 ist die Kopplung der biomechanischen Bewegungsgleichung (2.34) mit der Navier-Stokes-Gleichung der BiostrSmungsmeehanik erforderlich. Die fle,,dble biologisehe Struktur iibt eine Kraft auf die StrSmung aus und umgekehrt bewirkt die StrSmung eine Kraft auf die Struktur. Diese S t r S m u n g - S t r u k t u r - K o p p l u n g wird in Kapitel 3.5 eingefiihrt.
3.3.1
Navier- St okes- Gleichung
Aus der dimensionslosen Navier-Stokes-Gleichung (3.64) Ov + (v. V)v 0--/
1 - V p + w--" Av 11eL
(3.75)
lassen sich wichtige Schlussfolgerungen ziehen. Wir betrachten die UmstrSmung einer lgngs angestrSmten Platte und einer Kugel, bei der der Sehwerkraftterm und damit die FroudeZahl aufgrund der SchichtenstrSmung keine Rolle spielt. Fiir Reynolds-Zahlen ReL >> 1 bildet sich bei dominierender Tr~gheitskraft auf der lgngs angestrSmten Platte der Abbildung 3.24 eine G r e n z s c h i c h t s t r S m u n g aus. Das Grenzschichtprofil u(z) an der Stelle L verlguft von u(0) 0 der Haftbedingung bis zur ungestSrten AnstrSmgeschwindigkeit U. Fiir die unendlich ausgedehnte Platte ist u(z) ausschlieglich eine Funktion der Vertikalkoordinate z. Damit vereinfacht sich die Navier-Stokes-
Abb. 3.24: Plattengrenzschichtstr5mung und schleichende Str6mung um einen Zylinder
100
3 Grundlagender BiostrBmungsmechanik
Gleichung (3.75) ffir die station/ire GrenzschichtstrSmung mit O u / O t Ou Ou u . =~x + w . O--~z
dp 1 O2u -d--~ + Re---[ Oz 2
0: (3.76)
Der zweite Reibungsterm 0 2 u / O x 2 ist eine GrSgenordnung kleiner und kaxm in der Grenzsehiehtgleiehung vernaehlgssigt werden. Die zweite Navier-Stokes-Gleiehung ffir die Vertikalkomponente der Gesehwindigkeit w ist ebenfalls eine GrSgenordnung kleiner als die Navier-Stokes-Gleiehung (3.75) und ergibt Op/Oz 0. Der Druek wird der Grenzsehieht aufgepr/igt. Die Kontinuit/itsgleiehung (3.65) gilt unver/indert. Ffir die auf die Laufl/inge L bezogene Grenzsehiehtdieke 5 gilt: 5 L
1 Rv/-R-~L
(3.77)
Die LSsung der Grenzschichtgleichung (3.76) ffir die lgngs angestrSmte Platte nennt man Blasius-Grenzschicht. Da die GrenzschichtstrSmung auf eine wandnahe dfinne Reibungsschicht begrenzt ist, 1/isst sich entsprechend der Abbildungen 1.30 und 1.40 der StrSmungsbereich in den reibungsbehafteten wandnahen Anteil und die reibungsfreie AugenstrSmung aufteilen, die mit der Euler- (3.72) beziehungsweise Potentialgleichung (3.74) berechnet wird. Ffir Reynolds-Zahlen R e L << 1 dominiert die Reibungskraft im gesamten StrSmungsfeld. Dieser Bereich der schleiehenden S t r g m u n g ist in Abbildung 3.24 am Beispiel der KugelumstrSmung dargestellt. Die charakteristisehe Lgnge ist jetzt der Kugeldurchmesser D. Die schleiehende StrSmung ist durch einen Staupunkt auf der vorderen und hinteren Kugeloberflgche entlang der sogenannten Staustromlinie eharakterisiert. Ffir den Grenzfall sehr kleiner Reynolds-Zahlen existiert eine analytisehe LSsung der Navier-Stokes-Gleichung (3.75) bei Vemactflfissigung der Tr/igheitsterme Vp
1 eo -a r ' 9 A v
(3.78)
Es befinden sich die Druck- und Reibungskr/ifte im Gleichgewicht. Der Widerstand der Kugel bereehnet sich mit dem Stokesschen W i d e r s t a n d s g e s e t z : D 6. ~ . # . -~- 9U
Fw
(3.79)
Ein Drittel dieser Widerstandskraft Fw hat seinen Ursprung im Druckgradienten und zwei Drittel in den Reibungskr/iften. Bemerkenswert ist ferner, dass die Widerstandskraff Fw im Bereich schleichender StrSmungen proportional der ersten Potenz der AnstrSmgeschwindigkeit U ist. Unter Berficksichtigung der Definition des cw-Wertes erhalten wit aus Gleichung (1.8) eine Beziehung fiir Cw cw(ReD)In]t ReD U 9 D / u : Cw
Fw
1 . p.
t12
.
:r . D2 -~
24 9# - -
p . U 9D
24 --
ReD
(3.80)
Das Stokessche Widerstandsgesetz gilt fiber die Bereichsgrenze der schleichenden StrSmung tfinaus im Reynolds-Zahlbereich R e D < 20 (Abbildung 3.25).
3.3 Dynamlk der StrSmungen
101
Bei einer ErhShung der Reynolds-Zahl bis zu einem Wert von ReD 130 stellt sich stromab der angestr5mten Kugel der Zustand station~rer Str5mungsablSsung ein. Die StrSmungsteilchen in unmittelbarer Wandn~he verlieren durch die starken Reibungskr~fte derm't an kinetischer Energie, dass sie nicht in der Lage sind, den Druckanstieg in der tfinteren H~ilfte der Kugel zu kompensieren. Die Folge ist eine StrSmungsablSsung stromab des Kugels Man erh~lt ein station~res RfickstrSmgebiet hu Nachlaufbereich unmittelbar hinter der Kugel mit einem zus~itzlichen Staupunkt hu Nachiauf. Bei der Berechnung der station~en Na~hlaufstrSmungen k51men die Trs nicht mehr vernachl~sigt werden undes ist die vollst~h~digeNavier-Stokes-Gleichung (3.75) zu 15sen. Eine weitere Steigerung der Reynolds-Zahl bis zu einem Wert von ReD 800 ffihrt zur Bildung einer instation~en periodischen WirbelablSsung der Grenzschicht auf der Kugeloberfl~che mit einer Nachlaufwirbelstrai~e. Es bilden sich schraubenfSrmige Wirbelschleifen, die sich periodisch im Nachlauf fortsetzen. Die dimensionslose AblSsefrequenz (1.2) betrs Str 0.18 - 0.2. Die periodische WirbelablSsung der Kugel Fdr Reynolds-Zahlen gr6~er 300 entspricht der durch den Schwanzflossenschlag des Fisches in den Umkehrpunkten der Schwanzflosse erzeugten periodischen Wirbel der Abbildung 1.17. In Abbildung 3.26 ist die vereinfach-
Abb. 3.25: StrSmungsformen und Widerstandsbeiwert Cw der Kugelumstr6mung in Abh~ingigkeit der Reynolds-Zahl ReD
102
3 Grundlagen der BiostrSmungsnlechanik
te Prinzipskizze der WirbelablSsung einer mit U bewegten Kugel im ruhenden Medium im Vergleieh mit dem Naehlauf des Fisehes dargestellt. Von Abbildung 3.25 wissen wir, dass die WirbelablSsung aus dreidimensionalen Wirbelsehleifen besteht. Dennoeh zeigt die Prinzipskizze, dass die vom Fiseh erzeugten Wirbel und die frei ablSsenden Wirbel der Kugel entgegengesetzt drehen. Es e~stieren weitere analytische L6sungen der Navier-Stokes-Gleichung (3.75). Von der C o u e t t e - S t r S m u n g der Abbildung 3.1 haben wix bereits in Kapitel 3.1.1 Gebrauch gemacht. Es handelt sich um eine ansgebildete StrSmung, damit findert sich das Geschwindigkeitsprofil nicht mit der L~ngskoordinate x. Es tritt keine Beschleunigung der StrSmung stromab auf und der Druckgradient Op/Ox ist Null. Es wirkt ausschlieglich der Reibungsterm der Navier-Stokes-Gleichung (3.75): d2u dz 2
o
(3.Sl)
Nach zweimaliger Integration erh/ilt man mit den Randbedingungen:
~(-
H
7)
0 ,
H
~(-
+7)
L1
(3.s2)
das lineare Geschwindigkeitsprofil
Fiir die ebene station/ire KanalstrSmung, die man P o i s e u i l l e - S t r g m u n g nennt, erh/ilt man ein parabolisehes Gesehwindigkeitsprofil u(z) (Abbildung 3.27). Die zu 16sende Navier-Stokes-Gleiehung (3.75) sehreibt sieh mit Op/Ox konst, fiir die ausgebildete Kaaalstr6mung Ou/ Ox 0 d2u dz 2
konst.
(3.84)
Naeh zweimaliger Integration ergibt sich mit den Haftbedingungen
~(_
+H)
0
(3.S5)
Abb. 3.26: Vereinfachte Prinzipskizze der NachlaufstrSmung der Kugel und des Fisches
3.3 Dynamik der StrSmungen
103
Abb. 3.27: Ebene Poiseuille-Kaxtalstr6mtmg
das paa'abolische Geschwindigkeitsprofil
u(z)
Urea•
1 --4.
,
(3.86)
mit der Maximalgeschwindigkeit Urea• in der Mitte des Kanals. Die Schubspannung dieser reibungsbehafteten KanalstrSmung berechnet sich mit du
8 9~
9 Urea
x
Wir erhalten also die in Abbildung 3.27 gezeigte lineare Verteilung der Betr~ge der Schubspannungen. In einem Rohr mit Kreisquerschnitt des Durchmessers D stellt sich ebenfalls ein paxabolisches Geschwindigkeitsprofil u(r) ein (Abbildung 3.28). Es handelt sich dabei um eine stationgre Ou/Ot 0 und ausgebildete Ou/Ox 0 R o h r s t r S m u n g . Es ~indert sich das Geschwindigkeitsprofil entlang der Koordinate x nicht, womit der Druckgradient lmnstant sein muss. Mit diesen Voraussetzungen ergibt die Navier-Stokes-Gleichung (3.75) in Zy-
Abb. 3.28: Hagen-Poiseuille-RohrstrSmung
104
3 Grundlagen der BiostrSmungsnaechanik
linderkoordinaten l du d2u 7" dr + ~
konst.
(3.87)
Die Geschwindigkeit u(r) ist ausschfieJ~lich eine Fmlktion der Radialkoordinate r. Mit der Haftbedingung u(,"
D 7)
0
(3.88)
,
(3.89)
und der Nebenbedingung d~-~TuT=0
0
1Esst sich die Differentialgleichung (3.87) mit einem Potenzreihenansatz fiir u(r) 15sen: u(r)
Uma x
1 - 4. ~
(3.90)
Fiir die pulsierende ArterienstrSmung ist dies der Grenzfall der zeitlich gemittelten Str6mung. Die Abbildung 3.29 fasst noch eimnal die Terme der Navier-Stokes-Gleichung (3.75) zusammen, die bei den betrachteten StrSmungsbeispielen eine Rolle spielen.
A b b . 3.29: Vereinfachungen der Navier-Stokes-Gleichung der inkompressiblen Str5mung
3.3 Dynamik der StrSmungen
105
Die linke Seite der Navier-Stokes-Gleichung beschreibt die lokale und konvektive Beschleunigung. Auch bei einer stationMen StrSmung mit Ov/Ot 0 erf's die StrSmung eine konvektive Beschleunigung aufgrund der sich mit dem Ort ~ndernden Str5mungsgrSf~en. Die Ursache der StrSmungsbeschleunigung sind die Druck- und Reibungs~'~fte. Bei einer schleichenden StrSmung mit ReL << 1 beziehungsweise einer stationKren ausgebildeten Rotn-strSmung findet keine Beschleunigung statt. Bei der RohrstrSnmng ist die Druckkraft konstant und man erh~ilt Gleichung (3.87). Die ebene KanalstrSmung fiihrt nach zweimaliger hltegration auf das paxabolische Geschwindigkeitsprofil (3.86) der PoiseuilleStr6mung. Die Couette-Str6mung ergibt otme Ber/icksichtigung des Druckterms das lineare Geschwindigkeitsprofd (3.82). Ftir die stationKre PlattengrenzschichtstrSmung wird der Druck von aui~en aufgepr~gt und es ergibt sich die vereinfachte Navier-Stokes-Gleichung der Blasius-Grenzschicht (3.76). Bei der station~iren KugelumstrSmung ist ftir ReL >> 1 die Druckkraft zus~itzlich zu beriicksichtigen und es gilt die Navier-Stokes-Gleichung (3.75) ohne loka]e Besctfleunigung
Or~Or. Ffir die Bereclmung der periodischen WirbelablSsung sowie der Bereclmung der instation~ren TragfliigelumstrSmung ist die vollst~hldige Navier-Stokes-Gleichung (3.75) numerisch zu 15sen.
Widerstandsbeiwerte
Nachdem wir die Grundgleichungen der reibungsfreien und reibungsbehafteten inkompressiblen Str6mungen bereitgeste]_It haben, kSnnen wir a~l die einffihrenden Beispiele in Kapitel 1.4 anknfipfen und den Widerstand umstrSmter KSrper im Allgemeinen aus den numerischen LSsungen der Navier-Stokes- (3.64) und Kontinuitiitsgleichung (3.65) bestimmen. Die numerischen L6sungsverfahren der Navier-Stokes-Gleichung finden sich in unseren Lehrbiichern H. Oertel jr. et al. 2008 und E. Laurien und H. Oertel jr. 2008. Der G e s a m t w i d e r s t a n d s b e i w e r t
cw (3.58)
Cw
Fw
1
'
(3.91)
9p ~ . U 2 .A mit der Widerstandskraft Fw auf den KSrper, der AnstrSmung U und einer charakteristischen Querschnittsfl~che A setzt sich entsprechend der reibungsfreien und reibtmgsbehafteten Bereiche des StrSmungsfeldes aus zwei Anteilen zusammen: Cw
Cd + Cf,g ,
(3.92)
den dutch die Druckverteilung Cp verursachten F o r m - beziehungsweise D r u c k w i d e r s t a n d FD und den R e i b u n g s w i d e r s t a n d FR. Die zugehSrigen Widerstandsbeiwerte schreiben sich Cd
1
FD
9p ~ 9U 2 9A
FR ,
Cf,g
1
~ " p ~ " U2 " A
(3.93)
3 Grundlagender BiostrSmungsmechanik
106
Die Druckkraft FD berechnet sich aus dem Druckbeiwert Cp
1 p -
Cp
(3.94)
P~
"P'~ 9U 2 und die Reibungslcxaft FR aus dem lokalen Reibungsbeiwert cf cf
Tw
1
"P~
(3.95) 9U 2
mit der Schubspannung Tw an der Wand. Durch Integration entlang der Wandstromlinie s ergibt sich der Gesamtwiderstand Fw eines umstrSmten F1/igels der L~inge L mit der Bogenffinge der KSrperoberfl~che Ls:
Fw
ILs/o
Cp,o 9 sin(ao)
9ds -
Cf,o 9 cos(ao)
0
Cp, u 9 sin(au)
9ds
0 L~,u/
/L~'~ +
Ls/u
9ds +
) 1
cf,u"
cos(au) 9ds
9~ 9 p , ~ . U 2 . S
, (3.96)
0
dabei bedeuten o und u die Ober- beziehmlgsweise Unterseite des Fliigels und S die Spannweite mit der Fltigelflgche A L 9S. Die Integration effolgt entlang der jeweiligen Oberfl~izhen. Bei der Aufspaltung in Druck- und Reibungswiderstand geht man davon aus, dass zwar der Druckwiderstand stark von der Form des KSrpers abh~ngt, dass aber der
A b b . 3.30: Druckbeiwert Cp und Widerstandsbeiwert cf der symmetrischen ProfilumstrSmung
3.3 Dynamik der Str6mungen
107
Reibungswiderstand im Wesentlichen nur v o n d e r GrSge der KSrperoberfl/iehe abh/ingt und nicht vonder Form der Oberflgche. Die Abbildung 3.30 zeigt den Druckwiderstandsbeiwert Cd und den lokalen Reibungsbeiwert cf fiir ein mit U angestrSmtes symmetrisches Proffl. Die Abbildtmg 3.31 fasst die Widerstandsanteile umstrSmter KSrper zusaznmen. Der Grenzschicht der l~LngsangestrSmten Platte wird der Druck aufgepr~Lgt. Damit ist der Druckwiderstandsbeiwert Cd gleich Null und der Gesamtwiderstandsbeiwert Cw besteht ausschlieglich aus dem integralen Reibungswiderstandsbeiwert Cf,g. Ein schlankes Profil hat entsprechend der kleinen Querschnittsfl~Lche A nur einen geringen Druekwiderstand. Es dominiert der Reibungswiderstand. Bei der umstr6mten Kugel sind die Widerstazldsazlteile etwa gleich grog. Die quer azlgestrSlnte Platte hat praktisch nur Druckwiderstand und der Reibungswiderstand ist verschwindend klein. Kommen wir zur Fragestellung des K6rpers mit dem geringsten Gesamtwiderstand Cw zuriick. Der in Kapitel 1.2 beschriebene Pinguin hat einen sehr geringen cw-Wert von 0.07. Es sind S t r o m l i n i e n k S r p e r , wie sie in Abbildung 3.32 dargestellt sind, die den geringsten Druckwiderstand aufweisen. Eine dariiber hinaus gehende Verringerung der Widerstandsbeiwerte ist durch eine geeignete Beeinflussung der Wandschubspmmung Tw und damit des Reibungsvdderstazldes lnSglich. Sie wird in Kapitel 5.3 behazldelt.
Abb. 3.31: Anteile von Druckwiderstandsbeiwert Cd und integralem Reibungswiderstandsbeiwert Cf,g UlnstrSmter KSrper
108
3 Grundlagen der BiostrSmungsmechanik
A b b . 3.32: StromliniemkSrper in freier AnstrSmung und in Bodenniihe
3.3.2
BernouUi-Gleichung
Fiir die e i n d i m e n s i o n a l e r e i b u n g s f r e i e U m s t r S m u n g z. B. eines Tragflfigels l ~ s t sich ffir den Grenzschichtrand aus der Euler-Gleichung (3.72) dutch bltegvation entlang eines Stromfadens die B e r n o u l l i - G l e i c h u n g ableiten. Die eindimensionale Stromfadenkoordin a t e s ist in Abbildung 3.33 dadurch gekennzeichnet, dass die .ii,nderung der Geschwindigkeit u(s) ausschliei~lich eine Funktion der Koordinate s ist trod die "A.ndertmgen quer zum Stromfaden vernachlfissigt werden kSnnen. Dies ist fiir die gezeigte ProfilumstrSmung dann eine gute N ~ e r u n g , wenn die Fliigelspannweite S grof~ gegeniiber der Profiltiefe L ist. Die Euler-Gleichung ffir die eindimensionale StrSmung u(s) lautet:
Ou Ou 0--7 +'* 0--7
1
dp
(3.97)
a--7
Fiir s t a t i o n ~ e StrSmungen sind alle GrSiten nur Funktionen von s und es folgt u
--
-7--
,
d
+-dp
0
(3.98)
P Die hltegration flings des Stromfadens s VOln Ort 1 lnit Ul, pl und P2 und s2 liefert
81
ZUln Ort 2 mit u2,
P2
-
-
+
-d,
p
0
pl
Fiir die betrachtete inkompressible StrSmung ist p konst., so dass der Faktor 1/p vor das hltegral gezogen wird. Damit erh/ih man die Bernoulli-Gleichung ffir inkompressible
A b b . 3.33: Stromfaden und Druckbegriffe bei der ProfilumstrSmung
109
3.3 Dynamik der StrSmungen
station&re reibungsfreie StrSmungen. Die Dimension ist Energie pro Masse: u_~22+ p2 2 p
u~ + p l 2 p
konst.
(3.99)
Alternativ dazu wird hRufig anch die Bemoulli-Gleichung der Dimension Energie pro Volumen angewandt: 1
P2 + ~ "P" u~
1
Pl + ~ "P" u~
konst.
(3.100)
An eiaem beliebigen Ort lautet die Bernoulli-Gleichung ffir station~ire StrSmungen 1
p + ~ 9p. u 2
konst.
(3.101)
Die Konstante fasst dabei die drei bekannten Terme an einem Ausgangszustand zusammen. Sie hat fiix aHe Punkte l ~ g s s eines Stromfadens den gleichen Wert, kmm sich jedoch von Stromfaden zu Stromfaden ~ d e r n . Die Bemoulli-Gleichung ist eine algebraische Gleichung und liefert den Zusammenhang zwischen Geschwindigkeit trod Druck. Mit der Bemoulli-Gleichung (3.101) kSnnen wir unterscbdedliche Druckbegriffe einffihren. Wir bezeiclmen p Pstat alS statischen Druck trod (1/2) 9p 9u 2 Pdyn als dynamischen Druck. Der statische Druck Pstat ist derjenige Druck, den man misst, wenn man sich mit der StrSmungsgeschwindigkeit u im Medium mitbewegt. Er ist folglich ffir die Druckkraft, die auf einen umstrSmten KSrper wirkt, verantwortlich. Der dy-namische Druck Pdyn katln als ein Mat~ ffir die kinetische Energie pro Volumen eines mit der Geschwindigkeit u str5menden Volumenelements betrachtet werden. F fir die TragflfigetumstrSmtmg Lasm die Konstante auf der sogenarmten Staustromlinie, die v o n d e r AnstrSmung hn Unendlichen fiber einen variablen Punkt 1 zum Staupunkt 0 auf dem Tragflfiget ffil~t, festgelegt werden (Abbitdung 3.33). Auf der Staustromlinie lautet die Bernoulli-Gleichung 1 2 p~ + ~ . p. u~
1 P 1 + ~ " p" u21
Po
konst.
Im Staupunkt gilt u 0, daher e~stiert dort kein dynamischer Druckanteil. Die Variable p0 bezeichnet den Druck ira Staupunkt, ffir den auch die Bezeiclmungen Ruhedruck oder Gesamtdruck gebr~iuchlich sind. Es gilt folglich p0
Pges
PRuhe
Pstat + Pdyn
(3.102)
Den dynamischen Druck der AnstrSmung (1/2) 9p . u ~ 2 haben wir bereits ffir die dimensionslosen Druck- und Widerstandsbeiwerte (3.93) und (3.94) benutzt.
3.3.3
Reynolds-Gleichung der turbulenten StrSmung
Bisher haben wix die biostrSmungsmechanischen Grtmdgleichungen der laminaren StrSmung behandelt. Ffir Grenzschichtstr5mungen des Vogelfluges und beim Schwinmlen der
110
3 Grundlagen der BiostrSmungsnlechanik
Fische ist die Str5mung beim Uberschreiten einer kritischen Reynolds-Zahl turbulent. Turbulente Str5mungen zeichnen sich durch Schwankungen der StrSmungsgrS~en aus, die einen zus/itzlichen Querimpuls- und Energieaustausch verursachen. Daxaus resultieren vS1ligere zeitlich gemittelte Geschwindigkeitsproffle, verglichen mit den laminaxen Profflen in Grenzsckichten, Kan/ilen und Rohren. Die Abbildung 3.34 zeigt die bereits diskutierten laminaren Geschwindigkeitsprofile im Vergleich mit den Profilen turbulenter Grenzschicht- und RohrstrSmungen, die sich bei Uberschreiten der lcxitischen Reynolds-Zahl Rekrit einstellen. Bringen wix in Abbildung 3.35 einen Farbfaden in die StrSmung ein, so erhalten wir fiir die station/ire laminaxe StrSmung eine gerade Streichlinie. In der turbulenten StrSmung zerfleddert der Farbfaden aufgrund der fiberlagerten Schwaakungen und dem damit verbundenen zus/itzlichen Querimpulsaustausch. Der laminar-turbulente l)bergang erfolgt in einer StrSmung nicht abrupt sondern fiber mehrere Zwischenzust/~lde, die in Abbildung 3.36 fiir die GrenzschichtstrSmung dargestellt sind. Die Reynolds-Zahl U 9 6/u wird hier mit der Grenzschichtdicke 6 trod der Geschwindigkeit U auf~erhalb der Grenzschicht gebildet. Bei umstrSmten KSrpern ist die Grenzschichtdicke in der N/ihe der Staulinie sehr d/inn. Die StrSmung ist zun/ichst laminar und wh'd stromab, beim Uberschreiten der kritischen Reynolds-Zahl, turbulent. Die Dicke der laxainaren Grenzschicht der Platte w/ichst mit v/~ an. Dabei ist x der Abstand vonder Vorderkante. Die mit x gebildete kritische Reynolds-Zahl der Plattengrenzschicht betr/igt:
Rekrit
< ~--~)
krit
5"10 5
Die kritische Reynolds-Zahl der RohrstrSmung hingegen betr/igt Sekrit
(3.103) 2300.
Die laminare GrenzschichtstrSmung wird bei der kritischen Reynolds-Zal~ Sekrit von zweidimensionalen StSrwellen fiberlagert, die nach Tollmien-Schlichting benannt sind. Welter stromab fiberlagern sich dreidimensionale StSrungen, die eine charakteristische h-Wirbelbildung mit lokalen Scherschichten in der Grenzschicht zur Folge haben. Der Zerfall der h-Wirbel verursacht Turbulenzflecken, die den 0bergang zu einer turbulenten GrenzschichtstrSmung einleiten. Bei Ret ist der Transitionsvorga~g abgeschlossen, stromab ist die Grenzschicht turbulent.
Abb. 3.34: Laminare und turbulente Geschwindigkeitsprofile in Grenzschichten und Rohrstr6mungen
3.3 Dynamik der StrSmungen
111
Abb. 3.35: Reynolds-Experiment: laminare und turbulente RohrstrSmung, Reynolds 1883
Die Grenzschiehtdicke w~chst beim laminar-turbulenten Ubergang stark an, was mit einer WiderstandserhShung einhergeht. Turbulente StrSmungen sind grunds~itzlich dreidimensional und zeitabh~ingig. Die mathematische Beschreibung turbulenter StrSmungen leitet sich von den experimentellen Erkenntnissen der Abbildung 3.35 ab. Reynolds zog aus seinem Experiment die Schlussfolgerung, dass sich die StrSmungsgrSi~en als Uberlagerung der zeitlich gemittelten Gr5ffen und der zus~itzlichen Schwankungen darstellen lassen (Abbildung 3.37). Der R e y n o l d s - A n s a t z ffir turbulente StrSmungen schreibt sich:
v(x, v, ~, t)
v(x, v, ~) + v'(x, v, ~, t)
p(x,y,z,t)
~(x,y,z) + p'(x,y,z,t)
(3.104)
Die Definition des zeitlichen Mittelwertes am festen Ort lautet ffir das Beispiel der Ge-
0 1
stabile, laminate Sl~mung instabile Tollmign-Schlichting-Wellen
2 3 4 5
dreidimensionaleWell,n, A-Wirbel Wirbolz~'all BfldungyonTurbule~fI~kon turbul~nteSlx~mung
Abb. 3.36: Laminar-turbulenter 0bergang in einer Grenzschicht
112
3 Grundlagen der BiostrSmungsmechanik
schwindigkeit T
1 /
-
v ( x , ~ , ~ , t) 9 dt
~.
(3.105)
0
T ist dabei ein geeignet groges Zeitintervall v o n d e r Form, dass eine Zunahme von T keine weitere Anderung des zeitlich gemittelten Wertes g mehr ergibt. Aus der Definition des zeitlichen Mittelwertes l ~ s t sich ableiten, dass die zeitlichen Mittelwerte der SchwankungsgrSgen verschwinden: v~
0
~
u~
0
,
v~
0
,
w~
0
(3.106)
Zur Charakterisierung turbulenter StrSmungen f/iin't man den dimensionslosen 2harbul e n z g r a d T u ein, der im Z~ihler die Wurzel aus dem zeitlich gemittelten Quadrat der SchwankungsgrSgen und im Nenner den Betrag der zeitlich gemittelten StrSmungsgeschwindigkeit an einer betrachteten Stelle enth~ilt:
Aufgrund der SchwasAungsbewegungen u ~, v ~ und w ~ in einer turbulenten StrSmung k o m m t es zu einem zusgtzlichen Beitrag zum StrSmungswiderstand. Dieser zusgtzliche Anteil hat jedoch nichts mit der molekularen Viskosit~it # zu tun, sondern ist auf die zus~itzlichen Quer- und L~gsimpuls-Austauschprozesse zur/ic "kzufiihren, die in einer turbulenten StrSmung auftreten. Setzt man den Reynolds-Ansatz (3.104) in die dimensionsbehaftete Navier-Stokes-Gleichung (3.2) ein, erh/ilt man die zeitlich gemittelte R . e y n o l d s - G l e i c h u n g der turbulenten StrSmung (siehe H. Oertel jr. 2008):
p.
-g-/+ (5. v ) 5
-v~ +V.~+V.wt
,
(3.108)
mit
7--
-
-p.u '2 -p-u__'._~,'-p.u'.~
T~x)
f Txx Tyx ~T__xyTyy7zy \ T x z Tyz 7zz
(3.109)
Tt
-~:7:~'-~:~:~
- p . w'2 )
A b b . 3.37: Reynolds-Ansatz f'tir die uKomponente der Geschwindigkeit
3.3 Dynamik der Str6mungen
113
Der Schwerkraftterm der/iuf~eren Kr~Lfte f f'dllt fiir SchichtenstrSmungen weg. Neben den zeitlich gemittelten Schubspazmungen ~, die f'fir den Reibungswiderstand der StrSmung verantwortlich sind, erh/flt man bei der turbulenten StrSmung zus/itzlich Widerstandsanteile wt aufgrund der Geschwindigkeitsschwankungen. Diese entstehen beim Einsetzen des Reynolds-Ansatzes (3.104) in die Navier-Stokes-Gleichung durch deren nichtlineaxe Tr/igheitsterme. Man nennt sie Re}~oldssche scheinbare Normal- und Schubspannungen, da sie durch den turbulenten L/hlgs- und Querimpulsaustausch entstehen und nicht durch die molekulare Viskosit/it verursacht werden. Die meisten Turbulenzmodelle basieren auf der Boussinesq-Annahme. Boussinesq sctflug bereits im Jahre 187T vor, die SchwanktmgsgrSgen im rechten Tensor (3.109) mit einem Ansatz zu modellieren, der analog zur Berecknung der Normal- trod Schubspazmungen des linken Tensors (3.109) gilt. Ffir die Schubspazmungen Tij gilt: _
7ij
fo , #" ~,~xj § ~ x i /
(3.110)
Die Boussinesq-Annahme geht davon aus, dass die SchwankungsgrSf~en - p . v( 9v~ in Analogie zur Gleichung (3.110) ermittelt werden kSnnen: - p . v( . v~
#t " \-:~xj § -~xi ]
(3.111/
#t wird als AustauschgrSt~e oder als turbulente Viskosit/it bezeichnet. Turbulenzmodelle, die auf der Boussinesq-Annahme basieren, beschr~n_ken sich auf die Modellierung der AustauschgrSJge #t. Sie beinhalten Gleichungen, mit denen die AustauschgrSt~e in Abh/hlgigkeit von den m_ittleren Str6mungsgrSt~en berechnet werden. Ein m6glicher Ansatz zur Besthnmung von # t i s t der P r a n d t l s e h e Misehungswegansatz. Ial Abbildung 3.38 gehen wir davon aus, dass eine turbulente zweidimensionale Grenzschiehtstr6mung in der (x, z)-Ebene vorliegt. Der Reynolds-Ansatz ergibt u
~(z) + u'
"tU
"tUt
,
(3.112)
A b b . 3.38: PrizLzipskizze zum Prandtlschen Mischungswegansatz
114
3 Grundlagen der BiostrSmungsmechanik
Wird ein Volumenelement durch die positive Schwankungsgeschwindigkeit w ~ vom Niveau z0 zum Niveau z0 + l bewegt, erh~ilt man fiir die Anderung von ~ mit der TaylorEntwicklung g(zo)-g(zo+l)
g(zo)-
g(zo)+ ~
. l + dz 2 : o ' ~ + " "
Unter Vernaehl/issigung der Terme hSherer Ordnung folgt g(zo) - g ( z o + l)
- l . d_~ :o
Diese Geschwindigkeitsdifferenz schwindigkeit sschwankung
-l 9(dg/dzl:o) u'(zo + l)
im Niveau zo + l fasste Pramdtl als Ge-
-l. ~
(3.113)
im Niveau z0 + l auf. Aus Kontinuit~itsgr(inden folgt ffir ein positives wq w ~
d~ I. d--~$
(3.114)
Die Mischungswegl~ge list dabei definiert als diejenige Weglfinge, die ein StrSmungselement zuriicklegt, bis es sich mit seiner Umgebung vollst~indig vermischt hat und seine Identit~it verloren geht. Damit sind die Geschwindigkeitsschwankungen u ~ und w ~ auf die Mischungsweglfinge l und das gemittelte Geschwindigkeitsprofil ~(z) zurfickgeffihrt und die scheinbare Schubspannung ~x -P" u~ 9 w~ kann berechnet werden
~
-p.u'.w'
-p. ( - l . ~ . ) .l. ~z _
p.12 9 ~d~ . ~ d~
(3.115)
Da eine zweidimensionale turbulente GrenzschichtstrSmung mit ~ 0 vorausgesetzt wurde, gilt auch (O~/Ox) 0 und aus der Boussinesq-Annahme (3.111) folgt d~
,u,t9~-~z
(3.116)
Damit erhfilt man eine Bestimmungsgleichung zur Ermittlung der gesuchten GrSge #t: ~
-P'U~'W~
p'12 ~ "~zd~ #t'~zd~
und somit m
P " "l 2
(3.117)
Daxin ist die Mischungswegl&nge l noch unbekannt,. Sie muss aus Experimenten ermittelt werdem die zu empirischen N~Ll~erungsfonnehl ffir die Berechnung yon l ffihren.
3.3 Dynamik der Str6mungen
115
Kehren wir nach diesen grundsgtzlichen Betrachtungen turbulenter StrSmungen zur turbulenten PlattengrenzschichtstrSmung der Abbildung 3.34 zurtick. Die GrSgenordnung der turbulenten Scheinviskositgt #t erlaubt eine Bereichseinteilung turbulenter Plattengrenzschichten (Abbildung 3.39). In unmittelbaxer Wandntihe gilt #t << #. Dies ist der Bereich der v i s k o s e n U n t e r s c h i c h t , die von besonderer Bedeutung flit die Reduzierung des Reibungswiderstaades der hi Kapitel 1.1 beschriebenen biologischen Oberfl&chen ist. hn Bereich der viskosen Unterschicht sind die Geschwindigkeitsschwankungen u' und w' sehr klein und fiir die Mischungswegl&nge gilt l --* 0. Die gesamte Schubspannung Tges in der betrachteten turbulenten StrSmung lautet d~
d~ d~ # . ~-Tz+ # t . ~zz
Yges #.-~z-p.u'.w'
(3.118)
Sie [st im Bereich der viskosen Unterschicht konstant. Wegen u' 9w' ~ 0 beziehungsweise # >> #t folgt daraus flit ~g~ in der viskosen Unterschicht Yg~
#"
(~)
Yw
#"
(d~) ~ w
'
(3.119)
mit der Wandschubspasmung Tw. Nach Trennung der Ver~nderfichen erh~lt man eine gew6hnliche Differenfialgleichung fiir das gesuchte Gesehwindigkeitsprofil
1
d~
- .Tw .dz #
(3.120)
Die Integration liefert zun~ichst
1/ wd z
# 0
0
also eine lineaxe Geschwindigkeitsverteilung ~(z) bei einer konstanten Schubsparmung 7w
~(~)
Tw --.z #
f-~r Turbulenz
(3.121)
I
Wandmrbul~az
J
/~t>>/~
_/_ _ Obergangsbereich:/~t~ viBkoseUnter~hicht:~ut<<# i
~(z)
A b b . 3.39: Bereichseinteilung der turbulenten GrenzschichtstrSmung
116
3 Grundlagen der BiostrSmungsmechanik
ELne Erweiterung mit der konstaaten Dichte p liefert ~(z)
Tw p
~w
z
P
#
p
9
z
t~
Definiert man als neue GrSi~e die sogenaante Wandschubspammngsgeschwindigkeit u~ zu u~ X/~w/P, so e r h ~ t man
mit der neuen dimensionslosen
__K(z)
__u~ " z
U-r
M
I{oordinate
~-+
z+
(3.122)
,
(u~ 9 z)/u.
Im Bereich der Wandturbulenz aufgerhalb der viskosen Unterschicht, aber immer noch in Wandn~Lhe, grit ebenfalls noch die Konstanz der Gesamtschubspmmung 7ges konst. 7w. Aus Gleichung (3.118) folgt m diesem Bereich Ffiz #t >> # re_it der Mischungswegl~inge l k 9z als lineare Funktion yon z (k ist eine Konstante) ~gos
,t.~
d~
7w
~_
12
P _
~
d~
P
k2 ~ ~2. ~_-
d~
(3.123)
dW
Daraus folgt die Differentialgleichung zur Bestimmung von ~(z) zu
__Tw
u~2
k 2 . ~-2 .
(3.124)
P Die unbestinm]te b]tegration liefert
~(~) ~(z______)u~ ~1. In ( ~ ) ~ C
1
u~ . ln(z) + C1
T
1
1
~ 9ln(z+) + ~ .ln.
~C
1
(3.125)
Fasst man die letzten beiden Summanden zu einer neuen Integrationskonstanten C zusammen, so ertfiilt man als Endergebnis ein logarithmisches Geschwindigkeitsprofil im Bereich
A b b . 3.40: Turbulentes Grenzschichtprofil
3.3 Dynamik der Str6mungen
117
der Wandturbulenz g(z) uT
(3.126)
1 . ln(z+) + C k
Die zeitlich gemittelten Geschwindigkeitsprofile (3.122) und (3.126) in Wandn/ihe sind in Abbildung 3.40 dargestellt. Die viskose Untersehicht erstreckt sieh fiber den Bereieh 0 < z + < 5. Es sehliegt sieh der (;bergangsbereich 5 < z + < 30 bis zum logarithmischen Bereich ffir 30 < z + < 350 an. Charakteristische GrSgen der Turbulenzgradverteilung in Wandn~ihe sind in Abbildung 3.41 dargestellt. Der Turbulenzgrad (3.107), die turbulente ldnetische Energie K ' (k') 2 ((u') 2 + (v') 2 + (w')2)/2 und die Quadrate der Geschwindigkeitsschwankungen sind mit der Wandsehubspannungsgesehwindigkeit u~ entdimensioniert. Die grSgten Sehwankungen weist die (u')2-Komponente auf, deren Maximum im ()bergangsbereieh bei z + 20 liegt. Der laminar-turbulente Ubergaalg ffihrt zu einer ErhShung des Reibungswiderstandes cf, der in Abbildung 3.42 in Abhgngigkeit der mit der Lauflfinge x gebildeten Reynolds-Zahl Rex dargesteUt ist. Ffir den lokalen Reibungsbeiwert cf (x) gilt: ' 0.664 cf(x)
laminare Grenzschichtstr6mungen,
(3.127)
1T~(x)
5 P
U2
0.060__9 . (R~)+
-
turbulente Grenzschichtstr6mungen.
Der Ubergang yon der laminaren zur turbulenten Grenzschichtstr6mung erfolgt entsprechend Abbildung 3.36 nicht schlagaa'tig, sondem fiber einen Trartsitionsbereich. Aus den lokalen Widerstandsbeiwerten cf (x) lassen sich die dimensionslosen integralen Reibungswiderstandsbeiwerte Cf,g berechnen. Diese sind defmiert als Wandreibungskraft FR, bezogen auf das Produkt aus dynamischem Druck und Plattenoberftgche A L 9B. B bezeichnet
I0
- T)50
+ bezogen auf i00 z ~-
A b b . 3.41: Turbulenzgradverteilung in Wandn/ihe
118
3 Grundlagen der Biostr6mungsnlechanik
die Tiefe der Platte senkrecht zur Zeichenebene und x die Laufl/inge: rw(X)
#.
,
cf(x)
1
w
FR
B. /
2
'
5 "P'%o
L
B . ~1. p . ~ . 9 J
Tw(x).dx
0
L
cf(x).dx
0 L
cf,g
FR
1 " P"
2
Uoo
"
1 f cf(x).dx
~ " L
"
B
(3.128)
o
Fiir den integraaen Reibungswiderstandsbeiwert Cf,g gilt im Abstand L v o n der "vbrderkante der Platte
FR cf,g
1
L
1 fcf(z) 9dz
L
0
1.328 Rv/_R_77
laminaa'e GrenzsetfiehtstrSmungen, (3.129)
0.074
(Rec)+
turbulente GrenzschichtstrSmungen.
Der Reibungswiderstand einer laminar umstrSmten Platte ist damit kleiner als der Reibungswiderstand einer voUst/indig turbulent umstrSmten Platte unter sonst gleichen Bedingungen, so dass gilt: Cf,g t ~
Cf,g I
A b b . 3.42: Reibungswiderstand cf der laminaxen und turbulenten Plattengrenzschicht
3.3 Dynamik der StrSmungen
119
Ffir die Grenzschichtdicke 5 der laminaren Grenzschichtstr5mung gilt die Beziehung (3.77) 5 L
1 Rv/-R-~
Bei der lmninaren Blasius-Grenzschicht lautet der Proportionalitgtsfaktor 5 5 L
~
5
(3.130)
Multiplikation mit Rv/-R-~Lllefert 5 ~.R/-~er L
5
~
5
L
~
5.
5
F/ir eine turbulente Grenzschichtstr5mung gilt die Beziehung 5
1
L
(ReL)~
(3.131)
Multiplikation mit Rv/-R-~ergibt l
L
(ReL) 1
l
U/-U-~ReO.3]
V u. L
Durch Beeinflussung der t u r b u l e n t e n W a n d s c h u b s p a n n u n g Tw l~st sich der Reibungsbeiwert cfder turbulenten GrenzschichtstrSmung verringern. Davon haben wix bereits in Kapitel 1.1 Gebrauch gemacht. Sclmellschwimmende Hale zeigen mikroskopisch feine, in StrSmungsrichtung verlaufende Pdllen auf den Schuppen. Die vergrS/gerte Aufnahme der Abbildung 1.7 macht die L~ngsrillen und Stege auf den einzelnen Schuppen eines blauen Hales deutlich. Es dr~ngt sich die Vermutung auf, dass an Oberfl~chen mit L~h~gsrillenweniger Reibung entsteht a2s an glatten Oberfl~chen. Setzt man diese Erkenntnis in die techrdsche Nutzung urn, entstehen Riblet-Folien (Abbildung 3.43) mit LS~ngsrillender HShe (3.122) z + 500 und mit Abstfialden von y+ 100 (60#m), die man auf die glatte Oberfl~iche aufbringt, deren Reibungswiderstand verringert werden soil. Als Ergebnis wird die Schwankung der QuerstrSmung v ~ und damit der Querimpulsaustausch in der viskosen Unterschicht der Grenzschicht verhindert. Die dun]den Bereiche der Abbildung 3.44 zeigen hohe Schwax~kmlgender Geschwindigkeit in der Umgebung der Oberfl~che und die hellen Bereiche geringe Schwa~ungen. Das Resultat ist eine Verringerung des Reibungswidersta~dsbeiwertes Cf,g um 8 %. Bei einem Verkehrsflugzeug betr~igt der Reibungswiderstandsbeiwert Cf,g mehr als 50 %. Da nicht alle Flugzeugteile mit der Riblet-Folie beklebt werden kSnnen, betr~gt das reale
Abb. 3.43: Riblet-Folie
120
3 Grundlagender BiostrSmungsnaechanik
Potenzial der Widerstandsreduzierung 3 %. Nachgewiesen wurden 1% Treibstoffersparnis bei einem Airbus A 340, der zu 30 % mit Riblet-Folien fiberklebt wurde. Die widerstandsverringernden Folien kSnnen auch bei Schnellztigen der ngchsten Generation sowie in RohrstrSmungen und Pipelines zur Verringerung der Verluste eingesetzt werden. Die Natur zeigt noch eine andere MSgliehkeit der Verringerung der Wandschubspannung. Die Schleimhiiute der Delfine der Abbildung 1.5 dfimpfen aufgrund ihrer flexiblen welligen Struktur den laminar-turbulenten (~bergang in der Grenzsckicht und verringern zusfitzlich durch Zugabe von Polymeren an der Oberflfiche der Haut den Reibungswiderstand um mehr Ms 50 %. Diesen Effekt hat man z. B. bei der Alaska-Pipeline genutzt und durch Zugabe von nur einigen millionstel Polymeranteilen in 01 eine Reduktion der Pumpleistung von 30 % erreicht. Die Berechnung eines Vogelflfigels oder die StrSmung um einen Fisch mit der ReynoldsGleichung (3.108) erfordert eine erweiterte Modellierung des turbulenten Schubspannungstensors (3.109), die fiber die algebraische Formulierung der turbulenten Z~higkeit #t auf der Basis des Boussinesq-Ansatzes (3.111) hinaus geht. Von den vielfiiltigen MSglichkeiten der Turbulenzmodellierung, die in unseren Lehrbfichern der StrSmungsmechmfik H. Oertel jr. et al. 2008 und der Numerischen StrSmungsmechanik E. Laurien und H. Oertel jr. 2008 ausfiihrlich beschrieben sind, w~hlen wir fiir die BiostrSmungsmechanik die sogenmmte G r o b s t r u k t u r s i m u l a t i o n aus. Dabei lassen wit uns von den turbulenten grof~r~iumigen Strukturen bei fiberkritischen Reynolds-Zahlen ReL > 5 9 105 der UmstrSmung von KSrpern der Abbildung 3.27 oder 3.44 beziehungsweise dem Bild eines turbulenten Freistralfls der Abbildung 3.45 leiten. Die Boussinesq Approximation (3.111) geht yon einer StrSmung isotroper Turbulenz aus. Darunter versteht man, dass die homogene turbulente StrSmung keine Vorzugsrichtung oder Orientierung aufweist. Im Gegensatz dazu zeigt die Momentaufilahme der inhomogenen asfisotropen turbulenten StrSmung der Abbildung 3.45 mehrere miteinander gekoppelte L~ingenskalen, die gleichzeitig angeregt sind. Das Bild eines turbulenten Wasserjets illustriert Wirbelstrukturen unterschiedlicher GrSi~enordnungen mit zunehmender Komplexit~t. Deractige turbulente Str5mungen lassen sich nfit den bisher beschriebenen algebraischen Ans~tzen der Turbulenzmodelle nicht berechnen. Dies f'fihrt zur direkten Simulation turbulenter Str6mungen, die das vollstkndige Spektrum turbulenter StrSmungsstrukturen numerisch auch ohne Turbulenzmodell simulieren.
Abb. 3.44: Struktur der SchwankungsgrSf~en in der viskosen Untersckicht der Grenzschicht
3.3 Dynamlk der Str6mungen
121
Dabei wird die Navier-Stokes-Gleichung (3.3) ohne Turbulenzmodell direkt numerisch ge15st. Man unterteilt die turbulenten Strukturen in zwei Anteile, die grogr~iumigen und die feinskaligen. Die grogriiumigen Strukturen einer turbulenten StrSmung werden in ihrer zeitlichen und r~iumlichen Entwicklung direkt simuliert und nur die feinskaligen Strukturen werden modelliert. Diese Methode wird als Grobstruktm'simulation (Large-EddySimulation) bezeichnet. Die rfiumliehe Diskretisierung des Rechengebietes sowie die zeitliehe Aufl6sung m/issen geniigend rein gewghlt werden, so dass die Wirbelstrukturen der turbulenten StrSmung aufgelSst werden. Man l~ann davon ausgehen, dass die grSgten Strukturen im Stadium ihrer Entstehung etwa den eharakteristisehen Abmessungen des Str6mungsgebietes entspreehen und im Verlauf ihrer Weiterentwicklung zunelmlend kleinere Strukturen erzeugen, welche in noeh kleinere zerfallen. Die Bedeutung der grogrgumigen Strukturen fiir den turbulenten Austauseh bleibt dabei erhalten. Misst man die Geschwindigkeitsfluktuationen in einer turbulenten Str6mung an einem festen Ort mit hoher zeitlicher AuflSsung, so enthglt das Signal die unterschiedlichen charakteristischen Zeitsl~alen aller in der Turbulenz enthaltenen Wirbel. Dieses Signal l~aan mit Hilfe einer Fourieranalyse in seine einzel_nen Frequenzanteile aufgespalten werden (Abbildung 3.46). Bei dem so definierten Energiespektrum ist auf der horizontalen Achse die Frequenz f u n d auf der vertikalen Achse der zugehSrige Energieinhalt E aufgetragen. Die Frequenz f kann auch durch eine Wellenzahl a (Anzalll der Wellen oder Wirbel pro L/ingeneinheit) ersetzt werden, da die hochfrequenten Schwankungen von ldeinen und die niederfrequenten Schwankungen von grogen Wirbeln erzeugt werden. Damit ist eine Grundlage f/Jr die Aufteilung in groge und kleine Wh'bel gegeben. Ein typisches Turbulenzspektrum bei hohen Reynolds-Zahlen wird in Abbildung 3.46 in
Abb. 3.45: Turbulente StrSmungen
122
3 Grundlagender BiostrSmungsnaechanik
verschiedene Bereiche unterteilt. Der Bereich niedriger Frequenzen oder Wellenzatflen wird durch die groi~r~iumigenenergietragenden Wirbel hervorgerufen. Hier findet die Erzeugung der Turbulenz statt. Diese Strukturen beinhalten auch die stKrkste Anisotropie, da sie im Stadium ihrer Entstehung eng mit der Geometrie des StrSnmngsgebietes verbunden sind. Diese Strukturen werden bei der Grobstruktursimulation direkt, also otme Turbulenzmodell, sinmliert. Der Bereich mittlerer Frequenzen oder Wellenzatflen wird als der Tr~gheitsbereich bezeichnet. Hier finder der weitere Zerfall in immer ldeinere Strukturen start. Man kann zeigen, dass daffir die nichtlineaxen Tr~gheitsterme veraatwortlich sind. Die Reibung ist dabei von untergeordneter Bedeutung. W~hrend des Zerfalls wird die Turbulenz mehr und mehr isotrop und die Geometrie des StrSmungsgebietes tritt in den Hinter~und. Die Theorie isotroper Turbulenz besagt, dass die Energie E mit der Wellenzatfl a wie E ~ a 5/~ abnimmt. Dies ist ffir zatflreiche Str6mungen experimentell best~itigt worden. Der Tr~gheitsbereich ist umso ausgedehnter, je gTS]~er die Reynolds-Zahl ist. In diesem Bereich befindet sich die Grenze zwischen grof~r~iumigen und feinskaligen Strukturen im Sinne einer Grobstruktursimulation. Im Bereich hoher Frequenzen oder Wellenzatflen geht der Tr~igheitsbereich allm~hlich in den Dissipationsbereich fiber, in dem der Abfall der Energie mit der Wellenzatfl auf E ~ a 7/~ vom Betrag her zunhnmt. Hier findet der Zerfall weiterhin statt. Zus~tzlich spielt die turbulente Dissipation eine Rolle, da mit abnehmender WirbelgrSf~e die Reibungseinflfisse gegenfiber den Triigheitseinflfissen mehr und mehr hervortreten. Dieser Cr6f~enbereich wird nicht numerisch aufgel6st sondern kinsichtlich seiner Auswirkungen auf die grof~r~iumigenStrukturen mit Hilfe eines Feinstrukturturbulenzmodells modelliert. Eine Grobstruktursimulation beginnt, ausgehend von einer Anfangsbedingung, mit einer zeitlichen Phase der Str6nltmgsausbildung in der grof~r~unfige Strukturen inl Str6nltulgs-
Abb. 3.46: Energiespektrum der Turbulenz
123
3.3 Dynmnik der StrSmungen
feld instation~r gebildet werden und dieses nach und nach ausftiUen. Danach wird die StrSmung statistisch station~ir. Das bedeutet, dass die zeitlichen Mittelwerte der StrSmungsgrSfgen aal jedem Ort im StrSmungsfeld nicht mehr v o n d e r GrSf~e des Mittelungsintervalls abhgngen. Das Ergebnis kann zeitlich gemittelt werden. Vergleicht man in Abbildung 3.47 die Grobstrukturturbulenz mit der Feinstrukturturbulenz, so erkennt man, warum die Simulation der ersten und die ModeUierung der zweiten methodisch giinstig ist. Die Schwierigkeit die geometrieabh~ingigen, inhomogenen und anisotropen Grobstrukturen zu modeUieren wird durch ihre Simulation umgangen. Das Feinstrukturmodell ist einfacher und genauer als ein Turbulenzmodell, welches das gesamte Turbulenzspektrum modeUiert. Die Feinstrukturturbulenz kann als universeU homogen und isotrop sowie kurzlebig angesehen werden. Nachdem wir die Grundlagen turbulenter StrSmungen erl~iutert haben, kommen wit zur UmstrSmung von KSrpern des Kapitels 3.3.1 zuriick. Die Abbildung 3.26 der StrSmmlgsformen und des Widerstandsbeiwertes Cw der KugelumstrSmung in Abhgngigkeit der Reynolds-Zahl ReD kann jetzt um den turbulenten Bereich erggnzt werden. Bei ReynoldsZahlen grSiger als 800 erfolgt der i3bergang zu einer turbulenten NachlaufstrSmung (Abbildung 3.48). Es bilden sich zun~Lchst transitioneUe und dann turbulente periodisch ablSsende Wirbelschleifen mit einer Strouhal-Zahl yon 0.2 - 0.22. Neben der AblSsefrequenz f der NachlaufstrSmung tritt eine zweite hShere Frequenz auf. Im Reynolds-Zahlbereich 3000 _< ReD < 4 9 105 werden die diskreten Wirbelschleifen durch die periodische Ab15sung rotierender Ringwirbel abgelSst, die einen helLxartigen weUenfSrmigen Nachlauf bilden. Dabei nimmt die Strouhal-Zahl ab, bis sie einen konstmlten Wert von 0.18 - 0 . 2 erreicht. hn Reynolds-Zahl-Bereich 3 9l0 s _< ReD _< 4 9 102 wird die GrenzschichtstrSmung auf der Kugel turbulent. Der Abl5sebereich verlagert sich auf der Kugeloberfl~Lche stromab trod hat eine Verjiingung der NachlaufstrSmung zur Folge. Damit verbunden ist ein drastisches Absinken des cw-Wertes von 0.48 auf 0.12, wie in Abbildmlg 3.48 gezeigt. Bei einer turbulenten Grenzschicht ist der Reibungswiderstand gr6f~er, also erfolgt der Abfall des cw-Wertes durch die Verringerung des Druckwiderstandes. Das Str5mungsbild zeigt im zeitlichen Mittel eine hufeisenfSrmige AblSsung einer Wirbelfl~Lche.
GROB STRUKTURTURBULENZ
FEINS TRUKTURTURBULENZ
erzeugt wird vonder mittleren Str6mung erzeugt wird ,con der G r o b s ~ l e n z abh~gig von Sax3mungsfeldgeometrie tmiversell geordn9 stochastisch crfordcrt dctermini~tischc Beschrcibung kann statistisch modelliert werden inhomogen homogen anisotmp isotmp lanslebig kurzlcbig diffimiv dissil~iv zu modellieren schwim"igzu modclliertm ~ h e r
A b b . 3.47: Eigenschaften der Grobstruktur- und der Feinstrukturturbulenz
124
3 Grundlagender BiostrSmungsmechanik
Abb. 3.48: Str6mungsformen und Widerstaadsbeiwert Cw der turbulenten KugelumstrSmung ial Abh~agigkeit der Reynolds-Zahl
Im Bereich 4. l0 s _< ReD < 106 wandert der laminax-turbulente Ubergangsbereich auf der Kugeloberfl~che nach vorne, wodurch der Reibungswiderstand ansteigt, w~hrend der Druckwiderstaad weitgehend konstant bleibt. Dadurch steigt der cw-Wert wieder an. Im Reynolds-Zahl-Bereich ReD > 106 ist die Grenzschicht auf der Kugeloberfl~iche stromab des vorderen Staupunktes turbulent, wodurch die Abl6sestelle festliegt und sich bei einer weiteren Steigerung der Reynolds-Zahl nicht mehr gndert. Daher wixd der cw-Wert der Ku-
Abb. 3.49: Widerstandsbeiwert Cw von RotationskSrpern
3.3 Dynamlk der Str6mungen
125
gel unabhgngig von ReD. Im turbulenten Nachlauf bildet sich ein periodisch oszillierendes und strom]inienfSrmiges Wirbelpaar. In Abbildung 3.49 ist das Diagramm des Widerstandsbeiwertes tun die Kreisscheibe, den Ellipsoiden und den Stromlinienk6rper ergfinzt. Die Kreisscheibe hat bei turbulenten Reynolds-Zahlen den gr5gten Widerstand. Da die StrSmungsabl5sung durch die geometrisch bedingte Abreigkante fixiert ist, tritt der Widerstandseinbruch bei der ReynoldsZahl 4. l05 nicht anL Bei einem Ellipsoid ist dieser aufgrund der KSrperfonn zu kleineren Reynolds-Zahlen verschoben. Beim StromlinienkSrper, wie der Umstr5mung des Pinguins, tritt der Widerstandseinbruch ebenfalls nicht anf, da der laminax-turbulente Ubergang zun~ichst in der K5rpergrenzschicht erfolgt und sich in den Nachlauf kontinuierlich fortsetzt. 3.3.4
RohrstrSmung
Der Grundzustand fib die pulsierende AdernstrSmung des menschlichen Kreislanfs ist die zeitlich gemittelte beziehungsweise station/ire RohrstrSmung. Ausgangspunkt ist die station/ire laminaxe Hagen-Poiseuille RohrstrSmung der Abbildung 3.29. Die Str5mung ist ausgebildet, d. h. das Geschwindigkeitsprofil u(r) hgngt nur vonder Radialkoordinate 7ab und ~indert sich lgngs x nicht, (Ou/Ox) 0. Die Str5mung wird angetrieben von einer konstanten Druckdifferenz in Str5mungsrichtung x, also gilt (dp/dx) konst. < 0. Wir kennen bereits das daraus resultierende parabolische Geschwindigkeitsprofil u(r) (3.90) als analytische L5sung der Navier-Stokes-Gleichung (3.75). Wir wollen als Einstieg in das Kapitel Rohrdynamik das gleiche Ergebnis erneut mit der in Abbildung 3.50 sldzzierten KrMtebilaxtz an einem zylindrischen Volumenelement dV 7r.r 2 .dx ermitteln. Bei der ausgebildeten Rohrstr5mung wirken ansschliefglich DruckkrMte und die Reibungskraft. Die Drucl&raft an der Stelle 1 lantet (pl > p2) IFD,11
Pl ~ 7.2
P ~ 7.2
Die Druckkraft an der Stelle 2 ist
IFD,21 p2.~.7 .2
dp ) P+TxxdX
.~.
7"2
Die Reibung ergibt
IFRI ITI.2.~.,.dx
Abb. 3.50: KrMtebilanz ffir die Hagen-Poiseuille-RohrstrSmung
126
3 Grundlagen der BiostrSmungsnlechanik
Da die Geschwindigkeitsverteilung u(r) von einem maximalen Wert in der Rohrmitte Urea• auf den Wert Null an der Rohrwand abnimmt, gilt ffir 7- ~ 0 iiberall (du/dr) < 0. Damit gilt ffir den Betrag der Schubspazmung
ITI
du dT--:
-~
Ffir das Kr/fftegleichgewicht folgt
IFD,1I-IFD,2I-IFRI p
. 7r . r 2 -
p +
-~x
. dx
dp dx
I~0)l
. 7r .
7" 2
0
,
-]Tl.2.7r.r.dx du ----7 d7
~
1 #
dp dx
0
,
7" 2
(3.132)
Diese Gleichung entspricht der gew5hnlichen Differentialgleichung erster Ordnung (3.87) zur Bestimmung der gesuehten Gesehwindigkeitsverteilung u(r). Nach Trennung der Verfiaaderlichen und unbestimmter hltegration erhiilt man zuniichst 1 . d p .7. 2 + C 4 . ~ dx
u(r)
(3.133)
Die Integrationskonstante C bestimmt sich mit HiKe der Randbedingung u(r
D/2)
0
ZU
C
_
1. 4.#
d___p.D__~ 2 dx 4
Fiir das Geschwindigkeitsprofil u(r) folgt damit
1 u(r)
d___p_p.7"2
4--~"dx
1
4.#
dp dx
D2
1
4
4.#
1 dP.D2. - 16--T~ dx
~0)
dp dx
D2 (-7.2 + - - T )
'
(,2) 1-4.
(3.134)
b-~
Es folgt also eine parabolische Geschwindigkeitsverteilung fiir u(r) mit der Maximalgeschwindigkeit . . .1 . .
Urea x
16.#
dp dx
(3.135)
D2
Fiir den Volumenstrom 12 im Rohr folgt:
1/
/
D -2-
/
u ( r ) . dA
A
~"
9._ 71- 9 U m a x
D -2-
u ( r ) . 2 . 7 r . r . dr
2.7r .Uma x 9
0 1
97"2 -
7"
--
4.
9dr
,
0 7-4 "~1
D 7
o
U - -m a x
8
7r " D 2
-U-m a x 9A 2
Um 9A
(3.136)
3.3
Dynamik
der Str6mungen
127
Ffir den volumetrischen Mittelwert
der Rohrgeschwindigkeit gilt folglich
Um
1
dp . D2
1
2 "umax
Um
(3.137)
--32 .-------fi " d--7
Der Volumenstrom lgsst sich damit in der folgenden Weise angeben 1/
1 ~ "Umax "A
um'A
7r . d p . R4 - 8--'-~ dx
(3.138)
'
mit dem Radius R D / 2 . Dmnit gilt f/Jr die laminare Hagen-Poiseuille-Rohrstr6mung die Proportionalitfit an der Stelle x L: 1/ ~ Ap
L . d__._pp dx '
1/~ R4
(3.138) verdeutlicht die charakteristischen Abhfingigkeiten des Volumenstroms. Er ist proportional zum Druckverlust Ap pl - p 2 und proportional zur 4. Potenz des Radius R. Es interessiert die GrSge des Druckverlustes Ap bei vorgegebenem Volumenstrom. Dieser Druckverlust ist eine Folge des Reibungseinflusses. Aus (3.138) 1)"
7r
Ap
8.#
Ap
. R4
Pl - P2
L
folgt Ap
V.
8.#.L ' 7r ' ' ' '9' S' ~
R2 it m 9 7r 9
8.#.L 9 ' 7r ' ' ' '9' S' ~
8.#.L ltm " ' ' ' 'S' ' ~ -
Um'8"p'u'L S 2
h n Folgenden wird der Term anf der rechten Seite yon Ap in der Weise erweitert, dass charakteristische Grbgen der StrSmung zusanunengefasst werden kbrmen 1 Ap
2
~ " P "'ttm
16.u.L
1
,ttm . S 2
2 " P " "ttm"
2
16.u.L
1 2
2
2 " p " "ttm
L
64
D
"ttm 9 D
Definiert man die mit dem Rohrdurchmesser D und der mittleren Geschwindigkeit t t m gebildete Reynolds-Zalfl R e D (urn" D ) / u und fasst den Faktor 64~RED zu einem Verlustkoeit3zienten Alam zusammen, so erhiilt man die folgenden Gleichungen zur Berechnung des Druckverlustes Ap
1 2 L 6 " p" u m " - ~
"Alam
Alum
64
ReD
(3.139)
Diese Gleichungen gelten f/Jr laminare RohrstrSmungen, d.h. f'&r Reynolds-Zahlen ldeiner als die kritische Reynolds-Zahl Rek,.it, die fiir die RohrstrSmung den Wert
ReD besitzt.
"am 9 D - //
< Rekrit
2300
(3.140)
128
3 G r u n d l a g e n der B i o s t r S m u n g s n l e c h a n i k
Fiir die ausgebildete turbulente Rohrstr6mung gilt fiir die zeitlich gemittelte Geschwindigkeit ebenfalls (O~/Ox) O. Fiir die Wandschubspannung ITwI existiert kein theoretischer Ansatz. Man hilft sich daher durch einen empirischen Ansatz, der die Druckverlustgleichung A~ analog zum laminaxen Fall ermittelt: 1 I~wl
A~
-2
At
~'p'Um"
4
1
L
-2
1
~
/k'~
-~_ 9 p" Um 9 -~ 9 )~t ,
-2
At
2"p'Um''T"
2.L
1
S
)~t(SeD) aus Experimenten,
)~t
-2
L
.At
2"p'Um'o~'R ReD
'
-~m 9 D
--b,
(3.141)
Aus experimentellen Ergebnissen folgt f'tir den Druckverlustbeiwert At das BlasiusGesetz, das bei gest6rten Str6mungen in den grogen Arterien angewandt werden kmm. 0.3164
At
(RED)88 ,
g/i_ltigFtir 3.10 a < ReD < 105
(3.142)
Bei rauen Rohren lassen sich die Werte fiir At aus dem N i k u r a d s e - D i a g r a m m der Abbildung 3.51 ablesen. Die Rauigkeit Ks ist dabei der rgumliche Mittelwert der Oberfi/ichenrauigkeit der Rohrw/inde. Die biologische Oberfl/iche der Arterienwgnde ist entsprechend den Ausf'tihrtmgen in Kapitel 1.1 zwar hydraulisch glatt, mit zunehmendem Alter lgsst jedoch die Elastizitgt der Wand nach und es kann zu Ablagerungen kommen. Diese ffihren zu einer zeitlich gemittelten turbulenten RohrstrSmung und kSnnen n/iherungsweise mit einer r/iumlich gemittelten Rauigkeit beschrieben werden. Ffir die Berechnung des zeitlich gemittelten turbulenten Geschwindigkeitsprofils ~(r) ist der Ausgangspunkt der Ansatz ffir die Wandsdmbspammng Tw I~w I
1 -2 At -~ " P" Um " T
(3.143)
D Kg
100~.t 12 I0
Nlamimr
I
i.
turbulont
12o
\\\1
2.5
I 10 a
I ] I
A b b . 3.51: Nikuradse-Diagramm
~ I 10 4
~ I lO s
,50o I 10 6
Rr
3.3 D y n a m i k der S t r 6 m u n g e n
129
Mit Hilfe der Blasius-Gleichung (3.142) 0.3164
,Xt
0.3164
(ReD)~
folgt unter Beaehtung der beiden Proportionaliditen R ~ D und ~m menhang 2 17wl ~ P" -~m~x " (~max) ~ R
~ ". ~
p'(~max)~'R
}
~
~max der Zusam-
.~
Besehrfinkt man sieh bei der Bestimmung von g(r) zungehst auf die Wandnghe fiir r --+ R und f/ihrt die Substitution z R - r e i n , so lgsst sieh f/Jr das Gesehwindigkeitsproffl g(r) in Wandn/ihe ein Potenzsatz mit einem noeh unbekannten Exponenten m in folgender Weise aufstellen (.~) m ~'(?') ~max
sm ~ ( r ) 9 ~m
(3.144)
~max" _ (~'max) ~
~
_ ~ ' X ( Z ) " S y-~ 9"
-. z_~
x.
Ffir die Wandschubspazmung folgt damit I~wl ~
-
T.m
P''~'~m
(=) R~-
1
~
-.m
9-
~
1
9
~,~
Prandtl und von I(Ann~n haben die Hypothese aufgestellt, dass [Tw [ bei einer turbulenten RohrstrSmung unabh/ingig vom Rohrradius R sein sollte, d.h. der Exponent von R soll verschwinden 7.m 4
1 4
0
~
m
1 7
-
Nach der Rficksubstitution auf 7"erhfilt man das (1/7)-Potenzgesetz der turbulenten RohrstrSmung 1
~(?') F/Jr m
~max"
( 1 - 7R)V
(3.145)
(1/7) gilt ffir die mittlere Geschwindigkeit ~m die Beziehung: ~m
0.816. ~m~•
(3.146)
Der Gfiltigkeitsbereieh des Gesetzes ist der Gleiche wie bei der Blasius-Gleichung (3.142), ReD < 105.
A b b . 3.52: Geschwindigkeitsprofile der laminaren und turbulenten Rohrstr6mung
130
3 Grundlagen der Biostrbmungsmechanik
Zwei unphysikalische Nachteile dieses turbulenten Rohrprofils seien erwKhnt. An der Rohrwand ergibt sich ein unendlich steiler Geschwindigkeitsanstieg d~ ~?. r=R -------400 Dies ist jedoch unbedeutend, da das Gesetz in der viskosen Untersehieht keine Giiltigkeit hat. In der Rohrmitte tritt ein Knick auf, da (dg/dr)(r 0) nicht Null isL Das parabolische Geschwindigkeitsprofil der laminaren Rohrstr6mung (3.134) sowie das zeidich gemittelte Geschwindigkeitsprofil der turbulenten RohrstrSmung (3.145) sind in Abbildung 3.52 bei gleichem Volumenstrom 12 gegenfibergestellt. Die Dicke der viskosen Unterschicht A 1Ksst sich mit dem Ansatz 17wl
1 _2 At ~'p'Um'- T
#"
(d[) ~--~z w
bestimmen. Man erh~lt innerhalb der viskosen Unterschicht A den linearen Anstieg der Geschwindigkeit vom Wert Null an der Wand auf den Wert 0.5 9~m bei z A, also gilt 1
w
}~
1
(dK)
~'~m
(~)
~
#.
2"~m
--~z w
u.p.
A
1_
2
At
(3.147)
2"P'Um'--'4
Fib die Dicke A der viskosen Unterschicht folgt somit 4.u
A
4
A
i7
u -R e D - 9 At
U n t e r Beachtung des Blasius-Gesetzes (3.142)
0.3164 9h
(ReD)~
folgt A
12.64
D
(ReD)~
(3.148)
Auch bei der RohrstrSmung kann es wie bei der KugelumstrSmung in gekriimmten Rohrleitungen zur S t r S m u n g s a b l S s u n g kommen. Die StrSmungsablSsung verursacht auch bier zusgtzllche Verluste und aufgrund der Zentrifugalkraft eine Sekund~strSmung. Wir betrachten den Krfimmer der Abbildung 3.53, der eine vertil~ale StrSmung in eine horizontale StrSmtmg umlenkt. Wir setzen im geraden vertikalen Rohrstiick eine stationfire ausgebildete RohrstrSmung voraus, in der ein treibender Druckgradient in Str6mungsrichtung vorherrscht. In radialer Richtung quer zur StrSmung vdrd konstanter Druck vorausgesetzt. Der Druck steigt in radialer Richtung an, um der Fliehkraft das Gleichgewicht zu halten. Es baut sich ein Druckgradient quer zur Str5mungsrichtung auf, der zu einem Druckanstieg
3.3 Dynamlk
der StrSmungen
131
an der Augenwand und zu einem Druckabfall an der Innenwand des Kriimmers fflhrt. Dies wirkt dem Druckabfall flings der Koordinate der Mittelachse s an der Augenwand entgegen und verstgrkt ihn an der Innenwand. Die AblSsung setzt zuerst an der Augenwand in: Punkt A ein. Beim Austritt aus dem Kr/immer gleieht sieh der Druek quer zur Str6mungsriehtung wieder ans. Dadureh steigt der Druck an der Innenwand und f'~llt an der Augenwand wieder ab. Dies ffihrt zu einem Wiederanlegen der StrSmung Aw an der Augenwand und zur StrSmungsablSsung im Punkt B an der Innenwand. Aueh an der Innenwand legt sieh die StrSmung mit zunehmender Lauflgnge s in einiger Entfernung nach dem Kriimmer im geraden horizontalen Rohrstiiek Bw wieder an. Dort herrseht ein negativer Druekgradient der den Reibungskr/iften das Gleichgewieht hglt. Der Druek quer zur Str6mungsriehtung ist in diesem nieht gelcr/immten Teilabsehnitt wieder konstant. Wir erkem:en in Abbildung 3.53, dass sich stromab der AblSsepunkte A und B sowohl an der Augen- als aueh an der Innenwand Rezirkulationsbereiche ausgebildet haben, die einen zus~itzlichen Energieverlust der StrSmung bewh'ken. In: zweiten Bild der Abbildung 3.53 ist der Druekverlauf im Rohr f'fir zwei Stromlinien im Augen- und Innenwandbereieh fiber der Stromlinienkoordinate s aufgetragen. Die fallende Gerade zeigt den linearen Druekabfall in einem geraden Rohrstiiek an. Die dureh Reibung hervorgerufenen Energieverluste der StrSmung gugern sieh aneh ohne AblSsung dureh einen Druekverlust in StrSmm:gsriehtung. Oberhalb der Geraden gibt die durehgezogene Kurve den Druekverlauf einer Stromlinie in: Augenwandbereieh an, wie er sieh otme AblSsung einsteUen wiirde. Unterhalb der Geraden finder sieh die entspreehende Kurve ffir eine Stromlinie im Innenwandbereieh. Die AblSsung in den Punkten A und B tritt jeweils in: Bereieh ansteigender Driicke auf. Der zusiitzliehe StrSmungsverlust dureh AblSsung zeigt sieh im Diagramm dadureh, dass die gestriehelten Druekverffiufe an der Augen- und Innenwand des Kriimmers unterhalb derjenigen otme AblSsung verlaufen. Neben der StrSmungsablSsung tritt im Kriimmer eine Sekund~irstrSmung auf. Diese wird der HanptstrSmung in Riehtung der Stromlinienkoordinate s/iberlagert und verursaeht Gesehwindigkeitskomponenten senkreeht zur HauptstrSmung. Ursaehe dieser SekundfirstrSmung ist die Kr/immung des Rohres, sowie die VerzSgerung der StrSmung dureh
A b b . 3.53: Prinzipskizze der StrSmungsablSsung im Roba'krfimmer
132
3 Grundlagender BiostrSmungsnlechanik
Reibungskr~fte an der Wand. Die Geschwindigkeit ist an der Innenseite des Krfimmers grSger als an der Augenseite. Das in Wandn~ihe strSmende Medium hat aufgrund der Reibung eine geringere Geschwindigkeit als das Fluid in der Mitte des Kr[immers. Die Zentrifugalkrgfte, die in der Mitte des Krfinmlers grSger sind Ms an den Seitenw~inden, verursachen die Bewegung nach augen. Dies ist aber aus Grfinden der Kontinuitgt nut mSglich, wenn an den W~inden des Krfimmers eine Bewegung in umgeketn-ter Richtung einsetzt. Es bildet sich folglich ein Doppelwirbel aus, der der Hauptstr6mung fiberlagert ist. Auch die Sekund~wirbel ffihren zu StrSmungsverlusten. Ein eindrucksvolles Beispiel einer Sekund~strSmung im Krfimmer mit Verzweigungen ist die pulsierende BlutstrSmung in der m e n s c h l i c h e n Aorta. Wir haben im einffihrenden Kapitel die StrSmung im menschlichen Herzen eingef'tihrt. Die periodische Kontraktion und Relaxation des linken Ventrikels befSrdert das in der Lunge reo~genierte Blur mit dem fiber einen Herzzytdus erzeugten Druckpuls in den KSrperkreislauf. Der KSrperkreislauf beginnt mit der Aorta, die sich in die Kopf-, Bein- und Schlfisselbeinarterie aufteilt. Die Reynolds-Zahlen der BlutstrSmung in den Arterien liegen zwischen einhundert bis mehreren Tausend. Der StrSmungspuls des Herzens verursacht in den kleineren Arterien eine periodische lanlinare StrSmung und in den grSgeren Arterien eine t r a n s i t i o n e l l e StrSmung. Der/Jrbergang zur turbulenten ArterienstrSmung wird dabei von tempor~en Wendepunktprofflen eingeleitet. Deren Instabilit~ten treten w~hrend der instation~en RfickstrSmung in der N~ihe der Arterienwand in der Relaxationsphase des Herzens auf. Sie kSnnen sich jedoch w~hrend eines Herzzyklus zeitlich nicht ausbilden. In der Aorta bilden sich aufgrund der Zentrifugalkraft Sekund~irstrllmungen aus. Dabei entsteht eine Geschwindigkeitskomponente senkrecht zu den Stromlinien, die eine ZirkulationsstrSmung in Richtung der Auf~enwand verursacht. Diese wixkt ebenfalls stabilisierend auf den Transitionsprozess. Die kritische Reynolds-Zahl des zeitlich gemittelten Geschwindigkeitsprofils wgchst von 2300 ffir das gerade Rohr auf bis zu 6000 des gekrfimmten Rohres an. Die Peak-Reynolds-Zahlen des Geschwindigkeitspulses stellen sich beim gesunden Menschen so ein, dass die SekundfirstrSmung in der Krfimmung des Aortenkanals unter station~en Bedingungen das Einsetzen der Turbulenz verhindern. In Wixklichkeit erfolgt die beschriebene instationfire transitionelle StrSmung in der wandnahen Grenzsckicht w~ihrend der Abbremsphase des Pumpzytdus. Die dabei auftretenden Instabilitgten werden jedoch nach kurzer Zeit durch die zeitliche Anderung des Geschwindigkeitsproffls ged~impft. Die Abbildung 3.54 zeigt das Momentbild der Str6mung in der Aorta. Zu Begilm der Kontraktionsphase des Herzens erreicht die StrSmung an der Innenseite der aufsteigenden Aorta ein Maximum. Nach dem Durchlaufen des Krfimnmngs- und Verzweigungsbereiches verlagert sich das Geschwindigkeitsmaximum an die AuJ~enseite des Aortenbogens. Aufgrund der Zentrifugalkraft entstehen zwei Sekund~irwixbel, die bis in die Relaxationsphase des Herzens bestehen bleiben. Aufgrund des Druckpulses der Blutstr6mung erfolgt eine radiale Ausweichbewegung der Aorta, die die Amplitude der Sekund~strSmung abschw~cht und ein Drehen der Sekund~rwirbel in der absteigenden Aorta bewirkt. Wtihrend der Relaxationsphase des Herzens flachen die tempor~iren Geschwindigkeitsprofile ab und zeigen in der aufsteigenden Aorta eine erste RfickstrSmung bis schlief~lich die Aorta in ihre Ausgangslage zurfickgekehrt ist. In Abbildung 3.54 sind ergknzend zwei Zeitpunkte einer numerischen StrSmungsberectmung wkhrend der Auswurfphase des Herzventrikels (Systole) gezeigt. Die Momentanstromlinien hn Sclmitt der absteigenden Aorta lassen die
3.3 Dynamlk der StrSmungen
133
Struktur der Sekund~str5mung zum jeweiligen Zeitpunkt des Herzzyklus erkennen. Dabei ist aufgrund der Aortenverzweigungen die QuerstrSmungsgeschwindigkeit vernachl~ssigbar klein verglichen mlt der Ma~ximalgeschwindigkeit in der absteigenden Aorta. Stromab der Aortenklappe beim (Jbergang des linken Herzventrikels in die Aorta kommt es zu einer E i n l a u f s t r S m u n g . Die Laufl~inge bis zum Aortenbogen reicht entsprechend den Ausffihrungen in Kapitel 1.3 nicht aus, dass sich im zeitlichen Mittel das parabolische Geschwindigkeitsprofil der Hagen-Poiseuille-RohrstrSmung einstellen kann. Die Laufl~ge, die dafiir erforderlich w ~ e betrs etwa 0.03. ReD. D, lnit dem Aortendurchmesser D und der mittleren Reynolds-Zahl ReD. Die nicht ausgebildete EinlaufstrSmung wirkt ebenfalls stabilisierend auf den (Jbergang zur Turbulenz. Verbunden mit der Sekund~strSmung des Aortenbogens ergibt sich eine kritische Reynolds-Zahl grSf~er als Rekrit 6000, die in der Aorta nicht erreicht wird. Damit best~itigt sich unsere Annahme, dass es sich im menschlichen Kreislauf urn eine laminare und in den Wendepunkten der Geschwindigkeitsprofile um eine transitionelle StrSmung handelt.
Abb. 3.54: Geschwindigkeitsprofile und Struktur der Sekund~irstrSmung in einer Aorta, To Herzzyldus
134 3.3.5
3 Grundlagen der BiostrSmungsmechanik Nicht-Newtonsche StrSmung
Die Flie~eigenschaften nicht-Newtonscher Medien insbesondere von Blut haben wir in Kapitel 3.1.1 eingefiihrt. Der Potenzansatz (3.10) 7-x~
K . ~-~u n
,
mit den stoffspezifischen Konstanten K und n beschreibt fiir n < 1 pseudoplastische und fiir n > 1 dilatante Fluide. Fiir n 1 erh~ilt man mit K # den Crenzfall Newtonscher Medien. Die treibende Kraft der ausgebildeten laminaren RohrstrSmung ist die konstante Druckdifferenz Ap. Wie bei der StrSmung einer Newtonschen F1/issigkeit ist der Druckgradient l~ngs des Rohres konstant d p / d x -Ap/L. Zur Bestimmung der L6sung kommt die Kontinuit~tsgleichung fiir inkompressible Medien (3.4) V. v
0
(3.1491
und die Navier-Stokes-Gleichung fiir stationKre StrSmungen ohne Schwerefeld (3.2) p. (v 9V ) v
-Vp+
V .r
(3.150)
zur Anwendung. Mit dem LSstmgsansatz in Zylinderkoordinaten r, ~ und x vT
0
,
v~
0
,
vx
u(r)
,
p
p(x)
(3.151)
ist die Kontinuit~itsgleichung erfiillt trod die linke Seite von (3.150) ist gleich Null. v hat nur zwei nicht verschwindende Komponenten. Fiir 7-T~ %~ folgt mit (3.10):
w~
T~
du (n 1) du K . dr "d-~r
(3.152)
Damit liefert allebl die x-Komponente der Gleichung (3.150) einen Beitrag: 0
dp 1 d dx + -'7- ~(7"" ~x)
(3.153)
Die r- und die ~-Komponente der Gleichung (3.150) sind identisch effiillt. Aus Gleichung (3.153) erh~lt man durch Integration: 7-T~
dp dx
r C1 ~_ + r
(3.154)
Die Schubspannung 7-~ hat fiir r 0 einen endlichen Wert. Daxaus folgt, dass die Integrationskonstante C1 gleich Null sein muss. Mit dem Ansatz (3.152) ergibt sich: K.
du (~ 1) du
dp
r
dr
dx
2
3.3 Dynamik der StrSmungen
135
Da der Druck in Richtung der x-Achse abnimmt, ist muss auch d u / d r negativ sein:
dp/dx
negativ. Damit
-Ap/L
1
du dr
2 .K- L
9r~
(3.155)
Durch Integration folgt: 1
~(")
- n +----T"
.~ : L
" " ~ - + C2
C2 bestilmut sich aus der Haftbedingung an der Wand Es ergibt sich:
0, mit dem Rohrradius R.
u(R)
1
-n+~
L2 K
1
(3.156)
-
Ffir n 1 stimmt (3.156) mit dem Geschwindigkeitsprofil einer Newtonschen Flfissigkeit fiberein. Ffir n < 1 ergibt sich an der Wand ein steilerer Geschwindigkeitsgradient, der in Abbildung 3.55 dargestellt ist. Der Volumenstrom 1/berechnet sich mit (3.156) zu: 2.~
P,.
1
u(r) 0
. r . dr . d:
3 . n + l " Tr "
2.
0
Daxaus e r h ~ t m a n f'tir die mittlere Geschwindigkeit Urn: _1
Um
R-----7 7r.
- 3.n+l
9R .
2.
9
Ffir n 1 und K # ergibt sich das H a g e n - P o i s e u i l l e - G e s e t z einer Newtonschen Fliissigkeit.
r/R
(3.158) fiir die Rohrstr6mung
84
1
0.5
=1
/' ./4 !
-0.5
-1
A b b . 3.55: Geschwindigkeitsverteilung einer nichtNewtonschen Fliissigkeit im Kreisrohr
136
3 Grundlagen der BiostrSmungsmechanik
Ftir die Blutstr5mung gilt ngherungsweise die Casson-Gleichung (3.12). Die nichtNewtonschen Eigenschaften des Blutes fiihren bei der DurchstrSmung der Gef'~i~e zu einer Verringerung der Erythrozyten in der N~he der Gegdf~w~inde und damit zu einer Viskosit~itserniedrigung, die das Geschwindigkeitsprofil in Wandn~he und damit den Widerstand des Blutes ver~indern. Die Entmischung in Wandn~ihe verursacht eine nahezu zellfreie Plasmazone, die mit der Plasmaviskosit~it #p berechnet werden kann. Ftir die station~re Poiseuille-StrSmung f/itn't dies zu einem Geschwindigkeitsprofil, wie es in Abbildung 3.53 bereits beschrieben wurde. Fiir Scherraten 1 < du/dr < 50 kaan n~iherungsweise mit der Steigung n -0.28 in Gleichung (3.10) und f/ir du/dr > 100 mit n 1 (Newtonsches Medium) gerectmet werden.
3.4 Aerodynamik 3.4
137
Aerodynamik
Ffir die Bereclmung des Ybgelfluges und die Fortbewegung der Fische benStigen wir die aerody-namischen und hydromechanischen Grundlagen sowie die Grundgleichungen der reibungsfreien UmstrSmung von Profilen und Tragflfigeln.
3.4.1
Profil und Tragflfigel
Ziel der Aerod,~lamik ist es, die Kr~ifte und Momente umstr5mter K5rper vorherzusagen. Bewegt sich ein Vogel oder ein Flugzeug mit konstanter Geschwindigkeit U, so erf'ghrt es die resultierende Luftkraft FR (Abbildung 3.56). Die I(omponente dieser Kraft in AnstrSmrichtung ist der Widerstand Fw, die I(omponente senkrecht dazu der Auftrieb FA. Die Neigung der Resultierenden FR zur AnstrSmrichtung und damit das Verh/iltnis yon Auftrieb zu Widerstand hgngen im W'esentlichen yon der geometrischen Form des Tragfliigels und der AnstrSmrichtung ab. Ein groger Wert des Verh/iltnisses FA/FW ist erwfinscht. Ffir den stationgren Gleitflug muss die resultierende Luftkraft FR entgegengesetzt gleich dem Gewicht G sein. Damit ergibt sich f'tirden Gleitwinkel a die Beziehung: tan(a)
Fw FA
(3.159)
Der mit dem Winkel r gepfeilte Flfigel eines Verkehrsflugzeuges ist in Abbildung 3.56 skizziert. Die jeweiligen senkrechten Schnitte durch den Flfigel werden P r o f i l e genannt. Die Skelettlinie, der Mittelwert des Abstandes zwischen Ober- und Unterseite des Flfigels, ist eine ausgezeichnete Profillinie, die bei der Besckreibung der reibungsfreien Theorie benS-
tigt wird. Die Anstellung des Profds zur ungestSrten AnstrSmung U wird mit a bezeichnet. Die aerodynamischen Kr~ifte A u f t r l e b FA, W i d e r s t a n d F w sowie die R e s u l t l e r e n d e F R werden von der Druckverteilung und der Verteilung der Wandschubspannungen auf den Flfigeloberfl~ichen verursacht. Zus~itzlich wird ein M o m e n t M erzeugt, das ffir die Fliigeldrehung verantwortlich ist. Die in Kapitel 1 eingeffi_hrten dimensionslosen Beiwerte sind: ca
1
FA 9p ~ 9U 2 9A
,
Cw
Fw 1 ~ 9 p ~ 9U 2 9A
M '
Cm
A b b . 3.56: Prinzipskizze eines Tragfliigels und Profils
1
~ . p ~ 9U 2 9A 9L
,
(3.160)
138
3 Grundlagen der BiostrSmungsmechanik
mit der Fliigelflgche A und der Profiltiefe L. Der Druck- und Reibungsbeiwert ergeben sich zu: Cp
1
p - p~ " P~
~
Cf
9U 2
1 ~
Tw " P~
(3.161) 9U 2
mit dem Druck der ungestSrten Anstr6mung p ~ . Alle Beiwerte sind Ftmktionen der AnstrSmgeschwindigkeit U, der Reynolds-Zahl ReL, des Anstellwinkels a und des Pfeilwinkels
r
Profilstrlimung Typische Profile der inkompressiblen Unterschallstr5mung sind in Abbildung 3.57 skizziert. Das Vogelprofil ist auf der Ober- und Unterseite stark gewSlbt, um auch bei extremen Fluglagen den erforderliehen Auftrieb zu erzeugen. Das aufgediekte Unterschallprofil eines Flugzeuges mit der Dicke d/L 13 % (GSttinger Profil 298) besitzt einen grS~eren Auftriebsbeiwert ca bei geringerem Widerstandsbeiwert als das Vogelprofil. Verkehrsflugzeuge filegen heute inl transsonischen Untersehall bei der Maeh-Zahl M~ 0.8 mit sogenannten superkritischen Profilen. Die AnstrSm-Mach-Zah] M~ U/a~ (1.3) haben wit bereits in Kapitel 1.4 eingeffihrt. Die superkritischen Profile fiir die tra~issonische AnstrSmung sind entsprechend der Abbildung 3.57 schlanker, damit sich auf dem Profil der Ubergang in die UberschallstrSmung mSglichst welt stromab vo]_Izieht. In Abbildung 3.58 ist die Abh~ingigkeit des Auftriebs- und Widerstandsbeiwertes yon der Mach-Zahl f'dr ein vorgegebenes Profil sldzziert. Bei Unterschall-Mach-Zahlen steigt der Auftriebsbeiwert mit wachsender Mach-Zah] entsprechend der Prandtl-Glauert-Regel an:
ca
2.7r
,
Moo < 1
-
Dazu gehSrt der mit der linearen Theorie berechnete Druckbeiwert des Profils:
A b b . 3.57: Charakteristische Profilformen
(3.162)
3.4 Aerodynamik
139
wobei Cp,o der Druckbeiwert der inkompressiblen StrSmung ist. Der Widerstandsbeiwert verh/ilt sich analog zmn Auftriebsbeiwert ca. Bis zu einer FlugMaeh-Zahl von M~ 0.5 bleibt der Widerstandsbeiwert nahezu konstant. Ffir grSgere Mach-Zahlen wird die StrSmung auf der Oberseite des Flfigels in den i)bersehall mit M > 1 besehleunigt. Das 0bersehallgebiet wird entsprechend der Abbildung 1.30 von einem Verdiehtungsstog abgesehlossen, der zusfitzlieh Widerstand erzeugt. Bei der Auslegung transsoniseher Profile ffir Verkehrsflugzeuge ist man bestrebt, dureh eine geeignete Oberflfiehenkontur den Verdichtungssto[~ m6glichst schwaeh zu halten. So entstehen sogenannte superkritisehe Profile, deren Druekverteilung auf der Ober- und Unterseite des ProMs in Abbildung 3.59 im Vergleieh zur Druekverteilung eines UntersehallproMs dargestellt ist. Dabei wird entspreehend der aerodynan]ischen Literatur der negative Druekbeiwert -cp aufgetragen. Superkritische Profile zeichnen sich dadurch aus, dass der Drucksprung des Verdichtungsstoges und die Saugspitze im vorderen Teil des ProMs nur schwach ausgeprfigt sind. Damit wird nicht nur der Widerstand verringert, sondern auch die Lastverteilung fiber das Profil gleichmfigiger vertei_It. Beim UnterschallproM ist die ProMoberseite stfirker gewSlbt als beim transsonischen ProM und das Dickenmaximum liegt im vorderen TeLl des ProMs. Den Druckwiderstandsbeiwert Cd und den Auftriebsbeiwert ca erhfilt man als Horizontalbeziehungsweise Vertikalkomponente des Integrals fiber die Druckdifferenz auf der Oberund Unterseite des Profils.
Die Abhgngigkeit des Auftriebsbeiwertes ca vom Anstellwinkel c~ist in Abbildung 3.60 ffir ein vorgegebenes Unterschall-Profil dargestellt. Der Auftrieb ws re_it steigendem Anstellwinkel zun/ichst linear an, solange die StrSmung anliegt. Auch ffir den Anstellwinkel 0 ~ erh~t man aufgrund der Unsymmetrie des ProMs einen positiven Auftriebsbeiwert. Der Auftriebsbeiwert durchlfiuft bei einem kritischen Anste]_lwinkel ak,.it ein Maximum und f'dlltffir grSgere Anste]_lwinkel stark ab. Die Momentaufnahme der StrSmung zeigt in Abbi_Idung 3.60, dass dann die StrSmung auf der gesamten Oberseite des ProMs instationfir ablSst. Mit dem Zusammenbruch des Auftriebsbeiwertes geht ein Anwachsen des Profihviderstandes einher.
Ca
!
Cw
I
|Pra.udtl-Glauert
I
j
J
inl~ibel
i
0.5
i
1.0
M~
0.5
1.0
Moo
Abb. 3.58: Auftriebsbeiwert ca und Widerstandsbeiwert Cwin Abhgngigkeit der AnstrSmMach-Zahl Mo~
140
3 Grundlagen der BiostrSmungsmechanik
A b b . 3.59: Druckverteilungen -Cp eines Unterschall- und superkritischen Profils
Um mit einem Tragflfigel staxten und landen zu kSnnen, wird bei verringerter Geschwindigkeit mit Vorder- und Hinterldappen die Flfigelflgche vergrSgert. Dies ffihrt zu der in Abbildung 3.60 gestrichelten Auftriebskurve, die zu hSheren Auftriebswerten ffihrt. Diese Hochanftriebsldappen entsprechen beim Flugzeug nach unseren Ausf'fihrungen in Kapitel 1.4 den Vorderflfigeln der VSgel (Abbildung 1.31). Ein ffir die Auslegung von Profilen wichtiges Diagramm ist das P o l a r e n d i a g r a n ~ n . In Abbildung 3.61 ist der Auftriebsbeiwert Ca fiber dem Widerstandsbeiwert Cw fiir unterschiedliche Anstellwinkel a aufgetragen. Man spricht von einer Polaren, da man der Abbildung 3.61 direkt die am Profil wirkenden Kr~ifte entnehmen kann. Der Vektor vom
A b b . 3.60: Auftriebsbeiwert Ca und StrSmungsbilder in Abh~ingigkeit des Anstellwinkels
3.4 Aerodynamik
141
Ursprung zu einem P u n k t der Polaren zeigt die resultierende Kraft F R an. F[ir das superkritische Profil der Abbildung 3.59 ist der Anstieg des Auftriebsbeiwertes mit wachsendem Anstellwinkel grog, der Maximalwert von Ca verglichen mit Unterschallprofilen jedoch gering. Ftir einen grogen Bereich des Anstellwinkels bleibt der Widerstandsbeiwert gering, z. B. die Auslegtmg bei der AnstrSm-Mach-Zahl M~o 0.76 ergibt einen Auftriebsbeiwert von Ca 0.57. Die Abbildung 3.62 zeigt die Prinzipskizzen der Abhgngigkeit des Auftriebs- Ca mid Widerstandsbeiwertes Cw vom Anstellwinkel a und wie sich daraus das Polarendiagramm konstruieren lgsst. Das "ldeinste und damit giinstigste Verh~tnis von Cw/Camarkiert die Tangeme des Polarendiagranmls. Nach {Jberschreiten von c . . . . . nimmt Ca mit zunehmendem a beziehungsweise Cw wieder ab. Das Polarendiagramm des Vogelprofils einer Taube zeigt in Abbildung 3.61, dass grSgere Anstellwinkel bei grSgerem Auftriebsbeiwert c . . . . . 1.2 als beim transsonischen Profil erreicht werden. Auch nach dem Abreigen der StrSmung an der Profilvorderkante bleibt der Vogel bis zu AnsteUwinkeln von a 35 ~ bei deutlich geringeren Auftriebsbeiwerten Ca noch flugfiihig.
Um den Einfluss der Reibung bei der ProfilumstrSmung darstellen zu kSnnen, sind in Abbildung 3.63 die Druckverte[lungen unterschiedlicher AblSseformen ffir die reibungsfreie und reibungsbehaftete StrSmung ffir ein angestelltes Unterschall-Profil dargestellt.
A b b . 3.61: Polarendiagramm eines Vogelprofils und eines transsonischen Profils
142
3 Grundlagender BiostrSmungsmechanik
Abb. 3.62: Auftriebsbeiwert C a und Widerstandsbeiwert Cw in Abh~ingigkeit des Anstellwinkels ct trod Konstruktion des Polarendiagramms
Solange die Grenzschichtstr6mung axn Profrl anliegt, wixd aufgrund der Verdr~ingungswirkung des reibungsbehafteten Anteils der Druckverteilung der Druck erhSht. Kommt es zur Str6mungsablSsung, bildet sich auf dem Profil ein zeitlich gemitteltes R/ickstrSmgebiet mit konstantem Druck aus. Der Auftrieb wixd dadurch verringert.
Abb. 3.63: Druckverteilungen der reibungsfreien und reibungsbehafteten ProfilumstrSmung
3.4 Aerodynamik
143
Beginnt die AblSsung bereits an der Vorderkante, kann es auf dem Profil zum Wiederanlegen der StrSmung kommen, so dass der Bereich konstanten Drucks im Gebiet der Saugspitze des Profils liegt und der Auftrieb demzufolge zusammenbricht. Die Str5mung ist dann durch den grauen reibungsbehafteten Tell der Druckverteilung bestimmt, so dass sich die in diesem Kapitel zu behandelnde Theorie der reibungsfreien ProfilumstrSmung auf den Bereich der reibungsfreien AuffenstrSmung der anliegenden Profilgrenzschicht beschr~inkt. TragflfigelstrSmung Im Folgenden werden die Erkenntnisse der ProfilumstrSmung auf den endiichen Tragfliigel der Abbildung 3.56 iibertragen. Die Fliigelumstr5mung ist dreidimensional. Der zweidimensionalen ProfilstrSmung wird eine dritte Geschwindigkeitskomponente in Spannweiten_richtung fiberlagert. Die Erkl~ung dafter finder sich in Abbildung 3.64. Auf der Oberseite des Flfigels herrscht Unterdruck und auf der Unterseite 0berdruck. Dies f'fi_hrt zu einer UmstrSmung der Flfigelspitzen, die im Nachlauf jeweils einen Wizbel bilden. Diese Wizbel verursachen eine abw~ts gerichtete Geschwindigkeitskomponentehinter dem Flfigel. Die zus~itzliche Wirbelbildung an den Flfigelspitzen ver~indert die Druckverteilung in der Weise, dass ein zus~itzlicher Druckwiderstand entsteht, den man i n d u z i e r t e n W i d e r s t a n d nennt. Die Widerstandsbilanz (3.92) bestehend aus Druck- und Reibungswiderstand wird also beim Tragflfigel urn den induzierten Druckwiderstand c~ erg~inzt: Cw
Cd + cf,g + ci + cs
(3.163)
Beim transsonischen Tragiliigel kommt der Druckwiderstand des Verdichtungsstof~es auf der Oberseite des Fliigels hinzu, den man W e l l e n w i d e r s t a n d cs nennt. Die Widerstandsanteile f'er einen Tragflfigel mit superkritischem Profil betragen 51% ffir den Reibungswiderstand cf, 35 % ffir den induzierten Widerstand ci, l0 % ffir den Druckwiderstand Cd und 4 % f'er den Wellenwiderstand c~.
Abb. 3.64: Randwirbel eines endlichen Tragfliigels
144
3 Grundlagender BiostrSmungsnlechanik
Abb. 3.65: Einfluss der Pfeilung r auf den Widerstandsbeiwert Cw
Dabei handelt es sich urn einen gepfeilten transsonischen Tragfltigel, der die lol~le AnstrSm-Mach-Zahl der Profilsctmitte in der Weise verringert, so dass der Anstieg des Widerstandes in Abbildung 3.58 zu h6heren Mach-Zahlen verschoben wird. Die Tatsache, dass die effektive Profil-Mach-Zatfl dutch Pfeilung r um Mn M~ 9cos(C) verringert werden kann, wurde erstmals von A. Betz 1939 erkannt (AbbUdung 3.65). Dabei ginger yon der Uberlegung aus, dass lediglich durch die Normalkomponente under Anstr6mung Druckwiderstand erzeugt wizd. Erfolgt die Anstr6mung tangential zur Spannweite mit der Geschwindigkeit ut, so kann diese Str6mung keine Drucki~nderung am Flfigel hervorrufen. Es entsteht lediglich Reibungswiderstand. F/Jr den Vogelfl/igel l~sst sich aus dem Wirbelsystem um den Tragfliigel der Abbildung 3.64 eine weitere Schlussfolgerung ziehen. Die Flfigelrandwirbel erzeugen im Nachlauf des Vogels eine Abwindgeschwindigkeit. Im ~ui~eren Raadbereich der Wirbel entsprechend der Abbildung 3.66 eine Aufwindgeschwindigkeit, die der nachfolgende Vogel im Formationsflug nutzen kann. So entsteht bei Zugv6geln die charakteristische energiespaxende V-Formation des Vogelfluges.
Abb. 3.66: V-Formation des Vogelfluges
145
3.4 Aerodynamik
3.4.2
Tragfliigeltheorie
Grundlage yon Praaldtls Tragflfigeltheorie ist die Erkemltnis, dass der aerodynmnische Auftrieb durch die Zirkulationsverteilung um den Tragfliigel verursacht wird. Dabei geht mail davon aus, dass ffir grof~e Reynolds-Zahlen die Druck- und Zirkulationsverteilung des Tragfliigels mit der Potentialgleichung Adp 0 (3.74) der reibungsfreien Aui~enstr6mung n~herungsweise berechnet werden kann. F/ir die Berechnung der reibungsfreien Profilumstr6mung gibt es zwei unterschiediiche mathematische Methoden, die Methode der konformen Abbildung und die Singularit~itenmethode. Im Folgenden wird insbesondere im Hinblick auf die Berechnung der dreidimensionalen Tragfl/igelstr6mung die Singularit~itenmethode beschrieben. Dabei geht man von den Partikul~16sungen der linearen Potentialgleichung der Abbildung 3.67 aus, die zum jeweiligen Str5mungsbild der Profil- beziehungsweise Tragfliigelstr5mung linear superponiert werden. Die Str6mung urn ein gew61btes Profil endlicher Dicke mit dem Anstellwinkel a l~st sich entsprechend der Abbildung 3.68 mit der linearen Superposkion yon Quellen, Senken (Dicke), Wirbeln (Anstellung) und der 0berlagerung einer Translationsgeschwindigkeit (Anstr6mung) berechnen. Die lineare Superposition yon Einzell6sungen ffihrt in Abbildung 3.69 mit der K u t t a J o u k o w s k i - A b s t r S m b e d l n g u n g aa der Hinterkante auch bei reibungsfreier Profilum-
Quelle Q > 0
Senke Q < 0
~(~)= Q.t~ ( ~ )
O (x,,,) = --~ . t, ( ~
Dipol m.z
)
~(x,z)=
x2+z 2
x
Parallelslx6mung ~(x,z) = u . x
Wil~el F
Zylindcransl~mung z
A b b . 3.67: ElementarlSsungen der Potentialgleichung
/ +
R2
~
F
z
146
3 Grundlagen der BiosWSmungsnlechanik
A b b . 3.68: Singularitfitenverteilung eines angestellten Profils endlicher Dicke
strSmung zu einer Auftriebskraft pro L/ingeneinheit FA, die mit der Zirkulation F
i v .ds
(3.164)
p.F.U
(a.165)
berechnet werden kann: FA
A b b . 3.69: Auftriebserzeugung an einem Tragfliigelprofil
3.4 Aerodynamik
147
Die Zirkulation besitzt die Dimension L 2/T. Die Entstehung der Zirkulation am Tragflfigel kaan man mit Abbildung 3.70 erkl~en. Behn Staz't des Flfigels entsteht an der Hinterkaate ein Anfahrwirbel mit negativer Zirkulation - F . Da die Zirkulation erhalten bleiben muss, entsteht um den Flfigel die gleiche Zirkulation aber mit positiven Vorzeichen, die man gebmldenen Wirbel nennt. Verknfipft man den gebundenen Wirbel, den Anfahrwirbel und die tMadwirbel der Abbildung 3.64, entsteht das geschlossene Wirbelsystem der Abbildung 3.71, da kein Wirbel in der freien StrSmung enden kazm. Der Auftrieb des gebundenen Wirbels ist mit dem induzierten Widerstand c i d e r Gleichung (3.163) verknfipft. Der theoretische Ansatz von L. Prandtl 1920 ffir die T r a g t t f i g e l t h e o r i e geht davon aus, dass zur Berechnung des Auftriebs eines schlanken Flfigels dieser durch eine Auftriebslinie (Skelettlinie) der Abbildung 3.68 mit fiberlagerter Zirkulationsverteihmg ersetzt wird. Das einfachste Wirbelsystem eines endlichen Tragflfigels besteht aus dem gebundenen Wirbel der Wirbelst/irke F u n d den zwei Randwirbeln gleicher Wirbelst/irke. Da die Auftriebsverteihmg zu den Flfigelspitzen kin abnimmt, kann man diese n~ihertmgsweise mit einem Wirbelsystem infi_uitesimaler Wirbelst/irke fiber die Spazmweite S des Flfigels daxsteUen. Ffir das Wirbelsystem der Abbildung 3.72 ergibt sich in der Mitte des Tragflfigels ein nach vorne und kinten unendiich ausgedetmter Wirbel der St~irke F. Im Abstand d erh~lt man die abw/irts gerichtete Geschwindigkeit w F/(2 9:r 9d). Ein yon der Sctmittebene durch den Flfigel nur nach kinten erstreckender Wirbel hat aus Symmetriegrfinden die H/~lfte der Geschwindigkeit F / ( 4 . :r. d). In der Mitre des Tragiifigels d S/2 kommen die zwei Betr~ige der Geschwindigkeit von dem rechten und linken Wirbel zusammen. Dies ergibt: w0
F -~ " ------W 4.7T.-
Mit der Kutta-Joukowski-Bedingung F
F ~--~
(3.166)
2
FA/(p" S 9L1) ffir den Flfigel der Spannweite S
A b b . 3.70: Anfahrwirbel und gebundener Wirbel eines Tragflfigelprofils, L. Prandtl und O. G. Tietjens 1934
148
3 Grundlagen der BiostrSmungsnlechanik gebtmdener Wirbel
Rand-
wirbel A b b . 3.71: Wixbelsystem um einen Tragflfigel wird FA
wo
(3.167)
9p. U 9S 2
In der Umgebung der Flfigelmitte ergeben sich grSfsere Geschwindigkeiten, die in der N ~ e der Flfigelenden gegen Unendfich gehen. Dies bedeutet, dass die Annahme eines bis zum Flfigelende konstanten Auftriebs u_n_zul~sig ist. Setzt m a n die in Abbi_ldung 3.73 dargestellte elliptische Auftriebsverteilung voraus, e r h ~ t m a n fiber den Flfigel die konstante Vertil,,~lgeschwindigkeit w. In der Mitte ist die Zirkulation um 4 / ~ mal grSf~er als der Mittelwert. Damit liegen die einzel_uen Wirbelf~den im Durchschnitt n~her an der Mitte und w wird grSffer als wo. Die Integration fiber alle Wirbelfs ergibt: w
2 .to0
2"FA 9p. U 9S 2
(3.168)
Damit wird tan(a)
w
'~. FA
FA
U
~ . p. U 2 9S 2
7r.ps 9S 2
'
(3.169)
mit dem Staudruck ps. Da w bei einer elliptischen Auftriebsverteilung fiber die Spaxalweite S konstant ist, ist auch tan(a) konstant. Damit ergibt sich ffir den hlduzierten Widerstand Fw,i FA 9tan(o~): Fw,i
[
F~
o o
A b b . 3.72: Vereinfachtes Wirbelsystem eines Tragitfigels
(3.170)
0 0
3.4 Aerodynamik
149
A b b . 3.73: Elliptische Auftriebsverteilung
Die Gleichung (3.170) zeigt, dass der induzierte Widerstand umso kleiner wird, je grSger die Spannweite S ist, auf der der Auftrieb verteilt wird. Dies ffihrt bei Seglern unter den VSgeln und Flugzeugen zu Flfigeln groger Spannweite. Die Flfigeltiefe L kommt in Gleichung (3.170) nieht vor. Es konmlt also lediglieh auf den StrSmungszustand hinter dem Flfigel an und nieht auf die Vert.eilung der Zirkulation fiber die Tiefe des Flfigels. Die Verteilung der Wirbelstgrke auf der Skelettlinie eines schlanken Profils ergibt sich aus der kinematisehen Bedingung, dass die Skelettlinie eine Stromlinie sein muss. Dabei wird der Wirbelverteilung die Translationsgesehwindigkeit U fiberlagert, die mit der Profilsehne den Anstellwinkel a bildet (Abbildung 3.74). Fiir eine Stromlinie gilt, dass in jedem Punkt die Vertikalgesehwindigkeitskomponente versehwindet. Fiir ein sehlankes Profil kann man niiherungsweise die Skelettlinie dureh die Profilselme ersetzen, so dass in erster Nfiherung
z~
~
Skclcttlinic
_
'-~
~chnc
I--
_
v X
--I
Z
Z= T
X
-
-
Z
7~
v
L x
A b b . 3.74: Verteilung der Wirbelst/irke entlang der Skelettlinie und Profilsehne eines schlanken Profils
150
3 Grundlagen der BiostrSmungsnlechanik
gilt: u .
~-
~
+ w(x)
o
(3.171)
~/(x) ist die Wirbelst/irke pro L ~ g e n e i n h e i t (Wirbeldichte). Ein infinitesimales Wirbelelement der StSxke ~/(x ~) 9dx ~ mn Ort x ~ erzeugt die infinitesimale Geschwindigkeit dw
~/(x') 9dx' 4 . 7 r . (x - x')
(3.172)
Die Integration fiber die Flfigeltiefe L ergibt die Vertikalgeschwindigkeit L
1 f T ( x ' ) dx' -4.~'j -~--z-7
w(z)
(3.173)
0
Die Gleichung (3.171) mit der VertikaJgeschwindigkeit (3.173) ist die Grundgleichung schlazLker Profile, die sich aus der Forderung ergibt, dass die Skelettlinie eine Stromlihie ist. Damit berechnet mml unter anderem die Steigung des Auftriebsbeiwertes Ca in Abbildung 3.60: dca
2.7r
da
(3.174)
Die Ubertragung auf den Tragfliigel knfipft an die Wirbelfilamente, die gebundenen und freien Randx~drbel der Abbildung 3.72 ml, die man anch H u f e i s e n w i r b e l nennt. Ein nach beiden Seiten ins Unendliche reichende Wirbelfilament erzeugt entsprechend Abbildung 3.75 ffir jedes infinitesimale Wirbelelement dl am Punkt P die Geschwindigkeit F
dv
--
4.=
dlxr
It31
(3.175)
Diese Beziehung wird B i o t - S a v a r t - G e s e t z genannt. Die Integration entlang des Wirbelfilaments ergibt: OO
v
F
dl x r
4~
It31
(3.176)
OO
F
dl
h
A b b . 3.75: Geschwindigkeit v i m Punkt P eines geraden Wirbelfilaments
3.4 Aerodynamik
151
Mit der Definition des Vektorprodukts erh/ilt man die Richtung des Geschwindigkeitsvektors w Ivl, die nach unten zeigt: OO
w
F / 4 97r
sin(O) r2
dl
(3.177)
OO
Mit dem senkrechten Abstand h zum Wirbelelement dl ergibt die Integration ffir ein halbunendliches Wirbelfilanlent: w
F 4. x . h
(3.178)
Das Konzept der Wirbelfilamente wurde erstmals von H. L. F. yon Helmholtz ffir die Berechnung reibungsfreier inkompressibler Str6mungen eingeffihrt. Die H e l m h o l t z s c h e n Wirbels~itze sagen ans, dass die Wirbelstgrke F entlang des Wirbelfilaments konstant ist und dass ein Wirbelfilament nicht im StrSmungsfeld enden kann. Dabei kann die Begrenzung des Wirbelfilaments durchaus im Unendlichen liegen, wo die Schliegung mit dem Anfahrwirbel (Abbildung 3.71) vorgenommen wird. Wie bereits dargelegt, hat L. Prandtl das Konzept des Hufeisenwirbels mit dem gebundenen Wirbel und zwei ins Unendliche reichenden Randwirbeln fiir die Berechnung des induzierten Auftriebs eines Tragilfigels erweitert, wobei die Zirkulationsverteilung fiber dem endlichen Tragflfigel beriicksichtigt wird. Betrachtet man den einzelnen Hufeisenwh'bel der Abbildung 3.76 erkennt man, dass der gebundene Wirbel der Spannweite S keine Geschwindigkeitskomponente entlang des Wirbelfilaments verursaeht. Es entsteht die Vertil(a~lkomponente w(y). Die Randwirbel fiberlagern ebenfalls eine VertikaJ_komponente der Geschwindigkeit. Mit Gleiehung (3.178) erh/ilt man den Beitrag der halbunendlichen Randwirbeh F 4.7r.
F +y
4 .Tr.
F -y
S 4
y2
Man beachte, dass w an den Fliigelenden • gegen - c o geht. Dies ffihrte dazu, dass L. Prandtl nicht einen einzigen Hufeisenwirbel anf dem Flfigel betrachtete, sondern eine S
I/-~-
P~md~'bcl
C rbel Randwi
A b b . 3.76: Verteilung der Vertikalgeschwindigkeit w(y) for einen einzelnen Hufeisenwh'bel
152
3 Grundlagen der BiostrBmungsmechanik
groi~e Anzahl von Hufeisenwirbeln unterschiedlicher LEnge des gebundenen Wirbels. Diese werden entlang einer Linie angeordnet, die man Auftriebslinie nennt. Abbildung 3.77 zeigt zunEchst die Superposition von drei Hufeisenwirbeln. Der erste Hufeisenwirbel der Wirbelst~ke dF1 umspaant den gesamten gebundenen Wirbel vom Punkt A (y -S/2), bis zum Punkt F (y +S/2). Dem fiberlagert wird der zweite Hufeisenwirbel der Wff'belst~ke dF2 von B bis E, d e r n u r einen Teil des gebundenen Wirbels fiberdeckt. Der dritte Hufeisenwirbel dF3 wird von C bis D fiberlagert. Daxaus resultiert, dass die Wirbelst~ke F(y) sich entlang des gebundenen Wirbels (Auftriebslinie) verEndert. Sie betrs entlang AB und EF dF1, entlang BC und DE dF1 +dF2 und entlang CD dF1 +dF2 +dF3. Jedem Wirbelelement entlang der Auftriebslinie sind zwei Randwirbel zugeordnet. Die Wirbelst~rke eines jeden Randwirbels ist gleich der J~nderung der Zirkulation entlmlg der Auftriebslinie. Extrapoliert man die Superposition auf unendlich viele Hufeisenwirbel der infinitesimalen Wirbelst~ke dF erh~ilt man eine kontinuierliche Verteilung der Wirbelst~irke F(y) fiber die Spannweite des Flfigels. Der Maximalwert der Zirkulation sei F0. Aus der endlichen Anzahl von Hufeisenwirbeln ist eine kontinuierliche Wirbelstra~e parallel zur Anstr6mung U geworden. Die Integration der Wirbelst~ke quer zur Wirbelstrai~e ergibt Null, da die Randwirbel jeweils paaxweise gleiche Wirbelst~irke entgegengesetzten Vorzeidlens haben. Betrachtet man ein infinitesimales Element dy der Auftriebslinie mit der Wirbelst~ke F(y), betr~gt die ~_nderung fiber das Element dF (dF/dy) 9dy. Die WirbelstErke des Randwirbels am Ort y ist gleich der Anderung der Wirbelst~ke dF. An der Stelle y~ verursacht jedes Element dx des Raadwirbels entsprechend dem Biot-Savart-Gesetz (3.175) die Verdkalgeschwindigkeit dF d---y-" dy 4.~-. (V - Y)
dw
(3.180)
Die Integration fiber alle Raadwirbel ergibt: s w(y')
dF
1 J ~-7-~_ dy~
.-----~ 4 "
dy
(3.181)
s
r0
//I
,~._l.~D
dr3,..~
A 3 Hufeisenw'Lrbel
-
oo
/
_
.~
I.$
0
2
Hufeisenwirbol
Abb. 3.77: Superposition von Hufeisenwirbeln entlang der Auftriebslinie
3.4 Aerodynamik
153
C&
C&
1.4
/
1.4
.o~-#"o o~ ~"
"o 1.0
1.0
i
0.6
o/O
#
+~
i
,bo -0.4
I
0
/
0.6
I
I
0.08
I
0.16
I
I
0.24
~
cw
i
-0.4 0o
i
8~
i
i
16 ~
i
~__
a
A b b . 3.78: Polaren- und Auftriebsbeiwerte von Rechteckfliigeln der Seitenverhgltnisse S/L 1 bis 7, L. Prandtl 1915
Mit der Prandtlschen Tragfliigeltheorie k6nnen alle reibungsfreien aerodynamischen Eigenschaften eines vorgegebenen Tragfliigels berechnet werden. Dabei zeigt sich, dass der Fliigel mit einer elliptischen Grundflfiche zu einem minimalen induzierten Wiederstand f/itn't. Da elliptische Fliigel jedoch schwierig zu fertigen sind, hat man in der Praxis den Trapezfliigel bevorzugt, der nfiherungsweise eine elliptische Auftriebsverteilung verwirklicht. Ein wichtiges Ergebnis der Tragttiigeltheorie ist, dass der induzierte Wiederstand sich umgekehrt proportional zur Spannweite S verh/ilt. Um beinl Tragfliigelentwurf den induzierten Widerstand m5glichst gering zu halten, muss also die Spannweite S m5glichst grog gew/ihlt werden. Dies hat L. Prandtl 1915 experimentell an Rechteckfliigeln der Seitenverh~iltnisse S/L von 1 bis 7 best/itigt. Die Ergebnisse sind in Abbildung 3.78 zusammenge-
o~r
~tP~fl~g
A b b . 3.79: Druckverteilungen eines Fliigels groger Streckung, D. I(iichemann 1978
154
3 Grundlagen der BiostrSmungsnlechanik
fasst. Dabei wurden die Auftriebs- und Widerstandsbeiwerte auf den Rechteekflfigel mit dem Seitenverh/iltnis S/L 5 skaliert. Mit der Erweiterung von Prandtls Tragftfigeltheorie anf Tragflfigel endlieher Dicke lassen sieh die Druekverteilungen auf der Flfigelober- und unterseite bereehnen. Die Abbildung 3.79 zeigt typisehe Druekverteilungen fiber der Flfiehe von Untersehall-Tragflfigeln. Die nahezu elliptisehe Spannweitenverteilung entsprieht dem zuvor diskutierten Saehverhalt. Die starke Besehleunigung stromab der Vorderkante des Flfigels ffihrt anf den Ober- und Unterseiten zu untersehiedliehen Druekspitzen, die letztendlieh den Auftrieb des Flfigels verursaehen. Ffir den gepfeilten UntersehaU-Flfigel gndert sieh die Druekverteilung fiber die Spannweite betrgehtlieh. Die Druekspitzen sind an den Flfigelenden mehr ansgeprggt, was ffir den Flfigelentwurf unerwfinscht ist. Bisher wurde ansschlieIslich die reibungsfreie Tragflfigeltheorie behandelt. Von Gleiehung (3.168) weig man, dass der Gesamtwiderstand Cw und der Auftrieb ca neben den Druekund induzierten Anteilen ca und ci einen Reibungsanteil cf,g enth/ilt. Die Abbildung 3.80 gibt einen Uberbliek fiber die entspreehenden Anteile entlang der Spannweite eines gepfeilten UnterschaU-Flfigels bei der Reynolds-Zahl ReL 1.7. l0 s und einem vorgegebenen Auftriebsbeiwert ca 0.56 eines Verkehrsflugzeuges. Das Ergebnis der numerischen Berechnung eines gepfeilten transsonischen Tragitfigels mit der Reynolds-Gleichung ffir die Mach-Zahl Moo 0.78, die Reynolds-Zahl RaL 26.6. l0 s und dem Pfeilwinkel r 20 ~ ist in Abbildung 3.81 Ms Isobazen dargestellt. Die numerische LSsung zeigt das fJ-berschallfeld und die Verdichtung der Isobaren im Bereich des Verdichtungsstoges, der dieses stromab abschliegt. F fir den vorgegebenen Auftriebsbeiwert Ca 0.56 eines transsonischen Flfigels berechnet man den Widerstandsbeiwert
Abb. 3.80: Widerstandsanteile fiber die Spannweite eines gepfeilten UnterschallFlfigels, RaL 1.7. l0 s, D. Kfichemann 1978
3.4 Aerodynamik
155
Abb. 3.81: Isobaren in Profilschnitten und auf der Oberfl~iche eines gepfeilten transsonischen Tragfltigels, A,/~ 0.78, ReL 26.6 9106, Anstellwinkel a 2 ~ und Pfeilwiltkel r 20 ~ Cw 0.0184. Dieser geringe Widerstandsbeiwert ergibt sich flit einen transsonischen Laminarfltigel. Dabei wird der lanfinar-turbulente 0bergang auf der Oberseite des Fliigels bis in den Stoi~-Grenzschichtbereich und auf der Unterseite bis zum Dickenmaximum verlagert. Dies wird mit einer kontinuierlich beschleunigten Druckverteilung erreicht und geht mit einer Verringerung des Widerstandsbeiwertes einher. Den Isobaren auf der Fliigeloberseite lcann man die Lastverteilung auf dem F1/igel entnehmen.
3.4.3
StrSmungsablSsung
Wir kn/ipfen an die Beschreibung der laminaren StrSmungsabl5sung umstrSmter KSrper in Kapitel 3.3.1 und der turbulenten Abl6sung in Kapitel 3.3.3 an und erg~qzen die Str6mungsbilder der dreidhnensionalen StrSmungsablSsung auf Tragitfigeln bei grogen Anstelhvinkeln a. Das zweidimensionale Bild der StrSmungsabl6sung ist in Abbildung 3.60 und 3.63 gezeigt. Das zweidimensionale A b l S s e k r i t e r i u m leitet sich aus Abbildung 3.82 und der Grenzschichtgleichung (3.76) an der Wand z 0
Op
0---~
02u :.=o
# " O--~z 2
(3.182)
auf einem Profil ab. An der Wand gilt die Haffbedingung u 0 und w 0, so dass die nichtlinearen Terme der Grenzschichtgleichung gleich Null sind. Anhand yon Gleichung (3.182) und Abbildung 3.82 k6nnen wir die Entwicklung der GrenzsckichtstrSmung in
156
3 Grundlagender BiostrSmungsnlechanik
Abh~ngigkeit des Druckgradienten diskutieren. Nimmt der Druck in x-Richtung ab, d.h. ist Op/Ox negativ, so wird die Str5mung aui~erhalb der Grenzschicht stromab beschleunigt. Damit ist auch (02u/Oz 2) < 0, folglich ist die Kriimmung des Geschwindigkeitsprofils u(z) an der Wand negativ. Wegen der Beschleunigung der StrSmung w~ichst die Geschwindigkeit am Grenzschichtrand was dazu fii_hrt, dass Ou/Oz mit zunehmender Stromabkoordinate x anw~chst. Wegen Tw #" (Ou/Oz)l: o steigt danlit auch die Wandschubspannung Tw mit zunehmendem x an, folglich gilt (OTw/OX) > O. Im Falle (Op/Ox) 0 wird mit Gleichung (3.182) anch 02u/Oz 2 an der Wand Null. Das Geschwindigkeitsproffl u(z) hat dann an der Wand einen Wendepunkt. Die Geschwindigkeit am Grenzschichtrand bleibt wegen des nicht vorhandenen Druckgradienten konstant. Innerhalb der Grenzschicht wird die StrSmung jedoch durch die vorhandenen Reibungskr~ifte verzSgert. In Wandn~he nimmt dadurch der Geschwindigkeitsgradient Ou/Oz mat zunehmender Stromabkoordinate x ab. Dies f/ihrt zu einer Verringerung der Wandschubspasmung Tw in x-Richtung mit (OTw/Ox) < O. Die StrSmungsablSsung von der Profilkontur beginnt an dem Ort, an dem die stromauf positive Wandschubspannung Tw soweit abgesunken ist, dass sie erstmals den Wert Null annimmt. Dies ergibt das Kriterium ffir den Beginn der StrSmungsablSsung: AblSsekriterium :
Tw
0
(3.183)
Fiir die turbulente GrenzschichtstrSmung ist der zeitlich gemittelte Wert der Wandschubspasmung Tw 0 asLzunehmen. In Abbildung 3.82 ist die Prinzipskizze der GrenzschichtablSsung f'tir den Fall eines positiven Druckgradienten (Op/Ox) > 0 gezeigt. Ein positiver Druckgradient ffitn't zun~chst dazu, dass die StrSmung auf~erhalb der Grenzschicht in x-Pdchtung verzSgert wird. In der Abbildung ist dies dadurch verdeutlicht, dass die Geschwindigkeitspfeile am Grenzschichtrand mit zunehmender x-Koordinate kfirzer werden. Wegen (Op/Ox) > 0 gilt nach Gleichung (3.182) ffir die Kriinnnung des Geschwindigkeitsprofils an der Wand (02u/Oz 2) > 0. In grSi~erem Wandabstand ist die Krfimmung des Geschwindigkeitsprofils u(z) grundss negativ. Daher muss bei positiver Krfimmung an der Wand mit (02u/Oz 2) > 0 an mindestens einer Stelle ixmerhalb der Grenzsckicht gelten, (02u/Oz 2) 0. Diese Stelle ist ein Wendepunkt des Geschwindigkeitsprofils u(z).
Abb. 3.82: Prinzipskizze der GrenzschichtablSsung
3.4 Aerodynamik
157
bn Vergleich zum Begiml der AblSsung, bei der sich der Wendepunkt an der Waald befindet, wandert der Wendepunkt stromab des AblSsebeginns ins Grenzschichtinnere. Im Bereich eines positiven Druckgradienten (Op/Ox) > 0 wird die GrenzschichtstrSmung nicht nur durch Reibtmgs- sondern auch durch die Druclckr/s verzSgert und die Krfimmung an der Wand ist stets positiv. Die Wandschubspannung Tw nimmt in x-Richtung ab und bei Tw 0 beginnt die AblSsung. Ian zweidimensionalen Fall ist dies gleichbedeutend mit (Ou/Oz) 0. Im weiteren Verlauf stromab wird die Wandschubspannung negativ. Dies bedeutet eine Umkehr der StrSmungsrichtung in Wandn/ille mit (Ou/Oz) < 0 und somit RiickstrSmung. Die RiickstrSmung fiihrt stromab des AblSsepunktes zu einem Rezirkulationsgebiet. Auf einem zweidimensionalen Profil unendlicher Ausdetmung fiihrt die StrSmungsablSsung zu einer zweidimensionalen AblSseblase (siehe Abbildung 3.83). Die Staustromlinien verzweigen an der AblSselinie und treffen an der Wiederanlegellnie erneut auf die Wand. Die Abhfiaagigkeit der zweidimensionalen StrSmungsstruktur bei grSger werdenden Anstellwinkeln ist in Abbildung 3.84 ergfinzend zur Abbildung 3.60 f'tir iiberkritische Anstellwinkel a > ~krit gezeigt. Die StrSmungsablSsung an der Vorderkante des Profils fiihrt aufgrund der vergrSgerten Verdrfiaagung zu einer ErhShung des Druck- und Reibungswiderstandes bei gleichzeitigem Abfall des Auftriebs (siehe Abbildung 3.63). Mit wachsendem Anstellwinkel a setzt die Str5mungsabl5sung auf dem Flfigel zun~ichst mit einer stationgren AblSseblase ein, mit der AblSselinie A und der Wiederanlegelilde W. Mit steigendem Anstellwinkel komnlt es zur SekundfirablSsung die zu einer zweiten AblSsung f/ihrt. Im vorderen Teil des Fltigels bleibt die AblSsung im zeitllehen Mittel zungehst stationiir. Es bildet sieh jedoch stromab eine offene Stromfl~ehe, die zu einer instation/iren dreidimensionalen StrSmungsablSsung gehSrt. Im dritten Bild der Abbildung 3.84 zeigen alle Stromflgehen ins StrSmungsfeld. Die AblSsefl~iehen rollen auf und bilden eine Wirbelstrage. Die Sekundgrabl6sung ffihrt jetzt zu einer zweiten Wirbelstrage, da die StrSmung in Wandn/ihe llieht mehr gegen den Druekgradienten anlaufen kmm, den die prim/ire WirbelablSsung verursaeht.
A b b . 3.83: Formen der Str5mungsab15sung bei ebenen und r~iumlichen Str5mungen
158
3 Grundlagender BiostrSmungsmechanik
Abb. 3.84: StrSmungsablSsung auf dem Fliigel in Abh/iagigkeit steigenden Anstellwinkels
Ein ganz anderes Bild ergibt sich bei einer dreidimensionalen StrSmungsablSsung. Die Abbildungen 3.83 und 3.85 zeigen drei MSglichkeiten der dreidimensionalen AblSsung. Das erste Bild der Abbildung 3.85 zeigt die dreidimensionale Abl6seblase und das zweite Bild die Ausbildung einer freien Scherflgche, die zu einer Wirbelstrage fiihrt. Bei der AblSseblase ist die RiickstrSmung in der Blase durch eine dreidimensionale Scherschicht vonder HauptstrSmung getrennt. Diese Scherschicht fiitn't zu strSmungsmechanischen Instabilitgten, die jedoch im zeitlichen Mittel an der Lage der AblSseblase nichts/ialdern. Die freie Scherfl~iche des zweiten Bildes fiihrt zu einer Stromfl~ichenverzweigungslinie auf der Wand und der AblSsefl~iche, die stromab entsprechend Abbildung 3.84 aufrollt und eine instationgre Wirbelstrage bildet. In Abbildung 3.83 ist die dreidimensionale AblSseform eines Hufeisenwirbels erg/iazt, der am Fliigelende die AblSseblase auf dem Fliigel in den Randwirbel iiberffih_rt. Fiir die dreidimensionale StrSmungsablSsung 1/isst sich das AblSsekriterium Tw 0 nicht anwenden, so dass eine weiterfiihrende Theorie der Stromfl/ichenverzweigung erforderlich wird. In der Literatur sind mehrere dreidimensionale Ab15sekriterien entwickelt worden, die bisher jedoch nicht zu einer abschliegenden Theorie gefiihrt haben. Die AblSselinie der dreidimensionalen StrSmungsablSsung lgsst sich mathematisch als Konvergenzlinie der Wandstromlinien beschreiben.
Abb. 3.85: Dreidimensionale StrSmungsablSsung
159
3.5 St r 6 m u n g - S t r u k t u r - K o p p l u n g
3.5
StrSmung-Struktur-Kopplung
Zum Abschluss des BiostrSmungsmechanikk~pitels gilt es die Grundgleichungen der StrSmungsmechanik ffir die bewegten biologischen Oberflgchen mit den Grundgleichungen der Biomechanik so zu koppeln, dass der Flfigelschlag des Vogels, der Schwa~lzflossenschlag des Fisches und die Kontraktion und Relaxation des menschlichen Herzens berechnet werden kann. Da die numerischen L6sungsverfahren der Navier-Stokes-Gleichung (3.2) (Finite-Volumen-Methode, siehe H. Oertel jr. et al. 2008) beziehungsweise fiir turbulente Str6mungen der Reynolds-Gleichung (3.108) und die der Strukturmechanik (2.34) (FiniteElemente-Methode, siehe z. B. P. H u n t e r et al. 1997) nicht fibereinstimmen effolgt die Kopplung fiber die bewegte Oberfl/iche, die die Grenzfl/iche zwischen dem Str6mungsraum und der biologischen Struktur darstellt. Insofern bietet es sich an, ffir die mathematische Beschreibung der bewegten Grenzfl/iche auf die Lagrange-Daxstellung des Kapitels 3.2.1 zurfickzugreifen. 3.5.1
ALE Formulierung der Grundgleichungen
Der Deformationsgeschwindigkeit vi -{, ,~
V
\va/
(3.184)
v ?u
entspricht der Str6mungsvektor v (3.1). Dem Spannungstensor (2.3) der Struktur a~j O-ij
~
(3.185)
7-ij
entspricht der Schubspazmungstensor (3.5) der Str5mung T~j. Damit schreibt sich die Bewegungsgleichung der Strukturmechanik (2.34): p. --~
p. \ - ~ + vj. ~xj,/
~
+ fi
(3.186)
und die Navier-Stokes-Gleichung der Str5mungsmechanik (3.2): p. ~
p. \ - ~ - + vj. ~xj,/
~xj + fi
(3.187)
Die Masseerhaltung fiir die Strukturmechanik (2.39) und die der Str5mungsmechanik (3.4) sind ffir inkompressible Medien identisch: ~Vi
0xi
0
(3.188)
Ffihrt man die Gleichungen (3.186) und (3.187) zu einer Gleictmng zusa~mnen, erh'~lt ma~ die L a g r a n g e - E u l e r - F o r m u l i e r u n g der Impulserhaltung sowohl ffir die Strukturmechanik als auch ffir die StrSmungsmechanik in vektoraualytischer Schreibweise: p.
+ (v. V)(v - vG) G
Va + f
(3.189)
160
3 Grundlagen der BiostrSmungsnlechanik
va, ist dabei die Referenzgeschwindigkeit der bewegten Oberfl~iche und G bezeichnet die dazugehSrige Referenzfl~iche mit der wir uns bei der Lagrange-Formulierung mitbewegen. Relativ dazu sind die Grundgleichungen der Strukturmechanik und Str5mungsmechanik in Euler-Formulierung dargestellt. Diese sogenannte ALE (Arbitrary Lagrange-Euler) gemischte Lagrange-Euler-Formulierung bietet bezfiglich der Kopplung der struktur- und strSmungsmechanischen Grundgleichungen fiber die Lagrange-Darstellung der bewegten Oberflgche den Vorteil, dass die unterschiedlichen Rechennetze der jeweiligen Bereiche an der Grenzfl~iche G gekoppelt werden kSnnen. Ffir die Relativgeschwindigkeit v - vG gilt ebenfalls die Kontinuit~itsgleichung V 9 (v - v c ) 0. In der ALE Grundgleidmng (3.189) bedeutet p die jeweilige Dichte der Struktur und des str5menden Mediums. Der Tensor ar steht fiir 0-
ai j
der Struktur
,
mit den jeweiligen Spalmungs-Dehnungsgesetzen von Kapitel 2.2.2 und ar
7-~j
der StrSmung
,
mit dem Stokesschen Reibungsansatz (3.5) f'dr inkompressible StrSmungen
-;
+
(0v~
\b- xj +
0vj~
(3.19o)
Die Kopplung erfolgt fiber die Randbedingtmgen an der Grenzfl~iche G. Die kinematische Kopplungsbedingung besagt, dass die Deformationsgeschwindigkeit vi gleich der StrSmtmgsgeschwindigkeit v an der Grenzflgche sein muss:
vile
rio'
(3.191)
A b b . 3.86: Bereichseinteilung der ALE Lagrange-Euler-Formulierung der StrSmungStruktur-Kopplung
3.5 StrSmung-Struktur-Kopplung
161
Die dynamische Kopplungsbedingung verkniipft den Spammngstensor er mit dem Schubspammngsvektor v an der Grenzfls mit dem Normalenvektor n: er. n
r 9n
(3.192)
Der Austausch der Sparmungen mit dem hydrostatischen Druck und den Schubspannungskomponenten der Reibung ist Gegenstand der Kopplungsmodelle. Ffir die StrSmungsberechnung sind entsprechend der Abbildung 3.86 drei Bereiche zu unterscheiden. Im ersten Bereich f'tihrt die Bewegung der Kopplungsgrenzfl~iche zu einer substantiellen Lagrange-Beschreibung der StrSmungsgrSf~en. Der zweite Ubergangsbereich erfordert eine gemischte Lagrange-Euler-Betrachtung und in hinreichend grof~em Abstand vonder Grenzfl~iche wird im dritten Bereich die Euler-Formulierung genutzt. Die Abbildung 3.59 zeigt, die Bereichseinteilung mit einem charakteristischen Rechennetz f'tir die StrSmungsberechnung des menschlichen Herzens und des Vogelfliigels. Den Vogelfliigel behaaadeln wir in Kapitel 4.2.1. Am Beispiel eines sogenarmten Shapers, der bei Herzoperationen eingesetzt wird, werden die unterschiedlichen Kopplungsmodelle entwickelt.
3.5.2
Kopplurlgsmodelle
Es gibt grunds~itzlich zwei unterschiedliche Kopplungsstrategien, die explizite schwache Kopplung und die implizite starke Kopplung. Bei der expliziten K o p p l u n g werden bei jedem Zeitschritt des numerischen Rechenverfahrens die Strttkturgleichung und die Str5mtmgsgleic~ung (3.189) nac~einander gel5st und an der Grenzfl~iche G die khlematischen (3.191) und dynamischen (3.192) Kopplungsgr5~en anschlie~end ausgetauscht. Man spricht von einem parallelen Kopphmgsverfahren,
Abb.
3.87: Shapergeometrie und 0perationsmethode
der Ventrikelrekonstruktion
162
3 Grundlagen der BiostrSmungsmechanik
wenn dabei weder die kinematischen noch die dynamischen Kopplungsbedingungen erftillt sind. Bei den seriellen expliziten Kopplungsverfahren wird zumindest eine der beiden Raadbedingungen (3.191) oder (3.192) erftiUt. Das numerische Stabilit~itsverhalten dieser expliziten Kopplungsmethoden ist fiir Probleme der Aeroelastik wie z. B. der Vogelflug bei Medien geringer Dichte durchaus ausreichend, stSfgt jedoch bei StrSmungen in Fliissigkeiten rasch an seine Grenzen, wie das folgende Beispiel zeigen wird. Die implizite K o p p l u n g verfolgt dagegen eine staxke Kopplung der Strukturberechnung mit der Str5mungsberechnung. Die Kopplung erfolgt an der Grenzfl~iche G bei jedem Zeitschritt der Rechnung iterativ und erf'dllt die ldnematischen (3.191) und dynamischen (3.192) Kopplungsbedingungen. Der Nachteil der impliziten Kopplungsverfahren ist der erhebliche Rechenaufwand. Deshalb werden auch semi-implizite Kopplungsverfahren eingesetzt, bei denen die Aktualisierung der Kopplungsfl~iche bei jedem Zeitschritt eingeschr~flct wird. Die absolut-impliziten Kopplungsverfahren erfSllen zu Beginn nur eine der beiden Kopplungsbedingungen, w~hrend die zweite iterativ ermittelt wird.
A b b . 3.88: Pm'titionierte ALE Kopplung fiir den Shaper
3.5 Str6mung-Struktur-Kopplung
163
Die jeweiligen Ergebnisse der untersehiedlichen Kopplungsstrategien werden am Beispiel des Ventrikelshapers erl~iutert. Der Shaper der Abbildung 3.87 ist fiir den Herzehirurgen ein Hilfsinstrument, um bei einer Ventrikelreduktion, die naeh einem Herzinfarkt erforderlieh werden kaml, eine dem gesunden Herzen angepasste Ventrikelgeometrie zu operieren. Diese Operationsmethode wird in Kapitel 6.3.1 weiter vertieft. Der Shaper besteht aus einem aufblasbaren Ballon mit homogenen, aber isotropen Materialeigenschaften und dient uns als Zwischenschritt zur Behandlung der viskoelastischen und aaisotropen MateriaMgenschaft des menschlichen Herzens. Das partitionierte Kopplungsschema f'fir den Shaper ist erggnzend zur Abbildung 3.86 in Abbildung 3.88 dargestellt. Das explizite Kopplungsverfahren zeigt fiir dieses Beispiel keine zufl'iedenstellende numerische Genauigkeit und Stabilitgt. Der Grund liegt in der grogen Dichte der BlutstrSmung, die einen hohen dynamischen Druck und damit einen grofgen Einfluss auf die Wandkr~ifte verursacht. Auf der Strukturseite des BaUons verursacht die geringe Steifigkeit groge Deformationen, die wiedertml einen grogen dynmnischen Druck auf die StrSmung ausiiben. Unterhalb einer kritischen Grenzdichte wird bei vorgegebener Steifigkeit das explizite Kopplungsschema numerisch instabil. Erst die implizite Kopplung f'fi_hrtzu einem befriedigenden Ergebnis. Die Abbildung 3.89 zeigt das Ergebnis der Iteration der dynamischen Randbedingung (3.192). Aufgetragen ist die radiale Ortsver/inderung Ar der Grenzfl/iche in Abhgngigkeit der Zeitschritte At des numerischen Rechenverfahrens. Bei jedem Zeitschritt ist die durch die Iteration verursachte Ortskorrektur der Grenzft/iche zu erkennen. In Abbildung 3.90 sind die Ergebnisse der Struktur- und StrSmungsberechnung der Frillund AusstrSmphase des Shapers bei periodiseher Relaxation und Kontraktion dargestellt. Im oberen Bild ist die Faserverteilung in der Shaperwand und im unteren Bild die sieh daraus ergebende Str6mung im Mittelsehnitt des Ventrikelshapers gezeigt. Es sind alle eharakteristisehen Merkmale der in Kapitel 1.3 besehriebenen Ventrikelstr6mung des mensehliehen Herzens zu erkermen. Der Einstr6mjet durch die Mitralldappe verursaeht den eharakteristisehen Ringwirbel, der sieh mit der weiteren Verformung des Ventrikels in
Abb. 3.89: Bewegung der Grenzflgche in Abhgngigkeit der Zeitschritte des numerischen Rechenverfahrens f'tir die implizite Kopplung
164
3 Grundlagen der BiostrSmungsmechanik
die Ventrikelspitze bewegt. Beim 0ffnen der Aortenklappe erfolgt das zeitlich geordnete Ausstr5men des dreidimensional verzweigten Ringwirbels entsprechend den Abbildungen 1.19 und 1.43 der StrSmung im menschlichen Herzen.
A b b . 3.90: Faserverteilung in der Shaperwand und StrSmungsbilder w~ihrend der F/illund AusstrSmphase
165
4
Fliegen
Nachdem die biomechanischen und biostrSmungsmechamschen Grundlagen bereitgestellt sind, kommen wit auf die im einf'd_h_renden Kapitel 1.2 aufgef'd_h_rten Beispiele des Fliegens in der Natur und deren tecb_n_ische Umsetzung im Hubschrauberflug und beim Verkehrsflugzeug zuriick.
4.1
Insektenflug
Insekten fliegen bei Reynolds-Zahlen von 10 1 bis 10~ mit einer Schlagfrequenz der Fliigel zwischen 200 und l0 ~ s 1. Die fiir den Auftrieb erforderliche WirbelablSsung am Umkehrpunkt des Flfigelschlages ist entsprechend den Ausffihrungen in Kapitel 3.3.1 laminar. Die Prinzipskizzen der Abbildung 4.1 zeigen die Wirbelbildung eines Sc~uetterlingflfigelpmures in zeitlicher Abfolge eines Schlagzyklus im Schwebeflug. Entgegen des Libellenfliigels der Abbildung 1.10 schlagen die Flfigelpam'e der meisten Insekten synchron. Der Auf- und Vortrieb wird durch die Rotation und Verwindung der Fliigelpaaxe erreicht. Am unteren Umkehrpunkt des Fliigelschlages ist der aerodynamische Wirbel ffir die Auftriebserzeugung vollst~ndig entwickelt. Die Auftriebskraft ergibt sich als Reaktionskraft des nach unten strSmenden Ringwirbels.
A b b . 4.1: Schlagzyklus eines Schmetterlingflfigelpa~res
166
4 Fllegen
Die Berechnung der instation~iren und laminaren UmstrSmung der Insektenflfigel erfolgt mit der dimensionslosen Navier-Stokes-Gleichung (3.64) Ov 0-7 + (v. V)v
1 - V p + R-~eL" Av
(4.1)
und der Kontinuitgtsgleichung (3.65) V.v
0
(4.2)
Fiir die ldeinsten Insekten dominiert bei einer Reynolds-Zahl ReL 10 1 die Reibungskraft und die Trggheitsterme auf der linken Seite der Navier-Stokes-Gleichung kSnnen vemachl/issigt werden: 1
Re~"Av
Vp
(4.3)
Fiir den reibungsfreien Auf~enbereich der Tragfl~ichenumstrSmung gilt fiir die grSt~eren Reynolds-Zahlen ReL > 102 die Potentialgleichung (3.74) A~
0
,
(4.4)
mit dem Geschwindigkeitspotential v V ~ und es 1/isst sich die Prandtlsche Tragfl~ichentheorie des Kapitels 3.4.2 anwenden. Die Insektenfltigel sind lficht profilierte Tragfl/~chen. Der Auftrieb wird ausschliei~lich durch die Vorderl~tenablSsung der Abbildung 4.1 erzeugt. Die Flug-Reynolds-Zahl der Wespe betdigt ReL 400 und die reduzierte Schlagfrequenz (3.61) k 2.5. Fiir reduzierte Schlagfrequenzen k < 0.3
quasistation~
(4.5)
ka~n man den Flfigelschlag quasistation~ berechnen und ffir reduzierte Schlagfrequenzen k
>
0.3
instation~
(4.6)
muss die instation~ire Navier-Stokes-Gleichung numerisch gelSst werden. Insofern liegt der Wespen-Fliigelschlag re_it k 2.5 ira instation~iren Berechnungsbereich. Die Insektenfliigel verformen sich aufgrund der aerodynamischen Kr~ifte und beulen insbesondere beim Abschlag aus. Deshalb muss auch hier wie beim Vogelfliigel die in Kapitel 3.5 beschriebene StrSmung-Struktur-I(opplung beriicksichtigt werden. Die hlsektenfliigel werden aus Hautausstiilpungen gebildet, weshalb sie auch Hautflfigler genannt werden. Fliigeladern dienen der Versteifung und Spammng der Fliigelfl~ichen. Ehl Strukturmodell der Insektenflfigel ist nut in Ansgtzen entwickelt. Elastizit~itsmodule dieses biologischen Verbundmaterials finden sich bei J. F. V. Vincent und U. G. K. Wegst 2004. 4.1.1
Schwebeflug
Im Schwebefiug miissen die Insekten und VSgel im Wesentlichen Luft nach unten transportieren, um mit dem gewolmenen Auftrieb ihr Gewicht kompensieren zu kSnnen. Beim
4.1 Insektenflug
167
Hubschrauber leistet dies der Rotor. Die Insekten erreichen den erforderlichen Auftrieb durch das Schlagen ihrer Flfigelpaare in einer horizontalen, um einen Winkel geneigten oder, wie in Abbildung 4.1 gezeigt ist, vertikalen Schlagebene. Da die Insektenitfigel nicht profiliert sind, wird die ffir den Auftrieb erforderliche Zirkulation F d e r Gleichung (3.164) durch die WirbelablSsung an der Vorderkante des mit dem Winkel a amgestellten Fliigels erzeugt. W~hrend eines Flfigelschlages ~ndert sich der Anstellwinkel a(t) und damit auch der Auftriebsbeiwert ca(t) kontinuierlich. Im zeitlichen Mittel entsteht dabei der ffir das Schweben erforderliche Auftrieb ~-2. Die Abbildung 4.2 zeigt den zeitabh~ngigen Auftriebsbeiwert ca(t) und die dazugehSrigen StrSmungsbilder ffir einen Flfigelschlag in der horizontalen Ebene. Zu Beginn des (Vor-) Abwfirtsschlages entsteht mit wachsendem Anstellwinkel des ebenen quer angestellten Flfigels ein Maximum des Auftriebs. Bildet sich der Vorderkantenwirbel aus, sinkt entsprechend der Abbildung 3.62 der Auftriebsbeiwert auf einen niedrigeren Wert, bis schlieglich am Umkehrpunkt des Flfigelsdflages erneut eine Auftriebsspitze zu verzeichnen ist. Diese wird durch die Rotation des Flfigels zur Vorbereitung des Aufw~rtsschlages verursacht. Beim (Rfick-) Aufw~rtsschlag drehen sich die StrSmungsverh~ltnisse um und es ergibt sich ein analoges Bild des Auftriebsbeiwertes ca(t). Obwohl AnsteUwfflkel welt fiber dem kritischen Anstellwinkel O~krit der Abbildung 3.60 erreicht werden, bleibt auf dem Flfigel eine AblSseblase erhalten. Das den Zusammenbruch des Auftriebes verursachende Aufplatzen der AblSseblase tritt nicht auf. Dieser Vorgang bei a > O~krit braucht Zeit. Die Frequenz des Flfigelschlages der Insekten ist so grog, dass diese Ausbildungszeit nicht zur Verfiigung steht und die Flfigelumkehr vorher eintritt. Bei den Umkehrpunkten des Flfigelschlages ist aufgrund des grogen Anstellwinkels der Widerstand entsprechend grog,
Ca j
t
Abb. 4.2: Prinzipbild des Auftriebsbeiwertes tenflfigelschlages
ca(t) und die StrSmungsbilder eines I_nsek-
168
4 Fliegen
A b b . 4.3: Dreidimensionales StrSmungsbild der WixbelablSsung im Schwebeflug der den Fliigel verzSgert und die Flfigelumkehr einleitet. Die StrSmung im unmittelbaren Nachlauf des Flfigels hat aufgrund des groigen Widersta~des eine staxke Komponente nach rechts (Bild 3) sowie ehle Abw~'tskomponente, die den Auftrieb erzeugt. Bei Bild 4 ist der Flfigel wieder in sehle Ausgangslage zuriickgekehrt und der Aufw~'tsschlag mat umgekehrter AnstrSmrichtung kalm beginnen.
A b b . 4.4: Polaren von Insektenflfigeln in Abh~gigkeit der Reynolds-Zahl ReL, W. Nachtigall 1989
4.1 Insektenflug
169
Das dreidhnensionale Bild des Schwebefluges der Abbildung 4.3 fasst die resultierenden Str5mungsverh~iltnJsse zusa~nnen. Entsprechend der Abbildung 3.70 bildet sich um den Flfigel aufgrund der Str5mungsablSsung an der Vorderkante der auftrieberzeugende gebundene Wirbel, der an den Flfigelspitzen in die Randwh'bel fibergeht. Dieser Hufeisenwirbel wird bei jedem Schlagzyldus fiber den Anfahrwirbel geschlossen und strSmt als gesctflossener Ringwirbel in den Nachlauf. Die P o l a r e n des unprofilierten Insektenflfigels h ~ g e n stark vonder Reynolds-Zahl ab. In Abbildung 4.4 sind die Polaren der Heuschrecke bei der Re.~olds-Zahl ReL 5. l03, der Mficke bei der Re.~olds-Zahl ReL 5. l02 und der Fruchtfiiege bei ReL l02 dargestellt. Die Polare der Mficke bei der Reynolds-Zahl 5. l02 entspricht dem, was wit von Kapitel 3.4.1 und Abbildung 3.61 kennen. Auf der Ober- und Unterseite des Flfigels bilden sich laminare Grenzschichten aus, die fiber die la~linare Abl5seblase auf dem Flfigel in die beschriebene Wirbelbildung der NachlaufstrSmung fibergehen. Aufgrund der instation~iren VerzSgerung des Aufplatzens der AblSseblase bei Anstellwinkeln a > O~krit werden bei den Insekten Anstellwinkel bis zu a 30 ~ erreicht. Wegen der, verglJchen mit dem Vogelflug, um ehle GrSf~enordnung geringeren Reynolds-Zahl ist die Grenzschichtdicke
Abb. 4.5: Flfigelstellungen der Libelle wgllrend eines Schlagzyklus
170
4 Fliegen
6 nach Gleichung (3.77) um 1/Rv/-R-~dicker und damit der Widerstandsbeiwert Cw deutlich grSger. Bei den kleineren Reynolds-Zahlen ReL 5. 102 und 102 dickt die Grenzschicht weiter auf und im Polarendiagramm nimmt der Widerstandsbeiwert Cw um bis zu einem Faktor 4.5 zu. Dabei werden jedoch grSgere Anstellwinkel bis zu a 50 ~ erreicht und der Auftriebsbeiwert hat f/Jr Anstellwinkel a > 20 ~ nahezu den konstmlten Wert ca 0.8. Der aerodynamisch interessanteste Insektenflug ist der in Abbildung 1.10 gezeigte Libellenflug. Die gegenphasig schlagenden Fliigelpaare erm6glichen der Libelle eine sonst in der Natur nicht erreichte Man6vrierf'dhigkeit. Die Schlagebene der Fliigel ist um 60 ~ geneigt. Die Schlagfrequenz bei der Reynolds-Zatfl ReL 103 betr/igt f 40s 1. Die Abbildung 4.5 zeigt die einzelnen Phasen der spiegelbildlich schlagenden Vorder- (grau) und Hinterfliigel wfilrrend eines Schlagzyklus. Die durch Striche gekelmzeichnete Fliigelkinematik ist in Abbildung 4.6 erggnzt. Die Fliigelpaare der Libelle erzeugen entsprechend der Prinzipskizze der Abbildung 4.2 Fliigelvorderkantenwirbel im Umkehrpunkt eines jeden Fliigelschlages. Beim darauffolgenden Fliigelschlag werden die vorangegangenen Abschlagwirbel zur Auftriebserzeugung genutzt. Die Wechselwirkung zwischen dem Nachlauf des Vorderttiigels und dem Hinterfliigel hgngt entscheidend yon der kinematischen Phasenlage der Abbildung 4.6 ab.
Die numerische L5sung der Navier-Stokes-Gleichung (4.1) und der Kontinuits (4.2) fiihrt zu den berechneten Auftriebs- und Widerstandskr~iften FAund Fw der Abbildung 4.7 in Abh~gigkeit des Schlagzyklus der Libelle im Schwebeflug. Dabei wird die Fliigelgeometrie der Abbildung 4.5 aus dem Experiment im Windkanal vorgegeben. Der gezeigte Verlauf der Kr~ifte entspricht dem Prinzipbi_Id der Abbildung 4.2 und ist in Ubereinstilmnung mit Kr~iftemessungen an Libellen im Windkanal. Die Auftriebsspitzen an den
A b b . 4.6: Flfigelkinematik der Libelle, Z. J. Wang 2005
4.1 Insektenflug
171
Abb. 4.7: Berechnete Auftriebs- und Widerstandskrgfte einer Libelle im Schwebeflug, M. Sun und S. L. Lan 2004 Umkehrpunkten der F1/igel sind nicht so stark ausgepr~gt, wie im Prinzipbild zuns angenommen. Die Rechnung zeigt, dass die instation~iren vertikalen Kr~ifte zweimal so groi~ sind, wie die mit der quasistation~en Navier-Stokes-Gleichung (4.1) mit Ov/Ot 0 berechneten. Dies bests unsere Vorhersage (4.6), dass bei einer mit der AbstrSmgeschwindigkeit des Schwebefluges von 1 m/s gebildeten reduzierten Frequenz k 2 das StrSmungsfeld instation~r berechnet werden nmss. Die Abbildung 4.8 zeigt das Ergebnis einer solchen StrSmungsberectmung ffir einen Modellflfigel der Libelle im Schwebeflug. Die Wirbelst~keverteilung ,~
V xv
(4.7)
Abb. 4.8: StrSmungsberechnung eines idealisierten Libellenfl/igels im Schwebefiug, Z. J. Wang 2000
172
4 Fllegen
A b b . 4.9: Wirbelabl6sung im Vorw~tsflug ist in vier Momentanbildern eines Schlagzyldus des Libellenfl/igels daxgestellt. Alle charakteristischen Merkmale der Vorder- und HinterkantenwirbelablSsung einsctflie~lich des nach unten abschwimmenden Ringwirbels der Prinzipbilder der Abbildungen 4.2 und 4.3 sind wiederzuerkelmen.
4.1.2
Vorwllrtsflug
Beim Vorw~tsflug der Insekten findert sich das Prinzipbi]d der Abbildung 4.3. Der Insektenk6rper befindet sich wie der Hubschrauber beim Vorw~rtsflug in geringer Schieflage, so dass die zum Schwebeflug relativ geneigte Scklagebene der Fliigelpaare jetzt einen zus~tzlichen Vortrieb erzeugt. Da~lfit schwimmen die den Riickstog erzeugenden Wirbel entsprechend der Abbildung 4.9 im Nachlauf stromab. Die Abbildung 4.10 zeigt das resultierende Geschwindigkeitsdiagraznm. Der Sclflagfliigel wird mit der Relativgeschwindigkeit u, angestrSmt, die sich vektoriell aus der AnstrSmgeschwindigkeit U und der Geschwindigkeit in der F1/igelsclflagebene us zusammensetzt. Die der AnstrSmung/iberlagerte F1/igelldnematik der Libelle ist in Abbildung 4.11 darge-
A b b . 4.10: Geschwindigkeitsdiagramm der AnstrSmung eines Schlagfl/igels
4.1 Insektenflug
173
stellt. Dabei bleibt verglichen mit dem Schwebeflug die Auftriebskraft deutlich gr5ger als der Vortrieb, der durch die vorw~'tsgerichtete Horizontalkomponente der Auftriebskraft FA erzeugt wird. Die rtickw~rtsgerichtete Horizontalkomponente der Widerstandskraft F w ergibt den Gesmntwiderstand der vorw~'tsfliegenden Libelle.
&f Abschlag
Au~ag
A b b . 4.11: F1/igelkinematik des Libellenfl/igels
174 4.2
4 Fllegen Vogelflug
Im Gegensatz zu Insekten haben die in der Evolution sparer entwickelten VSgel profilierte Tragflfigel, die beim Flfigelschlag der Abbildung 1.11 sowie beim Gleiten sowohl Vortrieb als auch Auffrieb erzeugen. Der Reynolds-Zahlbereich der VSgel reicht von ReL 105 ffir den Kolibri bis ReL 106 ffir den Seesegler Albatros und den Andensegler Kondor der Abbildung 1.13. Die Schlagfrequenzen reichen von 45 s 1 ffir den Kolibri der Abbildung 1.14 his zu 1 s 1 ffir den Albatros. Das entspricht den reduzierten Frequenzen k 1 his k 0.1. Der Flfigelschlag einer MSwe ist in Abbildung 4.12 gezeigt. Zu Beginn des Abw~tsschlages ist der Flfigel voll ausgestreckt und bewegt sich olme Vorw~irtskomponente relativ zum Vogel. In der Mitre des Abw~tsschlages wird die Flfigelspitze leicht gedreht trod erzeugt die Vortriebskmnponente. Am Ende des Abw~rtsschlages ist der Flfigel voll gestreckt und erzeugt fiber die gesamte Flfigelspannweite Auftrieb. Zu Beginn des Aufw~tsschlages wird der Flfigel abgel~nickt bei gleichzeitiger ErhShung des Anstellwinkels, um den Verlust des Auftriebs im ~u~eren Teil des Flfigels zu kompensieren. Dabei bewegt sich der Flfigel leicht nach hinten und die Flfigelspitzen werden etwas gespreizt. Die Hauptfedern des Flfigels befmden sich in Ruhestellung. In der Mitte des Aufw~rtsschlages sind die Federn fiberehmndergefaltet. Die Rfickwiirtsbewegung wird fortgesetzt und der Anstellwinkel welter erhSht. Am Ende des Aufw~'tsschlages ist der Flfigel wieder gestreckt und die Hauptfedern schwingen wieder nach vorne, um den n~chsten Abw~tsschlag einzuleiten.
Abb. 4.12: Flfigelschlag einer MSwe, J. Gray 1968
4.2 Vogelflug
175
Die Stabilitiit des Vogelfiuges wird mit den Schwanzfedern erreicht. Deren Spreizen ermSglicht auch abrupte FlugmanSver wie Abbremsen, Schweben und Gleiten. Die Fliigel der VSgel sind ffir das Fliegen bei grSgeren Reynolds-Zahlen ausgelegt. So wird durch geeignete Grenzschichtkontrolle aufgrund der Beweglichkeit der Federn, den Schlitzen in den Vorderfliigeln mid dem Spreizen der Fliigelendfedern die StrSmungsablSsung vermieden und der induzierte Widerstand gering gehalten. Durch eine geeignete Oberflgehengestaltung wie Vorderkantenl~nmle mid Federflaum wird der Reibungswiderstand reduziert und z. B. bei der Naehteule der Abbildung 1.4 aerodynanfisehe Ger~usehe verringert. Die Bereelmung der instationgren turbulenten Umstr6mung des Vogelfliigels erfolgt bei den grogen Reynolds-Zalalen mit der Reynolds-Gleiehung (3.108) P
57 + ( ~ v ) ~
-v~ + v
~ + v
~t
(4.8)
und der zeitlich gemittelten Kontinuitgtsgleichung Vg
0
(4.9)
F/Jr die Schubspannungen 7ij gilt die Gleichung (3.110): _
Tij
(07~
0i~j~
#" k~x~xj+ 0-~xi,]
(4.10)
und ffirden turbulenten Schubspannungstensor wt der Korrelation der Schwamkungsgesehwindigkeit giltder Boussinesq-Ansatz (3.111):
- p . vf.v~
#t" \~x-~xj+ ~x-~xi]
'
(4.11)
sofern eine isotrope Feinstrukturturbulenz in den turbulenten Grenzscbichten des Vogeltltigels vorliegt. Ftir die Berechnung des turbulenten Schubspmmungstensors ist ein Turbulenzmodell beziehungsweise die in Kapitel 3.3.3 beschriebene Grobstruktursimulation erforderlich. Die StrSmungsberechnung erfolgt wie beim hlsektenflug instation~ir, sofern die reduzierte Frequenz k des Fliigelschlages nach Gleichung (4.6) k > 0.3 ist. Fiir die Berechnung des Fliigelschlages der Land- und Seesegler kann bei einer Schlagfrequenz von 1 s 1 beziehungsweise dem Segeln im Aufwind die StrSmungsberechnung quasistation~ir durchgef'ti_hrt werden und alle Grundlagen und Grundgleichungen des Kapitels 3.4 der Aerodynamik angewendet werden. Wfilarend des Fliigelschlages verformt sich der Vogelfliigel, so dass auch bier wie beim Insektenttiigel die StrSmmlg-Struktur-Kopplung des Kapitels 3.5 berficksichtigt werden muss. 4.2.1
Strukturmodell
d e s Vogelttfigels
F/Jr die Modellierung der StrSmung-Struktur-Kopplung ist zun~ichst ein Strukturmodell des Federldeides des Vogelfl/igels erforderlich. Ausgehend yon der Originalzeichnung von O. Lilienthal der von den Fliigelfedern erzeugten Profile entlang der Spannweite (Abbildung 4.13), sind in Abbildung 4.14 alle Details des Federkleides dargestellt. Die Profildicke
176
4 Fliegen
A b b . 4.13: Profilschnitte des Storchenfl/igels, O. Lilienthal 1889
nimmt von der F1/igelwurzel zur Spitze hin ab und kaxm bis zu einem gewissen Grad aktiv vom Vogel vaxiiert werden. Der Vogelfliigel besteht aus den Prim~irfedern, die den Aufgenfl/igel bilden und den Sekund~federn des inneren Fliigels. Dem iiberlagert sind unterschiedliche Arten von Deckfedern. Die P r i m ~ f e d e r n machen 30 % - 40 % der Fl~iche des
A b b . 4.14: Federkleid einer MSwe, A. Azuma 2006
177
4.2 Vogelflug
Vogelflfigels aus und kSnnen vom Vogel einzeln gesteuert und wfilurend des Schlagzyklus gespreizt werden. Die Sekund~irfliigel des inneren Fliigelteils sind parallel angeordnet und kSnnen in einzelnen Gruppen dureh eine elastisehe Membran vom Vogel kontrolliert werden. Die Deekfedern sehliegen die Spalte zwischen den Hauptfedern und dem Ubergang zum Vogelrumpf. Im mittleren Teil des Flfigels haben sie die in Kapitel 1.4 (Abbildung 1.31) besehriebene passive Punktion der RiickstrSmklappe, die bei hohen Anstellwinkeln die grogrgumige RiickstrSmung auf dem Flfigel und damit die StrSmungsablSsung verhindert. Insofern hat die Evolution mit dem flexiblen Vogelfliigel den idealen adaptiven Fliigel entwickelt, der sich jeder Fluglage und jedem FlugmanSver in idealer Weise anpasst. Die Stru_ktur einer Einzelfeder ist im rechten Bild der Abbildung 1.14 gezeigt. Sie besteht aus dem Federldel und den Federhaaren, die miteinander verzahnt sind. F/Jr den Elastizit/itsmodul (2.12) des Federkiels wird in der Literatur der mittlere Wert E 2.5 GPa angegeben. Die Federn sind iiberlappend artgeordnet, so dass sie eine geschlossene Fliigeloberflgche bilden. Durch die Federhaare entsteht eine im Mikrometerbereich gerippte Oberfl~iche, die wie beim Hal der Abbildung 1.7 den Reibungswiderstartd verringert und den Lotuseffekt der Abbildung 1.3 ffir die Selbstreinigung der Fliigeloberflgche nutzt. Die Fliigeloberfl~iche ist ira Bereich der Fliigelspitze und w~ihrend des Flfigelaufschlages luftdurehlgssig. In Abbildung 4.15 sind die/iberlappenden Federn des Vogelfl/igels, die gesehlossene Oberflgehe beim Abschlag, das DurehstrSmen der Spitzen der Prim/irfedem und das DurehstrSmen beim Aufsehlag sldzziert. Aufgrund der UmstrSmung der Fliigelspitzen wird der induzierte Widerstandsbeiwert ci verringert. Die DurehstrSmung der Federn beim Aufsehlag verringert bei den grogen Anstellwinkeln der Federn den Gesamtwiderstmldsbeiwert Cw. Aus den Erkenntnissen des Aufbaus des Vogelfliigels gilt es ein vereinfachtes Geometrieund Strukturmodell ill der Weise abzuleiten, dass aUe ehaa-akteristisehen aerodyna~nischen Merkmale eines Fliigelsehlages mit einem abstrahierten elastischen StrukturmodeU abge-
Abschlag
Raudwirbel
?uf~hlag
Abb. 4.15: Durchstr5mungsbereiche des Vogelfliigels
178
4 Pliegen
bildet werden. Daffir wird in Vogelflugversuchen im Windkanal die Oberflgchengeometrie des fliegenden Vogels gefflmt und das dynamische Geometriemodell der Abbildung 4.16 daraus abgeleitet. Das vereinfachte Strukturmodell modelliert die Fliigeloberflgche als zonale anisotrope elastische Membran. Daf/ir werden die unterschiedlichen Federgruppen des Vogelfliigels gesondert betrachtet und anhand ihrer mechanischen und ldnematischen Funktionalit~iten zu einzelnen Bereichen zusammengefasst. Der Federkiel wird mit einem rechteckigen Kastenprofil abgebildet, das sich in Pdchtung der Hinterkante verjfingt und einen elliptischen Querschnitt annimmt. Desweiteren ~indert sich der E-Modul des Federkiels bis zur Federspitze. Mit gemessenen Werten an Schwanenfedern wird ein linearer Verlauf mit dem mittleren Wert von E 2.5 GPa angenommen. Die Federhaare zwischen den Spalten der Hauptfedern werden mit Hilfe einer Membran modelliert, die zwischen den Federldelen aufgespannt ist und ebenfalls den konstanten mittleren Wert des Elastizitgtsmoduls besitzt. Zwei weitere Membranen modellieren die Deckfedern des Vogelfliigels. Das f/Jr den F1/igelschlag charakteristische Spreizen der Primgrfedern wird vereinfacht durch die gestreiften F1/ichen in Abbildung 4.16 abgebildet. Beim Fliigelabsctflag shld die Flgchen luftundurchlgssig und beim Fliigelaufschlag teilweise geSffnet. Die geometrische Form der drei Membra~mn sind dem zu modellierenden Fliigels angepasst. Die Dicke der Membran der Deckfedern ist an der Fliigelvorderkmlte zwei bis dreimal so grog wie die der Federham'e und vetjiingt sich in Richtung der Hinter -l~aalte, was zu einer Vetjfingung des Fliigelproffls f/itn't. Aufgrund der hohen Biegesteifigkeit des Fliigelknochens wird dieser f~r das Strukturmodell als FestkSrper angenommen. Die Kinematik des Auf- und Absctflages des Vogelfliigels wird durch die Vorgabe einer orts- und zeitabhgngigen Bewegung der Fliigelknochen in das Modell implementiert. Die Bewegung beinhaltet die Rotation des Fliigels um seine Liingsachse, die Hubbewegung sowie das Abknicken des F1/igels beim Aufschlag.
Abb. 4.16: Geometrie- und Strukturmodell eines Vogelfl/igels
4.2 Vogelflug 4.2.2
179
Gleitflug und Windeffekt
VSgel beherrschen den Gleitflug, den Vorw~tsflug und einige VSgel den 5chwebeflug. F/Jr Start und Landung besitzen sie besondere den Auftrieb vergrSffernde Federstellungen. Das Gleiten und Fliegen hat die Evolution viermal erfunden (Abbildung 4.17). Flugf'/Jaige Insekten gab es bereits zur Steinkohlezeit. Im Erdmittelalter flogen riesige Flugechsen mit einer Spannweite von 8 m. Etwa um die gleiche Zeit entstanden die VSgel. Die ersten fledermausartigen S~uger sind aus dem Terti~r bekazmt. In jeder dieser vier Gruppen sind die F1/igel von anderer Art. Die Abbildung 4.18 zeigt die charakteristische Profilierung eines Vogelfl/igels entlang der Spannweite S am Beispiel der Taube. Im mittleren Teil des F1/igels sind die Profile stark gewSlbt, um w~illrend des F1/igelschlages und im Gleitflug einen m5glichst groffen Auftrieb zu erzeugen. Zur F1/igelspitze ban nimmt die Profilierung und WSlbung der F1/igelprofile kontinuierlich ab, was einen effizienten Vortrieb begiinstigt. Der Gleitflug erfolgt bei Anstellwinkeln a zwischen 3 ~ und 5 ~ W~ihrend des F1/igelschlages und beim ManSvrieren wird die gesamte Polare der Abbildung 4.18 durchflogen. Dabei optimiert der Vogel kontinuierlich den erforderlichen Auftrieb mit dem f/Jr den Flug notwendigen Vortrieb, wobei das 0berschxeiten des Grenzanstellwinkels yon ca. 25 ~ vermieden wird. In Abbildung 4.19 sind zwei charakteristische Druckverteilungen bei untersctfiedlichen Anstellwinkeln
A b b . 4.17: Evolution der Fliigelentwicklung
180
4 Fliegen
A b b . 4.18: Profilschnitte und Polare der Taube im Gleitflug
gezeigt. Sie zeigen den typischen Verlauf der Unterschallprofile, die wir aus Kapitel 3.4 kennen. Fiir den Horizontalflug benStigt der Vogel die Arbeitsleistung P, um das Gewicht G bei der Fluggeschwindigkeit U zu kompensieren. Mit der Sinkgeschwindigkeit Us und der Widerstandskraft F w ergibt sich fiir die Vortriebsleistung: P
G . U~
Fw 9U
(4.12)
Der Widerstand F w des Vogels und die Auftriebskraft FA berectmen sich aus den Beiwerten Cw und Ca: Fw
1
~ .Cw "poo 9S . L . U 2
, (4.13)
1 FA
~
. c~ . poo . S
. L . U 2
,
A b b . 4.19: Druckverteilung in Abh~ngigkeit des Anstellwinkels
4.2 Vogelflug
181
mit der Flfigelflgche S . L, die in Abbildung 4.20 ffir VSgel und Insekten in Abhiingigkeit der KSrpermasse m aufgetragen 9 Daraus result9 Fw
c__~w. FA
,
(4.14)
Ca
mit den] Reziprokwert der Gleitzalal ca/Cw.Beim Horizontalflug wird das Gewieht G dureh den Auftrieb FA kompensiert. Damit ergibt sicl~: Fw
c__~w.G
(4.15)
Ca
und die Vortriebsleistung p
c___~w.G . U
(4.16)
Ca
Absch/itzungen der aufzubringenden Arbeitsleistung fiihren beim Vogel zu der Schlussfolgerung, dass nach dem in Kapitel 1.2 beschriebenen Grayschen Paxadoxon die verfiigbare Muskelkraft nicht f'tir die Aufrechterhaltung des Fluges ausreichen lca~nn. Den selben Sachverhalt finden wir befin Schwimmen des Fisches. Dies fiihrt zu der Sct~lussfolgerung, dass durch eine geeignete Str6mungskontrolle der Widerstand derart reduziert wird, dass auch be9 geringer Muskelkraft das Schwimmen be9 grogen Geschwindigkeiten mSglich 9
S "L/m 2 10 ~
10 5
O
10 4 o
o
~
103
9
o
1
A
II
o
9
9 oo 9 y
|9
99 o 9 9 9 9 o o
10 2
101
V5gcl L~cllcn Inscktcn Koh"aris
Hcdcrmaua Schmcttcrlingc
0t
]
]
]
]
]
]
1010-6
10 4
10 .4
10 -3
10 -2
10 -1
10 ~
p..
m/kg
A b b . 4.20: Statistische Werte der Fliigelfl~iche S. L in Abh~ingigkeit der K5rpermasse m
182
4 Fliegen
Den gleichen Sachverhalt finder man beim Vogelflug. Durch das Spreizen der Flfigelendfedern wird w~hrend des Fluges der induzierte Widerstand der Raadwirbel verringert. Das w~hrend des Fliigelschlages bewegliche Federkleid ermSglicht dem Vogel eine optimale StrSmungskontrolle, die die Str6mungsabl5sung vermeidet und anfgrund der partiellen Durchl~sigkeit der Federn beim Aufw~irtsschlag ebenfalls den Widerstand reduziert. Damit wird vom Vogel die Fluggeschwindigkeit U mit geringerer Muskelkraft erreicht, Ms man sie mit Gleichung (4.16) vorhersagt. Die Gleichung (4.16) bleibt eine Absch~itzung der erforderlichen Vortriebsleistung, da die instation~en aerodynamischen KrMte des FKigelschlages bisher nicht beriicksichtigt wurden. Im Horizontalflug ist der Auftrieb des Fliigels im Gleichgewicht mit dem Gewicht des Vogels. Damit l ~ s t sich die Fluggeschwindigkeit U in Abh~gigkeit des Gewichts G und der FKigelfl~icheS. L ausdriicken: 1 9 Ca 9 p~
U
9 S"
9
-
G
,
K.
Ca 9 p~
mit der Konstanten K
L 9U 2
S"
L
S. L
(4.17)
~/2/(Ca" p~).
Die f'tir den Flug erforderliche Arbeitsleistung P Fw 9L/(4.16) ist demzufolge proportional dem Produkt aus Widerstand Fw und der Quadratwurzel der Fl~ichenlast G/(S. L). Die KrMtebilanz im Gleitflug ist in Abbildung 4.21 dargestellt. Die Gleitlinie ist urn den Winkel a gegen die Horizontale geneigt und der Vogel gleitet mit ansgestreckten Fliigeln. Das Gewicht des Vogels G wirkt vertikal nach unten und hat die Komponenten P G. sin(a) und N G. cos(a). Station~ires Gleiten erglbt sich, were1 der Widerstand Fw entgegengesetzt gleich der Auffriebskomponente G. sin(a) ist. Bei kleinem Gleitwinkel a kann der Auftrieb gleich dem Gewicht gesetzt werden: Fw
G. sin(a)
1
~ .Cw . p ~ 9S. L. L/2 (4.18)
1 F A
G
~
9 c a 9 p~
9 S.
L. L/2
Die Resultierende von Auftrieb und Widerstand FR zeigt entgegengesetzt dem Gewicht. Daraus ergibt sich f'tir den Gleitwinkeh tan(a)
Cw
(4.19)
Ca
Der Gleitwinkel ist damit unabh~ingig vom Gewicht des Vogels und von der Fliigelfl~che. Er h~iagt ausschliei~lich vonder Profflierung des Fliigels ab. Mit (4.17) erh~t man die Gleitgeschwindigkeit des Vogels: 2. G. cos(a)
L1
VCa Y- :
G
K IS L
(4.20)
4.2 Vogelflug
183
_ / "~\FR
Gewicht
~d~mische
I~ai~
Abb. 4.21: Gleichgewicht der Kr/ifte beim Gleitflug Deshalb gleiten V6gel mit groi~em Gewicht und kleinen Fltigeln schneller als leichte VSgel mit groi~en F1/igeln. Bei kleinen Gleitwinkeln ist der Auftrieb gleich dem Gewicht und der Auftriebskoeffizient verh/ilt sich umgekehrt proportional zur Gleitgeschwindigkeit: 2.G Ca
S.
L. p~
(4.21)
9U 2
Deshalb verursacht jede Anderung des Gleitwinkels eine Anderung der Fluggeschwindigkeit. Ber/icksichtigt man das Abl6severhalten des Vogelfliigels der Abbildung 4.18, so existiert ein maximaler Auftriebsbeiwert und eine entsprechende minimale Fluggeschwindigkeit Umin, bei denen ein Gleitflug m6glich ist. Die Abbildung 4.22 zeigt die Sinkgeschwindigkeit Us in Abh/ingigkeit der Fluggeschwindigkeit U f/Jr einen Bussazd. Die minimale Sird
ReL
2 . 105.
Beim Segelflug in aufsteigender Luft einer Thermik (Abbiidung 4.23) wird die Sinkgeschwindigkeit des Vogels durch die Vertikalkomponente des Windes kompensiert. Das Kreisen in Thermikschl/iuchen erlaubt es z. B. dem Adler weite Strecken zurtickzulegen. MSwen nutzen die Windseite eines Kliffs, um ohne Muskelkraft aufzusteigen. Weitere Beispiele sind das Leewellensegeln in Aufwindphasen hinter Gebirgsk/immen oder das dynamische Segeln des Albatros, der entsprechend den Ausrfihrungen in Kapitel 1.2 die Aufwinde vor Meereswellen ausnutzt.
Umin
m/s
ca= 1.57
1.5 1.0 0.5 0 0
10 '
15 '
Abb. 4.22: Sinkgeschwindigkeit Us des Bussards
20 ' U/ms D':l
184
4 Fllegen
A b b . 4.23: Steigflug
Die Abbildung 4.24 zeigt den Widerstandsbeiwert Cw in Abh~gigkeit von der ReynoldsZa~ ReL. Das Mhfinmm des Widerstandsbeiwertes wird z. B. beim Falken bei der Flug105 erreicht. Der Vergleich mit der laminaren und turbulenten Reynolds-Zahl ReL Plattengrenzschicht zeigt, dass der Vogelflug entsprechend unseren Ausffihrungen zu Beginn des Kapitels eine turbulente StrSmung verursacht, w~hhrend das Segelflugzeug mit einem La~finarflfigel fliegt. Uber die Steigf'dhigkeit und Sinkgeschwindigkeit eines Vogels gibt die Sinkpolare der Abbildung 4.25 Auskunft. Dabei wird die Sinkgeschwindigkeit Us fiber der Fluggeschwin-
A b b . 4.24: Widersta~dsbeiwert
4.2 Vogelflug
185
0~ 0.5
_
5
10
15
25
20
30 U/am4
D,,
'
,
--, "-,
~
~
~
ca/Cw=35
1.0 1.5 2.0
\ \ \ F a l k ~e ~
.
'
""
\\\\ \5
10
\
2.5 m/s A b b . 4.25: Sinkpolaren
digkeit aufgetragen. Die jeweiligen Tangenten durch den Ursprung des Diagrmmns geben die kleinstmSgtiche Sinkgeschwindigkeit und damit die bestm6gliche Gleitzakfl Ca/Cwan. Die Abbildung zeigt, dass ein mittleres Segelflugzeug bezfiglich der Sinkgeschwindigkeit den VSgeln iiberlegen ist, erl~uft sich dies jedoch mit einer h6heren Fluggeschwindigkeit. Lediglich der Albatros (siehe Abbildung 4.32) zeigt ein besseres Gleitverhalten mit einem Gleitwert von Ca/Cw 40. Beim Segeln und im Vorw~rtsflug besitzt der Vogel einen beachtlichen Bereich an ManSvrierf'~tfigkeit, um die Flugrichtung beizubehalten und Luftturbulenzen auszugleichen. Dabei wird kontinuierlich die Anstellung und Bewegung des Fliigels relativ zur Windgeschwindigkeit astgepasst. Richtungs~nderungen im Flug erfordern eine Drehbewegung des Rumpfes. Dabei wirkt die Zentripetalkraft Fz, die sich mit dem Gewicht G und der Fluggeschwindigkeit L1 schreibt: Fz
G. U 2 - r
,
(4.22)
mit dem Kurvenradius r. Bezeichnet a# den Winkel der Schrgglage des F1/Jgels, gilt:
tan(if)
Fz
U2
G
r
(4.23)
In allen Fluglagen gilt jedoch, dass die Vertikalkomponente des Auftriebs gleich dem Gewicht des Vogels sein muss. Demzufolge muss der Gesamtauftrieb des F1/igels im Kurvenflug grSger sein als im Horizontalflug. Fiir den Neigungswinkel a# ist der Gesamtauftrieb FA G~cos(a#). Betrfigt der Winkel a# 60~ muss sich also der Gesamtauftrieb des Fliigels verdoppeln, um einen Geradeausflug sicherstellen zu kSnnen. Deshalb erh6ht sich die Flgchenlast des Fliigels w~h_rend des Kurvenfluges deutlich, um den erfordertichen Auftrieb bei erhShtem Anstellwinkel des F1/igels zu erreichen.
186
4 Fllegen
A b b . 4.26: Flfigelschlag der M6we, E. J. Maxey 1894
4.2.3
Flllgelschlag und Vorw~irtsflug
Erg~_zend zum Flugbild der Abbildung 4.12 ist in Abbildung 4.26 der Flfigelschlag der MSwe beim langsamen Vorw~rtsflug gezeigt. Entsprechend der Abbildung 4.27 gibt es drei Arten des Vogelfluges. Der Schwebeflug, den z. B. der Kolibri der Abbildung 1.14 oder der Turmfalke vor dem Schlagen der Beute beherrscht, entspricht der Beschreibung des Insektenschwebefluges in Kapitel 4.2.1. Der Auftrieb wird wie in Abbildung 4.3 durch die nach unten abschwimmenden Ringwirbel erzeugt. Beim l a n g s a m e n Vorw~irtsflug des Vogels entsteht im Nachlauf eine ~mliche Wirbelkonfiguration, wie beim Insektenflug der Abbildung 4.9. Die Randwirbel der Flfigelspitzen gehen im Nachlauf in die periodisch abschwilnmenden Ringwirbel fiber. Die Flfigel entfalten ihre gesamte Fl~che w~hrend des Abschlages trod verkleinern die Flfiche wfihrend des Aufschlages, wobei nu_r die Deckfedern aktiv sind. Beim schnellen Vorw~irtsflug bilden sich im Nachlauf keine Ringwirbel aus, sondern es entstehen Wirbelschleifen, die dem StrSmungsbild der Randwirbel beim Gleiten des Vogels ~tmlich sind. Beim Abschlag wird entsprechend mehr Wirbelst~ke produziert, die das Schliegen der Ringwirbel aufgrund der Dominanz der Randwirbel verkindert. Die K i n e m a t i k des Flfigelschlages beim Schwebe- und Vorw~tsflug ist in Abbildung 4.28 sldzziert. Der zeitabh~gige Anstellwi_tfl(el a(t) findert sich periodisch quer zur Schlagebene/3. Ffir die numerische Berectmung des Flfigelschlages ist die LSsung der StrSmungStruktur gekoppelten Reynolds-Gleichung (4.8) erforderlich. Dennoch lohnt es sich, unterder Voraussetzung ldeiner Auslenkungen und schlanker Profile mit der linearisierten Potentialgleichung (3.74) und den Erkenntnissen des Kapitels 3.4.2 die reibungsfreien aerodynamischen Parameter abzuschgtzen. Entsprechend der Abbildung 4.29 l~st sich die vertikale Sctflagschwingung z(t) mit der Drehschwingung a(t) linear superponieren. Die
187
4.2 Vogelflug
periodische Schlagschwingung schreibt sich: z(t)
~.. e i~t
(4.24)
und die Drehschwingung a(t)
&.e i~t
,
(4.25)
mit den Schwingungsamplituden ~ und & ffir ein oszillierendes ebenes ProN. Der gebundene Wirbel pro Lfingeneinheit 7(x, t) des Profils (Abbildung 3.70) geht an den jeweiligen Umkehrpunkten der Schwingung in den freien Wirbel E(x, t) entgegengesetzter Drehriehtung im Nachlauf fiber (Abbildung 4.27). Dabei wird ohne Berfieksiehtigung der Randwirbel des Flfigels fiir das zweidimensionale Profil die Gesamtzirkulation erhalten. Die induzierte Vertikalgesehwindigkeit w sehreibt sieh entspreehend den Ausffikrungen in Kapitel 3.4.2 naeh dem Biot-Savart-Gesetz (3.175) im Punkt Xp: L
1 ./ w,xp,(
t~_,
~/(x,t) . . dx.
-4.7r
xp - x
.1 4.7r
L
j
E(x,t) xp - x
dx
(4.26)
L
7
und die Erhaltung der Zirkulation d7
d
OE
OE
Ox
+g/+0x " O-7
0
(4.27)
Mit einem harmonischen Ansatz fiir 7(x, t) 1/isst sich Gleichung (4.27) analytisch 15sen. Es kann ein geschlossener Ausdruck fiir E(x, t) in Abh/i~gigkeit des haxmonischen Ansatzes fiir 7(x, t) angegeben werden. Damit ist Gleichung (4.26) nur noch fiber die Zirkulationsverteilung 7(x, t) vonder Vorderkante bis zur Hinterkante des Profils zu erstrecken. Mit der analytisch ermittelten Zirkulationsverteilung erhglt mart die Druckverteilung auf der Unter- und Oberseite des Profils Ap pL, - p o : Acp (x, t)
A b b . 4.27: Arten des Vogelfluges
2. ~/(x, t) L1
(4.28)
188
4 Fllegen
Daraus ergibt sich der Auftriebsbeiwert fiir das oszillierende Profil: L
~(t) f Acp(x,t).dx
(4.29)
L
Die mathematischen Details der analytischen LSsung linden sieh z. B. bei J. C. Fung 1990. Um der dreidimensionalen Struktur der NachlaufstrSmung des Vogelfluges von Abbildung 4.27 Reehnung zu tragen ist, wie eingangs des Kapitels ausgef'tihrt wurde, die numerisehe L6sung der Reynolds-Gleiehung (4.8) gekoppelt mit einem Strukturmodell des Kapitels 4.2.1 erforderlieh. Numerisehe Ergebnisse der dreidimensionalen turbulenten Umstr6mung eines Vogels im Vorwfirtsflug mit der in Kapitel 3.3.3 besehriebenen Grobstruktursimulation sind in Arbeit und werden in absehbarer Zeit in der Literatur verf/igbar sein. 4.2.4
Starten und Landen
V5gel benutzen unterschiedliche S t a r t h i l f e n urn bei geringer Startgeschwindigkeit geniigend Auftrieb zum Abheben zu erreichen. VSgel, die den Schwebeflug beherrschen, nutzen den ersten Fliigelschlag um abzuheben. Kleine VSgel katapultieren sich mit dem Schwanz in die Luft. Lediglich GleitvSgel, wie der startende Schwan der Abbildung 4.30, benStigen eine lange Anlaufstrecke um mit grogfl/ichig gespreiztem Fliigel und groger Fliigelanstellung beim Abschlag den f'tir das Starten notwendigen Auftrieb zu erreichen. Dabei schlagen sie als Staa'ttfilfe mit den gespreizten Fliigelenden und dem Schwanz auf die Wasseroberfl/iche um die aerodynamische Auftriebskomponente zu unterst/itzen. Der Albatros der Abbildung 1.13 bevorzugt beim Start, wie bei Lilienthals Erstflug, das Herunterlaufen einer AnhShe um die erforderliche Startgeschwindigkeit von 11 km/h zu erreichen. Der Andenkondor 1/isst sich im Sturzflug aus seinem Nest fallen, bis die Fluggeschwindigkeit erreicht ist. Fiir Start und Lmldung ben5tigen die VSgel, wie im folgenden Kapitel die Flugzeuge,
Abb. 4.28: Kinematik des Flfigelschlages
4.2 Vogelflug
189
Hochauftriebshilfen. Drei Beispiele dieser Hochauftriebshilfen bei groi~fl~chig gespreizten Prinfiirfedem sind in Abbildung 4.31 dargestellt. Mit stark gewSlbten Federprofilen an der Vorderkante des Flfigels wird eine zur Flfigelspitze luftdurchl~sige Vorderklappe erzeugt. Die Spaltstr5nmng verhindert die Str5mungsablSsung und ermSglicht entsprechend der Abbildung 3.60 einen grS~eren Anstellwinkel und danfit grSi~eren Auftrieb. Die Eule der Abbildung 4.30 erzeugt die Auftriebserh5hung bei groffer Anstellung mit einem sogenannten Krliger-Vorderflfigel. Der Falke benutzt die gespreizten Schwanzfedern, um die Auftriebssteigerung mit einer Fowler-Klappe im Nachlaufbereich des Hauptflfigels zu erzielen. Auch trier wird der Spalt zwischen Hauptflfigel und Schwanzfliigel durchstrSmt, so dass die StrSmungsablSsung im hinteren Bereich des Flfigels verhindert wird. Mit diesen Auftriebshilfen erreichen die VSgel bei Start und Landung einen um 50 % bis 100 % erhShten Auftrieb. Bei der technischen Umsetzung der Hochauftriebsldappen im n~ichsten Kapitel werden beim Fhgzeug sogar 400 % - 500 % erreicht. Behn L a n d e n des Vogels werden die vergrSf~erte Flfigelfl~iche und die Hochauftriebshilfen bei grof~er Flfigelanstellung zum Abbremsen der Fluggeschwindigkeit genutzt. Die Abbildung 4.30 zeigt den Bremsschlag der Eule vor dem Schlagen der Beute. Dabei darf entsprechend den Ausffihrungen in Kapitel 1.2 kein zus~itzliches Ger~iusch entstehen. Deshalb scheidet eine turbulent durchstrSmte SpaltstrSmung der Vorderklappe aus und die Natur hat ffir die Eule die ger~uscharme Krfiger-Klapp entwickelt. Beim Landeanflug bilden die Fliigelpaare eine V-Form, die ebenfalls eine VergrSf~erung des Auftriebs trotz Verringerung der effektiven Spannweite ermSglicht. Bei der verringerten Landegeschwindigkeit erniedrigt sich die Reynolds-Zahl entsprechend, so dass die StrSmung an der Vorderkante laminar ablSst. Um dies zu verhindern benutzt die Eule ihr Deckfederkleid an der Vorderkante (Abbildung 1.4) um mit einem sogenannten Turbulenzrechen auf dem gesamten Fliigel auch bei geringer Landegeschwh~digkeit eine turbulente UmstrSmung sicherzustellen. Dies wirkt wiederum gers da dadurch groffrs lanfinare AblSseblasen verhindert werden.
Abb. 4.29: Sctflagschwingung z(t), Drehschwingung c~(t), gebundener Wirbel ~/(x, t) und Wirbelschleppe e(x, t) des periodisch oszillierenden Vogelfliigels
190 4.3
4 Fliegen Flugzeuge
Die direkte technische Umsetzung des Gleitfluges der Land- trod Meeressegler ist das Hochleistungssegelflugzeug, das Strecken fiber 1000 km trod fiber den Leewellen von Gebirgszfigen in der Sierra Nevada HShen bis zu 15 km erreicht. Der Flug der Libelle mit der F~ikigkeit des Schwebe- trod Vorw~irtsfluges ffi_hrt zum H u b s c h r a u b e r . Lediglich flit das transsonische Verkehrsflugzeug oder das Uberschallflugzeug gibt es kein Vorbild in der Natur. Dennoch lassen sich ffir die Entwicklung zukfinftiger Verkehrsflugzeuge insbesondere ffir die Hochauftriebskonfigurationenbei Staxt und Landung, den Winglets an den Flfigelenden und dem adaptiven Flfigel, der sich an die jeweilige Flugsituation anpasst, neue Erkenntnisse vom Vogelflug gewinnen.
4.3.1
Segelflugzeug
Der Streckenweltrekord der Hochleistungssegelflugzeuge steht derzeit bei 3009 kin. Die Abbildung 4.32 zeigt die Hochleistungssegler Nimbus 4 DM und ASH 25, die bei einer Spannweite yon 26.5 m und 25 m gaxlz in Kunststoffbauweise gefertigt wurden. Die Gleitzahl betr~igt ca/Cw 57 bei einer geringstmSglichen Sinkgeschwindigkeit von 0.45 m/s. Das bedeutet, dass bei 1 km HShenverlust 57 km welt im Gleitflug ohne Thermik gesegelt werden kann. Der Gleitwinkel von weniger als a 3~ ist geringer als der von VSgeln. Dabei werden HSchstgeschwindigkeiten bis zu 300 km/h erreicht. Die neue aerodynamische hmovation ist neben der gewichtssparenden Kunststoffbauweise die Realisierung eines Laminarflfigels. Dabei wird die Flfigelprofilierung entsprechend den folgenden Ausffihrungen in Kapitel 4.3.3 so gew~hlt, dass die Druckverteilung auf dem Profil keine Saugspitze aufweist und eine kontinuierliche Beschleunigung der StrSmung bis zum Dickemnaximum des Profils entsteht. Dadurch wird der laminar-turbulente Ubergang in der Grenzsctficht (siehe Kapitel 3.3.3) stromab verlegt trod eine widerstazldsarme laminare Flfigelumstr6mung realisiert. Die Verringerung des induzierten Widerstandes wird mit einem angedeuteten Winglet der Vogelflfigel dutch das Abknieken der Flfigelspitzen erreieht. Die Sinkpolare der Abbildung 4.32 zeigt, dass die Gleitzahl des Hoehleistungsseglers selbst vom Albatros mit Ca/Cw 40 nieht erreicht wird. Mittlere Segelflugzeuge erreichen nach
Abb. 4.30: Staxten und Landen der V5gel, W. Nachtigall und G. Blfichel 2000
4.3 Flugzeuge
191
A b b . 4.31: Hochauftriebshilfen des Vogelfiiigels
der Abbildung 4.25 lediglich Gleitzahlen von 35 bei Fluggeschwindigkeiten von 25 m/s. Ein Drachenflieger am Hang bringt es lediglich auf eine Gleitzatfl von 8 bei einer Fluggeschwindigkeit von l0 m/s und ein Fallschirmflug liegt mit einer Sinkgeschwindigkeit von 2.5 m/s noch weit daxunter. Auch Papierflieger halten Weltrekorde. Sie erreichen im kreisenden Gleiten eine Weite von 49 m, wobei sie bis zu 15 Minuten in der Luft sind. Die Entwicklung der Hochleistungssegelflugzeuge ist noch nicht abgeschlossen. Mit den ffir Verkehrsflugzeuge entwickelten neuen noch leichteren Verbundwerkstoffen sind zukfinftig noch grSi~ere Gleitzalflen und neue Rekorde zu erwaa'ten.
4.3.2
Hubschrauber
Ein Vorteil der Technik besteht daxin, dass entgegen den MSglichkeiten in der Natur Drehgelenke mSglich sind. Damit kann der komplexe Fliigelschlag der Libelle beim Schweben durch den Rotor ersetzt werden. Der Hubschrauber besitzt einen oder mehrere Rotoren, die von einem Kolbelmlotor angetrieben werden. Vertikale oder horizontale FlugmanSver werden durch entsprechende Steuerung der Rotoren realisiert. Der Rettungshubschrauber der Abbildung 4.33 besitzt einen Hauptrotor. Um die Drehung des Hubschrauberrumpfes um die Hochachse zu verhindern ist im Heck ein zweiter Rotor angebracht, der auch die Steuerung um die Hochachse fibernimmt. Der Hauptrotor erzeugt mit angestellten Rotorfliigeln Auftrieb beim Vor- und Riickschlag w/ihrend einer Umdrehung. Dazu ist es erforderlich, dass sich fiber Gelenke an den Blattwurzeln der AnsteUwinkel der Rotorprofile ver/indert. Das vorlaufende Blatt steigt nach oben. In der riicldaufenden Drehphase ffihrt das Rotorblatt eine Schlagbewegung nach unten aus. Die Anstellwinkel der Rotorbl/itter kSnnen wfi]arend des Fluges zur Steuerung verstellt werden, um vom Schwebeftug
192
4 Fllegen
in der Vorw~irtsflug iibergehen zu kSnnen. Dabei neigt sich der Hubschrauber um seine L~ingsachse nach unten und es entsteht neben dem Auftrieb F A d e r Abbildung 4.33 der Vortrieb F v . Dabei wird im Vorw~'tsflug das vorlaufende Blatt mit grS~erer Geschwindigkeit angestrSmt als das riicklaufende Blatt. Es erzeugt einen grSf~eren Auftrieb und versucht demzufolge den Hubschrauber um die Liingsachse zu drehen (Abbildung 4.34). Das Schlaggelenk des Rotorkopfes sorgt daf/ir, dass die Rotorblgtter nicht starr am Rotorkopf befestigt sind sondern sich frei auf und ab bewegen k51men. Das vorlaufende Blatt steigt nach oben, dabei verkleinert sich der effektive Anstellwinkel der Blattprofile, wodurch der ansonsten gr6~ere Auftrieb wieder reduziert wird. bl der riicklaufenden Drehphase fiihrt das Blatt eine Schlagbewegung nach unten aus, wodurch der Anstellwhfl(el und damit der Auftrieb vergrSi~ert werden. Auf diese Weise gleicht sich der Auftrieb w~21rend einer Rotorumdrehung aus. Da die Gelenke keine Momente auf den Hubschrauber iibertragen, ist mit dem Schlagdrehgelenk die Rolltendenz des Hubschraubers beseitigt und gleichzeitig die Steuerbarkeit sichergestellt. Der Hubschrauber ist auf~erdem mit einer Umscha]tung ausgestattet, die fin Falle des Aussetzens des Motors die Kopphmg zwischen Rotorkopf und Motorgetriebe trennt und gleichzeitig die Anstellwinkel der Rotorbl~tter verkleinert. Damit geht der Hubschrauber in einen steuerbaren Gleitflug fiber.
Abb. 4.32: Hochleistungssegelflugzeuge und Sinkpolaren
4.3 Flugzeuge
193
Die Fluggeschwindigkeit eines Hubschraubers ist durch aerodynamische Effekte am Rotorblatt begrenzt. Bei hoher Fluggeschwindigkeit wird, wie beim transsonischen Profil von Verkehrsflugzeugen, die StrSmung auf dem Profil in den Uberschall beschleunigt. Die dabei entstehenden VerdichtungsstSi~e werden periodisch bei jeder Rotorumdrehung abgeschwemmt und verursachen eine hohe L~rmbelastung. Das Gleiche gilt fiir die WirbelablSsung am riicklaufenden Blatt, die zu Schwingungen des Rotorblattes und dessen Verformung ffihren kann. Desgleichen ist die L~irmentstehtmg durch die groi~r~iumigeWirbelablSsung sehr hoch. Hier kann man vom Eulenfltigel der Abbildung 1.4 lernen. Der Federflanm auf dem Eulenfltigel d~npft den L~irm. Entsprechende Versuche mit akustisch d~npfenden rein behaarten Folien wurden am Rotorblatt durchgeffihrt, haben jedoch aufgrund der Alterung der Folien und mangelnder Wetterbest~ndigkeit nicht zum ge~dinschten Erfolg gef/ib_rt. Eulen besitzen weiche F1/igelhinterkanten mit feinen H~rchen und an den Vorderfliigeln einen Federkalmn, der die StrSmungsablSsung bei groi~en Anstellwinkeln verhindert. Dies l~unn man technisch mit gezackten Vorder- und Hinterkanten des Rotorblattes verwirklichen. Insofern besteht f/Jr die aerodynamische Weiterentwicklung der Rotorbl~tter des Hubschraubers von der Natur vorgegebenes Entwicldungspotenzial.
4.3.3
Verkehrsflugzeug
Die Abbildung 4.35 zeigt die derzeit fiiegende Flotte von Verkehrsflugzeugen der Luftfahrtfirmen Airbus und Boeing. Fiir den Transatlantik- und Pazifik-Luftverkehr haben sich transsonische Groi~raumflugzeuge untersctfiedlicher Gr6]~e durchgesetzt. Seit dem Airbus A 310 fliegen alle Verkehrsflugzeuge mit superkritischen Profilen der Abbildung 3.59 bei der Mach-Zahl M~ 0.8. Das hat den Vorteil, dass alle Flugzeuge entlang der internationalen Flugrouten wie eine Perlenkette in gleicher HShe mit gleicher Geschwindigkeit aufgereiht sind. Den Zubringerdienst zu den Metropolen der Welt und den kontinentalen Luftverkehr leisten die Kurz- und Mittelstreckenflugzeuge bis 250 Sitze re_it einer Reichweite bis zu 8000 kin. Der Transatlantik-Luftverkehr wird von einigen Fluggesellschaften ebenfalls zweimotorig durchgefiihrt, mit Grof~raumflugzeugen bis zu 400 Sitzen und einer Reichweite bis l l000 kin. Ftir den Luftverkehr zwischen den Metropolen werden Grog-
Abb. 4.33: Hubschrauber im Vorw~rtsflug
194
4 Fliegen
raumjets in der ngchsten Ausbaustufe mit bis zu 900 Sitzen und einer Reichweite von 14800 km eingesetzt. Seit 1968 wax das die Domaine des Boeing 747 Jumbo jets. 2008 wurde das yon Airbus v611ig neu entwiekelte doppelst6ekige Grograumflugzeug A 380 in den Dienst gestellt. Die Abbildung 4.36 zeigt das Flugzeug kurz nach dem Start. Die Ausmage sind ffir ein Verkehrsflugzeug einmalig. In der ersten Ausbaustufe finden 555 Passagiere auf zwei Passagierdecks Platz. Die Neukonstruktion dieses Grograumjets hat eine Kabinerd~inge von 50 m und einen Rumpfdurehnlesser von 7 m. Die Fltigelspannweite von 80 m/ibertrifft alle bisherigen Passagierflugzeuge. Das Staxtgewieht betrggt 560 Tonnen mit 150 Tonnen Nutzlast. Die neu entwiekelten vier Triebwerke haben jeweils einen Schub von 36 Tonnen und zeichnen sich durch 15 % - 25 % geringere Betriebskosten und ehle deutliche Verringerung der Sehallemission auf die H/ilfte aus. Die Treibstoffeinsparung gegentiber dem Jumbo jet betrggt 13 %. Der superkritisehe transsonische Fliigel wurde ebenfalls neu entwiekelt. Dabei wurde die Flug-Mach-Zahl auf M s 0.85 erhSht, was nach Abbildung 3.65 mit einer auf dp 33 ~ vergr6gerten Pfeilung bei 25 % Fliigelspannweite einher geht. Die Abbildung 4.37 zeigt die Montage des F1/igels und eines Rumpfsegmentes. Die Einzelteile des Flugzeuges werden aus allen Teilen Europas per Schiff und Strage nach Toulouse transportiert und fliegen als montiertes Flugzeug zur Innenausstattung nach Hamburg.
A b b . 4.34: Geschwindigkeitsverteilungen am Rotorblatt und Schlaggelenk
4.3 Plugzeuge
195
Der Luftverkehr verdoppelt sich alle 10 Jahre. Deshalb beginnt sich erggnzend zum Grograumflug zwischen den Metropolen der Welt die Philosophie durchzusetzen, ohne Zubringerflugzeuge auch von kleineren Flughgfen die Kontinente mit Nonstop-Fliigen zu bedienen. Deshalb wird bei den derzeit neu entwickelten Grograumflugzeugen Airbus A 350 und Boeing 787 Dreamliner der Abbildung 4.38 die Anzab_l der Sitze auf 250 bis 300 Sitze reduziert aber dafiir die Reichweite auf 17400 km gesteigert. Der neue transsonische Fliigel wird erstmals vollst/indig aus leichtem CFK-Verbundmaterial gefertigt und die Pfeilung v o n 9 35 ~ der erhShten Flug-Mach-Zahl M s 0.85 angepasst. Die Auslieferung dieser neuen Generation von Verkehrsflugzeugen ist fiir 2009 beziehungsweise 2013 vorgesehen. Wie bereits erwghnt, kann man vom Unterschallflug des Vogels nur bedingt etwas f'tir den transsonischen Fliigel eines Verkehrsflugzeuges ~ibernehmen. Das gilt nicht f/Jr die Startund Landephase, wo bei der Entwicklung der Hochauftriebskonfiguration alle Vorbilder der Natur iibernommen wurden. Auch die Winglets wurden dem Vorbild des Vogelfl/igels entnommen. Lediglich die Spreizung der Endfedern lfisst sich befin Flugzeug aus strukturtechnischen Griinden nicht verwirldichen. Der allen Fluglagen angepasste adaptive Fliigel des Vogels ist fin transsoldschen Flugbereich jedoch nur in vergnderter Weise technisch umsetzbaa'. Der technische Ansatz fiir einen adaptiven transsonischen Fliigel beilflaaltet die Stogfixierung anf dem F1/igel, die Beeinftussung der Stog-Grenzschicht-Wechselwirkung mit einer sogenannten Bump zur Verringerung des Wellenwiderstandes, der Laminaxisierung des transsonischen F1/igels entsprechend dem Hochleistungssegelflugzeug und der Nutzung der hinteren Hochauftriebsklappen urn den F1/igel der jeweiligen Fluglage und FlughShe anzupassen. Es sind auch Techniken entwickelt worden urn den Reibungswiderstand mit den Riblets der Abbildung 1.7 zu verringern oder mit sogenannten Aktuatoren im Mikrometerbereich entsprechend dem Federflaum des Eulenfliigels der Abbildung 1.4 einen
Abb. 4.35: Airbus- und Boeing-Flotte der Verkehrsflugzeuge
196
4 Pllegen
Abb. 4.36: Grograumflugzeug Airbus A 380
entsprechenden Effekt der Widerstandsreduzierung und Ger/tuschminderung zu erzielen. Diese bereits erprobten neuen aerodynamischen Methoden haben sich jedoch bisher in der Flugpraxis noch nicht durchgesetzt. Die H o e h a u f t r i e b s h i l f e n des Vogels der Abbildung 4.31 sind in vielf'filtiger Weise bei Verkehrsflugzeugen umgesetzt worden. In Abbildung 4.39 sind erggnzend zu Abbildung 3.60 die Hochauftriebsldappen gezeigt, die bei Flugzeugen eingesetzt werden. Statt der Krtiger-Klappe z. B. der Eule wird ein Schlitzfliigel als Vorderklappe benutzt, wie er beim
Abb. 4.37: Fliigel und Rumpfsegment des Airbus A 380
4.3 Flugzeuge
197
Vogel an der Flfigelspitze reallsiert ist. Die Spaltstr5mung an der Vorderkante des Hauptflfigels verhindert die StrSmungsabl5sung bei grot~en Anstellwinkeln und verschiebt das Gebiet der abgelSsten StrSmung stromab. Die gleiche Wirkung hat die Kriiger-Klappe beim Vogelflfigel. Die Endklappen vergr5f~ern die Fliigelfl~che und ProfilwSlbung, u m b e i der Staxtgesch~dndigkeit yon 300 km/h und der Landegeschwindigkeit von 250 km/h den erforderlichen Auftrieb bei erh5htem Widerstand zu erzeugen. Bei den Hinterklappen hat sich eine Tandemklappe bestehend aus Hills- und Hauptldappe mit zwei StrSmungssctflitzen zur Grenzschichtbeeinflussung bew~hrt, wobei die Hauptklappe bis zu 41 o ausgefahren wird (Abbildung 4.40). Mit der Kombination einer Nasen- und Tandemklappe starten und landen heute Verkehrsflugzeuge. Das W i n g l e t an der Fliigelspitze zur Verringerung des induzierten Widerstandes wird in vereinfachter Form vom Vogelfliigel iibernommen, da das Spreizen der Fliigelenden aus strukturtecbmischen Grfinden sich nicht realisieren l~st. Die Funktionsweise eines Winglets ist in Abbildung 4.41 skizziert. Der nach oben abgeknickte Zusatzfliigel hat eine geringere Flfigeltiefe Ms der Hauptfliigel. Dadurch wird die auf der Unterseite des Fillgels nach aut~en gerichtete StrSmungsgeschwindigkeit durch die geringere Druckdifferenz zwischen Unter- und Oberseite des Winglets abgeschw~cht und die Wirbelst~irke des Randwirbels verringert. Die Auftriebsverteilung auf dem Winglet zeigt, dass der Auftrieb an der Wingletspitze gegen Null geht. Neben der Auftriebskomponente FA wird auch eine Vorw~tskomponente F v erzeugt, die entgegen der AnstrSmung U wirkt und deshalb den Randwirbel abschw~cht. Bei dem Kurzstreckenflugzeug Boeing 737 ergibt das in Abbildung 4.41 gezeigte Winglet eine Kraftstoffeinsparung von 3 % - 5 %. Die Technologie des transsonischen a d a p t i v e n Flfigels wurde tmabh~ingig von Vorbildern der Natur entwickelt. Sie setzt beim Verdichtungsstot~ auf der Oberseite des Fliigels der Abbildtmgen 1.30 und 4.42 und dessen Wechselwi_rkung mit der turbulenten Fliigelgrenzschicht ein. Dabei werden zwei Ziele verfolgt. Zum einen wird durch eine kleine Beule
Abb. 4.38: Neue Generation von Grot~raumflugzeugen
198
4 Fliegen
Abb. 4.39: Hochauftriebsklappen
auf dem Fltigel der Verdichtungsstoff fixiert und gleichzeitig der durch den Drucksprung verursachte Wellenwiderstand verringert. In Abbildung 4.43 ist die Prinzipskizze und ein hlterferograalml hn Windkmlal der turbulenten Stog-Grenzschicht-Wechselwirkung gezeigt. Der Drucksprung des Verdichtungsstoges verursacht die gezeigte DruckerhShung p - p~ in der Grenzschicht. Diese bewirkt ein Aufdicken der turbulenten Grenzschicht. Da es sich hll transsonischen Bereich rail eine kompressible StrSmung handelt, ist der Stog-Grenzschicht-Wechselwirkungsbereichim Expcrimcnt dm'ch Linicn glcichcr Dichtc sichtbar gcmacht. Das Aufdickcn dcr Grcnzschicht verursacht eine Stof~verzweigung im reibungsfreien Bereich der StrSmung aufferhalb der Grenzschicht. Ist der Verdichtungsstoig geniigend stark, tritt zus~Ltzlich eine StrSmungsablSsung an der Wand auf, wie die Kurve der Wandschubspannung Tw deutlich macht. Entsprechend dem Abl6sel~riterium Ww 0 (3.183) durchl~Luft die Wandschubspannung
Abb. 4.40: Das Fowler-Doppelklappensystem des Airbus A 310
4.3 Flugzeuge
199
Abb. 4.41: Auftriebsverteilung an einem Winglet
am AblSsepunkt den Nullpunkt und nin:mt in: AblSsebereich negative Werte an, bis sie wieder am Wiederanlegepunkt W erneut den Nullpunkt durchl~iuft. Durch die vom Stof~ verursachte Aufdickung der Grenzschicht und die StrSmungsabl5sung an der Flfigelwand hat sich der Reibungswiderstand der Grenzschicht vergrSf~ert. Um dem Abhilfe zu schaffen ist man bestrebt, die Stof~st~irkeauf dem transsonischen superkritischen Profil der Abbildung 3.59 zu verringern. Dies gelingt im einfachsten Fall durch einen Druckausgleich vor und nach dem Stof~ fiber eine Kavit~it in der Flfigelwand. Die geniale Idee, die keiner einzelnen Person sondern einem europ~iischen Entwicklungsteach zugeschrieben wird, win"jetzt diese aus Strukturgrfinden uneI~finschte Kavit~it auf der Flfigeloberfls durch die in Abbildung 4.44 gezeigte kleine Beule zu ersetzen, die in: Spoiler der hinteren Hochauftriebsklappen integriert wird. Die Geometrie der Beule ist so beschaffen, dass sie die gleiche Druckverteilung in der Grenzschicht erzeugt, wie die zuvor beschriebene Kavit~t. Dam]t wird der Verdichtungsstog durch die Stogverzweigung und damit die Grenzschichtaufdickung abgeschw~icht und die StrSmungsablSsung in der Grenzschicht tritt nicht auf. Als Folge werden der Wellenwiderstand des Verdichtungsstof~es und der Reibungs~4derstand der Grenzschicht um bis zu 9 % verringert und der Auftrieb erhSht (Abbildung 4.44), wie die numerische LSsung der kompressiblen Erweiterung der Reynolds-Gleichung (siehe H. Oertel jr. et al. 2008) der Abbildung 4.45 zeigt. Gleichzeitig wird der Verdichtungsstog dutch die Beule auf dem Flfigel fixiert, was eine Voraussetzung ffir die Realisierung eines transsonischen adaptiven Flfigels ist.
Abb. 4.42: Adaptiver transsonischer Tragflfigel
200
4 Fllegen
Abb. 4.43: Stof~-Grenzschicht-Wechselwirkung
Eine weitere Idee der Verringerung des Reibungswiderstandes zeigt die Abbildung 3.36 des laminar-turbulenten Transitionsbereiches auf. Laminare GrenzschichtstrSmungen haben einen geringeren Reibungswidersta~d Ms turbulente GrenzschichtstrSmungen. Gelingt es den laminar-turbulenten Ubergang auf dem Flfigel stromab zu verschieben, kann man durch die L a m i n a r i s i e r u n g der turbulenten Grenzschicht weitere 7 % a~ Widerstandsreduzierung gewinnen. Davon haben wit bereits beim Hochleistungssegelflugzeug der Abbildung 4.32 Gebrauch gemacht, das mit einem UnterschaU- und damit inkompressiblen
Abb. 4.44: StogkontroUe mit einer Beule auf dem Fliigel
4.3 Flugzeuge
201
A b b . 4.45: Iso-Mach-Linien der Stof~-Grenzschicht-Wechselwirkung, Einfluss einer Beule, Moo 0.78, ReL 27. 106, 4p 20 ~ a 2 ~
Laminaxfliigel fliegt. Die Laminarisierung auch der kompressiblen Grenzschichtstr5mung gelingt mit einer kontinuierlichen Beschletmigung auf dem Fliigel bis zum Dickenmaximum des transsonischen Profils, das beim Lanfinarflfigel mSglichst weit stromab gelegt wird. Dies ffihrt gegeniiber dem superkritischen Profil zu der ver~inderten Druckverteilung der Abbildung 4.46. Der laminar-turbulente/Jbergang erfolgt dazm im stromab verlegten Stog-Grenzschicht-Wechselwirkungsbereich. Die Folge ist, da~ss zwar bis zum Stog eine laminare GrenzschichtstrSmtmg vorliegt, aber der Verdichtungsstof~ auf dem Fliigel s t o k e r geworden ist. Insofern liisst sich ein transsonischer Laminarflfigel mu" in Verbindlmg mit
A b b . 4.46: Transsonisches Laminaxprofil
202
4 Fllegen
A b b . 4.47: Dreidimensionales Grenzschichtprofil eines gepfeilten Tragflfigels, Tollmien-Schlichting-Wellen TS und Querstr6mungsinstabilitgt QS
der Stof~verzweigung der Stogkontrolle der beschriebenen Beule realisieren. Es gibt ein weiteres strSmungsmechanlsches Ph~inomen, das mit der dreidhnensionalen Grenzschicht auf dem gepfeilten transson_ischen Fliigel in1 Zusammenhang steht (Abbildung 4.47). Die u(z)-Komponente des dreidimensionalen Grenzschichtprofils verursacht stromab die in Kapitel 3.3.3 beschriebene Transition der Tollmien-Schlichting-Wellen TS. Die Querkomponente v(z) verursacht eine neue Instabilitgt in der Grenzschicht, die man QuerstrSmungsinstabilit~t QS nemlt. Dadurch entstehen entlang der Staulinie des gepfeilten Fliigels QuerstrSmungswellen und auch stationiire Wirbelsysteme, die den lmninarturbulenten Ubergang fin vorderen Bereich des gepfeilten transson_ischen Fliigels einleiten. Das hat zur Folge, dass alle Verkehrsflugzeuge mit einer v o n d e r Staulinie des Flfigels ausgehenden turbulenten Grenzschicht fliegen. Die QuerstrSmungsinstabilit~iten machen auch lmsere Idee der Lanlinarisiertmg der Tollmien-Schlichting-Wellen stromab zmfichte. Deshalb ist ein gepfeilter Laminarfliigel nur mit einer Absaugung der QuerstrSmungswirbel entlang der Vorderlmnte des Flfigels zu verwirldichen. Die Absaugung von nur wenlgen Volumenpromille ist entwickelt und wurde an einem Airbus A 320 Seitenleitwerk der Abbildung 4.48 im Flug erprobt. Derzeit gelingt es jedoch nlcht die Entwicldungsingenieure davon zu fiberzeugen, den Laminarisierungseffekt von 7 % im Gesamtwiderstand eines Flugzeuges mit der Integration der Absaugung im Vorfliigel des transsonischen Hauptflfigels zu integrieren. Das berechtigte Gegenaxgument ist, dass in diesem Bereich die Heizung
A b b . 4.48: Flugerprobung der Absaugung am Airbus A 320 Seitenleitwerk und Integration der Absaugung im Vorderlmntenbereich des gepfeilten Fliigels
4.3 Flugzeuge
203
fiir die Verhinderung der Vereisung bei Start und Landung integriert ist und mit einer zuss Absaugung das Gesamtsystem der vorderen Hochauftriebsklappe technisch zu komplex wird. Ftir den trmlssonischen a d a p t i v e n Flfigel der Abbildung 4.42 zuktinftiger Verkehrsflugzeuge verbleibt die Stogfixierung und Stogkontrolle. Wenn der Stog auf dem Fliigel fLxiert ist, k6nnen die hinteren Hochauftriebsklappen der Abbildung 4.40 genutzt werden, tma mit ver~inderter WSlbung der Hinterkante des Fltigels das Flugzeug an die jeweiligen Reisebedingungen anzupassen. Das vollbetankte Flugzeug beginnt seinen Reiseflug in l0 km HShe und steigt mit zunehmendem Kerosinverbrauch bis auf 12 km HShe. Dabei passt sich der elektrolfisch gesteuerte adaptive Flfigel den jeweiligen FlughShen und Windverhfiltlfissen an.
205
5
Schwimmen
Alle Methoden und Ph~nomene, die beim Flfigelschlag des Vogels behandelt wurden, sind auf den Schwanzfiossenschlag des Fisches fibertragbax. Mit einem Unterschied, dass der Fisch auftriebsneutral schwimmt und mit einem symmetrischen Profil der Schwanzflosse kontinuierlich Vortrieb erzeugt. Das ist auch der Grund, warum in Abbildung 1.9 das Schwimmen die energetisch effizienteste Fortbewegungsart ist. Die Reynolds-Zatflen beim Schwimmen reichen entsprechend den Ausffihrungen in Kapitel 1.2 yon ReL 10 a ffir EinzeUer bis ReL l0 s ffir den Wal. Dazu gehSren die reduzierten Frequenzen k 50 bis k 1.
5.1
F o r t b e w e g u n g von Mikroorganismen
Bakterien und Einzeller bewegen sich mit Wimpern und Geigeln fort. Dabei treibt die oszillierende Bewegung den Einzeller vora~l (Abbildung 1.15). Die transversale WeUenbewegung effolgt entlang der Geigeln mit ansteigender Amplitude zum Geigelende. Betr~igt dic Wcllcngcschwindigkcit V, crgibt sich aufgrmld dcr Wcllcnbcwcgung cinc Vorw/irtsgcschwindigkeit des Einzellers der GrSgenordnung U 0.2 9 V. Die KSrperl~inge des Einzellers betrggt 5 #m, seine Vortriebsgeschwindigkeit 1.6 9l0 4 m/s und die Reynolds-Zahl ReL 8. l0 4. Bei den ldeinen Reynolds-Zahlen spielen die Trggheitskrgfte eine untergeordnete Rolle. Damit ist die vom Einzeller verursachte bnpuls- bzw. Drehimpulsgnderung vernachlgssigbar verglichen mit den Reibungskr~iften. Die relative Vorw/irtsbewegung des Massenschwerpunktes des Tieres erfolgt mit der Translationsgeschwbldigkeit U aufgrund der periodischen KSrperkriimmung mit der Wellenfortpflanzungsgeschwindigkeit V. In jedem StrSmungselement befindet sich die Drucldcraft - V p mit der Reibungskraft #.Av im Gleichgewicht. Es gilt die Kontinuit/itsgleichung der inkompressiblen StrSmung (3.4)
v.v
0
(5.1)
Die Navier-Stokes-Gleichung (3.3) ergibt bei Vernachlgssigung der Tr~igheitskr~ifte die Stokes-Gleichung: -Vp+~.Av
0
(5.2)
Ffir die dimensionslose Navier-Stokes-Gleichung (3.64) ergibt sich unter den gegebenen Voraussetzungen: 1 - V p + R--g-2~"Z~v
0
,
(5.3)
dabei wird die Keynolds-Zahl mit der charakteristischen L/inge des EinzeUers L gebildet. Wendet man auf die Gleichungen (5.1) und (5.2) den V-Operator an, erhglt ram1 fiir den Druck die Laplace-Gleichung:
0
(5.4)
206
5 Schwimmen
Damit ist der Druck eine haxmonische Funktion einer jeden trhgheitsfreien StrSmung. Aus den Gleichungen (5.2) und (5.4) kaan man durch Anwenden des A-Operators ableiten, dass es sich um eine bihaxmonische Funktion als L6sung der Gleichung
V4v
(5.5)
o
handelt. Die Wellenbewegung des TeilkSrpers kann durch Superposition von Punktkr~iften dargestellt werden:
f . ,(~)
,
(5.6)
dabei ist f die Kraft pro Volumeneinheit, 5 die Delta-Funktion und r der Auslenkungsvektor vom Ort der Kraftwirkung. Das Kr~iftegleichgewicht am StrSmungselement ergibt ffir die Kraftverteilung (5.6) die Navier-Stokes-Gleichung (5.2): -Vp
+ # . Av + $ . 5(r)
(5.7)
0
Mit der Kontinuit~itsgleichung (5.1) erh~ilt man: Ap
0
(5.s)
- V ' ( 4 - F r).--Tr.
(5.9)
V . ( f . 5(r))
deren L6sung das klassische Dipolfeld P
der Abbildung 3.67 ist, mit der Dipolst~ke die die fiugere Kraft F auf die StrSmung bei 7- 0 aus/ibt. Das Geschwindigkeitsfeld v ergibt sich als bihaxmonische Funktion der Gleichung (5.5) (siehe M. J. Lighthill 1975). Betrachtet man ehlen Ehlzeller mit Ge~el der L~lge L (Abbildmlg 5.1) l~st sich die Form der Bewegungswelle entlang der Gei~el mit
(x,v,-)
(x(~),z(~),z(~))
(5.1o)
darstellen. Dabei ist s die Lfi.ngskoordinate entlang der Geigel, mit
x'2(s)
+
Y'2(s)
+
z'2(s)
(5.11)
1
Die Fortbewegungswelle hat die Wellenl~-lge X(s+A)
X(s)+A
,
Y(s+A)
Y(s)
,
Z(s + A)
Z(s)
,
(5.12)
mit der Wellenlfi~lge A entlang der gekriimmten Geigel, A a 9 A der Wellenlfinge in Richtung des Vortriebs und a < 1 der L~gskontraktion der Gei~el aufgrund der Wellenbewegung.
5.1 Fortbewegung yon Mikroorganlsmen
207
In einem Bezugssystem, das sich mit der Vortriebswelle mitbewegt, bewegt sich die Geifgel tangential entlaag der Wellenfront (5.10) mit der Geschwindigkeit c. Zum Zeitpunkt t ergibt sich: (x,y,z)
(5.13)
(X(s-c.t),Y(s-c.t),Z(s-c.t))
c ist die Geschwindigkeit entlang des gekrfimmten KSrpers der Ge~el. Der Zusammenhang mit V und der Wellengeschwindigkeit im mitbewegten Bezugsystem U ergibt: V
a. c
,
(5.14)
da die Wellenperiode mit A / c oder A / V ~ . A / V besdlrieben werden kann. Die Antriebswelle bewegt sich mit der Relativgeschwindigkeit V - U stromab. Damit ergibt sich die Geschwindigkeit der Gei~el relativ zum Fluid als Vektorsumme der Geschwindigkeit c entlang der Ybrw~tstangente und der Geschwindigkeit (V - U, 0, 0). Die Komponente entlang der Riickw~'tstangente betr~igt (V-U).X'(s-c.t)-c
,
(5.15)
wiihrend die Komponente entlang der Rtickw~'tsnormalen (V-U).~/1-X'2(s-c.t)
,
(5.16)
betrs Dabei bezeich_nen X ~ und x/1 - X ~2 die Cosinus-Richtungen der Taagente und der Normalen. Der Vortrieb P des EinzeUers kann als x-Komponente der Summe der Ta~gentialkrEfte (5.15) Ft und NormalkrEfte Fn geschrieben werden: L
P
/(Ft((V
- U). X ' ( s - c.t) - c). X ' ( s - c.t)
0
+Fn((V - U ) . (1 - X'2(s - c. t)))) 9ds
A b b . 5.1: Fortbewegung mit Geif~eln
,
(5.17)
208
5 Schwimmen
mit L
f X'(s-c.t).ds
a.L
V. L C
wobei a 9 L die Lfinge der Wellenbewegung in Richtung des Ybrtriebs ist. Mit der Definition
f X'2(s _ c.
t) 9ds
/3. L
erh~ilt man P
Ft.L.((V-U)./3-V)+F~.L
(V-U).(1-/3)
(5.18)
Dieser Vortrieb P muss im Gleichgewicht mit dem Widerstazld des mit U bewegten Kopfes des Einzellers stehen. F/Jr diese Widerstandskraft FK schreibt man:
FK
G.L.U.~
,
(5.19)
mit ~ als dem Verhgltnis aus dem Widerstand des Kopfes und dem Widerstand der Normalbewegung der Geigel. Mit (5.18) und (5.19) erhfiJt man: F,
U m
V
(1-/3).(1- -~) G F~ 1 -/3+ ~- ./3+ ~
(5.20)
ffir das Verh/iltnis der Vorwgrtsgeschwindigkeit U zur Wellengeschwindigkeit V. Da/3 < 1 (ohne Bewegung/3 1) ist, variiert U/V zwischen 0 und dem Maximalwert
F~ (5.21) max
1+
Den Mmximalwert erhglt m a n Ftir/3 --* 0. F/ix einen Kugelkopf mit dem Radius R 1 #m, der Wellenlgnge A 45 #m, der Amplitude 4 # m u n d dem Stokesschen Widerstazldsgesetz F 6 97r 9# 9 R 9 U ergibt sich der Wert ~ 0.11 und/3 0.65.
5.2 Schwlmmender Fische
5.2
209
S c h w i m m e n der F i s c h e
Das Schwimmen der Fische erfolgt im Reynolds-Zahlbereich 104 < ReL ( l0 s. Gegeniiber dem vorangegangenen Kapitel dominiert jetzt die Tr~gheitskraft gegeniiber der Reibungskraft undes bildet sich bei den schneH schwimmenden Fischen stromab des KSrpers eine turbulente Grenzschicht auf dem KSrper aus. Dennoch bewegt sich auch bei dmninierender Tr~igheit der Aal der Abbildung 5.2 mit einer WeHenbewegung des gesamten KSrpers fort. Der Vortrieb z. B. der Forelle, erfolgt wie im einf/ihrenden Kapitel erl~utert, beim langsamen Schwimmen durch die V~llenbewegung des letzten Drittels des KSrpers und beim schnellen Schwirmnen vorrangig durch den Schwanzflossenschlag. Der Tintenfisch nutzt ausschliefSlich den Schwanzflossenschlag zur Fortbewegung. Der Hal kann den WeHenmodus der Fortbewegung im hinteren Tel] des KSrpers durch ein druckgesteuertes Erstarren der Fischhaut ausschalten. Dcr Auftrieb des Fisches im Wasscr wird in dcr Regel mit der Fischblasc kompcnsicrt. Schnell schwilmnende Fische wie Haie kompensieren den Auftrieb mit seitlichen Flossen und erzeugen zus~itzlich n~t der Schwanzflosse Auftrieb. Das Gleiche gilt f'tir den Wal der Abbildung 1.1, der mit dem horizontalen SchwaxLzflossenschlagsowoh] Vortrieb als auch Auftrieb erzeugt.
5.2.1
Wellenbewegung
Aale nutzen die Transversalbewegung der R/ickenflosse f/ir das langsame Schwimmen. Bei grSfferen Geschwindigkeiten bewegt sich der gesa~nte KSrper weHenfSrmig fort. Dabei betr~gt die Wellenl~inge der KSrperwelle A 0.6 9L der KSrperl~inge. Das bedeutet, dass der KSrper des Aals zu jedem Zeitpunkt 1.7 Wellen bildet. Entsprechend der Abbildung 5.3 bewegt sich der Aal w~_rend eines Wellenzyldus um x 0.5. L eine halbe KSrperl~nge vorw~rts. Beim Seelachs sfild es x 1.0. L eine KSrperl~uge und bei der Brasse x 0.75. L mit den Wellelfl~ngen A 1.0. L u n d A 1.5. L. Die Amplitude der Wellenbewegung nimmt vom Kopf bis zum Schwanz kontinuierlich zu, wobei die Brasse keinen vollst~ndigen Wellenzyklus bildet. Die ErhShung der Fortbewegungsgeschwindigkeit erfolgt durch die VergrSgerung der Wellenfrequenz, die bei den Fischen durch den Schwaalzftossenschlag unterst/itzt wird.
Abb. 5.2: Fortbewegungsaxten der Fische
210
5 Schwimmen
Abb. 5.3: WellenfSrmige Fortbewegung Der Vortrieb wird durch die WirbelablSsung der Wellenbewegung im Nachlauf erzeugt. Die Abbildung 5.4 zeigt die Skizze von drei Zeitpunkten der Wirbelabl5sung am Schwaazende eines mit U 27 cm/s schwimmenden Aals. Die Fortpflaazungsgeschwindigkeit der Welle entlang des KSrpers betr~igt V 38 cm/s und die Reynolds-Zahl ReL 6 9 l04 bei einer KSrperlfinge von 20 cm. Die Strouhal-Zahl der AblSsefrequenz ist Str 0.3. Am jeweiligen Umkehrpunkt der KSrperhinterkante entsteht entgegengesetzt gerichtete Wirbelst~irke, die jeweils eine Scherschicht im Nachlauf bildet. Diese rollt sich stromab zu entgegengesetzt drehenden Ringvdrbeln auf, die in Abbildung 5.4 im Schnitt gezeigt sind. Die Berechnung der Vortriebsleistung P des Aals ergibt nach Abbildung 5.5 in Abhfingigkeit des Geschwindigkeitsverh~iltnisses U/V, der Vorw~Lrtsgeschwindigkeit U zur Wellengeschwindigkeit V, dass die mittlere Vortriebsleistung mit zunehmendem U/V abnimmt,
Abb. 5.4: W~belab15sung der Wellenbewegung eines Aals km Nachlauf, E. D. Tytell, G. V. Lauder 2004
5.2 Schwlmmender Fische
211
P 10-2W 1.5
1.0
0.5
O0
0'.2
0'.4 016
0'.8
1'.0 U/V m'~
Abb. 5.5: Vortriebsleistung P des Aals
ein Minimum durddguft und daxm wieder zunimmt. Beim Aal liegt das Minimum bei U/V 0.75, bei dem der Wellenvortrieb den geringstmSglichen Gesamtwiderstand Fw erzeugt. Dabei ist der Anteil der Drucld~raft gleich grog, wie der der Tr'ggheitskraft.
5.2.2
Schwanzflossenschlag
Die Schwanzflosse der Fische erzeugt mit ihrem symmetrischen Profil kontinuierlich Vortrieb. Dabei wird bei jedem Umkehrpunkt der Schwanzflosse der Anstellwinkel des Profils gegndert und es entsteht jeweils ein Wirbelring, der in den Nachlauf abschwimmt. Aufgrund der gegeniiber dem vorangegangenen Kapitels ver~inderten Geometrie bilden sich stromab dic in Abbildung 5.6 sldzzicrtcn Wirbclschlcifcn, dic dcm Nachlauf dcs Vogclflfigels der Abbildung 4.27/i~nlich sehen. Zwischen den Umkehrpunkten entsteht verbunden mit dcr pcriodischcn WirbclablSsung cin Vortricbsjct, dcm dcr Widcrstand dcs Nachlaufcs entgegenwirkt. Die Schwanzflosse des Fisches ist so optimiert, dass ein mSglichst geringer induzierter Reibungswiderstand entsteht, der jedoch so grog ist, dass iiberhaupt ein Vortrieb erzeugt werden kann. Die periodisch ablSsenden Wirbel im Nachlauf haben StrSmungsverluste zur Folge. Deshalb hat die Evolution je nach Reynolds-Zahl der Fortbewegung im Wasser den Druckwiderstand durch geeignete Formgebung des KSrpers, den Reibungswiderstand durch die Oberfl~ichenbeschaffenheit der Fischhaut und den induzierten Widerstand durch eine geeignete Profilierung der Schlagflosse optimiert. So haben Delfine und Pinguine eine beziiglich des Gesamt~iderstandes optimale K5rperform, die beim Eselspinguin den Wert Cw 0.03 bei der Reynolds-Zahl ReL 106 aufweist. Dieser Wert iibertrifft trotz des bauchigen KSrpers und der stabilisierenden Hinterbeine des Pinguins den tectmischen StromlinienkSrper einer Rotationsspindel mit einem Widerstandsbeiwert yon Cw 0.04. Es ist das Stummelfederldeid des Pinguins, das mit Luftblasen die viskose Unterschicht der Grenzschicht deraxt beeinflusst, dass der Reibungswiderstand reduziert wird.
212
5 Schwimmen
Abb. 5.6: NachlaufstrSmung des Fisches, W. Nachtigall 2001
Die Delfine erreichen den selben Effekt mit einer schleimigen Oberflfiche, die den laminarturbulenten Ubergang in der Grenzsehicht dgmpft und durch Zugabe yon geringffigigen Mengen von Polymeren in das umstrSmende Wasser den Reibungswiderstand verringert. SctmeU schwimmende Fische wie der Ha] verhindern die Querkomponenten der Schwankungsgeschwindigkeit in der viskosen Unterschicht der Grenzschicht durch L~ingsriUen der Sclluppen und erreicllen damit kurzzeitig Spitzengeschwindigkeiten bis 90 km/h. In Abbildung 5.7 sind die Druckverteilungen eines mittleren Fisches im Vergleich mit einer Rotationsspindel gezeigt. Vor dem Dickenmaximmn des Fischprofils tritt eine Saugspitze in der Druckverteilung auf, die mit der Funktion der Kiemen im Zusazmnenhang steht. Die Stabilitgtstheorie des laminar-turbulenten Ubergangs (siehe H. Oertel jr. 2008) zeigt, dass im beschleunigten Tell der Umstr6mung keine Transition zur Tu_rbulenz stattfindet und die GrenzschichtstrSmung laminar bleibt. Erst stromab der Saugspitze stellt sich eine turbulente GrenzschichtstrSmung ein. Bei der Rotationsspindel befindet sich das Dickenmaximum welter stromab und es stellt sich eine kontinuierlich beschleunigende Druckverteilung mit einer laminaren Grenzschicht ein. Das erkl~irt den geringen Gesamtwiderstand der Delfine und Pinguine, die nicht nur mit der StrSmungskontrolle an der Oberflgche den Reibungswiderstand gering halten, sondern zus~itzlich einen sehr kleinen Druckwiderstazld aufweisen, der dem Widerstmld eines Laminarprofils sehr nahe kommt. Diese Methoden der natfirlichen StrSmungskontrolle haben wir bereits in Kapitel 1.1 eingeffihrt und werden ihre technische Umsetzung im folgenden Kapitel 5.3 vertiefen. Die Fische verfiigen fiber zusgtzliche Schwillmlflossen, um die vom Flossenschlag erzeugten Roll- mid Giermomente ausgleichen zu kSnnen, die das Schwimmen in einer Richtung erst mSglich machen. Sie erlauben auch, trotz der dominazlten Tr~gheitskraft bei grogen Reynolds-Zahlen, das Abbremsen sowie abrupte Richtungsfinderungen beim Schwimmen. Bei einer vereinfachten Betrachtung des Flossenschlages des Fisches im, mit der Vortriebsgeschwindigkeit U, mitbewegten Bezugssystem steht die Vortriebskraft Fv in1 Gleichge-
5.2 Schwlmnlen der Fische
213
wicht mit der Widerstandskraft Fw des Fisches. Der Wirkungsgrad 71wird mit den jeweiligen Mittelwerten gebildet: ,7
U . Fv
(5.22)
und der mittleren erforderlichen Vortriebsleistung P des Fisches. Die Auslenkung der Quersctmittsfls in z-Richtung um die Gleichgewichtslage des Fisches wird mit h(x, t) bezeichnet. Aufgrund der Wellenbewegung des Fisches entsteht die Vertikalgeschwindigkeit w: w
Oh,
Oh,
'
(5.23)
mit der Quergeschwindigkeit Oh/Ot. Ist die Wellenfortpflanzungsgeschwindigkeit V nur unwesentlich grSt~er als die Vortriebsgeschwindigkeit [1 erh~lt man bei konstanter Amplitude der Fortbewegungswelle:
Oh, Oh, O--[ + V . Tx
0
Damit ergibt sich: w
Oh. V - tl 0--~ " - - - V - -
(5.24)
Daxaus resultiert, dass ffir einen guten Wirkungsgrad 71die Vorw~'tsbewegung w/(Oh/Ot) "klein sein muss. Der Wert muss jedoch grof~ genug sein, um den Widerstand des Fisches Fw ilberwinden zu kSnnen.
A b b . 5.7: Druckverteilungen eines Fisches und einer Rotationsspindel
214
5 Schwimmen
A b b . 5.8: Schwanzflossenschlag des Fisches
Auf der Basis dieser vereinfachten Betrachtung der Wellenbewegung des Fisches hat M. J. Lighthill 1960 die lineare Theorie des l~ingsgestreckten KSrpers entwickelt. Dabei wird vorausgesetzt, dass die Querschnitts~-lderungen entlang des Fisches klein sind und die Wellenbewegung die StrSmung nur geringfiigig stSrt. Diese ~Vbraussetzungen sind jedoch beim schnell schwimmenden Fisch nur bedingt erffillt. Die Schwanzflosse der Abbildung 5.8 re_it dem symmetrischen Profil bewegt sich mit der Geschwindigkeit V, die eine Vortriebsgeschwindigkeit U erzeugt. Der Fisch kontrolliert die Vorw~irtsbewegung in der Weise, dass die resultierende AnstrSmung relativ zur SchwazLzflosse [1, gegentiber dem KSrper mit einem positiven Anstellwinkel a versehen ist. Der resultierende Auftrieb FA, dessen Komponente in Schwimmrichtung FA 9sin(a) den Vortrieb Fv erzeugt, steht senkrecht auf der Relativgeschwindigkeit [1,. Der Vortrieb ist damit Fv U 9FA 9 sin(a). Um diesen Vortrieb zu erzeugen, bewegt sich die Schwanzflosse seitwarts gegen die Kraft FA 9cos(a), die eine Arbeitsleistung von V 9FA 9 cos(a) erfordert. Diese betr~igt bei den langsam schwimmenden Fischen lediglich 0.6 roW.
A b b . 5.9:
Leistungskoeffizient
cp des Vortriebs
5.2 Schwlmmen der Fische
215 m
Mit der mittleren Vortriebsleistung P l ~ s t sich ein dimensionsloser Leistungskoeftlzient cp fiir das Schwimmen der Fische definieren: m
cp
1
P
(5.25)
9p. U a 9S . L In Abbildung 5.9 ist der Leistungskoeftizient als ~Smktion der Reynolds-Zahl f'dr einen Seelachs der L ~ g e L 0.18 m daxgestellt. S . L i s t die Oberfl~che des Fisches. Wir erkennen ein Minimum von cp bei der Rey-nolds-Zahl ReL 105 mit dem Wert cp 0.07. Bei hSheren und auch geringeren Schwimmgeschwindigkeiten ist ein zus~tzlicher Energieverbrauch des Fisches beim Schwimmen erforderlich.
5.2.3
Rfickstoi~prinzip
Eine andere Fortbewegungsm't im Wasser ist die Nutzung des Riickstot~prinzips verbunden mit einer kurzzeitigen Kontraktion eines zuvor eingesaugten Wasservolumens. Kraken, Tintenfische und Quallen nutzen diesen RiickstrSmjet zur Vortriebserzeugung. Sie saugen Wasser aus dem Nachlanf an und stofSen es wieder nach hinten aus. Salpen, tonnenfSrmige glasklare Manteltiere, nehmen das Wasser von vorne auf und stoffen es in den Nachlauf aus. In Abbildung 5.10 sind diese beiden Rfickstoffprinzipien skizziert. Ffir beide Vortriebsmethoden ergibt sich die Vorw~rtsgeschwindigkeit U. Das Wasser besitzt die EinstrSmgeschwindigkeit v~n trod die AusstrSmgeschwindigkeit ~'jet- Die Geschwindigkeiten shld relativ zum ruhenden Wasser definiert. Bei den Kraken und Quallen muss das Wasser im Nachlanf mit einer grSfferen EinstrSmgeschwindigkeit v~n > U als die Schwimmgeschwindigkeit angesangt werden. Bei den Salpen ist v~= < U. Beim bisher behandelten Wellenmodus der Fische wird das Medium lediglich in eine Richtung stromab in den Nachlauf beschleunigt, w~ihrend behn Jetschwimmmodus das Medium zun~chst v o r w ~ t s und dazm riickw~ts
A b b . 5.10: Jetschwimmmodus bei Aufnahme des Mediums ans dem Nachlauf beziehungsweise von Vorne
216
.5 Schwlmmen
beschleunigt wird. Damit erh~lt man eine andere Formulierung des Wirkungsgrades 71 der Gleichung (5.22) auf der Basis einer Energiebilanz. Die Jetmasse pro Zeiteinheit ist ? ~ j e t . Das Wasser starter aus der Ruhe und wird vorw~rts auf die Geschwindigkeit vin beschleunigt, abgebremst und wieder auf die rfickw~rts gerichtete Geschwindigkeit ~'jet beschleunigt. Der Antriebsimpuls ist ?3~,jet 9 ~'jet. Die Arbeit, die gegen den Widerstand des Tieres geleistet wird, schreibt sich ?3~,jet 9 ~ ' j e t " U . Die kinetische Energie des einstrSmenden Wassers ist (1/2)" mjet" Vi2n,die im Kompressionsvolmnen des Tieres nicht gespeichert wird und verloren geht. Die kinetische Energie, die an den Nachlauf abgegeben wird ist (1/2) 9?3~,jet 9 l'j2et. Damit ist die fiJr den Vortrieb aufzubringende Arbeit 1 Das Verh~fltnis der ffJr den Vortrieb genutzten Arbeit Wv ?3~'jet " ~ ' j e t " g zur totalen aufgebrachten Arbeitsleistung Wtot ist der Wirkungsgrad 71 des Jetvortriebs: 2 9 ~jet " U
Wird das Wasser bn Nachlauf angesaugt gilt vi, > U und (5.27) besitzt die obere Grenze bei vi, U: 2 "~jet " U
77m~x
2 9 ~jet 9 U
2 .v>~. L1 + L12 + v ~
(L1 + v > ) 2
(5.2S)
Wird jedoch das Wasser von vorne aufgenommen, gilt vi, < U und ein gr6geres Maximum des Wirkungsgrades wird mSglich. Im Grenzfall ist vin 0 und den Maximalwert erreicht man bei 2 9 ~jet
77max
"g
g
2 9 1'jet 9 [ 1 ~- 1,j2et
1
[ 1 ~- ~
9 1,jet
(5.29)
Die bisherigen Betrachtungen gelten ffirkonstante Geschwindigkeit LI. Schwimmt jedoch ein Tier im Jetmodus oszilliertdie Vortriebsgesehwindigkeit LI. Bei jedem Ausstog des Jets in den Nachlauf beschleunigt das Tier. Beim Aufpumpen des Kompressionsvolumens vergr6gert sich das Volumen und damit der Widerstand, der sich beim Ausstogen wieder verkleinert. Insofern mfissen ffirdie Bereehnung dieses periodisch instation&ren Str6mungsvorgangs die StrSmung-Struktur gekoppelten Grundgleiehungen yon Kapitel 3.5 angewandt werden. FNr die Muskelstruktur des Kompressionsk6rpers k6nnen ~Imliche Spannungs-Dehnungs-Beziehungen, wie beim Myok,~rd des Herzens beziehungsweise den Adern, angesetzt werden. Lediglich die Parameter der Energieftmktion (2.55) miissen der ver~inderten Musku]atur des Kompressionsk6rpers angepasst werden. Setzt man jedoch voraus, dass die Ausstogintervalle so lang sind, dass das Tier zwischen den Jetimpulsen gleitetund dass der Jetimpuls viel gr6ger a~s der Widerstand des Tieres ist, ergibt die Impulsbilanz: ~,
"l'ma x
?3~,je t 9 l~je t
(5.30)
Dabei wird bei jedem Ausstogimpuls die ausgestof~ene Wassermenge ?3],jet aus der Ruhe auf l,jet beschleunigt womit der K6rper der Masse m von Null auf die Maximalgeschwindigkeit
5.2
217
Schwlmmen der Fische
Vma• beschleunigt wird. Da sich das Tier beim Gleiten nahezu stationiir bewegt, ergibt die erforderliche Arbeit ffir das Schwimmen die Sunmle der kinetischen Energien des KSrpers und des Jets (1/2) 9 ( m . ~'max2+ ~9~,jet 9 vj2et). Daraus resultiert das Verhiiltnis der ffir den Vortrieb gewomlenen Arbeit zu der hlsgesamt geleisteten Arbeit: 2 ~'~..l~ma x ?~'jet "
"n~, ~ m a x
und mit Gleichung (5.30) ~max
71
(5.31)
~ m a x ~- ~ j e t
Gleichung (5.31) zeigt, dass es fiir das Gleiten zwischen den Ausstof~imptflsen am effizientesten ist, bei geringer Jetgeschwindigkeit ~'jet ZU schwimmen. Nach Gleichung (5.28) ist es jedoch f/ir das Ansaugen aus dem Nachlauf am effizientesten mit ~'jet U zu schwimmen. Die Abbildung 5.11 zeigt das Beispiel einer Qualle mit dem Durchmesser von 1 cm, die periodisch alle 0.1 s Wasser ausst6~t und im Abstand von 0.2s Wasser aus dem Nachlauf ansaugt. Es ist die Beschleunigungsphase w~hrend der ersten 6 Zyklen gezeigt. Die Qualle beschleunigt bei jeder Kontraktionsphase und verz6gert withrend der Fiillphase. Am Ende der Kontraktionsphase beschleunigt sie mehr als zu Beginn, obwoh] die Ejektionsrate des Wassers konstant ist, da die effektive Masse der Qualle w~ihrend des Ausstoi[ens abninmlt. Die mittlere Geschwindigkeit ~ der Qualle nimmt w~ihrend der ersten Zyklen beim Start aus der Ruhe kontinuierlich zu, bis sie einen konstanten Wert erreicht.
U cm/s
t /s
dU/dt 40~
dU/dt cm/s 6
U .. 0
'
0 0.2
'
'
0.6
'
dU/dt
'
' ~ ' ~ - - '
1.0
1.4
~--
1.8 t/s
A b b . 5.11: Beschleunigungsphase einer Qualle, T. L. Daniel 1983
218
5 Schwimmen
Jedes Mal wena die Qualle kontrahiert wixd kiaetische Energie an den K5rper und den Jetstratfl abgegeben. W~hrend der Fiillphase geht wieder kinetische Energie aufgrund des Widerstandes des K5rpers verloren. Imlerhalb der ersten Schwimmzyklen ist die Beschleunigungsenergie grSt~er als der Verlust durch den Widerstand und die kinetische Energie nimmt kontinuierlich zu. Ist die konstante Endgeschwindigkeit erreicht wird keine zus~tzliche kinetische Energie gewonnen. Der Arbeitsaufwand ffir den Vortrieb wird dann ausschlieJ~lich f~r die Uberwindung des KSrperwiderstandes genutzt. Bei der Qualle wechsehl alle 5 bis l0 Kontraktionsphasen mit Ruhephasen yon l0 bis 90 s ab. Deshalb ist das Schwimmen mat dem R~ckstoJ~prinzip ineffektiv, verglichen mit dem Schwimmen der Fische. Das ist der Grund, waxum diese Art des Schwhnmens bei der technischen Umsetzung im n~ichsten Kapitel nicht welter beriicksichtigt wird.
5.3 StrSmungskontrolle 5.3
219
StrSmungskontrolle
Entsprechend
unseren Ausfiihrungen im einfiihrenden Kapitel i.i hat die Natur unterschiedliche Methoden entwickelt, den Gesamtwiderstand (3.92) Cw Cd + cf,g schnell schwimmender Fische im Reynolds-Zahlbereich ReL 106 bis l0 s so gering a]s mSglich zu ha]ten. Der auftriebsbedingte induzierte Widerstandsbeiwert (3.163) ci spielt beim Schwimmen entgegen dem Vogelflug eine untergeordnete RoUe. Zum einen gilt es durch geeignete Formgebung den Druckwiderstmldsbeiwert cd gering zu ha]ten und zum anderen durch die La~linarha]tung der turbulenten Grenzschicht den Reibungswiderstandsbeiwert cf,g zu reduzieren. Die schnell schwimmenden Fische mfissen aber auch ffir einen geringen Gesamtwidersta~dsbeiwert Cw die StrSmungsablSsung im Rumpfheck vermeiden. Da turbulente GrenzschichtstrSmungen sp~iter ablSsen a]s laminaxe, gibt es je nach Schwimmgeschwindigkeit der Fische den der Laminaxisierung entgegengesetzten Effekt der Turbulenzerzeugung. So erzeugen Rauigkeitselemente auf dem Schwert des Schwertfisches (Abbildung 5.12) bei einer Reynolds-Zahl von ReL 7.107 eine turbulente Grenzschicht. Der Pinguin der Abbildung 1.6 erzeugt in bestimmten Schwimmphasen neben der Blasenbildung seines Federkleides mit seinen NasenlSchern turbulente Ringwirbel, die stromab wandern und die StrSmungsabl5sung des bauchigen Rumples verhindern.
Die L a m i n a r h a l t u n g der Grenzschicht durch geeignete F o r m g e b u n g haben wir bereits in Kapitel 3.2.2 behandelt. Die Rotationsspindel der Abbildung 5.7 oder die mit Scheiben und Scherschichten erzeugte Rotationsspindel der AbbUdung 1.36 sind Laminarprofile, die im besctfleunigten Tell der Druckverteilung die laminax-turbulente Transition zur turbulenten Grenzschichtstr5mung verhindern. Das Gleiche gilt f'dr die bauchigeren K5rperformen, wie die des Thunfisches der Abbildung 5.12 oder des Delfins der Abbildung 1.5. Die daraus abgeleiteten technisch nutzbaren Laminarprofile f'dr die Fortbewegung der Schiffe und Unterseeboote im Wasser sind in Abbildung 5.13 dargestellt. Stromauf des Dickenmaximums stammt die Kontur des Profils vom Delfin und stromab vom Thunfisch. Um die Str5mungsabl5sung im verz5gerten Teil der Druckverteilung stromab des Dickenmaximums zu verhindern, zeigen einige Fische, wie z. B. die Makrele und der Thunfisch, einen Kamm von Finlets (AbbUdung 5.14), wie wir sie vom Eulenfliigel der Abbildung 1.4 kennen. Diese ldeinskaligen Wirbelgeneratoren verz5gern sowohl die laminare als auch die turbulente Str5mungsabl5sung. Sie generieren ldeinskalige Wirbel, die sich mit ihren Wirbelachsen entlang der Stromlinien orientieren. Damit erh5hen sie die Geschwindigkeit in Wandn~hhe und die Grenzschicht kann gr5~ere positive Druckgradienten tolerieren. Beim
Abb. 5.12: KSrperformen des Thunfisches und des Schwertfisches
220
5 Schwimmen
Abb. 5.13: NACA 66018 Laminarproffl abgeleitet vom Thunfisch und Delfin Eulenfliigel ermSglichen die Wirbelgeneratoren einen um 30 % erh5hten Anstellwinkel und dalnit zus~Ltzlichen Auftrieb. Beim Fisch verringern sie den Druckwiderstandsbeiwert Cd um einen entsprechenden Anteil. Von den vielfiiltigen MSglichkeiten der Natur den Reibungswiderstandsbeiwert cf,g durch geeignete Gestaltung der Mikrostruktur der biologischen Oberfl~ichen zu verringern, greifen wir ftir deren technische Umsetzung in den folgenden Kapiteln die Riblet-Struktur des Haifisches, die D~impfungs- und Schleimhaut des Delfins und das Ausgasen des Pinguinfederkleides heraus.
5.3.1
Riblets
Untersuchungen an Haien haben gezeigt, dass entsprechend den Ausffihrungen in Kapitel 1.1 schneU schwimmende Fische Schuppen mit L~ingsrillen tragen. Diese verhindern die Entstehung der Querturbulenz in der viskosen Unterschicht der turbulenten Str5mungsgrenzschicht und ffihren zu einer Relaminaxisierung der Grenzschicht und damit zu einer Verringerung des Reibungswiderstandsbeiwertes cf,g. Die Abbildung 5.15 zeigt die unterschiedlichen L~ngsrillenstrukturen an unterschiedlichen KSrperteilen eines Seidenhais der L~inge 2.27 m. Die Breite der jeweiligen Bilder betr~Lgt 2 ram, Die L~ngsrillen mit dem Abstand 35 - 105 #m sind der jeweiligen Schwimmgeschwindigkeit der Hale angepasst. Die schnellen Hochseeschwimlner haben Schuppen lnit feinen Rillen, wogegen langsam schwimmende Hale eine breitere Rillenstruktur aufweisen. In der Schwaazregion und an den Flossenvorderkanten sind die Schuppen relativ glatt, was auf eine laalinare Str5mungsgrenzschicht hinweist. Stromab des Transitionsbereiches (siehe Abbildung 3.36) finder man die ausgepr~Lgte Rillenstruktur der Abbildung 5.15 im Bereich der Flossen und im verjiingenden hinteren K5rperdrittel. Die technische Umset-
Abb. 5.14: Wirbelgeneratoren der Makrele
5.3
Str6mungskontrolle
221
zung der Lihlgsrillenstruktur nennt man R i b l e t s (Abbildung 3.43). Die Funktionsweise der Riblets leitet sich von der Bereichseinteilung einer turbulenten Grenzschicht der Abbildung 3.40 ab. Sie benutzt die Relaminarisierung der viskosen Unterschicht dutch die Stege der Pdblets mit der Reynolds-Zahl angepasstem Abstand und HShe. Das zeitlich gemittelte Geschwindigkeitsprofil der viskosen Unterschicht haben wit in Kapitel 3.3.3 abgeleitet. Es gilt der lineare Zusammenhang (3.122) zwischen der mit der Wandschubspannungsgeschwindigkeit u~ ~ entdimensionierten zeitlich gemittelten Geschwindigkeitsverteihmg ~(z) und der dimensionslosen VertilmJkoordinate z+ u ~ 9 z / u im Bereich z + < 5: u+
__-~(z)
__u~ " z
"U,7-
//
~~+
(5.32)
Im Bereich der Wandturbulenz ani~erhalb der viskosen Unterschicht und eines Ubergangsbereiches gilt f'tir 30 < z + < 350 das logazithmische Wandgesetz (3.126): u+
2.5 9ln(z +) § 5.5
(5.33)
Bezeichnet man den Sctmittpunkt z + d e r Geschwindigkeitsprofile (5.32) und (5.33), hat dieser den Wert z + 11.6. Die Wirkung der Riblets besteht daxin, dass die Querschwankungsgeschwindigkeiten v ~ abgeschw~cht werden und die Dicke der viskosen Unterschicht und damit z + vergrS~ert wird. Die Abbildung 5.16 zeigt die Prinzipsldzze der zeitlich gemittelten L~lgs- und Quergeschwindigkeitsprofile unter dem Einfluss der Riblet-Rillen in der viskosen Unterschicht. Die mit den Riblets verbundene Verringerung des Reibungswiderstandes AT/T0 ist proportional der mit der Riblet-Spaltweite s und der Wandschubspasmungsgeschwindigkeit
A b b . 5.15: Unterschiediiche Rillenstrukturen an unterschiedlichen KSrperteilen be[ einem Seidenhai, D. W. Bechert und M. Bartenwerfer 1989
222
5 Schwimmen
u~ gebildeten Reynolds-Zahl Res: Re
s
u T
98 l]
AT Ah . . . .
To
s
Res
(5.34)
Ah [st dabei die HShendifferenz der virtuellen Ursprungsorte der zeitiich gemittelten Geschwindigkeitsproffle Ah hL -- hc, die ffir die Verhinderung der QuerstrSmungswirbel verantwortlich ist. Die Dicke der viskosen Unterschicht A ist mit Gleichung (3.148) gegeben, die auf die GrenzschichtstrSmung iibertragen werden kann. Sie w~ichst mit grSl~er werdendem Ah an, was mit einer Verringerung der Wandreibung einher geht. z0+ w~Lchst ebenfalls mit Ah. Daafit bewegt sich der logarithmische Bereich nach oben und die Konstante in Gleichung (5.33) ni~imlt gr5ffere Werte an. Den gleichen Effekt erzielt man durch die Zugabe von langkettigen Molekiilen der Polymere in der turbulenten Grenzschicht, die im n~ichsten Kapitel beschrieben wird. Die gr5ffte Verringerung der Wandschubspannung und dallfit des Reibungswiderstandes um 8 % erzielt maal entsprechend der Abbildung 5.17 mit Riblet-Folien aus Dreieckriefen im Abstand von s 60 #m und der HShe von h 0.5 9 s. Einen noch grS~eren Effekt erzielt man mit Riblet-Stegen, die den Reibungswiderstand um l0 % verringern, sich aber aufgrund der verringerten Stabilit~Lt nicht durchgesetzt haben. Die Best~Ltigung der Unterdriickung der QuerstrSmtmgsschwaalkungen v ~durch die Riblets liefert die numerische Berechnung der StrSmungsstruktur in der viskosen Unterschicht, die in Abbildung 5.18 gezeigt wird. In unmittelbaxer Wandn~ihe in der viskosen Unterschicht, zun~ichst der glatten Wand, ist das Momentanbild der Geschwindigkeitsschwankungen dargestellt. Die dunklen Bereiche zeigen hohe Geschwindigkeitsschwanklmgen und
A b b . 5.16: Prinzipsldzze der zeitlich gemittelten L~ngs- und Quergeschwindigkeitsprofile
mit Riblet
5.3 Str6mungskontrolle
223
A b b . 5.17: Haifischschuppen und Pdblet-Folien, D. W. Bechert et al. 2000
die heUeren Bereiehe geringe Schwankungen. Es erscheint das Momentanbild von L~hlgsstrukturen, die an der Oberflfiehe eine vergrSgerte Wandsehubspannung Tw verursaehen. Die Lgngsrillen der Riblets unterdriieken die v~-Komponente der Gesehwindigkeitssehwankungen und damit die Bereiehe hoher Seherraten in der viskosen Untersehieht. Dies fiihrt zu der gewiinsehten Relaminarisierung der turbulenten Grenzsehieht.
Riblets zur Verringerung des Reibungswiderstandes lassen sich in vielen Bereiehen der Teehnik einsetzen. Riblet-Folien verringern den Treibstoffverbrauch von Verkehrsflugzeugen. Dureh Lasersehweigen auf Turbinensehaufeln aufgebraehte Riblets erh6hen den Wirkungsgrad von Turbinen. Gerippte Schwimmanziige verbessern die Leistungen von Wettl~mpfsehwimmern und der mit Pdblet-Folie versehene Rumpf der Stars and Stripes gewann 1987 den Cup of America. Die Riblet-Folien wurden erstmals von Airbus an einem A 320 erprobt (Abbildung 5.19). Es wurden etwa 700 m 2 Folien aufgebracht und eine Widerstandsverringerung von 1.5 % erzielt. Da nicht die gesamte Flugfl/iche mit Ribletfolie beklebt werden kasm, wird der theoretische Wert von 4 % bei 50 % Wandreibung nicht erreicht. Die Flugerprobung der Riblet-Folien wurden mit dem Langstreckenflugzeug A 340-300 fortgesetzt und eine Treib-
A b b . 5.18: Querturbulenz der viskosen Unterschicht
224
5 Schwimmen
Abb. 5.19: Airbus A 320 re.it Riblet-Folie
stoffverringerung von 2 % nachgewiesen. Das Flugzeug hat ein Startgewicht von 254 Tonnen. Davon sind 126 t Leergewicht, 80 t Treibstoff und 295 Passagiere wiegen 48 t. Ftir die Langstrecken sind ein Drittel der Betriebskosten die TreibstoiIkosten. Ein um 2 % verringerter Treibstoffverbrauch bedeutet also ein um 3.2 t verringertes Gewicht beziehungsweise eine zus~LtzlicheZuladung von 20 Passagieren. Dabei sind die Kosten und das Gewicht der Riblet-Folien irrelevam. Aber 3.5 Tage Stillstazld pro Jahr, die da~ Aufldeben der Folien w~_rend der Wartungsintervalle effordert, bedeuten 1% weniger Gewinn fiir die Luftfahrtgesellschaften. Dies verhindert derzeit die Einftihrung der Riblet-Folien in der zivilen Luftfahrt. Hier kSmlen unsere Ausftihrungen zur tectmischen Umsetzung des Lotuseffektes in Kapitel 1.4 helfen, in dem Lacke mit MetallFdden im #m-Bereich entwickelt werden, die beim Auftragen magnetisch in L~ingsrichtung ausgerichtet werden. Dies hat den zus~itzlichen Nutzeffekt, dass die Flugzeugoberfl~ichen nicht verschmutzen.
5.3.2
D~mpfungshaut
Die mit einem schleimaxtigen Gel bedeckte D~impfungshaut des Delfins der Abbildung 1.5 wirkt in zweierlei Hinsicht relaminarisierend. Beim langsamen Schwillmlen d~npft die mit Fltissigkeit durchsetzte Unterhaut jede DruckstSrung auf der Delfinoberfl~iche. Unter dem Einfluss einer Druckwelle verschiebt sich die Flfissigkeit in der Unterschicht in alle Richtungen und kehrt beim Nachlassen der DruckstSrung wieder in seine Ausgangslage zurtick. So werden Tollm_ien-Schl_ichting-Wellenged~impft und der laminax-turbulente ()bergang in der Grenzschicht stromab verlagert. Beim schnellen Schwimmen reicht die Laminarisierung der D~impffmgshaut nicht aus und es koIImlt die gelartige Oberfl~Lchedes Delfins zur Wirkung. Sie enth~ilt langkettige Polymere, die in geringen Mengen in die viskose Unterschicht der turbulenten Grenzschicht abgegeben werden. Diese haben dieselbe Wirkung wie die Riblets des Hais. Sie dicken die viskose Unterschicht auf und verringern dadurch die Wandschubspannung. Die Verringerung des Reibungswiderstandes durch die Zugabe von Polymeren von nur 100 ppm in die turbulente Grenzschicht betr~Lgt bis zu 60 % - 8 0 %. Bei der technischen Realisierung einer solchen D~impfungshaut wird Flfissigkeit mit einer einstellbaren Steifigkeit zwischen einer glatten und genoppten Platte eingeschlossen. Der Effekt der Relaminarisierung durch eine schwingungsfiihige Oberfl~Lchewurde in Experimenten nachgewiesen. Die Abbildung 5.20 zeigt die Verringerung des Widerstandsbeiwertes Cw der ktinstlichen D~impfungshaut in Abh~ingigkeit der Reynolds-Zahl. Bei geeigneter Einstellung der Amplitude und Phase der D~impfung n~ihert man sich insbesondere bei grogen Reynolds-Zahlen dem Widerstandsbeiwert der laminaren StrSmung.
5.3 Str6mungskontrolle
225
Wird die kiinstliche Diimpfungshaut mit einer turbulenten StrSmung angestr5mt, bricht der Relanfinarisierungseffekt zusammen. Die Dgmpfungshaut verzSgert nieht nur den laminar-turbulenten Ubergang in der Grenzsehieht, sondern verhindert aueh die StrSmungsablSsung im hinteren Bereieh des KSrperrumples. Derartige kiinstliehe Dgrnpfungshfiute sind ffir Unterseeboote und Torpedos entwiekelt worden. Ein Torpedo mit einer solehen k/instliehen Haut hat wie der Delfin einen um 60 % verringerten Widerstand verglichen mit einem turbulent umstrSmten Referenzmodell.
Die Verringerung der turbulenten Wandschubspannung 1/isst sieh sowohl f/Jr turbulente UmstrSmungen von KSrpern als auch ffir hmenstrSmungen dutch Zugabe yon langkettigen Polymeren, Tensiden, kleinen FestkSrpern oder ffinglichen Fgden und Mikroblasen techlfisch nutzen. Dabei kann der Reibungswiderstand um 60 % - 80 % reduziert werden. Die eftizienteste Teehnik ist die Zugabe von flexiblen Polymeren mit hohem Molekulargewicht in sehr kleinen Konzentrationen. hi Abbildung 5.21 ist die Ausrichtung der Polymerketten in einer turbulenten Grenzschieht in Wandn/ilae und die Verringerung der Wandsehubspannung Arw in Abh~ingigkeit der Polymerkonzentration dargesteUt. Fiir die natiirliehen Polysaecharide wird die maximale Verringerung der Wandsehubspannung bereits bei einer Polymerkonzentration yon 200 ppm erreieht. Bei grSgeren Seherraten kommt es zur Degradation beziehungsweise zum Aufbrechen der Molekiile, was mit einem Verlust an Widerstandsreduzierung verbunden ist. Deshalb gibt es ffir jede Reynolds-Zahl der turbulenten StrSmung ein Maximum der Widerstandsverringerung, das auch dureh weitere Zugabe von Polymeren nieht /ibersehritten werden l~axm. Dieser Effekt wurde erstmals vom britischen Chemiker B. A. Toms bereits 1948 entdeckt. Andere synthetische Polymere sind noeh effektiver und erreiehen das Maximum bereits bei einer Konzentration von 20 ppm.
A b b . 5.20: D~impfungshaut des Delfins, W. Nachtigall 2000
226
.5 Schwimmen
A b b . 5.21: Verringerung der Wandschubspannung ATw durch natiirliche Polysaccharide
Den Relaminarisierungseffekt der viskosen Unterschicht nutzt man z. B. bei der AlaskaPipeline der Abbildung 5.22, um das kalte zghfiiissige O1 mit geringerer Pumpleistung und weniger Pumpstationen transportieren zu kSnnen. Bereits 5 ml synthetische Polymere auf 1 m a O1 reduzieren die Pumpleistung urn 30 %. In Wasserpumpsystemen reduziert die Zugabe von Polymeren den Druckverlust sogar urn 80 %. Dies nutzt die New Yorker Feuerwehr mn bei gleicher Pumpleistung hSher spritzen zu kSnnen.
5.3.3
Ausgasen
Das Ausgasen des Pinguin-Federkleides mit M i k r o b l a s e n haben wir bereits in Kapitel 1.1 und die technische Anwendung bei Schiffen in Abbildung 1.37 beschrieben. Die Ver-
A b b . 5.22: Alaska-Pipeline
5.3 Str6mungskontrolle
227
ringerung des Reibungswiderstandes wird dadurch erzielt, dass das Luft-Wassergemisch eine geringere Dichte und Z~ihigkeit besitzt als Wasser und damit theoretisch eine Widerstandsreduzierung von 80 %, wie bei der Zugabe von Polymeren, mSglich ist. Diese werden jedoch bei der technischen Umsetzung in der Schifffatu't derzeit bei weitem nicht erreicht, da sich bei groi~en Geschwhldigkeiten die Luftblasen in der turbulenten Schiffsgrenzsctficht verformen und ihre widerstandsreduzierende Wirkung verlieren. So wurden bei einem mit Luftkompressoren ausgeriisteten Frachtsctfiff lediglich 3 % Widerstandsreduktion nachgewiesen, die sich bei dem Energieverbrauch der Kompressoren bei ehlem Auspressdruck von 2 bar derzeit wirtschaftlich nicht rechnet. Dies ~-idert sich, wenn man bei schnell schwinmlenden KSrpern den Druckabfall im beschleunigten TeLl der DruckverteLlung zur natfirlichen BlasenbLldung nutzt und dabei der Dampfdruck unterschritten wird. Dies ffihrt dazu, dass der Torpedo der AbbLldung 5.23 sich mat einer Hiille yon Wasserdampfblasen umgibt. Durch die damit verbundene Verringerung des Reibungswiderstandes, erreicht der Torpedo eine wesentlich hShere Geschwindigkeit. W~ihrend ein normaler Torpedo eine Geschwhldigkeit yon 130 km/h erreicht, kann man durch geeignete Formgebung der Torpedospitze, mat dem Kavitationsblasenmantel, Geschwindigkeiten bis 350 km/h im Wasser erreichen. Der Nachteil der Blasenentwicklung ist jedoch, dass dadurch Schall entsteht und deshalb der Torpedo leichter geortet werden kann.
Abb. 5.23: Von der Pinguinkolonie zum Torpedo
228
6
Blutkreislauf
Die Funktionsweise des Blutkreislaufes und des menschlichen Herzens haben wit in Kapitel 1.3 eingef'fi_h_rt.In diesem Kapitel werden die biomechanischen und biostrSmungsmechanischen Grundlagen, lnathematischen Methoden und numerischen Modelle bereitgestellt, die fiir die Bereclmung der StrSmung im menschlichen Blutkreislauf und im Herzen erforderlich sind.
6.1
Blutkreislauf
Die Abbildung 6.1 zeigt ergfi~zend zur Abbildung 1.47 das Prinzipbild des Arterienkreislaufes des menschlichen KSrpers und Teilausschnitte der Aorta mit den nach oben ffihrenden Hals- und Armschlagadern sowie die Beinaxterien. Dabei sind die Arterien und ihre
Abb. 6.1: Die wichtigsten Arterien des menschlichen K5rpers
6.1 Blutkrelslauf
229
Verzweigungen mit der MRA Magnetspin-Resonanz-Angiografie mit einem Kontrastmittel in den Blutbahnen sichtbar gemacht. Der KSrperkreislauf besteht aus der Aorta, 159 Arterien, 14 Millionen Arteriolen, 3.9 Milharden Kapillm'en, 320 Millionen Venolen, 200 Venen und der Vena Cava. Der ReynoldsZahlbereich reicht von 3600 bis 5800 in der aufsteigenden Aorta, 1200 bis 1500 in der absteigenden Aorta, 100 bis 800 in den Arterien, 0.1 bis 0.5 in den Arteriolen, 7. l0 4 bis 3. l0 a in den Muskell~pillaren, 0.1 bis 0.3 in den Venolen, 200 bis 600 in den Venen, 600 bis 1000 in der Vena Cava und 3000 in der Pulmonalarterie des Lungenkreislaufes. Dabei teilen sich die VolumenstrSme des Blutes in den Arterien auf in 4 % in die Koronaraxterien zur Versorgung der Herzmuskeln, 14 % zur Versorgung des Gehirns, 6 % in die Arme und 4 % im Kopfbereich, 56 % in den Bauchbereich und 16 % in die Beinarterien. Der Volumenanteil des Venenkreislaufes ist etwa 20 mal grSger als der arterieUe und beinhaltet 85 % des Blutvolumens. Der vom Herzen aufgeprfigte periodische Druckverlauf in den abzweigenden Arterien ist in Abbildung 1.22 dargestellt. Die GrSgenverhfiltnisse und Wandst~ken der Arterien und Venen sind in Abbildung 6.2 ergfinzt. Bei der Ausbreitung des Druckpulses werden die Arterien erweitert und die Wanddicke nimmt ab. Dabei ist die Dehnung an der inneren Wand gr5ger als an der fiugeren. Die Spannungs-Dehnungsbeziehung f'tir die Adernwfinde kann nfiherungsweise mit einer Exponentialflmktion beschrieben werden. Dabei ist die Spannung an der inneren Wand anfgrund der Nichtlineaxit~it der Spannungs-Delmungskurve deutlich grSiger Ms die Delmung. Die Dehnungs-Energiefunktion (2.55) kann nach Y. C. Fung 1993 fiir die Blutgefgge vereinfacht werden: p0"W
q+c.a Q
,
(6.1)
wobei q und Q als Polynome der Detmungskomponenten in Kapitel 2.3.3 daxgesteUt sind.
A b b . 6.2: Dehnung, Spaanung, Gr6genverhfiltnisse und Wandst~ken der Arterien und Venen
230
6 Blutkreislauf
In den folgenden Kapiteln werden die StrSmungsverhiiltnisse in den Arterien, Arterienkrfilmnungen und Verzweigungen, die MikrostrSmungen in den Arteriolen und Kapillaren sowie die StrSmung in den Venen im Einzelnen besehrieben. Die Abbildung 6.3 zeigt die momentanen Geschwindigkeitsprofile einer ausgebildeten ArterienstrSmung sowie den zeitlichen Verlauf einer chaxakteristischen Geschwindigkeitswelle. Der periodisehe StrSmungspuls des Herzens verursaeht in den mittleren und ldeineren Arterien bei Reynolds-Zahlen von einigen Hundert bis Tausend eine laminare instation~e RohrstrSmung mit tempor~en Wendepunktprofilen in der N~ihe der Arterienwand. Fiir die ausgebildete StrSmung ohne Einfluss der Einlaufstr5mung ergibt sich fiir das zeitlich gemittelte Geschwindigkeitsprofil das paxabolische Poiseuille-Profil yon Kapitel 3.3.4. Die zeitlich gemittelte EinlaufstrSmung ist in Abbildung 6.4 daxgestellt. Zu Beginn der Einlaufstrecke bildet sich zunRchst ein abgeflachtes Geschwindigkeitsprofil aus. Stromab w~ichst die Grenzschichtdicke an und aufgrund der Kontinuit~itsgleichung muss die Geschwindigkeit der KernstrSmung zunehmen, da an jeder StOle das gleiche Volumen fliegen muss. Erst nach Abschluss der Einlaufstrecke l erfasst der reibungsbehaftete Teil der Str6mung den gesamten Querschnitt und es stellt sich im zeitlichen Mittel die ausgebildete Poiseuille-StrSmung ein. Fiir die Abseh&tzung der Einlanfstreeke gilt fiir groge ReynoldsZahlen: l
0.03. D. ReD
(6.2)
Ffir die anfsteigende Aorta ergibt (6.2) eine Einlanfstrecke von l 100. D, so dass sich an keinem Ort der Aorta eine ausgebildete StrSmung einstellt. Fiir die pulsierende StrSmung ist die Grenzschichtdicke 5 ~ x//-J-/w und die Einlanfstrecke l~st sich mit der Gleichung l
U
2.64.--
~d
(6.3)
absehfitzen, wobei U die Str6mungsgeschwindigkeit der KernstrSmung und w die Kreisfrequenz der pulsierenden Rohrstr6mung ist. In der anfsteigenden Aorta fiberschreitet die RohrstrSmung die kritische Reynolds-Zahl und der laminar-turbulente 0bergang setzt in der Nfihe der Arterienwand wfihrend der
Abb. 6.3: Zeitlicher Verlauf der Geschwindigkeitswelle und momentane Geschwindigkeitsprofi]e in einer mittleren Arterie
6.1 Blutkrelslauf
231
Abb. 6.4: Zeitlich gemittelte Geschwindigkeitsprofile der Einlaufstr6mung
Relaxationsphase des Herzens ein. Bevor sich jedoch die turbulente Str6mung in der Aorta ausbilden kann, wirkt die Sekund/irstrSmung in der Aortenkr/immung stromab stabilisierend und verursacht damit eine Relaminarisierung der StrSmung. Die Abbildung 3.54 zeigt das gemittelte Geschwindigkeitsprofil im Aortenbogen. Im Einlaufbereich entwickehl sich zun/ichst die Grenzschichten an der inneren und/iugeren Wand der Aorta. Da die Kriimmung innen gr6ger ist als augen, wird die GrenzschichtstrSmung aufgrund des geringeren Druckes immer st/irker beschleunigt. Aufgrund der Zentrifugal"kraft bildet sich stromab eine SekundgrstrSmung aus. Dabei entsteht eine Geschwindigkeitskomponente senkrecht zu den Stromlinien, die zwei der HauptstrSmung/iberlagerte gegensinnig rotierende Sekundgrwirbel zur Folge haben. (Jberlagert man die puMerenden Geschwindigkeitsprofile der Abbildung 6.3 den gemittelten Profilen in der Aortenkrfimmung, entsteht eine komplexe dreidimensionale Sekund~irstrSmung mit zeitweiligen RfickstrSmungen in der Umgebung der Wfiade, deren Amplitude durch die Verzweigungen der Aorta stromab abgeschw~cht wird.
.A-hnliche Sekund~str6mungen treten stromab yon Arterienverzweigungen aufgrund der Kr/immung der Stromlinien in der Verzweigung auf. Das resultierende Str6mungsfeld hfingt vom Verhfiltnis der Arteriendurehmesser, der Geometrie der Verzweigung sowie dem Volmnenstrom ab. Bei grogen Winkeln der Arterienverzweigungen kommt es zur Str6mungsablSsung. In Abbildung 6.5 sind die AblSse- und Wiederanlegelinien sowie die Staupunkte skizziert. Im Bereich der AblSsung treten ml der Wand geringe Scherraten auf, wfihrend die gegeniiberliegende Wand hohe Seherraten aufweist. Die StrSmung 15st
Abb.
6.5: Sekund~strSmungsabl5sung
stromab von Arterienverzweigungen
232
6 Blutkreislauf
Abb. 6.6: StrSmungsablSsung aufgrund einer Arterienstenose
an der inneren Wand der Verzweigung ab. Aufgrund der Stomlinienkriimmung kommt es wiederum zu einer ausgepr/igten SekundgrstrSmung stromab. Tritt aufgrund von Arterienerkrankungen eine Stenose der Arterie auf, kommt es stromab der Verengung ebenfalls zur StrSmungsablSsung. Die Abbildung 6.6 zeigt die gemittelten Gesehwindigkeitsprofile und die AblSseblase stromab einer Arterienverengung. Im Bereieh der Verengung kommt es zu einer Besehleunigung der StrSmung, die temporgr turbulent wird. Die VerzSgerung in der ansehliegenden Arterienerweiterung und dem damit verbundenen Druekanstieg hat die StrSmungsablSsung mit entspreehenden geringen Seherraten an der Wand zur Folge. hi Arterien mit Reynolds-Zahlen kleiner als 100 erfolgt die DurehstrSmmlg der Verengung ohne AblSsung. In Venen und Venenverzweigungen tritt eine pulsierende Blutr/iekstrSmung zur reehten Herzkammer auf, die den ArterienstrSmungen entsprieht. Aufgrund des geringeren mittleren Druekes und der kleineren Wandstfirken der Venen kSnnen die Venen deshalb oberhalb des Herzens kollabieren. Dies gesehieht, wenn aufgrund yon Muskelkontraktionen oder bei erhobenen Armen der Druek in der Venenwand Ap pi - p a zwisehen dem Innen- und Augendruek negativ wird. In Abbildung 6.7 ist die Druekdifferenz Ap fiber dem Querselmittsverh~iltnis A/Ao f/Jr die Vena Cava im Vergleieh zur Aorta dargestellt. Ausgangspunkt ist ein elliptiseher Quersehnitt A0 bei der Vena Cava und ein Kreisquerschnitt A0 bei der Aorta. Bei grSgerer Druekdifferenz stellt sieh ein kd'eisfSrmiger Quersehnitt der Vena Cava ein, w/ihrend bei negativer Druekdifferenz die Vena Cava kollabiert und nut ein geringer
Abb. 6.7: Wanddruck der Aorta und Quersehnittsformen einer kollabierenden Vena Cava
6.1 Blutkreislauf
233
Restvolumenstrom des Blutes verbleibt. Eine teilweise koUabierte Vene entsteht, wenn die Druckdifferenz beim EinstrSmen in die Vene noch positivist, sich aber aufgrund der Reibungsverluste stromab eine negative Druekdifferenz einstellt. Dabei k6nnen sieh neue Str6mungsformen wie die SchwallstrSmung oder selbstinduzierte Oszillationen ausbilden. Die zum rechten Herzventrikel aufw~'ts ffihrenden Venen verffigen fiber Venenklappen (siehe Abbildung 1.1), die bei dem geringen mittleren Druek die RfiekstrSmung des Blutes verhindern.
6.1.1
StrSmung in Blutgef'd~en
RohrstrSmung Ffir die pulsierende RohrstrSmung einer Newtonschen Flfissigkeit e.xistiert eine exakte LSsung der Navier-Stokes-Gleichtmg. In Zylinderkoordinaten ergibt die Navier-StokesGleiehung (a.a) ffir die aehsensymmetriseh ausgebildete StrSmung:
Ou
1 Op
0--7
p" 0--7 + u. \ 0 r 2 + R " ~
(02u
1
Ou) '
(6.4)
mit der l~dialkoordinate r u n d dem Rohrradius R. Es gilt die Haftbedingung a~ der Rohrwa~d u(R, t) 0 und auf der Rohrachse 0u(0, t)/Or 0. Als weitere Bedingung wird zeitliche Periodizitfit vorausgesetzt. Der Volumenstrom l/(t) sei vorgegeben. Er l ~ s t sich durch eine Fourier Reihe ausdrficken:
~'(t)~
10p p Ox
oo
(6.5)
~=1
Mit dem Separationsa~satz u(r, t)
Zgi(t).
fi(t)
(6.6)
i
erhfilt man zwei gew61mliche Differentialgleichungen: f " + - . 1 f, + A2 . f
0
r
mit
f(R)
0, f'(0)
(6.7)
0 und + u. A2 . g
g(t)
,
ist eine periodische Funktion der Zeit,
F(t)
~
F(t)
c
(6.8)
ergibt nach fi(r) entwickdt:
el(t) 9fi(r)
(6.9)
i In Richtung der Radialkoordinate r liegt ein Sturm-LiouviUesches Eigenwertproblem vor mit Bessel-Funktionen nullter Ordnung Ms FundamentallSsung. Die analytische LSsung
6 Blutkrelslauf
234
des Eigenwertproblems schreibt sich:
Zi=lqi"
a0 + = ai2+w2 a~ ~i .[aieos(w.t)+w.sin(w.t)]
.I0 k i . ~7"
(6.10)
mit den Eigenwerten Ai ki/R - i, der Bessel-Funktion nullter Ordnung I0 und den Abk/irzungen q~ 2/[k~. Ii(k~)] und a~ r . A~. Fiir die periodische StrSmung im Rohr setzt man im einfachsten Fall den folgenden zeitabhiingigen Druckgradienten an:
10p .
.
.
.
p 0x
a~. cos(w, t)
(6.11)
AIs Bezugsgeschwindigkeit Urea• wird die Maximalgeschwindigkeit anf der Rohrachse der station~en Hagen-Poiseuille-RohrstrSmung gewfihk (Kapitel 3.3.4):
R2.a~ Urea•
4~
R2
(Op)
4--~u" -~xx
(6.12)
Die L6sung des Eigenwertproblems stellt sich als Uberlagerung der stationgren HagenPoiseuille-StrSmung mk einer periodisch schwingenden Str6mung dar. Die charakteristische Kemlzahl ffir den periodischen Anteil der L6sung ist die Womersley-Zalfl Wo (3.70):
Wo
D. k'
D.
(6.13)
w 2.7r. f mit der Herzschlagfrequenz f u n d dem Rohrdurchmesser D. Dabei ist V"-w/v die instationgre Grenzschichtdicke. Ffir sehr kleine Wo, also bei kleinen Frequenzen steUt sich die station/ire RohrstrSmung ein. Sie schwingt in gleicher Phase wie die erregende periodische Druckverteilung. Ffir Womersley-Zahlen der GrSgenordnung 30, wie sie der pulsierenden Blutstr6mung entspricht, steUt sich qualitativ das in Abbildung 6.3 beschriebene pulsierende StrSmungsbild ein. Die durchgezogene Kurve der Abbildmlg 6.8 zeigt die analytische LSsung f/Jr die mittleren Werte Wo 27 und ReD 36OO(Abweichung vonder zeitlich gemittelten Hagen-Poiseuille-StrSmung). Es kommt zu den momentanen Riickstr6mprofilen, wghrend der Relaxationsphase des Herzens, entgegen dem erregenden Druckgradienten. Die Referenzgeschwindigkeit ist dabei die Maximalgeschwindigkeit (6.12).
Elastische RohrstrSmung Fiir die pulsierende elastische Rohrstr5mung ist zus/itzlich die Bewegungsgleichung der Strukturmechanik (2.43) zu 15sen. Dabei wird die Dicke dder elastischen Rohrwand als diinn d/D << 1 vorausgesetzt. Damit werden radiale Kompressionseffekte und radiale Auslenkungsgradienten innerhalb der Wand vernachlfissigt. Es wird vorausgesetzt, dass die radialen Verschiebungen uT und die euxialen Verschiebungen ux idein und die Materialeigenschaften der Rohrwand isotrop und homogen sind. Damit ergibt sich die lineare
6.1 Blutkrelslauf
235
Elastizit~tstheorie von Kapitel 2.2.2 und 2.3.1 mit dem Elastizitgtsmodul E und der Querkontraktionszatfl (2.42) ~, < 0.5 ( ~, 0.5 feste Wand). Die Auslenkung der Rohrwand wird von einem periodischen Druckgradienten hervorgerufen. Ffir die radialen und axia]en Spammngen folgt: aT
1- u2 "
+ u . Ox }
ax
--------~ 1 - u " \ Ox + u .
(6.14)
'
(6.15)
Die lineaxisierten Bewegungsgleichungen lauten: 02Ur
pw'd"
Ot 2
pw d
------V 02uxot
Crr
Pi-Pa---~ 0a~0____~
,
(6.16)
, (Ou
Ow~
,
(6.17)
mit der Dichte der Wand pw und dem Innen- und Augendruck des Rohres pi und Pa. Die Kopplung mit den strSmungsmechazfischen Grundgleichungen (6.20) - (6.22) an der Wand r R + uT ~ R erfolgt fiber die Randbedingungen u
und auf der Rohrachse r
Ou~ Ot
'
w
OuT Ot
(6.18)
0: w
0
,
0u Or
0
(6.19)
Die L6sung des gekoppelten Gleichungssystems geht auf J. R. Womersley 1955 zurfick. Der Wellenansatz ffir den periodischen Str6mungspuls und die periodische Auslenkung der Rohrwand ffihrt wie bei der starren Rohrwand auf ein Eigenwertproblem, dessen LSsung durch Bessel-Funktionen dargestellt werden kann. hi Abbildung 6.8 sind erg~inzend zur starren Rohrwand die der PoiseuiUe-StrSmung fiberlagerten periodischen Geschwindigkeitsverteilungen des elastischen Rohres ffir eine ha]be
A b b . 6.8: Periodischer Anteil der Geschwindigkeitsverteilung der pulsierenden starren 27, ReD 3600 und elastischen RohrstrSmung, W o
236
6 Blutkreislauf
Schwingungsdauer To 0.61s bei der Womersley-Zahl Wo 27 und der Reynolds-Zahl ReD 3600 dargestellt (Punkte). Der Vergleieh der Gesehwindigkeitsprofile mit dem entspreehenden zeitliehen Verlauf des Druekgradienten zeigt eine Phasenversehiebung in der N/ihe der Rohrmitte. Dies gilt sowohl f/Jr die starre als aueh f/Jr die elastisehe Wand. Unterschiede zwischen den starren und elastischen LSsungen sind nut in Wandnghe zu erkennen. Fiir die analytischen L6sungen der starren und elastischen RohrstrSmung wird ein unendlich ausgedehntes Rohr vorausgesetzt, dem der periodische Voinmenstrom (6.5) iiberlagert wird. Im Hinblick auf die Berechnung der pulsierenden ArterienstrSmung ist es jedoch realistischer ein endliches elastisches Rohrstiick zu w/iMen, das an beiden Enden eingespazmt wird. Der Druck- und Geschwindigkeitspuls des Herzens wird durch die Auslenkung der Rohrwand an einem Ende des Rohrstiickes durch ein periodisch schwankendes Blockprofil der Geschwindigkeit simuliert. Fiir die numerische Berechnung der pulsierenden elastischen RohrstrSmung greifen wit auf die StrSmungs-Struktur-KopplungsmodeUe von Kapitel 3.5 zuriick. Grundlage ist die ALE Fornmlierung (3.189) der nichtlinearen struktur- und strSmungsmechanischen Grundgleichungen und das in Kapitel 3.5.2 beschriebene implizite Kopplungsmodell. Das elastische Rohrstfick hat die L~inge L 10. D und eine Wandst~irke von d 0.1 9D. Aufgrund der geringen Wandstgrke d << D lgsst sich die Tr/igheit der Wand vernachlgssigen. Fiir die Berechnung der StrSmung werden die Dichte p und die Zfilaigkeit #e~ von Blut und fiir die Berechnung der elastischen Wand, wie bei der analytischen LSsung, der Elastizit/itsmodul E 1 9l06 und die Querkontraktionszahl u 0.4 benutzt. Das Ergebnis der Berechnung ist in Abbildung 6.9 ffir eine halbe Sehwingungsperiode To 0.61 s zu den jeweiligen Zeitpunkten in der Mitre des Rohrst/iekes dargestellt. Die KernstrSmung entsprieht der analytisehen LSsung der Abbildung 6.8. Wie zu erwarten ist, zeigt sieh bei der Womersley-Zahl Wo 27 eine Phasenversehiebung der Gesehwindigkeitsverteilung an der Wand. Die Vorgabe der pulsierenden Gesehwindigkeit am Einlass des Rohrstiiekes hat ein Einsehwingen der numerisehen L6sung zur Folge. W~ihrend bei kleinen Womersley-Zahlen die Kerngesehwindigkeit, Wandsehubspannung und Wandauslenkung in Phase sind, stellt sieh bei der Womersley-Zahl Wo 27 eine konstante Phasenverschiebung zwischen der Kerngeschwindigkeit und der Wandverschiebung infolge der Einlaufstreeke im endliehen Rohrstfiek ein.
Abb. 6.9: Periodischer Anteil der Geschwindigkeitsverteilung der pulsierenden elastischen RohrstrSmung, Wo 27, ReD 3600
6.1 Blutkrelslauf
237
Instation~ire ArterienstrSmung
Bei der Berechnung der Str6mung in Arterien ist die viskose Elastizitgt der Adern mit der Energiefunktion (6.1) zu beriicksichtigen. Im Gegensatz zum Herzen, bei dem die Muskelkontraktion die StrSmung in den Ventrikeln aufprggt, wird die Erweiterung der Adern durch den vom Herzen erzeugten Druckpuls verursacht. In Abbildung 6.10 sind die Druck- und Geschwindigkeitswellen in der Aorta und in den absteigenden Arterien dargestellt. Die reflektierten Wellen von den Arterienverzweigungen der Aorta verdoppeln nahezu die Amplitude der Druckwelle. Die Amplitudenzunahme setzt sich bis zu der dritten Arterienverzweigung fort, um damn entsprechend Abbildung 1.22 in den weiteren Arterienverzweigungen abzunetmlen. Die Abbfldung 6.11 zeigt die zeitliche EntwicMung der Geschwindigkeitsprofile in einer Modellaorta ffir eine Pulsdauer von 0.8 s. Die Axialgeschwindigkeiten u sind mit ihrem Maximalwert Urea• 0.77 m/s dimensionslos gemacht. Gegeniiber der Prinzipskizze in Abbfldung 6.3 ist jetzt das NichtNewtonsche Verhalten des Blutes berficksichtigt. Ffir die Berechnung der Ausbreitung von Druck- und Geschwindigkeitswellen in grofgen Arterien gelten bei Berficksichtigung der Viskosit~it der Adernw~de unter der Voraussetzung ldeiner StSrungen die linearisierten Navier-Stokes-Gleichungen mit dem Geschwindigkeitsvektor v (uT, 0, ux) f'dr die Newtonsche BlutstrSmung (Blutplasma) beziehungsweise mit #e~ der Gleichung (6.44) ffir die Nicht-Newtonschen Eigenschaften des Blutes. Fiir die elastischen Eigenschaften der Arterienw~nde gilt die linearisierte Navier-Gleichung (2.43) sowie die Kontinuit~tsgleichung. Die achsensymmetrische Wellenausbreitung ergibt f'dr die
-L mbar
~.,
130
II0, 6O
Aorta
Arterie
u
140 100 6O
20 v
v
-20 Abb. 6.10: Druck- und Geschwindigkeitswelle in der Aorta und absteigenden Arterie
238
6 Blutkreislauf
inkompressible StrSmung in Zylinderkoordinaten: OuT Ot Ou~
1
Op
1
Op
ot Ou~
~ 02uT
OUr
1
--fi " Or + u " \ Or 2 + -r . -Or . [02ux
Ox + OuT
1
\ &.2 + -
uT
.+-7.
Ur
(~2U r
r 2 + Ox 2 J
Ou~ 02u~ Or + Ox 2 J
(6.20)
'
(6.21)
'
(6.22)
o
Fiir die viskoelastische Arterienwand gilt: Pw
O2uT
O2uT
#w
Ot 2
Or 2
Pw
O2u~
O2u~
#w
Ot 2
Or 2
Oux
OuT
uT
.+-7.
1 OuT r
1 r
uT
02uT
Or
r 2 + Ox 2
Ou~
02u~ 1 + . . . . .
Or
Ox 2
#w
1 Of2 #w Or Of~ Ox
'
'
(6.23) (6.24) (6.25)
o
Im Falle der Str6mung sind uT und ux die Geschwindigkeitskomponenten und fiir die Wand sind uT und ux die Auslemkungskomponenten, #w ist der Festigkeitskoeffizient und pw die Dichte der Wand. f~ ist ein Druck, der in die Gleichung (6.23) und (6.24) eingefiitn't werden nmss, da die Wand als inkompressibel vorausgesetzt wird. Die Raaldbedingungen fiir die StrSmungs-Wandkopplung schreiben die Kontinuit~it der Scher- und Normalspammngen sowie der Geschwindigkeiten an der Grenzfl/iche zwischen Flfissigkeit und FestkSrper vor. An der Augenwand der Adern gelten entsprechende Randbedingungen. Bisher wurden die linearisierten Grundgleichungen (6.20) - (6.25) ffir ldeine Amplituden der StSrwellen behandelt. Blut ist ein nicht-Newtonsches Medium mit einer nichtlineaxen Abh/ingigkeit der Blutviskositgt. Deren Einfluss auf die pulsierende StrSmung ist insbesondere im Bereich der StrSnmngsabl5sung zu beriicksichtigen. In den Gleichungen ffir die Adernwgnde kommen die signifikanten nichtlinearen Effekte von der endlichen Dehnung und der nichtlinearen Viskoelastizit/it zur Geltung.
~ 0.5
~176
,i~ '.
-0.5
A b b . 6.11: Momentanprofile der Axialgeschwindigkeit in einer Modell-Aorta, S. C. Ling und H. B. Atabek 1972
6.1 Blutkreislauf
239
Bei der Bereelmung der Wellenausbreitung in grogen Arterien kSnnen die konvektiven Terme uj. ( O u i / O x j ) gegeniiber der transienten Beschleunigung Oui/Ot vemachl~sigt werden. u ~ sei eine chaxakteristische Geschwi21digkeit der StSrung, w die Kreisfrequenz und c die Phasengeschwindigkeit der Welle relativ zur mittleren Str5mung. Die Oszillationsperiode ist 27r/w und die WellenlRnge 2.7r. c / w . Dmnit ergibt sich fiir die transiente Besctfleunigung Oui/Ot die Gr6genordnung u~/(2 9 7r 9 c / w ) und ffir die konvektive Beschleunigung uj 9 ( Oui / Oxj ) die Gr5genordnung u ~ . u~ / ( 2 97r . c / w ). Die Bedingung fiir die Vemachl~sigung der konvektiven Beschleunigung ergibt: ,ttt --
C
<< 1
(6.26)
bl den grogen Arterien ergeben sich mmximale Werte yon u~/c von 0.25, die einen geringen Einfluss der NichtlinearitRten erwarten lassen. In den peripheren kleineren Arterien ist die Bedingung (6.26) erfiillt.
W e l l e n a u s b r e i t u n g
Die Wellenausbreitung ldeiner DruckstSrungen p~ l ~ s t sich nkherungsweise f/ir die reibungsfreie StrSmung mit der eindimensionalen Wellengleichung berechnen: 02p t Ot 2
c2 9
02p t Ox 2
'
(6.27)
nfit tier Phasengeschwind_igkeit c2
A .dAp p dA
(6.28)
Dabei bezeichnet A die Querschnittsflgche der Arterie, p die Blutdichte und Ap p~ - P a den Druck auf die Arterienwand, der in Abbildung 6.7 dargestellt ist. Die LSsung der Wellengleichung (6.27) ergibt eine links bzw. rechts laufende Welle: p'
fl(t
-
x ) + f2(t + x ) CO
CO
(6.29)
Unter der Voraussetzung einer diinnen Wand d / D << 1 erhfilt man f/ir homogene isotrope Wandeigenschaften mit dem Elastizit~itsmodul E die Ph&sengeschwindigkeit in der Arterienwand: CO
-~
(6.30)
die als M o e n s - K o r t e w e g - W e l l e n g e s c h w i n d i g k e i t bezeichnet wird. Die gleiche Phasengeschwindigkeit der Welle erhfilt man aus der LSsung der reibungsbehafteten Grundgleichungen (6.16) und (6.17) der elastischen Rohrstr6mung ira Grenz/ibergang # ~ 0 und W o ~ oc. F/ir die absteigende Aorta ergibt sich die Wellengeschwindigkeit co 5 m/s, die in den gr6geren Arterien bis zu co 8 m/s ansteigt. Die Wellengeschwindigkeiten in der Wand sind f/Jr die Aorta 15 mal grSger als die Druckwellenfortpflanzung (6.28) im Blut
240
6 Blutkreislauf
und in den distalen Arterien 100 mal grSi~er. Der Wellenwiderstand steigt zur Peripherie des Kreislaufes an und die Pulswellengeschwindigkeit nimmt mehr zu als der Gesamtquersehnitt aller Arterien~te. Sie beruht hauptsRehlieh auf der Zunahme des WanddiekenDurchmesserverh~ltnisses der Arterien. Die L6sungen der Wellengleichung (6.27) f'dr kleine DruckstSrungen enthalten keine nichtlinearen Effekte wie das Aufsteilen der Druckwellen und die Verformung der Druckwellen in Fortpflanzungsrichtung. Sollen diese Effekte berficksichtigt werden, muss das Gleichungssystem (6.20) - (6.25) numerisch gel6st werden.
Arterienverzweigungen In Adernverzweigungen wird der Druckpuls des Herzens reflektiert. Die Abbildung 6.12 zeigt die Skizze einer solchen Adernverzweigung. Die in die Arterie der Querschnittsflfiche A1 einlaufende Druckwelle 1 mit dem Volumenstrom 121 wird in der A.rterienyerzweigung in die durchlaufenden Druckwellen 2 und 3 mit den Volumenstr6men V2 und Va aufgeteilt. Die LNlgskoordinate jeder Ader ist x und die Arterienverzweigung liegt bei x 0. Die einlaufende Druckwelle in Arterie 1 schreibt sich:
p~
/SE. f(t-- x )
,
(6.31)
Cl
mit dem Amplitudenparameter/SE. Der Volumenstrom der einlaufenden Druckwelle ergibt: 12E
Al'u
Yl"/SE'f(t--x)
,
(6.32)
Cl
mit Y1
A1/(p" Cl).
An der Verzweigungsstelle x
0 wird der einlaufenden Welle E die reflektierte Welle R
Abb. 6.12: Arterienverzweigungen
6.1 Blutkreislauf
241
und die durchlaufenden Wellen 2 und 3 tiberlagert: p,a
/Sa. g(t + x____) , Cl
(6.33)
/Sj.hj(t- x__) ,
p~
cj
j
2,3
j
2,3
Die entsprechenden VolumenstrSme ergeben: Y1 9 VJ
g(t +
L)
,
Cl
(6.34)
}'i" ]oj. hj (t -- x )
,
cj
Die Randbedingungen an der Verzweigungsstelle schreiben die Kontinuit/it des Druckes (Venneidung groger Beschleunigungen) und des Volumenstroms (Masseerhaltung) vor. Mit der Ybraussetzung groger Wellenlgngen kSnnen die Details der StrSmung am Verzweigungspunkt vemachlgssigt werden. Darans resultiert, dass die WeUenfunktionen g(t) und hj (t) gleich der einlanfenden Wellenfmlktion f(t) sind. Darnit ergeben die Randbedingungen am Verzweigungspunkt: ZSE+Z3R Z31+Z32 , 3
(6.35)
j=2
Dies ergibt ffir die Amplitudenverhgltnisse:
E
15j
rl + E ~i
'
(6.36)
2. Y1
Die DruckstSrung ill der verzweigten Arterie bereclmet sich mit (6.31) und (6.33): p' -
-
]gE
f(t -
x) Cl
/Sa(t x ) + -:-- + PE
Cl
(6.37)
und der Volumenstrom mit (6.32) und (6.34): l}"
Y1 "/SE" ( f(t - x---) + e---:--pE /SR l (t
711x))
(6.38)
Ffir die Berechnung der Geschwindigkeitsprofile in einer Arterienverzweigung gilt es wiederum das Gleichungssystem (6.20) - (6.25) numerisch zu 15sen. Die Abbildung 6.13 zeigt ein Beispiel zeitlich gemittelter Geschwindigkeitsprofile. Man erkennt an der gegeniiberliegenden fiugeren Arterienwand der Verzweigung ein zeitlich gemitteltes RiickstrSmgebiet, das mit geringen bzw. negativen Wandschubspannungen einhergeht. Die Stromlinienkriimmung verursacht wiederum eine spiralfSrmige SekundgrstrSmung. Im zeitlich gemittelten RiiekstrSmbereich treten Wendepunktprofile auf, die instabil sind und damit den Ubergang
242
6 Blutkreislauf
zur turbulenten StrSmung einleiten. Dieser instabile Transitionsvorgang der ScherstrSnmng wird jedoch wie in der gekriimmten Arterie durch die SekundKrstr5mung ged/ialpft. Die Arterienverzweigungen setzen sich im Kreislauf fort, so dass sial1 die Wellen_reflexionen an jedem Verzweigungsort wiederholen. So wird die an der zweiten Verzweigung reflektierte Welle an der ersten Verzweigung erneut reflektiert und so welter. Haben die Verzweigungsorte 1 und 2 den Abstand L, schreibt sich die durchlaufende Welle am ersten Verzweigungsort 1:
Pjl
/Sjl.e i'w'(t 4 )
,
j
1,2
(6.39)
Am zweiten Verzweigungsort 2 ist ihr Beitrag:
Pjl
Pjl 9eiw(t L)
Daxaus resultiert die reflektierte Welle pR2
fR2 9e i~(t L + xcL )
(6.40)
Erreicht die reflektierte Welle den Verzweigungsort 1 ergibt sich der Druck PR2
/3R2 9 e i ' w ' ( t
~-)
pR2 wird an1 Verzweigungsort 1 erneut reflektiert und ergibt die Druckwelle:
PR1
PR21 " eiw(t -~-+c--~-)
(6.41)
Dieser Prozess setzt sich hn Kreislauf fort. Der Gesaantdruck ill der Arterie zwischen den beiden Verzweigungsorten ist die Summe aller durchlaufenden und reflektierten Partialwellen. Aufgrund der Mehrfachreflexionen im Kreislauf kann es in einzelnen Arterienabschnitten zu stehenden Wellen kommen. Die zeitlich gemittelten Geschwindigkeitsvertei_lungen in den Verzweigungen eines Beinazterienmodells (Abbildung 6.1) sind in Abbildung 6.14 dargestellt. Die Reynolds-Zahl der AnstrSmung betrggt ReD 1770 und die Womersley-Zahl Wo 12.3. Die Volumenstromverh~tnisse sind 1?1/1?2/1?3/1?4 1/0.5/0.25/0.25, so dass sie sich gleichm~ig
A b b . 6.13: Gemittelte Geschwindigkeitsprofile in einer Arterienverzweigung, ReD I/3/I/2 0.6, M. Motomiya und T. Karino 1984
600,
6.1 Blutkrelslauf
243
Abb. 6.14: Geschwindigkeitsverteilungen in einer Beinarterie, D. Liepsch und R. Mh'age 1996 auf die einzelnen Verzweigungs~te verteilen. Durch die bereits vor der ersten Verzweigung vorhandene Kriimmung wird die StrSmung auf die Innenwand umgelenkt. An der Aui~enwand kommt es zur Rfickstr6mung. Die erste Verzweigung erzeugt im linken Ast 2 eine Sekund~rstrSmung mit RfickstrSmungen und hohen Geschwindigkeiten in der Arterienmitte. Stromab ist die Geschwindigkeit fiber dem Arterienquerschnitt nahezu gleich verteilt. Die Tendenz ist in allen Verzweigungen die Gleiche. Die StrSmung wird in zwei Teile aufgespalten. Die HanptstrSmung findet man auf der Wandseite der Verzweigung, w~ihrend gegenfiber jeweils ein Bereich verringerter Str6mungsgeschwindigkeit entsteht. Dabei entstehen lokale Geschwindigkeitsmaxima, die durch Sekund~irstrSmungen und die StrSmungsumlenkung verursacht werden.
Arterienerkrankungen Kommt es aufgrund von Ablagerungen an den Arterienw~den bevorzugt in den Bereichen geringer Wandschubspannung zu einer Arteriosklerose und damit zu einer verst~irkten Str6mungsablSsung an den Arterienverzweigungen, wird sich bei den ausgepr~igten Wendepunktprofilen eine turbulente StrSmung mit erhShten StrSmungsverlusten trotz ausge-
244
6 Blutkreislauf
Abb. 6.15: Stromlinien in einer Arterienverzweigung mit Ablagerungen und spannungsoptiseher Visualisierung, D. Liepsch und C. Weigand 1996 bildeter Sekund~irstrSmung einstellen. Die Abbildung 6.15 zeigt ein solches Str5mungsbild in einem elastischen Verzweigungsmodell. Die spannungsoptische Visualisierung der StrSmung macht die Str6mungsablSsmlg im Modellexperiment sichtbax. Eine Arterioslderose der Arterienwgnde entsteht in den Bereichen der Arterienverzweigungen, wo bei nachlassender Wandelastizit~it aufgrund der StrSmungsablSsung tempor~ir negative Werte der Wandschubspannung auftreten. Der Ablagerungsprozess beginnt mit der Einlagerung yon Fettzellen in die Ialtimaschicht der Arterienwand (Abbildung 2.1), die schlieglich Plaques aus iiberschiissigen Zellen, Lipiden und Kalzium bilden. Diese kSnnen aufbrechen und Thromben bilden. Kommt es zu dem hi Abbildung 1.48 gezeigten Verschluss der Arterie, spricht man von einer Stenose. Diese kann, wie in Kapitel 1.4 beschrieben, mit einem Ballon geSffnet und mit einem Stent stabilisiert werden (Abbildung 6.16). Die Bereiche in denen hn menschlichen Kreislauf am hgufigsten Arterioslderosen und Stenosen auftreten, sind in Abbildung 6.17) daxgestellt. Es sind die Verzweigungen der grogen Arterien der Herzkranzgefdge, der Aorta und der Bauch- und Beinarterien.
Abb. 6.16: Behandlung einer Stenose mit einem Bypass, Ballon und Stent
6.1 Blutkrelslauf
245
A b b . 6.17: Arterioslderosebereiche im menschlichen Kreislauf
Kommt es durch die Arterioslderose bedingt zur turbu]enten DurchstrSmung von Arterienverzweigungen, schws die zus~itzlichen turbulenten Druckschwankungen die Arterienw~ade insbesondere am Ort der Arterienverzweigung. Dort kaan es entsprechend der Prinzipskizze der Abbildung 6.18 zu einer Aussackung der Arterienwand kommen, die man A n e u r y s m a nemlt. Die Fotografie zeigt am Verzweigungsort zwei Aneurysmen, wobei eine aufgebrochen ist und zum Tode des Patienten gef/ihrt hat.
6.1.2
Kreislaufmodell
Ftir die Berechnung der StrSmung im Herzen sind die Druckrandbedingungen der Arterienabg~inge und der Venenzug~h-lge erforderlich. Dafiir werden die Erkenntnisse der vorangegangenen Kapitel zu einem vereinfachten Kreislaufmodell zusammengefasst, das die BlutstrSmung in1 menschlichen Kreislauf vom linken Ventrikel und der Aorta in das sich
A b b . 6.18: Prinzipskizze und post mortem BUd von Aneurysmen
246
6 Blutkreislauf
anschlie[~ende arterielle System des KSrperkreislaufs, zum ven5sen System, zum rechten Herzventrikel, zur Lunge und zurfiek zum linken Ventrikel berfieksiehtigt. Dieses Modell bereehnet den StrSmungswiderstand in den Gel'diZen sowie versehiedene Einflussparameter auf den StrSmungswiderstand. Das Subsystem des arteriellen KSrperkreislaufes ist in Abbildung 6.19 gezeigt und wird InJt 128 Segmenten dargestellt. Jedes Segment besteht aus einem dfinnwandigen elastisehen und zylindrisehen Rohrstfick, wobei jedem l~ohrsegment entsprechend der mensclflichen Anatomie eine spezifische L~inge, eine Wandst~irke, ein spezifiseher Durehmesser und ein Elastizits zugeordnet wird. Periphere Verzweigungen der Arteriolen und Kapillaren mit einem Durchmesser ideiner als 2 mm werden fiber einen totalen peripheren Widerstandsterm berfieksichtigt. Die StrSmungsgeschwindigkeit u und der Druck p werden in Analogie zur Navier-StokesGleichung durch die elektrischen GrSl~en Stromst~irke und Spannung dargestellt. Der LSsung der Navier-Stokes-Gleichung ffir die elastische RohrstrSmung werden ffirjedes Segment des Kreislaufmodells der elektrische Widerstand, die Induktivit~it und die Kapazit~it entsprechend der physikalischen Eigenschaften der arteriellen Verzweigungen und der rheologisehen Eigensehaften (wie z. B. Viskosit~it) des Blutes zugeordnet. In Analogie zur LSsung der Navier-Stokes-Gleichung gelten ffirjedes Rohrsegment i die folgenden gewShnlichen Differentialgleiehungen ffir den Blutdruck und die StrSmungsgesehwindigkeit: Pi 1 - P i Ui
--
Ui§
9 9p ._...~L dui 4 9#e~ 9L 4.~2 d---/7 + ~ . R 4 "~ 3.Tr.R 3.L 2 9E . d
dpi d--~
dpi C . dA
dui I.T
+R~'ui
,
(6.42)
(6.43) '
mit dem elektrischen W i d e r s t a n d Rn, der Induktivitfit I und der Kapazitfit C. l bedeutet die Rohrlfinge, R der Rohrradius, d die Wandstfirke, p die Dichte des Blutes und #e~ die Blutviskosit~it. E ist der Elastizit~itmodul des elastischen Rohrsegments.
A b b . 6.19: Kreislaufmodell, E. Naujokat und U. Kienke 2000
6.1 Blutkreislauf
247
P mbar
P mba~ 30
185
20
160 135 i
0
2
1 Aorta
~-~
tiTo
10
0
1 Pulmona]arter/e
Abb. 6.20: Druckverlauf in der Aorta und der Pulmonalarterie, To
2 tit o
0.76 s
Die Modellierung des Venen- und Lungenkreislaufes erfolgt ganz analog zur arteriellen Modellierung des Arterienkreislaufes, jedoch mit einem geringeren Detaillierungsgrad.
Das Kreislaufmodell geht von einer pulsierenden DurchstrSmung des Kreislaufes aus, wobei die EinlaufstrSmungen nach jeder Segmentverzweigtmg nicht beriicksichtigt werden. Der StrSmungspuls des Herzens wird durch eine mittlere Geschwindigkeit in jedem Segment ersetzt. Die Abbfldung 6.20 zeigt die berechneten Druckverl~iufe in der Aorta und der Pulmonalarterie ffir zwei Herzzylden, die als Druckrandbedingung der StrSmungsberechnung in Kapitel 6.2.4 benutzt werden.
6.1.3
R,heologie des B l u t e s
Wir knfipfen an Kapitel 3.1.1 und Abbildtmg 3.3 an. Das Blut besteht aus dem Blutplasma trod den darin suspendierten roten BlutkSrperchen (Erythrozyten), weif~en BlutkSrperchen (Leukozyten) trod den Blutpl~ttchen (Thrombozyten), die einen Anteil yon 40 bis 50 Volumenprozent ausmachen. Das Blutplasma ist das Trggerfluid, das zu 90 % aus Wasser, den Proteinen, Antik6rpern und Fibrinogenen besteht. Das Blut hat die Aufgabe die Versorgung und Entsorgung der K6rperzellen mit N~hrstoffen, Atemgasen, Mineras Fermenten, Hormonen, Stoffwechselprodukten, Schlackestoffen, Wasser und W~rme sicherzustellen. Es dient als Trmlsportsystem ffir die BlutkSrperchen, die die Imnmnreaktionen des KSrpers und die Sicherung des Kreislaufsystems gegen Verletzungen garantieren. Das mittlere Blutvolumen betr~gt beim Mann etwa 5 Liter und bei der Frau 4 Liter. Davon verteilen sich 84 % im gro~en K6rperkreislauf im Wesentlichen in den Venen, nur 9 % im Lungenkreislauf und 7 % im Herzen. Ffir die Str5mung im Herzen und im Blutkreislauf ist das Fliei~verhalten des Blutes von Bedeutung. Insbesondere gilt es festzulegen in welchen Str5mungsbereichen und bei welchen Scherraten die Newtonschen Eigenschaften des Blutplasmas bzw. die nicht-Newtonschen Eigenschaften der Suspension zu beriicksichtigen sind. Diese bestimmen den Widerstand des Blutkreislaufes, der durch die Pumpenergie des Herzens kompensiert werden muss. Von einer Viskosit~t des Blutes L~nn nur gesprochen werden, wenn die Suspension als homogene Flfissigkeit auftritt. Dies trifft ffir das Blut in den gro~en Gef'd~en zu. In den
248
6 Blutkrelslauf
kleinen Gef~f~en und insbesondere in den Kapillaren sind die elastischen Erythrozyten mit ihren 8 #m Durchmesser als hlhomogenits zu betrachten. W~_rend das Blutplasma aus 90 % Wasser besteht und in guter N~hherung als Newtonsches Fluid behandelt werden kann, ist das Blut als Ganzes eine pseudoelastische thixotrope Suspension. Dabei h~ingt die Viskosits der Suspension vom relativen Volumen aller suspendierten Teilchen ab. Den gr5f~ten Anteil haben die E .rythrozyten mit 99 % Volumenmlteil aller Teilchen und 40 - 45 % Volumenanteil am Blut (H~imatokritwert). Die Thrombozyten und Leukozyten machen welliger als 1% Volumenanteil aus und haben keinen Einfluss auf die Rheologie des Blutes. In Abbildung 3.3 und 6.21 ist der Verlauf der Z~ihigkeit #e~ des Blutes in Abh~gigkeit der Scherrate du/dr dargestellt. In Gei'~if~verzweigungen beziehungsweise in der Aorta und Ventrikein mfissen ffir die Scherrate die dominanten Komponenten des Scherratentensors g e w ~ l t werden. In einem breiten Bereich varilerender Geschwindigkeitsgradienten ist ein Abfall der Viskosit~it um bis zu zwei Gr6~enordnungen zu verzeichnen. Der Bereich der Geschwindigkeitsgradienten im gesunden Kreislauf variiert zwischen 8000 s 1 (Arteriolen) und 100 s 1 (Vena Cava). Er befindet sich also im asymptotischen Bereich nahezu konstanter Viskosit~it. Im Bereich sehr hoher Geschwindigkeitsgradienten und damit sehr grof~en Schubspannungen tritt eine Verformung der E .rytl~'ozyten auf, die ihrerseits die Viskosit~t der Blutsuspension beeinflussen. Bei Schubspannungen fiber 50 N/m 2 beginnen sich die E .rythrozyten spindelfSrmig auseinander zu ziehen. Bei Scherraten ldeiner als 1 s 1, wie sie in Rficl~trSmgebieten des erkrankten Kreislaufes auftreten, kommt es zur Aggregation der Erythrozyten. Dabei lagern sich die Zellen flach aneinander und bilden zusammenhiingende Zellstapel, die untereinander verkettet sind. Im gesunden Kreislauf kommt es jedoch in den grot~en Adern zu keiner Aggregation, da die Aggregationszeit l0 s betriigt und die Plflsl~iage eine Gr5t~enordnung kiirzer ist. Die Abh~ingigkeit der Schubspannung des Blutes 7- v o n d e r Scherrate ~/ in guter N~i~herung mit der Casson-Gleichung (3.11)
X/-~e~ "+
Is ~
Ou/Or l~sst sich
+~
(6.44)
beschreiben. Dabei ist Is die Casson-Viskosits und C die Verformungsspannung des Blu-
A b b . 6.21: Viskosit~it des Blutes #e~ in A b h ~ g i g k e i t der Scherrate du/dr
6.1 Blutkrelslauf
249
tes. Die Anpassung an experimenteUe Ergebnisse fiihrt unter anderem zu der Gleichung
(3.12): V~p
1.53.v/~+2
,
(6.45/
mit der Plasmaviskositgt #p 0.012 p. Ffir Scherraten grSger als 100 s 1 verhiilt sich Blur wie ein Newtonsches Medium. Die nicht-Newtonschen Eigenschaften des Blutes ffihren bei der DurchstrSmung der Gef~ige zu einer Verringerung der Erythrozyten in der N ~ e der Gef~gw~inde und damit zu einer Viskositgtserniedrigung, die das Geschwindigkeitsprofil in Wandnfihe und damit den Widerstand des Blutes ver~indern. Die Entmischung in Wandniihe verursacht eine hahezu zellfreie Plasmazone, die mit der Plasmaviskositgt #p berectmet werden kann. Fiir die s t a t i o n ~ e Poiseuille-StrSmung fiihrt dies zu einem Geschwindigkeitsprofil, wie es in Abbildung 3.55 bereits beschrieben wurde. Fiir Scherraten 1 s 1 < ,~ < 50 S 1 kann n~itmrungsweise mit der Steigung n -0.28 in Gleichung (3.10) und Ftir ~/> 100s 1 mit n 1 (Newtonsches Medium) gerechnet werden. Die Casson-Gleichung (6.44) f'tihrt zu einem modifizierten Ansatz ffir die Zfihigkeit:
( K v~ + 4-c) 2 +
#e~
(6.46)
F/ir die numerische Berechnung der pulsierenden BlutstrSmung wird auch das modifizierte C r o s s - M o d e l l benutzt: #0 - # ~ # ~ + (1 + (to. ~/)b) a
#~
(6.47)
Die Konstanten # ~ 0.03 p, #0 0.1315p, to 0.5s, a 0.3 und b 1.7 wurden mit Experimenten yon D. Liepsch et al. 1991 bestinmat. Dabei bedeutet # ~ eine Grenzviskositiit fiir hohe Scherraten ~/und #0 eine fiir kleine Werte yon ~/. Die Blutzi~higkeit # ~ ~ndert sich mit dem H~_naatokrltwert H des menschlichen Blutes. Der Hfimatokritwert ist defmiert als Verhfiltnis des Volumenanteils yon roten BlutkSrpern zum Gesamtvolumen des Blutes. Fiir H 0 ergibt sich die konstante Ziihigkeit des Newtonschen Blutplasmas (Abbildtmg 6.22). Fiir den H~natokritwert H 45 % erhfilt man
H 80% 45% 0%
OulOr
A b b . 6.22: Einfluss des Hfimatokritwertes H auf die Z~Lhigkeit #e~ des Blutes
250
6 Blutkrelslauf
/, V~
H= 32%
1
0.5
A b b . 6.23: Volumenstrom l//l/m~•
0 0
, 30
, p. 6o H/%
in Abh/ingigkeit des H~imatokritwertes H des Blutes
den Verlanf der Z~hJgkeit der Abbildung 6.21. Ffir grSgere Werte des H/imatokritwertes w/ichst die Z~hJgkeit des Blutes welter an. Die Natur optimiert den Sauerstofftransport im Kreislauf und hat dabei zwei gegenl/iufige Anfordertmgen in Einklang zu bringen. Zum einen ist ein grof~er H~natokritwert erforderlich, um mSglichst viel Sauerstoff zu transportieren und zum anderen ist ein kleiner Weft erforderlich, damit die Blutz/ihigkeit sinkt und der Volumenstrom in den Adem anw/ichst. Da~nit ist die Sauerstoffbindung durch eine mSglichst grofge Anzahl von roten BhtkSrperchen nicht das vorrangige Ziel. Bedeutender ist die Optimierung des Flieffverhaltens des Blutes, wobei es daranf ankommt, eine ausreichend groffe Menge Sanerstoff zu transportieren, ohne dass andere Blutfunktionen zu stm'k beeintr/ichtigt werden. Entsprechend der Abbildung 6.23 stellt sich im menschlichen Kreislanf der maximale Volumenstrom bei einem H/imatokritwert von H 32 % ein.
6.1.4
MikrostrSmungen
In den vorangegmlgenen Kapiteln wird die BlutstrSmung in den groJ~en Adern behandelt, in denen ein Gleichgewicht zwischen Druckkraft, Tr/igheitskraft und den KrMten der elastischen W/inde besteht. Der Einfluss der Reibung begrenzt sich bei den grogen Reynolds-Zahlen auf die Wandgrenzschichten, die nach jeder Adernverzweigung eine EinlaufstrSmung stromab aufweisen. Mit ztmehmender Ver/istelung des Kreislanfes werden die Durckmesser trod damit die Reynolds- trod Womersley-Zahl immer ldeiner, so dass sich anch bei relativ kurzen Adernteilen eine ausgebildete Str6mtmg einstellt. Die Tr~gheitsund Zentrifugalkr/ffte werden vernackl~sigbar ldein trod die StrSmung ist wie bei der Fortbewegung von EinzeUern in Kapitel 5.1 durch das Gleichgewicht yon Druckgradient und Reibtmg bestimmt. Diesen Str6mungsbereich nennt man M i k r o z i r k u l a t i o n , die 80 % des Druckverlustes zwischen Aorta und Vena Cava ansmacht. Die Abbildung 6.24 zeigt die Ver~telungen der Arteriolen, Venolen und KapiUaren in eblem Muskelgewebe mat einem Durclunesser ideiner als 50 #m sowie in den HerzkrazLzgeFdlgen. Der Durclunesser der anschlief~enden Kapillaren liegt zwischen i0 # m u n d 4 # m m i t Reynolds- und Womersley-Zahlen ideiner als 0.01. In diesem Bereich der MikrostrSmung ist die Verformbarkeit insbesondere der roten BlutkSrperchen (Erythrozyten) und der Austausch des Blutes mit dem umgebenden Gewebe zu beriicksichtigen. Dabei reguHeren die
6.1 Blutkrelslauf
251
Abb. 6.24: Arteriolen, Venolen und Kapillaren, R. Skalak et al. 1989, Herzkrmlzgef~ige, A. J. Pullan et al. 2005, G. S. Kassab et al. 1993
Muskelzellen lokal die StrSmung in den Kapillaren. Die Erythrozyten (Abbildung 6.25) haben eine bikolfl~ave Form lnit einem Durchmesser von 8 #m. Sie haben im Kreislauf eine Gesamtoberfls von 3750 m 2. Die angeschnittene Kapillare ist mit roten BlutkSrperchen geffillt. Manche Kapillaren sind so klein, dass ihr Querschnitt kleiner als das BlutkSrperchen ist. Um dennoch passieren zu kSnnen verformen sich die roten BlutkSrperchen. Der von den BlutkSrperchen transportierte Sauerstoff wird durch die Haargefs der Kapillare an das benachbarte Gewebe abgegeben. Die Verformung der viskoelastischen Zellmembrml in der ausgebildeten ScherstrSmung der Kapillaren h~ingt vom Druckgradienten und der Geometrie der Kapillaren ab. In Abbildung 6.26 ist die Verformung der Erythrozyten und Leukozyten in einer Kapillarenverengung von 12 #m auf 6 #m dargestellt. In den Kapillaren bewegen sich die roten BlutkSrperchen schneller als das Blutplasma. Eine Kapillarenverzweigung ffihrt zu einer weiteren Verformung der roten BlutkSrperchen.
Ffir die Berechnung der ZweiphasenstrSmung
der festen Teilchen und der BlutplasmastrS-
Abb. 6.25: Verformung der roten BlutkSrperchen in einer Kapillarenverengung, R. Skalak et al. 1989
252
6 Blutkreislauf
Abb. 6.26: Axialgeschwindigkeit der roten und weigen BlutkSrperchen in einer Kapillarenverengung und einer Kapillarenverzweigung, R. Skalak et al. 1989 mung in den Kapillaren muss deren Weehsetwirkung modelliert werden. Das homogene StrSmungsmodell geht davon aus, dass ein meehanisehes Gleiehgewieht zwisehen der Partikelphase und der Blutplasmaphase besteht. Das bedeutet, dass die Paa'tikel die gleiehe Gesehwindigkeit wie die homogene Phase besitzen. Ffir die Anderung der Partikelkonzentrationen in der StrSmung wird eine Transportgleiehung formuliert, die den Einfluss der Seherung der Stokes-StrSmung berfieksiehtigt. Eine genanere Formulierung der ZweiphasenstrSmung der Partikel und des Blutplasmas erfolgt mit der sepaxaten Modellierung der beiden Phasen, die fiber den Impulsanstanseh in Weehselwirkung tret.en und die Verformtmg der Erythrozyten berfieksiehtigt. Dabei wird das Blutplasma als inkompressibles Newtonsehes Medium behandelt, das bei Vernaehl/issigung der Trfigheitskraft auf die Stokessehen Gleiehungen der ausgebildeten KapillarstrSmung ffihrt: Vp + #. Av
0
(6.48)
und der Kontinuitgtsgleichung: V.v
0
(6.49)
Die in der Zellmembran verursachten Spanntmgen sind im Gleichgewicht mit den Scherspazmungen der Stokes-StrSmung. Geht man davon aus, dass sich die F1/iche der ZeUmembran w/ihrend der Verformung nicht/indert (gfiltig bis zu einem Kapillardurchmesser von 3 #m), schreiben sich die Komponenten der Dehnungsspannungen: 0-11
E 9 (A~ - 1) 9,'~1 + a0
2. A2
a22
E
9
(6.50)
(A92-1).A2 + a0 2.A1
Dabei sind ~1 und A2 die Dehnungen in der Meridian- und Umfangsrichtung und a0 ist
6.1 Blutkreislauf
253
die isotrope Spannung, die die Konstanz der Membranflgche ber/icksichtigt. Der konstante Koeffizient E ist ein Elastizit~itsmodul. Die Biegemomente in Abhgngigkeit der Kriimmungseffekte K1 und K2 ergeben:
M1
D.
M2
D.
K1 + u ' K 2 ,~2 1s + tJ. 1s
(6.51)
mit der Biegesteifigkeit D und dem Poisson-Verhfiltnis t~. Die Abbildung 6.25 zeigt die berechneten Axialgeschwindigkeiten der roten und weigen Blutk6rperchen in einer Kapillarenverengung yon 9 #m auf 5 #m. Die roten Blutk6rperchen passieren die Verengung ohne groge Verringerung der Geschwindigkeit wghrend die weigen Blutk6rperzellen nahezu zum Stillstand kommen. Die Zeitskalen und die erforderlichen Schubspannungen f/it die Verformung der weigen Blutk6rperchen sind sehr viel gr6ger als bei den roten Blutk6rperchen. Daraus resultiert, dass der Kapillarenwiderstand ffir weige Blutk6rperchen um zwei bis drei GrSgenordnungen grSger ist.
254 6.2
6 Blutkrelslauf Menschliches
Herz
Nachdem in Kapitel 1.3 ein [Jberblick fiber die Herzfunktionen im KSrperkreislauf dargestellt ist, wird in diesem Kapitel die Anatomie und Physiologie des menschlichen Herzens mit der Wechselwirkung der elektrischen Erregung, der elektromechanischen Kopplung und der pulsierenden, dreidimensionalen Str6mung im Einzehlen beschrieben.
6.2.1
A n a t o m i e u n d P h y s i o l o g i e des H e r z e n s
Die Abbildung 6.27 zeigt die Iamenaalsicht des Herzens, wie sie in den Lehrbfichern der medizinischen Physiologie dargestellt wird. Der linke und rechte Vorhof des Herzens sind durch das Vorhofseptum voneinander getrennt. Das Ventrikelseptum tremlt die beiden Ventrikel des Herzens. Die muskulgre Herzwand bezeichnet man Ms Myokard. Sie wird innen vom Endokard und augen vom Epikard begrenzt. Das Herz ist in einem Sack yon Bindegewebe, dem Per'"tkard eingeschlossen, das an der Ventrikelspitze mit dem Zwerchfell verwachsen ist. Der Ausgleich erfolgt fiber die Versctfiebung der VorhSfe. Drei Gruppen von Muskelfasern winden sich entsprechend der Abbildungen 2.10 und 6.28 um beide Ventrikel wfihrend sich eine weitere Gruppe von Muskelfasern aussctdieglich um den linken Ventrikel sehlingt. Die kaxdialen Muskelzellen orientieren sieh eher tangential als radial um das Herz. Da der elektrische Widerstand entlang der Muskelfasern geringer ist, hat dies Auswirkungen auf die elektrisehe Erregung der Herzmusktflatux. Die Ffillung des linken und reehten Ventrikel aus den Vorh6fen wird dureh die Mitralklappe
A b b . 6.27: Innenansicht des Herzens
6.2 Menschllches Herz
255
A b b . 6.28: 0rientierung der kardialen Muskelfasern
mit zwei Segeln und die Trikuspidalldappe mit drei Segeln gesteuert. Die Segel der Klappen sind sehr diinn, so dass sie sich zu Beginn der Ventrikelkontraktion schnell schliegen. Sie werden von Sehnenf/iden gehalten, die mit Papillarmuskeln ein Umst/ilpen der Klappen bei hohem Druck verhindern. Wfilarend der Ventrikelrelaxation verhindert die Pulmonalklappe die BlutriickstrSmung aus den Lungenarterien und die Aortenklappe die RiickstrSmung aus der Aorta. Beide Klappen bestehen aus drei Bindegewebstaschen. Diese sind aufgrund des hSheren Drucks, dem die Taschenldappen wghrend der 1/ingsten Zeit des Herzschlags ausgesetzt sind, stabiler als die Segelklappen. Die Vena Cava und der Sinus Coronarius ffihren sauerstoffarmes Blut aus dem Venenkreislauf in den rechten Vorhofl An deren Miindung befmden sich zwei weitere Klappen, die Crista- und die Sinusklappe. Diese verhindern bei der Vorhofkontraktion die RiickstrSmung in den Niederdruckvenenkreislauf. In den linken Vorhof miinden vier Pulmonalvenen, in denen sauerstoffreiches Blut von den Lungen in den linken Ventrikel gefiitn't wird. bn Gegensatz zum rechten Vorhof besitzt der linke Vorhof keine R/ickstrSmldappen.
A b b . 6.29: Druck-Volumen-Diagranml des linken Ventrikels
256
6 Blutkrelslauf
Das Gesamtvolumen des Herzens betrggt beim Mann ann/ihernd 750 ml und bei der Frau 550 ml. Unter dem Einfluss eines Ausdauertralnings und der dmnit verbundenen erhShten Sauerstoffaufnahme w/illrend der Belastung des Herzens, kaml das Herzvolumen auf 1400 bis 1700 ml ansteigen. Dies gugert sich im Druck-%blumen-Diagramm der Abbildung 6.29. Mit steigender Arbeitsleistung der Ventrikel werden die p-V-Kurven zu hSheren Driicken und Auswurfvolumen verschoben. Sie werden begrenzt durch den enddiastolischen ED und endsystolischen ES Druck-Volumen-Verlauf. Die Flfichen der jeweiligen p-V-Verlfiufe geben die Arbeitsleistung des Ventrikels an. Das F r a n k - S t e r l l n g - G e s e t z sagt aus, dass die Ventrikelarbeit mit zunehmendem Ffillvolumen des Ventrikels axtsteigt. Dies ha.t mit den mechanischen Eigenschaften des Herzmuskels zu tun und em15glicht eine kontinuierliche Anpassung des Herzens an verschiedene KSrperlagen, Anstrengungen und Atmungsfrequenzen. Die mechanische Kontraktion der Herzmuskeln wird durch die periodische elektrische Erregung gesteuert. Sie beginnt mit der Erregung des Sinuslcnotens (Abbildung 6.30), der eine zyklische elektrisdle Depolarisation und Polarisation durchl/iuft. Er iibernimmt damit die primgre Schrittmacherfunktion. Wfihrend der Depolarisationsphase erstreckt sich die Entladung fiber die Leitungsbahnen mit einer Geschwindigkeit von 1 m/s in die umgebenden Muskehl der Vorh5fe, die daraufllin kontrahieren. Das elektrische Signal des Sinusknotens wird im Ventrikularknoten verzSgert. Diese VerzSgerung erlaubt eine optimale Ffillung der Ventrikel w~ihrend der Kontraktion der VorhSfe. ()ber die HIS-Nervenfasern und die
Abb. 6.30: Elektrische Erregungsleitungen, Erregungspotentiale und Echokaxdiogramm (EKG) im Herzen, To 0.8 s
6.2 Menschliches Herz
257
Kammerschenkel gelangt die Erregung mit einer Geschwindigkeit von 1 - 4 m/s nach etwa 1l0 ms in die Ventrikelmuskulatur. In Richtung der Ventrikel teilen sich die HIS-Biindel in den linken und rechten Kammerschenkel. Beide ver/isteln sich in Purldnje-Fasern, die dicht unter dem Epikard in den jeweiligen Herzkammern verlaufen. Sie ziehen zuerst am Septum in Richtung der Herzspitze und von dort entlang der Ventrikelw/inde zur Herzbasis. Mit Beginn der Ventrikelkontraktion ist dank der LeitungsverzSgerung im Ventrikelknoten die Vorhofkontraktion beendet. Dabei kSmlen auger den erregungsbildenden Zellen im Sinus- und Ventrikularknoten alle Nervenzellen im Erregungsleitungssystem spontan depolarisiert werden. Die ventrikulgre Depolarisation im Elektrokardiogrmmn der Abbildung 6.30 dauert weniger als 0.1 s. Nervenzellen und hormonelle Einfliisse augerhalb des Herzens beeinflussen die elektrisehe Erregung und verursachen unterschiedliche Herzschlagfrequenzen. Sie modifizieren die elektrisehe Leitf'~higkeit und dmnit die Geschwindigkeit der Depolarisationswelle dureh das Herz. Der Zyldus der Depolarisation und Polarisation erzeugt ein ldeines elektrisehes Potential, das an der Oberfl~iche des KSrpers aufgenommen werden kann. Ein typischer Verlauf des Elektrokardiogramms (EKG) ist in Abbildung 6.30 dargestellt. Die Depolarisation der VorhSfe erzeugt eine Meine Auslenkung, die P-Welle genannt wird. Dem folgt naeh einer Verz6gerung von etwa 0.2 seine starke Auslenkung aufgrund der Depolarisation der beiden Ventrikel (QRS). Danaeh folgt die T-Welle, die bei der erneuten Polarisation der Ventrikel entsteht. Beim Schliegen der Mitralldappe erhSht sich der Druck im linken Ventrikel. Dies ist mit einer Sehallwelle verbunden, die als erster Herzton wahrgenommen wird. Damit wird die Systole, der Verlauf der Ventrikelkontraktion, eingeleitet. Beim zweiten Herzton beginnt die Diastole, die Phase der Ventrikelrelaxation. Der sehwaehe dritte Herzton wird vom Ffillvorgang des Ventrikels verursaeht.
6.2.2
Struktur des Herzens
Fiir die Berecbamng der StrSmung im Herzen benStigt man eine Modellierung der Geometrie der Ventrikel und der HerzMappen wghrend eines HerzzyMus. Daf/ir stehen die Methoden der Strukturmechanik zur Verf/igung. Ein vereinfachtes Modell der Ventrikelbewegung sowie reale Ventrikelquersctmitte des menschlichen Herzens sind in Abbildung 6.31 gezeigt. W/ihrend der Kontraktionsphase ist die Mitral- und Trikuspidalldappe gesehlossen. Die Aorten- und Pulmonalldappe ist ge6ffllet. Die Muskelfasern beider Ventrikel kontrahieren. Der linke Ventrikel pumpt das mit Sauerstoff angereieherte Blut in die Aorta und der reehte Ventrikel pumpt sauerstoffarmes Blut in die Lunge. Der Druek im linken Ventrikel ist entspreehend der Abbildung 1.20 viel grSger als im reehten Ventrikel. Demzufolge beh/ilt der linke Ventrikel wghrend der Kontraktionsphase nahezu einen elliptisehen Quersehnitt, w~hrend sieh der reehte Ventrikel um den linken anordnet. Die Bewegung der Ventrikelwgnde ist hauptsfiehlieh radial. Sie ist aufgrund des hSheren Druekes im linken Ventrikel gr6ger als im reehten. Die radiale Bewegung wird dureh eine Verkiirzung des Herzens in longitudinaler Riehtung begleitet. Aufgrund der spiralf'drmigen
258
6 Blutkrelslauf
A b b . 6.31: Formen der ventrikulgren Kontraktion Anordnung von einem Teil der Muskelfasern (Abbildung 6.28) wird der longitudinalen Bewegung eine Drehbewegmlg /iberlagert. Demzufolge ist entsprechend der Abbildung 6.32 die Schubspannungsverteilung in den Ventrikeln inhomogen und anisotrop. Grundlage der mathematischen Beschreibung der Ventrikelbewegung ist die Bewegungsgleiehung der Strukturmechmlik (2.34), die mit Finite-Elemente Methoden numeriseh ge15st wird. Fiir die Deformationsgesehwindigkeit v (vl, v2, va) erh~ilt man entspreehend der Ausf/ihrungen in Kapitel 2.3: p. \ - ~ - + v~. ~x-~xi] mit dem Spannungstensor Materialdichte p.
o-ij,
den
~
+ fi
,
volumenspezifischen
(6.52) Kdiften
fi
und
der
Das viskoelastische Model] des Myokards haben wir in Kapitel 2.3.3 mit der vereinfachten Dehnungs-Energiefunktion (2.54) bereitgestellt. Die Abbildung 6.32 zeigt das Finite-Elemente Modell des linken und rechten Herzventrikels im Lfingsschnitt, die Orientierung der Muskelfasern im Model] sowie die Schubspannungsverteilung am Ende der Diastole. Das Finite-Elemente Modell wurde yon P. J. Hunter et al. 1993, 1997 und P. J. Hunter und B. H. Smaill 2000 auf Basis der finiten Elasti-
A b b . 6.32: Finite-Elemente Modellierung der Struktur des Herzens, J. P. Hunter und B. H. Smaill 2000
6.2 Menschliches Herz
259
Abb. 6.33: Spannungsverteilung auf der Oberfi~iche des Herzens, J. P. Hunter und B. H. Smaill 2000
zit~itstheorie und der Energiefunktion (2.54) entwickelt. Spannungsmessungen ml aktiven Muskelfasern yon Tierherzen haben gezeigt, dass sich die Muskelfaserkriifte eher orthogonal als transversal isotrop verhalten. Mit dem Modell der Detmungs-Energiefunktion wurde die Spannungsverteilung auf der Oberfl~iche des Herzens mit der Finite-Elemente Diskretisierung der Abbildung 6.32 numerisch berechnet. Mit Isolinien sind in Abbildung 6.33 fiir einzelne Phasen des Herzzyldus die Bereiche grof~er und geringer Muskelfaserspannung gezeigt. Dabei zeigen durchgezogene Linien groi~e Dehnungsspannungen, gestrichelte Lilfien groi~e Kompressionsspmmungen. Anfangs ist der Herzmuskel relaxiert und es herrschen nur geringe Spannungen. Der Verlauf der yon den VorhSfen w~hrend der Ffillphase ausgehenden Kompressionsspmmung ist deutlich zu erkennen. Uber die Ventrikel setzt sich die Anspannung w~hrend der Auswurfphase fort. 6.2.3
Erregungsphysiologie des Herzens
Erg~nzend zur Beschreibung der Elektrophysiologie des Herzens in Kapitel 6.2.1 sind in Abbildung 6.30 die elektrischen Erregungspotentiale in den einzelnen Bereichen des Herzens dargestellt. Dabei wurde das Aktionspotential U innerhalb und aui~erhalb der Muskelzellen mit Mikroelektroden gemessen. Zu Beginn der elektrischen Erregung (0) werden die Herzmuskelzellen depolarisiert und die Potentialdifferenz fiber die Zellmembranen steigt von -90 mV auf +20 mV (1). Die Depolarisation der Herzmuskelzellen beruht auf der 0ffnung von Ionenkaal~ilen hi der ZeUmembran. Die Aktivierung der Depolarisation erfolgt innerhalb yon 1 ms. Die mechanische Kontraktion der Herznmskelzellen erfolgt zeitverz5gert. Es folgt ein schneller Abfall des Aktivierungspotentials und die Repolarisation wird eingeleitet. Diese wird in Phase (2) verz6gert um fiber den Abfall (3) dem ursprfinglichen Wert zuzustreben. In dieser Phase wird das Aktionspotential in den Muskel initiiert und das Maximum der Muskelkontraktion wird in Phase (3) erreicht. Die Repolarisation erfolgt innerhalb von 0.3 s, w~h_rend der Depolarisationspuls lediglich 1 ms wirkt. In Abbildung 6.34 ist der Erregungsablauf im L~ingsschnitt des Herzens in Bezug zum Echol~rdiogramm EKG gezeigt. Die Erregung des Herzens beginnt im Sinuslmoten und breitet sich anschlief~end fiber die VorhSfe aus. Damit verbunden ist die P-Welle im EKG. Es folgt das PQ-Zeitintervall mit der verz6gerten Erregung des HIS-Leitungssystems. Die Ventrikelerregung beginnt an der linken Seite des Kammerseptums mit dem negativen Q-
260
6 Blutkreislauf
Ausschlag im EKG. Kurze Zeit sp~iter sind die Wkude des rechten und linken Ventrikels von innen nach augen einschlieglich der Herzspitze erregt. Daraus resultiert die R-Zacke ira EKG mit positiver Polaxit~it. Die ventrikul~re Erregungsausbreitung endet an der Basis des linken Ventrikels mit der negativen S-Zacke. Nach Abschluss der Ventrikelerregung ist die gesamte Herzoberfl~iche negativ geladen. Diese Phase im Erregungsablauf ist mit der ST-Strecke im EKG verbunden. Die Repolarisationsphase des Herzens begirmt in den subendokardialen Schichten des Myokards und schreitet in Richtung Endokaxd fort. Damit liegt eine Feldst~rkekomponente vor, die aus den noch erregten negativen endokardialen Schichten in die schon positiven nicht erregten Bereiche zeigt. Die positive T-Welle ist mit der Repolaxisationsphase verbtmden. Elektrochemische Untersuchtmgen der Herzmuskelzellen zeigen, dass die tmterschiedlichen Bereiche des Aktionspotentials mit Natrium Na + trod Kalium Ka + Ionenkan~ilen in der Zelle verkalfipft sind. Calcium Ca 2+ Ionen in den Zelknlembranen verursachen die Anregung der Kontraktion in den Muskelzellen. Insofern beeinitusst die Form der Aktionspotentiale das Kontraktionsverhalten der Herzmuskelzellen in den unterschiedlichen Bereichen des Herzens. Die Depolarisationswelle schreitet vom Endokard zum Epikard fort. Die Welle der Repolaxisation bewegt sich in entgegengesetzter Richtung. Die mathematische Modelliertmg der Depolaxisationswelle und deren Ausbreittmg in den Herzmuskelzellen verlangt die Modellierung der nichtlinearen Koppltmg der Erregungsmodelle der Depolaxisation mit einem Modell der Erregungsausbreittmg. Die Ausbreitung mit Geschwindigkeiten zwischen 0.03 (Sinusknoten) und 0.6 m/s (Vorhof trod Ventrikel) kann zum einen fiber ein System einzelner gekoppelter Zellen oder als Kontinuum berechnet werden.
Abb. 6.34: Erregung des Herzens und Echokardiogramm EKG
261
6.2 Menschliches Herz
Die mathematische Beschreibung der Erregungsausbreitung im Herzen erfolgt mit einem System nichtlineaxer paa'tieller Differentialgleichungen: ~ui
Ot
fi(ul,""
, Un) + Di 9 A u i
,
i
1,...
,n
(6.53)
Dabei sind ui die n Vaxiablen, f i ( u l , ' ' " , Un) die nichtlineaxen Erregungsfunktionen und Di. Aui der Diffusionsterm. Ein einfaches Modell mit zwei Variablen sind die Fitz-Hugh-Nagumo-Gleichungen:
0U 1
Ot
Ul -- - ~ -- U2 q- D1 9 A U l
E
(6.54)
Ou2 0t
E 9 (Ul ~-/3 -- "~" U2)
,
mit den Paxametern 0 3 < v/-3, 0 < ~/< 1 und e << 1. Ffir die Bestimmung der Erregungsfunktionen fi mfissen entsprechende Modellgleichungen der IonenstrSme in den einzelnen Muskelzellen geftmden werden. Eine Auswahl dieser ModeIlgleichungen findet sich z.B. in A. V. Panfilov und A. V. Holden 1997. Die Abbildung 6.35 zeigt das Ergebnis einer Simulationsrechntmg der Ausbreitung des Erregungspotentials auf der Oberflgche des Herzens. Entsprechend der Abbildtmg 6.34 breitet sich die Erregtmg von der inneren Herzwand nach augen aus. Auf der Herzoberflfiche fiugert sich dies durch ein groges Erregtmgspotential (dunkel). Dieses verlfiuft vom Sinusknoten (1) fiber die beiden VorhSfe (2) trod regt die Ventrikel an, w~ihrend sich die Vorh6fe wieder repolarisieren (3). Zum Abschluss des Herzzyldus werden die Ventrikel repolarisiert.
Abb. 6.35: Elektrische Potentialverteilung auf der Oberflgche des Herzens, C. D. Werner et al. 2000
262 6.2.4
6 Blutkreislauf StrSmung im Herzen
Die Bereclmung der blkompressiblen Str5mung im Herzen erfolgt mit der Kontbmitgtsgleichung (3.4): v. v
0
(6.55)
und der Navier-Stokes-Gleichung ffir die laminaxe und tra~sitionelle StrSmung (3.3): p.
-~- + (v. V)v
- V p + #e~" AV + f
(6.56)
f ist die Volumenkraft die der StrSmung von den Innenw~nden des Herzens aufgepr~gt wird. Die nicht-Newtonschen Eigenschaften des Blutes werden ngherungsweise mit dem CrossModell (6.47) berficksichtigt. Die Volumemkraft f berechnet sich aus der Schubspmmungsverteilung im Inneren des Herzens, die das Strukturprogranml des Kapitels 6.2.2 vorgibt. Die StrSmung-Struktur gekoppelte Bereclmung erfolgt mit der bagrmlge-Euler-Formulierung (3.189) yon Kapitel 3.5.1: P
-5/
+(v.V)(v-vG)
v~+f
,
(6.57)
mit ar o-ij ffir die Struktur und der vereinfachten Dehnungs-Energiefunktion (2.54) von Kapitel 2.3.3 sowie dem Stokessdlen Reibungsansatz (3.5) und (3.190) ar nj ffir die Str5mung. Einen anderen Ansatz f'fir die Bereclmung der StrSmung-Strukturkopplung haben C. S. Peskin trod D. M. McQueen 1997 eingef'fihrt. Sie approximieren die Muskelfasern des Herzens sowie die Herzldappen in einer Lagra~ge-Betrachtungsweise mit diskreten elastischen Faser-Filamenten, die in der StrSmung eingebettet sind. Die Diskretisierung der Faser-Filaznente wird so rein gew~ihlt, dass sie keinen Volumenanteil und keine Masse besitzen, aber dennoch ffir eine kontinuumsmechanische Beschreibung des biologischen
A b b . 6.36: Faser-Filamente Modell der Innenwand des linken Ventrikels und der Aortenklappe, C.S. Peskin und D. M. McQueen 1994, 1997
6.2 Menschliches Herz
263
Materials benutzt werden kSnnen. Die Filamente orientieren sieh entlang der StrSmung und nehmen die lokale StrSmungsgesehwindigkeit v an. In jedem Punkt des FilamenteStrSmungsverbundes ist eine eindeutige Faserrichtung gegeben, die dureh den Einheitsvektor e festgelegt wird. Die Kraft F , die die Faser-Filamente auf die StrSmung ausiiben, berechnet sieh mit den Weehselwirkungsgleichungen des Filamente-StrSmungssystems:
g(x,t)
I f(q'r's't)'(~(x-
x(q'r's't))'dy'dr'ds
,
(6.58)
J
v
mit den Filanlente-Koordinaten q, r, s, der Position des Filanlentes zum Zeitpunkt x X(q, r, s, t), dem Einheitsvektor e (OX/Os/(lOx/Osl) und dem Ntegrationsvolumen V. Die Verkniipfung mit dem Geschwindigkeitsvektor v erfolgt mit:
OX -~ (q, r, s, t)
v ( X ( q , r, s, t), t)
/v(x,t).
6(x - X(q,r, s,t)). d X
(6.59)
v
Dabei sind die Faser-Filamente Gleichungen: F r
0 ( r . e) Os a.
~
,q,r,s,t
)
Ioool
Es ist zu beachten, dass die StrSmungsgleichungen (6.59), (6.60) in EulerBetrachtungsweise angeschrieben shad. X (x l, x2, xa) sind ortsfeste kaxtesische Koordinaten. Die zu berechnenden Variablen sind der Ceschwindigkeitsvektor v(x, t), der Druck p(x, t) und die Filamente-Kraft F(x, t). Die Konstanten p und # sknd die Dichte und Viskositfit der Str6mung.
A b b . 6.37: StrSmungssimulation im Herzen, C. S. Peskin und D. M. McQueen 1997
264
6 Blutkreislauf
Die Faser-Filamente Gleichung (6.60) und deren Verkntipfung mit der StrSmung (6.58) und (6.59) sind ill der Lagrange-Betrachtungsweise dargestellt, wobei q, r, s zeitabh~ngige gekr/immte Koordinaten daxstellen, die den Ort der Materialpunkte der Faser-Filamente festlegen. Die Unbekmmten des Gleichungssystems sind die Faser-Konfiguration X(q, r, s, t), die Faser-Spannung T(q, r, s, t) und die Lagrange-Darstellung der Faserkr~ifte F(q, r, s, t). Die Wechselwirkungsgleichungen (6.58) und (6.59) verkaltipfen die Lagrange- und EulerVaxiablen. Die Abbildung 6.36 zeigt das vereinfachte Faser-Filamente Model] des Herzens, das dem Strukturmodel] der Abbildung 6.32 entspricht. Es sind die Faserfilamente der inneren Sckicht des linken Ventrikels sowie die berechneten drei Taschen der Aortenklappe gezeigt.. In Abbildung 6.37 ist die berechnete Str5mung dargestellt. Es sind Streichlilfien vonder StrSmung beigesetzter Teilchen gezeigt. Das erste Bild zeigt den Einstr6mvorgang in den linken und rechten Ventrikel bei geSffneter Mitra]- und Trikuspidalklappe. Beim Einf/illvorgang bildet sich in den Ventrikein ein Ringwixbel um die Einstr6mjets aus. Die Teilchen zur Sichtbaxlnachung der Str5mung werden jeweils in den Vorh5fen und den Ventrikeln des Herzens beigegeben. W~hrend der Ventrikelkontraktion ist die Mitral- und die Trikuspidalklappe geschlossen. Es verbleibt eine ReststrSmung geringer StrSmungsgeschwindigkeit. Beim AusstrSmvorgang ist die Aorten- und Pulmonalldappe ge6ffnet undes ist im Aortenund Venenkana] eine Jet-StrSmung hoher StrSmungsgeschwindigkeit zu erkemlen. Die numerische AuflSsung der Str6mungsberechnung erlaubt es jedoch nicht, die Details der dreidimensionalen StrSmungsstruktur w ~ r e n d des Ftillvorganges zu analysieren. Da in vivo Strukturdaten des menschlichen Herzens ftir die Bestinmmng der Konstanten der Detmtmgs-Energiefunktion (2.54) erst in einem ersten Ansatz (Abbildtmg 2.4) verftigbax sind, wird zun~chst eine andere M5glichkeit der Str5mungsberechnung im Herzen ohne Model]iertmg der Struktur des Myokaxds verfolgt. Dabei wh'd die Volmnenkraft f in Gleichung (6.56) durch die Kelmtnis der zeitabh~ingigen Bewegung der Herzgeometrie ersetzt. Diese wird der StrSmung in den Ventrikeln aufgepr~gt. Folgt man diesem Gedankengang, so wird aus medizinischen MRT (Magnet-Spin-Resonanz-Tomografie)-Bilddaten ein dynamisches geometrisches Oberfl~ichenmodell (Fhfidraum) des Herzens f'tix einen gemittelten Herzzyldus abgeleitet. Mit diesen vorgegebenen zeitabh~ingigen geometrischen Randbedingungen wird die Str5mungsberechnung in den Herzventrikeln durchgeftihrt. Auf dieser Basis wurde in Kapitel 1.4 das KAHMO-Herzmodel] eingef'fih_rt. Fiir die pulsierende Str51nungsberechlmng wird die Kontinuitiits- und Navier-StokesGleichung nfit deln Durchmesser der Aorta D und der genfittelten Geschwindigkeit U am Eintritt der Aorta entdimensioniert: X*
--ag
D
V*
'
__V
U
t*
t 9 aJ
,
p*
'
P
p. U 2
Mit den dimensionslosen Kennzahlen Reynolds-Zahl ReD U 9 D/ue~ und WomersleyZahl Wo D. V/-~/ue~ Iv_it ~ 2.7r/To (To Herzzyklus) ergeben sich die dimensionslosen Grundgleichungen (3.67) und (3.68): V.v
Wo2 ( O r . . ) ReD ~ + (v V ) v
0
, 1
-Vp + ~
(6.61) 9A v
6.2 Menschliches Herz
265
Die Abbildung 6.38 zeigt die Magnet-Spin-Resonanz-Tomographie(MRT)-Bilddatenin horizontalen Schnitten des menschlichen Herzens und das daxaus abgeleitete d.~lamische GeometriemodeU des Herzens, das den Fluidraum der Ventrikel und Vorh5fe daxstellt. Dabei werden insgesamt zu jedem Zeitpunkt des Herzzyklus 26 horizontale und vertil~.ule Schnittebenen ausgewertet. Es werden mehrere Herzzylden zu jeweils 17 Zeitpunkten aufgenommen und mit Bilderkelmungssoftware in das dynamische GeometriemodeU /iberf/ihrt. Die Triggerung der Bildaufnahmen erfolgt mit dem aufgezeichneten EKG der Probanden. Das dynamische Geometriemodell des Herzens besteht aus den Ventrikein, VorhSfen, der Aorta, der Pulmonalarterie und der Vena Cava. Die Bewegung der Kontraktion und Relaxation der Ventrikel und VorhSfe wird vom Geometriemodell vorgegeben. Der Volumenstrom der druckgesteuerten Herzklappen wird in den jeweiligen Projektionsebenen entspreehend der Abbildung 6.42 modeUiert und die Druckrandbedingungen werden vom Kreislaufmodell des Kapitels 6.1.2 vorgegeben. Die berechnete dreidimensionale StrSmungsstruktur im linken und rechten menschlichen Ventrikel eines gesunden Probmlden der Abbildung 6.39 fiir einen Herzzy"ldus haben wir bereits in Kapitel 1.4 beschrieben. Beim I)ffnen der Mitral- und Trikuspidalldappe zum Zeitpunkt t 0.76 s stellen sich im linken und rechten Ventrikel wfi]arend des F/illvorganges zun~ichst EinstrSmjets ein, die nach einem Viertel des Herzzyklus jeweils von einem Ringwirbel begleitet werden. Diese entstehen als Ausgleichsbewegung f/Jr die hn ruhenden Fluid abgebremsten EinstrSmjets. In den VorhSfen entstehen weitere Ringwirbel, die die Richtung der EinstrSmjets in die Ventrikel vorgeben. Im weiteren Verlauf der Diastole nehmen aufgrund der Bewegung des Myokards die Ringwirbel an GrSge zu. Dabei erfolgt die Ausdehnung der Wirbel in axialer Richtm~g gleichm/igig, in radialer Richtung wird jedoch im linken Ventrikel die linke Seite verstgrkt. Beim Eindringen in die Ventrikel verringern sich die Geschwindigkeiten der Wirbel. Die Ventrikelspitzen werden zu diesem Zeitpunkt nicht durchstrSmt. Im weiteren Verlauf des Eh~strSmvorganges kommt es im linken Ventrikel aufgrund der staxken Deformation zu einer Neigung des Ringwixbels in Richtung der Ventrikelspitze, die ein efflzientes AusstrSmen w/ihrend der Systole vorberei-
Abb. 6.38: Dynamisches Geometriemodell des menschlichen Herzens
266
6 Blutkrelslauf
tet. Im L/i~gschnitt gugert sieh das dreidimensionale StrSmungsbild in einer Verzweigung der projizierten Stromlinien in die Ventrikelspitze. Dabei verringert sieh die Gesehwindigkeit der dreidimensionalen StrSmung, bis sehlieglieh der EinstrSmvorgang abgesehlossen ist und die Mitralklappe sehliegt. Die weitere Deformation der Wirbelstruktur wird durch die Tr~gheit der StrSmung bestimmt. Parallel induziert der obere Teil des Ringwirbels einen Sekund~irwirbel im Aortenkanal. Aufgrund der Geometrie des rechten Ventrikels, der sich entsprechend der Abbildung 6.31 um den linken Ventrikel anordnet, ist der EinstrSmringwirbel entlartg der Ventrikelkontur verformt. Dies f'ti_hrt dazu, dass sieh wghrend der Diastole beim Drehen des Ringwh'bels in Riehtung der Ventrikelspitze die Wirbelachse gegen die Augenwand des Myol~rds neigt. Die StrSmungsbereehnung zeigt, dass deshalb der Pdngwirbel vor Beginn des AusstrSmens zerf'fillt und eine SekundgrstrSmung in der Ventrikelspitze entspreehend der SekundfirstrSmung im Pulmonalarterienkanal verursaeht. Insofern ist die Interpretation der dreidimensionalen StrSmungsstruktur im reehten Ventrikel nieht so eindeutig wie im linken Ventrikel. Zum Zeitpunkt t 0.38 s 5ffnet sich die Aortenklappe und der Ausstr5mvorgang in die Aorta beginnt. Dabei wird die Bewegungsrichtung der Wirbel fortgesetzt. Es wird zun/ichst der Sekund~irwirbel im Aortenkanal und damn in zeitlicher Abfolge der Ringwirbel ausgespiilt. Das Geschwindigkeitsmaximum des AusstrSmvorganges wird im zentralen Bereich der Aortenklappe erreicht und zum Zeitpunkt t 0.63 s ist der Str5mungspuls in der Aor-
Abb. 6.39: Str5mung in1 menschlichen Herzen, ReD
4150, Wo
27, To
0.76s
6.2 Menschliches Herz
267
ta ausgebildet. Am Ende der Systole hat sich die Wixbelstruktur im linken und rechten Ventrikel vollst~dig aufgelSst. Dabei werden vom gesunden menschlichen Herzen etwa 63 % des lJ_nken Ventrikelvolumens und 60 % des rechten Ventrikelvolumens ausgestofgen. Aufgrund des geringeren Druckniveaus des Lungenkreislaufes ist die vom rechten Ventrikel aufgebrachte Leistung mit P 0.25 W deutlich kleiner als die Leistung des linken Ventrikels mit P 2.4 W. Die berechneten Leistungswerte liegen etwas hSher, als die in der Literatur angegebenen Werte, da der gesunde Proband bei den MRT-Aufnahmen einen erhShten Puls yon 79 pro Minute aufwies, was sich auch in der systolischen Reynolds-Zahl ReD 4150 und der Womersley-Zahl Wo 27 ~iuf~ert. Die Vorgabe der Volumenkraft f durch das dynamische Geometriemodell eines Probanden in der Navier-Stokes-Gleichung (6.56) hat Grenzen. So ist zu erwarten, dass am Ende der Diastole nicht die Bewegung des Myokards die Str6mung im Herzventrikel bestimmt, sondern im Gegenteil die Str6mung die Bewegung des Myol~rds verursacht. Zu diesem
Abb. 6.40: Spasmungsverteilung auf der Oberfi~che des Ventrikels und Str6mung im L~ingsschnitt eines Modellshapers, ReD 3350, Wo 22, To 1 s
268
6 Blutkrelslauf
Zeitpunkt des Herzzyklus sind der statische und dynamische Druck der Str6mung von gleicher GrSgenordnung, so dass der Einfluss der Str6mung auf die Bewegung des Myokards nicht vernaehlgssigt werden kann. Deshalb ist in diesem Bereieh des Herzzyklus die in Kapitel 3.5 beschriebene StrSmung-Struktur gekoppelte Berechnung erforderlieh. F/Jr eine erste StrSmung-Struktur gekoppelte Berechnung der StrSmung im Ventrikel benutzen wir die Grundgleiehung (6.57) und die Shapermodellgeometrie (Abbildung 3.90) sowie das implizite KopplungsmodeU, das in Kapitel 3.5.2 eingeftihrt wird. Das Ergebnis der Bereehnung ist in Abbildung 6.40 dargesteUt. Es sind die Momentbilder der in den L/ingsschnitt projizierten Stromlinien und die Spannungsverteilung auf der Innenflfiche des Shapers gezeigt. Durehgezogene HShenlinien bedeuten groge Dehnungsspannungen und gestrichelte Linien groge Kompressionsspannungen. Zu Begilm der Diastole bildet sich der Ringwirbel des EinstrSmjets aus, der aufgrund der sehmalen Shapergeometrie asyrrmletrisch verformt ist. Zu Beginn des EinstrSmvorgangs in den Modellventrikel ist die Struktur des Shapers relaxiert und es herrschen entspreehend der Abbildung 6.33 nur geringe Spannungen, die sieh im Wesentliehen auf den Bereieh der Herzldappen und der Ventrikelspitze (dunlde Sehattierung) konzentrieren. Im weiteren Verlauf der Diastole nfihert sieh der Spannungszustand bei welter naehlassender Kontraktion dem sparmungsfreien Zustand, der unmittelbar vor der Vorhofkontraktion angenommen wird. Zum Absehluss der Diastole neigt sieh der asymmetriseh verformte Pdngwirbel, entspreehend unseren Ausf'dhrungen zu der Abbildung 6.39 in die Ventrikelspitze, was sieh hn Lgngsaehsensehnitt der projizierten Stromlinien Ms Wirbeh,erzweigung gugert. Die radiale Auslenkung des Modellventrikels ist im oberen Bild der Shapergeometrie der Abbildung 6.40 gezeigt. Die Systole wird dureh die erneute Anspannung des Ventrikels vonder Ventrikelspitze ausgehend und durch das Auswerfen des Blutvolumens eingeleitet.
Herzklappen Die druckgesteuerte Funktionsweise der vier Herzldappen wurde bereits in Kapitel 6.2.1 beschrieben. In diesem Abschnitt wird die Modellierung der StrSmungsverhiiltnisse in den Herzklappen am Beispiel des linken Ventrikels erggnzt. Die Abbildung 6.41 zeigt die Anatomie- und Ultrasehall-Eeho-Doppler-Bilder der Mitralund Aortenldappe. Die Mitralldappe besteht aus zwei Segeln. Die Mitralldappe ermSglicht den Fiillvorgang des linken Vorhofes zwisehen den Herzschlggen und verhindert den Blutriiekstrom wfihrend der Ventrikelkontraktion. Das Umldappen der Mitralldappensegel wNtrend des hohen Drucks der Kontraktionsphase des Herzens verhindern die zu den Papillarmuskeln fiihrenden Sehnenfgden. Die Aortenldappe besteht aus drei halbmondf6rmigen Bindegewebetaschen. Sie verhindert w/~hrend der Relaxationsphase des Herzens die BlutrfickstrSmung aus der Aorta. Wegen des hohen Drucks, dem die Aortemldappe w/ihrend der Kontraktionsphase ausgesetzt ist, sind die Klappentaschen wesentlich stabiler ausgebildet als die Segel der Mitralklappe. Im geSffneten Zustand legen sich die Taschen der Aortenklappe trotz des hohen Aortendrucks nicht an den Aortenbulbus an. Die Spitzen der Taschen werden umstrSmt und es
6.2 Menschliches Herz
269
bildet sich zwischen Klappentasche und Aortenbulbus ein RfickstrSmgebiet, dessen Gegendruck das Ausbeulen der Taschen und das Anlegen verhindert. Aufgrund der hohen Scherraten des EinstrSmjets in die Aorta werden die Spitzen der Aortenldappentaschen instabil und beginnen im geSffneten Zustmld zu flattern. F fir die Berechnung der StrSmung in den Ventrikeln ist es nicht erforderlich alle Details der von der StrSmung verursachten Klappenbewegung abzubilden. Es ist ausreichend, auf der Basis von Ultraschall-Doppler-Geschwindigkeitsmessungen und MRT-Flussdaten des menschlichen Herzens die VolumenstrSme duxch die Herzldappen richtig zu modellieren. Man betrachtet bei den Herzldappenmodellen der natiirlichen Klappen lediglich deren Projektion auf die Klappenebene. Die 0ffnungsformen der zweiflfigeligen Mitralsegelldappe und der dreiflfigeligen Aortenklappe sind in Abbildung 6.42 dargestellt. Die Modellldappen werden durch Randbedingungen realisiert, denen ein variabler Widerstand zugeordnet ist. Dieser Widerstand kann zwischen 0 und cc variiert werden. Durch ji.nderung der Widerst/inde werden die Klappen entsprechend ihrer Projektion auf die Klappenebene geSffnet. Im geschlossenen Zustand wird den Klappen fiber die gesamte F1/iche der Klappenebene der Widerstand cc zugeordnet. Im offenen Zustand ist der Widerstand 0. Die Modellierung der Trikuspidal- und Pulmonalldappe des rechten Herzventrikels erfolgt in entsprechender Weise. Erkrankungen an den Herzldappen kSnnen zu Rfickstr5mungen in die Ventrikel bzw. die VorhSfe oder in die Aorta ffihren. Bei einer Aortenklappenstenose 5ffnet sich aufgrund von
Abb. 6.41: Mitral- und Aortelfldappe des Herzens
27"0
6 Blutkrelslauf
Abb. 6.42: Modellierung der Mitral- und Aortenklappe des Herzens Kalkablagerungen an den Klappentaschen die Aortenklappe nicht vollst~udig. Stromab der Aortenldappe bi]det sich eine turbulente Jet-StrSmung mit erhShten StrSmungsverlusten aus.
Aufgrund der Stenose muss der linke Ventrikel erh6hte Druckverluste fiberwinden. Das Ventrikelvolumen w~ichst mit der Zeit und der Herzmuskel nimmt zu. Dabei ist die Versorgung des vergr6f~erten Herzmuskels mit Sauerstoff nut in gewissen Grenzen m6glich, da sich die Herzkranzgefdfge nicht vermehren. Schlie~t die Aortenklappe nicht vollst~idig, kommt es bei einer Aortenklappeninsuffizienz zu RfickstrSmungen in den fin_ken Ventrikel und wiederum zu einer ErhShung der Str6mungsverluste. Diese werden vom Herzen durch eine VergrS~erung des Volumens und einer h6heren Sehlagfrequenz kompensiert. Bei einer Mitralklappeninsumzienz wird der hohe Druek vom linken Ventrikel in den Vorhof fibertragen. Dies ffitu't zu einer Delmung des llnken Ybrhofs und fiber die Lunge erh6ht sich die Volumenbelastung des rechten Ventrikels. Damit ergibt sich ein erhShter Druck im Gef'~is der Lunge. Die operative Korrektur von Herzklappenfehlern wird in Kapitel 6.3.2 welter behandelt.
6.3 Herzoperationen 6.3
271
Herzoperationen
Herz-Kreislauferkrankungen gehbren zu den h~iufigsten Erkrankungen der modernen Zivilisation. So starben hn Jallr 2007 in Deutschland allein 380000 Menschen an den Folgen von Krankheiten des Herz-Kreislaufsystems. Die medizinischen Behandlungsmethoden von Herzerkrankungen reichen je nach Schweregrad der Erkrankung von einer medilmmentSsen Behandlung fiber operative Eingriffe, sei es minimalinvasiv mit Kathetern oder Herzoperationen am schlagenden Herzen bis bin zum Ersatz des erkrankten Herzens durch eine Transplantation. Allerdings stehen nicht genfigend Spenderherzen zur Behandlung der Patienten zur Verffigung, so dass zur zeitlichen Uberbrfickung strSmungsmechanische Herzerg~nzungssysteme erforderlich sind. Altemativ werden auch organerhaltende Herzoperationen mit einer Ventrikelrekonstruktion z. B. mit der in den vorangega~lgenen Kapiteln behandelten Shapergeometrie durchgeffil~'t, hn Rahmen der internationalen STICH-Studie (Surgical Treatment of Ischemic Heart Failure), T. Doenst et al. 2008 wird geprfift, ob die Ventrikelrekonstruktion einen Uberlebensvorteil gegenfiber konventionellen Herztherapien bietet. Dabei wird erstmals das in Kapitel 1.4 eingeffihrte und bezfiglich der biomechanischen und biostrSmungsmechanischen Grundlagen und Methoden vertiefte Herzmodell KAHMO in Zusmmnenhang mit MRT-, CT- und Ultraschall-diagnostischen Verfahren ffir die Therapieplanung und strbmungsmechanische Bewertung von Herzoperationen eingesetzt.
6.3.1
Ventrikelrekonstruktion
Ursache fiir eine VergrS~erung des linken menschlichen Ventrikels ist eine mangelnde Durchblutung der Herzkranzgefiif~e (Abbildung 6.24) aufgrund von Ablagerungen insbesondere in den Verzweigungen der Koronararterien (Abbildung 6.15). Die Abbildung 6.43 zeigt die Vorderansicht der Koronararterien, durch die 4 % des Blutes des KSrperkreislaufes flie~en sowie die durch einen Herzinfarkt gestSrten Bereiche des Ventrikelmyokards. Wei~ sind die isch~i~fischen Bereiche des Myokards gekennzeichnet, die mit Sauerstoff unterversorgt sind. Dunkelgrau sind die nekrotischen Bereiche, in denen die Muskelzellen des Myokards abgestorben und vernarbt sind und damit keinen Beitrag zur Kontraktion des Ventrikels leisten. Das von Abbildung 6.30 bekannte Bild des gesunden EKGs wird w~ih-
Abb. 6.43: Koronararterien und hlfarktbereiche des linken Ventrikels
272
6 Blutkrelslauf
rend der Myokardrepolarisation durch eine negative T-Welle abge15st. Diese bewirkt, dass w~ihrend der Repolarisation in den subendokardialen Bereichen ein in entgegengesetzter Richtung nach augen zeigender Feldst~irkevektor entsteht und damit im EKG eine positive T-Welle hervorruft. Die vernarbten abgestorbenen nekrotischen Bereiche des Myokards nehmen an der Pumparbeit des Ventrikels nicht tei_l.Um die Pumpleistung ffir die Versorgung des Kreislaufes dennoch aufrecht erhalten zu kSnnen, reagiert das Herz mit einer VergrSfserung des Pumpvolumens. Im Laufe der Zeit vergrSgert sich der Ventrikel derart, dass er nicht mehr in den Brustkorb passt und zwangsls operiert werden muss. Die g~gige Operationsmethode ist die V e n t r l k e l r e k o n s t r u k t l o n , die in der eingangs erw~hnten STICH-Studie medizinisch bewertet wird. Ein Bewertungskriterium ist dabei, dass sich ngherungsweise nach der Ventrikelrekonstruktion bei verkleinertem Ventrikelvolumen die StrSmung des gesunden Herzens der Abbildung 6.39 mit mSglichst geringen StrSmungsverlusten einstellt.
In Abbildung 6.44 sind Plastikmodelle des linken Ventrikels mit den Muskelfaserorientierungen (Abbildung 6.28) sowie die Prinzipskizzen der dazugehSrigen Ventrikelvolumen dargestellt. Das linke Bild zeigt den gesunden konischen Ventrikel mit der spiralfSrmigen Faserorientierung der MuskeLzellen. Der isch~hnisch pathologische Ventrikel, der eine Aussackung des Myokards verbunden re_it einem Aneurysma (Abbildung 6.18) ausgebildet
A b b . 6.44: PlastikmodeUe der linken Ventrikel und Prinzipskizzen der Ventrikelvolumen
6.3 Herzoperationen
273
hat, zeigt eine verst~rkt horizontale Faserorientierung, die bei der chirurgischen Ventrikelrekonstruktion wieder teilweise rfickg~ngig gemacht wird. Bei der Ventrikelrekonstruktion wird ein Tell des isch~nischen Gewebes entfernt und mit einem sogenmmten Patch (Abbildung 1.45) zum verkleinerten wieder konischen Ventrikel zusalmnengefiigt. Die einzehlen Phasen einer derartigen Ventrikelrekonstruktion sind in Abbildung 6.45 gezeigt. Ffir den Herzchirurgen stellt sich vor jeder Ventrikelrekonstruktion die Frage, welche zu operierende Ventrikelgeometrie bei den vorgegebenen isch~imischen und nekrotischen Bereichen des Myokards fiir die Aufrechterhaltung des Kreislaufs die Geeignetste ist. Dabei steht neben der Rekonstruktion der myokardialen Muskelfaserschichten die StrSmung im Ventrikel im Vordergrund. Im Vorfeld der Planung einer Herzoperation und der strSmungsmechanlschen Bewertung des Operationsergebnisses wird das KAHMO-Herzmodell eingesetzt. Erg~zend zu den Kennzahlen der dimensionslosen Navier-Stokes-Gleichung (6.58) ReD und W o werden weitere dimensionslose Kennzahlen ffir die medizinische Bewerttmg der VentrikelstrSmung definiert. Die Ejektionsfraktion
v~ E
~dd
A b b . 6.45: Ventrikelrekonstruktion, T. Doenst et al. 2008
(6.62)
274
6 Blutkreislauf
ist das Verh/iltnis des Schlagvolumens V~ und des enddiastohschen Volumens Vd. Sie gibt an, wieviel Prozent des Ventrikelvolumens in den Aortenkanal ausgestot~en werden. Beim gesunden Herzen betr~gt E 63 %. Mit der Ventrikelpumparbeit Ap, die sich aus dem p-V-Diagramm der Abbildung 6.29 berechnet, der Verweilzeit des Blutes im Ventrikel tb im Allgemeinen fiber 2 - 3 Pumpzyklen, der effektiven Z~_igkeit des Blutes #e~ (6.44) und dem Schlagvolumen V~, l ~ s t sich die dimensionslose Pmnpaxbeit defmieren:
O
Ap 9tb #e~" V~
'
(6.63)
wobei Ap 9tb/#eU die Dimension eines Volumens hat und sich O als VolumenverhalUds darstellt. Liegt ein Herzinfarkt bei einem Patienten vor, verringert sich die Pumparbeit des Ventrikels und die VeIwceilzeit des Blutes im Ventrikel ifinunt zu. Die dhnensionslose Pumpaxbeit nimmt verglichen mit dem gesunden Herzen gr5t~ere Werte an. Trs mail in Abbildung 6.46 die dhnensionslose Pumpaxbeit O bezogen auf den ReferenzweI~ des gesunden Ventrikels O, ffir einen Patienten mit einem Aneurysma vor und nach der Ventrikelrekonstruktion trod nach einer viermonatigen Regenerationszeit fiber der Ejektionsfraktion E oder der Rey-nolds-Zahl ReD auf, erh~lt man im doppelt logarithmischen Maf~stab eine Gerade und damit das Potenzgesetz: O
Or
a. E b
(6.64)
mit der Konstanten a 50 und der Potenz b -0.95. Dabei zeigt auch ein Sportlerherz eh~en erhShten Wert der dimensionslosen Pumparbeit und liegt nahezu beim Wert des regenerierten operierten Ventrikels. Wie das Diagramm der Abbildung 6.46 zeigt, l~sst sich mit der dimensionslosen Pumpaxbeit und dem Potenzgesetz (6.64) eine quantitative strSmungsmechanische Bewertung vor und nach der Operation eines Patienten durchffihren. Dabei geht man davon aus, dass die Womersley-Zahl Wo n~herungsweise konstant ist. In Abbildung 6.47 sind die mit dem KAHMO-Herzmodell berechneten Stromlinienbilder im L~ngsschnitt der Ventrikel gezeigt. Das StrSmungsbild des gesunden Referenzherzens
0/0 9 O [] [] 9
1.0 9 0.1
0.2
0.3
0.4
0.5
gesund Or ~tlich vor OP nach OP 4 Monate
0.6
0.7 E
A b b . 6.46: Dimensionslose Pumparbeit O/O,. in Abh~ugigkeit der Ejektionsfraktion E, Referenzwert O,. 3.1 9 106
6.3 Herzoperationen
275
entspricht der Abbildung 6.39. Beide gezeigten Patienten litten nach einem Herzinfarkt an den gleichen pathologischen Symptomen und wurden ei,ler operativen Ventrikelrekonstruktion und einer Bypass-Operation zur besseren Versorgung der Herzkrazlzgef~i~e unterzogen. Die StrSmungsbereclmung zeigt bei beiden Patienten, dass sich zwar zu Beginn der Diastole der EinstrSmjet stromab der Mitralklappe mit dem charakteristischen Ringwirbel einstellt, dass sich aber im weiteren Verlauf der Diastole aufgrund des vergrSt~erten und nicht mehr konischen Ventrikelvolumens ein stark asymmetrischer Ringwirbel ausbildet und das Eindrehen in die Ventrikelspitze ausbleibt. Dadurch ist w~_rend der Systole die zeitliche Abfolge des Ausstoi~ens der Blutwirbel, wie beim gesunden Ventrikel, nicht
Abb. 6.47: Str6mungen im gesunden Referenzherz und von zwei Patienten vor und nach einer Ventrikelrekonstruktion
276
6 Blutkreislauf
mehr gew~ihrleistet. Dies ~iui~ert sich in einer verringerten Ejektionsfraktion, die beim Patienten 1 E 37 % und beim Patienten 2 E 15 % betr~igt. Durch die Ventrikelrekonstruktion wurde das Ventrikelvolumen der Patienten um ein Viertel bis ein Drittel verkleinert. Beim Patienten 1 wurde eine kugelsymmetrische ballfSrmige Ventrikelgeometrie und beim Patienten 2 eine l~gliche Geometrie aber ohne Benutzung des im vorangegangenen Kapitel beschriebenen Shapers gew~ihlt. Die Stromlinienbilder (nach OP) der Abbildung 6.47 zeigen, dass die ballfSrmige Ventrikelgeometrie die grSi~ten StrSmungsverluste aufweist. Es bildet sich w~ihrend der Diastole eine StaupunktstrSmung aus, was mit einer auf E 24 % verringerten Ejektionsfraktion einher geht. Die l~ingliche aber nicht konisch rekonstruierte Ventrikelgeometrie des Patienten 2 verbessert die Ejektionsfraktion auf E 25 %, die sich nach 4 Monaten Regeneration des Patienten auf E 28 % steigert und die in Abbildung 6.46 dargestellte Verbesserung der dimensionslosen Pumparbeit zeigt. Delmoch machen die Stromlinienbilder auch nach 4 Monaten Regeneration deutlich, dass sich wie beim Patienten 1 nahezu eine StaupunktstrSmung jedoch bei verringerter Geschwindigkeit ehmtellt und die Verzweigung im L~ingssctnfitt des gesunden Ventrikels nicht stattfindet. Die etwas ls Ventrikelform ermSglicht jedoch insbesondere nach der viermonatigen Regeneration ehmn efflzienteren Auswurf des Blutes hi den Aortenkanal w~hrend der Systole. Daraus kann man die Schlussfolgerung ziehen, dass eine Ventrikelrekonstruktion mit einer dem konischen gesunden Ventrikel nachgebildeten Shapergeometrie die besten postoperariven strSmungsmechanischen Werte liefert, die der gesunden dimensionslosen Pumparbeit 0/0,. 1 am n~chsten kommt.
6.3.2
Herzklappen
Die Funktion der Herzldappen und das im KAHMO-Herzmodell implementierte Klappenmodell haben wit bereits in Kapitel 6.2.4 beschrieben. Die Abbildung 6.48 zeigt in E r g ~ zung zur Abbildung 6.27 die Topografie der Klappenebene wfik~rend der Systole und der
Abb. 6.48: Topografie der Klappenebene
6.3 Herzoperationen
277
Diastole. Kommt es aufgrund von Ablagerungen oder Entzfindungen zu einer Klappenstenose oder Klappeninsuffizienz ist eine H e r z k l a p p e n o p e r a t i o n unumg~inglieh. Diese wird an einigen Kliniken minimalinvasiv mit einem Herzkatheter durehgeffihrt. Eine Klappenstenose liegt vor, wenn die Herzklappe sieh nieht vollstgndig 5finer und eine Klappeninsuffizienz, wenn die Klappe sieh nieht voUst~indig sehliegt. Eine Stenose der Mitralklappe bildet sieh aus, wenn die Klappensegel fiberlappen und nur ein Teil der 0ffnmlgsflgehe freigeben. Der dureh die Stenose erhShte Widerstand vermindert den diastolisehen Blutfluss. Der Druck im linken Ventrikel erhSht sieh von Herzzyklus zu Herzzyklus. Damit erhSht sieh aueh der Druekgradient zwisehen Vorhof und linkem Ventrikel bis sehlieglieh de Ventrikel aufgrund der erhShten Belastung dilatiert. Bei einer Mitralldappeninsuftizienz fliegt wfihrend der Systole ein Tell des Blutes in den linken Vorhof. Dabei wird der Druek des linken Ventrikels in den linken Vorhof iibertragen. Es kann zu einer Dehnung des linken Vorhofes kommen und fiber den Lungenkreislauf erhSht sieh die Volumenbelastung des reehten Vorhofes und der Druek im Lungenkreislauf. 0finer die Aortenklappe nieht vollstSmdig aufgrund einer Stenose, komlnt es zu einer erhShten Druekbelastung des linken Ventrikels und das Myokard vergrSgert sieh. Bei einer Aortenklappeninsuffizienz kommt es zu einer R/iekstrSlnung aus der Aorta in den Ventrikel. Dadureh sinkt der diastolisehe Aortendruek, was zu einer DruekerhShung im linken Ventrikel ffihrt. Um den Kreislauf aufreeht zu erhalten, erhSht sieh das systolisehe Sehlagvolumen im Laufe der Zeit und das Myokard vergrSgert sieh. Da die Versorgung mit Sauerstoff des vergrSfgerten Herzmuskels dureh die Herzkraxtzgef'Nge nur in gewissen Grenzen mSglieh ist, ist eine Herzklappenoperation unausweiehlieh. Die Abbildung 6.49 zeigt die gemessenen Gesehwindigkeitsverteilungen hinter der Aortenklappe ffir einen gesunden linken Ventrikel bei normalem und hohem Puls sowie bei Patienten mit einer Aortenldappeninsuffizienz beziehungsweise Stenose. Die maximale Blutgesehwindigkeit steigt bei der Stenose bis zu 5 m/s an. Dazu gehSrt eine maximale ReynoldsZahl von ReD 15000. Die StrSmung im Aortenkanal und im Ventrikel wird turbulent
~
J
5 4 IS
3 2 1 0 normal
normal
Insnmzienz
St~nosc
hoher Puts
A b b . 6.49: Blutgeschwindigkeitsverteilung hinter der Aortenldappe bei Insuft]zienz und Stenose, P. D. Stein et al. 1976
278
6 Blutkrelslauf
A b b . 6.50: Kiinstliche Herzklappen
und die StrSmungsverluste steigen an. Eine g/ingige Operationsmethode ist die Implantation kiinstlicher Herzldappen. Lange Zeit wurden f/Jr die kiinstliche Aortenklappe Riickschlagklappen mit kugeli'drmigen oder scheibenfSrmigen Klappen verwendet. Diese zeigten hohe Druckspitzen und ausgepr/igte RiickstrSmgebiete. Dies fiitn't in den StrSmungsbereichen geringer Scherraten (Abbildung 6.21) zur Aggregation der Erythrozyten und damit zur Thrombenbildung. In den Bereichen hoher Scherraten kommt es zur Verformung der Erythrozyten bis tfin zu deren Zerst5rung. Eine Verbesserung brachte die Pendelklappe (Bjork-Shiley), die sich jedoch aufgrund des Verschleiges der Ffihrungsbiigel und der Ger/iuschbel/istigung nicht bewfihrt hat. Die Weiterentwicldung f/ihrte zu den zweigeteilten beziehungsweise der nat/irlichen Herzklappe (Abbildung 6.50), deren Druckspitzen und RiickstrSmbereiche zwar deutlich verringert wurden, aber nicht vollstgndig zu vermeiden sind. Die Zukunft liegt bei gentectmisch hergestellten natiirlichen Herzklappen, deren StrSmungsverluste mininfiert werden. In Abbildung 6.51 ist eine zweigeteilte Pendelklappe sowie die experimentelle StrSmungsvisualisierung in einer Herz-Druckkalmner dargestellt, hn Laserlichtschnitt zeigen die Streichlinien der ge~ffneten Aortenklappe die Bereiche hoher Str5mungsgeschwindigkeit und grofger Scherraten sowie Bereiche der R/ickstrSmung stromab. Ist der Anstellwinkel der Klappen im geSffneten Zustand zu grog, lbst die Strbmung an der Vorderkante der Klappe ab und bildet ein grof~r/iumiges RiickstrSmgebiet, das aufgrund von Scherinsta-
A b b . 6.51: Str5mungsbild hinter einer Pendelklappe, F. Hirt 1994
6.3 Herzoperationen
279
bilit/iten turbulent wird und damit hShere StrSmungsverluste aufweist. Bei optimiertem Offnungswinkel wird die StrSmungsablSsung an der Vorderkante vemfieden, wenngleieh der Naehlauf periodiseh instabil wird.
6.3.3
Herzunterstfitzungssysteme
Wir kniipfen an die Ausffihrungen des einffihrenden Kapitels 1.4 fiber die kfinstliehen Herzen an, die seit 45 Jahren in tmtersctfiedlichsten Bauweisen implantiert werden. Da die mittlere Uberlebensdauer der Patienten zwisehen drei Monaten und einem Jahr liegen, propagieren wit Herzunterstfitzungssysteme, die zur Unterstiitzung der natfirlichen Ventrikelpumpleistung bei Vorliegen einer Herzinsuffizienz vor beziehungsweise naeh einer Ventrikelrekonstruktion ffir einen begrenzten Zeitraum zur Regeneration des mensehlichen Ventrikels eingesetzt werden (Abbildung 1.45). Als vielversprechenden neuen Ansatz haben wir in Kapitel 1.4 die W e l l e n p u m p e vorgestellt, die gegeniiber den Kreiselpumpen einen besseren Wirkungsgrad und ein besseres Verhalten bezfiglieh der Blutsehgdigung dureh Hgmolyse oder Thrombenbildung versprieht. Die Wellenpumpe der Abbildung 1.46 besteht lediglieh aus 8 meehanisehen und elektromagnetisehen Bauteilen. Die Sehen'aten der BlutstrSmung sind hundert mal kleiner als in Radial- oder Axialpumpen, was die Blutschgdigung dureh Hgmolyse deutlieh verringert. Eine tempor~ire StrSmungsablSsung tritt nieht anf, wodureh die Thrombenbildung im Blut bei einer geeigneten Besehiehtung der Oberfl~ichen vermieden wird. Die Wellenpumpe lgsst sieh dureh elektromagnetisehe Anregung entspreehend dem natfirliehen Kreislanf puMerend betreiben. Die Einkopplung der elektrisehen Energie erfolgt induktiv, so dass Durehffihrungen in den KSrper nieht erforderlieh sind.
Abb. 6.52: Rotationssymmetrische Wellenpumpe und deren Integration in das KAHMOHerzmodell
280
6 Blutkreislauf
Die Weiterentwicklung der Scheibenwellenpumpe zu einer rotationssymmetrischen Wellenpumpe eines Herzerg~inzungssystems ist in Abbildung 6.52 gezeigt. Die periodische Anregung der Schlauchmembran F(t) erfolgt axialsymmetrisch. Die WeUe pflanzt sich longitudinal entlang der Membran fort und beschleunigt das Blut auf die Geschwindigkeit u(t). Dabei wird ein Druck von 0.2 bar aufgebaut, der einen Volumenstrom von 5 - l0 l/rain bei einer Pumpenaustrittsgeschwindigkeit von 1 m/s garantiert. Wie bei der Scheibenwellenpumpe der Abbildung 1.46 betr/igt die Auslenkung der Schlauchmembran weniger als 2mm. Fiir die Auslegung und Optimierung dieses Herzerg/inzungssystems werden wie bei der StrSnmngsberechnung fin menschlichen Herzen die strSmung-strukturgekoppelten Gleichungen in ALE-Formulierung (3.189) numerisch gelSst. Das Membramnaterial und die Geh/iusewand m/issen irn Hinblick auf die H/imolyse und Thrombenbildung bestimmte physiologische Eigenschaften erf'tillen. Unter der H/imolyse versteht man die ZerstSrung der BlutkSrperchen miter dem Einfluss hoher Scherraten im StrSmungsgebiet. Dabei kann bei den roten BlutkSrperchen bei Scherkr/iften fiber 40 Pa aufgrund itLrer hohen Flexibilit/it das Zellinnere (H~moglobin) in das Blutplasma irreversibel iibertreten und die Erythrozyten verlieren die Fghigkeit Sauerstoff zu binden. Dieser Prozess h~ingt sowohl vonder Einwirkungszeit der hohen Scherraten auf die E ,rythrozyten ab als auch vonder H5he der Scherrate. Um dem Rechnung zu tragen wird die dimensionslose Schubspannung 7- definiert: 7-
Tma x
9t b
,
(6.65)
#eft
mit dem Maximalwert der Schubspannung Tma• im Str5mungsfeld, der Verweilzeit tb des Blutes in der Pumpe beziehungsweise im Ventrikel und der effektiven Z/ihigkeit #e~ des Blutes (6.47). Auch die dimensionslose Schubspannung h/ingt, wie die dimensionslose Pumparbeit O (6.63), yon der Reynolds-Zahl und der Womersley-Zahl ab:
7-
f(ReD, Wo)
(6.66)
Die maximale Schubspannung Tma• ermittelt man aus dem berechneten StrSnmngsfeld in der Pumpe und die Verweilzeit des Blutes tb durch die Lagrange-Integration eines massenlosen Teilchens. Es existiert ein Grenzwert der dimensionslosen Schubspannung To, der mit einem H'fimolysemodell bestimmt werden muss. Daffir gibt es in der Literatur mehrere Ans~itze, die auf experimentellen Ergebnissen beruhen und die Freisetzung des H~moglobins im Blur in Abh'fiagigkeit der Scherraten quantifizieren. Eines dieser Sctl~digungsmodeUe der Erythrozyten definiert den Sch/idigungswert D als Potenzansatz der Scherbelastung wb und der Belastungszeit tb.: D
3.62.10 5. to.Ts5.72.416
(6.67)
Es hat sich gezeigt, dass das Sch~digungsgesetz (6.67) eine obere Grenze darstellt. Im Kreislauf des mensehlichen K6rpers Fillt der reale Seh~digungswert geringer aus. F(ir die Str6mung in einer sprunghaften Rohrverengung wird mit der Lagrange-Integration von 20 Modellpartikeln der Wert D 1.3.10 5 bei der Reynolds-Zakl ReD 580 bereehnet. Mit alternativen verfeinerten Seh~idigungsmodellen werden durehaus Werte bereehnet, die bis zu einer GrS~enordnung kleiner ausfallen.
6.3 Herzoperationen
281
Neben der natfirlichen Blutgerinnung bei Gef~f~verletzungen kommt es an den Oberfl~chen der Herzerg~uzungssysteme und in tempor~ren BlutriickstrSmungen zur Thrombenbildung. Proteine absorbieren beim ersten Kontakt des Blutes mit der kfinstliehen Oberfl~che. Die Folge ist die Adh~ion yon Blutpls und die Bildung yon Thromben. Diese werden im Str6mungsfeld stromab geschwemmt und lagern sich in Rfickstr6mgebieten an. Wie bei der H~-nolyse l~st sich das Verh~tnis der angelagerten Thrombozyten zur Gesamtzahl der Thrombozyten als Potenzgesetz daxstellen: T
3.31
"
10 6 ~o.77 "
~ b
"
Tb~.os
(6.68)
Die Berechnung der Scherhistorie entlang ausgew~ihlter Partikelbahnen erfolgt analog zum H~molysemodell. Ffir das Herzerg~_zungssystem bedeutet dies, dass die Pumpenkammer und die Schlauchmembran ans einem beschichteten Material bestehen muss, das die Thrombenbildung verhindert und die Scherraten der StrSmung den H~h-nolysegrenzwert nicht fiberschreiten dfirfen. Fiir die Beschichtung werden Polymere insbesondere Polyurethan PUR verwendet, die eine homogene Zellschicht bilden und eine biokompatible Kontaktfl~che daxstellen. Die Herzunterstiitzungspumpe wird entsprechend den Abbildungen 1.45 und 6.52 parallel zum Ventrikel geschaltet. Dies gilt sowohl f/Jr die linksventrikul~re und rechtsventrikul~re Herzkammer. Bei der linksventrikul~ren Implantation wird die Pumpe zwischen dem Lungenflfigel und den Rippen positioniert. Die Synchronisation der Wellenpumpe erfolgt mit der Frequenz des natfirlichen Ventrikels. Durch Sensoren wird das Volumen im Ventrikel detektiert. Wixd die Bef'fillungskurve gegen Ende der Systole schw~her, wirft die Pumpe das erg~inzende Blut aus, so dass wie beim gesunden Ventrikel ein konstantes Auswurfvolumen von 70 ml anfrecht erhalten wixd. Dabei wird der zus~itzliche Volumenstrom abh~ingig vom Vorhofdruck fiber die Frequenz geregelt. Die Auswahl der optimalen strSmungsmechanischen Integration der Wellenpumpe in die linke Ventrikelspitze mit dem Zugang zum KSrperkreislauf in die Aorta erfolgt entsprechend der Abbildung 6.52 ffir jeden Patienten spezifisch mit dem KAHMO-Herzmodell vor der Operation. Zum Abschluss des Kapitels kommen wir auf unsere Ausffihrungen hn einfiihrenden Kapitel fiber die natfirliche Evolution und deren technische Umsetzung zurfick. Die Wellenherzpumpe ist mechaaisch wesentlich einfacher und strSmungsmechanisch effizienter als das natiirliche Herz. hltegriert man den Schwanzflossenschlag der Fische in einem Kmlal, kommt der Ingenieur zwangsls auf die Wellenpumpe Ms geeignete Pumpe fiir den Blutl~'eislauf. Warum die N a t u r demloch das komplexe natfirliche Herz mit einem auch noch schlechten str6mungsmechaaischen Wirkungsgrad entwickelt hat, bleibt ein l ~ t s e l .
282
Bezeichnungen A a a
[rn.2] [.~./$21 ['~/sl
B, b c ca cf
[m] [l [] [] [] [] [J/(kgK)]
~w
[l [-~./~]
D D, d
[m2/s] [m] [J/kg]
f f
[a/~l
~i
[N]
~ ~w
[N] [N] [] [N] []
~,"
C C,.
d H, h H h
J K K' k ks L L, l
[m] [%1 [JIk9 [m 4] [J/kg] [J/k9] [] [m] [W] [m]
-~.~/s~]
Flgche Beschleunigung Schallgeschwindigkeit Temperat urleitf'dhigkeit Breite Massenkonzentration Druckwiderstandsbeiwert Reibungsbeiwert Reibungswiderstandsbeiwert Druckbeiwert spezifische Wgrmekapazitgt bei konstantem Druck spezifische Wgrmekapazitgt bei konstantem Volumen Widerstandsbeiwert Geschwindigkeit in Stromfadenrichtung, Absolutgeschwindigkeit Diffusionskoeffizient Durchmesser, Lgnge Ejektionsfraktion spezifische innere Energie Kraft Verteilungsfunktion konvektiver Fluss Frequenz Auftriebskraft Druckkraft Impulskraft Nomlalkraft Tangentialkraft Widerstandskraft Froude-Zahl Gewichtskraft Grashof-Zahl dissipativer Fluss Erdbeschleunigung HShe H/imatokritwert spezifische Enthalpie Flgchentrggheitsmoment zeitlich gemittelte Turbulenzenergie Turbulenzenergie reduzierte Frequenz mittlere Saxtdkornrauhigkeit Leistung L/i~ge
283 l
[m]
M M MI
[l INto] [N.~]
rh Nu 0
[l
P P Pr
c2 c2 c2 q R 1~ r
Re Ra
[-q [1
[1/s ] [] [J/~l [Pal
[l P] [W]
[w/.~. ~l [d/(kgIs
[-q [l [l
8
[d/(kgK)]
8
[-q
8
Str T T t U
[l [Kl [~l [d
0 U UT
V V
[.~/~l [.~/~l
9 V
[.~/~1
W "W
Wo X X
[-~./d [1 [l Ira]
Mischungswegliinge Mach-Zahl Moment Impu]smoment Masse Massenstrom Nuf~elt-Zahl dimensionslose Pumpaxbeit Normalkoordinate Polytropenexponent Drehzahl Normalenvektor Leistung Druck Prandtl-Zatfl Quellenst~ke, Senkenst~rke W~memenge Heizleistung, W~irmemenge pro Zeiteinheit, W~irmestrom W~memenge pro Fl~chen- und Zeiteinheit spezifische Gaskonstante Radius Reynolds-Zahl l~yleigh-Zahl spezifische Entropie Spannweite Stromfadenkoordinate, Spaltbreite Strouhal-Zahl Temperatur Periodendauer Zeit Geschwindigkeit eines K6rpers in x-Richtung AnstrSmgeschwindigkeit L5sungsvektor Geschwindigkeitskomponente in x-Richtung Wandschubspannungsgeschwindigkeit Volumen Geschwindigkeit eines KSrpers in y-Richtung AnstrSmgeschwindigkeit Volumenstrom Geschwindigkeitskomponente in y-Richtung Geschwindigkeit svektor Geschwindigkeit eines KSrpers in z-Richtung AnstrSmgeschwindigkeit Geschwindigkeitskomponente in z-Richtung Womersley-Zahl Dampfgehalt kartesische Koordinate
284
-+
[-,.l []
A /',a At
[] [I/KI [m] [Jlkg] [J/'PI
Apv
[N/m ~]
5 5T
[m] lml
kaxtesische Koordinate km'tesische Koordinate dimensionslose Koordinate Winkel thermischer Ausdehmmgskoefllzient Dicke der viskosen Unterschicht spezifische Arbeit vohmenspezifische Arbeit Druckverlust Grenzschichtdicke
Temperaturgrenzschichtdicke
[J/(.Ps)]
,7 A
.~ ,~
[l [1 Ira] [1 [w/(mK) l
[Nsl m2
kg/(-~.~)l
[N~l.~. ~
kg/(.~.~)]
[1/s 2]
o p
IN/,,,,] [kg/-~. ~1 IN/.~. ~]
o * r / II
[1 [1/~1 [1 [1
Dissipationsrate Wirkungsgrad Wirbelst~kc, Zirkulation Verh~iltnis der spezifischen W~i~me, Isentropenexponent Wellerd~nge Verlustbeiwert WKrmeleitf'dhigkeit Wellenl~nge dynamische Viskosit~t turbulente Viskositgt kinematische Viskosit~t Potentialfunktion Dissipationsfunktion Stromfunktion Oberfl~chenspmmung Dichte charakteristische Zeit Schubspannung Wandschubspannung Winkel Drehung, Winkelgeschwindigkeit Winkel Verlustkoeffazient SchwankungsgrSge, St6rgrSge massengemittelte Schwaz~kungsgr6ge kritische GrSge, dimensionslose GrSge zeitlich gemittelte GrSge
285
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290
Sachwortverzeichnis Abl6seblase, 157 Abl6sung, 158 Abl6sefrequenz, 101 Abl6sekriterium, 155 Adh~ionskraft, 80 Adventitia, 8, 47 Aerodynamik, 137 Aggregation, 75, 248 Ahnlichkeit, 87, 93 Ahnlichkeit, dynamische, 95 Aneurysma, 245 Anfah_rwirbel, 147 Anisotropie, 122 Anstellwinkel, 139 Aorta, 19, 23, 132 Aortenbogen, 231 Aortenldappe, 21 Aortenklappeninsuffizienz, 270 Aortenldappenstenose, 269 Arbeit, 77 Archimedisches Prinzip, 84 Arterie, 8, 23, 47 Arterienerkrankungen, 243 Arterienerweiterung, 20 ArterienstrSmung, 230, 237 Arterienverzweigung, 231,240 Arterienwand, 47 Arteriole, 23 Arteriosklerose, 243 Auftrieb, 137, 146 Auftriebsbeiwert, 95, 138 Auftriebskraft, 84 Auftriebslinie, 152 Auftriebsverteilung, 148 Ausdehnungskoeitizient, 72 Ausdehnungskoeitizient, thermisch, 78 Ballon, 44 Bernoulli-Gleichung, 108 Beschleunigung, 72 Beule, 199 Bewegungsgleichung, 61,258 Bionic Car Konzept, 38 Bionik, 1
BiostrSmungsmechanik, 2, 71 Biot-Savart-Gesetz, 150 Blasius-Gesetz, 128 Blasius-Grenzschicht, 100, 105, 119 Blutgefiif~, 65, 233 Blutkreislauf, 19, 23, 40, 228 Blutplasma, 7, 74, 247 Blutpuls, 20 BlutstrSmung, 132 Blutzirkulation, 2 Casson-Gleichung, 75, 248 Couette-StrSmung, 73, 102 Cross-Modell, 249, 262 D~impfungshaut, 224 Deformation, 53 Deformationsvektor, 51 Dehnung, 51, 52 Dehnungs-Energiefunktion, 62 Dehnungsenergie, 86 Dehnungsenergie, elastisch, 62 Diastole, 22 Dichte, 72, 77 Differential, totales, 92 Diffusion, 76 Diffusionskoeffizient, 77 Dimensionsmlalyse, 93 Dissipationsbereich, 122 Druck, 72, 77, 109 Druck, dynamischer, 109 Druckbeiwert, 30, 106, 109 Drucld~raft, 40, 82, 105, 106, 109 Drucksprung, 79 Druckverlust, 127 Druckverlustbeiwert, 128 Druck~iderstand, 36, 105 Druckwiderstandsbeiwert, 107 Dynamik, 98 Eigenschaft, ldnematisch, 72 Eigenschaft, thermodynamisch, 72 EinflussgrSf~e, 67 Einlaufstr6mung, 19, 133 Einzeller, 15
291
Elastizit~itsmodul, komplexer, 60 Elektrokardiogramm, 257 EndothelzeUe, 8, 47 Energie, 84 Energie, imlere, 77 Energie, kinetische, 85, 109 Energie, potentielle, 86 Energiebilanz, 84 Energieeinsparung, 17 Enthalpie, 72, 77, 78 Entropie, 72, 77 Erregung, elektrisch, 256 Erregungsphysiologie, 259 Erythrozyt, 7, 74, 247, 251 Euler-Darstellung, 61 Euler-Gleichung, 98 Eulersche Betrachtung, 92 Evolution, 1, 26, 66 Evolutionsstrategie, 66, 67 Evolutionstheorie, 66, 67 Faser-Filmnent, 262 Feder, 5 Feinstrukturturbulenzmodell, 122 Ficksches Gesetz, 77 Fisch, 5, 16 Fitz-Hugh-Nagumo-Gleichungen, 261 Fliegen, 2: 5, 10, 11, 27, 165 Flossenschlag, 212 Fliigel, 137 Fliigel, adaptiv, 32, 197, 203 Fliigelschlag, 11, 27, 186 Fluidelement, 83 Formgebung, 219 Formwiderstand, 105 Fourier-Analyse, 121 Fouriersches Gesetz, 76 Fowler-Klappe, 189 Frank-Sterling-Gesetz, 256 Frequenz, reduzierte, 94 Froude-Zahl, 34 Gas, ideal, 78 Gasgleichung, ideal, 78 Gaskonstante, 78 Gesamtdruck, 109 Gesamtenergie, 77
Gesamtwiderstand, 36, 106 Gesamtwiderstandsbeiwert, 105, 107 Geschwindigkeit, 72, 109 Geschwindigkeitsvektor, 72 Gleichgewicht, thermodynanfisch, 77 Gleiten, 11 Gleitflug, 13, 179, 182 Gleitwinkel, 137 Greensche Dehnung, 52 Greenscher Dehnungstensor, 62 Grenzfl~ichenspannung, 78, 81 Grenzschichtabl6sung, 156 Grenzschichtdicke, 20, 110, 119 Grenzschichtgleichung, 99 GrenzschichtstrSmung, 31, 99 Grobstruktursimulation, 120, 121 Haftbedingung, 71, 73 Hagen-PoiseuiUe-Gesetz, 135 Hagen-Poiseuille-Str6mung, 103, 125 H~natokritwert, 69, 249 H~nolyse, 280 Hanggleiter, 27 Hauptsatz der Thermodynamik, 77 Haut, 65 Helmholtzsche Wirbelsfitze, 151 Herz, 19, 21 Herz, kiinstlich, 43 Herz, menschlich, 254 Herz-Kreislauf-System, 7 Herzldappe, 268, 276 Herzklappenoperation, 277 Herzmodell, 40 Herzmodell, dynamisch, 41 Herzoperation, 271 HerzstrSmung, 262 Herzton, 257 Herzunterstiitzungssystem, 279 HochauftriebstKlfe, 189, 196 Hochauftriebsklappe, 31 Hochleistungssegelflugzeug, 190 Hooksches Gesetz, 54, 55, 64 Horizontalflug, 182 Hubschrauber, 32, 190 Hufeisenwirbel, 150 Hydrostatische Grundgleichung, 83 Hysterese, 57
292 Impulstraxtsport, 72 Insekt, 11 Insektenflug, 165 Instabilitgt, 132, 158 Intima, 8, 47 KanalstrSmung, ausgebildet, 102 KapiUare, 23 Ks Wirbelstraige, 91 Kennzahl, 93 Kinematik, 87 Kirchhoffscher Spannungstensor, 62 Kollagenfaser, 48 Kompositmaterial, 47 Kontaktwinkel, 79 Kontinuit~itsgleichung, 71, 262 Konzentration, 76 Kopplung, explizit, 161 Kopplung, implizit, 162 KSrperkreislauf, 19 Kr/iftegleichgewicht, 83 Kraftfahrzeugaerodynamik, 38 Kreisfrequcnz, 91 Kreislaufmodell, 245 Kriechen, 57 Kr/iger-Vorderfl/igel, 189 Krfimmer, 130 Kutta-Joukowski-Bedingung, 145 Lagrange-Beschreibung, 61 Lagrange-Euler-Formulierung, 159 Lagrangesche Betrachtung, 92 Lagrangescher Sparmungstensor, 62 Lamg-Konstante, 55 Laminarflfigel, 190 Laminarhaltung, 219 Laminarisierung, 200 Landen, 188, 189 Large-Eddy-Simulation, 121 Leistung, 85 Leukozyt, 7, 74, 247 Libelle, 11 Lotuseffekt, 4, 26 Lungenkreislauf, 19 Mach-Zahl, 29 Massendiffusion, 72, 76 Massenkonzentration, 77
Massentransport, 76 Ma~xwell-Modell, 57 Media, 8, 47 Medium, dilatant, 74 Medium, pseudoelastisch, 74 Mikroblase, 37, 226 MikrostrSmung, 250 Mikrozirkulation, 19, 250 Miniaturroboter, 45 Minimalfl/iche, 80 Mischungsweglgnge, 114 Mitralldappe, 21 Mit ralklappenhlsuftizienz, 270 Moens-Korteweg-Geschwindigkeit, 239 Moment, 137 Motorflug, 28 MRT-phase mapping-Methode, 49 Muskelfasern, 254 Mutation, 66, 67 Mutations-Selektionsprinzip, 67 Mutationskriterium, 68 Myokard, 64 Nabla-Operator, 93 Natur, 281 Navier-Gleichung, 61, 62 Navier-Stokcs-Gleichung, 71, 98, 262 Newtonsches Medium, 73, 74 nicht-Newtonsches Medium, 74 Nikuradse-Diagramm, 128 Normalspannung, 51 Oberfl~iche, biologisch, 4 Oberfl~iche, selbstreinigend, 26 Oberfl~ichenkraft, 79 Oberfl~ichenspannung, 78, 80 Oberft/ichenstruktur, 5 Optimierung, 66 Orthotropie, 56 Paa'tialdichte, 76 Phasengeschwindigkeit, 91 Plattengrenzschicht, 110 PoiseuiJ_le-StrSmung, 102 Poisson-Verhgltnis, 55 Polare, 169 Polarendiagramm, 140, 141 Potentialgleichung, 98
293
Prandtl-Glauert-Regel, 138 Prandtlscher Mischungswegansatz, 113 Profil, 137 Profd, schlank, 150 Profilumstr6mung, 138, 145 pseudo Dehnungs-Energiefunktion, 63 pseudoelastisch, 63 Pulmonalklappe, 21 quasi-linear, 65 Rauigkeit, 128 Reibung, 72 Reibung, innere, 60 Reibungsbeiwert, 106, 107, 117, 119 Reibungskraft, 106 Reibungswiderstand, 36, 105 Relaxation, 57 Reynolds-Ansatz, 111 Reynolds-Gleiehung, 112 Reynolds-Zahl, 14, 94 Reynolds-Zahl, kritisehe, 110 Rezirkulationsgebiet, 157 Riblet, 220, 221 Riblet-Folien, 119 Rohrstr6mung, 125, 134, 233 Rohrstr6mung, ausgebildet, 103 Rohrstr6mung, elastisch, 234 Rohrstr6mung, turbulent, 128 Riickstogprinzip, 215 Riickstr6mgebiet, 101 Rfickstr6nkklappe, 32 Ruhedruck, 109 Scherkraft, 80 Schermodul, 55 Scherspammng, 51 Schiff, 34 Schlaggelenk, 192 Schlagvolumen, 23 Schubspannung, 103, 113, 115, 126 Schubspannungstensor, 72 SchwankungsgrSge, 112, 113, 120 Schwanzflossenschlag, 209, 211 Schwebeflug, 166, 179 Schweben, 11 Schwerkraft, 83 Schwimmen, 2, 10, 15, 16, 34, 205
Segelflug, 183 Segelflugzeug, 190 Sekundgrstr6mung, 19, 131, 132, 231 Selektion, 66 Selektionskriterium, 68 Selektionsmechanismus, 67 Shaper, 161, 163 Simulation, direkte, 120 Sinkpolare, 184 Spannung, 51 Spannungstensor, 51 Stab, 52 Starten, 188 Starthilfe, 188 Staustromlinie, 109 Stenose, 244 Stent, 44 Stokessche Schubspannung, 71 Stokesscher Reibungsansatz, 72 Stokessches Widerstandsgesetz, 100 Streichlinie, 89, 90 Stromlinie, 88, 90 Stromlinienk6rper, 107 StrSmung, anisotrop, 120 StrSmung, instationgr, 90 StrSmung, nicht-Newtonsch, 134 StrSmung, schleichend, 100 StrSmung, station/ix, 88, 108 StrSmung, transitionell, 19, 132 StrSmung, turbulent, 120 StrSmung-Struktur-Kopplung, 3, 99, 159 StrSmungsabl6sung, 130, 155 StrSmungskontrolle, 219 StrSmungswiderstand, 112 Strouhal-Zahl, 94 Strukturmodell, 175 Systole, 22 Taylor-Entwicldung, 114 Tectmik, 1 Teilehenbahn, 87, 90 Temperatur, 72, 77, 78 Thrombozyten, 7, 74, 247 Tierwelt, 25 Tollmien-Sehliehting-Welle, 110 Tragfltigel, 137, 150, 154 Tragfltigeltheorie, 145, 147
294 Tragflfigelumstr5mung, 143 Tr~igheitsbereich, 122 Transitionsprozess, 132 Transporteigenschaft, 72 Trikuspidalklappe, 21 Turbulenz, isotrop, 120, 122 Turbulenzflecken, 110 Turbulenzgrad, 112, 117 Turbulenzspektrum, 121
Wechselwirkungsgleichungen, 263 Welle, eben, 91 WeUenausbreitung, 239 Wellenbewegung, 209 Wellenpumpe, 44, 279 Wellenwiderstand, 143 Wellenzahl, 91, 121, 122 Widerstand, 105, 137 Widerstand, induzierter, 143 Widerstandsbeiwert, 36, 94, 105, 138 Widerstandskraft, 100, 105 Windeffekt, 179 Whlglet, 32, 197 Wirbel, energietragend, 122 WirbelablSsung, 101 Wirbelfilament, 150 Wirbelst~irke, 72 Wirbelsysteln, 148 Wh'kungsgrad, 85 Womersley-Zahl, 96, 97, 234
U-Boot, 36 Ubergang, 110, 111, 117 Unterschicht, viskose, 115, 117 Vena Cava, 23 Vene, 23, 232 Venenverzweigung, 232 Venolen, 23 Ventrikel, 21, 41,265 Ventrikelrekonstrnktion, 271,272 Ventrikelshaper, 163 Verh/iltnis der spezifischen Wgrmen, Verkehrsflugzeug, 190, 193 Verkehrsluftfahrt, 28 Verzweigung, 19 Viskoelastizit/it, 57 Viskositgt, 73 Viskosit/it, turbulente, 113 Vogel, 5, 12 Vogelflug, 174 Vogelfliigel, 175 Voigt-Modell, 58 Volumen, 77 Volumenelelnent, 84, 87, 114 Volumenreservoir, 21, 24 Vorhof, 21 Vortriebsarbeit, 84 Vorw~irtsflug, 11, 172, 186 Wandgesetz, logarithmisch, 117 Wandschubspannung, turbulent, 119 Wandstromlinie, 106 Wandturbulenz, 116 Wgrme, spezifische, 72 Wgrmeleitung, 72, 76 Wgrmestrom, 76 Wasserlfiufer, 81 Weber-Zahl, 36
78
Young-Modul, 55 Youngsche Gleichung, 80 Z~ihigkeit, dynamisch, 73 Z~thigkeit, kinematisch, 73, 76 Zentrifugalkraft, 130 Zielfunktion, 67 Zustandsgleichung, thermisch, 78